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Service Management

Research on Operations Management and Marketing

0301
2014
978-3-7398-0368-5
978-3-8676-4487-7
UVK Verlag 
Hans Corsten
Ralf Gössinger
Anton Meyer

Obwohl sich Produktions- und Absatzprozesse bei Dienstleistungen zumindest partiell überlagern, gibt es nur wenige Versuche, die relevanten Erkenntnisse der beiden Forschungsstränge zu integrieren. Eine Bestandsaufnahme aktueller Forschungsarbeiten mit Ansatzpunkten zur integrativen Betrachtung, eine wechselseitige konstruktive kritische Reflexion der Forschungsergebnisse aus beiden Bereichen, aber auch eine Zusammenführung der unterschiedlichen Forschungsaktivitäten können dazu beitragen, verstärkt innovative Ansätze mit integrativem Anspruch zu generieren. Inhaltliche Themen des Buches sind demnach Kapazitätsmanagement, Revenue Management, Service Blueprinting, Modularisierung, Produktivitätsmanagement, Leistungsbündelgestaltung, Warteschlangenmanagement, Preismanagement, Kundenzufriedenheit bzw. -bindung, Qualitätsmanagement und -messung sowie Performance Measurement

<?page no="2"?> Hans Corsten / Ralf Gössinger / Anton Meyer (Hrsg.) Service Management Research on Operations Management and Marketing Post-Proceedings zur Frühjahrstagung 2013 der Erich-Gutenberg-Arbeitsgemeinschaft Köln e.V. UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz und München <?page no="3"?> Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. ISBN 978-3-86764-487-7 (Print) ISBN 978-3-7398-0368-5 (EPDF) Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2014 Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaus, Konstanz Druck und Bindung: CPI - Ebner & Spiegel, Ulm UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstraße 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de <?page no="4"?> Vorwort Dienstleistungen stellen insbesondere in den betriebswirtschaftlichen Gebieten der Produktionswirtschaft und des Marketing ein zentrales Forschungsobjekt dar. Obwohl sich Produktions- und Absatzprozesse bei Dienstleistungen zumindest partiell überlagern, gibt es nur wenige Versuche, die vorliegenden Erkenntnisse beider Forschungsstränge zu integrieren. Um aktuelle Forschungsergebnisse mit Ansatzpunkten zur integrierten Betrachtung einer konstruktiven kritischen Reflexion zu unterziehen, fand die Frühjahrstagung der Erich-Gutenberg-Arbeitsgemeinschaft Köln e.V. am 14. Juni 2013 zum Rahmenthema „Service Management - Research on Operations Management and Marketing“ im Universitätsclub Bonn statt. Präsentiert wurden aktuelle Forschungsarbeiten zur konzeptionellen Durchdringung, Modellierung und Lösung von Problemen des Dienstleistungsmanagement. Aus den eingereichten Beiträgen wurden sieben durch Doppelt-blind- Begutachtung für den vorliegenden Tagungsband ausgewählt. Im Aufsatz „Barrieretypen in der Dienstleistungsproduktion“ verknüpft Richter konzeptionelle Ansätze der betriebswirtschaftlichen und kognitionspsychologischen Problemlösungsforschung. Auf der Grundlage des Barrierebegriffs entwickelt er ein Akteur/ Phasen-Modell, mit dem sich Ansatzpunkte zur Gestaltung der Dienstleistungsinteraktion identifizieren lassen. Weiber und Wolf entwerfen einen konzeptionellen Ansatz zur Qualitätssicherung von Leistungsbündeln. Ausgehend von den Auswirkungen der Kundenintegration und -interaktion auf die Qualitätsunsicherheit arbeiten sie heraus, wie durch Quality Screening, Quality Processing und Quality Signaling im Kontext neuerer Informations- und Kommunikationstechnologien eine Unsicherheitsreduktion auf Anbieter- und Nachfragerseite erreicht werden kann. Mit dem „Drip Pricing“ greifen Robbert und Roth eine derzeit vor allem bei elektronischen Dienstleistungen genutzte neuartige Form der Preispräsentation auf. Sie identifizieren theoretische und empirische Bezugspunkte der sequentiellen Preispräsentation zur Preispartitionierung und zur Preisbündelung, leiten Bausteine eines theoretischen Rahmens für das Drip-pricing her und zeigen Forschungslücken auf. Anknüpfend an dem Rationalisierungsdruck bei medizinischen Dienstleistungen begründen Reuschl und Bouncken einen krankenhausspezifischen Produktivitätsindex, der die Produktivität der Vorkombination und der Endkombination separat misst, und zeigen Möglichkeiten eines darauf aufbauenden Benchmarking auf. Die vorgeschlagene Herangehensweise wird für einen Vergleich der Krankenhaussektoren von 10 deutschen Bundesländern auf der Grundlage statistischer Daten angewendet. Ein quantitativer Ansatz zur Modularisierung von Dienstleistungen wird von Corsten und Salewski vorgestellt. Um optimale Module zu finden, spezifizieren sie die entscheidungsrelevanten Kosten, die Prozessabhängigkeiten sowie die Handlungsalternativen und formulieren ein Modell <?page no="5"?> VI der quadratischen Programmierung, das nach Reformulierung als Flussmodell mit Hilfe des Branch-and-Price-Verfahrens gelöst werden kann. Um den differenzierten Arbeitszeitregeln im Straßengüterverkehr bei der Personaleinsatzplanung von Logistikdienstleistern Rechnung zu tragen, entwerfen Gössinger und Stahlbuck einen Ansatz zur Generierung von Schichtmusterplänen für das Days-off scheduling. Die Wirkungen der flexibilitätsorientierten Vorgehensweise unter Unsicherheit werden im Rahmen einer numerischen Analyse ermittelt. Überlegungen zur Messung der Flexibilität hybrider Leistungsbündel werden im Beitrag von Keine genannt Schulte zusammengeführt und münden in eine um Realoptionen erweiterte Kapitalwertberechnung. Die Vorgehensweise wird an einem Fallbeispiel anschaulich dargestellt. Insgesamt bieten die für diesen Tagungsband ausgewählten Beiträge das Potential einer Zusammenführung der unterschiedlichen Forschungsaktivitäten und könnten dazu beitragen, verstärkt innovative Ansätze mit integrativem Anspruch zu generieren. Danken möchten wir Herrn Dipl.-Kfm. Bastian Stahlbuck für die tatkräftige Unterstützung bei der drucktechnischen Aufbereitung dieses Sammelbandes. Herrn Dr. Jürgen Schechler von der UVK Verlagsgesellschaft danken wir für die gute Zusammenarbeit. Hans Corsten Ralf Gössinger Anton Meyer <?page no="6"?> Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................................................ V Magnus Richter Barrieretypen in der Dienstleistungsproduktion - Ein produktions- und absatzwirtschaftlicher Bezugsrahmen zur effektiven Gestaltung der Kundeninteraktion.. 1 Rolf Weiber und Tobias Wolf Der Qualitäts-Dreisprung bei integrativ erstellten Leistungen - Ein konzeptioneller Ansatz zur Qualitätssicherung von Leistungsbündeln auf der Basis elektronischer Wissensressourcen.................................................................. 25 Thomas Robbert und Stefan Roth Drip-Pricing im Preismanagement von Dienstleistungen........................................... 55 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken Krankenhausspezifische Produktivitätsermittlung ....................................................... 77 Hans Corsten und Hagen Salewski Dienstleistungsmodularisierung auf der Grundlage pfadspezifischer Design Structure Matrizen - Entwurf eines Entscheidungsmodells zur revolvierenden Planung ................................................................................................................105 Ralf Gössinger und Bastian Stahlbuck Days-off scheduling für Transportdienstleistungen im Straßengüterverkehr - ein flexibilitätsorientierter Ansatz ............................................................... 131 Johannes Keine genannt Schulte Hybride Leistungsbündel und Flexibilität - Entwicklung eines Fallbeispiels zur Ermittlung des Wertes von Flexibilität.................................................................. 155 Autorenverzeichnis.......................................................................................................... 185 <?page no="8"?> Barrieretypen in der Dienstleistungsproduktion - Ein produktions- und absatzwirtschaftlicher Bezugsrahmen zur effektiven Gestaltung der Kundeninteraktion Magnus Richter Inhalt 1 Motivation und Zielsetzung ................................................................. 2 2 Theoretisch-konzeptionelle Verknüpfung betriebswirtschaftlicher und kognitionspsychologischer Problemlösungsforschung ................ 4 2.1 Dienstleistungen als Problemlösungen - ein konzeptioneller Überblick ....................................................................................................... 4 2.2 Problemlösen in der Denkpsychologie - oder: Was ist eine Barriere? ......................................................................................................... 8 2.3 Barrierespezifisches Problemlösen in der Psychologie ........................ 10 2.3.1 Synthetisches Problemlösen ......................................................... 10 2.3.2 Interpolatives Problemlösen......................................................... 12 2.3.3 Dialektisches Problemlösen.......................................................... 15 3 Interaktionsanalysen auf Basis des Barrierebegriffs - ein neuer Ansatz für das Dienstleistungsmanagement ...................................... 17 3.1 Anknüpfungspunkte zur Gestaltung der Dienstleistungsinteraktion - Das Akteur/ Phasen-Modell der Dienstleistungsproduktion........... 17 3.2 Anknüpfungspunkte für Barriereanalysen an etablierte Konzepte des Dienstleistungsmanagements ............................................................ 19 4 Resümee ............................................................................................. 21 Literatur ........................................................................................................ 22 <?page no="9"?> 2 Magnus Richter 1 Motivation und Zielsetzung Dienstleistungen bezwecken die unmittelbare Lösung spezifischer Kundenprobleme 1 . Hierzu werden sowohl Ressourcen des Produzenten als auch des Kunden in den Produktionsprozess integriert und zumeist auch transformiert 2 , was neben einfachen Transaktionsprozessen zum Teil noch weitaus komplexere Beziehungsgeflechte bedingt. Vor allem bei stark individualisierten Leistungen bedarf die Dienstleistungsproduktion neben der Übergabe des externen Faktors vom Kunden an den Produzenten et vice versa i.d.R. der Koordination interdependenter (Teil-) Leistungsbeiträge der Akteure 3 , sogenannter Dienstleistungsinteraktionen 4 . Obwohl Dienstleistungsinteraktionen aktuell ein intensiv diskutiertes Forschungsfeld bilden 5 , ist ein zentraler Aspekt interaktiver Dienstleistungen bis dato weitestgehend unbeachtet geblieben: Der sogenannte Barrieretypus. Als Barriere wird ein Hemmnis bezeichnet, das die Überführung eines unerwünschten (und nichttolerierbaren) Ist-Zustandes in einen akzeptablen (oder zumindest weniger störenden) Soll-Zustand verhindert und damit ein Problem konstituiert. 6 Die Denkbzw. Kognitionsforschung, deren Erkenntnisse über Problemlösen im vorliegenden Beitrag aufgegriffen werden, unterscheidet diesbezüglich zwischen Synthese-, Interpolations- und dialektischen Barrieren 7 , um differenziertere Lösungsprinzipien zu entwickeln. Erstaunlicher Weise hat diese Unterscheidung in der Dienstleistungsöko- 1 Vgl. Gössinger (2005), S. 85 ff. 2 Vgl. zu Dienstleistungen, die keine Transformation externer Faktoren bedingen, Richter (2012), S. 43 ff. 3 Vgl. Gössinger (2005), S. 10 f. 4 Anstelle des Begriffs „Dienstleistungsinteraktion“ wird, insbesondere im Services Marketing, häufig vom sogenannten „Service Encounter“ gesprochen. Beide Begriffe bezeichnen dyadische Interaktionen zwischen Dienstleistungsanbieter und -nachfrager. Vgl. Solomon et al. (1985), S. 100 f.; Surprenant/ Solomon (1987), S. 87, sowie zu Unterschieden Gutek (1995), S. 7 ff. 5 Der Autor gründet diese Aussage auf der Vielzahl von Publikationen, die in den letzten Jahren sowohl in deutsch- und englischsprachigen Fachzeitschriften als auch in Form von Monographien zu dem Thema erschienen sind. Mittels entsprechender Stichwortsuchen (z.B. nach „Service(s) Interaction(s)“ oder „Service Encounter“) in einschlägigen Literaturdatenbanken lässt sich diese These leicht validieren. 6 Vgl. Dörner (1987), S. 10 f.; Hussy (1993), S. 20. 7 Vgl. Dörner (1987), S. 11 ff. <?page no="10"?> Barrieretypen in der Dienstleistungsproduktion 3 nomik, die als ökonomische Lehre vom Problemlösen aufgefasst werden kann, bis dato kaum Anklang gefunden 8 . Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, diese Lücke ein Stück weit zu schließen, indem zentrale denkpsychologische Erkenntnisse zum barrierenspezifischen Problemlösen präsentiert und hinsichtlich ihrer Verwertbarkeit für das Dienstleistungsmanagement diskutiert werden. Disziplinär ist der Beitrag durch eine integrative, produktions- und absatzwirtschaftliche Perspektive gekennzeichnet, die sich mit der ökonomischen Eigenschaft von Dienstleistungen begründen lässt, Leistungserstellung (Produktion) und Leistungsverwertung (Absatz) zu synchronisieren (uno-actu- Prinzip) 9 . Methodisch folgt der Beitrag einem theoretisch-konzeptionellen Vorgehen, bei dem (induktiv) die in der denkpsychologischen Literatur aufgefundenen Erkenntnisse zum Problemlösen verdichtet und sodann (deduktiv) Implikationen für das Dienstleistungsmanagement offengelegt werden. Der Beitrag verfolgt fünf Teilziele. Die ersten drei Teilziele adressieren die konzeptionelle Verknüpfung des denkpsychologischen Problemkonzepts mit dem noch jungen, aus der betriebswirtschaftlichen Forschung stammenden Paradigma Dienstleistungen als Problemlösungen. Dabei werden grundlegende Erkenntnisse zu Barrieren und ihrer Überwindung aufgegriffen und anhand von Dienstleistungsbeispielen illustriert. Die Leitfragen für Kapitel 2 lauten: Wie lassen sich Dienstleistungen als Problemlösungen konzeptualisieren? (vgl. Abschnitt 2.1). Was charakterisiert Synthese-, Interpolations- und dialektische Barrieren? (vgl. Abschnitt 2.2). Welche barrierespezifischen Lösungen werden in der Denkpsychologie für Probleme vorgeschlagen? (vgl. Abschnitt 2.3). Die übrigen zwei Teilziele dienen der systematischen Offenlegung von Ansatzpunkten einer barrierespezifischen Interaktionsgestaltung in Dienstleistungssystemen sowie der Verortung der denkpsychologischen Ansätze im Gefüge etablierter Ansätze zur Interaktionsgestaltung des Dienstleistungsmanagements. Die Leitfragen für Kapitel 3 lauten demgemäß: Wie lassen sich systematisch Anknüpfungspunkte für die Gestaltung von Dienstleistungsinteraktionen identifizieren? (vgl. Abschnitt 3.1). Wo bestehen weitere disziplinäre Anknüpfungspunkte für Barriereanalysen an das Dienstleistungsmanagement? (vgl. Abschnitt 3.2). 8 Die einzigen (dem Verfasser derzeit vorliegenden) Publikationen zum Dienstleistungsmanagement, die sich mit Barrieren befassen, sind ein Arbeitsbericht von Conrad/ Trummer aus dem Jahr 2007 sowie die Dissertationsschrift von Richter aus dem Jahr 2012. 9 Vgl. Corsten/ Gössinger (2007), S. 22. <?page no="11"?> 4 Magnus Richter Der Beitrag mündet letztlich in einem konzeptionellen Bezugsrahmen, der Barrieretypen in der Dienstleistungsproduktion systematisch zu identifizieren hilft, und so die Implementierung effektiver Interaktionsformen zwischen Produzent und Kunde erleichtert. Der Bezugsrahmen weist strukturelle Ähnlichkeit mit den aus dem Service Engineering bekannten Service Blueprints 10 auf, die Dienstleistungssysteme ebenfalls in Teilprozesse einer Dienstleistung sowie die Einwirkungsbereiche von Produzent und Kunde unterteilen 11 . Auf diese Weise wird neben dem prozessualen Charakter von Dienstleistungen auch ihrer dyadischen 12 Struktur, d.h. der unmittelbaren Beteiligung des Leistungsnehmers bzw. seinem Einwirken auf die Leistungserstellung, Rechnung getragen. Die Identifikation und Spezifikation des Barrieretyps fördert nicht nur wertvolle Einsichten in die Natur von Kundenproblemen zutage, was ihrer effektiven Lösung zugutekommt. Die hier vorgenommene (partielle) Verzahnung verschiedener „Problemlösungsdisziplinen“ unterstützt überdies die Entwicklung einer integrativen Theorie der Dienstleistungsproduktion, die von einigen prominenten Vertretern der betriebswirtschaftlichen Forschung seit geraumer Zeit eingefordert wird 13 . Neben den praktischen Gestaltungsaspekten für Dienstleistungsinteraktionen verfolgt der Beitrag somit auch die Absicht, die Dienstleistungsforschung um fachfremde Erkenntnisse anzureichern. 2 Theoretisch-konzeptionelle Verknüpfung betriebswirtschaftlicher und kognitionspsychologischer Problemlösungsforschung 2.1 Dienstleistungen als Problemlösungen - ein konzeptioneller Überblick Wohl kaum eine andere betriebswirtschaftliche Teildisziplin kann bei dem Versuch, ihr zentrales Erkenntnisobjekt präzise und konsensfähig zu definieren, auf eine derart lange „Vorgeschichte“ zurückblicken wie die Dienstleistungsökono- 10 Service Blueprints (dt.: „Blaupausen“) sind Strukturgraphen von Dienstleistungssystemen, die in den 1980er-Jahren (maßgeblich) von Shostack zur Darstellung, Gestaltung, Steuerung und Entwicklung von Dienstleistungen entwickelt worden sind. Vgl. Fließ (2006), S. 64, sowie die entsprechenden Pionierwerke Shostack (1982) und Shostack (1984). 11 Vgl. zur grundsätzlichen Struktur von Service Blueprints Fließ (2006), S. 64 ff. 12 „Dyadisch“ bezeichnet den Spezialfall zweiseitiger Dienstleistungsinteraktion. Vgl. Möller (2004), S. 89. 13 Vgl. stellvertretend Corsten/ Gössinger (2004), S. 516; Dyckhoff (2003), S. 721 f.; Schneeweiß (2002), S. 95. <?page no="12"?> Barrieretypen in der Dienstleistungsproduktion 5 mik 14 . Während bis in die 1970er-Jahre Dienstleistungen fast ausschließlich anhand ihrer Immaterialität definiert bzw. als immaterielle Güter betrachtet wurden (ergebnisorientierter Ansatz 15 ), sind seit etwa Anfang der 1980er-Jahre vermehrt Definitionsversuche unternommen worden, die auf das Leistungsbereitschaftsversprechen des Dienstleistungsanbieters (potentialorientierter Ansatz 16 ) bzw. den integrativen Vollzug von Dienstleistungen unter Beteiligung des Kunden bzw. externen Produktionsfaktors (prozessorientierter Ansatz 17 ) abstellen. Ein besonderer Beitrag zur Konzeptualisierung von Dienstleistungen ist überdies im Jahr 2005 von Gössinger vorgelegt worden 18 . Zwar definiert er Dienstleistungen, wie andere Autoren vor ihm, (prozessorientiert) als Transformation eines externen Produktionsfaktors 19 , in Kontrast zu vielen anderen Arbeiten zur Dienstleistungsforschung entwirft er jedoch zusätzlich eine umfassende produktionstheoretische Modellkonzeption, mit der die ökonomischen Implikationen seines Dienstleistungsverständnisses (Dienstleistungen als Problemlösungen) abgebildet und analysiert werden können. Eine Besonderheit dieses neuen Ansatzes ist der Eigenschaftsbezug der Modellierung, mit dem der qualitativen Beschaffenheit von Input und Output ein zentraler Stellenwert für die Produktionsanalyse eingeräumt wird. Die Eigenschaftsmodellierung sowie weitere Kerngedanken der Konzeption, die in Abbildung 1 vereinfacht dargestellt ist, werden im Folgenden skizziert. Ausgangspunkt der Analyse ist stets das Kundenproblem P , das aus einer „... als negativ empfundenen, nichttolerierbaren Diskrepanz w zwischen dem aktuell bestehenden oder … erwarteten Ist-Zustand I E und dem Soll-Zustand S E eines Betrachtungsobjekts aus seinem Verfügungsbereich“ 20 resultiert. Das Problem P lässt sich, wie in Abbildung 1 dargestellt, als Punkt (siehe exemplarisch n P in Abbildung 1) in die sogenannte Ist/ Soll-Ebene projizieren, wodurch dann das Ausmaß 14 Einen besonders interessanten Abriss über die Theoriegeschichte der Dienstleistungsökonomik sowie die mit ihr einhergehenden Irritationen und Diskussionen um den Dienstleistungsbegriff liefert Rück mit seiner Dissertationsschrift aus dem Jahr 2000. 15 Vgl. zum ergebnisorientierten Ansatz Corsten/ Gössinger (2007), S. 22 sowie die Dissertationsschrift von Maleri aus dem Jahr 1970, die - zumindest für den deutschsprachigen Raum - den Grundstein für dieses Paradigma gelegt hat. 16 Vgl. zum potentialorientierten Ansatz Engelhardt/ Kleinaltenkamp/ Reckenfelderbäumer (1993), S. 398 f. 17 Vgl. zum prozessorientierten Ansatz und seiner kritischen Würdigung Rück (2000), S. 226 ff. 18 Angesprochen ist hiermit die Habilitationsschrift Gössingers mit dem (Ober-) Titel Dienstleistungen als Problemlösungen. 19 Vgl. Gössinger (2005), S. 3 f. 20 Gössinger (2005), S. 87. (Hervorhebungen im Original) <?page no="13"?> 6 Magnus Richter an Abweichung zwischen Ist und Soll bzw. die Tragweite des Problems abgebildet wird. Beschrieben werden Ist- und Soll-Zustand anhand anbieter- und nachfragerseitig relevanter Dimensionen, d.h. Ausprägungen e der Eigenschaften z , deren Festlegung stets individuell, d.h. von der subjektiven Wahrnehmung der Akteure, geleitet ist 21 . Sind die Ausprägungen aller Dimensionen für Ist- und Soll-Zustand gleich, liegt keine Diskrepanz und somit auch kein Problem vor. Den geometrischen Ort aller vollständigen Problemlösungen, d.h. Kongruenz von Ist- und Soll- Zustand, repräsentiert die (45°-) Winkelhalbierende 22 . Abb. 1: Problem- und Lösungspunkt in der eigenschaftsbezogenen Ist/ Soll-Ebene 23 Ein weiteres entscheidendes Element der eigenschaftsbezogenen Modellierung ist der Toleranzkorridor. Er erfasst - ausgehend von der Winkelhalbierenden - mit einer Spannweite n,z TOL all jene Diskrepanzen zwischen Ist- und Soll-Zustand, die für den Nachfrager noch tolerierbar sind und somit (ebenfalls) kein Problem konstituieren. Ein Problem besteht demzufolge erst dann, wenn Ist- und Soll- 21 Vgl. Gössinger (2005), S. 87. 22 Vgl. Gössinger (2005), S. 88. 23 modifiziert nach Gössinger (2005), S. 89. 45° sz e z e n P n P n.z TOL n.z o n.z w n.z w <?page no="14"?> Barrieretypen in der Dienstleistungsproduktion 7 Qualität eines bestimmten Betrachtungsobjekts, in der Dienstleistungsökonomik des externen Faktors, über ein tolerierbares Maß hinaus auseinander fallen. In Bezug auf Abbildung 1 impliziert dies, dass Problempunkte stets nur außerhalb des Toleranzkorridors lokalisiert sein können. Gemäß dieser Modellierungslogik kann zwischen vollständigen und unvollständigen Problemlösungen unterschieden werden: Eine vollständige Lösung erfordert die Transformation des Problempunkts n P bis exakt auf die Linie , womit Eigenschaftsänderungen im Ausmaß von n,z w verbunden sind (siehe Abbildung 1). Eine effiziente vollständige Lösung transformiert den Problempunkt auf dem kürzesten Weg auf die Winkelhalbierende . Eine unvollständige Lösung erfordert hingegen lediglich die Transformation des Problempunkts n P bis entweder auf den Rand des Toleranzkorridors oder in den zwischen ihm und Linie befindlichen Bereich. Hiermit sind geringere Eigenschaftsänderungen verbunden, die in Punkt n P münden. Punkt n P weist eine Restdistanz n,z w zur Linie auf. Die Vollständigkeit der Problemlösung kann aus produktionswirtschaftlicher Sicht als Maß für den Dienstleistungsoutput ( n,z o ) betrachtet werden, der allerdings nicht immer (nur) von den Leistungsbeiträgen des Anbieters abhängt. In einigen Fällen, so z.B. bei integrativen Dienstleistungen 24 , wirkt auch der Nachfrager (direkt) auf die Leistungserstellung ein. Zur Generierung der gewünschten Problemlösung bedarf es dann ebenso der Mitwirkung des Nachfragers, woraus ein Koordinationsbedarf 25 für die Teilleistungen von Anbieter und Nachfrager resultiert. Bedingen sich diese Teilleistungen wechselseitig - z.B. weil sie zueinander in einer technologischen Wirkungsbeziehung stehen oder weil sie aufeinander folgende Elemente eines mehrstufigen Dienstleistungsproduktionssystems sind - bilden sich spezifische Interaktionsbeziehungen aus. Diese weisen häufig regelartige Verlaufsformen und Strukturmuster auf, die u.a. von der Problemspezifität sowie den Eigenschaften der zur Lösung eingesetzten Technologien bestimmt werden 26 . Noch weitaus größere Relevanz für das Dienstleistungsmanagement haben - nach Ansicht des Verfassers - die Umkehrschlüsse aus derartigen Wirkungsanalysen: Sie implizieren, dass Interaktionsbeziehungen so ausgestaltet werden können, dass sie in Bezug auf die Lösung eines spezifischen Problems eine ideale Koordination der Leistungsbeiträge von Anbieter und Nachfrager gewährleisten. Aufgrund dieses Zusammenspiels fungiert die Interaktionsgestaltung als zentraler Einflussfaktor auf 24 Dienstleistungen werden als „integrativ“ bezeichnet, wenn der Nachfrager an der Leistungserstellung mitwirkt. Vgl. z.B. Fließ (2006), S. 37. 25 Vgl. Gössinger (2005), S. 106. 26 Vgl. Richter (2012), S. 214 ff. <?page no="15"?> 8 Magnus Richter den Dienstleistungsoutput bzw. die Lösungsqualität, was vielfältige Ansatzpunkte für das Management interaktiver Dienstleistungen liefert. Die Vielfalt disziplinärer Anknüpfungspunkte zeigt sich bei erneuter Betrachtung der Diskrepanz zwischen Problem- und Lösungspunkt, denn diese kann auf verschiedene Weise verringert werden: Transformation des Ist-Zustands: Die wohl naheliegendste Art ein Problem zu lösen ist die Veränderung des Ist-Zustands des Betrachtungsobjekts. Da es sich hierbei um eine Transformation von Input in Output handelt, bietet diese Interpretation Anknüpfungspunkte für die Produktionswirtschaftslehre. Transformation des Soll-Zustands: Eine weitere Form des Problemlösens ist die Veränderung des Soll-Zustands des Betrachtungsobjekts. Da hiermit i.d.R. Wunschvorstellungen des Kunden adressiert werden, ist diese Sichtweise für die Absatzwirtschaftslehre von Relevanz. Transformation des Toleranzkorridors: Ein weiterer Lösungsansatz ist die Veränderung des Toleranzkorridors. Hierzu werden Elemente des psychischen Apparats justiert, um eine ansonsten unveränderte Situation dulden zu können. Mit jener geistigen Innenwelt ist ein Bezug zur Psychologie hergestellt 27 . 2.2 Problemlösen in der Denkpsychologie - oder: Was ist eine Barriere? Mit dem systematischen Lösen von Problemen befassen sich, wie soeben illustriert, nicht nur Dienstleistungsökonomen - fast jede Wissenschaftsdisziplin verfolgt - mehr oder minder explizit - dieses Ziel. Zu den ältesten „Problemlösungswissenschaften“ zählt die Psychologie. 28 Sie widmet sich dem Problemlösen in Form einer speziellen Teildisziplin, der sogenannten Denkpsychologie, was aufgrund der Tatsache nahe liegt, dass es sich beim Problemlösen um einen Sonderfall des geordneten Denkens handelt 29 . In der Geschichte der Denkpsychologie hat die Habilitationsschrift Dunckers aus dem Jahr 1935 mit dem Titel Zur Psychologie des produktiven Denkens besondere Popularität erlangt. Sie gilt als „erste zusammenfassende 27 Um Missverständnissen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass die Denkpsychologie nicht nur solche Problemlösungen adressiert, die durch Veränderung des Toleranzkorridors bewirkt werden; die beiden übrigen Problemlösungsmöglichkeiten zählen ebenfalls zu ihrem Gegenstandsbereich. Gleichwohl widmet sich der vorliegende Beitrag verstärkt auf Lösungen mittels Transformation des Ist-Zustands. 28 Die Vorgeschichte der Psychologie wird auf ca. 500 v. Chr. Datiert. Vgl. Selg/ Dörner (1996), S. 30. 29 Vgl. Funke (2003), S. 23. <?page no="16"?> Barrieretypen in der Dienstleistungsproduktion 9 Darstellung der beim Problemverhalten auftretenden psychologischen Aspekte“ 30 und entfaltet bis in die heutige Zeit beachtliche Wirkung. Neben der Geschlossenheit seiner psychologischen Problemdarstellung ist es auch das Verdienst Dunckers, den (eingangs bereits verwendeten) Begriff Barriere in der psychologischen Forschung etabliert zu haben. Dunckers Ausarbeitungen sind von verschiedenen Disziplinen aufgegriffen, diskutiert und weiterentwickelt worden, u.a. von Dörner, einem deutschen Psychologen, der den Barrierebegriff weiter ausdifferenziert hat. Dörner unterscheidet zwischen Synthese-, Interpolations- und dialektischen Barrieren, die in Abbildung 2 visualisiert und nachfolgend charakterisiert werden 31 : Synthesebarrieren sind durch Unbekanntheit der zur Lösung des Problems benötigten Mittel gekennzeichnet 32 . Wie im Fall des Alchemistenproblems 33 mangelt es dem betrachteten Subjekt an brauchbaren Operatoren bzw., in der Sprache der Produktionswirtschaft ausgedrückt, Technologien. Zur Lösung von Syntheseproblemen im Rahmen der Dienstleistungsproduktion bedarf es somit geeigneter Technologien. Interpolationsbarrieren zeichnet die Unbekanntheit einer effektiven Reihenfolge der einzusetzenden Mittel aus. In der Regel liegt dies, wie beim Schachspiel 34 , in einer unüberschaubaren Anzahl prinzipiell einsetzbarer Mittel begründet 35 . Im produktionswirtschaftlichen Kontext sind hiermit Aspekte der Sequenzierung von Teilprozessen der (Dienstleistungs-)Produktion angesprochen, d.h. es bedarf einer Reihenfolgeplanung für den Nachfrager. Dialektische Barrieren sind durch Unbekanntheit des Zielzustands geprägt. Sie implizieren, dass, wie z.B. häufig beim „Verschönern der Wohnung“, die zur Zielspezifikation erforderlichen Kriterien erst mit dem Erreichen eben dieses Ziels bekannt werden 36 . Im Rahmen von Dienstleistungsproduktionen ist dann i.d.R. kreativ und explorativ mit dem Nachfrager eine Kombination 30 Parthey/ Wächter (1966), S. 25. 31 Dörners Problemkonzeption sieht einen vierten, kombinierten Barrieretypus vor, die dialektische und zugleich synthetische Barriere. Die insgesamt vier Barrieretypen Dörners resultieren daraus, dass er zur Unterscheidung die Kriterien Bekanntheit der Mittel und Klarheit der Zielkriterien verwendet, die jeweils in den Ausprägungen hoch und gering vorliegen können. Vgl. Dörner (1987), S. 14. 32 Vgl. Dörner (1987), S. 12. 33 Vgl. Dörner (1987), S. 11. 34 Vgl. Dörner (1987), S. 11. 35 Vgl. Dörner (1987), S. 12. 36 Vgl. Dörner (1987), S. 11. <?page no="17"?> 10 Magnus Richter aus These, Antithese und Synthese vorzunehmen, um den Zielzustand zu „schärfen“ 37 . Abb. 2: Grundlegende Barrieretypen der Kognitionsforschung 2.3 Barrierespezifisches Problemlösen in der Psychologie Die Unterscheidung nach dem Barrieretypus ist insbesondere deshalb reizvoll, weil die Denkpsychologie zu ihrer Überwindung spezifische Heuristiken 38 bereit hält, die zum Teil auch auf das Problemlösen bei der Dienstleistungsproduktion übertragbar sind. Die Heuristiken unterschieden sich darin, ob sie der Unbekanntheit der Mittel (oberer Teil, Abbildung 2), der Unbekanntheit der richtigen Reihenfolge der Mittel (mittlerer Teil, Abbildung 2) oder der Unbekanntheit des Zielzustands (unterer Teil, Abbildung 2) entgegen wirken 39 . Im Folgenden werden für jeden dieser drei Heuristiktypen populäre Ansätze angeführt und mittels Beispielen aus der Dienstleistungsproduktion illustriert. 2.3.1 Synthetisches Problemlösen Synthetische Probleme finden sich bei der Dienstleistungsproduktion in Situationen, in denen es dem Nachfrager an Wissen mangelt, das er eigentlich als Mittel für 37 Vgl. Funke (2003), S. 31. 38 Vgl. Dörner (1987), S. 38 ff. 39 Vgl. hierzu Dörner (1987), Kapitel 3, 4, und 5. I I I S S ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? Ist-Zustand Soll-Zustand Barriere Synthese Interpolation Dialektik <?page no="18"?> Barrieretypen in der Dienstleistungsproduktion 11 eine bestimmte Aktivität benötigt, wie z.B. unzureichendes Fachwissen beim Aufsetzen eines Vertrages (Rechtsmittel), unbekannte Terminologie (Sprachmittel) oder defizitäre Abläufe beim Sport (körperliche Mittel). Synthetische Probleme werden somit i.d.R. dadurch gelöst, dass der Anbieter Technologien einsetzt, die dem Nachfrager nicht verfügbar sind, und das mit ihrer Hilfe gefundene Lösungswissen - und unter Umständen zusätzlich Elemente der eingesetzten Technologie selbst - an den Nachfrager übermittelt. Beim synthetischen Problemlösen kann zwischen sogenannten Entdeckungs- und Umstrukturierungsheuristiken unterschieden werden 40 . Entdeckungsheuristiken sind in Situationen nützlich, in denen der Problemlöser die Mittel zur Lösung tatsächlich nicht kennt. Sie bezwecken das Aufspüren geeigneter Operatoren, allgemeiner Handlungsformen 41 , mit denen die Lösung des Problems realisierbar ist. In der Terminologie der Produktionstheorie wird dies als Technik bzw. Technologie bezeichnet 42 . Beispielsituationen aus der Dienstleistungsproduktion, in denen das betrachtete Wirtschaftssubjekt nicht über die zur Lösung seines Problems erforderlichen Mittel verfügt, sind das Scheitern eines Tennisschülers beim Top-Spin-Aufschlag (Mangel an körperlicher Fähigkeit) sowie die Ratlosigkeit eines Mandanten bei der Geltendmachung einer Forderung (Mangel an juristischem Fachwissen). Zum Auffinden entsprechender synthetischer Mittel, sozusagen zur Technologiefindung, schlägt die Denkpsychologie die Entdeckungsheuristiken Analogiebildung, Denken in Modellen sowie den - nach Ansicht des Verfassers weitaus weniger systematisch generierbaren - „Plötzlichen Einfall“ vor 43 . Im Rahmen der Dienstleistungsproduktion wird z.B. die Analogiebildung eingesetzt, wenn der Tennistrainer seinem Schüler die beim Top-Spin-Aufschlag zu vollziehende Drehung des Unterarms mit der Bewegung beim Auf-die-Uhr-sehen verständlich zu machen versucht. Umstrukturierungsheuristiken sind einsetzbar, wenn der Problemlöser (irrtümlich) der Ansicht ist, nicht über die geeigneten Mittel zur Problemlösung zu verfügen, diese aber sehr wohl besitzt 44 . Eine mögliche Ursache für derartige Fehleinschätzungen ist die sogenannte heterogen funktionale Gebundenheit 45 . Sie bezeichnet spezifische 40 Vgl. Dörner (1987), S. 77. 41 Vgl. Dörner (1987), S. 15. Die von einem Operator erfassten konkreten Handlungen werden dagegen als „Operationen“ bezeichnet (vgl. Dörner 1987, S. 15). Operationen korrespondieren wiederum mit dem in der Produktionstheorie etablierten Konstrukt „Aktivität“ (vgl. Dyckhoff 2006, S. 56). 42 Die Begriffe „Technik“ und „Technologie“ werden häufig synonym verwendet. Vgl. Dyckhoff (2006), S. 56; Fandel (2005), S. 37. 43 Vgl. Dörner (1987), S. 81 ff. 44 Vgl. Dörner (1987), S. 77. 45 Vgl. Duncker (1935), S. 102 ff. <?page no="19"?> 12 Magnus Richter „Scheuklappen der Kreativität“, die aus der Disposition des Menschen resultieren, stur an bewährten Ziel/ Mittel-Beziehungen festzuhalten 46 . Umstrukturierungsheuristiken zielen darauf ab, solche kreativitätshemmenden Vorverknüpfungen in der Denkwelt des Menschen zu lösen und so seine Problemlösungskapazität zu erhöhen 47 . Mitunter können auf diese Weise neue Anwendungsbereiche für Lösungsheuristiken, über die das betrachtete Subjekt bereits verfügt, erschlossen werden. Ein Beispielsachverhalt aus der Dienstleistungsproduktion, bei dem regelmäßig Umstrukturierungsheuristiken eingesetzt werden, sind Vortrags- und Bewerbungstrainings: Trainingsteilnehmern, die beklagen, in Gesprächssituationen einen unsicheren Eindruck zu erwecken, wird z.B. häufig empfohlen, am Ende eines Satzes die Stimme zu senken, da dies einer Aussage Nachdruck verleiht und überzeugtes Auftreten suggeriert. Das Problem des Nachfragers, d.h. die vermeintliche Unfähigkeit zum selbstsicheren Auftreten, kann somit mittels einer ihm bereits bekannten Technik (Stimme senken) gelöst werden, die er bis dato nur mit anderen Anwendungsbereichen assoziiert, d.h. funktional an ganz andere Situationen gebunden, hat (z.B. an das Vorlesen oder Singen). Zur Entkräftigung von funktionaler Gebundenheit werden in der Denkpsychologie u.a. die Heuristiken Sättigung, Ausfällen des Gemeinsamen, Resonanzwirkung des tauglichen Signalelements und willkürliches Ändern der Gestaltauffassung angeführt 48 . Im Rahmen der Dienstleistungsproduktion kommt etwa Ausfällen des Gemeinsamen häufig in solchen Situationen zum Einsatz, in denen der Nachfrager an der Lösung des Problems scheitert, weil er im Prinzip immer denselben Fehler begeht, wie z.B. der Tennisschüler, der sowohl am Top-Spin-Aufschlag als auch am Slice scheitert, weil er den Griff des Tennisschlägers falsch hält. Das Gemeinsame beider Probleme, das inkorrekte Halten des Schlägergriffs, muss somit beseitigt (ausgefällt) werden, indem der Trainer seinem Schüler die korrekte Griffhaltung vermittelt. Hierzu sind kognitive Reorganisationsprozesse vonnöten, die der Nachfrager aber i.d.R. selbst leisten muss (z.B. durch selbständiges Üben an der sogenannten Ballwand etc.). 2.3.2 Interpolatives Problemlösen Interpolative Probleme treten häufig z.B. bei Logistikdienstleistungen auf. So werden im Transportwesen regelmäßig Touren für den Nachfrager geplant, indem einzeln bekannte und beherrschte Teilprozesse (z.B. beliefere von Passau aus Köln etc.) so gereiht werden, dass eine (optimale) (Gesamt-) Tour entsteht, die dem Nachfrager so nicht gelungen wäre. Interpolative Probleme werden folglich dadurch 46 Vgl. die Beispiele bei Dörner (1987), S. 78 f. 47 Vgl. weiterhin zum sogenannten Verbotsirrtum Dörner (1987), S. 79. 48 Vgl. Dörner (1987), S. 80. <?page no="20"?> Barrieretypen in der Dienstleistungsproduktion 13 gelöst, dass für den Nachfrager eine Ablaufbzw. Reihenfolgeplanung vorgenommen wird. Heuristiken zum interpolativen Problemlösen umfassen u.a. die Schritte Situations- und Zielanalyse, Operatorsuche und -auswahl und Operatoranwendung und Erfolgsanalyse 49 . Situations- und Zielanalyse dienen zum einen der Identifikation relevanter Merkmale der gegebenen und gesuchten Situation 50 . Im Rahmen der Dienstleistungsproduktion sind hiermit die zu transformierenden Eigenschaften des externen Faktors adressiert (in Abbildung 1 als z bezeichnet). Zum anderen sollen Unterschiede zwischen Ist- und Soll-Zustand des externen Faktors offengelegt, d.h. Art und Ausmaß der vom Anbieter zu leistenden Eigenschaftsänderungen spezifiziert, werden (siehe n,z w in Abbildung 1) 51 . Das Ergebnis dieser Analysen ist eine sogenannte Absichtsliste 52 , die im Kontext der Dienstleistungsproduktion mit der Leistungsvereinbarung 53 vergleichbar ist. Die Operatorsuche und -auswahl gleicht einer Einsatzplanung für die zur Lösung grundsätzlich in Frage kommenden Mittel. Dies impliziert umfassende Kenntnisse der Operatorwirkungen 54 , die neben den erwünschten Wirkungen auch unerwünschte Nebenwirkungen umfassen können 55 . Gössinger verweist in diesem Kontext auf die Problematik der Kuppelprobleme, d.h. jener Zielkonflikte, die daraus resultieren, dass Diskrepanzverringerungen bei bestimmten problemkonstituierenden Eigenschaften (des externen Faktors) mit Diskrepanzvergrößerungen bei anderen Eigenschaften des externen Faktors verbunden sind 56 . Kuppelprobleme entstehen vor allem dann, wenn „… mit der Ausführung eines Aktionensystems … Änderungen mehrerer unterschiedlicher Eigenschaften einhergehen.“ 57 Anschauliche Beispiele für Kup- 49 Vgl. Dörner (1987), S. 60 ff. Darüber hinaus werden als Bestandteile interpolativen Problemlösens die Umorientierung bei Misserfolg sowie die Festlegung der Suchrichtung angeführt (vgl. Dörner 1987, S. 60). Diese beiden Prozessschritte werden aus Platzgründen hier nicht (separat) behandelt, sondern - sofern erforderlich - in den übrigen Passagen aufgegriffen. 50 Vgl. Dörner (1987), S. 60. 51 Vgl. Dörner (1987), S. 60. 52 Vgl. Dörner (1987), S. 60. 53 Vgl. zu Dienstleistungsvereinbarungsprozessen Corsten/ Gössinger/ Karls (2004). 54 Vgl. Dörner (1987), S. 61. 55 Vgl. Dörner (1987), S. 62. 56 Vgl. Gössinger (2005), S. 90. 57 Gössinger (2005), S. 90. <?page no="21"?> 14 Magnus Richter pelprobleme bei der Dienstleistungsproduktion, die aus unbekannten bzw. übersehenen Operatorwirkungen resultieren, sind allergische Reaktionen von Patienten nach der Verabreichung neuer Medikamente oder das Erforderlichwerden einer Achsvermessung eines PKW, wenn beim Reifenwechsel ungleichmäßige Abnutzungen des Profils festgestellt werden. Die eigentliche Operatoranwendung setzt somit auch die Prüfung ihrer konkreten Anwendbarkeit voraus 58 . Diese Prüfung ist z.B. bei Gesundheitsdienstleistungen von besonderem Stellenwert. Ein mit blutverdünnenden Medikamenten behandelter Schlaganfallpatient kann z.B. nicht ohne Weiteres einer zahnärztlichen Behandlung unterzogen werden, da Blutungen am Zahnfleisch unter Umständen nicht gestillt werden können. Die vorangegangene Medikamentierung mit Blutverdünnern verhindert demnach die eigentlich intendierte Behandlung beim Zahnarzt. In solchen Situationen bietet sich, wie etwa von Dörner vorgeschlagen, die Formulierung von Zwischenzielen 59 an. Auf das Patientenbeispiel übertragen bedeutet dies, dass zunächst die Anwendungsvoraussetzungen für die Zahnbehandlung geschaffen werden müssen, z.B. durch das Absetzen des Blutverdünners. Hierfür sind unter Umständen jedoch weitere Voraussetzungen zu erfüllen, wie z.B. die Hinzuziehung des betreuenden Hausarztes. Zwischenzielbildung ist ein wesentliches Element vieler Dienstleistungen, in Kontrast zum Patientenbeispiel sind die Zwischenziele bzw. Zwischenzielfolgen bei anderen Dienstleistungsarten jedoch häufig determiniert. So resultieren z.B. die Zwischenziele eines Notars, der für seinen Mandanten eine Eintragung einer Vormerkung in das Grundbuch beantragen will (Operator), unmittelbar aus dem Sachenbzw. Kaufrecht: Bedingung für die Durchführung des Operators „Eintragung einer Vormerkung ins Grundbuch beantragen“ ist nämlich die Durchführung des Operators „Kaufvertrag notariell beurkunden“. Das notarielle Beurkunden ist quasi ein fixes Zwischenziel, dessen Erreichung die Anwendungsvoraussetzung für das eigentliche Leistungsziel schafft. Sind alle Anwendungsvoraussetzungen erfüllt, müssen nur noch die einzelnen Teiloperationen durchgeführt werden, wie z.B. den Namen des neuen Käufers ins Grundbuch eintragen und den Namen des bisherigen Eigentümer rot unterstreichen. 60 Im Rahmen der Erfolgsanalyse ist dann zu beurteilen, inwiefern das Problem gelöst ist, d.h. in welchem Ausmaß eine Angleichung von Ist- und Soll-Zustand gelungen ist. Die Denkpsychologie schlägt hierzu sogenannte Unterschiedslisten 61 vor, wonach eine Operation erfolgreich ist, wenn der neue Ist-Zustand weniger Unterschiede 58 Vgl. Dörner (1987), S. 64. 59 Vgl. Dörner (1987), S. 64. 60 Vgl. Dörner (1987), S. 64. 61 Vgl. Dörner (1987), S. 65. <?page no="22"?> Barrieretypen in der Dienstleistungsproduktion 15 zum Soll-Zustand aufweist als der vorige 62 . Da Unterschiedslisten allerdings i.d.R. nach jeder einzelnen Operation (Teilprozesse des Problemlösens) erstellt werden, bei der Problemlösung jedoch häufig „Umwege“ in Kauf genommen werden müssen, greift dieses Kriterium zu kurz: Es würde häufig - z.B. wenn zur Erreichung des Dienstleistungsziels „Fahrzeug neu lackieren und fertig montieren“ zunächst einige Teile des Fahrzeugs montiert werden müssten - einen Misserfolg anzeigen und sodann den Lösungsprozess abbrechen 63 . Die Erfolgsanalyse der Dienstleistungsproduktion sieht sich ebenfalls mit konzeptionellen Schwierigkeiten konfrontiert: Zum einen besteht Dissens hinsichtlich der Frage, worin überhaupt der Dienstleistungsoutput besteht 64 , und zum anderen scheinen auch einige industriebetrieblich motivierte Ansätze zur Output-/ Ergebnisbzw. Produktivitätsmessung unzureichend 65 . Dies liegt maßgeblich in den für Dienstleistungen typischen graduellen - und zudem häufig qualitativen - Eigenschaftsänderungen (des externen Faktors) begründet, die sich mit den in der Produktionstheorie vorherrschenden quantitativen Modellen naturgemäß kaum zum Ausdruck bringen lassen 66 . In diesem Sinne mangelt es auch dem Dienstleistungsmanagement häufig an operationalen Merkmalen, mit denen die Eigenschaften des externen Faktors bzw. der bewirkte Lösungsbeitrag beschrieben werden können. 2.3.3 Dialektisches Problemlösen Dialektische Probleme treten verstärkt bei solchen Dienstleistungen auf, die kreative Leistungsbestandteile aufweisen, d.h. innovativen Charakter haben. Hierzu zählen z.B. Beratungsleistungen von Inneneinrichtern und Architekten, Modedesignern und Kosmetikern sowie eine Vielzahl weiterer künstlerischer Leistungen. Hierbei ist häufig zu beobachten, dass der Nachfrager beim Versuch, sich selbst oder sein Umfeld z.B. zu verschönern, gar nicht oder nur sehr vage ausdrücken kann, was eigentlich Ziel seiner Bemühungen ist - sein Problemlösungsprozess vollzieht sich dann besonders explorativ bzw. auf der Grundlage des Trial-and- Error. Das dialektische Problemlösen stellt besondere kognitive Herausforderungen. Dies liegt zum einen darin begründet, dass dialektische Barrieren (zumeist) in komple- 62 Vgl. Dörner (1987), S. 64 f. 63 Vgl. Dörner (1987), S. 65. 64 Der Dienstleistungsoutput wird zum Teil unterschiedlich definiert, so z.B. als Zustandsvektor oder aber als Veränderungsvektor. Vgl. Gössinger (2005), S. 109, sowie die dort angeführten Quellen. 65 Vgl. zu Problemen der Produktivitätsmessung von Dienstleistungen Lasshof (2006), S. 231 sowie den Beitrag von Reuschl und Bouncken in diesem Band. 66 Vgl. Richter (2012), S. 65. <?page no="23"?> 16 Magnus Richter xen Problemen münden 67 , zum anderen wird ihre Lösung dadurch erschwert, dass sich die Wissenschaft, im Gegensatz zu Synthese- und Interpolationsproblemen, „…mit den Lösungsprozessen bei dialektischen Problemen bislang kaum beschäftigt“ 68 hat. Dies wird zumindest der Denkpsychologie nachgesagt. In der Dienstleistungsforschung existieren hingegen durchaus Arbeiten, die sich der Ermittlung von Soll-Zuständen widmen; so bilden den Startpunkt einer jeden Dienstleistung die sogenannten Dienstleistungsvereinbarungsprozesse 69 , in denen Anbieter und Nachfrager Soll-Zustände in Form von Leistungszielen fixieren. Wie bereits erwähnt, ist kennzeichnend für dialektische Probleme, dass die Kriterien zur Beurteilung, ob das Ziel erreicht ist, erst mit Erreichen eben dieses Ziels bekannt bzw. bewusst werden 70 . Am Beispiel Verschönern der Wohnung wird dies besonders deutlich, schließlich werden hierbei Möbel zumeist erst einmal willkürlich verschoben, ohne dass dem bereits eine konkrete Vorstellung vom fertig umgeräumten Wohnraum zugrunde liegt. Die Möbel werden intuitiv nach Bauchgefühl und vagen „Ahnungen“ arrangiert, woraus spontan neue Ideen für weitere Arrangements resultieren, denen dann ebenso nachgespürt wird. Dass eine bestimmte Anordnung zufriedenstellend ist, d.h. einen tolerierbaren Soll-Zustand repräsentiert, offenbart sich zumeist überraschend - auch deshalb, weil der erreichte Zustand vermeintlich „aus dem Nichts“ entstanden ist und dann keineswegs mehr schwer beschreibbar sein muss. Die obigen Ausführungen illustrieren, dass dialektische Dienstleistungsproduktionen nicht so einfach gestaltbar sind. Dennoch sind in der Denkpsychologie Vorschläge zum Umgang mit dialektischen Problemen zu finden, wie z.B. willkürliches Setzen von Zielen 71 sowie Verwendung von Komparativkriterien 72 . Beides kommt bei der Dienstleistungsproduktion zum Einsatz, wie das Beispiel des Verschönerns implizit bereits gezeigt hat: Das beliebige Verschieben von Möbelstücken ist Ausdruck einer willkürlichen Zielverfolgung, ebenso wie das Innehalten des Arrangeurs i.d.R. einem (wenn auch intuitiven) Vergleichen des neuen Zustandes mit dem vorigen entspricht. Indem der Dienstleistungsanbieter den Nachfrager dazu motiviert, willkürliche Ziele zu akzeptieren und komparativ zumindest grobe Beurteilungen 67 Vgl. Funke (2003), S. 15. 68 Dörner (1987), S. 95. 69 Vgl. Corsten/ Gössinger/ Karls (2004), S. 2. 70 Vgl. Dörner (1987), S. 95. Gelegentlich werden auch Situationen, in denen der Soll- Zustand eindeutig definiert und (umgekehrt) lediglich der Ist-Zustand unbekannt ist, als dialektisches Problem bezeichnet. Vgl. Sell/ Schimweg (2002), S. 26. 71 Vgl. Dörner (1987), S. 95. 72 Vgl. Euler/ Hahn (2007), S. 357. <?page no="24"?> Barrieretypen in der Dienstleistungsproduktion 17 der Zielerreichung zu formulieren, können mittels Dienstleistungsinteraktion auch dialektische Probleme gelöst werden. 3 Interaktionsanalysen auf Basis des Barrierebegriffs - ein neuer Ansatz für das Dienstleistungsmanagement 3.1 Anknüpfungspunkte zur Gestaltung der Dienstleistungsinteraktion - Das Akteur/ Phasen-Modell der Dienstleistungsproduktion Die Ausführungen in Abschnitt 2.3 haben verdeutlicht, dass eine Vielzahl von Heuristiken zur Verfügung steht, um Dienstleistungsinteraktionen barrierespezifisch zu gestalten. Der große Gestaltungsspielraum macht es nach Ansicht des Verfassers erforderlich, den zuvor präsentierten barrierebezogenen Teil der Interaktionsanalyse um einen weiteren Teil zu ergänzen, der auf die beteiligten Akteure sowie die im Rahmen der Dienstleistungsproduktion zu durchlaufenden Phasen fokussiert. Zu diesem Zweck wird nachfolgend ein Akteur/ Phasen-Modell präsentiert, das Ansatzpunkte für die Interaktionsgestaltung offenlegt. Zur Einteilung in Phasen wird auf die Überlegungen Gössingers zurückgegriffen, der Dienstleistungsproduktionen in die Phasen Problemartikulation und Problemwahrnehmung, Problemlösung und Lösungsartikulation und Lösungswahrnehmung unterteilt 73 . Diese Phasen lassen sich als idealtypische Produktionsstufen betrachten, die bei der Dienstleistungsproduktion durchlaufen werden. Die fünf hier betrachteten Phasen sind jedoch nur modelltheoretisch disjunkt; in der Realität kommt es dagegen häufig zu Überschneidungen. Zum Beispiel kann ein Patient eines Psychotherapeuten bereits in der Problemartikulation einen Lösungsbeitrag erblicken, wenn ihm besonders wichtig ist, sich einer anderen Person mitzuteilen. Im Extremfall können einzelne Phasen der Dienstleistungsproduktion dann sogar kongruent sein. Die Differenzierung der an einer Dienstleistung beteiligten Akteure ist den eingangs erwähnten Service Blueprints entlehnt, die mittels Linien, wie z.B. der sogenannten Line of Interaction 74 , Einwirkungsbereiche von Anbieter und Nachfrager trennen. In diese Teilbereiche lassen sich dann, z.B. mittels Kästen oder Kreisen, besonders erfolgskritische Berührpunkte zwischen Anbieter und Nachfrager eintragen 75 . Aus der Verknüpfung der beiden Unterscheidungen resultiert das Ak- 73 Vgl. Gössinger (2005), S. 95 ff. 74 Vgl. Fließ (2009), S. 195; Möller (2004), S. 29. 75 Vgl. Höck (2005), S. 109. <?page no="25"?> 18 Magnus Richter teur/ Phasen-Modell 76 , mit dessen Hilfe Dienstleistungen systematisch auf Interaktionspunkte hin untersucht werden können. Das Akteur/ Phasen-Modell ist nachfolgend in Abbildung 3 dargestellt. Das Modell enthält zusätzlich die sogenannte Vor- (VK) und Nachkombination (NK), die aufgrund der Autonomie der dort ablaufenden Prozesse für Interaktionsanalysen von vergleichsweise geringer Relevanz sind. Da sie jedoch wesentliche Elemente von Dienstleistungsproduktionssystemen repräsentieren, sollen sie hier nicht unerwähnt bleiben. Darüber hinaus gibt das Akteur/ Phasen-Modell in Gestalt der gepunkteten Rechtecke sowie der darin befindlichen grau-schraffierten Kästen bereits erste Hinweise darauf, an welchen Stellen Interaktionen zwischen Anbieter und Nachfrager auftreten. Für Interaktionsanalysen sind die zuvor angesprochenen Überlappungen der Phasen der Dienstleistungsproduktion entscheidend, denn nur dort, wo Anbieter und Nachfrager zugleich agieren, sind zueinander in direkter Wechselwirkung stehende Aktivitäten von Wirtschaftssubjekten - so die Definition von Interaktion 77 - möglich. Abb. 3: Akteur/ Phasen-Modell der Dienstleistungsproduktion Wie aus Abbildung 3 ersichtlich, existieren drei Kernbereiche der Interaktionsgestaltung in Dienstleistungsproduktionssystemen, nämlich die interaktive Problemvermittlung, bestehend aus der Problemartikulation des Nachfragers sowie der Problemwahrnehmung des Anbieters, 76 Vgl. Richter (2012), S. 124. 77 Vgl. Büttgen (2007), S. 33; Geigenmüller (2012), S. 29. Problemartikulation Problemlösung Lösungswahrnehmung Problemlösung SB IB IB DB SB DB End-/ Hauptkombination VK NK Anbieter Nachfrager Lösungsartikulation Problemwahrnehmung <?page no="26"?> Barrieretypen in der Dienstleistungsproduktion 19 interaktive Problemlösung, bestehend aus synchron ablaufenden Anbieter- und Nachfrageraktivitäten, die u.a. die in Abschnitt 2.3 diskutierten Heuristiken umfassen können, sowie interaktive Lösungsvermittlung, bestehend aus der Lösungsartikulation des Anbieters sowie der Lösungswahrnehmung des Nachfragers. Bezüglich der drei Kernbereiche ist zwischen instrumentellen und fundamentalen Barrieren bzw. Lösungen zu unterscheiden. So wurden in Abschnitt 2.3 nur solche Barrieren diskutiert, die in der Problemlösungsphase wirken und den Kunden dazu veranlassen, die Dienstleistung nachzufragen (fundamentale Barrieren). Allerdings können auch in den übrigen, vor- und nachgelagerten Phasen Barrieren vorliegen, z.B. wenn dem Nachfrager zu Beginn einer Dienstleistung die einschlägigen Fachbegriffe nicht bekannt sind (Synthesebarriere), er den Problemhergang nicht korrekt schildern kann (Interpolationsbarriere), oder er nicht recht einzuschätzen vermag, welche Merkmale der Problemsituation für den Anbieter wichtig zu wissen sind (dialektische Barriere) (instrumentelle Barrieren). Dem Nachfrager muss dann bei der Überwindung einer Barriere in der Phase der Problemartikulation geholfen werden. Dass Barrieren in jeder Phase und bei jedem Akteur in Erscheinung treten können, ist in Abbildung 3 dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Hauptkombinationsphase in beiden Akteursbereichen mittels horizontaler gestrichelter Linien dreigeteilt ist. In den daraus resultierenden Teilbereichen können spezifische Interaktionen ablaufen, die sich in Abhängigkeit vom einschlägigen Barrieretypus in Synthese-, Interpolations- und dialektische Interaktionen untergliedern lassen. Obwohl die der Problemlösung vor- und nachgelagerten Phasen nur instrumentellen Charakter besitzen, können auch sie mit einigen der zuvor beschriebenen Heuristiken unterstützt werden. Der Dienstleistungsanbieter kann dem Nachfrager so zusätzlich zur Hauptleistung weitere Dienste leisten und so unter Umständen auch wettbewerbsstrategische Vorteile erzielen, z.B. indem mittels wirkungsvoller Dienstleistungsvereinbarungsprozesse die Kosten des Nachfragers für einen Wechsel zum betrachteten Dienstleistungsanbieter gesenkt werden. 3.2 Anknüpfungspunkte für Barriereanalysen an etablierte Konzepte des Dienstleistungsmanagements Die hier präsentierten Interaktionsmodelle auf Basis des Barrierebegriffs eröffnen neue Ansatzpunkte zur Interaktionsgestaltung für Dienstleistungsunternehmen. Gleichwohl hat das Dienstleistungsmanagement in Bezug auf das Thema Kundeninteraktion bereits einen reichhaltigen Fundus sowohl theoretisch-konzeptioneller als auch empirischer Abhandlungen vorzuweisen. Da mit den hier entfalteten Überlegungen in gewisser Weise „Neuland“ betreten worden ist, sollen im Folgenden einige subjektive Anknüpfungspunkte für Barriereanalysen an etablierte Konzepte des Dienstleistungsmanagement skizziert werden. <?page no="27"?> 20 Magnus Richter Explikationsproblemen des Nachfragers, z.B. in der Problemartikulationsphase, könnte ergänzend mit Hilfe des aus dem Wissensmanagement bekannten Tacit Knowing View 78 entgegengewirkt werden. Der Tacit Knowing View bezeichnet Ansätze des Management solcher Wissensbestandteile des Menschen, die nicht in gesprochener Sprache artikuliert werden können 79 , sondern intensivere Kommunikationsformen zwischen Individuen erfordern 80 . Der wohl populärste Managementansatz impliziten Wissens ist die sogenannte Wissensspirale, die als wirkungsvollen Übermittlungsmodus Sozialisation 81 vorschlägt. Um das Verständnis der Interaktionspartner vom Wissensbedarf des anderen zu verbessern, könnten ergänzend Konzepte der Rollenbzw. Skript- Theorie 82 genutzt werden. Sie haben unterschiedliche Ideale, Erwartungshaltungen und Beurteilungsschemata der Interaktionspartner zum Gegenstand, die es für eine effektive Dienstleistungsinteraktion in Einklang zu bringen gilt 83 . Anbieter und Nachfrager müssen hierzu möglichst korrespondierende Erwartungsbündel 84 ausbilden, d.h. ähnliche Einschätzungen teilen, z.B. hinsichtlich der Effektivität der eingesetzten Lösungsprozesse. Eine phasenübergreifende Modellkonzeption für das Management interaktiver Dienstleistungen ist das GAP-Modell 85 . Das GAP-Modell dient dazu, mögliche Qualitätsdefizite beim Übergang zwischen einzelnen Dienstleistungsphasen transparent zu machen und erforderlichenfalls Gegenmaßen einzuleiten 86 . Die dem GAP-Modell zugrunde liegenden qualitätsbestimmenden Elemente (z.B. die erwartete bzw. wahrgenommene Dienstleistungsqualität) können leicht mit den zuvor beschriebenen Dienstleistungsphasen assoziiert werden, womit für das Dienstleistungsmanagement Synergieeffekte erzielt werden können. Die Ausführungen verdeutlichen, dass sich Barriereanalysen recht einfach etablierten Managementkonzepten für interaktive Dienstleistungen anfügen lassen und diese zum Teil deutlich stärken können. Die exemplarisch angeführten Berüh- 78 Vgl. hierzu das Pionierwerk Polanyi The Tacit Dimension aus dem Jahr 1966. 79 Vgl. Schreyögg/ Geiger (2005), S. 438. 80 Vgl. Richter (2012), S. 197. 81 Vgl. Nonaka/ Takeuchi (1997), S. 85. 82 Vgl. Bitner/ Booms/ Mohr (1994), S. 96; Mohr/ Bitner (1991), S. 612 f.; Solomon et al. (1985), S. 102 ff. 83 Vgl. Bitner/ Booms/ Mohr (1994), S. 96; Solomon et al. (1985), S. 103. 84 Vgl. Gössinger (2005), S. 96. 85 Vgl. Parasuraman/ Zeithaml/ Berry (1985). 86 Vgl. Parasuraman/ Zeithaml/ Berry (1985), S. 44 in Verbindung mit S. 47. <?page no="28"?> Barrieretypen in der Dienstleistungsproduktion 21 rungspunkte erheben jedoch keinesfalls den Anspruch der Vollständigkeit; es bleibt vielmehr künftigen Arbeiten vorbehalten, weitere Anwendungsgebiete für Barriereanalysen aufzudecken. 4 Resümee Gegenstand des Beitrags waren Barrieretypen in der Dienstleistungsproduktion, d.h. Hemmnisse, die den Nachfrager daran hindern, einen untolerierbaren Zustand selbständig zu beheben, d.h. ein Problem zu lösen. Da auch die Denkpsychologie auf das Lösen von Problemen fokussiert, dabei jedoch einen viel ausdifferenzierteren Problembegriff verwendet als die Dienstleistungsforschung, wurde der Versuch einer Übernahme denkpsychologischer Erkenntnisse unternommen. Zunächst wurde dargelegt, dass Dienstleistungen als Problemlösungen interpretiert werden können, die am aktuellen Ist-Zustand, dem künftigen Soll-Zustand oder dem Toleranzkorridor ansetzen können (Abschnitt 2.1). Anschließend wurden Probleme wie in der Denkpsychologie üblich danach differenziert, ob ihnen eine Synthese-, Interpolations- oder dialektische Barriere zugrunde liegt (Abschnitt 2.2). Daraufhin wurde beschrieben, welche barrierespezifischen Lösungsheuristiken von Seiten der Denkpsychologie vorgeschlagen werden (Abschnitt 2.3). Zu nennen sind hier z.B. Entdeckungs- und Umstrukturierungsheuristiken (u.a. Analogiebildung und Denken in Modellen) für Syntheseprobleme, Zwischenzielbildung für Interpolationsprobleme sowie willkürliche Ziele und Komparativkriterien für dialektische Probleme. Um systematisch Ansatzpunkte für die Interaktionsgestaltung mit Hilfe von Heuristiken offenzulegen, wurde das Akteur/ Phasen-Modell entwickelt (Abschnitt 3.1). Es sieht eine Untergliederung von Dienstleistungsproduktionssystemen nach Phasen und den an ihnen beteiligten Akteuren vor. Von besonderer Relevanz für Interaktionsanalysen sind dabei insbesondere die Überlappungsbereiche zwischen den einzelnen Phasen einer Dienstleistung, da dort verstärkt wechselseitige Verhaltensbeeinflussungen (Interaktionen) zwischen Anbieter und Nachfrager auftreten. Hierbei stellte sich heraus, dass drei Kernbereiche der Interaktionsgestaltung existieren, nämlich die interaktive Problemvermittlung, interaktive Problemlösung und interaktive Lösungsvermittlung. Zudem wurde gezeigt, dass der Nachfrager auch in vor- und nachgelagerten Phasen mit Barrieren konfrontiert sein kann. Erkennbar ist dies an Verbalisierungsproblemen des Nachfragers, die z.B. die Problembeschreibung erschweren können und so eine negative Wirkung auf den Dienstleistungsvereinbarungsprozess entfal- <?page no="29"?> 22 Magnus Richter ten. Heuristiken zum barrierespezifischen Problemlösen sind somit auch in instrumentellen Phasen einer Dienstleistung einsetzbar. Die hierfür einzusetzenden Interaktionen lassen sich in Synthese-, Interpolations- und dialektische Interaktionen untergliedern. Abschließend wurden weitere Anknüpfungspunkte für Barriereanalysen an bereits etablierte Modellkonzeptionen des Dienstleistungsmanagements skizziert (Abschnitt 3.2). Besonderen Stellenwert besaßen hierbei der Tacit Knowing View, der bei der Vermittlung impliziter Wissenselemente zwischen den Interaktionspartnern hilfreich sein kann, die Rollenbzw. Skript-Theorie, mit der persönliche Ein- und Vorstellungen der Akteure vom Interaktionsprozess transparent und harmonisierbar werden, sowie das GAP-Modell, mit dem - künftig womöglich barrierespezifisch - Qualitätsdefiziten interaktiver Dienstleistungen entgegen gewirkt werden kann. 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Aufl., Stuttgart 2007 Fandel, G.: Produktion I - Produktions- und Kostentheorie, 6. Aufl., Berlin/ Heidelberg 2005 Fließ, S.: Prozessorganisation in Dienstleistungsunternehmen, Stuttgart 2006 <?page no="30"?> Barrieretypen in der Dienstleistungsproduktion 23 Fließ, S.: Dienstleistungsmanagement - Kundenintegration gestalten und steuern, Wiesbaden 2009 Funke, J.: Problemlösendes Denken, Stuttgart 2003 Geigenmüller, A.: Interaktionsqualität und Kundenintegrationsverhalten - Theoretische Konzeption und empirische Analyse, Wiesbaden 2012 Gössinger, R.: Dienstleistungen als Problemlösungen - Eine produktionstheoretische Analyse auf der Grundlage von Eigenschaften, Wiesbaden 2005 Gutek, B.A.: The Dynamics of Service - Reflections on the Changing Nature of Customer/ Provider Interactions, San Francisco 1995 Höck, M.: Dienstleistungsmanagement aus produktionswirtschaftlicher Sicht, Wiesbaden 2005 Hussy, W.: Denken und Problemösen, Stuttgart 1993 Lasshof, B.: Produktivität von Dienstleistungen - Mitwirkung und Einfluss des Kunden, Wiesbaden 2006 Maleri, R.: Betriebswirtschaftliche Probleme der Dienstleistungsproduktion, Mannheim 1970 Mohr, L.A.; Bitner, M.J.: Mutual Understanding Between Customers and Employees in Service Encounters, in: Advances in Consumer Research, Vol. 18 (1991), S. 611-617 Möller, S.: Interaktion bei der Erstellung von Dienstleistungen - Die Koordination der Aktivitäten von Anbieter und Nachfrager, Wiesbaden 2004 Nonaka, I.; Takeuchi, H.: Die Organisation des Wissens - Wie japanische Unternehmen eine brachliegende Ressource nutzbar machen, Frankfurt a. 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Daraus resultieren Veränderungen im Informations- und Kommunikationsverhalten der Nachfrager, die sich vor allem in einem erhöhten Interaktionsgrad zwischen den Kunden (im Folgenden kurz „Kundeninteraktionen“ genannt) und erhöhten Mitwirkungsmöglichkeiten sowie Mitwirkungsbereitschaften von Kunden in den Prozessen der Unternehmen niederschlagen. Der ehemals passive Konsument nimmt immer mehr eine aktive Rolle ein und wird in die Lage versetzt, eigene Inhalte zu erstellen und einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren 2 . Dabei treffen die Entwicklungen im Bereich der Kundeninteraktionen auf ein wachsendes Bedürfnis der Konsumenten nach exakt auf ihre jeweiligen Vorstellungen abgestimmten Leistungen 3 . Diese Leistungsindividualisierung geht meist einher mit einem Anstieg von Dienstleistungselementen, wodurch die Vermarktungsobjekte überwiegend Leistungsbündel darstellen, die aus Sach- und Dienstleistungen bestehen 4 . Somit steigt in den Unternehmen die Notwendigkeit einer integrativen Leistungserstellung, bei der die Kunden im Rahmen der sogenannten Kundenintegration als externer Faktor in den Leistungserstellungsprozess miteinbezogen werden 5 . In der Konsequenz ist eine Verlagerung der Wertschöpfung von Unternehmen auf die Kundenseite zu beobachten, die durch neue Möglichkeiten im Umfeld des Web 2.0 getragen ist und neben neuen Gestaltungselementen der „klassischen“ Kundenintegration auch eine Wertschöpfung für Unternehmen durch Nutzung der Kundeninteraktionen erlaubt 6 . So kommt z.B. eine Befragung von 3.700 Führungskräften von europäischen, asiatischen und amerikanischen Unternehmen im Auftrag von SAP zu dem Ergebnis, dass die stärkste Ursache der Veränderungserfordernis der Geschäftsmodelle in der Zukunft aus der „Interaktion mit Kunden“ erwächst 7 . Die dargestellten Entwicklungen (neue Möglichkeiten durch soziale Medien, Kundeninteraktionen, Leistungsindividualisierung und Kundenintegration) führen aber auch dazu, dass die Unsicherheitspositionen sowohl auf der Anbieterals auch auf 1 Vgl. Greve (2011), S. 16 ff.; Wirtz/ Nitzsche/ Ullrich (2012), S. 217 f. 2 Vgl. Horster/ Gottschalk (2012), S. 230. 3 Vgl. Franke/ Piller (2003), S. 578 f.; Freichel (2009), S. 2 ff.; Jacob (1995), S. 1. 4 Vgl. Backhaus et al. (2010), S. 3 ff.; Engelhardt/ Kleinaltenkamp/ Reckenfelderbäumer (1993), S. 416 ff.; Meyer (1983), S. 137; Shostack (1977), S. 73 ff. 5 Vgl. Kleinaltenkamp/ Bach/ Griese (2009), S. 37 ff. 6 Vgl. Fließ/ Jacob/ Fandel (2011), S. 11 ff. 7 Vgl. Borzo (2005), S. 25; Kagermann/ Österle (2007), S. 16 ff. <?page no="34"?> Der Qualitäts-Dreisprung bei integrativ erstellten Leistungen 27 der Nachfragerseite bezüglich der Qualität von Leistungsbündeln steigen. Auf der Nachfragerseite ist hierfür insbesondere der Charakter von Leistungsbündeln als Leistungsversprechen verantwortlich und auf der Anbieterseite die Integrationserfordernis von Kunden in den Leistungserstellungsprozess sowie die nur schwer abzuschätzenden Konsequenzen aus den Kundeninteraktionen. Darüber hinaus führen die vielfältigen Social-Media-Anwendungen dazu, dass die Kunden immer mehr in die Prozesse der Anbieter eingreifen können, womit die Anbieter zunehmend die Hoheit über ihre eigenen Prozesse verlieren. Andererseits erlaubt aber genau diese Vielfalt den Anbietern durch geeignete Gestaltung der Kundenintegration sowie der Nutzung von Informationen aus den Kundeninteraktionen, ihre eigene Unsicherheit als auch die Unsicherheit der Nachfrager bezüglich der Leistungsqualität der angebotenen Produkte zu reduzieren. Die Unternehmen können dabei auf neue Anwendungen zurückgreifen (z.B. Bereitstellung von Toolkits, Wettbewerbe in sozialen Netzwerken, Förderung von Open Innovation), die in besonderer Weise eine Unsicherheitsreduktion durch eine bessere Ausgestaltung der Interaktion mit und zwischen den Kunden sowie der Kundenintegration ermöglichen. Das allerdings erfordert, dass die Anbieter im Prozess der Leistungserstellung gegenüber standardisierten Leistungsangeboten deutlich höhere Kompetenzen bei der Gewinnung, Verarbeitung und Übertragung von markt- und kundenrelevanten Informationen besitzen. Vor diesem Hintergrund verfolgt der vorliegende Beitrag das Ziel, die sich bei Individualisierung durch integrative Leistungserstellung ergebenden Besonderheiten bei der Bestimmung der Leistungsqualität und die damit verbundenen Unsicherheitspositionen der Marktparteien zu untersuchen. Besondere Berücksichtigung finden dabei elektronische Wissensressourcen, die vor allem aus sozialen Netzen und den darin stattfindenden Kundeninteraktionen gewonnen werden können. Im Ergebnis wird ein Qualitätsmanagementansatz vorgestellt, der - unter Verwendung der aus Kundeninteraktionen gewonnenen elektronischen Wissensressourcen - zur Reduktion der Qualitätsunsicherheit bei integrativ erstellten Leistungen auf der Anbieterwie auch der Nachfragerseite beitragen soll (vgl. Abbildung 1). Zu diesem Zweck wird im ersten Schritt zunächst der Qualitätsbegriff bei integrativ erstellten Leistungen konkretisiert und darauf aufbauend die Unsicherheitsproblematik bei der Beurteilung der Leistungsqualität sowohl aus Anbieterals auch aus Nachfragersicht betrachtet. Darauf aufbauend wird im Rahmen konzeptioneller Überlegungen ein auf dem informationsökonomischen Entscheidungsprozess und dem betrieblichen Wissensmanagement basierender, dreistufiger Ansatz für das Qualitätsmanagement bei integrativen Leistungen abgeleitet, der in diesem Beitrag auch kurz als „Qualitäts-Dreisprung“ bezeichnet wird. <?page no="35"?> 28 Rolf Weiber und Tobias Wolf Abb. 1: Einbindung von Kundeninteraktionen in das Qualitätsmanagement Der Schwerpunkt der Betrachtungen liegt dabei neben der konzeptionellen Herleitung auf dem exemplarischen Einbezug elektronischer Wissensressourcen aus kundenseitigen Interaktionsprozessen. Diese sogenannten Kunde-zu-Kunde- Interaktionen sind dabei besonders geeignet, Rückschlüsse auf Kundenanforderungen zu gewinnen und so den tatsächlichen Leistungserstellungsprozess zu optimieren und die Qualität der Leistungsergebnisse gegenüber dem Markt zu signalisieren. 2 Qualitätsunsicherheit bei integrativ erstellten Leistungen Dem zunehmenden Bedürfnis nach individuellen Leistungen begegnen die Unternehmen durch das Angebot von Leistungsbündeln, welche neben der standardisierten Kernleistung auch ein gewisses Maß an Individualisierungen beinhalten 8 . Die Erstellung von Leistungsbündeln ist durch die Integration von internen sowie externen Produktionsfaktoren gekennzeichnet und somit das Leistungsergebnis wesentlich durch die Interaktion der Marktparteien bestimmt. Daher werden solche Bündel in diesem Beitrag auch als integrative Leistungen bezeichnet. Die Integration des Kunden als sogenannter externer Faktor zielt somit auf die zwingende Mitwirkung des Nachfragers im Leistungserstellungsprozess ab, da dieser selbst oder bestimmte Potentiale bzw. Informationen von ihm als Produktionsfaktoren dienen. Erst mit Hilfe dieser Kundenintegration wird der eigentliche Leistungsprozess initialisiert und notwendiges Leistungspotential aktiviert 9 . Zur Analyse der Qualitätsunsicherheit bei Leistungsbündeln wird im ersten Schritt der Qualitätsbegriff bei Leistungsbündeln genauer analysiert und die unterschiedlichen Dimensionen der Leistungsqualität unter Rückgriff auf die Betrachtungen in der Dienstleistungsforschung herausgestellt. Unter Verwendung der dabei gewon- 8 Vgl. Brady et al. (2005), S. 360. 9 Vgl. hierzu z.B. Engelhardt (1990), S. 280 f.; Maleri (1997), S. 133; Rosada (1990), S. 14. Traditionelles Qualitätsmanagement Kundeninteraktionsorientiertes Qualitätsmanagement Nutzer Nutzer Nachfrager/ Nutzer Nachfrager/ Nutzer Anbieter Anbieter <?page no="36"?> Der Qualitäts-Dreisprung bei integrativ erstellten Leistungen 29 nenen Erkenntnisse fokussieren sich die Betrachtungen anschließend auf die Unsicherheitsproblematik bei integrativ erstellten Leistungen sowohl aus Nachfragerals auch Anbietersicht. Die Darstellungen werden dabei differenziert nach den allgemeinen Unsicherheitspositionen der Marktparteien bei integrativ erstellten Leistungen und den sich aus der Kundenintegration sowie den Kundeninteraktionen ergebenden Konsequenzen im Hinblick auf die spezifischen Unsicherheiten bei der Qualitätsbeurteilung. 2.1 Besonderheiten des Qualitätsbegriffs bei integrativen Leistungen Nach der DIN-Norm EN ISO 9000: 2005 ist Qualität definiert als „…Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt.“ 10 Entscheidend ist dabei die Frage, wie diese „inhärenten Merkmale“ einer Leistung und die daran gestellten Anforderungen definiert werden. Nach Garvin (1984) kann die Definition bzw. Feststellung von Merkmalen und Anforderungen aus unterschiedlichen Perspektiven erfolgen 11 . Dabei geht die produktbezogene Perspektive von einer objektiven Messbarkeit aus, während die nutzerbzw. kundenorientierte Perspektive subjektiv ist und die von einem Kunden gewünschten Merkmale mit den von ihm bei einem Produkt wahrgenommenen Merkmalen vergleicht. Die Qualitätswahrnehmung ergibt sich danach aus einem Soll-Ist-Vergleich im Sinne der Übereinstimmung von Kundenerwartungen (Soll) und deren subjektiv wahrgenommener Erfüllung (Ist). Demgegenüber zielt die herstellerbzw. anbieterbezogene Perspektive von Qualität auf die Frage ab, wie gut die Leistungen vorgegebene Spezifikationen erfüllen. Kunden- und anbieterbezogene Perspektive sind gleich, wenn die Definition der Anforderungen bzw. Spezifikationen sowie deren Erfüllung aus Kundensicht erfolgt. Da üblicherweise dem kundenbezogenen Verständnis von Qualität gefolgt wird, wird auch im Folgenden “Leistungsqualität“ allgemein als die Fähigkeit eines Anbieters bezeichnet, sein Leistungsangebot entsprechend den Erwartungen der Kunden auf einem bestimmten Anspruchsniveau zu erstellen. Bei integrativ erstellten Leistungen ist es zweckmäßig, die Qualität der Gesamtleistung in einem phasenabhängigen Kontext zu betrachten. In Anlehnung an die Überlegungen der produktionswirtschaftlich orientierten Dienstleistungsforschung 12 wird deshalb im Folgenden die Leistungsqualität entsprechend den Phasen ihrer Entstehung in 10 DIN-Norm EN ISO 9000: 2005, S. 36. 11 Vgl. Garvin (1984), S. 25 ff. 12 Vgl. Corsten/ Gössinger (2007), S. 21 ff.; Fließ (2009), S. 20 ff.; Hilke (1989), S. 10 ff.; Meffert/ Bruhn (2009), S. 17 ff. <?page no="37"?> 30 Rolf Weiber und Tobias Wolf drei Bereiche (Dimensionen) unterteilt (vgl. Abbildung 2): Leistungspotential, Leistungserstellungsprozess und Leistungsergebnis 13 . Abb. 2: Dimensionen der Leistungsqualität Die Potentialqualität bezieht sich dabei auf alle Voraussetzungen, die zur Erbringung einer Leistung erforderlich sind. Solche Potentialfaktoren beinhalten auf der Anbieterseite z.B. die Qualifikation der Mitarbeiter oder die Qualität der technischen Einrichtungen, der Prozess- und Kommunikationsstrukturen, aber auch die vorherrschende Unternehmenskultur. In gleicher Weise existieren auch auf der Kundenseite Potentialfaktoren, wie z.B. das Know-how oder Objekte des Kunden, die kurzfristig nicht veränderbar sind und maßgeblich die Qualität der Mitwirkung im folgenden Leistungserstellungsprozess bestimmen. Die Prozessqualität basiert auf sämtlichen Aktivitäten, die während des Leistungserstellungsprozesses stattfinden. Kennzeichnend ist die Besonderheit, dass der Anbieter den Prozess in der Regel erst mit Einbringung des externen Faktors beginnen kann. Nach Gounaris (2005) kann hier weiter in harte und weiche Faktoren unterschieden werden 14 . Dabei bezieht sich die „harte“ Prozessqualität auf alle Elemente, die unmittelbar auf die Leistungsqualität bezogen sind, wie z.B. die Einhaltung von Fristen. Die „weiche“ Prozessqualität hingegen beinhaltet beziehungsbezogene Elemente der Leistungsqualität, so z.B. die Qualität der Kommunikationsprozesse und Kommunikationsinstrumente oder auch das Einfühlungsvermögen und die Begeisterungsfähigkeit der Mitarbeiter eines Anbieters. Analog können diese Kriterien aber auch auf die Kundenmitwirkung übertragen werden, wobei hier die Prozessqualität auch durch Kundeninteraktionen beeinflusst werden kann. So können Kunden z.B. eigene Leistungserstellungsaktivitäten auf andere 13 Vgl. Donabedian (1980), S. 81 ff. 14 Vgl. Gounaris (2005), S. 424 f. Potentialqualität Leistungsqualität Leistungspotentiale des Anbieters (Herstellung von Leistungsbereitschaft) Leistungserstellungsprozess des Anbieters anbieterseitig kommuniziertes Leistungsergebnis Prozessqualität Ergebnisqualität Leistungspotentiale des Nachfragers Mitwirkung des Kunden als externer Produktionsfaktor Leistungserstellungsprozess des Anbieters kundenseitig wahrgenommenes Leistungsergebnis Wirksamkeit von Kundeninteraktionen <?page no="38"?> Der Qualitäts-Dreisprung bei integrativ erstellten Leistungen 31 Kunden verlagern oder ihr Verhalten im Leistungserstellungsprozess kann durch das Einholen von Kundenmeinungen beeinflusst werden. Die Ergebnisqualität steht am Ende der Leistungserstellung und erfasst, inwieweit die gesamte Leistung zu einem vom Nachfrager erwünschten Ergebnis geführt hat. Auch hier kann die Qualitätswahrnehmung durch Kundeninteraktionen beeinflusst werden, indem z.B. Erfahrungen mit einem Anbieter über soziale Netze ausgetauscht werden oder die Leistungsergebnisse durch andere Nachfrager beurteilt werden. Bei dem Leistungsergebnis handelt es sich in der Regel um ein Leistungsbündel mit materiellen und immateriellen Bestandteilen und einem bestimmten Anwendernutzen. Die Ergebnisqualität beeinflusst somit auch in direkter Form den Erfolg des Kunden bei der Nutzung der Leistung 15 . Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich bei integrativ erstellten Leistungen die Besonderheit ergibt, dass Kunden nicht nur die Merkmale des Leistungsergebnisses wahrnehmen, sondern auch die Leistungspotentiale des Anbieters und den Leistungserstellungsprozess. Weiterhin beeinflussen Kunden durch ihre Funktion als Co-Produzent sowohl die Prozessals auch die Ergebnisqualität und können somit auch Qualitätsdefizite verursachen. Aus den Kundeninteraktionen folgt weiterhin, dass zum einen die Definition von Anforderungen nicht mehr allein a priori und individuell erfolgt und zum anderen auch die kundenseitige Beurteilung von Anforderungen durch andere Kundenmeinungen beeinflusst werden kann. 2.2 Unsicherheitsproblematik bei integrativ erstellten Leistungen 2.2.1 Allgemeine Unsicherheitspositionen der Marktparteien Bei integrativ mit dem Kunden erstellten Leistungen wird dieser in Anlehnung an Toffler (1983) zum „ProSumer“ 16 . Demnach übernimmt der Kunde gleichzeitig die Rolle des Konsumenten wie auch des (Ko-) Produzenten einer Leistung, womit er je nach Art und Intensität der Einbindung auch maßgeblichen Einfluss auf die Qualität des Leistungsergebnisses besitzt. Zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung ist damit das endgültige Leistungsergebnis noch nicht existent, wodurch der Nachfrager lediglich ein Leistungsversprechen des Anbieters erwirbt 17 . Über dessen Einhaltung besteht jedoch Unsicherheit, da beim Anbieter bezüglich der Leistungserbringung noch Dispositionsfreiheiten nach dem Kauf bestehen. Auf der anderen Seite ist aber auch der Anbieter Unsicherheiten ausgesetzt. So kann er häufig nur schwer einschätzen, ob der Nachfrager sich auch in der erforderlichen Weise in die Leis- 15 Vgl. Gounaris (2005), S. 423. 16 Vgl. Toffler (1983), S. 273. 17 Vgl. Alchian/ Woodward (1988), S. 66. <?page no="39"?> 32 Rolf Weiber und Tobias Wolf tungserstellung einbringen kann (Fähigkeit) und möchte (Motivation). Die integrative Leistungserstellung eröffnet auch auf der Kundenseite Dispositionsspielräume. Da beide Seiten im Hinblick auf ihre eigenen Dispositionsspielräume jeweils über einen Informationsvorsprung gegenüber der anderen Marktpartei verfügen, liegen bei integrativ erstellten Leistungen zumeist wechselseitige Informationsasymmetrien vor 18 . Daraus resultiert die Gefahr, dass der Informationsvorsprung von der jeweiligen Marktpartei in opportunistischer Weise ausgenutzt wird und diese bei den noch offenen Dispositionen nicht hinreichende Sorgfalt, Fleiß, Anstrengung usw. walten lässt 19 . Da Leistungsversprechen aus informationsökonomischer Sicht primär mit Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften einhergehen, ist ein möglicher Opportunismus erst nach Vorliegen des Leistungsergebnisses erkennbar (Hold-Up- Problem) oder kann von der schlechter informierten Marktpartei selbst im Nachhinein (Moral-Hazard-Problem) nicht erkannt werden 20 . 2.2.2 Auswirkungen von Kundenintegration und Kundeninteraktion auf die Qualitätsunsicherheit bei integrativ erstellten Leistungen Allgemein haben die Unbestimmtheit der Leistung zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung sowie die Dispositionsspielräume der Marktparteien zur Folge, dass die Unsicherheit bezüglich der Leistungsqualität von integrativ erstellten Leistungen deutlich größer ist, als bei sogenannten Austauschgütern, die zum Zeitpunkt des Kaufs bereits eindeutig definiert sind 21 . Kundeninteraktionen und Kundenintegration führen nun dazu, dass die Unsicherheitsproblematik durch soziale Medien vor allem für die Anbieterseite erhöht wird. Einerseits interagieren sowohl im Kaufprozess 22 als auch im Leistungserstellungsprozess Kunden mit anderen Kunden oder Konsumenten und erschweren damit dem Unternehmer die Abschätzung der zu erwartenden Kundenhandlungen. Die hieraus entstehenden negativen Konsequenzen können in Anlehnung an Weiber und Wolf (2012) auch als disruptive Empowerment bezeichnet werden und unter anderem zu negativem Word-of- Mouth führen 23 . Diese Unsicherheitsquelle für den Anbieter wird hier im Folgenden als Interaktionsunsicherheit bezeichnet. Andererseits resultiert eine höhere Anbieterunsicherheit aber auch daraus, dass durch soziale Medien die Integration des Kunden in den Leistungserstellungsprozess an Intensität und Umfang zunimmt. Ursache hierfür sind vor allem technologische Entwicklungen wie etwa das 18 Vgl. Weiber/ Kleinaltenkamp (2013), S. 150 ff. 19 Vgl. Adler (1996), S. 62 ff.; Arrow (1985), S. 37 ff.; Weiber/ Adler (1995), S. 55 ff. 20 Vgl. Kleinaltenkamp (1992), S. 812 ff.; Spremann (1990), S. 564 ff. 21 Vgl. Alchian/ Woodward (1988), S. 66. 22 Vgl. Georgi/ Mink (2013), S. 422 f.; Martin/ Clark (1996). 23 Vgl. Weiber/ Wolf (2012), S. 42 ff. <?page no="40"?> Der Qualitäts-Dreisprung bei integrativ erstellten Leistungen 33 Ubiquitous Computing oder Ambient Intelligence-Anwendungen 24 , die letztlich auch den Weg für erweiterte Formen der Kundenintegration wie z.B. Open Innovation 25 oder Mass Customization 26 bereitet haben. Diese Unsicherheitsquelle für den Anbieter wird hier im Folgenden als Integrationsunsicherheit bezeichnet. Bezogen auf die Unsicherheitspositionen der Marktparteien in den Phasen der Leistungserstellung (vgl. Abbildung 2) ergeben sich aufgrund von Kundenintegration und Kundeninteraktion folgende Besonderheiten: Im Hinblick auf die Leistungspotentiale ist davon auszugehen, dass die anbieterseitige Unsicherheit über das Leistungspotential eines Kunden größer ist als die Unsicherheit des Nachfragers über die Leistungsfähigkeit eines Anbieters. Dies kann darin begründet liegen, dass die Informationsmöglichkeiten über einen Anbieter tendenziell größer sind und der Anbieter auch bemüht ist, entsprechende Signale zu seiner Leistungsfähigkeit an die Kundenseite auszusenden. Im eigentlichen Leistungserstellungsprozess begründet sich die Anbieterunsicherheit primär in der Unsicherheit über Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit des mitwirkenden Kunden, die bei reinen Austauschgütern keine Rolle spielt. In gleicher Weise ist auch die Unsicherheit der Nachfrager über die Prozessqualität des Anbieters in Abhängigkeit der anbieterseitigen Dispositionsspielräume entsprechend hoch. Allerdings ist zu vermuten, dass mit steigender Eingriffstiefe und Eingriffsintensität des Kunden auch dessen Informationen über die Anbieterseite besser werden und dadurch die nachfragerseitige Unsicherheit über die Prozessqualität des Anbieters sinkt. Schließlich ist im Hinblick auf das Leistungsergebnis festzustellen, dass die Unsicherheit bei der Beurteilung des Leistungsergebnisses für die Nachfragerseite umso größer ist, je größer der Anteil an Vertrauenseigenschaften am Leistungsergebnis ausfällt. Jedoch besteht auch beim Leistungsergebnis Anbieterunsicherheit, wenn die Kundenmitwirkung für den Anbieter eine Vertrauenseigenschaft darstellt. Insgesamt kann festgehalten werden, dass durch Kundenintegration und Kundeninteraktionen zunächst einmal die Anbieterunsicherheit steigt, während die Nachfragerunsicherheit eher reduziert wird. Der Erhöhung der Anbieterunsicherheit aufgrund von Interaktions- und Integrationsunsicherheit steht allerdings auch die Chance gegenüber, durch die Nutzung sozialer Medien einerseits genau diese Unsicherheiten zu reduzieren und andererseits auch der Unsicherheit der Nachfrager in den verschiedenen Phasen der Leistungserstellung entgegenzuwirken. Kundenintegration und Kundeninteraktion bieten damit sowohl Chancen als auch Risiken hinsichtlich der Unsicherheitsproblematik. 24 Vgl. Fälsch (2007), S. 30 ff.; Weiber/ Fälsch (2007), S. 90 ff.; Weiber/ Hörstrup/ Mühlhaus (2011), S. 112 f. 25 Vgl. Chesbrough (2003), S. 35 ff. 26 Vgl. Davis (1989), S. 16 ff. <?page no="41"?> 34 Rolf Weiber und Tobias Wolf 3 Ganzheitliches Qualitätsmanagement mit Hilfe des Qualitäts-Dreisprungs Im Folgenden wird ein Ansatz für ein Qualitätsmanagement bei integrativ erstellten Leistungsbündeln konzeptionell abgeleitet, durch den insbesondere der zuvor dargestellten Unsicherheitsproblematik entgegengewirkt werden kann. Dabei wird im ersten Schritt eine kurze Replik auf existierende Ansätze im Qualitätsmanagement gegeben und die Informationsökonomik sowie das Wissensmanagement als theoretische Basis der weiteren Überlegungen begründet. Insgesamt wird ein „marktseitenintegrierender Informationsprozess“ betrachtet, der die Markt- und Unternehmensebene verbindet und mit dessen Hilfe Unsicherheiten auf der Anbieter- und Nachfragerseite reduziert werden können. Während in diesem Kapitel der sogenannte Qualitäts-Dreisprung nur in seinen zentralen und allgemeinen Charakteristika betrachtet wird, erfolgt in Kapitel 4 dann eine Konkretisierung im Hinblick auf den Einsatz elektronischer Wissensressourcen. 3.1 Informationsökonomik und Wissensmanagement als theoretische Basis des Qualitäts-Dreisprungs Die wissenschaftliche Literatur zum Qualitätsmanagement diskutiert eine Fülle an Vorschlägen, wie Qualität bei einer Angebotsleistung erreicht und sichergestellt werden kann. Da der Prozess integrativ erstellter Leistungen in diesem Beitrag an den Phasen der Dienstleistungsproduktion orientiert wurde, konzentriert sich im Folgenden auch die Sichtung der einschlägigen Literatur auf das Qualitätsmanagement bei Dienstleistungen. Zusammenfassende Darstellungen hierzu finden sich z.B. bei Benkenstein und Holtz, Bruhn, Corsten und Gössinger, Fließ oder Meyer und Ertl 27 . Die dabei diskutierten Instrumente lassen sich insgesamt nach drei zentralen Analyseschwerpunkten gruppieren (vgl. Abbildung 3): Instrumente aus dem Bereich der Analyse von Soll- und Ist-Leistung ermitteln die erwarteten sowie tatsächlich wahrgenommenen Leistungsbestandteile aus Kundensicht und untersuchen die dabei eventuell auftretenden Differenzen. Prozessanalysen nehmen eine Dekomposition des gesamten Leistungserstellungsprozesses vor und dienen der Identifikation von eventuellen Schwachstellen und Ineffizienzen. 27 Vgl. Benkenstein/ Holtz (2001), S. 198 ff.; Bruhn (2011), S. 139 ff. und S. 306 ff.; Corsten/ Gössinger (2007), S. 300 ff.; Fließ (2006), S. 139 ff.; Meyer/ Ertl (1998), S. 222 ff. <?page no="42"?> Der Qualitäts-Dreisprung bei integrativ erstellten Leistungen 35 Im Rahmen der Fehleranalyse wird die Leistungserstellung hinsichtlich auftretender Fehlerleistungen und Mängel untersucht und eine Analyse der möglichen Ursachen vorgenommen. Analyse von Soll- und Ist-Leistung Prozessanalyse Fehleranalyse - GAP-Modell der Dienstleistungsqualität nach Parasuraman et al. - Modell von Grönroos - Modell von Stauss/ Neuhaus - Multiattributive Verfahren (Servqual, Serperf) - Penalty-Reward- Faktoren-Ansatz - Kano-Modell - Vignetten-Methode - SIMALTO-Plus-Technik - … - Modell von Boulding et al. - Blueprinting - Ereignisgesteuerte Prozesskette - Process Flowchart - Quality Function Deployment - House of Quality - Critical-Incident-Technic - Critical-Path-Analyse - Root-Cause-Analyse - … - Problem-Detecting- Methode - Frequenz-Relevanz- Analyse - Beschwerdemessungen - Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) - Fishbone-Ansatz - Poka-Yoke-Verfahren - Statistical Process Control - … Abb. 3: Ausgewählte Instrumente des Qualitätsmanagement im Dienstleistungsbereich Diese Instrumente berücksichtigen jedoch nur unzureichend die besondere Unsicherheitsproblematik, die aus der Kundenintegration resultiert, und es werden insbesondere die sich aus vermehrten Kundeninteraktionen ergebenden Potentiale nicht genügend eingebunden. Um dies besser zu ermöglichen, werden im Folgenden die in Kapitel 2 aufgezeigten Besonderheiten der Qualitätsunsicherheit bei Leistungsbündeln in den Vordergrund gestellt, die sich in ihren zentralen Charakteristika wie folgt zusammenfassen lassen: [1] Kundeninteraktionen können das Kundenverhalten in allen Phasen der integrativen Leistungserstellung beeinflussen. Damit greifen Kundeninteraktionen auf der Marktebene elementar in die Unternehmensebene ein. [2] Die traditionellen Betrachtungen zur Kundenintegration sind um den Aspekt der Kundeninteraktionen zu erweitern, womit sich auch hier die Notwendigkeit der Verbindung von Markt- und Unternehmensebene ergibt. [3] Kundenintegration und Kundeninteraktionen führen zu einem weiteren Anstieg der Unsicherheit auf der Anbieterseite, während sie auf der Nachfragerseite eher zur Reduktion der Unsicherheit beitragen. Aus den Charakteristika [1] und [2] ergibt sich die Konsequenz, Markt- und Unternehmensebene auch im Qualitätsmanagement besser zu verbinden und mit Charakteristika [3] ist dabei der Fokus in diesem Beitrag auf die Qualitätsunsicherheit gelegt. Da Informationsaktivitäten allgemein den zentralen Ansatzpunkt zur Reduktion von Unsicherheiten darstellen, wird im Folgenden ein marktseiten- <?page no="43"?> 36 Rolf Weiber und Tobias Wolf integrierender Informationsprozess vorgeschlagen, durch den die Marktebene mit der Unternehmensebene verbunden werden kann. Die folgenden Ableitungen werden zum einen informationsökonomisch fundiert, da sich dieser Theoriebereich in besonderer Weise mit der Problematik der Qualitätsunsicherheit beschäftigt 28 . Zum anderen wird auf das sogenannte Knowledgebzw. Wissensmanagement zurückgegriffen, das in besonderer Weise die Thematik der Generierung und der Verarbeitung von Wissen (Informationen) in Unternehmen analysiert 29 . 3.2 Ableitung des Qualitäts-Dreisprungs und dessen Handlungsfelder Allgemein können Informationsprozesse in die Stufen Informationsgewinnung, Informationsverarbeitung und Informationsbereitstellung untergliedert werden 30 . Weiterhin können in Anlehnung an die Institutionenökonomik Informationsaktivitäten in Screening- und Signaling-Aktivitäten unterteilt werden. Dabei dient allgemein das Screening der schlechter informierten Marktseite dazu, durch Informationssuche Unsicherheit abzubauen, während das Signaling von der besser informierten Marktseite genutzt wird, unsicherheitsreduzierende Signale auszusenden 31 . Abb. 4: Der Qualitäts-Dreisprung 28 Vgl. zusammenfassend Adler (1996), S. 41 ff. und die dort zitierte Literatur. 29 Vgl. stellvertretend Probst/ Raub/ Romhardt (2006), S. 25 ff. 30 Vgl. Adler (1996), S. 81 f.; Krober-Riel/ Weinberg/ Gröppel-Klein (2009), S. 274 ff.; Weiber/ Jacob (2000), S. 532 f. 31 Vgl. Kaas (1991), S. 357 ff.; Spence (1974), S. 5 ff.; Stiglitz (1975), S. 28 ff. Unternehmensebene Marktebene Quality Signaling Quality Processing Quality Screening Elektronische Wissensressourcen/ Datenbanken <?page no="44"?> Der Qualitäts-Dreisprung bei integrativ erstellten Leistungen 37 Werden diese Informationsaktivitäten dem allgemeinen Informationsprozess zugeordnet, so lässt sich eine marktseitenintegrierende Betrachtungsweise 32 dadurch erreichen, dass die Informationsgewinnung zunächst durch gezieltes Screening von Qualitätsinformationen auf der Marktseite erfolgt. Die dabei gewonnenen Kundeninformationen gehen dann als Steuerungsinformationen in die Informationsverarbeitung auf der Unternehmensseite ein. Die Informationsbereitstellung, insbesondere für die Marktseite, erfolgt durch gezielte Signaling-Aktivitäten der Anbieter. Der sich dadurch ergebende Meta-Informationsprozess ist in Abbildung 4 verdeutlicht und wird hier als „Qualitäts-Dreisprung“ bezeichnet. Die Handlungsorientierung im Qualitäts-Dreisprung liegt zum einen darin, die Chancenpotentiale aus der Kundenintegration und den vermehrten Kundeninteraktionen zu realisieren, indem Schwächen wie z.B. Schnittstellenprobleme und Fehlerquellen reduziert werden (Effizienzaspekt). Gleichzeitig sollen Risiken vermieden werden, die aus der vermehrten Kundeninteraktion sowie der erhöhten Unsicherheitsposition der Kundenintegration resultieren und somit die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens im Sinne der Kundenausrichtung (Effektivitätsaspekt) verbessert werden (vgl. Abbildung 5). Abb. 5: Handlungsfelder im Rahmen des Qualitäts-Dreisprungs Um eine weitere Konkretisierung des Qualitäts-Dreisprungs zu erreichen, wird entsprechend der in diesem Beitrag vorgenommenen Fokussierungen auf das Bausteinmodell des Wissensmanagements von Probst, Raub und Romhardt zurückgegriffen 33 . Mit Hilfe dieses Modells lassen sich die Zielsetzungen in den drei Stufen des Qualitäts-Dreisprungs für die Anbieterseite wie folgt konkretisieren (vgl. auch Abbildung 6): 32 Vgl. Weiber (2002), S. 13 ff. 33 Vgl. Probst/ Raub/ Romhardt (2006), S. 25 ff.; Raub/ Probst (2002), S. 423 f. Unternehmensextern Chance „Integration & Interaktion“ Risiken „Integration & Interaktion“ Stärken Schwächen Unternehmensintern Processing Screening/ Signaling Fokus: Effizienz Fokus: Effektivität <?page no="45"?> 38 Rolf Weiber und Tobias Wolf Stufe 1: „Quality Screening“ : In der Phase der Informationsgewinnung bzw. des Quality-Screening, können durch Sammlung und Systematisierung von realen Ereignissen Anforderungen und mögliche Problemfelder aufgedeckt werden (Wissensidentifikation) und so der Kenntnisstand des Entscheiders bzw. des Unternehmens vergrößert werden. Der Fokus liegt dabei auf der Identifikation von Kundenanforderungen und damit der einzelkundengerechten Formulierung der mit einem Leistungsbündel verbundenen Leistungsversprechen zum Kaufzeitpunkt. Um die kundenrelevanten Bestandteile eines Leistungsbündels zu identifizieren, müssen relevante Informationen auf der Marktsowie der Einzelkundenebene gewonnen werden (Wissenserwerb). Dabei ist neben den relevanten Leistungskriterien insbesondere auch die Identifikation kritischer Kontaktsituationen zwischen Anbieter und Nachfrager sowie zwischen den Nachfragern von Relevanz. Die Ergebnisse des Quality Screening gehen unmittelbar in die Phase des Quality Processing ein. Abb. 6: Konzeption eines dreistufigen Modells der Informationsentwicklung Stufe 2: „Quality Processing“ : In der Phase des Quality Processing müssen die im Rahmen des Quality Screening generierten Informationen in geeignete qualitätssichernde Maßnahmen umgesetzt werden. Ziel ist die Transformation kundenseitiger Qualitätsinformationen in Prozessinformationen für die Leistungserstellung und somit die Informationsverarbeitung im Qualitäts- Dreisprung (Wissensentwicklung). Bei der Informationsverarbeitung im Qualitäts-Dreisprung sind vor allem Data-Mining-Techniken hervorzuheben, die Processing Signaling Screening Wissensnutzung Wissens- Identifikation Wissensentwicklung Wissensbewahrung Unternehmensebene Marktebene Wissenserwerb Wissens- (ver)teilung <?page no="46"?> Der Qualitäts-Dreisprung bei integrativ erstellten Leistungen 39 darauf abzielen, in in der Regel großen Datenmengen durch Assoziations- und Klassifikationsanalysen Muster zu erkennen 34 . Dabei liegt das primäre Ziel beim Quality Processing darin, bisher nicht bekanntes (implizites) und für die Sicherstellung der Leistungsqualität nützliches Wissen zu generieren. Hervorzuheben ist dabei das Web Usage Mining, das auf die Analyse des Interaktionsverhaltens der Internetnutzer abzielt 35 und z.B. durch die Analyse von Logfiles, Nutzerprofilen oder des Verhaltens in Communities Erkenntnisse für die Leistungsqualität gewinnen kann. Auf diese Weise kann die Informationsbasis für die Instrumente des Qualitätsmanagement (vgl. Abbildung 3) durch verhaltensrelevante Daten deutlich verbessert werden. Nach Speicherung der aufbereiteten Informationen in Datenbanken (Wissensbewahrung) können diese für die relevanten Stellen zugänglich gemacht und durch geeignete Maßnahmen umgesetzt werden. Stufe 3: „Quality Signaling“: Die abschließende Informationsübertragung im Rahmen des Quality-Signaling beinhaltet die Distribution der gewonnenen Informationen an interne und externe Stellen (Wissensverteilung). Dabei können die Informationen entweder an entsprechende Stellen direkt verteilt werden (Information Push) oder von den beteiligten Personen aktiv abgerufen werden (Information Pull). Insbesondere soll die Qualitätswahrnehmung der Nachfragerseite auf diese Weise beeinflusst werden und vor allem Vertrauen in die Qualitätsfähigkeit des Anbieters generiert und Unsicherheiten auf der Nachfragerseite reduziert werden. Die Wissensnutzung durch die entsprechenden Personen schließt dann wieder den Kreis zum Quality- Screening und erfolgt auch im Rahmen des Quality-Processing durch die Umsetzung des Wissens in geeignete Aktivitäten. Es ist herauszustellen, dass die drei Informationsaktivitäten im Rahmen des Qualitäts-Dreisprungs nicht „isoliert nebeneinander“ stehen, sondern in einen integrativen Zusammenhang gebracht werden. Das bedeutet, dass die über das Quality- Screening gewonnenen Markt- und Kundeninformationen als Steuerungsinformationen in das Quality-Processing eingehen und die Ergebnisse der in diesem Schritt eingesetzten Maßnahmen und erzielten Ergebnisse im Rahmen des Quality- Signaling wieder an den Kunden bzw. den Markt gegeben werden. Weiterhin ist zu beachten, dass die Qualitätsunsicherheit bei integrativ erstellten Leistungen grundsätzlich beide Marktseiten betrifft. Das bedeutet, dass das Screening des Anbieters durch Signaling-Aktivitäten der Nachfrager unterstützt wird und das Signaling des Anbieters den Nachfrager bei seinen Screening-Aktivitäten unterstützt. 34 Vgl. Petersohn (2005), S. 8 ff. 35 Vgl. Kantardzic (2003), S. 176 ff. <?page no="47"?> 40 Rolf Weiber und Tobias Wolf 4 Elektronische Wissensressourcen im Qualitäts-Dreisprung Das Generieren von Informationen ist ein im Kontext der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien viel diskutierter Aspekt 36 . Dabei stellen insbesondere die auf gemeinsames Gestalten und Verbreiten von Informationen ausgerichteten Social Media Anwendungen neue und umfassendere Möglichkeiten der Interaktion zur Verfügung 37 . Kumar et al. (2013) unterscheiden in diesem Zusammenhang traditionelle von digitalen Wissensressourcen, wobei den digitalen Daten aufgrund der großen Anzahl individueller Interaktionen das größte Volumen zugesprochen wird. Unter traditionellen Daten werden die Methoden der klassischen Feldforschung sowie Transaktionsdaten zusammengefasst. Digitale Informationsquellen hingegen entstehen durch menschliche Interaktionen mit elektronischen Systemen (z.B. Such- und Click-Daten) oder durch menschliche Interaktionen über elektronische Systeme (z.B. durch Daten aus sozialen Medien, Blogs, Foren aber auch Empfehlungen). 38 Dabei werden bisher die Möglichkeiten der sozialen Medien nur unzureichend eingesetzt 39 , die aber im Kontext des Qualitätsmanagement für beide Marktseiten eine umfassende Informationsquelle bieten 40 . Aus Unternehmenssicht liegen dabei dem Einbezug von digitalen Daten und insbesondere Kundeninteraktionen je nach Auswertungstiefe unterschiedliche Zielsetzungen zugrunde, die sich wie folgt zusammenfassen lassen 41 : Wichtige Themen und Ereignisse können häufig bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt aus den Kundeninteraktionen identifiziert werden. Die kontinuierliche „Überwachung“ dieser Kommunikation, insbesondere auch unter Berücksichtigung wichtiger Multiplikatoren, ermöglicht es, kritische Ereignisse zeitnah zu identifizieren und darauf frühzeitig zu reagieren. Das Überwachen der Kundenkommunikation in sozialen Medien kann für die Unternehmen weiterhin wichtige Rückschlüsse auf Markt- und Trendentwicklungen beinhalten und so frühzeitig auf veränderte Konsumentenerwartungen hinweisen. Ist das Unternehmen selbst sehr aktiv in diversen Medien, können auch die Ergebnisse dieser Bemühungen erfasst und für die weitere Optimierung verwendet werden. 36 Vgl. Bilgram/ Brem (2008), S. 419 ff.; Franke et al. (2006), S. 301 ff.; Füller et al. (2006), S. 57 ff. 37 Vgl. Georgi/ Mink (2013), S. 422 f.; Martin/ Clark (1996). 38 Vgl. Kumar et al. (2013), S. 333 ff. 39 Vgl. Blazevic et al. (2013), S. 294 ff. 40 Vgl. Cooke/ Buckley (2008), S. 267 ff.; Kumar et al. (2013), S. 330 ff. 41 Vgl. auch Weiber/ Wolf (2013), S. 402 ff. <?page no="48"?> Der Qualitäts-Dreisprung bei integrativ erstellten Leistungen 41 Beiträge aus Nutzerinteraktionen können relevante Informationen über Kundenanforderungen enthalten. Darüber hinaus können insbesondere auch Community-Analysen Erkenntnisse hinsichtlich der Identifikation von z.B. Innovationsideen erbringen 42 . Aufgrund der Entwicklungen hinsichtlich Interaktion und Integration liegen insbesondere im Kundenbeziehungsmanagement und Beschwerdemanagement große Entwicklungspotentiale. Kundenprobleme oder Reaktionen auf angebotene Leistungen können umfassender identifiziert und schneller bearbeitet werden 43 . Bei der Analyse elektronischer Wissensressourcen können unterschiedliche Methoden eingesetzt werden, die von Weiber und Wolf (2013) nach folgenden Schwerpunktfeldern gruppiert werden 44 : Im Rahmen von Häufigkeitsanalysen werden die Nennungen eines Unternehmens oder einer Leistung in elektronischen Medien über einen bestimmten Zeitraum erfasst. Die Ergebnisse können dabei entweder für einen bestimmten Zeitpunkt dargestellt werden (z.B. mit Hilfe einer sogenannten Tag-Cloud) oder aber auch über einen längeren Zeitraum betrachtet werden (Verlaufsdarstellung). Werden die Häufigkeiten in verschiedenen Betrachtungszeitpunkten mit Ereignissen in Verbindung gebracht, entwickelt das quantitative Verfahren einen zunehmend qualitativen Charakter (im Sinne einer Trendanalyse). Tonalitätsbzw. Sentiment-Analysen betrachten die Einstellungen der Kunden gegenüber einem Unternehmen bzw. gegenüber einer Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. deren Veränderungen über einen Zeitraum. Dabei werden die gefundenen Äußerungen im Betrachtungszeitraum bezüglich ihrer Valenz untersucht und in positive, negative oder neutrale Kommentare unterschieden. Profiling-Analysen haben vor allem zum Ziel, Kundenprofile auf Basis von persönlichen Informationen über Vorlieben und Vorstellungen zu erstellen. Dabei können nach Greenberg (2010) neben Betrachtungen auf der Makroebene zur Generierung von Marktsegmenten auch Untersuchungen auf der Mikroebene stattfinden, in denen die Interaktionen eines Individuums in verschiedenen Umgebungen und in verschiedenen Kontaktsituationen betrachtet werden, um so die Erwartungen der einzelnen Kunden stärker zu identifizieren 45 . 42 Vgl. Mühlhaus (2013), S. 5 ff. 43 Vgl. Oßwald (2010), S. 390 f. 44 Vgl. Weiber/ Wolf (2013), S. 404 ff. 45 Vgl. Greenberg (2010), S. 415 ff. <?page no="49"?> 42 Rolf Weiber und Tobias Wolf Im Folgenden wird die Nutzung elektronischer Wissensressourcen im Qualitäts- Dreisprung im Detail diskutiert und vor allem deren Wirksamkeit zur Reduktion der Anbieterunsicherheit in den Vordergrund gestellt. Ziel ist es dabei, auf Basis der zuvor genannten Zielsetzungen und unter Berücksichtigung der vorhandenen Methoden der Informationsgewinnung für die Phasen des Qualitäts-Dreisprungs geeignete Konsequenzen herauszuarbeiten, die die Herausforderungen der zunehmenden Kundenintegration fokussieren und Lösungsansätze auf Basis der steigenden Kundeninteraktion aufzeigen. 4.1 Quality Screening Das Quality Screening dient im Qualitäts-Dreisprung vor allem der Reduktion der Anbieterunsicherheit im Hinblick auf Qualitätsanforderungen von Leistungsbündeln und die Leistungspotentiale eines Nachfragers. Ziel ist dabei die möglichst individuelle Formulierung der mit dem Leistungsbündel einhergehenden Leistungsversprechen des Anbieters zum Kaufzeitpunkt. Elektronische Wissensressourcen können hier dabei helfen, relevante Informationen auf der Marktebene zu gewinnen, um so die kundenrelevanten Bestandteile eines Leistungsbündels zu identifizieren. Eine geeignete Konsequenz im Umfeld neuer Methoden der Datengewinnung liegt daher in der Ergänzung traditioneller Daten aus klassischer Feldforschung um individuelle Daten aus den elektronischen Nutzungsprozessen. Anstelle einer bisher vorherrschenden „Push“-Beziehung, in welcher Informationen periodisch bzw. zu einem festen Zeitpunkt von den Leistungserstellern erhoben werden, findet im Rahmen des Quality Screening ein „Pull“ statt. Die Unternehmen „ziehen“ dabei die notwendigen Informationen aus der Interaktion der Teilnehmer und greifen nur geringfügig in deren Kommunikationsverhalten ein 46 . Zu diesem Zweck werden die traditionellen kundenbezogenen Daten (darunter Kaufdaten, Wiederkaufrate, Besuchshäufigkeiten, kampagnenbezogene Reaktionsdaten, Daten aus dem Service und Beschwerdemanagement usw.) sowie sonstige externe Daten mit individuellen Profildaten und aus Kundeninteraktionen in Blogs, sozialen Netzwerken und Communities gewonnenen Daten kombiniert. Dabei belegen diverse empirische Studien bereits, dass die hohe Interaktionsbereitschaft der Nutzer in Online-Medien zu wahrheitsgetreueren und detaillierten Konsumerfahrungen führt 47 . Im Rahmen des Quality Screening wird in dem so entstandenen Datenpool nun nach allen Informationen gesucht, die zur Bestimmung von Qualitätsanforderungen und Qualitätszielen im Rahmen der integrierten Leistungserstellung erforderlich sind 48 . Insbesondere die Verwendung von Profiling- 46 Vgl. Branthwaite/ Patterson (2011), S. 436; Schillewaert/ Ruyck/ Verhaeghe (2008), S. 13. 47 Vgl. Cova/ Pace (2006), S. 1087 ff.; Hennig-Thurau et al. (2010), S. 314 ff. 48 Vgl. z.B. Greenberg (2010), S. 415 ff. <?page no="50"?> Der Qualitäts-Dreisprung bei integrativ erstellten Leistungen 43 Analysen hilft bei der Erstellung von Kundenprofilen aus persönlichen Informationen über Vorlieben, Vorstellungen, Affinitäten usw. (sogenannte Customer Insights). Durch die Verwendung von Leidenschaften, Werten und Interessen lassen sich Kaufverhaltensweisen deutlich besser abbilden als über die Vorgehensweise der klassischen Marktforschung und den traditionell verwendeten kaufverhaltensrelevanten Merkmalen wie z.B. Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale 49 . Abb. 7: Angebotsgenerierung durch Privacy Research Das hat zur Konsequenz, dass unter Nutzung elektronischer Wissensressourcen auch der Prozess der Datengewinnung geändert werden muss. Nicht mehr die sporadische Erfassung von Kundenvorstellungen steht im Vordergrund, sondern die permanente Erfassung von Aktionsdaten des einzelnen Kunden über soziale Netzwerke. Der „Field Research“-Ansatz der klassischen Marktforschung ist deshalb durch einen sogenannten „Privacy Research“-Ansatz abzulösen, bei dem Daten permanent über entsprechende Tools in Echtzeit und weitgehend automatisch in sozialen Netzwerken gesammelt und mit den bereits in den Datenbanken des Anbieters vorhandenen Profil- und Nutzungsdaten kombiniert werden, um auf diese Weise verhaltensorientierte Kundenmodelle 50 aufzubauen. Diese in Abbildung 7 dargestellte Vorgehensweise führt in finaler Konsequenz zu einer optimalen Anpassung von Produkten und Leistungen an die individuellen Vorstellungen der Kunden bzw. Nutzer. Neben der richtigen Auswahl der Informationsquellen und der Generierung der Daten stellt dabei insbesondere deren Interpretation eine zentrale Herausforderung dar, an der aktuell viele Unternehmen aufgrund der enorm großen Datenmengen scheitern 51 . 49 Vgl. Schertler (2012), S. 90 ff. 50 Vgl. Hörstrup (2012), S. 143 ff. 51 Vgl. Kaulartz/ Babic (2010), S. 24; Smith (2009), S. 561. K U N D E (weitgehend) automatisierte Datensammlung Individualisierte Angebote/ Services (Laufende) Profilgenerierung Marktebene A N B I E T E R (Automatisierte) Datenverarbeitung Datenpool Social Data Nutzungsdaten Profildaten Unternehmensebene <?page no="51"?> 44 Rolf Weiber und Tobias Wolf 4.2 Quality Processing Ziel des Quality Processing ist die Transformation der über das Screening gewonnen Kundeninformationen in Steuerungsinformationen für den integrativen Leistungserstellungsprozess, um auf diese Weise die Anbieterunsicherheit im Hinblick auf die Prozessqualität zu reduzieren. Die Verwendung der gewonnenen Screening-Informationen soll vor allem dabei helfen, die Maßnahmen und Aktivitäten im Erstellungsprozess besser auf Kundenanforderungen und Kundenerwartungen abzustimmen. Das Quality Processing ist damit in erster Linie auf die anbieterseitigen Potentiale und Prozesse ausgerichtet und muss sicherstellen, dass diese auch für eine effektive sowie effiziente Leistungserstellung geeignet sind. Dabei kann insbesondere der Einbezug von Kundennetzwerken in die Leistungserstellung ein geeignetes Mittel sein und die Forderung nach einem Wandel von der Einzelkundeninteraktion hin zur Interaktion mit Kundennetzwerken gestellt werden: In der traditionellen Beziehung von Kunde und Unternehmen verläuft die Kommunikation nur zwischen diesen beiden Parteien. Die Nutzung von Communities hat dagegen den Vorteil des Einbezugs von Kunde-zu-Kunde Interaktionen. Wirtz, Nitzsche und Ullrich (2012) verwenden in diesem Zusammenhang auch den vom Kaufprozess losgelösten Begriff der Nutzerintegration 52 , welcher die aktive und kooperative Wertschöpfung bei Vorliegen einer ausgeprägten und dauerhaften Vernetzung unter den Nutzern beschreibt 53 . Dabei können Unternehmen in Abhängigkeit ihres eigenen Aktivitätsgrades nicht nur auf bereits bestehende Online-Communities zurückgreifen und diese durch gezielte Anreizkonzepte unterstützen 54 , sondern auch eigene Communities entwickeln 55 . Als Marketing Research Online Communities (MROC) werden in diesem Zusammenhang solche Kundennetzwerke bezeichnet, deren Mitglieder nach speziellen und auf den jeweiligen Untersuchungszweck bezogenen Kriterien ausgesucht werden 56 . Die Konversationen innerhalb dieser MROC können daher gezielt von den Unternehmen gesteuert werden 57 . In ähnlicher Weise versteht Schertler (2012) unter dem Begriff der Affinity Group 58 ein „…szenebasiertes Netzwerk von Kon- 52 Vgl. Wirtz/ Nitzsche/ Ullrich (2012), S. 218. 53 Vgl. hierzu auch Füller/ Matzler (2007), S. 379; Koh et al. (2007), S. 70. 54 Vgl. Mühlhaus (2013), S. 226 ff. 55 Vgl. Zinnbauer/ Schnitzer (2008), S. 10. 56 Vgl. Patino et al. (2012), S. 235. 57 Vgl. Poynter (2011), S. 25. 58 Vgl. Schertler (2012), S. 43. <?page no="52"?> Der Qualitäts-Dreisprung bei integrativ erstellten Leistungen 45 sumenten und Anbietern, das sich öffentlich zu einer gemeinsamen Leidenschaft bekennt und sich organisiert.“ 59 Ein hoher Aktivitätsgrad auf eigenen wie auch fremden Plattformen kann den Unternehmen ein umfassendes Verständnis der Marktteilnehmer und von den eigenen potentiellen wie tatsächlichen Kunden verschaffen und somit ein existenzieller Wettbewerbsvorteil sein. Die Unterstützung bzw. Unterhaltung einer Community bietet den Unternehmen eine Vielzahl an Vorteilen im Rahmen des Quality Processing: So beinhaltet die Analyse der Diskussionsinhalte die Möglichkeit der Ermittlung von marktseitigen Informationen über Bedürfnisse, Anwendungsprobleme und Nutzungseigenheiten der Teilnehmer. Solche Informationen stellen zunächst Potentialinformationen dar 60 . Diese können aufgrund der in der Regel hohen Anteile an Meinungsführern und Lead Usern in Communities 61 als beispielhaft für größere Kundencluster angesehen werden und daher zur zielgruppengerechten Auswertung der im Rahmen des Quality Screening gewonnenen Daten eingesetzt werden. Darüber hinaus bietet eine Community aber auch eine gute Möglichkeit zur Identifizierung sowie Rekrutierung von Lead Usern und darüber zur Ableitung zukünftiger Bedürfnisse auf der Marktebene. Potentialinformationen können aber auch in sogenannte Episodeninformationen transformiert werden 62 , die als Produktionsfaktoren in die Gestaltung eines spezifischen Leistungserstellungsprozesses mit einem konkreten Kunden eingehen. Insgesamt werden durch das Quality-Processing jedoch nicht die Instrumente des Qualitätsmanagement ersetzt, sondern es dient dazu, die Informationsbasis für diese Instrumente zu verbessern und auf diese Weise sowohl die Anbieterunsicherheit im integrativen Leistungserstellungsprozess zu reduzieren als auch die Prozessqualität insgesamt zu erhöhen. 4.3 Quality Signaling Quality Signaling umfasst alle Informationsaktivitäten im Qualitätsmanagement, welche die im Verlauf der integrierten Leistungserstellung erzielten Ergebnisse gegenüber dem Gesamtmarkt oder einzelnen Kunden kommunizieren. Ziel ist es, die Qualitätswahrnehmung der Nachfragerseite dauerhaft zu beeinflussen, und ein ausreichendes Vertrauen in die Qualitätsfähigkeit des Anbieters zu generieren und somit Unsicherheiten vor allem auf der Nachfragerseite zu reduzieren. Integrative Leistungen führen dabei grundsätzlich zu Problemen in der Kommunikation, da 59 Schertler (2012), S. 43. 60 Vgl. Kleinaltenkamp (2002), S. 446 ff.; Weiber/ Jacob (2000), S. 529. 61 Vgl. Spann et al. (2009), S. 322 ff. 62 Vgl. Weiber/ Jacob (2000), S. 530 ff. <?page no="53"?> 46 Rolf Weiber und Tobias Wolf sie zum Zeitpunkt der Vermarktung fast immer Leistungsversprechen darstellen. Die Marktebene kann über die dort stattfindenden Interaktionsprozesse in diesem Kontext Aufgaben im Rahmen des Quality Signaling übernehmen, für die ansonsten der Leistungsanbieter die notwendigen Ressourcen bereitstellen müsste. Der Einsatz von nutzergenerierten Inhalten in Form von sogenanntem „User Generated Content“ ist dabei nicht nur aus ökonomischer Sicht zweckmäßig, sondern insbesondere auch bezüglich vorökonomischer Größen wie z.B. der Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit der Informationen 63 . In der daraus folgenden Konsequenz kann im Rahmen des Qualitäts-Dreisprungs die Forderung erhoben werden, die Prozesse von einer gerichteten Kommunikation hin zu einer wechselseitigen und Kundeninteraktionen einschließenden Kommunikation zu entwickeln (Abbildung 8). Aufgrund der Entwicklungen im Kommunikationsverhalten der Nutzer und der wachsenden Mitwirkungsbereitschaft liegen insbesondere in diesem Bereich große Entwicklungspotentiale für das Qualitätsmanagement von integrativ erstellten Leistungen. Im Gegensatz zu traditionellen elektronischen Wegen der Kommunikation bestehen neue Möglichkeiten die Botschaften dort zu platzieren, wo ohnehin kommuniziert wird, wie z.B. in Foren, Blogs, Chat-Rooms oder sozialen Netzwerken. Kundenprobleme oder Reaktionen auf angebotene Leistungen können so deutlich schneller und umfassender erfasst und zeitnah bearbeiten werden 64 . Abb. 8: Veränderter Austausch durch Kundeninteraktionsprozesse Aus den Möglichkeiten der Interaktion resultiert auch eine massive Entwicklung vom klassischen Push-Marketing, in dem Informationen und Leistungen zentral bereitgestellt werden, hin zu einem Pull-Marketing in dem die Konsumenten eine aktive Rolle im Rahmen der Meinungsbildung einnehmen. In diesem Zusammenhang muss jedoch sichergestellt werden, dass bei der Integration des Kunden in 63 Vgl. Georgi/ Mink (2013), S. 435. 64 Vgl. Oßwald (2010), S. 390 f. Unternehmen Unternehmen Kunde Kunde Kunde Kunde Kunde Kunde Kunde Kunde <?page no="54"?> Der Qualitäts-Dreisprung bei integrativ erstellten Leistungen 47 diese Prozesse auch ein gewisses Leistungspotential vorhanden ist 65 . Maßnahmen, die darauf abzielen, eine effizientere Mitwirkung des Kunden zu erlangen, werden dabei allgemein unter dem Begriff „Kundenentwicklung“ zusammengefasst. Hier können nach Gouthier (2003) drei grundlegende Maßnahmen unterschieden werden 66 : Optimierungen im Bereich „Customer Environment“ umfassen alle Aspekte, die das Umfeld der Integration betreffen (z.B. Ambiente bei der Kundenmitwirkung; Funktionalität der Integrationswerkzeuge). Customer Empowerment bezeichnet eine Ausweitung der Kundenaktivitäten. Auf der Anbieterseite werden hierdurch zumeist Kostenpotentiale erschlossen und für den „ermächtigten Kunden“ die Möglichkeit zur besseren Anpassung der Leistung ermöglicht. Customer Enablement beinhaltet alle Ansätze und Vorgehensweisen, die darauf abzielen das Qualifikationsniveau der Kunden zu verbessern. Dazu müssen die Kenntnisse und Fähigkeiten der Kunden verbessert werden. Im Rahmen des Signaling eingesetzte interaktive Kommunikationskanäle sind auch geeignet, Rückkopplungen aus den Kauf- und Konsumprozessen bereitzustellen und somit Informationen im Sinne des Quality Screening zu liefern. Durch einen solchen Erfahrungsaufbau im Rahmen des Qualitätsprozesses können Rückschlüsse auf die Verbesserung der Informationssuche und der Planungsprozesse gezogen werden. Somit entsteht eine Art Kreislaufprinzip, welches zur Optimierung des Qualitäts-Dreisprungs anzustreben ist. 5 Kritische Reflexion und Ausblick Die Entwicklungen der IuK-Technologien sowie der Wunsch der Konsumenten nach bedürfnisgerechten Leistungen, führen zu einer zunehmenden Leistungsindividualisierung. Durch den so zunehmenden Anteil an Interaktionen zwischen Anbieter und Nachfrager in der Leistungserstellung werden immer mehr aus Sach- und Dienstleistungen bestehende Leistungsbündel vermarktet. Dabei ist zu beachten, dass aus der Integration externer Faktoren immer auch eine erhöhte Unsicherheitsposition für beide Seiten resultiert. Diese Besonderheiten stellen insbesondere auch das Qualitätsmanagement für Leistungsbündel vor neue Herausforderungen und erfordern neue Ansätze, die der zunehmenden Kundenintegration sowie der Kundeninteraktion gerecht werden können. Die Unsicherheitsproblematik fokussierend, wurde im vorliegenden Beitrag ein konzeptioneller Ansatz für das Qualitätsmanagement bei integrativ erstellten Leis- 65 Vgl. Büttgen (2008), S. 55. 66 Vgl. Gouthier (2003), S. 383 ff. <?page no="55"?> 48 Rolf Weiber und Tobias Wolf tungen entwickelt, der vor allem durch informationsökonomische und im Bereich des Wissensmanagement verankerte Überlegungen begründet wurde. In diesem Zusammenhang wurde ein „Meta-Informationsprozess“ betrachtet, der die Markt- und Unternehmensebene verbindet und mit dessen Hilfe eine Unsicherheitsreduktion auf Anbieter- und Nachfragerseite erreicht werden soll. Entscheidend ist dabei, dass diese drei im Beitrag als „Qualitätsaktivitäten“ bezeichneten Funktionen nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern in einen integrativen Zusammenhang gebracht werden. Der so entwickelte „Qualitäts-Dreisprung“ bezeichnet daher einen auf Qualitätsinformationen abzielenden Informationsprozess, der die marktbezogene Informationsgewinnung (Quality-Screening) mit der unternehmensbezogenen Informationsverarbeitung (Quality-Processing) verbindet und über das Quality-Signaling Rückkopplungen zum Marktprozess (Informationsübertragung) herstellt. Der Qualitäts-Dreisprung stellt somit einen auf der bestmöglichen Verwendung von Wissensressourcen basierenden Ansatz dar, der geeignet ist, den Besonderheiten der integrativen Leistungserstellung gerecht zu werden. Im vorliegenden Beitrag wurden dazu neben der konzeptionellen Vorstellung des Dreisprungs auch erste Anforderungen an die Umsetzung und ausgewählte Maßnahmen diskutiert. Allerdings ist auch einschränkend zu vermerken, dass der rein konzeptionell dargestellte Qualitäts-Dreisprung weiterer Anpassungen und Spezifizierungen auf konkrete Anwendungsfelder sowie der Entwicklung konkreter Maßnahmenpläne der operativen Umsetzung bedarf. Dabei sind gegebenenfalls auch Anpassungen in den Instrumenten des klassischen Qualitätsmanagement erforderlich. Auch ist die Wirksamkeit von Informationen aus sozialen Medien und Communitys im Rahmen des Dreisprungs weiterhin empirisch zu prüfen und deren Vorteile sind insbesondere gegenüber den traditionellen Methoden der Marktforschung und etablierten Messansätzen einer tiefergehenden Analyse zu unterziehen. Obwohl in diesem Beitrag grundsätzlich wechselseitige Informationsasymmetrien herausgestellt wurden, so waren die Überlegungen in Kapitel 4 auf die Nutzung elektronischer Wissensressourcen durch die Anbieter fokussiert. In gleicher Weise ist aber auch die Nachfragerseite zu betrachten, die durch Screening-Aktivitäten im Netz die Informationsbasis zur Beurteilung der Leistungspotentiale des Anbieters verbessern kann. Bezüglich des Quality-Processing können vor allem die Erfahrungen anderer Personen oder Kunden genutzt werden, um die Qualität der Anbieteraktivitäten im Leistungserstellungsprozess besser beurteilen zu können. Auch kann die Qualität der kundenseitigen Aktivitäten im Leistungserstellungsprozess durch Informationen und gegebenenfalls den Einbezug anderer Kunden gesteigert werden. Die Herausforderungen liegen für Unternehmen in Zukunft vor allem darin, Umsetzungsdefizite zu beseitigen und neben der konsequenten Einbeziehung von Kundeninteraktion 67 auch Lösungsansätze zur Verarbeitung der im Rahmen von 67 Vgl. hierzu auch die Ausführungen zur Social Media Lücke in Weiber/ Wolf (2013), S. 396 ff. <?page no="56"?> Der Qualitäts-Dreisprung bei integrativ erstellten Leistungen 49 Interaktion und Kollaboration anfallenden großen Datenmengen zu entwickeln. Weiterhin wird es von zentraler Bedeutung sein, dass bei aktivem Einbezug von Kunde-zu-Kunde-Interaktionen in die Unternehmens- und Qualitätsprozesse die von Nutzern artikulierten Informationen auch durch die Unternehmen ernst genommen werden. Insbesondere bei Beschwerden bezüglich der erbrachten Leistung müssen dem Nutzer zeitnah klare und authentische Rückkopplungen gegeben werden, um negative Ausstrahlungseffekte zu verhindern 68 . 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Kleinaltenkamp und W. Plinke, Berlin 2000, S. 523-612 Weiber, R.; Kleinaltenkamp, M.: Business- und Dienstleistungsmarketing, Stuttgart 2013 <?page no="60"?> Der Qualitäts-Dreisprung bei integrativ erstellten Leistungen 53 Weiber, R.; Wolf, T.: Disruptive Empowerment. Auswirkungen von Kundeninteraktionen auf den Social-Media-Erfolg, in: Marketing Review St. Gallen, Vol. 29 (2012), S. 42-47 Weiber, R.; Wolf, T.: Der Qualitäts-Dreisprung: Ein konzeptioneller Ansatz zur Verbesserung des Qualitätsmanagements bei Dienstleistungen durch Social Media, in: Forum Dienstleistungsmanagement 2013: Dienstleistungsmanagement und Social Media, hrsg. v. M. Bruhn und K. Hadwich, Wiesbaden 2013, S. 397-422 Weiber, R.; Hörstrup, R.; Mühlhaus, D.: Akzeptanz anbieterseitiger Integration in die Alltagsprozesse der Konsumenten: Erste empirische Ergebnisse, in: ZfB-Special Issue 5/ 2011. Kundenintegration 2.0, hrsg. v. S. Fließ, F. Jacob und G. 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Neue Regeln für neue Insights, in: Marketing Review St. Gallen, Vol. 25 (2008), S. 6-10 <?page no="62"?> Drip-Pricing im Preismanagement von Dienstleistungen Thomas Robbert und Stefan Roth Inhalt 1 Einleitung ........................................................................................... 56 2 Theoretische Abgrenzung .................................................................. 58 3 Empirische Befunde ........................................................................... 63 3.1 Preispartitionierung.................................................................................... 63 3.2 Preisbündelung ........................................................................................... 64 4 Theoretische Analyse des Drip-Pricing.............................................. 65 5 Zusammenfassung und Implikationen .............................................. 70 Literatur ........................................................................................................ 73 <?page no="63"?> 56 Stefan Roth und Thomas Robbert 1 Einleitung Bei der sequentiellen Angabe von Preisen, dem Drip-Pricing, werden dem Kunden Preisinformationen nicht unmittelbar bereitgestellt. Vielmehr werden einzelne Preisbestandteile einer Dienstleistung, die sich aus mehreren Komponenten zusammensetzt, „tröpfchenweise“ im Laufe eines Kaufprozesses offenbart. Eine solche Form der sequentiellen Preispräsentation wird insbesondere bei elektronischen Dienstleistungen vermehrt eingesetzt. Beispielsweise geben Online-Versandhändler Servicegebühren für die Zahlung mit einer Kreditkarte erst am Ende eines Kaufprozesses bekannt. In ähnlicher Weise präsentieren einige Fluglinien zunächst nur den Basispreis für einen Flug und eröffnen dem Kunden während des Buchungsprozesses die Möglichkeit, Teile der Leistung zu verändern oder zusätzliche Leistungskomponenten hinzuzufügen. So wird der Kunde während der Buchung beispielsweise mit Aufpreisen für Zusatzgepäck, Priority-Boarding oder Reiserücktrittsversicherungen konfrontiert. Der Einsatz solcher sequentiellen Preispräsentationstechniken hat aus Anbietersicht im Wesentlichen zwei Gründe. Zum einen sind sie die logische Konsequenz aus der verstärkten Mass-Customization vieler Produkte und Dienstleistungen, bei denen sich der Kunde einen besonders hohen Individualisierungsgrad wünscht. Dabei bezeichnet die Dienstleistungsindividualisierung das Ergebnis einer einzelkundenbezogenen Dienstleistungserstellung, die auf die Befriedigung individueller Bedürfnisse in Bezug auf das Leistungspotential und/ oder den Leistungserstellungsprozess und/ oder das Leistungsergebnis abzielt 1 . Die Dienstleistungsindividualisierung kann in diesem Zusammenhang gleichermaßen vom Anbieter als auch von Kunden gesteuert sein 2 . Zum anderen nutzen Anbieter niedrige Basispreise, um die Aufmerksamkeit für das Kernprodukt zu steigern. Durch die kommunikative Fokussierung auf den Basispreis gelingt es den Anbietern, die wahren Kosten für den Erwerb einer Leistung vorerst zu verschleiern. Dadurch versprechen sie sich eine positive Preisbeurteilung ihrer Angebote und eine erhöhte Kaufabsicht der potentiellen Konsumenten. Im Fall der optionalen Aufpreise stützt die Logik sich auf der Einschätzung, dass Unternehmen eine höhere Preisdurchsetzungsmöglichkeit für Zusatzkomponenten als für das Basisprodukt sehen 3 . Besonders naive Konsumenten können durch den Einsatz sequentieller Preispräsentationen getäuscht werden 4 . Folgerichtig ist diese Technik in die Diskussion von Ver- 1 Vgl. Minculescu/ Kleinaltenkamp (2013). 2 Vgl. Schmitz/ Imgrund (2013). 3 Vgl. Fruchter/ Gerster/ Dobson (2011). 4 Vgl. Gabaix/ Laibson (2006). <?page no="64"?> Drip-Pricing im Preismanagement von Dienstleistungen 57 braucherschützern und Regierungsorganisationen, wie der Europäischen Kommission oder dem U.S. Department of Transportation, gerückt 5 . Voraussetzung für den Einsatz von Drip-Pricing ist, dass sich ein Gesamtpreis in verschiedene Einzelpreise aufteilen lässt. Dass sich diese Aufteilung positiv auf die Preisbeurteilung auswirken kann, wird in der Literatur bereits unter den Begriffen Preispartitionierung und Preisbündelung diskutiert. Die Abgrenzung dieser beiden Konzepte ist jedoch nicht immer trennscharf. In beiden Forschungszweigen spielt die Wahrnehmung der aggregierten bzw. separierten Preisinformation eine entscheidende Rolle. In der Literatur zur Preispartitionierung überwiegen dabei Ansätze, die sich mit der Angabe verpflichtender Zahlungskomponenten auseinandersetzen 6 . In der Literatur zur Preisbündelung werden dagegen explizit auch optionale und/ oder separat vermarktungsfähige Komponenten mit einbezogen 7 , wobei oftmals Dienstleistungen und digitale Güter im Mittelpunkt stehen 8 . Häufig hebt die Analyse in diesem Kontext auf die Auswirkungen der sequentiellen Präsentation verschiedener Bündelbestandteile ab 9 . Wenngleich in diesem Zusammenhang für beide Instrumente bereits Einflüsse auf die Beurteilung von Angebotspreisen nachgewiesen werden konnten, sind die Erkenntnisse über die Wirkungsweisen und Konsequenzen nicht immer klar. Während die Literatur zur Preispartitionierung von einem positiven Effekt separierter Preise ausgeht, finden sich in Beiträgen zur Preisbündelung auch gegenteilige Befunde. Außerdem sind die Erkenntnisse nicht unmittelbar auf das Drip-Pricing übertragbar, da weder die Literatur der Preispartitionierung noch die Literatur zur Preisbündelung die sequentielle Angabe von Preisinformationen explizit berücksichtigt. Ein fundiertes Verständnis beider Forschungsstränge ist aber notwendig, um die Forschungspotentiale im Drip-Pricing aufzudecken. Die Erweiterung der Preispartitionierung und der Preisbündelung um die zeitliche Sequenz der Preispräsentation hält aktuell auch verstärkt Einzug in die wissenschaftliche Diskussion. Die Vielzahl der Beiträge betrachtet diese sequentiellen Preisangaben aber aus einer modelltheoretischen Perspektive 10 . Empirische Stu- 5 Vgl. Shelanski (2012). 6 Vgl. z.B. Burman/ Biswas (2007); Gierl/ Bambauer-Sachse (2008a); Gierl/ Bambauer- Sachse (2008b); Hamilton/ Srivastava (2008); Lee/ Han (2002); Morwitz/ Greenleaf/ Johnson (1998); Xia/ Monroe (2004). 7 Vgl. z.B. Gaeth et al. (1990); Kaicker/ Bearden/ Manning (1995); Roth (2006); Yadav/ Monroe (1993). 8 Vgl. Bakos/ Brynjolfsson (1999); Bakos/ Brynjolfsson (2000); Roth (2005). 9 Vgl. Johnson/ Herrmann/ Bauer (1999); Naylor/ Frank (2001); Yadav (1994). 10 Vgl. de Meza/ Reyniers (2012); Ellison (2005); Gabaix/ Laibson (2006). <?page no="65"?> 58 Stefan Roth und Thomas Robbert dien, die explizit auf die Wirkung von sequentiellen Preisangaben abstellen, sind indes sehr limitiert 11 . Es ist also festzustellen, dass ein konzeptioneller Rahmen für die Erforschung des Drip-Pricing aus Sicht des Dienstleistungsmarketing bislang in der Literatur nicht zu erkennen ist. Weder die Arbeiten zur Preispartitionierung noch die zur Preisbündelung bieten einen ausreichenden Erkenntnisstand, um die Wirkungsweisen von separiert und sequentiell angegebenen Preisinformationen zu erklären. Dieser Umstand liegt nicht nur an der fehlenden Betrachtung sequentieller Preisangaben, sondern auch an der unzureichenden Abgrenzung der bestehenden Forschungsfelder. Das Ziel des vorliegenden Beitrags ist es daher, das Drip-Pricing vor dem Hintergrund der Erkenntnisse zur Preispartitionierung und zur Preisbündelung zu diskutieren. Dabei sollen insbesondere die verhaltenswissenschaftlichen Effekte der Preisdarstellung betrachtet werden. Der Beitrag fokussiert auf die Wahrnehmung, Verarbeitung und Beurteilung von Preisinformationen. Es werden notwendige Begriffsabgrenzungen vorgenommen, Erklärungsmuster separiert und empirische Erkenntnisse strukturiert vorgestellt. Darüber hinaus werden Forschungsrichtungen und Forschungsfragen für das Drip-Pricing herausgearbeitet. Der Beitrag trägt damit zur aktuellen Forschung bei, indem er die Grundlagen für die Erforschung des Drip- Pricing aus der Perspektive des Dienstleitungsmarketing legt. Ein besseres Verständnis dieses Instrumentes ist sowohl aus der Sicht von Dienstleistern als auch aus der Sicht des Verbraucherschutzes wertvoll. Der vorliegende Beitrag ist dazu wie folgt strukturiert. Zunächst wird eine definitorische Abgrenzung verschiedener Preispräsentationstechniken vorgenommen. Danach werden empirische Erkenntnisse aus den Bereichen der Preispartitionierung und der Preisbündelung komprimiert vorgestellt. Eine Diskussion der theoretischen Grundlagen und Wirkungsweisen erfolgt im Anschluss. Der Beitrag schließt mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse und der Identifikation von Forschungsrichtungen für das Drip-Pricing. 2 Theoretische Abgrenzung Dem Drip-Pricing liegen implizit zwei in der Literatur viel diskutierte Ansätze zu Grunde, die zunächst voneinander abgegrenzt werden müssen. Im Anschluss kann dann eine Definition verschiedener Formen des Drip-Pricing erfolgen. Shelanski et al. (2012) merken aber an, dass eine trennscharfe Abgrenzung zwischen verschiedenen Formen des Drip-Pricing in der Praxis kaum möglich erscheint, da Unternehmen vielfach hybride Formen einsetzen. In ähnlicher Weise argumentieren 11 Vgl. Muir/ Seim/ Vitorino (2013); Shelanski et al. (2012). <?page no="66"?> Drip-Pricing im Preismanagement von Dienstleistungen 59 auch Morwitz et al. (2009) bezüglich der Abgrenzung zwischen der Preispartitionierung und der Preisbündelung. Die Frage, was überhaupt eine Leistung ist, die dann mit verschiedenen Preiskomponenten belegt werden kann, rückt bei diesem Problem in den Mittelpunkt der Betrachtung. Eine weitere zentrale Frage ist, welche Zahlungskomponenten als verpflichtend und welche als optional angesehen werden. Folgt man der Sichtweise von Lancaster (1966), kann jede Leistung als Bündel von Eigenschaften interpretiert werden, das in seiner Gesamtheit Nutzen für den Konsumenten stiftet und zu einem einheitlichen Preis angeboten wird. Streng genommen ist dabei nicht zwischen einem Leistungsbündel, welches sich aus einer Reihe von Absatzleistungen zusammensetzt, und einer Absatzleistung, die eine Reihe von Komponenten in sich vereint, zu unterscheiden 12 . Genau diese Unterscheidung ist aber für die Abgrenzung der Preisbündelung von der Preispartitionierung zentral. Unter Preispartitionierung wird die Aufteilung eines Gesamtpreises in verschiedene Einzelpreise verstanden. Dabei gibt es immer ein Kernprodukt, für das ein Basispreis erhoben wird. Dieser wird durch eine oder mehrere verpflichtende Aufpreiskomponenten ergänzt 13 . Der Gesamtpreis ist dabei die arithmetische Summe aus dem Basispreis und der Aufpreise. Er unterscheidet sich damit von einem Komplettpreis, bei dem auf den separaten Ausweis einzelner Preiskomponenten explizit verzichtet wird 14 . Der Basispreis ist vielfach im Betrag deutlich höher als die Aufpreise 15 . Hamilton und Srivastava (2008) machen aber deutlich, dass der Basispreis nicht zwingend hoch und die Aufpreise klein sein müssen. Vielmehr bezögen Konsumenten auch die subjektive Wertwahrnehmung der einzelnen Komponenten in ihre Preisbeurteilung mit ein. Als besonderes Charakteristikum der Preispartitionierung gilt, dass alle Preiskomponenten strikt miteinander verbunden sind und der Konsument keine der Komponenten separat erwerben kann. Insbesondere die mit Aufpreisen versehenen Komponenten sind nicht eigenständig marktfähig 16 . Der Nutzen aus den Zusatzkomponenten ergibt sich ausschließlich durch den Kauf- oder Nutzungskontext des Kernprodukts 17 . In einigen Fällen, wie beispielsweise beim separaten Ausweis von Steuern oder Gebühren, bietet die Zusatzleistung überhaupt keinen eigenständigen Wert. In diesen Fällen steht außer Frage, dass eine separate Vermarktung nicht möglich ist. Weniger eindeutig ist es in Situationen, in denen der Konsument 12 Vgl. Priemer (2000). 13 Vgl. Morwitz/ Greenleaf/ Johnson (1998). 14 Vgl. Gierl/ Bambauer-Sachse (2008a). 15 Vgl. Cheema (2008); Morwitz/ Greenleaf/ Johnson (1998). 16 Vgl. Morwitz et al. (2009); Roth (2006). 17 Vgl. Bertini/ Wathieu (2008). <?page no="67"?> 60 Stefan Roth und Thomas Robbert zumindest theoretisch die Möglichkeit hat, die Aufpreise zu umgehen. Werden Versandkosten von einem Online-Händler separat ausgewiesen, so ist diese Komponente verpflichtend, um die Ware tatsächlich zu erhalten. Dennoch bieten einige Dienstleister die Möglichkeit, die Ware auch selbst in einem Warenlager in Empfang zu nehmen. Trotz der theoretischen Möglichkeit sind solche Fälle aus Sicht des Preismanagement als verpflichtend anzusehen, da für den überwiegenden Teil der Konsumenten die Beschaffungskosten bei einer Selbstabholung die des Versandes deutlich übersteigen. Auch in diesen Fällen kann der Konsument nur über Kauf oder Nicht-Kauf entscheiden und hat dann alle Aufpreise zu bezahlen. Die obligatorische Verbindung der Preiskomponenten zu einem Gesamtpreis stellt die wichtigste Unterscheidung zwischen der Preispartitionierung und der Preisbündelung dar. In der letztgenannten werden mehrere identifizierbare Teilleistungen zu einem Angebotspaket zusammengefasst, bei dem die einzelnen Bündelbestandteile zumindest theoretisch separat marktfähig sind 18 . Eine separate Marktfähigkeit ist dann gegeben, wenn für die verschiedenen Absatzleistungen relevante Märkte existieren, auf denen wenigstens einige Konsumenten die verschiedenen Leistungen tatsächlich nachfragen 19 . Allerdings ist diese Abgrenzung in vielen praktischen Fällen nicht trivial. Telser (1979) argumentiert, dass auch ein Auto als Bündel von Motor, Getriebe und Rädern aufgefasst werden könne. Da diese Komponenten, mit Ausnahme von Ersatzteillieferungen nicht separat marktfähig sind, würde aber ein Auto nicht der Definition eines Bündels entsprechen. Gleichzeitig sind Leistungen wie ein zusätzlicher Versicherungsschutz, die Finanzierung des Fahrzeugs und Wartungsverträge klar eigenständig marktfähig und so mit der Definition eines Bündels konform. Probleme entstehen wie in der Preispartitionierung dann, wenn eine Marktfähigkeit prinzipiell gegeben ist, diese aber nur von einer sehr geringen Anzahl von Konsumenten wahrgenommen wird. So ist es im Beispiel des Autos üblich, dieses ausgestattet mit Felgen, Autoradio oder Navigationssystem zu kaufen. Trotz der zweifellos eigenständigen Marktfähigkeit dieser Komponenten fällt es schwer, von einem Produktbündel zu sprechen, wenn der monetäre Wert der einen Bündelkomponente (Fahrzeug) im Vergleich zur anderen Komponente (Navigationsgerät) um ein Vielfaches höher ist. Eine trennscharfe Abgrenzung zwischen einer Absatzleistung und ihren Komponenten und einem gemeinsamen Leistungsbündel ist daher nicht generell möglich 20 . Die Abgrenzung zwischen einer Preispartitionierung und einer Preisbündelung folgt daher einer pragmatischen Definition, die sich an der separaten Marktfähigkeit und dem Verpflichtungsgrad der Komponenten orientiert, die aber kontextabhängig konkretisiert werden kann. 18 Vgl. Roth (2006). 19 Vgl. Stremersch/ Tellis (2002). 20 Vgl. Roth (2006). <?page no="68"?> Drip-Pricing im Preismanagement von Dienstleistungen 61 Das Drip-Pricing fußt ebenfalls auf dem Prinzip, einen Gesamtpreis in verschiedene Preiskomponenten aufzuteilen. Im Unterschied zur Preispartitionierung und Preisbündelung beinhaltet es überdies eine zeitliche oder sequentielle Komponente. Shelanski et al. (2012) definieren das Drip-Pricing als eine Technik, bei der Unternehmen nur Teile eines Produktpreises bewerben und Aufpreise erst während des Kaufprozesses offenlegen. Entsprechend wird einem Konsumenten im Zeitpunkt 0 t nur der Basispreis B offen gelegt. Über den Aufpreis 1 A erlangt er erst im Zeitpunkt 1 t und über den Aufpreis x A erst im Zeitpunkt x t Kenntnis (Abbildung 1). Dem Konsumenten sind im Moment, in dem er sich zum ersten Mal für die Komponente mit dem Basispreis B entscheidet, im Unterschied zur Preispartitionierung und Preisbündelung, die weiteren Preiskomponenten nicht bekannt. Dennoch ist auch hier zu differenzieren, inwieweit diese erste Entscheidung bereits zu einer verbindlichen Zahlungsverpflichtung führt oder nicht. Im ersten Fall werden zusätzliche Preiskomponenten für den Konsumenten erst nach der Zahlung des Basispreises erkennbar. Im zweiten Fall folgen die Aufpreise dem Basispreis noch vor dem ersten Kaufabschluss und können demnach in der Kaufentscheidung berücksichtigt werden. Abb. 1: Preispräsentation im Drip-Pricing Folgt man der definitorischen Abgrenzung von Preispartitionierung und Preisbündelung, so muss zwischen zwei verschiedenen Formen des Drip-Pricing unterschieden werden. Die erste Form verwendet ausschließlich verpflichtende Aufpreise und stellt eine Erweiterung der Preispartitionierung um die zeitliche Sequenz der Präsentation der Aufpreise dar. Die mit Aufpreisen belegten Komponenten sind in diesem Fall nicht eigenständig marktfähig und außerdem verpflichtend. Aufgrund der sehr engen Verwandtschaft mit der Preispartitionierung kann in dieser Reinform von einer sequentiellen Preispartitionierung gesprochen werden. Weniger eindeutig ist die Abgrenzung der zweiten Form. Diese basiert grundsätzlich auf den Überlegungen der Preisbündelung. In ihr werden einzelne, optionale Preisbestandteile einer Leistung im Zeitablauf präsentiert. Der Kauf dieser Komponenten ist nicht verpflichtend. Allerdings sind die Komponenten auch nicht zwingend separat marktfähig. Im Beispiel wäre die Marktfähigkeit einer ergänzenden Versicherungsleistung bei einer Reise zweifelsfrei gegeben. Werden jedoch Aufpreise betrachtet, die nur bestimmte Eigenschaften der Kernleistung verändern, ist dieses Kriterium häufig nicht erfüllt. So kann ein Priority-Check nur in Verbindung mit der Flugreise selbst einen Wert für den Kunden entfalten. Basispreis B Aufpreis A 1 Aufpreis A x t x t 1 t 0 t <?page no="69"?> 62 Stefan Roth und Thomas Robbert In der Literatur wird in solchen Fällen auch von „À la Carte“ Preisen gesprochen, bei denen entsprechend einer Menükarte Auswahloptionen hinzu- und abbestellt werden können 21 . À la Carte Preise können aus einer Perspektive als Preisdifferenzierungsinstrument zweiten Grades betrachtet werden, bei denen sich Konsumenten ihre Leistungen entsprechend ihrer Preisbereitschaft für einzelne Leistungskomponenten zusammenstellen 22 . Beispielsweise können Konsumenten eine Flugreise dergestalt anpassen, dass sie spezielle Mahlzeiten oder zusätzliches Freigepäck bereits in der Buchung mit angeben. Voraussetzung für eine solche Sichtweise ist, dass Konsumenten im Zeitpunkt der Entscheidung für das Kernprodukt diese Aufpreise kennen und kognitiv korrekt in ihr Entscheidungskalkül einbeziehen. In der Praxis ist dieser Umstand häufig nicht gegeben. So werden die wenigsten Konsumenten bei der Buchung eines Hotelzimmers mögliche Kosten für Getränke aus der Mini- Bar oder kostenpflichtige Fernsehprogramme in ihr Entscheidungskalkül aufnehmen. Demnach muss unterschieden werden, inwieweit der Konsument die Aufpreise in seiner Kaufentscheidung berücksichtigen kann oder nicht. Die erste Form ist beispielweise bei Konfiguratoren und Online-Buchungen zu finden. Hier muss der Konsument seine endgültige Kaufentscheidung häufig erst nach Abschluss des Konfigurationsprozesses treffen. Im Beispiel der Flugreise wären dem Konsumenten die Aufpreise bereits im Buchungsprozess, also vor der Kaufentscheidung bewusst. Anders verhält sich die Situation, wenn der Konsument eine Dienstleistung erwirbt, die ihm ein Nutzungspotential bietet. Hier können erst am Leistungsort zusätzliche Preiskomponenten offenbart werden. Im Beispiel des Hotels erfährt er diese erst im Hotel selbst. Letztgenanntes wird in der Literatur auch als Add-on Pricing bezeichnet 23 . In dieser zweiten Sichtweise nutzen Unternehmen die Kurzsichtigkeit der Konsumenten, da sie beobachten, dass Konsumenten häufig nicht in der Lage sind, Kosten, die in der Zukunft entstehen, korrekt in ihr Entscheidungskalkül aufzunehmen 24 . Bei Add-on Preisen wird der Fokus ebenfalls auf die Preispräsentation eines Kernproduktes gelenkt. Zusätzliche Aufpreise werden dem Konsumenten häufig erst am Ort der Leistungserstellung präsentiert 25 . 21 Vgl. Shelanski et al. (2012). 22 Vgl. Ellison (2005); Guiltinam (1987). 23 Vgl. z.B. Ellison (2005); Ellison/ Ellison (2009); Fruchter/ Gerster/ Dobson (2011). 24 Vgl. de Meza/ Reyniers (2012); Ellison (2005); Gabaix/ Laibson (2006). 25 Vgl. Ellison (2005). <?page no="70"?> Drip-Pricing im Preismanagement von Dienstleistungen 63 3 Empirische Befunde Die Wirkungsweisen der Preispartitionierung und der Preisbündelung wurden in der Literatur schon vielfach untersucht. Die zentralen Ergebnisse aus empirischen Forschungsarbeiten sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden. Dabei wird ein Fokus auf die Wahrnehmung und Verarbeitung von Preisinformationen gelegt. 3.1 Preispartitionierung Morwitz, Greenleaf und Johnson (1998) untersuchen die Wirkung von partitionierten Preisen, indem sie in einem Experiment die Preiswahrnehmung zweier Telefone mit unterschiedlicher Angebotsgestaltung vergleichen. In einer Gruppe ist das Angebot mit einem Komplettpreis, in der anderen Gruppe mit separaten Versandkosten ausgewiesen. Dabei stellen sie fest, dass der erinnerte Gesamtpreis in der Gruppe mit partitionierten Preisen deutlich geringer ist als in der Gruppe mit Komplettpreisen. Dieser Unterschätzungseffekt in Bezug auf den Gesamtpreis konnte auch von Chakravati et al. (2002) gezeigt werden, die einen Basispreis für einen Kühlschrank mit einer Austattungskomponente und einer produktbegleitenden Dienstleistung kombinieren. Lee und Han (2002) bestätigen in ähnlichen Experimenten für Produkte aus dem Einzelhandel (Stereo-Anlagen etc.) den positiven Effekt der partitionierten Preise auf die Wahrnehmung der Gesamtpreishöhe. Allerdings stellen sie fest, dass sich gleichzeitig ein negativer Effekt auf die Einstellung gegenüber den Kaufobjekten ergibt. Negative Effekte finden Gierl und Bambauer-Sachse (2008a) auch bezüglich der wahrgenommenen Komplexität der Preisstruktur und den unterstellten Absichten des Anbieters. Der Einfluss von partitionierten Preisen in Auktionen wird von Clark und Ward (2008) auf der Online-Auktionsseite Ebay untersucht. In einer Feldstudie analysieren sie den Gesamtpreis für 218 Auktionen einer Sammlerkarte. Sie stellen fest, dass die Höhe der Gebote nicht von der Höhe der zu zahlendenden Versandgebühr abhängig ist, obwohl sich der Gesamtpreis für den Erwerb der Karte aus diesen beiden Preiskomponenten zusammensetzt. Dass Versandkosten nicht voll berücksichtigt werden, zeigen auch Hossain und Morgan (2006) in einem Experiment mit Ebay-Auktionen. Xia und Monroe (2004) gehen der Frage nach, wie die Aufpreishöhe und das Aufpreisformat (prozentual vs. absolut) auf die Effekte der Preispartitionierung einwirken. In einem Experiment mit einem Online-Shopping-Szenario zeigen sie, dass partitionierte Preise zu einer höheren Zufriedenheit mit dem Preis führen, und dass die Wertwahrnehmung, Preiszufriedenheit und Kaufintention bei einem prozentualen Aufpreis noch gesteigert wird. Sie untermauern damit frühere Befunde von Morwitz, Greenleaf und Johnson (1998). Für die Höhe von Aufpreisen zeigen auch Sheng, Bao und Pan (2007), dass sich die positiven Effekte von partitionier- <?page no="71"?> 64 Stefan Roth und Thomas Robbert ten Preisen auf die Kaufintention nur dann entfalten, wenn die Aufpreise relativ niedrig sind. Als weiterer Moderator von Konsumentenreaktionen auf partitionierte Preise identifizieren Hamilton und Srivastava (2008) den wahrgenommenen Wert, den die Konsumenten den einzelnen Preiskomponenten beimessen. Bei der Bewertung von verschiedenen Preispartitionierungen eines einheitlichen Gesamtpreises präferieren Konsumenten demnach Varianten, bei denen der Preis für eine Komponente mit geringem subjektiven Wert objektiv ebenfalls gering ist. Bertini und Wathieu (2008) machen in diesem Zusammenhang deutlich, dass partitionierte Preise erst dazu führen können, dass sekundären Komponenten überhaupt Aufmerksamkeit geschenkt wird. Entsprechend führen Charakteristika dieser Sekundärkomponenten, wie z.B. der wahrgenommene Wert oder die relative Wichtigkeit, zu unterschiedlichen Auswirkungen auf die Kaufintention. Neben dem wahrgenommenen Wert der Leistungskomponenten spielt nach Cheema (2008) auch die Bewertung des Anbieters eine Rolle. Anbieter mit einer hohen Reputation sind demnach eher dazu in der Lage, vom Einsatz partitionierter Preise zu profitieren. Eine schlechte Reputation des Anbieters kann im Gegenzug aber dazu führen, dass den Preiskomponenten eine höhere Aufmerksamkeit zuteil wird und in der Konsequenz die Kaufintention sinkt. Interindividuelle Unterschiede werden von Burman und Biswas (2007) untersucht. Dabei gehen sie der Frage nach, wie die Wirkung von partitionierten Preisen von der Angemessenheit des Aufschlags und des Need for Cognition 26 der Konsumenten beeinflusst wird. Unter Need for Cognition wird die Bereitschaft von Individuen verstanden, sich geistig anzustrengen. Sie stellen fest, dass partitionierte Preise für Konsumenten mit einem hohen Need for Cognition dann einen positiven Effekt entfalten, wenn die Preisaufschläge angemessen sind. Während die Autoren für unangemessene Preisaufschläge einen gegenteiligen Effekt messen, finden sich bei Konsumenten mit niedrigem Need for Cognition gar keine signifikanten Einflüsse partitionierter Preise. 3.2 Preisbündelung Die Auswirkungen der Segregation von Preisen stehen im Mittelpunkt der Betrachtungen von Yadav und Monroe (1993). Sie zeigen in einer experimentellen Studie, dass zwei Einzelrabatte einen höheren Wert für Konsumenten aufweisen als ein einzelner Gesamtrabatt auf ein Leistungsbündel. Dabei wird der Wert für die Konsumenten durch den Transaktionsnutzen gemessen. Dieser Transaktionsnutzen stellt gemeinsam mit dem Akquisitionsnutzen den Gesamtnutzen eines Kaufaktes dar. Der Akquisitionsnutzen ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Nutzen 26 Vgl. Cacioppo/ Petty (1982). <?page no="72"?> Drip-Pricing im Preismanagement von Dienstleistungen 65 der Dienstleistung und dem dafür geforderten Preis. Dagegen resultiert der Transaktionsnutzen aus der Differenz des Preises zu einem Referenzpreis. Sofern der Referenzpreis höher ist, steigt der Transaktionsnutzen, andernfalls sinkt er. Yadav und Monroe (1993) können in ihrer Studie nachweisen, dass der Transaktionsnutzen bei einer Segregation der Preisinformationen höher ausfällt. Yadav (1995) argumentiert zudem, dass ein Unternehmern stets den Preis der attraktivsten Leistung senken sollte, sofern die Konsumenten in der Bewertung der Preise einen mehrstufigen Informationsverarbeitungsprozess durchlaufen. Das ist dadurch bedingt, dass Konsumenten im Bewertungsprozess zuerst die attraktivste Leistung bewerten und diese als Ankerpunkt für die Beurteilung weiterer Teilleistungen nutzen. Heath, Chatterjee und France (1995) sowie Kaicker, Bearden und Manning (1995) fokussieren auf ähnliche Zusammenhänge. Heath, Chatterjee und France (1995) zeigen, dass zwischen der Steigerung des Bündelpreises und einer gleich hohen Steigerung der Einzelpreise kein signifikanter Unterschied in der Preiswahrnehmung vorliegt. Allerdings gilt es dabei zu berücksichtigen, dass im Experiment eine besonders hohe Steigerung des Absatzpreises manipuliert wurde, wodurch möglicherweise eine Preisschwelle überschritten wurde. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt die Studie von Kaicker, Bearden und Manning (1995), in der die integrierte Wahrnehmung mehrerer Verluste ebenfalls nicht bestätigt werden konnte. Jedoch kann auch bei dieser Studie davon ausgegangen werden, dass die manipulierte Preissteigerung relevante Preisschwellen überschritten hat. Dagegen finden Bauer und Hermann (1996) sowie Johnson, Bauer und Hermann (1999) in ihren Experimenten Bestätigung für die Hypothese, dass die Integration mehrerer Preissteigerungen positiv wahrgenommen wird. Dabei konzentrieren sie sich allerdings nicht auf den Transaktionsnutzen, sondern die Zufriedenheit der Konsumenten. Das Einräumen von Einzelrabatten führte hier zu einer höheren Kundenzufriedenheit als die Gewährung eines gleich hohen Gesamtrabattes. Gaeth et al. (1990) und Yadav (1994) zeigen, dass die Bewertung von Bündeln einem mehrstufigen Averaging-Prozess durchläuft. Dabei kann auch identifiziert werden, dass die Bewertung eines Bündels gleichermaßen von der Haupt- und den Nebenleistungen abhängt. Dennoch wurde die Bewertung der Hauptleistung nach Präsentation von Nebenleistungen entsprechend angepasst. 4 Theoretische Analyse des Drip-Pricing Zur Einordnung und Erklärung der Wirkungsweise von Preispartitionierung, Preisbündelung und dem Drip-Pricing spielen Wahrnehmungs- und Bewertungsprozesse eine zentrale Rolle. Von besonderer Relevanz sind dabei die Referenzpreistheorie, die Prospect-Theorie und die Anchoring and Adjustment-Heuristik, die im Folgenden im Kontext der Preispräsentation diskutiert werden. <?page no="73"?> 66 Stefan Roth und Thomas Robbert Der klassischen ökonomischen Theorie folgend ist es für einen Konsumenten unerheblich, ob er mit einer oder mehreren Preiskomponenten konfrontiert wird. Außerdem ist weder die Reihenfolge noch die zeitliche Sequenz von Bedeutung, solange die Summe aller Preiskomponenten gleich ist. Aus dieser Perspektive ist es irrelevant, ob beispielsweise ein Basispreis von 10 € und zwei Aufpreise von jeweils 5 € ausgewiesen werden, oder ob ein Gesamtpreis von 20 € für den Erwerb einer Leistung angegeben wird. In dieser Betrachtung wird aber unterstellt, dass zum einen die Präferenzen und die damit verbundenen Preisbereitschaften unabhängig vom geforderten Preis sind. Ferner darf auch die Präsentation des Preises keine Rolle spielen. In empirischen Untersuchungen wurde vielfach festgestellt, dass Konsumenten sich nicht entsprechend den Prämissen der mikroökonomischen Theorie verhalten. Die verhaltenswissenschaftliche Preisforschung findet daher einen anderen Ansatz und trägt deutlich stärker dem Umstand Rechnung, dass Preisinformationen nicht nur wahrgenommen, sondern auch verarbeitet und beurteilt werden müssen. In der verhaltenswissenschaftlichen Preisforschung rücken demnach insbesondere kognitive Prozesse, die von der klassischen Preistheorie nicht berücksichtigt werden, in den Mittelpunkt der Betrachtung 27 . Allen in diesem Beitrag diskutierten Preispräsentationstechniken ist gemein, dass Anbieter sie einsetzten, um eine günstige bzw. niedrige Gesamtpreiswahrnehmung für ihr Angebot zu erwirken. Bei der Beurteilung eines Preises wird allerdings nicht nur seine absolute Höhe berücksichtigt, sondern auch seine Differenz zu einem Referenzpreis mit in die Entscheidung aufgenommen. Der Referenzpreis ist eine Ankergröße, in Relation zu der ein anderer Preis beurteilt wird 28 . Zum einen können Preisinformationen als externe Referenzpreise verwendet werden, die sich aus der spezifischen Kaufsituation ergeben. Zum anderen können auch zur Verfügung stehende Preisinformationen wie Preislisten alternativer Anbieter und unabhängige Preisvergleiche als Referenzpreise wirken. Konsumenten entwickeln überdies durch Erfahrung und Übertragung auf artverwandte Leistungen auch interne Referenzpreise. Zur Preisbeurteilung bei einem Wiederkauf wird beispielsweise häufig der letztgezahlte Preis als interner Referenzpreis genutzt 29 . Wenn der aktuelle Preis eines Angebots niedriger als der Referenzpreis ist, wird er entsprechend positiv beurteilt. Liegt der Preis darüber, fällt die Bewertung negativ aus. Die Entkopplung eines Basispreises von seinen Aufpreiskomponenten, zielt genau auf diesen Effekt ab. Die Kommunikationsaktivitäten beschränken sich auf den Basispreis, der dann in Beziehung zu internen oder externen Referenzpreisen gesetzt wird. Er ist niedriger als ein Komplettpreis für das Angebot, da er nicht alle Preiskomponenten mit einschließt. Eine positive Wahrnehmung des Angebotspreises ist die Konsequenz. 27 Vgl. Homburg/ Koschate (2005). 28 Vgl. Biswas/ Blair (1991); Monroe (1973). 29 Vgl. Kalwani et al. (1990); Winer (1986). <?page no="74"?> Drip-Pricing im Preismanagement von Dienstleistungen 67 Die Referenzpreistheorie vermag alleine allerdings nicht zu erklären, wie stark die Abweichungen einer Preisinformation in Relation zu einem Referenzpreis bewertet werden. Zur Erklärung der subjektiven Bewertung dieser Abweichungen fällt der Prospect-Theorie 30 und ihren Erweiterungen eine besondere Bedeutung zu. Sie ist motiviert durch die Kritik an der neoklassischen Theorie, in der sich die Nutzenfunktion immer nur auf Endzustände bezieht und keine relativen Veränderungen gegenüber dem gegenwärtigen Status-quo in Form von Gewinnen und Verlusten berücksichtigt werden. In der Prospect-Theorie wird die Nutzenfunktion aus der neoklassischen Theorie durch die Wertfunktion ersetzt. Diese stellt dar, wie erzielte Gewinne und Verluste in Relation zu einem definierten Referenzpunkt bewertet werden. Die Wertfunktion verläuft nicht linear sondern konkav im positiven und konvex im negativen Bereich. Der Entscheider nimmt sowohl einen abnehmenden Grenznutzen als auch einen abnehmenden Grenzschaden wahr. Durch den deutlich steileren Verlauf der Kurve in der Verlustzone werden Verluste negativer beurteilt als Gewinne in gleicher Höhe 31 . Die Bewertung kann auf die Zahlung für den Erwerb einer Dienstleistung übertragen werden. Der Preis wird in Bezug zu einem internen oder externen Referenzpreis gesetzt, der in diesem Zusammenhang als Nullpunkt der Wertfunktion interpretiert werden kann. Bezogen auf diesen Referenzpunkt werden preiswertere Angebote positiv und teurere Angebote negativ bewertet. Da die Wertfunktion im negativen Bereich deutlich steiler verläuft als im positiven, wird ein teureres Angebot übermäßig schlecht bewertet. Die in diesem Beitrag diskutierten Preispräsentationstechniken weisen aber mehr als eine Preiskomponente aus, so dass ein unmittelbarer Vergleich von verschiedenen Angeboten schwer fällt. Von zentraler Bedeutung ist daher die von Thaler (1985) vorgestellte Theorie der mentalen Buchführung (Mental Accounting). Thaler (1980 und 1985) geht davon aus, dass Individuen ein individuelles, psychisches Buchhaltungssystem besitzen. Wie in der betriebswirtschaftlichen Buchführung können auf der Soll- und der Habenseite Buchungen durchgeführt werden. Diese Form der kognitiven Buchführung erlaubt es den Individuen, einen Überblick über ihre Ausgaben zu haben und gleichermaßen den Konsum zu kontrollieren. Im Mittelpunkt des Mental Accounting steht die Frage, wie Individuen Gewinne und Verluste bewerten. Sowohl Gewinne als auch Verluste können entweder aggregiert oder aber getrennt in verschiedene Teilaspekte mental verbucht werden. Eine gemeinsame Bewertung wird dabei als Integration, eine getrennte als Segregation bezeichnet. Der Theorie folgend werden zu zahlende Preisbestandteile einer Leistung als Verluste aufgefasst, die den Status-quo eines Individuums verschlechtern. Bei Zerlegung eines Gesamtpreises in verschiedene Preiskomponenten muss der Konsument mehrere Preise bewerten. Der Prospect-Theorie folgend, wird jede ein- 30 Vgl. Kahneman/ Tversky (1979). 31 Vgl. Kahneman/ Tversky (1979). <?page no="75"?> 68 Stefan Roth und Thomas Robbert zelne Preiskomponente als Verlust aufgefasst und entsprechend der Wertfunktion bewertet. Da die Wertfunktion im Verlustbereich streng konvex verläuft, werden die mehreren Verluste als unangenehmer empfunden als ein großer Verlust in gleicher Höhe. Daher argumentiert Thaler (1985), dass im Fall mehrerer Verluste eine Aggregation bevorzugt wird, da diese zu einem weniger starken Wertverlust führt als mehrere Einzelverluste. In der Bündelung wird genau diese Idee aufgegriffen und die Preise der einzelnen Absatzleistungen werden nicht explizit ausgewiesen. Das Preisbündel wird daher positiver wahrgenommen, als seine separat ausgewiesenen Komponenten. Die Studien zur Preispartitionierung legen jedoch nahe, dass die Aggregation von Verlusten keinesfalls immer bevorzugt wird. Sie stehen damit scheinbar im Widerspruch zur Prospect-Theorie und den Prinzipien des Mental Accounting. Dieser Widerspruch ist aber nur scheinbar und kann durch einige Argumente entkräftet werden. Nach Morwitz et al. (2009) existieren mehrere Gründe, warum eine Generalisierbarkeit der Erkenntnisse von Prospect-Theorie und Mental Accounting nicht sinnvoll erscheint. Zum einen müssen nicht alle zu zahlenden Preise als Verluste wahrgenommen werden 32 . In diesem Zusammenhang verweisen Chakravarti et al. (2002) auf die Warnung von Kahneman und Tversky (1984), wonach die Zahlungen, welche Kunden in alltäglichen wirtschaftlichen Transaktionen tätigen, nicht als unkompensierte Verluste bewertet werden sollten. Zum anderen geht das Mental Accounting implizit davon aus, dass alle Preiskomponenten von den Konsumenten auch gleichermaßen auffällig sind und tatsächlich in die Bewertung aufgenommen werden. Insbesondere bei partitionierten Preisen, bei denen verpflichtende Aufpreise wie Steuern und Gebühren aus einem Gesamtpreis extrahiert werden, ist diese Annahme vermutlich nicht zutreffend. Aus dem Widerspruch der Integration und Segregation von Kosten und deren Bewertung anhand der Wertfunktion der Prospect-Theorie ergibt sich ein weiteres Unterscheidungskriterium zwischen Preispartitionierung und Preisbündelung, aus denen auch Konsequenzen für die Untersuchung des Drip-Pricing erwachsen. Die Wahrnehmung und Verarbeitung mehrteiliger Preise erfordert von den Konsumenten einen hohen kognitiven Aufwand 33 . Morwitz et al. (2009) argumentieren, dass Konsumenten in der Preisbündelung allen Leistungskomponenten einen eigenständigen Wert zuschreiben und daher auch die Preiskomponenten bewusst und entsprechend den Prinzipien des Mental Accounting verarbeiten. Im Unterschied dazu sind Preiskomponenten bei partitionierten Preisen ohne eigenständigen Wert und werden anders wahrgenommen und verarbeitet. Morwitz, Greenleaf und Johnson (1998) argumentieren in einem alternativen Ansatz, dass Konsumenten in der Verarbeitung eines partitionierten Preises eine Kosten-Nutzen- 32 Vgl. Morwitz et al. (2009). 33 Vgl. Estelami (1997); Estelami (2003a). <?page no="76"?> Drip-Pricing im Preismanagement von Dienstleistungen 69 Abwägung vornehmen, die dann zu unterschiedlichen Verarbeitungsstrategien führt 34 . In ihrem Bezugsrahmen unterscheiden Morwitz, Greenleaf und Johnson (1998) zwischen drei verschiedenen Strategien, partitionierte Preise zu bewerten. In der ersten Variante berechnen die Konsumenten die arithmetisch korrekte Summe aus Basispreis und Aufpreisen. Die hohe Genauigkeit dieser Verarbeitung geht aber mit dem höchsten kognitiven Aufwand einher. Die Fähigkeit, mehrere Preisinformationen kognitiv zu verarbeiten und im Kurzzeitgedächtnis zu speichern, ist jedoch sehr beschränkt 35 . Einige Konsumenten bringen nicht einmal genug kognitiven Aufwand auf, der es ihnen erlaubt, die Preisinformation überhaupt wahrzunehmen 36 . Diese These wird außerdem von Kahneman und Tversky (1979) gestützt, die die Elimination von Informationen ebenfalls als einen möglichen Verarbeitungsmechanismus sehen. Die Ignoranz der Aufpreise bildet damit die zweite Verarbeitungsstrategie. Die dritte Variante geht davon aus, dass Konsumenten eine Heuristik anwenden, die ihnen die Berechnung des Gesamtpreises vereinfacht und damit kognitiven Aufwand erspart. Obwohl nicht alle Konsumenten die gleiche Heuristik heranziehen, um die Preisinformationen zu verarbeiten, zählt die Anchoring and Adjustment- Heuristik zu den wichtigsten. Gemäß der Adaptionsniveautheorie 37 vergleicht ein Konsument eine eingehende Information immer mit bereits verarbeiteten, gespeicherten Informationen. Dem Anchoring and Adjustment liegt die Annahme zu Grunde, dass Konsumenten auf den Preis für eine Absatzleistung einen Urteilanker legen, den sie beim Eingang zusätzlicher Informationen anpassen 38 . Das Urteil über diese Absatzleistung dient dann als Referenzpunkt für die zweite Absatzkomponente. Nach einer Folge von Bewertungsprozessen steht am Ende ein Gesamturteil, welches als der Mittelwert der Teilurteile über die Absatzleistung aufgefasst werden kann. Da Konsumenten die Ankerinformation überbewerten und diese nicht adäquat in Bezug auf die Zusatzinformationen anpassen, kommt es zu kognitiven Fehleinschätzungen 39 . Es wird angenommen, dass Konsumenten den Anker bei partitionierten Preisen auf den Basispreis legen und diesen nicht korrekt in Bezug auf die Aufpreise nach oben anpassen 40 . Diese Vermutung fußt auf der Annahme, dass Konsumenten Aufpreise als weniger wichtig wahrnehmen, da diese typischerweise niedriger sind. Dabei bestimmt die Höhe eines Preises wesentlich dessen Auffälligkeit und damit den Grad an Aufmerksamkeit, den ein Kunde die- 34 Vgl. Beach/ Mitchell (1978); Shugan (1980). 35 Vgl. Estelami (2003b). 36 Vgl. Morwitz/ Greenleaf/ Johnson (1998). 37 Vgl. Helson (1964). 38 Vgl. Yadav (1994). 39 Vgl. Epley/ Gilovich (2006); Tversky/ Kahneman (1974). 40 Vgl. Morwitz/ Greenleaf/ Johnson (1998). <?page no="77"?> 70 Stefan Roth und Thomas Robbert sem Preis zukommen lässt 41 . Trotzdem kann nicht immer davon ausgegangen werden, dass die höchste Preiskomponente von den Konsumenten als Urteilsanker genutzt wird. Yadav (1994) argumentiert, dass Konsumenten den Anker auf die Preisinformation legen, die ihnen am wichtigsten erscheint. Hamilton und Srivastava (2008) machen ebenfalls deutlich, dass der Anker bei partitionierten Preisen nicht immer der Basispreis sein muss. Sie gehen vielmehr davon aus, dass Konsumenten eine Nutzenabwägung für alle Teilkomponenten anstellen. Demnach bewerten Konsumenten den Wert eines Produkts oder einer Dienstleistung so, dass sie einen Quotienten aus dem wahrgenommenen Nutzen und den wahrgenommenen Kosten zur Erlangung der Leistung bilden. Entsprechend haben sie eine höhere Preisbereitschaft für Komponenten, denen Sie einen besonders hohen Wert beimessen 42 . Für Kim (2006) ist außerdem die visuelle Auffälligkeit einer Preisinformation entscheidend für dessen Verarbeitung. Werden Preiskomponenten eines separierten Preises besonders auffällig in Größe und Farbe präsentiert, wird eine kognitiv korrekte Bewertung begünstigt. Bei einer entsprechend unauffälligen oder schwer zu verarbeitenden Preiskomponente finden eher Anpassungs- oder Ignoranzstrategien Anwendung. Ein weiterer Grund, warum Konsumenten ihren Urteilsanker auf den Basispreis legen, ist die zeitliche Sequenz mit der sie den Preisinformationen ausgesetzt sind 43 . Dabei legen Konsumenten ihren Urteilsanker häufig auf die erste Information mit der sie konfrontiert werden 44 . Büyükkurt (1986) zeigt, dass die Preiswahrnehmung stärker von Preisen beeinflusst wird, die dem Kunden zu Beginn eines Einkaufes präsentiert werden, als solche, die verteilt über die Dauer des Einkaufes sind. Auch bei partitionierten Preisen ist der Basispreis oft an erster Position angegeben, um die Aufmerksamkeit auf das Kernprodukt zu lenken 45 . 5 Zusammenfassung und Implikationen Die experimentellen Studien, die sich der empirischen Prüfung verhaltenswissenschaftlicher Hypothesen im Kontext der Aggregation und Segregation von Preisinformationen widmen, führen zu keinem einheitlichen Bild. Während die Literatur zur Preisbündelung davon ausgeht, dass Bündelpreise tendenziell positiver bewertet 41 Vgl. Kim/ Kachersky (2006). 42 Vgl. Monroe (1990); Zeithaml (1998). 43 Vgl. Morwitz/ Greenleaf/ Johnson (1998). 44 Vgl. Galinsky/ Mussweiler (2001); Hogarth/ Einhorn (1992); Tversky/ Kahneman (1974). 45 Vgl. Lee/ Han (2002); Morwitz/ Greenleaf/ Johnson (1998). <?page no="78"?> Drip-Pricing im Preismanagement von Dienstleistungen 71 werden, finden sich in der Literatur zur Preispartitionierung auch gegensätzliche Befunde. Dabei sind zudem die Erklärungsansätze für die beobachteten Phänomene unterschiedlich. Die positive Wahrnehmung eines Bündelpreises stützt sich stark auf die Prospect-Theorie und das Mental-Accounting, nach der Konsumenten es vorziehen, einzelne Teilverluste zu einem großen Verlust zu integrieren. Im Unterschied dazu gehen Erklärungen zur Preispartitionierung davon aus, dass Konsumenten einzelne Preiskomponenten ignorieren oder nicht korrekt verarbeiten. Der scheinbare Widerspruch lässt sich aber durch unterschiedliche Charakteristika erklären, deren Kenntnis auch für eine Übertragung auf das Drip-Pricing von hoher Relevanz ist: Höhe der Preiskomponenten: Preisinformationen werden auf Basis eines Urteilsankers bewertet, der häufig auf dem Basisprodukt liegt. Dabei ist neben der absoluten Höhe vor allem auch das Verhältnis der verschiedenen Preiskomponenten zueinander relevant. Die Vorteilhaftigkeit der Segregation von Preisen wird insbesondere bei kleinen Aufpreisen nachgewiesen. Bei vergleichbar hohen Preiskomponenten, wie sie auch in der Preisbündelung auftreten, entfaltet eine Aggregation tendenziell Vorteile. Wahrgenommener Wert der Preiskomponenten: Bei der Preisbündelung ist jede Bündelkomponente marktfähig, so dass Konsumenten ihnen auch einen eigenen Wert zuschreiben. Diese Eigenständigkeit führt dazu, dass Konsumenten für sie auch eine Preisbereitschaft besitzen. Im Gegensatz dazu werden die verpflichtenden Preiskomponenten der Preispartitionierung nur in Verbindung mit dem Kernprodukt bewertet. Einen eigenständigen Wert entfalten sie in vielen Fällen nicht. Prominenz der Preiskomponenten: Die Wahrnehmung eines Gesamtpreises wird auch von der visuellen Prominenz einzelner Preiskomponenten beeinflusst. Die Auffälligkeit wird durch Größe und Farbe oder auch die Anordnung in der Preisdarstellung bestimmt. In der Preispartitionierung werden Aufpreise oft deutlich kleiner angegeben oder müssen von den Konsumenten aus einer Tabelle entnommen werden. Sie sind entsprechend wenig prominent. Verpflichtungsgrad der Preiskomponenten: Bei partitionierten Preisen sind alle Preiskomponenten zwingend verpflichtend. Entsprechend trifft ein Konsument auch nur eine Kaufentscheidung für alle Komponenten. Im Gegensatz dazu können bei Preisbündeln auch einzelne Komponenten erworben werden. Entsprechend müssen Konsumenten beim Kauf eines Bündels eine eigenständige Kaufabsicht für jede Bündelkomponente haben. Aus der Abgrenzung von Preispartitionierung und Preisbündelung ergeben sich Zusammenhänge, die auch für die Untersuchung des Drip-Pricing von zentraler Bedeutung sind. Dabei steht das Drip-Pricing in besonders enger Beziehung zur Preispartitionierung, da in beiden Fällen ein Gesamtpreis in einzelne Preiskomponenten aufgespalten wird. Dennoch gibt es auch einige Unterschiede: <?page no="79"?> 72 Stefan Roth und Thomas Robbert Erstens können beim Drip-Pricing die einzelnen Komponenten durchaus einen eigenständigen Wert entfalten. Besonders wenn die Preiskomponenten nicht verpflichtend sind, muss der Konsument mehrere Kaufentscheidungen treffen. Sind die Aufpreise allerdings verpflichtend, deckt bereits eine Kaufentscheidung die Zahlung des Gesamtpreises. Zweitens ist die Prominenz der Preisinformation im Drip-Pricing deutlich erhöht. In der sequentiellen Präsentation kann jede Preiskomponente als selbständiger Stimulus auf den Konsumenten wirken. Daher ist damit zu rechnen, dass die positiven Effekte in Bezug auf den wahrgenommenen Gesamtpreis, die sich bei der Preispartitionierung ergeben, bei einer sequentiellen Preispräsentation verringert werden. Die Ignoranz einzelner Preiskomponenten ist entsprechend weniger wahrscheinlich. Allerdings können kognitive Verarbeitungsfehler, die aus einer fehlerhaften arithmetischen Verarbeitung resultieren, noch immer zu einer positiveren Gesamtpreiswahrnehmung beitragen. Es gibt aber noch entscheidendere Unterschiede zwischen Drip-Pricing, Preispartitionierung und Preisbündelung. Zum einen gehen sowohl die Preispartitionierung als auch die Preisbündelung davon aus, dass dem Konsumenten die Preisinformationen für alle Absatzkomponenten vor der Kaufentscheidung zur Verfügung stehen. Unabhängig von Wahrnehmungs- und Verarbeitungsfehlern haben Konsumenten so zumindest theoretisch die Möglichkeit, den korrekten Gesamtpreis für ein Angebot sofort zu bestimmen. Beim Drip-Pricing besteht allerdings Ungewissheit über einige der Preiskomponenten. Es ist somit zwingend zwischen Situationen zu differenzieren, bei denen dem Konsumenten (1) alle Preisinformationen vor dem Kaufabschluss zur Verfügung stehen oder (2) jenen, bei denen der Konsument erst nach dem Kauf des Kernprodukts mit zusätzlichen Preisen konfrontiert wird. Diese Unterscheidung wird vor allem dann relevant, wenn das Drip-Pricing aus der Perspektive des Consumer Lock-In diskutiert wird. So kann beispielsweise der Wunsch, an einer einmal getroffenen Entscheidung festzuhalten, Einfluss auf die Kaufintention nehmen. In Situation (1) entstehen dem Konsumenten kognitive Wechselkosten, die dazu führen, dass er sich in einer Kaufsituation gefangen fühlt 46 . In Situation (2) können diese Wechselkosten sich auch monetär oder in Form eines anderen Aufwands äußern 47 . In diesem Zusammenhang ist zudem der Verbraucherschutz ein interessantes Forschungsfeld. Es ist bislang wenig erforscht, wie Konsumenten auf sequentielle Preisinformationen reagieren. Die Literatur zur Preisfairness geht davon aus, dass Konsumenten genau über alle Preiskomponenten, die mit einer Transaktion einhergehen, informiert sein wollen 48 . Eingehende empirische Prüfungen im Kontext des Drip-Pricing stehen aber bislang noch aus. 46 Vgl. Shih (2012). 47 Vgl. Zauberman (2003). 48 Vgl. Campbell (1995). <?page no="80"?> Drip-Pricing im Preismanagement von Dienstleistungen 73 Außerdem fehlt es an ausreichender empirischer Evidenz, wie gut sich Konsumenten an eine sequentielle Preispräsentation gewöhnen können. Lerneffekte sind in diesem Kontext bislang nur unzureichend diskutiert. Dabei eröffnen insbesondere optionale Aufpreise, wie sie auch bei Konfiguratoren eingesetzt werden, um dem Willen nach Mass-Customization Rechnung zu tragen, dem Kunden auch erhebliche Vorteile. Ein besseres Verständnis des Drip-Pricing ist daher aus Anbieter- und Konsumentensicht äußerst wertvoll. Literatur Bakos, Y.; Brynjolfsson, E.: Bundling Information Goods: Pricing, Profits, and Efficiency, in: Management Science, Vol. 45 (1999), S. 1613-1630 Bakos, Y.; Brynjolfsson, E.: Bundling and Competition on the Internet, in: Marketing Science, Vol. 19 (2000), S. 63-82 Bauer, H.H.; Herrmann, A.; Jung, S.: Wettbewerbsvorteile durch Preisbündelung, in: Marktforschung und Management, 40. Jg. 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Perceived Fairness of the Surcharge Makes a Difference, in: Psychology & Marketing, Vol. 24 (2007), S. 1025-1041 <?page no="83"?> 76 Stefan Roth und Thomas Robbert Shih, H.P.: Cognitive Lock-In Effects on Consumer Purchase Intentions in the Context of B2C Web Sites, in: Psychology & Marketing, Vol. 29 (2012), S. 738-751 Shugan, S.M.: The Cost of Thinking, in: Journal of Consumer Research, Vol. 7 (1980), S. 99-111 Stremersch, S.; Tellis, G.J.: Strategic Bundling of Products and Prices: A New Synthesis for Marketing, in: Journal of Marketing, Vol. 66 (2002), S. 55-72 Telser, L.G.: A Theory of Monopoly of Complementary Goods, in: Journal of Business, Vol. 52 (1979), S. 211-230 Thaler, R.H.: Towards a Positive Theory of Choice, in: Journal of Economic Behavior and Organization, Vol. 4 (1980), S. 199-214 Thaler, R.H.: Mental Accounting and Consumer Choice, in: Marketing Science, Vol. 4 (1985), S. 199-214 Tversky, A.; Kahneman, D.: Judgment Under Uncertainty: Heuristics and Biases, in: Science, Vol. 185 (1974), S. 1124-1131 Winer, R.S.: A Reference Price Model of Brand Choice for Frequently Purchased Products, in: Journal of Consumer Research, Vol. 13 (1986), S. 250-256 Xia, L.; Monroe, K.B.: Price Partitioning on the Internet, in: Journal of Interactive Marketing, Vol. 18 (2004), S. 63-73 Yadav, M.S.: How Buyers Evaluate Product Bundles: A Model of Anchoring and Adjustment, in: Journal of Consumer Research, Vol. 21 (1994), S. 342-353 Yadav, M.S.; Monroe, K.B.: How Buyers Perceive Savings in a Bundle Price: An Examination of a Bundle’s Transaction Value, in: Journal of Marketing Research, Vol. 30 (1993), S. 350-358 Zauberman, G.: The Intertemporal Dynamics of Consumer Lock-In, in: Journal of Consumer Research, Vol. 30 (2003), S. 405-419 Zeithaml, V.: Consumer Perceptions of Price, Quality, and Value: A Means-End Model and Synthesis of Evidence, in: Journal of Marketing, Vol. 52 (1988), S. 2-22 <?page no="84"?> Krankenhausspezifische Produktivitätsermittlung Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken Inhalt 1 Einleitung ........................................................................................... 78 2 Zur Produktivität von Krankenhäusern.............................................. 79 3 Entwicklung eines krankenhausspezifischen Produktivitätsindexes 82 3.1 Betriebliche Routinedaten als Datenbasis .............................................. 82 3.2 Input und Output von Krankenhäusern ................................................ 83 3.3 Komponenten des Produktivitätsindexes .............................................. 86 3.4 Benchmarking-Matrix................................................................................ 92 3.5 Fazit zur entwickelten Methode .............................................................. 94 4 Erprobung und Ergebnisse ................................................................ 95 4.1 Datenbasis ................................................................................................... 95 4.2 Benchmarking............................................................................................. 95 5 Schlussbetrachtung............................................................................. 97 Literatur ........................................................................................................ 99 <?page no="85"?> 78 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken 1 Einleitung Der deutsche Krankenhaussektor hat in den letzten 10 Jahren einen strukturellen Wandel erfahren. Die Anzahl der aufgestellten Betten wurde um 10% und die Anzahl der Krankenhäuser um 8% reduziert, wobei die Personalzahlen weitestgehend konstant geblieben sind. Dennoch sind die Kosten je Behandlungsfall um 29%, die Ausgaben für Krankenhäuser insgesamt sogar um 35% angestiegen. Im Jahr 2011 erreichten die Gesundheitsausgaben in Deutschland einen neuen Rekordwert in Höhe von 293,8 Mrd. €, von dem 26% auf Krankenhäuser entfallen. 1 Trotz der hohen und steigenden Ausgaben beurteilen viele Krankenhäuser ihre wirtschaftliche Situation als problematisch 2 . Angesichts der demografischen Entwicklung in Deutschland ist weiterhin von einem Anstieg an multimorbiden und somit ressourcenintensiven Behandlungsfällen auszugehen 3 . Um die zu erwartende Nachfrage decken zu können, sollten Krankenhäuser vorrangig die Steigerung ihrer Produktivität anvisieren. Die Steuerung und somit die Steigerung der Produktivität setzen allerdings voraus, die Produktivität zunächst messen zu können. Während in der wissenschaftlichen Literatur bereits die theoretischen Anforderungen an die Messung der Produktivität von Dienstleistungsunternehmen definiert und Modelle vorgestellt wurden, finden diese in der Produktivitätsmessung bislang keine Anwendung. Der Fokus der Forschung liegt auf nicht-parametrischen Methoden wie der Data Envelopment Analyse oder dem Malmquist-Index, wobei die Entwicklung einer optimalen Vergleichsmethode und nicht die optimale Produktivitätsmessung das Ziel der Untersuchungen zu sein scheint. So werden einfachste Indikatoren für die Messung der Produktivität verwendet, deren Aussagekraft als fragwürdig einzustufen ist 4 . Wie aus der Betrachtung von zehn amerikanischen Studien deutlich wird, scheint vor allem eine Datenquelle, die American Hospital Association’s Survey of Hospitals, sehr weit verbreitet zu sein 5 . Hier stellt sich letztlich die Frage, ob die Daten zur bestmöglichen Bewertung des In- und Outputs gewählt wurden oder aufgrund ihrer guten Verfügbarkeit. Eine kritische Aus- 1 Vgl. Statistisches Bundesamt (2013a), S. 14. 2 Vgl. Blum et al. (2011), S. 139 ff.; Korff (2012), S. 19 ff. 3 Vgl. Nöthen (2011). 4 Vgl. O’Neill et al. (2008). 5 Vgl. Bruning/ Register (1989), S. 1219; Burgess/ Wilson (1995), S. 348; Ferrier/ Valdmanis (1996), S. 70; Grosskopf/ Margaritis/ Valdmanis (2001), S. 194; Grosskopf/ Margaritis/ Valdmanis (2004), S. 517; Grosskopf/ Valdmanis (1987), S. 96; Ozcan (1993), S. 4; Valdmanis (1990), S. 555; Valdmanis (1992), S. 19; andere Datenquelle bei Chirikos (1998), S. 413. <?page no="86"?> Krankenhausspezifische Produktivitätsermittlung 79 einandersetzung mit den gewählten In- und Outputwerten ist darüber hinaus nicht die Regel 6 . Im vorliegenden Beitrag wird ein theoretisches Modell zur Produktivitätsberechnung entwickelt und genutzt, um ein Benchmarking der Produktivität von Krankenhäusern auf der Ebene deutscher Bundesländer durchzuführen. 2 Zur Produktivität von Krankenhäusern Produktivitätskennzahlen sind in der klassischen Industriebetriebslehre verwurzelt und beschreiben im Kern den Quotienten aus Output (erzeugte Leistung; Faktorertrag) und Input (verbrauchte Leistung; Faktoreinsatz) 7 . Diese Berechnung spiegelt das grundsätzliche Verständnis eines Unternehmens als produktives System wider, das einen oder mehrere Inputwerte durch einen Arbeitsprozess in Outputwerte transformiert 8 . Die In- und Outputfaktoren können in Mengen oder Geldeinheiten bewertet werden 9 . Die Anwendbarkeit der klassischen Produktivitätsberechnung für Dienstleistungsunternehmen, denen Krankenhäuser zuzuordnen sind 10 , ist allerdings kritisch zu betrachten. Während im Sektor der Sachgüterbetriebe meistens eine feststehende maschinelle Ausstattung, gut definierbare und abgrenzbare In- und Outputfaktoren, ein Produktionsprogramm sowie die Möglichkeit der Lagerung des Output gegeben sind, kann der tatsächliche In- und Output bei Dienstleistungen kaum gemessen und der Leistungserstellungsprozess nur schwer beschrieben werden 11 . Gemäß ihrer konstitutiven Merkmale weisen Dienstleistungen eine Potential- (Erzeugung eines Leistungspotenzials), Prozess- (Leistungserbringung an einem externen Faktor nach dem Uno-Actu-Prinzip) und Ergebnisphase (nutzenstiftende Wirkung am externen Faktor) auf 12 . Darüber hinaus muss Krankenhäusern auch unter den Dienstleistungsunternehmen ein besonderer Status zugerechnet werden, da erheblich in die Privatsphäre der „Kunden“ eingegriffen wird, diese meistens unter einem Notstand leiden und teilweise erhebliche Angst vor der Leistungsinanspruchnahme haben 13 . Wie die Studie von O’Neill et al. 6 Vgl. Burgess/ Wilson (1995); Chen (2006); De Castro Lobo et al. (2009); Pilyavsky/ Staat (2008); Razak (2003); Rój (2010). 7 Vgl. Gutenberg (1990); Vuorinen/ Järvinen/ Lehtinen (1998), S. 377 ff. 8 Vgl. Gutenberg (1975). 9 Vgl. Vuorinen/ Järvinen/ Lehtinen (1998), S. 378. 10 Vgl. Reuschl/ Bouncken (2013), S. 179. 11 Vgl. McLaughlin/ Coffey (1990). 12 Vgl. Donabedian (1980), S. 83 ff. 13 Vgl. Berry/ Bendapudi (2007), S. 114 ff. <?page no="87"?> 80 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken (2008) zeigt, werden diese Voraussetzungen jedoch bei den meisten Produktivitätsberechnungen ignoriert. Eine Vielzahl Produktivitätsstudien verwendet die Anzahl an Personal (Ärzte, Pflegekräfte) als Input und die Fallzahl bzw. die Anzahl an Entlassungen als Output 14 . Sowohl die Phasenorientierung als auch die besonderen Merkmale der Dienstleistungen von Krankenhäusern finden keine Berücksichtigung, obwohl es nicht an theoretischen Konzepten zur Ermittlung der Dienstleistungsproduktivität mangelt. Nachfolgend werden ausgewählte Methoden zur Berechnung der Produktivität von Dienstleistungen dargestellt. Eine detailliertere Darstellung ist beispielsweise Reuschl und Bouncken (2013) zu entnehmen. Bereits 1994 hatte Corsten einen Ansatz zur Berechnung der Produktivität von Dienstleistern vorgestellt 15 . In seinem Ansatz nimmt er eine Unterscheidung zwischen der Phase der Leistungsbereitschaft (Vorkombination) und der Leistungserstellung (Endkombination) vor. In dieser Methode wird zunächst eine Produktivität der Vorkombination aus dem dafür benötigten Input und der erzeugten Leistungsbereitschaft berechnet. Die Leistungsbereitschaft, der notwendige Input der Endkombination und der Input des externen Faktors werden anschließend dem Output der Leistungserstellungsphase gegenübergestellt, um die Produktivität der Endkombination berechnen zu können 16 . Vuorinen, Järvinen und Lehtinen (1998) betonen in ihrem Konzept zur Dienstleistungsproduktivität vor allem den Aspekt der Qualität, der sowohl bei der Bewertung des Input als auch des Output Berücksichtigung finden muss. Als Anforderung an die Produktivitätsberechnung definieren sie die explizite Berücksichtigung der Qualität, die ausschließliche Verwendung von messbaren Einheiten und die Möglichkeit die verwendeten Maße zu summieren 17 . In ihrem Beitrag geben die Autoren Beispiele für qualitative und quantitative In- und Outputfaktoren für eine Versicherungsunternehmung 18 . Parasuraman (2002) hebt ebenfalls den Einfluss der Qualität und des externen Faktors bei der Ermittlung der Dienstleistungsproduktivität hervor. Die Phasenorientierung hingegen findet keine Berücksichtigung. Grönroos und Ojasalo kritisieren in ihrem Beitrag zur Dienstleistungsproduktivität die häufige Annahme der konstanten Qualität, die beispielsweise einem Produktivitäts-Benchmarking auf Basis des Quotienten aus Fallzahl und Anzahl der Ärzte zugrunde liegt 19 . Während die Autoren die komplexen Wirkungsbeziehungen bei 14 Vgl. O’Neill et al. (2008), S. 172 ff. 15 Vgl. Corsten (1994). 16 Vgl. Corsten (1994), S. 17 ff. 17 Vgl. Vuorinen/ Järvinen/ Lehtinen (1998), S. 385 f. 18 Vgl. Vuorinen/ Järvinen/ Lehtinen (1998), S. 390 f. 19 Vgl. Grönroos/ Ojasalo (2004). <?page no="88"?> Krankenhausspezifische Produktivitätsermittlung 81 Dienstleistern darstellen und zwischen einer internen und externen Effizienz sowie der Kapazitätseffizienz unterscheiden, kommen sie letztlich zu dem Schluss, dass die Dienstleistungsproduktivität durch den Quotienten aus Umsatz und Kosten beschrieben wird 20 . Auf Krankenhäuser kann diese Schlussfolgerung wegen der bereits dargestellten besonderen Merkmale nicht angewendet werden. Eine Übersicht über die vorgestellten Methoden und deren Umsetzungsfähigkeit ist in Abbildung 1 dargestellt. Merkmale Autoren: Output/ Input Phasenorientierung Externer Faktor Qualität Anwendbarkeit Corsten (1994) + + + + + + + + Vuorinen/ Järvinen/ Lehtinen (1998) + + - - + + + + Parasuraman (2002) + + - - + + + + - - Grönroos/ Ojasalo (2004) + + + + + + + - - Abb. 1: Vergleich ausgewählter Konzepte zur Dienstleistungsproduktivität 21 Wie Abbildung 1 verdeutlicht, werden in den theoretischen Methoden zur Berechnung der Dienstleistungsproduktivität jeweils der Quotient aus Out- und Input genutzt, der externe Faktor und die Qualität berücksichtigt. Die Phasenorientierung ist hingegen nur in zwei der angesprochenen Beiträge enthalten. Die praktische Nutzung der Konzepte scheint im ersten Schritt allerdings bei allen Beiträgen nicht möglich. Parasuraman ist bei seinen Ausführungen zu theoretisch abstrakt, Grönroos und Ojasalo schlagen in letzter Konsequenz eine Kennzahl vor, die nicht für Krankenhäuser geeignet ist. Vuorinen, Järvinen und Lehtinen führen zwar explizite Kennzahlen an, diese sind aber für die Versicherungsbranche ausgelegt. Letztlich erscheint das grundsätzliche Konzept von Corsten für die praktische Umsetzung am geeignetsten. Eine Phasenorientierung ist durch die Unterscheidung zwischen Vor- und Endkombination gegeben, der Qualitätseinfluss kann durch Adjustierung der In- und Outputwerte gewährleistet werden und der externe Faktor wird bei der Produktivität der Endkombination berücksichtigt 22 . Corstens Modell zur Berechnung der Dienstleistungsproduktivität wird in diesem Beitrag herangezogen, um ein Verfahren zur Berechnung der Produktivität von Krankenhäusern zu entwickeln. Das Ziel ist die Entwicklung eines praxistauglichen Verfahrens, das den theoretischen Anforderungen an die Berechnung der Produk- 20 Vgl. Grönroos/ Ojasalo (2004), S. 421. 21 Vgl. Reuschl/ Bouncken (2013). 22 Vgl. Corsten (1994). <?page no="89"?> 82 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken tivität von Krankenhäusern folgt. Abschließend soll die Kennzahl Aufschluss über die Produktivität von Krankenhäusern geben, dabei in die Phasen der Leistungsbereitschaft und Leistungserbringung unterteilbar sein und sowohl die Qualität als auch den externen Faktor im Krankenhausleistungserstellungsprozess berücksichtigen. Nachfolgend wird zunächst die Auswahl einer Datenbasis, anschließend die Entwicklung der einzelnen In- und Outputmaße diskutiert. Der entwickelte Produktivitätsindex wird in einem Benchmarking der Krankenhaussektoren von 10 deutschen Bundesländern angewendet. 3 Entwicklung eines krankenhausspezifischen Produktivitätsindexes 3.1 Betriebliche Routinedaten als Datenbasis Das Ziel der Bildung von Kennzahlen wie der Produktivität ist es, eine Aussage über komplexe Sachverhalte in verdichteter Form zu geben. Die Kennzahl selbst kann letztlich nur so viel Qualität aufweisen, wie die zugrunde liegende Datenbasis 23 . An eine Kennzahl im Allgemeinen und Produktivität im Speziellen ist eine Reihe von Anforderungen zu stellen. Ein Mindestanforderungskatalog kann aus den Elementen Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit, Reliabilität, Glaubwürdigkeit, Annehmbarkeit, Benutzerfreundlichkeit, Aktualität, Richtigkeit und beispielsweise Zielorientierung gebildet werden 24 . Die Forderung nach Aktualität und Wirtschaftlichkeit spielt für die Auswahl von geeigneten Daten eine besondere Rolle, da sich Kennzahlen meistens auf einen zurückliegenden Zeitpunkt oder -raum beziehen. Diesen Anforderungen folgend sollten die Daten für die Berechnung der Produktivität möglichst so gewählt werden, dass sie Auskunft über die gegenwärtige Produktivität geben können. Die Auswahl bzw. Erhebung der Daten sollte aber zusätzlich dem Wirtschaftlichkeitskriterium folgen, d.h. die Kosten für die Informationsbereitstellung dürfen nicht den dadurch generierten Nutzen übersteigen 25 . Die Ziele Wirtschaftlichkeit und Aktualität sind konfliktär, da eine hohe Aktualität die Wirtschaftlichkeit senkt. Die Datenbasis des zu entwickelnden Produktivitätsindexes soll deshalb ausschließlich auf betriebliche Routinedaten beschränkt werden. Die Nutzung von Routinedaten im Gesundheitswesen, speziell für die Messung von Qualität, wird in der wissenschaftlichen Literatur stark diskutiert 26 . Fraglich ist, 23 Vgl. Likierman (1993), S. 20. 24 Vgl. Jensen/ Sage (2000), S. 42. 25 Vgl. Jensen/ Sage (2000), S. 42. 26 Vgl. Heller (2008); Kostuj/ Smektala (2010); Schreyögg/ Stargardt (2012); Emmerich/ Metzinger (2010); Zorn (2007). <?page no="90"?> Krankenhausspezifische Produktivitätsermittlung 83 ob Routinedaten genügend Validität für eine Aussage über die Qualität haben, da Routinedaten meistens für andere Zwecke erhoben werden 27 . Im Falle der hier vorgestellten Methode zur Produktivitätsermittlung ist allerdings von einer ausreichenden Datenvalidität auszugehen, da die verwendeten Daten nicht zweckentfremdet werden. Interne Routinedaten sind beispielsweise Daten, die im Rahmen der Kostenarten- oder Kostenstellenrechnung anfallen. Die Daten der externen Qualitätssicherung nach § 137 SGB V werden allgemein nicht zu den Routinedaten gezählt 28 . An dieser Stelle wird der Begriff der Routinedaten allerdings weiter gefasst. Unter Routinedaten sind alle Daten zu verstehen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt von Krankenhäusern im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit oder aufgrund von gesetzlichen Vorschriften erfasst werden. Die Nutzung dieser Daten hat den immensen Vorteil, dass kaum zusätzliche Ressourcen für die Datengewinnung eingesetzt werden müssen und die Daten kontinuierlich erfasst werden. 3.2 Input und Output von Krankenhäusern Die zentralen Größen bei der Produktivitätsberechnung sind der In- und Output, die als Mengen oder Werte berücksichtig werden können, wobei auch Mischformen möglich sind. Wie bereits ausgeführt, ist davon auszugehen, dass in vielen Studien Inputwerte nach dem Kriterium der Verfügbarkeit gewählt werden. Die Auswahl der Inputfaktoren erfolgt deshalb nicht gestützt auf bekannten Studien 29 . Anstatt eine Auswahl bezüglich geeigneter Inputfaktoren zu treffen, wird sämtlicher monetär bewertbarer Input in die Berechnung einbezogen. Zu diesem Zweck bietet sich die Anwendung eines Produktionsbzw. Inputfaktorensystems an 30 . Die Verwendung eines Produktionsfaktorensystems bietet die Möglichkeit, die Gesamtheit der relevanten Inputfaktoren zu kategorisieren und bei der Produktivitätsberechnung zu berücksichtigen. Im Folgenden wird ein reduziertes Produktionsfaktorensystem entsprechend der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgliederungsvorschriften für die Kostenrechnung von Krankenhäusern nach § 8, Krankenhaus-Buchführungsverordnung genutzt 31 . Durch die Verwendung der gesetzlich vorgeschriebenen Kostenarten wird es mög- 27 Vgl. Heller (2008), S. 1173; Kostuj/ Smektala (2010), S. 1047. 28 Vgl. Zorn (2007), S. 2174. 29 Vgl. O’Neill et al. (2008). 30 Vgl. Buchholz (1983), S. 52; Eichhorn (1975), S. 15; Seelos (1993), S. 307; Siebig (1980), S. 100 und S. 120 ff. 31 Vgl. Keun/ Prott (2006), S. 153; Schmidt/ Auer/ Schmidt (2012), S. 85 f. <?page no="91"?> 84 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken lich, eine Inputkategorisierung im Produktivitätsindex vorzunehmen, die für die meisten deutschen Krankenhäuser 32 Gültigkeit hat. Die Vollständigkeit der genutzten Inputfaktoren wird durch die Nutzung der internen Kostenrechnung von Krankenhäusern als Datenbasis gewährleistet, da die Kostenrechnung alle Kosten, die in einer Abrechnungsperiode bei einem Krankenhaus angefallen sind, erfasst 33 . Die Kosten können wiederum als monetär bewertete Inputfaktoren interpretiert werden, womit der Rückgriff auf die Daten der internen Kostenrechnung die Möglichkeit bietet, alle quantifizierbaren Faktoren für den Leistungserstellungsprozess zu berücksichtigen 34 . Dabei ist kritisch anzumerken, dass wichtige Faktoren wie beispielsweise das Wissen des Personals, der Aufbau der Krankenhausorganisation oder beispielsweise kostenlos genutzte Ressourcen der Umwelt, nicht im Kostenrechnungssystem abgebildet werden 35 . Dennoch stellt die Nutzung der Daten der internen Kostenrechnung eine erhebliche Erweiterung zu den Inputfaktoren in bereits publizierten Studien dar. Während der Input von Krankenhäusern noch verhältnismäßig leicht zu definieren ist, bereitet der Output größere Probleme. Seelos definiert die Leistung von Krankenhäusern als „… Verbesserung des Gesundheitszustandes des Patienten (Primärleistung) bzw. der dazu erbrachten Einzelleistungen im Bereich von Diagnostik, Therapie, Pflege und gegebenenfalls Hotelversorgung (Sekundärleistung).“ 36 Der Autor nimmt eine Unterteilung des Output in primäre und sekundäre Leistungen vor. Wie er vermerkt, ist die Messung des primären Output kaum möglich 37 . Folglich wird für die Bemessung des Output von Krankenhäusern die Leistung als Indikator herangezogen, die erbracht wurde, um den Gesundheitszustand von Patienten positiv zu verändern 38 . Allerdings verursacht bereits die Erfassung dieser Leistungen Probleme und die Unterteilung in eine Vor- und Endkombination wurde zudem in der Literatur bisher kaum beachtet. 32 Die Anwendungspflicht erstreckt sich nicht auf Krankenhäuser, die nach § 3 KHG ausgeschlossen sind oder nach § 5 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 7 KHG nicht gefördert werden. Weiterhin sind nach Krankenhaus-Buchführungsverordnung § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 Bundeswehrkrankenhäuser und die Häuser der gesetzlichen Unfallversicherung von der Anwendungspflicht ausgenommen. 33 Vgl. Kehres (2010), S. 100. 34 Vgl. Corsten/ Gössinger (2007), S. 141. 35 Vgl. Corsten/ Gössinger (2007), S. 127; Stewart (1998), S. 65; Willke (2001), S. 64. 36 Seelos (1993), S. 314. 37 Vgl. Eichhorn (1975), S. 17; Greiling (2010), S. 56 f.; Henke/ Göpffarth (2010), S. 43 f.; Oswald (2003), S. 97 ff., Seelos (1993), S. 314; Siebig (1980), S. 67 f. 38 Vgl. Henke/ Göpffarth (2010), S. 44. <?page no="92"?> Krankenhausspezifische Produktivitätsermittlung 85 Die Leistungsbereitschaft (Vorkombination) ist inhaltlich nahe am Konzept der Kapazität anzusiedeln, wobei die Kapazität als Leistungsvermögen eines Unternehmens beschrieben werden kann. Die Leistungsbereitschaft zeigt den Teil des gesamten Leistungsvermögens, der in einem betrachteten Zeitraum oder -punkt tatsächlich zur Verfügung steht 39 . Da die Bestimmung der tatsächlichen Leistungsbereitschaft eines Krankenhauses kaum zu bestimmen ist, wird ein Indikator benötigt. Einen Ansatzpunkt bietet der Auftrag von Krankenhäusern zur medizinischen Grundversorgung, die nach § 6 KHG in den Bundesländern geplant werden muss. Die Planung der medizinischen Versorgung folgt einer geographischen und einer leistungsorientierten Strukturierung 40 . Der Detaillierungsgrad ist zwar nicht konkret geregelt, als gängiges Maß für die Krankenhausplanung hat sich jedoch die Anzahl der Betten etabliert 41 . Die Anzahl der Betten eines Krankenhauses wird als zentrales Kriterium für die zu planende Kapazität angesetzt. Wie noch ausführlich dargestellt wird, ist die Kapazitätsbestimmung zusätzlich um Einflussfaktoren wie die Art der bettenführenden Fachabteilung und die technische Ausstattung eines Krankenhauses zu ergänzen, um einen möglichst aussagekräftigen Indikator für die Leistungsbereitschaft von Krankenhäusern zu erhalten. Dabei ist kritisch zu betonen, dass die bereits von Corsten geforderte Unterscheidung zwischen Kapazität und Leistungsbereitschaft aus Praktikabilitätsgründen hier nicht vorgenommen werden kann 42 . Da das eigentliche Ergebnis des Krankenhausleistungsprozesses - die positive Veränderung des Gesundheitszustandes von Patienten - kaum messbar ist, muss für den Output der Endkombination ein Indikator definiert werden. Seelos schlägt vor, die Anzahl der erbrachten Einzelleistungen, die zu dem Ziel der Gesundung des Patienten beitragen, als Indikator für die Primärleistung heranzuziehen 43 . Donabedian zufolge weist eine Dienstleistung eine Potential-, eine Prozess- und eine Ergebnisorientierung auf 44 . Aufgrund des hier angewendeten zweiphasigen Produktivitätskonzeptes findet die Potentialorientierung keine Beachtung bei der Definition des Outputs der Endkombination. Weiterhin muss die Primärleistung (Ergebnisorientierung) ausgeschlossen werden, da sie bekanntlich nicht direkt quantifiziert werden kann. So setzt die Bemessung des Output bei der Prozessorientierung an. Da die Anwesenheit des Patienten ein unumgängliches Kriterium für die Leistungserstellung ist, sollte auch der Patient im Mittelpunkt des Output stehen. Eine einfache Beschreibung des Krankenhausprozesses stellen Greulich und Thie- 39 Vgl. Corsten (1994), S. 18 f. 40 Vgl. Prütting (2009), S. 147 ff. 41 Vgl. Henke/ Göpffahrt (2010), S. 50.; Prütting (2009), S. 147. 42 Vgl. Corsten (1994), S. 18 ff. 43 Vgl. Seelos (1993), S. 314 f. 44 Vgl. Donabedian (1980), S. 82 ff. <?page no="93"?> 86 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken le in fünf Schritten dar 45 . Für jede Prozessphase können unterschiedliche Tätigkeiten definiert werden, die als Indikator für den Output dienen. Wird die Annahme getroffen, dass jede dieser Tätigkeiten zur Gesundung des Patienten beiträgt und erfolgreich ist, können diese Indikatoren die Leistungen von Krankenhäusern repräsentieren. Werden die einzelnen Prozessschritte verdichtet und nur als ein Behandlungsprozess betrachtet, kann die Annahme getroffen werden, dass der Prozess erst endet, wenn der Gesundheitszustand des Patienten positiv verändert worden ist. Die Anzahl der Entlassungen würde somit den Output von Krankenhäusern beschreiben. In der Studie von O’Neill et al. belegt dieser Outputfaktor mit 27 Nennungen auch den zweiten Platz 46 . Allgemeiner ausgedrückt kann die Fallzahl von Krankenhäusern als Output herangezogen werden, da sie zeigt, wie oft der Behandlungsprozess im Krankenhaus durchlaufen wurde. Problematisch ist dabei, dass unterschiedliche Fallarten unterschiedliche Inputfaktoren benötigen und beispielsweise unterschiedliche Verweildauern aufweisen. Somit beschreibt die Anzahl der Fälle die unterschiedlichen Behandlungsfälle oder -arten nicht zulänglich und bedarf einer Gewichtung zur Approximation des tatsächlichen Output. Die konkrete Berechnung des In- und Output der Vor- und Endkombination wird nachfolgend dargestellt. 3.3 Komponenten des Produktivitätsindexes Die Produktivität der Vorkombination VK P gibt an, wie produktiv Inputfaktoren eingesetzt werden, um die Leistungsbereitschaft einer Dienstleistungsunternehmung zu erzeugen und die Produktivität der Endkombination EK P , wie produktiv der Leistungserstellungsprozess gestaltet ist 47 . Für beide Produktivitätskennzahlen wird ein monetär bewerteter Input genutzt, der Output besteht jeweils aus einer Kern-, Struktur- und Qualitätskomponente. Wie in Abbildung 2 dargestellt, besteht der Output von VK P aus der Anzahl aufgestellter Betten (Kern), einem Strukturindex (Struktur) sowie einem Technikindex (Qualität). Der Output von EK P wird durch die Fallzahl (Kern), den Case-Mix-Index (Struktur) und einen Qualitätsindex (Qualität) bewertet. Die Nutzung der Anzahl an Betten als Output wurde bislang in der Literatur nicht betrachtet, was vermutlich auf die bislang fehlende Phasenorientierung zurückzuführen ist. 45 Vgl. Greulich/ Thiele (1997), S. 23. 46 Vgl. O’Neill et al. (2008), S. 181. 47 Vgl. Corsten (1994), S. 18 ff. <?page no="94"?> Krankenhausspezifische Produktivitätsermittlung 87 Produktivität der Vorkombination Produktivität der Endkombination i i VK VK B S m(T ) P I i EK EK F CMI n(Q ) P I VK P Produktivität der Vorkombinationen EK P = Produktivität der Endkombination B = Anzahl der Betten F = Anzahl der Patienten i S = Strukturindex CMI = Case-Mix-Index m = Gewichtungsfaktor n = Gewichtungsfaktor i T = Technikindex i Q = Qualitätsindex VK I = Inputfaktoren der Vorkombination EK I = Inputfaktoren der Endkombination Abb. 2: Berechnung der Produktivität der Vor- und Endkombination Der Kapazitätsindikator „Anzahl aufgestellter Betten“ wird von den Bundesländern zur Planung der Krankenhäuser herangezogen und dient als gängiges Maß für Größenkategorisierungen. Es muss allerdings eine Differenzierung nach Ressourcenintensität der aufgestellten Betten erfolgen. Markewitz et al. gehen beispielsweise davon aus, dass die Kosten je Bett auf einer Intermediate-Care-Station um den Faktor 2,5 bis 3 höher sind als auf einer Pflegestation 48 . Um die Kostenunterschiede zwischen den verschiedenen Bettenkategorien in der Gesamtanzahl der Betten zu berücksichtigen, wird ein Strukturindex eingeführt, der die Anzahl der Betten einer Untersuchungseinheit nach deren Zusammensetzung bzw. durchschnittlichen Ressourcenverbrauchs gewichtet. Zur Berechnung des Strukturindexes wird ein Bett einer Fachabteilung N mit dem Faktor „1“ versehen, alle Betten anderer Fachabteilungen werden zu diesem Faktor in Beziehung gesetzt. Ausgangspunkt für die Gewichtung ist der Case-Mix- Index CMI der einzelnen bettenführenden Krankenhausabteilungen k ( k 1,..., n ), der eine Auskunft über den durchschnittlichen Ressourcenaufwand für Behandlungen in einer Fachabteilung gibt. Der k CMI wir durch den N CMI dividiert und mit der Anzahl der Betten der Fachabteilung k multipliziert. Dieser Vorgang wird für jede bettenführende Abteilung durchgeführt, die Anzahl der Betten der Fachabteilung N , die dem Faktor 1 entsprechen, werden addiert und das Ergebnis wird durch die Gesamtzahl der Betten im Krankenhaus dividiert. So ergibt sich eine Indexzahl, welche die Gesamtzahl der Betten in einem Krankenhaus nach Ressourcenaufwand adjustiert, wobei ein Bett der Fachabteilung N zum „Standardbett“ wird. Auf die Kürzung des Faktors „Betten“ im Zähler der Berechnungsformel zur Produktivität der Vorkombination wird bewusst verzichtet, um die Terme ( B , i S , i T ) für weitere Analysen zu erhalten. Die Berechnung des Strukturindexes muss auf 48 Vgl. Markewitz et al. (2012), S. 51. <?page no="95"?> 88 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken einem Durchschnittswert basieren, um Aussagekraft zu erhalten. Wird die Berechnung für jede Untersuchungseinheit einzeln durchgeführt, ergäbe sich keine objektive Gewichtung; Ressourcenallokationsineffizienzen würden lediglich verschleiert. Weiterhin wird bei der Beschreibung der Leistungsbereitschaft die technische Ausstattung berücksichtigt. Die Medizintechnik in einem Krankenhaus trägt wesentlich zur Leistungsbereitschaft bei, da eine Vielzahl an aktuellen Diagnose- oder Therapieverfahren die Nutzung von moderner Technik voraussetzen 49 . Darüber hinaus trägt sie zur Patientenakquise bei, was bereits einen Trend zum medizintechnischen Wettrüsten der Krankenhäuser ausgelöst hat 50 . Eine Möglichkeit auf die technologische Leistungsbereitschaft zu schließen, ist die Zählung von medizintechnischen Großgeräten wie Computer- oder Magnetresonanztomographen 51 . Die Bewertung der konkreten technischen Ausstattung ist allerdings nicht zielführend, da den Patienten im Krankenhaus keine Technologie angeboten wird, sondern auf bestimmte Technologien zurückgreifende Dienstleistungen 52 . Ein Technikindex sollte folglich die verfügbaren technologieintensiven Dienstleistungen bewerten, nicht die technische Ausstattung an sich. Zur Bildung eines Technikindexes wird die Verfügbarkeit technologieintensiver Dienstleistungen bewertet 53 . Die mathematische Ermittlung erfolgt, indem eine Liste mit möglichen technologieintensiven Leistungen vorgegeben wird j t , diese durch einen Faktor j v entsprechend ihrer Bedeutung gewichtet und durch die Gesamtanzahl m der möglichen Leistungen dividiert werden. Der Technikindex ist letztlich als qualitative Beurteilung der Krankenhauskapazität zu sehen, da er Aufschluss über die technischen Möglichkeiten eines Krankenhauses gibt. Der Output der Produktivität der Vorkombination ist in Abbildung 3 dargestellt. 49 Vgl. Hoffmann (2005), S. 28 ff. 50 Vgl. Devers/ Brewster/ Casalino (2003), S. 458 f. 51 Vgl. Okunade (2004), S. 364. 52 Vgl. Spetz/ Maiuro (2004), S. 433. 53 Vgl. Spetz/ Maiuro (2004), S. 439 ff. <?page no="96"?> Krankenhausspezifische Produktivitätsermittlung 89 Kern: Betten Struktur: Strukturindex Qualität: Technikindex B n k 1 k N k N i CMI B B CMI S B m j 1 ( ) j j i t v T m Anzahl der aufgestellten Betten i S = Strukturindex i T = Technikindex n B = Anzahl Betten Abteilung N j t = Indikator für j k CMI = CMI Abteilung k j v = Gewichtungsfaktor für j N CMI = CMI Abteilung N m = Anzahl der Indikatoren t k B = Anzahl Betten Abteilung k B = Anzahl der Betten n = Anzahl der Abteilungen -1 Abb. 3: Produktivität der Vorkombination Aufgrund des Benchmarking auf Länderebene wird allerdings von diesem Vorgehen abgewichen und auf den Indikator „Anzahl Medizintechnischer Großgeräte“ zurückgegriffen. Entgegen der theoretischen Ausführungen wird deshalb auch hier eine Bewertung der apparativen Ausstattung der Krankenhäuser der jeweiligen Bundesländer vorgenommen. Analog zum vorgestellten Technikindex bezeichnet j t jeweils ein vom Statistischen Bundesamt erfasstes medizintechnisches Großgerät, das mit j v gewichtet wird. Die Gewichtung erfolgt dabei nach den Kriterien überdurchschnittliche (1,5), durchschnittliche (1) und unterdurchschnittliche Verteilung der Technologie in den Krankenhäusern des betrachteten Bundeslandes. Die Gesamtpunktzahl wird durch den Faktor m dividiert, der die maximal erreichbare Punktezahl repräsentiert. Der Kern des Output von EK P ist die Anzahl der behandelten Fälle. Martin et al. (2008) haben eine Kostenträgerstückrechnung aufgebaut, um den täglichen Ressourcenaufwand für intensivmedizinische Behandlungen zu berechnen. Aus ihren Ergebnissen wird ein großer Unterschied zwischen Patienten mit und ohne künstliche Beatmung deutlich. Den Autoren zufolge kostet beispielsweise ein Behandlungstag mit Beatmung 1.426 €, ohne Beatmung 1.145 € 54 . Der Ressourcenaufwand hängt darüber hinaus von weiteren Faktoren, wie der Art der Verletzung oder der Krankheit, dem Schweregrad und dem angewandten Behandlungsverfahren ab. Die ausschließliche Nutzung des Output „Fallzahl“ würde somit zu einer erheblichen Verzerrung führen. So wird die Fallzahl durch den CMI adjustiert, der die durchschnittliche Fallschwere der Behandlung repräsentiert und im Rahmen 54 Vgl. Martin et al. (2008), S. 510 f. <?page no="97"?> 90 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken des Diagnosis-related groups Systems (DRG) den betrieblichen Routinedaten zuzurechnen ist. In diesem System werden die erbrachten Behandlungen nach definierten Kriterien wie z.B. Diagnosen und Prozeduren klassifiziert, kodiert und pauschalisiert abgerechnet 55 . Jedem DRG-Code ist ein relatives Kostengewicht zugeordnet, das sogenannte Cost Weight CW . Die Summe der CW entspricht dem Case Mix CM eines Krankenhauses, der durch die Fallzahl dividiert den CMI ergibt 56 . Für die Erlösberechnung eines Krankenhauses wird der CM mit dem Basisfallwert multipliziert. Die Kennzahl verdeutlicht somit die durchschnittliche ökonomische Fallschwere einer Behandlung. Krankenhäuser mit einem hohen CMI behandeln folglich überdurchschnittlich viele „schwere“ Fälle et vice versa 57 . Wird nach dem gleichen DRG-Standard kodiert, eignet sich bereits der CMI als Benchmarking-Kennzahl für Krankenhäuser 58 . Die Kritik am CMI , dass ein ökonomischer Schweregrad wiedergegeben wird, der nicht mit dem medizinischen Schweregrad zu verwechseln ist 59 , kann im Rahmen der Produktivitätsberechnung vernachlässigt werden, da ein ökonomischer Schweregrad benötigt wird. Bedeutender ist die Frage, ob der CMI ein tatsächliches Abbild des Ressourcenaufwandes darstellt, was an dieser Stelle angenommen werden muss. Die um einen CMI adjustierte Fallzahl repräsentiert somit nicht mehr die konkrete Anzahl der behandelten Patienten, sondern eine unter dem Gesichtspunkt des Ressourcenaufwandes gewichtete Anzahl von „Standardfällen“. Zusätzlich wird im Output der Endkombination der Einfluss der erbrachten Behandlungsqualität durch die Gewichtung der Fallzahl mit einem Qualitätsindex i Q berücksichtigt. Wie Corsten anmerkte, kann nicht von einer Steigerung des Output gesprochen werden, wenn dies zu Lasten der Qualität geht 60 . Besonders für Krankenhausleistungen ist dies der Fall, da Qualität hier eine Frage von „Leben und Tod“ ist. Auch der Gesetzgeber untermauerte die Bedeutung von Qualität mit der Einführung der Veröffentlichungspflicht von Qualitätsberichten und der Gründung eines Institutes für Qualitätssicherung 61 . Die Aussagekraft der Qualitätsberichte zur Behandlungsqualität ist allerdings noch als fraglich einzustufen 62 . 55 Vgl. Rochell/ Roeder (2003), S. 471. 56 Vgl. Fleßa/ Weber (2006), S. 355. 57 Vgl. Schleppers (2006), S. 25. 58 Vgl. Schütt et al. (2007), S. 835. 59 Vgl. Lauterbach (2000), S. 136. 60 Vgl. Corsten (1994), S. 14 und S. 19. 61 Vgl. Velasco-Garrido/ Busse (2004), S. 10 f. 62 Vgl. Lütticke/ Schellschmidt (2005), S. 203 f. und S. 473; Volkmer et al. (2006). <?page no="98"?> Krankenhausspezifische Produktivitätsermittlung 91 Eine direkte Messung der Qualität der Krankenhausleistung ist nicht möglich 63 . Analog zur konstitutiven Definition von Dienstleistungen hat Donabedian (2005) Qualität anhand der Struktur-, Prozess- und Ergebnisorientierung beschrieben, ohne jedoch Qualität konkret zu definieren 64 . Die DIN EN ISO Norm 9000: 2005 definiert Qualität als „…den Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt“ 65 . 66 Um eine Qualitätsbewertung durchführen zu können, müssen folglich Merkmale definiert und die Anforderungen an diese Merkmale sowie die Erreichung der festgelegten Anforderungen überprüft werden 67 . Diesen Ausführungen folgend, wird ein Qualitätsindex aus Struktur- und Prozessqualitätsindikatoren auf Basis der nach § 137 SGB V zu erfassenden Qualitätsindikatoren berechnet 68 . Durch die gesetzliche Verpflichtung der Krankenhäuser zur Datenlieferung ist die Datenverfügbarkeit gewährleistet und es entsteht kein zusätzlicher Aufwand für Datenerhebungen. Der Qualitätsindikator „Transplantatversagen 2 Jahre nach Nierentransplantation“ 69 zeigt beispielsweise ob ein Spenderorgan beim Empfänger angenommen wurde und somit, ob sich dessen Gesundheitszustand positiv verändert hat 70 . Die Qualitätsindikatoren werden durch einen Qualitätsindex in die Produktivitätsberechnung aufgenommen. Die ausgewählten Qualitätsindikatoren i q werden im ersten Schritt mit der zugehörigen Gewichtung i w multipliziert. Die Produkte werden anschließend summiert und durch die Gesamtzahl der angewandten Qualitätsindikatoren o dividiert. Die Kern-, Struktur- und Qualitätskomponenten des Output der Endkombination werden in der nachfolgenden Abbildung dargestellt. 63 Vgl. Donabedian (2005), S. 692; Schneider/ Broge/ Szecsenyi (2003), S. 547. 64 Vgl. Donabedian (2005), S. 692 ff. 65 Thielscher (2012), S. 337. 66 Eine konkrete Definition von Qualität in der Medizin wurde von Lohr vorgenommen: „[Quality is] the degree to which health services for individuals and populations increase the likelihood of desired health outcomes and are consistent with current professional knowledge.“ Lohr (1990), S. 707. 67 Vgl. Pasche/ Schrappe (2001), S. 499. 68 Vgl. Prütz (2012), S. 109 f. 69 o.V. (2013). 70 Vgl. Bechstein/ Wullstein (2002), S. 577. <?page no="99"?> 92 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken Kern: Fallzahl Struktur: Case-Mix-Index Qualität: Qualitätsindex F CW CMI F o i i i 1 i (q w ) Q o Anzahl behandelter Fälle CMI = Case-Mix-Index i Q = Qualitätsindex CW = Cost Weight i q = Qualitätsindikator i F = Anzahl der Patienten i w = Gewichtungsfaktor o = Anzahl Qualitätsindikatoren Abb. 4: Produktivität der Endkombination Entgegen dem Modell zur Produktivitätsberechnung von Corsten wird die Leistungsbereitschaft (Vorkombination) nicht als Input in der Endkombination verwendet. Der Grund hierfür liegt vorrangig in der mathematischen Definition der Vor- und Endkombination. Der mengenbasierte Output der Vorkombination kann nicht logisch konsequent mit dem wertebasierten Input der Endkombination verrechnet werden. Wie noch zu zeigen ist, kann aber die Beziehung zwischen der Produktivität der Vor- und Endkombination genutzt werden, um auf eine Gesamtproduktivität zu schließen. 3.4 Benchmarking-Matrix Die Komponenten der Produktivitätsberechnung werden verwendet, um einen Raum zur Produktivitätsanalyse aufzuspannen. Die X-Achse repräsentiert die Produktivität der Vorkombination, die Y-Achse die Produktivität der Endkombination. Durch die Ermittlung eines jeweiligen deutschen Durchschnittswertes werden vier Produktivitätsräume beschrieben. Entsprechend der geometrischen Verwendung der Produktivitätskomponenten, wird die Gesamtproduktivität als Fläche mit den Seiten VK P und EK P verstanden, womit die Gesamtproduktivität dem Produkt der Werte der beiden Komponenten entspricht. Diesem Verständnis folgend, wird der Produktivitätsraum durch zwei Isoquanten weiter präzisiert. Die Isoquante repräsentiert alle Punkte im Raum, die der durchschnittlichen Gesamtproduktivität Deutschlands entsprechen, die Isoquante dient zur Kennzeichnung der besten Produktivitätswerte, beispielsweise der Top 10% der untersuchten Grundgesamtheit. Das Ziel einer jeden Untersuchungseinheit muss letztlich die Steigerung beider Produktivitätskomponenten entlang der Halbgeraden sein. Der Zusammenhang ist in Abbildung 5 dargestellt. <?page no="100"?> Krankenhausspezifische Produktivitätsermittlung 93 Abb. 5: Benchmarking-Matrix Die Definition von Produktivitätsräumen in einer Benchmarking-Matrix erlaubt ein schnelles und übersichtliches Benchmarking von Krankenhäusern oder beispielsweise Bundesländern, die Auswahl geeigneter Benchmarks und die Entwicklung grundsätzlicher Handlungsempfehlungen. Dazu wird eine Produktivitätsschwäche zunächst der VK P oder EK P zugeordnet, anschließend können die einzelnen Bestandteile der jeweiligen Produktivitätskomponente verglichen und analysiert werden. Im Produktivitätsfeld „A“ sind die besten Krankenhäuser anzusiedeln, im Feld „B“ diejenigen mit überdurchschnittlicher Produktivität. Krankenhäuser in Feld „C“ und „D“ weisen eine Performance- oder Strukturschwäche bei überdurchschnittlicher Gesamtproduktivität auf. Die Positionierung in den Feldern „E bis H“ weist auf eine Strukturund/ oder Performanceschwäche bei unterdurchschnittlicher Gesamtproduktivität hin. Beispielsweise liegt Untersuchungsobjekt „a“ mit VK P b und EK P c im Produktivitätsraum „G“. Die schraffierte Fläche repräsentiert die Gesamtproduktivität. Für individualisierte Handlungsempfehlungen und die Entwicklung geeigneter Strategien bedarf es weiterer und tiefergehender Analysen. F C D E G H a b c B A <?page no="101"?> 94 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken 3.5 Fazit zur entwickelten Methode Die entwickelte Methode zur krankenhausspezifischen Produktivitätsberechnung in Form eines Produktivitätsindexes basiert auf der Produktivität der Vor- und Endkombination. Die Qualität des Output wird sowohl bei der Produktivität der Vorkombination (Technikindex) als auch bei der Produktivität der Endkombination (Qualitätsindex) berücksichtigt. Das Vorgehen basiert auf den Ausführungen von Corsten (1994), weist allerdings einige starke Veränderungen auf. Zunächst ist festzuhalten, dass der externe Faktor nicht explizit Eingang in die Berechnung findet. Der Argumentation von Corsten folgend, wird der externe Inputfaktor in einer substitutiven Beziehung zu den internen Inputfaktoren gesehen. Im Rahmen der Produktivitätsberechnung kann folglich auf den externen Inputfaktor verzichtet werden, da er das Gesamtergebnis nicht verändert 71 . Kritisch anzumerken ist, dass qualitative Inputfaktoren wie das Wissen der Mitarbeiter oder beispielsweise die Innovationskraft nicht explizit berücksichtigt werden, gegebenenfalls aber implizit in der Kostenstruktur enthalten sind. Corsten nutzt den Output der Vorkombination konsequent logisch als Input für die Endkombination. Das vorgestellte Modell weist hier einen Bruch auf, da die gewählten Quantifizierungsgrößen der Leistungsbereitschaft (Menge) und des Inputs der Endkombination (Werte) keine aussagekräftige Verrechnung zulassen. Da es allerdings wichtiger erscheint eine Phasenorientierung herzustellen, wird die getrennte Betrachtung der Produktivität der Vor- und Endkombination vorgeschlagen. Die Produktivitätskennzahlen werden in einer Benchmarking-Matrix zusammengeführt, um einen Rückschluss auf die Gesamtproduktivität zu erhalten, ein Benchmarking durchführen und strategische Handlungsempfehlungen anhand von Produktivitätsräumen ableiten zu können. Neben den konzeptionellen Anforderungen an die Berechnung der Produktivität müssen auch das mathematische Verhalten der Berechnung und die logischen Zusammenhänge geprüft werden. Coelli et al. fordern, dass in einem Produktivitätsindex ein linear proportionaler Bezug zwischen Input und Output besteht 72 . Wird einer der Outputfaktoren um 25% gesteigert, erhöht sich aufgrund der multiplikativen Zusammensetzung des Output der Gesamtoutput um 25%. Bei einem gleichbleibenden Input erhöht sich somit die Produktivität um 25%. Das mathematische Verhalten des entwickelten Produktivitätsindexes ist als korrekt einzustufen. 71 Vgl. Corsten (1994), S. 20. 72 Vgl. Coelli et al. (2005), S. 65. <?page no="102"?> Krankenhausspezifische Produktivitätsermittlung 95 4 Erprobung und Ergebnisse 4.1 Datenbasis Die entwickelte Methodik zur Produktivitätsmessung wird für einen Vergleich der Krankenhaussektoren der 10 deutschen Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen verwendet. Die Daten zur Bewertung des Input sind den öffentlich zugänglichen Seiten des Statistischen Bundesamtes entnommen worden 73 . Die Fallzahlen, die Anzahl der aufgestellten Betten sowie die Daten zur Berechnung des Technikindexes können ebenfalls direkt von Berichten des Statistischen Bundesamtes übernommen werden. Der CMI ist auf der Bundesländerebene erst ab dem Jahr 2010 verfügbar. Die Entwicklung des durchschnittlichen deutschen CMI wurde deshalb zur Bewertung der Entwicklung des CMI in den Jahren 2008, 2009 und 2010 auf Landesebene verwendet. Die Ergebnisse der Qualitätsindikatoren sind für einige Bundesländer direkt im Internet verfügbar (beispielsweise Bayern), weitere Daten wurden auf Nachfrage beim jeweiligen Landesamt für Qualitätssicherung bereitgestellt. Die Landesämter für Qualitätssicherung von Berlin, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein haben eine Veröffentlichung der Qualitätsdaten abgelehnt und konnten deshalb im Benchmarking nicht berücksichtigt werden. Für die Berechnung des Qualitätsindexes wurden 68 Qualitätsindikatoren mit definiertem Referenzbereich berücksichtigt, die für alle Bundesländer verfügbar waren. Die zehn in das Benchmarking einbezogenen Bundesländer repräsentieren 73,7% der Krankenhäuser, 74,3% der Fallzahlen, 75% der aufgestellten Betten und verursachen 74,3% der Personalausgaben, 74,6% der Sachkosten sowie 74,4% der Gesamtkosten in Deutschland. Die Aufteilung zwischen VK I und EK I erfolgt nach logischen Gesichtspunkten, nicht zuordenbare Kostenarten werden zu gleichen Teilen auf beide Produktivitätskomponenten verteilt. Dem Qualitätsindex wird bei der Berechnung von EK P ein großes Gewicht verliehen; er kann Werte zwischen 0,5 und 1,5 annehmen. Der Technikindex wird weniger stark gewichtet und geht mit Werten zwischen 0,8 und 1,2 in die Berechnung ein. 4.2 Benchmarking Die entwickelte Berechnungsmethode wird für ein Benchmarking der Krankenhausproduktivität auf der Ebene von Bundesländern angewendet. Neben einem 73 Vgl. Statistische Bundesamt (2013b). <?page no="103"?> 96 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken direkten Benchmarking zwischen den Bundesländern wird die Entwicklung der Produktivität über die Jahre 2008 bis 2010 betrachtet. Hierzu wird ein Durchschnittswert VK P und EK P der betrachteten Bundesländer gebildet und mit „1“ bewertet. Dieser Wert dient einerseits zur Definition der vier Produktivitätsräume, andererseits wird die Produktivität der Untersuchungseinheiten in Relation zum Durchschnittswert gesetzt und kann somit über mehrere Jahre in einer Benchmarking-Matrix abgebildet werden. Die Auswertung ist in Abbildung 6 dargestellt. Abb. 6: Produktivitäts-Benchmarking für die Jahre 2008 bis 2010 Die durchschnittliche Gesamtproduktivität der Untersuchungseinheiten reduziert sich zwischen den Jahren 2008 und 2009 um 4,9%, zwischen den Jahren 2009 und 2010 um 2,5%. Wie aus der Benchmarking-Matrix hervorgeht, ist beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern (5) eine deutliche Minderung der VK P zu beobachten. Die Auswertung zeigt, dass bei zunehmendem Input die Anzahl der aufgestellten Betten und die vorhandene technische Ausstattung reduziert wurden. Eine Steigerung der EK P kann beispielsweise in Bayern (8) beobachtet werden. Auch hier hat zwar der Input der Endkombination zugenommen, es wurde allerdings eine deutliche Steigerung des Output (Fallzahlen, CMI , Qualitätsindex) erreicht. Die quasi lineare Anordnung der Bundesländer in der Benchmarking-Matrix ist auf die Ausrichtung der Untersuchungseinheiten an deren Mittelwert zurückzuführen. Nachfolgend wird eine detaillierte Analyse für Thüringen (höchste Gesamtproduktivität) und Baden-Württemberg (niedrigste Gesamtproduktivität) für das Auswertungsjahr 2010 durchgeführt. 1,33 Ø 0,67 Ø 1,33 0,67 (1) Thüringen (2) Brandenburg (3) Sachsen (4) Nordrhein-Westfalen (5) Mecklenburg-Vorpommern (6) Hessen (7) Bremen (8) Bayern (9) Hamburg (10) Baden-Württemberg Produktivität der Vorkombination 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 Produktivität der Endkombination <?page no="104"?> Krankenhausspezifische Produktivitätsermittlung 97 Baden- Württemberg Mittelwert 3) Thüringen 1) G P 0,7 1,0 1,5 1) 1) EK VK P P 0,9 0,8 1,0 1,0 1,1 1,3 F B 1.974.404 49.433 1.276.575 32.865 547.549 14.219 2) i CMI S 1,09 1,21 1,08 1,24 1,10 1,24 2) i i Q T 1,47 0,95 1,47 1,01 1,46 1,18 1) EK VK I I 5,7 Mrd. € 4,2 Mrd. € 3,4 Mrd. € 2,5 Mrd. € 1,3 Mrd. € 0,9 Mrd. € 1) Werte auf 1 Nachkommastelle gerundet. 2) Werte auf 2 Nachkommastellen gerundet. 3) Angaben entsprechen dem (relativen) Mittelwert. Abb. 7: Produktivitäts-Benchmarking für das Jahr 2010 Der Vergleich zeigt deutliche Unterschiede in der Produktivität der Endkombination ( EK P 0, 2 ) und der Vorkombination ( VK P 0, 5 ) zwischen Baden- Württemberg (BW) und Thüringen (TH). Während die Outputfaktoren der Vorkombination große Unterschiede aufweisen ( i S 0, 03 ; i T 0, 23 ), ist vor allem ein Größenunterschied auffällig: die Inputkosten in TH betragen weniger als 25% der Inputkosten von BW, was einen Größenunterschied als Ursache für Produktivitätsunterschiede vermuten lässt. Weitere Kennzahlen verdeutlichen dies. So hat ein durchschnittliches Krankenhaus in TH ca. 338 Betten, in BW sind es durchschnittlich 171 Betten. Auch die durchschnittlichen Fallzahlen je Krankenhaus spiegeln dieses Verhältnis wider (TH: 13.037; BW: 6.832). Die Kennzahlen legen die Vermutung einer Zentralisierung nahe, was auch durch eine Flächenbetrachtung bestätigt wird (TH: 385 km²/ Krankenhaus; BW: 124 km²/ Krankenhaus). Es ist somit davon auszugehen, dass in TH weniger Krankenhäuser existieren, diese aber größer sind. Aufgrund der Verteilung könnten Zentralisierungsvorteile bestehen, was durch den Anteil der direkt wertschöpfenden Personalkosten bestätigt wird (Ärztlicher Dienst, Pflegedienst, Medizinisch-Technischer Dienst, Funktionsdienst). Während diese in TH bei 88% liegen, sind es in BW 84%. Die dargestellten Kennzahlen verdeutlichen, dass ein reines Produktivitäts- Benchmarking nicht dazu in der Lage ist, konkrete Ursachen für Produktivitätsvor- oder Produktivitätsnachteile zu identifizieren. Zwar kann die Analyse auf Struktur- oder Performanceprobleme hinweisen, weitere Untersuchungen, beispielsweise in Form von vertiefenden Kennzahlen, sind aber notwendig. 5 Schlussbetrachtung Die steigenden Gesundheitsausgaben und die kritische wirtschaftliche Lage vieler deutscher Krankenhäuser führen zu einer Forderung nach der Verbesserung der <?page no="105"?> 98 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken Produktivität. Zu einer einheitlichen Methodik zur Produktivitätsberechnung besteht allerdings noch kein Konsens. Im vorliegenden Beitrag wurde ein Produktivitätsindex entwickelt, der Lösungswege für die angesprochenen Probleme aufzeigt. Zunächst wurde die Produktivität von Krankenhäusern auf den Stufen der Vor- und Endkombination berechnet. Der verwendete Input basiert auf der gesetzlich geregelten Struktur der Kostenarten. Somit werden alle monetär bewertbaren und im Kostenrechnungssystem eines Krankenhauses verbuchten Produktionsfaktoren in die Produktivitätsberechnung einbezogen. Der Output der Produktivität der Vor- und Endkombination wird jeweils durch eine Kern-, Struktur- und Qualitätskomponente bewertet. Als Output der Vorkombination wurden die Anzahl der in einem Krankenhaus aufgestellten Betten, ein Struktur- und ein Technikindex verwendet. Der Output der Vorkombination lässt folglich Rückschlüsse auf die Leistungsbereitschaft eines Krankenhauses zu. Der Output der Endkombination wurde durch die Anzahl der behandelten Fälle, durch den Case-Mix-Index und einen Qualitätsindex bewertet. Der Produktivitätsindex berücksichtigt neben quantitativen folglich auch qualitative Einflüsse. Sämtliche Daten, die für die Berechnung genutzt werden, fallen aufgrund der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von Krankenhäusern oder der gesetzlich festgelegten Berichtspflichten an. Es ist davon auszugehen, dass ein Produktivitäts-Benchmarking mittels der vorgestellten Methodik sehr wirtschaftlich durchgeführt werden kann und eine hohe Vergleichbarkeit aufweist. Zusätzlich wurde ein Benchmarking entwickelt, mit dem die Produktivitätswerte von Krankenhäusern einfach und schnell verglichen werden können. Im Mittelpunkt des Verfahrens steht eine Positionierungsmatrix, die es ermöglicht, sowohl die Produktivität der Vor- und Endkombination als auch die Gesamtproduktivität von Krankenhäusern zu vergleichen. In der Matrix wurden Produktivitätsfelder definiert, auf deren Basis Handlungsempfehlungen entwickelt werden können. Abhängig von der verfügbaren Datenstruktur kann sich die Analyse auf Regionen, Krankenhäuser oder beispielsweise deren Abteilungen beziehen. Die Ergebnisse der Berechnung und des Benchmarking sind allerdings sehr kritisch zu beurteilen, da eine Verifikation des Vorgehens noch nicht erfolgt ist. Im Rahmen der Produktivitätsberechnung ist zunächst zu klären, wie die Finanzdaten aus dem Kostenrechnungssystem korrekt auf den Input der Vor- und Endkombination zu verteilen sind. Die Auswertung von Prozess- oder Prozesskostenrechnungssystemen könnte sehr gute Rückschlüsse auf die tatsächliche Kostenverteilung zulassen. Die Integration einer Prozesskostenrechnung würde zudem eine detailliertere Analyse im Benchmarking ermöglichen. Darüber hinaus ist die Definition der Inputfaktoren kritisch, da für die vorgestellte Analyse sehr sensible Daten benötigt werden. Ob sich Krankenhäuser, die in Konkurrenz miteinander stehen, zu einem Benchmark bereit erklären, ist als fraglich einzustufen. <?page no="106"?> Krankenhausspezifische Produktivitätsermittlung 99 Auch die Outputfaktoren bedürfen einer tiefergehenden Analyse. So gilt es, die optimalen Qualitätsindikatoren für den Qualitätsindex zu identifizieren und die Indikatoren des Technikindexes zu gewichten. Die vorgenommene Adjustierung der Fallzahlen mit dem CMI und einem Qualitätsindex ist als richtiger Schritt zu beurteilen. Allerdings muss untersucht werden, inwiefern der CMI den tatsächlichen Ressourcenverbrauch widerspiegelt und welche Qualitätsindikatoren zur Bildung eines aussagekräftigen Qualitätsindexes herangezogen werden müssen. Das Konzept des Strukturindexes wurde neu als Gewichtungsfaktor eingeführt. Der Strukturindex bietet die Möglichkeit, mit einer einzigen Kennzahl Aussagen über den Aufbau von Krankenhäusern treffen zu können. Hier gilt es zu prüfen, inwiefern und welche Schlussfolgerungen der Index zulässt. Der größte Forschungsbedarf besteht allerdings bei der Zusammensetzung der Gesamtproduktivität. Vereinfachend wurde die Annahme getroffen, dass die Gesamtproduktivität aus dem Produkt der Produktivität der Vor- und Endkombination besteht. Durch detailliertere Untersuchungen sollte aber festzustellen sein, dass die Produktivität der Endkombination durch die Produktivität der Vorkombination bedingt ist. Wie sich diese Beziehung gestaltet, konnte noch nicht geklärt werden. So sollte beispielsweise eine umfassende Analyse zeigen, dass idealtypische Bereiche für Krankenhäuser verschiedener Versorgungsstufen existieren. Wie die dargestellte Kritik zeigt, wurden mittels des vorgestellten Verfahrens zur Produktivitätsberechnung neue Wege beschritten, die wissenschaftlich noch nicht bestätigt wurden. Der vorgestellte Produktivitätsindex kann aber als praktische Umsetzung der theoretischen Anforderungen an die Berechnung der Produktivität von Dienstleistungen gewertet werden. Die Systematik der Gewichtung von Hauptgrößen durch ausgewählte Indizes macht das System offen für die Berücksichtigung von qualitativen Einflussgrößen. So könnte der bisher unberücksichtigte externe Faktor „Patient“, die Patienten- oder Mitarbeiterzufriedenheit oder auch der Einfluss der ethnischen, relationalen oder demographischen Diversität in die Berechnung integriert werden. 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Das Bedürfnis eines Nachfragers wird dabei als ein individuelles Problem aufgefasst und die Bedürfnisbefriedigung als eine von ihm akzeptierte Problemlösung charakterisiert, die vom Produzenten, gegebenenfalls unter aktiver Beteiligung des Nachfragers, erbracht wird. Unter einem Problem wird dabei eine als negativ empfundene, nichttolerierbare Diskrepanz zwischen dem aktuellen Ist- Zustand und dem Soll-Zustand eines Betrachtungsobjektes (externer Faktor) aus seinem Verfügungsbereich verstanden. Die Dienstleistung ist dann die nutzenstiftende Transformation von problematischen Eigenschaften des externen Faktors in Richtung des Soll-Zustandes 2 . Die Dienstleistungsproduktion kann in eine Vor- und Endkombination unterteilt werden 3 . Während die Vorkombination autonom durch den Anbieter erstellt wird und ihr Ergebnis die Leistungsbereitschaft darstellt, erfolgt die Endkombination interaktiv mit dem Dienstleistungsnachfrager, wobei dessen Einwirkungsmöglichkeiten von der Integrationsintensität abhängen 4 . Das Spektrum der Ausprägungen der Einwirkungsmöglichkeiten reicht vom bloßen Einbringen des externen Faktors als Mindestbeteiligung bis zum weitgehend autonomen Erbringen ganzer Teilleistungen. Die Interaktivität kann mit positiven und negativen Auswirkungen verbunden sein: Als positive Auswirkungen sind die Produktivitätssteigerung etwa durch Lerneffekte des Nachfragers und des Anbieters 5 und die Möglichkeiten der differenzierten Informationsbeschaffung zu nennen 6 . Leistet der Nachfrager darüber hinaus einen Beitrag zur Entwicklung der Dienstleistung, dann wird er zu einem Co-Designer. Negative Auswirkungen resultieren aus Abstimmungsproblemen, die sich aus mangelnder Prozesstransparenz und mangelndem Prozessbewusstsein des 1 Vgl. z.B. Kern (1979), Sp. 1434 ff. 2 Vgl. z.B. Corsten/ Gössinger (2004), S. 255 ff. 3 Vgl. z.B. Altenburger (1979), S. 863 ff. 4 Vgl. Corsten/ Gössinger (2007), S. 332 f. 5 Vgl. z.B. Bitner et al. (1997), S. 197. 6 Piller (2006, S. 212 ff.) spricht in diesem Kontext von Economies of Interaction, die er auf den Informationsaustausch zwischen Anbieter und Nachfrager bezieht. Vgl. Fließ (1996), S. 1 ff. zu einer differenzierteren Betrachtung der Interaktivität. <?page no="114"?> Dienstleistungsmodularisierung 107 Nachfragers ergeben 7 . Tendenziell gilt dabei, dass mit zunehmender Integrationsintensität der Prozess der Leistungserstellung durch den Anbieter schwieriger zu steuern ist. Darüber hinaus kann der Anbieter für Qualitätsmängel verantwortlich gemacht werden, die nicht durch ihn, sondern durch den externen Produktionsfaktor verursacht wurden. Die Modularisierung wird häufig in der Marketingliteratur im Kontext von Standardisierung und Individualisierung thematisiert 8 . Diese sind nicht als Gegensätze, sondern als Eckpunkte eines Kontinuums zu interpretieren 9 . Bei einer Individualisierung zielt das Leistungsangebot eines Anbieters auf die individuellen Wünsche des Nachfragers ab, die er möglichst gut befriedigen möchte. Individualisierung bedeutet folglich, „… daß sich die Leistung in ihrer Zusammensetzung mit den Ansprüchen des jeweiligen Abnehmers deckt, also auf ihn zugeschnitten ist.“ 10 . Es liegt somit eine differenzierte Marktbearbeitung vor, die Chancen für eine verstärkte Kundenbindung auf der Grundlage einer erhöhten Leistungsattraktivität und zur Schaffung eines Preisspielraumes eröffnet 11 . Bei der Standardisierung erfolgt eine Vereinheitlichung der Leistungen, um so deren Vielfalt zu reduzieren 12 . Die Standardisierung zielt folglich auf die Gemeinsamkeiten der Nachfragerwünsche ab 13 . Eine Standardisierung von Prozessen geht in der Regel zumindest mit einer Standardisierung von Teilleistungen einher und ist nur in dem Umfang durchführbar, wie die Nachfragerwünsche vor der Erbringung einer Leistung durch den Anbieter antizipierbar sind. Trotz der Einwirkungen des externen Produktionsfaktors auf den Dienstleistungserstellungsprozess lassen sich einzelne Aktivitäten und Sequenzen standardisieren. Die Standardisierung bewirkt folglich eine Einschränkung des Leistungsspektrums des Anbieters und ist mit Kostenvorteilen verbunden, die sich generell auf Erfahrungskurveneffekte sowie Senkung der Umrüst- und Koordinationskosten zurückführen lassen. Darüber hinaus geht die Standardisierung mit einer Unsicherheitsreduktion und der Realisation von Zeitvorteilen einher 14 und bewirkt somit eine erhöhte Transparenz und Vereinfachung. 7 Vgl. z.B. Chase/ Aquilano/ Jacobs (1998), S. 152. 8 Vgl. z.B. Jacob (1995), S. 35 ff.; Schackmann (2003), S. 9 ff. 9 Mayer (1993, S. 1 ff.) betont in diesem Zusammenhang, dass bei einer Standardisierung ein Individualisierungsgrad immer mitgedacht werden müsse und umgekehrt. 10 Mayer (1993), S. 36. 11 Vgl. Schnäbele (1997), S. 38. 12 Vgl. Levitt (1972), S. 47 ff.; Levitt (1976), S. 63 ff. 13 Mayer (1993, S. 42 ff.) spricht von einer Befriedigung von Durchschnittswünschen, d.h., es geht um die Feststellung von Gemeinsamkeiten in der Anspruchsstruktur der Nachfrager. 14 Vgl. Büttgen/ Ludwig (1997), S. 29 ff. <?page no="115"?> 108 Hans Corsten und Hagen Salewski Ziel der Modularisierung ist es, Standardisierung und Individualisierung gleichermaßen zu berücksichtigen. Hierbei wird der Dienstleistungserstellungsprozess in Teilleistungen zerlegt, die flexibel miteinander kombiniert werden können, um so ein Spektrum heterogener Kundenbedürfnisse zu befriedigen 15 . Bei der Kombination der Module sind jedoch die Wechselwirkungen zwischen den Modulen zu beachten. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Modularisierung als eine Dekomposition eines Systems in abgeschlossene und weitgehend voneinander unabhängige Teilsysteme beschreiben 16 . Diese Teilsysteme werden als Module bezeichnet, die dann auf der Grundlage standardisierter Schnittstellen in unterschiedlicher Weise miteinander kombiniert werden können 17 . Um diese Schnittstellen zu handhaben, müssen Regeln für eine gemeinsame Aufgabenerfüllung formuliert, definierte Verantwortlichkeiten und Informationssowie Kommunikationswege geschaffen werden. An ein Modul sind die folgenden Anforderungen zu stellen 18 : Unabhängigkeit: Die zu einem Modul zusammengefassten Leistungselemente sollen möglichst geringe Interdependenzen zu Leistungselementen anderer Module aufweisen. Abgeschlossenheit: Informationen über die Leistungselemente eines Moduls sind im Rahmen der Dienstleistungserstellung nur innerhalb des Moduls verfügbar. Außerhalb des Moduls liegen nur aggregierte Informationen vor, die sich auf das gesamte Modul beziehen. Transparenz: Die maximale Modulgröße wird von der im Modul verfügbaren Informationsverarbeitungskapazität determiniert. Sie zielt damit auf die Modulgröße ab. Der Modularisierung werden in der Literatur generell die folgenden Vorteile zugesprochen 19 : Komplexitätsreduktion, Kostensenkung in der Produktion, Verkürzung der Produktentwicklungszeiten und Erhöhung der Angebotsvielfalt. Insgesamt geht es bei der Modularisierung um eine effiziente Ressourcennutzung, die sich in den folgenden Punkten niederschlägt: Die modulare Struktur ermöglicht eine Entkoppelung von Wissen und somit eine bessere Nutzung dieser Ressource auf den unterschiedlichen Ebenen (Modulebene, Gesamtebene). Aus der Mehrfachverwendbarkeit von Modulen ergeben sich Erfahrungskurveneffekte. Modulare Strukturen verringern tendenziell die Koordinationskosten. 15 Vgl. Stauss (2006), S. 324. 16 Vgl. z.B. Burr (2002), S. 120 f. 17 Vgl. Baldwin/ Clark (1997), S. 125; Sanchez (1996), S. 126 ff. 18 Vgl. z.B. Göpfert (1998), S. 10 ff.; Picot/ Freudenberg (1998), S. 77 f. 19 Vgl. Burr (2002), S. 147 ff.; Meyer/ DeTore (1999), S. 65; Sanchez (1999), S. 95 ff. <?page no="116"?> Dienstleistungsmodularisierung 109 Diesen Vorteilen stehen aber die folgenden Gefahren gegenüber 20 : Der Anbieter schöpft Economies of scope nicht in vollem Umfang aus und fragmentiert seine Wissensbasis. Beim Nachfrager steigt die Bereitschaft, zumindest Teilleistungen selbst zu erbringen. Die Modularisierung erleichtert eine Imitation, wodurch die Substitutionskonkurrenz zunimmt und das Differenzierungspotential des Anbieters sinkt. Dabei ist auch die Modulanzahl zu beachten. Gelingt es dem Anbieter, mit einer geringen Modulanzahl eine relativ hohe Anzahl individueller Bedürfnisse zu befriedigen, dann verbinden sich die Vorteile der Individualisierung und Standardisierung in besonderer Weise 21 . 2 Konzeptionelle Überlegungen zu einem Entscheidungsmodell 2.1 Entscheidungsrelevante Kosten Bei der Auswahl der optimalen Zuordnung der Leistungselemente zu Modulen müssen alle entscheidungsrelevanten Kosten berücksichtigt werden. Unter der Voraussetzung, dass sich die variablen Kosten zur Erstellung eines Leistungselementes aus Kosten, die durch die Eigenschaften des externen Produktionsfaktors beeinflusst werden und nicht vom Modularisierungsergebnis abhängig sind, und aus Koordinationskosten zusammensetzen, sind nur letztere entscheidungsrelevant. Bei arbeitsteiliger Dienstleistungserstellung durch (mehrere) Anbieter und (mehrere) Nachfrager, die (Teil-) Leistungen unabhängig voneinander erstellen, wird das Problem der Erstellung zueinander kompatibler Leistungselemente virulent 22 . Zur Sicherstellung der Kompatibilität ist es grundsätzlich möglich, dass: die Kompatibilität der Leistungselemente vor ihrer Erstellung durch Koordinationsinstrumente herbeigeführt wird oder dass bei Inkompatibilitäten zwischen den Leistungselementen entsprechende Korrekturmaßnahmen ergriffen werden. 20 Vgl. Burr (2002), S. 163 f. 21 Vgl. Piller (2006), S. 246 ff. 22 Vgl. Gaitanides (2007), S. 93 ff. <?page no="117"?> 110 Hans Corsten und Hagen Salewski Beide Vorgehensweisen verursachen Kosten, die als Koordinationskosten bezeichnet werden und Opportunitätskosten eines nicht erfüllten Koordinationsbedarfs darstellen. Die auftretenden Koordinationskosten werden in sogenannten Design Structure Matrizen (DSM) erfasst, die Steward 23 entwickelte. Im vorliegenden Kontext werden mit diesen Matrizen die Koordinationskosten erfasst, die zwischen einzelnen (standardisierten) Leistungselementen existieren, aus denen sich die betrachtete Dienstleistung zusammensetzt. Abbildung 1 zeigt exemplarisch die Design Structure Matrix eines Behandlungsprozesses in der Notfallaufnahme eines Krankenhauses 24 . Abb. 1: Beispiel einer Design Structure Matrix zur Behandlung einer Radiusfraktur Die in der DSM dargestellten Beziehungsarten zwischen den Leistungselementen lassen sich in drei Klassen unterteilen: 23 Erstmals erwähnt von Steward (1965, S. 345) und ausführlicher in Steward (1981, S. 11 ff.), liegt der Anwendungsschwerpunkt beim Einsatz von DSM in der aktuellen Literatur auf der Konfiguration physischer Produkte während des Produktdesigns im Maschinenbau. Für einen Überblick über den Einsatz von DSM im Produktdesign und darüber hinaus vgl. Browning (2001), S. 292 ff. und Eppinger/ Browning (2012), S. 1 ff. Die Benutzung von DSM zur Gestaltung von Dienstleistungen wurde erstmals von Burr (2002, S. 128 ff.) vorgeschlagen, jedoch nicht konkret modelliert. 24 In der Design Structure Matrix des Beispiels sind zeilenweise die Koordinationskosten, die durch das Leistungselement bei anderen Leistungselementen verursacht werden, und spaltenweise die durch die Koordination mit anderen Leistungselementen verursachten Kosten dargestellt. A B C D E F G H I J K L M Ankunft A 0 2 2 0 1 0 0 2 0 0 2 0 0 Aufnahme B 2 0 2 5 2 0 0 2 1 0 1 1 0 Ersteinschätzung C 0 1 0 2 2 1 0 2 1 1 2 0 0 Röntgen D 1 0 3 0 3 3 3 3 2 1 1 0 4 Diagnose E 2 0 2 2 0 2 3 4 2 1 2 0 3 Bruch richten F 1 0 0 0 2 0 3 0 0 1 0 1 0 Gipsen G 0 0 1 1 2 3 0 2 0 1 1 1 0 Konsil H 1 0 1 1 3 2 3 0 3 1 1 0 5 OP-Terminierung I 0 0 1 1 2 0 4 2 0 3 3 1 0 OP-Aufklärung J 2 0 0 0 0 1 1 1 2 0 1 0 1 Bettensuche K 1 1 0 0 0 1 1 2 4 2 0 0 2 Verlegung L 1 2 1 1 1 2 3 0 1 1 6 0 3 Gips spalten M 1 1 2 3 3 4 4 4 0 1 0 0 0 <?page no="118"?> Dienstleistungsmodularisierung 111 Unabhängigkeit: es bestehen keine direkten Abhängigkeiten zwischen den Leistungselementen (z.B. zwischen F und I in Abbildung 1). Die Erstellung der Leistungselemente muss nicht koordiniert werden. Dependenz: ein Leistungselement beeinflusst die Erstellung des anderen, wird von diesem aber nicht selbst beeinflusst (z.B. zwischen D und J). Der Koordinationsbedarf kann aufgelöst werden, wenn zunächst die Parameter des Leistungselementes D bestimmt wurden. Interdependenzen: beide Leistungselemente beeinflussen sich gegenseitig (z.B. zwischen M und H), wobei die Stärke des Einflusses variieren kann. Die Koordination zwischen den beiden Leistungselementen kann minimiert werden, wenn der höhere Koordinationsbedarf aufgelöst wird, also bei Erstellung von H die Vorgaben durch M berücksichtigt werden und somit der niedrigere Koordinationsbedarf wirksam wird. Bei der Modularisierung werden Leistungselemente zu Modulen zusammengefasst. Hierbei wird angenommen, dass die Koordination der Leistungselemente innerhalb eines Moduls durch einen Modulverantwortlichen wahrgenommen wird. Die dabei notwendige Koordination geht mit veränderten Koordinationskosten einher, die sich aus der Komplexität der Koordinationsvorgänge ergibt. Da der Modulverantwortliche die Leistungserbringer direkt beeinflussen kann, wird angenommen, dass die Komplexität der Koordination innerhalb eines Moduls von der Anzahl der zu koordinierenden Leistungselemente abhängig ist. Damit ergeben sich die intramodularen Koordinationskosten als Funktion der Anzahl der Leistungselemente des Moduls und nicht als Funktion der Koordinationskosten der einzelnen Leistungselemente. Ferner wird unterstellt, dass zwischen den Modulen eine Hierarchie besteht, durch die die Reihenfolge der Auflösung der Abhängigkeiten bestimmt wird. Hierdurch kann bereits ein Teil der verbliebenen Abhängigkeiten der Leistungselemente verschiedener Module aufgelöst werden. Damit ergeben sich die direkten intermodularen Koordinationskosten als Summe der Koordinationskosten zwischen den Leistungselementen, die verschiedenen Modulen zugeordnet wurden und deren Koordinationsbedarf nicht bereits durch die Modulhierarchie erfüllt wurde. Die gesamten intermodularen Koordinationskosten werden jedoch durch die direkten intermodularen Koordinationskosten nicht hinlänglich berücksichtigt. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Verschiedenartigkeit der auftretenden Koordinationsbedarfe Einfluss auf die Koordinationsintensität hat. Folglich ist eine zusätzliche Berücksichtigung der indirekten intermodularen Koordinationskosten notwendig, die von der Komplexität der Koordination abhängen, die wiederum mit der Anzahl der Koordinationsvorgänge steigt. <?page no="119"?> 112 Hans Corsten und Hagen Salewski 2.2 Erstellungsvarianten einer Dienstleistung Damit durch eine Dienstleistung heterogene Kundenbedürfnisse befriedigt werden können, muss diese Dienstleistung in unterschiedlichen Ausprägungen erstellbar sein. Hierzu kann einerseits die Leistungserstellung in den einzelnen Leistungselementen individualisiert sein, anderseits ergeben sich noch größere Individualisierungsmöglichkeiten, wenn die Kombination der Leistungselemente variabel ist. Dieser Sachverhalt ist der Modularisierung inhärent. Letztlich ist es das Ziel, ein Modulsystem zu erzeugen, das es ermöglicht, Module zu individualisierten Leistungen zu kombinieren. Dieses Verständnis kann weiter gefasst werden, wenn auch bei der Erstellung einzelner Module unterschiedliche Leistungselementkombinationen auftreten, so dass nicht alle Leistungselemente eines Moduls bei jeder Erstellung des Moduls erforderlich sind. Hierbei wird das Problem relevant, wie unterschiedliche Ausführungsalternativen berücksichtigt werden können. Eine Grundlage hierzu bietet die Erfassung der Erstellungsalternativen in einem Dienstleistungsraum, wie er beispielsweise durch ein GERT-Dienstleistungs-netzwerk aufgespannt werden kann 25 . Aus diesem Dienstleistungsraum lassen sich dann verschiedene Dienstleistungspfade und ihre entsprechenden Ausführungswahrscheinlichkeiten als Konkretisierungen der zugrundeliegenden Dienstleistung ableiten und zu Pfadklassen und deren Ausführungswahrscheinlichkeiten aggregieren 26 . Basierend auf der DSM aller Leistungselemente und den so gewonnenen stochastischen Pfadinformationen kann für jede Pfadklasse eine pfadspezifische DSM erzeugt werden, in der alle Leistungselemente, die nicht Bestandteil des Pfades sind, aus der vollständigen DSM entfernt werden. Die hieraus resultierende Menge an DSMen bildet dann die Grundlage verschiedener Alternativen zur Berücksichtigung von Pfadinformationen in einem Entscheidungsmodell. In Abbildung 2 sind diese Modellierungsalternativen skizziert. 25 Zur Erfassung von Dienstleistungen mit GERT-Netzwerken vgl. Gössinger (2005), S. 75 ff. 26 Zu diesem Vorgehen und einer Erklärung an einem Beispiel vgl. Corsten/ Salewski (2013), S. 106 ff. <?page no="120"?> Dienstleistungsmodularisierung 113 Abb. 2: Alternativen zur Berücksichtigung der Pfadinformationen einer Dienstleistung Werden die pfadspezifischen DSMen zu einer DSM aggregiert und wird diese als Input in einem Entscheidungsmodell berücksichtigt, dann liegt diesem Modell eine aggregierte Pfadbetrachtung zugrunde. Eine sukzessive Pfadbetrachtung liegt vor, wenn jede einzelne pfadspezifische DSM als Grundlage für eine Modularisierung genutzt wird und die resultierenden, pfadspezifischen Modulzuordnungen zu einem modularen System aggregiert werden. Sowohl die aggregierte Pfadbetrachtung als auch die sukzessive Pfadbetrachtung gehen mit dem Nachteil einher, dass durch die Aggregation der pfadspezifischen DSM beziehungsweise der pfadspezifischen Modulzuordnung Informationen verloren gehen. Gelingt es, alle pfadspezifischen DSM in einem Entscheidungsmodell zu berücksichtigen, dann liegt eine simultane Pfadbetrachtung vor, die den beiden anderen Varianten bezüglich des Informationsverlustes vorzuziehen ist. Ein Vorteil der beiden anderen Vorgehensweisen gegenüber der simultanen Pfadbetrachtung ist jedoch in der vereinfachten Struktur des Entscheidungsmodells zur Modularisierung zu sehen, so dass die Pfadinformationen nicht explizit berücksichtigt werden müssen. Der Nachteil der sukzessiven Pfadbetrachtung gegenüber der aggregierten Pfadbetrachtung besteht in der mehrfachen Anwendung des Entscheidungsmodells für jede mögliche Pfadklasse. 2.3 Integrative Betrachtung der Modularisierung Das Entscheidungsproblem der Dienstleistungsmodularisierung darf nicht isoliert betrachtet werden. Die im Entscheidungsmodell zu berücksichtigenden Parameter sind einerseits von den Ergebnissen vorheriger Planung abhängig und unterliegen anderseits ständigen Veränderungen, so dass eine Umplanung auf der Basis aktuellerer Parameterwerte vorteilhaft sein kann. Abbildung 3 systematisiert die Einflüsse auf die Parameter, die als Input auf das Dienstleistungsmodularisierungsproblem wirken. Stochastische Pfadinformation (GERT Dienstleistungsnetzwerk) DSM der Dienstleistung Modularisierung Aggregation Modularisierung Aggregation Aggregierte, pfadbasierte DSM der Dienstleistung Aggregierte Pfadbetrachtung Sukzessive Pfadbetrachtung Simultane Pfadbetrachtung DSMen der Dienstleistungspfade Modulare Systeme einzelner Pfade <?page no="121"?> 114 Hans Corsten und Hagen Salewski Abb. 3: Einbettung der Dienstleistungsmodularisierung Faktorensystem interne Produktionsfaktoren Potentialfaktoren objektbezogene menschliche Arbeitsleistung - Aggregate - Rechte nichtpersonengebundene Informationen - … Repetierfaktoren externe Produktionsfaktoren Umsystem globales Umsystem rechtliches gesellschaftliches ökonomisches soziotechnologisches spezifisches Umsystem Nachfrager Lieferanten Aktuelle Wettbewerber Potentielle Wettbewerber Vorkombination Endkombination Dienstleistungserstellung A B C D A 0 1 2 2 B 0 0 4 0 C 3 4 0 1 D 0 0 2 0 D B C A D 0 0 1 0 B 1 0 4 0 C 1 4 0 3 A 0 1 2 0 Dienstleistungsmodularisierung DL n DL 2 DL 1 Abgrenzung der Dienstleistung <?page no="122"?> Dienstleistungsmodularisierung 115 Das vorgelagerte Problem besteht in der Abgrenzung der Dienstleistungen, die es zu modularisieren gilt. In diesem Planungsschritt wird festgelegt, welche Leistungselemente eine Dienstleistung konstituieren, wo unmittelbar die Größe und Zusammensetzung der DSM bestimmt wird, die als Planungsinput in das Modularisierungsproblem eingeht. Die Abgrenzung der Dienstleistung und die Modularisierung der Dienstleistung stellen interdependente Probleme dar. Das Ergebnis der Modularisierung bilden Informationen über die Höhe der erwarteten Koordinationskosten bei der Erstellung der Dienstleistung und die Zusammensetzung der Module. Diese Informationen können im Rahmen der Dienstleistungsabgrenzung genutzt werden, um alternative Dienstleistungskonfigurationen zu testen oder um die Komplexität einzelner Dienstleistungen durch Aufspaltung zu reduzieren. Die Moduldefinitionen sind ebenfalls für die Leistungserstellung relevant, weil sie die relevanten Koordinationsaufgaben während der Dienstleistungserstellung determinieren. Umgekehrt beeinflusst die Leistungserstellung die Modularisierung nicht direkt, sondern wirkt über die Veränderungen des Produktionsfaktorensystems und des spezifischen Umsystems auf die Inputparameter der Dienstleistungsmodularisierung. Während der Leistungserstellung werden interne und externe Produktionsfaktoren eingesetzt, die durch diesen Einsatz einer Veränderung unterliegen. Beispielsweise lernen die Akteure auf der Seite der Dienstleistungsanbieter Koordinationsmechanismen effizienter zu nutzen und die Bedürfnisse der Dienstleistungsnachfrager besser zu verstehen. Zusätzlich werden Informationen erfasst, die ein besseres Verständnis des Dienstleistungsanbieters hinsichtlich der Bedarfe der Dienstleistungsnachfrager bewirken. Hierdurch ändern sich mit der Leistungserstellung ebenfalls die Parameter des Modularisierungsproblems. Durch das Lernen können beispielsweise Koordinationskosten zwischen Leistungselementen sinken, und durch eine bessere Kenntnis der Nachfrager können die Wahrscheinlichkeiten einzelner Dienstleistungspfade besser abgeschätzt werden. Die Leistungserstellung wirkt sich auch auf das spezifische Umsystem der dienstleistungsproduzierenden Unternehmung aus. Die Nachfrager werden durch die Erstellung der Dienstleistung in ihren Erwartungen an die Dienstleistung beeinflusst, wodurch sich das Verhältnis der nachgefragten Dienstleistungspfade verändern kann. Aktuelle und potentielle Wettbewerber reagieren auf die Leistungserstellung und beeinflussen dadurch ebenfalls die Nachfrage. Schließlich können exogene Änderungen im globalen Umsystem ebenfalls auf die Parameter der Dienstleistungsmodularisierung wirken. Eine Veränderung der Koordinationskosten und Pfadwahrscheinlichkeiten kann dazu führen, dass die Modulzuordnung nicht mehr optimal ist. Eine Umplanung der Modulzuordnung unter Berücksichtigung aktualisierter Parameter führt dann zu einer Modulzuordnung, die mit geringeren Koordinationskosten einhergeht als die mit dem vorhergehenden Parametersatz ermittelte Modulzuordnung. Hierbei ist zu beachten, dass eine Änderung der Implementierung des Modulsystems mit <?page no="123"?> 116 Hans Corsten und Hagen Salewski Kosten einhergeht. Es wird davon ausgegangen, dass die Änderungskosten umso höher sind, desto stärker die neu gefundene Lösung von allen vorherig implementierten Lösungen abweicht. Eine Modellierung des Dienstleistungsmodularisierungsproblems, das der Umplanung gerecht werden soll, muss daher auch Änderungskosten berücksichtigen. Wird vereinfacht angenommen, dass die Veränderung der aktuellen Implementierung des Koordinationssystems die Änderungskosten dominiert, können die Änderungskosten in einer ersten Näherung als Funktion der Anzahl der veränderten Modulzuordnungen abgebildet werden. Hierbei kann analog zu den Überlegungen für die intramodularen und die indirekten intermodularen Koordinationskosten davon ausgegangen werden, dass die Änderungskosten überproportional mit der Anzahl der Änderungen steigen. 3 Modellierungen 3.1 Quadratisches Zuordnungsproblem als Ausgangspunkt Zur Modellierung nichtlinearer Kostenfunktionen der intramodularen und indirekten intermodularen Koordinationskosten sowie der Änderungskosten wird auf Kostenklassen zurückgegriffen, die dazu dienen, die zugrundeliegenden Kostenfunktionen so zu diskretisieren, dass sie mit Hilfe einer linearen Zielfunktion in einem ganzzahligen Modell berücksichtigt werden können. Dabei müssen die Kostenklassen keine einheitlichen Größen 27 aufweisen, sondern können in Abhängigkeit von den Genauigkeitsanforderungen und dem genauen Funktionsverlauf gewählt werden. Dies ist umso wichtiger, je unstetiger die zugrundeliegenden Kostenfunktionen sind. Sowohl für die intramodularen, die indirekten intermodularen Koordinationskosten und die Änderungskosten kann angenommen werden, dass die Kosten überproportional mit der Anzahl der zu koordinierenden Leistungselemente beziehungsweise mit der Anzahl der relevanten Koordinationsvorgänge oder der zu realisierenden Änderungen steigen werden. 28 Abbildung 4 verdeutlicht diesen Sachverhalt. 27 Die Größe wird je nach zu repräsentierender Funktion als Anzahl der Koordinationsvorgänge (indirekte intermodulare Koordinationskosten) oder als Anzahl der Leistungselemente in einem Modul (intramodulare Koordinationskosten) bestimmt. 28 Vgl. Adam/ Rollberg (1995), S. 667 f. und Becker (1992), S. 171 f. für analoge Überlegungen für Komplexitätskosten. <?page no="124"?> Dienstleistungsmodularisierung 117 Abb. 4: Auswirkungen der Klassengröße auf die Genauigkeit Im oberen Teil der Abbildung wurden drei gleichgroße Klassen gebildet, wobei die Abweichungen des Klassenkostenwertes von den Werten der Kostenfunktion, insbesondere bei großen Unterschieden innerhalb einer Klasse, sehr stark abweichen. Im unteren Teil der Abbildung wurde die gleiche Klassenanzahl gebildet, jedoch die Klassengröße variabel gestaltet, wodurch die Abweichungen der Klassenkostenwerte von den Werten der zugrundeliegenden Kostenfunktion reduziert werden. Die Genauigkeit der Abbildung der Kosten in Kostenklassen lässt sich bis zu dem Punkt steigern, an dem die Anzahl der Kostenklassen der Anzahl der relevanten Punkte der Kostenfunktion entspricht. Der Nachteil der Steigerung der Kostenklassenanzahl liegt im höheren Lösungsaufwand des so formulierten Modells. Die Einführung jeder zusätzlichen Kostenklasse geht mit mindestens einer 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 2 3 4 5 6 7 8 9 K 3 K 2 K 1 K K 3 K 2 K 1 K Anzahl Leistungselemente/ Koordinationsvorgänge/ Änderungen Anzahl Leistungselemente/ Koordinationsvorgänge/ Änderungen <?page no="125"?> 118 Hans Corsten und Hagen Salewski zusätzlichen Entscheidungsvariable und mindestens einer zusätzlichen Nebenbedingung 29 einher. Basierend auf diesen Überlegungen und den formulierten Anforderungen lässt sich das Entscheidungsproblem als quadratisches Zuordnungsproblem mit quadratischen Nebenbedingungen (QPQC) aufstellen, dass mit Hilfe der binären Variablen v.m x 0,1 eine Zuordnung der Leistungselemente ( v 1,..., V ) zu Modulen (m 1,..., M; M V) modelliert und dabei P verschiedene Pfadklassen simultan berücksichtigt. Die intramodularen Koordinationskosten werden dabei in I Kostenklassen, die indirekten intermodularen Koordinationskosten in J Kostenklassen und die Änderungskosten in Q Kostenklassen unterteilt. Minimiere: P p p 1 M-1 M V V v.m v .m p.v.v m 1 m m 1 v 1 v 1 J inter j.p j j 1 M I intra m.i i m 1 i 1 Q q q q 1 K n p x x a d c b c e c (1) u.d.B.d. I m.i i 1 b 1 m (2a) V intra v.m i m.i m.i v 1 x S b 1 b m, i (2b) 29 Eine zusätzliche Kostenklasse der intramodularen Koordinationskosten beziehungsweise der Änderungskosten geht mit einer zusätzlichen Entscheidungsvariablen und einer zusätzlichen Nebenbedingung einher. Für die indirekten intermodularen Koordinationskostenklassen müssen jeweils P Entscheidungsvariablen und Nebenbedingungen eingeführt werden, wobei P die Menge aller Pfadklassen beschreibt. Änderungskosten indirekte intermodulare Koordinationskosten intramodulare Koordinationskosten direkte intermodulare Koordinationskosten durchschnittliche pfadabhängige Koordinationskosten erwartete totale pfadabhängige Koordinationskosten <?page no="126"?> Dienstleistungsmodularisierung 119 V intra m.i i 1 v.m v 1 b S 1 x m, i 1 (2c) V v.m v 1 0 x m, i 1 (2d) J j.p j 1 d 1 p (3a) M-1 M V V inter v.m v .m p.v.v j j.p j.p m 1 m m 1 v 1 v 1 x x f (a ) S d 1 d j, p (3b) M-1 M V V inter j.p j 1 v.m v .m p.v.v m 1 m m 1 v 1 v 1 d S 1 x x f (a ) j 1, p (3c) M v.m m 1 x 1 v (4) v.m v.m v.m x x x v, m (5a) v.m v.m v.m x x x v, m (5b) v.m v.m v.m x x x v, m (5c) v.m v.m v.m x 2 x x v, m (5d) Q q q 1 e 1 (6a) M V v.m q q q m 1 v 1 x S e 1 e q (6b) M V q q 1 v.m m 1 v 1 e S 1 x q 1 (6c) v.m x 0,1 v, m (7a) m.i b 0,1 m, i (7b) j.p d 0,1 j, p (7c) v.m x 0,1 v, m (7d) <?page no="127"?> 120 Hans Corsten und Hagen Salewski q e 0,1 q (7e) Ziel dieser Zuordnung ist die Minimierung aller entscheidungsrelevanten Kosten (1), die sich einerseits aus den Änderungskosten des Koordinationssystems und anderseits den zu erwartenden totalen Koordinationskosten der Dienstleistungserstellung zusammensetzen. Zur Berechnung der erwarteten totalen Koordinationskosten wird der Multiplikator n verwendet, der der erwarteten Anzahl zu erbringender Dienstleistungen bis zum nächsten Planungszeitpunkt entspricht und dazu dient, die erwarteten totalen pfadspezifischen Koordinationskosten aus den durchschnittlichen pfadspezifischen Koordinationskosten zu berechnen. Die pfadspezifischen Durchschnittskosten ergeben sich aus dem gewichteten Mittel der Koordinationskosten jeder Pfadklasse, wobei die Ausführungswahrscheinlichkeit der Pfadklasse als Gewichtungsfaktor herangezogen wird 30 . Die Koordinationskosten jeder Pfadklasse lassen sich dabei in die direkt wirksamen intermodularen Koordinationskosten ( p.v.v a ) zwischen den Leistungselementen v und v eines Pfades p , die modulgrößenabhängigen intramodularen Koordinationskosten und die von der Anzahl der intermodularen Koordinationsvorgängen abhängigen, pfadspezifischen indirekten intermodularen Koordinationskosten unterteilen. Die intermodularen Koordinationskosten errechnen sich aus der Summe aller Koordinationskosten, die durch Koordinationsbedarfe zwischen den Leistungselementen v und v eines Pfades p entstehen, wenn die Leistungselemente unterschiedlichen Modulen zugeordnet werden ( m m ) und ihre Abhängigkeit nicht bereits durch die Modulhierarchie berücksichtigt wurde ( m m ). Jedes Modul m wird durch die binäre Zuordnungsvariable m.i b genau einer modulgrößenabhängigen Kostenklasse ( i 1,..., I ) zugeordnet (2a), die als intermodulare Koordinationskosten in der Zielfunktion berücksichtigt werden. Hierbei werden sowohl die Maximalgröße ( intra intra intra 1 i I 0 S ... S ... S ) jeder Kostenklasse (2b), als auch das Minimum 31 jeder Klasse (2c und 2d) berücksichtigt. Durch die Einführung der Maximalgrößen ist zudem die Forderung nach Transparenz der 30 Für die Pfadausführungswahrscheinlichkeiten p gilt: P p p 1 p 1 . 31 Das Minimum einer Kostenklasse i 1 ist durch intra i 1 S 1 gegeben und das Minimum der ersten Kostenklasse beträgt Null. <?page no="128"?> Dienstleistungsmodularisierung 121 Module erfüllt, weil hierdurch die maximale informationsverarbeitende Kapazität der Modulverantwortlichen berücksichtigt wird. Die indirekten intermodularen Koordinationskosten werden analog hierzu ebenfalls in der Zielfunktion auf Basis der Kostenklassen berücksichtigt. Die indirekten intermodularen Koordinationskostenklassen ( j 1,..., J ) werden hierzu für jeden berücksichtigten Pfad durch die binären Zuordnungsvariablen j.p d zugewiesen (3a bis 3c), wobei eine Modifikation der DSM mit der Schwellwertfunktion f ( p.v.v a ) vorgenommen wird. Sie nimmt den Wert f ( p.v.v a ) 1 genau dann an, wenn zwischen v und v Koordinationskosten anfallen. Die Summe aller so transformierten Elemente entspricht dadurch der Anzahl an intermodularen Koordinationsvorgängen. Die maximale Größe jeder Klasse ist durch inter inter 1 j 0 S ... S ... inter J S gegeben. Jedes Leistungselement wird genau einem Modul zugeordnet (4), wodurch die Anforderung der Abgeschlossenheit der Moduldefinition erfüllt ist. Durch die Berücksichtigung der Koordinationskosten in der zu minimierenden Zielfunktion sind die aus der Anwendung des Entscheidungsmodelles resultierenden Module so unabhängig voneinander wie möglich, so dass das Modell dieser Anforderung an ein modulares System gerecht wird. Die Änderungskosten werden in der Zielfunktion ebenfalls mit Hilfe von Kostenklassen ( q 1,..., Q ) berücksichtigt. Die eindeutige Zuordnung zu einer Kostenklasse wird durch die binären Entscheidungsvariablen q e vorgenommen. Grundlage der Einteilung in Kostenklassen ist die Anzahl der Änderungen der Zuordnungen in der neuen Lösung des Modells im Vergleich mit der vorherigen Modelllösung. Die Parameter v.m x geben die vorherige Lösung an. Eine Änderung liegt dann vor, wenn die Zuordnung von v zu m in der neu zu ermittelnden Lösung eine andere ist. Wird in dem zu lösenden Modell ein Leistungselement berücksichtigt, das in der alten Lösung noch nicht vorhanden war, und die Zuordnung der anderen Leistungselemente wird nicht verändert, dann stellt sich eine Änderung in der neuen Lösung ein. Wird die Zuordnung eines Leistungselementes v des Moduls m in ein anderes Modul m geändert, dann treten zwei Änderungen im Vergleich zur Vorlösung auf: v.m v.m x 0 x 1 und v.m v.m x 1 x 0 . Die Anzahl der Änderungen wird mit Hilfe der zusätzlichen Variablen v.m x erfasst (5a bis 5d), indem eine Exklusive-Oder-Funktion von v.m x und v.m x berechnet wird 32 . Die Änderungen werden summiert, und auf Basis ihrer Anzahl eine Einteilung in eine Änderungskostenklasse vorgenommen (6a bis 6c). Für jede Änderungskostenklasse ist die maximale Anzahl der Änderungen 1 q Q 0 S ... S ... S definiert. 32 Die Nebenbedingungen linearisieren die Exklusive-Oder-Funktion. Der Funktionswert für die beiden binären Variablen v.m x und v.m x resultiert in den gleichen Funktionswerten wie bei einer Betragsfunktion, deren Verwendung an dieser Stelle zwar intuitiver, aber auch aufwendiger wäre. <?page no="129"?> 122 Hans Corsten und Hagen Salewski Das vorgestellte Modell lässt sich mit Hilfe von Standardsolvern für quadratische Probleme lösen. Die Lösungsgeschwindigkeit kann gesteigert werden, wenn das Problem linearisiert und mit Hilfe von linearen Standardsolvern gelöst wird. Eine Linearisierung des Modells ist auf verschiedenen Wegen möglich, wobei mit der Anwendung der Reformulation Linearization Technik 33 die größte Reduktion der Rechenzeit erreicht werden kann. Hierfür sind zunächst alle quadratischen Terme der binären Entscheidungsvariablen der Form v.m v .m x x in der Zielfunktion und in den Nebenbedingungen durch die zusätzlichen nicht-ganzzahligen Entscheidungsvariablen v.v .m.m y zu ersetzen. Zusätzlich werden folgende Nebenbedingungen ergänzt: M v.m.v .m v.m m 1 y x v, v , m (8a) v.m.v .m v .m .v.m y y v, v , m, m (8b) v.m.v .m y 0 v, v , m, m (8c) Bei der Modellierung des Dienstleistungsmodularisierungsproblems als (linearisiertes) Zuordnungsproblem steigt die Anzahl der Entscheidungsvariablen mit zunehmender Anzahl der zu berücksichtigenden Teilleistungen, Module oder Pfade teilweise exponentiell an, weshalb sich nur sehr kleine Probleminstanzen mit Standardsolvern lösen lassen. Der Entwurf einer (Meta-) Heuristik und ihre Anwendung könnten die Problemlösung erheblich beschleunigen, jedoch wäre eine Optimallösung nicht garantiert. 3.2 Flussmodell Im Folgenden wird eine alternative Modellierung des Dienstleistungsmodularisierungsproblems als Netzwerkflussproblem vorgestellt, das dann mit Hilfe des Branch-and-Price-Verfahrens gelöst werden kann. Das Modell greift auf die Vorüberlegungen des Zuordnungsmodells zurück. Hierzu muss jedoch ein Teil der Variablen im Vergleich zum vorgestellten Zuordnungsproblem uminterpretiert werden (vgl. Abbildung 5). 33 Vgl. Sherali/ Adams (1999), S. 297 ff. für die Reformulation Linearization Technik allgemein und Hahn et al. (2008), S. 352 ff. für eine Anwendung der Technik auf das verallgemeinerte quadratische Zuordnungsproblem. <?page no="130"?> Dienstleistungsmodularisierung 123 Symbol Zuordnungsproblem Flussproblem I Anzahl der intramodularen Koordinationskostenklassen Menge der intramodularen Koordinationskostenklassen J Anzahl der indirekten intermodularen Koordinationskostenklassen Menge der indirekten intermodularen Koordinationskostenklassen M Anzahl der Module Menge der Module P Anzahl der Pfadklassen Menge der Pfadklassen V Anzahl der Leistungselemente Menge der Leistungselemente Abb. 5: Interpretation der Variablen im Zuordnungs- und im Flussproblem Zur Veranschaulichung des im Modell verwendeten Netzwerkes dienen die Abbildungen 6 und 7, die jeweils einen Teil des Netzwerkes darstellen und durch die Hyperkanten C miteinander verknüpft sind. Das abgebildete Beispiel beschreibt eine Probleminstanz mit V 3 Teilleistungen, die M 3 Modulen zugeordnet werden sollen, wobei I 3 intramodulare Koordinationskostenklassen, J 2 indirekte intermodulare Koordinationskostenklassen und P 2 verschiedene Pfadklassen berücksichtigt werden. Der (Teil-) Graph in Abbildung 6 wird durch die Kantenmengen A, B und C in drei Teile aufgespalten, wobei die Knoten mit der Kennzeichnung M die Kantenmengen A und B sowie die Knoten mit der Kennzeichnung V, die Kantenmengen B und C miteinander verknüpfen. <?page no="131"?> 124 Hans Corsten und Hagen Salewski Abb. 6: Beispielgraph für eine Probleminstanz mit drei Modulen und drei Teilleistungen Die Kanten und Knoten sind dabei in folgender Weise zu interpretieren: Jede Kante der Kantenmenge A verbindet den Startknoten 0 mit einem Knoten m.i M und repräsentiert damit die Zuordnung des Moduls m zur intermodularen Koordinationskostenklasse i . Hierzu werden die Kanten in A mit dem Kostenklassenfaktor A i g gewichtet, und der Fluss durch diese Kante ist durch die Kapazität i restringiert. Der Kostenfaktor entspricht den Kosten der jeweiligen direkten Koordinationskostenklasse ( intra i c im Zuordnungsmodell) und der Kapazität der maximalen Größe dieser Kostenklasse ( intra i S im Zuordnungsmodell). Die Kanten der Kantenmenge B verbinden die Knoten m.i M mit den Knoten m.v V und stellen die Zuordnung der Teilleistung v zu dem Modul m dar. Sie werden nicht in der Zielfunktion berücksichtigt, dienen aber der Verbindung der Kantenmengen A und C, die in der Zielfunktion berück- 0 A C B a 1 a 2 a 3 a 4 a 5 a 6 a 7 a 8 a 9 b 1 b 3 b 4 b 6 b 7 b 9 b 2 b 8 b 5 b 10 b 12 b 13 b 15 b 16 b 18 b 11 b 17 b 14 b 19 b 21 b 22 b 24 b 25 b 27 b 20 b 26 b 23 c 4 c 1 c 10 c 7 c 16 c 13 c 6 c 5 c 11 c 17 c 12 c 18 c 15 c 8 c 3 c 2 c 9 c 14 M 1.1 M 1.2 M 1.3 M 2.1 M 2.2 M 2.3 M 3.1 M 3.2 M 3.3 V 1.1 V 1.2 V 1.3 V 2.1 V 2.2 V 2.3 V 3.1 V 3.2 V 3.3 <?page no="132"?> Dienstleistungsmodularisierung 125 sichtigt werden. Die Aktivierung dieser Kanten ist mit keinen Kosten verbunden, und die Kapazität jeder Kante in B ist Eins. Die Kanten der Kantenmenge C repräsentieren die direkten Koordinationsbedarfe zwischen den Leistungselementen. Diese Kanten verbinden zwei Knoten der Knotenmenge m.v V miteinander, wenn beide Knoten unterschiedliche Module und unterschiedliche Leistungselemente repräsentieren. Die Modulhierarchie ist in der Knotenmenge explizit berücksichtigt, indem für die Kantengewichte Ck g die Stärke der Abhängigkeit zwischen den beiden Leistungselementen gewählt wird, die abhängig von der Modulzuordnung relevant ist. Sie kann direkt aus der DSM ermittelt werden. Existieren mehr als eine Pfadklasse, werden pfadspezifische Kantengewichte Ck.p g definiert, die das Vorhandensein eines Leistungselementes im Pfad berücksichtigen. Ist eines der beiden durch k c verknüpften Leistungselemente nicht Bestandteil der Pfadklasse p , dann gilt Ck.p g 0 . Die Kapazität aller c- Kanten ist Eins. Zur Modellierung der indirekten intermodularen Koordinationskosten ist zusätzlich die Kantenmenge D zu berücksichtigen, die zur besseren Übersicht ergänzend in Abbildung 7 dargestellt ist. Abb. 7: Fortsetzung des Beispielgraphs Die Kanten dieser Menge verbinden die Knoten j.p mit dem Zielknoten Z. Die Knoten j.p verknüpfen die Kantenmenge C mit der Kantenmenge D. In diesem Zusammenhang werden die Kanten der Menge C als Hyperkanten interpretiert, die sowohl die Knoten m.v V miteinander als auch zusätzlich mit allen Knoten j.p D verbinden. Die Kanten der Kantenmenge D repräsentieren für jeden Pfad p die Zuordnung zu einer der indirekten intermodularen Koordinationskostenklasse j . Sie sind mit dem Kostenklassenfaktor Dj g gewichtet, und der Fluss durch diese Z 1.1 1.2 2.1 2.2 C D … c 1 c 2 c 18 d 1 d 2 d 3 d 4 <?page no="133"?> 126 Hans Corsten und Hagen Salewski Kante ist durch die Kapazität u beschränkt. Der Kostenklassenfaktor entspricht hierbei den jeweiligen Werten der indirekten intermodularen Koordinationskostenklasse ( inter j c im Zuordnungsmodell), und die Kapazität stimmt mit der maximalen Anzahl der Koordinationsvorgänge einer Koordinationskostenklasse ( inter j S ) im Zuordnungsmodell überein. Zur Formulierung eines Optimierungsmodells müssen die Kantenmengen in Teilmengen zerlegt werden: m r 1 r I A a , ... ,a | r (m 1) I m M 1 1 2 2 V M V M C v m v m 1 2 2 1 B B B B B | v v m m 1 2 1 2 v , v V; m , m M Ii r 1 r V B b , ... ,b | r (m 1) M I (i 1) V , m M i I Mm r 1 r V I B b , ... ,b | r (m 1) V I m M Vv V r v B b | r 0,1, ... , M I 1 v V p r 1 r J D d , ... ,d | r (p 1) J p P Die (Teil-) Menge m A setzt sich aus allen a-Kanten zusammen, die dem Modul m M zugeordnet werden und die die Knoten der Menge m.i M für beliebige i I mit dem Knoten 0 verbinden. Ck B umfasst jeweils die Menge aller b-Kanten, die mit einem der beiden Knoten m.v V und m .v V verknüpft sind und die zusätzlich durch eine Kante k C miteinander verbunden sind. Ii B enthält alle b-Kanten, die durch den Knoten der Menge m.i M mit der Kostenklasse i I für beliebige m M gepaart sind. Mm B setzt sich aus den b-Kanten zusammen, die dem Modul m zugeordnet werden und die Knoten der Menge m.i M für beliebige i mit den Knoten der Menge m.v V für beliebige Leistungselemente v V verknüpfen. Vv B enthält alle b-Kanten, die dem Leistungselement v zugeordnet werden und die die Knotenmenge m.v V für beliebige m mit der entsprechenden Knotenmenge m.i M verbinden. p D umfasst alle d-Kanten, die dem Pfad p P zugeordnet werden und die die Knoten der Menge p.j für beliebige j J mit dem Knoten Z verbinden. <?page no="134"?> Dienstleistungsmodularisierung 127 Unter Berücksichtigung der Zusammensetzung der Teilmengen, lässt sich dann das folgende Optimierungsmodell aufstellen: Minimiere: p m Q A C D i i k k p j j q q m M i A k B p P j D q 1 intramodulare direkte inter- Koordinationskosten modulare Koordi K n g a g c p g d e c indirekte intermodulare Änderungskosten Koordinationskosten nationskosten (9) u.d.B.d. (5a) bis (5d); (6a) bis (6c), (7d) und (7e) Vv u u B b 1 v V (10a) Ck u k u B b c 1 k C (10b) m i i A a 1 m M (11a) M m m i i o i A o B a b m M (11b) i u a b I m i m M, i A , u B (11c) p j j D d 1 p P (12a) p C j j k k.p j D k B d c f g p P (12b) i a 0,1 i A (13a) o b 0,1 o B (13b) k c 0,1 k C (13c) j d 0,1 p j D , p P (13d) Die Zielfunktion minimiert die Summe aus den erwarteten totalen pfadabhängigen Koordinationskosten und den Änderungskosten (9). Jedes Leistungselement wird einem Modul zugeordnet (10a), und die intermodularen Koordinationskosten zwischen zwei Leistungselementen werden nur dann berücksichtigt ( k c 1 ), wenn sie <?page no="135"?> 128 Hans Corsten und Hagen Salewski unterschiedlichen Modulen zugeordnet wurden 34 (10b). Jedes Modul wird einer intramodularen Koordinationskostenklasse zugeordnet (11a). Um die maximale Modulgröße der intramodularen Koordinationskostenklassen zu berücksichtigen, wird die Anzahl der aktiven b-Kanten in einem Modul gezählt und der Kapazität der entsprechenden a-Kanten gegenübergestellt (11b). Nebenbedingung (11c) stellt zudem sicher, dass a-Kanten nur dann aktiviert werden, wenn mindestens eine entsprechende b-Kante aktiv ist. Für jeden Pfad wird eine eindeutige Zuordnung zu einer indirekten intermodularen Koordinationskostenklasse vorgenommen (12a). Zur Berücksichtigung der maximalen Klassengrößen wird die Koordinationskapazität einer Klasse der relevanten Anzahl an Koordinationsvorgängen für diesen Pfad gegenübergestellt (12b). Ein intermodularer Koordinationsvorgang ist genau dann relevant, wenn die betrachteten Leistungselemente unterschiedlichen Modulen zugeordnet wurden, die Koordination nicht durch die Modulhierarchie aufgelöst wurde (ist beides erfüllt, gilt k c 1 ) und zwischen den beiden Leistungselementen eine Koordination notwendig ist. Die Transformationsfunktion Ck.p f g berücksichtigt dabei das pfadspezifische Kantengewicht der relevanten c- Kanten. 4 Abschließende Bemerkungen Auf der Grundlage formulierter Anforderungen an ein aufzustellendes Entscheidungsmodell zur Dienstleistungsmodularisierung wurden im vorliegenden Beitrag zwei Optimierungsmodelle aufgestellt, die die Möglichkeit zu einer wiederholten Modularisierung eröffnen. Damit besteht die Option auf Veränderungen des Produktionsfaktorensystems und des Umsystems des Dienstleistungsanbieters zu reagieren und die Modularisierung an sich verändernde Gegebenheiten anzupassen. Beide vorgestellten Optimierungsprobleme sind zur Lösung kleiner Probleminstanzen geeignet. Liegen hingegen größere Probleminstanzen vor, dann wird der Einsatz von Metaheuristiken notwendig, um zu guten Lösungen des Problems in akzeptabler Zeit zu gelangen. Dies ist zugleich einer der Schwerpunkte zukünftiger Forschungsarbeiten. 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Aufl., Boston et al. 1998 Corsten, H.; Gössinger, R.: Gestaltung der Output-Flexibilität in Dienstleistungsunternehmungen - Eine produktionstheoretische Analyse, in: Entwicklungen im Produktionsmanagement, hrsg. v. A. Braßler und H. Corsten, München 2004, S. 251-257 Corsten, H.; Gössinger, R.: Dienstleistungsmanagement, 5. Aufl., München/ Wien 2007 Corsten, H.; Salewski, H.: Dienstleistungsmodularisierung im Krankenhaus - Theoretischer Rahmen und Anwendungen, in: Dienstleistungsmanagement im Krankenhaus I: Prozesse, Produktivität und Diversität, hrsg. v. R.B. Bouncken, M.A. Pfannstiel und A.J. Reuschl, Wiesbaden 2013, S. 95-115 Eppinger, S.D.; Browning, T.R.: Design Structure Matrix Methods and Applications, Cambridge/ London 2012 Fließ, S.: Interaktionsmuster bei der Integration externer Faktoren, in: Grundsatzfragen und Herausforderungen des Dienstleistungsmarketing, hrsg. v. A. Meyer, Wiesbaden 1996, S. 1- 19 Gaitanides, M.: Prozessorganisation - Entwicklung, Ansätze und Programme des Managements von Geschäftsprozessen, 2. Aufl., München 2007 Göpfert, J.: Modulare Produktentwicklung - Zur gemeinsamen Gestaltung von Technik und Organisation, Wiesbaden 1998 Gössinger, R.: Dienstleistungen als Problemlösungen - Eine produktionstheoretische Analyse auf der Grundlage von Eigenschaften, Wiesbaden 2005 Hahn, P.M. et al.: An Algorithm for the Generalized Quadratic Assignment Problem, in: Computational Optimization and Applications, Vol. 40 (2008), S. 351-372 Jacob, F.: Produktindividualisierung - Ein Ansatz zur innovativen Leistungsgestaltung im Business-to-Business-Bereich, Wiesbaden 1995 Kern, W.: Produkte, Problemlösungen als, in: Handwörterbuch der Produktionswirtschaft, hrsg. v. W. Kern, 1. 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Structure, Strategy and Design, New York/ Princeton 1981 <?page no="138"?> Days-off scheduling für Transportdienstleistungen im Straßengüterverkehr - ein flexibilitätsorientierter Ansatz Ralf Gössinger und Bastian Stahlbuck Inhalt 1 Einleitung ..........................................................................................132 1.1 Problemstellung........................................................................................132 1.2 Literaturüberblick.....................................................................................133 2 Planungsansatz..................................................................................135 2.1 Entscheidungsproblem ...........................................................................135 2.1.1 Annahmen .....................................................................................135 2.1.2 Entscheidungsfeld ........................................................................136 2.1.3 Entscheidungsziel.........................................................................139 2.2 Lösungsverfahren.....................................................................................141 3 Numerische Analyse..........................................................................143 3.1 Testaufbau .................................................................................................143 3.2 Ergebnisse .................................................................................................144 4 Abschließende Bemerkungen............................................................150 Literatur ....................................................................................................... 151 Anhang ........................................................................................................153 <?page no="139"?> 132 Ralf Gössinger und Bastian Stahlbuck 1 Einleitung 1.1 Problemstellung Die Planungssituation bei Transportdienstleistungen ist durch einen stark schwankenden, unsicheren Personalbedarf, ein schmales Zeitfenster zur Auftragsbearbeitung und nicht lagerbare Leistungen charakterisiert. Eine Möglichkeit, diesen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen besteht in dem Aufbau und der Nutzung von Flexibilität. Dabei wird die im vorliegenden Kontext relevante Bestandsflexibilität durch die quantitative und qualitative Kapazität des Transportsystems und die planerische Fähigkeit des Dienstleisters, die nutzbare Kapazität mit dem schwankenden Bedarf zu synchronisieren, determiniert. Der Fokus des vorliegenden Beitrages liegt auf dem zuletzt genannten Aspekt, denn es wird den Fragen nachgegangen, wie die zum Days-off scheduling (Anwesenheitsplanung) benötigten Schichtmusterpläne generiert werden können und welche der möglichen Schichtmuster sie umfassen sollten. Ein Schichtmuster ist eine für eine Personalart gemäß der relevanten Arbeitszeitregeln zulässige Abfolge von Zeitabschnitten, in denen gearbeitet wird (z.B. Lenkzeiten), und arbeitsfreien Zeitabschnitten (z.B. Ruhezeiten) innerhalb des Planungshorizontes. Die Menge der in das Days-off scheduling einbezogenen Schichtmuster bildet den Schichtmusterplan. Aufgrund der großen Anzahl und des relativ langen Zeithorizontes der für den Straßengüterverkehr geltenden Arbeitszeitregeln 1 sowie der daraus resultierenden hohen kombinatorischen Vielfalt von Schichtmustern 2 erscheint eine Anwendung vollständiger Schichtmusterpläne als nicht praktikabel. Die Anzahl der hieraus für das Days-off scheduling resultierenden Entscheidungsvariablen würde eine inakzeptable Planungsdauer induzieren. Um die Planungsdauer auf eine akzeptable Länge zu reduzieren, können Schichtmusterpläne herangezogen werden, die nur eine Teilmenge der zulässigen Schichtmuster umfassen. Dem steht jedoch entgegen, dass die Qualität des Personaleinsatzplanes im Hinblick auf die Kosten und die Flexibilität mit einer abnehmenden Schichtmusteranzahl tendenziell sinkt. Die Reduktion des Schichtmusterplanes sollte deshalb nur soweit vorgenommen werden, wie die Einbußen an Planungsqualität tolerierbar sind. Da nicht jedes Schichtmuster mit denselben Qualitätswirkungen einhergeht und die Stärke dieser Wirkungen von dem Zusammenspiel mit den anderen berücksichtigten Schichtmustern abhängig sind, ergibt sich ein Schichtmustergenerierungsproblem. 1 Vgl. Kopfer/ Meyer (2010), S. 756; Verordnung (EG) Nr. 561/ 2006 Art. 6-9. 2 Vgl. Thompson (1996), S. 275. <?page no="140"?> Days-off scheduling für Transportdienstleistungen im Straßengüterverkehr 133 1.2 Literaturüberblick In der Literatur werden zwei alternative Wege zur Generierung reduzierter Schichtmusterpläne propagiert. Bei den Eliminierungsansätzen werden ausgehend von einem vollständigen Schichtmusterplan diejenigen Schichtmuster entfernt, durch deren Fehlen sich die Qualität des Einsatzplanes geringstmöglich verringert 3 . Grundsätzlich wird dadurch eine Beurteilung der Qualitätswirkungen im Zusammenspiel der Schichtmuster ermöglicht. Aufgrund des anfänglichen Bezuges zum vollständigen Schichtmusterplan ist diese Vorgehensweise jedoch aus Gründen des Rechenaufwandes nur für weniger komplexe Arbeitszeitregeln mit einem kurzen Zeithorizont geeignet. Die Erweiterungsansätze starten mit einem unvollständigen Schichtmusterplan und ergänzen diesen um Schichtmuster, durch deren Hinzunahme sich die Qualität des Einsatzplanes verbessert 4 . Eine Beurteilung der Qualitätswirkungen im Zusammenspiel der Schichtmuster ist dabei jedoch nur eingeschränkt möglich, weil sie sich nur auf die bereits berücksichtigten Schichtmuster beziehen kann. Der anfänglich geringe Rechenaufwand der Einsatzplanung ermöglicht hingegen eine Einbeziehung komplexerer Arbeitszeitregeln mit längerem Zeithorizont. Zur Lösung des vorliegenden Problems wird deshalb ein Erweiterungsansatz vorgeschlagen. Unabhängig von der eingeschlagenen Vorgehensweise werden anstelle einer direkten Beurteilung der Qualitätswirkungen (z.B. Kostenreduktion des Einsatzplanes) Ersatzkriterien zur Auswahl von zu eliminierenden/ zu ergänzenden Schichtmustern herangezogen: Beitrag zur Heterogenität der berücksichtigten Schichtmuster 5 , Erfüllung fakultativer Arbeitszeitregeln, die über den gesetzlichen Rahmen hinausgehen und durch übergeordnete betriebliche Erfordernisse begründet werden (z.B. innerbetriebliche Koordination, Mitarbeitermotivation) 6 , 3 Vgl. z.B. Brusco/ Jacobs (1998), S. 518 ff.; Henderson/ Berry (1976), S. 1374 f.; Henderson/ Berry (1977), S. 243 ff.; Mabert/ Watts (1982), S. 523 ff.; McGinnis/ Culver/ Deane (1978), S. 8 ff.; Showalter/ Mabert (1988), S. 57 f. 4 Vgl. z.B. Bard/ Purnomo (2005), S. 519 ff.; Bechtold/ Brusco (1994), S. 544 ff.; Desrochers/ Soumis (1989), S. 3 ff.; Easton/ Rossin (1991), S. 1444 ff.; Gärtner/ Musliu/ Slany (2005), S. 97 ff.; Haase (1999), S. 234 ff.; Kyngäs et al. (2012), S. 510 ff.; Musliu/ Schaerf/ Slany (2004), S. 52 ff.; Stolletz (2010), S. 417 ff.; Stolletz/ Brunner (2012), S. 624 f.; Thompson (1996), S. 279 ff.; Wan/ Bard (2007), S. 1038 ff. 5 Vgl. Bechtold/ Brusco (1994), S. 544; Henderson/ Berry (1976), S. 1374 f. 6 Vgl. Alfares (2001), S. 285 ff.; Bard (2004), S. 988 f.; Bechtold/ Jacobs (1990), S. 1341 ff.; Haase (1999), S. 234 ff.; Li/ Robinson/ Mabert (1991), S. 703 ff.; Mabert/ Watts (1982), S. 523; Narasimhan (2000), S. 17 ff. <?page no="141"?> 134 Ralf Gössinger und Bastian Stahlbuck Kompatibilität mit dem Verlauf des Kapazitätsbedarfs 7 , Zufall als tie-breaking-rule 8 . Die Generierung reduzierter Schichtmusterpläne erfolgt entweder zeitgleich mit der oder zeitlich vor der Personaleinsatzplanung. Im zuerst genannten Fall (column generation 9 ) wird in jedem Planungslauf ein situationsspezifischer Schichtmusterplan ermittelt, während im zuletzt genannten Fall ein flexibler, d.h. auf möglichst viele Situationen anwendbarer Schichtmusterplan 10 bestimmt wird, der rollierend zur Anwendung gelangt. Dieser kann der Personaleinsatzplanung so lange zugrunde gelegt werden, bis sich die Struktur des Bedarfsverlaufs grundsätzlich verändert hat. Damit bilden statistische Aussagen zum Ausmaß und zur Häufigkeit von Bedarfsschwankungen in den einzelnen Teilperioden und im Planungshorizont den Ausgangspunkt der Schichtmustergenerierung. Mit den genannten Ansätzen wird versucht, die Dauer zur Berechnung des Personaleinsatzplanes zu reduzieren und dabei nur unwesentlich von den minimalen Kosten einer Planung mit vollständigem Schichtmusterplan abzuweichen. Flexibilitätsaspekte bleiben bislang unberücksichtigt. Deshalb ist es das Ziel des vorliegenden Beitrages, einen Ansatz zur flexibilitätsorientierten Generierung von Schichtmusterplänen zu entwickeln und zu analysieren, der alle wochenbezogenen und wochenübergreifenden Vorschriften zu den Lenk- und Ruhezeiten erfasst. Ausgehend von Annahmen über die Situation bei der Erzeugung von Schichtmusterplänen nach der Idee der Erweiterungsansätze (Abschnitt 2.1.1), wird durch formale Spezifikation der Nebenbedingungen das Entscheidungsfeld modelliert (Abschnitt 2.1.2). Zur Konkretisierung des Entscheidungsziels werden Indikatoren identifiziert, mit denen es möglich ist, den Flexibilitätszuwachs der Berücksichtigung eines weiteren Schichtmusters zu messen (Abschnitt 2.1.3). Für das sich ergebende nichtlineare Planungsproblem wird in Abschnitt 2.2 ein heuristisches Lösungsverfahren vorgestellt. Die Eignung des vorgeschlagenen Planungsansatzes wird auf der Grundlage realer Daten einer Spedition und daraus abgeleiteter Szenarien getestet (Kapitel 3). Abschließend werden in Kapitel 4 die wesentlichen Ergebnisse des Beitrages zusammengefasst und sich daraus ergebende weiterführende Forschungsfragen identifiziert. 7 Vgl. Brusco/ Jacobs (1998), S. 518 ff.; Henderson/ Berry (1977), S. 243; Mabert/ Watts (1982), S. 524 ff.; McGinnis/ Culver/ Deane (1978), S. 8 ff.; Showalter/ Mabert (1988), S. 57 f. 8 Vgl. Henderson/ Berry (1976), S. 1375. 9 Vgl. z.B. Bard/ Purnomo (2005), S. 519 ff.; Desrochers/ Soumis (1989), S. 3 ff.; Easton/ Rossin (1991), S. 1444 ff.; Haase (1999), S. 6 ff.; Wan/ Bard (2007), S. 1038 ff. 10 Vgl. z.B. Bechtold/ Brusco (1994), S. 542; Brusco/ Jacobs (1998), S. 518 ff.; Henderson/ Berry (1976), S. 1374 f.; Henderson/ Berry (1977), S. 243 ff.; Mabert/ Watts (1982), S. 523 ff.; McGinnis/ Culver/ Deane (1978), S. 8 ff.; Showalter/ Mabert (1988), S. 57 f. <?page no="142"?> Days-off scheduling für Transportdienstleistungen im Straßengüterverkehr 135 2 Planungsansatz 2.1 Entscheidungsproblem 2.1.1 Annahmen Der Personaleinsatzplanung bei einem Transportdienstleister soll ein reduzierter flexibler Schichtmusterplan s.i sy zugrunde gelegt werden. Dieser Plan mit den Schichtmustern i ( i 1,..., I ) gibt an, in welcher Schicht s ( s 1,..., S ) ein Mitarbeiter, der nach dem Schichtmuster i eingesetzt wird, zur Erbringung von Arbeitsleistungen verfügbar/ nicht verfügbar ( s.i sy {0,1} ) ist. Zur Erstellung des Schichtmusterplanes werden Informationen über gesetzliche und freiwillige Arbeitszeitregeln, den Personalbedarf und die Personalverfügbarkeit herangezogen: Die EG-Verordnung 561/ 2006 Art. 6-9 schreibt die Einhaltung tagesbezogener, tagesübergreifender, wochenbezogener und wochenübergreifender Arbeitszeitregeln vor. Davon sind für das Days-off scheduling die wochenbezogenen und wochenübergreifenden Regeln relevant. Zusätzlich werden üblicherweise bei Transportdienstleistern aus Gründen der innerbetrieblichen Koordination und der Mitarbeiterzufriedenheit freiwillig weitere Arbeitszeitregeln beachtet. Details zu gesetzlichen und freiwilligen Arbeitszeitregeln sind in Abbildung 1 zusammengefasst. Der Personalbedarf ist für jede Schicht s durch statistische Kenngrößen (Mittelwert s , Standardabweichung s ) gegeben, die aus Vergangenheitsdaten ermittelt wurden. Für jede Schicht s ist die Anzahl s yi der grundsätzlich verfügbaren Mitarbeiter bekannt. Der Arbeitstag wird kompatibel zu den tagesbezogenen und -übergreifenden Arbeitszeitregeln in zwei Schichten à 4,5 h aufgeteilt 11 . Die restlichen Stunden des Tages sind dann Tagesruhezeiten und werden nicht explizit modelliert. Um die wochenübergreifenden Arbeitszeitregeln vollständig berücksichtigen zu können, umfasst der Planungshorizont die Wochen b ( b 1,..., B mit B 3 ) mit jeweils sieben Tagen, d.h. S 42 Schichten. 11 Der Umfang von 4,5 h ergibt sich aus den tagesbezogenen Lenk- und Ruhezeiten, die eine maximale Lenkdauer von 4,5 h und eine maximale Tageslenkzeit von 9 h vorschreiben. Somit werden durch diese Vergröberung die Freiheitsgrade der nachgeordneten tagesbezogenen Detailplanung nur soweit eingeschränkt, wie dies durch tagesübergreifende Arbeitszeitregeln erforderlich ist. <?page no="143"?> 136 Ralf Gössinger und Bastian Stahlbuck regulierte Arbeitszeitkomponente Umfang in Zeitstunden Umfang in Schichten à 4,5 h Modellparameter gesetzlich a) wöchentliche Lenkzeit 56 12 w b) zweiwöchentliche Lenkzeit 90 20 n c) reguläre Wochenruhezeit 45 4 k d1) Reduktion der Wochenruhezeit *) 24 2 r e) Abstand zwischen Wochenruhezeiten **) 144 12 w freiwillig f) wöchentliche Lenkzeit 27 6 v g) Abstand zwischen Wochenruhezeiten 24 2 j *) d2) Eine Reduktion ist höchstens einmal innerhalb von zwei Wochen möglich. d3) Eine Reduktion muss innerhalb von drei Wochen entweder durch eine verlängerte Tages- oder eine verlängerte Wochenruhezeit ausgeglichen werden. **) Regel e) ist restriktiver als a), so dass a) nicht modelliert werden muss. Abb. 1: Relevante Arbeitszeitregeln 2.1.2 Entscheidungsfeld Zur Generierung eines Schichtmusterplans s.i sy für das Days-off scheduling von Mitarbeitern im Straßengüterverkehr sind für jedes Schichtmuster mehrere Entscheidungsfragen zu beantworten: In welcher Schicht beginnt ( s.i xy 1 ) und endet ( s.i ry 1 ) der Einsatz? In welcher Schicht beginnt ( ( b) s.i rp 1 ) und endet ( ( b) s.i xp 1 ) in den einzelnen Wochen die Wochenruhezeit? In welcher Schicht welcher Woche erfolgt ( R.( b) i.d y 1 ) in welchem Umfang (Parameter i.d r ) eine Reduktion der Wochenruhezeit? In welcher Woche wird die reduzierte Wochenruhezeit kompensiert ( K.( b) i y 1 )? Das Entscheidungsfeld wird durch gesetzliche und freiwillige Arbeitszeitregeln, allgemeine Anforderungen an den Schichtmusterplan, Anforderungen an die Schichtmusterplangestaltung sowie die Wertebereiche der Entscheidungsvariablen beschränkt. Gesetzliche Arbeitszeitregeln: Regeln a, b, e) - Wochenruhezeit wird eingelegt: S (b) s.i s 1 rp 1 b, i - Beginn spätestens nach maximaler wöchentlicher Lenkzeit oder maximalem Abstand ( w 12 ) zur vorherigen Wochenruhezeit: <?page no="144"?> Days-off scheduling für Transportdienstleistungen im Straßengüterverkehr 137 s w s 1 (b) (b 1) (b) s.i s .i s .i s 1 w s s w rp xp rp mit 0s .i s .i xp xy b, s, i - Beginn spätestens nach maximaler zweiwöchentlicher Lenkzeit ( n 20 ): ( b 1) ( b 1) i i ( b 1) ( b 1) i i s n ( b) ( b 2) s.i s .i s 1 (2 v (k R K )) s 1 (b) s .i s s (2 v (k R K )) rp xp rp b 2, 3 , s, i Regeln c, d1, d2, d3) - Höchstens eine Reduktion der Wochenruhezeit: B D R.( b) i.d b 1 d 1 y 1 i - Reduktionsumfang ( i.d r {1, 2} ): D (b) R.(b) i.d i i.d d 1 R y r b, i - Kompensation, falls erforderlich: B B D K.( b) R.( b) i i.d b 1 b 1 d 1 y y i - Kompensation und Reduktion erfolgen nicht in derselben Schicht: D R.( b) K.( b) i.d i d 1 y y 1 b, i - Kompensationsumfang: (b) (b) K.( b) i i i K R y b, i - Ende der Wochenruhezeit ( k 4 ; ( b) i R ; (b) i K ): ( b) (b) i i (b) (b) s.i s (k R K ).i xp rp b, s, i <?page no="145"?> 138 Ralf Gössinger und Bastian Stahlbuck Freiwillige Arbeitszeitregeln: Regel f) wöchentliche Mindestarbeitszeit/ Mindestanzahl konsekutiver Schichten ( v 6 ): s v s 1 ( b 1) ( b) b s.i s .i s .i s 1 v s 1 v rp xp rp b, s, i Regel g) Abstand zwischen Wochenruhezeiten ( j 2 ): s j s v ( b) ( b 1) ( b 1) s.i s .i s .i s 1 v s s v rp xp rp b 1, 2 , s, i Allgemeine Anforderungen an den Schichtmusterplan: Der Personaleinsatz hat einen Beginn und ein Ende: S s.i s 1 xy 1 i S s.i s 1 ry 1 i Die letzte Wochenruhezeit beendet den Personaleinsatz: (B) s.i s.i xp ry i Der Schichtmusterplan ergibt sich aus der Summe der Einzelentscheidungen: B ( b) ( b) s.i s 1.i s.i s.i s.i s.i b 1 sy sy xy ry (xp rp ) s, i Anforderungen an die Schichtmusterplangestaltung: Schichtmuster unterscheiden sich: S s.i s.i s 1 sy sy 0 i,i i i Für Schichten mit einem Personalbedarf von s 0 existiert mindestens ein positiver Schichtmustereintrag ( = sehr große Zahl): I s.i s i 1 sy s <?page no="146"?> Days-off scheduling für Transportdienstleistungen im Straßengüterverkehr 139 Wertebereiche der Entscheidungsvariablen: s.i s.i xy , ry 0,1 s, i (b) (b) s.i s.i xp , rp 0,1 b, s, i R.(b) i.d y 0,1 b, i, d K.(b) i y 0,1 b, i 2.1.3 Entscheidungsziel Aus der Perspektive der Flexibilitätsorientierung ist es zweckmäßig, den Schichtmusterplan so zu generieren, dass einerseits das darauf aufbauende Days-off scheduling möglichst schnell auf Änderungen reagieren kann und andererseits der Handlungsspielraum der Personaleinsatzplanung möglichst wenig eingeschränkt wird. Die zuerst genannte Anforderung lässt sich durch eine Reduktion des Schichtmusterplans und die damit einhergehende Beschleunigung des Planungsprozesses realisieren. Hierzu ist die Beziehung zwischen Schichtmusteranzahl und Lösungsdauer auf der Grundlage großzahliger Modelltests zu analysieren und eine Höchstanzahl zu generierender Schichtmuster I festzulegen, bei der die Lösungsdauer gerade noch akzeptabel ist. Die zuletzt genannte Anforderung bezieht sich auf den Fit zwischen dem durch den Personalbedarfsverlauf induzierten Flexibilitätsbedarf und dem durch die berücksichtigten Schichtmuster generierten Flexibilitätsangebot. Der Flexibilitätsbedarf der Personaleinsatzplanung wird durch die Anzahl und Unterschiedlichkeit möglicher Bedarfssituationen bestimmt. Liegen Informationen zum Personalbedarf in der Form statistischer Kenngrößen vor (schichtbezogen: Mittelwert s , Standardabweichung s ; daraus abgeleitet planungshorizontbezogen: Mittelwert s ( ) , Standardabweichung s ( ) ), dann lassen sich die Tendenzaussagen treffen, dass bei gegebener Personalkapazität der Flexibilitätsbedarf im Planungshorizont um so höher ist, je größer der Mittelwert s ( ) und die Standardabweichung s ( ) sind, und in den einzelnen Schichten um so höher ist, je größer der Mittelwert s und die Standardabweichung s sind. Das Flexibilitätsangebot eines Schichtmusterplans ergibt sich aus der Anzahl an Bedarfssituationen, auf die er anwendbar ist. Es ist tendenziell um so höher, je mehr das in den einzelnen Schichten verfügbare Personal s yi durch positive Einträge s.i sy 1 genutzt werden kann und je unterschiedlicher die einzelnen Schichtmuster sind. <?page no="147"?> 140 Ralf Gössinger und Bastian Stahlbuck Ist der Schichtmusterplan auf alle gemäß der Informationen zum Bedarfsverlauf zu erwartenden Bedarfssituationen anwendbar, dann liegt der größtmögliche Fit zwischen Flexibilitätsbedarf und -angebot vor, d.h., die Flexibilität ist maximal. Aufgrund der mangelnden Abzählbarkeit möglicher Bedarfssituationen bietet sich eine Messung mit Hilfe von Flexibilitätsindikatoren an, die sich auf die Personalbedarfsüberdeckung in den einzelnen Schichten A und die Unterschiedlichkeit der einzelnen Schichtmuster H beziehen. Durch eine Überdeckung des Personalbedarfs s mit grundsätzlich verfügbarem Personal s yi wird Flexibilität aufgebaut, die es erlaubt, Bedarfsschwankungen zu handhaben, die über den Mittelwert hinausgehen. Soll ein bestimmter Anteil möglicher Bedarfssituationen handhabbar sein, dann ist bei einer größeren Standardabweichung s eine größere Überdeckung erforderlich als im umgekehrten Fall. Das grundsätzlich verfügbare Personal ist in einer Schicht s dann einsetzbar, wenn in mindestens einem Schichtmuster i ( i 1,..., I ) ein positiver Eintrag s.i sy 1 vorliegt. Da bei der Personaleinsatzplanung nicht jedes Schichtmuster herangezogen werden muss, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das verfügbare Personal einsetzbar ist, um so höher, je mehr Schichtmuster einen solchen Eintrag aufweisen. Damit wirkt eine Erhöhung des Anteils positiver Schichtmustereinträge pro Schicht flexibilitätssteigernd. Ein Indikator, der diese Zusammenhänge tendenziell erfasst, lässt sich in folgender Weise formulieren: A A s s min( ) mit A s s s I s s.i i 1 max 0; 1 1 yi 1 sy I Die Werte dieses Indikators sind somit abhängig von den kapazitativen Rahmenbedingungen, den auf einer übergeordneten Planungsebene festgelegten Werten für den Sicherheitsfaktor und der grundsätzlichen Personalverfügbarkeit s yi . Bedingt durch die Arbeitszeitregeln kann nur ein Teil der Einträge in einem Schichtmuster positiv sein. Um unter diesen Gegebenheiten möglichst viele Bedarfssituationen handhaben zu können, ist es vorteilhaft, wenn sich die positiven Einträge der einzelnen Schichtmuster auf unterschiedliche Schichten beziehen, so dass eine große Anzahl von Schichtmusterkombinationen eine Abdeckung des Nachfrageverlaufs erlaubt. Damit ist ein Schichtmusterplan bei gleicher Anzahl positiver Einträge um so flexibler, je größer die Heterogenität der Schichtmuster ist. Zur Heterogenitätsmessung kann ein Indikator herangezogen werden, der die Summe der absoluten Abweichungen zwischen den Schichtmustern mit der maximalen <?page no="148"?> Days-off scheduling für Transportdienstleistungen im Straßengüterverkehr 141 Anzahl an Abweichungen, die ohne Berücksichtigung der Arbeitszeitregeln möglich wären, relativiert: S I 1 I s.i s.i H s 1 i 1 i i 1 sy sy S I (I 1) Die Werte dieses Indikators sind somit unabhängig von den kapazitativen Rahmenbedingungen und damit dem Flexibilitätsbedarf. Da sich beide Flexibilitätsindikatoren auf unterschiedliche Sachverhalte beziehen, lässt sich für die flexibilitätsorientierte Generierung von Schichtmustern eine multivariate Zielfunktion begründen. Um das modellierte Entscheidungsproblem mit Standardsolvern lösen zu können und dabei Kompensationen zwischen den Indikatorwerten zu vermeiden, bietet es sich an, die Zielfunktion durch ein Kompromissmodell zu erfassen. Für die der Flexibilitätsorientierung zugrundeliegende Risikoaversion besitzt die Max-Min-Formulierung eine hohe Relevanz. Eine unterschiedlich große Bedeutung und/ oder problemspezifisch auftretende unterschiedliche Niveaus der Indikatorwerte (z.B. aufgrund der kapazitativen Rahmenbedingungen) lassen sich durch Gewichtung der Zielfunktionskomponenten mit 0 1 berücksichtigen: A H max min , (1 ) Bei einem -Wert von null kommt ausschließlich der Indikator H und bei einem -Wert von eins ausschließlich der Indikator A zur Anwendung. Der Wert, bei dem beide Indikatoren gleichhäufig maßgeblich für den Zielfunktionswert sind, ist problemabhängig zu bestimmen. 2.2 Lösungsverfahren Das formulierte Entscheidungsmodell beschreibt ein nichtlineares gemischtganzzahliges Programm. Aufgrund der Problemkomplexität ist nicht zu erwarten, dass bei realen Problemabmessungen eine exakte Lösung des Entscheidungsproblems in akzeptabler Zeit gefunden wird. Zur Erzeugung eines reduzierten Schichtmusterplans sollte deshalb eine Heuristik angewendet werden. Eine einfache Möglichkeit besteht darin, die einzelnen Schichtmuster sukzessive zu generieren und dem reduzierten Schichtmusterplan so lange hinzuzufügen, bis ein Abbruchkriterium erfüllt ist (vgl. Abbildung 2). Das Generieren eines weiteren Schichtmusters erfolgt aufbauend auf den bereits im Schichtmusterplan enthaltenen Schichtmustern durch eine Nachbarschaftssuche, bei der der beste Nachbar durch Lösen des Entscheidungsmodells mit dem <?page no="149"?> 142 Ralf Gössinger und Bastian Stahlbuck Branch-and-Bound-Verfahren ermittelt wird. Insgesamt umfasst das Lösungsverfahren zwei Schritte: Im ersten Schritt erfolgt die Ermittlung eines zulässigen Schichtmusterplans. Dabei werden sukzessive so lange Schichtmuster gebildet, die den Zielfunktionswert maximal verbessern, bis für alle Schichten mit positivem Personalbedarf mindestens ein positiver Schichtmustereintrag existiert. Bei der Durchführung des zweiten Schrittes werden zum vorläufigen Schichtmusterplan so lange Schichtmuster hinzugefügt, die den Zielfunktionswert maximal verbessern, bis die vorgegebene Anzahl zu generierender Schichtmuster erreicht ist. Abb. 2: Grobstruktur der Heuristik Durch die beschriebene Vorgehensweise wird ein Schichtmusterplan erzeugt, der für die vorgegebene Anzahl zu generierender Schichtmuster eine hohe Flexibilität aufweist. Die ausschließliche Suche nach dem besten Nachbar schließt jedoch eine Optimalitätsgarantie für die Lösung aus. Start Ermittle neues SM, das den ZF-Wert maximal verbessert Mindestabdeckung erfüllt? SM- Anzahl erreicht? Ermittle neues SM, das den ZF-Wert maximal verbessert SM-Plan ausgeben Stopp nein ja ja nein Initialisierung <?page no="150"?> Days-off scheduling für Transportdienstleistungen im Straßengüterverkehr 143 3 Numerische Analyse 3.1 Testaufbau In der numerischen Analyse wird den Fragen nachgegangen, [1] wie sich die Anzahl zu generierender Schichtmuster auf die Dauer, in der das vorgestellte Modell durch die vorgeschlagene Heuristik gelöst wird, und die Kosten des Personaleinsatzes (Modell siehe Anhang) auswirkt, und [2] welchen Einfluss die bei isolierter und kombinierter Anwendung der Flexibilitätsindikatoren erzeugten Schichtmuster auf den Mittelwert und die Streuung der Kosten des Personaleinsatzes haben. Zur Beantwortung der ersten Fragestellung wurde bei konstanter Personalverfügbarkeit ( s yi 40 ) die Anzahl zu generierender Schichtmuster I schrittweise variiert ( I {1,..., 30} ), wobei die Kombination der Flexibilitätsindikatoren ( 0, 06 ) 12 zur Anwendung gelangte und ein Sicherheitsfaktor für den Indikator A von 1 herangezogen wurde. Bei der zweiten Fragestellung wurden bei konstanter Anzahl der Schichtmuster ( I 24 ) 13 die in der Zielfunktion berücksichtigten Flexibilitätsindikatoren ( {0; 0, 06; 1} ) und die grundsätzliche Personalverfügbarkeit mit den Werten s yi {35, 40, 45} variiert. Den Tests liegen 4 Szenarien x.y SZ ( x {1, 2} , y {1, 2} ) mit unterschiedlicher Streuungscharakteristik zugrunde, die auf der Basis realer Auftragsdaten einer Spedition mit Hilfe von Zufallszahlen zweistufig erzeugt wurden: s.x ist eine Zufallszahl, die einer Normalverteilung mit den Parametern 25, 5 und s.x x c (mit x c {0,1; 0, 5} ) folgt. s.x.y wurde gemäß s.x.y y s.x c (mit y c {0,1; 0, 5} ) bestimmt. Die Nachfrage s.x.y d ist eine Zufallszahl, die einer Normalverteilung mit den Parametern s.x und s.x.y folgt. Für jedes Szenario (vgl. Abbildung 3) wurden Zufallswerte für 30 Bedarfssituationen ( S 42 ) simuliert. 12 Bei dem Wert 0, 06 bestimmen beide Indikatoren in den einzelnen Szenarien den Zielfunktionswert gleichhäufig. 13 Diese Anzahl ist ein Ergebnis der Analyse zur ersten Fragestellung. <?page no="151"?> 144 Ralf Gössinger und Bastian Stahlbuck Streuung im Planungshorizont x c 0,1 x c 0,5 Streuung in den Schichten y c 0,1 Szenario 1.1 Szenario 2.1 y c 0,5 Szenario 1.2 Szenario 2.2 Abb. 3: Testszenarien Im Kontext der ersten Fragestellung wurden mit dem vorgestellten Schichtmustergenerierungsmodell 30 Schichtmusterpläne je Szenario erzeugt. Mit dem Days-offscheduling-Modell wurden dann je Szenario 900 Testläufe durchgeführt. Für die zweite Fragestellung wurden 36 Schichtmusterpläne (isolierte und kombinierte Anwendung der Flexibilitätsindikatoren je Szenario und Personalverfügbarkeit) erzeugt, um dann mit dem Days-off-scheduling-Modell je Szenario 270 Testläufe durchzuführen. Beide Planungsmodelle wurden mit AIMMS 3.13 implementiert. Lösungen für das nichtlineare gemischt-ganzzahlige Schichtmustergenerierungsmodell wurden mit dem „AIMMS Outer Approximation Algorithm“ 14 erzeugt. Das Days-off-scheduling-Modell wurde mit dem Solver CPLEX 12.5 (Branch-and- Bound) gelöst. 3.2 Ergebnisse Abbildung 4 gibt die Ergebnisse der Tests zur ersten Fragestellung im Hinblick auf die Lösungsdauer bei der Schichtmustergenerierung wieder. Die Funktionsverläufe wurden mit hinreichender Bestimmtheit (heuristisch: 2 R 0, 712 ; exakt: 2 R 1, 000 ) durch einfache quadratische Regression der beobachteten Lösungsdauern geschätzt (unabhängige Variable: i ; abhängige Variablen: h Y , e Y ): h 2 Y 0,684 0, 578 i 0, 011 i e 2 Y 11, 740 22, 705 i 10, 995 i 14 Vgl. Duran/ Grossmann (1986), S. 309 ff. <?page no="152"?> Days-off scheduling für Transportdienstleistungen im Straßengüterverkehr 145 Abb. 4: Lösungsdauer in Abhängigkeit von der Schichtmusteranzahl (geschätzte Funktionen) Der Vergleich der Lösungsdauern zeigt, dass das exakte Verfahren (Branch-and- Bound) langsamer als das heuristische Verfahren ist. Die Bedingung, dass für alle Schichten mit positivem Personalbedarf mindestens ein positiver Schichtmustereintrag existiert (Mindestabdeckung) konnte bei den simulierten Daten ab einer Anzahl von 3 Schichtmustern erfüllt werden. Bei dieser Anzahl ist die Lösungsdauer des exakten Verfahrens bereits sehr hoch. Wie sich die Anzahl berücksichtigter Schichtmuster auf die Kosten des Personaleinsatzes auswirkt, ist in Abbildung 5 dargestellt. Die Funktion wurde im Bereich von 6 bis 30 Schichtmustern 15 mit hinreichender Bestimmtheit ( 2 R 0, 441 ) durch einfache inverse Regression geschätzt (unabhängige Variable: i ; abhängige Variable: Z ): 379753, 495 Z 113452, 775 i Tendenziell sinken die Gesamtkosten des Personaleinsatzes bei steigender Anzahl, wobei der Reduktionseffekt abnimmt. Ab einer Anzahl von 24 Schichtmustern ist der zu erwartende Reduktionseffekt durch Hinzunahme eines weiteren Schichtmusters kleiner als 0,5% und damit akzeptabel. 15 Erst ab einer Anzahl von 6 Schichtmustern wurde für jedes Szenario mindestens eine Lösung gefunden. 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 0 5 10 15 20 25 30 35 Lösungsdauer in Sekunden Anzahl der Schichtmuster heuristisch exakt <?page no="153"?> 146 Ralf Gössinger und Bastian Stahlbuck Abb. 5: Kosten des Personaleinsatzes in Abhängigkeit von der Schichtmusteranzahl (geschätzte Funktion) Die Ergebnisse zur Beantwortung der zweiten Fragestellung zeigen, dass die Flexibilitätsindikatoren und die Personalverfügbarkeit einen unterschiedlichen Einfluss auf die Mittelwerte der Personaleinsatzkosten haben (vgl. Abbildung 6): Heterogenität der Schichtmuster (H): Die Kostenunterschiede bei Variation der Szenarien und der Personalverfügbarkeit sind gering, und es zeigen sich homogene Kostenwirkungen. Mit zunehmender Personalverfügbarkeit nehmen in jedem Szenario die operativen Kosten tendenziell ab. Im Durchschnitt werden die niedrigsten Kosten in Szenario 2.2 und die höchsten Kosten in Szenario 1.1 erreicht. Szenario 2.1 geht mit niedrigeren Kosten als Szenario 1.2 einher. Überdeckung des Personalbedarfs (A): Bei Variation der Szenarien und der Personalverfügbarkeit treten größere Kostenunterschiede und heterogene Kostenwirkungen auf. In den Szenarien 2.1 und 2.2 nehmen die operativen Kosten mit zunehmender Personalverfügbarkeit ab, während in den Szenarien 1.1 und 1.2 keine eindeutige Tendenz feststellbar ist. Im Durchschnitt werden die niedrigsten Kosten in Szenario 2.2 und die höchsten Kosten in Szenario 1.1 erreicht. Die Kosten in den Szenarien 1.2 und 2.1 unterscheiden sich nur geringfügig. Max-Min-Kombination der Indikatoren (AH): Die durch Variation der Szenarien und der Personalverfügbarkeit auftretenden Kostenunterschiede sind mäßig, bei weitgehend homogenen Kostenwirkungen. In den meisten Szenarien (Ausnahme: Szenario 1.2) nehmen die operativen Kosten tendenziell ab, wenn die Personalverfügbarkeit zunimmt. Szenario 2.2 geht im Durchschnitt mit den niedrigsten Kosten, Szenario 1.1 mit den höchsten Kosten einher. In Szenario 2.1 werden niedrigere Kosten als in Szenario 1.2 erreicht. In der Gesamtsicht werden durch die Anwendung von Schichtmusterplänen, die ausschließlich auf der Basis des Indikators H erzeugt wurden, tendenziell die nied- 0 20000 40000 60000 80000 100000 120000 140000 160000 180000 200000 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 Personaleinsatzkosten Anzahl der Schichtmuster <?page no="154"?> Days-off scheduling für Transportdienstleistungen im Straßengüterverkehr 147 rigsten Personaleinsatzkosten erreicht. Die kombinative Anwendung beider Indikatoren bei der Schichtmustergenerierung induziert bei der Personaleinsatzplanung tendenziell die höchsten Kosten. Auf Veränderungen der Rahmenbedingungen (Bedarfsszenario, Personalverfügbarkeit) reagieren die Mittelwerte der Kosten bei Anwendung des Indikators H am geringsten und bei Anwendung des Indikators A am stärksten. Dadurch werden mit dem Indikator A in Situationen mit hoher Personalverfügbarkeit und hoher Bedarfsstreuung Mittelwerte der Kosten erzielt, die mit denen bei Anwendung des Indikators H vergleichbar sind. Abb. 6: Mittelwerte der Kosten des Personaleinsatzes <?page no="155"?> 148 Ralf Gössinger und Bastian Stahlbuck Die Analyse der Streuung der Personaleinsatzkosten (vgl. Abbildung 7) gibt vor dem Hintergrund der Streuung des Personalbedarfs als Inputparameter für die Tests Aufschluss über die Flexibilität der generierten Schichtmusterpläne. Ein Schichtmusterplan ist um so flexibler, je weniger sich die Streuung des Personalbedarfs in der Streuung der Gesamtkosten widerspiegelt. Bei dieser Analyse zeigt sich, dass die Flexibilitätsindikatoren und die Personalverfügbarkeit einen unterschiedlichen Einfluss auf die durch Variationskoeffizienten gemessene Streuung der Personaleinsatzkosten haben: Heterogenität der Schichtmuster (H): Die Werte der Variationskoeffizienten der operativen Kosten liegen höchstens geringfügig über 50% der Werte der Variationskoeffizienten des Personalbedarfs. Ihre Höhe wird durch Variation von Personalverfügbarkeit und Szenario teilweise relativ stark beeinflusst, wobei sich homogene Wirkungen zeigen. Mit zunehmender Personalverfügbarkeit nehmen die Variationskoeffizienten der operativen Kosten tendenziell ab. Sie sind in den Szenarien deutlich höher, in denen der Personalbedarf in den einzelnen Schichten einen hohen Variationskoeffizienten aufweist (Szenarien 1.2 und 2.2). Die Variationskoeffizienten des Personalbedarfs im Planungshorizont haben einen umgekehrten Einfluss: Wenn diese niedrig sind, haben die Variationskoeffizienten der operativen Kosten höhere Werte. Im Durchschnitt werden durch Szenario 1.2 die höchsten Variationskoeffizienten induziert. Überdeckung des Personalbedarfs (A): Bei Anwendung dieses Flexibilitätsindikators zur Schichtmustergenerierung wird die Streuung des Personalbedarfs so stark gedämpft, dass die Werte der Variationskoeffizienten der operativen Kosten höchstens 40% der Werte der Variationskoeffizienten des Personalbedarfs betragen. Die Variation von Personalverfügbarkeit und Szenario hat teilweise relativ starken Einfluss auf die Variationskoeffizienten, mit heterogenen Wirkungen. Die Erhöhung der Personalverfügbarkeit geht nur in den Szenarien 1.2 und 2.2 mit einer tendenziellen Reduktion der Variationskoeffizienten einher. In den anderen Szenarien ergibt sich diesbezüglich ein uneinheitliches Bild. Wie beim Indikator H sind die Variationskoeffizienten der operativen Kosten deutlich höher, wenn die Variationskoeffizienten des Personalbedarfs in den einzelnen Schichten hohe Werte aufweisen (Szenarien 1.2 und 2.2). Die Werte in den beiden anderen Szenarien sind ungefähr gleich. Die höchsten Variationskoeffizienten liegen im Durchschnitt in Szenario 1.2 vor, die niedrigsten in den Szenarien 1.1 und 1.2. Max-Min-Kombination der Indikatoren (AH): Durch Schichtmuster, die auf der Basis dieses Indikators generiert werden, werden die Personalbedarfsschwankungen höchstens mit etwas mehr als der Hälfte des Variationskoeffizienten auf die operativen Kosten übertragen. Werden die Personalverfügbarkeit und die Szenarien variiert, dann zeigen sich teilweise sehr starke Einflüsse auf die Variationskoeffizienten der Kosten, wobei die Wirkungen he- <?page no="156"?> Days-off scheduling für Transportdienstleistungen im Straßengüterverkehr 149 terogen sind. Die Werte nehmen in den Szenarien 1.1 und 2.2 mit zunehmender Personalverfügbarkeit tendenziell ab und weisen in den anderen Szenarien uneinheitliche Entwicklungen auf. Die Variationskoeffizienten des Personalbedarfs in den einzelnen Schichten haben den stärksten Einfluss auf die Variationskoeffizienten der Kosten (Szenarien 1.2 und 2.2), während die Personalbedarfsschwankungen im Planungshorizont mit uneinheitlichen Wirkungen einhergehen. Die höchsten Variationskoeffizienten ergeben sich durchschnittlich in Szenario 1.2, die niedrigsten in Szenario 2.1. Abb. 7: Streuung der Kosten des Personaleinsatzes <?page no="157"?> 150 Ralf Gössinger und Bastian Stahlbuck Insgesamt ist aus der Analyse der Streuung festzustellen, dass der Indikator A durchschnittlich mit der höchsten und der Indikator H mit der niedrigsten Flexibilitätswirkung einhergeht. Im Vergleich der Einzelwerte führt A stets zu niedrigeren Variationskoeffizienten als H. Im Vergleich der Indikatoren A und AH weist A tendenziell niedrigere Variationskoeffizienten auf, wenn die Streuung des Personalbedarfs in den einzelnen Schichten hoch ist (Szenario 1.2 und 2.2), wohingegen AH in den anderen Szenarien zumindest gleiche und teilweise niedrigere Variationskoeffizienten aufweist. Der Vergleich zwischen H und AH führt zu einer ähnlichen Einschätzung: Bei niedriger Streuung des Personalbedarfs in den einzelnen Schichten weist AH zumeist eine höhere Flexibilität auf, bei hoher Streuung gleichen sich die Flexibilitätsvorteile- und -nachteile zwischen H und AH ungefähr aus. Werden die Beobachtungen zu den Mittelwerten und Streuungen der Kosten des Personaleinsatzes zusammengeführt, dann lassen sich die folgenden tendenziellen Schlussfolgerungen ziehen: Erfolgt die Personaleinsatzplanung unter unterschiedlichen kapazitativen Rahmenbedingungen, die nicht hinreichend abzuschätzen sind, dann ist es zweckmäßig, den Indikator H aufgrund seiner Unempfindlichkeit gegenüber grundsätzlichen Änderungen zu wählen. Liegen kapazitative Rahmenbedingungen vor, bei denen von einer hohen Streuung des Personalbedarfs und einer hohen Personalverfügbarkeit ausgegangen werden kann, dann ist Indikator A zu wählen. Bei der kombinativen Anwendung beider Indikatoren liefern die Ergebnisse Hinweise auf Wirkungen die im Hinblick auf Kosten und Flexibilität zwischen denen bei isolierter Indikatoranwendung liegen. Da die kombinative Anwendung nur für einen möglichen Kompromiss getestet wurde ( 0, 06 ), sind weitere Analysen erforderlich, um diesen Hinweisen nachzugehen. 4 Abschließende Bemerkungen Den Ausgangspunkt der Überlegungen bildete die Besonderheit der Anwesenheitsplanung (Days-off scheduling) bei Transportdienstleistungen, dass die nutzbare Personalkapazität mit dem schwankenden -bedarf unter Berücksichtigung eines Geflechts an Arbeitszeitregeln zu synchronisieren ist. In dieser Situation ist die Anwendung vollständiger Schichtmusterpläne unzweckmäßig, weil sie eine lange Planungsdauer induziert und damit kurzfristige Reaktionen auf Nachfrageschwankungen erschwert. Zur Verkürzung der Personaleinsatzplanungsdauer wurden in der Literatur unterschiedliche Ansätze vorgestellt, mit denen eine Generierung reduzierter Schichtmusterpläne möglich ist. Dabei bleiben jedoch problemspezifische Flexibilitätsaspekte und Arbeitszeitregeln unberücksichtigt. <?page no="158"?> Days-off scheduling für Transportdienstleistungen im Straßengüterverkehr 151 Um diese Lücke zu schließen, wurde im vorliegenden Beitrag ein Modell zur Generierung reduzierter Schichtmusterpläne formuliert, das wochenbezogene und -übergreifende Vorschriften zu Lenk- und Ruhezeiten berücksichtigt. Die Flexibilitätsorientierung beruht dabei auf einer Zielfunktion mit Indikatoren, die problemrelevante Flexibilitätsaspekte messen. Zur modellgestützten Schichtmustergenerierung wurde eine Heuristik entworfen, die in akzeptabler Zeit gute Lösungen erzeugt. Hinweise auf die Eignung des vorgeschlagenen Planungsansatzes wurden durch eine numerische Analyse gewonnen. Dabei wurde deutlich, dass die einzelnen Indikatoren zwar Flexibilität aufbauen, aber unterschiedlichen Einfluss auf die Kosten und die Flexibilität der Days-off schedules haben, auf Datenänderungen unterschiedlich reagieren und deshalb entweder situationspezifisch zu wählen oder in der Zielfunktion kombinativ so zu verknüpfen sind, dass der für die Situation besonders geeignete Indikator den Zielfunktionswert maßgeblich bestimmt. Zukünftige Forschungsaktivitäten der Autoren beziehen sich in diesem Kontext auf die Verkürzung der Schichtmustergenerierungsdauer durch eine verbesserte Heuristik und eine Linearisierung der Modellformulierung und die verbesserte Parameterwahl bei kombinativer Verknüpfung der Flexibilitätsindikatoren. 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Proceedings of the 24th SGAI International Conference on Innovation Techniques and Applications of Artificial Intelligence (Al-2004), Cambridge, 13.-15.12.2004, hrsg. v. A. Macintosh, R. Ellis und T. Allen, London 2005, S. 95-106 Haase, K.: Retail Business Staff Scheduling under Complex Labor Regulations, Nr. 511 der Manuskripte aus den Instituten für Betriebswirtschaftslehre der Universität Kiel, Kiel 1999 Henderson, W.B.; Berry, W.L.: Heuristic Methods for Telephone Operator Shift Scheduling: An Experimental Analysis, in: Management Science, Vol. 22 (1976), S. 1372-1380 Henderson, W.B.; Berry, W.L.: Determing Optimal Shift Schedules for Telephone Traffic Exchange Operations, in: Decision Sciences, Vol. 8 (1977), S. 239-255 Kopfer, H.; Meyer, C.M.: Ein Optimierungsmodell für die wöchentliche Tourenplanung unter Einbeziehung der EU-Sozialvorschriften, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 80. Jg. 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Di Chio et al., Berlin/ Heidelberg 2012, S. 508-518 Li, C.; Robinson, E.P.; Mabert, V.A.: An Evaluation of Tour Scheduling Heuristics with Differences in Employee Productivity and Cost, in: Decision Sciences Journal, Vol. 22 (1991), S. 700-718 Mabert, V.A.; Watts, C.A.: A Simulation Analysis of Tour-shift Construction Procedures, in: Management Science, Vol. 28 (1982), S. 520-532 McGinnis, L.F.; Culver, W.D.; Deane, R.H.: Oneand Two-Phase Heuristics for Workforce Scheduling, in: Computers and Industrial Engineering, Vol. 2 (1978), S. 7-15 Musliu, N; Schaerf, A.; Slany, W.: Local Search for Shift Design, in: European Journal of Operational Research, Vol. 153 (2004), S. 51-64 Narasimhan, R.: An Algorithm for Multiple Shift Scheduling of Hierarchical Workforce on Four-Day or Three-Day Workweeks, in: INFOR, Vol. 38 (2000), S. 15-32 Showalter, M.J.; Mabert, V.A.: An Evaluation of a Full-/ Part-time Tour Scheduling Methodology, in: International Journal of Operations and Production Management, Vol. 8 (1988), S. 54-71 Stolletz, R.: Operational Workforce Planning for Check-in Counters at Airports, in: Transportation Research Part E (2010), Vol. 46 (2010), S. 414-425 Stolletz, R.; Brunner, J.O.: Fair Optimization of Fortnightly Physician Schedules with Flexible Shifts, in: European Journal of Operational Research, Vol. 219 (2012), S. 622-629 Thompson, G.M.: A Simulated-Annealing Heuristic for Shift Scheduling Using Noncontinuously Available Employees, in: Computers and Operations Research, Vol. 23 (1996), S. 275-288 Wan, L.; Bard, J.F.: Weekly Staff Scheduling with Workstation Group Restrictions, in: Journal of the Operational Research Society, Vol. 58 (2007), S. 1030-1046 <?page no="160"?> Days-off scheduling für Transportdienstleistungen im Straßengüterverkehr 153 Gesetzestexte und Normen Verordnung (EG) Nr. 561/ 2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.03.2006, zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/ 85 und (EG) Nr. 2135/ 98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/ 85 des Rates Anhang Dynamisches lineares gemischt-ganzzahliges Days-off-scheduling-Modell Zielfunktion: Minimierung der Kosten des Personaleinsatzes i i i min K k ym u.B.d.N. Erfüllung des Transportbedarfs: s s s s s 1 s 1 z x d s Der Personaleinsatz erfolgt gemäß Schichtmusterplan unter Berücksichtigung der Anzahl verfügbarer Mitarbeiter: s.i i i sy ym np s Es kann höchstens die Anzahl verfügbarer Fahrzeuge eingesetzt werden: s z nm s Es können höchstens so viele Fahrzeuge genutzt werden, wie Mitarbeiter eingesetzt sind: s s.i i i z sy ym s Wertebereiche der Entscheidungsvariablen: i ym 0 und ganzzahlig i s z 0 und ganzzahlig s <?page no="161"?> 154 Ralf Gössinger und Bastian Stahlbuck Symbole: d Transportbedarf i Index der Schichtmuster k Kostensatz für den Mitarbeitereinsatz nach einem Schichtmuster nm Anzahl verfügbarer Fahrzeuge np Anzahl verfügbarer Mitarbeiter s Index der Schichten sy Schichtmustereintrag x Ladevolumen des Fahrzeugs ym Anzahl der nach einem Schichtmuster eingesetzten Mitarbeiter z Anzahl eingesetzter Fahrzeuge <?page no="162"?> Hybride Leistungsbündel und Flexibilität - Entwicklung eines Fallbeispiels zur Ermittlung des Wertes von Flexibilität Johannes Keine genannt Schulte Inhalt 1 Hybride Leistungsbündel..................................................................156 1.1 Definition ..................................................................................................156 1.2 HLB-Lebenszyklus...................................................................................157 2 Flexibilität hybrider Leistungsbündel ...............................................158 2.1 Flexibilität und Unsicherheit ..................................................................158 2.2 Flexibilitätsoptionen hybrider Leistungsbündel ..................................159 2.3 Forschungslücke.......................................................................................160 3 Investitionsbewertung und hybride Leistungsbündel ......................160 3.1 Abgrenzung finanzieller und realer Optionen.....................................161 3.2 Reale Optionen für hybride Leistungsbündel......................................161 3.3 Net Present Value-Verfahren zur Investitionsbewertung .................162 3.4 Erweiterung um den Realoptions-Ansatz ............................................163 3.5 Alternative Ansätze zur Berücksichtigung von Flexibilität ...............165 4 Fallbeispiel.........................................................................................166 4.1 Modellierung und Analyse ......................................................................167 4.2 Implikationen und Erkenntnisfortschritt .............................................180 5 Zusammenfassung und Ausblick auf zukünftige Forschung ........... 181 Danksagung ................................................................................................ 181 Literatur .......................................................................................................182 <?page no="163"?> 156 Johannes Keine genannt Schulte 1 Hybride Leistungsbündel 1.1 Definition Im Maschinen- und Anlagenbau ist traditionell die Trennung von Produkten und Dienstleistungen vorherrschend. Geht eine Anbieter-Kunden-Beziehung nicht über einen transaktionalen Kauf von Sachleistungen und ergänzenden Dienstleistungen hinaus, so wird vernachlässigt, dass ein bedeutender Anteil am Unternehmenserfolg (im Maschinen- und Anlagenbau) über strategische Service-Verträge erzielt wird 1 . So wird zum Teil mehr als die Hälfte des Ertrages über Serviceleistungen generiert 2 . Weiter sind niedrige Margen im klassischen Produktverkauf zu beobachten, die teilweise nur 1-2% des Umsatzes betragen 3 , wohingegen im Servicegeschäft deutlich höhere Margen erzielbar sind. Dem traditionellen Vorgehen im Maschinen- und Anlagenbau liegt ein Managementhandeln zugrunde, das von reaktiven Leistungen im Servicebereich profitiert. Anreize für ein aktives, steuerndes Verhalten werden nicht gesetzt. Hybride Leistungsbündel (HLB) heben diese Trennung von Produkten und Dienstleistungen auf. HLB - integriert entwickelte Kombinationen von Sach- und Dienstleistungen - orientieren sich am Kundennutzen, entstehen in Kooperation zwischen den beteiligten Parteien und sind mit dynamischen Veränderungen konfrontiert 4 . Eine wichtige Abgrenzung zum ursprünglichen Leistungsbündelbegriff 5 ist eine vorgesehene Substitutionsmöglichkeit. Diese Substitutionsmöglichkeit wird als eine grundsätzliche Möglichkeit des Austausches tangibler Bestandteile (Sachleistung) durch intangible Bestandteile (Dienstleistung) beschrieben. Dabei ist notwendige Voraussetzung, dass die benötigte Funktion auch nach dem Austausch erfüllt werden kann 6 . HLB befähigen ein anbietendes Unternehmen, zusätzliche Potentiale, die sich aus der Kooperation zwischen Anbieter und Kunde ergeben, zu generieren und zum Nutzenvorteil des Kunden verfügbar zu machen 7 . Somit sind HLB ein Mittel zur langfristigen Bindung des Kunden an das anbietende Unternehmen. Diese Langfristigkeit macht eine lebenszyklusorientierte Betrachtung von HLB notwendig. 1 Vgl. Keine et al. (2012). 2 Vgl. Glueck/ Koudal/ Vaessen (2007); Koudal (2006). 3 Vgl. Cohen/ Agrawal/ Agrawal (2006); Gebauer (2008). 4 Vgl. Meier/ Uhlmann/ Kortmann (2005). 5 Vgl. z.B. Engelhardt/ Kleinaltenkamp/ Reckenfelderbäumer (1993). 6 Vgl. Uhlmann/ Bochnig (2012). 7 Vgl. Keine et al. (2012). <?page no="164"?> Hybride Leistungsbündel und Flexibilität 157 1.2 HLB-Lebenszyklus Der Lebenszyklus für HLB wurde durch Meier et al. (2011) definiert. Die folgenden fünf Phasen sind zu unterscheiden 8 : Planung: Die Planungsphase beginnt mit dem initialen Zusammentreffen zwischen dem künftigen HLB-Anbieter und dem HLB-Kunden und dient der Bestimmung der Kundenanforderungen. Entwicklung: Im Mittelpunkt der Entwicklungsphase steht die kundenindividuelle Erstellung eines spezifischen HLB-Konzeptes 9 , das eine vorläufige Bestimmung der benötigten Sach- und Dienstleistungsbestandteile beinhaltet. Implementierung: Das in der Entwicklungsphase erstellte HLB-Konzept wird in der Implementierungsphase auf technischer Ebene beim Kunden umgesetzt. Die Leistungsbereitschaft der Dienstleistungsbestandteile wird hergestellt, so dass sie in der Erbringungsphase abrufbar sind. Betrieb: Die Betriebsphase ist die zeitlich längste Phase des HLB-Lebenszyklus, in der Veränderungen und Anpassungen der ursprünglich vereinbarten HLB-Konfiguration berücksichtigt werden müssen. Die in der vorherigen Implementierungsphase bereitgestellten Sachleistungsbestandteile werden im Rahmen der laufenden Produktion genutzt und durch Dienstleistungsbestandteile nutzenstiftend ergänzt. Auflösung: Den Abschluss des HLB-Lebenszyklus bildet die Auflösung der gesamten Geschäftsbeziehung 10 . Abbildung 1 zeigt den HLB-Lebenszyklus grafisch: 8 Vgl. Meier et al. (2011). 9 Vgl. Sadek/ Welp (2009). 10 Vgl. Keine/ Steven (2012). <?page no="165"?> 158 Johannes Keine genannt Schulte Abb. 1: HLB-Lebenszyklus 11 Der Lebenszyklus eines HLB ist auf circa fünfzehn bis zwanzig Jahre ausgerichtet 12 . Veränderungen der Ausgangsbedingungen treten im Laufe des Lebenszyklusses auf und machen flexible Anpassungsmaßnahmen des hybriden Leistungsbündels notwendig. Dabei muss eine solche Lebenszyklusorientierung die Möglichkeit einer Reaktion auf veränderte Bedingungen berücksichtigen. Diese Dynamik wirkt sich auf die vorzuhaltende Flexibilität eines hybriden Leistungsbündels aus und ist bereits bei der Planung und Entwicklung eines kundenindividuellen HLBs zu berücksichtigen. 2 Flexibilität hybrider Leistungsbündel Im Folgenden werden die Begriffe Flexibilität und Unsicherheit im HLB-Kontext erläutert. Im Anschluss wird verdeutlicht, warum Flexibilität als Mittel zum Umgang mit Unsicherheit Verwendung findet. 2.1 Flexibilität und Unsicherheit Zur langfristigen Sicherstellung eines erfolgreichen Angebots von HLB ist die Fähigkeit zu einer schnellen und wirtschaftlichen Reaktion auf veränderte Umwelt- 11 In Anlehnung an Meier/ Uhlmann (2012). 12 Vgl. Erkoyuncu et al. (2011). HLB- Betrieb HLB- Entwicklung HLB- Implemen -tierung HLB- Planung HLB- Auflösung <?page no="166"?> Hybride Leistungsbündel und Flexibilität 159 zustände erforderlich. Flexibilität ist die Fähigkeit eines Systems (in diesem Falle eines HLB), auf Störungen und/ oder Veränderungen des Ausgangszustandes schnell und wirtschaftlich zu reagieren 13 . Die Notwendigkeit von Flexibilität für hybride Leistungsbündel besteht bereits zu Beginn einer HLB-Anbieter- Kundenbeziehung. Dass eine flexible Anpassung an veränderte Bedingungen im Zeitverlauf notwendig wird und welche technischen oder organisatorischen Möglichkeiten problemadäquat sind, kann bereits in diesem frühen Zeitpunkt der Geschäftsbeziehung erörtert werden. Die Planung einer flexiblen Lösung und ob diese zu Beginn der Betriebsphase zur Verfügung stehen soll, ist in Abhängigkeit von der erwarteten Unsicherheit zu treffen. Eine Möglichkeit ist, dass eine flexible Lösung von vornherein zu implementieren ist. Dieser Möglichkeit liegt ein proaktives Flexibilitätsverständnis zugrunde. Eine zweite Möglichkeit ist hingegen eine starre Erstkonfiguration eines hybriden Leistungsbündels mit nachträglicher Erarbeitung einer flexiblen Gestaltung des zugrundeliegenden HLBs 14 , was einem reaktiven Flexibilitätsverständnis entspricht. Dabei ist Flexibilität in Organisation, Produktion und Dienstleistungsbereitstellung eine Voraussetzung für eine erfolgreiche integrierte Entwicklung, Planung, Implementierung und den Betrieb eines hybriden Leistungsbündels. Die Bereitstellung und Nutzung von Flexibilität gewinnt mit zunehmender Dauer einer Geschäftsbeziehung an Bedeutung. Dies wirkt sich auf die technologische Planung und Umsetzung notwendiger Flexibilität und auf deren betriebswirtschaftliche Planung, Steuerung und Kontrolle aus. In diesem Zusammenhang ist bereits zu Planungsbeginn zwischen technologischer und ökonomischer Unsicherheit zu unterscheiden. Technologische Unsicherheit kann durch Investitionen in Forschung und Entwicklung verringert werden. Dies geschieht beispielsweise durch neue Technologien sowie durch Machbarkeitsstudien, die Aufschluss über Erfolgsmöglichkeiten geben 15 . Unsicherheit über Märkte, Stakeholder u.a. wird als ökonomische Unsicherheit verstanden, die nur wenig zu beeinflussen ist. Die Interpretation von Flexibilität als zusätzliche Option zu einer frühzeitigen (Re-) Aktion auf Unsicherheit aufgrund veränderter Anforderungsprofile eröffnet Spielraum zur Darstellung in Form monetärer Größen und wird im folgenden Abschnitt erläutert. 2.2 Flexibilitätsoptionen hybrider Leistungsbündel Eine anfänglich erstellte HLB-Konfiguration unterliegt Veränderungen im Zeitverlauf. Im Normalfall des HLB-Betriebes sind somit kundenseitige Veränderungs- 13 Vgl. Balzer (2011). 14 Vgl. Steven/ Alevifard/ Keine (2011). 15 Vgl. Carlsson et al. (2007). <?page no="167"?> 160 Johannes Keine genannt Schulte wünsche und Anpassungsmaßnahmen zu erwarten 16 . Die Möglichkeit, auf zukünftige Veränderungen von Kundenbedarfen zu reagieren - basierend auf Flexibilität - wird als Flexibilitätsoption verstanden. Eine Flexibilitätsoption ist eine geplante oder vorkonfigurierte Gestaltungsmöglichkeit eines hybriden Leistungsbündels, die eine Veränderung des ursprünglich konfigurierten HLBs unter Berücksichtigung eines erforderlichen Nutzenniveaus zulässt. Eine solche Option hilft, auf den offensichtlich gewordenen Flexibilitätsbedarf zu reagieren. Flexibilitätsoptionen bieten konkrete Handlungsmöglichkeiten, welche am HLB technisch und/ oder organisatorisch zu implementieren sind. Die monetären Auswirkungen unterschiedlich flexibler Lösungen werden durch eine eindeutige Formulierung und Bewertung von Flexibilitätsoptionen erfasst. Dadurch leisten konkrete Flexibilitätsoptionen einen Beitrag zur zielgerichteten Gestaltung eines hybriden Leistungsbündels. 2.3 Forschungslücke Die Berücksichtigung von Flexibilität im Rahmen hybrider Leistungsbündel wurde in der betriebswirtschaftlichen Forschung insbesondere von Steven et al. (2008), Rese, Karger und Strotmann (2009), Karger et al. (2010) sowie Richter, Sadek und Steven (2010) untersucht. Dabei wurden grundsätzliche Fortschritte in der Berücksichtigung von Flexibilität bei hybriden Leistungsbündeln erzielt, die u.a. entscheidungs- und vertragstheoretische Methoden umfassen. Die genannten Ansätze sind in der Regel nicht dynamisch und vernachlässigen den Einfluss einer Vielzahl aufeinander wirkender Unsicherheitsfaktoren oder Wirkbeziehungen zwischen Leistungsbestandteilen. Die Resultate dieser Ansätze sind als Entscheidungsgrundlage nicht ausreichend 17 . Dieser Beitrag stellt einen Ansatz zur monetären Bewertung einer HLB-Konfiguration mit Flexibilitätsoptionen vor, der eine ausdrückliche Bewertung auf Basis des Realoptions-Ansatzes vornimmt. Es wird ein Fallbeispiel vorgestellt, das einen betriebswirtschaftlichen Vergleich inklusive Bewertung ausgesuchter Flexibilitätsoptionen zur Erreichung eines gegebenen Ziels ermöglicht und verschiedene Unsicherheiten berücksichtigt. 3 Investitionsbewertung und hybride Leistungsbündel In Anschluss an eine kurze Abgrenzung von finanziellen und realen Optionen erfolgt eine Konkretisierung letzterer in Bezug auf hybride Leistungsbündel. Als Vorbereitung der Analyse in Kapitel 4 wird zunächst das Net-Present-Value- Verfahren erläutert. Den Abschluss des Kapitels bildet eine Erweiterung um den Realoptions-Ansatz. 16 Vgl. Miller/ Waller (2003); Rese/ Karger/ Strotmann (2009). 17 Vgl. Keine et al. (2013). <?page no="168"?> Hybride Leistungsbündel und Flexibilität 161 3.1 Abgrenzung finanzieller und realer Optionen Optionen im Bereich der Wirtschaftswissenschaften sind allgemein definiert als eine Möglichkeit, ein materielles oder immaterielles Objekt entweder zu kaufen oder zu verkaufen, wobei ein vorab festgelegter Preis existiert und die jeweilige Option während eines Zeitraums oder zu einem Zeitpunkt in Anspruch genommen werden kann 18 . Der Optionswert wird in unterschiedlichen Zeitpunkten unter abweichenden Bedingungen bestimmt. Die Bewertung finanzieller Optionen und die Bewertung realer Optionen sind sich im Grundsatz ähnlich. Besonderheiten und Unterschiede, die letztlich zu einer Eigenständigkeit beider Optionsarten führen, liegen besonders in der Kapitalmarktorientierung von finanziellen Optionen, womit eine finanzielle Option ein am Kapitalmarkt handelbares Objekt ist. Im Gegensatz zu finanziellen Optionen beschäftigen sich Realoptionen mit der Bewertung nicht-finanzieller Vermögenspositionen 19 , so dass ihr Anwendungsbereich industrielle Investitionsprojekte abdeckt. 3.2 Reale Optionen für hybride Leistungsbündel Um auf veränderte Bedingungen zu reagieren, sind unterschiedliche Entscheidungen zu verschiedenen Zeitpunkten notwendig. Realoptionen lassen die Berücksichtigung einer solchen Entscheidungsflexibilität zu. Des Weiteren kann die Verwendung des Realoptions-Ansatzes den Entscheidungsprozess unterstützen. Bei einer realen Option handelt es sich um einen Handlungsspielraum mit Bezug auf reale Aktiva 20 . Ein reales Aktivum ist beispielsweise eine Maschine 21 . HLB sind dem Maschinen- und Anlagenbau zuzuordnen und der Absatz einer Sachleistung, die als reales Aktivum zu verstehen ist, ist Teil eines hybriden Leistungsbündels. Daraus folgt, dass eine geplante Option auf die Erweiterung ausgewählter Bestandteile des HLBs, z.B. einer eingesetzten Maschine und substituierbaren Dienstleistungen, eine reale Option auf einen Vermögensgegenstand darstellt. In einer Geschäftsbeziehung zwischen HLB-Anbieter und HLB-Kunde sind Realoptionen amerikanischer Prägung als Regelfall anzusehen. Diese Optionsart ermöglicht das Ziehen der vereinbarten Option zu jedem Zeitpunkt vor Fälligkeit. Damit ist eine amerikanische Option typisch für hybride Leistungsbündel, weil diese flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren können und somit das gegebene Nutzenversprechen einlösen. Die folgende Auswahl konkretisiert, welche Realoptionen für HLB relevant sind: 18 Vgl. Kumar/ Turner (2006). 19 Vgl. Kumar/ Turner (2006). 20 Vgl. Meise (1998). 21 Vgl. Möller (2008). <?page no="169"?> 162 Johannes Keine genannt Schulte Beibehaltung der ursprünglichen HLB-Konfiguration: Die ursprüngliche HLB-Konfiguration, welche in HLB-typischer Kooperation gemeinsam entwickelt wurde, kann (mindestens) mittelfristig beibehalten werden, wenn die Anforderungen des Kunden beziehungsweise des Marktes dies zulassen. Diese Option kann vom Kunden gezogen werden. Der Kunde ist Käufer, der Anbieter ist Verkäufer der Option. Aufnahme zusätzlicher Forschungs- und Entwicklungstätigkeit während der Betriebsphase des hybriden Leistungsbündels: Haben sich die Kundenanforderungen z.B. aufgrund eines erhöhten Absatzpotentials verändert, besteht die Möglichkeit einer Zusatzinvestition in weitere Forschung und Entwicklung zur Befriedigung der gestiegenen Nachfrage. Die Option kann vom Kunden gezogen werden. Der Kunde ist Käufer, der Anbieter ist Verkäufer der Option und zuständig für Forschung und Entwicklung. Abbruch der HLB-Geschäftsbeziehung: Diese Option kann vom HLB- Anbieter oder HLB-Kunden gezogen werden, wenn die jeweiligen Erwartungen nicht erfüllt werden. Zeigt sich, dass das vorgesehene HLB nicht wirtschaftlich zu erbringen ist oder die erwarteten Preis- und Absatzentwicklungen nicht erfolgversprechend sind, ist der Abbruch einer HLB- Geschäftsbeziehung zu erwägen. Diese Abbruch-Option ist in jedem Zeitpunkt vorhanden. Wie in Steven, Keine und Alevifard (2012), Steven und Soth (2010), Steven, Soth und Wasmuth (2009) sowie Soth (2011) gezeigt werden konnte, ist eine anbieterseitige, langfristige und proaktive Steuerung des HLB über den Lebenszyklus erforderlich. Die Weiterentwicklung der Anwendung von Realoptionen zur Bewertung von Flexibilitätsoptionen ermöglicht eine verbesserte Steuerung von HLB. Die beschriebenen HLB-Realoptionen dienen als Grundlage der Analyse im vierten Kapitel. In den folgenden Abschnitten werden die Verfahren vorgestellt, die die Analyse in Kapitel 4 methodisch unterstützen. 3.3 Net Present Value-Verfahren zur Investitionsbewertung Der Net Present Value (NPV) ist das gegenwartsorientierte Ergebnis der investitionstheoretischen Kapitalwertmethode (Discounted-Cashflow-Verfahren). Das NPV-Verfahren nimmt eine Bestimmung des Gegenwartswertes zukünftiger Zahlungsströme vor, greift auf eine vorab festgelegte Informationsmenge als Entscheidungsgrundlage zurück 22 und diskontiert die jeweiligen Zahlungsströme, um den Gegenwartswert zu ermitteln. Unsicherheiten werden in der Regel durch hohe Abzinsung berücksichtigt, was zu verzerrten Ergebnissen führen kann. Diese Zeitpunktbetrachtung kann um eine Berücksichtigung von Unsicherheit ergänzt wer- 22 Vgl. Kumar/ Turner (2006); Mbuthi (o.J.). <?page no="170"?> Hybride Leistungsbündel und Flexibilität 163 den, indem eine n-große Anzahl an Wiederholungen von Zufallsexperimenten mit Hilfe einer Monte-Carlo-Simulation durchgeführt wird 23 . Der grundlegend statische Charakter des NPV verändert sich dadurch nicht, weil die Entscheidungsinformationen im Vorhinein festgelegt werden. Schlussfolgerung eines positiven NPV ist, das die Durchführung des Investitionsprojektes zu einem besseren Ergebnis führt, als am Kapitalmarkt mit dem zugrundeliegenden Investitionsbetrag zu erzielen gewesen wäre 24 . Flexibilität im strategischen Entscheidungsprozess wird in diesem Verfahren nicht ausdrücklich berücksichtigt 25 , weil beispielsweise die Durchführung einer Investition in einem späteren Zeitpunkt nicht vorgesehen ist. Es wird deutlich, dass die Kapitalwertmethode u.a. Beeinflussungsmöglichkeiten während der Laufzeit eines Investitionsprojektes nicht systematisch erfasst. Dies führt zu einer Einschränkung des Handlungsspielraums, kann aber durch eine ergänzende Anwendung von Realoptionen um jene Flexibilität ergänzt werden. Werden interne und externe Beeinflussungsfaktoren nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt, dann wird von u.a. Marktunsicherheiten abstrahiert, was für eine reale Anwendung des Verfahrens zu strategischen Fehlentscheidungen führen kann. Wird demnach der Handlungsspielraum des Management von vornherein eingeschränkt und somit Unsicherheiten nicht ausreichend berücksichtigt, dann würde die alleinige Anwendung dieses Verfahrens zu einer Unterbewertung der geplanten Investition führen 26 . In Erweiterungen des NPV-Verfahrens werden Unsicherheiten verstärkt berücksichtigt, indem beispielsweise die jeweiligen Erwartungswerte oder Sicherheitsäquivalente an die umgebende Unsicherheit angepasst werden. 3.4 Erweiterung um den Realoptions-Ansatz Im Rahmen des Realoptions-Ansatzes werden Optionen zu unterschiedlichen Zeitpunkten explizit betrachtet. Es wird also möglich, in verschiedenen Zeitpunkten eine Bewertung der Investition vorzunehmen und damit veränderte Bedingungen zu berücksichtigen. Dadurch werden Risiken und Unsicherheit in die Betrachtung aufgenommen und Flexibilität kann auf betriebswirtschaftlicher Ebene integriert und bewertet werden. Copeland und Antikarov (2003) haben ein vierstufiges Verfahren entwickelt, das sich dieser Problematik annimmt. Diese - auch in der Praxis erfolgreich angewendete - vierstufige Methodik 27 wird im Folgenden für den Fall hybrider Leistungs- 23 Vgl. Suttinon/ Nasu (2010). 24 Vgl. Rese/ Karger/ Strotmann (2009). 25 Vgl. Kumar/ Turner (2006). 26 Vgl. Meise (1998). 27 Vgl. Copeland/ Antikarov (2003). <?page no="171"?> 164 Johannes Keine genannt Schulte bündel in seiner separierenden Version konkretisiert. Diese Methodik nimmt eine separierte Betrachtung möglicher Unsicherheitsquellen vor, die die Komplexität auf ein akzeptables Maß begrenzt. Bei dem Verfahren von Copeland und Antikarov wird sowohl der NPV bestimmt als auch eine Realoptionsbewertung mit Berücksichtigung von Flexibilitätsoptionen durchgeführt. Im 1. Schritt erfolgen zunächst die Modellierung auftretender Unsicherheiten und der Aufbau von Ereignisbäumen. Diese nehmen sämtliche möglichen Pfadbewegungen auf und führen in jedem Knoten zu verschiedenen Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Im Anschluss (2. Schritt) wird der jeweilige NPV der zugrundeliegenden Alternativen berechnet. Dabei kommen risikoneutrale Wahrscheinlichkeiten und der risikofreie Zins zum Einsatz, um endgültige Zahlungsströme rückwirkend zu diskontieren. Der 3. Schritt umfasst die Aufnahme von Entscheidungsalternativen und Flexibilitätsoptionen. Im 4. Schritt erfolgt abschließend die Neubewertung der Alternativen unter Berücksichtigung von Flexibilität. Hierbei wird eine rückwärtsgerichtete Kalkulation der Gegenwartswerte mit der jeweilig optimalen Entscheidung in einem Knotenpunkt vorgenommen. Das Vorliegen von Flexibilitätsoptionen wird aktiv berücksichtigt und in Form von Realoptionen integriert 28 . Mittels Anwendung beider Ansätze wird eine inflexible und eine flexible Variante eines Investitionsprojektes in verschiedenen Zeitpunkten analysiert, wodurch der Wert einer Flexibilitätsoption offensichtlich wird 29 . Werden lange Lebenszyklen betrachtet, müssen Anpassungen - auch in der Bewertung des Investitionsprojektes - vorgenommen werden. Das heißt, dass vorherige Entscheidungen über die Art der Durchführung eines Investitionsprojektes in späteren Entscheidungszeitpunkten zu überprüfen sind. Haathela (2010) kritisiert, dass eine Verzerrung der geschätzten Volatilität zu erwarten ist. Eine daraus folgende Ergebnisverzerrung ist vertretbar, solange von Unsicherheit der Umweltzustände auszugehen ist. Ist von vornherein klar, dass das Ergebnis nicht verzerrungsfrei ist, so wird dieses Ergebnis auch im Entscheidungsprozess nicht als solches behandelt, d.h., es wird nur unter Berücksichtigung dieser Schwachstelle weitere Verwendung finden. Verzerrte Ergebnisse sind beispielsweise mit einer Sensitivitätsanalyse auf Robustheit zu prüfen. Dieses Problembewusstsein verdeutlicht, dass sich die jeweiligen Entscheidungsträger einer unsicheren Umwelt bewusst sind und Abweichungen vom berechneten Ergebnis Einfluss auf den Entscheidungsfindungsprozess haben. Es wird deutlich, dass ein hybrides Leistungsbündel - unterstützt durch flexible Handlungsmöglichkeiten - auf eben diese Verzerrungen und Anpassungsnotwendigkeiten reagieren kann. Dies unterstützt ein aktives Management, weil sich die Entscheidungsträger einer nicht perfekten Lösung bewusst sind. Daraus ergeben sich nicht nur Risiken, sondern immer auch Chancen, da Handlungsspielräume bewusst zu gestalten und Teil des Entscheidungsfindungs- 28 Vgl. Copeland/ Antikarov (2003); Keine et al. (2013). 29 Vgl. hierzu auch Rese/ Karger/ Strotmann (2009). <?page no="172"?> Hybride Leistungsbündel und Flexibilität 165 prozesses sind. Mittels dieser Gestaltung von Handlungsspielräumen können Kreativität und Bereitschaft des Personals für innovative Lösungen kanalisiert und Erfolgspotentiale ausgeschöpft werden. 3.5 Alternative Ansätze zur Berücksichtigung von Flexibilität Als mögliche Alternativen zur Berücksichtigung und Messung von Flexibilität werden die folgenden Ansätze diskutiert sowie begründet, warum die Entscheidung zugunsten des separierenden Verfahrens nach Copeland und Antikarov getroffen wurde. Zunächst wird die konsolidierende Variante des vierstufigen Verfahrens nach Copeland und Antikarov erläutert. Copeland und Antikarov diskutieren, neben dem separierenden Verfahren, den sogenannten konsolidierenden Ansatz zur Bestimmung des Wertes von Flexibilität unter Unsicherheit 30 . Dieser Ansatz nimmt eine Berücksichtigung einer Vielzahl von Unsicherheitsformen vor. Die hiermit einhergehende Komplexitätserhöhung wird wiederum im Sinne einer praktischen Anwendbarkeit reduziert, indem verschiedene Unsicherheitsformen zusammengefasst und als eine Unsicherheitsform behandelt werden. Liegen jedoch unberücksichtigte Interdependenzen vor, so kann dieses Vorgehen zu Fehlentscheidungen führen, weshalb es nur mit Hilfe von in der einschlägigen Literatur diskutierten Erweiterungen zu empfehlen ist 31 . Eine weitere Alternative zur Flexibilitätsmessung - ebenfalls basierend auf Realoptionen - wird von Abele, Liebeck und Wörn (2006) vorgeschlagen. Ihre Methode wendet die Black-Scholes-Formel 32 im Rahmen von Produktionssystemen an und untersucht den Beitrag von Flexibilität zur Wertgenerierung 33 . Diese Alternative wird nicht auf hybride Leistungsbündel angewendet, da lediglich eine Unsicherheitsform Berücksichtigung findet und zudem reine Produktionssysteme im Fokus stehen 34 . Des Weiteren werden in der Literatur Möglichkeiten zur Flexibilitätsmessung vorgeschlagen, die auf der Potential-, Prozess- und Ergebnisebene basieren. Dies wird beispielsweise im Rahmen von Produktionsanläufen diskutiert 35 . Verfahren dieser Art werden im Rahmen dieses Beitrags nicht weiter erörtert, da der dortige Fokus 30 Vgl. hierzu Copeland/ Antikarov (2003). 31 Vgl. Keine et al. (2013). 32 Vgl. Black/ Scholes (1973). 33 Vgl. Abele/ Liebeck/ Wörn (2006). 34 Vgl. hierzu Keine et al (2013). 35 Vgl. hierzu z.B. Gössinger/ Lehner (2009). <?page no="173"?> 166 Johannes Keine genannt Schulte auf Produktionsanläufen liegt und der HLB-Lebenszyklus somit nur mit Modifikationen aufzunehmen ist. Im Rahmen zukünftiger Forschung kann dies eine Erweiterung im Hinblick auf die Messung von Flexibilität hybrider Leistungsbündel zu Beginn der HLB-Implementierungsphase darstellen 36 . Das Ziel des folgenden Fallbeispiels liegt in der Bestimmung des Wertes von Flexibilität unter Berücksichtigung ausgewählter Unsicherheitsformen. Dabei sollen Auswirkungen jener auf die jeweilige Unsicherheitsform zurückzuführen sein. Daher erfolgt die Darstellung eines HLB-Investitionsprojektes unter Anwendung der separierenden Variante des Verfahrens nach Copeland und Antikarov. 4 Fallbeispiel Das im Folgenden beschriebene Fallbeispiel orientiert sich an einem fiktiven HLB- Anbieter im Bereich des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus 37 . Die kooperierenden Parteien sind auf der einen Seite der HLB-Anbieter und auf der anderen Seite der HLB-Kunde. Der HLB-Kunde ist ein Hersteller hochwertiger Armbanduhren und benötigt qualitativ hochwertige Uhrenwerkplatten. Aufgrund einer strategischen Neuausrichtung des HLB-Kunden sieht sich dieser mittelfristig nicht im Stande, die notwendige Qualität der Uhrenwerkplatte zu gewährleisten und beauftragt den HLB-Anbieter im Rahmen eines Betreibermodells mit der komplexen Leistungserstellung. Der HLB-Anbieter produziert im Rahmen eines anbieterbetriebenen Geschäftsmodells hochwertige Uhrenwerkplatten, die im Hochpreissegment luxuriöser Armbanduhren zum Einsatz kommen. Nach erfolgreicher Kooperation und Erstellung eines integrativen hybriden Leistungsbündels (erwartete Dauer liegt bei 3 Jahren) geht das hybride Leistungsbündel in die Betriebsphase über und die Produktion der Uhrenwerkplatten wird aufgenommen. Im ersten Produktionsjahr zeichnet sich ab, dass die geplante Kapazität von 5.600 Uhrenwerkplatten pro Jahr erreicht wird. Mit Beginn der Betriebsphase ist es der Geschäftsführung des HLB-Kunden gelungen, einen zusätzlichen Absatzmarkt zu erschließen, der die vorhandene Kapazität um 1.400 Einheiten pro Jahr übersteigt. Im Rahmen der integrierten Kooperation zwischen Anbieter und Kunde konnte eine zusätzliche Möglichkeit zur Kapazitätserhöhung identifiziert werden. Diese ist mit zusätzlicher Forschungs- und Entwicklungstätigkeit verbunden und hat ein Investitionsvolumen von 300 T€, welches erst in t 4 fällig wird. Die laufende Produktion wird dadurch nicht beeinträchtigt. 36 Zum HLB-Lebenszyklus vgl. Meier/ Uhlmann (2012). 37 Vgl. Meier et al. (2013). <?page no="174"?> Hybride Leistungsbündel und Flexibilität 167 4.1 Modellierung und Analyse Das in Abschnitt 3.4 vorgestellte Verfahren von Copeland und Antikarov (2003) wird im Folgenden auf die Anforderungen des zugrundeliegenden hybriden Leistungsbündels transformiert und eingehend analysiert 38 . Zunächst besteht Unsicherheit über den jeweils zu erwartenden Preis. Der Ausgangspreis in t 0 liegt bei 250 € pro Uhrenwerkplatte. Es wird eine jährliche Preissteigerung g von 3% erwartet. Die Standardabweichung des Preises liegt bei 12%, was die Volatilität des Preises verkörpert. Hieraus folgt, dass es in jedem Zeitpunkt entweder zu einem Anstieg oder einem Absinken des Preises kommen kann. Zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht bestimmt, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Auf- oder Abwärtsbewegung auftritt. Zur Bestimmung der objektiven Wahrscheinlichkeit wird angenommen, dass der im nächsten Zeitpunkt erwartete Preis gleich dem heutigen Preis multipliziert mit der erwarteten Wachstumsrate ist. Wie stark eine Aufwärtsbewegung a beziehungsweise ein Absinken s ausfällt, wird gemäß dem Vorgehen für binomiale Bäume wie folgt bestimmt: 0,12 a e e 1,1275 1 1 s 0, 8869 a 1,1275 Auf Basis der jeweiligen Wertschwankung a beziehungsweise s wird die objektive Wahrscheinlichkeit für einen Preisanstieg ermittelt: 1 g s 1 0, 03 0, 8869 p 0, 59 a s 1,1275 0, 8869 Somit ergibt sich eine objektive Wahrscheinlichkeit p für einen Preisanstieg im nächsten Zeitpunkt von 59%. Dem steht eine objektive Wahrscheinlichkeit für einen sinkenden Preis von 1 p 1 0, 59 0, 41 (41%) gegenüber. Zur besseren Verständlichkeit wird der ZOKP (Zweitoberste Knotenpunkt) in t 3 beschrieben (Vgl. Abbildung 2): Die jeweiligen Preise werden berechnet, indem der gültige Preis einer Periode mit der Stärke der Aufwärtsbewegung a bzw. der Abwärtsbewegung s gewichtet wird. Ausgehend vom Einstandspreis von 250 € in t 0 konnte der Preis in t 1 mit einer objektiven Wahrscheinlichkeit von 59% steigen und in t 1 den neuen Preis von 281,90 € annehmen. Dies wird berechnet, indem der Ausgangspreis mit der Stärke seiner Aufwärtsbewegung a 1,1275 gewichtet wird. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 41% kam es zu einem Absinken und einem Preis von 221,70 € in t 1 , was sich aus dem Preis in t 0 multipliziert mit s 0,8869 ergibt. Auch in t 2 (Preis=317,80 €) lag ein Preisanstieg vor. Der Preis des ZOKP in t 3 liegt bei 281,90 €, was auf einen sinkenden Preis in dieser 38 Zur Vorgehensweise des Abschnitts vgl. Copeland/ Antikarov (2003). <?page no="175"?> 168 Johannes Keine genannt Schulte Periode zurückzuführen ist. Analog zu diesem Vorgehen ergeben sich die erwarteten Preise im jeweiligen Zeitpunkt in Abhängigkeit eines Anstieges oder eines Absinkens des Preises für eine Uhrenwerkplatte. Abb. 2: Entwicklung der Preisunsicherheit 39 . Ein hybrides Leistungsbündel wird im Zeitverlauf nicht nur mit Preisunsicherheit konfrontiert, sondern wird auch von technologischer Unsicherheit beeinflusst. Im Gegensatz zur Preisunsicherheit kann die technologische Unsicherheit durch Forschung und Entwicklung verringert werden. Die folgende Abbildung zeigt für das zugrundeliegende HLB, welche Lebenszyklusphasen und Zusatzmöglichkeiten bestehen: t 0 t 1 , Planungsphase: Eine Investition in Höhe von 600 T€ ist notwendig. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 90% kommt es zu einem positiven Abschluss der Planungsphase. Ein sofortiger Abbruch bei Misserfolg (Wahrscheinlichkeit von 10%) ist das Gegenstück. t 1 t 2 , Entwicklungsphase: In der Entwicklungsphase wird eine zusätzliche Investition von 300 T€ benötigt. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 10% schlägt die Entwicklung fehl und es kommt zum Abbruch des Projektes. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 90% ist die Entwicklung erfolgreich. t 2 t 3 , Implementierungsphase: Die eigentliche Verfügbarmachung der Betriebsbereitschaft erfolgt in der Implementierungsphase und ist mit einer 39 In Anlehnung an Copeland/ Antikarov (2003). t=0 t=1 250 281,9 221,7 317,8 250,0 196,7 281,9 221,7 174,4 358,3 250,0 196,7 154,7 317,8 404,0 221,7 174,4 137,2 281,9 358,3 455,5 t=2 t=3 t=4 t=5 €/ Stück <?page no="176"?> Hybride Leistungsbündel und Flexibilität 169 weiteren Investitionssumme von 700 T€ verbunden. Die Erfolgswahrscheinlichkeit in dieser Phase sinkt auf 80%, bei einer Misserfolgswahrscheinlichkeit von 20%. t 3 t 4 : Mit Erreichen des Zeitpunktes t 3 hat das HLB die volle Betriebsbereitschaft erreicht. Liegen in diesem Zeitpunkt Marktentwicklungen vor, die keine Erhöhung der Kapazität erfordern, wird die Produktion ohne Veränderungen fortgesetzt. Erfordern veränderte Marktbedingungen eine erhöhte Kapazität, so besteht zusätzlich die Möglichkeit, zwischen t 3 und t 4 ein weiteres zusätzliches Forschungs- und Entwicklungsprojekt zu initiieren. Diese zusätzliche Option ist zeitlich nicht an den Beginn der Betriebsphase gebunden, sondern kann im Verlauf der Betriebsphase initiiert werden. Der Betriebsablauf wird weder durch Planung und Entwicklung noch durch eine technische Implementierung (im Erfolgsfall) gestört. Ziel ist die Erhöhung der technischen Verfügbarkeit mit dem Ergebnis einer Kapazitätsausweitung. Die Investitionssumme von 300 T€ fällt hingegen erst in t 4 an. Die Wahrscheinlichkeit für einen erfolgreichen Abschluss der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit liegt bei 60%. Für den Fall einer nicht erfolgreichen Kapazitätserhöhung liegt die Misserfolgswahrscheinlichkeit bei 40%. t 4 t 5 : Die technologische Unsicherheit ist - unabhängig von Erfolg oder Misserfolg der Kapazitätserhöhung - zu diesem Zeitpunkt überwunden. Der Betrieb des HLB findet wie geplant statt. Es wird entweder die ursprünglich geplante Produktionsmenge von 5.600 Uhrenwerkplatten pro Jahr oder die erfolgreiche Kapazitätserhöhung auf 7.000 Stück pro Jahr realisiert. <?page no="177"?> 170 Johannes Keine genannt Schulte Abb. 3: Technologische Unsicherheit des HLB-Projektes 40 Abbildung 3 zeigt die technologische Unsicherheit und die Einordnung in den HLB-Lebenszyklus. Im Anschluss an den Beginn der Produktion, wird eine mittelfristige Nutzung des hybriden Leistungsbündels vorgesehen, was in der folgenden Kalkulation berücksichtigt wurde. Nachdem sowohl die Preisunsicherheit als auch die technologische Unsicherheit modelliert wurden, ist die mögliche Verzahnung dieser Unsicherheitsformen darzustellen. Abbildung 4 stellt für jeden Zeitpunkt die möglichen Entwicklungen dar 41 : 40 In Anlehnung an Copeland/ Antikarov (2003). 41 Vgl. Copeland/ Antikarov (2003). 1,0 1,0 t=0 t=1 t=2 t=3 t=5 t=4 Planung Entwicklung Implementierung Betrieb Investition in zusätzliche FuE möglich <?page no="178"?> Hybride Leistungsbündel und Flexibilität 171 Abb. 4: Quadranomialer Ereignisbaum der Unsicherheiten 42 Aufgrund der Vielzahl relevanter Unsicherheiten liegen in jedem Knoten vier abgehende Kanten vor. Die folgenden Entwicklungen sind möglich: Kante 1: Es wird sowohl ein Anstieg des Preises als auch ein Erfolg der technologischen Entwicklung erwartet. Kante 2: Es wird ein Absinken des Preises bei einer erfolgreichen technologischen Entwicklung erwartet. Kante 3: Ein Anstieg des Preises wird von einer erfolglosen technologischen Entwicklung begleitet. Kante 4: Es wird ein sinkender Preis und eine erfolglose technologische Entwicklung erwartet. Die separate Aufnahme von Preis- und technologischer Unsicherheit ermöglicht eine detaillierte Darstellung der jeweiligen Unsicherheitsform und zeigt für jeden Zeitpunkt, welche Entwicklungen eintreten können. Die separate Betrachtung dieser Unsicherheiten ist erforderlich, da Preisunsicherheit und technologische Unsicherheit einen gegenläufigen Verlauf annehmen. Die Unsicherheit über die Preisentwicklung steigt mit steigendem Zeithorizont an. Demgegenüber steht die technologische Unsicherheit, welche aufgrund von Forschungs- und Entwick- 42 In Anlehnung an Copeland/ Antikarov (2003). t=5 t=4 t=3 t=2 t=1 t=0 <?page no="179"?> 172 Johannes Keine genannt Schulte lungstätigkeit im Zeitverlauf abnimmt. Des Weiteren wird Unabhängigkeit der beiden Unsicherheitsformen angenommen, da Preisunsicherheit externer Beeinflussung und technologische Unsicherheit interner Beeinflussung unterliegt. Im Anschluss an die Darstellung der relevanten Unsicherheiten in Form eines quadranomialen Ereignisbaumes (Abbildung 4) ist die Bestimmung der jeweiligen Net Present Values vorzunehmen. Die Berechnung des NPV erfolgt getrennt für den Fall, dass keine nachträgliche Kapazitätserhöhung möglich ist, und für den Fall, dass die zur Verfügung stehende Kapazität erhöht werden kann. Diese Erhöhung wird bei erfolgreicher, zusätzlicher Forschung und Entwicklung erzielt. Da es sich gemäß dem angewandten Verfahren um sich gegenseitig ausschließende Alternativen handelt, erfolgt zunächst eine separate Berechnung unter Berücksichtigung der relevanten Unsicherheiten. Variante 1: Die erste Variante sieht keine Kapazitätserhöhung vor und beginnt die HLB- Betriebsphase in t 3 . Vorab wird der Present Value der vorgesehenen Investitionssummen bestimmt: € € € € 2 0, 3 T 0, 7 T PV Investition ohne Zusatzkapazität 0, 6 T 1.506, 02 T 1, 06 1, 06 Zur Berechnung des benötigten Present Values sind die jeweiligen Cashflows zu bestimmen. Diese werden unter Zuhilfenahme der risikoneutralen Wahrscheinlichkeit ermittelt und im Anschluss mit dem gültigen risikofreien Zinssatz diskontiert. Wie aus der vorherigen Modellierung relevanter Unsicherheiten hervorgegangen ist, wird sowohl die technologische als auch die Mengenunsicherheit nicht durch Marktentwicklungen beeinflusst. Somit wird lediglich die Entwicklung des Preises durch Marktbedingungen beeinflusst. Die Entwicklung der Preisunsicherheit (Abbildung 2) behält ihre Gültigkeit. Der risikofreie Zinssatz f r liegt annahmegemäß bei 6%, bei einer Preissteigerung g von 3% pro Periode. Im nächsten Schritt wird die jeweilige risikoneutrale Wahrscheinlichkeit für einen Preisanstieg ermittelt. In einer risikoneutralen Welt wäre die objektive Wahrscheinlichkeit gleich der risikoneutralen Wahrscheinlichkeit, was bedeutet, dass der risikofreie Zins ausschlaggebend ist. Die vorige Annahme, dass der Preis entsprechend dem zugrundeliegenden risikofreien Zinssatz wächst, behält zudem seine Gültigkeit. Die risikoneutrale Wahrscheinlichkeit p wird wie folgt bestimmt 43 : 43 Vgl. zusätzlich Copeland/ Weston/ Shastri (2008). <?page no="180"?> Hybride Leistungsbündel und Flexibilität 173 f r 0,06 e s e 0, 8869 p 0, 727 0, 73 a s 1,1275 0, 8869 Das heißt, dass es mit einer risikoneutralen Wahrscheinlichkeit von 73% zu einer Steigerung des Preises im nächsten Zeitpunkt kommt. Dem steht eine risikoneutrale Wahrscheinlichkeit für einen sinkenden Preis von 27% gegenüber. Auf Basis der risikoneutralen Wahrscheinlichkeit erfolgt die Berechnung der jeweiligen Knotenpunkte. Es ist zu beachten, dass die technologische Unsicherheit (siehe Abbildung technologische Unsicherheit) ab t 4 überwunden ist. Das heißt, dass nach Abschluss der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit keine Unsicherheit über die technologische Entwicklung besteht. Ab diesem Zeitpunkt ist diese Unsicherheitsform nicht mehr relevant. Dies führt zu einer Reduzierung der abgehenden Kanten auf zwei Kanten je Knoten (Preisunsicherheit). Eine beispielhafte Berechnung des obersten Knotenpunktes ( OKP ) im Zeitpunkt t 3 lautet wie folgt (Abbildung 5): 4 4 3 f p OKPt 1 p ZOKPt 0, 73 6.956 1 0, 73 4.542, 4 OKPt 1 r 1, 06 € 3 OKPt 5.947, 48 T Unter Berücksichtigung der risikoneutralen Wahrscheinlichkeit eines Preisanstieges ( p 0, 73 ) und der risikoneutralen Wahrscheinlichkeit eines sinkenden Preises ( 1 p 0, 27 ) werden die jeweiligen Werte des obersten Knotenpunktes von 6.956 T€ ( 4 OKPt ) und 4.542,4 T€ des zweitobersten Knotenpunktes ( 4 ZOKPt ) gewichtet und mit dem risikofreien Zinssatz von 6% diskontiert. Die rückwärtsgerichtete Berechnung ergibt einen Wert des Knotenpunktes 3 OKPt von 5.947,48 T€. Das heißt, dass der Gegenwartswert des Zeitpunktes t 3 bei alleinigem Vorliegen der Preisunsicherheit ein adäquates Resultat darstellt, das die Wirtschaftlichkeit des HLBs in t 3 ausdrückt. Eine abweichende Berücksichtigung der relevanten Unsicherheiten muss in den vorherigen Perioden erfolgen. Die technologische Unsicherheit ist in allen Zeitpunkten vor t 4 nicht überwunden. Dort liegen jeweils zwei Unsicherheitsquellen vor. Das heißt, dass sowohl Unsicherheit über die zukünftige Preisentwicklung als auch technologische Unsicherheit über den Erfolg von Investitionen in Forschung und Entwicklung vorliegt. Dies führt in allen Zeitpunkten vor t 4 zu quadranomialen Kanten. Jeder Kante ist eine risikoneutrale Wahrscheinlichkeit zuzuweisen, die die relevanten Unsicherheiten berücksichtigt. Zur Bestimmung der Knotenpunkte in t 2 sind jetzt sowohl die Preisunsicherheit als auch die technologische Unsicherheit zu berücksichtigen. Die risikoneutrale Preisunsicherheit konnte bereits vorab bestimmt werden. Die in Abbildung 3 abgetragenen Wahrscheinlichkeiten für Erfolg und Misserfolg der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit im jeweiligen Knotenpunkt sind in Verbindung zur bekannten Preisunsicherheit zu setzen. Die separierte Betrachtung dieser zwei Unsicherheiten führt zu den folgenden risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten in den Zeit- <?page no="181"?> 174 Johannes Keine genannt Schulte punkten t 2 bis t 0 . Aufgrund der Unabhängigkeit von Preis- und technologischer Unsicherheit wird die risikoneutrale Wahrscheinlichkeit der vier Kanten mittels Multiplikation bestimmt. Es ergeben sich die folgenden Werte: Preisunsicherheit Technologische Unsicherheit Wahrscheinlichkeit P steigt (0,73) Wahrscheinlichkeit P sinkt (0,27) Wahrscheinlichkeit Erfolg (0,8) 0,584 0,216 Wahrscheinlichkeit Misserfolg (0,2) 0,146 0,054 Abb. 5: Risikoneutrale Wahrscheinlichkeit in t 2 Preisunsicherheit Technologische Unsicherheit Wahrscheinlichkeit P steigt (0,73) Wahrscheinlichkeit P sinkt (0,27) Wahrscheinlichkeit Erfolg (0,9) 0,657 0,243 Wahrscheinlichkeit Misserfolg (0,1) 0,073 0,027 Abb. 6: Risikoneutrale Wahrscheinlichkeit in t 1 und t 0 Zur Bestimmung von 2 OKPt kommen die risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten aus Abbildung 5 zur Anwendung. Somit ergibt sich der Present Value von 2 OKPt wie folgt: € 2 0, 584 5.947, 48 0, 216 3.801, 45 0 0 OKPt 4.051, 36 T 1, 06 Aufgrund einer veränderten technologischen Unsicherheit (siehe Abbildung 6) ergibt sich für 1 OKPt der folgende Wert: € 1 0, 657 4.051, 36 0, 243 2.525, 2 0 0 OKPt 3.089, 97 T 1, 06 Da die technologische Unsicherheit bei t 1 identisch zur vorherigen ist, behalten die jeweiligen risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten ihre Gültigkeit. Der Wert des Knotenpunktes im Zeitpunkt t 0 0 KPt liegt somit bei: € 0 0,657 3.089, 97 0, 243 1.868, 93 0 0 KPt 2.343, 64 T 1, 06 <?page no="182"?> Hybride Leistungsbündel und Flexibilität 175 Zur endgültigen Bestimmung des NPV unter Berücksichtigung aller Investitionen ist die Differenz aus 0 KPt und dem Present Value ohne Zusatzinvestition zu bilden. Der NPV der HLB-Variante ohne eine Möglichkeit zur Kapazitätserhöhung liegt bei 837,63 T€. Da es sich um einen positiven NPV handelt, ist diese Variante grundsätzlich empfehlenswert. Abbildung 7 stellt die beschriebenen Zusammenhänge grafisch dar. Abb. 7: NPV-Berechnung für HLB ohne zusätzliche Investitionsmöglichkeit 44 Da annahmegemäß zwei sich gegenseitig ausschließende Alternativen vorliegen, wird im Folgenden die zweite Variante untersucht. Variante 2: Diese Variante ermöglicht eine zusätzliche Investition ab t 3 , die im Erfolgsfall eine erhöhte Kapazität zur Verfügung stellt. Die Wertberechnung der jeweiligen Knotenpunkte erfolgt methodisch analog zur Vorgehensweise der ersten Variante. Dennoch sind Besonderheiten zu berücksichtigen, wie beispielsweise der zusätzliche Zeitpunkt t 5 . Abbildung 8 stellt dies grafisch dar. Analog zur ersten Varian- 44 In Anlehnung an Copeland/ Antikarov (2003). t=0 t=1 2.343,64 t=2 t=3 t=4 3.089,97 1.868,93 0 0 0 0 1.325,15 2.525,20 0 4.051,36 3.801,45 5.947,48 786,88 137,2 2.114,20 174,4 137,2 137,2 6.956,00 1.151,60 4.542,40 2.644,00 -24,40 € € € PV(CF) 2.343.642, 47 PV(Inv) 1.506.016, 38 NPV 837.626, 09 T€ <?page no="183"?> 176 Johannes Keine genannt Schulte te sind zunächst die Cashflows zu bestimmen. In der zweiten Variante besteht die Möglichkeit, ab t 3 eine neuerliche Investition zu tätigen, die das Ziel einer Kapazitätserhöhung verfolgt. Der Produktionsprozess wird hierdurch nicht beeinträchtigt. Abb. 8: NPV-Berechnung für HLB mit zusätzlicher Investitionsmöglichkeit 45 Der Present Value der erwarteten Investitionssummen liegt im Falle zusätzlicher Forschung und Entwicklung bei 1.743,64 T€ und wird wie folgt berechnet: € € € € € 2 4 0, 3 T 0, 7 T 0, 3 T PV Investition in Zusatzkapazität 0,6 T 1.743,64 T 1, 06 1, 06 1, 06 Die risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten für einen Anstieg beziehungsweise ein Absinken des Preises bleiben unverändert. Es erfolgt die Neuberechnung der jeweiligen Knotenpunkte basierend auf den risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten. Es gilt, dass die technologische Unsicherheit ab t 4 überwunden ist (siehe Abbildung 3). 45 In Anlehnung an Copeland/ Antikarov (2003). t=0 t=1 2.369,83 t=2 t=3 t=4 5.867,86 3.889,24 2.332,72 1.107,58 1.969,10 0 3.095,17 0 2.618,10 4.025,39 0 0 1.510,89 0 7.512,42 1.692,46 5.093,22 3.190,65 515,06 € € € PV(CF) 2.369.828, 92 PV(Inv) 1.743.644, 48 NPV 626.183, 81 T€ 8.698,00 5.976,40 3.837,20 -214,40 827,20 2.151,60 6.718,40 4.541,12 2.828,76 1.481,28 421,76 -411,52 5.783,52 1.127,56 3.848,16 2.326,10 185,64 0 0 0 0 t=5 <?page no="184"?> Hybride Leistungsbündel und Flexibilität 177 Somit sind in dieser Situation die folgenden Entwicklungen möglich: Der Preis der Uhrenwerkplatte steigt an. Aufgrund der (erfolgreichen) Forschungs- und Entwicklungstätigkeit (mit dem Ergebnis einer erhöhten Kapazität) ist die technologische Unsicherheit überwunden. Die Mengenunsicherheit ist nicht gesondert aufzugreifen, da diese durch die erhöhte Kapazität und den zusätzlichen Absatzmarkt abgedeckt wird. Der Preis der Uhrenwerkplatte sinkt. Auch in diesem Fall wurde die zusätzliche Forschungs- und Entwicklungstätigkeit erfolgreich beendet, wodurch die mögliche Kapazität/ Absatzmenge erhöht werden konnte. Wird berücksichtigt, dass in diesem Zeitpunkt nur die Preisunsicherheit relevant ist, wird der Wert von 4 OKPt bestimmt: 5 5 4 f p OKPt 1 p ZOKPt 0, 73 8.698 1 0, 73 5.976, 4 OKPt 1 r 1, 06 € 4 OKPt 7.512, 42 T Bei Rückwärtsrechnung liegt der Wert des Knotenpunktes 4 OKPt bei 7.512,42 T€. Unter Berücksichtigung der risikoneutralen Wahrscheinlichkeit eines Preisanstieges ( p 0, 73 ) und der risikoneutralen Wahrscheinlichkeit eines sinkenden Preises ( 1 p 0, 27 ) werden die jeweiligen Werte von 5 OKPt (8.698 T€) und 5 ZOKPt (5.976,4 T€) gewichtet und mit dem risikofreien Zinssatz von 6% diskontiert. In den vorherigen Knotenpunkten liegen jeweils zwei Unsicherheitsquellen vor. Das heißt, dass sowohl Unsicherheit über die zukünftige Preisentwicklung als auch technologische Unsicherheit über den Erfolg von Investitionen in Forschung und Entwicklung vorliegt. In der zweiten Variante hat dies besondere Bedeutung, weil die zusätzliche Investitionsmöglichkeit eine Veränderung des hybriden Leistungsbündels zur Folge haben kann. Zur Bestimmung der Knotenpunkte in t 3 sind jetzt sowohl die Preisunsicherheit als auch die technologische Unsicherheit zu berücksichtigen. Die separierte Betrachtung dieser zwei Unsicherheiten führt zu den in Abbildung 5 und Abbildung 6 abgebildeten risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten der Zeitpunkte t 2 bis t 0 . Zusätzlich werden die risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten in t 3 bestimmt, die in Abbildung 9 dargestellt werden: <?page no="185"?> 178 Johannes Keine genannt Schulte Preisunsicherheit Technologische Unsicherheit Wahrscheinlichkeit P steigt (0,73) Wahrscheinlichkeit P sinkt (0,27) Wahrscheinlichkeit Erfolg (0,6) 0,438 0,162 Wahrscheinlichkeit Misserfolg (0,4) 0,292 0,108 Abb. 9: Risikoneutrale Wahrscheinlichkeit in t 3 Der Present Value von 3 OKPt wird wie folgt berechnet: € 3 0, 438 7.512, 42 0,162 5.093, 22 0, 292 5.783, 52 0,108 3.848,16 OKPt 1, 06 5.867, 86 T Abweichend zu Variante 1 wird deutlich, dass die relevanten Werte in t 4 einen positiven Beitrag leisten. Das ist der Tatsache geschuldet, dass das HLB bereits in Betrieb ist und über einen positiven Present Value (im jeweiligen Zeitpunkt) verfügt. Bei Weiterführung der Knotenpunktberechnung wird deutlich, dass im nächsten Zeitpunkt eine veränderte technologische Unsicherheit vorliegt und die risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten aus Abbildung 5 relevant sind. Für 2 OKPt ergibt sich der folgende Present Value: € 2 0, 584 5.867,86 0, 216 3.889, 24 0,146 0 0, 054 0 OKPt 4.025, 39 T 1, 06 Die technologische Unsicherheit in t 1 und t 0 ist identisch und führt zu den folgenden Present Values in 1 OKPt und 0 KPt : € 1 0, 657 4.025, 39 0, 243 2.618,10 0, 073 0 0, 027 0 OKPt 3.095,17 T 1, 06 € 0 0, 657 3.095,17 0, 243 1.969,1 0, 073 0 0, 027 0 KPt 2.369,83 T 1, 06 Somit ergibt sich der NPV der HLB-Variante mit der Möglichkeit zur Kapazitätserhöhung in Höhe von 626,18 T€ (siehe Abbildung 8). Auch hier gilt, dass diese Variante grundsätzlich vorteilhaft gegenüber einer Investition der finanziellen Mittel am Kapitalmarkt ist. Bei Gegenüberstellung der Net Present Values beider Varianten zeigt sich folgendes: Die Differenz zwischen dem NPV der ersten Variante und dem NPV der zweiten Variante führt zu einem negativen Wert der Flexibilität. <?page no="186"?> Hybride Leistungsbündel und Flexibilität 179 Im Ergebnis würde es zur Auswahl der Variante ohne eine mögliche Kapazitätserhöhung kommen. Die in diesem Beispiel sehr gering ausfallende Differenz zwischen der Variante 1 ohne Zusatzinvestition und der Variante 2 mit Zusatzinvestition verdeutlicht, dass nur geringe veränderte Einflüsse ausreichend sind, um eine Entscheidung für die jeweils andere Variante zu treffen. Wird Flexibilität jedoch ausdrücklich berücksichtigt, kann dies einen positiven Einfluss auf die Zuverlässigkeit einer Entscheidung haben. Im Anschluss an die Bestimmung des jeweiligen Net Present Values ist die Berücksichtigung von Entscheidungen und Realoptionen vorzunehmen. Dieser Schritt hebt die Annahme zweier sich gegenseitig ausschließender Alternativen auf. Stattdessen werden Flexibilitätsoptionen aufgenommen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten verschiedene Entscheidungen zulassen. Diese ermöglichen einen flexiblen Umgang mit Entwicklungen des Marktes sowie Erfolg oder Misserfolg auf technologischer Seite. Auch bei der Berücksichtigung realer Optionen erfolgt eine rückwärtsgerichtete Bewertung der Entscheidungspunkte. Entscheidend ist, dass bei der Berücksichtigung von Realoptionen die in jedem Zeitpunkt optimale Entscheidung die Grundlage bildet. Dies beinhaltet, dass sich nicht mehr gegenseitig ausschließende Alternativen gegenüber stehen, sondern Optionen für flexible Entscheidungen relevant werden. Abb. 10: Entscheidungsbaum mit Realoptions-Berechnung und Wert der Flexibilität 46 46 In Anlehnung an Copeland/ Antikarov (2003). Max [3.095,17- 300; 3.089,97-300] WEITER Max [2.369,83- 600; 2.343,64-600] WEITER Max [1.969,10- 300; 1.868,93-300] WEITER Max [0-300; 0] ABBRUCH Max [0-300; 0] ABBRUCH Max [7.512,42-300] BETRIEB Max [5.093,22-300] BETRIEB Max [1.127,56- 300; 1.151,6] BETRIEB Max [185,64-300; -24,40] ABBRUCH 1.481,28 421,76 -411,52 8.698,00 5.976,40 3.837,20 … t=0 t=1 … t=4 t=5 <?page no="187"?> 180 Johannes Keine genannt Schulte Die in diesem Schritt vorzunehmende Aufnahme von Entscheidungen und Flexibilitätsoptionen stellt die Grundlage der Entscheidungsfindung dar. In Abhängigkeit der erwarteten Gegenwartswerte im jeweiligen Knotenpunkt ist die optimale Entscheidung zu treffen. Wie in Abschnitt 3.2 erläutert, ist zwischen einer Weiterführung, der Aufnahme zusätzlicher Forschungs- und Entwicklungstätigkeit und dem Abbruch des Projektes zu unterscheiden. Die Option zur Aufnahme zusätzlicher Forschungs- und Entwicklungstätigkeit ist an die Zeitpunkte t 3 und t 4 gebunden (siehe Abschnitt 4.1). Wird der unterste Knotenpunkt in t 4 ( 4 UKPt ) betrachtet, so ist der Abbruch des Projektes die Konsequenz. Der maximale NPV liegt bei einem Wert von 0 T€, da in allen relevanten Fällen ein negativer Wert resultiert, was bei den gegebenen Bedingungen zur Unwirtschaftlichkeit des hybriden Leistungsbündels führt. Eine Entscheidung zugunsten der Weiterführung ist in 4 OKPt zu treffen, da ein positiver Wert resultiert. In diesem Knotenpunkt liegen sowohl eine positive Preisentwicklung als auch ein erfolgreicher Abschluss der zusätzlichen Investition in Forschung und Entwicklung vor. Unter diesen Bedingungen liegt somit eine erhöhte Kapazität bei einer mehrmals positiven Preisentwicklung vor. Die optimale Entscheidung ist daher die Weiterführung des HLB- Projektes. Zur Bestimmung des Flexibilitätswertes wird die rückwärtsgerichtete Vorgehensweise in den weiteren Zeitpunkten analog fortgeführt. In t 0 wird dann der Wert der Flexibilität offensichtlich: Dieser ergibt sich aus der Differenz beider Werte in t 0 und liegt bei 26,19 T€. Dieses Ergebnis hat zur Folge, dass eine abweichende Entscheidung zu treffen ist, als dies bei der separaten Net- Present-Value-Bestimmung auf Basis der sich gegenseitig ausschließenden Alternativen der Fall war. Nach Abschluss der Realoptionsbewertung unter Berücksichtigung von flexiblen Entscheidungen ergibt sich somit eine positive Auswahlentscheidung zugunsten der zweiten Variante (zusätzliche Forschung und Entwicklung zwecks Kapazitätserhöhung). 4.2 Implikationen und Erkenntnisfortschritt Dieses Resultat deckt den Vorteil einer Flexibilitätsberücksichtigung auf und beeinflusst das Entscheidungsverhalten des Management. Die Möglichkeit, in verschiedenen Zeitpunkten flexibel auf Marktentwicklungen einzugehen sowie entsprechende Entscheidungen treffen zu können, zeigt die Bedeutung einer dynamischen Berücksichtigung von Flexibilitätsoptionen. Flexibilität wird dem HLB-Kunden als Option angeboten. Ist der NPV des Projektes mit Flexibilität höher als der NPV des Projektes ohne Flexibilität, fällt die Entscheidung zugunsten der Flexibilität aus. Ist der NPV der Variante mit zusätzlich erforschter Kapazität aus Anbietersicht zu gering, kann es nur zu einem Geschäftsabschluss kommen, wenn der HLB-Kunde bereit ist, eine Zusatzzahlung zu leisten. Der HLB-Kunde muss demnach den Wert der Flexibilitätsoption zusätzlich zahlen, damit es zum Angebot dieser Option kommt. Der HLB-Anbieter (als <?page no="188"?> Hybride Leistungsbündel und Flexibilität 181 Verkäufer) wird die gewünschte Option nur anbieten, wenn dies zu einem Erlös führt. Hierzu kommt es, wenn der HLB-Kunde auch nach Zahlung für die Flexibilität besser gestellt ist, als ohne Flexibilität. Ziel muss es sein, eine Win-Win- Situation zu erreichen. Diese ist gegeben, wenn es auf der einen Seite für den HLB-Anbieter vorteilhaft ist, Flexibilität anzubieten. Auf der anderen Seite muss es für den HLB-Kunden vorteilhaft sein, die zusätzliche Flexibilität in Anspruch zu nehmen. 5 Zusammenfassung und Ausblick auf zukünftige Forschung Die Berücksichtigung mehrerer Unsicherheitsformen zu verschiedenen Entscheidungszeitpunkten ist ein wichtiger Schritt zur Erhöhung der Realitätsnähe bei der Flexibilitätsbewertung hybrider Leistungsbündel. Die in diesem Beitrag dargestellten Unsicherheiten wurden zudem mit Hilfe von quadranomialen Ereignisbäumen abgebildet, die für jede Entwicklung eine eigene Kante aufweisen und detailliert aufzeigen, welche Konsequenzen von welcher Unsicherheitsform ausgehen. Zudem hat die Diskussion des Fallbeispiels (Abschnitt 4.1) verdeutlicht, dass unterschiedliche Entscheidungen in Abhängigkeit des gewählten Vorgehens möglich sind und verschiedene Unsicherheitsformen Berücksichtigung gefunden haben. Schlussfolgernd kann festgehalten werden, dass die ausdrückliche Berücksichtigung und Bewertung von Flexibilitätsoptionen - auch für hybride Leistungsbündel - einen wichtigen Baustein im Rahmen eines ganzheitlichen HLB-Controlling- Systems darstellt. Im Rahmen zukünftiger Forschung kann die von diesem Beitrag vorgenommene Flexibilitätsbewertung auf Basis vertragstheoretischer Forschung unterstützt werden. Zudem ist eine Erweiterung im Hinblick auf eine Flexibilitätsbewertung hybrider Leistungsbündel in verschiedenen Phasen des HLB- Lebenszyklus unter Berücksichtigung alternativer Ansätze zu empfehlen. Danksagung Diese Forschung ist im Rahmen des von der DFG geförderten Sonderforschungsbereichs/ Transregio 29: „Engineering hybrider Leistungsbündel“ entstanden. Der Autor dankt der DFG für die finanzielle Unterstützung. <?page no="189"?> 182 Johannes Keine genannt Schulte Literatur Abele, E.; Liebeck, T.; Wörn, A.: Measuring Flexibility in Investment Decisions for Manufacturing Systems, in: CIRP Annals - Manufacturing Technology, Vol. 55 (2006), S. 433-436 Balzer, J.: Bedeutung und Erzielung von Flexibilität hybrider Leistungsbündel, Hamburg 2011 Black, F.; Scholes, M.: The Pricing of Options and Corporate Liabilities, in: Journal of Political Economy, Vol. 81 (1973), S. 637-654 Carlsson, C. et al.: A Fuzzy Approach to R&D Project Portfolio Selection, in: International Journal of Approximate Reasoning, Vol. 44 (2007), S. 93-105 Cohen, M.O.; Agrawal, N.; Agrawal, V.: Winning in the Aftermarket, in: Harvard Business Review, Vol. 84 (2006), S. 129-138 Copeland, T.; Antikarov, V.: Real Options: A Practitioner´s Guide, New York 2003 Copeland, T.; Weston, F.; Shastri, K.: Finanzierungstheorie und Unternehmenspolitik, 4. 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Uhlmann, Berlin/ Heidelberg 2012, S. 89-111 <?page no="192"?> Autorenverzeichnis Bouncken, Ricarda B., Univ.-Prof. Dr. oec., Lehrstuhlinhaberin, Lehrstuhl für Strategisches Management und Organisation, Universität Bayreuth Corsten, Hans, Univ.-Prof. Dr. rer. pol. habil., Lehrstuhlinhaber, Lehrstuhl für Produktionswirtschaft, Technische Universität Kaiserslautern Gössinger, Ralf, Univ.-Prof. Dr. rer. pol. habil., Lehrstuhlinhaber, Lehrstuhl Produktion und Logistik, Technische Universität Dortmund Keine genannt Schulte, Johannes, Dipl.-Ök., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Produktionswirtschaft, Ruhr-Universität Bochum Reuschl, Andreas J., M.Sc., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Strategisches Management und Organisation, Universität Bayreuth Richter, Magnus, Dr. rer. pol., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fachgebiet Nachhaltige Produktionswirtschaft und Logistik, Technische Universität Ilmenau Robbert, Thomas, Dr. rer. pol., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Marketing, Technische Universität Kaiserslautern Roth, Stefan, Univ.-Prof. Dr. rer. pol., Lehrstuhlinhaber, Lehrstuhl für Marketing, Technische Universität Kaiserslautern Salewski, Hagen, Dipl.-Wirt.-Ing., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Produktionswirtschaft, Technische Universität Kaiserslautern Stahlbuck, Bastian, Dipl.-Kfm., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl Produktion und Logistik, Technische Universität Dortmund Weiber, Rolf, Univ.-Prof. Dr. rer. pol., Inhaber der Professur für Betriebswirtschaftslehre, insb. Marketing, Innovation und Electronic-Business, Universität Trier Wolf, Tobias, Dipl.-Kfm., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Professur für Betriebswirtschaftslehre, insb. Marketing, Innovation und Electronic-Business, Universität Trier