Handbuch Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten
0311
2015
978-3-7398-0367-8
978-3-8676-4494-5
UVK Verlag
Carsten Herbes
Christian Friege
Die Erneuerbaren Energien sind in Deutschland zu einem bedeutenden Industriezweig geworden und ein Motor für Innovation, Wachstum und Beschäftigung. Doch nicht nur in Deutschland: Weltweit stoßen sie als Alternative zu Kernkraft und fossilen Energieträgern vor. Doch wie lassen sich solche, sehr unterschiedlichen Projekte finanzieren?
Die Autoren geben einen Überblick über die unterschiedlichen Finanzierungsformen für Erneuerbare-Energie-Projekte und gehen auch auf die Risiken ein. So gibt der Band dem Leser Hilfestellungen bei der Vorauswahl geeigneter Finanzierungsformen und bei der spezifischen Risikoerfassung und -beurteilung. Zahlreiche Checklisten und Praxisbeispiele veranschaulichen den Stoff. Der modulare Aufbau, ein Glossar und ein Stichwortregister machen einen schnellen, einfachen Zugriff auf einzelne Inhalte möglich.
Die umfangreiche Themenspanne wird von fachkundigen Autorinnen und Autoren aus Unternehmen des Erneuerbare-Energien-Sektors, aus Banken und Versicherungen sowie aus Wissenschaft und Forschung abgedeckt.
Das Buch richtet sich an Praktiker in Unternehmen der EE-Branche, in Stadtwerken, Banken und Versicherungen. Es ist aber auch für Studierende der Energiewirtschaft und Erneuerbaren Energien geeignet.
<?page no="1"?> Carsten Herbes, Christian Friege (Hg.) Handbuch Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Projekten <?page no="3"?> Carsten Herbes, Christian Friege (Hg.) Handbuch Finanzierung von Erneuerbare-Energien- Projekten UVK Verlagsgesellschaft Konstanz · München <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. ISBN 978-3-86764-494-5 (Print) ISBN 978-3-7398-0367-8 (EPDF) Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2015 Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Coverbild: © psdesign1 - fotolia.com Druck und Bindung: fgb · freiburger graphische betriebe, Freiburg UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de <?page no="5"?> Vorwort Den Erneuerbaren Energien (EE) kommt im Kampf gegen den Klimawandel eine Schlüsselrolle zu. In vielen Ländern wird der Ausbau der EE seit Jahren engagiert vorangetrieben. Deutschland ist hier Vorreiter, wenngleich neben den Erfolgen im Stromsektor, wo inzwischen ein gutes Viertel der Energie aus EE bereitgestellt wird, andere Sektoren wie Wärme und Kraftstoffe etwas aus dem Blick geraten. Neben der Weiterentwicklung der Technologien zur Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen stehen die EE vor drei weiteren großen Herausforderungen: Erstens erfordert ein steigender Anteil der EE am Energiemix und die damit einhergehende veränderte politische Förderung eine stärkere Integration der EE in die Märkte. EE- Anbieter müssen heute in viel höherem Maße wettbewerbsfähige Angebote machen und Kunden überzeugen, für diese gegebenenfalls auch einen höheren Preis zu zahlen. Zum zweiten gilt es, die bislang hohe Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung aufrecht zu erhalten - trotz der in Deutschland beendeten Auseinandersetzung um die Atomenergie und trotz immer stärker sichtbar werdender Auswirkungen, z.B. auf das Landschaftsbild durch Stromtrassen und Windenergieanlagen. Und drittens muss die Finanzierung des weiteren Ausbaus der EE sichergestellt werden. Hier stellen insbesondere die sinkende öffentliche Förderung, die stärkere Marktintegration und die damit einhergehenden neuen Risiken alle Beteiligten vor neue Aufgaben. Der vorliegende Band widmet sich dieser dritten großen Herausforderung, der Sicherstellung der Finanzierung des weiteren Ausbaus der EE. Inklusive der Investitionen für die Integration der EE in das Gesamtsystem fallen allein bis 2020 für die Energiewende laut einer Studie von Roland Berger Strategy Consultants Investitionen in Höhe von 160 - 210 Mrd. Euro an. Eine gewaltige Summe, die aufzubringen Anstrengungen einer Vielzahl von Akteuren und des Einsatzes eines ganzen Portfolios von Finanzierungsinstrumenten bedarf. Ziel des Buches ist zum einen, die Voraussetzungen für die Finanzierung von EE- Projekten aufzuzeigen, insbesondere die Rollen und Ansprüche verschiedener Akteure sowie die mit den Projekten verbundenen Risiken. Zum zweiten sollen die Instrumente für Finanzierung und Risikomanagement vorgestellt und anhand von Fallstudien illustriert werden. Den an der Finanzierung von EE-Projekten Beteiligten wie Projektentwicklern, Banken, Versicherungen und anderen Akteuren der Finanzwirtschaft wird damit ein Werkzeug an die Hand gegeben, mit dem verschiedene Optionen zur Finanzierung eines Projektes durchdacht werden können. Die Kapitel zu den Risiken ermöglichen eine kritische Prüfung des eigenen Projekts. Außerdem bieten die Beiträge eine Möglichkeit, sich z.B. als Projektentwickler in die Rolle der jeweiligen anderen Beteiligten, z.B. der Banken, zu versetzen und deren Entscheidungskalkül besser nachvollziehen zu können. Im ersten Teil „Grundlagen und Rahmenbedingungen“ spannen Friese und Dickhoff in ihrem Beitrag die grundsätzlichen Strukturen der Projektfinanzierung auf. In diesem Rahmen können viele der folgenden Beiträge und Instrumente verortet werden. Henzelmann zeigt die großen Linien des Umbruchs des Energiesystems auf, quantifiziert <?page no="6"?> 6 Vorwort den Investitionsbedarf und stellt die möglichen Kapitalgeber im Zusammenhang dar. Neugebauer gibt einen Überblick über den Markt für EE-Finanzierungen in Deutschland und die Rollen verschiedener Akteure. Friege und Voss schließlich beleuchten die Motive von Privatinvestoren, die zur Finanzierung der deutschen Energiewende einen entscheidenden Beitrag geleistet haben. Der zweite Teil des Buches ist ganz den Risiken von EE-Projekten gewidmet. Diese sind ein ganz entscheidender Aspekt bei der Beurteilung von Projekten durch potenzielle Investoren. Da die Risiken je nach Erzeugungsart sehr verschieden sein können, wird hier die Betrachtung zum Teil nach Erzeugungsarten differenziert. Valentin und Antonow analysieren in ihrem Beitrag die politischen und rechtlichen Risiken von EE- Projekten. Angesichts der immer noch starken Abhängigkeit vieler EE-Projekte von staatlicher Förderung können hier entscheidende Risiken für nahezu jedes EE-Projekt liegen. Bock geht auf Risiken aus Projektverträgen ein. Ein EE-Projekt beinhaltet meist eine Vielzahl von Verträgen mit Projektbeteiligten von der Grundstückssicherung bis hin zu den Verträgen mit den Technologiepartnern. Die nun folgenden Kapitel behandeln die spezifischen technischen und kommerziellen Risiken bestimmter Erzeugungsarten. Hierbei werden sowohl Risiken in der Errichtung als auch Risiken im Betrieb beleuchtet. Herbes und Scholwin behandeln Anlagen zur Erzeugung von Biogas und solche zur Verbrennung fester Biomasse. Lüdtke analysiert Risiken bei Biokraftstoffprojekten, sowohl im Bereich Biodiesel als auch im Bereich Bioethanol. Gödel und Jäger widmen sich den Risiken von Offshore-Windenergie-Projekten. Trotz grundsätzlich ähnlicher Technologie sind diese wesentlich verschieden von denen in Onshore-Projekten. Dieser Teil des Buches schließt mit dem Beitrag von Wehrhahn, der Risiken von Solarprojekten im Detail betrachtet. Die im zweiten Teil aufgezeigten Risiken müssen von den Projektbeteiligten professionell gehandhabt werden. Deshalb werden im dritten Teil des Buches Instrumente des Risikomanagements behandelt. Härig widmet sich in seinem Beitrag vor allem dem Versicherungsmanagement, ein unverzichtbares Instrument jedes EE-Projektes. Bloss und Ernst zeigen verschiedene Finanzmarktinstrumente auf, die im Risikomanagement von EE-Projekten eingesetzt werden können. Dabei kommen auch innovative Instrumente wie Wetterderivate zur Sprache. Der vierte Teil des Buches zeigt das Spektrum der möglichen Finanzierungsinstrumente für EE-Projekte. Den Anfang macht Otterbach mit geschlossenen Fonds, einem wichtigen Instrument, das in Deutschland vielfach zum Einsatz gekommen ist. Bornholdt und Friege beleuchten mit Genussrechten eine Finanzierungsform, die in letzter Zeit vor dem Hintergrund des Prokon-Falls vor allem kritisch diskutiert wurde. Marcks und Hauke zeigen die speziellen Anforderungen und die Ausgestaltungsmöglichkeiten von Darlehen im Rahmen der Projektfinanzierung von EE-Vorhaben auf. Mit Project Bonds wird von de Boer ein alternatives Finanzierungsinstrument vorgestellt. Glaser und Storz widmen sich mit den Bürger-Energiegenossenschaften einer Finanzierungsform, die in den letzten Jahren in Deutschland ein stürmisches Wachstum erlebt hat und in der Bevölkerung hohe Akzeptanz genießt. Gasior und Schittenhelm runden das Portfolio der Finanzierungsinstrumente mit der Darstellung verschiedener Fördermöglichkeiten ab. <?page no="7"?> Vorwort 7 Im letzten Teil des Buches werden schließlich zwei Fallstudien präsentiert. Holstenkamp stellt die Inhaberschuldverschreibung von Hamburg Energie Solar vor, und Clausen führt mit dem Fall Energiegenossenschaft Mitarbeiter Unilever e.G. die Finanzierungsform der Belegschaftsgenossenschaft ein, die noch am Anfang ihrer Entwicklung steht aber hohes Entwicklungspotenzial bietet. Wir danken allen Kapitelautoren, die mit hohem Engagement sowie ihrem konzeptionellen und vor allem umfangreichen praktischen Wissen dieses Buch ermöglicht haben und damit einen Beitrag zum weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien leisten. Unseren Ansprechpartnern bei UVK, insbesondere Herrn Dr. Schechler, gebührt ebenso Dank für die exzellente Betreuung wie Frau Bartels für die sorgfältige Erstellung der Abbildungen. Der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, vor allem dem Dekan der Fakultät FBF, Prof. Dr. Reinert, danken wir für die Bereitstellung von Ressourcen für die Erstellung des Buches. Nürtingen/ Stuttgart im November 2014 Carsten Herbes Christian Friege <?page no="9"?> Inhaltsübersicht Vorwort .........................................................................................................................................5 Prof. Dr. Carsten Herbes, HfWU Nürtingen-Geislingen, und Dr. Christian Friege, Unternehmensberatung Dr. Friege Teil I: Grundlagen und Rahmenbedingungen ............................................................. 29 1. Grundlagen der Projektfinanzierung ..................................................................... 31 Dr. Thomas Friese, Nokia Solutions and Networks, und Nils Dickhoff, Siemens Financial Services 2. Finanzierung und Finanzierbarkeit der Energiewende ....................................... 47 Prof. Dr. Torsten Henzelmann, Roland Berger Strategy Consultants, Umwelt- Campus Birkenfeld, Hochschule Trier 3. Der Markt für Erneuerbare-Energien-Finanzierungen in Deutschland .......... 75 Dr. Matthias Neugebauer, LBBW 4. Motive von Privatinvestoren bei Investitionen in EE-Projekte....................... 89 Dr. Christian Friege, Unternehmensberatung Dr. Friege, und Heiko Voss Teil II: Risiken in Erneuerbare-Energien-Projekten ............................................... 107 5. Politische und rechtliche Risiken von Erneuerbare-Energien-Projekten ..... 109 Dr. Florian Valentin und Dr. Katrin Antonow, von Bredow Valentin Herz Rechtsanwälte 6. Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau............................ 137 Volker Bock, Noerr LLP 7. Technisch-kommerzielle Risiken im Betrieb von Biogasanlagen und Anlagen zur Verbrennung fester Biomasse ........................................................ 175 Prof. Dr. Carsten Herbes, HfWU Nürtingen-Geislingen, und Prof. Dr.-Ing. Frank Scholwin, Institut für Biogas, Kreislaufwirtschaft und Energie 8. Technische und kommerzielle Risiken von Biokraftstoffprojekten ............... 201 Dr. Oliver Lüdtke, VERBIO Vereinigte BioEnergie AG 9. Technisch-kommerzielle Risiken bei Offshore-Windenergie .......................... 227 Stefan Gödel, Sebastian Jäger, AlixPartners 10. Technisch-kommerzielle Risiken von Solar-Projekten ..................................... 243 Heiko Wehrhahn, juwi Energieprojekte GmbH <?page no="10"?> 10 Inhaltsübersicht Teil III: Instrumente des Risikomanagement in Erneuerbare-Energien- Projekten ................................................................................................................................. 261 11. Risiko- und Versicherungsmanagement für Erneuerbare Energien ............... 263 Dr. Michael Härig, Marsh GmbH Düsseldorf 12. Zinsderivate, Rohstoffderivate und Wetterderivate .......................................... 277 Michael Bloss, Commerzbank, und Prof. Dr. Dr. Dietmar Ernst, HfWU Nürtingen-Geislingen Teil IV: Finanzierungsinstrumente für Erneuerbare-Energien-Projekte .......... 295 13. Geschlossene Fonds als Instrument zur Finanzierung von Erneuerbare- Energien-Projekten ................................................................................................. 297 Prof. Dr. Andreas Otterbach, Hochschule der Medien, Stuttgart 14. Genussrechte zur Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Projekten ........ 311 Dr. Karsten Bornholdt, Nörenberg Schröder Rechtsanwälte, und Dr. Christian Friege, Unternehmensberatung Dr. Friege 15. Darlehen als Instrument zur Finanzierung von Erneuerbare-Energien- Projekten................................................................................................................... 329 Christian Marcks, Nathan Hauke, GLS Gemeinschaftsbank eG 16. Project Bonds - Alternative Finanzierung von Projekten im Bereich der Erneuerbaren Energien .......................................................................................... 345 Dr. Anne de Boer, Partnerin HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK 17. Bürger-Energiegenossenschaften ........................................................................ 367 Dr. Roman Glaser und Nico Storz, Baden-Württembergischer Genossenschaftsverband e.V. 18. Öffentliche Fördermittel als Baustein der Finanzierung von EE-Projekten .......................................................................................................... 385 Steffen Gasior, Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg und Prof. Dr. Frank Andreas Schittenhelm, HfWU Nürtingen-Geislingen Teil V: Fallstudien ............................................................................................................... 401 19. Fallstudie 1: Die Inhaberschuldverschreibung von Hamburg Energie Solar ........................................................................................................................... 403 Lars Holstenkamp, Leuphana Universität Lüneburg 20. Fallstudie 2: Die Energiegenossenschaft Mitarbeiter Unilever e.G. ............... 415 Dr. Jens Clausen, Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit <?page no="11"?> Inhalt Vorwort......................................................................................................................................... 5 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ................................................................................... 19 Autorenverzeichnis ................................................................................................................... 22 Teil I. Grundlagen und Rahmenbedingungen ....................................................... 29 1 Grundlagen der Projektfinanzierung .............................................................31 1.1 Einleitung und Überblick...................................................................................... 31 1.2 Anwendungsgebiete der Projektfinanzierung.................................................... 34 1.2.1 Beweggründe........................................................................................................... 34 1.2.2 Voraussetzungen .................................................................................................... 36 1.3 Risikotragfähigkeit − zentrales Element der Projektfinanzierung ................. 37 1.3.1 Risikoidentifikation und Risikominimierungsmaßnahmen ............................. 38 1.3.2 Wichtige Analyseinstrumente und Strukturierung ............................................ 40 1.3.3 Finanzierungsinstrumente..................................................................................... 43 Literatur.................................................................................................................... 46 2 Finanzierung und Finanzierbarkeit der Energiewende .......................... 47 2.1 Energiepolitische Ziele der Bundesregierung .................................................... 48 2.2 Energiesystem im Umbruch ................................................................................. 49 2.2.1 Rückblick ................................................................................................................. 49 2.2.2 Dezentralisierung.................................................................................................... 50 2.2.3 Herausforderungen der Umbruchphase............................................................. 51 2.2.4 Nebeneinander und Gegeneinander zentraler und dezentraler Strukturen.. 52 2.3 Investitionsbedarf für die Transformation des Energiesystems..................... 54 2.4 Kapitalgeber für die Infrastruktur im Stromsektor .......................................... 58 2.4.1 Finanzierungsrelevante Merkmale von Erneuerbare-Energien-Anlagen...... 58 2.4.2 Überblick Investorengruppen .............................................................................. 59 2.4.3 Institutionelle Investoren ...................................................................................... 64 2.5 Kooperation der Kapitalgeber ............................................................................. 69 2.5.1 Offshore Windpark „Butendiek“ ........................................................................ 70 2.5.2 Stadtwerke als Partner ........................................................................................... 70 2.6 Rahmenbedingungen für Investitionen .............................................................. 71 Literatur.................................................................................................................... 73 3 Der Markt für Erneuerbare-Energien-Finanzierungen in Deutschland........................................................................................................................... 75 3.1 Betrachtete Finanzierungsarten und Sektoren................................................... 75 3.1.1 Finanzierungsarten ................................................................................................. 75 3.1.2 Sektoren ................................................................................................................... 76 <?page no="12"?> 12 Inhalt 3.2 Voraussetzung für die Finanzierbarkeit von Photovoltaik- und Windenergieinvestitionen ............................................................................................... 76 3.3 Die neuere Entwicklung des EEG...................................................................... 78 3.3.1 Aktuelle Entwürfe zum EEG 2014..................................................................... 78 3.3.2 Übergangsregelungen zum neuen EEG ............................................................. 79 3.4 Marktvolumina........................................................................................................ 79 3.4.1 Finanzierungen unter dem EEG bis 2014 ......................................................... 79 3.4.2 Auswirkungen des neuen EEG 2014.................................................................. 82 3.5 Marktteilnehmer ..................................................................................................... 83 3.5.1 Kreditnehmer.......................................................................................................... 83 3.5.2 Fremdkapitalgeber von EE-Projekten................................................................ 85 3.6 Fördermittel............................................................................................................. 85 Literatur.................................................................................................................... 87 4 Motive von Privatinvestoren bei Investitionen in EE-Projekte ............ 89 4.1 Demokratisierung der Stromerzeugung ............................................................. 89 4.2 Vom magischen Dreieck zum magischen Viereck: Investitionsüberlegungen verändern sich................................................................................ 90 4.3 Privatinvestoren in EE-Projekten ....................................................................... 92 4.4 Investoren und ihre Investitionsmotive ............................................................. 94 4.4.1 Empirische Evidenz von Investitionsmotiven .................................................. 94 4.4.2 Finanzielle Investitionsmotive ............................................................................. 96 4.4.3 Nicht-finanzielle Investitionsmotive ................................................................... 99 4.5 Fallbeispiel Bürgerwindpark Bendorf-Oersdorf ............................................. 101 4.6 Rendite und Nachhaltigkeit ................................................................................ 104 Literatur.................................................................................................................. 104 Teil II: Risiken in Erneuerbare-Energien-Projekten............................................ 107 5 Politische und rechtliche Risiken von Erneuerbare-Energien- Projekten .............................................................................................................. 109 5.1 Einleitung............................................................................................................... 110 5.2 Die rechtliche Due Diligence bei der Finanzierung von EE-Projekten ..... 111 5.2.1 Ziele und Ablauf der rechtlichen Due Diligence ............................................ 112 5.2.2 Inhalte der rechtlichen Due Diligence .............................................................. 113 5.3 Rechtsänderungsrisiko − das EEG im Wandel .............................................. 115 5.3.1 Die Entwicklung des EEG und seiner Ziele ................................................... 115 5.3.2 Die Grundprinzipien des EEG.......................................................................... 116 5.3.3 Das Fördermodell ................................................................................................ 117 5.3.4 Eigenversorgung................................................................................................... 121 5.3.5 Bestandsschutz durch Übergangsbestimmungen ........................................... 123 5.3.6 Ausblick: Umstellung auf Ausschreibungsmodelle ........................................ 125 <?page no="13"?> Inhalt 13 5.4 Gesellschaftsrechtliche Risiken .......................................................................... 126 5.4.1 Wahl der Gesellschaftsform bei Bürgerbeteiligung ........................................ 126 5.4.2 Wirksame Gründung aller maßgeblichen Gesellschaften.............................. 128 5.4.3 Anwendbarkeit des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) bei Bürgerbeteiligung.............................................................................................................. 129 5.4.4 Anwendbarkeit des Vermögensanlagegesetzes (VermAnlG) bei Bürgerwindparks............................................................................................................... 129 5.5 Genehmigungsrechtliche Risiken ...................................................................... 130 5.5.1 Genehmigungserfordernisse............................................................................... 130 5.5.2 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) -Genehmigungen ................... 131 5.5.3 Baurechtliche Genehmigungen.......................................................................... 133 5.5.4 Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)............................................................. 134 5.5.5 Risiken bei fehlender Bestandskraft von Genehmigungen ........................... 135 Literatur.................................................................................................................. 136 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau .............. 137 6.1 Einleitung............................................................................................................... 138 6.2 Grundstückssicherung ......................................................................................... 139 6.2.1 Zu sichernde Grundstücke ................................................................................. 139 6.2.2 Zeitpunkt der Grundstückssicherung ............................................................... 140 6.2.3 Eigentum ............................................................................................................... 140 6.2.4 Erbbaurecht........................................................................................................... 142 6.2.5 Mietverträge........................................................................................................... 143 6.2.6 Dienstbarkeiten..................................................................................................... 148 6.2.7 Reallasten ............................................................................................................... 153 6.2.8 Eigentumserwerb des Grundstückseigentümers durch Verbindung........... 153 6.2.9 Widerruf von Grundstücksverträgen mit Verbrauchern ............................... 157 6.2.10 Eintrittsrechte und Vormerkungen für den Kapitalgeber ............................. 157 6.2.11 Besonderheiten bei Verträgen mit der öffentlichen Hand ............................ 162 6.2.12 Besonderheiten bei Offshore-Windanlagen .................................................... 163 6.3 Errichtung und Betrieb ....................................................................................... 164 6.3.1 Projektentwicklungs- und andere Vorfeldverträge ......................................... 164 6.3.2 Bau und Planung .................................................................................................. 165 6.3.3 Lieferverträge und § 377 HGB .......................................................................... 170 6.3.4 Herstellergarantien für Komponenten ............................................................. 171 6.3.5 Wartungs- und Betriebsführungsverträge ........................................................ 172 Literatur.................................................................................................................. 172 7 Technisch-kommerzielle Risiken im Betrieb von Biogasanlagen und Anlagen zur Verbrennung fester Biomasse ...................................... 175 7.1 Einleitung............................................................................................................... 175 7.2 Technische und biologische Risiken ................................................................. 176 7.2.1 Technische Risiken aus der Anlagendimensionierung ................................... 177 <?page no="14"?> 14 Inhalt 7.2.2 Technische Risiken aus dem Anlagenbetrieb .................................................. 180 7.2.3 Biologische Risiken aus dem Anlagenbetrieb .................................................. 183 7.2.4 Management-Risiken aus dem Anlagenbetrieb ............................................... 185 7.2.5 Übersicht über die Risiken.................................................................................. 185 7.3 Kommerzielle Risiken ......................................................................................... 187 7.3.1 Risiken in den Ertragspositionen....................................................................... 187 7.3.3 Risiken in den Aufwandspositionen.................................................................. 194 7.3.4 Auswirkungen der Einzelrisiken im Vergleich ................................................ 199 Literatur.................................................................................................................. 200 8 Technische und kommerzielle Risiken von Biokraftstoffprojekten.. 201 8.1 Einleitung............................................................................................................... 201 8.2 Technische Risiken .............................................................................................. 203 8.3 Kommerzielle Risiken ......................................................................................... 207 8.3.1 Risiken in den Ertragspositionen....................................................................... 208 8.3.2 Risiken in den Aufwandspositionen.................................................................. 213 8.4 Risiken in den gesetzlichen Randbedingungen ............................................... 221 8.5 Auswirkungen der Einzelrisiken im Vergleich ................................................ 223 Literatur.................................................................................................................. 226 9 Technisch-kommerzielle Risiken bei Offshore-Windenergie............. 227 9.1 Einleitung............................................................................................................... 227 9.2 Herausforderungen und technische sowie kommerzielle Risiken für die Offshore-Windenergie......................................................................................... 228 9.2.1 Entfernung von der Küste.................................................................................. 229 9.2.2 Risiken auf Grund der Witterungsbedingungen ............................................. 231 9.2.3 Technische und kommerzielle Risiken auf Grund des hohen Neuigkeitsgrads........................................................................................................................ 233 9.2.4 Kommerzielle Risiken auf Grund des hohen Fixkostenanteils .................... 237 9.2.5 Risiken auf Grund der Komplexität der Gewerke und Zulieferströme...... 239 9.2.6 Risiken durch exogene Faktoren ....................................................................... 239 9.3 Zusammenfassung der technisch-kommerziellen Risiken und Ableitung der kritischen Erfolgsfaktoren ........................................................................... 241 10 Technisch-kommerzielle Risiken von Solar-Projekten ......................... 243 10.1 Einleitung und Überblick.................................................................................... 243 10.2 Erneuerbare Energien Gesetz von 2012 und 2014 (p) .................................. 244 10.3 Technische und kommerzielle Risiken vor und während der Bauphase .... 246 10.3.1 Wesentliche Komponenten einer PV-Anlage ................................................. 248 10.3.2 Bauphase ................................................................................................................ 250 10.4 Technische Risiken während der Betriebsphase ............................................. 252 10.5 Kommerzielle Risiken während der Betriebsphase ........................................ 253 10.5.1 Ertragsseite von PV-Freiflächenanlagen .......................................................... 253 10.5.2 Ausgabenseite von PV-Freiflächenanlagen...................................................... 255 <?page no="15"?> Inhalt 15 10.5.3 Finanzierung von PV-Freiflächenanlagen........................................................ 257 Literatur.................................................................................................................. 260 Teil III: Instrumente des Risikomanagement in Erneuerbare-Energien- Projekten.................................................................................................. 261 11 Risiko- und Versicherungsmanagement für Erneuerbare Energien ............................................................................................................... 263 11.1 Einleitung............................................................................................................... 264 11.2 Kernfragen des Risiko- und Versicherungsmanagements............................. 265 11.2.1 Was kann geschädigt werden? ............................................................................ 265 11.2.2 Wann entstehen Risiken? .................................................................................... 266 11.2.3 Welche Maßnahmen sind zur Schadensabwehr zu treffen? .......................... 266 11.2.4 Wer trägt die Risiken? .......................................................................................... 266 11.2.5 Welche Versicherungen sind zu berücksichtigen? .......................................... 267 11.2.6 Wer sollte versichern? .......................................................................................... 268 11.2.7 Wie versichern? ..................................................................................................... 268 11.3 Sachversicherungen.............................................................................................. 269 11.3.1 Versicherte Sache ................................................................................................. 269 11.3.2 Versicherungsort .................................................................................................. 270 11.3.3 Versicherter Zeitraum ......................................................................................... 271 11.3.4 Versichertes Interesse .......................................................................................... 271 11.3.5 Versicherte Gefahren........................................................................................... 271 11.3.6 Entschädigung des Sachschadens...................................................................... 273 11.3.7 Entschädigung des Betriebsunterbrechungsschadens.................................... 274 11.4 Haftpflichtversicherung....................................................................................... 275 Literatur.................................................................................................................. 276 12 Zinsderivate, Rohstoffderivate und Wetterderivate................................ 277 12.1 Einleitung............................................................................................................... 278 12.2 Zinsrisikomanagement ........................................................................................ 279 12.2.1 Ziele des Zinsänderungsrisikomanagements ................................................... 280 12.2.2 Zinsänderungsrisikomanagement bei Vertragsabschluss .............................. 280 12.2.3 Instrumente zur Absicherung des Zinsänderungsrisikos .............................. 280 12.3 Rohstoffderivate ................................................................................................... 282 12.3.1 Auf welche Waren können Termingeschäfte abgeschlossen werden? ........ 282 12.3.2 Märkte für Rohstoffe ........................................................................................... 283 12.3.3 Instrumente zur Absicherung des Rohstoffrisikos ......................................... 284 12.3.4 Wie kommt bei Warentermin-Futures die Preisbildung zustande? ............. 285 12.3.5 Hedgingstrategien von Rohstoffrisiken ............................................................ 286 12.4 Wetterderivate....................................................................................................... 288 12.4.1 Management von Wetterrisiken ......................................................................... 288 <?page no="16"?> 16 Inhalt 12.4.2 Basiswerte bei Wetterderivaten .......................................................................... 289 12.4.3 Instrumente zur Absicherung des Wetterrisikos............................................. 291 Literatur.................................................................................................................. 293 Teil IV: Finanzierungsinstrumente für Erneuerbare-Energien-Projekte.......... 295 13 Geschlossene Fonds als Instrument zur Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Projekten................................................................. 297 13.1 Einleitung............................................................................................................... 297 13.1.1 Begriff Geschlossene Fonds............................................................................... 297 13.1.2 Vor- und Nachteile geschlossener Fonds ........................................................ 298 13.2 Erneuerbare Energien-Fonds (EE-Fonds) ...................................................... 300 13.3 Konstruktion eines geschlossenen EE-Fonds ................................................ 304 13.4 Entwicklung der Finanzierung von EE-Fonds über geschlossene Fonds . 305 13.5 Vertrieb eines EE-Fonds .................................................................................... 306 Literatur.................................................................................................................. 309 14 Genussrechte zur Finanzierung von Erneuerbare-Energien- Projekten ...............................................................................................................311 14.1 Einleitung............................................................................................................... 311 14.2 Definitionen .......................................................................................................... 312 14.3 Regulatorischer Rahmen für Genussrechte ..................................................... 313 14.3.1 Allgemeine Rechtsvorschriften für Genussrechte .......................................... 313 14.3.2 Bilanzierung von Genussrechten....................................................................... 314 14.3.3 Steuerliche Behandlung von Genussrechten ................................................... 315 14.4 Genussrechte als Mezzanine-Finanzierung von Erneuerbare-Energie- Projekten................................................................................................................ 316 14.4.1 Ziele der Ausgabe von Genussrechten für die Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten......................................................................... 316 14.4.2 Ausgestaltung von Genussrechten zur Finanzierung von Erneuerbare- Energie-Projekten................................................................................................. 318 14.5 Chancen und Risiken - aus der Sicht von Projektinitiatoren und von Investoren.............................................................................................................. 326 14.5.1 Chancen und Risken aus Investorenperspektive ............................................ 326 14.5.2 Herausforderungen für Projektinitiatoren ....................................................... 327 Literatur.................................................................................................................. 328 15 Darlehen als Instrument zur Finanzierung von Erneuerbare- Energien-Projekten........................................................................................... 329 15.1 Einleitung und Überblick.................................................................................... 329 15.2 Arten der Darlehensfinanzierung und ihre Ausformungen .......................... 331 15.2.1 Darlehens- und Tilgungsarten............................................................................ 331 15.2.2 Auswirkungen auf Rendite und Ausschüttungen ........................................... 333 15.2.3 Auswirkungen auf Kapitaldienstdeckungsgrad (DSCR) und Blankoanteil 334 <?page no="17"?> Inhalt 17 15.2.4 Bewertung der Darlehensformen aus Sicht des Investors und der Bank ... 334 15.2.5 Veranschaulichung anhand eines Projektbeispiels.......................................... 335 15.3 Zinsmethoden - variabler Zins vs. Zinsbindung und Anschlusszins ......... 338 15.3.1 Zinsmethoden....................................................................................................... 338 15.3.2 Festzins, variabler Zins........................................................................................ 339 15.3.3 Zinssicherung........................................................................................................ 340 15.4 Fördermöglichkeiten............................................................................................ 341 15.5 Wesentliche Entwicklungen ............................................................................... 343 Literatur.................................................................................................................. 344 16 Project Bonds - Alternative Finanzierung von Projekten im Bereich der Erneuerbaren Energien ........................................................... 345 16.1 Strukturen von Project Bonds in der Gesamtfinanzierung........................... 347 16.2 Struktur einer Anleihe, Bedingungen und Auflagen....................................... 350 16.2.1 Rechtliche Grundlage .......................................................................................... 350 16.2.2 Verwendungszweck ............................................................................................. 351 16.2.3 Wesentliche Regelungen in Anleihebedingungen ........................................... 351 16.2.4 Sicherheitenstruktur und Treuhandvertrag ...................................................... 356 16.3 Emissionsstrukturen ............................................................................................ 360 Literatur.................................................................................................................. 364 17 Bürger-Energiegenossenschaften ................................................................ 367 17.1 Einleitung............................................................................................................... 367 17.2 Die Genossenschaft ............................................................................................. 369 17.2.1 Die genossenschaftliche Idee: Was der Einzelne nicht vermag, das vermögen viele ...................................................................................................... 369 17.2.2 Der rechtliche Rahmen einer Genossenschaft ................................................ 370 17.2.3 Die Gründung einer Energiegenossenschaft................................................... 372 17.2.4 Der gemeinsame Geschäftsbetrieb.................................................................... 372 17.2.5 Wie erfüllt die Energiegenossenschaft den genossenschaftlichen Förderauftrag? ....................................................................................................... 373 17.3 Der Trend zur Energiegenossenschaft: Ursachen und Geschäftsfelder..... 374 17.3.1 Ursachen ................................................................................................................ 374 17.3.2 Initiatoren .............................................................................................................. 375 17.3.3 Geschäftsfelder der Energiegenossenschaften ................................................ 377 17.4 Herausforderungen und Perspektiven für die Energiegenossenschaften ... 381 Literatur.................................................................................................................. 383 18 Öffentliche Fördermittel als Baustein der Finanzierung von EE- Projekten .............................................................................................................. 385 18.1 Einleitung............................................................................................................... 385 18.2 Überblick über Fördergelder .............................................................................. 386 18.3 Ablauf einer Finanzierung über Fördergelder ................................................. 391 <?page no="18"?> 18 Inhalt 18.4 Erfolgskriterien bei der Beantragung ................................................................ 393 18.5 Beurteilung von Fördergeldern .......................................................................... 395 18.5.1 Vorteile von Fördergeldern ................................................................................ 395 18.5.2 Nachteile von Fördergeldern.............................................................................. 396 18.6 Fallbeispiel ............................................................................................................. 397 18.7 Ausblick ................................................................................................................. 398 Literatur.................................................................................................................. 399 Teil V: Fallstudien..................................................................................................... 401 19 Fallstudie 1: Die Inhaberschuldverschreibung von Hamburg Energie Solar....................................................................................................... 403 19.1 Einleitung............................................................................................................... 403 19.2 Die Solaranleihe als Beispiel für eine Bürgerbeteiligung eines Stadtwerkes..................................................................................................................... 404 19.3 Bürgerbeteiligung und Stadtwerke - Häufigkeit einzelner Formen............. 406 19.4 Die Bürgeranleihe von Hamburg Energie ....................................................... 408 19.4.1 Unternehmens- und Projektstruktur................................................................. 408 19.4.2 Finanzierungsstruktur .......................................................................................... 409 19.4.3 Eigenschaften der Bürgeranleihe ....................................................................... 410 19.5 Analyse und Bewertung der Charakteristika .................................................... 410 19.5.1 Die Bürgeranleihe im Vergleich zu Anleihen anderer Energieunternehmen ......................................................................................................... 410 19.5.2 Die Bürgeranleihe im Vergleich zu Anleihen anderer Stadtwerke ................ 412 19.6 Fazit ........................................................................................................................ 413 Literatur.................................................................................................................. 414 20 Fallstudie 2: Die Energiegenossenschaft Mitarbeiter Unilever e.G.... 415 20.1 Einleitung............................................................................................................... 415 20.2 Energiegenossenschaft Mitarbeiter Unilever e.G. .......................................... 416 20.2.1 Die Idee und die Vorbereitung der Gründung ............................................... 416 20.2.2 Die Genossenschaft und ihr Selbstverständnis............................................... 417 20.2.3 Das Verhältnis zum Unternehmen und zum Betriebsrat .............................. 419 20.2.4 Das Ergebnis ......................................................................................................... 419 20.2.5 Die Perspektive..................................................................................................... 419 20.3 Belegschaftsenergiegenossenschaften: ein Beitrag zur Förderung der Energiewende? ...................................................................................................... 419 Literatur.................................................................................................................. 422 Service....................................................................................................................... 423 Glossar ...................................................................................................................................... 425 Index ......................................................................................................................................... 449 - <?page no="19"?> Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildungen 1 Vereinfachte Projektfinanzierungsstruktur am Beispiel Erneuerbarer Energien ............ 41 2 Vereinfachte Übersicht der Finanzierungsinstrumente einer Projektfinanzierung ......... 45 3 Stromerzeugung in Deutschland durch zentrale und dezentrale Anlagen ....................... 51 4 Investitionsbedarf in der Energiewirtschaft bis 2020 ......................................................... 55 5 Investitionen in Erneuerbare-Energien-Anlagen in den Jahren 2000 bis 2012............... 56 6 Verteilung der Investitionen in Erneuerbare-Energien-Anlagen in Deutschland 2012 nach Erzeugungsarten ............................................................................................................. 56 7 Verteilung des Investitionsbedarfs für Erneuerbare Energien bis 2020 und 2030 ......... 57 8 Payback-Zeiträume und technische Lebensdauer unterschiedlicher Technologien zur Energieerzeugung.............................................................................................................. 59 9 Wesentliche Kapitalgeber für Investitionen in dezentrale/ erneuerbare Energie- Erzeugung ................................................................................................................................. 60 10 Projektfinanzierung als Fondskonstrukt............................................................................... 66 11 Bestand und Zubau Photovoltaik 2013 ................................................................................ 77 12 Bestand und Zubau Windenergie 2013................................................................................. 77 13 Inflationsbereinigte spezifische Hauptinvestitionskosten für Windenergie (onshore)... 80 14 Photovoltaik-Preisindex. ......................................................................................................... 80 15 Investitionsvolumina EE ........................................................................................................ 81 16 Investoren in Erneuerbare Energien (Stand Ende 2010) ................................................... 84 17 Zielkonflikte bei Investitionsentscheidungen ...................................................................... 91 18 Investitionsspektrum − vom traditionellen Geschäft bis zur Wohltätigkeit ................... 91 19 Investoren in Erneuerbare Energie ....................................................................................... 92 20 Zielsetzungen von Energiegenossenschaften ...................................................................... 95 21 Bewertung unterschiedlicher Motive für die Beteiligung an Bürgerenergie..................... 95 22 Eigenkapitalrenditeerwartungen nach Steuern für einzelne Assetklassen........................ 96 23 Anlagen- und Geschäftstypen .............................................................................................. 176 24 Ertragsstruktur einer idealtypischen 500kW-BGA mit Vor-Ort-Verstromung und Einspeisung nach EEG......................................................................................................... 188 25 Ertragsstruktur einer idealtypischen 500kW-BGA mit Vor-Ort-Verstromung und Nutzung des Marktprämienmodells .................................................................................... 188 26 Entwicklung der Preise für die negative Minutenreserve 2011 in Euro pro Monat ..... 190 27 Ertragsstrukur einer idealtypischen 700-kbm-Biomethan-Einspeiseanlage mit 600 kW-BHKW vor Ort ....................................................................................................... 191 28 Überblick Risiken Ertragsseite ............................................................................................. 192 29 Aufwandsstruktur einer idealtypischen 500kW-Nawaro-BGA mit Vor-Ort- Verstromung........................................................................................................................... 194 30 Aufwandsstruktur eines idealtypischen 800 kW-BMHKW ............................................. 194 31 Aufwandsstruktur einer idealtypischen 1 MW-Abfall-BGA mit Vor-Ort-Verstromung 196 32 Negative Einflüsse auf den Gewinn einer typischen 500-kW BGA mit Vor-Ort- Verstromung........................................................................................................................... 199 33 Herstellungswege von Biokraftstoffen................................................................................ 202 <?page no="20"?> 20 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis 34 Schematische Darstellung der Prozessstufen einer Biodieselanlage ............................... 207 35 Schematische Darstellung der Prozessstufen einer Bioethanolanlage ............................ 208 36 Bioethanol- und Biodiesel-Preis-Entwicklung 2010 - 2013 ............................................. 209 37 Darstellung der Preisentwicklung 2009 - 2013 für das Proteinfuttermittel Rapsschrot und für Rohglycerin............................................................................................................... 209 38 Biodiesel- und Diesel-Preisentwicklung im Vergleich zur Raps- und Sojaöl- Preisentwicklung in den Jahren 2009 - 2013 ...................................................................... 212 39 Aufwandspositionen einer 200.000 Tonnen Biodieselanlage .......................................... 213 40 Aufwandspositionen einer 300.000 Tonnen Bioethanolanlage ....................................... 214 41 Weizen- und Mais-Preisentwicklung an der Pariser Matif von 2008 - 2013 .................. 216 42 Preisentwicklung von Kohle, Erdgas und Strom in den letzten 5 Jahren ...................... 218 43 3-Monats- und 12-Monats-EURIBOR Zinssatzentwicklung 2009 - 2013. ................... 220 44 Sensitivitätsanalyse für die unterschiedlichen Risiken einer 200.000 Tonnen- Biodieselanlage und einer 300.000 Tonnen-Bioethanolanlage ........................................ 225 45 Sensitivitätsanalyse für die unterschiedlichen Risiken einer 300.000 Tonnen- Bioethanolanlage .................................................................................................................... 225 46 Nettostromerzeugung nach Energieträgern in Terawattstunden .................................... 228 47 Europäische Windparks in der Nordsee: Entfernung zur Küste und Wassertiefe ....... 229 48 Abhängigkeit der Errichtungskosten von der Entfernung von der Küste sowie der Wassertiefe (Exposition)....................................................................................................... 230 49 Wellenhöhe und Windstärke in den Monaten Juli 2013 und Februar 2013, sowie daraus resultierende Gutwetter-Fenster für Errichtungstätigkeiten in der Deutschen Bucht. .... 232 50 Kostenstrukturvergleich von Windparkprojekten - Onshore vs. Offshore .................. 238 51 Weltenergiebedarf und potenzielle Bereitstellung durch verschiedene Erneuerbare- Energien-Quellen................................................................................................................... 244 52 Verschiedene Gewerke einer größeren Freiflächenanlage ............................................... 250 53 Business Driver ...................................................................................................................... 256 54 Schematische Darstellung eines Zinsswaps........................................................................ 281 55 Warentermingeschäften zugrunde liegende Güter ............................................................ 283 56 Verteilung der Kontrakte bezüglich verschiedener Wettermaße..................................... 289 57 Konstruktion eines geschlossenen Fonds. Vertragsbeziehungen und anlagebezogene Geldflüsse ............................................................................................................................... 304 58 Energiefonds in Deutschland - Eigenkapital und Fondsvolumen ................................. 306 59 Ratendarlehen......................................................................................................................... 331 60 Annuitätendarlehen ............................................................................................................... 332 61 Cash-Sweep............................................................................................................................. 333 62 Windenergie-Projektfinanzierung mit einem Ratendarlehen ........................................... 335 63 Windenergie-Projektfinanzierung mit einem Annuitätendarlehen.................................. 336 64 Windenergie-Projektfinanzierung mit einem Ratendarlehen mit einer Cash-Sweep Vereinbarung .......................................................................................................................... 337 65 Entwicklung DSCR ............................................................................................................... 338 66 Entwicklung Blankoanteil..................................................................................................... 338 67 Funktionsweise Zins-Cap ..................................................................................................... 340 68 Funktionsweise Zins-Swap ................................................................................................... 341 69 Emittent und Haftungsumfang............................................................................................ 347 70 Emissionswege ....................................................................................................................... 360 71 Typischer Emissionsprozess ................................................................................................ 363 <?page no="21"?> Abbildungs- und Tabellenverzeichnis 21 72 Gremien in einer Genossenschaft ....................................................................................... 371 73 Gründung von Energiegenossenschaften seit 2006 in der BRD..................................... 374 74 Motivation zur Gründung einer Energiegenossenschaft.................................................. 376 75 Neugründungen in Baden-Württemberg ............................................................................ 378 76 Geschäftsgegenstand bestehender Energiegenossenschaften.......................................... 379 77 Felder für zukünftige Investitionen und Aktivitäten......................................................... 381 78 Unterscheidungskriterien bei Förderprogrammen ............................................................ 387 79 Energiemanagement-Kreislauf............................................................................................. 388 80 Graphische Darstellung des Antrags- und Genehmigungsprozesses ............................. 391 81 GOs und NO-GOs im Beantragungsprozess.................................................................... 395 82 Finanzielle Bürgerbeteiligung durch Stadtwerke ............................................................... 407 83 Hamburger Energie Solar GmbH (HES) ........................................................................... 409 84 Schneeräumen auf dem Dach des Lagers von Unilever Heilbronn................................ 418 Tabellen Tab. 1 Zubau an Erneuerbaren Energien ............................................................................. 78 Tab. 2 Renditeziele vor Steuern von Investoren nach Anlageform .................................. 96 Tab. 3 Risiken und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen .................................................. 187 Tab. 4 Ursachen und Relevanz unterschiedlicher Risiken auf der Ertragsseite............. 192 Tab. 5 Technische Risiken in den einzelnen Projektphasen bis zur Produktion........... 204 Tab. 6 Technische Risiken in der Produktion .................................................................... 205 Tab. 7 Bewertungsmatrix für die unterschiedlichen Transportmöglichkeiten............... 217 Tab. 8 Risiken und Gegenmaßnahmen für die Hilfsstoffe bei der Biokraftstoffherstellung ................................................................................................................... 219 Tab. 9 Berechnung der Einstrahlung auf Modulebene ..................................................... 254 Tab. 10 Szenarioanalyse für ein fiktives Projekt................................................................... 255 Tab. 11 Investitionen in erneuerbare Energien von 2000 - 2050 in Deutschland.......... 306 Tab. 12 Auszüge aus den Genussrechtsbedingungen für ausgewählte Erneuerbare- Energie-Projekte zu Emissionsrahmen und Mittelverwendung .......................... 320 Tab. 13 Auszüge aus den Genussrechtsbedingungen für ausgewählte Erneuerbare- Energie-Projekte zur Fungibilität............................................................................. 321 Tab. 14 Auszüge aus den Genussrechtsbedingungen für ausgewählte Erneuerbare- Energie-Projekte ........................................................................................................ 322 Tab. 15 Auszüge aus den Genussscheinbedingungen für ausgewählte Erneuerbare- Energie-Projekte zur Verlustbeteiligung ................................................................. 326 Tab. 16 EK-Rendite und Gesamtausschüttung ................................................................... 337 Tab. 17 Übersicht Zinsmethoden .......................................................................................... 339 Tab. 18 Übersicht Förderprogramme.................................................................................... 342 Tab. 19 Wesentliche Anleihebedingungen............................................................................ 351 Tab. 20 Förderstellen auf Bundes- und Landesebene ......................................................... 389 Tab. 21 Förderung Nutzung Erneuerbarer Energien durch die KfW und BAFA.......... 390 Tab. 22 Förderung Nutzung Erneuerbarer Energien durch die L-Bank .......................... 391 Tab. 23 Emissionen börsengehandelter Anleihen durch Energieunternehmen 2010 bis 2/ 2011 ......................................................................................................... 412 Tab. 24 Anleiheemissionen von Stadtwerken (Auswahl/ Stichprobe)............................... 413 <?page no="22"?> Autorenverzeichnis Dr. Katrin Antonow Dr. Katrin Antonow berät bei von Bredow Valentin Herz Rechtsanwälte Mandanten zu Rechtsfragen im Bereich der Erneuerbaren Energien. Sie vertritt Anlagenbetreiber, Projektentwickler und Energieversorgungsunternehmen gerichtlich und außergerichtlich zu allen Rechtsfragen rund um Erneuerbare Energien sowie zum Energie- und Stromsteuerrecht. Sie veröffentlicht regelmäßig Aufsätze und hält Vorträge zum Thema Erneuerbare Energien. Beratungsschwerpunkte: Wind- und Bioenergie, Wärmelieferung, KWKG, Strom- und Energiesteuer, Vertragsgestaltung und -prüfung; Kauf und Verkauf von EEG-Anlagen Michael Bloss, CFE Michael Bloss ist Direktor der Commerzbank AG und Direktor des Europäischen Instituts für Financial Engineering und Derivateforschung (EIFD). Er ist Certified Financial Engineer (CFE) und ist spezialisiert auf die Betreuung von High Potential Clients im Bereich des Portfoliomanagement und im Handel mit Derivaten. Er lehrt und forscht im Themenbereich Financial Engineering an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt, Nürtingen-Geislingen, und an der Vancouver Island University (VIU), B.C. Canada. Volker Bock Volker Bock verantwortet bei der europäischen Wirtschaftskanzlei Noerr LLP den Bereich Anlagenbau. Er verfügt im Bereich der erneuerbaren Energien über langjährige Erfahrung als Berater im Rahmen der Projektentwicklung und Vertragsgestaltung, sowohl für Projektentwickler und Bauherrn als auch Anlagenbauer, Energiekonzerne und Banken. Zudem ist er spezialisiert auf Anlagenbaustreitigkeiten vor staatlichen und Schiedsgerichten und in ADR-Verfahren. Dr. Karsten Bornholdt Dr. Karsten Bornholdt ist Partner der Hamburger Kanzlei Nörenberg · Schröder und dort insbesondere im Bereich der Finanzdienstleistungen (Banken, Emissionshäuser, Versicherungen) tätig. Er hat den Fachanwaltskurs Bank- und Kapitalmarktrecht erfolgreich absolviert. Karsten Bornholdt hat in Marburg und Freiburg (Breisgau) studiert und seine Ausbildung mit dem Zweiten Staatsexamen in Hamburg abgeschlossen. In seiner Dissertation widmete er sich der Schnittstelle zwischen Leasing- und Insolvenzrecht. Arbeitsschwerpunkte: Konzeption von Produkten des Kaptalmarktes, Prozessvertretung im Bereich des Bank- und Kapitalmarktrechtes <?page no="23"?> Autorenverzeichnis 23 Dr. Jens Clausen Dr. rer. pol. Jens Clausen ist Diplomingenieur für Maschinenbau und leitet als Senior Researcher das Borderstep Büro Hannover. Jens Clausen war von 1984 bis 1991 als Entwicklungsingenieur und Anwendungstechniker für die Continental AG und von 1991 bis 2005 als Senior Researcher am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung im Forschungsfeld „Ökologische Unternehmenspolitik“ in Berlin und Hannover tätig. Von 1993 bis 2000 wirkte er im DIN NAGUS Arbeitsausschuss Umweltmanagementsysteme“ mit. Im Jahre 2004 promovierte er am Institut für Institutionelle und Sozial-Ökonomie der Universität Bremen. Im Mittelpunkt seiner Forschungsarbeit stehen Fragen der Gründungs-, Innovations- und Diffusionsforschung, nachhaltige Zukunftsmärkte und Corporate Social Responsibility. Dr. Anne de Boer, LL.M. (RSA), licenciée en droit Dr. Anne de Boer ist Rechtsanwältin und Partnerin in der Wirtschaftskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek im Bereich Alternative Finanzierung einschl. Kapitalmarktrecht sowie Gesellschaftsrecht / M&A / Private Equity. Zuvor war sie Anwältin in einer internationalen Wirtschaftskanzlei in Berlin. Sie studierte Rechtswissenschaften in Berlin, Frankfurt/ Main, Aix-en-Provence und Kapstadt. Sie ist Mitglied im Aufsichtsrat der Ensys AG in Frankfurt/ Main. Arbeitsschwerpunkte: Alternative Finanzierung einschl. über den Kapitalmarkt (Anleihen und IPOs), Unternehmenstransaktionen Nils Dickhoff Nils Dickhoff ist als Advisor bei Siemens Financial Services im Bereich Projekt- und Strukturierte Finanzierung für den Sektor Energie tätig. Im Rahmen seiner Tätigkeit berät er die Siemens AG und deren Kunden zu Themen der Finanzierung und Risikominimierung von Projekten im Zusammenhang mit fossilen und erneuerbaren Energien. Während seiner akademischen Laufbahn studierte er in Nürtingen, Melbourne und London. Prof. Dr. Dr. Dietmar Ernst, CFE Prof. Dr. Dr. Dietmar Ernst ist Professor für International Finance. Er ist Studiendekan und leitet den Masterstudiengang International Finance. Ferner ist er Direktor des Deutschen Instituts für Corporate Finance (DICF) und des Europäischen Instituts für Financial Engineering und Derivateforschung (EIFD). Zuvor war er Investment-Manager bei einer Private Equity Gesellschaft und über mehrere Jahre im Bereich Mergers & Acquisitions tätig. Dietmar Ernst hat an der Universität Tübingen Internationale Volkswirtschaftslehre studiert und sowohl in Wirtschaftswissenschaften als auch Naturwissenschaften promoviert. Er ist Autor von Lehrbüchern und weiteren Veröffentlichungen. Arbeitsschwerpunkte: Corporate Finance, Derivate, Financial Engineering, Mergers & Acquisitions, Nachhaltige BWL, Unternehmensbewertung <?page no="24"?> 24 Autorenverzeichnis Dr. Christian Friege Dr. Christian Friege ist selbständiger Unternehmensberater und Dozent an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen. Bis 2012 war er Vorstandsvorsitzender der LichtBlick AG und zuvor Mitglied des Vorstands der debitel AG. Er startete seine Karriere in der Bertelsmann-Gruppe und war dort viele Jahre als Geschäftsführer in den USA und in Großbritannien tätig. Arbeitsschwerpunkte: Strategie, Marketing und Vertrieb insbesondere in der Energiewirtschaft; Direktvertrieb; Kundenmanagement; Change Management. Zu diesen Themen hat Christian Friege vielfach in führenden Fachzeitschriften publiziert, darunter Journal of Service Research, Marketing Review St. Gallen, Die Betriebswirtschaft, Zeitschrift Führung + Organisation. Dr. Thomas Friese Dr. Thomas Friese ist seit 1999 Lehrbeauftragter für Projektfinanzierung an der HfWU Nürtingen-Geislingen. Er war 15 Jahre Leiter der Projektfinanzierungsabteilung bei Siemens Financial Services für das Kraftwerksgeschäft und die Telekommunikationssparte. Heute leitet er das Pension Asset Management bei Nokia Solutions and Networks. Davor hatte er diverse Positionen im Finanzbereich der Siemens AG inne u.a. Assistant Treasurer der Siemens Capital Corp. in New York. Steffen Gasior Steffen Gasior ist seit 2011 Investmentmanager bei der Bürgschaftsbank und Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg und für den Bereich Venture Capital zuständig. Zuvor studierte er an der Hochschule der Sparkassen Finanzgruppe im Studiengang Finance und absolvierte anschließend den Master-Studiengang Innovationsmanagement an der Hochschule Esslingen. Dr. Roman Glaser Studium der Wirtschaftswissenschaften, wissenschaftliche Tätigkeiten an der Forschungsstelle für Genossenschaftswesen an der Universität Hohenheim, Promotion, verschiedene Funktionen im bankgenossenschaftlichen Sektor, darunter 2002 bis 2012 Vorsitzender des Vorstands der Volksbank Baden-Baden. Seit 2012 Mitglied des Vorstandes des Baden- Württembergischen Genosssenschaftsverbandes e.V., seit Januar 2013 dessen Vorsitzender und Präsident. Stefan Gödel Stefan Gödel ist Unternehmensberater und Manager mit insgesamt 17 Jahren Erfahrung in den Bereichen Restrukturierung und Management von Unternehmensverbesserungsprogrammen. Für AlixPartners hat er Projekte in der Automobilindustrie und der Offshore-Windkraft durchgeführt. Bevor er 2011 als Director zu AlixPartners wechselte, war Herr Gödel als Geschäftsführer eines großen mittelständischen Maschinenbauunternehmens sowie bei drei international führenden Managementberatungen in leitenden Positionen tätig. Herr Gödel ist Diplom-Kaufmann (European Business School) und hat internationale Betriebswirtschaftslehre in Deutschland, Frankreich und den USA studiert. <?page no="25"?> Autorenverzeichnis 25 Dr. Michael Härig Dr. Michael Härig studierte Physik an der Universität in Karlsruhe und promovierte 1994 am Max-Planck-Institut in Stuttgart. Bis 2001 war er bei Dynamit Nobel in den Bereichen Zuverlässigkeits- und Sicherheitsanalysen tätig. Seit 2001 ist er bei der Marsh GmbH, dem führenden Unternehmen für Risiko- und Versicherungsmanagement. Er leitet das deutsche Branchenteam Power, das sich auf die Energiesowie Ver- und Entsorgungsbranche spezialisiert hat. Schwerpunkte der Arbeit sind Risiko- und Versicherungsmanagement (Vertrag und Schaden) auf nationaler und internationaler Ebene für konventionelle und erneuerbare Energien. Nathan Hauke Nathan Hauke ist seit zwei Jahren bei der GLS Bank eG als Werkstudent im Research und Kreditbereich tätig. Nach seinem Bachelorstudium der Volkswirtschaftslehre an der Leuphana Universität Lüneburg und der Drury University (Springfield, MO, USA), absolviert er aktuell das Masterprogramm Finanzwissenschaft an der Leuphana Universität Lüneburg. Prof. Dr. Torsten Henzelmann Prof. Dr. Torsten Henzelmann studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Universität Kaiserslautern und war anschließend bei Energieversorgungsunternehmen im Bereich Energiemanagement und Consulting tätig. Er ist Partner und Leiter des Competence Center „Civil Economics, Energy & Infrastructure“ sowie Leiter der Praxisgruppe Green Tech bei Roland Berger Strategy Consultants. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt dabei auf der Beratung international führender Industrie- und Dienstleistungsunternehmen sowie Umwelttechnikunternehmen und öffentlicher Institutionen. In zahlreichen Projekten hat er sowohl strategische als auch operative Themen bearbeitet. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zu verschiedenen Aspekten der Unternehmensführung. Zusätzlich zu seiner Arbeit als Berater engagiert sich Torsten Henzelmann als Professor am Umwelt-Campus Birkenfeld der Fachhochschule Trier. Er lehrt dort seit 2009 in seinem Fachgebiet Sustainable Business. Prof. Dr. Carsten Herbes Prof. Dr. Carsten Herbes ist seit 2012 Professor für Internationales Management und Erneuerbare Energien sowie geschäftsführender Direktor des Institute for International Research on Sustainable Management and Renewable Energy. Zuvor war er knapp 10 Jahre in einer internationalen Unternehmensberatung in den Büros München und Tokyo tätig, danach in einem Bioenergieunternehmen, zuletzt als Vorstand. Arbeitsschwerpunkte: Vermarktung, Kosten und soziale Akzeptanz von Erneuerbaren Energien, insbesondere Biogas; internationale Entwicklung von Erneuerbaren Energien; Strategie und Organisation international tätiger Unternehmen; japanische Wirtschaft. <?page no="26"?> 26 Autorenverzeichnis Dipl.-Vw. Lars Holstenkamp Dipl.-Vw. Lars Holstenkamp arbeitet seit 2006 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Leuphana Universität Lüneburg in verschiedenen Drittmittelprojekten, aktuell im EU-Großprojekt „Innovations-Inkubator Lüneburg“. Arbeitsschwerpunkte: Finanzierung erneuerbarer Energien; Bürgerbeteiligungsmodelle; Energiegenossenschaften. Sebastian Jäger Sebastian Jäger ist Unternehmensberater und Manager mit insgesamt 11 Jahren Erfahrung in ganzheitlicher Optimierung und Restrukturierung. Für AlixPartners hat er Projekte in der Automobil- und Luftfahrtindustrie sowie der Offshore-Windkraft durchgeführt. Bevor er 2012 als Vice President zu AlixPartners wechselte, war Herr Jäger 8 Jahre in verschiedenen Funktionen für Bosch in Deutschland, Frankreich und den USA tätig, u.a. als Director Business Development/ M&A/ Strategie sowie Leiter Logistik, Supply Chain, Planung und Fertigungssteuerung eines französischen Automotive Werks. Herr Jäger ist Diplom-Wirtschaftsingenieur (TU Darmstadt) und hat ferner in München, Paris und Stockholm studiert. Dr. Ing. Oliver Lüdtke, MBA Dr. Oliver Lüdtke ist seit 2007 bei der Vereinigten BioEnergie AG tätig und als technischer Vorstand ab 2011 verantwortlich für den Bereich Bioethanol und Biomethan. In seinem beruflichen Werdegang hat er in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Produktion und Anlagenbau in verschiedenen leitenden Funktionen gearbeitet. Er hat dabei die unterschiedlichen Management-Philosophien von führenden amerikanischen, japanischen und deutschen Unternehmen kennengelernt. Arbeitsschwerpunkte: Technologien Biokraftstoffherstellung, gesetzliche Regelungen Biokraftstoffmarkt, Realisierung von Innovationen, Expansionsstrategien, Optimierung von Strukturen & nachhaltige Umsetzung von Verbesserungen Christian Marcks Christian Marcks ist seit 2002 bei der GLS Bank eG tätig, seit 2012 als Branchenkoordinator für den Geschäftsbereich Erneuerbare Energien. Er studierte Geschichte und Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Umweltökonomie in Hamburg, Bordeaux und Heidelberg mit Abschluss als Diplom-Volkswirt. Von 1996 - 2002 war er bei der Deutschen Ausgleichsbank Handlungsbevollmächtigter im Fördergeschäft für Umweltschutzinvestitionen und grenzüberschreitende Umweltschutzprojekte. Nach seinem Wechsel zur GLS Bank arbeitete er zunächst als Firmenkundenbetreuer in der Filiale Hamburg, seit 2010 dann als Spezialkreditbetreuer für Energie-Projektfinanzierungen. Arbeitsschwerpunkte: Strukturierung und Begleitung komplexer Projektfinanzierungen für EE Projekte, insbesondere für Windkraftanlagen und -parks, große PV Investitionen, Wasserkraft- und Holz-Wärmeprojekte. <?page no="27"?> Autorenverzeichnis 27 Dr. Hans-Matthias Neugebauer Herr Dr. Neugebauer ist Leiter der Abteilung Project Finance / Structured Finance bei der Landesbank Baden-Württemberg. In dieser Funktion verantwortet er die Projektfinanzierungen (inkl. Erneuerbare Energie), Leasingfinanzierungen sowie strukturierte steuer- oder bilanzinduzierte Finanzierungen. Bevor Herr Dr. Neugebauer zur Landesbank Baden-Württemberg kam, war er Geschäftsführer der SüdLeasing Structured Finance GmbH. Diese Gesellschaft war in der SüdLeasing-Gruppe zuständig für strukturierte Leasingfinanzierungen. Nach dem Studium der Mathematik und der Promotion zum Dr. rer. nat. hat Herr Dr. Neugebauer seine berufliche Laufbahn bei der debis begonnen. Dort hat er vor seinem Wechsel zu SüdLeasing Structured Finance als Abteilungsleiter die Verantwortung für internationale Flugzeug-, Medien- und Technologiefinanzierungen inne gehabt. Prof. Dr. Andreas Otterbach Prof. Dr. Andreas Otterbach ist seit 2011 Professor für Betriebswirtschaft, Management und Finanzwirtschaft an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Bereits seit 2004 lehrt er als Lehrbeauftragter das Fach „Alternative Investments“ an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Vor seiner Professur war er knapp 5 Jahre als Vertriebsleiter der DCM Deutsche Capital Management AG tätig. Er ist Vorstandsmitglied der Initiative Zukunftsfähige Führung. Arbeitsschwerpunkte: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Finanzwirtschaft, Alternative Investments, Management, Vertriebsmanagement, zukunftsfähige Führung, Employer Branding, Hidden Champions. Prof. Dr. Frank Andreas Schittenhelm Prof. Dr. Frank Andreas Schittenhelm ist seit 2012 an der HfWU Nürtingen-Geislingen Professor für internationales Finanzmanagement. Davor hatte er seit 2001 eine Professur an der Hochschule Esslingen inne. Als Prodekan der dortigen Fakultät Betriebswirtschaft baute er den Master- Studiengang Innovationsmanagement auf und leitete diesen über mehrere Jahre. Vor seiner Berufung zum Professor war er Consultant im Bereich Finanzdienstleistungen. Prof. Dr. Frank Scholwin Prof. Dr.-Ing. Frank Scholwin ist wissenschaftlicher Berater und Gutachter als Inhaber des 2012 von ihm gegründeten Institutes für Biogas, Kreislaufwirtschaft & Energie. Darüber hinaus ist er Honorarprofessor für Biogas/ Bioenergie an der Universität Rostock. Er ist Umweltingenieur und arbeitete an den Universitäten Rostock und Weimar. Am Deutschen Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH hat er viele Jahre die Forschung zur Biogastechnologie koordiniert. Arbeitsschwerpunkte: Integration von Energie aus Biomasse in das Energiesystem, technische und ökonomische Bereitstellung und Nutzung von Biogas & Biomethan, internationaler Wissenstransfer zu Biogas und Biomethan. <?page no="28"?> 28 Autorenverzeichnis Nico Storz Studium der Politikwissenschaften, Geschichte und Ethnologie an der Universität Freiburg und Trondheim, Abschluss (M.A.) zu internationalem virtuellem Wasserhandel, 2010 - 2013 Geschäftsführer eines südbadischen Verbandes für Bürgerenergieprojekte und Bildung für nachhaltige Entwicklung, seit April 2013 Berater für Bürgerenergieprojekte beim Baden- Württembergischen Genossenschaftsverband e.V. Dr. Florian Valentin Dr. Florian Valentin ist Rechtsanwalt und Partner bei von Bredow Valentin Herz Rechtsanwälte. Er berät Anlagenhersteller, -installateure und -betreiber, Projektentwickler, Energieversorgungsunternehmen und Energiehändler zu allen Rechtsfragen rund um Erneuerbare Energien. Er veröffentlicht regelmäßig Aufsätze in Branchen- und Fachzeitschriften und hält Vorträge und Seminare. Beratungsschwerpunkte: Windenergie-, Biogas- und PV-Anlagen; Gestaltung und Prüfung von Verträgen, Anlagenpacht, Stromvermarktung und -lieferung; Kauf und Verkauf von EEG- Anlagen. Heiko Voß Das International Finance-Studium schloss Heiko Voß an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen im Herbst 2014 zum Master of Science ab. Sein Bachelorstudium absolvierte er als Sportstipendiat an der Alderson Broaddus University, West Virginia, USA. Als Landwirtssohn aus Schleswig-Holstein verfügt Heiko Voß über direkte Investitionserfahrung in der Windenergie- und PV-Branche. Heiko Wehrhahn, Dipl.-Kfm. Heiko Wehrhahn leitet seit dem 1.7.2013 bei der juwi Energieprojekte GmbH die Projektfinanzierung und ist damit verantwortlich für die Finanzierung und den Verkauf von Solar-, Bio- und Windprojekten. Zuvor war er für juwi als Leiter Projektfinanzierungen in Amerika für die Finanzierung (debt und equity) in den Regionen USA, Canada und Lateinamerika tätig. Herr Wehrhahn ist Diplom-Kaufmann und hat Betriebswirtschaft in Deutschland und den USA studiert. Anschließend hat er 11 Jahre lang für die Commerzbank, HSH Nordbank und Dresdner Bank Lateinamerika überwiegend in den Bereichen Strukturierte Finanzierungen und Projektfinanzierungen gearbeitet und hat als Gruppenleiter Transportation und Power unter Dresdner Kleinwort Wasserstein Projektfinanzierungen in Lateinamerika strukturiert. Bevor Herr Wehrhahn vor 5 Jahren zu juwi wechselte, war er als Bereichsleiter bei einem international tätigen Projektentwickler für den Verkauf und die Finanzierung von erneuerbaren Energieprojekten in Europa verantwortlich. <?page no="29"?> Teil I. Grundlagen und Rahmenbedingungen <?page no="31"?> 1 Grundlagen der Projektfinanzierung Dr. Thomas Friese, Nokia Solutions and Networks, und Nils Dickhoff, Siemens Financial Services Inhalt 1 Grundlagen der Projektfinanzierung ......................................................... 31 1.1 Einleitung und Überblick........................................................................................... 31 1.2 Anwendungsgebiete der Projektfinanzierung.......................................................... 34 1.2.1 Beweggründe ............................................................................................................... 34 1.2.2 Voraussetzungen ......................................................................................................... 36 1.3 Risikotragfähigkeit − zentrales Element der Projektfinanzierung........................ 37 1.3.1 Risikoidentifikation und Risikominimierungsmaßnahmen.................................... 38 1.3.2 Wichtige Analyseinstrumente und Strukturierung .................................................. 40 1.3.3 Finanzierungsinstrumente.......................................................................................... 43 Literatur ........................................................................................................................ 46 Schlagwortliste Cash Flow, DSCR, Due Diligence, Eigenkapital, Investor, Projektfinanzierung, Risiko, SPC 1.1 Einleitung und Überblick Projektfinanzierung ist die Finanzierung eines Projektes, heißt es oft. Aber das ist viel zu vage formuliert und nicht notwendigerweise korrekt, denn diese Form der Finanzierung birgt viele Besonderheiten und Herausforderungen. Vereinfacht ausgedrückt ist die Projektfinanzierung eine besondere Finanzierungsstruktur und steht im Gegensatz zur traditionellen Unternehmensfinanzierung. Aber was genau macht nun die Projektfinanzierung aus? Hierzu muss ein Vergleich zur klassischen Unternehmensfremdfinanzierung gezogen werden, welche dadurch charakterisiert ist, dass ein Kredit auf Basis einer vertieften Analyse des bestehenden Vermögens vergeben wird. Dabei untersucht die finanzierende Bank die Bonität insbesondere auf Grundlage der historischen und aktuellen Bilanzen, schätzt die Fähigkeiten des Managements ein und versucht, sich ein Bild über die Marktchancen zu verschaffen. Darüber hinaus werden neben der Finanzkraft des Unternehmens auch Sicherheiten wie bspw. die Verpfändungen von Anlagegütern verlangt. Im Gegensatz zur Betrachtung eines etablierten Unternehmens wird bei einer Projektfinanzierung eine Gesellschaft eigens für den Zweck dieses einen Projektes gegründet <?page no="32"?> 32 1 Grundlagen der Projektfinanzierung (Special Purpose Company, SPC), wodurch eine vergangenheitsbezogene Analyse aufgrund der nicht vorhandenen Historie unmöglich wird. Es gibt nur zukunftsbezogene Pläne für ein zu tätigendes unternehmerisches Unterfangen und daraus abgeleitete Zahlungsströme, die Cash Flows. Diese in die Zukunft gerichteten Aussagen gilt es nun für Eigenkapitalinvestoren (bzw. Sponsoren) und die Kreditgeber zu bewerten. Nur die zukünftigen Cash Flows stehen dabei als primäre Sicherheit zur Verfügung. Natürlich neben den Anlagen als solche deren Wert aber in vielen Fällen stark von den Marktgegebenheiten abhängt (bspw. kann die Verwertung von Anlagegütern stark durch die Inexistenz eines Zweitmarktes bzw. Illiquidität des Gutes beeinträchtigt werden). Auch das Projektmanagement kann nur aufgrund seiner Leistungen bei vorherigen oder anderen Unternehmungen eingeschätzt werden, weshalb man, wie später noch gezeigt werden wird, hier keine Experimente wagt und auf erfahrene Betreiber zurückgreift. Aufgrund dieser Erklärungen ergibt sich folgende klassische Definition für die Projektfinanzierung 1 : Investitionsobjekte werden dann als Projektfinanzierung klassifiziert, wenn eine sich selbst tragende Wirtschaftseinheit vorliegt, deren unternehmerische Aktivitäten nur auf der Basis des Projekt-Cash- Flows und der Projektanlagen als einziger Sicherheit für die Kreditgeber finanziert werden sollen. In der Praxis wird dieser puristische Ansatz der alleinigen Abstellung auf das jeweilige Projekt ohne weitere Sicherheiten jedoch eher selten gelebt. Hier haben sich vielfältige Ausprägungen entwickelt und grundsätzlich wird zwischen drei Möglichkeiten unterschieden: Non recourse: Kein Rückgriff auf die Sponsoren Limited recourse: Begrenzter Rückgriff auf die Sponsoren, bspw. über bedingtes (zusätzliches) Eigenkapital (Contingent Equity, in der Projektfinanzierung häufig bei Kostenüberschreitungen) oder Rückgriff auf die Sponsoren während der Bauphase Full recourse: Voller Rückgriff auf die Sponsoren 2 Gerade vor dem Hintergrund der Finanzkrise und der damit einhergehenden gestiegenen Risikoaversion der Banken werden die Projektfinanzierungen derzeit eher auf der Basis des limited recourse und nicht rein als non recourse Projekte strukturiert. Das bedeutet, die Banken erwarten heute mehr als die Verpfändung des Anlagevermögens und die Abtretung der zukünftigen Cash Flows, sondern fordern darüber hinaus zusätzliche Sicherheiten. Nichtsdestoweniger gibt es diverse Gründe diese Struktur der Finanzierung anzuwenden. Hierzu wird im weiteren Verlauf des Kapitels noch näher eingegangen. Um jedoch überhaupt erst mit Banken und Eigenkapitalinvestoren hinsichtlich der Projektfinanzierungen ins Gespräch zu kommen, sollte insbesondere auf der Nachfrageseite ein klarer Bedarf bestehen. Ein viertes oder fünftes Mobilfunknetz muss 1 Vgl. Tytko, D. (2003), S. 13 2 In diesem Fall überwiegen aus Risikoperspektive die Charakteristika der Unternehmensfinanzierung. Eine ähnliche Struktur, jedoch mit Rückgriff auf eine dritte Partei und nicht die Sponsoren, wird im Verlauf des Textes im Exkurs dargestellt. <?page no="33"?> Thomas Friese, Nils Dickhoff 33 sehr gut begründet sein, um bei den Banken Interesse zu wecken und dann auch ein entsprechendes Kreditengagement zu erhalten. Daneben sollten natürlich auch die Sponsoren Erfahrung und echtes Kapital mitbringen. Dass Projektfinanzierungen nur innerhalb eines stabilen Rechtsrahmens, der die nötige Durchsetzung von Rechten erlaubt, realisiert werden kann, dürfte unstrittig sein. Auch robuste Projektkennzahlen wie der Schuldendienstdeckungsgrad, über die im weiteren Verlauf des Kapitels noch genauer diskutiert werden wird, sind maßgeblich für den Erfolg einer Projektfinanzierung. Nun ein kurzer Überblick über die Geschichte der Projektfinanzierung; denn wer glaubt diese Struktur sei die Folge knapper Kassen bei den öffentlichen Haushalten und den unternehmerischen Expansionsplänen globaler Konzerne unserer Zeit geschuldet, der irrt. Eigentlich waren der Bau diverser Eisenbahnlinien auf dem amerikanischen Kontinent, aber auch in Preußen, und der Bau des Panamakanals und des Suezkanals bereits nach den Kriterien der Projektfinanzierung strukturiert. Noch weiter zurück in der Geschichte findet man des Weiteren auch Strukturierungselemente der Projektfinanzierung bei den kolonialen Unternehmungen von England und den Niederlanden. Hier fanden sich Kaufleute zusammen (heute: Investoren), um z.B. ein Schiff als ein Projekt für eine Reise zum Im- und Export von Waren zu finanzieren. Als einzige Sicherheit diente damals schon der Erfolg bzw. Cash Flow der Unternehmung. Seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts ist die Projektfinanzierung wieder aktuell geworden und als solche auch explizit benannt worden. Eine der ersten europaweit bekannten Infrastrukturmaßnahmen bspw., die als Projektfinanzierung strukturiert wurde, war der Eurotunnel unter dem Ärmelkanal. Er produzierte seinerzeit nicht nur positive Schlagzeilen, wodurch jedoch die Entwicklung dieser Finanzierungsstruktur nicht außerordentlich eingeschränkt wurde. 3 Diese insgesamt lehr- und erfolgreichen Beispiele haben den Bankensektor Vertrauen fassen lassen und dazu geführt, dass heute die Projektfinanzierung als allseits anerkannte Struktur zur Verfügung steht und vielfältig Anwendung findet. Insbesondere in Großbritannien stünde heute mit Sicherheit weniger öffentliche Infrastruktur, z.B. Schulen, Krankenhäuser, Straßen oder auch Gefängnisse, der Bevölkerung zur Verfügung, hätte nicht die Thatcher-Regierung mit Hilfe der Public Private Partnership (PPP) und Private Finance Initiative (PFI) auf Basis der Projektfinanzierung die Investitionen des privaten Sektors massiv gefördert. Neben diesen Beispielen, welche eher durch den öffentlichen Sektor dominiert werden, sind auch unzählige Kraftwerke, Minen, Telekommunikationsnetze, Häfen und Flughäfen auf der Basis von Projektfinanzierungen realisiert worden. Obgleich diese Struktur gewisse Herausforderungen birgt ist sie nicht nur in OECD-Ländern realisiert worden, sondern in steigendem Umfang auch in den heute als Schwellenländern bekannten Märkten. Gerade dort hat sich die Projektfinanzierung zu einer Königsdisziplin der Finanzwirtschaft entwickelt, da es zusätzlich politische, rechtliche und wirtschaftliche Herausforderungen zu bewältigen gibt und die Risikoprofile um einiges komplexer sind als z.B. der Schulbau in Nordengland. 3 Ein kleiner Überblick zu den Fehltritten im Ärmelkanalprojekt, bspw. die nachträgliche Kostenexplosion und mangelnden Sicherheitsvorkehrungen, in Form eines Fallbeispiels ist zu finden in Fabozzi, F., & Nevitt, P. K. (2000), S. 7f. <?page no="34"?> 34 1 Grundlagen der Projektfinanzierung In den folgenden Abschnitten soll nun vertiefter auf die wichtigen Aspekte der Projektfinanzierung eingegangen werden, wobei der Risikoanalyse und -minimierung die größte Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Darstellung deckt jedoch nur einen kleinen Teil dessen ab, was in der Praxis zu erwarten wäre. Ziel des Kapitels ist die sehr kompakte Darstellung des umfangreichen und komplexen Themas der Projektfinanzierung, daher werden viele Punkte nicht abgehandelt. Hierzu gehören z.B. die diversen Besonderheiten bei der Projektfinanzierung verschiedener Industriesektoren sowie die Darlegung des langwierigen Prozesses, sowohl bei der Finanzierung als auch beim generellen Projektmanagement. Entsprechende Literaturhinweise am Ende des Kapitels sollen dem interessierten Leser jedoch die Möglichkeit geben, diese Lücken zumindest teilweise zu schließen. 4 Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass aufgrund der globalen Präsenz der Finanzwelt vielen angelsächsischen Begrifflichkeiten Vorrang gewährt wird und eine gewisse Vermischung mit der deutschen Sprache nicht ausbleibt. So auch in den vorangegangenen und folgenden Passagen. 1.2 Anwendungsgebiete der Projektfinanzierung Wie bereits dargestellt, ist die Struktur einer Projektfinanzierung grundlegend verschieden von einer klassischen Unternehmensfinanzierung. Die Beweggründe für eine solche Form der Finanzierung können unterschiedlicher Natur sein und sind getrieben durch den Projektentwickler, welcher letztendlich entweder langfristiger Eigenkapitalinvestor ist oder noch vor oder nach der Bauphase seine Anteile veräußert, oder die ausschreibende Stelle. Bei von Regierungen ausgeschriebenen Projekten handelt es sich um Bau und Betrieb eines Projekts über eine gewisse Zeit in verschiedenen Strukturen (z.B. BOT oder BOO). Neben ebendiesen Gründen müssen allerdings diverse Grundvoraussetzungen vorhanden sein, bevor ein solch komplexes Unterfangen wie eine Projektfinanzierung erfolgreich durchgeführt werden kann. Die zwei Themenfelder der Beweggründe und Voraussetzungen werden in den folgenden zwei Punkten abgehandelt, welche vereinfacht dargestellt die Entscheidungsbasis einer jeden Projektfinanzierung sind. 1.2.1 Beweggründe Die Entscheidung für die Umsetzung eines neuen Projektes auf Basis der Projektfinanzierung wird durch den Entwickler bzw. die ausschreibende Stelle (meist über die Regierung oder zumindest staatseigene Unternehmen) getroffen. Sie sollte natürlich mit Hilfe verschiedener Analysen und bestenfalls unterstützt von externen Beratern durchgeführt werden, um eine einwandfreie Implementierung des Projekts von Anfang an zu gewährleisten. Um im nächsten Schritt die Beweggründe bzw. somit auch die Vorteile für die Gruppe der Entwickler besser zu verstehen, ist es wichtig, sie detaillierter aufzuzeigen. Hierzu gehören vereinfacht dargestellt: 4 Einen erweiterten Überblick in die Thematik bietet z. B. Reuter, A. (2010) <?page no="35"?> Thomas Friese, Nils Dickhoff 35 Projektentwickler, oft ohne belastbare eigene Bilanz (Industrie-)Unternehmen, im Energiebereich bspw. Energieversorger - aber natürlich auch in anderen Sektoren entsprechend vorhanden ( strategische Investoren), mit robusten Bilanzen. Zurückblickend auf die Definition der Projektfinanzierung, welche gerade nicht auf vorhandene und belastbare Bilanzen zurückgreift, können die Beweggründe für die Kategorie der Projektentwickler leicht abgeleitet werden. Häufig haben gerade diese Entwickler keine starke Bilanz im Hintergrund, welche für eine Investition notwendig wäre. In Einzelfällen sind möglicherweise genügend Eigenmittel vorhanden, um zumindest das Kapital für die Entwicklungskosten bereit zu stellen und gegebenenfalls mit weiteren Investoren das Projekt zum Abschluss zu bringen. Dies bildet jedoch die Ausnahme, denn alternativ wählen Projektentwickler oft die Variante das Projekt zum geeigneten Zeitpunkt an jene zu verkaufen, die entsprechend langfristige Mittel zur Verfügung stellen können. Zu diesen Käufern zählen häufig Finanzinvestoren, bspw. Infrastrukturfonds (siehe Kapitel 2). Bei den Unternehmen mit starker Bilanz hingegen sind die treibenden Faktoren oftmals anderer Natur. Hintergrund kann so die bilanzielle Auswirkung einer großen Investition sein. Wenn bei einer Projektfinanzierung weitere Investoren hinzukommen, kann je nach Anteilsverteilung die Situation auftreten, dass keiner der Eigentümer die Projektgesellschaft konsolidieren muss (eine at-equity-Bilanzierung verbleibt selbstverständlich). Dies ist auch insbesondere im Hinblick auf das Rating eines Unternehmens wichtig, denn wenn eine erhöhte Verschuldung abgewendet werden kann, freut dies potentielle und bestehende Gesellschafter des originären Unternehmens. 5 Die Konstellation, dass mehrere Anteilseigner ein Projekt implementieren möchten, kann auch ein Faktor für die Anwendung dieser Struktur sein. Möglicherweise möchte der Entwickler dieses Projekt nicht alleine bestreiten da bspw. die Erfahrung in dem jeweiligen Markt und Land nur sehr gering ist und daher die Beteiligung starker und erfahrener (lokaler) Partner wünscht. Ein weiterer Grund kann zudem die vereinfachte Veräußerbarkeit solcher Investitionen sein. Bei der Projektfinanzierung ist die Abgrenzung des Investitionsvorhabens ein charakteristischer Teil der Struktur und ermöglicht somit einen vereinfachten Wiederverkauf. Ein weiterer wichtiger Grund für die Anwendung der Projektfinanzierung, unabhängig von der Art der Sponsoren, ist das Prinzip der Risikoteilung. Dieses besagt, dass die einzelnen Risiken des Projekts von den Parteien getragen werden sollen, die sie am besten bewerten und entsprechend handeln können. Ein erfahrenes Baukonsortium kann z.B. die Risiken der zeitgerechten Fertigstellung besser gewährleisten als die Sponsoren oder andere Projektteilnehmer. Bei einer klassischen Unternehmensfinanzierung verbleibt dieses Risiko gegenüber den Kreditgebern bei dem Schuldner (Sponsor) und geht in dessen Bilanz unter, denn bei möglichen Problemen müssen die aufgenommenen Mittel gegenüber der Bank, die ein Vertragsverhältnis mit dem Sponsor und nicht mit der SPC eingegangen ist, unabhängig vom Projekterfolg zu- 5 An dieser Stelle soll ergänzend noch auf die weitreichenden Vorschriften der internationalen Rechnungslegung und Limitierung von bilanzneutralen Strukturen hingewiesen werden. Missbräuchliche Verwendung von SPCs, bspw. im bekannten Fall Enron, waren mitunter Ursachen für eine Erneuerung dieser Bilanzierungsregeln. <?page no="36"?> 36 1 Grundlagen der Projektfinanzierung rückgezahlt werden. Bei einer Projektfinanzierung hingegen hat der Sponsor die Möglichkeit dieses Risiko, im Zusammenspiel mit der Finanzierung, auf eine weitere Partei zu übertragen. Diese Form der Risikoteilung kann bei weiteren Schnittstellen entsprechend angewandt werden. Aufgabe des Projektmanagements ist es daher in Zusammenarbeit mit dem Financial Advisor die eingehende Risikoanalyse und Darstellung an deren Ende in einer Risikomatrix erkenntlich ist, welche Risiken existieren und wie diesen entgegengetreten wird bzw. wer diese am besten tragen kann und letztendlich auch trägt. Nur so weiß ein finanzierendes Institut, ob die vorhandenen Risiken akzeptabel sind. Die Motivation zur Ausschreibung von Projekten ist hingegen einfach verdeutlicht. In diesem Fall sind die Notwendigkeiten bestimmter Infrastrukturunterfangen politisch motiviert und durch die Bedürfnisse der Bevölkerung vorgegeben. Die Finanzierung soll sich allerdings nicht im nationalen Haushalt niederschlagen und wird daher auf den privaten Sektor übertragen. 1.2.2 Voraussetzungen Neben den Vorteilen der Projektfinanzierung muss auch auf die Voraussetzungen und somit auch limitierten Einsatzmöglichkeiten einer solchen Struktur eingegangen werden. Hierbei ist die Rolle der Fremdkapitalgeber und ggf. (Export-) Kreditversicherer insbesondere hervorzuheben, da diese langfristig in diesem Projekt gebunden und dem Risiko des Projekterfolges über die entsprechende Laufzeit ausgesetzt sind. Im Prozess der Projektfinanzierung wird die Finanzierbarkeit in verschiedenen Stufen und in verschiedener Tiefe geprüft. Geschieht dies anfangs noch auf eher genereller Basis, um eine grundsätzliche Aussage zur Güte der Struktur und Realisierungschance des Projekts zu erhalten, wird dies im weiteren Projektverlauf immer detaillierter und durch diverse externe Berater eingehend geprüft (in der sogenannten Due Diligence). Für den ersten Schritt reicht dabei schon die Expertise der angefragten Finanzberater aus. Dabei müssen vereinfacht dargestellt folgende kritische Bereiche betrachtet werden: Rechtlicher Rahmen eines Projektes (z.B. in welchem Land befinden wir uns, ist ein stabiler Rechtsrahmen mit verlässlicher Rechtsprechung vorhanden? ) Güte des Projekts (z.B. ist der Zweck dieses Projekts wirklich durch die Marktnachfrage gerechtfertigt und lässt die wirtschaftlich fundierte Analyse eine Rückzahlung des Fremdkapitals auf Basis dieses Projekts zu? ) Politische Komponenten, Konvertierung und Transfer (z.B. wird der Wechselkurs künstlich gehalten und es droht möglicherweise eine Abwertung bzw. können die Devisen wirklich jederzeit außer Landes gebracht werden ohne auf die Zustimmung der Zentralbank warten zu müssen? ) Teilnehmer des Projekts (z.B. gibt es einen Hintergrund in dem zu bedienenden Sektor, ist genügend lokale Expertise vorhanden und ist eine langfristige Planung erkennbar? Besitzen die Teilnehmer ausreichend Kapitalkraft? ) Zur Prüfung dieser Punkte dient im Projektgeschäft unter anderem eine anfangs noch überschaubare, im weiteren Verlauf allerdings sehr umfangreiche Machbarkeitsstudie <?page no="37"?> Thomas Friese, Nils Dickhoff 37 (Feasibility Study). Viele Teile dieser Studie werden auch zur Erstellung des Projekt Informationsmemorandum (PIM) genutzt, welches alle für eine Finanzierung bzw. Investition wichtigen Daten und Fakten zusammenstellt und ein zentrales Dokument in der Projektfinanzierung ist. Die im weiteren Projektverlauf folgende Due Diligence geht noch wesentlich weiter in die Tiefe und es werden Berater zur Prüfung der Projektverträge sowie zur Bewertung von technischen, juristischen, finanziellen, versicherungsspezifischen, steuerlichen und buchhalterischen Themen engagiert. Diese Prüfungen sind sehr umfangreich, aufwendig und verursachen weitere nicht unerhebliche Kosten. Hohe Transaktionskosten können daher durchaus als ein Nachteil der Projektfinanzierung festgehalten werden. Bei der Strukturierung einer individuellen und komplexen Projektfinanzierung wird auch häufig ein Mindestvolumen von EUR 100 Millionen geäußert, um diese Kosten entsprechend zu rechtfertigen. In etablierten Märkten mit eher standardisierten Prüfprozessen hingegen kann diese Größenordnung auch unterschritten werden. Exkurs: Strukturierte Anlagenfinanzierung Neben den beiden genannten Finanzierungformen, klassische Unternehmensfinanzierung und Projektfinanzierung, besteht im Rahmen der Anlagenfinanzierung noch die Variante der strukturierten Finanzierung. Dies beschreibt eine Mischung aus Projekt- und Unternehmensfinanzierung und die Gründe für die Nutzung bestehen meist in den genannten limitierenden Voraussetzungen der Projektfinanzierung. Ein vereinfachtes Beispiel für eine strukturierte Finanzierung ist die Errichtung eines Kraftwerks auf Basis einer Projektgesellschaft und struktureller Elemente (z.B. Debt Service Reserve Account), dessen Errichtung und Betrieb jedoch durch eine Staatsgarantie (für die Kreditrückzahlung) gestützt wird. Somit ist das Risiko von den Rückflüssen der SPC auf die Bonität des Staates verschoben. Diese Konstellation kann der akuten Notwendigkeit neuer Elektrizitätskapazitäten in Märkten geschuldet sein, deren Finanzierung auf private Investoren abzielt, obgleich die Voraussetzungen einer reinen Projektfinanzierung noch nicht gegeben sind und unbegrenzter Rückgriff auf die Sponsoren weder gewünscht ist noch ausreichend wäre. 1.3 Risikotragfähigkeit − zentrales Element der Projektfinanzierung Im folgenden Teil wird nun auf den zentralen Bestandteil der Projektfinanzierung näher eingegangen: das Projektrisiko. In diesem Zusammenhang wird das Risiko vereinfacht als eine negative Abweichung zur Planung verstanden, konkret ausgedrückt stellt dies die Möglichkeit dar, dass das zu finanzierende Projekt nicht wie erwartet verläuft und im ungünstigsten Fall zahlungsunfähig wird. Hierfür werden zuerst die verschiedenen Risiken aufgezeigt und anschließend auf verschiedene Möglichkeiten der Minimierung eingegangen, sowohl in vertraglicher als auch struktureller Form (zu spezifischen Risiken verschiedener Projekte im Bereich Erneuerbare Energien vgl. Kapitel 5 - 10). Abgerundet wird die Darstellung mit den verschiedenen Finanzprodukten, welche in Abhängigkeit zu den Risikofaktoren des Projekts stehen. <?page no="38"?> 38 1 Grundlagen der Projektfinanzierung 1.3.1 Risikoidentifikation und Risikominimierungsmaßnahmen Die Beschränkung der Haftung nur auf das eingezahlte Eigenkapital (in der puristischen Betrachtung) ist einer der Vorteile der Projektfinanzierung. Wer aber trägt nun die anderen Risiken? Das wesentlichste Risiko ist sicherlich, dass der projizierte und für den Erfolg maßgebliche Cash Flow nicht erreicht wird und damit das gesamte Projekt scheitert. Dies wird jedoch von einer Fülle anderer Risiken originär beeinflusst, denen zuerst Aufmerksamkeit gewidmet werden soll. Als zentrale Vorsorgemaßnahme für diese Risiken wird hier auch schon einmal die professionelle und belastbare Vertragsgestaltung, welche die Grundlage jeder Strukturierungsarbeit und Finanzierung darstellt, vorweg genommen. Wie oben erläutert findet die Projektfinanzierung in einer Reihe unterschiedlicher Sektoren Anwendung, generisch lassen sich dennoch folgende Risikocluster für alle Bereiche darstellen: [1] Funktions- und Technologierisiko (vgl. Kapitel 6 - 10) [2] Fertigstellungsrisiko (vgl. Kapitel 6) [3] Politisches Risiko, Rechts- und Genehmigungsrisiko (vgl. Kapitel 5 und 6) [4] Zuliefer-, Abbau- und generelles Ressourcenrisiko (vgl. Kapitel 6 - 10) [5] Abnahmebzw. Marktrisiko (vgl. Kapitel 5, 7 - 10) [6] Betriebs- und Managementrisiko (vgl. Kapitel 7 - 10) [7] Finanzierungsrisiko [8] Force Majeure Risiko Von der Bedeutung her ist das Abnahmebzw. Marktrisiko das Elementarste. Werden die Produkte oder Leistungen des projektfinanzierten Unternehmens nicht vom Markt aufgenommen, ist der Erfolg des Projekts von vornherein gefährdet. Grundsätzlich muss daher jede Überlegung hinsichtlich einer Projektfinanzierung, analog zu anderen Investitionsentscheidungen, mit einer Markteinschätzung beginnen. In diesem Zusammenhang müssen auch Subventionen und andere Versprechungen der Politik genannt werden, die mit einer gewissen Vorsicht betrachtet werden müssen. Denn letztendlich kann nur nachhaltiger Bedarf zu langfristigem Projekterfolg führen. Wie kann nun diese Nachfrage am Markt gesichert werden? Ausführliche Markstudien sind Bedingung der Fremdkapitalgeber und sollte hier kein langfristiger Bedarf festgestellt werden, ist das Projekt obsolet. Im Energiesektor werden in der Regel Stromabnahmeverträge (Power Purchase Agreement, PPA) abgeschlossen, die das Abnahmerisiko und die damit einhergehende Volatilität des Preises im Prinzip ausschließen. Allerdings muss auch ein solcher Vertrag genau analysiert werden und vor allem auch die Werthaltigkeit, d. h. die Kreditwürdigkeit des Partners untersucht werden. Das Fertigstellungsrisiko ist als nächstes zu nennen. Dreh- und Angelpunkt des Business-Planes ist der Zeitpunkt der Fertigstellung, der Zeitpunkt an dem das Projekt beginnt, den vollen Cash Flow zu generieren. Kommt es hier zu erheblichen Verzögerungen, kann im Extremfall der Schuldendienst nicht erfüllt werden und das gesamte Finanzierungsgebäude fällt in sich zusammen und muss möglicherweise restrukturiert <?page no="39"?> Thomas Friese, Nils Dickhoff 39 werden. Ausschlagegebend für die Fertigstellung ist neben erfahrenen Anlagenlieferanten, die für die Erstellung beauftragt werden, auch eine erprobte Technologie und Verfahrenstechnik. In der Praxis wird man nur sehr schwer eine Projektfinanzierungsstruktur für unausgereifte Technologien anwenden können, da aus Sicht der Banken hier zusätzliche, vermeidbare Risiken liegen. Eine Projektfinanzierung wird daher sehr häufig auf Basis von Turnkey-Verträgen strukturiert 6 , um ebendieses Risiko entsprechend zu minimieren. Klare Verantwortlichkeiten und Vertragstrafen für Verzögerungen sind von den Generalunternehmern zu tragen. Diese Kompensationen sollen die Schuldendienstzahlungen während der Verzögerungen abdecken und damit die Kapitalgeber schützen. Technische Gutachten unabhängiger Ingenieur-Büros sollen ebenso dazu beitragen, dieses Risiko auszuschalten. Das Feld der politischen und rechtlichen Risiken ist je nach Projekttyp und Ort der Realisierung unterschiedlich. Während diese Risiken im Umfeld der OECD Länder überschau- und beherrschbar sein sollten, stellen sie in Schwellenländern eine Herausforderung dar, die mit den richtigen juristischen Beratern gemeistert werden muss. Rechtsgutachten können hier für Klarheit und Sicherheit für die Akteure sorgen. Für Projekte in Schwellenländern ist es auch extrem hilfreich, wenn nicht unabdingbar, inländische Partner mit einzubeziehen. Ihre Landeskenntnis kann das Projekt über so manche Klippe bringen, die für andere sonst unüberwindbar wäre. Finanzierungsrisiken beziehen sich insbesondere auf Bewegungen am Kapitalmarkt wie u.a. Zins- und Wechselkursschwankungen, umfassen aber auch das Refinanzierungs- und Kontrahentenrisiko bei Absicherungsinstrumenten. Das heutige Instrumentarium im Derivate-Bereich, auf das im weiteren Verlauf des Buches noch eingegangen wird, bietet genügend Möglichkeiten z.B. Zinsveränderungsrisiken in den Griff zu bekommen. Daneben müssen die Partner sehr genau ausgewählt werden, um Counterparty-Risiken zu vermeiden. Diese Auswahl der Partner, frühzeitige Bindungen und die Attraktivität des Projektes schützen vor Liquiditätsrisiken. Vielen der Projektgesellschaften mangelt es an erfahrenem Management. In diesen Fällen wird auf unabhängige Betreiber zurückgegriffen, wodurch ein zusätzliches Risikofeld, im Bezug auf die Kompetenz der Anlagenbetreiber, entsteht. Auch hier sollten die Partner sehr genau ausgewählt und die Erfahrung auf den jeweiligen Gebieten genau geprüft werden. Darüber hinaus dienen auch sogenannte Covenants als Teil der Kreditverträge der Vorsorge vor Fehlentscheidungen des Managements. Sie verpflichten die Vertragsparteien z.B., vorab definierte Kennzahlen hinsichtlich der Verschuldung und des Schuldendienstes einzuhalten (affirmative Covenants) oder schließen z.B. eine weitere Verschuldung aus (negative Covenants). Force Majeure lässt sich auf unserem Globus nicht vermeiden. Diverse Natureinflüsse gefährden den Betrieb und ggf. sogar die Existenz von Projekten. Sie lassen sich 6 Allerdings gibt es auch hierfür Ausnahmen. Im Windbereich werden bspw. auch Multi-Contracting Strukturen genutzt, um die zusätzlichen Kosten eines Generalunternehmers zu sparen. Dies ist selbstverständlich nur dann möglich, wenn die Schnittstellenrisiken gering und vertretbar sind. <?page no="40"?> 40 1 Grundlagen der Projektfinanzierung durch Gutachter auf ihre Wahrscheinlichkeit einschätzen, dennoch ist man vor unvorhergesehenen Vorkommnissen nicht sicher. Hier stehen jedoch die Produkte der Versicherungswirtschaft zu Verfügung, die im Grunde sämtliche Risiken abdecken. Gerade die Fremdkapitalgeber bestehen in der Regel auf einem voll umfänglichen Versicherungsschutz (siehe Kapitel 11), während die Eigenkapitalgeber wegen der damit verbundenen hohen Kosten diesbezüglich eher zurückhaltend agieren. Das Ressourcenrisiko, insbesondere bei Energieprojekten, ist ebenfalls eines der elementaren Risiken, denn ohne die Zulieferungen oder die Ressourcennutzung ist ein Cash Flow undenkbar. Um hier den Kapitalgebern Sicherheit zu verschaffen, müssen je nach Projektart entweder langfristige Zulieferverträge, bspw. für Gas bei einem Gaskraftwerk, abgeschlossen werden oder über unabhängige Gutachten die zu erwartenden Sonnenstunden bzw. die Windstärke nachgewiesen werden. Derivate können ebenfalls als Sicherungsinstrumente genutzt werden, so auch bspw. bei Biomassekraftwerken (siehe Kapitel 7). Hier soll noch darauf hingewiesen werden, dass die Bonität der Zulieferer ebenfalls von essentieller Wichtigkeit ist, denn ein langfristiger Zuliefervertrag garantiert nur so lange den reibungslosen Betrieb, sofern der Zulieferer auch finanzstark genug ist, um das eigene Geschäft aufrecht zu halten. Um ganz sicher zu sein, können Kapitalgeber auch auf mehrere Gutachten bestehen und auch hier wird man immer Sensitivitätsanalysen durchführen und die externen Risikoträger sich eher am Worst-Case-Scenario orientieren. Abschließend soll noch die vorab angesprochene vertragliche Konstellation einer Projektfinanzierung als die zentrale Form der Risikoabsicherung grafisch dargestellt werden. Wie bereits angedeutet, müssen diverse vertragliche Beziehungen zwischen Projektgesellschaft und Marktteilnehmern vorhanden sein, um diversen Situationen vorzubeugen bzw. diesen im Fall eines Falles entgegenzutreten. Abbildung 1 verdeutlicht, zugegebenermaßen stark vereinfacht, eine solche Struktur. 1.3.2 Wichtige Analyseinstrumente und Strukturierung Nachdem nun die wichtigen vertraglichen Faktoren zur Minimierung des Risikos in einer Projektfinanzierung abgehandelt wurden, wird im nächsten Schritt auf die konkrete Analyse der wirtschaftlichen Eigenschaften des Projekts eingegangen. Diese wird als Erstes natürlich von den Sponsoren selbst durchgeführt, denn dies ist eine der Entscheidungsgrundlagen für die Investition per se. Darüber hinaus werden aber auch viele Projekt-Szenarien und Sensitivitäten von dem Financial Advisor bzw. den Risikoträgern simuliert, um die Robustheit in vielerlei Situationen zu berechnen. Als Analysegrundlage hierzu dient das auf Excel basierende Financial Model, welches in der Praxis durch hohe Komplexität, dies natürlich abhängig vom unterliegenden Projekt, charakterisiert ist. In diesem Zusammenhang stellt sich zuallererst die Frage: Wie viel Fremdkapital kann das Projekt tragen? Bei der Unternehmensfinanzierung kann das zu finanzierende Projekt durchaus vollständig finanziert werden, denn abgestellt wird ohnehin auf eine werthaltige Bilanz. Bei einer Projektfinanzierung wird allerdings zum einen ein gewisser Eigenkapitalanteil und somit eine gewisse Risikoübernahme durch den Sponsor verlangt und zum anderen erlauben die Finanzkennzahlen der meisten Projekte nur eine maximale Höhe des Fremdkapitals, die <?page no="41"?> Thomas Friese, Nils Dickhoff 41 Abb. 1: Vereinfachte Projektfinanzierungsstruktur am Beispiel Erneuerbarer Energien 7 (eigene Darstellung) darüber hinaus auch abhängig von Marktrisiken ist. In jedem Fall versuchen die Sponsoren allerdings, ihr einzubringendes Kapital so gering wie möglich zu halten, um nach dem Gesetz des Leverage Effekts die Eigenkapitalrendite zu optimieren. Zur Feststellung des möglichen Verschuldungsgrades können bzw. müssen diverse Strukturierungskennzahlen herangezogen werden. In erster Linie muss in den einzelnen Perioden des Projekts die Zahlungsbilanz, in der Finanzwelt auch bekannt als der Cash Flow Waterfall, des Projekts betrachtet werden, um den Schuldendienst (Zins- und Tilgungsleistungen) daraus ableiten zu können. Dafür wird für jede Periode der verfügbare Zahlungsfluss, der Cash Flow Available For Debt Service (CFADS), welcher maximal zur Bedienung des Schuldendienstes zur Verfügung steht, berechnet. Vereinfacht ausgedrückt wird hierfür der Projektrückfluss um jene lau- 7 Anmerkungen: Der Betriebsstofflieferant ist nicht zwingend (z. B. nicht im Wind-, jedoch im Biogasbereich) Teil des Projektes und daher gestrichelt mit der SPC verbunden. Je nach Rahmenwerk der Förderung Erneuerbarer Energien können Rückflüsse sowohl aus Stromals auch aus Zertifikateerlösen generiert werden. Zertifikateabnehmer (Staatliche / Private Einheit; Börse) Betriebs- und Wartungsdienstleister Generalunternehmer / Konsortium Investoren / Sponsoren Betriebsstofflieferant Banken / Finanzierungsinstitute Ausgaben Finanzierung / Strukturierung Einnahmen (Export-) Kreditversicherer Kreditvertrag Berater (rechtlich, finanziell, technisch) Beratungsvereinbarungen Projektgesellschaft (SPC) Öffentliche Hand Grundstückseigentümer Versicherungen EPC Vertrag Liefervertrag Servicevertrag Genehmigungen Pacht- / Kaufvertrag Policen Gesellschaftervertrag Stromabnehmer (Staatliche / Private Einheit; Börse) PPA / Einspeiseregelung essentieller Bestandteil projekt-spezifischer Bestandteil <?page no="42"?> 42 1 Grundlagen der Projektfinanzierung fenden Kosten des Projekts (Betriebs- und Wartungskosten, Brennstoffkosten, Versicherungen und Steuern) bereinigt, welche zum einwandfreien Betrieb unabdingbar sind. Da diese Berechnung jedoch auf in die Zukunft gerichteten Annahmen basiert, daher Abweichungen durchaus möglich sind und insbesondere Banken den konservativen Ansatz bevorzugen, wird dieser CFADS um einen Risikopuffer bereinigt. In der Praxis bedeutet dies, dass die prognostizierten, frei verfügbaren Mittel den Schuldendienst in jeder Periode um eine gewisse Höhe übersteigen müssen, bspw. um den Faktor 1,3 8 . Bei über die Zeit variierenden Cash Flows wird somit auch der Schuldendienst entsprechend angepasst, eine Prozedur, die im Gegensatz zu bspw. fixen Annuitäten steht und als Debt Sculpting bekannt ist. Als Kennzahl wird dies ausgedrückt im Schuldendienstdeckungsgrad, in der Finanzierungswelt bekannt als der: Debt Service Coverage Ratio (DSCR) = Diese Kennzahl kann sowohl als Durchschnitt über die gesamte Kreditlaufzeit, als auch als Einzelbetrachtung in den jeweiligen Perioden berechnet werden. Als Übersicht ist die durchschnittliche Betrachtung durchaus hilfreich, da aber die Volatilität in den verschiedenen Projektperioden, insbesondere in der Betrachtung der Fremdkapitalrückführung (meist halbjährliche Rückführung), nicht zu vernachlässigen ist, muss eine periodenspezifische Betrachtung als Analysegrundlage genutzt werden. In einem Financial Model wird nun, unter Berücksichtigung des entsprechenden DSCR, jeder einzelne Schuldendienst über die Laufzeit 9 kumuliert und auf den heutigen Zeitpunkt diskontiert. Das Resultat dieses Vorganges definiert den maximal möglichen analytischen Fremdkapitalanteil des Projektes. Dieser muss wiederum mit vielen anderen Themen, wie z.B. der grundsätzlich zu erwartenden Mindesthöhe an einzubringendem Eigenkapital, in Verbindung gebracht werden und wird letztendlich unter Berücksichtigung aller Faktoren und in den Verhandlungen mit den Sponsoren fixiert. Als Orientierungsgröße haben sich in etablierten Märkten und gut strukturierten Projekten Eigenkapitalanteile von 20 - 30 % der gesamten Investitionskosten herauskristallisiert, die aber je nach Abhängigkeit von Markteinflüssen variieren können. Neben dem DSCR, als der für die Projektanalyse und -strukturierung wichtigsten Kennzahl, kommen weitere Kennziffern zur Anwendung, um die wirtschaftliche Güte des Projektes aus Sicht der Fremdkapitalgeber in verschiedenen Szenarien zu bewerten. Hierzu zählen unter anderem: Project Life Cover Ratio (PLCR) = Loan Life Cover Ratio (LLCR) = ä Diese beiden Kennzahlen geben weitere Indikationen über die wirtschaftliche Güte, müssen jedoch immer im Kontext des gesamten Projektes betrachtet werden, nicht isoliert. 8 Gerade im Windbereich (onshore) ist ein DSCR von 1,3 bei p90 (d. h. es existiert eine 90%ige Wahrscheinlichkeit, dass eine vorher definierte Strommenge erzielt wird) weit verbreiteter Standard. 9 Die Laufzeit des Fremdkapitals ist von vielen Faktoren abhängig, bspw. von der Laufzeit des PPA/ der Einspeisevergütung oder auch von lokalen Besonderheiten. <?page no="43"?> Thomas Friese, Nils Dickhoff 43 Neben den wichtigen Analyseinstrumenten für Fremdkapitalgeber soll nun noch kurz in die Werkzeugkiste der Sponsoren gegriffen werden, schließlich fällt dort erst die Entscheidung für die Investition bevor weitere Kapitalgeber zum Zuge kommen. Als erste Kennzahl ist diesbezüglich die Projektrendite (Project IRR) zu nennen. Diese gibt Aufschluss darüber, wie profitabel ein Projekt ist, unabhängig von der zu wählenden Kapitalstruktur. Kurzum, die Rendite unter der Annahme, dass das Projekt ohne Aufnahme von Fremdkapital und somit zu 100 % Eigenkapital finanziert ist. Da aber Eigenkapital teurer ist als Fremdkapital und die Sponsoren nicht nur ihre Rendite maximieren, sondern auch bei der absoluten Höhe des einzusetzenden Kapitals sehr wahrscheinlich begrenzt sind, ist als nächstes die Eigenkapitalrentabilität (Equity IRR) als die wichtige Kennzahl aus Sicht der Investoren zu nennen. Trifft diese bei bestimmter, mindestens zu erwartender Verschuldung nicht die Mindestrendite (Hurdle rate), wird das Projekt nicht weiter verfolgt. In diesem Zusammenhang ist auch oft der Nettobarwert (NPV) eine wichtige Orientierungsgröße bei der Investitionsentscheidung. Dieser gibt im Gegensatz zur Eigenkapitalrentabilität einen absoluten Wert als Ergebnis wieder und kann so als weiteres wertvolles Instrument zur Investitionsgrundlage und Portfoliosteuerung dienen. 1.3.3 Finanzierungsinstrumente Nachdem nun der Strukturierungsansatz kurz dargestellt wurde, wird im nächsten Schritt auf die möglichen Formen der Finanzierung eingegangen. Hier lassen sich grundsätzlich drei Gruppen im Hinblick auf die Risikoübernahme unterscheiden: Eigenkapital, Mezzanine und Fremdkapital. Eine detailliertere Betrachtung verschiedener Instrumente findet sich in den Kapiteln 13−18. Eigenkapital ist aufgrund der Höhe des übernommenen Risikos die teuerste Form der Finanzierung. Projekte müssen daher bei vorgegebenem Risiko Mindestrenditen aufweisen, die wiederum im Einklang mit der individuellen Nutzenfunktion der Investoren stehen müssen, um Investitionen zu fördern. Bei strategisch wichtigen Projekten mag dies selbstverständlich anders behandelt werden. Des Weiteren stehen in manchen länderspezifischen Rahmenbedingungen der Erneuerbaren Energien auch staatliche Subventionen als Anfangsinvestition zur Verfügungen, welche als ein Ersatz für Eigenkapital genutzt werden können. Als weiteres Finanzierungselement können Mezzanine-Produkte dienen. Diese werden definiert als eine Mischung zwischen Eigen- und Fremdkapital, da je nach vertraglicher Ausarbeitung mehr Charakteristika der einen oder anderen Seite genutzt werden. Als Beispiele können Eigenkapital mit fester Zins- und Rückzahlung oder Fremdkapital mit Kontroll- und Entscheidungsbefugnissen genannt werden. 10 Bei der Nutzung dieses Instruments liegt erneut die Motivation der beteiligten Parteien darin, das Eigenkapital möglichst gering zu halten und gleichzeitig den Anforderungen nach risikotragendem Kapital gerecht zu werden. Darüber hinaus kann so auch weiteren Kapitalgebern die Möglichkeit der Beteiligung am Projekt geben werden. Da die Mezzanine-Tranchen mehr Risiken tragen und im Falle einer Insolvenz des Projektes nachrangig bedient werden, passt dies grundsätzlich auch in die Anforderungen der Fremdkapitalgeber. Genutzt wird diese Form der Finanzierung in großvo- 10 Vgl. Brokamp, J., Ernst, D., Hollasch, K., Lehmann, G. & Weigel, K. (2012), S. 2 <?page no="44"?> 44 1 Grundlagen der Projektfinanzierung lumigen Projekten in der Praxis jedoch recht selten, da die Anreize und Anforderungen (große Kapitalmengen mit entsprechend hoher Risikoübernahme bei gleichzeitiger Nicht-Beteiligung an den Anteilen der Projektgesellschaft) oft nicht ausreichend sind. Das abschließende Instrument zur vollständigen Finanzierung eines Projektes ist die Fremdkapitalfinanzierung. Wie bereits aufgezeigt stellt diese Form den größten Anteil der Finanzierung und muss wegen der langfristigen Bindung an das Projekt auf einer intensiven und umfassenden Risikoanalyse und risikominimierenden Maßnahmen beruhen, um das eingesetzte Kapital nebst den Zinsen wieder zu erhalten. Hierzu dienen neben den vorbereitenden Entscheidungsgrundlagen wie der Due Diligence, Szenarioanalysen und den vertraglichen Absicherungen auch strukturelle Elemente wie bspw. Sicherheiten-Tranchen (Contingent Equity/ Debt), ein Debt Service Reserve Account (DSRA) und in vielen Fällen auch (Export-) Kreditversicherungen. 11 Die Sicherheiten-Tranchen dienen der Abdeckung unvorhergesehener Kosten während der Bauphase und werden sowohl aus Eigenkapitalmitteln von den Sponsoren (dann: limited recourse) als auch durch Fremdkapitalmittel abgedeckt. Sofern diese Tranchen ausgezahlt werden müssen, wird der Anteil der Fremdkapitalgeber (Contingent debt), im Gegensatz zum klassischen vorrangigen Fremdkapital (Senior debt), typischerweise aus Cash Sweeps bedient. Diese beinhalten alle frei verfügbaren Mittel der Projektgesellschaft, nach Abzug der notwendigen betrieblichen Kosten und dem regulärem Schuldendienst. Sollte dieser Fall eintreten, werden keine Dividenden an die Sponsoren ausgezahlt, bis die Sicherheiten-Tranchen zurückgeführt wurden. Ein DSRA als weitere Vorsorgekomponente aus Sicht der Fremdkapitalgeber ist ein Sicherheitspuffer, der üblicherweise eine bis zwei Raten des Schuldendienstes abdeckt. Sollte es also bspw. bei einem Windpark ein unerwartet schlechtes Halbjahr geben und der nötige Umsatz wird nicht generiert, wird ein DSRA genutzt, um das Projekt vor einer Insolvenz zu retten. In den folgenden Perioden wird dann der DSRA mit den laufenden Einnahmen wieder aufgefüllt. Als weiteres strukturelles Instrument zur Risikominimierung stehen (Export-) Kreditversicherungen zur Verfügung. Diese nehmen einen Teil des Risikos, wodurch der Schaden im Falle einer Insolvenz für die Fremdkapitalgeber verringert wird. Gerade bei Projektfinanzierungen in Schwellenländern aber auch großvolumigen Unterfangen in etablierten Märkten wird sich oft dieser Unterstützung bedient. Diese setzt allerdings, wie der Name schon erahnen lässt, einen Export von Anlagen voraus und wird durch die entsprechende Institution des exportierenden Landes gestützt. Vereinzelt geben diese nicht nur Kreditgarantien, sondern auch direkt Kredite als zusätzliches Exportförderinstrument. Darüber hinaus dienen weitere Tranchen der Zwischenfinanzierung des reibungslosen Projektbetriebs, bspw. deckt eine Working Capital Tranche die Begleichung von laufenden Betriebskosten vor Gutschrift der Projekterträge ab, und werden ebenfalls von den Fremdkapitalgebern bereitgestellt. 11 Dies ist selbstverständlich nur eine kleine Übersicht der in der Finanzierungswelt sonst sehr weitreichenden Ausgestaltung verschiedener (Sicherheiten-) Tranchen und Fremdkapitalinstrumente. <?page no="45"?> Thomas Friese, Nils Dickhoff 45 Neben den Finanzierungsinstrumenten soll nun noch kurz auf die entsprechenden Teilnehmer eingegangen werden. Klassisch stehen in diesem Zusammenhang kommerzielle Banken zur Verfügung. Je nach Land, Markt und Sektor haben sich gewisse Institute etabliert und sind häufig in den jeweiligen Projektfinanzierungen zu beobachten. Darüber hinaus gibt es auch noch multilaterale (mehrere Länder als Eigentümer) und nationale Entwicklungsbanken, die in jenen Märkten aktiv sind, in denen kommerzielle Kapitalgeber die Risiken der Projektfinanzierung noch als zu hoch einschätzen. Zudem können auch Verbriefungsinstrumente genutzt werden, um institutionelle (Projektanleihen) und private Investoren (über geschlossene / offene Fondsstrukturen) als Kapitalquelle zu nutzen. Beide Formen werden im Verlauf des Buches noch intensiver dargestellt. Die folgende Abbildung fasst die vorangegangenen Punkte noch einmal zusammen: Abb. 2: Vereinfachte Übersicht der Finanzierungsinstrumente einer Projektfinanzierung (eigene Darstellung) Eigenkapital Mezzanine Fremdkapital Finanzierungsinstrumente Finanzierungsprodukte Beispiele für Kapitalgeber - Echtes Eigenkapital - Quasi-Eigenkapital (z. B. Gesellschafterdarlehen) - Subventionen - Eigenkapitalähnliche Darlehen / nachrangige Darlehen (Junior loans) - Genussscheine - (Vorrangige) Bankkredite (Senior loans) - Weitere Tranchen (z. B. VAT, Working Capital, Letter of Credit) - Sicherheiten Tranchen (z. B. Contingencies, DSRA) - Finance Lease - Finanzinvestoren (z. B. Infrastructure Fonds) - Strategische Investoren (z. B. Energieversorger) - (Geschlossene) Fonds - Staat - Spezialisierte, risikoaffine Kapitalgeber / (geschlossene) Fonds - Privatinvestoren (Genussscheine) - (Internationale) Geschäftsbanken - Multilaterale / Nationale Entwicklungsbanken - Direktkredite von Exportkreditversicherern - Institutionelle Investoren (bei Ausplatzierung) Funktion in der Projektfinanzierung Risikoübernahme durch den Sponsor; verknüpft mit Elementen, die das einzusetzende Kapital verringern Möglichkeit das Eigenkapital zu verringern und spezialisierte Kapitalgeber mit einzubeziehen Stellt den großen Teil der Projektfinanzierung dar; weitere Tranchen zur Zwischenfinanzierung; Sicherheiten Tranchen als Risikovorsorgeelement; Ausplatzierung (z. B. Projektanleihen) teilweise möglich Abnehmendes (Rückzahlungs-) Risiko <?page no="46"?> 46 1 Grundlagen der Projektfinanzierung Auf den Punkt gebracht: Projektfinanzierungen stellen eine besondere Form der Finanzierungsstruktur dar, die im Gegensatz zur klassischen Unternehmensfinanzierung steht und primär auf die zukünftigen Rückflüsse des Projektes abstellt. Obgleich viele Vorteile für die Nutzung dieser Struktur sprechen, stellen die Komplexität und diverse Grundvoraussetzungen gewisse Hürden dar. In diesem Zusammenhang spielt die begrenzte Haftung der Investoren eine zentrale Rolle, denn ein nicht unerheblicher Teil der Risiken verbleibt bei den anderen Projektbeteiligten und muss detailliert analysiert und minimiert werden. Werden die Risiken nicht zur Zufriedenheit der Kreditrisikoträger abgeschwächt, insbesondere durch vertragliche und strukturelle Komponenten, ist das Projekt nicht auf Basis einer Projektfinanzierungsstruktur realisierbar. Literatur Backhaus, K. & Werthschulte, H.: Projektfinanzierung: Wirtschaftliche und rechtliche Aspekte einer Finanzierungsmethode für Großprojekte, Stuttgart 2003: Abhandlung diverser Sonderthemen, bspw. die Rolle staatlicher Exportkreditversicherungen Böttcher, J.: Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Vorhaben, Oldenbourg 2009, S. 41 - 153: Ausführliche Darstellung des Risikomanagements bei Projektfinanzierungen Brokamp, J., Ernst, D., Hollasch, K., Lehmann, G. & Weigel, K. (2012). Mezzanine- Finanzierungen. München: Vahlen. Fabozzi, F. & Nevitt, P. K. (2000). Project Financing. London: Euromoney Books. Finnerty, J. D.: Project Financing: Asset-Based Financial Engineering, New Jersey 2013, S. 347 - 456: Ausführliche Fallbeispiele der Projektfinanzierung in verschiedenen Sektoren Khan, M. F. & Parra, R. J.: Financing Large Projects, Singapur 2003, S. 105 - 160: Darstellung der einzelnen Phasen der Projektentwicklung und Berücksichtigung der Aspekte, die letztendlich bei einer Projektfinanzierung von essentieller Bedeutung sind Reuter, A. (2010). Projektfinanzierung. Stuttgart: Schäffer-Pöschl. Tytko, D. (2003). Grundlagen der Projektfinanzierung. In: Backhaus, K. & Werthschulte, H.: Projektfinanzierung: Wirtschaftliche und rechtliche Aspekte einer Finanzierungsmethode für Großprojekte, S. 262. Stuttgart: Schäffer-Pöschel. <?page no="47"?> 2 Finanzierung und Finanzierbarkeit der Energiewende Prof. Dr. Torsten Henzelmann, Roland Berger Strategy Consultants, Umwelt-Campus Birkenfeld, Hochschule Trier Inhalt 2.1 Energiepolitische Ziele der Bundesregierung.......................................................... 48 2.2 Energiesystem im Umbruch ...................................................................................... 49 2.2.1 Rückblick...................................................................................................................... 49 2.2.2 Dezentralisierung ........................................................................................................ 50 2.2.3 Herausforderungen der Umbruchphase .................................................................. 51 2.2.4 Nebeneinander und Gegeneinander zentraler und dezentraler Strukturen......... 52 2.2.4.1 Marktdesign ................................................................................................................. 53 2.2.4.2 Förderung Erneuerbarer Energien ........................................................................... 53 2.3 Investitionsbedarf für die Transformation des Energiesystems ........................... 54 2.4 Kapitalgeber für die Infrastruktur im Stromsektor ................................................ 58 2.4.1 Finanzierungsrelevante Merkmale von Erneuerbare-Energien-Anlagen............. 58 2.4.2 Überblick Investorengruppen ................................................................................... 59 2.4.2.1 Banken .......................................................................................................................... 60 2.4.2.2 Energieversorgungsunternehmen ............................................................................. 63 2.4.2.3 Institutionelle Investoren ........................................................................................... 64 2.4.2.4 Kommunen.................................................................................................................. 67 2.4.2.5 Private Investoren ....................................................................................................... 69 2.5 Kooperation der Kapitalgeber................................................................................... 69 2.5.1 Offshore Windpark „Butendiek“.............................................................................. 70 2.5.2 Stadtwerke als Partner ................................................................................................ 70 2.6 Rahmenbedingungen für Investitionen.................................................................... 71 Literatur ........................................................................................................................ 73 Schlagwortliste Basel III, Dezentralisierung, Energiekonzept, Energiemarktdesign, Energiesystem, Energieversorgungsunternehmen, Infrastrukturfonds, Institutionelle Investoren, Investitionsbedarfe, Investorengruppen, Kooperation der Kapitalgeber, Private Equity, Rekommunalisierung, Solvency II, Übertragungsnetze, Verteilnetze <?page no="48"?> 48 2 Finanzierung und Finanzierbarkeit der Energiewende 2.1 Energiepolitische Ziele der Bundesregierung Im September 2010 hat die Bundesregierung mit dem Energiekonzept für eine umweltfreundliche, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung den langfristigen Kurs für die Energiepolitik in Deutschland festgelegt. Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima wurde dieses Energiekonzept durch das im Juni 2011 verabschiedete Gesetzespaket zur Energiewende ergänzt. Diese Beschlüsse setzen den politischen Rahmen und bestimmen die strategischen Ziele für einen grundlegenden Wandel der Energieversorgung in Deutschland mit folgenden Kernpunkten: Ausstieg aus der wirtschaftlichen Nutzung der Atomenergie bis spätestens Ende des Jahres 2022 Verbesserung der Energieeffizienz Ausbau der Erneuerbaren Energien Der Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch soll kontinuierlich ausgebaut werden. Als Zielmarke für das Jahr 2020 sieht das Energiekonzept einen Anteil von 18 Prozent vor, Stand 2012: 12,6 Prozent, (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie/ Bundesumweltministerium, 2010). Dieser Wert entspricht der Vorgabe der der Europäischen Union (EU). Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (2009/ 28/ EG) schreibt für jeden Mitgliedsstaat den Beitrag fest, den die Erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2020 am Bruttoendenergieverbrauch des jeweiligen Landes zu liefern haben, damit die EU ihr Gesamtziel von 20 Prozent erreicht. Nach 2020 will die Bundesregierung den Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch weiter steigern: Er soll 2030 bei 30 Prozent liegen, 2040 bei 45 Prozent und 2050 bei 60 Prozent. Demnach werden die regenerativen Energien einen deutlich wachsenden Part der Stromversorgung übernehmen. Das Energiekonzept der Bundesregierung gibt für den Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch Etappenziele vor: mindestens 35 Prozent Anteil im Jahr 2020, 65 Prozent im Jahr 2040 und 80 Prozent im Jahr 2050. Zum Jahresende 2012 haben die Erneuerbaren Energien in Deutschland bereits einen Anteil von 23,5 Prozent am Bruttostromverbrauch erreicht. Diese energiepolitischen Ziele haben eine enorme Relevanz für die Klimapolitik. Die Energieversorgung in Deutschland und anderen Industrieländern basiert vor allem auf fossilen Energieträgern, bei deren Verbrennung CO 2 freigesetzt wird: Im Jahr 2012 stellten Öl, Gas und Kohle einen Anteil von rund vier Fünfteln am Primärenergieverbrauch und von zwei Dritteln an der Bruttostromerzeugung in Deutschland. Weil etwa 80 Prozent der Treibhausgas-Emissionen energiebedingt sind, spielt der Energiesektor eine Schlüsselrolle für den Klimaschutz: Der Ausbau der regenerativen Energien ist neben einer Verbesserung der Energieeffizienz entscheidend, um die klimapolitischen Ziele der Bundesregierung zu erreichen: Bis 2020 soll der CO 2 -Ausstoß gegenüber dem Stand von 1990 um mindestens 40 Prozent sinken, bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent. <?page no="49"?> Torsten Henzelmann 49 2.2 Energiesystem im Umbruch 2.2.1 Rückblick Noch in den 1980er Jahren und Anfang der 1990er Jahre war die Struktur des Energiesektors relativ überschaubar. Die Akteure auf einem regulierten Strommarkt waren große Energiekonzerne, Stadtwerke und Regionalversorger. Sie fuhren relativ risikolos stabile Gewinne ein und deckten in der Regel die gesamte Wertschöpfungskette aus einer Hand ab - von der Stromerzeugung über die Stromübertragung und Stromverteilung bis hin zum Vertrieb an den Endverbraucher. Allerdings nahm die Kritik an den so organisierten Elektrizitätsmärkten zu. Überhöhte Preise und Inflexibilität - so lauteten die Hauptvorwürfe an die nationalen und lokalen Monopolisten. Außerdem galt diese Marktstruktur als Hemmnis für den grenzüberschreitenden Stromhandel - und folglich als Bremsklotz bei der Etablierung eines europäischen Binnenmarktes für Strom. Vor diesem Hintergrund wurden auf EU-Ebene wesentliche Spielregeln für den Energiesektor neu definiert: 1996 setzte die Verabschiedung der ersten EU-Richtlinie zur Elektrizitätsmarktliberalisierung (Richtlinie 96/ 92/ EG) den Startschuss für die Deregulierung der Strommärkte in den Mitgliedsstaaten. Sie zielte vor allem auf eine Entflechtung der Wertschöpfungsstufen ab: Das „Unbundling“ forderte die Trennung von Stromerzeugung und Netzbetrieb. Jedoch bezweckte die Richtlinie 96/ 92/ EG keine vollständige Liberalisierung der Elektrizitätsmärkte. Gemäß der Essential-Facilities-Doktrin 12 herrschte weitgehend Konsens darüber, den Bereich Stromnetze aus Gründen der volkswirtschaftlichen Effizienz und der Versorgungssicherheit nicht dem freien Spiel des Wettbewerbs zu überlassen. In Deutschland stellen die Bundesnetzagentur sowie die Regulierungsbehörden der Länder den so genannten neutralen Netzbetrieb sicher. Das heißt, alle Energieversorger werden bei der Einspeisung und Durchleitung von Strom diskriminierungsfrei behandelt. Die Preise für die Nutzung der Netze werden von der Bundesnetzagentur festgelegt. Das Stromnetz besteht aus Übertragungsnetzen und Verteilnetzen. Über die rund 35.000 Kilometer langen Übertragungsnetze wird Strom auf Höchstspannungsebene (220 oder 380 Kilovolt) über große Distanzen transportiert. Die Übertragungsnetze in Deutschland sind in vier Regelzonen unterteilt, wobei jeder der vier Übertragungsnetzbetreiber (50 Hertz, Amprion, TenneT TSO und Transnet BW) für die Höchstspannungsleitungen in „seinem“ Gebiet verantwortlich ist. Der Auftrag der Übertragungsnetzbetreiber ist in § 11 (1) des Energiewirtschaftsgesetzes definiert: „Betreiber von Energieversorgungsnetzen sind verpflichtet, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen […].“ 12 Die Essential-Facilities-Doktrin regelt im Wettbewerbsrecht den Zugang zu wesentlichen Infrastruktur-Einrichtungen, beispielsweise den Telekommunikations-, Strom- oder Schienennetzen. Damit soll der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ausgeschlossen werden. <?page no="50"?> 50 2 Finanzierung und Finanzierbarkeit der Energiewende Über die Verteilnetze wird der Strom über örtliche Leitungen zum Endverbraucher transportiert. Die Verteilnetze umfassen drei Spannungsebenen (Hochspannung: 110 Kilovolt; Mittelspannung: 10 bis 30 Kilovolt; Niederspannung: 0,4 Kilovolt) und addieren sich in Deutschland auf eine Länge von 1,7 Mio. Kilometer. Betreiber sind in der Regel regionale Energieversorger. Derzeit gibt es in Deutschland rund 900 Unternehmen, die Verteilnetze betreiben. Die Grundlage dafür sind Konzessionsverträge, die über eine Laufzeit von maximal 20 Jahren geschlossen werden. 2.2.2 Dezentralisierung Neben der Deregulierung der Elektrizitätsmärkte zeichnete sich in den 1980er und 1990er Jahren eine weitere Umwälzung im Energiesektor ab. Traditionell wurde der Strom in Deutschland und anderen Industrieländern von großen fossilen Kraftwerken und seit 1972 auch von Kernkraftwerken erzeugt, in ein Verbundnetz eingespeist und über die Transportnetze in regionale und lokale Verteilernetze zu den Abnehmern transportiert. Diese Kaskade leitete den Strom ausschließlich in eine Richtung, nämlich vom Erzeuger zu den Verbrauchern in der Industrie, im Gewerbe und in den privaten Haushalten. 1989 wurde erstmals als Stand der Technik anerkannt, dass sich dezentral erzeugte Energie ins Netz einspeisen lässt. Vor Ort verfügbare regenerative Energieträger wie Sonne, Wind oder Biomasse wurden immer stärker zur Erzeugung von Strom eingesetzt. Kräftigen politischen Rückenwind erhielt dieser Ausbau der Erneuerbaren Energien durch das Stromeinspeisegesetz und das 2000 verabschiedete Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Diese Gesetze sicherten den dezentralen Ökostromproduzenten den Zugang zu den Netzen und eine Mindestvergütung für den regenerativ erzeugten Strom. Unter diesen Rahmenbedingungen ist der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Bruttostromversorgung im Zeitraum 1990 bis 2012 von 3,1 Prozent auf 23,5 Prozent gestiegen. Diese dynamische Entwicklung der Erneuerbaren Energien erwies sich in Deutschland als entscheidender Treiber für die Dezentralisierung der Stromversorgung. Ein Trend, der sich in den nächsten Jahren fortsetzen wird: Dezentrale Erzeugungssysteme werden ihren Marktanteil weiter erhöhen. Im Jahr 2012 wurden in Deutschland etwa drei Viertel des Stroms durch zentrale Anlagen erzeugt. 13 Bis zum Jahr 2030 wird sich dieses Bild völlig verändert haben. Dann werden die dezentralen Anlagen - Onshore- Windenergieanlagen, Photovoltaik, dezentrale (Bio-)Gas-/ Biomasse-Anlagen, dezentrale Wasserkraft - etwa 60 Prozent der Stromproduktion übernehmen (siehe Abb. 3). 13 Zu den zentralen Anlagen zählen Kernkraftwerke, Steinkohlekraftwerke, Braunkohlekraftwerke, zentrale Wasserkraft, der Großteil der Gaskraftwerke sowie Offshore-Windenergieanlagen. <?page no="51"?> Torsten Henzelmann 51 Abb. 3: Stromerzeugung in Deutschland durch zentrale und dezentrale Anlagen [TWh] (Quelle: Netzentwicklungsplan, 2012) 2.2.3 Herausforderungen der Umbruchphase Der Ausbau der Erneuerbaren Energien erhöht die Komplexität im Energiesystem und führt in der Energiewirtschaft zu gravierenden Veränderungen auf der Technologie- und Marktebene. Eine der großen Herausforderungen besteht darin, die dezentralen Energieversorgungssysteme zu verknüpfen und in das Stromnetz zu integrieren. War die Anpassung der Stromerzeugung an die Schwankungen des Strombedarfs im Tagesverlauf in einer zentralistisch und fossil geprägten Struktur der Energieerzeugung noch einigermaßen einfach zu regeln, ist die Aufrechterhaltung der Netzstabilität durch den wachsenden Anteil der Erneuerbaren Energien komplizierter geworden. Aufgrund der fluktuierenden Einspeisung von z.B. Photovoltaik- und Windenergieanlagen steigen die Anforderungen an das Netzmanagement und die Netzinfrastruktur. Die Transformation des Energiesystems konfrontiert sowohl die Verteilungsals auch die Übertragungsnetze mit neuen Anforderungen, weil ein Großteil der Leitungen 600 400 800 200 0 2012 2030 2025 2020 2018 2016 2014 Import 77% 43% > Rückgang der Erzeugung aus zentralen Anlagen - Wind Offshore einzige zentrale Erzeugung, die ausgebaut wird > Zukünftige Gewinne verstärkt durch dezentrale Erzeugung zu erzielen > Es werden Kooperationsmöglichkeiten zwischen Energieversorgern und Systemherstellern dezentraler Konzepte entstehen Kernkraft, Steinkohle, Braunkohle, zentrale Wasserkraft, Großteil der Gasanlagen und Wind-Offshore Zentrale Anlagen: Dezentrale Anlagen: Wind-Onshore, Photovoltaik, dezentrale (Bio-)Gas/ Biomasse-Anlagen, dezentrale Wasserkraft BEMERKUNGEN <?page no="52"?> 52 2 Finanzierung und Finanzierbarkeit der Energiewende noch nicht für den Transport großer Mengen Erneuerbarer Energien ausgelegt ist. Dies erfordert eine Verstärkung der Netze sowie den Bau zusätzlicher Höchstspannungsleitungen: Aufgrund der Einspeisung aus dezentralen Versorgungssystemen müssen Verteilnetze in die Lage versetzt werden, einen bidirektionalen Lastfluss zu bewältigen. Einzelne Netze sind also - je nach Zustand und Aufgabenstellung - zu ertüchtigen und gegebenenfalls mit intelligenten Komponenten nachzurüsten. Auf der Ebene der Übertragungsnetze müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, um die teilweise erheblichen Distanzen zwischen den Erzeugungsorten regenerativer Energien und den Lastzentren zu überwinden. Vor allem aus dem Norden gilt es, große Strommengen in Richtung Süden und Westen zu transportieren, weil die Windenergie eine zunehmend wichtigere Rolle im Energiemix einnehmen soll. Auf Norddeutschland entfallen über 40 Prozent der installierten Gesamtleistung für Windenergieanlagen. 14 Die Verbrauchszentren für Strom sind jedoch vor allem im Süden und Westen Deutschlands - folglich muss der Windstrom aus dem Norden eine relativ weite Strecke zwischen Entstehung und Nachfrage zurücklegen. Laut Netzentwicklungsplan 2012 sind bis 2022 rund 2.800 Kilometer neue Übertragungsleitungen erforderlich. Etwa 2.900 Kilometer der vorhandenen Trassen haben Modernisierungsbedarf. 2.2.4 Nebeneinander und Gegeneinander zentraler und dezentraler Strukturen Bereits in ihrem 2010 verabschiedeten Energiekonzept hat die Bundesregierung die Dimension des Projekts Energiewende deutlich gemacht: „Die heutigen Energieversorgungsstrukturen müssen deshalb mittelbis langfristig grundlegend umgebaut werden, damit wir Versorgungssicherheit, Preiswürdigkeit sowie die klimapolitischen Ziele erreichen.“ Die Energiewende zählt zu den größten Modernisierungs- und Innovationsprojekten zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Es würde von erheblicher Naivität zeugen anzunehmen, dass die Transformation eines Schlüsselsektors der Volkswirtschaft ohne Komplikationen und Konflikte verlaufen würde. Der Wandel vollzieht sich in einem Stromsystem, dessen Teilmärkte sich im Grad der wettbewerblichen Ausgestaltung bzw. der Regulierung stark unterscheiden und folglich nicht reibungsfrei koexistieren können. Auch im Hinblick auf die Erzeugungsstrukturen befindet sich das Stromsystem in einem Transitstadium: Aktuell erleben wir eine Hybridphase, in der dezentrale und zentrale Elemente die Energieversorgung in Deutschland sicherstellen. Diese Umbrüche stellen alle Beteiligten vor große Herausforderungen: Die alten Strukturen und Gesetzmäßigkeiten des Energiesektors taugen nur bedingt für dessen Transformation in die regenerative und dezentrale Ära. Die adäquaten Strukturen müssen sich erst herausbilden. Und dabei gibt es keine Blaupausen, auf die die Akteure zurückgreifen könnten. Hinzu kommt: Wie bei jedem ökonomischen Strukturwandel gibt es auch bei der Transformation des Energiesektors Gewinner und Verlierer, die um ihre Besitzstände kämpfen. Vor diesem Hintergrund wird derzeit heftig um die künftige Gestaltung des Strommarktes gerungen. Im Zentrum dieser Diskussion - deren detaillierte Darstellung den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde - stehen das Design des Stromsystems und damit unter anderem die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). 14 Der Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE) zählt hierzu die Bundesländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Hamburg. <?page no="53"?> Torsten Henzelmann 53 2.2.4.1 Marktdesign Als zentrales Element für die Großhandelsmärkte wurden im Zuge der Liberalisierung der Elektrizitätswirtschaft die Strombörsen eingeführt. Die Preisbildung erfolgt nach dem Prinzip der Grenzkosten. Die Strombörsen waren also für den Einsatz von Kraftwerken konzipiert, deren variable Kosten deutlich größer Null liegen. Das bestehende Strommarktdesign ist nicht für hohe Anteile regenerativer Energien ausgelegt. Dies wird am Merit-Order-Effekt (M-O-E) deutlich: Die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke wird nach den Grenzkosten der Stromerzeugung bestimmt. Das heißt, scheint mittags zu Spitzenlastzeiten die Sonne, wird Solarstrom ins Netz eingespeist, Kraftwerke mit hohen Brennstoffkosten werden abgeschaltet. Der Großhandelspreis für Strom sinkt trotz großer Nachfrage. Gleichzeitig erhöht sich die Differenz zwischen den Ausgaben für Erneuerbare Energien (also den im EEG festgelegten Einspeisevergütungen) und den mit regenerativem Strom erzielbaren Einnahmen. Durch diesen Mechanismus steigt die EEG-Umlage - und mit ihr der politische und gesellschaftliche Widerstand gegen die Energiewende. Der steigende Anteil des Ökostroms lässt die Nachfrage nach konventionell erzeugtem Strom sinken, sodass die Auslastung der Kraftwerke zurückgeht. Die mit fossilen Energieträgern betriebenen Kraftwerke erreichen nicht mehr die für einen wirtschaftlichen Betrieb erforderlichen Volllaststunden. Gleichzeitig ist es unter Maßgabe der Versorgungssicherheit jedoch erforderlich, in bestimmtem Umfang Reserveleistung aus Kohle- und Gaskraftwerken vorzuhalten, um stets das Gleichgewicht zwischen Stromeinspeisung und Stromentnahme sicherzustellen. Nach dem derzeitigen Regime des Energy-only-Marktes (EOM), bei dem lediglich die produzierte und ins Netz eingespeiste Energie vergütet wird, ist die Bereitstellung von Reserveleistung für die Kraftwerksbetreiber nicht rentabel. Es wird über die Einführung eines Kapazitätsmechanismus diskutiert, der auch die Betriebsbereitschaft von Kraftwerken vergütet. Auf diese Weise könnte der Kapazitätsmechanismus zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit und dem wirtschaftlichen Betrieb von Kraftwerken beitragen. 2.2.4.2 Förderung Erneuerbarer Energien Für die Förderung Erneuerbarer Energien gibt es unterschiedliche preis- und mengenpolitische Grundmodelle, die sich vereinfacht in Mindestvergütungen (EEG), Quotenmodelle und Ausschreibungen typisieren lassen. Unstrittig ist, dass das EEG entscheidend zum rasanten Tempo beim Ausbau der regenerativen Energien in Deutschland beigetragen hat. Die darin verankerte Verpflichtung zum Netzanschluss, der Einspeisevorrang sowie eine Einspeisevergütung haben die Preis- und Marktrisiken bei der Einführung der grünen Energie-Technologien gesenkt und stabile Rahmenbedingungen für Investitionen geschaffen. Strittig ist jedoch, ob die derzeitige Ausgestaltung des EEG den Entwicklungen auf dem Elektrizitätsmarkt weiterhin gerecht wird. Befeuert wird die Kritik am EEG durch die steigende EEG-Umlage. Die Kontroverse um eine Reform des EEG hat sich im Vorfeld der Bundestagswahl im September 2013 verschärft; dabei reichten die Standpunkte von moderaten Veränderungen am EEG bis zu Forderungen nach einem radikalen Systemwechsel. Als Alternative zum Einspeisetarif kommen Quoten- oder Ausschreibungsmodelle infrage. <?page no="54"?> 54 2 Finanzierung und Finanzierbarkeit der Energiewende Beim Quotenmodell legt der Staat einen bestimmten Anteil von Erneuerbaren Energien am Strommix fest. Stromerzeuger müssen diese Quote erfüllen, indem sie ihre Kunden mit einem bestimmten Anteil regenerativer Energien beliefern. Die Erfüllung dieser Quote wird mittels Zertifikaten nachgewiesen. Das Ausschreibungsmodell beruht wie das Quotenmodell auf dem Prinzip der Mengensteuerung: Erzeugungsmengen und Kapazitäten werden vorgegeben. 2.3 Investitionsbedarf für die Transformation des Energiesystems Die Energiewende erfordert umfangreiche Investitionen in verschiedenen Bereichen der Energiewirtschaft. Berechnungen von Roland Berger Strategy Consultants gehen bis zum Jahr 2030 von einem Investitionsbedarf in Höhe von 280 bis 310 Mrd. Euro aus. Davon werden rund 160 bis 210 Mrd. Euro bis 2020 anfallen. Diese Zahlenangaben basieren auf dem Netzentwicklungsplan 2012, der Verteilnetzstudie 2012 der Deutschen Energie-Agentur (dena) und dem RB-Marktmodell. Berücksichtigt werden Investitionen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, der Netzinfrastruktur und Speicher sowie anderer Anlagen zur Systemintegration Erneuerbarer Energien. 15 Im Szenario von Roland Berger ist der Ausgangspunkt für die Abschätzung des Investitionsbedarfs der sogenannte Basisfall. In Sensitivitätsuntersuchungen wurden verschiedene Entwicklungsvarianten einzelner Energieträger durchgespielt. Daraus ergeben sich unterschiedliche Szenarien, die wiederum die Bandbreite des voraussichtlichen Investitionsbedarfs für Erneuerbare Energien vorgeben (siehe Abb. 4). Wie der Basisfall in Abb. 4 zeigt, entfällt bis 2020 über die Hälfte der für die Energiewende erforderlichen Investitionen auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien (88 Mrd. Euro). Nach Schätzungen von Roland Berger wird sich der Anteil der Erneuerbaren Energien am Investitionsbedarf bis zum Jahr 2030 auf mehr als 60 Prozent erhöhen und bei circa 180 Mrd. Euro liegen. Seit 2000 sind in Deutschland knapp 200 Mrd. Euro in Erneuerbare-Energien-Anlagen investiert worden (siehe Abb. 5). Im Jahr 2012 betrugen die Investitionen in Erneuerbare Energien in Deutschland 19,5 Mrd. Euro. Diese Marke bleibt hinter den Werten der Vorjahre zurück, obwohl der Zubau an installierter Leistung zur Stromerzeugung aus regenerativen Energien in den Jahren 2010 bis 2012 mit einem jährlichen Plus von 9,2 bis 10,1 Gigawatt relativ konstant war. Für die schrumpfenden Investitionsvolumina sind vor allem die fallenden Preise verantwortlich, insbesondere für Photovoltaik- Anlagen. Differenziert man die Investitionen in Erneuerbare Energien nach Sparten, ergibt sich für das Jahr 2012 die in Abb. 6 dargestellte Verteilung. 15 Investitionen für energetische Gebäudesanierung blieben bei der Abschätzung außen vor. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt, dass im Zeitraum 2014 bis 2020 für diesen Zweck Investitionen in Höhe von 31 bis 38 Mrd. per annum erforderlich werden. <?page no="55"?> Torsten Henzelmann 55 Abb. 4: Investitionsbedarf in der Energiewirtschaft bis 2020 (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants, 2013a) ANMERKUNGEN 21 20 37 Infrastruktur 175 Konventionell 170 Wind 171 PV 207 Basisfall 166 88 1 2 3 4 5 Sensitivitätsuntersuchung 4) Erneuerbare Energien Übertragungsnetz Sensitivitätsuntersuchung Konventionelle KW Verteilnetz 160 max ~207 Mrd. EUR min ~160 Mrd. EUR Basis 160 162 161 1) NEP = Netzentwicklungsplan 2) Abgeleitet aus BMU-Leitstudie 2011 - "High-Case" PV von 81,8 GW in 2050 3) Konventionell umfasst Investitionen in Braunkohle , Steinkohle, Gas und Pumpspeicher 4) Einzelne Sensitivitäten (PV, Wind, etc.) singulär betrachtet 1 Abschätzung Investitionen im "Basisfall" nach NEP 1) 2012, DENA und RB-Marktmodell 2 PV: Variation spez. Investitionskosten 1000 EUR/ kW (min) und inst. PV-Leistung rd. 80 GW 2) (max) 3 Wind (on-/ offshore): Variation von Kapazitätszubau bzw. spez. Investitionskosten um +/ -10% 4 Konventionell 3) : Variation des Kapazitätszubaus für alle Technologien um +/ -10% 5 Infrastruktur: Extremszenarien jeweils für Übertragungs- (NEP) und Verteilnetz (DENA) Investitionen [Mrd. EUR] <?page no="56"?> 56 2 Finanzierung und Finanzierbarkeit der Energiewende Abb. 5: Investitionen in Erneuerbare-Energien-Anlagen in den Jahren 2000 bis 2012 [Mrd. EUR] (Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2013) Abb. 6: Verteilung der Investitionen in Erneuerbare-Energien-Anlagen in Deutschland 2012 nach Erzeugungsarten [%] (Quelle: Bundesumweltministerium) Dieses Bild wird sich in den nächsten Jahren verändern. Das von Roland Berger errechnete Szenario geht davon aus, dass im Jahr 2020 etwa zwei Drittel des gesamten Investitionsbedarfs für Erneuerbare Energien auf die Windkraft entfallen. Der Anteil der Photovoltaik wird lediglich 30 Prozent ausmachen (siehe Abb. 7). 4,5 5,2 6,0 6,1 6,5 10,3 11,6 11,0 14,8 20,4 26,6 23,2 19,5 165,7 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Total 23% Sonstige 58% Photovoltaik 19% Windenergie <?page no="57"?> Torsten Henzelmann 57 Abb. 7: Verteilung des Investitionsbedarfs für Erneuerbare Energien bis 2020 und 2030 (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants, 2013b) Für den Ausbau der Stromnetze wird im Basisfall ein Investitionsbedarf von insgesamt 41 Mrd. Euro bis zum Jahr 2020 veranschlagt; davon entfallen 20 Mrd. Euro auf die Übertragungsnetze und 21 Mrd. Euro auf die Verteilnetze. 16 Der kumulierte Investitionsbedarf 2030 wird bei 27 Mrd. Euro für die Übertragungsnetze und bei 35 Mrd. Euro für die Verteilnetze liegen. 16 Eigene Berechnungen von Roland Berger auf Basis des Netzentwicklungsplans 2012, der dena- Verteilnetzstudie 2012 und der BMU-Leitstudie 2011. 8% 35% Wind offshore 27% Wind onshore 30% PV Sonstige 6% Sonstige 29% Wind offshore 31% Wind onshore 33% PV Verteilung Investitionsbedarf Erneuerbare Energien bis 2020 Verteilung Investitionsbedarf Erneuerbare Energien bis 2030 <?page no="58"?> 58 2 Finanzierung und Finanzierbarkeit der Energiewende 2.4 Kapitalgeber für die Infrastruktur im Stromsektor Die Größenordnung der im vorangehenden Abschnitt genannten Beträge macht deutlich, dass die Finanzierung der Energiewende eine enorme Herausforderung darstellt. Dabei soll zunächst einer Verwässerung der Begriffe vorgebeugt werden: Finanzierung ist die Beschaffung des für die Realisierung von Infrastrukturprojekten notwendigen Kapitals. Der (Fremd- oder Eigen-)Kapitalgeber stellt Geld zur Verfügung und erhält dafür eine Verzinsung. Finanzierung und Kostenübernahme sind also keine Synonyme. Die Kosten von Infrastrukturprojekten werden vom Auftraggeber, Anlagenbetreiber und letztendlich vom Stromverbraucher beglichen. 2.4.1 Finanzierungsrelevante Merkmale von Erneuerbare-Energien- Anlagen Wer sich mit Investitionen in Erneuerbare-Energien-Anlagen befasst, muss sich bewusst machen: Es gibt keine „One-size-fits-all“-Lösungen, die sich einfach übertragen ließen oder skalierbar wären. Die Vielfalt der regenerativen Erzeugerlandschaft sowie die Rahmenbedingungen der beschriebenen Hybridphase des Energiesystems verlangen bei Finanzierungsfragen ein stark individualisiertes Herangehen an Projekte. In diesem Erfordernis spiegelt sich auch wider, dass die dezentralen bzw. regenerativen Technologien in Bezug auf ihre Reifegrade, Planungszeiträume und Einspeisecharakteristika erhebliche Unterschiede aufweisen. Selbst innerhalb der einzelnen dezentralen Technologien ist die Bandbreite in puncto Leistung und Finanzierungsbedarf enorm: Photovoltaik-Anlagen gibt es für das Dach des Einfamilienhauses oder im Kraftwerksmaßstab: Der Solarpark Lieberose in Brandenburg bringt es auf eine Leistung von 71 Megawatt und ein Investitionsvolumen im dreistelligen Millionenbereich. Blockheizkraftwerke, die nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) Gebäude sowohl mit Strom als auch mit Wärme und Warmwasser versorgen, gibt es mit einer Leistung von bis zu einem Kilowatt (el.) bereits für 10.000 bis 15.000 Euro. Die Größenordnung zweistelliger Millionenbeträge erreichen große KWK-Anlagen. Die Kosten für die Errichtung eines Biomasse- Heizkraftwerks (Strom: 35 Mio. Kilowattstunden pro Jahr; Fernwärme: 82 Mio. Kilowattstunden pro Jahr) eines regionalen Energieversorgers beliefen sich beispielweise auf 36 Mio. Euro. Weitaus höhere Investitionsvolumina sind für Realisierung von Offshore-Windenergieparks erforderlich; sie überschreiten häufig die Milliardengrenze. Trotz dieser Heterogenität haben die Erneuerbaren Energien ein gemeinsames Merkmal: die Langfristigkeit der Investitionen. Wie Abb. 8 zeigt, können Erneuerbare- Energien-Anlagen teilweise mit sehr attraktiven Payback-Profilen im Vergleich zur technischen Lebensdauer aufwarten. Allerdings müssen grundsätzlich lange Zeiträume finanziert werden. Konkret sind die Payback-Zeiten jedoch maßgeblich abhängig von lokalen Fördermodellen und den Standortbedingungen. Entscheidende Parameter sind dabei zum Beispiel die Zahl der Sonnenstunden, das Windangebot, die Kosten für Biomasse etc. Über die technische Lebensdauer einer Anlage betrachtet liegt der interne Zinsfuß des eingesetzten Kapitals bei regenerativen Technologien zwischen acht und zwölf Prozent. <?page no="59"?> Torsten Henzelmann 59 Abb. 8: Payback-Zeiträume und technische Lebensdauer unterschiedlicher Technologien zur Energieerzeugung [Jahre] (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants, 2013a) 2.4.2 Überblick Investorengruppen Welche Financiers können zur Realisierung der Energiewende beitragen? - Dieser Abschnitt gibt einen Überblick über die wichtigsten Kapitalgeber (siehe Übersicht Abb. 9). 25 25 20 20 35 40 Wind onshore 2) 10-15 PV 10-15 4-20 >20 Steinkohle 1) 7-12 Gas (GuD) 1) 8-12 Netz BHKWs 3) Biogas 15-25 Wind offshore 2) Break Even Technische Lebensdauer 1) Ohne Wärmeauskopplung 2) Langzeiterfahrungen fehlen 3) Abhängig von Standortbedingungen und Größe Erneuerbare Konventionell Infrastruktur Aktuell keine Vollkostendeckung Aktuell keine Vollkostendeckung 50 > Payback-Zeiten stark abhängig von lokalen Förderregimen und Standort-Bedingungen: - Sonnenstunden - Winddargebot - Biomassekosten - Wärmesenken ... > Typische IRRs von Erneuerbaren zwischen 8% und 12% bei 100% Equity > Ohne Fernwärmeauskopplung bei Steinkohle und Gas aktuell keine Vollkostendeckung KERNASPEKTE <?page no="60"?> 60 2 Finanzierung und Finanzierbarkeit der Energiewende Abb. 9: Wesentliche Kapitalgeber für Investitionen in dezentrale/ erneuerbare Energie- Erzeugung (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants, 2013b) 2.4.2.1 Banken Banken haben bislang einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung der Energiewende geleistet, und zwar über die gesamte Bandbreite der unterschiedlichen Erneuerbare- Energien-Technologien: Kreditinstitute stellen sowohl Privatkredite für die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Einfamilienhauses zur Verfügung als auch Investitionskredite für Windparks mit dreistelligen Millionenbeträgen. Als Kapitalgeber für die Transformation des Energiesektors sind als Universalbanken unterschiedliche Akteure des Bankensektors aktiv: private Banken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Es zeigt sich, dass lokale Finanzinstitutionen wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken mit den erforderlichen Investitionen in die dezentrale Energieinfrastruktur ab einer bestimmten Größenordnung überfordert sind. Für die klassische Fremdkapitalfinanzierung für Energieinfrastruktur sind einzelne lokale Kreditinstitute wie Sparkassen oder Volks- und Raiffeisenbanken in der Regel zu klein. Deren Finanzierungsvolumina Investorentyp Private Equity > Hohe Flexibilität > Transaktionserfahrung Beschreibung > Finanzinvestor mit dem Ziel der kurzfristigen Renditemaximierung > Investitionshorizont i.d.R. zu kurz > Fokussiert eher auf wenige Investments Renditeerwartung > 10-15% Stärken Schwächen Versorger > Hebung Synergiepotenziale > Kapitalzugang (abnehmend) > Konzern/ Unternehmen aus verwandten Bereichen (z.B. Energieversorger) > Unflexibel > Strukturen tw. zu teuer für EE-Geschäft > 7-9% Infrastrukturfonds > Langfristiger Anlagehorizont > Geschlossener Fonds mit Fokus auf ökonomische & soziale Infrastrukturprojekte > Teilweise sehr hohe Renditeerwartungen > 7-9% „Grüne“ Fonds > Spezialisiert auf "grüne" Investitionen > Auf Werten basierender Fonds für Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit > Teilweise sehr geringe Investitionsvolumina > 7-8% Pensionskasse/ Lebensversicherung > Großvolumige Kapitalverwalter und -anleger > Zugang zu Kapital > Langfristiger Anlagehorizont > I.d.R. noch kein Know-how > 4-6% <?page no="61"?> Torsten Henzelmann 61 liegen normalerweise bei maximal 10 bis 20 Mio. Euro. Um die Spielräume für die Fremdkapitalvergabe zu vergrößern und eine kritische Masse für die Finanzierung zu erreichen, wären Kooperationsmodelle denkbar. De facto gibt es jedoch Hemmnisse für solche Lösungen: Kooperationen von Sparkassen untereinander sind zwar grundsätzlich vorstellbar, lassen sich allerdings meist nur unter Einbindung einer Landesbank realisieren. Dies führt zu einer relativ hohen Komplexität. Gleichzeitig sind geografische Restriktionen zu beachten. Sie erschweren eine Zusammenarbeit über die Grenzen einzelner Bundesländer hinweg. Kooperationen verschiedener Finanzinstitute, etwa zwischen Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken, sind in der Regel ausgeschlossen. Basel III Die Akteure des Bankensektors sind damit konfrontiert, dass der Investitionsbedarf der Energiewende auf ein schwieriges Finanzierungsumfeld trifft. In Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/ 2009 wurden die Regulierungsvorschriften auf den Finanzmärkten verschärft, Stichwort Basel III. Das unter dem Namen Basel III bekannte Regelwerk des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht soll die Krisenresistenz der Kreditinstitute verbessern, indem die Eigenkapitalbasis gestärkt und die Liquidität sichergestellt wird. Es wurde durch die Europäische Kapitalanforderungsrichtlinie (Capital Requirements Directive - CRD IV) in europäisches und durch das im Juni 2013 verabschiedete CRD IV-Umsetzungsgesetz in nationales Recht umgesetzt. Kernstück von Basel III sind neue internationale Liquiditätsstandards, die durch zwei Kennzahlen abgebildet werden: die Liquidity Coverage Ratio (LCR - Monatliche Liquiditätskennziffern) und die Net Stable Funding Ratio (NSFR). Diese „Stabile Finanzierungskennziffer“ drückt das Verhältnis zwischen den vorhandenen und den benötigten Finanzierungsmitteln bezogen auf den Zeitraum eines Jahres aus. Durch die NSFR soll gewährleistet sein, dass die illiquiden Aktiva einer Bank - dazu zählen Investitionskredite - mindestens für den Zeitraum eines Jahres durch stabile Finanzierungsquellen refinanziert werden. Dies hat Konsequenzen für die Fristentransformation - und damit Folgen für die Laufzeiten. Die Fristenkongruenz spielt eine größere Rolle, sodass langfristige Kredite auch langfristig refinanziert werden müssen. Langfristige Kredite, wie sie zur Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Anlagen erforderlich sind, werden durch den neuen Regulierungsrahmen tendenziell teurer und knapper. Das Basel-III-Paket erhöht außerdem die Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung der Banken, sowohl im Hinblick auf Quantität als auch auf Qualität. Bis 2019 ist eine schrittweise Erhöhung der Eigenkapitalquote von acht auf 10,5 Prozent vorgesehen. Dann muss das harte Kernkapital (Core Tier 1) - bei einer Aktiengesellschaft Grundkapital und Rücklagen, bei Sparkassen die Sicherheitsrücklage - einen Anteil von sieben Prozent an den risikogewichteten Anlagen haben (Status quo ante Basel III: zwei Prozent). Eine Schlüsselrolle spielt in diesem Kontext das Risikogewicht einzelner Bilanzpositionen. Je höher das Risikogewicht, desto höher der Anteil des zusätzlich aufzubauenden Kernkapitals. <?page no="62"?> 62 2 Finanzierung und Finanzierbarkeit der Energiewende Vor diesem Hintergrund müssen Banken unter dem Basel-III-Regime mehr und qualitativ besseres Eigenkapital vorhalten - was die Konditionen für die Kreditvergabe auch im Bereich der Energieinfrastrukturinvestitionen verschärften könnte. Hinzu kommt, dass eine neue Verschuldungsobergrenze - die sogenannte Leverage Ratio - eingeführt werden soll. Sie ist abhängig vom Eigenkapital der Bank und besagt, dass die nominelle Summe aller Aktiva einschließlich aller außerbilanziellen Positionen maximal das 33-Fache des Eigenkapitals betragen darf. Die Risikoklasse der einzelnen Kredite ist dabei unerheblich. Läuft eine Bank Gefahr, diese Marke zu überschreiten, bietet sich als Ausweg eine Kürzung der Aktiva an. Dies könnte sich insbesondere auf die Vergabe von volumenstarken und risikoarmen (und damit margenschwachen) Krediten auswirken: „Investitionskredite in risikoarme Technologien können sich in Folge der Umsetzung der Leverage Ratio verteuern“ - so die Einschätzung des Bundesverbands deutscher Banken in seinem Positionspapier zur Finanzierung der Energiewende 2012. Insgesamt fällt das Fazit des Bankenverbands zu den möglichen Folgen des neuen Regulierungsrahmen im Hinblick auf die Transformation des Energiesystems ernüchternd aus: „Basel III ist sinnvoll, macht aber die Finanzierung der Energiewende nicht leichter“, betonte Andreas Krautscheid, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bankenverbandes in Berlin, in einer Pressemitteilung. KfW Bankengruppe Eine exponierte Rolle bei der Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Projekten spielt die KfW Bankengruppe. Als Förderbank des Bundes unterstützt sie die Transformation des Energiesystems durch verschiedene Maßnahmen, die im „Aktionsplan Energiewende“ gebündelt sind. Zu den Aufgaben der KfW Bankengruppe zählt die Förderung von inländischen Kunden, die in die Segmente Mittelstand und Gründer, Kommunen sowie Privatkunden unterteilt werden. Im internationalen Geschäft ist die KfW Bankengruppe über die KfW IPEX Bank in der Projekt- und Exportfinanzierung tätig. Der Geschäftsbereich KfW Entwicklungsbank DEG ist in der Förderung von Projekten in Entwicklungsländern und Transformationsstaaten engagiert. In allen genannten Segmenten ist der Umwelt- und Klimaschutz ein Förderschwerpunkt. Ein wesentliches Modul sind dabei die Förderaktivitäten im Bereich Erneuerbare Energien. So wurde 2011 etwa ein Drittel der in Deutschland getätigten Anlagen zur Strom- und Wärmeerzeugung aus regenerativen Quellen mit Hilfe von KfW-Programmen realisiert. Die KfW Bankengruppe hat etwa die Hälfte des Zubaus von Erneuerbare-Energien-Anlagen zur Stromerzeugung gefördert. Das Fördervolumen für Investitionen in Erneuerbare Energien betrug im Jahr 2012 7,9 Mrd. Euro (2011: 7 Mrd. Euro). Um die Hürden bei der Finanzierung von Erneuerbare-Energien- und Energieeffizienz-Projekten abzubauen, hat die KfW-Bankengruppe die „KfW-Finanzierungsinitiative Energiewende“ gestartet. In diesem Rahmen stellt die KfW für größere Vorhaben von Unternehmen in den Bereichen Energieeffizienz, Innovation und Erneuerbare Energien auf Einladung von Geschäftsbanken Mittel für Konsortialfinanzierungen zur Verfügung. Kommunen und kommunale Unternehmen, die Maßnahmen für den Umwelt- und Klimaschutz planen, können ebenfalls mit Unterstützung der KfW Bankengruppe <?page no="63"?> Torsten Henzelmann 63 rechnen. Das Fördervolumen in diesem Bereich belief sich 2012 auf 1,3 Mrd. Euro. Diese Mittel wurden beispielsweise für die Errichtung hocheffizienter, dezentraler Gaskraftwerke und die Ertüchtigung der Stromnetze eingesetzt. 2.4.2.2 Energieversorgungsunternehmen Die Energieversorgungsunternehmen (EVU) in Deutschland zählen zu den entscheidenden Akteuren bei der Umsetzung der Energiewende. Um deren Rolle bei der Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten zu skizzieren, bedarf es einer differenzierten Betrachtung, die zwischen den „Großen Vier“ des Energiesektors sowie den Stadtwerken und regionalen EVU unterscheidet. Die „Großen Vier“ werden die Konzerne RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall genannt. Im Ranking der zehn größten Stromversorger in Deutschland belegten sie zwischen 2003 bis 2010 konstant die ersten vier Ränge; gemeinsam brachten sie es in diesem Zeitraum auf Marktanteile zwischen 54 und 44 Prozent 17 an der Stromversorgung, so die Statistik des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, 2013). In der Eigentümerstruktur der bis 2012 in Deutschland installierten Anlagen zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien stellen die „Großen Vier“ einen Anteil von fünf Prozent. Die einzelnen Konzerne weisen bislang erhebliche Investitionen in Erneuerbare Energien aus. So hat beispielsweise E.ON laut Geschäftsbericht in den Jahren 2011 und 2012 Investitionen in Höhe von 2,905 Mrd. Euro für Erneuerbare Energien getätigt. Bei den „Großen Vier“ liegt der Fokus der Investitionen in die regenerative Stromerzeugung in der Regel auf großdimensionierten Projekten im Bereich Windenergie (onshore und offshore) und Wasserkraft. Der Personaldienstleister LAB & Company hat gemeinsam mit der ZfK Zeitung für kommunale Wirtschaft eine Befragung von rund 900 Führungskräften aus der Energiewirtschaft durchgeführt: 55,6 Prozent der Interview-Partner stimmen der Aussage: „Die großen Energiekonzerne sind wegen ihres Know-hows für die Energiewende unverzichtbar“ zu. 51,5 Prozent sind der Meinung: „Die großen Energiekonzerne sind wegen ihrer Kapitalkraft für die Energiewende unverzichtbar“ (LAB & Company, 2013). Diese Kapitalkraft ist jedoch in den letzten Jahren erheblich geschwunden: Die „Großen Vier“ sind durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien und der damit einhergehenden Dezentralisierung der Stromerzeugung erheblich unter Druck geraten: „Unser Marktumfeld wandelt sich grundlegend. Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland führt zu massiven Ertragseinbußen in der konventionellen Stromerzeugung.“ - Mit diesem Statement beginnt der Abschnitt „Strategie“ im Geschäftsbericht 2012 der RWE AG. Und in einem Handelsblatt-Artikel konstatiert der RWE-Vorstandsvorsitzende Peter Terium: „Wir befinden uns in der größten Branchenkrise aller Zeiten.“ Diese Einschätzung spiegelt sich in den Kennzahlen der „Großen Vier“ wider. Zur Illustration: Der EBIT (earnings before interests and taxes) von E.ON lag 2008 bei 9,483 Mrd. Euro; 2012 beträgt er 7,027 Mrd. Euro. Im selben Zeitraum halbierte sich 17 Bezogen auf die Stromabgabe an Letztverbraucher in Deutschland. <?page no="64"?> 64 2 Finanzierung und Finanzierbarkeit der Energiewende der Jahresendkurs der Aktie von 28,44 Euro auf 14,09 Euro. Ein ähnliches Bild zeigt die Entwicklung bei RWE: Der Konzern wies im Geschäftsbericht 2012 ein Ergebnis vor Steuern in Höhe von 2,230 Mrd. Euro aus; 2008 waren es noch 4,866 Mrd. Euro. Die RWE-Stammaktie notierte zum Ende des Geschäftsjahres 2008 mit 63,7 Euro, vier Jahre später mit 31,24 Euro. Vor diesem Hintergrund kündigte RWE im Geschäftsbericht 2012 an, die Investitionspläne für den Ausbau der regenerativen Energien „aus finanziellen Gründen“ zu kappen: „RWE Innogy, unsere auf Strom- und Wärmeerzeugung aus regenerativen Quellen spezialisierte Konzerngesellschaft, wird 2013 rund 1 Mrd. € und in den beiden Folgejahren jeweils etwa 500 Mio. € in den Ausbau der erneuerbaren Energien investieren. Das ist wesentlich weniger, als wir ursprünglich geplant hatten.“ Auch E.ON hat seine Investitionspläne für Erneuerbare Energien nach unten korrigiert: Das Volumen von bislang 1,5 Mrd. Euro pro Jahr soll ab 2015 auf 1 Mrd. Euro reduziert werden. Wesentliche Akteure im deutschen Energiesektor sind die knapp 1.400 Stadtwerke und regionalen Energieversorgungsunternehmen. Nach Angaben des Verbands kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) betragen die Erzeugungskapazitäten der kommunalen EVU 20.434 Megawatt (2012), wobei der Anteil der Erneuerbaren Energien rund elf Prozent ausmacht. Der Zubau der Kraftwerksleistung im Jahr 2012 unterstreicht ebenfalls das Gewicht der kommunalen Energieversorger: Insgesamt beziffert sich die Leistung der 2012 im Bau oder Genehmigungsverfahren befindlichen Anlagen kommunaler Unternehmen auf 3.525 Megawatt; in Summe belaufen sich die Investitionen für diesen Zubau auf etwa 6,2 Mrd. Euro. Im Gegensatz zu den „Großen Vier“ klagen die Stadtwerke und regionalen EVU nicht über die Erosion ihres Geschäftsmodells. Aber trotz des weit verbreiteten Pauschalurteils, sie seien die Gewinner der Energiewende, bekommen auch diese Akteure die zunehmende Wettbewerbsintensität und den Preisdruck in der Energiewirtschaft zu spüren. Dennoch beabsichtigen die Stadtwerke, erhebliche Mittel in den Ausbau der regenerativen Energien fließen zu lassen. Laut der Stadtwerke-Studie 2012 von Ernst & Young in Kooperation mit dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) wollen die Unternehmen in den nächsten Jahren rund zwei bis drei Mrd. Euro jährlich investieren (Ernst & Young, 2012). 2.4.2.3 Institutionelle Investoren Lebensversicherungen und Pensionskassen Lebensversicherungen und Pensionskassen sind auf den Finanzmärkten als Verwalter und Anleger großer Kapitalvolumina aktiv. Gemeinsame Merkmale sind der langfristige Anlagehorizont und eine auf Risikominimierung ausgerichtete Anlagestrategie - mit entsprechend moderaten Renditeerwartungen im Bereich zwischen vier bis sechs Prozent. Aufgrund dieser Charakteristika sind Lebensversicherungen und Pensionskassen als potenzielle Investoren für Erneuerbare-Energien-Anlagen gut geeignet. Mit einem Kapitalanlagenbestand von circa 1.355 Mrd. Euro zum Jahresende 2012 sind die Erst- und Rückversicherer nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) die größten institutionellen Investoren in Deutschland. Dabei richten sie ihre Kapitalanlagen langfristig aus: „Versicherer sind […] an sicheren, beständigen und lang laufenden Kapitalflüssen interessiert“, stellt der GDV in seinem <?page no="65"?> Torsten Henzelmann 65 Positionspapier „Zur Verbesserung der Bedingungen für Investitionen in Infrastruktur und Erneuerbare Energien“ fest (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, 2013). Dieses Prinzip rückt Infrastrukturinvestitionen in den Fokus der Versicherungswirtschaft. 18 Beispielsweise sind Investoren aus Pensionskassen und der Versicherungswirtschaft Hauptanteilseigner des Übertragungsnetzbetreibers Amprion. 19 Derzeit sind die deutschen Versicherer nur zu unter einem Prozent ihrer Kapitalanlagen in Infrastruktur und Erneuerbaren Energien investiert. Grundsätzlich sei die Versicherungswirtschaft jedoch bereit, ein „Vielfaches des derzeitigen Niveaus“ in Projekte und Beteiligungen einer nachhaltigen Energieinfrastruktur zu investieren, so der GDV. Allerdings müssten dafür seitens der Politik die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen verbessert werden. Eine zentrale Rolle spielt in diesem Kontext neben der langfristigen Planungssicherheit durch ein verlässliches Förderregime die Nachbesserung bei Solvency II. Die EU-Richtlinie 2009/ 138/ EG Solvabilität II regelt das Versicherungsaufsichtsrecht in den Staaten der Europäischen Union. Im Fokus stehen die Anforderungen an die Kapitalausstattung, das Risikomanagement und ein einheitliches Berichtswesen von Versicherungsunternehmen. Risiken sollen stärker als bisher mit entsprechenden Eigenmitteln unterlegt werden. Die Versicherungsbranche bemängelt, dass für Beteiligungen an Energie- und Infrastrukturprojekten eine „unverhältnismäßig hohe(n) Kapitalunterlegung“ vorgesehen ist. Der Grund: Investitionen in Infrastruktur und Erneuerbare Energien werden in derselben Risikoklasse erfasst wie beispielsweise Investitionen in Hedgefonds oder Private Equity, obwohl diese de facto weitaus höhere Risiken für Anleger aufweisen. Im Ergebnis müssen Infrastruktur- und Erneuerbare-Energien- Investitionen mit 49 Prozent Eigenmitteln unterlegt werden. Der GDV plädiert deshalb in seinem Positionspapier für die Einführung einer separaten Risikoklasse für Investitionen in Infrastruktur und Erneuerbare Energien „mit einer deutlich niedrigeren Eigenkapitalunterlegung“. Infrastrukturfonds Infrastrukturfonds sind in der Regel als geschlossene Fonds organisiert. Sie investieren in ökonomische und soziale Infrastruktur. Zur ökonomischen Infrastruktur zählen Ver- und Entsorgungsprojekte (beispielsweise Kraftwerke, Strom- und Gasnetze), Telekommunikation (z.B. Netze) und Transporteinrichtungen wie Flughäfen, Seehäfen oder Schienennetze. Zur sozialen Infrastruktur gehören unter anderem Bildungseinrichtungen (Schulen, Hochschulen), Krankenhäuser oder Verwaltungsgebäude. Infra- 18 Im GDV-Positionspapier werden unter anderem folgende Merkmale sicherer Infrastruktur- Investitionen aufgezählt: reguliertes oder öffentlich-rechtliches Umfeld, geringes Ausfallrisiko, erhöhter initiierter Kapitalbedarf, weitgehend prognostizierbare, langfristige operative Cashflows, langfristige Verträge oder Konzessionen. 19 Anteilseigner an Amprion sind mit 25,1 Prozent die RWE AG und mit 74,9 Prozent die Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. Energie KG. Deren Gesellschafterkreis besteht aus einem Konsortium von überwiegend deutschen Finanzinvestoren aus der Versicherungswirtschaft und Versorgungswerken (ärztliche Versorgungswerke 21,6 Prozent, Swiss Life 13,2 Prozent, Talanx 6,7 Prozent, Sparkassen Versicherung 6,5 Prozent, Bankhaus Metzler, Degussa Pensionskasse und Evangelische Versorgungskasse je 4,3 Prozent). <?page no="66"?> 66 2 Finanzierung und Finanzierbarkeit der Energiewende strukturfonds haben üblicherweise einen langfristigen Anlagenhorizont; die Renditeerwartungen bewegen sich zwischen sieben und neun Prozent. Ein Beispiel für das Engagement eines internationalen Infrastrukturfonds im deutschen Energiesektor ist der australische Industry Funds Management-Fonds, heute: IFM Investors (IFMI) Dieser Infrastrukturfonds hält einen Anteil von 40 Prozent am Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz Transmission. Abbildung 8 zeigt - in einer schematischen Darstellung - eine Finanzierungsoption für Projekte in den Bereichen Erneuerbare Energien und Energieeffizienz: Die klassische Projektfinanzierung wird als Fondskonstrukt mit „grünem Label“ aufgesetzt. Der „Organisator“ eines „Green and Efficient Energy Fund“ trägt zur Finanzierung eines neu aufgelegten Fonds durch eine Eigenkapitalbeteiligung bei. Je nach deren Höhe kann er dabei die Rolle eines Minderheits- oder Mehrheitsgesellschafters übernehmen. Hinzu kommen weitere Eigenkapitalgeber, die das Haftungsrisiko tragen. Die Bilanzierung der Assets erfolgt beim Organisator. Fremdkapital kann in Form von Nonrecourse-Darlehen zur Verfügung gestellt werden. Der „grüne Fonds“ finanziert ein Contracting-Projekt. Die Contracting-Leistungen werden über einen Contractor erbracht, der wiederum dafür sorgt, dass an den Fonds Renditen zurückfließen. Abb. 10: Projektfinanzierung als Fondskonstrukt (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants, 2013b) Contractingnehmer Contracting- Leistung Finanzierung durch EK- Beteiligung (1-99%) Green and Efficient Energy Fund Finanzierung der Contracting-Projekte Fremdkapital (Nonrecourse) Darlehen Haftung (ggf. nur mit Einlage) „Organisator“ Zahlung 1) 1) Kann je nach Contracting-Leistung ein Preis oder eine Beteiligung an der Einsparung sein Contractor weitere beteiligte Parteien Haftungsrisiko Contractor Finanzierung durch EK-Beteiligung (1-99%) und Übernahme Risiko Eigenkapitalgeber Abführung anteilige Rendite Abführung Rendite <?page no="67"?> Torsten Henzelmann 67 Private Equity Der Begriff Private Equity (PE) umfasst von privaten und/ oder institutionellen Anlegern zur Verfügung gestelltes Eigenkapital, mit dem Beteiligungsgesellschaften Unternehmensanteile erwerben. Das Ziel ist dabei, in der Zeitspanne zwischen Erwerb und Veräußerung dieser Anteile, eine möglichst hohe finanzielle Rendite zu erwirtschaften. Charakteristisch für Private-Equity-Kapitalgeber ist in der Regel ein kurzfristiger Anlagehorizont. Die Spanne der Renditeerwartung bewegt sich zwischen 10 und 15 Prozent. Aufgrund der Gegensätzlichkeit dieser Merkmale zu den langfristigen Payback-Profilen von Erneuerbare-Energien-Projekten gehören diese nicht unbedingt zu den bevorzugten Anlageobjekten von PE-Gesellschaften. Nach Angaben des Renewable Global Status Report 2013 sind die PE-Investitionen in Erneuerbare Energien im Jahr 2012 weltweit auf den niedrigsten Stand seit 2005 zurückgegangen. Dennoch können PE-Gesellschaften eine wichtige Rolle bei der Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Projekten einnehmen, nämlich die Brückenfinanzierung in der Projektierungs- und Bauphase sowie in der Inbetriebnahmephase bei einem Post- EEG-Szenario. PE-Gesellschaften sind in der Lage, die Anfangsphase von Erneuerbare-Energien-Anlagen zu übernehmen (Private Equity Front End Financing). Anschließend veräußern sie ihre Beteiligung, beispielsweise an Pensionsfonds oder Infrastrukturfonds. 2.4.2.4 Kommunen Vor allem aufgrund der engen Verflechtung mit den lokalen Energieversorgern sind die Kommunen wichtige Akteure bei der Umsetzung der Energiewende. Im Zuge der sogenannten Rekommunalisierung wird den Städten und Gemeinden in den nächsten Jahren voraussichtlich wieder ein stärkeres Gewicht bei der Energieversorgung zufallen. Traditionell obliegt es den Städten und Gemeinden im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge 20 , die Energieversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Vor der Liberalisierung des deutschen Strommarktes 1996 durch die EU- Binnenmarktrichtlinie waren die Versorgungsgebiete der Energieversorger aufgeteilt; das heißt, es gab lokale Monopole, die - unter Wettbewerbsaspekten betrachtet - eine komfortable Position der Stadtwerke begründete. Nachdem die Kommunen in der Regel die Eigentümer der städtischen Energieversorger waren, garantierte diese symbiotische Konstellation stabile Einnahmen für die kommunalen Haushalte. Im Zuge der Liberalisierung des Energiemarktes trennten sich viele Kommunen von Anteilen an den lokalen EVU. Häufig waren die Abnehmer die großen Energiekonzerne. Ehe das Kartellamt im Jahr 2005 den Großeinkauf der Stadtwerksbeteiligungen unterband, hatten RWE und E.ON bereits Anteile an über 200 regionalen und kommunalen EVU erworben. Den Haushalten derjenigen Städten und Gemeinden, die ihre Beteiligungen an den örtlichen Stadtwerken behielten, kamen weiterhin die Gewinnausschüttungen zugute. 20 Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus, definiert die Daseinsvorsorge in einem ZEIT-Artikel als „Verantwortung der Kommunen dafür, dass ihren Bürgerinnen und Bürgern und den Unternehmen vor Ort bestimmte Leistungen, im Wesentlichen Infrastrukturleistungen, angeboten werden - und dies in hoher Qualität, flächendeckend, also mit Zugangsmöglichkeiten für alle, und zu erschwinglichen Preisen.“ <?page no="68"?> 68 2 Finanzierung und Finanzierbarkeit der Energiewende Für die enge Verflechtung der Kommunen mit der Energieversorgung sorgen nicht nur die Beteiligungen an den EVU, sondern auch die Konzessionsabgabe. Sie wird fällig, weil bei der Verlegung von Strom-, Gas- und Fernwärmeleitungen öffentliche Straßen und Wege beansprucht werden müssen. Diese Konzessionsabgabe ist ebenfalls eine Einnahmequelle für Städte und Gemeinden. Bis 2006 veräußerten 44 Stadtwerke bis zu 25 Prozent ihrer Anteile an private Unternehmen, fast 200 bis zu 50 Prozent. Rund 140 Stadtwerke verkauften über die Hälfte ihrer Anteile und wechselten damit in die Rolle von Minderheitsgesellschaftern. Inzwischen ist die Privatisierungswelle verebbt. Stattdessen ist eine Tendenz zur Rekommunalisierung zu beobachten. Nach Angaben des VKU wurden in den letzten fünf Jahren mehr als 80 Energieversorgungsunternehmen gegründet; kommunale Unternehmen haben mehr als 200 Konzessionen übernommen. Die Zahl der Energieversorgungsunternehmen in kommunaler Hand stieg zwischen 2008 und 2010 von 1.009 auf 1.397, so das Ergebnis einer Erhebung des Bundes der Steuerzahler. Da ein Großteil der Strom- und Gasnetz-Konzessionsverträge bis 2015/ 2016 ausläuft, ist mit einer Fortsetzung des Trends zur Rekommunalisierung zu rechnen. Die Motivation der Städte und Gemeinden bzw. der Bündnisse, die die Rekommunalisierung in vielen Orten vorantreiben wollen, umfasst verschiedene Zielsetzungen: Zum einen wollen die Kommunen verstärkt lokale Verantwortung für die Versorgungssicherheit wahrnehmen. Ein wichtiger Aspekt ist der Gestaltungswille, durch die Eigentümerschaft am lokalen EVU über den Energiemix entscheiden und auf diese Weise zum Gelingen der Energiewende beitragen zu können. Für die Übernahme des Netzbetriebs sprechen neben der stabilen Einnahmequelle die Möglichkeit, durch den direkten Zugriff die Netze besser mit den dezentralen Erzeugungsanlagen zu synchronisieren und somit auf die Herausforderungen der Energiewende auszurichten. In Hamburg wurden am 22. September 2013 nicht nur die Stimmen für die Bundestagswahl abgegeben. Zur Abstimmung stand auch der Volksentscheid über die Verstaatlichung der Energienetze der Hansestadt. Eine hauchdünne Mehrheit von 50,9 Prozent der Wahlbeteiligten hatte für den Antrag der Initiative Unser Hamburg, unser Netz votiert. Er sieht die Verstaatlichung der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze vor. Bislang ist Hamburg mit 25,1 Prozent an den Gesellschaften für diese regionalen Netze beteiligt; die Mehrheitseigner sind die Energiekonzerne Vattenfall und E.ON. Das Ergebnis des Volksentscheids verpflichtet den Hamburger Senat, „alle notwendigen und zulässigen Schritte“ zu unternehmen, um eine Verstaatlichung herbeizuführen. Das Konzessionsverfahren für den Betrieb des Stromnetzes läuft im Jahr 2014 aus. Vattenfall hat bereits angekündigt, sich erneut um die Konzession zu bewerben. Knapp gescheitert ist im November 2013 ein Volksbegehren in Berlin, bei dem die Einwohner der Bundeshauptstadt über einen Vorschlag des Berliner Energietisches entscheiden konnten. Das parteiunabhängige Bündnis aus lokalen Initiativen und Organisationen wollte das Land Berlin durch das Votum der Bürgerinnen und Bürger dazu verpflichten, ein eigenes Stadtwerk zu gründen und das Berliner Stromnetz zu rekommunalisieren (O.V., 2013). Das städtische Versorgungsunternehmen BEWAG (Berliner Elektrizitätswerke Akt. Ges.) war in mehreren Schritten Ende der 1990er- Jahre an den Vattenfall-Konzern verkauft worden. <?page no="69"?> Torsten Henzelmann 69 In Stuttgart sind die politischen Weichen für eine Rekommunalisierung bereits gestellt worden. Im Mai 2011 hat der Gemeinderat der Landeshauptstadt entschieden, kommunale Stadtwerke zu gründen. Im Juli 2012 wurde die Stadtwerke Stuttgart GmbH offiziell aus der Taufe gehoben. Die Gesellschaft ist eine 100-prozentige Tochter der Stuttgarter Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft, deren Alleineigentümerin ist wiederum die Stadt Stuttgart. Die Stadtwerke Stuttgart werden sich um die Konzessionen für den Netzbetrieb von Strom, Gas und Fernwärme bewerben, die Ende 2013 ausgelaufen sind. 2.4.2.5 Private Investoren Bislang haben private Investoren einen erheblichen Beitrag zur Realisierung der Energiewende geleistet. Etwa 40 Prozent der installierten Leistung Erneuerbare-Energien- Anlagen entfallen auf Privatleute. Deren Bereitschaft zu Investitionen in dezentrale, regenerative Anlagen dürfte jedoch stark von der Ausgestaltung des EEG abhängig sein. Der Fokus dieser Investorengruppe lag bislang auf Anlagen in einer überschaubaren Größenordnung, die sich über Kredite finanzieren lässt. Eine andere Variante der Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Anlagen durch Privatpersonen sind Energiegenossenschaften: In dieser Organisationsform schließen sich Bürger zusammen und verwirklichen regionale Projekte, beispielsweise Windparks. Das Eigenkapital wird über die Genossenschaftsanteile aufgebracht. Nach Angaben des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes zählen die rund 800 Energiegenossenschaften in Deutschland zur Jahresmitte 2013 etwa 130.000 Mitglieder, die bereits 1,3 Mrd. Euro in Bürgerkraftwerke investiert haben. Neue Wege der Bürgerbeteiligung geht der Übertragungsnetzbetreiber TenneT TSO GmbH mit der sogenannten „Bürgerdividende“ in Schleswig-Holstein. Um die Akzeptanz für den Bau der Höchstspannungsleitung zwischen Brunsbüttel und Niebüll zu erhöhen, konnten Grundstückseigentümer und Anwohner in den Landkreisen Nordfriesland und Dithmarschen Anleihen zeichnen. Die Hybridanleihen mit einem Mindestanlagebetrag von 1.000 Euro wurden von der TenneT Holding B.V. herausgegeben, der niederländischen Muttergesellschaft der TenneT TSO GmbH. Den Anlegern ist bis zum Baubeginn der Trasse eine Rendite von drei Prozent versprochen; in der Bauphase soll der Zinssatz auf fünf Prozent steigen. 2.5 Kooperation der Kapitalgeber Das für die Realisierung der Energiewende erforderliche Kapital bereitzustellen, kann nur mit der geballten Finanzkraft aller Akteure gelingen. Im Alleingang wären die einzelnen Investorengruppen überfordert. Erfolgversprechend sind deshalb Finanzierungsmodelle, die von mehreren Partnern getragen werden. In der Praxis sind solche kooperativen Ansätze bei der Finanzierung bereits üblich, wie folgende Beispiele demonstrieren. <?page no="70"?> 70 2 Finanzierung und Finanzierbarkeit der Energiewende 2.5.1 Offshore Windpark „Butendiek“ Etwa 32 Kilometer westlich der Insel Sylt soll im Frühling 2014 mit dem Bau des Offshore-Windparks „Butendiek“ begonnen werden. Mit einer installierten Gesamtleistung von 288 Megawatt werden 80 Siemens-Turbinen des Typs SWT 3.6-120 rund 370.000 Haushalte mit Strom versorgen. Läuft alles nach Plan, wird 2015 der erste Strom von „Butendiek“ - auf Plattdeutsch „außendeichs“ - Richtung Festland fließen. Das Projektmanagement während der Bauphase sowie die technische Betriebsführung und die kaufmännische Geschäftsführung während der Betriebsphase übernimmt der in Bremen ansässige Projektierer und Betreiber wpd onshore management GmbH & Co. KG (wpd). Das Investitionsvolumen dieses Offshore-Windparks liegt bei 1,3 Mrd. Euro. Die Gestaltung einer Finanzierung in dieser Größenordnung hat mehrere Jahre gedauert. Der Investorenkreis besteht aus Siemens Financial Services, dem Infrastrukturfond Marguerite und zwei dänischen Rentenfonds: Industriens Pension und PKA. Jeder dieser vier Investoren hält einen Anteil von 22,5 Prozent an der Projektgesellschaft. Auch wpd engagiert sich mit einem Anteil von zehn Prozent als Gesellschafter. Die Fremdkapitalfinanzierung mit einem Volumen von 940 Mio. Euro hat ein Konsortium übernommen: Unter Führung von KfW IPEX, UniCredit und der Bremer Landesbank sind an dem Konsortium die European Investment Bank, die KfW Förderbank, der dänische Export Kredit Fonden sowie weitere kommerzielle Banken beteiligt (Bayern LB, HeLaBa, HSH Nordbank, ING, Rabo Bank und SEB). Ursprünglich war „Butendiek“ als Offshore-Bürger-Windpark geplant: Im Jahr 2000 wurde die OSB Offshore Bürger-Windpark Butendiek GmbH & Co. KG gegründet. Über 8.400 Personen haben sich an diesem Projekt beteiligt und zeichneten 20.000 Anteile zu jeweils 250 Euro. Mit diesen Mitteln wurden die Planungs- und Projektierungskosten bis zur Baugenehmigung bezahlt, die 2002 erteilt wurde. In den Folgejahren hat sich jedoch gezeigt, dass die Realisierung von „Butendiek“ als Bürger- Windpark nicht machbar war. Als Voraussetzung für die Finanzierung des Projekts verlangten die Banken nach einem Generalunternehmer; die Initiatoren des Projekts brauchten deshalb einen strategischen Partner, der die Risiken für den Bau, die Inbetriebnahme und die Finanzierung des Offshore-Windparks übernahm. 2007 wurde die strategische Partnerschaft mit der irischen Firma Airtricity besiegelt, die 2008 vom schottischen Energiekonzern Scottish Southern & Energy übernommen wurde. Im September 2010 wurde das Projekt „Butendiek“ an den Windpark-Entwickler und Windpark-Betreiber wpd verkauft. 2.5.2 Stadtwerke als Partner Bei der Planung, Errichtung und dem Betrieb von Erneuerbare-Energien-Anlagen gibt es inzwischen viele Beispiele für Kooperationen zwischen regionalen Energieversorgern und privaten Unternehmen. Die Stadtwerke Heidelberg haben den Systemlösungs- und Serviceanbieter Conergy mit dem Bau eines Solarparks beauftragt. Die Anlage wurde auf dem Gelände der versiegelten Hausmülldeponie in Feilheck errichtet und ist seit April 2013 am Netz. Etwa 4.500 Solarmodule erzeugen dort über 1,1 Megawatt Strom pro Jahr. Mit den Stadtwerken Trier hat Conergy seit 2009 insgesamt vier Solarprojekte mit einer Gesamtkapazität von etwa 13 Megawatt realisiert. <?page no="71"?> Torsten Henzelmann 71 Die Stadtwerke München GmbH (SWM) wollen bis 2025 den gesamten Stromverbrauch der bayerischen Landeshauptstadt - 7,5 Mrd. Kilowattstunden pro Jahr - durch regenerativ erzeugten Strom aus eigenen Anlagen decken. Um dieses Ziel zu erreichen, haben die SWM bereits 2008 die „Ausbauoffensive Erneuerbare Energien“ gestartet und dafür ein Budget von rund 9 Mrd. Euro veranschlagt. Im Rahmen der Ausbauoffensive wurden in Kooperation mit privaten Projektierern und Betreibern von Erneuerbare-Energien-Anlagen sowie mit Komponentenherstellern und anderen Energieversorgungsunternehmen zahlreiche Projekte realisiert. Nach Angaben der SWM verfügen die bereits geplanten oder umgesetzten Projekte über eine Erzeugungskapazität von rund 2,8 Mrd. Kilowattstunden (Stand: August 2013). Ein Beispiel dafür ist der Offshore-Windpark Gwynt Y Môr vor der Küste von Nordwales, der bei seiner vollständigen Inbetriebnahme im Jahr 2014 mit 160 Windkraftanlagen der zweitgrößte Offshore-Windpark weltweit sein wird. An dem Projekt sind RWE Innogy (60 Prozent), die SWM (30 Prozent) und Siemens (10 Prozent) beteiligt. Bei Onshore- Windparks setzen die SWM ebenfalls auf Kooperation, wie unter anderem das Projekt „Chaussée de César Sud“ in Zentralfrankreich zeigt. Dort haben die SWM vom Turbinenhersteller Nordex bereits einen fertig errichteten Windpark mit einer Leistung von zehn Megawatt erworben. 2.6 Rahmenbedingungen für Investitionen Grundsätzlich sind relevante Kapitalgeber bereit, einen Beitrag zur Finanzierung der Energiewende in Deutschland zu leisten. Roland Berger Strategy Consultants hat im Rahmen der Studie Investments in the German energy infrastructure sector Telefoninterviews mit Vertretern der weltweit größten Infrastruktur-Investoren geführt. Die meisten Gesprächspartner haben die Attraktivität des deutschen Energiesektors für Investoren höher bewertet als in anderen europäischen Ländern. In den Interviews wurde unter anderem die Frage gestellt, welche Faktoren bei Investitionsentscheidungen den Ausschlag geben. Bei den Antworten kristallisierte sich heraus, dass die Befragten einem stabilen Regulierungsrahmen sehr großes Gewicht beimessen: „Even more important than the rate of returns is the stability of returns.“ - „Stability of the regulatory framework is key.“ Diese Zitate aus den Interviews unterstreichen die Bedeutung zuverlässiger und berechenbarer Rahmenbedingungen. Denselben Tenor haben die Ergebnisse der Studie Die deutsche Energiewende - Chancen und Herausforderungen für Investoren der Wirtschaftskanzlei Norton Rose Fulbright und Deloitte. 70 Prozent der Befragten betrachten Deutschland aufgrund des Förderregimes und der volkswirtschaftlichen Stabilität als attraktiven Standort für Investitionen in den Energiesektor. Vor diesem Hintergrund ist es dringend geboten, sobald wie möglich Klarheit über die künftige Ausgestaltung der Förderung für Erneuerbare Energien in Deutschland herzustellen. Auch wenn das regulatorische Risiko durch den Bestandsschutz für bereits in Betrieb genommene Anlagen gemindert wird, dämpft die Unsicherheit die Investitionsbereitschaft. Immerhin haben größere Anlagen zur Stromerzeugung aus regenerativen Quellen einen Planungsvorlauf von mehreren Jahren. <?page no="72"?> 72 2 Finanzierung und Finanzierbarkeit der Energiewende Ein Knackpunkt bei der Ausgestaltung des künftigen politischen Rahmens ist der Bestandsschutz für bestehende Vergütungssätze. Rückwirkende Änderungen würden Projekten die Kalkulationsgrundlage entziehen, so die eindringliche Mahnung des Bankenverbandes. Wohin ein solcher ordnungs- und energiepolitischer Sündenfall führt, ist in Spanien zu beobachten. Dort wurde rückwirkend die Einspeisevergütung gekürzt und eine Umsatzsteuer erhoben. Diese Verletzung des Bestandsschutzes hatte massive Einbußen für Investoren zur Folge - sowohl in Bezug auf Kapital als auch auf das Vertrauen in den Standort. Beispielsweise musste die SWM für ihre Beteiligung am Solarthermie-Kraftwerk Andasol 3 Sonderabschreibungen in Höhe von 64 Mio. Euro vornehmen. Auf den Punkt gebracht Wie dieser Beitrag gezeigt hat, erfordert die Energiewende in den verschiedenen Bereichen des Energiesektors bis 2030 Investitionen in einer Größenordnung von 280 bis 310 Mrd. Euro. Die Finanzierung der Energiewende ist also ein Kraftakt, der nur gelingen kann, wenn unterschiedliche Gruppen von Kapitalgebern kooperieren. Eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende sind Rahmenbedingungen, die die Investitionsbereitschaft fördern. Immer wieder wird in Gesprächen mit Unternehmensvertretern und anderen Akteuren der Energiewirtschaft deutlich, dass Kapitalgeber bei ihren Investitionsentscheidungen auf einen stabilen Regulierungsrahmen angewiesen sind. Die Politik ist hier in der Pflicht, langfristig Planungssicherheit zu schaffen. Dazu gehört es, so schnell wie möglich die Weichen für Reformen des Energiemarktdesigns und des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zu stellen. Angesichts der dreistelligen Milliarden-Beträge, die für den Aus- und Umbau der Energieinfrastruktur veranschlagt werden, ist bisweilen zu hören: „Die Energiewende ist unbezahlbar“. Diese Aussage ist aus mehreren Gründen kritisch zu hinterfragen, denn bei der Diskussion um die Kosten gerät häufig der Nutzen in Vergessenheit: Volkswirtschaftlich betrachtet wird sich die Energiewende für Deutschland positiv auswirken und auch in puncto Kosten eine bessere Bilanz vorweisen können als ein „Weiter-so-Szenario“ im alten Energiesystem. Die Energiewende mit ihren Kernbestandteilen Ausbau der Erneuerbaren Energien und Verbesserung der Energieeffizienz führt zu zusätzlichen Investitionen im Inland und zur Einsparung fossiler Energieträger. Wird deren Verbrauch gekappt, bedeutet dies angesichts der zu erwartenden Preisentwicklung mittel- und langfristig eine Entlastung für den Endverbraucher. Hinzu kommt, dass die Einsparung von fossil erzeugter Energie einen wesentlichen Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen leistet. Vor diesem Hintergrund bleibt nur ein Fazit: Die Energiewende erfordert enorme Investitionen - aber sie werden sich rechnen, und zwar sowohl unter ökologischen als auch ökonomischen Aspekten. <?page no="73"?> Torsten Henzelmann 73 Literaturtipps REN21.2013. Renewables Global Status Report (www.ren21.net): Seit 2005 jährlich erscheinende Publikation des Renewable Energy Policy Network for the 21st Century. Die Veröffentlichung enthält einen umfassenden Überblick über die internationalen Märkte und Trends im Bereich der Erneuerbaren Energien. Gerhard, M./ Rüschen, T./ Sandhövel, A. (Hrsg.): Finanzierung Erneuerbarer Energien, Frankfurt School Verlag, Frankfurt 2011: Auf über 1.000 Seiten behandelt dieses Kompendium in Beiträgen zahlreicher Autoren alle Fragen rund um die Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Projekten. Böttcher, J./ Blatter, P.: Projektfinanzierung. Risikomanagement und Finanzierung, 3. Aufl., Oldenbourg Verlag, München 2013: In dem Buch werden die Bedeutung der Projektfinanzierung und der Umgang mit Projektrisiken dargestellt. Schwerpunkte liegen dabei auf der Prüfung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit und der optimalen Finanzierungsstruktur von Projekten. Böttcher, J.: Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Vorhaben, Oldenbourg Verlag, München 2009: Das Buch will dem Leser vermitteln, wie Erneuerbare-Energien- Anlagen finanziert werden können. Dabei werden auch die Grundlagen der Projektfinanzierung herausgearbeitet. Literaturverzeichnis Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie/ Bundesumweltministerium (2010): Energiekonzept für eine umweltfreundliche, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung. Berlin. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2013): Erneuerbare Energien in Zahlen. Nationale und internationale Entwicklung. Berlin. Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (2013): Die 10 größten Stromversorger 2010 [http: / / bdew.de/ internet.nsf/ id/ C125783000558C9FC125766C0003E862/ $file/ 130314_TopTen%20Marktanteile%202003%20bis%202010_Stand%20Mrz2013.pdf; abgerufen am 25. Mai 2014] Ernst & Young (2012): Stadtwerke: Gestalter der Energiewende [http: / / www.ey.com/ Publication/ vwLUAssets/ Stadtwerkestudie_2012/ $FILE/ Managem entSummary_Stadtwerkestudie%202012.pdf; abgerufen am 25. Mai 2014] Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (2013): Zur Verbesserung der Bedingungen für Investitionen in Infrastruktur und Erneuerbare Energien [http: / / www.gdv.de/ 2013/ 03/ verbesserung-der-bedingungen-fuer-investitionen-ininfrastruktur-und-erneuerbare-energien/ ; abgerufen am 25. Mai 2014] LAB & Company (2013): Energiekonzerne auf dem Rückzug - brauchen wir sie überhaupt noch? [http: / / labcompany.net/ de/ energy/ energiekonzerne-auf-dem-rueckzug/ ; abgerufen am 25. Mai 2014] <?page no="74"?> 74 2 Finanzierung und Finanzierbarkeit der Energiewende Netzentwicklungsplan (2012): Netzentwicklungsplan Strom 2012. 2. überarbeiteter Entwurf der Übertragungsnetzbetreiber [http: / / www.netzentwicklungsplan.de/ con tent/ netzentwicklungsplan-2012-2-entwurf; abgerufen am 26. Mai 2014] O.V. (2013): Berliner-Strom-Volksentscheid gescheitert. Meldung auf Spiegel Online vom 3. November 2013 [http: / / www.spiegel-online.de/ wirtschaft/ unternehmen/ berliner-strom-volksentscheid-gescheitert-a-931545.html] Roland Berger Strategy Consultants (2013a): Energiewende - Finanzierung und Technologien (Vortragsmanuskript) Roland Berger Strategy Consultants (2013b): Energiewirtschaft im Wandel (Diskussionspapier) <?page no="75"?> 3 Der Markt für Erneuerbare-Energien-Finanzierungen in Deutschland Dr. Matthias Neugebauer, LBBW Inhalt 3.1 Betrachtete Finanzierungsarten und Sektoren ........................................................ 75 3.1.1 Finanzierungsarten...................................................................................................... 75 3.1.2 Sektoren........................................................................................................................ 76 3.2 Voraussetzung für die Finanzierbarkeit von Photovoltaik- und Windenergieinvestitionen................................................................................................................. 76 3.3 Die neuere Entwicklung des EEG ........................................................................... 78 3.3.1 Aktuelle Entwürfe zum EEG 2014 .......................................................................... 78 3.3.2 Übergangsregelungen zum neuen EEG................................................................... 79 3.4 Marktvolumina ............................................................................................................ 79 3.4.1 Finanzierungen unter dem EEG bis 2014............................................................... 79 3.4.2 Auswirkungen des neuen EEG 2014 ....................................................................... 82 3.5 Marktteilnehmer .......................................................................................................... 83 3.5.1 Kreditnehmer .............................................................................................................. 83 3.5.2 Fremdkapitalgeber von EE-Projekten ..................................................................... 85 3.6 Fördermittel ................................................................................................................. 85 Literatur ........................................................................................................................ 87 Schlagwortliste EEG, Investitionsvolumina, Finanzierungsarten 3.1 Betrachtete Finanzierungsarten und Sektoren 3.1.1 Finanzierungsarten Investitionen in Erneuerbare Energien (EE) können unterschiedlich erfolgen. Zu unterscheiden ist zwischen Eigenkapitalfinanzierung und Fremdfinanzierung. In diesem Kapitel wird der Markt für EE-Finanzierungen im Wesentlichen aus dem Blickwinkel des Fremdkapitalgebers betrachtet. <?page no="76"?> 76 3 Der Markt für Erneuerbare-Energien-Finanzierungen in Deutschland Bei der Fremdfinanzierung kann unterschieden werden in Finanzierungen, die zwar für Investitionen in Erneuerbare Energien genutzt werden, aber bei denen nicht auf die Einzel-Investition bzw. das Einzel-Projekt abgestellt wird. Die Finanzierung wird allein auf das Unternehmen oder die Privatperson abgestellt, die die Finanzierung aufnimmt oder für diese einsteht (Full Recourse Finanzierung). Da hier kein direkter Zusammenhang zwischen der Investition und der Finanzierung besteht, wird diese Finanzierungsvariante nicht weiter betrachtet. Der Markt für EE-Finanzierungen wird daher für Finanzierungen betrachtet, bei denen zumindest zu einem wesentlichen Anteil auf die EE-Anlage und deren Werthaltigkeit abgestellt wird. Dies sind im Wesentlichen die Projektfinanzierungen (siehe auch Kapitel 1 in diesem Buch). 3.1.2 Sektoren Die EE, die durch Projektfinanzierungen finanziert werden, wurden in der Vergangenheit durch Photovoltaik und Windenergie dominiert. Biomasse und Biogas spielen für Projektfinanzierungen eine untergeordnete Rolle. Dies liegt gerade bei Biogasanlagen daran, dass die zu finanzierenden Volumina, die bei Projektfinanzierungen mindestens 10 Mio. Euro betragen sollten, häufig nicht erreicht werden. Wasserkraft wird nicht betrachtet, da diese aufgrund ihrer langen kommerziellen Historie eher zu den konventionellen Erzeugungsarten gehört. Wasserkraftprojekte werden in Deutschland bisher nahezu vollständig von den jeweiligen Energieunternehmen traditionell über die Bilanz und nicht als Projektfinanzierung finanziert. 3.2 Voraussetzung für die Finanzierbarkeit von Photovoltaik- und Windenergieinvestitionen Wichtige Voraussetzung für die Finanzierbarkeit von Photovoltaik- oder Windenergieprojekten ist bis heute die Förderung durch entsprechende Fördergesetze. Die neuere Entwicklung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in Deutschland werden wir daher voranstellen. Die Prinzipien der EE-Förderung in Deutschland haben sich in den letzten 13 Jahren kaum geändert. Mit Einführung des EEG im Jahre 2000 als Nachfolger des Stromeinspeisegesetzes begann der immer stärker werdende Ausbau von EE, vor allem der Windenergie und der Photovoltaik. Die in Deutschland installierten Mengen nehmen dabei in Europa eine führende Position ein. Weltweit werden diese Mengen nur in China und den USA übertroffen (siehe Abb. 11 und Abb. 12). <?page no="77"?> Matthias Neugebauer 77 Abb. 11: Bestand und Zubau Photovoltaik 2013. Quelle: REN21 (2014), S. 49 Abb. 12: Bestand und Zubau Windenergie 2013. Quelle: REN21 (2014), S. 59 3,3 12,9 1,5 6,9 4,8 0,2 0,6 1,5 0,8 0,2 0 5 10 15 20 25 30 35 40 Gesamt 2012 Zubau 2013 16,1 1,1 3 0,2 1,7 1,9 0,4 0,6 1,6 0,6 0 20 40 60 80 100 120 Gesamt 2012 Zubau 2013 <?page no="78"?> 78 3 Der Markt für Erneuerbare-Energien-Finanzierungen in Deutschland 3.3 Die neuere Entwicklung des EEG Das EEG förderte die EE durch eine garantierte feste Vergütung für die gesamte produzierte Energie. Damit gab es für EE-Projekte sowie ihre Eigentümer und Finanziers keinerlei Abnahmerisiken. Weder in Bezug auf die Menge noch auf den Preis. Es verblieb lediglich das Risiko, die angestrebte Menge Energie auch tatsächlich produzieren zu können. Durch die komfortable Förderung stiegen die Volumina gerade in den Sektoren Wind und Photovoltaik immer stärker an. Gebremst wurde die Ausbaugeschwindigkeit erstmals wirklich deutlich durch die Anpassungen in den Vergütungssätzen für die Photovoltaik im Jahre 2012 (siehe hierzu auch Tabelle 1). Tab. 1: Zubau an Erneuerbaren Energien . Quelle: BMWi (2014), S. 14 3.3.1 Aktuelle Entwürfe zum EEG 2014 Die aktuellen Entwürfe zum EEG zeigen zunächst insbesondere bei den betrachteten Sektoren Wind und Photovoltaik eher moderate Fortentwicklungen des Systems als einen grundlegenden Systemwechsel. Bis zu dem Inkrafttreten der neuen Regelungen bleibt jedoch für in Entwicklung und Umsetzung befindliche Projekte eine gewisse Unsicherheit, wie die neuen Regelungen denn genau ausfallen werden. <?page no="79"?> Matthias Neugebauer 79 Gerade für Projekte, die nicht sicher von den Vertrauensschutzregelungen profitieren, bedeutet das eine schlechtere Finanzierbarkeit, teilweise auch ein vorsichtigeres Vorgehen der Projektentwickler bzw. der Projektinvestoren. Diese Unsicherheiten werden sich aber, sobald das EEG 2014 in Kraft getreten ist, auflösen. Damit wird zunächst der Markt für Projekte in EE insbesondere im Sektor Windenergie wieder anziehen. 3.3.2 Übergangsregelungen zum neuen EEG Die bisher kommunizierten Regelungen zum Vertrauensschutz, gerade für Investitionen in Windenergieanlagen, führen aufgrund der langen Vorlauf- und Errichtungszeiten dieser Projekte dazu, dass etliche Projekte aktuell keine verlässlichen Ertragsszenarien haben. Um in den Genuss des EEG 2012 zu kommen, müssen (Gesetzgebungsverfahren Stand Mai 2014) die Windprojekte zum 22.1.2014 eine BImSchG (Bundesimmissionsschutzgesetz)-Genehmigung aufweisen und bis 31.12.2014 in Betrieb genommen werden. Alle anderen Anlagen werden nach dem EEG 2014 vergütet und sind damit einer Unsicherheit bzgl. der künftigen Vergütung ausgesetzt. Gerade für Windenergieprojekte, bei denen die Vorlaufzeiten nicht Monate, sondern Jahre betragen und bei denen erhebliche Vorlaufkosten anfallen, wird diese relativ kurze Übergangsfrist von den Windkraftbetreibern und -projektierern stark kritisiert. Es wird etwa gefordert, das alte EEG auf alle Anlagen anzuwenden, die bis Ende 2014 an das Netz gehen, unabhängig vom Zeitpunkt der BImSchG-Genehmigung. 3.4 Marktvolumina 3.4.1 Finanzierungen unter dem EEG bis 2014 Mit dem wachsenden Ausbau der Erzeugungskapazität ist auch der Markt für die Finanzierung von EE-Anlagen gewachsen. Während Windkraft schon seit dem Jahrtausendwechsel in nennenswertem Umfang Investitionsbedarf hatte, begann dies bei der Photovoltaik erst ab ca. 2004 (siehe Tabelle 1). Bei einem mittleren Preis von ca. 1.100 EUR/ kW entsprach die Zubaumenge für Wind onshore im Jahr 2000 einem Investitionsvolumen von rd. 2 Mrd. EUR. Da sich die spezifischen Investitionskosten für Windenergieanlagen an Land über die Jahre nur geringfügig geändert haben, verlaufen die Investitionskosten bei Windenergie im Groben parallel zu der zugebauten Kapazität (Abbildung 11) und sollten in den letzten Jahren bei einem Zubau von 2,5 bzw. 2,65 GW jeweils rd. 3 Mrd. EUR betragen haben. Der Zubau an offshore-Anlagen lag in 2011 und 2012 zwischen 50 und 100 MW und kann bei der Betrachtung noch vernachlässigt werden. Für die Zukunft ist aber mit einem stetigen Zubau zu rechnen. Bei spezifischen Investitionskosten von ca. 3.000 EUR/ kW installierter Leistung ergeben sich dabei auch erhebliche Investitionsvolumina. Die Investitionen in Windenergie betrugen so 3,9 Mrd. EUR 21 in 2012 und 3,3 Mrd. EUR in 2013. 21 Vgl. BMWi (2013), S. 16. <?page no="80"?> 80 3 Der Markt für Erneuerbare-Energien-Finanzierungen in Deutschland Abb. 13: Inflationsbereinigte spezifische Hauptinvestitionskosten für Windenergie (onshore). Quelle: Deutsche WindGuard GmbH (2013), S. 22 Im Gegensatz zu Windenergieanlagen sind die spezifischen Investitionskosten für Photovoltaikanlagen stetig und vor allem deutlich gesunken (siehe Abb. 14). In Abb. 12 sind die Preise für Aufdachanlagen dargestellt. Der Verlauf der Preise für Freiflächenanlagen ist aber letztlich synchron zu diesen Anlagen. Abb. 14: Photovoltaik-Preisindex . Quelle: Bundesverband Solarwirtschaft e.V. (BSW-Solar) (2014), S. 4 800 1.000 1.200 1.400 1998 2001 2006 2008 2010 2012 Spezifische Hauptinvestitionskosten [€/ kW] < 2 MW und NH < 100 m 2-3 MW und NH < 100 m < 2 MW und NH 100-120 m 2-3 MW und NH 100-120 m 2-3 MW und NH ab 120 m 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% BSW-Solar Photovoltaik-Preisindex Photovoltaik-Anlagen seit 2006 rund 68% günstiger Durchschnittlicher Endkundenpreis für fertig installierte Aufdachanlagen bis 10 kWp (ohne MwSt.) 1.640 €/ kWp 5.100 €/ kWp <?page no="81"?> Matthias Neugebauer 81 Bei Preisen für Photovoltaikanlagen in Höhe von ca. 4 bis 5 EUR/ Wp je nach Freifläche oder kleinerer Aufdachanlage betrugen die Investitionskosten für Photovoltaikanlagen im Jahr 2006 bei einem Zubau von rd. 850 MW zwischen 3,4 und 4,4 Mrd. EUR. Die Investitionskosten im Jahr 2012 bei einem Zubau von rd. 7,5 GW (siehe Tabelle 1) lagen bei rd. 11,5 Mrd. EUR jedoch 2013 aufgrund der gesunkenen Einspeisetarife nur noch bei rd. 4,2 Mrd. EUR. 22 Wobei sich nach der Anpassung des EEG in 2012 und den sich daraus ergebenden stark reduzierten Tarifen insbesondere Freiflächen-Photovoltaikanlagen wirtschaftlich kaum mehr tragen können und der Zubau in der Photovoltaik fast nur noch auf Aufdachanlagen beschränkt ist. Damit kommen Projektfinanzierungen, die auf Photovoltaikanlagen und den von ihr generierten Cash Flows basieren, mit Ende des Jahres 2012 faktisch nicht mehr vor. Der Markt für EE-Finanzierungen besteht seit dem Beginn des Jahres 2013 nahezu ausschließlich aus Finanzierungen für Windenergieparks, entweder an Land oder auf See. Der wesentliche Anteil entfällt dabei weiterhin auf Windenergieanlagen an Land. Abb. 15: Investitionsvolumina EE ( eigene Darstellung) Die Ankündigungen im April 2013, die Förderbedingungen für EE anzupassen, bei denen sogar rückwirkende Änderungen in Aussicht gestellt wurden und die letztlich im Januar kommunizierten Regelungen zu Übergangsfristen, haben ab dem zweiten Halbjahr 2013 zu einem vorsichtigeren Vorgehen insbesondere bei den Banken geführt. 22 Vgl. BMWi (2013), S. 16. 0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 9000 10000 11000 12000 2006 2012 2013 2015 Ausbauziele Regierung Investitionsvolumina EE in Deutschland in Mio. EUR Wind onshore Wind offshore Photovoltaik <?page no="82"?> 82 3 Der Markt für Erneuerbare-Energien-Finanzierungen in Deutschland Projekte, die nicht unter die Übergangsregelungen fallen, weil etwa die BImSchG- Genehmigung zum 22.1.2014 noch nicht vorlag, sind teilweise wegen der Unsicherheiten bzgl. ihrer Vergütung weniger intensiv vorangetrieben oder sogar geparkt worden. Daraus sollte sich zumindest eine zeitliche Verschiebung in der Realisierung einiger Projekte ergeben. Wie sich diese auswirkt, kann heute noch nicht gesagt werden, da davon auszugehen ist, dass, sofern das neue EEG 2014 verabschiedet und in Kraft getreten ist, all diese Projekte mit großem Schwung wieder aufgenommen werden. Weiterhin ist für die Übergangsregelung nötig, dass die Projekte bis Ende 2014 fertiggestellt sind, so dass viele Projekte, die sonst ggf. erst 2015 fertig geworden wären, mit Hochdruck auf eine Fertigstellung in 2014 vorangetrieben werden. Da gerade Projekte in einer frühen Phase, bei denen noch keine hohen Kosten angefallen sind, leichter zurückgestellt werden und die vorhandenen Kapazitäten eher auf die pünktliche Fertigstellung der weiter fortgeschrittenen Projekte gelegt werden, kann es sein, dass ein Einbruch erst für das Jahr 2015 verzeichnet wird. 3.4.2 Auswirkungen des neuen EEG 2014 Die Entwürfe des neuen EEG und die Aussagen im Rahmen der Diskussion um das neue EEG weisen darauf hin, dass sich der Ausbau der EE, die häufig über Projektfinanzierungen finanziert werden, zunächst nicht wesentlich ändern wird. Die von der Bundesregierung angestrebten Ausbauziele von 2.500 MW pro Jahr für onshore-Windanlagen und 6.500 MW bis 2020 für offshore-Anlagen führen auch weiterhin zu erheblichem Finanzierungsbedarf. Es ist davon auszugehen, dass auch, wie bisher, der überwiegende Teil dieser Investitionen als Projektfinanzierung dargestellt wird, bei der Finanzierung also im Wesentlichen auf die Anlagen bzw. Projekte abgestellt wird. Bei spezifischen Investitionskosten für offshore-Windenergieanlagen, die auch in Zukunft zwischen 2.500 und 3.000 EUR/ kW liegen sollten, da allgemein kurzfristig erhebliche Kostendegressionen nicht erwartet werden, und bei spezifischen Investitionskosten von ca. 1.200 EUR/ kW für onshore-Windenergieanlagen (siehe Abb. 13) sollten die Investitionsvolumina für die nächsten Jahre im Durchschnitt zwischen 5 Mrd. EUR und 8 Mrd. EUR für Windkraftprojekte insgesamt liegen. Da die Eigenkapitalanteile aufgrund der etwas geringeren Förderung nach dem neuen EEG wohl ansteigen werden und durchaus bis zu 30 % betragen könnten, würde dies über die nächsten Jahre zu einem Fremdkapitalbedarf von 3,5 Mrd. EUR bis 4 Mrd. EUR pro Jahr führen. Photovoltaik wird nach der aktuellen Lage zunächst weiterhin für projektspezifische EE-Finanzierungen keine Rolle spielen. Wie bereits in den letzten beiden Jahren sind die Förderbedingungen für Freiflächenanlagen nicht so attraktiv, als dass mit einem nennenswerten Zubau zu rechnen wäre. Die zumeist privaten Dachanlagen eignen sich aber in der Regel nicht für eine auf die Anlage ausgerichtete Finanzierung. Hier wird weiterhin auf die Bonität des Kreditnehmers allein, ohne die Anlage in nennenswertem Umfang als Sicherheit zu betrachten, abzustellen sein. Das für die Zukunft angestrebte Auktionsmodell, bei dem die Einspeisevergütung in einer Art Versteigerung festgesetzt werden soll und das zunächst für die Freiflächen- <?page no="83"?> Matthias Neugebauer 83 Photovoltaik getestet werden soll, kann dies jedoch verändern, da über die Versteigerung die Möglichkeit gegeben ist, einen für die Realisierung einer Freiflächenanlage auskömmlichen Preis zu erhalten. Auch sind die Vorlaufzeiten und Vorabinvestitionen bei Freiflächen-Photovoltaikanlagen im Vergleich zu Windenergieanlagen deutlich geringer. Die möglichen Investitionsvolumina und damit auch der Fremdfinanzierungsbedarf lassen sich aber heute noch nicht abschätzen. Sofern das Auktionsmodell für onshore-Windenergieanlagen, nach einer erfolgreichen Testphase für Photovoltaik eingeführt wird, kann es aber zu einem von den oben genannten Werten abweichenden geringeren Ausbau der onshore-Windenergieanlagen kommen. Ein Auktionsverfahren würde nämlich gerade bei Windenergieanlagen höhere Vorlaufzeiten erfordern und auch erhebliche Kostenrisiken für unterlegene Bieter mit sich bringen. Dies begründet sich durch die bei Windenergie erheblichen Vorlaufkosten und Projektierungszeiten, die deutlich über denen bei Photovoltaikanlagen liegen. Auch auf die Zusammensetzung der Entwickler für Windenergieprojekte würde ein derartiges Modell erhebliche Auswirkungen haben. Die erhöhten Kostenrisiken erfordern eine entsprechende Finanzkraft und würden sicherlich zu einer Konzentration auf eine geringere Zahl, aber dann umso größere Spieler in diesem Markt führen. Soweit dadurch etwa der Anteil an Windenergieanlagen, die durch die großen Versorger entwickelt und realisiert werden, stark ansteigt, kann sich das auch auf den Markt für EE-Finanzierungen auswirken. Bisher nutzen die großen Versorger nämlich für die Finanzierung ihrer Projekte nur selten spezifische EE-Finanzierungen in Form von Projektfinanzierungen, sondern ihr eigenes Finanzierungspotential. Die Investments werden also nicht durch einzelne Projektfinanzierungen finanziert, sondern unter voller Haftung des Versorgers über dessen allgemeine Unternehmensfinanzierung dargestellt. 3.5 Marktteilnehmer 3.5.1 Kreditnehmer Wesentlicher Treiber von spezifischen EE-Finanzierungen ist die dezentrale Struktur dieser Anlagen. Das EEG aus dem Jahr 2000 und auch das vorangehende Einspeisegesetz haben es über die einfache und garantierte Vergütung nahezu jedermann ermöglicht, in eine oder mehrere eigene EE-Anlagen zu investieren. Beginnend mit Einzelanlagen weitete sich dies schnell auf Parks mit mehreren Anlagen aus. Diese Kraftwerke wurden aber nicht von den großen Energieerzeugern realisiert, sondern von ganz unterschiedlichen Marktteilnehmern, die bisher nicht aus der Energieerzeugungsbranche stammten. Es bildeten sich spezielle Projektierer, die entsprechende Flächen suchten, diese sicherten und dann die gesamte Anlage bzw. Gruppe von Anlagen konzipierten. Die Gesamtinvestition, bzw. die Summe der geplanten Investitionen, überstieg dabei recht schnell die finanziellen Mittel der Projektierer. Bis auf das Risiko der Anlagenperformance und bei Windbzw. Solarprojekten des Windbzw. Solaraufkommens hatten die Projekte jedoch nur sehr geringe Risiken. Dies ging auf das EEG zurück, das die <?page no="84"?> 84 3 Der Markt für Erneuerbare-Energien-Finanzierungen in Deutschland Projekte von jeglichen Preis- oder Vermarktungsrisiken und auch jedem Vermarktungsaufwand freistellte. Daher war es relativ einfach, diese Projekte im Rahmen von Projektfinanzierungen, die nur auf die Erträge des Projektes abstellten, zu finanzieren. Kreditnehmer der EE-Finanzierung war dabei einfach eine speziell für das Projekt gegründete Gesellschaft, der das Projekt und nur das Projekt gehörte. Das benötigte Eigenkapital für die Projekte konnte neben dem Projektierer auch von einem eventuellen späteren Erwerber des Projektes kommen. Letztlich investierten eine Vielzahl von Investorengruppen in die Windenergie- und Photovoltaikprojekte. Dies waren neben den Projektierern, die jedoch die größten Teile der Projekte weiterverkauften, geschlossene Fonds und Bürgergenossenschaften bzw. -gruppen und damit letztlich Privatpersonen; später dann auch Stadtwerke und Energieversorger und auch institutionelle Investoren, wie Versicherungen, Pensionskassen und andere. Einen Überblick über die Anteile der unterschiedlichen Investorengruppen gibt die folgende Abbildung. Abb. 16: Investoren in Erneuerbare Energien (Stand Ende 2010) . Quelle: Trendresearch (2011), S. 45 Die Entscheidung für den Finanzier wird in der Regel durch den Projektierer getroffen, der das Projekt dann zusammen mit der Fremdfinanzierung verkauft. Möglich ist dies, soweit die Finanzierung tatsächlich nur auf das Projekt abstellt. Dadurch wird nicht auf den Investor selbst abgestellt und so eine entsprechende Transferierbarkeit der Eigenkapitalanteile erst möglich. Privatpersonen 39,70% Landwirte 10,80% Sonstige 1,20% Projektierer 14,40% Große 4 6,50% Contractingunternehmen 0,10% Regionalerzeuger 1,60% sonstige EVU 2,70% Internationale EVU 2,70% Fonds/ Banken 11% Gewerbe 9,30% <?page no="85"?> Matthias Neugebauer 85 3.5.2 Fremdkapitalgeber von EE-Projekten In der Fremdfinanzierung von EE-Projekten sind in Deutschland alle größeren Banken und selbst größere Sparkassen oder Genossenschaftsbanken aktiv. Die Banken unterscheiden sich dabei im Wesentlichen in ihren Standards bzgl. der Wirtschaftlichkeit des Projektes und den Standards für das Vertragspaket wie etwa Sicherheitenkonzept und Mindestvolumina, ab denen sie eine auf das Projekt zugeschnittene Finanzierung anbieten. Bei onshore-Windenergieanlagen und auch bei der Photovoltaik sind die Unterschiede in der Regel jedoch nicht sehr groß und diese bieten damit dem Kreditnehmer die Möglichkeit, aus dem Angebot von mehreren Banken auszuwählen. Aufgrund der durch das EEG recht geringen Komplexität bei der Beurteilung des Projektes, sind die verschiedenen Angebote in den wesentlichen Kernpunkten auch relativ einfach zu vergleichen. Aus heutiger Sicht besteht daher für Windenergieprojekte an Land ein großes Angebot an Finanziers und Finanzierungen, soweit das Projekt selbst wirtschaftlich sinnvoll ist. Dasselbe galt auch für Freiflächen-Photovoltaikprojekte, bei denen jedoch aktuell, aufgrund der deutlich reduzierten Vergütung, so gut wie keine Neuprojekte mehr in der Umsetzung sind. Ein etwas anderes Bild bietet sich für offshore-Windenergieprojekte. Im Vergleich zu onshore-Windenergieprojekten sind hier sowohl die Projektgrößen und damit die Finanzierungsvolumina als auch die Risiken und die Komplexität des Projektes deutlich größer. Beides führt zu einer deutlich kleineren Gruppe von Finanzierern als bei Windenergieprojekten an Land. Aufgrund der hohen Investitionskosten und des sich damit ergebenden hohen Finanzierungsbedarfes werden für eine Finanzierung auch meist mehrere Banken gleichzeitig benötigt. Aktuell ist jedoch auch für offshore-Windenergieprojekte, sofern diese gut entwickelt und aufbereitet sind und mit einer Gruppe starker Partner umgesetzt werden, eine Fremdfinanzierung, abgestellt auf das Projekt, möglich. 3.6 Fördermittel Ein wesentlicher Punkt gerade für die Projektfinanzierung von Windenergie- oder Photovoltaik-Projekten, die häufig Kreditlaufzeiten von weit über zehn Jahren erfordern, besteht für deutsche Erneuerbare Energien-Projekte die Möglichkeit, entsprechende Förderprogramme wahrzunehmen (siehe dazu ausführlich Kapitel 18 in diesem Buch). Die staatliche Förderbank hat in der Vergangenheit Fördermittel für EE-Projekte angeboten und bietet auch heute noch entsprechende Förderungen an. Diese Fördermittel werden über die finanzierenden Banken durchgeleitet und bieten Vorteile durch attraktive Refinanzierungssätze. Die Vorteile aus der Refinanzierung werden von den Banken an den Kunden weitergegeben. <?page no="86"?> 86 3 Der Markt für Erneuerbare-Energien-Finanzierungen in Deutschland Gerade seit der verteuerten und zeitweise auch erschwerten Refinanzierung für Banken seit Ende 2008 bietet diese Förderung für den Kreditnehmer mehrere Vorteile. Da die Refinanzierungskosten der Banken bei diesem Programm nicht von der Bonität der Bank abhängen, sondern für alle Banken gleich sind, bietet sich dem Kreditnehmer ein sehr transparenter Wettbewerb. Ein zweiter Vorteil ist, dass die Banken, über die Refinanzierung durch diese Fördermittel, eine projektspezifische Refinanzierung erhalten. Etwaigen Anforderungen aus der neuen diskutierten Bankenregulierung, die Vorgaben zur Kongruenz von Krediten und deren Refinanzierung machen, steht bei Nutzung dieser Fördermittel, in der Höhe wie diese von dem Projekt genutzt werden können, ein 100% kongruent refinanzierter Kredit gegenüber. Aktuell bietet das Förderprogramm der KfW (Programmnummer 270 für onshore- Windenergieanlagen und Biomasse-Anlagen, 274 für Photovoltaikanlagen) diese Fördermittel mit Laufzeiten von bis zu 20 Jahren und einer Obergrenze von 25 Mio. EUR pro Kreditnehmer an. Wichtig ist, dass die Begrenzung pro Kreditnehmer gilt, so dass an einem Standort durchaus mehrere Kreditnehmer diese Förderung jeweils separat für sich in Anspruch nehmen können. Bei diesen Förderungen handelt es sich um reine Refinanzierungen der kreditgebenden Bank bzw. Banken. Die KfW übernimmt keinerlei Projektrisiken. Diese verbleiben bei den Banken. Für offshore-Windenergieanlagen besteht ein weiteres Förderprogramm der KfW (Programmnummer 273), bei dem diese auch Risiken als Kreditgeber übernimmt. Hierbei beteiligt sich die KfW pro offshore-Wind-Park mit max. 400 Mio. EUR an einer Projektfinanzierung und übernimmt damit auch das Performance- und Projektrisiko des offshore-Wind-Parks. Voraussetzung ist jedoch, dass an der Finanzierung auch kommerzielle Banken mit in der Summe mindestens demselben Betrag beteiligt sind, wie die KfW das Risiko trägt. Auch ist für offshore-Wind-Parks eine Refinanzierung der kreditgebenden Banken möglich. Die Obergrenze für eigenes Risiko und Refinanzierung der Banken beträgt dann 700 Mio. EUR . Auf den Punkt gebracht Für großvolumige EE-Projekte an Land gibt es ein relativ standardisiertes und verbreitetes Angebot von Finanzierungen, die allein auf das jeweilige Projekt abstellen. Dies basiert auf dem bisherigen EEG und dessen einfachen, transparenten und verlässlich prognostizierbaren Vergütungen für den erzeugten Strom, wie auch den langjährigen Erfahrungen, insbesondere mit Windkraft an Land und den Freiflächen-Photovoltaikanlagen. Die erwarteten Änderungen durch das EEG 2014 werden die Situation zunächst nicht grundlegend ändern, werden aber aufgrund der reduzierten Fördersätze und Einschränkungen bei der Einspeisung und Vergütung des eingespeisten <?page no="87"?> Matthias Neugebauer 87 Stroms zumindest zu erhöhten Eigenkapitalanforderungen an die Projekte führen, wenn diese durch Projektfinanzierungen dargestellt werden sollen. Eine Einführung eines Auktionssystems für die Festlegung der Einspeisevergütung in einer Art Versteigerungsmodell zur Förderung der Erneuerbaren Energien muss, je nach Ausgestaltung, die Finanzierbarkeit der Projekte nicht verschlechtern. Sie wird aber gerade bei Windenergieprojekten die Entwickler dieser Projekte vor neue Herausforderungen stellen und kann zu einer Konzentration bei den Entwicklern führen. Windenergieanlagen auf See stellen für alle Beteiligten eine wesentlich größere Herausforderung als die Projekte an Land dar. Mit den weiteren Erfahrungen werden sich hier aber auch Standards und Prozesse herausbilden, die deren Umsetzung erleichtern sollten. Aufgrund der größeren Unsicherheiten, der Komplexität und der Größe, die immer eine Gruppe von Finanziers erfordern wird, werden diese Projekte, auch mit wachsender Erfahrung der Marktteilnehmer, das Standardisierungsniveau von Windenergie- oder Photovoltaikprojekten an Land nicht erreichen können. Literatur Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi): Erneuerbare Energien im Jahr 2013. Erste vorläufige Daten zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland auf der Grundlage der Angaben der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat), 2014 Bundesverband Solarwirtschaft e.V. (BSW-Solar): Statistische Zahlen der deutschen Solarstrombranche (Photovoltaik), 2014 Deutsche WindGuard GmbH: Kostensituation der Windenergie an Land in Deutschland, 2013 REN21: Renewables 2014 Global Status Report, 2014 Trendresearch: Marktakteure Erneuerbare-Energien-Anlagen in der Stromerzeugung, 2011 <?page no="89"?> 4 Motive von Privatinvestoren bei Investitionen in EE-Projekte Dr. Christian Friege und Heiko Voss Inhalt 4.1 Demokratisierung der Stromerzeugung ................................................................... 89 4.2 Vom magischen Dreieck zum magischen Viereck: Investitionsüberlegungen verändern sich ..................................................................................... 90 4.3 Privatinvestoren in EE-Projekten............................................................................. 92 4.4 Investoren und ihre Investitionsmotive ................................................................... 94 4.4.1 Empirische Evidenz von Investitionsmotiven........................................................ 94 4.4.2 Finanzielle Investitionsmotive................................................................................... 96 4.4.3 Nicht-finanzielle Investitionsmotive ........................................................................ 99 4.5 Fallbeispiel Bürgerwindpark Bendorf-Oersdorf ................................................... 101 4.6 Rendite und Nachhaltigkeit ..................................................................................... 104 Literatur ...................................................................................................................... 104 Schlagwortliste Bürgerenergie, Privatinvestoren, Venture Philanthropy, Investitionsmotive, finanzielle Motive, nicht-finanzielle Motive, Renditeerwartung 4.1 Demokratisierung der Stromerzeugung Die deutsche Energiewirtschaft befindet sich in einem Umbruch. Erneuerbare Energien gewinnen in der Strom- und Wärmeerzeugung zunehmend an Bedeutung. Die damit einhergehende dezentrale Energieerzeugung sowie die Auswirkungen auf Netze und Vertrieb verändern die Markt- und Wettbewerbsstrukturen zusehends. Wo früher vier große Energieerzeuger den Strommarkt durch Großinvestitionen in Kohle- und Kernkraftwerke dominierten, ist heute im Zuge der Energiewende und des Ausbaus der Erneuerbaren Energien das Entstehen einer kleinteiligen, polypolistischen Marktstruktur erkennbar: Die Energiewende demokratisiert die Stromerzeugung. Der Aufbau einer umfassenden regenerativen Stromerzeugung wäre ohne das Engagement und vor allem die Investitionen vieler Privatpersonen nicht möglich gewesen. Der Blick auf die Entwicklung von Bürgerenergie im Aufbau von EE-Anlagen verdeutlicht, dass die Bürgerenergie einen wesentlichen Anteil an der installierten Leistung (47 Prozent) und an der Stromerzeugung (43 Prozent) aus Erneuerbaren <?page no="90"?> 90 4 Motive von Privatinvestoren bei Investitionen in EE-Projekte Energien und somit am Gelingen der Energiewende hat 23 . Die Gründung von Energiegenossenschaften, private Investitionen in lokale Windkraftanlagen und Photovoltaik - all dies trug bis dato dazu bei, die Bedeutung des Bürgers für die Energiewirtschaft deutlich zu stärken. Die Veränderungen in der Energiewirtschaft durch die Energiewende werden durch diese Fakten im Detail unterstrichen: Beitrag von Bürgerenergie zur Stromerzeugung in 2012: 56.129 Gigawattstunden Bürgerenergie (im weiteren Sinne) besitzt einen Anteil von 47 % an der installierten Leistung der Erneuerbaren Energien Von 2008 bis 2012 Gründung von 610 neuen Energiegenossenschaften 125.000 Bürger in Energiegenossenschaften Über 70 Prozent der dezentralen Anlagen zur Wärmebereitstellung in privaten Haushalten in Betrieb Großes Interesse bei Bürgern, sich an der Energiewende und dem Ausbau erneuerbarer Energien zu beteiligen 24 Untersuchungen zur Motivation von Bürgern, in Erneuerbare Energie Projekte zu investieren, gehen im Wesentlichen diesen beiden Fragen nach: − „Wer investiert? “ - hier geht es darum, sozio-demographisch Privatinvestoren zu beschreiben und − „Warum wird investiert? “- hier also soll im engeren Sinne die Frage der Motivation beantwortet werden. Jeder dieser beiden Fragen ist nachfolgend ein Kapitel des Beitrags gewidmet. 4.2 Vom magischen Dreieck zum magischen Viereck: Investitionsüberlegungen verändern sich Im Grunde genommen werden Investitionsentscheidungen, insbesondere von Privatinvestoren, entlang dreier Zielkonflikte getroffen (vgl. Abb. 17 links): Eine höhere Rendite wird durch ein höheres Risiko „erkauft“, eine schnelle Liquidierbarkeit des Investments führt üblicherweise zu einer niedrigeren Rendite und je höher das Risiko ist, umso weniger ist eine kurzfristige Verfügbarkeit des eingesetzten Anlagebetrages zu erwarten. Zwischenzeitlich hat sich ein viertes, Entscheidungen leitendes, Kriterium hinzu entwickelt, und zwar die Frage, inwiefern das Investment nachhaltig ist. Aus dem Dreieck der Zielkonflikte ist ein Viereck entstanden, das etwa zu mittlerweile ganz selbstverständlichen Erwägungen, zugunsten der Nachhaltigkeit auf Rendite und/ oder schnelle Liquidierbarkeit zu verzichten, geführt hat (Abb. 17 rechts). 23 trend: research/ Leuphana Universität (2013) 24 ebenda <?page no="91"?> Christian Friege, Heiko Voss 91 Abb. 1 7 : Zielkonflikte bei Investitionsentscheidungen (eigene Darstellung) Abb. 18: Investitionsspektrum − vom traditionellen Geschäft bis zur Wohltätigkeit (Quelle: European Venture Philanthropy Association 2014; Degenhart/ Nestle 2014) Rendite Risiko Liquidierbarkeit Magisches Dreieck der Investitionsentscheidungen Nachhaltigkeit Rendite Risiko Liquidierbarkeit Magisches Viereck der Investitionsentscheidungen gesellschaftliche und finanzielle Werte primäre Motivation: Schaffung von gesellschaftlichen Werten primäre Motivation: Schaffung finanzieller Werte Wohltätigkeitsorganisationen sozial motivierte Unternehmen klassische Unternehmen Special Purpose Organisations (SPO’s) CSR Unternehmen prozentuale Verteilung an Wohltätigkeit marktorientierte Unternehmen sozialorientierte Gewinnverteilung Ertrag generierende soziale Unternehmen potentiell nachhaltig >75% Geschäftseinkommen Breakeven aus Geschäftseinkommen Überschuss wird reinvestiert nur Zuschüsse Geschäftseinkommen und Zuschüsse gemeinnützige Wirkungen vordringlich gemeinnützige Wirkungen vordringlich finanzielle Orientierung soziale Investitionen Zuschussgeber Venture Philantropy <?page no="92"?> 92 4 Motive von Privatinvestoren bei Investitionen in EE-Projekte Betrachtet man nun Investitionsmöglichkeiten, die einen erheblichen Fokus auf Nachhaltigkeit legen, kann hier wiederum entlang eines Kontinuums unterschieden werden, bei dem die Schaffung finanzieller (privater) Werte zunehmend durch gesellschaftliche Werte ersetzt wird, bis hin zur Wohltätigkeit, die keinen Gewinn wie auch immer anstrebt (vgl. Abb. 18). Während die Finanzinvestoren - auch wenn sie nachhaltige Investments vertreiben, immer als klassische Unternehmen agieren, finden sich bei Bürgerenergie vielfach auch soziale Unternehmen; die Analyse der Investitionsmotive in Abschnitt 4.4 wird dies offen legen. Agieren Unternehmen nicht aus primär finanziellen Interessen heraus, kann man auch von Venture Philanthropy sprechen. 4.3 Privatinvestoren in EE-Projekten Abb. 19: Investoren in Erneuerbare Energie (eigene Darstellung) Investoren in Erneuerbare Energien lassen sich zunächst in drei Gruppen unterteilen (vgl. Abb. 19): Energieversorger, Finanzinvestoren und Bürgerenergie. Zu den Energieversorgern zählen sowohl die vier großen Kraftwerksbetreiber in Deutschland (RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall) als auch Stadtwerke und regionale Versorgungsunternehmen (z.B. EWE, MVV bzw. SWM). Mittlerweile betreiben auch Stadtwerke einen erheblichen Kraftwerkspark oder sind an ihm beteiligt. Die Energieversorger betreiben Energie-Anlagen als Kerngeschäft, sind meist Grundversorger und haben strategische Ziele, die andere Investoren in dieser Form nicht verfolgen. Zur zweiten Gruppe der Finanzinvestoren gehören etwa Kreditinstitute oder speziell aufgelegte geschlossene Fonds, an denen sich einzelne Anleger beteiligen können, aber auch Hedgefonds und Private Equity Investoren. Die dritte Gruppe wird als Bürgerenergie bezeichnet. „Zu Bürgerenergie werden all diejenigen Fälle gezählt, in denen Privatpersonen und/ oder lokale gewerbliche oder landwirtschaftliche Einzelunternehmen bzw. juristische Personen (außer Großkonzernen) einzeln oder gemeinsam in (Erneuerbare-) Energien‐Anlagen Eigenkapital investieren, sofern sie mindestens gewerbliche Investoren Energieversorger große (RWE, E.on, EnBW, Vattenfall) Privatinvestoren Finanzinvestoren Bürgerenergie regionale (EWE, MVV,…) Stadtwerke EE-Anlageprodukte (Fonds, Bonds,…) Private Equity selbstverwaltete, lokale Investitionen <?page no="93"?> Christian Friege, Heiko Voss 93 50 % der Stimmrechte halten und aus der Region kommen, in der die Anlagen errichtet werden/ wurden, bzw. dort ansässig sind.“ 25 Privatinvestoren im Sinne dieses Beitrags sind in erster Linie die Beteiligten an Bürgerenergie-Projekten. Daneben können Privatinvestoren aber auch in Projekte investieren, die durch Finanzinvestoren aufgelegt und z.B. über Kreditinstitute vertrieben werden. Dabei vertreiben spezielle Kreditinstitute ausschließlich nachhaltige Geldanlagen und haben dazu auch einen umfassenden Kriterien- und Transparenzkatalog entwickelt, dem sie sich unterwerfen. Zu diesen Banken gehören in Deutschland im Wesentlichen die GLS Bank, die Umweltbank, die Ethikbank und die Triodos Bank. Im Gegensatz dazu zählen Finanzinvestoren, die als Private Equity neben der Energiewirtschaft in EE investieren (z.B. Versicherungen, Hedgefonds etc.) dann nicht zu den hier betrachteten Privatinvestoren, wenn die Finanzierungsinstrumente nicht direkt und projektbezogen an Privatkunden vertrieben werden. Kennzeichen von Privatinvestoren in EE-Projekte Privatinvestoren in EE sind eher jünger: Eine deutsche Studie sieht die Altersgruppe 25 - 44 Jahre überrepräsentiert, eine amerikanische Studie sieht die Altersgruppe 36 - 55 Jahre als am wahrscheinlichsten an, in EE zu investieren. Dass eher Menschen mit höherem verfügbaren Einkommen und Vermögen in EE investieren, erscheint offensichtlich, ebenso, dass die Bezieher von Ökostrom fast doppelt so häufig auch bereit sind, in EE zu investieren. Überraschend ist hingegen, dass die Kunden von Direktbanken deutlich häufiger auch Investitionen in EE positiv gegenüber stehen - möglicherweise eine Folge der eher jüngeren und durch Online-Nutzung auch besser informierten Altersgruppe. Die leichte Präferenz männlicher Interessierter in Deutschland und die leichte Präferenz weiblicher Interessierter in den USA bleibt in beiden Fällen statistisch insignifikant. 26 Betrachtet man besonders jene Investoren, die sich speziell im Rahmen von Bürgerenergie engagieren, so findet man gleichwohl ähnliche Kennzeichen: Die größte Gruppe stellen die 35-55-Jährigen, 51 % der Mitglieder von Bürgerenergie-Initiativen haben einen Hochschulabschluss und 72 % haben ein Nettoeinkommen von über EUR 2500 pro Monat und 80 % weisen ein Engagement in einem Verein, einer Partei o.ä. auf. 27 Es sind also eher jüngere (bis 55 Jahre), gut ausgebildete und finanziell besser gestellte Menschen, die in EE investieren. Ansatzpunkte, solche Investoren zu identifizieren bilden der Bezug von Ökostrom, die Nutzung von Direktbanken und die Kunden der nachhaltigen Banken. 25 Degenhart/ Nestle (2014), S. iii 26 Energate/ YouGov (2012); Aguilar/ Cai (2010) 27 Radtke (2014) <?page no="94"?> 94 4 Motive von Privatinvestoren bei Investitionen in EE-Projekte 4.4 Investoren und ihre Investitionsmotive 4.4.1 Empirische Evidenz von Investitionsmotiven Investitionsmotive von Finanzinvestoren Bei einer Befragung von 120 professionellen Finanzinvestoren von privatem Kapital aus ganz Europa wurden als die fünf wichtigsten Gründe für Investitionen in EE genannt: Gleichbleibend hohe Ölpreise machen Investitionen attraktiv. Der ROI hat unsere Erwartungen bei Investitionen in EE in den vergangenen Jahren entsprochen. Die Einspeisevergütungen sind immer noch attraktiv. Die fehlende Investitionstätigkeit der klassischen Energieversorger hat in diesem Bereich zu Investitionsgelegenheiten geführt. Wir sind davon überzeugt, dass die Regierungen die EE weiter unterstützen werden. 28 Es ist auffällig, dass keiner der Gründe im Zusammenhang mit einer Präferenz für nachhaltige Investitionen steht; im Gegenteil, die Überlegungen finden in erster Linie im klassischen magischen Dreieck der Investitionsentscheidungen statt (vgl. Abb. 17 links). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Clusteranalyse in den USA, die neben den oben bereits referierten sozio-demographischen Kennzeichen (jünger und reicher) hervorhebt, dass die Sicherheit einer hohen Rendite, die Fristigkeit der Investition und die vergleichbar schlechteren Aussichten der Börse im allgemeinen die Investition in EE wahrscheinlicher macht. 29 Auch hier keine Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien. Investitionsmotive für Bürgerenergie Ganz andere Investitionsmotive zeigen sich, wenn man gezielt nach Investitionsmotiven für Bürgerenergie fragt. Die Ergebnisse einer Befragung von allen Energiegenossenschaften in 2010 sind in Abb. 20 dargestellt. Dabei zeigt sich, dass die den Nachhaltigkeitserwägungen zuzuordnenden Kriterien wie „Erneuerbare Energieerzeugung“, „Beitrag gegen den Klimawandel“ und „Vermeidung von CO 2 “ die größte Zustimmung erfahren haben, während renditeorientierte Motive erst mit mittlerer Wichtigkeit („Umweltverträgliche Kapitalanlage ermöglichen“) und „Gute Dividendenzahlung“ sogar erst auf der viertletzten Position erscheinen. Diese Erkenntnis wird auch durch eine neuere Befragung deutlich unterstrichen (Abb. 21). Die nicht-finanziellen Motive für eine Investition („Umweltschutz“, „Energiewende voranbringen“, „Regionale Wertschöpfung“, „Partizipation“) rangieren in ihrer Bedeutung allesamt und deutlich vor den finanziellen Motiven „Rendite“ und „Energiebezug“. Beide Kategorien von Investitionsmotiven werden in den weiteren Abschnitten detailliert erörtert. 28 Taylor Wessing (2012), S. 12 29 Aguilar/ Cai (2010) <?page no="95"?> Christian Friege, Heiko Voss 95 Abb. 20: Zielsetzungen von Energiegenossenschaften (Skala 1 (weniger wichtig) bis 6 (sehr wichtig); arithmetische Mittelwerte). (Quelle: Volz (2012), S. 522; eigene Darstellung) Abb. 21: Bewertung unterschiedlicher Motive für die Beteiligung an Bürgerenergie (Skala von 1 (unbedeutend) bis 5 (sehr wichtig); arithmetische Mittelwerte). (Quelle: Degenhardt/ Nestle (2014), S. 23; eigene Darstellung) Die Motive für private Investitionen in EE unterscheiden sich sehr deutlich, abhängig davon, ob die Investition als Finanzinvestition (auch bei Vertrieb als nachhaltiges Investment) oder als Bürgerenergie erfolgt und positioniert ist: Nachhaltigkeitserwägungen spielen bei Finanzinvestoren keine Rolle - bei Bürgerenergie allerdings stellen sie die wichtigsten Argumente für die Geldanlage dar. Entwickler von EE-Projekten werden das bei der Finanzierung berücksichtigen. 0 1 2 3 4 5 6 Erneuerbare Energieerzeugung Beitrag gegen den Klimawandel Vermeidung von CO 2 Wir-Gefühl stärken Öffentliche Wahrnehmung für die Region Vorbildfunktion Wertschöpfung in der Region halten Daseinsfürsorge für künftige Generationen Vorreiterrolle einnehmen Gefühl etwas Gutes zu tun Umweltverträgliche Kapitalanlage ermöglichen Autarke Energieversorgung Gegenentwurf zu den großen Energieanbietern Steigerung der Lebensqualität Gute Dividendenzahlung Versorgungssicherheit Kostengünstige Energieversorgung Schaffung von Arbeitsplätzen 0 1 2 3 4 5 Umweltschutz Energiewende voranbringen Regionale Wertschöpfung Partizipation Umsetzung in Gemeinschaft Rendite Energiebezug <?page no="96"?> 96 4 Motive von Privatinvestoren bei Investitionen in EE-Projekte 4.4.2 Finanzielle Investitionsmotive Rendite Als Rendite werden die Erträge bezeichnet, die im Verhältnis zu einer getätigten Kapitaleinlage erzielt werden. Meist wird eine Rendite annualisiert ausgewiesen, d.h. auf einen jeweiligen Jahreszeitraum der Kapitalhingabe bezogen (Rendite pro annum bzw. Rendite p.a.). Vermögensklasse Zielrendite (% p.a.) ausgewogenes Venture Capital 30 - 50 Immobilien 10 - 20 Mezzaninkapital 14 - 20 Aktien 6 - 8 Unternehmensanleihen 4 - 6 Staatsanleihen 2 - 6 Tab. 2: Renditeziele vor Steuern von Investoren nach Anlageform. (Quelle: Lindlein/ Mostert (2005), S. 15) In Tabelle 2 sind für einige Vermögensklassen aus der Erfahrung heraus erwartete Renditen angegeben. Auch wenn diese in der aktuellen Finanzmarktsituation leicht verändert aussehen - als erster Anhaltspunkt können sie gleichwohl dienen. Offensichtlich steigt die Renditeerwartung mit steigendem Risiko (Staatsanleihen versus Venture Capital) und offensichtlich nimmt mit zunehmender Rendite auch die Liquidierbarkeit der Anlagen ab: Anleihen und Aktien wird man einfacher über die Börse oder einen internen Markt wieder abstoßen können als Immobilien oder Investitionen in ein Unternehmen als Risikokapitalgeber. Abb. 22: Eigenkapitalrenditeerwartungen nach Steuern für einzelne Assetklassen (Quelle Norton Rose/ Deloitte (2013), S. 17) 0 0,02 0,04 0,06 0,08 0,1 Onshore Wind Offshore Wind Solarparks Biomasse & Biogaskraftwerke Versicherungen Institutionelle Fonds Energieunternehmen <?page no="97"?> Christian Friege, Heiko Voss 97 Auf dieser Basis können nun Eigenkapitalrenditeerwartungen von Finanzinvestoren und Energieversorgern für EE-Projekte aus einer aktuellen Umfrage von Norton Rose/ Deloitte analysiert werden. Dabei sind die unterschiedlichen Erwartungen der betrachteten Investorengruppen erklärbar durch die eher konservative Anlagepolitik (und damit Renditeerwartung) von Versicherungen, den relativ höheren Leverage der Finanzinvestoren und die unterschiedlichen strategischen Ziele (und wohl auch Kapitalkosten) zwischen Energieversorgern und Finanzinvestoren. Insgesamt liegen die Erwartungen auf einer Höhe, die mit Investitionen in den Aktienmarkt vergleichbar sind. Angesichts der meist deutlich geringeren Liquidierbarkeit, der nicht unerheblichen Risiken sowie des bereits berücksichtigten Leverages der Investitionen mit Fremdkapital ist dieses Ergebnis bemerkenswert und lässt sich möglicherweise noch am leichtesten durch den herrschenden Mangel an Investitionsgelegenheiten im Markt erklären. Privatinvestoren, die nach der erwarteten Verzinsung einer Finanzbeteiligung in EE gefragt wurden, gaben als Zielrendite überwiegend zwischen 3 % p.a. und 4 % p.a. an und präferierten zu 60 % eine Festverzinsung mit einem „Basiszinssatz“ und einem erfolgsabhängigen Zinsbonus. Während für 2/ 3 der Befragten die Investition in Ökostromanlagen über ein Bürgerbeteiligungsmodell etwas über dem marktüblichen Zinssatz rentieren sollte, liegt diese Erwartung für Bezieher von Strom von reinen Ökostrom-Anbietern deutlich darunter: 51 % erwarten eine Verzinsung auf Marktniveau oder sogar knapp darunter. 30 Schaut man sich die tatsächlich erzielten Renditen bei Bürgerenergie an, so liegen diese häufig unter den Erwartungen. In 2012 haben nur 40 % der Energiegenossenschaften eine Dividende ausbezahlt. Diese lag bei durchschnittlich 3,99 % und streute zwischen 0,8 % und 7 %. Dies mag dadurch begründbar sein, dass über die Hälfte der untersuchten Genossenschaften erst 2011 oder 2012 gegründet wurden und somit möglicherweise noch kein gewinnbringendes Geschäft generiert werden konnte. 31 Eine Untersuchung auf Grundlage von 1.150 Jahresabschlüssen von 127 Windparks ergab eine durchschnittliche Ausschüttung 32 von 2,5 % p.a. für den Zeitraum von 2002 bis 2011. Die Grundlage der niedrigen Eigenkapitalrentabilität im Vergleich zum dargestellten Prospektversprechen sind die geringen Windenergieerträge. Die Untersuchung zeigt auf, dass fünfzig Prozent aller Onshore-Windparks Gefahr laufen, nach zwanzig Jahren das Kommanditkapital nicht zurückzuverdienen. Bürgerwindparks unterliegen derselben Problematik wie andere Windparks. Trotzdem haben sie dank ihrer zum Teil geringeren Herstellungskosten und der höheren Eigenkapitalquote eine bessere Chance auf eine Rückzahlung des Eigenkapitals. 33 30 Energate/ YouGov (2012), S. 84ff. 31 DGRV (2013) 32 Da bei den untersuchten GmbH & Co KG üblicherweise die verfügbare Liquidität ausgeschüttet wird (und darin z. B. auch Cash Flow aus AfA enthalten ist), dürfte die Rendite hier noch unterhalb der 2,5 % liegen. 33 Daldorf (2013) <?page no="98"?> 98 4 Motive von Privatinvestoren bei Investitionen in EE-Projekte Es scheint - wie so häufig bei der privaten Geldanlage - so zu sein, dass Risiken nicht umfassend dargestellt oder - weit häufiger - bei der Anlageentscheidung ausgeblendet werden. Solange Rendite ein Investitionsmotiv ist, muss neben der angestrebten Verzinsung auch immer gefragt werden, welche Auswirkungen das Geschäftsmodell auf die Risiken hat (und wie die Liqudierbarkeit der Geldanlage zu beurteilen ist). Schließlich unterstreichen die angesichts der tatsächlich erzielten Renditen weiterhin vorhandenen Anlagegelder, dass die nicht-finanziellen Investitionsmotive offensichtlich erheblichen Einfluss auf die Anlageentscheidung haben. Energiebezug Neben der Rendite gehört der Bezug von Energie zu den finanziellen Motiven für eine Investition in EE. Schon seit vielen Jahren haben sich - v.a. im ländlichen Raum - Genossenschaften gebildet, die im Rahmen von Bürgerenergie kleine Wärmenetze und auch Stromerzeugung zur Selbstversorgung umgesetzt haben. Aktuell sind etwa 16.000 Haushalte an genossenschaftliche Wärmenetze angeschlossen. 34 Zwischenzeitlich hat sich aber bei der Stromerzeugung eine Entwicklung ergeben, die vor allem perspektivisch den Energiebezug als Motiv von Bürgerenergie immer bedeutender werden lässt. Betreiber von EE-Anlagen, die dem EEG unterliegen, können ihren Strom ins Netz einspeisen und die Garantievergütung erhalten. Oder sie entscheiden sich für die Direktvermarktung bzw. den Eigenverbrauch. Das finanzielle Kalkül vergleicht also den durch das EEG garantierten Ertrag mit den durch die Direktvermarktung erreichbaren Erträgen sowie mit dem Vorteil des Eigenverbrauchs gegenüber einem externen Bezug. Da Betreiber von EE-Anlagen bei ihrem Eigenstromverbrauch bis zur EEG-Novelle 2014 keine EEG-Umlage bezahlen, und mit der Neuregelung immerhin 60 % der EEG-Umlage einsparen können 35 , rechnet sich der Eigenstromverbrauch bei Neuinvestitionen meist schon heute. Der Eigenverbrauch von EE-Strom bedeutet, dass der generierte Strom nicht durch ein Fremdnetz weitergeleitet wird, sondern direkt vor Ort durch den Erzeuger genutzt wird. Damit ist die Netzparität hier erreicht bzw. meist schon zugunsten der Eigenerzeugung unterschritten. Eine Netzparität bei EE- Anlagen ist gegeben, wenn die Kosten der Stromerzeugung (Stromgestehungskosten) den gleichen Wert wie der Strombezugspreis für den jeweiligen Endkunden aufweist. Dann ist also die dezentrale Erzeugung von Strom - unter Berücksichtigung aller Steuern und Abgaben sowie der Netznutzungsentgelte - mit der Erzeugung von Strom in Großanlagen wettbewerbsfähig, ohne dass es einer Subvention - wie der garantierten Einspeisevergütung des EEG - bedarf. Finanzielle Investitionsmotive sind für private Finanzinvestoren entscheidend. Auch wenn die Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht übermäßig positiv gewesen sind, bleiben die Kalküle entlang des magischen Dreiecks für die Wahl des Investments bestimmend. Aus dem Energiebezug bzw. den sich aus dem Erreichen der Netzparität 34 DGRV (2013), S. 14 35 In den Jahren 2014 bis 2016 ist die Einsparung höher; vgl. die detaillierten Regeln im § 61 des EEG 2014. <?page no="99"?> Christian Friege, Heiko Voss 99 ergebenden Gestaltungschancen kann sich ein weiterer Stabilisator für die Rendite ergeben - oder ein Risiko aus der Pflicht zur Direktvermarktung im neuen EEG. Für Bürgerenergie stellen die finanziellen Investitionsmotive nicht das alleinige Kriterium für die Entscheidung dar. Zu berücksichtigen sind Rendite und Risiko trotzdem. 4.4.3 Nicht-finanzielle Investitionsmotive Die Studie „Marktrealität von Bürgerenergie und mögliche Auswirkungen von regulatorischen Eingriffen“ von Degenhardt/ Nestle listet als nicht-finanzielle Investitionsmotive diese auf: [1] Regionale Wertschöpfung [2] Umweltschutz [3] Energiewende [4] Teilhabe [5] Projekt in der Gemeinschaft 36 Die Bedeutung dieser nicht-finanziellen Investitionsmotive hat sich bei der Darstellung der empirischen Evidenz bereits gezeigt. Im Einzelnen sind hier folgende Aspekte von besonderer Bedeutung: Ad [1] Regionale Wertschöpfung Bei EE-Projekten können durch konsequente Ausrichtung viele positive Effekte für eine regionale Wertschöpfung entstehen, wie beispielsweise: Planung und Projektbegleitung des EE-Projekts durch regionale Planungsbüros Errichtung durch regionale Bauunternehmen (Sockelbau, Wegebau) Regionale Bankenfinanzierung (z.B. Sparkassen, Raiffeisenbanken) Schaffung von Arbeitsplätzen für Service und Wartung Gewerbesteuerentrichtung an die Gemeinde 37 Der Gewinn aus dem Betrieb von Windenergieanlangen und PV-Parks unterliegt der Gewerbesteuer, wenn der Freibetrag von 24.500 EUR pro Jahr überschritten wird. Die Gewerbesteuer ist die wichtigste originäre Steuer der Städte und Gemeinden in Deutschland und hat somit für die Standortgemeinden von großen EE-Anlagen eine hohe Bedeutung, auch wenn die erheblichen Sachanlageinvestitionen von EE-Projekten in den ersten Geschäftsjahren den Gewinn derart mindern können, dass nur geringe oder gar keine Gewerbesteuer anfällt. Die Neuregelung der Gewerbesteuerzerlegung bei Windkraftanlagen gilt seit 2009 und wurde 2013 auf Photovoltaikanlagen ausgeweitet. Danach müssen circa siebzig Prozent der Gewerbesteuer von Windparkprojekten direkt an die Standortgemeinde entrichtet werden. Die restlichen etwa dreißig Prozent stehen der Gemeinde, in der der Hauptsitz der Betreibergesellschaft angemeldet ist, zu. Neben dieser Aufteilung besteht unverändert die Möglichkeit, dass die betroffenen Gemeinden sowie der Anlagenbetreiber sich auf eine Gewerbesteuerzerlegung nach § 33 Abs. 2 GewStG einigen. Oft- 36 Degenhardt/ Nestle (2014), S. 23 37 Bundesverband WindEnergie (2013) <?page no="100"?> 100 4 Motive von Privatinvestoren bei Investitionen in EE-Projekte mals wird eine solche Einigung zugunsten der Standortgemeinde heute schon erzielt, so dass diese 100 % der Gewerbesteuer vereinnahmen kann. 38 Daneben fällt die Gewerbesteuer vollständig an die Standortgemeinde, wenn Standort der Anlagen und Sitz der Betreibergesellschaft gleich sind, was häufig bei Bürgerenergie der Fall ist. Unbestritten hat die Möglichkeit, Gewerbesteuern in der Standortgemeinde zu vereinnahmen, zu einer höheren Akzeptanz von EE-Anlagen beigetragen. Ad [2] Umweltschutz Der Wunsch vieler Menschen, einen tätigen Beitrag zur Abwendung einer Klimakatastrophe und zur Bewahrung einer lebenswerten Umwelt für die nachfolgenden Generationen zu leisten, wird auch immer wieder als Motiv für die Investition in EE- Anlagen genannt (vgl. Abschnitt 4.4.1). Ad [3] Energiewende Die Energiewende wird in Deutschland nach wie vor durch einen breiten gesellschaftlichen Konsens getragen, zu deren Gelingen viele Menschen beitragen wollen - auch das ist in Abschnitt 4.4.1 dargelegt worden. Vielleicht kann man zwischenzeitlich sogar von einem gewissen „Bürgerstolz“ der Menschen sprechen, der sich aus dem bereits Geleisteten und dem gemeinsam angegangenen mutigen Schritt in eine CO 2 -arme Energieversorgung speist. Dabei erweist die Energiewende sich als Konjunkturmotor des 21. Jahrhunderts: Das Geschäft mit der Herstellung von EE-Anlagen, mit Projektierung, Bau, Wartung und Betrieb hat sich zu einem bedeutenden, in Deutschland nicht mehr wegzudenkenden Wirtschaftsfaktor entwickelt. Deutsche Anlagenhersteller und Zulieferer der EE- Branche sowie Projektierer sind im Inland wie auf dem Weltmarkt erfolgreich in der Vermarktung ihrer Produkte. 39 Deutschlandweit waren im Jahr 2012 knapp 380.000 Beschäftige in dem Bereich der erneuerbaren Energien erwerbstätig. 40 Ad [4] Teilhabe Gerade bei Bürgerenergie ist „Teilhabe“ im Sinne des „Informiertsein- und Mitreden-Wollens“ ein wichtiges Investitionsmotiv. Ein direktes Investment in EE -Projekte hat hier den Vorteil, dass Privatinvestoren von der Planung über die Fertigstellung bis zur jährlichen Gesellschafterversammlung regelmäßig informiert werden und Einfluss nehmen können. Durch die regelmäßigen lokalen Planungssitzungen, vor allem zu Projektbeginn, fühlen sich Investoren besser informiert als dies bei anderen regenerativen Investitionsmöglichkeiten (z.B. Aktien oder Fonds) der Fall ist. Des Weiteren benötigen lokale Energiegenossenschaften oder andere Organisationsformen der Bürgerenergie deutlich weniger Gemein- und Verwaltungskosten, als Beteiligungsmodelle, die von Finanzinvestoren aufgelegt werden. Nicht zuletzt fühlen sich Privatinvestoren sicherer, wenn sie die Fortschritte bei dem Bau und dem späteren Betrieb der Anlage mit den eigenen Augen nachvollziehen und verfolgen können. 38 German Wind Energy Association (2012) 39 Friege/ Kampwirth (2012), S. 164f. 40 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2013) <?page no="101"?> Christian Friege, Heiko Voss 101 Ad [5] Projekt in der Gemeinschaft Ein weiteres Investitionsmotiv können Projekte in der (Dorf-) Gemeinschaft darstellen. Dabei geht es einerseits fraglos um Motivationen, die Energiewende im überschaubaren lokalen Umfeld umsetzbar werden lassen: 75 % der Mitglieder wollen einen Beitrag zur Energiewende leisten, 70 % stehen für eine lokal-dezentrale Energieversorgung und 55 % sind motiviert durch die Idee der finanziellen Bürgerbeteiligung. Ebenfalls 55 % sehen in Bürgerenergie eine aktive Rolle der eigenen Genossenschaft in der Energiepolitik. 41 Von besonderer Bedeutung ist allerdings, dass 60 % der befragten Genossenschaftsmitglieder das Gefühl haben, dass durch das Projekt Zusammengehörigkeit in der lokalen Gemeinschaft entstanden ist. 42 Diese manifestiert sich etwa durch gesellschaftliche Veranstaltungen, Feste oder Projekttage mit den Kommanditisten/ Gesellschaftern. Vor allem aber in einem Kohäsion stiftenden Miteinander des konkreten Projektes. Schließlich schätzen Privatinvestoren, dass sie die Rendite-/ Risiko-Verteilung mit anderen, persönlich bekannten Investoren (Nachbarn) teilen - das eigene Engagement ist nicht anonym, es sitzen alle „im gleichen Boot“. Während die nicht-finanziellen Investitionsmotive für die privaten Finanzinvestoren in Fonds und Bonds keine wesentlichen Kriterien darstellen, sind sie bei der Betrachtung von Bürgerenergie entscheidend. Dabei hat es sich insbesondere gezeigt, dass ein Tandem aus Bürgerenergie und Finanzinvestition letztlich vor allem die Akzeptanz von Investitionen vor Ort umfassend unterstützt - das zeigt sich eindrücklich im nachfolgend dargestellten Fallbeispiel. 4.5 Fallbeispiel Bürgerwindpark Bendorf-Oersdorf Ausgangslage Die Gemeinde Bendorf liegt in Schleswig-Holstein im Landkreis Rendsburg- Eckernförde, gut 80 km nördlich von Hamburg. Bendorf besteht bei 440 Einwohnern aus den einzelnen Dorfteilen Bendorf und Oersdorf sowie vereinzelten Außenlagen. Die Gemeinde ist ländlich strukturiert. Vereinstätigkeit besteht heutzutage in der Freiwilligen-Feuerwehr Bendorf-Oersdorf, im Deutschen Roten Kreuz Bendorf-Oersdorf sowie im Sportverein. Schulen sowie Einkaufsmöglichkeiten sind im fünf Kilometer entfernten Hanerau-Hademarschen zu erreichen. Im Jahr 2009 ist die Unternehmensgruppe WindStrom Erneuerbare Energien GmbH & Co. KG an den Gemeinderat und an Landeigentümer herangetreten, um ihre Pläne eines Windparks vorzustellen. Fünf Jahre hat das Genehmigungsverfahren in Anspruch genommen, um im Februar 2014 mit der Baumaßnahme beginnen zu können. Mit einer Gesamtleistung von 27 MW werden neun Anlagen von 3 MW aufgestellt. Die Firma WindStrom hat offen mit der Gemeinde und der Gemeindevertretung gesprochen und diese laufend über den Planungsstand informiert. Der 41 Radtke (2014), S. 8 42 ebenda <?page no="102"?> 102 4 Motive von Privatinvestoren bei Investitionen in EE-Projekte Bendorfer Windpark umfasst drei separate Eigentümergesellschaften, u.z. den Bürgerwindpark Bendorf-Oersdorf mit drei Windkraftanlagen, eine Anlage in Privatbesitz sowie fünf weitere Windkraftanlagen unter der Führung von WindStrom. Finanzielle Investitionsmotive Der Bürgerwindpark mit den wichtigsten Fakten: - Geschlossener Fonds, begrenzt auf Bürger und Grundbesitzer der Gemeinde Bendorf - Gesamtinvestition 16 Mio. EUR, davon 3,2 Mio. EUR Eigenkapital - Mindesteinlage 1.000 EUR, Höchsteinlage 150.000 EUR Für die Finanzierung des Bürgerwindparks ist eine möglichst hohe Beteiligung seitens der Dorfbevölkerung notwendig. Um eine Eigenkapitalquote von 20 % zu erreichen, sind verschiedene Beteiligungsverfahren geplant. Von 64 Bürgern sind zwischenzeitlich 2,77 Mio. EUR gezeichnet worden; der Fehlbetrag zur ursprünglich angestrebten Eigenkapitalausstattung soll durch zusätzliches Fremdkapital aufgestockt werden. 43 Der Prospekt geht im Basisszenario von einer Gesamtausschüttung inklusive Einlagen von 302 % über 20 Jahre bei einem jährlichen Energieertrag von 22.176 MWh aus, und legt dabei einen Parkwirkungsgrad von 89,2 %, zugrunde. In verschiedenen Szenariorechnungen wird für den ungünstigsten Fall (jährlicher Energieertrag bei 18.850 MW) immer noch eine Gesamtausschüttung inklusive Einlagen von 177 % erwartet. Die Beteiligung kann nach Ablauf des 10. Kalenderjahres, welches dem Kalenderjahr der Inbetriebnahme des Bürgerwindparks folgt, zum Jahresende gekündigt werden; ein vom Bürgerwindpark organisierter Zweitmarkt ist nicht vorgesehen. Insofern ist die Liquidierbarkeit der Investition - abgesehen von nachbarschaftlicher Hilfe innerhalb der Dorfgemeinschaft, durch die Anteile ge- und verkauft werden können - zunächst nicht gegeben. Nicht-finanzielle Investitionsmotive Regionale Wertschöpfung: Bei der Vorstellung des Projektes führte der Bürgermeister aus, dass durch den Windpark insgesamt Bendorf-Oersdorf „im Amt eine reiche Gemeinde sein (wird), und als solche werden wir dann den ärmeren Gemeinden etwas abgeben müssen.“ 44 Während diese Aussage sich auf die Gewerbesteuer bezieht, fließen zudem die Erträge des Bürgerwindparks ausschließlich an Investoren aus der Gemeinde, fallen Pachterträge bei lokalen Grundbesitzern an und werden auch örtliche Betriebe (z.B. die Gastwirtschaft) von den Aufträgen des Bürgerwindparks profitieren. Umweltschutz/ Energiewende: Mit einer einfachen Rechnung kann die CO 2 - Bilanz des Bürgerwindparks Bendorf-Oersdorf anschaulich illustriert werden: Bei einer vermiedenen CO 2 -Emission von knapp 6.000 t p.a. durch jede einzelne Bendorfer Windenergieanlage ergibt sich für die drei Anlagen eine jährliche CO 2 - Emissionsvermeidung von insgesamt circa 18.000 t. Wird dieser Wert mit dem 43 Bendorf-Oersdorf (2013) 44 Kühl (2012) <?page no="103"?> Christian Friege, Heiko Voss 103 durchschnittlich von jedem Bundesbürger verursachten CO 2 -Ausstoss ins Verhältnis gesetzt, wird deutlich, dass der Bürgerwindpark Bendorf-Oersdorf CO 2 in der Größenordnung des Jahresausstoßes von 16.000 Einzelpersonen einspart. 45 Teilhabe: Im Herbst 2012 ist zu der ersten öffentlichen Informationsveranstaltung von der Gemeinde und WindStrom eingeladen worden. Auf dieser Versammlung sind neun Personen ausgewählt worden, aktiv am Projekt Bürgerwindpark mitzuwirken. Sie sind die Gründungsgesellschafter der Emittentin, was eine Verbesserung der Legitimation des Projektes mit sich bringt. Zwei Personen dieser Gruppe sind zu den Geschäftsführern des Bürgerwindparkparks Bendorf-Oersdorf Verwaltungsgesellschaft mbH bestellt worden. Die Gründungsgesellschafter haben tatkräftig an der Entstehung des notwendigen Verkaufsprospekts mitgewirkt. Der Prospekt listet die Planungen des Bürgerwindparks, die wirtschaftliche Betrachtung und vor allem die rechtlichen und steuerrechtlichen Grundlagen auf. Ein Schwerpunkt liegt auf den Risiken der Investition, um potenziellen Investoren Chancen und Risiken gleichzeitig darzustellen. Ein Zeitplan, verschiedene Szenario-Rechnungen mit den Einspeisevergütungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) werden ausführlich auf 160 Seiten dargestellt. Projekt in der Gemeinschaft: Auf jedem Treffen wird wahrgenommen, wer anwesend ist und letztendlich auch, welcher Haushalt gar nicht vertreten ist. Die notarielle Beglaubigung des Eintritts erfolgt in einem öffentlichen Raum der Gemeinde. Somit kann jeder anwesende Bürger erkennen, wer in den Bürgerwindpark investiert hat. Einzelpersonen können gegen ein geringes Entgelt beim Amtsgericht ein Datenblatt mit den Namen der Beteiligten am Bürgerwindpark erhalten. Dieses Projekt stellt insofern ein Projekt in der Gemeinschaft dar, weil unter den Bürgern und besonders unter den Landbesitzern ein gesellschaftlicher Druck be- und entsteht, mit der allgemeinen Fragestellung, wer hat investiert, wer nicht? Das Leben spielt in einem kleinen und übersichtlichen Dorf und es weist teilweise andere Umstände auf, die in anderen Wohngegenden kaum vorstellbar sind. Das Dorfleben ist vielfältig und wird aktiv gelebt und gestaltet. Dabei besteht auch ein wechselseitiges Beobachten und Abwägen. Bei der notariellen Pachtunterzeichnung des Bürgerwindparks Bendorf-Oersdorfs hat im Anschluss ein gemeinsames Grünkohlessen für Pächter und andere Beteiligte stattgefunden. 45 Steinlein (2011); Bendorf-Oersdorf GmbH & Co. KG (2013); Bundesverband WindEnergie (2013) <?page no="104"?> 104 4 Motive von Privatinvestoren bei Investitionen in EE-Projekte 4.6 Rendite und Nachhaltigkeit Auf den Punkt gebracht Die Umsetzung der Energiewende ist ganz erheblich von privaten Investitionen und hier besonders von der Bürgerenergie getragen worden. Private Investitionen und Bürgerenergieprojekte nehmen inzwischen einen signifikanten Teil der erzeugten Erneuerbaren Energie ein - und stehen für die Demokratisierung des Kraftwerksparks. Rendite und Risikominimierung sind nicht das primäre Motiv von allen privaten Investoren in EE-Projekte. Vielmehr investieren Bürger aus Gründen des Umwelt- und Klimaschutzes und aus einem Engagement für die Gemeinschaft vor Ort. Sie wollen ein Vorantreiben der Energiewende durch erneuerbare Energien. Das Beispiel des Bürgerwindparks der Bendorf-Oersdorf GmbH & Co. KG veranschaulicht, dass gerade in regionalen EE-Projekten gesellschaftlich bezogene Investitionsmotive ein wichtiger Faktor sind. Literatur Aguilar, F. X./ Cai, Z. (2010): Exploratory analysis of prospects for renewable energy private investment in the U.S., in: Energy Economics, Vol. 32, S. 1245-1252. Bendorf-Oersdorf GmbH & Co. KG. (2013): Verkaufsprospekt zum Erwerb von Kommanditenanteilen an der Bürgerwindpark Bendorf-Oersdorf GmbH & Co. KG . Bendorf. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2013): Bruttobeschäftigung durch erneuerbare Energien in Deutschland im Jahr 2012. http: / / www.erneuerbare-energien.de/ fileadmin/ Daten_EE/ Dokumente _PDFs_/ bruttob eschaeftigung_ee_2012_bf.pdf, Zugriff am 08.05.2014. Bundesverband WindEnergie (2013): Klimaschutz / CO 2 -Rechner. www.wind-energie. de/ infocenter/ klimaschutz. Zugriff am 04.05.2014. Daldorf, W. 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Taylor Wessing LLP (2012): Private Capital and Clean Energy. trend: research/ Leuphana Universität (2013): Definition und Marktanalyse von Bürgerenergie in Deutschland. http: / / www.die-buergerenergiewende.de/ wp-content/ uploads / 2013/ 10/ definition-und-marktanalyse-von-buergerenergie-in-deutschland_akt_2.pdf. Zugriff am 14.03.2014. Volz, R. (2012): Bedeutung und Potenziale von Energiegenossenschaften in Deutschland, in: Informationen zur Raumentwicklung, o. Jg., Nr. 9/ 10 2012, S. 515 - 524. <?page no="107"?> Teil II: Risiken in Erneuerbare-Energien-Projekten <?page no="109"?> 5 Politische und rechtliche Risiken von Erneuerbare-Energien- Projekten Dr. Florian Valentin, Dr. Katrin Antonow, von Bredow Valentin Herz Rechtsanwälte Inhalt 5.1 Einleitung ................................................................................................................... 110 5.2 Die rechtliche Due Diligence bei der Finanzierung von EE-Projekten ............ 112 5.2.1 Ziele und Ablauf der rechtlichen Due Diligence .................................................. 114 5.2.2 Inhalte der rechtlichen Due Diligence ................................................................... 113 5.2.2.1 Besonderheiten bei der Finanzierung von EE-Projekten.................................... 113 5.2.2.2 Zu prüfende rechtliche Risiken ............................................................................... 114 5.3 Rechtsänderungsrisiko − das EEG im Wandel .................................................... 115 5.3.1 Die Entwicklung des EEG und seiner Ziele ......................................................... 115 5.3.2 Die Grundprinzipien des EEG............................................................................... 116 5.3.3 Das Fördermodell ..................................................................................................... 117 5.3.3.1 Von der Einspeisevergütung zur verpflichtenden Direktvermarktung ............. 117 5.3.3.2 Das Marktprämienmodell ........................................................................................ 118 5.3.3.3 Ausfallvergütung ....................................................................................................... 120 5.3.3.4 Begrenzung der Förderung ...................................................................................... 121 5.3.4 Eigenversorgung ....................................................................................................... 121 5.3.4.1 Die Voraussetzungen der Eigenversorgung .......................................................... 121 5.3.4.2 Belastung mit der EEG-Umlage ............................................................................. 122 5.3.4.3 Ausnahmeregelungen ............................................................................................... 122 5.3.5 Bestandsschutz durch Übergangsbestimmungen ................................................. 123 5.3.5.1 Grundsätzliche Geltung des EEG 2014 für Altanlagen ...................................... 123 5.3.5.2 Übergangsbestimmungen für die Wahl der Förderung ....................................... 123 5.3.5.3 Übergangsbestimmungen für die Eigenversorgung ............................................. 124 5.3.6 Ausblick: Umstellung auf Ausschreibungsmodelle .............................................. 125 5.4 Gesellschaftsrechtliche Risiken ............................................................................... 126 5.4.1 Wahl der Gesellschaftsform bei Bürgerbeteiligung .............................................. 126 5.4.1.1 Geschlossener Investmentfonds ............................................................................. 127 5.4.1.2 Eingetragene Genossenschaft ................................................................................. 127 5.4.2 Wirksame Gründung aller maßgeblichen Gesellschaften .................................... 128 5.4.3 Anwendbarkeit des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) bei Bürgerwindparks ................................................................................................................... 129 5.4.4 Anwendbarkeit des Vermögensanlagegesetzes (VermAnlG) bei Bürgerwindparks ................................................................................................................... 129 5.5 Genehmigungsrechtliche Risiken............................................................................ 130 5.5.1 Genehmigungserfordernisse .................................................................................... 130 5.5.2 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) -Genehmigungen.......................... 131 <?page no="110"?> 110 5 Politische und rechtliche Risiken von Erneuerbare-Energien-Projekten 5.5.2.1 Genehmigungsbedürftige Anlagen ......................................................................... 131 5.5.2.2 Einfaches und förmliches Verfahren...................................................................... 131 5.5.2.3 Besonderheiten des immissionsschutzrechtlichen Verfahrens ........................... 131 5.5.2.4 Immissionsschutzrechtliche Voraussetzungen...................................................... 132 5.5.3 Baurechtliche Genehmigungen ............................................................................... 133 5.5.3.1 Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit........................................................................ 133 5.5.3.2 Privilegierte Vorhaben im Außenbereich...............................................................133 5.5.3.3 Bauordnungsrechtliche Zulässigkeit ....................................................................... 134 5.5.4 Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ..................................................................134 5.5.5 Risiken bei fehlender Bestandskraft von Genehmigungen ................................. 135 Literatur ...................................................................................................................... 136 Schlagwortliste Direktvermarktung, gleitende Marktprämie, Einspeisevergütung, Fernsteuerbarkeit, Netzanschluss, Ausschreibung, Anschluss- und Annahmevorrang, EEG- Reform, Bestandsschutz, Eigenversorgung, Due Diligence, bankability, Investmentfonds, Kommanditgesellschaft, eingetragene Genossenschaft, Anlegerschutz, Baugenehmigung, Bundesimmissionsschutzgesetz, Umweltverträglichkeitsprüfung, einfaches und förmliches Verfahren, Ausgleichsmaßnahmen, privilegierte Vorhaben, Erneuerbare-Energien-Gesetz 5.1 Einleitung Die Wirtschaftlichkeit von EE-Projekten hängt seit jeher von den rechtlichen Rahmenbedingungen ab, insbesondere von der gesetzlich geltenden Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Dem EEG kommt daher auch für die Finanzierung von EE-Projekten eine entscheidende Bedeutung zu. Die Vergangenheit zeigt dabei, dass die Frequenz gesetzlicher Änderungen oder Neufassungen des EEG in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat: Blieb das EEG 2000 noch bis zum Jahr 2004 und das EEG 2004 bis 2009 nahezu unverändert, folgte dem EEG 2009 im Jahr 2012 das EEG 2012 und Mitte 2014 schon das EEG 2014. Nur kurz nach dem Inkrafttreten des EEG 2012 folgte zudem die sog. PV- Novelle - mit erheblichen Auswirkungen auf die PV-Branche. Da es in allen bisherigen Fassungen des EEG darauf ankommt, welches EEG zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlage gilt, hat jede Gesetzesänderung aufgrund der teilweise über zwei Jahre dauernden Projektvorlaufzeiten bereits weit vor ihrem Inkrafttreten erhebliche faktische Auswirkungen. Der Entstehungsprozess von Änderungsgesetzen zum EEG wird daher ab dem ersten Vorentwurf von der gesamten Branche eng mitverfolgt. Das gilt natürlich auch für finanzierende Banken und Investoren. Der Umgang mit dem Rechtsänderungsrisiko ist dabei für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung. Denn vielfach unterscheiden sich erste politische Ankündigun- <?page no="111"?> Florian Valentin, Katrin Antonow 111 gen oder auch erste Gesetzesentwürfe von dem später verabschiedeten Gesetz ganz erheblich. Ob eine angekündigte oder im politischen Prozess diskutierte Änderung tatsächlich eintritt, ist kaum vorhersehbar. Da insbesondere Banken Risiken, die nur schwer kalkulierbar sind, nicht ohne weiteres hinnehmen können, kommt es im Vorfeld von Änderungen des EEG vielfach zum gänzlichen Stopp von Projekten, da die Finanzierbarkeit nicht gesichert werden kann. Zeichnet sich dann ab - z.B. aufgrund von Übergangsbestimmungen -, dass ein Projekt doch noch erfolgreich umsetzbar ist, wird die Zeit oft knapp. In diesem Kapitel sollen die politisch-rechtlichen Risiken, die im Rahmen der Finanzierung von EE-Projekten zu berücksichtigen sind, näher beleuchtet werden. Ferner soll dargestellt werden, wie durch eine rechtliche Due Diligence sichergestellt wird, dass keine Risiken übersehen und die Risiken richtig bewertet werden. Neben dem erwähnten Rechtsänderungsrisiko sind insbesondere Risiken in den Verträgen der Betreibergesellschaft, in der Wahl der Rechtsform, in den erforderlichen Genehmigungen und beim Netzanschluss zu berücksichtigen. 5.2 Die rechtliche Due Diligence bei der Finanzierung von EE- Projekten Unter dem Begriff der Due Diligence ist „die Durchführung von Analysen und Prüfungen zum Ziel der Informationserlangung und -versorgung des Entscheidungsträgers“ 46 zu verstehen. Mittels dieser Informationen soll die Qualität einer wirtschaftlichen Entscheidung gesteigert werden. Üblicherweise wird im Vorfeld einer Unternehmensakquisition eine Due Diligence durchgeführt, um die rechtliche, technische und wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu überprüfen. Zunehmend wird aber auch für die rechtliche Vorprüfung anderer Projekte eine je nach Art und Umfang der geplanten Transaktion unterschiedlich aufwändige Due Diligence vorgenommen. Geht es um die Finanzierung eines EE-Projektes, müssen die im Zusammenhang mit dem Vorhaben bestehenden Risiken für die finanzierende Bank aufgedeckt und bewertet werden. Die rechtliche Due Diligence beinhaltet die Prüfung aller vertraglichen Beziehungen der Anlagenbetreibergesellschaft, der erforderlichen Genehmigungen und der rechtlichen Risiken, die sich aus den gesetzlichen Rahmenbedingungen ergeben. Inwieweit neben der rechtlichen Due Diligence auch technische, steuerliche oder wirtschaftliche Prüfungen erfolgen, hängt von der Größe des Projektes ab. Diese Prüfungen spielen im Rahmen von EE-Projektfinanzierungen aber in der Regel eine untergeordnete Rolle. Denn im Unterschied zur klassischen Due Diligence beim Unternehmenskauf geht es bei der Finanzierung um die Bewertung neu zu errichtender Anlagen durch eine eigens für die Errichtung und den Betrieb einer EE-Anlage gegründeten Gesellschaft, die auch erst ab Inbetriebnahme operativ tätig wird 47 . Die Historie der Betreibergesellschaft bietet daher in der Regel ebenso wenig Anlass zu vertieften Prüfungen wie die zu errichtende Anlagentechnik. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die rechtliche Due Diligence. 46 Schalast/ Raettig (2013), S. 114 47 Böttcher, Handbuch der Windenergie, 1. Auflage, (2013), S. 66 <?page no="112"?> 112 5 Politische und rechtliche Risiken von Erneuerbare-Energien-Projekten 5.2.1 Ziele und Ablauf der rechtlichen Due Diligence Im Rahmen der Finanzierung von EE-Projekten wird die Durchführung der rechtlichen Due Diligence regelmäßig in einem sogenannten Term Sheet zwischen der finanzierenden Bank und der Betreibergesellschaft vereinbart 48 . Dabei handelt es sich um eine Absichtserklärung, welche eine in der Regel rechtlich unverbindliche erste Gliederung des Projektes darstellt. Sodann erteilen entweder die finanzierende Bank oder die Projektgesellschaft oder beide einen Beratungsauftrag zur Projektprüfung an einen oder mehrere interne und externe Berater. Soweit nur die Projektgesellschaft des zu finanzierenden Vorhabens eine Due Diligence durch externe Berater durchführen lässt, können deren Ergebnisse der finanzierenden Bank zur Verfügung gestellt werden. Der Berater erhält sodann Zutritt zum realen oder - in jüngster Zeit vermehrt genutzten − virtuellen Datenraum, in welchem sämtliche zu prüfende Unterlagen des Projekts in Papierform oder digital zur Verfügung gestellt werden. Nur im Idealfall liegen die Unterlagen dabei bereits zum Zeitpunkt des ersten Zutritts vollständig vor. In vielen Projekten soll die Prüfung für die Finanzierung jedoch möglichst frühzeitig erfolgen. In diesem Fall wird der Datenraum fortlaufend mit weiteren Dokumenten ergänzt werden, die nach und nach eintreffen. Das kann insbesondere für Genehmigungen gelten, die oft erst zu einem Zeitpunkt vorliegen werden, in denen die Finanzierung bereits stehen sollte. Während einer Due Diligence-Prüfung sollten die von den Beratern ermittelten Risiken - soweit möglich - mit konkreten Vorschlägen zur Minimierung oder Beseitigung begleitet sein. Am Ende eines Due Diligence Prozesses steht in der Regel ein Bericht, welcher die rechtlichen Risiken des Vorhabens vollständig aufzeigt. Der Bericht sollte zudem eine Einschätzung im Hinblick auf die rechtliche Tragfähigkeit enthalten und die finanzierende Bank darüber aufklären, ob es „dealbreaker“, also nicht hinnehmbare und unabwendbare Risiken gibt. Ein zufriedenstellender Due Diligence-Bericht wird in der Regel zur Voraussetzung für den Abschluss der Kreditverträge gemacht oder zumindest Auszahlungsvoraussetzung für das Projektdarlehen sein. Werden in dem Bericht erhebliche Risiken dargelegt, so wird sich dies in den Darlehensbedingungen (Höhe der Zinsen sowie Aufnahme von Zusicherungen und Garantien durch den Darlehensnehmer) niederschlagen. Häufig macht die finanzierende Bank die Beseitigung aufgezeigter Mängel zu einer weiteren Auszahlungsbedingung. Der Anlagenbetreiber oder Projektentwickler hat daher auch im Hinblick auf die Finanzierung vom ersten Tag jedes Projektes an ein handfestes wirtschaftliches Interesse daran, die rechtlichen Risiken in seinem Projekt so gering wie möglich zu halten. 48 Böttcher (2013), S. 47 <?page no="113"?> Florian Valentin, Katrin Antonow 113 5.2.2 Inhalte der rechtlichen Due Diligence 5.2.2.1 Besonderheiten bei der Finanzierung von EE-Projekten Der Inhalt der rechtlichen Due Diligence bestimmt sich aus den Sicherungsinteressen der finanzierenden Bank, welche sich Klarheit über die Risiken, die sich für die Rückzahlung des zu gewährenden Darlehens ergeben, verschaffen muss. Daraus folgt auch, dass sich der Umfang einer rechtlichen Prüfung sowie der zugrunde zu legende Prüfungsmaßstab von Projekt zu Projekt deutlich unterscheiden. Dennoch gibt es bei EE- Projektfinanzierungen in aller Regel Gemeinsamkeiten, die auch bei der Due Diligence zu einigen Standardisierungen führen: Die Projektfinanzierung von EE-Projekten zielt primär auf den künftigen finanziellen Einnahmenüberschuss ( Cashflow) der Investitionsanlage ab. Der Cashflow, aus dem das zu gewährende Darlehen getilgt werden soll, wird daher bei der Prüfung der Finanzierbarkeit und der Festlegung der Auszahlungsbedingungen zugrunde gelegt. Im Fall von EE-Projekten sind dies ganz im Wesentlichen die aus der Einspeisevergütung oder der Direktvermarktung des produzierten Stroms erzielten Gewinne. Den Einnahmen aus der Vermarktung von Regelenergie sowie den Einsparungen aus eigenverbrauchtem Strom wird hier jedoch mit den sich verändernden Rahmenbedingungen (EEG-Novelle) zukünftig eine steigende Bedeutung zukommen. In der Regel wird es sich um eine Non-Recourse-Finanzierung handeln, in welcher sich der Rückgriff neben dem Zugriff auf den Cashflow lediglich auf die Kapital- und Sacheinlagen der Projektgesellschaft bezieht. Eine Haftung des Sponsors/ der Betreibergesellschaft ist auf die Höhe der Einlagen begrenzt. Ein Teil des unternehmerischen Risikos liegt daher bei der Bank, welche umgekehrt aber nicht an einem Gewinn der Gesellschaft beteiligt ist 49 . Für die finanzierende Bank ist daher zum einen bei der Risikobewertung entscheidend, dass die Anlage fertiggestellt und in Betrieb genommen werden kann, zum anderen, dass der Cashflow aufgrund der Rahmenbedingungen ausfallsicher ist. Dies bedeutet insbesondere, dass das Vorhaben im Krisenfall fortgeführt werden kann. Denn die Verwertung der Haftungsmasse wird regelmäßig nicht ausreichen, um die Darlehenssumme zu decken. Daher müssen die der Bank zur Verfügung gestellten Sicherheiten eine Übernahme des Projekts durch die Bank selbst oder einen von ihr benannten Dritten ohne weitere Mitwirkungshandlungen durch die Betreibergesellschaft ermöglichen. Die Sicherstellung der Übernahme stellt den Schwerpunkt der rechtlichen Due Diligence dar, da sie für die Finanzierbarkeit unabdinglich ist. Während andere rechtliche Risiken bis zu einem gewissen Grad hinnehmbar und durch Anpassung der Auszahlungsbedingungen kompensierbar sein können, trifft dies für die Eintrittsmöglichkeit der Bank nur bei Verträgen von untergeordneter Bedeutung zu. 49 Burdack-Debes, in Boewe/ Meckert (Hg.), Leitfaden Windenergie, 1. Auflage, (2012), S. 146 <?page no="114"?> 114 5 Politische und rechtliche Risiken von Erneuerbare-Energien-Projekten 5.2.2.2 Zu prüfende rechtliche Risiken Insbesondere bei der Finanzierung von Windenergieanlagen ist die Prüfung der Flächensicherung ein zentrales Element der rechtlichen Due Diligence. Zu unterscheiden sind dabei die schuldrechtliche und die dingliche Flächensicherung im Grundbuch 50 . Soweit Flächen nicht im Eigentum der Projektgesellschaft stehen, sind die folgenden Unterlagen zu prüfen: Gestattungsverträge Grundbuchauszüge Bewilligungsurkunden für beschränkte persönliche Dienstbarkeiten Städtebauliche und andere öffentlich-rechtliche Verträge Anhand von Baulast- und Lageplänen sowie Eigentümerlisten vergewissert sich der Berater, ob die Flächensicherung vollständig ist und die jeweilige geplante Nutzung (z.B. Standort, Zuwegung, Kabel, Abstandsfläche) entsprechend gesichert wurde. Zum Prüfungsinhalt der Dokumente verweisen wir auf die Ausführungen in Kapitel 6. Weitere rechtliche Risiken ergeben sich aus den übrigen Projektverträgen. Dies sind insbesondere die Kaufbzw. Werk- und Lieferverträge mit den Anlagenherstellern sowie die Wartungsverträge zur Instandhaltung der errichteten Anlagen. Auch hier verweisen wir umfassend auf die Ausführungen in Kapitel 6. Weiterhin hat sich der Berater mit den gesellschaftsrechtlichen Risiken zu befassen. Regelmäßig wird es sich jedoch um eine für die Errichtung und den Betrieb gegründete Gesellschaft oder eine eingetragene Genossenschaft handeln, so dass zum Prüfungszeitpunkt noch keine besondere Historie vorliegt 51 . Die Prüfung kann sich daher in der Regel auf die wirksame Gründung, die Eintragung in das Handelsregister und das Nichtvorliegen von Insolvenzanträgen beschränken. Die Gesellschaftsverträge sind daraufhin zu prüfen, ob sie Regelungen enthalten, die der Bestellung bestimmter Sicherheiten für die finanzierende Bank entgegenstehen. Im Rahmen der Untersuchung der gesellschaftsrechtlichen Risiken werden die folgenden Dokumente geprüft: Gesellschaftsverträge Handelsregisterauszüge Jahresabschlüsse Protokolle von Gesellschafterversammlungen Hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Genehmigungen ist im Rahmen einer rechtlichen Due Diligence zu prüfen, ob die erforderlichen Genehmigungen vorliegen und bestandskräftig sind. In vorliegenden Genehmigungen enthaltene Bedingungen und Auflagen sind dahingehend zu prüfen, ob sie einem wirtschaftlichen Anlagenbetrieb entgegenstehen. Weiterhin ist zu prüfen, ob nach der Errichtung die Voraussetzungen des EEG für die Inanspruchnahme der EEG-Vergütung oder der Marktprämie eingehalten werden können und ob der Netzanschluss der Anlage(n) mit der erforderlichen Kapazität gesichert ist. Ausführliche Ausführungen zu den einzelnen Punkten finden sich in diesem Kapitel. 50 Siehe dazu auch: Valentin/ Antonow, Tipps zur Pacht, in: Erneuerbare Energien (2014), S. 49 51 Böttcher (2013), S. 66 <?page no="115"?> Florian Valentin, Katrin Antonow 115 Wir fassen zusammen: Die Durchführung einer rechtlichen Due Diligence stellt bei EE-Projekten einen wichtigen Schritt zur Finanzierung des Vorhabens dar. Der Due Diligence Bericht, welcher die rechtlichen Risiken des Vorhabens aufzeigt und bewertet, dient der finanzierenden Bank als Grundlage für ihre Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Kreditvergabe. Da sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für jedes Projekt unterscheiden und auch die Anforderungen der Kreditinstitute zum Teil erheblich differieren, gibt es für die Due Diligence und den am Ende des Prozesses stehenden Bericht kein einheitliches standardisiertes Schema. Die Interessen der finanzierenden Bank werden jedoch regelmäßig dahin gehen, im Krisenfall die Fortführung des Anlagenbetriebes sicherzustellen, um die Rückführung der Kredite nicht durch einen Ausfall des Cashflows zu riskieren. 5.3 Rechtsänderungsrisiko − das EEG im Wandel Bei der Finanzierung von EE-Projekten sind bevorstehende Gesetzesänderungen, die dem Vorhaben einen völlig neuen Rechtsrahmen geben, immer im Auge zu behalten. Auch wenn Reformen häufig einige Zeit vorher angekündigt werden, sind diese Zeiten oft deutlich kürzer als die Planungs- und Finanzierungsphase eines EE-Projekts. Nicht seltene gesetzgeberische Nachbesserungen an gerade neu in Kraft getretenen Gesetzen erschweren die Planung zusätzlich. Insbesondere die Reform von Fördergesetzen hat auf die Bewertung der rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken eines Vorhabens entscheidende Auswirkungen. Eine Änderung des EEG, noch dazu eine so weitreichende wie die Reform des EEG im Jahr 2014, stellt daher ein entscheidendes Kriterium im Rahmen der Vorbereitung eines Projektes dar. Selbstverständlich müssen auch vor oder während eines Vorhabens in Kraft tretende Gesetze oder Änderungen anderer relevanter Gesetze (wie z.B. das Kapitalanlagengesetzbuch, das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz oder das Energiewirtschaftsgesetz, um nur einige zu nennen) in die Risikobewertung einfließen. Die nachfolgende Darstellung der Auswirkungen der aktuellen Reform des EEG stellt daher nur eines von vielen Rechtsänderungsrisiken dar. 5.3.1 Die Entwicklung des EEG und seiner Ziele Die erste Fassung des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare- Energien-Gesetz, EEG) trat am 1. April 2000 in Kraft 52 . Seitdem wurde das Gesetz insgesamt vier Mal novelliert oder umfassend geändert (in den Jahren 2004, 2009, 2012 und zuletzt im Jahr 2014). Dabei wurden jeweils zahlreiche Neuregelungen ergänzt. Hatte die Ursprungsfassung lediglich dreizehn Paragraphen finden sich im EEG 2014 53 neben einer Vielzahl von Verordnungsermächtigungen nun über einhundert Vorschriften. 52 Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien vom 29. März 2000, BGBl. I, 305 53 Das Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG 2014) ist zum 1. August 2014 in Kraft getreten, BGBl. I, 1066 <?page no="116"?> 116 5 Politische und rechtliche Risiken von Erneuerbare-Energien-Projekten Mit jeder Neufassung änderten sich auch die Ziele des Gesetzes. Ab 2004 wurden im EEG konkrete Ausbauziele definiert. Sollte der Anteil erneuerbarer Energien an der deutschen Stromversorgung nach dem EEG 2004 54 bis 2020 noch auf 20 Prozent steigen, waren es im EEG 2009 55 bereits 30 Prozent. Noch weiter ging das EEG 2012 56 mit der Vorgabe von 35 Prozent bis 2020 und 80 Prozent bis 2050. Schließlich schreibt das EEG 2014 erstmalig zur Erreichung dieses Ziels konkrete Ausbaupfade für jede erneuerbare Energiequelle vor. Der höchste Zuwachs ist bei Windenergie- und PV-Anlagen vorgesehen, während die Neuerrichtung von Biogasanlagen durch das Gesetz fast vollständig ausgebremst wird. Bei PV-Anlagen ist indessen zu befürchten, dass die vorgegebenen Ziele mit den deutlich abgesenkten Fördersätzen nicht erreichbar sein werden. Für das Jahr 2017 ist bereits die nächste umfassende Reform des EEG angekündigt: Ab diesem Zeitpunkt soll die Höhe der Fördersätze in Ausschreibungsverfahren ermittelt werden. Projektentwickler, Anlagenbetreiber und nicht zuletzt die finanzierenden Banken haben sich daher auf sich immer schneller ändernde Rahmenbedingungen einzustellen. Wesentliche Bedeutung kommt im Hinblick auf die Finanzierung von Projekten dem gesetzlichen Bestandsschutz zu. Dessen ist sich der Gesetzgeber bewusst. Zahlreiche Übergangsbestimmungen sollen gewährleisten, dass bestehende Anlagen keine Einbußen hinnehmen müssen. In einigen Fällen wurde dieses Ziel jedoch verfehlt. 5.3.2 Die Grundprinzipien des EEG Trotz des sich ständig ausweitenden Gesetzestextes sind die nachfolgend erläuterten Grundprinzipien des Anschluss- und Abnahmevorrangs im Wesentlichen gleich geblieben: Netzbetreiber sind verpflichtet, Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien und aus Grubengas vorrangig vor konventionellen Anlagen an ihr Netz anzuschließen. Gemäß § 8 Abs. 1 EEG 2014 hat der Anschluss an der Stelle des Netzes zu erfolgen, der die kürzeste Entfernung zum Anlagenstandort aufweist; es sei denn, es gibt einen technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt. Ein weiterer, entscheidender Vorteil gegenüber konventionellen Stromerzeugungsanlagen resultiert aus dem Abnahmevorrang von Strom aus erneuerbaren Energien. Der jeweilige Netzbetreiber hat Strom aus Erneuerbaren Energien gemäß § 11 Abs. 1 EEG 2014 unverzüglich vorrangig abzunehmen, zu übertragen und zu verteilen. Seit dem EEG 2012 gilt der Vorrang allerdings nicht mehr gegenüber Anlagen im Sinne des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes ( KWK-Anlagen), auch wenn diese fossil betrieben werden. Bei Netzengpässen werden daher beide Stromarten gleichgestellt. Aus dem Abnahmevorrang resultiert die für die Investitionssicherheit und die Finanzierung wichtige Einspeisesicherheit des Anlagenbetreibers, die nur in Zeiten eingeschränkt ist, in denen die Einspeisung zur Stabilisierung des Netzes gedrosselt werden 54 Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien vom 21. Juli 2004, BGBl. I, 1918 55 Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien vom 25. Oktober 2008, BGBl. I, 2074 56 Gesetz zur Neuregelung des Rechtsrahmens für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien vom 28. Juli 2011, BGBl. I, 1634 <?page no="117"?> Florian Valentin, Katrin Antonow 117 muss, wobei auch hier fossile Anlagen vorrangig vom Netz genommen werden müssen, sog. Einspeisemanagement, § 14 EEG 2014. 5.3.3 Das Fördermodell 5.3.3.1 Von der Einspeisevergütung zur verpflichtenden Direktvermarktung Bis zur Reform im Jahr 2014 beruhte das Fördermodell für erneuerbare Energien auf dem Grundsatz der garantierten gesetzlichen Einspeisevergütung. Danach hat der Anlagenbetreiber grundsätzlich einen Anspruch auf eine gesetzlich festgelegte Vergütung je eingespeiste Kilowattstunde Strom. Der Anlagenbetreiber hat in diesem Modell einen „Vergütungsanspruch“ gegen den Netzbetreiber, wenn bestimmte gesetzliche Voraussetzungen eingehalten werden. Diese sind dabei von dem jeweiligen Energieträger abhängig. Alternativ zur Einspeisevergütung hatte der Anlagenbetreiber seit jeher die Möglichkeit, den Strom vollständig an einen Dritten oder an der Strombörse direkt zu vermarkten. Seit 2009 wird die Direktvermarktung durch das EEG gezielt gefördert. Bis zum EEG 2014 hatten Energieversorgungsunternehmen insoweit die Möglichkeit, im Fall der Belieferung von Letztverbrauchern mit Strom, der zu einem Anteil von mindestens 50 Prozent aus EE- Anlagen stammt, eine prozentuale Befreiung des gesamten gelieferten Stroms von der EEG-Umlage in Anspruch zu nehmen, sog. Grünstromprivileg. Nach dem EEG 2012 musste der Strom dabei anteilig aus fluktuierenden Energien stammen. Mit dem EEG 2012 wurde Anlagenbetreibern flankierend zur Einspeisevergütung auch bei der Direktvermarktung die Möglichkeit eröffnet, eine vom Verkaufserlös unabhängige, zusätzliche Vergütung zu beziehen, die sog. Marktprämie. Auch Betreiber von Anlagen, die vor dem Inkrafttreten des EEG 2012 in Betrieb genommen wurden und auf die grundsätzlich das bis zum 1. Januar 2012 geltende Recht weiterhin Anwendung fand (§ 66, Abs. l EEG 2012), konnten ihren Strom ab 2012 im Marktprämienmodell direkt vermarkten (§ 66 Abs. 1, Nr. 10 EEG 2012). Durch das EEG 2014 wurde der Anspruch auf eine feste Einspeisevergütung nun zur Ausnahme und die Direktvermarktung im Marktprämienmodell zum Regelfall. Das gesamte Fördermodell wurde dadurch grundlegend geändert. So besteht künftig gemäß § 19 EEG 2014 statt der bisherigen Einspeisevergütung ein „Förderanspruch für Strom“. Die Regelung in § 37 Abs. 2 EEG 2014 sieht eine schrittweise Einführung einer Pflicht von Anlagenbetreibern vor, ihren Strom direkt zu vermarkten. Diese Pflicht gilt zunächst für ab dem 1. August 2014 in Betrieb genommene Neuanlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 500 kW. Liegt die installierte Leistung unter diesem Schwellenwert, kann der Anlagenbetreiber weiterhin die Einspeisevergütung wählen. Am 1. Januar 2016 sinkt die Schwelle für die verpflichtende Direktvermarktung auf 100 kW. Langfristig bleibt der Anspruch auf eine Einspeisevergütung damit nur kleinen Neuanlagen vorbehalten. Alle anderen Betreiber sind verpflichtet, ihren produzierten Strom selbst bzw. mit Hilfe eines Direktvermarktungsunternehmens zu verkaufen. <?page no="118"?> 118 5 Politische und rechtliche Risiken von Erneuerbare-Energien-Projekten Im Hinblick auf die verpflichtende Direktvermarktung ist bemerkenswert, dass das EEG 2014 über die Vorgaben der Europäischen Kommission deutlich hinausgeht. Danach wäre die Einführung der Pflicht zur Direktvermarktung erst ab 2016 und erst ab einer installierten Leistung der Anlage von mehr als 500 kW bzw. 3 MW bei Windenergieanlagen erforderlich gewesen 57 . Die Pflicht zur Direktvermarktung wird unmittelbaren Einfluss auf die Risikostruktur für die Bewertung der Finanzierbarkeit von Projekten haben. Wenngleich inzwischen bereits die meisten Windenergieanlagenbetreiber und viele Biogasanlagenbetreiber ihren Strom im Marktprämienmodell vermarkteten, konnte bei der Finanzierung bislang stets mit den Einnahmen aus der Einspeisevergütung kalkuliert werden. Schließlich ist nach dem EEG 2012 der Schritt zurück in das Einspeisevergütungsmodell während des 20-jährigen Vergütungszeitraums jederzeit zum übernächsten Monat möglich. Nach dem EEG 2014 besteht diese Möglichkeit nur noch für Anlagen, für die die Direktvermarktung nicht verpflichtend vorgeschrieben ist. Bei der Finanzierung neuer Anlagen, die dieser Pflicht unterfallen, sind nunmehr sämtliche Risiken, die sich aus dem Marktprämienmodell ergeben, zu berücksichtigen. Diese liegen nach wie vor nicht in der Erzielbarkeit der Erlöse, da durch die Marktprämie stets die Differenz des Marktpreises zum Förderanspruch ausgeglichen wird. Den Direktvermarktungsunternehmen und -verträgen und den mit diesen verbundenen Risiken kommt jedoch in der verpflichtenden Direktvermarktung eine erhöhte Bedeutung zu. Die teilweise durch das EEG 2014 erheblich reduzierte Vergütungshöhe wird zudem zu einer Verlängerung der Laufzeiten der Finanzierung führen. Auch weitere Fördermechanismen, wie die bislang durch teilweisen Wegfall der EEG-Umlage begünstigte Direktlieferung von Strom aus PV-Anlagen vor Ort (das sogenannte „solare Grünstromprivileg“), entfallen im EEG 2014. Bestandsschutz für bereits realisierte Direktliefermodelle unter Nutzung des solaren Grünstromprivilegs wird nicht gewährt. Seit dem 1. August 2014 ist die EEG-Umlage auch für Direktlieferung in voller Höhe zu entrichten. Weitere Einschnitte gibt es bei der Eigenversorgung, die unten unter 4.3.4. genauer beleuchtet wird. 5.3.3.2 Das Marktprämienmodell Die Voraussetzungen der geförderten Direktvermarktung Das Marktprämienmodell ist nach dem EEG 2014 der gesetzliche Regelfall der geförderten Direktvermarktung. Daneben gibt es noch die „sonstige“ bzw. „ungeförderte“ Direktvermarktung. Die §§ 34 und 35 EEG 2014 formulieren verschiedene, mit den Vorgaben des EEG 2012 im Wesentlichen vergleichbare Voraussetzungen im Hinblick auf Meldefristen, Messung und Bilanzierung des Stroms für eine geförderte Direktvermarktung bzw. die Inanspruchnahme der Marktprämie. Insbesondere muss − wie auch schon nach dem 57 Europäische Kommission, Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014− 2020, 2014/ C 200/ 01 <?page no="119"?> Florian Valentin, Katrin Antonow 119 EEG 2012 − der Strom an einen Dritten veräußert und durch das Netz der allgemeinen Versorgung durchgeleitet werden. Gleich bleibt zudem, dass keine vermiedenen Netzentgelte in Anspruch genommen werden dürfen. Der Strom muss zudem in einem Bilanz- oder Unterbilanzkreis bilanziert werden, in dem ausschließlich Strom bilanziert wird, der im Marktprämienmodell vermarktet wird, § 35 Nr. 3a EEG 2014. Neu ist allerdings, dass für einen Anspruch auf die Marktprämie alle EE-Anlagen grundsätzlich fernsteuerbar im Sinne des § 36 EEG 2014 sein müssen. Für Bestandsanlagen gibt es zwar eine Frist zur Nachrüstung bis zum 31. März 2015, jedoch keine dauerhafte Ausnahme. Kann eine Bestandsanlage nicht mit einer Anlage zur Fernsteuerbarkeit ausgestattet werden, muss der Anlagentreiber noch vor dem Stichtag wieder in die Einspeisevergütung wechseln. Andernfalls entfällt der Anspruch auf die Marktprämie. Neuanlagen müssen erst ab dem Beginn des zweiten auf die Inbetriebnahme der Anlage folgenden Kalendermonats fernsteuerbar sein. Die Fernsteuerbarkeit setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Zum einen muss die Anlage über die technischen Einrichtungen verfügen, die jederzeit ein Abrufen der jeweiligen Ist-Einspeisung und eine ferngesteuerte Reduzierung der Einspeiseleistung ermöglichen. Zum anderen ist dem Direktvermarktungsunternehmer oder einer anderen Person, an die der Strom veräußert wird, rechtlich die Befugnis einzuräumen, jederzeit die tatsächliche Ist-Einspeisung auch abzurufen und insbesondere die Einspeiseleistung zu reduzieren, sofern dies für eine bedarfsgerechte Einspeisung des Stroms erforderlich ist. Eine Ausnahme von der Gewährung dieser uneingeschränkten Befugnis ist nur für den Fall vorgesehen, dass die jederzeitige Einspeisereduzierung nicht mit den genehmigungsrechtlichen Vorgaben der betreffenden Anlage vereinbar ist. Die Höhe der Marktprämie Die Systematik der Berechnung der Marktprämie hat der Gesetzgeber im EEG 2014 vereinfacht. Im EEG 2012 errechnete sich die Marktprämie aus der Differenz zwischen dem Marktwert des Stroms und der Höhe der festen Einspeisevergütung zuzüglich der sogenannten Managementprämie, welche die zusätzlichen Direktvermarktungskosten abdecken und einen Anreiz zum Wechsel in die Direktvermarktung geben sollte 58 . Grundlage der Berechnung der gleitenden Marktprämie nach dem EEG 2014 bildet nun der für die einzelnen Energieträger in §§ 40 ff. EEG 2014 festgesetzte „anzulegende Wert“. Die Managementprämie ist in die anzulegenden Werte „eingepreist“ und wird nicht mehr gesondert ausgewiesen. Bei Inanspruchnahme der Einspeisevergütung reduziert sich der anzulegende Wert um 0,2 ct/ kWh bei steuerbaren und um 0,4 ct/ kWh bei nicht steuerbaren Anlagen. In der Anlage 1 zum EEG 2014 findet sich die konkrete Berechnungsmethode für die Höhe der im Einzelfall auszuzahlenden Marktprämie. Danach errechnet sich die Marktprämie aus der Subtraktion des Monatsmittelwertes der Preise am Spotmarkt der Strombörse vom anzulegenden Wert der betreffenden Anlage. 58 Siehe dazu ausführlich Wustlich in: Altrock/ Oschmann/ Theobald, EEG, 4. Auflage, 2013, Anlage 4, Rn. 8 ff. <?page no="120"?> 120 5 Politische und rechtliche Risiken von Erneuerbare-Energien-Projekten Geringe Einschnitte finden sich zu den Regeln für Bestandsanlagen. Für diese erfolgt die Berechnung der Höhe der Marktprämie auf Grundlage der gleichen Systematik. Auch hier ist der anzulegende Wert der zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme geltende Vergütungssatz. Da in diesen Vergütungssätzen die Managementprämie noch nicht „eingepreist“ ist, erhöht sich dieser anzulegende Wert im Falle einer Direktvermarktung gemäß § 100 I Nr. 8 EEG 2014 bei PV- und Windenergieanlagen bis zum 31. Dezember 2014 um 0,6 ct/ kWh bei fernsteuerbaren Anlagen und um 0,45 ct/ kWh bei nicht fernsteuerbaren Anlagen. Ab dem 1. Januar 2015 reduziert sich die Erhöhung auf 0,4 ct/ kWh bzw. 0,3 ct/ kWh. Im Ergebnis hat dies zum 1. Januar 2015 für fernsteuerbare Windenergie- und PV-Anlagen eine Reduzierung der Marktprämie um 0,1 ct/ kWh zur Folge. Auch für Wasserkraft, Deponiegas, Klärgas, Grubengas, Biomasse und Geothermie beinhaltet die Neufassung des EEG eine Reduzierung der Managementprämie. Die Bundesregierung kann die Höhe der „Managementprämie“ für Bestandsanlagen zudem gemäß § 95 Nr. 3 EEG 2014 durch eine Verordnung jederzeit neu festsetzen. 5.3.3.3 Ausfallvergütung Von Bedeutung für die Finanzierung neuer Anlagen ist das neu in § 38 EEG 2014 eingeführte Instrument der Ausfallvergütung. Anlagenbetreiber können danach, auch wenn sie der Direktvermarktungspflicht unterliegen, vom Netzbetreiber eine gegenüber dem anzulegenden Wert um 20 Prozent verringerte Ausfallvergütung in Anspruch nehmen. Die Ausfallvergütung dient nach der Gesetzesbegründung der Überbrückung einer „Notfallsituation, wie zum Beispiel der Insolvenz eines Direktvermarktungsunternehmens“ 59 . Auch wenn sich eine solche Begrenzung aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht ergibt und diese Wahlmöglichkeit dem Anlagenbetreiber grundsätzlich offensteht, wird sie allein aufgrund der damit verbundenen finanziellen Einbußen ohnehin nur für kurze Zeiträume in Frage kommen und keine echte Alternative zur Direktvermarktung darstellen 60 . Im Fall der Insolvenz des Direktvermarktungsunternehmens kann bei der Kalkulation von Risiken im Hinblick auf die Finanzierung somit stets die Möglichkeit berücksichtigt werden, kurzfristig die gesicherte Ausfallvergütung in Höhe von 80 Prozent des Förderanspruchs in Anspruch zu nehmen. An die Bonität des Direktvermarktungsunternehmens müssen zukünftig auch aufgrund dieses Instrumentes keine deutlich höheren Anforderungen gestellt werden als bisher. Dies kann mittelbar dazu führen, dass die Akteursvielfalt auf dem Markt der Direktvermarktungsunternehmen und damit ein funktionierender Wettbewerb zwischen einer Vielzahl von Direktvermarktungsunternehmen auch im System der verpflichtenden Direktvermarktung erhalten bleiben. 59 BT-Drs. 18/ 1304 (Vorabfassung), 211 60 Herz/ Valentin, Direktvermarktung, Direktlieferung und Eigenversorgung nach dem EEG 2014, EnWZ 2014, 358 ff. <?page no="121"?> Florian Valentin, Katrin Antonow 121 5.3.3.4 Begrenzung der Förderung Das neue Fördersystem wird durch zahlreiche Regelungen ergänzt, die dazu dienen sollen, die Kosten für den Ausbau Erneuerbarer Energien zu begrenzen. Eine wesentliche Neuerung stellt die Deckelung der Förderung dar. Aus den bislang vorgesehenen Mindestzielen werden Korridore für den Ausbau der einzelnen Erneuerbaren Energien. Der weitere Ausbau der für den Erfolg der Energiewende nach Auffassung des Gesetzgebers allein entscheidenden Energieträger - Wind und PV - wird nach dem EEG 2014 mittels einer an der Erreichung von Ausbauzielen orientierten Anpassung der Degressionssätze stärker kontrolliert (sog. atmender Deckel, der bislang nur für die PV galt). Bei Überschreitung des Zielkorridors erhöhen sich die Degressionsätze, während sie bei einer Unterschreitung sinken. Die Anpassungen finden bei Wind quartalsweise und bei PV monatlich statt. Hieraus folgt, dass im Zeitpunkt der Investitionsentscheidung und der Finanzierung einer Wind- oder PV-Anlage die Höhe des anzulegenden Wertes im Moment der Inbetriebnahme noch nicht feststeht und sich noch deutlich ändern kann. Im Bereich der Biomasse ist nur eine Erhöhung der Degressionssätze bei einer Überschreitung des Deckels vorgesehen. Ein Mindestzubau ist insoweit vom Gesetzgeber nicht mehr angedacht. Eine weitere Ausnahme betrifft Windenergieanlagen auf See, für welche lediglich ein Ausbaukorridor vorgesehen ist, ohne dass eine an der Erreichung dieses Ziels orientierte Anpassung der Degressionssätze erfolgt. Eine zusätzliche Beschränkung der Förderung wurde auf Druck der EU-Kommission in das EEG 2014 aufgenommen. Nach § 24 EEG 2014 entfällt ab dem 1. Januar 2016 für Neuanlagen ab einer installierten Leistung von 500 kW (bzw. 3 MW bei Windenergieanlagen) die Einspeisevergütung und damit auch die Marktprämie, wenn der Strompreis am Spotmarkt der Börse EPEX in sechs aufeinanderfolgenden Stunden negativ ist. Auch wenn diese Situation in der Vergangenheit nur selten eingetreten ist, wird das mit der Regelung verbundene Risiko bei der Finanzierung von Anlagen berücksichtigt werden müssen. 5.3.4 Eigenversorgung Bedeutende Veränderungen enthält das EEG 2014 auch für die Eigenversorgung. 5.3.4.1 Die Voraussetzungen der Eigenversorgung Erstmalig enthält das EEG detaillierte Vorschriften zur Eigenversorgung. Die Eigenversorgung wird in § 5 Nr. 12 EEG 2014 definiert als der „Verbrauch von Strom, den eine natürliche oder juristische Person im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit der Stromerzeugungsanlage selbst verbraucht, wenn der Strom nicht durch ein Netz durchgeleitet wird und diese Person die Stromerzeugungsanlage selbst betreibt“. Aus rechtlicher Sicht problematisch ist hier der neue unbestimmte Rechtsbegriff des „unmittelbaren räumlichen Zusammenhangs“. Ein direkter Rückgriff auf die Rechtsprechung und Kommentierung zu § 37 Abs. 3 EEG 2012 oder 9 Abs. 1 Nr. 3 <?page no="122"?> 122 5 Politische und rechtliche Risiken von Erneuerbare-Energien-Projekten Stromsteuergesetz ist insoweit nicht möglich, da dort lediglich ein „räumlicher Zusammenhang“ zur Stromerzeugungsanlage verlangt wird. Es bleibt daher abzuwarten, welche räumlichen Grenzen der Eigenversorgung durch die Rechtsprechung gezogen werden. Liegt ein „unmittelbarer räumlicher Zusammenhang“ nicht mehr vor, ist die volle EEG-Umlage zu entrichten. Zum anderen gibt es weiterhin Grenzfälle im Hinblick auf die erforderliche Personenidentität. Bei dem Verbraucher muss es sich zwingend um dieselbe juristische oder natürliche Person handeln, die auch Anlagenbetreiber ist. Der Anlagenbetreiber ist derjenige, der die Anlage für die Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien oder Grubengas nutzt. Dies gilt unabhängig von den Eigentumsverhältnissen, so dass auch ein Pächter einer Anlage als deren Betreiber gelten kann. Maßgeblich ist, wer die allgemeine Verfügungsgewalt über die Anlage hat und deren Unterhaltungskosten trägt. Problematisch bleiben insoweit Konstellationen, in denen eine Anlage von mehreren Verbrauchern betrieben werden soll, z.B. im sog. Scheibenpachtmodell. 5.3.4.2 Belastung mit der EEG-Umlage Für Anlagen, die nach dem 31. Juli 2014 erstmalig eine Eigenversorgung umsetzen (zum Bestandsschutz siehe 4.3.4.3), ist grundsätzlich eine Belastung des Eigenverbrauchs mit der EEG-Umlage vorgesehen. Eine anteilige Umlagebefreiung erfolgt gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 2 EEG 2014, wenn die Eigenversorgung aus einer EEG-Anlage im Sinne des § 5 Nr. 1 EEG 2014 oder einer hocheffizienten KWK-Anlage im Sinne des § 53 a Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG erfolgt. Letztere muss zudem einen Monats- oder Jahresnutzungsgrad von mindestens 70 Prozent erreichen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sind nur 30 Prozent der EEG-Umlage in der jeweiligen Höhe zu entrichten. Ab 2016 steigt dieser Anteil dann auf 35 Prozent und ab 2017 auf 40 Prozent. Eigenversorger, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen und nicht unter eine der Ausnahmeregelungen nach § 61 Abs. 2 EEG 2014 fallen oder Bestandsschutz nach § 61 Abs. 3 oder 4 EEG 2014 genießen, zahlen die EEG-Umlage für den selbst verbrauchten Strom in voller Höhe. 5.3.4.3 Ausnahmeregelungen Die EEG-Umlage entfällt gemäß § 61 Abs. 2 Nr. 1 EEG 2014 vollständig für den Strom, der für die Erzeugung von Strom im technischen Sinne benötigt wird (sog. Kraftwerkseigenverbrauch). In der Gesetzesbegründung werden die Wasseraufbereitung, Frischluftzufuhr, Brennstoffversorgung und Abgasreinigung als Beispiele aufgeführt. Eine weitere Ausnahme betrifft die Eigenversorgung aus gänzlich autarken Anlagen - z.B. Schiffe 61 -, die weder unmittelbar noch mittelbar an ein Netz angeschlossen sind. Auch diese haben keine EEG-Umlage zu zahlen. 61 BT-Drs. 18/ 1304, 236 <?page no="123"?> Florian Valentin, Katrin Antonow 123 Weiterhin ist auch der Eigenversorger befreit, der sich vollständig selbst mit Strom aus EEG-Anlagen versorgt und für den eingespeisten Strom keine Förderung nach dem EEG in Anspruch nimmt. Diese Verbraucher haben mit dem Wortlaut der Gesetzesbegründung „die Energiewende für sich gleichsam schon vollzogen.“ 62 Ist neben der Eigenerzeugung auch der Bezug von Dritten erforderlich, greift dieser Ausnahmetatbestand nicht. Allerdings ist derzeit noch unklar, für welchen Zeitraum die volle EEG- Umlage auf den Eigenverbrauch zu zahlen ist, wenn die Voraussetzungen kurzzeitig nicht eingehalten werden. Schließlich entfällt für Eigenversorger aus Kleinanlagen mit einer installierten Leistung von höchstens 10 kW die Pflicht zur Zahlung der EEG-Umlage. Die Befreiung gilt jedoch nur bis zu einem Eigenverbrauch von 10 MWh pro Kalenderjahr. Für einen darüber hinausgehenden Verbrauch ist die EEG-Umlage zu zahlen, allerdings nur der reduzierte Satz, sofern es sich um eine Eigenversorgung aus EEG-Anlagen oder hocheffizienten KWK-Anlagen handelt. Dies wird in der Regel der Fall sein. 5.3.5 Bestandsschutz durch Übergangsbestimmungen 5.3.5.1 Grundsätzliche Geltung des EEG 2014 für Altanlagen Das EEG 2012 sieht in seinen Übergangsbestimmungen vor, dass grundsätzlich das EEG 2009 - mit Ausnahme einiger Regelungen - für alle Anlagen gilt, welche vor dem 31. Dezember 2011 in Betrieb genommen worden sind. Damit wurde dem Bestandsschutzinteresse der Anlagenbetreiber und Investoren hinreichend Genüge getan. Das EEG 2014 kehrt hingegen zu der mit dem EEG 2009 verfolgten Systematik zurück. Danach finden die Regelungen des EEG 2014 grundsätzlich auf alle EE-Anlagen Anwendung - unabhängig davon ob es sich um nach dem 31. Juli 2014 in Betrieb genommene Neuanlagen oder bereits vor diesem Datum betriebene Bestandsanlagen handelt. Um dem Bestands- und Vertrauensschutz Rechnung zu tragen, sind in den §§ 100 ff. EEG 2014 zwar zahlreiche Ausnahmen von diesem Anwendungsvorrang des EEG 2014 vorgesehen. Dennoch zeigt sich, dass insbesondere Projekte, die sich noch in der Planung befinden, einem erheblichen Rechtsänderungsrisiko unterliegen. Insbesondere für Biogas- und Biomethananlagen gelten zudem spezielle Übergangsregelungen, die die Erweiterung von bestehenden Biogasanlagen und die Umstellung von Erdgas-BHKW auf Biomethan weitestgehend verhindern sollen (siehe §§ 100 ff. EEG 2014). 5.3.5.2 Übergangsbestimmungen für die Wahl der Förderung Für Bestandsanlagen besteht auch künftig der Anspruch auf eine Einspeisevergütung gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 6 EEG 2014 unvermindert fort. Optional kann der Anlagenbetreiber den Strom direkt vermarkten. Die Vergütung richtet sich dabei gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 10 lit. d) EEG 2014 nach den Vergütungssätzen, die zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlage galten. 62 BR-Drs. 157/ 14, 230 <?page no="124"?> 124 5 Politische und rechtliche Risiken von Erneuerbare-Energien-Projekten Wählt der Anlagenbetreiber hingegen den Weg der Direktvermarktung, hat er die Voraussetzungen für den Erhalt der Marktprämie nach dem EEG 2014 zu erfüllen. Bestandsschutz kann insofern auch nicht geltend gemacht werden, da die Direktvermarktung und die damit gegebenenfalls generierbaren Zusatzerlöse stets nur als Option für die Anlagenbetreiber ausgestaltet waren. Es besteht keine - dem Vergütungsanspruch entsprechende - 20-jährige Garantie seitens des Gesetzgebers in Bezug auf die Marktprämie. Bei der Berechnung der Marktprämie für Bestandsanlagen sind allerdings die bereits oben unter Abschnitt 5.3.3.2. aufgezeigten Reduzierungen zu berücksichtigen. Projekte, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des EEG 2014 am 1. August 2014 noch nicht in Betrieb genommen worden sind, können nur noch unter bestimmten Voraussetzungen die Rechtslage nach dem EEG 2012 für sich beanspruchen. So hat der Gesetzgeber geregelt, dass Anlagen, die zwischen dem 1. August 2014 und dem 31. Dezember 2014 in Betrieb genommen werden, noch unter die Regelungen des EEG 2012 fallen, wenn sie vor dem 23. Januar 2014 auf der Grundlage einer bundesrechtlichen Regelung genehmigt worden sind. Diese Regelung sieht sich erheblicher Kritik ausgesetzt. Sie trägt den Planungs- und Realisierungszeiten von Wind- und PV-Anlagen nicht hinreichend Rechnung. Eine Vielzahl von Projekten, die sich bereits in einem fortgeschrittenen Planungsstadium befanden, musste ad acta gelegt werden. Bis zur Veröffentlichung des Eckpunktepapiers der Regierung zum EEG 2014 am 23. Januar 2014 63 waren die Branchen noch fest von einem Inkrafttreten des nächsten EEG zum 1. Januar 2015 und einer vergleichbaren Übergangsregelung - dann aber mit der Möglichkeit der Realisierung der Projekte bis Mitte oder sogar Ende 2015 - ausgegangen. 5.3.5.3 Übergangsbestimmungen für die Eigenversorgung Das EEG 2014 enthält in § 61 Abs. 3 und 4 umfassende Regelungen zum Bestandsschutz für Eigenversorger. Es unterscheidet zwischen Eigenversorgungsmodellen, die bereits vor dem 1. September 2011 und solchen, die vor dem 1. August 2014 realisiert wurden. Für vor dem 1. September 2011 realisierte Eigenversorgungskonzepte wird die Rechtslage nach dem EEG 2009 fortgeschrieben, als die umlagebefreite Eigenversorgung, anders als nach dem EEG 2012, noch nicht an die Kriterien „keine Netznutzung“ oder „Verbrauch im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang“ geknüpft war. Für die Befreiung ist eine Durchleitung des Stroms durch das Netz der allgemeinen Versorgung daher unerheblich. Auch die Entfernung zwischen Erzeugung und Verbrauch spielt keine Rolle. Erfolgte die Umstellung auf Eigenversorgung erst nach dem 1. September 2011, aber vor dem 1. August 2014, entfällt die EEG-Umlage, wenn der Eigenversorger erzeugten Strom entweder - unabhängig von der räumlichen Entfernung - ohne Nutzung des Netzes der allgemeinen Versorgung oder im räumlichen Zusammenhang - auch bei Nutzung des Netzes der allgemeinen Versorgung - selbst verbraucht hat. 63 Abrufbar auf www.clearingstelle-eeg.de <?page no="125"?> Florian Valentin, Katrin Antonow 125 Im Hinblick auf die noch laufende Finanzierung von Projekten mit einer Eigenversorgung ist die Regelung in § 98 Abs. 3 EEG 2014 zu beachten. Danach wird die Bundesregierung die Bestandsschutzregelungen zur Eigenversorgung bis zum Jahr 2017 überprüfen und „rechtzeitig einen Vorschlag für eine Neugestaltung“ vorlegen. Bereits realisierten Eigenversorgungsmodellen droht dementsprechend ab dem Jahr 2017 eine Belastung mit der EEG-Umlage - ein Rechtsänderungsrisiko, das im Rahmen der Finanzierung von Eigenversorgungsanlagen zu beachten ist. 5.3.6 Ausblick: Umstellung auf Ausschreibungsmodelle Eine für die Finanzierung von EEG-Anlagen gegenüber der Absenkung der Vergütungssätze und der Einführung der verpflichtenden Direktvermarktung noch deutlich größere Herausforderung könnte in der geplanten Umstellung des Fördersystems auf ein Ausschreibungsmodell liegen. Hintergrund sind die Vorgaben der EU-Kommission in den Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014 - 2020, wonach zukünftig die Marktintegration durch die Umstellung des Fördersystems auf ein Ausschreibungsmodell vorangetrieben werden soll. Daher sieht das EEG 2014 in § 2 Abs. 5 vor, dass die Höhe der Förderung für Strom aus Erneuerbaren Energien bis spätestens 2017 durch Ausschreibungen ermittelt wird. Bis dahin sollen über ein Pilotvorhaben im Bereich der Freiflächen-PV Erfahrungen mit Ausschreibungsmodellen gesammelt werden. Das Ausschreibungsmodell wird zunächst für 400 MW aus PV-Freiflächen-Anlagen eingeführt, die auf den Zielkorridor für PV-Strom angerechnet werden. Die genaue Ausgestaltung, z.B. in Hinblick auf die erforderliche Anlagengröße, ist derzeit in der Diskussion. Sie soll in einer künftigen Verordnung festgelegt werden. Grundsätzlich soll die Förderhöhe durch die Ausschreibung von zu installierender Anlagenleistung durch die Bundesnetzagentur, die Gebotsabgabe der Anlagenbetreiber und den Zuschlag für die preisgünstigsten Angebote ermittelt werden. Allerdings können in der künftigen Verordnung auch weitreichendere Änderungen am Fördermechanismus festgelegt werden. Weitere Fördervoraussetzungen und Einzelheiten, etwa die konkrete Bildung der Förderhöhe aus den Geboten und die Bezugnahme der Ausschreibung auf installierte Leistung oder erzeugte Strommenge, bleiben ebenfalls der Ausgestaltung in der Verordnung überlassen. Insbesondere die rechtlichen Maßgaben in Bezug auf die Anforderungen an die Teilnahme an den Ausschreibungen werden Auswirkungen auf die künftige Akteursstruktur der Investoren in Erneuerbare Energien haben. Dies wird folglich auch die Finanzierung von EE-Anlagen erheblich beeinflussen. Wir fassen zusammen: Durch das Inkrafttreten des neuen EEG 2014 sehen sich Anlagenbetreiber, Projektentwickler, Banken und andere Beteiligte neuen Herausforderungen gegenüber. So ändert sich nicht nur die Fördersystematik des EEG grundlegend: Die Einspeisevergütung wird nur noch in Ausnahmefällen <?page no="126"?> 126 5 Politische und rechtliche Risiken von Erneuerbare-Energien-Projekten gewährt, die Direktvermarktung ist nun der gesetzliche Regelfall. Es gilt auch, ein umfassendes Verständnis für die komplexen Übergangsbestimmungen zu entwickeln und die bereits im EEG 2014 angelegten Entwicklungen im Hinblick auf das künftig zu erwartende Ausschreibungsmodell im Blick zu behalten. Gleichzeitig scheint die Geschwindigkeit der Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen konstant zuzunehmen. Dies verlangt von allen Akteuren eine dauernde Flexibilität in der Adjustierung ihrer Risikobewertungen und die Fähigkeit, bisher rentable Geschäftsmodelle immer wieder an neue rechtliche Gegebenheiten anzupassen. Sollte das geplante Ausschreibungsmodell wie geplant ab 2017 in Kraft treten, wird dies derzeit noch nicht abschätzbare Auswirkungen auf die Akteure und die Finanzierung von EEG-Anlagen haben. 5.4 Gesellschaftsrechtliche Risiken Der Wahl der Rechtsbzw. Gesellschaftsform des Vorhabenträgers kommt im Rahmen von EE-Projekten eine erhebliche Bedeutung zu. Neben steuerlichen Aspekten spielen bei der Wahl der „richtigen“ Rechtsform vor allem die Art der jeweiligen Investoren sowie auch rechtliche Risiken eine Rolle. Insbesondere bei der Beteiligung von Bürgern an EE-Projekten hat sich noch kein „Königsweg“ herauskristallisiert. Aus der Vielfalt an existierenden Bürgerbeteiligungsmodellen gewinnen zwei Formen, insbesondere bei den kostenintensiveren Windparkprojekten, stetig an Bedeutung: Dies sind unternehmerische Beteiligungen von Bürgern als Anleger eines geschlossenen Investmentfonds oder als Mitglieder einer Genossenschaft 64 . Beide Beteiligungsformen unterscheiden sich stark hinsichtlich der Intensität ihrer Regulierung und den damit verbundenen Aufsichts-, Berichts- und Prospektpflichten. Deren Nichtbeachtung kann erhebliche Konsequenzen haben, die bis zum Betriebsverbot reichen. Aufgrund der Relevanz dieses Aspektes bei der rechtlichen Due Diligence soll nachstehend insbesondere auf die gesellschaftsrechtlichen Risiken bei diesen Formen der Bürgerbeteiligung eingegangen werden. Immer häufiger beteiligen sich zudem Kommunen an der Durchführung von EE- Projekten, wobei ihnen eine Vielzahl von öffentlich-rechtlichen Organisationsformen zur Verfügung stehen, die hier nicht weiter vertieft werden sollen 65 . Daneben kann die Gemeinde aber auch in der privaten Form einer Kapitalgesellschaft (Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Aktiengesellschaft) agieren. 5.4.1 Wahl der Gesellschaftsform bei Bürgerbeteiligung Je nach Strukturierung des Energievorhabens und Art des Beteiligungsmodells kommen verschiedene Gesellschaftsformen in Betracht. 64 Es bleibt allerdings abzuwarten, wie sich die zukünftige Ausschreibungspflicht auf Projekte mit Bürgerbeteiligung auswirkt. Es liegt nahe, dass die Anforderungen eines Ausschreibungsverfahrens neue Kooperationsformen erfordern werden. 65 Siehe dazu ausführlich: Herden, in: Boewe/ Meckert, (2013), S. 98 ff. <?page no="127"?> Florian Valentin, Katrin Antonow 127 5.4.1.1 Geschlossener Investmentfonds Sollen Bürger als Anleger eines Investmentfonds an einem Projekt partizipieren können, ist bei der Wahl der Gesellschaftsform insbesondere darauf zu achten, dass die Gesellschafter nicht mit ihrem weiteren Vermögen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Mit steigender Anzahl der Gesellschafter bietet sich die Wahl der Gesellschaftsform der GmbH & Co. KG an. Diese ermöglicht es den Bürgern, sich als Kommanditisten mit ihrer Einlage an der Finanzierung des Projektvorhabens zu beteiligen. Die Haftung der Kommanditisten beschränkt sich gemäß § 161 Abs. 1 HGB auf die Höhe der Einlage, zu welcher sich der Kommanditist gemäß Eintragung im Handelsregister verpflichtet hat. Hat er diese Leistung erbracht, ist eine weitergehende Haftung ausgeschlossen. Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), z.B. eine Planungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH, wird der persönlich haftende Komplementär. Als GmbH haftet jedoch auch diese gemäß § 13 Abs. 2 GmbHG nur mit dem Gesellschaftsvermögen. Haftungsrechtliche Probleme können sich jedoch in der Phase vor der Eintragung der GmbH & Co. KG sowie der GmbH in das Handelsregister ergeben, so dass hier Vorsicht bei dem Eingehen von Verbindlichkeiten vor dem Handelsregistereintrag geboten ist. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs haften bei einer GmbH die Gesellschafter vor der Eintragung für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft unbeschränkt gegenüber der Gesellschaft und bei deren Vermögenslosigkeit auch gegenüber den Gläubigern 66 . Auch bei der Kommanditgesellschaft haften die Kommanditisten nach außen unbeschränkt, wenn die Kommanditgesellschaft vor der Eintragung ihre Geschäfte aufnimmt 67 . Von der Wahl einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) ist hingegen aufgrund der unbeschränkten Haftung der Gesellschafter mit ihrem persönlichen Vermögen abzuraten. Lediglich bei einem überschaubaren Investitionsvermögen (z.B. bei einer PV-Anlage) kann die GbR aufgrund ihrer formlosen und unkomplizierten Gründungsmöglichkeit eine Rolle spielen 68 . 5.4.1.2 Eingetragene Genossenschaft Neben dem geschlossenen Investmentfonds erlangt die eingetragene Genossenschaft (e.G.) zunehmend an Bedeutung. Das Wesen der Genossenschaft ist gemäß § 1 Genossenschaftsgesetz (GenG) die unmittelbare und wechselseitige Förderung der wirtschaftlichen oder ideellen Bestrebungen der Genossenschaftsmitglieder. Dies erlaubt den Mitgliedern eine aktive Beteiligung, die über eine rein wirtschaftliche Partizipation hinausgehen kann. Dies resultiert zum einen aus der demokratischen Struktur der Genossenschaft, die jedem Mitglied unabhängig von der Höhe der Beteiligung grundsätzlich die gleichen Stimmrechte verschafft, § 43 Abs. 3 GenG. Zudem kann die Satzung in einer Weise gestaltet werden, die die gemeinsamen Interessen der Mitglieder besonders betont. 66 Siehe BGH NJW 1996, 1210 sowie BGHZ 134, 333 (341). 67 von Wedel, in: Büchel/ von Rechenberg, Handbuch des Fachanwalts Handels- und Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, (2011), S. 462 f. 68 Meckert, in: Boewe/ Meckert, (2013), S 192. <?page no="128"?> 128 5 Politische und rechtliche Risiken von Erneuerbare-Energien-Projekten Beispielsweise kann der Erwerb und die Fortdauer der Mitgliedschaft an den Wohnort geknüpft werden. Ein weiterer Vorteil liegt zudem in der Haftungsbeschränkung auf das Vermögen der Genossenschaft. Der Vorstand meldet die Genossenschaft zur Eintragung in das Genossenschaftsregister an. Für die Eintragung ist neben der Satzung auch die gutachterliche Äußerung eines Prüfverbandes im Hinblick auf die Gefährdung der Belange der Mitglieder oder der Gläubiger der Genossenschaft durch die Vermögensverhältnisse der Genossenschaft notwendig. Liegt eine solche Gefährdung vor, wird das Gericht die Eintragung ablehnen. Die Prüfverbände führen zudem, je nach Höhe der Bilanzsumme, jährliche oder zweijährliche Prüfungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung der Genossenschaft durch, die beim Genossenschaftsregister eingereicht werden. Die Genossenschaft kann sowohl selber Betreiberin einer oder mehrerer Windenergieanlagen werden. Sie kann aber auch Kommanditistin einer als GmbH & Co. KG strukturierten Windparkgesellschaft sein. Das Thema der Bürger-Energiegenossenschaften wird ausführlich in Kapitel 17 behandelt. 5.4.2 Wirksame Gründung aller maßgeblichen Gesellschaften Es ist empfehlenswert, die Projektgesellschaft - in welcher der oben erläuterten Formen auch immer - so früh wie möglich zu gründen. Die Projektgesellschaft kann dann alle projektbezogenen Verträge selbst schließen und hieraus unmittelbar Rechte herleiten. So vermeidet sie Risiken hinsichtlich der Wirksamkeit des Vertragsübergangs bei einer späteren Übertragung. Zudem ist sie auch von Anfang an Adressat der erforderlichen öffentlichen Genehmigungen. Aus haftungstechnischen Gründen ist auf eine schnelle Eintragung der Gesellschaften in das Handelsregister hinzuwirken. Neben der Eintragung im Handelsregister ist für die Gründung der Kommanditgesellschaft ein Gesellschaftsvertrag mit dem notwendigen Mindestinhalt notwendig. Dies erfordert die Bestimmung des Unternehmenszwecks, eines Komplementärs, des oder der Kommanditisten und die Höhe ihrer Kommanditeinlage sowie den Sitz der Gesellschaft. Da der Gesellschaftsvertrag auch mündlich geschlossen werden kann, muss er bei der Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister nicht vorgelegt werden. Für die Gründung einer GmbH ist hingegen ein notariell beurkundeter Gesellschaftsvertrag notwendig, dessen Mindestinhalt in § 3 GmbHG festgelegt ist. Mit diesem entsteht zunächst eine Vorgesellschaft, die erst durch die Eintragung in das Handelsregister eine GmbH als solche entstehen lässt. Ähnlich verlaufen die Phasen der Gründung einer Genossenschaft. Mit Feststellung der Satzung in der Gründerversammlung entsteht die Vorgenossenschaft, die in die Genossenschaft mit Eintragung ins Genossenschaftsregister übergeht. Die Satzung bedarf der Schriftform gemäß § 5 GenG und muss über den in § 6 GenG festgelegten Mindestinhalt verfügen. <?page no="129"?> Florian Valentin, Katrin Antonow 129 5.4.3 Anwendbarkeit des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) bei Bürgerbeteiligung Die jüngsten Erfahrungen zeigen, dass ein effektiver Anlegerschutz auch bei EE- Projekten von erheblicher Relevanz ist. Nur wenn ein ausreichender Schutz gewährleistet ist, wird man in Zeiten abnehmender staatlicher Förderung der Erneuerbaren Energien Anleger für neue Projekte gewinnen können. Aus diesem Grund sollten die strengen Regelungen des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB), welches am 22. Juli 2013 in Kraft trat, nicht ausschließlich als Hürde bei der Realisierung eines neuen Vorhabens verstanden werden. Gleichzeitig ist nicht zu unterschätzen, welchen administrativen Aufwand und welche Einschränkungen die Anwendbarkeit des KAGB auf ein Vorhaben mit sich bringen kann. Daher werden im Regelfall Wege gesucht, Projekte so auszugestalten, dass sie aus dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes herausfallen. Bei bestimmten Anlegermodellen, insbesondere bei Bürgerwindparks, Bürgersolaranlagen oder Energiegenossenschaften können die Vorschriften des KAGB zur Anwendung kommen. Folge ist neben der Registrierpflicht bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), dass der Verwalter des Investmentfonds, mit anderen Worten der Betreiber des Projekts, einer Vielzahl von Pflichten und Beschränkungen unterworfen ist. Insbesondere gilt ein Formzwang hinsichtlich der zulässigen Gesellschaftsform. Gemäß § 139 KAGB darf der Fonds nur als Aktien- oder Kommanditgesellschaft betrieben werden. Eine Ausnahme hiervon gilt für die privilegierte Genossenschaft gemäß § 2 Abs. 4 (b) KAGB. Für eine Privilegierung ist insbesondere erforderlich, dass in der Satzung der Genossenschaft eine Nachschusspflicht ausgeschlossen ist und das verwaltete Vermögen 100 Millionen Euro nicht übersteigt. Die Folge ist die eingeschränkte Anwendbarkeit des KAGB auf die Genossenschaft in Form einer allgemeinen Missbrauchsaufsicht der BaFin und eines vereinfachten Registrierungsverfahrens. Vollständig aus dem Anwendungsbereich des KAGB fallen allerdings solche Gesellschaften, bei denen es sich um operativ tätige Unternehmen außerhalb des Finanzsektors handelt. Nach einem Auslegungsschreiben der BaFin vom 14. Juni 2013 69 kommt es für die Beurteilung der operativen Tätigkeit darauf an, ob die unternehmerischen Entscheidungen im laufenden Geschäftsbetrieb bei dem Unternehmen selbst verbleiben. Um dies sicherzustellen ist beim Abschluss von Wartungs-, Geschäftsführungs- und anderen Dienstleistungsverträgen auf eine entsprechende Gestaltung zu achten. 5.4.4 Anwendbarkeit des Vermögensanlagegesetzes (VermAnlG) bei Bürgerwindparks Ein weiterer Anlegerschutz findet sich in den Vorgaben des Vermögensanlagegesetzes (VermAnlG). Bei der Beteiligung an einem geschlossenen Fonds handelt es sich immer um eine Unternehmensbeteiligung, unabhängig davon, ob die Rechtsform der GmbH & Co. KG oder der GbR gewählt wurde. Daher bedarf es für den Vertrieb eines geschlosse- 69 Geschäftszeichen WA 41-Wp 2137-2013/ 0001 <?page no="130"?> 130 5 Politische und rechtliche Risiken von Erneuerbare-Energien-Projekten nen Fonds eines kostenintensiven Verkaufsprospekts im Sinne des VermAnlG. Dieses hat am 1. Juni 2012 das Verkaufsprospektgesetz abgelöst. Wird ein Projekt allerdings in der Rechtsform der Genossenschaft betrieben, unterfällt es nicht der Prospektpflicht. Der Anlegerschutz wird hier durch die Qualitätskontrolle der Prüfungsverbände erreicht. Wir fassen zusammen: Die Wahl der Gesellschaftsform hängt von vielen Faktoren ab. Im Fall der Bürgerbeteiligung sollte nur auf solche Rechtsformen zurückgegriffen werden, die eine Haftungsbegrenzung auf die Einlage vorsehen. Dabei sollte auf eine frühzeitige Eintragung in das jeweilige Register hingewirkt werden, um einen möglichen Rückgriff auf das Gesellschaftervermögen auszuschließen. Schließlich sind die Pflichten und Begrenzungen der Regelungen zum Anlegerschutz zu berücksichtigen. Kommen diese zum Tragen, ergeben sich auch gewisse Einschränkungen hinsichtlich der zulässigen Rechtsform. 5.5 Genehmigungsrechtliche Risiken Ein weiteres rechtliches Risiko bei der Finanzierung von EE-Projekten ergibt sich aus den Anforderungen des öffentlichen Rechts. Für den Bau und den Betrieb einer EE- Anlage sind - mit Ausnahmen für sehr kleine Anlagen - eine oder mehrere öffentlichrechtliche Genehmigungen erforderlich, aus welchen sich ergibt, dass das Vorhaben im Einklang mit den Vorgaben des öffentlichen Rechts ist und Rechte Dritter nicht unangemessen beeinträchtigt werden. Die Genehmigungen können mit Bedingungen und Auflagen verbunden sein, welche möglicherweise auch auf die Finanzierbarkeit Einfluss haben. Zudem können Dritte bereits erteilte Genehmigungen angreifen, so dass für den Betreiber sowie für die finanzierende Bank erst ab Bestandskraft der Genehmigungen abschließende Rechtssicherheit besteht. 5.5.1 Genehmigungserfordernisse Zunächst ist zu ermitteln, ob eine Anlage genehmigungsbedürftig im Sinne des § 4 I 1 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) ist. Ist die Anlage nach immissionsschutzrechtlichen Maßstäben genehmigungsfrei, ist im nächsten Schritt anhand der jeweiligen Landesbauordnung zu prüfen, ob eine baurechtliche Genehmigung erforderlich ist. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ist, insbesondere bei größeren Vorhaben, eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig. Weitere gesetzliche Anforderungen, die in der Regel im Rahmen des bau- oder immissionsschutzrechtlichen Verfahrens geprüft werden, können sich je nach Anlagenart aus dem Berg- und Wasserrecht, dem Abfall- und Düngemittelrecht sowie dem Natur- und Tierschutzrecht ergeben. <?page no="131"?> Florian Valentin, Katrin Antonow 131 5.5.2 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) -Genehmigungen 5.5.2.1 Genehmigungsbedürftige Anlagen Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG bedürfen Anlagen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, wenn sie auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebes in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen. Inhaltlich konkretisiert die Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) in Anhang 1, welche Anlagen unter die Genehmigungspflicht des § 4 BImSchG fallen. Dies sind regelmäßig alle „größeren“ Anlagen, z.B. Biogasanlagen mit einer Feuerungswärmeleistung ab einem Megawatt bzw. einem Gärreste-Lagerbehälter mit einem Volumen von mehr als 6.500 m 3 oder Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern 70 . Betreiber von PV-Anlagen benötigen keine Genehmigung nach dem BImSchG. 5.5.2.2 Einfaches und förmliches Verfahren In Anhang 1 der 4. BImSchV ist auch festgelegt, welche Anlagen im vereinfachten Genehmigungsverfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 19 BImSchG genehmigt werden können und für welche ein förmliches Verfahren nach § 10 BIm- SchG durchzuführen ist. Gemäß § 10 Abs. 6 lit. a) Satz 1 BImSchG ist über Anträge im förmlichen Verfahren innerhalb von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten zu entscheiden. Im Fall von Schwierigkeiten bei der Prüfung kann die Behörde die Frist jeweils um drei Monate verlängern. Windenergieanlagen werden gemäß ihrer Einordnung in Spalte 2 des Anhangs 1 der 4. BImSchV grundsätzlich im vereinfachten Verfahren genehmigt. Für einen Windpark mit mehr als 20 Windenergieanlagen ist hingegen ein förmliches Verfahren durchzuführen. Zudem sieht § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) der 4. BImSchV ein förmliches Genehmigungsverfahren immer dann vor, wenn eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist. Außerdem kann der Antragsteller gemäß § 19 Abs. 3 BImSchG die Durchführung eines förmlichen Verfahrens beantragen. Vorteil eines solchen Verfahrens ist, trotz der längeren Bearbeitungszeit der Behörde, die erhöhte Rechtssicherheit in Bezug auf Widersprüche oder Klagen von betroffenen Nachbarn: Aufgrund der in § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG festgelegten Präklusionswirkung dürfen nur solche Einwendungen berücksichtigt werden, die bereits im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung erhoben wurden. Zudem ist die Klagefrist durch die öffentliche Bekanntmachung des Genehmigungsbescheids genau definiert und begrenzt. 5.5.2.3 Besonderheiten des immissionsschutzrechtlichen Verfahrens Ein besonderes Merkmal des immissionsschutzrechtlichen Verfahrens ist die Konzentrationswirkung. Diese wird dadurch erreicht, dass eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung alle für die Errichtung und den Betrieb erforderlichen Genehmigungen, also u.a. auch bauordnungs- und bauplanungsrechtliche sowie abfall-, wasser-, düngemittel- oder veterinärrechtliche Genehmigungen, miteinschließt. Befindet man sich hingegen im baurechtlichen Genehmigungsverfahren, sind alle weiteren Genehmigungen gesondert zu beantragen. 70 Diese Aufzählung ist nur beispielhaft und nicht abschließend. <?page no="132"?> 132 5 Politische und rechtliche Risiken von Erneuerbare-Energien-Projekten Eine weitere Besonderheit ist die Möglichkeit der Änderungsanzeige. Danach können Änderungen der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs zunächst nur angezeigt werden. Erfolgt keine Rückmeldung der Behörde innerhalb eines Monats, gilt die Änderung als genehmigt (§ 15 Abs. 2 S. 2 BImSchG). Zu beachten ist jedoch, dass bei dem Austausch von Anlagen im Sinne eines Repowering eine Neugenehmigung nach BImSchG erforderlich ist. Bestimmte Änderungen der Betriebsweise (z.B. Nachtbetrieb, Verminderung der Schallreduzierung) bedürfen einer Änderungsgenehmigung, da eine Erhöhung der Leistung oder eine Ausweitung der Betriebszeiten mit erhöhten Immissionen verbunden sind. Bei Standortverschiebungen ist entscheidend, ob diese so geringfügig sind, dass dadurch kein oder nur ein sehr geringer Einfluss auf die Immissionssituation der Umgebung entsteht. In diesen Fall genügt eine Änderungsanzeige, im Übrigen ist eine Neu- oder Änderungsgenehmigung erforderlich. Sowohl im immissionsschutzrechtlichen als auch im baurechtlichen Genehmigungsverfahren sind Teilgenehmigungen möglich. Nach § 8 Nr. 3 BImSchG wird eine solche jedoch nur erteilt, wenn eine Vorprüfung ergeben hat, dass auch die Gesamtanlage Aussicht auf Erteilung einer Genehmigung hat. Zu erwähnen ist zudem die Möglichkeit eines vorzeitigen Baubeginns nach § 8 a BImSchG. Benötigt die Anlage dagegen nur eine Baugenehmigung, entfällt diese Option. Dem durch den vorzeitigen Baubeginn erlangten Zeitgewinn steht allerdings das Risiko gegenüber, dass sich der Betreiber für den Fall der Versagung der Genehmigung verpflichten muss, alles auf eigene Kosten zurückbauen und die entstandenen Schäden ersetzen (§8a Abs. 1 Nr. 3 BImSchG). Schließlich ist noch das Recht des Anlagenbetreibers zu nennen, die zuständige Genehmigungsbehörde über einen in Kürze zu stellenden Antrag (§ 2 Abs. 2 der 9. BIm- SchV) zu informieren. In diesem Fall hat die Behörde den Antragsteller zu beraten und mit ihm für die Durchführung des Verfahrens erhebliche Fragen zu erörtern. Dieses sog. Scoping ist für den Antragssteller vorteilhaft und sollte in jedem Projekt genutzt werden. 5.5.2.4 Immissionsschutzrechtliche Voraussetzungen Um die immissionsschutzrechtlichen Vorgaben einzuhalten, sind EE-Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass von ihnen keine schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen können. Gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG spricht man von schädlichen Umwelteinwirkungen, wenn diese nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen hervorzurufen. Je nach Anlagenart kommen hier Geruchs- und Geräuschimmissionen, aber auch Erschütterungen, Strahlen oder optische Einwirkungen (z.B. Schattenwurf bei Windenergieanlagen) in Betracht. Grenzwerte finden sich häufig in Verwaltungsvorschriften, welche bestimmte Richt- und Höchstwerte festlegen (z.B. Technische Anleitungen zum Schutz gegen Lärm und zur Reinhaltung der Luft sowie von den Gremien der Umweltministerkonferenz festgelegte Geruchsimmissionsrichtlinien). Diese Verwaltungsvorschriften sind zwar nicht rechtlich verbindlich, dienen aber der Leitung des Ermessens der Behörden und werden von Gerichten als Auslegungshilfe herangezogen. Der Nachweis über die Einhaltung der Richtwerte wird regelmäßig durch entsprechende Gutachten erbracht. <?page no="133"?> Florian Valentin, Katrin Antonow 133 5.5.3 Baurechtliche Genehmigungen Biogasanlagen und Windenergieanlagen, die nicht unter die Anlage 1 des 4. BImSchV fallen, bedürfen einer Baugenehmigung. Gleiches gilt für Wasserkraftwerke und Geothermie-Anlagen. Für PV-Anlagen, insbesondere größere Freiflächenanlagen, ist regelmäßig ebenfalls eine Baugenehmigung erforderlich. Nach den Landesbauordnungen sind allerdings gebäudeabhängige PV-Anlagen, die an Dach- und Außenwandflächen angebracht sind, bis zu einer bestimmten Größe genehmigungsfrei. Für die Erlangung einer Baugenehmigung ist zum einen die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit, also die Frage „Wo darf gebaut werden? “ und zum anderen die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit und die Frage „Wie darf gebaut werden? “ zu prüfen. 5.5.3.1 Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit Das Bauplanungsrecht wird im BauGB geregelt, welches danach unterscheidet, ob sich der gewählte Standort im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes (§ 30 BauGB), im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) oder im Außenbereich (§ 35 BauGB) befindet. Soll die Anlage im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegen, ist für die Zulässigkeit erforderlich, dass sie den Festsetzungen des Bebauungsplans entspricht und die Erschließung gesichert ist. Denkbar ist hier auch die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans durch die Gemeinde. Es bietet sich daher an, die Gemeinde vorab in die Auswahl des Standortes einzubeziehen. Für die Errichtung von EE-Anlagen im Außenbereich hat der Gesetzgeber verschiedene Privilegierungen vorgesehen. 5.5.3.2 Privilegierte Vorhaben im Außenbereich Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB sind Vorhaben privilegiert im Außenbereich zulässig, wenn sie der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dienen, öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist. Öffentliche Belange könnten dem Vorhaben insbesondere dann entgegenstehen, wenn das Vorhaben den Darstellungen eines Flächennutzungsplans oder eines Raumordnungsplanes widerspricht. Einen starken Einfluss auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Windenergievorhaben wird in einigen Bundesländern die sog. Länderöffnungsklausel in § 249 Abs. 3 BauGB haben. Danach können die Länder bis zum 31. Dezember 2015 bestimmen, dass eine Privilegierung nur dann vorliegt, wenn die Windenergieanlagen einen bestimmten Abstand zu den im Landesgesetz bezeichneten zulässigken baulichen Nutzungen einhalten. Ob und in welchem Maß die Länder von § 249 Abs. 3 BauGB Gebrauch machen werden, ist im Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht absehbar. Im Bayrischen Landtag ist derzeit eine Regelung geplant, die einen Mindestabstand vom 10-fachen der Höhe der Windenergieanlage festlegt 71 . Bei Biogasanlagen ist zu beachten, dass nach einer Neufassung des § 35 Abs. 1 Nummer 6 Buchstabe d) BauGB im Jahr 2013 eine Biogasanlage bereits dann im Außenbereich privilegiert gebaut werden darf, wenn die Kapazitätsgrenze von 2,3 Mio. Nm 3 71 Drs. 17/ 2137 Bayrischer Landtag, S. 5 <?page no="134"?> 134 5 Politische und rechtliche Risiken von Erneuerbare-Energien-Projekten Biogas pro Jahr eingehalten wird. Anders als bisher spielt die Feuerungswärmeleistung des Blockheizkraftwerkes (BHKW) für die Privilegierung künftig keine Rolle mehr. Bislang war insoweit eine Grenze von 0,5 MW maßgeblich. Weiterhin kann in einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb eine Biogasanlage errichtet werden, wenn die Anlage in unmittelbarer Nähe zur Hofstelle steht. Im Übrigen sind Vorhaben im Außenbereich zulässig, wenn öffentliche Belange, wie z.B. der Natur-, Boden- und Denkmalschutz sowie das natürliche Landschaftsbild, nicht beeinträchtigt werden. Hier entscheidet jeweils eine Prüfung des Einzelfalls. Für privilegierte Vorhaben ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen, § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB. Die Genehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehener Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Rückbauverpflichtung sicherstellen. Demnach kann auch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit, eine selbstschuldnerische Bürgschaft oder eine Sicherungshypothek in Betracht kommen. 5.5.3.3 Bauordnungsrechtliche Zulässigkeit Die Festlegung der bauordnungsrechtlichen Voraussetzungen geschieht durch die Landesgesetzgebung und findet sich insbesondere in den Landesbauordnungen. Dementsprechend vielfältig sind die Anforderungen ausgestaltet. In der Regel betreffen diese Vorgaben die Lage der Anlage auf dem Grundstück sowie einzuhaltende Abstandsflächen. Häufig ist die Vorlage von Gutachten (z.B. Turbulenz- oder Baugrundgutachten) erforderlich, um die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben nachweisen zu können. 5.5.4 Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist ein unselbständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren, die der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben dienen - d.h. sie ist Bestandteil des Genehmigungsverfahrens. In der UVP werden die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen von Vorhaben auf die Umwelt im Vorfeld der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens festgestellt, beschrieben und bewertet. Die zu berücksichtigenden Auswirkungen betreffen gemäß § 2 Abs. 1 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) u.a. Menschen, einschließlich der menschlichen Gesundheit, Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft sowie Kulturgüter. Auch im Rahmen der UVP findet ein gemeinsamer Scoping-Termin gemäß § 4 BauGB, § 5 UPG und dem Bundesnaturschutzgesetz mit der Genehmigungsbehörde, dem Antragssteller und den später zu beteiligenden Fachbehörden statt, um den Untersuchungsrahmen festzulegen. Die Prüfung wird unter Einbeziehung der Öffentlichkeit durchgeführt, was bei einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht im förmlichen Verfahren nach § 10 BImSchG erreicht wird. Die Genehmigungsfähigkeit sowie Art und Umfang von Auflagen bestimmen sich ausschließlich nach dem Fachrecht, so dass ein Genehmigungsverfahren sowohl mit als auch ohne UVP immer zum gleichen Ergebnis kommt. <?page no="135"?> Florian Valentin, Katrin Antonow 135 Erwähnenswert ist § 8 UVPG, der vorsieht, dass im Rahmen der UVP eine grenzüberschreitende Behördenbeteiligung durchzuführen ist, wenn das Vorhaben erhebliche Umweltauswirkungen in einem anderen Staat haben kann. 5.5.5 Risiken bei fehlender Bestandskraft von Genehmigungen Der Genehmigungsbescheid erwächst erst dann in formelle Bestandskraft, wenn er nicht mehr durch ordentliche Rechtsbehelfe angefochten werden kann. Dabei stehen sowohl Dritten als auch dem Antragssteller selbst Rechtsmittel zur Verfügung. So kann der Bescheid Auflagen enthalten, die nur schwer zu erfüllen sind oder den Betrieb der Anlage unwirtschaftlich machen. Innerhalb eines Monats ab Zustellung des Bescheids kann daher gegen diesen ganz oder teilweise Widerspruch eingelegt werden. Dritte, denen der Bescheid nicht zugestellt wird und die dementsprechend auch keine Rechtsbehelfsbelehrung erhalten, können die Genehmigung entsprechend § 58 Abs. 2 VwGO noch mindestens innerhalb eines Jahres anfechten. Die Frist läuft ab zuverlässiger Kenntnis bzw. zuverlässigem Kennenmüssen der Genehmigung. Dabei muss sich die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen auf die Errichtung der Anlage, aber auch auf die spezifischen Risiken für den Betroffenen beziehen. Die längere Möglichkeit für Widersprüche oder Klagen Dritter führt in diesem Fall zu einer längeren Phase der Rechtsunsicherheit. Im Regelfall wird der immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbescheid im vereinfachten Verfahren Dritten nicht zugestellt und auch nicht öffentlich bekannt gemacht. Die entsprechenden Bestimmungen des § 10 Abs. 8 BImSchG finden gemäß § 19 Abs. 2 BImSchG im vereinfachten Verfahren keine Anwendung. Ein Widerspruch betrifft zwar nicht die Wirksamkeit der Genehmigung, hat jedoch zur Folge, dass dieser vorerst nicht vollziehbar ist. Dem Antragssteller steht es jedoch frei, bei der Behörde einen Antrag auf sofortige Vollziehung zu stellen. Wird dem stattgegeben, kann der Dritte sich an das Gericht wenden und beantragen, im Eilverfahren die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherstellen zu lassen. Wir fassen zusammen: Für die Errichtung und den Betrieb der EE-Anlage ist in der Regel die Einholung einer oder mehrerer Genehmigungen erforderlich. Häufig wird eine BImSchG-Genehmigung erforderlich sein, zumindest jedoch eine Baugenehmigung. Das immissionsschutzrechtliche Verfahren hat den Vorteil, dass aufgrund der Konzentrationswirkung gleichzeitig alle anderen erforderlichen Genehmigungen miterteilt werden. Scoping-Termine können sich für den Antragssteller als sehr nützlich erweisen, da so ein erster Kontakt mit der Genehmigungsbehörde entsteht, in der zeitsparende Informationen über den Prüfungsrahmen und die erforderlichen Unterlagen erlangt werden können. Ein förmliches Verfahren nach BImSchG dauert zwar länger, bietet aber im Vergleich zum einfachen Verfahren schneller Rechtssicherheit. Es kann vom Anlagenbetreiber auch dann gewählt werden, wenn es laut 4. BImSchV eigentlich nicht notwendig ist. <?page no="136"?> 136 5 Politische und rechtliche Risiken von Erneuerbare-Energien-Projekten Literatur Altrock, M./ Oschmann, V./ Theobald, C.: EEG, C.H. Beck, 4. Auflage, 2013 Battis, U./ Krautzberger, M./ Löhr, R.: Baugesetzbuch, Verlag C.H.Beck, 12. Auflage, 2013: In der Kommentierung der einzelnen Vorschriften des Baugesetzbuches finden sich genaue Ausführungen zu den bauplanungsrechtlichen Vorgaben eines Projektes. Boewe, M./ Meckert, M. J. (Hg.): Leitfaden Windenergie, 1. Auflage, 2012 Böttcher, J.: Handbuch Windenergie: Onshore-Projekte: Realisierung, Finanzierung, Recht und Technik, Oldenbourg Verlag, 1. Auflage, 2013 Böttcher, J.: Rechtliche Rahmenbedingungen, in: Handbuch Windenergie, Oldenbourg Verlag München, 2013, S. 45-162: Hier findet sich ein umfassender Überblick der rechtlichen Rahmenbedingungen, welche im Rahmen einer rechtlichen Due Diligence relevant sind. Büchel, H./ von Rechenberg, W.: Handels- und Gesellschaftsrecht, Carl Heymanns Verlag, 2. Auflage, 2011: Hier werden gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen genau erörtert. Büchel, H./ von Rechenberg, W.-G. (Hg.): Handbuch des Fachanwalts Handels- und Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, 2011 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): Auslegungsschreiben zum Anwendungsbereich des Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) und zum Begriff des „Investmentvermögens“ vom 14. Juni 2013, Geschäftszeichen WA 41-Wp 2137-2013/ 0001, abrufbar unter: http: / / www.bafin.de/ SharedDocs/ Veroeffentlichungen/ DE/ Auslegungsentscheidun g/ WA/ ae_130614_Anwendungsber_KAGB_begriff_invvermoegen.html, zuletzt abgerufen am 5. August 2014 Eckpunktepapier der Regierung zum EEG 2014 am 23. Januar 2014, abrufbar auf www.clearingstelle-eeg.de Europäische Kommission: Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020, 2014/ C 200/ 01 Frenz, W./ Müggenborg, H.-J. (Hg.): EEG: Erneuerbare-Energien-Gesetz Kommentar Erich Schmidt Verlag GmbH & Co, 3. Auflage, 2013: Der Kommentar erläutert die einzelnen Paragraphen des EEG 2012 aus Praxissicht. Eine Kommentierung zur aktuellen Fassung des EEG 2014 ist noch nicht erhältlich. Für ältere Fassungen des EEG kann auf die Vorauflagen verwiesen werden. Herz/ Valentin, Direktvermarktung, Direktlieferung und Eigenversorgung nach dem EEG 2014, EnWZ 2014, 358-365 Loibl, H./ Maslaton, M./ von Bredow, H./ Walter, R.: Biogasanlagen im EEG, Erich Schmidt Verlag GmbH & Co, 3. Auflage, 2013: Das Buch behandelt sich aus dem EEG ergebende Fragestellungen detailliert im Hinblick auf Biogasanlagen. Schalast, C./ Raettig, L. (Hg.): Grundlagen des M&A-Geschäftes, Frankfurt School Verlag, 1. Auflage, 2013 <?page no="137"?> 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau Volker Bock, Noerr LLP Inhalt 6.1 Einleitung ................................................................................................................... 138 6.2 Grundstückssicherung.............................................................................................. 139 6.2.1 Zu sichernde Grundstücke ...................................................................................... 139 6.2.2 Zeitpunkt der Grundstückssicherung..................................................................... 140 6.2.3 Eigentum .................................................................................................................... 140 6.2.4 Erbbaurecht ............................................................................................................... 142 6.2.5 Mietverträge ............................................................................................................... 143 6.2.5.1 Mietvertragliche Schriftform - Risiko der vorzeitigen Kündigung .................... 143 6.2.5.2 Anforderungen an die Schriftform ......................................................................... 144 6.2.5.3 Heilungsklauseln zur Schriftform ........................................................................... 145 6.2.5.4 Vermieterpfandrecht und Vermietersicherheiten ................................................. 146 6.2.5.5 Kündigung bei Insolvenz des Grundstückseigentümers, Zwangsvollstreckung . 147 6.2.5.6 Kündigung bei Pflichtverletzungen des Kapitalnehmers .................................... 147 6.2.5.7 Übliche Vergütungsmodelle .................................................................................... 148 6.2.6 Dienstbarkeiten .........................................................................................................148 6.2.6.1 Gestaltung als Sicherungsdienstbarkeit .................................................................. 149 6.2.6.2 Belastungsobjekt........................................................................................................ 149 6.2.6.3 Inhalt der Dienstbarkeit ........................................................................................... 150 6.2.6.4 Vorrangige Rechte ....................................................................................................150 6.2.6.5 Unübertragbarkeit der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit...................... 151 6.2.6.6 Löschung der Dienstbarkeit .................................................................................... 152 6.2.7 Reallasten.................................................................................................................... 153 6.2.8 Eigentumserwerb des Grundstückseigentümers durch Verbindung ................. 153 6.2.8.1 Übliche Mietvertragsklauseln zur Begründung einer Scheinbestandteilseigenschaft.................................................................................. 154 6.2.8.2 Scheinbestandteil: Verbindung zu vorübergehendem Zweck............................. 154 6.2.8.3 Scheinbestandteil: Verbindung in Ausübung eines Rechts.................................. 155 6.2.8.4 Nachträgliche Begründung der Scheinbestandteilseigenschaft ........................... 156 6.2.9 Widerruf von Grundstücksverträgen mit Verbrauchern ..................................... 157 6.2.10 Eintrittsrechte und Vormerkungen für den Kapitalgeber ................................... 157 6.2.10.1 Eintrittsrechte ............................................................................................................ 158 6.2.10.2 Direktvereinbarungen............................................................................................... 158 <?page no="138"?> 138 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau 6.2.10.3 Dingliche Absicherung des Kapitalgebers ............................................................. 159 6.2.10.4 Originäre Dienstbarkeit zugunsten des Kapitalgebers ......................................... 159 6.2.10.5 Vormerkung auf Eintragung von Dienstbarkeiten............................................... 160 6.2.11 Besonderheiten bei Verträgen mit der öffentlichen Hand .................................. 162 6.2.12 Besonderheiten bei Offshore-Windanlagen .......................................................... 163 6.2.12.1 Besonderheiten innerhalb des deutschen Küstenmeeres..................................... 163 6.2.12.2 Besonderheiten innerhalb der AWZ ...................................................................... 164 6.3 Errichtung und Betrieb ............................................................................................ 164 6.3.1 Projektentwicklungs- und andere Vorfeldverträge ............................................... 164 6.3.2 Bau und Planung ....................................................................................................... 165 6.3.2.1 EPC/ GÜ-Verträge vs. Einzelvergaben..................................................................165 6.3.2.2 Abtretung von Ansprüchen an Kapitalgeber ........................................................ 166 6.3.2.3 Aus Sicht des Kapitalgebers wichtige Vertragsbestimmungen ........................... 167 6.3.3 Lieferverträge und § 377 HGB................................................................................ 170 6.3.4 Herstellergarantien für Komponenten ................................................................... 171 6.3.5 Wartungs- und Betriebsführungsverträge .............................................................. 172 Literatur ...................................................................................................................... 172 Schlagwortliste Dienstbarkeiten, Direktvereinbarung, Eintrittsrecht, EPC-Vertrag, Erbbaurecht, Grundstück, Grundstücknutzung, Grundstücksicherung, GU-Vertrag, GÜ- Vertrag, Herstellergarantien, Liefervertrag, Mietverträge, Projektentwicklung, Scheinbestandteile, Schriftform, Sicherheiten, Sicherungsabtretung, Sicherungseigentum, Vormerkung, wesentliche Bestandteile 6.1 Einleitung Im Rahmen der Projektentwicklung für EE-(Erneuerbare Energien-)Projekte gibt es einige zentrale Risiken, deren Absicherung für Betreiber, Kapitalgeber und sonstige Investoren gleichermaßen wichtig ist: Grundstücksrisiko (langfristig abgesicherte Nutzung der benötigten Grundstücke), Genehmigungsrisiko, Errichtungsrisiko (Planungs- und Bauverträge) und Betriebsrisiko. Hinzu treten Risiken aus energierechtlichen und politischen Rahmenbedingungen. Der Kapitalgeber hat zudem im Rahmen einer Projektfinanzierung auch noch das Insolvenzrisiko seines Kapitalnehmers zu bedenken und muss Vorsorge treffen, dass auch in diesem Worst Case das Projekt fertiggestellt und betrieben werden kann. Zum Ausschluss dieser Risiken oder zur Minderung ihrer Folgen haben sich in den vergangenen Jahren verschiedene Marktstandards herausgebildet. Diese werden nachfolgend dargestellt und erläutert. Die Betrachtung beschränkt sich dabei auf die Bereiche Grundstücke, Bau und Planung sowie Wartung und Betriebsführung. Die (öffent- <?page no="139"?> Volker Bock 139 lich-rechtlichen) Genehmigungsrisiken werden in Kapitel 5 behandelt, ebenso die energierechtlichen und politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen und daraus herrührende Risiken. Vor einer Finanzierungsentscheidung müssen seitens des Kapitalgebers die Projektrisiken im Rahmen einer Due Diligence geprüft und auf der Grundlage der Ergebnisse der Due Diligence bewertet werden. Die Intensität und Tiefe der Finanzierungs- Due Diligence hängt von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere Größe des Projekts und der Frage, ob es bereits aussagekräftige und verlässliche Due Diligence-Ergebnisse aus einer durch den Kapitalnehmer veranlassten Prüfung gibt. Gerade in letzterem Fall hat es sich eingebürgert, dass seitens des Kapitalgebers nur eine begrenzte Due Diligence (red-flag) durchgeführt wird, im Rahmen derer vorliegende Due Diligence- Berichte anhand einer begrenzten Durchsicht von Projektunterlagen verifiziert, teilweise auch nur plausibilisiert werden. 6.2 Grundstückssicherung Egal in welchem Umfang und Format eine Due Diligence durchgeführt wird: Unabdingbar ist es jedenfalls, dass die Frage, ob ein langfristiges und gesichertes Recht zur Nutzung am Betriebsgrundstück vorliegt, überprüft wird. Denn bei den langfristig angelegten Finanzierungen von EE-Projekten muss die Sicherung des Grundstücks als zentralem Betriebs-Asset größte Aufmerksamkeit erhalten, auch seitens des Kapitalgebers. EE-Projekte werden überwiegend auf Grundstücken realisiert, die nicht im Eigentum des Betreibers stehen. Das macht es erforderlich, die zum Betrieb der Anlage erforderlichen Grundstücke so zu sichern, dass die Grundstücke für die gesamte geplante Betriebsdauer der Anlage zur Verfügung stehen. Die Nutzungsrechte müssen auch dann fortbestehen, wenn der Grundstückseigentümer wechselt, in Insolvenz gerät oder Grundstücke zwangsversteigert werden. Regelmäßig müssen die Grundstücke daher (auch) dinglich, z.B. mittels Dienstbarkeiten, gesichert werden. Für den Kapitalgeber ist es außerdem wichtig, dass er im Falle der Vertragsbrüchigkeit oder gar Insolvenz seines Kapitalnehmers die Nutzungsrechte für die Grundstücke an sich ziehen und auf einen neuen Betreiber übertragen kann. 6.2.1 Zu sichernde Grundstücke Die Grundstückssicherung muss alle für Errichtung und Betrieb der EE-Anlage notwendigen Grundstücke und Grundstücksteile vollständig erfassen. Gegebenenfalls ist das mehr als das reine Betriebsgrundstück, wenn z.B. notwendige Leitungsstrecken oder Zuwegungen, Flächen für Kräne zur Wartung, etc. vorübergehend oder dauerhaft abgesichert werden müssen. Bei der Prüfung, ob auch sämtliche erforderliche Grundstücke gesichert wurden, muss daher stets hinterfragt werden, ob außerhalb des eigenen Betriebsgrundstücks gelegene Flächen benötigt werden. Es ist erforderlich, dass die gesicherten Grundstücksflächen (in der Regel anhand eines Katasterplans) mit den Bauplänen auf Übereinstimmung abgeglichen werden. Wird erst in der Bauphase festgestellt, dass die Planung die - wenn auch nur geringfügige - <?page no="140"?> 140 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau Überbauung eines nicht gesicherten Nachbargrundstückes vorsieht, sind entweder (im Zweifel kostenintensive) Umplanungen oder schwierige Nachverhandlungen mit dem Eigentümer des Nachbargrundstücks nötig. 6.2.2 Zeitpunkt der Grundstückssicherung Die Verträge zur Absicherung der benötigten Grundflächen, insbesondere des Betriebsgrundstücks, zählen im Rahmen einer Projektentwicklung regelmäßig zu den Verträgen, die zuerst abgeschlossen werden. Das Grundstück als zentrale Voraussetzung für die Realisierung des Projekts soll zunächst gesichert werden, um dann in der Folge die Projektentwicklung voran zu treiben und beispielsweise Genehmigungs- und Finanzierungsfähigkeit des Projekts zu prüfen und herbeizuführen. In diesem Zusammenhang sind für den Projektentwickler und gegebenenfalls bereits in diesem frühen Stadium engagierte Investoren u.a. folgende zwei Aspekte zu bedenken und vertraglich umzusetzen: Der Grundstücksnutzungsvertrag muss für den Fall der Nichtrealisierung des Projekts kündbar sein. Am flexibelsten gelingt dies, wenn dem Grundstücksnutzer ein jederzeitiges, bedingungs- und entschädigungsloses Kündigungsrecht eingeräumt wird, das erst mit einem Spätesttermin, jedenfalls aber mit Baubeginn auf dem Grundstück erlischt. Wenn - beispielsweise weil der Grundstückseigentümer mit einem bedingungslosen Kündigungsrecht nicht einverstanden ist - dieses an bestimmte Voraussetzungen geknüpft wird, ist darauf zu achten, dass die Voraussetzungen klar formuliert und nachweisbar sind, um spätere Auslegungsstreitigkeiten und im schlimmsten Falle eine langfristige Bindung an einen nicht gewollten Nutzungsvertrag zu vermeiden. Üblich und aus Sicht des Grundstücksnutzers wünschenswert ist es, dass in der Projektentwicklungsphase das Nutzungsentgelt möglichst gering ist und erst mit Inbetriebnahme der Anlage und damit Generierung von Erlösen beim Grundstücksnutzer auf den vollen Betrag ansteigt. Häufig wird sich auch der Grundstückseigentümer Kündigungs- oder Rücktrittsrechte einräumen lassen, falls es nicht oder nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einer Realisierung des Projekts kommt. Aus Sicht des Kapitalgebers ist es wichtig, zu überprüfen, ob solche Kündigungsrechte des Grundstückseigentümers, welche die Projektrealisierung gefährden können, zum Zeitpunkt der Finanzierung (noch) bestehen. Gegebenenfalls muss dem Kapitalnehmer auferlegt werden, einen Nachtrag zum Nutzungsvertrag als Finanzierungs- oder Auszahlungsvoraussetzung beizubringen, in dem fortbestehende Kündigungsrechte des Grundstückseigentümers aufgehoben werden. 6.2.3 Eigentum Ist der Betreiber der EE-Anlage zugleich Grundstückseigentümer, so ist er hinreichend abgesichert und aus seiner Sicht sind keine weiteren Vereinbarungen zur Grundstücksnutzung nötig. <?page no="141"?> Volker Bock 141 Aus Sicht des Kapitalgebers ist es allerdings empfehlenswert, auch in diesem Fall die Bestellung einer beschränkten persönlichen (Eigentümer-)Dienstbarkeit 72 sowie einer Vormerkung auf Eintragung einer Dienstbarkeit zu Gunsten vom Kapitalgeber benannter Dritter zu verlangen. Die Betreiberdienstbarkeit ist aus folgendem Grund nötig: Veräußert der Betreiber/ Kapitalnehmer sein Grundstück, kann und wird er zwar mit dem neuen Eigentümer in der Regel einen Mietvertrag abschließen, der dem Kapitalnehmer die weitere Nutzung des Grundstücks ermöglicht. Er ist aber in der gleichen Situation wie ein Kapitalnehmer, der von Anfang an gemietet hat; insbesondere droht im Falle der Insolvenz des neuen Grundstückeigentümers bzw. der Zwangsversteigerung des Grundstücks eine Kündigung des Mietvertrages (vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 6.2.5.5). Eine zusätzliche dingliche Absicherung ist nötig. Grundsätzlich wäre es aus der Perspektive der Grundstückssicherung ausreichend, dass diese erst im Veräußerungsfalle bestellt wird. Aus Sicht des Kapitalgebers ist es aber nicht empfehlenswert, es bei einer bloßen Verpflichtung des Kapitalnehmers im Kreditvertrag zu belassen, dass dieser im Falle einer Veräußerung vorab eine Eigentümerdienstbarkeit bestellen muss. Denn diese Verpflichtung aus dem Kreditvertrag ist im Verkaufsfall nicht so schnell für den Kreditgeber durchsetzbar, dass er notfalls mit gerichtlicher Hilfe eine Grundbuchsicherung vor Erwerb eines Dritten erlangt. Der Kapitalgeber hat zu diesem späteren Zeitpunkt auch in faktischer Hinsicht keine Druckmittel mehr in Form ausstehender Kredittranchen gegenüber dem Kapitalnehmer, um auf diesem Wege eine Eintragung zu erzwingen. Die Eigentümerdienstbarkeit ist im Übrigen aber auch notwendig, um sicherzustellen, dass die EE-Anlage zum Scheinbestandteil wird und damit als Sicherungseigentum an den Kapitalgeber übertragbar ist 73 . Damit dieser Zweck erfüllt werden kann, muss die Dienstbarkeit bereits bei Baubeginn mindestens bewilligt und beantragt (vgl. Abschnitt 6.2.8.3) sein, so dass auch insoweit eine bloße Verpflichtung zur Bestellung einer Dienstbarkeit im Veräußerungsfalle nicht ausreicht. Aus Sicht des Kapitalgebers ist zusätzlich auch noch eine - gegenüber der Eigentümerdienstbarkeit gleich- oder vorrangige - Vormerkung auf Eintragung einer Dienstbarkeit zu Gunsten eines zu benennenden Dritten unabdingbar, um sich gegen eine Insolvenz des Kapitalnehmers abzusichern (vgl. ausführlich auch Abschnitt 6.2.10). Zusätzlich zu der dinglichen Absicherung sollte im Kreditvertrag auch schuldrechtlich vereinbart werden, dass der Kapitalnehmer verpflichtet ist, im Falle einer Veräußerung seines Grundstücks eine langfristige Nutzungsvereinbarung (Mietvertrag) mit dem Erwerber abzuschließen. 72 Zur Zulässigkeit der Eigentümerdienstbarkeit für eine Photovoltaikanlage vgl. OLG München, Beschl. v. 30.09.2011 - 34 Wx 328/ 11, DNotI-Report 2011, 172: Der Eigentümer muss sich insoweit nur darauf berufen, dass er die errichtete Anlage auch nach Veräußerung seines Grundstücks weiter benutzen möchte. 73 Wobei umstritten ist, ob eine Eigentümerdienstbarkeit zur Begründung der Scheinbestandteilseigenschaft genügt; vgl. Reymann, ZIP 2013, 605, 607 f. m.w.N.; kritisch z. B. OLG München a.a.O. (Fn. 70). <?page no="142"?> 142 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau Ist der Kapitalnehmer zugleich Grundstückseigentümer, können zudem als „klassisches“ Sicherungsmittel Grundschulden am Betriebsgrundstück bestellt werden. 6.2.4 Erbbaurecht Die sicherste dingliche Rechtsposition nach dem Grundstückseigentum ist die Innehabung eines Erbbaurechts am Grundstück. Die Bestellung eines Erbbaurechts kommt daher auch als Absicherung für das Nutzungsrecht einer EE-Anlage in Betracht. Ein Erbbaurecht hat den Vorteil, dass nicht wie beim Mietvertrag Schriftformprobleme auftreten können (vgl. hierzu Abschnitt 6.2.5.1). Ein Erbbaurecht bleibt auch im Falle der Zwangsversteigerung des Grundstücks oder einer Insolvenz des Grundstückseigentümers bestehen. Die Bestellung eines Erbbaurechts für EE-Projekte ist dennoch praktisch selten; die Kombination aus Mietvertrag und beschränkter persönlicher Dienstbarkeit ist häufig geeigneter. Das hat u.a. folgende Gründe: Wie in Abschnitt 6.2.2 dargelegt, erfolgt die Grundstückssicherung für EE-Projekte oft zu einem sehr frühen Zeitpunkt, in dem die tatsächliche Realisierung des Projekts noch nicht feststeht. Deswegen besteht der Bedarf nach möglichst flexiblen und wenig kostenintensiven Nutzungsverträgen (z.B. Mietvertrag mit Anspruch auf Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, die aber zunächst noch nicht bestellt und eingetragen wird, um Notar- und Grundbuchkosten zu sparen). Das Erbbaurecht erfordert jedoch einen notariell zu beurkundenden Erbbaurechtsvertrag und entsteht erst mit Eintragung im Grundbuch. Um Sinn und Zweck des Nutzungsvertrags - Absicherung der Nutzungsrechte am Grundstück zu einem frühen Zeitpunkt - zu erreichen, müssen bei einem Erbbaurecht also bereits Notar- und Grundbuchkosten aufgewandt werden, die im Falle eines Scheiterns des Projekts verloren wären. Es besteht die Gefahr, dass die auf Grundlage des Erbbaurechts errichtete Anlage wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts wird und nicht als bewegliche Sache zur Sicherheit an den Kapitalgeber übertragen werden kann (§ 12 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG). Zwar kann diese mögliche Rechtsfolge wie auch beim Grundstück durch Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit am Erbbaurecht vor Baubeginn der Anlage ausgeschaltet werden, doch erhöhen sich damit Komplexität und Kosten der Erbbaurechtslösung weiter. Mit der Grundstückssicherung in der frühen Projektphase will der Projektentwickler möglichst schnelle Rechtssicherheit im Hinblick auf seine Verfügungsmöglichkeit über das Grundstück haben, um dann aus einer gesicherten Position die Projektentwicklung weiter voranzubringen. Beim Abschluss eines Mietvertrages gelingt dies sofort mit Unterzeichnung (jedenfalls solange keine Zwangsversteigerung droht oder eine Insolvenz des Grundstückseigentümers eintritt). Das Erbbaurecht entsteht erst mit Eintragung im Grundbuch, d. h. nachdem der Erbbaurechtsvertrag notariell beurkundet wurde, vergeht eine - je nach Grundbuchamt - mehr oder weniger lange Zeitspanne, bis die Nutzungsrechte am Grundstück für den Projektentwickler durch Eintragung des Erbbaurechts abgesichert sind. Kommt es zu Problemen bei der Eintragung des Erbbaurechts, kann das Projekt scheitern und die in der Zwischenzeit getätigten Projektentwicklungskosten sind verloren. <?page no="143"?> Volker Bock 143 Der Inhalt einer Dienstbarkeit kann flexibler gestaltet werden als das durch das ErbbauRG in seinen Gestaltungsmöglichkeiten limitierte Erbbaurecht; bestimmte EE-Anlagen wie Photovoltaik-Aufdachanlagen können durch Erbbaurechte überhaupt nicht abgesichert werden, weil ein Erbbaurecht an einem Gebäudeteil - z.B. Dach - unzulässig ist, § 1 Abs. 3 ErbbauRG. 6.2.5 Mietverträge Überwiegend erfolgt die Grundstückssicherung für EE-Projekte nicht zuletzt aus wirtschaftlichen und teilweise steuerlichen Gründen mittels Mietverträgen und nicht auf zum Eigentum erworbenen Grundstücken 74 . Die Mietverträge werden in der Regel entsprechend dem EEG-Förderzeitraum auf 20 Jahre plus Inbetriebnahmejahr (§ 21 Abs. 2 Satz 1 EEG), gegebenenfalls mit einer oder mehreren Verlängerungsoptionen für den Mieter abgeschlossen. Maximal kann eine feste Vertragslaufzeit (einschließlich Optionen) von 30 Jahren vereinbart werden (§ 544 BGB) 75 . Veräußert der ursprüngliche Vermieter sein Grundstück in diesem Zeitraum weiter, geht der Mietvertrag grundsätzlich unverändert auf den neuen Grundstückseigentümer über, § 566 BGB. Zu langlaufenden Mietverträgen gibt es eine umfangreiche Kasuistik; verschiedenste rechtliche und wirtschaftliche Aspekte sind durch die Vertragsparteien zu bedenken. Insoweit wird auf die einschlägige mietrechtliche Literatur verwiesen. Nachfolgend werden nur die Aspekte herausgestellt, die aus Finanzierungssicht besondere Bedeutung haben. 6.2.5.1 Mietvertragliche Schriftform - Risiko der vorzeitigen Kündigung Gemäß §§ 578 Abs. 1, 550 Satz 1 BGB müssen Mietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr in schriftlicher Form geschlossen werden. Wird das nicht beachtet, ist der Mietvertrag zwar wirksam, kann aber von beiden Parteien vorzeitig gekündigt werden; ist wie üblich eine Monats- oder Jahresmiete vereinbart, beträgt die Kündigungsfrist gemäß § 580a Abs. 1 Nr. 3 BGB knapp drei Monate zum Quartalsende. Verstöße gegen das Schriftformerfordernis der §§ 578, 550 BGB können also im schlimmsten Fall dazu führen, dass dem Betreiber das Grundstück als Betriebsgrundlage entzogen wird, lange bevor sich die Anlage amortisiert hat (und das Fremdkapital zurückgeführt ist). Selbst wenn es nicht zum Äußersten kommt, macht sich der Mieter im Falle von Schriftformmängeln erpressbar, weil der Vermieter diese Situation nutzen 74 In der Praxis werden die Mietverträge häufig auch als Pachtverträge bezeichnet. Da in aller Regel nur eine Nutzung, nicht aber eine Fruchtziehung (Sonne, Wind und auf dem Grundstück erzeugte Energie sind keine Früchte im Sinne des § 99 BGB) vereinbart wird, handelt es sich meist aber um Mietverträge. 75 Bei der Bemessung der Mietzeit ist zu berücksichtigen, dass zwischen Abschluss des Mietvertrags und Inbetriebnahme der Anlage u.U. mehrere Jahre vergehen können. Denkbar ist, den Zeitraum von maximal 30 Jahren gemäß § 544 BGB erst an die Übergabe des Grundstücks für die Bauarbeiten anzuknüpfen. Bei der Formulierung entsprechender Klauseln und der Dokumentation des Mietbeginns ist dann aber im Hinblick auf das Schriftformerfordernis der §§ 578, 550 BGB höchste Akkuratesse gefordert. <?page no="144"?> 144 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau mag, um für ihn vorteilhaftere (und damit im Regelfall für den Mieter teurere) Mietvertragskonditionen nachzuverhandeln. Schriftformmängel können also ein EE-Projekt und damit auch eine hierfür ausgereichte Finanzierung ernsthaft gefährden. Sowohl Betreiber als auch Kapitalgeber müssen auf Prüfung und Ausschluss von Schriftformrisiken deshalb großen Wert legen. Die Rechtsprechung auch des Bundesgerichtshofs zur mietvertraglichen Schriftform ist seit Jahren in Fortentwicklung und oft entscheiden kleine Nuancen des Einzelfalls über die Frage, ob die Anforderungen der §§ 578, 550 BGB eingehalten wurden oder nicht. Die nachfolgenden Hinweise stellen daher nur eine erste überblicksartige Einführung in die Thematik dar 76 . Eine umfassende Darstellung würde den Rahmen dieses Werkes sprengen. Es ist empfehlenswert, die Einhaltung der mietvertraglichen Schriftform auf Grundlage der aktuellsten Rechtsprechung zum Finanzierungszeitpunkt von Experten prüfen zu lassen. 6.2.5.2 Anforderungen an die Schriftform Das Schriftformerfordernis des § 550 BGB verlangt weit mehr, als dass es über den Inhalt eines Mietvertrags schriftlich niedergelegte Dokumente gibt. Voraussetzung für die Wahrung der Schriftform ist grundsätzlich, dass die Vereinbarungen zum Mietverhältnis in einer durch beide Parteien unterzeichneten Urkunde festgehalten sind. Es kann aber auch ausreichen, wenn zwei Ausfertigungen erstellt und ausgetauscht werden, so dass jede Seite ein Exemplar mit einer, nämlich der Unterschrift der Gegenpartei, hat. Nicht ausreichend ist es jedenfalls, wenn Vereinbarungen zum Mietvertrag in gewöhnlichem Schriftwechsel (Angebotsschreiben und Annahmeschreiben) getroffen werden. Unterzeichnen Vertreter, sollte aus der Urkunde regelmäßig hervorgehen, wer exakt in welcher Funktion unterzeichnet; Unklarheiten, z.B. Unterzeichnung durch eines von mehreren GbR- oder Vorstandsmitgliedern ohne Vertretungszusatz, können eine Verletzung der §§ 578, 550 BGB sein. Die Urkunde muss alle Absprachen zwischen den Vertragsparteien enthalten. Das gilt im Grundsatz auch für unwesentliche (mietvertragliche) Nebenabreden. Mündliche Nebenabsprachen, Schriftwechsel zur Abänderung oder auch nur Konkretisierung des Mietvertrags und Sideletter (jedenfalls wenn sie nicht in hinreichender Form auf den Mietvertrag Bezug nehmen und nicht von beiden Parteien unterzeichnete Urkunden sind) sind oft „tödlich“. Exakt bezeichnet werden muss das Mietobjekt. Das kann beispielsweise durch Grundbuchbezeichnung und/ oder Beifügung von Lageplänen geschehen. Anlagen sollten dem Mietvertrag stets beigefügt und mit diesem fest verbunden werden. Eine hinreichend deutliche Bezugnahme auf nicht beigefügte Anlagen kann ausreichen. 76 Weitergehende Erläuterungen z. B. bei Lammel, in: Schmidt/ Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 550 Rn. 24 ff. <?page no="145"?> Volker Bock 145 Diese Grundsätze gelten nicht nur für den erstmaligen Abschluss des Mietvertrags sondern auch für alle späteren Änderungen. D. h. immer dann, wenn der Mietvertrag in welcher Hinsicht auch immer angepasst wird, muss dies in einem förmlichen Nachtrag geschehen. In diesem förmlichen Nachtrag müssen der Ursprungsmietvertrag und etwaige seitdem erfolgte Änderungen hinreichend klar in Bezug genommen werden. Ein Beispiel: Vereinbaren die Parteien durch Briefwechsel, dass z.B. wegen von keiner Partei zu vertretender Projektverzögerungen für einen bestimmten Zeitraum keine oder nur eine reduzierte Miete geschuldet wird, liegt bereits ein Schriftformverstoß vor. Vor diesem Hintergrund sollte der Kapitalgeber nicht nur die vorhandene mietvertragliche Dokumentation genau auf Schriftformprobleme prüfen (lassen), sondern sich im Rahmen der Finanzierungsverträge zudem vom Kapitalnehmer garantieren lassen, dass die vorgelegten mietvertraglichen Abreden vollständig sind und es insbesondere keine mündlichen Nebenabreden gibt 77 . Der Kapitalnehmer sollte verpflichtet werden, während der Betriebsdauer der Anlage bzw. der Laufzeit der Finanzierung die Schriftformerfordernisse der §§ 578, 550 BGB auch weiter einzuhalten und der Kapitalgeber sollte sich hinreichende Auskunftsrechte - ggf. auch direkt gegenüber dem Vermieter - einräumen lassen. 6.2.5.3 Heilungsklauseln zur Schriftform Üblich sind sogenannte „Heilungsklauseln“, mit denen eine Kündigung des Mietvertrags auch dann verhindert werden soll, wenn es Verstöße gegen die Schriftform der §§ 578, 550 BGB gibt. Solche Klauseln lauten beispielsweise: „Den ursprünglichen Mietvertragsparteien sind die besonderen gesetzlichen Schriftformerfordernisse der §§ 550, 126 BGB bekannt. Sie verpflichten sich hiermit gegenseitig, auf jederzeitiges Verlangen einer Partei alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis Genüge zu tun, und den Mietvertrag nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform zu kündigen. Dies gilt nicht nur für den Abschluss dieses Ursprungsvertrags, sondern auch für Nachtrags-, Änderungs- und Ergänzungsverträge und -vereinbarungen. Diese Klausel gilt nicht gegenüber Erwerbern des Grundstücks, auf die der Mietvertrag gem. § 566 BGB übergegangen ist.“ Ob solche Klauseln generell wirksam sind und damit eine Kündigung des Vermieters unter Berufung auf Schriftformverstöße ausschließen, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Jedenfalls obergerichtlich wurden solche Klauseln aber wiederholt als wirksam angesehen. Deswegen sollte das Vorhandensein solcher „Heilungsklauseln“ bzw. deren nachträgliche Vereinbarung im Rahmen eines förmlichen Nachtrags zum Mietvertrag zur Auszahlungsvoraussetzung für das Darlehen gemacht werden. Es spricht einiges dafür, dass sie im Falle von Schriftformmängeln eine Kündigung ausschließen oder zumindest erschweren können und mit Sicherheit schaden sie nicht. 77 Realistischerweise ist ein aus der Verletzung einer solchen Zusicherung resultierender Schadensersatzanspruch aber nur etwas wert, wenn und soweit der Kapitalnehmer liquide ist. <?page no="146"?> 146 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau In einer aktuellen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof 78 entschieden, dass „Heilungsklauseln“ jedenfalls aber nur im Verhältnis der ursprünglichen Vertragsparteien gelten, nicht jedoch gegenüber einem späteren Erwerber 79 . D. h., liegt ein Schriftformmangel vor, kann zwar der ursprüngliche Vermieter den Vertrag womöglich nicht kündigen, in jedem Fall aber ein späterer Käufer des Grundstücks, auf den der Mietvertrag gemäß § 566 BGB übergegangen ist. Aus Finanzierungssicht bedeutet das, dass der Abschluss eines förmlichen Nachtrags zum Mietvertrag mit einem späteren Erwerber (einschließlich „Heilungsklausel“) zur Auszahlungsvoraussetzung gemacht werden sollte, wenn es zum Finanzierungszeitpunkt bereits einen - aus dem Grundbuch ersichtlichen - Eigentümerwechsel nach Abschluss des Mietvertrags gab. Klauseln, die auch künftige Erwerber generell an die Heilungsklauseln binden sollen, dürften unwirksam sein. Eine Lösung könnte darin liegen, den aktuellen Vermieter zu verpflichten, im Falle einer Veräußerung des Grundstücks die Übernahme der „Heilungsklausel“ durch den Käufer als Vertrag zugunsten des Mieters zur Verkaufsbedingung zu machen 80 . Unproblematisch möglich sollte es auch sein, Informationspflichten des ursprünglichen Vermieters für den Fall der Veräußerung des Grundstücks aufzunehmen (z.B. Mitteilung von Name und Anschrift des Erwerbers). Je nach Sachlage kann es sich dann anbieten, dass der Mieter auf den Erwerber zugeht, um mit diesem eine Übernahmevereinbarung/ einen Nachtrag zum ursprünglichen Vertrag zu verhandeln, der eine dann auch im Verhältnis zum neuen Eigentümer wirksame „Heilungsklausel“ enthält. Faktisch will ein solcher Schritt wohl überlegt sein, um nicht beim neuen Eigentümer im Hinblick auf etwaige Schriftformprobleme „schlafende Hunde zu wecken“. 6.2.5.4 Vermieterpfandrecht und Vermietersicherheiten Gemäß §§ 578, 562 BGB steht dem Vermieter an den eingebrachten Sachen des Mieters ein Pfandrecht für seine Forderungen aus dem Mietvertrag zu. Das bedeutet u.a., dass die EE-Anlage für ausstehende Mietzahlungen haftet. Im Falle einer Schieflage des Mieters/ Kapitalnehmers kann dadurch das üblicherweise vereinbarte Sicherungseigentum des Darlehensgebers an der Anlagentechnik wirtschaftlich beeinträchtigt oder gar völlig entwertet werden. Deswegen ist es aus Finanzierungssicht unabdingbar, dass im Mietvertrag das Vermieterpfandrecht an der Anlage ausgeschlossen wird. Gegebenenfalls ist ein entsprechender Nachtrag zum Mietvertrag zur Auszahlungsvoraussetzung zu machen. 78 BGH, Urt. v. 22.01.2014 − XII ZR 68/ 10, BeckRS 2014, 03820 mit verschieden Nachweisen, auch generell zum Meinungsstand im Hinblick auf die Wirksamkeit von „Heilungsklauseln“. 79 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist in der oben angeführten Klausel eine Erstreckung auf Erwerber des Grundstücks deutlich ausgeschlossen. 80 Ob eine solche Gestaltung wirksam wäre, ist aber auch nicht sicher; allerdings spricht durchaus einiges dafür, dass ein Erwerber, der im Falle eines Grundstückskaufs auf bestimmte zu seinen Gunsten bestehende Schutzvorschriften verzichtet, hieran zumindest im Rahmen des § 242 BGB gebunden ist. Vorsorglich sollte eine entsprechende Klausel dennoch separat zur eigentlichen „Heilungsklausel“ gefasst werden, um im Falle der Unwirksamkeit der Übertragungsverpflichtung keine Gesamtnichtigkeit der „Heilungsklausel“ herbeizuführen. <?page no="147"?> Volker Bock 147 Der Vermieter wird im Gegenzug häufig andere Sicherheiten zur Absicherung seiner möglichen Forderungen aus dem Mietvertrag (Mietzins, Rückbaukosten) verlangen. Sinnvoller- und üblicherweise wird dann eine Absicherung durch Bürgschaft vereinbart. Die Notwendigkeit eines entsprechenden Avalrahmens ist bei der Strukturierung der Finanzierung zu berücksichtigen. Wird eine Sicherheit für die Mietzinszahlungen verlangt, was keineswegs stets der Fall ist, kann als Anhaltspunkt für die Höhe die im Wohnraummietrecht geltende Regelung des § 551 BGB - drei Monatsmieten - herangezogen werden. Wesentlich höher als die Absicherung der Mietzahlungen ist regelmäßig eine Rückbausicherheit, die die prognostischen Rückbaukosten der EE-Anlagen im Falle einer Beendigung des Mietvertrages abdecken soll. Wenn eine Rückbausicherheit vereinbart wird, ist es regelmäßig verhandelbar, dass durch den Mieter keine zusätzliche Sicherheit für die Mietzinszahlungen zu stellen ist oder der vereinbarte Sicherungsbetrag der Rückbaubürgschaft ohne Zuschlag auch zur Sicherung ausstehender Mietzahlungen dient. Teilweise wird von Vermietern auch akzeptiert, dass Rückbaubürgschaften über die ersten Betriebsjahre aus dem Cashflow der Anlage bis zur Nominalhöhe aufgebaut werden. 6.2.5.5 Kündigung bei Insolvenz des Grundstückseigentümers, Zwangsvollstreckung Gerät der Grundstückseigentümer in finanzielle Schieflage, droht eine Kündigung des Mietvertrags. Im Falle einer förmlichen Insolvenz kann ein Dritter, der das Grundstück vom Insolvenzverwalter erworben hat, das Mietverhältnis kündigen, § 111 InsO. Wird das Betriebsgrundstück zwangsversteigert, kann der Ersteher ebenfalls den Mietvertrag kündigen, § 57a ZVG. Gegen diese Risiken einer vorzeitigen Kündigung ist eine mietvertragliche Absicherung nicht möglich. Die Interessen des Betreibers (und des Kapitalgebers) werden nur geschützt, wenn zusätzlich zum Mietvertrag eine dingliche Absicherung (regelmäßig in Form einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit) in entsprechender Form vereinbart ist (dazu mehr unter Abschnitt 6.2.6). Vor diesem Hintergrund sollten EE- Projekte, bei denen die für das Projekt erforderlichen Grundstücke nur durch einen Mietvertrag gesichert sind, in der Regel nicht finanziert werden. Ausnahmen sind insbesondere Grundstücke der (nicht insolvenzfähigen) öffentlichen Hand. 6.2.5.6 Kündigung bei Pflichtverletzungen des Kapitalnehmers Ein Risiko für den Kapitalgeber liegt auch darin, dass der Grundstückseigentümer den Mietvertrag kündigt, weil der Kapitalnehmer Vertragsverletzungen unter dem Mietvertrag begeht, z.B. die vereinbarte Miete nicht zahlt. Dieses Risiko kann ausgeschlossen werden, indem zugunsten des Kapitalgebers ein Abwendungsund/ oder Eintrittsrecht für den Fall einer solchen Kündigung vereinbart wird. Beispielsweise könnte eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs davon abhängig gemacht werden, dass zunächst dem Kapitalgeber die Möglichkeit eingeräumt wird, anstelle des Kapitalnehmers aus- <?page no="148"?> 148 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau stehende Zahlungen zu erfüllen 81 . Alternativ oder für den Fall, dass Kündigungsgründe in der Person des Kapitalnehmers liegen (erschüttertes Vertrauen) kann auch an eine Verpflichtung des Vermieters zur Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem Kapitalgeber oder einem von diesem benannten Dritten auf Verlangen des Kapitalgebers gedacht werden. Vgl. hierzu auch die Abschnitte 6.2.10.1 und 6.2.10.2 zu Eintrittsrechten und Direktvereinbarungen. 6.2.5.7 Übliche Vergütungsmodelle Ohne dass insoweit besondere Risiken für den Kapitalgeber bestehen, seien der Vollständigkeit halber noch die üblichen Vergütungsmodelle in Mietverträgen für EE- Anlagen angesprochen. Es gibt im Wesentlichen zwei Gestaltungen am Markt: Einerseits die „klassische“ mietvertragliche Regelung mit einem festen Mietzins, der nach Monaten oder Jahren bemessen wird, gegebenenfalls noch mit einer einmaligen Sonderzahlung für die Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit. Regelmäßig wird bei diesem Modell zur Vermeidung des Inflationsrisikos für den Vermieter eine Wertsicherungsklausel vereinbart. Die andere Variante ist, dass der Mietzins in einem bestimmten Anteil der jährlich durch den Betreiber erzielten Einspeisevergütung liegt. Diese Regelung hat für den Mieter den Vorteil, dass sich die Höhe der Mietzahlungen in gewissem Maße nach den erzielten Erträgen richtet und damit seine aktuelle wirtschaftliche Situation berücksichtigt. Allerdings erfordert dieses Modell eine Offenlegung der Erlöse gegenüber dem Vermieter und eine entsprechende Abrechnung. Ob der zusätzliche Aufwand und insbesondere das Streitpotential über die Richtigkeit der Abrechnung in jedem Fall wünschenswert sind, erscheint fraglich. 6.2.6 Dienstbarkeiten Ein langjähriges Nutzungsrecht eines Betreibers muss zusätzlich zu einem Mietvertrag auch dinglich abgesichert werden. In den meisten Fällen erfolgt dies durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach § 1090 BGB 82 . Die Absicherung ist einerseits notwendig, um die Fortdauer der Nutzungsrechte auch im Falle der Insolvenz oder Zwangsvollstreckung sicherzustellen (vgl. auch Abschnitt 6.2.5.5). Zudem kann über eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit sichergestellt werden, dass die EE-Anlage nicht mit ihrer Errichtung in das Eigentum des Grundstückseigentümers fällt und somit als Scheinbestandteil/ bewegliche Sache erhalten bleibt, die als Sicherungseigentum an den Kapitalgeber übertragen werden kann (vgl. zum Eigentum an der EE-Anlage Abschnitt 6.2.8). Der Kapitalgeber braucht zudem als Absicherung für den Fall einer Insolvenz des Kapitalnehmers eigene dingliche Absicherungen, in der Regel in Form von Vormerkungen auf Eintragung einer beschränk- 81 Ob von einer solchen Möglichkeit dann Gebrauch gemacht wird, will wegen denkbarer Anfechtungsrechte eines Insolvenzverwalters im Hinblick auf solche Direktzahlungen aber in jedem Einzelfall wohl überlegt sein. 82 Umfassend zu Dienstbarkeiten am Beispiel von Photovoltaikanlagen z. B. Reymann, DNotZ 2010, 84, ZIP 2013, 605; Kappler, ZflR 2012, 264; die Ausführungen sind überwiegend auf andere EE- Anlagen entsprechend übertragbar. <?page no="149"?> Volker Bock 149 ten persönlichen Dienstbarkeit zu Gunsten eines von ihm benannten Dritten (hierzu vgl. Abschnitt 6.2.10.5). 6.2.6.1 Gestaltung als Sicherungsdienstbarkeit Die Verpflichtung zur Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zu Gunsten des Betreibers wird häufig bereits in den Mietvertrag aufgenommen. Es empfiehlt sich dann, ein Muster des Textes der zu bestellenden Dienstbarkeit als Anlage zum Mietvertrag zu nehmen. Dies einerseits zur Vermeidung späterer Diskussionen über den Inhalt der Dienstbarkeit, andererseits auch zur Vermeidung von mietvertraglichen Schriftformproblemen. Die Dienstbarkeit ist eine sog. Sicherungsdienstbarkeit. Sie ist grundsätzlich zur Absicherung der Rechte aus dem Mietvertrag vorgesehen. Im Mietvertrag sollte ausdrücklich geregelt werden, dass die Dienstbarkeit zwar grundsätzlich bei Beendigung des Mietvertrags zu löschen ist, jedoch nicht in bestimmten Konstellationen: z.B. bei einer Beendigung des Mietvertrags wegen Sonderkündigungsrechten nach §§ 57a ZVG, 111 InsO, bei allen nicht vom Mieter zu vertretenden Kündigungen oder überhaupt bei allen Kündigungen abseits der ordentlichen Kündigung. Variante 2 - Fortbestand der Dienstbarkeit bei allen nicht vom Mieter zu vertretenden Kündigungen - ist vorzugswürdig. Für den Fall der Kündigung des Mietvertrags muss eine Fortsetzung der Grundstücksnutzung auf Grundlage der Dienstbarkeit in deren Bewilligung vereinbart werden. Als Nutzungsentgelt für diesen Fall kann die zuletzt vereinbarte Miete gelten 83 . Eine andere Option ist es, die Verpflichtung zur Bestellung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit gänzlich vom Mietvertrag zu entkoppeln, indem beispielsweise die Bewilligung auf eigenständiger vertraglicher Grundlage gegen Zahlung eines einmaligen Entgelts erfolgt und die Dienstbarkeit dann fix auf 20 oder 30 Jahre bestellt wird 84 . Es handelt sich auch dann um eine Sicherungsdienstbarkeit, die entsprechende Sicherungsabrede ist in diesem Fall ausdrücklich oder konkludent im Bestellungsvertrag enthalten. Dadurch wird sicherlich das Risiko aus §§ 57a ZVG, 111 InsO deutlich herabgesetzt, in der Praxis hat sich diese Gestaltung bisher aber nicht in großem Umfang durchgesetzt. Hintergrund mag sein, dass Grundstückseigentümer gegenüber der Bestellung einer solchen isolierten Dienstbarkeit, die generell auch bei Beendigung des Mietvertrags fortbesteht, zurückhaltend sind. 6.2.6.2 Belastungsobjekt Die dingliche Sicherung muss ebenso wie die schuldrechtliche Sicherung alle benötigten Grundstücke 85 erfassen. D.h. neben einer EE-Anlagen-Dienstbarkeit am eigentlichen Betriebsgrundstück können ergänzend auch weitere Dienstbarkeiten in Form von Wegerechten oder Leitungsdienstbarkeiten für die Peripherie der EE-Anlage erforderlich sein. 83 Zur Möglichkeit, weitere Nebenabreden aus dem Mietvertrag im Rahmen der Dienstbarkeitsbestellung zu „verdinglichen“, vgl. Fedke, WM 2011, 1932, 1936 ff. 84 Kappler, ZNotP 2007, 257 schlägt insoweit einen Kauf der Dienstbarkeit vor. 85 Vgl. Kapitel 6.2.1. <?page no="150"?> 150 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau Belastungsgegenstand einer Dienstbarkeit ist immer ein Grundstück im Sinne des Grundbuchs. Es kann sein, dass aber gar nicht das gesamte Grundstück für die EE- Anlage benötigt wird. In diesem Fall sollte dennoch das gesamte Grundstück belastet werden 86 , wobei die Ausübungsstelle in der Bewilligung der Dienstbarkeit beschränkt werden sollte. Das kann entweder dadurch geschehen, dass ein Lageplan mit Ausübungsstelle der Bewilligung beigefügt wird. Aus Sicht des Kapitalgebers vorzugswürdig, weil flexibler, ist es, die Ausübungsstelle anhand der tatsächlichen Nutzung durch den Berechtigten zu bestimmen. 6.2.6.3 Inhalt der Dienstbarkeit Die Dienstbarkeit sollte den Anlagenbetreiber berechtigen, auf dem Grundstück die EE-Anlage nebst sämtlichem Zubehör 87 zu errichten, zu betreiben, zu nutzen, instand zu halten und instand zu setzen. Weiterhin sollte ein ausdrückliches Recht zum Betreten und Befahren des Grundstücks aufgenommen werden. Ausdrücklich vorzusehen ist, dass sämtliche Rechte Dritten zur Ausübung überlassen werden können. Der Grundstückseigentümer sollte ausdrücklich verpflichtet werden, dass er die Anlage auf dem Grundstück dulden muss und alles zu unterlassen hat, was deren Nutzung beeinträchtigt, insbesondere die Errichtung eigener Anlagen und Gebäude 88 . 6.2.6.4 Vorrangige Rechte Der Grundsatz ist, dass eine Dienstbarkeit zur Absicherung der langjährigen Nutzungsrechte im ersten Rang vor allen anderen Belastungen in den Abteilungen II und III des Grundbuchs eingetragen werden sollte. Für die Herstellung der Scheinbestandteilseigenschaft der Anlage ist der Rang der Dienstbarkeit hingegen irrelevant; auch eine nachrangige Dienstbarkeit reicht insoweit aus. Häufig ist ein Grundstück zum Zeitpunkt der Bestellung einer Dienstbarkeit aber bereits vorrangig belastet und der Grundstückseigentümer wird oft nicht willens und manchmal auch nicht in der Lage sein, zu Gunsten der Anlagendienstbarkeit einen Rangvorbehalt im Verhältnis zu allen prioritären Berechtigten durchzusetzen. Aus Finanzierungssicht gilt hierbei: Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit muss zwingend Vorrang vor allen Belastungen in Abteilung III des Grundbuchs (Grundschulden, Hypotheken) haben. Sonst erlischt im Falle der Zwangsversteigerung die Dienstbarkeit zu Gunsten des Anlagenbetreibers, § 52 Abs. 1 Satz 2 ZVG; da gleichzeitig der Ersteher gemäß § 57a ZVG den Mietvertrag kündigen kann, könnte dies zum Verlust sämtlicher Nutzungsrechte des Betreibers am Grundstück führen. Differenzierter betrachtet werden müssen Belastungen in Abteilung II des Grundbuchs. Hier muss stets geprüft werden, ob und inwieweit bestehende Belastungen den Ausübungsbereich der beschränkten persönlichen Anlagendienstbarkeit und damit die Nutzung der EE-Anlage einschränken. Für ein Leitungsrecht eines Abwasserzweckverbandes beispielsweise - für das ohnehin kaum ein Rangrücktritt 86 Eine Teilbelastung ist möglich, rechtlich aber komplex und fehleranfällig. 87 Das Zubehör und Nebenanlagen sollten in der Bewilligung exemplarisch konkretisiert werden. 88 Ein umfangreiches Formulierungsbeispiel findet sich bei Kappler, ZfIR 2012, 264, 272 f. <?page no="151"?> Volker Bock 151 beibringbar sein wird - wird häufig gelten, dass dieses z.B. die Errichtung einer Photovoltaikanlage auf dem Grundstück in keiner Weise beeinträchtigen wird. Mitunter können aber beispielsweise auch Baubeschränkungen mit solchen auf den ersten Blick unproblematischen vorrangigen Rechten verbunden sein, die die vorgesehene Umsetzung des EE-Projekts gefährden. Deswegen sollte stets im Einzelfall geprüft werden, ob vorrangige Rechte in Abteilung II problematisch sind oder nicht. Es ist dabei unabdingbar, den Inhalt der Bewilligung der vorrangigen Belastungen einzusehen und zu prüfen. Unproblematisch ist es, wenn eine Dienstbarkeit zunächst an rangbereiter Stelle eingetragen wird und die entsprechenden Rangrücktritte im Zuge der Projektentwicklung eingeholt werden. Die Herstellung des notwendigen Ranges muss aber Auszahlungsvoraussetzung für einen Kredit sein. 6.2.6.5 Unübertragbarkeit der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit kann grundsätzlich nicht an Dritte übertragen werden, § 1092 Abs. 1 Satz 1 BGB. Im Regelfall ist es also nicht möglich, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit z.B. von einem Projektentwickler auf eine spätere Betreibergesellschaft oder von dem ursprünglichen Betreiber auf einen Käufer der Anlage zu übertragen. Der Grundsatz der Unübertragbarkeit gilt aber nicht ausnahmslos. Eine Ausnahme besteht für Anlagen zur Energiebeförderung, § 1092 Abs. 3 BGB. Diese Ausnahmevorschrift gilt aber nicht für die Energiegewinnung und scheidet damit für EE-Anlagen aus 89 . Zudem können beschränkte persönliche Dienstbarkeiten, die einer juristischen Person oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft zustehen, bei Gesamtrechtsnachfolge (z.B. Verschmelzung oder andere Fälle des UmwG) oder unter bestimmten Voraussetzungen bei Übertragung eines Unternehmens bzw. Unternehmensteils, §§ 1092 Abs. 2, 1059a BGB an Dritte übertragen werden. Nach diesen Grundsätzen wird es häufig möglich sein, bei gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit mit zu übertragen; es dürfte auch möglich sein, ein komplettes EE-Projekt (z.B. einen Photovoltaikpark) als Unternehmensteil im Sinne des § 1059 a BGB anzusehen. Schließlich können beschränkte persönliche Dienstbarkeiten indirekt im Rahmen eines Share Deals mit übertragen werden. Denn der aus der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit Berechtigte ändert sich in diesem Fall nicht, sondern nur seine Eigentümerstruktur. Wenngleich sich an der grundsätzlichen Unübertragbarkeit der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit in allen anderen Fällen nichts ändern lässt, gibt es doch rechtliche Lösungen, mit denen sichergestellt werden kann, dass z.B. ein zum Projektentwicklungszeitpunkt noch nicht feststehender Dritter, der die EE-Anlage vom Projektentwickler erwirbt, eine Dienstbarkeit im ausreichenden Rang erhält. Hierzu muss von Anfang an neben der Projektentwicklerdienstbarkeit auch noch eine Vormerkung auf Bestellung einer weiteren inhaltsgleichen Dienstbarkeit eines vom Projektentwickler 89 Vgl. hierzu z. B. OLG München, Beschl. v. 20.11.2012 − 34 Wx 91/ 12, CuR 2013, 27. <?page no="152"?> 152 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau benannten Dritten bestellt werden. Insoweit gelten die Ausführungen zu den Vormerkungen des Kapitalgebers in Abschnitt 6.2.10.4 entsprechend. 6.2.6.6 Löschung der Dienstbarkeit Aus Sicht des Kapitalgebers muss darauf geachtet werden, dass der Grundstückseigentümer nicht ohne Mitwirkung des Anlagenbetreibers und/ oder des Kapitalgebers eine Löschung der Dienstbarkeit herbeiführen kann. Grundstückseigentümer haben natürlich ein (legitimes) Interesse daran, dass eine einmal bestellte Dienstbarkeit wieder gelöscht wird, wenn der Grund für ihre Bestellung wegfällt (z.B. Ablauf des Nutzungszeitraums oder Scheitern des Projekts noch vor Baubeginn). Eine Löschung einer Dienstbarkeit erfordert aber grundsätzlich die Bewilligung des Berechtigten, die im Streit- oder Insolvenzfall jedoch häufig nicht oder nur unter großen Mühen beschaffbar ist. Grundstückseigentümer verlangen daher häufig eine so genannte „Schubladenlöschungsbewilligung“. D.h. der Berechtigte bewilligt bereits zum Zeitpunkt der Bestellung der Dienstbarkeit deren Löschung. Die notariell beglaubigte Erklärung wird zu treuen Händen an den Grundstückseigentümer übergeben, der von ihr aber nur dann Gebrauch machen darf, wenn er einen vertraglichen Löschungsanspruch hat. Diese Gestaltung ist aus Sicht des Kapitalgebers strikt abzulehnen. Denn es kann hierbei zur Löschung einer Dienstbarkeit kommen, auch wenn sie nach den vertraglichen Vereinbarungen fortbestehen sollte. Der Grundstückseigentümer dürfte sie dann zwar nicht löschen, er kann dies aber und tut es vielleicht in - bewusster oder wegen eines Rechtsirrtums unbewusster - Verletzung der Abreden zur Bestellung der Dienstbarkeit. Ein Kompromiss kann darin liegen, dass die Löschungsbewilligung nicht an den Grundstückseigentümer, sondern an einen Notar zu treuen Händen ausgehändigt wird. Entscheidend ist dann, dass in der Treuhandvereinbarung mit dem Notar vereinbart wird, dass der Gebrauch der Löschungsbewilligung durch den Notar zumindest von einer hinreichenden Plausibilisierung der Löschungsvoraussetzungen abhängt und der Notar den Berechtigten so rechtzeitig vor Gebrauch der Löschungsbewilligung informiert, dass dieser zur Not gerichtlichen Eilrechtsschutz erlangen kann. Aus Sicht des Kapitalgebers ist es natürlich stets besser, dass eine Löschung der Dienstbarkeit nicht im Voraus, sondern erst dann bewilligt wird, wenn auch ein Anspruch auf Löschung besteht. Denn gibt es unterschiedliche Rechtsansichten über die Verpflichtung zur Löschung, werden Kapitalgeber und Anlagenbetreiber eine Löschung eben zunächst nicht bewilligen, die Dienstbarkeit bleibt bestehen und die strittigen Rechtsfragen müssen ggf. zunächst gerichtlich geklärt werden. Jedenfalls für die zugunsten des Kapitalgebers selbst bestellten Vormerkungen sollte dieser einer Schubladenlöschungsbewilligung auf keinen Fall zustimmen. Denn die Schubladenlöschungsbewilligung wird vom Grundstückseigentümer deswegen verlangt, weil er der Auffassung ist, sein Vertragspartner sei nicht derart verlässlich, als dass er sicher damit rechnen könne, eine Löschungsbewilligung zu erhalten, wenn er einen Anspruch darauf habe. Der Kapitalgeber wird im Zweifel wirtschaftlich stärker als der Kapitalnehmer sein und in der Regel auch für sich in Anspruch nehmen können, dass er zuverlässig rechtskonform agiere - also die Löschung bewillige, wenn er <?page no="153"?> Volker Bock 153 hierzu verpflichtet sei -, so dass kein Anlass für eine Schubladenlöschungsbewilligung besteht. 6.2.7 Reallasten Verpflichtungen des Grundstückseigentümers gegenüber dem Kapitalnehmer können gegebenenfalls dinglich durch Reallasten gemäß § 1105 BGB gesichert werden (z.B. Verpflichtung eines Grundstückseigentümers zur Unterhaltung des Gebäudes, auf dem eine Aufdach-Photovoltaikanlage installiert ist). 6.2.8 Eigentumserwerb des Grundstückseigentümers durch Verbindung Das deutsche Recht geht davon aus, dass das Eigentum an einem Grundstück sich auch auf sämtliche wesentlichen Bestandteile dieses Grundstücks erstreckt. Wird eine bewegliche Sache - z.B. eine EE-Anlage - so mit einem Grundstück verbunden, dass sie dessen wesentlicher Bestandteil wird, wird der Grundstückseigentümer auch Eigentümer der EE-Anlage, §§ 946, 94 BGB. Wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB. Wesentliche Bestandteile eines Gebäudes (und damit des Grundstücks) sind die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen, § 94 Abs. 2 BGB; hierzu zählen alle Teile, ohne die das Gebäude nach der Verkehrsanschauung nicht gemäß seinem Verwendungszweck als fertiggestellt anzusehen ist. Allerdings wird eine Anlage dann nicht wesentlicher Grundstücksbestandteil, wenn sie nur zu einem vorübergehenden Zweck oder in Ausübung eines Rechts mit dem Grundstück verbunden wird, § 95 Abs. 1 BGB; sie ist dann bloßer Scheinbestandteil. Eine feste Verbindung, die dazu führt, dass eine Anlage zum wesentlichen Grundstücksbestandteil wird, setzt nicht notwendig voraus, dass die Anlage untrennbar oder doch so mit dem Grundstück verbunden wird, dass sie sich ohne Zerstörung nicht wieder lösen lässt. Auch eine Verbindung durch bloße Schwerkraft kann ausreichen. Insgesamt ist die Kasuistik zu der Frage, wann ein wesentlicher Grundstücksbestandteil vorliegt oder nicht, vielfältig und teilweise widersprüchlich. Je nach Fallgestaltung lassen sich Argumente für eine Einordnung als Grundstücksbestandteil oder als bewegliche Sache finden 90 . Ohne Berücksichtigung von § 95 BGB und insbesondere ohne Dienstbarkeiten, in deren Ausübung die EE-Anlagen errichtet werden, dürfte derzeit nach den herrschenden - aber keineswegs gesicherten - Ansichten gelten (ja: wesentlicher Grundstücksbestandteil, nein: kein wesentlicher Bestandteil): Freiflächen-PV-Anlage: in der Regel ja wegen Fundamentierung; Aufdach-PV-Anlage 91 : nein; dach- oder fassadenintegrierte PV-Anlage: ja; Windkraftanlagen: Turm: ja, Generator, Rotor: nein; Biomasse, Biogas, Geothermie und vergleichbare Anlagen: eher ja, aber abhängig vom Einzelfall. 90 Zu der Frage, ob und welche Teile einer Windenergieanlage als wesentlicher Grundstücksbestandteil anzusehen sind, vgl. beispielsweise Voß/ Steinheber, ZfIR 2012, 337. 91 Umfassende Darstellung zur Rechtslage bei Aufdach-PV-Anlagen jüngst DNotI-Report 8/ 2014, 57. <?page no="154"?> 154 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau Die Rechtsunsicherheit ist aus Finanzierungssicht inakzeptabel. Es gibt jedoch tragfähige rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, um einen Eigentumserwerb des Grundstückseigentümers auszuschließen. Auf der Umsetzung dieser nachfolgend dargestellten Regelungsmöglichkeiten sollte der Kapitalgeber bestehen. 6.2.8.1 Übliche Mietvertragsklauseln zur Begründung einer Scheinbestandteilseigenschaft Um einen Eigentumsübergang an der Anlage auf den Grundstückseigentümer zu verhindern, und stattdessen die Anlage zu einem Scheinbestandteil zu machen, sind in der Praxis mietvertragliche Klauseln üblich, die im Wesentlichen folgenden Inhalt haben: Die Verbindung der Anlage mit dem Grundstück erfolgt nur zu einem vorübergehenden Zweck. Sie erfolgt in Ausübung der Rechte unter dem Mietvertrag und der bestellten beschränkten persönlichen Dienstbarkeit. Vorsorglich vereinbaren die Parteien eine (Rück-)Übertragungspflicht des Grundstückseigentümers an den Betreiber in Bezug auf die Anlage. Beispielsweise kann eine solche Klausel wie folgt lauten: „Die Parteien sind sich dabei darüber einig, dass sämtliche vom Mieter auf dem Mietgegenstand vorgenommene Einbauten, insbesondere die Anlage oder deren Teile (zusammen die „Einbauten“) nur zu einem vorübergehenden Zweck und in Ausübung der Nutzungsrechte unter diesem Mietvertrag sowie der eingeräumten Dienstbarkeit mit dem Mietgegenstand verbunden werden, die Einbauten daher sonderrechtsfähig sind und lediglich einen Scheinbestandteil des Mietgegenstands im Sinne von § 95 BGB darstellen. Für den Fall, dass aufgrund gesetzlicher Vorschriften und insbesondere im Hinblick auf eine etwaige Änderung der Rechtssprechung die Einbauten oder Teile davon als wesentlicher Bestandteil des Mietgegenstands angesehen werden sollten, verzichtet der Vermieter auf sämtliche Ansprüche aus einer etwaigen rechtlichen Verbindung der Einbauten mit dem Mietgegenstand im Sinne des § 946 BGB. Die Parteien werden an sämtlichen Handlungen mitwirken, um in diesem Fall die Scheinbestandsteileigenschaft und Sonderrechtsfähigkeit wieder herzustellen und die Einbauten erforderlichenfalls unentgeltlich an den Mieter oder an einen vom Mieter benannten Dritten (zurück) zu übereignen.“ Die Vereinbarung entsprechender Klauseln sollte vom Kapitalgeber zur Auszahlungsvoraussetzung gemacht werden 92 . 6.2.8.2 Scheinbestandteil: Verbindung zu vorübergehendem Zweck Generell und auch ohne dass dies vertraglich vereinbart wäre, gilt im Übrigen: Erfolgt die Verbindung der Anlage mit dem Grundstück nur zu einem vorübergehenden Zweck, wird sie nicht wesentlicher Grundstücksbestandteil, § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB. 92 Angesichts der standardmäßigen Verwendung im EE-Projektgeschäft dürfte es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB handeln. Ob die Klauseln bei einer Überprüfung anhand von §§ 307 ff. BGB von der Rechtsprechung als wirksam angesehen würden, ist derzeit offen. Jedenfalls in Kombination mit der Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit dürfte der gewünschte Zweck - Begründung einer Scheinbestandteilseigenschaft der Anlage - allerdings so rechtssicher wie möglich erreicht werden. <?page no="155"?> Volker Bock 155 Im Grundsatz spricht eine Vermutung dafür, dass die in Ausübung eines Mietvertrags errichteten Bauwerke und Anlagen nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück verbunden werden und nicht dauerhaft dem Grundstückseigentümer zufallen sollen. Hiervon gibt es für den Bereich der EE-Projekte aber wichtige Ausnahmen: So ist auch eine unter einem Mietvertrag errichtete Anlage kein Scheinbestandteil, wenn dem Grundstückseigentümer bei Beendigung des Mietvertrags die Anlage zufallen soll oder ihm auch nur ein Übernahmerecht hinsichtlich der Anlage zusteht, etwa indem er bei Beendigung des Mietvertrags ein Wahlrecht hat, ob er einen Rückbau fordert oder die Anlage - gegebenenfalls gegen Zahlung - übernimmt. Diese an sich pragmatische Vertragsklausel kann sich im Hinblick auf die Eigentumslage an der Anlage für Betreiber und Kapitalgeber fatal auswirken. Basierend auf einer Rechtsprechung des Reichsgerichts wird vertreten, dass eine Verbindung zu einem vorübergehenden Zweck auch dann ausscheidet, wenn die Lebensdauer der Anlage nicht länger ist als die vereinbarte Dauer des Nutzungsrechts 93 . Es gibt gewichtige Argumente gegen die Übertragung dieser Rechtsprechung auf EE- Anlagen, doch bis zur höchstrichterlichen Klärung dieser Frage verbleibt ein Risiko, dass eine aufgrund eines Mietvertrags auf einem fremden Grundstück errichtete EE- Anlage zum wesentlichen Grundstücksbestandteil wird, wenn sie vor Ablauf des Nutzungszeitraums „verbraucht“ ist. 6.2.8.3 Scheinbestandteil: Verbindung in Ausübung eines Rechts Angesichts der sonst bestehenden Rechtsunsicherheiten bleibt als „Königsweg“ im Rahmen der Finanzierung nur die Absicherung der Eigentümerstellung des Kapitalnehmers über eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB wird eine Anlage, die in Ausübung eines Rechts mit einem Grundstück verbunden wird, kein wesentlicher Grundstücksbestandteil. Als Recht in diesem Sinne zählt nur ein dingliches Recht, z.B. eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit. Auch diese Vorgehensweise kann aber ihre Tücken haben. Denn die Frage ist, welche zeitliche Abfolge zwischen Bestellung der Dienstbarkeit, Eintragung derselben und Errichtung der Anlage bestehen muss, damit die Anlage gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Scheinbestandteil wird. Unumstritten ist, dass eine Anlage Scheinbestandteil wird, wenn mit ihrem Bau begonnen wird, nachdem die beschränkte persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen wurde. Überwiegend als ausreichend angesehen wird es auch, wenn die Dienstbarkeit bei Baubeginn bereits bestellt (d. h. notariell beglaubigt) und ein Eintragungsantrag beim Grundbuchamt gestellt wurde (d. h. schon ein Anwartschaftsrecht zu Gunsten des Betreibers entstanden ist). Wieder andere sind der Auffassung, es reiche schon aus, dass die Bestellung der Dienstbarkeit bei Baubeginn erfolgt sei, ohne dass ein Eintragungsantrag gestellt wurde. Schließlich wird vertreten, dass es bereits ausreiche, dass die Bestellung einer Dienstbarkeit bereits in Aussicht genommen worden sei. Einig sind wiederum alle darin, dass eine Scheinbestandteilseigenschaft nur dann vorliegen 93 Nachweise zum Meinungsstand beispielsweise bei Kappler, ZfIR, 2012, 264, 267f., dort Fn. 46 und 48. <?page no="156"?> 156 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau kann, wenn die Dienstbarkeit zu einem späteren Zeitpunkt auch tatsächlich eingetragen wird 94 . Die Frage ist, welche Fallgestaltung aus Sicht des Kapitalgebers eine hinreichende Absicherung darstellt. Der sicherste und damit aus Sicht des Kapitalgebers prinzipiell vorzugswürdige Weg - Abwarten der Eintragung der Dienstbarkeit im Grundbuch vor Baubeginn - wird sich häufig praktisch nur schwer realisieren lassen. Denn je nach zuständigem Grundbuchamt können bis zur Eintragung der Dienstbarkeit erhebliche Bearbeitungszeiten vergehen und es würde einen erheblichen Projektstillstand bedeuten, wenn man den Baubeginn um Monate verschöbe, nur um die Eintragung abzuwarten. Zumindest auf der zweitsichersten Variante, die sich auch im Rahmen eines straffen Projektrealisierungszeitplanes umsetzen lassen muss, sollte der Kapitalgeber aber bestehen: Bevor der Baubeginn erfolgt, muss die Dienstbarkeit bewilligt und ihre Eintragung beim Grundbuchamt beantragt sein. 6.2.8.4 Nachträgliche Begründung der Scheinbestandteilseigenschaft Diskutiert wird auch, ob nachträglich durch bloße rechtsgeschäftliche Vereinbarung eine Scheinbestandteilseigenschaft begründet werden kann. D. h. Grundstückseigentümer und Anlagenbetreiber erklären z.B. im Hinblick auf die bereits errichtete Anlage, dass diese nunmehr Scheinbestandteil sein solle und an den Betreiber übereignet werde. In einer vielbeachteten und viel diskutierten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof jedenfalls festgehalten, dass bereits in einem Grundstück verlegte öffentliche Versorgungsleitungen durch bloße Einigung zwischen Grundstückseigentümer und Erwerber auf diesen übertragen und zu Scheinbestandteilen gemacht werden können 95 . Ungeklärt ist bisher, ob es sich um eine verallgemeinerungsfähige Entscheidung handelt, die auch die Übertragung von und die Begründung der Scheinbestandteilseigenschaft an EE-Anlagen nach deren Errichtung ermöglicht oder ob die Entscheidung des Bundesgerichtshofs nur für den eng begrenzten Sonderfall der öffentlichen Versorgungsleitungen gilt. Die überwiegende Meinung scheint dahin zu tendieren, dass es sich um eine über den Einzelfall hinausgehende Entscheidung handelt, die auch für bereits errichtete EE-Anlagen gilt. Bis zur weiteren höchstrichterlichen Klärung verbleibt dennoch eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Aus Sicht des Kapitalgebers kann eine nachträgliche Begründung der Scheinbestandteilseigenschaft auf Grundlage der BGH-Rechtsprechung damit nur eine Notlösung sein, etwa wenn mit der Errichtung der EE-Anlage bereits begonnen wurde und die Befürchtung besteht, dass die Anlage schon zum wesentlichen Grundstücksbestandteil geworden ist. Dann bietet eine solche nachträgliche Übereignung zumindest noch eine letzte Chance darauf, die gewünschte Eigentumslage doch noch herzustellen. 94 Eine Übersicht zum Meinungsstand findet sich beispielsweise bei Stresemann, in: Münchner Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 95 Rn. 33 f. 95 BGH, Urt. v. 02.12.2005 − V ZR 35/ 05, ZfIR 2006, 762. <?page no="157"?> Volker Bock 157 Wenn der Nutzungsvertrag noch keine Verpflichtung des Eigentümers zur Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit vorsieht, sollte dies bei dieser Gelegenheit vereinbart und anschließend die beschränkte persönliche Dienstbarkeit eingetragen werden. Denn wenn anlässlich einer nachträglichen Übereignung der EE-Anlage der prospektive Neueigentümer zumindest über die beschränkte persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch publik gemacht wird, lassen sich damit zumindest einige der Bedenken, die gegen eine Übertragung der BGH-Rechtsprechung zu öffentlichen Versorgungsleitungen auf den privaten Bereich vorgebracht werden, ausräumen. Ein Problem lässt sich durch eine nachträgliche Begründung einer Scheinbestandteilseigenschaft - wenn diese denn möglich ist - aber wohl nicht beheben: die wesentlichen Bestandteile und auch das Zubehör eines Grundstücks fallen in den Haftungsverbund von an dem Grundstück bestellten Grundpfandrechten. Für Scheinbestandteile gilt dies nicht, d.h. sie geraten nicht zusammen mit dem Grundstück in die Zwangsversteigerung. Das gilt allerdings nur dann, wenn entweder die Scheinbestandteilseigenschaft bereits bei Verbindung der EE-Anlage mit dem Grundstück oder jedenfalls vor Eintragung des Grundpfandrechts begründet war. 6.2.9 Widerruf von Grundstücksverträgen mit Verbrauchern Ein Sonderproblem kann sich ergeben, wenn Grundstücksnutzungsverträge mit Verbrauchern abgeschlossen werden. Das ist denkbar, wenn Grundstückseigentümer beispielsweise Landwirte sind. Selbst wenn diese einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhalten, können sie im Hinblick auf die Vermietung von Grundbesitz als Verbraucher im Sinne von § 13 BGB einzuordnen sein. Erfolgt die Anbahnung des Mietvertrags in den Privaträumen des Verbrauchers, z.B. weil der Projektentwickler den Verbraucher zum Zweck der Flächenakquise aufsucht (oder ihn zuhause anruft), kann sich eine sogenannte Haustürsituation gemäß § 312 BGB ergeben. Enthält der abgeschlossene Vertrag keine Widerrufsbelehrung, kann der Verbraucher den Vertrag bis zu sechs Monate nach Vertragsschluss widerrufen, § 355 Abs. 4 BGB. Wenn Grundstücksnutzungsverträge in einer Haustürsituation gemäß § 312 BGB abgeschlossen sein könnten, sollte die Finanzierung daher vom Ablauf der Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 4 BGB abhängig gemacht werden oder ein Vertragsnachtrag mit ausreichender Widerrufsbelehrung veranlasst werden; anschließend läuft dann noch eine 14-tägige Widerrufsfrist. 6.2.10 Eintrittsrechte und Vormerkungen für den Kapitalgeber Die vorstehenden Ausführungen zum Grundstücksrecht betrafen im Wesentlichen Aspekte, die der Kapitalgeber überprüfen muss, um sicherzustellen, dass für den Betreiber aus dessen Verhältnis zu Dritten keine Projektrisiken drohen. All diese Aspekte sollte aber ein Projektentwickler oder Kapitalnehmer auch schon aus eigenem Interesse beachten. Die Sicherungsinteressen des Kapitalgebers gehen aber noch weiter. Er muss sich vor allem auch gegen Vertragsstörungen im Verhältnis zu seinem Kapitalnehmer absichern, bis hin zu dessen Insolvenz. <?page no="158"?> 158 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau Üblicherweise werden diese Risiken dadurch begrenzt, dass dem Kapitalgeber Eintrittsrechte in die wesentlichen Projektverträge eingeräumt werden oder dieser mit den Vertragspartnern des Kapitalnehmers für die wesentlichen Projektverträge Direktvereinbarungen abschließt. In grundstücksrechtlicher Hinsicht werden zugunsten des Kapitalgebers eigene beschränkte persönliche Dienstbarkeiten oder Vormerkungen auf deren Bestellung eingetragen. 6.2.10.1 Eintrittsrechte Es ist üblich und empfehlenswert, dass in den wesentlichen Projektverträgen ein Eintrittsrecht für den Kapitalgeber oder einen durch ihn benannten Dritten vereinbart wird. Durch einseitige Erklärung des Kapitalgebers gegenüber dem Vertragspartner des Kapitalnehmers kann dieser (oder ein benannter Dritter) anstelle des Kapitalnehmers in den Projektvertrag eintreten. Um Streitigkeiten mit dem Dritten (z.B. Vermieter) über die Wirksamkeit des Eintritts des Kapitalgebers oder des Dritten zu vermeiden, sollte das Eintrittsrecht lediglich von einer Erklärung des Kapitalgebers, nicht aber von irgendwelchen materiellen Voraussetzungen (z.B. nachgewiesene Pflichtverletzungen des Kapitalnehmers) abhängen. Im Innenverhältnis zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer, d.h. im Regelfall im Kreditvertrag, ist die Ausübung eines Eintrittsrechts aber nur dann gestattet, wenn eine schwerwiegende Vertragsstörung vorliegt, die den Kapitalgeber zur Kündigung des Kreditvertrags berechtigt; z.B. Zahlungsverzug oder Vermögensverschlechterung 96 . Es ist empfehlenswert, den praktischen Nutzen von Eintrittsrechten dadurch sicherzustellen, dass der Kapitalnehmer fortlaufend Informationspflichten im Hinblick auf die wesentlichen Projektverträge hat und auch fortlaufend aktualisierte Unterlagen zum Vertragsverhältnis an den Kapitalgeber übergeben muss. Denn im Eintrittsfall werden Unterlagen zum Vertragsverhältnis häufig nur noch schwer vom Kapitalnehmer erhältlich sein, selbst wenn dieser vertraglich zur Übergabe von Unterlagen verpflichtet ist. Insbesondere im Falle einer Insolvenz ist nicht damit zu rechnen, dass der Insolvenzverwalter Anfragen zu Vertragsunterlagen schnell oder auch nur überhaupt beantwortet. 6.2.10.2 Direktvereinbarungen Einen Schritt weiter als bloße Eintrittsrechte in bestehende Verträge gehen sogenannte Direktvereinbarungen. Diese Direktvereinbarungen werden entweder als zweiseitiger Vertrag zwischen Kapitalgeber und Vertragspartner des Kapitalnehmers oder als dreiseitige Vereinbarung zwischen Kapitalgeber, Kapitalnehmer und Vertragspartner abgeschlossen. Zentraler Bestandteil solcher Direktvereinbarungen ist wiederum ein Eintrittsrecht (vgl. Abschnitt 6.2.10.1). Zudem sehen solche Direktvereinbarungen häufig unmittelbare Informationsrechte des Kapitalgebers gegenüber dem Vertragspartner des Kapitalnehmers vor. Weitere Regelungstatbestände sind denkbar 97 . 96 Unmittelbar an einen Insolvenzantrag oder eine Insolvenzeröffnung anknüpfende Bestimmungen sind dabei problematisch, da sie gegen §§ 119, 103 InsO verstoßen und damit unwirksam sein könnten; vgl. generell zu Lösungsklauseln in der Insolvenz Jacoby, ZIP 2014, 649. 97 Zu Direktvereinbarungen mit EPC-Auftragnehmern vgl. z. B. Minuth/ Stiller, NZBau 2009, 574. <?page no="159"?> Volker Bock 159 6.2.10.3 Dingliche Absicherung des Kapitalgebers Die Notwendigkeit einer dinglichen Absicherung des Anlagenbetreibers und mögliche Gestaltungen wurden bereits in den Abschnitten 6.2.6 und 6.2.7 dargestellt. Wie dort bereits angeklungen ist: Nicht nur der Anlagenbetreiber, sondern auch der Kapitalgeber muss dinglich abgesichert sein. Er muss das Projekt so gestalten, dass er es im Falle eines Scheiterns der Projektfinanzierung selbst übernehmen bzw. - das ist der Regelfall in der Praxis - auf einen Dritten übertragen kann, der Projekt und Finanzierung fortführt. Das gelingt nur dann sicher, wenn auch zugunsten des von der Bank zu benennende Dritten eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit besteht bzw. rechtssicher begründet werden kann. Während das Ziel - dingliche Absicherung späterer Betreiber - klar ist, sind bestimmte Details der rechtlichen Umsetzung bis heute umstritten 98 . 6.2.10.4 Originäre Dienstbarkeit zugunsten des Kapitalgebers Eine mögliche Lösung kann darin liegen, dass zusammen mit der Dienstbarkeit für den Anlagenbetreiber auch gleich eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit für den Kapitalgeber bestellt wird. Diese sollte Gleichrang 99 mit der Dienstbarkeit des Anlagenbetreibers haben. Da der Kapitalgeber in aller Regel die Rechte aus der Dienstbarkeit aber nicht selbst ausüben und sich damit zum Betreiber einer EE-Anlage aufschwingen möchte, ist es nötig, dass gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB in der Bewilligung der Dienstbarkeit geregelt wird, dass der Kapitalgeber die Ausübung der Dienstbarkeit Dritten überlassen kann. Diese Regelung einer originären Dienstbarkeit für den Kapitalgeber hat den Vorteil, dass sie anders als die nachfolgend dargestellte Vormerkungslösung keinerlei sachenrechtliche Zulässigkeitsfragen aufwirft und damit absolut rechtssicher ist. Sie ist aber unflexibel. Denn eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit kann grundsätzlich nicht an Dritte übertragen werden, § 1092 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. bereits Abschnitt 6.2.6.5). Im Innenverhältnis kann die Ausübung der Dienstbarkeit zwar Dritten überlassen werden. Diese haben dann aber keine eigene dingliche Rechtsposition gegenüber dem Grundstückseigentümer. Im Verhältnis zu einem neuen Anlagenbetreiber muss diese Gestaltung für den Kapitalgeber nicht einmal schlecht sein, weil er auf diesem Wege eine wichtige Sicherheit zurückbehält und der neue Betreiber - der in der Regel auch der neue Kapitalnehmer sein wird - in einem zentralen Punkt auf den Kapitalgeber angewiesen bleibt. Anders dürfte dies aber beispielsweise sein, wenn der ursprüngliche Kapitalgeber im Wege einer Umfinanzierung aus der Projektfinanzierung ausscheiden möchte, das Projekt aus seinen Büchern haben möchte, aber das bestehende dingliche Nutzungsrecht treuhänderisch für den neuen Kapitalgeber aufrechterhalten muss. 98 Umfassende Darstellungen, teilweise mit Formulierungsvorschlägen finden sich beispielsweise bei Kappler, ZflR 2012, 264; Keller, ZflR 2011, 705; Reymann DNotZ 2010, 84; ZIP 2013, 605. Die Ausführungen der Autoren beziehen sich überwiegend auf Photovoltaik-Dienstbarkeiten, lassen sich aber auf andere EE-Anlagendienstbarkeiten entsprechend übertragen. 99 Der Kapitalgeber sollte mit dem Kapitalnehmer eine schuldrechtliche Vereinbarung, z. B. im Kreditvertrag, treffen, dass bei Projektübernahme durch den Kapitalgeber dessen Dienstbarkeit Vorrang hat; vgl. auch Kappler, a.a.O., dort Fn. 85. <?page no="160"?> 160 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau Aus Sicht des Kapitalgebers ist bei dieser Lösung zudem zu bedenken, dass ihn ggf. - abhängig von den getroffenen Vereinbarungen in der Bewilligung der Dienstbarkeit - gegenüber dem Grundstückseigentümer auch Pflichten treffen können, z.B. zur Zahlung eines Nutzungsentgelts. Üblicherweise wird der Kapitalgeber solche Belastungen natürlich schuldrechtlich im Falle einer Überlassung der Ausübung der Dienstbarkeit auf den Ausübenden übertragen. Solange es keine Ausübungsvereinbarung gibt oder der Ausübende die Pflichten nicht erfüllen kann, verbleiben diese Pflichten jedoch beim Kapitalgeber. Angesichts dieser Nachteile hat sich in der Praxis vor allem bei größeren und komplexeren Projekten die sog. Vormerkungslösung durchgesetzt, die nachfolgend dargestellt wird. Auch eine originäre Dienstbarkeit kann aber je nach Projekt eine passende und ausreichende Lösung sein oder eine Vormerkungslösung flankieren 100 . 6.2.10.5 Vormerkung auf Eintragung von Dienstbarkeiten Aufgrund der grundsätzlichen Unübertragbarkeit der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (vgl. Abschnitt 6.2.6.5) wird in der Praxis häufig folgender Weg gewählt, um eigenständige Dienstbarkeiten für spätere Anlagenbetreiber und/ oder Kapitalgeber zu ermöglichen: Schuldrechtlich wird zwischen Grundstückseigentümer und Mieter im Wege eines echten oder unechten Vertrags zugunsten Dritter 101 vereinbart, dass der Grundstückseigentümer auf Verlangen des Versprechensempfängers (Dritter) weitere, mit der ursprünglichen Anlagendienstbarkeit inhaltsgleiche, Dienstbarkeiten zu Gunsten noch zu benennender Dritter bestellen muss. Als Versprechensempfänger kommen einerseits der Kapitalgeber in Betracht (der dann Ersatzbetreiber oder andere Kapitalgeber benennen könnte) und/ oder der ursprüngliche Anlagenbetreiber selbst (um für sich eine Übertragbarkeit des Projekts, z.B. nach Rückführung der Finanzierung, auf Dritte offen zu halten). Häufig gibt es solche Versprechen für beide und damit auch (mindestens) zwei Vormerkungen. Das vertraglich vereinbarte Recht, eine Bestellung einer Dienstbarkeit zugunsten eines noch zu benennenden Dritten zu verlangen, kann im Grundbuch durch eine Vormerkung gemäß § 883 BGB gesichert werden. Eine später auf Grundlage der Vormerkung eingetragene Dienstbarkeit hat den gleichen Rang wie die Vormerkung, so dass sich Zwischenverfügungen - etwa Bestellung von Grundpfandrechten am Grundstück - nicht zu Lasten des Kapitalgebers auswirken. Für den Kapitalgeber ist es wichtig, dass die für ihn oder den von ihm benannten Dritten eingetragene Dienstbarkeit in ihrer Ausübung nicht durch die Dienstbarkeit des ursprünglichen Anlagenbetreibers eingeschränkt wird. Deswegen sollte die Vormerkung zugunsten des Kapitalgebers entweder im Vorrang, mindestens aber im Gleichrang zu der Dienstbarkeit des ursprünglichen Anlagenbetreibers eingetragen werden. 100 Tatsächlich findet sich eine Kombination von Kapitalgeber-Dienstbarkeit und Vormerkung auf Bestellung einer weiteren Dienstbarkeit für einen vom Kapitalgeber zu benennenden Dritten in der Praxis durchaus häufig. 101 Je nachdem, ob der Dritte seinen Anspruch auf Bestellung einer Dienstbarkeit selbst - dann echter Vertrag zugunsten Dritter - durchsetzen können soll oder ob die Durchsetzung in der Hand des Versprechensempfängers verbleiben soll - dann unechter Vertrag zugunsten Dritter. Letztere Lösung ist aus Sicht des Kapitalgebers vorzugswürdig. <?page no="161"?> Volker Bock 161 Wird Gleichrang gewählt, gilt gemäß § 1024 BGB, dass beide Berechtigte die Nutzungsrechte der anderen Seite im Rahmen der Ausübung der eigenen Dienstbarkeit angemessen beachten sollen. Tatsächlich ist das sinnvoll bei zwei jeweils auf die ausschließliche Nutzung des Betriebsgrundstücks gerichteten Dienstbarkeiten nur schwer möglich. Deswegen ist es aus Sicht des Kapitalgebers unabdingbar, dass mit dem Kapitalnehmer eine Vereinbarung im Kreditvertrag getroffen wird, wonach bei einer Projektübernahme durch den Kapitalgeber das Nutzungsrecht des Kapitalnehmers im Rahmen des § 1024 BGB zurücktritt. Kappler 102 schlägt hierzu folgenden, recht eleganten, Weg vor: Eintragung von Vormerkung und Dienstbarkeit im Gleichrang, aber automatisches Erlöschen (rechtstechnisch: auflösende Bedingung) der Dienstbarkeiten/ Vormerkungen des ursprünglichen Anlagenbetreibers bei Eintragung einer Dienstbarkeit auf Grundlage der Vormerkung des Kapitalgebers. Die am meisten diskutierte Frage, die sich im Zusammenhang mit der Vormerkungslösung stellt, ist, ob für jede spätere Bestellung einer Dienstbarkeit eine separate Vormerkung eingetragen werden muss oder nicht. Denn über den Lebenszyklus einer EE- Anlage kann es durchaus wiederholt zum Betreiberund/ oder Kapitalgeberwechsel kommen. Der vorausschauende Kapitalgeber wird die Vormerkungslösung daher so gestalten wollen, dass er wiederholt Dienstbarkeiten zugunsten von ihm benannter Dritter eintragen lassen kann. Eine Ansicht ist der Auffassung, es bedürfe nur einer einzigen Vormerkung, aufgrund derer beliebig viele Dienstbarkeiten bestellt werden könnten. Voraussetzung sei nur, dass unter dem schuldrechtlichen Vertrag zu Gunsten Dritter eine beliebige Anzahl von Dienstbarkeiten gefordert werden könne. Denn der Inhalt der Vormerkung richte sich nach dem schuldrechtlichen Grundgeschäft, das sie sichere. Da der schuldrechtliche Anspruch des Kapitalgebers zudem auch abtretbar ist 103 - mit der Folge des gleichzeitigen Übergangs der Vormerkung - stellt sich die Vormerkungslösung auf Grundlage dieser (überzeugenden) Auffassung als extrem flexible Gestaltungsmöglichkeit dar, mit der auch komplexe Projektsituationen einschließlich von (ggf. sogar wiederholten) Restrukturierungen sauber abgearbeitet werden können 104 . Nach anderer Auffassung 105 soll allerdings eine Vormerkung durch einmalige Ausnutzung „verbraucht“ sein, so dass für jede später zu bestellende Dienstbarkeit von vornherein auch eine Vormerkung eingetragen sein müsse. Als Variante wird teilweise vertreten: Werde die zunächst aufgrund der Vormerkung eingetragene Dienstbarkeit wieder gelöscht, sei die an sich verbrauchte Vormerkung wieder „aufgeladen“ und könne erneut verwendet werden - allerdings nur für die Eintragung von Dienstbarkeiten im besten zum Zeitpunkt der „Aufladung“ freien Rang. Das ist aus Sicht des Kapitalgebers keine taugliche Option, da zwischenzeitlich andere Belastungen eingetragen worden sein können, die Bestand oder Durchsetzbarkeit der neu eingetragenen Dienstbar- 102 ZflR 2012, 264. 103 z. B. an einen anderen Kapitalgeber. 104 Vgl. zu dieser Auffassung Keller, ZfIR 2011, 705, 707 f.; OLG München, ZfIR 2011, 732. 105 Reymann, ZIP 2013, 605. <?page no="162"?> 162 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau keit gefährden. Folgt man dieser Auffassung, müsste der Kapitalgeber vorsorglich eine Vielzahl von Vormerkungen eintragen lassen. Höchstrichterlich ist die Frage, ob mehrere Dienstbarkeiten auf Grundlage einer Vormerkung eingetragen werden können oder es mehrerer Vormerkungen bedarf, noch nicht entschieden. Die Tendenz in der Rechtsprechung und die überwiegende Literaturmeinung gehen dahin, dass eine einzige Vormerkung ausreichend ist. Wer auf Nummer sicher gehen will, entscheidet sich bis zu einer höchstrichterlichen Klärung dafür, vorsorglich mehrere Vormerkungen eintragen zu lassen. Zu beachten ist, dass der Anspruch auf Bestellung einer Dienstbarkeit innerhalb von 10 Jahren, gerechnet ab dem Abschluss der Vereinbarung mit dem Grundstückseigentümer, verjährt. Der Kapitalgeber muss die Vormerkung vor Verjährungseintritt ausnutzen und eine Dienstbarkeit im Grundbuch eintragen lassen. Eine längere Verjährungsfrist von bis zu 30 Jahren kann vertraglich vereinbart werden. 6.2.11 Besonderheiten bei Verträgen mit der öffentlichen Hand Werden EE-Projekte auf Grundstücken der öffentlichen Hand (vor allem Gebietskörperschaften) realisiert, ist eine Bestellung dinglicher Rechte häufig praktisch nicht möglich, weil die öffentliche Hand sich weigert, Dienstbarkeiten zu bestellen. Die Argumentation ist dabei in der Regel wie folgt: Da die öffentliche Hand nicht insolvenzfähig sei, gewähre ein schuldrechtlicher Vertrag (z.B. Mietvertrag) einen ausreichenden Schutz des Grundstücksnutzers. Die Aussage ist teilweise richtig, lässt jedoch andere wichtige Funktionen der Dienstbarkeitsbestellung im Rahmen der Realisierung von EE-Projekten auf fremdem Grund und Boden außer Betracht. Zunächst stimmt es, dass die öffentliche Hand nicht insolvenzfähig ist. Damit droht auch keine Sonderkündigung des Mietvertrags nach § 111 InsO. Allerdings kann gegen die öffentliche Hand durchaus die Zwangsvollstreckung betrieben werden, u.a. auch im Wege einer Zwangsvollstreckung in Grundstücke. Theoretisch könnte damit durchaus ein Fall des § 57 a ZVG auftreten, in dem ein Ersteher des Grundstücks aus der Zwangsversteigerung den Mietvertrag kündigt. Praktisch ist das derzeit unrealistisch. Dass sich die Dinge im mittelfristigen Nutzungshorizont für EE-Anlagen aber nicht ändern und es im Laufe der kommenden 20 Jahre auch einmal zu einer Zwangsvollstreckung gegen eine klamme Kommune kommt, kann nicht ausgeschlossen werden. Zudem besteht ein Sicherungsbedürfnis für Kapitalgeber und Betreiber für den Fall, dass das Grundstück in der Zukunft an private Dritte verkauft wird. Die größere Problematik bei fehlender Dienstbarkeitsbestellung liegt aber darin, dass ohne Eintragung einer Dienstbarkeit nicht rechtssicher sichergestellt werden kann, dass die EE-Anlage nur ein Scheinbestandteil des Grundstücks der öffentlichen Hand ist (vgl. Abschnitt 6.2.8.3). Damit wird die Verkehrsfähigkeit der EE-Anlage als bewegliche Sache und damit mögliches Sicherungseigentum zur Absicherung ausgereichter Kapitalmittel eingeschränkt. Vor diesem Hintergrund und mit diesem Argument sollte aus Sicht des Kapitalgebers auch in Verhandlungen mit öffentlichen Grundstückseigentümern versucht werden, die Eintragung einer Dienstbarkeit zu erreichen. Ist das nicht durchsetzbar, sollte zumindest vereinbart werden, dass (i) vorsorglich eine Übereignung der EE-Anlage an den Betreiber vereinbart wird (vgl. Abschnitt 6.2.8.4) <?page no="163"?> Volker Bock 163 und (ii) der öffentliche Vermieter im Falle einer Veräußerung des Betriebsgrundstücks verpflichtet ist, eine Dienstbarkeit zugunsten des Nutzers nachträglich zu bestellen. Ob das im Hinblick auf die Eigentumssituation hilft, ist zwar offen (vgl. wiederum Abschnitt 6.2.8.4). Jedenfalls bestünde dann gegenüber einem ggf. privaten - und damit insolvenzfähigen - Erwerber eine hinreichende dingliche Absicherung auch für den Fall wirtschaftlicher Probleme des Erwerbers. 6.2.12 Besonderheiten bei Offshore-Windanlagen Bei der Grundstückssicherung im Rahmen von Offshore-Windanlagen ergeben sich verschiedene rechtliche Besonderheiten. Diese folgen primär aus der komplexen und nicht einheitlich beantworteten Frage danach, ob Offshore-Windanlagen bzw. der darunterliegende Meeresboden überhaupt deutschem Recht und insbesondere deutschem Sachenrecht unterliegen. Unterscheiden muss man nach dem Aufstellort der Anlage: Küstenmeer oder ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ). Im Küstenmeer 106 gilt ganz normal deutsches Recht. Davon zu unterscheiden ist die sich anschließende AWZ, welche der betreffende Küstenstaat bis zu einer Breite von 200 Seemeilen von den Basislinien aus festsetzen kann. Bei der AWZ handelt es sich gebietsrechtlich um „Niemandsland“, jedoch kann der jeweilige Küstenstaat hier funktional begrenzt Hoheitsrechte ausüben 107 . 6.2.12.1 Besonderheiten innerhalb des deutschen Küstenmeeres Eigentümer des Meeresbodens im Küstenmeer ist die Bundesrepublik Deutschland. Nutzungsvereinbarungen sind daher mit der zuständigen Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes abzuschließen. Dabei ist darauf zu achten, dass diese nicht nur die Errichtung und den Betrieb der Anlage, sondern insbesondere auch die Verlegung und den Betrieb der erforderlichen Kabeltrasse erfassen. Da der Meeresboden innerhalb dieses Gebiets zumindest grundbuchfähig ist, besteht auch hier grundsätzlich die Möglichkeit, dingliche Sicherungen wie Dienstbarkeiten oder Erbbaurechte zu bestellen (siehe hierzu Abschnitt 6.2.6) 108 . Zur Bestellung dinglicher Sicherungen kommt es aber kaum einmal, weil der Bund als Eigentümer hierzu nicht bereit ist. Dies liegt zunächst an dem Bestreben des Bundes, das Meer frei von dinglichen Rechten Privater zu halten. Darüber hinaus wird zur Begründung regelmäßig angeführt, dass eine Sonderkündigung der Nutzungsvereinbarung mit dem Bund gemäß § 111 InsO und § 57 a ZVG ausgeschlossen ist. Wie bei allen nicht dinglich abgesicherten Nutzungsrechten ist deshalb besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der Schriftform gemäß § 550 BGB zu legen 109 , um eine vorzeitige Kündbarkeit des Nutzungsrechts auszuschließen. Wenn keine dinglichen Rechte bestellt werden, scheidet die Möglichkeit der Begründung einer Scheinbestandteilseigenschaft aufgrund des dinglichen Rechts aus. Tenden- 106 12 Seemeilen (22,224 km) von den im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 festgelegten Basislinien. 107 Ausführlicher: Böttcher, RNotZ 2011, 589 (590). 108 Böttcher, RNotZ 2011, 589 (597 f., 600). 109 Jenn, ZfBR-Beilage 2012, 13 (20). <?page no="164"?> 164 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau ziell besteht damit bei Offshore-Windenergieanlagen im Küstenmeer ein erhöhtes Risiko, dass die Windenergieanlagen - oder zumindest Teile davon - keine beweglichen Sachen sind, die als Sicherungseigentum übereignet werden können. 6.2.12.2 Besonderheiten innerhalb der AWZ Wesentlich umstrittener ist die Anwendung deutschen Sachenrechts auf Anlagen, welche sich in der AWZ befinden. Die wohl herrschende Meinung nimmt aber eine Anwendbarkeit deutschen Sachenrechts in der deutschen AWZ an 110 . Eine dingliche Sicherung der Nutzungsrechte ist in der AWZ ausgeschlossen, da der Meeresboden dort nicht einmal eigentumsfähig ist. Positiv ist diese Rechtslage insoweit, als das Eigentum einer Windenergieanlage nicht durch Verbindung an den Grundstückseigentümer fallen kann, weil es gar keinen Grundstückseigentümer gibt. Die Sicherung des Kapitalgebers erfolgt also vorrangig durch Übertragung des Sicherungseigentums an der Windenergieanlage. Aufgrund der ungeklärten Rechtslage hinsichtlich der Anwendbarkeit deutschen Sachenrechts ist bis auf weiteres eine (Sicherungs-)Übereignung noch in deutschem Hoheitsgebiet zu empfehlen. Dafür bietet sich im Regelfall der Verladehafen vor dem Transport in die AWZ an 111 . Ist der Lieferant zu einer Übereignung in diesem frühen Stadium nicht bereit, weil er auf einen möglichen Ausfall mit weiteren Zahlungen verweist, die er durch einen Eigentumsvorbehalt absichern will, kann dem möglicherweise mit einer Vorauszahlung gegen Vorauszahlungsbürgschaft oder mit einer Vertragserfüllungsbürgschaft begegnet werden. Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob der Kapitalgeber unmittelbares Volleigentum an den Anlagenbestandteilen oder dieses nur auflösend bedingt in einem zweiten Schritt vom Kapitalnehmer erlangen soll. Grundsätzlich genügt hierfür jeweils die Einigung über den Eigentumsübergang sowie die Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses zwischen Lieferant und Erwerber, kraft dessen der Lieferant nunmehr für den Erwerber besitzt. Dies macht eine körperliche Übergabe der Werke an den Erwerber an dieser Stelle entbehrlich. Ein gutgläubiger Erwerb für den Fall, dass der Lieferant nicht Eigentümer der Windenergieanlage ist, wäre aber nicht möglich 112 . 6.3 Errichtung und Betrieb 6.3.1 Projektentwicklungs- und andere Vorfeldverträge EE-Projekte werden häufig durch Projektentwickler initiiert, die das Projekt anschließend gegen entsprechende Vergütung auf den (entweder dem eigenen Firmenverbund angehörigen oder externen) Betreiber übertragen. Wenn die Finanzierungsentscheidung zu einem Zeitpunkt fällt, in dem die Projektentwicklung noch läuft (z.B. andauerndes Genehmigungsverfahren), ist aus Sicht des 110 Schulz/ Gläsner, EnWZ 2013, 163 (167); Böttcher, RNotZ 2011, 594f. 111 Müller-Helle/ Theilmann, RdE 2010, 369 (370). 112 Zu Detailfragen im Zusammenhang mit der Übereignung vgl. Müller-Helle/ Theilmann, RdE 2010, 369 (372ff.). <?page no="165"?> Volker Bock 165 Kapitalgebers darauf zu achten, dass die zu erwartende Vergütung der Projektentwicklungsleistungen klar definiert und idealerweise gedeckelt ist. Sowohl im Rahmen der juristischen als auch der technischen Due Diligence ist weiter zu prüfen, ob der Projektentwicklungsvertrag sämtliche notwendigen Leistungen erfasst, so dass keine nicht budgetierte Zusatzbeauftragung des Projektentwicklers oder Dritter erforderlich wird. Häufig kommt es aber auch vor, dass die Finanzierungsentscheidung erst zu einem Zeitpunkt fällt, in dem das Projekt fertig entwickelt ist, so dass es dann nur noch einer kursorischen Prüfung des Projektentwicklungsvertrags im Hinblick darauf bedarf, ob aus diesem weitere finanzielle Verpflichtungen erwachsen können - Bonuszahlungen für den Realisierungsfall o.ä. - und ob beim Projektentwickler irgendwelche Rechte verblieben sind, die für die Realisierung des Projektes auf den Betreiber übertragen werden müssen. 6.3.2 Bau und Planung 6.3.2.1 EPC/ GÜ-Verträge vs. Einzelvergaben Im Rahmen der Errichtung von EE-Projekten sind zwei grundsätzliche Herangehensweisen denkbar (und auf dem Markt zu beobachten): Einerseits die Übertragung aller Leistungen bis hin zur Übergabe der schlüsselfertigen EE-Anlage an einen Generalübernehmer oder aber der Abschluss verschiedener Einzelverträge, d.h. Planung, klassische Bauleistungen, Lieferverträge für Komponenten, Montageverträge. Denkbar und anzutreffen sind auch Lösungen zwischen diesen beiden Extremen, z.B. Beauftragung eines Planers und Bauüberwachers einerseits und eines Generalunternehmers für die Bau- und Montageleistungen. Zur Terminologie: Bei Generalübernehmerbzw. GÜbzw. EPC (Engineering Procurement Construction)-Verträgen übernimmt der Auftragnehmer die komplette schlüsselfertige Planung und Errichtung einer Anlage. Meist werden Planung, Projektmanagement und Montageüberwachung/ Inbetriebnahme durch eigenes Personal erbracht und die Bauleistungen und Lieferungen an Subunternehmer übertragen. Beim Generalunternehmervertrag erbringt der Auftragnehmer alle Bauleistungen, meist mit mehr oder minder großem Subunternehmereinsatz. Die Planung, bis auf die Ausführungsplanung oder Teile davon, schuldet der Auftragnehmer aber nicht. Der sogenannte EPCM-Contractor (Engineering, Procurement, Construction Management) plant, bereitet die Vergabe vor und überwacht und managt den Bauablauf. Die Bauleistungen und Lieferungen werden aber, oft in bestimmten „Packages“, vom Bauherrn selbst an die ausführenden Unternehmen vergeben. Bei der Einzelvergabe werden alle Leistungen in mehr oder minder stark gegliederten Gewerken vom Bauherrn unmittelbar an die ausführenden Unternehmen vergeben. Aus Sicht des Kapitalgebers wird häufig die Beauftragung eines Generalübernehmers bevorzugt. Das hat weniger handfeste rechtliche als vor allem praktische Gründe: Einerseits ist der Kontroll- und Risikomanagementaufwand für den Kapitalgeber in der Regel wesentlich geringer, wenn der Kapitalnehmer nur einen umfassenden Ver- <?page no="166"?> 166 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau trag abgeschlossen hat, als wenn vielleicht sieben oder acht verschiedene Liefer-, Planungs- und Bauverträge mit verschiedenen Vertragspartnern bestehen. Zudem handelt es sich bei den Unternehmen, die als schlüsselfertig liefernde Generalübernehmer agieren, häufig um größere, überregional tätige Unternehmen, bei denen eine Wahrscheinlichkeit (oder zumindest Hoffnung) besteht, dass sie wirtschaftlich solider aufgestellt sind als ggf. verschiedene kleinere, u.U. nur regional tätige Vertragspartner. Die Beauftragung nur eines Unternehmens als Generalübernehmer kann praktisch zudem die Durchsetzung von Ansprüchen erheblich erleichtern: Treten Mängel oder sonstige Probleme im Rahmen von Errichtung/ Betrieb einer EE-Anlage auf, so ist hierfür im Generalübernehmerszenario stets der Generalübernehmer verantwortlich und zwar unabhängig davon, ob nun mangelhafte Planungsleistungen, mangelhafte Komponenten oder mangelhafte Montageleistungen zu den Problemen geführt haben. Bei einer Einzelvergabe der verschiedenen Leistungen an verschiedene Unternehmen ist dagegen damit zu rechnen, dass jeder die Verantwortlichkeit bei anderen sucht und pragmatische außergerichtliche Lösungen schon alleine deswegen häufig scheitern, weil kein Einvernehmen über die jeweiligen Verantwortlichkeiten bei den verschiedenen Beteiligten hergestellt werden kann; im Prozessfalle muss möglicherweise gegen verschiedene Gegner geklagt werden. Der wesentliche Vorteil einer Einzelvergabe liegt darin, dass sie insgesamt kostengünstiger sein kann, als eine Vergabe an einen Generalübernehmer. Denn dieser wird einerseits seinen Handlings- und Projektsteuerungsaufwand und andererseits sein Risiko aus der Verantwortung für die Komplettleistung und seine Subunternehmer entsprechend einpreisen. Eine vernünftig strukturierte und professionell gemanagte Einzelvergabe kann daher erheblich billiger sein als eine Vergabe an einen Generalübernehmer. Aufgrund der oben beschriebenen Vorteile ist aus Sicht des Kapitalgebers aber eine Vergabe an einen Generalübernehmer regelmäßig vorzugswürdig. Eine andere Strukturierung der Planungs- und Errichtungsverträge ist aber mit Sicherheit als solches kein Ausschlusskriterium für eine Finanzierung. 6.3.2.2 Abtretung von Ansprüchen an Kapitalgeber Sämtliche Ansprüche aus Planungs-, Liefer- und Errichtungsverträgen sollten im Rahmen des Kreditvertrags zur Sicherheit an den Kapitalgeber abgetreten werden. Je nach Größe des Projekts und der Finanzierung und abhängig von der Risikobewertung des Kapitalgebers im Hinblick auf die Situation des Kapitalnehmers kommen drei Gestaltungen in Betracht: Die größte Sicherheit bietet eine Direktvereinbarung z.B. mit dem Generalübernehmer (vgl. Abschnitt 6.2.10.2). Die Abtretung von Ansprüchen an den Kapitalgeber wird gegenüber dem Dritten offengelegt und es werden sogar darüber hinaus Direktansprüche wie Eintritts- und Informationsrechte im Verhältnis zwischen Kapitalgeber und Generalübernehmer begründet. Die Abtretung wird durch eine Abtretungsanzeige des Kapitalnehmers an seinen Vertragspartner offengelegt; im Regelfall bleibt eine Einziehungsermächtigung fortbestehen. Die Offenlegung kann mit verschiedenen Anweisungen verbunden wer- <?page no="167"?> Volker Bock 167 den, z.B. der Verpflichtung zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistungen gegenüber dem Kapitalgeber im Falle des Widerrufs der Einziehungsermächtigung. Um Diskussionen über die Wirksamkeit solcher Anweisungen gegenüber dem Dritten zu vermeiden, sollte dessen Bestätigung der Abtretungserklärung eingefordert werden. Es wird eine stille Zession mit Einziehungsermächtigung vereinbart. D.h. der Dritte wird über die Abtretung nicht informiert. Bis zu einem Widerruf der Einzugsermächtigung im Verhältnis Kapitalgeber zu Kapitalnehmer kann der Kapitalnehmer die Leistungen des Dritten im eigenen Namen entgegennehmen. 6.3.2.3 Aus Sicht des Kapitalgebers wichtige Vertragsbestimmungen Über die Frage, wie Planungs-, Liefer- und Bauverträge für EE-Anlagen aus Auftraggebersicht gestaltet werden sollten, ließe sich ein eigenes Buch schreiben. Nachfolgend sind daher nur einige aus Finanzierungssicht wesentliche Regelungskreise angesprochen, ohne dass damit die Thematik vollumfänglich abgehandelt wäre. Ein wesentliches Augenmerk muss aus Sicht des Kapitalgebers natürlich auf der Sicherheitenstruktur des Bau-, Liefer- oder Planungsvertrages liegen. Hierbei ist jeder Vertragstyp zu unterscheiden: In reinen Planungsverträgen sind üblicherweise keine Sicherheiten beispielsweise in Form von Bankbürgschaften vorgesehen. Der Planer haftet jedoch für Schlechtleistungen in der Regel auf Schadensersatz, der regelmäßig durch eine Planungshaftpflichtversicherung abgedeckt ist. Insoweit muss geprüft werden, ob eine solche Versicherung vorliegt und ob sie für die denkbaren Haftungsszenarien ausreichende Haftungssummen in den verschiedenen Schadenskategorien (Personen-, Sach- und Vermögensschäden) vorhält. Eine Prüfung durch Versicherungsfachleute ist empfehlenswert, um mögliche Lücken im Deckungsschutz der Versicherung zu erkennen. In Lieferverträgen für Komponenten der EE-Anlagen werden häufig Vorauszahlungen geleistet. Vorauszahlungen dürfen nur Zug-um-Zug gegen eine entsprechende Sicherheit des Lieferanten geleistet werden. Ideal ist dabei eine Sicherung durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern bzw. eine Bankgarantie auf erstes Anfordern, die beide schnell und in der Regel ohne Prozess liquide gemacht werden können. Es ist derzeit aber noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob die standardmäßige Vereinbarung einer solchen Bürgschaft zulässig ist 113 . Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheiten sind in klassischen Lieferverträgen eher unüblich, aber dann anzutreffen, wenn es sich eher um Anlagenbau- oder -lieferverträge handelt, bei denen auch Montage- und Inbetriebnahmeleistungen enthalten sind. Bei klassischen Bauverträgen, einschließlich Generalübernehmer- und Generalunternehmerverträgen, werden üblicherweise zumindest Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheiten vereinbart. Die Klauseln, in denen solche Sicherheiten vereinbart werden, dürften ganz überwiegend aufgrund ihrer Marktüblichkeit All- 113 Aus Sicht des Verfassers sprechen die besseren Gründe dafür, vgl. auch OLG Frankfurt/ Main, Beschl. v. 16.01.2008 - 23 O 51/ 07. <?page no="168"?> 168 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau gemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB sein. Die Frage, ob und in welchem Umfang solche Sicherheiten durch den Auftraggeber gefordert werden können, beschäftigt die Rechtsprechung seit Jahren intensiv 114 . Das hat größte Praxisrelevanz, weil im Falle einer unwirksamen Sicherungsvereinbarung der Bürge auch aus bereits übergebenen Bürgschaften nicht zahlen muss. Nach derzeitigem Stand sollten u.a. auf keinen Fall Vertragserfüllungssicherheiten vereinbart werden, die 10% des Vertragspreises übersteigen. Bei Gewährleistungssicherheiten sollten maximal 5 % des Vertragspreises vereinbart werden. Zudem ist darauf zu achten, dass Vertragserfüllungssicherheit und Gewährleistungssicherheit nicht - und sei es auch nur für einen kurzen Zeitraum - überlappend beim Auftraggeber vorliegen können. Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften können nicht wirksam als Bürgschaft auf erstes Anfordern vereinbart werden. Wenn im Übrigen in Bauverträgen Anzahlungen vereinbart sind, was eher untypisch ist, muss zudem eine Anzahlungssicherheit vereinbart werden. Insoweit gelten die Ausführungen zum Liefervertrag im vorangegangenen Punkt entsprechend. In allen Verträgen sollte eine Sicherungsabtretung von Subunternehmeransprüchen mit Einziehungsermächtigung des Auftragnehmers bis auf Widerruf des Auftraggebers vereinbart werden. Auf diesem Wege kann es für den Betreiber möglich sein, im Falle einer Insolvenz des Auftragnehmers das Projekt mit den Subunternehmern fortzusetzen. Das kann aber nur dann gelingen, wenn die Abtretung durch entsprechende Informationsrechte ergänzt wird, so dass im Falle eines Widerrufs der Einziehungsermächtigung die Vertragspartner des Auftragnehmers und der Status ihrer jeweiligen Vertragsverhältnisse auch bekannt sind. Allzu große Hoffnungen auf eine reibungsfreie Projektfortführung mit den Subunternehmern sollte man sich aber auch nicht machen. In der Krise des Auftragnehmers werden z.B. regelmäßig Zahlungsrückstände oder sonstige Leistungsstörungen im Verhältnis zu den Subunternehmer vorliegen, die diese zur Leistungsverweigerung - auch gegenüber dem Betreiber - berechtigen. Diese können gegebenenfalls durch Direktzahlungen des Betreibers an die Subunternehmer aufgelöst werden; doch sind solche Direktzahlungen insolvenzrechtlich problematisch und möglicherweise durch den Insolvenzverwalter anfechtbar. Im Zusammenhang mit den Sicherheiten ist es auch aus Sicht des Kapitalgebers empfehlenswert, die vertraglich vereinbarten Zahlungspläne und -ströme nachzuvollziehen und zu überprüfen. Aus Sicht des Auftraggebers - und deckungsgleich des Kapitalgebers - muss ein Zahlungsplan zweierlei abbilden: Die Zahlungen an den Auftragnehmer sollten niemals über den zum Zahlungszeitpunkt erbrachten Wert der Bauleistung hinausgehen, d.h. im Grundsatz immer nachschüssig erfolgen. Um festzustellen, ob das der Fall ist, wird man um eine baubetriebliche Überprüfung anhand des vorgesehenen Terminplans und der Bewertung der Auftragnehmerleistungen zu bestimmten Milestones unter Berücksichtigung des Vertragspreises nicht umhinkommen. Es ist empfehlenswert, dass ein Kapitalgeber eine solche Prüfung durchführt oder zumindest entsprechende, plausible Nachweise des Kapitalnehmers abfordert. Übersteigen die Zahlungen den Gegen- 114 Vgl. z. B. die ausführliche Darstellung bei Schmitz, Sicherheiten für die Bauvertragsparteien, 2. A. 2013, Kapitel 4.4.2. <?page no="169"?> Volker Bock 169 wert der Leistung, ist das nichts anderes als eine verdeckte Vorauszahlung, die zur Vermeidung des Insolvenzrisikos des Auftragnehmers dann durch diesen entsprechend abgesichert werden müsste. Im Zusammenhang mit dem Grundsatz, dass nur tatsächlich erbrachte Leistungen auch bezahlt werden sollten, muss zudem berücksichtigt werden, dass die im Vertrag vereinbarten Zahlungsmeilensteine keinesfalls an feste kalendarische Daten, sondern immer nur an definierte und nachzuweisende Bautenstände angeknüpft werden. Der Zahlungsplan sollte zudem so gestaltet werden, dass auf dem Auftragnehmer ein „Fertigstellungsdruck“ lastet. D.h. die letzten Zahlungsmeilensteine sollten idealerweise höher sein als die Selbstkosten des Auftragnehmers für seine dann noch zu erbringenden Leistungen. Er wird dann ein erhöhtes Interesse haben, das Projekt fertigzustellen, um sich möglicherweise über die letzten Zahlungen seine Marge zu verdienen. Selbst im Falle einer Insolvenz des Auftragnehmers kann sich diese Gestaltung noch positiv auswirken, da ein Insolvenzverwalter das Projekt eher fertigstellen wird, wenn er für die Masse noch einen positiven Deckungsbeitrag über die letzten Zahlungen erwirtschaften kann. Aus Kapitalgebersicht ist auch entscheidend, dass der Kapitalnehmer seitens der Planer, Lieferanten und Errichter sämtliche für Errichtung, Betrieb, Instandhaltung und Reparatur der EE-Anlagen erforderlichen IP-Rechte eingeräumt bekommt. Es reicht dabei nicht aus, dass nur er diese Rechte einmalig erhält, sondern im Hinblick auf eine spätere Übertragbarkeit des Projektes müssen auch diese Rechte weiter übertragbar sein. Insbesondere stellt sich diese Thematik, wenn für die EE-Anlage, ihre Komponenten oder dort ausgeübte Verfahren Patente bestehen. In diesem Fall reicht es nicht aus, nur das Vorhandensein einer entsprechend weitreichenden Lizensierungsklausel zu prüfen. Es muss auch geprüft werden, ob der Lizenzgeber überhaupt Inhaber der Rechte bzw. im Hinblick auf diese verfügungsberechtigt ist. Klare Vereinbarungen müssen die Verträge im Hinblick auf die Leistungswerte der EE-Anlage bzw. ihrer Komponenten enthalten. Zu achten ist darauf, dass die Leistungszusagen nicht durch einschränkende Vertragsklauseln, Bezeichnungen als „Circa- Werte“ o.ä. relativiert werden. Üblich ist, dass einerseits elektrische Nennleistungen zugesichert werden, zudem bestimmte Jahresverfügbarkeiten 115 . Je nach Typ der EE- Anlage kann es noch weitere Leistungswerte geben, die vereinbart werden müssen, z.B. Performance-Ratio bei PV-Anlagen, thermische Leistung bei Biomasse BHKWs etc. Allgemein gesprochen ist darauf zu achten, dass alle Parameter, die für einen wirtschaftlichen Betrieb der EE-Anlage wichtig sind, auch mit bindender Wirkung zugesichert werden. Wieviel eine Zusicherung von Leistungswerten wert ist, bestimmt sich aber vor allem auch danach, welche Rechte der Auftraggeber im Falle von Mängeln und sonstigen Pflichtverletzungen hat. Generell gesprochen ist es aus Sicht des Kapitalgebers positiv, wenn die gesetzlichen Regelungen gelten. Egal ob im Werk- oder Kaufrecht: Die gesetzliche Mängelhaftung und die Haftung für sonstige Pflichtverletzungen sind grundsätzlich auftraggeberfreundlich ausgestaltet und vor allem unbeschränkt. Üblicherweise werden die gesetzlichen Vorschriften aber vertraglich modifiziert. Eingebür- 115 Verfügbarkeiten werden teilweise nur bei Abschluss von Wartungsverträgen und dann in diesen zugesichert. <?page no="170"?> 170 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau gert haben sich beispielsweise vertraglich vereinbarte Pönalen für den Fall, dass Leistungswerte im (gegebenenfalls zu wiederholenden) Leistungstest nicht nachgewiesen werden können. Z.B. ist je 10 kW Unterschreitung der zugesicherten elektrischen Leistung ein bestimmter Betrag vom Auftragnehmer als Pönale zu zahlen. Derartige Regelungen sind grundsätzlich sinnvoll und geeignet, Streitigkeiten über Schadenshöhen zu vermeiden. Aus Betreiber-/ Kapitalgeber-Sicht muss darauf geachtet werden, dass die Entschädigungszahlungen so bemessen werden, dass sie die erwartete wirtschaftliche Einbuße aus einer Unterschreitung von Leistungswerten abgezinst über den Lebenszeitraum der Anlage ausgleichen. Insgesamt sind die Pönalen in der Praxis oft auf 5 - 15% des Vertragspreises gedeckelt. Für Lieferverzug werden in der Regel ebenfalls Vertragsstrafen vereinbart, die üblicherweise einen bestimmten Prozentsatz des Vertragspreises pro Tag des Verzugs vorsehen und ebenfalls insgesamt gedeckelt sind 116 . Üblich sind außerdem Ausschlüsse bzw. summenmäßige Begrenzungen für Schadensersatz bzw. bestimmte Arten von Schadensersatz (entgangene Einspeiseerlöse, entgangene Gewinne etc.). Aus Sicht des Kapitalgebers ist immer zu bedenken, dass solche Ausschlüsse oder Begrenzungen natürlich viel Druck zur vertragskonformen Leistung vom Auftragnehmer nehmen. Wenn es Begrenzungen oder Ausschlüsse gibt, sollte darauf geachtet werden, dass zumindest ein angemessener Fertigstellungsdruck verbleibt. Im Übrigen wird es nicht selten so sein, dass Haftungsausschlüsse und -begrenzungen von Auftragnehmern als Allgemeine Geschäftsbedingungen einzuordnen und als solche unwirksam sind, mit der Folge, dass die - unbegrenzte - gesetzliche Haftung auf Schadensersatz greift. Hinsichtlich des Vertragspreises gibt es im Wesentlichen zwei Gestaltungen: Pauschalpreisverträge, häufig mit Komplettheitsabrede, oder Einheitspreisverträge, bei denen auf der Grundlage von Einheitspreisen nach der tatsächlich erbrachten Menge abgerechnet wird. Pauschalpreisverträge sind aus Sicht des Kapitalgebers oft vorzugswürdig, weil sie das Projekt besser kalkulierbar machen. Aus rein rechtlicher Sicht bestehen aber auch keine grundsätzlichen Einwände gegen Einheitspreisverträge. Und Einheitspreisverträge können günstiger sein, weil der Auftragnehmer weniger Risiken einkalkulieren muss. Je komplexer das Inbetriebnahmeverfahren, desto genauer muss das Abnahmeprozedere beschrieben werden. Das gilt vor allem für die EE-Anlagen, die klassischen Kraftwerken oder verfahrenstechnischen Anlagen ähneln (Biogas-, Biomassekraftwerke etc.). Es muss klar sein, was wann von wem über welchen Zeitraum an welchen Messstellen gemessen wird, mit welchen Messgeräten gearbeitet wird, zu wessen Gunsten Messfehler anzusetzen sind, mit welchen (gegebenenfalls Korrektur-)Rechnungen die Auswertung erfolgt etc. 6.3.3 Lieferverträge und § 377 HGB Wenn der Kapitalnehmer Lieferverträge für bestimmte Komponenten abschließt, drohen Projektrisiken aus § 377 HGB. Bei den Lieferverträgen handelt es sich entwe- 116 0,1 % des Vertragspreises pro Kalendertag des Verzugs sollten aus AGB-rechtlicher Sicht nicht überschritten werden, ebensowenig eine Gesamthöhe von 5%. <?page no="171"?> Volker Bock 171 der um Kaufverträge im Sinne des § 433 BGB oder um Werklieferverträge nach §§ 651, 433 BGB. So oder so sind die Vorschriften des Handelskaufs entsprechend anwendbar und damit gilt auch die Untersuchungs- und Rügepflicht des § 377 HGB 117 . § 377 HGB fordert vom Käufer eine unverzügliche Untersuchung der gelieferten Ware und eine unverzügliche Rüge von bei dieser Untersuchung oder später festgestellten Mängeln. Erfüllt der Käufer diese Obliegenheiten nicht, verliert er bezogen auf diese Mängel sämtliche Ansprüche. Die Untersuchungspflicht ist üblicherweise in wenigen Tagen, die Rügepflicht häufig in ein oder zwei Tagen ab Erkennen eines Mangels zu erfüllen. Häufig darf im Rahmen des § 377 HGB mit einer Untersuchung auch nicht einmal bis zur Endabnahme der Anlage zugewartet werden. Der Kapitalgeber kann einerseits veranlassen, dass in den entsprechenden Lieferverträgen - soweit (noch) durchsetzbar - Modifizierungen von § 377 HGB vereinbart werden. Wiederum wird es aber häufig so sein, dass abweichende Vereinbarungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen eingestuft werden. Inwieweit von den strengen gesetzlichen Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen abgewichen werden kann, ist streitig. Zumindest eine gewisse Ausdehnung der Rügefrist auf mehr als nur ein oder zwei Tage dürfte aber ebenso möglich sein wie ein Anknüpfen der Untersuchungspflicht erst an den Abnahmezeitpunkt, in dem das fertige Werk in seiner Funktionalität überprüft wird. Zudem muss der Kapitalgeber den Kapitalnehmer dazu verpflichten, hinreichende organisatorische Voraussetzungen zu schaffen, um eine unverzügliche Warenprüfung und Mängelrüge sicherzustellen. Es ist empfehlenswert, dass die Schaffung dieser Organisation auch nachzuweisen ist. 6.3.4 Herstellergarantien für Komponenten Es hat sich eingebürgert, dass die Komponentenhersteller, insbesondere im Photovoltaikbereich, eigene Herstellergarantien gegenüber dem Endnutzer abgeben. In der Regel beschränken sich die Garantien auf einen Anspruch auf Nachlieferung, wenn die gelieferten Komponenten schadhaft sind oder bestimmte Leistungswerte nicht erreichen. Schadensersatzansprüche jeglicher Couleur sind in der Regel ausgeschlossen. Viele Einzelheiten bei der Frage der Einordnung dieser Garantien - nicht zuletzt die Frage des anwendbaren Rechts z.B. bei einer chinesischen Herstellergarantie für Komponenten, die ein italienischer Händler an einen deutschen Kunden verkauft hat - sind streitig. Aus Sicht des Betreibers/ Kapitalgebers schaffen diese Herstellergarantien aber zumindest Potential für zusätzliche Ansprüche im Falle von Mängeln gegenüber einem zusätzlichen Haftungssubjekt und sind deswegen unbedingt zu begrüßen. Der Kapitalgeber sollte darauf achten, dass entsprechende Herstellergarantien, wenn sie für die jeweiligen Komponenten üblich sind, an den Betreiber übergeben und die Rechte daraus von diesem zur Sicherheit an den Kapitalgeber abgetreten werden. 117 Vgl. hierzu auch Günther, NZBau 2010, 465. <?page no="172"?> 172 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau 6.3.5 Wartungs- und Betriebsführungsverträge Bei der Mehrzahl der EE-Projekte werden Wartung und/ oder Betriebsführung in teilweise lang laufenden Verträgen an Dritte, teilweise an Konzerngesellschaften der Generalübernehmer oder Komponentenlieferanten, übertragen. Aus Sicht des Kapitalgebers ist der Abschluss solcher Verträge häufig aus den verschiedensten Gründen wünschenswert: Zum einen spricht in technischer Hinsicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Betreuung durch eine Fachfirma die Funktionsfähigkeit, Lebensdauer und Verfügbarkeit der EE-Anlage erhöht. Der Abschluss solcher Verträge ist zudem häufig Voraussetzung dafür, dass Verfügbarkeitszusagen oder Verjährungsverlängerungen für Mängelansprüche greifen. Um eine möglichst wirtschaftliche und flexible Beschaffung von Wartungs- und Betriebsführungsleistungen am Markt zu ermöglichen, ist es sinnvoll, die feste Laufzeit solcher Verträge zu beschränken. Aus Betreibersicht am besten ist es, eine überschaubare Grundlaufzeit mit gegebenenfalls mehrfach einseitig durch den Betreiber ausübbaren Optionen zu verknüpfen. Literatur Böttcher, Leif: Das Meer als Rechtsraum - Anwendbarkeit deutschen Sachenrechts auf Offshore-Windkraftanlagen und Möglichkeiten der Kreditsicherung, RNotZ 2011, 589 Büllesfeld, Dirk/ Multmeier Vanessa: Auf hoher See? Zur Anwendbarkeit nationalen Zivilrechts auf Offshore-Windenergieanlagen in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone, ZNER 2009, 7 Busch, Ralph/ Ruthemeyer, Thomas: Mängelhaftung und Garantien bei Photovoltaikanlagen im Lichte der AGB-Kontrolle, NZBau 2012, 743 Busch, Ralph: Ausgewählte (vertrags-)rechtliche Fragen bei der Errichtung von Offshore-Windparks - Teil 1, NZBau 2011, 1 Busch, Ralph: Ausgewählte vertragsrechtliche Fragen bei der Instandhaltung von Offshore-Windparks - Teil 2, NZBau 2011, 85 Cloppenburg, Jürgen: Die Lieferung und Errichtung sowie Wartung von On- und Offshore-Windenergieanlagen, ZfBR Beilage 2012, 3 ff. Diekamp, Tilman: Sicherungsübereignung von Offshore-Windenergieanlagen, ZBB 2004, 10 Dinger, Felix/ Goldner, Thies: Sicherungsübereignung von Windenergieanlagen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, ZBB 2009, 204 Englert, Klaus/ Fuchs, Bastian: Risiken in der oberflächennahen Geothermie aus juristischer Sicht, MGT 5/ 2011, 56 Fedke, Tibor: Neue Wege zur rechtlichen Absicherung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien? - Eine vergleichende Gegenüberstellung von schuldrechtlicher <?page no="173"?> Volker Bock 173 Nutzungsvereinbarung Erbbaurecht und beschränkter persönlicher Dienstbarkeit, WM 2011, 1932 Goecke, Klaus: Windkraftanlagen auf fremdem Grund und Boden - Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten und Absicherung des Betreibers und der finanzierenden Bank, WM 2000, 1309 Günther, Thomas: Ausschluss von Mängelrechten - Schärfere Rügepflichten bei Solar- und Windenergieanlagen? , NZBau 2010, 465 Hagen, Horst: Der Einbau von Blockheizkraftwerken in Wohngebäude, CUR 2010, 44 Hille, Sven Alexander/ Fröhder, Christoph/ Dettmer, Michael/ Visser, Marco: Offshore-Windkraftanlagen - Haftung und Haftpflichtversicherung, VersR 2010, 585 Hök, Götz-Sebastian: FIDIC Verträge im (inter-)nationalen Anlagenbau - eine Rundschau, ZfBR 2012, 731 Jacoby, Florian: Lösungsklauseln in der Insolvenz, ZIP 2014, 649 Jenn, Matthias: Windenergie: Zahlreiche rechtliche Besonderheiten, ZfBR Beilage 2012, 13 Kappler, Tobias: Photovoltaikanlagen auf fremdem Grund und Boden - Sicherheit für alle Zeiten? , ZfIR, 2012, 264 Kappler, Tobias: Vereinbarungen anlässlich der Inbetriebnahme einer Photovoltaikanlage auf fremdem Grund und Boden, ZNotP 2007, 257 Keller, Hilmar: Die Rechtsnachfolge bei beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten im Lichte der neueren Rechtsprechung, ZfIR 2011, 705 Kersting, Mark Oliver: Die Projektfinanzierung eines Offshore-Windparks, BKR 2011, 57 Lakkis, Panajotta: Photovoltaikanlagen - Die tickenden Verjährungszeitbomben auf dem Dach, NJW 2014, 829 Lammel, Siegbert, in: Schmidt/ Futterer, Mietrecht, 11.Auflage 2013, § 550 Minuth, Klaus/ Stiller, Dietrich F. 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Reichert-Facilides, Daniel: Eigentumsschutz und Verwertung von Windenergieanlagen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, WM 2011, 1544 Reymann, Christoph: Photovoltaik Dienstbarkeit und revolvierende Vormerkung - geeignete Kreditsicherungsmittel? , ZIP 2013, 605 Reymann, Christoph: Photovoltaikdienstbarkeiten bei Anlagen auf fremden Grundstücken, DNotZ 2010, 84 <?page no="174"?> 174 6 Risiken aus Projektverträgen - Grundstücke, Planung, Bau Schmitz, Claus: Sicherheiten für die Bauvertragsparteien, 2 Auflage 2013 Schneidewindt, Holger: Verjährung von Gewährleistungsansprüchen bei Mängeln an Photovoltaikanlagen auf Wohngebäuden, REE 2013, 216 Schulz, Thomas/ Gläsner, Michael: Offshore-Windenergieanlagen in der AWZ - Anwendbarkeit des deutschen Sachenrechts, EnWZ 2013, 163 Stresemann, Christina, in: Münchner Kommentar zum BGB, 6. 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Frank Scholwin, Institut für Biogas, Kreislaufwirtschaft und Energie Inhalt 7.1 Einleitung ................................................................................................................... 175 7.2 Technische und biologische Risiken....................................................................... 176 7.2.1 Technische Risiken aus der Anlagendimensionierung ......................................... 177 7.2.2 Technische Risiken aus dem Anlagenbetrieb ........................................................ 180 7.2.3 Biologische Risiken aus dem Anlagenbetrieb........................................................ 183 7.2.4 Management-Risiken aus dem Anlagenbetrieb ..................................................... 185 7.2.5 Übersicht über die Risiken....................................................................................... 185 7.3 Kommerzielle Risiken ..............................................................................................187 7.3.1 Risiken in den Ertragspositionen ............................................................................ 187 7.3.3 Risiken in den Aufwandspositionen ....................................................................... 194 7.3.4 Auswirkungen der Einzelrisiken im Vergleich ...................................................... 199 Literatur ...................................................................................................................... 200 Schlagwortliste Biogas, Bioenergie, Biomasse, Risiko, Ertragsstruktur, Aufwandsstruktur 7.1 Einleitung Die rechtlichen Risiken einer Anlage zur Erzeugung Erneuerbarer Energien wurden bereits in Kapitel 5 summarisch dargestellt, da die Art der Risiken in vielen Punkten ähnlich für alle EE-Anlagen zutrifft. Auch die Risiken der Errichtung einer Anlage zur Erzeugung Erneuerbarer Energien wurden schon summarisch in Kapitel 6 behandelt, da bei den Errichtungsrisiken die Unterschiede verhältnismäßig gering ausgeprägt sind. In diesem Kapitel sollen die spezifischen Risiken im Betrieb, die nicht aus rechtlichen Problemen resultieren, behandelt werden. Gleichwohl werden z.T. Themen aus den Kapiteln 5 und 6 nochmals aufgegriffen und die Wirkung bei Eintreten des jeweiligen Risikos auf die Gewinn- und Verlustrechnung erläutert. Zunächst werden die technischen und biologischen Risiken des Betriebs dargestellt. Diese haben bei Eintritt natürlich auch kommerzielle Effekte, d.h. negative Auswir- <?page no="176"?> 176 7 Technisch-kommerzielle Risiken im Betrieb kungen auf die Gewinn- und Verlustrechnung, so ist z.B. bei zeitweiligem Ausfall des Blockheizkraftwerkes (BHKW) die eingespeiste Strommenge geringer und damit auch die Umsatzerlöse. Im zweiten Abschnitt behandeln wir die kommerziellen Risiken im engeren Sinne, d.h. negative Auswirkungen auf das Ergebnis ohne direkte technische Ursache. Abb. 23: Anlagen- und Geschäftstypen (eigene Darstellung) Die in diesem Kapitel behandelten Anlagentypen sind in Abbildung 23 dargestellt. Zunächst unterscheiden wir grundsätzlich in Anlagen, die mit fester Biomasse (i.d.R. Holz) arbeiten, und Biogasanlagen. Bei fester Biomasse kann die gewonnene Energie rein als Wärme genutzt (Biomasseheizwerk) oder z.T. in Strom umgewandelt werden (Biomasseheizkraftwerk). Bei den Biogasanlagen wiederum können wir differenzieren in Anlagen, die vor Ort, z.B. mittels eines Blockheizkraftwerks (BHKW), das Biogas verstromen und solche, die das Biogas auf Erdgasqualität aufbereiten und einspeisen. Im letzten Fall spricht man oft von Biomethan oder Bioerdgas. 7.2 Technische und biologische Risiken Im Folgenden werden die aus der Dimensionierung und dem Betrieb der Anlage resultierenden Risiken dargestellt. Die Analyse beginnt mit den bereits aus der Dimensionierung der Anlage resultierenden Risiken, um anschließend die aus dem Betrieb der Anlage resultierenden Risiken zu behandeln. Zu jedem identifizierten Risiko werden immer direkt die Möglichkeiten zur Kompensation aufgezeigt. Die Analysen erfolgen dabei entlang der Stoffflüsse durch die jeweilige Anlagentechnik. Dies bedeutet, dass von den Input-Stoffströmen und erforderlichen Eingangsmedien ausgegangen wird, um dann die Anlagentechnik als solche zu durchlaufen. Zum Abschluss werden die Biomasseanlagen feste Biomasse Biomasseheizkraftwerk (BMHKW) Einspeisung und Vergütung nach EEG Verkauf im Marktprämienmodell Biomasseheizwerk (BMHW) gasförmige Biomasse (Biogasanlagen, BGA) Vor-Ort- Verstromung Einspeisung und Vergütung nach EEG Verkauf im Marktprämienmodell Biogasaufbereitung und Einspeisung ins Erdgasnetz <?page no="177"?> Carsten Herbes, Frank Scholwin 177 Pfade der stofflichen Reststoffe der Anlagen und der weitere Weg des eigentlichen Produktes, des Energieträgers bzw. der Energie betrachtet. Die Analyse geht immer von dem häufigsten Fall, einer Biogasanlage (BGA) mit Vor-Ort-Verstromung aus. Viele betrachtete Risikopositionen gelten gleichermaßen oder in übertragbarer Weise auch für Biomasseheizkraftwerke (BMHKW) und den Fall einer Biogasaufbereitung mit Biomethaneinspeisung. Besonderheiten dieser beiden Fälle werden jeweils benannt. Es ist hervorzuheben, dass die hier dargestellten Risiken durch einen fachgerechten Anlagenbetrieb und eine wohldimensionierte Anlagentechnik weitgehend ausgeschlossen werden. Sie sollen innerhalb dieses Buches, einschließlich ihrer Folgen, transparent gemacht werden, aber nicht vor der Bioenergienutzung insgesamt abschrecken. Eine Großzahl praktischer, erfolgreicher Anlagenbeispiele zeigt, dass die Risiken, die mit der Bioenergienutzung verbunden sind, beherrschbar sind und mit derartigen Anlagen Gewinne erwirtschaftet werden. 7.2.1 Technische Risiken aus der Anlagendimensionierung Hinsichtlich der Anlagendimensionierung ist eingangs festzuhalten, dass durch Sorgfalt und regelmäßige Prüfung bei der Planung viele Risiken ausgeschlossen bzw. von vornherein Gegenmaßnahmen für den Eintritt verschiedener Risiken berücksichtigt werden können. Aus diesem Grund wird natürlich immer davon ausgegangen, dass eine sorgfältige Planung erfolgt; die Praxis zeigt nur leider allzu häufig, dass auch bei sorgfältiger Planung Fehler unterlaufen können. Derartige Fehler können häufig nur durch erhebliche Eingriffe in das Anlagenkonzept behoben werden und können mit entsprechend großen finanziellen Folgen verbunden sein. Von größter Bedeutung für eine richtige Anlagendimensionierung ist die Anwendung richtiger und verlässlicher Daten. Aus diesem Grund sind die Basis-Daten besonders sorgfältig auf Plausibilität zu prüfen und mit den vor Ort anzutreffenden Bedingungen zu vergleichen. Dies umfasst insbesondere die Verfügbarkeit und die Qualität der einzusetzenden Biomasse, die Verwertungsmöglichkeiten der flüssigen oder festen Rückstände, die Kosten für den Energiebezug sowie den vorhandenen Energiebedarf (Strom, Wärme, ggf. Kraftstoff) und die Verfügbarkeit der erforderlichen Kapazitäten hinsichtlich der Energieabgabe am Standort. Es ist sicherzustellen, dass die zu Grunde liegenden Daten für den praktischen Anwendungsfall im realen Betrieb der Anlage auch wirklich zu erwarten sind. Auf der Basis der Ausgangsdaten wird bei Anlagenfertigstellung und auch im Anlagenbetrieb die Qualitätsprüfung vorgenommen werden. Aus diesem Grund sind die Planungsvoraussetzungen zu dokumentieren. Sie können bei Streitfällen die Vergleichsbasis zwischen Soll und Ist sein. Ausgehend von diesen Tatsachen stellt die Verwendung falscher Basisdaten für die Anlagenplanung ein außerordentlich großes Risiko dar. Dieses Risiko lässt sich durch sorgfältige Prüfung aber vergleichsweise leicht minimieren. Eine sehr wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Anlagenplanung ist die Dimensionierung der Ver- und Entsorgung. Sie beinhaltet für die Anlage alle Medien wie beispielsweise Strom, Gas, Wasser und Wärme. Ein erfolgreicher Anlagenbetrieb ist nur möglich, wenn die Zuführung der erforderlichen Medien problemlos erfolgen <?page no="178"?> 178 7 Technisch-kommerzielle Risiken im Betrieb kann und gleichzeitig die Abführung von Produkten aus dem Anlagenbetrieb vollständig gesichert ist. Jede Fehlplanung an dieser Stelle führt zu einer Minderauslastung der Gesamtanlage. Aufgrund der Tatsache, dass die nachträgliche Veränderung der Dimensionierung von Versorgungsleitungen erhebliche Aufwendungen und vor allem erhebliche Verzögerungen zur Folge haben kann, resultiert aus einer Fehlplanung an dieser Stelle meist eine Verzögerung der Inbetriebnahme der Anlage oder eine Inbetriebnahme der Anlage bei Minderleistung. Aus einem derartigen Fall resultiert ein erhebliches Risiko für die Liquidität des Anlagenbetriebes. Eines der größten Risiken aus der Dimensionierung der Anlage resultiert aus einer Fehleinschätzung der zu erwartenden Substratqualität oder der zu erwartenden Schwankungen der Substratqualität. Aus diesem Grund sollten in jedem Fall die von einem Bauherrn vorgegebene Substratqualität und deren jährlich, wöchentlich als auch täglich zu erwartende Schwankungen besonders detailliert geprüft werden. Die Qualität von Substraten für Biogasanlagen schwankt meist natürlicherweise (z.B. Ernten in verschiedenen Jahren, Abfälle aus verschiedenen Regionen). Bezogen auf den zu erwartenden Methanertrag aus einem Substrat liegen Schwankungen üblicherweise in einem Spektrum von plus/ minus 10 % der Mittelwerte. Bei Abfällen und Reststoffen können diese Schwankungen auch wesentlich darüber liegen. Schwankungen sowohl der Substratqualität als auch der Substratmenge schlagen sich linear auf die zu erwartenden Erlöse nieder. Beispielsweise führt ein um 10 % verminderter Biogasertrag ganz direkt zu Mindererlösen in der Größenordnung von 10 %. Damit ist es besonders wichtig, das hier beschriebene Risiko durch gezielte Maßnahmen zu reduzieren. Eine Kompensation derartiger Schwankungen ist nur möglich, wenn eine leichte Überdimensionierung der Anlage erfolgt und die Anlage flexibel auf wechselnde Substratqualität, z.B. hinsichtlich des Wassergehaltes, reagieren kann. Aufgrund der Tatsache, dass eine Anlage immer auf ein definiertes Substrat und ein definiertes Qualitätsspektrum ausgelegt wird, ist sicherzustellen, dass in allen in der Praxis zu erwartenden Betriebszuständen die zugeführten Substrate innerhalb der durch die Gewährleistungsbedingungen der Anlagentechnik definierten Grenzen eingesetzt werden. Gleiche Aussagen gelten auch für die zur Verfügung stehende Substratmenge, da die Substratmenge durchaus im Jahresverlauf oder auch im Tagesverlauf schwanken kann. Risiken resultieren aus der Verfügbarkeit der Biomasse. Ausgehend von Lieferverträgen und verfügbaren Lagerkapazitäten ist sicherzustellen, dass in allen zu erwartenden Betriebszuständen ausreichend Substrat für die Versorgung der Anlage verfügbar ist. Dies gilt beispielsweise auch für die Überbrückung von Feiertagen. Bei Ausfall der Biomassezuführung oder Verminderung der zugeführten Biomassemenge ist die direkte Folge üblicherweise, dass dementsprechend weniger Energie produziert werden kann. Damit sinken die Erlöse in linearer Abhängigkeit von der verminderten Biomasseversorgung. Besonders kritisch ist dies, wenn beispielsweise Wärmelieferverträge erfüllt werden müssen. Für derartige Fälle kann es erforderlich sein, eine alternative Wärmeversorgung sicherzustellen. Dies ist unbedingt in der Planungsphase der Anlage zu berücksichtigen. Das wirtschaftliche Risiko resultiert aus den Mindererlösen für die produzierte Energie und aus ggf. vereinbarten Vertragsstrafen. Die Mindererlöse können ggfs. durch die reduzierten Kosten für die nicht eingesetzte Biomassemenge teilkompensiert werden. <?page no="179"?> Carsten Herbes, Frank Scholwin 179 Hinsichtlich der zu erwartenden Energieabgabe stellt die Dimensionierung der Anlage die wichtigsten Weichen für die Möglichkeiten im zukünftigen Anlagenbetrieb. Bereits bei der Anlagenkonzeptionierung ist zu berücksichtigen, ob die Anlage einen über das Jahr, die Woche und den Tag betrachteten kontinuierlichen Betrieb mit konstanter Leistung sicherstellen soll oder ob die Anlage eine definierte Flexibilität in der Energieabgabe realisieren muss. Flexibilitätsanforderungen können dabei extrem unterschiedlich sein. Es kann ein lastabhängiger Betrieb erforderlich sein, beispielsweise bei einer wärmegeführten Energieabgabe oder bei Inanspruchnahme der Flexibilitätsanreize des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Andererseits kann es sein, dass die Anlage Systemdienstleistungen im Stromnetz anbieten soll. Diese verschiedenen Anforderungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Dimensionierung der Anlage aber auch auf die Notwendigkeit von technischen Zusatzeinrichtungen wie beispielsweise Regeltechnik oder auch Wärmespeicher zur Überbrückung von Abschaltungen der Stromproduktion. Aus diesem Grund ist es wichtig, Risiken, die aus der Nichtberücksichtigung von Betriebszuständen, die beim flexiblen Anlagenbetrieb eintreten können, zu kennen und durch technische Maßnahmen entsprechend zu minimieren. Folgen dieser Risiken können Ausfälle von Erlösen aus dem flexiblen Anlagenbetrieb sein. Diese Erlöse können je nach Anlagenkonfiguration in einer Größenordnung von 1 bis maximal 10 % der Gesamterlöse aus dem Anlagenbetrieb betragen. Ein weiteres, bereits aus der Dimensionierung der Anlage resultierendes, Risiko kann in der Nichtnutzbarkeit der stofflichen Endprodukte der Anlage liegen. Bei Biogasanlagen stellt der Gärrest ein sehr wichtiges Endprodukt dar. Der Gärrest sollte unbedingt als wertvolles Düngemittel verwendbar sein. Um dies zu erreichen, müssen zum einen die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Inverkehrbringen und Nutzung von Düngemitteln berücksichtigt werden. Zum anderen ist zu berücksichtigen, welche Technik für die Verwendung der Gärreste lokal verfügbar ist (Festmiststreuer, Schleppschlauchtechnik etc.). Darüber hinaus müssen Lager für die stofflichen Endprodukte verfügbar sein. Bei Anlagen zur Verbrennung fester Biomasse fallen Aschen und Produkte aus der Abgasreinigung an. Auch diese Produkte sollten möglichst so konfektioniert sein, dass sie einer weiteren Anwendung zugeführt werden können. Die aus einer mangelhaften Nutzbarkeit der Endprodukte resultierenden Risiken können dazu führen, dass zusätzliche Technik angeschafft werden muss, was mit Investitionskosten verbunden ist. Im ungünstigsten Fall kann die Nichtanwendbarkeit der stofflichen Endprodukte zu hohen Entsorgungskosten führen. Nicht zuletzt bei der Dimensionierung der Anlage wird bereits über die aus dem Anlagenbetrieb resultierenden Emissionen entschieden. Bei einer fehlerhaften Dimensionierung können Lärm, Geruch, Klimagasemissionen oder grundwasserrelevante Emissionen die Folge sein. Dimensionierungsfehler können hier das Risiko beinhalten, dass zusätzliche technische Maßnahmen nach Fertigstellung der Anlage ergriffen werden müssen. Diese Maßnahmen können mit zusätzlichen Investitionskosten und auch Betriebskosten verbunden sein. Technologieauswahl und die technische Dimensionierung der Anlage müssen bereits in der Planungsphase so erfolgen, dass alle hier angesprochenen Risiken so weit als möglich minimiert werden. Dies gilt nicht nur für die Anlage als Ganzes, sondern insbesondere für jede einzelne technische Komponente. Hier ist beispielsweise die Dimensionierung jeder einzelnen Rohrleitung für Substrate wie auch für Reststoffe <?page no="180"?> 180 7 Technisch-kommerzielle Risiken im Betrieb und z.B. Biogas als Konversionsprodukt von großer Bedeutung. Auch technische Anlagen wie Pumpen, Ventile, Rührwerke, Förderschnecken, Brenner und Abgasreinigungsanlagen können hier den Flaschenhals für die ganze Anlage darstellen. Dabei sind für alle Anlagenkomponenten die vom Hersteller vorgegebenen Einsatzgrenzen zu berücksichtigen, um beispielsweise Gewährleistungsbedingungen einzuhalten. Dies können stoffabhängige Anforderungen bei Fördereinrichtungen sein oder z.B. vorgegebene Gasqualitäten bei Gasverwertungs- und Gasaufbereitungseinrichtungen. Die Abhängigkeit der Funktion der gesamten Anlage von fast jedem einzelnen Anlagenteil ist noch einmal deutlich zu unterstreichen. Aus diesem Grund sollten in einzelnen Anwendungen auch redundante Systeme vorgesehen werden, um beispielsweise dem Ausfall einzelner Komponenten insofern vorzubeugen, dass kein Stillstand der gesamten Anlage resultiert. Zusätzliche Risiken allein aus der Dimensionierung der Technik sollten nicht resultieren, wenn alle oben angesprochenen Risiken bereits berücksichtigt worden sind. Wir fassen zusammen: Risiken aus der Dimensionierung der Anlage resultieren in der Regel aus Planungsfehlern. Planungsfehler können dabei darin bestehen, dass entweder falsche Daten und Annahmen für die Anlagenauslegung zu Grunde gelegt wurden oder nicht alle in der Praxis zu erwartenden Betriebszustände ausreichend berücksichtigt wurden. Risiken aus der Dimensionierung der Anlage führen in der Regel entweder zu einem Betrieb der Anlage, der keine Vollauslastung ermöglicht und damit zu verminderten Erlösen führt. Andererseits kann eine verzögerte Inbetriebnahme mit erheblichen Auswirkungen auf die Liquidität eine Folge sein. Zusätzlich können nachträgliche Investitionen erforderlich werden, die neben höheren Investitionsaufwendungen auch zu höheren Betriebsaufwendungen, z.B. durch Bedienung und Wartung zusätzlicher technischer Komponenten führen können. 7.2.2 Technische Risiken aus dem Anlagenbetrieb Ausgehend davon, dass eine bestehende Anlage sorgfältig geplant und dimensioniert wurde, können aus dem Betrieb der Anlage zusätzliche Risiken resultieren. Diese Risiken können bei Biogasanlagen biologischer Natur sein, aber bei allen Anlagen, die Energie aus Biomasse bereitstellen, natürlich auch technischer Natur. Aus der Ver- und Entsorgung der Anlage resultieren Risiken für den Anlagenbetrieb, wenn die Ver- und Entsorgung der Anlage Betriebsstörungen aufweist. Die Folge kann schnell ein Totalausfall der Anlage bzw. ein Totalausfall der Abgabe der Energie aus der Anlage sein. Daraus resultierende finanzielle Risiken können entweder durch entsprechende Kompensationsleistungen in den Verträgen für die Ver- und Entsorgungswege, z.B. mit Landwirten zur Biomassebereitstellung sowie zur Gärrestabnahme, kompensiert werden oder versicherungstechnisch begrenzt werden. Eines der größten technischen Risiken aus dem Betrieb der Anlage stellen Schwankungen der Substratqualität, Schwankungen der Substratmenge und Störstoffe in den zugeführten Substraten dar. Die Praxis zeigt, dass bei der Substratversorgung von Biomasseanlagen regelmäßig von den bei der Auslegung der Anlage definierten <?page no="181"?> Carsten Herbes, Frank Scholwin 181 Grenzen für die verwendbaren Substrate bzw. Substrateigenschaften abgewichen wird. Die Folgen können sehr unterschiedlicher Natur sein. Verstopfungen der Substratzufuhr können zu einem Stillstand der Gesamtanlage oder einer vorübergehenden Minderproduktion von Energie führen. Stillstände, die vor Ort behoben werden können, führen üblicherweise zu Ertragsausfällen für die Anlage von mehreren Stunden bis zu einem Tag. Falls durch eine fehlerhafte Substratzuführung Anlagenkomponenten Schaden nehmen, kann der Ausfall deutlich größere Zeiträume in Anspruch nehmen. Zum Beispiel kann die Zerstörung von Pumpen oder Zufuhrschnecken bei Biogasanlagen den Austausch der entsprechenden Teile erfordern. Falls die Teile nicht vor Ort verfügbar sind, kann die Folge ein mehrtägiger Ausfall sein. Wenn beispielsweise durch Substrate die Rührfähigkeit herabgesetzt wird und Rührwerke überlastet werden, kann der Bruch eines Rührwerks die Folge sein und im ungünstigsten Fall die Entleerung eines Fermenters erforderlich werden. In einem derartigen Fall kann ein Ertragsausfall über mehrere Wochen die Folge sein. In Anlagen zur Verbrennung fester Biomasse kann beispielsweise eine dauerhafte Über- oder Unterschreitung des Heizwertes der zugeführten Biomasse zu Schäden oder Dysfunktionen an Kessel und Komponenten im Abgasstrom führen. Den mit einer fehlerhaften Substratzufuhr verbundenen Risiken kann einerseits mit einer sorgfältigen Prüfung und Planung der Substrate begegnet werden. Außerdem kann ein durchgängiges Qualitätsmanagement eingeführt werden, das von stichprobenartigen Prüfungen bei der Einsilierung bis hin zum Monitoring der Stoffströme bei Annahme in der Biogasanlage reicht. Technische Einrichtungen wie eine Störstoffabscheidung, oder auch die Installation von großen Gasspeichern bei Biogasanlagen, die eine Auswirkung der vorübergehenden Störung der Substratzufuhr auf die Energieabgabe kompensieren können, reduzieren die Risiken des Ertragsausfalls aus der Anlage. Eine Absicherung der Risiken über Versicherungen ist zu überschaubaren Prämien nur möglich, wenn die Substrate Störstoffe enthalten oder Eigenschaften aufweisen, über die der Anlagenbetreiber keine Kenntnis haben konnte. Trotzdem sind Wechsel der Substratqualität und der Substratmenge im Betrieb von Biomasseanlagen üblich. Diese Wechsel können im Rahmen der bei der Dimensionierung der Anlage vorgesehenen Flexibilität erfolgen. Sie erfordern eine sorgfältige Planung und vorsichtige Realisierung im Anlagenbetrieb. Insbesondere Lastwechsel bei Biogasanlagen erfordern eine sehr genaue Kenntnis der Auswirkungen des Lastwechsels auf die Prozessbiologie (vgl. Abschnitt 7.2.3.). Ein weiteres Risiko aus dem Betrieb der Anlagen resultiert aus dem Ausfall von Anlagentechnik. Durch Verschleiß, technische Fehler und Bedienungsfehler können Anlagenkomponenten ausfallen. In der Regel betrifft dies Einzelkomponenten, deren Ausfall jedoch häufig erhebliche Auswirkungen auf den Gesamtprozess haben kann. Besonders kritisch sind dabei Komponenten anzusehen, die nicht redundant ausgeführt, aber für den Gesamtprozess unabdingbar sind. Dies können zum Beispiel Substratzufuhreinrichtungen, Pumpen, Rohrleitungen, Sicherheitseinrichtungen, Gasverwertungseinrichtungen oder die Leit- und Steuertechnik sein. Durch regelmäßige Kontrolle, den Austausch von Komponenten vor Erreichen der Verschleißgrenze und eine gute Anlagenüberwachung kann Ausfällen gut vorgebeugt werden. Im Fall des Komponentenausfalls kann es sehr vorteilhaft sein, eine Mindestmenge an Ersatzteilen vorzuhalten. Die Ersatzteilvorhaltung sollte dabei natürlich auf Verschleißteile fokussiert sein. Dies kann aber beispielsweise auch ganze Pumpen oder Rührwerke beinhal- <?page no="182"?> 182 7 Technisch-kommerzielle Risiken im Betrieb ten. Die meisten Anlagenanbieter bieten bei Anlagenkauf ein entsprechendes, auf Erfahrungswerten basierendes, Ersatzteilpaket an. Bei einem Ausfall von Anlagentechnik kann in den meisten Fällen mit eigenem technischem Personal eine Lösung und Wiederinbetriebnahme erreicht werden. Für Komponenten, bei denen dies wahrscheinlich nicht möglich ist, kann die Bindung eines 24-Stunden-Services von großem Vorteil sein. Aus dem Ausfall von Anlagentechnik können sehr unterschiedliche Folgen resultieren. Diese können von einem kurzzeitigen Stillstand, der für den Anlagenbetrieb keine Relevanz hat, über meist mehrstündige Anlagenausfälle bis im ungünstigsten Fall auch hin zu einem wochenlangen Anlagenkomplettausfall reichen. Gerade bei Komponenten, deren Bestellzeiten außerordentlich lang sind, können auch mehrmonatige Betriebsausfälle eintreten. Dies kann den Totalausfall aller Erträge zur Folge haben. Dieser wird dann teilweise kompensiert durch Minderausgaben bei den dann nicht mehr zugeführten Substraten. Die meisten laufenden Kostenpositionen, wie Personal, Zinsen und Tilgungen laufen allerdings weiter. Technische Ausfälle der Anlagentechnik lassen sich aber versicherungstechnisch relativ gut absichern. Weitere technische Risiken resultieren aus dem Eintreten außergewöhnlicher Prozesszustände. Derartige Prozesszustände können z.B. aus Klimabedingungen, aber auch aus besonderen Bedingungen bei Inbetriebnahme oder Wartungsarbeiten der Anlage eintreten. Beispiele für solche Prozesszustände sind: Prozesszustände bei Bau, Inbetriebnahme und Wartung: z.B. ein leerer Fermenter − die Anlage muss besonderen statischen Beanspruchungen widerstehen; z.B. Temperaturdifferenzen bzw. Aufheizkurven mit einem bestimmten Geschwindigkeitsprofil bei der Aufheizung der Anlage auf Prozesstemperatur und damit verbundene Temperaturspannungen; z.B. das „Durchfahren“ von Explosionsgrenzen bei Füllen oder Leeren von Behältern u.a. Klimatisch bedingte Prozesszustände: z.B. eingefrorene Substrate im Lager oder in/ auf Fördereinrichtungen; z.B. eingefrorene Flüssigkeits-/ Substrat-/ Gasleitungen oder eingefrorene Kondensate; z.B. Gashaubenzerstörung bei Biogasanlagen bei extremen Stürmen u.a. Störungen, die aus derartigen Prozesszuständen resultieren, können zum Stillstand der gesamten Anlage oder zum Ausfall einzelner Komponenten der Anlage führen. Damit können zeitlich vorübergehende Ausfälle der Erträge aus dem Anlagenbetrieb verbunden sein. Die Prozesszustände, die beim Bau der Anlage oder Wartungsarbeiten eintreten können, sollten bei einer sorgfältigen Planung berücksichtigt sein. Damit dürften im Betrieb keine zusätzlichen Risiken aus diesem Prozesszuständen hervorgehen. Klimatisch bedingte Störungen sind häufig nicht vorhersehbar. Als Gegenmaßnahmen gegen wirtschaftliche Schäden können derartige Prozessstörungen durch Versicherungen abgesichert werden. Weitere Risiken können aus Störungen der Abnahme bzw. Abgabe von stofflichen Endprodukten resultieren, z.B. Störungen der Komponenten, die beispielsweise Gärreste aufbereiten. Aus derartigen Störungen kann ein erhöhter Lagerbedarf für die Reststoffe aus der Anlage erforderlich werden. Auf die Kosten und Erträge aus der Anlage haben derartige Störungen meist nur in extremen Fällen Auswirkungen, z.B. wenn die Lagerkapaziäten erschöpft sind und sich keine zusätzlichen Lagerkapazitäten binden lassen. <?page no="183"?> Carsten Herbes, Frank Scholwin 183 Weitere technische Risiken resultieren aus Problemen bei der Energieabgabe aus der Anlage. Trotz sorgfältiger Planung der Anlage kann im Anlagenbetrieb eine Abgabe der Energie aus verschiedenen Gründen vorübergehend nicht möglich sein. Beispielsweise kann dies aus einer Überlastung des Stromnetzes oder einer Unterbrechung der Wärmeabnahme resultieren. Bei Störungen oder der Vollauslastung einer Gasleitung, in die aufbereitetes Biogas eingespeist werden soll, kann eine vorübergehende Unterbrechung der Gaseinspeisung die Folge sein. In den Fällen, in denen die Unterbrechung der Energieabnahme vom Betreiber des Strom- Wärme- oder Gasnetzes zu vertreten ist, sollten die daraus entstehenden Risiken im Energieabnahmevertrag geklärt sein. Falls die Energieabgabe aufgrund von Störungen eigener technischer Komponenten nicht möglich sein sollte, kann eine Kompensation der Risiken durch eine schnelle Wiederinbetriebsetzung oder auch durch Inanspruchnahme von Versicherungen kompensiert werden. Von großer Bedeutung für die Erkennung technischer Risiken aus dem Anlagenbetrieb ist die kontinuierliche Überwachung der gesamten Anlage und ihrer Komponenten. In der Praxis konnte schon häufig beobachtet werden, dass beispielsweise aufgrund mangelnder Wartung und Kalibrierung von Messinstrumenten, von einer Prozesssteuerung erfasste Daten nicht korrekt sind. Es ist äußerst wichtig, dass die in einer Prozessüberwachung erfassten Daten präzise und verlässlich sind. Ansonsten besteht das Risiko, dass Prozessstörungen fehlerhaft oder gar nicht erkannt und gemeldet werden. Daraus können sehr unterschiedliche Folgen resultieren. Sie können von einer wenig bedeutenden Störungsmeldung bis zum Stillstand der gesamten Anlage reichen. Daher sollte eine regelmäßige Plausibilitätsprüfung von Messwerten erfolgen. Zusätzlich sollte je nach Bedienungsanweisung des Herstellers eine regelmäßige Kalibrierung der Messeinrichtungen vorgenommen werden. Wir fassen zusammen: Die technischen Risiken aus dem Betrieb der Anlage resultieren in der Regel aus technischen Störungen und Havarien oder dem Einsatz der Anlagentechnik außerhalb der Gewährleistungsparameter. Die Folgen können von einem kurzfristigen Ausfall einzelner Komponenten bis zum Totalausfall der gesamten Anlage über Wochen reichen. Die wichtigsten Gegenmaßnahmen gegen diese Risiken sind der sorgfältige Anlagenbetrieb im Rahmen der Gewährleistungsgrenzen der einzelnen Komponenten und der Gesamtanlage, regelmäßige Wartungen und Instandhaltungen, eine automatische Anlagenüberwachung mit einer schnellen Störungsweiterleitung sowie eine versicherungstechnische Absicherung der wesentlichen Risiken. 7.2.3 Biologische Risiken aus dem Anlagenbetrieb Biologische Risiken aus dem Anlagenbetrieb sind fast ausschließlich für Biogasanlagen relevant. Bei Anlagen zur Verbrennung fester Biomasse können biologische Risiken allerdings dann relevant sein, wenn die feste Biomasse sehr feucht gelagert wird und dies zur intensiven Schimmelbildung führt. In diesem Fall kann eine deutliche Ver- <?page no="184"?> 184 7 Technisch-kommerzielle Risiken im Betrieb minderung des Brennwertes der Substrate eintreten und eine wesentlich geringere Energieausbeute wäre die Folge. Im Folgenden wird allein auf biologische Risiken aus dem Anlagenbetrieb bei der Produktion von Biogas eingegangen. Bereits bei der Bereitstellung von Substraten für Biogasanlagen werden biologische Prozesse genutzt. Dies ist insbesondere bei der Silierung von Biomasse zur langfristigen Konservierung der Fall. Bei einer fehlerhaften Silierung (beispielsweise bei Lufteintritt in den Silokörper oder bei einer sogenannten Fehlgärung) kann schnell ein Verlust von mehr als 10 % der Biomasse eintreten. Dies tritt in der Praxis allerdings sehr selten auf. Trotzdem sollten die Silierung und die Lagerung sehr sorgfältig vorgenommen werden. Die einschlägigen Regeln und Richtlinien dazu sollten beachtet werden. Eine Kompensation von Silierverlusten ist ansonsten nur durch einen Zukauf von zusätzlichen Substraten möglich. Silierverluste von 5 % sind aber die technisch machbare Untergrenze und sind in Kauf zu nehmen. Die größten Herausforderungen und biologischen Risiken resultieren aber aus dem Biogasbildungsprozess an sich. Der gesamte Prozess beruht auf der Aktivität und der Lebenstätigkeit von Mikroorganismen. Die Biogasanlage muss so konstruiert und betrieben werden, dass ständig optimale Lebensbedingungen für die Mikroorganismen gewährleistet werden. Wesentliche Störungen des biologischen Prozesses können resultieren aus: der Zufuhr von Substrat falscher Qualität oder falscher Mengen, schnellen Änderungen der Substratqualität, der unregelmäßigen Zugabe von Substrat, zu kurzen Verweilzeiten des Substrats in der Biogasanlage sowie starken Temperaturschwankungen und schnellen Temperaturänderungen im Anlagenbetrieb. Störungen können bei Überlastung der Anlage beispielsweise zu einer Übersäuerung führen. In diesem Fall geht die Biogasbildung rapide zurück. Im ungünstigsten Fall kann die Biogasproduktion ganz zum Erliegen kommen. Bei der Zufuhr von zu wenig abbaubarem Substrat oder von sehr schwer abbaubarem Substrat ist ebenfalls eine Reduktion der Biogasproduktion die Folge. Darüber hinaus können Substrate Hemmstoffe enthalten (z.B. Desinfektionsmittel), die zu einer Störung der mikrobiellen Aktivität führen können. Weiterhin können Substrate bestimmte Mikronährstoffe in zu geringen Konzentrationen enthalten. Daraus kann eine mangelnde Nährstoffversorgung der Mikroorganismen resultieren, die auch zu einer Reduktion des Biogasertrages führt. Derartige Störungen resultieren in den meisten Fällen aus einem nicht bestimmungsgemäßen Betrieb der Biogasanlage. Sie haben ihre Ursache oft in Fehlern im Management der Biogasanlage. Zusätzlich können sie auch aus technischen Störungen von Anlagenkomponenten herrühren (z.B. Ausfall von Rührwerken, Ausfall von Beschickungseinrichtungen). Aufgrund der Komplexität und der Trägheit des prozessbiologischen Systems einer Biogasanlage ist die Dauer von biologischen Prozessstörungen häufig länger als die Dauer von rein technischen Störungen. Kleine Störungen können oft durch das installierte Gasspeichervolumen ausgeglichen werden. Viele Störungen führen aber zu einer kurz- oder mittelfristigen Beeinflussung des Biogasertrages und damit der Ener- <?page no="185"?> Carsten Herbes, Frank Scholwin 185 gieproduktion aus der Anlage. Damit kann häufig eine Reduktion der Biogasproduktion über eine oder mehrere Wochen die Folge sein. Bei einer starken Übersäuerung eines Fermenters können das vollständige Entleeren des Fermenters und ein Wiederanfahren der Biogasanlage erforderlich werden. Dies kann zu einem vorübergehenden Anlagenausfall und einer reduzierten Biogasproduktion über 4 - 12 Wochen führen. Biologischen Risiken aus dem Anlagenbetrieb kann mit einem sorgfältigen Anlagenmanagement und einer sehr guten Überwachung der Prozessbiologie entgegengewirkt werden. Dies erfordert üblicherweise eine sehr gute Prozesskenntnis des Anlagenpersonals und geeignete Messtechnik. Zusätzlich ist eine versicherungstechnische Absicherung der Risiken möglich. Die Absicherung von Ertragsausfällen, die nicht durch die Störung technischer Komponenten hervorgerufen werden, ist allerdings auch kostspielig. Wir fassen zusammen: Biologische Risiken aus dem Anlagenbetrieb sind fast ausschließlich für die Biogasproduktion relevant. Starke biologische Prozessstörungen können schwerwiegende Folgen für den Anlagenbetrieb und die daraus resultierenden Erlöse haben. Den Risiken kann hauptsächlich durch ein sehr gutes Anlagenmanagement entgegengewirkt werden. Es ist allerdings auch festzuhalten, dass es kaum gelingt, eine Biogasanlage ohne prozessbiologische Störungen über Jahre zu betreiben. 7.2.4 Management-Risiken aus dem Anlagenbetrieb Die Qualität des Managements einer Anlage hat extrem große Auswirkungen auf den erfolgreichen Anlagenbetrieb. Gerade die Risiken aus einem schlechten Anlagenbetrieb sind außerordentlich hoch und beeinflussen in der Regel die Erträge aus dem Anlagenbetrieb stark. Am Beispiel von Biogasanlagen zeigt die Praxis, dass allein durch Verbesserung des Anlagenmanagements Ertragssteigerungen im zweistelligen Prozentbereich möglich sind. Die Qualität des Anlagenmanagements ist hauptsächlich abhängig von der Qualifikation und Identifikation des Anlagenpersonals mit der Anlage sowie von der Einhaltung der technischen Vorgaben und Gewährleistungsgrenzen die zum Beispiel in Betriebsanleitungen und Betriebsanweisungen fixiert sind. Eine hohe Qualität des Anlagenmanagements ist nur dann möglich, wenn das Anlagenpersonal ein sehr gutes Verständnis von den einzelnen Prozessen in der Anlage und deren komplexem Zusammenwirken hat. Dies erfordert eine hohe Qualifizierung des Anlagenpersonals. Diese sollte sowohl durch Schulungen, Weiterbildungen als auch den regelmäßigen Austausch mit Betreibern anderer Anlagen gewährleistet werden. Technische Einrichtungen zur Anlagenüberwachung, die eine sofortige Information des Betriebspersonals über den Zustand der Anlage und insbesondere über Anlagenstörungen ermöglichen, können für ein erfolgreiches Anlagenmanagement von sehr großer Bedeutung sein. 7.2.5 Übersicht über die Risiken Nachfolgend werden in Tabelle 3 die wesentlichen Risiken und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Anlage zusammengefasst. <?page no="186"?> 186 7 Technisch-kommerzielle Risiken im Betrieb Risiko wirtschaftliche Auswirkungen typisch Min-Max Dauer in Tagen pro Jahr Ertragsminderung während der Dauer in % Dauer in Tagen pro Jahr Ertragsminderung während der Dauer in % Technische Risiken aus der Anlagendimensionierung Anwendung fehlerhafter Daten 0 0 365 5 - 20 Dimensionierungsfehler bei der Ver- und Entsorgung 0 0 5 - 100 5 - 20 Dimensionierungsfehler hinsichtlich Substratqualität, Substratmenge und Störstoffen in den zugeführten Substraten 0 0 20 - 365 5 - 30 Dimensionierungsfehler bei der Energieabgabe 0 0 5 - 30 5 - 20 Nichtnutzbarkeit der stofflichen Endprodukte 0 0 365 10 - 30 Dimensionierungsfehler hinsichtlich der Emissionen 0 0 365 5 - 100 Dimensionierungsfehler hinsichtlich Technologieauswahl und technischer Auslegung der Anlage 0 0 365 5 - 30 Technische Risiken aus dem Anlagenbetrieb Probleme bei der Ver- und Entsorgung der Anlage 5 10 0 - 30 5 - 50 Schwankungen der Substratqualität, Schwankungen der Substratmenge und Störstoffe in den zugeführten Substraten 0 - 5 5 0 - 60 0 - 10 Ausfall von Anlagentechnik 10 50 5 - 30 0 - 100 Eintreten außergewöhnlicher Prozesszustände 0 - 10 bis 100 0 - 30 50 - 100 Störungen der Abnahme bzw. Abgabe von stofflichen Endprodukten 0 0 0 - 50 0 - 5 Probleme bei der Energieabgabe 3 bis 50 0-20 30-100 Mangelhafte Überwachung der gesamten Anlage 5 10 0 - 50 10 - 30 <?page no="187"?> Carsten Herbes, Frank Scholwin 187 Biologische Risiken aus dem Anlagenbetrieb Überhöhte Lager- und Silierverluste bei der Substratbereitstellung 365 0 10 - 365 0 - 15 Prozessstörungen der Biogasproduktion: 1. Zufuhr von Substrat falscher Qualität oder falscher Mengen, 2. schnelle Änderungen der Substratqualität, 3. unregelmäßige Zugabe von Substrat, 4. zu kurze Verweilzeiten des Substrats, 5. starke Temperaturschwankungen und schnelle Temperaturänderungen 5 5 0 - 5 0 0 10 10 5 0 0 0 - 60 0 - 30 0 - 60 0 - 365 0 - 15 5 - 30 5 - 20 0 - 10 5 - 20 5 - 25 Tab. 3: Risiken und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen; Schätzwerte der Autoren, es treten sicher nie alle Risiken bei einer Anlage auf, damit können die Werte nicht summarisch verwendet werden. 7.3 Kommerzielle Risiken Im Folgenden werden die kommerziellen Risiken im engeren Sinne dargestellt. Die Analyse folgt dabei der Struktur der Gewinn- und Verlustrechnung. Zunächst werden die Positionen der Ertragsseite behandelt, anschließend die Positionen der Aufwandsseite. Zu jedem identifizierten Risiko werden immer direkt die Möglichkeiten zur Vermeidung, Versicherung oder Verteilung aufgezeigt. Die EEG-Reformen der vergangenen Jahre haben Änderungen in der Vergütungsstruktur mit sich gebracht. Einige der in diesem Kapitel erwähnten Boni sind für Neuanlagen nicht mehr relevant, für die Risikobetrachtung von Bestandsanlagen, z.B. bei einer Restrukturierung der Finanzierung, aber sehr wohl. 7.3.1 Risiken in den Ertragspositionen Wir beginnen unsere Analyse mit den Biogasanlagen (BGA). Zunächst betrachten wir den heute noch weitaus häufigeren Fall einer Biogasanlage (BGA) mit Vor-Ort- Verstromung bzw. eines Biomasseheizkraftwerks (BMHKW), anschließend dann den Fall einer Biogasaufbereitung mit Biomethaneinspeisung. Jede BGA hat auf Grund ihrer technischen und örtlichen Gegebenheiten (Einsatzstoffe, Wärmeabsatz etc.) eine spezifische Ertragsstruktur. Um aber einen Anhaltspunkt für die wertmäßige Bedeutung der einzelnen Ertragsbestandteile zu bekommen, werden in Abbildung 24 die Erträge einer idealtypischen 500 kW-BGA mit Nawaro-Einsatz, Einspeisevergütung, Wärmenutzung und Gärprodukteverkauf dargestellt. In Abbildung 25 ist die gleiche Anlage, diesmal aber mit Vergütung über das Marktprämienmodell abgebildet. Prinzipiell sehen Ertragsstrukturen von Biomasse-Heizkraftwerken auf Holzhackschnitzelbasis ähnlich aus, wenngleich der Ertrag aus dem Gärresteverkauf wegfällt. <?page no="188"?> 188 7 Technisch-kommerzielle Risiken im Betrieb Abb. 24: Ertragsstruktur einer idealtypischen 500 kW el -BGA mit Vor-Ort-Verstromung und Einspeisung nach EEG. Quelle: DBFZ-Biogasrechner, eigene Berechnungen Abb. 25: Ertragsstruktur einer idealtypischen 500 kW el -BGA mit Vor-Ort-Verstromung und Nutzung des Marktprämienmodells (eigene Berechnungen) Bei der Vor-Ort-Verstromung rührt der größte Teil der Umsatzerlöse aus der Vergütung der eingespeisten Strommenge her. Neben den oben schon erwähnten technischen Risiken, die zu einer Reduzierung der eingespeisten Strommenge führen können, interessieren hier vor allem die Preisrisiken. Diese sind zuvorderst politische Risiken (siehe dazu allgemein Kapitel 5). Die Einspeisevergütung, und damit auch die Marktprämie sowie weitere Prämien des Marktprämienmodells, werden durch das EEG festgelegt und garantieren dem Betreiber Bestandsschutz für die Laufzeit von zwanzig Jahren. Allerdings haben rückwirkende „Klarstellungen“ wie z.B. zum Anlagenbegriff im EEG 2009 und auch die jüngsten politischen Vorstöße zur Strompreisbremse gezeigt, dass dieser Bestandsschutz nicht als absolut zu sehen ist. Das zweite Preisrisiko liegt in der Nicht-Gewährung bestimmter Boni und sonstiger Vergütungen. So kann der Netzbetreiber Einspeisevergütungen (die regelmäßig nur vorläufig ausgezahlt werden) zurückfordern, wenn z.B. der Nawaro-Bonus bzw. Einsatzstoffklassenbonus wegen nicht sachgemäßer Führung des Einsatzstofftagebuches nicht EEG‐ Grundvergütung EEG‐ESK-I‐ Vergütung Verkauf- Gärreste Verkauf-Wärme Σ 855 TEUR/ Jahr Strom‐ vermarktung Marktprämie Management‐ prämie Erlöse negative- Minuten‐ reserve Verkauf- Gärreste Verkauf-Wärme Σ 861 TEUR/ Jahr <?page no="189"?> Carsten Herbes, Frank Scholwin 189 gewährt wird. Auch andere Boni können zurückgefordert werden, wenn sich bei Überprüfungen herausstellt, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, so z.B. beim KWK (Kraft-Wärme-Kopplung)-Bonus oder beim Technologiebonus. Die politischen Risiken können vom einzelnen Anlagenbetreiber nicht vermieden und kaum antizipiert werden. Er kann lediglich einer Organisation (z.B. Fachverband Biogas oder biogasrat) beitreten, die seine Interessen gegenüber den politischen Akteuren angemessen vertritt. Die Nicht-Gewährung bestimmter Boni kann dagegen vermieden werden, in dem sorgfältig auf die Einhaltung der technischen Voraussetzungen für technisch orientierte Boni (vor allem vor EEG 2012) geachtet wird und indem in der Betriebsorganisation Vorsorge für eine lückenlose Dokumentation der Einsatzstoffe (Nachwachsende Rohstoffe (Nawaro)-Bonus bzw. Einsatzstoffklassen (ESK)- Bonus) gesorgt wird. Im Marktprämienmodell vermarktet der Anlagenbetreiber den erzeugten Strom und verpflichtet sich dabei auf einen „Fahrplan“. D.h. er geht seinem Abnehmer gegenüber eine Lieferverpflichtung ein. Hält er den Fahrplan nicht ein, z.B. weil das BHKW für einige Zeit ausfällt, muss er für die Kosten der Ausgleichsenergie aufkommen, was ein zusätzliches Risiko darstellt. Diesem kann er im Prinzip nur durch einen professionellen Betrieb der Anlage und die Minimierung von Ausfallzeiten entgegentreten. Manche Anlagenbetreiber schaffen Zusatzkapazitäten in Form von Gasspeichern und zusätzlichen BHKWs. Sie können dadurch die Einspeisung des Stroms z.T. in die Peak-Zeiten, d.h. Zeiten, in denen der Strom teuer ist, verschieben. Die geplante Rendite für diese Zusatzinvestitionen lässt sich allerdings nur dann erzielen, wenn die Unterschiede im Börsenpreis zwischen Hoch- und Niedrigpreisphasen („Spread“) in der geplanten Höhe auftreten. Tatsächlich ist der Spread durch die massive Installation von Photovoltaikanlagen in den letzten Jahren immer kleiner geworden, wie sie sich in Zukunft entwickeln, ist ungewiss. Die Rentierlichkeit der Zusatzinvestitionen unterliegt also einem erheblichen Marktrisiko, das der Betreiber nicht vermeiden kann, wenn er investieren will. Die zweite klassische Umsatzposition bei der Vor-Ort-Verstromung ist der Wärmeverkauf. Hier besteht das Risiko des Ausfalls des Wärmeabnehmers. In der Regel werden Businesspläne für Biomasse-Projekte auf zwanzig Jahre kalkuliert. Es gibt aber kaum einen Industriebetrieb, der seinen Wärmebedarf über solch eine lange Frist zuverlässig prognostizieren kann und bereit ist, sich entsprechend vertraglich zu binden. Zudem kann der Abnehmer, wie prinzipiell jedes Unternehmen, den Standort aufgeben oder insolvent werden. Hier hilft ggf. die Streuung des Absatzrisikos, z.B. indem der BGA- oder BMHKW-Betreiber nur eine von mehreren Wärmequellen für ein größeres Nahwärmenetz zur Versorgung diverser Betriebe oder einer größeren Zahl von Privathaushalten darstellt. Eine weitere Möglichkeit der Risikovermeidung besteht in der Gestaltung der Wärmeabsatzverträge. Die Durchsetzung einer möglichst langen Abnahmedauer, der Festlegung von Preiserhöhungen und von Schadenersatz im Falle der Nichtabnahme kann helfen, Risiken auf Seiten des Anlagenbetreibers zu minimieren. Voraussetzung dazu ist allerdings das wirtschaftliche Überleben des Abnehmers. Viele BGA-Betreiber mit Vor-Ort-Verstromung bieten heute bereits Systemdienstleistungen, wie z.B. negative Regelenergie, im Strommarkt an und erschließen sich damit eine zusätzliche Ertragsquelle. Die meisten BGAs nutzen dabei die Dienste eines <?page no="190"?> 190 7 Technisch-kommerzielle Risiken im Betrieb Poolbetreibers (zugelassener Regelenergieanbieter), der eine Vielzahl von BGAs bündelt und dann die Systemdienstleistungen am Markt anbietet. Heute handelt es sich dabei in der Regel um negative Regelenergie in Form der Minutenreserve, z.T. auch schon der Sekundärreserve, bei der der Anlagenbetreiber wesentlich schneller reagieren muss. Der BGA-Betreiber erklärt sich in beiden Fällen bereit, in Zeiten hoher Einspeisemengen von z.B. Photovoltaikund/ oder Windkraftstrom, seine Einspeisung zu reduzieren, im Extremfall auf Null. Für die Bereitschaft, auf Anforderung die Einspeisung zu reduzieren, erhält er den sogenannten „Leistungspreis“, bei tatsächlichem Aufruf der BGA zusätzlich noch den sogenannten „Arbeitspreis“. Leistungspreise, insbesondere jedoch Arbeitspreise, sind starken Schwankungen unterworfen. Durch größere Strukturverschiebungen im Strommarkt können diese auch langfristig sinken. Sind die Erlöse aus der Bereitstellung von Regelenergie im Businessplan einkalkuliert, sieht sich der BGA-Betreiber erheblichen Risiken ausgesetzt. Diese sind mit vernünftigem Aufwand kaum zu reduzieren. Insofern empfiehlt sich für den Businessplan ein vorsichtiger Ansatz der Erträge aus dieser Quelle. Ein weiteres Risiko liegt, ähnlich wie bei der o.g. Einhaltung des Fahrplans, in Betriebsstörungen, die den Betreiber hindern, die Regelenergie vertragsgemäß zu liefern. Auch hier drohen Vertragsstrafen bzw. die Kosten von Ausgleichsenergie. Abb. 26: Entwicklung der Preise für die negative Minutenreserve 2011 in Euro pro Monat. Quelle: NEXT Kraftwerke GmbH 2013 Eine weitere Umsatzposition bei BGAs kann aus der Vermarktung der Gärprodukte (Gärreste) der Biogasanlage entstehen. Hier befindet sich der BGA-Betreiber im freien Spiel der Absatzmärkte und ist demgemäß einem Absatzrisiko ausgesetzt. So kann bei einem generellen Nährstoffüberhang in der Region oder einer hohen BGA-Dichte die Nachfrage bereits übererfüllt sein. Entsprechend sinken die Preise für Gärprodukte. Im Extremfall können sie sogar negativ werden, d.h. die Abnehmer verlangen noch Gebühren für die Abnahme oder verweigern sie. Im letzteren Fall bleiben dem BGA-Betreiber nur die Aufbereitung und der Transport in Regionen, in denen eine ausreichende Nachfrage besteht. Bei der Planung der Anlage sollte als risikomindernde 0 2000 4000 6000 8000 10000 12000 14000 Monatlicher Erlös negative Minutenreserve <?page no="191"?> Carsten Herbes, Frank Scholwin 191 Maßnahme deshalb das Absatzkonzept für die Gärprodukte detailliert beschrieben und durch möglichst langfristige Gärprodukt-Abnahmeverträge gesichert werden. Bei einem Ausfall der Vertragspartner, z.B. bei Insolvenz eines benachbarten landwirtschaftlichen Betriebs, kann das Risiko trotz vertraglicher Sicherung wiederaufleben. Auch beim Gärprodukte-Absatz können wieder technische und biologische Risiken eine Rolle spielen, so wenn z.B. E-coli oder andere Erreger im Gärprodukt vorhanden sind und dieses entsorgt werden muss statt für den Verkauf zur Verfügung zu stehen. Bei Abfall-BGAs spielen Erlöse aus der Annahme der Abfallstoffe eine wichtige Rolle auf der Ertragsseite. Sie sind oftmals finanziell genau so bedeutend wie die Erlöse aus der Stromeinspeisung. Bei der Biomethaneinspeisung tritt an Stelle der gesetzlich festgelegten Einspeisevergütung aus der Vor-Ort-Verstromung ein frei verhandelbarer Gasabsatzvertrag. Hier entstehen zusätzliche Preisrisiken für den BGA-Betreiber. Die überwiegende Mehrheit der heute geschlossenen Gasabsatzverträge sieht Preisanpassungsklauseln vor. Dabei wird der Preis entweder mit einer fixen jährlichen Rate erhöht oder folgt mit einem bestimmten Anbindungsfaktor einem zuvor vereinbarten Index. Der heute am meisten genutzte Index ist der Gaspreis am virtuellen niederländischen Handelspunkt TTF. Das Risiko des BGA-Betreibers liegt darin, dass sich die Indizes, an die der Preis gebunden ist, entgegen der ursprünglichen Prognosen nach unten bewegen oder nicht so stark steigen wie erwartet. Grundsätzlich kann dem Risiko der fluktuierenden Indizes durch Finanzmarktinstrumente entgegengesteuert werden (siehe Kapitel 12 zu Derivaten als Instrumenten des Risikomanagements). Zusätzlich zum vereinbarten Gaspreis erhält der Anlagenbetreiber als Transportkunde vom Netzbetreiber nach § 20 a GasNEV für zehn Jahre ab Inbetriebnahme die sogenannten vermiedenen Netznutzungsentgelte oder vermiedenen Netzentgelte von z.Zt. 0,7 Cent pro kWh. Diese können, abhängig von den Ergebnissen des Monitorings nach § 37 der Gasnetzzugangsverordnung, angepassst werden. Hier liegt also ein weiteres politisches Risiko. Abb. 27: Ertragsstrukur einer idealtypischen 700-m 3 / h-Biomethan-Einspeiseanlage mit 600 kW- BHKW vor Ort (eigene Berechnungen) Gasabsatz Stromeinspeisung VNNK Verkauf Gärreste Σ 5.737 TEUR/ Jahr <?page no="192"?> 192 7 Technisch-kommerzielle Risiken im Betrieb Abb. 28: Überblick Risiken Ertragsseite (eigene Darstellung) Tab. 4: Ursachen und Relevanz unterschiedlicher Risiken auf der Ertragsseite Wirkungs bereiche Politische Veränderungen Nicht- Anerkennung von Boni / Prämien Ausfallrisiken Kunden Preisrisiken Grundvergütung +++ 0 0 Boni +++ +++ 0 0 Flexibilitätsprämie +++ +++ 0 0 Risiken auf der Ertragsseite politische Risiken Grundvergütung Boni vermiedene Netznutzungsentgelte kein Risiko-Mgt. möglich Risiken der Nicht- Anerkennung technisch orientierte Boni vor EEG 2012 Einsatzstoffboni Flexibilitätsprämie im MP-Modell Sorgfalt, betriebliche Abläufe Preisrisiken Strompreis Gaspreis Gärproduktepreis Wärmepreis Preise für Systemdienstleistungen Streuung Absatzrisiko, Verträge Ausfallrisiken Kunden für Gärprodukte Kunden für Wärme Streuung Absatzrisiko, Kunden- Prüfung <?page no="193"?> Carsten Herbes, Frank Scholwin 193 Gasvermarktung ++ + +++ Stromvermarktung ++ 0 hängt vom Kunden ab +++ Vermarktung von Systemdienstleistungen ++ 0 + +++ Gärproduktvermarktung +++ (Anforderungen an Gärprodukte) 0 + (Absatz bei längeren Transportwegen auch an andere möglich) +++ Wärmeabsatz 0 0 +++ (wg. Ortsgebundenheit und hoher Investitionskosten für Wärmenetze kritisch) +++ Vermiedene Netznutzungsentgelte +++ 0 0 0 Riskomanagement- Maßnahmen kaum möglich, polit. Arbeit Sorgfalt in betriebl. Abläufen Risikostreuung im Absatz vertragliche Regelungen, Hedging Wir fassen zusammen: Auf der Ertragsseite gibt es bei der Vor-Ort-Verstromung vor allem politische Risiken für die Grundvergütung und Risiken für die Boni aus der Nicht-Einhaltung technischer Grenzwerte und aus mangelnder Dokumentation. Lediglich letztere können durch organisatorische Maßnahmen gemindert werden. Neben der Hauptertragsquelle Einspeisevergütung gibt es zusätzliche Risiken bei den Preisen für Systemdienstleistungen, Wärme und Gärprodukte. Hier helfen (bis auf die Systemdienstleistungen) langfristige Verträge, die Risiken zu mindern. Beim Verkauf von Biomethan weisen die frei verhandelbaren Gasabsatzverträge Preisrisiken auf, die durch vertragliche Gestaltung der Preisanpassungsklauseln minimiert werden können. <?page no="194"?> 194 7 Technisch-kommerzielle Risiken im Betrieb 7.3.3 Risiken in den Aufwandspositionen Wenden wir uns nun den Risiken in den Aufwandspositionen zu. Mengenrisiken sind, wie bereits in den Ertragspositionen, eher im technischen Bereich vorhanden und werden daher hier im Wesentlichen vernachlässigt. Wir fokussieren auf die Preisrisiken. Zur besseren Einschätzung der Bedeutung der einzelnen Aufwandspositionen und der damit verbundenen Risiken sind in Abbildung 29 die Aufwandsstruktur einer idealtypischen 500-kW-BGA mit Vor-Ort-Verstromung und in Abbildung 30 die Aufwandsstruktur eines 800-kW-Biomasse-Heizkraftwerkes dargestellt. Abb. 29: Aufwandsstruktur einer idealtypischen 500 kW el -Nawaro-BGA mit Vor-Ort- Verstromung. Quelle: KTBL-Biogasrechner, eigene Berechnungen Abb. 30: Aufwandsstruktur eines idealtypischen 800 kW el -BMHKW. Quelle: FNR 2012; C.A.R.M.E.N. 2012, eigene Berechnungen NAWARO vs. Abfall Betrachten wir zunächst die Nawaro-BGA und das BMHKW. Ganz deutlich ist bei beiden Anlagentypen die hohe Bedeutung der Aufwendungen für die Beschaffung der Biomasse erkennbar. Eine Steigerung um ca. 10 - 20 % bei den Biomassekosten kann eine typische BGA bereits in die Verlustzone treiben, damit ist das Preissteige- Substrate- (Nawaros) Eigenstrom‐ verbrauch Sonstige-RHB Logistik- (Transport) Personal Instandhaltung Sonstige-sbA Abschreibun‐ gen Zinsen Σ 787 TEUR/ Jahr Brennstoffkosten Stromkosten betriebsgebundene Kosten kapitalgebundene Kosten Σ 225 TEUR/ Jahr <?page no="195"?> Carsten Herbes, Frank Scholwin 195 rungsrisiko der Biomasse ein entscheidender Risikofaktor. Wegen des im Verhältnis zu den Transportkosten geringen Trockenmasse- und damit Energiegehaltes (ca. 30 % TM bei Maissilage) ist das wirtschaftlich sinnvolle Einzugsgebiet für die Biomassebeschaffung bei BGAs relativ klein, vielfach wird von einem 10-km- Umkreis um die Anlage gesprochen, bei größeren Anlagen kann dieser z.T. auch bis 50 Kilometer ausgedehnt werden. Bei BMHKWs, die mit Holzhackschnitzeln oder Pellets betrieben werden, ist dagegen das Einzugsgebiet deutlich größer und damit die Beschaffung weniger kritisch. Bei der Nawaro-BGA dagegen ist die Biomassebeschaffung der entscheidende erste Stellhebel schon bei der Standortsuche. Durch die Wahl eines geeigneten Standortes soll sichergestellt werden, dass langfristig möglichst geringe Preissteigerungen in der Biomassebeschaffung eintreten. Wie muss nun der ideale Standort für eine Nawaro-BGA aussehen? Zunächst sollte die BGA auf möglichst wenig Konkurrenz um die Biomasse treffen. D.h. die für die BGA geeigneten Einsatzstoffe, in der Regel Maissilage, sollten für die Landwirte vorzüglich gegenüber anderen Ackerfrüchten sein. Die Erträge von Mais müssen damit in der Zielregion verhältnismäßig hoch sein, im Vergleich z.B. zu Roggen. Zum zweiten hilft Marktferne, d.h. hohe Transportkosten für z.B. Roggen für die Landwirte, weil dies die Belieferung der lokalen BGA im Verhältnis attraktiver macht. Wegen der Mengenbegrenzung für Mais und Getreide („Maisdeckel“) im EEG 2012 muss der Anlagenbetreiber aber auch andere Biomasse einsetzen. Hierzu ist es günstig, wenn die Zielregion neben Ackerflächen z.B. einen hohen Bestand an Dauergrünland aufweist, von dem Grassilage für die BGA gewonnen werden kann. Neben den bislang genannten Faktoren, die auf die Erzeugung von Biomasse Bezug nehmen, muss auch die direkte Konkurrenz um die Biomasse betrachtet werden. D.h. bei der Standortsuche muss ermittelt werden, wie hoch die Viehdichte in der Region ist und wie viele andere BGAs in Betrieb bzw. in Planung sind. Standorte, an denen bereits eine hohe Anlagendichte bzw. Konkurrenz durch Viehbetriebe besteht, sind tendenziell weniger geeignet. So können bereits durch die Standortwahl zukünftige Preissteigerungsrisiken minimiert werden. Ein zweiter wichtiger Hebel sind die Verträge zum Bezug von Biomasse (sofern diese nicht selbst erzeugt wird). Hier sind möglichst langfristige Verträge mit geringen, vertraglich vereinbarten, Preissteigerungen anzustreben. Denkbar sind Preisanpassungen auf Basis einer fixen jährlichen Preissteigerungsrate, Preisanpassungen mit Bezug zu allgemeinen oder landwirtschaftlichen Preisindizes oder mit Bezug zu Preisindizes, die auch auf der Gasabsatzseite zum Tragen kommen, wie z.B. der Preis für Leichtes Heizöl (HEL). Die Praxis zeigt aber, dass Landwirte immer weniger bereit sind, langfristige Verträge abzuschließen. D.h. die Preise für Biomasse orientieren sich dann stärker an den Spotmarktpreisen für Konkurrenzfrüchte, die z.T. extrem volatil sind. Sollte die Preisgestaltung vertraglich an Preisindizes bestimmter Agrarprodukte gebunden sein, kann der Betreiber dem Risiko mit landwirtschaftlichen Derivaten am Finanzmarkt gegensteuern (siehe dazu Kapitel 12). Um Opportunitäten auf der Beschaffungsseite nutzen zu können und so Preisrisiken ausweichen zu können, ist es von Vorteil, die Anlage technisch so auszustatten, dass sie verschiedenste Substrate flexibel nutzen kann. Anlagen, die neben <?page no="196"?> 196 7 Technisch-kommerzielle Risiken im Betrieb Silagen (Mais, Gras, Getreide-Ganzpflanzensilage (GPS)), z.B. auch Zuckerrüben einbringen können, haben die Chance, von niedrigen Preisen für Überrüben in guten Erntejahren zu profitieren. Aber auch nach Festlegung des Standortes können weitere Risiken in der Biomassebeschaffung auftreten. So herrschten gerade in der Anfangszeit der BGAs Substratlieferverträge auf Frischmassebasis, ohne Festlegung von Qualitätskriterien vor. Dies birgt das Risiko, dass die Landwirte z.B. Silagen liefern, die wesentlich weniger Trockenmasse und damit auch weniger Methanpotenzial aufweisen als im Businessplan kalkuliert. Um dennoch eine Vollauslastung der Anlage zu erreichen, muss der Betreiber in solchen Fällen ungeplante Zusatzmengen beschaffen, die als zusätzliche Aufwendungen den Gewinn schmälern. Zudem steigen die Transportkosten, da für dieselbe Menge Gas mehr Silage transportiert werden muss. Aber auch bei plangemäßem Trockenmassegehalt können Probleme auftreten: So wird bei unzureichender Zerkleinerung von Silagen der Umsetzungsprozess in der BGA langsamer und deshalb evtl. das Methanpotenzial nicht ausgenutzt. Zur Risikominimierung sollten Substratlieferverträge nach Möglichkeit folgende Parameter enthalten, die dann vom Qualitätsmanagement der BGA auch kontrolliert werden müssen: Abrechnung nach Trockenmasse Einhaltung von Grenzwerten bei Rohfaser und Rohasche (Verdaulichkeit) Einhaltung von Qualitätsparametern bezüglich der Zerkleinerung (z.B. Häcksellänge, Kornzerkleinerung bei Maissilage) Störstofffreiheit Bei BMHKWs auf Basis von Holzhackschnitzeln und Pellets ist ebenfalls auf die Qualität der Einsatzstoffe zu achten. Hier kommt es vor allem auf den Trockenmassegehalt an, aber u.a. auch auf die Korngrößenverteilung, den Fremdstoffanteil, den Aschegehalt sowie den Heizwert. Dabei kann, im Gegenteil zu Maissilage, eine Zertifizierung gemäß bestimmter Normen (z.B. CEN/ TS 14961: 2005) helfen. Dazu werden die Angaben der Hersteller bzw. Händler durch eine unabhängige Stelle kontrolliert. Abb. 31: Aufwandsstruktur einer idealtypischen 1 MW el -Abfall-BGA mit Vor-Ort-Verstromung (eigene Berechnungen) Eigenstromverbrauch Hilfs- und Betriebsstoffe Logistik (Transport) Personal Wartung und Instandhaltung Sonstige sbA Kapitalkosten Σ 2.087 TEUR/ Jahr <?page no="197"?> Carsten Herbes, Frank Scholwin 197 Bei Abfall-BGAs ist die Aufwandsstruktur eine andere (siehe Abbildung 31), wird doch keine Anbaubiomasse eingesetzt, für die Preise zu entrichten sind, sondern Abfall, für dessen Annahme Gebühren erhoben werden können. Die Sicherung der Biomasse ist aber trotzdem eine der wichtigsten Aufgaben in der Standortentwicklung und eine Risikoquelle über die gesamte Betriebsdauer der Anlage hinweg. Das Risiko liegt nicht nur in der Verfügbarkeit der Biomasse sondern auch in den Gebühren bzw. Preisen. Wo früher flächendeckend Gebühren für die Annahme von Abfallbiomasse erhoben werden konnten, dreht der Markt heute vielfach und die BGA-Betreiber müssen für die Biomasse inzwischen zahlen. Diesem Risiko kann der Betreiber wiederum nur eine sorgfältige Standortwahl und möglichst langfristige Verträge entgegensetzen. Trotzdem sind die Risiken in der Verfügbarkeit und im Preis bei Abfallbiomasse schwer zu beherrschen. Bei den anderen Aufwandspositionen wiederum bestehen nur geringe Unterschiede zwischen Nawaro-BGAs, Abfall-BGAs und auf Holzbasis betriebenen BMHKWs. Deswegen werden sie hier summarisch behandelt. Nach der Einsatzbiomasse ist der Eigenstromverbrauch häufig die nächstgrößere Aufwandsposition, z.T. macht er über 10 % der Gesamtaufwendungen aus. Hier bestehen erhebliche Preissteigerungsrisiken. Der Anlagenbetreiber kann sich durch langfristige, physische Termingeschäfte („Forwards“) in Form von z.B. Monats- oder Jahresbändern feste Mengen Strom zu festgelegten Preisen sichern und so das Preissteigerungsrisiko ausschalten. Er kann aber statt physischer Termingeschäfte auch auf börslich gehandelte, finanziell orientierte, Terminkontrakte („Futures“) zurückgreifen. Eine weitere wichtige Aufwandsposition ist die Instandhaltung, vor allem Wartung und Instandsetzung. Wie können hier die Risiken von Aufwandssteigerungen minimiert werden? Zum einen können auf der technischen Seite Vorkehrungen getroffen werden (siehe Abschnitt 1.2.). Zum zweiten kann aber auch die organisatorische Gestaltung bzw. Vertragsgestaltung helfen. Zum einen sollte überlegt werden, welche Arbeiten günstiger durch eigenes Personal abgewickelt werden können. Zum zweiten können mit den Anlagenherstellern und anderen Dienstleistern Instandhaltungsverträge vereinbart werden, die möglichst viele Risiken auf den Dienstleister überwälzen bzw. die Aufwendungen für den Anlagenbetreiber möglichst gut prognostizierbar machen. So ist es bei Instandhaltungsverträgen für Blockheizkraftwerke durchaus möglich, einen festen Preis pro Betriebsstunde zu vereinbaren. Auch für andere Anlagenteile können sogenannte Vollwartungsverträge abgeschlossen werden. Diese enthalten alle Wartungen und Reparaturen, einschließlich Ersatzteilen und Betriebsstoffen (ohne Brennstoffkosten). Allerdings kalkulieren die Dienstleister eine Risikoprämie in die Preise solcher Verträge ein. Insofern muss der Anlagenbetreiber immer abwägen, welche Risiken er überwälzen will und wie viel er dafür zu bezahlen bereit ist. Letztlich muss er für die Erhöhung der Sicherheit immer eine Prämie bezahlen. Zinsaufwendungen rangieren nach den bisher genannten Positionen häufig auf einem der vorderen Plätze. Diese betreffen zum einen die Zinsen für die Finanzierung der Anlageninvestition, die im ursprünglichen Darlehensvertrag vor Anlagenerrichtung vereinbart werden. Der Darlehensvertrag kann Zinsbindungen unterschiedlichster Art und Fristigkeit aufweisen (siehe Kapitel 15). Zum Teil werden die Zins- <?page no="198"?> 198 7 Technisch-kommerzielle Risiken im Betrieb aufwendungen auch von der finanziellen Performance der Anlage beeinflusst. Bei größeren Anlagen ist es nicht unüblich, dass bei Unterschreitung bestimmter finanzieller Schwellenwerte durch den Anlagenbetreiber bestimmte Beträge als Sicherheit auf Sonderkonten zu hinterlegen sind. Neben den Zinszahlungen für die Anlageninvestition fallen auch Zinsen für die Finanzierung des Umlaufvermögens durch den meist vorhandenen Betriebsmittelkredit an. Hier ist eine langfristige Zinsfestschreibung unüblich und der Anlagenbetreiber unterliegt Zinsänderungsrisiken. Durch Zins-Swaps kann diesem Risiko vorgebeugt werden (siehe Kapitel 15). Die weiteren Aufwandsposten sind im Vergleich zu den bisher genannten Positionen vom Wert her eher gering. Hier lohnen sich eine detaillierte Risikobetrachtung und spezifische Risikomanagement-Maßnahmen häufig nicht. Üblich ist hingegen ein an Vergangenheitswerten orientierter Ansatz von Preissteigerungsraten im Businessplan. Steuerliche Risiken sind nicht spezifisch für Biogasanlagen und werden daher hier nicht weiter betrachtet. Neben den bislang genannten Risiken besteht ein weiteres Risiko in der mangelnden Akzeptanz der Anwohner. Zwar ist dieses Risiko vor allem in der Phase der Anlagenplanung und -errichtung relevant, aber auch während des Betriebs spielt es eine Rolle. Oft hängt es mit technischen Risiken zusammen. Werden von den Anwohnern auf Grund technischer Probleme z.B. verstärkt Gerüche wahrgenommen, kann die Akzeptanz erheblich sinken. Dieses Akzeptanzproblem kann schnell in Kosten umschlagen. Verspüren die Anwohner einen erheblichen Leidensdruck und üben sie auf die lokalen Behörden entsprechenden Druck aus, können sich die Behörden gezwungen sehen, häufiger Betriebsbegehungen durchzuführen, Geruchsmessungen (auf Kosten des Betreibers) anzuordnen bzw. in der Folge technische Maßnahmen zur Geruchsreduktion zu verlangen, die Umbaukosten verursachen. Ziel muss es zunächst sein, solche Belastungen der Anwohner durch eine sachgemäße Fahrweise der Anlage zu vermeiden. Aber auch im ordnungsgemäßen Betrieb kann es von Zeit zu Zeit z.B. zu Geruchsbelästigungen kommen. Wichtig ist es, vertrauensvoll und rechtzeitig mit den Anwohnern zu kommunizieren. D.h. der Betreiber sollte, wenn er z.B. ein Gärrestelager zu Reparaturzwecken öffnen muss, die Windverhältnisse berücksichtigen und die Anwohner zuvor verständigen. Wir fassen zusammen: Auf der Aufwandsseite liegt das größte Risiko bei der Beschaffung der Biomasse. Dieses kann durch geschickte Standortwahl sowie Vertragsgestaltung reduziert werden. Die Preissteigerungsrisiken der häufig zweitgrößten Aufwandsposition „Eigenstromverbrauch“ können durch langfristige Futures oder Forwards gemindert werden. Zins-Swaps helfen, das Zinsänderungsrisiko zu mindern. Vollwartungsverträge mit festen Preisen je kWh oder Betriebsstunde machen die Instandhaltungsaufwendungen prognostizierbar. Akzeptanzrisiken kann durch eine sachgemäße Betriebsweise und eine vertrauensvolle Kommunikation mit den Anwohnern vorgebeugt werden. <?page no="199"?> Carsten Herbes, Frank Scholwin 199 7.3.4 Auswirkungen der Einzelrisiken im Vergleich In Abbildung 32 sind die Auswirkungen negativer Einflüsse auf den Gewinn einer typischen 500 kW el -BGA mit Vor-Ort-Verstromung dargestellt. Der dunkle Balken stellt den Vorsteuergewinn der Anlage vor Änderungen dar. Die hellen Balken geben das Ausmaß des negativen Einflusses des jeweiligen Faktors wieder. Abb. 32: Negative Einflüsse auf den Gewinn einer typischen 500-kW el BGA mit Vor-Ort-Verstromung (bei einer Inputabweichung von minus 10 % (außer bei ESK-Bonus und Ausfall Wärmekunde: Totalausfall) [in Tsd. Euro] (eigene Berechnungen) Es ist deutlich zu erkennen, dass eine Aberkennung des ESK-Bonus, z.B. auf Grund nicht ordnungsmäßiger Führung des Einsatzstofftagebuches, das Vorsteuerergebnis der Anlage tief in die Verlustzone drücken würde. Der Ausfall des Wärmekunden, eine 10%ige Steigerung bei den Substratpreisen oder eine 10%ige Unterschreitung des geplanten Trockenmassegehaltes würden den Gewinn mehr als halbieren. Zehnprozentige Verschlechterungen bei den anderen Positionen haben, einzeln betrachtet, jeweils nur eine untergeordnete Auswirkung auf das Ergebnis. Auf den Punkt gebracht Viele Risiken von Biogasanlagen und Anlagen zur Verbrennung fester Biomasse haben ihren Ursprung in der Planung und Errichtung der Anlage. Bei den technischen Belangen ist eine sorgfältige Dimensionierung einer Anlage Grundvoraussetzung für den wirtschaftlich erfolgreichen Betrieb. Dimensionierungsfehler ziehen in der Regel sehr große wirtschaftliche Folgen und erhebliche Aufwendungen zur Kompensation nach sich. Der Anlagenbetrieb ist vorwiegend durch Risiken geprägt, die aus einer unsachgemäßen Beschickung der Anlage oder technischen Havarien resultieren. Technischen Havarien kann vor allem durch regelmäßige Wartung und Instandhaltung sowie durch Auswahl besonders hochwerti- 0 50 100 150 200 250 300 Aberkennung ESK-Bonus Ausfall Wärmekunde Substratpreise Trockenmassegehalt Substrate Zinssätze Gärrestepreis Transportpreise Wärmepreis Strompreis Vorsteuergewinn vor Änderungen <?page no="200"?> 200 7 Technisch-kommerzielle Risiken im Betrieb ger Komponenten vorgebeugt werden. Das A und O der Risikovermeidung liegt aber beim fachkundigen Management der Anlage, was sowohl die zugeführte Biomasse als auch die Handhabung der Anlage im täglichen Betrieb angeht. Daher sollte eine sehr gute Überwachung und im besten Fall eine kontinuierliche Bilanzierung des Anlagenbetriebes erfolgen, um frühzeitig beispielsweise einen Leistungsabfall erkennen und diesem vorbeugen zu können. Biologische Risiken existieren fast ausschließlich bei Biogasanlagen abgesehen von biologisch bedingten Lagerverlusten. Die Auswirkungen biologischer Risiken können außerordentlich hoch sein, ein kompetenter Anlagenbetrieb kann die Risiken aber sehr gut kompensieren. Bei den kommerziellen Faktoren liegen die größten Risiken in der Nicht- Gewährung bestimmter Boni (bei Altanlagen) und dem Ausfall des Wärmekunden sowie in Preissteigerungen für die Biomasse. Eine sorgfältige Betriebsführung und -dokumentation (für die Boni) sowie risikominimierende, langfristige Vertragsgestaltung mit Wärmebzw. Gaskunden und Biomasselieferanten sowie ein Biomasse-Qualitätsmanagement sind die wichtigsten Instrumente zur Risikominimierung. Literatur Böttcher, J.: Projektfinanzierung eines Biogas-Projektes, in: Böttcher, J. (Hg.): Management von Biogas-Projekten, Springer Gabler, Berlin und Heidelberg, 2013 Leitfaden Biogas, www.fnr.de <?page no="201"?> 8 Technische und kommerzielle Risiken von Biokraftstoffprojekten Dr. Oliver Lüdtke, VERBIO Vereinigte BioEnergie AG Inhalt 8.1 Einleitung ................................................................................................................... 201 8.2 Technische Risiken ................................................................................................... 203 8.3 Kommerzielle Risiken ..............................................................................................207 8.3.1 Risiken in den Ertragspositionen ............................................................................ 208 8.3.2 Risiken in den Aufwandspositionen ....................................................................... 213 8.3.2.1 Risiken in der Aufwandsposition Rohstoffe ......................................................... 215 8.3.2.2 Risiken in den Aufwandspositionen Logistik und Energien ............................... 217 8.3.2.3 Risiken in den weiteren Aufwandspositionen ....................................................... 219 8.4 Risiken in den gesetzlichen Randbedingungen ..................................................... 221 8.5 Auswirkungen der Einzelrisiken im Vergleich ...................................................... 223 Literatur ...................................................................................................................... 226 Schlagwortliste Bioethanol, Biodiesel, Biokraftstoffe 8.1 Einleitung In diesem Kapitel werden die technischen und kommerziellen Risiken von Biokraftstoffprojekte dargestellt. In Abbildung 33 sind die verschiedenen Herstellungswege für Biokraftstoffe aufgeführt. Im Rahmen dieser Arbeit werden Projekte der beiden weltweit am häufigsten produzierten Biokraftstoffe Biodiesel aus Rapsöl/ Palmöl/ Sojaöl usw. Bioethanol aus Weizen/ Mais/ Gerste der so genannten ersten Generation betrachtet. Bei diesen Technologien handelt es sich um den Stand der Technik, die frei auf dem Markt von verschiedenen Anbietern erhältlich sind. Die Herstellung von Bioethanol aus Zuckerrüben & Zuckerrohr ist eine weitere, verbreitete Technologie, auf die aber im Rahmen dieses Kapitels nicht eingegangen wird. <?page no="202"?> 202 8 Technische und kommerzielle Risiken von Biokraftstoffprojekten Auf Projekte zur Herstellung von so genannten Biokraftstoffen der zweiten Generation, wie z.B. Bioethanol aus Stroh Biodiesel aus Holzresten Biodiesel aus Algen wird nicht eingegangen, da sich diese Technologien aktuell noch entwickeln und auf dem Markt nicht frei verfügbar sind. Dadurch treten bei diesen Projekten zusätzliche technologische und kommerzielle Risiken auf, die sehr stark vom Einzelfall abhängig sind. Um die Risiken von Biokraftstoffprojekten zu bewerten, werden zuerst die technischen Risiken, die mit Planung, Bau und Betrieb einer solchen Anlage verbunden sind, in Abschnitt 8.2 dargestellt. In Abschnitt 8.3 werden die kommerziellen Risiken auf Basis der Gewinn- und Verlustrechnung von Biokraftstoffprojekten bewertet. Unter kommerziellen Risiken werden negative Auswirkungen auf das Ergebnis ohne direkte technische Ursache verstanden. Weitere Risiken resultieren aus den gesetzlichen Rahmenbedingungen, die sehr stark den Bedarf an Biokraftstoffen am Markt regulieren und in Abschnitt 8.5 besprochen werden. Bei der Bewertung der Risiken wird der Fokus auf die wichtigsten Risikofaktoren gelegt und jeweils mögliche Gegenmaßnahmen diskutiert. Im letzten Kapitel werden die Auswirkungen der unterschiedlichen Risiken auf den Gewinn von Biokraftstoffprojekten bewertet. Abb. 33: Herstellungswege von Biokraftstoffen. Quelle: DBFZ 2012 ölhaltige Biomasse (z.B. Raps, Soja, Ölpalme, Jatropha) zuckerhaltige Biomasse (z.B. Rohr, Rübe) holzartige Biomasse (z.B. Restholz, Weide, Pappel) stärkehaltige Biomasse (z.B. Mais, Getreide) halmgutartige Biomasse (z.B. Miscanthus, Stroh, Gras) Reststoffe/ Abfallbiomasse (z.B. Exkremente, Bioabfall aquatische Biomasse (z.B. Mikroalgen) Landnutzung/ Biomasseproduktion Ernte/ Verfügbarmachung Aufbereitung Transport Umschlag Lagerung Biomassebereitstellung (Logistik) Biokraftstoffproduktion bio-chemische Konversion physikalisch-chemische Konversion Pressung/ Extraktion Ver-/ Umesterung Alkohol, Vergärung anaerobe Vergärung thermo-chemische Konversion Pyrolyse Vergasung Pflanzenöl Biodiesel (FAME) Bioethanol Hydr. Öle/ Fette (HVO/ HEFA) Biogas/ Biomethan Bio- Wasserstoff BTL (FT- Kraftstoff, DME) Bio-SNG/ Biomethan Lagerung Distribution Tankstelle Biokraftstoffdistribution Verbrennungsmotoren Turbinen Hybridantriebe Biokraftstoffnutzung <?page no="203"?> Oliver Lüdtke 203 8.2 Technische Risiken Bei den technischen Risiken wird zwischen den folgenden verschiedenen Phasen eines Projektes unterschieden: Machbarkeitsstudie (Feasibility Study)/ Zeit-Risiko Basic-, Detail, Behörden-Engineering/ Zeit-Risiko Bau der Anlage/ Zeit-Risiko Inbetriebnahme der Anlage/ Zeit-Risiko und Leistungs-Risiko Produktions/ Leistungs-Risiken und Technologie-Risiko In den einzelnen Phasen vor der Produktion können eine Vielzahl von Zeit-Risiken auftreten, die zu einer zeitlichen Verschiebung der folgenden Phasen und damit auch zu einer Verschiebung der Produktion führen. Diese Verschiebung führt je nach Dauer zu verspäteten Umsatzerlösen, zudem muss das bis dahin eingesetzte Kapital ohne Einnahmen weiter verzinst werden. In der Anfangsphase eines Projektes kann das schnell zu Verlusten in Millionenhöhe führen. Diese Risiken werden als technische Risiken betrachtet, da sie fast alle mit der technischen Realisierung des Projektes im weitesten Sinne verbunden sind. In Tabelle 5 werden die verschiedenen Risiken bis zur Produktion unter Berücksichtigung von möglichen Gegenmaßnahmen dargestellt. Phase Risiko Gegenmaßnahmen Machbarkeitsstudie zeitliche Verzögerung des Projektes Zeit-Risiko Meilensteinpläne festlegen & verfolgen genaue Zielvorgaben festlegen spezialisierte Firmen, z.B. für die Standortsuche, einsetzen Basic-und Detail- Engineering zeitliche Verzögerung des Projektes durch z.B. fehlende Ressourcen oder nicht Einhaltung von Terminplänen Zeit-Risiko Meilensteinpläne festlegen & verfolgen - Zwischenziele festlegen etablierte Firmen einsetzen und zeitliche Meilensteine mit einer Pönale versehen - Referenzprojekte kontrollieren eingesetztes Personal kontrollieren technische Fehlplanungen, die zu Zeitverzögerungen beim Bau der Anlage oder bei der Inbetriebnahme führen Zeit-Risiko Stand der Technik einsetzen Zusammenarbeit mit erfahrene Firmen auf existierende technische Lösungen zurückgreifen eigene erfahrene Spezialisten zur Kontrolle der Planungsarbeit einsetzen alternativ: Einkauf von Spezialisten <?page no="204"?> 204 8 Technische und kommerzielle Risiken von Biokraftstoffprojekten Kauf von ungeeignetem Apparaten & Material, das entweder zu spät geliefert wird oder die Funktion nicht erfüllt Zeit-Risiko Einsatz von erprobten Apparaten, die Referenzen vorweisen können Kernparameter der erwarteten Leistung in den Kaufverträgen garantieren lassen - Leistungstest vor der Lieferung durchführen Meilensteine in den Einkaufsverträgen festlegen, die kontrolliert werden und mit Zahlungszielen und mit Pönalen verbunden sind Behördenengineering Genehmigung wird nicht erteilt oder verschiebt sich zeitlich nach hinten Zeit-Risiko frühzeitiger Beginn des Behördenengineerings frühzeitiger direkter Kontakt zu den Behörden Einsatz von Anlagentechnologien, die Stand der Technik sind Zusammenarbeit mit Firmen, die auf Behördenengineering spezialisiert sind Frühzeitig Meilensteine planen, die kontrolliert werden. Bau der Anlage zeitliche Verzögerung der Inbetriebnahme durch einzelne Gewerke wie z.B. Rohrleitungsbau, Mess- und Regelungstechnik oder Stahlbau Zeit-Risiko frühzeitige Erstellung eines Masterterminplanes mit Meilensteinen. Regelmäßige Aktualisierung des Planes und Festlegung von Gegenmaßnahmen bei Abweichungen Inbetriebnahme Anlagenkomponenten erfüllen die Leistungsangaben nicht oder nur teilweise Leistungs-Risiko Zeit-Risiko definierte Leistungsfahrten in den Kaufverträgen festlegen und mit Pönale versehen Lieferanten schnellstmöglich mit Mangelanzeigen juristisch unter Druck setzen - Klärung der Ursache hat hohe Priorität Tab. 5: Technische Risiken in den einzelnen Projektphasen bis zur Produktion (eigene Informationen) Das direkte technische Leistungs-Risiko, also eine zeitlich verminderte Produktionsleistung bis zu einem zeitlich begrenzten Totalausfall der Produktion, tritt erst mit der Inbetriebnahme einer Anlage auf. Die Auswirkung dieses Risikos ist unabhängig von der Größe der Anlagenkomponenten, die ihre Leistungswerte nicht erreichen. Die erhöhten Aufwendungen und reduzierten Umsätze sind gleich, egal ob eine komplette Destillationsanlage oder kleinere Anlagenteile, wie z.B. Ventile und Pumpen, ihre Leistungen nicht erreichen. Grundsätzlich kann man diese Leistungs-Risiken durch geeignete Kaufverträge für die einzelnen Anlagenteile reduzieren. Das monetäre Gesamtrisiko, das durch eine fehlende Funktionsfähigkeit einzelner Anlagenteile entsteht, kann jedoch nicht auf den ein- <?page no="205"?> Oliver Lüdtke 205 zelnen Apparatelieferanten abgewälzt werden. Eine mögliche Alternative ist der Einsatz eines Generalunternehmers. Dieser Generalunternehmer ist dann für die unterschiedlichen Phasen bis zum Start der Produktion und den Nachweis der Leistungsfähigkeit der Anlage durch Leistungsfahrten komplett verantwortlich. Durch geeignete Verträge mit Meilensteinen und Pönalen kann ein großer Teil des Risikos auf den Generalunternehmer übertragen werden. Je größer der Anteil der Risikoübernahme ist, desto höher werden auch die Sicherheitsaufschläge auf die zu erbringenden Leistungen. Diese höheren Preise wirken sich negativ auf den Geschäftsplan des Projektes aus und es muss daher für jeden Einzelfall abgewogen werden, welches Risiko in der technischen Umsetzung steckt. Nach der Inbetriebnahmephase geht eine Anlage in die normale Produktion über. Die in dieser Phase auftretenden Leistungs-Risiken sind in Tabelle 6 mit möglichen Gegenmaßnahmen zur Reduzierung aufgeführt: Risiko Gegenmaßnahmen Anlagenkomponenten haben eine schlechte Verfügbarkeit Leistungs-Risiko Wartung & vorbeugende Instandhaltung durchführen Ersatzteilmanagement beide Maßnahmen regelmäßig kontrollieren und an den Ist-Zustand der Anlage anpassen Hilfsstoffe (wie z.B. Enzyme, Katalysatoren) sind nicht mehr verfügbar bzw. erfüllen ihre Funktion nicht zu 100 % Leistungs-Risiko verschiedene Lieferanten einsetzen keine Hilfsstoffe einsetzen, die nur von einer Firma angeboten werden Lagerhaltung Kontrollplan für die Hilfsstoffe einführen - Funktionsfähigkeit vorher testen Rohstoffe sind nicht lieferbar Ausfall-Risiko geeignete Lagerkapazitäten aufbauen möglichst breites Logistikkonzept aufbauen mehrere Lieferanten aufbauen Energielieferung ist unterbrochen Ausfall-Risiko hohe Verfügbarkeit durch mehrfache Anbindung sichern Notstromsysteme & redundante Energiesysteme Anlagenkomponenten sind durch einen Brand oder ähnliche Ereignisse nicht mehr funktionstüchtig Ausfall-Risiko Brandmeldeanlagen in den gefährdeten Bereichen installieren. Übungen mit der Mannschaft und der verantwortlichen Feuerwehr durchführen. Versicherungen für Elementarschäden abschließen. Tab. 6: Technische Risiken in der Produktion (eigene Informationen) Typische Beispiele von Ursachen einer schlechten Verfügbarkeit von Anlagenkomponenten in der Produktionsphase sind: <?page no="206"?> 206 8 Technische und kommerzielle Risiken von Biokraftstoffprojekten Ablagerungen von Begleitstoffen aus den Rohstoffen in Wärmetauschern, Kolonnen und Rohrleitungen abrasives Medienverhalten in Pumpen und Wärmetauschern Kontaminationen durch Bakterien im Fermentationsbereich von Ethanolanlagen Ablagerungen von Begleitstoffen und Nebenprodukten in Zentrifugen Ein weiteres Risiko im Bereich der Produktionsphase ist das Technologie-Risiko der Rohstoffausbeute. Die Rohstoffausbeute ist ein Maß für den Bedarf an Rohstoffen im Verhältnis zum Endprodukt. Einerseits hängt die Rohstoffausbeute von der Qualität des Rohstoffes ab, die beim Einkaufskontrakt genau definiert werden muss, andererseits hängt sie von der eingesetzten Technologie ab. Dieses Technologie-Risiko kann nur durch die ständige Optimierung der Anlagentechnologie und durch die Beobachtung der Technologieentwicklungen (z.B. im Bereich der Patente) minimiert werden. Eine Absicherung gegen einen Teil der aufgeführten technischen Risiken ist durch den Abschluss von Versicherungen wie z.B.: Montage-Versicherung (Bau- und Inbetriebnahmephase) Maschinenbruch-Versicherung (Produktionsphase) Betriebsunterbrechungs-Versicherung (Produktionsphase) Feuer-Versicherung (Produktions- und Inbetriebnahmephase) Versicherung gegen elementare Schäden (Produktions- und Inbetriebnahmephase) möglich. Je nach Ausgestaltung der Versicherungsverträge und der abzudeckenden Risiken werden Prämien fällig, die zu relevanten Aufwandspositionen werden können. Die einzelnen, abzudeckenden Risiken werden dabei mit Ausfallwahrscheinlichkeiten von der Versicherung bewertet, auf deren Basis dann die Versicherungsprämie festgelegt wird. Eine Abdeckung aller technischen Risiken ist aber auch mit diesen Versicherungen nicht möglich. Ein Vorteil solcher Versicherungen ist jedoch, dass bei massiven Schäden, wie z.B. einem Brand, bis zu 100 % der Kosten und die verlorenen Marge aus der fehlenden Produktion von der Versicherung gedeckt werden. Ohne diese Versicherungen können solche Schadensfälle schnell zu massiven Verlusten führen, die nur durch Rücklagen abgesichert werden können. Da Versicherungen aber wirtschaftlich arbeiten müssen, wird der Schaden vom Versicherungsnehmer auf mittlere bis längere Sicht bezahlt. Auf den Punkt gebracht Auf der technischen Seite gibt es in den unterschiedlichen Phasen vor der Produktion verschiedene Zeit-Risiken, die durch ein straffes Projektmanagement mit Meilensteinen frühzeitig erkannt und kontrolliert werden können. Wenn die Anlagen gebaut sind und produzieren, gibt es hauptsächlich Leistungs-Risiken, die immer zu einer reduzierten Produktion oder zu erhöhten Aufwendungen bis hin zu einem kompletten Ausfall der Anlage führen können. Diese Risiken sind einerseits über den Abschluss von Versicherungen zu reduzieren und andererseits über redundante Systeme oder ein ganzheitliches Instandhaltungskonzept zu minimieren. <?page no="207"?> Oliver Lüdtke 207 Ein weiteres großes Risiko gibt es durch zu geringe Rohstoffausbeuten. Dieses Risiko kann durch strikte Qualitätsanforderungen bei den Einkaufskontrakten und durch eine ständige Optimierung der Anlage, gekoppelt mit einer Technologiekontrolle der Konkurrenz, reduziert werden. 8.3 Kommerzielle Risiken Im Folgenden werden die kommerziellen Risiken dargestellt. Die Analyse folgt dabei der Struktur der Gewinn- und Verlustrechnung. Zunächst werden die Positionen der Ertragsseite behandelt, anschließend die Positionen der Aufwandsseite. Zu jedem identifizierten Risiko werden Gegenmaßnahmen zur Vermeidung oder zur Reduzierung des Risikos aufgezeigt. Um die kommerzielle Bedeutung, und damit auch die Risiken der einzelnen Positionen bewerten zu können, werden die Haupt-Eingangs- und -Ausgangsströme der beiden Technologien betrachtet. In der Abbildung 34 sind die wichtigsten Input- und Output- Ströme einer Biodieselanlage dargestellt. Die Zahlen in Klammern sind typische Stundenwerte einer 200.000 t Biodieselanlage. In einer solche Anlage werden pro Stunde 24 Tonnen Biodiesel und 2,4 Tonnen Rohglycerin aus 24 Tonnen Rapsöl und 2,4 Tonnen Methanol unter einem Energieeinsatz von 330 KWh, in Form von Strom und Wärme, hergestellt. Abb. 34: Schematische Darstellung der Prozessstufen einer Biodieselanlage inkl. der Haupt- Eingangs- und -Ausgangsströme. Quelle: Mittelwerte aus Preisinformationen von verschiedenen Maklern In Abbildung 35 sind die Haupt-Eingangsströme und -Ausgangsströme einer Bioethanolanlage dargestellt. Die Zahlen in Klammern sind typische Stundenwerte einer 300.000 t Bioethanolanlage. In einer solchen Anlage werden pro Stunde ca. 102 Ton- Energie (330 KWh) Strom & Wärme Vorbehandlung Umesterung Rohglycerinabtrennung Methylester-Reinigung Rohglycerin-Reinigung Rapsöl (24 to/ h) Methanol (2,4 to/ h) Katalysator Biodiesel (24 to/ h) Rohglycerin (2,4 to/ h) <?page no="208"?> 208 8 Technische und kommerzielle Risiken von Biokraftstoffprojekten nen Getreide zu 36 Tonnen Bioethanol und zu 36 Tonnen Futtermittel verarbeitet. Dazu werden ca. 3800 KWh an Energie in Form von Strom und Dampf benötigt. Abb. 35: Schematische Darstellung der Prozessstufen einer Bioethanolanlage (eigene Informationen) 8.3.1 Risiken in den Ertragspositionen Bei beiden Anlagentypen wird die Ertragsseite durch die Verkaufspreise der Haupt- und Nebenprodukte festgelegt. Wie aus Abbildung 34 und Abbildung 35 ersichtlich ist, werden aus einer Tonne Rohöl eine Tonne Biodiesel und ca. 0,1 Tonnen Rohglycerin und aus ca. drei Tonnen Getreide eine Tonne Bioethanol und ein Tonne Futtermittel hergestellt. Das Futtermittel aus dem Bioethanolprozess ist ein Proteinfuttermittel, das sich preislich am Futtermittel Rapsschrot orientiert. In diesem Bereich gibt es die folgenden Risiken: Mengen-Risiko, Auslastung der Anlage ist durch zu geringen Verkauf nicht ausreichend und es kann kein Gewinn erzielt werden Preis-Risiko − zeitliches Preis-Risiko durch hohe Volatilität der Produktpreise − Preis-Risiko durch nicht konkurrenzfähige Herstellkosten Abweichend zu anderen regenerativen Energien, handelt es sich bei den Preisen der Produkte und Nebenprodukte um globale Marktpreise, die z.B. über Informationsdienste wie Platts, einem Geschäftsbereich der The McGraw-Hill Company, ICIS einem Bereich der Reed Elsevier plc und verschiedenen Plattformen von Thomson Reuters oder an Börsenplätzen wie z.B. der zur CME-Gruppe gehörenden Derivatenbörse CBOT (Chicago Board of Trade) täglich notiert werden. In Abbildung 36 sind die preislichen Entwicklungen der letzten vier Jahre von Bioethanol und Biodiesel am Handelspunkt Rotterdam in EUR/ t dargestellt. Energie (3800 KWh) Strom & Wärme Rohstoffkonditionierung Fermentation Reststoffabtrennung Bioethanol-Reinigung Futtermittel-Herstellung Getreide trocken (102 to/ h) Enzyme Bioethanol (36 to/ h) Futtermittel (36 to/ h) <?page no="209"?> Oliver Lüdtke 209 Abb. 36: Bioethanol- und Biodiesel-Preis-Entwicklung von 2010 bis 2013 in EUR/ t am Handelsort Rotterdam (eigene Informationen) Abb. 37: Darstellung der Preisentwicklung von 2009 - 2013 für das Proteinfuttermittel Rapsschrot und für Rohglycerin in EUR/ t. Quelle: Kingsmann & Thomson Reuters 400 500 600 700 800 900 1.000 1.100 1.200 Biodiesel FAME -10 - Spot - FOB Rotterdam [€/ Tonne] Bioethanol T2 - Spot - FOB Rotterdam [€/ Tonne] 0 50 100 150 200 250 300 350 400 Rohglyzerin -Front frei geliefert NWE [€/ Tonne] Rapsschrot - Front - FOB Niederrhein [€/ Tonne] <?page no="210"?> 210 8 Technische und kommerzielle Risiken von Biokraftstoffprojekten Die Preisentwicklung der Nebenprodukte Rohglycerin (angeliefert NWE = North West Europe) und Rapsschrot (angeliefert am Niederrhein) sind in Abbildung 34 für die Jahre 2009 - 2013 dargestellt. Um den Anteil der Nebenprodukterträge abschätzen zu können, kann man vereinfachend davon ausgehen, dass das Preisverhältnis von Nebenproduktpreis zu Produktpreis bei ca. 30 % liegt. Nach dieser Abschätzung liegt der Preis vom Futtermittel bei einem Ethanolpreis von ca. 800 EUR/ t bei ca. 240 EUR/ t. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Preisverhältnis nur um eine Modellannahme handelt, die in der Realität starken zeitlichen Schwankungen unterworfen ist. Unter Berücksichtigung des Preismodells für die Nebenprodukte ergibt sich bei einer Biodieselanlage ein Ertragsanteil von > 95 % für den Biodiesel. Bei einer Bioethanolanlage liegt der Ertragsanteil vom Bioethanol bei ca. 75 %, die restlichen 25 % stammen vom Futtermittel. Die Hauptrisiken auf der Ertragsseite liegen also in den Preisen der Produkte. Die Käufer von Biokraftstoffen sind zum überwiegenden Teil weltweit agierende Mineralölkonzerne, die Preismodelle der Biokraftstoffe besitzen. Auf Basis der Rohstoffpreise bilden sie sich mit diesen Modellen eine eigene Marktmeinung und kaufen danach ein. Es handelt sich also um typische Commodity-Märkte, bei denen die Produkte der einzelnen Hersteller austauschbar und bei denen die Preismodelle im Markt bekannt sind. Die gleichen Randbedingungen gelten auch für die Nebenprodukte. Die Qualität der Endprodukte wird dabei von den Kunden vorausgesetzt, kann aber sehr selten zur Erzielung von Preisen oberhalb des Marktpreises eingesetzt werden. Die Nachfrage nach Biokraftstoffen wird durch zwei Marktmechanismen bestimmt: [1] Nachfrage verursacht durch gesetzliche Rahmenbedingungen [2] Nachfrage verursacht durch preisliche Vorteile der Biokraftstoffe gegenüber fossilen Kraftstoffen In Europa wird der Bedarf an Biokraftstoffen größtenteils durch den ersten Marktmechanismus festgelegt, der in Abschnitt 8.4 näher beschrieben wird. Das Mengen-Risiko bei Biokraftstoffprojekten kann über den Preis des Produktes abgesichert werden. Dazu müssen die Herstellungskosten konkurrenzfähig sein. Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass die eingesetzte Technologie einen möglichst flexiblen Einsatz von Rohstoffen zulassen muss, um auf die volatilen Preise der unterschiedlichen Rohstoffe reagieren zu können. Unter diesen Randbedingungen kann das Produkt in ausreichenden Mengen im Markt verkauft werden. Dennoch muss der globale Markt ständig beobachtet werden, um Marktverwerfungen durch einzelstaatliche, wettbewerbsverzerrende Förderungen oder Überkapazitäten in den Märkten zu entdecken. Frühzeitig müssen Maßnahmen getroffen werden, um diesen Problemen entgegenzuwirken, da sie den Marktpreis drücken und die Konkurrenzfähigkeit der Anlage gefährden. Dies kann im schlimmsten Fall zu einem Stopp der gesamten Produktion führen. Das zeitliche Preis-Risiko beim Verkauf von Biokraftstoffen oder deren Nebenprodukten kann über die Wahl der Verkaufskontrakte reduziert werden. Die folgenden Kontraktformen mit ihren Vor- und Nachteilen existieren für Biokraftstoffe: <?page no="211"?> Oliver Lüdtke 211 Fixpreiskontrakte o + Preis-Risiko ist gering, wenn der Rohstoff für das Produkt schon eingekauft ist Alternativ Absicherung über Derivatgeschäfte o - Bei steigenden Marktpreisen kann man keine höheren Preise erzielen Preisvariable Kontrakte mit Preisformeln auf Basis o von Rohstoffpreisen + minimales Risiko, wenn das Verhältnis von Rohstoffzu Produktpreis passt wird üblicherweise nicht von den Kunden akzeptiert, da sie das Preisrisiko nicht übernehmen · wird daher im Folgenden nicht weiter berücksichtigt o von fossilen Kraftstoffpreisen (Diesel und Benzin) - Preisschwankungen bei den fossilen Kraftstoffen korrelieren nicht mit den Biokraftstoffpreisen · Absicherung über Derivate möglich o von Biokraftstoffpreisen + geringes Risiko, wenn das Verhältnis von Rohstoffzu Produktpreis passt - Liquidität der Biokraftstoff-Handelsplätze ist nicht zu groß, wodurch das Risiko von kurzfristigen Preismanipulationen wächst Neben diesen verschiedenen Kontraktformen beeinflusst auch die Lieferzeit das zeitliche Preis-Risiko. Die folgenden Lieferzeiten kann man unterscheiden: kurzfristigen Verkaufskontrakte (einige Monate im voraus) o Fixpreis- & preisvariable Kontrakte Risiko mittel, da Rohstoffe kurzfristig gekauft werden · kurzfristige Schwankungsbreite der Rohstoffe kann bei Meldungen von Missernten groß sein langfristigen Verkaufskontrakte (> 6 Monate im voraus) o Fixpreiskontrakte sehr hohes Risiko, da Preisschwankungen im Rohstoff sehr groß sein können · Absicherung der Rohstoffpreise über Derivate können das Risiko minimieren · Absicherung über Rohstoffeinkauf mit passenden Preisen <?page no="212"?> 212 8 Technische und kommerzielle Risiken von Biokraftstoffprojekten o Preisvariable Kontrakte Auf Basis von fossilen Kraftstoffpreisen · sehr hohes Risiko, da Preisschwankungen der fossilen Kraftstoffe nicht mit den Biokraftstoffpreisen korrelieren o Absicherung über Derivate können das Risiko minimieren Auf Basis von Biokraftstoffpreisen geringes Risiko, da Preisschwankungen mit den Rohstoffschwankungen übereinstimmen sollten Zur Verdeutlichung der zeitlichen Preis-Risiken sind in Abbildung 38 die Preisentwicklung der Rohstoffe im Verhältnis zum Biodieselpreis für die Jahre 2009 - 2013 dargestellt. Neben der starken Volatilität der Preise ist klar erkennbar, dass der Biodieselpreis sich aus dem Rohstoffpreis + einem Aufschlag von ca. 50−100 EUR/ t ergibt. Abb. 38: Biodiesel- und Diesel-Preisentwicklung im Vergleich zur Raps- und Sojaöl-Preisentwicklung in Rotterdam in EUR/ t in den Jahren 2009 - 2013. Quelle: Thomson Reuters / Mittelwerte aus verschiedenen Maklerinformationen 400 500 600 700 800 900 1.000 1.100 1.200 Biodiesel FAME -10 - Spot - FOB Rotterdam [€/ Tonne] nachhaltig ab 07/ 2012 Rapsöl - Front - FOB Rotterdam [€/ Tonne] Sojaöl - Front - CIF NWE [€/ Tonne] Diesel - Spot - FOB Rotterdam [€/ Tonne] <?page no="213"?> Oliver Lüdtke 213 Auf den Punkt gebracht Auf der Ertragsseite ist das Hauptrisiko das zeitliche Preis-Risiko der Produkte, das durch die starke Volatilität des Produktpreise verursacht wird. Dieses Preis- Risiko kann nur durch einen kurzfristigen Verkauf der Produkte oder bei langfristigen Verkäufen durch Absicherungsgeschäfte mit Derivaten reduziert werden. Wichtige Voraussetzung ist hierbei die Konkurrenzfähigkeit und Rohstoffflexibilität der Anlage. Neben diesem zetilichen Preis-Risiko gibt es auch ein Mengenrisiko, das z.B. durch wettbewerbsverzerrende, einzelstaatliche Förderungsmechanismen oder Überkapazitäten entsteht. Beide Risiken kann man nicht direkt beeinflussen, sondern muss sie durch ständige Marktbeobachtung und Lobbyarbeit minimieren. 8.3.2 Risiken in den Aufwandspositionen Um die unterschiedlichen Risiken in den Aufwandspositionen bewerten zu können, sind diese in den Abbildungen 39 und 40 für eine 200.000 Tonnen Biodieselanlage und eine 300.000 Tonnen Bioethanolanlage dargestellt. Die Abbildungen zeigen deutlich, dass die Aufwandspositionen in beiden Fällen vom Rohstoff dominiert werden. Dabei liegt bei einer Biodieselanlage der Rohstoffanteil bei 90 % und die beiden nächstgrößeren Anteile, Logistik und Energie, liegen in Summe bei 5 %. Bei einer Bioethanolanlagen beträgt der Rohstoffanteil ca. 66 % des Aufwandes und die beiden nächstgrößeren Anteile, Logistik und Energie, liegen in Summe bei ca. 20 %. Damit liegt das Hauptrisiko in beiden Anlagentypen im Bereich der Rohstoffe. Abb. 39: Aufwandspositionen einer 200.000 Tonnen Biodieselanlage (eigene Informationen) Rohstoffe 90% Logistik 3% Hilfsstoffe 1% Instandhaltung 0% Energie 2% Personal 0% Versicherungen 0% Zinsen 1% Abschreibungen 2% Sonstiges 0% Andere 10% Aufwandspositionen einer 200.000 Tonnen Biodieselanlage Summe 176 Mio. € / Jahr Rohstoffe Logistik Hilfsstoffe Instandhaltung Energie Personal Versicherungen Zinsen Abschreibungen Sonstiges <?page no="214"?> 214 8 Technische und kommerzielle Risiken von Biokraftstoffprojekten Abb. 40: Aufwandspositionen einer 300.000 Tonnen Bioethanolanlage (eigene Informationen) Neben den Risiken in den unterschiedlichen Aufwandspositionen gibt es noch ein „Economy of Scale“-Risiko für Biokraftstoffanlagen. Die in Abbildung 39 gewählten Anlagengrößen sind aktuell Stand der Technik, dies muss aber in Zukunft nicht so bleiben. Wenn es zu einer Vergrößerung der Anlagen kommt, dann werden sich folgende Aufwandspositionen verändern: spezifische Zinsaufwendungen und Abschreibungen werden sinken, da die spezifischen Investitionskosten in EUR/ t Produkt sinken spezifischer Energie-, Personal- und sonstiger Aufwand wird sinken. Dies führt dazu, dass kleinere Anlagen nicht mehr konkurrenzfähig produzieren können. Es sei denn, sie haben Vorteile bei den Rohstoff- oder Produktpreisen, den Logistikaufwendungen oder den Energieaufwendungen. Um dieses Risiko zu bewerten, muss abgeschätzt werden, ab wann höhere Logistikkosten bei den Rohstoffen und/ oder den Produkten, die oben aufgeführten Aufwandsreduzierungen kompensieren. Aus technischer Sicht ist die Realisierung von Anlagen mit größeren Produktionsmengen kein Problem. Dieses Risiko muss durch Marktbeobachtung und Bewertung der Logistikkosten ständig kontrolliert werden. Eine mögliche Gegenmaßnahme bei einem Trend zu größeren Anlagen ist eine eigene Kapazitätserweiterung. In den nächsten Abschnitten werden die Risiken in den unterschiedlichen Aufwandspositionen beschrieben und Maßnahmen zur Reduzierung diskutiert. Dabei werden folgende Risiken betrachtet: Rohstoffe − systematische Preis- und Mengen-Risiken, die mit dem Anlagenstandort oder mit der Technologie verbunden sind − zeitliche Preis-Risiken, verursacht durch die hohe Volatilität der Rohstoffpreise Rohstoffe 66% Logistik 8% Hilfsstoffe 2% Instandhaltung 1% Energie 12% Personal 1% Versicherungen 0% Zinsen 4% Abschreibungen 6% Sonstiges 0% Andere 34% Aufwandspositionen einer 300.000 Tonnen Bioethanolanlage Summe 312 Mio. € / Jahr Rohstoffe Logistik Hilfsstoffe Instandhaltung Energie Personal Versicherungen Zinsen Abschreibungen Sonstiges <?page no="215"?> Oliver Lüdtke 215 Logistik/ Preis- und Mengen-Risiko Energie/ Preis-Risiko Hilfsstoffe/ Preis-Risiko und Mengen-Risiko Instandhaltung/ Ausfall-Risiko Personal/ Preis-Risiko Versicherungen/ Überversicherungs-Risiko Zinsen/ Zinsänderungs-Risiko 8.3.2.1 Risiken in der Aufwandsposition Rohstoffe Bei den Rohstoffaufwendungen kann es durch die Fokussierung auf einen Rohstoff zu einem systematischenMengen- und Preis-Risiko kommen, da es bei der Abhängigkeit von einem Rohstoff wesentlich schneller zu Engpässen in der Mengenverfügbarkeit und zu Preisspitzen im Markt kommen kann. Gleichzeitig führt diese Abhängigkeit auch zu einem systematischen Preis-Risiko, da es bei unterschiedlichen Preisniveaus der verschiedenen Rohstoffe dazu kommen kann, dass der Einsatz von einzelnen Rohstoffen temporär nicht mehr wirtschaftlich ist. Ein wichtiger Punkt der Risikominimierung ist daher, eine Technologie einzusetzen oder zu entwickeln, die die Verarbeitung von verschiedenen Rohstoffen ermöglicht. Das zweite große Risiko bei den Rohstoffen ist das zeitliche Preis-Risiko, das durch die Volatilität des Rohstoffpreises verursacht wird. Die für die betrachteten Beispiele notwendigen Rohstoffe sind in Europa gut verfügbar und werden an verschiedenen Handelsplattformen täglich gehandelt. Bekannte Handelsplattformen sind z.B. die zur NYSE Euronext gehörende Pariser Rohstoff-Derivatenbörse Matif (Marché à terme d‘Instruments Financiers) oder die zur CME-Gruppe gehörende Rohstoff-Derivatenbörse CBOT (Chicago Board of Trade). Bei diesen Derivatenbörsen unterscheidet man zwischen den Rohstoffpreisen für den Spotmarkt, also z.B. ein Kauf- oder Verkaufsvertrag, der in maximal zwei Tagen erfüllt werden muss und den Rohstoffpreisen für den Terminmarkt, also z.B. ein Kauf- oder Verkaufsvertrag, der zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft erfüllt werden muss. Der Rohstoffpreis für den Terminmarkt wird üblicherweise als Front bezeichnet, wenn es sich um einen Vertrag handelt, der im nächsten Monat erfüllt werden muss. In Abbildung 41 ist die Volatilität des Rohstoffpreises für Weizen und Mais für den Terminmarkt an der Derivatenbörse Matif dargestellt. Eine preisliche Änderung von 30 % innerhalb von einigen Monaten ist keine Seltenheit. Um das zeitliche Preisrisiko bei den Rohstoffen zu minimieren, gibt es die folgenden Möglichkeiten: kurzfristige Bedarfsdeckung (z.B. auf Wochen- oder Monatsbasis) o meistens mit Fixpreis-Kontrakten (aber auch Preisvariable-Kontrakte sind möglich) + minimales zeitliches Preisrisiko wenn der Rohstoff nicht kurzfristig verfügbar ist, kann es zu Lieferengpässen oder zu Preisen oberhalb des Marktes kommen <?page no="216"?> 216 8 Technische und kommerzielle Risiken von Biokraftstoffprojekten Abb. 41: Weizen- und Mais-Preisentwicklung an der Pariser Matif in EUR/ t von 2008−2013. Quelle: Börseninformationen Matif Langfristige Bedarfsdeckung (z.B. auf jährlicher Basis) o mit Fixpreis-Kontrakten + man kann von steigenden Rohstoffpreisen profitieren bei fallenden Rohstoffpreisen trägt man das volle Preis-Risiko o mit Preisvariablen-Kontrakten + kein Preis-Risiko - Preis-Risiko, wenn es keine Korrelation zwischen Endproduktpreis und Rohstoffpreis gibt - Preis-Risiko, wenn ein anderer Rohstoff attraktiver für die Biokraftstoffproduktion ist. Bei der langfristigen Bedarfsdeckung kann das Preis-Risiko bei Fixpreis-Kontrakten durch den Abschluss von Derivatgeschäften mit den Rohstoffen an den Handelsplattformen abgesichert werden. Diese Absicherung ist jedoch trotzdem mit Risiken verbunden, da es immer verschiedene Rohstoffpfade zu den Endprodukten gibt, die sich preislich nicht gleichmäßig entwickeln. In Abbildung 38 sind diese Verschiebungen für die beiden Biodiesel-Rohstoffe Soja- und Rapsöl dargestellt. Man kann immer wieder erkennen, dass zeitweise Sojaöl teurer ist als Rapsöl. Diese Verschiebungen führen dazu, dass entweder Raps- oder Sojaöl den Produktpreis von Biodiesel am Markt festlegt. Es sei darauf hingewiesen, dass es gewisse qualitative Unterschiede zwischen dem Biodiesel aus Rapsöl und dem Biodiesel aus Sojaöl gibt, die bei diesen Preisbewertungen berücksichtigt werden müssen. Unabhängig von jeder Rohstofferfassungsstrategie sollte in jedem Fall der Rohstoffeinkauf mit dem Produktverkauf gekoppelt werden und einem genauen Risikomanagement folgen. Bei Nichteinhaltung von Mengen- und Preisgrenzen kann es sehr schnell zu Risiken kommen, die den Bestand eines Unternehmens gefährden. 0 50 100 150 200 250 300 Mais- Front - Matif [€/ Tonne] Weizen- Front - Matif [€/ Tonne] <?page no="217"?> Oliver Lüdtke 217 8.3.2.2 Risiken in den Aufwandspositionen Logistik und Energien Im Bereich der Logistikaufwendungen für die Rohstoffe und die Produkte gibt es ein Preis- und Mengen-Risiko. Bei den Biokraftstoffanlagen handelt es sich immer um Anlagen, bei denen täglich sehr große Mengen an Produkten und Rohstoffen transportiert werden müssen. Für die Logistikaufwendungen ist es daher entscheidend, welche Transportwege existieren und welche Mengen diese zulassen. In Tabelle 7 werden die einzelnen Transportmöglichkeiten und deren grobe Bewertung durchgeführt. Transportart Preis Mengen Flexibilität Infrastrukturaufbau Bahn ++ sehr große Mengen + bedingt möglich LKW + mittlere Mengen +++ möglich Schiff ++ sehr große Mengen ++ nicht möglich Pipeline +++ sehr große Mengen +++ standortbezogen möglich Tab. 7: Bewertungsmatrix für die unterschiedlichen Transportmöglichkeiten. Quelle: eigene Informationen Die preislich attraktivste Transportform ist der Produkt- oder Rohstofftransport über Rohrleitungssysteme. Diese Möglichkeit existiert nur dann, wenn in räumlicher Nähe (< 10 km) ein Kunde, z.B. eine Ölraffinerie, oder ein Rohstofflieferant eine Ölmühle betreibt. Diese Möglichkeit muss bei der Standortwahl berücksichtigt werden, da sie an den Standort gebunden ist. Sehr große Mengen für niedrige Preise können auch mit dem Schiff oder der Bahn über weite Strecken transportiert werden. Der Nachteil diese Transportmöglichkeiten ist, dass man beim Schiffs- und Bahntransport an die existierenden Transportwege gebunden ist und es fast keine Möglichkeit gibt, an anderen Stellen eine Anbindung an diese Systeme herzustellen. Dies ist z.B. der Grund, warum viele Biokraftstoffanlagen an Hafenstandorten gebaut worden sind. Bei der Bahn ist eine Anbindung für kleinere Strecken möglich, aber mit hohen Kosten und hohem Zeitaufwand verbunden. Der flexibelste Transport ist über LKW möglich und die Anbindung an das existierende Straßensystem ist meistens mit überschaubaren Kosten verbunden. Der Nachteil dieser Transportart ist, dass für große Mengen (> 2000 Tonnen/ Tag) eine relativ hohe Komplexität entsteht, die nur bei einer sehr guten Verkehrsanbindung, gekoppelt mit einer guten Infrastruktur des Anlagestandortes gemeistert werden kann. Um das Risiko einer zu teuren Logistik zu vermeiden, muss dieser Punkt bei der Standortauswahl mit einer hohen Priorität bewertet werden. Dabei ist natürlich eine Anbindung an alle vier Transportarten die beste Lösung. Bei der Aufwandsposition Energien gibt es ein zeitliches Preis-Risiko, das beispielhaft in Abbildung 42 für die Primärenergieträger Erdgas (Marktgebiet Gaspool) und Kohle (ICE Derivat, Anlieferungsort Rotterdam) und für Strom (Marktgebiet Deutschland, Phelix = Physical Electricity Index) als Energieform in EUR/ MWh dargestellt ist. Bei den Energiemärkten handelt es sich um Commodity-Märkte. Die folgenden Konzepte für die Energieversorgung der Anlagen mit Wärme und Strom werden eingesetzt: <?page no="218"?> 218 8 Technische und kommerzielle Risiken von Biokraftstoffprojekten Strombezug über ein öffentliches Netz Wärmebezug von einem Fremderzeuger Eigenerzeugung von Wärme Eigenerzeugung von Wärme und Strom (KWK-Anlagen) Die Preis-Risiken bei der Eigenerzeugung sind abhängig von dem Primärenergieträger. Um die Preis-Risiken bei den Energien zu minimieren, kann man folgende Einkaufsstrategien für die Primärenergieträger oder die Energieform anwenden: Kurzfristige Eindeckung auf dem Spotmarkt o - man muss kurzfristige Preisschwankungen, z.B. durch lange Winter, tragen o + man deckt sich nach Marktpreisen ein und braucht keine Lieferverpflichtungen einzugehen Langfristige Eindeckung über den Kauf von festen Mengen zu festen Preisen o + man bezahlt einen festen Preis und kann auf dieser Basis kalkulieren Risiken aus Lieferverpflichtungen kann man durch Verkaufsklauseln zu Spotmarktpreisen minimieren o - wenn sich der Marktpreis nach unten entwickelt, bezahlt man einen zu hohen Preis Da es sich beim Einkauf von Energieformen oder Energieträgern um komplexe Vertragswerke handelt, ist die Abstimmung mit spezialisierten Verbänden oder Firmen vorteilhaft. Abb. 42: Preisentwicklung von Kohle, Erdgas und Strom in den letzten 5 Jahren. Quelle: Thomson Reuters 0 10 20 30 40 50 60 70 Strom - Front - Phelix EEX [€/ MWh] Erdgas - Front - Gaspool EEX [€/ MWh] Kohle - Front - ICE Rotterdam [€/ MWh] <?page no="219"?> Oliver Lüdtke 219 8.3.2.3 Risiken in den weiteren Aufwandspositionen Nachdem die drei größten Risikobereiche in den Aufwandspositionen erläutert worden sind, werden in diesem Kapitel die Risiken in den Positionen Hilfsstoffe, Instandhaltung, Zinsen, Personal und Versicherungen bewertet. Weitere Aufwandspositionen sind im Vergleich zu diesen Positionen von einer geringeren Bedeutung für die Biokraftstoffprojekte und werden keiner detaillierten Risikobetrachtung unterzogen. Bei den Hilfsstoffen besteht ein Mengen- und Preis-Risiko das in der Tabelle 8 für die unterschiedlichen Hilfsstoffe mit möglichen Gegenmaßnahmen dargestellt ist. Biokraftstoff/ Hilfsstoff Risiko Gegenmaßnahmen Biodiesel/ Methanol / Hilfsstoffe / Säuren und Laugen Preis und Menge Bei den eingesetzten Hilfsstoffen handelt es sich um Grundchemikalien, die gut am Markt verfügbar sind. Es besteht kein Mengen-Risiko, wenn verschiedene Lieferanten eingesetzt werden. Die Marktpreise sind volatil und es müssen Risikokonzepte bei einer langfristigen Eindeckung berücksichtigt werden. Bioethanol / Enzyme Preis und Menge Bei den Enzymen handelt es sich um Spezialitäten, die nur von wenigen Lieferanten angeboten werden. Bei den Preisen gibt es große Unterschiede, die jedoch von der Qualität und der Eignung der Enzyme für die jeweilige Technologie abhängen. Es sollte versucht werden, verschiedene Lieferanten zu validieren, um einen besseren Preisüberblick zu bekommen. Dabei muss aber immer die Leistungsfähigkeit der Enzyme in den eigenen Anlagen bewertet werden. Langfristige Kontrakte sind üblich, da die Preise nicht volatil sind und eine Validierung von neuen Enzymen zeitlich aufwendig ist. Tab. 8: Risiken und Gegenmaßnahmen für die Hilfsstoffe bei der Biokraftstoffherstellung. Quelle: eigene Informationen Die Aufwandsposition Instandhaltung dient dazu, eine hohe Verfügbarkeit der Anlage sicherzustellen. Man kann zwischen der vorbeugenden Instandhaltung, der störungsbezogenen Instandhaltung und dem Ersatzteilmanagement unterscheiden. Der Aufwand in diesem Bereich wird durch die Anforderung an die Verfügbarkeit der Anlage festgelegt. Wenn eine hohe Verfügbarkeit der Produktion nicht notwendig ist, sollte der Schwerpunkt in einer störungsbezogenen Instandhaltung liegen. Dies kann z.B. gelten, wenn man verschiedene Produktionsanlagen besitzt. Ist eine hohe Verfügbarkeit notwendig, muss man alle drei Bereiche der Instandhaltung intensiv bearbeiten, was zu höheren Aufwendungen führt. Die Ausfall-Risiken in diesem Bereich liegen hauptsächlich in der Auswirkung von nicht geplanten Schäden an Maschinen, die mit langen Ausfallzeiten der Produktion verbunden sind. Zum Beispiel kann es durch einen Totalschaden bei einem großen Apparat schnell zu einer Ausfallzeit von einigen Monaten kommen, wenn kein Ersatzapparat vorhanden ist. Da jedoch auch das Ersatzteillager und die vorbeugende Instandhaltung mit sehr hohen Kosten verbunden sind, wird meistens ein Kompromiss auf Basis einer Ausfallrisikobewertung durchgeführt. <?page no="220"?> 220 8 Technische und kommerzielle Risiken von Biokraftstoffprojekten Eine mögliche Absicherung gegen dieses Risiko sind so genannte Maschinenbruchversicherungen, die mit Betriebsunterbrechungs-Versicherungen gekoppelt werden können. Durch diese Versicherungen ist es möglich das Risiko durch solche Schäden zu minimieren. Aber je nach Wahrscheinlichkeit eines solchen Schadens und dessen Auswirkung auf das Geschäft, wird diese Risikominimierung mit sehr hohen monatlichen Prämien bezahlt (siehe die Erläuterungen zu Versicherungen in Abschnitt 8.2). Zinsaufwendungen sind je nach Fremdkapitalanteil im Projekt eine relevante Aufwandsposition. Ein Risiko in dieser Position besteht aus dem Zinsänderungs-Risiko. Üblicherweise wird Fremdkapital zur langfristigen Finanzierung der Anlageninvestition und zur kurzfristigen Finanzierung des Umlaufvermögens eingesetzt. Die Kreditverträge können Zinsbindungen unterschiedlichster Art und Fristigkeit aufweisen. Bei kurzfristigen und langfristigen Kreditverträgen ist es üblich, Zinssätze als Aufschlag auf den EURIBOR-Zinssatz (Euro Interbank Offered Rate) festzulegen. In Abbildung 43 ist die Entwicklung des kurzfristigen und langfristigen EURIBOR Zinssatzes dargestellt. Je nach Fristigkeit der Kreditverträge kann man Zinsänderungsrisiken durch den Abschluss von Zins-Swaps reduzieren. Ein weiteres Risiko bei diesen Kreditverträgen besteht darin, dass man Zinszahlungen nicht kurzfristig reduzieren kann. In den Kreditverträgen sind üblicherweise Klauseln enthalten, die bei Unterschreitung bestimmter Gewinn-Schwellenwerte eine Sonderkündigung ermöglichen oder zu einer Hinterlegung von Sicherheitsbeträgen verpflichten. Dieses Risiko kann nur durch eine kontrollierte Fremdkapitalaufnahme im Verhältnis zu der Ertragskraft des Unternehmens reduziert werden. Abb. 43: 3-Monats- und 12-Monats-EURIBOR Zinssatzentwicklung in den Jahren 2009−2013. Quelle Thomson Reuters Bei der Aufwandsposition Personal besteht ein Preis-Risiko durch einen zu hohen Aufwand im Vergleich zu den Personalaufwendungen von konkurrierenden Anlagen und in einem hohen Fixkostenblock, der nicht kurzfristig reduziert werden kann. Die Risiken kann man nur durch ständige Optimierung der Anlagentechnologie und 0,0 0,4 0,8 1,2 1,6 2,0 2,4 2,8 3,2 EURIBOR - 12 Monate EURIBOR - 3 Monate <?page no="221"?> Oliver Lüdtke 221 Marktbeobachtung reduzieren. Wichtig ist die Festlegung, welche Arbeiten als Kernfunktion von eigenen Mitarbeitern durchgeführt werden müssen. Die Aufwandsposition Versicherung ist nicht direkt ein Risiko, da sie sich in der Höhe aus den abzusichernden Risiken ergibt. Dennoch muss auch hier regelmäßig überprüft werden, ob die jährlichen Versicherungsprämien im Verhältnis zu der notwendigen Risikominimierung stehen. (siehe auch die Ausführungen zu Versicherungen im Abschnitt 8.2). Auf den Punkt gebracht Auf der Aufwandsseite liegt das größte Preis-Risiko bei der Beschaffung der Rohstoffe zu Marktpreisen. Wichtige Voraussetzung ist dabei ein Standort mit geeignetem Logistikkonzept. Zeitliche Preis-Risiken bei den Rohstoffen können durch eine möglichst kurzfristige Versorgung oder bei einer langfristigen Versorgung durch den Abschluss von Rohstoff-Derivaten minimiert werden. Bei den weiteren Aufwandspositionen gibt es verschiedene Preis-Risiken wie z.B. bei den Energien und Hilfsstoffen, die durch eine geeignete Einkaufsstrategie minimiert werden können. Das Ausfall-Risiko im Bereich der Instandhaltung kann durch geeignete Versicherungen und das Zinsänderungsrisiko durch den Abschluss von Derivaten reduziert werden. 8.4 Risiken in den gesetzlichen Randbedingungen Ein großer Teil des Biokraftstoff-Marktbedarfs wird durch gesetzliche Regelungen bestimmt. In diesem Kapitel wird ein kurzer Überblick über die relevanten gesetzlichen Regelungen für Deutschland gegeben und die damit verbundenen Risiken diskutiert. Die Europäische Union hat das Ziel, einen 10%igen Anteil an erneuerbaren Energien für den Transportsektor bis 2020 zu erreichen, in der Richtlinie 2009/ 28/ EG zur Förderung der Nutzung von Energien aus erneuerbaren Quellen festgelegt. In dieser Richtlinie werden auch genaue Zielsetzungen für die Biokraftstoffanteile in den einzelnen Mitgliedsstaaten und die Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe festgelegt. Diese Vorgaben werden gemacht, um folgende Ziele zu erreichen: Reduzierung des CO 2 -Ausstoßes bei der Mobilität Abhängigkeit von Kraftstoffimporten aus Krisengebieten reduzieren Landwirtschaftliche Überproduktion in Europa zur lokalen Kraftstoffproduktion nutzen Die einzelnen Mitgliedsstaaten müssen diese Richtlinie zeitnah ins nationale Recht übertragen und Maßnahmenpakte zur Erreichung der Ziele umsetzen. Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, regelmäßig über den Grad der Umsetzung und die Erreichung der Ziele an die Europäische Union zu berichten. <?page no="222"?> 222 8 Technische und kommerzielle Risiken von Biokraftstoffprojekten Die Übertragung der europäischen Richtlinie in nationales Recht wird am Beispiel von Deutschland erläutert. In Deutschland wird die Zielerreichung durch eine für alle Inverkehrbringer von Kraftstoffen verpflichtende Biokraftstoffquote gesteuert. Durch diese Quote wird der Anteil von Biodiesel und Bioethanol in den fossilen Kraftstoffen geregelt und deren Erfüllung ist in folgenden Gesetzen und Verordnungen festgelegt: Bundes-Immissionsschutzgesetz BImSchG, insbesondere § 37: o 6,25 % Biokraftstoffe müssen den fossilen Kraftstoffen auf Basis Energiegehalt beigemischt werden Dabei gibt es eine Mindestquote von 4,4 % Biodiesel im Diesel und 2,8 % Bioethanol im Benzin Die restlichen Quotenmengen können durch höhere Beimischungen oder durch andere Biokraftstoffe erreicht werden · Andere Biokraftstoffe: Pflanzenöle, Biomethan, hydrierte Pflanzenöle (HVO = Hydrotreated Vegetable Oil) usw. o Diese energetische Quote wird 2015 auf eine reine Treibhausgasminderungs- Quote geändert: ab 2015 müssen 3 % der mit dem Kraftstoffverkauf verbundenen Treibhausgasemissionen durch die Beimischung von Biokraftstoffen eingespart werden ab 2017 4,5 % ab 2020 7 % Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung BioKraft-NachV: o Festlegung von Kriterien, die die Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen sicherstellen z.B. Treibhausgas-Minderungspotential · bis 2017 > 35 % · ab 2017 > 50 % · ab 2018 > 60 % o Rechenregeln für die Berechnung der Treibhausgasminderungen von Biokraftstoffen sowie verschiedene weitere Verordnungen zur Durchführung und Umsetzung dieser Gesetze. Diese Übertragung der EU-Richtlinie in nationale Gesetze ist von Land zu Land unterschiedlich. Aus diesen gesetzlichen Festlegungen ergeben sich die folgenden Risiken: Nachhaltigkeits-Risiko Bedarfs-Risiko Das Nachhaltigkeits-Risiko besteht darin, dass die Produkte in Deutschland und in Europa nicht als nachhaltige Biokraftstoffe anerkannt werden, wenn sie den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen. Ein sehr wichtiges Kriterium für die Nachhaltigkeit der Produkte ist die Einhaltung von Mindest-Treibhausgaseinsparungen, die <?page no="223"?> Oliver Lüdtke 223 durch eine geeignete Technologie und durch die Verarbeitung von nachhaltigen Rohstoffen erreicht wird. Um diese Kriterien einzuhalten, müssen sich alle Teilnehmer in der Wertschöpfungskette der Biokraftstoffe regelmäßig von staatlich anerkannten Zertifizierern prüfen lassen. Um dieses Nachhaltigkeits-Risiko zu minimieren, muss der Rohstoffeinkauf die Nachhaltigkeit der Rohstoffe in enger Zusammenarbeit mit den Zertifizierungsgesellschaften sicherstellen müssen Änderungen in der Gesetzeslage ständig beobachtet und interpretiert werden sollte ein ständiger Kontakt zu den verantwortlichen Behörden & Zertifizierungsgesellschaften gehalten werden. Das Bedarfs-Risiko entsteht durch Änderungen der gesetzlichen Vorgaben für die Biokraftstoffquote. Dabei besteht das Risiko nicht nur in der Änderung der Gesamtquote (in Deutschland aktuell 6,25 %), sondern auch darin, zu welchen Anteilen andere Biokraftstoffe zur Anrechnung in der Biokraftstoffquote berücksichtigt werden können. Diese Risiken können nur durch einen engen Kontakt zu den gesetzgebenden Einrichtungen, was üblicherweise als Lobbyarbeit bezeichnet wird, minimiert werden. Diese Arbeiten können auch durch eine Mitgliedschaft in deutschen oder europäischen Wirtschaftsverbänden wie z.B. ePURE für europäische Bioethanolproduzenten, EBB European Biodiesel Board für europäische Biodieselproduzenten oder VDB Verband der Deutschen Biokraftstoffinduetrie umgesetzt oder ergänzt werden. Auf den Punkt gebracht Der Biokraftstoffmarkt ist ein stark regulierter Markt bei dem es kurzfristig immer wieder zu Änderungen in den gesetzlichen Regelungen kommt. Um die Risiken aus solchen Änderungen zu minimieren, müssen die gesetzlichen Randbedingungen in Europa und Deutschland und deren Entwicklung ständig beobachtet werden. Neben dieser eher passiven Beobachtung muss aber auch durch Lobbyarbeit z.B. über Wirtschaftsverbände die Politik und Öffentlichkeit frühzeitig auf Risiken und Chancen durch gesetzliche Änderungen hingewiesen werden. 8.5 Auswirkungen der Einzelrisiken im Vergleich Bei Biokraftstoffprojekten gibt es die folgenden Risikogruppen: technische Risiken kommerzielle Risiken − in den Ertragspositionen − in den Aufwandspositionen Risiken in den gesetzlichen Anforderungen. Um die Risiken dieser Gruppen untereinander vergleichen zu können, wird eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt. Dabei werden für die verschiedenen Risiken Szenarien festgelegt, die zu Abweichungen in den Aufwands- und Ertragspositionen führen. <?page no="224"?> 224 8 Technische und kommerzielle Risiken von Biokraftstoffprojekten Diese Abweichungen werden dann mit dem typischen Gewinn vor Steuern von den betrachteten Biokraftstoffanlagen verglichen. Für die Risiken sind folgende Szenarien angenommen worden: 5%ige Erhöhung der Aufwandspositionen z.B. Energiepreise liegen 5 % über dem Marktpreis Rohstoffausbeute ist 5 % schlechter als bei einer typischen Anlage 5%ige Reduzierung der Produktpreise 3-monatiger Ausfall der Produktion 40%iger Produktionsrückgang. Der 3-monatige Ausfall der Produktion ist ein Beispiel für ein technisches Risiko, das z.B. durch den Ausfall einer Anlagenkomponente oder durch die zeitlichen Verzögerungen in den Projektphasen vor der Produktion hervorgerufen wird. Bei diesem Fall laufen die Aufwendungen Personal, Versicherungen, Sonstiges, Zinsen und Abschreibungen weiter, ohne dass ein Umsatz aus Produkten zu Erträgen führt. Der 40%ige Produktionsrückgang ist ein Beispiel für die Auswirkung einer gesetzlichen Änderung, die den Bedarf an Biokraftstoffen stark beeinflusst. In den Abbildungen 44 und 45 werden die Abweichungen aus dieser Sensitivitätsanalyse für die unterschiedlichen Risiko-Szenarien einer 300.000 Tonnen Bioethanol- und einer 200.000 Tonnen Biodieselanlage dargestellt. Um die Vergleichbarkeit der Szenarien mit dem Gewinn zu vereinfachen, sind die Abweichungen immer positiv dargestellt. Das Minuszeichen in Klammern gibt an, dass es sich eigentlich um eine Reduzierung des Gewinns handelt. Bei der Biodieselanlage wird deutlich, dass die größten Risiken in Preisabweichungen bei den Rohstoffen und den Produkten bestehen. Die Ertragsminderung durch einen um 5 % niedrigeren Verkaufspreis beträgt fast die 2-fache Größe des Gewinns und würde damit sofort zu einem Verlust vor Steuern führen. Ähnliche Auswirkungen hat auch ein um 5 % höherer Einkaufspreis der Rohstoffe oder eine um 5 % schlechtere Rohstoffausbeute. Nur zu einer Reduzierung des Gewinns von ca. 60 % führt der 3monatige Produktionsausfall und zu einer 90%igen Reduzierung würde der 40%ige Produktionsrückgang führen. Die anderen Risikoszenarien führen zu keinen Aufwendungen in der Größenordnung des Gewinns vor Steuern. Bei der Bioethanolanlage zeigt die Sensitivitätsanalyse wesentlich stärkere Auswirkungen bei reduzierten Produktionsmengen. Ein 40%iger Produktionsrückgang führt zu einer Ertragsreduzierung von der doppelten Größe des Gewinns und der 3-monatige Produktionsausfall zu einer 1,3-fachen Größe des Gewinns. Damit führen beide Risiken bei Eintreten sofort zu einem Verlust. Weitere wesentliche Risiken sind die Reduzierung des Verkaufspreises und die Erhöhung der Rohstoffpreise um 5 %, die auch zu Verlusten in der Anlage führen. Zu signifikanten Gewinnreduzierungen kommt es bei einer 5%igen Verschlechterung der Rohstoffausbeute. Bei einer Erhöhung der Logistik- oder der Energieaufwendungen um 5 % kommt es zu Gewinnreduzierungen im Bereich von 10 - 20 %. <?page no="225"?> Oliver Lüdtke 225 Abb. 44: Sensitivitätsanalyse für die unterschiedlichen Risiken einer 200.000 Tonnen Biodieselanlage und einer 300.000 Tonnen Bioethanolanlage bei einer 5%igen Abweichung (eigene Informationen) Abb. 45: Sensitivitätsanalyse für die unterschiedlichen Risiken einer 300.000 Tonnen Bioethanolanlage bei einer 5%igen Abweichung (eigene Berechnungen) Die Sensitivitätsanalyse zeigt deutlich, dass bei den betrachteten Biokraftstoffprojekten die Rohstoffaufwendungen und die Produktpreise mit sehr großen Risiken verbunden sind. Aber sie zeigt auch, dass mit größeren Investitionen, wie sie bei einer Bioethanolanlage im Vergleich zu einer Biodieselanlage notwendig sind, die Risiken durch Produktionsausfälle oder fehlende Auslastung der Produktion sehr hoch werden. Dabei entsteht das Risiko unabhängig davon, ob es durch den Ausfall von Anlagenteilen oder durch 7.800 300 7.539 156 25 130 25 100 15 8.961 4.600 2.847 5.233 0 2000 4000 6000 8000 10000 + 5 % Rohstoffpreis (-) + 5 % Logistik (-) - 5 % Rohstoffausbeute (-) + 5 % Energiepreis (-) + 5 % Instandhaltung (-) + 5 % Hilfsstoffe (-) + 5 % Personal (-) + 5 % Zinsen (-) + 5 % Versicherungen (-) - 5 % Verkaufspreis (-) 40 % iger Produktionsrückgang (-) 3 Monate ohne Umsatz (-) Gewinn vor Steuern Sensitivitäsanalyse für die unterschiedliche Risiken einer 200.000 Tonnen Biodieselanlage in Tausend € 10.250 1.275 6.565 1.800 150 300 125 650 50 15.970 18.761 11.725 9.072 0 4000 8000 12000 16000 20000 + 5 % Rohstoffpreis (-) + 5 % Logistik (-) - 5 % Rohstoffausbeute (-) + 5 % Energiepreis (-) + 5 % Instandhaltung (-) + 5 % Hilfsstoffe (-) + 5 % Personal (-) + 5 % Zinsen (-) + 5 % Versicherungen (-) - 5 % Verkaufspreis (-) 40 % iger Produktionsrückgang (-) 3 Monate ohne Umsatz (-) Gewinn vor Steuern Sensitivitäsanalyse für die unterschiedliche Risiken einer 300.000 Tonnen Bioethanolanlage in Tausend € <?page no="226"?> 226 8 Technische und kommerzielle Risiken von Biokraftstoffprojekten Änderungen in der Gesetzgebung verursacht wird. Dennoch sind Produktionsausfälle verursacht durch gesetzliche Änderungen wesentlich kritischer für den Fortbestand einer Anlage, da es sich meistens nicht um zeitliche begrenzte Änderungen handelt. Auf den Punkt gebracht Bei Biokraftstoffprojekten liegen die größten Risiken in den Rohstoff- und Produktpreisen. Die Versorgung der Anlage mit Rohstoffen zu Marktpreisen ist eine Grundvoraussetzung, um einen wirtschaftlichen Betrieb sicherzustellen. Auf der anderen Seite müssen Marktpreise für die Produkte erzielt werden, um mit Biokraftstoffanlagen Gewinne erzielen zu können. Weitere sehr große Risiken liegen in der Reduzierung der Anlagenauslastung, im Auftreten von technischen Ausfällen oder im Vorhandensein von gesetzlichen Änderungen. Diese Risiken werden umso größer, je höher die Investitionen in die Biokraftstoffanlagen sind. In den Aufwandspositionen sind Risiken in der Rohstoffausbeute, den Energie- und Logistikaufwendungen relevant und müssen ständig auf ihre Konkurrenzfähigkeit kontrolliert werden. Nichtsdestotrotz müssen aber auch die vielen kleineren Risiken in den Aufwandspositionen kontrolliert werden. Diese kleineren Risiken können die Konkurrenzfähigkeit einer Anlage verhindern, wenn die Eindeckung mit Rohstoffen und der Verkauf der Produkte zu Marktpreisen erfolgen, aber nur geringe Margen verdient werden. Ein wichtiges weiteres Risiko sind gesetzliche Änderungen, da es sich bei dem Biokraftstoffmarkt um einen stark regulierten Markt handelt. Dieses Risiko kann man nur durch eine gute Lobbyarbeit und durch eine ständige Beobachtung der Gesetzeslage und der Gesetzesentwicklungen minimieren. Literatur Kaltschmitt, M./ Hartmann, H. und Hofbauer, H. (2009): Energie aus Biomasse: Grundlagen, Techniken und Verfahren. Springer Verlag. Berlin Deutsches Biomasseforschungszentrum (DBFZ) (2012): DBFZ Report Nr. 11, „Monitoring Biokraftstoffsektor“ Leipzig. Gesetzestexte: http: / / www.gesetze-im-internet.de/ http: / / eur-lex.europa.eu/ de/ index.htm Wirtschaftsverbände: http: / / www.epure.org/ http: / / ebb-eu.org/ http: / / www.biokraftstoffverband.de öffentliche Institute: http: / / www.dbfz.de http: / / www.fnr.de <?page no="227"?> 9 Technisch-kommerzielle Risiken bei Offshore-Windenergie Stefan Gödel und Sebastian Jäger, AlixPartners Inhalt 9.1 Einleitung ................................................................................................................... 227 9.2 Herausforderungen und technische sowie kommerzielle Risiken für die Offshore-Windenergie..............................................................................................228 9.2.1 Entfernung von der Küste....................................................................................... 229 9.2.2 Risiken auf Grund der Witterungsbedingungen ................................................... 231 9.2.3 Technische und kommerzielle Risiken auf Grund des hohen Neuigkeitsgrads ............................................................................................................................ 233 9.2.4 Kommerzielle Risiken auf Grund des hohen Fixkostenanteils........................... 237 9.2.5 Risiken auf Grund der Komplexität der Gewerke und Zulieferströme ............ 239 9.2.6 Risiken durch exogene Faktoren............................................................................. 239 9.3 Zusammenfassung der technisch-kommerziellen Risiken und Ableitung der kritischen Erfolgsfaktoren................................................................................. 241 Schlagwortliste Windenergie, Offshore-Windenergie, Windpark 9.1 Einleitung Das vorliegende Kapitel widmet sich der Entstehung von technischen und kommerziellen Risiken von Projekten im Bereich Windkraft. Die Darstellung erfolgt anhand eines Praxisbeispiels aus der Offshore-Windenergie. Die umfangreichen Herausforderungen in dieser - in Deutschland - noch jungen Industrie führen zu zahlreichen Risiken, sowohl technischer als auch wirtschaftlicher Natur. Zunächst werden die typischen Herausforderungen großer Infrastrukturprojekte in der Offshore-Windenergie und die daraus resultierenden Risiken dargestellt. Im abschließenden Kapitelteil zeigen die Autoren auf, dass trotz aller Herausforderungen und Risiken, die Realisierung von Offshore-Windparks in Deutschland möglich ist. Sie geben Hinweise für ein konkretes adäquates Risikomanagement. <?page no="228"?> 228 9 Technisch-kommerzielle Risiken bei Offshore-Windenergie 9.2 Herausforderungen und technische sowie kommerzielle Risiken für die Offshore-Windenergie Wir alle erinnern uns noch gut an die zeitliche Abfolge: Im Herbst 2010 beschließt die Bundesregierung die Laufzeitverlängerung für deutsche Atomkraftwerke. Am 12. März 2011 wird durch die Explosion des Atom-Reaktors in Fukushima das Thema Energie stark emotionalisiert - mit tiefgreifenden Wirkungen auf die Landtagswahl in Baden- Württemberg. Als Folge der Ereignisse seit Fukushima vollzieht die Bundesregierung im Sommer 2011 eine in dieser Form einmalige Kehrtwende in der Energiepolitik mit insbesondere zwei wesentlichen Eckpunkten: Atomausstieg bis Ende 2022 Steigerung des Anteils Erneuerbarer Energien am deutschen Strommix von 24 % (2010) auf 59 % (2030) Offshore-Windenergie soll dabei das Feld Erneuerbarer Energien mit dem größten Wachstum darstellen und im Jahr 2030 einen Anteil an der Nettostromerzeugung von 13 % aufweisen. Abb. 46: Nettostromerzeugung nach Energieträgern in Terawattstunden [TWh]. Quelle: Trendresearch; AlixPartners Erwartete Hauptwachstumsfelder sind die Photovoltaik (+ 6 % Anteil bis 2030) und die Offshore-Windenergie (+ 13 % Anteil bis 2030). Im Gegensatz zur Photovoltaik ist Deutschland für die Offshore-Windenergie ein gut geeigneter Standort. Günstige Windbedingungen und - relativ - geringe Wassertiefen machen die Nordsee zu einem der globalen Zentren für die Entwicklung von Offshore-Windparks: Die Nordsee ist 24% 39% 29% 13% 12% 8% 10% 6% 15% 0% 13% 2% 8% 7% 13% 100% 100% 2010 2030 Anteil erneuerbare Energien: 59% Anteil erneuerbare Energien: 24% Kernenergie Kohle Erdgas Wasser Wind offshore Wind onshore Photovoltaik Sonstige Atomausstieg soll Ende 2022 abgeschlossen sein <?page no="229"?> Stefan Gödel, Sebastian Jäger 229 eine der wenigen Regionen weltweit mit hoher Wind-Intensität und geringer Wassertiefe. Folglich ist zu erwarten, dass sich in Deutschland die Offshore-Windindustrie hauptsächlich in bzw. an der Nordsee entwickeln wird. Dabei haben deutsche und ggfs. europäische Hersteller einen klaren Standortvorteil auf Grund geringerer Logistikkosten. Allerdings sind es genau diese Umweltbedingungen, die auch die wesentlichen Risiken für Offshore-Windenergie-Projekte verursachen. Neben den Umweltbedingungen bestehen weitere Risiken in den Auswirkungen auf Termin- und Kosteneinhaltung von Offshore-Windenergie-Projekten auf Grund von der Entfernung von der Küste, dem hohen Neuigkeitsgrad der Anlagen und Technologien, einem vergleichsweise hohen Fixkostenanteil, sowie der Komplexität in der verschiedenen Gewerke und Zuliefererströme untereinander. Zusätzlich kommen weitere, exogene Störfaktoren hinzu, die von den Unternehmen allein nicht oder schwer beeinflusst werden können. Insgesamt führen diese Risiken zurzeit zu einer deutlichen Verzögerung der Realisierung von Windparks. 9.2.1 Entfernung von der Küste Die Offshore-Windindustrie in Europa ist eine Pionierindustrie. Länder mit den bisher umfangreichsten Erfahrungen, gemessen an der Anzahl der Offshore-Windparks, sind Großbritannien, Dänemark und die Niederlande. Deutschland verfügt bisher - abgesehen von BARD Offshore 1 - nur über wenige und kleinere Windparks im Meer. Abb. 47: Europäische Windparks in der Nordsee: Entfernung zur Küste und Wassertiefe (Auszug). Quelle: www.4coffshore.com; AlixPartners <?page no="230"?> 230 9 Technisch-kommerzielle Risiken bei Offshore-Windenergie In Deutschland werden Diskussionen über die Errichtung von Windenergieanlagen onshore teilweise emotional geführt. Eine Beeinträchtigung der Bevölkerung durch neue Windparks wollte die Regulierungsbehörde so gering wie möglich halten. Das ist ein Grund, warum deutsche Windparks vergleichsweise weit entfernt von der Küste liegen. Ein weiterer Grund liegt in der naturgemäß mit der Entfernung vom Festland zunehmenden Windintensität. Im Ergebnis liegen deutsche Windparks daher wesentlich weiter von der Küste entfernt als vergleichbare Windparks in anderen Ländern. Konsequenz einer größeren Entfernung von der Küste und der Errichtung in einer größeren Wassertiefe sind tendenziell zunehmende Errichtungskosten je installierter MW-Leistung. Auf Grund der im Folgenden dargestellten Risikofaktoren (Witterung, Fixkostenanteil, Komplexität der Gewerke und Zuliefererströme) erhöhen sich nicht nur die grundsätzlichen Errichtungskosten, sondern auch das Kostenrisiko durch nicht geplante bzw. nicht-planbare Ereignisse mit zunehmender Entfernung von der Küste. Gerade deutsche Windparks, die hier eine Pionierrolle einnehmen, haben das deutlich erfahren müssen. Fast alle Windpark-Projekte sind zeitlich und kostenmäßig aus dem ursprünglichen Planungsrahmen gelaufen. Abb. 48: Abhängigkeit der Errichtungskosten von der Entfernung von der Küste sowie der Wassertiefe (Exposition). Quelle: AlixPartners Kosten pro installiertem MW [EUR m] Exposition 1 ) 1,5 1,8 1,9 3,3 3,5 2,2 2,7 3,7 4,2 0 1 2 3 4 5 6 10 20 30 40 50 60 70 Lillgrund Thanet Belwind Alpha Ventus Horns Rev2 Nysted Egmond am Zee Anmerkung: Andere Parameter, wie z.B. Turbinenkapazität, sind in dieser Analyse nicht berücksichtigt Bei größerer Entfernung zur Küste würde auch die Anzahl der Betriebs-(Wind)-Stunden ansteigen. Daher könnte die höhere Investition durch höhere Energieausbeute pro installiertem MW wieder ausgeglichen werden. 1) Exposition = Entfernung zur Küste [km] + Wassertiefe [m] Borkum West II London Array Thornton Banks Ph. 2+3 3,6 <?page no="231"?> Stefan Gödel, Sebastian Jäger 231 9.2.2 Risiken auf Grund der Witterungsbedingungen Offshore-Windparks werden an Standorten errichtet, an denen eine hohe Stundenzahl starker Winde erreicht wird. Das birgt mehrfache Risiken: Zum einen herrschen an all diesen Starkwind-Standorten teilweise Windstärken, bei welchen die Anlagen zum Schutz der Komponenten, insbesondere der Rotorblätter, abgeschaltet werden müssen. Gleichzeitig zeichnen sich die Standorte durch hohe maximale Wellenhöhen aus. Dies bedingt entsprechende Höhen der Windenergieanlagen (WEA) und der Serviceplattformen sowie eine dauerhaft widerstandsfähige stabile Auslegung. Das Wetter (Wind und Wellen, Termperaturschwankungen, Humidität) bildet gleichsam einen hohen Risikofaktor bei Errichtung und Betrieb, weil nicht unter allen Bedingungen gearbeitet werden kann. Wind- und Wellenrestriktionen bestehen beim Transport und Versatz von Personal und Material/ Werkzeug (durch Schiffseinheiten und Helikopter) sowie bei den Arbeiten an den Anlagen bei Errichtung, Wartung und Entstörung. Besonders hohe Anforderungen bestehen bei Arbeiten der Taucher und Kletterer. Taucher können Unterwasserarbeiten nur beim Gezeitenwechsel und dies nur bei geringen Wellenhöhen von teilweise nur 0,5 m signifikanter Welle ( Hs) durchführen. Dies hat zur Folge, dass bspw. im Februar statistisch gesehen nur an 1 bis 2 Tagen während einer Zeitspanne von 40 - 50 Minuten je Tide (vier Tiden am Tag) getaucht werden kann. Die schlechte Prognostizierbarkeit des Wetters verursacht revolvierenden Planungsaufwand und hohe Plan-/ Ist-Abweichungen und damit hohe Risiken bei der Synchronisierung der Gewerke und der vor- und nachgelagerten Produktions- und Logistikprozesse. In der folgenden Abbildung ist exemplarisch die Häufigkeitsverteilung der Wellenhöhen und Windstärken über zwei exemplarische Monate angegeben. 0 5 10 15 20 25 30 35 40 0 50 100 150 200 250 300 350 400 Wind in m/ s Welle in cm Wetterfenster Februar 2013 Summe von Wetterfenster jegliche Errichtungstätigkeiten Summe von Welle sig Summe von Wind 100m extrapoliert Summe von Wetterfenstern jegliche Errichtungstätigkeiten <?page no="232"?> 232 9 Technisch-kommerzielle Risiken bei Offshore-Windenergie Abb. 49: Wellenhöhe (Hs) und Windstärke (m/ s in 100 m Höhe) in den Monaten Juli 2013 und Februar 2013, sowie daraus resultierende Gutwetter-Fenster für Errichtungstätigkeiten (dunkel markiert) in der Deutschen Bucht. Quelle: BARD Offshore 1; AlixPartners Während im Juli 2012 mehrere gute Wetterfenster für die Errichtungstätigkeiten verfügbar waren, war der Monat Februar des gleichen Jahres deutlich ungünstiger. Für den Betrieb der Anlagen gilt grundsätzlich das Gegenteil: Starker Wind führt zu hoher Einspeisung. Dies jedoch auch nur bis zu einem gewissen Grad. Beispiel einer konkreten WEA: Unterhalb einer Windstärke von 3,5 m/ s ist der Wind zu schwach und die Anlage produziert keinen Strom. Der optimale Betriebsbereich mit maximaler Energieumwandlung der Anlage liegt bei 12,5 m/ s. Oberhalb von 25 m/ s ist der Wind zu stark und die Anlage schaltet ab, um Beschädigungen zu vermeiden. Gemessene Windgeschwindigkeiten in der Nordsee gehen bis über das Doppelte dieser Abschaltgeschwindigkeit. Ein optimales Baufeld zeichnet sich durch eine hohe statistische Häufigkeit von Windstärken im Idealbereich bei gleichzeitig geringen maximal zu erwartenden Windstärken aus. Letztere führen zu einer technisch herausfordernden und insbesondere teuren Spezifikation der Anlagen zur Sicherstellung der Standfestigkeit über die Gesamtlaufzeit. Die Errichtung von WEAs in windstarken Baufeldern ist besonders wetterabhängig. Die 130 m großen Rotorsterne, optimiert für eine perfekte Aberntung des Windes, müssen an die Gondeln gehoben und dort ausgerichtet und montiert werden. Bei diesem Prozess auftretende Winde gefährden Komponenten und Schiffseinheiten und daher gelten stark restriktive Wetterrestriktionen. 0 5 10 15 20 25 30 35 40 0 50 100 150 200 250 300 350 400 Wind in m/ s Welle in cm Wetterfenster Juli 2013 Summe von Wetterfenster jegliche Errichtungstätigkeiten Summe von Welle sig Summe von Wind 100m extrapoliert Summe von Wetterfenstern jegliche Errichtungstätigkeiten <?page no="233"?> Stefan Gödel, Sebastian Jäger 233 9.2.3 Technische und kommerzielle Risiken auf Grund des hohen Neuigkeitsgrads Sicherlich gibt es auch in Deutschland bereits eine ganze Reihe von Onshore-Windparks und etablierte Parkentwickler und Hersteller. Wer allerdings glaubte, die onshore erworbenen Erfahrungen bildeten eine geeignete Basis für die Entwicklung, die Errichtung und den Betrieb von Offshore-Windparks, der hat - im wahrsten Sinne des Wortes - viel Lehrgeld bezahlt. Ein Vergleich der beiden Konzepte entlang der Wertschöpfungskette zeigt deutlich: Offshore-Windenergie ist eine weitgehend neue Industrie und nur bedingt mit Onshore- Windparks vergleichbar. Auf Grund dieses hohen Neuigkeitsgrades bestehen signifikante Zeit- und Kostenrisiken. Ein erster, wesentlicher Unterschied besteht in der deutlich stärkeren Anlagenklasse für Offshore-Windkraftanlagen. Die MW-Leistungen von Anlagen offshore liegen deutlich über denen von Onshore-Anlagen. Damit einhergehen erhöhte Anforderungen an die verbauten Komponenten, bspw. an die Oberflächenvergütung von Getrieben. Eine zweite, besonders in Anspruch genommene Komponente, stellen die Rotorblätter dar. Zum einen sind die Rotorsterne deutlich größer als bei Onshore-Anlagen (120 - 130 m Durchmesser sind keine Seltenheit), zum anderen stellen die offshore herrschenden Wetterbedingungen (deutlich höhere Windgeschwindigkeiten, Gewitter, Hagel etc.) nie gekannte Ansprüche an das Material. Selbst erfahrene Hersteller von Onshore-Anlagen haben wenig bis keine Erfahrungen mit den Anforderungen offshore. Blitz- und Kantenschutzkonzepte befinden sich noch immer in der Erprobungsphase. Während bereits die Entwicklung von Einzelkomponenten in meist vorher nicht produzierten Leistungsklassen hohe Herausforderungen an die jeweiligen Hersteller stellt, potenzieren sich Komplexität und Risiken durch die erforderliche Integration verschiedener, meist neuentwickelter, Komponenten in eine Gesamtanlage. Risiken entstehen aus mehreren Faktoren: Die Komponentenlieferanten können bei den Neuentwicklungen meist lediglich auf Simulationen und Prüfstandsläufe, jedoch auf keine umfangreiche Datenbasis zu Offshore-Lastfällen, zurückgreifen. Die Anforderungen an die Standdauer ist jedoch hoch (je nach Projekt und Komponente bis zu 20 Jahren und mehr). Zudem ist die Industrie im Branchenvergleich relativ neu: Kooperative (Schnittstellen-) Entwicklungen sowie Simultaneous Engineering Standards bilden sich erst heraus. In diesem Zusammenhang zeigt ein Blick auf andere Industrien mit ebenfalls hohen Ansprüchen an die Produktqualität die besondere Herausforderung und relativ hohe Risikoposition der Anbieter der verschiedenen Komponenten in der Offshore- Windindustrie: Auch im Automobil- und Flugzeugbau werden zahlreiche Komponenten verschiedener Lieferanten verbaut und es bestehen höchste Anforderungen insbesondere an sicherheitsrelevante Systeme. Entscheidende Unterschiede sind jedoch in beiden Industrien über Jahrzehnte etablierte Standards und Kooperationen und der Umstand, dass im Automobilbau die Endprodukte vor dem Hochlauf eine entsprechende Vorserienphase durchlaufen bzw. dass im Flugzeugbau alle kritischen Systeme redundant verbaut sind. <?page no="234"?> 234 9 Technisch-kommerzielle Risiken bei Offshore-Windenergie Werden die deutlich höheren Anforderungen nicht bereits in der Auslegung der Komponenten berücksichtigt, so drohen Risiken für die Projekte durch zeitaufwendige und damit kostspielige Komponententausche bzw. spätere technische Updates schlagend zu werden. Der Tausch kompletter Rotorsterne mit 120 bis 130 m Durchmesser oder Maschinenhäuser mit mehr als 280 t Gewicht erfordert in jedem Fall ungleich höheren Aufwand als vergleichbare Arbeiten onshore. Allein die notwendigen Errichter- Einheiten verursachen Charterkosten von 50 - 75.000 EUR pro Tag. Der zweite wesentliche Unterschied liegt in den logistischen Herausforderungen. Auf Grund der deutlich größeren Dimensionen entstehen zahlreiche logistische Risiken für die Branche. Während für Onshore-Projekte alle notwendigen Komponenten per LKW bzw. auf dem Schienenweg transportiert werden können und vor Ort montiert werden − Rotorsterne beispielsweise − verbietet sich das für Offshore-Projekte weitgehend. Einige Park-Errichter transportieren fertig vormontierte Rotorsterne auf Bargen ins Baufeld. Dabei fangen die Herausforderungen bereits an Land an - Sterne mit den genannten 120−130 m Durchmesser müssen sehr behutsam transportiert und verladen werden. Das gelingt nur mit speziell entwickelten und gefertigten Transportvorrichtungen. Auch wenn die Sterne verladen sind, ist noch längst nicht alles überstanden: So manche Hafeninfrastruktur hat sich als zu eng für die Transporte erwiesen. Bisweilen steht auch ein LKW an der Kaikante oder ein Hafenkran einfach im Weg. Hat der Stern oder das Fundament den Hafen unbeschädigt verlassen, liegt die Hauptherausforderung in den Transportbedingungen. Die Hauptkomponenten können i.d.R. nur bis zu einer Wellenhöhe von 1,5 m Hs (signifikante Wellenhöhe) transportiert werden, und sogar nur bis 1,0 m Hs von den Transportbargen auf die Errichter- Einheiten übernommen werden. Zur Verdeutlichung: In der Deutschen Bucht, dem Hauptinstallationsgebiet für Offshore-Windparks, bedeutet eine Restriktion von 1,0 m Hs, dass im Januar statistisch nur jeden 5. Tag, im besten Monat Juli nur leicht mehr als jeden 2. Tag gearbeitet werden kann. Selbstverständlich fallen die oben genannten Kosten für Schiffe und Bargen auch an Schlechtwetter-Tagen an. Befinden sich die Komponenten im Baufeld, bestehen weitere Risiken, die im Vorfeld bei den derzeitigen Offshore-Windpark-Projekten auf Grund des Neuigkeitsgrades nicht oder ungenügend berücksichtig wurden. Die Errichtung von Offshore-Windparks unterscheidet sich jedenfalls stark von den Schwesterparks an Land. Für die Montage der Türme, Maschinenhäuser und das Ziehen der Rotorsterne mussten spezielle Errichter-Schiffe entwickelt werden. Hauptgemeinsamkeit der durchaus unterschiedlichen Schiffskonzepte ist die Möglichkeit der Einheiten, sich auf 4−6 Beinen auf dem Meeresgrund fest abzustellen und ca. 18−20 m hoch aus dem Wasser zu drücken. Dabei gilt es zu bedenken, dass die Meerestiefe in der Deutschen Bucht etwa 40−45 m beträgt. Da es keinesfalls unmaßgeblich ist, an welche Position sich die Einheit vor der zu errichtenden Anlage stellt - man denke nur an die Kabel auf dem Meeresboden - muss für die Einheit für jede einzelne Anlage eine sog. Footprint-Position ermittelt werden. Wenn eine Einheit für einen späteren Arbeitsschritt erneut vor einer Anlage aufjacken muss, so muss sie dafür die exakt selbe Positionierung einnehmen. Dadurch ergeben sich hohe Herausforderungen an die Steuerung der Errichterschiffe bei der Errichtung der Anlagen. Auf Grund mangelnder Erfahrungen der planenden <?page no="235"?> Stefan Gödel, Sebastian Jäger 235 Bereiche und der Schiffsführungen kommt es in der Umsetzung oftmals zu deutlichen Terminverzögerungen und damit zu Risiken für die Umsetzung der Projektplanungen. Die Berücksichtigung von Umweltrisiken bzw. deren Vermeidung stellt ebenfalls eine Herausforderung für die neue Industrie dar. Während die Errichtung der Fundamente onshore relativ einfach ist, sorgt sie offshore für erhebliche Herausforderungen. Das Verankern der Fundamente ist bei allen Fundamentarten mit Rammtätigkeiten verbunden. Diese können bis zu 180 db Schall verursachen. Einerseits dürfen sich dabei im Umkreis von bis zu 5 Seemeilen keine Taucher im Wasser befinden - also auch nicht in benachbarten Windparks. Andererseits möchte das zuständige Bundesamt auch die Belastung für die heimische Fauna gering halten. Die Schweinswale in Baufeldern in der Nordsee sind in der Branche legendär. Um die Ausbreitung des Schalls unter Wasser zumindest abzumildern, gibt es noch keine Patentlösung. Wohl aber arbeiten einzelne Park-Errichter eng mit den Umweltbehörden zusammen. So wurde bspw. bei BARD Offshore 1 ein spezielles Blasenschleierverfahren entwickelt. Dabei wird um die Rammstelle ein Metallring mit Luftdüsen versenkt. Die austretende Luft bildet einen Blasenschleier, der die Schallausbreitung nachweislich hemmt. Ebenfalls stark unterschiedlich zum Gewerk onshore ist die Kabellegung. Hier lauern weitere Risiken für die Windpark-Errichter. „Einfach den Boden öffnen“ und einen Kabelstrang verlegen kann man in der Nordsee nicht. Erstens erfordert das Kabellegen speziell ausgerüstete Schiffe. Diese sind knapp und entsprechend ausgelastet, daher kostspielig. Bei der Errichtung von Windparks ist oftmals die Kabellegung das teuerste Einzelgewerk. Aber selbst modernste Schiffstechnik nutzt nichts, wenn die Voraussetzungen für die Kabellegung am Meeresgrund nicht gegeben sind. Der Betreiber des Windparks Riffgat musste dies erfahren: Auch nachdem die Anlagen errichtet sind, ist ein Betrieb nicht möglich, weil die Kabel auf Grund von Munition am Meeresgrund nicht termingerecht gezogen werden konnten. Auch wer glaubt, dass sich zumindest Erfahrungen in Service und Wartung von Windenergieanlagen von onshore nach offshore übertragen lassen, wird schnell eines Besseren belehrt. Auf Grund der besonderen Begebenheiten offshore bestehen für Service und Wartung zeitliche und kostenseitige Risiken. Onshore-Anlagen werden i.d.R. von kleineren Wartungsmannschaften serviciert. Die Anfahrt zur Anlage ist einfach möglich und die benötigten Teile und Werkzeuge werden in umgebauten Lieferwagen mitgeführt. Diese bieten auch genug Raum, um - so bspw. im Störungsfall die Regel - mehrere Teile mitzuführen, die im Rahmen der Entstörung testweise verbaut werden, um die Fehlerursache zu identifizieren. Ein solches Vorgehen ist offshore nicht möglich. Selbstverständlich lässt sich auch für Offshore-Anlagen eine Störungsursache nicht in jedem Fall auf Grund der Störungsmeldung der Anlage zweifelsfrei identifizieren. In solchen Fällen werden analog zu onshore mehrere in Frage kommende Ersatzteile mitgeführt. Der wesentliche Unterschied liegt in der Reaktionszeit für Entstörungen sowie der - wie oben ausgeführt - deutlich schwierigeren Logistik. Die Anforderungen an eine Vorbereitung von bspw. Entstörungen sind offshore höher: Die Fehlerursache und die mitzuführenden Ersatzteile sollten im Idealfall stärker eingegrenzt werden, als onshore. Leider ist in der Realität das Gegenteil der Fall. Auf Grund des hohen Neuigkeitsgrades der Komponenten und Werkstoffe lassen sich Fehlerursachen oftmals erst durch „trial and error“ identifizieren. <?page no="236"?> 236 9 Technisch-kommerzielle Risiken bei Offshore-Windenergie Eine weitere Herausforderung stellt die Zuführung von Mitarbeitern und Material auf die Anlage dar. Das Anfliegen der WEAs mit Helikoptern ist nicht bei allen Anlagentypen möglich. Der Regelfall ist ein Versatz via Crew Transfer Vessel. Dabei handelt es sich um speziell entwickelte Versatzschiffe, i.d.R. in Zwei-Rumpf-Bauweise (Katamaran oder SWATH) mit einer Art „Kunststoffnase“, sog. Fendern, zum Anfahren der Boatlandings an den Anlagen. Man muss sich das folgendermaßen vorstellen: Ein 12 - 25 m langes Versatzboot fährt mit dem Fender an die Stahlrohre der Boatlandings und drückt sich unter Maschinenvortrieb dagegen. Die Mitarbeiter klettern über den Fender auf die zwischen den Stahlrohren angebrachte Leiter. Der Überstieg der Mitarbeiter ist natürlich nur bei relativ ruhiger See möglich. Die heute üblichen Schiffstypen bieten die Möglichkeit zum Versatz bei Wellenhöhen von bis zu höchstens 2,0 Hs. Das bedeutet, dass in den Wintermonaten an bis zu 50 % aller Tagen kein Versatz möglich ist, in den Sommermonaten an immerhin über 10 %. Insbesondere in den Wintermonaten sind damit die Reaktionszeiten auf Störungsmeldungen deutlich verlängert. Die Konsequenz ist eine gänzlich unterschiedliche Herangehensweise gegenüber den Onshore-Anlagen. Fehlermeldungen müssen über einen längeren Zeitraum gesammelt und die Arbeiten laufend priorisiert werden. Für das Verbringen von Material auf die WEAs ist ebenfalls das Crew Transfer Vessel das hauptsächlich genutzte Mittel. Mitarbeiter können bei ihrem Überstieg allerdings nur begrenzt zusätzliches Gewicht mitführen. Die Anlagen sind daher - je nach Hersteller - zum Zwecke der Materialverbringung mit kleinen Kranen ausgestattet. Diese ermöglichen es, Materialgewichte von bis zu 300 kg/ Losgröße auf die Anlagen zu bringen. Diese Tragkraft ist für die meisten Anwendungsfälle ausreichend. Allerdings sind die Krane auf Grund der Witterungsbedingungen sehr anfällig für Verschleiß und bilden somit einen Grund für die Notwendigkeit von Entstörungen/ Reparaturen. Bei gestörten Kranen sind die Teile und Werkzeuge mithilfe von Seilwinden entweder im Handbetrieb oder mit sog. „Seilmopeds“ auf die Anlage zu heben. Eine hohe körperliche Fitness ist für die Mitarbeiter eine wesentliche Voraussetzung. Durch die sehr teuren Wartungs- und Entstörungsarbeiten entstehen besonders hohe Anforderungen an die Wartungs- und Entstörungsarmut der Anlagen über einen bedingt durch die hohe Anfangsinvestition langen Betriebszeitraum. Neben der Zuführung der Mitarbeiter, Werkzeuge und Teile liegt eine - onshore gänzlich unbekannte - Herausforderung in deren Unterbringung bzw. Lagerung. Raum und Schlafgelegenheiten sind knapp. Die Unterbringung erfolgt bei deutschen Windparks auf Grund der hohen Entfernung von der Küste i.d.R. auf Plattformen im Baufeld. BARD Offshore 1 verfügt auf der parkeigenen Plattform über knapp 50 Schlafplätze im Baufeld. Schiffe sind zur Unterbringung wegen der deutlichen höheren Abhängigkeit von den herrschenden Wetterbedingungen nur bedingt geeignet. Die Ausführungen zeigen, dass zur erfolgreichen Entwicklung, zum erfolgreichen Bau und Betrieb eines Offshore-Windparks sehr viele Kompetenzen gebündelt werden müssen: vor allem, wie dargestellt, technische, operative und kaufmännische sowie, darüber hinaus, juristische. Insbesondere im Bereich Technik (Entwicklung, Industrialisierung und Produktion komplexer elektromechanischer Systeme), Planung, Logistik und Supply Chain on- und offshore werden erstklassige Experten und Manager benötigt, die der Gesamtaufgabe gerecht werden können. Anders als in etablierten Indust- <?page no="237"?> Stefan Gödel, Sebastian Jäger 237 rien wie etwa dem Automobilbau werden weniger erfahrene Mitarbeiter nicht durch einen starken etablierten Gesamtprozess und robuste Standards gelenkt. Dies ist nur durch starke Leitungsstrukturen mit branchenübergreifendem und interdisziplinärem Erfahrungsschatz auszugleichen. Auf den Punkt gebracht Offshore-Windenergie ist eine Pionierbranche. Erfahrungen aus der Errichtung und dem Betrieb von Onshore-Windparks sind kaum bis gar nicht auf offshore übertragbar. Komponenten sind deutlich höheren Anforderungen ausgesetzt. Werkstoffe und Schutzkonzepte müssen speziell entwickelt werden. Logistikprozesse sind nicht entfernt mit denen an Land vergleichbar und folgen eher nautischen Gesetzmäßigkeiten als denen des klassischen Anlagenbaus. Die Errichtung im Meer ist nur mit Spezialschiffen möglich, für deren Anwendung teilweise sehr restriktive Wetterbedingungen gelten. Auch Service und Wartung folgen nur grundsätzlich den Gegebenheiten onshore. Offshore sind die Herausforderungen an Material- und Werkzeuglogistik, den Transport und die Unterbringung der Mitarbeiter um ein Vielfaches höher. 9.2.4 Kommerzielle Risiken auf Grund des hohen Fixkostenanteils Die Kostenstruktur von Offshore-Windparks unterscheidet sich signifikant von der von Onshore-Parks. Der Einfluss der Komponenten (Gondel/ Turbine und Gründungsstrukturen) geht deutlich zurück. Während der Anteil der Netzanbindungskosten (grid connection costs) gleich bleibt, steigt der Anteil der für den Aufbau notwendigen Aufwendungen signifikant. Der Grund dafür ist der hohe Fixkostenanteil der hinter den Aufbaukosten stehenden Aufwandstreiber. Für Offshore-Windparks sind das insbesondere die Errichterschiffe. Wie bereits in vorangehenden Kapiteln angedeutet, sind Errichterschiffe nur für bestimmte Laufzeiten einzuchartern. Ein Spotmarkt befindet sich - wenn überhaupt - erst im Aufbau. Auf Grund der wenig flexiblen Charterdauern fallen Kosten für die Einheiten auch dann an, wenn sie auf Grund von Schlechtwetter nicht genutzt werden können. Tagescharterraten von 50 - 75.000 EUR und Errichtungszeiträume von mehr als einem Jahr für größere Windparks erklären die deutlich zunehmende Bedeutung dieser Kostenposition. Auf Grund ihres „fixen Charakters“ und des hohen Anteils bilden diese Kosten ein signifikantes Risikopotential für Offshore-Windparks. Folgerichtig kommt dem Management dieser Kosten bei der Realisierung von Offshore- Windpark-Projekten eine entscheidende Bedeutung für den kommerziellen Erfolg des Projektes zu. Die genaue Kenntnis der Einsatzgrenzen für die jeweiligen Errichtungsschritte, verlässliche Wetterprognosen durch z.T. festangestellte Meteorologen, Transparenz über die Zeitdauer aller einzelnen Errichtungsschritte und Transferzeiten sowie die Zusammenfassung in geeigneten Planungsinstrumenten sind Erfolgsfaktoren für das Management der Errichtereinheiten und damit das Kostenmanagement des gesamten Projektes. Tägliche Management Attention ist ein absolutes Muss in diesem Zusammenhang. <?page no="238"?> 238 9 Technisch-kommerzielle Risiken bei Offshore-Windenergie Abb. 50: Kostenstrukturvergleich von Windparkprojekten - Onshore vs. Offshore. Quelle: US Offshore Wind Collaborative: „A path forward“ (2009); AlixPartners Fokus ausschließlich auf diese - zugegebenermaßen wichtige - Kostenposition und deren Treiber alleine ist aber nicht ausreichend. Ein weiterer Erfolgsfaktor für den kommerziellen Erfolg von OffshoreWindparks ist - mehr als bei Onshore-Projekten - die Beherrschung der kompletten Supply Chain. Verzögerungen in einzelnen Wertschöpfungsschritten oder bei der Lieferung von Komponenten an Land können direkte Auswirkungen auf den effizienten Einsatz der Errichterschiffe haben. Wird bspw. auf Grund eines nur um einen Tag verspäteten Liefertermins der - tiden-, strömungs- und streckenwetterabhängige - optimale Auslauftermin verpasst, so kann das im schlimmsten Fall zum kompletten Verpassen des Wetterfensters für die Errichtung führen. Verspätungen von mehreren Tagen (mit den entsprechenden Kosten) sind die Folge. <?page no="239"?> Stefan Gödel, Sebastian Jäger 239 9.2.5 Risiken auf Grund der Komplexität der Gewerke und Zulieferströme Die Risiken entlang der Supply Chain bestehen aber nicht nur in der Einhaltung von Lieferterminen. Windenergieprojekte, insbesondere offshore, werden in der Regel von wenig integrierten Spielern realisiert. Eine der wesentlichen Aufgaben besteht daher im gesamthaften Management der Komplexität der Gewerke und Zulieferströme. Greifen nicht alle Schritte reibungslos ineinander, kann es zu Verzögerungen und damit zu signifikanten Zeit- und Kostenüberschreitungen kommen. Ein Risikoelement dabei ist das klassische Supply Chain Management, d.h. die Sicherstellung der Komponentenverfügbarkeit zum geplanten Liefertermin. Die Auswirkungen einer verspäteten Lieferung sind im Vorkapitel bereits beschrieben worden. Sie sind bei Offshore-Projekten deutlich gravierender, als onshore. Leider können auch verfrühte Lieferungen bzw. Fertigstellungen von Komponenten zu erheblichen Problemen führen. Ein anschauliches Beispiel verdeutlicht dies: Turmkomponenten für Offshore-Anlagen sind deutlich größer dimensioniert als für Onshore-Anlagen. Eine Lagerfähigkeit der Turmkomponenten über einen langen Zeitraum ist nicht gegeben. In einem konkreten Fall haben sich die Komponenten durch unsachgemäße Lagerung verformt, was zu erheblichen Zeitverzögerungen bei der späteren Errichtung geführt hat. Offshore mussten Komponenten vor dem Zusammenfügen wieder in die ursprünglich angestrebte gleichmäßig runde Form gebracht werden. Niemand hatte bedacht, dass sich Stahlrohre sehr großen Durchmessers durch Lagerung auf der Seite schlicht durch das Eigengewicht verformen. Korrosionsschäden sind eine weitere Folge unsachgemäßer Lagerung. Aber selbst wenn alle Lieferanten die ihnen gestellten Anforderungen erfüllen, können durch die Verkettung von - einzeln aktzeptablen - Toleranzen insgesamt Abweichungen auftreten, die die Errichtung behindern, im schlimmsten Fall unmöglich machen und Nacharbeiten erfordern. Solche Fälle sind in den reiferen Industrien, bspw. im Automobilbau, natürlich längst bekannt und werden im Rahmen der Entwicklung (durch gezielte Toleranzenvorgabe) bzw. im Rahmen einer laufenden Fertigungsüberwachung über die gesamte Zuliefererkette gemanagt. Für die junge Offshore-Industrie stellt das jedoch ein hohes Risikopotential dar. Unerprobte Technologien und neue Werkstoffe auf der einen Seite, Lieferketten von neuen bzw. in der Zusammenarbeit noch unerfahrenen Unternehmen auf der anderen Seite führen zu regelmäßig auftretenden Problemen. So treten technische Probleme - etwa im Bereich des aktiven oder passiven Korrosionsschutzes - nicht nur an einzelnen Komponenten, sondern in der Regel an allen Komponenten auf. Auch ist die Konzentration auf einzelne Lieferanten (Single Sourcing) mit Risiken behaftet. In der Branche bekannte Insolvenzen haben einige Projekte verzögert und damit die Kunden selbst in Schwierigkeiten gebracht. Hier kann und muss von reiferen Industrien gelernt werden. 9.2.6 Risiken durch exogene Faktoren Die in den vorangegangenen Kapiteln geschilderten Risiken lagen in der Industrie selber, entlang ihrer eigenen Wertschöpfungsketten und im Management von im direkten Zugriff befindlichen Ressourcen. Darüber hinaus sind es insbesondere die vielen <?page no="240"?> 240 9 Technisch-kommerzielle Risiken bei Offshore-Windenergie exogenen Faktoren, die in besonderer Weise den kommerziellen Erfolg von Offshore- Projekten beeinflussen. Verfügt ein Windpark über einen Netzanschluss, so ist nur die erste Hürde genommen. Der Betrieb der Netze und diversen technischen Anlagen und Plattformen (bspw. Umspannplattformen) in der Umwelt „Nordsee“ stellt auch erfahrene Netzbetreiber vor neue Herausforderungen. Lernkurven im Zusammenspiel verschiedener Komponenten und Anlagen oftmals verschiedener Hersteller müssen erst noch durchlaufen werden. So ist die permanente Verfügbarkeit von Einspeisemöglichkeiten oder auch nur der Spannungsversorgung der Anlagen noch nicht durchgängig sichergestellt. Bspw. macht auch die Legung von Netzanschlüssen für neue Windparks die Abschaltung der für die Übertragung der Elektrizität aus existierenden Windparks wichtigen Komponenten für einen längeren Zeitraum (während einer Zeitspanne von einem Monat oder mehr) notwendig. Die Folge davon sind einerseits technische Risiken, andererseits direkte kommerzielle Einschnitte. Technische Risiken bestehen etwa in der Notwendigkeit zu einem Aufrechterhalten der für die Haltbarkeit der Anlagen (insbesondere Getriebe) unabdingbaren Schmierkette auch unter Notbetrieb. Dazu können etwa speziell entwickelte Notstromversorgungskonzepte einen wichtigen Beitrag leisten. In vielen Fällen allerdings haben die Anlagenkonstrukteure deren Notwendigkeit nicht vorhergesehen. Somit muss es zu einer nachträglichen Installation von Komponenten offshore kommen. Die Herausforderungen und die damit verbundenen Kosten sollten in den vorangegangenen Kapiteln deutlich geworden sein. Die kommerziellen Folgen von exogenen Einflüssen sind fast ausschließlich negativ und damit Risiken für die Wirtschaftlichkeit der Projekte. Einerseits führt eine technisch bedingte geringe Netzverfügbarkeit automatisch zum Verlust von Einspeiseerlösen. Andererseits wird im derzeitigen politischen Umfeld die Höhe der Einspeiseerlöse selbst diskutiert. Der Gesetzgeber versucht durchaus, die Folgen von technisch bedingten Abschaltungen für die Windparkbetreiber durch Schadenersatzregelungen zu minimieren. Allerdings ist die Durchsetzung von Ansprüchen mit erheblichem Dokumentationsaufwand für den Parkbetreiber verbunden und wird zumindest in einigen Fällen erst am Ende juristischer Auseinandersetzungen gelingen. Die Diskussion über die Höhe der Einspeiseerlöse steht in direktem Zusammenhang mit den im Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien- Gesetz, EEG) verankerten Einspeisevergütungen. Die Einspeisevergütungen stellen für jedes Offshore-Windpark-Projekt den wichtigsten Hebel für die Wirtschaftlichkeit dar. In Anbetracht der notwendigen Investitionen in Höhe von bis zu mehreren Milliarden Euro für einen größeren Offshore-Windpark, die lange Laufzeit von Projektentwicklung über Errichtung und Inbetriebnahme bis zum laufenden Betrieb über mehrere Jahre lassen die Tragweite der politischen Diskussion für die beteiligten Unternehmen schnell klar werden. Die Forderung nach reduzierten Einspeiseerlösen und damit Umlagen für den Endverbraucher hat zu einem faktischen Stillstand in der Entwicklung und Errichtung von neuen Offshore-Projekten geführt. Eine Lösung dieses wirtschaftspolitischen Dilemmas kann nur durch den Schulterschluss zwischen Gesetzgeber und Industrie gelingen. <?page no="241"?> Stefan Gödel, Sebastian Jäger 241 Ein weiterer, bedeutender exogener Risiko-Faktor ist das Thema Zertifizierung. Dabei geht es weniger um die initiale Projektgenehmigung, sondern um die finale Abnahme des Parks zur Erlangung der Betriebsfreigabe. Hierfür sind umfangreiche Abstimmungen mit Behörden und Gutachtern erforderlich. Die Abstimmung des Bauzustands inkl. eventueller Abweichungen stellt ein eigenes umfangreiches Arbeitspaket für alle Windpark-Projekte dar. Dies wird erschwert durch meist unzureichend konkretisierte Bestimmungen in Verbindung mit häufig fehlender Erfahrung aller Beteiligten sowie veränderlicher Auslegungen der vorhandenen Bestimmungen. 9.3 Zusammenfassung der technisch-kommerziellen Risiken und Ableitung der kritischen Erfolgsfaktoren Das vorherige Kapitel zeigte die sehr vielschichtigen und hohen Herausforderungen der Offshore Windenergie-Industrie. Verschiedene Unternehmen meldeten Insolvenz an, viele Marktteilnehmer zahlten Lehrgeld in Millionenhöhe. Trotz aller Schwierigkeiten ist es möglich, einen Offshore-Windpark erfolgreich zu errichten und in Betrieb zu nehmen. Am 26.08.2013 wurde die erfolgreiche Errichtung des ersten kommerziellen Windparkes in der Nordsee − BARD Offshore 1 − gefeiert. Die Autoren waren als externe Berater an Errichtung und Inbetriebnahme seit dem Jahr 2012 in zentraler Rolle beteiligt. Generell wird über alle Wertschöpfungsstufen der adäquate Mix an kompetenten und erfahrenen Mitarbeitern und Führungskräften benötigt. Die Erfahrungen bei der Erstellung von BARD Offshore 1 zeigten dies in allen Funktionsbereichen. So war bei der erfolgreichen Projektdurchführung durchgängig eine Vielzahl von Betreuungsaktivitäten erforderlich: Von operativer und finanzieller Planung, organisatorischer Gestaltung, Sicherstellung der Prozesseinhaltung, der Herbeiführung von Abstimmungsaktivitäten, bis zu zahlreichen komplexen technischen, kaufmännischen und juristischen Entscheidungen. Hierfür sind breit qualifizierte, erfahrene und seniore Experten mit Managementerfahrung aus relevanten Branchen erforderlich. Folgende Kompetenzen sind relevant zur erfolgreichen Beherrschung der Wertschöpfungskette eines Windpark-Projekts: Entwicklung: Unabdingbar sind erfahrene Entwicklungsleiter mit intensivem technischen Verständnis der Gesamtanlage und der spezifischen Anforderung für Offshore-Projekte. Industrialierung: Zur Sicherstellung einer schnell erreichten und robusten Herstellbarkeit erfordert es nachgewiesene Erfahrung im Simultaneous Engineering einer Gesamtanlage aus komplexen Einzelkomponenten mit kritischen Schnittstellen. Produktion und Montage: Bei vielen Komponenten werden High-End-Lieferanten benötigt. Über den kompletten Wertstrom gilt es, permanent und lückenlos die hohen Qualitätsanforderungen aus dem finalen Design sicherzustellen. Dies erfordert exzellentes Personal in den Bereichen technischer Einkauf, Produktion und Qualitätssicherung. <?page no="242"?> 242 9 Technisch-kommerzielle Risiken bei Offshore-Windenergie Planung und Logistik: Die Anforderungen im Bereich Planung, Prozessgestaltung und Logistik werden dann komplex, wenn es gilt, trotz erratischer Offshore- Einflüsse hohe Auslastung und Präzision zu gewährleisten. Ideales Know How kommt aus den prozessstarken Industrien (z.B. Automobilindustrie) sowie dem nautischen Bereich. Errichtung und Inbetriebnahme: Neben der Abdeckung der Gewerke mit dem adäquat technisch qualifizierten Personal (Mechaniker, Elektriker, Taucher, Kletterer) ist es von zentraler Bedeutung, ausgeprägte Führungsstrukturen offshore zu etablieren, die das Personal motivieren, klare Vorgaben machen und bei Bedarf durchsetzen. Gerade hier werden Mitarbeiter und Manager mit sehr gutem Verständnis der Anlage, des Gesamtprozesses sowie der geltenden Restriktionen (Ressourcen, Wetter, Personalplanung) benötigt. Nur diese Voraussetzungen ermöglichen kurzfristige Reaktionen, den erforderlichen Austausch mit den technischen Bereichen onshore sowie Parallelisierung der Tätigkeiten zur Sicherstellung durchgängiger Effizienz. Zertifizierung: Benötigt werden Experten im Genehmigungsmanagement. Erforderlich sind aktuelles Wissen sowie Erfahrung im Umgang mit Gutachtern und Behörden. Betrieb: Drei Faktoren definieren den erfolgreichen Betrieb eines Windparks: Die Verfügbarkeit der Anlagen, die Sicherstellung der langen Lebensdauer sowie die permanent hohe Auslastung der eigenen Ressourcen. Die zukünftige Entwicklung der Offshore-Windindustrie unterliegt nicht zuletzt durch die politischen Einflüsse einem hohen Grad an Unsicherheit. Dennoch ist absehbar, dass mit steigender global installierter Leistung einerseits die System- und Komponentenlieferanten eine Lernkurve durchlaufen werden, andererseits der Kosten- und Effizienzdruck auf diese durch parallel rückläufige Subventionen und Einspeiseerlöse zunehmen wird. Zunächst wird es zu einem weiteren partiellen Ausscheiden von Marktteilnehmern kommen. Die verbleibenden Spieler werden sich entscheiden müssen, ob sie weiter als Generalisten oder Spezialisten in der Industrie bleiben wollen. Neben generellen Potentialen (Skaleneffekte sowie Standardisierung/ Modularisierung) sehen die Autoren als wesentliche Hebel die Sicherstellung der relevanten Qualität (welche unter Betrachtung der Gesamtwirtschaftlichkeit nicht für alle Komponenten der maximal möglichen Qualität entspricht) sowie die Wartbarkeit der Anlagen und Komponenten. Aufgabe des Gesetzgebers ist es, dieser jungen Industrie mit zahlreichen Herausforderungen stabile und vorhersehbare Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen. Nur auf diese Weise wird es gelingen, die Ziele der Energiewende nachhaltig zu erreichen. Auf den Punkt gebracht Offshore-Windenergie ist nur bedingt mit Onshore-Windenergie vergleichbar. Risiken liegen insbesondere in den weit höheren Anforderungen an Material und Logistik, die vor allem durch Witterungsbedingungen bestimmt sind. Auch der hohe Fixkostenanteil sowie die Komplexität der Zulieferströme bergen Herausforderungen. Es wird eine Konsolidierung bei den Marktteilnehmern erwartet. <?page no="243"?> 10 Technisch-kommerzielle Risiken von Solar-Projekten Heiko Wehrhahn, juwi Energieprojekte GmbH Inhalt 10.1 Einleitung und Überblick......................................................................................... 243 10.2 Erneuerbare Energien Gesetz von 2012 und 2014 (p) ........................................ 244 10.3 Technische und kommerzielle Risiken vor und während der Bauphase ........... 246 10.3.1 Wesentliche Komponenten einer PV-Anlage ....................................................... 248 10.3.2 Bauphase .................................................................................................................... 250 10.4 Technische Risiken während der Betriebsphase ................................................... 252 10.5 Kommerzielle Risiken während der Betriebsphase .............................................. 253 10.5.1 Ertragsseite von PV-Freiflächenanlagen................................................................ 253 10.5.2 Ausgabenseite von PV-Freiflächenanlagen ........................................................... 255 10.5.3 Finanzierung von PV-Freiflächenanlagen.............................................................. 257 Literatur ...................................................................................................................... 260 Schlagwortliste Photovoltaik, Solarthermie, EEG 2012, EEG 2014, Pilotausschreibungen, Projektentwicklungsphase, Fertigstellungsphase, Bankability, Sellability, Fertigstellungsrisiko, GÜ-Vertrag, Module, Wechselrichter, Wirkungsgrad, IEC-Norm, Produktgarantie, Leistungsgarantie, Garantieverlängerung, Ersatzteilegarantie, Fernüberwachungssystem, Bauzeitenplan, Fertigstellungstermin, Degradation, Allgefahrenversicherung, Betriebsunterbrechungsversicherung, KBF-Vertrag, Performance Ratio, DSCR, Teaser 10.1 Einleitung und Überblick Die von der Sonne ausgehende Energie ist fast unerschöpflich. An jedem Tag trifft mehr Energie in Form von Sonnenstrahlung auf die Erde, als in einem Jahr von der Menschheit verbraucht wird! (siehe Abbildung 51) <?page no="244"?> 244 10 Technisch-kommerzielle Risiken von Solar-Projekten Abb. 51: Weltenergiebedarf und potenzielle Bereitstellung durch verschiedene Erneuerbare- Energien-Quellen. Quelle: juwi AG Um diese Kraft der Sonne zu nutzen, wurden die Solarthermie (Wärmegewinnung) und die Photovoltaik (Stromgewinnung) entwickelt. Die bei der Solarthermie erzeugte Wärme wird hierbei über einen Wärmetauscher in Wasserdampf umgewandelt, der in einer Dampfturbine Strom erzeugt. Bei der Solarthermie spricht man auch von Concentrated Solar Power (CSP). Bei der Photovoltaik wird durch Licht Spannung erzeugt. Dieser Vorgang geschieht in einer Solarzelle. Mehrere Solarzellen werden hierbei zu einem Solarmodul zusammengeschaltet. Beide Technologien beruhen damit auf sehr unterschiedlichen Verfahren. Da solarthermische Großkraftwerke in Deutschland aufgrund der notwendigen direkten Sonneneinstrahlung (DNI = direct normal irradiation) keine Bedeutung haben, konzentriert sich dieser Buchbeitrag auf die technisch-kommerziellen Risiken von Photovoltaik (PV-Anlagen), d.h. PV-Projekte oder PV-Anlagen, in der Bau- und Betriebsphase. Damit PV-Projekte einen signifikanten Beitrag zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien liefern können, sind Großprojekte in der MW-Klasse notwendig, bei denen tausende von Solarmodulen auf Freiflächen zu einem PV-Kraftwerk verbunden werden. Für solche Großprojekte finden regelmäßig Projektfinanzierungen Anwendung. Im Folgenden steht daher die Betrachtung der obigen Risiken in Bezug auf PV- Freiflächenanlagen mit einer Leistung oberhalb von einem MWp im Mittelpunkt. Zuvor werden die derzeitigen (EEG 2012) und potentiellen neuen Spielregeln (nach dem EEG 2014) aufgezeigt, da sich hieraus die aktuelle Bedeutung und die mögliche Perspektive von PV-Großprojekten in Deutschland ableiten lassen. 10.2 Erneuerbare Energien Gesetz von 2012 und 2014 (p) Die aktuelle Förderung (Stand 07.2014) von PV-Anlagen erfolgt in Deutschland derzeit über das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) von 2012. Aufgrund dieser EEG Regelungen lassen sich jedoch kaum noch profitable Großprojekte realisieren. Während die Einspeisetarife in den vergangenen Jahren um ca. 56 % gesunken sind, konnten die Kosten für schlüsselfertige PV-Projekte nur um ca. 25 % reduziert werden 118 . Insgesamt gingen im Jahr 2013 gem. Angaben der Bundesnetzagentur nur 3.304 MWp an Solarleistung an das Netz. Dies sind 57 % weniger als im Jahr 2012, wobei die Leistung bei PV-Projekten mit mehr als 1 MWp um 73 % auf 1.164 MWp eingebrochen ist. Bei vielen Projektentwicklern ist die Entwicklung von 118 Vgl. Rentzing 2014 Annual world energy requirement Solar Geothermal Hydro Biomass Wind <?page no="245"?> Heiko Wehrhahn 245 Großprojekten in Deutschland aufgrund der nicht mehr vorhandenen Wirtschaftlichkeit zum Erliegen gekommen. Insgesamt gab es deshalb auf der Hersteller- und Entwicklerseite eine deutliche Reduzierung von Arbeitsplätzen und eine Zunahme von Unternehmensinsolvenzen. Die derzeitigen Regelungen für die Photovoltaik unter dem EEG 2012 für Freiflächen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die max. Anlagengröße, die nach dem EEG 2012 gefördert wird, beträgt 10 MWp Projekte auf Ackerflächen werden nicht mehr gefördert Vergütet werden Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten, versiegelte Flächen und Flächen, die längs von Autobahnen oder Schienenwegen liegen sowie Konversionsflächen Keine Belastung des Eigenverbrauchs mit der EEG-Umlage Die Degression der Vergütung wird anhand eines „atmenden Deckels“ 119 bestimmt Die EEG Vergütung für Freiflächen betrug für den April 2014 9,19 €-Cent/ kWh und für den Mai 9,10 €-Cent/ kWh Bei Preisen für Solarmodule von ca. 50 bis 60 Cent pro Watt und Systemkosten von ca. einem Euro/ Watt ergeben sich in Deutschland durchschnittliche Stromgestehungskosten von ca. 10 €-Cent/ kWh. Für viele Projekte passt damit die Vergütung nicht mehr mit der Kostenstruktur zusammen. Der drastische Rückgang des Zubaus ist damit gut erklärbar. Die potentiellen Regeln des EEG 2014 sollen wie folgt aussehen: ■ Vergütungsfähige Flächen sollen analog zum EEG 2012 gefördert werden Die maximale Anlagengröße bleibt bei 10 MWp unverändert 120 Mit dem Inkrafttreten des EEG 2014 im August 2014 soll die Vergütung 9,23 €- Cent/ kWh betragen Die Managementprämie unter der Direktvermarktung entfällt In der Vergütung ist ein Aufschlag für die EEG-Umlage in Höhe von 0,3 €- Cent/ kWh eingepreist Die Systematik des „atmenden Deckels“ soll bei einem Zielkorridor von 2400 - 2600 MWp/ a brutto Zubau beibehalten werden. Eine Absenkung der Vergütung erfolgt monatlich ab September 2014 um 0,5 % (Basisdegression) Zusätzlich soll es in Abhängigkeit des Zubaus eine Degression bzw. eine Reduzierung der Degression jeweils zum Quartalsbeginn geben 119 Bei einem jährlichen Zubau zwischen 2500 und 3500 MWp findet die monatliche Basisdegression von einem Prozent Anwendung. Bei Werten oberhalb oder unterhalb dieses „atmenden Deckels“ fällt die Degression höher oder geringer aus. 120 Derzeit wird eine Ausweitung diskutiert, so dass sich die maximale Anlagengröße ggf. noch auf 25 MWp erhöht. <?page no="246"?> 246 10 Technisch-kommerzielle Risiken von Solar-Projekten Für den Solarsektor sind Pilotausschreibungen in Höhe von 400 MWp geplant. Eine entsprechende Verordnungsermächtigung soll voraussichtlich Ende des dritten Quartals 2014 veröffentlicht werden. Wichtige Kriterien werden die Projektgröße, Flächenkulisse, Qualifikationsanforderungen, Pönalen, Realisierungszeiten sowie der Auktionsmechanismus sein. Der fixe Tarif gem. EEG-Förderung für Freiflächen soll 6 Monate nach der ersten öffentlichen Bekanntmachung eines Ausschreibungsverfahrens enden. 10.3 Technische und kommerzielle Risiken vor und während der Bauphase Der Fertigstellungsphase geht die Projektentwicklungsphase voraus. Zu dieser Phase gehören u.a. die Herbeiführung der notwendigen planungsrechtlichen Genehmigungen, Studien, Gutachten sowie die Grundstückssicherung. Planabweichungen in dieser Phase können erhebliche Auswirkungen auf die Einnahmen- oder Kostenseite sowie die Finanzierbarkeit ( Bankability) oder Veräußerbarkeit (Sellability) eines Projektes haben oder sogar das gesamte Projekt wirtschaftlich oder in seiner Umsetzung gefährden. Insbesondere der Bestand der Baugenehmigung, die Auflagen der Baugenehmigung, die Vergütungsfähigkeit der Fläche, sowie die Vollständigkeit der Flächensicherung und Eintragungen der Dienstbarkeiten müssen genau analysiert werden. Risikominimierend für Investoren und Banken wirkt sich hier neben einer Due Diligence die Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Projektentwickler aus, der über einen entsprechenden positiven und nachweisbaren Track-Record verfügt. Das Fertigstellungsrisiko in der Fertigstellungsphase lässt sich auch bei Freiflächenanlagen in drei klassische Fragestellungen unterteilen: Kann das Projekt rechtzeitig fertiggestellt werden (on time)? Kann das Projekt im Kostenrahmen fertiggestellt werden (on budget)? Kann das Projekt in der gewünschten Qualität fertiggestellt werden (on quality)? Insbesondere vor dem Hintergrund monatlich sinkender EEG Vergütungen spielt die Fertigstellung „on time“ eine wichtige Rolle. Aber auch die Qualität der PV-Anlage und damit die Erreichbarkeit des prognostizierten Energieertrages ist entscheidend für die Wirtschaftlichkeit und Verzinsung des Eigenkapitaleinsatzes. Klassische Mitigierungsinstrumente dieser Fertigstellungsrisiken sind die Auswahl von kompetenten Anlagenlieferanten für die Module, Wechselrichter und Gestelle sowie die Beauftragung eines erfahrenden Generalübernehmers, mit dem ein EPC 121 bzw. Generalübernehmer-(GÜ)-Vertrag abgeschlossen wird. Dieser GÜ-Vertrag enthält einen pönalisierten Bauzeitenplan, Fertigstellungsgarantien sowie einen garantierten Festpreis. Bei Freiflächenanlagen kommt der Auswahl der Komponenten unter dem Blickwinkel der Bankability, d.h. der Qualität und damit der Finanzierbarkeit der Komponenten, einer besonderen Bedeutung zu. Wenn hierauf ein entsprechendes Augenmerk gelegt 121 EPC = Engineering, Procurement and Construction <?page no="247"?> Heiko Wehrhahn 247 wird, ist das Baurisiko und das spätere technische Risiko während der Betriebsphase gut beherrschbar. Anders als bei anderen EE-Projekten werden PV-Projekte oftmals einzelkonfiguriert. Aus diesem Grunde und durch die hohen Qualitätsanforderungen werden Investoren und insbesondere Banken auf die Beauftragung eines technischen Gutachters bestehen, der die Konfiguration und die Komponenten prüft sowie den Leistungskatalog des GÜ-Vertrages bestimmt bzw. verifiziert. Beispiel: 10 MWp Freifläche Die 10 MWp PV-Anlage befindet sich auf einem ehemaligen militärischen Verkehrslandeplatz, wobei die Erschließung über eine eigens errichtet Baustraße erfolgte, die teilweise für die technische Betriebsführung erhalten wurde. Nach Änderung des bestehenden Flächennutzungsplans und positivem Satzungsbeschluß im Bauleitplanverfahren wurde die Baugenehmigung rechtzeitig vor dem Baustart erteilt. Die Fläche umfasst ca. 20 ha (eingezäunte Fläche) und stellt sich als ebenes Gelände dar. Die Globalstrahlung beträgt ca. 1050 kWh/ m²/ a. Einer der ersten Projektentwicklungsschritte war die schuldrechtliche Sicherung der Fläche, die für den Bau der PV-Anlage benötigt wurde. Parallel neben dem Genehmigungsprozess (Planreife, Satzungsbeschluss, Baugenehmigung) erfolgte die Sicherung des Grundstücks der Übergabestation und der Kabelgrundstücke. Sämtliche Gestattungsverträge wurden mit einer Laufzeit von 25 Jahren abgeschlossen. Neben dieser schuldrechtlichen Sicherung wurden vor Baubeginn beschränkt persönliche Dienstbarkeiten zur dinglichen Besicherung für die Flächen der PV-Anlage, der Kabel und der Übergabestation eingetragen. Für die Erschließung des Geländes war zusätzlich neben einem Wegegestattungsvertrag mit der Stadt auch ein Wegegestattungsvertrag mit einem privaten Grundstückseigentümer notwendig. Für den Vertrag mit dem privaten Grundstückseigentümer wurde ebenfalls eine Dienstbarkeit eingetragen. Die Netzanschlusszusage erfolgte vor Fertigstellung. Ein Ertragsgutachten wurde ebenfalls frühzeitig in Auftrag gegeben, damit der Finanzierungs- und der Verkaufsprozess rechtzeitig starten konnten. Die eigentliche Bauzeit der 10 MWp Solar-Anlage betrug etwa zwei Monate. Hierbei wurden drei verschiedene Gewerke (s.u.) on time, on budget und on quality ausgeführt. Bei der PV-Anlage wurden 33.463 polykristalline Module der Wattklasse 240 und 8.448 Module der Wattklasse 235 verbaut. Zusätzlich waren zehn Wechselrichter sowie eine Kabeltrasse von 7 km notwendig. Die Wechselrichter verteilen sich hierbei über mehrere Standorte, die innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche untergebracht sind. Die Lieferanten der Module und Wechselrichter sind etablierte und bekannte Unternehmen, und wurden deshalb von den Banken und Investoren als bankable betrachtet. Dies wurde ebenfalls von einem externen technischen Gutachter bestätigt. <?page no="248"?> 248 10 Technisch-kommerzielle Risiken von Solar-Projekten 10.3.1 Wesentliche Komponenten einer PV-Anlage Von wesentlicher Bedeutung für den Erfolg eines PV-Projektes ist die Qualität und Finanzierbarkeit (Bankability) der Module, da diese 50 % oder mehr der gesamten Investition ausmachen. Im Folgenden sollen deshalb die drei Themen Bankability, Testverfahren und Produktgarantien genauer betrachtet werden. Ca. 90 % der weltweit verkauften Solarzellen basieren derzeit auf Wafern aus mono- oder polykristallinem Silizium 122 . Der Wirkungsgrad von kristallinen Solarzellen stieg in den letzten Jahren um ca. 0,3 % pro Jahr auf knapp 16 % im Mittelwert, wobei einige Produkte mittlerweile auch Wirkungsgrade von über 20 % erzielen. Der Wirkungsgrad von Dünnschichtmodulen liegt mit 6 - 11 % deutlich unter den Werten von kristallinen Solarzellen. Selbst Spitzenwerte erreichen nicht mehr als 13 % 123 . Chinas Solarbranche hat im vergangen Jahr die Hälfte aller weltweit verbauten Solarmodule hergestellt. Sieben von zehn der größten Hersteller haben ihre Unternehmenszentrale oder den Großteil der Produktion in China und kommen dabei insgesamt auf einen Marktanteil von 59 %. Die Rangliste führt erneut Yingli Green Energy (3.250 MW) an. Es folgen Trina Solar (2.600 MW), Canadian Solar (1.900 MW), Sharp (1.900 MW) und Jinko Solar (1.650 MW). Bester Europäer ist das norwegische Unternehmen REC (850 MW). Solarworld (590MW) aus Deutschland findet sich auf Platz 19 124 . Da eines der Hauptrisiken eine Insolvenz des Modulherstellers ist, werden Banken und Investoren folgende Fragen stellen bzw. Themen betrachten, die positiv bewertet werden müssen: Wie ist die Bonität des Herstellers (Analyse von Geschäftsberichten, Jahresabschlüssen etc.)? Wie ist die erzeugte und verbaute Kapazität (Track-Record)? Was gibt es für Referenzanlagen? Wo befindet sich der Regress- und Lagerstandort in der EU? Wie sind die Garantiebedingungen und gibt es Versicherungen zur Absicherung der Garantien? Gleichzeitig müssen positive Modultests und Zertifikate über die Erfüllung der IEC- Normen von einem anerkannten Drittinstitut vorliegen. Die IEC (International Electronical Commission) ist eine internationale Normungsorganisation im Bereich der Elektrotechnik und Elektronik. Für kristalline Module sind die Normen IEC 61730 und 61215 wichtig. Die Norm IEC 61730 beinhaltet die Anforderungen an den Aufbau der Module sowie die Prüfungen für deren Qualifizierung hinsichtlich der elektrischen und mechanischen Betriebssicherheit während der gesamten zu erwartenden Lebensdauer. 122 Vgl. Welter 2014 123 Vgl. Wirth 2014 124 Vgl. Enkhardt 2014 <?page no="249"?> Heiko Wehrhahn 249 Die IEC 61215 beschreibt auf der Grundlage möglicher Alterungseinflüsse die verschiedensten Qualifikationstests zur künstlichen Beanspruchung der Materialien von PV-Modulen. Bei PV Projekten ist es üblich, die Module von einem unabhängigen technischen Labor überprüfen zu lassen. Dieses wird zusätzlich von finanzierenden Banken und auch in vielen Fällen von Investoren gefordert (Auszahlungsvoraussetzung), weil bei einigen Herstellern ggf. nicht gewährleistet werden kann, dass diese Hersteller auch noch in zwanzig oder mehr Jahren am Markt vorhanden sein werden und z.B. der unten beschrieben Leistungsgarantie nachkommen können. Diese Tests beziehen sich auf die Überprüfung der angegebenen Leistung (Flashtests) oder auf die Prüfung der mechanischen und elektrischen Eigenschaften sowie die Prüfung der Laminierung. Neben den beschriebenen Tests sind die Produkt- und Leistungsgarantien bei der Risikobeurteilung eines PV-Projektes von entscheidender Bedeutung. Eine Produktgarantie bezieht sich auf Material- oder Verarbeitungsfehler und beträgt gesetzlich zwei Jahre, sollte aber auf 5 Jahre erhöht werden. Wichtig ist hier auch die Art der Mängelbeseitigung, d.h. Austausch oder eine Kompensationszahlung nach dem Marktwert. Eine Leistungsgarantie wird je nach Hersteller teilweise bis zu einem Zeitraum von 25 Jahren gegeben. Die Leistungsgarantie bezieht sich auf die garantierte Leistung, die die Module in einem bestimmten Zeitraum erbringen müssen. Üblich sind bei den Herstellern von Solarmodulen Zeiträume von 10 Jahren für eine Leistungsgarantie über 90 % der Modulleistung und über 15 Jahre für 80 % der Modulleistung. Problematisch kann der Nachweis der Leistungsminderung sein, da Leistungs- und Messtoleranzen berücksichtigt werden. Die Bedingungen der Leistungsgarantie sollten genau analysiert werden, da diese von den Herstellern frei festgelegt werden können. Wichtig sind hier klare Spielregeln, eine notwendige Transparenz und insbesondere die Art und Weise, wie Schäden reguliert werden. Dies kann durch Nachbesserungen, Ersatzlieferungen, Zusatzlieferungen oder finanzielle Kompensationen erfolgen. Wichtig ist auch, wer die Kosten der Garantieabwicklung trägt, da durch Demontage, Messungen oder Gutachten schnell hohe Kosten entstehen können. Ob am Ende eine Leistungsgarantie werthaltig ist, hängt damit von den beschriebenen vertraglichen Regelungen sowie der Bonität des Herstellers und der Durchsetzbarkeit der Leistungsgarantie ab. Neben den Modulen ist die Qualität der Wechselrichter wichtig für die Wirtschaftlichkeit des PV-Projektes. Ein Wechselrichter hat hierbei die Aufgabe, die produzierte Gleichspannung in eine nutzbare Wechselspannung umzuwandeln. Der Wirkungsgrad von Wechselrichtern liegt heutzutage bei vielen Modellen ohne zusätzliche Transformatoren schon bei über 98% und bei Modellen mit Transformatoren häufig über 96 % 125 . Auch für Wechselrichter gibt es Standards und Normen, die im Wesentlichen die Sicherheit betreffen (IEC 62109). 125 Vgl. Kreutzmann 2014 <?page no="250"?> 250 10 Technisch-kommerzielle Risiken von Solar-Projekten Gem. den Angaben von Herstellern haben Wechselrichter bei einer entsprechenden Wartung eine Lebensdauer von 20 Jahren. Dieses wird von finanzierenden Banken in der Regel hinterfragt und in den Modellen zur Wirtschaftlichkeitsberechnung (Cash flow-Modellen) wird mit dem Austausch der Wechselrichter oftmals einmalig nach 10 Jahren kalkuliert. Hierzu muss dann ein Reservekonto aus den Cashflows angespart werden. Alternativ können eine Garantieverlängerung und eine Ersatzteilegarantie abgeschlossen werden, wobei Kreditinstitute sich hierbei wieder die Bonität des Herstellers genau anschauen, bevor komplett ggf. auf ein Reservekonto für die Wechselrichter verzichtet wird. Ebenfalls reduziert der Einsatz eines Fernüberwachungssystems das technische Risiko, da hierdurch schneller auf auftretende Störungen reagiert werden kann. Wie bei den Modulen werden die finanzierende Bank oder ein Investor darauf achten, dass Wechselrichter von namhaften Herstellern gekauft werden. 10.3.2 Bauphase Wesentliches Element zur Reduzierung des Baurisikos ist der Abschluss eines schlüsselfertigen Vertrages (GÜ-Vertrag oder EPC-Vertrag) mit einem erfahrenen Vertragspartner. Hierdurch verpflichtet sich der Generalübernehmer zur schlüsselfertigen Errichtung der PV-Anlage zu einem festen Preis, zu einem festen Zeitpunkt und zu einer definierten Qualität. Ein GÜ-Vertrag besteht regelmäßig aus folgenden vertragsrechtlichen Bestandteilen: Definitionen, Gegenstand des Vertrages, Verpflichtungen des Auftragnehmers und Auftraggebers (oft die Projektgesellschaft), Fristen, Funktionstest, Abnahme, Vertragspreis und Zahlungsbedingungen, Einspeiseerlöse, Änderungen, Eigentumsvorbehalt und Übergang des Eigentums, Gewährleistung, Haftungsbegrenzung, höhere Gewalt, Versicherungen, Subunternehmer, Geheimhaltung, Abtretung, Beendigung des Vertrages und Schlussbestimmungen. Abb. 52: Verschiedene Gewerke einer größeren Freiflächenanlage (eigene Darstellung) <?page no="251"?> Heiko Wehrhahn 251 Durch den Abschluss eines GÜ-Vertrages wird das Schnittstellenrisiko zwischen den einzelnen Gewerken minimiert bzw. auf den Generalübernehmer verlagert. Dieser übernimmt die Koordination der einzelnen Komponenten und Gewerke und die Koordination der Subunternehmer. Auch für die Gewerke dieser Subunternehmer ist der Generalübernehmer verantwortlich. Eine größere Freiflächenanlage besteht oftmals aus drei verschiedenen Gewerken (siehe Abbildung 52). Zentraler Bestandteil eines GÜ-Vertrages sind ein verbindlicher Bauzeitenplan und ein verbindlicher Fertigstellungstermin. Wird dieser nicht eingehalten, ist damit insbesondere bei EE-Projekten und somit auch bei PV-Anlagen das Risiko verbunden, einen entgegen der ursprünglichen Projektplanung reduzierten Einspeisetarif über die Laufzeit von 20 Jahren zu erhalten (Tarifrisiko). Dies kann die Wirtschaftlichkeit des Projektes erheblich reduzieren. Hat der Generalübernehmer die Verzögerung des Fertigstellungstermins zu verantworten, wird dieses aus dem Verzug entstandene Tarifrisiko von dem Generalübernehmer getragen. Beispiel: Gewerke einer PV-Anlage Das Gewerk 1 besteht aus der PV-Anlage. Diese wiederum besteht aus den Modulen, einer PV-Unterkonstruktion (Gestelle), den Gleichstromleitungen (String- Leitungen) bis zu den Generatoranschlusskästen sowie den Gleichstromleitungen (DC-Hauptleitungen) und einem Kommunikationskabel von den Generatoranschlusskästen bis zu den Wechselrichtern. Von den Wechselrichtern gehen AC- Leitungen zu den Trafokompaktstationen. Die Module werden in Ost/ West-Richtung mittels einer Leichtmetallkonstruktion mit fest definiertem Winkel zur Sonne hin aufgeständert. Sie sind nach Süden ausgerichtet und werden auf so genannten „Modultischen“ angeordnet, welche mittels Metallpfosten ohne Fundament im Boden befestigt sind. Unter den Tischen wird Grünland entwickelt. Die Neigung des Tisches beträgt 20°. Der lichte Reihenabstand zwischen den Tischen beträgt 5,24 m. Die Gründung der Gestelle erfolgt über in den Boden gerammte Pfosten, die aus feuerverzinktem Stahl bestehen. Für das Projekt wird ein Bodengutachten zur exakten Festlegung der Pfostenanzahl und der Rammtiefe erstellt. Ein zusätzliches Fundament ist nicht erforderlich. An den Pfosten werden Stützen befestigt, die in Querrichtung wiederum durch Flachbänder ausgesteift werden. Über den Stützen verlaufen die Querträger, die die Modulträger in Längsrichtung aufnehmen. Das Gewerk 2 ist die eigentliche Kabeltrasse, die ca. 7 km lang ist und aus den Wechselstromleitungen (20kV Kabelsysteme) von den Trafokompaktstationen bis zur Knotenstation einschließlich der Kabelanschlüsse in den Trafokompaktstationen, den Wechselstromleitungen (20kV Kabelsysteme) von der Knotenstation bis zur Übergabestation besteht. Das Gewerk 3 besteht aus der Knotenstation und einer Übergabestation einschließlich der entsprechenden Kabelanschlüsse. Am Standort der Übergabestation erfolgt die Einspeisung in ein bestehendes Umspannwerk ins Netz. Hier kann die gesamte Leistung der Photovoltaikanlage eingespeist werden. <?page no="252"?> 252 10 Technisch-kommerzielle Risiken von Solar-Projekten 10.4 Technische Risiken während der Betriebsphase Im Gegensatz zu anderen Technologien, bei denen beispielsweise ein sich bewegendes Medium (Wind, Dampf, Wasser) in eine Drehbewegung umgewandelt wird und die dann dazu benutzt wird einen Generator anzutreiben, findet bei der Photovoltaik keine mechanische Bewegung statt, bzw. nur dann, wenn nachführende Gestellsysteme verwendet werden. Aus diesem Grunde und sofern obige Aspekte insbesondere bei der Auswahl der Module und Wechselrichter berücksichtigt wurden, ist das technische Risiko während der Betriebsphase gut beherrschbar. Wichtig ist, dass ein erfahrenes Unternehmen mit der technischen Betriebsführung beauftragt wird und die Anlage über ein Monitoring-System verfügt. Hierzu wird ein Vertrag über die Technische Betriebsführung (TBF) der PV-Anlage abgeschlossen. In diesem Vertrag wird der Leistungskatalog festgelegt. Dieser umfasst regelmäßig u.a. eine genaue Beschreibung der Inspektions- und Wartungsarbeiten für die PV-Module, Wechselrichter, Trafo- und Schalträume sowie die Inspektionen der Übergabestation. Meist finden diese im Frühling und Herbst statt, bei einem max. Abstand zwischen den Einsätzen von 7 Monaten, bzw. in den von den Herstellern festgelegten Intervallen, um Garantieansprüche nicht zu verlieren. Diese Inspektions- und Wartungsarbeiten umfassen Sichtkontrollen, Überprüfung und ggf. Reinigung gewisser Bauteile, Funktionstests und die Beseitigung von Kleinstmängeln. Hinzu kommt eine Bewuchskontrolle innerhalb der Einzäunung in Hinblick auf eine Verschattung sowie die Kontrolle der Zaunanlage, inkl. der Tore und Türen, sowie die Freischneidung des Zauns und die Pflege der Ausgleichsmaßnahmen. Außerdem umfasst ein solcher Leistungskatalog Regelungen zur Rufbereitschaft (24/ 7), der Fernüberwachung sowie des Störungsmanagements. Wichtig sind ebenfalls die technische Begleitung bei der außergerichtlichen Geltendmachung von Gewährleistungs- und Garantieansprüchen des Betreibers und die Koordination und das technische Monitoring von Reparaturarbeiten. Neben dem Leistungskatalog sind die Regelungen zur Vergütung wichtig. Diese können sich aus einer fixen Servicepauschale für die technische Betriebsführung und die Ausgleichmaßnahmen zusammensetzen, wobei eine jährliche Indexierung Anwendung findet. Zusätzlich ist die Vereinbarung einer variablen Vergütung in Form einer Mehrerlösbeteiligung sinnvoll, um den Betriebsführer entsprechend zu incentivieren. Hier wird dann jährlich der tatsächliche Stromertrag mit der Zielstrommenge verglichen. Auf dieser Basis wird dann ein Schlüssel für die dann greifende zusätzliche Vergütung vereinbart. Wie bereits dargelegt, können die Abschlüsse einer Garantieverlängerung sowie einer Ersatzteilegarantie für die Wechselrichter sehr sinnvoll sein bzw. von den Kreditinstituten verlangt werden. In solch einem Fall ist die Schnittstelle mit dem TBF -Vertrag zu prüfen. Diese Garantieverlängerung und Ersatzteilegarantie werden von den Herstellern der Wechselrichter angeboten und sind ein wichtiger Baustein zur Reduzierung des technischen Risikos. Während der Betriebsphase wird es zu einer altersbedingten Leistungsminderung der Solarmodule kommen, d.h. zu einem Rückgang des Wirkungsrades (Degradation). Investoren und Banken werden diesen Leistungsverlust in den Wirtschaftlichkeitskal- <?page no="253"?> Heiko Wehrhahn 253 kulationen berücksichtigen. Banken gehen oftmals von konservativen 0,5 % p.a. aus, wobei diese Werte für kristalline Module eher zwischen 0 bis 0,3 % liegen. Eine Studie an 14 Anlagen in Deutschland mit kristallinen Modulen hat eine durchschnittliche Degradation von 0,1 % gezeigt 126 . Wichtig ist der Abschluss einer Allgefahrensachversicherung und einer Betriebsunterbrechungsversicherung (vgl. dazu auch Kapitel 11 in diesem Buch). Bei einer Allgefahrenversicherung werden alle Ereignisse versichert, die nicht explizit ausgeschlossen sind, wie z.B. Diebstahl, Bedienungsfehler, Vandalismus, Brand, Blitzschlag, Materialfehler usw. Nicht versichert sind Kriegsereignisse, Ereignisse durch Kernenergie, innere Unruhen, Garantieschäden, Verschleiß, Abnutzung und vorsätzlich vom Versicherungsnehmer herbeigeführte Schäden. Im Schadensfall wird der Neuwert der Komponenten erstattet und in der Regel sind die Kosten zur Demontage und Montage im Schadensfall ebenfalls mit versichert. Eine Betriebsunterbrechungsversicherung leistet bei Vorliegen eines versicherten Ereignisses Ertragsausfallzahlungen. Basis ist hier in der Regel der Jahresenergieertrag. 10.5 Kommerzielle Risiken während der Betriebsphase Das kommerzielle Betriebsrisiko einer PV Anlage ist gut beherrschbar und kann als moderat betrachtet werden. Für größere PV-Anlagen hat sich die Beauftragung einer kaufmännischen Betriebsführung bewährt, sofern dieses „know how“ nicht seitens des Investors/ Betreibers vorhanden ist. Klassische Aufgaben eines kaufmännischen Betriebsführungsvertrages 127 (KBF Vertrag) sind die Durchführung der kaufmännischen Buchführung, die Vorbereitung von Zahlungsläufen, die monatliche Inrechnungstellung der Energieerträge, die kaufmännische Rechnungsprüfung, die Erstellung von Monats-, Quartals- und Jahresberichten, die fristgerechte Bereitstellung notwendiger Unterlagen für den Steuerberater/ Wirtschaftsprüfer zur Erstellung des Jahresabschlusses und der Steuererklärung, der Informationsaustausch mit Banken, Versicherungen, Grundstückseigentümer/ n und die Zahlung der Pachten. Der wirtschaftliche Erfolg wird wie bei jedem EE-Projekt zunächst von der Ertragsseite, der Betriebskostenseite und der Finanzierung bestimmt. 10.5.1 Ertragsseite von PV-Freiflächenanlagen Zentral für die Ertragsseite (Mengenrisiko) ist der jährliche horizontale Einstrahlungswert in kWh/ m². Aus diesem Wert ermittelt ein renommierter externer Gutachter den spezifischen Energieertrag der Anlage sowie die sich daraus ergebende Performance Ratio (PR). In diesem Beispiel beträgt die horizontale Einstrahlung 1048kWh/ m²a. Diese erhöht sich durch die Aufstellung der Module in einem Winkel in unserem Beispiel von 20 Grad um 16,6 % auf 1222 kWh/ m²a. Diese Einstrahlung auf der Modulebene reduziert 126 Vgl. Wirth 2014 127 Oftmals wird die kaufmännische und technische Betriebsführung in einem Vertragsdokument beauftragt (KTBF) <?page no="254"?> 254 10 Technisch-kommerzielle Risiken von Solar-Projekten Tab. 9: Berechnung der Einstrahlung auf Modulebene (eigene Darstellung) sich durch verschiedene Verluste auf 1004 kWh/ kWp. Dies entspricht einem durchschnittlichen Jahresertrag von 10.040 MWh bei einer 10MWp-Anlage. Hiervon wird ggf. noch eine Degradation abgezogen. Im deutschen Flächenmittel lag die Globalstrahlung (= horizontale Einstrahlung) für 2013 bei 1.046kWh/ m², wobei der Süden im Vergleich zum Norden die weitaus größeren Strahlungswerte aufweist. Das obige Ergebnis entspricht einer Performance Ratio von 82,8 %. Die Einstrahlungsdaten werden hierbei mit den Produktionsdaten ins Verhältnis gesetzt und liegen durchschnittlich bei ca. 80 bis 90 % für gute PV-Anlagen. Hierbei ist zu beachten, dass in den Wintermonaten aufgrund geringerer Temperaturen höhere PR-Werte erzielt werden als im Sommer. Das obige Endergebnis (= Specific Energy Yield, SEY) aus dem Gutachten wird im Betriebsverlauf von dem kaufmännischen Betriebsführer fortlaufend mit den tatsächlichen jährlichen Werten verglichen. Erfahrungen zeigen, dass die jährlichen Einstrahlungswerte nur moderat über die Laufzeit schwanken und selten mehr als 5 % vom prognostizierten Mittelwert abweichen. Das Risiko, dass die Menge, d.h. der produzierte Strom, nicht abgenommen wird, ist in Deutschland aufgrund des EEGs sehr gering, da die Netzbetreiber verpflichtet sind, den Strom vorrangig abzunehmen. Gleiches gilt für das Preisrisiko. Hier gibt es in Abhängigkeit vom Inbetriebnahmedatum eine feste Einspeisevergütung für eine Zeitspanne von 20 Jahren. Allerdings wurde diese Einspeisevergütung, wie bereits erwähnt, so stark reduziert, dass neue Freiflächenanlagen derzeit kaum wirtschaftlich darstellbar sind. <?page no="255"?> Heiko Wehrhahn 255 10.5.2 Ausgabenseite von PV-Freiflächenanlagen Das Risiko, dass die tatsächlichen Betriebskosten bei PV-Anlagen während des Betriebes über den prognostizierten und in der Cashflow-Berechnung angesetzten Werten liegen, ist moderat. Dies liegt an der geringen Komplexität von PV-Anlagen sowie an der größtenteils vertraglichen Unterlegung der Kosten und der damit verbunden guten Kalkulierbarkeit. Die Betriebskosten lagen in der Vergangenheit in Summe je nach Projekt und den spezifischen Gegebenheit zwischen 10 und 20 % vom Umsatz bzw. den Erlösen aus der Stromeinspeisung. Diese Relation hat sich aufgrund der deutlich reduzierten EEG-Einspeisetarife und den teilweise fixen Charakter einzelner Kostenpositionen auf 20 bis 30 % erhöht. Zur besseren Anschaulichkeit wird in der nachfolgenden Betrachtung folgendes fiktive Projekt 128 unterstellt. Tab. 10: Szenarioanalyse für ein fiktives Projekt (eigene Darstellung) 128 Solch ein Projekt wäre derzeit nur schwer realisierbar, da die Projektrendite (100 % Eigenkapital) oder Eigenkapitalrendite bei maximalem Leverage zu gering sind. <?page no="256"?> 256 10 Technisch-kommerzielle Risiken von Solar-Projekten Bei einem angenommen GÜ Preis von einer Million pro MWp ergibt sich in diesem Beispiel eine Equity IRR 129 von 2,9 %. Die Eigenkapitalquote liegt bei ca. 28 % und ist damit im Vergleich zu früheren PV-Anlagen 130 sehr hoch. Um eine adäquate Investorenrendite zu erzielen, müsste der GÜ-Preis deutlich sinken. Hierzu ist eine weitere Reduzierung, insbesondere der Modulpreise, notwendig. Die Betriebskosten setzen sich in der Regel wie folgt zusammen: Kosten für die technische und kaufmännische Betriebsführung Kosten für die Pachten Kosten für die Wartung und Reparatur ggf. Kosten für die Garantieverlängerung für die Wechselrichter Versicherungskosten und Eigenstrom Geländepflege und Sonstige Kosten 131 Bezogen auf die Erträge haben diese Kosten in unserem Beispiel und bei einer Indexierung von 2 % p.a. einen Anteil von ca. 26 %. Die wertmäßig höchsten Kostenpositionen sind die Kosten für die technische Betriebsführung und die Wechselrichtergarantieverlängerung, gefolgt von den Pachten und den Kosten für den Eigenstrom 132 . Abb. 53: Business Driver (eigene Darstellung) 129 IRR = Internal Rate of Return 130 In den Jahren 2010 und 2011 lag die Eigenkapitalquote regelmäßig deutlich unter 20% 131 Steuerberater, Rechtsberatung, Zählermiete, Telefon, IHK-Beitrag, sonstige Kosten 132 Folgende Anlagenkomponenten beeinflussen hauptsächlich den Eigenverbrauch: Wechselrichter, Fernüberwachung (Messplatinen, Combox-Komponenten (Datenlogger etc.)), Eigenbedarfstransformator (sofern vorhanden), Transformator 0,00% 0,50% 1,00% 1,50% 2,00% 2,50% 3,00% 3,50% 4,00% 4,50% 5,00% 95 100 105 Equity IRR (Free Cash Flow) Abweichung vom Base Case Business Driver Installed Capacity Specific Energy Yield (before deductions) GÜ Preis <?page no="257"?> Heiko Wehrhahn 257 Vorstehende Abbildung 53 zeigt die Sensitivität der IRR auf einzelne Einflussfaktoren. Erfahrungsgemäß haben Veränderungen beim GÜ-Preis, dem spezifischemn Energieertrag (Specific Energy Yield) und die Veränderung der Anlagengröße (Installed Capacity) eine hohe Auswirkung auf den IRR. Reduziert sich z.B. der GÜ-Preis um 5 %, so steigt die IRR von 2,9 % auf 4,4 %. Nicht geplante Betriebskosten können auch bei PV-Anlagen auftreten. Die größte Kostenposition sind dabei Kosten für Schadensfälle oder Reparaturen, die nicht durch oben genannte Verträge abgedeckt sind. Weitere Positionen könnten spätere notwendige Verbesserungen sein, die im ursprünglichen Investitionsplan nicht enthalten sind. Hier ist z.B. an einen erweiterten Diebstahlsschutz zu denken. 10.5.3 Finanzierung von PV-Freiflächenanlagen Die Finanzierung spielt eine bedeutende Rolle bei PV-Projekten, da die Finanzierungskosten und die Tilgung einen hohen Anteil des jährlichen Cashflows benötigen und damit direkte Auswirkungen auf die Eigenkapital-Verzinsung haben. Aufgrund des Leverage-Effektes ist es für viele Investoren sinnvoll, einen maximalen Leverage bei einer maximalen Laufzeit für die PV-Anlage zu anzustreben. Die Eigenkapitalanforderungen der Banken haben sich jedoch aufgrund der stark gesunkenen Vergütung deutlich erhöht. Viele Banken berechnen die Debt Capacity eines Projektes auf P50 und min. DSCR 133 von 1,1 und kommen aufgrund der reduzierten Vergütung zu deutlich höheren Eigenkapitalquoten. Ein sehr verbreitetes Produkt zur Finanzierung von Freiflächenanlagen ist die Projektfinanzierung (siehe Kapitel 1 dieses Buches). Eine Projektfinanzierung besteht aus einer Matrix von Verträgen (Risikoverteilung zwischen den Projektbeteiligten), wobei die Risikobeurteilung des Projektes auf die zukünftigen Cashflows abgestellt wird. Ein Rückgriff auf die Sponsoren besteht in der Regel nicht (non-recourse) oder ist eingeschränkt (limited recourse). Für das Projekt wird regelmäßig eine eigene rechtliche Einheit gegründet ( Special Purpose Vehicle, SPV), wobei sich hierbei die gesellschaftsrechtliche Form der GmbH&Co. KG bewährt hat. Derzeit gibt es nur wenige deutsche PV-Freiflächenanlagen in Finanzierungsprozessen. Dieses liegt nicht an einer mangelnden Finanzierungsbereitschaft der Banken sondern an der beschriebenen EEG-Situation. Wenn Banken an PV-Finanzierungen arbeiten, so sind das eher Bestandsprojekte, die dann nicht über die KfW, sondern über etwas teurere Hausbankdarlehen finanziert werden. Das Finanzierungsrisiko bei gut strukturierten Projekten, bei denen bekannte und bewährte Technologien verbaut und die von erfahren Projektentwicklern entwickelt und realisiert werden, ist als gering zu betrachten. Sobald solche Projekte die geforderten Mindestrenditen der Eigenkapitalgeberseite erfüllen, wird sich deshalb auch eine Finanzierung finden, da die Banken ihre geforderten für die Finanzierung zur Verfügung stehenden, jährlichen min. DSCRs über die Höhe der Fremdfinanzierungsquote steuern 134 . 133 DSCR = Debt Service Coverage Ratio 134 Hier besteht ein Rückbezug zur Eigenkapitalrendite: Je geringer das Finanzierungsvolumen ist, desto geringer ist dann auch die Eigenkapitalrendite der Investoren. Deshalb ist es wichtig, dass die <?page no="258"?> 258 10 Technisch-kommerzielle Risiken von Solar-Projekten Kreditinstitute refinanzieren neue PV-Freiflächenanlagen in der Regel über das KfW- Förderprogramm 270 135 . Die Bankkonditionen bewegen sich zwischen der Preisklasse B und C und damit liegt der Festzins, inkl. Marge, für die ersten zehn Jahre im Mai 2014 bei unter 3 %. Die Kreditlaufzeit beträgt ca. 17 bis 18 Jahre. Sollte sich der obige historisch niedrige Zinssatz um 1 % erhöhen, würde sich die IRR für den Investor um ca. 1% reduzieren. Dies zeigt die Sensitivität der Wirtschaftlichkeit von PV-Anlagen bezüglich des Zinssatzes deutlich auf. Sollten zusätzlich zu der zu geringen Vergütung steigende Zinssätze hinzukommen, wären PV-Freiflächenanlagen noch unwirtschaftlicher. Die Besicherung einer PV-Anlage verläuft weitgehend standardisiert. Folgende Sicherheiten werden in Rahmen einer Projektfinanzierung von den Kreditinstituten verlangt: Eintragung von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten vor Baubeginn für den Anlagenstandort, die Kabelgrundstücke sowie den Standort des Umspannwerkes 136 Eintrittsrecht der Bank für sämtliche Gestattungsverträge Raumsicherungsübereignung der gesamten PV Anlage Offene Abtretung der gegenwärtigen und künftigen Rechte aus dem Generalübernehmervertrag bzw. Kaufvertrag sowie der Versicherungsverträge Offene Abtretung der Rechte und Ansprüche aus den Wartungsverträgen Offene Abtretung der Einspeiseerlöse Verpfändung von vorhandenem Guthaben (Reservekonten) Es ist sinnvoll, Finanzierungsanfragen in Form eines gut strukturierten Teasers zu stellen. Dadurch erhält die finanzierende Bank alle notwendigen Informationen für eine erste Risikoeinschätzung und zur Kalkulation und Überprüfung der Wirtschaftlichkeit. Dem schließt sich dann in der Regel ein indikatives Angebot (Term Sheet) an. Ein möglicher Aufbau eines Teasers ist im folgenden Beispiel beschrieben. Beispiel: Aufbau eines Teasers Ein Teaser sollte so gestaltet sein, dass eine Bank (oder ein Investor) einen raschen Überblick über das Projekt bekommt. Gleichzeitig sollten Besonderheiten genannt werden, um spätere Diskussion zu vermeiden. Eine sinnvolle Gliederung umfasst Investoren das potenzielle Kreditvolumen in den Wirtschaftlichkeitsberechnungen berücksichtigen, um nicht mit falschen Renditeerwartungen bei der Beurteilung eines Projektes zu arbeiten. Da erfahrene Projektentwickler wissen, wie Kreditinstitute das Kreditvolumen ermitteln, ist dieses insbesondere für PV-Projekte relativ einfach durchzuführen. 135 Vgl. https: / / www.kfw.de/ inlandsfoerderung/ Unternehmen/ Energie-Umwelt/ Finanzierungsange bote/ Erneuerbare-Energien-Standard-(270-274-275)/ #5 136 Im Bankenmarkt haben sich unterschiedliche Varianten der Eintragung durchgesetzt. Eine Variante ist die Eintragung zugunsten des Kreditnehmers - auflösend bedingt - und zugunsten der Bank - aufschiebend bedingt - sowie je eine Vormerkung zugunsten des Kreditnehmers und der Bank. Diese Dienstbarkeiten sind ohne wertmindernde Vorlasten in Abt. II und ohne Vorlasten in Abt. III in den Grundbüchern einzutragen. Sofern sich die Grundstücke im Eigentum der SPV befinden, werden alternativ Grundschulden in Höhe des Kreditvolumens eingetragen. <?page no="259"?> Heiko Wehrhahn 259 (a) allgemeine Projektangaben, (b) spezifische Projektangaben, (c) Status der Flächensicherung, (d) Projektmeilensteine und (e) Wirtschaftlichkeitsannahmen. Die allgemeinen Projektangaben umfassen die Beschreibung der Lage, Stand der Baugenehmigung, die Verkehrserschließung, die Fläche sowie die Globalstrahlung. Die spezifischen Projektangaben umfassen den Anlagentyp, die Größe, das Fertigstellungsdatum, inkl. eines Belegungsplans, der Fläche, die Art der Installation, die Module, die Unterkonstruktion, den Wechselrichter/ die Trafostationen, die Netzeinspeisung, die Kabeltrasse sowie Besonderheiten. Beim Status der Flächensicherung wird eine Übersicht über den Status der Gestattungsverträge der PV-Anlage, der Kabel, der Wege und der Übergabestation gegeben. Gleichzeit werden regelmäßig die Verträge über Ausgleichsmaßnahmen, Pflegeverträge für die Ausgleichsmaßnahmen sowie städtebauliche Verträge/ Durchführungsverträge aufgeführt. Die Projektmeilensteine beschreiben bereits erreichte Meilensteine sowie die Zeitschiene der geplanten, notwendigen weiteren Projektmeilensteine. Diese Übersicht ersetzt nicht einen ausführlichen Bauzeitenplan, soll jedoch einen raschen Überblick über die Zeitachse des Projektes geben. Die Wirtschaftlichkeitsannahmen umfassen die Annahmen bezüglich einer potentiellen Fremdfinanzierung sowie die einzelnen, operativen und vertraglich unterlegten Kostenpositionen, d.h. alle „Key Driver“ die für ein Cashflow-Modell benötigt werden. Auf den Punkt gebracht Derzeit werden aufgrund der geringen Einspeisevergütungen auf der Basis des EEG 2012 nur wenige PV-Freiflächenanlagen realisiert. Dieses wird sich auch auf der Basis des EEG 2014 voraussichtlich nicht ändern, wobei abzuwarten bleibt, wie die geplanten Pilotausschreibungen verlaufen werden. Zentral für den wirtschaftlichen Erfolg ist die Auswahl der Module und Wechselrichter. Wenn hier auf die „Bankability“ geachtet wird und ein erfahrener Generalübernehmer die PV-Freiflächenanlage realisiert, ist das wirtschaftliche und kommerzielle Risiko für die Bauphase moderat. Die technischen Risiken während der Betriebsphase können über einen technischen Betriebsführungsvertag und ein geeignetes Wartungskonzept für die Wechselrichter minimiert werden. Der wirtschaftliche Erfolg während des Betriebes wird von der Ertrags- und Ausgabenseite sowie den Finanzierungskonditionen bestimmt. Die PV-Erträge sind sehr gut prognostizierbar und durch das EEG besteht der Anspruch auf eine feste Vergütung. Das Finanzierungsrisiko ist aufgrund des Risikoprofils von PV- Freiflächenanlagen gering. <?page no="260"?> 260 10 Technisch-kommerzielle Risiken von Solar-Projekten Literatur Böttcher, J.: Solarvorhaben, Oldenbourg Verlag 2012 Eden, J.: Finanzierungsstrukturierung und Risikomanagement von Solarprojekten, in: Gerhard, M./ Rüschen, Th./ Sandhövel, A.(Hg.): Finanzierung Erneuerbarer Energien, Frankfurt School Verlag, 1. Auflage 2011 Enkhardt, S. (2014): Yingli, Trina und Canadian Solar behaupten Vormachtstellung, in: pv magazine vom 30.04.2014 Fabozzi, F.J./ De Nahlik, C.F.: Project Financing, 8 th edition, Euromoney Institutional Investors, 2012 Kreutzmann, A. (2014): Mehr als DC zu AC, in: Photon, März 2014 Rentzing, S. (2014): Deckel drauf? , in: Neue Energien, März 2014 Welter, P. (2014): Photovoltaik für Einsteiger, in: Photon, Februar 2014 Wirth, H.: Aktuelle Fakten zur Photovoltaik in Deutschland, Fraunhofer, 2014 <?page no="261"?> Teil III: Instrumente des Risikomanagement in Erneuerbare-Energien-Projekten <?page no="263"?> 11 Risiko- und Versicherungsmanagement für Erneuerbare Energien Dr. Michael Härig, Marsh GmbH, Düsseldorf Inhalt 11.1 Einleitung ................................................................................................................... 264 11.2 Kernfragen des Risiko- und Versicherungsmanagements ................................... 265 11.2.1 Was kann geschädigt werden? ................................................................................. 265 11.2.2 Wann entstehen Risiken? ......................................................................................... 266 11.2.3 Welche Maßnahmen sind zur Schadensabwehr zu treffen? ................................ 266 11.2.4 Wer trägt die Risiken? ............................................................................................... 266 11.2.5 Welche Versicherungen sind zu berücksichtigen? ................................................ 267 11.2.6 Wer sollte versichern? ............................................................................................... 268 11.2.7 Wie versichern? ......................................................................................................... 268 11.3 Sachversicherungen................................................................................................... 269 11.3.1 Versicherte Sache ......................................................................................................269 11.3.2 Versicherungsort .......................................................................................................270 11.3.3 Versicherter Zeitraum .............................................................................................. 271 11.3.4 Versichertes Interesse ............................................................................................... 271 11.3.5 Versicherte Gefahren ............................................................................................... 271 11.3.6 Entschädigung des Sachschadens ........................................................................... 273 11.3.7 Entschädigung des Betriebsunterbrechungsschadens.......................................... 274 11.4 Haftpflichtversicherung............................................................................................ 275 Literatur ...................................................................................................................... 276 Schlagwortliste Risikomanagement, Sachschaden, Allgefahrenversicherung, Sachversicherung, Montageversicherung, Feuerversicherung, Maschinenversicherung, Betriebsunterbrechungsversicherung, Haftpflichtversicherung <?page no="264"?> 264 11 Risiko- und Versicherungsmanagement für Erneuerbare Energien 11.1 Einleitung In diesem Kapitel wird auf den Transfer von Risiken auf Versicherungen eingegangen, was, neben anderen in diesem Buch aufgezeigten Möglichkeiten, einen Weg der Risikoabsicherung darstellt. Schwerpunkt sind die Sachversicherungen, die zum Schutz der eigenen Anlage sowie zur Deckung des mit den Sachschäden verbundenen Vermögensschadens (entgangene Erlöse oder Mehrkosten) abgeschlossen werden. Versicherer spielten in der Geschichte der Energiewirtschaft schon immer eine wichtige Rolle. Als vor mehr als hundert Jahren die Dampfkessel und -turbinen immer größer wurden und damit auch die Schadenhöhen wuchsen, waren es die Versicherer, die die damals noch jährlichen Revisionen einführten. Revisionen sind heute Standard - wenn auch die zeitlichen Abstände zwischen ihnen mittlerweile mehrere Jahre betragen. Im Bereich der Erneuerbaren Energien ist die Projektfinanzierung ein weit verbreitetes Finanzierungsinstrument. Die Energieprojekte werden zu größten Teilen fremdfinanziert. Das heißt, bei einem Schaden steht kaum Eigenkapital für Reparaturkosten zur Verfügung und beim Stillstand fehlt das Geld zur Tilgung der Kredite. Da die Banken in der Regel risikoavers sind, stellen Projektfinanzierungen ganz besondere Anforderungen an die Versicherungen: Sie sollen langfristig das Risiko begleiten, damit eine wirtschaftliche Planbarkeit vorliegt. Der Gefahrenkatalog der versicherten Gefahren soll möglichst umfassend, d.h. mit wenigen Ausschlüssen, sein. Der Vermögensfolgeschaden muss mitversichert werden und das schon während der Errichtung (delay in start-up, advanced loss of profit). Die Versicherungswirtschaft hat sich mit neuen, speziellen Versicherungen angepasst: Neue, sonst kaum versicherbare Technologien Bakterien in Biogas Fündigkeitsrisiko in der Geothermie 25 Jahre laufende Leistungs-Langzeitgarantien für Photovoltaikmodule Wind- und Sonnengarantien Damit trägt die Versicherungswirtschaft zum wirtschaftlichen Erfolg der Projektgesellschaften und zum Erfolg der Energiewende bei. Der Schwerpunkt dieses Kapitels liegt auf der Sachversicherung. Die Haftpflichtversicherung darf jedoch nicht vernachlässigt werden. Ihr kommt eine passive Rechtsschutzfunktion zu, da sie vor einer Entschädigung prüft, ob überhaupt ein gerechtfertigter Anspruch der dritten Partei vorliegt. Dieses Kapitel geht nicht auf Versicherungen wie D&O (Directors & Officers) oder Rechtsschutzversicherung ein, da keine ausschließlich für Erneuerbare Energien zutreffenden Eigenschaften zu beachten sind. Eine besondere Aufgabe kommt den Technischen Versicherungsmaklern zu. In den Verträgen zwischen den an einem Projekt beteiligten Parteien (Investoren, Betreiber, Anlagenbauer, Stromabnehmer etc.) sind die Risikosituation und der sich daraus erge- <?page no="265"?> Michael Härig 265 bende Versicherungsbedarf frühzeitig zu analysieren. In den Projektverträgen müssen die Risiken eindeutig zugeordnet werden. Hierbei beraten technische Versicherungsmakler. Im zweiten Schritt wird dann der Versicherungsschutz entsprechend der Risikosituation ausgestaltet. Risiko- und Versicherungsmanagement ergänzen sich gegenseitig und bei der Energiewende spielen hier Versicherer und Makler eine wichtige Rolle. 11.2 Kernfragen des Risiko- und Versicherungsmanagements 11.2.1 Was kann geschädigt werden? Hier denkt man bei den Sachversicherungen sofort an Gebäude sowie an technische Einrichtungen und Komponenten wie Transformatoren, Photovoltaikmodule, Motoren von Biogasanlagen, Getriebe von Windkraftanlagen und mehr. Weitreichende Konsequenzen haben aber auch Schäden am Bohrloch eines Geothermie-Projektes. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, den Sachschaden nachzuweisen. Versicherungstechnisch liegt ein Sachschaden vor, wenn sich die Substanz einer Sache verändert hat und dadurch Brauchbarkeit oder Wert gemindert sind. Typische Beispiele sind gebrochene Rotorblätter bei Windenergieanlagen, Feuerschäden, Brüche von Kurbelwellen und mehr. In der Praxis gibt es oft Schwierigkeiten, den Sachschaden von einem Mangel, den die Anlage von Beginn an beinhaltete, abzugrenzen. Mängel sind nicht versichert. Der aus dem Mangel folgende Sachschaden sollte aber wiederum versichert sein. Was bedeutet dies? Wenn nach kurzer Betriebszeit eines Fermenters festgestellt wird, dass auf dem Beton keine Beschichtung mehr ist, kann dies nur versichert sein, wenn kein Zweifel besteht, dass der Fermenter ursprünglich eine Beschichtung hatte. Wenn der Fermenter jedoch nie beschichtet war, handelt sich hier um einen nicht versicherten Mangel. Der Versicherer wird die Neubeschichtung nicht bezahlen. Der Folgeschaden am Beton wäre versicherungstechnisch jedoch wieder ein Sachschaden, denn die Substanz hat sich verändert. Wie oben angeführt, muss der Versicherungsnehmer den Sachschaden nachweisen. Dies ist schwierig, wenn das beschädigte Teil nicht vorgelegt werden kann. Wenn zum Beispiel bei einem Geothermieprojekt Teile des Bohrgerätes nicht mehr aus dem Bohrloch geborgen werden können, kann man den Nachweis des Sachschadens nicht führen. Hier helfen besondere Versicherungselemente wie z.B. Lost-in-Hole-Deckungen. Längere Ausfälle nach einem Sachschaden ziehen den Vermögensfolgeschaden nach sich. Fixkosten wie Personal oder Projektfinanzierung fallen weiterhin an, ohne dass Erlöse erzielt werden können. Wenn der Sachschaden unerwartet eintritt, werden weder Personal noch Ersatzmaterial vorgehalten und die Betriebsunterbrechung dauert daher länger als eine geplante Reparatur unter optimalen Bedingungen. Falls der Anlagenbetreiber vertragliche Liefer- oder Abnahmeverpflichtungen eingegangen ist (z.B. Lieferung von Strom, Wärme oder Abnahme von Bioabfällen zur Kofermentation), steht er nicht vor dem Risiko eines Erlösausfalls, sondern vor dem Risiko von Mehrkosten für die Vertragserfüllung. Die Kosten für eine alternative Strom- oder Wärmebeschaffung werden die eigenen Betriebskosten weit übersteigen. <?page no="266"?> 266 11 Risiko- und Versicherungsmanagement für Erneuerbare Energien 11.2.2 Wann entstehen Risiken? Die größten Risiken treten während Errichtung und Betrieb der Anlagen auf. Auch bei Beauftragung einer „schlüsselfertigen“ Anlage durch einen Generalunternehmer verbleiben Risiken beim Auftraggeber. Der Generalunternehmer haftet während der Errichtung meistens nicht für Schäden durch höhere Gewalt. Besonders diese Schäden rufen Totalschäden hervor. Da in der Regel die Raten entsprechend dem Baufortschritt fällig werden, wird für den Auftraggeber die Gefahr eines Totalschadens während der Errichtung immer größer. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, dass der Auftraggeber während der Errichtung die Montageversicherung abschließt und alle an der Errichtung der Anlage beteiligten Unternehmen mitversichert sind (siehe hierzu auch Abschnitt 11.2.6: Wer sollte versichern? ). 11.2.3 Welche Maßnahmen sind zur Schadensabwehr zu treffen? In der Einleitung wurde bereits auf die Revision hingewiesen, bei deren Einführung die Versicherer eine maßgebliche Rolle spielten. Weitere typische Maßnahmen sind: Brandschutzmaßnahmen Schulung von Mitarbeitern Diebstahlschutz (besonders bei Photovoltaikanlagen) Anpassung der Liefer- und Leistungsverträge, so dass jede Partei − mit Ausnahme des Eintretens von höherer Gewalt − die Risiken trägt, die sie auch handhaben kann: So sollte z.B. für Diebstahlschäden auf der Baustelle nicht der Auftraggeber haften, sondern der Lieferant. Wartungsverträge und damit verbundene Garantiezusagen der Hersteller/ Lieferanten. Für die meisten Windenergieanlagen werden heute Wartungskonzepte mit langjährigen Laufzeiten abgeschlossen. Die damit verbundenen Garantien hinsichtlich Reparatur und Verfügbarkeit reduzieren die Versicherungsprämie um bis zu 90 Prozent. Bei den Garantien aus den Wartungsverträgen spielt es eine große Rolle, ob es ein Haftungslimit gibt und ob ausnahmslos alle Großkomponenten enthalten sind. Allgemeine Auflagen für Betrieb und Technik, wie sie Versicherer aufgrund der Schadenserfahrungen, zum Beispiel bei Biogasanlagen, gemacht haben. Diese sind insbesondere auch hier der Abschluss von Wartungsverträgen für die Motoren, aber auch Messungen der Betriebsparameter, Einhaltung der Gasqualität und Ölanalysen. 11.2.4 Wer trägt die Risiken? Die Gefahrtragung hängt von vielen Faktoren ab. Wie oben angeführt, verbleiben auch bei einer schlüsselfertig gelieferten Anlage viele Risiken während der Errichtung beim Auftraggeber. Diese Gefahren können auch zum Totalschaden führen. Für Schäden während des Betriebes trägt meistens der Anlagenbesitzer das Risiko, sofern es nicht, wie zumindest in der ersten Zeit nach Übergabe, über die Gewährleistung beim Hersteller liegt. Bei Geothermie- und Windkraftprojekten kommen beson- <?page no="267"?> Michael Härig 267 dere Bohrgeräte und Kräne zum Einsatz. Je nach vertraglicher Situation haftet der Auftraggeber für Schäden an diesen Geräten, auch wenn er sie nicht selbst bedient. Je nach Versicherungssituation muss die Schadenursache eindeutig einer Partei zugeordnet werden .Das ist schwierig, wenn mehrere Parteien involviert sind. 11.2.5 Welche Versicherungen sind zu berücksichtigen? Sachversicherungen decken unvorhergesehen eingetretene Sachschäden an den versicherten Sachen. Wer den Schaden verursacht oder verschuldet hat, ist im Gegensatz zu einer Haftpflichtversicherung meistens zweitrangig. Während der Errichtung empfiehlt sich der Abschluss einer Montageversicherung durch den Auftraggeber, auch wenn die bestellte Energieerzeugungsanlage „schlüsselfertig“ bestellt wurde (siehe auch Abschnitt 11.2.6: Wer sollte versichern? ). Der Sachschaden während der Errichtung resultiert in vielen Fällen aus einer verspäteten Inbetriebnahme. Der damit verbundene Vermögensschaden kann mit einer Montage-Betriebsunterbrechungsversicherung, auch bekannt unter dem Namen Delay-in-Startup oder Advanced Loss of Profit versichert werden. Der Transportversicherung kommt aus Sicht des Auftraggebers in den meisten Fällen nur dann eine Bedeutung zu, wenn Komponenten mit langer Lieferzeit eingesetzt werden, und die Transport-Betriebsunterbrechungsversicherung den Vermögensschaden durch die Verzögerung nach einem Transportschaden absichern soll. Während der Betriebsphase bieten Allgefahrenversicherungs-Konzepte für die komplette Anlage Vorteile, weil sie auf die klassische Trennung in Feuer- und Maschinenversicherung verzichten. Der Unterschied der Konzepte wird in Abschnitt 11.3.5 beschrieben. Der aus einem Sachschaden resultierende Vermögensschaden ist auch hier über die Allgefahren-, bzw. Feuer- und Maschinenbetriebsunterbrechungsversicherung gedeckt. Während Sachversicherungen vor den Kosten durch Schäden an der eigenen Anlage schützen, kommen Haftpflichtversicherungen bei Verletzungen von Personen oder Beschädigungen von Sachen Dritter und an der Umwelt auf. Die wichtigste Aufgabe der Haftpflichtversicherung ist die Überprüfung, ob die Ansprüche Dritter überhaupt gerechtfertigt sind, was einer passiven Rechtsschutzfunktion entspricht. Im Bereich der Erneuerbaren Energien werden viele Anlagen nicht von den Eigentümern, sondern von kaufmännischen und technischen Betriebsführungsgesellschaften geführt und betrieben. Die Haftpflichtversicherung der Betriebsführungsgesellschaft haftet bei Schäden an der Anlage selbst nur beschränkt, da der Betriebsführer nicht als dritte, externe Partei angesehen wird. Für die Betriebsführungsgesellschaft ist es wichtig, dass sie in der Sachversicherung der Anlagenbesitzer mitversichert ist und Regresse weitgehend ausgeschlossen werden. Wie an anderer Stelle bereits angeführt, gibt es inzwischen spezielle Versicherungslösungen hinsichtlich Fündigkeit, Sonnen- und Windgarantie sowie der Bakterien in der Biologie. Diese Versicherungen sind in der Regel Erweiterungen zu den Sachversicherungen während Montage- und Betriebsphase. <?page no="268"?> 268 11 Risiko- und Versicherungsmanagement für Erneuerbare Energien 11.2.6 Wer sollte versichern? Bei Projekten sind immer mehrere Parteien beteiligt. Grundsätzlich soll die Partei mit dem größten Interesse die Anlagen versichern. Das ist fast immer der Eigentümer der Anlagen. Dies gilt auch bei der Errichtung. Während der Errichtung sollte der spätere Eigentümer als Auftraggeber die Montageversicherung abschließen und die Interessen aller beteiligten Parteien mitversichern. Dies hat folgende Vorteile: Nur die Partei, die die Versicherung abgeschlossen hat, kann sicher sein, dass sie noch in Kraft ist und nicht wegen ausstehender Prämienzahlungen oder Schäden bei anderen Projekten gekündigt wurde. Die Entschädigungszahlungen des Versicherers stehen grundsätzlich dem Versicherungsnehmer zu, der somit über jeden Schaden informiert ist und nicht das Risiko hat, dass ein anderer Empfänger kurz nach Erhalt der Entschädigung Insolvenz anmeldet. Da die Verschuldensfrage keine Rolle spielt, weil ein Versicherer für alle Schäden haftet, wird ein wichtiger Beitrag zum Baustellenfrieden geleistet. Es gibt keine Schnittstellen mit gefährlichen Deckungslücken oder teuren Doppelversicherungen. Die Schäden durch höhere Gewalt, für die der Auftragnehmer nicht haftet, sind mitversichert. Der Vermögensschaden durch die verspätete Inbetriebnahme, die besonders den Auftraggeber trifft, kann nur gleichzeitig mit dem Sachschaden versichert werden. Wegen der generell höheren Aversität der Banken gegenüber Risiken ist es besonders die Delay-in-Startup- oder Advanced Loss of Profit-Versicherung aus dem letzten Punkt, weshalb Banken bei Projektfinanzierungen darauf Wert legen, dass der Projekteigentümer, also ihr Kunde, die Versicherung abschließt. 11.2.7 Wie versichern? Die Höhe der Selbstbehalte, der Umfang der versicherten Gefahren und die Deckungsqualität im Allgemeinen hängen von der Risikophilosophie des Unternehmens sowie von Vorgaben Dritter, wie z.B. Banken und Investoren, ab. Sie sind die Prämien bestimmenden Faktoren und der Versicherungsumfang ist daher mit Bedacht zu wählen. Die Schadenserfahrungen aus allen Bereichen der Erneuerbaren Energien zeigen, dass für die Reduzierung der Prämie besser der Selbstbehalt etwas erhöht wird, als dass auf bestimmte Gefahrengruppen verzichtet wird. Große Selbstbehalte können von Anfang an eingeplant und vorgehalten werden. Natürlich muss die Höhe zum Unternehmen passen. Eine Gesellschaft, die extra im Rahmen einer Projektfinanzierung für die Investition in ein Erneuerbare Energien-Projekt gegründet wurde (SPV, special purpose vehicle), hat nur geringes Eigenkapital und kann keine zu großen Selbstbehalte tragen. Dort, wo Hersteller und Service-Firmen umfassende Wartungs- und Garantieleistungen anbieten, kann der Versicherungsschutz entsprechend geringer ausfallen. In vielen Fällen müssen nur noch von außen einwirkende Kaskoschäden und eigene Bedienungsfehler versichert werden. Der Rest ist über die Garantien der Wartungsfirmen <?page no="269"?> Michael Härig 269 gedeckt. Die Garantiebedingungen sind genau zu analysieren, inwieweit sie hinsichtlich der Entschädigungshöhe begrenzt sind. Sind sie tatsächlich begrenzt oder sind sogar manche Komponenten ausgeschlossen, muss die Versicherung den Schaden über das Limit der Garantien hinaus entschädigen. Technische Versicherungsmakler sind darauf spezialisiert, die Schnittstelle zwischen Wartungsverträgen und Versicherungen möglichst genau zu analysieren. 11.3 Sachversicherungen Ein typischer Sachschaden wird ersetzt, wenn er an einer versicherten Sache am Versicherungsort im versicherten Zeitraum zum versicherten Interesse durch eine versicherte Gefahr unvorhergesehen hervorgerufen wird. Die eingerückten Zeilen entsprechen den Bedingungen für eine Entschädigung. Die verschiedenen Versicherungskonzepte unterscheiden sich in der Ausgestaltung dieser einzelnen Bedingungen. Mit weitgehenden Formulierungen lassen sich viele Diskussionen nach einem Schaden vermeiden. 11.3.1 Versicherte Sache Versichert sollte alles sein, was für den Betrieb und die Betriebserhaltung notwendig ist. Wenn Versicherer auf speziellen Listen versicherter Sachen oder Maschinenverzeichnissen bestehen, müssen diese vollständig sein. Im Schadensfall prüft der Versicherer, ob das beschädigte Teil in der Liste enthalten ist. Bei pauschalen Ansätzen wird vereinbart, dass alle Sachen versichert sind, die für den Betrieb und die Betriebserhaltung erforderlich sind und nur Ausnahmen werden explizit angeführt. Hier ist es dann sogar zum Vorteil des Versicherungsnehmers, wenn die Aufzählung versehentlich unvollständig ist. Die Festlegung der versicherten Sache ist nicht nur für die Reparatur des Sachschadens wichtig. Der Versicherer bezahlt den Vermögensfolgeschaden durch Umsatzausfälle oder Mehrkosten nur, wenn der Schaden an einer versicherten Sache auftritt. Das heißt, dass auch die Betriebsunterbrechungsversicherung prüft, ob es sich um eine versicherte Sache handelt. Die Erfahrung durch viele Schäden zeigt, dass folgende Bauteile/ Komponenten unbedingt als versicherte Sache deklariert sein sollten. Leider ist dies in vielen Verträgen nicht der Fall. Bei Biogasanlagen: Die Gasspeicherhauben und Zündstrahlmotoren, die jedoch viele Versicherer wegen großer Schäden ausschließen. <?page no="270"?> 270 11 Risiko- und Versicherungsmanagement für Erneuerbare Energien Biologie in der Biogasanlage: Wird die Biologie nicht mitversichert, bezahlt der Versicherer nach einem Fermenterschaden den Umsatzausfall nur bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Fermenter wieder repariert ist. Der Zeitraum bis zur früheren Gasproduktion wie vor dem Schadeneintritt wird vom Versicherer nicht entschädigt. In den meisten Fällen ist bei Fermenterschäden der Umsatzausfall größer als der eigentliche Sachschaden. Die Biologie sollte daher mitversichert werden. Bei Photovoltaikanlagen: Neben den Modulen und Wechselrichtern auch das Umspannwerk, die elektronischen Einrichtungen zum Diebstahlschutz sowie der Zaun. Bei Parks mit Windenergieanlagen: Die Peripherie wie die Verkabelung zwischen den Anlagen und Umspannwerk(en). Bei Geothermie-Projekten: Das Bohrgerät, sofern man als Auftraggeber gegenüber der Bohrfirma für das Gerät haftet. Betonfundamente von großen Anlagen, wie zum Beispiel die Fundamente von Dampfturbinen in Biomassekraftwerken. Prototypen/ erstmalige Ausführungen Versicherer bieten Versicherungsschutz bevorzugt für erprobte Technik; Entwicklungsrisiken werden nicht akzeptiert, da diese der Hersteller übernehmen soll. Es gibt in der Regel Ausschlüsse für Schäden an Lieferungen und Leistungen, die ganz oder teilweise erstmalig ausgeführt werden. Dies kann das Design einer Anlage oder einer Komponente sein. Aber auch die Art der Herstellung kann neu sein. Wird zum Beispiel ein neues Schweißverfahren verwendet? Selbst ein altbewährtes Schweißverfahren kann als erstmalige Ausführung eingestuft werden, wenn es der Auftragnehmer bisher noch nie angewendet hat. Es ist möglich, mit den Versicherern die Einschränkungen zu verhandeln. Versicherer, Kunde und Makler müssen in einen Dialog treten und eine Risiko-Analyse durchführen. Dabei muss untersucht werden, was wirklich neu ist und welche Risiken daraus resultieren. In aller Regel gibt es auch bei neuen Anlagen nur wenige Änderungen und die wesentlichen Komponenten sind - wenn auch in anderer Kombination - häufig getestet. Man muss also das Risiko transparent machen und verbessert damit den Versicherungsschutz erheblich. 11.3.2 Versicherungsort Schäden werden nur entschädigt, wenn sie an dem im Versicherungsvertrag angeführten Versicherungsort eingetreten sind. Um hier grundsätzlich Versicherungsschutz sicherzustellen, werden in Policen mit weiter gehendem Deckungsschutz als Versicherungsort pauschal alle genutzten Grundstücke als Versicherungsort bezeichnet. Und selbst Transporte sind dabei mitversichert. Damit bleiben auch Teile versichert, wenn sie z.B. anlässlich einer Revision ausgebaut, transportiert und an anderen Orten gelagert werden. <?page no="271"?> Michael Härig 271 11.3.3 Versicherter Zeitraum Montageversicherung Die Montageversicherung beginnt meistens mit dem Abladen der versicherten Sachen am Versicherungsort. Wenn es Vormontageplätze gibt, sind diese je nach Vertrag als Versicherungsort mit anzuführen. Da das Montageprojekt nur ein voraussichtliches Ende hat, soll auch in der Montageversicherung nur ein voraussichtliches Ende angeführt werden. Der Versicherer soll bis zum Ende der Montage und einschließlich des Probebetriebes haften. Bei vielen Projekten bedeutet das erfolgreiche Ende des Probebetriebes ohnehin den Zeitpunkt der Übernahme und des Gefahrübergangs („Haftungsübergang“, PAC Provisional Acceptance). Wie in Abschnitt 11.2.6 angeführt, ist es besser, wenn der Auftraggeber während der Errichtung die Montageversicherung abschließt. Die Montageversicherung endet erst mit dem Abschluss des kompletten Projektes. Auf keinen Fall sollte die Montageversicherung nach einzelnen Teilgewerken enden oder vom Versicherer nach einem Schaden gekündigt werden. Betriebsversicherung Viele Versicherer machen den erfolgreichen Probebetrieb zur Voraussetzung für den Versicherungsbeginn. Selbst wenn der Vertrag zu einem frühen Zeitpunkt abgeschlossen und bezahlt wurde, besteht dann kein Versicherungsschutz. Der Versicherungsbeginn ist besonders dann zu beachten, wenn Lieferanten in ihren Verträgen einen früheren Gefahrenübergang angeführt haben. Weiter gehende Versicherungsbedingungen unterscheiden nicht zwischen Montage- und Betriebsphase und vermeiden somit diese Schnittstelle. 11.3.4 Versichertes Interesse Während des Betriebes ist meistens nur der Anlageneigentümer Versicherungsnehmer. Das heißt, dass er durch den Sachschaden direkt betroffen sein muss. Schäden, für die Lieferanten oder Reparaturwerkstätten haften (z.B. Garantien), sind in der Regel ausgeschlossen. Die Versicherer bieten dafür auch spezielle Prämienrabatte, da die Garantien das Risiko reduzieren. In den Fällen, in denen Lieferant oder Reparaturwerkstätte ihre Eintrittspflicht bestreiten, sollte der Versicherer zunächst entschädigen. In Verhandlungen mit dem Lieferanten oder über den Prozessweg kann der Versicherer anschließend versuchen, die Kosten erstattet zu bekommen. 11.3.5 Versicherte Gefahren Die versicherten Gefahren sind mit die wichtigsten Eigenschaften von Versicherungen. Wie zuvor angeführt, empfehlen wir anstatt der klassischen Trennung in Feuer- und Maschinenversicherung die Allgefahrenversicherung für die gesamte Anlage. Versichert sollen alle unvorhergesehene Schäden und Verluste sein, die nicht durch eine explizit ausgeschlossene Gefahr hervorgerufen wurden. Die Ausschlüsse lassen sich in der Regel auf Folgendes begrenzen: <?page no="272"?> 272 11 Risiko- und Versicherungsmanagement für Erneuerbare Energien Vorsatz des Versicherungsnehmers Mängel, die bei Abschluss der Versicherung bekannt waren Schäden (wie in Abschnitt 11.3.4. „Versichertes Interesse“ angeführt), für die Lieferant oder Reparaturwerkstätte haften. Dieser Ausschluss muss in der Betriebsunterbrechungsversicherung für den Vermögensfolgeschaden gestrichen werden, da Lieferanten und Werkstätten nur für Sachschäden haften. Unmittelbare Folgen der dauernden Einflüsse des Betriebes (dies ist u.a. Verschleiß, der in vielen Fällen auch nicht unvorhergesehen ist). Aufruhr und Krieg Kernenergie (der Ersatz von Schäden durch Kernenergie richtet sich in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Atomgesetz). Beispiele für die versicherten Gefahren, die nicht abschließend aufgezählt werden können, sind: Brand, Blitzschlag, Explosion Maschinenbruch durch Material, Auslegungs- oder Herstellungsfehler Naturgefahren Bedienungsfehler Über den Sachschaden hinaus wurden insbesondere für die Erneuerbaren Energien- Projekte spezielle Versicherungen entwickelt, die weitere besondere Gefahren abdecken: Bei Biogasanlagen: Vergiftung der Fermenterbiologie von außen (das kann zum Beispiel der Eintrag von vergiftetem Material sein). Die Anlage hat keinen Sachschaden, erzeugt aber dennoch kein Gas. Bei Photovoltaik- und Windenergieanlagen: Unterschreitung von prognostizierten Einstrahlungwerten und Windgeschwindigkeiten. Bei Photovoltaikanlagen: Degradation der Module und damit verbundene Mindererträge, obwohl üblicherweise Verschleiß und Alterung nicht versichert sind. Bei Geothermie-Projekten: Das Fündigkeitsrisiko, das bedeutet, dass die Thermalwasserförderrate nicht ausreicht oder dass die Temperatur zu gering ist. Bei Wicklungen und Blechpaketen von Elektromotoren und Generatoren sind Schäden durch dauernden Einfluss des Betriebes, der sonst grundsätzlich ausgeschlossen ist, versicherbar. Vorteile einer Allgefahrenversicherung für die gesamte Anlage gegenüber der klassischen Konzeption Alle oben angeführten versicherten Gefahren, wie Schäden durch Material- und Konstruktionsfehler sowie Bedienungsfehler sind nicht nur an maschinellen Einrichtungen, sondern auch an Baulichkeiten wie zum Beispiel Fermenter und Fahrsilo einer Biogasanlage oder Gebäuden für Zentralwechselrichter bei Photovoltaikanlagen versichert. Diese Bauteile gelten in klassischen Maschinenversicherungen nicht als versicherte Sachen. Als weiterer Vorteil einer einzigen Allgefahrenversicherung darf der Selbstbehalt nicht unerwähnt bleiben. Führt ein Wicklungsschaden im Generator (klassisch <?page no="273"?> Michael Härig 273 Maschinenversicherung) zu einem Brand (Feuerversicherung), sind nur ein Versicherungsvertrag und ein Selbstbehalt betroffen. Es gibt also viele Vorteile, die für die Allgefahrenversicherung sprechen. Leider fällt es vielen Versicherern schwer, diese anzubieten. Für den Versicherungsnehmer ist es jedoch in jedem Fall vorteilhafter. 11.3.6 Entschädigung des Sachschadens Der Versicherer soll die Kosten zur Wiederherstellung der beschädigten Sache in den Zustand vor Schadeneintritt ersetzen. Das sind Reparatur- und Ersatzteilkosen, inklusive De- und Remontage Frachtkosten Sonstige mit der Schadenbehebung in Zusammenhang stehende Kosten Insbesondere wenn auch große Vermögensschäden durch Ertragsausfälle entstehen können, ersetzt der Versicherer auch Kosten für Beschleunigungsmaßnahmen wie Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeiten. Der Versicherer ersetzt maximal die Versicherungssumme, die meistens dem Wiederbeschaffungswert entspricht. Damit nach einem Totalschaden neben den Kosten für eine neue Anlage auch die weiteren anfallenden Kosten bezahlt werden können, sollten folgende, sogenannte Erstrisikosummen vereinbart werden: Reinigungskosten und Kosten für Erdarbeiten Aufräum-, Abbruch- und Entsorgungskosten Bewegungs- und Schutzkosten Rettungskosten, z.B. Feuerlöschkosten Mehrkosten für behördliche Wiederaufbaubeschränkungen Die Versicherungssumme soll dem Betrag entsprechen, der zur Wiederherstellung der Anlage nach einem Totalschaden erforderlich ist. Werden die ursprünglichen Investitionskosten zugrunde gelegt, müssen einmalige Kosten wie Planungskosten oder Grundstückserwerb nicht in die Summe einfließen. GAP-Deckung Bei Photovoltaikanlagen lag in den letzten Jahren ein starker Preisverfall vor. Da Versicherer nach einem Totalschaden in der Regel maximal den Zeitwert oder den Wiederaufbauwert entschädigen, ist die Entschädigung deutlich geringer als der Betrag, der zwei oder drei Jahre zuvor für die Photovoltaikanlage bezahlt wurde. Wenn die Anlage nach dem Schaden wieder aufgebaut wird, ist das kein Problem. Anders sieht es aus, wenn eine fremdfinanzierte Anlage nicht mehr aufgebaut wird (weil sich zum Beispiel zwischenzeitlich zeigte, dass die Prognosen für den Ertrag zu optimistisch waren). Der Versicherer entschädigt dann einen Betrag, der geringer als der Restkredit ist. Technische Versicherungsmakler haben daher sogenannte GAP- Lösungen entwickelt, die bis zur Höhe des Restkredits entschädigen. <?page no="274"?> 274 11 Risiko- und Versicherungsmanagement für Erneuerbare Energien 11.3.7 Entschädigung des Betriebsunterbrechungsschadens Die Betriebsunterbrechungsversicherung entschädigt den Betriebsgewinn und die fortlaufenden Kosten (Fixkosten), die wegen des Sachschadens nicht erwirtschaftet werden können. Die Ertragssituation muss genau analysiert werden, denn alle Erträge (Strom, Wärme, Gasverkauf und mehr) sollen in der Versicherung enthalten sein. Wenn Liefer- oder Abnahmeverpflichtungen eingegangen werden, müssen nicht Umsatzausfälle versichert werden, sondern die Mehrkosten, die im Rahmen der Vertragserfüllung entstehen. Das können anderweitige Strom- oder Gasbeschaffung sowie Wärmeerzeugung sein. Rück- und Wechselwirkungsschäden Voraussetzung für die Entschädigung aus der Betriebsunterbrechungsversicherung ist ein dem Grunde nach versicherter Sachschaden an einer versicherten Sache. Zuleitung zum Netz, Gaseinspeisestation, elektrische Schaltanlagen gehören in vielen Fällen dem Netzbetreiber und sie sind nicht über die Energieparks mitversichert. Es handelt sich also nicht um versicherte Sachen. Über die sogenannten Rück- / Wechselwirkungsschäden ist eine Aufnahme in die Betriebsunterbrechungsversicherung möglich. Dann fließt auch eine Entschädigung, wenn der Netztransformator nach einem Feuerschaden für Monate ausfällt. Da die Netzzugänge einen gewissen Flaschenhals darstellen, kommt dieser Deckungserweiterung eine große Bedeutung zu. Einschluss der Fermenterbiologie Hierauf wurde bereits im Kapitel 3.1. zu den versicherten Sachen eingegangen. Dadurch, dass die Fermenterbiologie als versicherte Sache deklariert wird, ist auch nach ihrer Zerstörung die Zeitspanne bis zur ursprünglichen Gasproduktion versichert. Verminderte Sonneneinstrahlung oder Windgeschwindigkeit Liegen für Standorte ausreichende Daten vor, können die prognostizierten Energieerträge versichert werden. Werden in der Jahresbetrachtung die prognostizierten Werte unterschritten, ersetzt der Versicherer den daraus resultierenden Vermögensschaden. Diese Versicherung ist insbesondere bei Projektfinanzierungen interessant, da somit der Cashflow sichergestellt ist. Ertragsgarantie von Photovoltaikmodulen (bis zu 10 Jahre) Modul-Hersteller bieten bis zu 25 Jahre Leistungslangzeit-Garantien für Photovoltaikmodule. Der Versicherungsmakler Marsh hatte vor einigen Jahren mit der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft (Munich RE) eine Versicherungslösung entwickelt, die die Kosten der Hersteller versichert, die sie aufgrund von Garantieleistungen haben, wenn die Module stärker als erwartet degradieren. Um neben den Herstellern auch die Endkunden abzusichern, entschädigt die Ertragsgarantie die Anlagenbesitzer, wenn die jährlichen Energieerträge die prognostizierten Werte unterschreiten. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Mindererträge aufgrund von Degradation oder reduzierter Globalstrahlung hervorgerufen werden. <?page no="275"?> Michael Härig 275 Fündigkeitsrisiko bei Geothermie Wenn ein Reservoir in nicht ausreichender Quantität oder Qualität erschlossen wurde, muss für das Projekt entschieden werden, ob es mit kleinerer Leistung und geringeren Erträgen fortgesetzt wird. Beim Fündigkeitsrisiko werden daher nicht unbedingt die gesamten, ursprünglich geplanten, Erträge entschädigt, sondern die Differenz aus den ursprünglich erwarteten und den tatsächlichen Erträgen. Alternativ kann eine Entschädigungsvariante erwogen werden, bei der die Projektkosten so weit reduziert werden, dass mit den reduzierten Erträgen ein wirtschaftlicher Betrieb möglich ist. 11.4 Haftpflichtversicherung Neben den bisher behandelten Sachversicherungen ist die Haftpflichtversicherung zu berücksichtigen. Sie bietet Versicherungsschutz, wenn von Dritten wegen eines Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschadens, Ansprüche gestellt werden. Die wichtigsten Aufgaben des Versicherers sind (wie vorne angeführt): Prüfung der Haftung Abwehr unberechtigter Ansprüche (Rechtsschutzfunktion) Regulierung berechtigte Ansprüche Nicht versichert sind: Schäden durch Vorsatz Schäden aus vertraglichen Zusagen und Vertragserfüllungsansprüchen Schäden an eigenen Sachen Besonders der letzte Punkt ist zu beachten. Oft werden Energieparks durch externe Dienstleister (technische und kaufmännische Geschäftsführer) betrieben. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass die Haftpflichtversicherer für alle Schäden an den Anlagen eintreten. Der Anlagenbesitzer braucht weiterhin eine umfassende Sachversicherung, denn der Haftpflichtversicherer wird bei jedem Schaden genau prüfen, ob der Dienstleister alleine die Schuld an dem Schaden hat (gegebenenfalls ist er durch den Anlageneigentümer nicht über alle Umstände informiert worden), die Haftpflichtbedingungen haben in der Regel einen Ausschluss oder eine Limitierung für sogenannte Tätigkeitsschäden und es muss auch bei einem Millionenschaden sichergestellt sein, dass die Anlage wiederhergestellt wird. Externe Dienstleister sollten daher in den Verträgen mit den Parkeigentümern vereinbaren, dass ihre Interessen mitversichert sind und der Versicherer, mit Ausnahme von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, keine Regresse führen darf. <?page no="276"?> 276 11 Risiko- und Versicherungsmanagement für Erneuerbare Energien Auf den Punkt gebracht Umfassendes und schlüssiges Risikomanagement ist die sinnvolle Kombination von gefahrenmindernden Maßnahmen und Versicherungen. Technische Versicherungsmakler haben die Erfahrung aus vielen vergleichbaren Projekten und das Know-how, die Versicherungsbedingungen genau auf das Risiko unter Beachtung der relevanten Gegebenheiten wie Garantien aus Liefer- und Leistungsverträgen, eingesetzter Technik etc. abzustimmen. Die Auswirkungen von Schäden werden zwar durch Versicherungen gemindert, aber es ist immer besser, wenn Schäden erst gar nicht eintreten. Banken und Versicherer haben daher in den letzten Jahren ständig Verbesserungen der technischen Risiken aller Erzeugungsarten verlangt und durchgesetzt. Literatur Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) e. V. (Hrsg.): Erneuerbare Energien: Gesamtüberblick der Technischen Versicherer im GDV über den technologischen Entwicklungsstand und das technische Gefährdungspotenzial, Stand April 2013 <?page no="277"?> 12 Zinsderivate, Rohstoffderivate und Wetterderivate Michael Bloss, Commerzbank, und Prof. Dr. Dr. Dietmar Ernst, HfWU Nürtingen-Geislingen Inhalt 12.1 Einleitung ................................................................................................................... 278 12.2 Zinsrisikomanagement ............................................................................................. 279 12.2.1 Ziele des Zinsänderungsrisikomanagements ......................................................... 280 12.2.2 Zinsänderungsrisikomanagement bei Vertragsabschluss..................................... 280 12.2.2.1 Festverzinsung........................................................................................................... 280 12.2.2.2 Zinsbindungsfrist ...................................................................................................... 280 12.2.3 Instrumente zur Absicherung des Zinsänderungsrisikos..................................... 280 12.2.3.1 Forward Rate Agreements ....................................................................................... 280 12.2.3.2 Zinsswaps................................................................................................................... 281 12.2.3.3 Zinsfutures ................................................................................................................. 281 12.3 Rohstoffderivate........................................................................................................282 12.3.1 Auf welche Waren können Termingeschäfte abgeschlossen werden? ............... 282 12.3.2 Märkte für Rohstoffe ................................................................................................ 283 12.3.2.1 Kassamarkt................................................................................................................. 283 12.3.2.2 Terminmarkt .............................................................................................................. 284 12.3.2.3 Over-The-Counter (OTC)-Markt ........................................................................... 284 12.3.3 Instrumente zur Absicherung des Rohstoffrisikos ............................................... 284 12.3.4 Wie kommt bei Warentermin-Futures die Preisbildung zustande? .................... 285 12.3.5 Hedgingstrategien von Rohstoffrisiken ................................................................. 286 12.3.5.1 Internes Netting ........................................................................................................ 287 12.3.5.2 Überwälzung von Risiken durch vertragliche Gestaltung ................................... 287 12.3.5.3 Einsatz von Termingeschäften und Derivaten ..................................................... 287 12.4 Wetterderivate ...........................................................................................................288 12.4.1 Management von Wetterrisiken .............................................................................. 288 12.4.2 Basiswerte bei Wetterderivaten ............................................................................... 289 12.4.2.1 Degree-Day-Indizes ..................................................................................................290 12.4.2.2 Heating Degree Days (HDD) & Cooling Degree Days (CDD) ......................... 290 12.4.2.3 Gradtageszahlenindex (GTZ).................................................................................. 291 12.4.3 Instrumente zur Absicherung des Wetterrisikos................................................... 291 12.4.3.1 Wetter-Swaps ............................................................................................................. 291 12.4.3.2 Wetter-Futures........................................................................................................... 292 12.4.3.3 Wetter-Optionen ....................................................................................................... 292 Literatur ...................................................................................................................... 293 <?page no="278"?> 278 12 Zinsderivate, Rohstoffderivate und Wetterderivate Schlagwortliste Forward, Future, Hedging, Kassamarkt, Rohstoffderivate, OTC-Markt, Swap, Terminmarkt, Zinsderivate, Wetterderivate 12.1 Einleitung In den Kapiteln 5 bis 10 dieses Buches wurden Risiken in verschiedenen Projektphasen und für verschiedene Erzeugungsarten aufgezeigt. Dort wurden auch bereits Ansätze eines Risikomanagements, insbesondere durch sorgfältige Projektplanung und sachgemäßen Betrieb aufgezeigt. In Kapitel 11 wurde über die verschiedenen Erzeugungsarten hinweg die Rolle von Versicherungen als einem Baustein des Risikomanagements erläutert. In diesem Kapitel wird nun ein weiterer Baustein vorgestellt, der bislang noch nicht so große Aufmerksamkeit gefunden hat, nämlich Derivate. Derivate kommen als Risikomanagementinstrument besonders dann in Frage, wenn das Risiko aus Preisentwicklungen an Märkten herrührt und diese Preisentwicklungen direkt oder indirekt mit den Preisen für homogene, weltweit an Börsen gehandelte Waren verknüpft sind. Es existieren aber auch für andere interessante Bereiche solche Finanzinstrumente, z.B. Wetterderivate. Wo liegen diese Voraussetzungen bei EE-Projekten vor und welche Risiken können auf diese Weise gehandhabt werden? Zunächst können wir die Risiken nach Beschaffungs- und Absatzseite differenzieren. Auf der Beschaffungsseite sind Derivate vor allem für Bioenergieprojekte relevant. Hier machen die Kosten der Biomasse häufig knapp die Hälfte der Gesamtkosten aus. Schwankende Inputpreise sind ein erhebliches Risiko. Bei Biokraftstoffprojekten z.B. wird Getreide in großen Mengen verarbeitet. Getreide ist eine Warenkategorie, die an Warenterminbörsen weltweit in unterschiedlichen Varianten gehandelt wird. Und tatsächlich setzen Biokraftstoffhersteller schon heute Derivate zur Begrenzung des Preisrisikos auf der Beschaffungsseite ein. Bei Biogasprojekten dagegen werden typischerweise Substrate verwendet, die nicht börslich gehandelt werden, z.B. Maissilage und Grassilage. Hier ist der Zusammenhang indirekt. Mehrjährige Lieferverträge für Maissilage zwischen Biogasanlagenbetreibern und Landwirten sehen unterschiedliche Preisanpassungsklauseln vor. Neben einer festen Inflationierung kommt hier die Anbindung an landwirtschaftliche Preisindizes bzw. Weizenpreise in Frage und wurde in der Vergangenheit bereits praktiziert, wenngleich nur in einer Minderheit der Verträge. Auch bei Bioenergieprojekten auf Basis fester Biomasse, wie Holz, sind Derivate als Instrument zur Handhabung des Inputpreisrisikos denkbar. Die Eigenstromkosten sind ein weiterer Posten auf der Beschaffungsseite, der direkt mit einer börslich gehandelten Leistung zu tun hat. Die Strompreise der Versorger sind, gerade bei größeren Anlagen, häufig an die Spotmarktpreise für Strom gekoppelt. Auch hier bieten sich Derivate zur Handhabung des Preisänderungsrisikos an. Finanzierungskosten sind bei allen EE-Projekten ein erheblicher Kostenbestandteil und rangieren bei Bioenergieprojekten nach den Biomassekosten meist auf dem zweiten Platz. Während die Zinsen auf Investitionsdarlehen häufig fix sind, werden Um- <?page no="279"?> Michael Bloss, Dietmar Ernst 279 laufmittelkredite (z.B. zur Vorfinanzierung des Biomasseeinkaufs) nicht selten mit variablen Zinsen versehen, die dann an Referenzzinssätze wie z.B. den EURIBOR gebunden werden. Auch hier ist der Einsatz von Derivaten denkbar, um das Zinsänderungsrisiko handhabbar zu machen (siehe dazu auch Kapitel 15). Auf der Absatzseite sind Preise für Biomethan und Biokraftstoffe ebenfalls abhängig von Marktpreisen. Biomethanverträge der ersten Generation waren noch häufig an den Preis für Heizöl leicht (HEL) angebunden, z.B. mit einem Anbindungsfaktor von 30 %. Zwischenzeitlich ist der Referenzpreis, an den die Anbindung erfolgt, eher der Gaspreis am Handelsplatz TTF. Allerdings werden in letzter Zeit häufig Fixpreise oder feste jährliche Preissteigerungsraten vereinbart. Während es sich in den vorgenannten Beispielen um Derivate handelte, die auf börslich gehandelten Waren oder Leistungen basierten, liegen die Dinge bei Wetterderivaten anders. Hier sind die zu Grunde liegenden Basiswerte (Underlyings) bestimmte Wettergrößen, wie z.B. Wind oder Sonneneinstrahlung. Wetterderivate sind bereits seit Jahren marktfähige und insbesondere in den USA auch marktgängige Produkte. Die Umsätze von Windkraft- und Photovoltaikanlagen sind stark vom Wetter abhängig, für sie können Wetterderivate ein interessantes Risikomanagement-Instrument sein. Insgesamt ist festzustellen, dass Derivate als Risikomanagement-Instrument vor allem für größere Anlagen eine Rolle spielen und noch keineswegs zum Standard- Instrumentarium aller Projektentwickler oder Betreiber in Deutschland gehören. Sie bieten aber interessante Alternativen für Risiken, die weder durch Projektplanung und Betrieb noch durch Versicherungen wirtschaftlich gut gehandhabt werden können. Insofern soll dieser Beitrag einen Anstoß geben, solche Instrumente bei der Planung von Projekten in die Überlegungen mit einzubeziehen. 12.2 Zinsrisikomanagement Im finanzwirtschaftlichen Kontext bedeutet Risiko eine Abweichung eines Wertes, z.B. der Rendite, von einem Erwartungswert. Risiken können ein- oder zweidimensionalen Charakter haben; je nachdem, ob die Abweichung vom Erwartungswert positiv, negativ oder beides sein kann. Unter Zinsänderungsrisiko versteht man die Abweichung eines Zinssatzes in der Zukunft von einem erwarteten Wert. Da Zinsen von einer Vielzahl von Faktoren abhängen, sind Prognosen über den zukünftigen Verlauf der Zinsstrukturkurve mit Unsicherheit behaftet. Zinsrisiken sind Marktrisiken. Da sich die Marktzinsen sowohl positiv als auch negativ entwickeln können, handelt es sich beim Zinsänderungsrisiko um ein zweidimensionales Risiko. Dies bedeutet, dass sich Zeitwerte beziehungsweise Cashflows aus Finanzinstrumenten erhöhen oder verringern können, je nachdem, in welche Richtung der Marktzins sich verändert. Dies kann unter Umständen zu erheblichen Verlusten für einen Marktteilnehmer führen, weshalb gerade in Zeiten hoher Volatilität der Bedarf nach Absicherung gegen diese Risiken besonders hoch ist. <?page no="280"?> 280 12 Zinsderivate, Rohstoffderivate und Wetterderivate 12.2.1 Ziele des Zinsänderungsrisikomanagements Zu Beginn des Zinsänderungsrisikomanagements müssen eventuelle Zinsrisiken erkannt und erfasst werden. Prinzipiell unterliegen alle verzinslichen Positionen eines Unternehmens, welche nicht ständig an sich ändernde Marktzinsen angepasst werden, dem Zinsrisiko. Im Rahmen der Steuerung dieser Risiken geht es darum, Marktchancen zu nutzen und Gefahren zu minimieren beziehungsweise zu eliminieren. Zahlungsströme sollen optimiert und Zinsausgaben begrenzt werden. In der Zukunft unsichere Zinsentwicklungen sollen durch den gezielten Einsatz der geeigneten Instrumente planbar gemacht werden. 12.2.2 Zinsänderungsrisikomanagement bei Vertragsabschluss 12.2.2.1 Festverzinsung Einigen sich die Vertragsparteien bei Abschluss eines Geschäfts auf einen Zinssatz, welcher die gesamte Laufzeit über konstant bleibt, so spricht man von einer Festzinsvereinbarung oder auch Festverzinsung. Diese triviale Vorgehensweise der Marktteilnehmer ist ebenso einfach wie wirkungsvoll. So wird beispielsweise bei einem Kreditgeschäft sowohl für den Kreditnehmer als auch für den Kreditgeber eine sichere Kalkulationsbasis geschaffen, da sich der Kapitaldienst des Kreditnehmers nicht ändert. Somit wird das Zinsänderungsrisiko während der Laufzeit eliminiert. Genau darin liegt aber auch das negative Risiko. Aus Sicht des Kreditnehmers können zwar keine höheren Belastungen auf Grund eines Zinsanstiegs entstehen, er kann aber ebenso wenig von fallenden Zinsen profitieren, da das Zinsniveau für die gesamte Laufzeit festgeschrieben ist. 12.2.2.2 Zinsbindungsfrist Es kann bei Vertragsabschluss vereinbart werden, dass die Zinsen über einen bestimmten Zeitraum, nicht aber über die gesamte Laufzeit festgeschrieben werden. Man spricht dann von einer Zinsbindungsfrist. Anders als bei der Zinsfestschreibung wird hier das Zinsänderungsrisiko nur während der Festschreibungsperiode eliminiert. Läuft diese aus, sind die Vertragsparteien dem vollen Zinsänderungsrisiko ausgesetzt. 12.2.3 Instrumente zur Absicherung des Zinsänderungsrisikos 12.2.3.1 Forward Rate Agreements Forward Rate Agreements (FRAs) werden außerbörslich gehandelt beziehungsweise direkt zwischen den Vertragsparteien vereinbart. Es handelt sich dabei um unbedingte Termingeschäfte mit symmetrischem Risikoprofil. Die Forward Rate ist der Zinssatz, zu dem Kapital am Geldbeziehungsweise Kapitalmarkt in der Zukunft für einen festgelegten Zeitraum aufgenommen oder angelegt werden kann. Das Ziel des Kaufes eines FRAs besteht darin, eine variabel verzinste Position gegen kurzbis mittelfristige Zinsänderungen abzusichern. Aber nicht nur bestehende Positionen, sondern auch zukünftiger Kapitalbedarf kann durch den Kauf beziehungsweise <?page no="281"?> Michael Bloss, Dietmar Ernst 281 Verkauf eines FRA abgesichert werden. So kann ein variabel verzinsliches Darlehen vereinbart und gleichzeitig ein FRA mit analoger Contract Period abgeschlossen werden, um Zinsänderungen entgegen zu wirken. Vice versa kann ein FRA verkauft werden, wenn zukünftige positive Cashflows kurzbis mittelfristig angelegt und das Zinsänderungsrisiko ausgeschaltet werden soll. 12.2.3.2 Zinsswaps Ein Swap (engl. Swap = Tausch) ist eine Vereinbarung zwischen zwei Marktteilnehmern, in der Zukunft Cashflows auszutauschen. Dabei werden Zahlungen mit einem festen Zinssatz (Payer Swap) gegen variable Zahlungen (Receiver Swap) getauscht. Es werden aber nicht die absoluten Beträge ausgetauscht, sondern lediglich der Differenzbetrag. Eine Auszahlung des vereinbarten Nominalbetrags findet nicht statt. Swaps, denen Anlageentscheidungen zugrunde liegen, werden Asset-Swaps genannt. Swaps, denen Finanzierungsentscheidungen zugrunde liegen, nennt man Liability- Swaps. Abb. 54: Schematische Darstellung eines Zinsswaps. Quelle: in Anlehnung an Bloss/ Ernst/ Häcker/ Sörensen (2010), S. 323 Die Anwendungsmöglichkeiten von Zinsswaps sind äußerst vielfältig. Sie können in beinahe allen Marktphasen von Marktteilnehmern mit unterschiedlichen Erwartungen an die zukünftige Zinsentwicklung angewendet werden. Ein Marktteilnehmer, welcher eine variabel verzinsliche Verbindlichkeit in der Erwartung steigender Zinsen absichern möchte, kann ebenso erfolgreich mit Zinsswaps agieren wie ein Marktteilnehmer mit einer festverzinslichen Anlage, welcher von fallenden Zinsen ausgeht. Sowohl bei der Handelbarkeit als auch beim Risikoprofil sind Analogien zwischen FRAs und Zinsswaps vorhanden. Auch liegt beiden ein fiktiver Nominalbetrag zugrunde, welcher nicht wirklich ausbezahlt wird, sondern nur als Berechnungsgrundlage dient. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass bei FRAs sowohl auf Käufer als auch auf Verkäuferseite das Zinsänderungsrisiko durch die Zahlung eines Ausgleichsbetrages zu Beginn der Contract Period ausgeschaltet wird. Beim Zinsswap dagegen werden variable gegen feste Cashflows getauscht. Es handelt sich also um ein Kompensationsgeschäft, das sowohl mit Grundgeschäftsbezug als auch ohne einen solchen erfolgen kann. 12.2.3.3 Zinsfutures Ein weiteres Produkt aus der Familie der unbedingten Termingeschäfte ist der Future. Ein Future ist eine unbedingte Übereinkunft zwischen zwei Parteien, ein Gut zu Käufer Festverzinsung z.B. 5% Variable Verzinsung z.B. Euribor Verkäufer <?page no="282"?> 282 12 Zinsderivate, Rohstoffderivate und Wetterderivate einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt zu einem bestimmten Preis zu kaufen beziehungsweise zu verkaufen. Sowohl für den Käufer (Long) als auch für den Verkäufer (Short) besteht dabei kein Wahlrecht, weshalb Futures ein symmetrisches Risikoprofil aufweisen. Futures sind standardisierte Verträge, welche im Gegensatz zu FRAs und Swaps börslich gehandelt werden. Die Absicherung gegen Zinsänderungen durch den Einsatz von Zinsfutures bezieht sich auf bestehende oder zukünftige Anleihepositionen. Es können sowohl Anlagen als auch Verbindlichkeiten abgesichert werden. Durch die Verwendung von Futures können sowohl bestehende als auch zukünftige Anleihepositionen im Portfolio eines Unternehmens abgesichert werden. Bei der Absicherung machen sich die Absicherer (Hedger) den Umstand zu Nutze, dass der Kurs einer Anleihe fällt, falls sich das Marktzinsniveau positiv verändert und der Kurs einer Anleihe steigt, wenn sich der Marktzins negativ entwickelt. Um diesen Entwicklungen entgegen zu wirken, bedarf es lediglich zweier Strategien mit Futures zur Absicherung. Die Marktteilnehmer müssen sich jedoch über ihre Markterwartung im Klaren sein. Ein Unternehmen, welches ein bestehendes Anleiheportfolio gegen Kursverluste, also steigende Zinsen, absichern möchte, geht eine Short-Position z.B. im Euro- Bund-Futures ein. Es verkauft Kontrakte heute, um diese bei steigenden Zinsen später günstiger zurückzukaufen und die Position glatt zu stellen. Dabei realisiert es einen Gewinn, welcher die Verluste im bestehenden Portfolio ausgleicht. Auch hier haben wir ein Kompensationsgeschäft als Hedgegeschäft (engl. = hedging transaction). Umgekehrt verhält es sich bei der Absicherung zukünftig geplanter Anlagen. Angenommen das Unternehmen erwartet in der Zukunft eine Zahlung, welche es in Anleihen investieren möchte. Das Unternehmen rechnet gleichzeitig mit fallenden Zinsen, was steigende Anleihekurse zur Folge hätte und die Investition weniger vorteilhaft machen würde. Der Finanzmanager des Unternehmens wird daraufhin eine Long- Position eingehen und Futureskontrakte kaufen, um das gegenwärtige Zinsniveau abzusichern. 12.3 Rohstoffderivate 12.3.1 Auf welche Waren können Termingeschäfte abgeschlossen werden? Grundsätzlich sind Warentermingeschäfte auf jedes Gut möglich. In der Praxis werden die Güter wie folgt unterschieden (vgl. Abbildung 55): Bei Warentermingeschäften sollte man beachten, dass man heute an den Terminbörsen bereits die Ernten der nächsten Jahre handelt. Durch Krankheiten, Umweltkatastrophen und Missernten können deutliche Preissteigerungen hervorgerufen werden; umgekehrt kann bei einer sehr guten Erntesituation oder einem Einbrechen der Verbrauchernachfrage ein Preisverfall eintreten. Gerade der Handel in den Soft Commodities hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen; so wurden zum Beispiel die Futures auf Zucker und Mais rege gehandelt, da beide Rohstoffe bei der Herstellung <?page no="283"?> Michael Bloss, Dietmar Ernst 283 von Ethanol zum Einsatz kommen. Selbst private Investoren versuchen, über andere Derivate (z.B. Turbozertifikate) in diesen Bereichen zu investieren. Abb. 55: Warentermingeschäften zugrunde liegende Güter. Quelle: Bloss/ Ernst/ Häcker/ Sörensen (2010), S. 291 12.3.2 Märkte für Rohstoffe Rohstoffe können über verschiedene Handelsplätze bezogen werden. Dabei hängt die Wahl des richtigen Marktes von den Absichten des Unternehmens ab. Im Folgenden sollen die drei wesentlichen Märkte vorgestellt und deren Bedeutung erläutert werden. 12.3.2.1 Kassamarkt Der Kassamarkt umfasst Geschäfte zwischen zwei Vertragsparteien, die einer unmittelbaren Bezahlung sowie Lieferung eines Vertragsgegenstandes bedürfen. Die auf dem Kassamarkt getätigten Geschäfte stellen eine Vereinbarung dar, ein bestimmtes Gut zu einem gegenwärtigen Preis, dem sogenannten Kassapreis oder Spotpreis, zu kaufen bzw. zu verkaufen. Definitionsgemäß fällt der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit dem Erfüllungszeitpunkt zusammen, dieser weicht jedoch hinsichtlich abwicklungstechnischer Erfordernisse und aufgrund verschiedener Börsen kurzfristig ab. In Finanzkreisen kann diese Abweichung in der Regel maximal zwei Börsentagen entsprechen. Warentermingeschäfte Öl / Schmierstoffe Öle Heizöl Benzin Leichtes Öl Gas Gasarten Metalle Edelmetalle Gold, Silber, Platin, Palladium Industriemetalle Zinn, Zink, Blei, Kupfer Soft Commodity Getreide Weizen Mais Früchte Orangensaft Zucker Nr. 11 Kaffee Arabica Robusta <?page no="284"?> 284 12 Zinsderivate, Rohstoffderivate und Wetterderivate 12.3.2.2 Terminmarkt Das Gegenstück zum Kassamarkt stellt der sogenannte Terminmarkt dar. Am Terminmarkt wird mittels sogenannter Termingeschäfte zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Vertrag auf ein in der Zukunft liegendes Geschäft abgeschlossen. Sinngemäß lässt sich das Termingeschäft durch die auseinanderliegenden Zeitpunkte des Vertragsabschlusses und der Vertragserfüllung charakterisieren. Grundsätzlich können am Terminmarkt bedingte Termingeschäfte und unbedingte Termingeschäfte abgeschlossen werden. Hierbei handelt es sich um Finanzkontrakte, deren Preis von dem Wert eines zugrundeliegenden „Underlyings“, auch Basiswert genannt, abhängig ist. Derartige Engagements werden als Derivate bezeichnet und bieten überproportionale Partizipationsmöglichkeiten an dem zugrundeliegenden Underlying. Der Basiswert kann beliebiger Natur sein, wie zum Beispiel Aktien oder Rohstoffe. 12.3.2.3 Over-The-Counter (OTC)-Markt Der Over-The-Counter (OTC)-Markt ist der außerbörsliche Handelsplatz, um Geschäfte mit anderen Marktteilnehmern (z.B. Banken, Versicherungen) abzuschließen. Die hier geschlossenen Verträge über den Austausch von Finanzprodukten sind keineswegs standardisierte Vereinbarungen, sondern individuell gestaltete Verträge. Der OTC-Handel unterliegt keinen speziellen gesetzlichen Regulierungen, verläuft jedoch nach einheitlichen, von allen Marktteilnehmern akzeptierten Handelsgewohnheiten, die in Rahmenverträgen festgehalten werden. Der Handel mit Forwards, Swaps, Caps und Floors erfolgt ausschließlich am OTC-Markt, während Zins- und Rohstoff- Futures hingegen an einer Börse gehandelt werden. Der wesentliche Vorteil des außerbörslichen Handels sind die maßgeschneiderten Problemlösungen, die sich durch individuelle Abreden zwischen den Vertragspartnern erzielen lassen. Jedoch birgt dieser Markt gegenüber dem Börsenhandel ein höheres Kontrahentenrisiko. Die außerbörslichen Geschäfte werden häufig telefonisch oder über eine Handelsplattform abgeschlossen und anschließend schriftlich bestätigt. Wir sprechen dann von der Trade-Confirmation. Damit kommt der Eingangsüberwachung und Kontrolle der Auftragsbestätigungen eine besondere Bedeutung zu. 12.3.3 Instrumente zur Absicherung des Rohstoffrisikos Ein Future stellt ein standardisiertes und börsengehandeltes Produkt dar, welches bei dem Kauf (Verkauf) das Recht (die Pflicht) beinhaltet, bestimmte Ware, zu einem bestimmten Preis und einem bestimmten Zeitpunkt zu kaufen (verkaufen). Futures stellen aufgrund ihrer standardisierten Form die Basis aller Terminmärkte an der Börse dar. Im Vergleich zu standardisierten Produkten werden im Rahmen von OTC- Geschäften die Parameter Menge, Laufzeit, Preis etc. individuell zwischen den Vertragspartnern fixiert. Vor diesem Hintergrund, stellt der Forward eine spezielle Form eines Futures dar. Für ein rohstoffverarbeitendes Unternehmen ist es empfehlenswert, eine bestimmte Menge an Rohstoffen zu einem bestimmten Zeitpunkt und zu einem definierten Preis zu beziehen. Sollte diese Strategie mit Hilfe von Futures umgesetzt werden, so führt dies zu einem Kauf eines Futures gegen eine kleine Transaktionsgebühr für den jeweiligen Rohstoff. Dies geschieht in einem analogen Mengengerüst und der relevan- <?page no="285"?> Michael Bloss, Dietmar Ernst 285 ten Laufzeit. Für den Kauf des Futures kann sich die Unternehmung an eine Bank wenden, welche die Transaktionen an der gewählten Börse ausführt. Beispielsweise umfasst 1 Future auf Weizen (an der LIFFE in London) eine Kontraktgröße von 100 Tonnen. Am OTC-Markt können die Kontraktgrößen individuell ausgehandelt werden. Sie sind in der Regel jedoch größer als auf dem Future-Markt. Sowohl am Terminmarkt als auch am OTC-Markt wird für die Abwicklung ein sogenanntes Marginkonto eingerichtet und bereitgestellt. Auf diesem Konto können die Cashflows, resultierend durch die Wertänderung der Futures, in beide Richtungen abgewickelt werden. Aufgrund der Tatsache, dass der US-Dollar als Leitwährung für Rohstoffe zählt, werden Marginkonten üblicherweise in USD geführt, schließen aber Kontoführungen in anderen Währungen nicht aus. Um das Währungsrisiko ausschließen zu können, ist für den Fall von Abweichungen der Konto- und Einkaufswährung eine Devisensicherung bedeutend. Auf derartig eingerichtete Konten muss vor dem Geschäftsbeginn sowohl eine Basiszahlung, die sogenannte Initial Margin, als auch ein Sicherheitspuffer, die Variation Margin, hinterlegt werden. In Abhängigkeit vom Kunden sind beide Geldbeträge von den Rahmenbedingungen und der Bonitätseinschätzung der Bank abhängig. Die Gesamtmargin bewegt sich in einem Bereich zwischen 6 und 15 Prozent des Nominalwertes der jeweils gehandelten Kontrakte (Initial Margin).Ebenso ist eine Hinterlegung von Wertpapieren in entsprechender Höhe bei der Bank möglich (Variation Margin). Man spricht bei derartigen Finanzprodukten von Hebelprodukten. Der Name resultiert aus der Tatsache, dass mit einem Bruchteil des gesamten Transaktionsvolumens die Gesamtposition kontrolliert werden kann. 12.3.4 Wie kommt bei Warentermin-Futures die Preisbildung zustande? Der faire Future-Preis ist vom Kassainstrument und den Cost of Carry (Nettofinanzierungskosten) abhängig. Anders als bei einem Finanzterminkontrakt kommen zu den Finanzierungskosten noch die Lagerhaltungs- und die Versicherungskosten hinzu. Die Lagerhaltungskosten entfallen nur, wenn ein Gut (bzw. lebende Güter) nicht gelagert werden kann. Die Finanzierungskosten werden höher, wenn klassische Kosten (wie etwa für die Lagerhaltung) anfallen, und sie verringern sich, wenn so genannte Zwischenerträge realisiert werden. Letzteres ist allerdings bei Waren nicht ganz so einfach. Während eine Aktie Dividende einbringt, die als Zwischengewinn zu verbuchen ist, verhält es sich bei Waren anders: Hier wird für das Halten des Gutes der so genannte Vorteilszins (Convenience Yield) berechnet. Dieser Zusatznutzen kann zu einem Steigen oder Fallen der Cost of Carry beitragen: Steigt die Convenience Yield über die errechnete Cost of Carry, so dass sich ein Zuwachs ergibt, wird der Future unter dem aktuellen Spot-Preis (Kassapreis) gehandelt. Man spricht davon, dass der Future mit Backwardation gehandelt wird. Ist jedoch die Cost of Carry größer als die Convenience Yield, so ist der Future teurer als der Spotpreis: Man sagt, er wird Contango gehandelt 137 . Der Future-Preis kann entsprechend folgender Formel kalkuliert werden: 137 Vgl. Bloss/ Ernst/ Häcker/ Sörensen (2010), S. 295 ff. <?page no="286"?> 286 12 Zinsderivate, Rohstoffderivate und Wetterderivate F 0 = Future-Preis S 0 = Spotpreis L = Lagerkosten (netto) r = risikoloser Zinssatz y = Convenience Yield T = Laufzeit in Jahren Wenn man y (Convenience Yield) mittels einer Formel darstellen möchte, so lautet diese: Man kann auch die Lagerkosten als (proportionalen Lagerhaltungskostensatz) L ausdrücken und erhält so: Wenn man es nicht mathematisch ausdrücken will, könnte man sagen, dass y die von den Marktteilnehmern erwartete Unsicherheit an den Märkten darstellt, welche beispielsweise durch Missernten zustande kommen könnte. Vereinfacht gesagt, drückt es eine praktische Verknappung des Gutes aus. Sofern man von einem regen Güterangebot ausgeht, wird y klein oder gar nicht vorhanden sein. Im Falle eines Überangebots entsteht durch y ein diskontierender Abschlag. Zusammengefasst kann die Preisberechnung der Waren-Termin-Futures wie folgt ausgedrückt werden: Future-Preis = Spotpreis + ((Finanzierungskosten+Lagerkosten) - Convenience Yield) 12.3.5 Hedgingstrategien von Rohstoffrisiken Das Absichern von Rohstoffrisiken kann mittels aktiver und passiver Hedgingstrategien minimiert werden. Dabei kann man dieses durch den Einsatz derivativer Finan- <?page no="287"?> Michael Bloss, Dietmar Ernst 287 zinstrumente oder aber auch durch strategisches Vorgehen managen. Im Folgenden soll ein Überblick über mögliche Hedgingansätze gegeben werden. 12.3.5.1 Internes Netting Hinter der Strategie des internen Nettings verbirgt sich das Aufrechnen existierender Risiken in Unternehmen. Insofern handelt es sich hierbei nicht um aktive Risikoabsicherung im klassischen Sinne, wie in den nachstehenden Abschnitten erläutert, sondern instrumentalisiert die eigenen Rohstoffpositionen und das daraus resultierende Nettorisiko. Zunächst müssen die Zusammenhänge der vielfältigen rohstoffbedingten Risiken mittels einer Korrelationsanalyse veranschaulicht und beziffert werden. Diesbezüglich werden neben einer gegenwärtigen Risikostruktur des eigenen Rohstoffportfolios zusätzlich deren statistisch aufbereitete Marktdaten erfordert. Hinsichtlich der Korrelation der Rohstoffpreise erfolgt anschließend die Summierung aller Risikopositionen zum Gesamtrisiko. Dieses Nettorisiko gilt es im Rahmen des Hedgings abzusichern. Aus dem internen Netting resultieren einerseits verminderte Transaktionskosten des externen Absicherungsgeschäftes, andererseits ist das Unternehmen hierdurch weniger von dem Kreditrisiko betroffen. 12.3.5.2 Überwälzung von Risiken durch vertragliche Gestaltung Das Überwälzen von Risiken ist eine der eleganten Alternativen der Risikoreduktion. Dabei werden die rohstoffbedingten Risiken an den Handelspartner, sei es Lieferant oder Kunde, weitergereicht, indem das Geschäft entsprechend vertraglich ausgestaltet wird. Die wohl bekanntesten Beispiele aus der Praxis stammen aus der Gasversorgung. Der Versorger überträgt nämlich die Ölpreisbindung aus den Gaslieferverträgen mittels der Gastarife an den Verbraucher. Eine derartige Absicherungsstrategie ist überwiegend in Märkten von Erfolg gekrönt, in denen sich eine entsprechende Vertragsgestaltung durchgesetzt hat. Grundsätzlich können sich diese Praktiken nur auf Märkten etablieren, auf welchen der Wettbewerb der Kontrahenten auf absoluten Preismargen für Neben- und Zusatzleistungen erfolgt. Der Risikotransfer erfolgt in der Unternehmenspraxis auch durch die Koppelung der Beschaffungskosten eines Rohstoffes an die Preisentwicklung der eigenen Produkte. Wie bereits erwähnt, ist eine Risikosteuerung in dieser Form schwer durchsetzbar. Nur wenn die Wettbewerber eine verwandte Vorgehensweise praktizieren oder aufgrund der ausgeübten Marktmacht des Käufers oder des Verkäufers zustimmen müssen, ist der Risikotransfer möglich. Es sind aber auch Win-Win-Situationen denkbar, die aus dem Risikotransfer zwischen Rohstofflieferant und -verbraucher entstehen können. 12.3.5.3 Einsatz von Termingeschäften und Derivaten Eine weitere Möglichkeit der Absicherung von Rohstoffrisiken bietet der Einsatz der bereits vorgestellten derivativen Finanzprodukte. Bei der Wahl des richtigen Instruments ist darauf zu achten, dass dieses eine ausreichende Liquidität auf dem relevanten Rohstoffmarkt aufweist. Diese gibt Aufschluss über den möglichen absicherbaren Umfang des Rohstoffes, den Zeithorizont und die damit verbundenen Transaktionskosten. In der Regel gehen Derivate geringerer Liquidität mit höheren Transaktionskosten einher. Grundsätzlich sollten hier die Möglichkeiten einer börslichen und aus- <?page no="288"?> 288 12 Zinsderivate, Rohstoffderivate und Wetterderivate serbörslichen Abwicklung der Geschäfte und zwischen linearen und nichtlinearen Absicherungsinstrumenten unterschieden werden. Im Allgemeinen werden standardisierte Finanzkontrakte, wie etwa Futures, Spotund, weniger häufig, auch Optionskontrakte, an den Rohstoffbörsen gehandelt. Die Abwicklung der Absicherungsgeschäfte an der Börse hat den Vorzug, dass das Kreditrisiko weitestgehend minimiert ist, die Instrumente über eine hohe Liquidität verfügen und der Markt eine hohe Transparenz über das gehandelte Volumen und deren Preise bietet. Diese sind wichtig, damit das Absicherungsgeschäft bei Bedarf kostengünstig glattgestellt werden kann. Der OTC- Handel hingegen bietet ein größeres Produktspektrum, welches bis hin zu individuellen vereinbarten bilateralen strukturierten Absicherungen von sehr komplexen Risiken reicht. Jedoch birgt dieser Markt auch Defizite, wie etwa das erhöhte Kreditrisiko und die geringere Liquidität der Produkte aufgrund ihrer Individualität. Ob die Rohstoffabsicherung mittels linearer (unbedingter) oder nichtlinearer (bedingter) Instrumente erfolgen sollte, kann nicht pauschalisiert geklärt werden und sollte stets an dem konkreten Fall ausgemacht werden. Lineare Instrumente eignen sich zur Absicherung von linearen Risiken in der Hinsicht, dass der abzusichernde Rohstoffpreis fixiert ist. Das Absichern von nichtlinearen Risiken kann einerseits mit bedingten entgegen ihrer Wirkrichtung laufenden Termingeschäften oder andererseits in Form des Delta-Hedgings mithilfe unbedingter Termingeschäften umgesetzt werden. 12.4 Wetterderivate 12.4.1 Management von Wetterrisiken Bei Wetterderivaten handelt es sich um derivative und innovative Finanzprodukte, die auf Wetterdaten wie Niederschlagsmenge (Regen-, Schneehöhe), Regentage, Sonnenstunden, Lufttemperatur oder Windgeschwindigkeit aufbauen 138 . Diese Formen der Derivate lassen sich in der Praxis in folgende drei Gruppen aufteilen: Bedingte Wetterderivate (Optionen), unbedingte Wetterderivate (Futures und Swaps), Kombinationen (Collar, Straddle und Strangle) und Exoten (Hybride Wetterderivate) 139 . Unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit lässt sich jedoch eine Gemeinsamkeit festhalten: Der Hauptgrund für den Einsatz eines Wetterderivates ist der Risikotransfer und kann nicht wie allgemeine Derivate, die sich auf Aktien, Zinsen, Rohstoffe, etc. beziehen, zur Absicherung und Spekulation verwendet werden. Das Wetter kann das Mengenrisiko und somit auch das Absatzrisiko eines Unternehmens stark beeinflussen. Diese Gefahr führt zu einem finanziellen Risiko, welches mit Hilfe eines Wetterderivates auf die Gegenpartei teilweise oder sogar ganz übertragen werden kann. Um gegen Preissowie Mengenrisiken absichern zu können, muss ein Wetterderivat mit einem klassischen Rohstoffderivat kombiniert werden, was als Cross-Hedge bezeichnet wird 140 . Welche Unterschiede bestehen zwischen einem Wetterderivat und einer klassischen Versicherung gegen Wetterrisiken? Der Hauptunterschied besteht darin, dass eine Versicherung den entstandenen Schaden ausgleicht, wohingegen ein Wetterderivat den 138 Zum Thema „Wetterderivate“ vgl. Bloss/ Ernst/ Häcker/ Sörensen (2010), S. 393 ff. 139 Vgl. Becker/ Bracht (1999), Bergschneider (1999) 140 Vgl. Hee/ Hofmann (2006) <?page no="289"?> Michael Bloss, Dietmar Ernst 289 Schaden begrenzt. In der Abwicklung weisen Wetterderivate im Vergleich zu Versicherungen einige Vorteile auf. Erstens muss der Zeichner von Wetterderivaten keinen Schadensnachweis liefern. Zweitens bilden die lokalen Wetterstationen die neutrale Instanz, deren Daten über die Auszahlung der zuvor vereinbarten Summen entscheiden. Drittens sind die Verträge einfach und ohne große Zusatzklauseln 141 . 12.4.2 Basiswerte bei Wetterderivaten Der größte Unterschied zwischen einem Wetterderivat und den gängigen Derivaten liegt im Basiswert/ Underlying, welches nicht handel- und greifbar ist. Dieser Wert wird durch Wetterparameter wiedergegeben, deren Ausprägungen meist in Form eines zweckmäßig konstruierten Indexes notiert werden. Diese Tatsache hat mehrere interessante Konsequenzen zur Folge: [1] Da das Wetter nicht physisch gelagert und transferiert werden kann, ist es unmöglich, diese Form des Basisobjektes zu manipulieren. [2] Im Gegensatz zu den herkömmlichen Derivaten ist bei Wetterderivaten aufgrund der fehlenden Lieferbarkeit am Ende der Laufzeit nur eine Barzahlung (Cash Settlement) möglich. [3] Die Preise der gängigen Basiswerte (Aktien, Indizes, Renten, etc.) schwanken während der Laufzeit, was durch die historische und implizite Volatilität wiedergegeben wird. Die Volatilität des Wetters kann nur aus dessen früherem Verlauf gewonnen werden. Ein weiterer, wesentlicher Unterschied zwischen Wetterderivaten und den allgemeinen Derivaten besteht darin, dass der Einsatz der bisher vorgestellten Derivate auf eine Absicherung des Preises abzielt. Dies ist bei Wetterderivaten, welche das bereits aufgezeigte Mengenrisiko absichern, nicht der Fall. Abb. 56: Verteilung der Kontrakte bezüglich verschiedener Wettermaße. Quelle: Weather Risk Management Association (WRMA) 141 Vgl. Weather Risk Management Association HDD 60,2% CDD 34,4% Andere Temperaturindizes 3,6% Regen 0,9% Schnee 0,5% Wind 0,2% Weitere 0,2% <?page no="290"?> 290 12 Zinsderivate, Rohstoffderivate und Wetterderivate Laut einer Studie der Weather Risk Management Association (WRMA) ist die Temperatur, welche in den USA durch so genannte Degree-Day-Indizes dargestellt wird, nicht nur am weitesten verbreitet, sondern sowohl im Börsenhandel als auch bei OTC- Geschäften das am häufigsten verwendete Basisobjekt. Die Berechnung und das Konzept dieser Indizes, der Average-Temperature-Indizes und des in Deutschland verwendeten Gradtageszahlenindexes (GTZ), sowie weitere Basisobjekte im Zusammenhang mit Wetterderivaten werden im Folgenden aufgezeigt. 12.4.2.1 Degree-Day-Indizes Die Verwendung der Degree-Day-Indizes als Basiswerte für Wetterderivate begann in den USA, als Energieversorger sich im Zuge der Liberalisierung des Energiemarktes absichern mussten. Das Konzept dieser Indizes wurde anhand der Erfahrungen der amerikanischen Energiewirtschaft entwickelt und besagt, dass Tagestemperatur und Energieverbrauch bzw. Energienachfrage in Wechselwirkung stehen. Bei einer Vielzahl der Energieversorgungsunternehmen in Amerika hatte es sich heraus kristallisiert, dass der Energieverbrauch mit der Differenz aus der aktuellen Tagesdurchschnittstemperatur und einer festen Vergleichstemperatur korreliert 142 . 12.4.2.2 Heating Degree Days (HDD) & Cooling Degree Days (CDD) Um die Werte eines Degree-Day-Indizes berechnen zu können, benötigt man so genannte Energiegradtage der einzelnen Tage. Ein solcher Tag ist als die Differenz eines Grades zwischen der Tagesdurchschnittstemperatur und der Vergleichstemperatur definiert. Die Berechnung der Tagesdurchschnittstemperatur ergibt sich aus dem arithmetischen Mittel der Tiefst- und Höchstwerte eines Tages an einer bestimmten Wetterstation. Die Vergleichstemperatur in den Vereinigten Staaten liegt dabei bei 65°F (18,3°C) und in Europa bei 18°C. Dabei kann die Tagesdurchschnittstemperatur über oder unter der Vergleichstemperatur liegen. Wenn sich die Tagesdurchschnittstemperatur unter der Vergleichstemperatur befindet, handelt es sich bei den Energiegradtagen um Heating-Degree-Days (HDD) bzw. Heizgradtrage. Sollte die Vergleichstemperatur unter der Tagesdurchschnittstemperatur liegen, werden die Energiegradtage als Cooling-Degree-Days (CDD) bzw. Kühlungsgradtage bezeichnet. Diese Konzepte, insbesondere das der CDD-Indizes, können den Ansprüchen in Europa nicht vollständig gerecht werden, da die europäischen Sommer im Vergleich zu denen Amerikas relativ mild ausfallen und die Temperatur um eine Referenztemperatur von 18°C schwankt. Damit dieses Problem umgangen werden kann, werden Average Temperature (AvT) Indizes aufgelegt, die den Mittelwert der gemessenen Tagesdurchschnittstemperaturen in einem Zeitintervall von i Tagen darstellen. Mit Hilfe dieser Indizes können im Vergleich mit den DD-Indizes mehr Anwender angesprochen werden. Die Studie der WRMA zeigt die wachsende Bedeutung alternativer Temperaturindizes. 142 Vgl. Bloss/ Ernst/ Häcker/ Sörensen (2010), S. 396 ff. <?page no="291"?> Michael Bloss, Dietmar Ernst 291 12.4.2.3 Gradtageszahlenindex (GTZ) Eine weitere Alternative, die häufig in der Wintersaison in Deutschland eingesetzt wird, ist der Gradtageszahlenindex (GTZ), welcher ähnlich aufgebaut ist wie der HDD-Index. Dieser Index wird regelmäßig vom Deutschen Wetterdienst ermittelt und stellt die kumulierte Differenz der mittleren täglichen Außentemperatur (unter 15 °C) und der mittleren Raumtemperatur (20°C) dar. Da die Temperatur das am häufigsten verwendete Basisobjekt darstellt, ist es nachvollziehbar, dass sich die meisten bisher vorgestellten Konzepte auf diesen beziehen. Neben der Temperatur gibt es jedoch weitere Basisobjekte wie Niederschlag, Sonnenscheindauer, Windgeschwindigkeit, Wasserstände, Wolkenbedeckung. 12.4.3 Instrumente zur Absicherung des Wetterrisikos Instrumente zur Absicherung des Wetterrisikos haben folgende Kontraktspezifikationen gemeinsam 143 : [1] Die Wetterstation, die die Werte für den Index/ Basket liefert und welche mittels WBAN oder WMO-ID-Nummern eindeutig identifiziert werden kann. [2] Underlying/ Basiswert: Meist einer der bisher vorgestellten Basisobjekte, wie zum Beispiel Degree-Day-Indizes. [3] Laufzeit: Die Laufzeit des Wetterderivats ist entweder in Monate oder Saisons zeitlich begrenzt. [4] Ausübungs-/ Strike-Level: Ab diesem Wert zahlt die eine Partei der anderen eine Ausgleichszahlung, die abhängig von der Entwicklung des Underlying ist und durch die Tick Size angegeben wird. [5] Die Obergrenze (Cap) gibt an, wie hoch die maximale Auszahlung aus dem Wetterderivat ist und wird in Geldbeträgen oder Indexpunkten dargestellt. [6] Prämie: Der Käufer einer Option muss diese dem Verkäufer entrichten, da ihm ein Recht gewährt wurde bzw. der Verkäufer aktiv ins Risiko geht. Bei Swaps, die, wie bereits gezeigt wurde, ein symmetrisches Chance- Risiko Profil aufzeigen, ist eine Prämie nicht notwendig. 12.4.3.1 Wetter-Swaps Wetter-Swaps zählen zu den Mitgliedern der unbedingten bzw. festen Termingeschäfte, welche durch einzuhaltende Verpflichtungen beider Parteien und symmetrische Auszahlungsprofile charakterisiert werden können. Grundsätzlich werden bei Wetter-Swap-Transaktionen Wetterrisiken getauscht, die nicht nur zu einem symmetrischen Auszahlungsprofil führen, sondern gleichzeitig keine Prämienzahlung erfordern. Wetter-Swaps eignen sich hervorragend für Unternehmen, welche sich gegen Wetterrisiken absichern wollen. Diese wollen aber nicht eine Prämie bezahlen, sondern verzichten auf potentielle, höhere Umsätze, d.h. die Ausgleichszahlungen werden entspre- 143 Vgl. Werner (2000) <?page no="292"?> 292 12 Zinsderivate, Rohstoffderivate und Wetterderivate chend der Ausgestaltungsform des Swaps und der Wetterentwicklung von einer der beiden Parteien getätigt. Dennoch muss an dieser Stelle auch auf die Nachteile eines solchen Konstrukts hingewiesen werden: In der Realität ist es extrem schwierig, zwei Unternehmen für einen Swap zu finden, welche perfekt zusammen passen. Dabei gilt es Unternehmen zu finden, die in der gleichen Region tätig sind, gegensätzlich vom Wetter beeinflusst werden und ein niedriges Ausfallrisiko vorzuweisen haben. 12.4.3.2 Wetter-Futures Ein weiterer Vertreter der unbedingten Termingeschäfte sind Futures bzw. Wetter- Futures, welche das börsengehandelte Pendant zu bilateral vereinbarten Wetter-Swaps sind und ebenfalls ein symmetrisches Auszahlungsprofil aufweisen. Sie werden an der Chicago Mercantile Exchange (CME) angeboten und gehandelt. Die Tatsache, dass Futures standardisiert sind und somit an der Börse gehandelt werden können, führt zur Eliminierung eines wesentlichen Nachteils: Durch den Kauf eines solchen Instruments muss kein passender Partner gefunden werden. Zusätzlich sind Futures unterschiedlich einsetzbar: Die Gegenpartei kann sich somit nicht nur gegen Wetterrisiken absichern, sondern auch auf bestimmte Wettersituationen spekulieren. Auch bei diesen Instrumenten gibt es sowohl Vorteile als auch Nachteile. Wetter- Futures sind börsengehandelte Swaps, was bedeutet, dass diese aufgrund ihrer Standardisierung jederzeit an den Börsen (CME) ge- und verkauft werden können. Diese Tatsache führt zu zwei weiteren Vorteilen: Mit dem Rückhalt der Börse kann das Ausfallrisiko bei solchen Produkten auf ein Minimum reduziert werden. Außerdem führt die Standardisierung zu einer kostengünstigen Absicherung gegen Wetterrisiken. Trotz aller Vorteile gibt es auch hier einige Nachteile: Die Standardisierung führt dazu, dass die geographische Lage, sowie die Situation eines Unternehmens bestimmt, ob es auf Futures zurückgreifen kann. Ferner erfolgt bei Futures, wie auch bei Swaps, eine Absicherung nur durch Angabe des Umsatzes. 12.4.3.3 Wetter-Optionen Wetter-Optionen sind den bedingten Termingeschäften zuzuordnen, bei denen der Käufer ein Recht erwirbt und dafür dem Verkäufer eine Prämie bezahlt. Der Käufer kann zu einem bestimmten Zeitpunkt und ab einem bestimmten Basiswertkurs die Option ausüben oder wertlos verfallen lassen. Bei Wetteroptionen, die schätzungsweise 75 % aller Wetterderivate ausmachen, wird die Grundstruktur durch einen Cap erweitert, welcher dafür sorgt, dass die Auszahlungen ein bestimmtes Niveau nicht überschreiten und somit den Anbieter solcher Derivate vor extremen Volatilitäten schützt. Der wichtigste Vorteil von Optionen im Bereich der Wetterderivate ist die Möglichkeit der vollständigen Absicherung gegen Wetterrisiken, ohne dabei die potentiellen Gewinne abzugeben. Dies führt nicht nur zu einem Rückgang des Risikos, sondern erhöht auch die Planungssicherheit des Käufers bzw. des Unternehmens. Des Weiteren ist auch das Auszahlungsprofil für den Käufer von Vorteil, da dieses asymmetrisch ist. Daraus ergibt sich, dass Chance und Risiko sich nicht im Verhältnis 1: 1 bewegen. Dies liegt daran, dass der Käufer eines solchen Instruments eine Option <?page no="293"?> Michael Bloss, Dietmar Ernst 293 und keine Verpflichtung erwirbt. Im schlimmsten Fall ist der Käufer abgesichert, indem dieser die Option ausübt. Im besten Fall kann der Käufer von der guten Wetterentwicklung profitieren und übt die Option nicht aus. Dies hat zur Folge, dass der maximale Verlust im Voraus bekannt und, in Höhe der Prämie, begrenzt ist. Die einzigen erkennbaren Nachteile sind, dass der Käufer zum einen nur durch die Zahlung einer Prämie am Aufwärtspotential partizipieren kann und diese schon zu Beginn des bedingten Termingeschäfts entrichtet werden muss. Zum anderen besteht auch die Möglichkeit, dass die an der Börse angebotenen, standardisierten Optionen nicht den Anforderungen bestimmter Unternehmen entsprechen und diese auf individuell ausgearbeitete Kontrakte zurückgreifen müssen, welche wiederum teurer sind. Auf den Punkt gebracht Zinsderivate, Rohstoffderivate und Wetterderivate sind interessante Instrumente, um eine Absicherung von Risiken bei EE-Projekten vorzunehmen. Mit Derivaten können Preisrisiken sowohl auf der Beschaffungsals auch auf der Absatzseite abgesichert werden. Der Markt bietet eine große Anzahl derivativer Finanzinstrumente, von standardisierten Produkten, die an den Börsen gehandelt werden, bis zu individuell gestalteten und für den Bedarf des Anwenders maßgeschneiderten Lösungen. Beim Einsatz derivativer Finanzinstrumente muss beachtet werden, dass diese nicht nur zur Absicherung, sondern auch zur Spekulation verwendet werden können. Je nach Finanzinstrument ist der Übergang fließend. Derivative Finanzinstrumente dürfen von Firmen in der Regel nur dann eingesetzt werden, wenn sie mit einem Grundgeschäft verbunden sind, d.h. ein Grundgeschäft absichern. Spekulative Finanzgeschäfte können bei entgegen laufenden Marktentwicklungen zu Zahlungen führen, die die Existenz des Unternehmens bedrohen. Daher ist die Auswahl derivativer Finanzinstrumente und Kenntnisse über das abzusichernde Basisobjekt von größter Bedeutung. Wir haben uns daher auf die Finanzprodukte konzentriert, die primär der Absicherung dienen. Literatur Becker H./ Bracht, A. (1999): Katastrophen- und Wetterderivate − Finanzinnovationen auf der Basis von Naturkatastrophen und Wettererscheinungen, Wien Bergschneider, C.(1999): Risikomanagement im Energiehandel: Grundlagen, Techniken und Absicherungsstrategien für den Einsatz von Derivaten, Stuttgart Bloss, M./ Ernst, D. (2008): Derivate: Handbuch für Finanzintermediäre und Investoren, München Bloss, M./ Ernst, D./ Fritsche, H./ Häcker, J./ Eil, N. (2009): Währungsderivate, Oldenbourg Verlag, München Bloss, M./ Ernst, D./ Häcker, J./ Sörensen, D. (2010): Financial Engineering, München <?page no="294"?> 294 12 Zinsderivate, Rohstoffderivate und Wetterderivate Bösch, M. (2012): Derivate: Verstehen, anwenden und bewerten, 2. Aufl., München Hee, C./ Hofmann, L. (2006): Wetterderivate. Grundlagen, Exposure, Anwendung und Bewertung, 1. Aufl., Wiesbaden Hull, J. (2012): Optionen, Futures, and andere Derivative, 8. Aufl., München Rieger, M. (2009): Optionen, Derivate und strukturierte Produkte: Ein Praxisbuch, Stuttgart Werner, E. (2000): Wetter als Börsenprodukt, Versicherungswirtschaft 55, Nr. 22 <?page no="295"?> Teil IV: Finanzierungsinstrumente für Erneuerbare- Energien-Projekte <?page no="297"?> 13 Geschlossene Fonds als Instrument zur Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Projekten Prof. Dr. Andreas Otterbach, Hochschule der Medien, Stuttgart Inhalt 13.1 Einleitung ................................................................................................................... 297 13.1.1 Begriff Geschlossene Fonds .................................................................................... 297 13.1.2 Vor- und Nachteile geschlossener Fonds .............................................................. 298 13.2 Erneuerbare Energien-Fonds (EE-Fonds) ............................................................ 300 13.3 Konstruktion eines geschlossenen EE-Fonds ...................................................... 304 13.4 Entwicklung der Finanzierung von EE-Fonds über geschlossene Fonds ........ 305 13.5 Vertrieb eines EE-Fonds ......................................................................................... 306 Literatur ...................................................................................................................... 309 Schlagwortliste Transparenz, EE-Fonds, Vertrieb von EE-Fonds Die Umstellung von fossilen und atomaren auf erneuerbare Energiequellen hat in Deutschland einen sehr hohen Stellenwert. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion wird in den kommenden Jahrzehnten kontinuierlich ansteigen. Bis zum Jahr 2050 soll er in Deutschland bei etwa 80 Prozent liegen 144 . Wie diese Energieversorgung aktuell und künftig sichergestellt werden kann, ist dabei ein wichtiger Punkt. In diesem Kapitel soll die Finanzierung über geschlossene Fonds beleuchtet werden. 13.1 Einleitung 13.1.1 Begriff Geschlossene Fonds Seit vielen Jahrzehnten sind geschlossene Fonds eine spezielle Art der Finanzierung von Großprojekten oder Objekten. Aus Anlegersicht sind sie ebenfalls eine attraktive Möglichkeit, Gelder langfristig anzulegen. Bei einem geschlossenen Fonds wird das Kapital von mehreren Anlegern gebündelt, um gemeinsam ein Wirtschaftsgut zu finanzieren, was durch einen einzelnen Anleger nicht möglich wäre. Somit haben auch Kleinanleger die Möglichkeit, mit entsprechend kleinen Losgrößen an großen Projekten zu partizipieren. Die Beteiligungssummen beginnen bereits bei 10.000 €. Dies be- 144 Vgl. Kemfert/ Schäfer (2012) <?page no="298"?> 298 13 Geschlossene Fonds als Instrument zur Finanzierung deutet aber auch, dass sich an einem einzelnen geschlossenen Fonds etliche hundert, wenn nicht sogar über tausend Anleger beteiligen. Aus organisatorischen und steuerrechtlichen Gründen sind geschlossene Fonds in der Regel als GmbH und Co. KG organisiert. Damit ist ein Investor steuerlich und haftungsrechtlich aufgrund seiner Eigenschaft als Kommanditist ein Mitunternehmer. Damit der Verwaltungsaufwand in vertretbaren Grenzen bleibt, wird häufig ein Treuhänder zwischengeschaltet. Er übt die Rechte der Gesellschafter nach deren Weisung aus, falls sie dies nicht selbst in einer Gesellschafterversammlung tun. Geschlossene Fonds sind zeitlich befristet, wobei der Anlagehorizont insbesondere bei Immobilienfonds oft fünfzehn Jahre und mehr beträgt. Offene Fonds sind hingegen weder in der Anlagenhöhe noch im Anlagenhorizont begrenzt. Die Konzeption eines geschlossenen Fonds wird von einem Emissionshaus übernommen. Spezialisten sorgen für eine Auswahl geeigneter Fondsobjekte, sie konzipieren die Fonds und organisieren den Vertrieb. Klassische Fondsobjekte sind Immobilien und Schiffe, die in den letzten 20 Jahren um die Anlagenklassen Flugzeuge und andere Mobilien sowie erneuerbare Energien ergänzt wurden. Daneben sind diverse Exoten verbreitet, zum Beispiel Fonds für aktuell laufende Lebensversicherungen. 13.1.2 Vor- und Nachteile geschlossener Fonds Aus Anlegersicht sprechen vor allem folgende Argumente für geschlossene Fonds: Börsenunabhängige Anlageklasse Geschlossene Fonds sind unabhängig von Kursschwankungen. Da sie nicht an der Börse gehandelt werden, ist für ihren Erfolg entscheidend, inwieweit sie über die Laufzeit hinweg die prognostizierten Erträge erreicht haben. Transparenz Die wichtigsten Informationen über das Wesen und die Rentabilität eines Fonds sind im Fondsprospekt zu lesen. Dieser wird formal, nicht inhaltlich, von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geprüft und genehmigt. Die meisten Emissionshäuser für geschlossene Fonds geben außerdem ein Gutachten eines Wirtschaftsprüfers sowie ein externes Rating in Auftrag. Dadurch hat der Anleger eine hohe Transparenz über einen geschlossenen Fonds. Erträge Es liegt in der Natur geschlossener Fonds, dass sie über längere Zeit Erträge erwirtschaften, die den Anlegern zu Gute kommen. Zum Schluss der Laufzeit wird in der Regel das Investitionsobjekt verkauft, wodurch ein weiterer Zufluss entsteht. Bei erneuerbaren Energien wechseln die Rückflüsse jedoch speziell in der Anfangsphase, da eine zu erwartende Produktionsleistung mit einer häufig schon feststehenden Einspeisevergütung verrechnet wird. Hohe Sicherheit der prognostizierten Rendite Die prognostizierten Renditen werden tatsächlich bei vielen geschlossenen Fonds nicht erreicht. In der Anlagegattung erneuerbare Energien gibt es jedoch Anhaltspunkte, die <?page no="299"?> Andreas Otterbach 299 für eine höhere Eintrittswahrscheinlichkeit sprechen. Allen Fonds ist nämlich gemeinsam, dass die Anlageobjekte Strom produzieren, der am Markt zu einem teilweise vorher festgelegten Preis verkauft werden kann. Ein Preisrisiko bestand also in der Vergangenheit kaum, trotzdem erreichen viele Windparkprojekte auf Grund zu optimistischer Annahmen über die Windstärke nicht die prospektierten Rückflüsse. 145 Hat man beispielsweise einen Fotovoltaikfonds in Deutschland gekauft, so werden die Rückflüsse des erzeugten Solarstroms durch eine gesetzlich festgelegte Einspeisevergütung bestimmt. Durch die staatliche Abnahmegarantie für den Strom bestand also im Gegensatz zu den meisten anderen geschlossenen Fonds in der Vergangenheit ein sehr geringes Ertragsrisiko. Die relativ hohe Ertragssicherheit bei EE-Fonds wird durch eine mittlere Rendite erkauft, die zumeist nach oben hin keinen Spielraum wie bei Schiffs- oder Immobilienfonds zulässt. In Zukunft werden jedoch neben der klassischen Einspeisevergütung die Direktvermarktung nach EEG oder auch die sonstige Direktvermarktung eine wichtigere Rolle spielen. Das bedeutet, dass die Betreiber von EE-Anlagen zukünftig stärker Marktrisiken ausgesetzt sein werden als in der Vergangenheit. Inflationsschutz Üblicherweise gilt: die Anlageobjekte in geschlossenen Fonds sind Sachwerte. Anleger sollten bei den Erträgen und beim Veräußerungserlös von künftigen Wertsteigerungen profitieren. Gibt es keine langfristige Bindung an eine bestimmte Einspeisevergütung, so kann ein Investitionsobjekt im Bereich der erneuerbaren Energien auch von steigenden Erzeugerpreisen profitieren. Das setzt allerdings steigende Strompreise voraus. Der Veräußerungserlös hingegen ist stärker noch als bei Immobilienprojekten davon abhängig, wie der technische Stand zum Ende der Laufzeit sein wird. Erbringt beispielsweise ein Solarmodul nach 20 Jahren Einsatz immer noch 80 % seiner ursprünglichen Leistung, aber gleichzeitig wurden wesentlich effizientere Module entwickelt, so dürfte ein möglicher Restwert sehr gering ausfallen. Findet der technische Fortschritt hingegen nicht oder nur unmerklich statt, kann man auch zum Schluss der Laufzeit noch mit einem attraktiven Rückfluss rechnen Aus Sicht der Projektentwickler, die EE-Projekte mittels geschlossener Fonds finanzieren, sind vor allem folgende Charakteristika von geschlossenen Fonds interessant: Niedriger Verwaltungsaufwand Die Verwaltung von geschlossenen Fonds wird von den Emissionshäusern oder angeschlossenen Tochtergesellschaften übernommen. Dadurch hat der Investor einen deutlich geringeren Verwaltungsaufwand, als wenn er dies selbst erledigen müsste. Hier gibt es keine Unterschiede zwischen einzelnen Vorprodukten − der Verwaltungsaufwand wird dem Anleger immer abgenommen. 145 Vgl. Daldorf, W. (2013) <?page no="300"?> 300 13 Geschlossene Fonds als Instrument zur Finanzierung Die Nachteile geschlossener Fonds liegen aus Investorensicht vor allem in folgenden Punkten: Fehlende oder mangelnde Fungibilität Geschlossene Fonds sind in der Regel nicht mit einem Verkaufsrecht der Laufzeit ausgestattet und können nur verkauft werden, wenn sich dafür ein Käufer findet. Ein Zweitmarkt, die Fondsbörse Deutschland Beteiligungsmakler AG, ermöglicht es jedoch, diese Lücke zu schließen. Der Anleger muss allerdings im Zweifel hohe Abschläge hinnehmen, die dem tatsächlichen Wertverlust nicht entsprechen. Unsicherheit der Renditeprognosen Die Renditeprognosen für geschlossene Fonds können oft wegen unterschiedlicher Einflussfaktoren nicht aufrecht erhalten werden. Die Prognosen werden aufgrund von Annahmen getroffen, die vor dem Start der Fondslaufzeit als wahrscheinlich gelten. Gerade bei langen Laufzeiten von geschlossenen Fonds unterliegen die Annahmen aber naturgemäß unvorhergesehenen Einflüssen. Sie reichen von fehlerhaften Annahmen über die Ertragshöhe über zu niedrig angesetzte Kostenbestandteile bis hin zum Totalausfall des Betreibers. Mithin ist es selbst bei staatlich garantierten Zahlungen wie zum Beispiel Einspeisevergütungen oder Mieten nicht hundertprozentig möglich, eine bestimmte Rendite mit hoher Wahrscheinlichkeit zu prognostizieren. Aus Sicht der Projektentwickler sprechen folgende Merkmale geschlossener Fonds gegen eine Finanzierung von Projekten mit diesem Instrument: Finanzierungslücke bis zum Start der Fondslaufzeit Das Hauptproblem eines geschlossenen Fonds ist für den Projektentwickler, dass Gelder bereits vor Beginn der Fondslaufzeit benötigt werden, zum Beispiel für diverse Gutachten, ihr eigenes Gehalt oder den Due Diligence Prozess (rechtliche, technische, wirtschaftliche Prüfung des EE-Vorhabens). Kapital wird über einen geschlossenen Fonds üblicherweise eingeworben, wenn dieser Teil des Projektes abgeschlossen ist. Die Überbrückung dieser Finanzierungslücke stellt gerade bei kapitalschwachen Projektentwicklern ein Problem dar, das nicht immer mit einer Zwischenfinanzierung durch eine Bank gelöst werden kann. Anleger möchten im Fondsprospekt bereits die Fakten kennen, die sie zu einer Beteiligung führen könnten. Die Erstellung des Prospektes erfordert allerdings, dass viele kostenpflichtige Schritte bereits erledigt wurden. 13.2 Erneuerbare Energien-Fonds (EE-Fonds) Das gestiegene Umweltbewusstsein der Bevölkerung, aber auch attraktive Renditen und eine hohe Ertragssicherheit haben in den letzten Jahren zu einem starken Aufschwung von Fonds in erneuerbare Energien geführt. Die Knappheit fossiler Brennstoffe wie Erdöl oder Erdgas verstärken die Nachfrage nach erneuerbaren Energien, wodurch auch der Fondsmarkt begünstigt wird. Bei geschlossenen Fonds im Bereich erneuerbarer Energien haben wir es mit folgenden Fondsgattungen zu tun: <?page no="301"?> Andreas Otterbach 301 Fotovoltaik Fotovoltaikanlagen nutzen das Sonnenlicht zur Herstellung elektrischer Energie, die schließlich in den Stromkreislauf eingespeist wird. Die Regierungen vieler Länder unterstützen Fotovoltaikanlagen, in dem Sie den damit produzierten Strom subventionieren. In Deutschland ist dies durch das Gesetz für Erneuerbare Energien (EEG) geregelt. In den Anfangsjahren dieses subventionierten Stroms war es sehr attraktiv, in Fotovoltaikanlagen zu investieren, sei es direkt oder über eine Fondslösung. Allerdings hängt die Attraktivität einer solchen Anlage in besonderem Maße von der Höhe der staatlichen Förderung ab. In Deutschland wurde diese Förderung seit 2004 sukzessive zurückgenommen, wodurch Fotovoltaikfonds hierzulande heute für die meisten Anleger nicht mehr attraktiv sind. Die Leistungsfähigkeit von Fotovoltaikanlagen und die damit verbundene Rendite ist auch abhängig von der so genannten Globalstrahlung also der Anzahl der Sonnenstunden, die am Standort der Anlage auf die Erde in einem durchschnittlichen Jahr trifft. In Deutschland liegt die Globalstrahlung naturgemäß deutlich niedriger als in Ländern wie Italien, Spanien oder Südosteuropa. Aufgrund der mittlerweile unattraktiv gewordenen Renditen ist die Emission von Fotovoltaikfonds deutlich zurückgegangen. Zum Redaktionsschluss (Juni 2014) gab es von deutschen Emissionshäusern lediglich einen einzigen davon. Windkraft Was bei Fotovoltaikanlagen die Sonne ist, ist bei Windkraftanlagen der Wind. Mit ihm werden die riesigen Windräder angetrieben, die mittlerweile überall in Deutschland und auch in anderen Ländern zu finden sind. Anders jedoch als bei solargetriebenen Anlagen, wurde die Einspeisevergütung in den letzten Jahren vergleichsweise geringfügig zurückgesetzt. Windkraftanlagen haben einen weiteren Vorteil gegenüber ihren solargetriebenen Nachbarn: mit ihnen lässt sich auch nachts oder während des strahlungsarmen Winter Geld verdienen. Insofern sind Gegenden, in denen im Durchschnitt ein starker Wind bläst, besonders bevorzugt. Um das Jahr 2000 wurden die ersten Windkraftfonds aufgelegt. Zu der damaligen Zeit war allerdings die Technik noch nicht hinreichend ausgereift, so dass zahlreiche Generatoren ausfielen. Auch waren die Windgutachten, die der Rentabilitätsrechnung zu Grunde lagen, zu optimistisch. Einige Fonds, die zu einem beträchtlichen Teil kreditfinanziert waren, mussten wegen der hohen zusätzlichen Kosten sogar Insolvenz anmelden. Nachdem nun sowohl die Technologie als auch die Planungsrechnungen mehr Zuverlässigkeit versprechen, haben Windkraftfonds deutlich an Attraktivität zugenommen. Im Gegensatz zu Fotovoltaikfonds stehen Windkraftfonds im Moment nicht auf dem Abstellgleis; diverse Emissionshäuser bieten diese immer wieder an 146 . 146 Vgl. http: / / www.manager-magazin.de/ finanzen/ artikel/ windkraftanlagen-geschlossene-fondsentdecken-die-nische-neu-a-935687-2.html (Abruf vom 1.7.2014) <?page no="302"?> 302 13 Geschlossene Fonds als Instrument zur Finanzierung Wasserkraft Bei Wasserkraftwerken wird Strom erzeugt, indem aus der Bewegungsenergie des fließenden Wassers mechanische Energie erzeugt wird. Dabei wird bei Pumpspeicherkraftwerken zunächst eine Stauanlage auf einem höher gelegenen Plateau eingerichtet. Das abfließende Wasser überträgt seine Bewegungsenergie über eine Turbine auf ein Getriebe oder einen elektrischen Generator und schließlich elektrischer Strom erzeugt wird. Dieser kann über ein Umspannwerk in das Stromnetz eingespeist werden. Bei Laufwasserkraftwerken hingegen wird die ständige Bewegung eines Fließgewässers genutzt. Wasserkraftanlagen haben in zweierlei Hinsicht einen Sonderstatus bei den erneuerbaren Energien: zunächst einmal sind sie keine neue Erfindung - die ersten Kraftwerke wurden bereits vor über 100 Jahren gebaut. Außerdem sind sie neben Biomasse / Biogas die einzige regenerative Energiequelle, die sowohl grundlastfähige Energie produziert als auch, bei Pumpspeicherkraftwerken, flexibel die Fluktuation von Windkraft- und Fotovoltaikanlagen ausgleichen kann. Auch wenn die Errichtung einer Wasserkraftanlage über die negativen Auswirkungen des erforderlichen Staubeckens bzw. des Eingriffs in ein Fließgewässer (Umsiedlung, Zerstörung der Landschaft, ökologische Konsequenzen) nicht ganz unumstritten ist, wird ihre Bedeutung in Zukunft, vor allem außerhalb Deutschlands, weiter wachsen. Da es in Deutschland derzeit keine nennenswerten neuen Wasserkraftprojekte gibt, sind auch die einschlägigen Fonds im Ausland zu finden. Biogasanlagen Biogasanlagen nutzen die Sonnenenergie, die in Pflanzen gespeichert ist. Das Biogas wird dabei produziert, indem Energiepflanzen oder Abfallstoffe aus der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, der Nahrungsmittelindustrie oder auch der Landschaftspflege verarbeitet werden. Die Biomasse wird in der Regel mit Gülle in einem Fermenter „angesetzt“. Die biochemische Reaktion zwischen der Biomasse und den Mikroorganismen aus der Gülle produziert über mehrere Zwischenschritte Methangas. Über einen Verbrennungsmotor kann dieses schließlich in Strom konvertiert und damit wirtschaftlich nutzbar gemacht werden oder als Erdgassubstitut im Wärmemarkt Verwendung finden. Fonds mit Biogasanlagen sind in Deutschland wie auch im Ausland verbreitet. Aufgrund der nicht akzeptablen Rentabilität wurden allerdings einige Anlagen bereits stillgelegt. Betreibergesellschaften sind bereits in die Insolvenz gegangen 147 . Damit haben Biogasanlagen als Fondsobjekt im Moment keinen guten Stand. Wald Beteiligungsmodelle in Wald haben unterschiedliche Hintergründe: die vom Fonds erworbenen Nutzflächen können aufgeforstet werden und tragen damit zur Erhaltung des einheimischen Baumbestands bei. Sie schaffen in wirtschaftlich schwächer entwickelten Ländern sogar Arbeitsplätze für Kleinbauern, die für die Selbstversorgung oder 147 Vgl. http: / / www.kreiszeitung.de/ lokales/ diepholz/ zwei-biogas-fonds-insolvenz-biogas-anlagenallein-nordkreis-diepholz-2779560.html <?page no="303"?> Andreas Otterbach 303 den Verkauf weitere Nutzpflanzen anbauen können. Zusätzlich können Lebensräume für geschützte Tiere und Pflanzen erhalten werden. Ebenso ist eine biologische Schädlingskontrolle möglich. Mithin kann die Nutzung von forstwirtschaftlichen Grundstücken sehr nachhaltig gestaltet werden. Darüber hinaus kann während der Wachstumsphase Kohlendioxid in den Baumstämmen gebunden werden. Die Schaffung von CO 2- Zertifikaten ist somit eine zusätzliche Einnahmequelle. Aufgrund der infrage kommenden Waldprojekte liegt der Schwerpunkt bei Waldfonds in tropischen Regionen wie auch in den gesamten Vereinigten Staaten. Blockheizkraftwerk Ein Blockheizkraftwerk nutzt das Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung. Grundlage ist die Auskopplung von Nutzwärme, speziell aus der Stromerzeugung mit Brennstoffen wie Diesel, Pflanzenöl oder Gas. Hierbei werden gleichzeitig mechanische Energie - die direkt in Strom umgewandelt wird - und Wärme zum Heizen oder für die Produktion erzeugt. Die Abwärme der Stromerzeugung kann also direkt am Ort der Entstehung genutzt werden. Der Gesamtnutzungsgrad ist damit höher als bei einer traditionellen Verbindung von lokaler Heizung und einem zentralen Kraftwerk. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass Blockheizkraftwerke nur zu erneuerbaren Energien gezählt werden können, wenn sie mit Pflanzenöl oder Biomethan betrieben werden. Als Neuprojekte haben diese einen unbedeutenden Anteil. Bei Fonds mit Blockheizkraftwerken werden aufgrund des erforderlichen Mindestvolumens von einigen Millionen Euro mehrere Objekte zusammengefasst. Sie versprechen eine attraktive Rendite. Allerdings gibt es diese Anlagegattung noch nicht sehr lange auf dem Markt. Aufgrund der fehlenden Erfahrungswerte bleibt eine Bewertung also erst einmal abzuwarten. Offene EE-Fonds Neben den geschlossenen Fonds sind offene EE-Fonds eine weitere Anlageklasse. Diese werden bei einer Kapitalanlage- oder Investmentgesellschaft geführt und sind klassische Investmentfonds. Die Investmentgesellschaft kauft für das eingezahlte Fondsvermögen der Anleger an der Börse Aktien. Sie kann für einen Fonds quasi unbegrenzt Fondsanteile herausgeben, die in kleinen Anlagebeträgen erworben und zum Tageskurs verkauft werden können. Dadurch bieten sie eine höhere Flexibilität als die geschlossenen Fonds. Die Fondsgesellschaft legt für jeden Investmentfonds spezielle Richtlinien fest, nach denen nur bestimmte Aktien hineingekauft werden dürfen. Bei EE-Investmentfonds geht es entsprechend um die Beteiligung an Aktiengesellschaften, die Energiequellen mit Umwelttechnologien herstellen. Beispiele sind hierfür der SAM Smart Energy Fund oder der INVESCO Umwelttechnologie Fonds. <?page no="304"?> 304 13 Geschlossene Fonds als Instrument zur Finanzierung 13.3 Konstruktion eines geschlossenen EE-Fonds Abb. 57: Konstruktion eines geschlossenen Fonds. Vertragsbeziehungen und anlagebezogene Geldflüsse. Quelle: http: / / www.vgf-online.de/ rund-um-fonds/ konstruktion-einesgeschlossenen-fonds.html (Abruf vom 9.1.2014) Typischerweise wird ein geschlossener Fonds von einem Emissionshaus initiiert. Abhängig von den Schwerpunkten und der Expertise des Emissionshauses, werden geeignete Fonds-Objekte ausgewählt und auf ihre Eignung hin bewertet. Bei einem Solarfonds werden beispielsweise die Kosten für Standort, Module und Wechselrichter der langjährigen durchschnittlichen Globalstrahlung und Einspeisevergütung gegenüberstellt. Mögliche Risiken − im Falle eines Solarfonds zum Beispiel die Beschaffenheit des Bodens − werden bei der Bewertung mit einbezogen. Entscheidet sich das Emissionshaus sich für ein Fondsobjekt, wird eine individuelle Fondsgesellschaft gegründet, häufig eine Kommanditgesellschaft. Über diese werden nun künftig die Zahlungen rund um den Fonds abgewickelt. In einem Finanzierungsplan werden die erforderlichen Investitionen und sonstigen Ausgaben eingearbeitet, woraus sich der hauptsächliche Finanzierungsbedarf ergibt. Weitere Kostenbestandteile sind Kosten für Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, außerdem sind die Vertriebskosten (Provisionen) mit einzuberechnen. Dienstleistungsvertrag [z.B. Mittelverwendungskontrolle] Zur Konstruktion eines geschlossenen Fonds: Vertragsbeziehungen & anlagebezogene Geldflüsse Vertragsbeziehungen Angebotsbezogene Geldflüsse Wirtschaftsprüfer / Rechtsanwälte Kreditinstitute/ Banken Treuhänder Emissionshaus [Initiator] Anleger [Kommanditist] Gesellschaftsvertrag Treuhandvertrag versch. Verträge [je nach Objekt z.B. Miet-, Charterverträge, etc.] Fondsobjekt Geschäftsbesorgungsvertrag Kreditvertrag Fondsgesellschaft [Emittent] <?page no="305"?> Andreas Otterbach 305 Die Finanzierung wird aus steuerlichen Gründen und zur Erhöhung der Eigenkapitalrendite über den Leverage-Effekt typischerweise mit einem bestimmten Anteil an Fremdkapital durchgeführt, das von Banken gewährt wird. Der restliche Finanzierungsanteil ist schließlich das Eigenkapital, das über Anteile an der Fondsgesellschaft vertrieben wird. Neben der Möglichkeit, dass Anleger direkt als Kommanditisten an einer Fondsgesellschaft beteiligt sind, kann auch ein Treuhänder zwischengeschaltet werden, der für alle Anleger die Einlagen bündelt und verwaltet. 13.4 Entwicklung der Finanzierung von EE-Fonds über geschlossene Fonds Um den Finanzierungsbedarf an Projekten in erneuerbare Energien abschätzen zu können, hilft ein Blick in die bisherigen und prognostizierten Investitionen. Laut einer Studie von Kemfert und Schäfer 148 liegen die Investitionen für 2014 und auch in den folgenden Jahren bei jährlich ca. 16 Mrd. Euro. Betrachtet man das Volumen der verschiedenen Arten von erneuerbaren Energien, so erleben wir zwischen 2000 und 2050 deutliche Verschiebungen. Nach dem Boom der Photovoltaikanlagen um das Jahr 2010 verliert diese Erzeugungsart sehr an Bedeutung. Hingegen werden Sonnenkollektoren, Geothermie und auch Windkraft relativ immer wichtiger, auch wenn die absolute Investitionshöhe gerade für die ersten beiden gering bleibt. Die Nachfrage nach anderen Stromquellen wie Biomasse oder Biogas dürften hingegen eher gleichbleiben. Durch das EEG 2014 wird bei Biogas sogar eher ein Rückgang der Investitionen erwartet. Nach dieser Rückschau und Prognose verteilen sich die Investitionen auf folgende Arten von erneuerbaren Energien (in Millionen Euro): Jahr Wasser Wind Photovoltaik Kollektoren Biomasse Biogas/ Kraft- Wärme kopplung Geothermie Sonstige Summe 2000 90 2145 264 514 950 480 0 60 4503 2005 96 2179 4077 714 1626 1051 0 145 9888 2010 87 2666 23800 827 1625 1256 40 1280 31581 2011 88 2754 15000 1056 1713 1129 77 1351 23168 2012 101 3001 9240 1280 1627 1070 105 1390 17814 2013 114 3250 7200 1494 1722 1017 130 1429 16356 2014 128 3680 6270 1672 1831 1093 162 1449 16285 2015 142 4148 5490 1814 1918 1019 198 1468 16197 2020 195 6204 3048 1866 1536 552 496 2467 16364 148 Vgl. Kemfert/ Schäfer (2012) <?page no="306"?> 306 13 Geschlossene Fonds als Instrument zur Finanzierung Jahr Wasser Wind Photovoltaik Kollektoren Biomasse Biogas/ Kraft- Wärme kopplung Geothermie Sonstige Summe 2020 - 2050 (jährl. Durchschnitt) 316 4888 2749 2880 1401 1418 989 4904 19545 Tab. 11: Investitionen in erneuerbare Energien von 2000 - 2050 in Deutschland (Mio. Euro) (Quelle: Kemfert, Claudia; Schäfer, Dorothea: Finanzierung der Energiewende in Zeiten großer Finanzmarktinstabilität, in: DIW Wochenbericht Nr. 31/ 2012, S. 4) An diesen Zahlen kann der voraussichtliche Bedarf an Neuinvestitionen abgelesen werden. Er stellt das gesamte Potenzial für geschlossen Fonds dar. Allerdings wird nur ein kleiner Teil der EE-Projekte über geschlossene Fonds finanziert. Wenn man die Zahlen aus Tab. 11 und Abb. 58 für 2012 gegenüberstellt, ergibt sich ein Anteil der geschlossenen Fonds am EE-Gesamtfinanzierungsvolumen in Deutschland von etwa 8 %. Betrachtet man die Entwicklung der Investitionen der letzten Jahre, so lässt sich eine parallele Entwicklung der Fonds feststellen. Abb. 58: Energiefonds in Deutschland - Eigenkapital und Fondsvolumen (Mio. Euro). Quelle: Verband Geschlossener Fonds (VGF), VGF Branchenzahlen Geschlossene Fonds 2012, Berlin 2013, S. 17 13.5 Vertrieb eines EE-Fonds So wie andere geschlossene Fonds auch, werden Fonds in erneuerbaren Energien in erster Linie über Vermittler vertrieben. Die mit Abstand größte Bedeutung kommt hierbei Banken und Sparkassen zu. Sie haben aufgrund ihrer guten Marktstellung so- 319 217 253 321 246 221 547 832 637 723 590 494 641 252 365 331 897 1.463 879 723 909 711 893 573 611 552 1.444 2.295 1.516 1.446 0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Eigenkapital Fremdkapital <?page no="307"?> Andreas Otterbach 307 wohl die Schlagkraft als auch das Vertrauen der Kunden, diesen gegenüber Fonds als Beimischung der Geldanlage zu empfehlen. Die zweite Gruppe, über die geschlossene Fonds vertrieben werden, sind freie Vermittler. Hierzu zählen Vertriebsorganisationen wie MLP oder HW Hanse Invest, die teilweise deutschlandweit Privatkunden bei der Geldanlage beraten, wie auch „Einzelkämpfer“. Nach dem Wertpapierhandelsgesetz, auf das sich die Vermittlung von geschlossenen Fonds analog bezieht, müssen Banken ihre Kunden bei der Empfehlung von Anlagen über das Risiko aufklären. Dazu ist ein spezielles Formular vom Bankberater auszufüllen. Grundsätzlich übernimmt das Emissionshaus die Prospekthaftung, also die Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der über vor Anlage gemachten Angaben. Trifft die Anlage in einem geschlossenen Fonds allerdings nicht die Anlageziele eines Kunden, und wurde dieser über die möglichen Risiken durch den Vermittler nicht aufgeklärt, hat er einen recht auf Schadenersatz. Die kritischen Fälle beziehen sich in der Regel auf fehlende Hinweise auf den möglichen Ausfall oder eine mögliche Minderung der prospektierten Rückflüsse. Es kann aber auch der nicht angemessene Zeithorizont sein, wenn zum Beispiel einer 90-jährigen Anlegerin ein geschlossener Fonds mit zwanzigjähriger Laufzeit ohne Ausstiegsklausel empfohlen wird. Folgende Risiken können bei geschlossenen Fonds auftreten: Prognosegefährdende Risiken Bei prognosegefährdenden Risiken geht es darum, dass die prospektierten Rückflüsse später oder in einer geringeren Höhe kommen. Kalkulationen der Rückflüsse können überzogen sein, wenn etwa bei einem Solarfonds die Höhe der Globalstrahlung falsch angesetzt wurde oder von einer unzutreffenden Einspeisevergütung ausgegangen wurde. Vor Errichtung der Anlage werden für die am Markt zu erwerbenden Komponenten Kaufpreise prognostiziert. Sind diese am Markt aktuell nicht zu erwerben, oder die Preise bis zum Erwerb gestiegen, so wirkt sich dies nachteilig auf die Kosten aus. Weitere unzutreffend geschätzte Kosten, zum Beispiel für Dienstleister, können ebenfalls die Planungsrechnungen verschlechtern. Neben dem Beteiligungskapital, das typischerweise in Form von Eigenkapital eingeworben wird, spielt auch zusätzliches Fremdkapital eine Rolle. Geschlossene Fonds sind typischerweise mit einem Fremdkapitalanteil von 50 - 80 % finanziert. Sind die Zinsen hierfür noch nicht fixiert und kommt es nach Drucklegung des Prospektes zu einer Zinserhöhung, so kann dies ebenfalls die Gesamtkosten erhöhen. Auch können der Ausfall eines Fremdkapitalgebers und der damit verbundene Zwang, einen anderen zu finden, mit höheren Kosten verbunden sein. Der prognostizierte Rückkaufswert der Anlage zum Laufzeitende hängt vom dann geltenden Marktpreis ab. Ist dieser aufgrund eines zwischenzeitlich eingetretenen Technologiesprungs oder eines deutlichen Nachfragerückgangs überhaupt nicht mehr zu erreichen oder deutlich niedriger, fällt dieser Teil der Planungsrechnung niedriger aus. Solarmodule haben beispielsweise in den letzten Jahren einen stetig wachsenden Wirkungsgrad erzielt. Auch ist denkbar, dass es nach 20 Jahren eine komplett neue, noch effizientere Technologie gibt, die die alte ablöst. <?page no="308"?> 308 13 Geschlossene Fonds als Instrument zur Finanzierung Bei Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien geht man davon aus, dass sie an einem bestimmten Zeitpunkt in Betrieb genommen werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Inbetriebnahme verzögert - die Gründe hierfür sind vielfältig - so dass auch der Startzeitpunkt der Rückflüsse später liegt. Ist eine Anlage einmal in Betrieb, so ist nicht sicher, ob über die komplette Laufzeit die prognostizierten Betriebsstunden erreicht werden. Es kann zu Zeiten des Stillstands kommen, wenn zum Beispiel ein Rotorblatt einer Windkraftanlage defekt ist oder wenn Solarmodule, die an einem Hang installiert sind, abrutschen. Für die Inbetriebnahme einer stromerzeugenden Anlage sind auch immer Genehmigungen öffentlicher Stellen erforderlich. Die Genehmigungsphase kann sich teilweise deutlich verzögern. Besonders im Ausland können unerwartete Schwierigkeiten auftreten, die den gesamten Prozess sehr nachteilig verzögern. Hinzu kommt, dass durch eine solche Verzögerung weiteres Kapital notwendig wird, so dass nicht nur auf der Seite der Rückflüsse eine Lücke entsteht, sondern ebenso zusätzliche Kosten durch das benötigte Fremdkapital auftreten. Anlagegefährdende Risiken Anlagegefährdende Risiken bedrohen den Rückfluss des gesamten Objektes. Hierbei kann es zum Totalverlust kommen. Geschlossene Fonds unterliegen wie andere Beteiligungformen dem Risiko, dass das Investment komplett verloren ist. Es gibt keinen Einlagensicherungsfonds wie beispielsweise für bestimmte Bankanlagen. Bei einer schlechten wirtschaftlichen Entwicklung oder auch vorsätzlich begangenem, kriminellen Verhalten der Initiatoren ist ein Totalverlust denkbar. Im Bereich der EE Fonds sind Insolvenzen zum Beispiel beim Biogasanlagenfonds BiGa III bereits vorgekommen. 149 Mit betrügerischen Machenschaften mit Immobilienfonds machten zuletzt die S & K-Unternehmensgründer Schäfer und Köller auf sich aufmerksam. Ganz ausschließen kann man solche Fälle nicht, allerdings ermöglicht eine sorgfältige Prüfung des Bauprojekts und des Emissionshauses, sich vor allzu ungünstigen Entwicklungen zu schützen. Es ist nicht üblich, dass Emissionshäuser geschlossener Fonds selbst an Endkunden verkaufen. Dies ist nur ausnahmsweise der Fall, wenn es sich um einen Großkunden handelt. Vermittler erhalten eine Provision, die sich üblicherweise auf das vermittelte Eigenkapital bezieht. Sie liegt je nach Ausgestaltung bei ca. 7 - 10 % des vermittelten Eigenkapitals. Beim Vertrieb von geschlossenen Fonds ist es hilfreich, wenn die potentiellen Anleger mit dem Anlageobjekt vorab in Berührung kommen können. Bei Fonds im Bereich der erneuerbaren Energien ist dies zum Beispiel der Fall, wenn eine Fahrt zum Objekt selbst (wenn dieses bereits fertig gestellt ist) mit einem attraktiven Rahmenprogramm durchgeführt wird. Ebenso ist es denkbar, dass eine Informationsveranstaltung über die Fondsgattung zusammen mit den Emittenten und eventuell einem Spezialisten stattfindet. Kombiniert man zum Beispiel die Fahrt zu einem Blockheizkraftwerk mit einem interessanten Vortrag des Emittenten und einem Professor für Maschinenbau, 149 Vgl. o. V. (2014) <?page no="309"?> Andreas Otterbach 309 so dürfte das Interesse der potentiellen Investoren deutlich höher sein, als wenn sie nur in der Bank über eine entsprechende Anlage beraten werden. Neben dem Erstverkauf zum Emissionszeitpunkt gibt es auch bei geschlossenen Fonds wie bei börsengehandelten Wertpapieren einen Zweitmarkt. Trotz des vorab bekannten, teilweise sehr langfristigen Anlagehorizonts kann es passieren, dass Anleger vorzeitig Liquidität benötigen. Für diesen Fall gibt es eine Zweitmarktbörse für geschlossene Fonds, wo mit einem Abschlag Fonds mit einer bestimmten Restlaufzeit verkauft werden können. Die Preisbildung am Zweitmarkt findet durch die Gegenüberstellung von Angebot und Nachfrage statt. In Zeiten schwacher Nachfrage muss ein Anleger damit rechnen, dass er entweder gar keinen Abnehmer findet bzw. einen hohen Abschlag hinzunehmen hat. Umgekehrt sind in Zeiten hoher Nachfrage sogar Gewinne, d.h. Verkaufserlöse über dem Anschaffungspreis denkbar. Da Fonds in erneuerbaren Energien in der Regel keinen starken Preisschwankungen während der Laufzeit unterliegen, ist vom zweitgenannten Fall eher nicht auszugehen. Auf den Punkt gebracht Erneuerbare Energien haben in den letzten Jahren als Energiequelle stark an Bedeutung gewonnen. Sowohl das gestiegene Umweltbewusstsein als auch die Begrenztheit der traditionell verwendeten, fossilen Brennstoffe, sind die Hauptgründe hierfür. Während die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen wegen sinkender Einspeisevergütungen bereits deutlich zurückgegangen ist, dürften vor Allem Windkraftanlagen weiterhin gut gefragt sein. Industrielle Großprojekte, um erneuerbare Energien nutzbar zu machen, erfordern allerdings hohe finanzielle Ressourcen. Dabei spielt auch die Finanzierung durch geschlossene Fonds eine Rolle. Ungefähr 8 Prozent aller EE-Projekte werden derzeit über diese Variante finanziert. EE-Fonds stellen Anlegern eine vergleichsweise hohe Rendite in Aussicht. Gleichwohl sind auch die Risiken höher als bei den meisten festverzinslichen Anlagen. Der Beitrag beschreibt den Markt für die Finanzierung von EE-Projekten über geschlossene Fonds mit seinen Chancen und Risiken. Literatur Daldorf, W. (2013): Praxiserfahrungen mit der Wirtschaftlichkeit von Bürgerwindparks in Deutschland. Vortrag, http: / / www.energieagentur-goettingen.de/ fileadmin/ files/ downloads/ 130213_Daldorf_Praxiserfahrungen_mit_BA__1_4rgerwindparks.pdf. , Abruf vom 17.10.2014 Kemfert, Claudia; Schäfer, Dorothea: Finanzierung der Energiewende in Zeiten großer Finanzmarktinstabilität, in: DIW Wochenbericht Nr. 31/ 2012, S. 3ff. <?page no="310"?> 310 13 Geschlossene Fonds als Instrument zur Finanzierung o. V., Archea greift zu bei Biogasanlagen aus insolventem Fonds, in: http: / / www.iwr.de/ news.php? id=23447 (Abruf vom 23.5.2014) o. V., Konstruktion eines geschlossenen Fonds, in: http: / / www.vgf-online.de/ rundum-fonds/ konstruktion-eines-geschlossenen-fonds.html (Abruf vom 9.1.2014) o. V., Zwei Biosgas-Fondinsolvenz, in: http: / / www.kreiszeitung.de/ lokales/ diepholz/ zwei-biogas-fonds-insolvenz-biogas-anlagen-allein-nordkreis-diepholz- 2779560.html (Abruf vom 23.5.2014) Verband Geschlossener Fonds (VGF), VGF Branchenzahlen Geschlossene Fonds 2011, Berlin 2012 Verband Geschlossener Fonds (VGF), VGF Branchenzahlen Geschlossene Fonds 2012, Berlin 2013 Internet-Links zur Vertiefung http: / / www.gruene-sachwerte.de/ waldfonds/ bauminvest-3/ http: / / www.fondsvermittlung24.de/ geschlossene-fonds.html http: / / www.umweltfonds-aktuell.de/ Portfolio-Fonds/ luana-blockheizkraftwerkedeutschland.html <?page no="311"?> 14 Genussrechte zur Finanzierung von Erneuerbare-Energien- Projekten Dr. Karsten Bornholdt, Nörenberg Schröder Rechtsanwälte, und Dr. Christian Friege, Unternehmensberatung Dr. Friege Inhalt 14.1 Einleitung ................................................................................................................... 311 14.2 Definitionen............................................................................................................... 312 14.3 Regulatorischer Rahmen für Genussrechte ........................................................... 313 14.3.1 Allgemeine Rechtsvorschriften für Genussrechte ................................................ 313 14.3.2 Bilanzierung von Genussrechten ............................................................................ 314 14.3.3 Steuerliche Behandlung von Genussrechten ......................................................... 315 14.4 Genussrechte als Mezzanine-Finanzierung von Erneuerbare-Energie- Projekten ....................................................................................................................316 14.4.1 Ziele der Ausgabe von Genussrechten für die Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten ............................................................................................ 316 14.4.2 Ausgestaltung von Genussrechten zur Finanzierung von Erneuerbare- Energie-Projekten .....................................................................................................318 14.5 Chancen und Risiken - aus der Sicht von Projektinitiatoren und von Investoren .................................................................................................................. 326 14.5.1 Chancen und Risken aus Investorenperspektive .................................................. 326 14.5.2 Herausforderungen für Projektinitiatoren ............................................................. 327 Literatur ...................................................................................................................... 328 Schlagwortliste Genussrecht, Genussschein, Genussrechtsregister, Eigenkapital, Fremdkapital, Mezzanine-Finanzierung, Fungibilität 14.1 Einleitung Im Januar 2014 kam in den Medien die Meldung, dass das Windkraftunternehmen PROKON einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hat, für Fachleute nicht wirklich überraschend. Wie nur wenige hatte PROKON durch bundesweite Werbung auf sich und die Anlagemöglichkeit „Genussrecht“ aufmerksam gemacht. Bald nach der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens stellte sich <?page no="312"?> 312 14 Genussrechte zur Finanzierung von EE-Projekten heraus, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit auch in eben diesen Genussrechten begründet lag: Die sehr hohen und kurzfristigen Kündigungen von Genussrechten durch viele kleine Investoren konnte das Unternehmen nicht mehr bedienen. Vorher war eine Aufsehen erregende Kampagne des Unternehmens mit dem Ziel, 95 % der Genussrechteinhaber zu einem vorübergehenden Kündigungsverzicht zu bewegen, fehlgeschlagen. Spektakulär wirft sich damit einmal mehr die Frage auf, ob Genussrechte insbesondere zur Finanzierung von langfristigen Investitionen geeignet sind. Um dieser Frage nachzugehen, sollen zunächst die rechtlichen, bilanziellen und steuerlichen Rahmenbedingungen für Genussrechte dargestellt werden (Abschnitt 14.3). Sodann sollen an Beispielen für die Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten durch Genussrechte die Ziele einer solchen Finanzierung und die Ausgestaltungsmöglichkeiten beleuchtet werden (Abschnitt 14.4). Schließlich muss es - gerade im Lichte der jüngsten Erfahrungen mit den PROKON-Genussrechten - darum gehen, Chancen und Risiken einer Finanzierung durch Genussrechte sowohl aus Sicht der Initiatoren von Erneuerbare-Energie-Projekten als auch aus Sicht von (nachhaltig orientierten) Investoren abzuwägen (Abschnitt 14.5). 14.2 Definitionen Genussrechte dienen der Unternehmensfinanzierung und sind in ihrer Ausgestaltung weitgehend frei von Rechtsvorschriften. Die sich daraus ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten werden meist so genutzt, dass Genussrechte typischerweise gleichzeitig Eigenkapital- und Fremdkapitaleigenschaften aufweisen und daher zu den Mezzanine-Finanzierungen zählen. Zu den Eigenkapital ähnlichen Rechten können etwa Gewinn-/ Verlustbeteiligung, Bezug von Sach- und Dienstleistungen, Wandlung in Eigenkapital gehören, nie jedoch unternehmerische Entscheidungsrechte (Stimmrechte). Den Fremdkapitalcharakter von Genussrechten unterstreichen feste oder variable Verzinsungsansprüche. Werden Genussrechte verbrieft, spricht man von Genussscheinen. 150 Genussrechte spielten in Deutschland vor allem bei Banken eine Rolle, da das Genussrechtskapital unter Umständen dem haftenden Eigenkapital zugerechnet werden kann. In den letzten Jahren ging allerdings die Zahl der an der Börse Stuttgart gehandelten Genussscheine zurück, von über 100 in 2008 auf nun noch 44, von denen 17 bis Ende 2014 fällig werden. 151 Allerdings listet die Umweltbank in Nürnberg derzeit 12 Genussscheine zur Finanzierung der eigenen Banktätigkeit neben 16 Genussscheinen zur Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten. 152 Daneben kursieren viele Genussscheine auf dem unregulierten, so genannten grauen Kapitalmarkt. Insbesondere in den letzten Jahren hat sich der Genussschein zur Finanzierung von Erneuerbare- Energie-Projekten etabliert. Insofern ist die Relevanz der Finanzierung durch Genussrechte ungebrochen. 150 Vgl. Becker 2013, S. 226f. 151 Vgl. Hock 2013, aktuelle Kursabfrage Börse Stuttgart vom 03.04.2014 152 http: / / www.umweltbank.de/ aktienkurse/ default.html#Projektgenussscheine, Zugriff am 03.04.2014 <?page no="313"?> Karsten Bornholdt, Christian Friege 313 14.3 Regulatorischer Rahmen für Genussrechte 14.3.1 Allgemeine Rechtsvorschriften für Genussrechte Ihre rechtlichen Wurzeln haben die europäischen Genussrechte in Deutschland. Hier fanden sie bereits Ende des 19. Jahrhunderts erstmalig sowohl im Steuerrecht als auch in der Gesetzgebung und Rechtsprechung Erwähnung. Gleichwohl haben Genussrechte bis heute im deutschen Recht keinerlei abschließende Kodifizierung oder sonstige Ausgestaltung erfahren. Das Genussrecht ist gesetzlich nicht definiert. Seine Existenz wird vom Gesetzgeber aber insoweit anerkannt, als dass es in einzelnen Normen explizit erwähnt wird. Im Aktiengesetz (AktG) findet sich etwa der Unterabschnitt „Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen“ und dort unter anderem in § 221 Abs. 4 Satz 1 AktG die Regelung, dass „auf Wandelschuldverschreibungen, Gewinnschuldverschreibungen und Genußrechte […] die Aktionäre ein Bezugsrecht“ haben. Die fehlende gesetzliche Definition des Genussrechtes führt auf Seiten des Rechtsanwenders zu einem hohen Maß an Gestaltungsspielraum. Dies ist vom Gesetzgeber so auch beabsichtigt gewesen. Dem Kapitalmarkt wird die Möglichkeit gegeben, den weiten Rahmen auszufüllen. Grundlage ist dabei stets, dass es sich bei einem Genussrecht um eine schuldrechtliche Beziehung zwischen dem Genussrechtsemittenten und dem Genussrechtsinhaber handelt. Zwischen beiden kommt ein Vertrag als Dauerschuldverhältnis zustande. Dem Inhaber des Genussrechtes steht regelmäßig insbesondere ein gegen den Genussrechtsemittenten gerichteter - schuldrechtlicher - Anspruch auf die typischen Vermögensrechte eines Gesellschafters zu, so etwa die Beteiligung am Unternehmenserfolg, die durch einen (gewinnabhängigen) Zinsanspruch zum Ausdruck kommt. Weitergehende Rechte, die typischerweise dem Gesellschafter zustehen (Mitwirkungsrechte, Kontrollrechte etc.), hat der Genussrechtsinhaber aber nicht. Vor dem Hintergrund der fehlenden gesetzlichen Definition des Genussrechtes fehlt es naturgemäß auch an Regelungen oder Beschränkungen mit Blick auf den Kreis möglicher Emittenten eines Genussrechtes. Insoweit steht es grundsätzlich dem gesamten Kapitalmarkt offen, Genussrechte zu emittieren. Bei den Emittenten eines Genussrechtes handelt es sich in der Praxis indes regelmäßig um Gesellschaften in der Rechtsform einer Personenhandels- oder Kapitalgesellschaft. Typischerweise wurden Genussrechte in der Vergangenheit regelmäßig von Banken emittiert, die so ihre Eigenkapitalbasis stärken konnten, ohne den Genussrechtsinvestoren Mitspracherechte einräumen zu müssen. Aufgrund der schuldrechtlichen Ausgestaltung des Genussrechtes unterliegt der jeweilige Vertragsschluss zwischen Genussrechtsemittenten und dem Genussrechtsinhaber grundsätzlich dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Weder gibt es auf Seiten des Genussrechtsemittenten einen Kontrahierungszwang noch steht den übrigen Teilnehmern des Kapitalmarktes ein gesetzliches Bezugsrecht zu. Eine Ausnahme gilt insoweit allein für den Anspruch eines Aktionärs nach § 221 Abs. 4 Satz 1 AktG, dem auf Genussrechte ein gesetzliches Bezugsrecht zusteht. In § 221 <?page no="314"?> 314 14 Genussrechte zur Finanzierung von EE-Projekten Abs. 4 Satz 2 AktG wird zwar nicht auf § 187 AktG (regelt die Zusicherung von Rechten auf den Bezug neuer Aktien) verwiesen, dies ist jedoch inkonsequent. Der doppelte Schutzzweck von § 187 AktG ist auch bei der Ausgabe solcher Papiere zu verwirklichen, so dass die Regelung analog anzuwenden ist. 153 Voraussetzung für den Börsenhandel eines Genussrechtes ist, dass die jeweiligen Rechte in einer selbständigen Urkunde verbrieft sind. Es handelt sich dann um sog. Genussscheine. Genussscheine können börsentäglich veräußert werden. Mit der AIFM (Alternative Investment Fund Manager)-Richtlinie haben sich keine grundlegenden Änderungen für die rechtliche Beurteilung von Genussrechten ergeben. Genussrechte sind grundsätzlich vom Wortlaut des VermAnlG umfasst. Das VermAnlG gilt aber nur, soweit das KAGB (Kapitalanlagesetzbuch) nicht eingreift. 14.3.2 Bilanzierung von Genussrechten Das Genussrecht kann bilanziell sowohl Fremdals auch Eigenkapitalcharakter besitzen. Formal als Fremdkapital zu bilanzierendes Genussrechtskapital kann auf Seiten des Genussrechtsemittenten gleichwohl als wirtschaftliches Eigenkapital anzusehen sein. Dies ist gerade bei hybriden Finanzierungsformen wie Genussrechten regelmäßig der Fall. Voraussetzung ist indes stets sowohl eine bestimmte Laufzeit (Langfristigkeit) als auch eine angemessene Ergebnisbeteiligung (Verlustbeteiligung) des Genussrechtsinhabers. Nur dann kann das Genussrecht als wirtschaftliches Eigenkapital anerkannt werden. Dies wird insbesondere angestrebt, um durch einen höheren Eigenkapitalanteil die Tragfähigkeit des Unternehmens oder des Projektes für weitere Fremdfinanzierung zu verbessern und so insgesamt einen hohen Leverage zu erreichen. Als Faustformel gilt in diesem Zusammenhang, dass der Eigenkapitalcharakter des Genussrechtskapitals umso stärker angesehen werden kann je höher die Übernahme des Risikos durch die Genussrechtsinhaber ausgestaltet ist. Die Laufzeit sollte in diesem Zusammenhang eine Zeitspanne von fünf Jahren nicht unterschreiten. Auch hier gilt: je höher die Laufzeit des Genussrechtes umso größer die Möglichkeit der Anerkennung des wirtschaftlichen Eigenkapitalcharakters. Für den Genussrechtsinhaber ist der Charakter des Genussrechtskapitals als Fremd- oder Eigenkapital insoweit von Bedeutung, als dass die Anerkennung des Genussrechtskapitals als Eigenkapital die uneingeschränkte Teilnahme am Verlust voraussetzt (bis zur vollen Höhe des Genussrechtskapitals) und darüber hinaus eine Nachrangvereinbarung geschlossen worden sein muss, was im Insolvenzfall wiederum für den Genussrechtsinhaber ein erhöhtes Ausfallrisiko birgt. Eine gänzlich neue Entwicklung hat sich zuletzt in Zusammenhang mit der PRO- KON-Insolvenz (vgl. dazu Abschnitt 14.1) angedeutet. Anlässlich der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ließ das zuständige Amtsgericht Itzehoe erkennen, dass die Genussrechteinhaber nicht wie nachrangige Gläubiger behandelt werden sollen, weil eine in den Genussrechtsbedingungen enthaltene Nachrangklausel gegen das Transparenz- 153 Spindler/ Stilz 2010, § 187 Rn. 9 m.w.N. <?page no="315"?> Karsten Bornholdt, Christian Friege 315 gebot (§ 307 BGB) verstoße und unwirksam sei. Die Anleger wären dann als Gläubiger im Insolvenzverfahren allen anderen ungesicherten Gläubigern gleichgestellt. Eine derartige Behandlung der Ansprüche der Genussrechtsinhaber führt im Ergebnis dazu, dass diese Ansprüche der Anleger in der PROKON-Insolvenz nicht vollständig wertlos sind, sondern im Rahmen der Verteilung der am Ende des Verfahrens zur Verfügung stehenden Masse quotial befriedigt werden. Führt man sich vor Augen, dass der PROKON-Insolvenzverwalter eine Insolvenzquote von 30 bis 60 % für möglich hält, ist dies eine für die Anleger überaus positive Entwicklung. Das Insolvenzgericht Itzehoe stützt seine Auffassung auf die Gutachten der renommierten Insolvenzrechtler Dr. Fischer (ehemaliger Vorsitzender Richter des für Insolvenzrecht zuständigen IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes), Prof. Bork (Universität Hamburg) und Prof. Bitter (Universität Mannheim). 154 Sollte sich die im Insolvenzfall erfolgende Gleichstellung von Genussrechtsinhabern mit anderen ungesicherten Gläubigern durchsetzen, wird dies im Ergebnis den Vertrieb derartiger Produkte erleichtern und damit die Bedeutung des Genussrechtes als Finanzierungsinstrument - auch im Bereich von Erneuerbare-Energie-Projekten - stärken. Dies gilt allerdings aus der Projektsicht nur solange, wie es gelingt, den Hybridcharakter dieser Finanzierungsform zwischen Eigen- und Fremdkapital zu bewahren. 14.3.3 Steuerliche Behandlung von Genussrechten In steuerlicher Hinsicht sind insbesondere die körperschaftssteuerlichen Regelungen von Bedeutung. Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG sind dann, wenn das Genussrecht eine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös des Genussrechtsemittenten gewährt, Genussrechtsvergütungen Bestandteil des körperschaftssteuerlichen Gewinns auf Seiten des Emittenten. Wird hingegen eine Beteiligung am Gewinn oder am Liquidationserlös nicht gewährt, werden Genussrechtsvergütungen bei dem Genussrechtsemittenten von der körperschaftssteuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen. Die steuerliche Behandlung steht insoweit in unmittelbarem Zusammenhang zur bilanziellen Einordnung des Genussrechtes. Wenn eine Beteiligung am Liquidationserlös bzw. an den stillen Reserven nicht vorgesehen ist, hat ein Genussrecht Fremdkapitalcharakter. Das führt im Ergebnis dazu, dass Ausschüttungen auf Genussrechte in der Regel Betriebsausgaben sind. Zu einer Hinzurechnung kann es unter Umständen bei der Gewerbesteuer kommen; Kapitalertragsteuer ist abzuziehen. In der Praxis wird oft angestrebt, Genussrechte so auszugestalten, dass sie bilanziell Eigenkapital darstellen, die Genussrechtsvergütungen gleichwohl steuerlich beim Emittenten abzugsfähig sind. Lühn stellt das für Bilanzierung nach HGB und IFRS dar. 155 Bei der Bilanzierung nach HGB ist entscheidend, dass das Genussrecht eine Laufzeit von mindestens fünf Jahren aufweist bzw. eine unbegrenzte Laufzeit mit einem Kündigungsrecht frühestens nach fünf Jahren. In beiden Fällen führt die „Nachhaltigkeit der Kapitalüberlassung“ zur Eigenkapitalqualifikation, die begrenzte Laufzeit bzw. 154 Juve 2014 155 Lühn 2013, S. 205ff. <?page no="316"?> 316 14 Genussrechte zur Finanzierung von EE-Projekten besser noch die Kündigungsmöglichkeit nach frühestens fünf Jahren zur Einstufung der Genussrechte als obligationenartig mit der Konsequenz, dass die Ausschüttungen beim Emittenten als Zinsaufwand abzugsfähig sind. 156 Gegebenenfalls ist für Genussrechte auch eine Förderung nach dem 5. VermBG möglich. Weitere wesentliche steuerliche Aspekte sind die Einkünftequalifikation der Genussrechte, die sog. Abgeltungsteuer sowie die Steuererhebung und die daraus entstehenden Haftungstatbestände. Bezüge aus Genussrechten stellen für die steuerpflichtigen Anleger zum Zeitpunkt des Zuflusses (vgl. §§ 8 Abs. 1, 11 Abs. 1 Satz 1 EStG) Einkünfte aus Kapitalvermögen dar, da die Genussrechte den Anlegern ein Recht am Gewinn und Liquidationserlös verschaffen (§ 20 Abs. 1 Ziff. 1 Alt. 4 EStG). Im Rahmen dieser Einkünfte kommt den einzelnen steuerpflichtigen Anlegern ein sog. Sparer-Pauschbetrag von EUR 801 als abgeltender Abzug zu, Werbungskosten in tatsächlicher Höhe können nicht geltend gemacht werden, vgl. § 20 Abs. 9 EStG. Der Steuersatz für die Einkünfte aus Kapitalvermögen richtet sich nach § 32 d Abs. 1 Satz 1 EStG und beträgt 25 %, sofern die Einkommensteuer nicht nach beantragter sog. Günstigerprüfung insgesamt niedriger ausfällt. Die Einkommensteuer entsteht mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. Hier erfolgt die Steuererhebung jedoch im Wege des Steuerabzugs im Zeitpunkt des Zuflusses (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG), da es sich bei den Einkünften des Anlegers um inländische Kapitalerträge handelt. Die Kapitalertragsteuer beträgt 25 % des Kapitalertrags, § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Schuldner der Kapitalertragsteuer ist der Anleger, als Gläubiger der Kapitalerträge, § 44 Abs. 1 Satz 1 EStG. Als Haftungsschuldner für die Kapitalertragsteuer kommen u.a. in Betracht die Emittentin, als Schuldnerin der Kapitalerträge, und die Bank des Anlegers, als die die Kapitalerträge auszahlende Stelle (§ 44 Abs. 5 Satz 1 EStG). 14.4 Genussrechte als Mezzanine-Finanzierung von Erneuerbare- Energie-Projekten 14.4.1 Ziele der Ausgabe von Genussrechten für die Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten Die im vorangehenden Abschnitt dargestellten Gestaltungsmöglichkeiten für Genussrechte führen dazu, dass diese sich als Instrument der Mezzanine-Finanzierung etabliert haben. Lühn stellt u.a. diese Ziele für die Finanzierung durch Genussrechte dar 157 : [1] Zugang zum Kapitalmarkt [2] Optimierung der Kapitalstruktur [3] Optimierung der Verteilung von Verfügungsrechten [4] Optimierung der Cash Flow-Belastungen [5] Optimierung der Steuerbelastungen 156 Lühn 2013, S. 207 157 Lühn 2013, S. 25ff. <?page no="317"?> Karsten Bornholdt, Christian Friege 317 Ad [1] Zugang zum Kapitalmarkt Wegen der fehlenden Legaldefinition von Genussrechten und der damit einhergehenden, leicht erfüllbaren Regulierung sind Genussrechte ein vergleichsweise unaufwendig einsetzbares Instrument, um Zugang zu den Kapitalmärkten zu erreichen. Gerade bei der Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten tritt immer wieder die Situation auf, dass Banken eine Finanzierung restriktiv begleiten und Eigenkapital-Erfordernisse stellen, die die Projektinitiatoren nicht erfüllen wollen oder können. Genussscheine können an der Börse eingeführt werden, es können über kooperierende Banken auch ohne eine Börsenplatzierung ein Vertrieb der Genussscheine und eine begrenzte Kursstellung erreicht werden und somit entsteht ein Zugang zu Kapitalmärkten ohne den Aufwand einer Anleiheemission oder gar einer Aktienausgabe. Der Zugang zum Kapitalmarkt kann durch die Poolung verschiedener Genussrechte und deren Vertrieb als Commercial Papers weiter verbessert werden (sogenannte Securitization). 158 Obschon die Bündelung von Einzelforderungen am Kapitalmarkt als „Asset Backed Securities (ABS; forderungsbesichertes Wertpapier)“ vielfach praktiziert wird, bleiben dedizierte Pools von ökologischen Investments oder gar Genussscheinen zur Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten weiterhin vergleichsweise selten auffindbar. Ad [2] Optimierung der Kapitalstruktur Die Möglichkeit, Genussrechte eigenkapitalähnlich auszustatten, führt dazu, dass durch die Ausgabe von Genussrechten eine höhere Finanzierungsfähigkeit auch durch Banken entsteht. Dies resultiert daraus, dass die Summe aus haftendem Eigenkapital und Genussrechtskapital zur Ermittlung der Eigenkapitalquote eines Projektes herangezogen wird und somit die Schuldentragfähigkeit aus Sicht der finanzierenden Banken steigt. Gleiches gilt offensichtlich für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit durch Lieferanten, Ratingagenturen etc. Ad [3] Optimierung der Verteilung von Verfügungsrechten Genussrechtsinhaber nehmen nicht an der Entscheidungsfindung im Unternehmen teil. Trotzdem kann das eingeworbene Genussrechtskapital dem haftenden Eigenkapital zugerechnet werden, aus Sicht der Kapitaleigner allerdings ohne Aufgabe von Kapitalanteilen am Unternehmen. Bei PROKON steht dem Stammkapital (mit Stimmrechten) von EUR 25.500 ein Genussrechtskapital von fast EUR 1.400.000.000 (ohne Stimmrechte) gegenüber. 159 Entscheidungsmöglichkeiten im Unternehmen werden durch die Ausgabe von Genussrechten nicht eingeschränkt. Ad [4] Optimierung der Cash Flow-Belastungen Das Genussrechtskapital wird regelmäßig jährlich nachschüssig bedient. Allein daraus erwächst gegenüber einer vergleichbaren Bankfinanzierung, die üblicherweise monatliche oder vierteljährliche Zinszahlungen erfordert, ein Vorteil für den Cash Flow. 158 Werner 2009, S. 159 159 PROKON 2014 <?page no="318"?> 318 14 Genussrechte zur Finanzierung von EE-Projekten Ist die Verzinsung zudem erfolgsabhängig ausgestaltet, führt ein fehlender wirtschaftlicher Erfolg zumindest zu einer Vermeidung eines Teils oder sogar sämtlicher Zinszahlungen - ein weiterer Vorteil für den Cash Flow. Insgesamt bieten die Gestaltungsmöglichkeiten für die Genussrechtsbedingungen vielfältige Möglichkeiten, das Kapital in zeitlicher Kongruenz mit dem Unternehmensertrag zu bedienen (erfolgsabhängige Zinszahlungen) bzw. mit dem Cash Flow aus dem finanzierten Projekt in Übereinstimmung zu bringen, etwa, indem Zinszahlungen endfällig (thesaurierend) angeboten werden bzw. eine vergleichsweise niedrige Verzinsung durch einen „Equity-Kicker“, also eine vom Anlageerfolg des stimmberechtigten Kapitals abhängige endfällige Zahlung, oder ein Options-/ Wandlungsrecht ausgeglichen wird. Ad [5] Optimierung der Steuerbelastungen Aus den Gestaltungsmöglichkeiten der Genussrechtsbedingungen folgt auch, dass zwar das Kapital als eigenkapitalähnlich angesehen wird, die Zinszahlungen aber so bestimmt werden können, dass der Zinsaufwand vollständig steuerlich abzugsfähig ist, im Gegensatz zu Ausschüttungen an die Gesellschafter, die der Körperschafts- und Gewerbesteuer unterliegen. 14.4.2 Ausgestaltung von Genussrechten zur Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten Um die Finanzierungsziele durch die Ausgestaltung der Genussrechtsbedingungen zu erreichen, bieten sich vor allem diese Regelungsgegenstände an: [1] Emissionsrahmen und Mittelverwendung [2] Fungibilität [3] Nachrang und Gesellschafterrechte [4] Verzinsung [5] Verlustbeteiligung Zur Illustration der Ausgestaltungsmöglichkeiten werden nachfolgend Auszüge aus vier exemplarischen Genussscheinbedingungen herangezogen, nämlich (1) aus einer 2004 aufgelegten Emission der PNE Wind AG, die börsennotiert ist und der Finanzierung von Onshore-Windparks diente, (2) aus dem 2006 emittierten Genussrecht Kauxdorf, mit dem ein Windpark in Brandenburg finanziert wurde, (3) aus dem seit 2011 vertriebenen Genussrecht der solarcomplex AG, die als Bürgerunternehmen das Ziel verfolgt, die Energiewende am Bodensee regional umzusetzen und (4) aus den eingangs bereits erwähnten PROKON Genussrechten von 2013. Diese vier Genussrechte sind hinreichend unterschiedlich ausgestattet, um wenigstens einen Teil des Gestaltungsspielraums darzustellen. Ad [1] Emissionsrahmen und Mittelverwendung Aus der Gegenüberstellung der Genussrechtsbedingungen geht hervor, dass Genussrechte in beliebiger Höhe emittiert werden können. Gelegentlich werden auch die EUR 3 Mio. der solarcomplex AG noch unterschritten - auch wenn sie im Verhältnis zu den EUR 1,4 Mrd. der gesamten PROKON-Genussrechte verschwindend klein <?page no="319"?> Karsten Bornholdt, Christian Friege 319 sind. Genussrechte haben entweder eine bestimmte Laufzeit (PNE Wind AG 2004, Kauxdorf 2006 jeweils 10 Jahre) oder sind unbefristet, wobei dann eine Kündigungsmöglichkeit vorzusehen ist. solarcomplex AG 2011 bietet diese erstmals nach sechs Jahren und mit einer einjährigen Kündigungsfrist. Das sollte hinlänglich Zeit bieten, auch bei einer Vielzahl von Kündigungen die notwendige Gegenfinanzierung aufzubauen. Anders ist es bei PROKON 2013 geregelt, wo die Kündigungsfrist lediglich vier Wochen zum Monatsende beträgt. Gelegentlich - und das ist bei vielen Genussrechtsbedingungen der Fall - werden zur Verbesserung der Vertriebschancen Bedingungen wie beispielsweise zur Mittelverwendung aufgestellt. Der Anleger soll sicher sein, dass sein Genusskapital ausschließlich dem annoncierten Zweck, also etwa dem beschriebenen Erneuerbaren-Energie- Projekt, zufließt. PNE Wind AG (2004) ergänzt die enge Mittelverwendung sogar noch durch die Verpflichtung zur Kontrolle: „Zur Sicherstellung der zweckgerechten Verwendung des Genussscheinkapitals beauftragt die Emittentin einen unabhängigen Mittelverwendungskontrolleur.“ Zum Aufbau von Vertrauen sollte wohl auch die Selbstverpflichtung von PROKON zum Testat eines Wirtschaftsprüfers für den Jahresabschluss dienen; die bekannt gewordene Testatsverweigerung hat dann wohl die hohe Zahl der Kündigungen mit ausgelöst, die wegen der kurzen Kündigungsfrist zum Insolvenzverfahren führte. Schließlich setzt Kauxdorf (2006) eine Garantie des Initiators zum Vertrauensaufbau ein: „Der Kommanditist Karsten Porm hat (…) die Garantie abgegeben, diese mit finanziellen Mitteln so auszustatten, dass sie jederzeit in der Lage sein wird, ihren Ausschüttungs- und Rückzahlungsverpflichtungen den Namensgenußrechtzeichnern gegenüber nachzukommen. Diese Garantieverpflichtung ist dabei beschränkt auf einen Betrag von maximal EUR 825.500.“ Immerhin deckt diese Garantie die Summe von vier jährlichen Zinszahlungen ab - bei einer Laufzeit von zehn Jahren eine ungewöhnliche Klausel in den Bedingungen. Gerade weil Genussrechte kaum reguliert sind, wird sich ein erfolgreicher Projektentwickler in der Ausgestaltung der Genussrechtsbedingungen um den Aufbau von Vertrauen bei seinen prospektiven Investoren bemühen. Unabhängige Kontrolle (Mittelverwendung, Abschlussprüfung etc.) kann dazu geeignet sein. Nur vordergründig geeignet und abzulehnen sind hingegen großzügige Kündigungsrechte. Ad [2] Fungibilität Neben Emissionsbetrag und Mittelverwendung ist in den Genussrechtsbedingungen auch die Fungibilität, also die jederzeit gegebene Möglichkeit, die Genussrechte zu veräußern, aus Investorensicht zu berücksichtigen. Eine typische Regelung für einen börsennotierten Genussschein findet sich bei PNE Wind AG 2004 (vgl. Tab. 12): Inhabergenussscheine erfordern keine Führung eines Genussrechtsregisters, die Stückelung zu EUR 100 stellt sicher, dass durch eine möglichst niedrige Mindestzeichnung das Papier auch für Kleinanleger attraktiv ist und gleichzeitig eine Notierung unter pari nicht zu einem Kurs unter EUR 1 führt (Vermeidung von „Pennystocks“), und es besteht - für Inhaberpapiere nicht verwunderlich - keinerlei Zustimmungserfordernis des Emittenten für den Verkauf der Genussscheine. Mit der Börsennotierung ist der einfachst mögliche Handel gegeben und damit - Angebot und Nachfrage von Genussscheinen vorausgesetzt - auch eine regelmäßige Bewertung der Genussrechte. Aus Investorensicht ist zwar mit einem engen Markt zu <?page no="320"?> 320 14 Genussrechte zur Finanzierung von EE-Projekten PNE Wind AG 2004 Kauxdorf 2006 solarcomplex 2011 PROKON 2013 Genussscheine im Gesamtnennbetrag von bis zu EUR 30.000.000,00. Genußrechte im Gesamtnennbetrag von EUR 3.250.000,00. Genussrechtskapital in Höhe von EUR 3.000.000,00. Genussrechtskapital in Höhe von insgesamt EUR 12.000.000,00. Die Laufzeit der Genussscheine endet am 31. Dezember 2014. (…) Im übrigen ist die ordentliche Kündigung durch die Genussscheininhaber ausgeschlossen. Die Namensgenussrechte sind weder durch die Namensgenussrechtsgläubiger noch durch die Emittentin kündbar. (…) Die Namensgenussrechte sind zusammen mit der letzten Zinszahlung für das Geschäftsjahr 2016 zum Nennwert zur Rückzahlung fällig. Die Laufzeit der Genussrechte ist unbestimmt. Eine Kündigung ist frühestens zum Ende des 6. vollen Kalenderjahres nach Einzahlung des Genussrechtskapitals zum Jahresende möglich. Wird nicht gekündigt, verlängert sich die Laufzeit jeweils um drei Kalenderjahre. (…) Die Kündigungsfrist beträgt ein Jahr jeweils zum Jahresende. Die Laufzeit der Genussrechte des Typs A ist grundsätzlich unbestimmt. Die Mindestvertragsdauer (…) beträgt 6 Monate (…). Eine Kündigung der Genussrechte des Typs A ist sowohl für den Anleger als auch für die Emittentin erstmals mit einer Frist von 4 Wochen zum Ende der Mindestvertragsdauer, anschließend mit einer Frist von 4 Wochen zum Monatsende möglich. Die Emittentin darf das eingeworbene Genussscheinkapital nur zu folgenden Zwecken verwenden: „(…) Entwicklung, Errichtung und dem anschließenden Eigenbetrieb von Onshore-Windparks durch die Emittentin.“ Das Kapital wird dazu verwendet, den solarcomplex AG- Kraftwerkspark zu erweitern. Das Genussrechtskapital wird in allen Geschäftsbereichen der Emittentin investiert. (…) Darüber hinaus verpflichtet sich die Emittentin, ihre Jahresabschlüsse von einem Wirtschaftsprüfer prüfen und testieren zu lassen. Tab. 12: Auszüge aus den Genussrechtsbedingungen für ausgewählte Erneuerbare-Energie- Projekte zu Emissionsrahmen und Mittelverwendung (Quellen: PNE Wind AG (2004), Kauxdorf (2006), solarcomplex AG (2011), PROKON (2013)) rechnen, die Genussscheine erscheinen aber handelbar. Die Herausforderung für den Projektinitiator ist allerdings, dass die geringe Liquidität des Börsenhandels in den Genussscheinen zu Kursen führen kann, die möglicherweise fundamental nicht gerechtfertigt sind, gleichwohl aber die Wahrnehmung des gesamten Unternehmens durch Banken, Lieferanten und Anleger negativ beeinträchtigen können. Im Gegensatz dazu haben die beiden kleineren Emissionen (Kauxdorf 2006 und solarkomplex AG 2011) auf eine Verbriefung verzichtet und das Eigentum der Namensgenussscheine an die Eintragung in das Genussrechtsregister geknüpft. Für beide Emissionen ist ein begrenzter privater Handel vorgesehen, den die depotführende <?page no="321"?> Karsten Bornholdt, Christian Friege 321 Bank (Kauxdorf 2006) oder der Emittent selbst (solarcomplex AG 2011) durch das Zusammenbringen von Angeboten zum vorfälligen Verkauf mit entsprechender Nachfrage zu organisieren versprechen. Auch für Namensgenussrechte ist die Securitization möglich - das dazu zu etablierende Special Purpose Vehicle wird - bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung - dann in das Genussrechtsregister eingetragen. Die PROKON 2013 Genussrechte sind mit einem Kündigungsrecht ausgestattet, das eine kurzfristige Rückzahlung zu 100 % verspricht. Das baut beim Investor zunächst sicherlich Vertrauen auf - mit den oben bereits angesprochenen Folgen für das Unternehmen bei einer Vielzahl von Kündigungen. PNE Wind AG 2004 Kauxdorf 2006 solarcomplex 2011 PROKON 2013 Die Genussscheine lauten auf den Inhaber und sind eingeteilt in bis zu 300.000 (…) Genussscheine im Nennbetrag von je EUR 100,00. Die Namensgenussrechte sind eingeteilt in 6.500 (…) Namensgenussrechte im Nennbetrag von je EUR 500,00. Die solarcomplex AG gewährt (…) 3.000 (…) Genussrechte im Wert von jeweils EUR 1,000,00. Die Ausgabe der Genussrechte erfolgt zum Nennbetrag (100 %) von jeweils 0,01 EUR. Die Zeichner der Namensgenussrechte werden in das (…) Genussrechtsregister eingetragen. (…) Das Recht auf Verbriefung und Lieferung von Einzelurkunden ist ausgeschlossen . (…) Die Übertragung (…) erfolgt durch Abtretung der Genussrechte. Die Genussrechte werden im Genussrechtsregister der solarcomplex AG geführt. (…) Die Übertragung der Genussrechte erfolgt durch Abtretung und Eintragung der Änderung im Genussrechtsregister. Die Genussrechte werden nicht verbrieft. Sie lauten auf den Namen des Genussrechtsinhabers und werden in das Genussrechtsregister der PROKON Regenerative Energien GmbH eingetragen. Die Genusscheine können jederzeit ohne Zustimmung der Emittentin (…) übertragen werden. Die Genussrechte können jederzeit frei verkauft oder verschenkt werden. Der Verkauf der Genussrechte bedarf keiner Genehmigung der solarcomplex AG. Genussrechtsinhaber können ihre Genussrechte Typ A jederzeit ganz oder teilweise mit Wirkung zum Ende eines Monats an Dritte verkaufen, verschenken, abtreten bzw. vererben. Tab. 13: Auszüge aus den Genussrechtsbedingungen für ausgewählte Erneuerbare-Energie- Projekte zur Fungibilität (Quellen: PNE Wind AG (2004), Kauxdorf (2006), solarcomplex AG (2011), PROKON Regenerative Energien GmbH (2013)). <?page no="322"?> 322 14 Genussrechte zur Finanzierung von EE-Projekten Bereits bei der Konzeption des Genussrechts muss berücksichtigt werden, in welcher Form der Vertrieb und vor allem der Handel während der Laufzeit organisiert werden soll. Nur Emissionen mit einem signifikanten Volumen eignen sich für die Börseneinführung und müssen dann als Inhaberpapiere ausgestattet sein. Auch für die Vielzahl kleinerer Emissionen, wie sie für die Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten typisch sind, ist zu bedenken, wie den Investoren ein Verkauf vor Fälligkeit ermöglicht werden kann. Ad [3] Nachrang und Gesellschafterrechte Um nicht als reines Fremdkapital klassifiziert zu werden, sehen Genussrechtsbedingungen immer einen Rangrücktritt gegenüber allen Forderungen aus Fremdkapital, jedoch nicht gegenüber dem Eigenkapital vor. Ebenso - um die Verfügungsrechte der Eigentümer nicht anzutasten - beinhalten Genussrechtsbedingungen stets einen Ausschluss aller Mitwirkungsrechte an der Unternehmensführung. So sehen etwa die Genussscheinbedingungen der PNE Wind AG 2004 vor: „Die Forderungen aus den Genussscheinen gehen den Forderungen aller anderen nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin im Rang nach. (…) Die Genussscheine verbriefen Gläubigerrechte, die keine Gesellschafterrechte, insbesondere keine Teilnahme-, Mitwirkungs- und Stimmrechte in den Hauptversammlungen der Emittentin, beinhalten.“ PNE Wind AG 2004 Kauxdorf 2006 solarcomplex AG 2011 PROKON Regenerative Energien GmbH 2013 Die Emittentin behält sich vor, weitere Genussscheine zu gleichen oder anderen Bedingungen auszugeben. (…) Die Genussscheininhaber haben keinen Anspruch darauf, dass ihre Ausschüttungsansprüche vorrangig vor den Ausschüttungsansprüchen bedient werden, die auf weitere Genussscheine entfallen. Der Emittentin ist es nicht gestattet, während der Laufzeit und ggf. ihrer Nacherfüllungsfrist weitere Namensgenussrechte zu begeben bzw. zusätzliche vorrangige Darlehensverbindlichkeiten und Kreditverbindlichkeiten einzugehen, es sei denn, sie dienen der Erfüllung von Zins- und Rückzahlungsansprüchen (…) aus dieser Emission. Die solarcomplex AG behält sich vor, weitere Genussrechte zu gleichen oder anderen Bedingungen zu gewähren. (…) Die Genussrechtsinhaber haben keinen Anspruch darauf, dass ihre Zinsansprüche vorrangig vor den Zinsansprüchen bedient werden, die auf weitere Genussrechte entfallen. Die PROKON Regenerative Energien GmbH ist berechtigt, jederzeit weitere Genussrechtsbeteiligungen zu gleichen oder anderen Bedingungen zu emittieren, die jedoch neue Genussrechtszeichner nicht schlechter als frühere Zeichner stellen dürfen. Tab. 14: Auszüge aus den Genussrechtsbedingungen für ausgewählte Erneuerbare-Energie- Projekte (Quellen: PNE Wind AG (2004), Kauxdorf (2006), solarcomplex AG (2011), PRO- KON (2013)) <?page no="323"?> Karsten Bornholdt, Christian Friege 323 Zu den gestaltbaren Gesellschaftern ähnlichen Rechten gehören lediglich die Ausgabe zusätzlicher Genussrechte und deren Haftung gegenüber den bereits bestehenden Genussrechten (siehe Tab. 14). Üblich ist - gerade bei größeren Gesellschaften und absehbaren zusätzlichen Investitionen - diese ranggleich zu behandeln (z.B. PNE Wind AG 2004, solarcomplex AG 2011, PROKON Regenerative Energien GmbH 2013). Allerdings kann es in überschaubaren Projektfinanzierungen entweder Bedingung anderer Kapitalgeber (z.B. der finanzierenden Banken) sein oder dem Anlegervertrauen dienen, weitere Mittelaufnahmen zu beschränken (vgl. Kauxdorf 2006). Der Projektinitiator wird hiervon aber nur sehr zurückhaltend Gebrauch machen. Der Rangrücktritt gegenüber Fremdkapitalforderungen ist ebenso konstituierend für Genussrechte wie der Ausschluss der Mitwirkungsrechte. 160 Allerdings können Genussrechtsbedingungen dem Emittenten gewisse Informationspflichten auferlegen, die Investoren als Vertrauen fördernd wahrnehmen werden. Ad [4] Verzinsung Für die Renditeerwartung der Investoren bei der Finanzierung von Erneuerbare- Energie-Projekten sind im Wesentlichen zwei Einflussfaktoren zu berücksichtigen: Einerseits die Chance-Risiko-Struktur des Investments, und dabei insbesondere das Standing des Projektinitiators und die technische, wirtschaftliche und marktbezogene Reife des zugrundeliegenden Projektes sowie andererseits die Zielgruppe der Anleger. „Das ökologische Motiv der Geldanlage kann überdurchschnittlich stark ausgeprägt sein und das Motiv der Renditeerzielung dominieren.“ 161 Die meisten Genussrechte verfügen über eine feste Verzinsung, die - abhängig vom Emittenten häufig 200 Basispunkte, gelegentlich auch noch mehr - über dem anzulegenden Referenzwert festverzinslicher Anleihen liegen. Die Verzinsung kann regelmäßig (meist jährlich, gelegentlich auch in kürzeren Zeitabständen) oder endfällig, d.h. durch Thesaurieren der Zinsen, gezahlt werden. Grundsätzlich ist aber auch eine ausschließlich variable Verzinsung des Genussrechts möglich - allerdings für viele Privatanleger nicht hinreichend attraktiv. Schließlich ist zu regeln, ob die Verzinsung dem Recht auf Gewinnausschüttung an die Gesellschafter vorgeht (bei den meisten, v. a. bei festverzinslichen Genussrechten ist das der Fall), mit den Gewinnrechten der Gesellschafter gleich behandelt wird oder ob den Gesellschaftern eine Vorabausschüttung gewährt wird. Daneben verfügen viele Genussrechte über eine zusätzliche, erfolgsabhängige Ertragskomponente. Dazu können gehören: Sachbezug: Das Genussrecht umfasst die kostenlose Lieferung einer bestimmten Menge Wärme, die bei der Stromerzeugung aus Biogas entsteht. Zusätzliche Verzinsung: So erzielen Investoren in den Genussschein der PNE Wind AG 2004 bei Erreichen bestimmter Gewinnschwellen des Unternehmens eine Zusatzverzinsung von bis zu drei Prozentpunkten p. a. 160 Allerdings ist der Rangrücktritt vor dem Hintergrund der Gutachten im Zusammenhang mit der PROKON-Insolvenz ggf. neu zu bewerten (Vgl. Abschnitt 14.3.2). 161 Werner 2009, S. 38; vgl. zu Investorenmotiven auch den Beitrag von Friege/ Voss in diesem Band. <?page no="324"?> 324 14 Genussrechte zur Finanzierung von EE-Projekten Endfällige Beteiligung am Wertzuwachs des emittierenden Unternehmens/ Projektes, etwa in Form eines Anteils am Verkaufserlös. Wandelmöglichkeit des Genussrechts in Kapitalanteile zu vorher definierten Bedingungen. Optionsrecht, Kapitalanteile zu erwerben, ggfs. auch als an das Erreichen bestimmter Voraussetzungen gebundenes, bedingtes Optionsrecht ausgestaltet. Die letzten drei der vorstehenden Ausgestaltungsmöglichkeiten werden dabei auch als Equity-Kicker bezeichnet. 162 Für die Ausgestaltung der Verzinsung eines Genussrechts zur Finanzierung Erneuerbarer-Energie-Projekte gilt die Vertriebsweisheit „Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“: So sehr eine erfolgsbasierte Verzinsung den Interessen des Projektinitiators entgegenkommen mag: wenn der Vertrieb der Genussrechte auf Privatanleger ausgerichtet ist, werden solche variablen Bedingungen die Platzierung der Genussrechte kaum fördern. Der Erwartung von „Sicherheit“ wird man hier nur mit einer Festverzinsung nachkommen können. Je näher die Investoren am Projekt sind, und je ausgeprägter nicht-monetäre Motive mit dem Projekt verbunden sind, umso eher wird man eine Festverzinsung mit einem Aufschlag von nur 200 Basispunkten oder auch weniger oder gar eine signifikante erfolgsabhängige Zinskomponente bei entsprechend reduzierter Festverzinsung durchsetzen können. Ad [5] Verlustbeteiligung Die in Tab. 15 zusammengestellten Genussrechtsbedingungen verdeutlichen vor allem eines: Die Verlustbeteiligung möchten Emittenten im Interesse der Investorenakquisition so weit als möglich vermeiden. Die oben erwähnte Garantie von vier jährlichen Zinszahlungen durch den Initiator von Kauxdorf 2006 ist da nur eine besonders bemerkenswerte Ausprägung dieser Vermeidungsstrategie. Grundsätzlich gilt: Zinszahlungen erfolgen unabhängig vom Ergebnis der Unternehmung (solarcomplex AG 2011, es sei denn, die Zahlung führt zur Insolvenz), bzw. nach Ermessen der Geschäftsleitung auch über den Jahresüberschuss hinaus, solange Liquidität vorhanden ist (PROKON 2013 - wenn diese Liquidität aus neu gezeichneten Genussrechten stammt, könnte man an ein Schneeballsystem denken). Aus wirtschaftlichen Gründen unterlassene Zinszahlungen werden zukünftig nachgeholt, und zwar im Einzelfall bis zu zehn Jahre nach Fälligkeit der Genussrechte (Kauxdorf 2006). Trotz der Bedeutung der Teilnahme am Verlust gibt es Genussrechte, die diesen ausschließen (z.B. Kauxdorf 2006, wobei das Genussrecht mit voller Verzinsung weiter läuft, wenn bei Fälligkeit die Rückzahlung nicht erfolgt). Bei der solarcomplex AG 2011 wird die Teilnahme am Verlust - abgesehen von der Nachrangigkeit bei der Insolvenz - gar nicht geregelt. Einzig die PNE Wind AG 2004 regelt die Verlustübernahme für Kapitaleigner und Genussrechtsinvestoren identisch. Dieses Risiko kann aber auch mit dazu beigetragen haben, eine zusätzliche, erfolgsabhängige Verzinsung auszuloben (s. vorangehender Abschnitt). 162 Lühn 2013, S. 53f. <?page no="325"?> Karsten Bornholdt, Christian Friege 325 Die Regelungen zur Verlustbeteiligung werden in erster Linie den Zielen des Projektinitiators folgen: Je wichtiger der Eigenkapitalcharakter des Genussrechts ist, umso weniger wird man um eine Teilnahme der Genussrechte am Verlust umhinkommen. Aber auch hier gilt: Nur wenige Privatanleger können Chancen und Risiken aus Erneuerbare-Energie-Projekten beurteilen. Und fühlen sich daher durch Regelungen zum Totalverlust ihrer Geldanlage schnell verunsichert. Daher wird ein Nachholgebot für versäumte Zinszahlungen ebenso zur Standardausführung von Genussrechtsbedingungen gehören, wie eine Bevorzugung des Genussrechtskapitals bei Verlusten und Herabsetzungen des Eigenkapitals. PNE Wind AG 2004 Kauxdorf 2006 solarcomplex AG 2011 PROKON 2013 Ein Anspruch auf eine Ausschüttung (…) steht den Genussscheininhabern nicht zu, soweit der im vorangegangenen Geschäftsjahr erzielte Jahresüberschuss (…) nicht dazu ausreicht. Reicht er nicht aus, erhöhen Fehlbeträge die Ausschüttung des Folgejahres, gegebenenfalls späterer Folgejahre (…). Die Nachzahlungspflicht besteht nur während der Laufzeit der Genussscheine. Reicht das Ergebnis nicht aus und kann (…) keine Ausschüttung geleistet werden, so erhöhen die entfallenen Ausschüttungsbeträge den Ausschüttungsanspruch des Folgejahres entsprechend. Die Nachzahlungspflicht besteht während der Laufzeit (…) und bis zu zehn Jahre nach vollständiger Rückzahlung. Die Verzinsung erfolgt (…) unabhängig vom Geschäftsergebnis der Gesellschaft, also auch dann, wenn sich ein Jahresfehlbetrag ergibt. (…) Der Berechtigte hat keinen Anspruch auf Auszahlung der Zins- und Kapitalforderung, wenn diese zur Insolvenz der solarcomplex AG führen würde. Für nicht oder nicht vollständig ausgezahlte (…) Grundverzinsungsbeträge besteht jedoch ein Nachzahlungsanspruch, vorausgesetzt, ein zukünftiger Jahresüberschuss und die Liquidität der Emittentin reichen für die Bedienung des Anspruches aus. Bei einem Bilanzverlust vermindert sich der Rückzahlungsanspruch jedes Genussscheininhabers um den Anteil am Bilanzverlust, der sich aus dem Verhältnis seines Rückzahlungsanspruchs zum Eigenkapital (einschließlich Genussscheinkapital) errechnet. Die Namensgenussrechte nehmen am Verlust der Gesellschaft nicht teil. Weist die Gesellschaft während der Laufzeit der Namensgenussrechte einen Verlust aus, so vermindert sich nicht der Rückzahlungsanspruch der Namensgenussrechtsinhaber. Das (…) Kapital ist (…) am Jahresüberschuss bzw. Jahresfehlbetrag der Emittentin beteiligt (…). Die Geschäftsführung ist nach freiem Ermessen berechtigt, bei ausreichender Liquidität der Emittentin auch über den festgestellten Jahresüberschuss hinaus Ausschüttungen bzw. Zinsgutschriften an die Anleger vorzunehmen. <?page no="326"?> 326 14 Genussrechte zur Finanzierung von EE-Projekten Werden nach einer Teilnahme der Genussscheininhaber am Verlust (…) in den folgenden Geschäftsjahren während der Laufzeit der Genussscheine Gewinne erzielt, so sind aus diesen (…) die Rückzahlungsansprüche bis zum Nennbetrag der Genussscheine zu erhöhen, bevor eine Ausschüttung (…) vorgenommen wird. Sollte die Rückzahlung der Namensgenussrechte bei Fälligkeit ganz oder teilweise nicht erfolgen können, so sind die Genussrechte in Höhe des noch nicht zurückgezahlten Betrages weiterhin mit 6,35 % jährlich zu verzinsen. Weist die PROKON Regenerative Energien GmbH in ihrem Jahresabschluss einen Jahresfehlbetrag aus, wird dieser (…) rechnerisch zunächst (…) den Gesellschaftern zugewiesen. Sollte die Emittentin darüber hinausgehende Verluste ausweisen, nimmt das Genussrechtskapital rechnerisch daran bis zur vollen Höhe teil. Tab. 15: Auszüge aus den Genussscheinbedingungen für ausgewählte Erneuerbare-Energie- Projekte zur Verlustbeteiligung (Quellen: PNE Wind AG (2004), Kauxdorf (2006), solarcomplex AG (2011), PROKON Regenerierbare Energien GmbH (2013)) 14.5 Chancen und Risiken - aus der Sicht von Projektinitiatoren und von Investoren Welche Chancen bieten Genussrechte für die Finanzierung von Erneuerbare-Energie- Projekten - und welche Risiken müssen Projektinitiatoren managen? Was motiviert Anleger, ihr Geld in Erneuerbare-Energie-Projekte zu investieren? Was hält sie möglicherweise zurück? 14.5.1 Chancen und Risken aus Investorenperspektive Die Prospekte von Kauxdorf 2004 und von der solarcomplex AG 2011 listen 22 bzw. 19 Risiken auf, die Anleger eingehen, wenn sie in die jeweiligen Projekte investieren. Diese Risiken reichen vom „Schlüsselpersonen-Risiko“ (bezeichnet die Abhängigkeit des Emittenten von einzelnen handelnden Personen und deren Fähigkeiten und Erfahrungen) und den „Windschwankungen“ (also dem Wetterrisiko, dem der Ertrag einer Windkraftanlage an einem bestimmten Standort unterliegt) bis hin zum „maximalen Risiko“, also dem Totalverlust der Investition. Und trotzdem finden gerade im Bereich der Erneuerbaren Energien die angebotenen Investitionsmöglichkeiten ihre Investoren. Zu den Bedenken der potentiellen Investoren in Bezug auf eine Geldanlage in Genussrechten zur Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten gehören: Genussrechte haben - spätestens seit der Berichterstattung über PROKON - ein schlechtes Image bei den Anlegern. Die mangelnde Regulierung führt zu Unsicherheit, die im Idealfall durch einen dem Anleger vertrauten Berater aufgefangen werden muss. Die seit einigen Jahren andauernde Diskussion über das Erneuerbare-Energien- Gesetz (EEG) verunsichert bezüglich der Verlässlichkeit der Einspeisevergütungen. Die fehlende Fungibilität, insbesondere bei kleinen Genussrechtsemissionen, schränkt aus Sicht der Anleger die Attraktivität ein. <?page no="327"?> Karsten Bornholdt, Christian Friege 327 Trotz Festverzinsung wird das Emittentenrisiko bei Genussrechten gesehen - und erfordert von den Anlegern eine individuelle Einschätzung der Solvenz der Genussrechtsanbieter. Die Genussrechtsbedingungen sind vielfach kompliziert - viel komplizierter als etwa für die stärker regulierten Anleihen oder Aktien. Und trotzdem investieren Anleger in Genussrechte. Dabei sind es insbesondere diese Gründe, die von Investitionen in Erneuerbare-Energie-Projekte überzeugen: Erneuerbare Energie ist ein Zukunfts- und Wachstumsmarkt. Viele Projekte sind in der Vergangenheit erfolgreich gewesen, es gibt Anbieter mit einem guten „track record“. Das EEG ermöglicht weiterhin eine hohe Planbarkeit des Cash Flows. Die Datenlage zu Windgeschwindigkeiten und Sonneneinstrahlung wird zunehmend präziser. Investitionen in Erneuerbare-Energie-Projekte sind nachhaltig und ethisch unbedenklich. Genussrechte ermöglichen durch ihren Mezzanine-Charakter eine höhere Verzinsung als dies bei vergleichbaren Anleihen der Fall ist - dies ist von besonderer Bedeutung angesichts der aktuell negativen Realrendite vieler Anlagen. Gleichzeitig können Genussrechte dem Sicherheitsbedürfnis vieler Anleger eher entsprechen als eine Anlage in Kapitalanteile. Gerade lokale und regionale Erneuerbare-Energie-Projekte mit kleineren Finanzierungsbedarfen ermöglichen durch Genussrechte eine weniger anonyme Geldanlage. 14.5.2 Herausforderungen für Projektinitiatoren Aus den Bedenken und Motiven der Anleger ergeben sich einige entscheidende Herausforderungen für die Emittenten von Genussrechten zur Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Anlagen: [1] Finanzierungsziele kennen: Ein Genussrecht lässt sich nur optimal konzipieren, wenn die Ziele bezüglich der Emission von Anfang an klar sind. [2] Anleger in den Fokus: Bei der Umsetzung der Ziele muss stets der potenzielle Anleger im Fokus stehen. Ein Genussrecht wird anders ausgestaltet, wenn man im eigenen lokalen Umfeld ein Solarkraftwerk finanzieren möchte, als wenn man einen börsennotierten Genussschein plant. [3] Vertrauen aufbauen: Noch viel mehr seit der Berichterstattung über die PROKON Genussrechte muss es in der Konzeption einer Genussrechtsemission darum gehen, Vertrauen bei den Anlegern aufzubauen: durch Anleger orientierte Ausgestaltung von Genussrechtsbedingungen, durch Auswahl der Vertriebskanäle und durch die Kommunikation des Anlageangebots. [4] Für den Vertrieb der Genussrechte ist die entscheidende Frage: Ist der Kanal geeignet, das Image des Emittenten zu transportieren und wird der Kanal den Kapitalbedarf durch die Emission decken können? Vor allem die Frage der Platzierung der Genussrechte wird oft falsch eingeschätzt und die eigene Leistungsfähigkeit zur „Privatplatzierung“ der für die Finanzierung des Bürgerwindparks notwendi- <?page no="328"?> 328 14 Genussrechte zur Finanzierung von EE-Projekten gen Genussrechte überschätzt. So sollte man zumindest einen alternativen Vertriebsplan entwickelt haben, bevor man startet. [5] Schließlich ist auch die Abwicklung während der Haltephase eine Herausforderung. Wer führt das Genussrechtsregister, wer wickelt Erbfälle ab, wie wird der private Handel für verkaufswillige Investoren betreut? Trotz dieser Herausforderungen bleiben die Möglichkeiten der Genussrechte so attraktiv, dass auch in Zukunft viele Erneuerbare-Energie-Projekte mit Hilfe von Genussrechtemissionen finanziert werden. Auf den Punkt gebracht Genussrechte bieten einen ausgesprochen flexiblen Rahmen für die Mezzanine-Finanzierung. Dabei gilt es, eine dem jeweiligen Einzelfall angepasste Balance zwischen Eigenkapitalerfordernissen aus Emittentensicht und Vertriebserfordernissen im Hinblick auf die potenziellen Investoren zu finden. Die Insolvenz von PROKON hat die Anforderungen sowohl durch den gutachterlich bestätigten Gleichrang mit Fremdkapital im Insolvenzfall als auch durch den Imageschaden für die Finanzierungskategorie Genussrechte nochmals verstärkt. Literatur Becker, P. (2013): Investition und Finanzierung. Wiesbaden: Springer Gabler Hock, M. (2013): Genusscheine locken mit hohen Renditen, in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 06.09.2013, http: / / www.faz.net/ aktuell/ finanzen/ anleihen-zinsen/ zwischen-aktie-undanleihe-genussrechte-locken-mit-hohen-renditen-12562992.html, Zugriff am 03.04.2014 Juve (2014): Prokon-Insolvenz: Genussrechte sind laut Gericht doch etwas wert, http: / / www.juve.de/ nachrichten/ namenundnachrichten/ 2014/ 05/ prokon-insolvenzgenussrechte-sind-laut-gericht-doch-etwas-wert, Zugriff am 27.05.2014 Kauxdorf (2006): Genußrecht Kauxdorf vom 22.05.2006. http: / / www.umweltbank.de/ pdf/ Genussrecht_Kauxdorf.pdf , Zugriff am 03.04.2014 PNE Wind AG (2004): Plambeck Neue Energien AG Genussscheinbedingungen Genussschein von 2004/ 14 vom März 2004 https: / / www.boerse-stuttgart.de/ media/ weitere_assetklassen_ pdf/ A0B9VG-wa.pdf, Zugriff am 03.04.2014 PROKON (2013): PROKON Genussrechte − Verkaufsprospekt - PROKON Regenerative Energien GmbH vom 16.05.2013. http: / / www.prokon.net/ prokon-download-bereich? id, Zugriff am 02.04.2014 PROKON (2014): Nachtrag Nr. 1 vom 14.01.2014 zum Verkaufsprospekt vom 16.05.2013 betreffend das öffentliche Angebot von Genussrechten der PROKON Regenerative Energien GmbH. http: / / www.prokon.net/ prokon-download-bereich? id, Zugriff am 02.04.2014 solarcomplex AG (2011): Genussrechte ab 2011 vom 28.07.2010. http: / / www.solarcomplex.de / media/ Investieren/ Genussrechte/ Prospekt_Genussrecht_Nachtrag.pdf Zugriff am 03.04.2014 Spindler, G./ Stilz, E. (2010): Aktiengesetz, 2. Auflage, München: Beck Werner, T. (2009): Ökologische Investments. Wiesbaden: Gabler <?page no="329"?> 15 Darlehen als Instrument zur Finanzierung von Erneuerbare- Energien-Projekten Christian Marcks und Nathan Hauke, GLS Gemeinschaftsbank eG Inhalt 15.1 Einleitung und Überblick......................................................................................... 329 15.2 Arten der Darlehensfinanzierung und ihre Ausformungen ................................ 331 15.2.1 Darlehens- und Tilgungsarten ................................................................................. 331 15.2.1.1 Ratendarlehen bzw. Darlehen mit konstanter Tilgung ........................................ 331 15.2.1.2 Annuitätendarlehen...................................................................................................331 15.2.1.3 Cash-Sweep................................................................................................................ 332 15.2.1.4 Endfällige Darlehen ..................................................................................................333 15.2.2 Auswirkungen auf Rendite und Ausschüttungen ................................................. 333 15.2.3 Auswirkungen auf Kapitaldienstdeckungsgrad (DSCR) und Blankoanteil ....... 334 15.2.4 Bewertung der Darlehensformen aus Sicht des Investors und der Bank .......... 334 15.2.5 Veranschaulichung anhand eines Projektbeispiels................................................ 335 15.3 Zinsmethoden - variabler Zins vs. Zinsbindung und Anschlusszins ................ 338 15.3.1 Zinsmethoden ...........................................................................................................338 15.3.2 Festzins, variabler Zins............................................................................................. 339 15.3.3 Zinssicherung ............................................................................................................ 340 15.4 Fördermöglichkeiten................................................................................................. 341 15.5 Wesentliche Entwicklungen..................................................................................... 343 Literatur ...................................................................................................................... 344 Schlagwortliste Annuität, Cash-Sweep, Kapitaldienstdeckungsgrad, Zinssicherung, Zins-Swap, Zins-Cap, Debt Service Coverage Ratio, Förderdarlehen 15.1 Einleitung und Überblick Die weitläufige Meinung, dass Projektfinanzierungen eine junge Disziplin der Finanzdienstleistungsbranche sind, ist falsch. Die erste dokumentierte „Projektfinanzierung“ geht zurück auf das Jahr 1299. Hier stellte die florentinische Bank Frescobaldi der englischen Krone erhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung, um die Silbermine in <?page no="330"?> 330 15 Darlehen als Instrument zur Finanzierung von EE-Projekten Devon ausbeuten zu können. Im Gegenzug wurde der Bank eine einjährige Konzession zur Ausbeutung der Mine garantiert. Die Grundidee, eine Investition mit den aus der Investition in Zukunft zu generierenden Cash Flows zu finanzieren, war geboren. 163 Das Zeitalter der modernen Projektfinanzierungen begann Anfang des 20. Jahrhunderts mit gigantischen Infrastrukturprojekten (wie bspw. dem Suez-Kanal), deren Investitionsvolumen selbst einzelne Staaten überforderte und daher „kreative Lösungswege“ erforderte. Seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden auf Grund von staatlichen Budgetrestriktionen auch in den westlichen Industriestaaten mehr und mehr Infrastrukturprojekte wie bspw. Flughäfen und Bahnstrecken mittels Projektfinanzierungen realisiert. Selbstverständlich waren diese Hochrisikofinanzierungen nur für die großen Privatbanken und (teil-)staatliche Institute darstellbar. Im Rahmen der Energiewende wurde die Projektfinanzierung dann „demokratisiert“, selbst Photovoltaikanlagen mit einem Investitionsvolumen von ca. 100 TEUR werden durch nahezu jede Bank finanziert. Windkraftfinanzierungen sind in diesem historischen Kontext ein „Zwischending“: auf der einen Seite so komplex und kapitalintensiv, dass nur eine Handvoll Banken sich intensiv dem Thema widmeten und auf der anderen Seite doch so gut handhabbar, dass eine Reihe von Banken erfolgreich ein größeres Portfolio aufgebaut haben. Seit den Anfängen der Energiewende mit dem Stromeinspeisegesetz von 1991 wurden in Deutschland, Stand Ende 2013, 23.645 Windenergieanlagen mit einer Nennleistung von über 33.729 MW installiert. Durch den hohen Fremdfinanzierungsgrad bei Windenergieprojekten haben Banken hierbei den größten Teil der für den Ausbau nötigen Investitionsmittel bereitgestellt. Eine Reihe von Kreditinstituten hat sich bei der Finanzierung von Windenergieprojekten besonders hervorgetan und über die Jahre großes Know-How und ein erhebliches Aktivvolumen aufgebaut. Dazu zählen neben den beiden Marktführern Bremer Landesbank AG und Deutsche Kreditbank AG u.a. die folgenden Institute: Commerzbank AG, HSH Nordbank AG, DZ Bank AG, WGZ Bank AG, UmweltBank AG, Nord LB AG, LBBW AG und GLS Bank eG. Im Jahre 2012 (2013) wurden beispielsweise 3,9 Mrd. EUR (7,06 Mrd. EUR) in Windenergieerzeugungskapazitäten deutschlandweit investiert. 164 Geht man von einer durchschnittlichen Fremdkapitalquote von 80 % aus, ergibt sich für Banken ein Markt mit einer Größe von etwa 3,1 Mrd. EUR (5,6 Mrd. EUR). Hierbei wird ein Großteil der Windenergie-Kredite passivseitig über die KfW refinanziert, im Jahre 2012 trotz äußerst geringen Zinsniveaus bspw. über 90 %. 165 Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird das Instrument des Darlehens innerhalb einer Projektfinanzierung genauer beleuchtet. Im Gegensatz zu den unterschiedlichen Spielarten der Eigenkapital- oder Mezzanine-Finanzierung zeichnet sich das Darlehen als Finanzierungsinstrument durch eine mehr oder weniger weitgehende Standardisierung aus. Dementsprechend weniger flexibel ist es als Instrument und somit auf möglichst vorhersehbare, gleichbleibende Rahmenbedingungen angewiesen. Diese sind bei der Projektfinanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten in Deutschland bislang nahezu ideal gegeben. Das Ergebnis sind sehr langfristige, einfache Finanzierungsstruktu- 163 Kensinger/ Martin (1988) 164 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2014) 165 Kreditanstalt für Wiederaufbau (2013) <?page no="331"?> Christian Marcks, Nathan Hauke 331 ren. Je höher die Unsicherheit, z. B. durch kürzer laufende Stromabnahmeverträge (PPA - Power Purchase Agreement) o.ä. wird, desto komplexer muss die Darlehensgestaltung werden, um möglichen Veränderungen Rechnung zu tragen, ohne die Bank zu zwingen, Darlehen während der Laufzeit restrukturieren zu müssen. Unterschieden werden Raten- oder Tilgungsdarlehen, Annuitätendarlehen und endfällige Darlehen. Im Folgenden werden diese auf ihre unterschiedlichen Auswirkungen auf Rendite, Liquidität und Risiko aus Sicht von Investor und Bank untersucht. 15.2 Arten der Darlehensfinanzierung und ihre Ausformungen 15.2.1 Darlehens- und Tilgungsarten 15.2.1.1 Ratendarlehen bzw. Darlehen mit konstanter Tilgung Das vorherrschende Fremdfinanzierungsinstrument für Erneuerbare-Energie-(EE)- Projekte ist das Darlehen mit konstanter Tilgung. Dieses ist, wie der Name schon sagt, durch nach dem Ende der tilgungsfreien Zeit (i.d.R. bis zu zwei Jahre) konstante Beträge monatlicher, vierteljährlicher oder - gelegentlich bei Förderdarlehen (Rentenbank, s. Abschnitt 15.4) - halbjährlicher Rückzahlung des Darlehens charakterisiert. Hinzu kommt der jeweils fällige Zinsbetrag, in der Höhe ebenfalls abhängig von der Verrechnungsart (monatlich, vierteljährlich oder gar halbjährlich). Dieser ist zu Anfang der Finanzierung am höchsten und sinkt nach Maßgabe der Tilgung des Darlehens. Daraus ergibt sich, wie in Abbildung 59 gezeigt, ein im Zeitverlauf abfallender Zahlungsstrom. Abb. 59: Ratendarlehen (eigene Darstellung) 15.2.1.2 Annuitätendarlehen Das eher im Bereich von Privatkunden und Unternehmens-Finanzierungen dominierende Instrument des Annuitätendarlehens zeichnet sich durch einen konstanten Gesamtbetrag aus Zins und Tilgung zur jeweiligen Fälligkeit aus (s. Abbildung 60). Dies 2 4 6 8 10 12 14 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 TEURO Laufzeit Schema Darlehen mit konstanter Tilgung Zins Tilgung <?page no="332"?> 332 15 Darlehen als Instrument zur Finanzierung von EE-Projekten führt dazu, dass zu Anfang der Finanzierung die Annuität nur aus Zinsen und wenig oder gar keiner Tilgung besteht, während am Ende der Zinsanteil gegen Null sinkt. Während der tilgungsfreien Zeit werden allerdings nur die fälligen Zinsen berechnet, so dass dieser Betrag dann auch geringer als die vereinbarte Annuität sein kann. Lediglich bei Umsatzsteuer berechnenden Banken ergibt sich ein leicht fallender Zahlungsstrom, da die Umsatzsteuer nur auf die Zinszahlung berechnet wird und somit im Zeitverlauf sinkt. Da sich die Projektgesellschaft die Vorsteuer über die Umsatzsteueranmeldung wieder erstatten lässt, bleibt der Kapitaldienst netto ein konstanter Zahlungsstrom. Abb. 60: Annuitätendarlehen (eigene Darstellung) 15.2.1.3 Cash-Sweep Hierbei handelt es sich weniger um eine Darlehensart als um eine Flexibilisierungsvereinbarung mit der Bank. Vom Wortsinne gemeint ist dabei eine Verpflichtung, vor Ausschüttungen überschüssige Liquidität vorrangig zur Tilgung eines Darlehens zu verwenden. Dies kann zum einen eine zusätzliche Darlehenskomponente in einer Finanzierungsstruktur sein, um den Hebel zu erhöhen oder anfänglich bzw. über einen Zeitraum höhere Erträge zu nutzen (z. B. aus Direktvermarktung der erzeugten Energie). Es kann auch ein Korridor vereinbart werden, innerhalb dessen die Tilgungsleistungen vom vereinbarten Tilgungsplan abweichen dürfen, den sie aber vor Ausschüttungen über erhöhte Tilgungen aus freier Liquidität wieder erreichen müssen. 166 Ein Beispiel für eine Cash-Sweep-Finanzierung mit einem Korridor für Tilgungen von 1,3 bis zu 1,6 Mio. EUR ist in Abb. 61 gezeigt. Die Zins- und Tilgungsstruktur orientiert sich an der tatsächlich vorhandenen Liquidität im Projekt. 166 Vgl. z. B. Deutsche Bundesbank (2007), S. 21, oder Eden (2011) S. 736-737 2 4 6 8 10 12 14 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 TEURO Laufzeit Schema Annuitätendarlehen Zins Tilgung <?page no="333"?> Christian Marcks, Nathan Hauke 333 Abb. 61: Cash-Sweep (eigene Darstellung) 15.2.1.4 Endfällige Darlehen Darlehen ohne laufende Tilgung sind in der Projektfinanzierung unüblich. Sie werden allenfalls als Teil einer Finanzierungsstruktur verwendet, wenn zu einem festen Zeitpunkt eine konkrete Einzahlung erwartet wird. In den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden über einige Jahre z.T. offensiv Lebensversicherungsprodukte als Tilgungsersatz auch für Energieprojektfinanzierungen angeboten, um bei Fälligkeit das Darlehen zu tilgen. Mit sinkendem Marktzinsniveau erwiesen sich diese Erwartungen jedoch als zu optimistisch und in vielen Fällen blieben am Ende schmerzliche Lücken, die anderweitig getilgt werden mussten. Aufgrund der nur vereinzelten Anwendung wird diese Form im weiteren Verlauf nicht systematisch behandelt. 15.2.2 Auswirkungen auf Rendite und Ausschüttungen Die Auswirkung der unterschiedlichen Tilgungsstrukturen auf die Eigenkapital-Rendite des Investors ist durch Höhen und Zeitpunkte der Tilgungsleistungen bestimmt. Je früher das Darlehen getilgt wird, umso schneller fallen Zinszahlungen auf die getilgten Beträge weg. Dementsprechend steigt die Rendite. Somit wird sie bei einem Ratendarlehen im Vergleich zum Annuitätendarlehen höher sein und bei beiden wiederum im Vergleich zu einem endfälligen Darlehen, bei dem sich der zu verzinsende Betrag über die Laufzeit gar nicht verringert. Auch Cash-Sweep-Vereinbarungen wirken sich erhöhend auf die Rendite aus, wenn freie Liquidität vorrangig zur Tilgung statt zur Ausschüttung verwendet wird. Ausschüttungen können aufgrund der höheren Kapitaldienstleistungen beim Ratendarlehen hier erst im Zeitablauf ansteigend erfolgen. Das Annuitätendarlehen dagegen ermöglicht von Anfang an mehr oder weniger konstante Ausschüttungen, die im Zeitablauf evtl. durch ansteigende Betriebskosten, Reparaturaufwendungen o.ä. geschmälert werden. 500 1.000 1.500 2.000 2.500 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 TEURO Laufzeit Schema Ratendarlehen mit Cash-Sweep Vereinbarung Zins Tilgung 1.600 <?page no="334"?> 334 15 Darlehen als Instrument zur Finanzierung von EE-Projekten 15.2.3 Auswirkungen auf Kapitaldienstdeckungsgrad (DSCR) und Blankoanteil Maßgebliches Kriterium für die Bestimmung der Fremdfinanzierungshöhe durch die Bank ist der Kapitaldienstdeckungsgrad bzw. die Debt Service Coverage Ratio ( DSCR). Diese Kennzahl bezeichnet das Verhältnis des freien Cash Flow (nach Betriebskosten und Steuern, vor Kapitaldienst) zur Höhe der Zins- und Tilgungsleistungen auf jährlicher Basis. Dieser muss notwendig bei mindestens 1,0 liegen, um die Kreditverpflichtungen zu erfüllen, wird aus Risikogesichtspunkten von Banken - je nach Projektart - jedoch deutlich höher vorgegeben. Bei Ratendarlehen führt dies zu einem Engpass in den ersten Tilgungsjahren, in denen der Kapitaldienst am höchsten ist. Diese bestimmen mithin die Höhe der möglichen Fremdfinanzierung. Bei Annuitätendarlehen ist der DSCR anfangs am höchsten und sinkt dann nach Maßgabe der indexierten Betriebskosten und ggf. steigenden Steuerzahlungen. Der Blankoanteil bezeichnet den aus Sicht der Bank unbesicherten Teil des Darlehens. Bei EE-Projektfinanzierungen erfolgt die Ermittlung des Sicherheitenwertes über den Barwert der abgezinsten Überschüsse aus Stromerlösen und Betriebsausgaben. Von diesem Barwert wird üblicherweise ein Sicherheitsabschlag genommen, so dass am Ende ein Sicherheitenwert zwischen 50 und 80 % des Darlehensvolumens resultiert. Dieser wird über die Darlehenslaufzeit fortgeschrieben und jährlich angepasst. Erfolgen nun beim Ratendarlehen konstante Tilgungen, sinkt der Blankoanteil in der Regel ab, da die Tilgung höher ist als das Absinken des Barwertes. Beim Annuitätendarlehen hingegen steigt die Tilgung langsamer an, so dass der Barwert hier schneller absinkt als die Darlehensvaluta. 15.2.4 Bewertung der Darlehensformen aus Sicht des Investors und der Bank Eine Bewertung der Sinnhaftigkeit des Einsatzes der einen oder anderen Darlehensform in einer EE-Projektfinanzierung aus Sicht des Investors hängt von dessen Interessenlage ab. Einzelinvestoren oder kleinere Investorengesellschaften streben zumeist nach einer hohen Rendite und größtmöglichen Ausschüttungen, sind aber nicht auf frühe oder konstante Auszahlungen angewiesen. Dementsprechend werden hier Ratendarlehen und ggf. sogar Cash-Sweep-Komponenten bevorzugt. Größere Fondsgesellschaften und Bürgerenergieprojekte werden dagegen Wert auf möglichst frühe und konstante Ausschüttungen legen, während eine hohe Rendite zumindest nicht im Vordergrund steht. Hier wird mindestens die Beimischung von Annuitätendarlehen angefragt, was bei Windenergieprojekten bislang eher unüblich ist, bei Photovoltaikprojekten jedoch gängige Praxis. Wie schon im vorigen Abschnitt beschrieben, führt eine konstante Tilgungsstruktur aus Sicht der Bank zu einem schnellen Absinken des Blankoanteils, also eines potenziellen Ausfallverlustes. Dem steht eine geringere Kapitaldienstdeckung in den Anfangsjahren gegenüber, in denen der Kreditbetrag noch vergleichsweise hoch ist. Die annuitätische Darlehensstruktur führt dagegen zu einer hohen Kapitaldienstdeckung am Beginn der Laufzeit sowie einem mehr oder weniger parallelen Absinken von Kredit- <?page no="335"?> Christian Marcks, Nathan Hauke 335 betrag und Kapitaldienstdeckungsgrad, allerdings verbunden mit einem relativ steigenden Blankoanteil. Insofern muss die Bank anhand des Projektrisikos und ihrer eigenen Risikopräferenz abwägen, wo sie die Priorität setzt bzw. welche Mischung der beiden Tilgungsarten ihr entspricht. 15.2.5 Veranschaulichung anhand eines Projektbeispiels Um die hier diskutierten Auswirkungen der unterschiedlichen Darlehensstrukturen auf die genannten Risiko- und Renditepositionen anschaulich zu machen, werden diese im folgenden anhand eines Projektbeispiels bildlich veranschaulicht. Die hier folgenden Grafiken zeigen eine fiktive, aber realitätsnahe Windenergie-Projektfinanzierung mit unterschiedlichen Darlehensstrukturen unter sonst gleichen Rahmenbedingungen. Es wurde eine Darlehenshöhe von 20 Mio. EUR, ein um +/ - 6 % zufällig schwankendes Windangebot sowie aus fixen und ertragsabhängigen Komponenten bestehende Betriebskosten angenommen. Abb. 62: Windenergie-Projektfinanzierung mit einem Ratendarlehen (eigene Darstellung) Aus den Abbildungen 62 und 63 lassen sich zum einen unterschiedliche Schwerpunkte der Ausschüttungen im Zeitverlauf erkennen. Zum anderen werden die Auswirkungen auf die Risikokennzahlen sichtbar. Beispielsweise führt im fünften Jahr die Ratenstruktur im Rahmen der üblichen Schwankungen des Windangebots dazu, dass die Liquiditätsreserve teil- und zeitweise in Anspruch genommen werden muss, wohingegen bei der Annuitätenstruktur auf Grund der gestreckten Tilgungen dies nicht nötig wäre. <?page no="336"?> 336 15 Darlehen als Instrument zur Finanzierung von EE-Projekten Abb. 63: Windenergie-Projektfinanzierung mit einem Annuitätendarlehen (eigene Darstellung) Im Gegensatz dazu ist der Blankoanteil im neunten Jahr bei konstanter Tilgung schon unter 200 TEUR gefallen, während bei annuitätischer Struktur noch fast eine Million EUR bei dem entsprechenden Kreditinstitut in den Büchern steht - siehe Abbildung 63. Dies ist - insbesondere für kleinere Häuser - ein nicht unerheblicher Unterschied. Hinsichtlich der Kapitaldienstdeckung kehrt sich die Risikosituation zur Hälfte der Laufzeit der Darlehen um. Der DSCR für die Ratenstruktur steigt kontinuierlich an, während der DSCR des Annuitätendarlehens aufgrund inflationierter Betriebskosten sinkt. Berücksichtigt man zudem, dass Banken bei relativ verbreiteter zehnjähriger Zinsbindung in der ex-ante Betrachtung mit einem zusätzlichen Zinsaufschlag von 2−3 % bei Zinsprolongation rechnen, steigt bei unveränderter Laufzeit die Annuität über die Anfangshöhe (bzw. wird von Anfang an höher angesetzt), während sich bei konstanter Tilgung der Kapitaldienst nur um ein Teil des bereits gesunkenen Zinsbetrages erhöht. Das hat entsprechende Auswirkungen auf Rendite, Kapitaldienstdeckungsgrad und Blankoanteil. Die Eigenkapital-Rendite beschreibt das Verhältnis von erwirtschaftetem Gewinn zu eingesetztem Eigenkapital. Sie ist für die Investoren eine entscheidende Kennzahl zur Rentabilität des Projektes. Tabelle 16 zeigt eine Übersicht der unterschiedlichen EK-Renditen und Gesamtausschüttung in Bezug zu den vorgestellten Finanzierungsformen. <?page no="337"?> Christian Marcks, Nathan Hauke 337 Abb. 64: Windenergie-Projektfinanzierung mit einem Ratendarlehen mit einer Cash-Sweep Vereinbarung (es muss alle freie Liquidität zur Tilgung, mind. 1,6 Mio. EUR, eingesetzt werden) (eigene Darstellung) Annuitätendarlehen Ratendarlehen Ratendarlehen mit Cash-Sweep Vereinbarung EK-Rendite 12,55 % 12,82 % 12,94 % Gesamtausschüttung 250,07 % 256,31 % 258,85 % Tab. 16: EK-Rendite und Gesamtausschüttung Wegen eines zugrunde gelegten Zinssatzes von 2,8 % liegen die EK-Renditen und Ausschüttungen recht nahe beieinander. Die Differenzen in den Kennzahlen werden zwischen den einzelnen Darlehensformen bei höheren Zinssätzen entsprechend größer. Die Entwicklung der in Abschnitt 15.2.3 vorgestellten Kennzahlen ist nachfolgend analog den Fallbeispielen verdeutlicht. <?page no="338"?> 338 15 Darlehen als Instrument zur Finanzierung von EE-Projekten Abb. 65: Entwicklung DSCR (eigene Darstellung) Abb. 66: Entwicklung Blankoanteil (eigene Darstellung) 15.3 Zinsmethoden - variabler Zins vs. Zinsbindung und Anschlusszins 15.3.1 Zinsmethoden Im Zuge der Entwicklung des Finanzierungswesens haben sich in verschiedenen Kulturkreisen unterschiedliche Arten der Zinsrechnung entwickelt. Diese haben zwar nur geringe Auswirkungen auf die in diesem Kapitel betrachteten Parameter, sollen aber gleichwohl im Überblick gezeigt werden: 0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Betriebsjahre Entwicklung DSCR DSCR Annuitätendarlehen DSCR Ratendarlehen DSCR Ratendarlehen mit Cash-Sweep Vereinbarung 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 8.000 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 TEURO Betriebsjahre Entwicklung Blankoanteil Blankoanteil Annuitätendarlehen Blankoanteil Ratendarlehen Blankoanteil Ratendarlehen mit Cash-Sweep Vereinbarung <?page no="339"?> Christian Marcks, Nathan Hauke 339 Deutsche Zinsrechnung 30/ 360 Eurozinsmethode (Französ. Methode) act/ 360 jeder Monat wird mit 30 Tagen gerechnet, außer Februar, wenn Laufzeitanfang oder -ende auf 28. bzw. 29. Februar fallen zur anteiligen Jahreszinsermittlung wird durch 360 geteilt jeder Monat wird mit tatsächlichen Tagen gerechnet, zur anteiligen Jahreszinsermittlung wird durch 360 geteilt Englische Zinsmethode act/ 365 Taggenaue oder Effektivzinsmethode act/ act jeder Monat wird in tatsächlichen Tagen gerechnet, zur anteiligen Jahreszinsermittlung wird durch 365 geteilt jeder Monat wird in tatsächlichen Tagen gerechnet, zur anteiligen Jahreszinsermittlung wird durch die tatsächlichen Jahrestage geteilt Tab. 17: Übersicht Zinsmethoden (eigene Darstellung). Für eine detailliertere Darstellung siehe bspw. http: / / zinsmethoden.de/ 15.3.2 Festzins, variabler Zins In der Darlehensfinanzierung allgemein, aber auch in der Projektfinanzierung herrschen Darlehen mit fester Zinsbindung vor. In der Regel bieten Banken bis zu zehn Jahre feste Zinssätze an, da bei längerer Zinsbindung ein gesetzliches, einseitiges Sonderkündigungsrecht des Kunden nach zehn Jahren gilt. Bei Auslauf der Zinsbindung muss ein Anschlusszins verhandelt werden. Da die Kreditlaufzeiten in gegenwärtigen Projektfinanzierungen 15 bis 18 Jahre betragen, besteht somit ab dem elften Jahr das Risiko eines (deutlich) höheren Anschlusszinses. Innerhalb der Zinsbindungsfrist wird für außerplanmäßige Tilgungen eine Vorfälligkeitsentschädigung fällig. Mit dieser deckt die Bank ihre Kosten, die ihr aus der Auflösung bzw. Anpassung der eigentlich langfristig vereinbarten Refinanzierung für den Rückzahlungsbetrag entstehen. Längere Zinsbindungen werden in der Regel von Förderbanken wie der KfW angeboten. Auch einzelne Geschäftsbanken bieten mehr als zehnjährige Zinsbindungen an, preisen das höhere Refinanzierungsrisiko sowie das Risiko einer kundenseitigen Sonderkündigung dann aber ein. Variable Zinssätze werden üblicherweise an einen Marktzins gekoppelt, wie z. B. den EURIBOR (Euro Interbank Offered Rate) für drei oder sechs Monate. Bei normaler Zinskurve (kurzfristige Zinssätze sind niedriger als langfristige) liegen sie deutlich unter den langfristigen Zinssätzen. Wie der Name jedoch verrät, eignen sie sich für kurzfristige Vor- oder Zwischenfinanzierungen, wie z. B. der Mehrwertsteuer, mit offener Fristigkeit, nicht jedoch für eine langfristige Projektfinanzierung; es sei denn, das Zinsänderungsrisiko wird durch Zinssicherungsinstrumente begrenzt bzw. berechenbar gemacht. <?page no="340"?> 340 15 Darlehen als Instrument zur Finanzierung von EE-Projekten 15.3.3 Zinssicherung Vorherrschende Instrumente der Zinssicherung sind der Zins-Swap und der Zins-Cap. Beim Zins-Swap tauscht ein Darlehensnehmer mit Präferenz für langfristige Zinsbindung seinen variablen Zinssatz mit einem Darlehensnehmer, der kurzfristige Bindung bzw. Flexibilität bevorzugt. Die Bank wickelt ein solches Geschäft abstrakt über den Kapitalmarkt ab und berechnet dafür ein Entgelt. Im Ergebnis hat der Kunde ein variabel verzinsliches Darlehen, für das er den variablen Zins erstattet bekommt und dafür einen über die Gesamtlaufzeit festen Zinssatz zahlt. Dieser wird bei normaler Zinskurve höher liegen als ein Zinssatz mit zehnjähriger Zinsbindung. Dafür entfällt das Risiko eines höheren Anschlusszinses, allerdings auch die Chance, von einem niedrigeren zu profitieren. Ein Zins-Swap kann für die gesamte Darlehenslaufzeit vereinbart werden oder im Voraus für die Zeit nach Ablauf der Festzinsbindung. Beim Zins-Cap wird gegen ein einmaliges Entgelt eine Höchstgrenze für den Zinssatz eines variablen Darlehens vereinbart. Überschreitet der Marktzins diese, zahlt der Anbieter des Cap eine Entschädigung in Höhe der Überschreitung. Je nach Höhe der Zinsgrenze und Marktlage bei Vereinbarung kann ein Zins-Cap günstiger oder teurer als ein Zins-Swap sein. In jedem Fall bietet er im Vergleich zum Zins-Swap bei niedrigen variablen Zinsen die Chance, davon zu profitieren. Als vom eigentlichen Darlehen (und Darlehensgeber) unabhängige Instrumente, können Zins-Swap und Zins-Cap grundsätzlich verkauft werden, wenn z. B. das Darlehen vorzeitig zurückgeführt wird. Je nach Zinsniveau kann ein Zins-Swap jedoch einen negativen Wert erlangen, während der Wert eines Zins-Cap nur auf 0 fallen kann. Die Funktionsweise der beiden Zinssicherungsmethoden wird noch einmal in den folgenden Abbildungen verdeutlicht. Abb. 67: Funktionsweise Zins-Cap (eigene Darstellung) 0,00% 1,00% 2,00% 3,00% 4,00% 5,00% 6,00% Jan-04 Jun-04 Nov-04 Apr-05 Sep-05 Feb-06 Jul-06 Dec-06 May-07 Oct-07 Mar-08 Aug-08 Jan-09 Jun-09 Nov-09 Apr-10 Sep-10 Feb-11 Jul-11 Dec-11 May-12 Oct-12 Mar-13 Aug-13 Jan-14 Funktionsweise Zins-Cap 3M Euribor Cap Bezahlter Zins Ausgleichszahlung vom Verkäufer Erwerbszeitpunkt des Caps Zinsersparnis durch Marktzins unter der Cap-Grenze <?page no="341"?> Christian Marcks, Nathan Hauke 341 Abb. 68: Funktionsweise Zins-Swap (eigene Darstellung) 15.4 Fördermöglichkeiten Das System der Förderbanken beruht auf einem einfachen Mechanismus: Durch Bürgschaften der Bundesländer (Landwirtschaftliche Rentenbank, Förderinstitute) und des Bundes (KfW) können sich Förderbanken äußerst günstig am Kapitalmarkt refinanzieren. Dieser Vorteil wird in Kombination mit einer Margenbegrenzung an die Hausbanken durchgereicht, so dass Endkunden im Vergleich zu gewöhnlichen „Hausbankkrediten“ attraktivere Konditionen angeboten werden können. Bei besonderen Schwerpunkten, wie der regenerativen Wärmeerzeugung oder Speichertechnologien, werden zusätzlich Tilgungszuschüsse aus dem Bundeshaushalt über das Marktanreizprogramm gewährt. Der Anspruch auf Förderdarlehen gilt in der Regel für die Errichtung, Erweiterung und Erwerb von Anlagen und Netzen, die die Anforderungen des novellierten Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG 2014) oder weitergehende Standards erfüllen. Die genaue Definition der Förderfähigkeit wird über die Merkblätter zu den entsprechenden Förder-Programmen der Förderbanken kommuniziert. Alle Institute stellen unterschiedliche Programme und jeweils dazu umfangreiches Informationsmaterial zu den Fördermöglichkeiten online. Es soll hier nur grob die Struktur gezeigt werden. 0,00% 1,00% 2,00% 3,00% 4,00% 5,00% 6,00% Jan-04 Jun-04 Nov-04 Apr-05 Sep-05 Feb-06 Jul-06 Dec-06 May-07 Oct-07 Mar-08 Aug-08 Jan-09 Jun-09 Nov-09 Apr-10 Sep-10 Feb-11 Jul-11 Dec-11 May-12 Oct-12 Mar-13 Aug-13 Jan-14 Funktionsweise Zins-Swap 3M Euribor Bezahlter Zins „gesparter“ Zins „zu viel bezahlter“ Zins Abschluss der Swap-Vereinbarung <?page no="342"?> 342 15 Darlehen als Instrument zur Finanzierung von EE-Projekten Merkmal Kreditanstalt für Wiederaufbau Landwirtschaftliche Rentenbank Förderinstitute der Länder - Bsp. NRW Zinsbindung bis zu 20 Jahren bis zu 10 Jahren bis zu 10 Jahren Unternehmensgröße keine Einschränkung kleine und mittlere Unternehmen keine Einschränkung lokale Begrenzung In- und Ausland Deutschland In- und Ausland Tilgungsfreie Anlaufjahre bis zu 3 Jahre bis zu 3 Jahre bis zu 10 Jahre Antragstellung über die Hausbank über die Hausbank über die Hausbank Besonderheiten nicht gefördert werden Sanierungsfälle und Hersteller von Anlagen oder von deren Hauptkomponenten Bezug zur Agrar- und Ernährungswirtschaft erforderlich teilweise Verwendungszweck lokal gebunden an NRW Programm- Beispiel Erneuerbare Energien - Standard (270) Energie vom Land NRW.BANK.Energieinfrastruktur Tab. 18: Übersicht Förderprogramme Generell stellen die Förderbanken nur die Refinanzierung dar, das Kreditausfallrisiko übernimmt die Hausbank. Um den unterschiedlichen Ausfallrisiken und dem Margenanspruch der Hausbanken dafür Rechnung zu tragen, sind die Konditionen für die Endkreditnehmer, je nach Bonität und Besicherung, unterschiedlich. Es ist hierbei für den potenziellen Kreditnehmer nicht selbst ermittelbar, mit welchem Zinssatz er rechnen kann, da die Einstufung in eine Bonitäts- und Sicherheitenklasse durch die Hausbank erfolgt. Das risikogerechte Zinssystem der Förderbanken ist ein vierstufiges Verfahren und unterscheidet sich in der Regel nicht von Förderbank zu Förderbank: In einem ersten Schritt sichtet die Hausbank die Unterlagen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und schätzt auf dieser Basis ein, welches Risiko mit der Kreditvergabe verbunden ist. Die potenziellen Kreditnehmer werden so einer von 7 Bonitätsklassen zugeordnet. In einem zweiten Schritt werden durch die Hausbank die Sicherheiten bewertet und der potenzielle Kreditnehmer einer von insgesamt 3 Besicherungsklassen zugeordnet. Aus der Kombination von Bonitäts- und Besicherungsklasse ergibt sich eine Preisklasse. Aus dieser resultiert die maximale Marge, die die Hausbank auf den für das jeweilige Programm einheitlichen Einstandszinssatz der Förderbank aufschlagen darf. Die Einstandszinssätze werden von den Förderbanken in Abhängigkeit vom Kapitalmarktzinsniveau und dem politischem Förderwillen regelmäßig angepasst. So können sie sich gelegentlich verzögert oder gar entgegen dem allgemeinen Markttrend entwickeln, bspw. wenn von politischen Entscheidungsträgern Akzente zur Beschleunigung bzw. Verlangsamung des Ausbautempos von erneuerbaren Energien gesetzt werden. <?page no="343"?> Christian Marcks, Nathan Hauke 343 Hieraus können sich für Projekte im richtigen Moment ggf. Vorteile ergeben. Durch einen breiten Einsatz insbesondere von KfW-Mitteln für EE-Projektfinanzierungen haben deren Zinsen eine Art Benchmark-Funktion in diesem Bereich. 15.5 Wesentliche Entwicklungen Auf der Grundlage der EE-Gesetze 2004 - 2012 waren Projektfinanzierungen durch auskömmliche und ausreichend lang laufende Einspeisevergütungen relativ einfach mit einem oder wenigen lang laufenden Darlehen darstellbar. Dagegen stellt das am 1. August 2014 in Kraft getretene EEG 2.0 Branche und Finanzierer vor wachsende Herausforderungen. Das Hauptaugenmerk der Fremdfinanzierer liegt hierbei auf der verbindlichen Direktvermarktung, den Möglichkeiten des Eigenverbrauchs (hauptsächlich im Photovoltaik- Bereich) und dem geänderten Referenzertragsmodell als Grundlage der Windenergievergütung. Während sich der Umgang der Banken mit der Direktvermarktung mit einer deutlich geringeren Rückfallposition einer „Einspeisevergütung im Ausnahmefall“ einspielen wird, erfordert insbesondere das verschärfte Referenzertragsmodell als Grundlage für die Einspeisevergütung für Windenergie erhöhte Flexibilität bei der Darlehensstrukturierung. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die tatsächliche Dauer des Anspruchs auf erhöhte Vergütung sich erst auf Basis der Ist-Erträge nach fünf Betriebsjahren ergibt und desto kürzer ist, je höher dieser Wert ist. Da aufgrund der aktuellen Verschärfung des Referenzertragsmodells bei guten bzw. gut laufenden Standorten die Gefahr steigt, dass die Laufzeit der erhöhten Vergütung unter die der Finanzierung sinkt, reicht aus Bankensicht künftig eine vorsichtige Betrachtung nicht mehr aus, sondern muss die Finanzierung flexibel auch einer optimistischeren Betrachtung standhalten. Dies wird eine jeweils individuelle und kreative Mischung der oben beschriebenen Darlehensarten und deren Gestaltungsmöglichkeiten erfordern. Bei Photovoltaikprojekten werden aufgrund der stark gesunkenen und weiter sinkenden Einspeisevergütung zunehmend Eigenverbrauchs- oder Direktverkaufslösungen zur Wirtschaftlichkeit der Vorhaben beitragen (müssen). Dies bedeutet aus Sicht der Bank eine Vermischung von Projekt- und Unternehmensfinanzierung, da ein Teil der Wirtschaftlichkeit auf die Bonität des Eigenverbrauchers bzw. Direktabnehmers abgestellt werden muss. Dementsprechend muss ein Mix aus unterschiedlichen Darlehenstranchen, -laufzeiten und -tilgungsarten gefunden werden, der der jeweiligen Konstellation und Einschätzung der Bank gerecht wird. <?page no="344"?> 344 15 Darlehen als Instrument zur Finanzierung von EE-Projekten Auf den Punkt gebracht Das Darlehen als Finanzierungsinstrument ermöglicht - gerade in Zeiten niedriger Kapitalmarktzinsen - die Optimierung einer Finanzierungsstruktur im Hinblick auf einen effizienten Eigenkapitaleinsatz. Durch verschiedene Tilgungsarten bzw. deren Mischung kann unterschiedlichen Interessen hinsichtlich Eigenkapitalrendite und Ausschüttungsverlauf aus Investorensicht sowie Risko aus Bankensicht Rechnung getragen werden. Die Verfasser danken ihrer Kollegin Juliane Boßmann für die wertvolle Zuarbeit und Unterstützung bei der Erarbeitung dieses Beitrags. Literatur Das Buch „Finanzierung Erneuerbarer Energien“, herausgegeben von Markus Gerhard, Thomas Rüschen und Armin Sandhövel, gibt einen praxisnahen Einblick in die Finanzierung von Offshore-Windprojekten bis hin zu Geothermievorhaben. Verlegt im Frankfurt School Verlag, ist es Grundlage des Studiums Renewable Energy Finance an der Frankfurt School und ein gutes Einstiegswerk in die Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten. Das „Handbuch Windenergie: Onshore-Projekte: Realisierung, Finanzierung, Recht und Technik“ von Jörg Böttcher ist sehr empfehlenswert für das vertiefte Eintauchen in die Welt der Onshore-Windprojektfinanzierung. Es wird sehr detailliert auf die einzelnen Risiken und auch technischen Aspekte eingegangen: Böttcher, J. (Hrsg.) (2012): Handbuch Windenergie. München: Oldenbourg . Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2014): Erneuerbare Energien im Jahr 2013. Erste vorläufige Daten zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland auf der Grundlage der Angaben der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE- Stat). Zuletzt abgerufen am 27.05.2014 unter http: / / www.bmwi.de/ BMWi/ Redaktion/ PDF/ A/ agee-stat-bericht-ee-2013,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de, rwb= true.pdf. Deutsche Bundesbank (2007): Monatsbericht April 2007. Zuletzt abgerufen am 19.06.2014 unter: http: / / www.bundesbank.de/ Redaktion/ DE/ Downloads/ Veroeffentlichungen/ Monatsberichte/ 2007/ 2007_04_monatsbericht.pdf? __blob=publicationFile. Eden, J. (2011): Finanzierungsstrukturierung und Risikomanagement von Solarprojekten, in: Gerhard, M./ Rüschen, T./ Sandhövel, A. (Hrsg.) (2011): Finanzierung Erneuerbarer Energien. Frankfurt: Frankfurt School Verlag, S. 721-741. Gerhard, M./ Rüschen, T./ Sandhövel, A. (Hrsg.) (2011): Finanzierung Erneuerbarer Energien. Frankfurt: Frankfurt School Verlag. Kensinger, J. W./ Martin, J. D. (1988): Project Finance. Raising Money the Old-Fashioned Way, in: Journal of Applied Corporate Finance, Vol. 1, S. 69-81. Kreditanstalt für Wiederaufbau (2013): Evaluierung der inländischen KfW-Programme zur Förderung Erneuerbarer Energien im Jahr 2012. Zuletzt abgerufen am 27.05.2014 unter https: / / www.kfw.de/ PDF/ Download-Center/ Konzernthemen/ Research/ PDF- Dokumente-alle-Evaluationen/ Evaluierung_EE_2012.pdf <?page no="345"?> 16 Project Bonds - Alternative Finanzierung von Projekten im Bereich der Erneuerbaren Energien Dr. Anne de Boer, Rechtsanwältin, Partnerin HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK Inhalt 16.1 Strukturen von Project Bonds in der Gesamtfinanzierung ................................. 347 16.2 Struktur einer Anleihe, Bedingungen und Auflagen............................................. 350 16.2.1 Rechtliche Grundlage ............................................................................................... 350 16.2.2 Verwendungszweck .................................................................................................. 351 16.2.3 Wesentliche Regelungen in Anleihebedingungen ................................................. 351 16.2.4 Sicherheitenstruktur und Treuhandvertrag............................................................ 356 16.3 Emissionsstrukturen ................................................................................................. 360 Literatur ...................................................................................................................... 364 Schlagwortliste Anleihebedingungen, Börse, Bürgeranleihe, Emission, Hybridbonds, Informationspflichten, Investmentgrade, Kündigungsrechte, Mittelstandsanleihe, Project Bonds-Projektanleihe, Rating, Sicherheiten, Treuhandvertrag, Unternehmensanleihe Um die Energiewende zu gestalten, muss diese auch finanziert werden. Schon sehr lange sind in der Energiebranche eine Vielzahl von alternativen, nicht durch Banken gestellte Finanzierungen zu finden. Solche alternativen Finanzierungsmodelle wie Genussscheine und Genussrechte, Genossenschaftsanteile, partiarische, nachrangige Darlehen und stille Beteiligungen entstanden auch deswegen, weil insbesondere Bürger mit einer Affinität für erneuerbare Energien zu finanziellen Investitionen bereit waren. Im Jahr 2010 startete zudem die Baden-Württembergische Wertpapierbörse in Stuttgart das Segment Bondm, in das vor allem mittelständische Unternehmen Anleihen wesentlich einfacher als bisher platzieren können. 167 In der Folgezeit öffneten auch andere Börsen neue, so genannte Qualitätssegmente 168 für die Emission mittel- 167 Siehe dazu unten: Emissionsstukturen; dies betrifft insbesondere die Visibilität und damit Vermarktung, die Zeichnung über die so genannte Zeichnungsfunktionalität und die Handelbarkeit an einer Börse. 168 mittelstandsmarkt in Düsseldorf, m: access in München, Entry Standard für Unternehmensanleihen in Frankfurt. <?page no="346"?> 346 16 Project Bonds ständischer Anleihen. 169 Dadurch wurde der Kapitalmarkt für Fremdfinanzierungen in Höhe von ca. EUR 10 bis EUR 150 Mio. geöffnet. Die Frankfurter Wertpapierbörse zielt nun mit ihrem Prime Standard auch auf größere Mittelständler mit Emissionen über EUR 100 Mio. In einem niedrigen Zinsumfeld wurden damit zugleich interessante Anlagemöglichkeiten für Privatanleger, institutionelle Anleger wie Versicherungen und Pensionsfonds und auch semi-institutionelle Anleger, wie z.B. Family Offices, geschaffen. Unternehmen können diese über den Kapitalmarkt erreichen und Kapital durch eventuell attraktive, auch an der Börse handelbare, Finanzierungsprodukte einwerben. Auch viele Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien haben den Markt der mittelständischen Anleihen bereits zur Finanzierung genutzt. 170 Anleihen sind einfache und sehr flexible Finanzierungsvehikel, die auch nicht den neuen Fondsregulierungen unterliegen, insbesondere solange sie nicht eigenkapitalähnlich ausgestaltet sind. 171 Trotz der Vielzahl an Insolvenzen von Emittenten mittelständischer Anleihen aus dem Bereich erneuerbarer Energien 172 stellen Anleihen daher eine interessante Finanzierungsmöglichkeit für Unternehmen und zwar auch aus dem Bereich der erneuerbaren Energien dar. Geschäftsbereich erneuerbare Energien Der Bereich der erneuerbaren Energien ist sehr vielfältig: Darunter fallen Projektentwickler, u.a. aus den Bereichen Solar, Windkraft, aber auch Biogas und Wasserkraft (u.a. Windreich AG, Solar8 Energy AG, Energiekontor Finanzanlagen GmbH & Co. KG mit der Energiekontor-Gruppe). Ebenso sind Wind- und Solarkraftanlagen betreibende Unternehmen sowie Energieversorger zu finden (u.a. BioEnergie Taufkirchen GmbH & Co. KG, Solar8 Energy AG, Energiekontor Finanzanlagen GmbH & Co. KG mit der Energiekontor-Gruppe 173 ). Im Weiteren können aber auch Maschinen- 169 Der Begriff Mittelstandsanleihe ist inzwischen sehr umstritten, zumal darunter viele unterschiedliche Anleihen fallen. Etliche davon sind eher Hochzinsanleihen. Erfasst sind sämtliche Anleihen zwischen ca. EUR 5 bis EUR 100/ 150 Mio. Emissionsvolumen, und es wird heute eher neutral der Begriff Unternehmensanleihe empfohlen. 170 Vgl. u. a. Windreich AG, Solen AG, MBB Clean Energy AG, Energiekontor Finanzanlagen GmbH & Co. KG, BioEnergie Taufkirchen GmbH & Co. KG, Centrotherm photovoltaics AG, RENA GmbH, KTG Energie AG, German Pellets GmbH, PNE Wind AG - eine gute Übersicht findet sich unter www.bondguide.de notierte Unternehmensanleihen. 171 Es gibt weitere Ausnahmen von der Fondsregulierung (AIFM), u.a. derzeit für Genossenschaften (siehe den Beitrag von Glaser/ Storz in diesem Band, Investitionen direkt in operative Unternehmen). Insofern sind auch die weiteren Regulierungen betreffend Vermögensanlagen, u.a. durch das geplante Kleinanlegerschutzgesetz und die Anlageverordnung, zu beachten. 172 Vgl. u.a. Windreich AG (http: / / www.schubra.de/ de/ insolvenzverwaltung/ windreich/ windreich. php, Zugriff 02.06.2014, 20: 32 ), Solen AG (http: / / www.solen-ag.de/ , Zugriff 02.06.2014 20: 33 h), Centrotherm photovoltaics AG (Insolvenzverfahren inzwischen wieder aufgehoben; http: / / www.centrotherm.de/ presse/ news/ news/ news/ 03/ june/ 2013/ article/ gericht-hebtinsolvenzverfahren-der-centrotherm-photovoltaics-ag-auf/ , Zugriff 02.06.2014, 20: 34 h), RENA GmbH (http: / / www.boerse.de/ nachrichten/ DGAP-News-RENA-GmbH-Gruenes-Licht-fuer- Sanierungskonzept-der-RENA-GmbH-Insolvenzverfahren-in-Eigenverwaltung-am-01Juni-2014eroeffnet-deutsch-/ 7481823, Zugriff 02.06.2014, 20: 35 h). 173 Die Unternehmen sind dabei teilweise breit aufgestellt. <?page no="347"?> Anne de Boer 347 bauer, die Anlagen für Kraftwerke aus erneuerbaren Energien herstellen, dazugezählt werden (u.a. RENA GmbH). Einen weiteren Bereich bilden jene Unternehmen, die Rohstoffe liefern. 16.1 Strukturen von Project Bonds in der Gesamtfinanzierung Project Bonds können sehr unterschiedlich strukturiert sein. Die erste Frage ist, wer die Emittentin ist und wie diese sich in eine Gesamtgruppe einfügt. Emittentin kann eine operative Gesellschaft sein, die eine Vielzahl von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien entwickelt und/ oder betreibt. Die Anleihe ähnelt dann einer üblichen Unternehmensanleihe und das emittierende operative Unternehmen haftet wirtschaftlich für die Zins- und Rückzahlung der Anleihe. Ebenso ist es möglich, dass die Emittentin eine Holding oder Zwischenholding ist, die die Anleiheerlöse in den Projektgesellschaften verwendet, um dort das Eigenkapital darzustellen. Dies geschieht entweder durch Einbringen von Stammeinlagen bzw. Haftkapital, Zahlungen in die Rücklage oder die Gewährung von Gesellschafterdarlehen. In diesem Fall haftet wirtschaftlich die gesamte Unternehmensgruppe der Emittentin für die Forderungen aus der Anleihe. Emittentin kann auch eine Projektgesellschaft sein, die sich auf wenige oder nur ein Projekt konzentriert. In diesem Fall haftet regelmäßig nur diese eine Projektgesellschaft, ohne dass ein Rückgriff auf die weitere Unternehmensgruppe möglich sein soll. Abb. 69: Emittentin und Haftungsumfang (eigene Darstellung) Holding Geschäftsbereich 2 Geschäftsbereich 3 Geschäftsbereich 1 Projekt 1 Unterbereich 2.1 <?page no="348"?> 348 16 Project Bonds Die meisten Anleihen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien werden durch eine Unternehmensgruppe, Teilgruppe oder Finanzierungsgesellschaft emittiert. Dies gilt auch dann, wenn die Erlöse aus der Anleihe zur Errichtung und zum Erwerb bestimmter Projekte verwendet werden sollen. 174 Ebenso werden typische, so genannte Unternehmensfinanzierungsanleihen emittiert, die der Finanzierung des laufenden Geschäftsbetriebs oder des Wachstums dienen, aber nicht allein konkreten Projekten (z.B. RENA GmbH Anleihen 2010 und 2013, PNE Wind AG Anleihe 2013, Bioenergie Taufkirchen GmbH & Co. KG Anleihe 2013). Originäre Project Bonds, die der Finanzierung nur eines Projekts dienen und bei denen auch nur die jeweilige Projektgesellschaft haftet (non recourse), sind im Bereich erneuerbarer Energien noch nicht in nennenswerter Zahl vorhanden, stehen aber auch in anderen Branchen wie Immobilienentwicklungen noch am Anfang. 175 Die zweite Frage ist, welchen Rang die Anleihe im Rahmen der Gesamtfinanzierung einnimmt. Unabhängig vom Rang ist abzusichern, dass Ansprüche aus der jeweiligen Anleihe bedient werden können, auch wenn durch die Energieprojekte nicht ausreichend Cash bzw. Gewinne erzielt werden können, wie z.B. in wind- oder sonnenarmen Jahren. Typische mittelständische Anleihen haben Fremdkapitalcharakter, ohne dass ein Nachrang vereinbart wird. Sofern diese unbesichert sind oder abhängig von den Sicherheiten können diese aber aufgrund der besseren Besicherungen von Banken wirtschaftlich zu deren Ansprüchen nachrangig sein. Ebenso ist es möglich, dass die Anleihe als Hybridbond, also Mezzanine-Finanzierung, ausgestaltet wird. Hierfür werden häufig auch Genussrechte oder Genussscheine genutzt. 176 Abhängig vom Finanzierungsinteresse können diese nachrangig ausgestaltet sein und eine Verlust- und Gewinnbeteiligung aufweisen. Sofern sowohl eine Verlustals auch eine Gewinnbeteiligung vorgesehen ist und die Emittentin keinen operativen Geschäftsbetrieb hat und auch nicht in eine Holdingausnahme fällt, sind dann allerdings die Regelungen zum AIFM (Alternative Investment Fund Management) zu beachten. Zudem sind im Bereich der erneuerbaren Energien viele Konstellationen des strukturellen wirtschaftlichen Nachrangs zu finden: Die Emittentin, z.B. eine Holding, nimmt die Anleihe als reines Fremdkapital und auch ohne Nachrang auf. Sie verwendet die Mittel dann als Eigenkapital entweder als Einlage oder Gesellschafterdarlehen in den Projektgesellschaften. 177 Die Projektgesellschaften selbst nehmen neben diesem zusätzlich Fremdfinanzierungen, z.B. bei Banken, auf. Die Projektgesellschaft gibt dann ihre wesentlichen Sicherheiten an die Banken. Nur eventuell 174 Vgl. u. a.: MBB Clean Energy AG Anleihe 2013, Solar8 Energy AG Anleihe 2011, Energiekontor Finanzanlagen GmbH & Co. KG Stufenzinsanleihe VI 2013. 175 Vgl. Cloud No. 7 GmbH Anleihe 2013 und GEWA 5 to 1 GmbH & Co. KG Anleihe 2014, KSW Immobilien GmbH & Co. KG Anleihe 2014, die jeweils nur ein Immobilienprojekt finanzieren sollen. 176 Vgl. PROKON Regenerative Energien GmbH, e.n.o. energy GmbH, und siehe den Beitrag von Bornholdt/ Friege in diesem Band (Kapitel 14). 177 Vgl. u.a.: MBB Clean Energy AG Anleihe 2013, Energiekontor Finanzanlagen GmbH & Co. KG Stufenzinsanleihe VI 2013. <?page no="349"?> Anne de Boer 349 noch verbleibende Sicherheiten könnten dann im Rahmen der rechtlichen Grenzen 178 zugunsten der Anleihegläubiger bestellt werden, insbesondere Pfandrechte an den Gesellschaftsanteilen der Projektgesellschaft. Im Ergebnis ist die Anleihe zwar nicht rechtlich, aber strukturell wirtschaftlich nachrangig. Im Zusammenhang mit der Finanzierung der Energiewende und der Idee der Beteiligung der Bürger an deren Finanzierung sind zunehmend Diskussionen über sogenannte Bürgeranleihen zu sehen. Einige Energieunternehmen und Stadtwerke 179 haben bereits solche Anleihen herausgegeben. Diese Bürgeranleihen sind hinsichtlich der Vertriebswege, der Anleihebedingungen wie Kündigungsrechte der Anleger und auch der Mindest- und Höchstbeteiligung gerade auf die Zeichnung durch Privatanleger ausgelegt. Teilweise werden sogar nur Bürger in einer bestimmten Region oder die eigenen Kunden für eineZeichnung angesprochen. 180 Bei Bürgeranleihen steht teilweise die Förderung der Akzeptanz für ein Projekt im Vordergrund. Bürgeranleihen haben dabei aus Sicht der Initiatoren im Vergleich zu Energiegenossenschaften den Vorteil, dass die Anleger kein Mitspracherecht haben und die Anleihe über eine Zahlstelle einfach und kostengünstig verwaltet werden kann. Teilweise werden den Anleihegläubigern für ihre Forderungen aus der Anleihe Sicherheiten der Projektgesellschaften gestellt, vermittelt über einen Treuhänder. 181 Dies kann den wirtschaftlichen Rang der Forderungen der Anleihegläubiger verbessern. Der Sicherungswert ist allerdings abhängig vom Rang dieser Sicherheiten (erstrangig oder nachrangig nach anderen Finanzierungsgebern). Sicherheiten, die dabei der Emittentin und nicht den Anleihegläubigern gestellt werden, z.B. für Darlehen, die die Emittentin aus den Anleiheerlösen an ihre Tochtergesellschaften ausreicht 182 , haben nur einen beschränkten Wert: Im Falle der Insolvenz der Emittentin würden andere Gläubiger der Projektgesellschaft vor der Emittentin bevorzugt befriedigt werden, soweit nach den insolvenzrechtlichen Regelungen die Ansprüche der Emittentin gegen die Tochtergesellschaft nachrangig sind. Ebenso könnten aufgrund von anderen Risiken bei der Emittentin eventuelle Erlöse aus den Sicherheiten, die der Emittentin gewährt wurde, nicht ausreichen, um die Anleihegläubiger umfassend zu sichern. 183 178 Vgl. u.a. Regelungen zur Kapitalerhaltung wie § 57 AktG, §§ 30 ff. GmbHG. 179 Vgl. u.a. TenneT Holding B.V. nachrangige Bürgeranleihe 2013, SWU Stadtwerke Ulm/ Neu-Ulm GmbH Anleihe 2009, Stadtwerke Marburg GmbH Anleihe 2011, Energie und Wasser Potsdam GmbH Anleihe 2012, Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft Saarbrücken mbH Anleihe 2010; siehe auch Teil Emissionsstruktur/ Bürgeranleihe unten. 180 Vgl. u.a. SWU Stadtwerke Ulm/ Neu-Ulm GmbH Anleihe 2009, TenneT Holding B.V. nachrangige Bürgeranleihe 2013; bei letzterer haben die Anleger im Fall der Handelsaufnahme eventuell einen Vorteil aus dem Zeichnungsrecht. 181 So, teilweise aber nachrangige Sicherheiten, die MBB Clean Energy AG Anleihe 2013; aus dem Immobilienbereich mit erstrangigen Sicherheiten Cloud No. 7 GmbH Anleihe 2013 und GEWA 5 to 1 GmbH & Co. KG Anleihe 2014. 182 Vgl. Energiekontor Finanzanlagen GmbH & Co. KG Stufenzinsanleihe VI 2013. 183 Vgl. Energiekontor Finanzanlagen GmbH & Co. KG Stufenzinsanleihe VI 2013. <?page no="350"?> 350 16 Project Bonds Bei Stadtwerken gibt es Strukturen, bei denen örtliche Sparkassen die Anleihen ausgeben und die entsprechenden Beträge als Kredite an die Stadtwerke ausreichen. 184 Anleihen können, müssen aber nicht, an der Börse gehandelt werden. Anleihen der Stadtwerke sind in der Regel nicht zum Handel an einer Börse einbezogen. Da Anleihen einfache Strukturen bieten, können diese grundsätzlich bereits bei kleinen Beträgen emittiert werden. Sofern allerdings eine Anleihe mittels eines öffentlichen Angebots emittiert werden soll mit einer anschließenden Börsennotierung, sollte das Volumen der Anleihe ca. EUR 10 bis 15 Mio. betragen, um kosteneffizient zu sein. Institutionelle Investoren interessieren sich zudem häufig für Anleihen erst ab einem Volumen von EUR 20 Mio., da sie nur dann von einem Sekundärhandel an der Börse ausgehen. Projektanleiheninitiative der Europäischen Investitionsbank Um die Finanzierung von Infrastrukturprojekten zu erleichtern, unterstützt die Europäische Union über die Europäische Investitionsbank (EIB) Emittenten durch eine Bonitätsverbesserung. Im Rahmen des Programmes für den Energiesektor gewährt die EIB für förderfähige Infrastrukturvorhaben ein Nachrangdarlehen oder stellt eine (vorbeugende) Kreditlinie zur Verfügung, die bei Bedarf abgerufen werden kann. 185 Die Bonitätsverbesserung erfolgt dadurch, dass die von einer Projektgesellschaft aufgenommenen Fremdmittel in vorrangige und nachrangige Tranchen untergliedert werden. Durch die Bereitstellung der nachrangigen Tranche durch die EIB wird die Bonität der vorrangigen Tranche auf ein Niveau angehoben, bei dem die meisten institutionellen Anleger bereit sind, diese zu übernehmen. 186 Ob die Förderungsvoraussetzungen vorliegen, wird auf Antrag im Einzelfall geprüft. Das jeweilige zu fördernde Projekt muss derzeit bis zum Jahr 2020 realisiert werden. Solche Finanzierungen haben unter anderem die TenneT Holding B.V. für den Ausbau der Energienetze und der Offshore -Windpark EnBW Baltic 2 in Anspruch genommen. 187 16.2 Struktur einer Anleihe, Bedingungen und Auflagen 16.2.1 Rechtliche Grundlage Anleihen werden auf der Grundlage von §§ 793 ff. BGB begeben. Zudem ist regelmäßig das Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) anwendbar, das vor allem die Gleichbehandlung der Anleihegläubiger und die Restrukturierung von Anleihen regelt. Grundsätzlich sind Anleihen sehr einfach strukturiert. Wesentliche Angaben, die diese enthalten müssen, sind die Laufzeit, ausgegebener Betrag, Zinsen und Fälligkeiten sowie Kündigungsgründe. 184 Vgl. SWLB FAVORIT Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim GmbH Anleihe 2013. 185 Project Bonds der EIB. 186 Project Bonds der EIB. 187 Pressemitteilung der EIB zu TenneT und EnBW Baltic 2. <?page no="351"?> Anne de Boer 351 16.2.2 Verwendungszweck Wofür Erlöse aus einer Anleihe verwendet werden, kann bei deren Emission bereits konkret feststehen, z.B. dass ein bestimmter Windpark oder eine Solaranlage erworben werden soll. Ebenso können bestimmte Typen von Energieprojekten definiert werden, die mit den Erlösen aus der Anleihe errichtet und/ oder erworben werden sollen. Weiterhin ist es möglich, den Verwendungszweck noch weicher derart zu bestimmen, dass die Emittentin die Erlöse in Projekte aus erneuerbaren Energien investiert, eventuell soweit bestimmte Finanzkennzahlen bei den Projekten durch einen Wirtschaftsprüfer bestätigt werden. Etliche Anleihen vor allem im Bereich der erneuerbaren Energien geben nur die allgemeine Unternehmensfinanzierung und eine Wachstumsstrategie als Verwendungszweck an. 16.2.3 Wesentliche Regelungen in Anleihebedingungen Tab. 19: Wesentliche Anleihebedingungen (eigene Darstellung) (a) Laufzeit Die Laufzeit von Anleihen beträgt derzeit regelmäßig 5 Jahre. Bei Project Bonds im Bereich von Immobilienprojekten ist diese sogar kürzer und liegt bei ca. 4 Jahren. Ebenso sind Laufzeiten von 7 Jahren zu finden. Soweit eine Anleihe, wie im Fall der nachrangigen Bürgeranleihe 2013 der TenneT Holding B.V., von der Ratingagentur als Kriterien Bedingungen der Anleihe Grundsatz einfache Bedingungen, flexible Auflagen; zunehmend Marktstandards Recht deutsches, österreichisches Recht Ausgabebetrag 100 % des Nennbetrags, ab Börsenhandel Börsenpreis Rang i.d.R. Fremdkapital, tlw. Mezzanine häufig wirtschaftlich nachrangig Zinssatz Festzins, Floater, Zerobond Besondere Anforderungen Abhängig von Investoren: Investmentgrade, Handelbarkeit, Sicherheiten, weitere Auflagen insbesondere aufgrund der Anlageverordnung Laufzeit Kündigungsrecht Emittent Feste Laufzeit i.d.R. 3-7 Jahre Sonderkündigungsrechte der Emittentin für günstige Refinanzierung Rating im mittelständischen Bereich Creditreform, Euler Hermes, Feri, Scope Kündigungsrechte Anleihegläubiger Gesellschafterwechsel (change of control), Liquidation, Insolvenz, Verzug, Drittverzug (cross default), Ausschüttungssperre Sonstige Regelungen Weitere Finanzierungen, Negativerklärung und Sicherheiten Übertragung auf andere Unternehmen Informationspflichten Ausschüttungssperren <?page no="352"?> 352 16 Project Bonds Eigenkapital anerkannt ist, können die Laufzeiten ausnahmsweise auch unbefristet sein. 188 Sonderkündigungsrechte der Emittentin wurden im Jahr 2010 mit Aufschlägen noch akzeptiert 189 , heute dürften Investoren dies nur in besonderen Situationen hinnehmen. 190 Hierbei wird häufig ein Aufschlag auf den Rückzahlungsbetrag gefordert. Das Sonderkündigungsrecht kann rechtlich sowohl die vollständige als auch die teilweise Kündigung vorsehen. (b) Zinsen Die Zinsen sind erheblich abhängig vom emittierenden Unternehmen, dem Projekt, dem Rating, dem Rang und der Sicherheitenstruktur sowie vom Zinsniveau des Marktes. Derzeit wird überwiegend ein Festzins über die gesamte Laufzeit gewährt, Anpassungen an die Inflation sind im mittelständischen Bereich derzeit noch nicht üblich. Wenige Emittenten bieten während der Laufzeit unterschiedliche Zinsen entsprechend dem Stadium des Projekts oder der Phase der Anleihe. So wird z.B. bei der nachrangigen Bürgeranleihe 2013 der TenneT Holding B.V. der Zins erhöht, nachdem mit dem Bau der Stromübertragungsleitung in Schleswig-Holstein West begonnen wurde. 191 Bei der Stufenzinsanleihe VI 2013 der Energiekontor Finanzanlagen GmbH & Co. KG wird der Zins während der Laufzeit erhöht, zeitlich nachdem die Anleihe zu 20 % zurückgezahlt wurde. 192 Allerdings könnte sich ein Festzins, kombiniert mit einem erhöhten Zins (Equity Kicker), insbesondere bei Projektanleihen anbieten, wenn die Erhöhung abhängig von den Erträgen oder den Verkaufserlösen aus einem Projekt gezahlt werden soll. (c) Mindest- und Höchstzeichnungsbetrag Die Stücklung, die auch dem Mindestbetrag der Emission entspricht, beträgt in der Regel EUR 1.000. Bei Anleihen, die zum Handel einbezogen werden sollen, wird dieser Betrag durch die Regelwerke der Börsen vorgeschrieben. Bei Stadtwerken und auch einigen anderen Emittenten sind teilweise andere Stückelungen vorgesehen. 193 Bei Stadtwerken sind auch Höchstzeichnungsbeträge von z.B. EUR 5.000 bis 100.000 zu finden 194 , um möglichst viele Kunden zu erreichen. 188 § 5 der Anleihebedingungen, vgl. TenneT Holding B.V. nachrangige Bürgeranleihe 2013. 189 Vgl. RENA GmbH Anleihe 2010. 190 Vgl. Energiekontor Finanzanlagen GmbH & Co. KG Stufenzinsanleihe VI 2013. 191 § 3 Abs. 2 der Anleihebedingungen, vgl. TenneT Holding B.V. nachrangige Bürgeranleihe 2013. 192 § 2 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 der Anleihebedingungen, vgl. Energiekontor Finanzanlagen GmbH & Co. KG Stufenzinsanleihe VI 2013. 193 Vgl. Energie und Wasser Potsdam GmbH Anleihe 2012, SWU Stadtwerke Ulm/ Neu-Ulm GmbH Anleihe 2009. 194 Vgl. Energie und Wasser Potsdam GmbH Anleihe 2012, SWU Stadtwerke Ulm/ Neu-Ulm GmbH Anleihe 2009, Stadtwerke Marburg GmbH Anleihe 2011. <?page no="353"?> Anne de Boer 353 (d) Kündigungsgründe und Auflagen Anleihen sehen regelmäßig Auflagen für die Emittenten und besondere Kündigungsgründe für die Anleihegläubiger, und selten auch die Emittenten, vor. Bei den Auflagen hat sich inzwischen ein Standardkatalog herausgebildet, auch wenn dieser im Vergleich zu den Auflagen bei Bankenfinanzierungen noch überschaubar und auf jeden Fall einzeln anzupassen ist. Aufgrund der Vielzahl an Insolvenzen sollten auch bereits kritische Situationen durchdacht werden. Insolvenzverwalter weisen zunehmend darauf hin, dass zu frühe und umfassende Kündigungsgründe der Finanzierungsgeber und insbesondere bei Anleihen dazu führen können, dass eine Sanierung von Unternehmen sehr schwierig bzw. sogar verhindert wird. Im Gegensatz zu Banken können Kündigungsrechte der Anleihegläubiger nur durch einen Beschluss einer Gläubigerversammlung ausgesetzt werden. 195 Zudem entwickeln sich Best Practice Empfehlungen: So hat die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) Standards für die Bondkommunikation herausgegeben, die insbesondere bondspezifische Kennzahlen vorsehen. 196 Die Deutsche Börse AG hat zudem einen Best Practice Guide für die Emission von Anleihen im Entry Standard herausgegeben. 197 Diese Standards und Empfehlungen sind in keiner Weise bindend, auch nicht nach den Regelwerken der Börsen für ihre Qualitätssegmente. Insolvenz, Zahlungsunfähigkeit, Zahlungseinstellung und Liquidation Insolvenz, Zahlungsunfähigkeit, Zahlungseinstellung und Liquidation sind typische Kündigungsgründe, die den Anleihegläubigern bei fast jeder Anleihe ein Sonderkündigungsrecht gewähren. Change of Control Der Wechsel der Kontroll- und Mehrheitsverhältnisse ( change of control) bei der Emittentin und damit der Gesellschafterstruktur des Unternehmens ist ebenfalls ein typischer Kündigungsgrund der Anleihen. Allerdings akzeptiert der Markt bisher, dass dieses Kündigungsrecht in klar definierten Fällen nicht eingeräumt wird. Solche Ausnahmen könnten z.B. die Übertragung von Unternehmensteilen im Erbfall oder an Angehörige sowie von bis zu 49 % an Dritte auch im Wege einer Börseneinführung (IPO, initial public offering) sein. Denkbar ist zudem ein Mechanismus, demzufolge ein Gesellschafterwechsel nur dann zu einer Kündigung berechtigt, wenn die Ratingnote sich gleichzeitig verschlechtert. 198 195 Interessant insofern die Vereinbarung einer Waiver Fee im Anleihebereich im Fall von MT Energie, vgl. http: / / www.bondguide.de/ topnews/ mt-energie-covenant-anpassung-nicht-zum-nulltarifwaiver-fee-vereinbart/ , Zugriff 02.06.2014, 20: 46 h. 196 Siehe auch: DVFA (Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management) Standards für die Bondkommunikation. 197 Best Practice Guide: Entry Standard für Unternehmensanleihen. 198 Vgl. RENA GmbH Anleihe 2013, SAF Holland S.A. Anleihe 2012. <?page no="354"?> 354 16 Project Bonds Verkauf wesentlicher Assets Typischer Kündigungsgrund ist ebenfalls der Verkauf wesentlicher Assets. Im Umfeld der erneuerbaren Energien muss der Verkauf von projektierten und einmal erworbenen Energieerzeugungsanlagen in der Regel jedoch zulässig bleiben und sollte kein Kündigungsrecht begründen, wenn dies Teil des Geschäftsmodells ist. Der Verkauf wesentlicher Assets darf daher nur dann ein Kündigungsrecht sein, wenn durch die Anleihe gerade ein besonderes Projekt finanziert werden sollte und mit dem Verkauf wesentlicher Assets dieser primäre Geschäftsbetrieb aufgegeben wird. Ausschüttungssperre Sehr üblich ist es inzwischen, dass während der Laufzeit der Anleihe keine Ausschüttungen und grundsätzlich auch keine Ausleihungen an Gesellschafter oder Schwestergesellschaften erfolgen dürfen. Ausgenommen werden können in besonderen Fällen die Rückzahlung von Vorfinanzierungen eines Gesellschafters, wenn dieser Liquiditätslücken überbrückt und/ oder ausreichend werthaltige Sicherheiten gestellt hat. Finanzkennzahlen Ebenso sind Kündigungsgründe denkbar, wenn bestimmte Finanzkennzahlen nicht eingehalten werden. Bei mittelständischen Anleihen sind Kündigungsgründe aufgrund von Finanzkennzahlen bisher eher selten. Zudem muss dabei darauf geachtet werden, dass die vereinbarten Kennzahlen während der gesamten Laufzeit einer Anleihe eingehalten werden können und werden. Im Gegensatz z.B. zu einer Bankenfinanzierung ist es bei einer börslich gehandelten Anleihe oder einer Anleihe, die an eine Vielzahl von Anlegern emittiert wurde, nicht einfach möglich, mit den Anleihegläubigern eine Aussetzung des Kündigungsrechts zu verhandeln. 199 Dies kann allenfalls über einen Beschluss der Gläubigerversammlung erfolgen. Typische Regelungen sind ein bestimmtes einzuhaltendes Eigenkapital bzw. eine Verschuldungsobergrenze. Ebenso kann und wird bei Unternehmensanleihen und insbesondere Anleihen für die Finanzierung von Projekten mit Sicherheiten vorgesehen, dass die Anleihe nicht über einen bestimmten Betrag aufgestockt werden darf. 200 Bei Project Bonds im Bereich der erneuerbaren Energien sind dabei insbesondere folgende Aspekte zu beachten: Soweit die Mittel aus der Anleihe in Projektgesellschaften als Eigenkapital eingebracht werden und durch weitere Bankenbzw. andere Fremdfinanzierungen gehebelt werden, muss dies bei den Finanzkennzahlen, die auf die Verschuldung abstellen, berücksichtigt werden. Bei solchen Anleihen, bei denen die Anleihemittel zwar nicht rechtlich, aber strukturell wirtschaftlich nachrangig sind, kann der Verschuldungsgrad bezogen auf die Gruppe damit sehr hoch sein. 199 Interessant insofern die Vereinbarung einer Waiver Fee im Anleihebereich im Fall von MT Energie, vgl. http: / / www.bondguide.de/ topnews/ mt-energie-covenant-anpassung-nicht-zum-nulltarif-wai ver-fee-vereinbart/ , Zugriff 02.06.2014, 20: 46 h. 200 Vgl. u.a. Cloud No. 7 GmbH Anleihe 2013, GEWA 5 to 1 GmbH & Co. KG Anleihe 2014, wenn auch Immobiliensektor; RENA GmbH Anleihe 2013. <?page no="355"?> Anne de Boer 355 Auch in Jahren mit z.B. wenig Sonnenscheindauer oder geringen Winderträgen müssen die Finanzkennzahlen erreicht werden oder zumindest Kompensationsmöglichkeiten bestehen. Als eine Absicherungsmöglichkeit gegen solche Wetterunsicherheiten bieten sich sogenannte Wetterderivate an. Hierbei gleicht ein Unternehmen gegen Zahlung einer Prämie unter im Voraus definierten Umständen Erlösausfälle bei schlechten Wetterbedingungen aus. Bei bilanziellen Werten - wie z.B. dem Wert von Beteiligungen - ist genau zu definieren, wie diese zu bestimmen sind. (e) Veröffentlichungspflichten Veröffentlichungspflichten können sich aus dem Gesetz und den Regelwerken der Börsen 201 ergeben. So verlangen die meisten qualifizierten Segmente wie Bondm, Entry Standard, m-access und der mittelstandsmarkt für Anleihen, dass die Jahresabschlüsse und auch die Halbjahresabschlüsse veröffentlicht werden. Zudem besteht die Pflicht, so genannte (Quasi)Ad-hocMitteilungen zu veröffentlichen. Diese Ad-hoc-Pflicht ist derzeit noch sehr unterschiedlich für die einzelnen Börsensegmente und im geregelten Markt nach §§ 12, 15 WpHG ausgestaltet. 202 Grundsätzlich ist die (Quasi)Ad-hoc- Pflicht bei Anleihen überschaubar. Bei der überwiegenden Anzahl der Fälle wird eine Mitteilungspflicht nur bestehen, wenn die Erfüllung der Verpflichtungen aus der Anleihe (z.B. Rückzahlung, Zinszahlung) aufgrund der der Information zugrunde liegenden Umstände beeinträchtigt wäre. 203 Aufgrund der neuen EU-Marktmissbrauchsregelungen 204 werden die Ad-hoc-Pflichten ab voraussichtlich Mitte/ Ende 2016 einheitlich für den geregelten Markt und auch umfassend für den gesamten Freiverkehr gelten. Inwieweit die derzeitige Auslegungspraxis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) 205 weiterhin gelten wird, dass bei Anleihen eine Mitteilungspflicht in der Regel nur bestehen dürfte, wenn die Erfüllung der Verpflichtungen aus der Anleihe (z.B. Rückzahlung, Zinszahlung) beeinträchtigt wäre, bleibt abzuwarten. (f) Geltung des Schuldverschreibungsgesetzes Standardmäßig wird nunmehr das Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) einbezogen. Dieses ermöglicht unter anderem Bedingungen der Anleihe mit Mehrheitsentscheidung anzupassen und einen Vertreter der Anleihegläubiger zu bestellen. (g) Negativerklärung In nahezu allen Anleihebedingungen sind so genannte Negativerklärungen zu finden. Danach wird geregelt, dass für die Forderungen aus der Anleihe ebenfalls Si- 201 Eine gute Übersicht ist zu finden unter http: / / www.bondguide.de/ grundlagen/ anleihen-borsenund-regelwerk/ , Zugriff 03.06.2014, 10: 45 h. 202 Vgl. de Boer, Ad-hoc-Mitteilungspflichten - nicht einfach! 203 Ziffer IV.2.2.5.1 des Emittentenleitfadens 2013 der BaFin. 204 Vgl. näher: EU Marktmissbrauchsregelungen. 205 Ziffer IV.2.2.5.1 des Emittentenleitfadens 2013 der BaFin. <?page no="356"?> 356 16 Project Bonds cherheiten zu bestellen sind, wenn dies für andere Finanzverbindlichkeiten erfolgt 206 . Sowohl die relevanten Finanzverbindlichkeiten als auch der Umfang zu bestellender Sicherheiten kann dabei sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Bei den Finanzverbindlichkeiten werden regelmäßig nur Kapitalmarktverbindlichkeiten erfasst. Bankfinanzierungen und auch Schuldscheindarlehen werden regelmäßig ausgenommen. Deren Besicherung ist damit ohne Auswirkungen auf die Anleihe möglich. Die Regelung ist häufig auf dingliche Sicherheiten beschränkt. Die Regelung kann sowohl nur die Emittentin als auch die Tochtervor allem Projektgesellschaften erfassen. Im Energieumfeld ist darauf zu achten, dass ergänzende Finanzierungen bei den jeweiligen Projektgesellschaften mit ausreichender Flexibilität möglich bleiben. Ebenso sind häufig Ausnahmen zu finden, z.B. für die Finanzierung von Unternehmenskäufen, übernommene Finanzverbindlichkeiten sowie für die Refinanzierung der Anleihe. 16.2.4 Sicherheitenstruktur und Treuhandvertrag Bei Project Bonds, die der Finanzierung bestimmter Projekte dienen, sind in der Regel Sicherheiten zugunsten der Anleihegläubiger vereinbart. Diese erfassen im Wesentlichen folgende Aspekte, die aber weder zwingend noch abschließend sind: Mittelverwendungstreuhand Thesaurierungstreuhand Sicherheitentreuhand Sinn dieser Sicherungen ist es, die Stellung der Anleihegläubiger und dadurch das Rating der Anleihe zu verbessern und folglich als Emittentin einen günstigeren Finanzierungszins zu erreichen. Ebenso soll dies die Platzierbarkeit erleichtern. Rolle des Treuhänders Die Aufgabe des Treuhänders übernehmen in der Regel Anwälte oder Wirtschaftsprüfer. Die Rolle des Treuhänders beschränkt sich häufig darauf, dass er die Erfüllung formaler Anforderungen prüft. Sein Pflichtenkatalog richtet sich nach den Anleihebedingungen und dem Treuhandvertrag. Die meisten bisher bestellten Treuhänder übernehmen keine inhaltliche Prüfung mit eigener Ermessensentscheidung und können auch nicht auf den Eintritt wesentlicher Voraussetzungen verzichten, es sei denn, dies ist in den Anleihebedingungen bzw. dem Treuhandvertrag angelegt. Hintergründe sind ein eventuelles Haftungsrisiko des Treuhänders und die Struktur der börslich notierten Anleihen. Sofern der Treuhänder von den Regelungen abweicht und im Ergebnis Sicherheiten aufgeben würde, bräuchte er die Zustimmung aller Anleihegläubiger oder einen Beschluss der Gläubigerversammlung entsprechend dem Schuldverschreibungsgesetz. 206 de Boer, Negativerklärung & Co. in Anleihebedingungen <?page no="357"?> Anne de Boer 357 Eine insofern interessante Ausnahme bildet die Treuhandstruktur der Anleihe 2013 der BioEnergie Taufkirchen GmbH & Co. KG 207 : Der Treuhänder übernimmt hier auch inhaltliche Entscheidungen. Um seine Haftung einzuschränken, wird zum einen seine Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt, zum anderen im Rahmen der Ermessensausübung auf seine persönliche Überzeugung abgestellt. Die Rolle des Treuhänders dürfte damit der eines Beirats oder Aufsichtsrats bei zustimmungsbedürftigen Geschäften vergleichbar sein. Treuhänder als anfänglicher Vertreter der Anleihegläubiger Ein Treuhänder oder auch eine andere Person können zugleich als Vertreter der Anleihegläubiger nach dem SchVG bestellt werden. Sinn des Vertreters der Anleihegläubiger ist es, die Interessen der Anleihegläubiger zu bündeln und damit die Vertretung der Interessen sowohl für die Anleihegläubiger als auch Emittenten einfacher zu gestalten. Die Aufgaben des gemeinsamen Vertreters sind in den Anleihebedingungen oder durch Beschluss der Gläubigerversammlung zu bestimmen. Als Mindestaufgaben der Anleihegläubigervertreter werden insbesondere die Folgenden angesehen, und zwar unabhängig von deren ausdrücklichen Benennung in den Anleihebedingungen 208 : Informationsrechte gegenüber der Emittentin Berichtspflichten gegenüber den Anleihegläubigern als Gesamtheit Einberufung einer Gläubigerversammlung Versammlungs-/ Abstimmungsvorsitz exklusives Recht, die Ansprüche der Anleihegläubiger in der Insolvenz geltend zu machen Weitere Aufgaben des Anleihegläubigervertreters, wie umfassende Restrukturierungsrechte und die Rechte nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 9 SchVG, z.B. auf Zinsen und Kündigungsrechte zu verzichten, einem Debt Equity Swap (DES, Gläubigerbeteiligung) zuzustimmen, Fälligkeiten zu verändern, Sicherheiten freizugeben, können in der Gläubigerversammlung oder den Anleihebedingungen bestimmt werden. Allerdings darf der in den Anleihebedingungen benannte ursprüngliche, gemeinsame Vertreter auf Rechte der Anleihegläubiger nur verzichten und insbesondere Maßnahmen nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 9 SchVG nur zustimmen, wenn die Anleihegläubiger ihn dazu jeweils einzeln ermächtigt haben. Mittelverwendungstreuhand Hinsichtlich der Anleiheerlöse ist zu bestimmen, wofür diese verwendet werden. Unabhängig davon, ob bereits konkrete Projekte bei der Emission benannt werden, die Mittel der allgemeinen Unternehmensfinanzierung dienen oder eine Art von Projekten definiert ist (Blind Pool), kann die korrekte Verwendung im Rahmen einer Mittelverwendungstreuhand durch einen Treuhänder überwacht werden. 207 BioEnergie Taufkirchen GmbH & Co. KG Anleihe 2013. 208 de Boer/ Schlimgen, Aufgaben des Gemeinsamen Vertreters der Gläubiger. <?page no="358"?> 358 16 Project Bonds Der Mittelverwendungstreuhand unterliegendes Kapital Der Mittelverwendungstreuhand unterliegen primär die Erlöse aus der Anleihe. Abhängig von der Struktur der Anleihe können aber auch weitere Mittel, wie zum Beispiel Erträge aus den Projekten, in die die Erlöse aus der Anleihe investiert wurden, der Mittelverwendungstreuhand unterliegen. Zudem können auch sämtliche Mittel der Emittentin der Mittelverwendungstreuhand zugeordnet werden. 209 Kriterien der Freigabe: Umfang der Kontrolle Die Kriterien zur Freigabe bei der Mittelverwendungstreuhand müssen auf das Projekt zugeschnitten sein. Zudem müssen die Bedingungen genau definiert werden, da die Treuhänder in der Regel keine oder nur eine eingeschränkte inhaltliche Kontrolle übernehmen. Bei Projektanleihen sind typische Kriterien die wirtschaftlichen Kennwerte der zu erwerbenden Projekte aus dem Bereich erneuerbarer Energien, die eventuell durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu bestätigen sind. Weiterhin kann zur Mittelfreigabe die Zustimmung eines Aufsichtsrats oder Beirats und der Nachweis ausreichender Due Diligence(Beteiligungs-)-Prüfungen im technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bereich verlangt werden. Unterschied verpfändete Konten vs. Treuhandkonten In Treuhandverträgen werden unterschiedliche Kontenmodelle verwendet, um eine Treuhandstruktur umzusetzen: Gemeinsame Verfügungsbefugnis: Teilweise ist eine gemeinsame Verfügungsbefugnis von Treuhänder und Emittentin zu finden. Sofern die Konten aber im Eigentum der Emittentin stehen, bleiben sie grundsätzlich im Fall einer Insolvenz Teil der Insolvenzmasse. Ebenso kann die gemeinsame Verfügungsbefugnis durch die Emittentin allein geändert werden, wenn sie allein Eigentümerin der Konten ist. Verpfändete Konten: Die Konten der Emittentin können auch an den Treuhänder verpfändet sein. Für Auszahlungen von verpfändeten Konten ist dann neben der Anweisung durch die Emittentin die Freigabe durch den Treuhänder erforderlich. Im Sicherungsfall müssen durch die Anleihegläubiger jedoch die vollstreckungsrechtlichen Regelungen eingehalten werden. Treuhandkonten: Ebenso können Treuhandkonten vereinbart werden. Vorteil von Treuhandkonten ist, dass die Guthaben auf diesen unmittelbar den Anleihegläubigern zur Verfügung stehen und von diesen auch ohne Zustimmung der Emittentin direkt Auszahlungen an die Anleihegläubiger erfolgen können. Der Treuhänder kann über die Treuhandkonten auch allein verfügen. Sicherheitentreuhand Bei der Sicherheitentreuhand werden die Forderungen der Anleihegläubiger besichert. Bei der Auswahl der Sicherheiten ist zu berücksichtigen, inwieweit die Sicherheiten für 209 Vgl. MBB Clean Energy AG Anleihe 2013, teilweise BioEnergie Taufkirchen GmbH & Co. KG Anleihe 2013. <?page no="359"?> Anne de Boer 359 weitere Sicherheitengeber verwendet werden oder für solche in Zukunft freigehalten werden müssen. Wirkliche Sicherheiten bestehen für die Anleger dabei nur, wenn diese ihnen - vermittelt über einen Treuhänder - unmittelbar gewährt werden. Sofern die Sicherheiten z.B. durch die Projektgesellschaft nur der Emittentin gewährt werden und die Emittentin über einen weiteren Geschäftsbetrieb und/ oder Verbindlichkeiten verfügt, ist die Sicherheitenwirkung für die Anleger beschränkt. 210 Soweit für eine Anleihe auch durch die Tochter- oder Schwestergesellschaften der Emittentin Sicherheiten gewährt werden, z.B. bei einer Holding durch die nachfolgenden Projektgesellschaften, sind die gesellschaftsrechtlichen Anforderungen, insbesondere zu den so genannten upstream Sicherheiten, zu beachten. Möglichkeiten der Sicherheiten Im Bereich der erneuerbaren Energien bestehen ganz unterschiedliche Möglichkeiten an Sicherheiten. Insbesondere Folgende kommen in Betracht, wobei häufig mehrere Sicherheiten gestellt werden: Grundschuld: Soweit ein Grundstück zur Verfügung steht, kann eine Grundschuld an diesem bestellt werden. Wird oder soll eine Bankenfinanzierung in Anspruch genommen werden, wird die Anleihe häufig nur den zweiten Rang einer Sicherung erreichen. Dabei ist zu prüfen, ob der vorrangige Sicherheiteninhaber dies zugelassen hat und ob dadurch wirtschaftlich noch eine ausreichende Sicherheit geboten werden kann. Sicherungsübereignung oder Pfandrechte an den Assets: Es können z.B. die Windkraftanlagen oder Solarkraftwerke verpfändet oder zur Sicherheit übereignet werden. Sofern deren Verkauf zugelassen wird, müssen hierfür im Treuhandvertrag Freigaberegelungen, zum Beispiel Zug um Zug gegen Zahlung der Erlöse auf ein Treuhandkonto, vorgesehen werden. Abtretung von Erlösen: Des Weiteren können die (zukünftigen) Erlöse aus den Energiekraftanlagen abgetreten werden. Allerdings ist dabei zu regeln, ob die Erlöse unmittelbar zur Rückzahlung der Anleihe eingesetzt werden sollen oder bis zum Eintritt eines Sicherungsfalles bzw. der Rückzahlung der Anleihe durch die Emittentin weiter verwendet und investiert werden dürfen. Verpfändung der Anteile an Projektgesellschaften: Teilweise werden die Anteile an den Projektgesellschaften als Sicherheit angeboten. Diese sind allerdings nur dann werthaltig, wenn nicht sämtliche Assets und Forderungen der Projektgesellschaft anderen Finanzgebern als Sicherheit zur Verfügung gestellt wurden und zur Tilgung derer Verbindlichkeiten erforderlich sind. Zurücklegung der Zinsen: Teilweise werden die für die Zinszahlung notwendigen Beträge für das erste und eventuell auch das zweite Jahr aus den Anleiheerlösen zugunsten der Anleihegläubiger beim Treuhänder hinterlegt. 211 Dies erfolgt insbeson- 210 Vgl. Energiekontor Finanzanlagen GmbH & Co. KG Stufenzinsanleihe VI 2013. 211 Vgl. BioEnergie Taufkirchen GmbH & Co. KG Anleihe 2013, Immobilienanleihen: Cloud No. 7 GmbH Anleihe 2013, GEWA 5 to 1 GmbH & Co. KG Anleihe 2014, KSW Immobilien GmbH & Co. KG Anleihe 2014. <?page no="360"?> 360 16 Project Bonds dere bei Projektentwicklungen, wenn in dieser Zeit noch kein ausreichender Cash Flow zur Zinszahlung generiert wird. Ebenso kann vorgesehen sein, dass aus bestehender Liquidität jeweils die Mittel für die nächste Zinszahlung beim Treuhänder hinterlegt werden müssen. 212 Thesaurierungstreuhand Für die Anleihegläubiger ist es wichtig, dass die Anleihe am Ende der Laufzeit zurückgezahlt werden kann. Insofern muss entweder eine Refinanzierungsstrategie bestehen und/ oder Mittel für die Rückzahlung aus den Projekterlösen angespart werden. Sofern Mittel für die Rückzahlung angespart werden sollen, liegen diese in der Regel wirtschaftlich unproduktiv auf einem Bankkonto mit geringer Tages- oder Festgeldverzinsung. In der Folge müssen die Renditen auf das eingesetzte Kapital sogar noch höher sein, um diesen Nachteil auszugleichen. Insofern könnte vereinbart werden, wie die Mittel eventuell doch wieder gewinnbringender eingesetzt werden können. 16.3 Emissionsstrukturen Börsensegmente und deren Anforderungen/ Nachfolgepflichten Project Bonds können sowohl über eine Börse als auch ohne Börsenzulassung emittiert werden. Bei der Aufnahme zum Handel an einer Börse sind die Schuldverschreibungen einfacher handelbar. Emissionswege Die Emissionswege sind inzwischen sehr vielfältig. Bei einem gebilligten Wertpapierprospekt kann ein öffentliches Angebot für 12 Monate ab Billigung des Prospekts erfolgen. Grundsätzlich werden folgende Emissionswege derzeit genutzt, die unterschiedlich kombinierbar sind: Abb. 70: Emissionswege (eigene Darstellung) 212 Vgl. BioEnergie Taufkirchen GmbH & Co. KG Anleihe 2013. Zeichnung über die Zeichnungsfunktionalität der Börse (Abwicklung über die Zahlstelle) Zeichnung über die Emittentin mit und ohne Internetportal 1-2 Wochen Auswahl und Abstimmung auf den Emittenten 1-2 Wochen bis 12 Monate Vertriebsunterstützung durch Selling Agent(s) Privatplatzierung an Qualifizierte Anleger Öffentlicher Abverkauf über die Börse nach Aufnahme des Handels bis 12 Monate <?page no="361"?> Anne de Boer 361 Emission über das Internet, Fax und Post: Die Emittentin kann eine Anleihe selbst emittieren. Dabei sind bei einer Emission an Verbraucher die Regelungen des Fernabsatzrechts zu beachten. Sofern der Handel an einer Börse jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Beginn der Emission aufgenommen wird, dürften nur die Informationspflichten nach dem Fernabsatzrecht gelten, nicht jedoch das Widerrufsrecht. 213 Vorteil bei einer Emission über das Internet, Fax oder Post ist, dass die Emittentin die Zeichner kennt und diese, bei ausreichender datenschutzrechtlicher Zustimmung der Zeichner, bei einer erneuten Emission wieder gezielt ansprechen kann. Es bietet sich an, für diese Emissionen bewährte Softwaretools zu verwenden, bei denen die Zeichnung über die Webseite des Emittenten erfolgen kann und diese Transaktion mit den wertpapiertechnischen Abwicklungen der Zahlstelle verknüpft ist. Emission unter Einbeziehung einer Bank: Weiterhin kann für die Abwicklung der Zeichnungen eine Bank einbezogen werden. Insbesondere bei regional bedeutsamen Zeichnungen kann dem Bürger angeboten werden, die Zeichnung bei einer regionalen Bank mit deren Zustimmung, z.B. den örtlichen Sparkassen, abzugeben, die diese vermitteln oder sogar die wertpapiertechnische Abwicklung übernehmen. Emission unter Einbeziehung von Emissionsbanken und/ oder Selling Agents: Federführende Emissionsbanken und/ oder Selling Agents werden in der Regel einbezogen, um gezielt qualifizierte Investoren wie Banken, Versicherungen, Pensionsfonds und auch Family Offices anzusprechen, die größere Tranchen der Anleihe zeichnen. Diese sichern teilweise auch bereits vor Beginn des öffentlichen Angebots ab, dass die Anleihe mit überwiegender Sicherheit platziert werden kann. Emission über die Zeichnungsfunktionalität einer Börse: Des Weiteren haben die Börsen ab dem Jahr 2010 ihre Börsensysteme - die so genannten Zeichnungsfunktionalitäten - für die Zeichnung von Anleihen geöffnet. In der Folge können interessierte Zeichner über ihre jeweilige Depotbank Zeichnungsanträge stellen, die vermittelt über eine Zahlstelle durch die Emittentin angenommen werden können. Für die Anleger ist dies ein einfacher Zeichnungsweg. Für die Emittentin bedeutet dies, dass bei Annahme von Zeichnungsaufträgen Schuldverschreibungen Zug um Zug gegen Zahlung des Ausgabebetrags ausgegeben werden. Allerdings kennt die Emittentin die Personen der Zeichner in diesem Fall nicht. Eigenemission vs. Fremdemission Die Emission kann durch eine Emissionsbank strukturiert und begleitet werden, die dann häufig auch die Rolle der Selling Agents übernimmt, auch wenn sie regelmäßig weitere Selling Agents einbindet. Zusagen der Emissionsbanken, dass die Emission in Höhe eines bestimmten Betrages durch die Bank selbst übernommen bzw. garantiert wird, sind derzeit nicht üblich. Ebenso kann die Emittentin die Emission selbst oder mit Hilfe von sogenannten Finanzberatern strukturieren. Die Emission erfolgt dann stärker in Eigenregie und zu 213 Siehe hierzu die übertragbare Lehmann-Entscheidung zu § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F.: BGH, Urteil vom 18.12.2012 − X ZR 3/ 12. <?page no="362"?> 362 16 Project Bonds den Konditionen der Emittentin, allerdings erfordert dies auch mehr Verantwortung seitens der Emittentin. Zunehmend werden auch Kombinationen von Eigen- und Fremdemissionen vorgenommen. Besonderheit bei einer Bürgeranleihe Bei der Bürgeranleihe steht vor allem die Emission der Anleihe an Bürger, z.B. an die Kunden eines Stadtwerks oder Energieversorgungsunternehmens oder bestimmte Anwohner im Vordergrund. Hier werden die Emissionswege darauf ausgerichtet, möglichst effizient diese Anleger zu erreichen. Dies kann insbesondere durch ein Internetportal, per Fax, mittels personalisierter Briefwerbung, durch das eigene Kundenzentrum oder aber auch durch die örtlichen Sparkassen erfolgen. 214 Voraussetzung der Emission An der Emission einer Anleihe sind in der Regel die folgenden Akteure beteiligt: Emittentin, Emissionsbank und/ oder Finanzberater, Zahlstelle, Antragsteller für die Börse und die Börse selbst, sofern der Handel aufgenommen werden soll, Rechtsanwälte, eventuell Wirtschaftsprüfer, Finanzkommunikation, Selling Agents. Für die Emission einer Anleihe ist eine ausführliche Dokumentation erforderlich. Sofern die Anleihe öffentlich angeboten werden soll oder die Anleihe in einem der Qualitätssegmente oder im regulierten Markt einer Börse einbezogen werden soll, ist in der Regel ein gebilligter Wertpapierprospekt erforderlich. 215 Die Billigung kann bei Anleihen durch eine Aufsichtsbehörde in einem Land erfolgen, in dem das Angebot erfolgen soll. Dies ist bei in Deutschland angebotenen Anleihen typischerweise die deutsche BaFin oder die luxemburgische CSSF, indem das Angebot auf Luxemburg erweitert wird. Anschließend ist es möglich, sofern insbesondere die notwendigen steuerrechtlichen Ausführungen im Prospekt enthalten sind und die Anforderungen an die Sprache des Prospekts, in Deutschland nach § 19 WpPG, eingehalten werden, die Anleihe in einem anderen Land der EU zu notifizieren, regelmäßig Österreich, ohne dass in diesem Land eine erneute Prüfung des Wertpapierprospektes erfolgt. Der Inhalt der Wertpapierprospekte in der EU orientiert sich an der aktuellen Fassung der EU-Prospektverordnung Nr. 809/ 2004, die immer wieder reformiert wurde. 216 Der Prospekt muss insbesondere folgende Themen enthalten: Zusammenfassung des Prospekts, Risikohinweise, Angaben zur Emittentin, deren Historie, Angaben zu Produkten und Dienstleistungen, zum Management, wesentlichen Verträgen und Finanzinformationen der letzten 2 Geschäftsjahre sowie die Anleihebedingungen, das eventuelle Sicherheitenkonzept und die Angebotsstruktur. Während der öffentlichen 214 Siehe auch oben: Strukturen von Project Bonds/ Bürgeranleihen. 215 Ausnahmen bestehen nach §§ 3, 4 WpPG u.a. bei Ansprache von weniger als 150 Privatpersonen oder Mindestausgabebeträgen oder Stückelungen von EUR 100.000, sofern die Regelwerke der Börsen nicht trotzdem eine Prospektpflicht aufgrund eines öffentlichen Angebots vorschreiben. 216 EU Prospektverordnung: konsolidierte Fassung. <?page no="363"?> Anne de Boer 363 Angebotsfrist ist der Wertpapierprospekt dabei durch Nachträge nach § 16 WpPG zu aktualisieren, sofern wichtige neue Umstände eingetreten sind. Voraussetzung für die Emission einer Anleihe ist regelmäßig ein Rating. Dies wird teilweise für die Qualitätssegmente durch die Börsen, aber auch durch die Praxis für die erfolgreiche Emission der Anleihe verlangt. Dies kann sowohl ein Anleiherating als auch Unternehmensrating sein. Ein Anleiherating bietet sich insbesondere dann an, wenn eine besonders qualitative Sicherheitenstruktur geboten wird. Bei mittelständischen Anleihen kann das Rating durch nationale Anbieter erstellt werden, wie z.B. Creditreform Rating AG, Euler Hermes Rating GmbH, Scope Credit Rating GmbH oder Feri EuroRating Services AG. Der Prozess der Emission einer Anleihe dauert in der Regel ca. 4 - 6 Monate und gestaltet sich im Wesentlichen wie folgt: Abb. 71: Typischer Emissionsprozess (eigene Darstellung) Da bei der Bewerbung einer Anleihe nach § 15 WpPG nur solche, wesentlichen Informationen verwendet werden dürfen, die auch im gebilligten Wertpapierprospekt genannt sind, ist es sehr wichtig, bereits früh die unterschiedlichen Bereiche einer Emission zu verzahnen: Die Struktur der Anleihe hat sowohl Auswirkungen auf das Rating als auch deren Bewerbung; die insoweit wesentlichen Informationen müssen bei der Erstellung des Wertpapierprospekts berücksichtigt werden. Folgepflichten bei Börsennotierung Sofern eine Anleihe zum Handel an einer Börse einbezogen wird, sind die börslichen Folgepflichten zu beachten, die sich sowohl aus dem Gesetz als auch den Börsenregularien ergeben. Dies sind insbesondere die Folgenden: 217 Veröffentlichung des Jahresabschlusses Veröffentlichung des Halbjahresabschlusses Folgerating 217 Vgl. auch weiter oben Ziffer 1.2.3 lit. e Veröffentlichungspflichten, insbesondere zu den Änderungen infolge der EU Marktmissbrauchsregelungen. Analyse der Bedürfnisse, des Unternehmens und des Marktes Struktur der Anleihe, der Emission und des Marketings Prospekterstellung einschl. Due Diligence, Prospektverfahren bis zur Billigung Erstellung des Marketingkonzepts Bewerbung des Unternehmens und der Anleihe öffentliches Angebot der Anleihe 4-6 Wochen 1-2 Wochen 4-6 Wochen 1-2 Wochen bis zu 12 Monaten* eventuell Ratingprozess** Sondierung des Marktes, Anforderungen der Investoren * Zeitangaben in etwa ** Ausnahmen bei einer Notierung der Aktien an einer Börse <?page no="364"?> 364 16 Project Bonds Ad-hoc-Mitteilungspflicht Insiderrecht Marktmissbrauchsverbot Emittenten sollten sich daher bereits frühzeitig und spätestens mit der Emission einer Anleihe auch intern so aufstellen und ihre Mitarbeiter so schulen, dass sie in der Lage sind, die kapitalmarktrechtlichen Pflichten zu erfüllen. Auf den Punkt gebracht Anleihen, unabhängig davon, ob als Unternehmensanleihen oder Projektanleihen ausgestaltet, bieten ein einfaches und flexibles Finanzierungsvehikel, um sowohl institutionelle Anleger als auch Privatanleger einzubeziehen. Sie können zudem als Fremdaber auch Mezzanine-Kapital strukturiert werden. Sofern Anleihen als reines Fremdkapital ausgestaltet sind, muss jedoch ausreichend sichergestellt werden, dass die Forderungen aus den Anleihen immer bedient werden können, auch in ertragsschwachen Jahren. Dies erfordert in der Regel einen substantiellen Eigenkapitalanteil oder einen diesen ersetzenden Finanzierungsbaustein. Etliche Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien haben bereits Anleihen aufgelegt, so dass sie den Investoren bekannt sind. Aufgrund der umfangreichen Insolvenzen der Vergangenheit von Emittenten aus dem Bereich der erneuerbaren Energien werden die Investoren aber in Zukunft genauer prüfen, welche Anleihen gezeichnet werden. Insofern steht die Branche vor der Herausforderung, dass sie wieder Vertrauen schaffen muss, indem die Strukturen der Anleihen genau überlegt sind. Trotzdem sind Anleihen im Bereich der erneuerbaren Energien ein Finanzierungsinstrument, das Unternehmen mit in Betracht ziehen sollten und das die Chance hat, sich im Energiesektor weiter zu etablieren. Literatur Best Practice Guide: Entry Standard für Unternehmensanleihen der Deutschen Börse AG: http: / / deutsche-boerse.com/ INTERNET/ MR/ mr_presse.nsf/ 0/ C2EA7136825FEA2BC1257CE60046736E/ $File/ RZ_Best_Practice_28052014_1_on line.pdf? OpenElement, Zugriff 03.06.2014, 13: 57 h BioEnergie Taufkirchen GmbH & Co. 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Inhalt 17.1 Einleitung ................................................................................................................... 367 17.2 Die Genossenschaft..................................................................................................369 17.2.1 Die genossenschaftliche Idee: Was der Einzelne nicht vermag, das vermögen viele ............................................................................................................................. 369 17.2.2 Der rechtliche Rahmen einer Genossenschaft...................................................... 370 17.2.3 Die Gründung einer Energiegenossenschaft......................................................... 372 17.2.4 Der gemeinsame Geschäftsbetrieb ......................................................................... 372 17.2.5 Wie erfüllt die Energiegenossenschaft den genossenschaftlichen Förderauftrag? ....................................................................................................................... 373 17.3 Der Trend zur Energiegenossenschaft: Ursachen und Geschäftsfelder............ 374 17.3.1 Ursachen..................................................................................................................... 374 17.3.2 Initiatoren................................................................................................................... 375 17.3.3 Geschäftsfelder der Energiegenossenschaften...................................................... 377 17.4 Herausforderungen und Perspektiven für die Energiegenossenschaften.......... 381 Literatur ...................................................................................................................... 383 Schlagwortliste Bürgerbeteiligung, Finanzierung, Wertschöpfung, Erneuerbare Energien, dezentrale Akteure 17.1 Einleitung Mit über 200 Neugründungen in Baden-Württemberg hat der Gedanke der Genossenschaft in den letzten fünf Jahren merklich Raum gegriffen. Es wird dabei ein gesellschaftliches Bedürfnis widergespiegelt, das den Wunsch nach partizipativen Strukturen in ökonomischen, sozialen und ökologischen Aspekten ausdrückt. Über 140 dieser neu gegründeten Genossenschaften finden sich im Feld der Energiegenossenschaften, dem am stärksten gewachsenen Bereich. Jedoch auch in den Bereichen wie der kommunalen Nahversorgung, der Infrastruktur und auch bei klassischen Waren- und Kreditgenossenschaften ist der neue Geist spürbar. <?page no="368"?> 368 17 Bürger-Energiegenossenschaften Exemplarisch für viele Neugründungen steht das im Fallbeispiel beschriebene Dorf Bittelbronn. Am Anfang stand der Wunsch einiger interessierter Bürger, ihre alten Heizkessel durch eine umweltfreundliche, regionale und nachhaltige Wärmeversorgung zu ersetzen. Da dies gemeinsam schneller, kostengünstiger und erfolgreicher realisiert werden kann, wurde die Rechtsform einer Genossenschaft gewählt. Ziel war es nicht, mit dem Unternehmen Gewinne zu erwirtschaften, sondern den Mitgliedern kostengünstige Wärme anzubieten. Durch viel Engagement und nach gemeinsam überstandenen, schwierigeren Phasen konnte schließlich der Betrieb der Biomasseanlage und des Nahwärmenetzes aufgenommen werden. Ihr Projekt zeigen die Genossenschaftler heute gerne vor und sie sind stolz, nach anfänglichen Bedenken fast 80 Prozent der Gebäudebesitzer im Dorf gewonnen zu haben. „Das Schöne ist“, berichtet der Vorstand auf einer Führung, „dass Nachbarn, die seit Jahren nicht mehr miteinander gesprochen haben, plötzlich wieder an einem gemeinsamen Projekt arbeiten und sich neu kennen lernen. Das ganze Dorf ist darüber zusammengerückt.“ Das Beispiel Bittelbronn zeigt, wie sich der Wunsch nach Teilhabe und Mitbestimmung verbreitet und über den politischen Aspekt hinaus im konkreten wirtschaftlichen Leben und Handeln der Menschen Fuß fasst. Energieversorgung wird nicht mehr als klassische Anbieter-Kunden-Beziehung verstanden, sondern als gesellschaftliches Infrastrukturprojekt, das in seiner Dezentralität von den Bürgern aktiv mitgestaltet wird. Dass dieser Aspekt im Südwesten besonders ausgeprägt ist, zeigt sich auch in der Tatsache, dass Baden-Württemberg das Flächenland mit der höchsten Dichte an Energiegenossenschaften darstellt. Viele Energiegenossenschaften beginnen jedoch nicht mit einem Nahwärmenetz, sondern mit einem überschaubaren Projekt im Bereich der Photovoltaik. Durch die garantierte Einspeisevergütung auf eine Zeitspanne von zwanzig Jahren war das Risiko überschaubar und die Investitionen nicht zu hoch. Durch die stark gesunkene Einspeisevergütung ist es inzwischen jedoch eine nicht zu unterschätzende Herausforderung, noch Dächer zu finden, die eine gewisse Mindestgröße erreichen. Denn für ein positives Gründungsgutachten müssen schon mit dem ersten Projekt die laufenden Kosten der Genossenschaft erwirtschaftet werden, sodass die Einlagen der Mitglieder gesichert sind. Die anfallenden Büro- und Verwaltungskosten, die Rechtsformkosten, Versicherungen und auch eventuelle Personalkosten dürfen nicht unterschlagen werden. Durch die regelmäßigen Reformen des EEG kommt hinzu, dass sich reine Einspeisemodelle nicht mehr rechnen - folglich müssen auch alternative Vermarktungswege für den Sonnenstrom entwickelt werden. Viele bestehende Energiegenossenschaften fassen deshalb neue Geschäftsfelder ins Auge. Diese reichen von der Strom- und Wärmeversorgung über den Netzbetrieb bis zu Effizienzprojekten. Sie kommen hier in Berührung mit den traditionellen Elektrizitätsgenossenschaften. Bereits bei der Elektrifizierung Deutschlands war die Genossenschaft die Rechtsform der Wahl, sodass vor hundert Jahren bundesweit rund 6000 Genossenschaften zur Stromerzeugung und -verteilung gegründet wurden. Die Parallelen zur heutigen Zeit, in der sich die Infrastruktur im Wandel befindet, sind deutlich. Vor allem in Süddeutschland konnten einige der Elektrizitätsgenossenschaften bis heute bestehen. Durch die Energiewende erleben auch sie wieder neue Betätigungsfelder, zum Teil gibt es fruchtbare Kooperationen zwischen alten und neuen Akteuren. <?page no="369"?> Roman Glaser, Nico Storz 369 17.2 Die Genossenschaft 17.2.1 Die genossenschaftliche Idee: Was der Einzelne nicht vermag, das vermögen viele Der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband feiert 2014 sein 150-jähriges Bestehen. Mit der Gründung von dem „Verband wirtschaftlicher Genossenschaften in Württemberg und Baden“ wurde am 1. Mai 1864 in Stuttgart der Grundstein gelegt. Die Gründungsmitglieder waren elf württembergische und fünf badische Handwerkerbanken und Vorschussvereine. Die Gemeinsamkeit - über die damaligen politischen Grenzen hinweg - währte drei Jahre, bis am 11. August 1867 in Konstanz der Verband oberbadischer Kreditgenossenschaften gegründet wurde, und noch im selben Jahr wurde ein unterbadischer Genossenschaftsverband aus der Taufe gehoben. Die Raiffeisen-Genossenschaften und deren Verbände entstanden einige Jahre später, zu Beginn der 80er-Jahre des 19. Jahrhunderts. Schon damals zeigte sich die Vielfalt der genossenschaftlichen Rechtsform, die erst 1970 (Württemberg) und 1971 (Baden) durch die Verschmelzung der gewerblichen (Schulze-Delitzsch) und ländlichen (Raiffeisen) Verbände wieder zueinander fanden. Seit 2009 agiert der gemeinsame Baden- Württembergische Genossenschaftsverband wieder über die Landesgrenze hinweg. Dem Genossenschaftsgedanke zugrunde liegt die Hilfe zur Selbsthilfe. Mit gewerblichen Einkaufgenossenschaften und ländlichen Kreditgenossenschaften schwebte den Vordenkern Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen kein gewinnträchtiges Investment vor, sondern ein Unternehmen, das zu Selbstkosten zum wirtschaftlichen Wohle seiner Mitglieder beiträgt. Diese sollten faire Konditionen für ihre Kredite, gute Preise für ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse oder günstige Saatpreise durch gemeinschaftlichen Einkauf erhalten. Oder eben - wie im Falle der Elektrizitätsgenossenschaften - Energie aus gemeinsam betriebenen Erzeugungsanlagen. In der Genossenschaft werden mit Käufer und Verkäufer zwei Gruppen, die sich am Markt normalerweise gegenüberstehen, im Unternehmen zu beiderseitigem Wohle zusammengebracht. Der Fördergedanke der Mitglieder steht im modernen Genossenschaftswesen nach wie vor an erster Stelle und ist auch im § 1 des Genossenschaftsgesetzes verankert. Es können dabei drei verschiedene Arten der Förderung unterschieden werden 218 : Die unmittelbare materielle Förderung: Mitglieder von Genossenschaften erhalten oftmals einen direkten Vorteil gegenüber Nichtmitgliedern. Dies können ein höherer Milchpreis für die abgegebene Milch, bessere Konditionen für ein Girokonto oder für einen Kredit bei einer Genossenschaftsbank oder bessere Einkaufspreise bei einer Einkaufsgenossenschaft sein. Oftmals sind diese Angebote ausschließlich für Genossenschaftsmitglieder offen. Die mittelbare materielle Förderung: Die mittelbare materielle Förderung zielt darauf ab, die Genossenschaftsmitglieder für die Kapitalbeteiligung zu honorieren. Die Mitglieder, insbesondere in solchen Genossenschaften, in denen die unmittelbare Förderung nicht allen Mitgliedern gleichmäßig zu Gute kommt, erhalten häufig eine Dividende auf Ihre Einlage. 218 Beuthien (2008), S. 9 ff. <?page no="370"?> 370 17 Bürger-Energiegenossenschaften Die ideelle Förderung: Genossenschaften haben häufig eine ideelle Komponente wie die Regionalförderung, den Umweltschutz oder kulturelle und soziale Aspekte in ihrer Zielsetzung. Der Gesetzgeber hat diesen Aspekt bei der Genossenschaftsnovelle 2006 explizit mit aufgenommen und als legitimes Förderprinzip herausgestellt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Rechtsformen steht bei der Genossenschaftsform somit nicht die Gewinnmaximierung im Mittelpunkt. Die Genossenschaft fördert die Interessen ihrer Mitglieder, es kann somit eher von einer Fördermaximierung im Grundsatz gesprochen werden. Welche Interessen dies sind, wird in der Satzung der Genossenschaft definiert. Ein zumindest kostendeckendes Wirtschaften ist notwendig für einen erfolgreichen Geschäftsbetrieb; erzielte Gewinne werden oft über die Rückvergütung an die Mitglieder erstattet, sodass die Genossenschaft über die Rücklagen hinaus selbst keine Gewinne erwirtschaftet. 17.2.2 Der rechtliche Rahmen einer Genossenschaft Der rechtliche Rahmen der Genossenschaften ist seit dem 1. Mai 1889 im bis heute kaum veränderten „Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften“ (kurz: Genossenschaftsgesetz, GenG) festgehalten. Im Jahr 2006 gab es eine größere Reform, die vor allem die Gründung kleinerer Genossenschaften erleichterte und dadurch dem Genossenschaftsgedanken zusätzlich Auftrieb gab. Das Genossenschaftsgesetz fungiert als rechtlicher Rahmen, in dem sich nahezu alle Antworten auf Fragen der Gremienzusammenarbeit und Pflichten der Gremienmitglieder finden. Es gibt jedoch auch Punkte, in denen das Genossenschaftsgesetz den Unternehmen freie Hand lässt. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die unterschiedlichsten Ideen im Genossenschaftswesen zusammentreffen - von der gemeinsam betriebenen Brauerei oder dem gemeinsam betriebenen Landgasthof über Kreditgenossenschaften mit Millionenumsätzen bis hin zu internationalen Sportartikelgenossenschaften. Diese offenen Punkte lassen den Initiatoren die Möglichkeit, die Genossenschaft nach ihren Bedürfnissen auszurichten. Hierzu gehören Fragen der Gremienbesetzung - wird z.B. der Vorstand von der Generalversammlung gewählt oder vom Aufsichtsrat besetzt? - wie auch die Spezifizierung der Aufgaben und Handlungsfreiheiten des Vorstands. Diese Punkte werden in der Satzung geregelt, die sich die Genossenschaft bei ihrer Gründung selbst gibt. Natürlich werden auch die Rechte und Pflichten der Mitglieder in der Satzung genannt, die Beitritts- und Austrittskonditionen und selbstverständlich der Zweck der Genossenschaft. Die Satzung ist eine Art Verfassung der Genossenschaft, sie muss jedem neuen Mitglied vor dem Beitritt ausgehändigt werden. Je nach Größe der Genossenschaft kann es wichtig sein, weitere Aufgaben zu definieren. Diese lassen sich in der Geschäftsordnung des Vorstandes und Aufsichtsrates festhalten und im Geschäftsverteilungsplan. Der Geschäftsverteilungsplan definiert die Aufgabenverteilung innerhalb des Vorstands und kann einzelnen Mitgliedern die Freiheit geben, im Alltagsgeschäft bestimmte Aufgaben ohne die Zustimmung der anderen Vorstandsmitglieder zu erledigen. <?page no="371"?> Roman Glaser, Nico Storz 371 Abb. 72: Gremien in einer Genossenschaft (Grafik: DGRV) Die drei Hauptgremien einer Genossenschaft sind: die Generalversammlung, der Aufsichtsrat und der Vorstand. In der Generalversammlung üben die Mitglieder ihre Rechte aus. Sie tritt einmal im Jahr zusammen, entlastet Vorstand und Aufsichtsrat für die getätigten Geschäfte und wählt aus ihrer Mitte, wenn notwendig, neue Aufsichtsräte. Jedes Mitglied hat das Recht auf die Teilnahme an der Generalversammlung und darf an Wahlen und Abstimmungen teilhaben. Dabei hat jedes Mitglied eine Stimme, unabhängig von der Höhe der Beteiligung. Dies ist einer der zentralen Unterschiede zu den Mitwirkungsrechten in anderen Rechtsformen, wo die Anzahl der Stimmen meist an der Höhe der Einlage festgemacht ist und hierdurch einzelne Fraktionen ihre Interessen absichern. Die Genossenschaftsform gilt deshalb als eine sehr demokratische Rechtsform und über die starke Mitgliederkontrolle als ausgesprochen insolvenzfest. Beim Beurteilen der wirtschaftlichen Lage hilft den Mitgliedern der Genossenschaftsverband, der mindestens alle zwei Jahre eine Prüfung des Unternehmens vornimmt, einen ausführlichen Prüfungsbericht erstellt und Hilfestellung anbietet. Der Prüfungsbericht wird von allen drei Gremien gelesen bzw. diesen präsentiert. Der Aufsichtsrat hat in der Genossenschaft die Aufgabe, den Vorstand bei seiner Geschäftsführung zu überwachen. Zu strenge Kontrolle ist hierbei - im Normalfall - natürlich ebenso unangebracht wie blindes Vertrauen in die handelnden Personen. Wichtig ist, dass der Aufsichtsrat ein kritisches Vertrauen zum Vorstand entwickelt und sich regelmäßig (meist halb- oder vierteljährlich) über die Geschäftsentwicklung, Verbindlichkeiten und strategische Ziele informieren lässt. Der Aufsichtsrat greift nicht operativ in die Geschäfte des Vorstandes ein, darf diesen jedoch in seiner Tätigkeit beraten und Vorschläge machen. Der Vorstand wird meist vom Aufsichtsrat besetzt, seltener von der Generalversammlung gewählt (dies wird in der Satzung festgelegt). Mitglieder des Vorstandes müssen selbst Mitglied der Genossenschaft sein. Der Vorstand leitet die Geschäfte in seiner eigenen Verantwortung, als wäre es sein eigenes Unternehmen - das Genossenschaftsgesetz beschreibt dies in § 34 als die Sorgfaltspflicht „eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“. Beiräte oder Arbeitsgruppen können ihn in seiner Arbeit unterstützen und sind gerade bei Energiegenossenschaften bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder recht beliebt, die Entscheidungshoheit liegt jedoch eindeutig beim Vorstand. Der Vorstand selbst arbeitet in vielen Energiegenossenschaften ehrenamtlich, mit der zunehmenden Komplexität vieler Unternehmen nimmt jedoch die Zahl <?page no="372"?> 372 17 Bürger-Energiegenossenschaften der vergüteten Vorstände zu, die einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Zeit in das Unternehmen investieren. Zum Teil wird auch eigenes Personal eingestellt, um vor allem die zunehmende Verwaltung zu übernehmen. Da die Aufgabenfelder vieler Energiegenossenschaften immer vielfältiger werden ist ein gewisser, wenn auch noch langsamer Trend in diese Richtung festzustellen. 17.2.3 Die Gründung einer Energiegenossenschaft Am Anfang einer jeden Energiegenossenschaft steht eine Idee: Welche Ziele möchten die Gründer erreichen? Diese formulieren ihre Geschäftsidee, das Einzugsgebiet und mögliche erste Projekte der Genossenschaft. Sind die Leitplanken festgelegt, müssen Satzung und Geschäftsplan vorbereitet werden. Beim Genossenschaftsverband sind kostenfrei die nötigen Unterlagen verfügbar. Zu Beginn ist es hilfreich, mit einem konkreten Projekt zu beginnen, das sich kalkulieren lässt. Strategische Ziele können im Geschäftsplan formuliert werden, es empfiehlt sich aber, sich zunächst auf ein erstes konkretes Projekt zu konzentrieren. Die Unterlagen sollten zur Vorabprüfung beim Genossenschaftsverband eingereicht werden, um eine Erfolgseinschätzung einzuholen. Von der IHK bekommt man eine Stellungnahme zur Zulässigkeit der Firmierung. Hat man positive Rückmeldungen bekommen, steht der Gründungsversammlung nichts mehr im Weg. Die Gründungsversammlung sollte gut vorbereitet sein. Eine wichtige Entscheidung ist, ob die Gründungsversammlung öffentlichkeitswirksam gestaltet und zur Mitgliederakquise genutzt werden soll, oder ob die Gründung in einem effektiven, kleinen Kreis vollzogen wird, bevor neue Mitglieder aufgenommen werden. In der Gründungsversammlung wird die Satzung abgestimmt und der Aufsichtsrat gewählt, dieser setzt in der Regel unmittelbar einen Vorstand ein. Jetzt müssen die notwendigen Unterlagen beim Genossenschaftsverband eingereicht werden. Dieser erstellt ein Gründungsgutachten, das Voraussetzung für die Eintragung ins Genossenschaftsregister ist. Er überprüft hierbei etwa die Wirtschaftlichkeit der angestrebten Projekte, die Gültigkeit der Satzung und die Gremienbesetzung. Die erforderlichen Unterlagen müssen nun noch über einen Notar beim Genossenschaftsregister zur Eintragung eingereicht werden und dann darf die Genossenschaft das Kürzel „eG“ (eingetragene Genossenschaft) hinter den Firmennamen setzen. Zuvor muss zusätzlich ein i.G. (in Gründung) angeführt werden. 17.2.4 Der gemeinsame Geschäftsbetrieb In der Euphorie der erfolgreichen Gründungswelle neuer Energiegenossenschaften darf nicht verheimlicht werden, dass es sich bei einer Genossenschaft um eine unternehmerische Beteiligung handelt. Zwar ist die Haftung des Mitglieds in den meisten Satzungen auf die Höhe der Einlage beschränkt, trotzdem darf die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft nicht mit einer klassischen Spareinlage verwechselt werden. Feste Renditeversprechen sind hier fehl am Platz, denn über eine mögliche Ausschüttung entscheidet die Generalversammlung auf Vorschlag des Vorstands erst nach Abschluss des Geschäftsjahres. Zentrales Merkmal einer Genossenschaft ist der gemeinsame operative Geschäftsbetrieb. Dies ist bereits in § 1 des Genossenschaftsgesetzes geregelt. Eine Genossen- <?page no="373"?> Roman Glaser, Nico Storz 373 schaft unterscheidet sich deshalb auch von Investmentgesellschaften, da sie sich mit den Einlagen der Mitglieder nicht überwiegend an fremden Unternehmen beteiligen darf. Deutlich wurde dieser Aspekt bei der Diskussion um den Gesetzentwurf zum Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) im Frühjahr 2013. Kernpunkt des Streits war die Frage, inwieweit Genossenschaften wie alternative Investmentgesellschaften zu behandeln sind. Dies würde eine Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BAFIN) nach sich ziehen und zahlreiche Auflagen und Pflichten für die Genossenschaften, ihre Gremienmitglieder und Angestellten mit sich bringen. Nach wie vor ist nicht endgültig geklärt, welche Geschäftsmodelle eindeutig dem operativen Geschäftsfeld zugeordnet werden und welche als reine Unternehmensbeteiligungen zu werten sind und somit eine Prüfung durch die BaFin nach sich ziehen. Unkritisch ist diese Regelung beim Gros der Energiegenossenschaften, das seine Photovoltaikanlagen oder Nahwärmenetze selbst betreibt. Bei diesen steht der gemeinsame, operative Geschäftsbetrieb unstrittig im Mittelpunkt des Unternehmens. Spannend wird dieser Aspekt jedoch gerade bei vorkostenintensiven Projekten wie Windparks oder Stromnetzen, die von Bürgerenergiegenossenschaften meistens im Verbund mit Projektierern oder Stadtwerken umgesetzt werden. Die Projektierungskosten werden meist von den Partnern vorfinanziert, die Genossenschaft übernimmt nach der Realisierung Teile des Windparks oder beteiligt sich an der gemeinsamen Betreibergesellschaft. Bei diesen Modellen muss auf einen ausreichenden operativen Einfluss der Genossenschaft auf den Geschäftsbetrieb geachtet werden, um die Kriterien des KAGB, aber auch des Genossenschaftsgesetzes ausreichend erfüllen zu können. 17.2.5 Wie erfüllt die Energiegenossenschaft den genossenschaftlichen Förderauftrag? Im Gegensatz zu „klassischen“ Energiegenossenschaften besteht der Förderauftrag der neuen Energiegenossenschaften sicher nicht in der Bereitstellung von Energie überhaupt. Die wenigsten Energiegenossenschaften heute werden auf netzfernen Inseln ohne Strom- und Wärmeversorgung gegründet. Ein Mangel an Strom und Wärme ist somit selten der Motivationsgrund. Vielmehr geben die meisten Initiatoren und Mitglieder von Energiegenossenschaften einen Mangel an Strom und Wärme aus Erneuerbaren und regionalen Energien als Motivationsgrund für ihre Initiative und Beteiligung an. 219 Die Förderung des Mitgliedsinteresses besteht somit in der Erzeugung und Bereitstellung von Energie aus Erneuerbaren Energien oder regionalen Rohstoffen. Bei Wärmeenergiegenossenschaften wird dieser Gedanke unmittelbar greifbar, da diese ihre Mitglieder direkt mit kostengünstiger Wärme von ihrer Genossenschaft versorgen. Bei Genossenschaften mit einem Fokus auf die Stromproduktion ist der direkte Mitgliederumsatz im momentanen Stromsystem schwieriger zu realisieren, wird jedoch von vielen Energiegenossenschaften angestrebt. Vielmehr liegt das Förderinteresse in der Verdrängung fossiler und nuklearer Energie aus dem Stromnetz und im aktiven Beitrag zum Klimaschutz und zur regionalen Wertschöpfung. 220 219 DGRV (2013) 220 Vgl. Volz (2012), S. 150 ff. <?page no="374"?> 374 17 Bürger-Energiegenossenschaften Die Idee der Bürgerbeteiligungsanlage zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien geht zurück auf die frühen 90er-Jahre. Da es nicht allen Bürgern möglich ist, auf eigenen Grundstücken und Dachflächen einen aktiven Beitrag zur Energiewende zu leisten, bieten Bürgerbeteiligungsanlagen Interessierten die Möglichkeit, gemeinsam auf gepachteten Flächen Anlagen zu betreiben. Wurden hier zunächst Rechtsformen wie die Bruchteilsgemeinschaft, später die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die Kommanditgesellschaft benutzt, setzt sich seit einigen Jahren zunehmend die Genossenschaft durch. Die Ursachen sollen in den folgenden Kapiteln behandelt werden. 17.3 Der Trend zur Energiegenossenschaft: Ursachen und Geschäftsfelder 17.3.1 Ursachen Das starke Wiederaufkommen der genossenschaftlichen Rechtsform hat mehrere Gründe, die sich von gesellschaftlichen Entwicklungen über Änderungen der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen bis zur Standardisierung von Gründungsprozessen ziehen. Auch vor hundert Jahren, der Zeit der ersten Gründungswelle der Elektrizitätsgenossenschaften, befand sich die Energieversorgung in einer grundlegenden Transformationsphase. Die Situation lässt Parallelen zur heutigen Entwicklung erkennen, in der die Energieversorgung einem strukturell unterschiedlichen, aber gleichfalls grundlegenden Wandel unterworfen ist. Die zentrale Versorgungsstruktur, die bislang nur den Weg vom Großerzeuger zum Endkunden kannte, wird fundamental auf den Kopf gestellt. Anstatt weniger großer Produzenten gibt es heute hunderttausende Betreiber kleiner Erzeugungsanlagen, von der privaten PV-Anlage über landwirtschaftliche Biomasse- Anlagen zu einer Vielzahl dezentraler unternehmerischer Akteure. In diesen Phasen, in denen wirtschaftliche Grundstrukturen einem fundamentalen Wandel unterworfen sind, tendieren die Menschen eher zu Kooperationen und sind für gemeinsame Lösungsansätze offen. Abb. 73: Gründung von Energiegenossenschaften seit 2006 in der BRD. Quelle: DGRV. 8 16 43 95 111 167 150 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Gründungen von Energiegenossenschaften seit 2006 Anzahl <?page no="375"?> Roman Glaser, Nico Storz 375 Hinzu kommt ein genereller Trend in unserer Gesellschaft, der eine stärkere Partizipation an politischen Prozessen fordert. In einer komplexer werdenden Welt rücken lokale Handlungsoptionen in den Fokus. Die Genossenschaftsform ermöglicht hierbei durch ihre demokratischen Strukturen, die niedrigen Einstiegsschwellen und ihre hohe Transparenz die Teilhabe vieler Bürger an dem Projekt Energiewende. Daneben erscheint die Möglichkeit in der aktuellen Niedrigzinsphase, in der sich bei klassischen Geldanlagen wenig Zinsen erwirtschaften lassen, der Investition in konkrete Projekte vor Ort attraktiv. Bis zur Mitte des ersten Jahrzehnts wurden die meisten Bürgerenergieprojekte in den Rechtsformen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder der GmbH & Co. KG realisiert. 2005 änderte der Gesetzgeber die Anforderungen für diese Projekte und belegte sie oberhalb gewisser Schwellen mit höheren Pflichten, wie der Erstellung eines von der Finanzaufsicht BaFin geprüften Verkaufsprospekts. Gerade für kleinere Initiativen im PV-Bereich galt diese Hürde auf Grund der finanziellen und zeitlichen Mehrbelastung als kritisch für die wirtschaftliche Darstellung des Projekts. Da die Genossenschaften bereits durch die gesetzlichen Prüfungsverbände streng auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft werden, verzichtete der Gesetzgeber auf eine Doppelprüfung durch die Finanzaufsicht, sodass gerade kleinere PV-Projekte in der Genossenschaftsform eine Heimat fanden. Parallel dazu erleichterte die Reform des Genossenschaftsgesetzes von 2006 die Gründung neuer Genossenschaften. Ein weiterer großer Vorteil dieser Rechtsform entpuppte sich bei Folgeprojekten: Waren bei der GbR oder der GmbH & Co. KG in der Regel eigene Gesellschaften für jede neue Anlage notwendig, ist es innerhalb der Genossenschaft nun problemlos möglich, viele Projekte unter einem Dach zu vereinen. Ein- und Austritte von Mitgliedern lassen sich unkompliziert bewerkstelligen, sodass gerade auch geringe Mindestbeteiligungen möglich sind, um einer breiteren Bevölkerungsschicht die Teilhabe an der Energiewende zu ermöglichen. Auch die Haftungsbeschränkung auf das eingelegte Kapital, eines der größten Mankos der GbR, ist in der Satzung der Genossenschaft und im Genossenschaftsgesetz geregelt. 17.3.2 Initiatoren Die Initiative zur Gründung einer Energiegenossenschaft kann von ganz unterschiedlichen Richtungen ausgehen. Sie hängt wesentlich von den lokalen Gegebenheiten vor Ort ab. Dabei spielen die Potentiale zur Erzeugung Erneuerbarer Energien natürlich eine zentrale Rolle; aber auch politische Konstellationen, vorhandene Initiativen und Gruppen, die wirtschaftliche Infrastruktur oder die bisherige Strom- und Wärmeversorgung haben einen bedeutenden Anteil. Als grundlegende Unterscheidung können vier Gruppen ausgemacht werden: Bürger, Kommunen, Banken und Unternehmen. Wo Stadtwerke vorhanden sind, beteiligen diese sich oft zusätzlich an der Gründung. Häufig kommt die Idee aus dem Kreis der Bürgerschaft - dies steckt ja bereits im Namen Bürgerenergiegenossenschaft. In dieser Konstellation spielt die ideelle Motivation die größte Rolle. Die Erzeugung regenerativer Energien, die Verdrängung fossiler und atomarer Energie aus dem Netz, der Umweltschutz und der eigene Beitrag zur dezentralen Energiewende standen in einer Umfrage des Deutschen Genossenschafts- <?page no="376"?> 376 17 Bürger-Energiegenossenschaften und Raiffeisenverbandes (DGRV e.V.) als Motive an erster Stelle, knapp gefolgt von der Förderung der regionalen Wertschöpfung. 221 Zugrunde liegen den Bürgerenergiegenossenschaften häufig bereits vorhandene Strukturen - Klimaschutzarbeitskreise, Umweltschutzgruppen oder schlicht lose Bekanntschaften im persönlichen Kreis, die sich zu einer Initiativgruppe verdichten. In der Gruppe der durch die Bürger initiierten Genossenschaften lassen sich hohe Aktivitäten in der Weiterentwicklung feststellen, die mit Kreativität und Unternehmergeist zur Erschließung neuer Geschäftsfelder für die Energiegenossenschaften führen. Die zweite Gruppe sind Energiegenossenschaften, die von der Kommune, meist dem Bürgermeister, initiiert wurden. Dahinter verbirgt sich oftmals der Wunsch, die Identität - oftmals auch die Bekanntheit - der Kommune zu stärken, Bürger in die Entwicklung der Gemeinde mit einzubinden und wirtschaftliche Potentiale zu erschließen. Energiegenossenschaften stellen auch ein Instrument dar, kommunale Politik zu gestalten, denn für Kommunen können sie ein interessanter Partner zur Realisierung und Finanzierung Erneuerbarer Energien-Projekte sein. Der Vorteil dieser Gruppe liegt in der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Kommune und Energiegenossenschaft, die gerade bei der Akquise neuer Projekte von Vorteil sein kann. Abb. 74: Motivation zur Gründung einer Energiegenossenschaft, Quelle: DGRV (2012) 221 DGRV (2013), S. 14. 2,4 1,6 1,5 1,5 2,3 1,4 1,6 0 1 2 3 Förderung Erneuerbarer Energien/ Umweltschutz/ Atomausstieg Sicherung der regionalen Energieversorgung Energieversorgung in eigener Hand Unabhängigkeit von Energiekonzernen Förderung von regionaler Wertschöpfung Kostengünstige Energieversorgung Dividendenzahlung der Eigentümer Aus welcher Motivation wurde die Genossenschaft gegründet? 0 = keine Motivation 3 = sehr starke Motivation <?page no="377"?> Roman Glaser, Nico Storz 377 Häufig werden Energiegenossenschaften auch durch lokale Volks- und Raiffeisenbanken gegründet. Die Erfahrung mit der Rechtsform Genossenschaft, die in diesen Institutionen vorhanden ist, ist bei der Gestaltung der Gremien und Verteilung der Aufgaben ebenso von Vorteil wie das Wissen über die Mitgliederverwaltung und Datenverarbeitung, bei der sich viele Parallelen ergeben. Für die meisten Volks- und Raffeisenbanken sind Energiegenossenschaften Bestandteil einer größeren Kampagne für Energieprojekte vom Hausbesitzer zum Gewerbekunden. Es verwundert also nicht, dass Regionen, in denen die lokalen Banken die Energiewende als zentralen Wachstumsmarkt erkannt und strategisch entwickelt haben zu den erfolgreichsten Regionen bei Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien zählen. Eine Sondergruppe stellen Mitarbeitergenossenschaften dar. Im Gegensatz zu den anderen Gruppen rekrutieren die Mitarbeitergenossenschaften ihre Mitglieder aus der Belegschaft eines Unternehmens. Projekte sind oft Photovoltaik-Anlagen auf den Unternehmensgebäuden, Blockheizkraftwerke oder Windräder zur Versorgung des Unternehmens mit Energie. Für die Unternehmen bietet diese Konstellation den Vorteil, sich auf das Kerngeschäft konzentrieren zu können und das Thema Energie der Energiegenossenschaft zu übertragen. Der Energiegenossenschaft ist der wirtschaftliche Erfolg des Mutter-Unternehmens ebenso wichtig wie der eigene Erfolg, sodass sich eine vertrauensvolle Partnerschaft ergibt. Nicht zu unterschätzen ist auch der Identifikationsgewinn der Mitarbeiter mit dem Unternehmen durch die Beteiligung an der Genossenschaft. 17.3.3 Geschäftsfelder der Energiegenossenschaften Die Motivation zur Gründung der Elektrizitätsgenossenschaften um die Jahrhundertwende war die Versorgung der Bevölkerung mit Strom - sowohl die Erzeugung als auch die Verteilung des Stromes standen somit im Mittelpunkt. Bei den neuen, seit 2005 gegründeten, Energiegenossenschaften spielt die Verteilung eine untergeordnete Rolle. In erster Linie lassen sich zwei Hauptgeschäftsfelder in dieser Gruppe identifizieren: Die Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien und die Erzeugung - und hier auch Verteilung - von Wärme. Der überwiegende Anteil neuer Energiegenossenschaften begann seine Geschäftstätigkeit mit dem Betrieb einer Photovoltaik-Anlage. Dieses Geschäftsfeld war bereits aus den früheren Bürgersolar-Anlagen bekannt und erprobt. Die Vorteile lagen im überschaubaren Finanzierungsaufwand, in der auf zwanzig Jahre gesicherten Vergütung und in den standardisierten Abläufen und Vertragsmustern. In Baden-Württemberg begannen über 80 Prozent der Energiegenossenschaften ihre Geschäftstätigkeit mit dem Betrieb einer oder mehrerer PV-Anlagen. Die gesetzlichen, und damit auch wirtschaftlichen, Rahmenbedingungen für PV- Anlagen haben sich seit der Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes 2012 geändert. Für Anlagen zwischen 10 KWp und 1 MWp gilt spätestens seit dem 1. Januar 2014, dass nur noch 90 Prozent der erzeugten Leistung nach EEG vergütet werden. Energiegenossenschaften müssen somit die restlichen 10 Prozent alternativ vermarkten - in der Regel in unmittelbarer Umgebung zur Anlage an Abnehmer auf dem gleichen Gelände. 222 Unter Umständen kann auch die Vermarktung von mehr als 10 Prozent an 222 Eine ausführliche Übersicht über verschiedene alternative Vermarktungsinstrumente findet sich in: BWGV (2013) <?page no="378"?> 378 17 Bürger-Energiegenossenschaften lokale Abnehmer interessant sein, wenn die Genossenschaft einen höheren Preis als aus dem EEG erzielen kann und der lokale Abnehmer weniger als für Strom aus dem Netz bezahlt. Mit der EEG-Novelle 2014 wurden viele Rahmenbedingungen erneut auf den Kopf gestellt, gleich bleibt jedoch, dass die eigene Vermarktung des erzeugten Stroms zunehmend in den Fokus rückt. Durch die alternativen Vermarktungsformen kommen auf die Energiegenossenschaften neue Pflichten als Elektrizitätsversorgungsunternehmen nach dem EnWG und Energieversorgungsunternehmen nach dem EEG zu. Zukünftige PV-Anlagen müssen deshalb ausführlicher geplant und aufwendiger betreut werden. Die Welle der Neugründungen hat sich nach einem Höhepunkt 2011 deshalb auch wieder etwas abgeflacht und zum Teil in Richtung komplexerer Gründungsvorhaben verschoben. Abb. 75: Neugründungen in Baden-Württemberg. Durch die EEG-Novelle sind Gründungsprojekte im PV-Bereich seit 2012 komplexer geworden. Im Bereich der Stromerzeugung ist insbesondere die Windkraft ins Blickfeld geraten. In Baden-Württemberg hat diese Technologie durch den Regierungswechsel 2011 und die Ziele der Landesregierung, bis 2020 zehn Prozent des Stromverbrauchs durch Windenergie zu decken, neuen Aufschwung erhalten. Der Kapitalbedarf übersteigt bei Windenergieprojekten denjenigen bei PV-Projekten deutlich und liegt, je nach Größe des Windparks, bei mehreren Millionen Euro Eigenkapital. Für Energiegenossenschaften stellt jedoch weniger das Kapital zum Bau der Anlagen eine Herausforderung dar als vielmehr das Risikokapital, das für die Projektentwicklung benötigt wird. Dieses kann leicht im sechsstelligen Bereich liegen, bis überhaupt eine Baugenehmigung vorliegt. Kann der Bau des Windparks aus Naturschutzgründen, wegen Änderung der 0 10 20 30 40 50 60 70 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 (Juni) Anzahl Neugründungen Nicht differenziert Sonstige (Dorfläden, Schwimmbäder, Gastronomie, Kindergarten etc.) Landwirtschaft (Weinbau, Forstwirschaft, Maschinen, etc.) Dienstleistung (Gesundheit, Beratungen etc.) Energie <?page no="379"?> Roman Glaser, Nico Storz 379 wirtschaftlichen Rahmenlage oder schlicht, weil ein anderer Bieter das Grundstück erhalten hat, nicht durchgeführt werden, ist das Geld für die Projektentwicklung verloren. Um dieses Risikokapital akquirieren zu können, kooperieren viele Energiegenossenschaften mit Projektentwicklern. Projektentwickler können das Risiko auf verschiedene Windparks streuen, verlangen im Erfolgsfall jedoch auch die notwendige Rendite, um fehlgeschlagene Projekte abzufedern. Zahlreiche Energiegenossenschaften schließen sich zu Interessengemeinschaften mit anderen Genossenschaften oder Stadtwerken zusammen, um gemeinsam bei der Flächenakquise und der Verhandlung mit Projektpartnern bessere Erfolge zu erreichen. Für den Betrieb des Windparks werden später häufig Kombinationen mit der Rechtsform GmbH oder GmbH & Co. KG gewählt. Hierbei ist zu beachten, dass die Genossenschaft am operativen Geschäftsbetrieb beteiligt wird, der nach § 1 des Genossenschaftsgesetzes den Hauptzweck einer Genossenschaft ausmachen muss. Dies kann dadurch erfüllt werden, dass die Genossenschaft einzelne Anlagen kauft und selbst betreibt oder zumindest in entscheidendem Maße an der geschäftsführenden Betreiber-GmbH beteiligt ist. Beteiligungsformen, in denen die Genossenschaft nur als Kapitalgeber ohne operativen Einfluss auf das Unternehmen integriert ist können mit dem Genossenschaftsgesetz und dem Kapitalanlagegesetzbuch, das seit Juli 2013 die Regeln für sogenannte alternative Investmentfonds definiert, in Konflikt kommen. Die Stromverteilung über das Stromnetz ist klassisches Aufgabenfeld „traditioneller“ Elektrizitätsgenossenschaften, wird zum Teil jedoch auch von neuen Genossenschaften betrieben. Dabei überwiegen Modelle, bei denen die Bürgergenossenschaft an Stadtwerken beteiligt ist; die gesamte Übernahme durch eine Bürgerenergiegenossenschaft stellt die Ausnahme dar. Da die Konzessionen nur alle 20 Jahre vergeben werden und Altkonzessionäre eine starke Konkurrenz darstellen, ist der Stromnetzbetrieb heute kein Hauptgeschäftsfeld für Genossenschaften. Kompetente technische Partner sind bei der Bewerbung um das Netz unumgänglich. Zunehmend steigen Energiegenossenschaften jedoch in das Geschäftsfeld der Stromlieferung an ihre Mitglieder ein - durch die Trennung der Netzvon den Versorgergesellschaften in Deutschland ist dies auch ohne eigene Stromleitungen möglich. Um den damit einhergehenden Pflichten begegnen zu können, sind Kooperationen beliebt. Abb. 76: Geschäftsgegenstand bestehender Energiegenossenschaften, Quelle: DGRV (2013) 87% 19% 4% 20% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Stromerzeugung Wärmeerzeugung Betrieb Stromnetz Betrieb Wärmenetz Welchen Geschäftsgegenstand verfolgt Ihre Genossenschaft? (Mehrfachnennungen möglich) <?page no="380"?> 380 17 Bürger-Energiegenossenschaften Neben der Stromerzeugung gewinnt das Geschäftsfeld Wärme zunehmend an Bedeutung. 2008 gründete sich in Baden-Württemberg mit der Weiler Wärmegenossenschaft das erste Unternehmen dieser Art. Inzwischen haben im Land knapp zwanzig Nahwärmegenossenschaften den Betrieb aufgenommen, zahlreiche weitere befinden sich in der Planung. Für Nahwärmeprojekte bietet sich das Genossenschaftsmodell sehr gut an: Fokus der Nahwärmegenossenschaften ist nicht die Erwirtschaftung eines finanziellen Überschusses, sondern die Versorgung der Mitglieder mit möglichst günstiger Wärme. Dafür betreibt die Nahwärmegenossenschaft auf Gemeindeebene ein Wärmenetz, häufig zusätzlich noch die Wärmeerzeugung über eine Hackschnitzelanlage oder eine Biomasseanlage. Bei der Rohstoffversorgung stehen lokale Ressourcen im Vordergrund, häufig werden langfristige Lieferbeziehungen mit verlässlichen Rahmenbedingungen und Sicherstellung einer nachhaltigen Land- und Forstwirtschaft aufgebaut. Besonders erfolgversprechend sind Nahwärmeprojekte in Gemeinden, in denen die Wärmeversorgung überwiegend auf Heizöl basiert und Sanierungen anstehen. Auch hier ist wichtig, dass sich in der Bevölkerung ein aktiver Vorstand findet, der zumindest in der Planungs- und Umsetzungsphase zu hohem persönlichem Engagement bereit ist. Der Betrieb dezentraler Blockheizkraftwerke (BHKW) ist ein weiteres Geschäftsfeld, in dem die Erzeugung von Strom und Wärme kombiniert wird. Für den Betrieb eines Blockheizkraftwerks mietet die Genossenschaft im betroffenen Gebäude einen Kellerraum an, um dort das BHKW zu installieren und zu betreiben. Die erzeugte Wärme und häufig auch der erzeugte Strom werden direkt an die Gebäudenutzer verkauft. Dieses sogenannte Liefercontracting erfreut sich zunehmender Beliebtheit und bietet auch ein neues Geschäftsfeld für bestehende PV-Genossenschaften, die in ihrer Region keine freien Dachflächen für Solaranlagen mehr finden. Auch die Lieferung von Wärme aus kleinen, dezentralen Holzpelletheizungen wird in ersten Modellen erfolgreich erprobt. Neben dem Liefercontracting könnte sich auch das so genannte Einsparcontracting zu einem Geschäftsmodell entwickeln, das sich in jeder Gemeinde umsetzen lässt. Dabei investieren die Energiegenossenschaften in energetische Effizienzmaßnahmen in einem fremden Gebäude, etwa in die Erneuerung der Beleuchtung in einer Fabrik. Die finanziellen Einsparungen werden über einen vereinbarten Zeitraum zwischen der Genossenschaft und dem Gebäudenutzer aufgeteilt, sodass die Genossenschaft ihre Investitionen mit einer Rendite zurückerhält. Nach dem vereinbarten Zeitraum erhält der Gebäudebesitzer ein (teil-)saniertes Gebäude mit geringeren Nebenkosten, ohne eigene Investitionen tätigen zu müssen. Neben dem finanziellen Anreiz ist auch die Erfahrung der Energiegenossenschaft, die sich professionell um das Funktionieren der Maßnahmen kümmern kann, ein Vorteil dieser Kooperation. In Baden-Württemberg gibt es inzwischen ein halbes Dutzend Stromsparprojekte vom Kleingewerbe bis hin zur gesamten Straßenbeleuchtung; mit zunehmender Standardisierung gibt es in diesem Bereich große wirtschaftliche Potentiale. <?page no="381"?> Roman Glaser, Nico Storz 381 17.4 Herausforderungen und Perspektiven für die Energiegenossenschaften Die zunehmende Diversifizierung der Geschäftsfelder bietet den Genossenschaften die Möglichkeit, sich breiter aufzustellen und somit weniger anfällig für Veränderungen in den gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu sein. Die Energiegenossenschaften rücken damit zunehmend in die Rolle eines zentralen Akteurs bei der Umsetzung der politisch gewollten Energiewende in den Regionen vor Ort. Die gesamte Energiewende von der Stromerzeugung über die Wärmeerzeugung und -lieferung bis hin zu Effizienzmaßnahmen wird als Geschäftsfeld begriffen. Erste Genossenschaften wie die Weiler Wärmegenossenschaft nehmen bereits Mobilitätskonzepte auf, womit alle drei Säulen der Energiewende − Erzeugung, Effizienz und Mobilität - auf lokaler Ebene durch die Genossenschaften umgesetzt werden können. Abb. 77: Felder für zukünftige Investitionen und Aktivitäten. Quelle: DGRV (2013) Die Genossenschaften profitieren dabei stark von ihrer örtlichen Verwurzelung. Sie kennen die Verhältnisse vor Ort, wissen, welche Fraktionen bei der Umsetzung von Erneuerbaren Energieprojekten eingebunden werden müssen, kennen die lokalen Potentiale und haben einen leichteren Zugang zur Erschließung als ortsfremde, externe Akteure. Diese Chancen machen die Energiegenossenschaften zu wichtigen Akteuren bei der Umsetzung der Energiewende in der Fläche, insbesondere bei den vielen kleineren und mittleren Projekten von der Strom- und Wärmeerzeugung bis zur Energieeffizienz, die zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende unerlässlich sind. Je breiter sich die Energiegenossenschaften in ihrem Geschäftsfeld aufstellen, desto standfester sind sie gegenüber politischen Veränderungen. Nichtsdestotrotz stellen 53% 41% 7% 10% 16% 11% 8% 11% 7% 0% 20% 40% 60% Energieproduktion durch PV Energieproduktion durch Wind Energieproduktion durch Biogas Energieproduktion durch Biomasse/ Holz Energieprod. durch sonst. Energieträger Netzbetrieb Handel Beratung Sonstiges In welchen Bereichen plant Ihre Genossenschaft in den nächsten 12 Monaten Investitionen/ zusätzliche Aktivitäten? (Mehrfachnennungen möglich) <?page no="382"?> 382 17 Bürger-Energiegenossenschaften politische Reformen - so notwendig die Anpassung bestehender Gesetze an die realen Entwicklungen selbstverständlich ist - immer auch eine Gefahr für die Energiegenossenschaften dar. Schon kleine Änderungen - etwa die Pflicht zur Selbstvermarktung eines Teils des Solarstroms bei vergleichsweise kleinen Anlagen - bringen hohe finanzielle und zeitliche Anforderungen an das bislang meist ehrenamtliche Personal mit sich. Die zunehmende rechtliche Komplexität birgt zudem nicht unerhebliche Risiken, da selbst in den Bundesbehörden oft noch Unklarheit über die Auslegung neuer Regelungen besteht. Es gilt deshalb, bei der Gesetzgebung vorsichtig zu agieren und die deutsche Energiewende mit ihrer sehr erfolgreichen dezentralen Umsetzung nicht durch Schnellschüsse zu gefährden. Viele Genossenschaften reagieren auf die zunehmende Aufgabenvielfalt durch steigende gesetzliche Anforderungen und Ausweitung der Geschäftsfelder auf neue Bereiche. Dazu gehört die zunehmende Professionalisierung des Personals, sodass den ehrenamtlichen Vorständen wiederkehrende Aufgaben wie die Verwaltung der bestehenden Anlagen abgenommen werden können und sie sich auf die Erschließung neuer Projekte konzentrieren können. Alternativ - oder auch ergänzend - suchen Energiegenossenschaften immer öfter die Kooperation im genossenschaftlichen Netzwerk. Dies kann zum Zwecke eines gemeinsamen Großprojektes, zur Erschließung neuer Potentiale oder zur Bündelung von Aufgaben wie der Verwaltung des Stromvertriebs geschehen. Darüber hinaus tauschen sich die Energiegenossenschaften in regionalen und überregionalen Netzwerken über erfolgreiche Projekte aus, sodass sich Geschäftsmodelle schnell innerhalb der genossenschaftlichen Gruppe ausbreiten können. Der alte Spruch von Friedrich Wilhelm Raiffeisen wird hier wieder aktuell: „Was der einzelne nicht vermag, das vermögen viele.“ Keine Rechtsform bietet sich dafür besser an als die Genossenschaft. Auf den Punkt gebracht Energiegenossenschaften bieten als Rechtsform die Möglichkeit, viele kleine und mittlere Projekte im Energiebereich unter einem Dach umzusetzen. Die Beteiligung von Bürgern an Genossenschaften lässt sich oft leichter umsetzen als in anderen Rechtsformen, weshalb sie vor allem bei regional verankerten Projekten beliebt sind. In Genossenschaften ist die Mitsprache der Beteiligten vergleichsweise hoch, auf der Generalversammlung hat jedes Mitglied, unabhängig von der Höhe der Beteiligung, eine Stimme. Überwiegend gründen sich Energiegenossenschaften zum gemeinsamen Betrieb von PV-Anlagen, zunehmend steht jedoch die Wärmeversorgung über Nahwärmenetze oder dezentrale Anlagen im Vordergrund. Weitere Geschäftsfelder sind: Windenergie und Wasserkraft, Stromnetze und Stromversorgung sowie Effizienzprojekte und Mobilität. Zur Gründung einer Genossenschaft reichen seit der Reform des Genossenschaftsgesetzes 2006 bereits drei Personen aus. Wichtig ist, dass schon zu Beginn Projekte ins Auge gefasst werden, mit denen sich die Genossenschaft wirtschaftlich tragen kann. Fallbeispiel: Energiegenossenschaft Bittelbronn Die Bioenergiegenossenschaft Bittelbronn ist aus der Idee heraus geboren worden, die Wärmeversorgung der Gemeinde auf regionale und erneuerbare Wärmeversorgung umzustellen. Die meisten Gebäude wurden bis dahin mit Heizöl beheizt, was <?page no="383"?> Roman Glaser, Nico Storz 383 nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch zunehmend zu einer Belastung wurde. Die Initiative zur Gründung der Genossenschaft ging von den Bewohnern in Bittelbronn, einem Ortsteil der Gemeinde Haigerloch, aus. 2010 wurde die Genossenschaft gegründet, 2011 wurden die ersten Häuser an das Nahwärmenetz angeschlossen, 2012 schließlich der zweite Bauabschnitt beendet. Mit rund 120 angeschlossenen Gebäuden konnten über 70 Prozent der Gebäude an das Nahwärmenetz angeschlossen werden. Die Genossenschaft betreibt nicht nur das Nahwärmenetz selbst, sondern auch die Biogasanlage und drei Blockheizkraftwerke zur Erzeugung von Strom und Wärme. Eines der Blockheizkraftwerke wurde direkt an den Ortsrand gesetzt, um Wärmeverluste auf dem Weg zu den Gebäuden zu vermeiden. In der Biogasanlage werden Rohstoffe aus der Umgebung verwendet, was die regionale Wertschöpfung steigert und sowohl der Genossenschaft als auch den beliefernden Bauern Planungssicherheit gewährt. Um das Landschaftsbild und die Böden vor einseitigem Maisanbau zu bewahren wurden Rahmenvereinbarungen getroffen, die sich an der Vierfelderwirtschaft orientieren, sodass maximal 25 Prozent der Ackerfläche hierfür genutzt werden können. Die Nahwärmegenossenschaft Bittelbronn ist somit ein Gewinn für alle: die Landwirte, die Wärmekunden und schließlich die Umwelt. v.l.n.r.: Gerhard Hellstern (Aufsichtsrat), Erich Volm (Vorstand) und Dagmar Eisenbach (Aufsichtrat) von der Energiegenossenschaft Bittelbronn. Im weißen Hemd: Steffen Müller vom BWGV. Foto: N. Storz Literatur Beuthin, V., u.a.: Mitglieder-Fördermanagement in Genossenschaftsbanken. Analysen, Erläuterungen und Gestaltungsempfehlungen aus ökonomischer, rechtlicher und steuerlicher Sicht, Marburg 2008 BWGV: Kompendium PV-Vermarktung, Karlsruhe 2013. Deutscher Genossenschafts- und Raiffeissenverband e.V. (DGRV): Energiegenossenschaften − Ergebnisse der Umfrage des DGRV und seiner Mitgliedsverbände im Frühsommer 2012, Berlin 2013. Online unter: http: / / www.genossenschaften.de/ sites/ default/ files/ Auswertung%20Umfrage%20En ergiegenossenschaften.pdf [28.10.2013] <?page no="384"?> 384 17 Bürger-Energiegenossenschaften George, W./ Berg, Th. (Hrsg.): Energiegenossenschaften gründen und erfolgreich betreiben, Wiesbaden 2011 Grosskopf, W./ Münkner, Hans-H./ Ringle, G.: Unsere Genosessenschaft. Idee - Auftrag - Leistungen, Wiesbaden 2009 Volz, R.: Genossenschaften im Bereich erneuerbarer Energien − Status quo und Entwicklungsmöglichkeiten eines neuen Betätigungsfeldes, Stuttgart-Hohenheim 2012 <?page no="385"?> 18 Öffentliche Fördermittel als Baustein der Finanzierung von EE-Projekten Steffen Gasior, Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg, und Prof. Dr. Frank Andreas Schittenhelm, HfWU Nürtingen-Geislingen Inhalt 18.1 Einleitung ................................................................................................................... 385 18.2 Überblick über Fördergelder ................................................................................... 386 18.3 Ablauf einer Finanzierung über Fördergelder ....................................................... 391 18.4 Erfolgskriterien bei der Beantragung ..................................................................... 393 18.5 Beurteilung von Fördergeldern ............................................................................... 395 18.5.1 Vorteile von Fördergeldern ..................................................................................... 395 18.5.2 Nachteile von Fördergeldern................................................................................... 396 18.6 Fallbeispiel.................................................................................................................. 397 18.7 Ausblick...................................................................................................................... 398 Literatur ...................................................................................................................... 399 Schlagwortliste Förderprogramme, Energieeffizienz, Zuschüsse, Zinsgünstige Darlehen, Bürgschaften 18.1 Einleitung Die Finanzierung von Innovationsvorhaben ist eine der großen Herausforderungen für Unternehmen. Zum einen sind die notwendigen Investitionen oftmals vorab nicht oder nur sehr grob abschätzbar, zum anderen stellt sich stets die Frage der Finanzierungsquellen. Gerade wenn Entrepreneure nicht über eigene Mittel verfügen, müssen externe Mittel aufgebracht werden. Grundsätzlich besteht die Wahl zwischen drei Finanzierungsquellen. Eigenkapital geht stets mit einem Verlust der Eigenständigkeit daher, auch erwarten Eigenkapitalgeber aufgrund hoher Risiken eine entsprechend üppige Beteiligung am zukünftigen Gewinn. Fremdkapital ist in aller Regel langfristig gesehen günstiger, erfordert aber meist regelmäßige Zahlungen an den Fremdkapitalgeber in Form von Zinsen. Gerade zu Beginn eines Entwicklungsvorhabens verfügt ein Start-up aber häufig über keinerlei positive operativen Cash Flows, um solche Zahlungen leisten zu können. Außerdem stellen Fremdkapitalgeber zumeist höhere Anforderungen an die zu finanzierenden Projekte. Schließlich stehen Mittel zur Verfügung <?page no="386"?> 386 18 Öffentliche Fördermittel als Baustein der Finanzierung von EE-Projekten die von öffentlichen Geldgebern in Form von Subventionen oder Fördergeldern oder in Form von Ausfallbürgschaften zur Verfügung gestellt werden. Häufig ist eine Rückzahlung nicht notwendig. Dies macht diese Form der Finanzierung natürlich zur attraktivsten, allerdings sind bzw. erscheinen die Zugangsmöglichkeiten für die verfügbaren Mittel häufig sehr intransparent. Auch versucht der Geldgeber, durch Fördergelder regulativ in den Markt einzugreifen. Technologien, die sich in einem frühen Entwicklungsstadium befinden, sollen gefördert werden und erhalten eine Anschubfinanzierung. Ändern sich politische Rahmenbedingungen, so führt dies schnell zu einer Anpassung der Förderprogramme, so dass sich der Markt in einem ständigen Fluss befindet. Dies macht die Auseinandersetzung mit dieser Form der Finanzierung in aller Regel sehr schwierig. Entrepreneure sind meist auf die Hilfe professioneller Berater angewiesen, um einen Überblick über die möglichen Förderprogramme zu gewinnen und ein für das eigene Unternehmen sinnvolles und vor allem erfolgsversprechendes Modell auszuwählen. Im Folgenden werden schwerpunktmäßig Förderprogramme für den Bereich „Erneuerbare Energie“ (EE) betrachtet. Es bestehen jedoch vielfältige Überlappungen mit Programmen zur „Energieeffizienz“. Dies entspricht dem Bild eines nachhaltigen Energiesystems, das auf den beiden Pfeilern Erneuerbare Energien und effiziente Energieerzeugung und -nutzung - dem „goldenen Weg“ zum Klimaschutz - beruht. Wir verwenden vereinfachend den Terminus „Energiemanagement“ für die Vereinigungsmenge. 18.2 Überblick über Fördergelder Die teilweise sehr undurchsichtigen Förderrichtlinien und der scheinbar umfangreiche Prozess der Fördermittelbeantragung hindern Unternehmen häufig daran, sich überhaupt mit dieser Form der Finanzierung auseinanderzusetzen. Zwar decken die programmabhängigen Maßnahmenkataloge eine Vielzahl von Vorhaben im Bereich Erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz ab, doch sind sie selbst von Finanzierungsspezialisten kaum mehr zu überblicken. Zudem ist der Energiebereich naturgemäß durch einen hohen technologischen Fortschritt getrieben, so dass Förderprogramme in kurzen Zeitabständen aktualisiert und ergänzt werden müssen. Ein umfassender Überblick wird dadurch noch erschwert. Drei wesentliche Unterscheidungskriterien lassen sich bei der Einordnung von Fördermöglichkeiten erkennen (vgl. Abbildung 79): Fördermaßnahmen lassen sich in Finanzierungshilfen und Zuschüsse unterteilen, bei den Antragstellern unterscheiden Förderprogramme in der Regel zwischen Großunternehmen und KMU (kleine und mittlere Unternehmen) und schließlich gibt es auf Seiten der Förderstelle unterschiedliche Institutionen und Programme auf Bundes- und Landesebene. <?page no="387"?> Steffen Gasior, Frank Andreas Schittenhelm 387 Abb. 78: Unterscheidungskriterien bei Förderprogrammen (eigene Darstellung) Wir wollen zunächst die zwei Formen der Fördermaßnahmen betrachten. Zum einen sind dies gewährte Finanzierungshilfen, insbesondere Darlehen, die sich meist durch vergünstigte Zinskonditionen auszeichnen (beispielsweise aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) oder dem Europäischen Sozialfonds (ESF)), aber auch Ausfallbürgschaften, Mezzanine- und Eigenkapitalfinanzierungen. Zum anderen sind es Zuschüsse, die im Wesentlichen für Investitionen und Entwicklungsaufwendungen zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Verfügung gestellt werden. Im Allgemeinen ist festzuhalten, dass die Kriterien für Finanzierungshilfen und Zuschüsse unterschiedlich sind. Allein die Tatsache, dass die fachlichen Anforderungen an die Beratungsstelle bei Zuschüssen speziellen Kriterien entsprechen müssen, mag die Komplexität verdeutlichen. Häufig können beide Fördermaßnahmen gemeinsam beantragt werden, Zuschüsse also in eine Finanzierung eingebunden werden. Beide Komponenten können aber auch unabhängig voneinander in Anspruch genommen werden. Das zweite Unterscheidungskriterium hinsichtlich der Förderprogramme bezieht sich auf die Größe der förderfähigen Unternehmen. Ein Schwerpunkt der öffentlichen Förderung liegt auf den KMU. Dies liegt auf der Hand, weil hier Investitionsvorhaben häufig nicht aus eigener Kraft gestemmt werden können bzw. aufgrund der Unternehmensrechtsform Kapitalaufnahme erschwert ist. Eine wesentliche Fördervoraussetzung ist die Zuordnung als KMU gemäß der EU-Definition (siehe KMU-Definition). Beispiel: Fördervoraussetzung KMU Maßgeblich für die Einstufung als Kleinstunternehmen beziehungsweise als kleines oder mittleres Unternehmen ist die Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen ABI, der EU L 124/ 36 vom 20.05.2003. Unterscheidungskriterien Fördermaßnahme: - Finanzierungshilfen - Zuschüsse Förderstelle: - Bund - Land Antragsteller: - Großunternehmen - KMU <?page no="388"?> 388 18 Öffentliche Fördermittel als Baustein der Finanzierung von EE-Projekten KMU-Definition Unternehmensgröße Mitarbeiter und Jahresumsatz oder Jahresbilanzsumme Kleinstunternehmen < 10 ≤ EUR 2 Mio. ≤ EUR 2 Mio. Kleine Unternehmen < 50 ≤ EUR 10 Mio. ≤ EUR 10 Mio. Mittlere Unternehmen < 250 ≤ EUR 50 Mio. ≤ EUR 43 Mio. Die Schwellenwerte beziehen sich auf den letzten durchgeführten Jahresabschluss. Das Antrag stellende Unternehmen erwirbt bzw.verliert den KMU-Status erst dann, wenn es in den zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren die genannten Schwellenwerte unterbzw. überschreitet. Zusätzlich zu den genannten Schwellenwerten verlangt ein detailliertes Prüfschema für KMUs die Kontrolle von möglichen Verflechtungen mit anderen Unternehmen. (Vgl. https: / / www.kfw.de/ kfw.de.html). Beispielsweise wird im Rahmen des KfW-Energieeffizienzprogramms explizit von einem maximalen Gruppenumsatz von EUR 4 Mrd. gesprochen, also der Umsatz des Antragstellers und die Umsätze der mit ihm verbundenen Unternehmen addiert. Ausnahmen existieren ebenfalls. Daneben stehen aber auch Großunternehmen Fördertöpfe offen, zumal das Thema Erneuerbare Energien immer stärker zu einer zukünftigen Ertragsquelle wird. Wie ein aktuelles Beispiel zeigt, erfolgt die Finanzierung jedoch häufig anders. So strebt Siemens (vgl. Siemens Financial Services GmbH 2010) nach sogenannten „Green- Financing-Lösungen“. Investitionen in Erneuerbare Energien oder Energieeffizienzmaßnahmen werden dabei überwiegend aus operativen Gewinnen getätigt. Mit erzielten Einsparungen aus der Nutzung der erneuerbaren Energien können wiederum Investitionen, bspw. in weitere Maßnahmen im Energiemanagement erfolgen. Eben ein in sich geschlossener Kreislauf, wie folgende Abbildung zeigt: Abb. 79: Energiemanagement-Kreislauf (eigene Darstellung in Anlehnung an „Green- Financing“ von Siemens) Energiemanagement erzeugen Einsparungen finanzieren Investitionen <?page no="389"?> Steffen Gasior, Frank Andreas Schittenhelm 389 Öffentliche Förderung erfolgt sowohl auf Bundesals auch auf Landesebene. Ist es auf Bundesebene die KfW, so nehmen auf Landesebene die Staatsbanken, wie bspw. die Landeskreditbank Baden-Württemberg (L-Bank) diese Förderrolle ein. Wie bereits erwähnt, bieten diese Fördereinrichtungen vor allem Finanzierungshilfen in Form von zinsgünstigen Darlehen zur Förderung von Vorhaben im Energiemanagement an. Daneben existieren noch spezielle bundesweite Förderungen des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) sowie landesbezogene Zuschüsse, wie das Klimaschutz-Plus Förderprogramm des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (UM), die sich mit dem Thema Energieeffizienz befassen. Tabelle 20 gibt hierzu eine Orientierungshilfe: auf Bundesebene zinsgünstige Darlehen (KfW) - Investitionsförderung Zuschüsse zu den Energieberatungskosten (KfW) - Energieberatung im Mittelstand Zuschüsse (BAFA) auf Landesebene, am Beispiel Baden- Württemberg zinsgünstige Darlehen KMU (L-Bank) Zuschüsse zu den Energieberatungskosten (KfW) Zuschüsse (L-Bank/ UM) Tab. 20: Förderstellen auf Bundes- und Landesebene Tabellen 21 und 22 zeigen die Programmangebote der KfW, BAFA und L-Bank. Es ist zu erwähnen, dass es sich hierbei um eine Momentaufnahme der Förderprogramme handelt. Auch ist mit der gemachten Aufstellung nicht die Absicht verbunden, einen kompletten Überblick zu geben, vielmehr soll ein Gefühl für die Bandbreite, die Komplexität und die z.T. detaillierten Vorgaben der Förderrichtlinien gegeben werden. Wichtig: Oftmals können Zuschüsse und zinsverbilligte Darlehen auch in Kombination für Investitionen in Erneuerbare Energien in Anspruch genommen werden. Übersicht ausgewählter Fördermittelprogramme der KfW und BAFA Förderprogramm Förderziel Antragsteller geförderte Maßnahmen Art und Höhe der Förderung Bewertung erneuerbare Energien „Standard“ umweltfreundliche Stromerzeugung Unternehmen jeder Größe Anlagen zur Stromerzeugung aus regenerativen Energien, z.B. aus: Sonne, Wind, Biomasse, Wasser Kredit bis max. EUR 25 Mio. pro Vorhaben jede Unternehmensgröße ausgewählte förderfähige Investitionen erneuerbare Energien „Premium“ Investitionen zur Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmemarkt insbesondere: - KMU - Kommunen Investitionen zur Nutzung von Wärme aus regenerativen Energien, u.a. große Solarkollektorenanlagen, große Anlagen zur Verbrennung fester Biomasse Kredit bis max. EUR 10 Mio. pro Vorhaben besonders günstig Tilgungszuschüsse möglich umfangreicher Maßnahmenkatalog explizit KMU <?page no="390"?> 390 18 Öffentliche Fördermittel als Baustein der Finanzierung von EE-Projekten KfW- Energieeffizienzprogramm jegliche Energieeffizienz- Maßnahmen in- und ausländische Unternehmen bis EUR 4 Mrd. Gruppenumsatz freiberuflich Tätige u.a. Investitionsmaßnahmen, mit denen wesentliche Energiespareffekte erzielt werden Kredit i.d.R. bis max. EUR 25 Mio. pro Vorhaben auch für große Unternehmen große Anzahl förderfähiger Maßnahmen umfangreiche Programmbedingungen Energieberatung Mittelstand qualifizierte Energieberatung KMU freiberuflich Tätige - Initialberatung: Analyse mit Kurzbericht - Detailberatung: vertiefte Analyse mit konkretem Maßnahmenplan Zuschuss je nach Beratung bis max. EUR 1.280 bzw. max. EUR 4.800 reiner Zuschuss Beraterauswahl notwendig BAFA (Erneuerbare Energien) Investitionen zur Nutzung erneuerbarer Energien u.a. für gewerbliche Gebäude Anlagen zur Nutzung Erneuerbare Energien (u.a. Solarthermie, Biomasse und Wärmepumpen) Zuschuss je nach Maßnahme bis zu € 18.000 bzw. 50% der Nettoinvestitionshöhe teilweise Kombination mit KfW zusätzlich Bonsusförderungen viele Detailregelungen Tab. 21: Förderung Nutzung Erneuerbarer Energien durch die KfW und BAFA Übersicht ausgewählter Fördermittelprogramme der L-Bank Förderprogramm Förderziel Antragsteller geförderte Maßnahmen Art und Höhe der Förderung Bewertung Energie vom Land Investitionen in die Gewinnung und Nutzung erneuerbare Energien KMU der Energieproduktion u.a. Investitionen zur Verwertung nachwachsender Rohstoffe und anderer organischer Verbindungen (Biogasanlagen, Biomasseheizkraftwerke, Anlagen zur Erzeugung biogener Kraftstoffe) Kredit bis max. EUR 10 Mio. zinsgünstige Kredite explizit KMU in BW Energieeffizienzfinanzierung Mittelstand jegliche Energieeffizienz- Maßnahmen KMU in Baden- Württemberg u.a. einzelne Investitionsmaßnahmen zur effizienten Energieerzeugung und -verwendung Kredit bis max. EUR 5 Mio. umfangreicher Maßnahmenkatalog günstiger als KfW explizit KMU in BW Beraterauswahl notwendig <?page no="391"?> Steffen Gasior, Frank Andreas Schittenhelm 391 Klimaschutz- Plus (ab Mai 2014 neu aufgelegt) u.a. gewerblich genutzte Immobilien keine Detailinfos bei Redaktionsschluss k.A. keine Detailinfos bei Redaktionsschluss verfügbar keine Detailinfos bei Redaktionsschluss verfügbar Tab. 22: Förderung Nutzung Erneuerbarer Energien durch die L-Bank 18.3 Ablauf einer Finanzierung über Fördergelder Die Grundlage für die Gewährung von Förderbzw. Finanzmitteln bilden interne Prüfschemata der jeweiligen Fördermitteleinrichtung bzw. der Kreditinstitute. Diese müssen zwar vorhabenbezogen, aber dennoch weitestgehend standardisiert durchlaufen werden. Aus Sicht der Fördermittelgeber spielen EE-Spezifika an dieser Stelle nur im Rahmen der Überprüfung formaler Kriterien eine Rolle. Die Vorgehensweise bei der Beantragung und Genehmigung von Fördergeldern sieht im Wesentlichen folgendermaßen aus: Abb. 80: Graphische Darstellung des Antrags- und Genehmigungsprozesses Im ersten Schritt ist die Antragstellung des potentiellen Kreditnehmers erforderlich. Dies erfolgt nicht - wie oftmals vermutet wird - bei der Fördermitteleinrichtung selbst. Die KfW beispielsweise gewährt Kredite in aller Regel über die Zwischenschaltung von Kreditinstituten ((Haus-)Banken oder Sparkassen), die für die von ihnen durchgeleiteten Kredite vollständig die Haftung übernehmen. Daher ist es notwendig, <?page no="392"?> 392 18 Öffentliche Fördermittel als Baustein der Finanzierung von EE-Projekten den Antrag direkt bei einem Kreditinstitut zu stellen. Dieser Prozess wird auch als das sogenannte „Hausbankprinzip“ bezeichnet. Diese Bezeichnung deutet darauf hin, dass Vorhaben üblicherweise mit der eigenen Hausbank finanziert werden. Zu beachten ist in aller Regel die Antragstellung vor Durchführung des Vorhabens. In einem Bankgespräch zwischen Antragsteller und Finanzierungsspezialist werden alle notwendigen Informationen zum Vorhaben diskutiert. Dies erfolgt zumeist auf Grundlage eines Businessplans, den der Antragsteller dem Finanzierungsspezialisten zur Verfügung stellt. In erster Linie soll damit eine gemeinsame Gesprächsgrundlage geschaffen werden. Sie dient u.a. dazu, aus einer Vielzahl von Förderprogrammen ein Geeignetes auszuwählen. In diesem Zusammenhang sind folgende Fragen relevant: Welche konkrete Investitionsmaßnahme wird durchgeführt? Wie hoch ist das geplante Investitionsvolumen? Weiterhin wird eine Plausibilitätsprüfung zum Vorhaben durchgeführt. In jedem Fall muss sichergestellt werden, dass die geplante Investition in ihrer Höhe und Dauer im Rahmen einer Gesamtinvestitionsplanung des Unternehmens berücksichtigt ist (vgl. hierzu beispielsweise Flad, M. et al. 2012, S. 142ff). Ein Vorher-/ Nachher-Vergleich gibt Aufschluss. Schließlich bestimmt die Finanzierungsstruktur auch den Kapitaldienst, den der Antragsteller über den Finanzierungszeitraum zu leisten hat. Im Rahmen dessen sind folgende Fragen von Bedeutung: Welche Rückflüsse sind aus der geplanten Investition zu erwarten? Sind die Rückflüsse sicher kalkulierbar? Welche Einflussfaktoren wirken sich auf die Rückflüsse aus? Nicht zuletzt fließen technische Daten aus Gutachten von Energieberatern in die Plausibilitätsprüfung ein. Aufgrund der Tatsache, dass die Kreditinstitute zumeist alleinige Risikoträger sind, müssen Informationen zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit des Unternehmens eingeholt und bewertet werden. Diese leiten sich üblicherweise durch betriebswirtschaftliche Daten ab. In diesem Zusammenhang sind aktuelle Jahresabschlüsse und unterjährige betriebswirtschaftliche Auswertungen zu nennen. Zur Beurteilung hilft dem Finanzierungsspezialisten natürlich eine langjähre, auf Vertrauen basierende Hausbankverbindung. Denn keiner - außer dem Antragsteller selbst - kennt die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens besser als der eigene Bankberater. Üblicherweise mindern bankübliche Sicherheiten das Kreditausfallsrisiko. Form und Umfang dieser Sicherheiten werden im Rahmen der Kreditverhandlung mit der Hausbank festgelegt. Neben der bonitätsabhängigen Beurteilung hat der Sicherheitenumfang entscheidenden Einfluss auf die Bepreisung des Kredits. Deshalb sollten diese umfangreich bemessen sein. Anschließend erfolgt eine Risikoprüfung des Kreditgebers. Im Rahmen eines institutsinternen Ratingprozesses werden alle vorhandenen Informationen verarbeitet. In diesem Zusammenhang sind explizit auch die sogenannten „weichen“ Faktoren zu erwähnen. Gleichwohl ein wichtiger Bestandteil des Ratings. Zu diesen Faktoren zählen neben Informationen zur Kontoführung auch mögliche Rückstände, bspw. gegenüber <?page no="393"?> Steffen Gasior, Frank Andreas Schittenhelm 393 Finanzämtern. Eine geordnete Kontoführung des Antragstellers ist deshalb unbedingt von Vorteil. Ergebnis des gesamten Ratingprozesses ist eine Kennzahl, die eine Momentaufnahme der wirtschaftlichen Leistungs- und Kapitaldienstfähigkeit des Unternehmens darstellt. Anhand einer definierten Ratingskala kann der Finanzierungspartner die Kreditwürdigkeit beurteilen. Mit dem Ratingergebnis erfolgt schließlich eine Einordnung in spezielle Bonitäts- und Besicherungsklassen. Durch die Kombination dieser Bonitäts- und Besicherungsklasse ordnet die Hausbank den Förderkredit einer vom Fördermittelinstitut vorgegebenen Preisklasse zu. Diese Preisklasse bestimmt schließlich den zu entrichteten Zinsbetrag des Kreditnehmers. Spätestens jetzt werden die kompletten Antragsunterlagen an das entsprechende Fördermittelinstitut weitergeleitet. Dieses überprüft im Wesentlichen die Einhaltung formaler Kriterien: Sind die Fördervoraussetzungen entsprechend der förderfähigen Investitionsmaßnahmen erfüllt, beispielsweise Unternehmensgröße oder EE-Spezifika? Ist die Antragstellung vor dem Vorhabenbeginn erfolgt? Sind alle Angaben richtlinienkonform, schließt das Förderinstitut einen Vertrag mit dem Kreditinstitut und leitet das Förderdarlehen weiter. Das Kreditinstitut schließt seinerseits einen Vertrag mit dem geförderten Unternehmen. Damit ist die Kreditzusage gegenüber dem Antragsteller erteilt. Insgesamt können zwischen Antrag und Auszahlung des Geldes vier Wochen und mehr vergehen. Der Kredit wird durch die Hausbank ausgezahlt. Mit Durchführung des Vorhabens ist der Antragsteller verpflichtet, Nachweise über die Verwendung der Finanzierungsmittel zu erbringen. Je nach Vorhaben sind auch andere Bestätigungen durch einen Energiesachverständigen einzureichen. Insgesamt ist der Verwaltungsaufwand - sowohl beim Antragsteller als auch beim Finanzierungsgeber - nicht zu unterschätzen. 18.4 Erfolgskriterien bei der Beantragung Üblicherweise werden bei der Ausarbeitung von Finanzierungskonzepten grundlegende Fehler gemacht, auf die es an dieser Stelle hinzuweisen gilt. Zwischen Antragsteller und Finanzierungspartner bestehen erhebliche Informationsasymmetrien, sowohl in Bezug auf das Projekt als auch auf den Antragsteller selbst. Deshalb ist es zwingend notwendig, dem Finanzierungspartner ausreichende Informationen zur Verfügung zu stellen, denn grundsätzlich sollten Kreditentscheider das Vorhaben in seiner Tragweite und Umfang nachvollziehen und plausibilisieren können. Hier kann bereits ein veränderter Blickwinkel auf das Vorhaben helfen, wenn z.B. der Antragsteller sein Vorhaben aus Sicht des Finanzierungspartners betrachtet. In diesem Zusammenhang ist die Ausarbeitung eines zielgerichteten Businessplans genauso unerlässlich, wie Daten zur bisherigen Unternehmensentwicklung. <?page no="394"?> 394 18 Öffentliche Fördermittel als Baustein der Finanzierung von EE-Projekten Die Ausarbeitung eines Businessplans hat zwei wesentliche Vorteile. Zum einen dient der Businessplan dem Antragsteller quasi als eigenes Projektcontrolling. Der Antragsteller ist zu jedem Zeitpunkt über den Projektstand und weitere Schritte im Projekt informiert. Zum anderen erhält der Finanzierungspartner alle wesentlichen Informationen, die für eine Kreditentscheidung notwendig sind. Wichtig sollte in jedem Fall sein, dass sowohl Antragsteller als auch Finanzierungspartner gemeinsam vom Konzept überzeugt sind. In den meisten Fällen hilft zusätzlich ein sogenannter Vorher-/ Nachher-Vergleich, um Einsparpotentiale durch die Investition deutlich zu machen. Bei Fördermaßnahmen, die im Wesentlichen den Einsatz von Anlagen zur Stromerzeugung aus Erneuerbarer Energie vorsehen, sind solche Vergleiche i.a.R. recht einfach. Wird hingegen Kapital für neue Technologien zur Nutzung von regenerativen Energiequellen benötigt, tun sich Kapitalgeber mit der hochtechnologischen Materie häufig schwer und Vorhersagen sind naturgemäß schwierig. Eine den Businessplan ergänzende Vorher-/ Nachher- Analyse kann Vorteile des Investitionsvorhabens unterstreichen. Auch kann ein formaler Sachverständigenbericht herangezogen werden, um Klarheit zu schaffen. Im Zuge einer gründlichen Vorbereitung sind weitere Aspekte zu bedenken. Alle risikomindernden Maßnahmen fließen positiv in die Kreditentscheidung des Kapitalgebers ein. Grundsätzlich sehen die Fördermittelbestimmungen einen angemessenen Eigenmitteleinsatz zur Finanzierung des Vorhabens vor. Eine Bedingung für die Gewährung von Fördermitteln ist damit aber nicht verbunden. Sind keine liquiden Eigenmittel vorhanden, können auch bankübliche Sicherheiten - beispielsweise in Form von werthaltigen privaten Bürgschaften - eine für die Hausbank akzeptable Sicherheitenstellung darstellen. Dieser Aspekt der privaten Risikobereitschaft muss von vornherein bewusst berücksichtigt werden. Grundsätzlich wichtig bei der Einbindung von Fördermitteln ist der Zeitpunkt der Antragstellung. Die Antragstellung muss nämlich vor Vorhabenbeginn erfolgen. Dieses Kriterium ist sicherlich das entscheidendste und sollte von vornherein bedacht werden. Der Vorhabenbeginn ist in aller Regel der Abschluss eines verbindlichen Lieferungs- und Leistungsvertrags oder die Auftragsvergabe. Maßnahmen wie Planungsleistungen zählen hingegen in der Regel nicht zum Vorhabenbeginn, so dass der Antragsteller zumindest eine teilweise Vorarbeit leisten kann. Um keine bösen Überraschungen in Form eines Formmangels zu erleben, sollte dieser Aspekt in jedem Fall direkt mit der Fördermittelstelle individuell abgeklärt werden. Denn in Ausnahmefällen kann der Zeitpunkt des Vorhabenbeginns bereits früher definiert sein. Bestehen konkrete Absichten Fördermittel in die Gesamtfinanzierung einzubinden, müssen rechtzeitig alle notwendigen Schritte eingeleitet werden. Üblicherweise dauert der Antragsprozess bis zur Kreditzusage und schließlich der Auszahlung mehrere Wochen. Die Zeitdauer erhöht sich, sobald weitere Kapitalgeber in die Gesamtfinanzierung eingebunden werden. Abbildung 81 fasst die wesentlichen Erfolgsfaktoren zusammen: <?page no="395"?> Steffen Gasior, Frank Andreas Schittenhelm 395 Abb. 81: GOs und NO-GOs im Beantragungsprozess 18.5 Beurteilung von Fördergeldern Eine repräsentative Umfrage der Deutschen Bank (https: / / www.deutsche-bank.de/ cr/ de/ konkret-umfrage.htm) aus dem Jahr 2012 hat für den Bereich von Energieeffizienzmaßnahmen ergeben, dass zwei Drittel der Unternehmen mit steigenden Investitionen in den kommenden fünf Jahren rechnen. Jeder dritte Mittelständler (36 %) will bereits in den kommenden zwölf Monaten in energiesparende Maßnahmen investieren. Unter den größeren Betrieben wollen dies sogar 44 % der Befragten. In kleinen und mittleren Betrieben planen 28 % der Unternehmer konkrete Maßnahmen. Parallel hierzu wurde im Rahmen der Energiewende das Angebot an öffentlichen Förderprogrammen, die Unternehmen nutzen können, um in effizientere, umweltschonendere Produktionsanlagen und -prozesse oder moderne Gebäudetechnik zu investieren, deutlich erhöht. Damit wird deutlich, dass trotz der oben aufgezeigten Schwierigkeiten öffentliche Fördermittel bei der Finanzierung von Energieeffizienzvorhaben eine gewichtige Rolle spielen und offensichtlich eine gewisse Korrelation zwischen Investitionen und bereit gestellten öffentlichen Fördergeldern besteht. Dies ist auch Ziel der Maßnahmen im Bereich Erneuerbarer Energien, Fördermittel sollen zu einer Nachfrage und Lenkung des Marktes beitragen. Vor diesem Hintergrund wird an dieser Stelle ein Überblick über die wichtigsten Vor- und Nachteile solcher Förderprogramme gegeben. 18.5.1 Vorteile von Fördergeldern Öffentliche Fördermaßnahmen sind im Lichte einer alternativen privatwirtschaftlichen Unterstützung zu beurteilen. Finanzierungshilfen in Form von Darlehen und Bürgschaften reduzieren die Zinszahlungen und führen somit zu einer merklichen Verbesserung der Liquidität. Gerade in <?page no="396"?> 396 18 Öffentliche Fördermittel als Baustein der Finanzierung von EE-Projekten frühen Stadien einer Projekt- und Unternehmensentwicklung spielt dies eine große Rolle, da zumeist keine Einnahmen generiert werden können. Staatliche Finanzierungshilfen in Form von Eigenkapital sind zwar in der Regel in ihrer Höhe eher beschränkt, im Vergleich zu privatwirtschaftlich aufgebrachtem Eigenkapital steht der Renditegedanke des Geldgebers aber weniger im Vordergrund. Zuschüsse, die nicht zurückzuzahlen sind, entlasten das Unternehmen im großen Maße und eine Abhängigkeit von externen Geldgebern kann reduziert, eventuell sogar komplett vermieden werden. Vor allem vor dem Hintergrund, dass externe Finanziers häufig nur kurzbis mittelfristig orientiert sind, wünschen viele Entrepreneure einen kompletten Verzicht auf externes Venturecapital. 18.5.2 Nachteile von Fördergeldern Wenngleich öffentliche Fördermaßnahmen, so sie einmal gewährt wurden, nur positiv bewertet werden können, stellt sich für ein Unternehmen die Frage, ob man sich tatsächlich aktiv darum bemühen möchte. Den oben aufgeführten offensichtlichen Vorteilen-steht nämlich ein gewisser Aufwand bei der Beantragung entgegen, der z.T. schwer abschätzbar ist. Dies gilt sowohl bei Finanzierungshilfen als auch bei Zuschüssen. Wird die Bearbeitungs- und Beratungsleistung intern erbracht, entstehen Fixkosten und eine breite Qualifikation und Expertise der Mitarbeiter muss sichergestellt werden. Bei externer Dienst- und Beratungsleistung sieht man sich einem kleinen Markt von professionellen Anbietern gegenüber - wenn man von den Hausbanken in ihrer Rolle als Berater absieht -, so dass hier schnell eine gewisse Abhängigkeit entstehen kann. Auch sind externe Beratungsanbieter ziemlich rigoros in ihrer Auswahl und unterstützen ihrerseits nur die lukrativsten Ansätze. Dies liegt an der typischerweise gewährten Art der Aufwandsentschädigung für Beratungsunternehmen, die sich an der Höhe der Fördermittel orientiert. Nachteilig im Antragsprozess ist in der Regel eine gewisse Intransparenz bei der Gewährung von Fördermitteln, damit einher geht eine zeitliche Ungewissheit und damit Nicht-Planbarkeit. Auch tragen programmabhängige Richtlinien zu dieser Intransparenz bei. Denn oftmals existieren Ausschlusskriterien, die eine Kombination von unterschiedlichen Förderprogrammen nicht erlaubt. Zu beachten ist auch, dass die meisten Fördergelder De- Minimis-relevant sind und demzufolge einer Begrenzung unterliegen. Momentan liegt der De-minimis-Schwellenwert bei max. EUR 200.000 pro Unternehmen. Darüber hinaus kann man in den seltensten Fällen inhaltlichen Input der Geldgeber erwarten. Dies könnte dann eher ein Motiv für das Einbeziehen externer privater Geldgeber sein. Häufig bringen Venturecapitalgeber betriebswirtschaftliches Knowhow in Start-ups ein und ermöglichen damit erst ein wirtschaftlich erfolgreiches Umsetzen einer Produktidee. <?page no="397"?> Steffen Gasior, Frank Andreas Schittenhelm 397 18.6 Fallbeispiel Das Potenzial solarthermischer Systeme ist ausgesprochen hoch, da etwa zwei Drittel der gesamten industriell genutzten Energie für die Bereitstellung von Wärme benötigt werden. Sonnenkollektoren liefern dieses benötigte Warmwasser für wärmeintensive Fertigungsprozesse in Gewerbe- und Industriebetrieben, insbesondere für industrielle Prozesse unterhalb von 100 Grad Celsius und damit größtenteils in vergleichsweise niedrigen Temperaturbereichen, die besonders gut von der Solarthermie bedient werden können. Damit eröffnen sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Industriezweigen. Der vielschichtige Prozess bei der Beantragung öffentlicher Fördermöglichkeiten soll nun am Beispiel eines baden-württembergischen Mittelständlers im Bereich Galvanik skizziert werden, der ebenfalls auf die Technologie der Solarthermie aufmerksam wurde. In einem ersten Schritt schaltete das Unternehmen einen Energiesachverständigen ein, um mögliche Einsparpotentiale in den Fertigungsprozessen aufzuzeigen. Der Fachberater für Energie wurde über die KfW-Beraterbörse (www.kfw-beraterboerse.de) aktiviert. Zuschüsse können hierfür beispielsweise über die Energieberatung Mittelstand der KfW beantragt werden. Über Analysen und Dokumentation wurde schnell deutlich, dass die Einsparpotentiale erheblich sind. Das Unternehmen galvanisiert Edelmetalle. Gerade bei Galvanisierungsprozessen wird ausreichend Wärme benötigt. In zu erhitzenden Tauchbecken werden die zu bearbeitenden Rohteile veredelt. Anschließend folgt ein Trocknungsprozess. Für die Prozesse wurde seither die benötigte Wärme ausschließlich durch die Verbrennung von Heizöl erzeugt. Gerade vor dem Hintergrund steigender Rohölpreise und auf Basis der Analyseergebnisse des Energiesachverständigen wurde entschieden, künftig solare Prozesswärme zu nutzen. Auf Basis der gewonnen Erkenntnisse erstellte das Unternehmen einen Businessplan mit allen notwendigen Informationen und Fakten zum Vorhaben. Zusätzlich Unterstützung bei der Erstellung erfolgte bei der regional zuständigen Industrie- und Handelskammer. Zudem informierte die KfW im Rahmen eines Erstgesprächs über formale Förderkriterien und den Vorhabenbeginn. Der Businessplan wurde um betriebswirtschaftliche Daten zur Unternehmensentwicklung ergänzt. Gesammelt wurden die Unterlagen bei der Hausbank zur Prüfung eingereicht. In einem sich anschließenden Finanzierungsgespräch wurde gemeinsam mit dem Bankberater auf das Vorhaben eingegangen und offene Fragen geklärt. Ein Vorher-/ Nachher- Vergleich auf Basis der Ergebnisse des Energiesachverständigen machte das Vorhaben plausibel und nachvollziehbar. Das zu Grunde liegende Finanzierungskonzept setzt sich aus folgenden Finanzierungsbausteinen zusammen: Neben eingebrachten Eigenmitteln der Gesellschafter in Höhe von 15 Prozent der Gesamtkosten für einen siebenstelligen Investitionsbetrag hat das Unternehmen neben mezzaninen Finanzierungsmitteln und einem Hausbankdarlehen einen Kredit aus dem KfW-Förderprogramm „Erneuerbare Energien - Premium“ erhalten. Mit Ausfallbürgschaften der Bürgschaftsbank BW wurde ein weiterer Risikopartner in die Gesamtfinanzierung eingebunden. Hinzu kam ein Tilgungszuschuss des BAFA aus dem staatlichen Marktanreizprogramm (MAP), welches u.a. Anlagen zur Bereit- <?page no="398"?> 398 18 Öffentliche Fördermittel als Baustein der Finanzierung von EE-Projekten stellung von Prozesswärme aus erneuerbaren Energien fördert. Mit Auszahlung der Finanzierungsmittel konnte das Vorhaben schließlich realisiert werden. Im vergangenen Jahr wurde die Solarkollektoren-Anlage auf neuestem Stand der Technik errichtet. Diese erwirtschaftet nun zusammen mit dem weiterhin bestehenden Heizkessel die benötigte Wärme für die Fertigungsprozesse. Mit der solarthermischen Anlage sind bei ausreichend sonnenreichen Tagen jährliche Einsparungen in fünfstelliger Größe möglich. Nach Durchführung des Vorhabens wurden dann die entsprechenden Nachweise bei der Hausbank und dem BAFA für die Auszahlung der Zuschüsse eingereicht. Zusammenfassend sei angemerkt, dass laut Bundesverband Solarwirtschaft (vgl. Bundesverband Solarwirtschaft e.V., Pressemitteilung vom 19.8.2013) in diesem neuen Marktsegment, u.a. mit staatlichen Fördermaßnahmen, bereits mehr als 50 solarthermische Anlagen gebaut und in gewerblichen und industriellen Fertigungsprozessen zum Einsatz gekommen sind. 18.7 Ausblick Wir fassen zusammen: Die Bedeutung öffentlicher Fördermaßnahmen für Erneuerbare Energieprojekte dürfte im Rahmen der angestrebten Energiewende auch zukünftig eine bedeutende Rolle spielen. Die Entwicklungen in diesem Bereich dürften zudem durch die stärkere Fokussierung auf Nachhaltigkeit innerhalb der Unternehmen und der politischen Schwerpunktsetzung getrieben werden (vgl. auch Gasior, S.; Schittenhelm, F.A. 2012, S. 24f). Dies wird den klassischen Businessplan mit Projektionsrechnungen und die Anwendung der DCF-Methode als Basis für Finanzierungsgenehmigung nicht verändern, da auch diese Methode seit je her langfristigen Unternehmenserfolg und damit Nachhaltigkeit in den Fokus stellt. Zwei Aspekte könnten jedoch von Bedeutung sein. So gilt es zum einen den Antragsprozess weiter zu vereinfachen. Kapitalsuchende Unternehmen sollten stärker als Partner und nicht nur als Bittsteller betrachtet und behandelt werden. Zum anderen sind innovative Finanzierungsmodelle denkbar, die etwa an bestimmte Nachhaltigkeitskennzahlen gekoppelt sind. Bei Erreichen vorher festgelegter Nachhaltigkeitsziele könnten dann Obligoausweitung, -verlängerungen oder auch Konditionssenkungen die Folge sein. Auf den Punkt gebracht Öffentliche Fördermaßnahmen in Form von Finanzierungshilfen und Zuschüssen sind ein probates Mittel, um Investitionen in eine politisch und gesellschaftlich gewünschte Richtung zu lenken. Damit ein solches Vorhaben erfolgreich ist, gilt es, den Antragsprozess einfach und transparent zu gestalten. Der Fördergeber steht hier grundsätzlich in einem Zwiespalt, da eine zu weit gehende Vereinfachung zu Missbrauch einlädt. Auch ist die Beurteilung von Erfolgsaussichten oftmals in einem frühen Stadium nahezu ausgeschlossen, und es besteht eine Tendenz, eher Mainstream-Projekte zu fördern. <?page no="399"?> Steffen Gasior, Frank Andreas Schittenhelm 399 Literatur Neben den aktuellen Veröffentlichungen der Förderinstitutionen (KfW, L-Bank, etc.) gibt beispielsweise die Spitzmüller AG regelmäßig einen Newsletter heraus: http: / / www.spitzmueller.de/ news/ newsletter/ Einen Überblick in Buchform gibt: Rohwedder, M.: Praxishandbuch Fördermittel: Wegweiser für kleine und mittlere Unternehmen, Erich Schmidt Verlag 2013 Bundesverband Solarwirtschaft e.V: Pressemitteilung vom 19.08.2013, abrufbar unter: http: / / www.solarwirtschaft.de/ presse-mediathek/ pressemeldungen Degenhart, H. [Hrsg.]: Recht, Finanzierung und Versicherung von Photovoltaikanlagen [4. Fachtagung zu Recht und Finanzierung Erneuerbare Energien] 2012 Deutsche Bank: Umfrage: Unternehmen rüsten sich für Energiewende, abrufbar unter: https: / / www.deutsche-bank.de/ cr/ de/ konkret-umfrage.htm 2012 Flad, M./ Günther, P./ Schittenhelm, F.A.: Finanzmanagement, Pro Business 2012 Förderprogramme der Förderinstitute L-Bank und KfW, abrufbar unter: https: / / www.kfw.de bzw. http: / / www.l-bank.de Gasior, S./ Schittenhelm, F.A.: Mehr als nur ein Modewort - Wie nachhaltige Finanzierungskonzepte in Zukunft aussehen könnten, in: VentureCapital Magazin, Juli 2012, S. 24-25. Siemens Financial Services GmbH [Hrsg.]: In Energieeffizienz investieren - aus Einsparungen finanzieren 2010 Weitere Informationen zu Förderprogramme der BAFA und Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, abrufbar unter: http: / / www.bafa.de bzw. http: / / www.um.baden-wuerttemberg.de <?page no="401"?> Teil V: Fallstudien <?page no="403"?> 19 Fallstudie 1: Die Inhaberschuldverschreibung von Hamburg Energie Solar Lars Holstenkamp, Leuphana Universität Lüneburg Inhalt 19.1 Einleitung ................................................................................................................... 403 19.2 Die Solaranleihe als Beispiel für eine Bürgerbeteiligung eines Stadtwerkes ...... 404 19.3 Bürgerbeteiligung und Stadtwerke - Häufigkeit einzelner Formen ................... 406 19.4 Die Bürgeranleihe von Hamburg Energie ............................................................. 408 19.4.1 Unternehmens- und Projektstruktur ...................................................................... 408 19.4.2 Finanzierungsstruktur............................................................................................... 409 19.4.3 Eigenschaften der Bürgeranleihe ............................................................................ 410 19.5 Analyse und Bewertung der Charakteristika.......................................................... 410 19.5.1 Die Bürgeranleihe im Vergleich zu Anleihen anderer Energieunternehmen..............................................................................................................410 19.5.2 Die Bürgeranleihe im Vergleich zu Anleihen anderer Stadtwerke....................... 412 19.6 Fazit ............................................................................................................................ 413 Literatur ...................................................................................................................... 414 Schlagwortliste Anleihe, Inhaberschuldverschreibung, Bürgerbeteiligung, Stadtwerke 19.1 Einleitung Mit Eintritt der Grünen in die Regierung in Hamburg 2008 wurde der Aufbau eines eigenen Stadtwerkes für die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) angestoßen. Die klimapolitischen Ziele der FHH sollten intensiver verfolgt und ein stärkerer Einfluss auf die Energieerzeugung in und für Hamburg genommen werden. Im Jahr 2001 waren die letzten Anteile der Hansestadt an den Hamburgischen Elektricitäts-Werken (HEW) an Vattenfall veräußert worden. Damit ging zugleich der direkte Einfluss auf die Elektrizitätserzeugung verloren. Die Initiative zur Gründung von Hamburg Energie ging von der Umweltsenatorin Anja Hajduk (Grün-Alternative Liste/ GAL) aus. Mit dem Aufbau des Unternehmens wurde zugleich der politische Wunsch einer finanziellen Bürgerbeteiligung verlautbart. 2009 entstand die Hamburg Energie GmbH als <?page no="404"?> 404 19 Fallstudie 1 : Die Inhaberschuldverschreibung von Hamburg Energie Solar 100-prozentige Tochter der Hamburger Wasserwerke. Ein Jahr später wurde eine Bürgeranleihe des Solartochterunternehmens von Hamburg Energie aufgelegt. Basierend auf öffentlich zugänglichen Quellen wird im folgenden diese Bürgeranleihe als ein Beispiel für eine „Bürgerbeteiligung im weiteren Sinne“ beschrieben. Stadtwerke haben zu einem nicht unerheblichen Anteil für ihre Kundinnen und Kunden, z. T. auch für weitere Einwohner im Versorgungsgebiet, die Möglichkeit geschaffen, sich finanziell am Ausbau erneuerbarer Energien durch die kommunalen Unternehmen zu beteiligen. Von den etablierten Stadtwerken unterscheidet sich Hamburg Energie vor allem durch seine kurze Historie. Im Folgenden wird zunächst ein kurzer Überblick über Bürgerbeteiligungsansätze durch Stadtwerke gegeben. Hieran schließt sich eine etwas ausführlichere Darstellung des Hamburger Falls an. Die Eigenschaften der Hamburger Bürgeranleihe werden im folgenden Abschnitt mit ähnlichen Finanzierungen von Energieunternehmen und anderen Stadtwerken verglichen und bewertet. Das Kapitel schließt mit einem Fazit. 19.2 Die Solaranleihe als Beispiel für eine Bürgerbeteiligung eines Stadtwerkes Bürgerbeteiligung und Stadtwerke - Hintergrund und Motive Stadtwerke sind Unternehmen, die mehrheitlich im Besitz einzelner oder mehrerer Kommunen stehen. Als solche lokal vernetzte Unternehmen gelten sie als zentrale Akteure in der Energiewende, da sie zumeist eine große Nähe zu ihren Kundinnen und Kunden haben und damit eine günstige Position aufweisen, wenn es um die Vermittlung von energiewirtschaftlichen Zusammenhängen geht. Auch wenn sie bislang im Vergleich etwa zu Privatpersonen oder gewerblichen Unternehmen und institutionellen Investoren nur in geringem Maße in erneuerbare Energien investiert haben, bestehen vielerorts große Investitionsprogramme für diesen Bereich. Diese können politisch oder energiewirtschaftlich motiviert sein: Die Stadtwerke unterliegen als kommunale Unternehmen der Kontrolle durch die Städte und Gemeinden, unabhängig von der konkreten Rechtsform. Damit dienen Stadtwerke auch der Umsetzung kommunaler Klimaschutz- und Energiekonzepte. Viele Stadtwerke haben in der Zeit der Gebietsmonopole bis 1998 kaum eigene Erzeugungskapazitäten aufgebaut. Bei der Finanzierung der Erneuerbare-Energien-Projekte wird von etwa einem Viertel aller Stadtwerke u.a. auf Bürgerbeteiligungsmodelle zurückgegriffen (siehe Kasten für eine Erläuterung). Eigene Untersuchungen haben ergeben, dass der Nutzung solcher Bürgerbeteiligungsmodelle im Wesentlichen zwei Motive zugrunde liegen: politischer „Zwang“ und Kundenbindung; selten aber finanzwirtschaftliche Motive. Vielfach ist der Einsatz politisch motiviert: Die Stadtwerkegremien üben einen gewissen Druck aus, Bürgerinnen und Bürgern der Kommune(n) Beteiligungschancen einzuräumen. Dahinter steht vielfach die Vermutung, dass finanzielle Beteiligungen von Bürgerinnen und Bürgern die Akzeptanz erneuerbarer Energien in der Region erhöhen. <?page no="405"?> Lars Holstenkamp 405 Eine gleich hohe Gewichtung erfährt in Interviews das Motiv der Kundenbindung: Diesen wird die Möglichkeit gegeben, sich finanziell an den Erneuerbare-Energien- Projekten des Stadtwerks zu beteiligen. Damit wird eine im Vergleich zu Sparangeboten von Kreditinstituten höher verzinste und insofern lukrative Anlagemöglichkeit geboten. Selten werden finanzwirtschaftliche Gründe für den Einsatz genannt. Denkbar wäre es etwa, dass das Stadtwerk an Grenzen der Kreditfinanzierung durch Banken stößt. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Kreditinstitute die Finanzierungskraft der jeweiligen Kommune als kritisch bewerten. Auch gibt es einzelne Stadtwerke, die aufgrund einer schwierigen Haushaltslage der Kommune und/ oder einer Quersubventionierung öffentlicher Infrastrukturen (z.B. Bäder oder öffentlicher Personennahverkehr) eine vergleichsweise geringe Eigenkapitalquote aufweisen und deren wirtschaftliche Lage daher kritisch beurteilt wird. Zugleich könnte ein Stadtwerk generell ein Interesse daran haben, sich alternative Finanzierungswege zu erschließen. Bürgerbeteiligung im engeren und im weiteren Sinne Der Begriff „Bürgerbeteiligung“ wird oft genutzt, aber selten definiert. Man kann aus finanzwirtschaftlicher Perspektive zwei verschiedene Formen unterscheiden: Bürgerbeteiligung im engeren und im weiteren Sinne. Eine Bürgerbeteiligung im engeren Sinne liegt vor wenn: Bürgerinnen und Bürger Eigenkapital in eine Gesellschaft eingeben. Sie eine Mehrheit der Stimmrechte besitzen. Die Mitglieder der Gesellschaft einer lokal bzw. regional begrenzten Einheit angehören. Es das Ziel ist, möglichst viele Mitglieder dieser territorialen Einheit zu beteiligen. Die Beteiligten nicht allein finanzielle Ziele mit ihrem Investment verfolgen. Von einer Bürgerbeteiligung im weiteren Sinne kann gesprochen werden, wenn Kapital in anderen Formen zur Verfügung gestellt wird, z.B. in Form von Genussrechten, Nachrangdarlehen, Inhaberschuldverschreibungen, oder wenn eine Minoritätsbeteiligung von Bürgerinnen und Bürgern vorliegt. Quelle: Holstenkamp & Degenhart 2013 <?page no="406"?> 406 19 Fallstudie 1 : Die Inhaberschuldverschreibung von Hamburg Energie Solar 19.3 Bürgerbeteiligung und Stadtwerke - Häufigkeit einzelner Formen Bei einer Bürgerbeteiligung im engeren Sinne können die Bürgerinnen und Bürger über die Gesellschafterversammlungen einen gewissen Einfluss auf die Projektgestaltung ausüben. Sie sind über die Organe der jeweiligen Gesellschaft in die Entscheidungsprozesse eingebunden. Dies ist nicht immer erwünscht, wie die relativen Häufigkeiten von Bürgerbeteiligungen im engeren im Vergleich zu denen von Bürgerbeteiligungen im weiteren Sinne zeigen. Immerhin in rund der Hälfte der Fälle liegt allerdings eine echte finanzwirtschaftliche Beteiligung vor - auch wenn im Einzelfall zu prüfen wäre, wie hoch der Anteil der Bürgerinnen und Bürger in den jeweiligen Projektgesellschaften ist, ob also das genannte Kriterium der Mehrheitsbeteiligung erfüllt ist. Anders als bei Erneuerbare-Energien-Projekten allgemein scheint die GmbH & Co. KG nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Eine größere Bedeutung kommt der eingetragenen Genossenschaft (eG) zu. Ob sie, wie die beiden Abb. 82a und 82b nahelegen, in Norddeutschland tatsächlich häufiger vorkommt als im Bundesdurchschnitt, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Unter den sonstigen Rechtsformen spielt die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gerade im Bereich der Photovoltaik (PV) eine gewisse Rolle, da sich bei den eher geringen Investitionsvolumina aufwendigere Gründungsprozesse nicht lohnen. Relativ häufig gelangen Bürgerbeteiligungen im weiteren Sinne (finanzielle Teilhaberschaften) zur Anwendung. Der Vergleich einer deutschlandweiten Stichprobe (Abb. 82a) und einer Erhebung für Norddeutschland (Abb. 82b) - beide auf Basis von Recherchen öffentlich zugänglicher Dokumente, v. a. im Internet - legt nahe, dass es dabei regionale Unterschiede gibt. Die Einflussmöglichkeiten auf die Projektgestaltung sind für die beteiligten Bürgerinnen und Bürger bei Sparbriefen am geringsten. Dieses Finanzierungsinstrument wird zugleich relativ oft genutzt (35 % bzw. 19 % in den Erhebungen). Es folgen in den Erhebungen Nachrangdarlehen (15 % bzw. 19 und 23 %), Inhaberschuldverschreibungen (13 % bzw. 8 %) und Genussrechte (3 %). Zusammen machen Bürgerbeteiligungen im weiteren Sinne 55 % bzw. rund 46 % aus, also jeweils ungefähr die Hälfte aller Fälle. Anleihen, genauer Inhaberschuldverschreibungen, spielen damit, jedenfalls bislang, offenbar nur eine untergeordnete Rolle. Damit liegt die Frage nahe, aus welchen Gründen dieses Instrument in den Anwendungsfällen gewählt wurde. Dieser Frage wird im Folgenden am Beispiel der Bürgeranleihe von Hamburg Energie nachgegangen. <?page no="407"?> Lars Holstenkamp 407 Abb. 82: Finanzielle Bürgerbeteiligung durch Stadtwerke. Quellen: Degenhart & Holstenkamp 2012; Holstenkamp 2014 <?page no="408"?> 408 19 Fallstudie 1 : Die Inhaberschuldverschreibung von Hamburg Energie Solar Wir fassen zusammen: Bei Bürgerbeteiligungsansätzen können solche im engeren Sinne (Mehrheitsbeteiligungen mit Eigenkapital durch Einwohner einer Region) von Bürgerbeteiligungen im weiteren Sinne (andere Finanzierungsformen oder Minoritätsbeteiligungen) unterschieden werden. Politischer Druck und Kundenbindung sind die wesentlichen Motive für Stadtwerke, Bürgerbeteiligungsmodelle bei der Finanzierung erneuerbarer Energien einzusetzen. Anleihen sind dabei eher selten anzutreffen. Insofern handelt es sich bei der Bürgeranleihe von Hamburg Energie um einen „Ausnahmefall“. 19.4 Die Bürgeranleihe von Hamburg Energie 19.4.1 Unternehmens- und Projektstruktur Hamburg Energie ist der kommunale Energieversorger in Hamburg. Die FHH hält allerdings nicht direkt die Anteile am Unternehmen. Vielmehr sind eine Reihe von Gesellschaften zwischengeschaltet: Die Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH (HGV) ist direkt und indirekt über die HWW- Beteiligungs GmbH zu 100 % an der Hamburger Wasserwerke GmbH (HWW) beteiligt. Diese wiederum hält sämtliche Anteile an der Hamburg Energie GmbH. Nach der Gründung der Hamburg Energie GmbH als Tochterunternehmen der Hamburger Wasserwerke wurde Ende 2009 die Hamburg Energie Solar GmbH für die Umsetzung von PV-Projekten eingerichtet. Neben Hamburg Energie mit 60 % war die interstrom AG mit 40 % an der Hamburg Energie Solar GmbH beteiligt. 2012 übernahm Hamburg Energie die Anteile der interstrom AG an der Solarenergietochter. Als Generalunternehmer für die schlüsselfertige Errichtung der einzelnen Anlagen fungierten verschiedene Unternehmen. Ein Rahmenvertrag wurde im Januar 2010 mit der solarhybrid AG, die 2012 Insolvenz anmelden musste, abgeschlossen. Diese wiederum unterhielt Partnerschaften mit den Unternehmen Suntech Power und Enerparc AG. Für die eigentliche Projektentwicklung und den Betrieb der PV-Anlagen wurde eine eigene Gesellschaft gegründet (Hamburg Energie Solar Betriebs GmbH). Durch die Aufteilung auf mehrere Gesellschaften sollen im Regelfall einzelne Risiken begrenzt werden: Im Insolvenzfall ist nicht sofort das gesamte Unternehmen gefährdet. Eine Insolvenz kann sich auf einzelne Teile des Unternehmensverbundes beschränken. Ziel der Mitte 2010 gestarteten Solarinitiative von Hamburg Energie war die Errichtung von PV-Anlagen mit einer installierten Leistung von insgesamt 10 MW Peak, um die für Hamburg Energie insgesamt geltende Zielmarke einer Versorgung aus eigenen Anlagen in Höhe von 50 % zu erreichen. Das geplante Finanzierungsvolumen belief sich auf etwa EUR 25 Mio. Ende 2011 waren 23 PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 11,3 MW Peak installiert, u.a. auf den Dächern des Flughafens Hamburg, des Millerntor-Stadions des FC St. Pauli und dem Gelände von Airbus. <?page no="409"?> Lars Holstenkamp 409 Abb. 83: Hamburger Energie Solar GmbH (HES) 19.4.2 Finanzierungsstruktur Hamburg Energie und interstrom AG haben zusammen EUR 500.000 an Eigenkapital in die Gesellschaft eingebracht. EUR 4,0 Mio. wurden über die Bürgeranleihe mobilisiert. Die auf diese Weise eingeworbenen Mittel wurden von der Hamburg Energie Solar GmbH als Eigenkapital in die Betriebsgesellschaft eingegeben. Die restlichen EUR 19,485 Mio. für die PV-Projekte wurden über ein KfW-Darlehen gedeckt. Mit rund 20 % liegt die Fremdkapitalquote in einem für PV-Vorhaben üblichen Rahmen. Für die Bankdarlehen liegt eine unbefristete selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft der Wasserwerke in Höhe von EUR 5 Mio. vor. Bis 2012 bestand eine Rückbürgschaft der interstrom AG in Höhe von EUR 2 Mio. Auf diese Weise lassen sich günstige, einem Kommunalkredit ähnliche, Finanzierungskonditionen auch für junge Projektgesellschaften, wie sie die Hamburg Energie Solar GmbH darstellt, realisieren. Die Hamburger Wasserwerke haben für die Anleihe selbst mit Datum vom 24.06.2010 eine Patronatserklärung abgegeben, um den Charakter der Risikoanleihe ( junk bond) abzumildern. Die Wahl der Akteure - Hamburger Volksbank (als Vertrieb, siehe unten) und FHH (als Eigentümerin) - könnte zugleich zu einer impliziten, erwarteten Absicherung geführt haben: Die Reputation dieser Einrichtungen und das Vertrauen sowie eine entsprechende Handlungserwartung bzgl. des Umgangs mit persönlichen oder Unternehmensnotlagen dürften das subjektiv wahrgenommene Risiko gesenkt haben. Hamburg Wasser (Hamburger Wasserwerke GmbH, HWW) Hamburg Energie GmbH Hamburg Energie Solar GmbH (HES) Freie und Hansestadt Hamburg Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement bmH (HGV) HWW Beteiligungsgesellschaft mbH 100 % 5,1 % 94,9 % 100 % Interstrom AG 60 % (seit 2012: 100 %) bis 2012: 40 % Finanzierungsstruktur: Eigenkapital: 500.000 € Bürgeranleihe: 4,0 Mio. € KfW-Darlehen: 19,485 Mio. € Bürgschaft Patronatserklärung Hamburg Energie Solar Betriebs GmbH 100 % Generalunternehmen PV- Projekte <?page no="410"?> 410 19 Fallstudie 1 : Die Inhaberschuldverschreibung von Hamburg Energie Solar Die interstrom AG hat das Konzept der Bürgeranleihe in das Projekt mit eingebracht. Sie hatte bereits in der Vergangenheit Erfahrungen mit diesem Finanzierungsinstrument gesammelt. 19.4.3 Eigenschaften der Bürgeranleihe Die Bürgeranleihe wurde in Stückelungen von EUR 2.500 über die Hamburger Volksbank vertrieben. Als Emittent fungierte die Hamburg Energie Solar GmbH. Die Valutierung erfolgte zum 1.7.2010. Die Anleihe läuft bis zum 1.7.2020, insgesamt also zehn Jahre. Der Kupon beträgt 6 % jährlich. Es wurde ein Ausgabeaufschlag ( Agio) in Höhe von 1,5 % erhoben. Die jährliche Rendite wird daher mit 5,8 % angegeben. Bis zum 31.12.2010 waren EUR 3,035 Mio. ausgegeben. Die volle Platzierung der Summe wurde im Folgejahr realisiert. 328 Personen haben die Anleihe gezeichnet. Einzelne Investoren konnten maximal EUR 25.000 in die Anleihe investieren. Damit sollte sichergestellt werden, dass viele Bürgerinnen und Bürger Hamburgs die Möglichkeit einer Beteiligung erhalten. Die Anleihe selbst ist nicht börsennotiert. Dies verringert auf der einen Seite die Transaktionskosten. Auf der anderen Seite ist damit grundsätzlich eine geringere Liquidität des Investments für die Bürgerinnen und Bürger verbunden: Sie können die Schuldverschreibungen nicht ohne größeren Suchprozess an Dritte veräußern. Allerdings scheint an dieser Stelle die Hamburger Volksbank ausgeholfen zu haben bzw. auszuhelfen. Solange die erneute Platzierung aufgrund hohen Interesses seitens der Kundinnen und Kunden gewährleistet ist, dürfte sich das Risiko für die Bank bei einer Rücknahme der Inhaberschuldverschreibungen in Grenzen halten. Eine formelle Zusage für eine solche Rücknahme besteht aber nicht. Wir fassen zusammen: Die Bürgeranleihe mit einem Emissionsvolumen von EUR 4 Mio. wurde Mitte 2010 von der Hamburg Energie Solar GmbH ausgegeben und über die Hamburger Volksbank vertrieben. Durch eine Patronatserklärung der Hamburger Wasserwerke wird die Anleihe abgesichert. Mehr als 300 Bürgerinnen und Bürger der Stadt haben die Anleihe gezeichnet. Die Mindestzeichnungssumme beträgt EUR 2.500. Die Anleihe wird mit 6 % fest verzinst. 19.5 Analyse und Bewertung der Charakteristika 19.5.1 Die Bürgeranleihe im Vergleich zu Anleihen anderer Energieunternehmen Die Charakteristika der Bürgersolaranleihe von Hamburg Energie können zunächst einmal mit den Eigenschaften anderer Anleihen von (Erneuerbare-) Energien-Unternehmen (Tab. 23, Abschnitt 19.5.1) bzw. Stadtwerken (Tab. 24, Abschnitt 19.5.2) verglichen werden. Im Vergleich mit den Anleihen von Energieunternehmen, die im gleichen Zeitraum emittiert wurden, fällt auf, dass <?page no="411"?> Lars Holstenkamp 411 die Verzinsung in einem vergleichbaren Rahmen liegt. Insofern sollte die Risiko- Rendite-Erwartung ebenfalls in etwa gleich hoch gewesen sein, wenn der Preis nicht aus politischen Gründen höher angesetzt worden ist. Da zu den Kosten einer Finanzierung über Kreditinstitute für die einzelnen Unternehmen nichts bekannt ist, lässt sich nur vermuten, dass entweder der Kupon niedriger als die Kapitalkosten bei einer Bankenfinanzierung ist oder aber die jeweiligen Kreditinstitute nicht bereit waren, weitere Kredite an diese Unternehmen in der gewünschten Höhe zu vergeben ( Kreditrationierung). Alternativ könnte das Risiko einer künftigen Kreditrationierung durch die Erschließung weiterer Finanzierungswege minimiert worden sein. das Volumen bei der Bürgeranleihe von Hamburg Energie im Vergleich eher gering ist. Da die Kosten für die Auflage einer Anleihe hohe fixe Anteile und damit eine starke Degression aufweisen, lohnen sich kleine Emissionsvolumina eigentlich nicht. Das Mindestvolumen für eine Emission wird gemeinhin mit EUR 30 Mio. beziffert. Wie Tab. 23 zeigt, ist Hamburg Energie nicht das einzige Unternehmen, das bei seiner Anleihe deutlich unter dieser Grenze bleibt. Ein ähnliches Phänomen kann allerdings hinsichtlich der Projektfinanzierung bei erneuerbaren Energien beobachtet werden: Auch hier sind deutlich geringere Volumina anzutreffen als bei der Projektfinanzierung allgemein, die ebenfalls hohe Transaktionskosten beinhaltet. mit Ausnahme des Falls von Eurogrid die Unternehmensanleihen allesamt geringere Mindestzeichnungssummen aufweisen. Allerdings handelt es sich bei all diesen Anleihen um börsennotierte Wertpapiere. Ein Motiv für die größere Stückelung bei Hamburg Energie dürften die geringeren Abwicklungskosten gewesen sein, auch wenn dies in gewisser Weise dem Ziel einer möglichst breiten Partizipation widerspricht. Die Laufzeit ist mit zehn Jahren vergleichsweise lang. Andererseits handelt es sich bei der Bürgeranleihe im Prinzip um eine Projektanleihe. Aufgrund der langen Finanzierungshorizonte von Erneuerbaren-Energien-Projekten macht eine lange Laufzeit Sinn. Bei einigen Energiegenossenschaften, die Nachrangdarlehen einbinden, sind sogar längere Fristen zu finden. Ziel muss es sein, Projekt- und Finanzierungslaufzeit in Einklang zu bringen ( Fristenkongruenz). Einige der in Tab. 23 gelisteten Unternehmen haben in der Zwischenzeit Insolvenz angemeldet. Einzelne Anleihen wurden restrukturiert. Dies verdeutlicht das - in diesen Fällen realisierte - Risiko, das diese Investitionen für private Anleger bergen. Anders als Hamburg Energie Solar GmbH wiesen die Unternehmen bei der Anleiheemission allerdings bereits eine Historie ( track record) auf. Auf der anderen Seite wirkt der kommunale Hintergrund von der Hamburg Energie Solar GmbH risikomindernd, zumal mit der Patronatserklärung und den Bürgschaften der Wasserwerke Absicherungen gegeben sind. <?page no="412"?> 412 19 Fallstudie 1 : Die Inhaberschuldverschreibung von Hamburg Energie Solar Emittent Kupon Stückelung (Euro) Emissionsdatum Laufzeit (Jahre) Volumen (Mio. Euro) Centrosolar Group AG 7,00 % 1.000,00 15.02.2011 5 50.000.000 Energiekontor Finanzierungsdienst GmbH & Co. KG 6,00 % 1.000,00 01.04.2010 10 10.100.000 Eurogrid GmbH 3,88 % 50.000,00 22.10.2010 10 500.000.000 KTG Agrar AG 6,75 % 1.000,00 15.09.2010 5 50.000.000 NOVATEC Solar GmbH 7,25 % 1.000,00 01.02.2010 5 10.000.000 PCC AG 6,00 % 1.000,00 01.07.2010 4 35.000.000 Plambeck Neue Energien AG 6,50 % 100,00 16.06.2010 5 295.000.000 S.A.G. Solarstrom AG 6,25 % 1.000,00 15.12.2010 5 50.000.000 Solar Millennium AG 6,50 % 1.000,00 15.07.2010 5 50.000.000 SOLARWATT AG 7,00 % 1.000,00 01.11.2010 5 25.000.000 SolarWorld AG 6,13 % 1.000,00 21.01.2010 7 400.000.000 Windreich AG 6,50 % 1.000,00 01.03.2010 5 50.000.000 Tab. 23: Emissionen börsengehandelter Anleihen durch Energieunternehmen 2010 bis 2/ 2011 19.5.2 Die Bürgeranleihe im Vergleich zu Anleihen anderer Stadtwerke In ähnlicher Weise lässt sich ein Vergleich zwischen Solaranleihe von Hamburg Energie und vergleichbaren Vorhaben anderer Stadtwerke durchführen (siehe Tabelle 24). Hierbei fällt insbesondere auf, dass die Verzinsung relativ hoch ist. Dies lässt sich wiederum mit dem fehlenden track record des Unternehmens erklären. Offenkundig reichten die Absicherungen durch die Wasserwerke - und damit indirekt der Stadt - nicht aus, um hier günstigere Finanzierungskonditionen zu erzielen. Auf der anderen Seite dürften die Bürgschaften der HWW dazu geführt haben, dass sich die Hamburg Energie Solar GmbH bzw. ihre Projektentwicklungs- und Betriebstochter relativ günstig über Bankdarlehen finanzieren kann. Die Anleihe ist damit finanzwirtschaftlich betrachtet hier keine Alternative zum Bankkredit. Sie ersetzt allenfalls Eigenkapital, das die Eigentümer hätten einbringen müssen. die Stückelung in allen anderen Fällen kleiner ist. Zugleich besteht eine gewisse Korrelation zwischen Einkommensstärke bzw. Vermögen der Einwohner des jeweiligen Ortes und Höhe der Mindestzeichnungssumme: am geringsten für Schwerin, gefolgt von den nordrhein-westfälischen Städten Herten und Porta Westfalica über Ulm bis hin zu Hamburg. die Laufzeit in allen Fällen (fast) gleich lang ist. Dies bestätigt die Argumente, die oben hinsichtlich der Laufzeiten aufgeführt wurden, nämlich dass sich die Zeitspanne aus dem Charakter einer Projektanleihe erklärt. <?page no="413"?> Lars Holstenkamp 413 die Emissionsvolumina in allen Fällen gering sind, wobei Hamburg Energie zu der Gruppe von Stadtwerken mit den kleinsten Volumina zählt. Die Begrenzung dürfte sich jeweils nicht allein aus der Mobilisierungskraft der Unternehmen ergeben, sondern - wie etwa im Hamburger Fall - primär aus dem Finanzierungsbedarf für die Projekte, solange die Konditionen von Banken günstig sind. Emittent Kupon Stückelung (Euro) Emissionsdatum Laufzeit (Jahre) Volumen (Mio. Euro) Hamburg Energie (Hamburg Energie Solar) 6,0 % 2.500 2010 10 4,0 Stadtwerke Herten hertenfonds natürlich 5,0 % 1.000 2008 10 10,0 hertenfonds energie+ 4,25 % 1.000 2012 10 10,0 Stadtwerke Porta Westfalica 4,5 % 1.000 2004 10 Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft Saarbrücken (VVS) 4,0 % 1.000 2010 10 10,0 Stadtwerke Schwerin (Gesellschaft für Erneuerbare Energien Schwerin mbH) 3,5 % 500 2013 9,83 1,5 Stadtwerke Ulm/ Neu-Ulm 5,0 % 2.000 2009 9 5,0 Tab. 24: Anleiheemissionen von Stadtwerken (Auswahl/ Stichprobe) (eigene Darstellung) Wir fassen zusammen: Die Verzinsung der Solaranleihe von Hamburg Energie liegt über derjenigen anderer Stadtwerkeanleihen, aber in einem mit anderen Energieunternehmen vergleichbaren Rahmen. Hier wirken offenkundig zwei Effekte in gegensätzlicher Richtung: kommunaler Hintergrund und junge Unternehmenshistorie. Die Stückelung ist relativ hoch, lässt sich aber evtl. mit den höheren Einkommen in Hamburg erklären. Die Laufzeit bewegt sich in einem für Projektanleihen wohl üblichen Rahmen. Bezüglich des Emissionsvolumens zählt der Hamburger Fall zur Gruppe der Klein(st)anleihen. Da Fremdkapital günstig über Banken, refinanziert durch die KfW, bezogen werden kann, wird die Anleihe hier dazu genutzt, Eigenkapital zu ersetzen. 19.6 Fazit Das Beispiel der Hamburg Energie Solar GmbH zeigt den Fall einer Bürgerbeteiligung im weiteren Sinne in Form einer Anleihe. Eine solche Bürgerbeteiligung über die Vergabe von Fremdkapital ist mithin möglich, wenn Eigenkapital nicht in ausreichendem Maß verfügbar ist oder die Beteiligung über Eigenkapital von den Projektinitiatoren nicht gewollt ist. Die finanzielle Beteiligung fällt hier eigenkapitalähnlich aus. Eine <?page no="414"?> 414 19 Fallstudie 1 : Die Inhaberschuldverschreibung von Hamburg Energie Solar Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger besteht allerdings nicht. Dafür ist das Risiko geringer als bei Beteiligungskapital. Risikoaverse Bürgerinnen und Bürger dürften folglich eine Anleihe der Beteiligung an einer Genossenschaft oder einer GmbH & Co. KG vorziehen. Durch die Gesamtkonstruktion wurde das eingesetzte Eigenkapital zudem in erheblichem Umfang gehebelt. Auf den Punkt gebracht Die Bürgeranleihe der Hamburg Energie Solar GmbH ist ein Beispiel für eine Bürgerbeteiligung im weiteren Sinne, eine finanzielle Teilhaberschaft von Bürgerinnen und Bürgern an Erneuerbare Energien-Projekten eines kommunalen Energieversorgers. Diese Form der Bürgerbeteiligung ist bislang unter Stadtwerken eher selten. Allgemein wird mit einer Bürgerbeteiligung versucht, die Akzeptanz vor Ort zu erhöhen - entsprechend besteht ein politischer Druck auf Stadtwerke, Bürgerbeteiligungen anzubieten - und zugleich Kunden an die Stadtwerke zu binden. Die Solaranleihe wurde innerhalb einer vergleichsweise kurzen Zeit vollständig unter mehr als 300 Bürgerinnen und Bürgern platziert. Eine Besonderheit des Hamburger Falls ist die relativ hohe Verzinsung der Anleihe trotz Absicherungen - erklärbar mit der fehlenden Unternehmenshistorie -, die relativ große Stückelung, eine für Projektanleihen in diesem Segment wohl typische lange Laufzeit und das für Anleihe vergleichsweise geringe Emissionsvolumen, was durch den Finanzierungsbedarf und die günstigen Bankkonditionen begrenzt wird. Literatur Informationen zur Hamburg Energie Solar GmbH und zur Bürgeranleihe sind auf den Internetseiten des Unternehmens unter http: / / www.hamburgenergiesolar.de/ zu finden. Degenhart, H./ Holstenkamp, L.: Helfen Bürgerbeteiligungen bei der Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Vorhaben kommunaler Energieversorgungsunternehmen? , in: Kommunalwirtschaft 105 (2012), Sonderausgabe Sparkassen, S. 23 - 28. Dentz, M. (Red.): Anleihen für den Mittelstand - Nutzen, Umsetzung und Risiken, 2011, Frankfurt: Financial Gates. Marktstudie zu Mittelstandsanleihen mit praxisnahen Informationen; für Grundlagen zu Anleihen lesenswert, auch wenn die Studie nicht mehr aktuell ist. Holstenkamp, L. & Degenhart, H.: Bürgerbeteiligungsmodelle für erneuerbare Energien - Eine Begriffsbestimmung aus finanzwirtschaftlicher Perspektive, Arbeitspapierreihe Wirtschaft & Recht, Nr. 13, März 2013, Lüneburg: Leuphana Universität Holstenkamp, L.: Local Investment Schemes for Renewable Energy - A Financial Perspective, erscheint in: Peeters, M. & Schomerus, T. (eds): Renewable Energy Law in the EU - Legal Perspectives on Bottom-Up Approaches, 2014, Cheltenham: Edward Elgar Perridon, L.; / Steiner, M../ Rathgeber, A.W.: Finanzwirtschaft der Unternehmung, 16. Aufl. 2012, München: Vahlen. Eines der Standardlehrbücher der Finanzwirtschaft; es werden hier Inhaberschuldverschreibungen ausführlich dargestellt und eingeordnet. <?page no="415"?> 20 Fallstudie 2: Die Energiegenossenschaft Mitarbeiter Unilever e.G. Dr. Jens Clausen, Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit Inhalt 20.1 Einleitung ................................................................................................................... 415 20.2 Energiegenossenschaft Mitarbeiter Unilever e.G. ................................................ 416 20.2.1 Die Idee und die Vorbereitung der Gründung ..................................................... 416 20.2.2 Die Genossenschaft und ihr Selbstverständnis..................................................... 417 20.2.3 Das Verhältnis zum Unternehmen und zum Betriebsrat .................................... 419 20.2.4 Das Ergebnis ............................................................................................................. 419 20.2.5 Die Perspektive ......................................................................................................... 419 20.3 Belegschaftsenergiegenossenschaften: ein Beitrag zur Förderung der Energiewende? ...........................................................................................................419 Literatur ...................................................................................................................... 422 Schlagwortliste Energiegenossenschaft, Belegschaftsenergiegenossenschaft, Eigenstromversorgung, Energieeffizienz, Finanzierung, Betriebsrat 20.1 Einleitung Die Energiewende ist das zentrale Projekt der deutschen Politik und Wirtschaft der nächsten Jahre. Viele Menschen in Deutschland haben das Bedürfnis, im Rahmen der Energiewende aktiv zu werden. Millionen von Eigenheimbesitzern und Landwirten haben in Photovoltaikanlagen investiert, hunderttausende sind an Windparks oder Bürgersolaranlagen beteiligt, viele kleine Unternehmen betreiben Blockheizkraftwerke oder investieren in Energieeffizienz. Aber alles zusammen ist immer noch nicht genug. Natürlich kann weder die Investition in eine einzelne weitere Anlage zur regenerativen Stromerzeugung noch in ein einzelnes Projekt der Energieeffizienz diese Grundproblematik beseitigen. Aber jedes neue Projekt reduziert den CO 2 -Ausstoß ein wenig und macht Regierung und Stromkonzernen wieder deutlich, dass die Bevölkerung nach wie vor mehrheitlich hinter der Energiewende steht. Und jeder Betrieb, der durch höhere Effizienz weniger Strom verbraucht oder durch Eigenstromerzeugung weniger einkaufen muss, setzt ein Zeichen, mit dem die großen Stromversorger früher oder später <?page no="416"?> 416 20 Fallstudie 2: Die Energiegenossenschaft Mitarbeiter Unilever e.G. zum Umsteuern gedrängt werden. Das Instrument der Belegschafts-Energiegenossenschaft kann hierbei einen wichtigen Beitrag leisten und soll in diesem Beitrag am Beispiel der Firma Unilever vorgestellt werden. Die hier vorgelegte Fallstudie wurde im Rahmen des Forschungsprojektes enEEbler - Mitarbeiter-Engagement für Erneuerbare Energien in Unternehmen erstellt. In dem vom BMBF geförderten Projekt wird untersucht, wie privates Engagement für Erneuerbare Energien stärker in Unternehmen getragen werden kann. Ziel des Projekts ist die Entwicklung von Strategien und Instrumenten zur Identifizierung und Umsetzung von EE-Ideen in Unternehmen. Im Rahmen von enEEbler wurde als eines von vielen Bausteinen ein Leitfaden für Belegschaftsenergiegenossenschaften erstellt (Clausen 2014). Dieser setzt zwei neue Schwerpunkte, mit denen bisherige Publikationen zum Thema Belegschaftsgenossenschaften ergänzt werden sollen: Zum einen stellen wir in den Steckbriefen verschiedene Genossenschaften dar, so dass hier Erfahrungen aus fünf Belegschaftsgenossenschaften mit jeweils verschiedenen Rollen der beteiligten Akteure einfließen. Zum anderen stellen wir, da die Zukunft des EEG und des Strommarktes im Detail letztlich ungewiss ist, bewusst alternative Geschäftsmodelle dar, die mit der Eigenstromversorgung und Projekten zur Steigerung der Energieeffizienz über den Verkauf des Stroms im Rahmen der EEG-Einspeisevergütung hinausgehen. Allen Lesern und Interessenten des Gründungsprozesses von Belegschafts-Energiegenossenschaften sei daher empfohlen, sich bei der Hans-Böckler-Stiftung auch das Handbuch für Betriebsräte „Belegschaftsgenossenschaften für regenerative Energien“ zu beschaffen, wo es zum Download bereit steht (www.boeckler.de). Auch die „Gründerfibel Energie“ der Agentur für Erneuerbare Energien e.V. und des DGRV - Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband 223 gibt wertvolle Hinweise zu Genossenschaftsgründungen mit Energiefokus. Weitere Informationen zu Energie-Belegschaftsgenossenschaften und zur Forschung im Bereich umweltfreundliches Verhalten am Arbeitsplatz können im Lauf des Projektfortschrittes bis Mitte 2016 unter www. enEEbler.de nachgelesen werden. Beispielhaft für die Anfang 2014 neun bestehenden Belegschaftsenergiegenossenschaften sei im Folgenden die „Energiegenossenschaft Mitarbeiter Unilever e.G.“ vorgestellt. 20.2 Energiegenossenschaft Mitarbeiter Unilever e.G. 20.2.1 Die Idee und die Vorbereitung der Gründung Unilever ist einer der weltweit größten Anbieter von Konsumgütern für den täglichen Bedarf. In den Geschäftsfeldern Ernährung und Hygiene steht der Konzern für Marken wie Knorr, Bertolli und Langnese, Domestos, Signal und Duschdas. Unilever will 223 Vgl. Agentur für Erneuerbare Energien e.V. und DGRV - Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband 2013 <?page no="417"?> Jens Clausen 417 nachhaltig wachsen. Dazu gehören z.B. die Halbierung des ökologischen Fußabdrucks bei Herstellung und Gebrauch der Produkte (Treibhausgase, Abfall, Wasser) und der Bezug landwirtschaftlicher Rohwaren aus ausschließlich nachhaltigem Anbau. Die Strategie ist im Unilever Sustainable Living Plan festgeschrieben. Die Jury des Deutschen Nachhaltigkeitspreises würdigte dies im Jahr 2012 durch die Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises in der Kategorie „Deutschlands nachhaltigste Zukunftsstrategien (Konzern)“. Genau wie die Idee zu einer genossenschaftlichen Photovoltaikanlage fiel auch die Entwicklung der Konzern-Nachhaltigkeitsstrategie „Sustainable Living Plan“ in das Jahr 2010. Dies erwies sich im Rückblick als sehr hilfreich, denn Unilever musste eine Reihe von althergebrachten Grundsätzen über Bord werfen, um letztlich der Errichtung der PV-Anlage auf dem Dach des 30 m hohen Hochregallagers in Heilbronn zustimmen zu können. So war es für das Unternehmen zunächst undenkbar, ein grundbuchlich eingetragenes Zugangs- und Nutzungsrecht der Genossenschaft zum Dach zu akzeptieren, welches für den Anlagenbetrieb und die Bank unverzichtbar war. Genauso bildet die PV-Anlage ein, wenn auch sehr kleines, zusätzliches Risiko dafür, dass es auf dem Hallendach zu einem Brand kommen kann. Mit Blick auf die zentrale Funktion, die das Lager in der Unilever Logistik hat, war auch dies ein wichtiger Punkt. Und nicht zuletzt wollte die neue Genossenschaft auch das Wort „Unilever“ im Namen führen, was sogar durch die Londoner Unternehmenszentrale genehmigt werden musste. Aber letztlich stand der damalige Geschäftsführer vor der Frage: Was tue ich am Standort Heilbronn, um den Sustainable Living Plan umzusetzen? Der hohe Anspruch des Unternehmens, mehr Nachhaltigkeit zu realisieren, war ihm Verpflichtung, auch die Genossenschaftsidee zu fördern. Seine Unterstützung war daher von Anfang an gegeben. Die Idee zur PV-Anlage selbst entstand im Kollegenkreis der Distributionsabteilung. Anfang 2010 hatten viele Kollegen bereits auf ihren Privathäusern eine PV-Anlage und die große verfügbare Fläche sprach für sich selbst. Bernd Oliver Mager, der Distribution Manager und heutige Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft steuerte die Idee bei, die Investition basisdemokratisch in Form einer Genossenschaft zu organisieren. Im Oktober 2010 kam es dann zur Gründung der Energiegenossenschaft Mitarbeiter Unilever e.G. 20.2.2 Die Genossenschaft und ihr Selbstverständnis Die Energiegenossenschaft Mitarbeiter Unilever e.G. sieht sich als reine Belegschaftsgenossenschaft. Aufgenommen wurden ausschließlich MitarbeiterInnen. In der Satzung war bei der Gründung jedoch nicht geregelt worden, was bei Austritt eines Mitglieds aus dem Unternehmen geschieht. Durch Ruhestand und Kündigung kam es rasch zu ersten Präzedenzfällen, die in der Generalversammlung diskutiert wurden. Es lief darauf hinaus, dass auch ehemalige Beschäftigte Mitglied der Genossenschaft bleiben können. Auch als einzelne Mitglieder die Genossenschaft wieder verlassen wollten, fand sich eine unbürokratische Lösung, in dem aus den liquiden Mitteln der Genossenschaft die Anteile zurückgekauft wurden, so dass sich der Wert der verbleibenden Anteile erhöhte. <?page no="418"?> 418 20 Fallstudie 2: Die Energiegenossenschaft Mitarbeiter Unilever e.G. Die Mindestbeteiligung beträgt EUR 300 (1 Anteil). Viele Mitglieder haben aber die Höchstbeteiligung von 10 Anteilen im Wert von EUR 3.000 gezeichnet. Das Eigenkapital von EUR 124.500 teilt sich so auf gegenwärtig 57 Mitglieder mit einem durchschnittlichen Anteil von ca. EUR 2.100 auf. Die Mitglieder sind sowohl als Arbeiter wie als Angestellte tätig, es sind sowohl Männer wie auch Frauen in die Genossenschaft eingetreten. Bezogen auf die etwa 1.200 Beschäftigten des Standortes Heilbronn ist die Zahl der Genossenschaftsmitglieder nur klein, aber für viele weitere interessierte MitarbeiterInnen war mit Blick auf das vergleichsweise kleine Investitionsobjekt „kein Platz“. Abb. 84: Schneeräumen auf dem Dach des Lagers von Unilever Heilbronn (Quelle: Energiegenossenschaft Mitarbeiter Unilever e.G.) Verwaltungs- und Wartungsarbeiten werden von verschiedenen Genossenschaftern/ innen zu einem großen Teil ehrenamtlich erledigt. Regelmäßig finden sich einige Mitglieder zur Reinigung der Anlage auf dem Dach ein. Die Buchhaltung wurde im Umfeld der Genossenschaft vergeben. Hilfreich ist darüber hinaus, dass die Positionen in Vorstand und Aufsichtsrat von Beschäftigten aus verschiedenen Unternehmensfunktionen wahrgenommen werden. So sind die Unternehmensbereiche Personalabteilung, Controlling, Sicherheitsabteilung (SHE, safety, health and environment), Betriebsratsvorsitzender und Technik im Lager vertreten, wodurch die Genossenschaft zu vielen Fragen auf erfahrene Personen zurückgreifen kann. <?page no="419"?> Jens Clausen 419 20.2.3 Das Verhältnis zum Unternehmen und zum Betriebsrat Die Unternehmensleitung hat die Gründung der Belegschaftsgenossenschaft von Anfang an unterstützt. Sie hat eine Reihe von Hemmnissen ausgeräumt, die der Nutzung des Daches des Lagers im Wege standen. Bernd-Oliver Mager formuliert es so: „Da hatte Unilever ein großes Problem damit, denn die Genossenschaft steht ja jetzt im Grundbuch der Unilever drin. Sie müssen das so sehen, Unilever ist ein Milliardenkonzern und da kommt so ein Niemand und muss ins Grundbuch hinein. Die Rechtsabteilung hatte da erst gesagt, nein, geht nicht. Aber wir mussten ja das Recht haben, auf das Dach zu können. Und das ist dann auch erfolgreich gelöst worden.“ Auch hatte die Unternehmensleitung die Absicht, die Dachfläche mietfrei zur Verfügung zu stellen. Hier kam aber das Bedenken auf, es könnte sich hierbei um eine geldwerte Leistung handeln, die letztlich als Lohnbestandteil zu versteuern wäre. Letztlich wurde dann eine sehr niedrige Miete vereinbart. Mitglieder des Betriebsrates beteiligten sich zum einen persönlich durch den Kauf von Anteilen an der Genossenschaft. Auch wirkt der Betriebsratsvorsitzende als Aufsichtsratsvorsitzender in der Genossenschaft mit. Die Genossenschaft wird dabei aber nicht als Aktivität des Betriebsrates verstanden. 20.2.4 Das Ergebnis Der eigentliche Zweck der Photovoltaikanlagen ist die Erzeugung von Strom. Im Berichtsjahr 2012 waren es mit 122.000 KW Strom in Folge der guten solaren Einstrahlung sogar ca. 16 % mehr als erwartet. Durch die Einspeisevergütung wird die Anlage finanziert und für die 122.000 KW wurden ca. EUR 38.700 erzielt. Dies war 2012 ausreichend, um die Kredite zu bedienen und eine Dividende von 5 % zu zahlen. Die Existenz der Genossenschaft bietet für die Genossenschafter/ innen eine überschaubare Anlagemöglichkeit von Kapital mit einem guten Ertrag. Wichtig ist die Genossenschaft aber auch für das Unternehmen. Die PV-Anlage wurde mehrfach vom Unternehmen als Beitrag zur Nachhaltigkeit in seiner Pressearbeit erwähnt und verbessert so das Image des Standortes Heilbronn. 20.2.5 Die Perspektive Die Nutzung der PV-Anlage wird voraussichtlich bis 2035 möglich sein. So lange erstreckt sich auch der Nutzungsvertrag mit Unilever. Der Verkauf über die Einspeisevergütung des EEG ist bis 2030 garantiert. Über die Weiternutzung der PV-Anlage hinaus gibt es gegenwärtig keine weiteren Pläne für die Genossenschaft. 20.3 Belegschaftsenergiegenossenschaften: ein Beitrag zur Förderung der Energiewende? Seit der Neufassung des Genossenschaftsgesetzes in 2006 kam es zur Gründung von einigen Hundert Energiegenossenschaften in Deutschland. Unter ihnen sind bisher neun Belegschaftsenergiegenossenschaften. Die meisten dieser Genossenschaften <?page no="420"?> 420 20 Fallstudie 2: Die Energiegenossenschaft Mitarbeiter Unilever e.G. betreiben Photovoltaikanlagen und speisen den Strom nach dem EEG ins Netz ein, mit einer Preis- und Abnahmegarantie für 20 Jahre. Unabhängig davon, dass die Zukunft des EEG unklar ist, ist schon heute sicher, dass mit Blick auf die weiter sinkenden Einspeisevergütungen dieses Geschäftsmodell ausläuft oder zumindest deutlich weniger attraktiv wird. Auch der vorliegende Leitfaden (Clausen 2014) kann nur einige aus heutiger Sicht interessante, alternative Geschäftsmodelle anreißen. Für die Suche nach einer Chance, eine neue Belegschaftsenergiegenossenschaft zu gründen, lassen sich aber einige zentrale Hinweise geben, die sich aus der Analyse des Marktes und der Befragung der verschiedenen Genossenschaften ergeben haben: [1] Photovoltaik und Windkraftanlagen erzeugen nicht nur für private Haushalte, sondern auch für viele mittelständische Gewerbebetriebe den Strom bereits preiswerter als ihn die meisten Energieversorger liefern. Die Eigenstromversorgung ist damit ergänzend zur Einspeisung in das Stromnetz vielfach eine gute Möglichkeit, für einen Teil der erzeugten Strommenge mehr zu erlösen als den EEG-Einspeisetarif. [2] Auch Unternehmen sehen bereits die Vorteile der Eigenstromversorgung. Für viele Unternehmen ist jedoch eine Anlage zur Eigenstromversorgung nicht finanzierbar, denn der Liquiditätsrahmen der Hausbank reicht dafür oft nicht aus. Eine von einer Belegschaftsgenossenschaft finanzierte Anlage zur Eigenstromversorgung zu pachten könnte in vielen Unternehmen eine willkommene Idee sein. [3] Aus dem gleichen Beweggrund heraus könnten Belegschaften auch in Investitionen zur Steigerung der Energieeffizienz des eigenen Unternehmens investieren. Hier ließe sich u.U. sogar ein deutlich höherer Gewinn erzielen. Aber auch das Risiko ist höher. Denn sollte das Unternehmen insolvent werden, geht so nicht nur der eigene Arbeitsplatz verloren, sondern auch die Investition der Genossenschaft verliert ihren Wert ganz oder teilweise. [4] Der Gewinn von Genossenschaften wird letztlich vielfach doppelt besteuert. Zunächst zahlt die Genossenschaft selbst für ihren Gewinn Körperschaftssteuer. Schüttet sie dann Gewinnanteile aus, so werden diese entweder pauschal mit 25 % oder im Rahmen der individuellen Veranlagung der Genossenschafter/ innen zur Einkommensteuer nochmals versteuert. Aber dies lässt sich vermeiden. Wird nur ein kleiner Teil der Finanzanlage der Genossenschafter/ innen als Genossenschaftsanteil eingezahlt und der größere Teil als langfristiges Darlehen gegeben, so sinkt der Betrag der Körperschaftssteuer. Denn die für die Darlehen gezahlten Zinsen sind Kosten und kein Gewinn. [5] Bei fast allen Fragen der Gründung einer Genossenschaft sind die verschiedenen, regionalen Genossenschaftsverbände eine wichtige Quelle von Informationen und Hilfe. Der Kontakt zu einem Genossenschaftsverband sollte daher in einer frühen Phase der Gründung aufgebaut werden. [6] Für Unternehmen ergibt sich durch eine Belegschaftsgenossenschaft im eigenen Hause eine gute Möglichkeit, MitarbeiterInnen langfristig an das eigene Unternehmen zu binden sowie eine attraktive Geldanlage zu ermög- <?page no="421"?> Jens Clausen 421 lichen. Neben der aktiven Teilnahme bei Entscheidungsprozessen innerhalb der Genossenschaft eröffnet sich für MitarbeiterInnen auch die Chance, mit der Belegschaftsgenossenschaft neue Geschäftsideen zu testen. [7] Hohe Erträge waren und sind Ziel von Unternehmertum, aber nicht immer Ziel einer Genossenschaft. Genossenschaften zielen häufig auch auf einen kollektiven Nutzen für ihre Genossenschafter/ innen, der auch ein realer, also nicht geldlicher Nutzen sein kann. Durch Investitionen in Eigenstromversorgung oder Energieeffizienz des eigenen Unternehmens wird vielleicht der eigene Arbeitsplatz sicherer - zusammen mit einem moderaten Zinsertrag mag dies ein guter Grund für eine Belegschaftsgenossenschaft sein. [8] Um auch heute noch Kapital sicher und profitabel anlegen zu können, haben zwei erst im Jahr 2013 gegründete Belegschaftsgenossenschaften in „gebrauchte“ Photovoltaik- und Windkraftanlagen investiert. So kann auch heute noch von den Einspeisevergütungen vergangener Jahre profitiert werden. Belegschaftsgenossenschaften, so wenige es auch geben mag, sind sehr unterschiedlich organisiert.. Betriebsräte, ökologisch orientierte Beschäftigte und Geschäftsführungen: Sie alle haben schon aus verschiedenen Beweggründen heraus Belegschaftsgenossenschaften initiiert. Bisher eher ähnlich waren die Investitionsgegenstände: Fast durchweg wurden PV- Anlagen errichtet. Bisher war dies eine Möglichkeit, von langfristig kalkulierbaren EEG-Vergütungssätzen zu profitieren, und hinzu kommt, dass eine PV-Anlage vergleichsweise wenig Wartung erfordert. In Zukunft wird dies so nicht weitergehen. Eigenstromversorgung, Energieeffizienz oder der Kauf gebrauchter Anlagen könnten gegenwärtig eher die Aussicht auf eine angemessene Rendite bieten. Aber mit Blick auf die große Koalition in Berlin ist vieles unsicher: Wie entwickelt sich das EEG weiter? Wie die Strommarktregeln? Wie der Emissionshandel? Heute, Anfang 2015, lässt sich vieles hiervon nicht absehen. Es gilt, die Entwicklung zu beobachten, Nischen zu finden und mit profitablen Geschäftsmodellen für Belegschaftsgenossenschaften Beiträge zur Energiewende zu leisten. Auf den Punkt gebracht Belegschafts-Energiegenossenschaften sind eine neue Form der Genossenschaft, mit denen Belegschaften in die Erzeugung regenerativer Energien, die Eigenstromversorgung des eigenen Unternehmens oder die Energieeffizienz des Unternehmens investieren können. Belegschafts-Energiegenossenschaften sind schon von Betriebsräten und Mitarbeitergruppen, aber auch von Geschäftsleitungen initiiert worden. Ihr Ziel kann in einer profitablen Anlage, in einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens, aber auch in höherer Zufriedenheit und Bindung der MitarbeiterInnen liegen. <?page no="422"?> 422 20 Fallstudie 2: Die Energiegenossenschaft Mitarbeiter Unilever e.G. Literatur Agentur für Erneuerbare Energien e.V., DGRV - Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband (AEE - DGRV 2013): Energiegenossenschaften. Bürger, Kommunen und lokale Wirtschaft in guter Gesellschaft. Gründerfibel. Online unter www.genossenschaften.de/ gr-ndungsmaterialien vom 5.10.2013. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU 2012): Erster Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“. Kurzfassung. Berlin. Clausen, Jens (2014): Belegschaftsgenossenschaften zur Förderung der Energiewende. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen - Geschäftsideen - Beispiele. Online unter www.eneebler.de. Hans Böckler Stiftung (Hrsg.) (2013): Belegschaftsgenossenschaften für regenerative Energien. Ein Handbuch für Betriebsräte. Online unter www.boeckler.de/ 6299.htm? produkt=HBS-005623&chunk=1 vom 4.12.2013. <?page no="423"?> Service <?page no="425"?> Glossar Advanced Loss of Profit Montage-Betriebsunterbrechungsversicherung Agio (Ausgabe-) Aufschlag beim Handel mit Wertpapieren, d. h. die Differenz von Ausgabepreis und Nennwert. AIFM AIFMD steht für Alternative Investment Fund Manager Directive, Richtlinie 2011/ 61/ EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds, auch AIFM-Richtlinie genannt. Allgefahrenversicherung Sachversicherung, in der alle Schäden durch solche Gefahren versichert sind, die nicht explizit im Vertrag als ausgeschlossen vereinbart sind. In einer Feuer- und Extended- Coverage-Versicherung sind nur die explizit genannten Gefahren versichert. Anleihe Papier, durch das der Ausgebende einen Kredit auf dem Kapitalmarkt aufnimmt und seinen Gläubigern bestimmte Rechte auf Verzinsung und Tilgung verbrieft. Annuität Die Annuität ist eine regelmäßig jährlich fließende Zahlung, die sich aus den Elementen Zins und Tilgung zusammensetzt. Während der Laufzeit eines Annuitätendarlehens ändert sich mit fortschreitender Tilgung der Darlehensvaluta das Verhältnis von Zins und Tilgung der konstanten Annuität. Bei einem Annuitätendarlehen werden deshalb die (steigende) Tilgungs- und die (fallende) Zinszahlung so errechnet, dass die regelmäßige Gesamtbelastung konstant bleibt, d. h. annuitätisch ist. Atmender Deckel Unter Atmender Deckel ist im EEG die an der Erreichung von Ausbauzielen orientierte Anpassung der Degressionssätze zu verstehen. Bei Überschreitung des Zielkorridors erhöhen sich die Degressionsätze, während sie bei einer Unterschreitung - mit Ausnahme von Biogas - sinken. Ausbaupfad Der Ausbaupfad beschreibt die erforderliche jährliche Steigerung der installierten Leistung der Windenergieanlagen an Land/ auf See und der Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie/ aus Biomasse, um das Ziel, den Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms am Bruttostromverbrauch auf mindestens 80 Prozent bis zum Jahr 2050 zu erhöhen, zu erreichen. Ausfallvergütung Das EEG 2014 sieht als Alternative zur verpflichtenden Direktvermarktung eine für Ausnahmefälle konzipierte Ausfallvergütung vor. Deren Höhe beträgt 80 % der Ein- <?page no="426"?> 426 Glossar speisevergütung. Die Ausfallvergütung ist z.B. vorgesehen, wenn kurzfristig ein Direktvermarktungspartner ausfällt. Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) Als ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) wird nach Art. 55 des Seerechtsübereinkommens (SRÜ) der Vereinten Nationen das Gebiet jenseits des Küstenmeeres bis zu einer Erstreckung von 200 Seemeilen (370,4 km) ab der Basislinie bezeichnet (daher auch 200-Meilen-Zone), in dem der angrenzende Küstenstaat in begrenztem Umfang souveräne Rechte und Hoheitsbefugnisse wahrnehmen kann, insbesondere das alleinige Recht zur wirtschaftlichen Ausbeutung einschließlich des Fischfangs. Ausschreibung Eine Ausschreibung ist ein bestimmtes Vergabeverfahren von Aufträgen im Wettbewerb, in der zunächst ein bestimmter Bedarf deutlich gemacht wird und potentielle Anbieter aufgefordert werden, ein Angebot zu unterbreiten. Das beste Angebot gemäß der in der Ausschreibung enthaltenen Definition erhält den Zuschlag für die Durchführung des Auftrages. Ab 2017 soll die Förderung von Strom aus Erneuerbaren Energien im Wesentlichen über Ausschreibungsverfahren ermittelt werden. Außenbereich Der Außenbereich im bauplanungsrechtlichen Sinne sind die Gebiete, die weder innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans noch innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (sogenannter Innenbereich) liegt. Dieser Bereich unterliegt einem generellen Schutz gegen bauliche Inanspruchnahme ohne vorgängige Planung der Gemeinde. Bankability Der Begriff Bankability wird im Rahmen einer Due Diligence für die Finanzierungswürdigkeit eines EE-Vorhabens verwendet. Basel III Dieses Regelwerk des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht soll die Krisenresistenz der Kreditinstitute verbessern, indem die Eigenkapitalbasis gestärkt und die Liquidität sichergestellt wird. Es wurde durch die Europäische Kapitalanforderungsrichtlinie (Capital Requirements Directive - CRD IV) in europäisches und durch das im Juni 2013 verabschiedete CRD IV-Umsetzungsgesetz in nationales Recht umgesetzt. Baulast Eine Baulast ist eine Verpflichtungserklärung des Grundstückseigentümers gegenüber der Baubehörde, bestimmte Dinge zu tun, zu unterlassen oder zu dulden. Im Rahmen der Grundstücksicherung bei EE-Vorhaben kann der Eigentümer eines Nachbargrundstücks zur Anlage gegenüber der Bauaufsichtsbehörde zum Beispiel die fehlenden Grenzabstände zum Grundstück zur Verfügung stellen, indem eine Teilfläche dem Baugrundstück bei der Bemessung zugerechnet wird. Belegschaftsenergiegenossenschaft Die Belegschaftsenergiegenossenschaft ist eine neue Form der Genossenschaft, mit denen Belegschaften in die Erzeugung regenerativer Energien, die Eigenstromversor- <?page no="427"?> Glossar 427 gung des eigenen Unternehmens oder die Energieeffizienz des Unternehmens investieren können. Beschränkte persönliche Dienstbarkeit Die einer bestimmten Person zustehende Befugnis, das mit der Dienstbarkeit belastete Grundstück in bestimmten Beziehungen (bestimmter Zweck und bestimmter Bereich des Grundstücks) zu nutzen (§§ 1090 - 1093 BGB). Im Zusammenhang mit EE- Projekten kann das z.B. die Durchführung von Stromleitungen über benachbarte Grundstücke sein. Bestandsanlage Eine Anlage, die vor dem Inkrafttreten der jeweils neuen Fassung des EEG in Betrieb genommen wurde, wird als Bestandsanlage im Sinne der jeweiligen Vorfassung des EEG bezeichnet. Betriebsunterbrechungsversicherung Versicherung des Vermögensfolgeschadens durch Umsatzausfälle oder Mehrkosten nach einem dem Grunde nach versicherten Sachschaden. BImSchG (Bundes-Immissionsschutzgesetz) Das Bundes-Immissionsschutzgesetz (eigentlich: Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge) hat den Zweck, vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen. Für die Errichtung und den Betrieb genehmigungsbedürftiger (EE-)Anlagen ist die Beantragung einer bundesimmissionsschutzrechtlichen Genehmigung erforderlich. In Bezug auf diese Anlagen dient das Gesetz der integrierten Vermeidung und Verminderung schädlicher Umwelteinwirkungen durch Emissionen in Luft, Wasser und Boden unter Einbeziehung der Abfallwirtschaft. In dem Genehmigungsverfahren müssen sämtliche Umweltauswirkungen einer Anlage berücksichtigt und gewürdigt werden, teilweise mit Öffentlichkeitsbeteiligung. Biodiesel Als Biodiesel bezeichnet man Fettsäuremethylester, die aus nachwachsenden ölhaltigen Rohstoffen wie z.B. Rapsöl, Sojaöl oder Palmöl hergestellt werden. Typischerweise wird dabei der Fettsäuremethylester durch eine katalytische Umesterungsreaktion aus den Triglyceriden der Öle oder über eine katalytische Veresterungsreaktion aus Fettsäuren hergestellt. Der Biodiesel kann dann in verschiedenen Konzentrationen dem fossilen Diesel beigemischt werden oder als 100%iger Biodiesel eingesetzt werden. In Deutschland werden üblicherweise 7 % Biodiesel dem fossilen Diesel beigemischt, was als B7 bezeichnet wird. Bioerdgas Biomethan Bioethanol Als Bioethanol wird Ethanol bezeichnet, das aus nachwachsenden Rohstoffen durch ein biologisches Verfahren hergestellt wird. Typischerweise werden stärke- oder zuckerhaltige Rohstoffe, wie z.B. Weizen, Mais, Gerste, Roggen, Zuckerrüben und Zu- <?page no="428"?> 428 Glossar ckerrohr in einer Fermentation durch Hefen in Ethanol umgewandelt. Dieses Bioethanol kann dem fossilen Kraftstoff Benzin in verschiedenen Konzentrationen zugemischt, aber auch alleine als Kraftstoff eingesetzt werden. In Deutschland werden dem fossilen Benzin 5 % oder 10 % Bioethanol zugemischt, das dann als E5 bzw. E10 bezeichnet wird. Biogas Biogas wird durch anaerobe Vergärung von Biomasse gewonnen. Biogasanlage In Biogasanlagen wird durch die Vergärung von Biomasse (z.B. Energiepflanzen, Bioabfälle, Gülle) brennbares Biogas erzeugt. Dieses kann direkt an der Anlage z.B. in einem Blockheizkraftwerk verbrannt und der so erzeugte Strom eingespeist werden oder das Biogas wird auf Erdgasqualität aufbereitet (Erhöhung des Methananteils) und in das Erdgasnetz eingespeist. Biokraftstoffe Als Biokraftstoffe bezeichnet man Energieträger, die im Transportsektor eingesetzt werden. Sie werden aus nachwachsender Biomasse oder bei deren Verarbeitung anfallenden Komponenten hergestellt. Typische Beispiele sind Biodiesel, Bioethanol, Biomethan, hydrierte Pflanzenöle und reine Pflanzenöle. Man unterscheidet zwischen Biokraftstoffen der ersten und der zweiten Generation. Als gängiges Kernunterscheidungsmerkmal dient der Rohstoff, der bei Biokraftstoffen der ersten Generation in Flächenkonkurrenz zur Lebensmittelherstellung steht (z.B. Getreide) und bei Biokraftstoffen der zweiten Generation nicht (z.B. Stroh). Biomethan Biogas aus Biogasanlagen enthält in der Regel nicht genug Methan (häufig ca. 50 %), um den Anforderungen an eine Einspeisung in das Erdgasnetz zu genügen. Deshalb wird es mit Hilfe verschiedener technischer Verfahren aufbereitet, wobei Kohlendioxid abgetrennt und das Gas entschwefelt sowie entfeuchtet wird. Außerdem erfolgt eine Brennwertanpassung mittels Flüssiggas und eine Odorierung. Blockheizkraftwerk In einem Blockheizkraftwerk (BHKW) werden unter Nutzung des Prinzips der Kraft-Wärme-Kopplung elektrische Energie und Wärme erzeugt. Ein BHKW besteht aus einem Motor (häufig Verbrennungsmotor) und einem Generator. Bürgerenergie Als Bürgerenergie werden Energieerzeugungsprojekte bezeichnet, die von Privatpersonen oder Gruppen von Privatpersonen finanziert werden (auch als Personen- oder Kapitalgesellschaften organisiert, sofern die Privatpersonen insgesamt mindestens 50 % der Stimmrechte halten), in EE-Projekte investieren, und in der Region, in der die Anlagen betrieben werden, ansässig sind. Build Operate Own (BOO) und Build Operate Transfer (BOT) Diese Begriffe definieren sogenannte Betreibermodelle und werden im Zusammenhang mit Projekten genutzt, die über entsprechende Stellen (Regierung) ausgeschrieben <?page no="429"?> Glossar 429 und über den privaten Sektor umgesetzt werden sollen ( Public Private Partnership). Ist bei BOT eine Eigentumsübertragung am Ende einer bestimmten Laufzeit vorgesehen, sieht die BOO Variante dies nicht vor. Weitere Abwandlungen der Struktur sind möglich und beinhalten weitere Struktureigenschaften, z.B. zusätzliche Projektentwicklung. Cash Flow Der Cash Flow stellt den Zufluss bzw. Abfluss liquider Mittel (in der Regel Geld) während einer Abrechnungsperiode dar und ist damit ein Indikator für die Finanzkraft eines Unternehmens. Cash-Sweep Eine Cash-Sweep-Vereinbarung ist eine vertragliche Verpflichtung eines Unternehmens häufig im Rahmen einer Projektfinanzierung, ungeplante bzw. nicht sicher planbare Einnahmen (bis zu einem gewissen, vorher vereinbarten Grad) zur Tilgung von Verbindlichkeiten einzusetzen. Change of Control Als Change of Control wird der Wechsel der Kontroll- und Mehrheitsverhältnisse bei einem Unternehmen und damit der Gesellschafterstruktur des Unternehmens bezeichnet. Contracting Im Contracting wird ein Vertrag zwischen einem Dienstleister und einem Energieverbraucher geschlossen, dem eine effizientere Nutzung von Energie zugrunde liegt. Der Contractor setzt die technischen Maßnahmen um, die die Energieeinsparung erwirken. Die eingesparten Kosten werden so verteilt, dass der Contractor seine Investitionen gewinnbringend zurückerhält und der Nutzer von geringeren Energiekosten profitiert. Beim Einsparcontracting sind die eingesparten Energiekosten Gegenstand des Vertrags, beim Liefercontracting wird über die gelieferte Energie in Form von Wärme oder Strom abgerechnet. De-minimis-Beihilfe Nach der De-minimis-Verordnung sind unter „De-minimis“-Beihilfen Zuwendungen an Unternehmen bis zu einem Beihilfebetrag bzw. Subventionswert i.d.R. von 200.000 EUR zu verstehen. Solche Beihilfen sind nicht durch die EU-Kommission genehmigungspflichtig, können aber aufgegriffen werden. De-minimis-Beihilfen können in verschiedenen Formen erfolgen, z.B. als Zuschuss, Darlehen oder Bürgschaft. Delay-in-Startup Montage-Betriebsunterbrechungsversicherung Direktlieferung Im Unterschied zur Direktvermarktung und zur Eigenversorgung wird die außerhalb des Netzes der allgemeinen Versorgung erfolgende Stromlieferung an einen Dritten als Direktlieferung bezeichnet. Direktvermarktungsunternehmen Ein Direktvermarktungsunternehmen kann von Anlagenbetreibern mit der Direktver- <?page no="430"?> 430 Glossar marktung von Strom aus erneuerbaren Energien oder aus Grubengas beauftragt werden. Das Direktvermarktungsunternehmen übernimmt dabei in der Regel teilweise die vom Anlagenbetreiber für den Erhalt der Marktprämie zu erfüllenden Pflichten, wie z.B. die Bilanzierung des direkt vermarkteten Stroms in einem Bilanz- oder Unterbilanzkreis, in dem ausschließlich direkt vermarkteter Strom bilanziert wird. DSCR Der DSCR (Abkürzung für engl. Debt Service Coverage Ratio) oder Kapitaldienstdeckungsgrad setzt den Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBITDA) bzw. den Cashflow vor Zinsen und Tilgung einer Periode mit dem Kapitaldienst derselben Periode ins Verhältnis. Übersteigt der EBITDA bzw. der Free Cashflow den Kapitaldienst ist der Divisor, also der DSCR, größer Eins und die Kapitaldienstfähigkeit gegeben. Due Diligence Die Due Diligence ist eine (je nach Projektgröße und -risikostruktur mehr oder weniger umfassende) rechtliche, wirtschaftliche und technische Prüfung und Risikoanalyse etwa im Rahmen eines Unternehmenserwerbs, eines Börsengangs oder einer Finanzierungsentscheidung für eine Projektentwicklung. U.a. werden dabei die wesentlichen Verträge und sonstigen das Unternehmen/ Projekt betreffenden wesentlichen Rechtsfragen überprüft. Echtes Kapital Da viele Entwickler nicht genügend Mittel zur Projektumsetzung besitzen, versuchen sie oft das einzubringende Eigenkapital durch bspw. bereits entstandene Entwicklungskosten zu substituieren. Sie bringen somit kein echtes Kapitel in die Projektgesellschaft ein, welches neben weiteren Kapitalquellen zur Deckung von Baukosten genutzt werden kann. Banken und (Export-) Kreditversicherungen fordern aber grundsätzlich eine Mindesthöhe an einzubringendem Eigenkapital in Form von tatsächlicher Liquidität. EEG-Umlage Mit der EEG-Umlage werden die Kosten für die Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien auf die Stromendverbraucher umgelegt. Sie ersetzt die Differenz zwischen den Ausgaben der Netzbetreiber für die Einspeisevergütungen nach dem EEG, die an die Anlagenbetreiber gezahlt werden, und ihren Einnahmen aus der Vermarktung des Stroms an der Börse. eG eingetragene Genossenschaft, Genossenschaft Eigenkapital Finanzmittel, die durch die Eigentümer bereitgestellt werden, oder vom Unternehmen erwirtschaftete Gewinne, die im Unternehmen verbleiben. Eigenversorgung (auch: Eigenstromversorgung) Eigenversorgung nach dem EEG 2014 bezeichnet den Verbrauch von Strom, den eine natürliche oder juristische Person im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit der Stromerzeugungsanlage selbst verbraucht. Weiterhin darf der Strom nicht durch ein öffentliches Netz durchgeleitet werden und der Verbraucher muss gleichzeitig der <?page no="431"?> Glossar 431 Anlagenbetreiber sein. Bei Bestandseigenversorgungsanlagen kann eine Eigenversorgung ggf. auch bei einer Lieferung über das Netz der allgemeinen Versorgung vorliegen. Eigenversorgungsmodell Als Eigenversorgungsmodell werden die unterschiedlichen Konzepte bezeichnet, bei deren Umsetzung eine privilegierte Eigenversorgung vorliegt. Beispielhaft zu nennen sind Pacht- und Betriebsführungsmodell und andere Contracting-Modelle. Eingetragene Genossenschaft Genossenschaft Einsparcontracting Contracting Einspeisevergütung Anlagenbetreiber, die zur Erzeugung von Strom ausschließlich erneuerbare Energien oder Grubengas einsetzen, haben grundsätzlich gegen jeden Netzbetreiber, in dessen Netz sie den erzeugten Strom einspeisen, einen Anspruch auf eine gesetzlich festgelegte Vergütung. Dieser ist im EEG geregelt. Elektrizitätsgenossenschaften stellen ihren Mitgliedern Elektrizität durch Leitungsbau und Stromerzeugung zur Verfügung. Die meisten Elektrizitätsgenossenschaften wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründet, im Zuge der Monopolisierung der deutschen Elektrizitätsversorgung verschwanden zahlreiche der Elektrizitätsgenossenschaften. Emissionen aus dem Anlagenbetrieb Emissionen aus dem Anlagenbetrieb sind Beeinträchtigungen der Umwelt, die sich vorübergehend oder dauerhaft in Form von Lärm, Vibrationen, Geruch, gasförmigen Emissionen (z.B. Methan, Schwefelwasserstoff, Lachgas u.a.) oder flüssigen Emissionen (Abwasser, Austritt von Gärflüssigkeiten u.a.) bemerkbar machen können. Emittent Herausgeber eines Wertpapiers, z.B. einer Anleihe. Emittenten von Anleihen können (a) öffentliche Körperschaften, (b) Kreditinstitute oder (c) Unternehmen sein. Energiegenossenschaften dienen dem gemeinsamen Betrieb von Anlagen zur Erzeugung von Strom und/ oder Wärme durch die Mitglieder. Die meisten Energiegenossenschaften, die verstärkt seit der Reform des Genossenschaftsgesetzes 2006 gegründet wurden, konzentrieren sich auf die Erzeugung von Strom und Wärme aus Erneuerbaren Energien. Weitere Geschäftsfelder sind Energieeffizienz, Netze und Blockheizkraftwerke. Energy-only-Markt Bei dieser Form des Energiemarktes erhalten Kraftwerksbetreiber lediglich eine Vergütung für die produzierte und ins Netz eingespeiste Energie, nicht aber für die Bereitstellung von Kraftwerkskapazitäten als Reserveleistung. <?page no="432"?> 432 Glossar EPC-Contractor Engineering Procurement Construction: englische Bezeichnung für Generalübernehmer EPCM-Contractor Engineering, Procurement, Construction Management: der Contractor plant, bereitet die Vergabe vor und überwacht und managt den Bauablauf. Die Bauleistungen und Lieferungen werden aber, oft in bestimmten „Packages“, vom Bauherrn selbst an die ausführenden Unternehmen vergeben. Equity IRR Berechnungslogik IRR. Bei der Berechnung des Equity IRRs wird die Fremdfinanzierung nicht berücksichtigt. Verwendung findet hier der Free Cash Flow, d.h. der Cash Flow, der für die Ausschüttungen an den Eigenkapitalgeber zur Verfügung steht. Equity Kicker Als Equity Kicker wird bei Mezzanine-Finanzierungen das Recht des Kapitalgebers bezeichnet, neben einer im Verhältnis zum Risiko relativ niedrigen Verzinsung zusätzlich an der Wertentwicklung des Eigenkapitals des Kreditnehmers zu partizipieren. Der Equity Kicker kann z.B. in Wandlungs- oder Optionsrechten bestehen oder auch einen vorab in Abhängigkeit von der Unternehmensentwicklung vereinbarten Geldbetrag umfassen. Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) Das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Kurzfassung: Erneuerbare- Energien-Gesetz; EEG), das im Jahr 2000 verabschiedet wurde, verpflichtet die Netzbetreiber, dezentrale Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen anzuschließen und den regenerativ erzeugten Strom vorrangig einzuspeisen. Das EEG legt (degressive) Vergütungssätze für die einzelnen Erzeugungsarten regenerativen Stroms fest und regelt das Umlageverfahren der Kosten, die durch die Förderung der regenerativen Energien entstehen ( EEG-Umlage). Das EEG wurde mehrmals novelliert, zuletzt im Juni 2014. Fernsteuerbarkeit Fernsteuerbarkeit ist gegeben, wenn eine Anlage zum einen über die technischen Einrichtungen verfügt, die jederzeit ein Abrufen der jeweiligen Ist-Einspeisung und eine ferngesteuerte Anpassung der Einspeiseleistung ermöglichen. Zum anderen ist dem Direktvermarktungsunternehmer oder einer anderen Person, an die der Strom veräußert wird, rechtlich die Befugnis einzuräumen, jederzeit die tatsächliche Ist- Einspeisung auch abzurufen und die Einspeiseleistung anzupassen, sofern dies für eine bedarfsgerechte Einspeisung des Stroms erforderlich ist. Finanzielle Investitionsmotive Als finanzielle Investitionsmotive lassen sich solche Beweggründe für die Kapitalanlage zusammenfassen, die auf den direkten, meist finanziellen Nutzen für den Investor selbst abzielen: insbesondere auf eine Rendite, aber auch auf strategische Gewinne, etwa, wenn durch die Investition ein Wettbewerber geschwächt wird. <?page no="433"?> Glossar 433 Finanzinvestoren Die Gruppe der Finanzinvestoren hat grundsätzlich keinen strategischen Hintergrund bei der Investitionsentscheidung, sondern sieht die Rentabilität im Vordergrund. Beispiele hierfür sind institutionelle Fonds auf der Suche nach renditeträchtigen Anlagen, aber auch Industrieunternehmen, die außerhalb des eigenen Sektorfokus zusätzliche Gewinne erwirtschaften wollen. Flächensicherung Die schuldrechtliche Sicherung der Grundstücksflächen, auf denen die EE-Anlagen errichtet und betrieben werden sollen, erfolgt durch den Abschluss eines Flächennutzungsvertrages zwischen dem Anlagenbetreiber/ Projektentwickler und dem Grundstückseigentümer. Damit diese Sicherung auch Wirkung gegenüber Dritten hat, die nicht an dem Vertragsverhältnis beteiligt sind, muss auch eine dingliche Sicherung durch die Eintragung von Dienstbarkeiten in das Grundbuch des Grundstückseigentümers erfolgen. Flexibilität (bezogen auf Energieabgabe) Die Flexibilität der Energieproduktion aus Biomasse beschreibt die technische Möglichkeit einer Biomasse-Anlage, Energie gezielt zu festen Zeiten bzw. in Abhängigkeit des Energiebedarfes abzugeben. Die Flexibilität bezieht sich dabei auf die Spannweite der minimalen und maximalen Energieabgabe, die technisch realisiert werden kann, häufig bezogen auf die installierte Kapazität der Anlage oder die durchschnittliche Leistung. Die Bereitstellung von Flexibilität ist üblicherweise mit zusätzlichen technischen Aufwendungen bei der Anlagenerrichtung und im Anlagenbetrieb verbunden (z.B. Fernsteuerbarkeit). Formelle Bestandskraft Im öffentlichen Recht erlangt ein Verwaltungsakt - wie z.B. eine Genehmigung - formelle Bestandskraft, wenn er nicht mehr mit Rechtsbehelfen (z.B. dem Widerspruch) angefochten werden kann. Die Genehmigung ist dann unanfechtbar. Die formelle Bestandskraft ist abzugrenzen von der materiellen Bestandskraft, welche die Bindungswirkung eines Verwaltungsakts beschreibt. Fördermittel Fördermaßnahmen lassen sich in Finanzierungshilfen und Zuschüsse einteilen, die von staatlichen Institutionen gewährt werden. Forward Rate Agreements (FRAs) Forward Rate Agreements (FRAs) werden außerbörslich gehandelt beziehungsweise direkt zwischen den Vertragsparteien vereinbart. Es handelt sich dabei um unbedingte Termingeschäfte mit symmetrischem Risikoprofil. Freiflächen-PV-Anlage Eine PV-Anlage, die nicht in, an oder auf einem Gebäude oder einer sonstigen baulichen Anlage aufgestellt ist. Fristenkongruenz Die Laufzeit, während der das Kapital zur Verfügung gestellt wird, stimmt mit der Nutzungsdauer des Vermögensgegenstands, der finanziert wird, überein. <?page no="434"?> 434 Glossar Fündigkeitsrisiko Das Risiko, in der Geothermie ein Reservoir in nicht ausreichender Qualität oder Quantität zu erschließen. Fungibilität Fungibilität bedeutet einfache Austauschbarkeit und bezeichnet die Eigenschaft von Gütern oder Wertpapieren, ohne weiteres gegen ein anderes Gut gleicher Beschaffenheit ausgetauscht werden zu können. Fungibilität ist die Voraussetzung für Börsenhandel, weil alle Wertpapiere einer Emission zueinander fungibel sind und bei entsprechender Marktliquidität regelmäßig Preise für Angebot und Nachfrage gestellt werden. Futures Futures werden börslich gehandelt und zählen zu den unbedingten Termingeschäften. Ein Future ist eine Übereinkunft zwischen zwei Parteien, ein Gut zu einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt zu einem bestimmten Preis zu kaufen beziehungsweise zu verkaufen. GAP-Deckung (Photovoltaik) Berücksichtigt den im Vergleich zur ursprünglichen Kredithöhe heute niedrigen Wert der Photovoltaik-Module (von engl. gap = Lücke). Sollten Banken nach einem Totalschaden den vollen Kredit zurück fordern, entschädigt der Versicherer über den aktuellen Neuwert hinaus. Gärrest (synonym auch flüssiger bzw. fester Reststoff, stoffliches Endprodukt aus der Biogasproduktion oder Gärprodukt) Überreste der eingesetzten Substrate zur Biogasproduktion. Gärreste, auch als Gärprodukte bezeichnet, enthalten alle Bestandteile der Substrate, die bei der Biogasproduktion nicht zu Biogas und seinen Begleitstoffen (z.B. Wasserdampf, Schwefelwasserstoff etc.) umgewandelt wurden zuzüglich ggf. eingesetzter Prozesshilfsmittel. Üblicherweise stellen sie ein wertvolles Düngemittel dar und werden als solches verwertet. Gebietsmonopole Die Energieversorger sicherten sich durch Verträge mit den Kommunen und Demarkationsverträgen untereinander innerhalb definierter Gebiete ein Monopol. Diese Praxis wurde mit dem Energiewirtschaftsgesetz von 1935 rechtlich abgesichert. Die Gebietsmonopole im Elektrizitätssektor wurden mit der Liberalisierung 1998 aufgehoben. Generalunternehmer Beim Generalunternehmervertrag erbringt der Auftragnehmer alle Bauleistungen, meist mit mehr oder minder großem Subunternehmereinsatz. Die Planung, bis auf die Ausführungsplanung oder Teile davon, schuldet der Generalunternehmer aber nicht. Generalübernehmer Der Generalübernehmer übernimmt die komplette schlüsselfertige Planung und Errichtung einer EE-Anlage. Meist werden Planung, Projektmanagement und Montage- <?page no="435"?> Glossar 435 überwachung/ Inbetriebnahme durch eigenes Personal erbracht und die Bauleistungen und Lieferungen an Subunternehmer übertragen. Genossenschaft Rechtsform, deren zentraler Zweck die (wirtschaftliche) Mitgliederförderung ist. Die Genossenschaft vereint Aspekte der Personen- und Kapitalgesellschaft. Organe sind die Generalversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand. Gremienmitglieder rekrutieren sich aus der Mitgliedschaft. Genossenschaftsgesetz Das Genossenschaftsgesetz vom 1.5.1889 regelt die Rahmenbedingungen, in denen sich Genossenschaften bewegen können. Es setzt die Richtlinien für die Satzung sowie grundlegende Rechte und Pflichten der Mitglieder und Gremienmitglieder einer Genossenschaft. 2006 wurde das Genossenschaftsgesetz grundlegend reformiert und insbesondere die Gründung kleiner Genossenschaften erleichtert. Genossenschaftsverband Jede eingetragene Genossenschaft (eG) wird in Deutschland bei der Gründung sowie mindestens alle zwei Jahre von ihrem Genossenschaftsverband (auch Prüfungsverband) auf ihre Wirtschaftlichkeit, die korrekte Buchführung und die Verwaltung der Mitgliederliste überprüft. So können Genossenschaften auch ehrenamtlich geführt werden, da den Mitgliedern durch die Prüfung der Geschäftsführung eine gewisse Sicherheit und Transparenz über deren Arbeitsweise ermöglicht und Missbrauch vorgebeugt wird. Neben der Prüfung beraten und unterstützen viele Verbände ihre Mitglieder. Genussrecht Schuldrechtliche Beziehung zwischen dem Genussrechtsemittenten und dem Genussrechtsinhaber, die ein Dauerschuldverhältnis begründet. Genussrechtsregister Im Genussrechtsregister werden alle Eigentümer von Genussrechten verzeichnet, sofern die Genussrechte nicht verbrieft sind. Die Eintragung begründet das Eigentum. Genussschein Verbriefung eines Genussrechts. Geschlossener Investmentfonds Die Investition in einen Fonds erfolgt über den Erwerb von unternehmerischen Anteilen. In einen geschlossenen Investmentfonds - im Gegensatz zu einem offenen Fonds - kann in der Regel nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums investiert werden, bevor der Fonds geschlossen wird. Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, auch BGB-Gesellschaft, ist ein Zusammenschluss von mindestens zwei natürlichen oder juristischen Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks (§§ 705 ff. BGB). Sie ist die einfachste Form einer Personengesellschaft. <?page no="436"?> 436 Glossar Gestattungsverträge Ein Gestattungsvertrag regelt schuldrechtlich i.d.R. die Einräumung von Nutzungsrechten zwischen dem Rechteinhaber (Grundstückseigentümer) und dem Begünstigten (SPV des PV-Projektes). Die Vertragsgestaltung ist einem Pachtvertrag recht ähnlich, wobei hier jedoch keine Fruchterzielung erfolgt. Gestattungsverträge gibt es für verschiedene Nutzungsrechte wie z.B. die Nutzung der Fläche für die PV-Anlage, Kabel und Wege. Aufgrund der Langfristigkeit solcher Gestattungsverträge (20 Jahre und länger) werden beschränkt persönliche Dienstbarkeiten im Grundbuch eingetragen (dingliche Sicherung). GmbH & Co. KG Die GmbH & Co. KG ist eine Kommanditgesellschaft (KG) mit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) als persönlich und unbegrenzt haftender Gesellschafterin (Komplementärin). Durch diese Strukturierung erlangt man eine Personengesellschaft mit insgesamt beschränkter Haftung, da die GmbH nur mit ihrem eigenen Vermögen haftet. Grünstromprivileg Bis zum 31. Juli 2014 hatten Energieversorgungsunternehmen die Möglichkeit, im Fall der Belieferung von Letztverbrauchern mit Strom, der zu einem Anteil von mindestens 50 Prozent aus EEG-Anlagen stammt, eine prozentuale Befreiung des gesamten gelieferten Stroms von der EEG-Umlage in Anspruch zu nehmen. Diese Möglichkeit besteht seit Inkrafttreten des EEG 2014 nicht mehr. Haftpflichtversicherung Ersatz von Schadensersatzansprüchen, die von Dritten gegen den Versicherungsnehmer gerichtet werden. Da der Versicherer unbegründete Ansprüche abwehrt, kommt dieser Haftpflichtversicherung auch eine passive Rechtsschutzfunktion zu. Hocheffiziente KWK-Anlage Eine KWK-Anlage ist hocheffizient, wenn die Primärenergieeinsparung durch die kombinierte anstatt der getrennten Strom- und Wärmeerzeugung mindestens 10 Prozent umfasst (Voraussetzung für die Förderung nach KWKG). Hs (signifikante Wellenhöhe) Mittelwert aus dem höchsten Drittel der Wellen eines Messzeitraums. Aus der signifikanten Wellenhöhe lassen sich (innerhalb definierter Konfidenzintervalle) maximale Wellenhöhen errechnen. Beide Werte sind neben weiteren Parametern (z.B. Wellenrichtung und Swell) von hoher Relevanz für die Planung von Offshore Aktivitäten. Inbetriebnahme Die Inbetriebnahme ist in § 5 Nr. 21 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes definiert als die erstmalige Inbetriebsetzung der Anlage nach Herstellung ihrer technischen Betriebsbereitschaft ausschließlich mit erneuerbaren Energien oder Grubengas. Inhaberschuldverschreibung Bei der Inhaberschuldverschreibung handelt es sich um ein Wertpapier, das eine For- <?page no="437"?> Glossar 437 derung nach Zinsen und Rücknahmekurs bei Fälligkeit verbrieft. Die rechtlichen Vorschriften sind in den §§ 793 ff. BGB geregelt. Inhaberschuldverschreibungen sind eine Form der Fremdkapitalfinanzierung. IP-Rechte IP steht für intellectual property. Im rechtlichen Kontext sind IP-Rechte der Oberbegriff für Schutzrechte des geistigen Eigentums und Immaterialgüterrechte wie Urheber-, Namen-, Marken-, Bildrechte sowie gewerbliche Schutzrechte (Patente, Gebrauchsmuster etc.). IRR Die Berechnung des IRR (Internal Rate of Return oder Interner Zinsfuß) ist ein Verfahren der dynamischen Investitionsrechnung und ermöglicht für ein Projekt die Rendite zu berechnen. Berechnet wird der Interne Zinsfuß, indem bei der Formel zur Berechnung des Kapitalwertes einer Investition nach dem Zinssatz gesucht wird, der einen Kapitalwert (= Nettobarwert) von Null ergibt: (KW = Kapitalwert, I = Investition; C = Cashflows, i = Zinssatz) Die IRR Berechnung erfolgt meist mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms (Excel), die über entsprechende Zielwertsuchfunktionen verfügen (IKV-Funktion). Junk bond Auch: Ramsch-, Schrott- oder High-Yield-Anleihe. Hochverzinsliche Anleihe von Emittenten, die eine schlechte Bonität aufweisen. Junk bonds weisen damit ein hohes Risiko auf. Um solche Anleihe platzieren zu können, muss der Emittent daher regelmäßig eine höhere Verzinsung bieten. Kapitalgesellschaft Die Kapitalgesellschaft ist eine juristische Person, deren Mitglieder aufgrund eines Gesellschaftsvertrages einen gemeinsamen Zweck verfolgen. Nach deutschem Recht stehen die folgenden Rechtsformen zur Verfügung: Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt). Kaskoschaden Ein Schaden an der versicherten Sache durch Unfall oder andere versicherte Ereignisse, wie zum Beispiel Naturgefahren. Kassamarkt Der Kassamarkt umfasst Geschäfte zwischen zwei Vertragsparteien, die einer unmittelbaren Bezahlung sowie Lieferung eines Vertragsgegenstandes bedürfen. KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau; 1948 gegründete deutsche Förderbank. Ziel war zunächst die Finanzierung des Wiederaufbaus der deutschen Wirtschaft. Später kamen Mittelstandsförderung und finanzielle Entwicklungszusammenarbeit hinzu. Die Kredi- <?page no="438"?> 438 Glossar te werden über Geschäftsbanken ausgereicht („Hausbankprinzip“). Die KfW unterhielt und unterhält verschiedene Programme zur Förderung erneuerbarer Energien. Konversionsfläche Bei einer Konversionsfläche handelt es sich um die Wiedereingliederung einer Brachfläche in den Wirtschaftskreislauf. Oftmals wird dieser Begriff im Zusammenhang mit der Umnutzung von ehemaligen militärischen Flächen für zivile Zwecke verwendet. PV-Projekte dürfen nicht mehr auf Ackerflächen errichtet werden. Deshalb gewinnen andere Flächen, wie z.B. die Konversionsfläche an Bedeutung. Was eine Konversionsfläche in Bezug auf das EEG ist, beantwortet die Clearingstelle EEG in ihrem Votum 2010/ 2: Eine Konversionsfläche ist eine Fläche deren „ökologischer Wert infolge der ursprünglichen wirtschaftlichen und militärischen Nutzung schwerwiegend beeinträchtigt ist“. Auf solchen Flächen dürfen entsprechend PV-Projekte errichtet werden. Konzentrationswirkung Im öffentlichen Recht bezeichnet die Konzentrationswirkung die fachübergreifende Prüfung von Genehmigungsvoraussetzungen durch eine Genehmigungsbehörde. So prüft die Behörde für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung inzident auch das Vorliegen der Voraussetzungen für andere, ebenfalls erforderliche Genehmigungen z.B. nach Wasser-, Bau-, Abfall-, und Düngemittelrecht. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung deckt daher die anderen erforderlichen Genehmigungen mit ab, ohne dass es einer weiteren Antragstellung bedarf. Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) Nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) werden gleichzeitig elektrische Energie und Wärme bereitgestellt: Mechanische Energie wird dabei in elektrischen Strom umgewandelt; die bei diesem Prozess entstehende Wärme wird als Heiz- oder Prozesswärme genutzt. Das Verfahren der Kraft-Wärme-Kopplung kann auch in Anlagen angewendet werden, die mit Biomasse, Geothermie oder Solarenergie betrieben werden. KWK-Anlagen gibt es in verschiedenen Größenklassen, deren Spektrum Kraftwerke mit einer Leistung von mehreren hundert Megawatt bis zu wenigen Kilowatt umfasst. Kreditrationierung Ausschluss von potenziellen Kreditnehmern von der Kreditvergabe, obwohl sie in der Lage und willens wären, Zins (inkl. Risikoprämie) und Tilgung zu leisten. Das Problem trifft insbesondere kleine und mittlere Unternehmen mit geringen Sicherheiten und kann dort auftreffen, wo Unsicherheit über die Qualität und das Verhalten der Kreditnehmer besteht. Kupon Zinsschein (= Urkunde, die zur Einlösung eines Zinses berechtigt); synonym verwendet für Nominalzins einer Anleihe. Liefercontracting Contracting Liquidität Fähigkeit eines Unternehmens, seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können. <?page no="439"?> Glossar 439 Lost in Hole Deckung Versicherung des bohrtechnischen Risikos wie die Bergung verlorener Gegenstände (z.B. von Bohrgerät, das nicht wieder freibekommen werden kann). Marktprämienmodell Das Marktprämienmodell beschreibt die geförderte Direktvermarktung von Strom aus erneuerbaren Energien und aus Grubengas an der Strombörse, die durch das EEG 2014 für Neuanlagen zum Regelfall wird. Danach können Anlagenbetreiber für Strom, den sie direkt vermarkten und der tatsächlich eingespeist sowie von einem Dritten abgenommen worden ist, von dem Netzbetreiber eine Marktprämie verlangen. Maschinenversicherung Ursprünglich für die Versicherung von Dampfkesseln entwickelt, sichert sie unvorhergesehen eingetretene Sachschäden an Maschinen ab, die auch mit dem Betrieb zusammenhängen können. Beispiele sind Schäden durch menschliches Versagen, technische Gefahren und mehr. Maschinenverzeichnis Versichert sind die Sachen, die in dem dem Versicherungsvertrag beigefügten Maschinenverzeichnis gelistet sind. Es ist zu beachten, dass das Verzeichnis vollständig ist, was aber auch durch einen pauschalen Ansatz erreicht werden kann. Merit-Order-Effekt Als Merit-Order-Effekt wird die preisdämpfende Wirkung der Erneuerbaren Energien auf die Großhandelspreise (Börsenpreise) für Strom bezeichnet. Aufgrund des zunehmenden Angebots an Strom aus regenerativen Quellen sinkt die Nachfrage nach konventionell erzeugtem Strom: Entsprechend der Merit-Order (Einsatzreihenfolge der Kraftwerke nach deren kurzfristigen Grenzkosten) werden Kraftwerke mit höheren variablen Kosten vom Markt verdrängt, sodass Kraftwerke mit niedrigeren variablen Kosten den Preis bestimmen. Mezzanine-Finanzierung Als Mezzanine-Finanzierung werden solche Finanzierungen bezeichnet, die von der Ausgestaltung her zwischen Eigen- und Fremdkapital stehen. Neben den Genussrechten gehören dazu z.B. stille Beteiligungen und nachrangige Darlehen bzw. partiarische Darlehen (hier wird der Zins in Abhängigkeit von Umsatz oder Gewinn bemessen). Mindestrendite (Hurdle Rate) Da Projektinvestitionen immer mit Risiken verbunden sind, müssen diese immer mit einer bestimmten Mindestrendite versehen sein um eine Kapitalbindung zu rechtfertigen. Je nach Investor variiert diese Mindestrendite. Minoritätsbeteiligung Minderheitsbeteiligung; Beteiligung mit weniger als 50 % des Kapitals. Je nach Gesellschaftsform sind mit der Beteiligung Minderheitenrechte verbunden; eine Sperrminorität besteht regelmäßig bei einer Beteiligung ab 25 %. <?page no="440"?> 440 Glossar Montageversicherung Versicherung des Sachschadens, der während der Montagezeit eintritt. In der Regel läuft sie bis zum Ende der Montage einschließlich des Probebetriebes. Montage-Betriebsunterbrechungsversicherung Versicherung des Vermögensfolgeschadens durch verspätete Inbetriebnahme nach einem Sachschaden während der Montage. Nachrangdarlehen Englisch: junior debt oder subordinated loans. Darlehen, bei dem sich die Kreditgeber damit einverstanden erklären, im Insolvenzfall erst nach anderen Gläubigern bedient zu werden (Rangrücktritt, Nachrangabrede). Anders als bei vorrangigen Darlehen ist keine Banklizenz erforderlich. Der Gesetzgeber plant jedoch, die Prospektpflicht auf Nachrangdarlehen auszuweiten. Nahwärmenetz Im Nahwärmenetz wird Energie in Form von Wärme von einer meist zentralen Wärmequelle an die Verbraucher geliefert. Die Wärme kann durch Biogasanlagen, Holzhackschnitzelanlagen, Abwärme von Industrieanlagen, Heizkraftwerken oder zentralen Solarthermieanlagen geliefert werden. Durch die zentrale Bereitstellung wird die Energie deutlich effizienter genutzt. Negativerklärung Eine Negativerklärung regelt, dass für näher bezeichnete Forderungen ebenfalls Sicherheiten zu bestellen sind, wenn dies für andere Finanzverbindlichkeiten erfolgt. Sowohl die relevanten Finanzverbindlichkeiten als auch der Umfang zu bestellender Sicherheiten kann dabei sehr unterschiedlich ausgestaltet sein Netto Cash Flow Der Netto Cash Flow stellt die Differenz aus ein- und ausgehenden Zahlungsströmen, unter Berücksichtigung von Ersatzinvestitionen, dar. Bei einem Cash Flow related Lending wird bei der Berechnung des Engagements ausschließlich oder aber im Wesentlichen auf den zukünftigen Netto Cash Flow des Projekts abgestellt. Nicht-finanzielle Investitionsmotive Als nicht-finanzielle Investitionsmotive lassen sich Beweggründe für eine Investition zusammenfassen, die einen überwiegend sozialen Nutzen versprechen, etwa Anerkennung, Umsetzung politischer Ziele, Weiterentwicklung der sozialen Gemeinschaft, etc. Non-Recourse-Finanzierung Bei dieser Finanzierungsart wird der Rückgriff des Kreditgebers beschränkt. Die finanzierende Bank hat zur Tilgung des gewährten Darlehens lediglich Zugriff auf die erzielten Einnahmen aus dem Projekt sowie auf die Eigenkapitalanlage der Projektgesellschaft. Eine darüber hinausgehende, persönliche Haftung ist ausgeschlossen. Offshore-Windenergie Hier wird die Windenergie an Standorten im Meer gewonnen. Es handelt sich um eine der jüngsten regenerativen Energiequellen mit hohem Potenzial bei gleichzeitig hohen Anforderungen an Errichtung, Inbetriebnahme und Betrieb. <?page no="441"?> Glossar 441 Over-the-Counter (OTC)-Markt Der Over-The-Counter (OTC)-Markt ist der außerbörsliche Handelsplatz, um Geschäfte mit anderen Marktteilnehmern (z.B. Banken, Versicherungen) zu schließen. Die hier geschlossenen Verträge über den Austausch von Finanzprodukten sind keine standardisierten Vereinbarungen, sondern individuell gestaltete Verträge. PAC (Provisional Acceptance Certificate) In der Regel der Beginn des Gewährleistungszeitraums und des Gefahrenübergangs nach der vorläufigen Abnahme. Patronatserklärung Erklärung eines Unternehmens, sein Tochterunternehmen so auszustatten, dass es seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. Performance Ratio Die Perfomance Ratio (PR) ist eine zentrale Kennzahl bei PV-Projekten, wobei diese Kennzahl das Verhältnis zwischen dem tatsächlichen Nutzertrag und dem Sollertrag einer Anlage beschreibt. Der Sollertrag ist der Ertrag den die PV-Anlage unter Standard-Testbedingungen und bei einem Wechselrichterwirkungsgrad von 100 % produzieren würde. Durch Verschattung, Erwärmung, Leitungs- und Wechselrichterverluste ist ein Wert von 100 % real nicht erreichbar. Die PR sollte mindestens 70 % erreichen und liegt bei leistungsfähigen PV-Projekten bei etwa 80 %. Der optimale Berechnungszeitraum beträgt ein Jahr. Photovoltaik Photovoltaik bezeichnet die direkte Umwandlung von Lichtenergie (meist aus Sonnenlicht) in elektrische Energie mittels Solarzellen. Photovoltaik findet u.a. Anwendung auf Dachflächen oder Freiflächen. Photovoltaik-Aufdachanlage Die Aufdachanlage ist die häufigste Anlageform von Photovoltaik. Diese Anlagen werden meist nachträglich auf Dächern von Häusern installiert, wobei das vorhandene Gebäude die Unterkonstruktion für die PV-Anlage trägt. Für Aufdachanlagen ist die jeweils höchstmögliche Förderung möglich, da der Gesetzgeber die Dachflächen als bereits vorhandene „natürliche“ Empfangsflächen, ohne zusätzlichen Flächenbedarf, betrachtet. Photovoltaik-Freiflächenanlage Eine Photovoltaik-Freiflächenanlage ist ebenerdig auf einer freien Fläche aufgestellt. Es ist ein fest montiertes System, bei dem mittels einer Unterkonstruktion die Photovoltaikmodule in einem bestimmten Winkel zur Sonne (Azimut) ausgerichtet werden. Neben diesen fest montierten Freiflächenanlagen gibt es auch nachgeführte Anlagen, sog. Tracker-Systeme, die dem Stand der Sonne folgen. Präklusionswirkung Ist eine gesetzliche Präklusionswirkung vorgesehen, bedeutet dies, dass ein bestimmter Sachvortrag nur dann in einem späteren Verfahren berücksichtigt wird, wenn er bereits vor dem Zeitpunkt der Präklusion vorgetragen wurde. Erstmalig nach diesem Zeit- <?page no="442"?> 442 Glossar punkt vorgetragene Tatsachen sind präkludiert, d.h. werden für die Entscheidungsfindung nicht mehr berücksichtigt. Private Finance Initiative (PFI) In Großbritannien stellt die PFI eine Unterform der PPP dar, welche insbesondere auf die langfristige Finanzierung mit Hilfe von privaten Investoren abstellt. Projektanleihe Anleihe Projekt IRR Berechnungslogik IRR. Die Berechnung des Projekt IRRs berücksichtigt keine Finanzierungsherkunft, d.h. sie unterstellt, dass mit 100% EK finanziert wird. Public Private Partnership (PPP) Zur Entlastung der öffentlichen Haushalte werden gewisse, von der Bevölkerung benötigte Einrichtungen (z.B. Gefängnisse, Schulen, Straßentunnel etc.) von der Regierung ausgeschrieben und vom privaten Sektor umgesetzt. Die öffentliche Hand bleibt noch im Projekt involviert, bspw. über garantierte Mindestumsätze, überträgt jedoch viele der Risiken auf die Privatwirtschaft und baut auf dessen Kompetenz zur erfolgreichen Umsetzung. Qualitätssegmente der Börsen Dies sind Segmente, die nach den Regelwerken der Börsen besonderen Regelungen unterliegen. Rating Rating ist im Finanzwesen eine Einschätzung der Bonität eines Schuldners. Häufig werden die Ratings durch eigens hierauf spezialisierte Ratingagenturen in Form von Ratingcodes von A bis D vergeben. Rekommunalisierung Im Zuge einer Rekommunalisierung werden Aufgaben und Vermögen, die durch Privatisierung aus der kommunalen Verwaltung herausgelöst worden sind, wieder in Organisationsformen des öffentlichen Rechts zurückgeführt. Repowering Durch das Repowering werden ältere EE-Anlage durch neuere und leistungsstärkere Anlagen ersetzt. Restrukturierung Maßnahmen zur Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit. Sachschaden Einwirkung auf eine Sache, die zu einer Minderung des Wertes oder der Brauchbarkeit führt. Sachversicherung Versicherung des Sachschadens (z.B. Feuer, Naturgefahren, Maschinenbruch). Typische Sachversicherungen sind die Feuer-, Maschinen-, Transport- und Montageversi- <?page no="443"?> Glossar 443 cherungen sowie die zugehörigen Versicherungen des Vermögensfolgeschadens. Im Gegensatz zur Haftpflichtversicherung werden in der Regel eigene Sachen (Gebäude, Maschinen, Anlagen) versichert. In vielen Fällen ist die Ersatzleistung verschuldensunabhängig. Scoping Im einigen öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren (z.B. nach dem BIm- SchG) sehen einige Gesetze Scoping-Termine vor. Dieses sind der Entscheidung über den Antrag vorgeschaltete Termine mit dem Antragsteller, dem Vorhabenträger, der Genehmigungsbehörde, Gutachtern und ggf. anderen Fachbehörden, die die Abgrenzung des Untersuchungsrahmens, die Eingrenzung der vorhabenbedingten, projektspezifischen, inhaltlichen und methodischen Fragestellungen sowie eine frühzeitige Diskussion der Teilnehmer über die Voraussetzungen der Genehmigung ermöglichen. Securitization Verbriefung Selbstbehalt Der Selbstbehalt wird vom Versicherungsnehmer getragen und von der Entschädigung abgezogen. Selbstschuldnerische Bürgschaft Der Bürge verpflichtet sich, für die Erfüllung der Verbindlichkeiten eines anderen unmittelbar einzustehen, als wäre er selbst der Schuldner, und verzichtet zugleich darauf, die Zahlung solange zu verweigern, bis alle anderen Mittel ausgeschöpft sind (Verzicht auf die Einrede der Vorausklage, § 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Sideletter Neben-/ Zusatzvereinbarung zu einem Vertrag. Solvency II Die EU-Richtlinie 2009/ 138/ EG Solvabilität II regelt das Versicherungsaufsichtsrecht in den Staaten der Europäischen Union und hat die Harmonisierung der Versicherungsaufsicht in den Mitgliedsstaaten zum Ziel. Im Fokus stehen die Anforderungen an die Kapitalausstattung, das Risikomanagement und ein einheitliches Berichtswesen von Versicherungsunternehmen. Nach dem Vorschlag der EU-Kommission soll Solvency II zum 1. Januar 2016 in Kraft treten. Sparbrief Von einem Kreditinstitut ausgegebenes, festverzinsliches Anlageprodukt. Bei Klima- Sparbriefen verpflichten sich die Banken, das Geld für die Finanzierung von Klimaschutzprojekten, etwa Erneuerbare-Energien-Anlagen, einzusetzen. Special Purpose Vehicle (SPV) Auch Special Purpose Company oder Special Purpose Entity. Zweckgesellschaft, die für einen bestimmten, klar abgegrenzten, z.T. auch zeitlich begrenzten, Zweck gegründet wird. Bei größeren EE-Projekten wird häufig ein SPV zur Durchführung des Projektes gegründet, um die Sponsoren von den finanziellen Risiken des Projektes abzuschirmen. <?page no="444"?> 444 Glossar Spread Der Spread bezeichnet eine Preisdifferenz, in diesem Falle die Differenz zwischen den Strompreisen in Zeiten mit hoher Nachfrage (Peak) und den Preisen in Zeiten mit niedriger Nachfrage (Off-Peak). Störstoffe Störstoffe umfassen alle Inhaltsstoffe in einer Biomasse, die sich negativ auf den Biomassenutzungsprozess auswirken. Dies können z.B. Steine sein aber auch Inhaltstoffe, die die mikrobiologische Biogasbildung behindern (z.B. Toxine von Schimmelpilzen, Antibiotika, Desinfektionsmittel etc.). Strategische Investoren Investitionen hängen nicht immer nur von der zu erwartenden Rendite, sondern auch vom weiteren Nutzen für den Investor ab. Markteintritte, Neue Technologien und eine Erweiterung des Unternehmensfokus sind bspw. Gründe, Investitionen zu tätigen, die nicht (ausschließlich) durch die Renditeträchtigkeit des Projekts gesteuert werden. Kapitalgeber für solche Unterfangen sind strategische Investoren. Stromabnahmeverträge (Power Purchase Agreement, PPA) Aus Finanzierungssicht stehen bei Energieprojekten zwei Formen der Stromabnahme zur Verfügung: zum einen zum volatilen Preis an der Strombörse und zum anderen zu einem vorher vereinbarten Wert über einen Abnahmevertrag. Die zweite Möglichkeit ist aus Risikogesichtspunkten die bevorzugte Variante, da bei einem wirtschaftlich starken Abnehmer der Rückfluss bei ordentlichem Projektbetrieb über die Laufzeit planbar ist. Strombörse An der Strombörse wird Strom auf verschiedene Arten gehandelt. Relevant für Strom aus Erneuerbaren Energien sind dabei insbesondere die Day-ahead-Auktion und der Intradayhandel. Für den kurzfristigen Stromgroßhandel in Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz steht die europäische Strombörse European Power Exchange (EPEX SPOT SE) zur Verfügung. Nähere Informationen finden sich unter: http: / / www.epex spot.com/ de/ . Stromeinspeisegesetz Das deutsche Stromeinspeisegesetz (StromEinsG; „Gesetz über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz“), trat am 1. Januar 1991 als Einspruchsgesetz in Kraft und war der Vorläufer des Erneuerbare-Energien- Gesetzes, von dem es am 1. April 2000 abgelöst wurde. Das Gesetz regelte erstmals die Verpflichtung der Elektrizitätsversorgungsunternehmen, elektrische Energie aus regenerativen Umwandlungsprozessen abnehmen und vergüten zu müssen. Substratqualität Die Substratqualität bezieht sich auf die Inhaltsstoffe der Biomasse in Bezug auf den Nutzungsweg. Bei Biogasanlagen umfasst die Substratqualität meist Parameter wie den Wassergehalt, den Aschegehalt sowie die Anteile unterschiedlich leicht biologisch abbaubarer Fraktionen (z.B. Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße, Zellulose, Hemizellulose, <?page no="445"?> Glossar 445 Lignin). Darüber hinaus ist der Gehalt an Störstoffen ein wichtiges Kriterium für die Substratqualität. Weiterhin können physikalische Stoffparameter (Korngröße, Faserlänge etc.) die Substratqualität beschreiben. Systemdienstleistungen Systemdienstleistungen sind Dienstleistungen, die die Übertragungsnetzbetreiber für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Stromnetzes erbringen, z.B. Frequenz- und Spannungshaltung. Betreiber von Erzeugungsanlagen zur Produktion Erneuerbarer Energien, insbesondere Biogasanlagenbetreiber können, z.B. durch zeitweilige Abschaltung ihrer Anlagen negative Regelleistung bereitstellen, die dem Übertragungsnetzbetreiber helfen, die Frequenzhaltung zu gewährleisten. Term Sheet Ein Term Sheet ist eine Absichtserklärung zwischen der finanzierenden Bank und dem Kreditnehmer, welche eine in der Regel rechtlich unverbindliche erste Gliederung des Projektes darstellt. Track Record Historische Performance (Referenzliste, Leistungsbilanz) einer natürlichen oder juristischen Person. Turnkey (Engineering Procurement Construction, EPC) Bei Turnkey-Verträgen agiert ein Generalunternehmer, durchaus auch mehrere Parteien im Konsortium, als Verantwortlicher für die Fertigstellung des Projekts. Dies geschieht auf Basis eines vorab definierten Preises und Datums. Somit wird das Risiko der fristgerechten Inbetriebnahme auf den Generalunternehmer abgewälzt. Übertragungsnetze Das Stromnetz besteht aus Übertragungsnetzen und Verteilnetzen. Über die - in Deutschland rund 35.000 Kilometer langen - Übertragungsnetze wird Strom auf Höchstspannungsebene (220 oder 380 Kilovolt) über große Distanzen transportiert. Die Übertragungsnetze in Deutschland sind in vier Regelzonen unterteilt, wobei jeder der vier Übertragungsnetzbetreiber (50 Hertz, Amprion, TenneT TSO und Transnet BW) für die Höchstspannungsleitungen in einer Regelzone verantwortlich ist. Unbeplanter Innenbereich Im Bauplanungsrecht ist der unbeplante Innenbereich abzugrenzen von den Bereichen, die innerhalb des Geltungsbereiches eines Bebauungsplanes liegen. Ein solcher Bebauungsplan liegt für den unbeplanten Innenbereich nicht vor. Für die Abgrenzung zum Außenbereich dient das Vorhandensein eines Bebauungszusammenhangs, der einem Ortsteil angehört. Valutierung Werststellung; Datum, ab dem der Betrag das erste Mal verzinst wird. Venture Philanthropy Venture Philanthropy verbindet Wohltätigkeit mit der Organisationsform des Unternehmens, hier also des sozialen Unternehmens, das nicht vorwiegend oder ausschließ- <?page no="446"?> 446 Glossar lich der Gewinnerzielung dient, sondern in erster Linie gemeinnützige Ziele (gesellschaftliche, ökologische, kulturelle oder medizinische Ziele) verfolgt. Venture Philanthropy setzt seine Projekte sowohl durch Spenden als auch durch Soziale Investitionen um. Verbriefung Im engeren Sinne bedeutet Verbriefung die Ausstellung einer Urkunde, durch die aus Schuldrechten fungible Wertpapiere werden. Meist wird aber nicht die Ausstellung der Urkunde sondern im weiteren Sinne die Zusammenfassung gleichartige Forderungen unterschiedlicher Schuldner und deren Einführung in den Wertpapierhandel als Verbriefung verstanden. Vermögensfolgeschaden Umsatzausfälle oder Mehrkosten aufgrund eines Sachschadens an der eigenen Anlage oder Anlagen Dritter (z.B. Sachschaden am Umspannwerk des Netzbetreibers). Verteilnetze Über die Verteilnetze wird der Strom über örtliche Leitungen zum Endverbraucher transportiert. Die Verteilnetze umfassen drei Spannungsebenen (Hochspannung: 110 Kilovolt; Mittelspannung: 10 bis 30 Kilovolt; Niederspannung: 0,4 Kilovolt) und addieren sich in Deutschland auf eine Länge von 1,7 Mio. Kilometer. Vorgesellschaft Als Vorgesellschaft werden die Zusammenschlüsse von Gesellschaftern bis zur Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister bezeichnet. Erst dann entsteht die eigentliche Gesellschaft. Jedoch sollen auch vor der Eintragung in das Handelsregister schon Rechtswirkungen von der Vorgesellschaft ausgehen. Vorlaufkosten Vorlaufkosten bei Wind und Photovoltaikprojekten sind durch die entsprechenden Voruntersuchungen, Planungen, Genehmigungen und Verhandlungen zur Sicherung der Fläche bedingt. Gerade bei Windenergieprojekten, bei denen langfristige Messungen und umfängliche Umweltverträglichkeitsuntersuchungen nötig sind, können diese erheblich sein. Swap Ein Swap (engl. Swap = Tausch) ist eine Vereinbarung zwischen zwei Marktteilnehmern, in der Zukunft Cashflows auszutauschen. Dabei werden z.B. Zahlungen mit einem festen Zinssatz gegen variable Zahlungen getauscht. Es werden aber nicht die absoluten Beträge ausgetauscht, sondern lediglich der Differenzbetrag. Eine Auszahlung des vereinbarten Nominalbetrags findet nicht statt. Terminmarkt Am Terminmarkt wird mittels sogenannter Termingeschäfte zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Vertrag auf ein in der Zukunft liegendes Geschäft abgeschlossen. <?page no="447"?> Glossar 447 Transaktionskosten Kosten, die im Zusammenhang mit einer Transaktion - der Benutzung von Markt oder Hierarchie - entstehen. Dazu zählen Verhandlungs- und Informationskosten, Kosten für die Überwachung sowie solche für die Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen. Transportversicherung Versicherung des Sachschadens, der während des Transports eintritt. Wetterderivate Bei Wetterderivaten handelt es sich um derivative und innovative Finanzprodukte, die auf Daten wie Niederschlagsmenge (Regen-, Schneehöhe), Regentage, Sonnenstunden, Lufttemperatur oder Windgeschwindigkeit basieren. Windenergie Unter Windenergie versteht man die Bewegungsenergie (kinetische Energie) der Luftströmung. Sie wird heute nahezu ausschließlich über Windkraftanlagen genutzt. Dabei wird ein Rotor durch die Luftströmung in Drehung versetzt, der mittels Drehachse einen Stromgenerator antreibt. Windenergieanlagen können in allen Klimazonen, auf See und in allen Landformen (Küste, Binnenland, Gebirge) zur Stromerzeugung eingesetzt werden. Unterschieden wird häufig nur zwischen der Windenergienutzung an Land (onshore) sowie der Nutzung auf See (offshore). Windenergieanlage (WEA) Windenergieanlagen dienen der Umwandlung von Windkraft in elektrische Leistung. Wesentliche Bestandteile sind das Fundament, der Turm, die häufig im Turm untergebrachte E-Unit mit der Hauptfunktion der Umspannung, die Gondel - auch Maschinenhaus genannt − sowie der Rotorstern. Der Rotorstern besteht aus Nabe und meist 3 Rotorblättern. Zins-Cap Ein Zins-Cap ist eine vertragliche Vereinbarung, in der sich der Verkäufer des Caps verpflichtet, während der vereinbarten Laufzeit an den Käufer immer dann eine Ausgleichszahlung zu leisten, wenn der Referenzzins (z.B. EURIBOR) zu Beginn der Referenzperioden die vereinbarte Zinsobergrenze (die sog. „strike rate“ oder nur „strike“) übersteigt. Zins-Swap Eine Zins-Swap-Vereinbarung ist ein Tauschgeschäft zwischen zwei Marktpartnern, bei dem wechselseitig Zinszahlungsverbindlichkeiten übernommen werden. In der einfachsten Variante, dem sog. Plain-Vanilla-Swap, vereinbaren zwei Parteien, eingegangene Zinsverpflichtungen - eine fest und eine variabel verzinst - die hinsichtlich Betrag, Währung und Laufzeit gleich sind, für die Vertragslaufzeit auszutauschen. Derartige Swaptransaktionen erlauben somit die Überführung von variabel verzinsten Positionen in festverzinsliche et vice versa. Damit sind Zinsswaps für Investoren in EE-Projekten eine Möglichkeit, sich gegen Zinserhöhungen von variabel verzinslichen Darlehensbausteinen abzusichern. <?page no="448"?> 448 Glossar Zinsänderungsrisiko Als Zinsänderungsrisiko versteht man die Abweichung eines Zinssatzes in der Zukunft von einem erwarteten Wert. Da Zinsen von einer Vielzahl an Faktoren abhängen, sind Prognosen über den zukünftigen Verlauf der Zinsstrukturkurve mit Unsicherheit behaftet. Zinsrisiken sind Marktrisiken. <?page no="449"?> Index A Abfallbiomasse 197 Abfälle 178 Abnahmeprozedere 170 Abnahmevorrang 116f. Abtretung 32, 166ff., 259, 321, 359 Akzeptanz 198 Allgefahrensachversicherung 253 Allgefahrenversicherung 253, 267, 271ff., 425 Anlagentechnik 176ff., 181ff., 186 Anlegerschutz 129f. Anleihe 69, 282, 345ff., 404ff., 425, 437f. Anleihebedingungen 349ff. Annuität 332ff., 425 Anschluss- und Abnahmevorrang 116 Anzahlungssicherheit 168 atmender Deckel 121, 425 Ausfallvergütung 120, 425 Ausgleichsenergie 189f. ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) 163f., 426 Ausschreibungsmodell 54, 125f. Average Temperature (AvT) Indizes 290 B Backwardation 285 BAFA 389f., 397ff. BaFin 129, 355, 373 Bankability 246ff., 426 Banken 32ff., 60ff., 84ff., 305ff., 312ff., 334ff., 339ff., 359ff. Basel III 61 f., 426 Basiswert/ Underlying 279, 284, 289 ff. BauGB 133 f. Bauzeitenplan 251 Belegschaftsenergiegenossenschaften 416, 419 f. Bestandsanlagen 119 f., 123 f. Bestandsschutz 116, 123 ff. Beteiligungsmodell 126 Betriebsführungsverträge 172 Betriebsrat 419 Betriebsunterbrechungsversicherung 253 Bilanzierung 118, 314 f. BImSchG 130 ff., 222, 427 Biodiesel 201 f., 207 ff., 222, 224 f., 427 Bioerdgas 176, 427 Bioethanol 201 f., 207 ff., 213 f., 222 ff., 427 Biogasanlage 76, 133, 167 ff., 187, 198 ff., 269 f., 302, 428 Biogasaufbereitung 176, 187 Biokraftstoff 201 ff., 278 f., 428 Biomasse 58 f., 96, 121, 153, 175 ff., 183 f., 187, 194 ff., 278 f. feste 176, 179, 183 Biomasseheizkraftwerk 176, 187 Biomasseheizwerk 176 Biomassekosten 59, 194 Biomethan 176 f., 191, 279, 428 Biomethaneinspeisung 176 f., 187, 191 Blankoanteil 334 ff., 338 Blockheizkraftwerk 176, 303, 380, 428 <?page no="450"?> 450 Index Börse 215 f., 282 ff., 292 f., 298, 300, 314, 317 ff., 345, 350 ff., 360 ff., 411 f., 442 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) 130 ff., 222, 427 Bürgeranleihe 349, 351 f., 362, 404, 408 ff. Bürgerbeteiligung 69, 97, 101, 126, 129 f., 404 ff., 413 f. Bürgerenergie 89 f., 92 ff., 97 ff., 100, 375, 428 C Cash Flow 32, 41 f., 317 f., 334, 429 Cash-Sweep 332 ff., 429 Change of Control 353, 429 Chicago Mercantile Exchange (CME) 292 Contango 285 Contracting 66, 380, 429 Convenience Yield 285 f. Cooling-Degree-Days 290 Cost of Carry 285 Crew Transfer Vessel 236 Cross-Hedge 288 D Debt Service Coverage Ratio 42, 258, 334, 430 Debt Service Reserve Account 44 Degradation 253, 272 Degree-Day-Indizes 290 Derivate 211 f., 215 ff., 277 ff., 447 Dezentralisierung 50 Dienstbarkeit Ausübungsstelle 150 beschränkte persönliche 148 ff., 155 Fortbestand 149 Löschung 152 nachrangige 150 Sicherungs- 149 Unübertragbarkeit der beschränkten persönlichen 151 Dienstbarkeit, (Eigentümer-) 141 Dienstbarkeiten, Leitungs- 149 Direktvereinbarung 158, 166 Direktvermarktung 113, 117 ff., 124 ff., 343, 425, 429, 439 DSCR 42, 258, 334, 430 Due Diligence 36 f., 111 ff., 126, 139, 165, 430 E EEG 53, 76, 78 ff., 98, 110 ff., 115 ff., 176, 188 f., 244 ff., 425, 427, 430, 432, 436, 439 EEG-Umlage 98, 117, 122 ff., 430 Eigenkapital 32, 42 ff., 61 f., 66 f., 96, 305 ff., 312, 314 ff., 322, 333, 348, 396, 430 Eigenkapitalrentabilität 43 Eigenstromverbrauch 98, 197 Eigenstromversorgung 416, 420, 430 Eigentümerdienstbarkeit 141 Eigenversorger 124 Eigenversorgung 118, 121 ff., 430 f. Einheitspreisverträge 170 Einsatzstoffklassen-Bonus 188 f. Einsparcontracting 380 Einspeisevergütung 113, 117 ff., 121, 123, 125, 188, 240, 298 ff., 304, 307, 343, 431 Eintrittsrecht 147, 158 Einzelvergabe 165 Emission 179, 360, 362, 431 Emissionshaus 298, 304, 307 f. Energiebezug 94, 98 <?page no="451"?> Index 451 Energieeffizienz 386, 388, 416 Energiegenossenschaften 90, 367 ff., 415 ff., 431 Energy-only-Markt 53, 431 Engineering Procurement Construction 165, 432 EPC (Engineering Procurement Construction) 165, 432 EPCM-Contractor (Engineering, Procurement, Construction Management) 165, 432 Equity IRR 256, 432 Erbbaurecht 142 an einem Gebäudeteil 143 Erneuerbare Energien-Gesetz s. EEG Erneuerbare Energien-Fonds 300 Ersatzteilegarantie 250 Ertragsgarantie 274 F Feasibility Study 37, 203 Fehlgärung 183 Fermenter 180 Fernsteuerbarkeit 119, 432 Fertigstellungsphase 246 Fertigstellungsrisiko 246 Fertigstellungstermin 251 Festverzinsung 97, 280 f., 324 Festzinsvereinbarung 280 Financial Model 40 Finanzierungshilfen 386 f., 389, 395 f., 433 Finanzierungskosten 285 f. Finanzinvestoren 45, 92 ff., 97 f., 433 Flächensicherung 114, 433 Förderdarlehen 341 Forward 197, 284 Forward Rate 280 Forward Rate Agreements 280, 433 Fremdkapital 40, 42 ff., 66, 85, 220, 305 ff., 314 f., 322 f., 348 Fündigkeitsrisiko 275 Fungibilität 300, 319, 326, 434 Future-Preis 285 f. Futures 197, 281 ff., 292, 434 Wetter- 292 Zins- 282 G GAP-Deckung 273, 434 Garantieverlängerung 250 Gärprodukte 190, 191 Gärrest 179, 188, 434 Gasabsatzvertrag 191 Gebietsmonopole der Stadtwerke 404 Gefahr, versicherte 269 Genehmigungen 112, 114, 128, 130 ff., 204, 308 Generalübernehmer 165, 434 Generalübernehmer-(GÜ)-Vertrag 246 Generalunternehmer 165, 434 Genossenschaft 127 ff., 367 ff., 417, 435 Genossenschaftsregister 128, 372 Genussrecht 311 ff., 348, 435 Genussrechtsregister 319 ff., 435 Genussschein 312, 314, 317, 319 ff., 435 Gesellschafterrechte 322 Gewährleistungssicherheiten 167 f. GmbH 127 ff., 379 Gradtageszahlenindex 291 Grundstück, wesentlicher Bestandteil 153 Grundstücksverträge mit Verbrauchern, Widerruf 157 <?page no="452"?> 452 Index Grünstromprivileg 117, 436 solares 118 GÜ-Vertrag 165, 246 f., 250 f. H Haftpflichtversicherung 275, 436 Haftungsausschlüsse 170 Hamburg Energie 403 ff. Handelsplätze 283 f., 441 Handelsregister 114, 127 f., 446 Heating-Degree-Days 290 Hedge, Cross- 288 Hedger 282 Hedgingstrategien 286 Heilungsklauseln 145 Herstellergarantien 171 Hybridbond 348 I IEC-Normen 248 Informationspflichten 146, 158, 323, 351, 361 Infrastrukturfonds 65 Inhaberschuldverschreibungen 403 ff. Initial Margin 285 Initiator 308, 326 f., 349, 375 Insolvenz des Grundstückseigentümers 147 Instandhaltung 196 ff., 213 ff., 219 Interesse, versichertes 269 Investitionsentscheidung 38, 43, 71, 90 f., 94, 433 Investitionskosten für Photovoltaikanlagen 80 für Windenergieanlagen 79 Investitionsmotive 89 ff. finanzielle 96 ff., 432 nicht-finanzielle 99 ff., 440 Investitionsvolumina EE in Deutschland 81 Investoren in Erneuerbare Energien 59 ff., 84, 92 ff. IP-Rechte 169 IRR 59, 256 ff., 432, 437, 442 K Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) 129, 314, 373 Kapitaldienstdeckungsgrad 334 Kassapreis 283 KBF-Vertrag 253 KfW 62, 86, 258, 330, 341, 388 ff., 409, 437 Klimaschutz-Plus Förderprogramm 389 Kommanditgesellschaft (KG) 127 ff., 258, 298, 304, 374 f., 379, 436 Kommunen 67 f., 126, 375 f., 404 Kontrahentenrisiko 39, 284 Kündigungsrecht 140, 319, 349, 351 ff. Küstenmeer 163, 426 L Lagerhaltungskosten 285 f. Länderöffnungsklausel 133 Leistungsgarantie 249 Leistungswerte 169 Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 125 Leitungsdienstbarkeiten 149 Liability-Swap 281 Liefercontracting 380, 429 Lieferverzug 170 Long-Position 282 Löschungsbewilligung 152 Schubladen- 152 <?page no="453"?> Index 453 M Managementprämie 119, 120, 188, 245 Mangel 166, 169, 171, 265 Mängelhaftung 169 Margin Initial 285 Variation 285 Marginkonto 285 Marktprämie 114, 117 ff., 188 Marktprämienmodell 118, 119, 187 Marktrisiko 38 Mengenrisiko 253, 288 Merit-Order-Effekt 53, 439 Methanpotenzial 196 Mezzanine-Finanzierung 312, 316, 348, 457 Mietsicherheit 147 Mietvertrag Heilungsklauseln 145 Kündigung bei Vertragsverletzung 147 Schriftformerfordernis 143 ff. Mietzins 148 Mikroorganismen 184 Minutenreserve 190 Mittelstandsanleihen 364, 414 Module 246 ff. Montage-Betriebsunterbrechungsversicherung 267, 440 Montageversicherung 266, 440 N Nachbargrundstück 140 Nachrang 314, 318, 322, 348 Nachrangdarlehen 406, 440 Nahwärmenetz 368, 383 Nawaro 187 Nawaro-Bonus 188, 189 Negativerklärung 355, 440 Netzbetrieb, neutraler 49 Non recourse 32, 113, 258, 348, 440 Nordsee 229 Nutzungsentgelt 140 O öffentliche Hand 162 Öffentlichkeitsbeteiligung 131 Offshore-Windanlagen 163, 227 Offshore-Windenergie 227 Optionen, Wetter- 292 OTC-Handel 288 Over-The-Counter (OTC)-Markt 284 P Pauschalpreisverträge 170 Payer Swap 281 Performance Ratio 169, 254 Pflanzenöl 222 Philanthropy 91, 92 Photovoltaik 76 ff., 244, 274, 415 ff. Pilotausschreibungen 246 Planungshaftpflichtversicherung 167 Preisverträge Einheits- 170 Pauschal- 170 Produktgarantie 249 Project Bonds 347, 354 Projekt in der Gemeinschaft 101, 103 Projekt Informationsmemorandum (PIM) 37 <?page no="454"?> 454 Index Projektentwickler 142, 151, 164 Projektentwicklungsphase 246 Projektentwicklungsvertrag 165 Projektfinanzierung 31, 76 Prozessstörungen 182 f. R Raiffeisen 369 Rating 352, 363, 392, 442 Reallasten 153 Receiver Swap 281 Recourse 32 Reform des EEG 2014 115 Regelenergie 113, 189, 190 regionale Wertschöpfung 94, 99, 383 Rekommunalisierung 67 f., 442 Repowering 132, 442 Ressourcenrisiko 40 Reststoffe 178 Risiken 109, 137, 227, 304, 307, 308 biologische 175, 183 Chancen und - 309 politische 109, 188, 189 technische 175, 203, 233 Risikotransfer 288 Rohstoffbörsen 288 Rotorblätter 233 Rotorsterne 232 Rügepflicht 171 S Sache, versicherte 269 Sachschaden 265 Scheinbestandteil 141, 153, 155, 156, 162 Scheinbestandteilseigenschaft nachträgliche Begründung 156 Schriftformerfordernis 143 Schubladenlöschungsbewilligung 152 Sekundärreserve 190 Sellability 246 Short-Position 282 Sicherheiten 32, 44, 113, 114, 349, 359 Sicherheitenstruktur 167 Sicherungsabtretung von Subunternehmeransprüchen 168 Sicherungsdienstbarkeit 149 Sicherungsvereinbarung, unwirksame 168 Silierung 183 Soft Commodities 282 solares Grünstromprivileg 118 Solarthermie 244, 397 Solvency II 65, 443 Sparbriefe 406, 443 Sparkassen 306 Special Purpose Company 32 Spotpreis 283 Spread 189, 444 Stadtwerke 350, 404 stille Zession 167 Störstoffe 180 Störungen 184 Stromabnahmeverträge 38, 331, 444 Substrat 177 Substrate 180 Substratqualität 177, 181 Swap 281, 446 Payer - 281 <?page no="455"?> Index 455 Receiver - 281 Swaps Liability- 281 Wetter- 291 Zins- 198, 220, 281, 447 Systemdienstleistungen 178, 189 T Teaser 259 Termingeschäfte 284 bedingte 284 unbedingte 284 Terminmarkt 284 Transaktionsgebühr 284 Treuhandvertrag 356, 358 U Übernahmerecht hinsichtlich der Anlage 155 Übersäuerung 184 Übertragungsnetze 37, 49, 51, 52, 445 Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) 130, 134, 135 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) 134 Underlying 284, 289 Unternehmensanleihe 354 Unternehmensfinanzierung 31 Untersuchungs- und Rügepflicht 171 UVP 130, 134, 135 V Variation Margin 285 Venture Philanthropy 91, 92 Verlustbeteiligung 318, 324 VermAnlG 130 Vermieterpfandrecht 146 Vermögensanlagegesetz (VermAnlG) 129 versicherte Sache 269 Versicherungsort 269 Versicherungssumme 273 Verteilnetze 49, 50, 52 Vertrag zugunsten Dritter 160 Vertragserfüllungssicherheiten 167 Vertrieb 306, 308 Verweilzeiten 184 Vorauszahlung, Sicherheit 167 Vormerkung 160 Vor-Ort-Verstromung 188 W Warentermingeschäfte 282 Wartungs- und Betriebsführungsverträge 172 Wassertiefe 230 Weather Risk Management Association (WRMA) 290 Wechselrichter 247, 249 Wegerechte 149 Wellenhöhen 231 Wertschöpfung, regionale 94, 99, 383 Wetterderivate bedingte 288 unbedingte 288 Wetter-Futures 292 Wetter-Optionen 292 Wetter-Swaps 291 Widerruf von Grundstücksverträgen mit Verbrauchern 157 Windenergieanlagen 230, 447 Windgeschwindigkeiten 232 Windintensität 230 <?page no="456"?> 456 Index Windstärken 231 Wirkungsgrad 102, 248 Wirtschaftszone, ausschließliche 163 Witterung 230 Z Zahlungspläne 168 Zeitraum, versicherter 271 Zession, stille 167 Zinsänderungsrisiko 280, 448 Zinsänderungsrisikomanagement 280 Zinsbindungsfrist 280 Zins-Cap 340 Zinsfutures 282 Zinssicherung 340 Zins-Swaps 198, 281, 340
