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Die neue Seidenstraße

Digitalisierung und strategische Herausforderungen

0305
2018
978-3-7398-0423-1
978-3-8676-4854-7
UVK Verlag 
Wilhelm Schmeisser
Yana Kaziulia
Hannes Ortmeier
Margarita Spiger

Die Seidenstraße ist die älteste Handelsroute weltweit und erzählt Geschichten von Abenteuern, Karawanen und vom Handel mit seltenen Waren zwischen dem europäischen und asiatischen Kontinent. Diese Zeiten schienen lange vorbei. Doch nun belebt China die uralten Routen und will sie wieder zu einer zentralen Handelsverbindung ausbauen. Nicht nur Europa und Deutschland stehen diesem Plan skeptisch gegenüber, haben sie und andere Volkswirtschaften dem Ehrgeiz der Chinesen nichts entgegenzusetzen? Die Autoren beleuchten in diesem Buch fundiert Hintergründe und Zusammenhänge dieses Plans und legen dar, wie die neue Seidenstraße zur strategischen Herausforderung für jedes internationale Unternehmen werden kann. Eindeutig identifizieren sie Chinas Strategie, sich mit einer geopolitischen Führungsrolle nicht zufriedenzugeben, sondern vielmehr anstreben, die Weltmacht Nummer Eins zu werden. Dabei geht es nicht nur um infrastrukturelle Maßnahmen, sondern auch um deren Verbindung mit Innovationsstrategien in den Schlüsselbereichen jeder modernen Volkswirtschaft wie etwa Energie, Mobilität und Digitalisierung. Das Buch richtet sich an politische und unternehmerische Entscheidungsträger.

Wilhelm Schmeisser, Yana Kaziulia, Hannes Ortmeier, Margarita Spiger Die neue Seidenstraße Wilhelm Schmeisser Yana Kaziulia Hannes Ortmeier Margarita Spiger Die neue Seidenstraße Digitalisierung und strategische Herausforderungen UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. ISBN 978-3-86764-854-7 (Print) ISBN 978-3-7398-0422-4 (EPUB) ISBN 978-3-7398-0423-1 (EPDF) © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2018 Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaus, Konstanz Printed in Germany UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstraße 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de Vorwort Seit über 5000 Jahre ist die Neue Betriebswirtschaft in der „theoretischen“ Praxis durch Innovationen gekennzeichnet. Zuerst einmal durch den Handel, den Handelsschiffen auf den Strömen, Flüssen und Meeren, der Domestizierung von Tieren und Landwirtschaft, Rohstofftausch von Zinn und Kupfer, Gold, Sklaven, Wein und Weizen. Entwicklung von Handwerkskunst bis zu ersten industriellen Fertigungen von Streitwagenbau und den Amphoren. Der Einführung der Buchhaltung in Babylon, Einführung der Schrift zur Buchhaltung und der Arithmetik, ca. 3000 Jahre später des Geldes und der Wechselkurse, im 17. Jahrhundert wird die Börse in Amsterdam von Handelskaufleuten etabliert usw. Erst jetzt entwickelt sich aus der praktischen Betriebswirtschaft eine rudimentäre Volkswirtschaft. Mit der naturwissenschaftlich orientierten Volkswirtschaft in Anlehnung an Newton, die sich selbst zur Wissenschaft erhebt und verbal über die Betriebswirtschaft als „Tochter“ von ihr resümiert. Dagegen greift die Betriebswirtschaft immer wieder Themen auf, wie die neue Seidenstraße und die Digitalisierung der Industrie, die Unternehmen wie vor 5000 Jahren beschäftigt und sie strategisch herausfordern. Ein besonderer Dank gebührt Herrn Dr. Jürgen Schechler von UVK, der es uns ermöglicht hat, dieses Buch zu veröffentlichen. Im Februar 2018 Die Verfasser Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis Vorwort ..................................................................................................................... 5 Abbildungsverzeichnis .......................................................................................... 13 Tabellenverzeichnis................................................................................................ 15 Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................... 16 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land ......17 1.1 Globalisierung im 21. Jahrhundert .......................................................... 20 1.2 Politische Strategie ..................................................................................... 30 1.3 Politische Globalisierungsstrategie .......................................................... 32 2.1 Verkündungsrede durch Xi Jinping......................................................... 35 2.2 BRI in Zahlen ............................................................................................. 37 2.3 Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtel als Landweg ....................................... 40 2.4 Maritime Seidenstraße des 21. Jahrhunderts als Seeweg...................... 45 2.5 Luftseidenstraße als Luftweg.................................................................... 54 2.6 Ziele der BRI .............................................................................................. 56 3.1 Asien ............................................................................................................ 59 3.2 Afrika ........................................................................................................... 64 3.3 Europa ......................................................................................................... 69 4.1 Darstellung der BRI in der Öffentlichkeit ............................................. 75 4.2 Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung ......................................... 77 4.3 Stabilisierung der Grenzen und Entwicklung des Hinterlandes......... 78 4.4 Gestaltung der multipolaren zur chinesischen Weltordnung .............. 80 10 4.5 Errichtung internationaler Organisationen ............................................ 83 4.6 Internationalisierung des Renmimbi ....................................................... 85 4.7 Durchsetzung der Hoheitsansprüche im Südchinesischen Meer ....... 86 5.1 BRI als politische Strategie ....................................................................... 90 5.2 BRI als politische Globalisierungsstrategie ............................................ 91 5.3 Ausblick ....................................................................................................... 92 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell........ 103 1.1 Arten und Dimensionen des Innovationsbegriffs ..............................108 1.2 Wirtschaftliche Bedeutung von Innovationen .....................................117 1.3 Innovationsmanagement.........................................................................118 2.1 Strategie eines Innovationsmanagements: Märkte von morgen mittels „gesetzmäßiger Strategieansätze“ .............................................125 3.1 Ursprünge..................................................................................................142 3.2 Definitionen und Abgrenzungen...........................................................148 3.3 Geschäftsmodell und Strategie...............................................................151 3.4 Ansätze zu Geschäftsmodellen ..............................................................154 4.1 Definitionen, Konzepte und Ursachen.................................................164 4.2 Gestaltungsprozess ..................................................................................172 Weitere Informationen ........................................................................................184 Informationen: Abbildungen .............................................................................191 11 Teil III Digitalisierung und Innovation ................................................ 195 2.1 Entwicklung zur Industrie 1.0................................................................ 199 2.2 Zur 2. industrielle Revolution ................................................................ 200 2.3 Industrie 3.0 .............................................................................................. 201 4.1 RFID-Technologie ................................................................................... 204 4.2 Big Data ..................................................................................................... 205 4.3 Cloud Computing .................................................................................... 207 4.4 Virtuelle Realität ....................................................................................... 209 4.5 3-D-Druck................................................................................................. 211 4.6 Künstliche Intelligenz.............................................................................. 213 5.1 Mobilität .................................................................................................... 218 5.2 Finanzbranche .......................................................................................... 222 5.3 Ausbildung im Rahmen der Digitalisierung......................................... 227 5.4 Handel........................................................................................................ 232 5.5 Logistik 4.0................................................................................................ 237 5.6 Health 4.0 .................................................................................................. 240 5.7 Energie 4.0 ................................................................................................ 243 5.8 Arbeit 4.0................................................................................................... 246 6.1 Datenschutz .............................................................................................. 252 6.2 Elektronische Signatur ............................................................................ 257 7.1 Strengths (Stärken)................................................................................... 260 7.2 Weaknesses (Schwächen) ........................................................................ 261 7.3 Opportunities (Chancen) ........................................................................ 262 12 7.4 Threats (Bedrohungen) ...........................................................................263 7.5 Mögliche Entwicklungsstrategien ..........................................................264 8.1 Wettbewerb in der Finanzbranche.........................................................269 8.2 Innovationen als Überlebensstrategie ...................................................278 Index ................................................................................................................... 303 Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Verlauf des SREB und der MSR im historischen Vergleich ......... 38 Abb. 2 Verlauf des SREB ................................................................................ 41 Abb. 3 Öl- und Erdgaspipelines des SREB .................................................. 42 Abb. 4 Wirtschaftskorridore des SREB......................................................... 44 Abb. 5 Verlauf der MSR .................................................................................. 46 Abb. 6 Häfen mit chinesischer Beteiligung und geplante Hafenprojekte ... 48 Abb. 7 Verlauf der Perlenkette im Südchinesischen Meer und im Indischen Ozean.......................................................................................... 51 Abb. 8 Die 50 größten Häfen nach Umschlagsvolumen mit chinesischer Beteiligung .................................................................................. 52 Abb. 9 Bestehende Güterzugverbindungen über den kasachischen Korridor................................................................................................. 63 Abb. 10 Zustand und Verlauf des afrikanischen Schienennetzes................ 65 Abb. 11 Verlauf der Zugstrecke der East Africa Community ..................... 68 Abb. 12 Prozentualer Beitrag ausgewählter Länder zum weltweiten Bruttoinlandsprodukt .......................................................................... 81 Abb. 13 Prozentuale Stimmanteile ausgewählter Länder in der Weltbank 'im Jahr 2015 ......................................................................................... 82 Abb. 14 Prozentuale Stimmanteile ausgewählter Länder in der AIIB im Jahr 2015................................................................................................ 84 Abb. 15 Mitgliedsländer und Interessenten der AIIB in 2017 ..................... 85 Abb. 16 Offizielle und ableitbare territoriale und maritime Ansprüche im Südchinesischen Meer.................................................................... 87 Abb. 17 Zeitbezogene Interpretationsmöglichkeit des Innovationsbegriffs ................................................................................................. 112 Abb. 18 Die idealtypischen Phasen des Innovationsprozesses .................. 113 Abb. 19 From incremental to radical ............................................................. 116 Abb. 20 Bezugsrahmen des Innovationsmanagements ............................... 121 Abb. 21 Unternehmenslebenszyklus .............................................................. 123 Abb. 22 S-Kurve................................................................................................ 123 Abb. 23 Erfahrungskurve ................................................................................ 132 Abb. 24 Technologieportfolio ......................................................................... 134 14 Abb. 25 Business Model Concept Hierarchy ................................................147 Abb. 26 Bestandteile von Geschäftsmodell-Definitionen...........................150 Abb. 27 Evolution of the Business Model Concept....................................151 Abb. 28 Wertorientierter Geschäftsmodellansatz.........................................158 Abb. 29 The RCOV framework: main BM components and their relationships ........................................................................................159 Abb. 30 Components of a business model ...................................................160 Abb. 31 Teilbereiche der Geschäftsmodell-Innovation...............................165 Abb. 32 Bestandteile der Definition von Geschäftsmodell-Innovation ...166 Abb. 33 Optionenwürfel der Geschäftsmodellinnovation..........................167 Abb. 34 Types of business model innovations .............................................169 Abb. 35 Fünf Phasen der GM-Gestaltung....................................................172 Abb. 36 The agile BMI rules build on the drivers of business model innovation............................................................................................175 Abb. 37 Begriffe innovatives GM, GMI und GM-Invention.....................177 Abb. 38 St. Galler Management-Modell nach Bleicher ...............................191 Abb. 39 S-Kurven-Konzept.............................................................................192 Abb. 40 Management von Innovationen (normativ, strategisch und operativ) ...............................................................................................192 Abb. 41 Occurrences of the Term ‘Business Model’ in Scholarly Reviewed Journals ..............................................................................193 Abb. 42 Stufen der industriellen Entwicklung ..............................................199 Abb. 43 Komponenten eines RFID-Systems................................................204 Abb. 44 Unterscheidung zentraler und dezentraler Modellansätze ...........225 Abb. 45 Entwicklungsstufen des E-Learning ...............................................228 Abb. 46 die Häufigkeit von Online-Shopping ..............................................232 Abb. 47 Umsatz durch E-Commerce (B2C) in Deutschland .....................234 Abb. 48 Anteil der mobilen Internetnutzer in Deutschland nach Endgeräten in den Jahren 2011 bis 2016 ...............................................235 Abb. 49 iBin-Logistiksystem einschließlich B3B Informationsfluss .........240 Abb. 50 Vergleich E-Commerce- und Recruiting-Prozess .........................249 Abb. 51 Kleidungstransformation ..................................................................286 Abb. 52 Jacqueline Fischer ...............................................................................297 Tabellenverzeichnis Tab. 1 Indikatoren der wirtschaftlichen Globalisierung............................. 23 Tab. 2 Innovationsansätze und -theorien ................................................... 127 Tab. 3 Ontogenese der technischen Entwicklung) ................................... 129 Tab. 4 Ausgangspunkt für die Geschäftsmodellinnovation..................... 171 Tab. 5 Definitionen von Innovation ........................................................... 185 Tab. 6 Die am häufigsten verwendeten sowie aktuellsten Definitionen zum Business Model-Konzept ........................................................ 188 Tab. 7 Kanaltypen und Kanalphasen .......................................................... 189 Tab. 8 Preisgestaltungsmechanismen im Baustein der Einnahmequellen .................................................................................................. 189 Tab. 9 Elemente des Innovationsmanagements ........................................ 190 Tab. 10 Drei grundlegende Geschäftsarten ................................................ 190 Tab. 11 SWOT-Matrix ..................................................................................... 259 Tab. 12 Mögliche Strategien nach der SWOT-Analyse............................... 264 Tab. 13 Ressourcen-Checkliste ....................................................................... 299 Tab. 14 Neun-Felder-Modell ......................................................................... 300 Tab. 15 39 technische Parameter.................................................................... 301 Tab. 16 40 innovative Grundprinzipien ........................................................ 301 Abkürzungsverzeichnis AIIB Asiatische Infrastruktur-Investmentbank ASEAN Verband Südostasiatischer Nationen AsEB Asiatische Entwicklungsbank ASEM Asien-Europa-Treffen BM Business Model BMC Business Model Canvas BRI Belt and Road Initiative CEEC Central and Eastern European Countries CICA Conference on Interaction and Confidence-Building Measures in Asia CRBC China Road and Bridge Corporation CS Car Sharing DL Dienstleistungen EAEU Eurasische Wirtschaftsunion EU Europäische Union GATS General Agreement on Trade in Services GATT General Agreement on Tariffs and Trade GM Geschäftsmodell GMI Geschäftsmodellinnovation IP Innovationsprozess IWF Internationaler Währungsfonds MOFCOM Handelsministerium der Volksrepublik China MSR 21 st -Century Maritime Silk Road NDB New Development Bank NDRC Staatliche Kommission für Entwicklung und Reform SOZ Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit SREB Silk Road Economic Belt TNU Transnationale Unternehmen TPP Transpazifische Partnerschaft USA Vereinigte Staaten VR Volksrepublik China WTO World Trade Organisation Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land Wilhelm Schmeisser und Hannes Ortmeier 19 1 Eine neue Ära der Globalisierung 1. Eine neue Ära der Globalisierung Asiatisches Jahrhundert mit und ohne Europa. Frankreichs Präsident Macron fuhr am 8. Januar 2018 nach China, um auf Augenhöhe über den Handel zwischen China, Frankreich und Europa neu zu verhandeln. Wahrscheinliches Ergebnis seiner Verhandlungen: die Chinesen haben nicht die Absicht, auf gleicher Augenhöhe zu verhandeln, so lange sie die Bedingungen diktieren können. China ist für den freien Welthandel ohne Protektionismus, aber das gilt nicht für China. Europäische Unternehmen dürfen chinesische Unternehmen nur in Form von Joint Venture-Anteilen (max. 49 Prozent) erwerben unter Vorgabe der kommunistischen Partei Chinas; eine freie Marktwirtschaft und ein transparentes Rechtssystem sind in China nicht vorgesehen, aber man erwartet diese Rechte in der Europäischen Union. Wenn nun die Neue Seidenstraße kommt, unter Vorsitz der kommunistischen Partei Chinas, müssen dann sich alle Länder und Unternehmen nach Chinas Anweisungen ausrichten? Historiker werden in naher Zukunft womöglich unsere Gegenwart als letzte unabhängige Zeit bezeichnen, in der Unternehmen noch frei waren zu entscheiden, ohne auf chinesische Empfindlichkeiten Rücksicht zu nehmen. Zu den spannendsten Entwicklungen dieses asiatischen Jahrhunderts gehört der Aufstieg Chinas zur bestimmenden (ersten) Wirtschaftsmacht der Welt. Also die Rückkehr zu der Dominanz, über die die Chinesen verfügten, bevor Europas Seemächte die Welt eroberten. Ein Symbol für diese chinesische Dominanz war die antike Seidenstraße. Eine mehrere tausend Kilometer lange Route durch Trockengebiete, Wüsten und hohe Gebirge, die Ostasien mit dem Mittelmeer verbunden hat. Gewürze, Glas, Sklaven, Gold, Technologie, politische und religiöse Ideen und eben auch innovative, teure Textilgewebe wie Seide wurden über den Handelsweg transportiert. Zurzeit ist die antike Seidenstraße allenfalls nur noch eine touristische Attraktion. Doch dabei soll es nach chinesischer Auffassung nicht bleiben. Rund 900 Milliarden US-Dollar beabsichtigt die chinesische Führung in die Wiederbelebung der Handelsstraße zu investieren und damit ihre Handelswege nach Asien, Europa und Afrika auszubauen. Mit dem Großprojekt „Neue Seidenstraße“, auch bezeichnet als „Belt and Road Initiative“ (BRI) möchte China ein neues Handelsnetz zwischen Asien und Europa spannen, um den Warenverkehr per Eisenbahn, LKW oder Schiff zu beschleunigen. Dafür ist ein Landweg entlang der historischen Handelsrouten von China bis Europa sowie die Errichtung einer maritimen Seidenstraße über Südostasien durch den indischen Ozean, über Afrika bis nach Europa vorgesehen. Entlang dieser Routen sollen Straßen, Zugstrecken und Häfen errichtet werden mit dem Ziel, 20 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land auf diese Weise ein modernes Verbindungsnetz zu etablieren. Die Initiative gilt als favorisiertes Projekt des amtierenden Staatspräsidenten Xi Jinping, um chinesische Unternehmen zu beschäftigen, den Arbeitsmarkt zu versorgen und die Bevölkerung zu ernähren. Um den Rest der Welt für dieses Vorhaben zu begeistern, hat das chinesische Staatsoberhaupt seit dem Jahr 2013 zahlreiche Staatsbesuche durchgeführt, gemeinsame Austauschplattformen geschaffen und 40 Milliarden US-Dollar für einen Seidenstraßen- Fonds bereitgestellt. Chinas offizielle Botschaft in der Kommunikation ist eindeutig und transparent. Alle Länder entlang der Seidenstraßen sollen von dem Projekt profitieren. Die Volksrepublik China (VR) will eine Infrastruktur finanzieren und zugleich erbauen, die die Länder so dringend benötigen. Auf diese Weise sollen Win-Win-Kooperationen geschaffen werden. Laut Xi Jinping sei die BRI das Zeichen einer neuen Ära der Globalisierung. Diese Ansicht hat er insbesondere auf dem Weltwirtschaftsforum 2017 in Davos herausgestellt. Während der amerikanische Präsident Donald Trump gegen den Freihandel redet, ist es ausgerechnet Chinas Staatschef, der sich gegen Abschottung sowie Protektionismus stemmen will und für eine offene Weltwirtschaft wirbt. Mit Bezug auf die wirtschaftliche Globalisierung plädiert er für eine Liberalisierung des internationalen Handels. Ein mögliches Vehikel dafür könnte dabei die Seidenstraßeninitiative darstellen. 1.1 Globalisierung im 21. Jahrhundert Der Begriff der Globalisierung ist allgegenwärtig. Er findet nicht nur in der Wissenschaft, in Fach- und Lehrbüchern Einzug, sondern wird vor allem in der medialen Öffentlichkeit zur Deutung zahlreicher Phänomene genutzt. Die dabei verwendeten Erklärungsansätze variieren jedoch inhaltlich stark, je nachdem, in welchem Kontext der Begriff verwendet wird. Zurückzuführen ist dies auf die Komplexität des Gegenstandes der Globalisierung sowie die verschiedenen Bezugssysteme, denen sich die Globalisierungsdiskussion bedient. Als Kernbezugssysteme sind die Bereiche Wirtschaft, Politik, Kultur, Recht und Kommunikation zu nennen, die durch die Globalisierung gestaltet werden. Die sich immer schneller verändernde Weltwirtschaft sowie die zunehmenden Informations- und Kommunikationstechnologien führen dazu, dass nationale Grenzen für die weltweit agierenden Akteure an Bedeutung verlieren. Auf der einen Seite stehen internationale Großkonzerne, sogenannte Global Player oder auch als transnationale Unternehmen (TNU) bezeichnet, die globale Netzwerke bilden und die Globalisierung aktiv mitgestalten. Im Fokus der Globalisierungsdebatte sind nun aber auch Staaten wie China. Transnationale Unternehmen sind Unternehmen mit Betriebsstätten in mehr als einem Staat, die aufgrund von Direktinvestitionen ent- 1 Eine neue Ära der Globalisierung 21 standen sind. 1 Dadurch, dass die Transaktionen der TNU von globalem Ausmaß sind und deren Tätigkeiten einen nicht-territorial eingeschränkten Charakter besitzen, können sie sich immer mehr der staatlichen Kontrolle entziehen. 2 Auf der anderen Seite stehen die Staaten, die sich zunehmend zu regionalen Vereinigungen zusammenschließen und bestrebt sind, wirtschafts- und finanzpolitische Probleme auf globaler Ebene zu lösen. Auch durch wirtschaftliche Transaktionen, die grenzüberschreitend unter den Ländern stattfinden, wird erkennbar, dass einzelne Staaten nur noch räumliche „Verdichtungen“ oder „Transferriemen“ innerhalb eines regionalen oder weltweiten Wirtschaftsnetzes sind. 3 Oder gibt es demnächst eine Welt- und Supermacht China, die über alle Unternehmen und Staaten herrscht? Mit einer derartigen Fragestellung werden mehrere Aspekte problematisiert, und zwar, dass zwischen einer kulturellen und politischen sowie zwischen einer volkswirtschaftlichen und insbesondere betriebswirtschaftlichen Sichtweise bei der Globalisierungsdebatte differenziert werden muss. Während die betriebswirtschaftliche Sicht die einzelwirtschaftlichen Aktivitäten der multinationalen Unternehmen betrachtet, beschreibt die volkswirtschaftliche Sicht hingegen die Interaktionen zwischen den Staaten selbst und deren Versuch, den Einsatz von Produktionsfaktoren durch den Abbau von nationalen Grenzen zu optimieren. Im Kontext der Globalisierung soll in der weiteren Betrachtung der Fokus auf den Staaten selbst, und weniger auf den TNU, der betriebswirtschaftlichen Sichtweise, liegen. Dafür erfordert die Komplexität des Globalisierungsbegriffes zunächst eine definitorische Erklärung, auf der die spätere Erläuterung der Globalisierungsstrategie aufbauen kann. Bis zum heutigen Tag ist es der Wissenschaft nicht gelungen, eine konsensfähige Definition des Phänomens Globalisierung zu finden, der ihren Gegenstand, die Dimensionen und Aspekte treffend beschreibt und erklärt. Die vorherrschenden Ansätze zur Begriffsdeutung variieren inhaltlich stark, weswegen nachfolgend nur ein Überblick, jedoch keine allgemeingültige Definition geliefert werden kann. Bereits im Jahr 1795 greift Immanuel Kant in seiner veröffentlichten Schrift „Zum ewigen Frieden“ im Kern die Grundaussage zur Globalisierung auf. „Unter den ‚Völkern der Erde‘, so Kant, sei es realgeschichtlich zu einer Form von ‚Gemeinschaft‘ gekommen, die nunmehr die materielle Bedingung dafür sei, dass die Rechtsverletzung (durch Kolonialismus, d. Verf.) an 1 Vgl. Herkenrath (2003), S. 19. 2 Vgl. Essis (2008), S. 6. 3 Vgl. Koch (2017), S. V. 22 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land einem Platz der Erde an allen gefühlt werde.“ 4 Mit seiner These beschreibt Kant die globale wechselseitige Verbundenheit der Menschen und unterstellt den Befund, dass die Menschen nunmehr in einem praktischen Zusammenhang zueinanderstehen. 5 Knapp 50 Jahre später erweitern die Philosophen Karl Marx und Friedrich Engels in ihrem kommunistischen Manifest im Jahr 1848 die Deutung Kants, indem sie die Globalisierung in Verbindung mit dem globalen Kapitalismus bringen. „Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnten Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muss sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen. Die Bourgeoisie hat durch die Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet.“ 6 Die Philosophen sehen in der Globalisierung, vorher als Kolonialisierung bezeichnet, nicht nur die Ausbildung und Durchsetzung kapitalistischer Gesellschaftsverhältnisse, sondern geben ihr zugleich einen prozessualen Charakter. Die Betrachtungsweise, dass es sich bei der Globalisierung um einen fortschreitenden Prozess seit hunderten, wenn nicht tausenden von Jahren handelt, teilt auch der Soziologe Anthony Giddens. Laut Giddens kann unter der Globalisierung die weltumspannende Verflechtung und Intensivierung wirtschaftlicher, politischer, sozialer sowie kultureller Strukturen und Aktivitäten verstanden werden. 7 Sein Ansatz zur Erklärung der Globalisierung durch die Intensivierung weltweiter sozialer Beziehungen sowie das Handeln auf Distanz ist definitorisch bis heute einschlägig. 8 Auf der Basis eines allgemeinen Grundverständnisses der Terminologie Globalisierung werden im Nachgang einzelne Formen der Globalisierung beschrieben. Der Gliederungspunkt setzt sich zum Ziel, als spätere Ausgangslage für die Charakterisierung der Globalisierungsstrategieansätze der BRI zu fungieren. Die Ausprägungsformen und die Dimensionen der Globalisierung sind komplex und tangieren viele Bereiche der Kultur- und Sozialwissenschaften. Zur Beschreibung des Charakters der chinesischen Initiative sind aus Sicht der Verfasser die drei nachfolgenden Dimensionen, das heißt die wirtschaftliche, politische sowie die rechtliche Globalisierung von besonderer Relevanz. Dabei kann hier keine Aufarbeitung des historischen Entwicklungsstandes in der Forschung vorgenommen, sondern primär die 4 Kant (1977), S. 216, zitiert nach Niederberger/ Schink (2011), S. 2. 5 Vgl. Niederberger/ Schink (2011), S. 2. 6 Marx/ Engels (1970), S. 5 zitiert nach Weede et al. (2011), S. 10. 7 Vgl. Lange et al. (2016), S. 2. 8 Vgl. Niederberger/ Schink (2011), S. 3. 1 Eine neue Ära der Globalisierung 23 Treiber der jeweiligen Formen identifiziert und für den späteren Vergleich herausgearbeitet werden. Betrachtet man die einzelnen Dimensionen denen die Globalisierung zugeordnet wird, so findet man die häufigste Verwendung im Kontext der Wirtschaft. da neben den Staaten selbst insbesondere die TNU primäre Treiber dieser Dimension sind. In Anlehnung an Giddens Definition können unter der wirtschaftlichen Globalisierung Prozesse subsumiert werden, die im Zeitverlauf einen quantitativen sowie qualitativen Anstieg grenzüberschreitender Ströme und Aktivitäten aufweisen, wobei es hierbei vor allem um Ströme von Gütern, Dienstleistungen, Arbeitskräften und Kapital geht. 9 Dabei steht die Zirkulation dieser Ströme im Vordergrund. Im Zeitverlauf wird der quantitative Anstieg mit Hilfe von vier ausgewählten Indikatoren und der nachfolgenden Grafik belegt. Tab. 1: Indikatoren der wirtschaftlichen Globalisierung (Koch 2017, S. 32) In der Tabelle 1 wird deutlich, dass die Wachstumsraten der wirtschaftlichen Globalisierungsindikatoren, mit Ausnahme der Migrationsdaten, weit über der Wachstumsrate des Weltsozialprodukts, also der Wirtschaftsleistung aller Länder, liegen. Demnach ist ein freier Handel ohne Protektionismus die logische Konsequenz, wenn die Wachstumsraten für die „Welt“ in Zukunft erhalten werden sollen. 9 Vgl. Niederberger/ Schink (2011), S. 95. 24 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land Als Basisindikator der wirtschaftlichen Globalisierung kann der internationale Handel von Gütern und Dienstleistungen gesehen werden. In diesem Zusammenhang sind insbesondere der intra-industrielle Handel und die geographische Aufspaltung von Wertschöpfungsketten sowie die Etablierung von Ländern mit extrem hohen Außenhandelsanteilen zu nennen. 10 Durch den Abbau von Zollschranken und die Öffnung ihrer Volkswirtschaften haben es die Länder ermöglicht, sich auf den Auf- und Ausbau derjenigen Wirtschaftssektoren und Produktbereiche zu konzentrieren, bei denen sie im Vergleich mit dem Ausland über (relative) komparative Kostenvorteile, also zu Produktivitätssteigerungen und Kostensenkungen kommen. 11 Die Länder können somit einerseits das Warenangebot im Inland ausweiten und andererseits Beschäftigungsmöglichkeiten durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze zur Bedienung von Absatzmöglichkeiten auf Auslandsmärkten generieren. Die wirtschaftliche Globalisierung wird dabei auch durch zusätzliche politische Maßnahmen gestaltet und begünstigt. So hat das politisch initiierte General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) überhaupt erst zum globalen Abbau von Handelsschranken und zur Gründung der World Trade Organisation (WTO) im Jahr 1995 geführt. In diesem Kontext ist auch das Forum-Switching, die verhandlungsstrategische Verlagerung von staatlichen Verhandlungsebenen zu nennen, auf welches beispielsweise die Europäische Union (EU) zur Durchsetzung bestimmter Forderungen in der bilateralen Kommunikation zurückgriff, nachdem diese in WTO-Verhandlungen gegenüber Großmächten wie China nicht durchsetzbar waren. 12 Ein weiteres internationales Handelsabkommen der WTO ist das General Agreement on Trade in Services (GATS), welches den Handel von grenzüberschreitenden Dienstleistungen regelt. Als zweiter Bestandteil des internationalen Handels soll auch die Beschreibung von Dienstleistungen in diesem Abschnitt Einzug finden, da sie von besonderer Relevanz in der BRI sind. Grenzüberschreitende Dienstleistungen, wie beispielsweise der grenzüberschreitende Reiseverkehr, können sowohl im eigenen Land für das Ausland bereitgestellt als auch im Ausland direkt angeboten und wahrgenommen werden. 13 Von unternehmensbezogenen internationalen Dienstleistungen wird immer dann gesprochen, wenn der Austausch durch Unternehmen initiiert ist und im Zusammenhang mit Handelsbeziehungen und/ oder Investitionsvorhaben steht. 14 Als Beispiele für eine Dienstleistungserbringung 10 Vgl. Niederberger/ Schink (2011), S. 96. 11 Vgl. Koch (2017), S. 32. 12 Vgl. Niederberger/ Schink (2011), S. 97. 13 Vgl. Koch (2017), S. 34. 14 Vgl. ebd., S. 35. 1 Eine neue Ära der Globalisierung 25 mit Präsenz, also die personelle Durchführung der Leistung im Ausland, können die Inanspruchnahme von betriebswirtschaftlichen Beratungs-, Konstruktions- oder Montageleistungen genannt werden. 15 Weitere bedeutende Indikatoren der wirtschaftlichen Globalisierung sind der internationale Kapitalverkehr sowie die internationalen Investitionen. Hier werden nur die grenzüberschreitenden Finanztransaktionen betrachtet, die die zwangsläufige Folge von realen Transaktionen sind, die auf Handels- und Investitionsbeziehungen beruhen. Transaktionen zu Spekulations- und Anlagezwecken bleiben ohne Berücksichtigung. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Direktinvestitionen zu, die bis heute unumstritten als zentraler Treiber der wirtschaftlichen Globalisierung dienen und trotz ihres autonomen Finanzcharakters, in vielen Fällen Handelsströmen zuzurechnen sind. Direktinvestitionen werden von TNU vorgenommen, die dazu dienen, Vermögensanlagen im Ausland durchzuführen, wobei der Investor die Kontrolle über das Management der erworbenen Gesellschaft unmittelbar und dauerhaft ausüben möchte, insofern es die Landesgesetze des Ziellandes erlauben. 16 Die Konzerne zielen mit Hilfe der Direktinvestitionen darauf ab, den Aufbau oder die Erweiterung von Produktions- und Vertriebseinrichtungen im Ausland durch beispielsweise Neugründungen vorzubereiten, um im Resultat den Zugang zu Ressourcen, Rohstoffen sowie Wissen zu sichern. Die Direktinvestitionen bieten dabei nicht nur den TNU, sondern auch den Empfängerländern gewisse Vorteile, da sie zunehmend als innovativer Treiber von Technologien angesehen werden und zugleich Zugang zu modernen Produktionsmethoden bieten. Im Resultat gab es bereits im Jahr 2008 in etwa 130 Ländern rund 3500 Sonderwirtschaftszonen, in denen ausländischen TNU besonders vorteilhafte Produktionsbedingungen geboten werden, um die Konzerne zur Investition zu bewegen. 17 Da die Betrachtung der Unternehmenswelt, also die strategische betriebswirtschaftliche Sichtweise unberücksichtigt bleibt, soll die Volksrepublik China in Bezug auf die Direktinvestitionen exemplarisch als TNU angesehen werden. So können die Investitionen Chinas durch „Stellvertretende Unternehmen“ (was in unserer Wirtschaftsordnung nicht erlaubt ist, d. Verf.) in andere Länder als FDI und die daraus resultierende politische Einflussnahme als Kontrolle über das Management des internationalen Unternehmens, in diesem Fall als Kontrolle über das politische Führungsorgan des jeweiligen Staates, behandelt werden. Im beispielhaften Transfer repräsentiert dann das Land das Unternehmen und die politische Führung des 15 Vgl. Koch (2017), S. 35. 16 Vgl. Niederberger/ Schink (2011), S. 98. 17 Vgl. Koch (2017), S. 42. 26 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land Landes das Management des Unternehmens. Dies dient dazu, die spätere Charakterisierung der Initiative und Bewertung in Bezug auf die wirtschaftliche Globalisierung und die Direktinvestitionen zu ermöglichen. Als letzter Indikator der wirtschaftlichen Globalisierung kann die internationale Migration genannt werden. Im Gegensatz zu Gütern, Dienstleitungen und Kapital, die im 21. Jahrhundert nahezu grenzenlos zirkulieren können, ist die internationale Migration von Arbeitskräften und deren Mobilität eher begrenzt. Bietet das Heimatland keine oder nur eingeschränkte Beschäftigungsmöglichkeiten, so sehen sich insbesondere gering qualifizierte Arbeitskräfte aus Entwicklungs- und Schwellenländern mit nationalen Einwanderungsbeschränkungen konfrontiert, die die Zuwanderung von ärmeren Ländern in reichere Regionen und folglich die Suche nach neuen Arbeitsplätzen unterbinden. 18 Neben der restriktiven inländischen Gesetzgebung, die die strenge Regulierung der Arbeitsmärkte mit sich führt und somit den legalen Zuzug ausländischer Arbeitnehmer unterbindet, sind auch die kulturellen sowie sprachliche Schranken zu berücksichtigen, die als natürliche Barriere der Wanderungsbewegungen von Arbeitskräften wirken. 19 Bei den international mobilen Arbeitskräften kann zwischen zwei Gruppen differenziert werden. Auf der einen Seite stehen die zuvor angeführten Arbeitnehmer aus Entwicklungsländern, die nicht zwangsläufig gering qualifiziert sein müssen, aber keine Beschäftigung im Heimatland finden und folglich im Ausland nach Arbeitsplätzen suchen. Auf der anderen Seite stehen hoch qualifizierte Führungskräfte aus Industrie- und Schwellenländern, die zumeist im Auftrag von TNU beispielsweise als Expatriates eingesetzt werden und in den ausländischen Niederlassungen Kernfunktionen wahrnehmen. Letztere sehen sich zumeist nicht oder nur in geringem Umfang mit restriktiven Beschäftigungsvorschriften konfrontiert. Teilweise begünstigt wird die arbeitsrechtliche Restriktion der Länder durch den rasant wachsenden Arbeitskräftebedarf in Schwellenländern, der nicht mehr durch die heimischen Arbeitnehmer bedient werden kann und folglich zur Zuwanderung von Gastarbeitern führt. 20 Im vorangehenden Beispiel haben die Gastarbeiter somit eine komplementäre Funktion, da sie der lokalen Bevölkerung im Zielland keine Arbeitsplätze streitig machen. 21 Besteht im Zielland eine große und langanhaltende Nachfrage nach Gastarbeitern, so können kulturelle und ethnische Ballungsräume entstehen, die weitere Arbeitskräfte derselben Herkunftsländer anziehen. 18 Vgl. Niederberger/ Schink (2011), S. 99. 19 Vgl. Koch (2017), S. 43. 20 Vgl. ebd., S. 44. 21 Vgl. ebd., S. 45. 1 Eine neue Ära der Globalisierung 27 Substituieren ausländische Arbeitskräfte hingegen die Arbeitsplätze der Zielländer, so steigt die Arbeitslosigkeit in der lokalen Bevölkerung und politische Destabilisierung der Länder kann die Folge sein. Während die wirtschaftliche Globalisierung und die ihr zugehörigen Indikatoren in der Forschung sehr eindeutig beschrieben sind, so ergibt sich für die politische Globalisierung ein anderes Bild. Was sie als Forschungsgegenstand umfasst und welche Triebkräfte ihr zugrunde liegen können ist nicht allgemeingültig belegt. In der weiteren Betrachtung soll die politische Globalisierung als Verdichtungsprozess verstanden werden. Ströme, das heißt Bewegungen von Menschen, Dingen und Informationen durch Raum und Zeit erfordern den Ausbau von supra- und transnationaler politischer Strukturen sowie Öffentlichkeit und globaler Netzwerke. 22 Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass die Terminologie der politischen Globalisierung eine große Schnittmenge zur Definition der wirtschaftlichen Globalisierung aufweist. So ist der Grund für das Voranschreiten der Globalisierung, insbesondere das der wirtschaftlichen Globalisierung, auf politische Prozesse und Entscheidungen sowie zwischenstaatliche Kooperationen der Nationalstaaten zurückzuführen. 23 Globalisierung kann im Wesentlichen nicht nur als Folge von technisch-wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, sondern viel eher als Folge der politischen Intervention von Staaten gesehen werden. Der Zusammenbruch des Warschauer Paktes, die Liberalisierung des Handels oder auch die Entstehung des supranationalen politischen Systems der EU sind historische Beispiele dafür, dass das politische Handeln zentrale Globalisierungsprozesse mitbestimmt hat. Auch die zunehmende Verflechtung der Volkswirtschaften ist auf die politisch initiierte Liberalisierung der Welt zurückzuführen. Der grenzüberschreitende Handels- und Finanzverkehr wurde überhaupt erst durch den Abbau von Handelsbeschränkungen und restriktiven bürokratischen Regulierungen ermöglicht. Im Resultat war es somit den TNU möglich, einen leichteren Zugang zu ihren benötigten Ressourcen, wie Arbeitskräften, Technologien, Kapital, Lieferanten sowie Kunden zu erlangen. 24 Zugleich stellen weit geöffnete und liberalisierte Staaten für ausländische Investoren ein attraktives Investitionsziel dar. Im Falle des Engagements transferieren sie Technologien und hochqualifizierte Arbeitnehmer ins Inland. An dieser Stelle wird eine Wechselwirkung zwischen der politischen und wirtschaftlichen Globalisierung deutlich. Der 22 Vgl. Niederberger/ Schink (2011), S. 108. 23 Vgl. Weede et al. (2011), S. 34. 24 Vgl. Koch (2017), S. 17. 28 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land zunehmende internationale Wettbewerbsdruck zwingt die Staaten zu einer verstärkten politischen Einflussnahme und Steuerung der Globalisierung, um im Ergebnis die eigene Bevölkerung mit Arbeit und Lohn abzusichern sowie die Unternehmen auszulasten. Letztendlich sollen die eigene Existenz des Landes und der zukünftige Wohlstand gesichert werden. Abschließend muss im Kontext der politischen Globalisierung auch der militärische Bereich als integrativer Bestandteil genannt werden, da dieser keine von der Politik losgelöste Entwicklung erfährt und fortlaufend durch sie gesteuert wird. 25 Inwiefern also militärische Interventionen vorgenommen werden, um beispielsweise wirtschaftliche Interessen im Sinne der Globalisierung durchzusetzen, kann als weiterer Indikator der politischen Globalisierung betrachtet werden. Als letzte Dimension wird nun die rechtliche Globalisierung und ihre Indikatoren beschrieben werden. Betrachtet man die Historie der Grenzen überschreitenden Rechtssysteme, im speziellen die des Völkerrechts, so reichen die Anfänge bis ins Jahr 1648 zurück. Mit den Friedensverträgen des Westfälischen Friedens wurden erste Regeln festgelegt, die das Verhalten von Staaten auf internationaler Ebene regulierten und folglich ihrem Anspruch nach global waren. 26 Im Jahr 2017 gibt es nun kaum noch Objekte, Handlungen oder Beziehungen, die nicht rechtlich bestimmt beziehungsweise bestimmbar sind. Die schnelllebige Globalisierung im Bereich der Wirtschaft und Politik verlangt ein funktionierendes Rechtsverhältnis zwischen Staaten, um den freien, globalen Fluss von Waren und Kapital zu ermöglichen. In der Realität gestaltet sich dies allerdings schwierig. Die Entwicklung dieser rechtlichen Rahmenbedingungen und die Ausgestaltung des internationalen Rechts hinken der Globalisierung der Märkte hinterher. Dem transnationalen Charakter der Waren-, Kapital- und Finanzmärkte und der Dynamik ihrer Weiterentwicklung stehen die Territorialität des Rechts sowie die naturgemäße Langsamkeit gesetzgeberischer Prozesse gegenüber. 27 Staaten sind folglich nicht mehr allein in der Lage, die Ausgestaltung und Umsetzung des Rechts im internationalen Kontext zu realisieren oder zu garantieren. Sie übertragen daher zunehmend hoheitliche Aufgaben auf eine globale Ebene. Als Ausfluss dieser Problematik kann ein Indikator der rechtlichen Globalisierung in der Globalisierung von Institutionen gesehen werden, die ihrerseits Hoheitsgewalt in unterschiedlicher 25 Vgl. Pradel (2015), S. 7. 26 Vgl. Niederberger/ Schink (2011), S. 122. 27 Vgl. Berger (2008), S. 35. 1 Eine neue Ära der Globalisierung 29 Form ausüben. Diese internationalen Organisationen werden durch multilaterale Verträge zwischen Staaten errichtet, um anschließend weitreichende Entscheidungen treffen und Recht umsetzen zu können, ohne dass dies die Zustimmung aller Gründerländer erfordert. 28 Die Vereinten Nationen, die Welthandelsorganisation oder die Weltgesundheitsorganisation sind bekannte Beispiele für internationale Organisationen. Die Ausübung von Hoheitsgewalt auf internationaler Ebene kann dabei beispielsweise auch durch informelle Netzwerke zur Abstimmung zwischen nationalen Behörden vorgenommen werden. 29 Ein weiterer Indikator der rechtlichen Globalisierung kann in den sogenannten globalen öffentlichen Gütern und deren Verfügbarkeit gesehen werden. 30 Diese Güter sind nicht auf nationalstaatliche Grenzen beschränkt. Sie sind somit weltweit nutzbar und kein Staat kann von ihrem Konsum ausgeschlossen werden. Als Beispiele sind Meere und die Umwelt mit Klimaproblemen in Verbindung mit Umweltschutz zu nennen. Weiter sind stabile Finanzmärkte, kulturelles Erbe von Völkern oder Friedensbemühungen zu konstatieren. Die internationalen Organisationen sind insofern ebenso für die rechtliche Ausgestaltung der globalen öffentlichen Güter zuständig. Betrachten wir den Nationalstaat und die Weltgemeinschaft als Resultat der Globalisierung, so wird ein Problem der zwei Gruppen deutlich. Es zeigt sich, dass die Globalisierung des Rechts auf internationaler Ebene erhebliche Legitimitätsprobleme mit sich führt, da sie sich wesentlich von der Ausübung von Regierungsgewalt auf nationalstaatlicher Ebene unterscheidet. 31 Das Ziel der rechtlichen Globalisierung kann schlussfolgernd in der Schaffung eines einheitlichen rechtlichen Regelungsrahmens, also der bewussten Etablierung harmonisierter Rechtsprinzipien, über nationale Grenzen hinweg, gesehen werden. 32 Um dieses Ziel umzusetzen, wird in der Wirtschaftspraxis als Reaktion auf das Versagen von staatlichen und überstaatlichen Institutionen auf das sogenannte „soft law“ zurückgegriffen, um die Vereinheitlichung des Rechts voran zu treiben. 33 Regelwerke werden in der Praxis für die Praxis entworfen, das heißt, konkludentes Handeln durch die Geschäftsleute vor Ort setzt sich gegenüber nationalen sowie supranationalen Gesetzgebern durch und damit kommt dem ungeschriebenen Recht im globalen Kontext eine sehr viel bedeutendere Rolle zu als auf nationalstaatlicher Ebene. 34 28 Vgl. Niederberger/ Schink (2011), S. 124. 29 Vgl. ebd. 30 Vgl. ebd., S. 122. 31 Vgl. ebd., S. 125. 32 Vgl. Berger (2008), S. 36. 33 Vgl. ebd., S. 39. 34 Vgl. Niederberger/ Schink (2011), S. 126. 30 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass sich die Staatengemeinschaft bei der Herausbildung internationaler rechtlicher Normen auch auf das Konsensprinzip verlässt, um Kosten-, Zeit- und Effizienzverluste einzusparen. 1.2 Politische Strategie Nachdem die relevanten Dimensionen der Globalisierung vorgestellt wurden, wird nun der Strategiebegriff beschrieben, damit abschließend die Ergebnisse der zwei Abschnitte zur Definition einer Globalisierungsstrategie herangezogen werden können. Bei der BRI handelt es sich um eine politisch motivierte Initiative, welche durch die Volksrepublik China gesteuert wird. In der weiteren Ausführung wird daher die politische Strategie betrachtet. Im allgemeinen Verständnis kann Strategie als zielgerichtetes sowie überlegtes menschliches Handeln beschrieben werden, durch welches der ausführende Akteur auf die Erreichung eines bestimmten Zielzustands in der Zukunft einwirken will, um diesen herbeizuführen und der ohne dessen Einflussnahme nicht in dieser Form realisiert worden wäre. In der Literatur findet man dazu ein umfangreiches Wissen über die Strategie in den Bereichen der Geschichtsforschung, Militärstrategie und im strategischen Management der Betriebswirtschaft. Die wissenschaftliche Forschung im Bereich der politischen Strategie ist hingegen vergleichsweise jung und bietet nur wenig differenzierte Standpunkte. So ist es naheliegend, dass sie sich der Kernaussagen der bereits erschlossenen Disziplinen, also Historie, Militär und Management zu eigen macht. Der Strategiebegriff wird durch verschiedene Dimensionen, Merkmale und Modelle beschrieben. Zuerst muss sichergestellt sein, dass das Handeln selbst eine strategische Intention besitzt. Dies wird auf der einen Seite über die Zielsetzung für einen Zeitpunkt in der Zukunft realisiert. Auf der anderen Seite ist es notwendig, dass das Handeln selbst ein Prozess darstellt, in dem nach geeigneten Mitteln sowie Maßnahmen gesucht wird, damit unter Einbezug des Einsatzes dieser Mittel sich das anvisierte Ziel möglichst zielgenau verwirklichen lässt. 35 Eine Mittel-Ziel Beziehung wird deutlich. Die Autoren Raschke und Tils erweitern diese Verbindung noch mit dem Begriff der Umwelt. Sie sehen Ziel-Mittel-Umwelt-Kalkulationen als zentrales Strategieelement an. Politische Strategien zeichnen sich durch gewünschte Zustände (Ziele) aus, die systematisierende und berechnende Überlegungen (Kalkulationen) für zielführende Handlungsmöglichkeiten (Mittel) mit einbeziehen und die gleichzeitig auch den situationsübergreifenden relevanten Kontext (Umwelt) berücksichtigen. 36 35 Vgl. Wiesendahl (2010), S. 23. 36 Vgl. Raschke/ Tils (2013), S. 129. 1 Eine neue Ära der Globalisierung 31 Strategische Ziele sind Zustände, die durch strategische Handlungen erreicht werden sollen und dabei einen kurz-, mittel- oder langfristigen Charakter aufweisen können. 37 Sie setzen sich die Erreichung eines Soll-Zustands in einem vorher festgelegten Zeitrahmen zum Ziel, wobei der Zielinhalt eine weiterführende Strategiebildung, also anknüpfende Kalkulationen, ermöglichen und zulassen muss. 38 Obwohl Politik um die Organisation von Macht kreist, ist zwischen Machtzielen, wie beispielsweise dem Gewinnen einer Wahl und Gestaltungszielen, wie zum Beispiel der Durchsetzung einer politischen Reform, zu unterscheiden. 39 Strategische Mittel können als Bindeglied zwischen den Zielen und der Umwelt betrachtet werden. Durch den Einsatz von Humanressourcensowie Sachressourcen, nachfolgend als Mittel bezeichnet, soll die Umwelt insofern beeinflusst und verändert werden, dass ein gegebener Istin einen gewünschten Soll-Zustand übergeführt wird, um im Resultat das Eintreten des geplanten politischen Zielzustands herbeizuführen. 40 Die Umwelt gilt zugleich als Determinante für die Auswahl sowie Vorgehensweise in der Verwendung der strategischen Mittel und ist somit entscheidend für die spätere Wirksamkeit von Letzteren. Wie durch die Erläuterungen zu den strategischen Zielen sowie Mitteln deutlich geworden ist, steht die strategische Umwelt im Zentrum des strategischen Denkens und fungiert somit als Dreh- und Angelpunkt. Sie kann als Ausgangspunkt der Strategieformulierung gesehen werden und steckt zugleich den Rahmen ab, innerhalb dessen strategisches Handeln entwickelt und umgesetzt wird. 41 In diesem Kontextausschnitt bewegen sich verschiedenste Akteure, die aus eigener Machtvollkommenheit in den Planungssowie Umsetzungsprozess der Strategie intervenieren und den strategischen Einfluss- und Manövrierspielraum des Initiators einengen. 42 Durch das entstehende Spannungsfeld wird zugleich die Dynamik der Umwelt deutlich. Sie erfordert eine fließende Flexibilität in der Planung und Umsetzung der politischen Strategie, da sie und die in ihr wirkenden Akteure ständig in Bewegung sind, was das tatsächliche Eintreten der Strategieformulierung nahezu unmöglich machen. Sie zwingt somit den Initiator zur ständigen Hinterfragung und Anpassung der geplanten Ziele sowie der dafür vorgesehenen Mittel. 37 Vgl. Wiesendahl (2010), S. 25. 38 Vgl. Raschke/ Tils (2013), S. 129. 39 Vgl. ebd. 40 Vgl. Wiesendahl (2010), S. 27. 41 Vgl. ebd., S. 29. 42 Vgl. ebd., S. 30. 32 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land Als vierte und abschließende Komponente der politischen Strategie ist die strategische Kalkulation zu nennen. Kalkulationen können als systematisierende und berechnende Denkoperationen definiert werden, die sich durch eine kausale Verknüpfung der im jeweiligen Strategiezusammenhang bedeutsamen Faktoren kennzeichnen lassen. 43 Durch gedachte Wirkungszusammenhänge zwischen den angesteuerten Zielen, vorhandenen Mitteln und relevanten Umweltausschnitten soll schlussendlich der erfolgreiche Einsatz von Mitteln unter gegebenen Bedingungen in Bezug auf die definierten Ziele gewährleistet werden. 44 Ferner kann festgestellt werden, dass in strategischen Kalkülen aus Sicht des Initiators immer erfolgsorientierte Vorteilsberechnungen gesehen werden können. Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass erst, wenn ein Akteur Ziele, Mittel und Umwelt auf der Basis von Kalkulationen in voller Gänze betrachtet und miteinander in Beziehung setzt, alle Voraussetzungen erfüllt sind, damit sein politisches Handeln als politische Strategie eingeordnet werden kann. Die Länge des Zeithorizonts in der Verknüpfung und Umsetzung der einzelnen Bestandteile ist dabei nicht von Relevanz, um eine politische Strategie tatsächlich als diese bezeichnen zu können. So kann sie, auf Grund vielzähliger politischer Vorhaben und der damit verbundenen zeitlichen Aufwendungen, einen kurz-, mittel- oder langfristigen Charakter aufweisen. 45 Insbesondere unter dem Aspekt der dynamischen Umwelt sowie der intervenierenden Akteure kann die Strategiebildung nicht als geschlossenes System betrachtet werden. Vielmehr muss der initiierende Akteur offen für sich verändernde Umweltzustände sein, um im Resultat die externen Eingriffe in seiner weiteren strategischen Zielsetzung berücksichtigen und schlussendlich sein politisches Vorhaben in die Realität umsetzen zu können. 1.3 Politische Globalisierungsstrategie Der Begriff der Globalisierungsstrategie findet in der wissenschaftlichen Literatur keine eindeutige definitorische Beschreibung. Verwendet wird er vor allem im Kontext der Wirtschaftswissenschaften. Hier dient er zur Beschreibung der Internationalisierungs- und Globalisierungsprozesse von TNU und den damit verbundenen Umstrukturierungen sowie Rationalisierungsprozessen innerhalb der Unternehmen. 46 43 Vgl. Raschke/ Tils (2013), S. 130. 44 Vgl. ebd., S. 131. 45 Vgl. ebd., S. 136. 46 Vgl. Zeller (2001), S. 1. 1 Eine neue Ära der Globalisierung 33 Als Ursprung dieser Internationalisierungsvorhaben können strategische Planungsprozesse der Unternehmensführung gesehen werden, die darauf abzielen, langfristige Größenvorteile aus den weltweiten Unternehmensaktivitäten zu generieren. Auf Grund der weltweit fortschreitenden Globalisierung und der damit verbundenen Herausbildung von globalen Märkten, kommt es zu einer verstärkten Vereinheitlichung von Letzteren. Die Größenvorteile sollen dabei insbesondere durch eine Standardisierung der Produkte sowie der Werbeansprache der Kunden realisiert werden, da diese in globalisierten Märkten ähnliche Bedürfnisse sowie Ansprüche haben. In den TNU selbst soll damit ebenfalls eine Vereinheitlichung in den Bereichen Koordination, Organisation, Produktion und Planung stattfinden, um im Resultat kostengünstige Produkte herzustellen und sie an eine größtmögliche Menge potentieller Kunden weltweit absetzen zu können. Beispielhaft können kurz die realisierten Vorteile der Globalisierungsstrategie von DaimlerChrysler aufgeführt werden. Mit Hilfe von Expansionssowie Wachstumsstrategien und der Streuung von Wertschöpfungsaktivitäten über die ganze Welt konnte die Wettbewerbsfähigkeit signifikant gesteigert, Kosteneinsparungen in Niedriglohnländern generiert, zusätzliche Absatzmärkte erschlossen, Netzwerke gebildet, die Produktivität gesteigert, Qualifizierungspotentiale für Expatriates geschaffen und Imagevorteile, zum Beispiel in Form unternehmerischer Gesellschaftsverantwortung, gewonnen werden. 47 Im wirtschaftswissenschaftlichen Kontext kann die Globalisierungsstrategie demzufolge als Mittel zum Zweck gesehen werden. Möchten die Unternehmen langfristig am Markt existieren, die Sicherheit der Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiter gewährleisten, die Sicherung der Wettbewerbsposition behaupten und die Ansprüche ihrer Stakeholder erfüllen, so müssen sie in globale Märkte internationalisieren, um dort neue Absatzmärkte zu erreichen und so die Unternehmensfortführung gewährleisten zu können. Im Kontext der Politikwissenschaften hat die Globalisierungsstrategie grundsätzlich noch keine Berücksichtigung gefunden. Überträgt man jedoch die zuvor beschriebenen Erkenntnisse aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften auf die Politik, so könnte man beispielhaft den Staat selbst als TNU sehen. Zur Gewährleistung der internationalen Wettbewerbssicherung, in der Politik gleichgesetzt mit internationaler Einflussnahme, globaler Machtausübung, Absicherung der Energieversorgung, Akquisition von innovativen Technologien sowie der Auslastung der landeseigenen Unternehmen und ihrer Arbeitnehmer, müssen durch die Regierung politische Maßnahmen und Strategien geplant sowie realisiert werden, die die landeseigene Existenz absichern und politische Macht fördern. Setzt nun ein Staat eine 47 Vgl. Grube (2003), S. 491. 34 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land politische Strategie in die Realität um, die gleichzeitig bewusst darauf abzielt, die Dimensionen der Globalisierung aktiv mitzugestalten oder zu verändern, dann kann dieses Vorhaben, als politische Globalisierungsstrategie bezeichnet werden. 35 2 Darstellung der Belt and Road Initiative (BRI) 2. Darstellung der Belt and Road Initiative (BRI) 2.1 Verkündungsrede durch Xi Jinping Am 7. September 2013 sprach der Präsident der kommunistischen Volksrepublik Chinas, Xi Jinping, an der Nasarbayev-Universität in Astana, Kasachstan, erstmalig öffentlich vom Auf- und Ausbau eines „Silk Road Economic Belt“ für Eurasien. 48 Die Belt and Road Initiative (BRI) wird in einen Landweg „Silk Road Economic Belt“ (SREB) sowie in einen Seeweg „21st Century Maritime Silk Road“ (MSR) unterteilt. 49 Durch eine Vielzahl von Infrastrukturprojekten und hohen Investitionen sollen Asien, Afrika und Europa über zahlreiche Handelsrouten miteinander verbunden und folglich neues wirtschaftliches Wachstum für alle beteiligten Länder generiert werden. Der Aufenthalt des chinesischen Präsidenten war Bestandteil einer zehntägigen Reise durch Zentralasien. Ziel der Reise war die Teilnahme am 13. Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ). Zuvor besuchte er Turkmenistan, Usbekistan und zuletzt Bischkek in Kirgisistan, wo der Gipfel am 13. September schließlich stattfand. 50 Noch nie zuvor war ein chinesischer Präsident in Zentralasien so lange unterwegs gewesen. Xis Tour ist somit Symbol einer Aufwertung in den wirtschaftlichen Beziehungen mit dieser Region und zugleich ein Zeichen dafür, wie wichtig ihm die Verkündung der Initiative im außenpolitischen Kontext Chinas ist. 51 In der Nasarbayev-Universität spricht Xi Jinping vom Ausbau eines Seidenstraßen- Wirtschaftsgürtels, der den Handel sowie den kulturellen Austausch mit Chinas westlichen Nachbarn wiederbeleben soll. 52 Dabei stellt er insbesondere die historische Verbundenheit zwischen dem Reich der Mitte und Zentralasien heraus. Nicht nur wirtschaftliche sowie kulturelle, sondern auch politische Verbindungen sollen wiederbelebt und somit der Wohlstand in allen beteiligten Regionen gefördert werden. 53 Es kann deshalb angenommen werden, dass China durch die Hilfe der Initiative auch sein Gewicht in der Weltpolitik erhöhen will, um seinem historischen Selbstverständnis wieder näher zu kommen. Betrachtet man die Rede Xi Jinpings in Astana in 48 Vgl. Wang (2013). 49 Vgl. Shaohui (2015). 50 Vgl. o.V. (2013). 51 Vgl. Godehardt (2014), S. 18. 52 Vgl. Rudolf (2015), S. 103. 53 Vgl. Rudolf (2016), S. 2. 36 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land voller Gänze, so wird deutlich, dass die BRI eine Anbindung Zentralasiens an China vorsieht und hieraus ein chinesischer Anspruch auf diese Region abgeleitet werden könnte. Damit dieser Eindruck nicht bestehen bleibt, wirbt China mit Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit in den Medien für die BRI. 54 So war auch das mediale Interesse an Xi Jinpings Zentralasienreise außergewöhnlich hoch. Seit der Rede des chinesischen Präsidenten in Astana wird bei jedem offiziellen Anlass auf die Bedeutung der Nachbarschaftspolitik und die neue BRI verwiesen. Die Verwendung der Seidenstraßen-Rhetorik im akademischen, medialen und politischen Diskurs zeigt, dass das Konzept in Zukunft ein fester Bestandteil der chinesischen Politik sein wird. 55 Da die BRI zentrale Aspekte des chinesischen Auslandsengagements in einem strategischen Gesamtkonzept zusammenführt, war es umso wichtiger, in welchem Kontext und unter Verwendung welcher kommunikativen Mittel Xi Jinping das Projekt der Öffentlichkeit vorstellt. Während der Verkündung greift der chinesische Präsident wiederholt auf historische Analogien zur antiken Seidenstraße zurück, die von den Handelszentren Europas zu See und zu Land über Zentralasien bis zu den chinesischen Metropolen reichte und ihre Ursprünge im 2. Jahrhundert n. Chr. findet. 56 Sie kann durch eine weitreichende Serie von Karawanenstraßen beschrieben werden, auf denen unterschiedlichste Handelsgüter ausgetauscht werden zwischen Völkern mit unterschiedlichen ethnischen, kulturellen und religiösen Hintergründen. 57 Er stellt zugleich den geschichtlichen Bezug zwischen China und Eurasien heraus, indem er auf die Reisen von Zhang Qian während der westlichen Han-Dynastie verweist, der in China selbst als Gründungsvater der antiken Seidenstraße gilt. 58 Die antike Seidenstraße war weder der Auslöser von Kriegen noch von Kolonisation, sondern diente dem Waren- und Kulturaustausch zwischen Asien und Europa. 59 Auf Grund dieses historischen Bezuges konnte Xi Jinping glaubwürdig darlegen, dass der Aufbau von Handelswegen im Großraum Eurasien nichts wirklich Neues ist und somit alle beteiligten Länder auf eine gemeinsame Tradition zurückblicken können. Zurückhaltung signalisiert er auch dadurch, dass eine Wiederbelebung des Handelsweges nicht ohne die Mitwirkung der beteiligten Staaten möglich ist und stellt zugleich den wirtschaftlichen Nutzen der Initiative heraus. Dennoch lässt er darüber hinaus keinen Zweifel daran 54 Vgl. Ekstedt (2015), S. 5. 55 Vgl. Godehardt (2014), S. 18. 56 Vgl. Rudolf (2015), S. 104. 57 Vgl. Godehardt (2014), S. 19. 58 Vgl. Kosick (2015). 59 Vgl. Chaturvedy (2014), S. 5. 2 Darstellung der Belt and Road Initiative (BRI) 37 aufkommen, dass China sich im eurasischen Raum als zentralasiatischer Staat verstehe und schon immer verstanden hat. In diesem Zusammenhang kann bereits ein zentraler Unterschied zwischen der historischen Seidenstraße und der BRI in ihren Entstehungsformen festgestellt werden. Während die antike Seidenstraße als Folge eines kulturellen Austauschs von Privatpersonen entstanden ist, handelt es sich bei der heutigen Seidenstraßeninitiative um eine politische Initiative, die durch die Volksrepublik (VR) China federführend gesteuert, geplant und umgesetzt wird. Im letzten Schritt der Rede stellt der chinesische Präsident unter Berücksichtigung des Zusammenbruchs der Sowjetunion einen Bezug zur Gegenwart her. Unter Berufung auf die bilaterale Zusammenarbeit mit den zentralasiatischen Staaten als auch in Bezug auf die Zusammenarbeit im Rahmen der SOZ müsse, so Xi Jinping, eine neue Kooperationsinitiative ins Leben gerufen werden, um diesen Erfolg auch auf die wirtschaftlichen Beziehungen auszudehnen. 60 Es wird somit deutlich, dass die chinesische Regierung die Welt nun aktiv mitgestalten will und seine traditionelle Zurückhaltung bei außenpolitischen Fragen zunehmend zurückschraubt. 61 Indem Xi Jinping sowie offizielle chinesische Stellen die Initiative als Zukunftsvision präsentieren und zur individuellen Beteiligung aller Staaten der Welt anregen, selbst die der Vereinigte Staaten (USA) sowie Russland, lässt sich auf den ersten Blick nicht sofort ableiten, welche impliziten Strategien die kommunistische VR China mit dieser Initiative verfolgen. 2.2 BRI in Zahlen Welches Potenzial hinter der BRI steckt, soll nachfolgend kurz beleuchtet werden. Dafür ist es zunächst notwendig, einen geografischen Überblick über die Dimensionen der Initiative zu erlangen. Bis zum heutigen Tag hat die VR keine offizielle Karte veröffentlicht, die das Vorhaben und ihre Zielländer abbildet. Schlussfolgernd sind in den Medien und dem Internet verschiedenste geografische Darstellungen der BRI zu finden, die im Kern jedoch dieselben Inhalte aufweisen. Mit Hilfe der nachfolgenden Grafik können der Verlauf des Landwegs SREB sowie der Verlauf des Seewegs MSR verdeutlicht werden. 60 Vgl. Godehardt (2014), S. 19. 61 Vgl. Rudolf (2016), S. 1. 38 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land Abb. 1: Verlauf des SREB und der MSR im historischen Vergleich (Giesen/ Strittmatter 2017) Unter Verwendung der Abbildung 1 und in Anlehnung an die Rede von Xi Jinping können die historischen Parallelitäten zur antiken Seidenstraße belegt werden. Während die MSR nahezu deckungsgleich zum historischen Vorbild verläuft, wird die heutige Erweiterung des SREB bis ins Herz Europas und in Richtung Russlands deutlich. Die Initiative selbst hat dabei ca. 65 Länder aus ganz Asien und Europa zum Ziel. Der zuvor beschriebene Länderumfang vereint schätzungsweise 4,4 Milliarden Menschen, welche ein verfügbares Einkommen in Höhe von 21 Billionen US-Dollar besitzen. 62 China hat in den vergangenen vier Jahren 130 bilaterale und regionale Transportabkommen abgeschlossen, 356 internationale Verkehrsrouten für Personen- und Frachtverkehr auf den Weg gebracht und 4.200 Direktflugverbindungen mit 43 Staaten eröffnet. 63 Laut einer Studie der Renmin-Universität verbindet die BRI somit Länder, die 55 Prozent des weltweiten Bruttonationalproduktes erwirtschaften, 70 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren und 75 Prozent der bekannten Energiereserven abdecken. 64 In diesen 65 Ländern sind im Rahmen des SREB sowie der MSR bis dato 900 Projekte mit einem Investitionsumfang von 850 Milliarden US-Dollar geplant. 65 Zur Deckung dieses Investitionsbedarfs werden Gelder durch Institutionen und Fonds bereitgestellt. Dabei entfallen 50 Milliarden US-Dollar auf die 62 Vgl. Bessler (2015), S. 3. 63 Vgl. Zepp-LaRouche (2017). 64 Vgl. Pop (2016), S. 7. 65 Vgl. Puls (2016). 2 Darstellung der Belt and Road Initiative (BRI) 39 New Development Bank (NDB), 100 Milliarden US-Dollar auf die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIIB), 3,1 Milliarden US-Dollar auf den Seidenstraßen-Fonds, 16,3 Milliarden US-Dollar auf die China Development Bank und 20 Milliarden US-Dollar auf den Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) Infrastructure Connectivity Fonds. 66 China selbst hat dafür bereits 60 Milliarden US-Dollar investiert. 67 Zu den begünstigten Regionen zählen Afrika (5 Milliarden US-Dollar), Lateinamerika (35 Milliarden US- Dollar), Mittel- und Osteuropa (10 Milliarden US-Dollar), Venezuela (20 Milliarden US-Dollar) und Pakistan (57 Milliarden US-Dollar). 68 Doch der bisher berücksichtigte Investitionsumfang wird bei weitem nicht ausreichend sein, um die betroffenen Ländern wirtschaftlich nachhaltig zu entwickeln. Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) gelten nur sieben der gezählten 65 betroffenen Staaten als wirtschaftlich entwickelt. So schätzt das Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers, dass letztere ca. 5 Billionen US-Dollar für Transportinfrastrukturprojekte benötigen werden. 69 Deshalb sieht China weitere Investitionen vor, um neben der wirtschaftlichen Entwicklung der Länder auch für gesellschaftliche Stabilität zu sorgen. Insbesondere die Entwicklungsländer und internationale Organisationen sollen über die nächsten drei Jahre zusätzliche 8,7 Milliarden US- Dollar an Hilfen erhalten, vor allem zur Förderung sozialer Projekte entlang der Seidenstraße. 70 Auch der konkrete Implementierungszeitraum wurde bereits benannt. Das Projekt soll offiziell ab 2021 beginnen und in 2049 abgeschlossen sein. 71 Das Jahr 2049 ist ein magisches Jahr in der Geschichte des Landes. Denn dann wird die Volksrepublik 100 Jahre alt. 72 Ob sich jedoch alle beteiligten Parteien dessen bewusst sind, was für ein enormer Finanzierungsbedarf zu tragen ist, kann nicht zweifelsfrei positiv beantwortet werden. Die Volksrepublik selbst jedoch dürfte sich dessen sehr wohl bewusst sein. China hat seit Beginn der Initiative im Jahr 2013 rund 60 Milliarden US-Dollar in den Ländern entlang der Seidenstraße investiert. Auf diese Weise wurden insgesamt 56 Handels- und Kooperationszonen erbaut, 1,1 Milliarden US-Dollar an Steuereinnahmen generiert und 180.000 66 Vgl. Celani (2016), 24m.51s. 67 Vgl. Puls (2016). 68 Vgl. Hilpert/ Wacker (2015), S. 2. 69 Vgl. Bessler (2015), S. 3. 70 Vgl. o.V. (2017a). 71 Vgl. Bessler (2015), S. 4. 72 Vgl. Hirn (2015). 40 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land Arbeitsplätze geschaffen. 73 Allein zwischen Januar 2017 und März 2017 haben chinesische Unternehmen 2,95 Milliarden US-Dollar in 43 Länder entlang der neuen Seidenstraßen investiert, welche für 14,4 Prozent aller Auslandsinvestitionen der Firmen stehen und zugleich fünf Prozent höher als im Vorjahreszeitraum ausfallen. 74 An den Zahlen wird deutlich, wie ernst es der Volksrepublik mit der Realisierung der BRI ist und welche Wichtigkeit sie dem Vorhaben zuschreibt. Nachdem nun ein allgemeiner Überblick über die Zahlenwelt der BRI geliefert wurde, werden nachfolgend die Routen im Detail vorgestellt. 2.3 Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtel als Landweg Mit der erstmaligen Verkündung der Initiative im Jahr 2013 startete China eine diplomatische „Charmeoffensive“. So unternahm Xi Jinping seitdem unter dem Dach der BRI eine Vielzahl von Staatsbesuchen: 18 in Asien, neun in Europa, drei in Afrika, vier in Lateinamerika und drei in Ozeanien. Des Weiteren wurden bilaterale Abkommen mit 36 Staaten und Absichtserklärungen mit der Europäischen Union (EU), mit den Central and Eastern European Countries (CEEC), mit den Mekong-Nachbarstaaten, mit der Afrikanischen Union, mit der SOZ, mit der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU), mit dem Verband Südostasiatischer Nationen und dem Asia- Europe Meeting (ASEM) geschlossen. 75 Im selben Atemzug mit der Vorstellung des Projekts verspricht die chinesische Führung Milliardenbeträge und günstige Kredite für den Infrastrukturausbau entlang des SREB sowie der MSR. Zur Finanzierung des Vorhabens hat China zahlreiche Finanzierungskanäle wie die AIIB, den Seidenstraßen- Fonds oder den Chinesisch-Eurasischen-Wirtschaftskooperationsfonds geschaffen. Doch obwohl seit der offiziellen Verkündung fast vier Jahre vergangen sind, gibt es noch keinen übergeordneten institutionellen Rahmen, in welchen die Initiative eingebettet ist. Vielmehr wird die BRI durch ein Netzwerk von unterschiedlichen, teilweise überlappenden, Institutionen und mehrdimensionalen Mechanismen vorangetrieben, die sowohl bilateral als auch multilateral, in verschiedenen Regionalforen, aber auch auf kommunaler Ebene und unter Einbindung von staatlichen sowie privaten Unternehmen wirken. 76 Somit wird deutlich, dass es sich bei Chinas Projekt zwar um eine Vision handelt, mit der eine Ordnungsvorstellung für das internationale 73 Vgl. o.V. (2017b). 74 Vgl. ebd. 75 Vgl. Celani (2016), 14m.50s. 76 Vgl. Rudolf (2016), S. 2-4. 2 Darstellung der Belt and Road Initiative (BRI) 41 System entwickelt wird, die allerdings nur bedingt auf schon bestehende Normen, Regeln oder Strukturen zurückgreift. So wirkt diese Vision aus der objektiven Betrachtungsweise eher imaginär sowie diffus. 77 Darüber hinaus verzichtet die chinesische Regierung stets bewusst darauf, die BRI als eine Strategie zu bezeichnen, da die Initiative sonst den Verdacht auf Erfüllung impliziter Strategien seitens der Volksrepublik wecken könnte. Für ein tiefgreifendes Verständnis des Vorhabens ist es zunächst notwendig, einen detaillierten geografischen Überblick über den Verlauf der einzelnen Routen zu erlangen. Mit Hilfe der nachfolgenden Abbildung wird der SREB veranschaulicht. Abb. 2: Verlauf des SREB (Herb 2017) Wie in der Abbildung 2 deutlich wird, entspringt der SREB in China, zieht sich anschließend durch Süd- und Südostasien sowie Zentralasien und mündet über Osteuropa abschließend in Kontinentaleuropa. Die westwärts gewandte Überlandverbindung erstreckt sich von Xián in Zentralchina aus über das Festland in Zentralasien nach Samarkand, Teheran, Istanbul, Moskau, durch Osteuropa nach Duisburg und schließlich bis Rotterdam. Zentrales Element des SREB ist der Ausbau der Transportwege zu Hochgeschwindigkeitsstraßen. Zusätzlich sollen Waren mit Hilfe von Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken auf Güterzügen in Zukunft noch schneller transportiert werden können, als es derzeit über den Seeweg möglich ist. 78 Auf diese Weise soll im ersten Schritt ein weitreichender Anschluss der zentralasiatischen Staaten an das chinesische Infrastrukturnetz erfolgen, welcher später auf den Mittleren Osten, Russland und Europa erweitert werden soll. Aus der logistischen Perspektive weist das Vorhaben ein enormes Potenzial 77 Vgl. Godehardt (2016), S. 33. 78 Vgl. Bessler (2015), S. 3. 42 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land auf. Das geplante Schienenverkehrsnetz bietet eine willkommene Alternativoption zum bestehenden Luft- und Seefrachttransport. So können über das Schienennetz Binnenländer und auch zukünftig noch weitere Länder angeschlossen werden, die sich beispielsweise für eine Beteiligung an der BRI entscheiden oder die bis dato schlichtweg keinen Zugang zum internationalen Handelsmarkt haben, da sie nicht über die notwendige Infrastruktur sowie das technische Wissen zur Erbauung Letzterer verfügen. Mit Hilfe des SREB wird der Gütertransport wirtschaftlicher, umweltfreundlicher und schneller als der Seefrachttransport. 79 Neben dem Ausbau von Straßen- und Schieneninfrastruktur sieht die VR für den SREB auch die Errichtung von Öl- und Erdgaspipelines vor. Dafür sollen in Zukunft sogenannte Pipeline-Korridore entstehen, mit denen China seine Energie- und Mineralressourcen decken kann. Die Länder Russland, Kasachstan und Tadschikistan sind hierbei von zentraler Bedeutung, was in Abbildung 3 deutlich wird. Abb. 3: Öl- und Erdgaspipelines des SREB (Inton 2017) 79 Vgl. Meahl (2017). 2 Darstellung der Belt and Road Initiative (BRI) 43 Turkmenistan, das Land welches über die viertgrößten Gasreserven der Welt verfügt, hat im Zuge der BRI bereits ein Abkommen für Gaslieferungen mit China unterzeichnet. 80 Die als Resultat gebaute Pipeline führt von Turkmenistan über Usbekistan und Kasachstan nach Westchina. Eine weitere Pipeline befindet sich bereits im Bau. Sie wird ausgehend von Tadschikistan Gas über Usbekistan und Kirgisistan nach China transportieren und folglich ein zentralasiatisches Gasnetzwerk bilden. 81 Im Mai 2014 haben das russische Gazprom und der chinesische Öl- und Gaskonzern CNPC einen auf 30 Jahre befristeten Vertrag namens „Kraft Sibiriens“ über die Lieferung von Erdgas per Pipeline nach China abgeschlossen. 82 Dieses Vorhaben soll als Pilotprojekt im Rahmen der BRI starten, um zukünftig einen Asiatischen Energiering zu bilden. Der Ring soll die Energiesysteme Russlands, Südkoreas, Japans, Chinas und möglicherweise die Systeme anderer Länder vereinigen, um die Partnerschaften zu stärken und zugleich die langfristige Energieabsicherung im zentralasiatischen Raum unter dem Dach der Initiative sicherzustellen. Im besonderen Fokus steht in diesem Zusammenhang aus Sicht Chinas das erdölreiche Land Kasachstan. Kurz nach der erstmaligen Verkündung der BRI durch Präsident Xi Jinping erwarb die Volksrepublik Ende 2013 das gigantische Ölfeld Kashagan, welches wegen der riesigen Milliarden Barrel-Reserven das derzeit wichtigste und zugleich teuerste Ölfeld der Welt ist. 83 Mit Chinas Krediten werden nicht nur Infrastrukturinvestitionen vorgenommen, sondern vor allem ein 4000 Kilometer langes Netzwerk von Öl- und Gaspipelines ausgehend von Kasachstan bis hin nach Shanghai erbaut. Im Gegenzug für die Anbindung an den SREB kontrollieren chinesische Unternehmen seit 2014 rund 40 Prozent des kasachischen Öl- und Gassektors. 84 Die Korridore sollen nicht nur durch Straßen- und Schienennetze sowie Erdöl- und Gaspipelines, sondern vor allem durch die enge Verzahnung zahlreicher geplanter Investitionsprojekte im Raum Eurasien entstehen. Eine besondere Bedeutung kommt hierbei den sechs Wirtschaftskorridoren zu. Darin inbegriffen sind die Neue Eurasische Landbrücke sowie die Verflechtungen aus China, der Mongolei und Russland, Zentralchina und Westasien, China und Indochina, China und Pakistan sowie Bangladesch, China, Indien 80 Vgl. Fischer (2015), S. 26. 81 Vgl. Mehta (2017). 82 Vgl. o.V. (2017c). 83 Vgl. Budde/ Schlager (2014). 84 Vgl. ebd. 44 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land und Myanmar. Diese Korridore sind in der nachfolgenden Abbildung 4 dargestellt. Abb. 4: Wirtschaftskorridore des SREB (o.V. 2017d) Der primäre Fokus soll innerhalb der Wirtschaftskorridore auf dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur sowie der Errichtung von Sonderwirtschaftszonen liegen, um im Ergebnis einen stärkeren Handel zu erwirken, attraktive Rahmenbedingungen für ausländische Direktinvestitionen zu bieten, die Konzentration von Technologieclustern zu stärken, Freihandelszonen zu etablieren und das politische Vertrauen sowie die Freundschaft unter allen beteiligten Ländern und deren Einwohnern auszubauen. Auch die Errichtung von Häfen oder die Pachtung dieser ist als Schnittstelle zur MSR innerhalb der Wirtschaftskorridore vorgesehen. Diese Schnittstellen ermöglichen der VR zu jeder Zeit, die transportierten Waren zwischen dem Land- und Wasserweg zirkulieren zu lassen, wobei das Endziel immer China ist. Auch im Falle von militärischen Aggressionen durch fremde Länder und einer beispielhaften Sperrung von Handelsrouten, ist die Entstehung eines etwaigen Engpasses in der Versorgung mit Gütern oder Öl nahezu ausgeschlossen. China geht bei der Auswahl der Partnerländer, die für die Ausbildung von Wirtschaftskorridoren in Frage kommen, höchst strategisch vor. Von jedem Land verspricht es sich wirtschaftliche oder politische Vorteile. Ein gutes Beispiel ist der China-Pakistan-Korridor. Da Indien und Pakistan einander abgeneigt sind, die Beteiligung beider Länder aus Chinas Sicht aber von hoher Priorität für die BRI ist, hat die VR schlichtweg zwei Korridore gebildet, um 2 Darstellung der Belt and Road Initiative (BRI) 45 möglichen Spannungen aus dem Weg zu gehen. Indien ist der größte Handelspartner Chinas, und in den vergangenen Jahrzehnten haben sich die beiden Nationen gegenseitig stark gemacht. Nun investiert China vor allem in Infrastrukturprojekte im pakistanischen Kashmir, einer von Indien beanspruchten Region. 85 Indien begrüßt das Vorgehen Chinas nicht, ist aber auf Grund des Soges der Seidenstraßeninitiative trotzdem zur Partizipation gezwungen, auch um nicht den Anschluss in Asien zu verlieren. Besonders aus dem Blickpunkt des internationalen Terrors ist Pakistan für China wichtig. Als Nachbarland zu Afghanistan ist die politische Stabilität in Pakistan für die chinesische Regierung von höchster Priorität, um die Westgrenzen der VR abzusichern und für sicherheitspolitische Stabilität in Zentralasien zu sorgen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Ziel des SREB in der Etablierung einer gemeinsamen Wirtschaftszone liegt, in der die Verkehrswege ausgebaut und die wirtschaftliche Zusammenarbeit aller beteiligten Staaten gefördert werden sollen. Durch die Errichtung von Erdöl- und Gaspipelines soll zugleich die Energieversorgung im zentralasiatischen Raum sichergestellt werden. Die Etablierung von Wirtschaftskorridoren verfolgt sowohl die Realisierung der zuvor genannten Ziele, soll aber auch den Frieden in Zentralasien langfristig gewährleisten und somit das Zusammenrücken der Länder fördern. Dennoch kann gesagt werden, dass der primäre Zweck des SREB in den Infrastrukturmaßnahmen und der Förderung des internationalen Güterhandels entlang der Route gesehen werden kann. So will die VR in Zukunft die Versorgung der eigenen Bevölkerung sicherstellen. Inwiefern sich dieser Ansatz von der MSR unterscheidet, wird im nächsten Abschnitt betrachtet. 2.4 Maritime Seidenstraße des 21. Jahrhunderts als Seeweg Die südlich gerichtete MSR verläuft parallel an den Küsten des asiatischen Kontinents entlang des Südchinesischen Meeres über den Indischen Ozean sowie Ostafrika und erstreckt sich über das Rote Meer und den Suez-Kanal bis ins Herz Europas. Die auf den Seeweg fokussierte Handelsroute entspringt im chinesischen Fuzhou, zieht sich entlang der chinesischen Küste bis nach Hanoi, nach Jakarta und Kuala Lumpur, durch die Straße von Malakka in den indischen Ozean über Colombo nach Nairobi und schließlich am Horn von Afrika vorbei durch das Rote Meer und das Mittelmeer über Piräus und Athen nach Venedig. Die nachfolgende Abbildung 5 stellt den Verlauf der MSR dar. 85 Vgl. o.V. (2017e). 46 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land Abb. 5: Verlauf der MSR (Wesseling 2017) 2 Darstellung der Belt and Road Initiative (BRI) 47 Auch auf dem Seeweg soll die Infrastruktur ausgebaut und damit der internationale Handel weiter gefördert werden. Die Volksrepublik (VR) investiert dabei in Hafen- und Werftanlagen beispielsweise in Bangladesch, Sri Lanka, Pakistan auf den Malediven. 86 Durch das Netzwerk aus Häfen entlang dem Verlauf der MSR soll eine Verbindung zwischen dem Hinterland Südostasiens, Südasiens, Westasiens, Ostafrikas und Südeuropas entstehen und somit der Kreis zum SREB geschlossen werden. Auffällig ist dabei der Anschluss Afrikas an das Netz der Seidenstraßeninitiative, da der Kontinent im Zuge des SREB keine direkte Berücksichtigung erfahren hat. Daher kann insbesondere das Horn von Afrika als Brückenkopf zum Eintritt in den afrikanischen Kontinent und als Schnittstelle zur Erreichung Südeuropas gesehen werden. Warum China zur Gründung der MSR aufgerufen hat ist naheliegend. Laut Außenhandelsstatistik werden über 90 Prozent des Handels mit China per Schiff abgewickelt. 87 Der Seetransport ist zwar vergleichsweise langsam, dafür aber extrem günstig. So dürfte auch nach erfolgtem Infrastrukturausbau im Zuge der SREB der Handel per Schiff das Rückgrat des Welthandels bleiben. Peking errichtet mit Hilfe des SREB und der MSR ein komplexes Infrastrukturnetzwerk mit zahlreichen strategischen Knotenpunkten und treibt zugleich den Aufsowie Ausbau günstig gelegener Häfen und Transportkorridore in ganz Eurasien voran. 88 Auch nach Betrachtung des Routenverlaufs der MSR wird deutlich, dass es keinen offiziell vorgeschriebenen Verlauf gibt. Bezüglich des Umfangs der BRI spricht Xi Jinping deshalb in seinen Reden wiederholt vom Großraum Eurasien. Klare Grenzen werden jedoch nicht genannt. Dies hat den Vorteil, dass zunächst kein Land, welches zwischen Europa und Asien liegt, von der Initiative ausgeschlossen wird. 89 Wie oben aufgeführt, konzentrieren sich die Routenverläufe auf acht zentrale Regionen. Darunter können Südasien, Zentralasien, ASEAN, Zentral- und Osteuropa, Westasien sowie Nord- und Ostafrika gefasst werden. Zu den aus chinesischer Perspektive wohl wichtigsten Ländern gehören die ASE- AN-Staaten, Russland, Polen, Weißrussland, die Türkei, Saudi-Arabien, Sri Lanka, Indien, die Mongolei, Kasachstan, Kirgisistan und Pakistan. 90 86 Vgl. Bessler (2015), S. 2. 87 Vgl. Puls (2016). 88 Vgl. Rudolf (2015), S. 105. 89 Vgl. Godehardt (2014), S. 8. 90 Vgl. Bessler (2015), S. 2 3. 48 2 Darstellung der Belt and Road Initiative (BRI) Um den Export chinesischer Produkte in die zuvor genannten Regionen und zugleich den Import von Gütern auch in Zukunft zu sichern, nutzt die Volksrepublik (VR) im Rahmen der MSR die Möglichkeit, in zahlreiche asiatische, europäische sowie afrikanische Häfen zu investieren und somit seine Vormachtstellung im Raum Eurasien weiter auszubauen. 91 China erbaut also nicht nur selbstständig Häfen in fremden Ländern, sondern kauft die Rechte an bereits erbauten Häfen oder pachtet diese auf Jahrzehnte. In der nachfolgenden Abbildung 6 werden die Häfen mit chinesischer Beteiligung und die geplanten sowie die sich im Bau befindlichen Hafenanlagen dargestellt. Abb. 6: Häfen mit chinesischer Beteiligung und geplante Hafenprojekte (Wesseling 2017) Allein seit Mitte 2013 hat China Hafenprojekte im Rahmen der MSR in Sri Lanka, auf den Malediven, in Israel, Pakistan, Indonesien, Dschibuti, Panama, Australien, Belgien und Griechenland realisiert. Bei genauerer Analyse 91 Vgl. Puls (2016). 2 Darstellung der Belt and Road Initiative (BRI) 49 können strategische Kalküle abgeleitet werden, die bei dem SREB in dieser Ausprägung nicht vorhanden sind. Chinas Differenzen zu Indien zeigen sich vor allem in der Berücksichtigung Indiens innerhalb der MSR. Das Land findet keine Berücksichtigung und keinen Anschluss an die Seeroute. Stattdessen errichtet China die Hafenanlagen in Colombo und Hambantota in Sri Lanka sowie eine weitere Anlage in Gwadar in Pakistan. Somit drängt China die Volksmacht Indien in ein politisches und wirtschaftliches Abseits, indem es keinen Warenaustausch für Indien vorsieht. Am Beispiel Malé auf den Malediven wird eine geostrategische Positionierung deutlich. Hier ist nicht nur ein Hafen in Planung, sondern China wird zugleich den Aufbau eines Flughafens verantworten. 92 Inwiefern die VR diesen selbst nutzen kann, ist bis dato jedoch noch nicht geklärt. Zeitgleich hat China in Hambantota in Sri Lanka beinahe 80 Prozent der Nutzungsrechte des Hafens auf 99 Jahre zur Pacht erhalten. 93 Erst als bekannt wurde, dass China auch Flächenumwandlungen für das Gebiet vorsieht, wurde das Vorhaben auf Grund starker Proteste der lokalen Bevölkerung gestoppt und der Nutzung des Hafens als militärische Basis widersprochen. 94 Anhand dieser zwei Beispiele wird deutlich, worum es China aus geostrategischer Sicht geht. Die VR sucht im Rahmen der MSR zusätzlich nach Möglichkeiten, um seine militärische Präsenz im Südchinesischen Meer und im Indischen Ozean durch die Aneignung von Häfen und Flughäfen in Kombination mit der Landaufschüttung auszuweiten. Dies ist sicherlich nicht nur auf die Durchsetzung von politischen oder wirtschaftlichen Interessen zurückzuführen. Im Indischen Ozean liegt auch Diego Garcia, ein militärischer Stützpunkt der USA, welcher rund 1.000 Kilometer von Malé entfernt ist. 95 Demzufolge ist Chinas Ausbau der militärischen Aktivitäten in diesen Gewässern auch auf ein Kräftemessen mit den Vereinigten Staaten zurückzuführen. China will im Raum Eurasien unabhängig sein und sich vor allem gegenüber der westlichen Weltmacht beweisen. Um die Kontrolle über die eigenen Handelswege zu behalten, ist auch die Besetzung von Meeresengen von besonderer Relevanz. Im afrikanischen Land Dschibuti, am Horn von Afrika, hat China dafür einen Militärstützpunkt in direkter Nachbarschaft zu den USA, Frankreich, Spanien, Italien und Japan errichtet. Nahezu parallel hat sich die VR im ägyptischen Hafen Port Said in Form eines Joint Ventures eingekauft und den Ausbau des Suez-Kanals in Port Said sowie Al-Adabiya voran- 92 Vgl. Baumbach (2014). 93 Vgl. Dobbs (2017), S. 3. 94 Vgl. Patranobis (2017). 95 Vgl. McQue (2017). 50 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land getrieben. 96 Auf Grund des Joint Ventures kontrolliert China nun den gesamten Container-Terminal des Kanals. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass China mit Hilfe dieser zwei Projekte nicht nur den Suez-Kanal selbst, sondern das gesamte Rote Meer steuert und überwacht. Somit ist ein Zustand der Machtübergabe an die VR entstanden, die ohne die BRI möglicherweise so nicht zugelassen worden wäre. Die chinesische Vorgehensweise, sich strategisch wichtige Häfen zu sichern, ist aus der amerikanischen Sichtweise nichts Neues. Von Pekings Strategie der Perlenkette spricht das Pentagon erstmalig im Jahr 2004 und bezieht sich dabei auf sämtliche chinesische Unternehmungen entlang der Küsten Asiens, des Nahen Ostens und Afrikas. 97 Im Gegenzug für großzügige Kredite erkauft China den Bau von Häfen und den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Auf diese Weise entstehen strategische Anlaufstellen, sogenannte Perlen. Diese könnten möglicherweise in der Zukunft als militärische Basen genutzt werden, so die Befürchtungen der USA. 98 Die Verkettung dieser einzelnen Perlen führt zur Namensgebung der Perlenkette. Insbesondere durch die Hafenprojekte die unter der SREB in den letzten drei Jahren realisiert worden sind, ist die Kette stetig gewachsen. Einen Überblick über die aus Chinas Sicht strategisch relevanten Häfen und Flughäfen liefert die nachfolgende Abbildung 7. Ausgehend vom chinesischen Haian verläuft die Perlenkette über die Woody-Inseln, Sittwe in Myanmar und Chittagong in Bangladesch nach Sri Lanka sowie den Malediven und endet augenscheinlich im pakistanischen Gwadar. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass Abbildung 7 nicht das ganze Ausmaß der Perlenkette abbildet. Durch die neusten Projekte der MSR zieht sie sich nun auch ausgehend von den Seychellen über das afrikanischen Dschibuti sowie Port Said in Ägypten und reicht bis nach Piräus in Griechenland und somit ins Herz Europas. 96 Vgl. Scott (2014). 97 Vgl. Erling (2013). 98 Vgl. ebd. 2 Darstellung der Belt and Road Initiative (BRI) 51 Abb. 7: Verlauf der Perlenkette im Südchinesischen Meer und im Indischen Ozean (Pejic 2016) Doch nicht nur die USA, auch Indien und Japan beäugen die chinesischen Aktivitäten im Rahmen der BRI und die resultierende Ausbreitung der Perlenkette kritisch. Wie oben erläutert, sieht die MSR nicht die Integration Indiens vor und umzingelt das Land mit strategischen Perlen. Zugleich kreuzt sie die wichtigste Seeroute des stark von Energie-Importen abhängigen Japans und führt am zentralen Marinestützpunkt der USA im Indischen Ozean an Diego Garcia vorbei. 99 Die Relevanz der mit Argwohn betrachteten Initiative Chinas ist nicht von der Hand zu weisen. So kann der immense Ausbau des Seeweges auch durch eine Studie der Financial Times belegt werden. Vier der zehn größten Hafenbetreiber der Welt und vier der 20 größten Container-Schifffahrtslinien sind im chinesischen Besitz. 100 In der nachfolgenden Grafik sind die 50 größten Häfen der Welt nach ihrem Umschlagvolumen dargestellt. 99 Vgl. Gärtner (2014). 100 Vgl. Kynge et al. (2017). 52 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land Abb. 8: Die 50 größten Häfen nach Umschlagsvolumen mit chinesischer Beteiligung (Kynge et al. 2017) 2 Darstellung der Belt and Road Initiative (BRI) 53 Mit Hilfe der Abbildung 8 wird ersichtlich, dass China im Jahr 2010 rund ein Fünftel der gelisteten Häfen besitzt oder in sie investiert hat. Im Jahr 2015 sind es bereits zwei Drittel der größten Häfen der Welt, auf die die VR direkten Einfluss ausübt. Ausgehend von dieser Darstellung ist es logisch anzunehmen, dass sich das chinesische Engagement entlang der MSR auch in Zukunft noch weiter intensivieren wird. In diesem Zusammenhang werden folglich auch weitere Perlen die Perlenkette ergänzen. Inwiefern China diese Perlen tatsächlich einmal als strategische Militärbasen nutzen könnte, soll nicht beurteilt werden. Durch die MSR ist es China möglich, neben dem Landweg noch weitere Länder in das Vorhaben der BRI zu integrieren. Der internationale Handel wird dadurch zwar zumeist langsamer ausgeführt, dafür aber zu geringeren Kosten realisiert. Zusätzlich können im Rahmen der MSR auch Inselstaaten sowie der afrikanische und australische Kontinent erschlossen werden. Durch die Diversifizierung der Routen sind China und die beteiligten Länder weniger anfällig für Verschiebungen im Welthandel und können auch bei der Nichtverfügbarkeit einer Handelsroute auf die MSR oder den SREB ausweichen. Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass die internationalen Schifffahrtswege bereits erschlossen sind und regelmäßig genutzt werden. Wie schnell die geplanten Infrastrukturprojekte des SREB tatsächlich errichtet und letztendlich befahrbar sind, ist hingegen ungewiss. Daher ist es naheliegend, dass China einen großen Fokus auf die MSR setzt, um schnellstmöglich Handelsrouten aktiv nutzen zu können. Im Gegensatz zum SREB weist die MSR auch einen ausgeprägten strategischen Charakter und damit verbundene strategische Ziele auf, deren Erfüllung sich die chinesische Regierung durch den Ausbau der Seeroute erhofft. Als Ergebnis dieser Einschätzung ist im ersten Schritt die militärische Perspektive zu nennen, die am Beispiel der Perlenkette im vorherigen Abschnitt deutlich geworden ist. China ist es durch die Errichtung und Beteiligung an geostrategisch günstig gelegenen Häfen möglich, unter dem Dach der BRI auch militärische Positionierungsvorteile zu erlangen, die in der öffentlichen Darstellung dann aber mit der Initiative selbst begründet werden und somit deeskalierend wirken sollen. Doch auch als neutraler Beobachter ist daraus Chinas Wunsch nach regionaler Dominanz abzuleiten. Die VR möchte der westlichen Weltmacht nicht nur aus der geostrategischen Perspektive den Rang im Raum Eurasien ablaufen, sondern vor allem die Verbündeten der USA in der Region für das eigene Vorhaben begeistern und letztendlich gewinnen. Die Partizipation Letzterer wird vor allem durch die zunehmende militärische Präsenz Chinas im Südchinesischen Meer und im Indischen 54 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land Ozean erzwungen. Damit einher werden die Ziele der Erweiterung der bestehenden Energieversorgung und die stabilisierende Kontinuität der zukünftigen Energieversorgung verfolgt. In diesem Zusammenhang ist auch der massive Ausbau und die Diversifizierung der Erdgas- und Erdölpipelines zu nennen. Peking selbst sieht die Hoheit der USA über die wichtigsten Schifffahrtswege als ernsthafte Schwäche an, da die Vereinigten Staaten und ihre Partnerländer die Energielieferungen nach China jederzeit kappen könnten. 101 Erste chinesische Interventionen können in der Besetzung des Suez-Kanals und der erlangten Kontrolle über die Straße von Malakka mit Hilfe des pakistanischen Hafens in Gwadar gesehen werden. Als abschließendes strategisches Ziel kann im Rahmen der MSR der vermehrte politische und wirtschaftliche Einfluss Chinas in Afrika genannt werden. Dies wird insbesondere durch die zunehmende chinesische Präsenz am Horn von Afrika, in Dschibuti und in Ägypten deutlich. Dort wo andere Nationen aus Gründen der innerpolitischen Spannungen einiger afrikanischer Länder von einem wirtschaftlichen Engagement absehen, scheut China das Risiko nicht. Bereits seit 2009 ist China der größte Handelspartner des rohstoffreichen Afrikas. In Afrika hat die VR seit dem Jahr 2005 mehr als 66 Milliarden US-Dollar investiert und rund 180.000 Arbeitsplätze geschaffen. 102 Dies zahlt sich laut einer Studie des Pew-Instituts aus. 103 Rund 70 Prozent der afrikanischen Bevölkerung begrüßen mittlerweile das Engagement der Chinesen, was in Zukunft zu einem noch stärkeren Engagement der VR in Afrika führen dürfte. Nebenbei kaufen staatseigene Unternehmen sich in mittelständische Unternehmen in Deutschland, der Schweiz, Frankreich, Großbritannien usw. in den zehn relevantesten Technologiebereichen ein. Ein Problem auf das Unternehmen und die Politik noch keine Antworten haben. 2.5 Luftseidenstraße als Luftweg Seit Mai 2017 ist in den öffentlichen Nachrichten, vorzugsweise in deutschchinesischen Portalen, vereinzelt auch erstmalig die Rede von der Entwicklung einer Luftseidenstraße. Auf Grund der Aktualität der Nachrichten sowie der geringen Relevanz zum Suchbegriff „Luftseidenstraße“ laut Google kann eine wissenschaftlich fundierte Beschreibung dieser Route nicht erfolgen. Dennoch soll ein kurzer Überblick über die in Zukunft möglicherweise relevante dritte Route geliefert werden. 101 Vgl. Dobbs (2017), S. 6. 102 Vgl. Lee (2017), S. 1. 103 Vgl. ebd., S. 2. 2 Darstellung der Belt and Road Initiative (BRI) 55 Die Sogwirkung der Seidenstraßeninitiative und die steigende Attraktivität der Länder, die im Rahmen der Initiative eine Aufwertung erfahren, führen zu einem Ausbau des Luftverkehrsnetzwerks. Allein seit 2014 hat die in Shanghai ansässige staatseigene Fluggesellschaft China Eastern Airlines ihr Angebot von 19 auf 21 Länder und von 38 auf 45 Städte als Destinationen ausgeweitet und mittlerweile rund 270 Flüge absolviert, wobei die durchschnittliche Auslastung bei über 80 Prozent lag. 104 Diese ersten Zahlen liefern ein Indiz für das geschäftliche Potenzial der Luftroute. In einem Treffen zwischen dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang und dem luxemburgischen Amtskollegen Xavier Bettel ist erstmalig öffentlich vom Bau einer „Luft-Seidenstraße“ die Rede. Diese Seidenstraße soll eine Brücke zwischen Europa und China schlagen, wobei Zhengzou und Luxemburg als Knotenpunkte festgelegt wurden. 105 Bei dieser öffentlichen Erklärung handelt es sich allerdings um ein bilaterales Abkommen zwischen den beiden besagten Ländern, weshalb von einer öffentlich anerkannten Route noch nicht die Rede sein kann. Das zunehmende Interesse an der Etablierung der Luftroute wird auch an der chinesischen Unternehmensgruppe HNA Group deutlich, die sich hauptsächlich auf die Branchen Luftverkehr und Tourismus spezialisiert. Mit der Gründung der HNA Modern Logistics Group am 18. Mai 2017 und der Ankündigung der internationalen Frachtfluglinien „Shanghai - Xi’an - Amsterdam“ und „Xi’an - Shanghai - Anchorage - Chicago“ zeigt das chinesische Unternehmen eindrucksvoll, wie China, Europa und Amerika zukünftig auch über die Luft verbunden werden sollen. 106 In Ergänzung zum SREB und der MSR könnten über eine Luftseidenstraße Güter um ein Vielfaches schneller transportiert werden. Zusätzlich wäre es der VR letztendlich möglich, jedes Land der Welt in die BRI einzugliedern, auch wenn diese nicht entlang des geplanten Land- oder Seeweges führen. Abschließend ist noch das Potenzial der Luftroute zu nennen, welches sich fundamental von der SREB und der MSR unterscheidet. Während die beiden zuletzt genannten Routen lediglich dafür vorgesehen sind, Güter zu transportieren, wäre die Luftseidenstraße hingegen in der Lage, auch den Personentransport zwischen den Ländern zu gewährleisten. Auf diese Weise würde im Rahmen der Initiative erstmalig die Mobilität von Menschen und Arbeitskräften ermöglicht werden, was zu einem weiteren Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen, aber auch zu einer Intensivierung des kulturellen Austauschs der beteiligten Länder beitragen würde. 104 Vgl. o.V. (2017f). 105 Vgl. o.V. (2017g). 106 Vgl. Li (2017). 56 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land 2.6 Ziele der BRI Nachdem die Routenverläufe und deren Charakter nun umfangreich beschrieben sowie gedeutet wurden, sollen nachfolgend die offiziell verschriftlichen Ziele der BRI beleuchtet werden. Letztere sind so vielschichtig wie die Initiative selbst. Die Ziele und Instrumente der BRI wurden erstmals ausführlich im März 2015 durch die Nationale Reform- und Entwicklungskommission (NDRC) sowie durch das Außen- und Handelsministerium (MOFCOM) im Grundlagendokument „Vision and Actions on Jointly Building Silk Road Economic Belt and 21 st Century Maritime Silk Road“ beschrieben und der Öffentlichkeit vorgestellt. Inhaltlich beschreibt das Dokument zuerst die Hintergründe der Initiative, geht anschließend auf Prinzipien der Zusammenarbeit, Rahmenbedingungen sowie Kooperationsprioritäten und -mechanismen ein und erklärt abschließend die Öffnung der Volksrepublik sowie das chinesische Selbstverständnis im Kontext des Projekts. Als inhaltlich erstes relevantes Prinzip wird die Beachtung der „Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz“, das heißt Souveränität, territoriale Integrität, Nichtangriffspolitik, Nichteinmischung in nationale Angelegenheiten, Gleichheit und gegenseitiger Nutzen sowie die friedliche Koexistenz genannt. 107 Bereits im Dezember 1953 hat der damalige chinesische Ministerpräsident Zhou Enlai die fünf Prinzipien öffentlich vorgestellt, welche heute die Grundlage der chinesischen Außenpolitik bilden und inzwischen auch von den meisten Ländern der Welt akzeptiert werden. 108 An dieser Stelle wird deutlich, dass die Volksrepublik China einen großen Stellenwert auf die Vermarktung der Initiative unter dem Dach der Friedenstiftung sowie der Förderung der Kommunikation legt. Neben dem zuvor genannten Prinzip gelten die Offenheit für Kooperationen, die auch für Länder außerhalb der Seidenstraßen greifen soll, die Förderung des Dialogs über Grenzen hinweg, die Regeln des Marktes und die führende Rolle von Unternehmen als integrale Prinzipien. 109 Die Rahmenbedingungen bilden der SREB und die MSR auf ihrem Weg von Asien nach Europa. Durch die enge Verzahnung zahlreicher geplanter Investitionsprojekte sollen sich auf diese Weise verschiedenste Wirtschaftskorridore im Raum Eurasien etablieren. Darin inbegriffen sind die Verflechtungen aus China, der Mongolei und Russland, Zentralchina und Westasien, China und Indochina, China und Pakistan sowie Bangladesch, China, Indien 107 Vgl. Shaoshi (2015), S. 3. 108 Vgl. o.V. (2014). 109 Vgl. Shaoshi (2015), S. 3 4. 2 Darstellung der Belt and Road Initiative (BRI) 57 und Myanmar. 110 Der primäre Fokus soll hierbei auf dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur sowie der Errichtung von Häfen liegen, um im Ergebnis einen stärkeren Handel zu fördern, Freihandelszonen zu etablieren und das politische Vertrauen sowie die Freundschaft unter allen beteiligten Ländern und deren Einwohnern zu stärken. 111 Das Herzstück der Ausarbeitung bilden Kooperationsprioritäten: Sie können in fünf Bereiche unterteilt werden. Eröffnet wird mit der intergouvernementalen Politikordnung, also die Koordinierung der länderspezifischen Politiken durch eine gemeinsame Zusammenarbeit zwischen den Regierungen. 112 Als zweiter Punkt wird der Aufbau von Konnektivität durch Infrastrukturnetze genannt. 113 Alle beteiligten Länder sollen im Rahmen der BRI für die Anschlussfähigkeit von Infrastrukturprojekten sorgen, worunter neben Verkehrswegen auch die Infrastruktur für Energie- und Telekommunikation subsummiert ist. Der Abbau von Handels- und Investitionshindernissen wird als nächster Punkt aufgeführt, der zugleich von großer Bedeutung für die Initiative ist. 114 So sollen im Zuge der BRI die Zusammenarbeit im Zollwesen verbessert und bilaterale Investitionsschutzabkommen abgeschlossen werden. Der vierte Punkt bezieht sich auf die Finanzmarktintegration. 115 Die inhaltliche Ausgestaltung soll im Rahmen der Öffnung des asiatischen Anleihemarkts, der Emission von Renminbi-Anleihen entlang der Seidenstraße und durch die dafür eigens aufgebauten Finanzinstitute, wie die AIIB oder die NDB, gestaltet und verwaltet werden. Als letzter Punkt wird der Meinungsaustausch auf gesellschaftlicher Ebene genannt, der eine kulturelle Wechselbeziehung fördern soll, um folglich die Akzeptanz der Bevölkerung untereinander zu stärken. 116 Dazu zählt beispielsweise das länderübergreifende Studieren, was durch die Vergabe von Stipendien weiter gefördert werden soll. Auch in den Bereichen Medien, Tourismus, Gesundheit, Forschung und Technik soll es zu einer verstärkten Kommunikation und Kooperation kommen. Als Kooperationsmechanismus wird auf die bestehenden bilateralen und multilateralen Mechanismen der Zusammenarbeit verwiesen. Eine präferierte Zuordnung für bestimmte Formen ist allerdings nicht schriftlich veröffentlicht. Im ersten Schritt sollen dafür zahlreiche Absichtserklärungen mit 110 Vgl. Shaoshi (2015), S. 4. 111 Vgl. ebd., S. 4 5. 112 Vgl. ebd., S. 5. 113 Vgl. ebd. 114 Vgl. ebd., S. 6. 115 Vgl. ebd., S. 7. 116 Vgl. Shaoshi (2015), S. 8 9. 58 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land interessierten Ländern abgeschlossen werden, wie es Xi Jinping im Rahmen seiner Staatsbesuche bereits gehandhabt hat. Das Dokument sieht weiterhin die Entwicklung bilateraler Pilotprojekte und die Errichtung gemeinsamer Komitees, internationaler Foren sowie Ausstellungen vor. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Inhalte des Dokuments mit den bisher öffentlich getätigten Äußerungen der chinesischen Regierung deckungsgleich sind. China will mit Hilfe der BRI den Kontinent Asien mit Europa verbinden und setzt zur bestmöglichen Realisierung eine verbesserte materielle (Verkehr, Transport, Energie, Telekommunikation) sowie immaterielle (Kommunikations- und Entscheidungsplattformen) Infrastruktur zum Ziel. Das Vorhaben soll durch den SREB, die MSR und möglicherweise in Zukunft auch durch die Luftseidenstraße ermöglicht werden. Auch wenn viele der im Grundlagendokument festgehaltenen Ansichten in Übereinstimmung mit den bisherigen Erkenntnissen stehen, sind es vor allem die impliziten Strategien Chinas, die im Dokument logischerweise nicht niedergeschrieben wurden. Um sich diesen impliziten Strategien, vor allem in Anlehnung an die Beschreibung der Globalisierungsstrategie zu nähern, werden im nächsten Abschnitt einzelne bereits laufende oder abgeschlossene Projekte der BRI analysiert und charakterisiert. 59 3 Projekte der Belt and Road Initiaitive 3 Projekte der Belt and Road Initiaitive 3.1 Asien Die BRI hat auf Chinas Heimatkontinent Asien den wohl größten politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Einfluss. Wie oben erläutert, gibt es auch im Jahr 2017 noch keine offizielle chinesische Stellungnahmen über den exakten Verlauf der Routen, die Anzahl der beteiligten Länder oder valide Informationen zu den abgeschlossenen und geplanten Projekten, die unter dem Dach der Initiative realisiert wurden und noch zukünftig umgesetzt werden sollen. Doch auch ohne offizielle Zahlen kann der Großteil dieser Projekte, die seit Mitte 2013 durchgeführt worden sind, dem asiatischen Kontinent zugerechnet werden. Beispielhaft werden nachfolgend die Projekte der Länder Pakistan, Sri Lanka und Kasachstan beschrieben. Eine ganzheitliche Beschreibung jedes einzelnen Projektes ist dabei nicht möglich, vielmehr sollen Ausschnitte beleuchtet werden, die der späteren Einordnung in die Charakteristik der Globalisierungsdimensionen förderlich sind. Ferner soll das Kapitel vier einzelne Stärken und Schwächen in der chinesischen Projektumsetzung aufzeigen, um ein ganzheitliches Bild über das Vorhaben zu schaffen. Im Rahmen der Initiative investiert China in zahlreiche Länder. Dabei handelt es sich um Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer. Die Länder weisen demzufolge deutliche Unterschiede zwischen ihren Entwicklungsindikatoren auf. Als Indikatoren der Entwicklung eines Landes können die Höhe des Bruttonationaleinkommen, die Verteilung der Erwerbstätigen auf Wirtschaftssektoren, der Anteil der Analphabeten, die Höhe der Lebenserwartung oder auch der Index der menschlichen Entwicklung gesehen werden. Die Gestaltung und Entwicklung dieser Indikatoren wird durch die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes positiv oder negativ beeinflusst. Die chinesische Ausgestaltung in der Umsetzung eines Projektes liegt in der Abhängigkeit vom Entwicklungsstand des Ziellandes. Während China in Industrieländern die Bauvorhaben und Projektdurchführung in Kooperation und auf politischer Augenhöhe verwirklicht, kommt in Schwellen- und Entwicklungsländern eine andere Vorgehensweise zum Tragen. Zumeist werden die hier geplanten Bauprojekte in alleiniger Verantwortung an chinesische Staatsunternehmen übertragen und auch durch diese vollumfänglich, inklusive der Stellung chinesischer Arbeitnehmer, durchgeführt. Zusätzlich finanziert die VR die Vorhaben dann mit chinesischen Krediten, damit sich die Zielländer den Infrastruktur- 60 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land ausbau überhaupt leisten können. Neben der Rückzahlung der Kredite werden zumeist auch politische Zugeständnisse der Regierungen gemacht, da insbesondere bei den Entwicklungsländern eine zukünftige Begleichung der Kredite nicht immer sichergestellt ist. China riskiert selbst diesen Zahlungsausfall im Ausgleich für den politischen Einfluss, den die Regierung durch die Investitionen erhält. Dabei nutzt die VR die zuvor beschriebene politische Instabilität und die finanzielle Abhängigkeit der Zielländer, um sie für die Seidenstraßeninitiative zu gewinnen. Diese Vorgehensweise wird vor allem in Pakistan deutlich. In der westlichen Welt gilt das Land als Staat des Terrors, weshalb die wenigsten Industriestaaten um ein Engagement in Pakistan bemüht sind. Aus chinesischer Sicht ist das Land als Schnittstelle zwischen dem SREB und der MSR von zentraler Bedeutung. Ferner grenzt es an Indien und Afghanistan. Somit kommt dem Land auch eine geostrategische Bedeutung zu. Trotz der Armut des Landes und der hohen Sicherheitsrisiken ist Pakistan der VR rund 57 Milliarden US- Dollar wert. 117 Die Milliarden sollen dafür verwendet werden, Pakistan an die Infrastruktur des Geldgebers anzuschließen und Sonderwirtschaftszonen, Gewerbeparks, Flughäfen, Kraftwerke sowie Stromleitungen zu errichten. Doch China sieht nicht nur den Infrastrukturausbau und wirtschaftliches Wachstum für Pakistan vor. Vielmehr will die VR auch ihr Investment in Sicherheit wissen. Trotz der Spannungen zwischen Indien und Pakistan ist es China gelungen, die beiden Länder für den Beitritt zur SOZ zu gewinnen. 118 Diesem Bündnis gehören neben China die Partnerländer Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan an. Die SOZ kann vergleichbar mit der NATO als zentralasiatisches Anti-Terror-Bündnis betrachtet werden. Sie setzt sich die Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität durch internationale Zusammenarbeit zum Ziel. Der VR geht es dabei im ersten Schritt zwar um die Stabilität Pakistans, auf lange Sichtweise aber auch um die Stabilisierung der Grenzen zum Nachbarland Afghanistan. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass sich Terrornetzwerke über Pakistan bis nach China ausbreiten. An dieser Stelle wird deutlich, dass China mit seinem Handeln zwar eigene Absichten verfolgt, zugleich aber zur Ausbreitung des Friedens im zentralasiatischen Raum beiträgt. Doch spätestens unter Berücksichtigung der chinesischen Akquisition des pakistanischen Hafens Gwadar und der zuvor beschriebenen Problematisierung der chinesischen Perlenkette kann auch die Absicht des Friedens in Frage gestellt 117 Vgl. Spross (2017). 118 Vgl. ebd. 3 Projekte der Belt and Road Initiaitive 61 werden. Neben der auf diese Weise gelungenen Diversifizierung der Abhängigkeit von der Straße von Malakka sind nun der Bau und die Modernisierung von rund 20 Kraftwerken in dem von chronischen Stromausfällen geplagten Land vorgesehen. 119 Im Gegensatz zu den Investitionen und den geplanten Bauvorhaben kann das Nutzenversprechen der Initiative aus der pakistanischen Sicht nicht eindeutig beziffert werden. Schließlich geht mit dem geplanten Vorhaben eine erhebliche Verschuldung des Landes einher. Die pakistanische Presse verweist auf Eigenkapitalrenditen in Höhe von 20 Prozent, die den chinesischen Investoren zugesagt wurden. 120 Des Weiteren kritisiert sie die gewollte Intransparenz über die Inhalte der Verhandlungen zwischen China und Pakistan. Der pakistanischen Bevölkerung ist dadurch nicht ersichtlich, welche Konsequenzen der Ausverkauf des Landes und die ansteigende Verschuldung mit sich bringen. Dieser Eindruck führt wiederum zur Unzufriedenheit der Bevölkerung. Ein mögliches Resultat dieser Unzufriedenheit kann in einem Anschlag in der Hafenstadt Gwadar gesehen werden. Laut Informationen der Nachrichtenagentur Reuters haben hier chinafeindliche Rebellen Mitte Mai 2017 zehn chinesische Arbeiter ermordet. 121 An Hand dieses Vorfalls wird deutlich, dass die forcierte chinesische Intransparenz auch Umkehreffekte für laufende Projekte hat und somit eine Gefahr für die landeseigenen Arbeiter darstellen kann. Auch das unscheinbare südasiatische Land Sri Lanka hat in der Seidenstraßenthematik eine geostrategische Bedeutung für China. Unter dem Einsatz von rund 30.000 chinesischen Arbeitern und mit mehr als fünf Milliarden US-Dollar hat China in den Bau von Straßen, Kraftwerken, Hotels und die Häfen in Colombo sowie Hambantota investiert. 122 Um die Bauvorhaben zu koordinieren und die Interessen der VR vor Ort durchzusetzen, werden hochspezialisierte Expatriates und zahlreiche Anwälte gemeinsam mit den Staatsunternehmen in die Zielländer entsandt. Somit kann China nicht nur außenpolitisch Druck ausüben, sondern auch aus den Ländern heraus politische Einflussnahme bewirken. Doch nicht nur die chinesischen Staatsunternehmen und ihre Angestellten sollen in Sri Lanka Beschäftigung finden. 119 Vgl. Spross (2017). 120 Vgl. ebd. 121 Vgl. o.V. (2017h). 122 Vgl. Zand (2016), S. 94. 62 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land Das Land erfährt als „Perle des Indischen Ozeans“ auch im übertragenen Sinne ein großes touristisches Interesse. Allein im Jahr 2016 reisten rund 270.000 chinesische Touristen nach Sri Lanka, die damit die zweitgrößte Touristenquelle für das Land darstellen. 123 An diesem Beispiel wird deutlich, dass die VR auch die Zufriedenheit der eigenen Bevölkerung durch die Schaffung neuer touristischer Ziele fördern möchte. Zugleich ermöglicht sie auf diese Weise eine Verbundenheit oder auch ein Gefühl der Zugehörigkeit zwischen den vor Ort arbeitenden Chinesen und den chinesischen Urlaubern. Dadurch wird wiederum eine Konzentration der chinesischen Ethnien gefördert, was zur Verbreitung ihrer Kultur im jeweiligen Zielland beiträgt. Wie bereits am Beispiel Pakistans deutlich geworden ist, ist der zunehmende chinesische Einfluss von der lokalen Bevölkerung nicht immer erwünscht. Auch in Sri Lanka führten die Intransparenz der Verhandlungen und der Ausverkauf des Landes zu gewaltsamen Demonstrationen in der Hafenstadt Hambantota. Im Konflikt stehen folglich die politische Einflussnahme Chinas und der Wille der lokalen Bevölkerung zueinander. Wer am Ende das größere Durchsetzungsvermögen hat, wird am Beispiel des 1,4 Milliarden US-Dollar teuren Hafenprojekts in Colombo deutlich. Die neu gewählte Regierung hatte noch im Wahlkampf versprochen, von dem Projekt zurückzutreten, welches der Vorgänger Mahinda Rajapaksa der VR zugesagt hatte. 124 Doch kurze Zeit später nahm auch der neue Präsident Maithripala Sirisena diese Drohung wieder zurück. Im Fall Sri Lanka sind die Interessen Chinas gewichtiger, als die der landeseigenen Bevölkerung. Auch dem östlichen Nachbarland Chinas kommt im Rahmen der BRI eine besondere Bedeutung zu. So war es kein Zufall, dass der chinesische Präsident Xi Jinping ausgerechnet die kasachische Nazarbayev-Universität zur erstmaligen Präsentation der Initiative auswählte. Aus chinesischer Sicht sind in diesem Land vor allem die wertvollen Erdöl- und Erdgasvorkommen von enormer Wichtigkeit. Des Weiteren kommt dem Land eine geostrategische Bedeutung zu, da es sich in direkter Nachbarschaft zu Russland befindet und als zentrales Eintrittsland des SREB auf dem Weg nach Europa dienen soll. Ferner grenzt es im Osten an Chinas autonome Region Xinjiang, die in der Vergangenheit wiederholt auf Grund von politischen Unruhen Schlagzeilen gemacht hat. 123 Vgl. o.V. (2017i). 124 Vgl. Erling (2015). 3 Projekte der Belt and Road Initiaitive 63 Eine intensivere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Kasachstan und der Anschluss an das Infrastrukturnetz des SREB soll die Zufriedenheit in Xinjiang fördern und folglich stabilisierend für Chinas Osten wirken. Bisher haben China und Kasachstan rund 50 gemeinsame Projekte mit einem Investitionsvolumen in Höhe von 26 Milliarden US-Dollar geschlossen. 125 Im zentralasiatischen Raum ist Kasachstan unter der Seidenstraßeninitiative zu Chinas größtem Handelspartner aufgestiegen, was das große Investitionsvolumen begründet. Dies ist naheliegend, da mittlerweile zahlreiche Güterzugverbindungen aus dem Herzen Chinas über den kasachischen Korridor nach Europa führen, wie in Abbildung 9 ersichtlich wird. Abb. 9: Bestehende Güterzugverbindungen über den kasachischen Korridor (o.V. 2016a) Der Ausbau der Schieneninfrastruktur über Kasachstan rentiert sich vor allem für die VR. Während die im Jahr 2015 exportierten Waren der EU nach China einen Warenwert von 170 Milliarden Euro aufweisen, importiert sie zugleich Waren im Wert von 350 Milliarden Euro aus China. 126 Das Ungleichgewicht der Warenströme spült die Ausgaben der BRI wieder zurück in die Staatskasse Chinas. Neben den Infrastrukturmaßnahmen war für Kasachstan auch die Errichtung einer Sonderwirtschaftszone am Grenzort 125 Vgl. o.V. (2017j). 126 Vgl. o.V. (2016a). 64 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land Korgas vorgesehen. Auf der chinesischen Seite haben sich neue Firmen niedergelassen, Wohnblöcke wurden errichtet und luxuriöse Einkaufszentren entstanden. Auf der kasachischen Seite sind hingegen nur ein paar Tankstellen und Kioske errichtet worden. 127 Der Ort wird von der kasachischen Bevölkerung größtenteils gemieden. Auch am Beispiel Kasachstan wird die Asymmetrie zwischen dem chinesischen Engagement und dem Mitwirken der Partnerländer, beziehungsweise der Begeisterung der lokalen Bevölkerung, deutlich. Doch die VR lässt sich daran nicht stören, wie am wiederholten Vorgehen nun auch in Kasachstan ersichtlich wird. Es geht aus Chinas Sicht um das große Ganze und da passt eine Sonderwirtschaftszone im Transitland Kasachstan in das Gesamtbild, ganz egal ob sie von beiden Seiten genutzt wird, oder nicht. 3.2 Afrika Chinas zunehmendes Interesse an dem afrikanischen Kontinent hat schon viele Jahre vor der offiziellen Verkündung der BRI seine Anfänge gefunden. Im Jahr 2009 stieg China zum größten Handelspartner Afrikas auf, und 2016 lag das Handelsvolumen bereits bei rund 300 Milliarden US-Dollar. 128 Die afrikanischen Länder liefern Eisenerz, Kupfer, Mineralien, Kohle sowie Erdöl und erhalten im Austausch Maschinen, Elektronik und verschiedene Konsumgüterartikel aus China. Neben dem Tauschgeschäft haben unter der BRI insbesondere die chinesischen Investitionen in afrikanische Häfen, Eisenbahnlinien, Straßen und Industrieparks an Bedeutung gewonnen. Beispielhaft können hierfür Eisenbahnprojekte in Kenia, Nigeria und Äthiopien aufgeführt werden, die durch chinesische Staatsunternehmen erbaut wurden. Afrika hat diese Investitionen bitter nötig, da der aktuelle Zustand des Schienennetzes ungenügend ist und da es an Nord-Süd-Schienenverbindungen mangelt, wie die nachfolgende Abbildung offenbart. 127 Vgl. Follath (2016), S. 82. 128 Vgl. Lee (2017a). 3 Projekte der Belt and Road Initiaitive 65 Abb. 10: Zustand und Verlauf des afrikanischen Schienennetzes (Kuoppamäki 2017) Anhand der Abbildung 10 wird deutlich, wie viel Handlungsbedarf allein aus Sicht des ausbaufähigen Zustands des Schienennetzes besteht. Es gibt aus der chinesischen Perspektive demnach zahlreiche Investitionsziele in den afrikanischen Ländern. Die Dimensionen der chinesischen Investitionen sind astronomisch und haben verschiedenste Branchen zum Ziel. Allein im ersten Halbjahr 2016 haben China und Afrika 245 gemeinsame Abkommen im Wert von 50 Milliarden US-Dollar abgeschlossen. 129 Einige der Investitionen, insbesondere solche Investitionen die in die Bergbauindustrie fließen, werden in weiten Teilen der westlichen Welt kritisch betrachtet und als Ausbeutung dargestellt. Vermehrt wird China unterstellt, die VR ziele unter dem Vorwand der BRI lediglich auf den Abbau afrikanischer Rohstoffe ab. Am Beispiel der USA kann dies leicht widerlegt werden. Während die Vereinigten Staaten rund 66 Prozent ihrer Gesamtinvestitionen in den Abbau von Rohstoffen investieren, sind es bei China hingegen nur 28 Prozent. 130 Ferner setzt sich China auch für mehr Stabilität durch die Gewährleistung von Sicherheit auf dem afrikanischen Kontinent ein, um diesem Image entgegen 129 Vgl. Hahn (2017). 130 Vgl. Lee (2017). 66 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land zu wirken. An sieben der insgesamt neun UN-Friedensmissionen ist Peking inzwischen beteiligt. 131 Damit ist die VR an so vielen Einsätzen beteiligt wie kein anderes Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Es zeigt sich, dass China an seinem Image arbeitet, um im Resultat mehr afrikanische Länder für die Initiative zu gewinnen und auch um für Zuspruch bei der lokalen Bevölkerung zu werben. Das chinesische Verhalten hat eine Sogwirkung. Erstmals wollen Deutschland und China gemeinsam Entwicklungsprojekte vorantreiben. Zukünftig geplante Projekte sollen im neu errichteten Zentrum für nachhaltige Entwicklung gemeinsam konzipiert und anschließend durch China und Deutschland umgesetzt werden. 132 Es wird ersichtlich, dass Deutschland von der chinesischen Expertise, in der Umsetzung von Vorhaben auf dem afrikanischen Kontinent, profitieren will. Darin kann auch die Zufriedenheit Deutschlands mit der bisherigen chinesischen Vorgehensweise in Afrika gesehen werden. Auf dem afrikanischen Kontinent ist Ägypten eines der Länder, in dem sich der SREB und die MSR schneiden. Die Kontrolle dieser Schnittpunkte hat aus der chinesischen Betrachtungsweise eine besondere Wichtigkeit und ebenso eine geostrategische Bedeutung, was bereits an Pakistan deutlich geworden ist. Zur Sicherung dieser Kontrolle hat China Anfang 2016 gemeinsam mit Ägypten ein 5-Jahres-Leitliniendokument mit einem Investitionsumfang in Höhe von 15 Milliarden US-Dollar verfasst, welches die Entwicklung eines Suez-Kanal-Korridors und den Bau einer neuen Verwaltungshauptstadt in Ägypten beschreibt. 133 In dieser bilateralen Vereinbarung sind auch Kooperationen für die Bereiche Handel, Finanzen, Luft- und Raumfahrttechnik, Energie, Entwicklung, Humanressourcen und Sicherheit vorgesehen. 134 Charakteristisch für die Seidenstraßenprojekte ist die Ernsthaftigkeit der Vorhaben, denn rund eineinhalb Jahre später entstand ein chinesischer Produktionsstandort namens „Teda Egypt“ am Suez-Kanal. Der Standort beinhaltet Büros, Banken und Appartements, Sportanlagen, Restaurants, Hotels, Gewerbe und Industrie. 135 China erlangt durch dieses Projekt vorteilhafte Handelsabkommen und Zugang zu den Rohstoffquellen des Landes, die sich in der unmittelbaren Nachbarschaft befinden. Für Ägypten steht neben den Pachteinnahmen insbesondere die Schaffung von 131 Vgl. Hahn (2017). 132 Vgl. Scheuer (2017). 133 Vgl. o.V. (2016b). 134 Vgl. o.V. (2015). 135 Vgl. El Khafif (2017). 3 Projekte der Belt and Road Initiaitive 67 Arbeitsplätzen im Vordergrund, was durch Tedy Egypt überhaupt erst ermöglicht wurde. Das Leitliniendokument sah, neben der Schaffung von rund 10.000 Arbeitsplätzen, auch die Ausbildung von 2000 ägyptischen Arbeitnehmern durch chinesische Arbeiter vor. 136 In den Jahren 2016 bis 2020 sollen sie ausgebildet werden, um später im Energiesektor, beispielsweise in gemeinsamen Joint Ventures, eingesetzt werden zu können. Auch dieses Vorhaben wurde verwirklicht, weshalb jetzt zahlreiche ägyptische Facharbeiter bei der Herstellung und Weiterverarbeitung von Glasfaser mitwirken. 137 Am Beispiel Ägypten wird deutlich, dass die Projekte der BRI sehr wohl gewinnbringend für beide Parteien ausfallen können und nicht zwingend die Unterdrückung des Partnerlandes zum Ziel haben. Demzufolge können in Ägypten zukünftig noch zahlreiche Vorhaben unter dem Dach der BRI erwartet werden. Neben der Besetzung des Suez-Kanals lag der Fokus Chinas auch auf der Ausbreitung entlang des Horns von Afrika, um die Perlenkette im Indischen Ozean weiter auszubauen. Eine mögliche Perle könnte Kenia darstellen, was zumindest an Hand des verstärkten chinesischen Engagements in dem afrikanischen Land abgeleitet werden kann. Erstmals seit 1896 wurde eine neue Bahnstrecke in Kenia eröffnet, die die Hauptstadt Nairobi und die Hafenstadt Mombasa verbindet. 138 Mit Hilfe der neuen Eisenbahnstrecke konnte der Transportweg von Gütern von zwei Tagen auf nur acht Stunden reduziert werden. Das Projekt ist ein Bestandteil des nationalen Entwicklungsplans „Vision 2030“, mit dessen Realisierung Kenia bis zum Jahr 2030 zu einem Industrieland mit mittlerem Einkommen gemacht werden soll. 139 Erbaut wurde die Eisenbahnlinie von 25.000 kenianischen und 3.000 chinesischen Arbeitern. 140 Das 3,2 Milliarden US-Dollar teure Entwicklungsprojekt hat zu 90 Prozent die chinesische Export-Import-Bank finanziert. 141 Der Auftragnehmer war ebenfalls ein chinesisches Staatsunternehmen. Die China Road and Bridge Corporation (CRBC) setzte das Projekt in Kenia um. Als Resultat des gelungenen Auftrags wurde nun ein Folgeauftrag aufgesetzt, woran die CRBC bereits arbeitet. In der nachfolgenden Abbildung 11 wird der Verlauf der geplanten Eisenbahnstrecke ersichtlich. 136 Vgl. o.V. (2016b). 137 Vgl. El Khafif (2017). 138 Vgl. o.V. (2017k). 139 Vgl. o.V. (2017l). 140 Vgl. Kuoppamäki (2017). 141 Vgl. o.V. (2017l). 68 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land Abb. 11: Verlauf der Zugstrecke der East Africa Community (Gnirke/ Schultz 2016) Wie der Abbildung zu entnehmen ist, soll die neue Eisenbahnlinie ausgehend von Kenia nach Uganda und von dort aus südlich über Ruanda nach Burundi sowie nördlich in den Südsudan führen. 142 Die Finanzierungskosten in Höhe von 13,8 Milliarden US-Dollar werden zu 90 Prozent von der chinesischen Import-Export-Bank finanziert. 143 Doch auch im Fall Kenia ist es wiederholt das strategische Kalkül der VR, weshalb Investitionen in diesem Ausmaß fließen. Kenia, insbesondere der Hafen in Mombasa, soll zukünftig als Hub genutzt werden, um verschiffte Gütertransporte aus Asien gebündelt auf Liniendienste zu verladen und diese anschließend ins Herz Afrikas oder nach Europa zu transportieren. 144 Es kann also davon ausgegangen werden, dass China in Zukunft die Eisenbahnverbindung noch weiter ausbauen und zugleich verstärkten politischen Druck ausüben wird, um den Hafen in Mombasa unter die chinesische Kontrolle zu bringen. Dass die VR 142 Vgl. Gnirke/ Schultz (2016). 143 Vgl. ebd. 144 Vgl. Kleinort (2016). 3 Projekte der Belt and Road Initiaitive 69 ihre politische Einflussnahme bereits erfolgreich in Kenia anwendet, kann mit der Abschiebung von 22 inhaftierten Taiwanesen nach China belegt werden. 145 Obwohl die Taiwanesen vor einem Gericht in Nairobi freigesprochen wurden und Taiwan selbst die Auslieferung an das Heimatland gefordert hatte, wurden die Angeklagten von der kenianischen Regierung nach Peking abgeschoben, da ihnen dort ein Telekommunikationsbetrug vorgeworfen wurde. Das Land Kenia ist folglich ein weiteres Beispiel dafür, dass sich Chinas Investitionen auch unter politischen Gesichtspunkten auszahlen. 3.3 Europa Das Schlusslicht und zugleich der Endbahnhof der BRI ist Europa, was die räumliche Terminologie „Eurasien“ bereits vermuten lässt. Mit Hilfe der beschriebenen Projekte in Asien und Afrika soll vor allem der schnelle und sichere Transport von Gütern nach Europa gewährleistet werden. Dennoch unterscheidet sich der Ansatz der Seidenstraßeninitiative auf dem europäischen Kontinent fundamental zu Asien und Afrika. Während in den beiden zuletzt aufgeführten Kontinenten vor allem der Infrastrukturausbau und die Finanzierung dieser Projekte im Vordergrund stehen, liegt der Fokus in Europa primär auf der Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sowie dem Ausbau des länderübergreifenden Handels. Gehandelt werden soll jedoch nicht nur mit einfachen Konsumgütern. Chinas Know-how- Zufluss im Bereich der Hochtechnologie und die Ausgaben für Fertigung und Entwicklung sind beeindruckend. Vor allem der Zwang Chinas zu gemeinsamen Joint Ventures mit ausländischen Firmen und die stetig wachsende Anzahl von getätigten Unternehmensakquisitionen durch die VR, lassen die chinesischen Produkte als ernsthafte Alternative zu vergleichbaren Produkten der westlichen Welt erscheinen. Die Infrastrukturprojekte des SREB und der MSR können in Bezug auf Europa als Vehikel gesehen werden, die einen schnelleren Austausch der Waren zwischen den beiden Kontinenten gewährleisten sollen. Dies ermöglicht es nicht nur China Güter zu exportieren oder zu importieren. Dasselbe gilt für Europa und die europäischen Unternehmen, was am Beispiel des Automobilherstellers Volvo deutlich wird. Volvo ist das erste europäische Unternehmen, das in China gefertigte Autos nach Europa importieren lässt und dabei das neu erbaute Schienennetz des SREB verwendet. 146 Die Automobile vom Typ Volvo S90 werden in Daqing im Norden Chinas gefertigt und anschließend über eine neue Bahnverbindung nach Zeebrügge 145 Vgl. o.V. (2016c). 146 Vgl. Schmidt (2017). 70 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land in Belgien transportiert. Mit Hilfe des Landweges kann die Transportdauer von 60 auf 20 Tage im Vergleich zum Seeweg reduziert und die CO 2 -Bilanz der Fahrzeuge um rund ein Drittel aufgebessert werden. 147 Bereits an diesem Beispiel wird deutlich, dass beide Seiten, also China und die EU, von der Initiative profitieren und zukünftig profitieren können. Daher ist in den Verhandlungen zwischen Europa und China ein politischer Austausch auf „gleicher Augenhöhe“ zu erwarten, wie man es in Asien und Afrika eher nicht erlebt. Diese ungleiche Verteilung der politischen Stärke ist an den zuvor aufgeführten Länderbeispielen deutlich geworden. Doch auch im Fall Europas gilt, dass der Verbund der Länder nur dann ein Partner auf Augenhöhe ist, wenn sie als geschlossene Einheit auftritt. Genau dieses Auftreten lässt Europa in Verhandlungen mit China wiederholt vermissen, weshalb China auf das sogenannte Forum-Switching zurückgreift. China verhandelt unter dem Dach der BRI nicht mit der EU selbst als ganzheitliche Institution, sondern schließt bilaterale Abkommen mit einzelnen Ländern, was beispielhaft an Litauen, Serbien, Ungarn, Kroatien, Polen, Tschechien, Belgien, Griechenland, Spanien und auch Deutschland deutlich geworden ist. In all diesen europäischen Ländern wurden und werden Seidenstraßenprojekte realisiert. In dieser Konstellation ist es dann wiederrum möglich, verstärkt politischen Druck auf die einzelnen Länder und Unternehmen auszuüben und chinesische Interessen durchzusetzen. Inwiefern es sich hierbei um strategisches Kalkül der VR handelt oder möglicherweise auf Koordinations- und Kommunikationsprobleme der EU zurückzuführen ist, vermag hier nicht beantwortet zu werden. Auf dem zweitägigen Seidenstraßen-Gipfel, der Mitte Mai 2017 von China abgehalten wurde, war es ausgerechnet die Bundeswirtschaftsministerin Deutschlands, Brigitte Zypries, und mit ihr weitere EU-Länder, die sich gegen die Unterzeichnung einer gemeinsamen Handelserklärung mit China stellten. 148 Xi Jinping hatte geladen und Vertreter aus mehr als 100 Länder waren erschienen. Rund 111 Milliarden Euro hat die VR wiederholt an finanziellen Mitteln in Aussicht gestellt, mit deren Hilfe die BRI noch schneller vorangetrieben werden soll. 149 In der zuvor genannten Handelserklärung warb China für einen freien Handel zwischen allen beteiligten Ländern und rief zugleich zur gemeinsamen Bekämpfung des Protektionismus auf. Während die 29 anwesenden Staats- und Regierungschefs der Abschlusserklä- 147 Vgl. Schmidt (2017). 148 Vgl. Schiefelbein (2017). 149 Vgl. Lee (2017b). 3 Projekte der Belt and Road Initiaitive 71 rung zustimmten, zweifelte die deutsche Wirtschaftsministerin am chinesischen Versprechen. Obwohl die BRI bereits seit knapp vier Jahren läuft, gibt es für deutsche Unternehmen noch immer nur einen beschränkten Zugang auf dem chinesischen Markt. Es ist nicht möglich, dass deutsche Investoren in China zu 100 Prozent selbstständig tätig sein können. Aus Sicht der Unternehmen ist neben dem Zwang zur gemeinsamen Kooperation auch der Wissenstransfer eine Voraussetzung dafür, in China überhaupt wirtschaftlich tätig zu sein. So wie es chinesischen Unternehmen in Deutschland möglich ist, vollumfängliche Unternehmensakquisitionen durchzuführen, forderte Zypries gerechtere Wettbewerbsbedingungen auch für die deutschen Unternehmen. Trotz mehrerer Diskussionsrunden konnte aus Sicht der VR keine entsprechende Passage in die Erklärung aufgenommen werden, weshalb Deutschland die Unterschrift verweigerte. 150 Dass ausgerechnet China dieser Forderung widerspricht, kann nur schwer nachvollzogen werden. Wie eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young belegt, hat China allein im Jahr 2016 in Deutschland 68 Unternehmensakquisitionen getätigt. 151 Der Umfang dieser Investitionen beläuft sich auf 12,6 Milliarden US-Dollar. Im Vergleich zum Jahr 2015, in dem die Investitionen noch bei 526 Millionen US-Dollar lagen, haben sich die chinesischen Ausgaben für deutsche Unternehmen folglich mehr als verzwanzigfacht. 152 Für Europa zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Hier ist der Umfang der chinesischen Zukäufe von 30 Milliarden US-Dollar auf 86 Milliarden US-Dollar im Jahresvergleich angestiegen. 153 Die ansteigende Zahl der getätigten Akquisitionen kann mit der „Made in China 2025“-Strategie in Beziehung gesetzt werden. Diese Strategie setzt sich die industrielle Modernisierung des Landes zur Aufgabe. Bis zum Jahr 2025 sollen die in China genutzten Produkte aus dem Bereich der Hochtechnologie und die dafür benötigten Werkstoffe zu 70 Prozent im eigenen Land hergestellt werden. 154 An Hand dieser Betrachtung werden zwei Aspekte deutlich. Zum einen kann belegt werden, dass aus Sicht der VR nicht gleiches Recht in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gelten muss, sonst würde China auch europäischen und deutschen Unternehmen dieselben Wettbewerbsbedingungen ermöglichen. Eine entschlossene Bekämpfung des Protektionismus kann mit Blick auf China nicht bejaht werden. Zum anderen kann die Vermutung aufgestellt werden, dass China unter 150 Vgl. o.V. (2017m). 151 Vgl. Rittmeister (2017). 152 Vgl. ebd. 153 Vgl. ebd. 154 Vgl. Erling (2017). 72 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land dem Vorwand der BRI einen noch leichteren Zugang auf ausländischen Märkten genießt und sich zusätzlich mit weniger Kritik und Ablehnung konfrontiert sieht. Diese Annahme kann beispielhaft mit den stetig ansteigenden Unternehmenskäufen belegt werden. Obwohl die Absage Zypries eindeutig und unmissverständlich war, so konnte sie mit ihrem Handeln den chinesischen Präsidenten nicht zum Umdenken bewegen. Dies ist angesichts einer inkonsistenten Verhaltensweise vieler Länder nachvollziehbar. Denn obwohl sich Deutschland dem gemeinsamen Handelsabkommen verweigert hat, werden doch Projekte der BRI in Deutschland durchgeführt und deutsch-chinesische Entwicklungsarbeit, beispielsweise in Afrika, vorangetrieben. Zusätzlich werden die Akzeptanz und die Beteiligung an der Seidenstraßeninitiative so weit vorangetrieben, dass viele Länder und internationale Unternehmen schlichtweg zur Partizipation gezwungen werden, um nicht unberücksichtigt zu bleiben. Unter diesen Gesichtspunkten ist es nachvollziehbar, dass China seine politische Stärke geschickt ausspielt, um die eigenen Interessen durchzusetzen, und die Ansprüche anderer Länder außer Acht lässt. An Indien und Japan wird deutlich, dass China schlussendlich immer einen Weg findet, um potentielle Kontrahenten zu umgehen. Trotz der zuvor beschriebenen Differenzen zwischen China und Deutschland treffen wöchentlich 20 Güterzüge aus Chongqing in Duisburg ein. 155 Hier werden sie entladen und gehen anschließend meist nur halbvoll bestückt wieder zurück nach China. Auch für BMW und Mercedes transportiert die Deutsche Bahn einmal wöchentlich Autoteile ausgehend von Hamburg nach Shenyang. 156 Der SREB der Seidenstraße hat auch Deutschland erreicht. Der Duisburger Hafen, der als größter Binnenhafen Europas gilt, soll mit Hilfe der BRI eine Logistikdrehscheibe werden und als China-Hub fungieren. Aus diesem Grund haben sich bereits erste chinesische Unternehmen in Duisburg angesiedelt. 157 Auch für Deutschland ergeben sich dadurch zusätzliche Absatzpotentiale. Der Chef der Duisburger Hafen AG hat gemeinsam mit der Staatsholding China Merchant Group die Errichtung von Verteilzentren entlang der Schienenverbindung, beispielsweise in Weißrussland, vereinbart. 158 Sigmar Gabriel, der damalige Bundeswirtschaftsminister, sprach sogar von der Errichtung einer Landbrücke zwischen Deutschland und Chi- 155 Vgl. Bauchmüller (2016). 156 Vgl. Birger (2017). 157 Vgl. o.V. (2017n). 158 Vgl. Bauchmüller (2016). 3 Projekte der Belt and Road Initiaitive 73 na. 159 Sollten die Länder ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit trotz der jüngsten Differenzen weiter intensivieren, könnte sich dadurch ein weiterer Wirtschaftskorridor im Raum Eurasien etablieren. Während die meisten Länder Europas der Seidenstraßeninitiative eher skeptische gegenüberstehen, kann Griechenland als Befürworter gewertet werden. Dies ist auf die langfristig bestehende chinesisch-griechische Partnerschaft zurückzuführen. Denn China investiert nicht erst seit dem offiziellen Beginn der BRI in Griechenland. In den Jahren 2000 bis 2014 flossen rund 405 Millionen Euro an Direktinvestitionen nach Griechenland. 160 Unter dem Dach der BRI wurden 2015 weitere 738 Millionen Euro für eine Beteiligung in Höhe von 67 Prozent an der Hafengesellschaft in Piräus investiert. 161 Die chinesische Reederei Cosco erwarb dadurch eine 35-jährige Konzession für den Frachthafen. 162 Der Hafen in Piräus ist von besonderer geostrategischer Bedeutung für die MSR. Auf dem Wasserweg erreicht China nun ausgehend vom Suez-Kanal das Herz Europas und kann folglich der Perlenkette eine weitere Perle hinzufügen. Der Hafen kann als Brückenkopf genutzt werden, um Südosteuropa und den Balkan zu erreichen. Zusätzlich schafft der Hafen in Piräus eine weitere Schnittstelle zwischen dem SREB und der MSR. Ausgehend von Piräus können die per Schiff eingeführten Güter mit Hilfe der Güterzüge in die Länder Europas weitergeleitet werden. Doch bei Piräus allein soll es nicht bleiben. Peking hat bereits sein Interesse am Hafen von Thessaloniki und dem Flughafen von Athen bekundet. 163 Auch zukünftig ist eine florierende Zusammenarbeit zwischen Griechenland und China zu erwarten, da die Investitionen Chinas dringend benötigtes Geld in die Staatskasse Griechenlands spülen. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras, der China bereits 2016 besuchte, sprach auch auf dem Seidenstraßengipfel 2017 von ausgeprägten Handels- und Kulturbeziehungen, die zwischen den beiden Ländern bestehen. 164 Zukünftig sollen auch verstärkt bilaterale Bildungs- und Kulturveranstaltungen vorangetrieben werden, die weitere Chancen für Kapitalanlagen und Handel schaffen. 165 Die 159 Vgl. Bauchmüller (2016).. 160 Vgl. Kastenhofer (2015). 161 Vgl. Höhler/ Scheuer (2016). 162 Vgl. Kastenhofer (2015). 163 Vgl. ebd. 164 Vgl. Hübel (2017). 165 Vgl. ebd. 74 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land Intensivierung der Beziehungen schlägt sich auch im Tourismus nieder, da sich Griechenland als begehrtes Reiseziel der Chinesen etabliert hat. Im Vergleich zum Jahr 2013 stieg die Anzahl der chinesischen Touristen in 2014 um rund 70 Prozent und lag somit bei 100.000 Besuchern. Im Folgejahr hat sich diese Zahl nochmals verdoppelt. 166 In Bezug auf den zunehmenden chinesischen Einfluss in Griechenland, ist eine ablehnende Haltung der Bevölkerung, zumindest in der Öffentlichkeit, nicht zu vernehmen. Am Beispiel Griechenland wird abschließend deutlich, wie unterschiedlich die Akzeptanz der BRI innerhalb Europas ist. 166 Vgl. Höhler/ Scheuer (2016). 75 4 Implizite Strategien der Belt and Road Initiative 4 Implizite Strategien der Belt and Road Initiative 4.1 Darstellung der BRI in der Öffentlichkeit Nachdem die BRI oben ganzheitlich betrachtet und beispielhaft einzelne Projekte erläutert wurden, werden in diesem Abschnitt ausgewählte implizite Strategien Chinas erörtert, die die VR möglicherweise mit dem Vorhaben verfolgt. Diese impliziten Strategien können aus den vielfältigen Handlungssträngen und dem taktischen Vorgehen der chinesischen Regierung geschlussfolgert werden. Dabei geht es vor allem um ökonomische und geopolitische Kalküle, die mit ihrer Tragweite eine strategische Intention vermuten lassen. Es ist des Weiteren anzumerken, dass diese Strategien nicht öffentlich seitens der kommunistischen Volksrepublik verkündet werden, was im Umkehrschluss aber nicht bedeutet, dass China ernsthafte Anstrengungen auf sich nimmt, diese zu verbergen. Bereits die oben beschriebene, erstmalig offizielle Verkündung der Initiative und der dabei verwendete Wortlaut von Xi Jinping waren nicht zufällig gewählt. Durch die Verwendung von bewusst abstrakten Begriffen wie „Konnektivität“, „Schaffung von „Win-Win-Situationen“ oder „Aufbau einer Weltschicksalsgemeinschaft“ werden zunächst Ziele ausgerufen, die erst nach einem umfassenden Diskussionsprozess und einer Experimentierphase final konkretisiert werden können. 167 Ein ähnliches Vorgehen wendet China bei der Implementierung von innenpolitischen Reformprozessen an. So folgt auf die offizielle Vorgabe eines Reformzieles zumeist die Einräumung eines erheblichen Spielraums bei der Einbettung auf lokaler Ebene. 168 Wenn die Prozessexperimente erfolgreich waren, können diese dann auf die gesamte Volksrepublik ausgeweitet werden. Maximale politische Flexibilität und die rasche Anwendbarkeit von Ergebnissen aus Lernprozessen sind die logische Konsequenz. 169 Auf der einen Seite beinhaltet dieses Vorgehen für China den Vorteil, die konkreten Inhalte sowie Zielsetzungen der BRI nach und nach ausbauen und jederzeit auf politische Weltgeschehnisse adäquat reagieren zu können. Des Weiteren geht die Volksrepublik damit nicht das Risiko ein, potentielle Teilnehmerstaaten von einer Beteiligung auszuschließen oder über das Aus- 167 Vgl. Rudolf (2016), S. 3. 168 Vgl. ebd. 169 Vgl. ebd., S. 4. 76 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land rufen bestimmter Ziele bedrohlich zu wirken. Auf der anderen Seite bringt diese Vorgehensweise für alle Teilnehmerstaaten den Vorteil mit sich, dass sich die Länder in ihrer Rolle finden und in der gewünschten Ausgestaltung der Initiative selbst entfalten können. Über diesen Handlungsspielraum fördert China die Beteiligung einer größtmöglichen Menge an Ländern und erweckt zugleich das Gefühl, dass die Staaten die Initiative selbst lenken und mitbestimmen können. Auch nach der erfolgten Betrachtung des „Vision and Actions on Jointly Building Silk Road Economic Belt and 21 st - Century Maritime Silk Road“ Dokuments wurde deutlich, dass es sich bei der vorgestellten Initiative nicht um ein finales und verbindliches Abkommen handelt. Vielmehr versucht die chinesische Regierung mit der BRI ein flexibles Konzept zu schaffen, welches verschiedenste Möglichkeiten der Kooperation und Kommunikation für alle beteiligten Staaten bietet. Die für die westliche Welt oft typische Implementierung von supranationalen, bürokratischen Organisationen bleibt aus. Einheitliche Regeln und Standards gelten nur für spezifische institutionelle Mechanismen wie die AIIB oder geschlossene bilaterale Abkommen. Der Grundgedanke der Initiative liegt in der Schaffung einer gemeinsamen Vision und der Etablierung eines weltweiten Netzwerks, welches wirtschaftlich, politisch, kulturell und global wachsen soll. Dass sich die Kooperationsformate in ihren Kompetenzen auch teilweise überlappen, stellt aus Sicht der chinesischen Regierung kein Problem dar. 170 Denn erst dies eröffnet die Möglichkeit, dass sich die Beziehungen und Kooperationsformen zwischen den Ländern auf Grundlage von Intensität und Qualität selbst regulieren. 171 Ein Zwang zur Wahl zwischen den zur Verfügung gestellten Formaten ist im Resultat für die interessierten Länder nicht gegeben. Durch die Analyse der offiziellen Kommunikation und des Grundlagendokuments kann festgestellt werden, dass sich China intransparent darüber gibt, was die wirkliche Intention des Vorhabens ist. Dies wird dadurch belegt, dass es auch rund vier Jahre nach Beginn der BRI keine offiziellen Routenverläufe oder Dokumente gibt, in denen verbindliche Angaben seitens Chinas vorgelegt werden. Somit können die verschleiernde Kommunikation sowie die intransparente Vorgehensweise in der Umsetzung von Projekten bereits als Vehikel dafür gesehen werden, implizite Strategien zu verdecken und durchzusetzen. 170 Vgl. Godehardt (2016), S. 35. 171 Vgl. ebd. 4 Implizite Strategien der Belt and Road Initiative 77 4.2 Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung Spätestens seit dem 20.01.2017 ist öffentlich bekannt, dass das Wirtschaftswachstum Chinas stagniert. Mit einer Wachstumsrate von 6,7 Prozent ist im Jahr 2016 der niedrigste Stand seit 1990 erreicht. 172 Die kontinuierliche Stagnation ist laut Expertenmeinungen auf die grundlegende Neuausrichtung der chinesischen Wirtschaft zurückzuführen. Statt auf Export und Schwerindustrie soll in Zukunft auf Binnennachfrage und technologische Innovationen gesetzt werden. 173 Für die Volkswirte der VR war diese Entwicklung höchstwahrscheinlich absehbar, weshalb Sie den chinesischen Präsidenten frühzeitig vorgewarnt haben. Die „Belt and Road Initiative“ könnte eine mögliche Antwort von Xi Jinping sein, da diese das Land zu alter wirtschaftlicher Stärke zurückführen soll. Angesichts der Überproduktion der chinesischen Industrie, der auf Grund hoher Subventionen unwirtschaftlich agierenden Staatsunternehmen, eines leistungsschwachen Finanzsystems, der Immobilienblase, hoher Grundstückspreise und des immer größer werdenden umweltpolitischen Drucks, muss China dringend neue Absatzwege und Motoren für die heimische Wirtschaft finden. 174 Auf Grund der Überproduktion und der verringerten Wachstumsraten hat China enorme Überkapazitäten aufgebaut, die die wirtschaftliche Stabilität des Landes bedrohen. Die Projekte im Kontext des SREB sowie der MSR verschaffen chinesischen Staatsunternehmen und deren Arbeitskräften wieder neue Aufträge. Doch nicht nur durch eigene Infrastrukturprojekte, sondern ebenso im Falle von Investitionsprojekten in anderen Ländern, verschafft China seinen Arbeitskräften neue Arbeitsplätze. Wie oben beschrieben, hat China allein in Colombo im Kalenderjahr 2016 zeitweise ca. 30.000 chinesische Gastarbeiter für die Erbauung eines milliardenschweren Immobilienprojekts eingesetzt. 175 Zugleich erschließt China, durch die Etablierung von Handelsrouten auf dem Land, dem Meer sowie in der Luft neue Absatzmärkte. Unter dem Dach der BRI hat China Zutritt zu den Ländern Asiens, Afrikas und Europas. Diese Länder stellen potentielle Abnehmer für Exporte der Volksrepublik dar. In den Zielländern kann dann zusätzlich durch die Errichtung von Sonderwirtschaftszonen und die Gründung von gemeinsamen Joint Ventures technisches Wissen erworben werden, was anschließend in China zur Entwicklung neuer Technologien genutzt wird, um im Resultat die Wirtschaft anzukurbeln und für Auslastung der staatlichen Unternehmen zu sorgen. 172 Vgl. o.V. (2017o). 173 Vgl. Abdi-Herrle (2017). 174 Vgl. Schaefer/ Shen/ Losekrug-Pietri (2016), S. 79. 175 Vgl. Zand (2016), S. 94. 78 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land Viele Provinzen und Orte bewerben sich im Kontext der Seidenstraßeninitiative um die Ausführung von geplanten Projekten, denn in den vergangenen Jahrzehnten sind in China leistungsfähige Unternehmenseinheiten entstanden, die jetzt im Ausland mit günstigen Preisen und ausgewiesener Projekterfahrung Geschäft machen können. 176 Mit Hilfe der neuen Landwege ist es vor allem möglich, Exporte nach Europa noch schneller abzuwickeln und somit noch größere Menge zu transportieren. Präsident Xi Jinping erhofft sich ein Handelsvolumen von rund 2,5 Billionen US-Dollar, welches durch die Initiative binnen der nächsten zehn Jahre geschaffen werden und zukünftig Chinas Wirtschaftswachstum beleben soll. 177 Im ersten Quartal des Jahres 2017 legte die chinesische Wirtschaftsleistung um 6,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu, was den hohen Anlageinvestitionen und der Kreditvergabe zu verdanken ist. 178 Die Investitionen und die Kreditvergabe können zu einer hohen Wahrscheinlichkeit der BRI zugeordnet werden, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass diese implizite Strategie bereits aufgeht. 4.3 Stabilisierung der Grenzen und Entwicklung des Hinterlandes Neben den Vorteilen, die die Initiative für die chinesische Wirtschaft bringen kann, ist auch die geoökonomische Bedeutung herauszustellen. Die avisierten Investitionen, welche im Rahmen der BRI geplant sind, werden schlussendlich dazu führen, dass sich China im asiatischen Raum als wirtschaftliches Gravitationszentrum etablieren wird. 179 Um dieses Ziel zu erreichen, kommt insbesondere der politischen Stabilität im Inland entlang der Grenzen Chinas eine zentrale Bedeutung zu. Dabei nimmt die Grenzregion Xinjiang, die direkt an Russland, die Mongolei, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Afghanistan, Pakistan und Indien angrenzt, eine Schlüsselfunktion im Vorhaben aus Sicht der chinesischen Regierung ein. In der Geschichte Chinas kam es in Xinjiang wiederholt zu Aufständen, was vor allem auf separatistische Bestrebungen von Uighuren zurückzuführen ist, die sich für eine Abspaltung von China einsetzen. Rund 300 gewaltsame Zwischenfälle mit mehr als 160 Toten sind seit 1990 in der Region gemeldet worden. 180 176 Vgl. Hilpert/ Wacker (2015), S. 3 4. 177 Vgl. Wee (2015). 178 Vgl. o.V. (2017p). 179 Vgl. Hilpert/ Wacker (2015), S. 4. 180 Vgl. Richter (2009). 4 Implizite Strategien der Belt and Road Initiative 79 Die Anschläge stellen auch in 2017 noch eine ernsthafte Gefahr für die Stabilität Xinjiangs und Chinas dar. Um die abtrünnige Provinz dennoch als Brücke nach Eurasien nutzen zu können, sah und sieht die Volksrepublik intensive wirtschaftliche Förderprogramme für die Region vor. Der wirtschaftliche Aufschwung soll einen Anstieg der Zufriedenheit in der Bevölkerung fördern und folglich stabilisierend in der Grenzregion wirken. So wurde bereits in 2010 die Errichtung einer Sonderwirtschaftszone in Kashgar geplant, welche darauf abzielen soll, die Provinz langfristig als Handelszentrum an der geographischen Schnittstelle von Zentral- und Südasien zu etablieren. 181 Darüber hinaus befindet sich der Bau zweier Bahnstrecken in Planung, die den Handel mit den angrenzenden Nachbarländern weiter intensivieren sollen. Eine Verbindung führt ausgehend von Kashgar über Kirgisistan nach Usbekistan. Die zweite Route erstreckt sich von Kashgar über Kirgisistan, Tadschikistan, Afghanistan bis in den Iran. 182 Auch die Hauptstadt Xinjiangs, Urumchi, welche sich zum wichtigsten Drehkreuz für den Handel mit Zentralasien entwickelt hat, soll weiter gefördert werden. Seit 2011 gilt die Stadt als internationales Zentrum für die Kommunikationstechnologie, denn mehr als 230 chinesische Internet- und Telekommunikationsfirmen sind hier ansässig. 183 Im Jahr 2012 hat die Regierung den Ausbau von Telekommunikationsdiensten mit 260 Millionen US- Dollar gefördert, was von großen Teilen der Bevölkerung begrüßt wurde und somit zur Steigerung der Zufriedenheit in der Region beigetragen hat. 184 Im Rahmen der BRI kann die Volksrepublik somit zum einen die wirtschaftliche Entwicklung im Inland, im Speziellen in Westchina weiter vorantreiben. Zum anderen werden mit Hilfe der Kreditvergabe die Länder entlang der Grenzen Chinas weiterentwickelt, was für mehr Sicherheit und Stabilität im Raum Zentralasiens sorgt. Gleichzeitig werden auf diese Weise neue Absatzmärkte erschlossen, die China als primären Handelspartner auswählen werden. Wirtschaftlich entwickelte sowie politisch stabile Nachbarländer verringern zudem das potentielle Risiko, dass Konflikte aus diesen Gebieten nach Xinjiang übergreifen und dort für neue Aufstände sorgen. Die VR fährt eine ausgeklügelte Doppelstrategie. Die wirtschaftliche Entwicklung der Nachbarstaaten gewährleistet nicht nur zukünftige Handelspartner, sondern bewirkt zugleich die Stabilität des Westens Chinas. Neben dem Infrastrukturausbau und der Vergabe von Krediten, verwendet China seine zunehmende politische Einflussnahme auch zur Stärkung von internationalen 181 Vgl. Godehardt (2014), S. 14. 182 Vgl. ebd. 183 Vgl. ebd., S. 16. 184 Vgl. ebd. 80 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land Organisationen. Zur Wahrung von Sicherheit, ruft die chinesische Führung zur Beteiligung in Organisationen, wie beispielsweise der SOZ oder auch in Foren wie der „Conference on Interaction and Confidence-Building Measures in Asia“ (CICA), auf. 185 Diese Vereinigungen setzen sich zum Ziel, die sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen ihren Mitgliedsstaaten zu intensivieren und dadurch Frieden in Asien zu etablieren. Die VR strebt durch den Aufruf zur Beteiligung auch eine strategische Absicherung der getätigten Investitionen in den Nachbarländern an. Auf diese Weise sollen chinesische Unternehmen und entsandte Arbeiter in den Partnerländern ungestört und ohne Gefährdung arbeiten können. In dieser neuen Rolle wird China zukünftig verstärkt als Konfliktvermittler agieren und zugleich Abstand von der bisherigen Politik der Nichteinmischung nehmen müssen. 4.4 Gestaltung der multipolaren zur chinesischen Weltordnung Es kann festgestellt, dass China mit Hilfe der BRI für wirtschaftliche Auslastung der Staatsunternehmen und deren Arbeiternehmern sorgt (auf Kosten anderer privatwirtschaftlich geführter Unternehmen), die Inlandsentwicklung insbesondere im Westen des Landes fördert, die Grenzübergänge zu den Nachbarländern absichern will und sich ferner für die Etablierung von Frieden im zentralasiatischen Raum einsetzt. Diese Errungenschaften verstärken auf der einen Seite die Zufriedenheit der chinesischen Bevölkerung und das damit verbundene Vertrauen in die Regierung. Auf der anderen Seite erlangt China durch die Kreditvergabe und die Friedensbemühungen zunehmend politische Einflussnahme. Dies gilt vor allem für die Länder Zentralasiens und Ostafrikas. Die Einflussnahme im Rahmen der BRI beschränkt sich dabei nicht nur auf ausgewählte Länder, sondern durchzieht internationale Organisationen, Institutionen und Foren. Zusätzlich werden die Seidenstraßenprojekte mit Ausnahme der Antarktika und Nordamerika in fünf von sieben Kontinenten vorangetrieben. Es wird deutlich, dass es China nicht nur um den Ausbau einer Infrastruktur und der daraus resultierenden lokalen Einflussnahme geht. Vielmehr versucht dir VR die bestehende Weltordnung neu zu sortieren, alte Ordnungsmächte abzulösenusschließlich auf den Raum Eurasien, sondern auf die ganze Welt beziehen. Dass dieses Vorhaben bereits gelungen ist, kann durch die hohe Teilnehmerzahl des Seidenstraßen-Gipfels in 2017 mit über 100 Ländern aus aller Welt belegt werden. 186 185 Vgl. Rudolf (2015), S. 106. 186 Vgl. Schiefelbein (2017). 4 Implizite Strategien der Belt and Road Initiative 81 China versucht durch die gemeinsamen Verhandlungsrunden und die offene Kommunikation vor allem eines deutlich zu machen. Im chinesischen Konzept soll nicht die wirtschaftliche Relevanz der einzelnen Länder ausschlaggebend dafür sein, welchen Profit sie erwarten und welche Ausgestaltung sie bewirken können. Xi Jinping schlägt zumindest unter Beobachtung der Öffentlichkeit den Weg der „Kommunikation und Gleichberechtigung“ ein. Ob diese politische Formel ein ernsthaftes, chinesisches Anliegen ist oder nur als Vorwand initiiert wird, bleibt abzuwarten. Aus diesem Verhalten kann ein neues Rollenverständnis Chinas abgeleitet werden. Die VR positioniert sich unter der Seidenstraßeninitiative zunehmend als globaler Vermittler und Wegbereiter der gemeinsamen Interaktion. Dieses Selbstverständnis ist dabei kein zufälliges Phänomen, sondern kann mit der Historie Chinas und mit der Öffnung des Landes unter Xi Jinping begründet werden. In der nachfolgenden Abbildung 12 wird deutlich, dass China bereits im 18. und 19. Jahrhundert einen entscheidenden Anteil zur weltweiten Wirtschaftsleistung beitrug und dabei temporär die führende Wirtschaftsmacht war. Abb. 12: Prozentualer Beitrag ausgewählter Länder zum weltweiten Bruttoinlandsprodukt (Uebele 2016, S. 5) Wie der Grafik zu entnehmen ist, wurden im Jahr 1820 ungefähr ein Drittel aller weltweit verfügbaren Güter und Dienstleistungen in China hergestellt. Im 20. Jahrhundert sank dieser Anteil auf rund 5 Prozent und stieg an- 82 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land schließend bis 2010 wieder auf ca. 17 Prozent an. 187 Auf Grund der ausbleibenden chinesischen Industrialisierung im 19. Jahrhundert musste das Land seine Vormachtstellung an die USA und Westeuropa abtreten. Auch weltpolitisch hat Peking seit den Zugeständnissen an Großbritannien, die die Chinesen nach Verlust des Opiumkrieges in 1842 eingestehen mussten, nicht zurück zur alten Stärke gefunden. 188 Chinas geringer politischer Einfluss in internationalen Institutionen kann beispielhaft an der Weltbank belegt werden. Dies veranschaulicht die nachfolgende Abbildung 13. Abb. 13: Prozentuale Stimmanteile ausgewählter Länder in der Weltbank im Jahr 2015 (Uebele 2016, S. 4) In der Grafik wird ersichtlich, dass China im UN-Sicherheitsrat mit seinem Vetorecht zwar Resolutionen blockieren kann, im Verhältnis zur USA und Japan allerdings eine untergeordnete Rolle spielt. 189 Eine aktive Gestaltung der internationalen Politik, bleibt der VR, wie hier am Beispiel der Weltbank deutlich wird, bis dato verwehrt. Neben dem chinesischen Streben nach Einflussnahme in internationalen Organisationen, dürfte auch Japan ein weiterer Grund für die Verfolgung der BRI sein. So kann Chinas Seidenstraßeninitiative als Antwort auf das Zusammenrücken im Asien-Pazifik-Raum im Rahmen der „Transpazifischen Partnerschaft“ (TPP) gewertet werden. Zur Errichtung der geplanten Freihandelszone war im Gegensatz zu Japan eine chinesische Beteiligung aus der Sicht des ehemaligen Präsidenten der USA, Barack Obama, nicht vorgesehen. 190 Die japanische Wirtschaftszeitung Nikkei deutet die BRI als Strategie Chinas, um die Pazifikregion nun eigenmächtig unter dessen Einfluss zu brin- 187 Vgl. Uebele (2016), S. 4. 188 Vgl. ebd. 189 Vgl. ebd. 190 Vgl. Hein (2016). 4 Implizite Strategien der Belt and Road Initiative 83 gen und somit als Antwort auf TPP. 191 Der neue amerikanische Präsident, Donald Trump, der als Verfechter des Protektionismus gilt, hat mit der Aufkündigung der TPP im Jahr 2017 der VR insofern politisch zugespielt. 192 Die protektionistische Außenhandelspolitik unter Trump und das damit verbundene Misstrauen in die USA haben dazu geführt, dass China im Zuge der Seidenstraßeninitiative weiter gestärkt wurde und folglich einen noch größeren Einfluss auf seine Nachbarländer sowie die internationale Politik haben wird. Die Jahre, in denen das chinesische Prinzip „friedlicher Aufstieg mit wenig Profil“ galt, sind nun vorbei. China akzeptierte zwar in den vergangenen Jahrzehnten die bestehende Weltordnung, die vom Westen geprägt und lange Zeit durch die USA dominiert wurde, ist nun aber selbst dafür bereit, die multipolare Weltordnung neu zu gestalten. 4.5 Errichtung internationaler Organisationen Eine weitere Möglichkeit der globalen Einflussnahme ist die Schaffung neuer internationaler Organisationen. Am Beispiel der chinesischen Stimmanteile in der Weltbank wurde deutlich, dass China in internationalen Organisationen eine untergeordnete Rolle spielt. Aus der Sicht Chinas war es daher eine logische Konsequenz, selbst eine internationale Organisation zu gründen, die sich mit der Seidenstraßeninitiative begründen lässt. Unmittelbar nach der offiziellen Bekanntgabe der BRI hat China auch die Gründung einer multilateralen Entwicklungsbank namens Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) bekanntgegeben. Die AIIB soll sich ausschließlich mit der Finanzierung von Infrastrukturprojekten befassen und dient als Ergänzung zur bereits bestehenden Asiatischen Entwicklungsbank (AsEB). Der oberste Zweck der Institution ist es, die finanzielle Absicherung der BRI zu gewährleisten und dabei als kollektive Regionalfinanzierung zu fungieren. China tritt mit der AIIB in direkte Konkurrenz zur Weltbank und zum IWF. Als Gründungsvater der AIIB besitzt die VR jedoch erheblich mehr Stimmanteile als es bei der Weltbank der Fall ist. In der nachfolgenden Abbildung 14 wird Chinas neue politische Macht deutlich. 191 Vgl. Okoshi (2015). 192 Vgl. Klormann (2017). 84 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land Abb. 14: Prozentuale Stimmanteile ausgewählter Länder in der AIIB im Jahr 2015 (Uebele 2016, S. 5) Die Grafik zeigt, dass China über mehr als ein Viertel der Stimmanteile innerhalb der AIIB und damit über einen bedeutenden Einfluss verfügt. Somit sind die Chinesen in der Lage, Grundsatzentscheidungen über die Besetzung des Direktoriums oder über mögliche Kapitalerhöhungen zu blockieren. 193 Die Gründungsurkunde der Bank wurde am 29. Juni 2015 von Vertretern aus 57 Ländern in Peking unterzeichnet. 194 Insgesamt bringen die Mitgliedsstaaten 100 Milliarden US-Dollar ein, wovon sich China mit 29,7 Milliarden und Deutschland mit 4,4 Milliarden US-Dollar beteiligt. 195 Der ehemalige amerikanische Präsident Barack Obama sah in dem Vorhaben der chinesischen Regierung einen Angriff auf die politische Vormachtstellung der Vereinigten Staaten. Entgegen dessen Versuch, seine Verbündeten durch die Ausübung von diplomatischen Drucks von einem Beitritt abzuhalten, entschied sich erst Großbritannien und anschließend Deutschland zum Beitritt in die AIIB, was China seinen ersten großen diplomatischen Sieg auf der Weltbühne einbrachte. 196 Dieser Sieg hat eine besondere Signalwirkung. Denn er belegt, dass sich die vertrauten Länder der USA selbst gegen Obama gestellt haben, um von Chinas Vorhaben zu profitieren. Zusätzlich kann die hohe monetäre Beteiligung Deutschlands als Vertrauenszuspruch und Anerkennung der neuen Rolle Chinas interpretiert werden. Einen Überblick über die Mitgliedsländer und die Interessenten der AIIB im Jahr 2017 liefert die Abbildung 15. 193 Vgl. Grzanna (2015). 194 Vgl. Grube (2017). 195 Vgl. Grzanna (2015). 196 Vgl. Ankenbrand (2016a). 4 Implizite Strategien der Belt and Road Initiative 85 Abb. 15: Mitgliedsländer und Interessenten der AIIB in 2017 (Ebbighausen 2017) Mit Ausnahme von Japan, Taiwan, Nordkorea, Afghanistan und vereinzelter osteuropäischer Länder hat China nahezu alle Länder Eurasiens in der AIIB vereinigt. Auch Kanada und ausgewählte Länder Südamerikas und Afrikas haben bereits ihr Interesse bekundet. Umfangreiche Investitionsvorhaben wurden seit dem Geschäftsstart Anfang 2016 noch nicht verwirklicht. In den vergangenen anderthalb Jahren hat die AIIB Kredite in Höhe von rund zwei Milliarden US-Dollar für die Realisierung von Seidenstraßenprojekten zur Verfügung gestellt. 197 Es bleibt daher abzuwarten, wie die AIIB in der Praxis agiert und ob sie sich an westliche Umwelt-, Vergabe- und Menschenrechtsstandards halten wird. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass durch die bereitgestellten Gelder vor allem die Auslastung und Bezahlung der chinesischen Unternehmen sichergestellt wird. 4.6 Internationalisierung des Renmimbi Eine weitere implizite Strategie kann in einer erhofften Aufwertung der international schwächelnden Währung der VR, dem Renmimbi, vermutet werden. Im Vergleich zum US-Dollar, dem Euro und dem Britischen Pfund spielt die chinesische Währung im internationalen Kontext eine untergeordnete Rolle. 197 Vgl. Oer (2017). 86 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land Der Renmimbi hat lediglich einen Anteil von 2,8 Prozent an allen weltweit getätigten Zahlungen und liegt damit weit hinter dem US-Dollar mit 45 Prozent, hinter dem Euro mit 29 Prozent und hinter dem Britischen Pfund mit 9 Prozent. 198 Ferner hat der Kurs der Währung wiederholt mit Schwankungen zu kämpfen. Im Verlauf des Jahres 2016 gab die chinesische Währung gegenüber dem US-Dollar deutlich nach. Die Währung wertete im Vergleich zum US-Dollar um 5,6 Prozent ab, sodass Kapitalkontrollen eingeführt werden mussten, um den Verfall der Währung zu bremsen. 199 Die geplanten Infrastrukturinvestitionen befördern den Renmimbi als Zahlungsmittel in den internationalen Handels- und Leistungsverkehr. Zusätzlich kann die Währung als Kredit an die Länder durch China vergeben werden, die Investitionsprojekte im Rahmen der BRI umsetzen wollen, aber nicht über die notwendigen liquiden Mittel verfügen. Auf lange Sicht dürfte der Renmimbi durch die Initiative vermehrt als Zahlungsmittel genutzt und die Attraktivität als Anlagemedium weiter ausgebaut werden. Die damit verbundenen Währungseffekte könnten eine Aufwertung den Renmimbi mit sich führen. Dies würde im Ergebnis bedeuten, dass die chinesische Währung im Ausland eine höhere Kaufkraft erzielt, da der Wechselkurs zu Gunsten der VR steigt. 4.7 Durchsetzung der Hoheitsansprüche im Südchinesischen Meer Im Kontext der impliziten Strategien ist auch der Konflikt im Südchinesischen Meer zu nennen. Seit den 1980er Jahren kommt es hier zu Territorialkonflikten zwischen China und den weiteren Anrainerstaaten, die auf weitreichende ökonomische sowie sicherheitspolitische Interessen zurückzuführen sind. 200 Eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt, die MSR, verläuft durch das Südchinesische Meer. Ferner werden hier zahlreiche Erdöl- und Gasvorkommen vermutet. 201 China beansprucht etwa 80 Prozent des Südchinesischen Meeres sowie die darin liegenden Inselketten für sich und führt dies auf historische Ansprüche zurück. Ähnliche Ansprüche machen Chinas Nachbarstaaten Vietnam, Philippinen, Taiwan, Brunei, Indonesien, Malaysia geltend. Die nachfolgende Abbildung 16 veranschaulicht die Komplexität der Problematik. 198 Vgl. Bessler (2015), S. 7. 199 Vgl. Ankenbrand (2016b). 200 Vgl. Kreuzer (2014). 201 Vgl. Steimetz (2016). 4 Implizite Strategien der Belt and Road Initiative 87 Abb. 16: Offizielle und ableitbare territoriale und maritime Ansprüche im Südchinesischen Meer (Kreuzer 2014) Aus der Grafik wird ersichtlich, dass die abgeleiteten Ansprüche der beteiligten Länder mehrfache Überschneidungen aufweisen. Um die chinesischen Ansprüche durchzusetzen, hat die VR in der Vergangenheit primär auf das Prinzip der militärischen Stärke zurückgegriffen. Rund 250.000 Soldaten, einen Flugzeugträger, hunderte Zerstörer, Fregatten, U-Boote und Patrouil- 88 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land lenboote setzt China ein, um das beanspruchte Territorium dauerhaft zu verteidigen. 202 Letztere werden zusätzlich benötigt, um die Aufschüttung künstlicher Inseln und Flugstreifen sowie die Erbauung von Häfen abzusichern. Das internationale Schiedsgericht Den Haag wies im Juli 2016 Chinas Ansprüche, nach eingereichter Klage der Philippinen, zurück. 203 Daraufhin weigerte sich China, das Urteil anzuerkennen und beharrt stattdessen weiterhin auf die Rechtmäßigkeit der geforderten Ansprüche. 204 An dieser Stelle erlangt die BRI eine strategische Bedeutung. Die zunehmende militärische Präsenz Chinas und die anwachsende politische Einflussnahme im südasiatischen Raum, die im Zuge der Seidenstraßeninitiative erlangt wird, führen nun dazu, dass die chinesischen geopolitischen Interessen durchgesetzt werden können. Gemeinsame Seidenstraßenprojekte können nur dann durchgeführt werden, wenn die beteiligten Länder die chinesischen Hoheitsansprüche im maritimen Raum anerkennen. 205 Des Weiteren dürfte der öffentliche Widerstand gegen die chinesische Vorgehensweise im Südchinesischen Meer auf Grund der Involvierung vieler Länder in die Seidenstraßeninitiative weiter zurückgehen. Zusätzlich wird das Südchinesische Meer wiederholt Schauplatz von militärischen Provokationen zwischen den USA und China. Erst im Mai 2017 demonstrierte Amerika mit der Durchfahrt eines US-Kriegsschiffes durch die von China beanspruchten Gewässer ihre Vormachtstellung im asiatischen Raum. 206 China verurteilte darauf die Manöver des amerikanischen Militärs und forderte Washington auf, die Provokationen zu unterlassen, da sie nur der Demonstration von Macht dienen würden und folglich den Frieden im Südchinesischen Meer gefährden. 207 Unmittelbar nach diesem Vorfall gaben China und die die ASEAN-Staaten bekannt, dass sie sich auf einen gemeinsamen Verhaltenskodex geeinigt haben, der als Regelwerk und somit als Lösung der Territorialstreitigkeiten im Südchinesischen Meer gesehen werden kann. 208 Der Inhalt dieser Einigung, die in den westlichen Medien keine Erwähnung erfahren hat, ist nicht öffentlich zugänglich. Der chinesische Vizeaußenminister, Liu Zhenmin, begründete die Entscheidung mit dem gewollten Ausschluss der Einmischung externer Akteure. 209 Diese Aussage könnte auf die 202 Vgl. Erling (2014). 203 Vgl. Huotari (2016). 204 Vgl. Steimetz (2016). 205 Vgl. Schüller/ Nguyen (2015), S. 6. 206 Vgl. Lafrenz (2017). 207 Vgl. Kremp (2017). 208 Vgl. o.V. (2017q). 209 Vgl. ebd. 4 Implizite Strategien der Belt and Road Initiative 89 USA abzielen. So kann der Verhaltenskodex als Zusammenrücken Chinas und der ASEAN-Länder gewertet werden, was dazu führen kann, dass die Vereinigten Staaten ihre Rolle im Südchinesischen Meer als internationale Schutzmacht verlieren. Die VR kann auf diese Weise den amerikanischen Einfluss im südasiatischen Raum weiter verringern und ihre Vormachtstellung ausbauen. Mit Hilfe der BRI ist es China gelungen, einen Machtwechsel im Südchinesischen Meer zu vollziehen. So vielfältig und divers die impliziten Strategien Chinas auch sind, das zunehmende chinesische Streben nach internationaler Einflussnahme und der damit verbundene Versuch der Gestaltung der multipolaren Weltordnung findet sich in nahezu jeder vorgestellten Strategie wieder. Während sich die VR in Europa noch primär als wirtschaftlicher Partner positioniert, wirkt China in Afrika und Asien dem amerikanischen Einfluss entgegen. Diese Vermutung wird durch die Friedensbemühungen im zentralasiatischen Raum, die Abhaltung von internationalen Seidenstraßen-Gipfeln, die Errichtung der AIIB und die Lösung der Territorialstreitigkeiten im Südchinesischen Meer belegt. Die BRI fungiert dabei als Mittel zum Zweck, denn unter deren Vorwand genießt China einen vereinfachten Zugang zu Institutionen, Ländern und den damit verbundenen bilateralen Verhandlungen. Inwiefern und ob es sich bei dem Vorhaben tatsächlich um eine politische Strategie handelt, die darauf abzielt die Dimensionen der Globalisierung aktiv zu gestalten, wird in der nachfolgenden Schlussbetrachtung beschrieben werden. 90 5 Schlussbetrachtung und Ausblick 5.1 BRI als politische Strategie Die Autoren Raschke und Tils bezeichnen politisches Handeln erst dann als politische Strategie, wenn ein politischer Akteur ein geeignetes Mittel erschafft, mit dessen Hilfe die Umwelt auf der Basis von Kalkulationen so verändert wird, dass im Ergebnis das verfolgte strategische Ziel erreicht werden kann. Mit der Seidenstraßeninitiative des 21. Jahrhunderts ist die Aufsetzung einer politischen Strategie durch Xi Jinping als Präsident der Volksrepublik China gelungen. Das Mittel ist die BRI selbst. Die Umwelt kann primär im Raum Eurasien vorgefunden werden, die durch die Interaktion zwischen China und den teilnehmenden Staaten entsteht. Das tragende Ziel der Initiative, welches zugleich eine implizite Strategie darstellt, kann in der Gestaltung der multipolaren Weltordnung gesehen werden. Durch berechnende Kalkulationen und die Verwendung von transparenter sowie intransparenter Kommunikation gelingt es China einerseits das tragende Ziel und andererseits zahlreiche weitere implizite Strategien durchzusetzen. Die BRI ermöglicht es China, neue Absatzmärkte zu erreichen, Westchina zu stabilisieren, die Infrastruktur im Land auszubauen, internationalen Einfluss durch die Errichtung einer multilateralen Institution und die Vergabe von Krediten zu erlangen, geostrategische Häfen auf der Welt zu besetzen, den Renmimbi zu internationalisieren, Überkapazitäten der Staatsunternehmen abzubauen, Zugang zu Ressourcen und zugleich die Sicherung der eigenen Energieversorgung sicherzustellen, von einem Wissenszufluss im Bereich der Hochtechnologie durch Joint Ventures zu profitieren, die chinesische Abhängigkeit von einzelnen Ländern zu reduzieren und die Auslastung der chinesischen Unternehmen sowie die Beschäftigung der chinesischen Arbeiter sicherzustellen. Die politischen Kalkulationen haben auch Einzug in die unterschiedlichen Ausprägungsformen der Routenverläufe gefunden. Das Ziel des Landweges, also des SREB, liegt in der Etablierung einer gemeinsamen Wirtschaftszone, dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und der daraus resultierenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit, die gefördert werden soll. Der SREB wird dafür verwendet, erstmalig Zutritt zu den Ländern zu erhalten, da er nur wirtschaftliche Interaktionen und keine impliziten Strategien vermuten lässt. Das Ziel des Seeweges, also der MSR, kann ebenfalls mit der Etablierung einer gemeinsamen Wirtschaftszone beschrieben werden. Dennoch hat sie im Gegensatz zum SREB einen geostrategischen Charakter. Die MSR bildet die Perlenkette, die auf die Besetzung von Häfen und Meeresengen durch Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land 5 Schlussbetrachtung und Ausblick 91 China abzielt. Die Häfen werden vor allem in den Ländern besetzt, in welchen China zuvor im Rahmen des SREB Investitionsprojekte durchgeführt hat und dadurch einen verstärkten politischen Einfluss genießt. 5.2 BRI als politische Globalisierungsstrategie Die BRI kann erst dann als politische Globalisierungsstrategie bezeichnet werden, wenn das Vorhaben als politische Strategie definiert wurde, die zugleich darauf abzielt, die Dimensionen der Globalisierung aktiv zu gestalten. Dass dies der Fall ist, haben die obigen Abschnitte belegt. Die BRI gestaltet die wirtschaftliche Globalisierung. Durch die Initiative werden Güter und Dienstleistungen in einem besonders großen Umfang gehandelt. Es kommt dabei wiederholt zum grenzüberschreitenden Reiseverkehr chinesischer Arbeitnehmer, die in den Zielländern Beratungs-, Konstruktions- und Montageleistungen durchführen. Um chinesische Interessen durchzusetzen, greift China in Europa auf das Forum-Switching zurück. Dies ist beispielhaft am griechischen Hafen in Piräus deutlich geworden ist. Die Initiative beeinflusst auch den internationalen Kapitalverkehr, was durch die hohen Investitionen zum Ausdruck kommt. China nutzt diese Investitionen im Kontext der Direktinvestitionen, um politischen Einfluss in den Partnerländern auszuüben. Die Investitionen werden nicht nur für Infrastrukturmaßnahmen verwendet, sondern dienen auch der Gründung von Sonderwirtschaftszonen. In diesen Zonen werden anschließend Joint Ventures gebildet. Auf Basis der gemeinsamen Kooperation bedienen sich die chinesischen Unternehmen dem technischen Wissen ihrer Partnerländer. Abschließend ist die internationale Arbeit zu nennen. China entsendet im Rahmen der BRI hoch qualifizierte Arbeitnehmer und Gastarbeiter in die Zielländer, die durch ihre Arbeitsaufnahme die Arbeitsplätze der lokalen Bevölkerung substituieren. Die BRI gestaltet die politische Globalisierung. Dies ist primär auf die Liberalisierung des Handels zurückzuführen. Die bilateralen Abkommen sehen Freihandelszonen für alle beteiligten Länder vor, die bei der Initiative mitwirken. Ferner sind die chinesischen Militäroperationen der politischen Globalisierung zuzuweisen. Die VR nutzt die Initiative um geostrategische Häfen zu besetzen und diese in Militärbasen umzuwandeln. Letztere werden wiederum dafür genutzt, um politischen Druck auf die Staaten im asiatischen Raum auszuüben. Die BRI gestaltet die rechtliche Globalisierung. Am Beispiel der AIIB wird die Globalisierung einer internationalen Institution ersichtlich. Nicht nur die Gründung des Instituts, sondern auch die rechtliche Bedeutung ist dabei 92 Teil I Chinas Globalisierungsstrategien zu Wasser und zu Land von Relevanz. So gibt die AIIB soziale und ökologische Standards vor, die wiederum darauf abzielen, internationales Recht durchzusetzen. Am Beispiel der Friedensbemühungen im zentralasiatischen Raum und der Beilegung der Territorialstreitigkeiten im Südchinesischen Meer kann auch die Mitgestaltung der globalen öffentlichen Güter belegt werden, die der rechtlichen Globalisierung zuzuordnen sind. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die BRI zwei übergreifende strategische Ziele verfolgt: [1] Durch den Ausbau des bestehenden Infrastrukturnetzes erschließt die VR neue Handelsmärkte, um die landeseigenen Exporte absetzen zu können. [2] Auf diese Weise versucht die chinesische Regierung den internationalen politischen Einfluss zu vergrößern. Stellt man sich die Märkte und die damalige Infrastruktur im Raum Eurasien vor dem Jahr 2013 vor, so hatten alle Länder ähnliche Vorteile, Produkte in ihrem Heimatland zu produzieren und diese anschließend zu exportieren. Rund vier Jahre später haben die Investitionen der BRI dazu geführt, dass die Infrastruktur der Straßen- und Schienennetze erheblich verbessert und diese zusätzlich an chinesische Flughäfen und Häfen gekoppelt wurden. Alle Infrastrukturnetze, die im Zuge der Seidenstraßeninitiative errichtet wurden, haben eine gemeinsame Destination, die in China liegt. Vergleicht man aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und unter Berücksichtigung von Skaleneffekten die Vorteilhaftigkeit der Inlandsproduktion für die Länder Eurasiens, muss festgestellt werden, dass es sinnvoller wäre, die Produktion von Gütern an dem Ort zu zentralisieren, der über die geostrategisch geeignetste Anbindung an das moderne Infrastrukturnetz verfügt. Dieses Land würde folglich China sein. Unter Berücksichtigung der ebenfalls von China verfolgten „Made in China 2025“-Strategie erscheint diese Vermutung noch valider. Es kann daher angenommen werden, dass China zur führenden Industriemacht Asiens und der Welt aufsteigen und zukünftig Produkte aus dem Bereich der Hochtechnologie selbst herstellen sowie weltweit exportieren will. 5.3 Ausblick Es ist anzumerken, dass in den Bereichen der politischen Strategie sowie der Globalisierungsstrategie nur wenig bis gar keine einschlägige wissenschaftliche Literatur zur Verfügung steht, die unterschiedliche Forschungsstände 5 Schlussbetrachtung und Ausblick 93 aufzeigt. Ferner gibt es kein wissenschaftliches Modell, dass eine Veränderung der Globalisierung oder die ihr zugrundeliegenden Dimensionen messbar macht. Demzufolge könnten sich zukünftige Arbeiten mit einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der Strategiebegriffe im Kontext der Politik und der Antworten des privaten, unternehmerischen Strategischen Managements beschäftigen. Unter diesen Gesichtspunkten könnten zukünftige Forschungsfragen die betriebswirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung der BRI analysieren. 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Der Begriff der Innovation ist ein Schlagwort 210 und wird auch als Marketingformel 211 verwendet. Die einzige Gemeinsamkeit von Marketing und Innovation ist, dass sie „als konstituierendes Element die ‚Neuartigkeit‘ herausstellen“ 212 . Doch ohne eine exakte, allgemeingültige Definition wird der Begriff Innovation in der Literatur und im alltäglichen Leben vielseitig verwendet. Er wird umgangssprachlich mit gesellschaftlichen oder technischen Neuerungen gleichgesetzt, wobei eine beworbene Innovation nicht unbedingt eine Innovation per Definition ist. 213 Unabhängig davon, ob der Innovationsbegriff in Wissenschaft oder Praxis verwendet wird, ist er „positiv konnotiert“ 214 und „geradezu zu einem Hochglanz-Begriff mutiert: Das Neue ist erfolgreicher, technisch überlegen und oft auch rationaler.“ 215 Die etymologische Herkunft des Begriffs der Innovation ist das Latein und leitet sich aus „novus“ für „neu“ bzw. dem Wort „innovatio“ 216 ab, was „Veränderung oder Erneuerung“ bedeutet. 217 In den Wirtschaftswissenschaften stieß der Themenbereich der Innovation erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf Interesse. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen stellten Ökonomen Konzepte auf, um die Frage der Innovation in die Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaft mit einzubeziehen. 218 Die Definition von Schumpeter 1911 und 1939 wird als die „im wirtschaftswissenschaftlichen Kontext […] wohl klassischste und meist zitierste“ 219 beschrieben und Schumpeter selbst als einer der einflussreichsten Begründer der Volkswirtschaftsströmung „contemporary evolutionary economics“ 220 bezeichnet, der mit seinen Veröffentlichungen einen Grundstein in diesem Forschungsgebiet legte. 221 210 Vgl. Hauschildt/ Salomo (2011), S. 3; Stölzle/ Lieb (2012), S. 6 211 Kaudela-Baum et al. (2014), S. 2 212 Vgl. Brockhoff (1987); Zahn (1991) in: Swoboda/ Weiber (2013), S. 98 213 Vgl. Stölzle/ Lieb (2012), S. 6 214 Niermann/ Schmutte (2014), S. 33 215 Kaudela-Baum et al. (2014), S. 22 216 Vgl.Völker et al. (2012), S. 18 217 Vgl. Kaudela-Baum et al. (2014), S. 22, vgl. Völker et al. (2012), S. 18 218 Vgl. Le Masson et al. (2010), S. 348 219 Kaudela-Baum et al. (2014), S. 22; vgl. Stölzle/ Lieb (2012), S. 6 220 Shionoya/ Nishizawa (2008), S. 204 221 Vgl. Kaudela-Baum et al. (2014), S. 22 1 106 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell Nach Schumpeter ist eine der wichtigsten Determinanten der industriellen Transformation der technologische Wandel. Dieser besteht aus der Einführung neuer Produkte (Produktinnovation), neuer Produktionsprozesse (Prozessinnovation) und neuer Managementmethoden (Organisatorische Innovation). 222 Der Unternehmer gilt als zentrale Quelle des technologischen Fortschritts, ohne jedoch eine bestimmte hierarchische Position im Unternehmen innezuhaben. Er wird mit Charakterzügen beschrieben, die ihn als couragiert, risikofreudig, aber auch vorsichtig und bedacht auszeichnen. 223 Die Schaffung eines technologischen Fortschritts ist jedoch nicht allein auf den Unternehmer zurückzuführen, diese Denkweise basiert vielmehr auf der damaligen Zeit: „Schumpeter followed the historical and romantic imagination of that time, namely that technological inventions are randomly developed by some kind of an ivory-towered genius inventor outside the economic system, who does not intend economic goals or profit maximizing and efficiency.” 224 Der Unternehmer ist derjenige, der die Erfindungen („inventions”) adaptiert und der deren ökonomische Anwendbarkeit („market diffusion“) und wirtschaftlichen Erfolg implementiert, 225 womit Unternehmer und Innovator gleichgesetzt werden. 226 Später wird der Prozess der „Invention“ nicht länger einem einzelnen Akteur zugeschrieben, sondern einer internen und zielgerichteten Strategie. 227 Schumpeter grenzte als einer der ersten Wissenschaftler die Begriffe Innovation und Invention voneinander ab: 228 „Innovation is possible without anything we should identify as invention, and invention does not necessarily induce innovation, but produces of itself … no economically relevant effect at all.” 229 Nach Schumpeter ist die Innovation von der Invention unabhängig und der soziale Prozess, der Innovationen hervorbringt, unterscheidet sich wiederum sowohl wirtschaftlich als auch soziologisch von dem sozialen Prozess, der Inventionen hervorbringt. 230 Für Schumpeter stellt die Innovation eine essentielle Funktion des Unternehmers dar, sie beschreibt das Arrangieren einer neuen Produktionsfunkti- 222 Vgl. Sarkar (2007), S. 3 223 Vgl. Som (2012), S. 26 224 Schwitalla (1993) in Som (2012), S. 26 225 Vgl. Som (2012), S. 26 226 Vgl. Sarkar (2007), S. 3f. 227 Vgl. Som (2012), S. 26 228 Vgl. Wood (1997), S. 334; Schumpeter (1939), S. 59 229 Niermann/ Schmutte (2014), S. 3; vgl. Wood (1997) S. 334; Spulber (2014), S. 112 230 Vgl. Wood (1997), S. 334 1 Was ist Innovation? 107 on 231 . Im Unterschied zur Innovation hat die Invention keinen ökonomischen Einfluss. Eine Innovation ist eine Invention, die ein Produktionsverfahren und einen Markt gefunden hat, wobei Innovationen nicht notwendigerweise auch Inventionen sein müssen. 232 An diesem Punkt widersprechen sich jedoch einige Quellen, da „eine Invention eine notwendige Vorstufe [und Voraussetzung] für die darauf folgende Innovation ist.“ Spulber 2014 löst dieses Gewirr auf, indem er beschreibt, dass Schumpter keinen ökonomischen Unterschied zwischen Innovation und Invention feststellte, da die ökonomischen Effekte einer Innovation nicht von deren wissenschaftlichen Neuheit abhängen müssen. Der Marktwert einer Innovation ist nach Schumpeter davon abhängig, wie viel die Kunden für Produkte oder Dienstleistungen zu zahlen bereit sind. 233 Drucker 1993 erweitert mit seiner Definition den Begriff der Innovation: Ihm zufolge bemächtigt sich der Unternehmer des Werkzeugs der Innovation, was notwendig ist, um zukünftige Chancen nutzen zu können. Außerdem beschreibt er Innovation als erlernbar. 234 Ein allgemein anerkanntes Verständnis des Begriffs der Innovation geht auf Pfeiffer 1971 und Hauschildt 2005 zurück, dass viel zitiert und verwendet wird: „Innovationen sind unstrittig qualitativ neuartige Produkte oder Prozesse, die sich gegenüber dem vorangehenden Zustand merklich - wie auch immer das im Einzelnen zu bestimmen ist - unterscheiden.“ 235 Hierbei bezieht sich der Autor auf das betriebswirtschaftliche Theorem der Zweck- Mittel-Beziehung: „Neue Mittel werden durch neue Technologien offeriert, die Erfüllung neuer Zwecke wird durch die Nachfrage gewünscht bzw. gefordert. Innovation liegt bei einer neuartigen Zweck-Mittel-Kombination vor. Die reine Idee für eine neue Zweck-Mittel-Kombination reicht jedoch nicht aus; Innovationen beinhalten neben der Idee/ Erfindung (Invention) auch deren Umsetzung.“ 236 Hauschildt/ Salomo 2011 fügen hinzu, dass „neuartig mehr als neu ist, es bedeutet eine Veränderung der Art, nicht nur dem Grade nach. […] Es geht um neuartige Produkte, Verfahren, Vertragsformen, Vertriebswege, Werbeaussagen, Corporate Identity. Innovation ist wesentlich mehr als eine gradu- 231 Vgl. Schumpeter (1939), S. 87 232 Vgl. Le Masson et al. (2010), S. 348 233 Vgl. Spulber (2014), S. 112 234 Vgl. Sarkar (2007), S. 4 235 Stölzle/ Lieb (2012), S. 6; vgl. Völker et al. (2012), S. 18 236 Steinhoff (2006), S. 16 108 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell elle Verbesserung und mehr als ein technisches Problem.“ 237 In einer Übersicht ausgewählter Definitionen zum Innovationsbegriff zeigen Hauschildt/ Salomo, dass sich schon seit einigen Jahrzehnten bemüht wird, eine klare Definition zu finden und, „dass in dieser semantischen Vielfalt die Gefahr für Missverständnisse liegt.“ 238 In der Literatur werden häufig zwei weitere Begriffe im Zusammenhang mit Invention und Innovation genannt, die „Kognition“ und die „Diffusion“. Die vier Begriffe gemeinsam werden von Schmeisser auch als „die vier Phasen der Ontogenese eines technischen Systems“ 239 bezeichnet, wobei es sich um vier spezielle Entwicklungsphasen handelt. Den Anfang der Ontogenese bildet dabei die Kognition, welche anhand des Beispiels beschrieben werden kann, dass ein Wissenschaftler ein erfasstes, naturwissenschaftliches Phänomen zu replizieren versucht, um den Vorgang messbar zu machen. Dazu werden Hypothesen aufgestellt, die experimentell widerlegt werden sollen, 240 wodurch wiederum Erkenntnis entwickelt werden soll. Gefolgt wird die Kognitionsphase von Invention und Innovation, auch wenn die Invention keine notwendige Vorbedingung für eine Innovation ist. Den Abschluss der Ontogenese bildet die Diffusion, die anhand der beiden folgenden Beispiele beschrieben werden kann: „Führt die Invention z.B. beim Auto zur Imitation von Automobilen in verschiedenen Varianten und eventuell sogar zur Massenproduktion, wie das Model T bei Ford 1911, markieren diese Formen der Imitation die Diffusion als letzte Phase der Ontogenese.“ 241 Und: „Der Diffusionsprozess setzt dann ein, wenn die Innovation in der Gesellschaft Verwendung findet. Angestrebt wird die Akzeptanz bei den Zielgruppen, die Marktdurchdringung (Diffusionsmodell).“ 242 . 1.1 Arten und Dimensionen des Innovationsbegriffs Im Folgenden werden mögliche Arten und Dimensionen von Innovationen beschrieben. Eine dieser Unterscheidung ist die der drei grundsätzlichen Dimensionen der Innovation, die objektbezogene, die subjektbezogene und die prozessbezogene Dimension, die wie folgt differenziert werden: 243 237 Hauschildt/ Salomo (2011), S. 3f. 238 ebd., S. 4 239 Schmeisser (2013), S. 25 240 Vgl. ebd. 241 Vgl. ebd. 242 Hübner/ Jahnes (1998), S. 207 243 Vgl. Steinhoff/ Trommsdorff (2007), S. 5ff.; vgl. Swoboda/ Weiber (2013), S. 98ff. 1 Was ist Innovation? 109 Die objektbezogene Dimension befasst sich mit der Frage, was neu ist, 244 also dem „Ergebnis des Innovationsprozesses […], das sich in Produkten, Verfahrensweisen, Ideen oder auch Verhaltensweisen niederschlagen kann.“ 245 Je nachdem, was neu ist, wird zwischen Produkt- und Prozessinnovationen differenziert: 246 „Bedeutsam ist dabei, dass diese Unterscheidung sowohl den Zielaspekt als auch den Durchsetzungsaspekt umgreift.“ 247 Mit Zielaspekt in Bezug auf Prozessinnovationen ist gemeint, dass durch veränderte Prozessabläufe eine gesteigerte Effizienz erreicht wird, was sich auf den Preis, die Qualität oder eine schnellere Produktion auswirken kann. In Bezug auf Produktinnovationen wird jedoch nicht nur der „Kombinationsprozess, sondern auch der Verwertungsprozess am Markt berührt.“ 248 Gemeint ist damit, dass Kunden durch ein völlig neues Produkt in die Lage versetzt werden, neue Dinge zu tun, die vorher nicht möglich waren oder diese Dinge auf eine neue, leistungsfähigere, also effektivere Weise und ggf. auch effizientere Weise zu tun. 249 Produkt- und Prozessinnovation sind oft nicht voneinander loszulösen, denn „eine Produktinnovation herzustellen, setzt vielleicht in der Fabrik des Herstellers eine Prozess-Innovation voraus. Andererseits stellt sich ein neues Produkt wie eine innovative Kommunikationsanlage nicht nur als Produkt-Innovation dar, sondern - beim Kunden - auch als Prozessinnovation.“ 250 Der Durchsetzungsaspekt zeigt, dass sich Prozessinnovationen oft nur innerhalb des jeweiligen Unternehmens durchsetzen, welches diese neuen Faktorkombinationen im Produktionsprozess entwickelt hat, wohingegen sich Produktinnovationen auf einem ganzen Markt durchsetzen. 251 Dies ist auch dadurch zu erklären, dass Unternehmen versuchen, eine wettbewerbsvorteilbildende Prozessinnovation, die ihnen ermöglicht schneller, qualitativ hochwertiger und/ oder zu günstigeren Kosten zu produzieren, für sich zu behalten und kein Patent für diese anzumelden. Außerdem wird in der objektbezogenen Dimension „die Frage nach der Indu- 244 Vgl. Steinhoff/ Trommsdorff (2007), S. 5 245 Swoboda/ Weiber (2013), S. 98f. 246 Vgl. Utterback/ Abernathy (1975), S. 645f., vgl. Steinhoff/ Trommsdorff (2007), S. 5 247 Hauschildt/ Salomo (2011), S. 5 248 Vgl. ebd. 249 Vgl. ebd. 250 Steinhoff/ Trommsdorff (2007), S. 6 251 Vgl. Hauschildt/ Salomo (2011), S. 5ff. 110 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell zierung der Innovation“ 252 behandelt. Hierbei geht es darum, aus welcher Richtung die Innovation kommt, bzw. wer sie initiiert oder nach ihr verlangt. „Bei sogenannten ‚Marktsog-Innovationen‘ (market pull) bilden Nachfragbedürfnisse den Ausgangspunkt der Innovationstätigkeit des Anbieters, während ‚Technologiedruck-Innovationen‘ (technology push) von technischen Neuerungen initiiert werden, für die dann Anwendungspotenzial gesucht wird.“ 253 In der subjektbezogenen Dimension wird sich der Frage angenommen, für wen etwas neu ist 254 bzw. „auf welche Zielgruppe Innovationen gerichtet sind“ 255 . Diese Frage ist eine Frage der Perspektive, so kann die Innovation für den Anbieter, aber auch für den Nachfrager mehr oder weniger neu sein. 256 Witte sagt, dass „für die Unternehmung […] eine Innovation dann zu konstatieren [ist], wenn sie eine technische Neuerung erstmalig nutzt, unabhängig davon, ob andere Unternehmen den Schritt vor ihr getan haben oder nicht.“ 257 Steinhoff/ Trommsdorff beschreiben diesen Ansatz als eine „Objektivierung des Neuigkeitsbegriffs“ 258 . Die Frage, ob es sich um eine Weltneuheit handelt, kann zwar so erfolgen, ist aber aus Sicht des Managements nicht zweckdienlich. 259 Steinhoff/ Trommsdorff führen dazu das Beispiel vom Einstieg Mannesmanns in den Mobilfunkmarkt an, allerdings nicht als Pionier sondern als Folger, 260 da es Funktelefone bereits gab. „Für Mannesmann bestand die Innovation darin, mit einer für das Unternehmen neuen Technologie bisher nicht bediente Kundengruppen zu gewinnen. Aus Sicht des innovierenden Unternehmens ist es also unerheblich, ob die Innovation auch von anderen innovierenden Unternehmen als neuartig empfunden wird.“ 261 Ähnlich verhält es sich beim Blick zur Nachfragebzw. Konsumentenseite, wo das Produkt vom Kunden ggf. eher angenommen wird, wenn es für ihn neuartig ist und er einen Vorteil darin sieht. 262 252 Steinhoff/ Trommsdorff (2007), S. 6 253 Vgl. ebd. 254 Vgl. Hauschildt/ Salomo (2011), S. 5; vgl. Steinhoff/ Trommsdorff (2007), S. 6 255 Swoboda/ Weiber (2013), S. 99 256 Vgl. ebd. 257 Witte (1973), S. 3 in Swoboda/ Weiber (2013), S. 99 258 Steinhoff/ Trommsdorff (2007), S. 6 259 Vgl. ebd. 260 Vgl. Jones/ Bouncken (2008), S. 815f. 261 Steinhoff/ Trommsdorff (2007), S. 6 262 Vgl. ebd. 1 Was ist Innovation? 111 Aus Konsumentensicht kann eine Unterscheidung der subjektiven Dimension in Produktinnovation und Neuprodukt vorgenommen werden. Die Produktinnovation wird in der subjektiven Wahrnehmung des Nachfragers als neuartig empfunden und weicht in der Wahrnehmung erheblich von den am Markt angebotenen Leistungen ab. Das Neuprodukt ist eine Leistung, „die von den bisherigen Angeboten des Unternehmens abweicht und damit aus Anbietersicht neuartig ist. Dies können sowohl Innovationen als auch Imitationen der bereits am Markt befindlichen Produkte sein.“ 263 Je nach involvierter Gruppe kann die subjektive Dimension für die Feststellung der Neuigkeitseigenschaft in eine unternehmensorientierte, eine kundenorientierte und eine wettbewerbsorientierte Perspektive differenziert werden. 264 Es wird deutlich, dass sich Innovationen nur schlecht objektiv bestimmen lassen, da die schlussendliche Wahrnehmung über die Neuartigkeit subjektiv ist. „Entscheidend für die ‚Neuartigkeit‘ ist somit nicht die Veränderung z.B. gegenüber einem existierenden Status quo, sondern die Veränderung im Bewusstsein des Individuums, auf die die Innovation gerichtet ist.“ 265 Steinhoff/ Trommsdorff fügen hinzu, dass in der Innovationsforschung der subjektive Innovationsbegriff vorrangig ist. 266 Die Kernfragen der prozessbezogenen Dimension beschäftigen sich mit dem Innovationsprozess, wie Neuerungen generiert werden und wie die spezifischen Charakteristika während der Entstehung aussehen. „Unter dem Innovationsprozess (IP) sind alle zur Entwicklung, Einführung und Durchsetzung einer Neuerung notwendigen Phasen und Aktivitäten zu subsumieren. Die Innovation ist aus prozessbezogener Perspektive ein Entscheidungs- und Durchsetzungsprozess, der im Rahmen des Innovationsmanagements zielorientiert gestaltet werden kann.“ 267 Der Innovationsprozess lässt sich dabei in Phasen unterteilen, jedoch wird, je nach Autor, eine unterschiedliche Anzahl an Phasen betrachtet. „Gemein ist den Phasen, dass sie i.d.R. mit der Ideengenerierung beginnen und mit der Markteinführung bzw. der Verwendung einer Innovation enden.“ 268 Die 263 Swoboda/ Weiber (2013), S. 100 264 Vgl. Schallmo (2013), S. 25 265 Swoboda/ Weiber (2013), S. 100 266 Vgl. Steinhoff/ Trommsdorff (2007), S. 8 267 Sammerl (2006), S. 28 268 Swoboda/ Weiber (2013), S. 100 112 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell Spannweite der Phasen beginnt bei drei und reicht bis zu feinteiligen Unterscheidungen. 269 Sammerl hat eine Synopse des Phasenablaufs aus verschiedenen Quellen konstruiert, mit den Prozessstufen Problemerkenntnis, Idee, Forschung, Entwicklung, Produktion, Markteinführung und Marktdurchsetzung. 270 Völker et al. ergänzen den Umfang der „IP im erweiterten Sinne“, indem sie die „Marktdurchsetzung“ miteinbeziehen. Außerdem erweitern sie Sammerls zweiten Prozessschritt „Idee“, indem sie die nachfolgen zwei Stufen auch mit dem Präfix ergänzen und den Begriff „Forschung“ durch die Ideenplanung austauschen (vgl. Abb. 17). Abb. 17: Zeitbezogene Interpretationsmöglichkeit des Innovationsbegriffs 271 Obwohl der Prozessablauf oft sequentiell dargestellt wird, handelt es sich in der Realität eher um einen Durchlauf von rekursiven Schleifen, sog. „feedback loops“ 272 , mit zahlreichen Brüchen. 273 Außerdem werden die Begriffe der Innovation, Invention und Innovation im engeren und weiteren Sinne grafisch zusammengefasst und einander gegenübergestellt. Laut Sammerl fokussiert die Innovation im engeren Sinn „auf Schritte der Produktions- und Markteinführung einer nicht näher betrachteten Invention. Der Produktionsprozess im weiteren Sinn umfasst hingegen auch den Inventionsprozess. Der Innovationsbegriff im weitesten Sinn schließt darüber hinaus die Durchsetzung von Innovationen am Markt und damit die Diffusions- und Adoptionsprozesse mit in die Betrachtung ein.“ 274 269 Vgl. Sammerl (2006), S. 28 270 Vgl. ebd., S. 30 271 Völker et al. (2012), S. 18 272 Rauter (2013), S. 86 273 Vgl. Hauschildt/ Salomo (2011), S. 26f.; vgl. Helbig/ Mockenhaupt (2009), S. 11 274 Sammerl (2006), S. 30 1 Was ist Innovation? 113 Steinhoff/ Trommsdorff benutzen ebenfalls einen sequentiell ablaufenden, idealtypischen Innovationsprozess. Dieser Prozess beinhaltet sechs Phasen sowie Markt- und Technikinformationen zu den jeweiligen Phasen (vgl. Abb. 18). Abb. 18: Die idealtypischen Phasen des Innovationsprozesses 275 Bei den ersten beiden Phasen, der „Problemerkenntnis“ und der „Ideenfindung“, kann der Input sowohl unternehmensintern als auch von außen, durch eine Markt- oder Umfeldanalyse, oder bei der Ideenfindung z.B. durch Kunden kommen. Es folgen „Selektion und Bewertung“, wo „vorliegende Innovationsideen auf potenziell erfolgreiche Ideen reduziert werden“ 276 , Machbarkeitsstudien durchgeführt werden und „besonders gründlich ergründet werden [muss], ob und wann die Innovation von Zielkunden akzeptiert wird.“ 277 Danach kommt die „strategische Entwicklung“, bei der das Budget kontrolliert und ggf. angepasst wird. Dies erfolgt anhand von Positionierungsanalysen, wie sich das eigene Produkt gegenüber Konkurrenzprodukten aus Sicht des Konsumenten schlägt und „wie die Innovation positioniert werden soll.“ 278 In der „operativen Entwicklung“ sollen Markttests noch vor der Einführung zeigen, ob Diskrepanzen beim Kunden vorliegen, um diese rechtzeitig zu korrigieren. In der finalen Phase der „Einführung/ Durchsetzung“ werden der Marketing-Mix und die Strategie aufeinander abgestimmt. „Eine besondere Rolle spielt hier die Marketingkommunikation: Erst wenn die Produktvorteile von Zielkunden wahrgenommen und als nutzbringend verstanden werden, kann sich die Innovation durchset- 275 Steinhoff/ Trommsdorff (2007), S. 9 276 ebd. 277 ebd. 278 ebd. 114 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell zen.“ 279 Durch fortwährende Kontrollen wird in dieser Phase diagnostisch mögliches Verbesserungspotenzial erarbeitet. 280 Zusätzlich zu den Dimensionen können zwei Arten von technologischem Wandel unterschieden werden. Dies kann auch als „Innovationsgrad“ beschrieben werden, der sich zwischen kleinsten, geplanten, routinehaften (inkrementellen) Veränderungen und völligen, ungeplanten, seltenen, extraordinären (radikalen) Umwälzungen bewegt: 281 „Eine radikale Innovation ist z.B. die Erfindung des Rades, während die anhaltende Verbesserung des Rades (Material, Nabe und Pneu etc.) mit inkrementellem Fortschritt zu beschreiben ist.“ 282 Jedoch besitzen die beiden Arten nicht den gleichen Stellenwert: „Wenn von Innovation die Rede ist, heben heute die Medien gerne die big steps bzw. die radikalen Innovationen hervor. Auf Fachkonferenzen und Wirtschaftsveranstaltungen halten Experten Vorträge über Innovationen und illustrieren diese üblicherweise mit prominenten Beispielen aus dem Bereich der Produkt- und Marketinginnovationen.“ 283 Dass aber die „smaller steps“ der inkrementellen Innovation häufiger vorkommen, wird im Folgenden noch genauer erklärt werden. Die „radikale Innovation“ bezieht sich auf „eine fundamentale Veränderung in der Technologie, welche die Produkte oder die Vorgehensweise, in der die Produkte hergestellt werden, revolutioniert. Solche Innovationen werden häufig auch als diskontinuierlich oder disruptiv bezeichnet.“ 284 Wenn der Wandel jedoch nicht fundamental ist, sondern lediglich zu einer Verbesserung bei einer Basistechnologie führt, handelt es sich um inkrementellen Wandel. „Inkrementelle Innovationen beziehen sich auf Produkte oder Betriebssysteme, die Verbesserungen [der Basistechnologie] repräsentieren,“ 285 sie „bauen somit auf den bisherigen Kernkompetenzen auf und sind somit risikoärmer und näher am heutigen Produkt.“ 286 Zur Verdeutlichung können hier z.B. eine Serie von Verbesserungen oder Nachbesserun- 279 Steinhoff/ Trommsdorff (2007), S. 9 280 Vgl. ebd. 281 Vgl. Kaudela-Baum et al. (2014), S. 26ff.; vgl. Steinhoff/ Trommsdorff (2007), S. 7 282 Biniok (2013), S. 10f. 283 Kaudela-Baum et al. (2014), S. 26 284 Jones/ Bouncken (2008), S. 797 285 Vgl. ebd. 286 Gassmann/ Sutter (2013), S. 9 1 Was ist Innovation? 115 gen eines Produkts genannt werden, die zu neuen Produktgenerationen oder sogar zu gänzlich neuen Produkten führen. 287 Aber auch Innovationen im Innovationsprozess oder im Produktionsablauf können inkrementell sein, wie „flexible Fertigung, Roboter und TQM [Total Quality Management]“ 288 , denn sie können zu einer besseren Produktqualität oder zu einem besseren, schnelleren oder kostengünstigeren Produktionsprozess führen. In stabilen Märkten können inkrementelle Innovationen Unternehmen somit zu einer Erhaltung der Marktposition verhelfen, wenn sie dazu beitragen, dass die Produkte ggf. in gleichbleibender und guter Qualität hergestellt werden können. Inkrementelle Innovationen bauen zudem auf bisherigen Kernkompetenzen auf, sind daher risikoärmer, näher am heutigen Geschäft und dadurch wirtschaftlich besser beurteilbar (z.B. hinsichtlich der Kennzahlen) und lassen sich zudem leichter an existierende Kunden verkaufen, wozu bestehende Distributionskanäle genutzt werden können. Radikale Innovationen sind hingegen risikoreicher, weiter entfernt vom gegenwärtigen Geschäft, schlechter durch das Controlling bewertbar, zielen oft an aktuellen Kunden vorbei und erfordern daher ggf. neue Distributionskanäle. Sie sind jedoch attraktiver für Branchen-Outsider. 289 Der Verlauf einer inkrementellen Innovation kann anhand des Technologie- Lebenszyklus bzw. des S-Kurven-Konzepts nach McKenzie erklärt werden, 290 denn in Bezug auf inkrementelle Innovationen wird auch von Substitution gesprochen, wenn eine Basistechnologie (also eine Technologie in der Reifephase) verbessert wird und in dem neuen Produkt als Schrittmachertechnologie (in der neuen Wachstumsphase) in verbesserter Form das alte Produkt bzw. die alte Technologie ablöst. 291 287 Vgl. Le Masson et al. (2010), S. 92 288 Jones/ Bouncken (2008), S. 797 289 Vgl. Gassmann/ Sutter (2013), S. 9 290 Vgl. Völker et al. (2012), S. 59ff. 291 Vgl. Steinmann et al. (2013), S. 170 f.; vgl. Jones/ Bouncken (2008), S. 797 116 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell Abb. 19: From incremental to radical 292 „Die meisten Firmen wenden große Anteile ihrer Zeit für inkrementelle Produktinnovationen auf. Beispielsweise ist ein Automobilproduzent jedes Mal mit inkrementellen Produktinnovationen beschäftigt, wenn eine Modellpflege durchgeführt wird. Immer wieder treten Nachahmungsprozesse auf.“ 293 Außerdem neigen Unternehmen zur Pfadabhängigkeit 294 , zur Risikominimierung und dazu, „bestehende Strukturen und Prozesse zu erhalten oder allenfalls noch zu verbessern, als sie grundsätzlich zu erneuern. Eine radikale Innovation bedeutet immer auch ein Risiko für eine Firma.“ 295 Radikale Innovationen spielen zwar in der Presse und auf Veranstaltungen eine große Rolle, weil damit besseres Marketing gemacht werden kann, aber in Bezug auf die Anzahl tatsächlicher technischen Wandlungen spielen sie eher eine untergeordnete Rolle, da sie seltener auftreten. Oft liegt jedoch eine Kombination von radikalen und inkrementellen Innovationen vor, welche als „dominante Designs“ bezeichnet werden. Sie sind „Kombinationen von Prozessen, Komponenten, Gestaltungsprinzipien, die sich quasi als Standard herausgebildet haben (z.B. Otto- oder Dieselmotor bei Kfz)“ 296 und „entstehen auf der Basis von radikalen Innovationen, die auf Kundenbedürfnisse und an die Systemumwelt angepasst werden. Dabei wiederum treten dann auch wieder teils begleitende, teils verbessernde in- 292 Le Masson et al. (2010), S. 93 293 Jones/ Bouncken (2008), S. 803 294 Vgl. Kaudela-Baum et al. (2014), S. 48 295 Vgl. ebd., S. 3f. 296 Jones/ Bouncken (2008), S. 803 1 Was ist Innovation? 117 krementelle Innovationen auf.“ 297 Solche Kombinationen aus Innovationsgraden lassen sich vielfach finden, wie z.B. „Mikroprozessoren, Funktelefone, Minicomputer (PDAs), Textverarbeitungssoftware, Onlineinformationsdienste, Computernetzwerke, Camcorder, CD-Player, Videorekorder und die von der Biotechnologie produzierten gentechnisch veränderten Arzneimittel, die entweder in einer früheren Genration gar nicht existiert oder als exotische und teure Produkte angesehen wurden. Diese Produkte sind jetzt alltäglich geworden und werden ständig verbessert.“ 298 Eine radikale Innovation wird demnach zur Basistechnologie oder zum dominanten Design und wird dann über eine gewisse Zeit hinweg durch inkrementelle Innovationen weiterentwickelt, verbessert und an die Kundenbedürfnisse oder Marktgegebenheiten angepasst, bis sie evtl., wie in Abbildung 19, durch eine radikale Umwälzung oder durch einen technischen Wandel auf ein komplett neues Level gebracht wird. 1.2 Wirtschaftliche Bedeutung von Innovationen Wie in den bisherigen Abschnitten gezeigt wurde, sind Innovationen im Wettbewerb mit anderen Unternehmen um die beste Marktposition existentiell. „Bereits Drucker stellte 1955 fest: ‚Any business enterprise has two - and only these two - basic functions: marketing and innovation. They are the entrepreneurial functions‘. Diese Aussage gilt heute umso mehr, da Unternehmen aktuell aufgrund der Schnelllebigkeit der Märkte quasi zur Innovationsgenerierung gezwungen sind, damit sie sich im Wettbewerb auf Dauer differenzieren können. Innovationen zählen damit - neben dem Marketing - zu den Kernantriebskräften der meisten Unternehmen und besitzen Auswirkungen auf die Wertschöpfungsprozesse und Geschäftsmodelle vieler Unternehmen. Für die Leistungsprozesse des Unternehmens sind dabei Produktinnovationen von zentraler Bedeutung, wobei F&E als zentrale Wertschöpfungsaktivität im Marktprozess anzusehen ist.“ 299 Schmeisser et al. ergänzen dies dadurch, dass Innovationstätigkeiten nicht nur für den aktuellen und momentanen Geschäftserfolg, sondern auch für den zukünftigen von Bedeutung sind, denn sie nehmen „eine Schlüsselrolle für den Fortbestand ein und sorgen für das notwendige, interne Wachstum. Sie kreieren die für die Zukunftssicherung der Unternehmung notwendigen immateriellen und materiellen Erfolgsfaktoren der Innovation.“ 300 297 Jones/ Bouncken (2008), S. 803 298 Vgl. ebd., S. 805 299 Swoboda/ Weiber (2013), S. 93 300 Schmeisser et al. (2013), S. 17 118 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell Innovationen können monetäre Vorteile wie Umsatzsteigerungen und Kostensenkungen generieren, aber auch zu Wettbewerbsvorteilen führen, wenn sie richtig gemanagt werden, „und zwar durch ein Management, das sich vom Management ‚gewöhnlicher‘ Unternehmensaktivitäten unterscheidet. Daher erweist sich das richtige Management von Innovationen als in hohem Maße relevant.“ 301 In diesem Fall wird von Innovationsmanagement gesprochen. 1.3 Innovationsmanagement Das Management von Innovationen zielt auf den Erfolg von technischen Neuerungen ab, denn aus einer genialen Idee mit Potenzial für ein neues Produkt wird nur etwas, wenn es in die richtigen Bahnen gelenkt, gefördert und gemanagt wird. Gleiches gilt für die daraus entstandene Innovation, die entwickelt, angepasst und weiterhin gemanagt werden muss. 302 „Das Interesse an Innovationsmanagement ist demnach stetig angestiegen und damit einhergehend die Palette entstandener organisatorischer Muster, Methoden und Instrumente. Es ist jedoch zu beobachten, dass Unternehmen nach wie vor vielfältige Herausforderungen des Innovationsmanagements zu bewältigen haben.“ 303 Die Forschung dieses Fachgebiets hielt in Deutschland in den 1960er Jahren zuerst Einzug in die betriebswirtschaftlichen Fächer und hat seit den 1980er Jahren eine eigene betriebswirtschaftliche Funktion. 304 Bis in die 1970er Jahre blieben die Managementtechniken in diesem Bereich relativ stabil, sodass sie geradezu als natürlich angesehen wurden. 305 Diese „stable functions“ neigten dazu, ihren Fokus aus zwei gegensätzlichen Ansätzen auf die Prozesse zu richten: „First, managing product development processes, i.e. coordinating and integrating the different functional experts […]; and second, managing the innovation process, i.e. going beyond product development as such by recognizing opportunities for innovation and acquiring new knowledge.” 306 Innovationsmanagement kann also als Management der einzelnen Innovationsprozesse verstanden werden, „sowie als Management des institutionellen 301 Stölzle/ Lieb (2012), S. 30 302 Vgl. Steinhoff (2006), S. 19 303 Völker et al. (2012), S. 17 304 Vgl. Schmeisser et al. (2013), S. 17 305 Vgl. Le Masson et al. (2010), S. 19 306 Vgl. ebd. 1 Was ist Innovation? 119 Rahmens, in dem solche Prozesse ablaufen“ 307 . „Jener institutionelle Rahmen wird durch das Innovationsmanagement auf Unternehmensebene verkörpert.“ 308 Auch die verschiedenen Funktionen der Managementtechniken sind von Interesse. Das Innovationsmanagement „umfasst die Analysen, die daraus folgenden Entscheidungen und Kommunikationstätigkeiten über das Innovationsvorhaben sowie ihre Durchsetzung und Kontrolle. Das Management von Innovationsprojekten ist als Integration aller am Innovationsprozess beteiligten Funktionen und Bereiche zu verstehen und ist damit eine typische Querfunktion - quer zu den spezialisierten Funktionen - eines arbeitsteilig organisierten Unternehmens. Teilkomponenten des Innovationsmanagements sind das Forschungs- und Entwicklungs-(F&E)-Management, das Technologiemanagement sowie das Forschungs- und Innovationsmarketing.“ 309 Genau wie bei den Definitionen des Innovationsbegriffs liegen zum Innovationsmanagement jedoch verschiedene Definitionen vor, eine allgemeingültige Definition existiert hier ebenfalls nicht. Viele Autoren plädieren bei dieser Thematik für eine integrierte Sichtweise des Innovationsmanagements, bei der eine bewusste Gestaltung des Innovationssystems inbegriffen ist, also auch die Strukturen, in denen die Innovationsprozesse ablaufen, betrachtet werden. 310 Innovationsmanagement hat im Wesentlichen zwei Aufgaben: „Auf der einen Seite steuert das Innovationsmanagement einzelne Innovationsprozesse. Auf der anderen Seite dient das Innovationsmanagement als Rahmen für einzelne Innovationsprozesse und zielt somit auf die Gestaltung des Innovationssystems ab. Die innovationsorientierte Gestaltung der Strategie, des Programmmanagements und der Kultur fällt in den systemorientierten Aufgabenbereich.“ 311 Das integrierte Innovationsmanagement nach König/ Völker beinhaltet, dass die Aktivitäten, die Strukturen sowie das Verhalten sowohl aus dem normativen, strategischen und operativen Managementbereich harmonisieren und gemeinsam bedeutend für den Innovationserfolg sind. 312 Dafür wurde das St. Galler Management-Modell von Bleicher herangezogen. 307 Busse/ Wallenburg 2011, S. 188ff. in Stölzle/ Lieb (2012), S. 32 308 Stölzle/ Lieb (2012), S. 32 309 Steinhoff/ Trommsdorff (2007), S. 10 310 Vgl. Völker et al. (2012), S. 22 311 Vgl. ebd. 312 Vgl. ebd. 120 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell Geteilt wird diese Ansicht von Gassmann/ Sutter, die ihre Sicht und den Ablauf des Managements von Innovationen in Form von drei Managementebenen beschreiben: „Es reicht nicht mehr aus, Technologien erfolgreich zu entwickeln. Vielmehr hat das Management von Innovation ganzheitlich auf normativer, strategischer und operativer Ebene zu erfolgen. […] Das normative Management von Innovation muss sich aktiv mit Vision, Mission, Werten und Leitbildern auseinandersetzen.“ 313 Das strategische Management sieht eine Innovation als zentrale Quelle für eine mögliche Differenzierung von Konkurrenzprodukten oder eine Reduzierung von Kosten. Es muss hierfür sowohl die interne als auch die externe Perspektive im Auge behalten und gleichzeitig Aussagen zu beiden liefern. Für die interne Perspektive sind dies Informationen zu Ressourcen, Technologien, Wissen und Kompetenzen der eigenen Mitarbeiter. Für die externe Perspektive sind Märkte, Kunden, Lieferanten, Kooperationspartner und Wettbewerber relevant. 314 Für das operative Management, der dritten und letzten Ebene, sind der Innovationsprozess, sein Management und seine Gestaltung von zentraler Bedeutung. Um die Phasenabläufe in und von einer zur anderen Phase effektiver und effizienter zu gestalten, stehen diverse Instrumente zu Verfügung, wobei aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein besonderes Augenmerk auf die Faktoren Leistung, Qualität und Kosten gelegt werden sollte. 315 Völker et al. definieren sieben Elemente und die dazugehörigen Sub- Elemente des Innovationsmanagements. Diese sieben Elemente wurden anschließend in einen Bezugsrahmen transformiert, um über die Aufgaben und die Beziehungen zwischen den Elementen Auskunft zu geben (vgl. Abb. 20). „Ein Bezugsrahmen dient allgemein der Strukturierung, der Ordnung und dem Verständnis des zu untersuchenden Bereichs sowie der Erleichterung der Kommunikation. Mit Hilfe eines Bezugsrahmens können die verschiedenen Elemente bzw. Bausteine des Innovationsmanagements erfasst werden. Ihr Zusammenspiel sowie Methoden und Instrumente, die den Innovationserfolg positiv beeinflussen, können mit Hilfe des Rahmens analysiert werden.“ 316 Abbildung 20 zeigt, dass das erste Element, die Ziele (Vision, Mission, Wertsteigerung und finanzielle Oberziele) dem Innovationsmanagement einen „ganzheitlichen Überbau“ 317 geben. Dies ist auch damit erklärbar, dass die Vision und Mission eine langfristige Perspektive als Unternehmensphilosophie und Ausrichtung für das Unternehmen darstellen. 313 Gassmann/ Sutter (2013), S. 6 314 Vgl. ebd., S. 7 315 Vgl. ebd., S. 8 316 Völker et al. (2012), S. 25 317 Vgl. ebd., S. 27 1 Was ist Innovation? 121 Abb. 20: Bezugsrahmen des Innovationsmanagements 318 Durch die Pfeile wird der sequentielle Ablauf von Innovationsstrategie, -programm und -projekt deutlich. Das Controlling am Ende der Projektphasen ist als Soll-Ist-Vergleich mit den vorab gesteckten Zielen für die jeweiligen Phasen zu verstehen. Die Elemente „Organisation und Prozesse“ und „Kultur und Führung“ sind genau wie die „strategische Kontrolle“ im strategischen Prozess bei Steinmann et al. als „planungsbegleitende Prozesse“ 319 zu verstehen. Da sie nicht nur zu einem bestimmten, begrenzen Zeitraum im sequentiellen idealtypischen Prozessablauf aktiv sind, sondern bereits einsetzen müssen, sobald das erste strategische Planungsverfahren erfolgt, sind diese Elemente prozessphasenübergreifend vertikal am Rand des Bezugsrahmens angeordnet, dadurch wird ebenfalls deutlich, dass sie während des gesamten Managementprozesses aktiv und notwendig sind: „Als ein entscheidender Faktor für erfolgreiche Innovationen ist […] das ‚Innovationsklima‘ (‚Innovationskultur‘) zu nennen, in dem neue Produktideen generiert und umgesetzt werden. Zu einem geeigneten Innovationsklima gehören entsprechende Einstellungen von Management und Mitarbeitern.“ 320 Eine solche Kultur muss implementiert und dann aufrechterhalten werden. 318 Völker et al. (2012), S. 25 319 Vgl. Steinmann et al. (2013), S. 251 320 Völker et al. (2012), S. 142 2 Das Fundament: Innovationstheorien Aufgrund der Globalisierung und den wachsenden Anforderungen an die Qualität eines Produkts hat sich der Wettbewerb für Unternehmen stark verschärft. Das Beherrschen von bestimmten Technologien hat auf die Wettbewerbsposition eines Unternehmens sowohl einen direkten als auch einen indirekten Einfluss. Der wirtschaftliche Wettbewerb kann diverse Formen annehmen. Das Innovationsmanagement stellt im Nichtpreiswettbewerb eine wichtige Erscheinungsform dar. Hier besteht die Strategie eines Unternehmens aus der Steigerung der Marktanteilsgewinne und des Unternehmenserfolgs durch das Generieren und Durchsetzen von Innovationen. 321 Für viele Unternehmen stellt Technologie die Kernkompetenz dar. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sie auf Veränderungen der Marktsituation angemessen und zeitig reagieren. Unternehmen, die nicht ausreichend in ihre Forschung und Entwicklung investieren oder fortwährend auf veraltete statt neue Technologien setzen, haben auf langfristige Sicht gesehen bei Verfahrensinnovationen Wettbewerbsnachteile. 322 Unternehmen müssen sich, um ihre unternehmerische Wettbewerbs- und Überlebensfähigkeit sicherzustellen, mit dem Finden von Ideen, dem Patentrecht, der Technik, zukünftigen Produktionsmöglichkeiten sowie mit den Bereichen Personalmanagement, Marketing und Controlling beschäftigen. 323 Das Leben einer jeden Technologie, eines einzelnen Produktes und auch eines Marktes ist nach der Evolutionstheorie begrenzt und hat einen Lebenszyklus. 324 Auf der Grundlage des von Schmeisser et al. herausgebrachten „Handbuch Innovationsmanagement“ ist das in Abbildung 21 aufgezeigte Schema abgeleitet. 321 Vgl. Burr, 2017, S. 46 322 Vgl. Bea/ Haas, 2013, S. 552 323 Vgl. Schmeisser, 2013, S. 18 324 Vgl. Corsten/ Gössinger/ Schneider, 2006, S. 337 . Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell 2 Das Fundament: Innovationstheorien 123 Abb. 21: Unternehmenslebenszyklus (in Anlehnung an Schmeisser et al. 2013, S. 21) Die S-Kurve aus Abbildung 22 spiegelt die Lebensphasen einer Technologie wider. Jede Technologie veraltet nach und nach und hat nicht ausreichend Kapazitäten, um Produkte effizient und günstig zu produzieren. Daher werden neue Technologien die alten ablösen. 325 Neue Technologien werden nach einer Einarbeitungsfrist bessere Leistungen aufzeigen. Abb. 22: S-Kurve (Quelle: Schmeisset et al. 2013, S. 261) [1] Die erste Phase beinhaltet die Schrittmachertechnologie. Sie befindet sich in einem frühen Entwicklungsstadium und kann großes Wettbewerbspotenzial innehaben. Hier erfolgen erste Anwendungen in Prozessen und/ oder Produkten. 325 Vgl. Feldhusen/ Grote, 2013, S. 368 124 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell [2] Phase zwei beinhaltet die Schlüsseltechnologie. Sie kann auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens einen großen Einfluss haben, denn sie wird (noch) von einer eher geringen Anzahl an Konkurrenten beherrscht. [3] Eine Basistechnologie in Phase drei wird von fast allen Wettbewerbern mühelos eingesetzt. Aus diesem Grund hat sie eine nur unwesentliche Ertragsbzw. Kostenhebelwirkung. Diese Technologie ist in fast alle Prozesse und Produkte integriert. 326 Hier ist die Investition in alte Technologien, um ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern, nicht mehr effizient. Allerdings bringen in dieser Phase Investitionen nur einen geringen Erfolg. Später ist es wieder notwendig, in neue innovative Technologien zu investieren. Dieses Phänomen wird Sailingship-Effekt genannt. 327 Bei der Steuerung des Innovationsmanagements gibt es diverse Risiken. Wenn ein Unternehmen in das Entwickeln von innovativen Produkten investiert, besteht ein besonders hohes Risiko, denn der Innovationsprozess bringt hohe Kosten mit sich und oftmals scheitern neue Dienstleistungen und Produkte bereits bei ihrer Einführung auf den Markt. Im Folgenden werden einige Beispiele aufgezeigt, wie die Steuerung des Innovationsmanagements in Unternehmen von staatlichen Vorschriften beeinflusst werden kann. Kalifornien ist von allen Bundesstaaten der USA derjenige, der der Automobilindustrie die strengsten Umweltschutzvorschriften vorschreibt. Oftmals werden Innovationen entwickelt, um diesen Regulierungsvorschriften zu genügen, wie beispielsweise emissionsfreie Fahrzeuge. Deutschlands umweltfreundliche Politik begünstigt bei den deutschen Autoherstellern die Entwicklung von neuen Motoren- und Antriebskonzepten sowie von Kleinwagen. Die sogenannte Grüne Gentechnik unterliegt in Deutschland für das Freisetzen und Verwenden gentechnisch veränderter Pflanzen strengen Regulierungen. Bereits existierende oder geplante Regulierungen in den Bereichen Stammzellenforschung und Nanotechnologie werden auf die Innovationsmöglichkeiten und -kosten deutscher Unternehmen einen Einfluss haben und könnten auch das Verlagern von Forschungsarbeiten ins Ausland vorantreiben. 328 Das Innovationsmanagement der Unternehmen ist verbunden mit steigenden Entwicklungskosten, politischen Risiken, kürzer werdenden Produkt- 326 Vgl. Hartmann, 2013, S. 260 327 Vgl. ebd., S. 262 328 Vgl. Burr, 2017, S. 52 f. 2 Das Fundament: Innovationstheorien 125 lebenszyklen, einem gestiegenen technischen Entwicklungsrisiko sowie einem wachsenden wirtschaftlichen Vermarktungs- und Erfolgsrisiko. 329 2.1 Strategie eines Innovationsmanagements: Märkte von morgen mittels „gesetzmäßiger Strategieansätze“ Die Unternehmensstrategie enthält explizite oder implizite Aussagen zur strategischen Nutzung von Innovationen. Diese Aussagen zeigen die Innovationsstrategie des Unternehmens auf. Unternehmen müssen diejenige Innovationsstrategie für sich wählen, die ihren Randbedingungen entspricht. Ob eine Innovationsstrategie erfolgreich ist, ist vor allem von der Kompetenzplattform und der Marktposition des Unternehmens abhängig, des Weiteren von der Lebenszyklusphase seines Geschäftsfeldes. Es ist wichtig, dass eine Strategie für das Unternehmen ausgewählt wird, die genau zu ihm passt. Innovationsstrategien können beispielsweise sein: die Innovations-Followershipstrategie, die Innovationsführerschaftstrategie, die Innovations-Akquisitionsstrategie, die Innovations-Nischenstrategie, die Innovations-Joint-Venture-Strategie. 330 Apple beispielsweise übt erfolgreich die Innovationsführerschaftstrategie aus. Das Unternehmen behauptet durch den Akzent auf seine Know-how- Position Schlüsselkomponenten, wie nutzergerechte Softwareentwicklung, ergonomisches Design und kreative Anwendungserschließung, um dadurch eine starke Marktstellung zu erreichen. Des Weiteren konnten auch Google, Amazon und eBay mithilfe der Strategie Innovationsführerschaft eine starke Marktposition erreichen. Nach und nach veralten Innovationen und Unternehmen müssen dazu bereit sein, der ansteigenden Zahl von Nachahmer, auch Follower genannt, mit weiteren Entwicklungen entgegenzuwirken. Diese Strategie der „Innovation Followership“ wird beispielsweise von der Otto-Gruppe, Yahoo sowie sehr vielen Einkaufsportalen verfolgt. Diese Unternehmen nutzen ihren Wettbewerbsvorteil in selektiven Warensegmenten, damit sie ihren Nachteil als Follower ausgleichen können. Wenn ein Unternehmen für das Einführen einer Innovation den richtigen Zeitpunkt verpasst hat, so hat es immer noch die Möglichkeit der Übernahme innovativer Produktund/ oder Dienstleis- 329 Vgl. Matz, 2007, S. 15 330 Vgl. Sommerlatte, 2012, S. 197 f. 126 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell tungslösungen von kleineren dynamischen Venture-Unternehmen. Dies ist per Lizenzabkommen, Akquisition oder auch Joint Venture realisierbar. 331 Ein Joint Venture ist ein gemeinsames Unternehmen von zwei oder mehreren Partnern und rechtlich selbstständig. Die Partner sind mit Kapital am Joint Venture beteiligt, nehmen gemeinsam im Unternehmen Führungsfunktionen wahr und tragen das Investitionsrisiko zusammen. Die Entscheidungsbefugnisse der einzelnen Partner richten sich in der Regel nach der Höhe ihrer Kapitalbeteiligungen. Diese Art der Zusammenarbeit soll für die einzelnen Partner das Risiko verringern und deren Stärken wie beispielsweise Marktkenntnisse nutzen. Bei der Nischenstrategie entwickelt ein Unternehmen seine spezifischen Innovationen weiter und erobert auf diese Weise mit seinen Produkten nach und nach zuerst den nationalen und später auch den Weltmarkt. Die Nischenstrategie macht eine intensive Kenntnis der Anwendungen und deren Anforderungen, die Konzentration kreativer Spitzenleistungen sowie Tüftlerkompetenz in einem eingegrenzten Entwicklungsgebiet erforderlich. Als Beispiele für diese Strategieart können die folgenden Unternehmen genannt werden: Wittenstein AG (mechatronische Antriebssysteme), Festo AG & Co. KG (Fabrik- und Prozessautomation), ARRI Arnold & Richter Dine Technik GmbH & Co. KG (digitale und mechanische Geräte zur Filmherstellung). 332 Die folgende Tabelle zeigt die Strategieansätze im Innovationsmanagement. 331 Vgl. Schröder/ Sommerlatte, 2015, S. 26 f. 332 Vgl. ebd., S. 28 2 Das Fundament: Innovationstheorien 127 Tab. 2: Innovationsansätze und -theorien (Quelle: Schmeisser et al., 2013, S. 19) 128 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell 333 Vgl. Schmeisser, 2013, S. 21 Bei Wissenschaftlern wird die technische Entwicklung von einem technischen Sachsystem nicht als Ziel angesehen. Technik und Innovationen sind laut diesen Wissenschaftlern Variablen, um die Entwicklungsphasen richtig einzuschätzen und die Zukunft vorherzusagen. Hier kann die Planung von erneuerbaren Energien als eine Alternative zu der Atomkraftenergie als Beispiel genannt werden. Das Technology-based View stellt ein allgemeines Technikkonzept, rationale Ansätze bzw. eine Konstruktionswissenschaft dar, die auf den Prinzipien eines Technikfeldes sowie auf allgemeinen Gesetzmäßigkeiten fußen. Die technische Entwicklung eines technischen Sachsystems ist im Sinne der Phylogenese und der Ontogenese zu verstehen. Die folgende Tabelle zeigt die vier Phasen der Ontogenese auf. Sie bestätigt, dass eine Erfindung eine Kombination von bereits bekannten Elementen ist. In Wirklichkeit beginnt jede erfolgreiche Erfindung bei einer Idee und wird stetig weiterentwickelt, bevor sie auf dem Markt erfolgreich ist. Dieser Vorgang wird als Ontogenese der technischen Entwicklung bezeichnet. 333 2 Das Fundament: Innovationstheorien 129 334 Vgl. , 2009, o. S. 335 Vgl. Schmeisser, 2013, S. 26 Tab. 3: Ontogenese der technischen Entwicklung (Quelle: in Anlehnung an Schmeisser et al., 2013, S. 25) Tabelle 3 bestätigt das von Ropohl erwähnte Prinzip, das besagt, dass eine Erfindung eine Kombination von bereits bekannten Elementen ist. Die Ontogenese der technischen Entwicklung kann zum einen als intuitives und zum anderen als rationalistisches Konzept gesehen werden. Das intuitive Konzept, das mit der intuitiven Erleuchtung während der Erfindung verbunden ist, lässt sich in die folgenden vier Phasen gliedern: Präparation, Inkubation, Illumination, Verifikation. Phase 1 (Präparation) beinhaltet das Erkennen des Problems sowie das Sammeln und Bearbeiten wichtiger Information. In Phase 2 (Inkubation) werden alle Informationen im Unterbewusstsein (beispielsweise während des Schlafens) verarbeitet. Dmitri Iwanowitsch Mendelejew, ein russischer Wissenschaftler, gilt als Erfinder des Periodensystems, wobei er den zündenden Einfall im Schlaf hatte. 334 Die dritte Phase (Illuminationsphase) beinhaltet eine spontane Erleuchtung bzw. eine plötzliche Idee. Diese Idee wird in Phase vier (Verifikation) mittels einer Reihe von Experimenten geprüft, ob sie auch in der Praxis funktioniert. 335 130 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell Das rationalistische Konzept dagegen geschieht unter der ingenieurmäßigen Leitung mit dem Ziel der Erfindung eines Sachsystems. Beim rationalistischen Ansatz der technischen Entwicklung erfolgt die Produktentwicklung in den folgenden Etappen: Konzipieren, Entwerfen, Ausarbeiten, Erproben. 336 In der Konzeptionsphase des Sachsystems wird festgelegt, was die grundlegenden Anforderungen an das Produkt sein sollen. Des Weiteren werden diverse Lösungsprinzipien betrachtet. Außerdem werden in dieser Phase die spätere Funktion und die Kostenstruktur des Produktes sowie der Markt und der mögliche Erfolg festgelegt. Daneben geht es hier um den maßstäblichen Entwurf und das detailliert Ausarbeiten von Bauteilen. In der Phase des Erprobens wird geprüft, ob das System die angeforderten Funktionen erfüllt. Bei dem rationalen Konzept kann die TRIZ-Methode als gutes Beispiel angesehen werden. Durch sie ist es möglich, die Denkbarriere, die einen Erfinder dabei stört, kreativ zu denken, mit gewissen Techniken zu überwinden - die Erfindung geschieht ohne eine spontane Erleuchtung. 337 Die Ilmenauer Erfinderschule der Konstruktionswissenschaft von Altshuller kann im Rahmen des rationalen Konzeptes als weiterer Ansatz genannt werden. Einige Unternehmen beobachten die technische Entwicklung, die in anderen naturwissenschaftlich-technischen Bereichen stattfindet und bei der Veränderung des Produktes behilflich sein könnte. Als Beispiel kann hier die Herstellung von Leiterplatten herangezogen werden, bei der es ein Problem mit dem Produzieren von mikroelektronischen Blasen gab. Die Lösung lieferte ein Champagner-Hersteller, da dieser Kenntnisse hinsichtlich der Herstellung von kleinen Blasen in Flüssigkeit hatte. 338 Das Anwenden dieses Ansatzes konnte einen ökonomischen Misserfolg der ganzen Branche verhindern. Als Beispiel eines solchen Misserfolges dient die Umstellung von der mechanischen Uhr zur Quarzuhr mit ganzer 20-jähriger Verspätung. Diese neue Technologie wurde von 99 Prozent der Konsumenten angenommen - sehr zu der Überraschung der damaligen Marktforscher (Technology-based View). 339 336 Vgl. Hentschel, 2010, S. 12 337 Vgl. ebd., S. 30 f. 338 Vgl. ebd., S. 23 339 Vgl. Schmeisser, 2013, S. 22 2 Das Fundament: Innovationstheorien 131 Die Phylogenese der technischen Entwicklung reicht von der Vergangenheit über die Gegenwart bis zur Zukunft der Technik. Sie prognostiziert durch relevante gesetzmäßige Ansätze, wie beispielsweise das Relevanzbaumverfahren sowie die Szenario- und die Delphi-.Methode, die Zukunft der technischen Entwicklung. Beim Relevanzbaum-Verfahren wird baumartig ein Problem erfasst. Auf diese Weise ist es möglich, die prinzipiellen Anwendungsmöglichkeiten des Systems, die Realisierbarkeitsabklärung, die Analyse der Umstände sowie das Suchen nach Lösungen durchzuführen. Die Methode hat den Vorteil, dass alle Elemente des Baumes miteinander verbunden sind. So entsteht eine eindeutige und übersichtliche Vorstellung über die technische Situation. 340 Beim Zukunftsszenario wird zum einen eine mögliche künftige Bedingung eines technischen Themenfeldes und zum anderen normalerweise auch der technische Fortschrittsvorgang, der permanent zu diesem Zeitpunkt führt, dargestellt. Szenarien stellen keine Vorhersage dar, sondern zeigen Gelegenheiten auf, die die Zukunft für Veränderungen offenlässt. Die Szenarien beschreiben die Entwicklungsrichtung und legen konstruktive Ziele fest. Zwei mögliche Arten von Zukunftsszenarien sind auf einer Grundstufe erkennbar, und zwar normative und explorative Szenarien. Normative Szenarien stellen angestrebte (oder vermeidbare) zukünftige Zielzustände dar. Üblicherweise werden sie mittels eines erfinderischen Verfahrens entwickelt. Normative Szenarien bleiben im Rahmen des Möglichen. Der Fokus wird hier gewöhnlich auf diejenigen Schritte gelegt, die von entscheidender Bedeutung für das Szenario sind. Explorative Szenarien hingegen werden herangezogen, damit wahrscheinliche zukünftige Zustände untersucht werden können. Sie sind von Absichtsstärken, dem Definieren und Prüfen grundlegender Bedingungen sowie denkbaren Zukunftsverbesserungen (Projektionen) abhängig. Wenn normative Szenarien mit explorativen Variablen zusammenstoßen oder auch zwischen ihren Projektionen Meinungsverschiedenheiten auftreten, so können sie mithilfe von verschiedenen Werkzeugen ausgeglichen werden, vor allem von Konsistenzanalysen. Somit können je nach Situationen verschiedenen Zukunftsvarianten mehrere Schlüsselalternativen gegenübergestellt werden. 341 Bei der Delphi-Methode werden Experten mittels einer mehrstufigen brieflichen Form anonym befragt. Die Ergebnisse der Befragung werden nach jeder Umfragerunde mit denjenigen der letzten Runde verglichen. Hier sollen von Experten die Kontraste der potenziellen Zukunftsszenarien ermittelt 340 Vgl. Wiegand, 2005, S. 279 341 Vgl. Steinmüller/ Burmeister, 2012, S. 419 f. 132 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell werden, um auf diese Weise die durchschnittliche realistische Sicht auf die Zukunft zu erhalten. 342 Pfeiffers Theorie der technischen Entwicklung beinhaltet zwei Hypothesen: Hypothese 1 ist die Hypothese der Isomorphie des Prozesses der technischen Entwicklung, der Informationsgewinnung und des Informationsübertragungsprozesses. Hypothese 2 ist die Hypothese der technischen Entwicklung als sozialer Prozess. 343 Es existieren zwei Mechanismen der Informationsgewinnung (Hypothese 1), zum einen die Bedarfsinduktion und zum anderen die autonome Induktion. Die Bedarfsinduktion liefert mithilfe einer Erfinderlehre oder auch bisheriger Patente wertvolle Informationen über die potenziellen Bedarfsgüter. Bei der autonomen Induktion ist der Bedarf noch unbekannt und wird zum Zeitpunkt der Erfindung von den Konsumenten erstanden. 344 Als Beispiel können hier Röntgenstrahlenmessgeräte genannt werden. Zuerst waren sie noch relativ unbekannt, als sie jedoch auf den Markt kamen, wurde das Interesse der Konsumenten geweckt. 345 Abb. 23: Erfahrungskurve (Quelle: Schmeisser et al., 2013, S. 261) 342 Vgl. Eschenauer et al., 2017, S. 13 343 Vgl. Schmeisser, 2013, S. 30 344 Vgl. ebd., S. 34 f. 345 Vgl. ebd., S. 35 2 Das Fundament: Innovationstheorien 133 Die Informationsgewinnung schließt auch Lerneffekte ein, die mittels der Erfahrungskurve (vgl. Abb. 23) beschrieben werden können. Eine Verdopplung des Produktionsvolumens bringt eine Senkung der Stückkosten um ca. 20 Prozent bis 30 Prozent. Die Erfahrungskurve ist hinsichtlich des operativen Sinns von Relevanz, wenn ein rechtzeitiger Einstieg in eine neue Technologie geplant ist oder Erfahrungswissen gewonnen werden soll. Es ist möglich, dass das Einführen dieser neuen Technologie eine kurzfristige Stückkostenerhöhung mit sich bringt, weswegen ein eher traditionell ausgerichteter Geschäftsführer diese ablehnen kann. Die Erfahrungskurve setzt voraus, dass sich der Unternehmer gegen neue Technologien wehrt und die alte Technologie als optimal betrachtet. Allerdings hat die neue Technologie ein größeres Leistungspotenzial und kann ein Produkt nach einer kurzen Einführungszeit mit niedrigeren Kosten produzieren. Der Kostenunterschied zwischen alter und neuer Technologie wird auch Kostenhöcker genannt. Nach und nach bildet sich zunehmendes Erfahrungswissen und mittels der neuen Technologie werden die Stückkosten gesenkt. 346 Als Beispiel kann hier der Kauf eines neuen innovativen Werkzeugs genannt werden, das für einen Mitarbeiter noch unbekannt ist. Zuerst ist mit einigen Fabrikationsfehlern zu rechnen, nachdem der Mitarbeiter jedoch trainiert und seine Qualifikation gesteigert wurde, werden diese Fehler immer geringer und die Stückkosten reduziert. Im Innovationsmanagement sind also Lernverläufe wichtig. In Hypothese 2 von Pfeiffers Theorie wird der Informationsgewinnungsprozess als sozialer Prozess geschildert. In diesem Vorgang erscheint der Mensch als austauschbarer Faktor. Hier werden die Anzahl der Anwender gezählt und der Adoptionsprozessverlauf beschrieben. Ein Adoptor setzt die Innovation in seinem Unternehmen ein. 347 Damit die Attraktivität der Technologie korrekt eingeschätzt werden kann, kann ein zweidimensionales Technologieportfolio angewendet werden. Die vertikale unternehmensunabhängige Dimension (Technologie-Attraktivität) zeigt per S-Kurve das Weiterentwicklungspotenzial einer Technologie. Den Beherrschungsgrad einer Technologie stellt die horizontale unternehmensabhängige Dimension (Ressourcenstärke) per Erfahrungskurve dar. Die im rechten oberen Feld des Portfolios enthaltenen Technologien sind investitionsattraktiv und können weiterentwickelt sein. Investitionen in Technologien im linken unteren Feld wären nicht sinnvoll, aus diesem Grund sollte in diese desinvestiert werden. Technologien auf der Linie von links oben nach rechts unten gehören zum sogenannten Selektionsfeld. Eine Technologie, 346 Vgl. Hartmann, 2013, S. 268 f. 347 Vgl. Schmeisser, 2013, S. 31 134 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell die sich im linken oberen Bereich befindet, benötigt entweder einen Rückzug oder hohe Investitionen. Bei Technologien der Mitte sind unterschiedliche Entscheidungen möglich. Technologien im unteren rechten Feld benötigen entweder geringe Investitionen, damit das technologische Wachstum gehalten werden kann, oder Desinvestitionen. Technologieportfolien sind vor allem hilfreich, damit aus verschiedenen Technologien die beste ausgewählt werden kann und beispielsweise Parallelentwicklungen im Unternehmen vermieden werden. 348 Die folgende Abbildung zeigt das Technologieportfolio. Abb. 24: Technologieportfolio (Quelle: Schmeisser/ Hartmann et al., 2013, S. 275) Die Technology-based View stellt das Patent für zwei weitere strategische Ansätze dar, und zwar die Market-based View und die Resource-based View. Der marktorientierte Ansatz hat sein Fundament auf dem Structure- Conduct-Performance-Paradigma, das von Mason und Bain entwickelt wurde. Dadurch ist es möglich, die Konkurrenzvorteile des Unternehmens (Performance), die in Form der Marktprofitabilität erscheinen, festzustellen, und 348 Vgl. Hartmann, 2013, S. 274 f. 2 Das Fundament: Innovationstheorien 135 zwar mittels des Strategieverhaltens (Conduct), das sich durch die Forschung und Entwicklung, die Preisgestaltung und die Produktverbesserung zeigt, sowie mittels der Struktur des Marktes (Industry Structure), die detaillierte Informationen über Unternehmen und unterschiedliche Produkte liefert. Dieser Aspekt kann durch die Industriebranche (Industrie Organization) gewonnen werden. Ein wichtiges Merkmal der marktorientierten Methodik ist das Betrachten des Unternehmens aus der Absatzmarktposition (Outsidein-Perspektive). Ein Unternehmen will eine Produkt-Markt-Strategie entwerfen, damit Risiken vermieden werden können, die aufgrund der Wettbewerbssituation mit anderen Marktteilnehmern entstehen. 349 Produkt und Markt gehen in dem Sinne eine Verbindung ein und können als strategische Gestaltungsfelder angesehen werden. Hier erscheint das Produkt als Zusammenfassung erfüllter Kundenbedürfnisse. Produkt und Markt sind verantwortlich für den Erfolg eines Unternehmens. 350 Im Rahmen der Industrial-Organization-Forschung gibt es zwei von Burr abgeleitete Hypothesen. Hypothese 1 besagt, dass der Markterfolg durch die Unternehmensstrategie und die Marktstruktur bestimmt wird. Hypothese 2 stellt den entgegengesetzten Ursache-Wirkungs-Zusammenhang dar. Hier bestimmt der Markterfolg die Unternehmensstrategie und die Struktur des Marktes. 351 Der marktorientierte Ansatz wird besonders durch den Harvard-Professor Michael Porter geprägt. Porter übte die Industrial Organisation für eine Wettbewerbsanalyse innerhalb der Branche aus. Je erfolgreicher ein Unternehmen in einem Markt ist, desto eher wird es weiterhin erfolgreich in diesem sein. Die Branchenattraktivität ist nach Porter ein zweiter Erfolgsfaktor. Sie ist mithilfe der folgenden fünf Wettbewerbskräfte zu messen: Gefahr aufgrund neuer Wettbewerber, Verhandlungstaktik der Kunden, Verhandlungstaktik der Lieferanten, Intensitätsgrad des Konkurrenzkampfes innerhalb eines Industriegebietes, Gefahr durch Ersatzprodukte. Je intensiver sich der Wettbewerb gestaltet, desto geringer ist die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Innovation in diesem Markt. 352 349 Vgl. Bea, 2016, S. 29 350 Vgl. Wilde, 1985, S. 12 351 Vgl. Schmeisser, 2013, S. 42 352 Vgl. Bea, 2016, S. 30 136 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell Die Strategien auf Geschäftsbereichsebene geben die Wettbewerbsvorteile in der Branche für das Unternehmen wieder. Des Weiteren beantworten sie die Frage, ob der Markt auf ein Segment bzw. eine Nische zu begrenzen ist oder ob er branchenweit abgegrenzt werden muss. Danach muss über die Wettbewerbsstrategie entschieden werden. Hier sind zwei generische Wettbewerbsstrategien zu nennen, und zwar die Differenzierungsstrategie und die Strategie der Kostenführerschaft. Wenn der Fokus auf die Marktabgrenzung gerichtet wird, kann eine Nischenstrategie eingesetzt werden. Um kostenbedingte Wettbewerbsvorteile zu nutzen, sollte versucht werden, die Gesamtkosten auf ein Niveau zu senken, das auf Dauer gesehen niedriger ist als das der Wettbewerber. Mit einem Kostenvorteil ist dauerhaft zu rechnen, wenn die Wettbewerber dessen Ursachen kurzfristig nicht nachahmen können. Aus diesem Grund darf das Schaffen einer erschwinglichen Kostenhöhe nicht erst bei dem Gestalten von operativen Kosteneinflussgrößen ansetzen, wie beispielsweise Prozessbedingungen, Intensitäten, Bedienungsrelationen und Losgrößen, sondern muss auch durch günstige Ausprägungen der taktischen und strategischen Kosteneinflussgrößen begründet sein. 353 Eine Differenzierungsstrategie kann nur dann zu einem dauerhaften Wettbewerbsvorteil führen, wenn ihr ein Kostenvorteil, der kurz- und mittelfristig von den Wettbewerbern nicht aufgeholt werden kann, oder ein technischer Vorsprung zugrunde liegt. Eine Differenzierung ist immer auch mit dem Zunehmen der Leistungskomplexität verbunden. Diese Leistungskomplexität kann als Produkt-, Markt- oder Programmkomplexität auftreten. Ihre Zunahme hat einige Folgen, z. B. das Verwalten einer höheren Anzahl technischer Unterlagen, die Zunahme von Lieferanten, den Anstieg von Bestellungen, höhere Einstandspreise aufgrund geringerer Bestellmengen, die Zunahme von Rüstvorgängen, die wachsende Anzahl an Sonderwerkzeugen sowie den Anstieg des Koordinations-, Steuerungs- und Planungsbedarfs. 354 Laut Porter stellt die Auswahl einer bestimmten Strategie einen wichtigen Wettbewerbsvorteil dar. 355 In der Literatur wird die Frage kontrovers diskutiert, ob Differenzierungs- und Kostenstrategien nur getrennt oder auch kombiniert (zeitlich simultan) verfolgt werden können. Nach Porter können Differenzierungsstrategie und 353 Vgl. Schweizer/ Friedl, 1997, S. 450 354 Vgl. ebd., S. 451 355 Vgl. Bea, 2016, S. 196 2 Das Fundament: Innovationstheorien 137 Kostenführerschaft nur getrennt voneinander betrachtet werden. Porter lehnt eine Kombination dieser Strategien als Situation „zwischen den Stühlen“ strikt ab, denn sie führt meist zu unterdurchschnittlichen Leistungen. Japanische Unternehmen verfolgen Differenzierungsstrategien und Kostenführerschaft hingegen vor allem zeitlich simultan. Hier sollen Wettbewerbsvorteile mithilfe eines differenzierten Leistungsprogramms geschaffen werden, das dauerhaft weniger Kosten verursacht als bei den Wettbewerbern. Nach den Ergebnissen empirischer Untersuchungen ist es für erfolgreiche europäische Unternehmen möglich, Differenzierungsstrategien und Kostenführerschaft zeitlich simultan zu verfolgen. 356 Die Nischenstrategie hat die Ausrichtung auf ein eng abgegrenztes Käufersegment zum Ziel. Hier konzentriert sich der Anbieter auf einen Teilmarkt bzw. eine Personengruppe mit einer speziellen Bedürfnisstruktur. Die Nischenstrategie wird aus diesem Grund auch Fokusstrategie genannt. Als Beispiele können hier Taschenuhren der Marke Lange, Pelikan-Kugelschreiber im Premium-Segment oder auch Maybach-Luxuslimousinen von Daimler genannt werden. Es ist möglich, die beiden Strategietypen Kostenführerschaft und Produktdifferenzierung mit der Nischenstrategie zu kombinieren, was Kostenführerschaft bzw. Differenzierung in einem kleinen Segment bedeutet. Auf diese Weise konkurrieren beispielsweise auf dem Marktsegment Computer- Zeitschriften ungefähr 250 Publikationen um die Gunst der Leser. Zum einen geschieht dies mit der Ausrichtung auf spezielle Informationsbedürfnisse (Special-Interest-Publikationen), zum anderen durch niedrige Preise. Zunächst setzt die Resource-based View (RBV) nicht auf Ebene der Branche an, sondern eine Ebene tiefer auf der Ebene der Firma. Sie sieht Firmen als ein Bündel von Ressourcen an. Aufgrund dieses Perspektivenwechsels kann eine neue und eigenständige Analyseeinheit gewonnen werden, und zwar die Ressource, deren Begriff relativ breit gefasst ist. Mit Ressource ist alles gemeint, was dem Unternehmen zur Verfügung steht und worauf das Unternehmen sowohl direkt aus auch indirekt Zugriff hat. Hier ist zwischen physischen, humankapitalbezogenen und organisationalen Ressourcen zu unterscheiden oder es ist möglich, technologische, finanzielle und reputationsbezogene Ressourcen hinzuzufügen. 357 Physische Ressourcen: Sie beinhalten Anlagenausstattung, wie Grundstücke, Gebäude, Maschinen, EDV usw., Standort und Zugang zu Beschaffungsmärkten. 356 Vgl. Schweizer/ Friedl, 1997, S. 448 357 Vgl. Müller-Stewens/ Lechner, 2016, S. 342 138 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell Humankapitalbezogene Ressourcen: Hierunter sind Wissen, Erfahrungen und Fähigkeiten von Mitarbeitern und Führungskräften zu verstehen. Organisationale Ressourcen: Sie beinhalten verschiedene Aspekte, z. B. das Informations- und Kommunikationssystem, Planungs-, Anreiz-, und Kontrollsysteme, das Führungssystem und die Organisationsstruktur. Diese werden zum einen innerhalb des Unternehmens und zum anderen über dessen Grenzen hinweg wirksam (z. B. die Struktur der Allianzen und Netzwerke). 358 Alternativ kann auch nach immateriellen und materiellen Ressourcen unterschieden werden. 359 Erfolgsunterschiede zwischen Unternehmen durch Unterschiede bei ihren jeweiligen Ressourcen zu erklären - das ist die zentrale These des RBV. Genauer ausgedrückt kann hier auch behauptet werden, dass es auf die Effizienzunterschiede zwischen den Ressourcen ankommt. Wenn ein Unternehmen über Ressourcen verfügt, die ihm einen Effizienzvorteil sichern, dann wird sich dieser Vorteil durch einen höheren Erfolg auszahlen. Wenn ein Unternehmen jedoch über „schlechtere“ Ressourcen verfügt, dann wird auch sein Erfolg eher unterdurchschnittlich sein. Die Aufmerksamkeit beim RBV liegt also nicht auf der Homogenität, sondern auf der Heterogenität von Unternehmen, denn nur dort, worin sie sich unterscheiden, ist es möglich, dass Effizienzunterschiede und infolgedessen auch Erfolgsunterschiede auftreten. Hierbei ist von Erfolg die Rede, wenn ein Unternehmen das Erwirtschaften von sogenannten Renten über einen längeren Zeitraum hinweg schafft. Der Begriff der Rente stammt aus der mikroökonomischen Theorie. Er bezeichnet Erträge, die höher sind als die Opportunitätskosten des Ressourceneinsatzes in einem Industriezweig, ohne dass neue Wettbewerber angezogen werden. Diejenigen Ressourcenkategorien, die bisher beschrieben wurden, sind für sich alleine gesehen von einem eher geringen strategischen Wert. Dies kann sich jedoch ändern, wenn es gelingt, sie effektiv und effizient koordiniert einzusetzen. Dies kann durch häufige Beispiele von Unternehmen belegt werden. Diese verfügen zwar über Technologien mit hohem Potenzial oder auch über hervorragend qualifizierte Mitarbeiter, allerdings gelingt es ihnen trotzdem nicht, hieraus ein erfolgreiches Produkt zu generieren. Dies führt zu den beiden Ressourcenkategorien Kompetenzen und Kernkompetenzen. Sie sind nicht angesiedelt auf der Ebene des einzelnen Akteurs, sondern auf der Ebene von einzelnen Unternehmensbereichen (Kompetenzen) bzw. auf 358 Vgl. Welge/ Al-Laham/ Eulerich, 2017, S. 85 359 Vgl. Müller-Stewens/ Lechner, 2016, S. 342 2 Das Fundament: Innovationstheorien 139 der Ebene des Gesamtunternehmens (Kernkompetenzen). Sie sind keine einzelnen isolierten Ressourcen im engeren Sinne, sondern eher komplexe Ressourcenbündel, also Ressourcen im weiteren Sinne. (Kern-)Kompetenzen sorgen für die Sicherstellung des koordinierten und zielorientierten Einsatzes der Ressourcen, die sich auf der ersten Ebene der Ressourcenhierarchie befinden. Hierbei handelt es sich um kollektive Eigenschaften eines Unternehmens. Sie sind nach der RBV der Grund dafür, dass einigen/ manchen Unternehmen bestimmte Dinge besser gelingen als anderen. Hierzu können die folgenden Beispiele genannt werden: Entwicklung eines laufruhigen und sparsamen Reihensechszylindermotors (Automobilhersteller), Entwicklung einer nutzerfreundlichen grafischen Bedienungsoberfläche (Softwarehersteller), besonderes Design und Marketing (Konsumgüterhersteller). Die Eigenschaften des Unternehmens begründen dessen wesentliche verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteile. 360 Das Zusammenspiel der unternehmerischen Ressourcen über einen längeren Zeitraum hinweg wird aufgrund von beständiger Wiederholung und Verbesserung der technologie- und organisationsbezogenen Aktivitäten zunehmend reibungsloser und routinehafter. Je häufiger und länger sich ein Unternehmen mit einem bestimmten Technologiefeld oder Organisationsproblem befasst, wie beispielsweise die Steuerung dezentraler Einheiten oder Reorganisationen, desto größer ist das im Unternehmen existierende implizite und explizite Wissen, auf dessen Basis entsprechende Probleme angegangen und gelöst werden können. Bei einzelnen Mitarbeitern erscheint dies als individuelles Wissen, bei einem Unternehmen als gespeichertes organisatorisches Wissen - gespeichert in Kompetenzen, Kernkompetenzen, Regeln, Handbüchern und Wissensdatenbanken. Für den Aufbau von bestimmten (Kern-) Kompetenzen benötigt ein Unternehmen oftmals viele Jahre, nimmt diese Aktivitäten dann jedoch fortlaufend wahr. Hier ist als Beispiel die jahrelange beständige Forschung und Entwicklung in ähnlichen Forschungsprojekten zu nennen, damit aufgebaute (Kern-)Kompetenzen nicht verlernt werden. 361 Der Integrierte Berliner Innovationsansatz strebt danach, alle Aspekte der bereits genannten vier View-Ansätze zu einem Gesamtmodell zusammenzu- 360 Vgl. Burr/ Stephan/ Werkmeister, 2012, S. 25 361 Vgl. ebd., S. 29 140 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell fassen. Dieser Ansatz liegt dem Handbuch des Innovationsmanagements als Konzept zugrunde. Hier wird von dem selektiv-rationalen Erfinder ausgegangen. Dieser kann einen autonomen Induktionsmechanismus, also eine Erfindung auslösen - ganz im Sinne von Pfeiffers Theorie der technischen Entwicklung oder auch von Ropohls Theorie der Ontogenese der technischen Entwicklung. Dieser Erfinder ist in seinem naturwissenschaftlichtechnischen Feld ein selektiv-suchender Fachmann. Er experimentiert und sucht nach dem nächsten „technischen Schritt“ der potenziellen Erfindung, und zwar mittels gezielter Informationsverarbeitung, was in diesem Bereich eine sinnvolle Innovation als Resultat haben muss. Schmeissers Integrierter Berliner Innovationsansatz geht zunächst von dem ressourcenorientierten Ansatz aus. Dieser Ansatz wählt das Unternehmen mit seinen Ressourcen und Zielsetzungen als theoretischen Ausgangspunkt in der Innovations- Strategie-Betrachtung. Hierzu legt er die folgenden Prämissen zugrunde. 362 Mit seiner Erfindung und dem Patent schafft der Erfinder für die Innovationsstrategie eines Unternehmens die erste vorläufige Voraussetzung. Der Prozess von der Suche über das Erfinden/ Innovieren bis hin zum Patentieren wird im Unternehmen institutionalisiert. Dies geschieht in Form der Forschungs-, Entwicklungs- und Konstruktionsabteilung sowie der Patentabteilung. Gerade die institutionalisierte Forschung muss für das permanente Erzeugen von wissensbasiertem Humankapital sorgen. Das innovative strategische Management kontrolliert und kalkuliert die verfügbaren Ressourcen und legt Risiken und Synergien offen, damit ein marktorientierter Innovationsansatz realisiert werden kann. Dieser marktorientierte Innovationsansatz setzt voraus, dass die Branche, die Marktsegmente und die Kundenwünsche gestaltbar sind. Durch diese Annahmen ist es möglich, die Innovation zu analysieren, zu gestalten und zu berechnen. Die Sicherstellung der Innovationsstrategie samt Wirtschaftlichkeit erfolgt mittels permanenter Verbesserungs- und Prozessinnovationen. Die erste Herausforderung, vor der ein zielgerichtetes Innovationsmanagement von Wissensträgern steht, ist das wissensbasierte Humankapital der Forschungs- und Entwicklungsabteilung mithilfe eines Personalentwicklungs- und Organisationswandels sowohl in technologisches Humankapital als auch in Innovationen für die beiden operativen Bereiche Produktion und Marketing zu übertragen. Das wissensbasierte Human- 362 Vgl. Schmeisser, 2013, S. 48 2 Das Fundament: Innovationstheorien 141 kapital der Entwickler und Forscher sollte sowohl in Produktinnovationen als auch in montagegerechte und routinemäßige Konstruktionsanweisungen für die Produktion transferiert werden. Des Weiteren muss es in Expertenwissen für Innovationsmarketingmanager überführt werden. Es gilt, diese Manager für den Vertrieb zu schulen und zu motivieren. Organizational Capabilities: Der Innovationserfolg ist von dem korrekten Einsatz sowie der zweckmäßigen Kombination von Ressourcen und Führung abhängig. Dynamic Capabilities: Durch den Integrierten Berliner Innovationsansatz erfolgt der Aufbau schwer imitierbarer Dynamic Capabilities. Hier handelt es sich um sich ständig erneuernde und sich den veränderten Marktbedürfnissen flexibel anpassende humankapitalbasierte Fähigkeiten. Die einzigartigen Ressourcen eines innovativen Unternehmens bestehen überwiegend aus Wissen und aus diesem Grund müssen sowohl die wichtige Rolle der Wissensträger als auch die Bedeutung eines konsequenten Innovationsmanagements mithilfe eines Strategischen Managements beachtet werden. Technikphilosophie schafft die Grundlagen einer permanenten, innovativen und kreativen Unternehmenskultur. Das Ziel und die Funktion des Innovationsmanagements im Unternehmen muss das flexible Anpassen der Fertigungstechnologie und der Produktion im Sinne des ressourcenorientierten Ansatzes an Nachfrageänderungen oder an Veränderungen von staatlich festgesetzten Rahmenbedingungen. Ein Unternehmen sollte in Lebenszyklen denken. Darüber hinaus muss es bestrebt sein, mithilfe von Innovationsstrategien den Markt bzw. die Branchenlebenszyklen zu beeinflussen, zu verändern sowie wenigstens zeitweise zu gestalten. Aus diesem Grund stehen Unternehmen vor der Herausforderung, eine Innovationsstrategie über in- und externe Wertschöpfungsketten zu implementieren sowie diese auf dem internationalen Markt in der Branche wettbewerbsfähig zu gestalten (Porters Diamant- Ansatz). Der Ansatz der Berliner Balanced Scorecard sowie Innovationserfolgsrechnungen können eine Performance-Ermittlung der Unternehmung und Strategien möglich machen. 3 Im Fokus: Geschäftsmodelle Zunächst wird der Begriff des Geschäftsmodells genauer beschrieben. Dazu wird zuerst der Ursprung des Begriffes geklärt, gefolgt von einer Abgrenzung der verschiedenen Begriffsdefinitionen. Anschließend werden Besonderheiten des Geschäftsmodellbegriffs dargelegt, traditionelle und neue Geschäftsmodelle beschrieben und auf der Basis einer Synopse von Osterwalder/ Pigneur das Business Model Canvas erklärt. Jeder Unternehmung liegt immer ein Geschäftsmodell zu Grunde, unabhängig davon, ob beabsichtigt oder nicht: „Whenever a business enterprise is established, it either explicitly or implicitly employs a particular business model that describes the design or architecture of the value creation, delivery, and capture mechanisms it employs.“ 363 3.1 Ursprünge Ein intuitives Grundverständnis des Begriffs Geschäftsmodell (GM) liefert Porter: „Most often, it seems to refer to a loose conception of how a company does business and generates revenue.“ 364 Genau wie der Begriff der Innovation hat auch der Begriff des GM in den letzten Jahren, vor allem durch den Dotcom-Boom und die New Economy, an Beliebtheit gewonnen: 365 „While the term business model is often used these days, it is seldom defined explicitly. The rise of e-commerce, with its myriad new firms eschewing conventional ways of doing business, has thrown a spotlight on the topic, which is widely discussed by practitioners and investors, but not yet prominent in academic discourse.” 366 Dass die Definition oft entweder nicht konkret oder mit unterschiedlichen Ansätzen verwendet wird, wird später in diesem Kapitel thematisiert. Zuvor werden die Ursprünge des GM erläutert. Der eigentliche Ursprung des Begriffs GM ist bereits einige Jahrzehnte früher zu finden, die Angaben hierzu variieren jedoch. Daher werden im Folgenden die wichtigsten Strömungen und Meinungen zu diesem Sachverhalt aufgeführt und kurz erläutert: 363 Tecce (2010), S. 172 364 Porter (2001), S. 73 in Becker/ Ulrich (2013), S. 12 365 Vgl. Becker/ Ulrich (2013), S. 5; vgl. Wirtz (2013), S. 7 366 Chesbrough/ Rosenbloom (2002), S. 532 14 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell 3 Im Fokus: Geschäftsmodelle 143 Um dem Ursprung des Begriffs auf den Grund zu gehen und um zu zeigen, wie sich das Interesse an diesem Thema im Laufe der Zeit erhöht hat, haben Osterwalder et al. eine statistische Erhebung für den Begriff „business model“ durchgeführt, die auf die Methode von Abrahamson/ Fairchild zurück geht. 367 Dabei wird die Erscheinung des Begriffs sowie seine Abfolge in unterschiedlichen Variationen in verschiedenen Datenbanken renommierter Wirtschaftsmagazine (business journals) verfolgt und erfasst. Das Ergebnis (vgl. auch unter Abschitt „Informationen“) bestätigt, dass die Popularität des Phänomens Geschäftsmodell relativ jung ist, obwohl es bereits 1957 und 1960 Erwähnungen gab. 368 Quasi als Ergänzung zur Erhebung von Osterwalder et al. lässt sich die zusätzliche Analyse von Witz ausführen, bei der ebenfalls eine Analyse der Veröffentlichungsanzahl von Artikeln mit einem Geschäftsmodellbezug durchgeführt wurde. Er führte die Analyse mit Hilfe der Meta-Wissenschaftsdatenbank Ebsco durch und konnte 15.587 Artikel identifizieren. 369 Das Ergebnis und der Anstieg der Verwendung des Begriffs GM in seiner Arbeit bestätigen die erste Analyse von Osterwalder et al. 2005. Beachtlich ist der starke Anstieg der Verwendung des Begriffs vom Jahr 2007 hin zu den Jahren 2008 und 2009, was sich durch die Wirtschaftskrise erklären lassen kann, da Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten genötigt sind, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken und ggf. zu ändern, um sich den neuen Marktgegebenheiten anzupassen. Forscher wie u.a. Amit, Zott, Tapscott und Ticoll, sehen einen Teil dieser Beziehung in der Wurzel des Geschäftsmodellkonzepts und der Transaktionskostentheorie begründet: „Part of the relationship between technology and business models stems from the business models concept’s root in trancactions cost economics (TCE). The sharp rise in cheap information technology, bandwidth, and communication possibilities made it much easier for companies to work in so-called value webs because coordination and transaction costs fell substainally.“ 370 Transaktionskosten können als „die Kosten der Vertragspartner aus dem Abschluss und der Durchführung von Geschäften“ 371 beschrieben werden. Wie erwähnt gibt es verschiedene Aussagen zum Ursprung des Begriffs GM, außerdem wird die Entstehung unterschiedlichen Disziplinen zugeordnet. 372 367 Vgl. Osterwalder et al. (2005), S. 3 368 Vgl. ebd. 369 Vgl. Wirtz (2013), S. 9f. 370 Osterwalder et al. (2005), S. 4 371 Mankiw (2004), S. 231 372 Vgl. Bieger et al. (2011), S. 14 144 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell Es können dabei drei Gruppen unterschieden werden. Bei der ersten handelt es sich um Forscher der Betriebswirtschafts- und Managementlehre, darunter Namen wie Casadesus-Masanell, Ricart, Johnson, und Markides. Sie sehen den Ursprung des GM ebenfalls in der Mitte des letzten Jahrhunderts, jedoch unter dem Vorläuferbegriff „logic of business“ von Drucker. 373 Die zweite Gruppe bilden Vertreter aus der Wirtschaftsinformatik, die den Ursprung des Geschäftsmodellkonzepts in der Geschäftsmodellierung sehen. 374 In der Wirtschaftsinformatik stellt der Begriff des GM „eine vereinfachte Beschreibung eines Aspektes des Geschäfts zum Zweck der Veranschaulichung und Unterstützung der Kommunikation“ 375 dar. Die letzte Gruppe bilden die Ökonomen, die die Quelle des GM-Konzepts weiter zurückdatieren als die Betriebswirte. „Sie sehen erste Anwendungen des Konzepts in der generischen Beschreibung von Geschäftstätigkeiten wie beispielsweise des mittelalterlichen Zunftwesens oder des Fabriksystems der industriellen Revolution im späten 18. Jahrhundert.“ 376 Auf Grund der Menge unterschiedlicher Begriffsdefinitionen des GM- Konzepts wird nun ein kurzer Überblick über mögliche Eingrenzungen und Klassifizierungen der Definitionen gegeben. Ebenso wie bei dem Innovationsbegriff gibt es auch beim GM Schwierigkeiten, eine eindeutige und einheitliche Definition zu finden, dass die unterschiedlichen Ansätze aus den drei verschiedenen Forschungsrichtungen stammen und somit mit unterschiedlichen Perspektiven auf das Konstrukt des GM geblickt wird. GM werden grundsätzlich in Partial- oder Universalmodellen verwendet. 377 Partialmodelle bilden dabei nur Teilaspekte eines Unternehmens ab oder beziehen sich auf für eine Branche charakteristische Geschäftsmodelle. 378 Sie „fokussieren entweder auf eine bestimmte Branche, sodass Elemente und Wirkungsweise von Geschäftsmodellen nicht mit branchenfremden Unternehmungen vergleichbar sind, oder auf einzelne Bestandteile eines Geschäftsmodells; im zweitgenannten Fall werden Interdependenzen zwischen diesen Bestandteilen, zusätzliche relevante Aspekte sowie letztlich die Komplexität des Konstrukts Geschäftsmodell nicht transparent.“ 379 Wie der Name erahnen lässt, beschreiben Universalmodelle hingegen „die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens als Ganzes bzw. können teilweise auch über 373 Vgl. Casadesus-Masanell/ Ricart (2010), S. 3; vgl. Bieger et al. (2011), S. 14 374 Vgl. Zollenkop (2006), S. 27; vgl. Becker/ Ulrich (2013), S. 12; vgl. Wirtz (2013), S. 7 375 Rentmeister/ Klein (2003). S. 18 in Becker/ Ulrich (2013), S. 12 376 Bieger et al. (2011), S. 14 377 Vgl. Becker/ Ulrich (2013), S. 12; vgl. Wirtz (2013); vgl. Zollenkop (2006), S. 41 378 Vgl. Meinhardt (2002), S. 219 in Becker/ Ulrich (2013), S. 12 379 Zollenkop (2006), S. 41 3 Im Fokus: Geschäftsmodelle 145 Unternehmensgrenzen hinausgehen.“ 380 Becker/ Ulrich und Meinhardt identifizierten zwei Betrachtungsebenen für die Definition: „Einige Autoren nehmen eine ganzheitliche Definition vor“ 381 , während andere das Geschäftsmodell als „Konglomerat seiner Elemente definieren.“ 382 Andere nähern sich einer Definition, indem sie die Wortbestandteile „Geschäft“ und „Modell“ separat definieren. Demnach kann als Geschäft „die spezifische Ressourcentransformation eines Unternehmens und die Aufnahme von Beziehungen zur Umwelt definiert werden. Modelle sind dabei vereinfachte, strukturgleiche oder strukturähnliche Abbilder eines Ausschnitts der Realität.“ 383 Becker/ Ulrich stellen daraus ihre, wie sie sie selbst bezeichnen, vorläufige und abstrakte Definition von Geschäftsmodellen auf: „Demnach ist ein Geschäftsmodell die (vereinfachende, strukturähnliche oder strukturgebende) Abbildung von ausgewählten Aspekten der Ressourcentransformation des Unternehmens sowie seiner Austauschbeziehungen mit anderen Marktteilnehmern.“ 384 Wirtz bemängelt dieses Vorgehen der Teildefinitionen: „Diese Vorgehensweise führt allerdings zur sehr allgemeinen Konzepten, die nur wenig Aufschluss über die Spezifität des Business Model-Begriffs zulassen und wichtige Merkmale unberücksichtigt lassen.“ 385 Demil/ Lecoq unterscheiden zwei verschiedene Verwendungen des Konzepts. Zum einen den „statischen Ansatz“ (static spproach 386 ), bei dem vor allem auf das Wort „Modell“ und den Zusammenhang zwischen den Kernkomponenten eines Modells abgezielt wird. Hierbei wird das GM vor allem als Entwurfsplan oder Rezept angesehen, der Erklärungen und Klassifizierungen ermöglicht. Zum anderen beschreiben sie den „transformativen Ansatz“ (transformational approach 387 ). Das GM wird hier als Konzept oder Werkzeug verstanden, welches sich mit der Thematik des Wandels befasst und den Fokus auf die Innovation legt, entweder im Unternehmen oder im GM an sich. 388 Beide Ansätze haben Vor- und Nachteile. 380 Becker/ Ulrich (2013), S. 12 381 Zollenkop (2006), S. 41 382 Becker/ Ulrich (2013), S. 12; , vgl. Bornemann (2010), S. 21 in Becker/ Ulrich (2013), S. 13 383 Becker/ Ulrich (2013), S. 13 384 Vgl. ebd. 385 Wirtz (2013), S. 66 386 Demil/ Lecoq (2010), S. 227 387 Vgl. ebd., S. 228 388 Vgl. Demil/ Lecoq (2010), S. 227f. 146 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell Eine weitere zusammenfassende Unterteilung nehmen Osterwalder et al. vor, indem sie, bezugnehmend auf Lindner/ Cantrell, ebenfalls das Durcheinander in Hinblick auf GM thematisieren, da viele Veröffentlichungen zu GM vorliegen, die jedoch nicht unbedingt das gleiche meinen. 389 Aus den beiden Einzelwörtern „business“ und „model“ (basierend auf „WordNet 2.0“, der „lexical database for English“ 390 der Princeton University), konstruieren Osterwalder et al. ein grobes Konstrukt des GM-Konzepts als Basis für weitere Untersuchungen: „A business model is a conceptual tool containing a set of objects, concepts and their relationships with the objective to express the business logic of a specific firm. Therefore we must consider which concepts and relationships allow a simplified description and representation of what value is provided to customers, how this is done and with which financial consequences.” 391 Es wird eine Unterteilung der Fachliteratur in drei Kategorien vorgenommen: [1] „Authors that describe the business model concept as an abstract overreaching concept that can describe all real world businesses. [2] Authors that describe a number of different abstract types of business models (i.e. a classification scheme), each one describing a set of businesses with common characteristics. [3] Authors presenting aspects of a conceptualization of a particular real world business model.” 392 Die Stringenz der drei Kategorien kann allerdings variieren, da sie sich nicht gegenseitig ausschließen und jede für sich Sinn macht, weshalb für keine der Gruppen im Besonderen plädiert wird. 393 Die drei Kategorien von GM-Begriffen bezeichnen die Autoren als „Levels“, also Ebenen. Die ersten beiden Ebenen fassen sie grafisch als die sog. „conceptual levels“ zusammen (vgl. Abb. 25). Level 1 wird als „Overarching Business Model Concept“ bezeichnet, welches aus GM-Definitionen besteht, aus Beschreibungen, was Geschäftsmodelle beinhalten, und aus Meta-Modellen, die die Geschäftsmodelle konzeptualisieren. GM werden in dieser Ebene als abstrakte Konzepte angesehen, die eine Aussage darüber treffen, womit das Unternehmen sein Geld verdient. 394 389 Vgl. Lindner/ Cantrell (2000); Osterwalder et al. (2005), S. 5 390 Princeton University (2015) 391 Osterwalder et al. (2005), S. 3 392 Vgl. ebd., S. 5 393 Vgl. ebd. 394 Vgl. ebd., S. 6 3 Im Fokus: Geschäftsmodelle 147 Abb. 25: Business Model Concept Hierarchy 395 Level 2 trägt die Bezeichnung „Taxonomies“, was dem Duden entsprechend mit „Einordnung in ein System“ 396 oder „Klassifizierung“ synonym verwendet werden kann. Hier wird der Frage nachgegangen, welche der GM sich ähneln. Osterwalder et al. unterscheiden zwischen „types“ und „meta-model types“, wobei sich „types“ ihrer Meinung nach auf einfache Kategorisierungen beziehen, während „meta-model types“ verschiedene Modelle bezeichnen. Beide Arten können auch weitere Unterklassifizierungen (sub-classes) haben. Außerdem kann das Level 2 der Taxonomien nicht auf Unternehmen im Allgemeinen zutreffen, sondern nur auf einen spezifischen Industriezweig. 397 Die letzte Ebene (Level 3), die auch als „Instance Levels“ bezeichnet wird, besteht aus real existierenden Geschäftsmodellen oder zumindest Konzeptualisierungen, Darstellungen oder Beschreibungen. Diese Perspektive wurde bereits in der Analyse von Unternehmen verwendet, sie ist jedoch noch zu unscharf und es existieren starke Differenzen darüber, wie die Ansätze die realen GM darstellen. 398 395 Vgl. Osterwalder et al. (2005), S. 6 396 Duden (2015) 397 Vgl. Osterwalder et al. (2005), S. 6 398 Vgl. ebd. 148 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell 3.2 Definitionen und Abgrenzungen Die im Folgenden dargestellten Definitionen stellen exemplarische Ausschnitte aus der Vielzahl an Definitionen dar, es werden einige Beispiele vorgestellt und abgegrenzt. Zott/ Amit sehen einen Grund für eine fehlende einheitliche Definition mitunter darin, dass die akademische Forschung diesem Thema bisher, mit wenigen Ausnahmen, nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt hat. 399 Chesbrough/ Rosenbloom bemängeln bereits erfolglos die Unschärfe des Begriffs. 400 Sie definieren wesentliche Funktionen, die ein GM erfüllten sollte, auf die im nächsten Abschnitt eingegangen wird. Wirtz spricht von einer „Themenheterogenität”, die sich im Laufe der Zeit durch verschiedene Basisansätze zur Erklärung des Begriffs entwickelt hat, welche sich in den bestehenden Definitionsansätzen widerspiegelt, „die aber in den meisten Fällen nur Teilbereiche wie beispielsweise die Komponenten des Business Models abdecken oder aber sehr kontextspezifisch ausfallen.“ 401 Eine Liste mit den identifizierten „am häufigsten verwendeten sowie aktuellen Definitionen des Business Model-Konzeptes […], die in der Summe ein weitestgehend vollständig und ganzheitliches Bild der Definitionsansätze liefern“ 402 und an denen er die Heterogenität im Folgenden erklärt, befindet sich im Abschnitt „Literatur und Informationen zu Teil III“. Die Definitionen zeigen zwar eine Vielzahl von Unterscheiden, jedoch auch gruppenweise Gemeinsamkeiten auf. Der überwiegende Teil fasst die generelle Struktur von GM zusammen und unterteilt sie in die bereits erwähnten Partialmodelle. 403 Insgesamt werden drei verschiedene Gruppen beschrieben: subjektbezogene, funktionale und teleologische Aspekte. In der ersten Gruppe befinden sich Begriffe wie Abbildung, Bezugsrahmen, Architektur und Werkzeug. Diese Sichtweise wird als subjektbezogen oder komponentengeprägt bezeichnet. 404 Im Gegensatz zu diesem „eher illustrativen Begriffsverständnis“ 405 , besteht auch eine instrumentelle Sicht beim Blick auf GM, wenn das Management oder strategische Aspekte als wesentlich erachtet werden. 406 399 Vgl. Zott/ Amit (2010), S. 217 400 Vgl. Chesbrough/ Rosenbloom (2002), S. 532 401 Wirtz (2013), S. 66 402 Vgl. ebd., S. 67 403 Vgl. ebd., S. 70 404 Vgl. ebd., S. 70f. 405 Vgl. ebd., S. 71 406 Vgl. ebd. 3 Im Fokus: Geschäftsmodelle 149 Die „funktionalen Aspekte“ sind eng mit den instrumentellen Sichtweisen verknüpft. Hier stehen Wirkungsweisen bzw. Funktionen, Charakteristika, Aktivitäten und deren Interaktion im Vordergrund, die jedoch „stark von den subjektbezogenen Aspekten der Begriffsdefinitionen determiniert werden.“ 407 Diese Gruppe ist relativ homogen, einzig der Detailgrad der Beschreibung variiert hier. Im Gegensatz dazu weist die Gruppe der teleologischen Aspekte divergente Auffassungen auf. Mit teleologisch 408 ist gemeint, dass einige Definitionen des GM-Begriffs eine Ziel- oder Zweckgerichtetheit zeigen. 409 Die teleologischen Aspekte zeigen, „dass ein Business Model zur Sicherstellung des Leistungsversprechens, der Bedürfnisbefriedigung, der langfristigen Profitabilität sowie der Weiter- und Neuentwicklung von Geschäftsideen eingesetzt wird, was insgesamt als Sicherstellung beziehungsweise Generierung des Wettbewerbsvorteils subsumiert werden kann.“ 410 Wirtz kommt schließlich zu einer eigenen Definition: „Ein Business Model stellt eine stark vereinfachte und aggregierte Abbildung der relevanten Aktivitäten einer Unternehmung dar. Es erklärt, wie durch die Wertschöpfungskomponenten einer Unternehmung vermarktungsfähige Informationen, Produkte und/ oder Dienstleistungen entstehen. Neben der Architektur der Wertschöpfung werden die strategischen sowie Kunden- und Marktkomponenten berücksichtigt, um das übergeordnete Ziel der Generierung beziehungsweise Sicherung des Wettbewerbsvorteils zu realisieren.“ 411 Eine Definition von Amit/ Zott, die Wirtz bei seiner Analyse auch berücksichtigt, geht in die gleiche Richtung: „We define a company’s business model as a system of interconnected and interdependent activities that determine the way the company ‘does business‘ with its customers, partners and vendors. In other words, a business model is a bundle of specific activities - an activity system - conducted to satisfy the perceived needs of the market, along with the specification of which parties (a company or its partners) conduct which activities, and how these activities are linked to each other.” 412 Hier wird bereits deutlich, dass sich ein Wandel hin zu einer dynamischen Perspektive entwickelt. 407 Vgl. Wirtz (2013), S. 71 408 Der Duden beschreibt die Teleologie als die „Auffassung, nach der Ereignisse oder Entwicklungen durch bestimmte Zwecke oder ideale Endzustände im Voraus bestimmt sind und sich darauf zubewegen.“ (vgl. Duden 2015) 409 Vgl. Wirtz (2013), S. 72 410 Vgl. ebd., S. 73 411 Vgl. ebd. 412 Zott/ Amit (2012), S. 42 150 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell Schallmo wählt einen ähnlichen Ansatz zur Definitionsfindung wie Wirtz, jedoch anhand einer geringeren Anzahl von Definitionen und mit teils anderen Autoren. Er stellt fest, dass die Kombination von Elementen (Bestandteile, Objekte oder Konzepte) einen wesentlichen Anteil bei den Definitionen darstellt und dass das Zusammenwirken dieser Elemente zur Herstellung von Produkten, Dienstleistungen und Werten sowie deren Sicherstellung ein zentrales Element bei den Aussagen der vorliegenden Definitionen ausmacht. Diese geschaffenen Werte können und müssen sowohl zur Festigung der Kundenbindung als auch zur Differenzierung gegenüber Konkurrenten eingesetzt werden (vgl. Abb. 26). 413 Einen Aspekt, den Wirtz jedoch bei seiner Analyse nicht explizit hervorhebt, ist, dass das „Geschäftsmodell neben einem Kommunikationsinstrument auch ein Analyse- und Planungsinstrument“ 414 sein kann. „Ein Geschäftsmodell ist somit einerseits das Ergebnis der Analyse bestehender Geschäftsmodell-Elemente und andererseits das Ergebnis der Planung neuer Kombinationen von Geschäftsmodell- Elementen.“ 415 Abb. 26: Bestandteile von Geschäftsmodell-Definitionen 416 Schallmos umfangreiche Definition lautet: „Ein Geschäftsmodell ist die Grundlogik eines Unternehmens, die beschreibt, welcher Nutzen auf welche Weise für Kunden und Partner gestiftet wird. Ein Geschäftsmodell beantwortet die Frage, wie der gestiftete Nutzen in Form von Umsätzen an das Unternehmen zurückfließt. Der gestiftete Nutzen ermöglicht eine Differenzierung gegenüber Wettbewerbern, die Festigung von Kundenbeziehungen und die Erzielung eines Wettbewerbsvorteils. Ein Geschäftsmodell beinhaltet folgende Dimensionen und Elemente: Die Kundendimension beinhaltet die Kundensegmente, die Kundenkanäle und die Kundenbeziehungen. Die Nutzendimension beinhaltet die Leistungen und den Nutzen. 413 Vgl. Schallmo (2013), S. 20ff. 414 Vgl. ebd., S. 22 415 Vgl. ebd. 416 Vgl. ebd. 3 Im Fokus: Geschäftsmodelle 151 Die Wertschöpfungsdimension beinhaltet die Ressourcen, die Fähigkeiten und die Prozesse. Die Partnerdimension beinhaltet die Partner, die Partnerkanäle und die Partnerbeziehungen. Die Finanzdimension beinhaltet die Umsätze und die Kosten. Die Zielsetzung ist, die Geschäftsmodell-Elemente so miteinander zu kombinieren, dass sich die Geschäftsmodell-Elemente gegenseitig verstärken. Somit ist es möglich, Wachstum zu erzielen und gegenüber Wettbewerbern schwer imitierbar zu sein.“ 417 Die GM-Definition von Osterwalder/ Tucci, die 2011 im „Business Model Canvas“ Verwendung findet, lautet kurz und bündig: „Ein Geschäftsmodell beschreibt das Grundprinzip, nach dem eine Organisation Werte schafft, vermittelt und erfasst.“ 418 3.3 Geschäftsmodell und Strategie Wie bei der Beschreibung der verschiedenen Definitionen erkennbar wurde, hat sich im Laufe der Zeit eine Art Evolution und Reifung der Begrifflichkeit des GM vollzogen, auch wenn einige Wissenschaftler weiterhin nicht auf die Arbeit anderer bauen oder vertrauen 419 . Osterwalder et al. stellen dies anhand einer Evolutionsgrafik dar (vgl. Abb. 27). Abb. 27: Evolution of the Business Model Concept 420 Die Autoren beschreiben, dass sich das Konzept von einer anfänglichen Klassifikation und Definition hin zu einem anwendbaren Werkzeug ent- 417 Schallmo (2013), S. 22f. 418 Osterwalder/ Pigneur (2011), S. 18 419 Vgl. Osterwalder et al. (2005), S. 6 420 Vgl. ebd. 152 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell wickelt hat. Diese Ansicht teilen auch andere Autoren und beschreiben den Wandel als eine Annäherung an das Strategische Management: „damit betrifft das Geschäftsmodell strategische Fragestellungen auf Geschäftsbereichs- oder Unternehmensebene mit Auswirkungen auf sämtliche Funktionalbereiche.“ 421 Wie zuvor gezeigt wurde, wird das Geschäftsmodell auch zunehmend als Instrument zur Planung und Analyse in der Unternehmenspraxis genutzt. 422 Das GM-Konzept wird in der Managementpraxis häufig vermischt oder synonym verwendet. Dass es jedoch eindeutig der Strategie zuordenbar ist, wird bestritten, 423 weil ein Geschäftsmodell von Außenstehenden, wenn auch nur in Ansätzen („uncertain imitability“) 424 , erkennbar ist, während eine Strategie von Wettbewerbern bzw. Außenstehenden kaum oder zumindest nicht vollständig sichtbar ist. Vollständig wahrnehmbar sind Strategien nur in „trivialen Wettbewerbssituationen“. 425 Ein weiterer Grund, warum die beiden Begriffe nicht synonym verwendet werden können, besteht darin, dass jede Unternehmung über ein Geschäftsmodell verfügt, jedoch nicht notwendigerweise auch über eine Strategie. 426 Nach Bieger et al. „begreifen [die Autoren] das Geschäftsmodell als Set aus Entscheiden und daraus folgenden Konsequenzen“ 427 . Nach Casadesus-Masanell/ Ricart ist das Geschäftsmodell einer Unternehmung die Reflektion seiner realisierten Strategie 428 und „in ihrer Gesamtheit bestimmt [die Strategie] nicht bloß die einmalige Ausgestaltung des Geschäftsmodells, sondern auch unter welchen Bedingungen das bestehende Geschäftsmodell neu konfiguriert werden muss […]. Die Strategie bildet den Bezugsrahmen für die Entwicklung und Ausgestaltung eines Geschäftsmodells. Das gewählte Geschäftsmodell lässt Schlüsse auf die realisierte Strategie zu, innerhalb einer Strategie sind jedoch verschiedene Geschäftsmodellkonfigurationen möglich.“ 429 Wobei „ein Unternehmen in der Strategiephase unterschiedliche Geschäftsmodelle erarbeitet und festlegt, [bevor entschieden wird,] welches Geschäftsmodell schließlich umgesetzt werden soll, um 421 Zollenkop (2006), S. 29 422 Vgl. Bieger et al. (2011), S. 14 423 Vgl. ebd., S. 23 424 Vgl. Tecce (2010), S. 182 425 Vgl. Casadesus-Masanell/ Ricart (2010), S. 21f. 426 Vgl. ebd., S. 22 427 Bieger et al. (2011), S. 25 428 Vgl. Casadesus-Masanell/ Ricart (2010), S. 22 429 Bieger et al. (2011), S. 25 3 Im Fokus: Geschäftsmodelle 153 in einem Markt zu agieren“ 430 . Dies erklärt auch, warum die beiden Autoren im GM eine Reflektion der Strategie sehen, bzw. „eine Konkretisierung der realisierten Strategie hinsichtlich ausgewählter Elemente des Geschäftsmodellansatzes.“ 431 Teece ergänzt, dass ein Geschäftsmodell auf der einen Seite zwar gut dafür geeignet ist, die Logik und Einzelheiten für die Schaffung der „value proposition“ für den Kunden zu schaffen und eine praktikable Struktur zur Erreichung von Einnahmen darstellt, auf der anderen Seite eignet es sich jedoch nicht für die Schaffung oder Sicherung eines Wettbewerbsvorteils. Der Grund hierfür ist die Transparenz einiger Elemente des Geschäftsmodells, die leicht zu einer Imitation durch Konkurrenten führen kann. 432 Eine Lösung liegt in der Kombination aus Strategieplanung und GM-Entwicklung. 433 Es kann an diesem Punkt festgehalten werden, dass sich die Wissenschaftler über den Unterschied und die dennoch notwendige und existierende Nähe der beiden Begriffe im Klaren sind, während es in der täglichen Geschäftstätigkeit, z.B. im Managementbereich, noch nicht zu dieser Erkenntnis gekommen ist. Die Strategie bildet den Bezugsrahmen und enthält „(Ziel-) Vorgaben (z.B. Kostenführer in einem Segment)“ 434 , die dann im Geschäftsmodell umgesetzt werden sollen. Das Geschäftsmodell versucht aus der Strategie eine Struktur zu formen und mögliche Funktionen abzuleiten, z.B. die „Festlegung des Nutzens, der Form der Nutzenerbringung und der Form der Umsatzerzielung. Geschäftsmodelle konkretisieren somit eine Strategie, und weitere Maßnahmen setzen diese Geschäftsmodelle um. Geschäftsmodelle dienen dazu, Kundenbedürfnisse zu befriedigen und einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, der es ermöglicht, eine Wettbewerbsposition im Markt zu erreichen. Im Gegensatz dazu können Geschäftsmodelle auch unabhängig von einer Strategie erarbeitet werden, um somit zu radikalen Geschäftsmodell-Innovationen zu gelangen.“ 435 Das Geschäftsmodell bildet die Basis für eine Erklärung der Funktionen und Tätigkeiten einer Unternehmung. 430 Schallmo (2013), S. 41 431 Bieger et al. (2011), S. 25 432 Vgl. Tecce (2010), S. 179 433 Vgl. Tecce (2010), S. 180; vgl. Bieger et al. (2011), S. 25 434 Schallmo (2013), S. 43 435 Vgl. ebd. 154 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell 3.4 Ansätze zu Geschäftsmodellen Auch im Bereich der Geschäftsmodelle sind zahlreiche Ansätze mit einer unterschiedlichen Anzahl an Komponenten vorhanden, weshalb im Folgenden einige exemplarische Ansätze kurz dargestellt werden. Durch das Führen von Interviews mit diversen Managern kommen George/ Bock zu drei Charakteristika, anhand derer ein Geschäftsmodell beschrieben werden kann: der Ressourcenstruktur, der Transaktionsstruktur und der Wertschöpfungsstruktur. 436 „Für sie [George/ Bock] ist das Geschäftsmodell eine Kombination von Produktion, Lieferung und Vergütung, die in Summe Wert aus einer Gelegenheit generieren.“ 437 Die folgenden drei Modelle sind in weiten Teilen deckungsgleich und unterscheiden sich nur in einem oder wenigen Punkten: Laut Becker/ Ulrich bestimmt der „gewählte Modellansatz und die ihm zugrundeliegende Theorie, welche Elemente zur Beschreibung der Unternehmensrealität notwendig sind. […] Die Frage nach den konstituierenden Elementen wird in der wissenschaftlichen Literatur sehr unterschiedlich beantwortet.“ 438 In einer anderen Veröffentlichung mit gleichem Titel nennt Becker jedoch drei hauptsächlich verwendete, konstituierenden Elemente: die Produkt-Markt-Kombination, die Ertragsmechanik und die Wertkettenkonfiguration des Unternehmens. 439 Die Produkt-Markt-Kombination „beschreibt, welche Produkte in welchen Märkten angeboten werden“ 440 , kann auch als „Geschäftsfelddefinition“ bezeichnet werden und ist auf Ansoff zurückzuführen. „Ausgehend vom bestehenden Leistungsangebot und dem bedienten Markt kann die Entwicklungsrichtung eines Unternehmens in neue Produktkategorien oder/ und neue Marktsegmente veranschaulicht werden.“ 441 (vgl. Abb. 28 weiter unten). Die Ertragsmechanik gibt Auskunft darüber, wie „mit den Produkten des Unternehmens Gewinn erwirtschaftet 436 Vgl. Mauer/ Faschingbauer (2013), S. 44 437 Vgl. ebd. 438 Becker/ Ulrich (2013), S. 40 439 Vgl. Becker (2011), S. 47 440 Vgl. ebd. 441 Zollenkop (2006), S. 49 3 Im Fokus: Geschäftsmodelle 155 werden soll.“ 442 Und „die Wertkettenkonfiguration bestimmt unter anderem die Fertigungstiefe des Unternehmens.“ 443 Es wird betont, dass die genannten Elemente „nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern […] im Sinne einer integrierten Betrachtung zu einem schlüssigen Geschäftsmodell zusammengeführt werden“ 444 müssen. Ein grundsätzlich ebenfalls dreiteiliges Modell, jedoch mit einer Strategiesichtweise, beschreibt Zollenkop. Die drei Bestandteile sind im Prinzip vollständig. Deckungsgleich mit denen des vorhergehenden Modells, nur hat eines der drei Elemente einen leicht geänderten Namen, ist aber im Kern der gleichen Thematik zuordenbar (vgl. Abb. 28 weiter unten): „Die Produkt-/ Markt-Kombination grenzt die Geschäftsfelder des Unternehmens ab. Bei der Konfiguration der Wertkette und Durchführung der Wertschöpfung werden die Wertschöpfungspartner mit ihren jeweiligen Wertschöpfungsanteilen sowie Grundprinzipien der Leistungserstellung festgelegt. Die Ertragsmechanik als dritter Bestandteil gibt an, wie und durch welche Transaktionen das Untersuchungsobjekt Umsätze tätigt.“ 445 Außerdem werden zwei weitere Details beschrieben, die sich aus den drei Elementen ergeben: „Ziel des Geschäftsmodells eines Unternehmens oder Netzwerks ist die Schaffung von Kundennutzen sowie die Generierung haltbarer Wettbewerbsvorteile.“ 446 . Stählers GM-Begriff besitzt ebenfalls eine strategische Perspektive und drei Elemente. Die erste Komponente ist die „Value Proposition“ (Nutzenversprechen). Diese entspricht weitestgehend der „Schaffung des Kundennutzen“ bei Zollenkop. Sie richtet sich an zwei verschiedene Anspruchsgruppen und „beschreibt den Nutzen und damit den Wert, den Kunden und Wertschöpfungspartner durch das Geschäftsmodell erhalten.“ 447 Die „Value Proposition“ wird im Zuge des „Business Model Canvas“ von Osterwalder/ Pigneur noch ausführlich erklärt. Die zweite Komponente ist das Ertragsmodell und die dritte die Architektur der Wertschöpfung mit drei Un- 442 Becker (2011), S. 47 443 Vgl. ebd. 444 Vgl. ebd., S. 47f. 445 Zollenkop (2006), S. 45 446 Vgl. ebd. 447 Stähler (2002), S. 42 156 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell terkomponenten (Produkt-/ Marktentwurf, interne Architektur und externe Architektur). 448 „Aufgabe des Geschäftsmodells ist es, diese Komponenten so zu konfigurieren, dass der dem Kunden und den anderen Wertschöpfungspartnern versprochene Nutzen auch effizient gestiftet werden kann.“ 449 Die sechs Funktionen von Chesbrough/ Rosenbloom, die ein GM erfüllen sollte, dienen ebenfalls als Geschäftsmodellelemente: [1] „Articulate the value proposition, i.e. the value created for users bat he offering based on the technology; [2] Identify a market segment, i.e. the users whom the technology is useful and for what purpose, and specify the revenue generation mechanism(s) for the firm; [3] Define the structure of the value chain within the firm required to create and distribute the offering, and determine the complementary assets needed to support the firm’s position in the chain; [4] Estimate the cost structure and profit potential of producing the offering, given the value proposition and value chain structure chosen; [5] Describe the position of the firm within the value network linking suppliers and customers, including identification of potential complementors and competitors; [6] Formulate the competitive strategy by which the innovating firm will gain and hold advantage over rivals.“ 450 Die sechs Elemente bzw. Funktionen werden später im „Business Model Canvas“ noch in Ansätzen erkennbar sein. Auffällig ist, dass der Umfang der GM-Elemente bei Chesbrough/ Rosenbloom im Vergleich zu den vorherigen Modellen größer ist und somit auch mehr relevante Aspekte abgedeckt werden, die Komplexität jedoch damit zunimmt. Ein weiteres, ausführliches Modell mit sechs Elementen ist der „wertbasierte Ansatz“ von Bieger et al., der auf ein achtstufiges Konzept aus dem Jahr 2002 von Bieger/ Rüegg-Sturm/ von Rohr zurückgeht. Dieses war durch die Zeit der New Economy geprägt und legte kein Augenmerk auf die Finanzierung eines Geschäftsmodells: „Eine Finanzierung über Aktien und Kapi- 448 Vgl. Stähler (2002), S. 42 449 Vgl. ebd., S. 43 450 Chesbrough/ Rosenbloom (2002), S. 534f. 3 Im Fokus: Geschäftsmodelle 157 talmärkte war in der Boomphase des Internets selbst für Unternehmen mit negativem Ertrag möglich. Fragen der Finanzierung hatten daher wenig Priorität.“ Da die Rahmenbedingungen sich gewandelt haben, wurde die Finanzierung zu einer Herausforderung. „Die Finanzmärkte haben aus dem Konkurs zahlreicher Dotcom-Unternehmen gelernt und setzen heute strenge Maßstäbe für die Vergabe von Mitteln an.“ 451 Das neue sechsstufige Modell berücksichtigt diese geänderten Bedingungen und den aktuellen Stand der Forschung, da die Wertschaffung auf Kunden- und Unternehmensseite wegweisend ist, ebenso wie Details der „Wertverteilung“ und der Finanzierung, während die Relevanz des Wertschöpfungsprozesses vermindert wurde. Außerdem kann besser auf Veränderungen in der Umwelt reagiert werden, da die „Wertentwicklung“ ein quantitatives Wachsen und Innovation behandelt. Zudem wird das GM auch als Analyse-, Planungs- und Kommunikationsmodell verwendet, weil Entscheidungsraster und Leitfragen für alle Komponenten des GM vorhanden sind. 452 Das Modell stellt somit einen „universellen Geschäftsansatz zur ganzheitlichen und integrierten Beschreibung der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens“ 453 dar, der auf verschiedene Arten von Organisationen ebenso wie in verschiedenen Branchen angewendet und somit eine Vergleichbarkeit herstellt werden kann. 454 Das Modell beinhaltet sechs Dimensionen: [1] Leistungskonzept (Value Proposition) [2] Wertschöpfungskonzept (Value Creation) [3] Kanäle (Value Communication and Transfer) [4] Ertragsmodell (Value Capture) [5] Wertverteilung (Value Dissemination) [6] Entwicklungskonzept (Value Development) Drei der sechs Elemente kamen bereits in den vorherigen Modellen vor. Neu sind zum einen das Element der Kanäle, in dem vom Inhaber des Geschäftsmodells festgelegt werden kann, wie der Austausch sowohl an Kommunikation als auch an Leistungen über Distributions- und Kommunikationskanäle stattfinden soll. Bei der Wertverteilung kann darüber bestimmt werden, wie die zu erzielenden Werte intern und extern verteilt werden sollen, um eine nachhaltige Finanzierung und Wertschöpfung zu gewährleisten. 455 „Das Entwicklungskonzept (Value Development) beschreibt die dy- 451 Bieger et al. (2011), S. 30 452 Vgl. ebd., S. 31 453 Vgl. ebd., S. 31f. 454 Vgl. ebd. 455 Vgl. Bieger et al. (2011), S. 32f. 158 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell namischen Aspekte des Geschäftsmodells. Es definiert zum einen, wie das Unternehmen die Schaffung von Wert im Rahmen des bestehenden Geschäftsmodells quantitativ wie qualitativ evolutionär weiterentwickelt. Zum andern beschreibt es, wie das Geschäftsmodell angesichts veränderter Rahmenbedingungen revolutionär weiterentwickelt wird.“ 456 Ob das Geschäftsmodell erfolgreich ist und Wettbewerbsvorteile hervorbringt, hängt von der Ausgestaltung, der Optimierung und dem Zusammenspiel der einzelnen Elemente/ Dimensionen ab (vgl. Abb. 28). 457 Abb. 28: Wertorientierter Geschäftsmodellansatz 458 456 Vgl. Bieger et al. (2011), S. 32 457 Vgl. ebd., S. 33 458 Vgl. ebd. 3 Im Fokus: Geschäftsmodelle 159 Abb. 29: The RCOV framework: main BM components and their relationships 459 Das RCOV Framework von Demil/ Lecoq veranschaulicht die Beziehungen der einzelnen Komponenten untereinander. Die Buchstaben RCOV stehen für die drei Grundkomponenten „Ressourcen & Kompetenzen“ (Resources & Competencies), „Organisation“ (Organization) und „Werteangebote“ (Value propositions) (vgl. Abb. 29). Wie bei den Klassifizierungen der GM- Ansätze erwähnt wurde, unterscheiden die beiden Autoren zwischen statischen und transformativen (dynamischen/ evolutionären) Ansätzen. Da beide Ansätze jedoch sowohl Stärken als auch Schwächen aufweisen, versuchen sie in ihrem Modell beide Ansätze miteinander zu kombinieren, um der Fragen nachzugehen, wie sich ein Geschäftsmodell anhand der entstehenden Dynamik zwischen den Basiskomponenten entwickelt. 460 Das GM-Konzept basiert auf dem von Penrose, das eine Unternehmung als ein Bündel von Ressourcen beschreibt, während andere Ansätze Verträge und Transaktionen zu Grunde legen. 461 Das Gerüst von Penrose weist eine dynamische Sichtweise mit Interaktion zwischen zwei Kernkomponenten auf, den Ressourcen und dem Geschick des Managements aus der Verwendung der Ressourcen Werte und innovative Kombinationen zu erschaffen. 462 Das Wachstum eines Unternehmens beruht nach Penrose auf der Wechselwirkung der Ressour- 459 Demel/ Lecoq, 2010, S. 234 460 Vgl. ebd., S. 228 461 Vgl. ebd., S. 230 462 Vgl. ebd. 160 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell cen, seiner Organisation und der Fähigkeit, neue Wertangebote bzw. Nutzenversprechen (Value propositions) in die Märkte einzubringen. 463 Unternehmer und Manager müssen gemeinsam Fragen überdenken, die die Ressourcenkombination, Organisation und die anzubietenden Werte angehen. Der dynamischen Interaktion zwischen den Grundkomponenten folgen Auswahlmöglichkeiten, z.B. für die Entwicklung neuer „Value Propositions“, für die Erschaffung neuer Ressourcenkombinationen, für mögliche Änderungen im Organisationssystem und den Einfluss, den solche Anpassungen auf andere Komponenten und untergliederte Elemente haben werden. Die Änderungen können jedoch auch in den Grundkomponenten stattfinden, was wiederum zusätzliche Dynamik für das System bedeutet. 464 Das Modell von Afuah ist das letzte der hier vorgestellten Referenz-Modelle und gehört zu den aktuellsten Ansätzen. Geschäftsmodelle werden definiert als „a framework or recipe for creating and capturing value by doing things differently. It is often about changing the rules of the game.“ 465 Die fünf Bestandteile des Modells werden in Abbildung 30 dargestellt. Abb. 30: Components of a business model 466 463 Vgl. Demil/ Lecoq (2010), S. 234 464 Vgl. ebd. 465 Afuah (2014), S. 4 466 Vgl. ebd., S. 5 3 Im Fokus: Geschäftsmodelle 161 Geschäftsmodelle sind nach diesem Modell dazu da, um Geld von Kunden zu verdienen. Nur mit der richtigen Customer Value Proposition werden potenzielle Abnehmer auch zu Kunden bei einem Unternehmen. Um dies zu erreichen, muss das Unternehmen Produkte/ Dienstleistungen anbieten, die die Wünsche der Kunden erfüllen oder deren Probleme lösen können. Die Customer Value Proposition beruht außerdem auf der Reputation bzw. dem Image des Unternehmens und seiner Produkte, seinen Marken und auf anderen Posten, z.B. der Beziehung zu den Kunden und dem Zugang zu Distributionskanälen. 467 Da die richtige Customer Value Proposition an den falschen Kunden gerichtet dem Unternehmen nicht viel bringt, sollte das Unternehmen sich das jeweilige Marktsegment (Market Segment) als Zielgruppe nehmen, dessen Bedarf es erfüllen kann und in dem es viele Kunden gibt, die eine hohe Zahlungsbereitschaft besitzen. 468 Das Ertragsmodell (Revenue Model) ist die Struktur, in der aus der Value Proposition Geld gewonnen wird. Es beinhaltet Fragen darüber, wie viele Kunden bereit sind, welchen Preis, wann und wie für welches Produkt/ welche Dienstleistung zu bezahlen. Die Preisgestaltung ist ebenfalls ein wichtiger Teil des Ertragsmodells, da sie festlegt, wie viel ein Kunde für die Customer Value Proposition bezahlen wird. Der Preis hat demzufolge eine starke Auswirkung auf die Erträge. Das ideale Ertragsmodell würde so viele Kunden wie möglich dazu bringen, möglichst viel zu bezahlen, ohne, dass dabei Kunden verloren gehen. 469 Das Wachstumsmodell (Growth Model) beschäftigt sich mit der Hauptfrage, wie das Unternehmen profitabel wachsen kann. Wachstum ohne Sicherung der Profitabilität ist jedoch wirtschaftlich unverantwortlich. Es ist eine schwierige Aufgabe, gleichzeitig darauf zu schauen, welche Bestandteile des Ertragsmodells das Unternehmen steigern könnte und dabei die Kosten möglichst niedrig zu halten. Konkurrenten erschweren diesen Balanceakt zusätzlich, denn sie könnten das Geschäftsmodell imitieren oder überholen, was entweder den Preis oder die Kosten erhöhen würde. Es ist daher wichtig, das Ertragsniveau relativ zur Konkurrenz entweder zu halten oder zu steigern und die Kosten niedrig zu halten. 470 Wie in Abbildung 31 zu sehen ist, bilden die Leistungsfähigkeiten (Capabilites) den zentralen Punkt im Modell der GMI nach Afuah. Capabilites können entweder Ressourcen oder Aktivitäten sein. 471 467 Vgl. Afuah (2014), S. 5f. 468 Vgl. ebd., S. 6f. 469 Vgl. ebd., S. 7f. 470 Vgl. ebd., S. 8f. 471 Vgl. ebd., S. 9f. 162 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell Afuah thematisiert die erwähnte Fehlinterpretation des GM-Begriffs und des Revenue-Models. „Revenue models are what are sometimes referred to in the popular press as ‚business models‘.” Dies ist erstaunlich, da das Ertragsmodell, wie gerade gesehen, nur einen von mehreren Bestandteilen eines vollwertigen Geschäftsmodells ausmacht. Kritisiert wird jedoch, dass eine solche Kalkulation im Voraus vom bestmöglichen Fall ausgeht, was jedoch sehr unzuverlässig ist. Es sollte daher immer ein gewisser Grad an Fehlermöglichkeit oder Planabweichung berücksichtigt werden, die Kosten unter der „Regel des leistbaren Verlusts“ sollten also betrachtet werden. Nur wenn sich ein Unternehmen und dessen Partner in unsicheren Abschnitten nicht wirtschaftlich ruinieren, können sie mittelfristig erfolgreich sein. 472 Auch wenn für jedes GM die Kostenreduzierung ein wichtiger Aspekt ist, kann die Relevanz zwischen den GM schwanken. „Es kann daher sinnvoll sein, grob zwischen zwei Geschäftsmodell-Kostenstrukturen zu unterscheiden“ 473 : Bei kostenorientierten Strukturen wird das Hauptaugenmerk auf das Schaffen von möglichst schlanken Kostenstrukturen und deren Aufrechterhaltung gelegt. Die Mittel zum Erfolg sind in diesem Fall niedrigpreisige Wertangebote, ein größtmöglicher Grad an Automatisierung sowie extensives Outsourcing. Im Gegensatz dazu, wird bei wertorientierten Strukturen der Fokus auf die Wertschöpfung, ein herausragendes Wertangebot und auf einen ausgeprägten Hang zum persönlichen Service gelegt. Kostenstrukturen können folgende Charakteristika aufweisen: Fixkosten, die unabhängig von der produzierten Menge konstant bleiben. Variable Kosten, die sich proportional zur produzierten Menge verändern. Mengenvorteile sind Kostenvorteile, die bei wachsender Produktionsmenge für das Unternehmen entstehen und Verbundvorteile sind ebenfalls Kostenvorteile, die jedoch durch eine größere betriebliche Bandbreite entstehen, bzw. durch eine stärke Auslastung der Aktivitäten, Ressourcen oder Kanäle parallel für mehrere Produkte/ Dienstleistungen. 474 472 Vgl. Mauer/ Faschingbauer (2013), S. 49f. 473 Osterwalder/ Pigneur (2013), S. 45 474 Vgl. ebd. 4 Geschäftsmodellinnovation Da sich ein Unternehmen nicht auf der Existenz eines funktionierenden Geschäftsmodells ausruhen kann, sondern weiterhin sein Ohr auf den Schienen des Marktes und vor allem am Kunden haben muss, um möglichen Veränderungen proaktiv und schnellstmöglich begegnen zu können, bedarf es Adaptionen oder Modifikationen in bestehenden GM. Wie diese Anpassungen und Weiterentwicklungen aussehen, wie sie prozessual ablaufen und welche Voraussetzungen dafür im Unternehmen geschaffen werden müssen, wird nun anhand der sog. Geschäftsmodellinnovationen erklärt. Als Basis dienen die vorangegangen Ausarbeitungen des Innovations- und des Geschäftsmodellbegriffs, die nun zur Definition der Geschäftsmodellinnovation 475 (GMI) zusammengeführt werden. Der Kern einer jeden Erfolgsgeschichte ist eine Geschäftsmodellinnovation, wobei dies nicht bedeuten muss, dass Konkurrenten per Bocksprung (leapfrogging) mit einem besseren Produkt im Wettbewerb überholt werden. Die interessanteren GMI sind die, bei denen das Unternehmen Details von etablierten Produkten oder Dienstleistungen, zurückgeschraubt oder nicht weiterentwickelt hat. Ein paar der profitabelsten GMI haben wenig mit einem Produkt zu tun, sondern viel mehr mit einer geänderten Struktur der Wertschöpfung. 476 Als Beispiel dient hier die Firma Xerox, die für ihre profitablen Kopiermaschinen bekannt war. Xerox erkannte, dass bei den dazu nötigen Verbrauchsgütern, z.B. den Tonern, größere Gewinne generiert werden konnten. Eine höhere Kopierrate bedeutete somit mehr Einnahmen. In Folge dessen wurden neue Technologien gesucht, schnellere Kopiergeräte konstruiert und schließlich höhere Profite erwirtschaftet. 477 Die richtige und entscheidende GMI bestand darin, dass Xerox seine Kopiergeräte nicht mehr verkaufte, sondern an Kunden verpachtete, was die Profitabilität weiter vervielfachte. Der Gewinner im Wettbewerb kann demnach das Unternehmen sein, welches die Spielregeln zu seinen Gunsten ändern kann. Oder aber auch das Unternehmen, welches später in den Markt tritt, aber über ein besseres, ausgereifteres und besser verstandenes GM verfügt oder sich besser an die Marktverhältnisse angepasst hat. Als Beispiel hierfür dient Google, die als 475 In der deutschen Literatur wird teilweise sowohl die Schreibweise „Geschäftsmodellinnovation“, aber auch „Geschäftsmodell-Innovation“ benutzt. 476 Vgl. Afuah (2014), S. 4 477 Vgl. Chesbrough (2010), S. 355f. 4 Geschäftsmodellinnovation 16 164 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell Follower in den Suchmaschinenmarkt einstiegen, jedoch vor allen anderen erkannten, dass mit gesponserter Werbung („paid listings“) viel Profit erwirtschaftet werden kann. 478 „[A] company has at least as much value to gain from developing an innovative new business model as from developing an innovative new technology. [… C]ompanies have many more processes, and much stronger shared sense of how to innovate technology, than they do about to innovate business models. And that is the point […]: companies need to develop the capability to innovate their business models, as well as their ideas and technologies.“ 479 4.1 Definitionen, Konzepte und Ursachen Grundsätzlich hat die GMI „nichts mit dem Blick zurück zu tun, weil die Vergangenheit nur wenig darüber aussagt, was im Hinblick auf zukünftige Geschäftsmodelle möglich ist. Geschäftsmodellinnovation hat auch nichts mit dem Blick auf die Konkurrenz zu tun, denn es geht dabei nicht um Nachahmung oder Benchmarking, sondern um das Schaffen neuer Mechanismen, um Wert zu schöpfen und Einkünfte zu erzielen. Stattdessen ist Geschäftsmodellinnovation das Hinterfragen des Althergebrachten, um originelle Modelle zu entwerfen, die unerfüllte, neue oder verborgene Kundenbedürfnisse befriedigen.“ 480 Im Folgenden werden beispielhaft einige Definitionen und Konzeptionen zur GMI vorgestellt. Laut Schallmo lässt sich der Begriff GMI sowohl aus einer ergebnisorientierten Perspektive (GMI als Ergebnis oder qualitative Neuerung) und einer prozessorientierten Perspektive (GMI als Folge von Aktivitäten oder Entscheidungen) betrachten. 481 Hinsichtlich der ergebnisorientierten Sichtweise greift Schallmo auf eine Unterteilung der Innovationsobjekte von Gerpott zurück: 1) Leistungs-Innovation, 2) Prozess-Innovation, 3) Markt-Innovation und 478 Vgl. Afuah (2014), S. 4 479 Chesbrough/ Rosenbloom (2002), S. 356 480 Osterwalder/ Pigneur (2010), S. 140 481 Vgl. Schallmo (2013), S. 23f. 4 Geschäftsmodellinnovation 165 4) Sozial-Innovation. 482 Obwohl die Innovationsarten dieser vier Objekte nicht hinsichtlich der GMI definiert wurden, gibt es Überschneidungen, die grundlegend für die Herleitung seiner Definition sind (vgl. Abb. 31). Abb. 31: Teilbereiche der Geschäftsmodell-Innovation 483 Wie oben gezeigt, handelt es sich beim Innovationsprozess um „eine Abfolge von Aktivitäten und Entscheidungen die zur Vermarktung eines neuen Produktes oder zur Nutzung eines neuen Prozesses führen sollen. Diese […] stehen in logischem und zeitlichen Zusammenhang [und lassen sich als] unsicher [charakterisieren].“ 484 Schallmo überträgt die wesentlichen Aspekte auf den Prozess von GMI, da hier die Aktivitäten und Entscheidungen zur Entwicklung, Implementierung und Vermarktung von GM dienen und dieser Prozess ebenfalls von Unsicherheit und Komplexität geprägt ist. Wobei die Innovation entweder aufbauend als Weiterentwicklung auf einem bestehenden Geschäftsmodell, also inkrementell, oder grundlegend neu erfolgen kann, also radikal/ fundamental. 485 Daraus ergibt sich die ausführliche Definition und Zielsetzung der Geschäftsmodellinnovation (vgl. auch Abb. 32): „Die Innovationsobjekte im Rahmen der Geschäftsmodell-Innovation sind einzelne Geschäftsmodell- Elemente (z.B. Kundensegmente, Leistungen) bzw. das gesamte Geschäftsmodell. Der Innovationsgrad betrifft sowohl die inkrementelle (geringfügige) als auch die radikale (fundamentale) (Weiter-) Entwicklung eines Geschäftsmodells. Die Bezugseinheit zur Feststellung des Neuigkeitsgrads ist primär der Kunde; sie kann allerdings auch den Wettbewerb, die Industrie und das eigene Unternehmen betreffen. Die Geschäftsmodell-Innovation erfolgt 482 Vgl.Gerpott (2005), S. 38 in Schallmo (2013), S. 23f. 483 Schallmo (2013), S. 24 484 Vgl. ebd., S. 25 485 Vgl. ebd., S. 24 166 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell anhand eines Prozesses mit einer Abfolge von Aufgaben und Entscheidungen, die in logischem und zeitlichem Zusammenhang zueinanderstehen. Die Aufgaben dienen der Entwicklung, der Implementierung und der Vermarktung eines Geschäftsmodells. Die Zielsetzung ist, Geschäftsmodell-Elemente so zu kombinieren, damit für Kunden und für Partner auf eine neue Weise Nutzen gestiftet wird; somit ist auch die Differenzierung gegenüber Wettbewerbern möglich. Diese Differenzierung dient dazu, die Kundenbeziehungen zu festigen und einen Wettbewerbsvorteil aufzubauen. Eine weiter Zielsetzung ist, eine schwere Imitierbarkeit zu erreichen und das sich die Geschäftsmodell-Elemente gegenseitig verstärken, um Wachstum zu generieren.“ 486 Abb. 32: Bestandteile der Definition von Geschäftsmodell-Innovation 487 Auch nach Zollenkop kann sich die Veränderung auf einzelne oder mehrere Bestandteile des Geschäftsmodells beziehen. 488 Seine Ausführung zum Thema GMI macht zusätzliche Unterschiede deutlich: Differenziert wird zwischen der Geschäftsmodellinvention, die er als neues aber noch nicht realisiertes Konzept eines Geschäftsmodells definiert, und der Geschäftsmodellinnovation, die ein erfolgreich in die Praxis umgesetztes Geschäftsmodell beschreibt, dessen Neuheit auf Potenzial- und Bedarfsseite auch subjektiv wahrgenommen wird. Es gibt graduelle und prinzipielle GMI, die aus der Veränderung der Leistung und der Know-how-Entwertung ent- 486 Schallmo (2013), S. 29 487 Vgl. ebd. 488 Vgl. Zollenkop (2006), S 112 4 Geschäftsmodellinnovation 167 stehen. Das dominante GM-Design beschreibt ein sich sukzessiv im Wettbewerb durchsetzendes GM, das dann auch von einer Mehrzahl von Konkurrenten adaptiert wird. Auf Komponentenebene findet die Innovation auf der Ebene der Bestandteile statt, ohne dass das Zusammenwirken der Komponenten damit zu tun hat. Andersherum findet auf der Architekturebene eines GM eine Innovation statt, während die Komponenten unverändert bleiben. 489 Die Typologie der GMI von Zollenkop bezeichnet vier Basistypen, die sich in der Reichweite der Innovation unterscheiden: modulare GMI, architektonische GMI, prinzipielle GMI und graduelle GMI (vgl. Abb. 33). Abb. 33: Optionenwürfel der Geschäftsmodellinnovation 490 Bei der modularen GMI werden, „je nach Reichweite - ein Bestandteil bzw. mehrere Bestandteile des Geschäftsmodells prinzipiell innoviert […], wobei die Architektur des Geschäftsmodells nur graduell verändert wird. Es erfolgt also ein Austausch auf Ebene der Bestandteile des Geschäftsmodells, bei dem die Schnittstellen zu den anderen Bestandteilen sowie deren Zusammenspiel bzw. der „Fit“ des Geschäftsmodells nur geringfügigen Modifikationen unterworfen ist.“ 491 „Praktisch als Gegenstück zur oben hergeleiteten Variante werden [bei der architektonischen GMI] die Schnittstellen und Wirkungsbeziehungen zwi- 489 Vgl. Zollenkop (2006), S. 118f. 490 Vgl. ebd., S. 121 491 Vgl. ebd. 168 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell schen den Geschäftsmodellbestandteilen - mithin die Geschäftsmodellarchitektur - prinzipiell innoviert, während die Bestandteile selbst lediglich durch graduelle Innovationen verändert werden. Die weitgehend gleichen Module werden also in völlig neuer Art zueinander in Beziehung gesetzt, woraus sich prinzipiell neue Leistungspotenziale des Geschäftsmodells gegenüber dem Status quo ergeben.“ 492 Bei der prinzipiellen GMI erfahren „sowohl die Bestandteile als auch die Geschäftsmodellarchitektur eine prinzipielle Innovation […]. Die neuen Geschäftsmodellbestandteile weisen also keine Kompatibilität und Komplementarität mit der bestehenden Architektur des Geschäftsmodells mehr auf, sodass die Wirkungsbeziehungen zerstört werden und völlig neue Schnittstellen und damit eine neue Architektur erfordern.“ 493 Die graduelle GMI ist dann gegeben, wenn beides, sowohl die GM- Bestandteile als auch die Architektur nur graduell innoviert werden. Die Verbindungen zwischen den Elementen bleiben erhalten. Die Wirkungsmechanismen zwischen den GM-Elementen werden lediglich inkrementell verändert. 494 Afuahs Herangehensweise ähnelt der von Zollenkop in gewissen Zügen. Er begegnet dem Thema mit zwei entscheidenden Fragen, die bei einer GMI relevant sind: 1) „To what extend are the rules of the game changed by the innovation? That is, how game changing is the business model innovation? [2)] Are the rules of the game changed so much that the old ways of doing things are no longer effective? ” 495 Um das Ausmaß der Veränderung verstehen und einschätzen zu können, werden zwei wichtige strategische Variablen vorgeschlagen: 496 zum einen der Grad dessen, wie sehr die GMI die Wettbewerbsfähigkeit eines Produkts oder einer DL beeinflusst. Bei radikalen Änderungen ist es wahrscheinlich, dass Produkte/ DL des alten GM im neuen Markt nicht mehr konkurrenzfähig sind. Und zum anderen der Grad dessen, wie sehr die GMI die Leistungsfähigkeiten (Capabilities) beeinflusst bzw. überflüssig macht. Bei drastischen Änderungen kann es dazu kommen, dass die Ressourcen und Aktivitäten des alten GM für das neue nicht mehr anwendbar oder nützlich sind. 492 Vgl. Zollenkop (2006), S. 123 493 Vgl. ebd., S. 128 494 Vgl. ebd., S. 129 495 Afuah (2014), S. 12 496 Vgl. ebd. 4 Geschäftsmodellinnovation 169 Diese beiden Dimensionen werden in einer 2x2-Matrix (siehe Abb. 34) zusammengefasst. Abb. 34: Types of business model innovations 497 Daraus ergeben sich die folgenden vier Typen von GMI: regular, capabilities-building, position-building, revolutionary. 498 Bei einer „regulären“ GMI wird auf existierende Leistungsfähigkeiten (Capabilities), wie z.B. Ressourcen, Aktivitäten oder die Wertekette aus einem alten GM zurückgegriffen, um das neue, reguläre GM aufzubauen. Existierende Produkte bleiben in ihrem alten Markt konkurrenzfähig. Bei dem „capabilities-building“-Typus sind die für das neue GM benötigten Leistungsfähigkeiten (Capabilities) radikal unterschiedlich zu denen des alten GM. Die Produkte des alten GM bleiben aber wie beim regulären weiterhin konkurrenzfähig. Produkte beider GM können nebeneinander existieren. Änderungen in den „Spielregeln“ sind zu einem großen Teil bezogen auf die „Capabilities“. Im Gegensatz zu den beiden vorherigen verlieren in der positionsbildenden GMI die Produkte/ DL des alten GM ihre Wettbewerbsfähigkeit. Nach der Innovation werden hauptsächlich nur noch die Produkte/ DL des neuen GM nachgefragt. Die „Capabilities“, die das neue GM untermauern, sind primär die aus dem alten GM. Bei einer revolutionären 497 Afuah (2014), S. 13 498 Vgl. ebd., S. 13ff. 170 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell GMI wird so gut wie alles geändert. Die „Capabilities“ des alten GM sind größtenteils nutzlos für eine weitere Anwendung im neuen GM und die Produkte/ DL sind ebenfalls überholt. 499 Die Matrix könnte unterstellen, dass GMI etwas Statisches ist. Die Realität verhält sich aber eher dynamisch und die GM können sich von einem der vier Typen zu einem anderen weiterentwickeln oder verändern. Die Abbildung stellt nur einen Zeitpunkt dar. 500 Die Gründe für eine GMI können vielfältig sein. Wie oben in Bezug auf die Verbindung zwischen Strategie und GM bereits gezeigt wurde, resultiert das GM aus der Unternehmensstrategie, die GMI hat somit ihren Ursprung auch dort. Nach Osterwalder/ Pigneur können die Ideen für eine GMI (angelehnt Business Model Canvas) in jedem der von ihnen definierten neun Bausteine (vgl. Abb. 35 weiter unten) ihren Ursprung haben, es werden dennoch vier bzw. fünf Ausgangsunkte identifiziert, die Epizentren der GMI: 501 1. Ressourcenbedingt: Der Ursprung für eine Erweiterung oder Veränderung des GM liegt hier in der existierenden Infrastruktur eines GM oder in dem Verbund mit Schlüsselpartnern. 2. Angebotsbedingt: Hier werden neue Werteangebote für den Kunden und für Partner geschaffen, die Auswirkungen auf andere Bausteine haben. 3. Kundenbedingt: Der Ursprung der Innovation liegt bei den Kundenbedürfnissen oder aber auch in dem Wunsch nach einem erleichterten Zugang oder gesteigerter Bequemlichkeit. Auch hier werden andere Bausteine tangiert. 499 Vgl. Afuah (2014), S. 14 500 Vgl. ebd., S. 15 501 Vgl. Osterwalder/ Pigneur (2011), 142f. 4 Geschäftsmodellinnovation 171 4. Finanzbedingt: Ausgangspunkt sind neue Einnahmequellen, Pricing-Mechanismen oder geänderte Kostenstrukturen, die ebenfalls weitere Bausteine betreffen. 5. Durch mehrere Epizentren bedingt: Hier liegt der Ursprung der Innovation nicht nur bei einem sondern bei mehreren Bausteinen des BMC. Die Auswirkungen können wiederum mehrere weitere Bausteine betreffen. Ziele und Motivationen für Geschäftsmodellinnovationen sind in Tabelle 4 dargestellt: Tabelle 4: Ausgangspunkt für die Geschäftsmodellinnovation 502 502 Osterwalder/ Pigneuer (2011), S. 249 172 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell 4.2 Gestaltungsprozess Die Geschäftsmodellinnovation erfolgt nur in seltenen Fällen allein aufgrund eines glücklichen Zufalls. Bei einer geplanten GMI besteht die Schwierigkeit darin, das existierende Durcheinander und unerwartete Umfeld des Innovations- und Designprozesses so weit zu ordnen, dass strukturiert vorgegangen werden kann. Der „Designstandpunkt“ 503 beschreibt den Umstand, dass Alternativen abwägen und analysieren keine gute Methode für diesen Gestaltungsprozess ist und es zielführendere Möglichkeiten zu einem neuen GM gibt. 504 Die GMI kann nicht exakt vorhergesehen und geplant werden, sondern muss ausprobiert werden, um dann aus den Fehlern zu lernen und Adaptionen vorzunehmen. 505 Nach Osterwalder/ Pigneur hat ein Prozess zur GM-Gestaltung fünf Phasen (vgl. Abb. 35): Abb. 35: Die fünf Phasen der GM-Gestaltung (nach Osterwalder/ Pigneur) 506 Das Mobilisieren beschreibt die Vorbereitung auf die Geschäftsmodell(neu)gestaltung. Hier werden die Voraussetzungen geschaffen, indem alle notwenigen Elemente zusammengetragen werden, das notwenige Team eingeschworen wird, sowie Motivation und ein Bewusstsein für die Notwendigkeit eines neuen Geschäftsmodells geschaffen wird. 507 Die zweite Phase, das Verstehen, umfasst die Recherche- und Analysearbeit bezogen auf die für den Gestaltungsprozess notwendigen und geeigneten 503 Osterwalder/ Pigneur (2011), S. 250 504 Vgl. ebd. 505 Vgl. Chesbrough/ Rosenbloom (2002), S. 356 506 in Anlehnung an Osterwalder/ Pigneur, 2011, S. 253 507 Vgl. Osterwalder/ Pigneur (2011), S. 253f. 4 Geschäftsmodellinnovation 173 Elemente. Verstehen heißt auch, die in der ersten Phase erfolgten Aktivitäten, Komponenten, aber auch vor allem das notwenige Wissen über das Umfeld, die Technologie und die Kunden zu vertiefen. Es werden zudem Informationen gesammelt, Experten befragt und die Kunden hinsichtlich ihrer Bedürfnisse und ggf. Probleme untersucht. 508 Beim Gestalten geht es um die Integration der Analyse- und Rechercheergebnisse aus der vorherigen Phase. Daraus resultierend werden Prototypen für mögliche Geschäftsmodelle erstellt und getestet, um aus der Menge an Ideen eine realisierbare GM-Option auszuwählen. 509 Beim Implementieren geht es darum, die in der vorherigen Phase ausgewählten GM-Prototypen aus der Gestaltungsphase in die Praxis umzusetzen und am Markt zu implementieren. 510 Beim Durchführen des Geschäftsmodells müssen, abhängig von Marktreaktionen, Adaptionen und Korrekturen durchgeführt und eine Managementstruktur geschaffen werden, um Funktionen wie eine fortdauernde Überwachung, Bewertung oder weitere Adaptionen und Modifikationen gewährleisten zu können. 511 Schallmo bezeichnet diese Phase in seiner Stellungnahme daher auch als „Steuern des Geschäftsmodells.“ 512 Der Ansatz der „agilen Geschäftsmodellinnovation“ (agile business model innovation 513 ) beinhaltet zwei grundlegende Stufen und vier Regeln, die ein Unternehmen befolgen sollte, um erfolgreich seine GM zu innovieren: 514 Stufe 1: Geschäftsmodellinnovation fördern Auf Basis von Interviews mit mehr als 700 CEOs sollten die treibenden Kräfte für eine GMI identifiziert werden. Dabei kam heraus, dass GMI nicht notwendigerweise eine dynamische Fähigkeit ist, die sich wie eine erlernbare Qualifikation anreichert und von Mal zu Mal besser wird. „[…] Getting it right once does not predict getting it right again.“ 515 Als Treibkräfte wurde bezeichnet, dass GM-Designer einen weiteren Horizont besitzen. Sie sind 508 Vgl. Osterwalder/ Pigneur (2011), S. 253, 256 509 Vgl. ebd., S. 253, 258 510 Vgl. ebd., S. 253; vgl. Schallmo (2013), S. 89 511 Vgl. Osterwalder/ Pigneur (2011), S. 253 512 Schallmo (2013), S. 89 513 Bock/ George (2014) in: EuropeanBusinessReview Online 514 Vgl. ebd. 515 Vgl. ebd. 174 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell eher auf Globalisierung und sich ändernde geopolitische und umweltbedingte Zusammenhänge, wie industriebedingte Probleme, eingestellt. Außerdem suchen GM-Designer aktiv nach unstetigen und disruptiven Innovationen. Sie bauen auf eine starke zentrale Führung auf Geschäftsführerebene. Während andere Innovationen von einer Bottom-Up Beteiligung des Teams profitieren, benötigt die GMI eine top-down Führung bei radikalen Veränderungen. 516 Stufe 2: Ein agiler Geschäftsmodellinnovator werden Die Agilität während der GMI fordert die traditionellen Theorien zur Flexibilität und Innovation heraus. Die folgenden vier Regeln für ein agiles GMI sind schwierig umzusetzen, da sie den Grundsätzen des strategischen Wachstums widersprechen, dennoch sind sie hilfreich und notwendig 517 : [1] Regel: Strukturen vereinfachen - Da während der Innovation die Führungsaufmerksamkeit auf einem Höchststand ist, müssen die internen Strukturen vereinfacht bzw. verschlankt werden und Aktivitäten mit niedriger Priorität an zuverlässige Partner delegiert werden. [2] Regel: Wissenspartnerschaften - Während die Aufmerksamkeit von Nebentätigkeiten reduziert wird, muss durch Partnerschaften der Zugang zu (neuem) Wissen gesichert werden, da Wissen einen Schlüsselfaktor darstellt. [3] Regel: Eigenständigkeit (self-reliance) der Innovation fördern - Da bei einer Innovations-Partnerschaft der Partner die resultierenden Opportunitäten abweichend wahrnehmen kann, die Koordination von zwei oder mehr unterschiedlichen Unternehmensstrukturen, -kulturen und Kapitalprofilen hohe Kosten erzeugen kann und die Partnerschaft für eine GMI zudem die Gefahr eines sehr geringen Wertes birgt und der Partner zum Konkurrenten werden kann, muss die agile GMI selbstständig sein. [4] Regel: Kreativität auch an den Unternehmensgrenzen anerziehen - Da die GMI notwendigerweise auch neue, unbekannte Märkte und wertschaffende Aktivitäten erkunden, ist Kreativität im Unternehmen unerlässlich. Während einige Unternehmen sich dafür auf den Scharfsinn einiger Schlüsselmitarbeiter verlassen, fördert ein agiler GM-Designer schnelle und kostengünstige Experimente an den Schnitt- oder Nahtstellen mit Kunden und Märkten. Dies generiert Informationen über neue Trends und vereinfacht das Testen von Prototypen. 516 Vgl. Bock/ George (2014), in EuropeanBusinessReview Online 517 Vgl. ebd. 4 Geschäftsmodellinnovation 175 Die nachfolgende Grafik (vgl. Abb. 36) zeigt, wie die Regeln der agilen GMI auf den Treibkräften der GMI aufbauen: Abb. 36: The agile BMI rules build on the drivers of business model innovation 518 518 Bock/ George (2014), Onlineartikel 5 Innovative Geschäftsmodelle Der Vollständigkeit halber wird nun noch der Begriff der „innovativen Geschäftsmodelle“ kurz erläutert und abgegrenzt, da dieser regelmäßig in Zusammenhang mit GM und GMI Erwähnung findet. Müller-Stevens/ Lechner beschreiben innovative GM wie folgt: „Immer wieder gelingt es Unternehmen, mit innovativen Geschäftsmodellen die Logik ihrer Branche zu erneuern. Das Ergebnis ist, dass im Anschluss nach ‚neuen Spielregeln‘ in einer Branche gearbeitet wird und auch etablierte Unternehmen der Branche diese nicht ignorieren können. Innovative Geschäftsmodelle basieren oft, aber nicht immer, auf technologischen Entwicklungen. Sie eröffnen den Zugang zu neuen Geschäftsfeldern, um Aktivitäten in einer markant verbesserten Form zu erbringen.“ 519 Hier ist nicht grundlegend etwas anderes gemeint, als bei den zuvor beschriebenen Begriffen des GM und der GMI. Innovative GM sind eher wie die Idee des dominanten Geschäftsmodelldesigns, welches bei Zollenkop im Rahmen der GMI erwähnt wurde. 520 Die Definition von Schallmo macht eher den Unterschied zwischen „innovativen Geschäftsmodell“ und Geschäftsmodellinnovation deutlich: „In der Geschäftsmodell-Ideen-Gewinnung (1. Phase im Vorgehensmodell der Geschäftsmodell-Innovation) erfolgt mit Hilfe von Kreativtechniken die Ableitung von Ideen für neue und innovative Geschäftsmodelle, ohne sich an bestehende Denkraster oder bestehenden Geschäftsmodellen zu orientieren.“ 521 Hier sind innovative GM als Teil des Gestaltungsprozesses bei GMI zu interpretieren. Im Folgenden wird Zollenkops Differenzierung als Grundlage benutzt, nach der es sich bei einem „innovativen Geschäftsmodell“ um ein radikal neues Geschäftsmodell handelt, das nicht auf einem bereits bestehenden Geschäftsmodell basiert. Außerdem differenziert Zollenkop „zwischen der Geschäftsmodellinvention, die er als neues aber noch nicht realisiertes Konzepts eines Geschäftsmodells definiert, und der Geschäftsmodellinnovation, die ein erfolgreich in die Praxis umgesetztes Geschäftsmodell beschreibt, 519 Müller-Stevens/ Lechner (2011), S. 401 520 Vgl. Zollenkop (2006), S 118f. 521 Schallmo (2014), S. 456 17 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell 5 Innovative Geschäftsmodelle 177 dessen Neuheit auf Potenzial- und Bedarfsseite auch subjektiv wahrgenommen wird.“ 522 Zollenkops Logik folgend und seinen Gedankengang durch Schallmos Aussage und Definition erweiternd, könnte der Begriff des „innovativen Geschäftsmodells“ zwischen die Geschäftsmodellinvention und die Geschäftsmodellinnovation eingefügt werden (vgl. Abb. 37): Abb. 37: Begriffe innovatives GM, GMI und GM-Invention 522 Zollenkop (2006), S. 118 6 Literatur und Informationen zu Teil II Afuah, A. (2014): „Business Model Innovation - Concepts, Analysis and Cases”; 1. 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(2012), S. 27ff. 528 Osterwalder/ Pigneur (2011), S. 63 6 Literatur und Informationen zu Teil II 191 Informationen: Abbildungen Abb. 38: St. Galler Management-Modell nach Bleicher 529 529 Völker et al. (2012), S. 23 192 Teil II Innovation, Innovationstheorien und Geschäftsmodell Abb. 39: S-Kurven-Konzept 530 Abb. 40: Management von Innovationen (normativ, strategisch und operativ) 531 530 Hofbauer/ Bergmann (2012), S. 19 531 Gassmann/ Sutter (2013), S. 7 6 Literatur und Informationen zu Teil II 193 Abb. 41: Occurrences of the Term ‘Business Model’ in Scholarly Reviewed Journals 532 532 Osterwalder et al. (2005), S. 3 Teil III Digitalisierung und Innovation Wilhelm Schmeisser und Yana Kaziulia 1 Technische Entwicklung und Industrie 4.0 Deutschland, Europa und die Welt stehen am Anfang eines bedeutenden technischen, sozialen und finanziellen Wandels hin zu dem, was als Industrie 4.0 bezeichnet wird. Neuartige Geschäftsmodelle ändern unser Wirtschaftssystem in einem ungewöhnlich hohen Tempo. 533 Der Name dieser Entwicklung, Industrie 4.0, wurde zum ersten Mal im Rahmen der Hannover-Messe 2011 benutzt, um ein Zukunftsprojekt der Regierung der BRD zur Förderung der „Informatisierung“ der deutschen Fertigungstechnik zu bezeichnen. Die bevorstehende vierte industrielle Revolution, sowohl im Bereich der Produktion als auch im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien, basiert auf der Idee einer intelligenten Fabrik. 534 Demnach bedeutet die vierte industrielle Revolution eine neue Stufe „der Organisation und Management der gesamte Wertschöpfungskette“. 535 Alles soll miteinander vernetzt werden, jede Maschine und jedes Produkt soll einen Anschluss an das World Wide Web erhalten. Maschinen können dann in der Produktion miteinander kommunizieren, Aufträge ausführen und über lange Distanz in Echtzeit ihren Status übermitteln. Überall wird es Sensoren geben und der Mensch wird in vielen Teilen der Kette überflüssig. Die Rolle und Bedeutung der Programmierer wird immer entscheidender werden, andere werden nur noch tun müssen, was die Maschinen ihnen sagen. Computerchips werden jetzt schon exponentiell immer leistungsfähiger. 536 Die zugehörigen digitalen Transformationsprozesse in Kommunikation, Information und Transaktion machen ein neues Verständnis der Funktionsweise der digitalen Märkte und ihre Akteure notwendig und führen zur Entstehung neuer Tätigkeitsfelder für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Unternehmen sind heute mit dem Problem des globalen Online-Wettbewerbs konfrontiert, der alle Branchen beeinflusst. Die Medienindustrie, der Einzel- 533 Vgl. Becker, T., Knop, C., Digitales Neuland. Warum Deutschlands Manager jetzt Revolutionäre werden. Springer Gabler 2015, S. 1 534 Vgl. Siepmann, D. Industrie 4.0 - Struktur und Historie. In: Roth, A., Einführung und Umsetzung von Industrie 4.0. Grundlagen, Vorgehensmodell und Use Cases aus der Praxis, Springer Gabler 2016, S. 20 535 Vgl. Sendler, U., Industrie 4.0 grenzenlos, Springer Vieweg 2016, S. 18 536 Vgl. Becker, T., Knop, C., Digitales Neuland. Warum Deutschlands Manager jetzt Revolutionäre werden. Springer Gabler 2015, S. 1 Industrie 4.0 199 198 Teil III Digitalisierung und Innovation handel und die Musikindustrie erleben diese Veränderungen schon seit mehr als zehn Jahren. In anderen Bereichen wie Logistik und Verkehrswesen, Autoindustrie, Finanzen oder Ingenieurwesen haben die Veränderungen gerade erst begonnen. Vor diesem Hintergrund passen sich nicht nur die Produkte, sondern auch die damit verbundenen Dienstleistungen an, die in Zukunft einen höheren Stellenwert erhalten. Dies setzt ein neues Verständnis für die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle bei Unternehmern sowie ihren Mitarbeitern voraus, die über entsprechende Kompetenzen verfügen müssen. Am Ende steht die Beseitigung der Grenze zwischen der realen und der digitalen Wirtschaftswelt. 537 Die technischen Fähigkeiten und Trends bieten Chancen für neue Geschäftsmodelle. Auch neue Teilnehmer erscheinen auf dem Markt. Dies macht Druck auf etablierte Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell überprüfen und anpassen müssen. 538 Die tatsächliche Chance findet sich in der konsequenten Verbindung von Produktentwicklungs- und Produktionsprozessen mit modernsten Lösungen aus der Informations- und Kommunikationstechnologie durch die Industrie 4.0, um die Wertschöpfung im gesamten Produktlebenszyklus zu optimieren und Geschäftsmodelle für Unternehmen zu bieten. Selbstverständlich birgt die wachsende Vernetzung von Betriebsanlagen in der Industrie 4.0 auch Risiken. 539 Das Verständnis von Trends und das Bewusstsein für Risiken sind gleichermaßen wichtig für den Aufbau eines erfolgreichen Geschäftsmodells. Hierfür ist die Analyse von Ursache-Wirkungs-Ketten der Risiken ein weiterer relevanter Baustein, um mögliche Schwachstellen durch geeignete Strategien und Maßnahmen beseitigen zu können. 540 537 Vgl. Kollmann, T., Schmidt, H., Deutschland 4.0. Wie die digitale Transformation gelingt, Springer Gabler 2016, S. V 538 Vgl. Kaufmann, T., Geschäftsmodelle in Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge. Der Weg vom Anspruch in die Wirklichkeit, Springer Vieweg 2015, S. 3 539 Vgl. Roth, A., Industrie 4.0 - Hype oder Revolution? In: Roth, A., Einführung und Umsetzung von Industrie 4.0. Grundlagen, Vorgehensmodell und Use Cases aus der Praxis, Springer Gabler 2016, S. 13 540 Vgl. Knoll, M., IT-Risikomanagement im Zeitalter der Digitalisierung, Online publiziert: 26. Januar 2017, Springer Fachmedien Wiesbaden 2017, S. 4-7 2 Die Geschichte von Industrie 1.0 bis Industrie 4.0 199 2 Die Geschichte von Industrie 1.0 bis Industrie 4.0 Wenn man über Industrie 4.0 als vierte industrielle Revolution sprechen möchte, ist es sinnvoll, das Thema mit einem Blick auf die vorherigen drei Stufen zu beginnen, um zu analysieren, wie vorherige industrielle Revolutionen stattgefunden und sich gegenseitig beeinflusst haben. 541 Abb. 42: Stufen der industriellen Entwicklung. Quelle: Bauernhansl, T., ten Hompel, M., Vogel-Heuser, B., Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik, Springer Vieweg 2014, S.6 2.1 Entwicklung zur Industrie 1.0 Die erste industrielle Revolution begann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert in Großbritannien mit bedeutenden Erfindungen angesichts einer vorangegangenen agrarischen Revolution, die zu einem kapital- und arbeitsintensiven Bodenanbau, zur Umstrukturierung des Eigentums und zur Entwicklung eines ländlichen Proletariats von Lohnarbeitern führte. 542 541 Vgl. Bauernhansl, T., ten Hompel, M., Vogel-Heuser, B., Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik, Springer Vieweg 2014, S. 6 542 Vgl. Görtemaker, M., Deutschland im 19. Jahrhundert. Entwicklungslinien, Bonn: Bundeszentrale für Polit. Bildung, 1994, S. 151 200 Teil III Digitalisierung und Innovation Diese Revolution von Produktion, Handel und Mentalität seit 1780 erfasste zuerst Großbritannien, dann Frankreich und Belgien und schließlich auch die Staaten des Deutschen Bundes. Der Begriff „industrielle Revolution“ fand erst ab 1837 Verbreitung und wurde durch den französischen Ökonomen Adolphe Blanque geprägt. 543 Zu den wichtigsten Erfindungen der Zeit gehören das fliegende Weberschiffchen (1733), das Spinnrad mit mehreren Spindeln (1764), die Dampfmaschine (1765), die Spinnmaschine (1769), der mechanische Webstuhl (1786) und Selfaktor-Feinspinnmaschine. 544 Die Idee, dass Maschinen oder Automaten den Menschen Arbeit abnehmen oder ihn in der Warenproduktion sogar ganz ersetzen könnten, war im Zeitalter der Aufklärung populär geworden. Die fortschreitende Industrialisierung hing nicht nur von technischen Entwicklungen und ihrer systematischen Anwendung ab, sondern auch von einer Reihe Umgebungsumständen. In Deutschland waren diese vor allem eine deutliche Zunahme der Bevölkerung seit Beginn des 19. Jahrhunderts sowie die Entwicklung der Landwirtschaft, durch welche Arbeitskräfte für die Industrie freigesetzt wurden und die Vereinfachung des Güteraustausches durch die Verringerung der Zollschranken zwischen den deutschen Staaten. Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Industrialisierung war der Ausbau von Transportverbindungen, die einen schnellen und sicheren Transport von Waren erlaubten. Dampfschiffe und die Entwicklung der Eisenbahn waren ein Entwicklungsschritt, der das weitere Tempo der Industrialisierung diktierte. 545 2.2 Zur 2. industriellen Revolution Meistens wird der Beginn der zweiten industriellen Revolution auf den Zeitraum zwischen 1870 und 1914 datiert, wenn auch einige charakteristische Ereignisse schon in den 1850er Jahren stattfanden. Infolge der Veränderungen der Produktionstechnologien vermehrten sich die technologischen Systeme. Einige rudimentäre Systeme dieser Art waren bereits vor dem Jahr 1870 im Einsatz: Eisenbahn- und Telegraphennetzwerke sowie Gas-, Wasser- und Abwassersysteme in Großstädten. Nach 1870 haben sie sich deut- 543 Vgl. Bremm, K.-J., Das Zeitalter der Industrialisierung, Darmstadt: Theiss, 2014, S. 12 544 Vgl. Görtemaker, M., Deutschland im 19. Jahrhundert. Entwicklungslinien, Bonn: Bundeszentrale für Polit. Bildung, 1994, S. 151 545 Vgl. ebd., S. 155, 160 2 Die Geschichte von Industrie 1.0 bis Industrie 4.0 201 lich entwickelt, und neue Systeme wie Strom und Telefon kamen hinzu. Im Rahmen der zweiten industriellen Revolution wurde das große technologische System von einer Ausnahme zu einem Teil des Alltags. Am berühmtesten wurde von 1911 bis 1914 die Fließbandproduktion des Modells T in den Ford-Werken in der Nähe von Chicago, die auf den Ideen von Taylors „Wissenschaftlicher Betriebsführung“ beruhte. In den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts war das Zeitalter des Eisens vollends angebrochen. Für viele Anwendungen war allerdings das übliche, billige Schmiedeeisen dem hochwertigeren Stahl unterlegen, und so wurde die Herstellung von billigem Stahl zu einer der wichtigsten Herausforderungen. Henry Bessemer löste dieses Problem im Jahre 1856 durch sein neuartiges Verfahren zur Stahlproduktion endgültig. Das Wachstum der Stahlindustrie, die aufgrund seiner Entwicklung auftrat, wurde zum Symbol der zweiten industriellen Revolution. Die zweite industrielle Revolution war weitgehend eine Fortsetzung und Konsequenz der ersten. Das Wissen und die Erfahrung, die in diesen Jahren hinzukamen, haben den Weg für weitere industrielle Revolutionen geebnet. 546 2.3 Industrie 3.0 Es herrscht Uneinigkeit über die Definition von Industrie 3.0. Laut Bauernhansl begann die dritte industrielle Revolution nach dem Zweiten Weltkrieg in den frühen 1960er Jahren. In Deutschland war es die Zeit des Wirtschaftswunders. Diese Revolution wurde durch Entwicklungen im Bereich der Elektronik und später auch der Informations- und Kommunikationstechnologien verursacht, die die fortschreitende Automatisierung von Produktionsprozessen ermöglichten. So gab es auf der einen Seite eine Rationalisierung, auf der anderen wurde in der Folge die variantenreiche Serienproduktion möglich. Während der Zeit des Übergangs von Wirtschaftswunder in die 1980er Jahre wurden viele Märkte gesättigt, da die Grundbedürfnisse einer wohlhabenden Gesellschaft erfüllt worden waren. Die Absatzmärkte wurden zu Käufermärkten. Die Waren mussten nicht nur produziert, sondern auch verkauft werden. Die Wünsche der Kunden wurden individueller und die Anforderungen an Qualität höher. Gleichzeitig entwickelte sich die soziale Marktwirtschaft in Deutschland. Dank der Informations- und Kommunikations- 546 Vgl. Joel Mokyr Robert H., The Second Industrial Revolution, 1870-1914, Northwestern University 2003, S. 1-18 202 Teil III Digitalisierung und Innovation technologien und später dem Internet wurde Wissen weithin verfügbar. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs begann sich dann die Globalisierung ungebremst zu verbreiten. Die Zahl der Arbeitsplätze auf der ganzen Welt wuchs, und globale Verteilung von Produktion wurde zu einem Mittel der Wahl. Während dieser dritten industriellen Revolution verlor der Anteil der Wertschöpfung am Bruttoinlandsprodukt immer mehr an Bedeutung. Wirtschaftswissenschaftler hielten es für sicher, dass aus entwickelten Volkswirtschaften Dienstleistungsgesellschaften entstehen und so die Industrie ein ähnliches Schicksal wie zuvor die Landwirtschaft erleidet, also das Versinken in der Bedeutungslosigkeit. Nach der Finanzkrise von 2007/ 08 haben viele Wirtschaftswissenschaftler ihre Ansichten überdacht. Im Moment wird davon ausgegangen, dass hochentwickelte Länder einen hohen Anteil an Industrie benötigen, um erfolgreich zu sein. 547 547 Vgl. Bauernhansl, T., ten Hompel, M., Vogel-Heuser, B., Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik, Springer Vieweg 2014, S. 7-8 3 Internet der Dinge Heutzutage sind nicht mehr nur Computer, Tablets oder Smartphones mit dem Internet verbunden, sondern auch andere Artikel und Geräte. Deswegen wird immer mehr über das „Internet der Dinge“ gesprochen. Vernetzte Geräte werden bei den Anwendern immer beliebter: Im Jahr 2016 waren weltweit mehr als vier Milliarden vernetzter Geräte im Einsatz und die Experten erwarten, dass bis 2020 die Anzahl solcher Geräte auf 13,5 Milliarden steigen wird - das wäre ein Wachstum von über 230 Prozent. 548 Eine Schlüsselrolle im Internet der Dinge wird dem Smartphone zugeordnet, das als digitaler Assistent fungiert. Alle Informationen werden mit diesem Gerät koordiniert. Es ist ein ständiger Begleiter des Menschen und perfekt in unser tägliches Leben integriert. Die durch die Entwicklung von Smartphones vorangetriebene Miniaturisierung elektronischer Bauelemente ermöglicht es, alle Geräte, die vernetzt werden müssen, mit den kleinsten Computerkomponenten, Sensoren und WLAN-Antennen oder nur mit RFID-Tags auszustatten, wodurch eine automatische Kommunikation zwischen den Geräten ermöglicht wird. Das Internet der Dinge verändert allmählich unsere Welt. Unser täglicher Einkauf beispielsweise könnte bald ganz anders aussehen: Wenn alle Produkte mit RFID-Tags ausgestattet werden, braucht ein Supermarkt kein Kassenpersonal mehr. Der Warenkorb kann dann automatisch am Ausgang des Supermarktes ausgelesen werden. Bezahlt wird automatisch via Smartphone; Technologien wie NFC (Near Field Communication) und andere machen das heute schon möglich. 549 Laut einer Umfrage, die vom Marktforschungsunternehmen Forrester Research unter 3.600 Entscheidungsträgern auf der ganzen Welt durchgeführt wurde, hat jedes fünfte Unternehmen in der Welt bereits mit der Vernetzung begonnen und weitere 28 Prozent planen dies in naher Zukunft. Die höchsten Zustimmungswerte gab es bei den chinesischen Unternehmen. Die meisten Anwendungen für das Internet der Dinge werden zurzeit im Bereich der Logistik, Sicherheit und Überwachung umgesetzt. Gemäß dieser Studie sind intelligente Produkte vor allem im Gesundheitswesen und im Energiemanagement zu finden. 550 548 cards Karten cartes Heft 2, 2017, S. 28 549 Vgl. Andelfinger, V.P., Hänisch, T., Internet der Dinge. Technik, Trends und Geschäftsmodelle, Springer Gabler 2015, S. 5-10 550 Vgl. Pelino, M., Gillett, F.E., Forrester Research (2016). The Internet Of Things Heat Map, 2016: Where IoT Will Have The Biggest Impact On Digital Business, S. 4 4 Technologien mit Zukunftspotenzial 20 Teil III Digitalisierung und Innovation 4 Technologien mit Zukunftspotenzial „Industrie 4.0 basiert auf der technischen Möglichkeit, Produkte unterschiedlichster Art, die mit digitalen Komponenten ausgerüstet und über Software steuerbar sind, mit dem Internet zu verbinden und darüber Dienstleistungen anzubieten“. Nur die Verfügbarkeit dieser technischen Basis würde nicht ausreichen, um die vierte industrielle Revolution umzusetzen. Es gibt einige Technologien, die schon seit langem verfügbar sind, aber im Kontext des Internets der Dinge und Dienste eine neue Bedeutung erlangen. Und in Kombination mit dem Einsatz dieser Technologien ist die Industrie 4.0 eine sehr reale Vision. 551 4.1 RFID-Technologie Die RFID-Technologie ist ein Verfahren zur automatischen Identifizierung von Objekten, bei dem Daten durch Funksignale gelesen oder geschrieben werden und in sogenannten Transpondern oder RFID-Tags gespeichert werden. Informationen können mit einem kontaktlosen Lesegerät noch aus mehreren Metern Entfernung ausgelesen werden. Ein RFID-System besteht in der Regel aus drei Komponenten: einem Rechner, einem Lesegerät mit der Kopplungseinheit und RFID-Transpondern (siehe Abb. 43). Abb. 43: Komponenten eines RFID-Systems. Quelle: Lampe, M., Flörkemeier, C., Haller, S., Einführung in die RFID-Technologie. In: Fleisch, E., Matter, F., Das 551 Vgl. Sendler, U., Industrie 4.0 grenzenlos, Springer Vieweg 2016, S. 41 4 Technologien mit Zukunftspotenzial 205 Internet der Dinge. Ubiquitos Computing und RFID in der Praxis, Springer 2005, S. 70-74 Das Lesegerät ist mit einem Computer, z.B. einem PC über eine serielle Schnittstelle oder eine Netzwerkverbindung verbunden. Es gibt zwei Arten von Geräten, die entweder nur lesen oder sowohl lesen als auch schreiben können. Die Anwendung auf dem Computer sendet Kommandos und Daten an das Lesegerät und erhält wiederum Daten vom Lesegerät zurück. 552 Es gibt viele Einsatzmöglichkeiten für die RFID-Technologie, eine davon ist die Kennzeichnung und Identifizierung von Tieren. Diese Verwendung wird bei Nutztieren, Wildtieren, Zootieren und Haustieren eingesetzt. RFID ist das einzige verfügbare Autoidentifikationssystem, welches für die direkte Markierung geeignet ist, da es Umgebungsbedingungen widerstehen kann, für eine große Anzahl verschiedener Tierarten verwendbar ist und die Automatisierung von Prozessen ermöglicht. RFID-Systeme können in fast jedem Kontext von Personenidentifizierung (z.B. bei Personalausweisen, personengebundenen Eintrittskarten, Skipässe usw.) eingesetzt werden. RFID-Systeme werden auch für die Verbuchung, Kontrolle und Inventur in Bibliotheken verwendet. In den vergangenen Jahren wurde besonderes Augenmerk auf die Standardisierung und Optimierung von medizinischen Prozessen gelegt. Ein RFIDgestütztes Patientenidentifikationssystem ermöglicht eine effektive Erfassung und Verwaltung aller Patientendaten, kann das Zusammenspiel verschiedener Prozesse überwachen und medizinisches Personal im Fehlerfall informieren. 553 4.2 Big Data Wir leben im Zeitalter der Big Data. Wir erleben die radikale Erweiterung und Integration digitaler Geräte, von Netzwerken, Datenspeicherung und Berechnungssystemen. Datenerzeugung und -verbrauch werden zu einem essentiellen Bestandteil des täglichen Lebens der Menschen, vor allem mit der allgegenwärtigen Verfügbarkeit und Nutzung der Internet-Technologie und ihren Applikationen. Viele Unternehmen weltweit sammeln kontinuierlich massive Datenmengen: unter anderem über die Geschäft-Kunden- Interaktionen, den Verkauf von Produkten und die Ergebnisse von Werbe- 552 Vgl. Lampe, M., Flörkemeier, C., Haller, S., Einführung in die RFID-Technologie. In: Fleisch, E., Matter, F., Das Internet der Dinge. Ubiquitos Computing und RFID in der Praxis, Springer 2005, S. 70-74 553 Vgl. Kern, C., Anwendung von RFID-Systemen, Springer 2007, S. 95-163 206 Teil III Digitalisierung und Innovation kampagnen. Der Begriff Big Data wurde geprägt, um das enorme Wachstum der digitalen Datenmengen weltweit zu bezeichnen, die aus verschiedenen Quellen stammen und in vielen Formaten erzeugt werden. 554 Big Data stellt folgende Herausforderungen an verarbeitende Systeme: [1] große Menge (Volume), [2] Schnelllebigkeit/ Geschwindigkeit der Datenproduktion (Velocity), [3] viele verschiedene Strukturen und Formaten auf (Variety), [4] Richtigkeit - das Fällen von datenbasierten Entscheidungen (Veracity). Infrastrukturen von Big Data sind Computer-Systeme, und theoretische Hintergründe von Big Data sind Informatik und Informations- und Kommunikationstechnologien. Der Computer ist ein System, das aus vier Teilen besteht: Arithmetik- Einheiten, Datenspeichern, I/ O-Interfaces und Datenlagern. Daten werden in Datenlagern gespeichert. Wenn ein Computer Prozeduren verarbeitet, werden Daten und Programme aus dem Datenlager in den Datenspeicher geladen. Die Arithmetik-Einheiten verarbeiten die Daten in den Speichern als Berechnungen aus Binärziffern. Die Ergebnisse der Verarbeitung werden den Operatoren über I/ O-Interfaces angezeigt oder im Datenlager gespeichert. Datenlagerzugriffe verbrauchen fast die gesamte Zeit bei der Verarbeitung großer Datenvolumen. Die Zugriffszeiten zwischen Arithmetik-Einheiten und Speicher sind nur Nanosekunden, während die Zugriffszeiten zwischen Speicher und Datenlager im Bereich von Mikrosekunden bis Millisekunden liegen. Oder anders gesagt, liegt die Geschwindigkeit der Datenübertragung zwischen Speichern und Datenlager bei Gigabits pro Sekunde. Bei der Geschwindigkeit der Datenübertragung im World Wide Web sprechen wir von Gigabits pro Sekunde oder hunderte Gigabits pro Sekunde. Das bedeutet, dass Speicherzugriffszeiten und Netzzugangszeiten dieselbe Größenordnung haben. Netzwerkgeschwindigkeiten erlauben uns die Durchlässigkeit von Datenzugriffen auf Netzwerke und ermöglichen erst die Verwendung von Big Data. Infrastrukturen von Big Data bestehen aus vielen Computerknoten. Bei der Verarbeitung von Big Data mit mehr als zehntausend Knoten bedarf es spezieller Hard- und Softwaretechnologien. Google Big Data beispielsweise konstruiert Systeme, die aus etwa einer Millionen Knoten bestehen. Und 554 Vgl. Zomaya, A. Y., Sakr, S., Handbook of Big Data Technologies, Springer, 2017, S. IX 4 Technologien mit Zukunftspotenzial 207 Google bietet auch Big Data-Infrastrukturen an: Google File System, Map- Reduce, BigTable. 555 Gemäß einer Studie von BITKOM sehen die meisten Unternehmen ein rasantes Wachstum der Datenmengen. Im Durchschnitt erhöhen vier von fünf Unternehmen (79 Prozent) ihre Speicherkapazität. Die meisten Unternehmen erkennen die Bedeutung von Big Data. Für sieben von zehn befragten Unternehmen ist dieses Thema relevant. Praktisch für alle großen Unternehmen (96 Prozent) mit mehr als 500 Mitarbeitern ist Big Data aktuell ein wichtiges Thema. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen liegt dieser Anteil mit um die 68 Prozent etwas niedriger. 9 Prozent der Unternehmen nutzen bereits Lösungen für Big Data, 31 Prozent planen es in naher Zukunft. 28 Prozent diskutieren diese Frage, haben aber noch keine konkreten Pläne, und ein Drittel der Unternehmen hat dieses Thema noch nicht angesprochen. Big Data wird von den meisten Unternehmen (74 Prozent) für Marketing und Vertrieb verwendet, um beispielsweise Umsatzprognosen zu erstellen und die Preise zu optimieren. Danach folgen als Einsatzbereiche Finanzen und Controlling (44 Prozent), IT und Logistik (jeweils 33 Prozent). Ein weiteres wichtiges Anwendungsgebiet von Big Date für große Unternehmen ist Forschung und Entwicklung. 556 4.3 Cloud Computing Der Begriff Cloud Computing ist jetzt überall in der IT zu hören. Aber trotzdem gibt es keine klare Definition von Cloud-Technologien. Cloud Computing bezeichnet jede Möglichkeit der Verwendung von IT-Infrastrukturen, Plattformen und Anwendungen aller Art als über das Internet verfügbare Dienste. Üblicherweise sind Cloud-Ressourcen virtualisiert: Der Benutzer hat immer die gewünschte, beliebige Ansicht auf seine Infrastruktur, so dass es keine Abhängigkeiten oder Einschränkungen gibt, die von einem bestimmten Computersystem bestimmt würden. Cloud-Services sind auch dynamisch skalierbar: Zusätzliche Ressourcen werden automatisch und ohne großen Aufwand verbunden, wenn es nötig ist. Entwickler mit innovativen Ideen für neue Internetanwendungen, die ein Unternehmen gründen möchten, brauchen so zum Beispiel nicht mehr in teure Hardware investieren. Sie können sich auf die Verwirklichung ihrer Geschäftsidee konzentrieren, und 555 Vgl. Kinoshita, E., Mizuno, T., What is Big Data. In: García Márquez, A.Y. F.P., Lev, B., Big Data Management, Springer 2017, S. 92 556 Vgl. Potenziale und Einsatz von Big Data, BITKOM, 2014, S. 15-16 208 Teil III Digitalisierung und Innovation erhalten die benötigten Ressourcen von Cloud-Ressourcenanbietern. Steigen die Nachfrage und die Größe des neuen Unternehmens, passt sich die Infrastruktur automatisch an die wachsenden Bedürfnisse an. Cloud Computing folgt der Idee des Utility Computing. Es werden nur die aktuell benötigten Mittel bereitgestellt und auch nur diese müssen bezahlt werden. So erlangt Cloud Computing wirtschaftliche Bedeutung. Durch die flexible Bereitstellung und Nutzung von Dienstleistungen sind erhebliche Einsparungen möglich. Die verfügbaren Kapazitäten sind dabei beinahe grenzenlos. Grundlegend kann das Konzept des Cloud Computing also folgendermaßen zusammengefasst werden: Cloud Computing nutzt Virtualisierung innerhalb eines modernes Netzwerks, um Ressourcen verschiedener Art in Form von elektronischen Diensten zur Verfügung zu stellen. Dienstleistungen sollen dabei zuverlässig und skalierbar für mehrere Benutzern nutzbar und auf Anfrage verfügbar und erweiterbar sein. 557 Cloud-Service-Modelle können in drei Gruppen eingeteilt werden: „Software-as-a-Service“ (SaaS), „Platform-as-a-Service“ (PaaS) und „Infrastructure-as-a-Service“ (IaaS). Die Bereitstellungsmodi können in drei Gruppen eingeteilt werden: public cloud, private cloud, und hybrid cloud“. 558 Software as a Service (SaaS): Die Möglichkeit, die Applikationen eines Anbieters auf einer Cloud-Infrastruktur zu nutzen. Die Anwendungen sind von verschiedenen Client-Geräten entweder über eine Thin-Client-Schnittstelle, wie beispielsweise einen Webbrowser (z.B. webbasierte E-Mail), oder eine Programmschnittstelle zugänglich. Der Verbraucher steuert oder kontrolliert dabei keine zugrundeliegende Cloud-Infrastruktur (Netzwerk, Server, Betriebssysteme, Speicher) oder individuelle Anwendungsmöglichkeiten, mit der möglichen Ausnahme von begrenzten benutzerspezifischen Anwendungskonfigurationseinstellungen. Platform as a Service (PaaS): Die Möglichkeit, eigene oder gekaufte Anwendungen auf die Cloud-Infrastruktur zu laden, die mithilfe von vom Anbieter zur Verfügung gestellten Programmiersprachen, Bibliotheken, Services und Werkzeugen erstellt wurden. Der Verbraucher verwaltet oder kontrolliert nicht die zugrundeliegende Cloud-Infrastruktur (Netzwerk, Server, Betriebssysteme, Speicher), hat aber die Kontrolle über die eingesetzten Anwendungen und eventuell über die Konfigurationseinstellungen für die Application- Hosting-Umgebung. 557 Vgl. Baun, C., Kunze, M., Nimis, J., Tai, S., Cloud Computing. Web-basierte dynamische IT-Services, Springer 2010, S. 2 558 Vgl. Prasad Rimal, B., Lumb, I. The rise of cloud computing in the era of emerging Networked Society. In: N. Antonopoulos, L. Gillam, Cloud Computing. Principles, System and Applications, Springer 2010, S. 5 4 Technologien mit Zukunftspotenzial 209 Infrastructure as a Service (IaaS): dem Verbraucher werden Verarbeitungs-, Speicher-, Netzwerk- und anderen grundlegenden Rechenressourcen zur Verfügung gestellt, mit denen der Verbraucher in der Lage ist, jede beliebige Software zu implementieren und auszuführen, welche sowohl Betriebssysteme als auch Anwendungen beinhalten kann. Der Verbraucher verwaltet oder kontrolliert nicht die zugrundeliegende Cloud-Infrastruktur, hat aber die Kontrolle über Betriebssysteme, Speicher und eingesetzte Anwendungen. Und möglicherweise eine begrenzte Steuerung von ausgewählten Netzwerkkomponenten. 559 Wenn das bereitstellende Unternehmen und die potenziellen Nutzer nicht derselben Organisation angehören, wird eine solche Cloud als Public Cloud bezeichnet. Die bereitstellenden Unternehmen gewähren Zugang zu ihrer „Wolke“ und stellen meist ein Webportal für den Zugriff zur Verfügung, über welches der Benutzer die gewünschte Menge an Dienstleistungen auswählen kann. In der privaten Cloud (auch „interne Cloud“ oder „IntraCloud“) gehören der Provider und der Benutzer der gleichen Organisation an. Sicherheitsgründe und die Möglichkeit der Datenkontrollen stellen die Hauptmotivation, der privaten Cloud den Vorzug gegenüber der Public Cloud zu geben. Wenn die Dienste von öffentlichen und privaten Clouds zusammen verwendet werden, ist es ein Hybrid-Cloud. In der Regel sind einige der Funktionen oder Spitzenlasten auf die öffentliche Cloud übertragen, während der normale Betrieb über die privaten Ressourcen durchgeführt wird. 560 4.4 Virtuelle Realität Virtuelle Realität bezeichnet grundlegend einen Satz von Technologien und Computer-Hardware, die verwendet werden, um eine immersive Simulation einer dreidimensionalen Umwelt zu schaffen. Die virtuelle Umgebung ist in der Regel eine Replikation einer realen Umgebung und wird über dreidimensionalen Darstellungen (wie Tiefenwahrnehmung), Töne und Instrumente wie Konsolen, um dem Benutzer Interaktion zu ermöglichen umgesetzt. Die Bewegung eines Benutzers im virtuellen Raum wird dabei entweder durch ein Kopfgerät oder mittels Bewegungserkennungssensoren verfolgt. 559 Vgl. Mell, P., Grance, T., The NIST Definition of Cloud Computing. Computer Security, National Institute of Standards and Technology Special Publication 800-1452011, S. 2 560 Vgl. Baun, C., Kunze, M., Nimis, J., Tai, S., Cloud Computing. Web-basierte dynamische IT-Services, Springer 2010, S. 25 210 Teil III Digitalisierung und Innovation Virtuelle Realität wird in vielen Bereichen wie zum Beispiel in Videospielen, im Ingenieurwesen, im Bereich der Bildung, in der psychologischen Therapie, beim E-Commerce, im Marketing und in der Kunst eingesetzt. Sowohl im Ingenieurwesen als auch in der Bereich der Bildung ermöglicht mechanische Modellierung mittels computergestützter Designsoftware (CAD) Ingenieuren und Lernenden Modelle, die sie entworfen haben, zu manipulieren und zu entwickeln, als ob sie mit einem tatsächlichen physischen Objekt arbeiten würden. 561 Virtuelle Realität (VR) benötigt drei Dinge: (1) Echtzeit-Rendering, das sich mit dem Blickwinkel ändert, (2) der „realen“ Raum, entweder als konkrete oder abstrakte virtuelle 3D-Umgebung und (3) reale Interaktion, das heißt die Möglichkeit der direkten Manipulation virtueller Objekte. 562 Neben der Software und der Hardware, die zur Berechnung der virtuellen Szenerie verwendet werden, sind die Ausgabemedien entscheidend, um die Inhalte für den Benutzer sicht- und erlebbar zu machen. Am häufigsten werden dafür Projektoren oder Displays oder „Head Mounted Displays“ (HMD) verwendet. Im Vergleich zu anderen Ausgabemedien bieten sie dem Anwender den maximalen Eintauchungsgrad. Im Vergleich zu Projektoren und breitformatigen Displays verfügen sie allerdings über die schlechteste Helligkeit und Auflösung. 563 Die Möglichkeiten der virtuellen Realität sind sehr vielfältig und im Moment ist es schwer vorauszusagen, in welche Bereiche diese Technologie in Zukunft Anwendung finden wird. Zweifellos kann die virtuelle Realität den Bereich der Bildung radikal verändern. Zum Beispiel werden Lerner in Zukunft die Geschichte des römischen Reiches nicht nur durch Fakten, Bilder und Filme erfahren können, sondern auch, indem sie selbst im Rahmen einer virtuellen Simulation zu einem Teil eben dieses Reiches werden. Sie können durch die Straßen des alten Roms gehen, den Senat besuchen, die Bürger im Forum Romanum beobachten und dabei zusehen, wie die Menschen Häuser errichten und darin wohnen. VR-Technologien werden heute bereits in der chirurgischen Ausbildung eingesetzt. Dank VR-Simulation können die Studierenden das erworbene Wissen in der Praxis ohne Risiko für den realen Patienten ausprobieren und anwenden. Ein weiterer möglicher Einsatz in der Medizin ist die psychologi- 561 Vgl. Neelakantam, S., Pant, T., Learning Web-based Virtual Reality, Apress 2017, S. 1 562 Vgl. Steinicke, F., Being really virtual, Springer 2016, S. VIII 563 Vgl. Rademacher, M.H., Virtual Reality in der Produktentwicklung. Instrumentarien zur Bewertung der Einsatzmöglichkeiten am Beispiel der Automobilindustrie, Springer Vieweg 2014, S. 26 4 Technologien mit Zukunftspotenzial 211 sche Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen, Phobien oder Autismus. Mit Hilfe von VR-Technologien ist es möglich, eine virtuelle Welt für den Patienten zu schaffen, in der er sich wohl oder unwohl fühlt, und ihm so dabei zu helfen, seine Ängste zu bekämpfen. Bei Bauprojekten können Architekten und Kunden das Objekt in der Planungsphase visuell besichtigen. Reisebüros bieten bereits heute den Kunden an, ihr Hotel und den Strand mit einer 3D-Brille anzuschauen. Auf der Basis von BP-Technologien erscheint eine neue Generation von Filmen und Computerspielen. Auch die Kommunikation wird sich verändern. Es wird möglich sein, sich mit weit entfernt lebenden Freunden oder Verwandten im virtuellen Raum zu treffen. Aber das ist erst der Anfang. Heute ist es schwierig geworden, sich noch eine Welt ohne Internet vorzustellen, eine ähnliche Entwicklung ist schon in den kommenden Jahren für die virtuelle Realität zu erwarten. 564 4.5 3-D-Druck 3D-Drucktechnologie wurde Anfang der 80er Jahre mit dem Ziel des Rapid Prototyping zur Analyse von Produktparametern während der Produktentwicklungsphase entwickelt, wodurch sich die Entwicklungszeit deutlich reduzierte. Der Druck von dreidimensionalen Objekten wird durch Schichten aus einem oder mehreren Materialien mittels physikalischer oder chemischer Prozesse des Schmelzens oder Erstarrens aufgebaut. Das Hauptmerkmal ist eine mehrschichtige Struktur, bei der das Objekt durch Aufbringen und Schichten des Materials auf Basis eines digitalen Modells erstellt wird - im Gegensatz zu subtraktiven Produktionsprozessen wie Bohren oder Fräsen, bei denen der Formprozess auf der Basis der mechanischen Materialentfernung erfolgt. 565 So wird während des 3D-Drucks eine Schicht des Materials auf die andere aufgebracht, nach dem Prinzip eines Druckers, der wiederholt dieselben Buchstaben an der gleichen Stelle druckt, bis sie „aufwachsen“. Aber das Drucken ist der letzte Schritt und es gibt weitere Zwischenschritte von der Idee bis zum fertigen Produkt. Für die Ansteuerung von 3D-Druckern ist eine digitale Datei nötig, die die Schemaobjekte zum Drucken enthält. Das Objekt sollte von Fachleuten modelliert werden und den spezifischen Anforderungen des Druckers ent- 564 Vgl. Stengel, O., van Looy, A., Wallaschkowski, S., Digitalzeitalter - Digitalgesellschaft. Das Ende des Industriezeitalters und der Beginn einer neuen Epoche, Springer 2017, S. 57-59 565 Vgl. Feldmann, C., Pumpe, A., 3D-Druck - Verfahrensauswahl und Wirtschaftlichkeit. Entscheidungsunterstützung für Unternehmen, Springer Gabler 2016, S. 5 212 Teil III Digitalisierung und Innovation sprechen. Nur wenn es eine optimale 3D-Datei gibt, kann das Objekt zum Drucken geschickt werden. Wenn der Druckvorgang abgeschlossen ist, folgt der Nachbearbeitungsprozess. Das fertige Objekt muss gereinigt werden, alle Abstützungen müssen entfernt werden. Oft gibt es eine weitere Bearbeitung des Objekts, z.B. durch Schliff, Lackierung oder das Zusammenfügen von einzelnen Teilen. 566 Der 3D-Druck wird in den Medien als Teil einer neuen industriellen Revolution beschrieben. Oft wird diese Technologie mit der ersten industriellen Revolution verglichen, die die Wirtschaft und die Gesellschaft durch die Entstehung der Massenproduktion völlig verändert hat. 3D-Druck ermöglicht es, die nächste Stufe zu erreichen: die Individualisierung der Massenproduktion. Die Technologie des 3D-Drucks ist revolutionär, weil es jedem erlaubt, ein eigener Entwickler und Hersteller zu werden. Jede Idee kann sofort in ein gedrucktes Objekt umgewandelt werden. Dies wird durch 3D-Druckern für den Heimgebrauch möglich. Einige Experten glauben, dass das dreidimensionale Drucken den Welthandel beeinflussen könnte: Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Verbraucher nun selbst Produkte durch den 3D- Druck produzieren können, erwarten diese Experten, dass die Produktionsprozesse in die jeweiligen Verbrauchsländer zurückkehren könnten. 567 Namentlich attraktiv ist der 3D-Druck für die Luft- und Raumfahrtindustrie, die Automobilindustrie und die Elektronikindustrie. Besonders diese Industrien profitieren von der Gewichtsreduzierung, wenn Teile in Wabenstrukturen mit Hohlräumen (im Gegensatz zu Spritzgussteilen) gedruckt werden. Dies führt zu einer deutlichen Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs während des Betriebs von Endprodukten wie Flugzeugen und Autos. 568 Die Auswirkungen des 3D-Drucks zeigen sich bereits in der Luftfahrt. Airbus hat bereits das erste Flugzeug aus einem 3D-Drucker produziert. Bemerkenswert ist, dass diese Produktion nicht nur zu einer Verringerung des Gewichtes von Teilen geführt hat, sondern auch zu einer Kostensenkung aufgrund der Vereinfachung des Produktionsprozesses. 566 Vgl. Hagl, R., Das 3D-Druck-Kompendium. Leitfaden für Unternehmer, Berater und Innovationstreiber, 2. Auflage, Springer Gabler 2015, S. 10 567 Vgl. Fastermann, P., 3D-Drucken. Wie die generative Fertigungstechnik funktioniert, Springer Vieweg 2014, S. 1 568 Vgl. Feldmann, C., Pumpe, A., 3D-Druck - Verfahrensauswahl und Wirtschaftlichkeit. Entscheidungsunterstützung für Unternehmen, Springer Gabler 2016, S. 9 4 Technologien mit Zukunftspotenzial 213 Die Technologie des 3D-Drucks eröffnet den Unternehmen neue Chancen. Durch die nun mögliche Selbstproduktion von Teilen, erlaubt sie, sich aus der Abhängigkeit von Lieferanten zu befreien. 3D-Drucktechnologie ermöglicht der Industrie die Reformation der gesamten Wertschöpfungskette. Punktuelle Produktion kann Lagerkosten vermeiden. In letzter Instanz beeinflusst der 3D-Druck die Automobilindustrie positiv, stellt aber gleichzeitig eine Bedrohung für die Lieferanten dar. Deshalb müssen sie bereits heute auf Marktveränderungen reagieren. 569 4.6 Künstliche Intelligenz Viele Menschen haben davon geträumt, intelligente Maschinen zu bauen, manche haben es versucht, und einige haben es geschafft: Roboter montieren Autos und Computer gewinnen gegen Großmeister im Schach. Heutzutage befindet sich künstliche Intelligenz (KI) in der Mitte der Entwicklung. „Die moderne Definition von KI ist die Erforschung und Konstruktion intelligenter Systeme, die ihre Umwelt wahrnehmen und handeln, um ihre Erfolgschancen zu maximieren. Der Begriff KI wird auch verwendet, um eine Eigenschaft von Maschinen oder Programmen zu beschreiben: die Intelligenz, die das System zeigt“. 570 Über die Intelligenz der Roboter (das Wort „Roboter“ kommt aus dem Tschechischen und bedeutet „Fronarbeit“) hat Isaak Asimov bereits 1942 geschrieben. Es wird aber angenommen, dass die Idee der künstlichen Intelligenz erst später, nämlich in den 1950er Jahren geboren wurde. Ebenso wurde die Idee eines Tests, der bestimmen soll, ob eine Maschine denken kann, erstmals 1950 vom britischen Mathematiker Alan Turing („Turing- Test“) formuliert. Er glaubte, dass über künstliche Intelligenz nur dann gesprochen werden kann, wenn eine Person, die mit einer Maschine und einem Menschen spricht, nicht unterscheiden kann, wer die Maschine und wer der Mensch ist. 571 Der erste, der ein Programm entwickelte, das simuliert wie ein menschlicher Psychologe antwortete, war der Computerkritiker Joseph Weizenbaum. Er 569 Vgl. Schmalbach, M., Das Ende der Industrie 4.0. Wie die disruptive Innovation die Wertschöpfungskette der Automobilindustrie revolutioniert. In: Ideen- und Innovationsmanagement, 02.2017, S. 47-48 570 Vgl. Furnham, A., 50 Schlüsselideen Psychologie. Künstliche Intelligenz, Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2010, S. 136 571 Vgl. Watson, R., 50 Schlüsselideen der Zukunft. Künstliche Intelligenz, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014, S. 80 214 Teil III Digitalisierung und Innovation nannte dieses Programm „Eliza“ und in den meisten Fällen antwortete es erfolgreich. Derzeit gibt es viele so genannte Chatbots, die zu Beginn eines Gesprächs mit ihren Antworten beeindrucken können. Es wird aber bei allen nach relativ kurzer Gesprächsdauer deutlich, dass man nicht mit einem Menschen chattet. Einige dieser Programme haben tiefes Wissen in bestimmten Bereichen, und einige sind sogar fähig zu lernen. 572 Die Hauptfrage der künstlichen Intelligenz ist, wie man eine Maschine lehrt neues Wissen zu sammeln. Solche Maschinen sind so programmiert, dass sie die Möglichkeit der sensorischen Wahrnehmung haben. Dazu gehören Beobachtungen mit Hilfe von Kameras, Hören mit Hilfe von Mikrofonen und Fühlen mit Hilfe von Sensoren sowie die Erkennung von realen Objekten. Die Entwicklung ist bereits so weit fortgeschritten, dass sie in der Lage sind, Gesichter zu erkennen. Die KI-Forschung hat auch Fortschritte im wichtigen und komplexen Bereich der der Verarbeitung natürlicher Sprachen gemacht. 573 Künstliche Intelligenz wird in der Regel in zwei Typen unterteilt: Starke KI und schwache KI. „Starke KI“ haben Denkmaschinen. „Schwache KI“ soll den menschlichen Intellekt ergänzen, übertrifft ihn aber nicht. Im Moment sind die meisten Maschinen so programmiert, dass sie aus den eingehenden Daten logische Schlussfolgerungen ziehen können. In Zukunft werden Maschinen mit starker künstlicher Intelligenz auch äußere Einflüsse wahrnehmen und darauf reagieren können. 574 Die Hauptfragen, die auf den scheinbar offensichtliche Anforderungen an KI basieren, sind ethische Fragen. Sie sollten von den moralischen Problemen unterschieden werden, die bei der Verwendung von Computern im Allgemeinen entstehen. Dazu gehören die Gefahr des Verlustes von Privatsphäre, vor allem infolge fehlender Kontrolle über die personenbezogenen Daten, oder die Gefahren der Cyberkriminalität. 575 Es ist die Kritik laut geworden, dass das größte Interesse an künstlicher Intelligenz von den Verteidigungsministerien und den großen Computerfirmen gezeigt wird. Jeder Schritt in der wissenschaftlichen Entwickung hat erhebliche soziale Konsequenzen. Wissen ist Macht und es ist wichtig, wer 572 Vgl. Ertel, W., Grundkurs Künstliche Intelligenz. Eine praxisorientierte Einführung, Vieweg 2008, S. 6 573 Vgl. Furnham, A., 50 Schlüsselideen Psychologie. Künstliche Intelligenz, Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2010, S. 138 574 Vgl. Watson, R., 50 Schlüsselideen der Zukunft. Künstliche Intelligenz, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014, S. 81 575 Vgl. Neumaier, O., Was hat „künstliche Intelligenz“ mit Ethik zu tun? , Conceptus 1994 by Academia Verlag, S. 43 4 Technologien mit Zukunftspotenzial 215 dieses Wissen hat und wie es benutzt wird. Auf Grundlage desselben wissenschaftlichen Fortschritts hat die Menschheit sowohl Kernenergie als auch Atomwaffen erhalten. Deshalb trägt jeder Mensch mit Wissen die Verantwortung dafür vor der ganzen Menschheit. 576 Die Stuttgarter Firma Festo hat Roboter wie Ameisen entwickelt, die sich koordinieren, um gemeinsame Aufgaben zu erfüllen. 577 Um BionicANTs zu schaffen, nahm Festo als Vorlage die filigrane Anatomie einer natürlichen Ameise. Mit Hilfe von komplexen Kontrollalgorithmen wurde das Prinzip des kooperativen Verhaltens von Tieren erstmals bei der Schaffung von Technologien angewendet. BionicANTs kommunizieren miteinander und koordinieren ihre Handlungen und Bewegungen. So zeigen künstliche Ameisen, wie autonome Einzelkomponenten komplexe Probleme als vernetztes Gesamtsystem lösen können. 578 Mit Hilfe von Funkkommunikation informiert eine Roboameisen die anderen über ihren Standort, und dass sie eine Ladung gefunden hat und Hilfe braucht. Es ist wichtig, dass der Roboter zunächst selbst verstanden hat, wo er sich befindet; dafür ist er mit allen möglichen Sensoren ausgestattet. In seinem Kopf ist eine Kamera, die ein dreidimensionales Bild aufnimmt. Die Bewegung des Roboters auf dem Boden wird durch optische Sensoren aufgezeichnet. Der Bauch arbeitet nach dem Prinzip einer optischen Maus. Darüber hinaus gibt es einen Kompass und ein Magnetometer. Roboameisen arbeiten völlig autonom. Die Datenverarbeitung erfolgt im Roboter selbst. Die Lithium-Polymer-Batterie im Mittelkörper-Segment versorgt den Roboter mit Strom. 579 Solche Roboter eröffnen neue Möglichkeiten für die Verwirklichung der Idee einer intelligenten Fabrik. Die Basis zukünftiger Produktionssysteme 576 Vgl. Furnham, A., 50 Schlüsselideen Psychologie. Künstliche Intelligenz, Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2010, S. 138 577 Vgl. Pluta, W. Festo. Ameisenroboter krabbeln koordiniert, 15.04.2015, abgerufen unter: https: / / www.golem.de/ news/ festo-ameisenroboter-krabbeln-koordiniert -1504-113526.html‚[14.07.2017] 578 Vgl. Festo, abgerufen unter: https: / / www.festo.com/ group/ de/ cms/ 10157.htm [14.07.2017 ] 579 Vgl. Pluta, W. Festo. Ameisenroboter krabbeln koordiniert, 15.04.2015, abgerufen unter: https: / / www.golem.de/ news/ festo-ameisenroboter-krabbeln-koordi niert -1504-113526.html‚[14.07.2017 ] 216 Teil III Digitalisierung und Innovation sind intelligente Komponenten, die sich flexibel an unterschiedliche Produktionsszenarien anpassen und die Steuerung übernehmen. 580 ATLAS ist ein starker Roboter in Form eines erwachsenen Menschen. Er bewegt sich mit einer Vielzahl von lebensechtem und natürlichem Verhalten, einschließlich dynamisch-ausgeglichenem Wandern, Calisthenics, Manipulation von Objekten und Ausführung von benutzerprogrammierten Aufgaben. 581 „Er ist 1,80 Meter groß und wiegt 150 Kilogramm. Er wurde im Jahr 2013 der Öffentlichkeit vorgestellt. Er soll in Katastrophenfällen eingesetzt werden, wenn es für Menschen zu gefährlich ist. Atlas besitzt vier hydraulisch bewegte Gliedmaßen mit insgesamt 28 Freiheitsgraden“. 582 Der erste Atlas funktionierte mit einem Stromkabel. Später wurde er modifiziert und mit einer Batterie ausgestattet, die den hydraulischen Antrieb in Betrieb setzt. Durch einen in den Kopf des Roboters integrierten WLAN- Router wird eine drahtlose Kommunikation ermöglicht. Der Atlas wird von drei Computern gesteuert, die die Aufgaben planen und Sensordaten verarbeiten. Kameras in den Augen des Roboters erlauben dem Personal besser zu sehen, was Atlas mit den Händen macht. 583 Hanson Robotics entwickelt sehr menschlich wirkende Roboter, die mit bemerkenswerter Ausdruckskraft und Interaktivität ausgestattet sind. Sie sind in der Lage, eine vollständige Palette von Mimik zu simulieren, so dass sie mit den Menschen tief und emotional interagieren können. Die fortschrittliche KI-Software befähigt diese Roboter, die Sprache zu verstehen, natürliche Gespräche zu führen, zu sehen und auf Gesichtsausdrücke zu reagieren. Die Roboter von Hanson Robotics präsentieren sich als animierte 580 Vgl. Festo, abgerufen unter: https: / / www.festo.com/ group/ de/ cms/ 10157.htm [14.07.2017 ] 581 Vgl. Bostondynamics, abgerufen unter: https: / / www.bostondynamics.com/ atlas [14.07.2017 ] 582 Stengel, O., van Looy, A., Walaschkowski, S., Digitalzeitalter - Digitalgesellschaft. Das Ende des Industriezeitalters und der Beginn einer neuen Epoche, Springer VS 2017, S. 98 583 Vgl. Pluta, W., Boston Dynamics. Humanioder Roboter Atlas geht jetzt ohne Kabel,21.01.2015 abgerufen unter: https: / / www.golem.de/ news/ boston-dyna mics-humanoider-roboter-atlas-geht-jetzt-ohne-kabel-1501-111838.html [14.07.2017 ] 4 Technologien mit Zukunftspotenzial 217 Charaktere mit liebenswerten Persönlichkeiten, die mit Menschen in ihrer ganz eigenen einzigartigen Weisen interagieren. BINA48 ist ein humanoider Roboter, der aus einem Kopf und Schultern besteht. BINA48 wurde von Hanson Robots entwickelt und im Jahr 2010 veröffentlicht. Der Roboter wurde Bina Aspen nachgebildet. In mehr als hundert Stunden wurden dabei alle ihre Erinnerungen, Gefühle und Überzeugungen zusammengestellt. BINA48 spricht mit anderen Menschen unter anderem über die Persönlichkeitsveränderungen ihres Bruders nach seiner Rückkehr aus dem Vietnamkrieg. Ein anderer Roboter von Hanson Robotics heißt Sophia. Entworfen, um wie Audrey Hepburn auszusehen, verkörpert Sophia Hepburns klassische Schönheit: Porzellanhaut, schlanke Nase, hohe Wangenknochen, faszinierendes Lächeln und tief ausdrucksvolle Augen, die mit dem Licht die Farbe ändern. Sophia ist der letzte und modernste Roboter von Hanson Robotics. Sie hat schon zahlreiche Interviews in mehreren Medien gegeben, auf einem Konzert gesungen und sogar das Cover einer der Top-Modezeitschriften geziert. Eines ihrer Interviews hat Milliarden Klicks und Social Media- Interaktionen erzeugt. Sie hat auch ihr Potenzial in der Geschäftswelt gezeigt, indem sie sich mit den wichtigsten Entscheidungsträgern verschiedener Branchen, darunter Banken, Versicherungen, Automobilhersteller, Immobilienentwickler, Medien und Unterhaltung getroffen hat. Darüber hinaus ist sie als Mitglied und Moderatorin auf High-Level-Konferenzen auf dem Podium erschienen und hat darüber berichtet, wie Robotik und künstliche Intelligenz ein weit verbreiteter Teil des menschlichen Lebens werden wird. 584 584 Vgl. Hansonrobotics, abgerufen unter: http: / / www.hansonrobotics.com/ [14.07.2017 ] . Teil III Digitalisierung und Innovation 5 Entwicklungsstand Industrie 4.0 und Prognosen Industrie 4.0 und moderne Technologien bringen dramatische Veränderungen in allen Branchen. Die meisten der bestehenden Geschäftsmodelle unterliegen einer signifikanten Transformation. In diesem Kapitel wird die derzeitige Entwicklung der Schlüsselbranchen sowie die Prognosen für ihre zukünftige Entwicklung beschrieben. 5.1 Mobilität Vor etwa 130 Jahren entwickelten Gottlieb Daimler und Carl Benz unabhängig voneinander das Automobil. Diese Erfindung hat die Welt verändert. Früher reisten Europäer im Durchschnitt ungefähr 20 Kilometer pro Jahr. Heute sind es gut 30 km, allerdings pro Tag und meistens mit dem Auto. Demzufolge ist und bleibt die Autoindustrie eine Wachstumsbranche: Zwischen 2015 und 2025 dürfte sich der globale Automobilabsatz um rund 30 Prozent erhöhen. Wenn wir heute über Technologien sprechen, die unser Leben verändern, geht es meist um Digitalisierung. Kommunikation ist heutzutage virtuell und das Internet der Dinge verbreitet sich immer weiter. 585 In den vergangenen Jahren ist die Elektromobilität immer relevanter geworden und birgt ein großes Potenzial für eine drastische Veränderung der gesamten Automobilindustrie. Der Beweis dafür ist die umfangreiche wissenschaftliche Literatur über die Automobilindustrie sowie Expertenprognosen, die zu dem Schluss kommen, dass bis 2020 ca. 5-10 Prozent aller verkauften Autos mit Elektromotoren ausgestattet sein werden und sich diese Zahl bis 2030 weiter auf bis zu 20 bis 35 Prozent erhöhen wird. 586 Die Statistik für 2015 zeigt, dass die Änderungen bereits begonnen haben: in den USA war Tesla der einzige Hersteller im Premium-Segment, der mehr Autos verkau- 585 Vgl. Becker, T., Knop, C., Digitales Neuland. Warum Deutschlands Manager jetzt Revolutionäre werden. Springer Gabler 2015, S. 63-64 586 Vgl. Fojcik, T. M., Proff, H., Gründe für die langsame Industrietransformation zur Elektromobilität. In: Proff, H., Fojcik, T.M., Nationale und Internationale Trends in der Mobilität. Technische und betriebswirtschaftliche Aspekte, Springer Gabler 2016, S. 10 5 Entwicklungsstand Industrie 4.0 und Prognosen 219 fen konnte (Typ Tesla S mit Elektromotor), während alle anderen wie BMW, Mercedes, Audi, Porsche und Jaguar (Modelle mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren) einen Rückgang der Verkaufszahlen zu verzeichnen hatten. 587 In den letzten Jahren hat die Popularität von Dienstleistung wie Car-Sharing gewonnen. Noch vor ein paar Jahren war die eigenständige Autovermietung für Automobilhersteller undenkbar. Heute ist car2go (Daimler und Europcar) der weltweite Marktführer im voll-flexiblen Car-Sharing. Das Geheimnis des Erfolges des Unternehmens ist die Vernetzung. Um ein Auto zu mieten, wird eine Anwendung für Smartphones verwendet, die die Lage des nächstliegenden Autos anzeigt und es zu buchen erlaubt. Am Ende der Fahrt wird das Auto auf einem kostenlosen Parkplatz abgestellt, wo es der nächste User abholen kann. Abgerechnet wird nach dem Prinzip der Mobiltelefonkommunikation minutengenau. 588 Die Anwendung „Mercedes me“ ist mit dem eigenen Auto verbunden und erlaubt es dem Fahrer einige Dinge aus der Ferne zu steuern. So erkennt die Anwendung (per Smartphone oder Apple Watch) den Standort des Autos und hilft einem dabei, dorthin zu navigieren. So braucht man keine Zeit mehr für die Suche nach dem Auto auf dem Parkplatz, auf dem man es zum Beispiel vor dem Einkauf abgestellt hat, zu verschwenden. Die Anwendung ermöglicht es auch zu überprüfen, ob die Türen des Autos geschlossen wurden und schließt sie automatisch, falls es nötig ist. 589 Während einer Reparatur oder Wartung kann der Kunde alle Arbeiten rund um die Uhr überwachen und sehen, in welchem Stadium der Bereitschaft das Auto ist. Auch individuelle Angebote für Finanzierung, Leasing oder Versicherung stehen über die Anwendung zur Verfügung. Doch auch das Fahrzeug selbst bietet neue Kommunikationsmittel. Auf der Basis eines 587 Vgl. Kollmann, T., Schmidt, H., Deutschland 4.0. Wie die digitale Transformation gelingt, Springer Gabler 2016, S. V 588 Vgl. Becker, T., Knop, C., Digitales Neuland. Warum Deutschlands Manager jetzt Revolutionäre werden. Springer Gabler 2015, S. 70 589 Vgl. Wiesmüller, M., Plöger, S., Mercedes me: App-Anbindung für Autos jetzt auch für Android, 17.11.2015, abgerufen unter: http: / / www.computerbild.de/ artikel/ cb-News-Connected-Car-Mercedes-Me-App-Daimler-13311113.html [15.07.2017 ] 220 Teil III Digitalisierung und Innovation Kommunikationsmoduls mit einer fest installierten SIM-Karte wird im Falle eines Unfalls oder einer Störung automatisch eine direkte Sprachverbindung mit dem Rettungszentrum aufgebaut und es werden Daten über Lage und Zustand des Fahrzeugs übertragen, um so eine möglichst schnelle Hilfe bzw. Rettung zu ermöglichen. 590 Das Auto von morgen wird sich in einer digitalisierten Umwelt bewegen. Verkehrssysteme, Fahrzeuge und umliegende Systeme werden sogenannte Cyber-Physische Systeme (CPS). Sie erzeugen eine Vielzahl an Informationen und tauschen diese untereinander aus. Vollautomatisiertes Fahren bietet große Potenziale bei der Optimierung des Verkehrsflusses. „Schon heute können Mercedes-Benz-Pkw im Stop-and-Go-Verkehr selbstständig einem vorausfahrenden Fahrzeug folgen - lenken, bremsen und Gas geben übernimmt der „virtuelle Chauffeur“. 591 Autonome Autos werden den Verkehr in der Zukunft verändern, wenn sie in großen Mengen als Serienprodukt hergestellt werden werden. Der Hauptgrund für die Entwicklung des autonomen Autos ist die Sicherheit, denn die meisten der aktuellen Unfälle werden durch einen menschlichen Fehler verursacht. Daher ist die Sicherheit ein wesentlicher Grund für die Entwicklung autonomer Fahrzeuge. Der Verkehr muss sowohl für Fahrer und Passagiere, als auch für alle anderen Teilnehmer des Systems, in dem sich das autonome Fahrzeug bewegt, sicher sein. 592 Änderungen aufgrund der Digitalisierung werden schließlich zu einem kompletten Wandel des Mobilitätskonzepts führen. Es wird keine Notwendigkeit mehr geben, selbst ein Auto zu besitzen, um individuell mobil sein zu können. In den Vordergrund wird das Bedürfnis treten, einfach und billig von Punkt A nach Punkt B zu kommen. Viele Menschen auf der ganzen Welt sind jetzt schon Kunden des amerikanischen Unternehmens „Uber“, weil es ihnen Mobilität als leicht verfügbaren, bequemen Service anbietet. 593 590 Vgl. Becker, T., Knop, C., Digitales Neuland. Warum Deutschlands Manager jetzt Revolutionäre werden. Springer Gabler 2015, S. 70 591 Vgl. ebd., S. 72 592 Vgl. Wachenfeld, W., Winner, H., Die Freigabe des autonomen Fahrens. In: Maurer, M., Christian, J., Gerdes, Lenz, B., Winner, H., Autonomes Fahren. Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte, Springer Vieweg 2015, S. 440 593 Vgl. Kollmann, T., Schmidt, H., Deutschland 4.0. Wie die digitale Transformation gelingt, Springer Gabler, 2016, S. 96 5 Entwicklungsstand Industrie 4.0 und Prognosen 221 Navigation ist eine der Schlüsseltechnologien im Bereich FTF (fahrerloses Transportfahrzeug). Je nach Anwendung gibt es verschiedene Navigationsverfahren, die nachfolgend kurz skizziert werden. Die größte Verbreitung hat bislang die Liniennavigation. Mithilfe von Sensoren, Kameras und Antennen wird dabei einer durchgehenden Linie (optisch, magnetisch oder induktiv) gefolgt. Über externe Referenzmarken, wie z.B. RFID-Tags oder Lichtschranken erfolgt die Positionierung an Übergabestationen oder in Maschinen. Die Liniennavigation ist am einfachsten zu realisieren und hat sich schon lange bewährt. Die benötigten Komponenten sind preiswert und haltbar, so dass sie sich ideal für günstige Fahrzeuge und Systeme eignen. Inbetriebnahme und Instandhaltung sind jedoch mit hohem Aufwand verbunden. Der Mangel an Flexibilität der größte Nachteil dieser Methode. Bei der Raster-Navigation wurde von einer kontinuierlichen Linie zu einer diskontinuierlichen übergegangen. Die RFID-Tags werden in regelmäßigen Abständen im Boden fixiert und vom FTF mit Hilfe geeigneter Sensoren erfasst. Nachdem der Rasterpunkt erkannt wurde, wird der Positionsfehler berechnet und die entsprechenden Korrekturbefehle ausgeführt. Diese Methode ist ebenfalls schon lange bewährt und ihre Komponenten sind preiswert. Allerdings ist die Kontrolle komplizierter. Wie bei der linearen Navigation ist das Anbringen der Marken in die Umwelt aufwendig. Allerdings kann das Raster im laufenden Betrieb erweitert oder verändert werden. Laser-Navigation, basierend auf Reflektormarken, ist flexibler, als lineare und Raster-Navigation. Die Reflektoren sind nicht direkt mit dem Kurs verbunden sind, sondern werden an Wänden und Regalen montiert. Um sie zu erkennen, wird üblicherweise ein Laserscanner verwendet. Im Berechnungsblock wird die aktuelle FTF-Position durch Triangulation berechnet. Mit diesen Informationen können Fehler in der Odometrie korrigiert werden. Hierzu wird jedoch eine entsprechende Steuerungsarchitektur benötigt. Dabei werden virtuelle Leitlinien definiert, denen das FTF folgen soll, bestimmt. Auf diese Weise können neue Fahrspuren ganz einfach hinzugefügt oder bestehende geändert werden, ohne Notwendigkeit von weiteren Arbeiten in der Umgebung (vorausgesetzt, dass es bereits in allen Bereichen Reflektormarken gibt). Allerdings erfordert die Installation und Messung von Marken am Anfang einen relativ hohen Aufwand. Wegen des teuren Sensor- und Datenanalysegeräts sind die finanziellen Kosten dieser Methode pro FTF ebenfalls höher als bei anderen Methoden. Klare Vorteile sind aber, 222 Teil III Digitalisierung und Innovation dass diese Methode die globale Position der FTF bestimmen kann und es wenig Aufwand erfordert, Routen zu ändern. 594 5.2 Finanzbranche Die Digitalisierung verändert auch die Bankenbranche. Das mach sich schon heute bemerkbar: Die Anzahl der Bankfilialen und Geldautomaten nimmt allmählich ab. Alle Bankgeschäfte werden einfacher, meist bargeldlos und unabhängig von Zeit und Ort. 595 Die Veränderungen durch Digitalisierung führen zu einer „Demokratisierung“ des Geschäfts. Dies ist bereits in anderen Branchen spürbar und hat in den letzten Jahren auch die Finanzbranche beeinflusst. Kunden interagieren jetzt nicht nur mit Finanzinstituten, sondern auch untereinander. Alle Informationen werden in Echtzeit zur Verfügung gestellt, der Informationsaustausch wird beschleunigt, alle Prozesse werden transparenter und im Internet findet ein reger Meinungsaustausch statt. Auf ihren Webseiten stellen die Banken jetzt nicht nur Informationen über ihre Angebote und Services zur Verfügung, sondern kommunizieren auch direkt mit den Kunden. Internet Banking ist eine Selbstverständlichkeit geworden. Ein realer, physischer Kontakt zwischen Bank und Kunden findet nur noch bei der Geldabhebung oder bei seltenen persönlichen Beratungsgesprächen statt. 596 Erhebliche Gefahr für die traditionellen Banken sind Fintech-Unternehmen, die die neuesten Technologien nutzen und zur Bereitstellung von Bankdienstleistungen verwenden. Solche Konkurrenz zwingt die Banken, ihre Geschäftsmodelle zu ändern, um im Bankdienstleistungsmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben. Chatbots sind Computerprogramme, die auf Grundlager künstlicher Intelligenz Gespräche mit Menschen simulieren. Chatbots sind entweder sprach- oder textgesteuert. Der Grundalgorithmus erlaubt es dem Chatbot „dazuzulernen“ und sich dem Verhalten der Nutzer ständig anzupassen. Eines der bekanntesten Beispiele ist der sprachgesteuerte Bot „Siri“. Am weitesten 594 Vgl. Bauernhansl, T., ten Hompel, M., Vogel-Heuser, B., Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik. Anwendung. Technologien. Migration, Springer Vieweg 2014, S. 223 595 Vgl. Wienbrugge, F., Blum, M., Digitale Transformation. Chatbots als Chance im Kundenservice. In: die bank 05/ 2017, S. 46 596 Vgl. Everling, O., Lempka, R., Finanzdienstleister der nächsten Generation 2013, S. 8, 111 5 Entwicklungsstand Industrie 4.0 und Prognosen 223 sind Chatbots in den USA und China verbreitet. In Deutschland hat die Vorreiterrolle in diesem Bereich Eve von Yellowstrom. Eves Wissen ist in 60 Kategorien unterteilt und sowohl mit der Website als auch mit einer Vielzahl von externen Links verbunden. Kunden können Eve Fragen stellen oder ohne lange Wartezeit in der Hotline einen Termin vereinbaren. Chatbots können auch für den Bankensektor interessant sein. Das Smartphone ist heute der ständige Begleiter der Menschen. Am häufigsten werden Anwendungen für soziale Netzwerke und Messenger genutzt, die Menschen bis zu hundertmal pro Tag öffnen, um nach neuen Nachrichten zu sehen. Daher sollten Banken Chatbots verwenden, um genau da Kontakt mit den Kunden herzustellen, wo sich diese am meisten bewegen: in den Chatprogrammen ihrer Smartphones. 597 Robo Advisors sind eine besondere Form von Chatbots, die als webbasierte Finanzberatungsprogramme Kundenprobleme ohne menschliches Engagement verstehen, analysieren und lösen können. In Deutschland gibt es derzeit etwa 20 Robo Advisors. Einige von ihnen wurden von Banken entwickelt, andere von Fintech Startups. Das zugrundeliegende Geschäftsmodell ist eine automatisierte Vermögensanlage über das Internet. Kundenberatung und Investitionsentscheidungen sind voll automatisiert, ein digitaler Prozess ohne menschlichen Eingriff. 598 Der Robo Advisor kommuniziert direkt mit dem Anlagekunden einer Privatbank. Der Kunde beantwortet eine Reihe von Fragen, deren Beantwortung dem Programm erlauben, ein persönliches Risikoprofil zu erstellen. Darüber hinaus kann der Kunde grundlegende persönliche Investitionsvorgaben angeben. Die Fragen ähneln dem üblichen ersten Gespräch mit einem realen Bankberater. Dann erstellt das Programm eine persönliche Anlagestrategie, die mit Fonds ausgeführt wird - meist preiswerte Indexvermögen wie Exchange Traded Funds (ETF). Wenn der Kunde Geld einzahlt oder abzieht oder sich die Situation auf den Märkten ändert, wird das Portfolio automatisch angepasst. Der Service ist vergleichsweise günstig, bezahlt wird nur eine niedrige prozentuale Gebühr. Der Kunde erhält dafür eine komplette, diversifizierte Anlagestrategie. 599 597 Vgl. Wienbrugge, F., Blum, M., Digitale Transformation. Chatbots als Chance im Kundenservice. In: die bank 05/ 2017, S. 46 598 Vgl. Petry, M., Robo Advisor: einfache Lösungen sind gefragt. In: bank und markt, April 2017, S. 28 599 Vgl. Gabriel, C., Das private Banking ohne Berater kommt. In: Neue Zürcher Zeitung v. 03.08.2015, S. 21 224 Teil III Digitalisierung und Innovation Unter „Blockchain“ versteht man eine „dezentrale, chronologisch aktualisierte Datenbank mit einem aus dem Netzwerk hergestellten Konsensmechanismus zur dauerhaften digitalen Verbriefung von Eigentumsrechten“. 600 „Diese Technologie ermöglicht eine dezentral organisierte Zahlungsinfrastruktur für P2P-Zahlungen. Blockchaintechnologie schreibt sämtliche Transaktionen aller Zahlungspflichtigen und Zahlungsempfänger fort und publiziert diese öffentlich. Bei jedem teilnehmenden Zahlungspflichtigen und -empfänger erstellt sie eine Kopie der Blockchain, d.h. sobald zwischen zwei Personen eine neue Zahlungstransaktion stattfindet, aktualisiert sich die Datenbank bei allen anderen Teilnehmern um diese neuen Transaktionen, auch wenn diese Teilnehmer nicht direkt in diese Transaktion involviert waren. So sind Transaktionen im gesamten Zahlungsnetzwerk aller involvierten Akteure zu jedem Zeitpunkt transparent. Dieses dezentral organisierte System benötigt prinzipiell keinen weiteren Intermediären zur Transaktionsabwicklung, da die Authentifizierung sowie die Transaktionsabwicklung über die Blockchain stattfinden. In der Folge reduziert sich das Banknetzwerk auf Zahlungspflichtige und -empfänger - alle übrigen Rollen, wie etwa die Vertriebsbank oder die Korrespondenzbanken sind nicht mehr erforderlich“. 601 600 http: / / wirtschaftslexikon.gabler.de 601 Alt, R., Puschmann, T., Digitalisierung der Finanzindustrie, Springer Gabler 2016, S. 194 5 Entwicklungsstand Industrie 4.0 und Prognosen 225 Abb. 44: Unterscheidung zentraler und dezentraler Modellansätze. Quelle: Alt, R., Puschmann, T., Digitalisierung der Finanzindustrie, Springer Gabler 2016, S. 194 Eine wichtige Implikation, die aus einem dezentralen Buch folgt, ist die Irreversibilität von Transaktionen. Sobald eine Zahlung ausgegeben wird, kann sie nicht mehr rückgängig gemacht werden. Zahlungen in Kryptowährung sind ähnlich einer Barzahlung. Im Gegensatz zu den bestehenden unbaren Zahlungssystemen wie Kreditkarten oder Banküberweisungen (die alle reversibel sind), wird das Risiko der Transaktion hier durch diese Unumkehrbarkeit vom Empfänger zum Sender verschoben. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal dezentraler Zahlungssysteme ist die Pseudo-Anonymität der Transaktionsparteien. Bei der Übertragung von Kryptowährung besteht keine Notwendigkeit, personenbezogene Daten an die Öffentlichkeit oder Dritte weiterzugeben. Die Pseudo-Anonymität von Kryptowährungen hat zu einer Diskussion über deren illegaler Nutzung geführt. Dies ist ein relevantes Thema für die Regulierung. Zudem sind dezentrale Zahlungssysteme an keine geografische Grenze gebunden: Wegen der virtuellen Natur des Zahlungssystems spielt es keine Rolle, ob ein Individuum Kryptowährung an einen Nachbarn oder an jemanden auf der anderen Seite der Welt sendet. Im Gegensatz dazu ist es oft schwierig, die traditionellen Zahlungssysteme grenzüberschreitend zu nutzen, da die Finanzvermittler an länderspezifische Regulierungen und unterschiedliche Wechselkurse gebunden sind. Dezentrale Zahlungssysteme überschreiten 226 Teil III Digitalisierung und Innovation Staatsgrenzen: sie bilden ein globales Zahlungssystem anstelle von mehreren nationalen. Eine Schlüsseleigenschaft von Kryptowährung, die sie deutlich von den traditionellen Währungen unterscheidet, ist das Fehlen eines zentralen Geld- Emittenten. Kryptowährungen werden in einem dezentralen Prozess emittiert, ohne eine Autorität, die die Verteilung von neuen Einheiten steuern würde. Daher gibt es auch keine Institution, die aktiv die Geldpolitik im System führen könnte. Folglich werden Kryptowährungen auch nicht durch Vermögenswerte der Zentralbanken gesichert. 602 In der heutigen Welt sind viele Menschen daran gewöhnt, über das Internet zu investieren. Soziale Netzwerke ermöglichen es den Anlegern, miteinander zu interagieren und Produkte und Dienstleistungen zu bewerten. Vor kurzem begann Social-Trading an Popularität zu gewinnen. Anleger können anderen Anlegern in spezielle sozialen Netzwerken folgen und deren Positionen kopieren. Plattformen für Social-Trading sind völlig transparent, so können Investoren erfolgreiche Strategien leicht identifizieren. Die Funktion „folgen“ in den Social-Trading Netzwerke unterscheidet sich von anderen sozialen Netzwerken. Die ermöglicht dem Anleger nicht nur das übliche „like“ und „share“, sondern auch die Nachbildung des Inhalts entsprechend seiner Möglichkeiten. Social-Trading wird auf Plattformen durchgeführt, auf denen Trader ihre Handelssignale veröffentlichen und anderen Anleger erlauben, diese nachzubilden. Mittels der Follow-Funktion können Anleger auf Social-Trading- Plattform die Strategien der Traders automatisch und in Echtzeit in ihr Portfolio übernehmen. 603 Crowdfunding ist eine neue Form von Projektinvestition. Viele Menschen leisten kleine Beiträge, dabei werden erhebliche Summen für die Realisierung von Projekten gesammelt werden. Durch Croudfunding werden bereits Projekte aus verschiedenen Bereichen finanziert: Kunst und Kultur, Einzelprodukte, Sammelaktionen und sogar ganze Unternehmen. Die Projektiniti- 602 Vgl. Jaag, C., Bach, C., Blockchain Technology and Cryptocurrencies: Opportunities for Postal Financial Services, Swiss Economics Working Paper 0056 2016, S. 3 603 Vgl. Hölscher, R., Schwahn, J., Schneider, J., Göring, P., Social Trading als Alternative zur traditionellen Kapitalanlage. In: bank und markt, April 2017, S. 31 5 Entwicklungsstand Industrie 4.0 und Prognosen 227 atoren veröffentlichen ihr Projekt auf eine Crowdfunding-Plattform und bitten um finanzielle Unterstützung von Internetnutzern. Die Croudfunding-Aktionen sind immer zeitlich begrenzt und basieren auf dem Prinzip „alles oder nichts“: wenn der Mindestbetrag nicht erreicht ist, wird das Geld an die Personen, die das Projekt unterstützt haben, rücküberwiesen. 604 5.3 Ausbildung im Rahmen der Digitalisierung Auch in der Phase von Industrie 4.0 sollten die Menschen nicht vergessen, dass menschliche Intelligenz und menschliches Bemühen Schlüsselfaktoren für das Lernen bleiben. Die Digitalisierung vereinfacht viele Prozesse und ermöglicht es den Menschen, ihre Kompetenzen für andere Aufgaben frei zu machen. 605 „Programmieren wird neben Lesen, Schreiben und Rechnen die vierte Kulturtechnik für das 21. Jahrhundert. Entsprechend muss die Schulausbildung daran angepasst werden. Diese Anpassung erfolgt auf fünf Ebenen: Über das Schulfach „Digitalkunde“ mit allgemeinem Inhaltsbezug in der Grundschule, der Nutzung von digitalen Medien in allen Schulfächern als Anwendungsbezug in allen Schulformen und einem Spezialfach „Programmierung“ als zweiter Fremdsprache auf weiterführenden Schulen. Hinzu kommen Studiengänge zur „Digitalen Wirtschaft“ auf den Hochschulen und ‚E- Entrepreneurship‘ 606 Nun werden weitere Trends im Bildungsbereich beschrieben. E-Learning umfasst Tele-Learning, Virtual Classroom und Learning on Demand. E-Learning impliziert den Einsatz neuer Technologien im Bildungssystem. Es gibt zwei Arten von Bildungsmodulen: CBT (Computer- Based-Training) und WBT (Web-Based-Training). „CBTs sind Lernprogramme, die für das Selbststudium auf einem Computer genutzt werden. WBTs laufen im Internet oder Intranet und arbeiten mit massive Datenbanken und Informationssystemen. Häufig wird der Begriff E-Learning- 604 Vgl. Schmiedgen, P., Innovationsmotor Croudfunding. In: M. Mai, Handbuch Innovationen, Springer 2014, S. 121 605 Vgl. Bruck, A., Weber, S., Die neue Aus- und Weiterbildung für die Industrie 4.0. Lernen 4.0. In: Arbeit und Arbeitsrecht, Mai 2017, S. 284 606 Kollmann, T., Schmidt, H., Deutschland 4.0. Wie die digitale Transformation gelingt, Springer Gabler 2016, S. 129 228 Teil III Digitalisierung und Innovation Plattform oder Learning Management System (LMS)genutzt. Bei einer E- Learning Plattform wird in einem Unternehmen ein virtueller Bildungsbereich eingerichtet. Auf diesen Plattformen werden verschiedene E-Learning- Programme angeboten. Ebenso gibt es virtuelle Kommunikationsmöglichkeiten (z.B. Chatrooms). Außerdem können Lernplattformen Daten über die Nutzer erfassen“. 607 Der Vorteil von E-Learning ist, dass jeder Lerner sich auf seine ganz individuellen Bedürfnisse fokussieren und so mehr Zeit für seine eigenen Problembereiche aufwenden kann. Darüber hinaus wählen die Lernenden selbst eine angemessene Zeit sowie den richtigen Ort und richtige Tempo ihres Lernens. Seit 20 Jahren verändert E-Learning den klassischen Ansatz von Bildung, vor allem in Unternehmen. Gleichzeitig ändert sich auch das E-Learning selbst ständig und befindet sich bereits im vierten Entwicklungsstadium 608 (Abb. 45). Abb. 45: Entwicklungsstufen des E-Learning. Quelle: Erpenbeck, J., Sauter, S., Sauter, W., E-Learning und Blended Learning. Selbstgesteuerte Lernprozesse zum Wissensaufbau und zur Qualifizierung, Springer Gabler 2015, S. 2 607 Gerlach, S., Squarr, I., Methodenhandbuch für Softwareschulungen, Springer 2015, S. 99-100 608 Vgl. Erpenbeck, J., Sauter, S., Sauter, W., E-Learning und Blended Learning. Selbstgesteuerte Lernprozesse zum Wissensaufbau und zur Qualifizierung, Springer Gabler 2015, S. 1 5 Entwicklungsstand Industrie 4.0 und Prognosen 229 Über E-Learning wird viel diskutiert. Oft wird kritisiert, dass Online- Seminare nur ein Video von Präsenzvorträgen bieten und nicht alle Möglichkeiten des virtuellen Lernens genutzt werden. Aber man kann die Vorteile von E-Learning nicht leugnen. Wie bereits oben erwähnt, ist dieses Lernen nicht an einen bestimmten Ort oder eine bestimmte Zeit gebunden, außerdem spart es Zeit und Geld, die aufgewendet werden müssen, wenn man an einem realen Seminar teilnimmt, wie Zeit für die An- und Abfahrt, Reisekosten oder Miete eines Seminarraums. Das Trainingsmaterial kann bei Bedarf wiederholt werden. Auf der anderen Seite haben die Lernenden beim Unterricht mit Programmen ohne Betreuung durch einen echten Lehrer keine Möglichkeit, Fragen zu stellen. Durch Abwesenheit einer klaren Struktur des Trainingsprogramms entsteht oft der sogenannte Butterfly- Effekt: Der Lernende springt von einem Thema zum anderen, ohne wirklich etwas zu verstehen. 609 Diese Mängel des E-Learnings haben zur Entstehung weiterer neuer Formen des Lernens geführt. Zahlreiche Kontroversen haben zur Entwicklung einer Form der Ausbildung geführt, die die Vorteile des elektronischen und klassischen Lernens miteinander verbindet. Diese neue Form wurde Blended Learning genannt. 610 Blended Learning kann zum Beispiel auf Web-Trainings basieren, die anschließend in Seminaren und Workshops ausführlich diskutiert werden. Es ist davon auszugehen, dass alle künftigen Bildungssysteme auf der Selbstorganisation der Lernenden basieren werden, so dass es wichtig ist, die Menschen allmählich an diese neuen Formen des Lernens zu gewöhnen und ihnen die entsprechende Motivation zu geben. Deswegen ist das Konzept des Blended Learnings ideal für den allmählichen Übergang vom Standard- Lernen zum E-Learning. 611 Mobile Learning ist ein Lernprozess mit mobilen drahtlosen Geräten, die Zugang zum Internet haben und sofortigen Zugriff auf Informationen 609 Vgl. Gerlach, S., Squarr, I., Methodenhandbuch für Softwareschulungen, Springer 2015, S. 100 610 Vgl. Thom, N., Zaugg, R. J., Moderne Personalentwicklung. Mitarbeiterpotenziale erkennen, entwickeln und fördern, Gabler 2007, S. 197 611 Vgl. Erpenbeck, J., Sauter, S., Sauter, W., E-Learning und Blended Learning. Selbstgesteuerte Lernprozesse zum Wissensaufbau und zur Qualifizierung, Springer Gabler 2015, S. 29-30 230 Teil III Digitalisierung und Innovation ermöglichen. Neben Smartphones gehören auch größere Geräte wie Tablets und Netbooks dazu. Mit mobilen Geräten kann man jederzeit und überall auf Informationen zugreifen. 612 Mobile Learning und E-Learning unterscheiden sich in den technologischen Merkmalen der eingesetzten Geräte. Beim Mobile Learning werden die Möglichkeiten des Online-Lernens durch Kontextualisierung erweitert. Mobile-Learning ermöglicht das Lernen im Kontext realer Probleme und durch das Lösen echter Aufgaben. Die kontextbezogene Verknüpfung als eine Form des situativen Lernens ist eines der Merkmale des mobilen Lernens. Die kontinuierliche Verfügbarkeit von Kontextinformationen entspricht dem individuellen Lernen und verbessert die Anpassung von Trainingsangeboten für einen einzelnen Benutzer. 613 Zum ersten Mal wurde das Konzept des MicroLearnings 2004 in der Diplomarbeit von H. Gassler an der Universität Innsbruck formuliert. Das Mikrolernen ist eine Form des Lernens, in der Informationen aus verschiedene Quellen in Form von interaktiven Wissenskarten zur Verfügung gestellt werden. Sie sind für die Anzeige auf allen digitalen Geräten verfügbar. Die Benutzer erhalten Informationen in kleinen Portionen und erreichen ihre Ziele durch viele kurze Schritte. MicroLearning wird auf der Basis von Algorithmen unterstützt, die die Anzahl der Wiederholungen steuern, die notwendig sind, um das gelernte Material zu sichern. Studien zeigen, dass Wissen, das in kleine Portionen aufgeteilt wird, von den Menschen positiver und effektiver angenommen wird. 614 Immer beliebter wird bei den Unternehmen die Gamification der Ausbildung: die Verwendung von Spieltechniken und Methoden mit dem Ziel Aufmerksamkeit zu erregen oder das Verhalten von Einzelpersonen zu ändern. 615 612 Vgl. de Witt, C., Sieber, A., Mobile Learning. Potenziale, Einsatzszenarien und Perspektiven des Lernens mit mobilen Endgeräten, Springer 2013, S. 14 613 Vgl. ebd., S. 16-20 614 Vgl. Bruck, A., Weber, S., Die neue Aus- und Weiterbildung für die Industrie 4.0. Lernen 4.0. In: Arbeit und Arbeitsrecht, Mai 2017, S. 283-284 615 Vgl. Watson, R., 50 Schlüsselideen der Zukunft. Gamification, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014, S. 76 5 Entwicklungsstand Industrie 4.0 und Prognosen 231 Auf der Suche nach neuen Lernformen, die Mitarbeitern motivieren, wurden quizähnliche Spielanwendungen ausprobiert. Es wurde festgestellt, dass Anreize wie Bonuspunkte oder Preise die Motivation zum Lernen deutlich erhöhen. 616 Gamification basiert auf drei Prinzipien: [1] Benutzer konkurrieren untereinander. [2] Benutzer teilen bestimmte Informationen. [3] Benutzer wollen Spaß haben und belohnt werden. 617 Es hat sich gezeigt, dass Gamification Motivation, Spaß, Partizipation und Lerneffizienz verbessert. Aber GamEducation erhöht auch die Arbeitsbelastung für Lernende und Lehrkräfte. Traditionelle Universitätslehre besteht meist aus Frontalunterricht, bei welchem die Studierenden Schwierigkeiten haben, sich durchgängig zu konzentrieren. Infolgedessen verstehen sie oft die Zusammenhänger innerhalb einer Vorlesung und zwischen den Vorlesungen einer Vortragsreihe nicht. Das Spielen kann sowohl das Lernen fördern, als auch die Kreativität einer Person bei der Arbeit verbessern. Die Verbesserung der Lernerzufriedenheit durch sofortiges Feedback und individuelle erreichbare Ziele ist ein wichtiger Vorteil der Gamifizierung. 618 Für jede Person spielt die soziale Komponente in jedem Lebensbereich eine entscheidende Rolle. So auch im Lernprozess: Es ist wichtig für die Motivation von Studierenden sich mit anderen zu vergleichen. Im Rahmen der Industrie 4.0 findet das Lernen meist online statt. Deshalb ist die soziale Kommunikation und in der Folge das Lernen in soziale Netzwerke umgezogen. Hier ist es den Nutzern möglich, Wissenskarten zu teilen, Lernvideos oder ganze E-Learning-Kurse zu kommentieren und mit anderen zu diskutieren. Die Autoren von Lernprogrammen erhalten wiederum ein ständiges Feedback von Nutzern, was dazu beiträgt, deren Inhalt und Qualität immer weiter zu verbessern. Ein bekanntes Beispiel ist die freie Enzyklopädie Wi- 616 Vgl. Bruck, A., Weber, S., Die neue Aus- und Weiterbildung für die Industrie 4.0. Lernen 4.0. In: Arbeit und Arbeitsrecht, Mai 2017, S. 283-284 617 Vgl. Watson, R., 50 Schlüsselideen der Zukunft. Gamification, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014, S. 76 618 Vgl. Siemon, D., Eckardt, L., Gamification of Teaching in Higher Education. In: S. Stieglitz, C. Lattemann, S. Robra-Bissantz, R. Zarnekow, T. Brockmann, Gamification. Using Game Elements in Serious Contexts, Springer 2017, S. 153-156 232 Teil III Digitalisierung und Innovation kipedia, die ein reines Produkt kollektiven Wissens darstellt. Content- Erstellung wird automatisiert. Semantische Technologie und Text-Mining helfen Autoren, Inhalte besser, schneller und effizienter zu gestalten. 619 5.4 Handel Mit dem Aufkommen des Internets hat der Handel globale Veränderungen erfahren und verändert sich bis heute fortlaufend weiter. Diese Änderungen werden nicht nur durch Veränderungen im Verhalten der Käufer, sondern auch durch den globalen Wettbewerb verursacht. 620 Immer mehr Menschen in Deutschland bevorzugen, online einzukaufen, wie aus dem Diagramm (Abb. 46) deutlich zu entnehmen ist. Im Vergleich zu den Vorjahren haben die Befragten 2016 mehr über das Internet eingekauft. Die Anzahl der Internetnutzer, die täglich etwas online kaufen hat sich zwischen 2014 und 2016 vervierfacht. Abb. 46: die Häufigkeit von Online-Shopping, Quelle: Bitkom © Statista 2017 Um die Bedeutung der laufenden Entwicklung zu verstehen, lohnt es sich, eine vergleichende Analyse durchzuführen. Zuvor waren die Kunden auf die 619 Vgl. Bruck, A., Weber, S., Die neue Aus- und Weiterbildung für die Industrie 4.0. Lernen 4.0. In: Arbeit und Arbeitsrecht, Mai 2017, S. 283-284 620 Vgl. Becker, T., Knop, C., Digitales Neuland. Warum Deutschlands Manager jetzt Revolutionäre werden. Springer Gabler 2015, S. 89 5 Entwicklungsstand Industrie 4.0 und Prognosen 233 Auswahl von Produkten im nächstgelegenen Supermarkt beschränkt, aber heute haben sie dank E-Commerce eine fast unbegrenzte Anzahl von Angeboten. Auch die Rolle des Händlers, der zuvor als Beraters gehandelt haben, hat sich geändert. Heute brauchen die Kunden keine Beratung, sie erhalten alle notwendigen Informationen aus Kommentaren und Produktbewertungen im Internet. Darüber hinaus können sie heute online rund um die Uhr einkaufen, ohne von den Öffnungszeiten der Geschäfte abhängig zu sein. 621 E-Commerce ist ein Vertriebskanal, der den Kunden erlaubt, Handelsverträge auf digitalen Handelsplattformen einzugehen. Die Zahlung erfolgt in der Regel per Überweisung durch digitale Zahlungssysteme, und die Waren werden mit Hilfe von Zustelldiensten und Warenlogistik per Post an den Käufer geliefert. Hauptvorteile für den Kunden sind Zeitersparnis und die Möglichkeit, das gewünschte Produkt unabhängig vom Standort zu bestellen. 622 Die Bedeutung des E-Commerce als Hauptkanal für die Versorgung von Verbrauchern und Unternehmen mit Waren und Dienstleistungen wächst jedes Jahr und der Anteil des E-Commerce am Gesamtumsatz der Unternehmen steigt ebenfalls. Jedes Jahr bevorzugen mehr und mehr Menschen, Waren im Internet zu kaufen. 623 Wachstum des Umsatzes durch E-Commerce (B2C) in Deutschland in den Jahren 1999 bis 2016 sowie eine Prognose für 2017 (in Milliarden Euro) sind in Abb. 47 deutlich zu sehen. Der Eintritt in den E-Commerce kann auf mehrere Arten erfolgen. Die erste Option ist die Platzierung von Waren auf den bereits vorhandenen Online- Plattformen wie Amazon oder eBay. Dies ist die einfachste und günstigste Art, denn Unternehmen brauchen nicht ihren eigenen Online-Shop aufzubauen und sich Gedanken über alle Logistikprozesse zu machen. Die Kommunikation und Abrechnung wird von den Plattformbetreibern durchgeführt. Optional kann auch die Lieferung der Ware ausgelagert werden. 621 Vgl. Becker, T., Knop, C., Digitales Neuland. Warum Deutschlands Manager jetzt Revolutionäre werden. Springer Gabler 2015, S. 90 622 Vgl. Große Holtforth, D., Schlüsselfaktoren im E-Commerce. Innovationen, Skaleneffekte, Daten und Kundenzentrierung, Springer Gabler 2017, S. 4 623 Vgl. ebd., S. 1 234 Teil III Digitalisierung und Innovation Abb. 47: Umsatz durch E-Commerce (B2C) in Deutschland (in Milliarden Euro), Quelle: HDE © Statista 2017 Die zweite Option - Erstellen von Basis-, Top- oder Premium-Shops bei eBay. Solche Shops, obwohl sie sich auf einer bestehenden Plattform befinden, haben eine eigene Internetadresse, ein eigenes Logo und Farbdesign. Produkte, die über eBay auf dem Markt angeboten werden, sind für den sofortigen Kauf vorgesehen. Die Tool-Box ermöglicht es Unternehmen, unabhängig die Konfiguration des Shops zu wählen und unterstützt bei der Verwaltung von Angebot und Vertrieb. Im Gegenzug muss der Benutzer selbst einen Antrag auf den Online-Shop stellen und eine kontinuierliche Optimierung basierend auf den Ergebnissen durchführen. Die dritte Stufe des E-Commerce - die Schaffung eines eigenen Online- Shops: Dies ist der komplizierteste und teuerste Weg, es sind erhebliche Investitionen notwendig. Diese Methode ist meistens für große Unternehmen relevant, für die ihre eigene Website notwendig ist, um das Image zu pflegen. Die Schaffung eines Online-Shops allein ist aber nicht genug. Eine entscheidende Rolle spielt in der Folge die SEO (Search Engine Optimization), also die möglichst gute Auffindbarkeit des Angebots über Suchmaschinen. 624 Definitionen wie Mobile Commerce, M-Commerce oder M-Shopping, sind jetzt in aller Munde. Das Wort „Mobile“ bezieht sich auf die Tatsache, dass 624 Vgl. Kreutzer, R.T., Praxisorientiertes Online-Marketing, Springer 2014, S. 472 5 Entwicklungsstand Industrie 4.0 und Prognosen 235 diese Art des Einkaufens nicht an einen festen Standort gebunden ist und durch Verwendung von mobilen Geräten erfolgt. 625 Die Nutzung des Internets steigt jedes Jahr. Laut der unten abgebildeten Statistik über den Zeitraum 2011 bis 2016 hat sich der Anteil der Internetnutzung mittels Smartphones und Tablets um 48 Prozent erhöht. (Abb. 48). Durch das ständige Wachstum der mobilen IKT (Informations- und Kommunikationstechnologien), das sowohl durch den technologischen Fortschritt als auch durch die allgegenwärtige Verfügbarkeit des Internets verursacht wurde, beginnen viele Unternehmen mobile Geräte und Applikationen in ihre Geschäftsmodelle zu integrieren. 626 Abb. 48: Anteil der mobilen Internetnutzer in Deutschland nach Endgeräten in den Jahren 2011 bis 2016, Quelle: FUR © Statista 2017 Moderne Hightech-Smartphones läuten eine neue Phase im mobilen Handel ein. Sie eröffnen neue Verkaufschancen durch neue innovative Dienstleistungen. 627 Im Wesentlichen ist der M-Commerce eine Art von E-Commerce, der über mobile Geräte implementiert wird, und daher einen weiteren Kanal für den Einsatz von Omni-Channel-Handel darstellt. So fungiert das Smartphone als Assistent im Einkaufsprozess und dient nicht nur als Brieftasche, sondern 625 Vgl. Heinemann, G., Der neue Mobile-Commerce. Erfolgsfaktoren und Best Practices, Springer Gabler, 2012, S. 3 626 Vgl. Aichele, C., Schönberger, M., E-Business. Eine Übersicht für erfolgreiches B2B und B2C, Springer Vieweg 2016, S. 29 627 Vgl. Heinemann, G., Der neue Mobile-Commerce. Erfolgsfaktoren und Best Practices, Springer Gabler, 2012, S. 1 236 Teil III Digitalisierung und Innovation erlaubt auch Preise zu vergleichen, ein Produkt zu untersuchen oder eine Filiale zu finden. 628 Smartphones haben das Verhalten der Käufer radikal verändert: Sie sind immer online und immer in Kontakt. Die Veränderungen haben auch den stationären Handel beeinflusst. Der moderne Käufer ist in Verhandlungen mit dem Verkäufer gleichberechtigt. Bevor er sich zum Kauf entscheidet, studiert er gründlich alle Informationen über das Produkt im Internet. Auch nutzt der Kunde die Anwendungen seiner Lieblings-Shops um über alle Neuigkeiten informiert zu sein. So beginnt jeder Kauf mit dem Telefon und setzt sich in den Laden fort. Händler wiederum erforschen das Verhalten ihrer Kunden in sozialen Netzwerken, um ihnen passende Angebote zu unterbreiten. 629 Ein wesentlicher Vorteil des Mobile Commerce im Gegensatz zu E- Commerce ist die Verfügbarkeit „mobiler Mehrwerte“ (mobile added values - MAV) wie Mobilität, Erreichbarkeit, Kontextsensitivität und Identifikation. Mobilität: der Benutzer einer mobilen Technologie ist nicht von einem bestimmten Ort oder einer bestimmten Zeit abhängig. Die einzige Bedingung ist das Vorhandensein des Mobilfunknetzes. Erreichbarkeit. Ein mobiler Benutzer ist jederzeit erreichbar. Dies bietet eine Möglichkeit für pro aktive Dienstleistungen - z.B. Kauf oder Verkaufsempfehlungen von Aktien - oder die synchrone Kommunikation zwischen Nutzern. Kontextsensitivität: Dienste, die für den Kunden relevant sind, können durch Erfassen und Auswerten seiner Umgebung eingegrenzt und aktiv angeboten werden. Ein Tourist in einer fremden Stadt braucht andere Informationen als ein Businessreisender. Außerdem sind Wünsche von Tageszeit und Anlässen abhängig, mittags wird vielleicht ein Restaurant gesucht, während abends ein Konzert oder ein Theaterbesuch ermöglicht werden soll. Hier spielt vor allem der Einsatz von LBS (Location Based Services) eine entscheidende Rolle Identifikation: Für viele Anwendungen ist der Besitz eines mobilen Endgerätes ausreichend, um den Benutzer eindeutig zu identifizieren. Dies schließt eine zusätzliche Authentifizierung aber natürlich nicht aus. Um beispielsweise Zahlungen zu leisten, muss man einen PIN-Code eingeben. Durch die Verwendung von mobilen Signaturen können zusätzliche Sicherheitsanforderungen erfüllt werden. 630 628 Vgl. Wächter, M., Mobile Strategy. Marken- und Unternehmensführung im Angesicht des Mobile Tsunami, Springer Gabler 2016, S. 172 629 Vgl. ebd., S. 176 630 Vgl. Heinemann, G., Der neue Mobile-Commerce. Erfolgsfaktoren und Best Practices, Springer Gabler 2012, S. 11-12 5 Entwicklungsstand Industrie 4.0 und Prognosen 237 Die Preise für Produkte und Dienstleistungen bei Auktionen werden dynamisch anhand von Geboten ermittelt. In der Regel werden Auktionen sowohl im B2Bals auch im B2C-Bereich durch Online-Auktionshäuser und elektronische Märkte organisiert und sind ein wichtiges Instrument für die dynamische Preisgestaltung beim Einkauf und Verkauf. Der Prozess des Kaufens und Verkaufens bei einer Auktion ist ein standardisiertes Verfahren und wird in drei Hauptstufen unterteilt: [1] Der Auktionator eröffnet die Auktion und nennt einen Einstiegspreis für die zu verkaufende Produkte oder Leistungen. [2] Die Bieter können einmalig oder wiederholt Gebote abgeben. [3] Die Auktionator beendet die Auktion und der Bieter mit dem besten Gebot erhält den Zuschlag. 631 Die elektronische Auktion kann auf den bereits erwähnten virtuellen Marktplätzen durchführt werden, oder auch mithilfe spezieller Software für Auktionen und unter Einbeziehung eines externes Mittlers, der für die Organisation, Realisierung und Überwachung verantwortlich zeichnet. Auch für Online-Auktionen gelten bestimmte Regeln: Die Zeit des Beginns und des Endes der Auktion ist genau im Voraus bestimmt und wird allen Teilnehmern mitgeteilt. Manche Lieferanten geben aus taktischen Gründen erst sehr spät ein „finales“ Angebot abgeben, so dass eine Abweichung vom Zeitplan zu einem verzerrten Ergebnis führen kann. Es ist aus Sicherheitsgründen unerlässlich, die Identität aller beteiligten Partner zu überprüfen. In der Regel erfolgt dies durch die Eingabe von Passwörtern als Zugriffsschutz. Online- Auktionen helfen, den Beschaffungsprozess zu beschleunigen und die Kosten des Prozesses zu senken. Auktionen helfen, die Einstandspreise um durchschnittlich 10 bis 15 Prozent zu verringern. 632 5.5 Logistik 4.0 Auch der Bereich der Logistik hat sich in den letzten Jahren durch die neue Technologien (z.B. autonome Transportsysteme, intelligente Container und Paletten, Robotertechnologien und Automatisierung) verändert. 633 631 Vgl. Hansen, R.H., Mendling, J., Neumann, G.: Wirtschaftsinformatik, 11. Aufl. De Gruyter, 2015, S. 224-225 632 Vgl. Hausladen, I., IT-gestützte Logistik. Systeme-Prozesse-Anwendungen. 3. Auflage, Springer Gabler 2016, S. 100-106 238 Teil III Digitalisierung und Innovation Heute findet der globale Güterverkehr mithilfe intelligenten Informations- und Kommunikationstechnologien statt, die eine effektive Koordination von Material- und Informationsflüssen ermöglichen, die den Wertschöpfungsprozesse begleiten. 634 In diesem Sinne bedeutet Logistik 4.0 eine umfassende Digitalisierung der Logistikbranche mit ihren Objekten und Akteuren. Das heißt, dass über diese Objekte und Akteure alle Informationen mit allen ihren Eigenschaften wie Kontaktdaten, Identifikationsnummern und Größe und Zustandsvariablen (aktueller Standort oder Füllstand) digital zur Verfügung stehen. 635 Am stärksten sind die technologischen und organisatorischen Veränderungen im operativen Bereich des Logistiksystems ausgeprägt, was erheblichen Einfluss auf die tägliche Arbeit der Mitarbeiter hat. In naher Zukunft können Be- und Entladevorgänge mit autonomen Transportsystemen oder automatisierten Ladebühnen durchgeführt werden. Die Wareneingangsprüfung durch Sichtkontrolle wird durch eine 3D-Kontur-Prüfung mit einem PMD- Sensor ersetzt. Bei Abweichung vom vordefinierten Verpackungsschema werden die Mitarbeiter benachrichtigt und können die notwendigen Qualitätssicherungsprozesse einleiten. In den Logistiksystemen 4.0 wird der Transportprozess bei Einlagerung und Auslagerung von autonomen Fahrzeugen übernommen. 636 Sogennante „Palettierroboter“ können Paletten vollautomatisch be- und entladen. 637 Die Entwicklung der Industrie 4.0 wird zweifellos einen erheblichen Einfluss auf die Logistikprozesse und die Gestaltung der Lieferketten haben und letztlich zur Entstehung neuer Geschäftsprozesse führen. Beispielsweise können additive Fertigungsprozesse zur Herstellung von Ersatzteilen nach Bedarf verwendet werden, um die kostenintensive Lagerung von Ersatzteilen zu reduzieren. 638 633 Vgl. Bauernhansl, T., ten Hompel, M., Birgit Vogel-Heuser Hrsg., Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik, Springer Vieweg 2014, S. 47 634 Vgl. Hausladen, I., ITgestützte Logistik. Systeme-Prozesse-Anwendungen. 3. Auflage, Springer Gabler 2016, S. VIII 635 Vgl. Bousonville, T., Logistik 4.0. Die digitale Transformation der Wertschöpfungskette, Springer Gabler 2017, S. 5 636 Vgl. Straub, N., Kaczmarek, S., Hegmanns, T., Niehues, S., Logistik 4.0 - Logistikprozesse im Wandel. In: Industrie 4.0 Management 33 (2017) 2, S. 48 637 Vgl. KUKA, abgerufen unter: https: / / www.kuka.com/ de-de/ branchen/ loesungsdatenbank/ 2016/ 07/ solution-robotics-crown-paints [16.07.2017] 638 Vgl. Straub, N., Kaczmarek, S., Hegmanns, T., Niehues, S., Logistik 4.0 - Logistikprozesse im Wandel. In: Industrie 4.0 Management 33 (2017) 2, S. 49 5 Entwicklungsstand Industrie 4.0 und Prognosen 239 Für den Übergang vom aktuellen Logistiksystem zur Logistik 4.0 ist es notwendig, alle wichtigen Informationen zu digitalisieren: die Position der Objekte, die Temperatur, den Druck, den Energieverbrauch und vieles mehr. Solche Messungen werden oft mit Sensoren durchgeführt. Zum Beispiel wird im Trailer-System „Connect“ der Firma Cargobull Telematics die Temperatur im Innenraum digital über eine elektronische Temperaturschnittstelle erfasst. Ein weiterer Sensor überwacht die Füllmenge des Behälters mit Kühlflüssigkeit und meldet Störungen. Andere Sensoren registrieren das Öffnen und Schließen der Tür zum Ladebereich über einen Kontaktschalter. Der Reifendruck wird ebenfalls durch Sensoren gemessen. Für den autonomen Betrieb der elektronischen Komponenten gibt es eine wiederaufladbare Batterie, deren Ladezustand auch von einem Sensor überwacht und gesteuert wird. Die von den Sensoren erhaltenen Informationen werden zentral in der Steuereinheit verarbeitet und gespeichert. Für eine effiziente Verkabelung wurden Standard-Bussysteme (CAN- und LIN-Bus) installiert, die Sensoren mit Controllern und dem zentralen Steuergerät verbinden. So werden Sensoren zu einer Schlüsseltechnologie in der Logistik 4.0. 639 Im Herbst 2013 wurde das neue iBin-System von Würth Elektronik erstmals präsentiert. Der Grund für die Entwicklung dieses Systems war der Wunsch, die manuelle Inventaraufnahme durch eine kontinuierliche automatische Inventaraufnahme zu ersetzen, die es ermöglichen soll, eine neue Lieferung zur richtigen Zeit einzuleiten. Darüber hinaus, soll es durch kurze Reaktionszeit, niedrigere Kosten und ein höheres Service-Level helfen, die Erwartungen der Kunden noch besser zu erfüllen. „Das im Lagerbehälter integrierte Infrarot-Kamera-Modul sendet in konfigurierbaren Zeitabständen Infrarotbilder des Behälterinneren über den lokal installierten Access Point an den als Cloud Server fungierenden Smart Logistics Management Server. Letzterer kann sowohl vor Ort als auch über Ethernet verbunden im Würth-Logistikzentrum installiert sein. In größeren Anwendungen werden typischerweise mehrere Access Points installiert, um zum einen die Übertragungsstrecken für Kameramodule kurz zu halten, und zum anderen die Anzahl der pro Access Point verwalteten Kameramodule (iBins) in einem vernünftigen Rahmen zu halten. In dieser Konfiguration besitzen die Access Points jeweils unterschiedliche Kanäle und vermeiden dadurch Übertragungskollisionen“. 639 Vgl. Bousonville, T., Logistik 4.0. Die digitale Transformation der Wertschöpfungskette, Springer Gabler 2017, S. 20 240 Teil III Digitalisierung und Innovation Abb. 49: iBin-Logistiksystem einschließlich B3B Informationsfluss, Quelle: Bauernhansl, T. ten Hompel, M., Vogel-Heuser, B., Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik, Springer Vieweg 2014, S. 213 Ein besonderes Merkmal des Systems ist eine spezielle Cloud-Software. Mehrmals am Tag wird der Inhalt des Containers überprüft und die Lieferungen werden auch automatisch ausgelöst. Dank des iBin-Systems wird die Arbeit, die früher physisch gemacht wurde, durch Würth-Industrie-Service- Spezialisten digital erledigt. Die physische Aktivität des Mitarbeiters kann auf die Lieferung der Ware reduziert werden. So synchronisiert das iBin- System die Produkte, Informationen und Personen in Echtzeit. Dies macht den gesamten Prozess transparent und erhöht die Konsistenz und Qualität der getroffenen Entscheidungen. Auch die Kosten der Logistik, die notwendig ist, um die notwendigen Waren an den Käufer zu liefern, wird reduziert. 640 5.6 Health 4.0 Auch das Gesundheitswesen wurde in den letzten Jahren der Digitalisierung unterworfen. Aber in Deutschland ist man noch weit von einem idealen digitalen Gesundheitssystem entfernt, in dem alle Bereiche vollständig in einem einzigen digitalen Raum zusammenarbeiten würden. Die Interessen der beteiligten Akteure sind bislang zu unterschiedlich, um eine Einigung 640 Bauernhansl, T., ten Hompel, M., Vogel-Heuser, B., Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik, Springer Vieweg 2014, S. 211 5 Entwicklungsstand Industrie 4.0 und Prognosen 241 zum Beispiel bei der zentralen Speicherung von Patientendaten herbeizuführen. Das Hauptproblem liegt in der Digitalisierung von Dokumenten und der Verarbeitung großer Datenmengen. Eine ständige Anpassung an die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Umsetzung von Reformen ist erforderlich. In der heutigen Zeit wird in jeder Arztpraxis Informationstechnologie eingesetzt. Um den Fluss der Patienten zu bewältigen, digitalisieren Krankenhäuser Geschäfts- und Behandlungsprozesse. Die Diagnose der Patienten erfolgt ebenfalls mithilfe von IT-Technologie. Dank der Vernetzung können neue therapeutische Ansätze schnell weiterentwickelt und verbreitet werden. 641 Der Begriff eHealth wird ganz allgemein für die Bezeichnung des Einsatzes digitaler Technologien im Gesundheitswesen verwendet. Moderne Technologien ermöglichen eine Verbesserung der Qualität, Wirtschaftlichkeit und Sicherheit der medizinischen Versorgung. Die Palette an Netzwerkprodukten und -diensten, die auf Informations- und Telekommunikationstechnologien basieren, erstreckt sich von Sensoren wie Aktivitätsindikatoren, Schrittzählern, Geräten für die Messung von Blutdruck, Körpergewicht, Körperzusammensetzung oder Blutzuckerwerten über tragbare Medikamentenspender, die mit WLAN verbunden sind bis hin zu Portalen für medizinische Fachkräfte und Krankenhäuser, die einen zentralen Zugang zu Patientendaten ermöglichen. Ein eHealth-System sollte vier Hauptaufgaben erfüllen: Verhütung von Krankheiten, zentraler Zugang für Ärzte zu den elektronischen Daten des Patienten, so Vermeidung von Mehrfachuntersuchungen, Verbesserung der Qualität der medizinischen Dienstleistungen durch die Beschleunigung und Zuverlässigkeit von Informationen, wodurch auch Kosten sinken können, Freisetzung von medizinischem Personal für die wichtigere menschliche Arbeit am Patienten, für die es unersetzlich ist. 642 641 Vgl. Pfannstiel, M.A., Da-Cruz, P., Mehlich, H., Digitale Transformation von Dienstleistungen im Gesundheitswesen. Impulse für das Management, Springer Gabler 2017, S. V 642 Vgl. Andelfinger, V.P., Hänisch, T., eHealth. Wie Smartphones, Apps und Wearables die Gesundheitsversorgung verändern werden, Springer Gabler 2016, S. 27 242 Teil III Digitalisierung und Innovation Die meisten Patienten suchen nach Informationen über ihre Symptome im Internet, bevor sie einen Arzt aufsuchen. Aber die gleichen Symptome können bei ganz unterschiedlichen Krankheiten auftreten, so dass nur qualifizierte Ärzte eine verlässliche Diagnose erstellen können. Google hat begonnen, in den USA mit den Mayo Clinics zusammenzuarbeiten. Bei relevanten Suchanfragen bietet Google die Schaltfläche „Talk with the doctor“ an, über die dann automatisch ein Video-Chat mit einem Arzt der Klinik gestartet wird. So erhalten die Patienten nicht nur zuverlässige Informationen, sondern auch den Kontakt zu geeigneten Ärzten. 643 Das Smartphone ist in unserer Zeit ein ständiger Begleiter des Menschen. Die Vielfalt von Anwendungen auf Smartphones bietet beinahe unbegrenzte Möglichkeiten, so auch für das Gesundheitswesen. Anwendungen können dabei helfen, einen gesunden Lebensstil aufrechtzuerhalten oder eine Krankheit in einem frühen Stadium zu diagnostizieren. Patienten können diese Anwendungen, ggf. erweitert durch die sogenannten „Wearables“ mit zusätzlichen Sensoren für Bewegung und Herzfrequenz, selbst verwenden, um Gesundheitsdaten zu sammeln. Immer beliebter werden Fitness-Apps oder Anwendungen, die die Zahl der Kalorien in Lebensmitteln zählen. Ein gesunder Lebensstil ist in Mode gekommen, ebenso wie diesen über die sozialen Netzwerke zu verbreiten. Menschen posten Bilder von ihrem Essen (überwiegend handelt es sich dabei um gesunde Ernährung) und Statistiken über die Anzahl der gelaufenen Kilometer. Die Analyse dieser Daten bietet eine vielversprechende Grundlage für die Einführung einer personalisierten Medizin. 644 In Analogie zu M-Commerce und M-Learning umfasst mHealth alle gesundheitsbezogenen Prozesse, die über mobile Geräte implementiert werden können. Im Gegensatz zu eHealth-Lösungen bieten die Anwendungen von mHealth eine breitere Abdeckung der Patienten. Anstelle von Informationen, die von anderen Nutzern gesammelt wurden, können die Patienten selbst Informationen über ihre Gesundheit sammeln und personalisierte Empfehlungen für einen gesunden Lebensstil und eine gesunde Ernährung erhalten. 645 643 Vgl. Kollmann, T., Schmidt, H., Deutschland 4.0. Wie die digitale Transformation gelingt, Springer Gabler 2016, S. 102 644 Vgl. Timm, I. J., Digitalisierung und Big Data in der Medizin, MedR 2016, S. 688 645 Vgl. Albrecht, U-V., Chancen und Risiken von Gesundheits-Apps, CHARISMA, 2016, S. 51 5 Entwicklungsstand Industrie 4.0 und Prognosen 243 Mobile Gesundheits-Apps lassen sich in zwei Kategorien unterteilen. Die erste Kategorie umfasst Anwendungen, die einen gesunden Lebensstil beizubehalten helfen, wie Fitness-Apps, die Sport- oder Ernährungspläne erstellen. Zur zweiten Kategorie gehören medizinische Apps. Sie helfen Patienten bei der Therapie und erinnern an die Einnahme von Tabletten. Über Anwendungen, die angeblich Krankheiten diagnostizieren können gibt es viele kritische Diskussionen unter Ärzten. So existiert zum Beispiel eine Anwendung, die anhand von Fotos Hautkrebs erkennen soll, aber natürlich in keiner Weise den Besuch bei einem Dermatologen ersetzen kann. Daher ist es wichtig, dass die Anwendungsentwickler sehr klar vermitteln, was ihre Anwendung tun und vor allem was sie nicht tun kann. Letztlich entscheidet der Benutzer selber, ob er solchen Anwendungen vertrauen möchte. 646 5.7 Energie 4.0 Lange Zeit wurde die Energiewirtschaft als stabil betrachtet und als kaum verändert betrachtet. Grund dafür waren unter anderem hohe Investitionskosten und lange Planungszeiten. Seit vielen Jahrzehnten ist diese Stabilität zudem durch rechtliche Rahmenbedingungen, Gebietsmonopole, staatliche Unternehmen und Preisregulierungen aufrechterhalten worden. Erst seit kurzer Zeit haben Veränderungen in der Energiewirtschaft eingesetzt. Vergleichsportale im Internet, auf denen sich der Verbraucher über die Konditionen von Strom- und Gasanbieter informieren kann, sorgen für mehr Transparenz, der Wettbewerb verändert sich so entscheidend. Digitale Managementprozesse reduzieren die Transaktionskosten und leisten einen Beitrag zum schnellen und flexiblen Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Intelligente Verbraucher, insbesondere digitale Gebäudetechnik, werden als Möglichkeit der Differenzierung durch die Stromanbieter genutzt. 647 smartB ist ein Start-up aus Berlin. Das Unternehmen bietet Energiemanagementsysteme für Gewerbeimmobilien an und hilft dabei, diese effizient zu führen. 646 Vgl. Matsche, T., So unterscheiden Sie seriöse von unseriösen Gesundheits- Apps, MDR AKTUELL (23.05.2017), abgerufen unter: http: / / www.mdr.de/ nachrichten/ ratgeber/ nutzen-und-gefahren-von-gesundheits-apps-100.html [17.07.2017] 647 Vgl. Doleski, O.D., Herausforderung Utility 4.0. Wie sich die Energiewirtschaft im Zeitalter der Digitalisierung verändert, Springer Vieweg 2017, S. XI 244 Teil III Digitalisierung und Innovation Stromverbrauch ist für uns nicht sicht- oder fühlbar. Deswegen kann der tatsächliche Verbrauch auch nur sehr schwer nachvollzogen werden. smartB ist ein flexibles System, das Gewerbegebäude energietechnisch überwacht und den Stromverbrauch bis auf Geräteebene transparent macht. Das System besteht aus einem intelligenten Zähler, einer Internetverbindung, einer „Big Data“-Plattform und einem Zugang zum Webbrowser. Die Daten werden in Echtzeit erfasst und sind zu jeder Zeit abrufbar. Das Programm schlägt Optimierungsmaßnahmen vor. So können mögliche Einsparpotenziale aufgedeckt und Kosten gesenkt werden. Die Energiedaten werden dabei durch die Zähler erfasst und in einer Cloud-Plattform gesammelt. Dort werden auch die algorithmischen Zusammenhänge erkannt, die später auf den webbasierten Dashboards oder mobilen Endgeräten visualisiert werden. Das System ermöglicht eine tiefgehende Analyse des Energieverbrauchs, aber auch interne Benchmarks oder Vergleiche mit anderen Unternehmen sind möglich. Die Optimierungsmaßnahmen werden automatisch vom Programm vorgeschlagen. 648 Es wurden viele Systeme und Möglichkeiten entwickelt, um Menschen zu motivieren, Energie zu sparen und ihr Energiebewusstsein zu erhöhen, unter anderem durch Spiele und den Einsatz sozialer Medien. Bei dem Mobiltelefonspiel „Power Explorer“ gibt es verschiedene Spielelemente: den Lebensraum, das Ranking und die Duelle. Im Lebensraum wählt der Spieler einen Avatar aus, der die Verantwortung über die „Welt“ übernimmt und durch den Verbrauch von Energie gefährliche CO 2 -Wolken erzeugt. Im Ranking können die Spieler sehen, wo sie im Vergleich zu anderen Spielern stehen, und in den Duellen konkurrieren Spieler direkt gegeneinander. Das Ziel der Duelle ist es, das Energiebewusstsein zu erhöhen, da die Spieler ihren Haushaltverbrauch anpassen müssen, um zu gewinnen. Es wurde nachgewiesen, dass Spieler etwa um 20 Prozent weniger Energie verbrauchen, als Nichtspieler. 649 648 Vgl. Ehlerding, S., Spielerisch Energie sparen. In: Der Tagesspiegel, 08.02.2016, abgerufen unter: http: / / www.tagesspiegel.de/ wirtschaft/ immobilien/ start-upsfuer-effizienzpreis-nominiert-spielerisch-energie-sparen/ 12924816.html [4. Juli 2017] 649 Vgl. Reinhart, F., Schlieper, K., Kugler, M., Andre, E., Masoodian, M., Rogers, B., Fostering Energy Awareness in Residential Homes Using Mobile Devices, The University of Waikato, Working Paper 2013, S. 2 5 Entwicklungsstand Industrie 4.0 und Prognosen 245 Jede Person kann ihre Energieeffizienz durch Änderung ihres Verhaltens und ihrer alltäglichen Gewohnheiten deutlich verbessern. So lässt sich viel Energie einsparen, ohne dabei auf Komfort verzichten zu müssen, wenn nur das eingespart wird, was sonst sinnlos verschwendet würde. Es beginnt immer damit, Energieverbrauchsverhalten bewusst zu machen. Dies ist das Ziel der in Berlin entwickelten ENFFI-Applikation, die dem Anwender den Energieverbrauch im Haus und das Einsparpotential aufzeigt und so dabei hilft den Energieverbrauch um bis zu 25 Prozent zu reduzieren. Der Name ENFFI setzte sich aus den Worten Energie und Effizienz zusammen. Die Anwendung der App ist einfach und motiviert durch Spielelemente: Energieeffizienz wird als Insel dargestellt, Ziele sind als Pflanzen zu sehen. Eine kleine Blume gibt es für ein kleines Ziel, einen großen Baum für ein großes Ziel. Spielmotivation ist die Erreichung der Ziele: Die Pflanzen dürfen nicht verblassen. 650 Ein weiterer Teil der Transformation im Energiesektor sind Smart Homes. So heißen intelligente vernetzte Häuser. In solchen Häusern schaltet sich die Heizung automatisch ein, wenn die Temperatur auf ein bestimmtes Niveau absinkt. Allein das hilft schon, die Kosten um ein Drittel zu senken. Zusätzliche Funktionen sind die automatisierte Steuerung von Beleuchtung, Außenanlagen und Sicherheit. Aber in Deutschland sind die intelligenten Häuser noch nicht sehr weit verbreitet. Das Gesetz zur „Digitalisierung der Energiewende“ sieht bereits ab 2017 den Einsatz von intelligenten Stromzählern (Smart Meter) vor, aber in der Praxis hat sich das Projekt fast nicht bewegt. Daten über den Stromverbrauch in Haushalten können zwar gesammelt werden, aber es gibt noch keine entsprechenden Tarife. Die Anschaffung von Smart Metern ist teuer und bringt so im Moment noch keinen Kosteneinsparungsnutzen. 651 Die Motivation des Nutzers ist neben der modernen Technologie der wichtigste Faktor bei der Reduzierung des Energieverbrauchs. Ambient Devices sind die Geräte, die entwickelt wurden, um Energiebewusstsein zu einem Teil des Alltags zu machen. Sie nutzen mehrere Motivationsmethoden, einschließlich virtueller und visuell attraktiver Belohnungen, personalisierten und maßgeschneiderten Feedbacks, Selbstüberwachung und Nutzung von Social Media, um die eigene Leistung mit anderen zu vergleichen. Die Ener- 650 Vgl. Skrabania, L., Enffi-App: Energieeffizienz meets Gamification,20.07.2016, abgerufen unter: https: / / reset.org/ blog/ enffi-app-energieeffizienz-meets-gamifi cation-07202016 [7. Juli 2017] 651 Vgl. Kollmann, T., Schmidt, H., Deutschland 4.0. Wie die digitale Transformation gelingt, Springer Gabler 2016, S. 99 246 Teil III Digitalisierung und Innovation gy AWARE Clock ist ein Beispiel für ein Umgebungsgerät, das den aktuellen und vergangenen Energieverbrauch eines Haushaltes visualisiert. Die Entwicklung orientierte sich an den drei Prinzipien Komplexität, Sichtbarkeit und Zugänglichkeit, um die Komplexität der Verbrauchsdaten zu reduzieren, „versteckte“ oder nicht direkt offensichtliche Stromverbraucher sichtbar und die Verbrauchsdaten leicht zugänglich zu machen. 652 5.8 Arbeit 4.0 Das Aufkommen des Begriffs „Arbeit 4.0“ ist auf mehrere zentrale Trends zurückzuführen, die sich langfristig auf die Arbeitswelt auswirken. Neben der umfassenden Digitalisierung gehören auch die Alterung der Bevölkerung und damit auch der Erwerbsbevölkerung sowie die Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials dazu. Einer der Haupttreiber des Wandels ist die wachsende Volatilität und Entwicklung zur Wissens- und Innovationsökonomie. Individualisierung und Werteänderung haben ebenfalls Auswirkungen auf die „Arbeit 4.0“. Über Veränderungen der Arbeits- und Arbeitsmethoden sowie über die sich ändernden Anforderungen an die Kompetenzen der Mitarbeiter muss nachgedacht werden. 653 Digitalisierung und Mobilkommunikation eröffnen neue Möglichkeiten in der Arbeitswelt. Kooperation und Koordination sind heutzutage unabhängig von Zeit und Ort ebenso möglich, wie der uneingeschränkte Zugang zu Wissen, zu Kompetenzen und Informationsressourcen. Arbeitszeitpläne der Mitarbeiter und ihre Aufgaben ändern sich, neue Arbeitsmodelle entstehen. Das Projektarbeiten verbreitet sich immer mehr. Unternehmen ziehen temporär Menschen mit den notwendigen Kompetenzen zur Lösung spezifischer Probleme hinzu. Expertengruppen aus aller Welt arbeiten zusammen, weil Grenzen allmählich verschwinden. Dies wirkt sich sowohl auf die internationale Arbeitsteilung als auch auf den globalen Wettbewerb aus. 654 Laut Umfragen verbringen Büroarbeiter täglich durchschnittlich eine halbe Stunde auf der Suche nach Informationen. So wird produktive Zeit verschwendet, Mitarbeiter verlieren an Motivation oder treffen falsche Entschei- 652 Vgl. Reinhart, F., Schlieper, K., Kugler, M., Andre, E., Masoodian, M., Rogers, B., Fostering Energy Awareness in Residential Homes Using Mobile Devices, The University of Waikato, Working Paper 2013, S. 3 653 Vgl. Rump, J., Eilers, S., Auf dem Weg zur Arbeit 4.0. Innovationen in HR, Springer Gabler 2017, S. 3 654 Vgl. ebd., S. 5-7 5 Entwicklungsstand Industrie 4.0 und Prognosen 247 dungen aufgrund fehlender Informationen. Eine Lösung für dieses Problem bietet die Software „Digital Workplace“ an, die alle Informationen, Anwendungen und Programme in einem zentralen digitalen Arbeitsplatz bündelt. Im Mittelpunkt digitaler Arbeitsplätze stehen Prozesse und Programme, die bereits länger im Unternehmen eingesetzt werden. Alle Daten werden miteinander verknüpft und in Prozessen und Anwendungen verwendbar gemacht. Dem Mitarbeiter wird ermöglicht, über ein einziges Interface auf Daten aus einer Vielzahl von Quellen zuzugreifen. Schließlich werden die Aspekte der Kooperation und des Wissensmanagements durch eine integrierte „Social Colloboration“-Anwendung umgesetzt. Digital Workplace bietet Funktionen wie in soziale Netzwerke, die die gemeinsame Arbeit von Mitarbeitern vereinfachen, z.B. Chat-Nachrichten und die Erstellung von Projektteams. Benutzer können Informationen teilen, aktuelle Themen besprechen und schnell die Kontakte finden, die für die Durchführung spezifischer Aufgaben zuständig sind. Regelmäßige Prozesse können automatisiert werden. So schaffen Unternehmen für ihre Mitarbeiter ein modernes Arbeitsumfeld, in dem sie effektiv arbeiten können. 655 In der Industrie 4.0 werden Roboter eine Schlüsselrolle zugewiesen. Schon heute sammeln sie Daten in der Produktion und liefern sie an das IT- System. Roboter sind das Verbindungsteil zwischen IT und Produktion. IT verarbeitet die empfangenen Daten und bringt sie über einen Roboter zur Produktion zurück. So helfen Roboter, Produktionsabläufe zu optimieren. 656 Mensch-Roboter-Kollaboration ist die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. Der Roboter führt körperlich schwierige Arbeit durch, und der Mensch kontrolliert den Produktionsprozess. Roboter helfen dem Mensch, ergänzen seine Fähigkeiten und befreien ihn von schwerer Routinearbeit, aber in keinem Fall ersetzen sie ihn völlig. 657 Bis vor kurzem war die Zusammenarbeit von Robotern und Menschen sehr begrenzt. Roboter standen in speziell dafür vorgesehenen Plätzen, unter der 655 Vgl. Beuthner, K., Digitaler Durchblick - so nutzen Sie den Digital Workplace. In: HR Performance, 3/ 2017, S. 48-49 656 Vgl. Manzei, C., Schleupner, L., Roland Heinze, R., Industrie 4.0 im internationalen Kontext, 2016, S. 199 657 KUKA, abgerufen unter: https: / / www.kuka.com/ de-de/ technologien/ menschroboter-kollaboration [8. Juli 2017] 248 Teil III Digitalisierung und Innovation ständigen Beaufsichtigung der Menschen. Aber in kurzer Zeit wird sich das ändern. 658 In den zukünftigen Fabriken werden automatisierte und manuelle Arbeitsplätze nicht mehr getrennt. Die Arbeit von Menschen und Robotern wird optimiert und zusammengeführt. Das Unternehmen KUKA entwickelte den ersten Roboter, der für die Teamarbeit mit Menschen geeignet ist: KUKA LBR iiwa. Er nutzt intelligente Steuerungstechnik, leistungsstarke Sensoren und die neuesten Softwaretechnologien, und ist so in der Lage völlig neue, kollaborative Lösungen im Bereich der Produktionstechnik zu ermöglichen. Viele komplexen Aufgaben, die zuvor manuell durchgeführt wurden, können jetzt automatisiert werden. 659 „Besonders Merkmal dieser neuen Robotergeneration ist, dass sie den Bewegungsabläufen des menschlichen Arms erstaunlich nahekommen und sie in Positions-, Momenten- und Impedanzregelung betrieben werden kann. Durch die integrierte Sensorik und die Impedanzregelung verfügt diese Generation über eine programmierbare Nachgiebigkeit im Automatikbetrieb. Der Roboter kann sozusagen „fühlen“. Aufgaben werden so nicht mehr durch Positionsgenauigkeit gelöst, sondern über die Nachgiebigkeit“. Die Zusammenarbeit zwischen Menschen und Robotern hat schon lange begonnen. Vierzig Jahre nach dem Auftritt des ersten Industrieroboters erscheinen Roboter einer neuen Generation, die den Beginn einer neuen Ära der Robotik einläuten. Dank ihnen werden völlig neue, flexiblere und effizientere Produktionsprozesse möglich. 660 In den letzten Jahren hat sich das Kaufverhalten der Konsumenten dramatisch verändert. Jedes Jahr wächst die Zahl der Kunden, die Produkte online kaufen. Ähnliche Änderungen fanden bei der Einstellung von Personal statt. Heute suchen die meisten Bewerber online nach Arbeit. Um dies tun zu können, müssen Sie mehrere Schritte absolvieren, wie die Eingabe eines Logins, das Ausfüllen von Online-Formularen und das Akzeptieren der Datenschutzerklärung. Das Verfassen eines Lebenslaufes (CV) und eines Bewerbungsbriefes ist nicht mehr genug, um den Prozess erfolgreich abzu- 658 Vgl. Manzei, C., Schleupner, L., Heinze, R., Industrie 4.0 im Internationalen Kontext, VDE Verlag 2016, S. 99 659 KUKA, abgerufen unter: https: / / www.kuka.com/ de-de/ technologien/ menschroboter-kollaboration [8. Juli 2017] 660 Vgl. Manzei, C., Schleupner, L., Heinze, R., Industrie 4.0 im internationalen Kontext, VDE Verlag, 2016, S. 199, 205 5 Entwicklungsstand Industrie 4.0 und Prognosen 249 schließen. Die folgende Abb. 50 zeigt, welche Ähnlichkeiten heute zwischen dem E-Commerce- und dem Recruiting-Prozess bestehen: Abb. 50: Vergleich E-Commerce- und Recruiting-Prozess. Quelle: Petschar, S., Zavrel, J., Candidate Experience im E-Recruiting. In: Verhoeven, T., Candidate Experience. Ansätze für eine positiv erlebte Arbeitsgebermarke in Bewerbungsprozess und darüber hinaus, Springer Gabler 2016, S. 93 Wie auf dem Bild zu sehen, funktioniert E-Recruiting nach dem Prinzip des klassischen Verkaufstrichters: Die Anzahl der Besucher einer Karriereseite, die bis zum Ende des Trichters vordringen ist viel geringer als die Gesamtanzahl der Besucher der Seite. Das Ziel von E-Recruiting ist, eine maximale Anzahl der Besucher in potenzielle Kandidaten zu verwandeln. Durch jeden weiteren Schritt bei der Bearbeitung der Bewerbung geht eine bestimmte Zahl von potentiellen Bewerbern verloren, die das Verfahren aus unterschiedlichen Gründen abbrechen. Man kann also sagen, dass, je einfacher ein Bewerbungsprozess ist, desto mehr Kandidaten ihn beenden werden. Mit Hilfe analytischer Programmen wie Google Analytics lässt sich feststellen, bei welchem Schritt die Kandidaten das Verfahren abbrechen und wo somit Verbesserungen im Verfahren erforderlich sind. 661 661 Vgl. Petschar, S., Zavrel, J., Candidate Experience im E-Recruiting. In: Verhoeven, T., Candidate Experience. Ansätze für eine positiv erlebte Arbeitsgebermarke in Bewerbungsprozess und darüber hinaus, Springer Gabler 2016, S. 93 250 Teil III Digitalisierung und Innovation Zusätzlich zu klassischen Stellenangeboten auf den Online-Jobbörsen ist es auch möglich, nach geeigneten Mitarbeitern in sozialen Netzwerken zu suchen. Soziale Netzwerke lassen sich in drei Gruppen unterteilen: Business-Netzwerke (z.B. LinkedIn, Xing) Private Netzwerke (z.B. Facebook) News- Blogs Was diese Netzwerke gemeinsam haben, ist, dass in allen Fällen ein aktiver Dialog zwischen den Menschen entsteht. Es gibt verschiedene Möglichkeiten durch soziale Netzwerke, potenzielle Bewerber für ein Unternehmen zu finden. In allen Netzwerken kann das Profil des Unternehmens veröffentlicht werden, und Nutzer, die diesem „folgen“, erhalten aktuelle Informationen über das Unternehmen, seine Produkte und auch aktuelle Stellangebote. Einige soziale Netzwerke bieten die Möglichkeit, Benutzer nach bestimmten Kriterien zu suchen und sie ggf. zu kontaktieren. Soziale Netzwerke fungieren als Bindeglied zwischen Bewerber und Arbeitgeber. Potenzielle Kandidaten können dort mit Unternehmen in Kontakt kommen. Im Normalfall legen Nutzer auf sozialen Netzwerken Profile an, die grundlegende Informationen wie Alter, Wohnort, Bildungsgrad usw. enthalten. Mit Hilfe geeigneter Suchfunktionen können diese Daten von Unternehmen genutzt werden, um potenzielle Kandidaten zu suchen. Diese sind dann nicht unbedingt auf aktiver Job-Suche, aber doch meist offen für interessante Job-Angebote. So erreichen Bewerber auch solche Arbeitsplätze, die auf den Job-Börsen vielleicht nicht vertreten sind. 662 „Die Wissenschaftler Carl Benedict Frey und Michael Osborne haben mit Hilfe von Robotik-Experten eine Liste der Jobs aufgestellt, die in den kommenden 20 Jahrzehnten höchstwahrscheinlich von Maschinen erledigt werden können. Dazu gehören: Disponenten in der Logistik, Kreditanalysten in Banken, Chauffeure, Kassierer, Buchhalter, Makler, Call-Center-Mitarbeiter und Busfahrer. Sogar Bibliothekare, Verkehrspolizisten und Piloten weisen eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent auf, bald durch eine Ma- 662 Vgl. Rath, B. H., Salmen, S., Recruiting im Social Web. Talentmanagement 2.0 - So begeistern Sie Netzwerker für ihre Mitmach-Unternehmen, Business Village 2012, S. 99 5 Entwicklungsstand Industrie 4.0 und Prognosen 251 schine ersetzt zu werden. Das bedeutet nicht zwingend den Verlust des Arbeitsplatzes, sondern die Notwendigkeit, den Job weiterzuentwickeln“. 663 Vergangene industrielle Revolutionen führten immer zu einer Vermehrung der Arbeitsplätze. Bisher funktionierte industrielle Revolution nach dem Prinzip, dass ein Wachstum der Arbeitsproduktivität zu einer Produktionssteigerung und damit zu einer Vermehrung der Arbeitsplätze führt. So gesehen ist die Angst, dass Technik den Menschen ersetzen wird, nicht gerechtfertigt. Die Verringerung der Arbeitslosigkeit aufgrund des technologischen Fortschritts hat den Namen „Kapitalisierungseffekt“ erhalten. Die Entwicklung neuer Technologien führt wenn auch nicht zu einem quantitativen Verlust von Arbeitsplätzen, so doch zu einer größeren Neuverteilung der Arbeit. Das heißt, viele Arten von Arbeit verschwinden und die Leute müssen nach einer neuen Arbeit suchen. Diese beiden Effekte wirken gegeneinander. Der Nettoeffekt bestimmt, ob die Arbeitslosigkeit steigen oder sinken wird. Technologische Veränderungen treten in fast allen Wirtschaftsbereichen parallel auf. Neben der Übernahme manueller Arbeit werden Maschinen bald auch in der Lage sein, die Menschen bei der kognitiven Arbeit zu ersetzen. Diese Breite der der Substitution von Arbeit durch Kapital gab es bisher noch auf keiner Stufe des technologischen Fortschritts, wodurch sich das Risiko eines negativen Nettoeffekts, das heißt des Wachstums der Arbeitslosigkeit, erhöht. Das Risiko der technologischen Arbeitslosigkeit ist direkt vom Ausbildungsniveau der Bevölkerung abhängig. Nur 18 Prozent der Hochschulabsolventen müssen in Zukunft Angst vor Arbeitslosigkeit haben, während die Wahrscheinlichkeit der Automatisierung ihrer Arbeit bei Menschen ohne Hochschulbildung 80 Prozent beträgt. Aber nicht nur Menschen mit niedrigen Qualifikationen müssen über ihre Zukunft nachdenken. Führungskräfte verschwenden 20 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Routinearbeiten, und auch die Tätigkeit von Finanzmanagern, Anwälten oder Ärzten zeigt einen signifikanten Anteil, der automatisierbar wäre. Sie werden zwar auch in Zukunft ihre Arbeit nicht verlieren, aber ihre Zuständigkeiten werden sich radikal ändern. 664 663 Kollmann, T., Schmidt, H., Deutschland 4.0. Wie die digitale Transformation gelingt, Springer Gabler, 2016, S. 107-111 664 Vgl. ebd. Teil III Digitalisierung und Innovation 6 Rechtliche Aspekte von Industrie 4.0 Die Einführung von cyberphysikalischen Systemen in Produktion und Logistik führt zu zahlreichen technischen und organisatorischen Problemen sowie zu rechtlichen Fragen und Widersprüchen. Um beim Einsatz von Technologien und neuen Geschäftsmodellen den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen, müssen Verträge, Verantwortlichkeiten, Datenschutzfragen, Arbeitsrecht und IT-Sicherheitsrechte überprüft und radikal angepasst werden. Industrie 4.0 ist eine technische Innovation, die viele rechtliche Fragen aufwirft. Die gesetzlichen Normen für Industrie 4.0 unterliegen ständigen Änderungen. Technische Innovationen interagieren mit dem rechtlichen Verantwortungsbereich. Diese Wechselwirkungen müssen durch rechtliche Analyse untersucht werden. Oft werden diese Untersuchungen zu spät durchgeführt, wenn neue Technologien bereits entwickelt genutzt werden. Rechtsänderungen sind dann nur noch schwer umzusetzen und durch den wirtschaftlichen Druck unter Umständen noch schwerer durchzusetzen. 665 6.1 Datenschutz Im Zeitalter des Ubiquitous Computing wachsen Datenmengen und Quellen, aus denen diese Daten stammen ständig. Mit Hilfe von Big Data- Technologien wurde es möglich, riesige Datenmengen aus verschiedenen Quellen zu strukturieren, zu kombinieren und neue Daten aus bestehenden zu erstellen. „Das deutsche Datenschutzrecht folgt konstruktiv dem Prinzip des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Das heißt: Die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten ist grundsätzlich verboten, es sei denn, dass der Betroffene hierin eingewilligt hat oder ein Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift die datenschutzrechtlich relevante Handlung erlaubt“ (§ 4 Abs. 1 BDSG, § 12 Abs. 1 TMG). 666 665 Vgl. Hornung, G., Rechtliche Herausforderungen der Industrie 4.0. In: Obermaier, R., Industrie 4.0 als unternehmerische Gestaltungsaufgabe, Springer 2017, S. 69-71 666 Vgl. Bartsch, M., Botzem, O., Culmsee, T., Dorschel, J., Hubertus, J., Ulbricht, C. Walter, T., Praxishandbuch Big Data, Springer 2017, S. 167 6 Rechtliche Aspekte von Industrie 4.0 253 „Das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt den ‚Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten‘ und gewährleistet insofern seine Befugnis ‚grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen. Daten zu bestimmen‘ - so schon das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil (BVerfGE 65, 1, 43). Einfachgesetzliche Vorgaben für den privaten Bereich (Beschäftigten- und Kundendaten) enthält insbesondere das Bundesdatenschutzgesetz“. 667 Seit einigen Jahren wird der Einfluss der Verwendung von cyberphysischen Systemen für die Verarbeitung von Kundendaten von Juristen unter den Schlüsselworten „Internet der Dinge“ und „Ubiquitous Computing“ diskutiert. In Anbetracht des Trends zur Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen, müssen Unternehmen so viel wie möglich über die Bedürfnisse ihrer Kunden wissen. Individualisierung der Arbeit führt zu einer deutlichen Steigerung des Wachstums der Datenerfassung über Mitarbeiter und ihre persönlichen Kompetenzen. Die traditionellen Datenschutzgesetze versuchen, eine solche Datensammlung zu verhindern. In diesem Zusammenhang werden neue Lösungen für den Schutz der Persönlichkeitsrechte erforderlich. Trotz der Probleme der realen Anonymität in Big-Data- Datenbeständen stellt sich die Frage, ob das entsprechende Ziel der Verarbeitung nicht mit anonymen oder zumindest pseudoanonymisierten Daten erreicht werden kann. So könnte die Extraktion von personenbezogenen Daten vermieden werden, in Übereinstimmung mit dem Prinzip der „privacy by design“ oder der Idee der „privacy enhancing technologies“ folgend. Arbeitsabläufe optimieren kann das Konzept des elektronischen Identitätsmanagements, das auf Datenschutz, ohne ständige Verfolgung der Betroffenen basiert. Gemäß § 9 BDSG und dem entsprechenden Anhang, ist eine der gesetzlichen Verpflichtungen von Unternehmen die Einführung wirksamer Datensicherheitsmaßnahmen. Gleichzeitig liegt es in ihrem eigenen besten Interesse, auch Datenlecks, die nicht vom Datenschutzrecht erfasst werden, für die Unternehmen aber von erheblicher Bedeutung sind, zu verhindern. Im Moment sind Verhandlungen über die europäische Reform des Datenschutzes im Gang, deren Ergebnis die weitere Entwicklung zumindest für Europa definieren wird. 668 667 Hornung, G., Rechtliche Herausforderungen der Industrie 4.0. In: Obermaier, R., Industrie 4.0 als unternehmerische Gestaltungsaufgabe, Springer 2017, S. 74 668 Vgl. ebd., S. 75 254 Teil III Digitalisierung und Innovation Mit der ständigen Weiterentwicklung der IT-Sphäre steigt auch die Anzahl der Cyber-Attacken. Die Ziele solcher Angriffe sind wichtige Industrieanlagen sowie Behördencomputer. Daher wird es wichtig, den Datenschutz im E-Goverment zu gewährleisten. „Unter dem Begriff „E-Government“ wird nachfolgend die Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Kontext des Regierungs- und Verwaltungshandelns über eine Informations- und Kommunikationsinfrastruktur verstanden mit dem Ziel, die Effizienz, Akzeptanz und Kapazität der Verwaltung zu steigern“. Unter dem Begriff ‚(IT-)Sicherheit‘ werden alle technischen Schutzmaßnahmen zur Verringerung des Gefährdungspotenzials für IT-Anwendungen und -systeme verstanden, wie etwa die Entwicklung von Sicherheitskonzepten, die Vergabe von Zugriffsberechtigungen und die Implementierung von Sicherheitsstandards. Ziel der IT-Sicherheit ist es, die Verfügbarkeit von Systemen und Daten sowie deren Vertraulichkeit (kein Datenzugriff Unbefugter), Authentizität und Integrität zu gewährleisten“. 669 Der Anhang zu § 9 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) beschreibt acht verschiedene Maßnahmen zum Datenschutz, die in bestimmten Fällen angewendet werden sollen. Der Hauptzweck dieser Maßnahmen besteht darin, die Authentizität und Vertraulichkeit der Daten zu gewährleisten: Zutrittskontrolle: verbietet Unbefugten den Zutritt zu Datenverarbeitungsanlagen. Verhindert eine „Cyber-Attacke“ durch internen Zugriff auf das Datenverarbeitungssystem. Zugangskontrolle: umfasst Komponenten, Hardware, Software und Daten. Passwörter, Registrierungen und Chipkarten schützen Datenverarbeitungssysteme vor Nutzung durch Unbefugte. Zugriffskontrolle: Ermöglicht Nutzern der Datenverarbeitungssysteme Zugriff nur auf solche Daten, die ihrer Zugriffsberechtigung unterliegen und verhindert unbefugtes Lesen, Kopieren, Verändern oder Entfernen personenbezogener Daten Weitergabekontrolle: hat zwei Hauptziele: Erstens die Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit personenbezogener Daten während der Datenübertragung und zweitens der genauen Verfolgbarkeit der Weitergabe dieser Daten. Mögliche Schutzmaßnahmen sind: Datenverschlüsse- 669 Müller-Terpitz, R., Sicherheit im E-Government. In: Borges, G., Schwenk, J., Daten- und Identitätsschutz in Cloud Computing, E-Government und E-Commerce, Springer 2012, S. 169 6 Rechtliche Aspekte von Industrie 4.0 255 lung, Versand von Post in geschlossenen Containern, Kontrolle der Vollständigkeit und Genauigkeit der Datenvernichtung. Eingabekontrolle: Die Eingabesteuerung basiert auf der Zugriffskontrolle. Es kann jederzeit festgestellt werden, wer für das Ändern oder Löschen von Daten verantwortlich ist. Als Nachweis können auch Originaldokumente mit handschriftlichen Notizen und maschinell erstellte Protokolle der Maschine dienen. Auftragskontrolle: Die Aufgabenkontrolle stellt sicher, dass jede Form der Datenverarbeitung (§ 11 BDSG) nur in Übereinstimmung mit den Anweisungen des Auftraggebers durchgeführt wird. Reguliert: Zeit, Ort und Erlaubnis / Verpflichtung zur Lieferung oder Erhebung von Daten sowie Maßnahmen im Falle des Verlustes von Datenträgern. Verfügbarkeitskontrolle: Verfügbarkeitskontrolle sorgt für den Datenschutz vor versehentlicher Zerstörung oder Verlust. Maßnahmen dazu sind: das Kopieren von Daten, der Aufbau von Notstromaggregaten, unterbrechungsfreie Stromversorgungen und ein Evakuierungsplan. Trennungsgebot: Die zuständige Stelle sollte sicherstellen, dass die für verschiedene Zwecke gesammelten Daten separat verarbeitet werden können. Dafür dienen die folgende Maßnahmen: softwareseitiger Ausschluss (Mandantentrennung), Dateiseparierung bei Datenbankprinzip, Trennung über Zugriffsregelung, Trennung von Test- und Routineprogrammen. 670 Mit der weit verbreiteten Nutzung des Internets erhöht sich das Risiko von Virenangriffen. Die Konsequenzen können relativ harmlos sein, wie z.B. dass sich ein Programm nicht mehr starten lässt, aber auch unabsehbar und schwerwiegend, wie bei einem kompletten Verlust von Daten. 671 Der Lebenszyklus von modernen Viren und Trojanern besteht aus drei Stufen. Zunächst erhält das Opfer den Virus, dann wird der enthaltene Programmcode ausgeführt und schließlich sendet das Virus Dokumente aus dem Intranet an den Angreifer zurück. Im Allgemeinen erfolgt die Verseuchung über E-Mail-Anhänge oder durch das Herunterladen über einen 670 Vgl. Müller-Terpitz, R., Sicherheit im E-Government. In: Borges, G., Schwenk, J., Daten- und Identitätsschutz in Cloud Computing, E-Government und E- Commerce, Springer 2012, S. 174-176 671 Vgl. Seibel, R.M.M., Kocher, K., Landsberg, P., Internet für Radiologie: Sicherheitsaspekte im Internet, Springer 2000, S. 397 256 Teil III Digitalisierung und Innovation Webbrowser. Allerdings können auch Viren über externe Datenträger wie USB-Sticks und CDs übertragen werden. 672 Um das Risiko von Virenangriffen zu minimieren, müssen folgende Sicherheitsprinzipien beachtet werden: [1] Antiviren-Software verwenden. Alle eingehenden Dokumente müssen mit Programmen zur automatischen Erkennung und Reparatur von Viren überprüft und korrigiert werden. Die Aktualisierung der Antiviren- Software muss auch ständig überwacht werden. [2] Verbot der Nutzung von privaten Software oder privaten Dokumenten sowie privaten externen Datenträgern im Firmennetz. Darüber hinaus darf man nie vergessen, dass Viren ständig aktualisiert werden und die Entwickler von Antiviren-Software es nicht immer schaffen, einen Schutz gegen sie anzubieten, deshalb ist es wichtig, neben allen „Verteidigungsmaßnahmen“ auch regelmäßig Sicherungskopien von besonders wichtigen Dokumenten und Daten zu erstellen. 673 Alle Online-Aktivitäten von Nutzern im Internet werden von Unternehmen verfolgt und die erhaltenen Informationen werden für verschiedene Zwecke verwendet. Dies ist möglich mit einer Technologie namens "Tracker". Einige Tracking-Systeme erkennen Benutzer und passen die Websites für diese beim nächsten Besuch an, zum Beispiel durch Anzeige von Inhalten, die für den Benutzer von Interesse sein könnten oder gezielter Werbung entsprechend der letzten Suchanfragen in Suchmaschinen. Tracker erstellen Profile über das Verhalten von Nutzern im Internet, die an verschiedenen Firmen weiterverkauft werden. Tausende von Tracker sind ständig aktiv. Die Nutzer sehen ihre Aktivitäten nicht und viele wissen sogar nichts von deren Existenz. Vermeidung von Datenerfassung und Minimierung der Werbeanzeigen ermöglichen bestimmte Erweiterungen für Browser wie Tracking- und Ad- Blocker. In der Regel sind sie kostenfrei. Die Verwendung solcher Erweiterungen hat allerdings auch Nachteile. Dem Trend der Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen folgend ermöglicht das Tracking den Unternehmen, die Bedürfnisse ihrer Kunden zu identifizieren und ihre Ange- 672 Vgl. Bütler, I., Inside-Out Angriffe. Verwundbarkeit durch eine neue Viren- Generation. In: Datenschutz und Datensicherheit 30 (2006) 10, S. 607 673 Vgl. Seibel, R.M.M., Kocher, K., Landsberg, P., Internet für Radiologie: Sicherheitsaspekte im Internet, Springer 2000, S. 397 6 Rechtliche Aspekte von Industrie 4.0 257 bote entsprechend anzupassen. Darüber hinaus ist für viele Websites Werbung die wichtigste, für einige sogar die einzige Einkommensquelle. Deshalb stellen Tracking- und Ad-Blocker eine ernsthafte Bedrohung für die Werbebranche dar. 674 6.2 Elektronische Signatur Eine Technologie im Bereich der Sicherheit sind elektronische Signaturen. Viele Unternehmen nutzen diese Technologie bereits, aber trotzdem ist sie in Deutschland noch nicht weit verbreitet. Der Hauptgrund ist, dass die Anwendung das Überdenken und Anpassen traditioneller Geschäftsprozesse notwendig macht. Ein großer Vorteil der Benutzung elektronischer Signaturen ist das enorme Einsparpotential durch automatisierte und beschleunigte Geschäftsprozesse, welches ihr Einsatz nach Überwindung aller rechtlichen, technischen und organisatorischen Hindernisse verspricht. Diese Technologie ermöglicht es, elektronische Informationen zwischen Unternehmen, Institutionen und Kunden standardisiert und rechtssicher auszutauschen und Geschäftsprozesse vollständig elektronisch zu gestalten und so zum weitgehend papierlosen Büro zu gelangen. Elektronische Signaturen im Sinne des Gesetzes sind „Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verknüpft sind und die zur Authentifizierung dienen“. Es gibt drei Arten von elektronischen Signaturen: einfache, fortgeschrittene und qualifizierte. Einfache elektronische Signaturen sind gescannter Bilder von Originalunterschriften. Für einfache elektronische Signaturen gibt es keine Anforderungen an die Fälschungssicherheit oder die Zugehörigkeit einer Unterschrift zu einer bestimmten Person. Um die Sicherheit zu erhöhen, ist die Verschlüsselung von Signaturen möglich. Trotz der bestehenden Nachteile haben einfache elektronische Signaturen Rechtskraft. Fortgeschrittene elektronische Signaturen sind einfache elektronische Signaturen mit einigen Erweiterungen. Sie sind mit dem spezifischen Dokument verbunden, auf das sie sich beziehen. Wenn das Dokument später geändert 674 Vgl. Simbeck, K., Malzahn, B., Schutz der Privatsphare im Internet - Eine Untersuchung auf Basis des Technology Acceptance Models. In: Barton, T., Herrmann, F., Meister, V. G., Müller, C., Seel, C., Angewandte Forschung in der Wirtschaftsinformatik. Prozesse, Technologie, Anwendungen, Systeme und Management, mana Buch 2016, S. 224 258 Teil III Digitalisierung und Innovation wird, muss es überprüft werden und die vorhandene Signatur kann nicht einfach auf ein anderes Dokument übertragen werden. Fortgeschrittene Signaturen geben die Identifizierung des Unterzeichners an. Die Mittel für die Erstellung von fortgeschrittenen elektronischen Signaturen sind nur für den Unterzeichner verfügbar. Qualifizierte elektronische Signaturen beinhalten alle Vorteile anderer Arten von Signaturen, aber für ihre Erstellung müssen Sicherheitsblöcke verwenden werden, und Signaturen müssen auf qualifizierten Zertifikaten basieren. Der gesicherte Signaturerstellungsblock enthält einen Signaturschlüssel. In der Regel führen Smart Cards diese Funktion aus. Um den Schlüssel benutzen zu können, muss der Unterzeichner zuerst den Identifizierungsprozess durchlaufen, indem er ein Passwort oder einen PIN-Code eingibt oder biometrische Merkmale wie Fingerabdrücke verwendet. 675 675 Vgl. Gruhn, V., Wolff-Marting, V., Köhler, A., Haase, C., Kresse, T., Elektronische Signaturen in modernen Geschäftsprozessen, Vieweg 2007, S. 1-7 7 SWOT-Analyse SWOT-Analyse (SWOT ist die Abkürzung von Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats) ist ein einfaches Werkzeug für die systematische Erfassung wichtiger Trends und Faktoren für das Erreichen von Zielen. Die Analyse besteht darin, interne Faktoren (Stärken und Schwächen) und externe Faktoren (Chancen und Bedrohungen) zu vergleichen, die zusammen betrachtet ein recht vollständiges Bild einer Situation ergeben. Diese Methode ist zeit- und kostengünstig. Gleichzeitig besteht jedoch die Gefahr einer subjektiven Bewertung und einer unvollständigen Definition von Bewertungskriterien, die die nachfolgende Entscheidungsfindung beeinträchtigen können. 676 Hier wird eine SWOT-Analyse der Digitalisierung durchgeführt. Die SWOT-Matrix wird in Tabelle 11 dargestellt. Tab. 11: SWOT-Matrix 676 Vgl. Wollny, V., Paul, H., Die SWOT-Analyse: Herausforderungen der Nutzung in den Sozialwissenschaften. In: Niederberger, M., Wassermann, S., Methoden der Experten- und Stakeholdereinbindung in der sozialwissenschaftlichen Forschung, Springer 2015, S. 190 7 SWOT-Analyse 2 260 Teil III Digitalisierung und Innovation 7.1 Strengths (Stärken) Dank des Internets erhielt ein bedeutender Teil der Weltbevölkerung einen uneingeschränkten Zugang zu Informationen. Informationen, die früher stundenlang in Büchern und Bibliotheken gesucht werden mussten, können nun mit einer einzigen Anfrage an Google abgerufen werden. Früher waren Bücher eine Hauptquelle von Informationen. Diese nahmen ganze Regalwände in Bibliotheken ein. Heute passen alle Informationen in ein kleines Gerät bzw. sind von diesem überall und jederzeit abrufbar: ein Smartphone, ein Laptop, ein Tablet oder ein E-Book-Reader Heute können die Menschen arbeiten, ohne an ein Büro gebunden zu sein. Cloud Computing ermöglicht den Zugriff auf Informationen von überall auf der Welt. E-Commerce hat die Geschäftsführung unabhängig von der territorialen Lage ermöglicht. Jeder kann Waren aus Amerika oder China bestellen. Die Menschen können in Echtzeit miteinander kommunizieren, während sie Zehntausende von Kilometern voneinander entfernt sind. Bücher können brennen oder nass werden, Fotos werden mit dem Alter verblassen, Kassetten oder CDs können brechen. Informationen in digitaler Form können versehentlich gelöscht werden oder durch Schaden am Speichermedium verloren gehen, aber das wird nie passieren, wenn sie mehrfach dupliziert und in verschiedenen Clouds gespeichert sind. Schon heute werden die meisten der schweren körperlichen Arbeiten von Maschinen und Robotern durchgeführt und der Grad der Automatisierung der Produktion wächst jeden Tag. Heute hat fast jeder Zugang zu den hier vorgestellten Technologien. Alle haben Smartphones mit Internetzugang, in ein paar Jahren wird jeder in der Lage sein, einen 3D-Drucker zu Hause zu haben. 7 SWOT-Analyse 261 7.2 Weaknesses (Schwächen) Der freie Zugang zu Informationen führte zu einem Überfluss. In den riesigen Datenmengen ist es schwer zu verstehen, welche Informationen zuverlässig sind. Heute gibt es in allen Märkten einschließlich des Arbeitsmarktes einen globalen Wettbewerb. Bisher war der Wettbewerb lokal beschränkt (aus Unternehmenssicht kann dies als eine Bedrohung gesehen werden) Im Zeitalter der Online-Kommunikationen ist es schwierig, die Privatsphäre zu wahren. Alle Informationen über eine Person sind frei verfügbar in sozialen Netzwerken und bleiben sogar nach dem Löschen auf dem Server gespeichert: Fotos, Hobbies, persönliches Leben, eigene Gedanken. Die Behörden können auf alle Nachrichten zugreifen, der einzige limitierende Faktor ist die Datenschutzrichtlinie. Darüber hinaus wird jede Aktion im Internet erfasst und nachvollziehbar gemacht („Tracker“) für die spätere Verwendung für verschiedene Zwecke (in bestimmten Szenarien kann dies als eine Stärke gesehen werden). Psychische Abhängigkeit von Smartphones und anderen Geräten ist zu einer Krankheit des 21. Jahrhunderts geworden. Die ständige Verwendung von Gadgets führt zu einer Verschwendung von Zeit. Gleichzeitig wird die Menschheit immer abhängiger von einer Vielzahl von Geräten, und das nicht nur in psychischer Hinsicht. Viele Geschäftsmodelle funktionieren nur online und fiele zum Beispiel das Internet aus, würde das ganze Leben in einer intelligenten Stadt zum Stillstand kommen. Bei der Automatisierung und Roboterisierung von Prozessen kann die persönliche Verantwortung reduziert werden, treten Ausfällen oder Mängel auf kann anstatt der Fahrlässigkeit eines bestimmten Mitarbeiters als wahrscheinlichste Ursache stets ein unvorhergesehenes und unvorhersehbares technisches Versagen genannt werden. Blockchain-Technologie erlaubt anonyme Transaktionen, die eher auf Schwächen zurückzuführen sind, weil Anonymität für die verschiedenen kriminellen Praktiken verwendet werden kann. 262 Teil III Digitalisierung und Innovation 7.3 Opportunities (Chancen) Das Niveau des Technologiebesitzes wird ständig weiter wachsen. Historische Erfahrung zeigt, dass der technologische Fortschritt die durchschnittliche Lebenserwartung erhöht. Ressourcen werden rationeller verteilt und Umweltfreundlichkeit wird gesteigert. Im Laufe der Zeit werden alle Barrieren verschwinden und alle Menschen der Welt können frei miteinander kommunizieren. Unsterblichkeit wird möglich sein. Nicht im physischen Sinne, sondern im Sinne des Bewusstseins. Das menschliche Bewusstsein wird in Form von künstlicher Intelligenz gespeichert werden können. „Bedingungsloses Grundeinkommen bedeutet, dass der Staat die Menschen dafür bezahlt, dass sie am Leben sind. Ohne Zwang, ohne Bedingungen - und zwar für alle“. 677 Die Kunden bekommen genau das, was sie wollen. Dank moderner Technik und verstärktem Wettbewerb bekommen die Kunden genau das, was sie wollen. 3D-Druck ermöglicht es, Dinge nach individuellem Wunsch zu produzieren, dank des Trackings im Internet bieten Online-Shops die Dienste an, die für den Kunden interessant sind. Automatisierung wird immer mehr an Produktionszeiten reduzieren, Digitalisierung reduziert die Zeit der Suche und Verarbeitung von Informationen. 677 Reuter, T., Das bedingungslose Grundeinkommen als liberaler Entwurf. Philosophische Argumente für mehr Gerechtigkeit, Springer 2016, S. 1 7 SWOT-Analyse 263 Produktivität und Effizienz steigen durch Automatisierung und Optimierung von Produktionsprozessen. Die Menschheit steht nicht still, und was heute noch wie eine Fantasie erscheint, kann morgen schon ein Teil des Alltags sein. 7.4 Threats (Bedrohungen) Mit breiter Verfügbarkeit von Informationen verliert Wissen seinen Wert. Menschen verlieren die Motivation, etwas zu lernen. Wozu, wenn man alles im Internet finden kann? Die mögliche Folge: die Degeneration der Bevölkerung. Technologien entwickeln sich so schnell, dass die Menschen nicht mit ihnen Schritt halten können. Dies betrifft vor allem die ältere Generation, die so „abgehängt“ und berufsunfähig werden kann. Ältere Menschen, die noch im Erwerbsalter sind, können sich aufgrund unzureichender fachlicher Kompetenz nicht mehr für Arbeitsplätze qualifizieren. Anstieg der Arbeitslosigkeit aufgrund der allgegenwärtigen Roboterisierungs- und Digitalisierungsprozesse und auch aufgrund digitaler Ungebildetheit. Es besteht die wachsende Wahrscheinlichkeit, Opfer von Cyber-Kriminalität zu werden: vom Zugang zu persönlichen Daten über die unbefugte Nutzung von Konten und Kontakten bis hin zum Sammeln kompromittierender Materialien und Erpressung. Die Entwicklung der künstlichen Intelligenz erhöht das Risiko, dass die Technologie außer Kontrolle geraten wird. Besonders gefährlich sind dabei militärische Roboter mit KI. 264 Teil III Digitalisierung und Innovation In der heutigen Welt sind diejenigen im Vorteil, die die modernste Technologie besitzen. Daher besteht die Gefahr der Monopolisierung von Technologie und eine daraus folgende Machtergreifung. In der modernen Welt sind die meisten Kommunikationen online. Menschen kommunizieren mithilfe von Messengern und folgen dem Leben anderer über die sozialen Netzwerke. Die Live-Kommunikation wird auf ein Minimum reduziert und kann in den kommenden Jahren vollständig verschwinden. Das kann zur Verschlechterung des psychologischen Klimas der Gemeinschaft führen. 7.5 Mögliche Entwicklungsstrategien „Mit Hilfe des SWOT-Ansatzes lassen sich also aus einer ganzheitlichen Sichtweise die Strategien für weitere Entwicklung der Industrie 4.0 ableiten. Dabei geht es nicht nur um die gegenwärtige Situation, sondern auch darum, in einer langfristigen Perspektive Strategien zu entwickeln, die Chancen in der Zukunft wahrnehmen und gegenwärtige Schwächen ausräumen“. 678 In Tabelle 12 sind die vier strategischen Prinzipien der SWOT-Analyse zu erkennen: Tab. 12: Mögliche Strategien nach der SWOT-Analyse „Strategien nach dem SO-Prinzip basieren auf vorhandenen Stärken und zielen darauf ab, die Chancen, die die Umwelt bietet, wahrzunehmen. Dieser 678 Bode, A., Wettbewerbsvorteile durch internationale Wertschöpfung. Eine empirische Untersuchung deutscher Unternehmen in China, Gabler Research 2009, S. 84 7 SWOT-Analyse 265 Strategietyp umschreibt den Idealfall in der Strategieformulierung: Das Vorhandensein ausgeprägter interner Stärken und hoher Umweltchancen“. 679 Die utopische Idee des bedingungslosen Grundeinkommens scheint immer realistischer, wenn man das aktuelle Tempo der Automatisierung und Robotisierung von Produktionsprozessen berücksichtigt. Die Unabhängigkeit von Zeit und Ort in Verbindung mit sich ständig weiterentwickelnden Technologien kann allmählich die Grenzen zwischen den Menschen auflösen. Schon heute ermöglichen Programme wie Skype die Echtzeit-Video-Kommunikation über Tausende von Kilometern. Es existieren bereits Systeme für die Erkennung der natürlichen Sprachen, bald werden Programme entwickelt werden, die auch die Sprachbarrieren zwischen den Menschen beseitigen. In einer sich ständig weiterentwickelnden modernen Welt ist die Akzeptanz der Technik als Teil des alltäglichen Lebens eine Notwendigkeit. Immer mehr Dienste können nur noch online, ohne persönliche Kommunikation und nach dem Selbstbedienungsprinzip genutzt werden. Ohne zumindest Grundkenntnisse im Bereich der Internettechnologien zu haben, wird es fast unmöglich werden, Waren zu kaufen oder Rechnungen zu bezahlen. Schon heute versuchen immer mehr ältere Menschen sich mit Facebook und elektronischen Zahlungen vertraut zu machen. Um die digitale Kompetenz der Bevölkerung zu erhöhen, sollte ein besonderes Augenmerk auf die „Usability“ gelegt werden, Programme und Geräte müssen möglichst intuitiv bedienbar sein. Daneben sind Anleitungen mit einfachen und verständlichen Erklärungen für technikaverse Menschen wichtig. Moderne Technologien haben auch die Medizin verändert. Es gibt nun viel mehr Möglichkeiten, Krankheiten frühzeitig zu erkennen, wodurch die Chancen einer erfolgreichen Heilung erhöht werden. Darüber hinaus führt die Übertragung eines Teils der Arbeit an Roboter dazu, dass die Menschen mehr Zeit für Sport und Gesundheit haben werden. Routinearbeiten von Ärzten werden automatisiert werden, sodass sie sich intensiver mit wichtigeren Aufgaben beschäftigen können. Verschiedene Apps helfen dabei, die Gesundheit und eine gesunde Ernährung zu überwachen. Um die Lebensdauer zu erhöhen, sollte ein gesunder Lebensstil verbreitet werden, denn alle anderen Rahmenbedingungen für ein langes Leben sind bereits erfüllt. 679 Bode, A., Wettbewerbsvorteile durch internationale Wertschöpfung. Eine empirische Untersuchung deutscher Unternehmen in China, Gabler Research 2009, S. 85 266 Teil III Digitalisierung und Innovation Smart Home und Smart Factory helfen dabei, Energie und andere Ressourcen sinnvoll zu nutzen. 3D-Druck minimiert die Menge an Produktionsabfällen. Dank der modernen Technologie wird auch die globale Ressourcenzuteilung rationalisiert werden. Dennoch bleibt es wichtig, den Menschen weiter die Bedeutung eines umweltverträglichen Verhaltens zu vermitteln „Strategien nach dem ST-Prinzip zielen darauf ab, die Stärken einzusetzen, um vom Umfeld ausgehende Risiken und Bedrohungen zu minimieren“. 680 Der freie Zugang zu Informationen ist kein Ersatz für Kompetenz. Hochqualifizierte Fachkräfte werden immer notwendig sein. Der ständige Zugang zu notwendigen Informationen in digitaler Form erweitert nur die Fähigkeit der Menschen und gibt ihnen mehr Raum, sich auf ihre Hauptaufgaben zu konzentrieren. Die technologischen Anforderungen an Fachkräfte werden sich allerdings durch die fortschreitende Entwicklung erhöhen. Technologien werden sich immer schneller entwickeln, aber die Verfügbarkeit dieser Technologien und der unbegrenzte Informationszugang ermöglicht es jedem, die Neuheiten zu verfolgen. Die Menschheit wird mobiler und flexibler. Sogar Konservative geben schließlich auf und nutzen Smartphones anstelle von Druckknopftelefonen. Für technisch eher ungebildete Menschen gibt es heute ausführliche Video-Anweisungen. Darüber hinaus haben sich die Technologien eher vereinfacht. Usability spielt eine immer wichtigere Rolle. Der Einsatz von Messengern und andere Apps bedarf zum Beispiel keiner besonderen Kenntnisse mehr, da sie auf einer intuitiven Ebene verständlich sind. Die Zahl von Arbeitsplätzen wird durch Automatisierung stark reduziert, aber zur gleichen Zeit eröffnet die Unabhängigkeit von Zeit und Ort neue Arbeitsmöglichkeiten und -modi für die Menschen. Heute schon ist es möglich, in einem deutschen Dorf zu leben, während man in einer New Yorker Firma arbeitet. Der Arbeitsmarkt wird zunehmend international, so steigt zum einen der Wettbewerb, zum anderen werden Grenzen überschritten und neue Chancen eröffnet. 680 Bode, A., Wettbewerbsvorteile durch internationale Wertschöpfung. Eine empirische Untersuchung deutscher Unternehmen in China, Gabler Research 2009, S. 84 7 SWOT-Analyse 267 „Strategien nach dem WO-Prinzip zielen darauf ab, die internen Schwächen zu beseitigen, und so die Chancen des Umfelds wahrnehmen zu können. Mittelfristig sollen die Schwächen zu Stärken gewandelt werden“. 681 Dank des Trackings und der Verfügbarkeit von freiwillig gegebenen persönlichen Informationen in sozialen Netzwerken, ist es möglich, Werbung im Internet zu personalisieren und Produkte zu schaffen, die den Wünschen der Verbraucher entsprechen. Die meisten Informationen im Internet sind kostenlos, Websites verdienen ihr Geld mit der Werbung und aus Sicht des Benutzers ist es viel angenehmer, nützliche und passende Werbung zu erhalten, als Werbung angezeigt zu bekommen, die nichts mit ihm zu tun hat. Wettbewerb wirkt als ein Motor des technischen Fortschritts. Aufgrund des hohen Wettbewerbs, müssen Unternehmen neue Wettbewerbsvorteile für die Kunden schaffen und Qualität verbessern. Schon heute können sich viele Leute einen Tag ohne Smartphone nicht vorstellen, sie sind vom Gerät abhängig geworden. Aber auch das kann positiv gesehen werden: diese Geräte können die Lebensqualität deutlich verbessern. Zum Beispiel durch Gesundheits- und Fitness-Apps, Applikationen, die helfen Energie zu sparen oder das Familienbudget zu kontrollieren. Auch zunehmende Mobilität wird vereinfacht: Navigation auf dem Handy hilft, sich in einer fremden Stadt nicht zu verirren. „Strategien nach dem WT-Prinzip sind dagegen deutlich defensiver ausgerichtet. Ihre Zielsetzung ist es, die internen Schwächen zu minimieren und gleichzeitig den Bedrohungen durch die Umwelt auszuweichen“. 682 Eine äußerst gefährliche Schwäche ist der Überfluss an Informationen. Dies kann nicht nur zur Abwertung von Wissen führen, sondern auch zur Frustration, nicht zu wissen, was man mit diesen Informationsmengen tun soll. Natürlich wird auf Unternehmensebene die Arbeit mit Daten automatisiert, so dass die Überfülle von Informationen nur private Nutzer betrifft. Daher ist es notwendig, Programme und Anwendungen zu ent- 681 Bode, A., Wettbewerbsvorteile durch internationale Wertschöpfung. Eine empirische Untersuchung deutscher Unternehmen in China, Gabler Research 2009, S. 84 682 Vgl. ebd. 268 Teil III Digitalisierung und Innovation wickeln, die zur Filterung von Informationen auch für Privatpersonen führen und den Überschuss an Informationen minimieren. Dem Problem des Mangels an Privatsphäre steht das Problem der möglichen Anonymität im Internet gegenüber. Letzteres kann zu einer Erhöhung des Cyberkriminalitätsniveaus führen. Daher ist die Entwicklung neuer Sicherheitsmaßnahmen erforderlich. 8 Innovationen und Wettbewerb Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Technologien stellt für Unternehmen eine ernsthafte Herausforderung dar. Auf der einen Seite eröffnen sie neue Möglichkeiten, auf der anderen Seite führt dasjenige Unternehmen, welches am innovativsten und fortschrittlichsten agiert, den Markt an. So können junge Start-Ups in kurzer Zeit selbst Marktgiganten stürzen, wenn diese nicht rechtzeitlich einen neuen Trend erkennen. Aber selbst wenn der neue Trend erkannt ist, ist es für große Unternehmen ob ihrer geringeren Flexibilität viel schwieriger und aufwändiger, Geschäftsprozesse neu zu überdenken und sich an alle Veränderungen im Markt anzupassen. 683 Ein gutes Beispiel hierfür ist Nokia, das einst der Marktführer auf dem Handysektor war, viele hochwertige Geräte gebaut und manche Trends sogar schon vor ihrer Zeit erkannt hat, letztlich dann aber doch einen Trend nach dem anderen verschlafen hat und seine Handysparte schließlich an Microsoft verkaufen musste. 684 8.1 Wettbewerb in der Finanzbranche Früher war es wünschenswert, ein Banker zu sein. Heute sieht die Zukunft des traditionellen Bankings nicht sehr rosig aus. Digitale Geschäftsmodelle treten an die Stelle der traditionellen. Das Verhalten der Kunden und ihre Erwartungen und Ansprüche verändern sich radikal. Finanzkrisen reduzierten das Vertrauen in Banken und den Finanzmarkt und erhöhten die Nachfrage nach alternativen Finanzdienstleistungen. 685 In den letzten Jahren erlebt die Finanzindustrie Veränderungen in allen Bereichen. Im Bereich Vertrieb und Consulting gewinnt die elektronische Selbstberatung an Popularität, z. B. durch Anbieter- und Produktvergleiche 683 Vgl. Weitert, C., Wettbewerbsimplikationen technologischen Wandels. Eine simulationsbasierte Untersuchung der Anpassungsfähigkeit von Unternehmen, Springer Gabler 2014, S. 5 684 Vgl. VERIVOX, Warum Nokia mit Smartphones gescheitert ist, abgerufen unter: https: / / www.verivox.de/ ratgeber/ warum-nokia-mit-smartphones-geschei tert-ist- 101530/ [1.08.2017] 685 Vgl. Smolinski, R., Gerdes, M., Siejka, M., Bodek, C., Innovationen und Innovationsmanagement in der Finanzbranche, Springer Gabler 2017, S. 22 8 Innovationen und Wettbewerb 2 270 Teil III Digitalisierung und Innovation auf Portalen wie Check24 oder Verivox, digitale Assistenten (Robo-Advice), die Verwendung elektronischer Kanäle für die Expertenberatung und Information durch Bewertungen und Empfehlungen anderer Kunden in sozialen Netzwerken. In der Zahlungsabwicklung gab es neue Entwicklungen, wie mobile Zahlungsmethoden oder die Funktion sozialer Netzwerke als neue Zahlungsdurchführungsstelle. Dazu gehören z.B. die Verwendung von QR-Codes für Zahlungsinformationen (z.B. Bezahlcode.de), die von bestimmten Smartphone-Apps mittels der integrierten Kamera gelesen werden könne, sowie das Ausführen von Zahlungstransaktionen aus sozialen Netzwerken heraus, das sogenannte Social Media Payment, z. B. per FacebookApp der Fidor Bank). Der Finanzierungsbereich wird durch die Beseitigung der Zwischenschritte vereinfacht. Zum Beispiel werden Kredite jetzt durch Crowd- Plattformen wie Smava abgewickelt. Mutibank-Lösungen werden entwickelt, die es den Kunden ermöglichen, einen Überblick über ihre Finanzdienstleistungen in alle Banken zu erhalten. Neue Finanzanwendungen werden ständig weiterentwickelt und können z.B. Trends bei Wertpapieren, Indizes und Währungen durch Auswertung von Kommentaren, Forenbeiträgen und Finanznachrichten aus sozialen Netzwerken, ermitteln. 686 Banken ontra Finte h Die Zukunft der modernen Banken in Deutschland hängt auch davon ab, welche Entwicklungsstrategie sie wählen. In den Zeiten der Digitalisierung entwickelt sich eine neuartige Interaktion zwischen Information und Mensch, die auch das Bankwesen bedeutend verändert. Früher haben Banken den Markt für Finanzdienstleistungen beherrscht. Gegenwärtig will eine ständig wachsende Menge Menschen Zugang zu Bankdienstleistungen von zu Hause haben und zu diesem Zweck keine Bankfilialen mehr besuchen. Der Trend zum Online-Banking wird immer stärker ausgeprägt. Die Erwartungen an eine verständliche digitale Kommunikation sind hoch. Einfache aber sichere Authentifizierung, Kontoeröffnung ohne Post-Ident, Online- Banking über das Smartphone oder Live-Chats mit dem Service-Center sind selbstverständlich geworden. Die Banken sind zur Digitalisierung gezwungen, um ihre Ges häftsmodelle den neuen Herausforderungen anzupassen. Vor ein paar Jahren betraten zudem noch Finte hs mit ihren innovativen Angeboten den Markt. 687 686 Vgl. Alt, R., Puschmann, T., Digitalisierung der Finanzindustrie, Springer Gabler 2016, S. 94 687 Vgl. Werne, J., Die Symbiose zwischen Bank und Kunde wird auf eine neue Basis gestellt. In: bank und markt, April 2017, S. 17 8 Innovationen und Wettbewerb 271 Viele Banken sehen in den Fintechs eine große Gefahr für die eigenen Geschäfte. Sie müssen verstehen, dass Digitalisierung eine bislang immer noch zu wenig genutzte Chance ist. Sie sollten sich schrittweise noch weiter digitalisieren, um in einem dynamischen Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Sie können dabei auch die Digitalisierung von Finanzprozessen mithilfe von Fintechs realisieren. In letzter Zeit gibt es eine steigende Tendenz zur Zusammenarbeit von Banken und Fintechs. So entwickeln zum Beispiel Volksbanken und Sparkassen neue Produkte und Dienstleistungen mithilfe von Fintechs. Banken bieten Fintechs finanzielle Unterstützung und betrachten sie als Investitionen. Ihnen ist bewusst geworden, dass eine Kooperation fruchtbarer sein kann, um sich die im Zuge der digitalen Transformation notwendigen Kompetenzen zu verschaffen. Eine Zusammenarbeit zwischen Banken und Fintechs ist nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch eine gute Gelegenheit eigene Schwächen durch die Stärken des anderen auszugleichen. Ein großer Vorteil, den Banken gegenüber den Fintechs haben, ist die Banklizenz. Nur wenige Fintechs besitzen diese. Mehrere klassische Bankgeschäftsbereiche wie zum Beispiel die Führung von Konten und Depots, die Ausführung von Zahlungen, der An- und Verkauf von Wertpapieren, die Vergabe von Krediten oder die Verwaltung von Geldern lassen sich in Deutschland ohne eine solche Banklizenz nicht betreiben. Außerdem sehen einige Kunden Fintechs als unzuverlässig an und sind ihnen gegenüber voreingenommen, weil sie sich um die Sicherheit ihrer Daten im Netz sorgen. Noch ein Vorteil traditioneller Banken ist die Möglichkeit des Cross-Selling. Am Ende sind die meisten Finanztechnologieanbieter gezwungen mit Banken zusammenzuarbeiten, um ihr Geschäft machen zu können. In Deutschland ist die Digitalisierung des Bankensektors noch immer recht schwach entwickelt. Zwar haben die meisten Banken die Bedeutsamkeit der Digitalisierung erkannt, doch ihre Einführung in die Geschäftsprozesse verläuft eher schleppend. Diese Schwachstelle kann durch die Zusammenarbeit mit Fintechs ausgemerzt werden. Die Fintechs teilen ihre große Innovationskraft, bringen neue Ideen und Know-How in Sachen Digitalisierung mit und bekommen im Gegenzug dafür Zugang zu Kundendaten der Banken. Selbst die notwendigen Kompetenzen aufzubauen, würde die Banken zu viel Zeit kosten. Noch haben nicht alle Banken das Potenzial solcher Partnerschaften erkannt und viele halten Fintechs noch immer für Wettbewerber. Zahlreiche Banken sind auch nicht bereit, ihre Daten mit Fintech-Partnern zu teilen. Manche bevorzugen ganz offenkundig, die Geschäftsmodelle von Fintechs zu kopieren und zu imitieren, anstatt mit ihnen zusammenzuarbeiten. Aber die Zeit wird kommen, wenn die Vorteile solcher Partnerschaften offensichtlich und 272 Teil III Digitalisierung und Innovation die Hindernisse dafür kleiner werden. Ein Miteinander wird immer produktiver sein als ein Gegeneinander. 688 Kwitt Kwitt ist eine kostenlose Sparkassen-Applikation, mit der per Smartphone leicht Überweisungen durchgeführt werden können. Sie ist vor allem für den Einsatz zwischen Freunden und Bekannten gedacht, um z.B. Schulden zu begleichen. Das Prinzip der Arbeit von Kwitt ist einfach: man muss eine Person aus der Kontaktliste auswählen und den Betrag eingeben, der überwiesen werden soll. Wenn der Empfänger kein Kwitt-Benutzer ist, erhält er einen Link, über den er seine IBAN-Nummer eingeben kann, um das Geld zu erhalten. Dazu hat der Empfänger drei Tage Zeit, danach wird der Link ungültig. Die Eingabe einer TAN für Transaktionen unter 30 Euro ist nicht erforderlich. In Kwitt gibt es auch eine Funktion, die erlaubt Geld anzufordern, aber nur von Sparkasse-Kunden, die bei Kwitt registriert sind. Kwitt entspricht den höchsten Sicherheitsstandards und Richtlinien der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). 689 „Über 340 000 App-Nutzer nutzen bereits die Möglichkeit, Geld vom Handy aus zu anderen schicken zu können. Mit „Kwitt“ wollen die Sparkassen einen Beitrag leisten, dieses schnelle und bequeme Zahlverfahren auf dem deutschen Markt voranzubringen. Es ist eine Ausbaustufe geplant, bei der „Kwitt“ für andere Finanzdienstleister und deren Kunden geöffnet werden soll. So soll es allmählich zum allgemeinen Markstandard gemacht werden“. 690 Blue Code BlueCode ist ein europäisches mobiles Zahlungssystem für Banken und Händler. Es ist eine schnelle, sichere und anonyme Zahlungsmöglichkeit, die mit mobilen Geräten erfolgt. Blue Code fungiert als anonyme Schnittstelle zwischen Bank und Händler. Der Blue Code erzeugt für jeden Kauf einen speziellen Strichcode, der an der Kasse gescannt wird, wodurch die Bezahlung vom Girokonto des Nutzers ausgelöst wird. Dieses Zahlungssystem ist prinzipiell in jede Bankanwendung integrierbar. 691 688 Vgl. Lemmer, F., Banken und Start-ups: Miteinander ist fruchtbarer als Gegeneinander. In: bank und markt, April 2017, S. 19 689 Vgl. t3n, Kwitt: Sparkassen-App erlaubt jetzt einfachen Geldtransfer, 28.11.2016, abgerufen unter: http: / / t3n.de/ news/ kwitt-sparkassen-app-erlaubt- 771270/ [25.05.2017] 690 Schmalzl, J., Die Sparkassen-Apps: dauerhafte Sichtbarkeit beim Kunden. In: bank und markt, Mai 2017, S. 17 691 Vgl. Bankingclub, Blue Code, 31.01.2017, abgerufen unter: https: / / banking club.de/ blue-code/ [25.05.2017] 8 Innovationen und Wettbewerb 273 Blue Code bietet ein stetig wachsendes Netz an ausgewählten Händlern in Deutschland und Österreich. In Deutschland ist Blue Code Ende 2016 gestartet. In Kooperation mit der Ostsächsischen Sparkasse Dresden, der Sparkasse KölnBonn, der Frankfurter Sparkasse, der Sparkasse Siegen und der Nassauischen Sparkasse wurde Blue Code beim Konsum Dresden sowie den gastronomischen Einrichtungen des Studentenwerks Frankfurt/ Main und des Studierendenwerks Siegen eingeführt. 692 Elektronisches Dokumenten-Management Die tägliche Arbeit der Kreditinstitute ist mit einem ständigen Austausch von Papieren verbunden. Moderne Technologien ermöglichen es, diese Arbeit effizienter, wirtschaftlicher und zugleich rechtlich sauberer zu organisieren. Die gesetzlichen Anforderungen an das Bankwesen werden immer schärfer. In Abwesenheit von digitalen Lösungen sind Mitarbeiter von Kreditinstituten gezwungen, täglich Zehntausende von Kopien verschiedener Dokumente zu machen und sie mit Kurieren von der einen in die andere Filiale zu schicken. Eine Lösung für dieses Problem wird durch die Anwendung „dp: board“ geboten. Die Anwendung versendet Unterlagen mit einem hohen Grad an Verschlüsselung und Sicherheit. Alle Dokumente werden auf zwei Servern gespeichert, die nicht mit dem Internet verbunden sind. Benutzer können alle Dokumente auf ihrem PC sehen. Ein weiteres Produkt für Gremienarbeit heißt „Session“. Das Unternehmen SOMAKOS spezialisiert sich auf Anwendungen für modernes Meeting Management und digitale Gremienarbeit. Die Software wird insbesondere in Banken und Versicherungen eingesetzt. Die wichtigste „Sessions“-Komponente ist die sichere Dokumentation von Sitzungsinhalten. Die Investitionsbank Berlin (IBB) nutzt „Session“ seit 2006. Dies reduziert die Bearbeitungszeit für die Vor- und Nachbereitung von Gremiensitzungen erheblich. Dadurch wird Zeit für andere Aufgaben frei und die Fehlerquote fast auf null reduziert. 693 Die Bevölkerung von Belarus beträgt heute etwa zehn Millionen, während insgesamt 27 Bankinstitute in Belarus ihre Geschäfte machen. So ist der Wettbewerb auf dem Markt der Bankdienstleistungen extrem hoch. Nur ständige Innovationen in Form von neuen Geschäftsprozessen, Produkten 692 Vgl. Blue code, abgerufen unter: https: / / bluecode.com/ de/ [25.05.2017] 693 Vgl. Pohl, E., Der Aufsichtsrat wird digital. In: Bankmagazin 5/ 2017, S. 48-49 274 Teil III Digitalisierung und Innovation und Vertriebskanälen bieten einen Wettbewerbsvorteil und schaffen einen Gewinn für die Bank. In den vergangenen Jahren sind viele neue innovative Produkte und Lösungen auf dem belarussischen Markt eingeführt worden, wie z.B. Stimmbots, kontaktlose Bezahlung mit Smartphones, USSD- Banking und elektronisches Dokumentenmanagement. Interbanken-Kundenidentifikationssystem Das Problem der Fernidentifizierung ist eines der wichtigsten Themen im modernen Bankwesen. Es wird von verschiedenen Banken in verschiedenen Ländern ganz unterschiedlich angegangen. Seit dem 1. Oktober 2017 wird in Weißrussland das Interbanken-Identifikationssystem eingesetzt. Laut Experten wird diese Initiative der Nationalbank den Zugang von Privatkunden und Unternehmen zu Bankdienstleistungen erheblich vereinfachen. Nachdem die Kunden persönlich anwesend einmal das Identifikationsverfahren in einer der Banken des Landes durchlaufen haben, ermöglicht es dieses System in der Zukunft, vermittels eines entfernten Kanals in jeder belarussischen Bank unabhängig von der Lage der Filialen der Bank bedient zu werden. Laut Vertretern des Informations- und Öffentlichkeitsamtes der Nationalbank der Republik Belarus sei die Einführung digitaler Technologien in der Bankenbranche ein globaler Trend, dem auch von belarussischen Banken gefolgt würde. Immer mehr Bankdienstleistungen weltweit würden über digitale Kanäle angeboten. Eine weitere digitale Transformation sei indes nur durch das Interbanken-Identifikationssystem möglich. Sein Fehlen sei das Haupthindernis gewesen, welches den Zugang der Privatkunden und Unternehmen zu Bankdienstleistungen, die über digitale Interaktionskanäle verfügbar seien, behindert habe. Die Funktionsweise des Interbanken-Identifikationssystems beginnt mit dem Prozess der Erstellung einer gemeinsamen Datenbank. Seit dem 1. Oktober 2017 laden alle Banken Weißrusslands Daten über Kunden und deren Vertreter hoch. Nachdem die Datenbank vollständig ist, sind weißrussische Banken in der Lage, Dienstleistungen unter Verwendung des Identifikationssystems zu erbringen, und Kunden, die sich beim Interbanken- Kunden-Identifikationssystems angemeldet und in die Verwendung und Verarbeitung ihrer Daten eingewilligt haben, können den neuen Service im Bankdienstleistungsmarkt nutzen. Ähnliche Systeme werden bereits anderswo eingesetzt. So nutzen Österreich, Kanada, Estland und Schweden aktiv ein solches Interbanken-Identifikationssystem BankID. Das System wurde von einem Konsortium großer Banken entwickelt und wird derzeit sowohl von Einzelpersonen als auch von Behörden und anderen Organisationen einschließlich Banken verwen- 8 Innovationen und Wettbewerb 275 det. Das BankID sichert den Erhalt der Dienstleistungen in Echtzeit (z.B. Vertragsunterzeichnungen, Einkäufe, oder auch die Einreichung von Steuererklärungen). In Weißrussland wird das Interbanken-Identifikationssystem den Wettbewerb auf dem Bankendienstleistungsmarkt erhöhen und damit die Kosten für den Endkunden senken. 694 Geldwechselautomat „Belarusbank“ AG war die erste Bank in Belarus, die einen innovativen Service für den Geldwechsel mit Selbstbedienungsautomaten angeboten hat. Der Automat nimmt die Geldscheine der einen Währung an und gibt sie dann in anderer Währung aus. Das Funktionsprinzip des Geldwechselautomaten nutzt die einzigartige Technologie des japanischen Unternehmens Japan Cash Machine (JCM), die, falls gewünscht, Informationen über akzeptierte Scheine (das Gerät bestimmt die Währung, ihren Nominalwert und die Seriennummer jedes empfangenen Scheins) und Kunden, die Operationen mit diesen Geldscheinen durchgeführt haben, sammelt und speichert. Die Funktionsweise des Geldwechselautomaten ähnelt dem eines normalen Geldautomaten oder Selbstbedienungsterminals mit der Funktion Annahme und Ausgabe von Bargeld. Der Wechsel der Währung erfolgt sofort. 695 Denegram Denegram ist eine mobile Applikation für die Geldüberweisung von Karte zu Karte, die nach dem Prinzip von Messenger-Programmen funktioniert. Die Applikation ist mit den Kontakten des Benutzers verknüpft. Der Benutzer wählt einen Kontakt aus der Liste aus oder gibt eine Telefonnummer ein und durch Betätigung einer der drei Tasten leiht, verleiht oder zahlt er Geld zurück. Die Inhaber von Karten aller belarussischen Banken können Geld austauschen. In Denegram ist es auch möglich, Geld an die Karten der GUS- Banken zu schicken. Denegram ist kostenlos und funktioniert auf Smartphones mit iOS und Android. Um Geld zu senden oder zu erhalten, muss der Benutzer die Kartennummer des „Gesprächspartners“ nicht wissen, die Telefonnummer ist ausreichend. 694 Vgl. , 5.10.2016, abgerufen unter: http: / / belaruseconomy.by/ ru/ banki-finance-ru/ view/ kak-sistema-identifikatsii-izmenitbankovskij-servis-146/ [27.05.2017] 695 Vgl. Belarusbank, abgerufen unter: https: / / belarusbank.by/ ru/ press/ bank _news/ 31575 [27.05.2017] 276 Teil III Digitalisierung und Innovation Überweisungen sind absolut sicher. Die Applikation speichert keine sensiblen Daten wie PIN, Kartennummer oder CVV-Code. Geld wird von der Karte mit 3-D Secure-Technologie abgebucht. 696 Ratenzahlungskarte Die Ratenzahlungskarte ist eine Möglichkeit, tägliche Einkäufe in Partnergeschäften ohne Anzahlung, Provision oder Überzahlung in Raten über bis zu zwölf Monate verteilt zu bezahlen. Die Dauer der Ratenzahlung definiert jeder Partner selbst. Im Moment sind es zwischen einem und zwölf Monaten. Der Maximalbetrag wird je nach Einkommensniveau des Kunden und seiner Solvenz individuell festgelegt. Die Karte funktioniert in mehr als 8500 Partnergeschäften in Belarus. Die Kunden fragen sich natürlich, wo der Haken ist und wie die Bank mit diesem zinslosen Geschäftsmodell Geld verdienen kann. Das Prinzip ist jedoch einfach. Die Bank schließt formelle Verträge mit Geschäften und Firmen ab, in denen sie als Großhandelskäufer fungiert und so jeweils Großhandelskommissionen für jeden Kauf hat. Ihr Gewinn ist die Marge zwischen Großhandels- und Einzelhandelspreis. Für die privaten Konsumenten hat dies indes keine Auswirkungen: Sie erhalten die Möglichkeit, Waren zum Einzelhandelspreis zu kaufen und sie dann über bis zu zwölf Monate in Raten abzubezahlen. 697 X-Karte Studien haben ergeben, dass 43 Prozent der MTBank-Kunden mehr als zwei Bankkarten verwenden. Die innovative X-Karte besteht aus zwei Komponenten: einer mobilen Applikation und einer Plastikkarte. Kunden mit MTBank-Karten können sich zusätzlich eine X-Karte ausstellen lassen und an diese andere Bankkarten online „anschließen“. So kombiniert die Karte Vorteile aller MTBank-Karten: Ratenzahlung, Cashback, Bonuspunkte, die besten Wechselkurse all diese Vorzüge können mit einer einzigen X-Karte genossen werden. Die mobile App kann so an verschiedenen Zahlungskarten angepasst werden, dass physisch mit der einen Karte bezahlt wird, die Beträge aber über eine andere Karte abgerechnet werden. Welche Karte in welcher Situation zum Einsatz kommt, entscheidet der Anwender selbst. Es ist auch möglich, neue Bankkarten durch die App online zu bestellen oder kontaktlos mit dem 696 Vgl. mtbank.by, abgerufen unter: https: / / www.mtbank.by/ private/ online/ dene gram [27.05.2017] 697 Vgl. mtbank.by, abgerufen unter: https: / / www.mtbank.by/ private/ cards/ halva [27.05.2017] 8 Innovationen und Wettbewerb 277 Smartphone zu bezahlen. Neue virtuelle Karten erscheinen in der Applikation in einer halben Stunde. Die mobile App zeigt den Kontostand jeder Karte und den zugehörigen Zahlungsverlauf an. Die Applikation speichert keine sensiblen Informationen. Sie ist durch ein Passwort geschützt und die Datenübertragung erfolgt über sichere Kanäle. 698 Der Begriff Industrie 4.0 ist schon seit 2011 in Deutschland in aller Munde, in Weißrussland hingegen ist dieses Konzept noch nicht sehr bekannt. Bedeutet dies, dass der Trend der Digitalisierung Osteuropa noch nicht erreicht hat? Am Beispiel der Finanzindustrie lässt sich sehen, dass dies mitnichten der Fall ist. Der weißrussische Bankensektor entwickelt sich rasant und hat dem deutschen sogar einiges voraus. Das Serviceniveau in weißrussischen Banken ist viel höher als in deutschen. Heißt das, dass der Wettbewerb auf dem weißrussischen härter als auf dem deutschen Finanzmarkt ist? Laut Statistischem Bundesamt (destatis.de) hatte Deutschland Ende des Jahres 2015 82,2 Millionen Einwohner und damit etwa neunmal so viele wie Weißrussland, wo 9,5 Millionen Menschen leben (belstat.gov.by). Die Anzahl der Kreditinstitute in Deutschland im Jahr 2016 betrug 1888 (Quelle: Deutsche Bundesbank). In Weißrussland sind nur 27 Banken und andere Kreditinstitute für 9,5 Millionen Einwohner tätig (Quelle: nbrb.by, 13.07.2017). Es ist offensichtlich, dass die Zahl der Wettbewerber auf dem weißrussischen Markt viel geringer ist als in Deutschland, aber der Wettbewerb ist viel härter und die Notwendigkeit innovative Entwicklung des Bankensektors dementsprechend viel größer. Es lassen sich folgende Gründe für den harten Wettbewerb auf dem Bankenmarkt in Weißrussland nennen: Eine der treibenden Kräfte, die die Wettbewerbsstruktur des weißrussischen Bankensektors bestimmen, ist der starke Einfluss der Regierung. Infolge der starken Einwirkung des Staates auf die Preisgestaltung im Bankensektor müssen sich die weißrussische Banken oftmals darauf beschränken, die Zinssätze für ihre Produkte festzulegen, was die Möglichkeiten des Preiswettbewerbs im Bankensektor begrenzt und die Bedeutung des Nichtpreiswettbewerbs zwischen den Banken erhöht. Für eine Bank, die unter solchen Bedingungen arbeitet, ist die optimale Strategie die Differenzierung, das heißt, die Orientierung auf die Schaffung eines einzigartigen Angebots für die Kunden auf der Basis von Produkt, Service, Imagedifferenzierung. 698 Vgl. mtbank.by, abgerufen unter: https: / / x-card.mtbank.by/ [27.05.2017] 278 Teil III Digitalisierung und Innovation Ein weiterer starker Einfluss auf den Wettbewerb im Bankensektor wird durch eine relativ breite Beteiligung von Banken mit ausländischem (überwiegend russischem) Kapital ausgeübt. In den vergangenen Jahren haben ausländische Banken mindestens ein Drittel des Gesamtvermögens des weißrussischen Bankensektors kontrolliert. Diese Banken zeichnen sich durch ein sehr aggressives Marktverhalten aus, das auf technologischer und ressourcenorientierter Unterstützung der Mutterbanken beruht, was zu einem verstärkten Wettbewerb in den traditionellen Segmenten des Bankenmarktes (Einlagen, Kreditprodukte) führt. Die Schlüsselrolle im realen Sektor der weißrussischen Wirtschaft spielen staatliche Unternehmen und Aktiengesellschaften mit vorherrschender Beteiligung des Staates, der Anteil der kleinen und mittleren privaten Unternehmen am Gesamtvolumen des BIP und der industriellen Produktion ist im Vergleich zu anderen Ländern mit Übergangswirtschaft deutlich niedriger. Infolgedessen leistet eine begrenzte Menge vom Staat kontrollierter Unternehmen einen wesentlichen Teil der Produktion. Mit solch einer hohen konjunkturellen Konzentration ist die Realisierung der Produkte, die den Firmenkunden von Banken angeboten werden, weitgehend von der Wahl großer Unternehmen abhängig. Unter Berücksichtigung der relativen Sättigung des Marktes mit wichtigsten Bankprodukten neigen große Unternehmen dazu, mit mehreren Banken zu interagieren und Bankprodukte aus vielen Angeboten auszuwählen und damit einen starken Wettbewerbsdruck auf die Banken auszuüben. 699 Auf diese Weise ist die innovative Entwicklung der Banken in Weißrussland ein Zwang. In Deutschland ist das Geschäft trotz der hohen Zahl der Wettbewerber im Bankensektor stabil, das Privatgeschäft ist weit verbreitet und es gibt kein Kundendefizit. Viele große Banken haben die Bedrohung durch den Fintech noch nicht erkannt. Vielleicht würde die Verschärfung der Kontrolle durch den Staat einen härteren Wettbewerb schaffen, wodurch die Banken gezwungen wären ihren Service zu verbessern und vielleicht mehr Motivation hätten, mit Fintech-Unternehmen zu kooperieren, um ein neues Niveau der Bankdienstleistungen zu erreichen. 8.2 Innovationen als Überlebensstrategie „Eine Innovation stellt immer eine neuartige Kombination von Zwecken (Befriedigung konkreter Kundenbedürfnisse) und Mitteln der Leistungs- 699 Anikeev, M., : , 17.05.2016, abgerufen unter: https: / / www.belrynok.by/ 2016/ 05/ 17/ bankovskij-sektor-konkurent naya-sreda/ [03.08.2017] 8 Innovationen und Wettbewerb 279 erstellung (Technologien, Organisationsformen, Managementmethoden etc.) dar. Dabei ist eine Innovation nicht nur die technische Realisierung einer neuen Problemlösung (= Invention), sondern beinhaltet auch deren erstmalige wirtschaftliche Anwendung“. 700 Innovationen beeinflussen fast alle Lebensbereiche. Sie haben den größten Einfluss auf Wirtschaft, Wissenschaft und Technik. Diese Sphären sind ohne Innovationen schwer vorstellbar. 701 Gute Ideen zu haben ist für viele Unternehmen eine Frage des Überlebens geworden. Dennoch existieren Bereiche, die bislang kaum von Innovation betroffen sind Aber das sollte kein Grund sein, sich zurückzulehnen, sondern eine Veranlassung, darüber nachzudenken, wie man für seine Branche zu einem Innovator werden kann, eben bevor andere Wettbewerber auf die Idee kommen. Innovation entsteht nur aufgrund persönlicher Kompetenzen und der Kreativität der Mitarbeiter. Jede Innovation beginnt mit einer Idee. Diese Idee muss dann für die Anwendung in der Praxis angepasst werden. Dieser Teil des Innovationsprozesses wird als Invention bezeichnet. Es gibt viele Methoden, die Kreativität fördern und den Prozess der Suche nach Ideen unterstützen. 702 Hier wird der Entwicklungsstand der Modebranche aufgezeigt und es werden Prognosen über die weitere Entwicklung gemacht. Im Unterschied zu früheren Kapiteln wird hier die Forschungsmethode geändert. Anstelle der Standard-Internetrecherche werden wesentliche Probleme für die Modebranche formuliert und mithilfe verschiedener Kreativitätstechniken möglichen Lösungen vorgeschlagen. Im Anschluss werden spezifische Lösungen gesucht. Diese Methode hilft, detailliertere Informationen über den Stand der Industrieentwicklung zu erhalten und zu verstehen, ob es überhaupt ein Innovationspotenzial in diesem Bereich gibt, was nicht durch die Standard- Internet- und Literaturrecherche möglich wäre. Die ständige fortschreitende technologische Entwicklung verändert kontinuierlich die Lebensweise der Menschen. Auch das Tempo des Lebens ändert sich rasant. Der moderne Mensch muss an einem einzigen Tag mehrere 700 Schulthess, M., Die Nutzung von Analogien im Innovationsprozess. Eine Untersuchung der Bedingungsfaktoren und Wirkungen, Springer Gabler, S. 6 701 Vgl. Schmiedgen, P., Innovationsmotor Croudfunding. In: Mai, M., Handbuch Innovationen, Springer 2014, S. 14 702 Vgl. Schmeisser, W., Krimphove, D., Hentschel, C., Hartmann, M., Handbuch Innovationsmanagement, UVK 2013, S. 229 280 Teil III Digitalisierung und Innovation Orte besuchen und unter Umständen für jeden seinen Kleidungsstil variieren. Zum Beispiel führt man am Morgen seinen Hund aus, dann bringt man die Kinder zur Schule und danach eilt man zu einem Business-Meeting. Nach der Arbeit geht man dann noch ins Fitnessstudio und abends isst man in einem Restaurant. Auch das Wetter kann sich überraschend ändern: aus einem kühlen Morgen, wird ein heißer Nachmittag und ein regnerischer Abend. Die Kombination dieser Faktoren ist der Auslöser, über grundsätzliche Veränderungen in der üblichen Kleidung nachzudenken. Sie soll den Bedürfnissen des modernen Menschen angepasst werden. Somit ist die Aufgabe, ein neues Kleidungskonzept für den Menschen der Zukunft mit Hilfe von Kreativitätstechniken zu entwickeln. Um eine innovative Lösung anzubieten, muss zunächst das Problem definiert werden. Und das ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint und hängt von persönlichen Ansichten, Erwartungen und Werte- Systemen ab, die sich bei Entwickler und Endnutzer radikal unterscheiden können. Vor allem, wenn der Entwickler keine eigene Erfahrung mit dem Produkt hat. Darüber hinaus ist es wichtig, nicht nur offensichtliche, sondern auch versteckte Probleme erkennen zu können. 703 Für die Problemerkennung werden Methoden wie Beobachtung, Interview und Persona (vgl. unten im Abschnitt „Informationen“) ausgewählt. Als Probleme der bestehenden Kleidung wurden die folgenden identifiziert: zu warm oder zu kalt: Das Wetter im Laufe des Tages kann variieren, so ist es schwierig, Kleidung zu wählen, die in jedem Fall behaglich sein wird. nicht geeignet: Sportbekleidung ist nicht für Geschäftstreffen geeignet, sowie ein Abendkleid für ein Abendessen in einer Pizzeria ungeeignet ist. knittert: Bügeln ist zeitaufwendig. verschmutzt: Auf einer weißen Bluse verschütteter Kaffee kann die Stimmung für den ganzen Tag verderben. wird unmodisch: Mode verändert sich laufend, so wird in der letzten Saison gekaufte Kleidung schnell zum Staubfänger im Kleiderschrank. unbequem: Oft sind die schönen Kleider unbequem und man muss zwischen Schönheit und Bequemlichkeit wählen. wird für den Massenmarkt produziert: Ein individueller Kleidungsstil wird erschwert, zudem kann es schwierig sein, Nicht-Standardgrößen zu finden. 703 Vgl. Herb, R., Herb, T., Kohnhauser, V., TRIZ. Der systematische Weg zur Innovation, Verlag Moderne Industrie 2000, S. 17 8 Innovationen und Wettbewerb 281 wird nass: Wahrscheinlich stand jeder in seinem Leben schon einmal ohne Schirm im Regen. nimmt viel Platz ein: Besonders ärgerlich sind vollgestopfte Koffer auf Reisen und voluminöse Winterkleidung. nutzt sich schnell ab: Die Qualität der Kleidung lässt oft zu wünschen übrig. Meist verliert die Kleidung schon nach ein paar Wäschen ihr ansehnliches Aussehen. ständiges Umziehen: Es kann nervig sein, sich mehrmals am Tag umzuziehen. Innovationen sind die treibende Kraft hinter der technologischen Entwicklung. Bisher entstanden Innovationen oft zufällig und über einen langen Zeitraum. Sich in der heutigen Welt, auf den Zufall zu verlassen und zu warten, bis die Idee von alleine kommt, ist uneffektiv. Unter den Bedingungen des harten Wettbewerbs gibt es einen wachsenden Bedarf an ständiger Innovation. 704 Deshalb wurden unterschiedliche Techniken und Methoden entwickelt, welche die Kreativität der Menschen wecken und zu „geplanten“ Innovationen verhelfen sollen. Unten werden nur einige von ihnen präsentiert. Jede Erfindungstätigkeit zielt darauf ab, ein Problem zu lösen. In der Regel bedeutet dies, die Anzahl der schädlichen Funktionen eines Produkts oder einer Dienstleistung zu reduzieren und die nützlichen zu erhöhen. Ein Produkt, das seine Funktion erfüllt und keine schädlichen Wirkungen hat und vielleicht gar nicht physisch existiert, wird als ideales Endresultat bezeichnet. Meistens ist ein ideales Enderesultat utopisch und unmöglich, aber es ist wichtig, es als Leitfaden zu formulieren, um zu verstehen, welche Funktionen das Produkt idealerweise erfüllen soll. Idealität ist eine qualitative Bewertung, die das Verhältnis der Summe der nützlichen Funktionen des Systems zur Summe der unerwünschten Eigenschaften dieses Systems einschließlich der Kosten zeigt. 704 Vgl. Schmeisser, W., Krimphove, D., Hentschel, C., Hartmann, M., Handbuch Innovationsmanagement, UVK 2013, S. 161 282 Teil III Digitalisierung und Innovation Das Verständnis, wie weit ein bestehendes Produkt vom Ideal entfernt ist, stellt den Ausgangspunkt für die weitere Arbeit an diesem Produkt dar. 705 Normalerweise werden drei grundlegende Formulierungen von IER verwendet: das System führt selbst die Funktion aus es gibt kein System, aber seine Funktionen werden ausgeführt (mit Hilfe von Ressourcen). Funktion wird nicht benötigt 706 Für Kleidung kann IER wie folgt formuliert werden: Kleidung reguliert Temperatur selber Kleidung passt sich selber an Kleidung knittert nicht, wird nicht schmutzig oder nass Kleidung zieht sich selber an und aus Kleidung aktualisiert sich immer nach der Mode es gibt keinen Körper, der geschützt werden muss der Körper schützt sich selber Körper braucht kein Schutz Ein weiteres Hilfsmittel, das hilft, die Idealität zu steigern, heißt „Ressourcen“. Der Kern dieser Methode ist, alle vorhandenen Ressourcen zu analysieren und im Hinblick auf Anwendbarkeit zur Problemlösung zu prüfen. 707 „Eine Checkliste der möglichen Ressourcen mit sieben Kategorien erleichtet es dem Entwickler, alle vorhandenen Ressourcen zu erfassen. Vor der Entwicklung einer Problemlösung wurden alle verfügbare Ressourcen im und um das System entsprechend der Ressourcen-Checkliste gesammelt“. 708 Lösungsansatze werden unter der Bedingung erarbeitet, dass nur diese vorhandenen Ressourcen zum Einsatz kommen dürfen. Eine Ressourcen- Checkliste befindet sich im unten aufgeführten Informationsanhang. 705 Vgl. Hentschel, C., Gundlach, C., Nähler, H. T., TRIZ. Innovation mit System, Hanser 2010, S. 32-36 706 Vgl. Trizland.ru, abgerufen unter: https: / / www.trizland.ru/ methods/ 7/ [04.08.2017] 707 Vgl. Herb, R., Herb, T., Kohnhauser, V., TRIZ. Der systematische Weg zur Innovation, Verlag Moderne Industrie 2000, S. 66 708 Vgl. Hentschel, C., Gundlach, C., Nähler, H. T., TRIZ. Innovation mit System, Hanser 2010, S. 36-39 8 Innovationen und Wettbewerb 283 Das Modell der neun Felder besteht aus einem Raster von dreimal drei Feldern. Horizontal sind drei Ebenen dargestellt: Subsystem, System und Supersystem. Die Vertikale bildet eine Zeitachse: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Dieses Modell hilft, die Sichtweise zu erweitern und mögliche Lösungen nicht nur inhaltlich, sondern auch zeitlich zu sehen. Ein Blick auf die Entwicklung des Systems unter Berücksichtigung von Umweltfaktoren ermöglicht es, die mögliche Entwicklung der Umwelt genauer zu beurteilen und damit ein detaillierteres Bild eines möglichen zukünftigen Systems zu geben. 709 Ein Neun-Felder-Modell am Beispiel von Kleidung wird im Abschnitt „Informationen“ - Tabelle 14 dargestellt. Nach TRIZ (Theorie der erfinderischen Problemlösung) wird das Problem erst dann ein erfinderisches Problem, wenn es einen Widerspruch enthält. Es gibt zwei Haupttypen von Widersprüchen: technische und physikalische. Von einem technischen wird gesprochen, wenn die Verbesserung einer Eigenschaft des Systems eine andere verschlechtert. Der technische Widerspruch unterscheidet sich vom physikalischen dadurch, dass er immer zwei verschiedene Parameter hat. Der russische Ingenieur, Erfinder und Autor der Theorie der erfinderischen Problemlösung Heinrich Saulovich Altshuller kam nach der Analyse zahlreicher Patente zu dem Schluss, dass eine innovative Lösung eines Problems nur bei kompromissloser Überwindung des Widerspruchs auftritt. Altshuller hat 39 solcher Parameter extrahiert, von denen zwei immer einen technischen Widerspruch bilden, der bereits auf innovativem Wege gelöst wurde. Aus diesen Parametern kompilierte Altshuller eine Widerspruchsmatrix, die Kombinationen aller Parameter als Felder aufweist. 710 Altshuller und seine Kollegen haben eine Liste von 40 Prinzipien entwickelt, die verwendet werden können, um jeden Widerspruch in der Widerspruchsmatrix zu lösen. 711 Die 40 Prinzipien sind schon gebrauchsfertige innovative Lösungen und so kann man mit Hilfe der Widerspruchsmatrix 709 Vgl. Hentschel, C. Gundlach, C., Nähler, H. T., TRIZ. Innovation mit System, Hanser 2010, S. 65-69 710 Vgl. ebd., S. 81-89 711 Vgl. Nachtigall, W., Bionik als Wissenschaft. Erkennen - Abstrahieren - Umsetzen, Springer 2010, S. 181 284 Teil III Digitalisierung und Innovation feststellen, welche Lösung für ein bestimmtes Problem geeignet ist. 712 Die 39 technischen Parameter und 40 innovativen Grundprinzipien befinden sich im letzten Abschnitt dieses Beitrags. „Der Begriff „bionics“ taucht erstmals wohl bei Steele (1961) auf. Eine der allgemeinsten Definitionen der Bionik könnte lauten: „Technische Umsetzung von Prinzipien der Natur“. 713 Das Hauptziel der Bionik ist es, technische Probleme durch Abstraktion und Übertragung von Wissen aus der Biologie zu lösen. Lebewesen dienen für Ingenieure nicht als direkte Vorlage für die Anwendung, sondern als Quelle der Inspiration. Es gibt zwei grundlegende Ansätze für die Bionik: Bottom-Up-Prozess. Zuerst wird eine interessante Eigenschaft des Organismus entdeckt, dann wird seine mögliche Anwendung in der Technik gesucht. Daher wird der aufsteigende Prozess aus der Biologie initiiert. Top-Down-Prozess. In diesem Prozess sucht ein Ingenieur mit einem spezifischen technischen Problem nach einer Lösung in der Biologie. 714 Mit Hilfe der oben aufgeführten Kreativitätstechniken wurden sechs innovative Lösungen für die Kleidung der Zukunft gefunden. In diesem Abschnitt werden sie im Detail beschrieben. Darüber hinaus wurde unter Vorgabe dieser Lösungen in der Modeindustrie recherchiert und in der Folge wurden Innovationspotentiale für diese Branche definiert. Chamäleon-Textilien Entsprechend der Widerspruchsmatrix konnte die Aufgabe mit Hilfe des Prinzips N o 32 „Farbänderung“ gelöst werden. Die Formulierung des Prinzips ist wie folgt: „Die Farbe des Objektes oder des umgebenden Mediums ist zu verändern. Der Grad der Durchsichtigkeit des Objektes oder des umgebenden Mediums ist zu verändern. Zur Beobachtung schlecht sichtbarer Objekte oder Prozesse sind färbende Zuschläge zu nutzen. Wenn solche 712 Vgl. Hentschel, C., Gundlach, C., Nähler, H. T. TRIZ. Innovation mit System, Hanser 2010, S. 92 713 Vgl. Nachtigall, W., Bionik als Wissenschaft. Erkennen - Abstrahieren - Umsetzen, Springer 2010, S. VII 714 Vgl. Bionik - Was ist das eigentlich? , abgerufen unter: http: / / education.bioniksigma.de/ fileadmin/ dokumente/ dokumente/ Bionik-Was_ist_das.pdf [04.08.2017] 8 Innovationen und Wettbewerb 285 Zustände (sic) bereits angewandt werden, sind Leuchtstoffe zu verwenden“. 715 Es wäre sehr praktisch, wenn man je nach Stimmung die Farbe der Kleidung ändern könnte. Eine Internetrecherche ergab, dass diese Idee bereits im Rahmen des Projekts „Chromosonic“ umgesetzt worden ist. Dank Nano- Technologie und Quanten-Computern könnte der Traum von T-Shirts, Jeans und Pullovern, die jederzeit und nach Belieben Eigenschaften und Farbe ändern können, wahr werden. Chromosonik ist die Entwicklung der Textildesignerin Judit Eszter Karpati. Der Stoff arbeitet mit Nickel-Chrom-Drähten, die durch die Interaktion mit dem Arduino-Mikrocontroller auf Veränderung der Soundlandschaft reagieren. Die Drähte ändern die Temperatur in Abhängigkeit von der Wellenlänge der Geräusche. Abhängig von der Temperatur ändern sie ihre Farbe und Struktur. Im Moment ist Chromosonic nur ein Kunstprojekt, aber die Idee ist vielversprechend. Der Markt ist riesig und es gibt eine Nachfrage nach solchen Produkten. Aber um in den Markt einzutreten, ist es notwendig, eine Technologie für die Massenproduktion zu entwickeln. 716 Somit war die Idee nicht neu, aber bis jetzt gibt es auf dem Markt noch keine Angebote von Kleidung, die die Farbe ändern kann. Angewendete Methoden: Widerspruchsmatrix, Bionik (Chamäleonprinzip) Wasser- und schmutzabweisendes Gewebe Es wäre ideal, wenn Kleidung weder schmutzig, noch zerknittert oder im Regen nass werden würde. „Die Firma Silic hat eine Nanotechnologie entwickelt, die mit Kieselsäure im Gewebe arbeitet. Das Ergebnis ist ein weicher, atmungsaktiver Stoff, der auch nicht giftig ist“. Der Stoff ist wasser- und schmutzabweisend. Es gibt viele Anwendungsmöglichkeiten für diesen Stoff. Der Erfinder Amir Patel hat bereits Aufträge für verschiedene Produkte aus seinem Material erhalten, unter anderem für Socken, Hosen und Schuhe. 717 So wurde die Idee nicht nur bereits realisiert, sondern kann auch schon erste Erfolge am Markt aufweisen. Angewendete Methoden: ideales Endresultat, Bionik (Lotuseffekt) 715 TRIZ, verfügbar unter: http: / / triz-online.de/ index.php? id=5593 [04.08.2017] 716 Chromosonic - „Chamäleon-Textilien“ die ihre Farbe ändern können im Trend, abgerufen unter: http: / / www.trendsderzukunft.de/ chromosonic-chameleontextilien-die-ihre-farbe-aendern-koennen-im-trend/ 2014/ 05/ 12/ [05.08.2017] 717 Vgl. Kurlemann, Wie neue Supertextilien die Welt verändern, 27.10.2015, abgerufen unter: https: / / www.welt.de/ wissenschaft/ article148078043/ Wie-neue- Supertextilien-die-Welt-veraendern.html [05.08.2017] 286 Teil III Digitalisierung und Innovation Transformation von Kleidung Nach dem Prinzip der Dynamisierung (Nr. 15 der 40 innovativen Grundprinzipien), [müssen sich] die Kennwerte des Objektes (oder des umgebenden Mediums) […] so verändern, dass sie in jeder Arbeitsetappe optimal sind (Anpassung). Das Objekt ist in Teile zu zerlegen, die sich zueinander verstellen oder verschieben lassen. Falls das Objekt insgesamt unbeweglich ist, ist es beweglich (verstellbar) zu gestalten“. 718 Die Idee der Kleidungstransformation besteht seit vielen Jahren. Es existiert bereits viel Kleidung, die auf unterschiedliche Weise getragen werden kann, so dass ein einziges Kleidungsstück wie ein paar ganz verschiedene Modelle aussehen kann (Abb. 51). Aber das löst nicht das Problem der Notwendigkeit verschiedener Kleidung während des Tages. Abb. 51: Kleidungstransformation. Quelle: heaclub.ru Auch die Idee der Kleidungstransformation wurde bereits realisiert und zwar vom türkischen Designer Hussein Chalayan. Der Designer ist bekannt für seine innovativen Ideen. Im Oktober 2006 begeisterte er das Publikum 718 Verfügbar unter: http: / / triz-online.de/ index.php? id=5593 [04.08.2017] 8 Innovationen und Wettbewerb 287 auf seiner Pariser Modenschau mit fünf Kleidern, die sich automatisch in Form und Stil verwandelten. Reißverschlüsse schlossen und Gewebe rafften sich, Krägen stellten sich auf - ganz ohne menschliche Hilfe. Unter jedem Rock war ein Computersystem verborgen, das von der Firma 2D-3D entworfen wurde. 719 Trotz der Innovativität erschien solche Kleidung nicht auf dem Markt. Man kann davon ausgehen, dass der Grund dafür die Komplexität ihrer Anwendung im Alltag ist. Es gibt also noch Potenzial für weitere Innovationen. Angewendete Methoden: Widerspruchsmatrix Personalisierte Kleidung Jeder will etwas Besonderes sein. Und es kann manchmal schwierig sein, die richtige Kleidung im Laden zu finden. Wahrscheinlich hat jeder schon einmal erlebt, dass es das ausgewählte Kleidungsstück nicht mehr in der richtigen Größe oder Farbe gab. Besonders schwer haben es Personen mit Nicht- Standardgrößen. Bekleidungsgeschäfte auf der anderen Seite müssen immer den Ausverkauf nicht populärer Modelle arrangieren. Beide Probleme könnten mit Hilfe von Kleidungspersonalisierung gelöst werden. Hergestellt würde nur noch genau das, was die Kunden wirklich wollen und in genau den Mengen, in denen das Produkt dann auch gekauft wird. 3D-Drucktechnologie ermöglicht dies schon heute. 720 Es ist zu erwarten, dass der Einkauf der Zukunft komplett online erfolgt. Man wird sein 3D-Modell auf die Website hochladen und verschiedene Kleidungsmodelle mit der Auswahl von Farben und Texturen „anprobieren“ können. Angewendete Methoden: Persona, 9 Felder Kleidung mit Heizung Eine der häufigsten Ursachen für Unwohlsein ist die Temperatur. Im Sommer ist es zu heiß, im Winter zu kalt. Leider verfügen Menschen nicht über eine Selbstthermoregulation wie zum Beispiel Robben. Daher könnte Kleidung auf dem Markt Erfolg haben, die sich immer auf die für eine Person angenehme Temperatur reguliert. Eine Lösung für dieses Problem wird von Nanodraht-Ingenieuren der kalifornischen Stanford University angeboten. Ihre Idee ist, nicht die Räume zu heizen, sondern den Menschen. 719 Vgl. Ross, R., Transforming clothes, 20.10.2006, abgerufen unter: https: / / www.technologyreview.com/ s/ 406705/ transforming-clothes/ [04.08.2017] 720 Vgl. Ihring, S., Diese Mode kommt frisch aus dem 3-D-Drucker, 28.07.2015, abgerufen unter: https: / / www.welt.de/ icon/ article144416799/ Diese-Modekommt-frisch-aus-dem-3-D-Drucker.html [04.08.2017] 288 Teil III Digitalisierung und Innovation Sie fanden heraus, dass das ideale Material Silber ist, da es besser isoliert als gewöhnliche Kleidung und sogar selbst Wärme erzeugen kann. Gewebte silberne Nanodrähte sollen die Wärme des Körpers reflektieren und sie ihm zurückgeben, anstatt sie nach außen abzugeben. Wenn die Körperwärme nicht ausreicht ist, wird das Material mit der eingebauten Batterie zusätzlich erwärmt. Das Nanogeflecht ist so dünn, dass nur eine kleine Menge Silber benötigt wird. Das Bundesinstitut für Risikoforschung rät von diesem Produkt ab. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat eine Studie über die Massenanwendung von Nanosilber durchgeführt. Es wurde festgestellt, dass die Verwendung von Nanosilber die Gesundheit schädigen kann. 721 Die Idee existiert also schon recht lange und es wurden sogar schon mögliche Lösungen gefunden. Bis heute gibt es aber noch keine Lösung, die sich für den allgemeinen Gebrauch eignet. Deswegen gibt es auch hier noch Innovationspotenzial. Angewendete Methoden: Bionik (Robben), 9 Felder (Körperwärme) Virtuelle Kleidung Unter Berücksichtigung der allgegenwärtigen Digitalisierung in allen Branchen gibt es natürlich auch die Idee von der Digitalisierung der Kleidung. Mit der Entwicklung der virtuellen Realität kann man davongehen, dass die Menschen der Zukunft in Form von Avataren vollständig in der virtuellen Welt leben werden und das Leben ihres physischen Körpers künstlich erhalten. In diesem Fall gibt es keine Notwendigkeit für tatsächliche Kleidung mehr, nur noch die Auswahl digitaler Kleidung für unsere virtuellen Avatare. Angewendete Methoden: 9 Felder, Ideales Endresultat 721 Vgl. Keßler, S., Warme Kleidung statt Heizung. Nie mehr frieren dank Nano- Silber, abgerufen unter: http: / / www.wiwo.de/ technologie/ green/ living/ warme-kleidung-statt-heizung-nie-mehr-frieren-dank-nano-silber/ 13553226.html [04.08.2017] 9 Fazit Die Industrie 4.0 wird im Gegensatz zu vorangehenden industriellen Revolutionen nicht durch Fortschritte in einer oder mehreren spezifischen Branchen gekennzeichnet, sondern beeinflusst ohne Ausnahme alle Wirtschaftsbereiche. Kardinalveränderungen finden nicht nur in der Industrie statt, sondern auch im täglichen Leben der Menschen. Der Digitalisierung kann niemand mehr ausweichen. Auch die konservativsten Unternehmen müssen im Angesicht neuer Technologien nicht nur ihre Geschäftsmodelle überdenken, sondern auch versuchen, ihren Konkurrenten bei Innovationen immer einen Schritt voraus zu sein, um ihren Marktanteil nicht zu verlieren. Innovationen sind nicht mehr ein Privileg, sondern eine Notwendigkeit. Unternehmen sind gezwungen, kontinuierlich an neuen Ideen zu arbeiten und zu lernen, sie schnell zu generieren und umzusetzen. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Kreativitätstechniken entwickelt, die es ermöglichen, in kurzer Zeit eine passende Lösung für ein Problem zu finden. Konkurrenzkampf tritt nicht nur zwischen Unternehmen auf, sondern auch zwischen den Bewerbern um Arbeitsplätze. Immer mehr Berufe unterliegen der Automatisierung. Viele Menschen leben in Ungewissheit über die Zukunft. Und wenn auch die junge Bevölkerung noch in der Lage ist, sich an schnell verändernde Bedingungen anzupassen, Neues zu erlernen und sich neue Technologien anzueignen, so kann genau das für die ältere Generation im Vorrentenalter ein ernstes Problem sein. Wichtig sind auch die rechtlichen Aspekte der Industrie 4.0. Die Gesetzgebung sollte mit dem technologischen Fortschritt Schritt halten, um Chaos wie beim autonomen Autofahren zu vermeiden. Die Menschheit steht derzeit am Scheideweg, und die Art und Weise, wie sie die bisherigen Erkenntnisse und Fähigkeiten nutzen wird, wird die Zukunft der künftigen Generationen bestimmen. Die Hauptaufgabe für unsere heutige Zeit ist das Verständnis aller Konsequenzen, die die Weiterentwicklung von Technologien mit sich bringen wird, und die Verantwortung für diese Konsequenzen zu übernehmen. 2 10. Teil III Digitalisierung und Innovation 10 Literatur und Informationen zu Teil III Aichele, C., Schönberger, M., E-Business. 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Die Informationen zur Beschreibung von Personas stammen typischerweise aus Interviews und Beobachtungen, aber auch aus Markt- und Trendanalysen“. 722 Abb. 52: Jacqueline Fischer Jacqueline Fischer Jacqueline ist 31, sie ist verlobt, hat keine Kinder und arbeitet als Content Managerin in einer Werbeagentur. Jacqueline hat eine gute Ausbildung und 722 Hoffmann, C. P., Lennerts, S., Schmitz, C., Stölzle, W., Uebernickel, F., Business Innovation: Das St. Galler Modell, Springer Gabler 2016 2, S. 255 298 Teil III Digitalisierung und Innovation fünfjährige Berufserfahrung. Ihre Arbeit ist gut bezahlt und sie wird von ihren Chef geschätzt. Jacqueline wohnt in Berlin und hat eine Mietwohnung im Prenzlauer Berg. Ihre Wohnung ist geräumig und hell. Zu Hause hat sie zwei Katzen. Jacqueline führt einen gesunden Lebensstil: sie kauft Essen im Biomarkt, zwei mal pro Woche geht sie ins Fitnessstudio und sie trinkt keinen Alkohol. Sie folgt der Mode und neuen Trends. Jeden Morgen steht Jacqueline um 8 Uhr auf, trinkt Kaffee und fährt mit dem Auto zur Arbeit. Obwohl sie neben der U-Bahn-Station wohnt, hasst sie den öffentlichen Personennahverkehr. Komfort geht für sie über alles. Nach der Arbeit geht Jacqueline in ein Fitnessstudio oder trifft sich mit Freunden in einem Café. Sie ist kein Partymensch. Am Wochenende besucht sie ihre Eltern in Brandenburg oder verbringt Zeit in der Natur mit ihren Freunden. Sie reist auch oft mit ihrem Freund und mag fotografieren. Jacqueline ist aufgeschlossen und die öffentliche Meinung ist wichtig für sie. Sie verbringt viel Zeit in sozialen Netzwerken und liest auch gerne Bücher. 299 Tabelle 13: Ressourcen-Checkliste, in Anlehnung an Hentschel, C., Gundlach, C., Nähler, H.T., TRIZ. Innovation mit System 2010, S. 37 300 Teil III Digitalisierung und Innovation Tabelle 14: Neun-Felder-Modell Tabelle 15: 39 technische Parameter. Quelle: http: / / www.inventool.de/ Tools/ 318Prozent2039Prozent20ParameterProzent20T.pdf Tabelle 16: 40 innovative Grundprinzipien. Quelle : http: / / www.inventool.de/ Tools/ 320Prozent2040Prozent20PrinzipienProzent20T.pdf Index 3D-Druck 212 Adoptionsprozesse 112 Afghanistan 78 Afrika 64 Ägypten 66 AIIB 83 Antarktika 80 Apple Watch 219 Arbeit 4.0 246 ASEAN 47 AsEB 83 Äthiopien 64 Balanced Scorecard 141 Belgien 70 Benz 218 Big Data 205 Biotechnologie 117 BITKOM 207 Bleicher 119 Blended Learning 229 CAD 210 Canvas 142 car2go 219 Car-Sharing 219 Casadesus-Masanell 144 Chatbots 214, 222 Chromosonik 285 CICA 80 Cloud Computing 207 Cosco 73 CRBC 67 Crowdfunding 226 Customer Value Proposition 161 Cyberkriminalität 214 Daimler 218 Delphi-Methode 131 Deutschland 70 Distributionskanäle 115 Drucker 107 Dschibuti 49 Dynamic Capabilities 141 E-Commerce 233 eHealth 241 E-Learning 227 Elektromobilität 218 ENFFI-Applikation 245 Erfahrungskurve 133 Europa 69 Festo 215 Ford 108 30 Index Gamification 230 GATS 24 GATT 24 Gazprom 43 Gentechnik 124 Giddens 22 Globalisierung 20 Griechenland 70 Großbritannien 82 Gwadar 54 Hanson Robotics 216 HNA Group 55 Hochgeschwindigkeitsstraßen 41 IaaS 208 iBin-System 240 Indien 78 Industrie 4.0 197 Innovationsführerschaftstrategie 125 Innovationsgrad 114 Innovationsmanagement 118 Innovationsprozess 111 Internet der Dinge 203 Iran 79 IWF 39 Japan 85 Kashagan 43 Kashmir 45 Kenia 64 Kirgisistan 78 Korgas 64 Kostenhöcker 133 Kroatien 70 Kryptowährung 225 künstliche Intelligenz 213 leapfrogging 163 Lebenszyklen 141 Litauen 70 Logistik 4.0 239 Logistiksystem 239 Luxemburg 55 Macron 19 Malé 49 Market-based View 134 Marx 22 MicroLearning 230 Mobile Learning 229 Mombasa 68 Mongolei 78 Navigation 221 Nigeria 64 Nischenstrategie 126 Nokia 269 Nordkorea 85 Obama 82 Omni-Channel-Handel 235 Index 30 Ontogenese 128 Organizational Capabilities 141 PaaS 208 Pakistan 60 Perlenkette 50 Piräus 73 Polen 70 Port Said 49 Porter 142 Relevanzbaum-Verfahren 131 Renmimbi 85 Renminbi-Anleihen 57 Resource-based View 134 RFID-Systeme 205 RFID-Tags 203 RFID-Technologie 204 Robo Advisors 223 Ruanda 68 Russland 78 Sailingship-Effekt 124 Schumpeter 105 self-reliance 174 Serbien 70 S-Kurve 123 smartB 244 Social-Trading 226 SOMAKOS 273 SOZ 35 Spanien 70 Sri Lanka 61 St. Galler Management-Modell 119 Straße von Malakka 45 Structure-Conduct-Performance- Paradigma 134 Südsudan 68 Suez-Kanal 66 SWOT-Analyse 259 Tadschikistan 78 Taiwan 85 TCE 143 Technology-based View 134 Tedy Egypt 67 Telekommunikation 58 Territorialstreitigkeiten 89 TPP 82 TQM 115 TRIZ-Methode 130 Tschechien 70 Tsipras 73 Überkapazitäten 77 Uighuren 78 Ungarn 70 Urumchi 79 Virtuelle Realität 209 Virus 255 Volvo 69 30 Index Web-Based-Training 227 WTO 24 Xerox 163 Xi Jinping 35 Xinjiang 79 zentralasiatisches Anti-Terror- Bündnis 60 Zhengzou 55 www.uvk.de Neues Vertrauen schaffen Das Vertrauen in unsere Währungen sinkt: Die Zentralbanken fluten die Finanzmärkte mit billigem Geld. In Deutschland boomt die Wirtschaft, während in anderen Euro-Ländern hohe Arbeitslosigkeit und Staatspleiten drohen. Kann ein System mit Niedrigzins, Deflationsgefahr und geliehenem Wohlstand dauerhaft bestehen oder sollte eine Suche nach alternativen Geldsystemen beginnen? Schließlich haben Menschen seit jeher auch andere Tausch- und Finanzsysteme verwandt. Und: Heute sind Miles & More-Punkte, realer Warentausch oder digitale Währungen wie Bitcoins bereits Realität. Auch die Systemfrage stellt sich: Sollten allein Zentralbanken Geld ausgeben oder auch die Geldausgabe frei für Jedermann möglich sein? Lernen Sie durch das Buch mehr über das aktuelle Geldsystem und seine Alternativen in Form von Ersatz- oder Komplementärwährungen, die neues Vertrauen schaffen könnten. Ottmar Schneck, Felix Buchbinder Eine Welt ohne Geld Alternative Währungs- und Bezahlsysteme in einer immer turbulenteren Finanzwelt 2015, 250 Seiten, Flexcover ISBN 978-3-86764-601-7 19,99 € www.uvk.de Verhandeln wie professionelle Ein- und Verkäufer Der Erfolg gibt ihnen Recht: die Everest-Methode von Jörg Pfützenreuter und Thomas Veitengruber ist bei Konzernen und Mittelständlern gleichermaßen gefragt. Seit Jahren coachen sie Vertriebler und Einkäufer und lassen die eine Seite in die Karten der anderen schauen. Am Ende entscheidet die strategische, taktische und psychologische Raffinesse, wer als Sieger vom Verhandlungstisch aufsteht. Ein Buch für alle, die im Einkauf oder Vertrieb arbeiten und ihr Verhandlungsgeschick um den alles entscheidenden Gipfelmeter voranbringen wollen. Jörg Pfützenreuter, Thomas Veitengruber Die Everest-Methode Professionelles Verhandeln für Ein- und Verkäufer 2015, 230 Seiten, flex. Einb. ISBN 978-3-86764-549-2