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Handbuch Wirtschafts- und Bevölkerungsstatistik

1014
2019
978-3-7398-0441-5
UVK Verlag 
Andreas Behr
Götz Rohwer
<?page no="5"?> Vorwort zur zweiten Auflage F ¨ ur die zweite Auflage haben wir Tabellen und Graphiken mit inzwischen verf¨ ugbaren Daten aktualisiert. Außerdem wurden konzeptionelle ¨ Anderungen im Ver ¨ offentlichungsprogramm des Statistischen Bundesamtes ber ¨ ucksichtigt. Wesentliche Ver ¨ anderungen gibt es im dritten Kapitel zur Statistik der Geburten. Durch die Ausweitung des Frageprogramms im Mikrozensus hat sich die Datenlage erheblich verbessert, und das Kapitel enth¨alt nun weitere Informationen, etwa zur Geburtenfolge und Kinderlosigkeit. Erhebliche Ver ¨ anderungen waren im Kapitel ¨ uber Input-Output-Analysen erforderlich, da sich die Anzahl der Sektoren bzw. G¨ utergruppen und ihre Zusammensetzung ver¨andert hat. Die Darstellung der Erwerbst ¨ atigenrechnung wurde erweitert. Da uns das Statistische Bundesamt freundlicherweise Daten ¨ uber Wanderungen in der Gliederung nach Altersjahren und Geschlecht bis zum Alter von 95 Jahren zur Verf ¨ ugung gestellt hat, entf ¨ allt die im bisherigen Abschnitt 4.2.5 dargestellte Modellvariante. Wir danken Christoph Schiwy f¨ ur die Setzung des Textes mit LaTeX. Außerdem danken wir Gerald Fugger, Lucy Hong und Fiona Ewald f¨ ur ihre Hilfe bei der Datenaktualisierung und der Durchsicht des Textes. Erik Berns, Natalie Boscher und Fabian Leutner danken wir f ¨ ur ihre Hilfe bei der Aktualisierung der Daten. Andreas Behr April 2019 G¨otz Rohwer <?page no="7"?> Vorwort zur ersten Auflage Dieses Buch ist eine Einf ¨ uhrung in die Demographie und Wirtschaftsstatistik. Insofern sich Demographie mit der Beschreibung und Analyse von Bev ¨ olkerungen und ihrer Ver ¨ anderung befasst, bildet sie eine wesentliche Grundlage aller weiteren wirtschafts- und sozialstatistischen Betrachtungen. Unser Buch beginnt deshalb mit einer ausf¨ uhrlichen Diskussion von Konzepten, Daten und Methoden der Demographie. Aus dem umfangreichen Gebiet der Wirtschaftsstatistik mussten wir eine Auswahl treffen. Nur kurz und sehr selektiv behandeln wir die institutionellen Grundlagen und Rahmenbedingungen der ¨ Okonomie. Als theoretischen Ausgangspunkt verwenden wir ein Modell der wechselseitigen Abh ¨ angigkeit der an der ¨ Okonomie beteiligten Produzenten und Konsumenten. Daran anschließend behandeln wir die Preisstatistik, Methoden der Input-Output-Analyse und schließlich die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Das Buch soll in erster Linie Kenntnisse ¨ uber Konzepte, Begriffe und Methoden der Demographie und Wirtschaftsstatistik vermitteln. Zur Illustration dienen Daten zur Entwicklung der Bev ¨ olkerung und Wirtschaft in Deutschland. Diese Daten werden auch f ¨ ur einige der ¨ Ubungsaufgaben verwendet, die sich am Ende jedes Kapitels befinden. F¨ ur Hilfen bei der Konzeption und Fertigstellung des Buches bedanken wir uns bei Anastasia Diel, Kevin Gr ¨ undker, Selen Kalsen, Magdalene Morawietz, Ulrich P¨otter, Katja Theune, Alexandra Urbanietz. Andreas Behr September 2012 G¨otz Rohwer <?page no="9"?> Inhaltsverzeichnis 1 Demographische Prozesse 11 1.1 Einige Begriffe der Demographie . . . . . . . . . . . . . . 11 1.2 Daten zur Bev¨olkerungsentwicklung . . . . . . . . . . . . 22 1.3 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2 Lebensdauern und Sterbetafeln 41 2.1 Verweildauern und ¨ Ubergangsraten . . . . . . . . . . . . . 41 2.2 Kohorten- und Periodensterbetafeln . . . . . . . . . . . . 48 2.3 Ver¨anderungen der Lebensdauern . . . . . . . . . . . . . . 52 2.4 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3 Statistik der Geburten 65 3.1 Entwicklung der Geburtenziffern . . . . . . . . . . . . . . 66 3.2 Geburtenziffern im Kohortenvergleich . . . . . . . . . . . 72 3.3 Daten aus retrospektiven Surveys . . . . . . . . . . . . . . 78 3.4 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4 Demographische Projektionen 99 4.1 Ein Makro-Modell ohne Migration . . . . . . . . . . . . . 99 4.2 Zu- und Abwanderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4.3 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 5 Haushalte und Unternehmen 119 5.1 Haushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 5.2 Erwerbst¨atigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 5.3 Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 5.4 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 6 Gesellschaftliche Produktion 165 6.1 Ein Modell der G¨ uterproduktion . . . . . . . . . . . . . . 165 6.2 Bewertungen der G¨ uter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 6.3 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 7 Marktpreise und Preisstatistik 195 7.1 Tauschprozesse und Preise . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 7.2 Berechnung von Preisindizes . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 7.3 Entwicklung der Verbraucherpreise . . . . . . . . . . . . . 218 7.4 Regionale Preisniveauvergleiche . . . . . . . . . . . . . . . 224 7.5 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 <?page no="10"?> 8 Input-Output-Analysen 239 8.1 Input-Output-Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 8.2 Berechnungen mit IO-Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . 269 8.3 Input-Output-Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 8.4 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 293 9.1 Aufgaben und Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . 294 9.2 Entstehungsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 9.3 Verteilungsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 9.4 Verwendungsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 9.5 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 A Anhang 346 A.1 Daten aus der amtlichen Statistik . . . . . . . . . . . . . . 346 A.2 Eigenschaften des Leslie-Modells . . . . . . . . . . . . . . 352 A.3 Verflechtungsmatrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 A.4 Ausgleichsverfahren f¨ ur IO-Tabellen . . . . . . . . . . . . 368 A.5 Nutzenbasierte Preisindizes . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 Literatur 380 Stichwortverzeichnis 387 <?page no="11"?> 1 Demographische Prozesse 1.1 Einige Begriffe der Demographie 1.1.1 Demographische Prozesse 1.1.2 Definitionen der Bev¨olkerungszahl 1.1.3 Buchf¨ uhrungsgleichungen 1.1.4 ¨ Uberlegungen anhand eines Lexis-Diagramms 1.1.5 Gliederungen nach Geschlecht und Alter 1.1.6 Altersspezifische Buchf¨ uhrungsgleichungen 1.1.7 Charakterisierungen demographischer Prozesse 1.2 Daten zur Bev¨olkerungsentwicklung 1.2.1 Datenquellen der amtlichen Statistik 1.2.2 Die Entwicklung der Bev¨olkerungszahl 1.2.3 Geburten- und Sterbef¨alle 1.2.4 Buchf¨ uhrungsgleichungen und Migrationsvorg¨ange 1.2.5 Gliederungen nach Geschlecht und Alter 1.3 Aufgaben In diesem Kapitel besprechen wir im ersten Abschnitt einige Definitionen zur Konzeption und Charakterisierung demographischer Prozesse, dann werden Daten zur Bev¨olkerungsentwicklung in Deutschland dargestellt. Weitere ¨ Uberlegungen folgen in sp¨ateren Kapiteln. 1.1 Einige Begriffe der Demographie 1.1.1 Demographische Prozesse Um demographische Prozesse explizit definieren zu k¨onnen, ist ein zeitlicher und r¨aumlicher Kontext erforderlich. Als zeitlichen Kontext setzen wir in diesem Kapitel eine diskrete Zeitachse T ∗ voraus, deren Elemente auf Zeitstellen (z.B. Tage, Monate oder Jahre) verweisen; und als r¨aumlichen Kontext verwenden wir einen topographischen Raum R , den wir uns als eine Menge von Raumstellen vorstellen, in denen Menschen leben k¨onnen. Wie bei den Zeitstellen ist auch bei diesen Raumstellen zun¨achst keine genaue Definition erforderlich. Nat ¨ urlich ist es zur Betrachtung von Migrationsvorg ¨ angen erforderlich, dass es mindestens zwei Raum- <?page no="12"?> 12 1 Demographische Prozesse stellen gibt, zwischen denen Wanderungsbewegungen stattfinden k¨onnen; solange von solchen Wanderungen abgesehen wird, gen¨ ugt aber bereits die Vorstellung, dass R nur eine Raumstelle enth¨alt. Schließlich soll Ω t die Gesamtheit der Menschen bezeichnen, die w¨ahrend der Zeitstelle t innerhalb des Raums R leben. Elemente von Ω t sind also Namen, die auf jeweils bestimmte Menschen verweisen. Der Zeitindex t ist erforderlich, weil sich nicht nur der Umfang, sondern auch die Zusammensetzung dieser Bev¨olkerungsmengen im Zeitablauf ver¨andern kann (es ist also wichtig, Mengen und Anzahlen explizit zu unterscheiden). Dabei gehen wir von folgenden Konventionen aus: Wenn ein Kind in einer Zeitstelle t geboren wird, ist es Mitglied von Ω t , aber nicht von irgendeiner fr ¨ uheren Bev ¨ olkerungsmenge; und, wenn ein Mensch in einer Zeitstelle t stirbt, ist er Mitglied von Ω t , aber nicht von irgendeiner sp ¨ ateren Bev¨olkerungsmenge. Ω t umfasst also alle Menschen, deren Lebenslinien sich mit der Zeitstelle t ganz oder partiell ¨ uberschneiden, d.h. die vor dem Ende von t geboren wurden, aber nicht bereits vor dem Beginn von t gestorben sind. Eine analoge Definition wird verwendet, wenn sich Ω t nur auf einen Teilraum R ∗ ⊂ R bezieht, so dass Zu- und Abwanderungen m¨oglich sind. Ω t umfasst dann alle Menschen, die w¨ahrend einer Zeitspanne, die sich mit der Zeitstelle t ¨ uberschneidet, innerhalb des Teilraums R ∗ leben (ggf. einschr¨ankend: dort wohnen). Zur Veranschaulichung der Begriffsbildungen kann man sich eine kleine Insel vorstellen, die nur von wenigen Menschen bewohnt wird. Gelegentlich wird ein Kind geboren oder ein Mensch stirbt und gelegentlich verl ¨ asst ein Bewohner die Insel oder jemand kommt als ein neuer Bewohner auf die Insel. Man kann sich vorstellen, dass ein Chronist ¨ uber diese Vorg¨ange Buch f¨ uhrt. Wir nehmen an, dass nur j¨ahrliche Angaben erfolgen (so dass es sich bei den Zeitstellen der vorausgesetzten Zeitachse um Jahre handelt) und dass die Chronik im Jahr 1960 beginnt und bis zum Jahr 1985 fortgesetzt wird. Im ersten Jahr macht der Chronist eine Bestandsaufnahme und stellt fest, dass die Insel von 10 Personen bewohnt wird. Die folgende Tabelle zeigt ihre Namen, ihr Alter (in vollendeten Lebensjahren) und ihr Geschlecht (0 = m¨annlich, 1 = weiblich): Name ω 1 ω 2 ω 3 ω 4 ω 5 ω 6 ω 7 ω 8 ω 9 ω 10 Alter 40 38 4 16 63 70 25 8 63 11 Geschlecht 0 1 1 0 1 0 1 0 1 0 <?page no="13"?> 1.1 Einige Begriffe der Demographie 13 Tabelle 1.1 Chronik der fiktiven Insel 1960 - 1985. Jahr Name Alter Geschlecht Art des Ereignisses 1961 ω 4 17 0 verl¨asst die Insel 1963 ω 6 73 0 stirbt 1964 ω 11 30 0 wird neuer Bewohner 1966 ω 12 0 1 wird geboren 1970 ω 13 0 0 wird geboren 1971 ω 9 74 1 stirbt 1975 ω 8 23 0 verl¨asst die Insel 1975 ω 14 26 1 wird neuer Bewohner 1980 ω 15 0 0 wird geboren 1982 ω 16 0 1 wird geboren 1985 ω 5 88 1 stirbt Diese Tabelle bildet den Anfang der Chronik. In den folgenden Jahren nimmt der Chronist immer dann neue Eintr¨age vor, wenn ein demographisch relevantes Ereignis (eine Geburt, ein Todesfall oder eine Zu- oder Abwanderung) stattfindet. Tabelle 1.1 zeigt die Eintr¨age bis zum Ende der Chronik im Jahr 1985. Der bisher eingef ¨ uhrte begriffliche Rahmen erlaubt einfache Definitionen demographischer Prozesse, indem man sich auf zeitliche Folgen der Bev ¨ olkerungsmengen Ω t bezieht, wobei der Zeitindex t Werte in einer Zeitachse T ∗ annehmen kann. Wir unterscheiden zwei Varianten: Eine zeitliche Folge von Bev ¨ olkerungsmengen Ω t wird ein demographischer Prozess ohne externe Migration genannt, wenn Ω t stets alle Menschen umfasst, die innerhalb eines als Kontext vorausgesetzten topographischen Raums R leben. Eine zeitliche Folge von Bev¨olkerungsmengen Ω t wird ein demographischer Prozess mit externer Migration genannt, wenn sich Ω t auf einen Teilraum R ∗ ⊂ R bezieht, so dass auch Migrationsvorg¨ange zwischen diesem Teilraum und seiner r¨aumlichen Umgebung R \ R ∗ stattfinden k¨onnen. 1 Es sei angemerkt, dass demographische Prozesse nicht unmittelbar auch 1 Mit der Schreibweise R \ R ∗ ist die Menge aller Elemente von R gemeint, die nicht zur Menge R ∗ geh¨oren. <?page no="14"?> 14 1 Demographische Prozesse statistische Prozesse sind, worunter wir zeitliche Folgen statistischer Variablen verstehen. Statistische Prozesse entstehen jedoch, sobald man die Bev¨olkerungsmengen Ω t als Referenzmengen statistischer Variablen verwendet. 1.1.2 Definitionen der Bev¨olkerungszahl Der Begriffeiner Bev¨olkerungszahl bezieht sich auf die Anzahl der Menschen, die w ¨ ahrend einer Zeitstelle in einem bestimmten Gebiet leben. Dabei gibt es haupts¨achlich zwei Unsch¨arfen. Die erste betrifft die Formulierung ” in einem bestimmten Gebiet leben“. Offenbar sind Unterscheidungen m¨oglich. In der Bev¨olkerungsstatistik wird insbesondere zwischen der ortsanwesenden und der Wohnbev¨olkerung unterschieden. Problematischer ist die Bezugnahme auf Zeitstellen, denn Zeitstellen haben stets eine mehr oder weniger große zeitliche Ausdehnung, so dass sich die Bev¨olkerungszahl w¨ahrend einer Zeitstelle ver¨andern kann. F¨ ur dieses Problem gibt es keine einfache L ¨ osung. Wir verwenden je nach Anwendungskontext eine von drei unterschiedlichen Definitionen. a) Die erste Definition geht von den in 1.1.1 eingef¨ uhrten Bev¨olkerungsmengen aus: n t : = | Ω t | . 2 Bei dieser Definition ist n t die Anzahl aller Menschen, die w¨ahrend der Zeitstelle t in dem Gebiet, auf das Bezug genommen wird, gelebt haben. Dabei kann es sich auch um eine kurze Zeitspanne innerhalb der Zeitstelle t handeln, so dass durch n t auch Menschen erfasst werden, die w ¨ ahrend t geboren werden, sterben, oder zu- oder abwandern. b) Bei Zeitstellen, die eine gr¨oßere zeitliche Ausdehnung aufweisen (beispielsweise Jahre), kann es sinnvoll sein, sich auf die Bev¨olkerungszahl zum Beginn oder zum Ende der Zeitstelle zu beziehen. Wir verwenden dann die Notationen: n t : = Anzahl der Menschen zu Beginn der Zeitstelle t n t : = Anzahl der Menschen zum Ende der Zeitstelle t 2 In diesem Text werden die Zeichen ‘=’ und ‘: =’ unterschieden. Ein Gleichheitszeichen mit vorangestelltem Doppelpunkt wird verwendet, um anzudeuten, dass eine definitorische Gleichsetzung vorgenommen wird, d.h. der Ausdruck auf der linken Seite wird durch den Ausdruck auf der rechten Seite definiert. Dagegen setzt ein einfaches Gleichheitszeichen voraus, dass beide Seiten schon definiert sind. <?page no="15"?> 1.1 Einige Begriffe der Demographie 15 und legen die definitorische Gleichsetzung n t = n t +1 zugrunde. Werden Zeitstellen als Jahre aufgefasst, kann man sich unter n t und n t die Bev ¨ olkerungszahlen am 1. Januar bzw. am 31. Dezember vorstellen. c) Schließlich kann man versuchen, die durchschnittliche Bev¨olkerungszahl w ¨ ahrend einer Zeitstelle zu definieren. Wir verwenden daf ¨ ur die Notation ¯ n t , ohne damit irgendeine bestimmte Definition zu implizieren. Den wichtigsten Anwendungsfall bilden die jahresdurchschnittlichen Bev¨olkerungszahlen der amtlichen Statistik, bei deren Berechnung von unterschiedlichen Definitionen ausgegangen wird. 3 3 Bei der Genesis-Online Datenbank des Statistischen Bundesamts findet man folgende Hinweise: ” Zur Bev ¨ olkerung z ¨ ahlen bei der Fortschreibung alle Personen, die im ausgewiesenen Gebiet ihre alleinige Wohnung oder Hauptwohnung haben, ausgenommen die Angeh ¨ origen der ausl ¨ andischen Stationierungsstreitkr ¨ afte sowie der ausl¨andischen diplomatischen und konsularischen Vertretungen mit ihren Familienangeh¨origen. Die in mehrj¨ahrigen Abst¨anden durch Z¨ahlungen ermittelte Bev¨olkerung auf Gemeindeebene wird unter Verwendung der Ergebnisse der Statistik der nat¨ urlichen Bev ¨ olkerungsbewegung und der Wanderungsstatistik laufend fortgeschrieben. Als Zug¨ange zur Bev¨olkerung rechnen die Lebendgeborenen und die Zuz¨ uge, als Abg¨ange die Gestorbenen und die Fortz¨ uge. Die Begriffe Bev ¨ olkerungsstand (zum ... Stichtag), Bev ¨ olkerung, Durchschnittsbev¨olkerung (z.B. im Monats-, Jahresdurchschnitt) beschreiben den gleichen Personenkreis. Im Unterschied zur Bev¨olkerung, die f¨ ur den Stichtag einer Z¨ahlung nachgewiesen wird, weist der Bev¨olkerungsstand die fortgeschriebene Zahl der zur Bev¨olkerung rechnenden Personen zu verschiedenen Zeitpunkten beziehungsweise f¨ ur verschiedene Zeitr¨aume nach.“ Die Definitionen und Berechnungsmethoden haben sich im Laufe der Zeit ver¨andert: ” Grundlage f ¨ ur die Fortschreibung der Bev ¨ olkerung im fr ¨ uheren Bundesgebiet war bis zum 24.09.1956 die Volks- und Berufsz ¨ ahlung 1950, dann bis zum 05.06.1961 die Bestandsaufnahme der Bev ¨ olkerung in der Wohnungsstatistik vom 25.09.1956, vom 06.06.1961 bis zum 26.05.1970 die Volks- und Berufsz ¨ ahlung 1961 und vom 27.05.1970 bis zum 25.05.1987 die Volks- und Berufsz¨ahlung 1970. Seit dem 26.5.1987 dient die Volks- und Berufsz ¨ ahlung 1987 als Ausgangspunkt.“ Der Zensus 2011 hat f ¨ ur die Bev ¨ olkerungsstatistik eine neue Grundlage gebildet und ist Ausgangspunkt f ¨ ur R ¨ uckrechnungen bis zum Jahr 1991: ” Die Grundlage und den Ausgangspunkt der R ¨ uckrechnung bildeten die zensusbasierten Ergebnisse zum 31.12.2010. Als Zielwert der R ¨ uckrechnung wurde hier die Bev ¨ olkerung am 31.12.1990 festgelegt. Die Bev¨olkerung 1990 beruht in den westlichen Bundesl¨andern auf der Fortschreibung des Bev ¨ olkerungsbestands auf Basis der Volksz ¨ ahlung vom 25. Mai 1987.“ (Statistisches Bundesamt 2016a, S. 3) F¨ ur die ehemalige DDR wird mitgeteilt: ”F¨ ur die neuen L¨ander und Berlin-Ost wird als Ausgangsbasis ein Abzug des Zentralen Einwohnerregisters (ZER) zum 03.10.1990 verwendet.“ <?page no="16"?> 16 1 Demographische Prozesse 1.1.3 Buchf¨ uhrungsgleichungen Weiterhin verwenden wir folgende Bezeichnungen f ¨ ur Geburten und Sterbef¨alle: b t : = Anzahl der Kinder, die in der Zeitstelle t geboren werden d t : = Anzahl der Menschen, die in der Zeitstelle t sterben Somit kann f¨ ur einen demographischen Prozess ohne externe Migration zun¨achst folgende Buchf¨ uhrungsgleichung formuliert werden: n t +1 = n t + b t +1 − d t (1.1) F¨ ur einen demographischen Prozess mit externer Migration werden außerdem die Bezeichnungen m i t : = Anzahl der Menschen, die in t nach R ∗ einwandern m o t : = Anzahl der Menschen, die in t aus R ∗ auswandern verwendet, so dass die Buchf¨ uhrungsgleichung folgende Form annimmt: n t +1 = n t + b t +1 − d t + m i t +1 − m o t (1.2) Zuwanderungen werden wie Geburten und Abwanderungen werden wie Sterbef ¨ alle verbucht. Dementsprechend werden Personen, die in der gleichen Zeitstelle t zuwandern und wieder auswandern (oder sterben), als Mitglieder der Bev¨olkerungsmenge Ω t betrachtet. Personen, die innerhalb der gleichen Zeitstelle mehrfach zuwandern, sollten nat¨ urlich nur einmal gez¨ahlt werden. Anstatt sich mit n t auf die Bev ¨ olkerungsmengen Ω t zu beziehen, kann man auch die Bev¨olkerungszahlen zum Beginn und Ende der Zeitstellen verwenden. Die Buchf¨ uhrungsgleichung bekommt dann die Form n t +1 = n t = n t + b t − d t + m i t − m o t (1.3) Es ist bemerkenswert, dass Buchf ¨ uhrungsgleichungen nicht ohne weiteres auch mit durchschnittlichen Bev ¨ olkerungszahlen formuliert werden k¨onnen. <?page no="17"?> 1.1 Einige Begriffe der Demographie 17 t τ 0 1 2 3 0 1 2 3 4 5 6 7 8 ω 1 ω 2 ω 3 ω 4 ω 5 ω 6 ω 7 ω 8 ω 9 ω 10 ω 11 ω 12 ω 13 ω 14 ω 15 ω 16 ω 17 ω 18 ω 19 ω 20 Abbildung 1.1 Ein Lexis-Diagramm mit 20 Lebenslinien. 1.1.4 ¨ Uberlegungen anhand eines Lexis-Diagramms Zur Verdeutlichung der bisherigen Begriffsbildungen eignet sich ein Lexis- Diagramm (benannt nach dem Demographen Wilhelm Lexis, 1837-1914). Abbildung 1.1 illustriert die Konstruktion. Die horizontale Achse repr ¨ asentiert die historische Zeit ( t ), die vertikale Achse das Lebensalter (τ ). Beide werden als kontinuierliche Zeitachsen konzipiert, so dass Zeitstellen als Zeitintervalle aufgefasst werden k¨onnen. Wir nehmen an, dass es sich um links geschlossene und rechts offene Zeitintervalle handelt, also: Zeitintervall 0 ≡ [ 0, 1 [ , Zeitintervall 1 ≡ [ 1, 2 [ , usw. Als eine allgemeine Formulierung verwenden wir Zeitstelle t ≡ [ t , t [ wobei t den Anfangs- und t den Endzeitpunkt der Zeitstelle t bezeichnen soll. (Dabei muss es sich nicht um ganzzahlige Werte handeln.) F¨ ur jede Person ω wird nun angenommen, dass es einen genauen Geburtszeitpunkt x ( ω ) und einen genauen Sterbezeitpunkt y ( ω ) gibt. F ¨ ur jede Person kann somit eine Lebenslinie in das Lexis-Diagramm eingetragen werden: eine diagonale Linie, die bei x ( ω ) beginnt und bei y ( ω ) endet. Abbildung 1.1 zeigt solche Lebenslinien f¨ ur 20 Personen. <?page no="18"?> 18 1 Demographische Prozesse Anhand dieses Lexis-Diagramms k ¨ onnen zun ¨ achst unsere bisherigen Buchf ¨ uhrungskonventionen noch einmal verdeutlicht werden. Offenbar gibt es folgende Bev¨olkerungsmengen: Ω 0 = { ω 1 , ω 2 } , Ω 1 = { ω 1 , ω 3 , ω 4 } , usw. Das entspricht der in Abschnitt 1.1.1 eingef¨ uhrten allgemeinen Definition, die jetzt auch in der Form Ω t = { ω | x(ω) < t , y(ω) ≥ t } angegeben werden kann. Anhand des Lexis-Diagramms in Abbildung 1.1 kann man auch die Buchf ¨ uhrungsgleichung n t +1 = n t + b t +1 − d t nachvollziehen, wie die folgende Tabelle zeigt: t n t d t b t 0 2 1 2 1 3 1 2 2 6 1 4 3 9 3 4 4 9 3 3 5 9 4 3 6 7 4 2 7 3 1 0 8 2 2 0 Es sei angemerkt, dass sich auch Lebenslinien von Zuwanderern in ein Lexis-Diagramm eintragen lassen. Grunds ¨ atzlich beginnen auch sie auf der Ordinate im Alter 0; f¨ ur die Buchf¨ uhrung sind jedoch nur diejenigen Abschnitte dieser Lebenslinien zu ber ¨ ucksichtigen, w ¨ ahrend der sich eine Person in dem Gebiet aufh ¨ alt, f ¨ ur das die Buchf ¨ uhrungsgleichung aufgestellt werden soll. 1.1.5 Gliederungen nach Geschlecht und Alter F¨ ur demographische ¨ Uberlegungen sind in erster Linie Unterscheidungen nach dem Geschlecht und dem Alter von Bedeutung. F ¨ ur Unterscheidungen nach dem Geschlecht verwenden wir die Indizes m (m ¨ annlich) und f (weiblich). So sind z.B. Ω m t die m ¨ annlichen und Ω f t die weiblichen Personen, die in der Zeitstelle t leben, und n m t bzw. n f t sind die entsprechenden Anzahlen. <?page no="19"?> 1.1 Einige Begriffe der Demographie 19 Um Personen nach ihrem Alter zu unterscheiden, verwenden wir je nach Anwendungskontext unterschiedliche Altersbegriffe: Der Begriffeines exakten Alters geht davon aus, dass man sich sowohl f¨ ur die Geburt einer Person als auch f¨ ur ihre Altersbestimmung auf genaue Zeitpunkte beziehen kann. Das exakte Alter ist dann als Differenz zwischen dem Erfassungs- und dem Geburtszeitpunkt definiert. Das gew¨ohnliche Alter ist das in vollendeten Zeitstellen erfasste exakte Alter. Geht man von Jahren aus, ist das gew ¨ ohnliche Alter einer Person bis zum 1. Geburtstag 0 Jahre, vom 1. bis zum 2. Geburtstag 1 Jahr usw. Anstelle von Jahren kann man offenbar beliebige Zeitstellen verwenden. Wir setzen im Folgenden voraus, dass zur Erfassung des gew ¨ ohnlichen Alters die Zeitstellen der zugrundeliegenden Zeitachse, durch die der demographische Prozess definiert wird, verwendet werden. Das demographische Alter einer Person in einer Zeitstelle t ist t − t ′ , wobei t ′ die Zeitstelle ist, in der die Person geboren wurde. Im Unterschied zum exakten und zum gew ¨ ohnlichen Alter einer Person ver ¨ andert sich das demographische Alter w ¨ ahrend einer Zeitstelle (z.B. w ¨ ahrend eines Jahres) nicht. In jeder Zeitstelle gibt es f ¨ ur jede Person genau ein demographisches Alter. Zur Erfassung des exakten oder gew ¨ ohnlichen Alters einer Person muss man sich jedoch auf bestimmte Zeitpunkte (innerhalb von Zeitstellen) beziehen. Gliederungen einer Gesellschaft nach dem Alter k ¨ onnen bei allen drei Bev ¨ olkerungsbegriffen ansetzen, die in Abschnitt 1.1.2 unterschieden wurden. Allerdings gibt es dabei unterschiedliche M ¨ oglichkeiten und Restriktionen. a) Setzt man bei den Bev¨olkerungsmengen Ω t an, wobei sich t auf Zeitstellen einer Zeitachse T ∗ bezieht, m¨ochte man sich auf Teilmengen beziehen, die Menschen gleichen Alters zusammenfassen. Wir definieren: Ω t,τ umfasst alle Personen, die in der Zeitstelle t − τ geboren wurden; insbesondere besteht Ω t, 0 aus den in der Zeitstelle t geborenen Kindern. Offenbar kann man auch sagen, dass Ω t,τ alle Personen 4 Geht man dagegen vom gew ¨ ohnlichen Altersbegriffaus, ist zu beachten, dass die meisten Personen in Ω t,τ nicht w ¨ ahrend der gesamten Zeitstelle t im Alter τ sind, sondern erst zum Ende dieser Zeitstelle. Dies gilt nat¨ urlich nur f¨ ur Personen, die bis zum Ende der Zeitstelle ¨ uberleben. In Abbildung 1.1 ist zum Beispiel ω 7 ∈ Ω 3 , 1 , ω 7 stirbt jedoch vor dem Erreichen des Alters 1. <?page no="20"?> 20 1 Demographische Prozesse umfasst, die in der Zeitstelle t das demographische Alter τ haben. 4 Ihre Anzahl wird durch n t,τ : = | Ω t,τ | bezeichnet. b) Jeweils zum Ende einer Zeitstelle stimmen das gew¨ohnliche und das demographische Alter ¨ uberein. Unmittelbar deutlich ist das bei der Verwendung von Jahren: Menschen, die zum Ende eines Jahres t im gew¨ohnlichen Alter τ sind, wurden im Jahr t − τ geboren. Somit l¨asst sich eine Gliederung nach dem Alter besonders leicht vornehmen, wenn sich die Bev ¨ olkerungszahlen auf das Ende (oder den Anfang) von Zeitstellen beziehen. Wir verwenden n t,τ bzw. n t,τ f¨ ur die Anzahl der Menschen, die am Anfang bzw. zum Ende der Zeitstelle t im Alter τ sind. c) Schließlich kann eine Gliederung nach dem Alter auch bei durchschnittlichen Bev¨olkerungszahlen ansetzen. Wir verwenden dann die Bezeichnung ¯ n t,τ f¨ ur die Anzahl der Menschen, die im Durchschnitt der Zeitstelle t im Alter τ sind. 5 Gliederungen nach dem Alter sind auch bei Sterbef¨allen und bei Zu- und Abwanderungen sinnvoll. Dabei muss wiederum zwischen dem gew¨ohnlichen und dem demographischen Alter unterschieden werden. Wir verwenden folgende Notationen: d t,τ Anzahl Menschen, die in der Zeitstelle t im demographischen Alter τ sterben. m i t,τ Anzahl Menschen, die in der Zeitstelle t im demographischen Alter τ nach R ∗ einwandern. m o t,τ Anzahl Menschen, die in der Zeitstelle t im demographischen Alter τ aus R ∗ auswandern. Bei diesen Definitionen ist stets das demographische Alter gemeint, das sich auf das Geburtsjahr t − τ bezieht. Wenn dagegen das gew ¨ ohnliche Alter gemeint ist, verwenden wir zur zus¨atzlichen Kennzeichnung einen Querstrich. So ist zum Beispiel ¯ d t,τ die Anzahl der Menschen, die in der Zeitstelle t im gew ¨ ohnlichen Alter τ sterben. Bezieht man sich auf das Lexis-Diagramm in Abbildung 1.1, findet man d 3 , 1 = 2 und ¯ d 3 , 1 = 1. 5 Diese Definition ist offenbar unklar. Zum Verst ¨ andnis der Vorgehensweise des Statistischen Bundesamts, das jahresdurchschnittliche Bev¨olkerungszahlen nach dem Alter gliedert, vgl. man die Fußnote 3. <?page no="21"?> 1.1 Einige Begriffe der Demographie 21 1.1.6 Altersspezifische Buchf¨ uhrungsgleichungen Die im vorangegangenen Paragraphen eingef¨ uhrte Definition altersspezifischer Bev¨olkerungsmengen liefert nicht nur konsistente Partitionierungen der Bev ¨ olkerungsmengen Ω t bzgl. des Alters, sie erlaubt auch einfache Formen altersspezifischer Buchf¨ uhrungsgleichungen. F¨ ur einen demographischen Prozess ohne externe Migration gilt n t +1 , 0 = b t +1 und allgemein: n t +1 ,τ +1 = n t,τ − d t,τ (1.4) Und f ¨ ur einen demographischen Prozess mit externer Migration findet man n t +1 , 0 = b t +1 und allgemein: n t +1 ,τ +1 = n t,τ − d t,τ + m i t +1 ,τ +1 − m o t,τ (1.5) Entsprechende Gleichungen k ¨ onnen formuliert werden, wenn man sich auf die Bev¨olkerungszahl zum Anfang bzw. Ende von Zeitstellen bezieht, f¨ ur einen demographischen Prozess mit externer Migration: n t +1 ,τ +1 = n t,τ = n t,τ − d t,τ + m i t,τ − m o t,τ (1.6) Es ist bemerkenswert, dass man f ¨ ur die Sterbef ¨ alle und die Zu- und Abwanderungen auch in diesem Fall das demographische Alter verwenden muss. 6 1.1.7 Charakterisierungen demographischer Prozesse In der Literatur sind sehr viele Konzepte und Maßzahlen zur Charakterisierung demographischer Prozesse vorgeschlagen worden (man vgl. etwa Mueller (1993) und Mueller (2000)). Hier gen¨ ugen einige elementare Definitionen: Man kann Anzahlen verwenden, und zwar sowohl zur Charakterisierung von Bev¨olkerungsmengen als auch zum Z¨ahlen demographischer Ereignisse. Dem entsprechen die im vorangegangenen Unterabschnitt eingef¨ uhrten Bezeichnungen. 6 Das Statistische Bundesamt, dessen Bev ¨ olkerungsfortschreibungen sich auf den Bev ¨ olkerungsstand zum Jahresende beziehen, geht z.B. bei der Altersgliederung der Zu- und Abwanderungen so vor: ” Die Bestimmung des Alters der wandernden Personen geschieht mittels Ausz¨ahlung nach Geburtsjahren. Dabei werden die Personen eines bestimmten Geburtsjahrganges jeweils dem Altersjahr zugeordnet, dem sie am Jahresende angeh¨oren (Beispiel f¨ ur 2009: Geburtsjahr 2009 = Altersjahr 0 bis unter 1; Geburtsjahr 2008 = Altersjahr 1 bis unter 2 usw.).“ (Fachserie 1, Reihe 1.2, 2009: S. 6) <?page no="22"?> 22 1 Demographische Prozesse Ausgehend von Anzahlen k¨onnen Ver¨anderungsraten berechnet werden. Wir verwenden die Notation ρ t : = (x t +1 − x t )/ x t , wobei x irgendeine f¨ ur die Zeitstellen definierte Gr¨oße ist. F¨ ur Entwicklungen, die mehrere Perioden umfassen, werden auch durchschnittliche Ver¨anderungsraten berechnet. Betrachtet man zum Beispiel die Entwicklung von x t zu x t ′ , wobei t ′ > t ist, ist die hier durch ¯ ρ bezeichnete durchschnittliche Ver¨anderungsrate durch x t ′ = x t (1 + ¯ ρ) t ′ − t definiert. Zur Erfassung der H ¨ aufigkeit von Sterbef ¨ allen kann zun ¨ achst eine allgemeine Sterbeziffer verwendet werden, die als Quotient d t / n t oder d t / ¯ n t definiert ist und meistens pro 1000 angegeben wird. Das Statistische Bundesamt verwendet die zweite Variante. Im Jahr 2009 hatten diese Sterbeziffern den Wert 10,099 f¨ ur M¨anner und 10,774 f¨ ur Frauen (Fachserie 1, Reihe 1.1, 2009: 101). F¨ ur analytische Zwecke sind altersspezifische, außerdem nach dem Geschlecht differenzierte Sterbeziffern, besser geeignet, deren Definition wir in Abschnitt 2.2 besprechen werden. Analog zu einer allgemeinen Sterbeziffer kann auch eine allgemeine Geburtenziffer durch b t / n t oder b t / ¯ n t definiert werden; auch sie wird meistens pro 1000 angegeben. Wiederum sind f¨ ur analytische Zwecke altersspezifische Geburtenziffern, mit denen wir uns in Kapitel 3 besch¨aftigen werden, besser geeignet. Es sei angemerkt, dass anstelle von Geburten- und Sterbeziffern auch von Geburtenbzw. Sterberaten gesprochen wird. 1.2 Daten zur Bev¨olkerungsentwicklung In diesem Abschnitt besprechen wir einige Daten der amtlichen Statistik zur Bev¨olkerungsentwicklung in Deutschland. 1.2.1 Datenquellen der amtlichen Statistik Wir beginnen mit einigen Bemerkungen zu den Datenquellen. 7 Die meisten elementaren demographischen Daten stammen von der amtlichen Statistik, in der BRD vom Statistischen Bundesamt www.destatis.de . 7 Eine umfassende Einf¨ uhrung in die Datenquellen und ihre institutionellen Grundlagen gibt Rinne (1996). Ausf¨ uhrliche Informationen zu demographischen Daten findet man bei Schmid (2000). <?page no="23"?> 1.2 Daten zur Bev¨ olkerungsentwicklung 23 Deren haupts ¨ achliche Datenquellen sind einerseits Volksz ¨ ahlungen, die die Anzahl (und einige Merkmale) der Menschen an einem Stichtag erfassen, 8 und andererseits Bev ¨ olkerungsregister, durch die Geburten, Todesf¨alle und Zu- und Abwanderungen erfasst werden: Bev¨olkerungsregister f¨ ur Geburten, Todesf¨alle und Heiraten bzw. Ehel¨osungen werden von den Standes¨amtern gef¨ uhrt. 9 Bev ¨ olkerungsregister zum Wohnort werden von den Einwohnermelde¨amtern gef¨ uhrt. Außerdem gibt es ein Ausl¨anderzentralregister f¨ ur Personen ohne deutsche Staatsangeh ¨ origkeit. Daten aus diesen Registern werden vom Statistischen Bundesamt f ¨ ur die Statistiken zur internen und externen Migration verwendet. (Vgl. Fachserie 1, Reihe 1, 1999, S. 13-14 und Fachserie 1, Reihe 1.2, 2009, S. 7.) ¨ Uber die Geschichte der Volksz¨ahlungen in Deutschland heißt es in einer Publikation des Statistischen Bundesamts: ” Nach der territorialen Neuordnung der Nachfolgestaaten des Heiligen R ¨ omischen Reichs Deutscher Nation auf dem Wiener Kongreß wurde 1816 erstmals in Preußen innerhalb der neuen Grenzen eine Volksz ¨ ahlung durchgef ¨ uhrt. Die anderen L¨ander des Deutschen Bundes f¨ uhrten in der Folgezeit Volksz¨ahlungen durch, deren Ergebnisse jedoch wegen der unterschiedlichen Erhebungszeitpunkte und der unterschiedlichen Abgrenzung der Merkmale kaum untereinander vergleichbar sind. Erst mit der Schaffung des Norddeutschen Zollvereins 1834 wurde im gr¨oßten Teil des sp¨ateren Deutschen Reichs eine gr¨oßere Einheitlichkeit des Vorgehens erreicht. Von da an fand bis 1867 alle drei Jahre Anfang Dezember eine Volksz¨ahlung in den Mitgliedsl¨andern des Zollvereins statt. Die ¨ ubrigen deutschen L ¨ ander schlossen sich diesem Verfahren erst 1867 an, so daß am 3. Dezember dieses Jahres erstmals in allen deutschen L ¨ andern zum gleichen Zeitpunkt gez¨ahlt wurde. Die n¨achste Volksz¨ahlung erfolgte dann nach der Reichsgr¨ undung, am 1. Dezember 1871. Vom 1. Dezember 1875 an wurden Volksz ¨ ahlungen im F ¨ unf-Jahres-Turnus durchgef ¨ uhrt. Die letzte Z ¨ ahlung vor dem Ersten Weltkrieg war am 1. Dezember 1910. Danach vergingen fast 15 Jahre, bis am 16. Juni 1925 wieder eine das gesamte damalige Reichsgebiet umfassende Volksz¨ahlung stattfinden konnte. Eine vorher - im Oktober 1919 - durchgef¨ uhrte Z¨ahlung hatte, da die Verh¨altnisse noch nicht wieder konsolidiert 8 Informationen ¨ uber den Fragebogen, der bei der letzten Volksz¨ahlung in der BRD im Jahr 1987 verwendet wurde, findet man bei W¨ urzberger, St¨ortzbach u. a. (1986). Eine ¨ Ubersicht ¨ uber die in Deutschland durchgef¨ uhrten Volks-, Berufs- und Betriebsz¨ahlungen gibt Rinne (1996). 9 Diese Register wurden im Jahr 1875 eingef¨ uhrt. Informationen zur Geschichte findet man bei Sch¨ utz (1977). Darstellungen der f¨ ur die Registratur verwendeten Formbl¨atter wurden vom Statistischen Bundesamt in der Fachserie 1, Reihe 1, 1990, S. 312-323, ver¨offentlicht. <?page no="24"?> 24 1 Demographische Prozesse waren, nur behelfsm ¨ aßigen Charakter. Der mit der Z ¨ ahlung 1925 wieder angestrebte F¨ unf-Jahres-Rhythmus konnte infolge der Weltwirtschaftskrise nicht eingehalten werden. So fand die n ¨ achste Z ¨ ahlung erst acht Jahre sp ¨ ater am 16. Juni 1933 statt, der im Abstand von sechs Jahren am 19. Mai 1939 die letzte Z ¨ ahlung vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges folgte. Die n ¨ achste Volksz¨ahlung, die am 29. Oktober 1946 auf Anordnung der Besatzungsm¨achte durchgef¨ uhrt wurde, konnte aus den gleichen Gr¨ unden wie die von 1919 die normalerweise geforderten Anspr¨ uche nicht erf¨ ullen, war aber f¨ ur die Bew¨altigung der damaligen Notsituation von großer Bedeutung. Es war die letzte Z ¨ ahlung, die mit einem einheitlichen Erhebungsprogramm in den vier Besatzungszonen gleichzeitig stattfand. Ihr folgte am 13. September 1950 die erste Volksz¨ahlung im Bundesgebiet. Weitere Volksz ¨ ahlungen im Abstand von etwa zehn Jahren fanden am 6. Juni 1961 und am 27. Mai 1970 statt.“ (Statistisches Bundesamt 1972, S. 89) Eine weitere Volksz ¨ ahlung fand in der BRD am 25. Mai 1987 statt. Der Zensus 2011 war eine registergest ¨ utzte ” Volksz ¨ ahlung“, die mit einer Stichprobe kombiniert wurde. In der ehemaligen DDR wurden Volksz¨ahlungen in den Jahren 1950 (31.8.), 1964 (31.12.) und 1981 (31.12.) durchgef¨ uhrt. Zu den jeweils verwendeten Bev¨olkerungsbegriffen findet man in derselben Quelle folgende Erl¨auterungen: ”Die Z¨ahlungen vor dem 3. Dezember 1867 hatten nicht immer einen einheitlichen Bev¨olkerungsbegriff. In den durch Zollvertr¨age miteinander verbundenen L ¨ andern wurde zwischen 1834 und 1867 die sog. Zollabrechnungsbev ¨ olkerung festgestellt. Es handelt sich hierbei im Wesentlichen um die dauerhaft wohnhafte Bev ¨ olkerung. Dieser Bev ¨ olkerungsbegriffwurde 1863 dahingehend pr ¨ azisiert, daß Personen, die l¨anger als ein Jahr abwesend waren, nicht zur Zollabrechnungsbev ¨ olkerung gez ¨ ahlt wurden. Bei der Z ¨ ahlung 1867 wurde daneben erstmals auch die ortsanwesende Bev¨olkerung festgestellt, d.h. alle Personen, die sich zum Stichtag der Z¨ahlung im Z¨ahlungsgebiet aufhielten. Dieser Bev¨olkerungsbegriffstand in der Folgezeit im Vordergrund. Im Kaiserreich wurde die ortsanwesende Bev ¨ olkerung allein als maßgeblich nachgewiesen. Bei der Z ¨ ahlung 1925 wurde erstmals der Begriffder Wohnbev¨olkerung verwendet, der in etwa an den Bev¨olkerungsbegriffzwischen 1834 und 1867 anschließt. Zur Wohnbev¨olkerung z¨ahlten alle Personen, die am Z¨ahlungsstichtag im Z¨ahlungsgebiet ihren st¨andigen Wohnsitz hatten, einschl. der vor ¨ ubergehend Abwesenden sowie ausschließlich der vor ¨ ubergehend Anwesenden. Personen mit mehreren Wohnsitzen wurden an dem Ort zur Bev ¨ olkerung gez ¨ ahlt, an dem sie sich am Stichtag der Z ¨ ahlung befanden. Davon abweichend wurden Untermieter (einschl. Hausangestellte, Sch ¨ uler und Studierende mit zweitem Wohnsitz) stets an ihrem Arbeitsbzw. Studienort zur Wohnbev ¨ olkerung gerechnet. Dieser Bev ¨ olkerungsbegriffliegt, mit nur unwesentlichen Abweichungen, allen seitherigen Volksz¨ahlungen sowie der Bev ¨ olkerungsentwicklung zugrunde [ . . . ].“ (Statistisches Bundesamt 1972, S. 89) <?page no="25"?> 1.2 Daten zur Bev¨ olkerungsentwicklung 25 Einige Ver¨anderungen in den Definitionen wurden nach der Einf¨ uhrung eines neuen Meldegesetzes im Jahr 1983 vorgenommen. 10 1.2.2 Die Entwicklung der Bev¨olkerungszahl Daten der amtlichen Statistik beginnen mit der ersten Volksz¨ahlung in Preußen im Jahr 1816. Eine Schwierigkeit liegt offenbar darin, dass sich die Grenzen Deutschlands seither h ¨ aufig ver ¨ andert haben. Beschr ¨ ankt man sich auf die Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg, gen ¨ ugt es jedoch, zwischen dem Gebiet der fr ¨ uheren BRD (einschließlich West-Berlin) 11 und dem Gebiet der fr¨ uheren DDR (einschließlich Ost-Berlin) zu unterscheiden. Um einen Eindruck von der Entwicklung seit der ersten Volksz ¨ ahlung in Preußen zu gewinnen, k ¨ onnen die Daten der Tabelle 1.2 verwendet werden, die sich auf das Gebiet der fr ¨ uheren BRD beziehen. 12 Aus der 10 Dazu heißt es im Statistischen Jahrbuch 2001 (S. 41): ”Die Einwohnerzahlen basierten bis zum Fr¨ uhjahr 1983 auf dem Wohnbev¨olkerungsbegriff. Danach geh¨orten Personen mit nur einer Wohnung zur Wohnbev ¨ olkerung der Gemeinde, in der sich diese Wohnung befand. Personen mit mehr als einer Wohnung oder Unterkunft im fr¨ uheren Bundesgebiet wurden der Wohnbev¨olkerung derjenigen Gemeinde zugeordnet, von der aus sie zur Arbeit oder Ausbildung gingen. Bei Personen, die weder berufst¨atig waren, noch sich in der Ausbildung befanden, war die Wohnung oder Unterkunft maßgebend, in der sie sich ¨ uberwiegend aufhielten. Mit der Einf¨ uhrung neuer Meldegesetze in allen Bundesl¨andern haben die statistischen ¨ Amter die Fortschreibung der Einwohnerzahlen auf den neuen Begriffder Bev¨olkerung am Ort der alleinigen bzw. Hauptwohnung umgestellt.“ (Es folgen Erl¨auterungen zum Begriffder Hauptwohnung.) 11 Das Saarland wurde erst 1957 ein Teil dieses Gebiets; in vielen Zeitreihen der amtlichen Statistik wird es jedoch bereits f¨ ur den Zeitraum 1950 - 56 einbezogen. 12 Im Statistischen Jahrbuch 2001 (S. 44), dem die Daten entnommen wurden, findet man folgende Hinweise zu den Quellen: a) Die Angaben f ¨ ur 1961, 1970, und 1987 beruhen auf Volksz ¨ ahlungen und beziehen sich auf deren Stichtage (6. Juni 1961, 27 Mai 1970 und 25. Mai 1987). Bei den restlichen Angaben f ¨ ur den Zeitraum seit 1946 handelt es sich um Sch ¨ atzwerte der jahresdurchschnittlichen Bev ¨ olkerungszahl. Dazu heißt es (S. 41): ” Bei den [ . . . ] f ¨ ur die Jahre 1950 bis 1970 nachgewiesenen Fortschreibungszahlen handelt es sich um r ¨ uckgerechnete Einwohnerzahlen aufgrund der Ergebnisse der Wohnungsstatistik vom 25.9.1956 (1950 bis 1955), der Volksz ¨ ahlung vom 6.6.1961 (1957 bis 1960) und der Volksz ¨ ahlung vom 27.5.1970 (1962 bis 1969). Die f ¨ ur die Jahre ab 1970 bis einschl. 1986 nachgewiesenen Bev¨olkerungszahlen sind Fortschreibungsdaten, die von den Ergebnissen der Volksz ¨ ahlung 1970 ausgehen. Die ab 30.6.1987 nachgewiesenen Bev¨olkerungszahlen beruhen auf den Ergebnissen der Volksz¨ahlung 1987.“ b) Die Quellen der Angaben f¨ ur fr¨ uhere Perioden werden nicht explizit dokumentiert. Man kann annehmen, dass seit 1871 zun¨achst Daten der Volksz¨ahlungen verwendet wurden, die in den Jahren 1871, 1880, 1890, 1900, 1910, 1925, 1933, und 1939 stattfanden, und dass es sich f¨ ur die Jahre zwischen den Volksz¨ahlungen um Sch¨atzwerte handelt. <?page no="26"?> 26 1 Demographische Prozesse Tabelle 1.2 In der ersten Auflage war es t , jetzt: τ ; passt das? Bev ¨ olkerungszahlen (in 1000) im Gebiet der fr¨ uheren BRD; ab 2001 ohne Berlin-West. Quelle bis 1949: Stat. Jahrbuch 2001: 44, ab 1950: Fachserie 1, Reihe 1.3, 2016 (Tab. 1.1). t ¯ n t t ¯ n t t ¯ n t t ¯ n t 1816 13720 1930 40334.0 1964 58587.5 1992 65289.2 1819 14150 1931 40527.0 1965 59296.6 1993 65739.7 1822 14580 1932 40737.0 1966 59792.9 1994 66007.2 1825 15130 1933 40956.0 1967 59948.5 1995 66341.9 1828 15270 1934 41168.0 1968 60463.0 1996 66583.4 1831 15860 1935 41457.0 1969 61194.6 1997 66688.0 1834 16170 1936 41781.0 1970 61001.2 1998 66747.3 1837 16570 1937 42118.0 1971 61502.5 1999 66946.1 1840 17010 1938 42576.0 1972 61809.4 2000 67140.0 1843 17440 1939 43008.0 1973 62101.4 2001 65322.8 1846 17780 1946 46190.0 1974 61991.5 2002 65527.2 1849 17970 1947 46992.0 1975 61644.6 2003 65618.9 1852 18230 1948 48251.0 1976 61442.0 2004 65679.7 1855 18230 1949 49198.0 1977 61352.7 2005 65698.0 1858 18600 1950 50958.1 1978 61321.7 2006 65666.6 1861 19050 1951 51434.8 1979 61439.3 2007 65664.3 1864 19600 1952 51863.8 1980 61657.9 2008 65541.4 1867 19950 1953 52453.8 1981 61712.7 2009 65422.0 1871 20410 1954 52943.3 1982 61546.1 2010 65425.8 1880 22820 1955 53517.7 1983 61306.7 2011 64429.3 1890 25433 1956 53339.6 1984 61049.3 2012 64618.6 1900 29838 1957 54064.4 1985 61020.5 2013 64848.1 1910 35590 1958 54719.2 1986 61140.5 2014 65223.1 1925 39017 1959 55257.1 1987 61238.1 2015 66057.4 1926 39351 1960 55958.3 1988 61715.1 2016 66365.0 1927 39592 1961 56589.1 1989 62679.0 1928 39861 1962 57247.2 1990 63725.7 1929 40107 1963 57864.5 1991 64484.8 graphischen Darstellung in Abbildung 1.2 erkennt man, dass das langfristige Bev¨olkerungswachstum erst Anfang der 1970er Jahre aufgeh¨ort hat; erst durch die Migrationsprozesse nach der Wiedervereinigung kam es dann erneut zu einer Bev¨olkerungszunahme. Dagegen gab es im Gebiet c) Schließlich kann angenommen werden, dass auch die Angaben f ¨ ur den Zeitraum vor 1871 aus den Daten von Volksz ¨ ahlungen abgeleitet worden sind, die in 3-Jahres- Intervallen in Preußen seit 1816 und sp ¨ ater auch in anderen L ¨ andern des damaligen Zollvereins durchgef ¨ uhrt wurden. Es ist jedoch unklar, wie die Umrechnung auf das Gebiet der fr¨ uheren BRD erfolgte. <?page no="27"?> 1.2 Daten zur Bev¨ olkerungsentwicklung 27 1800 1820 1840 1860 1880 1900 1920 1940 1960 1980 2000 10 20 30 40 50 60 70 Abbildung 1.2 Graphische Darstellung der Daten aus Tabelle 1.2. Ordinate: Anzahl in Millionen. 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 BRD (ab 2001 ohne Berlin-West) DDR (ab 2001 einschl. Berlin-West) Abbildung 1.3 Graphische Darstellung der Daten aus Tabelle 1.3. Ordinate: Anzahl in Millionen. der ehemaligen DDR in der gesamten Nachkriegszeit eine geringf ¨ ugige Bev ¨ olkerungsabnahme, wie der in Abbildung 1.3 dargestellte Vergleich zeigt. <?page no="28"?> 28 1 Demographische Prozesse Tabelle 1.3 Bev¨olkerungszahlen (in 1000) in Deutschland (¯ n t ), im Gebiet der fr ¨ uheren BRD ( ¯ n a t , ab 2001 ohne Berlin, vorher ohne Berlin-West) und der fr ¨ uheren DDR ( ¯ n b t , ab 2001 mit Berlin-West). Quelle: Fachserie 1, Reihe 1.3, 2016 (Tab. 1.1). t ¯ n t ¯ n a t ¯ n b t t ¯ n t ¯ n a t ¯ n b t 1950 69346.3 50958.1 18388.2 1984 77709.2 61049.3 16660.0 1951 69784.9 51434.8 18350.1 1985 77660.5 61020.5 16640.1 1952 70163.9 51863.8 18300.1 1986 77780.3 61140.5 16639.9 1953 70565.9 52453.8 18112.1 1987 77899.5 61238.1 16661.4 1954 70944.8 52943.3 18001.5 1988 78389.7 61715.1 16674.6 1955 71349.9 53517.7 17832.2 1989 79112.8 62679.0 16433.8 1956 70943.2 53339.6 17603.6 1990 79753.2 63725.7 16027.6 1957 71475.0 54064.4 17410.7 1991 80274.6 64484.8 15789.8 1958 72030.9 54719.2 17311.7 1992 80974.6 65289.2 15685.4 1959 72543.0 55257.1 17285.9 1993 81338.1 65739.7 15598.4 1960 73146.8 55958.3 17188.5 1994 81538.6 66007.2 15531.4 1961 73668.5 56589.1 17079.3 1995 81817.5 66341.9 15475.5 1962 74383.1 57247.2 17135.9 1996 82012.2 66583.4 15428.7 1963 75045.6 57864.5 17181.1 1997 82057.4 66688.0 15369.4 1964 75591.1 58587.5 17003.6 1998 82037.0 66747.3 15289.7 1965 76336.3 59296.6 17039.7 1999 82163.5 66946.1 15217.3 1966 76864.3 59792.9 17071.4 2000 82259.5 67140.0 15119.5 1967 77038.4 59948.5 17089.9 2001 82440.3 65322.8 13729.1 1968 77550.3 60463.0 17087.2 2002 82536.7 65527.2 13617.0 1969 78269.1 61194.6 17074.5 2003 82531.7 65618.9 13524.3 1970 78069.5 61001.2 17068.3 2004 82500.8 65679.7 13433.4 1971 78556.2 61502.5 17053.7 2005 82438.0 65698.0 13344.8 1972 78820.7 61809.4 17011.3 2006 82314.9 65666.6 13244.2 1973 79052.6 62101.4 16951.3 2007 82217.8 65664.3 13137.3 1974 78882.2 61991.5 16890.8 2008 82002.4 65541.4 13029.3 1975 78464.9 61644.6 16820.2 2009 81802.3 65422.0 12937.6 1976 78209.0 61442.0 16767.0 2010 81751.6 65425.8 12865.1 1977 78110.6 61352.7 16757.9 2011 80327.9 64429.3 12572.6 1978 78073.0 61321.7 16751.4 2012 80523.7 64618.6 12529.9 1979 78179.7 61439.3 16740.3 2013 80767.5 64848.1 12497.5 1980 78397.5 61657.9 16739.5 2014 81197.5 65223.1 12504.6 1981 78418.3 61712.7 16705.6 2015 82175.7 66057.4 12598.2 1982 78248.4 61546.1 16702.3 2016 82521.7 66365.3 12581.5 1983 78008.2 61306.7 16701.5 2017 82792.4 <?page no="29"?> 1.2 Daten zur Bev¨ olkerungsentwicklung 29 Tabelle 1.4 Anzahlen der Geburten (b t ) und Todesf¨alle (d t ) im Gebiet der fr¨ uheren BRD (ab 2001 ohne Berlin-West) und der fr¨ uheren DDR (ab 2001 ohne Berlin-Ost). Quelle: Fachserie 1, Reihe 1.1, 2016 (Tab. 1.1). t b a t d a t b a t − d a t b b t d b t b b t − d b t t b a t d a t b a t − d a t b b t d b t b b t − d b t 1950 812835 528747 284088 303866 219582 84284 1983 594177 718337 -124160 233756 222695 11061 1951 795608 543897 251711 310772 208800 101972 1984 584157 696118 -111961 228135 221181 6954 1952 799080 545963 253117 306004 221676 84328 1985 586155 704296 -118141 227648 225353 2295 1953 796096 578027 218069 298933 212627 86306 1986 625963 701890 -75927 222269 223536 -1267 1954 816028 555459 260569 293715 219832 73883 1987 642010 687419 -45409 225959 213872 12087 1955 820128 581872 238256 293280 214066 79214 1988 677259 687516 -10257 215734 213111 2623 1956 855887 599413 256474 281282 212698 68584 1989 681537 697730 -16193 198922 205711 -6789 1957 892228 615016 277212 273327 225179 48148 1990 727199 713335 13864 178476 208110 -29634 1958 904465 597305 307160 271405 221113 50292 1991 722250 708818 13432 107769 202427 -94658 1959 951942 605504 346438 291980 229898 62082 1992 720794 695268 25526 88320 190175 -101855 1960 968629 642962 325667 292985 233759 59226 1993 717915 711625 6290 80532 185645 -105113 1961 1012687 627561 385126 300818 222739 78079 1994 690905 703262 -12357 78698 181399 -102701 1962 1018552 644819 373733 297982 233995 63987 1995 681374 706493 -25119 83847 178095 -94248 1963 1054123 673069 381054 301472 222001 79471 1996 702688 708332 -5644 93325 174511 -81186 1964 1065437 644128 421309 291867 226191 65676 1997 711915 692844 19071 100258 167545 -67287 1965 1044328 677628 366700 281058 230254 50804 1998 682172 688118 -5946 102862 164264 -61402 1966 1050345 686321 364024 267958 225663 42295 1999 664018 685045 -21027 106726 161285 -54559 1967 1019459 687349 332110 252817 227068 25749 2000 655732 678545 -22813 111267 160252 -48985 1968 969825 734048 235777 245143 242473 2670 2001 607824 648283 -40459 98027 147432 -49405 1969 903456 744360 159096 238910 243732 -4822 2002 594099 658112 -64013 96350 150082 -53732 1970 810808 734843 75965 236929 240821 -3892 2003 581367 669702 -88335 96631 151098 -54467 1971 778526 730670 47856 234870 234953 -83 2004 577292 640899 -63607 98884 145580 -46696 1972 701214 731264 -30050 200443 234425 -33982 2005 560092 650909 -90817 96727 147333 -50606 1973 635633 731028 -95395 180336 231960 -51624 2006 546691 643493 -96802 96406 146611 -50205 1974 626373 727511 -101138 179127 229062 -49935 2007 553892 647641 -93749 99796 148534 -48738 1975 600512 749260 -148748 181798 240389 -58591 2008 549232 662725 -113493 101346 149803 -48457 1976 602851 733140 -130289 195483 233733 -38250 2009 533380 669561 -136181 99642 153270 -53628 1977 582344 704922 -122578 223152 226233 -3081 2010 542345 671563 -129218 102209 154971 -52762 1978 576468 723218 -146750 232151 232332 -181 2011 530360 666994 -136634 99250 153954 -54704 1979 581984 711732 -129748 235233 232742 2491 2012 538753 681272 -142519 100113 156092 -55979 1980 620657 714117 -93460 245132 238254 6878 2013 547093 699611 -152518 99938 161422 -61484 1981 624557 722192 -97635 237543 232244 5299 2014 574504 679188 -104684 103055 156854 -53799 1982 621173 715857 -94684 240102 227975 12127 2015 595320 724191 -128871 104225 166731 -62506 <?page no="30"?> 30 1 Demographische Prozesse 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000 1100 Geburten Gestorbene BRD (ab 2001 ohne Berlin-West) DDR (ab 2001 ohne Berlin-Ost) Abbildung 1.4 Anzahlen (in 1000) der Geburten (durchgezogene Linien) und Todesf¨alle (gepunktete Linien) im Gebiet der fr¨ uheren BRD (obere H¨alfte) und fr¨ uheren DDR (untere H¨alfte). Die Daten entsprechen den Angaben in Tabelle 1.4. 1.2.3 Geburten- und Sterbef¨alle Die Bev ¨ olkerungszahl ver ¨ andert sich durch Geburten, Sterbef ¨ alle und Zu- und Abwanderungen. Wir betrachten zun ¨ achst nur Geburten und Sterbef¨alle. Tabelle 1.4 zeigt die Entwicklung in den Gebieten der fr¨ uheren BRD und DDR seit 1950. (Die symbolischen Notationen entsprechen den in Abschnitt 1.1.2 erl¨auterten Definitionen, die zus¨atzlichen Indizes a und b dienen zur Unterscheidung der Gebiete.) Abbildung 1.4 veranschaulicht die Entwicklung. Ein Vergleich der Abbildungen 1.3 und 1.4 zeigt, dass es eine Korrespondenz zwischen Perioden unterschiedlicher Bev ¨ olkerungsentwicklungen und Perioden, in denen die Anzahl der Geburten gr ¨ oßer oder kleiner als die Anzahl der Todesf¨alle ist, gibt. Besonders bemerkenswert ist die erhebliche Variation in der Anzahl der Geburten. Im Gebiet der fr¨ uheren BRD folgte auf einen ”Baby-Boom“ in den 1960er Jahren ein deutlicher R¨ uckgang. Im Gebiet der fr¨ uheren DDR fand nach der Wiedervereinigung ein außerordentlich großer Geburtenr¨ uckgang statt (vgl. Tabelle 1.4). <?page no="31"?> 1.2 Daten zur Bev¨ olkerungsentwicklung 31 Tabelle 1.5 Allgemeine Geburtenziffer ( CBR ) und allgemeine Sterbeziffer ( CDR ) in Deutschland. Angaben f ¨ ur den Zeitraum 1841-1943 beziehen sich auf das Gebiet des Deutschen Reichs in wechselnden Grenzen (s. Fußnote 13); Quelle: Statistisches Bundesamt 1972, S. 101-103. F¨ ur den Zeitraum 1950-2017 beziehen sie sich auf Deutschland; Quelle: Fachserie 1, Reihe 1.1, 2016 (Tab. 1.2.1). t CBR CDR t CBR CDR t CBR CDR t CBR CDR 1841 36.4 26.2 1884 37.2 26.0 1927 18.4 12.0 1975 10.0 12.6 1842 37.6 27.1 1885 37.0 25.7 1928 18.6 11.6 1976 10.2 12.4 1843 36.0 26.9 1886 37.1 26.2 1929 17.9 12.6 1977 10.3 11.9 1844 35.9 24.5 1887 36.9 24.2 1930 17.5 11.1 1978 10.4 12.2 1845 37.3 25.3 1888 36.6 23.7 1931 16.0 11.2 1979 10.5 12.1 1846 36.0 27.1 1889 36.4 23.7 1932 15.1 10.8 1980 11.0 12.1 1847 33.3 28.3 1890 35.7 24.4 1933 14.7 11.2 1981 11.0 12.2 1848 33.3 29.0 1891 37.0 23.4 1934 18.0 10.9 1982 11.0 12.1 1849 38.1 27.1 1892 35.7 24.1 1935 18.9 11.8 1983 10.6 12.1 1850 37.2 25.6 1893 36.8 24.6 1936 19.0 11.8 1984 10.5 11.8 1851 36.7 25.0 1894 35.9 22.3 1937 18.8 11.7 1985 10.5 12.0 1852 35.5 28.4 1895 36.1 22.1 1938 19.6 11.6 1986 10.9 11.9 1853 34.6 27.2 1896 36.3 20.8 1939 20.4 12.3 1987 11.1 11.6 1854 34.0 27.0 1897 36.1 21.3 1940 20.0 12.7 1988 11.4 11.5 1855 32.2 28.1 1898 36.1 20.5 1941 18.6 12.0 1989 11.1 11.4 1856 33.3 25.2 1899 35.9 21.5 1942 14.9 12.0 1990 11.4 11.6 1857 36.0 27.2 1900 35.6 22.1 1943 16.0 12.1 1991 10.3 11.4 1858 36.8 26.8 1901 35.7 20.7 1992 10.0 10.9 1859 37.5 25.7 1902 35.1 19.4 1950 16.3 10.6 1993 9.8 11.0 1860 36.3 23.2 1903 33.8 20.0 1951 15.9 10.8 1994 9.4 10.8 1861 35.7 25.6 1904 34.0 19.6 1952 15.8 10.9 1995 9.4 10.8 1862 35.4 24.6 1905 33.0 19.8 1953 15.5 11.2 1996 9.7 10.8 1863 37.5 25.7 1906 33.1 18.2 1954 15.6 10.9 1997 9.9 10.5 1864 37.8 26.2 1907 32.3 18.0 1955 15.6 11.2 1998 9.6 10.4 1865 37.6 27.6 1908 32.1 18.1 1956 16.0 11.4 1999 9.4 10.3 1866 37.8 30.6 1909 31.0 17.2 1957 16.3 11.8 2000 9.3 10.2 1867 36.8 26.1 1910 29.8 16.2 1958 16.3 11.4 2001 8.9 10.1 1868 36.8 27.6 1911 28.6 17.3 1959 17.1 11.5 2002 8.7 10.2 1869 37.8 26.9 1912 28.3 15.6 1960 17.2 12.0 2003 8.6 10.3 1870 38.5 27.4 1913 27.5 15.0 1961 17.8 11.5 2004 8.6 9.9 1871 34.5 24.6 1914 26.8 19.0 1962 17.7 11.8 2005 8.3 10.1 1872 39.5 29.0 1915 20.4 21.4 1963 18.1 11.9 2006 8.2 10.0 1873 39.7 28.3 1916 15.2 19.2 1964 18.0 11.5 2007 8.3 10.1 1874 40.1 26.7 1917 13.9 20.6 1965 17.4 11.9 2008 8.3 10.3 1875 40.6 27.6 1918 14.3 24.8 1966 17.2 11.9 2009 8.1 10.4 1876 40.9 26.3 1919 20.0 15.6 1967 16.5 11.9 2010 8.3 10.5 1877 40.0 26.4 1920 25.9 15.1 1968 15.7 12.6 2011 8.2 10.6 1878 38.9 26.2 1921 25.3 13.9 1969 14.6 12.6 2012 8.4 10.8 1879 38.9 25.6 1922 23.0 14.4 1970 13.4 12.5 2013 8.4 11.1 1880 37.6 26.0 1923 21.1 13.9 1971 12.9 12.3 2014 8.8 10.7 1881 37.0 25.5 1924 20.5 12.3 1972 11.4 12.3 2015 9.0 11.3 1882 37.2 25.7 1925 20.7 11.9 1973 10.3 12.2 2016 9.6 11.0 1883 36.6 25.9 1926 19.5 11.7 1974 10.2 12.1 2017 9.5 11.3 <?page no="32"?> 32 1 Demographische Prozesse 1840 1860 1880 1900 1920 1940 1960 1980 2000 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 Geburtenzi er Sterbezi er Abbildung 1.5 Allgemeine Geburtenziffer (durchgezogene Linie) und Sterbeziffer (gepunktete Linie) f¨ ur den Zeitraum 1841-2017 in Deutschland entsprechend den Daten der Tabelle 1.5. Diese Entwicklungen sollten jedoch in einem l¨angerfristigen historischen Kontext betrachtet werden. Informativ sind bereits die allgemeinen Geburten- und Sterbeziffern, die vom Statistischen Bundesamt f ¨ ur die meisten Jahre seit 1841 publiziert wurden. Wir verwenden die in Abschnitt 1.1.7 erl¨auterten Definitionen, also b t / ¯ n t f¨ ur die allgemeine Geburtenziffer und d t / ¯ n t f ¨ ur die allgemeine Sterbeziffer (jeweils multipliziert mit 1000). Tabelle 1.5 zeigt die Daten. 13 Die graphische Veranschaulichung in Abbildung 1.5 zeigt eindrucksvoll den langfristigen R¨ uckgang sowohl der Sterbeziffer als auch der Geburtenziffer. Man erkennt auch, dass bis etwa 1970 die Geburtenziffern gr¨oßer als die Sterbeziffern waren; eine Ausnahme bildeten nur die Jahre w¨ahrend des ersten Weltkriegs. 1.2.4 Buchf¨ uhrungsgleichungen und Migrationsvorg¨ange Um zu verstehen, wie die Bev¨olkerungsentwicklung nicht nur von Geburten und Todesf ¨ allen, sondern auch von Migrationsvorg ¨ angen abh ¨ angt, 13 F ¨ ur den Zeitraum 1841 - 1943 wird in der Quelle der Ausdruck ‘Reichsgebiet’ verwendet, f ¨ ur die Jahre 1938 bis 1943 mit dem zus ¨ atzlichen Hinweis ” Gebietsstand 31.12.1937“ (Statistisches Bundesamt 1972, S. 103). F ¨ ur die Jahre 1871-1918 (und vermutlich auch f¨ ur fr¨ uhere Jahre, vgl. Statistisches Jahrbuch f¨ ur das Deutsche Reich 1919, S. 2), beziehen sich die Daten auf das Gebiet des Deutschen Reichs. In anderen Quellen findet man f¨ ur den Zeitraum vor 1871 auch andere Angaben, die sich auf das Gebiet des Deutschen Zollvereins beziehen. <?page no="33"?> 1.2 Daten zur Bev¨ olkerungsentwicklung 33 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 -800 -600 -400 -200 0 200 400 600 800 1000 1200 Rechnerisch ermittelt FS 1, R 1.2 Abbildung 1.6 Saldo der Migration f ¨ ur Deutschland (Zuwanderung minus Abwanderung) nach Buchf¨ uhrungsgleichungen (durchgezogene Linie) und nach Fachserie 1, Reihe 1.2 (gepunktete Linie). Ordinate in 1000. Die Daten entsprechen den Angaben in den Tabellen 1.6. eignen sich die in Abschnitt 1.1.2 besprochenen Buchf ¨ uhrungsgleichungen. Da das Statistische Bundesamt auch Bev¨olkerungszahlen publiziert, die sich auf das Ende eines Kalenderjahrs beziehen, verwenden wir die Variante n t +1 = n t = n t + b t − d t + m i t − m o t Hierbei bezieht sich n t auf die Bev¨olkerungszahl zu Beginn und n t auf die Bev¨olkerungszahl am Ende des Kalenderjahrs t. Die ¨ ubrigen Gr¨oßen wurden bereits definiert: Geburten ( b t ), Todesf ¨ alle ( d t ), Zuwanderung (m i t ) und Abwanderung (m o t ), jeweils Stromgr¨oßen f¨ ur das Kalenderjahr t. Die Werte der Tabelle 1.6 der Jahre 1991 bis 2011 wurden auf Basis des Zensus 2011 zur ¨ uckgerechnet (vgl. Bev ¨ olkerung und Erwerbst ¨ atigkeit, R ¨ uckgerechnete und fortgeschriebene Bev ¨ olkerung auf Grundlage des Zensus 2011, 1991 - 2011, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2016). Die ¨ ubrigen Bev¨olkerungswerte stammen aus Bev¨olkerung und Erwerbst¨atigkeit, Bev ¨ olkerungsfortschreibung auf Grundlage des Zensus 2011, 2016, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2016. Die Werte der Geburten und Sterbef¨alle wurden der Genesis Online-Datenbank des Statistischen Bundesamtes entnommen. Zum Vergleich sind in der Graphik 1.6 auch die Angaben zur Außenwanderung laut Fachserie 1 Reihe 1.2, Bev¨olkerung und Erwerbst¨atigkeit, Wanderungen 2016, Statistisches Bundesamt, Wies- <?page no="34"?> 34 1 Demographische Prozesse baden 2018 dargestellt. Die Abweichungen sind geringf¨ ugig. Werte f ¨ ur n t findet man in der Tabelle 1.6, die sich auf Deutschland beziehen. Daraus k ¨ onnen mit der aus der Buchf ¨ uhrungsgleichung (1.3) ableitbaren Gleichung (m i t − m o t ) = (n t − n t ) − (b t − d t ) die Migrationssalden berechnet werden, deren Werte ebenfalls in der Tabelle 1.6 angegeben werden. Zu beachten ist, dass die aus der Fachserie 1 Reihe 1.2 des Statistischen Bundesamts ¨ ubernommenen Migrationsdaten nicht exakt der Buchf ¨ uhrungsgleichung entsprechen. Zudem weist das Statistische Bundesamt darauf hin, dass die negativen Wanderungssalden der Jahre 2008 und 2009 nicht verl¨asslich sind: ”Die den Wanderungsdaten zugrunde liegenden Meldungen der Meldebeh¨orden enthalten zahlreiche Melderegisterbereinigungen, die infolge der Einf¨ uhrung der pers¨onlichen Steuer-Identifikationsnummer durchgef¨ uhrt worden sind. Die Ergebnisse sind daher nur eingeschr¨ankt aussagef¨ahig.“ Abbildung 1.6 zeigt, wie sich der Migrationssaldo entwickelt hat. In den meisten Jahren war die Zuwanderung gr ¨ oßer als die Abwanderung. Bemerkenswert ist der negative Saldo von -732.000 im Jahr 1956 und der positive Saldo von +1.166.000 in 2015. 1.2.5 Gliederungen nach Geschlecht und Alter Demographische Charakterisierungen von Gesellschaften gehen fast immer von Gliederungen der Bev ¨ olkerung nach dem Geschlecht und dem Alter aus. Der begriffliche Ansatz beruht auf der Konzeption statistischer Variablen ( S t , A t ) : Ω t −→ S × A . Die Referenzmenge Ω t repr ¨ asentiert die Bev ¨ olkerung im Jahr (allgemein: in der Zeitstelle) t . S t mit dem Merkmalsraum S : = { 0 , 1 } erfasst das Geschlecht (als Konvention verwenden wir in diesem Text: 0 = m ¨ annlich, 1 = weiblich), und A t mit dem Merkmalsraum A : = { 0, 1, 2, 3, . . . } das Alter. Ist also zum Beispiel ( S t , A t )( ω ) = (1 , 40), bedeutet dies, dass ω der Name einer 40-j ¨ ahrigen Frau ist. Hier muss nat¨ urlich darauf geachtet werden, wie das Alter definiert ist. Verwendet man das demographische Alter (Abschnitt 1.1.5), gibt es einfache Zusammenh¨ange mit den bisherigen Notationen, beispielsweise n t = | Ω t | und n t,τ = |{ ω ∈ Ω t | A t ( ω ) = τ }| . Das demographische Alter stimmt jedoch nur dann mit dem gew ¨ ohnlichen Alter (in vollendeten Jahren) ¨ uberein, wenn man sich auf das Jahresende bezieht. <?page no="35"?> 1.2 Daten zur Bev¨ olkerungsentwicklung 35 Tabelle 1.6 Komponenten der Bev ¨ olkerungsver ¨ anderung (in 1000) in Deutschland. Der Migrationssaldo wurde rechnerisch ermittelt m i t − m o t = n t +1 − n t − b t + d t . t n t b t d t b t − d t m i t − m o t t n t b t d t b t − d t m i t − m o t 1951 69346.3 1106.4 752.7 353.7 84.9 1985 77709.2 813.8 929.6 -115.8 67.2 1952 69784.9 1105.1 767.6 337.4 41.6 1986 77660.5 848.2 925.4 -77.2 197.0 1953 70163.9 1095.0 790.7 304.4 97.6 1987 77780.3 868.0 901.3 -33.3 152.5 1954 70565.9 1109.7 775.3 334.5 44.4 1988 77899.5 893.0 900.6 -7.6 497.9 1955 70944.8 1113.4 795.9 317.5 87.6 1989 78389.7 880.5 903.4 -23.0 746.1 1956 71349.9 1137.2 812.1 325.1 -731.8 1990 79112.8 905.7 921.4 -15.8 656.2 1957 70943.2 1165.6 840.2 325.4 206.4 1991 79753.2 830.0 911.2 -81.2 521.6 1958 71475.0 1175.9 818.4 357.5 198.4 1992 80193.6 809.1 885.4 -76.3 688.8 1959 72030.9 1243.9 835.4 408.5 103.6 1993 80806.0 798.4 897.3 -98.8 379.7 1960 72543.0 1261.6 876.7 384.9 218.9 1994 81086.9 769.6 884.7 -115.1 236.2 1961 73146.8 1313.5 850.3 463.2 58.4 1995 81208.1 765.2 884.6 -119.4 318.7 1962 73668.5 1316.5 878.8 437.7 276.9 1996 81407.4 796.0 882.8 -86.8 204.9 1963 74383.1 1355.6 895.1 460.5 202.0 1997 81525.4 812.2 860.4 -48.2 17.1 1964 75045.6 1357.3 870.3 487.0 58.5 1998 81494.4 785.0 852.4 -67.3 -29.5 1965 75591.1 1325.4 907.9 417.5 327.7 1999 81397.6 770.7 846.3 -75.6 125.3 1966 76336.3 1318.3 912.0 406.3 121.7 2000 81447.3 767.0 838.8 -71.8 90.5 1967 76864.3 1272.3 914.4 357.9 -183.8 2001 81466.0 734.5 828.5 -94.1 196.7 1968 77038.4 1215.0 976.5 238.4 273.5 2002 81568.6 719.2 841.7 -122.4 142.1 1969 77550.3 1142.4 988.1 154.3 564.6 2003 81588.2 706.7 853.9 -147.2 68.3 1970 78269.1 1047.7 975.7 72.1 -271.7 2004 81509.2 705.6 818.3 -112.6 7.1 1971 78069.5 1013.4 965.6 47.8 438.9 2005 81403.7 685.8 830.2 -144.4 10.4 1972 78556.2 901.7 965.7 -64.0 328.6 2006 81269.6 672.7 821.6 -148.9 -44.1 1973 78820.7 816.0 963.0 -147.0 378.9 2007 81076.6 684.9 827.2 -142.3 -26.4 1974 79052.6 805.5 956.6 -151.1 -19.3 2008 80908.0 682.5 844.4 -161.9 -127.0 1975 78882.2 782.3 989.6 -207.3 -210.0 2009 80619.0 665.1 854.5 -189.4 -83.5 1976 78464.9 798.3 966.9 -168.5 -87.3 2010 80346.1 677.9 858.8 -180.8 56.8 1977 78209.0 805.5 931.2 -125.7 27.2 2011 80222.1 662.7 852.3 -189.6 295.5 1978 78110.6 808.6 955.5 -146.9 109.4 2012 80327.9 673.5 869.6 -196.0 391.9 1979 78073.0 817.2 944.5 -127.3 233.9 2013 80523.7 682.1 893.8 -211.8 455.5 1980 78179.7 865.8 952.4 -86.6 304.4 2014 80767.5 714.9 868.4 -153.4 583.5 1981 78397.5 862.1 954.4 -92.3 113.2 2015 81197.5 737.6 925.2 -187.6 1165.8 1982 78418.3 861.3 943.8 -82.6 -87.4 2016 82175.7 792.1 910.9 -118.8 464.7 1983 78248.4 827.9 941.0 -113.1 -127.2 2017 82521.7 784.9 932.3 -147.4 NA 1984 78008.2 812.3 917.3 -105.0 -193.9 <?page no="36"?> 36 1 Demographische Prozesse Tabelle 1.7 Anzahl M ¨ anner bzw. Frauen im Alter τ am 31.12.2016 und im Jahresdurchschnitt 2016. Angaben in 1000. Die Zeile 90 umfasst alle Altersjahre τ ≥ 90. Quelle: Fachserie 1, Reihe 1.3, 2016 (Tab. 2.1). τ n m t n f t ¯ n m t ¯ n f t τ n m t n f t ¯ n m t ¯ n f t 0 403.6 384.7 393.1 373.5 46 594.0 583.7 617.5 603.9 1 391.7 370.8 385.9 365.4 47 639.4 624.9 655.3 639.2 2 386.9 366.4 377.3 357.1 48 669.7 654.1 679.0 662.9 3 373.7 353.5 370.2 350.2 49 686.5 671.8 696.9 680.6 4 372.7 352.5 365.9 346.4 50 704.8 689.1 707.7 689.8 5 364.5 345.2 366.2 347.1 51 707.8 690.0 714.9 697.1 6 372.8 353.2 367.5 347.8 52 718.6 703.4 716.4 701.3 7 367.5 347.1 369.4 349.5 53 710.6 698.2 699.6 688.5 8 376.9 357.0 373.7 353.5 54 684.5 677.4 680.0 674.3 9 375.5 354.3 369.6 348.5 55 671.0 669.4 660.8 659.1 10 368.6 346.9 368.5 347.6 56 646.1 647.0 638.6 638.8 11 372.8 352.3 374.9 354.5 57 626.2 628.4 610.2 612.1 12 381.2 360.2 379.3 358.4 58 589.2 593.4 583.6 588.2 13 381.7 360.1 383.0 361.1 59 572.3 580.1 565.4 574.0 14 389.1 365.2 392.0 367.6 60 552.5 565.2 544.3 559.0 15 401.4 373.5 407.9 380.6 61 530.0 549.8 524.7 547.7 16 425.2 392.0 424.2 390.0 62 513.0 542.5 505.5 536.0 17 437.7 392.0 435.6 394.8 63 491.1 526.0 492.6 527.1 18 448.7 403.9 454.1 408.8 64 486.8 524.4 484.3 520.4 19 474.5 424.0 466.6 418.7 65 473.9 512.3 476.1 513.7 20 472.0 424.9 463.4 417.5 66 470.1 510.6 465.3 503.0 21 464.5 419.4 463.6 419.8 67 452.0 490.5 435.3 470.2 22 472.2 428.1 476.1 433.1 68 410.5 445.1 399.4 434.0 23 488.9 447.0 489.6 448.6 69 380.1 418.3 357.3 393.3 24 498.3 458.8 504.6 464.7 70 326.6 363.5 307.1 344.6 25 517.8 478.3 541.0 497.9 71 280.4 321.1 330.9 376.3 26 569.6 524.4 562.5 519.3 72 371.3 425.3 376.9 430.3 27 560.6 520.9 566.2 524.1 73 371.7 428.7 368.2 424.2 28 576.2 532.7 567.9 525.3 74 353.6 412.6 392.5 461.2 29 562.9 523.3 555.3 517.8 75 417.2 500.2 429.2 516.7 30 550.3 517.9 540.3 508.0 76 425.1 522.4 423.0 521.2 31 533.0 503.3 529.6 500.3 77 404.5 508.3 391.8 492.3 32 528.1 501.8 526.9 501.2 78 362.2 464.0 350.3 450.5 33 527.2 505.0 531.8 508.9 79 321.6 424.0 316.0 418.8 34 537.7 516.8 533.1 514.5 80 293.4 399.1 287.6 393.5 35 529.6 515.9 530.1 515.6 81 264.2 372.3 253.9 359.7 36 531.4 519.0 517.7 505.4 82 226.6 330.7 203.5 299.4 37 504.9 494.7 501.1 489.7 83 166.1 253.7 164.9 254.6 38 497.9 487.7 495.5 484.0 84 149.1 239.6 149.6 243.0 39 493.8 483.1 488.0 477.8 85 135.1 228.9 137.5 236.4 40 482.6 475.3 476.7 467.4 86 124.4 224.0 122.0 221.8 41 471.2 461.9 473.2 464.7 87 104.5 199.0 103.7 198.3 42 475.4 469.8 477.0 470.9 88 88.4 176.5 84.0 173.1 43 478.8 474.2 499.6 492.5 89 67.3 149.2 64.9 150.4 44 520.4 512.4 547.0 536.8 90 177.8 571.8 170.7 563.1 45 573.1 562.7 584.0 572.6 <?page no="37"?> 1.2 Daten zur Bev¨ olkerungsentwicklung 37 0 5 10 20 30 40 50 60 70 80 90 0 100 200 300 400 500 600 700 800 Männer Frauen Abbildung 1.7 Graphische Darstellung der absoluten H ¨ aufigkeiten (in 1000) im Jahr 2016 der jahresdurchschnittlichen Bev¨olkerungszahlen aus Tabelle 1.7 bis zum Alter von 89 Jahren f ¨ ur M ¨ anner (durchgezogene Linie) und Frauen (gepunktete Linie). Tabelle 1.7 zeigt die nach dem Alter und Geschlecht gegliederten Bev¨olkerungszahlen sowohl zum Jahresende als auch im Jahresdurchschnitt f¨ ur das Jahr 2016. Um relative H¨aufigkeiten zu berechnen, verwenden wir die Angaben im Jahresdurchschnitt. Als Summen der Eintr¨age f¨ ur M¨anner bzw. Frauen findet man (in 1000): ¯ n m 2016 = 40.605, 6 und ¯ n f 2016 = 41.743, 1 , so dass sich auch sogleich relative H ¨ aufigkeiten ausrechnen lassen. Mit der Einschr ¨ ankung, dass die Altersjahre ab 90 in einer nach oben offenen Altersklasse zusammengefasst sind, liefert also die Tabelle 1.7 eine vollst ¨ andige Darstellung der Verteilung der Variablen ( S t , A t ) f ¨ ur t = 2016. Allerdings erkennt man auch, dass diese tabellarische Darstellung zwar als Ausgangspunkt f¨ ur weitere Rechnungen verwendet werden kann, aber nicht ohne weiteres eine reflektierbare Anschauung der Verteilungen erlaubt. Diesem Zweck dienen graphische Darstellungen. Zur Illustration zeigt Abb. 1.7 eine graphische Darstellung der absoluten H ¨ aufigkeiten der jahresdurchschnittlichen Bev ¨ olkerungszahlen aus der Tabelle 1.7. Offenbar erlaubt diese Darstellung anschauliche Vergleiche der Altersverteilungen von M¨annern und Frauen. Außerdem sind jeweils deutliche Unregelm¨aßigkeiten erkennbar (z.B. der Einschnitt im Altersbereich von etwa 70 Jahren), die sich mit Annahmen ¨ uber einen historischen Prozess verkn¨ upfen lassen, durch den die Verteilungen entstanden sind. <?page no="38"?> 38 1 Demographische Prozesse 0 5 10 20 30 40 50 60 70 80 90 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 Männer Frauen Abbildung 1.8 Darstellung der Altersverteilungen f¨ ur M¨anner (durchgezogen) und Frauen (gepunktet) im Jahr 2016 durch Verteilungsfunktionen. Jahresdurchschnittliche Daten aus Tabelle 1.7. Informativ ist auch eine Darstellung der Altersverteilungen durch Verteilungsfunktionen. Abbildung 1.8 zeigt dies f¨ ur die jahresdurchschnittlichen Daten aus Tabelle 1.7. Offenbar kann man unmittelbar f¨ ur jedes Alter ablesen, wie groß die Anteile der jeweils j¨ ungeren bzw. ¨alteren Bev¨olkerung sind. <?page no="39"?> 1.3 Aufgaben 39 1.3 Aufgaben 1. Im Jahr 2000 lebten in einem Land 1,5 Mio. Menschen. Wie viele Menschen lebten im Jahr 1995 in dem Land, wenn die Bev¨olkerung von 1995 bis 2000 um 5 % gewachsen ist? 2. Im Jahr 2000 lebten in einem Land 1,5 Mio. Menschen. Wie viele Menschen lebten im Jahr 1995 in dem Land, wenn die Bev¨olkerung von 1995 bis 2000 pro Jahr um 1 % gewachsen ist? 3. Erkl¨aren Sie anhand eines Beispiels den Unterschied zwischen einer Menge und einer Anzahl. 4. Nennen Sie zwei Operationen, die man auf Mengen, aber nicht auf Zahlen anwenden kann; und nennen Sie zwei Operationen, die man auf Zahlen, aber nicht auf Mengen anwenden kann. 5. Es sei Ω 2016 die Menge der Menschen, die 2016 in Deutschland lebten. Finden Sie mit Hilfe von Tabelle 1.3 den Wert von | Ω 2016 | . 6. Die Anzahl der Einwohner eines Dorfes betr¨agt in vier aufeinanderfolgenden Jahren: 100, 120, 115, 130. a) Berechnen Sie die j¨ahrlichen Ver¨anderungsraten. b) Berechnen Sie die durchschnittliche Ver¨anderungsrate. 7. Berechnen Sie mit den Angaben in Tabelle 1.3 die durchschnittlichen Ver¨anderungsraten der Bev¨olkerung von 1950 bis 2000 und von 2001 bis 2016, jeweils gesondert f¨ ur das Gebiet der ehemaligen BRD und DDR. 8. Berechnen Sie mit den Daten in den Tabellen 1.3 und 1.4 Werte der allgemeinen Sterbeziffer f ¨ ur die ehemalige BRD und DDR f ¨ ur die Jahre 1960, 1970, 1980, 1990, 2000, 2010 und 2016. 9. Angenommen, man erh ¨ alt die Information, dass es 1990 in der ehemaligen BRD eine Bev ¨ olkerung von 63,725 Mio. gab und dass die allgemeine Sterbeziffer etwa 11,2 betrug. Wie viele Menschen sind n¨aherungsweise in diesem Jahr gestorben? 10. Berechnen Sie mit den Daten in den Tabellen 1.3 und 1.4 Werte der allgemeinen Geburtenziffer f¨ ur die ehemalige BRD und DDR f¨ ur die Jahre 1960, 1970, 1980, 1990, 2000, 2010 und 2016. 11. Angenommen, man erh ¨ alt die Information, dass es 1990 in der ehemaligen BRD eine Bev ¨ olkerung von 63,725 Mio. gab und dass die allgemeine Geburtenziffer etwa 11,4 betrug. Wie viele Kinder wurden n¨aherungsweise in diesem Jahr geboren? <?page no="40"?> 40 1 Demographische Prozesse 12. Erkl ¨ aren Sie anhand eines Beispiels den allgemeinen Begriffeiner Rate. Was steht im Z¨ahler, was im Nenner? 13. Geben Sie jeweils zwei Beispiele f¨ ur Bestands- und f¨ ur Stromgr¨oßen an. 14. Geben Sie die Buchf ¨ uhrungsgleichung f ¨ ur einen demographischen Prozess ohne externe Migration an und erkl¨aren Sie die verwendeten Symbole. 15. Geben Sie die Buchf ¨ uhrungsgleichung f ¨ ur einen demographischen Prozess mit externer Migration an und erkl¨aren Sie die verwendeten Symbole. 16. Erkl¨aren Sie den Unterschied zwischen dem gew¨ohnlichen und dem demographischen Alter. 17. Bestimmen Sie aus der Abbildung 1.8 n¨aherungsweise die Mediane f ¨ ur das Alter der M ¨ anner und Frauen. Welche Bedeutung haben diese Werte? 18. Bestimmen Sie aus der Abbildung 1.8 n ¨ aherungsweise die Quartilswerte f¨ ur das Alter der M¨anner und Frauen. Welche Bedeutung haben diese Werte? 19. Es seien F m bzw. F f die in Abbildung 1.8 gezeigten Verteilungsfunktionen f ¨ ur das Alter der M ¨ anner bzw. Frauen. Geben Sie f ¨ ur folgende Gr¨oßen N¨aherungswerte und Interpretationen an: F m (60), F f (60), F m (60) − F m (50), F f (60) − F f (50). 20. Bei 20 Personen wurde ihr Alter ermittelt: 20, 23, 24, 20, 21, 21, 20, 26, 24, 23, 22, 22, 23, 26, 25, 23, 26, 27, 20, 24. Diese Variable wird X genannt, ihre Referenzmenge wird Ω genannt. (a) Stellen Sie die H¨aufigkeitsverteilung von X in Form einer Tabelle dar. (b) Berechnen Sie P(X = 22) und interpretieren Sie den Wert. (c) Berechnen Sie den Mittelwert von X . (d) Berechnen Sie den Median von X. (e) Stellen Sie die Verteilungsfunktion F von X in Form einer Tabelle dar. (f) Bestimmen Sie F (22) und interpretieren Sie den Wert. (g) Berechnen Sie F (24) − F (22) und interpretieren Sie den Wert. (h) Stellen Sie F (24) − F (22) durch die H¨aufigkeitsfunktion P dar. <?page no="41"?> 2 Lebensdauern und Sterbetafeln 2.1 Verweildauern und ¨ Ubergangsraten 2.1.1 Episoden und Verweildauervariablen 2.1.2 Lebensdauern gestorbener Personen 2.1.3 Survivor- und Ratenfunktionen 2.2 Kohorten- und Periodensterbetafeln 2.2.1 Notationen f¨ ur Geburtskohorten 2.2.2 Altersspezifische Sterbeziffern 2.2.3 Kohorten- und Periodensterbetafeln 2.2.4 Eine Periodensterbetafel f¨ ur die BRD 2016 2.2.5 Berechnung von Lebenserwartungen 2.3 Ver¨anderungen der Lebensdauern 2.3.1 Sterbetafeln der amtlichen Statistik 2.3.2 Darstellung der Survivorfunktionen 2.3.3 Ver¨anderungen der Lebenserwartung 2.3.4 Implikationen f¨ ur die Altersverteilung 2.4 Aufgaben Demographische Prozesse werden in erster Linie durch Geburten und Todesf¨alle, bei r¨aumlicher Eingrenzung außerdem durch Migrationsvorg¨ange bestimmt. In diesem Kapitel besch ¨ aftigen wir uns mit Unterschieden und historischen Ver ¨ anderungen in den Lebensdauern. Wir beginnen mit einem Abschnitt, der sich in etwas allgemeinerer Weise mit Verweildauervariablen und ¨ Ubergangsraten besch ¨ aftigt. Im zweiten Abschnitt werden Kohorten- und Periodensterbetafeln erkl ¨ art, und es wird eine Periodensterbetafel f ¨ ur die BRD 2009 konstruiert. Schließlich werden im dritten Abschnitt anhand von Sterbetafeln der amtlichen Statistik langfristige Ver¨anderungen der Lebensdauerverteilungen in Deutschland seit Ende des 19. Jahrhunderts besprochen. 2.1 Verweildauern und ¨ Ubergangsraten In diesem Abschnitt werden Verweildauervariablen und einige an diesen Begriffanschließende Definitionen besprochen. Dabei orientieren wir uns <?page no="42"?> 42 2 Lebensdauern und Sterbetafeln an den Ausf¨ uhrungen bei Rohwer und P¨otter (2001, Teil III), wo ebenfalls von einer diskreten Zeitachse ausgegangen wird. Methoden zur Sch¨atzung von Verweildauerverteilungen mit unvollst ¨ andigen Daten werden erst sp¨ater (in Abschnitt 3.3) besprochen. 2.1.1 Episoden und Verweildauervariablen Prozesse k ¨ onnen auf unterschiedliche Weisen dargestellt werden. Teilweise folgt dies bereits aus der Konzeptualisierung der Prozesse, etwa als Handlungsprozesse, bei denen oft eine narrative Darstellung sinnvoll ist, oder als statistische Prozesse, zu deren Darstellung statistische Begriffe verwendet werden. Weitgehend unabh¨angig von unterschiedlichen Prozesskonzeptionen kann man summarische und sequentielle Prozessdarstellungen unterscheiden: Wir sprechen von einer summarischen Prozessdarstellung, wenn sich Aussagen unmittelbar auf den gesamten Prozess beziehen. Bei Lebensverl¨aufen handelt es sich z.B. um Aussagen ¨ uber die Lebensdauer oder den erreichten Schulabschluss oder die Anzahl von Eheschließungen. Dagegen sprechen wir von einer sequentiellen Prozessdarstellung, wenn der Prozess als eine zeitliche Abfolge von Teilprozessen oder Ereignissen dargestellt wird. Typische Beispiele liefern narrative Darstellungen von Handlungsprozessen; bestimmte Varianten sequentieller Darstellungen sind jedoch auch bei statistischen Prozessen m¨oglich. Die einfachste summarische Darstellung bezieht sich auf die Prozessdauer. Von besonderem Interesse ist dies beim Vergleich mehrerer Realisationen eines wiederholbaren Prozesses. Bezieht man sich auf schematische Lebensverl ¨ aufe, werden Zeitdauern von Episoden verglichen, die als Zeitspannen zwischen zwei Ereignissen im Sinne von Zustandswechseln definiert sind; zum Beispiel Ehe-Episoden, die mit einer Eheschließung beginnen und mit dem Tod eines Ehepartners oder einer Scheidung enden. Zur Definition kann man auch von einem Prozessschema X t : Ω −→ X (2.1) ausgehen. F ¨ ur jedes Objekt ω ∈ Ω gibt es dann einen bestimmten individuellen Prozess, der aus einer zeitlichen Folge von Zust¨anden X t (ω) besteht und der sich somit auch als eine Folge von Episoden auffassen l¨asst, w¨ahrend der sich der Zustand nicht ver¨andert. <?page no="43"?> 2.1 Verweildauern und ¨ Ubergangsraten 43 Zur vollst¨andigen Charakterisierung einer Episode innerhalb eines Prozesses sind im Allgemeinen vier Angaben erforderlich: Eine Angabe des Zustands, der w ¨ ahrend der Episode eingenommen wird (auch Anfangs- oder Ausgangszustand der Episode genannt); eine Angabe der Zeitstelle, in der dieser Zustand zum ersten Mal eingenommen wird; eine Angabe der Zeitstelle, in der zum ersten Mal ein neuer Zustand eingenommen wird; und eine Angabe dieses neuen Zustands, durch den die Episode beendet wird. Wenn man sich nicht f¨ ur die genaue zeitliche Lagerung von Episoden innerhalb eines sie umfassenden Prozesses interessiert, sondern nur f¨ ur ihre zeitliche Dauer und die Art ihrer Beendigung, k¨onnen Verweildauervariablen verwendet werden, die sich allgemein durch folgendes Schema definieren lassen: (T , D) : Ω −→ T 0 × D (2.2) In dieser zweidimensionalen statistischen Variablen bezieht sich die Komponente T auf die Episodendauer, zu deren Erfassung eine Prozesszeitachse T 0 : = { 0, 1, 2, 3, . . . } verwendet wird, deren Elemente sich auf Zeiteinheiten beziehen (z.B. Tage, Monate oder Jahre). Jede zeitliche Dauer wird also durch eine Anzahl vollendeter Zeitstellen erfasst; insofern kann die Verweildauervariable auch den Wert 0 annehmen. Die zweite Komponente D erfasst den Folgezustand (bzw. das Ereignis), durch dessen Eintreten die Episode beendet wird. Die m ¨ oglichen Folgezust ¨ ande werden durch den Zustandsraum D erfasst. Als Beispiel kann man sich vorstellen, dass es sich bei Ω um eine Menge verheirateter Personen handelt und f¨ ur jede Person ω ∈ Ω durch T (ω) die Dauer der Ehe erfasst wird und durch D(ω), ob die Ehe durch den Tod eines Ehepartners oder eine Scheidung beendet wird. 2.1.2 Lebensdauern gestorbener Personen Es ist offensichtlich, dass Verweildauervariablen zun ¨ achst nur summarische Darstellungen liefern: man erh ¨ alt Informationen nicht ¨ uber den Ablauf, sondern nur ¨ uber die Dauer von Episoden und ¨ uber die Art des Ereignisses, durch das sie beendet worden sind. Nat¨ urlich kann man sich auch auf eine Erfassung der Episodendauer beschr¨anken, ohne Arten von Ereignissen, durch die Episoden beendet werden k¨onnen, zu unterscheiden. Zur Definition von Verweildauervariablen gen¨ ugt dann das einfache Schema T : Ω −→ T 0 . Jedem Objekt ω ∈ Ω wird dann nur ein Wert T ( ω ) zugeordnet, der angibt, wie lange bei diesem Objekt die Episode <?page no="44"?> 44 2 Lebensdauern und Sterbetafeln 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 0 0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 Männer Frauen Abbildung 2.1 Darstellung der Verteilung der Lebensdauern der 2016 in Deutschland gestorbenen M ¨ anner (durchgezogene Linie) und Frauen (gepunktete Linie) durch H ¨ aufigkeitsfunktionen. Berechnet aus den Daten in Tabelle 2.1. gedauert hat. Als Beispiel beziehen wir uns auf Lebensdauern von Menschen in Deutschland. Ω ist in diesem Fall eine Gesamtheit von Menschen, und die Verweildauervariable T ordnet jeder Person ω ihre Lebensdauer T ( ω ) zu. Allerdings ist es in diesem Fall schwierig, von einem Kohortenansatz auszugehen, etwa von einer Gesamtheit von Menschen, die in einem bestimmten Jahr in Deutschland geboren wurden. Denn bezieht man sich auf Geburtsjahre innerhalb der letzten 100 Jahre, w ¨ urde es bei vielen oder sogar den meisten Mitgliedern solcher Geburtskohorten noch keine bestimmten Werte f¨ ur ihre Lebensdauer geben. Außerdem bezieht sich die amtliche Statistik nicht auf Geburtskohorten, sondern auf die jeweils w¨ahrend eines Jahres gestorbenen Personen. Wir folgen deshalb zun ¨ achst diesem Ansatz und definieren Ω, um uns auf ein konkretes Beispiel beziehen zu k ¨ onnen, als die Menge der Personen, die 2016 in Deutschland gestorben sind. Dann gibt es f ¨ ur jede Person ω ∈ Ω eine Lebensdauer T (ω). Tabelle 2.1 zeigt die vom Statistischen Bundesamt ¨ uber diese Lebensdauern verf¨ ugbaren Daten in Form einer nach dem Geschlecht differenzierten H ¨ aufigkeitsverteilung. Es handelt sich um absolute H ¨ aufigkeiten; beispielsweise erkennt man, dass 2016 im Alter von 70 Jahren 6.631 M¨anner und 4.158 Frauen gestorben sind. Das Alter ist in vollendeten Lebensjahren zum Zeitpunkt des Todes angegeben; das h¨ochste Alter umfasst alle Lebensjahre, die gr¨oßer oder gleich 100 sind. <?page no="45"?> 2.1 Verweildauern und ¨ Ubergangsraten 45 Tabelle 2.1 Anzahl M ¨ anner ( ¯ d m τ ) und Frauen ( ¯ d f τ ), die 2016 in Deutschland im Alter von τ Jahren gestorben sind; 100 umfasst alle Altersjahre τ ≥ 100. Quelle: Statistisches Bundesamt 2019c. τ ¯ d m τ ¯ d w τ τ ¯ d m τ ¯ d w τ τ ¯ d m τ ¯ d w τ 0 1494 1204 34 446 198 68 7479 4484 1 114 83 35 466 200 69 7898 4642 2 68 43 36 456 232 70 6631 4158 3 37 41 37 483 239 71 8292 5200 4 44 28 38 529 306 72 10119 6388 5 46 36 39 551 255 73 10438 6656 6 41 30 40 637 356 74 12365 8219 7 33 12 41 619 365 75 14471 9613 8 38 25 42 711 381 76 16112 11320 9 28 25 43 772 434 77 16447 11880 10 31 22 44 1037 540 78 16416 12488 11 32 27 45 1164 662 79 16516 13504 12 22 27 46 1353 725 80 16755 15011 13 42 35 47 1588 918 81 17464 16166 14 50 39 48 1865 1122 82 15348 14927 15 59 47 49 2172 1223 83 14209 14896 16 114 50 50 2417 1327 84 14610 16486 17 131 61 51 2722 1477 85 15252 18651 18 182 83 52 3048 1705 86 15269 20234 19 185 81 53 3376 1796 87 14874 20736 20 208 72 54 3744 1980 88 13398 20626 21 179 61 55 4013 2227 89 11448 20621 22 242 80 56 4319 2299 90 9735 20463 23 209 83 57 4551 2447 91 8017 19734 24 243 70 58 4969 2682 92 6363 17538 25 242 92 59 5176 2750 93 5226 15801 26 260 104 60 5452 3042 94 4557 14392 27 288 117 61 5676 3020 95 3377 11846 28 273 128 62 6093 3311 96 2527 9391 29 304 124 63 6479 3509 97 1076 4029 30 300 168 64 7038 3838 98 579 2527 31 347 149 65 7468 4140 99 403 1993 32 359 190 66 7767 4402 100 907 5698 33 357 176 67 7967 4556 Allerdings gewinnt man aus der Tabelle nicht ohne weiteres ein anschauliches Bild der Verteilung der Lebensdauern. Daf¨ ur eignen sich Schaubilder, in denen z.B. H ¨ aufigkeitsverteilungen dargestellt werden k ¨ onnen. Die H ¨ aufigkeitsverteilung (oder H ¨ aufigkeitsfunktion) einer statistischen Variablen ist eine Funktion, die jedem m¨oglichen Wert der Variablen, also <?page no="46"?> 46 2 Lebensdauern und Sterbetafeln 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 Männer Frauen Abbildung 2.2 Darstellung der Verteilung der Lebensdauern der 2016 in Deutschland gestorbenen M¨anner (durchgezogene Linie) und Frauen (gepunktete Linie) durch Verteilungsfunktionen. Berechnet aus den Daten in Tabelle 2.1 in unserem Beispiel jedem Alter t, die relative H¨aufigkeit zuordnet, mit der dieser Wert in der Referenzgesamtheit der Variablen vorkommt. Zur symbolischen Notation verwenden wir P ( T = t ) oder auch kurz P ( t ), wenn die Variable, auf die man sich bezieht, aus dem Kontext hervorgeht. Da nach den Angaben von Tabelle 2.1 insgesamt 448.304 M ¨ anner und 462.595 Frauen gestorben sind, findet man z.B. f¨ ur t = 70 die relativen H¨aufigkeiten 0,015 bei M¨annern und 0,009 bei Frauen. Abbildung 2.1 zeigt die H¨aufigkeitsverteilungen f¨ ur M¨anner und Frauen. Offenbar handelt es sich um Altersverteilungen, die in Form einer summarischen Darstellung zeigen, wie alt die 2016 in Deutschland gestorbenen M¨anner bzw. Frauen geworden sind. Weiterhin k ¨ onnen f ¨ ur graphische Darstellungen auch Verteilungsfunktionen verwendet werden. Die Verteilungsfunktion einer Verweildauervariablen T ist eine Funktion F , die jedem m ¨ oglichen Wert von t eine kumulierte H¨aufigkeit F (t) : = P(T ≤ t) (2.3) zuordnet. In unserem Anwendungsfall ist also F ( t ) der Anteil der bis zu einem Alter von t Jahren gestorbenen M ¨ anner bzw. Frauen. Aus der Darstellung in Abbildung 2.2 erkennt man z.B., dass etwa 50 % der M ¨ anner ¨ alter als 77, etwa 50 % der Frauen ¨ alter als 84 Jahre geworden sind. <?page no="47"?> 2.1 Verweildauern und ¨ Ubergangsraten 47 2.1.3 Survivor- und Ratenfunktionen Offenbar erh¨alt man in unserem Beispiel eine summarische Darstellung von Lebensdauern, d.h. eines Aspekts der Lebensverl ¨ aufe der 2016 in Deutschland gestorbenen M¨anner bzw. Frauen. Allerdings ist die Definition der in diesem Beispiel verwendeten Gesamtheit problematisch, da sie Personen umfasst, die in ganz unterschiedlichen historischen Perioden gelebt haben. Infolgedessen vermischen sich in den Lebensdauerverteilungen, die im vorangegangenen Unterabschnitt betrachtet wurden, altersspezifische Mortalit ¨ atsbedingungen mit historischen Ver ¨ anderungen in den Geburtenh¨aufigkeiten. So sind z.B. die niedrigen H¨aufigkeitswerte im Altersbereich von 90 bis 93 Jahren eine Folge der niedrigen Geburtenraten infolge des 1. Weltkriegs. Wir besprechen deshalb im n¨achsten Abschnitt zwei M¨oglichkeiten, um zu besseren Darstellungen von Mortalit¨atsbedingungen zu gelangen. Zuvor definieren wir zwei Begriffe, die zur Darstellung und Analyse von Verweildauervariablen oft n¨ utzlich sind. Daf¨ ur beziehen wir uns auf eine beliebige Verweildauervariable T . Als Survivorfunktion (dieser Verweildauervariablen) wird eine Funktion G bezeichnet, die jedem m ¨ oglichen Wert t der Variablen eine H¨aufigkeit G(t) : = P(T ≥ t) (2.4) zuordnet, also den Anteil derjenigen Personen oder Objekte, bei denen die Verweildauer mindestens den Wert t annimmt. Bezieht sich T zum Beispiel auf die Lebensdauer, w ¨ are G ( t ) der Anteil derjenigen Personen, die mindestens t Jahre alt geworden sind. (Dieser demographische Anwendungskontext motiviert auch den Ausdruck ”Survivorfunktion“.) Offenbar kann man die Survivorfunktion als eine Art Komplement zur Verteilungsfunktion auffassen, denn es gilt: G(t) = 1 − F (t) + P(t). Weiterhin wird als Ratenfunktion einer Verweildauervariablen T eine Funktion r bezeichnet, die jedem m ¨ oglichen Wert t der Variablen eine bedingte H¨aufigkeit r(t) : = P(t) G(t) = |{ ω ∈ Ω | T (ω) = t }| |{ ω ∈ Ω | T (ω) ≥ t }| (2.5) zuordnet. Es handelt sich um eine bedingte H ¨ aufigkeit, die auch in der Form r ( t ) = P ( T = t | T ≥ t ) geschrieben werden kann. Erfasst zum Beispiel T die Lebensdauer in Jahren, w ¨ are r (80) die H ¨ aufigkeit einer Lebensdauer von 80 Jahren bei denjenigen Personen, die mindestens 80 <?page no="48"?> 48 2 Lebensdauern und Sterbetafeln Jahre alt geworden sind. Wichtig ist, dass Charakterisierungen der Verteilung einer Verweildauervariablen durch H¨aufigkeits-, Verteilungs-, Survivor- und Ratenfunktionen ¨ aquivalent sind, d.h. aus jeweils einer dieser vier Funktionen k ¨ onnen alle anderen formal abgeleitet werden. Insbesondere kann mit folgender Formel die Survivorfunktion aus einer Ratenfunktion abgeleitet werden: G(t) = ∏ t − 1 j =0 (1 − r(j)) (2.6) Sie bildet eine Grundlage zahlreicher statistischer Methoden und wird insbesondere zur Konstruktion von Sterbetafeln verwendet. 2.2 Kohorten- und Periodensterbetafeln 2.2.1 Notationen f¨ ur Geburtskohorten Unter einer Kohorte versteht man eine Gesamtheit von Menschen, bei denen ein (f¨ ur ihre weitere Biographie relevantes) Ereignis in der gleichen historischen Zeitstelle stattgefunden hat. Zum Beispiel: alle Personen, die im gleichen Jahr geheiratet haben. In der Bev¨olkerungsstatistik bezieht man sich in erster Linie auf Geburtskohorten. Wir verwenden zur Notation: C t bezeichnet eine Menge von Menschen, die im Kalenderjahr t in einem bestimmten Gebiet (Land) geboren wurden. Solche Mengen werden auch Geburtskohorten genannt (wenn in diesem Text ohne Zusatz von Kohorten gesprochen wird, sind stets Geburtskohorten gemeint). Weiterhin werden Indizes m und f verwendet, um nach dem Geschlecht zu unterscheiden. So ist zum Beispiel C f t eine Menge von Frauen, die im Jahr t geboren wurden. 2.2.2 Altersspezifische Sterbeziffern Zur Berechnung von Sterbetafeln werden altersspezifische Sterbeziffern (Mortalit¨atsraten) verwendet. Da sich die Sterblichkeit von M¨annern und Frauen, besonders in h¨oheren Lebensjahren, erheblich unterscheidet, wird bei der Definition auch nach dem Geschlecht differenziert. Wir verwenden meistens die Definitionen: ¯ δ m t,τ : = ¯ d m t,τ / ¯ n m t,τ f¨ ur M¨anner und ¯ δ f t,τ : = ¯ d f t,τ / ¯ n f t,τ f¨ ur Frauen <?page no="49"?> 2.2 Kohorten- und Periodensterbetafeln 49 Im Z¨ahler steht die Anzahl der in der Zeitstelle t im Alter τ gestorbenen M¨anner bzw. Frauen, im Nenner steht die durchschnittliche Anzahl der M ¨ anner bzw. Frauen des Alters τ in der Zeitstelle t . Offenbar k ¨ onnen mit den in Abschnitt 1.1 besprochenen Begriffsbildungen auch noch andere Definitionen vorgenommen werden. In der hier angegebenen Definition k¨onnen altersspezifische Sterbeziffern jedoch besonders leicht aus publizierten Datenquellen, f¨ ur das Jahr 2016 aus den Tabellen 2.1 und 1.7 (Fachserie 1, Reihen 1.1 und 1.3), berechnet werden. Zum Beispiel findet man: ¯ δ m 2016 , 70 = 6.631 307.100 = 0, 0216 und ¯ δ f 2016 , 70 = 4.158 344.600 = 0, 0121 In diesem Alter ist also die Sterblichkeit der M¨anner ungef¨ahr 80% h¨oher als die der Frauen. 2.2.3 Kohorten- und Periodensterbetafeln Man unterscheidet Kohorten- und Periodensterbetafeln. Wenn ohne Zusatz von Sterbetafeln gesprochen wird, sind meistens (auch in diesem Text) Periodensterbetafeln gemeint. Eine Kohortensterbetafel bezieht sich auf die Lebensdauerverteilung einer Kohorte. Ausgangspunkt ist eine f ¨ ur eine Kohorte definierte Variable T t : C t −→ T 0 = { 0 , 1 , 2 , 3 , . . . } , die die Lebensdauern der Mitglieder von C t erfasst. (Wir nehmen an, dass diese Lebensdauern in vollendeten Lebensjahren erfasst werden.) Eine Kohortensterbetafel besteht dann aus einer Darstellung der Survivorfunktion (und ggf. auch der Ratenfunktion) der Variablen T t . Offenbar ist eine Kohortensterbetafel erst dann empirisch bestimmt, wenn alle Mitglieder der Kohorte gestorben sind. Vollst¨andige Kohortensterbetafeln k¨onnen also nur f¨ ur Kohorten berechnet werden, deren Mitglieder vor mindestens 100 Jahren geboren wurden. 1 Meistens, insbesondere von der amtlichen Statistik, werden deshalb keine Kohorten-, sondern Periodensterbetafeln berechnet, die von den Sterbeziffern eines Kalenderjahrs oder einer kurzen Kalenderzeitperiode ausgehen. Zur Erl¨auterung beziehen wir uns auf ein Kalenderjahr t , f ¨ ur das die altersspezifischen 1 Da auch meistens die erforderlichen Daten nicht oder nur unvollst¨andig vorhanden sind, sind in der Literatur verschiedene M ¨ oglichkeiten diskutiert worden, um Kohortensterbetafeln wenigstens n¨aherungsweise zu sch¨atzen. Man vgl. Dinkel (1984), Dinkel (1992) <?page no="50"?> 50 2 Lebensdauern und Sterbetafeln Sterbeziffern (Mortalit ¨ atsraten) δ t,τ ermittelt worden sind (dabei wird auf M ¨ anner oder Frauen Bezug genommen). Dann kann in formaler Analogie zur Formel (2.6) durch G t (τ ) : = ∏ τ − 1 j =0 (1 − δ t,j ) (2.7) eine Funktion G t definiert werden, die sich als Survivorfunktion der Lebensdauerverteilung einer fiktiven Gesamtheit interpretieren l¨asst, deren Absterbeprozess den Mortalit¨atsraten δ t, 0 , δ t, 1 , δ t, 2 , δ t, 3 , . . . folgt. Eine Tabellierung dieser Funktion (und ggf. der Mortalit¨atsraten, aus denen sie berechnet worden ist) wird als Periodensterbetafel (f ¨ ur die Periode t ) bezeichnet. Dabei ist es ¨ ublich, von einer fiktiven Gesamtheit von 100.000 Personen auszugehen, so dass Rundungsprobleme vernachl¨assigt werden k¨onnen und es ausreicht, ganze Zahlen zu tabellieren. Eine solche Sterbetafel bezieht sich nicht auf den realen Absterbeprozess irgendeiner Geburtskohorte, sondern erfasst die Mortalit¨atsbedingungen derjenigen Periode, auf die sich die f¨ ur ihre Konstruktion verwendeten Mortalit¨atsraten beziehen. 2.2.4 Eine Periodensterbetafel f¨ ur die BRD 2016 Zur Illustration verwenden wir die altersspezifischen Sterbeziffern f ¨ ur 2016 in Deutschland, die aus den Daten in den Tabellen 1.7 und 2.1 berechnet werden k ¨ onnen. Mit Hilfe der Formel (2.7) k ¨ onnen daraus Periodensterbetafeln (Survivorfunktionen) f¨ ur das Jahr 2016 berechnet werden: G m 2016 f ¨ ur M ¨ anner und G f 2016 f ¨ ur Frauen. Vom Statistischen Bundesamt ver¨offentlichte Periodensterbetafeln (verk¨ urzte Sterbetafeln) unterscheiden sich etwas von den so gewonnenen Periodensterbetafeln, da sie auf Basis von drei Jahren gemittelt werden. Abbildung 2.3 zeigt den Verlauf dieser Survivorfunktionen auf Basis der Periodensterbetafel 2015/ 2017 (kurz 2016) des Statistischen Bundesamtes. Offenbar unterscheiden sich diese Survivorfunktionen von den in Abbildung 2.2 dargestellten Verteilungsfunktionen (bzw. ihnen korrespondierenden Survivorfunktionen), die sich auf die Lebensdauern der 2016 gestorbenen M ¨ anner und Frauen beziehen. Die Unterschiede werden zum Beispiel durch einen Vergleich der Medianwerte der Lebensdauern deutlich. Aus den Survivorfunktionen der Periodensterbetafeln f¨ ur 2016 findet man etwa 80,5 Jahre f ¨ ur M ¨ anner und 85 Jahre f ¨ ur Frauen. F ¨ ur die 2016 gestorbenen M¨anner und Frauen sind die Medianwerte jedoch niedriger, n¨amlich etwa 79 und 84 Jahre. <?page no="51"?> 2.2 Kohorten- und Periodensterbetafeln 51 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 Frauen Männer Abbildung 2.3 Darstellung der Survivorfunktionen G m 2016 (durchgezogene Linie) und G f 2016 (gepunktete Linie). 2.2.5 Berechnung von Lebenserwartungen Sowohl Kohortenals auch Perioden-Sterbetafeln k¨onnen zur Berechnung von sogenannten Lebenserwartungen verwendet werden. (Wie man sehen wird, wird bei der Definition auf realisierte Daten Bezug genommen, so dass das Reden von ”Erwartungen“ eigentlich falsch ist.) Zur Definition kann auf eine beliebige Verweildauervariable T Bezug genommen werden. Zun¨achst kann durch M(T ) : = ∑ ∞ τ =0 τ P(τ ) der Mittelwert von T definiert werden. Wenn ohne Zusatz vom Mittelwert einer Variablen gesprochen wird, ist stets dieser arithmetische Mittelwert gemeint. Bezieht sich T auf Lebensdauern, kann M(T ) als durchschnittliche Lebensdauer interpretiert werden. Sie erfasst die Lebenserwartung bei der Geburt. Man kann aber auch fragen, wie lange diejenigen Personen noch leben werden, die bereits ein bestimmtes Alter erreicht haben. Dann ist ein bedingter Mittelwert zu berechnen, der allgemein folgendermaßen definiert ist: M(T | T ≥ t) = ∑ ∞ τ = t τ P(τ ) ∑ ∞ τ = t P(τ ) Es handelt sich um den Mittelwert der Variablen T unter der Bedingung T ≥ t , d.h. um den Mittelwert in der Teilgesamtheit { ω ∈ Ω | T ( ω ) ≥ t } . Bezieht sich T auf Lebensdauern, wird M(T | T ≥ t) die Lebenserwartung <?page no="52"?> 52 2 Lebensdauern und Sterbetafeln 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 75 80 85 90 95 100 105 Männer Frauen Abbildung 2.4 Lebenserwartungen 2016 in Deutschland, berechnet aus den Survivorfunktionen G m 2016 und G f 2016 . im Alter t genannt; gemeint ist also die durchschnittliche Lebensdauer derjenigen Personen, die mindestens t Jahre alt geworden sind. Dementsprechend erh¨alt man durch M(T | T ≥ t) − t die fernere Lebenserwartung im Alter t , d.h. die durchschnittliche restliche Lebensdauer derjenigen Personen, die mindestens t Jahre alt geworden sind. Abbildung 2.4 zeigt Lebenserwartungen, die der Sterbetafel 2015/ 2017 aus Genesis entnommen sind, sich aber auch ausgehend von den in 2.2.4 besprochenen Periodensterbetafeln f ¨ ur 2016 ¨ ahnlich berechnen lassen. Dabei m ¨ ussten allerdings f ¨ ur die nach oben offene Altersklasse 100 Annahmen ¨ uber das durchschnittlich erreichte Alter gemacht werden. 2.3 Ver¨anderungen der Lebensdauern In diesem Abschnitt wird dargestellt, wie sich die Lebensdauern bzw. Mortalit¨atsbedingungen in Deutschland ver¨andert haben. Da wir daf¨ ur Periodensterbetafeln der amtlichen Statistik verwenden, beginnen wir mit einigen Bemerkungen zu deren Konstruktion. 2.3.1 Sterbetafeln der amtlichen Statistik Im vorangegangenen Abschnitt wurden altersspezifische Sterbeziffern f¨ ur ein einzelnes Jahr (2009) zur Konstruktion einer Periodensterbetafel verwendet. Diese sehr einfache Methode wird oft modifiziert. Das Statis- <?page no="53"?> 2.3 Ver¨ anderungen der Lebensdauern 53 Box 2.1 Allgemeine Sterbetafeln f¨ ur Deutschland. Periode Publikation 1871 - 1881 Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 246: 14 ∗ -17 ∗ . 1881 - 1890 Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 246: 14 ∗ -17 ∗ . 1891 - 1900 Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 246: 14 ∗ -17 ∗ . 1901 - 1910 Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 246: 14 ∗ -17 ∗ . 1910 - 1911 Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 275. Statistisches Jahrbuch f¨ ur das Deutsche Reich 1919: 50-51. 1924 - 1926 Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 360 und 401. Statistisches Jahrbuch f¨ ur das Deutsche Reich 1928: 38-39. 1932 - 1934 Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 495: 86-87. Statistisches Jahrbuch f¨ ur das Deutsche Reich 1936: 45-46. 1949 - 1951 Statistik der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 75 und 173. Statistisches Jahrbuch f ¨ ur die Bundesrepublik Deutschland 1954: 62-63. 1960 - 1962 Statistisches Jahrbuch f ¨ ur die Bundesrepublik Deutschland 1965: 67-68. 1970 - 1972 Fachserie 1, Reihe 2, Sonderheft 1. Allgemeine Sterbetafel f ¨ ur die Bundesrepublik Deutschland 1970/ 72. Weitere Informationen bei Meyer und R¨ uckert (1974). 1986 - 1988 Fachserie 1, Reihe 1, Sonderheft 2. Allgemeine Sterbetafel f ¨ ur die Bundesrepublik Deutschland 1986/ 88. Weitere Informationen bei Meyer und Paul (1991). 2010 - 2012 Allgemeine Sterbetafeln f ¨ ur Deutschland das fr ¨ uhere Bundesgebiet, die neuen L¨ander sowie die Bundesl¨ander, 2010/ 12, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2015. tische Bundesamt berechnet mit etwas unterschiedlichen Methoden zwei Arten von Periodensterbetafeln: Allgemeine Sterbetafeln beziehen sich auf (dreij¨ahrliche) Perioden, in deren Mitte eine Volksz ¨ ahlung stattgefunden hat. Die j ¨ unste allge- 2 Detaillierte Erkl ¨ arungen findet man in: Allgemeine Sterbetafel, Methodische Erl ¨ auterungen und Ergebnisse, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2015. Das Gl¨attungsverfahren wird ausf¨ uhrlich dargestellt in: Nieden, Rau u. a. (2016) Allgemeine Sterbetafel 2010/ 12 - Neue Ans ¨ atze zur Gl ¨ attung und Extrapolation der Sterbewahrscheinlichkeiten, Wirtschafts und Statistik, 1, 2016, S. 63-74. <?page no="54"?> 54 2 Lebensdauern und Sterbetafeln meine Sterbetafel bezieht sich auf den Zensus 2011 und umfasst die Periode 2010 - 12. Die Methoden zur Berechnung allgemeiner Sterbetafeln haben sich im Laufe der Geschichte der amtlichen Statistik oft ver ¨ andert. 2 F ¨ ur die letzten drei allgemeinen Sterbetafeln (1970 - 72, 1986 - 88 und 2010 - 12) beginnen die Berechnungen mit altersspezifischen Sterbeziffern, die in unserer Notation durch ¯ δ t,τ = ¯ d t,τ / ¯ n t,τ definiert sind, wobei sich τ auf das Alter in vollendeten Lebensjahren und t auf das Kalenderjahr bezieht. Diese Raten werden dann in folgender Weise modifiziert: q t,τ : = ¯ d t,τ ¯ n t,τ + ¯ d t,τ 2 Die ¨ Uberlegung besteht darin, dass etwa die H¨alfte der Personen, die im Alter τ sterben, durch ¯ n t,τ nicht erfasst wird und dass es deshalb sinnvoll ist, den Umfang der Risikomenge im Nenner um ¯ d t,τ / 2 zu erh¨ohen. 3 Die derart modifizierten Mortalit¨atsraten werden dann auf folgende Weise f¨ ur einen Dreijahreszeitraum zusammengefasst: q ( t ) ,τ : = ¯ d t − 1 ,τ + ¯ d t,τ + ¯ d t +1 ,τ ¯ n t − 1 ,τ + ¯ n t,τ + ¯ n t +1 ,τ + ¯ d t− 1 ,τ + ¯ d t,τ + ¯ d t +1 ,τ 2 Dabei bezieht sich t auf das mittlere Jahr, also z.B. t = 1987 bei der Sterbetafel f¨ ur die Periode 1986 - 88. Abgek ¨ urzte Sterbetafeln werden ebenfalls f ¨ ur Dreijahresperioden berechnet. Sie werden vom Statistischen Bundesamt j ¨ ahrlich seit 1957 berechnet und in der Fachserie 1 (Reihe 1) publiziert. Der wichtigste Unterschied besteht darin, dass die oben definierten Mortalit ¨ atsraten q ( t ) ,τ bei den abgek ¨ urzten Sterbetafeln unmittelbar verwendet werden, bei den allgemeinen Sterbetafeln jedoch zun¨achst mit einem aufwendigen Rechenverfahren gegl¨attet werden (vgl. Fachserie 1, Reihe 1-S.2: 13). Box 2.1 gibt eine ¨ Ubersicht ¨ uber bisher f ¨ ur Deutschland publizierte allgemeine Sterbetafeln. In allen F ¨ allen handelt es sich um Periodensterbetafeln. Bis 1932 - 34 beziehen sie sich auf das Gebiet des fr ¨ uheren Deutschen Reichs; die weiteren Sterbefafeln beziehen sich auf das Gebiet der fr¨ uheren BRD, die Sterbetafel f¨ ur 2010 - 12 auf das Gebiet nach der Wiedervereinigung. Die Tabelle 2.2 stellt die Daten der drei Sterbetafeln (1871 - 80, 1949 - 51 und 2010 - 12) in Gestalt von Survivorfunktionen 3 Dieses Verfahren wird auch als ”Sterbeziffernmethode nach Farr“ bezeichnet. Es sei auch erw¨ahnt, dass f¨ ur das Lebensalter 0 ein anderes Verfahren verwendet wird. <?page no="55"?> 2.3 Ver¨ anderungen der Lebensdauern 55 Tabelle 2.2 Survivorfunktionen in allgemeinen Sterbetafeln τ 1871 1881 l m τ 1949 1951 l m τ 2010 2012 l m τ 1871 1881 l f τ 1949 1951 l f τ 2010 2012 l f τ 0 100000 100000 100000 100000 100000 100000 1 74727 93823 99624 78260 95091 99687 2 69876 93433 99595 73280 94749 99663 3 67557 93203 99576 70892 94545 99646 4 65997 93022 99562 69295 94390 99633 5 64871 92880 99550 68126 94270 99622 6 64028 92768 99539 67249 94177 99612 7 63369 92673 99530 66572 94100 99604 8 62849 92586 99520 66035 94041 99596 9 62431 92513 99511 65599 93986 99589 10 62089 92444 99502 65237 93937 99582 11 61800 92379 99493 64926 93893 99574 12 61547 92315 99483 64649 93850 99567 13 61320 92250 99473 64390 93805 99559 14 61108 92178 99461 64136 93756 99551 15 60892 92097 99448 63878 93701 99542 16 60657 92001 99430 63609 93637 99530 17 60383 91892 99406 63322 93564 99517 18 60063 91767 99370 63013 93484 99499 19 59696 91625 99326 62681 93394 99479 20 59287 91466 99275 62324 93295 99458 21 58843 91294 99221 61941 93188 99436 22 58369 91113 99165 61534 93073 99414 23 57871 90924 99110 61102 92955 99393 24 57378 90730 99055 60648 92834 99372 25 56892 90531 99000 60174 92711 99351 26 56410 90329 98944 59680 92586 99329 27 55927 90125 98887 59170 92457 99307 28 55442 89922 98828 58647 92324 99283 29 54951 89720 98767 58111 92185 99257 30 54454 89518 98704 57566 92039 99230 31 53949 89314 98638 57010 91887 99202 32 53434 89104 98570 56445 91729 99170 33 52908 88887 98499 55869 91565 99137 34 52369 88662 98425 55282 91396 99100 35 51815 88428 98347 54685 91221 99061 36 51244 88184 98264 54078 91039 99018 37 50656 87930 98176 53462 90850 98971 38 50049 87666 98081 52837 90651 98919 39 49422 87391 97978 52207 90443 98862 40 48775 87102 97866 51576 90225 98800 41 48110 86795 97742 50946 89995 98731 wird auf der n¨achsten Seite fortgesetzt <?page no="56"?> 56 2 Lebensdauern und Sterbetafeln Tabelle 2.2 Survivorfunktionen in allgemeinen Sterbetafeln τ 1871 1881 l m τ 1949 1951 l m τ 2010 2012 l m τ 1871 1881 l f τ 1949 1951 l f τ 2010 2012 l f τ 42 47428 86468 97604 50320 89749 98654 43 46729 86120 97452 49701 89486 98568 44 46010 85746 97282 49090 89204 98471 45 45272 85342 97092 48481 88901 98363 46 44511 84902 96879 47870 88574 98240 47 43728 84417 96640 47248 88221 98103 48 42919 83883 96371 46605 87841 97948 49 42086 83294 96069 45939 87432 97775 50 41228 82648 95730 45245 86991 97581 51 40343 81945 95351 44521 86516 97366 52 39433 81186 94927 43767 86003 97128 53 38497 80371 94454 42981 85451 96865 54 37534 79497 93931 42162 84860 96578 55 36544 78562 93355 41308 84225 96266 56 35524 77560 92726 40414 83540 95928 57 34474 76490 92041 39472 82796 95564 58 33392 75352 91299 38476 81989 95171 59 32276 74141 90498 37418 81115 94748 60 31124 72852 89637 36293 80166 94291 61 29935 71474 88711 35101 79131 93796 62 28708 70003 87717 33843 77994 93258 63 27442 68437 86651 32521 76744 92675 64 26139 66772 85510 31140 75374 92045 65 24802 64999 84292 29703 73875 91364 66 23433 63110 82994 28217 72232 90634 67 22037 61104 81615 26686 70428 89854 68 20620 58985 80155 25118 68455 89025 69 19189 56751 78611 23521 66312 88142 70 17750 54394 76977 21901 63994 87199 71 16310 51903 75245 20265 61491 86185 72 14880 49278 73403 18617 58794 85083 73 13468 46529 71434 16960 55905 83873 74 12085 43666 69318 15307 52837 82531 75 10743 40700 67034 13677 49605 81031 76 9454 37644 64568 12090 46226 79349 77 8228 34524 61906 10569 42721 77460 78 7077 31372 59043 9131 39118 75343 79 6010 28222 55984 7795 35457 72980 80 5035 25106 52740 6570 31787 70356 81 4156 22059 49330 5464 28163 67458 82 3378 19118 45776 4479 24642 64275 83 2700 16324 42105 3614 21282 60800 wird auf der n¨achsten Seite fortgesetzt <?page no="57"?> 2.3 Ver¨ anderungen der Lebensdauern 57 Tabelle 2.2 Survivorfunktionen in allgemeinen Sterbetafeln τ 1871 1881 l m τ 1949 1951 l m τ 2010 2012 l m τ 1871 1881 l f τ 1949 1951 l f τ 2010 2012 l f τ 84 2120 13715 38347 2867 18132 57032 85 1635 11321 34537 2232 15225 52978 86 1236 9168 30715 1705 12582 48660 87 917 7274 26928 1276 10213 44120 88 666 5655 23232 935 8132 39419 89 474 4294 19686 671 6335 34643 90 330 3175 16352 471 4815 29894 91 225 2278 13287 323 3567 25284 92 150 1589 10539 217 2571 20927 93 97 1082 8145 142 1814 16922 94 61 719 6123 90 1253 13346 95 38 466 4471 56 846 10253 96 23 294 3169 34 559 7660 97 13 181 2180 20 361 5559 98 7 108 1456 11 227 3915 99 4 63 945 6 140 2672 100 2 36 594 3 84 1762 ( × 100.000) dar. Jeweils beginnend mit l m 0 = l f 0 = 100.000, zeigen l m τ und l f τ wie viele M ¨ anner bzw. Frauen im Alter τ noch leben. Das Symbol l wird also als Abk ¨ urzung f ¨ ur das 100.000 fache der Survivorfunktion verwendet. Außerdem wird zur Vereinfachung der Notation der Bezug auf die jeweilige Periode nicht explizit angef¨ uhrt. 2.3.2 Darstellung der Survivorfunktionen Mit Hilfe der in den Tabellen angef ¨ uhrten Daten k ¨ onnen die Ver ¨ anderungen in den Mortalit ¨ atsbedingungen bzw. Lebensdauern untersucht werden. 4 Einen ersten Eindruck erh¨alt man durch die Abbildung 2.5, in der die Survivorfunktionen der M ¨ anner und Frauen dargestellt werden. Jeweils von unten nach oben folgen die Funktionen der zeitlichen Ordnung, so dass das Ausmaß der Ver ¨ anderungen gut sichtbar wird. Zum Beispiel starben in der Periode 1871 - 81 ungef¨ahr 41 % der M¨anner und 38 % der Frauen vor ihrem 20sten Lebensjahr; diese Anteile sanken dann kontinuierlich bis auf ungef¨ahr 0,3-0,4 % in der Periode 2015 - 17. 4 Eine ausf¨ uhrliche Analyse dieser Daten (mit Ausnahme der letzten Sterbetafel f¨ ur 1986-88) findet man bei Proebsting (1984). <?page no="58"?> 58 2 Lebensdauern und Sterbetafeln Alter 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 1871_1881 1881_1890 1891_1900 1901_1910 1910_1911 1924_1926 1932_1934 1949_1951 1960_1962 1970_1972 1986_1988 1990_1992 2000_2002 2015_2017 Alter 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 1871_1881 1881_1890 1891_1900 1901_1910 1910_1911 1924_1926 1932_1934 1949_1951 1960_1962 1970_1972 1986_1988 1990_1992 2000_2002 2015_2017 Abbildung 2.5 Survivorfunktionen der M¨anner (oben) und Frauen (unten) in Deutschland, 1871 - 2015. Chronologische Ordnung. <?page no="59"?> 2.3 Ver¨ anderungen der Lebensdauern 59 Besonders groß war der R¨ uckgang der Sterblichkeit bei den neugeborenen Kindern. Die folgende Tabelle zeigt die Anteile (in %) der Neugeborenen, die w¨ahrend ihres ersten Lebensjahrs starben: Periode m¨annlich weiblich 1871 − 1881 25, 3 21, 7 1881 − 1890 24, 2 20, 7 1891 − 1900 23, 4 19, 9 1901 − 1910 20, 2 17, 0 1910 − 1911 18, 1 15, 3 1924 − 1926 11, 5 9, 4 1932 − 1934 8, 5 6, 8 1949 − 1951 6, 2 4, 9 1960 − 1962 3, 5 2, 8 1970 − 1972 2, 6 2, 0 1986 − 1988 0, 9 0, 7 2015 − 2017 0, 4 0, 3 2.3.3 Ver¨anderungen der Lebenserwartung Zur Darstellung der Ver¨anderungen k¨onnen auch die in Abschnitt 2.2.5 definierten Lebenserwartungen verwendet werden. Die Berechnung erfolgt (jeweils separat f¨ ur M¨anner und Frauen) mit der Formel M(T | T ≥ τ ) : = ∑ 100 j = τ jd j ∑ 100 j = τ d j wobei d j : = l j − l j +1 die Anzahl der im Alter j gestorbenen Personen bezeichnet. (Man k¨onnte ein halbes Jahr hinzuf¨ ugen, um zu ber¨ ucksichtigen, dass das Alter in vollendeten Lebensjahren erfasst wird.) Abbildung 2.6 zeigt, wie sich die Funktionen τ −→ M(T | T ≥ τ ) bei M¨anner und Frauen seit 1871-81 ver¨andert haben; die Kurven beginnen im Alter τ = 1 und verlaufen wieder in chronologischer Ordnung von unten nach oben. Eine erg ¨ anzende Berechnung der Lebenserwartungen Neugeborener ( τ = 0) zeigt, dass sie sich im Vergleich der Perioden 1871-81 und 2015-17 bei den M ¨ annern von 36 auf 78 und bei den Frauen von 38 auf 83 Jahre erh¨oht haben. <?page no="60"?> 60 2 Lebensdauern und Sterbetafeln Alter 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 40 50 60 70 80 90 100 1871_1881 1881_1890 1891_1900 1901_1910 1910_1911 1924_1926 1932_1934 1949_1951 1960_1962 1970_1972 1986_1988 1990_1992 2000_2002 2015_2017 Alter 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 40 50 60 70 80 90 100 1871_1881 1881_1890 1891_1900 1901_1910 1910_1911 1924_1926 1932_1934 1949_1951 1960_1962 1970_1972 1986_1988 1990_1992 2000_2002 2015_2017 Abbildung 2.6 Ver¨anderungen der Lebenserwartungen (M(T | T ≥ τ ) als Funktion des Alters τ auf der Abszisse) in Deutschland 1871 - 2015. Obere Graphik M¨anner, untere Graphik Frauen. Abbildung 2.7 stellt die Ver ¨ anderungen der Lebenserwartung auf einer historischen Zeitachse dar. F¨ ur einige ausgew¨ahlte Altersjahre (τ = 0, 10, 20, 30, 40, 50, 60, 70, 80) wird sichtbar gemacht, wie sich M(T | T ≥ τ ) im Laufe der durch die Sterbetafeln erfassten Perioden erh ¨ oht hat. Offensichtlich ist die Zunahme der Lebenserwartung bei den Neugeborenen am gr¨oßten und nimmt mit dem Alter ab. <?page no="61"?> 2.3 Ver¨ anderungen der Lebensdauern 61 Jahr 1870 1890 1910 1930 1950 1970 1990 2010 30 40 50 60 70 80 90 0 20 30 40 50 60 70 80 10 Jahr 1870 1890 1910 1930 1950 1970 1990 2010 30 40 50 60 70 80 90 0 20 30 40 50 60 70 80 10 Abbildung 2.7 Ver¨anderungen der Lebenserwartungen M(T | T ≥ τ ), berechnet f¨ ur τ = 0, 10, 20, 30, 40, 50, 60, 70, 80, in Deutschland 1871 - 2015. Obere Graphik M¨anner, untere Graphik Frauen. 2.3.4 Implikationen f¨ ur die Altersverteilung Im Allgemeinen h¨angt die Altersverteilung einer Bev¨olkerung nicht nur von den Mortalit¨atsraten ab, sondern auch von der Entwicklung der Geburten und von Migrationsvorg¨angen. Es ist deshalb nicht ohne weiteres m¨oglich, den Einfluss von Ver¨anderungen der Mortalit¨at auf die Altersverteilung zu isolieren. Man kann jedoch eine hypothetische ¨ Uberlegung anstellen, indem man annimmt, dass w¨ahrend eines l¨angeren Zeitraums <?page no="62"?> 62 2 Lebensdauern und Sterbetafeln Alter 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 0.000 0.002 0.004 0.006 0.008 0.010 0.012 0.014 0.016 0.018 0.020 0.022 1871-80 2015-17 Männer Frauen Abbildung 2.8 Aus den Sterbetafeln 1871 - 81 und 2015 - 17 abgeleitete hypothetische Altersverteilungen der M ¨ anner (durchgezogene Linien) und Frauen (gepunktete Linien). von etwa 100 Jahren jedes Jahr die gleiche Anzahl von Kindern geboren wird und entsprechend einer gegebenen, sich nicht ¨andernden Sterbetafel (Survivorfunktion) ¨ uberlebt bzw. stirbt; außerdem sollen w¨ahrend dieses Zeitraums keine Zu- oder Abwanderungen vorkommen. Dann entwickelt sich schließlich eine stabile Altersverteilung, die ausschließlich durch die in der Sterbetafel erfassten Mortalit¨atsbedingungen bestimmt wird. Zur Verdeutlichung beziehen wir uns auf eine Sterbetafel l τ und nehmen an, dass jedes Jahr 100.000 Kinder geboren werden. Offenbar ist dann die Anzahl der Personen des Alters τ , die in jedem Jahr leben, gerade gleich l τ , und ihr Anteil an allen jeweils lebenden Personen ist l τ / ∑ 100 j =0 l j . Diese Anteile liefern die durch eine Sterbetafel implizierte Altersverteilung. Abbildung 2.8 zeigt sie, getrennt f ¨ ur M ¨ anner und Frauen, f ¨ ur die Sterbetafeln der Perioden 1871 - 81 und 2015 - 17. Man erkennt, wie der korrespondierende R ¨ uckgang in der Mortalit ¨ at zu einer Ver ¨ anderung der Altersverteilung gef ¨ uhrt hat, n ¨ amlich zu einer relativen Abnahme j¨ ungerer und Zunahme ¨alterer Personen. <?page no="63"?> 2.4 Aufgaben 63 2.4 Aufgaben 1. Bei 10 Personen wurden folgende Lebensdauern ermittelt: 80, 70, 80, 75, 81, 80, 76, 75, 77, 85. Die Lebensdauervariable wird T genannt. Berechnen und interpretieren Sie: a) P(T = 80), F (80), G(80), r(80), P(T = 81 | T ≥ 80), P(T = 80 | T ≥ 80). b) M(T | T ≥ 80). 2. Es sei T eine Verweildauervariable mit der H ¨ aufigkeitsfunktion P . Zeigen Sie, wie man die Verteilungsfunktion F , die Survivorfunktion G und die Ratenfunktion r mit Hilfe der H ¨ aufigkeitsfunktion definieren kann. 3. Bei einer Gesamtheit von 20 Personen sind folgende Studiendauern (in Semestern) festgestellt worden: 2, 3, 3, 5, 5, 5, 5, 7, 7, 8, 8, 8, 8, 10, 10, 10, 12, 12, 12, 12. Die Verweildauervariable f¨ ur die Studiendauer wird T genannt. a) Erstellen Sie eine Tabelle, die die Funktionen P , F , G und r enth¨alt. b) Berechnen und interpretieren Sie: P(T ≤ 5), F (10), G(10), M(T | T ≥ 10). 4. Es sei T die Dauer von Ehen (in vollendeten Jahren). F ¨ ur alle m¨oglichen Dauern t = 0, 1, 2, . . . sei die Rate r(t) = 0, 03. a) Berechnen und interpretieren Sie F (4) und G(4). b) Zeigen Sie, wie man aus G (4) und r (4) die H ¨ aufigkeit P (4) berechnen kann. c) Berechnen und interpretieren Sie M(T | T ≤ 4). 5. Es sei T die Dauer von Arbeitslosigkeitsepisoden (in vollendeten Monaten). F ¨ ur alle m ¨ oglichen Dauern t = 0 , 1 , 2 , . . . sei die Rate r(t) = 0, 02. (a) Interpretieren Sie r(1). (b) Berechnen und interpretieren Sie P(4). (c) Wie viel Prozent der Arbeitslosen sind bis zum Ende des ersten Jahres (also w¨ahrend T < 12) aus der Arbeitslosigkeit ausgeschieden? 6. Geben Sie drei Beispiele f ¨ ur die Verwendung des Kohortenbegriffs an. 7. Bildet die Menge der Personen, die im Jahr 2000 30 Jahre alt waren, eine Geburtskohorte? Begr¨ unden Sie die Antwort. <?page no="64"?> 64 2 Lebensdauern und Sterbetafeln 8. Man erh ¨ alt die Information, dass eine Person zur Geburtskohorte 1960 geh¨ort. Was weiß man dann ¨ uber diese Person? Was weiß man dar¨ uber, wie alt diese Person geworden ist? 9. Berechnen Sie aus den Daten in den Tabellen 2.1 und 1.7 die Sterbeziffern f¨ ur M¨anner bzw. Frauen im Alter 80. 10. Berechnen Sie mit den Daten in den Tabellen 2.1 und 1.7 den Anfang einer Periodensterbetafel f¨ ur Frauen (τ = 0, . . . , 4). 11. In einer Sterbetafel findet man f¨ ur die Altersjahre 95 bis 100 die folgenden Angaben f¨ ur die noch lebenden Personen: 800, 700, 600, 400, 200, 100. Niemand wird ¨alter als 100. (a) Berechnen Sie die Sterberate der 96-j¨ahrigen. (b) Berechnen Sie die fernere Lebenserwartung der 96-j¨ahrigen. 12. Beantworten Sie mit den Daten in der Tabelle 2.2 die Frage: Wie groß war die Kindersterblichkeit im Alter 1 im Zeitraum 1871-81? 13. Berechnen Sie mit den Daten der Tabelle 2.2 die historische Entwicklung der altersspezifischen Sterberate f ¨ ur das Alter 20 (jeweils bei M¨annern und Frauen) und stellen Sie diese Entwicklung graphisch dar. 14. Berechnen Sie mit den Daten der Tabelle 2.2 die (fernere) Lebenserwartung der 95-j¨ahrigen M¨anner bzw. Frauen in den Zeitr¨aumen 1871-81 und 2010-2012. 15. In diesem Beispiel gibt es nur 4 Altersgruppen: τ = 0 , 1 , 2 , 3; die Sterbeziffern sind: δ 0 = 0 , 2, δ 1 = 0 , 1, δ 2 = 0 , 3, δ 3 = 1 , 0. (a) Berechnen Sie aus diesen Angaben eine Sterbetafel. (b) Berechnen Sie die durch die Sterbetafel implizierte Altersverteilung. <?page no="65"?> 3 Statistik der Geburten 3.1 Entwicklung der Geburtenziffern 3.1.1 Die Entwicklung seit 1950 3.1.2 Altersspezifische Geburtenziffern 3.1.3 Berechnung von Reproduktionsraten 3.2 Geburtenziffern im Kohortenvergleich 3.2.1 Geburten in einer Kohortenbetrachtung 3.2.2 Daten zur Simulation einer Kohortenbetrachtung 3.2.3 Kinderzahlen und Durchschnittsalter bei der Geburt 3.3 Daten aus retrospektiven Surveys 3.3.1 Bemerkungen zur amtlichen Geburtenstatistik 3.3.2 Nichteheliche Geburten, Kinderzahl, Bildungsabschluss und Kinderlosigkeit 3.3.3 Daten aus den Lebensverlaufsstudien 3.3.4 Alter bei der Geburt des ersten Kindes 3.3.5 Berechnungen mit rechts zensierten Daten 3.3.6 Anwendung des Kaplan-Meier-Verfahrens 3.3.7 Ver¨anderungen des Alters bei der ersten Geburt 3.3.8 Kumulierte Kohorten-Geburtenziffern 3.3.9 Verteilungen f¨ ur die Anzahl der Kinder 3.4 Aufgaben In diesem Kapitel besch ¨ aftigen wir uns mit der statistischen Erfassung von Geburten. Im ersten Abschnitt werden einige elementare Definitionen vorgestellt und mit Daten der amtlichen Statistik f¨ ur Deutschland illustriert. Dann wird zur Untersuchung von Ver¨anderungen des generativen Verhaltens ein Kohortenansatz besprochen. Schließlich wird im dritten Abschnitt zun¨achst auf einige Grenzen der amtlichen Geburtenstatistik hingewiesen, die es erforderlich machen, auch nicht-amtliche Surveys heranzuziehen; dann werden Daten aus den Lebensverlaufsstudien des Max-Planck-Instituts f¨ ur Bildungsforschung verwendet, die sich auf die Geburtskohorten von 1920 bis 1960 beziehen. <?page no="66"?> 66 3 Statistik der Geburten 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 D BRD DDR Abbildung 3.1 Anzahl Geburten (Lebendgeborene in 1000) im Gebiet der fr ¨ uheren BRD (gestrichelte Linie), der fr ¨ uheren DDR (gepunktete Linie) und Deutschland (durchgezogene Linie). Werte aus Tabelle 3.1 3.1 Entwicklung der Geburtenziffern 3.1.1 Die Entwicklung seit 1950 Wir verwenden die in Abschnitt 1.1 eingef¨ uhrten Definitionen und Notationen. Bezugnehmend auf irgendein Gebiet bezeichnet b t die im Jahr t geborenen Kinder. Tabelle 3.1 zeigt Werte dieser Gr¨oße f¨ ur die Gebiete der ehemaligen BRD (b a t ) und der ehemaligen DDR (b b t ) sowie f¨ ur ganz Deutschland (b t ). Abbildung 3.1 veranschaulicht die Entwicklung. Man erkennt deutlich einen ”Baby-Boom“ im Zeitraum von etwa 1955-65 in der fr¨ uheren BRD. Offenbar h¨angt die Anzahl der Geburten auch von der Gr¨oße der Bev¨olkerung und insbesondere von der Anzahl der Frauen im geb ¨ arf ¨ ahigen Alter ab. In der Demographie werden deshalb spezielle Geburtenziffern bzw. -raten verwendet: Die allgemeine Geburtenziffer , bei der die Anzahl der Geburten eines Jahres auf den jahresdurchschnittlichen Bev ¨ olkerungsstand bezogen wird: b t / ¯ n t . (In der englischsprachigen Literatur wird diese allgemeine Geburtenziffer auch als ” crude birth rate“ oder ” crude fertility rate“ bezeichnet.) <?page no="67"?> 3.1 Entwicklung der Geburtenziffern 67 Tabelle 3.1 Anzahl Geburten (Lebendgeborene) in Deutschland (b t ), im Gebiet der fr¨ uheren BRD (b a t ) und der fr¨ uheren DDR (b b t ). Ab 2000 b a t ohne Berlin-West, b b t ohne Berlin-Ost. Quelle: Fachserie 1, Reihe 1.1, 2009 (Tab. 1.1). t b t b a t b b t t b t b a t b b t 1950 1116701 812835 303866 1984 812292 584157 228135 1951 1106380 795608 310772 1985 813803 586155 227648 1952 1105084 799080 306004 1986 848232 625963 222269 1953 1095029 796096 298933 1987 867969 642010 225959 1954 1109743 816028 293715 1988 892993 677259 215734 1955 1113408 820128 293280 1989 880459 681537 198922 1956 1137169 855887 281282 1990 905675 727199 178476 1957 1165555 892228 273327 1991 830019 722250 107769 1958 1175870 904465 271405 1992 809114 720794 88320 1959 1243922 951942 291980 1993 798447 717915 80532 1960 1261614 968629 292985 1994 769603 690905 78698 1961 1313505 1012687 300818 1995 765221 681374 83847 1962 1316534 1018552 297982 1996 796013 702688 93325 1963 1355595 1054123 301472 1997 812173 711915 100258 1964 1357304 1065437 291867 1998 785034 682172 102862 1965 1325386 1044328 281058 1999 770744 664018 106726 1966 1318303 1050345 267958 2000 766999 655732 111267 1967 1272276 1019459 252817 2001 734475 607824 98027 1968 1214968 969825 245143 2002 719250 594099 96350 1969 1142366 903456 238910 2003 706721 581367 96631 1970 1047737 810808 236929 2004 705622 577292 98884 1971 1013396 778526 234870 2005 685795 560092 96727 1972 901657 701214 200443 2006 672724 546691 96406 1973 815969 635633 180336 2007 684862 553892 99796 1974 805500 626373 179127 2008 682514 549232 101346 1975 782310 600512 181798 2009 665126 533380 99642 1976 798334 602851 195483 2010 677947 542345 102209 1977 805496 582344 223152 2011 662685 530360 99250 1978 808619 576468 232151 2012 673544 538753 100113 1979 817217 581984 235233 2013 682069 547093 99938 1980 865789 620657 245132 2014 714927 574504 103055 1981 862100 624557 237543 2015 737575 595320 104225 1982 861275 621173 240102 2016 792141 1983 827933 594177 233756 2017 784901 Die allgemeine Geburtenrate , bei der die Anzahl der Geburten eines Jahres auf die jahresdurchschnittliche Anzahl der Frauen im geb¨arf¨ahigen Alter bezogen wird. (In der ¨alteren deutschen Literatur wird sie auch als ”allgemeine Fruchtbarkeitsziffer“ bezeichnet, in der englischsprachigen Literatur meistens als ” general birth rate“ oder ” general <?page no="68"?> 68 3 Statistik der Geburten 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 D BRD DDR Abbildung 3.2 Allgemeine Geburtenziffer im Gebiet der fr ¨ uheren BRD (gestrichelte Linie), der fr¨ uheren DDR (gepunktete Linie) und Deutschland (durchgezogene Linie). Berechnet aus den Tabellen 3.1 und 1.2 fertility rate“.) F ¨ ur die Abgrenzung des geb ¨ arf ¨ ahigen Alters gibt es keine festen Bestimmungen. Das Statistische Bundesamt verwendet unterschiedliche Abgrenzungen, oft 15-45, 15-49 oder 15-50 Jahre. Wir verwenden in allgemeinen Definitionen und Formeln die Symbole τ a und τ b f¨ ur den Beginn bzw. das Ende der reproduktiven Phase. Beide Gr ¨ oßen werden ¨ ublicherweise pro 1000 angegeben. Allgemeine Geburtenziffern k ¨ onnen unmittelbar aus den Angaben in den Tabellen 3.1 und 1.2 berechnet werden. Zum Beispiel findet man f¨ ur das Jahr 2007 f¨ ur das fr¨ uhere Bundesgebiet den Wert: 553, 892 / 65.664, 3 ( × 1000) = 8, 4, d.h. 8,4 Geburten pro 1000 der Bev¨olkerung. Abbildung 3.2 zeigt, wie sich diese Geburtenziffern seit 1950 entwickelt haben. Offenbar hat es auch in der ehemaligen DDR Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre einen ” Baby-Boom“ gegeben, der aus der Abbildung 3.1 nicht unmittelbar erkennbar ist. Die Entwicklung seit Ende des 2. Weltkriegs kann als Teil eines langfristigen R ¨ uckgangs der Geburten betrachtet werden. Abbildung 3.3 zeigt das anhand der Enwicklung der allgemeinen Geburtenrate seit 1871. 3.1.2 Altersspezifische Geburtenziffern Grundlegend f ¨ ur differenziertere Betrachtungen sind altersspezifische Geburtenziffern. Wie bei den altersspezifischen Sterbeziffern gibt es auch in diesem Fall unterschiedliche Definitionsm¨oglichkeiten. Das Statistische <?page no="69"?> 3.1 Entwicklung der Geburtenziffern 69 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 1870 1890 1910 1930 1950 1970 1990 2010 Abbildung 3.3 Entwicklung der allgemeinen Geburtenrate in Deutschland seit 1871. Die bis 1945 verf ¨ ugbaren Daten beziehen sich auf das Reichsgebiet; ab 1950 bis 1989 fr¨ uheres Bundesgebiet, ab 1990 Deutschland, bis 1969 Altersjahre 15-45, ab 1970 15-49. Quelle: Statistisches Bundesamt (1972, S. 109); Fachserie 1, Reihe 1, sowie Genesis-Online. Tabelle 3.2 Daten zur Berechnung altersspezifischer Geburtenziffern nach der Geburtsjahrmethode f ¨ ur das Jahr 2017. Quelle: Fachserie 1, Reihe 1.1 2009, Tab. 2.5 und 2.6. τ ¯ n f τ ˜b τ β τ τ ¯ n f τ ˜b τ β τ 15 367881 252 0,685 33 505949 55538 109,770 16 376356 787 2,091 34 508976 51488 101,160 17 394753 1747 4,426 35 520393 47846 91,942 18 397216 3342 8,414 36 519324 42222 81,302 19 413049 6065 14,683 37 522512 35190 67,348 20 434650 8797 20,239 38 497611 26955 54,169 21 434280 11626 26,771 39 490577 20875 42,552 22 427501 13996 32,739 40 485768 15578 32,069 23 437546 16883 38,586 41 478122 10295 21,532 24 455461 20831 45,736 42 464448 6308 13,582 25 466443 26241 56,258 43 472346 3755 7,950 26 485393 32738 67,446 44 476447 1970 4,135 27 530790 42149 79,408 45 514160 1182 2,299 28 527097 47458 90,037 46 564343 601 1,065 29 538535 54843 101,837 47 584985 309 0,528 30 528288 58140 110,054 48 625809 156 0,249 31 522536 60164 115,138 49 654763 98 0,150 32 507806 58124 114,461 <?page no="70"?> 70 3 Statistik der Geburten 14 18 22 26 30 34 38 42 46 50 0 20 40 60 80 100 120 Abbildung 3.4 Darstellung der altersspezifischen Geburtenziffern (pro 1000) nach der Geburtsjahrmethode 3.2. Bundesamt hat bis 1999 folgende Definition verwendet (die sog. Geburtsjahrmethode): ˜ β t,τ : = ˜b t,τ / ˜ n f t,τ . Im Z¨ahler steht die Anzahl der Kinder, die im Jahr t von Frauen des Geburtsjahrgangs t − τ , also im demographischen Alter τ , geboren wurden; und im Nenner steht die f¨ ur das Jahr t jahresdurchschnittliche Anzahl der Frauen, die im Jahr t − τ geboren wurden. Seit 2000 werden altersspezifische Geburtenziffern auch mit dem gew ¨ ohnlichen Alter der Frauen berechnet (die sog. Altersjahrmethode). Tabelle 3.2 zeigt Daten, mit denen die Geburtenziffern nach der Geburtsjahrmethode f¨ ur das Jahr 2017 berechnet werden k¨onnen. Die graphische Darstellung in Abbildung 3.4 zeigt deutlich, wie die Geburtenziffern vom Alter abh¨angen. 3.1.3 Berechnung von Reproduktionsraten Die allgemeine Geburtenrate kann als ein gewichteter Mittelwert der altersspezifischen Geburtenziffern verstanden werden. Somit h ¨ angt die allgemeine Geburtenrate von den altersspezifischen Geburtenziffern und der Altersverteilung der Frauen ab. Oft findet man auch Angaben zu einer zusammengefassten Geburtenziffer , die folgendermaßen definiert ist: TFR t : = ∑ τ b τ = τ a ˜ β t,τ <?page no="71"?> 3.1 Entwicklung der Geburtenziffern 71 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 D BRD DDR Abbildung 3.5 Nettoreproduktionsraten im Gebiet der ehemaligen BRD (gestrichelt), in den neuen Bundesl ¨ andern (gepunktet) und in Deutschland (durchgezogen). Quelle: Fachserie 1, Reihe 1.1. und Genesis-Online Statistisches Bundesamt (2019c). Die Abk ¨ urzung TFR verdankt sich der englischen Bezeichnung ‘total fertility rate’. Diese zusammengefasste Geburtenziffer wird meistens pro 1000 angegeben, f ¨ ur Deutschland im Jahr 2017 hat sie den Wert 1560, 8. Dies ist die Summe der nach der Geburtsjahrmethode berechneten altersspezifischen Geburtenziffern in Tabelle 3.2. Zur Interpretation kann man sich vorstellen, dass unter der Voraussetzung der zugrunde liegenden altersspezifischen Geburtenziffern eine Gesamtheit von 1000 Frauen (die bis zum Ende der reproduktiven Phase ¨ uberlebt) durchschnittlich 1561 Kinder zur Welt bringen w ¨ urde. Diese ¨ Uberlegung f ¨ uhrt zum Begriffeiner Bruttoreproduktionsrate : BRR t : = σ t,f ∑ τ b τ = τ a ˜ β t,τ wobei σ t,f der Anteil der M ¨ adchen an den Geburten im Jahr t ist. Die Berechnung st ¨ utzt sich auf die Anzahl der Geburten. Zum Beispiel wurden 2009 in Deutschland 382.374 M ¨ adchen und 402.510 Jungen geboren (Genesis-Online), somit ist σ 2017 ,f = 0.487 und σ 2017 ,m = 0, 513. Es sei angemerkt, dass das Statistische Bundesamt nicht mit einem Durchschnittswert, sondern mit nach dem Alter der M¨ utter differenzierten Geschlechterproportionen rechnet. Die Bruttoreproduktionsrate gibt also die Anzahl der M¨adchen an, die von einer Gesamtheit von 1000 Frauen im Durchschnitt geboren werden. <?page no="72"?> 72 3 Statistik der Geburten Allerdings wird bei dieser ¨ Uberlegung davon abstrahiert, dass einige Frauen bereits vor dem Ende der reproduktiven Phase (im Alter τ b ) sterben. Die Ber¨ ucksichtigung dieser Mortalit¨at f¨ uhrt zur Definition einer Nettoreproduktionsrate. Daf¨ ur werden die Werte einer Survivorfunktion G f t,τ : = ∏ τ − 1 j =0 (1 − δ f t,j ) verwendet, die den Anteil der Frauen erfasst, die im Alter τ noch leben. Somit gibt die Gr ¨ oße ∑ τ b τ = τ a ˜ β t,τ G f t,τ an, wie viele Kinder unter den angenommenen Mortalit ¨ atsbedingungen im Durchschnitt von einer Frau bis zum Ende der reproduktiven Phase geboren werden. Beschr ¨ ankt man sich auf die Geburten von M ¨ adchen, gelangt man zur Definition der Nettoreproduktionsrate: NRR t : = σ t,f ∑ τ b τ = τ a ˜ β t,τ G f t,τ Offenbar liegt auch dieser Definition eine Periodenbetrachtung (im Unterschied zu einer Kohortenbetrachtung) zugrunde. Das Statistische Bundesamt verwendet bei seinen Berechnungen Werte f¨ ur die Survivorfunktion G f t,τ , die aus einer Perioden-Sterbetafel gewonnen werden. Unter Verwendung der Sterbetafel 2015-17 und einer reproduktiven Phase von 15 bis 49 Jahren wurde z.B. f¨ ur Deutschland im Jahr 2017 ein Wert von 0, 771 berechnet (Genesis-Online). Da die Mortalit¨at der Frauen bis zum Ende der reproduktiven Phase in Deutschland sehr niedrig ist, ist dieser Wert kaum kleiner als derjenige der Bruttoreproduktionsrate. Abbildung 3.5 zeigt, wie sich die Nettoreproduktionsraten im Gebiet der ehemaligen BRD und ab 1990 in Deutschland und in den neuen Bundesl¨andern entwickelt hat. Ersichtlich lag sie ab etwa 1970 unterhalb des Wertes 1, der einer einfachen Reproduktion in einer Situation ohne Migration entsprechen w¨ urde. 3.2 Geburtenziffern im Kohortenvergleich 3.2.1 Geburten in einer Kohortenbetrachtung Im vorangegangenen Abschnitt wurde von einer Periodenbetrachtung ausgegangen, jetzt beziehen wir uns auf Kohorten. Zur Bezeichnung verwenden wir: C f t : = Gesamtheit von Frauen, die im Jahr t geboren wurden. Wie die folgende Graphik verdeutlicht, verlaufen die Lebensl ¨ aufe der Mitglieder einer solchen Geburtskohorte von Frauen auf einer historischen Zeitachse parallel: <?page no="73"?> 3.2 Geburtenziffern im Kohortenvergleich 73 historische Zeit t Alter 0 τ a τ b erstes Kind? weitere Kinder? Alle Mitglieder von C f t beginnen ihren Lebenslauf im Jahr t im Alter τ = 0, und sie k¨onnen somit im Hinblick darauf, ob und wann sie Kinder bekommen, unmittelbar verglichen werden. Um ihre Lebensdauern und ihre Geburten zu erfassen, kann folgende Variable verwendet werden: (T t , K t,τ a , . . . , K t,τ b ) : C f t −→ T ∗ × N τ b − τ a +1 Hierbei erfasst T t die Lebensdauer, so dass T t (ω) das Alter ist, in dem ω stirbt; und f ¨ ur jedes Alter τ w ¨ ahrend der reproduktiven Phase erfasst K t,τ (ω) die Anzahl der Kinder, die von ω in diesem Alter geboren werden. 1 Das Alter kann wahlweise als gew ¨ ohnliches oder als demographisches Alter bestimmt werden. Wir werden zun¨achst vom demographischen Alter ausgehen, weil sich dann einfache Parallelen zu den altersspezifischen Geburtenziffern der amtlichen Statistik herstellen lassen. Alle weiteren Gr¨oßen k¨onnen von der eben definierten Variablen abgeleitet werden. Zum Beispiel erh¨alt man durch ¯ K t,τ (ω) : = ∑ τ j = τ a K t,j (ω) die Gesamtzahl der von ω bis zum Alter τ geborenen Kinder; und durch ∑ ω ∈C f t ¯ K t,τ ( ω ) erh ¨ alt man die Gesamtzahl der von Frauen der Geburtskohorte t bis zum Alter τ geborenen Kinder. Weiterhin k ¨ onnen altersspezifische Kohorten-Geburtenziffern definiert werden. Die Bezeichnung soll auf den Unterschied zu den in Abschnitt 3.1.2 definierten Geburtenziffern hinweisen, die zur Unterscheidung auch altersspezifische Perioden-Geburtenziffern genannt werden. Wir verwenden die Definition γ t,τ : = ∑ ω ∈C f t K t,τ (ω) |{ ω ∈ C f t | T t (ω) ≥ τ }| 1 N wird in diesem Text zur Bezeichnung der nat¨ urlichen Zahlen (einschließlich Null) verwendet. Als kombinierter Merkmalsraum f¨ ur die K t,τ -Variablen kann also das aus τ b − τ a +1 Komponenten bestehende kartesische Produkt N×· · ·×N verwendet werden. <?page no="74"?> 74 3 Statistik der Geburten Tabelle 3.3 Altersspezifische Geburtenziffern (pro 1000) von Frauen der Geburtskohorten 1930, . . . , 1990. 1930 fr¨ uheres Bundesgebiet (Fachserie 1, Reihe 1, 1999: 198-200), ab 1940: Deutschland (nach Quellen des Statistischen Bundesamts). τ 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 15 0,3 0,4 0,9 0,9 0,6 0,7 0,8 16 2,1 2,4 5,3 4,6 2,5 2,9 2,6 17 10,0 11,6 21,7 14,4 7,5 6,9 5,5 18 28,9 32,2 55,5 31,8 17,4 14,0 9,9 19 52,7 67,2 98,7 55,4 33,9 24,2 16,3 20 74,6 99,5 126,3 80,7 50,8 35,2 22,4 21 96,6 133,4 134,5 92,1 55,6 43,4 27,9 22 129,2 153,4 122,4 100,6 58,8 48,8 32,5 23 138,3 168,2 113,6 103,2 62,8 54,5 38,0 24 143,7 174,0 114,4 104,0 67,5 61,9 45,6 25 144,6 170,3 112,2 108,1 74,6 67,5 55,7 26 145,8 164,9 110,4 113,0 86,3 73,9 69,8 27 145,0 150,0 105,9 113,0 94,5 81,8 28 136,4 131,7 96,6 109,3 95,1 87,3 29 130,7 111,5 87,4 100,0 97,2 91,0 30 118,1 90,7 80,0 93,9 96,4 97,7 31 107,6 75,4 68,4 78,7 89,5 100,4 32 93,6 57,0 57,7 68,9 83,3 99,8 33 84,8 42,6 46,1 58,6 77,0 96,5 34 74,5 35,3 37,2 48,6 70,4 94,4 35 62,3 27,4 31,3 41,3 60,9 87,8 36 53,0 21,8 25,7 35,1 52,2 81,3 37 42,0 16,9 20,8 29,1 45,4 38 33,5 12,3 16,2 22,0 37,0 39 25,4 9,2 11,4 16,8 28,8 40 17,7 6,7 8,9 12,6 22,6 41 12,6 4,6 5,9 8,2 15,7 42 7,5 2,9 3,7 5,3 10,0 43 4,4 1,7 2,2 3,2 6,0 44 2,3 0,9 1,3 1,7 3,3 45 1,1 0,5 0,7 0,9 1,8 46 0,6 0,3 0,3 0,5 1,1 47 0,3 0,2 0,2 0,2 48 0,1 0,1 0,1 0,1 49 0,1 0,1 0,0 0,1 Im Nenner steht die Anzahl der Frauen, die bis zum Alter τ ¨ uberleben, im Z¨ahler steht die Anzahl der Kinder, die von diesen Frauen im Alter τ geboren werden. Schließlich k¨onnen auch kumulierte Kohorten-Geburten- <?page no="75"?> 3.2 Geburtenziffern im Kohortenvergleich 75 Jahr 1945 1955 1965 1975 1985 1995 2005 2015 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 Abbildung 3.6 Altersspezifische Geburtenziffern (pro 1000) von Frauen der Geburtskohorten 1930, . . . , 1990. Daten aus Tabelle 3.3. ziffern ¯ γ t,τ : = ∑ τ j = τ a γ t,j definiert werden. Wird bis zum Ende der reproduktiven Phase kumuliert, erh¨alt man die zusammengefasste Kohorten-Geburtenziffer : ¯ γ t,τ b . 3.2.2 Daten zur Simulation einer Kohortenbetrachtung Eine Kohortenbetrachtung im strengen Sinn kann mit den Daten der amtlichen Geburtenstatistik nicht vorgenommen werden, da die altersspezifischen Geburtenziffern γ t,τ nicht ermittelt werden k ¨ onnen. Man kann jedoch versuchen, durch geeignet datierte Periodengr ¨ oßen N ¨ aherungswerte zu finden: γ t,τ ≈ γ ∗ t,τ : = ˜ β t + τ,τ Offenbar w¨aren bei einem demographischen Prozess ohne externe Migration γ t,τ und γ ∗ t,τ identisch. Tabelle 3.3 zeigt altersspezifische Geburtenziffern der amtlichen Statistik in der Form der Gr¨oßen γ ∗ t,τ (pro 1000), so dass sie unmittelbar auf unterschiedliche Geburtskohorten bezogen werden k¨onnen. Eine graphische Darstellung auf einer historischen Zeitachse erfolgt in Abbildung 3.6. Man erkennt, wie die Geburten der Kohorten aufeinander folgen und <?page no="76"?> 76 3 Statistik der Geburten 15 20 25 30 35 40 45 50 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 1930 1940 1970 1990 1950 1960 1980 Abbildung 3.7 Kumulierte altersspezifische Geburtenziffern ¯ γ ∗ t,τ (pro 1000) der Geburtskohorten t = 1930, . . . , 1990. sich ¨ uberschneiden, und es wird auch deutlich, dass bei den j ¨ ungeren Kohorten insgesamt weniger Geburten auftreten. Um genauer sichtbar zu machen, wie sich die Verteilungen der Geburtenziffern in den aufeinanderfolgenden Kohorten ver¨andert haben, ist es n ¨ utzlich, die kumulierten Geburtenziffern der Kohorten zu betrachten, mit den hier verf¨ ugbaren Daten also die Funktionen τ −→ ¯ γ ∗ t,τ : = ∑ τ j = τ a γ ∗ t,j = ∑ τ j = τ a ˜ β t + j,j Sie werden in Abbildung 3.7 dargestellt. Man erkennt nicht nur deutlicher die Unterschiede in den zusammengefassten Geburtenziffern, sondern auch Unterschiede in der zeitlichen Verteilung der Geburten w¨ahrend der reproduktiven Phase. Vergleicht man zum Beispiel die Geburtskohorten 1950 und 1960, kann man eine deutliche Verschiebung der Geburten in ein h¨oheres Alter feststellen. 2 3.2.3 Kinderzahlen und Durchschnittsalter bei der Geburt Es ist bemerkenswert, dass es keinen einfachen Zusammenhang zwischen dem durchschnittlichen Alter, in dem die Frauen einer Geburtskohorte ihre Kinder bekommen, und der Anzahl der schließlich geborenen Kinder 2 Die Entwicklung des Geburtenaufschubs sowie des Nachholprozessesin h ¨ oherem Geb¨arf¨ahigem Alter diskutiert ausf¨ uhrlich P¨otzsch (2013). <?page no="77"?> 3.2 Geburtenziffern im Kohortenvergleich 77 Tabelle 3.4 Durchschnittsalter bei der Geburt von Kindern (¯ τ t ) und bis zum Alter 45 kumulierte Kohorten-Geburtenziffern (¯ γ ∗ t, 45 , pro 1000) f¨ ur die Geburtskohorten t = 1930 , . . . , 1971. Berechnet aus altersspezifischen Geburtenziffern aus bereitgestellten Daten des Statistischen Bundesamts. t ¯ τ t ¯ γ ∗ t, 45 t ¯ τ t ¯ γ ∗ t, 45 t ¯ τ t ¯ γ ∗ t, 45 1930 27,7 2119,3 1944 25,4 1800,2 1958 26,9 1659,1 1931 27,6 2162,8 1945 25,3 1795,0 1959 27,0 1659,1 1932 27,4 2199,8 1946 25,4 1794,8 1960 27,1 1656,0 1933 27,3 2223,7 1947 25,4 1769,6 1961 27,3 1632,0 1934 27,0 2220,4 1948 25,5 1749,0 1962 27,4 1612,6 1935 26,9 2166,0 1949 25,7 1734,8 1963 27,7 1586,9 1936 26,7 2131,7 1950 25,8 1723,3 1964 27,9 1565,4 1937 26,5 2107,3 1951 25,9 1692,3 1965 28,2 1550,5 1938 26,4 2068,6 1952 26,1 1685,5 1966 28,4 1523,9 1939 26,1 2026,1 1953 26,2 1674,2 1967 28,7 1499,1 1940 25,9 1976,6 1954 26,4 1656,4 1968 28,8 1489,8 1941 25,7 1916,2 1955 26,5 1672,6 1969 28,9 1492,6 1942 25,6 1863,5 1956 26,6 1669,1 1970 29,1 1505,4 1943 25,5 1829,2 1957 26,8 1657,8 1971 29,2 1512,7 25 26 27 28 29 1500 1600 1700 1800 1900 2000 2100 2200 2300 30 32 34 36 38 40 42 44 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 46 Geburtsjahr der Kohorten Abbildung 3.8 Darstellung der Daten aus Tabelle 3.4. Die Abszisse bezieht sich auf das Durchschnittsalter bei der Geburt von Kindern, die Ordinate erfasst die bis zum Alter 45 kumulierte Geburtenziffer (pro 1000). gibt. Um das zu zeigen, verwenden wir als N¨aherungswert f¨ ur die Anzahl der Kinder die bis zum Alter 45 kumulierte Kohorten-Geburtenziffer ¯ γ ∗ t, 45 ; und als Indikator f¨ ur das durchschnittliche Alter, in dem die Frauen einer <?page no="78"?> 78 3 Statistik der Geburten Geburtskohorte t ihre Kinder bekommen, verwenden wir den Mittelwert ¯ τ t : = ∑ 45 τ =15 τ γ ∗ t,τ ∑ 45 τ =15 γ ∗ t,τ = ∑ 45 τ =15 τ β t + τ,τ ∑ 45 τ =15 β t + τ,τ Beide Gr¨oßen, ¯ γ ∗ t, 45 und ¯ τ t , k¨onnen aus den altersspezifischen Geburtenziffern der amtlichen Geburtenstatistik berechnet werden; Tabelle 3.4 zeigt ihre Werte f¨ ur die Geburtskohorten t = 1930, . . . , 1971. Die graphische Darstellung in Abbildung 3.8 zeigt nicht nur, dass das durchschnittliche Alter der Frauen bei der Geburt von Kindern zun¨achst bis zur Kohorte 1946 gesunken, dann jedoch wieder angestiegen ist; sie zeigt auch, dass der Zusammenhang mit der Anzahl der Kinder jeweils unterschiedlich ist. 3.3 Daten aus retrospektiven Surveys 3.3.1 Bemerkungen zur amtlichen Geburtenstatistik Einige wichtige Fragen konnten ¨ uber lange Zeit mit den Daten der amtlichen Geburtenstatistik nicht beantwortet werden, insbesondere: (a) Wie sieht die Verteilung des Alters bei der Geburt des ersten Kindes aus und wie hat sie sich ver ¨ andert? (b) Wie groß ist der Anteil der Frauen, die kinderlos bleiben, und wie hat sich dieser Anteil ver¨andert? (c) Wie verteilen sich die Kinderzahlen? Wie viel Prozent der Frauen haben ein, zwei oder mehr Kinder? Wie haben sich diese Verteilungen ver ¨ andert? Haupts ¨ achlich lag dies daran, dass sich die amtliche Geburtenstatistik vielfach nur auf ehelich geborene Kinder oder auf Kinder verheirateter M ¨ utter bezog. Zum Beispiel wurde nur das durchschnittliche Alter der M ¨ utter bei der Geburt ihrer ” ehelich lebendgeborenen ersten Kinder“ erfasst (Fachserie 1, Reihe 1, 1999: 54). Die Datenlage hat sich jedoch seit dem Jahr 2009 erheblich verbessert. Auf der Grundlage von ¨ Anderungen des Mikrozensusgesetzes 2005 und des Bev ¨ olkerungsstatistikgesetzes 2007 sind nun im Mikrozensus Angaben zur Geburtenfolge im Leben der M ¨ utter verf ¨ ugbar (P ¨ otzsch 2012). ”Mithilfe der neuen Angaben k¨onnen nun zum einen Indikatoren f¨ ur die komplette Geburtenfolge der M ¨ utter berechnet werden. Zum anderen k¨onnen Unterschiede zwischen den Geborenen in und außerhalb einer Ehe aufgezeigt werden.“ (P ¨ otzsch 2012, S. 90) Die neuesten Zahlen sind in der Ver¨offentlichung Kinderlosigkeit, Geburten und Familien, Ergebnisse des Mikrozensus 2016, Ausgabe 2017 des Statistischen Bundesamtes verf¨ ugbar. <?page no="79"?> 3.3 Daten aus retrospektiven Surveys 79 Tabelle 3.5 Anteile nichtehelicher Geburten (pro 100 Geburten insgesamt) in Deutschland (linke Seite) und den Gebieten der fr ¨ uheren BRD (ab 1991 ohne Berlin-West) und DDR (ab 1991 ohne Berlin-Ost) (rechte Seite). Quellen: Statistisches Bundesamt, Bev ¨ olkerung und Wirtschaft 1872-1972, S. 107-108, und Fachserie 1, Reihe 1, 2015, S. 30-32. Jahr Jahr Jahr BRD DDR Jahr BRD DDR 1841 10,6 1893 9,1 1946 16,4 19,3 1981 7,9 25,6 1842 10,9 1894 9,3 1947 11,9 15,1 1982 8,5 29,3 1843 10,8 1895 9,0 1948 10,2 12,7 1983 8,8 32,0 1844 10,1 1896 9,3 1949 9,3 11,9 1984 9,1 33,6 1845 10,6 1897 9,1 1950 9,7 12,8 1985 9,4 33,8 1846 11,0 1898 9,0 1951 9,6 13,2 1986 9,6 34,4 1847 10,7 1899 8,9 1952 9,3 13,0 1987 9,7 32,8 1848 10,0 1900 8,6 1953 8,7 13,0 1988 10,0 33,4 1849 11,1 1901 8,5 1954 8,4 13,3 1989 10,2 33,6 1850 11,6 1902 8,4 1955 7,9 13,0 1990 10,5 35,0 1851 11,5 1903 8,2 1956 7,5 13,2 1991 11,1 41,7 1852 10,9 1904 8,3 1957 7,2 13,2 1992 11,6 41,8 1853 10,6 1905 8,4 1958 6,8 12,4 1993 11,9 41,1 1854 10,9 1906 8,4 1959 6,7 12,0 1994 12,4 41,4 1855 10,4 1907 8,6 1960 6,3 11,6 1995 12,9 41,8 1856 11,2 1908 8,8 1961 6,0 11,1 1996 13,7 42,4 1857 11,6 1909 8,9 1962 5,6 10,1 1997 14,3 44,1 1858 12,1 1910 9,0 1963 5,2 9,3 1998 15,9 47,1 1859 12,3 1911 9,1 1964 5,0 9,4 1999 17,7 49,9 1860 12,1 1912 9,4 1965 4,7 9,8 2000 18,6 51,5 1861 12,0 1913 9,6 1966 4,6 10,0 2001 19,6 53,7 1862 11,8 1914 9,7 1967 4,6 10,7 2002 20,6 55,4 1863 12,3 1915 11,1 1968 4,8 11,5 2003 21,2 57,0 1864 12,2 1916 10,9 1969 5,0 12,4 2004 22,0 57,8 1865 11,9 1917 11,4 1970 5,5 13,3 2005 23,1 59,5 1866 12,0 1918 13,0 1971 5,8 15,1 2006 23,8 60,0 1867 11,3 1919 11,0 1972 6,0 16,2 2007 24,6 59,9 1868 10,9 1920 11,2 1973 6,3 15,6 2008 25,8 60,7 1869 10,2 1921 10,6 1974 6,3 16,3 2009 26,5 61,0 1870 10,1 1922 10,5 1975 6,1 16,1 2010 27,0 61,2 1871 9,8 1923 10,2 1976 6,3 16,2 2011 27,7 61,7 1872 8,8 1924 10,3 1977 6,5 15,8 2012 28,4 61,6 1873 9,1 1925 11,7 1978 7,0 17,3 2013 28,9 61,6 1874 8,6 1926 12,3 1979 7,1 19,6 2014 29,2 61,3 1875 8,6 1927 12,2 1980 7,6 22,8 2015 29,5 60,7 1876 1928 12,1 1877 8,6 1929 12,0 1878 8,6 1930 11,9 1879 8,8 1931 11,6 1880 1932 11,5 1881 9,0 1933 10,6 1882 9,2 1934 8,5 1883 9,1 1935 7,8 1884 9,4 1936 7,7 1885 9,4 1937 7,7 1886 9,4 1938 7,6 1887 9,3 1939 7,7 <?page no="80"?> 80 3 Statistik der Geburten 1840 1860 1880 1900 1920 1940 1960 1980 2000 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 Deutsches Reich, Deutschland BRD DDR, Neue Bundesländer Abbildung 3.9 Graphische Darstellung der Daten ¨ uber die Anteile nichtehelicher Geburten aus Tabelle 3.5. 3.3.2 Nichteheliche Geburten, Kinderzahl, Bildungsabschluss und Kinderlosigkeit Um deutlich zu machen, wie problematisch die Fokussierung auf eheliche Geburten war, werfen wir einen kurzen Blick auf die Entwicklung der nichtehelichen Geburten. Tabelle 3.5 zeigt, wie sich die Anteile nichtehelicher Geburten seit 1841 entwickelt haben, Abbildung 3.9 zeigt sie in graphischer Darstellung. Man erkennt, dass bis etwa 1933 die Anteile bei etwa 10 Prozent lagen. 3 Ein erheblicher Anstieg nichtehelicher Geburten begann dann Mitte der 1960er Jahre, besonders im Gebiet der fr¨ uheren DDR, wo inzwischen ein Anteil von ¨ uber 60 % erreicht ist (vgl. auch Huinink 1998). Zumindest f ¨ ur die statistische Erfassung und f ¨ ur sozialstrukturelle Analysen wird somit eine Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Geburten zunehmend obsolet. Tabelle 3.6 zeigt die Anteile (in Prozent) der M ¨ utter f ¨ ur zusammengefasste Kohorten aus jeweils f¨ unf Geburtsjahren nach Zahl der geborenen Kinder. Daneben ist auch die durchschnittliche Kinderzahl je Mutter nach Geburtsjahrg ¨ angen. Die Daten beziehen sich auf Deutschland im Jahr 2016. D.h. die M¨ utter der Geburtsjahre 1967-1971 waren 2016 mindestens 45 Jahre alt, so dass die f ¨ ur diese M ¨ utter und die aus fr ¨ uheren 3 Tats¨achlich war der Anteil in fr¨ uheren Zeiten teilweise noch erheblich gr¨oßer. Zum Beispiel dokumentiert Lindner (1900, S. 217) einen Anteil von etwa 20 % nichtehelicher Geburten f ¨ ur das K ¨ onigreich Bayern w ¨ ahrend des Zeitraums 1825 -1868. Eine Diskussion der Ver¨anderungen, die w¨ahrend des 19. Jahrhunderts stattfanden, findet man bei Kottmann (1987). <?page no="81"?> 3.3 Daten aus retrospektiven Surveys 81 Tabelle 3.6 Anteile der Frauen nach Kinderzahl und durchschn. Kinderzahl Geburtsjahr Alter n 0 K. 1 K. 2 K. 3+ K. Durch. K.zahl. 1992-1996 20-24 840 83,9 11,3 3,5 0,7 1,3 1987-1991 25-29 1887 67,9 19,7 9,3 2,6 1,5 1982-1986 30-34 2290 43,1 27,2 21,4 7,3 1,7 1977-1981 35-39 2321 25,9 25,5 33,2 13,4 1,9 1972-1976 40-44 2300 21,3 22,5 34,7 15,7 2,0 1967-1971 45-49 2916 20,4 23,9 35,1 14,8 2,0 1962-1966 50-54 3223 19,3 23,6 37,0 15,7 2,0 1957-1961 55-59 2833 17,3 22,6 39,4 17,9 2,0 1952-1956 60-64 2505 15,5 24,8 39,7 18,2 2,0 1947-1951 65-69 2170 13,7 25,9 40,8 18,2 2,0 1941-1946 70-75 2266 12,2 24,9 39,7 22,1 2,1 Geburtsjahren die durchschnittliche Kinderzahl mit der endg¨ ultigen Kinderzahl weitgehend ¨ ubereinstimmt. Es ist erkennbar, dass der Anteil der kinderlosen Frauen und der M¨ utter mit nur einem Kind von ¨alteren zu j¨ ungeren Kohorten zunimmt und die Anteile der M¨ utter mit 2 und 3 und mehr Kindern abnehmen. Tabelle 3.6 zeigt die Anteile der Frauen mit einem, zwei, drei oder mehr Kindern und der Kinderlosen f ¨ ur Deutschland im Jahr 2016 f ¨ ur verschiedene Gruppen von Geburtskohorten. Dabei werden die Ergebnisse auch f¨ ur drei Bildungsgruppen ausgewiesen. Gruppe 1 (Niedrige Bildung): Z.B. ein Haupt-/ Realschulabschluss, Polytechnische Oberschule und ohne beruflichen Abschluss bzw. ohne Bildungsabschluss, Gruppe 2 (Mittlere Bildung): Z.B. ein berufsqualifizierender Abschluss und/ oder das Abitur bzw. die Fachhochschulreife, Schule des Gesundheitswesens, Gruppe 3 (Hohe Bildung): Z.B. ein akademischer Abschluss oder ein Meister- / Technikerbzw. Fachschulabschluss. Es zeigt sich zum einen, dass die Anteile der Frauen mit niedrigem Bildungsabschluss von fr¨ uheren zu sp¨ateren Kohorten deutlich abnehmen und die Anteile der Frauen mit hohem Bildungsabschluss zunehmen (siehe Tabelle 3.7). Der Vergleich der Anteile der Frauen nach der Kinderzahl zeigt, dass bei Frauen mit niedrigem Bildungsabschluss der Anteil der M¨ utter mit 3 oder mehr Kindern deutlich ¨ uber diesem Anteil bei Frauen mit hohem Bildungsabschluss liegt. f¨ ur die Kohorten 1967-1971 z.B. liegt der Anteil der Frauen mit 3 oder mehr Kindern bei Frauen mit niedrigem Bildungsabschluss bei 28.0% im Vergleich zu 12.4% bei Frauen mit hohem Bildungsabschluss. Die Anteile der kinderlosen Frauen betragen demgegen¨ uber 16.3% und 24.4%. <?page no="82"?> 82 3 Statistik der Geburten Tabelle 3.7 Anteile der Frauen nach Kinderzahl und Bildungsabschluss. Bildungsabschluss: niedrig mittel hoch Geburtsjahr Alter Ant. 0 K. 1 K. 2 K. 3+ K. Ant. 0 K. 1 K. 2 K. 3+ K. Ant. 0 K. 1 K. 2 K. 3+ K. 1992-1996 20-24 24,5 61,2 23,8 10,7 0,0 67,5 90,7 7,8 1,2 0,0 8,0 97,0 0,0 0,0 0,0 1987-1991 25-29 13,7 36,8 24,8 24,8 11,6 59,2 67,4 22,4 8,7 1,5 27,1 84,9 11,5 2,7 0,0 1982-1986 30-34 13,2 21,8 21,1 30,4 24,4 54,7 39,7 30,2 24,1 6,0 32,0 58,0 24,8 13,4 2,5 1977-1981 35-39 14,3 16,8 15,6 30,6 30,3 56,0 24,1 27,9 35,4 12,3 29,6 34,0 26,0 30,2 7,6 1972-1976 40-44 15,3 13,9 15,3 30,0 31,7 58,9 21,5 24,7 35,6 12,9 25,8 25,1 21,6 35,8 12,8 1967-1971 45-49 14,1 16,3 18,3 29,5 28,0 62,8 19,9 25,6 36,5 12,7 23,1 24,4 23,0 34,8 12,4 1962-1966 50-54 14,6 16,4 18,6 30,3 28,6 63,8 18,5 24,6 39,1 13,9 21,6 23,7 23,8 35,4 12,2 1957-1961 55-59 16,2 16,2 18,6 33,4 27,9 63,1 16,1 23,6 41,2 16,7 20,8 21,6 23,0 38,9 13,4 1952-1956 60-64 18,3 13,3 19,7 35,8 28,6 61,0 14,7 26,7 40,7 16,4 20,7 20,1 23,7 40,2 14,1 1947-1951 65-69 23,4 11,0 20,9 37,2 28,7 60,0 13,5 28,2 41,9 15,2 16,6 18,0 24,4 42,1 14,1 1941-1946 70-75 27,1 9,6 20,2 37,3 31,4 58,7 12,3 26,7 41,0 18,9 14,2 16,8 26,5 38,6 16,8 <?page no="83"?> 3.3 Daten aus retrospektiven Surveys 83 Tabelle 3.8 Lebendgeburtenfolge, durchschnittliches Alter der M¨ utter. Jahr 1. Kind 2. kind 3. Kind 4.+ Kind 2009 28,8 31,3 32,8 34,2 2010 28,9 31,4 32,8 34,2 2011 29,1 31,5 33,0 34,2 2012 29,2 31,6 33,0 34,2 2013 29,3 31,7 33,0 34,2 2014 29,5 31,8 33,0 34,2 2015 29,6 31,8 33,0 34,1 2016 29,6 31,8 32,9 33,9 2017 29,8 31,9 33,0 34,0 Tabelle 3.9 Anteil der Kinderlosen f¨ ur Geburtskohorten. Jahr D FB NL Jahr D FB NL Jahr D FB NL 1933 12,0 12,0 8,0 1945 12,4 12,6 7,3 1957 16,7 18,0 7,1 1934 12,0 11,0 9,0 1946 12,5 12,8 5,6 1958 16,6 17,5 7,7 1935 11,0 10,0 8,0 1947 12,5 12,7 7,1 1959 16,8 18,0 7,3 1936 12,0 11,0 8,0 1948 13,3 13,5 7,8 1960 17,5 18,8 7,6 1937 11,0 10,3 8,8 1949 13,9 14,2 7,0 1961 18,3 19,7 7,6 1938 10,5 10,2 8,0 1950 13,5 14,2 6,5 1962 17,9 19,1 9,3 1939 11,0 10,7 8,0 1951 14,6 15,2 7,3 1963 18,6 19,8 8,8 1940 11,4 11,4 7,1 1952 14,8 15,8 6,4 1964 19,7 21,0 10,2 1941 11,6 11,8 7,5 1953 15,1 16,3 6,4 1965 20,3 21,5 10,9 1942 12,2 12,3 8,2 1954 15,5 16,7 6,6 1966 20,0 21,1 11,2 1943 12,0 12,2 7,7 1955 15,9 17,1 6,8 1967 20,8 22,0 10,5 1944 11,9 12,3 7,4 1956 16,5 17,6 7,0 Tabelle 3.8 zeigt das Durchschnittsalter der M¨ utter bei der Geburt des ersten, zweiten, dritten und vierten (und weiterer) Kindes. Im Laufe der betrachteten 9 Jahre hat sich insbesondere das Durchschnittsalter der M ¨ utter bei der Geburt des ersten Kindes deutlich erh ¨ oht (2009: 28,8, 2017: 29,9). F ¨ ur das zweite und dritte Kind sind die Durschnittsalter lediglich um 0,6 und 0,2 Jahre angestiegen. Das Durchschnittsalter beim vierten (oder weiteren) Kind ist sogar leicht gesunken, von 34,2 auf 34,0 Jahre. Tabelle 3.9 zeigt f¨ ur die Geburtsjahrg¨ange 1933 bis 1967 den Anteil der kinderlosen Frauen, f¨ ur Deutschland, als auch f¨ ur das Fr¨ uhere Bundesgebiet (ohne Berlin-West) und f¨ ur die Neuen L¨ander (ohne Berlin-Ost). Der Anteil hat von 12,0% f¨ ur die Geburtskohorte 1933 bis auf 20,8% f¨ ur die Kohorte von 1967 zugenommen. Bemerkenswert ist die große Differenz zwischen dem Anteil der kinderlosen Frauen im Fr¨ uheren Bundesgebiet (2017: 22.0% und den ostdeutschen Fl¨achenl¨andern (2017: 10.5%). <?page no="84"?> 84 3 Statistik der Geburten 3.3.3 Daten aus den Lebensverlaufsstudien Die Grenzen der amtlichen Geburtenstatistik machen es erforderlich, auf Daten aus nicht-amtlichen Surveys zur¨ uckzugreifen. Im Folgenden verwenden wir Daten aus Lebensverlaufsstudien, die am Max-Planck-Institut f¨ ur Bildungsforschung unter der Leitung von Karl Ulrich Mayer durchgef¨ uhrt wurden. Es handelt sich um eine Serie retrospektiver Surveys, in denen Mitglieder ausgew ¨ ahlter Geburtskohorten ¨ uber zentrale Ereignisse und Bedingungen ihrer bisherigen Lebensverl¨aufe befragt wurden. Die Daten sind gut dokumentiert und f ¨ ur die Forschung verf ¨ ugbar. Im Folgenden verwenden wir nur Daten aus den ¨alteren westdeutschen Teilstudien: 4 Die Daten des ersten Surveys ( LV I ) wurden w¨ahrend der Jahre 1981 - 83 erhoben und beziehen sich auf 2171 Personen der Geburtskohorten 1929 - 31, 1939 - 41, und 1949 - 51. Die Daten eines zweiten Surveys ( LV II ) beziehen sich auf Personen der Geburtskohorten 1919 - 21. Zuerst wurden im Zeitraum 1985 - 86 407 Personen befragt ( LV IIA ), dann im Zeitraum 1987 - 88 weitere 1005 Personen ( LV IIT ). Daten eines dritten Surveys ( LV III ) wurden 1989 erhoben und beziehen sich auf 2008 Personen der Geburtskohorten 1954 - 56 und 1959 - 61. Die Daten wurden im Gebiet der ehemaligen BRD erhoben und umfassen Personen mit einer deutschen Staatsangeh ¨ origkeit. F ¨ ur die folgenden Berechnungen beziehen wir uns auf die in den Surveys LV I, LV IIT, und LV III (nur Geburtsjahre 1959 - 61) erfassten Frauen. Folgende Tabelle zeigt unsere Notation f¨ ur die Geburtskohorten und die Fallzahlen (drei der 632 Frauen der Geburtskohorte C20 haben keine g¨ ultigen Geburtsjahre f¨ ur ihre Kinder angegeben und werden aus den weiteren Berechnungen ausgeschlossen): Geburtskohorte Geburtsjahre M¨anner Frauen Interviews C20 1919 − 21 373 632 1987 − 88 C30 1929 − 31 349 359 1981 − 83 C40 1939 − 41 375 355 1981 − 83 C50 1949 − 51 365 368 1981 − 83 C60 1959 − 61 512 489 1989 4 Einen ¨ Uberblick gibt Wagner (1996)). <?page no="85"?> 3.3 Daten aus retrospektiven Surveys 85 Es soll untersucht werden, wie sich das Alter bei der Geburt des ersten Kindes und die H ¨ aufigkeitsverteilungen der Kinder in der historischen Abfolge der Kohorten ver¨andert haben. 5 3.3.4 Alter bei der Geburt des ersten Kindes Wir beginnen mit Daten zum Alter bei der Geburt des ersten Kindes. Zur formalen Repr¨asentation dieser Daten kann f¨ ur jede Geburtskohorte eine zweidimensionale statistische Variable (T c , D c ) : Ω c −→ T 0 × D verwendet werden. Ω c ist die Referenzmenge der Frauen der Geburtskohorte c (C20, . . . , C60). D c mit dem Merkmalsraum D : = { 0, 1 } erfasst, ob eine Frau mindestens ein Kind geboren hat (D c = 1) oder ob das bisher nicht der Fall gewesen ist (D c = 0); 6 und T c mit dem Merkmalsraum T 0 : = { 0 , 1 , 2 , . . . } erfasst das Alter bei der Geburt des ersten Kindes (wenn D = 1 ist) oder das Alter zum Interviewzeitpunkt (wenn D = 0 ist). Tabelle 3.10 zeigt die Verteilungen dieser Variablen in Form absoluter H ¨ aufigkeiten. Man erkennt zum Beispiel, dass 68 Frauen der Geburtskohorte C20 bei der Geburt ihres ersten Kindes 24 Jahre alt waren, 41 Frauen waren 25 Jahre alt usw. Insgesamt hatten in dieser Geburtskohorte 520 Frauen mindestens ein Kind und 109 Frauen blieben bis zum Interviewzeitpunkt kinderlos. Bei den ¨ alteren Geburtskohorten kann man annehmen, dass die reproduktive Phase zum Interviewzeitpunkt bereits abgeschlossen ist, so dass sich auch Anteile der kinderlos gebliebenen Frauen unmittelbar sch¨atzen lassen: 17 % in der Kohorte C20 und 11 % in der Kohorte C30. Bei den j ¨ ungeren Kohorten muss jedoch ber ¨ ucksichtigt werden, dass die Daten unvollst¨andig sind, weil die reproduktive Phase zum Interviewzeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist. 5 Es sei erw¨ahnt, dass die Lebensverlaufsdaten bereits in zahlreichen fr¨ uheren Arbeiten zur Untersuchung dieser und ¨ahnlicher Fragen verwendet worden sind; man vgl. etwa Huinink (1987),Huinink (1988),Huinink (1989),Blossfeld und Huinink (1989),Tuma und Huinink (1990). 6 Die Lebensverlaufsdaten erlauben, zwischen eigenen, adoptierten und Stiefkindern zu unterscheiden. In den folgenden Untersuchungen beziehen wir uns nur auf eigene Kinder der Frauen. <?page no="86"?> 86 3 Statistik der Geburten Tabelle 3.10 Daten aus den Lebensverlaufsstudien zum Alter bei der Geburt des ersten Kindes (d = 1) bzw. zum Interviewzeitpunkt (d = 0) C20 C30 C40 C50 C60 τ d = 1 d = 0 d = 1 d = 0 d = 1 d = 0 d = 1 d = 0 d = 1 d = 0 15 1 16 1 3 3 17 2 1 5 4 6 18 11 5 15 10 10 19 21 16 21 30 16 20 28 23 21 34 14 21 37 23 25 36 22 22 60 29 36 26 24 23 60 22 40 22 17 24 68 21 37 16 21 25 41 32 21 13 27 26 35 32 23 20 26 27 28 31 13 22 35 12 28 28 16 21 14 27 85 29 22 17 6 12 8 80 30 15 16 10 13 21 1 54 31 15 7 5 3 22 32 7 11 8 3 35 33 10 5 3 1 8 34 7 8 35 5 3 2 36 7 1 2 37 5 2 38 3 1 39 1 40 3 7 41 1 11 42 13 43 8 50 9 51 16 52 7 53 6 66 4 67 47 68 34 69 24 Insg. 520 109 321 38 316 39 282 86 258 231 3.3.5 Berechnungen mit rechts zensierten Daten Unvollst¨andige Daten dieser Art treten sehr oft auf, wenn man Episodendauern (wie z.B. Dauern von Arbeitslosigkeitsepisoden, Ehedauern oder <?page no="87"?> 3.3 Daten aus retrospektiven Surveys 87 Zeitdauern bis zur Geburt des erstens Kindes) mit Hilfe retrospektiver Surveys ermitteln m¨ochte; stets dann, wenn bei einer Person ein Ereignis, durch das die Episode beendet wird, bis zum Interviewzeitpunkt noch nicht eingetreten ist, aber sp¨ater noch eintreten kann. Man spricht dann von rechts zensierten Daten. Zu ¨ uberlegen ist, ob bzw. wie man auch mit teilweise rechts zensierten Daten zu informativen Einsichten gelangen kann. Die Antwort h ¨ angt auch von der zeitlichen Lagerung der zensierten Daten ab. Als Beispiel betrachten wir die Angaben zur Kohorte C60 in Tabelle 3.10. Offenbar kann man die Verteilung des Alters bei der Geburt des ersten Kindes bis zu einem Alter von 26 Jahren problemlos berechnen. Schwierig wird es erst ab dem Alter 27, denn die 12 Frauen, die zur Zeit des Interviews 27 Jahre alt und kinderlos sind, k ¨ onnten sp ¨ ater noch ihr erstes Kind bekommen. In vielen F ¨ allen ist es dennoch sinnvoll m ¨ oglich, die Berechnungen bis zu demjenigen Alter (oder allgemein bis zu derjenigen Episodendauer) auszudehnen, f ¨ ur das die letzte vollst ¨ andige Beobachtung vorliegt. In unserem Beispiel w¨are dies das Alter 30. Dar¨ uber hinaus stehen nat¨ urlich keine Informationen mehr zur Verf¨ ugung, so dass sich auch mit den Daten der Tabelle 3.10 nicht sch¨atzen l¨asst, welcher Anteil der Frauen aus der Kohorte C60 am Ende der reproduktiven Phase kinderlos bleibt. Verwendet wird das sogenannte Kaplan-Meier-Verfahren (zur Sch¨atzung von Verweildauerverteilungen mit teilweise rechts zensierten Daten). Dieses Verfahren gibt es in unterschiedlichen Varianten. Wir besprechen zun ¨ achst die einfachste Variante und gehen erst im n ¨ achsten Unterabschnitt auf einige Komplikationen ein, die bei unserem gegenw ¨ artigen Anwendungsfall auftreten. Bei der einfachsten Variante des Verfahrens wird angenommen, dass die Episoden, f¨ ur deren Dauer man sich interessiert, f¨ ur alle Mitglieder einer Gesamtheit Ω definiert sind und einen bestimmten (obwohl m¨oglicherweise nicht bekannten) Wert haben. Somit gen¨ ugt zur theoretischen Erfassung der Episodendauern eine einfache Verweildauervariable ˆ T : Ω −→ T 0 : = { 0, 1, 2, . . . } W ¨ urde man f ¨ ur jedes Mitglied ω ∈ Ω die Verweildauer ˆ T ( ω ) kennen, k ¨ onnte man offenbar die Verteilung von ˆ T sogleich berechnen. Jetzt nehmen wir jedoch an, dass die verf¨ ugbaren Daten teilweise rechts zensiert <?page no="88"?> 88 3 Statistik der Geburten sind. Die Daten sind somit durch eine zweidimensionale Variable (T , D) : Ω −→ T 0 × D gegeben, wobei die Komponente T die bisherige Verweildauer erfasst und die Komponente D angibt, ob es sich um eine vollst¨andige oder um eine rechts zensierte Beobachtung handelt. Somit ergibt sich folgender Zusammenhang zur eigentlich interessierenden Variablen ˆ T : Wenn D(ω) = 1 ist, liegt eine vollst¨andige Beobachtung vor und es ist T (ω) = ˆ T (ω). Wenn D(ω) = 0 ist, liegt eine rechts zensierte Beobachtung vor und es ist T (ω) ≤ ˆ T (ω). Geht man von einer diskreten Zeitachse mit relativ groben Zeitstellen aus, wie z.B. Monaten oder Jahren, sollte auch die M¨oglichkeit T (ω) = ˆ T (ω) zugelassen werden. Die Frage ist, was sich mit den durch ( T , D ) gegebenen Daten ¨ uber die Verteilung von ˆ T aussagen l ¨ asst. Das Kaplan-Meier-Verfahren geht von einem Zusammenhang zwischen der Survivorfunktion ˆ G(t) und der Ratenfunktion ˆ r ( t ) aus (beide definiert f ¨ ur die Variable ˆ T ), der bereits in Abschnitt 2.1.3 besprochen wurde: ˆ G(t) = ∏ t − 1 j =0 (1 − ˆ r(j)) (3.1) Die Idee besteht darin, Werte der Ratenfunktion ˆ r(t) mit Hilfe der durch ( T , D ) gegebenen Daten zu sch ¨ atzen, wobei angenommen wird, dass folgender Zusammenhang n¨aherungsweise zutreffend ist: ˆ r(t) = |{ ω ∈ Ω | ˆ T (ω) = t }| |{ ω ∈ Ω | ˆ T (ω) ≥ t }| ≈ ˆ r ∗ (t) : = |{ ω ∈ Ω | T (ω) = t, D(ω) = 1 }| |{ ω ∈ Ω | T (ω) ≥ t }| Geht man von dieser N¨aherung aus, erh¨alt man durch ˆ G ∗ (t) : = ∏ t − 1 j =0 (1 − ˆ r ∗ (j)) eine Sch ¨ atzung f ¨ ur die Survivorfunktion ˆ G ( t ) und somit auch f ¨ ur alle anderen Charakterisierungen der Verteilung von ˆ T . <?page no="89"?> 3.3 Daten aus retrospektiven Surveys 89 3.3.6 Anwendung des Kaplan-Meier-Verfahrens Bei dem einfachen Kaplan-Meier-Verfahren, das im vorangegangenen Unterabschnitt besprochen wurde, wird angenommen, dass es f ¨ ur alle Mitglieder einer Referenzgesamtheit Ω eine bestimmte Episodendauer gibt, die durch eine einfache Verweildauervariable ˆ T repr¨asentiert werden kann. Unser Anwendungsfall ist jedoch komplizierter, da nicht alle Frauen mindestens ein Kind zur Welt bringen und einige Frauen bereits vor dem Ende der reproduktiven Phase sterben. Tats¨achlich ist f¨ ur das Sch¨atzproblem nur die Sterblichkeit vor dem Ende der reproduktiven Phase von Bedeutung. Denn wenn man annimmt, dass alle Mitglieder der Referenzmenge Ω bis zum Alter τ b (dem Ende der reproduktiven Phase) ¨ uberleben, gen ¨ ugt es, eine einfache Verweildauervariable ˆ T zu betrachten, die folgendermaßen definiert ist: Wenn ˆ T ( ω ) ≤ τ b ist, ist dies das Alter bei der Geburt des ersten Kindes, andernfalls die Lebensdauer von ω . Bei dieser Definition liefert der Wert der Verteilungsfunktion ˆ F ( τ b ) den Anteil der Frauen mit mindestens einem Kind, und durch 1 − ˆ F ( τ b ) erh ¨ alt man den Anteil der Frauen, die kinderlos bleiben. Zwar k¨onnen diese Anteile nicht korrekt gesch¨atzt werden, wenn bereits vor dem Ende der reproduktiven Phase eine gr¨oßere Anzahl rechts zensierter Beobachtungen vorkommt. Dennoch kann bis zum h¨ochsten Alter, das in den Daten f¨ ur die Geburt eines Kindes auftritt, die Verteilungsfunktion ˆ F (t) gesch¨atzt werden; denn sie ist durch die Gleichung ˆ F (t) = 1 − ˆ G(t + 1) mit der Survivorfunktion ˆ G(t) verkn¨ upft, die sich mit Hilfe des einfachen Kaplan-Meier-Verfahrens sch¨atzen l¨asst. Um diesen Gedankengang zu verfolgen, nehmen wir an, dass unsere Daten aus einer Referenzmenge stammen, deren Mitglieder bis zum Ende der reproduktiven Phase (oder auch nur bis zum h¨ochsten beobachteten Alter bei der Geburt eines ersten Kindes) ¨ uberleben. 7 Tabelle 3.11 illustriert die Berechnungen, wobei auf Daten f¨ ur die Kohorte C50 aus der Tabelle 3.10 Bezug genommen wird. Die Werte der gesch ¨ atzten Survivorfunktion k ¨ onnen unmittelbar interpretiert werden. Zum Beispiel bedeutet ˆ G ∗ (30) = 0 , 2880, dass etwa 7 Da die Sterblichkeit von Frauen bis zum Ende der reproduktiven Phase in Deutschland sehr gering ist, erscheint diese Annahme relativ unproblematisch. In anderen <?page no="90"?> 90 3 Statistik der Geburten Tabelle 3.11 Anwendung des Kaplan-Meier-Verfahrens zur Berechnung einer Survivorfunktion f ¨ ur das Alter bei der Geburt des ersten Kindes. Die Daten beziehen sich auf die Kohorte C50 in der Tabelle 3.10. noch Anzahl zensierte t kinderlos Geburten F¨alle ˆ r ∗ (t) 1 − ˆ r ∗ (t) ˆ G ∗ (t) 16 368 3 0 0,0082 0,9918 1,0000 17 365 4 0 0,0110 0,9890 0,9918 18 361 10 0 0,0277 0,9723 0,9809 19 351 30 0 0,0855 0,9145 0,9537 20 321 34 0 0,1059 0,8941 0,8722 21 287 36 0 0,1254 0,8746 0,7798 22 251 26 0 0,1036 0,8964 0,6820 23 225 22 0 0,0978 0,9022 0,6114 24 203 16 0 0,0788 0,9212 0,5516 25 187 13 0 0,0695 0,9305 0,5081 26 174 20 0 0,1149 0,8851 0,4728 27 154 22 0 0,1429 0,8571 0,4185 28 132 14 0 0,1061 0,8939 0,3587 29 118 12 0 0,1017 0,8983 0,3206 30 106 13 21 0,1226 0,8774 0,2880 31 72 3 22 0,0417 0,9583 0,2527 32 47 3 35 0,0638 0,9362 0,2422 33 9 1 8 0,1111 0,8889 0,2267 34 0,2015 29 % der Frauen der Geburtskohorte C50 im Alter 30 noch kinderlos sind; umgekehrt haben bereits etwa 71 % mindestens ein Kind zur Welt gebracht. 3.3.7 Ver¨anderungen des Alters bei der ersten Geburt Die im vorangegangenen Unterabschnitt erl¨auterten Berechnungen k¨onnen f¨ ur alle in Tabelle 3.10 unterschiedenen Kohorten durchgef¨ uhrt werden, so dass man Hinweise auf Ver ¨ anderungen erh ¨ alt. Abbildung 3.10 zeigt die berechneten Survivorfunktionen, also die Anteile der Frauen, die bis zum jeweiligen Alter noch kinderlos sind. Folgende Punkte erscheinen bemerkenswert: Bis zu einem Alter von etwa 27 Jahren sind die Survivorfunktionen bei den Kohorten C20 und C30 sehr ¨ ahnlich. Ab diesem Alter, also Anwendungsf¨allen, wie z.B. bei der Sch¨atzung von Ehedauern, m¨ ussen jedoch Mortalit¨atsprozesse explizit ber¨ ucksichtigt werden (vgl. Rohwer 2006). <?page no="91"?> 3.3 Daten aus retrospektiven Surveys 91 15 20 25 30 35 40 45 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 C20 C30 C40 C50 C60 Abbildung 3.10 Survivorfunktionen f ¨ ur das Alter bei der Geburt des ersten Kindes, berechnet mit den Daten aus Tabelle 3.10. etwa Ende der 1950er Jahre, entsteht bei der Kohorte C30 ein vergleichsweise deutlich h¨oherer Anteil von Frauen mit mindestens einem Kind. Schließlich ist der Anteil kinderloser Frauen in der Kohorte C30 deutlich kleiner als in der Kohorte C20. Verglichen mit C30, beginnen die Frauen der Kohorte C40 in einem j¨ ungeren Alter mit der Geburt von Kindern. In beiden Kohorten gibt es aber schließlich einen ¨ahnlich großen Anteil, etwa 90 %, von Frauen, die mindestens ein Kind zur Welt gebracht haben. ¨ Ahnlich wie in der Kohorte C40 beginnen auch die Frauen der Kohorte C50 mit der Geburt von Kindern in vergleichsweise jungen Jahren. Beginnend etwa in der Mitte der 1960er Jahre sinken jedoch die Geburtenraten, und man kann annehmen, dass (im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Kohorten) ein erheblich gr¨oßerer Anteil der Frauen der Geburtskohorte C50 schließlich kinderlos bleibt. Schließlich beginnen die Frauen der Kohorte C60 noch sp¨ater mit der Geburt von Kindern, und man kann wiederum vermuten (aber mit den hier verf¨ ugbaren Daten nat¨ urlich nicht beweisen), dass ein noch gr¨oßerer Anteil schließlich kinderlos bleibt. 3.3.8 Kumulierte Kohorten-Geburtenziffern Jetzt verwenden wir die Lebensverlaufsdaten zur Berechnung kumulierter Kohorten-Geburtenziffern und vergleichen sie mit entsprechenden Angaben aus der amtlichen Statistik. Tabelle 3.12 zeigt die Daten. Wenn <?page no="92"?> 92 3 Statistik der Geburten Tabelle 3.12 Anzahl der Kinder in den Lebensverlaufsdaten, differenziert nach Geburtskohorten und Alter (τ ) der M¨ utter. τ C20 C30 C40 C50 C60 15 1 16 1 3 3 17 2 1 5 4 6 18 11 5 16 11 11 19 25 16 22 30 17 20 34 26 34 40 18 21 44 26 33 48 26 22 72 44 48 40 33 23 80 37 60 44 27 24 105 44 67 32 34 25 77 49 64 37 56 26 68 53 56 42 44 27 76 66 56 50 67 28 67 48 54 41 46 29 54 62 35 35 13 30 57 63 39 37 2 31 64 35 23 15 32 41 43 23 9 33 41 35 22 1 34 42 33 13 35 36 26 14 36 39 22 11 37 29 17 5 38 19 15 1 39 18 7 4 40 10 2 2 41 10 7 2 42 3 5 43 2 1 44 3 1 45 1 46 1 Insg. 1132 789 709 519 404 man von der (mit Retrospektivdaten grunds ¨ atzlich nicht erfassbaren) Sterblichkeit bis zum Interviewzeitpunkt absieht, gen¨ ugt es zur Berechnung kumulierter Geburtenziffern ¯ γ c,τ f ¨ ur eine Geburtskohorte c , die Werte in der entsprechenden Spalte von Tabelle 3.12 bis zum Alter τ zu kumulieren und durch die Gesamtzahl der Frauen der betreffenden Kohorte zu dividieren. Abbildung 3.11 veranschaulicht den Verlauf der Funktionen τ −→ ¯ γ c,τ . <?page no="93"?> 3.3 Daten aus retrospektiven Surveys 93 15 20 25 30 35 40 45 50 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2 2.2 2.4 C20 C30 C40 C50 C60 Abbildung 3.11 Kumulierte Kohorten-Geburtenziffern in Abh ¨ angigkeit vom Alter (Abszisse), berechnet mit den Daten aus Tabelle 3.12. Folgende Tabelle vergleicht bis zum Alter τ (in der zweiten Spalte) zusammengefasste Kohorten-Geburtenziffern mit entsprechenden Gr¨oßen der amtlichen Statistik: Kohorte τ Lebensverlaufsdaten Amtliche Statistik C20 45 1, 80 C30 43 2, 19 2, 15 C40 40 1, 99 1, 96 C50 31 1, 38 1, 39 C60 29 0, 82 0, 99 Die Angaben in der Spalte ‘Amtliche Statistik’ wurden so berechnet, wie in Abschnitt 3.2.2 besprochen wurde. Es handelt sich um einfache Mittelwerte f ¨ ur die an den Geburtskohorten der Lebensverlaufsdaten beteiligten Geburtsjahre. Daf¨ ur wurden wiederum die in der Fachserie 1, Reihe 1, 1999: 198 -200, f ¨ ur die Geburtsjahrg ¨ ange ab 1930 publizierten altersspezifischen Geburtenziffern verwendet (f¨ ur die Kohorte C20 stehen keine Daten zur Verf ¨ ugung). Offenbar liefern die Lebensverlaufsdaten und die amtliche Statistik sehr ¨ahnliche Ergebnisse. Beide best¨atigen die Annahme, dass die kumulierten Kohorten-Geburtenziffern zun¨achst, bei der Kohorte C30, gestiegen, dann jedoch zunehmend kleiner geworden sind. <?page no="94"?> 94 3 Statistik der Geburten Tabelle 3.13 Anzahl von Frauen mit 0, 1, 2, 3, 4 und 5 oder mehr Kindern, berechnet aus den Lebensverlaufsdaten f ¨ ur die angegebenen Kohorten. Prozentangaben ohne Klammern beziehen sich auf alle Frauen der jeweiligen Kohorte mit mindestens einem Kind; Prozentangaben in Klammern geben den gesch¨atzten Anteil der kinderlos bleibenden Frauen an. C20 C30 C40 C50 C60 Kinder N % N % N % N % N % 0 109 (17) 38 (11) 39 (11) 86 231 1 185 35,6 75 23,4 78 24,7 106 37,6 145 56,2 2 168 32,3 126 39,3 139 44,0 134 47,5 86 33,3 3 104 20,0 61 19,0 64 20,3 30 10,6 21 8,1 4 40 7,7 36 11,2 23 7,3 7 2,5 6 2,3 ≥ 5 23 4,4 23 7,2 12 3,8 5 1,8 3.3.9 Verteilungen f¨ ur die Anzahl der Kinder Kumulierte Kohorten-Geburtenziffern liefern Informationen ¨ uber die von den Frauen einer Geburtskohorte insgesamt geborenen Kinder, nicht jedoch ¨ uber die Verteilung der Kinderzahlen. Zu diesem Zweck muss die Anzahl von Kindern pro Frau betrachtet werden. Tabelle 3.13 zeigt, welche Informationen dar ¨ uber mit den Lebensverlaufsdaten gewonnen werden k¨onnen. Da f¨ ur die Frauen der Kohorten C50 und C60 das Ende der reproduktiven Phase zum Zeitpunkt der Interviews noch nicht erreicht worden ist, sollte sich die Interpretation auf die Kohorten C20, C30 und C40 beschr¨anken. Verglichen mit C20 hat ein gr ¨ oßerer Anteil der Frauen der Kohorte C30 mindestens ein Kind zur Welt gebracht. Zugleich sank der Anteil der Frauen mit nur einem Kind, was zu einem Anstieg der durchschnittlichen Kinderzahl (bezogen auf alle Frauen mit mindestens einem Kind) von 2.2 in der Kohorte C20 auf 2.5 in der Kohorte C30 f¨ uhrte. Der Anteil der kinderlosen Frauen ist in der Kohorte C40 etwa gleich groß wie in der Kohorte C30. Es kann jedoch eine gewisse Tendenz zur Verringerung der Kinderzahlen pro Frau festgestellt werden. Insbesondere ist der Anteil der Frauen mit vier und mehr Kindern kleiner, dagegen der Anteil mit zwei Kindern gr¨oßer geworden. Als Ergebnis ist die durchschnittliche Anzahl von Kindern von 2.5 bei der Kohorte C30 auf 2.3 bei der Kohorte C40 gesunken. Es bleibt zu untersuchen, wie sich diese Ver¨anderungen bei den j¨ ungeren Geburtskohorten fortgesetzt haben. <?page no="95"?> 3.4 Aufgaben 95 3.4 Aufgaben 1. Die folgende Tabelle zeigt in der ersten Spalte vier Altersklassen, dann in der zweiten Spalte die Anzahl der Frauen und in der dritten Spalte die Anzahl der von ihnen geborenen Kinder; die vierte Spalte zeigt die altersspezifischen Sterbeziffern. Der Anteil der M¨adchengeburten sei σ f = 0, 5. τ n f τ b τ δ τ 0 1500 0 0, 1 1 2000 1000 0, 1 2 1000 600 0, 2 3 1000 0 1, 0 Berechnen und interpretieren Sie: (a) die altersspezifischen Geburtenziffern, (b) die zusammengefasste Geburtenziffer, (c) die Bruttoreproduktionsrate, (d) die Nettoreproduktionsrate. 2. Erkl¨aren Sie den Unterschied zwischen altersspezifischen Perioden- und Kohorten-Geburtenziffern. 3. Berechnen Sie aus Tabelle 3.3 Werte f ¨ ur γ ∗ 1930 , 20 , γ ∗ 1935 , 25 , γ ∗ 1940 , 30 , γ ∗ 1945 , 35 . Erkl¨aren Sie die Bedeutung dieser Werte. 4. (a) Die bis zum Alter 25 kumulierte Kohorten-Geburtenziffer der Frauen der Geburtskohorte 1945 betr¨agt etwa 1; was bedeutet dieser Wert? (b) Die zusammengefasste Kohorten-Geburtenziffer der Frauen der Geburtskohorte 1945 betr ¨ agt etwa 1,75; was bedeutet dieser Wert? 5. Erkl¨aren Sie anhand von Abbildung 3.4 die Unterschiede zwischen den kumulierten altersspezifischen Geburtenziffern f¨ ur die Geburtskohorten 1935 und 1950. 6. Erkl ¨ aren Sie anhand eines Beispiels, was mit rechts- und linkszensierten Daten gemeint ist. 7. Es wurden folgende Werte einer Variablen T (Arbeitslosigkeitsdauer in Monaten) beobachtet: 3, 3*, 3, 1, 2, 5*, 6, 6*, 8, 9*, 12, 12*,14. Die mit * versehenen Angaben sind rechts zensiert. a) Berechnen Sie mit dem Kaplan-Meier-Verfahren die Survivor- und die Ratenfunktion. Stellen Sie die Ergebnisse in Form einer Tabelle dar. b) Berechnen Sie einen N ¨ aherungswert f ¨ ur den Median der Survivorfunktion. <?page no="96"?> 96 3 Statistik der Geburten c) Berechnen Sie aus (a) die H¨aufigkeit der Arbeitslosigkeitsdauer von 6 Monaten. d) Berechnen Sie aus (a) den Wert der bedingten Survivorfunktion G(10 | T ≥ 6) und geben Sie eine inhaltliche Interpretation an. 8. Berechnen Sie mit Hilfe des Kaplan-Meier-Verfahrens aus den Daten in Tabelle 3.10 f¨ ur die Kohorte C60 eine Survivor- und eine Ratenfunktion f ¨ ur das Alter bei der Geburt des ersten Kindes. Stellen Sie den Verlauf der Survivorfunktion graphisch dar. Sch ¨ atzen und interpretieren Sie anhand der graphischen Darstellung den Median. 9. (a) Warum k ¨ onnen zur Sch ¨ atzung von Survivorfunktionen keine links zensierten Daten verwendet werden? (b) Warum ist es nicht m¨oglich, mit dem Kaplan-Meier-Verfahren eine Survivorfunktion zu berechnen, wenn alle Daten rechts zensiert sind? (c) F ¨ ur welchen maximalen Zeitraum kann mit dem Kaplan-Meier-Verfahren die Verteilungsfunktion einer Verweildauervariablen berechnet werden? 10. Es gibt folgende Daten f¨ ur eine einfache Verweildauervariable T : 1, 1 ∗ , 2, 2 ∗ , 3, 3 ∗ , 4, 4 ∗ , 5, 5 ∗ (durch ∗ gekennzeichnete Werte sind rechts zensiert). a) Zeichnen Sie die Daten als Episoden auf einer Prozesszeitachse. b) Geben Sie f¨ ur t = 2 und t = 4 die Risikomenge an. c) Finden Sie Sch¨atzwerte f¨ ur die Raten r(2) und r(4). d) Vergleichen Sie die Funktionen G a (d.i. die mit dem Kaplan- Meier-Verfahren berechnete Survivorfunktion) und G b (d.i. die Survivorfunktion, die man erh¨alt, wenn man nur die vollst¨andigen Daten zur Berechnung verwendet). 11. Betrachten Sie einen station ¨ aren Prozess, bei dem in jedem Jahr 100 Ehen geschlossen werden. Davon dauern: 25 Ehen 2 Jahre, 25 Ehen 3 Jahre, 25 Ehen 4 Jahre, 25 Ehen 5 Jahre. Nehmen Sie jetzt an, dass in einem Jahr t retrospektive Interviews durchgef¨ uhrt werden, bei denen Informationen ¨ uber die Dauern aller in den Jahren t, t − 1, t − 2, t − 3, t − 4, t − 5 geschlossenen Ehen gewonnen werden k¨onnen. a) Geben Sie die durch die Prozessdefinition vorausgesetzten Raten f¨ ur die Verweildauervariable T (Dauer der Ehen) an. b) Erstellen Sie in Form einer Tabelle eine ¨ Ubersicht ¨ uber alle vollst¨andigen und zensierten Beobachtungen. <?page no="97"?> 3.4 Aufgaben 97 c) Berechnen Sie mit dem Kaplan-Meier-Verfahren Sch¨atzwerte der Raten und vergleichen Sie diese mit den Raten, die durch die Prozessdefinition vorausgesetzt wurden. e) Berechnen Sie Sch¨atzwerte f¨ ur die Raten, indem nur die vollst¨andigen Beobachtungen verwendet werden. Vergleichen Sie diese Raten mit denjenigen, die durch die Prozessdefinition vorausgesetzt wurden. <?page no="99"?> 4 Demographische Projektionen 4.1 Ein Makro-Modell ohne Migration 4.1.1 Notationen f¨ ur die Modellkonstruktion 4.1.2 Altersspezifische Geburten- und Sterbeziffern 4.1.3 Ableitung der Modellgleichungen 4.1.4 Implikationen konstanter Geburten- und Sterbeziffern 4.1.5 Weibliche und m¨annliche Bev¨olkerungen 4.1.6 Eine Illustration mit Daten f¨ ur Deutschland 4.2 Zu- und Abwanderungen 4.2.1 Erweiterung des Modellansatzes 4.2.2 Ein Modell mit konstanter Migration 4.2.3 Modellrechnungen mit konstanter Zuwanderung 4.2.4 Das langfristige Gleichgewicht 4.3 Aufgaben In diesem Kapitel besprechen wir einen Modellansatz, bei dem mithilfe von Annahmen ¨ uber Geburten- und Sterberaten sowie ¨ uber Zu- und Abwanderungen Regeln f ¨ ur die Entwicklung einer nach dem Alter und dem Geschlecht gegliederten Bev¨olkerung konstruiert werden. Wir beginnen im ersten Abschnitt mit einem Modell, das nur Geburten und Sterbef¨alle ber¨ ucksichtigt. Anschließend wird in einem weiteren Abschnitt das Modell erweitert, so dass auch Zu- und Abwanderungen ber¨ ucksichtigt werden k ¨ onnen. Einige mathematische Eigenschaften des Modells werden separat im Anhang besprochen. 4.1 Ein Makro-Modell ohne Migration 4.1.1 Notationen f¨ ur die Modellkonstruktion Wir beziehen uns zun¨achst auf einen demographischen Prozess ( R , T ∗ , Ω t ) ohne externe Migration. R ist der nicht weiter differenzierte r ¨ aumliche Kontext, T ∗ ist eine diskrete Zeitachse, und f ¨ ur jedes t ∈ T ∗ ist Ω t die Menge der in dieser Zeitstelle lebenden Menschen. F¨ ur Modelle zur Bev¨olkerungsprojektion wird von Buchf¨ uhrungsgleichungen ausgegangen, wie sie in Abschnitt 1.1 besprochen wurden. Wie dort <?page no="100"?> 100 4 Demographische Projektionen ausgef¨ uhrt wurde, gibt es unterschiedliche Varianten; f¨ ur die Modellbildung eignen sich haupts ¨ achlich zwei Varianten. Man kann sich auf den Bev ¨ olkerungsstand zum Beginn bzw. Ende von Zeitstellen (fast immer Kalenderjahre) beziehen 1 oder auf die Gesamtzahl der Menschen, die in einer Zeitstelle leben. Wir gehen im Folgenden von der zweiten Variante aus, also (unter Verwendung der Notationen aus Abschnitt 1.1) von den altersspezifischen Buchf¨ uhrungsgleichungen n t +1 , 0 = b t +1 und n t +1 ,τ +1 = n t,τ − d t,τ Man beachte, dass bei diesen Gleichungen das demographische Alter verwendet wird: n t,τ erfasst die Anzahl der Personen, die in der Zeitstelle t − τ geboren wurden. Zur Vereinfachung der Notationen wird angenommen, dass es ein maximales Alter τ m gibt. Um das Modell zu formulieren, ist es zweckm¨aßig, einige Notationen aus der Matrizenrechnung zu verwenden. 2 Die nach dem Alter gegliederten m¨annlichen und weiblichen Bev¨olkerungen werden durch Vektoren n m t : = ⎛ ⎜ ⎝ n m t, 1 ... n m t,τ m ⎞ ⎟ ⎠ und n f t : = ⎛ ⎜ ⎝ n f t, 1 ... n f t,τ m ⎞ ⎟ ⎠ repr¨asentiert. F¨ ur die Gesamtbev¨olkerung kann somit der Vektor n t : = n m t + n f t verwendet werden. Man beachte, dass die Z¨ahlung der Vektorelemente mit 1, nicht mit 0, beginnt; es werden also nur Personen erfasst, die mindestens das demographische Alter 1 erreichen. Hiervon ausgehend kann der Zweck der Modellkonstruktion so formuliert werden: Es soll ein begrifflicher Rahmen entwickelt werden, um ¨ uber m¨ogliche Bev¨olkerungsentwicklungen n 0 −→ n 1 −→ n 2 −→ · · · die in einer beliebigen Zeitstelle t = 0 mit einer anf ¨ anglichen Bev ¨ olke- 1 Dieser Ansatz liegt z.B. den sog. koordinierten Bev ¨ olkerungsvorausberechnungen des Statistischen Bundesamts zugrunde. Eine ausf¨ uhrliche Darlegung der Berechnungsmethoden findet man bei Bretz (2000). 2 Eine kurze Erl¨auterung dieser Notationen findet man bei Rohwer und P¨otter (2002, Anhang A). Wir ¨ ubernehmen hier insbesondere die Konvention, Matrizen durch fettgedruckte Großbuchstaben und Vektoren durch fettgedruckte Kleinbuchstaben kenntlich zu machen. <?page no="101"?> 4.1 Ein Makro-Modell ohne Migration 101 rung n 0 beginnen, nachdenken zu k¨onnen. Also m¨ ussen Regeln bestimmt werden, die es erlauben, von n 0 zu n 1 , dann zu n 2 , n 3 usw. zu gelangen. Da wir uns zun ¨ achst auf einen demographischen Prozess ohne externe Migration beziehen, gen¨ ugt es, Geburten und Sterbef¨alle zu ber¨ ucksichtigen. Da nur Frauen Kinder geb¨aren k¨onnen, muss der Prozess allerdings auf folgende Weise betrachtet werden: n m 0 −→ n m 1 −→ n m 2 −→ · · · ↗ ↗ ↗ n f 0 −→ n f 1 −→ n f 2 −→ · · · Diese Darstellung soll andeuten, dass es m ¨ oglich und zweckm ¨ aßig ist, zun¨achst ein Modell f¨ ur die Entwicklung der weiblichen Bev¨olkerung zu entwickeln, woraus dann in einem zweiten Schritt auch ¨ Uberlegungen zur Entwicklung der m¨annlichen Bev¨olkerung gewonnen werden k¨onnen. 4.1.2 Altersspezifische Geburten- und Sterbeziffern Um Annahmen ¨ uber Geburten und Sterbef ¨ alle zu formulieren, werden altersspezifische Geburten- und Sterbeziffern verwendet. Zur Notation altersspezifischer Sterbeziffern verwenden wir δ m t,τ : = d m t,τ / n m t,τ und δ f t,τ : = d f t,τ / n f t,τ Jeweils im Z ¨ ahler steht die Anzahl der M ¨ anner bzw. Frauen, die in der Zeitstelle t im demographischen Alter τ gestorben sind. Zur Notation altersspezifischer Geburtenziffern verwenden wir β t,τ : = b t,τ / n f t,τ Im Nenner steht die Anzahl der Frauen, die im Jahr t − τ geboren wurden und in der Zeitstelle t noch leben, und im Z¨ahler steht die Zahl der von ihnen in dieser Zeitstelle geborenen Kinder. Da bei der Modellbildung zwischen der Geburt von Jungen und M¨adchen unterschieden wird und nur Kinder ber ¨ ucksichtigt werden, die mindestens das demographische Alter 1 erreichen, verwenden wir auch die Notationen β m t,τ : = σ m β t,τ (1 − δ m t, 0 ) und β f t,τ : = σ f β t,τ (1 − δ f t, 0 ) Hierbei bezeichnet σ m den Anteil der m ¨ annlichen und σ f den Anteil der weiblichen Geburten ( σ m + σ f = 1). Somit ist β m t,τ n f t,τ die Anzahl der Jungen und β f t,τ n f t,τ die Anzahl der M¨adchen, die in der Zeitstelle t <?page no="102"?> 102 4 Demographische Projektionen von Frauen des demographischen Alters τ geboren werden und in der Zeitstelle t + 1 noch leben. 4.1.3 Ableitung der Modellgleichungen Mit Hilfe der altersspezifischen Geburten- und Sterbeziffern k¨onnen nun einfache Regeln formuliert werden, die es erlauben, die Bev ¨ olkerungsvektoren n f t und n m t im Zeitablauf fortzuschreiben. Zun¨achst zeigen die Gleichungen n f t +1 , 1 = ∑ τ m τ =1 β f t,τ n f t,τ und n m t +1 , 1 = ∑ τ m τ =1 β m t,τ n f t,τ wie aus den Geburten, die in der Zeitstelle t stattfinden, die Anzahlen der Kinder des Alters 1 in der Zeitstelle t + 1 entstehen. F¨ ur die ¨ ubrigen Altersklassen findet man die Anzahlen aus den ¨ Uberlebenden der jeweils vorangegangenen Altersklasse, also durch n f t +1 ,τ +1 = (1 − δ f t,τ ) n f t,τ und n m t +1 ,τ +1 = (1 − δ m t,τ ) n m t,τ Diese Gleichungen k¨onnen verwendet werden, um die Bev¨olkerungsvektoren n f t und n m t f ¨ ur alle t > 0 aus den Anfangsbev ¨ olkerungen n f 0 und n m 0 zu berechnen. Mit Hilfe von Matrizen kann das ¨ ubersichtlich dargestellt werden. Zun ¨ achst werden zwei ( τ m , τ m )-Matizen B f t und B m t definiert, die die altersspezifischen Geburtenziffern f ¨ ur M ¨ adchen bzw. Jungen zusammenfassen: B f t : = ⎛ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝ β f t, 1 · · · β f t,τ m 0 · · · 0 ... ... 0 · · · 0 ⎞ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠ und B m t : = ⎛ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝ β m t, 1 · · · β m t,τ m 0 · · · 0 ... ... 0 · · · 0 ⎞ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠ Somit erh ¨ alt man die Anzahl der M ¨ adchen bzw. Jungen, die in der Zeitstelle t + 1 das Alter 1 erreichen, durch das jeweils erste Elemente in den Vektoren B f t n f t bzw. B m t n f t . Weiterhin werden zwei ( τ m , τ m )- Matrizen D f,t und D m,t definiert, die die altersspezifischen Sterbeziffern f¨ ur Frauen bzw. M¨anner zusammenfassen: D f t : = ⎛ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝ 0 0 · · · 0 0 1 − δ f t, 1 0 · · · 0 0 0 1 − δ f t, 2 · · · 0 0 ... ... . . . ... ... 0 0 · · · 1 − δ f t,τ m − 1 0 ⎞ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠ <?page no="103"?> 4.1 Ein Makro-Modell ohne Migration 103 ist die Matrix f ¨ ur Frauen, und ganz analog wird die Matrix D m t f ¨ ur M¨anner definiert. Unter Verwendung dieser Matrizen kann man schließlich folgende Gleichungen f ¨ ur die Fortschreibung der Bev ¨ olkerungsvektoren bilden: n f t +1 = D f t n f t + B f t n f t und n m t +1 = D m t n m t + B m t n f t Die erste Gleichung f¨ ur die Entwicklung der weiblichen Bev¨olkerung l¨asst sich noch weiter vereinfachen, indem man eine zusammengefasste Matrix F t : = B f t + D f t verwendet. Mittels dieser Leslie-Matrix (zur Erinnerung an Gerald P. H. Leslie (1945), der das hier beschriebene Modell zum ersten Mal ausf¨ uhrlich analysiert und die besondere Form der Matrix F t vorgeschlagen hat) kann dann die Basisgleichung des Leslie-Modells kurz in der Form n f t +1 = F t n f t (4.1) geschrieben werden. Sie zeigt in kompakter Form, wie man aus dem Vektor f¨ ur die weibliche Bev¨olkerung einer Zeitstelle t durch Multiplikation mit einer Leslie-Matrix den entsprechenden Vektor f¨ ur die n¨achste Zeitstelle berechnen kann. 4.1.4 Implikationen konstanter Geburten- und Sterbeziffern Das Modell (4.1) liefert einen allgemeinen Rahmen, um ¨ uber m ¨ ogliche Entwicklungen einer weiblichen Bev¨olkerung in Abh¨angigkeit von Annahmen ¨ uber Geburten- und Sterbeziffern nachzudenken. Insbesondere kann man die Frage stellen, welcher Entwicklungsprozess resultieren w ¨ urde, wenn die Geburten- und Sterbeziffern langfristig konstant blieben. Dann kann eine zeitunabh ¨ angige Leslie-Matrix F angenommen werden, und das Basismodell wird zu n f t +1 = F n f t (4.2) Daraus gewinnt man auch sogleich die Gleichung n f t = F t n f 0 . Diese Gleichung hat nun eine bemerkenswerte Implikation: Langfristig konvergiert die Bev¨olkerungsentwicklung gegen einen Entwicklungspfad, bei dem folgende Beziehung gilt: n f t +1 = (1 + ρ ∗ ) n f t . Das heißt, in allen Altersstufen w ¨ achst oder schrumpft die weibliche Bev ¨ olkerung mit der gleichen Rate ρ ∗ , so dass sich die Altersstruktur (die Verteilung der weiblichen Bev ¨ olkerung auf die unterschiedlichen Altersgruppen) nicht <?page no="104"?> 104 4 Demographische Projektionen mehr ver ¨ andert. Sie wird als stabile Altersverteilung und ρ ∗ wird als intrinsische Wachstumsrate der Leslie-Matrix F bezeichnet. (Mit einigen mathematischen Details dieser Implikationen des Modells besch ¨ aftigen wir uns im Anhang A.2.) 4.1.5 Weibliche und m¨annliche Bev¨olkerungen Der eben dargestellte Gedankengang bezieht sich zun ¨ achst nur auf die Entwicklung der weiblichen Bev¨olkerung. Unter der Annahme, dass auch die Geburtenziffern β m t,τ und die Sterbeziffern δ m t,τ langfristig konstant sind, gelangt man jedoch zu entsprechenden Aussagen f¨ ur die m¨annliche Bev ¨ olkerung. Man erkennt das, wenn man von der in Abschnitt 4.1-3 abgeleiteten Gleichung n m t +1 , 1 = ∑ τ m τ =1 β m t,τ n f t,τ ausgeht. Sie zeigt n ¨ amlich, dass sich eine Entwicklung der weiblichen Bev ¨ olkerung mit der langfristig konstanten Rate ρ ∗ (bei ebenfalls langfristig konstanter Altersverteilung) auf die Entwicklung der m¨annlichen Bev ¨ olkerung in der Altersklasse τ = 1 ¨ ubertr ¨ agt. Wird schließlich ein Gleichgewichtszustand erreicht, ist n m t +1 , 1 = (1 + ρ ∗ ) n m t, 1 . Bei langfristig konstanten Sterbeziffern δ m τ gilt jedoch n m t + τ,τ = n m t +1 , 1 ∏ τ − 1 j =1 (1 − δ m j ) und wenn sich n m t +1 , 1 mit einer konstanten Rate ρ ∗ ver ¨ andert, gilt dies somit f ¨ ur die m ¨ annliche Bev ¨ olkerung in allen Altersklassen, also auch f ¨ ur die m ¨ annliche Bev ¨ olkerung insgesamt. Bei langfristig konstanten Geburten- und Sterbeziffern w ¨ achst oder schrumpft sie schließlich mit der gleichen Rate wie die weibliche Bev¨olkerung. Ebenfalls resultiert schließlich eine stabile m ¨ annliche Altersverteilung, die nat¨ urlich bei unterschiedlichen Sterbeziffern nicht mit derjenigen der weiblichen Bev¨olkerung ¨ ubereinstimmt. Beide Altersverteilungen k¨onnen auch leicht berechnet werden, sobald man die intrinsische Wachstumsrate ρ ∗ kennt. Seien n¨amlich v f τ und v m τ die Besetzungen der Altersklassen in der weiblichen bzw. m¨annlichen Bev¨olkerung, k¨onnen sie ausgehend von zun¨achst beliebigen Anfangswerten (etwa v f 1 = v m 1 = 1) durch v f τ = 1 − δ f τ − 1 1 + ρ ∗ v f τ − 1 bzw. v m τ = 1 − δ m τ − 1 1 + ρ ∗ v m τ − 1 f¨ ur τ = 2, . . . , τ m rekursiv berechnet werden. <?page no="105"?> 4.1 Ein Makro-Modell ohne Migration 105 Tabelle 4.1 F¨ ur das Projektionsmodell verwendete Daten. τ ¯ n m 2017 ,τ ¯ n f 2017 ,τ ¯ d m 2017 ,τ ¯ d f 2017 ,τ ¯b 2017 ,τ 0 403067 383620 1418 1148 0 1 399732 379602 109 90 0 2 391390 370533 58 41 0 3 382254 361782 37 32 0 4 374961 354673 31 41 0 5 370427 350442 33 33 0 6 370195 350565 28 32 0 7 371834 351767 25 24 0 8 373861 353675 28 21 0 9 377988 357320 24 18 0 10 373676 352115 23 18 0 11 372366 351047 28 25 0 12 378522 357605 22 30 0 13 382927 361432 32 41 0 14 386901 363891 53 30 56 15 396862 370688 57 44 252 16 415392 384178 92 61 787 17 433552 393370 112 42 1747 18 446715 400583 154 78 3342 19 466835 418545 194 70 6065 20 477765 429752 205 92 8797 21 472091 426838 187 79 11626 22 472272 427806 190 70 13996 23 484828 442254 190 79 16883 24 497549 457121 235 90 20831 25 511501 472370 218 82 26241 26 546949 504894 245 97 32738 27 567716 525868 235 112 42149 28 570810 529913 279 120 47458 29 571489 530911 301 145 54843 30 558352 523116 322 167 58140 31 543169 512939 350 159 60164 32 531914 504804 340 155 58124 33 529050 505481 417 176 55538 34 533955 512887 402 225 51488 35 534708 518135 417 220 47846 36 531665 519167 476 213 42222 37 519450 508630 541 241 35190 38 502491 492668 535 284 26955 39 496887 486826 525 300 20875 40 489154 480528 566 324 15578 41 477983 470001 608 317 10295 42 474226 467125 643 350 6308 wird auf der n¨achsten Seite fortgesetzt <?page no="106"?> 106 4 Demographische Projektionen Tabelle 4.1 F¨ ur das Projektionsmodell verwendete Daten. τ ¯ n m 2017 ,τ ¯ n f 2017 ,τ ¯ d m 2017 ,τ ¯ d f 2017 ,τ ¯b 2017 ,τ 43 478051 473290 732 421 3755 44 500379 494437 878 475 1970 45 547274 538425 1071 626 1182 46 583999 574019 1291 725 601 47 617063 604937 1438 790 309 48 654754 639963 1743 980 156 49 677896 663272 1932 1156 98 50 695279 680614 2252 1209 185 51 705524 689503 2580 1458 0 52 712080 696435 2905 1613 0 53 713238 700353 3296 1819 0 54 696001 687152 3715 2035 0 55 676105 672641 3927 2115 0 56 656611 657272 4329 2367 0 57 634081 636692 4534 2494 0 58 605416 609666 4886 2601 0 59 578308 585531 5126 2694 0 60 559735 571249 5396 2996 0 61 538351 555870 5924 3267 0 62 518440 544488 6160 3298 0 63 498729 532512 6425 3586 0 64 485470 523326 6839 3800 0 65 476623 516277 7373 4067 0 66 467885 509278 7698 4391 0 67 456913 498122 8197 4672 0 68 426938 465286 8441 4945 0 69 391022 429156 8126 4820 0 70 349149 388340 8199 5173 0 71 299467 339760 7016 4496 0 72 322127 370820 8695 5704 0 73 366248 423461 10888 7139 0 74 357113 416940 10950 7328 0 75 379660 452538 13217 8970 0 76 413744 506220 15350 10690 0 77 406356 509334 17171 12424 0 78 374626 479689 17280 13201 0 79 333172 437152 17078 13851 0 80 298933 404213 17450 15085 0 81 269913 377723 17771 16457 0 82 236296 342899 18153 17814 0 83 187555 283344 15683 16270 0 84 150409 238809 14564 16095 0 85 134588 225643 15114 18156 0 wird auf der n¨achsten Seite fortgesetzt <?page no="107"?> 4.1 Ein Makro-Modell ohne Migration 107 Tabelle 4.1 F¨ ur das Projektionsmodell verwendete Daten. τ ¯ n m 2017 ,τ ¯ n f 2017 ,τ ¯ d m 2017 ,τ ¯ d f 2017 ,τ ¯b 2017 ,τ 86 122216 217008 15311 19740 0 87 106660 201159 15056 20985 0 88 89107 177063 14426 21522 0 89 70892 152059 12767 20867 0 90 53614 129778 10886 20862 0 91 40568 110935 9008 20394 0 92 28728 89740 7460 18765 0 93 19761 69824 5442 16291 0 94 14479 54428 4488 14259 0 95 10511 42502 3564 12522 0 96 7227 31386 2721 10100 0 97 4277 19588 1855 7572 0 98 1969 9821 729 3214 0 99 989 4995 419 1974 0 100 2426 12290 846 5151 0 4.1.6 Eine Illustration mit Daten f¨ ur Deutschland Zur Illustration des Modells verwenden wir die in der Tabelle 4.1 angef¨ uhrten Daten (die allerdings nur n¨aherungsweise den oben verwendeten Definitionen entsprechen): ¯ n m 2017 ,τ und ¯ n f 2017 ,τ sind f¨ ur 2017 jahresdurchschnittliche Anzahlen (in 1000) von M¨annern bzw. Frauen im Alter τ (vgl. Tabelle 1.7). ¯ d m 2017 ,τ und ¯ d f 2017 ,τ sind die Anzahlen der M ¨ anner bzw. Frauen, die 2017 im Alter τ gestorben sind (vgl. Tabelle 2.1). ¯b 2017 ,τ erfasst die Anzahl der Kinder, die 2017 von Frauen im Alter τ geboren wurden (vgl. Tabelle 3.2). Die Altersklasse 100 umfasst alle Personen im Alter τ ≥ 100 und wird f¨ ur die Modellberechnung nicht verwendet. Aus den Angaben in dieser Tabelle haben wir die altersspezifischen Sterbeziffern bis zum Alter von 99 Jahren durch ¯ d f 2017 ,τ / ¯ n f 2017 ,τ bzw. ¯ d m 2017 ,τ / ¯ n m 2017 ,τ berechnet. Die Berechnung der Geburtenziffern f¨ ur M¨adchen bzw. Jungen erfolgte nach der in Abschnitt 4.1.2 besprochenen Vorgehensweise, wobei <?page no="108"?> 108 4 Demographische Projektionen Jahre 2020 2040 2060 2080 2100 2120 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 Frauen Männer Abbildung 4.1 Mit einem durch die Geburten- und Sterbeziffern des Jahres 2017 definierten Leslie-Modell berechnete Entwicklung der Anzahl von Frauen und M¨annern (in Mio.) f¨ ur einen Zeitraum von 100 Jahren. σ f = 0 , 487 und σ m = 0 , 513 angenommen wurden (vgl. Abschnitt 3.1.3). Beispielsweise f¨ ur τ = 25 findet man zun¨achst die altersspezifische Geburtenziffer 26.241/ 472.370 ≈ 0.5556; und durch Multiplikation mit σ f (1 − δ f 2017 , 0 ) = 0, 487 (1 − 1.148/ 383.620) ≈ 0.4855 erh ¨ alt man die f ¨ ur die Modellberechnung erforderlichen Geburtenraten f¨ ur M¨adchen, die mindestens das demographische Alter 1 erreichen. Somit kann eine Leslie-Matrix F gebildet werden, die in diesem Fall 99 Zeilen und Spalten hat (f¨ ur die Altersjahre 1 bis 99), und man kann Formel (4.2) verwenden, um sukzessive Bev¨olkerungsvektoren zu berechnen. Als Ausgangsvektor verwenden wir die in Tabelle 4.1 angegebenen Zahlen f¨ ur die weibliche Bev¨olkerung im Jahr 2017, also n f 0 ≈ (¯ n f 2017 , 1 , . . . , ¯ n f 2017 , 99 ) ′ Durch sukzessive Berechnungen erh ¨ alt man n f 1 = Fn f 0 , n f 2 = Fn f 1 , n f 3 = Fn f 2 usw. Die Addition der Komponenten dieser Vektoren liefert f¨ ur jedes Jahr die Gesamtzahl der weiblichen Bev¨olkerung im Alter von 1 bis 99 Jahren. Abbildung 4.1 zeigt die Entwicklung der m¨annlichen und weiblichen Bev¨olkerung f¨ ur einen Zeitraum von 100 Jahren. Offenbar sind die Ver¨anderungsraten negativ. Wie Abbildung 4.2 zeigt, <?page no="109"?> 4.2 Zu- und Abwanderungen 109 2020 2030 2040 2050 2060 2070 2080 2090 2100 2110 2120 -1.2 -1.0 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0.0 Frauen Männer Abbildung 4.2 J ¨ ahrliche Ver ¨ anderungsraten (in %) der in Abbildung 4.1 dargestellten weiblichen und m¨annlichen Bev¨olkerung. konvergieren sie gegen eine konstante intrinsische Wachstumsrate, die etwa den Wert -0.91 % hat. Wie im Anhang A.2 gezeigt wird, kann ihr Wert auch aus dem sogenannten dominanten Eigenwert der Leslie- Matrix berechnet werden. In unserem Beispiel findet man als dominanten Eigenwert λ ∗ = 0.9911 und daraus die intrinsische Wachstumsrate ρ ∗ = λ ∗ − 1 ≈ − 0.89 %. Kennt man diese intrinsische Wachstumsrate und die altersspezifischen Mortalit ¨ atsraten, k ¨ onnen, wie in Abschnitt 4.1.5 gezeigt wurde, auch die im langfristigen Gleichgewicht erreichten stabilen Altersverteilungen berechnet werden. Abbildung 4.3 vergleicht sie mit den tats ¨ achlichen Altersverteilungen des Jahres 2017, in der oberen H¨alfte f¨ ur die weibliche, in der unteren H¨alfte f¨ ur die m¨annliche Bev¨olkerung. Offenbar impliziert die negative intrinsische Wachstumsrate langfristig eine Umschichtung zugunsten der ¨alteren Bev¨olkerung. 4.2 Zu- und Abwanderungen 4.2.1 Erweiterung des Modellansatzes Das bisher besprochene Modell bezieht sich auf einen demographischen Prozess ohne externe Migration. Um Zu- und Abwanderungen ber¨ ucksichtigen zu k¨onnen, orientieren wir uns an den in Abschnitt 1.1.3 eingef¨ uhrten Notationen und an der ebenfalls dort erl¨auterten Buchf¨ uhrungsgleichung f¨ ur einen demographischen Prozess mit externer Migration. m i,f t,τ bzw. m o,f t,τ bezeichnen die Anzahlen der in der Zeitstelle t im de- <?page no="110"?> 110 4 Demographische Projektionen Alter 0 5 15 25 35 45 55 65 75 85 95 0.000 0.005 0.010 0.015 0.020 Verteilung 2017 Stabile Verteilung Alter 0 5 15 25 35 45 55 65 75 85 95 0.000 0.005 0.010 0.015 0.020 Verteilung 2017 Stabile Verteilung Abbildung 4.3 Durchgezogene Linien: tats ¨ achliche Altersverteilungen 2017 der weiblichen Bev¨olkerung (oberes Schaubild) und der m¨annlichen Bev¨olkerung (unteres Schaubild); gepunktete Linien: stabile Altersverteilungen bei einer intrinsischen Wachstumsrate von -0,89 % mographischen Alter τ zubzw. abwandernden Frauen. Sie werden zu Vektoren m i,f t : = ⎛ ⎜ ⎝ m i,f t, 1 ... m i,f t,τ m ⎞ ⎟ ⎠ und m o,f t : = ⎛ ⎜ ⎝ m o,f t, 1 ... m o,f t,τ m ⎞ ⎟ ⎠ zusammengefasst, die zur Erweiterung des Modellansatzes (4.1) ver- <?page no="111"?> 4.2 Zu- und Abwanderungen 111 wendet werden. Da aufgrund unserer Buchf ¨ uhrungskonventionen die w ¨ ahrend einer Zeitstelle zubzw. abwandernden Personen als Teile der jeweiligen Bev¨olkerungsmengen betrachtet werden, kann der erweiterte Modellansatz folgendermaßen formuliert werden: n f t +1 = F t (n f t − m o,f t ) + m i,f t +1 = F t n f t + (m i,f t +1 − F t m o,f t ) (4.3) Vergleicht man diesen Modellansatz mit (4.1), werden jetzt die ¨ uberlebenden Personen und ihre Kinder, die in der Zeitstelle t abwandern, abgezogen und die in der Zeitstelle t + 1 zuwandernden Personen (einschließlich der in dieser Zeitstelle neugeborenen Kinder) hinzugez¨ahlt. 4.2.2 Ein Modell mit konstanter Migration Eine besonders einfache Modellvariante entsteht, wenn man nicht nur eine konstante Leslie-Matrix F voraussetzt, sondern außerdem annimmt, dass sich m i,f t +1 − F m o,f t im Zeitablauf nicht ver¨andert, so dass mit einem konstanten Vektor z f : = m i,f t +1 − F m o,f t gerechnet werden kann. Das Modell nimmt dann die Form n f t +1 = F n f t + z f (4.4) an. Beginnt man in einem Basisjahr t = 0, findet man n f 1 = F n f 0 + z f n f 2 = F n f 1 + z f = F 2 n f 0 + F z f + z f usw., allgemein: n f t = F t n f 0 + ∑ t − 1 j =0 F j z f Dabei bedeutet F 0 die Einheitsmatrix I. Anhand dieser Gleichung kann man sich auch ¨ uberlegen, unter welchen Bedingungen ein Gleichgewichtspfad erreicht wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Leslie-Matrix F eine negative intrinsische Wachstumsrate aufweist und z f ≥ 0 ist. Wird dann 3 Die Gleichung beruht auf folgendem mathematischen Satz: Wenn A eine beliebige nicht-negative quadratische Matrix mit einem dominanten Eigenwert kleiner als 1 ist, dann konvergiert die Reihe ∑ ∞ j =0 A j und ihr Grenzwert ist gleich ( I − A ) − 1 . Man vgl. Schwartz (1961, S. 31), wo auch auf weitere Literatur hingewiesen wird. <?page no="112"?> 112 4 Demographische Projektionen Alter 0 5 15 25 35 45 55 65 75 85 95 -5 0 5 10 15 20 25 30 Zuwanderung, (Insg. 608 Tsd.) Abwanderung, (Insg. 390 Tsd.) Nettozuwanderung, (Insg. 218 Tsd.) Alter 0 5 15 25 35 45 55 65 75 85 95 0 0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 Zuwanderung Bevölkerungsbestand Abbildung 4.4 Oben: Altersverteilung der weiblichen Zuwanderungen und Abwanderungen im Jahr 2017 in Deutschland. Daten aus Tabelle 4.2. Ordinate in 1000. Unten: Ein Vergleich des Altersaufbaus der weiblichen Bev ¨ olkerung und der zuwandernden Frauen. t immer gr¨oßer, konvergiert F t n f 0 gegen Null, und der Bev¨olkerungsvektor n f t konvergiert gegen den Vektor 3 ∑ ∞ j =0 F j z f = (I − F) − 1 z f Das heißt, langfristig wird die Bev ¨ olkerungsentwicklung nur von der Zuwanderung z f bestimmt, und es entsteht allm¨ahlich ein Nullwachstum, bei dem der Bev¨olkerungsvektor n f t unver¨andert gleich (I − F) − 1 z f ist. <?page no="113"?> 4.2 Zu- und Abwanderungen 113 Tabelle 4.2 Nach dem demographischen Alter τ gegliederte Zuwanderung (1), Abwanderung (2) und Nettozuwanderung (3) von Frauen in Deutschland im Jahr 2017. Quelle: Genesis-Online und Daten des Statistischen Bundesamtes. τ (1) (2) (3) τ (1) (2) (3) 0 3792 1599 2193 48 6486 4685 1801 1 7674 4774 2900 49 6407 4650 1757 2 8302 4581 3721 50 5716 4197 1519 3 7956 4354 3602 51 4978 3765 1213 4 7347 3988 3359 52 4593 3500 1093 5 7246 3982 3264 53 4388 3550 838 6 6891 4111 2780 54 3991 3279 712 7 6648 3397 3251 55 3521 3030 491 8 6246 2995 3251 56 3298 2865 433 9 6229 2876 3353 57 3120 2761 359 10 5780 2744 3036 58 2687 2480 207 11 5435 2497 2938 59 2415 2289 126 12 5101 2383 2718 60 2183 2161 22 13 4858 2257 2601 61 1990 2035 -45 14 4615 2117 2498 62 1825 1730 95 15 4765 2071 2694 63 1576 1659 -83 16 5268 2361 2907 64 1461 1534 -73 17 5708 2915 2793 65 1330 1411 -81 18 9936 4637 5299 66 1236 1323 -87 19 16534 7380 9154 67 1020 1196 -176 20 21416 10792 10624 68 903 1059 -156 21 24485 15042 9443 69 723 930 -207 22 24517 16369 8148 70 719 909 -190 23 24637 15111 9526 71 570 742 -172 24 23348 14698 8650 72 479 615 -136 25 21962 14144 7818 73 436 643 -207 26 20781 13484 7297 74 390 562 -172 27 19856 13251 6605 75 411 552 -141 28 18672 12299 6373 76 390 481 -91 29 17413 11356 6057 77 366 529 -163 30 15766 10502 5264 78 338 475 -137 31 14548 9637 4911 79 293 472 -179 32 13643 8904 4739 80 265 437 -172 33 12701 8262 4439 81 204 417 -213 34 11937 7703 4234 82 216 370 -154 35 11236 7350 3886 83 194 310 -116 36 10445 6714 3731 84 144 252 -108 37 10313 6520 3793 85 141 283 -142 38 9569 6410 3159 86 115 213 -98 39 9120 5959 3161 87 109 212 -103 40 8771 5745 3026 88 74 212 -138 41 8652 5470 3182 89 55 190 -135 42 8495 5556 2939 90 76 190 -114 43 8189 5264 2925 91 40 161 -121 44 7609 4942 2667 92 33 149 -116 45 7260 4961 2299 93 28 135 -107 46 7201 4874 2327 94 25 97 -72 47 6842 4771 2071 95 51 366 -315 <?page no="114"?> 114 4 Demographische Projektionen 2020 2040 2060 2080 2100 2120 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 Mit Zuwanderung Ohne Zuwanderung Abbildung 4.5 Projektionen der weiblichen Bev ¨ olkerung (in Mio.) ohne Zuwanderung (gepunktet) und mit einer j ¨ ahrlich konstanten Zuwanderung im Umfang von 217.552 Frauen (durchgezogene Linie). 4.2.3 Modellrechnungen mit konstanter Zuwanderung Zur Illustration verwenden wir die in Tabelle 4.2 angegebenen Daten ¨ uber die Zu- und Abwanderung von Frauen im Jahr 2017. Bei den Angaben handelt es sich um absolute Zahlen, gegliedert nach dem demographischen Alter; die letzte Altersklasse bei 95 ist nach oben offen und umfasst alle Altersgruppen ab 95 Jahren. 4 Insgesamt sind 607.724 Frauen zugewandert und 390.172 Frauen abgewandert, so dass eine Nettozuwanderung von 217.552 Frauen verbleibt. Abbildung 4.4 zeigt die Altersverteilungen der zuwandernden Frauen. Man erkennt, dass haupts¨achlich j¨ ungere Frauen zuwandern; da außerdem tendenziell eher ¨altere Frauen abwandern, sind bei der Nettozuwanderung die j ¨ ungeren Frauen vergleichsweise noch h¨aufiger vertreten. Um den Unterschied zwischen einer Bev¨olkerungsentwicklung ohne und mit Zuwanderung zu illustrieren, nehmen wir an, dass die Nettozuwanderung von Frauen des Jahres 2017, insgesamt 217.552 Personen, in den folgenden Jahren unver¨andert bestehen bleibt. Dies ist unser Vektor z f . Die Leslie-Matrix F und der Vektor n f 0 f¨ ur die weibliche Bev¨olkerung im Anfangsjahr 2017 werden wie in Abschnitt 4.1 gebildet. Durch iterative Anwendung der Gleichung (4.4) erh¨alt man dann f¨ ur alle folgenden Jahre einen Bev¨olkerungsvektor n f t . 4 Die Wanderungen sind ab dem Alter von 95 Jahren sehr gering, so dass wir die Zahl der Wanderungen im Alter ge95 f¨ ur das Alter 95 verwenden. <?page no="115"?> 4.2 Zu- und Abwanderungen 115 0 5 15 25 35 45 55 65 75 85 95 0 100 200 300 400 500 600 700 800 2017 2067 mit Zuw. (konst. wie 2017) 2067 ohne Zuw. Abbildung 4.6 Mit dem Projektionsmodell berechnete Altersverteilung der weiblichen Bev¨olkerung im Jahr 2067 mit und ohne Zuwanderung. Ordinate in 1000. 2020 2040 2060 2080 2100 2120 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 Ohne Zuwanderung Mit Zuwanderung Abbildung 4.7 Projektionen des Altenquotienten bis zum Jahr 2117 durch ein Leslie-Modell ohne Zuwanderung (gepunktete Linie) und mit Zuwanderung (durchgezogene Linie). Abbildung 4.5 vergleicht die Bev ¨ olkerungsprojektionen mit und ohne Zuwanderung. Der gepunktete Entwicklungspfad entspricht dem Verlauf in Abbildung 4.1. Offenbar w ¨ urde eine konstante Zuwanderung von j ¨ ahrlich 217.552 Frauen (mit der hier vorausgesetzten Altersstruktur) den Bev ¨ olkerungsr ¨ uckgang vollst ¨ andig kompensieren und insgesamt zu einer leicht wachsenden Bev¨olkerung f¨ uhren. Informativ ist auch ein Vergleich der Altersverteilungen. Abbildung 4.6 vergleicht die jeweils mit und ohne Zuwanderung f ¨ ur das Jahr 2067 <?page no="116"?> 116 4 Demographische Projektionen Alter 0 5 15 25 35 45 55 65 75 85 95 0.000 0.002 0.004 0.006 0.008 0.010 0.012 0.014 0.016 0.018 0.020 Altersverteilung 2017 Stabile Altersverteilung mit Zuwanderung Abbildung 4.8 Altersverteilung der weiblichen Bev¨olkerung 2017 (durchgezogene Linie) und stabile Altersverteilung bei einem Leslie-Modell mit konstanter Zuwanderung (gepunktete Linie). projektierten Altersverteilungen mit derjenigen des Jahres 2017. Da absolute H ¨ aufigkeiten verwendet werden, erkennt man zun ¨ achst das unterschiedliche Ausmaß der Bev¨olkerungsentwicklung. Bemerkenswert ist jedoch auch die geringere Umschichtung zugunsten ¨alterer Personen bei einer Bev ¨ olkerungsentwicklung mit Zuwanderung. Um das sichtbar zu machen, kann auch ein sogenannter Altenquotient verwendet werden. Wir verwenden folgende Definition: Altenquotient : = Anzahl Frauen im Alter 65 - 99 Anzahl Frauen im Alter 20 - 64 (in %) Abbildung 4.7 vergleicht seine Entwicklung bei Bev¨olkerungsprojektionen ohne und mit Zuwanderung. 4.2.4 Das langfristige Gleichgewicht Wie bereits gezeigt wurde, f¨ uhrt eine konstante positive Nettozuwanderung auch dann zu einem langfristigen Gleichgewicht mit Nullwachstum, wenn die intrinsische Wachstumsrate der Leslie-Matrix negativ ist. Der im Gleichgewicht erreichte konstante Bev¨olkerungsvektor ist ¯ n f = (I − F) − 1 z f (4.5) <?page no="117"?> 4.2 Zu- und Abwanderungen 117 und kann somit aus der Leslie-Matrix und dem Zuwanderungsvektor z f berechnet werden. Werden die Daten f ¨ ur das Jahr 2017 und der im vorangegangenen Unterabschnitt definierte Zuwanderungsvektor z f verwendet, erh ¨ alt man einen Vektor ¯ n f , bei dem die Gesamtzahl der weiblichen Personen etwa 52.6 Mio. betr¨agt. Das ist deutlich mehr als der Stand im Jahr 2017 (41.9). Da die Gleichung (4.5) linear ist, wirkt sich eine prozentuale Erh¨ohung (oder Verringerung) der Nettozuwanderung in einer prozentual gleichen Erh ¨ ohung (Verringerung) der schließlich erreichten Bev¨olkerungszahl aus. Im langfristigen Gleichgewicht wird auch wieder eine stabile Altersverteilung erreicht. Abbildung 4.8 vergleicht sie mit der gegenw ¨ arigen Altersverteilung (in relativen H¨aufigkeiten). <?page no="118"?> 118 4 Demographische Projektionen 4.3 Aufgaben 1. Wie ergibt sich im Bev¨olkerungsmodell die Anzahl der M¨adchen, die in t von Frauen im Alter τ geboren werden und in t + 1 noch leben? 2. Wie ergibt sich im Bev ¨ olkerungsmodell die Zahl der einj ¨ ahrigen M¨adchen in t + 1? 3. Warum vereinfacht sich die Berechnung der Anzahl der Frauen in den anderen Altersjahren? 4. Erl¨autern Sie die Struktur der Leslie-Matrix F t = D f t + B f t . 5. F¨ ur demographische Projektionen ist nur die weibliche Bev¨olkerung bedeutsam. Erl¨autern Sie warum. 6. Betrachten Sie folgende kurzlebige Bev¨olkerung im Jahr t : τ n f β f δ f 1 100 0 0, 1 2 120 0, 7 0, 0 3 90 0, 6 0, 3 4 60 0 1 a) Ermitteln Sie die fortgeschriebene weibliche Bev ¨ olkerung des Jahres t + 1. b) Erstellen Sie die Leslie-Matrix und ¨ uberpr¨ ufen Sie Ihr Ergebnis aus Aufgabe a) auch mit Hilfe von Matrix-Operationen. 7. Welche Rolle spielt die Altersstruktur der Zuwanderer (differenziert nach dem Geschlecht) f¨ ur die demographische Entwicklung? <?page no="119"?> 5 Haushalte und Unternehmen 5.1 Haushalte 5.1.1 Haushalte und Familien 5.1.2 Charakterisierung von Haushalten 5.1.3 Entwicklung der Haushaltsgr¨oßen 5.1.4 Lebensalter und Haushaltsgr¨oße 5.2 Erwerbst¨atigkeit 5.2.1 Erfassung der Erwerbst¨atigkeit 5.2.2 Die Anzahl der Erwerbst¨atigen 5.2.3 Erwerbs- und Arbeitslosigkeitsquoten 5.2.4 Arbeitszeiten und Arbeitsvolumen 5.2.5 Berufsausbildung 5.2.6 Entwicklung von Berufen und beruflicher Stellung 5.3 Unternehmen 5.3.1 Arten von Arbeitsst¨atten 5.3.2 Wirtschaftszweigklassifikation 5.3.3 Unternehmen und Gr¨oßenklassen 5.3.4 Unternehmenskonzentration in der amtlichen Statistik 5.3.5 Konzentrationsmaßzahlen 5.3.6 Eigenschaften der Maßzahlen 5.3.7 Konzentrationsmessung der Monopolkommission 5.4 Aufgaben In diesem Kapitel betrachten wir Haushalte, in denen Menschen leben und wirtschaften, und Unternehmen, in denen Menschen arbeiten und G¨ uter produzieren. Im ersten Abschnitt besprechen wir, wie Haushalte und Familien in der amtlichen Statistik definiert werden und charakterisieren Haushalte mit Hilfe ihrer Gr ¨ oße und anhand des Zusammenhangs der Haushaltsgr¨oße und dem Lebensalter der Haushaltsmitglieder. Ein großer Teil der Menschen, die in Haushalten leben, gehen einer Erwerbst¨atigkeit nach. Im zweiten Abschnitt betrachten wir verschiedene Charakteristika der Erwerbst ¨ atigen und die Entwicklung der Erwerbst ¨ atigkeit in Deutschland. Im dritten Abschnitt betrachten wir Unternehmen und die klassifizierende Betrachtung der Unternehmen nach der Art ihrer T ¨ atigkeit und ihrer Gr ¨ oße. Bei der empirischen Analyse der Unterneh- <?page no="120"?> 120 5 Haushalte und Unternehmen men f¨allt die starke Konzentration des Umsatzes und der Besch¨aftigten auf. Daher diskutieren wir Maßzahlen der Messung der Unternehmenskonzentration und die Darstellungen und Analysen des Statistischen Bundesamts und der Monopolkommission. 5.1 Haushalte 5.1.1 Haushalte und Familien F ¨ ur das Reden von Haushalten verwenden wir folgende Definition des Statistischen Bundesamts: ”F¨ ur die Darstellung der Haushalte und ihrer Struktur wird die Bev¨olkerung in Privathaushalten zu Grunde gelegt. Hierzu z¨ahlen alle Personen, die am Haupt- oder Nebenwohnsitz allein (Einpersonenhaushalt) oder zusammen mit anderen Personen (Mehrpersonenhaushalt) eine wirtschaftliche Einheit (Privathaushalt) bilden. Sie werden auch als Haushaltsmitglieder bezeichnet. Die Bev ¨ olkerung in Gemeinschaftsunterk¨ unften (z.B. in Altenheimen) wird nicht ber¨ ucksichtigt, wohl aber Privathaushalte im Bereich von Gemeinschaftsunterk ¨ unften (z.B. Haushalt des Anstaltsleiters).“ (Fachserie 1, Reihe 3, 2010, S. 7) Die Definition macht deutlich, dass Haushalte als Institutionen (und nicht einfach als Mengen von Menschen) verstanden werden. Das wird besonders an den Verweisen auf Wohnungen deutlich. Folgt man der Definition, geh ¨ ort zu jedem Haushalt eine Wohnung. Somit k ¨ onnen Menschen auch mehrere Haushalte haben bzw. Mitglieder mehrerer Haushalte sein. Das zweite Kriterium, dass die Mitglieder eines Haushalts eine ” wirtschaftliche Einheit“ bilden, ist vergleichsweise vage, weil es offen l ¨ asst, in welchem Ausmaß die wirtschaftlichen Ressourcen der Haushaltsmitglieder gemeinsam genutzt werden. Die Definition bezieht sich auf Privathaushalte, aber nicht alle Menschen leben in Haushalten dieser Art. Einerseits gibt es obdachlose Personen, die keinem Haushalt angeh ¨ oren; andererseits gibt es Menschen, die in ”Anstaltshaushalten“ leben. Im Unterschied zu Privaten Haushalten gibt es f¨ ur Anstaltshaushalte keine genaue Definition, man kann aber exemplarisch an folgende Beispiele denken: Hotels, Pensionen, Krankenh¨auser, Sanatorien, Altersheime, Kasernen und Gef¨angnisse. Offenbar impliziert der Haushaltsbegriffweder bei Privatnoch bei Anstaltshaushalten eine dauerhafte Zugeh¨origkeit. In der neueren Literatur werden Haushalte und Familien meistens unter- <?page no="121"?> 5.1 Haushalte 121 Abbildung 5.1 Fachserie 1, Reihe 3, 2017, S. 4; © Destatis schieden, es gibt jedoch keine einheitliche Unterscheidung. Das Statistische Bundesamt verwendet folgende Definition: ” Die Familie im statistischen Sinn umfasst - abweichend von fr ¨ uheren Ver ¨ offentlichungen zum Mikrozensus - im Lebensformenkonzept alle Eltern-Kind- Gemeinschaften, d.h. Ehepaare, nichteheliche und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sowie alleinerziehende M ¨ utter und V ¨ ater mit ledigen Kindern im Haushalt. Einbezogen sind in diesen Familienbegriff - neben leiblichen Kindern - auch Stief-, Pflege- und Adoptivkinder ohne Altersbegrenzung. Damit besteht eine statistische Familie immer aus zwei Generationen: Eltern/ -teile und im Haushalt lebende ledige Kinder (Zwei-Generationen-Regel). Kinder, die noch gemeinsam mit den Eltern in einem Haushalt leben, dort aber bereits eigene Kinder versorgen, sowie Kinder, die nicht mehr ledig sind oder mit einer Partnerin oder einem Partner in einer Lebensgemeinschaft leben, werden im Mikrozensus nicht der Herkunftsfamilie zugerechnet, sondern z¨ahlen statistisch als eigene Familie bzw. Lebensform. Einen ¨ Uberblick ¨ uber Aufbau und Inhalte des neuen Lebensformenkonzepts im Mikrozensus gibt das nachfolgende Schaubild. Als Kinder z ¨ ahlen ledige Personen (ohne Altersbegrenzung) mit mindestens einem Elternteil und ohne Lebenspartner/ -in bzw. eigene ledige Kinder im Haushalt. Lebensgemeinschaften sind gemischtgeschlechtliche und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Mit dem Lebensformenkonzept wird die Bev ¨ olkerung grunds ¨ atzlich entlang zweier "Achsen“ statistisch erfasst: Erstens der Elternschaft und zweitens der Partnerschaft. Als Haushaltsbefragung konzentriert sich der Mikrozensus auf das Beziehungsgef¨ uge der befragten Menschen in den "eigenen vier W¨anden“, also auf einen gemeinsamen Haushalt. Eltern-Kind-Beziehungen, die ¨ uber Haushalts- <?page no="122"?> 122 5 Haushalte und Unternehmen grenzen hinweg bestehen, oder Partnerschaften mit getrennter Haushaltsf¨ uhrung, das so genannte "Living-apart-together“, bleiben daher unber¨ ucksichtigt. Lebensformen am Nebenwohnsitz sowie die Bev¨olkerung in Gemeinschaftsunterk¨ unften werden aus der Betrachtung ausgeblendet. Die Auswertung des Mikrozensus nach dem Lebensformenkonzept beruht auf ¨ Anderungen im Fragebogen des Mikrozensus, die erstmalig 1996 angewandt wurden.“ (Fachserie 1, Reihe 3, 2017 S. 4) 1 W¨ahrend fr¨ uher eine sehr enge Definition, f¨ ur die sich auch der Ausdruck Kernfamilie verbreitet hat, verwendet wurde, ist damit die in der Literatur verwendete, weiter gefasste Definition, in der wesentliche Forderung war, dass es in einer Familie zumindest ein Elternteil und ein Kind geben muss, ¨ ubernommen worden. Nave-Herz (1994, S. 5 f.) spricht in diesem Zusammenhang von einer ”Generationsdifferenzierung“ und erl¨autert: ”Es darf insofern hier [f¨ ur den Familienbegriff] nur die Generationsdifferenzierung (also das Elternbzw. Mutter- oder Vater-Kind-Verh ¨ altnis) und nicht auch die Geschlechtsdifferenzierung, also nicht das Ehesubsystem, als essentielles Kriterium gew ¨ ahlt werden, weil es zu allen Zeiten und in allen Kulturen auch Familien gab (und gibt), die nie auf einem Ehesubsystem beruht haben oder deren Ehesubsystem im Laufe der Familienbiographie durch Rollenausfall, infolge von Tod, Trennung oder Scheidung, entfallen ist. Damit bilden alleinerziehende M¨ utter und V¨ater sowie nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern auch Familiensysteme.“ Offenbar weist der Familienbegriffvon Nave-Herz große ¨ Ahnlichkeit zur Definition des Statistischen Bundesamts auf. Eine weitere Frage betrifft das logische Verh¨altnis zwischen dem Familien- und dem Haushaltsbegriff. In der Definition des Statistischen Bundesamts wird gefordert, dass die Mitglieder einer Familie zugleich Mitglieder eines gemeinsamen Haushalts sind. Dies entspricht der statistischen Erfassung im Mikrozensus, bei dem zun¨achst Haushalte erfasst werden, bevor dann innerhalb der Haushalte Familien abgegrenzt werden. Orientiert man sich an den Ausf¨ uhrungen von Nave-Herz, aber auch am umgangssprachlichen Reden von Familien, ist das jedoch keine notwendige Bedingung, sondern die Mitglieder einer Familie k¨onnen auch in unterschiedlichen Haushalten (Wohnungen) leben. Beim Reden von Familien muss also deutlich gemacht werden, in welcher Bedeutung dieser Begriffverwendet werden soll. 2 1 F ¨ ur weitere Details zur ¨ Anderung des Familienbegriffs und zu Auswirkungen auf das Ver ¨ offentlichungsprogramm des Statistischen Bundesamts sowie die Ergebnisse siehe auch Heidenreich und N¨othen (2002, S. 26 ff.) und N¨othen (2005, S. 25 ff.). 2 Die enge Definition der amtlichen Statistik ist bereits h ¨ aufiger kritisiert worden; <?page no="123"?> 5.1 Haushalte 123 5.1.2 Charakterisierung von Haushalten Man kann Haushalte unter zahlreichen Aspekten charakterisieren und daran anschließend Haushaltstypen unterscheiden. Zun¨achst kann man die bereits genannte Unterscheidung zwischen Privat- und Anstaltshaushalten vornehmen. Zur Charakterisierung von Privathaushalten gibt es dann folgende M¨oglichkeiten: Man kann von Merkmalen der Personen ausgehen, die in einem Haushalt zusammenleben, also Haushalte z.B. nach der Anzahl und dem Alter ihrer Mitglieder unterscheiden. Man kann Haushalte durch verwandtschaftliche und andere Arten von Beziehungen zwischen den Haushaltsmitgliedern charakterisieren. Man kann sich darauf beziehen, wie die zu den Haushalten geh¨orenden Wohnungen beschaffen sind. Außerdem kann ihre r ¨ aumliche Lage ber¨ ucksichtigt werden. Man kann Haushalte nach der Art und dem Umfang ihrer Ressourcen, insbesondere in Form von Einkommen und Verm¨ogen, unterscheiden. Man kann Haushalte im Hinblick auf die in ihnen stattfindenden (hauswirtschaftlichen) T¨atigkeiten charakterisieren, wobei sowohl die Art und der Umfang als auch die Verteilung dieser T ¨ atigkeiten auf die Haushaltsmitglieder relevant sein k¨onnen. Im Folgenden beziehen wir uns zur Charakterisierung von Haushalten auf die Anzahl ihrer Mitglieder. 5.1.3 Entwicklung der Haushaltsgr¨oßen Um Ver ¨ anderungen in der Verteilung der Haushaltsgr ¨ oßen zu erfassen, st¨ utzen wir uns zun¨achst auf Daten des Mikrozensus, eine in der BRD seit 1957 (in den meisten Jahren) bis 2004 j¨ahrlich, seit 1991 auch in den neuen man vgl. etwa Bien und Marbach (1991) , Geißler (1997) . Weitere Hinweise auf neuere Diskussionen ¨ uber Familienbegriffe findet man bei Strohmeier, Schultz u. a. (2005, S. 30 ff.) ; die Autoren sprechen von einer ” Diversifikation und Dekonstruktion“ des Familienbegriffs, allerdings ohne die naheliegende Konsequenz zu ziehen, den Begriffin wissenschaftlichen Untersuchungen gar nicht zu verwenden. 3 Ausf¨ uhrliche Informationen zum Mikrozensus findet man bei Rinne (1996, S. 69 ff.) sowie - speziell zu Fragen der Stichprobenkonzeption - bei Krug, Nourney u. a. (insb. 1999, S. 304 ff.). Eine Zusammenstellung der Mikrozensusdaten ¨ uber Haushalts- und Familienstrukturen gibt es in der Fachserie 1, Reihe 3, des Statistischen Bundesamts. <?page no="124"?> 124 5 Haushalte und Unternehmen Tabelle 5.1 Anzahl (in 1000) und Anteile (in %) der Privathaushalte mit 1, 2, 3, 4 oder 5 und mehr Mitgliedern in 2017. Quelle: Fachserie 1, Reihe 3, Haushalte und Familien 2017, Tab. 1.1. 1 2 3 4 5+ insgesamt Alte Bundesl¨ander 13517 10855 4005 3223 1207 32807 41,2 33,1 12,2 9,8 3,7 100,0 Neue Bundesl¨ander 3745 2996 967 600 190 8498 44,1 35,3 11,4 7,1 2,2 100,0 Deutschland 17263 13850 4972 3823 1397 41305 41,8 33,5 12,0 9,3 3,4 100,0 Bundesl¨andern durchgef¨ uhrte Datenerhebung der amtlichen Statistik, in der jeweils 1 % der in Privathaushalten lebenden Bev ¨ olkerung zu einer Vielzahl von Merkmalen und Lebensumst¨anden befragt wird. 3 Ab dem Jahr 2005 wurden erhebliche methodische Ver¨anderungen umgesetzt: ”Das neue Mikrozensusgesetz vom 24. Juni 2004 ordnet in § 3 eine unterj¨ahrige, kontinuierliche Erhebung an. Bei dieser Erhebungsform wird das gesamte Befragungsvolumen m ¨ oglichst gleichm ¨ aßig auf alle Kalenderwochen des Jahres verteilt, wobei die letzte Woche vor der Befragung die Berichtswoche darstellt (sog. gleitende Berichtswoche). Damit ist es grunds ¨ atzlich m ¨ oglich, den Nutzerinnen und Nutzern des Mikrozensus neben j ¨ ahrlichen auch viertelj ¨ ahrliche Durchschnittsergebnisse - also ein deutlich gr ¨ oßeres und aktuelleres Informationsangebot mit h ¨ oherem Aussagegehalt - zur Verf ¨ ugung zu stellen. Bei den hier vorliegenden Ergebnissen des Mikrozensus handelt es sich somit um echte Jahresdurchschnitte.“ (Fachserie 1, Reihe 3, 2010, S. 6, vgl. auch Fachserie 1, Reihe 3, 2017, S. 7) Tabelle 5.1 zeigt die durch den Mikrozensus 2017 ermittelten Zahlen. Man erkennt, dass die Gr¨oßenverteilung in den alten und neuen Bundesl¨andern sehr ¨ahnlich ist. Den gr¨oßten Anteil bilden 1-Personenhaushalte. Nat¨ urlich heißt das nicht, dass die meisten Menschen in solchen Haushalten leben. Bezieht man sich auf die Bev¨olkerung in Privathaushalten, lebten 2017 in den alten Bundesl¨andern (ohne Berlin) 20,5 % (13.517 von 65.890 Mio.) und in den neuen Bundesl ¨ andern (einschließlich Berlin) 23,5 % (3.745 von 15.938 Mio.) in 1-Personenhaushalten (Fachserie 1, Reihe 3, 2017, Tab. 1.1 und Tab. 4.1). Ein wichtiger Prozess, der bereits in der zweiten H ¨ alfte des 19. Jahrhunderts eingesetzt hat, besteht in der allm ¨ ahlichen Verringerung der Haushaltsgr ¨ oßen. Abbildung 5.2 illustriert diesen Prozess, wie er im Die gegenw¨artig letzte Ausgabe, die sich auf den Mikrozensus 2017 bezieht, ist beim Statistischen Bundesamt www.destatis.de kostenlos erh¨altlich. <?page no="125"?> 5.1 Haushalte 125 1955 1965 1975 1985 1995 2005 2015 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 1 2 3 45+ Abbildung 5.2 Entwicklung der relativen Anteile (in %) unterschiedlicher Haushaltsgr ¨ oßen an der Gesamtheit aller Haushalte im Gebiet der fr ¨ uheren BRD. Berechnung aus Daten des Statistischen Bundesamts: Fachserie 1, Reihe 3, Haushalte und Familien 2002, Tab. 7.1. und 2017, Tab. 1.5. Gebiet der ehemaligen BRD abgelaufen ist. 4 Man erkennt, wie die Anteile von Haushalten mit 1 und 2 Personen gr ¨ oßer und die Anteile von Haushalten mit mehr als 2 Personen kleiner geworden sind. 5.1.4 Lebensalter und Haushaltsgr¨oße Ein bemerkenswerter Zusammenhang besteht zwischen der Gr ¨ oße des Haushalts, in dem Menschen leben, und ihrem Alter. Um das sichtbar zu machen, verwenden wir Daten aus dem ALLBUS , eine Abk¨ urzung f¨ ur Allgemeine Bev¨olkerungsumfrage der Sozialwissenschaften. Diese Datenerhebung wird seit 1980 alle zwei Jahre durchgef ¨ uhrt; 5 hier verwenden wir Daten aus der Erhebung f¨ ur das Jahr 2016, eine Personenstichprobe aus allen deutschsprachigen Personen, die zum Befragungszeitpunkt in Privathaushalten lebten und vor dem 1. Januar 1998 geboren sind. Die Stichprobe umfasst insgesamt 3469 Personen, davon 2312 aus den alten Bundesl¨andern (einschl. West-Berlin) und 1157 Personen aus den neuen Bundesl¨andern (einschl. Ost-Berlin), im Alter von 18 bis 95 Jahren. Im Folgenden beschr ¨ anken wir uns auf 2312 Personen aus den alten Bundesl ¨ andern, bei denen sich die Gr ¨ oße ihres Haushalts feststellen 4 Daten zur Entwicklung seit Mitte des 19. Jahrhunderts findet man bei Bretz und Niemeyer (1992). 5 Ausf¨ uhrliche Informationen ¨ uber diese Datenquelle findet man im Internet: www.gesis.org/ Datenservice/ ALLBUS/ index.htm . <?page no="126"?> 126 5 Haushalte und Unternehmen Alter 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 1.0 1.2 1.4 1.6 1.8 2.0 2.2 2.4 2.6 2.8 3.0 3.2 3.4 3.6 3.8 4.0 Abbildung 5.3 Durchschnittliche Haushaltsgr¨oße (Ordinate) in Abh¨angigkeit vom Alter (Abszisse), berechnet mit den Daten des ALLBUS 2016 f¨ ur die alten Bundesl ¨ ander. D ¨ unne Linie: ungegl ¨ attet; dicke Linie: mit lokaler Ausgleichsfunktion gegl¨attet. l¨asst. Jeweils f¨ ur alle Personen des gleichen Alters kann somit berechnet werden: die durchschnittliche Gr ¨ oße der Haushalte, in denen sie zum Befragungszeitpunkt lebten, und der Prozentanteil der Personen, die in 1-Personenhaushalten lebten. Als Untersuchungseinheiten werden hier also Personen, nicht Haushalte verwendet; die jeweilige Haushaltsgr¨oße wird als eine Eigenschaft der jeweiligen individuellen Lebenssituation angesehen. Da es sich um eine Personenstichprobe handelt und wir uns auf die Teilstichprobe f¨ ur die alten Bundesl¨ander beschr¨anken, ist keine Gewichtung erforderlich. Abbildung 5.3 zeigt zun ¨ achst die Abh ¨ angigkeit der durchschnittlichen Haushaltsgr ¨ oße vom Alter. Als naheliegende Interpretation kann man vermuten, dass die durchschnittliche Haushaltsgr ¨ oße zun ¨ achst dadurch kleiner wird, dass viele Kinder die elterlichen Haushalte verlassen und eigene Haushalte gr¨ unden; dann folgt durch Bildung von Partnerschaften und die Geburt von Kindern eine Phase gr ¨ oßer werdender Haushalte; und schließlich werden die Haushalte wiederum durch den Auszug von Kindern, aber auch durch Trennungen und Todesf ¨ alle immer kleiner. Ganz analog kann die Altersabh ¨ angigkeit des Anteils der Personen in 1-Personenhaushalten interpretiert werden, die in Abbildung 5.4 gezeigt wird. In beiden Abbildungen ist jeweils neben den ungegl¨atteten Werten auch <?page no="127"?> 5.2 Erwerbst¨ atigkeit 127 Alter 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Abbildung 5.4 Prozentanteil der in 1-Personenhaushalten lebenden Personen (Ordinate) in Abh ¨ angigkeit vom Alter (Abszisse), berechnet mit den Daten des ALLBUS 2016 f¨ ur die alten Bundesl¨ander. D¨ unne Linie: ungegl¨attet; dicke Linie: mit lokaler Ausgleichsfunktion gegl¨attet. eine gegl¨attete Linie eingezeichnet. Die gegl¨atteten Werte resultieren als Regressionswerte eines lokalen Polynoms zweiten Grades. Diese Polynome werden auf Basis der um die St ¨ utzstelle am dichtesten liegenden 20% aller Werte berechnet. Die Datenpunkte werden dabei mit zunehmendem Abstand von der St ¨ utzstelle geringer gewichtet. (Der Abstand eines Datenpunktes von der St ¨ utzstelle wird durch den weitesten Abstand der ber¨ ucksichtigten 20% Datenpunkte dividiert. Bezeichnen wir diesen relativierten Abstand mit a, dann resultiert das Gewicht als (1 − a 3 ) 3 .) 5.2 Erwerbst¨atigkeit 5.2.1 Erfassung der Erwerbst¨atigkeit Die Erfassung der Erwerbst¨atigkeit erfolgt in Deutschland sowohl durch die Arbeitsmarktstatistik des Statistischen Bundesamts nach Vorgaben der International Labour Organization (ILO) als auch durch die Bundesagentur f ¨ ur Arbeit. Das international etablierte Labour Force Konzept der ILO soll eine internationale Vergleichbarkeit unabh ¨ angig von l¨anderspezifischen Gesetzgebungen gew¨ahrleisten. Die Bundesagentur f ¨ ur Arbeit liefert insbesondere ¨ uber die sozialversicherungspflichtig Besch ¨ aftigten und die bei der Agentur registrierten Arbeitsuchenden <?page no="128"?> 128 5 Haushalte und Unternehmen detaillierte Informationen. Die Ergebnisse zur Erwerbst ¨ atigkeit basieren insbesondere auf der Statistik der sozialversicherungspflichtig Besch ¨ aftigten, der Arbeitskr ¨ afteerhebung, der Personalstandstatistik und der kurz-, mittel- und langfristigen Statistik f¨ ur Wirtschaftsbereiche. Insbesondere f¨ ur aktuelle monatliche Zahlen zur Erwerbst¨atigkeit wird auf die Arbeitskr¨afteerhebung zur¨ uckgegriffen, die im Rahmen des Mikrozensus durchgef¨ uhrt wird. Der Mikrozensus ist eine 1%-Stichprobe mit Auskunftspflicht, die seit 2005 nicht mehr zu einer festen Berichtswoche, sondern ¨ uber das Jahr kontinuierlich verteilt erhoben wird. Im Vergleich zur Erwerbst¨atigenrechnung im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, die sich auf 50 verschiedene Datenquellen st¨ utzt, resultieren bei der Arbeitskr¨afteerhebung deutlich geringere Erwerbst¨atigenzahlen. 2004 ergab sich nach dem Mikrozensus eine um 2,8 Millionen niedrigere Zahl der Erwerbst¨atigen als nach der Erwerbst¨atigenrechnung. Seither wurde mit verschiedenen methodischen Anpassungen der Arbeitskr¨afteerhebung versucht, die Ergebnisdifferenz zu reduzieren. F ¨ ur das Jahr 2017 ergibt sich nach der Arbeitskr ¨ afteerhebung im Mikrozensus f ¨ ur die Erwerbst ¨ atigen eine Zahl von 41,641 Millionen, nach der Erwerbst¨atigenrechnung gab es 44,155 Millionen Erwerbst¨atige mit Wohnort in Deutschland (Inl¨anderkonzept). 6 Die Ergebnisse weisen somit einen ganz beachtlichen Unterschied von 2,514 Millionen Erwerbst¨atigen aus (Quelle: destatis.de, 15.5.2012). 7 Die Tabelle 8 unterteilt die Differenz von rund 2,5 Mio. in verschiedene 6 F ¨ ur das Begriffspaar Inlands- und Inl ¨ anderkonzept findet sich bei Genesis-Online folgende Erl ¨ auterung: ” Bei den Erwerbst ¨ atigen werden Personen mit Wohnort im Inland (Inl¨anderkonzept), unabh¨angig davon, ob sich ihr Arbeitsort im In- oder Ausland befindet, und mit Arbeitsort im Inland (Inlandskonzept), unabh¨angig davon ob sich ihr Wohnort im In- oder Ausland befindet, gez¨ahlt. Bei den Erwerbst¨atigen nach dem Inl¨anderkonzept (Wohnsitz im Inland) werden die berufst¨atigen Auspendler ins Ausland mit einbezogen, w¨ahrend die berufst¨atigen Einpendler aus dem Ausland unber¨ ucksichtigt bleiben. Nach dem Inlandskonzept werden alle Personen ber¨ ucksichtigt, die ihre Erwerbst ¨ atigkeit bei inl ¨ andischen Wirtschaftseinheiten (Arbeitsortkonzept) aus¨ uben. Berufst¨atige Einpendler werden einbezogen und berufst¨atige Auspendler ins Ausland sowie zivile Besch ¨ aftigte bei Stationierungsstreitkr ¨ aften und ausl ¨ andischen Vertretungen im Inland bleiben unber¨ ucksichtigt.“ 7 Eine ausf ¨ uhrliche Diskussion der Ergebnisdifferenzen findet sich bei K ¨ orner und Puch (2009). 8 https: / / www.destatis.de/ DE/ ZahlenFakten/ GesamtwirtschaftUmwelt/ Arbeitsmarkt/ Methoden/ ETR_zum_MZ.html? nn=552172 <?page no="129"?> 5.2 Erwerbst¨ atigkeit 129 definitorische und konzeptionelle Abweichungen einerseits und methodisch bedingte Abweichungen andererseits. Der gr¨oßte Teil der Differenz entf ¨ allt mit 1,5 Mio. auf diejenigen Personen, sie sich nach Selbstauskunft im Mikrozensus als nicht erwerbst ¨ atig betrachten, jedoch in der Erwerbst¨atigenrechnung als marginal besch¨aftigte Erwerbst¨atige erfasst werden. 5.2.2 Die Anzahl der Erwerbst¨atigen Das Statistische Bundesamt geht von folgender Definition eines Erwerbst¨atigen aus: ” Erwerbst ¨ atige sind alle Personen im Alter von 15 und mehr Jahren, die im Berichtszeitraum mindestens eine Stunde gegen Entgelt irgendeiner beruflichen T ¨ atigkeit nachgehen bzw. in einem Arbeitsverh ¨ altnis stehen (Arbeitnehmer/ innen einschl. Soldatinnen und Soldaten), selbstst¨andig ein Gewerbe oder eine Landwirtschaft betreiben, einen freien Beruf aus¨ uben oder als mithelfende Familienangeh¨orige im Betrieb eines Familienmitglieds mitarbeiten, ohne daf¨ ur Lohn und Gehalt zu beziehen. Daneben gelten auch Personen als erwerbst ¨ atig, die vor ¨ ubergehend nicht arbeiten, sofern sie formell mit ihrem Arbeitsplatz verbunden sind (z.B. wegen Urlaub, Krankheit usw.).“ Die Bedeutung des Ertrages der T¨atigkeit f¨ ur den Lebensunterhalt und ob es sich um eine regelm¨aßige oder nur gelegentlich ausge¨ ubte T¨atigkeit handelt, ist hierbei nicht relevant. (Fachserie 1, Reihe 4.1, Bev¨olkerung und Erwerbst¨atigkeit, 2017, S. 8) Die in Abbildung 5.5 pr¨asentierten j¨ahrlichen Erwerbst¨atigenzahlen beruhen auf dem Inlandskonzept, somit werden die in Deutschland Erwerbst¨atigen unabh¨angig von ihrem Wohnort erfasst. Die Zeitreihe der Zahl der Erwerbst¨atigen weist l¨angerfristig einen steigenden Trend auf, ist aber starken konjunkturellen Schwankungen unterworfen. Die geringste Erwerbst ¨ atigenzahl findet sich als Folge der ¨ Olpreiskrise im Jahr 1976 mit 26,139 Millionen. Am aktuellen Rand findet sich f¨ ur 2017 die h¨ochste Zahl der Erwerbst¨atigen mit 44,269 Millionen. Im Jahr 1991 betr¨agt die Differenz in den Erwerbst¨atigenzahlen zwischen neuem und altem Gebietsstand 7,529 Millionen (24,1%). (Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Inlandsproduktberechnung, Lange Reihen ab 1970, 2017, Tab. 1.13) <?page no="130"?> 130 5 Haushalte und Unternehmen Tabelle 5.2 Abweichung zwischen Mikrozensus und Erwerbst¨atigenrechnung. in 1000 Gegenstand der Nachweisung -36 Erwerbst¨atige im Alter unter 15 Jahren -475 Definitorische und -90 Erwerbst¨atige in Gemeinschaftsunterk¨ unften konzeptionelle Abw. -370 Pers. m. Arbeitsverh., die ihre T¨atigk. f¨ ur mehr als 3 Mon. unterbr. haben +21 Erwerbst¨atige in extraterritorialen Organisationen Saldo der Abw. +64 Voll sozialversicherungspflichtig Besch¨aftigte Methodisch bedingte -1329 zw. den Hauptquellen -1458 Marginal Besch¨aftigte Abweichungen der ETR und dem MZ +65 Beamte und Soldaten nach Stellung im Beruf 0 Selbst¨andige und mith. Familienangeh¨orige -709 Saldo von Zu- und Abschl¨agen in der Erwerbst¨atigenrechnung 41641 Mikrozensus - Erwerbst¨atige am Wohnort +26 Differenz Haushaltsbegrenzung Eurostat 41663 Arbeitskr¨afteerhebung - Erwerbst¨atige in Privathaushalten <?page no="131"?> 5.2 Erwerbst¨ atigkeit 131 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 Abbildung 5.5 Die Entwicklung der Zahl der Erwerbst¨atigen in Millionen. Bis 1991 Fr¨ uheres Bundesgebiet, ab 1991 Deutschland. 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 -3.0 -2.5 -2.0 -1.5 -1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 Abbildung 5.6 Prozentuale Ver ¨ anderung der Zahl der Erwerbst ¨ atigen gegen¨ uber dem Vorjahr. Bis 1991 Fr¨ uheres Bundesgebiet, ab 1992 Deutschland. Die starken konjunkturellen Einfl¨ usse zeigen sich besonders deutlich bei der Ver¨anderungsrate der Zahl der Erwerbst¨atigen gegen¨ uber dem Vorjahr, die in Abbildung 5.6 dargestellt ist. Die Ver¨anderungsrate schwankt zwischen -2,51% f¨ ur das Jahr 1975 und +3,15% im Jahr 1990 und betr¨agt im Mittel (geometrisch) ohne Ber ¨ ucksichtigung des Anstiegs durch die ¨ Anderung des Gebietsstandes 0,628% f ¨ ur den Zeitraum von 1971 bis 2017. Die graphische Darstellung der Wachstumsraten deutet darauf hin, dass die Amplitude im Zeitablauf etwas abnimmt. Seit dem Jahr 2006 sind die Wachstumsraten positiv. <?page no="132"?> 132 5 Haushalte und Unternehmen 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 Landwirtschaft Baugewerbe Verm., Finanz., Unt.dienstl. Produzierendes Gewerbe Dienste Handel, Gastg., Verk. 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 0.00 0.05 0.10 0.15 0.20 0.25 0.30 0.35 0.40 Landwirtschaft Baugewerbe Verm., Finanz., Unt.dienstl. Produzierendes Gewerbe Dienste Handel, Gastg., Verk. Abbildung 5.7 Zahl der Erwerbst¨atigen nach sechs Wirtschaftsbereichen. Oben Erwerbst ¨ atige in Millionen, unten Anteile der Wirtschaftsbereiche an den Erwerbst¨atigen insgesamt. Bis 1991 Fr¨ uheres Bundesgebiet, ab 1991 Deutschland. Einen weiteren Einblick in die Struktur der Erwerbst¨atigen erlaubt die Betrachtung von sechs zusammengefassten Wirtschaftsbereichen (vgl. Abb. 5.7). Die Darstellung der Entwicklung der Anteile der sechs Wirtschaftsbereiche an allen Erwerbst ¨ atigen in den 47 Jahren seit 1970 macht die sehr heterogene Entwicklung besonders deutlich. Schrumpfende Wirtschaftsbereiche sind die Landwirtschaft, deren Erwerbst¨atigenanteil von 8,4% auf 1,6% gesunken ist und das Produzierende Gewerbe, dessen Anteil von 37,9% auf 18,8% gesunken ist. Der Anteil der im Baugewerbe Besch ¨ aftigten ist von 8,6% um rund 3% gesunken. Gewachsen ist der <?page no="133"?> 5.2 Erwerbst¨ atigkeit 133 Bereich Dienstleistungen (von 17,0% auf 31,3%) und der Bereich Vermietung, Finanzierung, Unternehmensdienstleistungen (von 6,1% auf 19,5%). Der Anteil des Wirtschaftsbereichs Handel, Gastst ¨ atten und Verkehr ist von 22,0% auf 23,1% gestiegen. Damit ist insgesamt ein deutlicher Anstieg des terti¨aren Sektors bei sehr geringer Bedeutung des prim¨aren und stark reduzierter Bedeutung des sekund¨aren Sektors zu beobachten. 5.2.3 Erwerbs- und Arbeitslosigkeitsquoten Die Erwerbsquote bezeichnet das Verh ¨ altnis der Zahl der Erwerbspersonen, d.h. der Summe von Erwerbst ¨ atigen und Erwerbslosen, zur Bev ¨ olkerung im Alter von 15 bis 65 Jahren (vgl. Abb. 5.8). Sie ist ein Maß der Erwerbsneigung und weniger stark als die Erwerbst¨atigenquote von der aktuellen Arbeitsmarktsituation beeinflusst, wenn auch nat¨ urlich von dieser nicht unabh¨angig. Die Zahlen der m ¨ annlichen und weiblichen Erwerbspersonen k ¨ onnen jeweils als das Produkt aus der Zahl der jeweiligen Bev ¨ olkerung im erwerbsf ¨ ahigen Alter (15-65) und den geschlechtsspezifischen Erwerbsquoten dargestellt werden. Die Zahl der Frauen im erwerbsf¨ahigen Alter lag Ende 2015 mit 26,192 Millionen um 809 Tsd. unter der Zahl der M¨anner (27,001). Zudem weisen M¨anner eine deutlich h¨ohere Erwerbsneigung auf: 2015 betrug die Erwerbsquote der M¨anner 82,6% und die der Frauen 72,9%. Insgesamt liegt die Zahl der m¨annlichen Erwerbspersonen mit gut 21,964 Millionen ¨ uber der Zahl der weiblichen Erwerbspersonen (19,219 Millionen). Die niedrigere Erwerbsneigung der Frauen zeigt sich auch in der deutlich h¨oheren Zahl von weiblichen Nichterwerbspersonen im Alter von 15 bis 65 mit knapp 7 Millionen (M ¨ anner: rund 5 Mio.). Die Erwerbsquoten von M ¨ annern und Frauen weisen im zeitlichen Vergleich eine deutliche Ann¨aherung auf. Die Erwerbsquoten der M¨anner sind von knapp 91% zu Beginn der 60er Jahre auf 80% im Jahr 2000 gesunken. In den letzten zehn Jahren zeigt sich ein geringf¨ ugiger Anstieg. Die Erwerbsquote der Frauen hatte im Jahr 1967 ihren geringsten Wert mit 45,6%. Seither ist sie beinahe stetig gestiegen. Die Differenz der Erwerbsquoten von M¨annern und Frauen (in 2017 82,4 und 74,0%) hat sich dementsprechend deutlich verringert von 43,5% im Jahr 1960 auf lediglich 8,4% in 2017. W¨ahrend im ¨ ublichen Sprachgebrauch die Begriffe ”arbeitslos“ und ”erwerbslos“ synonym gebraucht werden, liegen beiden unterschiedliche statistische Operationalisierungen zugrunde. F¨ ur die beiden Begriffe lie- <?page no="134"?> 134 5 Haushalte und Unternehmen 1955 1965 1975 1985 1995 2005 2015 0.45 0.50 0.55 0.60 0.65 0.70 0.75 0.80 0.85 0.90 0.95 Männer Insgesamt Frauen Abbildung 5.8 Erwerbsquoten: Anzahl der Erwerbst¨atigen und Erwerbslosen zur Anzahl der Bev¨olkerung im Alter von 15 bis 65 Jahren. Bis 1990 Fr¨ uheres Bundesgebiet, ab 1991 Deutschland. fert die Bundesagentur f ¨ ur Arbeit www.arbeitsagentur.de folgende Definitionen: Erwerbslose nach dem Konzept der International Labour Organization (ILO): ” Als erwerbslos gilt im Sinne der ILO-Abgrenzung jede Person, die in diesem Zeitraum nicht erwerbst ¨ atig war, aber in den letzten vier Wochen vor der Befragung aktiv nach einer T¨atigkeit gesucht hat. Auf den zeitlichen Umfang der gesuchten T ¨ atigkeit kommt es nicht an. Eine neue Arbeit muss innerhalb von zwei Wochen aufgenommen werden k¨onnen. Die Einschaltung einer Agentur f¨ ur Arbeit oder eines kommunalen Tr¨agers in die Suchbem¨ uhungen ist nicht erforderlich. Die Erwerbslosenquote errechnet sich als Anteil der Erwerbslosen an allen Erwerbspersonen. Die Zahl der Erwerbslosen wird in Deutschland ebenso wie in den anderen EU-L ¨ andern anhand der Arbeitskr ¨ afteerhebung (Labour Force Survey - LFS) gemessen. Die ILO-Definition von Erwerbslosigkeit wird in dieser Erhebung konkretisiert auf Personen im Alter von 15 bis 74 Jahren.“ Arbeitslose nach dem Sozialgesetzbuch (SGB): ” Arbeitslose sind nach dem Dritten Sozialgesetzbuch (SGB III) Personen, die vor¨ ubergehend nicht in einem Besch¨aftigungsverh¨altnis stehen bzw. eine weniger als 15 Stunden w¨ochentlich umfassende Besch ¨ aftigung aus ¨ uben, dabei aber eine versicherungspflichtige Besch¨aftigung von mindestens 15 Wochenstunden suchen und den Vermittlungsbem ¨ uhungen der Arbeitsagenturen oder der kommunalen Tr ¨ ager der Grundsicherung f¨ ur Arbeitsuchende zur Verf¨ ugung stehen und sich dort auch arbeitslos gemeldet haben.“ Die von der Bundesagentur f ¨ ur Arbeit im Rahmen der SGB-Arbeitsmarktstatistik ermittelten Zahlen der Arbeitslosen liegen ¨ uber den Zahlen <?page no="135"?> 5.2 Erwerbst¨ atigkeit 135 der Erwerbslosen nach dem ILO-Erwerbsstatuskonzept. Die Differenzen sind auf Unterschiede in den Erhebungsmethoden, der Altersabgrenzung, den Anforderungen an die eigene Aktivit¨at bei der Arbeitsuche und der Verf ¨ ugbarkeit sowie in der Zahl der aktuell geleisteten Arbeitsstunden zur¨ uckzuf¨ uhren. 9 Die ILO-Erwerbsstatistik umfasst die Personen, die aktiv Arbeit suchen und dem Arbeitsmarkt zur Verf ¨ ugung stehen. Personen, die nur einen geringf ¨ ugigen Arbeitsplatz suchen oder sich nicht arbeitslos melden, werden nach diesem Konzept mit erfasst. Personen, die zum Zeitpunkt der Erfassung wenigstens eine Stunde in der Woche arbeiten, werden nicht als erwerbslos betrachtet. Die SGB-Arbeitsmarktstatistik erfasst auch Personen als arbeitslos, die eine nur geringf ¨ ugige Besch ¨ aftigung aus ¨ uben und auch Personen, die Arbeit wollen, aber nicht aktiv Arbeit suchen. Nach beiden Messkonzepten werden Personen nicht als erwerbslos bzw. arbeitslos erfasst, wenn sie sich in Arbeitsgelegenheiten nach dem SGB II und in Qualifizierungsmaßnahmen befinden. Die Bundesagentur f ¨ ur Arbeit f ¨ uhrt zur Unterscheidung zudem aus: ” Die ILO-Erwerbsstatistik hat eine eher ¨ okonomische Sichtweise. Sie unterscheidet trennscharf zwischen Erwerbst ¨ atigen und Erwerbslosen und bildet umfassend die Personen ab, die aktiv Arbeit suchen und dem Arbeitsmarkt zur Verf ¨ ugung stehen. Sie nimmt dabei auch die Suche nach geringf¨ ugigen Arbeitspl¨atzen mit in den Blick und erfasst auch die Personen, die sich nicht arbeitslos melden. Die ILO-Erwerbsstatistik ist f¨ ur internationale Vergleiche unentbehrlich, weil die Daten nach einem international einheitlichen Konzept erhoben werden. Die SGB-Arbeitsmarktstatistik nimmt st¨arker eine sozialpolitische Perspektive ein. Anders als in der ILO-Erwerbsstatistik werden auch die Personen als arbeitslos erfasst, die eine nur geringf¨ ugige Besch¨aftigung aus¨ uben. Zudem sind in der SGB-Arbeitsmarktstatistik auch Personen enthalten, die Arbeit wollen, aber zuletzt keine konkreten Suchschritte unternommen haben.“ Exemplarisch stellen wir in Abbildung 5.9 die monatlichen Zahlen der Erwerbslosen nach ILO und der Arbeitslosen nach SGB der Jahre 2007 bis 2018 graphisch dar. Im Durchschnitt der ersten elf Monate des Jahres 9 Eine ausf¨ uhrliche Diskussion der unterschiedlichen Konzeptionen findet man bei M. Hartmann und Riede (2005). <?page no="136"?> 136 5 Haushalte und Unternehmen 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0 4.5 2007 2009 2011 2013 2015 2017 Arbeitslose SGB Erwerbslose ILO Abbildung 5.9 Vergleich der Arbeitslosen- und Erwerbslosenzahlen von 2007 bis 2018 (Monatswerte). 2018 betr ¨ agt die Zahl der Arbeitslosen 2,352 Millionen und die der Erwerbslosen 1,484 Millionen. Damit liegen die Arbeitslosenzahlen um 868 Tsd. bzw. um 58,8% ¨ uber den Erwerbslosenzahlen. Zur Darstellung der l¨angerfristigen Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Deutschland seit 1950 in der Abbildung 5.10 verwenden wir Daten der Bundesagentur f¨ ur Arbeit. 10 F ¨ ur das Jahrzehnt zwischen 1950 und 1960 zeigt sich zun ¨ achst ein beinahe linear abnehmender Verlauf der Nachkriegsarbeitslosigkeit von knapp 2 Millionen auf rund 271 Tausend. Die niedrigste Arbeitslosigkeit wurde im Jahr 1965 mit rund 147 Tsd. erreicht. Seither zeigt die Graphik der Zahl der Arbeitslosen einen von konjunkturellen Bewegungen ¨ uberlagerten langfristigen Anstieg. Bemerkenswert ist dabei der Wechsel von mehrj¨ahrigen steilen Anstiegen in den Zeitr¨aumen 1973-1975, 1980- 1983, 1991-1997 mit sich jeweils anschließenden Phasen der Stagnation. Der h ¨ ochste Stand der Arbeitslosigkeit wurde im Jahr 2005 mit 4,861 Millionen erreicht. Seither zeigt sich ein deutlicher R ¨ uckgang bis auf 2,340 Millionen in 2018. Die Arbeitslosenquote (vgl. Abb. 5.10 unten) weist aufgrund der deutlich zunehmenden Zahl der Erwerbspersonen in st¨arkerem Maße wie die Arbeitslosenzahl Phasen des R¨ uckgangs auf. Im Zeitraum von 1950 bis 1962 ist die Arbeitslosenquote von 11% auf 0,7% gesunken. Dramatische 10 Statistik der Bundesagentur f ¨ ur Arbeit, Arbeitslosigkeit im Zeitverlauf, Dezember 2018, N¨ urnberg. <?page no="137"?> 5.2 Erwerbst¨ atigkeit 137 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0 4.5 5.0 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Arbeitslose / abhängige zivile Erwerbspersonen Arbeitslose / zivile Erwerbspersonen Abbildung 5.10 Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Oben: Anzahl in Millionen. Unten: Arbeitslosenquote in Prozent. Bis 1990 Fr¨ uheres Bundesgebiet, ab 1991 Deutschland. Anstiege finden sich in den wirtschaftlichen Krisen 1972-1975, 1980-1983, 1990-1997 und 2001-2004. Diesen Anstiegen standen bis zur Jahrtausendwende in den sich anschließenden Phasen des Konjunkturaufschwungs nur sehr geringe R¨ uckg¨ange gegen¨ uber. Hieraus resultierte ein seit Anfang der siebziger Jahre deutlich gestiegenes Niveau mit sich verfestigender Massenarbeitslosigkeit. Seit 2005 zeigt sich ein fast kontinuierlicher R¨ uckgang der Arbeitslosenquote auf 5,2% in 2018 (Arbeitslose im Verh ¨ altnis zu zivilen Erwerbspersonen). <?page no="138"?> 138 5 Haushalte und Unternehmen 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 Erwerbstätige Arbeitsvolumen 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 1300 1400 1500 1600 1700 1800 1900 2000 Abbildung 5.11 Oben: Die Entwicklung der Erwerbst¨atigen und des Arbeitsvolumens, Messzahlen auf der Basis 1970=100. Unten: Durchschnittliche Zahl geleisteter Arbeitsstunden je Erwerbst¨atigen. Bis 1991 Fr¨ uheres Bundesgebiet, ab 1991 Deutschland. 5.2.4 Arbeitszeiten und Arbeitsvolumen Interessant sind die Ergebnisse des Vergleichs der Entwicklung der Zahl der Erwerbst¨atigen und des j¨ahrlich geleisteten Arbeitsvolumens in Stunden. Im Gegensatz zur Erwerbst¨atigenzahl zeigt sich beim Arbeitsvolumen bis 2002 ein fallender Trend, seither hat sich das Arbeitsvolumen wieder geringf¨ ug erh¨oht. Obwohl sich immer mehr Menschen am Erwerbsleben beteiligen, sank bis zu Beginn des Jahrtausends deren insgesamt geleistete Arbeitszeit. Mit 59,8 Mrd. Stunden erreichte das Arbeitsvolumen nach der Wiedervereinigung 1991 einen hohen Wert, der erst im Jahr <?page no="139"?> 5.2 Erwerbst¨ atigkeit 139 2017 (60,0 Mrd.) wieder erreicht wurde. Die Entwicklung der Zahl der Erwerbst¨atigen und des Arbeitsvolumens l¨asst sich vergleichend in der Form von Messzahlen mit dem Basisjahr 1970 darstellen. Zur Ermittlung der Messzahlen werden die Werte der einzelnen Jahre durch den Wert des Jahres 1970 geteilt und mit 100 multipliziert. Sie dr ¨ ucken somit die urspr ¨ unglichen Werte in Prozent des Wertes des Jahres 1970 aus. W ¨ ahrend das Arbeitsvolumen von 1970 bis Mitte der 80er Jahre und von 1991 bis 2002 einen leicht fallenden Trend aufweist, zeigt sich eine deutliche Zunahme der Zahl der Erwerbst¨atigen, die Ende der 80er Jahre besonders stark war. W ¨ ahrend das Arbeitsvolumen im Jahr 2017 trotz Wiedervereinigung lediglich knapp 15% ¨ uber dem Niveau des Jahres 1970 liegt, ist die Zahl der Erwerbst ¨ atigen in 2017 um gut 66% h¨oher als 1970. Dieser gegenl¨aufigen Entwicklung liegt offenkundig eine stark abnehmende durchschnittliche j ¨ ahrlich geleistete Arbeitszeit der Erwerbst¨atigen zugrunde. Dies macht Abbildung 5.11 deutlich. Seit 1970 zeigt sich eine beinahe monotone Abnahme des j¨ahrlichen Arbeitsvolumens je Erwerbst¨atigen. Von 1.966 Stunden im Jahr 1970 ist die durchschnittliche Stundenzahl auf aktuell 1.360 Stunden in 2017 gesunken (-30,8%). Lediglich in den Jahren 1976, 1992, 2006, 2010, 2011, 2014 und 2015 hat das Arbeitsvolumen je Erwerbst ¨ atigen im Vergleich zum Vorjahr zugenommen. Allerdings ist bei der Interpretation des R¨ uckgangs der durchschnittlichen j ¨ ahrlichen Arbeitszeit zu ber ¨ ucksichtigen, dass diese maßgeblich durch den steigenden Anteil der Teilzeitbesch¨aftigung bewirkt wurde. F¨ ur die normalerweise geleistete Arbeitszeit finden sich dem Mikrozensus 2015 zufolge erhebliche Unterschiede f¨ ur M¨anner und Frauen: Die mittlere w ¨ ochentliche Arbeitszeit betr ¨ agt f ¨ ur M ¨ anner 35,1 Stunden, f ¨ ur Frauen 26,2 Stunden. 7,9% der M¨anner und 28,2% der Frauen arbeiten weniger als 21 Stunden in der Woche. 25,8% der M¨anner und 38,6% der Frauen arbeiten zwischen 21 und 39 Stunden. 40 Stunden und mehr arbeiten 66,4% der M ¨ anner und 33,2% der Frauen (Fachserie 1 Reihe 4.1.1, Mikrozensus, Bev¨olkerung und Erwerbst¨atigkeit, 2015, Tabelle 2.8). 5.2.5 Berufsausbildung Die Struktur der Bev ¨ olkerung im erwerbsf ¨ ahigen Alter (15-65) nach Geschlecht und sieben Qualifikationsniveaus ist in der Tabelle 5.3 f ¨ ur <?page no="140"?> 140 5 Haushalte und Unternehmen Tabelle 5.3 Struktur der Besch¨aftigten (Erwerbst¨atige (ET), Erwerbslose (EL), Nicht-Erwerbspersonen (NE) nach der Berufsausbildung und Geschlecht (m: M ¨ anner, f: Frauen). Angabe in 1000, untere Werte Anteile in Prozent, 2010 Fachserie 1, Reihe 4.1.1, 2015. Ausbildung m f ET m ET f EL m EL f N E m N E f Lehre/ Berufsausbildung 16681 16928 11103 9752 400 299 5177 6877 in Proz. 48 47 50 50 42 45 45 44 Fachschulabschluss 2946 2614 2074 1905 35 25 838 683 in Proz. 8 7 9 10 4 4 7 4 Fachschulabschluss (DDR) 219 422 82 204 0 0 134 214 in Proz. 1 1 0 1 0 0 1 1 Bachelor 773 764 622 585 24 20 127 159 in Proz. 2 2 3 3 2 3 1 1 Master 518 451 469 383 16 14 33 55 in Proz. 2 1 2 2 2 2 0 0 Diplom 5022 4066 3587 2959 64 50 1370 1057 in Proz. 14 11 16 15 7 8 12 7 Promotion 536 286 401 224 0 0 131 59 in Proz. 2 1 2 1 0 0 1 0 Ohne Abschluss 7959 10132 3831 3277 407 246 3721 6609 in Proz. 23 28 17 17 43 37 32 42 darunter: nicht in Ausb. 4626 7157 2606 2244 354 203 1666 4709 in Proz. 13 20 12 12 37 31 14 30 Insgesamt 34841 35847 22272 19369 956 664 11612 15814 in Proz. 100 100 100 100 100 100 100 100 das Jahr 2017 dargestellt. Die Betrachtung der Anteile zeigt eine deutliche Dominanz der Lehrausbildung: Ungef ¨ ahr die H ¨ alfte der Personen im erwerbsf ¨ ahigen Alter und ¨ uber 50% der Erwerbst ¨ atigen haben eine Lehrausbildung. Das Qualifikationsniveau der Nichterwerbspersonen liegt deutlich unter dem der Erwerbspersonen: Der Anteil der Personen ohne Ausbildung liegt bei den M¨annern bei gut 32% und bei den Frauen bei knapp 47%. Zum Vergleich: Bei Erwerbst¨atigen liegen die entsprechenden Anteile dagegen nur bei 16,6% und 18,1%. Bei dem Vergleich der Ausbildungsstruktur der Erwerbst¨atigen und der Erwerbslosen zeigt sich, dass Personen mit einer Lehrausbildung einen etwas h¨oheren Anteil (rund 50%) unter den Erwerbst¨atigen als unter den Erwerbslosen haben. Der Anteil der Personen mit Universit¨atsabschluss ist hingegen bei den Erwerbst¨atigen gut doppelt so hoch so hoch wie bei den Erwerbslosen. Unter den Erwerbslosen ist der Anteil der Personen ohne Abschluss rund 2,5 mal so hoch wie unter den Erwerbst¨atigen. 5.2.6 Entwicklung von Berufen und beruflicher Stellung Die Struktur der Erwerbst ¨ atigen kann auch hinsichtlich einer systematischen Gruppierung ihrer Berufe analysiert werden. Die Klassifikation <?page no="141"?> 5.2 Erwerbst¨ atigkeit 141 1955 1965 1975 1985 1995 2005 2015 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 Angestellte Arbeiter Selbständige Beamte Auszubildende Mith. Familienangehörige 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Mith. Familienang. Beamte Selbständige Arbeiter Angestellte Auszubildende Abbildung 5.12 Anzahl der Erwerbst ¨ atigen nach ihrer Stellung im Beruf in Millionen und Anteile der f¨ unf Kategorien an allen Erwerbst¨atigen des jeweiligen Jahres. Bis 1990 Fr¨ uheres Bundesgebiet, ab 1991 Deutschland. erfolgt beim Statistischen Bundesamt anhand der Klassifizierung der Berufe 2010 (KldB 2010). Die nationale Berufsklassifikation orientiert sich an der International Standard Classification of Occupations (ISCO). Die Angabe des Berufs oder der beruflichen T ¨ atigkeit ist ein wichtiger Aspekt in der Analyse des Arbeitsmarkts und hat zudem in der Arbeitsverwaltung zentrale Bedeutung. Da die Klassifikation der Berufe stark an der Klassifikation der Wirtschaftszweige orientiert ist und wir bereits die Entwicklung der Erwerbst ¨ atigkeit nach sechs Wirtschafts- <?page no="142"?> 142 5 Haushalte und Unternehmen bereichen dargestellt haben, betrachten wir nun die Entwicklung der Erwerbst¨atigenstruktur nach der Stellung im Beruf. Die in Abbildung 5.12 dargestellte Entwicklung der Stellung im Beruf zeigt deutliche Ver ¨ anderungen in den vergangenen f ¨ unf Jahrzehnten. W¨ahrend 1960 die Zahl der Arbeiter mehr als das Zweifache der Zahl der Angestellten betrug, hat sich das Verh ¨ altnis bis 2017 umgekehrt. 2017 gab es gut 3,5 mal so viele Angestellte wie Arbeiter. Bis Anfang der 70er Jahre stieg die Zahl der Beamten. Seitdem blieb die Zahl der Beamten bis in die 90er Jahre weitgehend konstant. Im letzten Jahrzehnt zeigt sich ein leichter R¨ uckgang. 11 Die Strukturverschiebungen lassen sich leichter anhand der Anteile der verschiedenen Stellungen im Beruf an den Erwerbst ¨ atigen erkennen (vgl. Abb. 5.12 unten). Der Anteil der Arbeiter ging von 50% im Jahr 1960 auf gut 17% in 2017 zur ¨ uck, w ¨ ahrend der Anteil der Angestellten von knapp 23% auf 64% angestiegen ist. Der Anteil der mithelfenden Familienangeh¨origen, die haupts¨achlich in der Landwirtschaft t¨atig sind, ist im betrachteten Zeitraum von 10% auf weniger als ein halbes Prozent gesunken. Der Anteil der Selbstst ¨ andigen hat sich im Zeitraum nur wenig ver ¨ andert. Seit 2012 werden Auszubildende als eigene Kategorie ausgewiesen. 12 5.3 Unternehmen 5.3.1 Arten von Arbeitsst¨atten Die G ¨ uterproduktion findet in Arbeitsst ¨ atten statt. In Anlehnung an den ¨ ublichen Sprachgebrauch sprechen wir allgemein von Unternehmen. Genauer betrachtet finden sich jedoch verschiedene Arten von Produktionsst¨atten: Unternehmen, Betriebe, Praxen, Kanzleien, usw. Um ein Bild von der G ¨ uterproduktion zu gewinnen, m ¨ ussen Informationen ¨ uber die Arbeitsst¨atten gesammelt werden. Idealtyperscherweise stellen wir uns Arbeitsst¨atten mit mehreren erw¨ unschten Eigenschaften vor. Sie sollen einen einzigen Standort haben, eine selbstst ¨ andig wirtschaftende institutionelle Einheit sein und m¨oglichst nur ein homogenes 11 Die Daten sind entnommen der Fachserie 1, Reihe 4.1, Tabelle 2.2 12 Die hier verwendeten Zahlen der Erwerbst ¨ atigen auf Basis des Mikrozensus 2017 (Fachserie 1, Reihe 4.1) liegen geringf¨ ugig unter den Zahlen der Erwerbst¨atigenstatistik. <?page no="143"?> 5.3 Unternehmen 143 Gut produzieren. Tats¨achlich k¨onnen z.B. Unternehmen mehrere Standorte haben und verschiedenste Produkte herstellen, somit fachlich sehr heterogen sein. Um Informationen ¨ uber die wirtschaftliche T¨atigkeit zusammenzutragen, m ¨ ussen statistische Einheiten gebildet werden, die die Grundlage der Erhebung und Klassifikation bilden. Bei den statistischen Einheiten kann es sich um praktisch identifizierbare rechtliche oder physische Einheiten oder, wie beispielsweise im Fall der homogenen Produktionseinheit, um statistische Gebilde handeln. In der amtlichen Statistik werden acht verschiedene Arten von Arbeitsst ¨ atten, die die statistischen Einheiten bilden, unterschieden und definiert: 13 die Unternehmensgruppe, Die Unternehmensgruppe vereinigt Unternehmen, die rechtlich-finanzielle Bindungen untereinander haben. In der Unternehmensgruppe kann es - insbesondere, was die Produktions-, Verkaufs-, Gewinnpolitik usw. anbetrifft - mehrere Entscheidungszentren geben. Sie kann gewisse Aspekte der finanziellen Unternehmensleitung und des Steuerwesens vereinen. Sie bildet eine wirtschaftliche Einheit, die Entscheidungen treffen kann, die sich vor allem auf die miteinander verbundenen Einheiten beziehen, aus denen sie sich zusammensetzt. das Unternehmen, Das Unternehmen entspricht der kleinsten Kombination rechtlicher Einheiten, die eine organisatorische Einheit zur Erzeugung von Waren und Dienstleistungen bildet und insbesondere in Bezug auf die Verwendung der ihr zufließenden laufenden Mittel ¨ uber eine gewisse Entscheidungsfreiheit verf ¨ ugt. Ein Unternehmen ¨ ubt eine T ¨ atigkeit oder mehrere T¨atigkeiten an einem Standort oder an mehreren Standorten aus. Ein Unternehmen kann einer einzigen rechtlichen Einheit entsprechen. die fachliche Einheit (FE), Die fachliche Einheit (FE) fasst innerhalb eines Unternehmens s¨amtliche Teile zusammen, die zur Aus¨ ubung einer T¨atigkeit auf der Ebene der (vierstelligen) Klasse der NACE Rev. 1 beitragen. Es handelt sich um eine Einheit, die einer oder mehreren operationellen Unterabteilungen 13 Ausf¨ uhrliche Erl¨auterungen finden sich in Statistisches Bundesamt (2008), Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erl¨auterungen, insbesondere Anhang 3. <?page no="144"?> 144 5 Haushalte und Unternehmen des Unternehmens entspricht. Das Unternehmen muss ¨ uber ein Informationssystem verf¨ ugen, das es erm¨oglicht, f¨ ur jede FE zumindest den Wert der Produktion und der Vorleistungen, die Personalkosten und den Betriebs¨ uberschuss sowie Besch¨aftigung und Bruttoanlageinvestitionen festzustellen oder zu berechnen. die ¨ortliche Einheit, Die ¨ortliche Einheit ist ein an einem r¨aumlich festgestellten Ort gelegenes Unternehmen oder Teil eines Unternehmens (Werkst¨atte, Werk, Verkaufsladen, B ¨ uro, Grube, Lagerhaus). An diesem Ort oder von diesem Ort aus werden Wirtschaftst¨atigkeiten ausge¨ ubt, f¨ ur die - mit Ausnahmen - eine oder mehrere Personen (unter Umst ¨ anden auch zeitweise) im Auftrag ein und desselben Unternehmens arbeiten. die fachliche Einheit auf ¨ortlicher Ebene (¨ortliche FE), Die fachliche Einheit auf ¨ ortlicher Ebene ( ¨ ortliche FE) ist der Teil einer fachlichen Einheit, der sich auf ¨ortlicher Ebene befindet. die institutionelle Einheit, Die institutionelle Einheit ist ein elementares wirtschaftliches Entscheidungszentrum. Sie zeichnet sich durch Einmaligkeit des Verhaltens sowie durch Entscheidungsfreiheit bei der Aus ¨ ubung ihrer Hauptfunktion aus. Eine Einheit gilt als institutionelle Einheit, wenn sie Entscheidungsfreiheit bei der Aus¨ ubung ihrer Hauptfunktion besitzt und ¨ uber eine vollst¨andige Rechnungsf¨ uhrung verf¨ ugt. die homogene Produktionseinheit (HPE), Die homogene Produktionseinheit (HPE) ist durch eine einheitliche T¨atigkeit, n¨amlich durch G¨ utereing¨ange, einen Produktionsprozess und durch einen Produktionsausstoß homogener G¨ uter gekennzeichnet. Die G¨ uter, die die Eing¨ange und den Produktionsausstoß darstellen, sind in Bezug auf eine G¨ utersystematik gleichzeitig durch ihre Beschaffenheit, ihren Verarbeitungsgrad und die angewandte Produktionstechnik gekennzeichnet. Die homogene Produktionseinheit kann einer institutionellen Einheit oder einem Teil einer solchen entsprechen; sie kann jedoch nie zwei verschiedenen institutionellen Einheiten angeh¨oren. die homogene Produktionseinheit auf ¨ortlicher Ebene (¨ortliche HPE). Die homogene Produktionseinheit auf ¨ortlicher Ebene (¨ortliche HPE) ist der Teil einer homogenen Produktionseinheit, der sich auf ¨ortlicher Ebene befindet. In der folgenden Tabelle sind die Beziehungen zwischen den verschiedenen Arten von statistischen Einheiten dargestellt: <?page no="145"?> 5.3 Unternehmen 145 Arbeitsst¨attenklassifikation nach T¨atigkeit und Standort Ein oder mehrere Standorte Ein einziger Standort Eine oder mehrere T¨atigkeiten Unternehmen ¨ Ortliche Einheit Institutionelle Einheit Eine einzige T¨atigkeit Fachliche Einheit ¨ Ortliche fachliche Einheit Homogene Prod.einheit ¨ Ortliche homogene Prod.einheit 5.3.2 Wirtschaftszweigklassifikation Um einen ¨ Uberblick ¨ uber die wirtschaftliche Aktivit ¨ at zu gewinnen, werden die vielen statistischen Einheiten klassifiziert. Die aktuell verwendete Klassifikation ist die Systematik der Wirtschaftszweige 2008. Die Systematik der Wirtschaftszweige in der Europ¨aischen Gemeinschaft (Nomenclature statistique des activit´es ´economiques dans la Communaut´e europ´eenne), kurz als NACE bezeichnet, in der Fassung Rev. 2, dient als Grundlage der aktuellen Wirtschaftszweigsystematik. Die NACE Rev. 2 wiederum ist auf Basis der ISIC Rev. 3 (International Standard Industrial Classification of all Economic Activities) der Vereinten Nationen entstanden. Auf h ¨ ochster Aggregationsebene werden 21 Abschnitte unterschieden, die n ¨ achsttiefere Aggregationsebene ist die der Abteilungen, gefolgt von Gruppen, Klassen und schließlich als tiefster Aggregationsebene den Unterklassen. Jede einzelne statistische Einheit wird genau und vollst¨andig einer Unterklasse zugeordnet. Die nachfolgende Tabelle gibt einen ¨ Uberblick ¨ uber den formalen Aufbau der Wirtschaftszweigsystematik 2008. Formaler Aufbau der WZ 2008 Gliederungsebene Anzahl Code Abschnitte 21 A-U 1-Steller Abteilungen 88 01-99 2-Steller Gruppen 272 01.1-99.0 3-Steller Klassen 615 01.11-99.00 4-Steller Unterklassen 839 01.11.0-99.00.0 5-Steller In der Regel sind die statistischen Einheiten nicht produkthomogen. Somit stellt sich die Frage, wie die statistischen Einheiten einer bestimmten <?page no="146"?> 146 5 Haushalte und Unternehmen Unterklasse zugeordnet werden sollen. Ausgangspunkt der Zuordnung ist die Bruttowertsch¨opfung. Naheliegend w¨are der Gedanke, zu betrachten, auf welche Unterklasse der h ¨ ochste Bruttowertsch ¨ opfungsanteil einer Einheit entf ¨ allt, und die Einheit dann dieser Unterklasse zuzuordnen. Ein solches Vorgehen kann jedoch dazu f¨ uhren, dass Einheiten in einem Abschnitt klassifiziert werden, obwohl in einem anderen Abschnitt ein deutlich h¨oherer Anteil der Bruttowertsch¨opfung erfolgt. Man denke z.B. an eine Einheit, die in drei Unterklassen t¨atig ist, eine Unterklasse davon in Abschnitt A mit 35% Wertsch¨opfungsanteil, zwei in Abschnitt B mit 33% und 32% . Um derartige Zuordnungen zu vermeiden, erfolgt eine Zuordnung nach der folgenden Top-down-Methode: 1. Auflistung der von der Einheit ausgef ¨ uhrten T ¨ atigkeiten und Ermittlung der Bruttowertsch¨opfung zu Herstellungspreisen (oder einer geeigneten Ersatzgr¨oße) f¨ ur jede betroffene Unterklasse der WZ 2008. 2. Bestimmung des Abschnitts der WZ 2008 mit dem h¨ochsten Anteil an der Wertsch¨opfung. 3. Innerhalb dieses Abschnitts Bestimmung der Abteilung der WZ 2008 mit dem h¨ochsten Anteil an der Wertsch¨opfung. 4. Innerhalb dieser Abteilung Bestimmung der Gruppe der WZ 2008 mit dem h¨ochsten Anteil an der Wertsch¨opfung. 5. Innerhalb dieser Gruppe Bestimmung der Klasse der WZ 2008 mit dem h¨ochsten Anteil an der Wertsch¨opfung. 6. Innerhalb dieser Klasse Bestimmung der Unterklasse der WZ 2008 mit dem h¨ochsten Anteil an der Wertsch¨opfung. Diese Unterklasse bestimmt die Hauptt ¨ atigkeit der Einheit und ist f ¨ ur deren wirtschaftszweigklassifikatorische Zuordnung maßgeblich. Die 21 gebildeten Abschnitte und die Anzahl der Abteilungen, Gruppen, Klassen und Unterklassen in diesen Abschnitten sind in der Tabelle 5.4 dargestellt. 5.3.3 Unternehmen und Gr¨oßenklassen Das Statistische Bundesamt verwendet zur Klassifikation von Unternehmen nach der Unternehmensgr ¨ oße zwei Kriterien, Besch ¨ aftigte und Jahresumsatz (vgl. Tabelle 5.5). Die resultierende Klassifikation ist f ¨ ur jeweils eines der beiden Kriterien nicht streng nach diesem Kriterium sortiert. Ein Kleinstunternehmen kann z.B. theoretisch einen h ¨ oheren <?page no="147"?> 5.3 Unternehmen 147 Tabelle 5.4 Abschnitte der Wirtschaftszweigklassifikation 2008 Kode Abschnitt Abteilungen Gruppen Klassen Unterklassen A Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 3 13 39 46 B Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden 5 10 15 15 C Verarbeitendes Gewerbe 24 95 230 260 D Energieversorgung 1 3 8 12 E Wasservers.; Abwasseru. Abfallents. u. Beseitigung von Umweltverschm. 4 6 9 12 F Baugewerbe 3 9 22 30 G Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen 3 21 91 164 H Verkehr und Lagerei 5 15 23 36 I Gastgewerbe 2 7 8 23 J Information und Kommunikation 6 13 26 30 K Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen 3 10 18 26 L Grundst¨ ucks- und Wohnungswesen 1 3 4 8 M Erbringung von freiberuflichen, wissensch. und techn. Dienstleistungen 7 15 19 38 N Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen 6 19 33 39 O ¨offentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung 1 3 9 9 P Erziehung und Unterricht 1 6 11 18 Q Gesundheits- und Sozialwesen 3 9 12 18 R Kunst, Unterhaltung und Erholung 4 5 15 26 S Erbringung von sonstigen Dienstleistungen 3 6 19 25 T Private Haushalte mit Hauspersonal 2 3 3 3 U Exterritoriale Organisationen und K¨orperschaften 1 1 1 1 Zus. 88 272 615 839 <?page no="148"?> 148 5 Haushalte und Unternehmen Tabelle 5.5 Definitionen der Unternehmensgr¨oßenklassen. Quelle: Statistisches Bundesamt (2018a, S. 546) Gr¨oßenklasse Besch¨aftigte Jahresumsatz Kleinstunternehmen bis 9 bis 2 Mill. Euro Kleine Unternehmen bis 49 bis 10 Mill. Euro und kein Kleinstunt. Mittlere Unternehmen bis 249 bis 50 Mill. Euro und kein kleines Unt. Großunternehmen ¨ uber 249 ¨ uber 50 Mill. Euro Tabelle 5.6 Unternehmen nach Gr ¨ oßenklassen 2015 (Angaben in Prozent). Quelle: Statistisches Bundesamt (2018a, S. 527) Gr¨oßenklasse Unternehmen Besch¨aftigte Umsatz Bruttoinvestitionen Bruttowertsch¨opfung Kleinstunternehmen 0.809 0.189 0.066 0.112 0.107 Kleine Unternehmen 0.155 0.225 0.114 0.169 0.152 Mittlere Unternehmen 0.029 0.193 0.152 0.189 0.161 Großunternehmen 0.007 0.393 0.667 0.53 0.58 Umsatz als ein kleines Unternehmen aufweisen. Dennoch lassen sich aus den Angaben der Tabelle 5.6 direkt Hinweise auf eine sehr starke vorliegende relative Konzentration der Besch¨aftigten und des Jahresumsatzes entnehmen. F¨ ur den Umsatz und die Zahl der Besch¨aftigten tragen wir an der Abszisse die vier sukzessive kumulierten Anteile der Gr¨oßenklassen an der Zahl der Unternehmen und an der Ordinate die sukzessive kumulierten Anteile der Gr¨oßenklassen am gesamten Umsatz bzw. den Besch¨aftigten ab. Ausgehend vom Ursprung (0, 0) f¨ uhrt die Verbindung dieser vier Punkte bis zum Punkt (1, 1) mit Hilfe von Geraden zur Lorenzkurve. Je weiter diese Kurve von der Diagonalen vom Punkt (0, 0) bis zum Punkt (1, 1) entfernt liegt (durchh¨angt), desto gr¨oßer ist die relative Konzentration. Die Anteile einer Gr¨oßenklasse j der insgesamt J betrachteten Gr¨oßenklassen an der Anzahl der Unternehmen bezeichnen wir mit f j , die Anteile einer Klasse j und aller darunter liegenden Klassen zusammen mit F j = ∑ j r =1 f r . Den Anteil einer Gr ¨ oßenklasse an der Merkmalssumme bezeichnen wir mit l j und den Anteil der Klasse j und aller darunter liegenden Klassen zusammen mit L j = ∑ j r =1 l r . Offenkundig gilt F J = L J = 1 . Zudem definieren wir F 0 = f 0 = l 0 = L 0 = 0. <?page no="149"?> 5.3 Unternehmen 149 Anteil an Unternehmen Anteil an Umsatz/ Beschäftigten 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 A B Beschäftigte Umsatz Abbildung 5.13 Lorenzkurve f¨ ur die Daten der Tabelle 5.6. Die Fl¨ache zwischen Lorenzkurve und Diagonale ist in der Graphik mit A gekennzeichnet. Setzen wir die Fl ¨ ache A ins Verh ¨ altnis zur Fl ¨ ache unterhalb der Diagonalen von 0,5, erhalten wir ein summarisches Maß der relativen Konzentration, den Gini-Koeffizienten: G = A 0, 5 = 2 A ¨ Uberlegen wir, wie dieser Gini-Koeffizient berechnet werden kann. Bezeichnen wir die Fl¨ache unterhalb der Lorenzkurve mit B, dann gilt offenkundig A + B = 0, 5 bzw. A = 0, 5 − B und damit auch G = 2A = 1 − 2B. Die Fl¨ache B setzt sich bei betrachteten J Gr¨oßenklassen aus J vertikalen Trapezen B j (j = 1, ..., J ) zusammen, deren Fl¨ache jeweils als Grundseite mal mittlere H¨ohe berechnet werden kann: B j = f j · 0, 5(L j − 1 + L j ). Die Gesamtfl¨ache B ist dann B = 0, 5 J ∑ j =1 f j (L j − 1 + L j ) <?page no="150"?> 150 5 Haushalte und Unternehmen und der Gini-Koeffizient G = 1 − 2B = 1 − J ∑ j =1 f j (L j − 1 + L j ) Berechnen wir beispielhaft den Gini-Koeffizienten mit den Umsatzdaten der Tabelle 5.6. G = 1 − [0, 809 · 0, 066 + 0, 155 · (0, 066 + 0, 180) + 0, 029 · (0, 180 + 0, 332) + 0, 007 · (0, 332 + 1)] = 0, 870 Die Umsatzkonzentration ist demzufolge sehr hoch. Bei diesem Befund ist zudem zu beachten, dass die tats¨achliche Konzentration aus zwei Gr¨ unden noch untersch ¨ atzt wird. Auf den einen Grund, eine nicht vollst ¨ andige Sortierung nach dem Umsatz, wurde bereits hingewiesen. Daneben ist zu beachten, dass die Verbindung der punktuellen Informationen mit einer Geraden impliziert, dass die Unternehmen in den Klassen alle einen identischen Umsatz haben. Tats ¨ achlich liegt jedoch auch innerhalb der Klassen Konzentration vor (die Verbindung zwischen den Punkten w¨ urde bei der Verwendung von Einzeldaten ’durchh¨angen’), die hier nicht erfasst wird. Wir wollen uns kurz ¨ uberlegen, wie wir den Gini-Koeffizienten berechnen k ¨ onnten, wenn wir tats ¨ achlich Individualdaten vorliegen h ¨ atten. Jedes der n Unternehmen hat einen Anteil an allen Unternehmen von 1/ n und einen Umsatzanteil von h i mit i = 1 , ..., n. Die Fl ¨ ache B setzt sich aus n horizontalen Trapezen B i zusammen, deren untere Breite die L ¨ ange (n − i + 1)/ n und deren obere Breite die L¨ange (n − i)/ n hat. Die mittlere Breite mal H¨ohe h i f¨ uhrt zur Fl¨ache des Trapezes B i B i = h i · 0, 5 ( (n − i + 1) + (n − i) n ) = 0, 5h i ( 2n − 2i + 1 n ) Die Gesamtfl¨ache B ist dann B = 0, 5 n ∑ i =1 h i ( 2n − 2i + 1 n ) <?page no="151"?> 5.3 Unternehmen 151 und der Gini-Koeffizient G = 1 − n ∑ i =1 h i ( 2n − 2i + 1 n ) = n ∑ i =1 h i n n − n ∑ i =1 h i ( 2n − 2i + 1 n ) = n ∑ i =1 h i ( n − (2n − 2i + 1) n ) = n ∑ i =1 h i ( 2i − n − 1 n ) 5.3.4 Unternehmenskonzentration in der amtlichen Statistik Ein Blick auf die Unternehmensdaten der vier Gr¨oßenklassen hat unmittelbar gezeigt, dass ein hohes Maß an relativer Konzentration vorherrscht. Dabei kann sowohl die absolute als auch die relative Konzentration betrachtet werden. Absolute Konzentration bedeutet, dass wenige Unternehmen zusammen einen hohen Anteil an der Merkmalssumme, etwa dem Anteil der besch ¨ aftigten Personen oder des Umsatzes, aufweisen. Relative Konzentration betrachtet die Ungleichheit der Verteilung, die Disparit¨at. Eine hohe relative Konzentration liegt vor, wenn ein geringer Anteil der Unternehmen einen hohen Anteil an der Merkmalssumme aufweist. Zu beachten ist, dass bei einer Verteilung hohe absolute und niedrige relative Konzentration (und umgekehrt) vorliegen k¨onnen. Unternehmenskonzentration wird als ein wesentliches Merkmal der Marktstruktur betrachtet und findet unter wettbewerbspolitischen Aspekten eine besondere Beachtung. Bei starker absoluter Konzentration wird eine besonders gravierende Abweichung vom Idealbild des vollkommenen Wettbewerbs angenommen. Die Monopolkommission hat insbesondere die Aufgabe, die Unternehmenskonzentration zu beobachten und hinsichtlich ihres Einflusses auf den Wettbewerb zu beurteilen. Das Ausmaß der relativen Konzentration ist insbesondere unter Verteilungsaspekten von Interesse. Die beiden wesentlichen Quellen f¨ ur Informationen ¨ uber den Stand der Unternehmenskonzentration in Deutschland sind die j¨ahrlichen Hauptgutachten der Monopolkommission sowie die Fachserie 4, Reihe 4.2.3, Produzierendes Gewerbe, Konzentrationsstatistische Daten f¨ ur das Verarbeitende Gewerbe, den Bergbau und die Gewinnung von Steinen und Erden sowie f¨ ur das Baugewerbe. Der Erhebungsbereich umfasst Unternehmen und Betriebe mit 20 und <?page no="152"?> 152 5 Haushalte und Unternehmen Tabelle 5.7 Wirtschaftszweig 1105, Herstellung von Bier, 2016 Unternehmen 226 Umsatz (in Tsd.) 7887519 Ums. je Unt. 34901 Linda-Index n ∗ L kein ausgepr. Max. Variationskoeffizient (V ) 2.89 Gini-Koeffizient (G) 0.74 Hirschman-Herfindahl-Index (H) 41.4 Rosenbluth-Koeffizient (R) 0.0173 Entropiemaß (E) -177.03 Unternehmen CR 6 2.7 Umsatzanteil 42 zugeh¨orige T¨atige Pesonen 27.9 zugeh¨orige Investitionen 46.7 T¨atige Personen CR 6 27.9 mehr Besch ¨ aftigten. Erhebungseinheiten sind Unternehmen (kleinste rechtliche Einheit, die aus handelsund/ oder steuerrechtlichen Gr¨ unden B¨ ucher f¨ uhren und einen Jahresabschluss aufstellen muss) und Betriebe (¨ortliche Einheiten). Die Gliederung erfolgt nach Wirtschaftszweigen. Die Abgrenzung der Wirtschaftszweige erfolgt nach der neuen Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 (WZ 2008). Die Gliederungstiefe geht bis auf die Ebene der 4-Steller (Klassen). Im Zusammenhang der Unternehmenskonzentration werden insbesondere die Zahl der Besch ¨ aftigten, der Umsatz und die Bruttowertsch ¨ opfung als relevante Merkmale betrachtet. Generell k ¨ onnen Maßzahlen, die der Charakterisierung dieser Verteilungen dienen, auch Hinweise auf die Konzentration geben. In der Literatur haben sich allerdings einige spezielle Maßzahlen der Konzentrationsmessung etabliert. Das Statistische Bundesamt ver ¨ offentlicht in seiner Fachserie 4 Reihe 4.2.3, ”Produzierendes Gewerbe, Konzentrationsstatistische Daten f ¨ ur das Verarbeitende Gewerbe, den Bergbau und die Gewinnung von Steinen und Erden sowie f¨ ur das Baugewerbe, 2015/ 2016 ” folgende Maßzahlen der Konzentration: Konzentrationsrate, Linda-Index, Variationskoeffizient, Gini-Koeffizient, Hirschman-Herfindahl-Koeffizient, Rosenbluth- Koeffizient, Entropiemaß. F ¨ ur das Jahr 2016 ver ¨ offentlicht das Statistische Bundesamt z.B. f ¨ ur den Wirtschaftszweig 1105 ” Herstellung von Bier“ die in Tabelle 5.7 14 Die Konzentrationsrate der zugeh ¨ origen Bruttoinvestitionen bezieht sich auf das Jahr 2015. <?page no="153"?> 5.3 Unternehmen 153 dargestellten Ergebnisse. 14 Bei der Interpretation dieser Zahlen ist zu beachten, dass nur Unternehmen mit 20 und mehr Besch¨aftigten erfasst werden. Da die zugrundeliegenden Einzeldaten der 226 Brauereien mit 20 und mehr Besch¨aftigten nicht zur Verf ¨ ugung stehen, k ¨ onnen wir die Berechnung nicht mit den empirischen Daten nachvollziehen. 5.3.5 Konzentrationsmaßzahlen Um eine Vorstellung von der Berechnungsmethode und damit der m¨oglichen Interpretation der ausgewiesenen Zahlen zu erhalten, betrachten wir ein fiktives Zahlenbeispiel mit nur f ¨ unf Brauereien, die die folgenden Ums ¨ atze haben: x 1 = 70 , x 2 = 15 , x 3 = 10 , x 4 = 4 , x 5 = 1 . Die Merkmalssumme betr¨agt damit 100 und der mittlere Umsatz je Brauerei 20. Die Konzentrationsrate. Die Konzentrationsrate CR i ist ein einfaches und sehr anschauliches Maß der absoluten Konzentration. CR i gibt an, wie viel Prozent der gesamten Merkmalssumme die gr¨oßten i Einheiten haben. Ausgangspunkt sind die absteigend sortierten Merkmalswerte x 1 ≥ x 2 ≥ x 3 ≥ ... ≥ x n ≥ 0 Der Anteil der Einheit r an der Merkmalssumme ∑ n k =1 x k ist h r = x r n ∑ k =1 x k = x r n¯ x r = 1, ..., n Auch f¨ ur die Merkmalsanteile h r gilt die absteigende Sortierung h 1 ≥ h 2 ≥ h 3 ≥ ... ≥ h n ≥ 0 Die Konzentrationsrate ist nun einfach die Summe der i gr ¨ oßten Merkmalsanteile CR i = i ∑ r =1 h r <?page no="154"?> 154 5 Haushalte und Unternehmen i CR i 0 1 2 3 4 5 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 A Abbildung 5.14 Konzentrationskurve f¨ ur das Zahlenbeispiel. Hat eine Einheit die gesamte Merkmalssumme (maximale Konzentration) h 1 = 1, h 2 = h 3 = ... = h n = 0 finden wir CR i = 1 f¨ ur alle i. Haben alle Einheiten den gleichen Merkmalswert (minimale Konzentration) h 1 = h 2 = h 3 = ... = h n = 1/ n finden wir CR i = i/ n. Die Konzentrationsrate liegt damit immer im Intervall [i/ n; 1]. F¨ ur unser Zahlenbeispiel finden wir z.B. die Konzentrationsrate CR 3 = 0, 95. Die Konzentrationskurve. Die Darstellung der Wertepaare (i, CR i ) wird als Konzentrationskurve bezeichnet. F¨ ur unser Zahlenbeispiel findet man die in Abbildung 5.14 dargestellte Konzentrationskurve. Der Rosenbluth-Koeffizient. Bisher haben wir nur einzelne punktuelle Maße, d.h. die einzelnen Konzentrationsraten CR i betrachtet. Der Rosenbluth-Koeffizient ( R ) kn ¨ upft an der Konzentrationskurve an und verdichtet die darin enthaltenen Informationen zu einer Maßzahl. Je weiter aufgew¨olbt die Konzentrationskurve ist, desto h¨oher ist die Konzentration. Die Fl ¨ ache A oberhalb der Konzentrationskurve ist damit bereits ein zusammenfassendes Maß der Konzentration, denn je kleiner die Fl¨ache A, desto st¨arker ist die Konzentration. Der Rosenbluth-Koeffizient R ist gerade R = 1/ (2A). Die Fl¨ache von A kann ausgehend von den n liegenden Trapezen A i bestimmt werden. F¨ ur ein solch liegendes Trapez finden wir die Fl¨ache A i = h i 0, 5 (i + (i − 1)) = h i 0, 5 (2i − 1) Die Fl¨ache A ist die Summe der einzelnen Trapezfl¨achen n ∑ i =1 A i = 0, 5 n ∑ i =1 h i (2i − 1) = n ∑ i =1 ih i − 0, 5 <?page no="155"?> 5.3 Unternehmen 155 Der Rosenbluth-Koeffizient ist damit R = 1 2A = 1 (2 n ∑ i =1 ih i ) − 1 Der Rosenbluth-Koeffizient liegt im Intervall [1 / n ; 1] und nimmt den Wert 1 / n bei minimaler Konzentration und den Wert 1 bei maximaler Konzentration an. Zu beachten ist, dass die kleinsten Einheiten (kleine h i ) die gr¨oßten Gewichte (große i) erhalten. Damit reagiert dieser Koeffizient relativ stark auf die praktizierte Abschneidepraxis von Unternehmen mit weniger als 20 Besch¨aftigten. F¨ ur unser Zahlenbeispiel finden wir R = 1 2A = 1 2(1 · 0, 70 + 2 · 0, 15 + 3 · 0, 1 + 4 · 0, 04 + 5 · 0, 01) − 1 = 0, 4951 Der Variationskoeffizient. Der Variationskoeffizient (V ) ist definiert als Verh¨altnis der Standardabweichung zum arithmetischen Mittel: V = σ/ ¯ x, wobei ¯ x = ∑ n i =1 x i / n und σ = √ √ √ √ 1 n n ∑ i =1 (x i − ¯ x) 2 = √ √ √ √ 1 n n ∑ i =1 x 2 i − ¯ x 2 F¨ ur unser Zahlenbeispiel findet man σ = √ 1 5 (70 2 + 15 2 + 10 2 + 4 2 + 1 2 ) − 20 2 = 25, 464 V = σ ¯ x = 25, 464 20 = 1, 273 2 Der Hirschman-Herfindahl-Koeffizient. Der Hirschman-Herfindahl-Koeffizient (H) ist einfach und wird oft verwendet. Er ist definiert als Summe der quadrierten relativen Anteile h i : H = n ∑ i =1 h 2 i Der Hirschman-Herfindahl-Koeffizient liegt im Intervall [1 / n ; 1] . Die Sortierung der Anteile ist dabei, anders als beim Rosenbluth-Koeffizienten, <?page no="156"?> 156 5 Haushalte und Unternehmen nicht relevant. Beim Hirschman-Herfindahl-Koeffizienten erhalten die kleinen Einheiten (kleine h i ) kleine Gewichte (kleine h i ), so dass dieser Koeffizient wenig auf die Nichtber¨ ucksichtigung kleiner Einheiten reagiert. F¨ ur unser Zahlenbeispiel finden wir H = 0, 7 2 + 0, 15 2 + 0, 1 2 + 0, 04 2 + 0, 01 2 = 0, 524 2 Das Entropiemaß. W ¨ ahrend beim Herfindahl-Koeffizienten die relativen Merkmalssummen h i mit sich selbst, also h i , gewichtet werden, erfolgt beim Entropiemaß (E) die Gewichtung mit log(h i ), so dass große Einheiten relativ geringer als beim Hirschman-Herfindahl-Koeffizienten gewichtet werden: E = n ∑ i =1 h i log(h i ) Betrachten wir die minimale Konzentration mit h i = 1 / n f ¨ ur alle i, resultiert E = n ∑ i =1 h i log(h i ) = n 1 n log (1/ n) = log(1/ n) Bei maximaler Konzentration mit h 1 = 1 und h i = 0 f¨ ur i > 1, resultiert E = n ∑ i =1 h i log(h i ) = 1 · log(1) + (n − 1) · 0 · log(0) = 0 Damit liegt E im Intervall [log(1/ n), 0] und hat einen Definitionsbereich, der die Interpretation im Vergleich zu anderen Konzentrationsmaßen etwas schwieriger macht. Zudem weist eine betragsm¨aßig hohe Maßzahl auf eine geringe Konzentration hin. F¨ ur unser Zahlenbeispiel finden wir E = 0, 7 · log(0, 7) + 0, 15 · log(0, 15) + 0, 1 · log(0, 1)+ 0, 04 · log(0, 04) + 0, 01 · log(0, 01) = − 0, 9393 Der Linda-Index. Der Linda-Index (L) wird vom Statistischen Bundesamt und der Europ¨aischen Union als Konzentrationsmaß verwendet. <?page no="157"?> 5.3 Unternehmen 157 L = ∑ n ∗ − 1 j =1 EO j n ∗ n ∗ − 1 EO j = CR ∗ j j CR ∗ n ∗ − CR ∗ j n ∗ − j CR ∗ j = ∑ j r =1 x r ∑ n ∗ r =1 x r 1 n ∗ ≤ L ≤ ∞ Zun ¨ achst wird eine Zahl n ∗ ≤ n der gr ¨ oßten Unternehmen festgelegt, die bei der Berechnung ber ¨ ucksichtigt werden sollen. Ausgehend von dieser Unternehmensgesamtheit wird f¨ ur die j gr¨oßten Unternehmen das Verh¨altnis aus deren mittlerer relativer Merkmalssumme je Unternehmen zu der mittleren relativen Merkmalssumme der anderen n ∗ − j Unternehmen betrachtet ( EO j ) . Dieses Gr ¨ oßenverh ¨ altnis wird f ¨ ur alle j = 1 bis j = n ∗ − 1 berechnet und arithmetisch gemittelt. Abschließend wird dieses mittlere Gr ¨ oßenverh ¨ altnis relativ zur Zahl der betrachteten n ∗ Unternehmen betrachtet. Der Index soll auf oligopolistische Strukturen hinweisen: Je gr¨oßer der Index, desto geringer ist der Wettbewerb und desto st¨arkere oligopolistische Tendenzen werden konstatiert. Als Faustregel wird verwendet: L < 0, 2, keine oligopolistische Struktur L > 0, 5, starke oligopolistische Struktur L > 1, exzessive oligopolistische Struktur Die Betrachtung der lediglich n ∗ ≤ n gr ¨ oßten Unternehmen erleichtert die praktische Anwendung des Index. Allerdings ist die Maßzahl schwer zu interpretieren und von der Wahl von n ∗ abh ¨ angig. Ein Vorschlag besagt, dass n ∗ die Unternehmen erfassen sollte, die jeweils mindestens 1% der Merkmalssumme haben. Informativer als die Maßzahl selbst ist die Betrachtung der EO j f ¨ ur j = 1 bis j = n ∗ − 1 . Ist hier ein eindeutiges Maximum zu finden, so weist diese Zahl ( j ) an Unternehmen auf die Gr ¨ oße der Gruppe der Unternehmen mit oligopolistischer Tendenz hin. Diese Zahl, f¨ ur die sich ein Maximum feststellen l¨asst, wird dann vom Statistischen Bundesamt unter der Bezeichnung Linda-Index ver¨offentlicht. F ¨ ur unsere Beispieldaten wollen wir die notwendigen Berechnungen durchf¨ uhren und dabei n ∗ = 4 w¨ahlen. <?page no="158"?> 158 5 Haushalte und Unternehmen j CR j CR ∗ j CR ∗ j / j (CR ∗ n ∗ − CR ∗ j )/ (n ∗ − j) EO j 1 0, 70 0, 70/ 0, 99 = 0, 70707 0, 70707 (1 − 0, 70707)/ 3 = 0, 09764 0, 70707/ 0, 09764 = 7, 2416 2 0, 85 0, 85/ 0, 99 = 0, 85859 0, 85859/ 2 = 0, 42930 (1 − 0, 85859)/ 2 = 0, 07071 0, 42930/ 0, 07071 = 6, 0713 3 0, 95 0, 95/ 0, 99 = 0, 95960 0, 95960/ 3 = 0, 31987 (1 − 0, 9596)/ 1 = 0, 04040 0, 31987/ 0, 0404 = 7, 9176 4 0, 99 0, 99/ 0, 99 = 1 1/ 4 = 0, 25 5 1 L = ∑ n ∗ − 1 j =1 EO j n ∗ n ∗ − 1 = 7, 2416 + 6, 0713 + 7, 9176 4 · 3 = 1, 7692 5.3.6 Eigenschaften der Maßzahlen In Anlehnung an Hall und Tideman (1967) und Hannah und Kay (1977) lassen sich mehrere w¨ unschenswerte Eigenschaften von Konzentrationsmaßen benennen: Ein Konzentrationsmaß sollte eindimensional sein. Das Ausmaß der Konzentration sollte unabh¨angig von der Gr¨oße der Industrie sein. Das ’Principle of transfer’, d.h. wenn ein Unternehmen auf Kosten eines kleineren Unternehmens w¨achst, sollte die Konzentration zunehmen. Wenn alle n Unternehmen gleich groß sind, dann sollte bei steigendem n die Konzentration sinken. Konzentrationsmaße sollten auf den Bereich 0 bis 1 normiert sein. Wenn der Anteil der i gr¨oßten Unternehmen an der Merkmalssumme zunimmt, sollte die Konzentration steigen. Wenn neue, sehr kleine Unternehmen hinzukommen, sollte die Konzentration sinken. Wir betrachten beispielhaft vier verschiedene Situationen A, B, C, D (vgl. Tabelle 5.8). A und B unterscheiden sich haupts ¨ achlich durch die weiteren kleinen Unternehmen in B. Konzentration im Sinne von <?page no="159"?> 5.3 Unternehmen 159 Tabelle 5.8 Ver¨anderungen der Konzentrationsmaße. Unternehmen A B C D 40 39 45 40 30 29 30 30 15 14 15 25 10 9 10 5 5 4 1 1 1 1 1 Konzentrationsmaße CR 3 0,850 0,820 0,900 0,950 CR 4 0,950 0,910 1,000 1,000 Variationskoeffizient 0,652 1,288 0,548 0,510 Herfindahl 0,285 0,266 0,325 0,315 Rosenbluth 0,312 0,270 0,357 0,345 Entropie -1,392 -1,577 -1,235 -1,224 Linda 0,735 1,246 0,705 0,889 Zusammenballung sollte also f¨ ur beide Situationen ¨ahnlich hoch angezeigt werden, evtl. mit leicht gesunkener Konzentration. Maßzahlen, die eher die Ungleichheit ber ¨ ucksichtigen, w ¨ urden demgegen ¨ uber steigen. Die Konzentration hat im Sinne einer Zusammenballung ab-, im Sinne einer st¨arkeren Disparit¨at zugenommen. Die Entropie, der Variationskoeffizient sowie der Linda-Index deuten auf eine Zunahme der Konzentration hin. Damit erfassen diese Indizes st¨arker die Disparit¨at und sind offenkundig f¨ ur die Messung der absoluten Konzentration hier weniger geeignet. Aus Situation A wird C, wenn das gr ¨ oßte Unternehmen das kleinste ¨ ubernimmt. Entsprechend sollten die Maßzahlen eine h¨ohere Konzentration anzeigen. Alle Indizes mit Ausnahme des Variationskoeffizienten und des Linda-Index deuten auf eine Zunahme der Konzentration hin. Auch unter diesem Aspekt scheinen diese beiden Indizes weniger geeignet. Aus Situation A wird D, wenn das zweit- und das drittkleinste Unternehmen fusionieren. In diesem Fall sollte aufgrund des Transferprinzips die gemessene Konzentration ansteigen. Gleichzeitig kann hier jedoch argumentiert werden, dass der Wettbewerb aufgrund nun drei ¨ ahnlich <?page no="160"?> 160 5 Haushalte und Unternehmen großer Unternehmen durch die Fusion m ¨ oglicherweise sogar zunimmt. Mit Ausnahme des Variationskoeffizienten deuten hier alle Indizes auf eine Zunahme der absoluten Konzentration hin. Da offenkundig die Zusammenballung auf wenige Einheiten zugenommen hat, sollte sich dies auch derart widerspiegeln. Wettbewerbsstrategische ¨ Uberlegungen einer m ¨ oglicherweise gestiegenen Konkurrenz nun drei vergleichbarer Unternehmen k¨onnen von den Maßzahlen nicht erfasst werden. 5.3.7 Konzentrationsmessung der Monopolkommission Die Konzentrationsberichterstattung der Monopolkommission wird alle zwei Jahre als zentraler Teil ihres Hauptgutachtens ver ¨ offentlicht und dient dem Zweck, den Stand und die absehbare Entwicklung der Unternehmenskonzentration in Deutschland zu beurteilen. Datengrundlage ist prim¨ar das Unternehmensregister des Statistischen Bundesamts, welches vom Statistischen Bundesamt um kommerzielle Daten zu Unternehmensverflechtungen erg ¨ anzt wurde. Die ausgewiesenen konzentrationsstatistischen Maßzahlen (Konzentrationsraten, Hirschmann-Herfindahl- Koeffizient) werden analog der Gliederung des Statistischen Bundesamts nach Wirtschaftszweigen und G¨ utergruppen ver¨offentlicht. W¨ahrend das Statistische Bundesamt jedoch nur das Produzierende Gewerbe betrachtet, werden von der Monopolkommission dar ¨ uber hinaus die ¨ ubrigen Wirtschaftszweige analysiert. Zu beachten ist allerdings, dass die Monopolkommission ihre bisher vorgenommene Konzentrationsmessung f¨ ur wenig aussagekr¨aftig h¨alt und das bisherige Ver ¨ offentlichungsprogramm zuk ¨ unftig nicht beibehalten wird: ” Trotz zahlreicher Verbesserungen der Konzentrationsstatistik in den letzten Jahren bleiben jedoch interpretatorische Grenzen. Hierf¨ ur sind in erster Linie zwei Problembereiche verantwortlich. Zum einen ist es bisher nicht m ¨ oglich, eine Vielzahl von M ¨ arkten ohne umfangreiche redaktionelle Recherchen empirisch ad ¨ aquat abzubilden. Konzentrationsmaße werden daraus folgend ausschließlich auf nationaler Ebene nach der Wirtschaftszweigklassifikation bzw. auf Grundlage des G ¨ uterverzeichnisses f¨ ur Produktionsstatistiken erhoben. Dadurch k¨onnen geographisch und sachlich relevante M¨arkte nicht ad¨aquat abgegrenzt werden. Diese Problematik versch¨arft sich im Zuge der Globalisierung zunehmend. Dar¨ uber hinaus sind Konzentrationsmaße nur ein Indikator neben anderen zur Feststellung der Wettbewerbsintensit¨at in einem Markt. Weitere Indikatoren <?page no="161"?> 5.3 Unternehmen 161 wie beispielsweise potenzielle Wettbewerber oder Markteintrittsbarrieren werden durch die Statistik bisher nicht erfasst. Um die wirtschaftspolitische Aussagekraft der Konzentrationsstatistik zu erh ¨ ohen, k ¨ onnte es daher sinnvoll sein, die fl¨achendeckende Konzentrationsberichterstattung zugunsten weniger umfangreicher, daf¨ ur aber tiefer gehender empirischer Untersuchungen einzuschr¨anken oder sogar ganz aufzugeben.“ (Monopolkommission 2008, S. 69) Die Monopolkommission m ¨ ochte die bisher von ihr selbst als sehr wenig aussagekr ¨ aftig eingesch ¨ atzte Konzentrationsstatistik insbesondere durch zwei Maßnahmen grundlegend ver ¨ andern: Zum einen durch die Zusammenspielung von verschiedenen, sowohl amtlichen als auch privaten/ kommerziellen Datenquellen und zum anderen durch den Verzicht auf eine periodische ” fl ¨ achendeckende“ Darstellung der Unternehmenskonzentration zugunsten einzelner detaillierter Fallstudien mit besserer Marktabgrenzung. <?page no="162"?> 162 5 Haushalte und Unternehmen 5.4 Aufgaben 1. Aus Abbildung 5.2 ist ersichtlich, dass der Anteil der Haushalte mit einer Person in den letzten Jahrzehnten deutlich angestiegen ist. Gibt es Gr ¨ unde daf ¨ ur, dass sich diese Entwicklung fortsetzen k¨onnte? 2. Die nachfolgende Tabelle enth ¨ alt Daten der Bev ¨ olkerung im erwerbsf¨ahigen Alter, der Erwerbspersonen und der Erwerbst¨atigen. Jahr Bev¨olkerung (15-65) Erwerbspersonen Erwerbst¨atige 2000 55434 39950 36232 2001 55311 40144 36415 2002 55230 40182 36118 2003 55058 40347 35734 2004 54771 40150 35209 2005 55129 40625 36046 2006 54858 41060 36802 2007 54549 41169 37568 2008 54393 41226 38091 2009 54103 41220 37994 2010 53901 41215 38270 2011 52619 40564 38170 2012 52739 40615 38398 2013 52848 40896 38722 2014 52970 41058 38976 2015 53187 41183 39242 2016 54101 42003 40236 2017 53772 42070 40460 a) Ermitteln Sie f ¨ ur die Jahre 1991, 2000 und 2010 die Erwerbs- und Erwerbst¨atigenquoten. b) Ermitteln Sie f ¨ ur die Jahre 1991, 2000 und 2010 die j ¨ ahrlichen Ver¨anderungsraten der Zahl der Erwerbst¨atigen. c) Die Zahl der Erwerbst ¨ atigen l ¨ asst sich darstellen als Produkt der Zahl der Bev ¨ olkerung im erwerbsf ¨ ahigen Alter und der Erwerbst¨atigenquote. Erl¨autern Sie, warum sich diese beiden Faktoren als Indikatoren des Erwerbspersonenpotentials und der Aussch¨opfung des Potentials auffassen lassen. d) Die j¨ahrliche relative Ver¨anderung der Zahl der Erwerbst¨atigen l¨asst sich als Produkt der relativen Ver¨anderung der Bev¨olkerung im erwerbsf¨ahigen Alter und der relativen Ver¨anderung der Er- <?page no="163"?> 5.4 Aufgaben 163 werbst¨atigenquote darstellen. Auf welche der beiden Komponenten sind die Ver ¨ anderungen der Zahl der Erwerbst ¨ atigen (vgl. Aufg. b) ) in st¨arkerem Maße zur¨ uckzuf¨ uhren? 3. Maßzahlen der absoluten und der relativen Konzentration dienen unterschiedlichen Erkenntniszielen. Erl¨autern Sie mit Hilfe von Beispielen, f¨ ur welche Fragestellungen welche Maßzahlen relevant sind. 4. Absolute Konzentration Ihnen liegen die Ums ¨ atze (in Tsd. Euro) von allen vier in einer Branche klassifizierten Unternehmen vor: x 1 = 20, x 2 = 10, x 3 = 7, x 4 = 3. a) Wie hoch ist der Umsatz in der betrachteten Branche insgesamt? b) Wie hoch ist der Anteil des gr¨oßten, des zweitgr¨oßten, des drittgr¨oßten Unternehmens am Gesamtumsatz der Branche? c) Vergleichen Sie den Anteil der beiden gr¨oßten Unternehmen an der Anzahl aller Unternehmen der Branche mit ihrem Anteil am Gesamtumsatz der Branche. d) Zeichnen Sie die Konzentrationskurve. e) Zeichnen Sie in die Graphik der Konzentrationskurve die Kurven, die sich bei minimaler und maximaler Konzentration ergeben w¨ urden. f) Stellen Sie sich vor, alle Unternehmen der Branche erh¨ohen ihren Umsatz um a%. Wie sieht dann die Konzentrationskurve aus? g) Vergleichen Sie die urspr ¨ ungliche Konzentrationskurve mit der Konzentrationskurve, die sich ergeben w ¨ urde, wenn alle Unternehmen ihren Umsatz um 10 (Tsd. Euro) ausdehnen. h) Berechnen Sie den Herfindahl-Koeffizienten. i) Berechnen Sie den Rosenbluth-Koeffizienten. j) Die Berechnung von Konzentrationsmaßen f¨ ur Wirtschftszweige der Wirtschaftszweigklassifikation ist oftmals wenig aussagekr ¨ aftig, weil die so gebildeten Unternehmensklassen den ” relevanten Markt“ nicht hinreichend abbilden. Diskutieren Sie diese Aussage und suchen Sie Beispiele f ¨ ur eine Ihrer Ansicht nach gute und weniger gute Korrespondenz von Unternehmensklasse und ”relevantem Markt“. <?page no="164"?> 164 5 Haushalte und Unternehmen 5. Relative Konzentration a) Zeichnen Sie die Lorenzkurve (Werte aus Aufgabe 4). b) Berechnen Sie den Gini-Koeffizienten. c) Zeichnen Sie in die Graphik der Lorenzkurve den Kurvenverlauf bei maximaler und bei minimaler relativer Konzentration. d) Stellen Sie sich vor, alle Unternehmen der Branche erh¨ohen ihren Umsatz um a%. Wie sieht dann die Lorenzkurve aus? e) Vergleichen Sie die urspr ¨ ungliche Lorenzkurve mit der Lorenzkurve, die sich ergeben w ¨ urde, wenn alle Unternehmen ihren Umsatz um 10 (Tsd. Euro) ausdehnen. f) Welchen Wert nimmt der Gini-Koeffizient nach einer Umsatzerh¨ohung von 10 (Tsd. Euro) bei allen Unternehmen an? g) Nehmen Sie an, Ihnen liegen folgende Daten in klassierter Form vor: Klassengrenzen (von bis unter) Anzahl Umsatz 0-200 3 410 200-500 2 620 500-1500 3 2570 i) Berechnen Sie ausgehend von den klassierten Daten den Gini-Koeffizienten. ii) Wenn Ihnen die Einzeldaten f ¨ ur die Berechnung vorliegen w ¨ urden, w ¨ urde dann vermutlich der gleiche Wert des Gini- Koeffizienten resultieren? h) Betrachten Sie zwei unterschiedliche Umsatzverteilungen von n Unternehmen: In Situation 1 haben 50% der Unternehmen keinen Umsatz und die anderen 50% teilen sich den gesamten Umsatz gleichm¨aßig. In Situation 2 teilen sich n − 1 Unternehmen 50% des gesamten Umsatzes gleichm ¨ aßig und ein Unternehmen hat die ¨ ubrigen 50% des Umsatzes. Welche Werte des Gini-Koeffizienten resultieren in diesen beiden Situationen? <?page no="165"?> 6 Gesellschaftliche Produktion 6.1 Ein Modell der G¨ uterproduktion 6.1.1 Der Modellansatz 6.1.2 Betrachtung eines Beispiels 6.1.3 Direkte und indirekte Vorleistungen 6.1.4 Das Besch¨aftigungsmodell 6.1.5 Ausr¨ ustungen und Lagerhaltung 6.2 Bewertungen der G¨ uter 6.2.1 Berechnung von Arbeitswerten 6.2.2 Kapitalistische Preise 6.2.3 Fortsetzung des Beispiels 6.3 Aufgaben In diesem Kapitel wird besprochen, wie man mit Hilfe einer relationalen Betrachtungsweise auch einige ¨okonomische Zusammenh¨ange verstehen kann. 1 Das Wort ‘ ¨ Okonomie’ soll sich hierbei auf die Gesamtheit der T¨atigkeiten beziehen, durch die Menschen G¨ uter (sowohl Sachg¨ uter als auch Dienstleistungen) produzieren und austauschen. In diesem Kapitel wird ein einfaches Modell der G¨ uterproduktion besprochen. Von einem Modell wird gesprochen, um darauf hinzuweisen, dass es zun¨achst nicht um eine empirische Erfassung ¨okonomischer Sachverhalte geht, sondern um die Entwicklung eines Begriffsrahmens, um ¨ uber ¨okonomische Zusammenh¨ange nachzudenken. Wie man einen ¨ahnlichen gedanklichen Ansatz f¨ ur empirische Untersuchungen nutzbar machen kann, wird in Kapitel 8 besprochen. 6.1 Ein Modell der G¨ uterproduktion Wir beginnen mit einem einfachen Modell der G¨ uterproduktion. Die Idee besteht darin, dass es Produktionseinheiten gibt, die G¨ uter unterschiedlicher Art produzieren, wof¨ ur sie als Vorleistungen wiederum andere G¨ uter ben¨otigen. Insofern kann man von gesellschaftlicher Produktion sprechen, in der die Produktionseinheiten voneinander abh¨angig sind. 1 Wir st¨ utzen uns dabei in erster Linie auf Arbeiten von Schwartz (1961) und Sraffa (1963). <?page no="166"?> 166 6 Gesellschaftliche Produktion 6.1.1 Der Modellansatz Als Ausgangspunkt wird angenommen, dass es n Produktionseinheiten gibt, auf die durch die Namen ω 1 , . . . , ω n (oder abk ¨ urzend durch die Nummern 1 , . . . , n ) verwiesen werden kann. Im Allgemeinen kann jede Produktionseinheit entweder nur eine bestimmte G ¨ utersorte oder mehrere unterschiedliche Arten von G ¨ utern produzieren. F ¨ ur das einfache Modell, mit dem wir beginnen, soll angenommen werden, dass alle Produktionseinheiten unterschiedliche Arten von G¨ utern erzeugen und dass jede Produktionseinheit genau eine bestimmte Sorte von G¨ utern erzeugt. Infolgedessen gibt es parallel zu den n Produktionseinheiten auch n unterschiedliche Sorten von G¨ utern, die im Weiteren durch die Symbole c 1 , . . . , c n bezeichnet werden. Die Produktionseinheit ω i erzeugt also G¨ uter der Sorte c i . Jede Produktionseinheit kann mehr oder weniger viele G¨ uter der jeweils bestimmten Sorte erzeugen. Wie man das quantifizieren kann, h¨angt von der jeweiligen G¨ utersorte ab. Im Allgemeinen wird man davon ausgehen k¨onnen, dass es f¨ ur jede G¨ utersorte eine eigene Maßeinheit gibt; z. B. kann man Kohle in Gewichtseinheiten und Strom in Kilowattstunden erfassen. Zur Notation verwenden wir die Symbole x 1 , . . . , x n ; durch x i wird erfasst, wie viele Einheiten der G¨ utersorte c i von der Produktionseinheit ω i erzeugt werden. Dabei muss nat¨ urlich ber¨ ucksichtigt werden, dass die Menge der produzierten G¨ uter auch von der Zeitspanne abh¨angt, w¨ahrend der die Produktion erfasst wird. F ¨ ur die weiteren ¨ Uberlegungen wird deshalb eine bestimmte, f¨ ur alle Produktionseinheiten gleiche Zeitspanne vorausgesetzt, z. B. ein Monat oder ein Jahr. Diese Zeitspanne wird im Folgenden Produktionsperiode genannt. x i ist also die Menge der G¨ uter der Sorte c i , die von der Produktionseinheit ω i w¨ahrend der als gegeben vorausgesetzten Produktionsperiode erzeugt wird. Jetzt kann man sich ¨ uberlegen, wie viele G ¨ uter von allen Produktionseinheiten gemeinsam erzeugt werden. Dabei ist zu bedenken, dass man die Gr¨oßen x 1 , . . . , x n nicht ohne weiteres addieren kann, denn jede dieser Gr¨oßen hat eine besondere Maßeinheit. Man kann aber die gesamte Produktion durch einen Vektor x : = (x 1 , . . . , x n ) ′ repr¨asentieren. 2 Der Vektor x zeigt, wie viele G¨ uter der unterschiedlichen 2 In dieser Schreibweise handelt es sich um einen Spaltenvektor. Das H¨ackchen ′ soll die Transposition symbolisieren. <?page no="167"?> 6.1 Ein Modell der G¨ uterproduktion 167 Sorten von der Gesamtheit der Produktionseinheiten in der gegebenen Produktionsperiode erzeugt werden. Wichtig ist nun folgende ¨ Uberlegung: F ¨ ur die Produktion von G ¨ utern sind im Allgemeinen nicht nur Arbeitsleistungen erforderlich, sondern auch wiederum andere G ¨ uter, sog. Vorleistungen. Ein B ¨ acker ben ¨ otigt z. B. Mehl und einige andere Zutaten, um Brot herstellen zu k¨onnen. Um das zu erfassen, wird folgende Notation verwendet: π ij ist diejenige Menge der G ¨ utersorte c i , die von der Produktionseinheit ω j ben ¨ otigt wird, um eine Einheit der G ¨ utersorte c j zu produzieren. Diese Koeffizienten k¨onnen nicht negativ, wohl aber Null sein; wenn π ij = 0 ist, bedeutet das, dass zur Produktion der G¨ utersorte c j keine G¨ uter der Sorte c i ben¨otigt werden. Im Allgemeinen kann auch π ii > 0 sein. Außerdem ist klar, dass die Koeffizienten sich nicht nur im Zeitablauf ver ¨ andern, sondern auch vom Produktionsniveau abh¨angig sein k¨onnen. Zun¨achst soll jedoch angenommen werden, dass die Koeffizienten f¨ ur einen gewissen Zeitraum als feste Gr¨oßen gegeben sind. Außerdem wird angenommen, dass nur solche G¨ uter als Vorleistungen erforderlich sind, die von den Produktionseinheiten ω 1 , . . . , ω n erzeugt werden. Unter diesen Voraussetzungen kann man sagen: Damit die Produktionseinheit ω j die Menge x j der G¨ utersorte c j erzeugen kann, ben¨otigt sie die Vorleistungen π 1 j x j , . . . , π nj x j . Jetzt kann zwischen Brutto- und Nettoproduktion unterschieden werden. Der Vektor x erfasst die Bruttoproduktion der Gesamtheit der Produktionseinheiten. Ein Teil dieser Bruttoproduktion muss jedoch in Gestalt von Vorleistungen verwendet werden, damit die Produktion ¨ uberhaupt stattfinden kann. 3 Um das explizit sichtbar zu machen, ist es zweckm¨aßig, die Koeffizienten π ij zu einer Matrix Π : = ⎡ ⎢ ⎣ π 11 · · · π 1 n ... ... π n 1 · · · π nn ⎤ ⎥ ⎦ zusammenzufassen; sie wird im Folgenden Produktionsmatrix genannt. Bildet man jetzt n¨amlich das Produkt Π x = ⎡ ⎢ ⎣ ∑ n j =1 π 1 j x j ... ∑ n j =1 π nj x j ⎤ ⎥ ⎦ 3 Damit G ¨ uter als Vorleistungen verwendet werden k ¨ onnen, m ¨ ussen sie nat ¨ urlich bereits vorhanden sein. Im Allgemeinen stammen sie deshalb aus der Bruttoproduktion, <?page no="168"?> 168 6 Gesellschaftliche Produktion zeigt die i-te Komponente dieses Vektors, welche Menge der G¨ utersorte c i in Form von Vorleistungen f¨ ur die Durchf¨ uhrung der gesamten Bruttoproduktion x erforderlich ist. Somit erh ¨ alt man die Nettoproduktion durch den Vektor y : = x − Π x = (I − Π) x (6.1) wobei I die Einheitsmatrix der Ordnung (n, n) bezeichnet. Die Gleichung (6.1) zeigt, wie man - eine bestimmte Produktionsmatrix vorausgesetzt - aus der Bruttoproduktion die Nettoproduktion berechnen kann. Wenn sich die Matrix ( I − Π ) invertieren l ¨ asst, kann man auch umgekehrt berechnen, welche Bruttoproduktion erforderlich ist, um eine bestimmte Nettoproduktion zu erreichen, n¨amlich x = (I − Π) − 1 y (6.2) Zu ¨ uberlegen ist also, unter welchen Bedingungen die Matrix ( I − Π ) invertierbar ist. Allerdings gen ¨ ugt dies noch nicht, um zu ¨ okonomisch sinnvollen L¨osungen zu gelangen. Es muss außerdem sichergestellt sein, dass jeder nicht-negative Nettoproduktionsvektor y auch zu einem nichtnegativen Bruttoproduktionsvektor x f ¨ uhrt, d.h. ( I − Π ) − 1 muss in Gestalt einer nicht-negativen Matrix existieren. 6.1.2 Betrachtung eines Beispiels Damit die Diskussion nicht zu abstrakt wird, betrachten wir ein kleines (fiktives) Beispiel. Es gibt vier Produktionseinheiten: Nr. 1 produziert Holz Nr. 2 produziert Stahl Nr. 3 produziert Fahrzeuge Nr. 4 produziert Getreide Nr. 1 produziert 100 Einheiten Holz, Nr. 2 produziert 50 Einheiten Stahl, Nr. 3 produziert 10 Einheiten Fahrzeuge und Nr. 4 produziert 80 Einheiten Getreide. Der Bruttoproduktionsvektor ist also x = (100, 50, 10, 80) ′ die in vorangegangenen Produktionsperioden stattgefunden hat. F ¨ ur die folgenden ¨ Uberlegungen wird jedoch von diesen zeitlichen Bez¨ ugen zun¨achst abgesehen. <?page no="169"?> 6.1 Ein Modell der G¨ uterproduktion 169 Folgende Matrix gibt die ben¨otigten Vorleistungen an: A = ⎡ ⎢ ⎢ ⎣ 0 40 20 0 0 0 30 10 2 0 0 2 0 0 0 0 ⎤ ⎥ ⎥ ⎦ Nr. 1 ben ¨ otigt also f ¨ ur seine Holzproduktion 2 Einheiten Fahrzeuge, Nr. 2 ben ¨ otigt 40 Einheiten Holz usw. Aus dieser Vorleistungsmatrix kann man jetzt die Produktionsmatrix Π berechnen, denn ihre Koeffizienten geben die ben ¨ otigten Vorleistungen f ¨ ur jeweils eine Einheit der Bruttoproduktion an, also π ij = a ij x j Somit findet man die Produktionsmatrix Π = ⎡ ⎢ ⎢ ⎣ 0 0, 8 2 0 0 0 3 0, 125 0.02 0 0 0, 025 0 0 0 0 ⎤ ⎥ ⎥ ⎦ und die Matrix (I − Π) = ⎡ ⎢ ⎢ ⎣ 1 − 0, 8 − 2 0 0 1 − 3 − 0, 125 − 0, 02 0 1 − 0, 025 0 0 0 1 ⎤ ⎥ ⎥ ⎦ Multipliziert man diese Matrix von rechts mit dem Bruttoproduktionsvektor, findet man die Nettoproduktion: (I − Π) x = y = (40, 10, 6, 80) ′ Dies ist derjenige Teil der Bruttoproduktion, der nicht in Gestalt von Vorleistungen verwendet wird, sondern f¨ ur den Endverbrauch ¨ ubrig bleibt. Die Produktionsmatrix Π kann als Adjazenzmatrix eines gerichteten und bewerteten Graphen aufgefasst werden. Abbildung 6.1 zeigt, wie dieser Graph aussieht. Man erkennt auch, dass es zwei Komponenten gibt. Die erste Komponente besteht aus den Knoten Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3, die zweite Komponente besteht nur aus dem Knoten Nr. 4. Den <?page no="170"?> 170 6 Gesellschaftliche Produktion 1 2 3 4 2 0, 8 3 0, 125 0, 02 0, 025 Abbildung 6.1 Die Produktionsmatrix als gerichteter und bewerteter Graph. beiden Komponenten entsprechen die Adjazenzmatrizen Π 1 = ⎡ ⎣ 0 0, 8 2 0 0 3 0, 02 0 0 ⎤ ⎦ und Π 2 = [ 0 ] Jetzt kann man sich mit der Frage besch ¨ aftigen, unter welchen Bedingungen die Inverse von ( I − Π ) existiert und nicht-negativ ist. Wie im Anhang A.3 besprochen wird, besteht eine hinreichende Bedingung darin, dass jede Komponente von Π einen dominanten Eigenwert (Spektralradius) hat, der kleiner als 1 ist. Das kann auch folgendermaßen formuliert werden: Wenn die Produktionsmatrix einer Komponente nicht-negativ ist und wenn es außerdem einen nicht-negativen Nettoproduktionsvektor gibt, der mindestens ein positives Element hat, dann hat die Komponente einen dominanten Eigenwert (Spektralradius), der kleiner als 1 ist. Man kann annehmen, dass diese Bedingungen normalerweise erf¨ ullt sind, denn andernfalls w ¨ urden die Produktionseinheiten einer Komponente ausschließlich f¨ ur ihre eigene Produktion produzieren, ohne irgendeinen positiven Beitrag an ihre Umwelt abzugehen. Um zu zeigen, wie das eben angef¨ uhrte Resultat zustande kommt, nehmen wir an, dass Π die Adjazenzmatrix einer Komponente ist. Wie unser Beispiel gezeigt hat, muss dies nicht unbedingt die Produktionsmatrix der gesamten ¨ Okonomie sein. Wir verzichten in diesem Unterabschnitt auf eine Indizierung der Komponenten, um die Notation ¨ ubersichtlicher zu machen. Der Bruttoproduktionsvektor sei x und der Nettoprodukti- <?page no="171"?> 6.1 Ein Modell der G¨ uterproduktion 171 onsvektor sei y, so dass folgende Gleichung gilt: Π x + y = x Wenn der Nettoproduktionsvektor nicht-negativ ist, folgt daraus Πx ≤ x, und wenn y mindestens einen positiven Koeffizienten hat, folgt auch Π x x (6.3) (Das Symbol soll bedeuten, dass f ¨ ur alle Koeffizienten ≤ und f ¨ ur mindestens einen Koeffizienten < gilt.) Da nach Voraussetzung Π die Adjazenzmatrix einer Komponente ist, ist Π eine unzerlegbare Matrix und außerdem nicht-negativ. Also gibt es nach dem Satz von Frobenius (der im Anhang A.3 besprochen wird) einen dominanten Eigenwert dom(Π) > 0 mit einem ebenfalls positiven Eigenvektor. Das gleiche gilt nun aber auch f¨ ur die transponierte Matrix Π ′ , denn Π ′ erf¨ ullt ebenfalls die Voraussetzungen des Satzes von Frobenius, und außerdem haben Π und Π ′ die gleichen Eigenwerte. Insbesondere haben sie den gleichen dominanten Eigenwert λ ∗ : = dom ( Π ) = dom ( Π ′ ). Jetzt sei w der zum dominanten Eigenwert von Π ′ geh¨orige positive Eigenvektor von Π ′ . Also ist Π ′ w = λ ∗ w bzw. w ′ Π = λ ∗ w ′ . Multipliziert man nun die Gleichung (6.3) auf beiden Seiten von links mit w ′ , folgt w ′ Π x < w ′ x denn w ist in allen Koeffizienten positiv. Ersetzt man auf der linken Seite w ′ Π durch λ ∗ w ′ , folgt schließlich λ ∗ w ′ x < w ′ x , woraus man erkennt, dass λ ∗ kleiner als 1 sein muss. In unserem Beispiel ist die oben angef¨ uhrte Bedingung sicherlich erf¨ ullt, denn wie zu Beginn berechnet worden ist, gibt es bei jeder Produktionseinheit eine positive Nettoproduktion. Der dominante Eigenwert ist in diesem Beispiel 0,4. ( I − Π ) l ¨ asst sich also invertieren, und die Inverse ist nicht-negativ: (I − Π) − 1 = ⎡ ⎢ ⎢ ⎣ 1, 0965 0, 8772 4, 8246 0, 2303 0, 0658 1, 0526 3, 2895 0, 2138 0, 0219 0, 0175 1, 0965 0, 0296 0, 0000 0, 0000 0, 0000 1, 0000 ⎤ ⎥ ⎥ ⎦ Wie im vorangegangenen Unterabschnitt besprochen worden ist, kann diese Matrix verwendet werden, um f ¨ ur jeden beliebig vorgegebenen Nettoproduktionsvektor zu berechnen, welche Bruttoproduktion von jeder Produktionseinheit erbracht werden muss. <?page no="172"?> 172 6 Gesellschaftliche Produktion 6.1.3 Direkte und indirekte Vorleistungen π ij erfasst die Vorleistungen der G ¨ utersorte i , die zur Produktion einer Einheit der G ¨ utersorte j eingesetzt werden. Dies sind die direkt eingesetzten Vorleistungen. Um sie zu produzieren, werden wiederum Vorleistungen eingesetzt usw; dies sind die indirekt eingesetzten Vorleistungen. Diese ¨ Uberlegung f ¨ uhrt zwar schrittweise in die Vergangenheit und kann deshalb mit einer Produktionsmatrix, die sich auf eine (historisch) bestimmte Produktionsperiode bezieht, nicht nachvollzogen werden. Wohl aber l¨asst sich eine hypothetische Fragestellung verfolgen: Wie viele Vorleistungen w¨ urden direkt und indirekt eingesetzt, wenn die Produktion f¨ ur einen l¨angeren Zeitraum auf der Grundlage der gegebenen Produktionsmatrix erfolgen w¨ urde? Um eine Antwort zu finden, werden folgende Notationen verwendet: π (1) ij : = π ij sind die direkten Vorleistungen, π (2) ij : = ∑ n l =1 π (1) il π lj sind die auf der zweiten Stufe eingesetzten indirekten Vorleistungen, und π ( k ) ij : = ∑ n l =1 π ( k − 1) il π lj sind die auf der k-ten Stufe eingesetzten indirekten Vorleistungen. Somit liefert die Definition ¯ π ij : = ∞ ∑ k =1 π ( k ) ij die insgesamt direkt und indirekt eingesetzten Vorleistungen. Fasst man die Koeffizienten ¯ π ij zu einer Matrix ¯ Π zusammen, kann man auch schreiben: ¯ Π = ∞ ∑ k =1 Π k (6.4) Zu ¨ uberlegen ist, wie die Matrix ¯ Π berechnet werden kann. Dazu kn¨ upfen wir an ein Ergebnis an, das im Anhang A.3 besprochen wird: Wenn der dominante Eigenwert von Π kleiner als 1 ist, dann ist (I − Π) invertierbar und außerdem gilt f¨ ur die Inverse folgende Reihendarstellung: (I − Π) − 1 = ∞ ∑ k =0 Π k <?page no="173"?> 6.1 Ein Modell der G¨ uterproduktion 173 Nimmt man die Voraussetzungen f ¨ ur die Invertierbarkeit als gegeben an (vgl. den vorangegangenen Unterabschnitt), kann man also folgende Gleichung bilden: (I − Π) − 1 = ∞ ∑ k =0 Π k = I + ∞ ∑ k =1 Π k = I + ¯ Π woraus folgt: ¯ Π = (I − Π) − 1 − I (6.5) Die Aufgabe besteht also im Wesentlichen wiederum nur darin, die Matrix (I − Π) zu invertieren. F¨ ur das im vorangegangenen Unterabschnitt behandelte Beispiel wurde bereits die Matrix (I − Π) − 1 berechnet. Zieht man in der Hauptdiagonalen jeweils den Wert 1 ab, erh¨alt man ¯ Π = ⎡ ⎢ ⎢ ⎣ 0, 0965 0, 8772 4, 8246 0, 2303 0, 0658 0, 0526 3, 2895 0, 2138 0, 0219 0, 0175 0, 0965 0, 0296 0, 0000 0, 0000 0, 0000 0, 0000 ⎤ ⎥ ⎥ ⎦ Als Beispiel betrachten wir die Produktionseinheit Nr. 2 (Stahl). Um eine Einheit Stahl zu produzieren sind 0,8 Einheiten Holz als direkte Vorleistung erforderlich; die direkten und indirekten Vorleistungen betragen dagegen ¯ π 12 = 0, 8772. Bezieht man diese Werte auf die Bruttoproduktion in H¨ohe von 50 Einheiten Stahl, betragen die direkten Vorleistungen 40, die direkten und indirekten Vorleistungen etwa 44 Einheiten Holz. 6.1.4 Das Besch¨aftigungsmodell Mit Hilfe des Besch ¨ aftigungsmodells kann die sektorale Struktur der Erwerbst¨atigen analysiert werden. Insbesondere erlaubt das Modell die Zurechnung von Erwerbst¨atigen zur Produktion der verschiedenen G¨ uter unter Ber¨ ucksichtigung der Produktionsverflechtung der Sektoren. Der Vektor b : = ( b 1 , ..., b n ) ′ gibt die Menge eingesetzter Arbeit in den n Produktionsbereichen an; als Zahl der Besch ¨ aftigten oder als Zahl der geleisteten Arbeitsstunden. In diesem Unterabschnitt sprechen wir zur Vereinfachung von Besch ¨ aftigten. Im Folgenden gehen wir davon aus, dass b j die Zahl der Besch ¨ aftigten im Produktionsbereich j sei. <?page no="174"?> 174 6 Gesellschaftliche Produktion Sektorale Arbeitskoeffizienten w j geben die Zahl der Besch ¨ aftigten b j im Produktionsbereich j im Verh ¨ altnis zur Produktionsmenge dieser G¨ uterart x j an: w j = b j x j Die Gesamtbesch¨aftigung b resultiert aus der Summation ¨ uber alle Produktionsbereiche: b = w ′ x = n ∑ j =1 w j x j = n ∑ j =1 b j Man beachte: b verwenden wir f ¨ ur die Gesamtbesch ¨ aftigung (Skalar), b f ¨ ur die Besch ¨ aftigung in sektoraler Gliederung (Vektor). Wegen der Beziehung x= (I − Π) − 1 y gilt auch b = w ′ x = w ′ (I − Π) − 1 y Die Gesamtbesch ¨ aftigung wird bestimmt durch: Erstens die sektoralen Arbeitskoeffizienten w j , zweitens die Inverse (I − Π) −1 , die die Information der Produktionsstruktur enth¨alt, und drittens durch den Vektor y, der die g ¨ uterspezifische Endnachfragekomponenten y j enth ¨ alt. Die Matrix (I − Π) − 1 wird als Leontief-Inverse bezeichnet und ihre Koeffizienten c ij geben an, wie viel Input insgesamt der G¨ uterart c i zur Produktion einer Einheit im Produktionsbereich j ben¨otigt wird. Die sektorale Aufteilung der Besch¨aftigung wird ersichtlich durch die Verwendung einer Diagonalmatrix X, auf deren Diagonale die Koeffizienten des Produktionsvektors stehen: b ′ = w ′ diag[(I − Π) − 1 y] = w ′ X Die Vorleistungsmatrix A kann mit Hilfe der diagonalisierten Arbeitskoeffizienten zur Vorleistungs-Besch¨aftgungsmatrix B a umgerechnet werden <?page no="175"?> 6.1 Ein Modell der G¨ uterproduktion 175 B a = ⎡ ⎢ ⎣ w 1 · · · 0 ... . . . ... 0 · · · w n ⎤ ⎥ ⎦ ⎡ ⎢ ⎣ a 11 · · · a 1 n ... . . . ... a n 1 · · · a nn ⎤ ⎥ ⎦ = ⎡ ⎢ ⎣ w 1 a 11 · · · w 1 a 1 n ... . . . ... w n a n 1 · · · w n a nn ⎤ ⎥ ⎦ = ⎡ ⎢ ⎣ b 1 x 1 a 11 · · · b 1 x 1 a 1 n ... . . . ... b n x n a n 1 · · · b n x n a nn ⎤ ⎥ ⎦ Die Eintr¨age w i a ij geben an, wie viele Besch¨aftigte direkt zur Bereitstellung des Inputs i bei der Produktion im Produktionsbereich j notwendig sind. Wir betrachten nun eine Endnachfragematrix Y mit n Zeilen der verschiedenen G¨ uterarten und m Spalten der verschiedenen Endnachfragekomponenten (z.B. m = 2 bei der Betrachtung der beiden Endnachfragekomponenten Konsum und Investitionen) Y : = ⎡ ⎢ ⎣ y 11 · · · y 1 m ... . . . ... y n 1 · · · y nm ⎤ ⎥ ⎦ Ein Matrixeintrag y ij gibt somit die Menge an, die durch die Endnachfragekomponente j nach der G¨ uterart i nachgefragt wird. Mit Hilfe des diagonalisierten Vektors der Arbeitskoeffizienten kann die Endnachfrage-Besch¨aftigungsmatrix B y gebildet werden B y = ⎡ ⎢ ⎣ w 1 · · · 0 ... . . . ... 0 · · · w n ⎤ ⎥ ⎦ ⎡ ⎢ ⎣ y 11 · · · y 1 m ... . . . ... y n 1 · · · y nm ⎤ ⎥ ⎦ = ⎡ ⎢ ⎣ w 1 y 11 · · · w 1 y 1 m ... . . . ... w n y n 1 · · · w n y nm ⎤ ⎥ ⎦ = ⎡ ⎢ ⎣ b 1 x 1 y 11 · · · b 1 x 1 y 1 m ... . . . ... b n x n a n 1 · · · b n x n y nm ⎤ ⎥ ⎦ Die Eintr¨age b i y ik geben an, wie viele Besch¨aftigte direkt zur Bereitstellung der Endnachfragekomponente k des Gutes c i notwendig sind. Die Zeilensummen der Vorleistungs-Besch ¨ aftgungsmatrix B a und die Zeilensummen der Endnachfrage-Besch¨aftigungsmatrix B y addieren sich <?page no="176"?> 176 6 Gesellschaftliche Produktion zum Vektor der insgesamt eingesetzten Besch¨aftigten b B a e n + B y e m = b Hierbei ist e n ein n × 1 Vektor mit Einsen, e m ein m × 1 Vektor mit Einsen, B a hat die Dimension n × n und B y hat die Dimension n × m. Mit Hilfe des diagonalisierten Vektors der Arbeitskoeffizienten kann die Besch¨aftigungsinverse H = diag(w)(I − Π) − 1 berechnet werden: H = ⎡ ⎢ ⎣ w 1 · · · 0 ... . . . ... 0 · · · w n ⎤ ⎥ ⎦ ⎡ ⎢ ⎣ c 11 · · · c 1 n ... . . . ... c n 1 · · · c nn ⎤ ⎥ ⎦ = ⎡ ⎢ ⎣ w 1 c 11 · · · w 1 c 1 n ... . . . ... w n c n 1 · · · w n c nn ⎤ ⎥ ⎦ Die Eintr ¨ age w i c ij geben an, wie viele Besch ¨ aftigte direkt und indirekt im Produktionsbereich i zur Bereitstellung einer Einheit im Produktionsbereich j notwendig sind. Mit Hilfe der Leontief-Inversen lassen sich auch sektorale Besch¨aftigungsmultiplikatoren ermitteln [ w 1 , · · · , w n ] ⎡ ⎢ ⎣ c 11 · · · c 1 n ... . . . ... c n 1 · · · c nn ⎤ ⎥ ⎦ = [ w 1 c 11 + w 2 c 21 + ... + w n c n 1 , · · · , w 1 c 1 n + w 2 c 2 n + ... + w n c nn ] = [ ∑ n i w i c i 1 , · · · , ∑ n i w i c in ] Die Besch¨aftigungsmultiplikatoren ∑ n i w i c ij sagen, wie viele Besch¨aftigte insgesamt eingesetzt werden m¨ ussen, wenn eine Einheit des Gutes c j f¨ ur die Endnachfrage bereitgestellt werden soll. Ausgehend von der Besch ¨ aftigungsinversen H kann durch Multiplikation mit der Matrix der Endnachfrage Y die Besch ¨ aftigungsinverse der Endnachfrage B e berechnet werden <?page no="177"?> 6.1 Ein Modell der G¨ uterproduktion 177 B e = HY = ⎡ ⎢ ⎣ w 1 · · · 0 ... . . . ... 0 · · · w n ⎤ ⎥ ⎦ ⎡ ⎢ ⎣ c 11 · · · c 1 n ... . . . ... c n 1 · · · c nn ⎤ ⎥ ⎦ ⎡ ⎢ ⎣ y 11 · · · y 1 m ... . . . ... y n 1 · · · y nm ⎤ ⎥ ⎦ = ⎡ ⎢ ⎣ ∑ j w 1 c 1 j y j 1 · · · ∑ j w 1 c 1 j y jm ... . . . ... ∑ j w n c nj y j 1 · · · ∑ j w n c nj y jm ⎤ ⎥ ⎦ Die Zeilen geben f ¨ ur die n Produktionsbereiche an, wie groß die Bedeutung der m Endnachfragekomponenten f¨ ur die direkte und indirekte Nachfrage nach Besch ¨ aftigten ist. Die Spalten geben an, in welchen Produktionsbereichen wie viele Besch¨aftigte f¨ ur die Befriedigung dieser Endnachfragekomponente notwendig sind. Greifen wir eine Zeile i der Besch¨aftigungsinversen H heraus, diagonalisieren diesen Zeilenvektor und multiplizieren mit der Endnachfragematrix Y , dann resultiert eine Matrix mit m Spalten. Die k -te Spalte gibt an, wie viele Besch¨aftigte f¨ ur die Befriedigung der Endnachfragekomponente k im Sektor i eingesetzt werden m¨ ussen H = ⎡ ⎢ ⎣ w 1 c 11 · · · w 1 c 1 n ... . . . ... w n c n 1 · · · w n c nn ⎤ ⎥ ⎦ H i · = [ w i c i 1 , · · · , w i c in ] diag (H i · ) Y = ⎡ ⎢ ⎣ w i c i 1 · · · 0 ... . . . ... 0 · · · w i c in ⎤ ⎥ ⎦ ⎡ ⎢ ⎣ y 11 · · · y 1 m ... . . . ... y n 1 · · · y nm ⎤ ⎥ ⎦ = ⎡ ⎢ ⎢ ⎢ ⎣ w i c i 1 y 11 · · · w i c i 1 y 1 m w i c i 2 y 21 · · · w i c i 2 y 2 m ... . . . ... w i c in y n 1 · · · w i c in y nm ⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦ Die Spaltenelemente, f¨ ur die der Index i von w i mit dem Index i von y ik ¨ ubereinstimmt, geben die direkte Besch¨aftigungsnachfrage der Endnachfrage k im Sektor i an. Die ¨ ubrigen Spaltenelemente geben die indirekte, ¨ uber die Vorleistungsverflechtung bewirkte, Besch¨aftigungsnachfrage an. <?page no="178"?> 178 6 Gesellschaftliche Produktion Betrachten wir erneut das bereits eingef ¨ uhrte Beispiel. Der bisher nur f¨ ur alle Nachfragekomponenten aggregierte Endnachfragevektor y habe nun zwei Endnachfragekomponenten y 1 und y 2 , so dass eine Endnachfragematrix resultiert: Y = ⎡ ⎢ ⎢ ⎣ 30 10 8 2 2 4 10 70 ⎤ ⎥ ⎥ ⎦ Ausgehend von dem Besch¨aftigungsvektor b = (200, 200, 500, 800) ′ lassen sich die Abeitskoeffizienten ermitteln w = (2, 4, 50, 10) ′ Die Vorleistungsmatrix A kann mit Hilfe des diagonalisierten Vektors der Arbeitskoeffizienten zur Vorleistungs-Besch¨aftgungsmatrix B a umgerechnet werden B a = ⎡ ⎢ ⎢ ⎣ 0 80 40 0 0 0 120 40 100 0 0 100 0 0 0 0 ⎤ ⎥ ⎥ ⎦ Der Eintrag w 1 a 12 = 80 gibt an, dass 80 Besch ¨ aftigte direkt zur Bereitstellung des Inputs 1 bei der Produktion im Produktionsbereich 2 notwendig sind. Als Endnachfrage-Besch¨aftigungsmatrix resultiert B y = ⎡ ⎢ ⎢ ⎣ 60 20 32 8 100 200 100 700 ⎤ ⎥ ⎥ ⎦ Der Eintrag w 2 y 22 = 8 gibt an, dass 8 Besch¨aftigte direkt zur Produktion im Produktionsbereich 2 notwendig sind, um die zweite Komponente der Endnachfrage nach Gut 2 zu befriedigen. <?page no="179"?> 6.1 Ein Modell der G¨ uterproduktion 179 Als Besch¨aftigungsinverse H resultiert H = ⎡ ⎢ ⎢ ⎢ ⎣ 2, 1930 1, 7544 9, 6491 0, 4605 0, 2632 4, 2105 13, 1579 0, 8553 1, 0965 0, 8772 54, 8246 1, 4803 0 0 0 10 ⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦ Der Eintrag w 3 c 31 = 1 , 0965 gibt an, dass 1 , 0965 Besch ¨ aftigte direkt und indirekt im Produktionsbereich 3 zur Bereitstellung einer Einheit im Produktionbereich 1 notwendig sind. Als sektorale Besch ¨ aftigungsmultiplikatoren finden wir [ ∑ n i b i c i 1 , · · · , ∑ n i b i c in ] = [ 3, 5526, 6, 8421, 77, 6316, 12, 7961 ] Der Besch¨aftigungsmultiplikator ∑ n i b i c i 3 = 77, 6316 sagt, dass 77, 6316 Besch¨aftigte insgesamt eingesetzt werden m¨ ussen, wenn eine Einheit des Gutes c 3 f ¨ ur die Endnachfrage bereitgestellt werden soll. Es resultiert die folgende Besch¨aftigungsinverse der Endnachfrage B e B e = HY = ⎡ ⎢ ⎢ ⎢ ⎣ 103, 7281 96, 2719 76, 4474 123, 5526 164, 3640 335, 6360 100 700 ⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦ Hier ist im ersten Produktionsbereich die erste Endnachfragekomponente von etwas gr ¨ oßerer Bedeutung als die zweite Komponente. In den drei anderen Produktionsbereichen ist die zweite Endnachfragekomponente f¨ ur die Besch¨aftigung bedeutsamer. Beide Nachfragekomponenten f¨ uhren im dritten Produktionsbereich zu sehr hoher Besch¨aftigung, die zweite Endnachfragekomponente dabei zu rund doppelt so hoher Besch¨aftigung wie die erste Komponente. Nun greifen wir aus der Besch¨aftigungsinversen H den zweiten Produktionsbereich (Zeile 2) heraus H 2 · = [ w 2 c 21 , · · · , w 2 c 2 n ] = [ 0, 2632 , 4, 2105 , 13, 1579 , 0, 8553 ] Die Diagonalmatrix dieser Koeffizienten multipliziert mit der Endnachfragematrix ergibt die folgende Matrix <?page no="180"?> 180 6 Gesellschaftliche Produktion diag (H 2 · ) Y= ⎡ ⎢ ⎢ ⎣ 7, 8947 2, 6316 33, 6842 8, 4211 26, 3158 52, 6316 8, 5526 59, 8684 ⎤ ⎥ ⎥ ⎦ Betrachten wir die erste Spalte, zeigt sich, dass im Produktionsbereich 2 direkt durch die Nachfragekomponente y 1 nach G ¨ utern dieses Bereichs 33, 6842 und indirekt durch y 1 (also Nachfrage nach G¨ utern anderer Bereiche, die aber auch Vorleistungen von Produktionsbereich 2 ben¨otigen) 7, 8947, 26, 3158 und 8, 5526 Besch¨aftigte notwendig sind. ¨ Uber die Vorleistungsverflechtung f¨ uhrt somit die Nachfrage der ersten Komponente nach G ¨ utern anderer Produktionsbereiche zu mehr Besch ¨ aftigung (42 , 7631) im zweiten Sektor als die direkte Nachfrage nach Gut 2. Betrachten wir schließlich noch den Effekt einer Erh ¨ ohung der zweiten Komponente der Endnachfrage nach Gut 2 um 2 Einheiten. Die Ver¨anderung der zweiten Nachfragekomponente notieren wir mit Δy ′ 2 = [ 0, 2, 0, 0 ] Es resultiert folgende Erh¨ohung des Outputvektors Δx = ⎡ ⎢ ⎢ ⎣ 1, 7544 2, 1053 0, 0351 0 ⎤ ⎥ ⎥ ⎦ Als gesamte Ver¨anderung der Besch¨aftigung Δb resultiert Δb = w ′ (I − Π) − 1 Δy = w ′ Δx = 13, 6842 Die sektorale Aufteilung der zus¨atzlichen Besch¨aftigung wird ersichtlich durch Diagonalisierung der Endnachfragever¨anderung Δb ′ = w ′ diag[Δx] = [ 3, 5088, 8, 4211, 1, 7544, 0 ] Die Nachfrageerh¨ohung nach dem zweiten Gut f¨ uhrt in diesem Beispiel zu einer Besch¨aftigungserh¨ohung in drei Sektoren. <?page no="181"?> 6.1 Ein Modell der G¨ uterproduktion 181 6.1.5 Ausr¨ ustungen und Lagerhaltung Bisher haben wir nur Vorleistungen ber¨ ucksichtigt, die w¨ahrend einer Produktionsperiode zur Produktion neuer G¨ uter verbraucht werden. Dar¨ uber hinaus sind fast immer Ausr¨ ustungen erforderlich, z.B. Geb¨aude und Maschinen, und außerdem bedarf es einer mehr oder weniger umfangreichen Lagerhaltung, damit eine kontinuierliche Produktion m ¨ oglich ist. Wir erweitern deshalb das anf¨angliche Modell und unterscheiden: π ij ist die Menge des Gutes c i , die zur Produktion einer Einheit des Gutes c j in Gestalt von Vorleistungen eingesetzt werden muss; und φ ij ist die Menge des Gutes c i , die zur Produktion einer Einheit des Gutes c j in Gestalt von Ausr¨ ustungen oder Lagerhaltung kontinuierlich vorhanden sein muss. Wie bisher beziehen wir uns auf n Produktionseinheiten, die jeweils eine G¨ utersorte produzieren. Die Koeffizienten π ij werden zu einer Matrix Π = ( π ij ), die Koeffizienten φ ij zu einer Matrix Φ = ( φ ij ) zusammengefasst. In der Literatur wird Φ oft als Matrix des fixen Kapitals bezeichnet. Sowohl π ij als auch φ ij k ¨ onnen in physischen Mengeneinheiten erfasst werden: Die Koeffizienten π ij erfassen Stromgr ¨ oßen, eine Menge von G¨ utern, die w¨ahrend einer bestimmten Produktionsperiode in Gestalt von Vorleistungen verbraucht werden; dagegen erfassen die Koeffizienten φ ij Bestandsgr¨oßen, also Mengen von G¨ utern, die kontinuierlich vorhanden sein m¨ ussen, z.B. in Gestalt eines Geb¨audes, einer Maschine oder eines bestimmten Lagerbestands. Nat ¨ urlich werden auch die Elemente des fixen Kapitals in der Produktion verbraucht, aber in einer anderen Art als Vorleistungen. Eine Maschine wird benutzt und erleidet dadurch einen gewissen Verschleiß; um die Maschine funktionst¨ uchtig zu erhalten, m¨ ussen also wiederum bestimmte G¨ uter eingesetzt werden. Ebenso bei einem Vorratslager. Die aus dem Lager f ¨ ur die laufende Produktion entnommenen G ¨ uter m ¨ ussen durch neue G ¨ uter ersetzt werden, damit das Lager erhalten bleibt und seine Aufgabe erf¨ ullen kann. Somit stellt sich die Frage, wie die erforderliche Erneuerung des fixen Kapitals im Rahmen des Modells behandelt werden soll. Daf¨ ur gibt es unterschiedliche M¨oglichkeiten. Eine sehr einfache Idee, der wir hier folgen wollen, besteht darin, die G¨ uter, die zur Erhaltung des fixen Kapitals erforderlich sind, als Bestandteile der Vorleistungen zu betrachten. π ij soll also sowohl die in der laufenden Produktion in Gestalt von Vorleistungen verbrauchten G ¨ uter erfassen als auch die G ¨ uter, die zur Aufrechterhaltung von φ ij erforderlich sind. <?page no="182"?> 182 6 Gesellschaftliche Produktion Infolgedessen verlaufen auch alle ¨ Uberlegungen zur Brutto- und Nettoproduktion so, wie dies in Abschnitt 1 bereits dargestellt wurde. Π x erfasst die gesamten Vorleistungen, einschließlich der f¨ ur die Reproduktion des fixen Kapitals erforderlichen G¨ uter, die f¨ ur die Bruttoproduktion x eingesetzt werden. F ¨ ur die Nettoproduktion erh ¨ alt man somit wie bisher die Gleichung y = (I − Π)x. Hinzu kommt der Vektor Φx, dessen Koeffizienten angeben, wie viele G¨ uter der jeweiligen Sorte in der gesamten ¨ Okonomie in Gestalt von fixem Kapital gehalten werden m¨ ussen, um die Bruttoproduktion x zu erm ¨ oglichen. Er spielt jedoch bei der Betrachtung der G¨ uterstr¨ome keine explizite Rolle, da die Reproduktion von Φ durch Π erfasst wird. Wichtig wird die Matrix Φ erst bei kapitalistischen Bewertungen der Produktion (vgl. Abschnitt 6.2.2). 6.2 Bewertungen der G¨ uter In dem bisher besprochenen Modell gibt es nur G¨ uter; einerseits G¨ uterstr ¨ ome, andererseits G ¨ uterbest ¨ ande. In den folgenden Abschnitten besch¨aftigen wir uns mit m¨oglichen Bewertungen, so dass man davon sprechen kann, dass G ¨ uter einen ” Wert“ haben, durch den sie vergleichbar gemacht werden k¨onnen. Schon an dieser Stelle sei betont, dass es sich bei diesen Bewertungen nicht um Marktpreise handelt, sondern um Gr¨oßen, die im Rahmen eines Modells konstruiert werden. Mit Marktpreisen besch¨aftigen wir uns erst im n¨achsten Kapitel. 6.2.1 Berechnung von Arbeitswerten Ein klassischer Ansatz zur Konstruktion von Bewertungen nimmt darauf Bezug, dass zur Produktion aller G¨ uter menschliche Arbeit erforderlich ist. Die Idee besteht darin, den Wert eines Gutes durch die Gesamtmenge an Arbeit zu bestimmen, die f¨ ur seine Produktion eingesetzt wird. Dabei wird die Menge an Arbeit z.B. in Arbeitsstunden erfasst. Man spricht dann von Arbeitswerten. Bei der Berechnung ist zu ber¨ ucksichtigen, dass die zur Produktion erforderlichen Vorleistungen ebenfalls einen Arbeitswert haben. Somit geht es darum, den direkt und indirekt eingesetzten Arbeitsaufwand zu berechnen. Wie bisher beziehen wir uns auf eine Produktionsmatrix Π f¨ ur n Produktionseinheiten. Durch w j soll erfasst werden, wie viele Arbeitsstunden im Produktionsbereich j aufgewendet werden, um eine Einheit des j-ten <?page no="183"?> 6.2 Bewertungen der G¨ uter 183 Gutes zu produzieren. Die Arbeitsstunden, die insgesamt - direkt und indirekt - f ¨ ur die Produktion einer Einheit erforderlich sind, werden in Analogie zur bisherigen Notation mit ¯ w j bezeichnet. ¯ w j ist also der Arbeitswert einer Einheit des j -ten Gutes. Die Berechnung erfolgt mit folgendem Ansatz: ¯ w j = w j + n ∑ i =1 ¯ w i π ij Die Gleichung macht deutlich, woraus sich der Arbeitswert zusammensetzt: einerseits aus dem direkten Arbeitsaufwand w j und andererseits aus den Arbeitswerten der Vorleistungen. Zur Berechnung werden die Vektoren w : = (w 1 , . . . , w n ) ′ und ¯ w : = ( ¯ w 1 , . . . , ¯ w n ) ′ definiert. Dann kann man folgende Matrizengleichung bilden: ¯ w ′ = w ′ + ¯ w ′ Π Eine einfache Umformung liefert ¯ w ′ ( I − Π ) = w ′ , und wenn ( I − Π ) invertierbar ist, erh¨alt man daraus die L¨osung ¯ w ′ = w ′ (I − Π) − 1 (6.6) Wiederum zeigt sich, dass die Matrix (I − Π) eine wichtige Rolle spielt. Ihre Invertierbarkeit soll im Folgenden vorausgesetzt werden. Zur Illustration verwenden wir das im vorangegangenen Abschnitt besprochene Beispiel. Es wird angenommen, dass der direkt erforderliche Arbeitsaufwand durch den Vektor w = (2, 4, 50, 10) ′ gegeben ist. Dann erh¨alt man folgenden Vektor der Arbeitswerte: ¯ w = (3, 55, 6, 84, 77, 63, 12, 80) ′ Zum Beispiel betr ¨ agt der Arbeitswert einer Einheit Getreide 12,8 Arbeitsstunden. Man k¨onnte auf den Gedanken kommen, dass es unterschiedliche Sorten von Arbeit gibt, deren Verausgabung pro Arbeitsstunde unterschiedlich viel ”Wert“ erzeugt. F¨ ur eine solche Annahme gibt es zwar keine objekti- <?page no="184"?> 184 6 Gesellschaftliche Produktion vierbaren Kriterien; aber die zuvor skizzierte ¨ Uberlegung k ¨ onnte auch auf der Grundlage einer solchen Annahme durchgef ¨ uhrt werden. Angenommen n¨amlich, dass man q Sorten von Arbeit unterscheiden m¨ochte. Dann kann man f¨ ur k = 1, . . . , q definieren: w kj ist die direkt und ¯ w kj ist die direkt und indirekt f¨ ur die Produktion einer Einheit des j-ten Gutes aufgewendete Arbeit der k -ten Sorte. Dann erh ¨ alt man mit vollst ¨ andig parallelen Rechnungen einen Vektor ( ¯ w 1 j , . . . , ¯ w qj ) der zeigt, wie viel Arbeit der verschiedenen Sorten f ¨ ur die Produktion einer Einheit der j-ten G¨ utersorte aufgewendet wird. Es bleibt dann nur die Frage, wie man aus den Koeffizienten dieses Vektors einen ”gesamten Arbeitswert“ bilden kann, denn das Ergebnis h¨angt offenbar davon ab, wie man die ”wertbildende Kraft“ der verschiedenen Arbeitssorten definieren m¨ochte. 6.2.2 Kapitalistische Preise In einer kapitalistischen ¨ Okonomie wird normalerweise nicht mit Arbeitswerten gerechnet, sondern Bewertungen orientieren sich an einem Vergleich von Kosten und Ertr ¨ agen. Bewertungen, die sich dieser Idee verdanken, werden wir in diesem Abschnitt ‘Preise’ nennen. Sie sollten jedoch nicht mit Marktpreisen verwechselt werden, denn die Preise, mit denen wir uns in diesem Abschnitt besch ¨ aftigen, werden im Rahmen eines Modells konstruiert, um ein Denken in Kosten und Ertr ¨ agen zu erm ¨ oglichen. Oder anders formuliert: Preise werden als Rechengr ¨ oßen betrachtet, die sich ein Modellkonstrukteur ausdenkt (im Unterschied zu Marktpreisen, die sich die Teilnehmer an einem Marktprozess ausdenken bzw. aushandeln). Wir verwenden folgende Notation: p i ist der Preis einer Einheit der i-ten G¨ utersorte und p 0 ist der Lohnsatz, d.h. der Preis f¨ ur eine Arbeitsstunde. Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass es f¨ ur alle Arten von Arbeit den gleichen Lohnsatz gibt. Somit kann man von den Kosten sprechen, die bei der Produktion einer Einheit des j-ten Gutes auftreten: n ∑ i =1 p i π ij + p 0 w j und nat¨ urlich auch von einem Ertrag, n¨amlich p j minus diese Kosten. <?page no="185"?> 6.2 Bewertungen der G¨ uter 185 Ersichtlich h ¨ angt der Ertrag auch vom Lohnsatz ab. Andererseits ist aber auch klar, dass sich an den relativen Bewertungen nichts ver¨andern w ¨ urde, wenn man sowohl die Preise als auch den Lohnsatz mit dem gleichen Faktor multipliziert. Es ist deshalb m ¨ oglich (und f ¨ ur einige Berechnungen zweckm ¨ aßig), die Preise in Lohneinheiten auszudr ¨ ucken, d.h. mit Preisen ˜ p j : = p j p 0 zu rechnen. Sie lassen sich auch unmittelbar interpretieren. Ist z.B. ˜ p j = 2, bedeutet dies, dass der Preis einer Einheit des j -ten Gutes gleich dem Lohn von zwei Arbeitsstunden ist. Fasst man diese Preise zu einem Vektor ˜ p : = (˜ p 1 , . . . , ˜ p n ) ′ zusammen, kann man sich auf die Kosten je einer Einheit der verschiedenen G¨ utersorten durch den Ausdruck ˜ p ′ Π + w ′ beziehen, und die Gesamtkosten f¨ ur eine Bruttoproduktion x sind durch ˜ p ′ Π x + w ′ x gegeben. Aber was ist der Ertrag? Aus der Sicht der Arbeitskr ¨ afte besteht der Ertrag in der Menge der G ¨ uter, die sie sich f ¨ ur ihren Lohn kaufen k ¨ onnen. Die kapitalistische Kosten-Ertrags-Rechnung geht jedoch von einer anderen Betrachtungsweise aus: Es wird Kapital eingesetzt, um einen Ertrag zu erzielen. Also muss ¨ uberlegt werden, wie das eingesetzte Kapital zu bestimmen ist. Daf ¨ ur beziehen wir uns auf die in Abschnitt 6.1.5 besprochene Idee, dass zur Durchf ¨ uhrung der Produktion bei jeder Produktionseinheit ein bestimmtes fixes Kapital als Bestandsgr ¨ oße vorhanden sein muss. ¨ Ubernimmt man die dort eingef ¨ uhrte Notation, besteht das fixe Kapital, das bei der j -ten Produktionseinheit f ¨ ur eine Outputeinheit erforderlich ist, aus dem Vektor (φ 1 j , . . . , φ nj ) ′ und somit bestehen die kapitalistisch berechneten Kosten f ¨ ur die Produktion einer Outputeinheit aus der Preisgr¨oße n ∑ i =1 ˜ p i φ ij <?page no="186"?> 186 6 Gesellschaftliche Produktion Dies ist das pro Outputeinheit eingesetzte Kapital, auf das sich auch eine Beurteilung der Ertr¨age bezieht. Zur Beurteilung dient eine Profitrate ρ, die folgendermaßen definiert ist: ρ = Ertrag pro Outputeinheit Kosten pro Outputeinheit Somit ist der Ertrag pro Outputeinheit, der in der j-ten Produktionseinheit erzielt wird, durch die Gr¨oße ρ n ∑ i =1 ˜ p i φ ij definiert. Dabei wird vorausgesetzt, dass es bei allen Produktionseinheiten die gleiche Profitrate ρ gibt. Jetzt kann der Gedankengang zusammengefasst werden, zun¨achst wieder f¨ ur die j-te Produktionseinheit. Ihre Kosten-Ertrags-Rechnung erscheint in folgender Gleichung: ˜ p j = n ∑ i =1 ˜ p i π ij + w j + ρ n ∑ i =1 ˜ p i φ ij Auf der linken Seite steht der Gesamterl¨os aus einer Outputeinheit, auf der rechten Seite geben die ersten beiden Summanden die effektiven Produktionskosten an, und der dritte Summand dr¨ uckt den kapitalistisch konzipierten Ertrag aus. Mit Hilfe der Matrixnotation erh ¨ alt man also folgendes Gleichungssystem als Ausgangspunkt f ¨ ur eine Konstruktion kapitalistischer Preise: ˜ p ′ = ˜ p ′ Π + w ′ + ρ ˜ p ′ Φ (6.7) Zu ¨ uberlegen ist, f¨ ur welche Profitraten ρ diese Preisgleichung eine L¨osung hat, wobei nat ¨ urlich vorausgesetzt werden soll, dass nur nicht-negative Preisvektoren ˜ p zul¨assig sind. Zun¨achst kann man sich ¨ uberlegen, dass es eine maximale Profitrate ρ ∗ gibt, die nicht ¨ uberschritten werden kann, ohne die Voraussetzung nichtnegativer Preise zu verletzen. Der Gedankengang verl¨auft folgendermaßen: Aus (6.7) gewinnt man die Darstellung ˜ p ′ (I − Π − ρ Φ) = w ′ <?page no="187"?> 6.2 Bewertungen der G¨ uter 187 und wenn (I − Π − ρ Φ) invertierbar ist, folgt daraus die Darstellung ˜ p ′ = w ′ (I − Π − ρ Φ) − 1 (6.8) Wie schon mehrfach besprochen worden ist, besteht eine hinreichende Bedingung f ¨ ur die Invertierbarkeit darin, dass dom ( Π + ρ Φ ) < 1 ist. Dann ist auch ( I − Π − ρ Φ ) − 1 eine nicht-negative Matrix und somit gew¨ahrleistet, dass ˜ p ein nicht-negativer Vektor ist. Da wir voraussetzen, dass es sich um eine produktive ¨ Okonomie handelt, gilt dies sicherlich dann, wenn ρ = 0 ist, also keinerlei Profite erzielt werden. Nun ist jedoch der dominante Eigenwert einer nicht-negativen Matrix eine stetige streng monoton steigende Funktion ihrer Koeffizienten. 4 Wenn man also ρ ausgehend von Null kontinuierlich vergr¨oßert, wird auch der dominante Eigenwert von (Π+ ρ Φ) kontinuierlich gr¨oßer, bis er schließlich den Wert 1 erreicht, bei dem die Matrix nicht mehr invertierbar ist. So kommt man zu dem Ergebnis, dass es eine maximale Profitrate ρ ∗ gibt, so dass f ¨ ur alle Profitraten 0 ≤ ρ < ρ ∗ die Matrix ( I − Π − ρ Φ ) invertierbar und ihre Inverse nicht-negativ ist. F ¨ ur diesen Bereich m ¨ oglicher Profitraten zeigt dann (6.8), wie die Preise eine Funktion der Profitrate sind. Die maximale Profitrate ρ ∗ bildet einen Grenzfall. In diesem Fall ist dom ( Π + ρ ∗ Φ ) = 1. Zwar ist ( I − Π − ρ ∗ Φ ) nicht mehr invertierbar, aber trotzdem folgt aus dem Satz von Frobenius (vgl. Anhang A.3), dass es einen zugeh ¨ origen nicht-negativen Eigenvektor (wir nennen ihn v ∗ ) gibt, so dass gilt: (Π + ρ ∗ Φ) v ∗ = v ∗ Wenn Π eine unzerlegbare Matrix ist, ist auch (Π + ρ ∗ Φ) eine unzerlegbare Matrix; und dann ist v ∗ sogar ein positiver Vektor. Im allgemeinen Fall ist das zwar nicht gew¨ahrleistet, v ∗ ist aber sicherlich nicht-negativ und hat mindestens einen positiven Koeffizienten. Um den Zusammenhang zwischen der Profitrate und dem Lohnsatz deutlich zu machen, ist es zweckm ¨ aßig, nicht die Preise ˜ p zu verwenden, sondern explizit zwischen den Preisen p und dem Lohnsatz p 0 zu unterscheiden. Die Gleichung (6.7) kann dann folgendermaßen geschrieben werden: p ′ = p ′ Π + p 0 w ′ + ρ p ′ Φ (6.9) 4 Dies gilt zun ¨ achst unter der Voraussetzung, dass die Matrix unzerlegbar ist; vgl. Schwartz (1961, S. 24 f.). Das Ergebnis l¨asst sich jedoch f¨ ur blockdiagonale Matrizen <?page no="188"?> 188 6 Gesellschaftliche Produktion und daraus gewinnt man p ′ = p ′ (Π + ρ Φ) + p 0 w ′ (6.10) Nun hat jedoch die vorangehende ¨ Uberlegung gezeigt, dass die maximale Profitrate ρ ∗ genau dann erreicht wird, wenn der dominante Eigenwert von (Π + ρ Φ) gleich 1 ist. Außerdem existiert dann ein nicht-negativer Eigenvektor v ∗ mit mindestens einer positiven Komponente. Multipliziert man die Gleichung (6.10) von rechts mit diesem Vektor, erh¨alt man p ′ v ∗ = p ′ (Π + ρ Φ) v ∗ + p 0 w ′ v ∗ = p ′ v ∗ + p 0 w ′ v ∗ Daraus folgt p 0 w ′ v ∗ = 0, und da w ein Vektor ist, in dem alle Koeffizienten positiv sind, folgt daraus p 0 = 0. So erkennt man: Die maximale Profitrate wird genau dann erreicht, wenn der Lohnsatz Null ist. Eine weitere ¨ Uberlegung zeigt, dass die Profitrate eine monoton fallende Funktion des Lohnsatzes ist. Denn durch eine einfache Umformung gewinnt man aus Gleichung (6.9) die Gleichung ρ p ′ Φ = p ′ (I − Π) − p 0 w ′ Multipliziert man diese Gleichung von rechts mit einem Bruttoproduktionsvektor x, erh¨alt man ρ p ′ Φ x = p ′ (I − Π) x − p 0 w ′ x und daraus folgende Darstellung f¨ ur die Profitrate: ρ = p ′ (I − Π) x − p 0 w ′ x p ′ Φ x (6.11) So erkennt man, dass die Profitrate ρ kleiner wird, wenn der Lohnsatz p 0 gr ¨ oßer wird. (Auf den ersten Blick suggeriert die Gleichung, dass es einen linearen Zusammenhang zwischen Lohnsatz und Profitrate gibt. Das ist jedoch im Allgemeinen nicht der Fall, da auch die Preise p eine Funktion der Lohns ¨ atze bzw. der Profitrate sind.) Wenn der Lohnsatz seinen maximal m¨oglichen Wert annimmt, wird die Profitrate Null. Dann erh¨alt man aus der Gleichung (6.7) die Darstellung ˜ p ′ = ˜ p ′ Π + w ′ bzw. ˜ p ′ (I − Π) = w ′ (6.12) verallgemeinern; man vgl. dazu die Ausf¨ uhrungen im Anhang A.3. <?page no="189"?> 6.2 Bewertungen der G¨ uter 189 und daraus folgt ˜ p ′ = w ′ (I − Π) − 1 . Wie im vorangegangenen Abschnitt gezeigt wurde, ist dann ˜ p = ¯ w (man vgl. (6.6)), d.h. die Preise sind mit den Arbeitswerten identisch. Zu ¨ uberlegen bleibt, wie sich die maximale Profitrate ρ ∗ berechnen l¨asst. Da sie dann erreicht wird, wenn der Lohnsatz Null ist, bildet Gleichung (6.9) einen geeigneten Ausgangspunkt. Ist n¨amlich p 0 = 0, folgt aus ihr die Gleichung p ′ = p ′ Π + ρ ∗ p ′ Φ bzw. p ′ (I − Π) = ρ ∗ p ′ Φ Da ( I − Π ) nach Voraussetzung invertierbar ist, folgt daraus auch die Gleichung p ′ = ρ ∗ p ′ Φ (I − Π) − 1 bzw. 1 ρ ∗ p ′ = p ′ Φ (I − Π) − 1 . Sie zeigt, dass 1/ ρ ∗ ein Eigenwert der Matrix Φ (I − Π) − 1 bzw. ihrer Transponierten ( Φ ( I − Π ) − 1 ) ′ sein muss, der außerdem die Eigenschaft hat, dass der zugeh ¨ orige Eigenvektor nicht negativ ist. Wenn Π eine unzerlegbare Matrix ist, ist (I − Π) − 1 eine positive Matrix. Wenn auch Φ unzerlegbar ist, ist somit auch (Φ (I − Π) − 1 ) ′ eine unzerlegbare Matrix. In diesem Fall ist der dominante Eigenwert von ( Φ ( I − Π ) − 1 ) ′ der einzige Eigenwert, dem ein nicht-negativer (in diesem Fall sogar ein positiver) Eigenvektor entspricht (vgl. Gantmacher 1971, S. 56). Somit gelangt man in diesem Fall zu der Schlussfolgerung 1 ρ ∗ = dom(Φ (I − Π) − 1 ) (6.13) Dagegen kann im allgemeinen Fall zerlegbarer Matrizen nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass es mehrere L¨osungen gibt. 6.2.3 Fortsetzung des Beispiels Zur Illustration der Ausf¨ uhrungen des vorangegangenen Abschnitts verwenden wir das in Abschnitt 6.1.2 eingef¨ uhrte Beispiel. F¨ ur die weiteren Berechnungen wird folgende Matrix des fixen Kapitals angenommen: Φ = ⎡ ⎢ ⎢ ⎣ 0 0, 6 1, 5 1 0 0 2 0, 08 0, 01 0, 2 0 0, 02 0 0 0 0 ⎤ ⎥ ⎥ ⎦ Zun¨achst kann versucht werden, die maximale Profitrate ρ ∗ zu bestimmen. Zu diesem Zweck wird die Matrix ( Φ ( I − Π ) − 1 ) ′ gebildet und werden ihre Eigenwerte berechnet. In diesem Beispiel sind alle Eigenwerte und Eigenvektoren reell (vgl. Box 6.1), und man erkennt, dass nur der domi- <?page no="190"?> 190 6 Gesellschaftliche Produktion Box 6.1 Eigenwerte und Eigenvektoren von (Φ (I − Π) −1 ) ′ f¨ ur das Beispiel. Eigenwerte (reell) -0,0265 1,2403 -0,4002 0,0000 Eigenvektoren (reell) 0,9987 0,8852 -0,1462 0,9979 -0,0476 0,4149 -0,9698 -0,0511 -0,0186 0,2103 0,1954 -0,0212 0,0000 0,0000 0,0000 0,0325 nante Eigenwert positiv ist und einen nicht-negativen Eigenvektor hat. Somit ist dom(Φ (I − Π) − 1 ) = 1, 2403 und ρ ∗ = 1 1, 2403 = 0, 806 Jetzt k¨onnen mit Hilfe der Gleichung (6.7) Preise berechnet werden. Die erforderlichen Arbeitsleistungen sind (wie in Box 6.1) durch den Vektor w = (2, 4, 50, 10) ′ gegeben. Also kann man mit Hilfe von (6.7) f¨ ur jede beliebige Profitrate 0 ≤ ρ < ρ ∗ die korrespondierenden Preise berechnen. Folgende Tabelle zeigt die Rechenergebnisse f¨ ur f¨ unf unterschiedliche Profitraten: ρ ˜ p 1 ˜ p 2 ˜ p 3 ˜ p 4 0 3, 55 6, 84 77, 63 12, 80 0, 2 4, 20 11, 86 100, 00 15, 41 0, 4 5, 49 21, 34 145, 34 20, 34 0, 6 9, 28 48, 39 280, 15 34, 31 0, 8 256, 21 1784, 56 9078, 86 924, 48 Man erkennt, wie mit zunehmender Profitrate die Preise, ausgedr ¨ uckt in Lohneinheiten, steigen. Als Beispiel beziehen wir uns auf G ¨ uter der Produktionseinheit Nr. 4 (Getreide). W¨are die Profitrate Null, h¨atte eine Einheit Getreide einen Preis von 12,8 Arbeitsstunden, bei einer Profitrate von 80 % m¨ ußte man stattdessen 924 Stunden arbeiten, um eine Einheit Getreide kaufen zu k¨onnen. W¨ urde man die Profitrate kontinuierlich bis zu ihrem maximalen Wert steigern, w¨ urden die Preise schließlich beliebig <?page no="191"?> 6.2 Bewertungen der G¨ uter 191 groß, also der Lohnsatz Null werden. Erg¨anzend kann man sich auch auf eine bestimmte Bruttoproduktion x beziehen. Dann ist ˜ p ′ y = ˜ p ′ (I − Π) x der Preisausdruck der Nettoproduktion. Dem Lohn entspricht dabei der Anteil w ′ x, der restliche Teil entspricht den kapitalistischen Ertr¨agen. <?page no="192"?> 192 6 Gesellschaftliche Produktion 6.3 Aufgaben 1. Eine vereinfachende Grundannahme unseres Produktionsmodells ist, dass jede Produktionseinheit ω i genau eine G¨ uterart c i produziert. Erl¨autern Sie diese Annahme. 2. Was besagen die Eintr¨age a ij der Vorleistungsmatrix? 3. Wie ist der Inputkoeffizient π ij definiert? 4. Was bedeuten die Eintr¨age im Vektor Πx? 5. Erl¨autern Sie die folgende Beziehung: y = (I − Π)x. 6. Zeigen Sie, wie sich ausgehend von der Beziehung in Aufgabe 5 ableiten l¨asst, welcher Bruttoproduktionsvektor x f¨ ur einen gew¨ unschten Vektor y an Nettoproduktionsmengen produziert werden muss. 7. Betrachten Sie eine ¨ Okonomie mit drei Produktionseinheiten: 1 Holz, 2 Stahl, 3 Fahrzeuge. Die Produktionsmengen seien: x = (100, 50, 10) ′ Zur Produktion werden in der Holzproduktion 5 Einheiten Holz, 4 Einheiten Stahl und 3 Fahrzeuge als Vorleistung eingesetzt. In der Stahlproduktion werden 40 Einheiten Holz, 1 Einheit Stahl und 2 Fahrzeuge eingesetzt. Im Fahrzeugbau werden 20 Einheiten Holz, 30 Einheiten Stahl und 1 Fahrzeug eingesetzt. a) Ermitteln Sie die Vorleistungsmatrix A. b) Ermitteln Sie die Matrix Π der Inputkoeffizienten π ij = a ij / x j c) Ermitteln Sie den Vektor der eingesetzten Vorleistungen Πx. d) Ermitteln Sie den Vektor der Nettoproduktion y. e) Ermitteln Sie die Matrix (I − Π). f) Ermitteln Sie die Nettoproduktion auch mit Hilfe der Matrix (I − Π). g) Wegen (I − Π) − 1 y = x l ¨ asst sich f ¨ ur einen gew ¨ unschten Endnachfragevektor y der dazu notwendige Vektor der Bruttoproduktion x berechnen. Ermitteln Sie die Matrix (I − Π) − 1 . (Ansatz gen¨ ugt! ) 8. Die Inputkoeffizienten π ij geben den direkten Vorleistungsbedarf an: π (1) ij : = π ij . F ¨ ur die Produktion der Vorleistungen (1) sind wiederum Vorleistungen (2) notwendig: π (2) ij : = ∑ n l =1 π (1) il π lj . Auch <?page no="193"?> 6.3 Aufgaben 193 die Produktion der Vorleistungen (2) der Vorleistungen (1) erfordert Vorleistungen (3): π (3) ij : = ∑ n l =1 π (2) il π lj . Die Addition des direkten ( π (1) ij ) und aller indirekten Inputkoeffizienten ( π (2) ij , π (3) ij , π (4) ij , ... ) ergibt den Inputkoeffizienten ¯ π ij , der den Gesamtverbrauch an Gut i zur Produktion einer Einheit von Gut j anzeigt. (Nehmen Sie Bezug auf die Produktionsstruktur von Aufgabe 7.) a) Ermitteln Sie die Koeffizienten π (1) ij , π (2) ij und π (3) ij f¨ ur i = 2 und j = 3. b) Wie hoch ist somit der Stahlverbrauch insgesamt f ¨ ur ein Fahrzeug, wenn Sie nicht nur den direkten Stahlverbrauch, sondern auch den indirekten Verbrauch der Produktion der Vorleistungen und auch deren Produktion ber¨ ucksichtigen? c) Erl¨autern Sie, wie Sie mit Hilfe eines Computers die gesuchten Koeffizienten π (2) ij und π (3) ij einfacher ermitteln k¨onnten. d) ¯ π ij sind Inputkoeffizienten, die sowohl die direkten als auch die indirekten Vorleistungen ber ¨ ucksichtigen. Die Matrix ¯ Π lautet f¨ ur das Beispiel ¯ Π = ⎡ ⎣ 0, 3580 1, 4258 7, 7705 0, 2246 0, 4169 5, 2219 0, 0552 0, 1105 0, 6022 ⎤ ⎦ Vergleichen Sie den direkten mit dem gesamten (direkten und indirekten) Holzverbrauch der Produktion von 12 Einheiten Stahl. 9. Gehen Sie von dem folgenden direkten erforderlichen Arbeitsaufwand pro Produktionseinheit in den drei Produktionsbereichen aus: w = (2, 8, 6) ′ . a) Ermitteln Sie den Vektor der Arbeitswerte f¨ ur die drei G¨ uterarten. b) Ermitteln Sie den Vektor der sektoralen Arbeitsmengen. c) Ermitteln Sie die sektoralen Besch¨aftigungsmultiplikatoren und erl¨autern Sie deren Aussage. 10. Gehen Sie von folgender Matrix des fixen Kapitals aus: Φ = ⎡ ⎣ 0 0, 4 0, 8 0, 2 0, 3 0, 05 0, 1 0, 15 0, 25 ⎤ ⎦ <?page no="194"?> 194 6 Gesellschaftliche Produktion a) Ermitteln Sie f¨ ur eine Profitrate ρ = 0, 2 den Vektor der bez¨ uglich des Lohnsatzes relativierten G¨ uterpreise ˜ p ′ . b) Um wie viel Prozent erh¨ohen sich die relativen Preise ˜ p ′ , wenn die Profitrate ρ = 0, 6 betr¨agt? <?page no="195"?> 7 Marktpreise und Preisstatistik 7.1 Tauschprozesse und Preise 7.1.1 Tauschprozesse ohne Geld 7.1.2 Monet¨ar vermittelte Tauschprozesse 7.1.3 Existenz von Gleichgewichtspreisen 7.2 Berechnung von Preisindizes 7.2.1 Der theoretische Ansatz 7.2.2 Preisindizes mit Warenk¨orben 7.2.3 Konstruktion von Indexziffern 7.2.4 Nutzenbasierte Indizes 7.2.5 Kettenindizes 7.2.6 Deflationierung 7.2.7 Deflationierung von Wertsummendifferenzen 7.2.8 Qualit¨ats¨anderungen 7.3 Entwicklung der Verbraucherpreise 7.3.1 Der Verbraucherpreisindex 7.3.2 Verkettung des Verbraucherpreisindex 7.3.3 Entwicklung der Verbraucherpreise seit 1881 7.3.4 Der harmonisierte Verbraucherpreisindex der EU 7.4 Regionale Preisniveauvergleiche 7.4.1 Bilaterale Preisniveauvergleiche 7.4.2 Multilaterale Preisniveauvergleiche 7.4.3 Verbauchergeldparit¨aten 7.4.4 Internationale Preisvergleiche der OECD 7.4.5 Internationale Preisvergleiche f¨ ur ein Gut 7.5 Aufgaben 7.1 Tauschprozesse und Preise Wenn man die Produktion, den Austausch und die Verwendung von G ¨ utern empirisch erfassen m ¨ ochte, ist es infolge der großen Vielzahl unterschiedlicher G¨ uter praktisch unvermeidbar, Bewertungen zu verwenden, um G¨ uter unterschiedlicher Sorten zu aggregieren. In der empirischen <?page no="196"?> 196 7 Marktpreise und Preisstatistik Wirtschaftsforschung werden meistens Marktpreise verwendet. In diesem Kapitel besch¨aftigen wir uns zun¨achst mit einigen Varianten des Preisbegriffs, dann wird die Konstruktion von Preisindizes besprochen. F¨ ur die Preisentwicklung in Deutschland und den internationalen Preisvergleich pr¨asentieren wir einige empirische Ergebnisse. 7.1.1 Tauschprozesse ohne Geld Zun¨achst betrachten wir eine ¨ Okonomie, in der G¨ uter direkt, d.h. ohne Vermittlung von Geld, getauscht werden. Es wird angenommen, dass es n Sorten von G¨ utern c 1 , . . . , c n gibt, die untereinander getauscht werden k¨onnen. Der Austauschprozess besteht aus einer Folge von Tauschereignissen. Jedes Tauschereignis besteht darin, dass eine bestimmte Menge eines Gutes c i gegen eine bestimmte Menge eines Gutes c j ausgetauscht wird. Um einen Austauschprozess zu beschreiben, muss man also auf die Austauschereignisse Bezug nehmen, die w ¨ ahrend einer bestimmten Zeitperiode (die im Folgenden als gegeben vorausgesetzt wird, z. B. ein Tag, ein Monat oder ein Jahr) stattgefunden haben. Als Beispiel wird angenommen, dass es nur vier Sorten von G¨ utern gibt und folgende Austauschereignisse stattgefunden haben: 3 c 1 ∼ 5 c 2 4 c 2 ∼ 8 c 3 8 c 3 ∼ 7 c 4 7 c 4 ∼ 2 c 1 3 c 1 ∼ 6 c 2 4 c 2 ∼ 8 c 3 8 c 3 ∼ 8 c 4 8 c 4 ∼ 2 c 1 2 c 1 ∼ 4 c 2 4 c 2 ∼ 9 c 3 8 c 3 ∼ 9 c 4 8 c 4 ∼ 3 c 1 Beim ersten Tauschereignis wurden 3 Einheiten von c 1 gegen 5 Einheiten von c 2 getauscht, beim zweiten Tauschereignis wurden 3 Einheiten von c 1 gegen 6 Einheiten von c 2 getauscht usw. Nat ¨ urlich k ¨ onnen die Austauschverh¨altnisse variieren, denn jedes Austauschereignis spielt sich unter jeweils spezifischen Bedingungen und im Allgemeinen unter Beteiligung unterschiedlicher Akteure ab. Außerdem gibt es meistens mehr oder weniger viele G¨ utersorten, die gar nicht direkt ausgetauscht werden. Sind Daten ¨ uber die individuellen Austauschereignisse gegeben, kann man f¨ ur jedes Paar von G¨ utern (c i , c j ) feststellen: ob mindestens ein Austausch stattgefunden hat und, wenn ja, wie das durchschnittliche Austauschverh¨altnis w¨ahrend des Beobachtungszeitraums beschaffen war. (Da sich Daten immer nur auf vergangene Sachverhalte beziehen k¨onnen, verwenden wir die sprachliche Vergangenheitsform.) Mit den oben angegebenen Daten kann man z. B. feststellen, dass zwischen den G¨ utersorten c 1 und c 3 kein Austausch stattgefunden hat. Andererseits gab es drei Austauscher- <?page no="197"?> 7.1 Tauschprozesse und Preise 197 eignisse, in denen die G ¨ utersorten c 1 und c 2 ausgetauscht worden sind, insgesamt 8 Einheiten von c 1 gegen 15 Einheiten von c 2 . Die durchschnittlichen Austauschverh¨altnisse k¨onnen durch Koeffizienten u ij ausgedr¨ uckt werden, wobei u ij diejenige Menge des Gutes c j ist, die im Durchschnitt gegen eine Einheit des Gutes c i getauscht worden ist. Z. B. ist u 12 = 15/ 8. Aus Symmetriegr ¨ unden kann man annehmen, dass u ij = 1 / u ji ist. Auf diese Weise gelangt man zu einer schief-symmetrischen, im Allgemeinen unvollst¨andigen Matrix U = (u ij ) = ⎛ ⎜ ⎜ ⎝ − 15 8 − 23 7 8 15 − 25 12 − − 12 25 − 24 24 7 23 − 24 24 − ⎞ ⎟ ⎟ ⎠ die die durchschnittlichen Austauschrelationen zusammenfasst. Die leeren Felder zeigen, welche G ¨ utersorten nicht miteinander getauscht worden sind. Es ist bemerkenswert, dass Austauschrelationen im Allgemeinen nicht transitiv sind, d.h. im Allgemeinen gilt die Transitivit¨atsregel α i c i ∼ α j c j und α j c j ∼ α k c k = ⇒ α i c i ∼ α k c k nicht. Z. B. gilt diese Regel in unserem Beispiel nicht; denn einerseits ist u 12 u 23 u 34 = 15 8 25 12 24 24 = 3, 906 andererseits ist jedoch u 14 = 23 7 = 3, 286. Hier liegt ein Ansatzpunkt f¨ ur ¨ Uberlegungen, die mit einem Begriffdes ”wirtschaftlichen Gleichgewichts“ operieren. Eine Minimaldefinition kann auf folgende Weise formuliert werden: Eine Menge von Austauschereignissen befindet sich in einem wirtschaftlichen Gleichgewicht, wenn die im Durchschnitt realisierten Austauschrelationen transitiv sind. Orientiert man sich an dieser Definition, kann man sagen, dass sich Mengen von Austauschereignissen im Allgemeinen nicht in einem wirtschaftlichen Gleichgewicht befinden. 7.1.2 Monet¨ar vermittelte Tauschprozesse Jetzt betrachten wir eine ¨ Okonomie, in der Austauschprozesse monet¨ar vermittelt stattfinden. Das soll bedeuten: Es gibt eine besondere Ware <?page no="198"?> 198 7 Marktpreise und Preisstatistik c ∗ (Geld), und in Tauschereignissen werden stets nur G¨ uter gegen Geld getauscht. 1 Dann kann man von Preisen (im Unterschied zu Austauschrelationen) sprechen. Allerdings h ¨ angt die Bedeutung des Begriffs vom theoretischen Kontext ab. Einerseits kann man im Rahmen von Modellen Preise konstruieren; wir sprechen dann von Modellpreisen oder Bewertungen. Andererseits kann man sich auf Marktpreise beziehen, also auf Preise, die bei realen Transaktionen vereinbart und gezahlt werden. 2 Eine weitere Unterscheidung bezieht sich auf das Reden von Marktpreisen. Denn einerseits kann man sich mit dem Begriffauf jeweils spezifische Transaktionen beziehen; aber dann gibt es nicht f¨ ur jede G¨ utersorte einen bestimmten Marktpreis, sondern sowohl die G¨ utermengen als auch ihre Marktpreise weisen zwischen den Transaktionen mehr oder weniger große Unterschiede auf. Andererseits kann man eine statistische Betrachtungsweise einnehmen und sich auf durchschnittliche Marktpreise w ¨ ahrend einer gewissen Zeitperiode beziehen. Wir sprechen im ersten Fall von individuellen, im zweiten Fall von statistischen Marktpreisen. Nat¨ urlich bilden individuelle Marktpreise das Ausgangsmaterial f¨ ur die Konstruktion statistischer Marktpreise. Der Konstruktionsprozess verl¨auft dabei im Prinzip genauso, wie es zu Beginn dieses Abschnitts f¨ ur nicht-monet¨are Transaktionen dargestellt worden ist. Wenn im Folgenden ohne Zusatz von Marktpreisen gesprochen wird, sind stets statistische Marktpreise gemeint. Es ist bemerkenswert, dass sich bei Marktpreisen das oben erw ¨ ahnte Transitivit ¨ atsproblem nicht stellt. Denn wenn Tauschereignisse, in denen direkt Mengen eines Gutes gegen Mengen eines anderen Gutes ausgetauscht werden, nicht mehr stattfinden, entf¨allt gewissermaßen die empirische Grundlage, um Intransitivit¨aten feststellen zu k¨onnen. Man kann sogar zu jedem System von Marktpreisen auf einfache Weise ein System transitiver Austauschrelationen konstruieren. Sei n¨amlich p i der Marktpreis f¨ ur das Gut c i . Dann kann man Austauschrelationen u ∗ ij : = p i p j 1 Geld ist bei dieser Betrachtungsweise eine spezifische G ¨ utersorte, die dem Zweck dient, monet ¨ are Austauschprozesse zu vermitteln. Man kann zwar im Rahmen von Modellen die Preise der G ¨ uter durch Einheiten beliebiger anderer G ¨ uter (oder auch durch Arbeitszeit) ausdr¨ ucken, die dann als ”Num´eraire“ (L. Walras) verwendet werden. Dadurch werden aber diese G¨ uter nicht zu Geld. 2 Das Wort ‘Transaktion’ bezieht sich hier und im Folgenden auf Austauschereignisse, in denen eine bestimmte Menge eines Guts gegen einen bestimmten Geldbetrag ihren Besitzer wechselt. <?page no="199"?> 7.1 Tauschprozesse und Preise 199 definieren und folgendermaßen interpretieren: u ∗ ij ist die Menge des Gutes c j , die sich - monet¨ar vermittelt - gegen eine Einheit des Gutes c i austauscht. Diese konstruierten Austauschrelationen sind offensichtlich transitiv, denn: u ∗ ij u ∗ jk = p i p j p j p k = p i p k = u ∗ ik So gelangt man zu der Schlussfolgerung, dass sich eine Menge monet¨ar vermittelter Austauschereignisse immer in einem (fiktiven) ”wirtschaftlichen Gleichgewicht“ befindet. Zur Vermeidung von Missverst¨andnissen sei darauf hingewiesen, dass die hier verwendete Definition eines ” wirtschaftlichen Gleichgewichts“ keineswegs alle Vorstellungen erfasst, die in den Wirtschaftswissenschaften mit diesem Konzept verbunden werden. Eine dieser weiteren Vorstellungen bezieht sich darauf, dass G¨ uter angeboten und nachgefragt werden. Um ein rudiment¨ares Verst¨andnis der damit verbundenen Probleme zu gewinnen, erweitern wir die bisherigen ¨ Uberlegungen und stellen uns vor, dass sich bestimmte Mengen der G¨ uter c 1 , . . . , c n im Besitz von Akteuren befinden. Um zu einem m¨oglichst einfachen Modell zu gelangen, werden folgende Annahmen getroffen: a) Es gibt n Akteure, auf die durch die Symbole ω 1 , . . . , ω n verwiesen werden kann. Jeder Akteur ist im Besitz einer bestimmten Menge genau einer G¨ utersorte, und zwar besitzt ω i die Menge s i der G¨ utersorte c i . b) Jeder Akteur ist bereit, die gesamte G¨ utermenge, die er besitzt, zum Tausch anzubieten. Das ist keine Einschr ¨ ankung, denn man kann sich vorstellen, dass die f ¨ ur den Eigenverbrauch bestimmen G ¨ uter bereits abgezogen worden sind. Das Angebot l ¨ asst sich also durch einen Vektor s : = (s 1 , . . . , s n ) ′ repr¨asentieren. c) Jeder Akteur m¨ochte durch den Tauschprozess in den Besitz bestimmter Mengen der insgesamt vorhandenen G¨ uter gelangen, so dass die Nachfrage nach G¨ utern durch ω i durch einen Zeilenvektor d i : = (d i 1 , . . . , d in ) <?page no="200"?> 200 7 Marktpreise und Preisstatistik repr¨asentiert werden kann. Somit stellen sich zwei Fragen: Sind Angebot und Nachfrage ¨ uberhaupt vereinbar? Und, wenn dies der Fall ist, gibt es Marktpreise, zu denen der Austausch stattfinden k¨onnte? 7.1.3 Existenz von Gleichgewichtspreisen Die erste Frage kann leicht beantwortet werden. Vereinbarkeit ist dann gegeben, wenn f¨ ur jede G¨ utersorte c j die Gleichung n ∑ i =1 d ij = s j (7.1) gilt. Denn auf der linken Seite steht die gesamte Nachfrage, auf der rechten das gesamte Angebot f¨ ur die G¨ utersorte c j . Dies soll im Folgenden vorausgesetzt werden, um die zweite Frage zu ¨ uberlegen. Die Frage bezieht sich darauf, ob es Modellpreise p : = (p 1 , . . . , p n ) ′ gibt, so dass das Angebot und die Nachfrage auch dann vereinbar sind, wenn sie mit solchen Preisen bewertet werden. Betrachtet man den Preisvektor p als eine zun¨achst unbestimmte Gr¨oße, kann man eine hypothetische Gegen ¨ uberstellung vornehmen. Auf der einen Seite kann man jedem Akteur ω i einen hypothetischen Geldbesitz von s i p i Geldeinheiten zurechnen. Auf der anderen Seite ben ¨ otigt ω i Geld, um die G ¨ uter, die er haben m ¨ ochte, kaufen zu k ¨ onnen, n ¨ amlich: d i 1 p 1 + . . . + d in p n . Vereinbarkeit setzt also voraus, dass folgende Gleichungen erf¨ ullt sind: n ∑ j =1 d ij p j = s i p i (7.2) Um zu untersuchen, unter welchen Bedingungen das der Fall ist, ist es n ¨ utzlich, die Matrixschreibweise zu verwenden. Definiert man n ¨ amlich eine Matrix Z = ( z ij ) durch z ij : = d ij / s i , kann man die Gleichungen (7.2) in folgender Weise zusammenfassen: Z p = p (7.3) <?page no="201"?> 7.2 Berechnung von Preisindizes 201 Hieraus sieht man, dass es eine L¨osung nur dann geben kann, wenn einer der Eigenwerte der Matrix Z gleich 1 ist. Dies folgt jedoch bereits aus der in (7.1) formulierten Annahme, dass Angebot und Nachfrage in Form von G ¨ utern miteinander vereinbar sind. Denn aus (7.1) folgt, dass alle Zeilensummen von Z gleich 1 sind; und infolgedessen hat Z auch einen Eigenwert gleich 1 (vgl. Anhang A.3). Als L¨osung erh¨alt man also einen Preisvektor, der zu dem Eigenvektor proportional ist, der zum Eigenwert 1 der Matrix Z geh ¨ ort. Allerdings handelt es sich um Modellpreise, die auf der sehr restriktiven Voraussetzung (7.1) beruhen. 7.2 Berechnung von Preisindizes 7.2.1 Der theoretische Ansatz Statistische Informationen ¨ uber Preise und ihre Entwicklung werden fast immer in Form von Preisindizes dargestellt. In diesem Abschnitt wird besprochen, wie solche Preisindizes berechnet werden. Als Kontext wird vorausgesetzt, dass Marktpreise erfasst werden sollen. Den Ausgangspunkt bilden also einzelne Transaktionen, in denen eine jeweils bestimmte Menge einer bestimmten G¨ utersorte gegen eine bestimmte Menge Geld (ausgedr ¨ uckt in Geldeinheiten, z. B. DM oder Euro) verkauft bzw. gekauft wird. Allerdings muss man sich noch dar ¨ uber verst ¨ andigen, wie von Marktpreisen gesprochen werden soll. Z. B. heißt es bei Wagenf¨ uhr (1970, S. 490 f.): ” Ganz allgemein ist der Preis der in W ¨ ahrungseinheiten ausgedr ¨ uckte, beim Abschluß des Kaufvertrags vereinbarte Gegenwert f ¨ ur die ¨ Uberlassung eines Gutes oder die Leistung eines Dienstes.“ Hier bezieht sich also der Preisbegriffauf die jeweils gesamte G¨ utermenge, die bei einer Transaktion ihren Besitzer wechselt. Dagegen schreibt Lippe (1996, S. 401): ”Preise sind bei Kaufvertr¨agen verabredete Geldbetr¨age je Produkteinheit.“ Folgt man dieser Definition, bezieht sich der Preisbegriffnicht auf die jeweils gesamte G¨ utermenge, sondern auf eine Einheit des Guts (in einer nach Art der G ¨ utersorte festzulegenden Einheit). Da f ¨ ur eine Berechnung von Preisindizes in jedem Fall eine Bezugnahme auf Einheiten unterschiedlicher G¨ uter erforderlich ist, verwenden wir im Folgenden die Definition von v. d. Lippe. Sie entspricht auch einer statistischen Betrach- <?page no="202"?> 202 7 Marktpreise und Preisstatistik Tabelle 7.1 Fiktive Daten f ¨ ur Ums ¨ atze und Preise von drei G ¨ utersorten in f¨ unf Perioden. Periode G¨ utermengen Preise u t 1 1 1 1 4 2 3 9 2 1 2 1 4 2 4 12 3 1 1 2 4 3 4 15 4 1 2 2 5 5 3 21 5 2 2 3 4 4 2 22 tungsweise, bei der durch Durchschnittsbildungen von den individuellen Transaktionen bzw. Marktpreisen abstrahiert wird. Zun ¨ achst muss festgelegt werden, welche Transaktionen erfasst werden sollen: a) Dies erfordert erstens eine Festlegung der G¨ utersorten, deren Transaktionen beobachtet werden sollen. Wir verwenden daf¨ ur wie bisher die Notation c 1 , . . . , c n , wobei c j eine Einheitsmenge des j-ten Guts bezeichnet. b) Weiterhin muss ein r¨aumliches Gebiet festgelegt werden, in dem die Transaktionen beobachtet werden sollen, z. B. eine Gemeinde oder ein Bundesland oder Deutschland insgesamt. c) Schließlich muss ein Zeitraum festgelegt werden, in dem die Transaktionen erfasst werden sollen, z. B. ein Tag, eine Woche, ein Monat oder ein Jahr. Wir sprechen im Folgenden von Perioden und beziehen uns auf sie mit dem Index t. Auf diese Weise ist die Gesamtheit der Transaktionen durch eine gedankliche Konstruktion festgelegt. Zwar wird man in den meisten F¨allen eine vollst ¨ andige Erfassung nicht realisieren k ¨ onnen; f ¨ ur die ¨ Uberlegungen dieses Abschnitts soll jedoch angenommen werden, dass vollst¨andige Daten verf¨ ugbar sind, so dass man f¨ ur jedes Gut c j folgende Gr¨oßen kennt: Die gesamte G¨ utermenge q tj , die in der Periode t umgesetzt worden ist, und den gesamten Geldbetrag u tj , der daf ¨ ur gezahlt worden ist. Der Marktpreis des Guts in der Periode t ist dann p tj : = u tj / q tj . 7.2.2 Preisindizes mit Warenk¨orben Der Konstruktion von Preisindizes liegt die Fragestellung zugrunde, wie man sich ein Bild von der zeitlichen Entwicklung von Gesamtums¨atzen <?page no="203"?> 7.2 Berechnung von Preisindizes 203 machen kann, bei dem hypothetisch zwischen zwei ”Komponenten“ unterschieden wird: Ver¨anderungen in den umgesetzten G¨ utermengen und Ver ¨ anderungen in den Preisen. Zu betonen ist, dass es sich um fiktive Konstruktionen handelt, da den ” Komponenten“ keine empirischen Sachverhalte entsprechen. Um das Problem zu verdeutlichen, kann ein kleines Zahlenbeispiel dienen. Es wird angenommen, dass Daten f¨ ur drei G ¨ utersorten und f ¨ unf Perioden verf ¨ ugbar sind (Tabelle 7.1). Das Problem besteht offensichtlich darin, dass man zur Repr ¨ asentation sowohl der Mengen als auch der Preise Vektoren ben¨otigt. F¨ ur die Mengen die Vektoren q t : = (q t 1 , . . . , q tn ) ′ und f¨ ur die Preise die Vektoren p t : = (p t 1 , . . . , p tn ) ′ Wie sich diese Vektoren ver ¨ andern, kann jedoch nicht durch einfache Zahlen ausgedr ¨ uckt werden. Z. B. kann man nicht sagen, um wie viel Prozent q 2 gr¨oßer ist als q 1 . Zwar kann man monet¨are Gesamtums¨atze berechnen: u t : = n ∑ j =1 q tj p tj = q ′ t p t F ¨ ur unser Beispiel sind die Werte in der letzten Spalte von Tabelle 7.1 angegeben. Somit kann man z.B. sagen, dass dieser Gesamtumsatz von der ersten zur zweiten Periode um ein Drittel zugenommen hat. Aber man kann nicht sagen, welcher Teil davon durch Ver ¨ anderungen in den Mengen und welcher Teil durch Ver ¨ anderungen in den Preisen zustandegekommen ist. Um f¨ ur dieses unl¨osbare Problem dennoch zu ”behelfsm¨aßigen L¨osungen“ zu gelangen, haben sich Statistiker eine Vielzahl unterschiedlicher Indexkonstruktionen ausgedacht. In der Praxis werden haupts¨achlich zwei Arten von Indizes verwendet. Beide k¨onnen als Preis- und als Mengenindizes verwendet werden. Die erste Variante wird nach dem Statistiker Etienne Laspeyres (1834-1913) benannt. In der Form eines Preisindex lautet die Definition: P l t 0 ,t 1 : = ∑ n j =1 q t 0 j p t 1 j ∑ n j =1 q t 0 j p t 0 j = q ′ t 0 p t 1 q ′ t 0 p t 0 <?page no="204"?> 204 7 Marktpreise und Preisstatistik Um die Ver ¨ anderung der Preise zwischen einer Anfangsperiode t 0 und einer sp¨ateren Periode t 1 ”unter Ausschaltung von Mengen¨anderungen“ zu erfassen, wird hypothetisch angenommen, dass die in der Periode t 1 beobachteten Preise auch realisiert worden w ¨ aren, wenn sich die Mengen nicht ver¨andert h¨atten. Analog lautet die Definition f¨ ur Laspeyres’ Mengenindex: Q l t 0 ,t 1 : = ∑ n j =1 q t 1 j p t 0 j ∑ n j =1 q t 0 j p t 0 j = q ′ t 1 p t 0 q ′ t 0 p t 0 In diesem Fall wird angenommen, dass sich die Preise nicht ver ¨ andert h ¨ atten, d.h. es werden zur Bewertung der Mengen jedesmal die Preise der Basisperiode t 0 verwendet. 3 Eine andere Variante wurde von dem Statistiker Hermann Paasche (1851- 1925) vorgeschlagen. Seine Definitionen verwenden nicht die Mengen bzw. Preise der Basisperiode t 0 , sondern der jeweils aktuellen Periode t 1 . F¨ ur den Preisindex gelangt man dann zur Definition P p t 0 ,t 1 : = ∑ n j =1 q t 1 j p t 1 j ∑ n j =1 q t 1 j p t 0 j = q ′ t 1 p t 1 q ′ t 1 p t 0 und f¨ ur den korrespondierenden Mengenindex zur Definition Q p t 0 ,t 1 : = ∑ n j =1 q t 1 j p t 1 j ∑ n j =1 q t 0 j p t 1 j = q ′ t 1 p t 1 q ′ t 0 p t 1 Gew ¨ unscht ist somit eine Zerlegung der Umsatzver ¨ anderung u t 0 ,t 1 = u t 1 / u t 0 in eine Mengenkomponente Q t 0 ,t 1 und eine Preiskomponente P t 0 ,t 1 . Zu beachten ist, dass dies nur gelingt, wenn jeweils ein Index vom Typ Laspeyres und einer vom Typ Paasche ist u t 0 ,t 1 = u t 1 / u t 0 = P l t 0 ,t 1 Q p t 0 ,t 1 = P p t 0 ,t 1 Q l t 0 ,t 1 Wird das gleiche Messkonzept verwendet, gilt jedoch u t 0 ,t 1 = P l t 0 ,t 1 Q l t 0 ,t 1 u t 0 ,t 1 = P p t 0 ,t 1 Q p t 0 ,t 1 3 In der Literatur werden die hypothetisch als konstant angenommenen Vektoren der Basisperiode (bei Preisindizes q t 0 , bei Mengenindizes p t 0 ) oft als ”W¨agungsschemas“, in manchen Zusammenh¨angen auch als ”Warenkorb“ bezeichnet. <?page no="205"?> 7.2 Berechnung von Preisindizes 205 Tabelle 7.2 Berechnung von Preis- und Mengenindizes mit den in Tabelle 7.1 angegebenen Zahlen. t 0 t 1 q ′ t 0 p t 0 q ′ t 0 p t 1 q ′ t 1 p t 0 q ′ t 1 p t 1 P l t 0 t 1 P p t 0 t 1 Q l t 0 t 1 Q p t 0 t 1 1 2 9 10 11 12 1,11 1,09 1,22 1,20 2 3 12 14 14 15 1,17 1,07 1,17 1,07 3 4 15 16 18 21 1,07 1,17 1,20 1,31 4 5 21 16 29 22 0,76 0,76 1,38 1,38 Es ist ersichtlich, dass aus der Beziehung u t 0 ,t 1 = P l t 0 ,t 1 Q p t 0 ,t 1 = P p t 0 ,t 1 Q l t 0 ,t 1 folgt, dass u 2 t 0 ,t 1 = P l t 0 ,t 1 P p t 0 ,t 1 Q l t 0 ,t 1 Q p t 0 ,t 1 und somit auch √ u 2 t 0 ,t 1 = u t 0 ,t 1 = √ P l t 0 ,t 1 P p t 0 ,t 1 √ Q l t 0 ,t 1 Q p t 0 ,t 1 Die beiden geometrischen Mittel der Preis- und Mengenindizes vom Typ Laspeyres und Paasche werden als Preis- und Mengenindizes nach Fisher bezeichnet. Zur Illustration berechnen wir die Indizes mit den Zahlen aus Tabelle 7.1. Tabelle 7.2 zeigt die Ergebnisse. Man erkennt, dass sich die Werte erheblich unterscheiden k¨onnen. So wird verst¨andlich, dass im Laufe der Zeit zahlreiche weitere Vorschl¨age f¨ ur Indexkonstruktionen gemacht worden sind und die Diskussion ¨ uber Vor- und Nachteile der verschiedenen Indizes bis heute anh ¨ alt. Darauf soll hier nicht n ¨ aher eingegangen werden. 4 Die meisten vom Statistischen Bundesamt berechneten Preisindizes beruhen auf der Definition von Laspeyres (haupts ¨ achlich wohl deshalb, weil sich das W ¨ agungsschema ( q t ) weniger leicht aktualisieren l ¨ asst als die Preisinformation). Die dargestellten Preisindizes nach Laspeyres lassen sich auch in der Form der Messziffernmittelung darstellen. Ausgangspunkt sind die n Messziffern p t 1 j / p t 0 j der betrachteten G¨ uter zu den Zeitpunkten t 1 und t 0 . Um diese n verschiedenen Informationen ¨ uber die Preisentwicklung zu aggregieren und dabei die unterschiedliche Bedeutung der einzelnen 4 Man vgl. z. B. Kunz (1987, S. 282 ff.), Lippe (1996, S. 407 ff.), Neubauer (1996), Rinne (1996, S. 321 ff.), Krug, Nourney u. a. (1999, S. 368 ff.). <?page no="206"?> 206 7 Marktpreise und Preisstatistik G ¨ uter zu ber ¨ ucksichtigen, bietet es sich an, diese gewichtet zu mitteln. Als Gewichte k¨onnen die Ausgabenanteile in der Periode t 1 g t 1 j = q t 1 j p t 1 j ∑ n k =1 q t 1 k p t 1 k oder in der Periode t 0 g t 0 j = q t 0 j p t 0 j ∑ n k =1 q t 0 k p t 0 k verwendet werden. Berechnet man ein mit den Ausgabenanteilen der Periode t 0 gewichtetes arithmetisches Mittel der n Preismesszahlen, resultiert der Preisindex nach Laspeyres: P l t 0 ,t 1 = n ∑ j =1 p t 1 j p t 0 j g t 0 j = n ∑ j =1 p t 1 j p t 0 j q t 0 j p t 0 j ∑ n k =1 q t 0 k p t 0 k = ∑ n j =1 q t 0 j p t 1 j ∑ n j =1 q t 0 j p t 0 j Das mit den Ausgabenanteilen der Periode t 1 gewichtete harmonische Mittel der Preismesszahlen f¨ uhrt zum Preisindex nach Paasche: P p t 0 ,t 1 = 1 ∑ n j =1 p t 0 j p t 1 j g t 1 j = 1 ∑ n j =1 p t 0 j p t 1 j q t 1 j p t 1 j ∑ n k =1 q t 1 k p t 1 k = ∑ n j =1 q t 1 j p t 1 j ∑ n j =1 q t 1 j p t 0 j Die Darstellung in der Form der Messziffernmittelung ist von praktischer Bedeutung, weil z.B. beim Verbraucherpreisindex rund 300.000 Einzelpreise, die Ausgabenanteile aber nur f¨ ur 700 G¨ uter und Dienstleistungen ermittelt werden. Die vielen (im Mittel 429) Einzelpreise p ij (i = 1, ..., n j ) eines Gutes oder einer Dienstleistung c j werden in den Perioden t 0 und t 1 ungewichtet gemittelt und aus diesen mittleren Preisen wird eine Preismesszahl gebildet, die dann mit dem Ausgabenanteil gewichtet wird. 5 Im Fall des Verbraucherpreisindex wird somit gerechnet P l t 0 ,t 1 = n ∑ j =1 ¯ p t 1 j ¯ p t 0 j g t 0 j ¯ p t 1 j = 1 n j n j ∑ i =1 p t 1 ij ¯ p t 0 j = 1 n j n j ∑ i =1 p t 0 ij Hier ist zu beachten, dass durch diese Vorgehensweise teure G ¨ uter in st ¨ arkerem Maße ber ¨ ucksichtigt werden, weil das Verh ¨ altnis der Durch- 5 Preise, Verbraucherpreisindizes f¨ ur Deutschland, Statistisches Bundesamt (2011b) <?page no="207"?> 7.2 Berechnung von Preisindizes 207 schnittspreise gerade das mit den Preisen der Periode t 0 gewichtete arithmetische Mittel der Preismesszahlen ist (Neubauer 1996, S. 77 f.). ¯ p t 1 j ¯ p t 0 j = ∑ n j i =1 p t 1 ij ∑ n j i =1 p t 0 ij = ∑ n j i =1 p t 1 ij p t 0 ij p t 0 ij ∑ n j i =1 p t 0 ij Die angef¨ uhrten Definitionen zeigen, dass sich Preisindizes stets auf zwei Zeitperioden beziehen. Man kann also nicht von einem absoluten Preisniveau, sondern nur von Ver¨anderungen des Preisniveaus sprechen, wobei nat ¨ urlich die Ver ¨ anderungen auch davon abh ¨ angen, welche Arten von Preisindizes verwendet werden. Außerdem ist klar, dass stets eine Angabe der G ¨ utersorten erfolgen muss, auf deren Transaktionen sich Ver ¨ anderungen des Preisniveaus beziehen sollen. Das Statistische Bundesamt berechnet deshalb eine Vielzahl unterschiedlicher Preisindizes, die sich auf jeweils unterschiedlich ausgesuchte Arten von G¨ utern beziehen. 7.2.3 Konstruktion von Indexziffern Da in der amtlichen Statistik zumeist Indexziffern (auch Indexzahlen genannt) ausgewiesen werden, soll kurz der Zusammenhang besprochen werden. Als Beispiel wird auf Preisindizes Bezug genommen (ganz analoge ¨ Uberlegungen gelten f¨ ur Mengenindizes). Das Ziel besteht in diesem Fall darin, die Preisentwicklung (Ver¨anderungen des Preisniveaus) w¨ahrend einer Folge von Perioden t 0 , t 1 , t 2 , . . . darzustellen. t 0 wird als Basisperiode bezeichnet. Werden Laspeyres-Indizes verwendet, bezieht sich auch meistens das W¨agungsschema auf diese Basisperiode, und es wird dann f¨ ur alle weiteren Perioden unver¨andert beibehalten, bis (in gr¨oßeren zeitlichen Abst ¨ anden) ein neues W ¨ agungsschema eingef ¨ uhrt wird. Die Berechnung von Indexziffern erfolgt nun so, dass der Indexziffer, mit der Ver¨anderungen des Preisniveaus erfasst werden sollen, in der Basisperiode der Wert 100 gegeben wird. Bezeichnet I t die Indexziffer, wird also I t 0 = 100 gesetzt. Die weiteren Werte ergeben sich dann aus den Preisindizes. Tabelle 7.3 verdeutlicht die Berechnung. Zur Illustration k¨onnen folgende Indexziffern f¨ ur die Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte dienen 6 : 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 100,0 113,4 119,4 120,7 111,1 106,9 106,6 115,2 6 https: / / www.destatis.de/ DE/ ZahlenFakten/ GesamtwirtschaftUmwelt/ Preise/ <?page no="208"?> 208 7 Marktpreise und Preisstatistik Tabelle 7.3 Berechnung von Indexziffern f¨ ur das Preisniveau. t Preisindex Indexziffer t 0 I t 0 = 100 t 1 P t 0 t 1 I t 1 = I t 0 P t 0 t 1 t 2 P t 1 t 2 I t 2 = I t 1 P t 1 t 2 t 3 P t 2 t 3 I t 3 = I t 2 P t 2 t 3 t 4 P t 3 t 4 I t 4 = I t 3 P t 3 t 4 Als Basisperiode dient in diesem Fall das Jahr 2010. Im ¨ Ubergang von 2010 nach 2011 hat das Preisniveau um 13,4 % zugenommen, im ¨ Ubergang von 2011 nach 2012 um 5,3 % usw. Zugrunde liegen Preisindizes nach Laspeyres, die, wie Tabelle 7.3 zeigt, direkt aus den prozentualen Ver¨anderungen der Indexziffern berechnet werden k¨onnen. An diesem Beispiel kann noch ein weiterer Aspekt der Darstellung von Preisindizes erl¨autert werden. In den meisten F¨allen beziehen sich n¨amlich die Datengewinnung und die prim ¨ aren Berechnungen auf Monate. In den Fachserien, in denen das Statistische Bundesamt ausf¨ uhrliche Ergebnisse mitteilt, 7 werden deshalb in der Regel Zeitreihen auf Monatsbasis dargestellt. In vielen zusammenfassenden ¨ Ubersichten, so auch in dem oben angef¨ uhrten Beispiel, werden dagegen j¨ahrliche Angaben gemacht. Also muss ¨ uberlegt werden, wie man die monatlichen Indexziffern zu j¨ahrlichen Indexziffern zusammenfasst. Im Folgenden gehen wir entsprechend der Praxis beim Verbraucherpreisindex davon aus, dass die Preise monatlich erhoben werden. Wir betrachten als Beispiel die Berechnung des Preisindex der Lebenshaltung des Jahres 2005 ausgehend von Monatswerten auf Basis des Jahres 2005. Zur Vereinfachung gehen wir davon aus, dass f ¨ ur die einzelnen G ¨ uter j die Preise und Mengen bekannt sind. Die Preisindizes werden als gewichtete arithmetische Mittel von Preismessziffern berechnet. Gewichte der G ¨ uterarten sind die Anteile der Ausgaben f ¨ ur die G ¨ uter im Jahr t 0 = 2005 g t 0 j = p t 0 j q t 0 j ∑ j p t 0 j q t 0 j PreisindizesLandForstwirtschaft/ Tabellen/ ErzeugerpreiseLandwirtschaft.html (27.1.2019) 7 Es handelt sich um die Fachserie 17, die in 11 Reihen gegliedert ist, in denen ¨ uber unterschiedliche Preisindizes berichtet wird. <?page no="209"?> 7.2 Berechnung von Preisindizes 209 Die Preismesszahlen der Monate m beziehen sich jeweils auf den mittleren Preis p j des Basisjahres m t 0 mj = p t 0 mj p t 0 j Hieraus resultiert f¨ ur den Monat m P l t 0 m = n ∑ j =1 m t 0 mj g t 0 j = n ∑ j =1 p t 0 mj p t 0 j g t 0 j Die so entstandenen 12 Indizes der Monate Januar bis Dezember werden arithmetisch gemittelt P l t 0 = 1 12 12 ∑ m =1 P l t 0 m Hierdurch ist gew¨ahrleistet, dass das arithmetische Mittel der ausgewiesenen monatlichen Indexst ¨ ande I l t 0 m = P l t 0 m / P l t 0 folgender Normierung gen¨ ugt: 1 12 12 ∑ m =1 I l t 0 m = 1 12 12 ∑ m =1 P l t 0 m P l t 0 = 1 Die relativen Preisindexst ¨ ande werden in den Folgejahren ebenfalls als arithmetische Mittel der 12 Monatsindexst¨ande berechnet. 7.2.4 Nutzenbasierte Indizes Die Leitidee der Konstruktion von Preisindizes ist die der Messung der mittleren isolierten Preisver ¨ anderung. D.h. konstante Mengen dienen lediglich der Gewichtung von Preisen, Mengen¨anderungen sollen in einem Preisindex nicht ber ¨ ucksichtigt werden. Diesem Prinzip folgen z.B. die Preisindizes vom Typ Laspeyres und vom Typ Paasche. Bei ¨okonomisch ” fundierten“ Indizes wird nicht nach einer mittleren Ver ¨ anderung von G ¨ uterpreisen gefragt, sondern nach einer nutzenkompensierenden Ausgabenver¨anderung. Die G¨ utermengen werden als von den G¨ uterpreisen abh ¨ angig betrachtet und nutzenmaximierendes Verhalten der Verbraucher unterstellt. Es wird gefragt, wie sich die Kosten in zwei Perioden t 0 und t 1 mit Preisvektoren p t 0 und p t 1 unterscheiden, wenn in beiden Perioden das gleiche Nutzenniveau erreicht werden soll. Betrachten wir <?page no="210"?> 210 7 Marktpreise und Preisstatistik den Preisindex nach Laspeyres P l t 0 ,t 1 = ∑ n j =1 p t 1 j q t 0 j ∑ n j =1 p t 0 j q t 0 j dann ist ersichtlich, dass im Z ¨ ahler die Mengen q t 0 j mit den Preisen p t 1 j kombiniert werden. Verbraucher w¨ urden bei den Preisen p t 1 j andere Mengen w¨ahlen, die bei den gleichen Kosten ∑ n j =1 p t 1 j q t 0 j einen h¨oheren Nutzen erzeugen w¨ urden. Eine Kompensation in der H¨ohe der mit dem Preisindex nach Laspeyres ermittelten Preissteigerung w ¨ urde zu einem h ¨ oheren Nutzen f ¨ uhren, entsprechend l ¨ age die nutzenkompensierende relative Ausgabenver¨anderung unter dem Preisindex nach Laspeyres. Analog kann ¨ uberlegt werden, dass eine Kompensation in H ¨ ohe des Paasche-Preisindex P p t 0 ,t 1 = ∑ n j =1 p t 1 j q t 1 j ∑ n j =1 p t 0 j q t 1 j nicht zur Aufrechterhaltung eines konstanten Nutzenniveaus ausreicht, da im Nenner Preise p t 0 j mit nicht optimalen Mengen q t 1 j kombiniert werden. Das mit den Mengen q t 1 j erzielte Nutzenniveau h ¨ atte zu Preisen p t 0 j mit anderen Mengen bei geringeren Ausgaben erreicht werden k ¨ onnen. Wegen des im Vergleich dazu zu hohen Nenners liegt der Paasche-Index somit unter einer nutzenkompensierenden Ausgabenver¨anderung. Im Falle homothetischer Nutzenfunktionen mit gleichbleibenden Ausgabenanteilen f¨ ur alle G¨ uterarten k¨onnen diese beiden Ergebnisse kombiniert werden, so dass sich ergibt, dass die nutzenkompensierende Ausgabenver¨anderung zwischen dem Paasche-Index als Unter- und dem Laspeyres-Index als Obergrenze liegt. Offenkundig beruhen diese ¨ Uberlegungen auf einer empirisch kaum belegbaren Nutzentheorie mit strengen Annahmen. Obwohl sich das Anliegen der nutzenbasierten Preisindizes und das der isolierten Messung der Preisver¨anderung unterscheiden und das Nutzenkonzept nicht operational ist, haben die Diskussionen um nutzenbasierte Indizes und die aus dieser Perspektive als ¨ uberh ¨ oht vermuteten Preisver¨anderungsausweise des Laspeyres-Index dazu gef¨ uhrt, dass seit 2005 Ketttenindizes vom Statistischen Bundesamt berechnet werden. Im Anhang zeigen wir f¨ ur ein sehr einfaches Beispiel mit einer ausgedachten Nutzenfunktion und zwei G¨ utern, wie bei unterstellter Nutzenmaximierung ein ¨okonomischer Preisindex hergeleitet werden kann. <?page no="211"?> 7.2 Berechnung von Preisindizes 211 7.2.5 Kettenindizes Im Rahmen der Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung des Jahres 2005 wurden in Deutschland Kettenindizes eingef¨ uhrt. 8 Anstelle der bisher verwendeten Laspeyres-Indizes zur Preismessung mit fester Basis werden nun verkettete Lasypeyres-Indizes mit Vorjahresbasis verwendet. Wurde bisher lediglich im F¨ unf-Jahresrhythmus bei Anpassung des Basisjahres verkettet, wird nun j¨ahrlich verkettet. Damit geht auch bei der Ermittlung der ”preisbereinigten Gr¨oßen“ eine ¨ Anderung einher. Anstelle des Ausweises in konstanten Preisen einer Basisperiode werden nun lediglich Kettenindizes der preisbereinigten Wertgr¨oßen ver¨offentlicht. Betrachten wir zun¨achst im Vergleich den bisherigen Laspeyres-Preisindex f¨ ur die Perioden t 1 und t 2 auf fester Basis t 0 : P l t 0 ,t 1 = ∑ n j =1 p t 1 j q t 0 j ∑ n j =1 p t 0 j q t 0 j P l t 0 ,t 2 = ∑ n j =1 p t 2 j q t 0 j ∑ n j =1 p t 0 j q t 0 j Aus den beiden Preisindizes der Perioden t 1 und t 2 l ¨ asst sich die Preisver¨anderung von Periode t 1 auf Periode t 2 mit fester Basis t 0 ermitteln: P l t 1 ,t 2 , ( t 0 ) : = P l t 0 ,t 2 P l t 0 ,t 1 = ∑ n j =1 p t 2 j q t 0 j ∑ n j =1 p t 0 j q t 0 j ∑ n j =1 p t 1 j q t 0 j ∑ n j =1 p t 0 j q t 0 j = ∑ n j =1 p t 2 j q t 0 j ∑ n j =1 p t 1 j q t 0 j Im Vergleich hierzu wird beim aktuell verwendeteten Verfahren der Vorjahrespreisbasis anstelle von P l t 1 ,t 2 , ( t 0 ) nun P l t 1 ,t 2 berechnet: P l t 1 ,t 2 = ∑ n j =1 p t 2 j q t 1 j ∑ n j =1 p t 1 j q t 1 j F ¨ ur den Zeitraum von t 0 bis t 2 wird nun folgende Preisver ¨ anderung ermittelt P K t 0 ,t 2 : = P l t 0 ,t 1 P l t 1 ,t 2 = ∑ n j =1 p t 1 j q t 0 j ∑ n j =1 p t 0 j q t 0 j ∑ n j =1 p t 2 j q t 1 j ∑ n j =1 p t 1 j q t 1 j 8 Statistisches Bundesamt, Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen 2005 f¨ ur den Zeitraum 1991 bis 2004, Wirtschaft und Statistik, 2005, 5, 425-462. <?page no="212"?> 212 7 Marktpreise und Preisstatistik indem die beiden Laspeyres-Preisindizes verkettet werden. Zwar sind aus beiden verketteten Laspeyres-Preisindizes Mengenver ¨ anderungen ausgeschaltet, jedoch gehen durch die beiden unterschiedlichen Basisjahre indirekt Mengenver¨anderungen in die Preismessung ein. Vorteile: Beim Laspeyres-Index werden bei zur¨ uckliegendem Basisjahr nicht mehr aktuelle Mengenrelationen verwendet. Da tendenziell zwischen den Mengen- und Preismesszahlen der G¨ uter eine negative Korrelation vorliegt, ¨ uberzeichnet der Laspeyres-Preisindex die Preissteigerung in diesem Fall umso st ¨ arker, je weiter das Basisjahr zur ¨ uckliegt. Mit der Vorjahrespreisbasis wird dieses ” Veralten des Warenkorbs“ vermieden. Bei der Anpassung des Basisjahres eines Laspeyres-Index ergeben sich bei den Revisionen (r¨ uckwirkend) immer ¨ Anderungen der konstatierten Preisver ¨ anderungen und Mengenver ¨ anderungen. F ¨ ur die Preisver ¨ anderung des Jahres t 4 gegen¨ uber t 3 z.B. ergibt sich vor bzw. nach Revision, d.h. Anpassung des Basisjahres von t 0 auf t 5 P l t 3 ,t 4 , ( t 0 ) = ∑ n j =1 p t 4 j q t 0 j ∑ n j =1 p t 3 j q t 0 j = P l t 3 ,t 4 , ( t 5 ) = ∑ n j =1 p t 4 j q t 5 j ∑ n j =1 p t 3 j q t 5 j und auch f¨ ur die Mengenver¨anderungen ergibt sich Q l t 3 ,t 4 , ( t 0 ) = ∑ n j =1 p t 0 j q t 4 j ∑ n j =1 p t 0 j q t 3 j = Q l t 3 ,t 4 , ( t 5 ) = ∑ n j =1 p t 5 j q t 4 j ∑ n j =1 p t 5 j q t 3 j Derartige r ¨ uckwirkende ¨ Anderungen sind bei der Verwendung der Vorjahrespreisbasis ausgeschlossen. Nachteile: Wie oben erw¨ahnt, isolieren Kettenpreisindizes nicht die reine Preisver¨anderung. Der Bedeutungsgehalt eines bestimmten Indexstandes ist somit unklar. Der Kettenindex ist zudem nicht pfadinvariant. Sind etwa in Periode t 2 die Preise identisch zu denen in t 0 , resultiert beim Laspeyres-Index P l t 0 ,t 2 = ∑ n j =1 p t 2 j q t 0 j ∑ n j =1 p t 2 j q t 0 j = 1 beim Kettenindex hingegen P K t 0 ,t 2 = P l t 0 ,t 1 P l t 1 ,t 2 = ∑ n j =1 p t 1 j q t 0 j ∑ n j =1 p t 2 j q t 0 j ∑ n j =1 p t 0 j q t 1 j ∑ n j =1 p t 1 j q t 1 j = 1 <?page no="213"?> 7.2 Berechnung von Preisindizes 213 Der Laspeyres-Index ist f¨ ur die Jahre mit gleichem Basisjahr aggregierbar. Wir betrachten j = 1, ..., n G¨ utergruppen und i = 1, ..., n j G¨ uter in den G¨ utergruppen: P l t 0 ,t 1 : = ∑ n j =1 ∑ n j i =1 p t 1 ji q t 0 ji ∑ n j =1 ∑ n j i =1 p t 0 ji q t 0 ji = n ∑ j =1 ∑ n j i =1 p t 1 ji q t 0 ji ∑ n j i =1 p t 0 ji q t 0 ji ∑ n j i =1 p t 0 ji q t 0 ji ∑ n j =1 ∑ n j i =1 p t 0 ji q t 0 ji = n ∑ j =1 P l t 0 ,t 1 ,j g t 0 ,j Diese Aggregierbarkeit bleibt auch beim Vergleich ¨ uber mehrere Jahre erhalten, etwa gilt P l t 0 ,t 2 = n ∑ j =1 P l t 0 ,t 2 ,j g t 0 ,j Beim Kettenindex ist diese Aggregierbarkeit gegen ¨ uber dem Vorjahr vorhanden, wird allerdings bei der Messung ¨ uber mehrere Perioden durch die Multiplikation zerst¨ort: P K t 0 ,t 2 = P l t 0 ,t 1 P l t 1 ,t 2 = n ∑ j =1 P l t 0 ,t 1 ,j g t 0 ,j n ∑ j =1 P l t 1 ,t 2 ,j g t 1 ,j = n ∑ j =1 P K t 0 ,t 2 ,j g j = n ∑ j =1 P l t 0 ,t 1 ,j P l t 1 ,t 2 ,j g j 7.2.6 Deflationierung Mit dem ¨ Ubergang zur Vorjahrespreisbasis geht einher, dass vom Statistischen Bundesamt keine Zeitreihen von ”realen Gr¨oßen“, d.h. von Mengensurrogaten durch die Verwendung konstanter Preise, mehr ver¨offentlicht werden. Informationen ¨ uber den Privaten Verbrauch zweier Perioden t 0 und t 4 in den Preisen des Basisjahres t 0 werden z.B. nicht mehr ver¨offentlicht. Stattdessen werden lediglich j¨ahrliche ”reale Wachstumsraten“ ermittelt und zu Zeitreihen von Indizes verkn¨ upft. Somit ist ein Vergleich etwa von ∑ n j =1 p t 0 j q t 4 j und ∑ n j =1 p t 0 j q t 0 j nicht mehr m¨oglich. <?page no="214"?> 214 7 Marktpreise und Preisstatistik Ver¨offentlicht wird lediglich die aufmultiplizierte relative Ver¨anderung Q K t 0 ,t 4 = Q l t 0 ,t 1 Q l t 1 ,t 2 Q l t 2 ,t 3 Q l t 3 ,t 4 Auch hier gilt, dass aus den einzelnen Faktoren (Mengenindizes) Preisver¨anderungen eliminiert sind, aber durch die unterschiedlichen Basisjahre indirekt Preisver¨anderungen eingehen. W¨ahrend in der Preisstatistik, etwa beim Verbraucherpreisindex, Laspeyres- Preisindizes berechnet werden, resultieren die Preisindizes der Verwendungsrechnung der Volkswirtschftlichen Gesamtrechnungen als implizite Kettenindizes vom Typ Paasche. Ausgangsbasis sind die mit Vorjahrespreisen berechneten (”deflationierten“) Gr¨oßen ∑ n j =1 p t 0 j q t 1 j . Die Division der Werte in jeweiligen Preisen f¨ uhrt zu ”impliziten“ Paasche-Indizes P p t 0 ,t 1 = ∑ n j =1 p t 1 j q t 1 j ∑ n j =1 p t 0 j q t 1 j Zu ber ¨ ucksichtigen ist, dass die ” deflationierten“ Gr ¨ oßen ∑ n j =1 p t 0 j q t 1 j tats ¨ achlich nicht aus einer Deflationierung mit Paasche-Preisindizes resultieren, sondern aus auf niedriger Aggregationsebene durchgef ¨ uhrter Deflationierung mit Laspeyres-Preisindizes. Je tiefer die Disaggregation, desto vernachl¨assigbarer ist der Unterschied. Im Grenzfall der Dissaggregation bis auf die Ebene einzelner G ¨ uter sind die Ergebnisse identisch, da hier identische Preismesszahlen verwendet werden. 7.2.7 Deflationierung von Wertsummendifferenzen Bei der Deflationierung muss unterschieden werden, ob es sich um eine Gr ¨ oße mit Mengenstruktur der Form ∑ p j q j handelt (etwa der Private Konsum), oder um eine Differenz von zwei Wertsummen der Form ∑ p j q j − ∑ p v j q v j (etwa die Bruttowertsch ¨ opfung). Betrachten wir eine Gr¨oße mit Mengenstruktur, dann f¨ uhrt die Verwendung eines Preisindex vom Typ Paasche zur Deflationierung zu einem Mengensurrogat, einer Summe von Mengen bewertet mit Preisen einer Basisperiode. Beispiel: Wir betrachten eine Wertsumme der Periode t 1 und deflationieren mit einem Preisindex Paasche der Periode t 1 gegen¨ uber t 0 ∑ n j =1 p t 1 j q t 1 j ∑ n j =1 p t 1 j q t 1 j ∑ n j =1 p t 0 j q t 1 j = n ∑ j =1 p t 0 j q t 1 j <?page no="215"?> 7.2 Berechnung von Preisindizes 215 Betrachten wir die Bruttowertsch ¨ opfung als eine Differenz von Wertsummen, der Bruttoproduktion abz¨ uglich der Vorleistungen: n ∑ j =1 p t 1 j q t 1 j − n ∑ j =1 p v t 1 j q v t 1 j Eine M¨oglichkeit besteht nun in der getrennten Deflationierung (die sogenannte doppelte Deflationierung) beider Wertsummen mit spezifischen Preisindizes: B P B − V P V = ∑ n j =1 p t 1 j q t 1 j ∑ n j =1 p t 1 j q t 1 j ∑ n j =1 p t 0 j q t 1 j − ∑ n j =1 p v t 1 j q v t 1 j ∑ n j =1 p v t 1 j q v t 1 j ∑ n j =1 p v t 0 j q v t 1 j = n ∑ j =1 p t 0 j q t 1 j − n ∑ j =1 p v t 0 j q v t 1 j Der hier implizit verwendete Preisindex resultiert als P I = B − V B P B − V P V = ∑ n j =1 p t 1 j q t 1 j − ∑ n j =1 p v t 1 j q v t 1 j ∑ n j =1 p t 0 j q t 1 j − ∑ n j =1 p v t 0 j q v t 1 j d.h. als gewichtetes harmonisches Mittel der beiden Preisindizes der Bruttoproduktion und der Vorleistungen. Allerdings erh ¨ alt der Preisindex der Vorleistungen ein negatives Gewicht. Der implizite Preisindex liegt somit nie zwischen den beiden Preisindizes der Bruttoproduktion und der Vorleistungen, sondern stets außerhalb des Intervalls [ min ( P B , P V ) , max ( P B , P V )]. Zudem kann aus einer positiven Bruttowertsch¨opfung in jeweiligen Preisen eine negative in konstanten Preisen werden, wenn das Verh ¨ altnis von Preisindex der Bruttoproduktion zu Preisindex der Vorleistungen ¨ uber dem Verh¨altnis der Bruttoproduktion zu den Vorleistungen in jeweiligen Preisen liegt: B P B − V P V < 0 falls B V < P B P V Dieser Befund ist mit dem Anliegen der Deflationierung im Sinne der Bereinigung um eine erfolgte Geldwert ¨ anderung nicht vereinbar. F ¨ ur Differenzen von Wertsummen, insbesondere von Einkommensgr ¨ oßen, kann alternativ mit einem einzigen gemeinsamen Preisindex deflationiert werden. Dieser sollte m ¨ oglichst die Geldwertver ¨ anderung der zu deflationierenden Gr ¨ oße zum Ausdruck bringen. Hier kann entweder an der Entstehungsseite angekn ¨ upft werden, also f ¨ ur die Bruttowertsch ¨ opfung ein Preisindex verwendet werden, der sowohl f ¨ ur die Bruttoproduktion als auch f ¨ ur die Vorleistungen relevant ist. Alternativ kann an die Ver- <?page no="216"?> 216 7 Marktpreise und Preisstatistik wendungsseite angekn¨ upft werden, etwa mit dem Preisindex der letzten inl¨andischen Verwendung. Betrachten wir die doppelte Deflationierung des Bruttoinlandsprodukts BIP t 1 = C t 1 + I t 1 + X t 1 − M t 1 BIP t 1 P BIP,impl. t 0 ,t 1 = C t 1 P C t 0 ,t 1 + I t 1 P I t 0 ,t 1 + X t 1 P X t 0 ,t 1 − M t 1 P M t 0 ,t 1 = C t 1 + I t 1 C t 1 + I t 1 C t 1 P C t 0 ,t 1 + I t 1 P I t 0 ,t 1 + X t 1 − M t 1 X t 1 − M t 1 X t 1 P X t 0 ,t 1 − M t 1 P M t 0 ,t 1 = LIV t 1 P LIV t 0 ,t 1 + X t 1 − M t 1 P XM,impl. t 0 ,t 1 und den Realwert des Bruttoinlandsprodukts BIP t 1 P LIV t 0 ,t 1 = C t 1 + I t 1 P LIV t 0 ,t 1 + X t 1 − M t 1 P LIV t 0 ,t 1 Die Differenz zwischen Bruttoinlandsprodukt in konstanten Preisen und Realwert des Bruttoinlandsprodukt ist der sogenannte Terms of Trade Effekt: BIP t 1 P BIP,impl. t 0 ,t 1 − BIP t 1 P LIV t 0 ,t 1 = X t 1 − M t 1 P XM,impl. t 0 ,t 1 − X t 1 − M t 1 P LIV t 0 ,t 1 = (X t 1 − M t 1 ) ( 1 P XM,impl. t 0 ,t 1 − 1 P LIV t 0 ,t 1 ) = (X t 1 − M t 1 ) ⎛ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝ 1 X t 1 − M t 1 X t 1 P X t 0 ,t 1 − M t 1 P M t 0 ,t 1 − 1 C t 1 + I t 1 C t 1 P C t 0 ,t 1 + I t 1 P I t 0 ,t 1 ⎞ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠ Mit dem ¨ Ubergang zur Vorjahresbasis ist eine Interpretation der gelieferten realen Wachstumsrate des BIP ¨ uber mehr als eine Periode hinweg nicht mehr m¨oglich. Betrachten wir exemplarisch die reale Wachstumsrate <?page no="217"?> 7.2 Berechnung von Preisindizes 217 des BIP der Periode t 2 gegen¨ uber t 0 : w BIP,t 0 ,t 2 = BIP t 1 P BIP,impl. t 0 ,t 1 BIP t 0 · BIP t 2 P BIP,impl. t 1 ,t 2 BIP t 1 = C t 1 P C t 0 ,t 1 + I t 1 P I t 0 ,t 1 + X t 1 P X t 0 ,t 1 − M t 1 P M t 0 ,t 1 C t 0 + I t 0 + X t 0 − M t 0 · C t 2 P C t 1 ,t 2 + I t 2 P I t 1 ,t 2 + X t 2 P X t 1 ,t 2 − M t 2 P M t 1 ,t 2 C t 1 + I t 1 + X t 1 − M t 1 = ∑ q C t 1 · p C t 0 + ∑ q I t 1 · p I t 0 + ∑ q X t 1 · p X t 0 − ∑ q M t 1 · p M t 0 ∑ q C t 0 · p C t 0 + ∑ q I t 0 · p I t 0 + ∑ q X t 0 · p X t 0 − ∑ q M t 0 · p M t 0 · ∑ q C t 2 · p C t 1 + ∑ q I t 2 · p I t 1 + ∑ q X t 2 · p X t 1 − ∑ q M t 2 · p M t 1 ∑ q C t 1 · p C t 1 + ∑ q I t 1 · p I t 1 + ∑ q X t 1 · p X t 1 − ∑ q M t 1 · p M t 1 Offenkundig handelt es sich bei diesem Konstrukt um eine nicht mehr interpretierbare Vermischung von Mengen- und Preiseffekten. 7.2.8 Qualit¨ats¨anderungen Ein grundlegendes Problem der Preisstatistik sind die Qualit ¨ atsver ¨ anderungen von G¨ utern. Ein großer Teil der G¨ uter ist in unver¨anderter Form kaum ¨ uber mehrere Jahre vef¨ ugbar, entsprechend ist die Preisentwicklung nicht messbar. Tendenziell sind die ausgewiesenen Preissteigerungen des Bundesamts vermutlich zu niedrig, weil meistens ”verkettet“ wird. Damit wird unterstellt, dass der Preissprung beim Modellwechsel durch eine ”Erh¨ohung der Qualit¨at“ (Mengenkomponente) gedeckt ist. Ausgangspunkt bei einer Ver¨anderung der G¨ uterqualit¨at ist die gedankliche Aufspaltung der Preis ¨ anderung Δ p t 1 = p t 1 − p t 0 in einen durch Qualit ¨ ats ¨ anderungen gedeckten Teil Δ ˆ p t 1 und einen geldwertmindernden Teil Δ ˇ p t 1 , so dass gilt Δ p t 1 = Δ ˆ p t 1 + Δ ˇ p t 1 . Die interessierende Preismesszahl zur Erfassung der Geldwert ¨ anderung wird berechnet als m t 0 ,t 1 = (p t 0 + Δˇ p t 1 )/ p t 0 . Hingegen ver¨andern sich die zum Kauf notwendigen Ausgaben um p t 1 / p t 0 = (p t 0 + Δˆ p t 1 + Δˇ p t 1 )/ p t 0 . Dies f¨ uhrt dazu, dass die angegebenen Geldwert ¨ anderungen teilweise deutlich unter der notwendigen Ausgaben¨anderung liegen. Zudem wird beim einfachen Verfahren der Verkettung Δˇ p t 1 = 0 unterstellt und somit die Preis¨anderung vollst¨andig als durch Qualit¨ats¨anderungen gedeckt betrachtet. Es resultiert eine Preismesszahl von 1. <?page no="218"?> 218 7 Marktpreise und Preisstatistik Bei verschiedenen G ¨ utern, inbesondere bei EDV-Ger ¨ aten, wird in den letzten Jahren verst ¨ arkt die hedonische Regression verwendet. 9 Ausgangspunkt sind Querschnittsinformationen ¨ uber k preisbestimmende Merkmale x i 1 ,t 0 , ..., x ik,t 0 und Preise p i,t 0 f¨ ur verschiedene G¨ utervarianten i = 1, ..., I der betrachteten G¨ utergruppe j. Mittels einer Regression werden lineare Regressionskoeffizienten β i 1 , ..., β ik mit den beobachteten Daten der Periode t 0 gesch¨atzt: ˆ p it 0 = ˆ β i 0 + ˆ β i 1 x i 1 ,t 0 + ... + ˆ β ik x ik,t 0 Ausgehend von diesem Regressionszusammenhang wird ein Preis ˆ p it 1 nach Modellwechsel gesch¨atzt, indem die alten bzw. neuen preisbestimmenden Merkmale x i 1 ,t 1 , ..., x ik,t 1 mit den gesch ¨ atzten Koeffizienten kombiniert werden: ˆ p it 1 = ˆ β i 0 + ˆ β i 1 x i 1 ,t 1 + ... + ˆ β ik x ik,t 1 Die Differenz von ˆ p it 1 − ˆ p it 0 wird als durch die Qualit¨ats¨anderung gedeckte Preis¨anderung Δˆ p it 1 betrachtet, die Differenz (p it 1 − p it 0 ) − (ˆ p it 1 − ˆ p it 0 ) als geldwertver¨andernde Preis¨anderung Δˇ p it 1 . Die in die Berechnung der Preisindizes eingehende Messzahl f¨ ur das Gut i resultiert dann als m i,t 0 ,t 1 = p it 0 + Δˇ p it 1 p it 0 = p it 0 + (p it 1 − p it 0 ) − (ˆ p it 1 − ˆ p it 0 ) p it 0 = p it 1 − (ˆ p it 1 − ˆ p it 0 ) p it 0 Offenkundig sind die Ergebnisse dieses Verfahrens stark von den gew¨ahlten preisbestimmenden Merkmalen abh¨angig und mit allen bekannten Problemen der Regressionsanalyse behaftet. 7.3 Entwicklung der Verbraucherpreise 7.3.1 Der Verbraucherpreisindex Der Verbraucherpreisindex (fr ¨ uher Preisindex der Lebenshaltung) ist der meistbeachtete Preisindex und seine prozentuale Ver¨anderung wird 9 Linz und Eckert (2002, S. 857 ff.), Linz und Dexheimer (2005, S. 249 ff.), Linz, <?page no="219"?> 7.3 Entwicklung der Verbraucherpreise 219 Tabelle 7.4 Verbraucherpreisindex (VPI): W¨agungsschema (1995, 2000, 2005, 2010), ∑ = 1000. Abteilungen ’95=100 ’00=100 ’05=100 ’10=100 Nahrungsmittel und alkoholfreie Getr¨anke 131,26 103,35 103,55 102,71 Alkoholische Getr¨anke und Tabakwaren 41,67 36,73 38,99 37,59 Bekleidung und Schuhe 68,76 55,09 48,88 44,93 Wohnung, Wasser, Strom, Gas etc. 274,77 302,66 308,00 317,29 Einrichtungsgegenst¨ande 70,56 68,54 55,87 49,78 Gesundheitspflege 34,39 35,46 40,27 44,44 Verkehr 138,82 138,65 131,90 134,73 Nachrichten¨ ubermittlung 22,66 25,21 31,00 30,10 Freizeit, Unterhaltung, Kultur 103,57 110,85 115,68 114,92 Bildungswesen 6,51 6,66 7,40 8,80 Beherbergungs- und Gastst¨attendienstl. 46,08 46,57 43,99 44,67 Andere Waren und Dienstleistungen 60,95 70,23 74,47 70,04 ¨ ublicherweise als ” Inflationsrate“ Deutschlands bezeichnet. Der Index wird nach der Indexformel von Laspeyres berechnet und im Schnitt wird alle f¨ unf Jahre das W¨agungsschema aktualisiert. Die Datengrundlage des Verbraucherpreisindex wird sehr aufwendig ermittelt. Monatlich erfassen ungef¨ahr 600 Preiserheber in 188 Gemeinden rund 300.000 Einzelpreise in knapp 40.000 Berichtsstellen (z.B. Einzelhandelsgesch¨afte, Dienstleister, Internetanbieter). Die Berichtsgemeinden sind regional ¨ uber das gesamte Bundesgebiet verteilt und bestehen sowohl aus Großst¨adten als auch aus mittleren und kleinen Gemeinden. Der Warenkorb besteht aus rund 700 G¨ utern und Dienstleistungen. F¨ ur diese G¨ uter und Dienstleistungen werden ausgehend von den rund 300.000 Einzelpreisen mittlere Preisver ¨ anderungen berechnet. In die Indexformel gehen die f ¨ ur diese G ¨ uter und Dienstleistungen ermittelten Preismessziffern ein, die mit den jeweiligen Ausgabenanteilen im Basisjahr gewichtet werden. Grundlage der Ermittlung des W ¨ agungsschemas ist die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die das Ausgabeverhalten von rund 6.000 Haushalten erfasst, sowie die Laufenden Wirtschaftsrechnungen und die Steuerstatistik. F ¨ ur die letzten vier Basisjahre 1995, 2000,2005 und 2010 sind f ¨ ur 12 G¨ utergruppen (Abteilungen des G¨ uterverzeichnisses) die Anteile an den Ausgaben in der Tabelle 7.4 dargestellt. Innerhalb des Zeitraums von 10 Jahren haben sich teilweise deutliche Ver¨anderungen der Ausgabenanteile ergeben. So hat sich z.B. der Anteil f ¨ ur Nachrichten ¨ ubermittlung um 37% erh ¨ oht, der Anteil der Ausgaben f ¨ ur Bekleidung und Schuhe um 29% verringert. Dexheimer u. a. (2003, S. 538 ff.), Behrmann und Alfons (2004, S. 525 ff.), Linz, Behrmann u. a. (2004, S. 682 ff.), Auer (2005, S. 639 ff.) <?page no="220"?> 220 7 Marktpreise und Preisstatistik 7.3.2 Verkettung des Verbraucherpreisindex Der etwa alle f¨ unf Jahre stattfindende Wechsel des W¨agungsschemas des Verbraucherpreisindex macht f¨ ur die Betrachtung der Preisentwicklung ¨ uber einen l ¨ angeren Zeitraum hinweg eine Verkettung notwendig. Als Beispiel betrachten wird den Wechsel des W¨agungsschemas von 1995 auf das des Jahres 2000. Wir nehmen an, dass f ¨ ur das Jahr 2001 einmalig der Preisindex nach Laspeyres nach beiden Schemata, danach nur noch mit dem des Jahres 2000 ver¨offentlicht wird. F¨ ur das ¨ Uberlappungsjahr 2001 lautet der Preisindex mit Basisjahr 1995 P l 1995 , 2001 = ∑ n j =1 p 2001 j q 1995 j ∑ n j =1 p 1995 j q 1995 j und mit Basisjahr 2000 P l 2000 , 2001 = ∑ n j =1 p 2001 j q 2000 j ∑ n j =1 p 2000 j q 2000 j Soll die urspr ¨ ungliche Preisindexreihe ¨ uber das Jahr 2001 fortgef ¨ uhrt werden, m¨ ussen die Preisindizes der Jahre ab 2002 mit einem Verkettungsfaktor multipliziert werden. Der verkettete Preisindex f¨ ur das Jahr 2002 als N¨aherung f¨ ur den gew¨ unschten Index P l 1995 , 2002 wird ausgehend von P l 2000 , 2002 und den beiden Preisindizes der Verkettungsperiode ermittelt: P l,verk. 1995 , 2002 = P l 2000 , 2002 P l 1995 , 2001 P l 2000 , 2001 = ∑ n j =1 p 2002 j q 2000 j ∑ n j =1 p 2000 j q 2000 j ( ∑ n j =1 p 2001 j q 1995 j ∑ n j =1 p 1995 j q 1995 j ) ( ∑ n j =1 p 2001 j q 2000 j ∑ n j =1 p 2000 j q 2000 j ) = n ∑ j =1 p 2002 j q 2000 j n ∑ j =1 p 2001 j q 2000 j n ∑ j =1 p 2001 j q 1995 j n ∑ j =1 p 1995 j q 1995 j Dieser verkettete Index resultiert somit aus einer Fortschreibung des letzten verf ¨ ugbaren Indexstands mit der Ver ¨ anderung seit der Verkettungsperiode. Dieser verkettete Index enth¨alt sowohl die isolierte Preisver¨anderung von 2002 gegen¨ uber 2001 als auch von 2001 gegen¨ uber 1995. Allerdings wurden diese beiden Preisver¨anderungen mit unterschiedlichen <?page no="221"?> 7.3 Entwicklung der Verbraucherpreise 221 Jahr Preisindex 1880 1900 1920 1940 1960 1980 2000 0 20 40 60 80 100 120 Abbildung 7.1 Preisentwicklung 1881 bis 2010, 2005=100. Ordinate: Preisindex. W ¨ agungsschemata ermittelt, so dass der resultierende verkettete Index auch Mengenver ¨ anderungen enth ¨ alt. Somit stellt der verkettete Index nicht die isolierte Preisver¨anderung von 2002 gegen¨ uber 1995 dar. 7.3.3 Entwicklung der Verbraucherpreise seit 1881 Das Statistische Bundesamt ver¨offentlicht in der Fachserie 17 Preise (Statistisches Bundesamt, Fachserie 17, Preise, Verbraucherpreisindizes f ¨ ur Deutschland, Jahresbericht 2010, Wiesbaden 2011) eine lange Zeitreihe zur Entwicklung der Verbraucherpreise, die bis 1881 zur ¨ uckreicht (vgl. Abb. 7.1). F ¨ ur die Zusammenstellung mussten dabei mehrere Indexreihen verwendet werden, die sich auf verschiedene Gebietsst ¨ ande und verschiedene Haushaltstypen beziehen. Die genaueren Angaben ¨ uber die verketteten Indexreihen ¨ ubernehmen wir vom Statistischen Bundesamt. Folgende Daten dienten als Grundlage der Nachweisung: F¨ ur die Jahre 1881 bis 1918 ist der Durchschnitt aus 10 Indexziffern (Ern¨ahrung) verschiedener privater Autoren ermittelt worden. In den Jahren 1914 bis 1923 wurde die Preisentwicklung in den wichtigsten Teilbereichen der Lebenshaltung durch die amtliche Statistik beobachtet. F ¨ ur die Zeit von 1914 bis 1919 wurde der Durchschnitt aus den G ¨ utergruppen Ern ¨ ahrung, Wohnung, Hausrat und Bekleidung berechnet, f ¨ ur die Jahre 1920 und 1921 der Durchschnitt aus den G¨ utergruppen Ern¨ahrung, Wohnung, Heizung, Beleuchtung und <?page no="222"?> 222 7 Marktpreise und Preisstatistik Jahr In ationsrate 1880 1900 1920 1940 1960 1980 2000 -10 -5 0 5 10 15 20 Abbildung 7.2 Prozentuale Ver ¨ anderung des Preisindex 1881 bis 2010, 2010=100, Wertebereich -10% bis +20%. Ordinate: Prozent. Bekleidung. Wegen der sprunghaften Geldentwertung erschien eine Berechnung f¨ ur die Jahre 1922 und 1923 nicht angebracht. Indizes, die die Verbraucherpreisentwicklung in allen Bereichen der Lebenshaltung in Deutschland aufzeigen, werden seit 1924 berechnet. Das Statistische Reichsamt ver¨offentlichte bis 1944 die ”Reichsindexziffer f¨ ur die Lebenshaltungskosten“. Seit 1945 werden verschiedene Preisindizes f¨ ur die Lebenshaltung vom Statistischen Bundesamt bzw. dessen Vorg¨angerorganisation berechnet. Der Reihe liegt von 1945 bis 1961 der ”Preisindex f¨ ur die Lebenshaltung von 4-Personen-Haushalten von Arbeitern und Angestellten mit mittlerem Einkommen“ zu Grunde. Ab 1962 ist der ” Preisindex f ¨ ur die Lebenshaltung aller Privaten Haushalte“ in den jeweiligen Gebietsst¨anden maßgeblich. Die Jahresdurchschnitte ab 1949 wurden als arithmetisches Mittel aus den gerundeten Monatsindizes berechnet und auf eine Nachkommastelle gerundet. Bei der Berechnung der Monatswerte ab Juni 1948 wurden die jeweils auf der Originalbasis berechneten Indizes zu Grunde gelegt. Abbildung 7.2 zeigt bis zum Beginn der extremen Inflation im Jahre 1915 einen sehr erratischen Verlauf mit m¨aßigen Preisver¨anderungen. F¨ ur die Jahre der Hyperinflation 1920 bis 1924 werden keine Preisver¨anderungen ausgewiesen. In den Jahren der Depression 1931 und 1932 betragen die <?page no="223"?> 7.3 Entwicklung der Verbraucherpreise 223 Preisr¨ uckg¨ange -8,1% und -11,4%. In den Jahren unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg zeigen sich extreme Preisver¨anderungen (1948: 15,3%, 1950: - 6,2%). In den Jahren 1971 bis 1975 sowie in den Jahren 1980 bis 1982 waren Inflationsraten von ¨ uber 5% zu verzeichnen. Seit Mitte der 90er Jahre sind die Preisver¨anderungen sehr moderat. 7.3.4 Der harmonisierte Verbraucherpreisindex der EU F¨ ur Deutschland wird neben dem Verbraucherpreisindex (VPI) auch der Harmonisierte Verbraucherpreisindex der EU (HVPI) ausgewiesen. Die beiden Indizes beruhen auf den gleichen Preisdaten, unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der Einbeziehung bzw. Gewichtung der G¨ utergruppen und der verwendeten Indexformel. Anders als im HVPI sind im VPI die Gl ¨ ucksspiele (0,6%), die Kfz-Steuer und Zulassungsgeb ¨ uhr (0,7%) und das selbstgenutzte Wohneigentum (11,1%) enthalten. Der VPI ist ein reiner Laspeyres-Preisindex, aktuell mit dem Basisjahr 2010. Die Preismesszahlen p tj / p 2010 j der G¨ uter j werden mit den Gewichten g 2010 j = p 2010 j q 2010 j ∑ n k =1 p 2010 k q 2010 k aus dem Jahr 2010 gewichtet. Der HVPI ist als Kettenindex auf Vorjahresbasis konstruiert. ” Bei der Berechnung der HVPI steht die Aktualit¨at der Gewichte im Vordergrund. Seit Januar 2012 werden die Grobgewichte des HVPI unter Verwendung von vorl¨aufigen Ergebnissen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen vom Vorvorjahr (t-2) j ¨ ahrlich aktualisiert. Eine Korrektur von Vergangenheitswerten wird nicht vorgenommen. Die Ergebnisse f¨ ur den HVPI werden ¨ uber den Dezemberwert des Vorjahres miteinander verkettet. Neben der j¨ahrlichen Grobgewichtung ist alle f¨ unf Jahre eine Aktualisierung der Feingewichte vorgesehen. Beim VPI werden methodische Anpassungen und ¨ Anderungen der Ausgabengewichte grunds¨atzlich nur im Rahmen der turnusm¨aßigen ¨ Uberarbeitung vorgenommen. Dies gew¨ahrleistet die volle zeitliche Vergleichbarkeit zwischen den ¨ Uberarbeitungen.“ So ergibt sich z.B. die Preisver¨anderung des Jahres 2008 gegen¨ uber 2006 aus dem wenig durchschaubaren Konstrukt HV P I 2006 , 2007 HV P I 2007 , 2008 = n ∑ j =1 p 2007 j p 2006 j p 2006 j q 2000 j ∑ n k =1 p 2006 k q 2000 k · n ∑ j =1 p 2008 j p 2007 j p 2007 j q 2005 j ∑ n k =1 p 2007 k q 2005 k <?page no="224"?> 224 7 Marktpreise und Preisstatistik Tabelle 7.5 Gewichtung im Verbraucherpreisindex (VPI, 2010) und im harmonisierten Verbraucherpreisindex der (HVPI, 2008). Nr. Bezeichnung VPI HVPI 01 Nahrungsmittel und alkoholfreie Getr¨anke 102,71 122,59 02 Alkoholische Getr¨anke u. Tabak 37,59 44,73 03 Bekleidung und Schuhe 44,93 53,37 04 Wohnung, Wasser, Elekt., Gas u. and. Brennstoffe 317,29 230,84 05 Hausrat und laufende Instandhaltung des Hauses 49,78 60,96 06 Gesundheitspflege 44,44 43,97 07 Verkehr 134,73 145,04 08 Nachrichten¨ ubermittlung 30,10 31,11 09 Freizeit und Kultur 114,92 121,27 10 Erziehung und Unterricht 8,80 11,48 11 Restaurants und Hotels 44,67 51,14 12 Verschiedene Waren und Dienstleistungen 70,04 83,49 Die Tabelle 7.5 enth¨alt f¨ ur den VPI (ab 2010) und den HVPI des Jahres 2008 (Mengen 2005, Preise 2007) die Gewichte der 12 Gruppen der Classification of Individual Consumption by Purpose (COICOP), die der deutschen Systematik der Einnahmen und Ausgaben der Privaten Haushalte (SEA) entspricht. Trotz der konzeptionellen Unterschiede sind die empirischen Ergebnisse relativ ¨ahnlich. Die Differenzen im Zeitraum 1996 bis 2018 der j¨ahrlichen Ver¨anderungsraten betragen maximal 0,5%, im Mittel (arithm. Mittel der absoluten Abweichungen) 0,15%. 7.4 Regionale Preisniveauvergleiche 7.4.1 Bilaterale Preisniveauvergleiche Prinzipiell lassen sich hier die Methoden des tempor ¨ aren Preisniveauvergleichs zwischen Periode t 0 und t 1 direkt ¨ ubertragen. Anstelle verschiedener Perioden werden nun verschiedene Regionen betrachtet. Allerdings treten bei interregionalen Vergleichen spezifische Probleme auf. Betrachten wir den Fall des bilateralen Vergleichs: Es interessiert z.B. ein Preisvergleich zwischen Region r 0 und Region r 1 mit Region r 0 als Basisregion, so dass der Preisindex angibt, um wie viel Prozent die Preise in der Region r 1 ¨ uber oder unter denen der Basisregion r 0 liegen. Offensichtlich k ¨ onnen analog wie beim tempor ¨ aren Preisvergleich die Mengen der Basisregion r 0 (analog zum Laspeyres Index) verwendet <?page no="225"?> 7.4 Regionale Preisniveauvergleiche 225 werden: P l r 0 ,r 1 = n ∑ j =1 p r 1 j q r 0 j n ∑ j =1 p r 0 j q r 0 j . In diesem Fall stammen die Gewichte q r 0 j der n verschiedenen betrachteten G¨ uter aus Basisregion r 0 . Alternativ kann ein Index auch mit G¨ utern der Region r 1 als Gewichtung (analog Paasche Index) verwendet werden. Es resultiert: P p r 0 ,r 1 = n ∑ j =1 p r 1 j q r 1 j n ∑ j =1 p r 0 j q r 1 j Nur f¨ ur den Fall, dass in beiden Regionen die gleichen G¨ uter in vergleichbarer Qualit ¨ at zu beobachten sind und in beiden Regionen ann ¨ ahernd gleiche Verbrauchsgewohnheiten vorliegen, f¨ uhren beide Rechenformeln zu ¨ahnlichen Ergebnissen. Bei Regionen (etwa entfernt liegenden L¨andern) mit stark unterschiedlichen typischen Warenk¨orben h¨angt das Ergebnis des Preisvergleichs stark von der Wahl der Basisregion ab. Werden m bilaterale Vergleiche mit fester Basisregion (z.B. r 0 ) durchgef ¨ uhrt, lassen sich die bilateralen Vergleiche zwischen verschiedenen Regionen einfach ermitteln. Betrachten wir zus¨atzlich einen Preisvergleich zwischen Region r 1 und Region r 2 mit Basisregion r 0 : P l r 0 ,r 2 = n ∑ j =1 p r 2 j q r 0 j n ∑ j =1 p r 0 j q r 0 j Aus den beiden bilateralen Preisindizes P l r 0 ,r 1 und P l r 0 ,r 2 l¨asst sich dann der Preisvergleich zwischen Region r 1 und Region r 2 ermitteln: P l r 1 ,r 2 , ( r 0 ) = P l r 0 ,r 2 P l r 0 ,r 1 = n ∑ j =1 p r 2 j q r 0 j n ∑ j =1 p r 0 j q r 0 j n ∑ j =1 p r 1 j q r 0 j n ∑ j =1 p r 0 j q r 0 j = n ∑ j =1 p r 2 j q r 0 j n ∑ j =1 p r 1 j q r 0 j Zu beachten ist allerdings, dass die Gewichte jeweils aus der Basisregion <?page no="226"?> 226 7 Marktpreise und Preisstatistik r 0 stammen. Der so entstandene Vergleich ist damit kein echter Laspeyres- Index mehr. Dieser Index (P l r 1 ,r 2 ) h¨atte Gewichte der Basisregion r 1 . 7.4.2 Multilaterale Preisniveauvergleiche Problematisch sind multilaterale Preisvergleiche, wenn keine einzelne der m Regionen als feste Basisregion festgelegt werden soll. Erm¨oglicht werden k¨onnen solche Vergleiche, wenn ein konstantes Gewichtungsschema q r b j verwendet wird. Bei Wahl eines konstanten Gewichtungsschemas q r b j entsprechen sich die direkt und die indirekt (im Beispiel ¨ uber die Vergleiche mit Region r 0 ) ermittelten Indizes: P l r 0 ,r 2 , ( r b ) P l r 0 ,r 1 , ( r b ) = n ∑ j =1 p r 2 j q r b j n ∑ j =1 p r 0 j q r b j n ∑ j =1 p r 1 j q r b j n ∑ j =1 p r 0 j q r b j = n ∑ j =1 p r 2 j q r b j n ∑ j =1 p r 1 j q r b j = P l r 1 ,r 2 , ( r b ) Ein derartiges Gewichtungsschema muss allerdings f ¨ ur alle m L ¨ ander hinreichend typisch sein. Internationale Kaufkraftvergleiche sind aufgrund der oftmals großen Unterschiede in den Verbrauchsgewohnheiten in extremem Maße von der Wahl der Gewichtung (Warenkorb) abh¨angig. 7.4.3 Verbauchergeldparit¨aten Das Statistische Bundesamt ver ¨ offentlichte bis Ende 2009 sogenannte Verbauchergeldparit¨aten f¨ ur 116 L¨ander (Fachserie 17, Reihe 10 ”Internationaler Vergleich der Verbraucherpreise“). Hierbei wurde ein deutscher Warenkorb aus ca. 200 verschiedenen Waren zugrunde gelegt. Die Preise wurden in Berlin und in den jeweiligen Landeshauptst ¨ adten erhoben. Das Verh ¨ altnis des Preises f ¨ ur den Warenkorb in Region r 1 zu dem in Region r 0 wird als Verbrauchergeldparit¨at bezeichnet. P l r 0 ,r 1 = V GP r 0 ,r 1 = n ∑ j =1 p r 1 j q r 0 n ∑ j =1 p r 0 j q r 0 W¨ahrung r 1 W¨ahrung r 0 <?page no="227"?> 7.4 Regionale Preisniveauvergleiche 227 Aus dem Verh¨altnis des Preisniveauvergleichs (Warenkorbpreis in r 1 in Landesw¨ahrung von r 1 zu Warenkorbpreis in r 0 in Landesw¨ahrung von r 0 ) und dem Devisenkurs D r 0 ,r 1 (Preis f¨ ur eine Einheit der W¨ahrung von r 0 in Einheiten der W¨ahrung in r 1 am Devisenmarkt) kann das relative Preisniveau (RP N ) ermittelt werden. Das relative Preisniveau RP N r 0 ,r 1 = V GP r 0 ,r 1 D r 0 ,r 1 gibt an, wie viel Prozent seiner urspr ¨ unglichen Kaufkraft jemand aus Land r 1 besitzt, wenn er seine W ¨ ahrung von r 0 in W ¨ ahrung von r 1 tauscht und in r 0 den Warenkorb kauft. Ein RP N r 0 ,r 1 = 1 , 1 besagt somit, dass das Verh ¨ altnis der Warenkorbpreise ( r 1 zu r 0 ) um 10% ¨ uber dem Devisenkurs liegt. In diesem Fall k ¨ onnen beim Tausch von W¨ahrung von r 1 in W¨ahrung von r 0 mit dem erhaltenen Geld in r 0 10% mehr Waren als urspr ¨ unglich in r 1 erworben werden. D.h. es entsteht ein Kaufkraftgewinn f ¨ ur Verbraucher aus r 1 . Umgekehrt k ¨ onnen nach dem Tausch von W ¨ ahrung von r 0 in W ¨ ahrung von r 1 in Land r 1 9 , 1% weniger Waren als urspr ¨ unglich in r 0 erworben werden. So kostete z.B. im August 2008 der deutsche Warenkorb in der T¨ urkei das 1, 886 − fache in T¨ urkischen Lira wie in Euro: V GP D,T = 1, 8860 Am Devisenmarkt kostete ein Euro 1, 7669 T¨ urkische Lira D D,T = 1, 7669 Hieraus resultiert ein Kaufkraftindex von 106, 74 RP N D,T = V GP D,T D D,T = 1, 8860 1, 7669 = 1, 0674 Das heißt, die Verbrauchergeldparit¨at in der T¨ urkei war um 6, 74% h¨oher als der Devisenkurs. Hieraus resultiert ein prozentualer Kaufkraftverlust f ¨ ur eine Deutsche beim Verbrauch des deutschen Warenkorbs in der T¨ urkei von ( 1 RP N D,T − 1 ) · 100 = − 6, 31 Seit dem Jahr 2010 ver ¨ offentlicht das Statistische Bundesamt keine Kaufkraftvergleiche mehr, sondern verweist lediglich auf Publikationen <?page no="228"?> 228 7 Marktpreise und Preisstatistik von Eurostat f ¨ ur europ ¨ aische Kaufkraftvergleiche und die OECD f ¨ ur internationale Kaufkraftvergleiche. 7.4.4 Internationale Preisvergleiche der OECD Die OECD ver¨offentlicht Kaufkraftparit¨aten f¨ ur eine Vielzahl von L¨andern. Das Verfahren der Berechnung erfolgt dabei in mehreren Schritten. Zun ¨ achst werden bilateral (f ¨ ur die Regionen r 0 und r 1 ) jeweils zwei Preisindizes P l r 0 ,r 1 und P p r 0 ,r 1 berechnet. Diese Preisindizes werden mit der Methode der Messziffernmittelung berechnet. F ¨ ur G ¨ utergruppen (Index j = 1 bis j = n ) werden n j einzelne Preismesszahlen ermittelt und geometrisch gemittelt: p r 1 j p r 0 j = n j √ √ √ √ n j ∏ i =1 p r 1 i p r 0 i Diese n Preismesszahlen werden anschließend gewichtet gemittelt. Die OECD verwendet dabei zwei unterschiedliche Gewichtungsverfahren. Als Gewichte dienen entweder die Anteile der G ¨ utergruppen am Bruttoinlandsprodukt oder die Anteile an den privaten Konsumausgaben. Die Verwendung der Anteile der G¨ utergruppen am Bruttoinlandsprodukt ist wegen des Abzugs der Importe besonders problematisch, da theoretisch negative Gewichte entstehen k ¨ onnen. Bezeichnen wir die Anteile der G¨ utergruppen in den beiden Regionen mit g r 0 j bzw. g r 1 j , dann resultiert der Laspeyres-Index als P l r 0 ,r 1 = n ∑ j =1 p r 1 j p r 0 j g r 0 j und der Paasche-Index als P p r 0 ,r 1 = 1 ∑ n j =1 p r 0 j p r 1 j g r 1 j Aus den beiden Indizes wird der Fisher-Index P f r 0 ,r 1 als geometrisches Mittel berechnet: P f r 0 ,r 1 = √ P l r 0 ,r 1 P p r 0 ,r 1 Auf diese Weise entsteht f ¨ ur m zu vergleichende Regionen eine m × m Matrix mit bilateralen Fisher-Indizes. Diese Indizes sind jedoch nicht <?page no="229"?> 7.4 Regionale Preisniveauvergleiche 229 transitiv, weil bei zwei bilateralen Preisvergleichen unterschiedliche Mengenstrukturen verwendet wurden. Betrachten wir eine dritte Region r 2 , dann gilt ¨ ublicherweise: √ P l r 0 ,r 1 P p r 0 ,r 1 = P f r 0 ,r 1 = P f r 0 ,r 2 P f r 2 ,r 1 = √ P l r 0 ,r 2 P p r 0 ,r 2 √ P l r 2 ,r 1 P p r 2 ,r 1 Transitivit¨at wird dann hergestellt, indem jeder bilaterale Fisher-Index durch das geometrische Mittel der direkten und aller indirekten Preisvergleiche ersetzt wird. Bei dieser geometrischen Mittelung gehen der direkte Preisvergleich quadriert und die indirekten einfach ein: P f,trans r 0 ,r 1 = 4 √ ( P f r 0 ,r 1 ) 2 P f r 0 ,r 2 P f r 2 ,r 1 Allgemein k¨onnen wir dies f¨ ur den Vergleich der Region r 2 zu r 1 notieren als: P f,trans r 1 ,r 2 = 2( m− 1) √ √ √ √ m ∏ i =1 ,i =1 P f r 1 ,r i m ∏ k =1 ,k =2 1/ P f r 2 ,r k Veranschaulichen wir uns das Verfahren mit folgender kleinen Beispieltabelle r 0 r 1 r 2 r 0 P f r 0 ,r 0 = 1 P f r 1 ,r 0 = 0, 5 P f r 2 ,r 0 = 1/ 3 r 1 P f r 0 ,r 1 = 2 P f r 1 ,r 1 = 1 P f r 2 ,r 1 = 0, 5 r 2 P f r 0 ,r 2 = 3 P f r 1 ,r 2 = 2 P f r 2 ,r 2 = 1 Offenkundig gilt keine Transitivit¨at: P f r 0 ,r 1 = 2 = 3 · 0, 5 = P f r 0 ,r 2 P f r 2 ,r 1 Ermitteln wir die gewichteten geometrischen Mittel aus den direkten und indirekten Preisvergleichen: P f,trans r 0 ,r 1 = 4 √ ( P f r 0 ,r 1 ) 2 P f r 0 ,r 2 P f r 2 ,r 1 = 4 √ 2 2 · 3 · 0, 5 = 1, 565 1 P f,trans r 0 ,r 2 = 4 √ ( P f r 0 ,r 2 ) 2 P f r 0 ,r 1 P f r 1 ,r 2 = 4 √ 3 2 · 2 · 2 = 2. 449 5 P f,trans r 1 ,r 2 = 4 √ ( P f r 1 ,r 2 ) 2 P f r 1 ,r 0 P f r 0 ,r 2 = 4 √ 2 2 · 0, 5 · 3 = 1. 565 1 <?page no="230"?> 230 7 Marktpreise und Preisstatistik Tabelle 7.6 Relative Preisniveaus (Privater Konsum) gegen ¨ uber 35 L ¨ andern nach transitiven Indizes der OECD im November 2018. Country CPL Country CPL 1 Switzerland 148 Japan 103 2 Norway 141 Italy 95 3 Iceland 139 Korea 92 4 Denmark 131 Spain 89 5 Israel 123 Portugal 81 6 Luxembourg 121 Greece 81 7 Australia 121 Slovenia 80 8 Ireland 119 Estonia 76 9 New Zealand 119 Chile 75 10 Finland 116 Latvia 70 11 Sweden 113 Slovak Republic 67 12 United Kingdom 112 Czech Republic 66 13 Canada 110 Lithuania 63 14 United States 109 Hungary 59 15 Netherlands 107 Mexico 57 16 Belgium 107 Poland 54 17 France 105 Turkey 42 18 Austria 105 Von der Transitivit¨at k¨onnen wir uns nun ¨ uberzeugen: P f,trans r 0 ,r 1 = 1, 565 1 = 2, 449 5 · 1/ 1, 565 1 = P f,trans r 0 ,r 2 P f,trans r 2 ,r 1 Zu beachten ist, dass die gew ¨ unschte Eigenschaft der Transitivit ¨ at auf Kosten einer m¨oglichen Interpretierbarkeit erreicht wird. Die resultierende transitive Indexzahl ist bereits bei nur drei Regionen ein nicht mehr durchschaubares Konstrukt aus unterschiedlichen Preisen und Mengen: P f,trans r 0 ,r 1 = 4 √ ( P f r 0 ,r 1 ) 2 P f r 0 ,r 2 P f r 2 ,r 1 = 4 √ P l r 0 ,r 1 P p r 0 ,r 1 ( P l r 0 ,r 2 P p r 0 ,r 2 ) 0 , 5 ( P l r 2 ,r 1 P p r 2 ,r 1 ) 0 , 5 = 4 √ √ √ √ √ √ √ ∑ m j =1 p r 1 j q r 0 ∑ m j =1 p r 0 j q r 0 ∑ m j =1 p r 1 j q r 1 ∑ m j =1 p r 0 j q r 1 √ ∑ m j =1 p r 2 j q r 0 ∑ m j =1 p r 0 j q r 0 √ ∑ m j =1 p r 2 j q r 2 ∑ m j =1 p r 0 j q r 2 √ ∑ m j =1 p r 1 j q r 2 ∑ m j =1 p r 2 j q r 2 √ ∑ m j =1 p r 1 j q r 1 ∑ m j =1 p r 2 j q r 1 Diese transitiven regionalen Preisindizes werden auch als ” Purchasing <?page no="231"?> 7.4 Regionale Preisniveauvergleiche 231 Switzerland Norway Iceland Denmark Israel Luxembourg Australia Ireland New Zealand Finland Sweden United Kingdom Canada United States Netherlands Belgium France Austria Japan Italy Korea Spain Portugal Greece Slovenia Estonia Chile Latvia Slovak Republic Czech Republic Lithuania Hungary Mexico Poland Turkey 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 Abbildung 7.3 Transitive Kaufkraftindizes der OECD f¨ ur Deutschland, Stand November 2018. Power Parities (PPP)“ bezeichnet. Kaufkraftvergleiche resultieren aus der Division von P f,trans r 0 ,r 1 durch den Devisenkurs D r 0 ,r 1 . Die folgende Tabelle zeigt f¨ ur den Monat Oktober des Jahres 2011 die resultierenden Kaufkraftvergleiche f¨ ur Deutschland gegen¨ uber anderen L¨andern. Bezeichnen wir Deutschland als Region r 0 und ein anderes Land als r k , wird das Preisniveau in r k relativ zu dem in Deutschland als ”Comparative Price Level (CPL)“ bezeichnet und berechnet als CP L r 0 ,r k = P f,trans r 0 ,r k D r 0 ,r k Die Werte werden mit dem Faktor 100 multipliziert ausgewiesen. Der Wert CP L Germany,Italy = 0, 95 besagt vorbehaltlich der angesprochenen Problematik - , dass das Preisniveau in Italien im November des Jahres 2018 um 5% unter dem Preisniveau in Deutschland lag. Die Tabelle 7.6 und die Graphik 7.3 zeigen die Preisniveauvergleiche (Stand November 2018) f¨ ur Deutschland mit 35 L¨andern. Auff¨allig ist das sehr hohe relative Preisniveau der Schweiz. Hieraus resultiert beim Tausch von Euro in Schweizer Franken f¨ ur eine Deutsche in der Schweiz ein Kaufkraftverlust von 32% ((1/ 1, 48 − 1) · 100). Bemerkenswert ist auch die Erh¨ohung der <?page no="232"?> 232 7 Marktpreise und Preisstatistik Jahr PPP D ,U SA, D D ,U SA, CPL D ,U SA 1960 1970 1980 1990 2000 2010 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 PPP D ,U SA D D ,U SA CPL D ,U SA Abbildung 7.4 Entwicklung von Verbrauchergeldparit ¨ at, Devisenkurs und relativem Preisniveau f¨ ur Deutschland und die USA seit 1960. Kaufkraft ((1/ 0, 42 − 1) · 100) beim Tausch von Euro in T¨ urkische Lira und Konsum in der T¨ urkei um 138%. F¨ ur den langen Zeitraum 1960 bis 2017 zeigt die Graphik 7.4 die Entwicklung des relativen Preisniveaus von den USA zu Deutschland P f,trans D,U SA = P P P D,U SA , den Devisenkurs D D,U SA und das aus der Division resultierende relative Preisverh¨altnis CP L D,U SA . Die D-Mark war demzufolge 1960 extrem unterbewertet. Diese Unterbewertung wurde weitgehend kontinuierlich bis Anfang der 70er zur¨ uckgef¨ uhrt. In den 80er Jahren zeigt sich erneut eine Unterbewertung der D-Mark, in den 90er Jahren demgegen¨ uber eine leichte ¨ Uberbewertung. Seit 2003 erscheint der Euro dem relativen Preisniveauvergleich zufolge gegen¨ uber dem Dollar geringf¨ ugig unterbewertet. 7.4.5 Internationale Preisvergleiche f¨ ur ein Gut ” The Big Mac Index“ wurde in der Zeitschrift ” The Economist“ im September 1986 von Pam Woodall als nicht ganz ernste Alternative zu herk ¨ ommlichen Kaufkraftvergleichen vorgestellt. Der Warenkorb ist denkbar einfach: Ein Big Mac. Wegen der Homogenit ¨ at des Big Mac handelt es sich praktisch in allen L ¨ andern um ” das gleiche Gut“. Es werden seither in ausgew ¨ ahlten L ¨ andern in gr ¨ oßeren Zeitabst ¨ anden die <?page no="233"?> 7.4 Regionale Preisniveauvergleiche 233 Switzerland Norway Denmark Israel Australia Ireland New Zealand Finland Sweden Canada United States Belgium Netherlands Austria France Japan Germany Italy Spain Greece Portugal Estonia Chile Latvia Czech Republic Lithuania Hungary Mexico Poland Turkey 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 CPL CPL (BigMac) Abbildung 7.5 Relative Preisniveaus im Jahr 2018 nach Daten der OECD und auf Basis des Big Mac. Preise f ¨ ur einen Big Mac in lokaler W ¨ ahrung erfasst. Zusammen mit aktuellen Devisenkursen lassen sich somit Kaufkraftvergleiche anstellen. Betrachten wir als Beispiel die Kaufkraft einer US B¨ urgerin beim Kauf eines Big Mac im Januar 2018 in der T¨ urkei. Der Preis in lokaler W¨ahrung in den USA betr¨agt p U S = 5, 28 ( $ ). Der Devisenkurs betrug im gleichen Monat D U S,T = 3 , 80 Lira/ Dollar bzw. D T ,U S = 0 , 26 Dollar/ Lira. Der Big Mac-Preis in den USA in Lira ausgedr¨ uckt ist: p ∗ U S = p U S / D T ,U S = 5, 28 0, 26 Dollar Dollar Lira = 20.31 Lira In der T ¨ urkei betrug der Preis p = 10 , 75 Lira. Hieraus resultiert ein Kaufkraftgewinn f¨ ur eine US-B¨ urgerin von 89% beim Kauf eines Big Mac in der T¨ urkei: p U S p T ¨ urkei D T ,U S = 5 , 28 10 , 75 1 3 , 80 = 0, 49 0, 26 = p ∗ U S p T ¨ urkei = 20, 31 10, 75 = 1.89 Es resultiert nat¨ urlich das gleiche Ergebnis, wenn der Big Mac-Preis in der T¨ urkei mit Hilfe des Devisenkurses in Dollar umgerechnet wird, also <?page no="234"?> 234 7 Marktpreise und Preisstatistik 40 60 80 100 120 140 cpl cpl (BigMac) 40 60 80 100 120 140 r = 0.86 Abbildung 7.6 Korrelation der relativen Preisniveaus nach OECD und auf Basis des Big Mac. die Preise in Dollar verglichen werden: p U S p T ¨ urkei D T ,U S = 5 , 28 10 , 75 0, 26 = 5, 28 2, 80 = p U S p ∗ T ¨ urkei = 1, 89 Da nur ein einziges Gut betrachtet wird, sind die mit Hilfe nur eines Gutes berechneten Parit¨aten transitiv. Vergleichen wir die von der OECD ausgewiesenen relativen Preisniveaus und die Big Mac-Parit¨aten im November (OECD) bzw. Januar 2018 (Big-Mac), stellen wir eine ausgesprochen hohe Korrelation (r=0.86) fest. Die Kaufkraftdifferenzen nach den relativen Preisniveaus der OECD sind geringf¨ ugig h¨oher als bei der Betrachtung nur eines einzelnen Gutes. <?page no="235"?> 7.5 Aufgaben 235 7.5 Aufgaben 1. Betrachten Sie folgende Mengen und Preise von drei G ¨ utern in 2 Perioden: j t q p 1 0 3 4 1 1 4 5 2 0 5 5 2 1 3 10 3 0 2 7 3 1 6 6 a) Ermitteln Sie f¨ ur die drei G¨ uter die Preismesszahlen. b) Ermitteln Sie f ¨ ur beide Perioden die Ausgabenanteile f ¨ ur die G¨ utergruppen. c) Ermitteln Sie das mit den Ausgabenanteilen g t 0 j der Basisperiode gewichtete arithmetische Mittel der Preismesszahlen p t 1 j / p t 0 j . d) Berechnen Sie das Verh ¨ altnis des fiktiven Warenkorbs der Periode 0 bewertet mit Preisen der Periode 1 zu dem Wert des Warenkorbs in Periode 0. e) Ermitteln Sie das mit den Ausgabenanteilen der Berichtsperiode gewichtete harmonische Mittel der Preismesszahlen. f) Ermitteln Sie das Verh¨altnis des Warenkorbs der Periode 1 zum fiktiven Warenkorb der Periode 1 bewertet mit Preisen der Periode 0. g) Ermitteln Sie den Fisher-Preisindex. h) Ermitteln Sie das mit den Ausgabenanteilen der Basisperiode gewichtete geometrische Mittel der Preismesszahlen. i) Ermitteln Sie den T¨ornquist-Index (ein mit den mittleren Ausgabenanteilen gewichtetes geometrische Mittel der Preismesszahlen). j) Haben Sie eine Erkl ¨ arung daf ¨ ur, dass der Preisindex nach Laspeyres in diesem Beispiel deutlich ¨ uber dem Preisindex nach Paasche liegt? <?page no="236"?> 236 7 Marktpreise und Preisstatistik 2. Betrachten Sie folgende Preis- und Mengenentwicklung von 2 G¨ utern: Jahr Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2 Mengen Gut 1 2 3 4 Gut 2 7 6 5 Preise Gut 1 2 3 2 Gut 2 6 4 6 a) Ermitteln Sie die Preisver¨anderung von Periode 2 gegen¨ uber der Basisperiode 0 mittels eines Preisindex nach Laspeyres. b) Vergleichen Sie dieses plausible Ergebnis (Aufgabe 2a) mit der Preisver ¨ anderung von Periode 2 gegen ¨ uber der Basisperiode 0, die sich bei Verwendung eines Kettenindex vom Typ Laspeyres ergibt. 3. Betrachten Sie erneut die Mengen und Preise aus Aufgabe 1. a) Ermitteln Sie einen Wertindex f¨ ur die Periode t mit der Basisperiode 0. b) Welches Konstrukt erhalten Sie, wenn Sie den Wert (Ausgabensumme) der Berichtsperiode durch den Preisindex nach Paasche dividieren? c) Welches Konstrukt erhalten Sie, wenn Sie den Wertindex durch den Preisindex nach Paasche dividieren? 4. Gehen Sie von einer Person aus, die nachfolgende Nutzenfunktion hat U = q α 1 1 q α 2 2 = q 0 , 7 1 q 0 , 3 2 a) Ermitteln Sie in allgemeiner Notation die beiden Nachfragefunktionen q 1 = q 1 (E, α 1 , α 2 , p 1 ) und q 2 = q 2 (E, α 1 , α 2 , p 2 ). b) Welche Mengen w¨ urde sie von den beiden G¨ utern in der Basisperiode t 0 nachfragen, wenn sie ihren Nutzen maximieren wollte und 100 Euro ausgeben kann (Preise aus Aufgabe 1)? c) ¨ Uberpr¨ ufen Sie Ihr Ergebnis mit Hilfe der Budgetrestriktion. d) Ermitteln Sie auch die Nachfrage f¨ ur die Periode t 1 (E = 100). e) Ermitteln Sie f¨ ur beide Perioden die Ausgabenanteile der beiden G¨ uter. f) Um wie viel Prozent m ¨ ussen die Ausgaben von ihr steigen, <?page no="237"?> 7.5 Aufgaben 237 wenn sie bei optimalem Verhalten ihr Nutzenniveau beibehalten m¨ochte? g) ¨ Uberpr¨ ufen Sie, ob diese nutzenkompensierende Ausgabenerh¨ohung zwischen den Preisinizes von Paasche und Laspeyres liegt. 5. Das Denkkonstrukt einer Nutzenfunktion ist nicht unproblematisch. a) Wie viele G¨ uter w¨ urden wohl in Ihrer Nutzenfunktion Ber¨ ucksichtigung finden? b) Sehen Sie sich in der Lage, einen funktionalen Zusammenhang f¨ ur sich zu postulieren? c) Wie beurteilen Sie die zeitliche Konstanz Ihrer ” Nutzenfunktion“? d) Vermuten Sie, dass die Ausgestaltung Ihrer Nutzenfunktion unabh¨angig von Ihren sozialen und wirtschaftlichen Verh¨altnissen ist? 6. Erl¨autern Sie den deutschen Verbraucherpreisindex. Gehen Sie dabei auf folgende Punkte ein: Preiserhebung, Ermittlung des Gewichtungsschemas, Indexformel. 7. Vergleichen Sie die W ¨ agungsschemata des Verbraucherpreisindex der Jahre 1995, 2000, 2005 und 2010. Was sind die wesentlichsten Ver¨anderungen? 8. Welche spezifischen Probleme treten bei internationalen Preisniveauvergleichen auf ? 9. Erl¨autern Sie, wie Verbrauchergeldparit¨aten und internationale Kaufkraftvergleiche vom Statistischen Bundesamt ermittelt wurden. 10. F¨ ur August 2008 ergab sich eine Verbrauchergeldparit¨at von 9, 4082 D¨anischen Kronen gegen¨ uber einem Euro. Am Devisenmarkt mussten f¨ ur einen Euro 7, 4595 D¨anische Kronen bezahlt werden. Ermitteln Sie den Kaufkraftgewinn bzw. den -verlust f ¨ ur eine Deutsche beim Tausch von Euro in Kronen und Verbrauch des deutschen Warenkorbs in D¨anemark. 11. Nehmen Sie an, ein Big Mac kostet in den USA 3 $ , in Deutschland 2,5 Euro und der Devisenkurs $ je Euro betrage 1,3. Welchen Kaufkraftgewinn (bzw. -verlust) haben Sie bei dem Kauf eines Bic-Mac in den USA? 12. Erl ¨ autern Sie, welche Vorz ¨ uge und welche Nachteile der Big Mac- Index hat. <?page no="239"?> 8 Input-Output-Analysen 8.1 Input-Output-Tabellen 8.1.1 Gliederungen der G¨ uterproduktion 8.1.2 Die Bewertung von G¨ uterstr¨omen 8.1.3 Vorleistungen und Importe 8.1.4 Buchf¨ uhrung ¨ uber die Wertsch¨opfung 8.1.5 Darstellung der G¨ uterverwendung 8.1.6 Aufbau der Importtabelle 8.1.7 Daten- und Sch¨atzprobleme 8.2 Berechnungen mit IO-Tabellen 8.2.1 Aggregierte IO-Tabellen 8.2.2 Buchf¨ uhrungsgleichungen 8.2.3 Input-Output-Koeffizienten 8.2.4 Zurechnung von Vorleistungen 8.2.5 Zurechnung von Arbeitsleistungen 8.3 Input-Output-Modelle 8.3.1 Bruttoproduktion und Endnachfrage 8.3.2 Berechnung eines Beispiels 8.4 Aufgaben In Kapitel 6 wurden einfache Modelle besprochen, mit denen ¨ okonomische Abh¨angigkeitsbeziehungen in der gesellschaftlichen G¨ uterproduktion reflektierbar gemacht werden k¨onnen. Zur empirischen Ermittlung solcher Beziehungen dienen Input-Output-Tabellen, mit denen wir uns in diesem Kapitel besch¨aftigen. Die Grundidee besteht darin, Produktionsbereiche zu unterscheiden und zu untersuchen, welche Vorleistungen sie einsetzen und wie die von ihnen produzierten G¨ uter verwendet werden. Diese Idee hat eine lange Geschichte (vgl. Ott (1972), Fleissner, B¨ohme u. a. (1993, S. 22 ff.)). Erste Versuche, solche Tabellen f ¨ ur die BRD zu konstruieren, begannen Ende der 1950 er Jahre. Die erste Arbeit stammt von Krelle (1959). In den 1960 er Jahren folgten Arbeiten wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, insbesondere des Deutschen Instituts f¨ ur Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, des Ifo-Instituts in M¨ unchen und des Rheinisch-Westf¨alischen Instituts f¨ ur Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen. <?page no="240"?> 240 8 Input-Output-Analysen Box 8.1 Hinweise auf Publikationen des Statistischen Bundesamts. a) Dokumentation von Input-Output-Tabellen in der Reihe 2 der Fachserie 18: Berichtsjahr Erscheinungsjahr G¨ utergruppen Gliederung 1965 1972 49 a 1970 1977 60 b 1974 1981 60 b 1978 1983 58 c 1980 1984 58 c 1982 1987 58 c 1984 1988 58 c 1986 58 c 1988 58 c 1990 1994 58 c 1993 1997 58 c 1995 2000 59 d 1995-2007 2017 71 e 2008-2010 73 f 2010-2015 2018 72 g b) Eine erste Input-Output-Tabelle mit 35 Sektoren wurde bereits f ¨ ur das Berichtsjahr 1960 (sp¨ater umgerechnet f¨ ur 1959) im Auftrag des Statistischen Amts der Europ¨aischen Gemeinschaften erstellt. Dar¨ uber berichten Bartels, Hanisch u. a. (1965). In einer auf 12 Bereiche aggregierten Form findet man die Daten bei Bleses und Stahmer (1994, S. 336 f.). c) In einigen der in der Tabelle angegebenen Publikationen werden auch revidierte Ergebnisse f ¨ ur fr ¨ uhere Berichtsjahre angegeben. Z.B. enth ¨ alt der Bericht f ¨ ur 1974 auch eine revidierte Tabelle f ¨ ur 1970, die die 1977 abgeschlossenen Revisionen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ber ¨ ucksichtigt; und der Bericht f ¨ ur 1990 enth ¨ alt revidierte Tabellen f ¨ ur 1986 und 1988. d) Weiterhin ist ein in der Reihe S. 12 der Fachserie 18 erschienenes Sonderheft zu erw ¨ ahnen, in dem j ¨ ahrliche Input-Output-Tabellen f ¨ ur den Zeitraum 1970 bis 1986 ver¨offentlicht wurden. e) Schließlich ist auch auf Aufs¨atze in der Zeitschrift Wirtschaft und Statistik hinzuweisen. Einige werden in diesem Text zitiert. Eine ¨ Ubersicht findet man in Fachserie 18, Reihe 2, 1995 S. 200 ff. f) Die Tabellen der Jahre 1995 bis 2007 sind mit 71 Produktionsbereiche ausgewiesen (Revision 2005). g) Die Tabellen der Jahre 2008 bis 2010 sind mit 73 Produktionsbereiche ausgewiesen (Revision 2011). h) Aktuell werden die Tabellen mit 72 Produktionsbereiche ausgewiesen (Revision 2014). F¨ ur die Jahre ab 2010 liegen durch R¨ uckrechnung ebenfalls Tabellen nach Revision 2014 mit 72 Produktionsbereichen vor. <?page no="241"?> 8.1 Input-Output-Tabellen 241 In den 1960 er Jahren wurde auch im Statistischen Bundesamt mit der Erarbeitung von Input-Output-Tabellen begonnen. 1 Regelm ¨ aßige Ver¨offentlichungen gibt es jedoch erst seit 1972 in der Fachserie 18, Reihe 2 (Input-Output-Tabellen). ¨ Uber den gegenw ¨ artigen Stand informiert auch Bleses (2007). Box 8.1 gibt eine ¨ Ubersicht ¨ uber bisher publizierte Tabellen. Die folgenden Erl ¨ auterungen und Zahlen orientieren sich an der aktuellsten verf ¨ ugbaren Input-Output-Tabelle f ¨ ur das Jahr 2015. Zum Verweis auf die ausf ¨ uhrliche Dokumentation der Daten in der ¨ alteren Fachserie 18, Reihe 2 Input-Output-Rechung 1995 (erschienen 2000 im Verlag Metzler- Poeschel, Stuttgart). wird die Abk ¨ urzung Fachserie 18, Reihe 2, 1995 verwendet. Auf die aktuelle Fachserie des Jahres 2015 wird entsprechend mit FS18-R2-2015 (siehe Statistisches Bundesamt (2019a)) verwiesen. FS18-12G-2015 verweist auf die Aufteilung nach 12 G¨ utergruppen (siehe Statistisches Bundesamt (2019b)). Im April 2010 ist vom Statistischen Bundesamt die Ver ¨ offentlichung ”Input-Output-Rechnung im ¨ Uberblick“ erschienen (Kuhn 2010), die eine umfassende Darstellung der Methode und Begriffe enth¨alt. 8.1 Input-Output-Tabellen In diesem Abschnitt besprechen wir den Aufbau von Input-Output- Tabellen (im Folgenden kurz IO-Tabellen). 8.1.1 Gliederungen der G¨ uterproduktion Eine erste Frage bezieht sich auf die Definition der Produktionsbereiche, deren Verflechtung in einer Input-Output-Tabelle erfasst werden soll. Es gibt haupts¨achlich zwei unterschiedliche Gliederungsprinzipien: a) Man spricht von einer institutionellen Gliederung, wenn man von institutionell abgegrenzten Wirtschaftsunternehmen ausgeht, sie nach dem Schwerpunkt der von ihnen produzierten G¨ utersorten klassifiziert und dann zu Produktionsbereichen zusammenfasst. 1 Man vgl. Mai (1973). Hinweise zur Entwicklung und zum gegenw¨artigen Stand der Erstellung von Input-Output-Tabellen durch das Statistische Bundesamt findet man auch bei Bleses und Stahmer (1994) und bei Reich, St¨aglin u. a. (1995, S. 29 ff.). Eine umfassende ¨ Ubersicht ¨ uber Input-Output-Tabellen, die in der BRD bis Anfang der 1980 er Jahre erstellt wurden, hat St¨aglin (1982) zusammengestellt. <?page no="242"?> 242 8 Input-Output-Analysen b) Dagegen spricht man von einer funktionellen Gliederung, wenn man die Produktionsbereiche durch Klassen m¨oglichst homogener G¨ utersorten definiert, ohne sich zun¨achst an institutionellen Abgrenzungen zu orientieren. Je nachdem sind auch die in einer Input-Output-Tabelle erfassten G¨ uterstr¨ome unterschiedlich zu interpretieren. Geht man von einer institutionellen Gliederung aus, werden im Wesentlichen marktvermittelte Transaktionen von G ¨ utern erfasst; in der Literatur wird gelegentlich von ”Marktverflechtungstabellen“ gesprochen. Geht man dagegen von einer funktionellen Gliederung aus, soll erfasst werden, wie m ¨ oglichst homogene G ¨ uter produziert und verwendet werden, im Prinzip unabh ¨ angig davon, ob ihre Zirkulation marktvermittelt stattfindet oder nicht. In Input-Output-Tabellen, die von einer funktionellen Gliederung ausgehen, wird auch oft der Versuch gemacht, nicht marktvermittelte G¨ uterstr¨ome einzubeziehen. In der Literatur wird ¨ uberwiegend die Auffassung vertreten, dass beide Gliederungsm ¨ oglichkeiten sinnvoll sind und sich gegenseitig erg ¨ anzen k¨onnen (vgl. St¨aglin (1968, S. 19 ff.), Fleissner, B¨ohme u. a. (1993, S. 28 ff.) und Reich, St ¨ aglin u. a. (1995)). Dementsprechend werden auch beide Gliederungsm ¨ oglichkeiten in der Praxis verwendet. Zum Beispiel wird bei der Konstruktion von Input-Output-Tabellen im DIW von einer institutionellen Gliederung ausgegangen. Dazu heißt es in einem Bericht von St¨aglin und Wessels (1969, S. 5): ”Den gesamtwirtschaftlichen Tabellen liegt das institutionelle Prinzip der Sektorenbildung mit dem Unternehmen als der statistischen Einheit zugrunde, die Tabellen stellen also Matrizen der Marktverflechtung auf Unternehmensbasis dar. Die Unternehmen als die auf dem Markt wirtschaftlich selbst ¨ andig auftretenden Produktionseinheiten - definiert als kleinste selbst bilanzierende Einheiten - werden nach dem sogenannten Schwerpunktprinzip vollst¨andig dem Sektor zugeteilt, auf den der ¨ uberwiegende Teil ihrer wirtschaftlichen T ¨ atigkeit entf¨allt. Das hat statistisch gesehen den Vorteil, daß eine Aufspaltung der heterogenen Produktionsprogramme der Unternehmen nach Produkten bzw. Produktgruppen vermieden und somit das Problem der Behandlung der Neben- und Kuppelprodukte weitgehend vermieden werden kann. Die Wahl des Unternehmens als Produktionseinheit macht es auch m¨oglich, die 2 An einer funktionellen Gliederung orientieren sich auch die Vorgaben des Statistischen Amts der Europ ¨ aischen Gemeinschaften. ¨ Uber die zunehmende Bedeutung dieser Vorgaben f¨ ur die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) und speziell die Aufstellung von Input-Output-Tabellen findet man zahlreiche Informationen bei Reich, St¨aglin u. a. (1995, S. 15 ff.). <?page no="243"?> 8.1 Input-Output-Tabellen 243 Input-Output-Tabellen vollst ¨ andig in das Kontensystem und die Ergebnisse der amtlichen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung f ¨ ur die Bundesrepublik Deutschland zu integrieren.“ Das Statistische Bundesamt geht nicht von einer institutionellen, sondern von einer funktionellen Gliederung aus. 2 In der Fachserie 18, Reihe 2, 1995 S. 15 gibt es folgende Erl¨auterungen: ”Im ESVG 3 1995 werden drei Arten statistischer Einheiten unterschieden: institutionelle Einheiten, ¨ortliche fachliche Einheiten, homogene Produktionseinheiten. Institutionelle Einheiten umfassen Einheiten, die entweder selbst bilanzieren oder bei denen es aus rechtlicher und wirtschaftlicher Sicht m¨oglich w¨are, eine vollst¨andige Rechnungsf¨ uhrung zu erstellen. [. . .] F ¨ ur eine institutionelle Einheit k ¨ onnen mehrere ¨ ortliche fachliche Einheiten nachgewiesen werden. ¨ Ortliche fachliche Einheiten k ¨ onnen bestimmt werden, wenn mindestens folgende Gr ¨ oßen vorliegen: Produktionswert, Vorleistungen, Arbeitnehmerentgelte, Betriebs¨ uberschuss, Besch¨aftigte und Bruttoanlageinvestitionen. Die ¨ ortliche fachliche Einheit entspricht in Deutschland in der Regel dem Unternehmen. [. . .]. Die Darstellungseinheit in den Input-Output-Tabellen ist die im Hinblick auf die Produktionstechnik und Inputstruktur m ¨ oglichst homogene Produktionseinheit. Sie ist unter streng fachlichen Gesichtspunkten abgegrenzt: Sie erzeugt jeweils nur G¨ uter einer bestimmten G¨ utergruppe. Die Produktionst¨atigkeit der homogenen Produktionseinheit umfaßt - anders als die von ¨ortlichen fachlichen Einheiten - keine Nebent¨atigkeiten, wie beispielsweise die Erzeugung von Strom oder die Errichtung von Bauten durch ein Unternehmen mit anderer Hauptt¨atigkeit. F ¨ ur diese Nebent ¨ atigkeiten werden eigene Einheiten gebildet, so dass ein Unternehmen mit Nebent¨atigkeiten in mehrere homogene Produktionseinheiten aufgeteilt wird.“ Tabelle 8.1 zeigt die Gliederung in Produktionsbereiche bzw. G¨ utergruppen, von der die Input-Output-Tabelle 2015 ausgeht. Anhand dieser Tabelle erkennt man auch, dass der G ¨ uterbegriffin einer sehr weiten Bedeutung verwendet wird, die sowohl materielle G¨ uter als auch Dienstleistungen umfasst. 3 [ ESVG ist eine Abk¨ urzung f¨ ur das ”Europ¨aische System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung“, in dem auch Prinzipien f ¨ ur die Aufstellung von Input-Output- Tabellen angegeben sind. Die erste Formulierung wurde 1970 ver ¨ offentlicht, eine ¨ uberarbeitete Ausgabe erschien 1984. Inzwischen gibt es nach den ESVG 1995 die ESVG 2010. Konzeptionelle Unterschiede werden in einer Sonderver¨offentlichung des Statistischen Bundesamtes dargestellt (Statistisches Bundesamt 2014).] <?page no="244"?> 244 8 Input-Output-Analysen Tabelle 8.1 Gliederung in Produktionsbereiche/ G¨ utergruppen (2015). 1 Erzeugnisse der Landwirtschaft, Jagd und Dienstleistungen 2 Forstwirtschaftliche Erzeugnisse und Dienstleistungen 3 Fische, Fischerei- und Aquakulturerzeugnisse 4 Kohle 5 Erd¨ol und Erdgas 6 Erze, Steine u. Erden, sonst. Bergbauerzeugn. u. Dienstleistg. 7 Nahrungs- und Futtermittel, Getr¨anke, Tabakerzeugnisse 8 Textilien, Bekleidung, Leder- und Lederwaren 9 Holz, Holz-, Flecht-, Korb- und Korkwaren (ohne M¨obel) 10 Papier, Pappe und Waren daraus 11 Druckereileistungen, bespielte Ton-, Bild- und Datentr¨ager 12 Kokerei- und Mineral¨olerzeugnisse 13 Chemische Erzeugnisse 14 Pharmazeutische Erzeugnisse 15 Gummi- und Kunststoffwaren 16 Glas und Glaswaren 17 Keramik, bearbeitete Steine und Erden 18 Roheisen, Stahl, Erzeugn. der ersten Bearbeitung von Eisen und Stahl 19 NE-Metalle und Halbzeug daraus 20 Gießereierzeugnisse 21 Metallerzeugnisse 22 DV-ger¨ate, elektron. u. optische Erzeugnisse 23 Elektrische Ausr¨ ustungen 24 Maschinen 25 Kraftwagen und Kraftwagenteile 26 Sonstige Fahrzeuge 27 Herstellung von M¨obeln und sonstigen Waren 28 Reparatur, Instandh. u. Installation v. Maschinen u. Ausr¨ ustungen 29 Elektr. Strom, Dienstleistg. der Elektriz.-, W¨arme- und K¨alteversorg. 30 Industriell erzeugte Gase, Dienstleistungen der Gasversorgung 31 Wasser, Dienstleistungen der Wasserversorgung 32 Dienstleistg. d. Abwasser-, Abfallentsorg. u. R¨ uckgewinnung 33 Hochbauarbeiten 34 Tiefbauarbeiten 35 Vorb. Baustellen-, Bauinstallations- und sonstige Ausbauarbeiten 36 Handelsleistungen mit Kfz, Instandhaltung und Reparatur an Kfz 37 Großhandelsleistungen (ohne Handelsleistungen mit Kfz) 38 Einzelhandelsleistungen (ohne Handelsleistungen mit Kfz) 39 Landverkehrs- und Transportleistungen in Rohrfernleitungen 40 Schifffahrtsleistungen 41 Luftfahrtleistungen 42 Lagereileistungen, sonstige Dienstleistungen f¨ ur den Verkehr 43 Post-, Kurier- und Expressdienstleistungen 44 Beherbergungs- und Gastronomiedienstleistungen 45 Dienstleistungen des Verlagswesen 46 Dienstleistg. v. audiovisuell. Medien, Musikverlag. u. RF-veranstaltern 47 Telekommunikationsdienstleistungen 48 IT- und Informationsdienstleistungen 49 Finanzdienstleistungen 50 Dienstleistungen von Versicherungen und Pensionskassen 51 Mit Finanz- und Versicherungsdienstleistg. verbundene Dienstleistg. 52 Dienstleistungen des Grundst¨ ucks- und Wohnungswesens 53 Dienstleistungen der Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung 54 Dienstleistg. v. Architekturu. Ing.b¨ uros u.d..techn.,physik.U.suchung 55 Forschungs- und Entwicklungsleistungen 56 Werbe- und Marktforschungsleistungen 57 Sonst. freiberuf., wiss., techn. u. veterin¨armedizinische Dienstleistg. 58 Dienstleistungen der Vermietung von beweglichen Sachen 59 Dienstleistungen der Vermittlung und ¨ Uberlassung von Arbeitskr¨aften 60 Dienstleistg. v. Reiseb¨ uros, -veranstaltern u. sonst. Reservierungen 61 Wach-, Sicherheitsdienstlg., wirtschaftl. Dienstleistg. a.n.g 62 Dienstleistungen der ¨offentlichen Verwaltung und der Verteidigung 63 Dienstleistungen der Sozialversicherung 64 Erziehungs- und Unterrichtsdienstleistungen 65 Dienstleistungen des Gesundheitswesens 66 Dienstleistungen von Heimen und des Sozialwesens 67 Dienstleistungen der Kunst, der Kultur und des Gl¨ ucksspiels 68 Dienstleistungen des Sports, der Unterhaltung und der Erholung 69 Dienstleistg. d. Interessenvertr., kirchl. u. sonst. Vereinigungen 70 Reparaturarbeiten an DV-Ger¨aten und Gebrauchsg¨ utern 71 Sonstige ¨ uberwiegend pers¨onliche Dienstleistungen 72 Waren und Dienstleistungen privater Haushalte o.a.S. <?page no="245"?> 8.1 Input-Output-Tabellen 245 Die Darstellung folgt der Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erl ¨ auterungen - Ausgabe 2008. Die Bereichsgliederung ist international harmonisiert: Die WZ 2008 baut auf der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europ ¨ aischen Gemeinschaft (NACE Rev. 2) auf. Diese wiederum basiert auf der Internationalen Systematik der Wirtschaftszweige (ISIC Rev. 4) der Vereinten Nationen. Wie bereits erw¨ahnt erfolgt die Zuordnung der ¨ortlichen fachlichen Einheiten - das sind in der Regel Unternehmen - zu Wirtschaftsbereichen nach dem Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen T ¨ atigkeit, einschließlich aller Nebent¨atigkeiten. Erg¨anzend sind in einigen Wirtschaftsbereichen aber auch Einheiten aus den Sektoren Staat und Private Organisationen ohne Erwerbszweck enthalten, soweit sie statistisch anhand der genannten Kriterien f¨ ur ¨ortliche fachliche Einheiten abgrenzbar sind. Beispiele f¨ ur solche Wirtschaftsbereiche sind Erziehung und Unterricht oder Forschung und Entwicklung. Auf folgende Besonderheiten ist hinzuweisen: Aus statistischen Gr¨ unden wird die gesamte Wohnungsvermietung im Wirtschaftsbereich Grundst¨ ucks- und Wohnungswesen nachgewiesen, d.h. einschließlich der Wohnungseigennutzung und unabh¨angig davon, ob sie als Haupt- oder Nebent ¨ atigkeit einer wirtschaftlichen Einheit ausge¨ ubt wird, Die ¨ortliche fachliche Einheit f¨ ur die Landwirtschaft ist der landwirtschaftliche Betrieb. Die Zinsspanne der Kreditinstitute wurde fr¨ uher als unterstellte Bankgeb¨ uhr bezeichnet und aus Vereinfachungsgr¨ unden nicht den Verbrauchern zugeordnet, sondern f ¨ ur eine fiktive Einheit (Teil des Bereichs des Kreditgewerbes) als Vorleistung gebucht. Da der Produktionswert dieser Einheit Null war, ergab sich ein negativer Betriebs¨ uberschuss in H¨ohe der unterstellten Bankgeb¨ uhr. Damit hatten diese Arten von Bankenaktivit¨aten keine Auswirkungen auf die H¨ohe und die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts, da den zu gering ausgewiesenen Vorleistungen der Produktionsbereiche der negative Betriebs¨ uberschuss der fiktiven Einheit gegen¨ uberstand. Die unterstellte Bankgeb¨ uhr wird nun nach einer Verordnung der EG des Jahres 2002 als indirekt gemessene Finanzdienstleistung (Financial Intermediation Services, Indirectly Measured (FISIM)) bezeichnet und auf die Einleger und Kreditnehmer aufgeteilt. Soweit diese Finanzdienstleistungen nicht bei den Produktionseinheiten direkt im Produktionsprozess als Vorleistung eingehen, erh¨ohen sie als G¨ uterverwendung Konsum und Exporte. Im Jahr 2015 <?page no="246"?> 246 8 Input-Output-Analysen sind FISIM in H ¨ ohe von 84,963 Mrd. Euro im Produktionswert und von 54,955 Mrd. Euro in den Vorleistungen enthalten. 4 Die Gesamtheit aller homogenen Produktionseinheiten, die die G ¨ uter einer G ¨ utergruppe erzeugen, wird als Produktionsbereich bezeichnet. Auch er ist folglich unter streng fachlichen Gesichtspunkten gebildet. Er produziert die G¨ uter einer G¨ utergruppe, und zwar alle und nur diese. Die Klassifikation der G¨ utergruppen richtet sich nach der Classification of Products by Activity (CPA 2009), der Statistischen G¨ uterklassifikation in Verbindung mit der Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008). Der Gliederung der Produktionsbereiche liegen die Zweisteller der Systematik der Wirtschaftszweige (WZ 2008) zugrunde. F ¨ ur die internen Berechnungsverfahren wird die Systematik der Wirtschaftszweige in der Input-Output-Rechnung (SIO) verwendet. 5 Produktionsbereiche und G¨ utergruppen sind inhaltlich identisch. In dem einen Fall wird die Produktionst¨atigkeit, im anderen Fall das produzierte Gut bezeichnet. Schließlich sei auch darauf hingewiesen, dass es im Laufe der Zeit Ver¨anderungen sowohl in der Anzahl als auch in der Abgrenzung und Definition der Produktionsbereiche bzw. G ¨ utergruppen gegeben hat: (a) In der ersten Tabelle f ¨ ur das Berichtsjahr 1965 wurden 49 Produktionsbereiche unterschieden. (b) In den Tabellen f ¨ ur die Berichtsjahre 1970 und 1974 wurden 60 Produktionsbereiche unterschieden. Informationen findet man in den entsprechenden Ver¨offentlichungen der Reihe 2 der Fachserie 18 sowie bei Mai (1974). (c) Mit dem Berichtsjahr 1978 erfolgte eine Umstellung auf 58 Produktionsbereiche, die im Wesentlichen bis zum Berichtsjahr 1993 beibehalten wurde. 6 Ab diesem Berichtsjahr werden die Input-Output-Tabellen auch auf der Grundlage des Europ ¨ aischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (EVSG) erstellt und beziehen sich auf den Gebietsstand vom Oktober 1990. Dar¨ uber berichten Bleses und Stahmer (2000). (d) Im Zeitraum von 1995 bis 1999 wurden 59 Produktionsbereiche ber¨ ucksichtigt. (e) Die Tabellen der Jahre 2000 bis 2007 werden nach 71 Produktionsbereichen ausgewiesen (Revision 2005). Die tiefere Disaggregation betrifft insbesondere die Dienstleistungen. In 4 Vgl. Statistisches Bundesamt (2018b, S. 247) 5 Die SIO wurde zum erstenmal 1968 eingef¨ uhrt, man vgl. Mai (1973, S. 17). 6 In der Fachserie 18, Reihe 2, 1993 S. 26 heißt es: ” Die Aggregationstiefe der hier ver¨offentlichten Tabellen ist jedoch so gehalten, daß keine systematikbedingten Unterschiede zu fr¨ uheren Input-Output-Tabellen ab dem Berichtsjahr 1978 auftreten.“ <?page no="247"?> 8.1 Input-Output-Tabellen 247 einer Sonderver¨offentlichung (Fachserie 18 Reihe 2, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Input-Output-Rechung, 1995-1999, Wiesbaden 2010) hat das Statistische Bundesamt f ¨ ur die Jahre 1995-1999 revidierte Tabellen mit nun ebenfalls 71 Produktionsbereichen bereitgestellt. (f) Die drei Tabellen der Jahre 2008 bis 2010 werden mit 73 Produktionsbereichen dargestellt (Revision 2011). (g) Im Rahmen der Generalrevision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen 2014 wurde die Zahl der Produktionsbereiche auf 72 festgelegt. Durch R ¨ uckrechnungen sind in dieser Gliederung Tabellen seit 2010 verf¨ ugbar. 8.1.2 Die Bewertung von G¨ uterstr¨omen Unabh¨angig vom Aggregationsniveau einer Input-Output-Tabelle werden in den Produktionsbereichen bzw. G¨ utergruppen stets eine große Anzahl unterschiedlicher G ¨ uter zusammengefasst. F ¨ ur eine quantitative Erfassung sind deshalb Bewertungen erforderlich. Das Statistische Bundesamt verwendet mehrere Preiskonzepte, auf die im Folgenden kurz eingegangen werden soll. Dabei wird zwischen Aufkommens- und Verwendungstabellen unterschieden. Eine Aufkommenstabelle hat, in vereinfachter Darstellung, folgenden Aufbau (vgl. Fachserie 18, Reihe 2, 1995 S. 10): G¨ utergruppe Produktionswert Importe Gesamtaufkommen c 1 ... c n Jede Zeile entspricht einem Produktionsbereich bzw. einer G¨ utergruppe. In der ersten Spalte finden sich ihre Bezeichnungen (wir verwenden wie in Kapitel 6 die Symbole c 1 , . . . , c n ). In der zweiten Spalte steht der Gesamtwert der im Inland produzierten G ¨ uter der jeweiligen Gruppe. Dann folgt der Gesamtwert der importierten G¨ uter der jeweiligen Gruppe. Aus der Summe der Produktionswerte und der Importe wird schließlich das Gesamtaufkommen der jeweiligen G¨ utergruppe gebildet. Zur Darstellung der Produktionswerte wurden bis zur Input-Output- Tabelle des Jahres 1993 Ab-Werk-Preise, ab 1995 werden Herstellungspreise verwendet. Dazu heißt es in der Fachserie 18, Reihe 2, 1995 S. 12: <?page no="248"?> 248 8 Input-Output-Analysen ” Die Produktionswerte f ¨ ur die inl ¨ andische Produktion werden in der Aufkommenstabelle zu Herstellungspreisen bewertet. Der Herstellungspreis ist der Betrag, den ein Produzent je Einheit der von ihm produzierten Waren und Dienstleistungen vom K¨aufer erh¨alt ohne die auf die produzierten oder verkauften G ¨ uter zu zahlenden Steuern (ohne G ¨ utersteuern), zuz ¨ uglich empfangener Subventionen, die auf die produzierten oder verkauften G¨ uter gew¨ahrt werden (einschließlich G ¨ utersubventionen). Vom Produzenten getrennt in Rechnung gestellte Transportkosten geh¨oren nicht dazu. Dagegen z¨ahlen im Preis enthaltene Transportkosten zum Herstellungspreis, selbst wenn sie auf der Rechnung getrennt ausgewiesen werden.“ Den Zusammenhang der unterschiedlichen Preiskonzepte kann man sich anhand des folgenden Schemas verdeutlichen (vgl. Fachserie 18, Reihe 2, 1993 S. 21): Anschaffungspreis (einschl. nichtabziehbarer Umsatzsteuer) - Wert der Handels- und Transportleistungen - Nichtabziehbare Umsatzsteuer = Ab-Werk-Preis (ohne Umsatzsteuer) - Produktionssteuern (ohne Umsatzsteuer) + Subventionen = Herstellungspreis Einige spezielle Fragen betreffen die Erfassung und Bewertung von Dienstleistungen des Handels. Damit werden wir uns in einem sp ¨ ateren Abschnitt besch¨aftigen. Zur Bewertung der Importe werden cif-Preise verwendet. 7 Dazu heißt es in der Fachserie 18, Reihe 2, 1995 S. 12: ” F ¨ ur importierte G ¨ uter entspricht dem Herstellungspreiskonzept der cif-Preis. Die Importe in tiefer G ¨ utergliederung sind in der Aufkommenstabelle zu cif- Preisen bewertet. Der cif-Preis ist der Wert einer an die Grenze des Einfuhrlandes gelieferten Ware oder der Wert einer/ einem Gebietsans¨assigen erbrachten Dienstleistung vor der Zahlung eventueller Importabgaben. Etwaige Transport- oder Versicherungsleistungen sind im cif-Preis der importierten Waren enthalten, und zwar unabh¨angig davon, ob sie von Gebietsans¨assigen oder Gebietsfremden erbracht werden.“ 7 ‘cif ’ ist eine Abk¨ urzung f¨ ur cost, insurance and freight und entspricht einer Variante international vereinbarter Handelsklauseln. Dar¨ uber informiert z.B. der Beitrag zum Stichwort ‘Handelsklauseln’ in der Brockhaus-Enzyklop¨adie. <?page no="249"?> 8.1 Input-Output-Tabellen 249 Der Zusammenhang zwischen cif-Preisen und Anschaffungspreisen wird durch folgendes Schema deutlich ( Fachserie 18, Reihe 2, 1995 S. 14): Anschaffungspreis (einschl. nichtabziehbarer Umsatzsteuer) - Nichtabziehbare Umsatzsteuer auf Importe - Importabgaben (ohne Einfuhrumsatzsteuer) + Importsubventionen - Wert der Handels- und Transportleistungen im Inland = cif-Preis Im Unterschied zur Aufkommenstabelle zeigt die Verwendungstabelle , wie das Gesamtaufkommen (sowohl die im Inland produzierten als auch die importierten G¨ uter) verwendet wird, wobei wiederum nach Produktionsbereichen bzw. G¨ utergruppen differenziert wird. Dabei wird unterschieden zwischen Verwendungen von G¨ utern in Form von Vorleistungen, Konsum, Investitionen und Exporten. Zur Bewertung dieser G¨ uterstr¨ome gibt es in der Fachserie 18, Reihe 2, 1995 S. 12 f. folgende Erl¨auterungen: ”In der Verwendungstabelle werden die K¨aufe von Waren und Dienstleistungen zu Anschaffungspreisen bewertet. Der Anschaffungspreis ist der Preis, den der K ¨ aufer tats ¨ achlich f ¨ ur die G ¨ uter zum Zeitpunkt des Kaufes bezahlt. Der Anschaffungspreis umschließt s¨amtliche G¨ utersteuern (jedoch ohne die abziehbare Umsatzsteuer) abz ¨ uglich G ¨ utersubventionen. Der Anschaffungspreis gilt als Preis ” frei Haus“, d.h. die grunds ¨ atzlich im Preis enthaltenen Handels- und Verkehrsleistungen sind stets eingerechnet. Bezieht z.B. ein K¨aufer eine Ware ab Fabrik und beauftragt ein anderes Unternehmen mit dem Transport, so wird bei der Ermittlung der Anschaffungspreise der Wert der Transportleistungen dem Preis ab Fabrik zugeschlagen. Damit soll erreicht werden, dass in den Tabellen gleiche G¨ uter stets mit dem gleichen Wertansatz nachgewiesen werden. Im Wert importierter G ¨ uter sind beim Anschaffungspreiskonzept auch die im Inland erbrachten Handels- und Transportleistungen enthalten. Dagegen entspricht der Anschaffungspreis bei den Exporten nicht streng dem K¨auferpreis, sondern dem Grenz ¨ ubergangswert. Es wird also unterstellt, dass der K ¨ aufer in der ¨ ubrigen Welt die G ¨ uter an der deutschen Grenze empf ¨ angt, und zwar zum fob-Preis . 8 Dieser Wert enth¨alt folgende Bestandteile: den Wert der Waren zu Herstellungspreisen, 8 Wiederum eine Abk ¨ urzung f ¨ ur eine Handelsklausel: free on board . Dazu heißt es in der Brockhaus-Enzyklop ¨ adie: ” Die Lieferverpflichtung des Verk ¨ aufers ist erf ¨ ullt, wenn die Ware die Schiffsreling in dem benannten Verschiffungshafen ¨ uberschritten hat. Der K¨aufer hat von diesem Zeitpunkt an alle Kosten und Gefahren des Verlusts oder der Besch¨adigung der Ware zu tragen. Der Verk¨aufer wird verpflichtet, die Ware zur Ausfuhr freizumachen.“ <?page no="250"?> 250 8 Input-Output-Analysen Verkehrs- und Verteilungsleistungen bis zur deutschen Ausfuhrgrenze, gegebenenfalls einschließlich der Kosten der Verladung auf ein Bef¨orderungsmittel f¨ ur den Weitertransport, G¨ utersteuern abz¨ uglich G¨ utersubventionen auf die exportierten Waren. Um die Identit¨atsbeziehung zwischen Aufkommen und Verwendung herzustellen, weist die Aufkommenstabelle auch den ¨ Ubergang vom Aufkommen zu Herstellungspreisen zum Aufkommen zu Anschaffungspreisen aus. Der ¨ Ubergang erfolgt in zwei Spalten. Zun¨achst werden die G¨ utersteuern abz¨ uglich G¨ utersubventionen zum Aufkommen zu Herstellungspreisen hinzu addiert, ferner werden die Handels- und Transportleistungen aus den entsprechenden Dienstleistungsbereichen auf die Waren, die gehandelt oder transportiert werden, umgebucht. Das so ermittelte gesamte Aufkommen an G ¨ utern zu Anschaffungspreisen in der Aufkommenstabelle ist dann identisch mit der gesamten Verwendung von G¨ utern zu Anschaffungspreisen in der Verwendungstabelle.“ In sp ¨ ateren Abschnitten wird die Verwendung der unterschiedlichen Preiskonzepte anhand von Beispielen n¨aher erl¨autert. In den folgenden Abschnitten wird der Aufbau von Input-Output-Tabellen n¨aher erl¨autert. Dabei orientieren wir uns an der Input-Output-Tabelle des Statistischen Bundesamts f ¨ ur das Berichtsjahr 2015. Um die ¨ Ubersicht zu bewahren und sp¨atere Berechnungen vorzubereiten, werden auch einige symbolische Notationen eingef¨ uhrt. 8.1.3 Vorleistungen und Importe Ziel der Aufstellung von Input-Output-Tabellen ist es, ein Bild der G¨ uterstr¨ome zu gewinnen, die in einer ¨ Okonomie w¨ahrend eines gewissen Zeitraums stattfinden, und dabei zu ber¨ ucksichtigen, dass ein Teil dieser G ¨ uterstr ¨ ome Vorleistungen zur Produktion neuer G ¨ uter repr ¨ asentiert. Im Mittelpunkt jeder Input-Output-Tabelle steht deshalb die Verflechtung der Vorleistungen. Eine gewisse Komplikation ergibt sich daraus, dass in Input-Output-Tabellen außer der inl¨andischen Produktion auch Importe und Exporte zu ber ¨ ucksichtigen sind. Wir definieren deshalb zwei unterschiedliche Arten von Koeffizienten: a ij G¨ uter der G¨ utergruppe i aus inl¨andischer Produktion, die im Produktionsbereich j verwendet werden. b ij G¨ uter der G¨ utergruppe i aus Importen, die im Produktionsbereich j verwendet werden. <?page no="251"?> 8.1 Input-Output-Tabellen 251 Tabelle 8.2 Zusammenhang zwischen den Koeffizienten a ij und a ∗ ij (in Herstellungspreisen) und b ij (in cif-Preisen) am Beispiel des Produktionsbereichs 1 (Erzeugung von Produkten der Landwirtschaft und Jagd). Angaben in Mio. Euro. Input-Output-Tabelle des Statistischen Bundesamts f¨ ur 2015. i a i, 1 b i, 1 a ∗ i, 1 i a i, 1 b i, 1 a ∗ i, 1 i a i, 1 b i, 1 a ∗ i, 1 1 11418 746 12164 25 85 141 226 49 727 19 746 2 49 1 50 26 0 10 10 50 470 19 489 3 0 0 0 27 0 16 16 51 0 0 0 4 0 1 1 28 49 3 52 52 414 3 417 5 1 30 31 29 910 22 932 53 104 9 113 6 22 31 53 30 44 0 44 54 310 37 347 7 3333 632 3965 31 116 0 116 55 0 0 0 8 21 41 62 32 1045 7 1052 56 31 14 45 9 34 25 59 33 15 0 15 57 575 11 586 10 18 6 24 34 0 0 0 58 2161 186 2347 11 18 1 19 35 703 8 711 59 2774 171 2945 12 782 603 1385 36 151 15 166 60 0 0 0 13 649 2342 2991 37 2705 74 2779 61 148 23 171 14 0 35 35 38 1886 0 1886 62 295 5 300 15 55 115 170 39 171 24 195 63 0 0 0 16 51 43 94 40 6 1 7 64 28 0 28 17 158 22 180 41 7 1 8 65 5 0 5 18 16 16 32 42 143 15 158 66 0 0 0 19 0 3 3 43 3 0 3 67 0 0 0 20 0 0 0 44 0 1 1 68 0 0 0 21 82 119 201 45 11 0 11 69 73 1 74 22 3 0 3 46 0 0 0 70 0 0 0 23 15 31 46 47 73 6 79 71 33 0 33 24 518 172 690 48 18 2 20 72 0 0 0 Weiterhin definieren wir: a ∗ ij : = a ij + b ij a ∗ ij ist also die Gesamtheit der G ¨ uter der G ¨ utergruppe i , unabh ¨ angig von ihrer Herkunft, die im Produktionsbereich j , d.h. zur Herstellung von G ¨ utern der G ¨ utergruppe j , verwendet werden (wobei stets eine bestimmte Zeitperiode als gegeben vorausgesetzt wird). Dementsprechend k¨onnen zwei unterschiedliche Arten von Input-Output- Tabellen aufgestellt werden. Die erste Variante verwendet eine Vorleistungsmatrix A : = ⎛ ⎜ ⎝ a 11 · · · a 1 n ... ... a n 1 · · · a nn ⎞ ⎟ ⎠ <?page no="252"?> 252 8 Input-Output-Analysen die zweite eine Vorleistungsmatrix A ∗ : = ⎛ ⎜ ⎝ a ∗ 11 · · · a ∗ 1 n ... ... a ∗ n 1 · · · a ∗ nn ⎞ ⎟ ⎠ Im Folgenden unterscheiden wir: A-Tabellen, wenn von einer Vorleistungsmatrix A ausgegangen wird, deren Koeffizienten keine Importe enthalten; A ∗ -Tabellen, wenn von einer Vorleistungsmatrix A ∗ ausgegangen wird, deren Koeffizienten Importe umfassen. Das Statistische Bundesamt erstellt sowohl Aals auch A ∗ -Tabellen. A-Tabellen werden oft durch den Hinweis ” inl ¨ andische Produktion“, A ∗ -Tabellen durch den Hinweis ” inl ¨ andische Produktion und Einfuhr“ kenntlich gemacht. Sie enthalten allerdings nicht nur die Vorleistungsmatrizen A bzw. A ∗ , sondern noch zahlreiche weitere Zeilen und Spalten, in denen die Entstehung und Verwendung der G¨ uterproduktion dargestellt wird. Darauf wird in den folgenden Abschnitten n¨aher eingegangen. Zuvor soll die Unterscheidung der beiden Arten von Koeffizienten anhand der IO-Tabelle 2015 des Statistischen Bundesamts illustriert werden. Tabelle 8.2 zeigt die Koeffizienten f¨ ur den Bereich der landwirtschaftlichen G¨ uter. Man kann daraus z.B. ersehen, dass f ¨ ur die Produktion dieser G ¨ uter Vorleistungen in H¨ohe von 2991 Mio. Euro aus dem Bereich 13 (chemische Erzeugnisse) eingesetzt worden sind. Davon stammen Erzeugnisse im Wert von 649 Mio. Euro aus inl ¨ andischer Produktion und Erzeugnisse im Wert von 2342 Mio. Euro aus Importen. 8.1.4 Buchf¨ uhrung ¨ uber die Wertsch¨opfung Jetzt besprechen wir die Darstellung der Entstehungsseite. Zun¨achst wird auf die A-Tabelle Bezug genommen. Box 8.2 informiert ¨ uber die Zeilen. Zur Erl¨auterung k¨onnen die in Tabelle 8.3 angef¨ uhrten Angaben ¨ uber die acht ersten Produktionsbereiche dienen. Die ersten 72 Zeilen geh¨oren zur Vorleistungsmatrix A . Dann folgt Zeile 73, die die Summe der Vorleistungen enth¨alt, also die Summe der Eintr¨age in den Zeilen 1 - 72. Hierin sind jedoch nur Vorleistungen aus inl ¨ andischer Produktion enthalten, deshalb wird in der n¨achsten Zeile 74 die Summe der Vorleistungen aus Importen angef¨ uhrt. In unserem Beispiel werden also f¨ ur die Produktion landwirtschaftlicher G¨ uter insgesamt 33.532 Mio. Euro Vorleistungen aus inl¨andischer Produktion und 5.859 Mio. Euro Vorleistungen aus Importen <?page no="253"?> 8.1 Input-Output-Tabellen 253 Box 8.2 Zeilen in der A-Tabelle 2015 des Statistischen Bundesamts. Zeile Symbol Beschreibung 1 - 72 a ij Produktionsbereiche 73 u 0 j Vorleistungen der Produktionsbereiche aus inl¨and. Prod. 74 u 1 j Vorleistungen der Produktionsbereiche aus Importen 75 u 2 j G¨ utersteuern abz¨ uglich G¨ utersubventionen 76 u 3 j Vorleistungen der Prod.-bereiche zu Anschaffungspreisen 77 u 4 j Arbeitnehmerentgelt im Inland 78 darunter: Bruttol¨ohne und -geh¨alter 79 u 5 j Sonst. Produktionsabgaben abz¨ ugl. sonst. Subventionen 80 u 6 j Abschreibungen 81 u 7 j Nettobetriebs¨ uberschuss 82 u 8 j Bruttowertsch¨opfung 83 u 9 j Produktionswert 84 darunter: Firmeninterne Lieferungen und Leistungen Tabelle 8.3 Auszug aus der A-Tabelle 2015 des Statistischen Bundesamts. Herstellungspreise in Mio. Euro. 1 2 3 4 5 6 7 8 1 11418 95 0 0 0 0 24517 44 2 49 948 0 0 8 55 8 0 ... 71 33 1 0 11 6 33 145 14 72 0 0 0 0 0 0 0 0 73 33532 1797 112 1749 695 6620 105872 10557 74 5859 155 65 412 133 1476 31338 5011 75 1589 55 9 10 12 330 1423 187 76 40980 2007 186 2171 840 8426 138633 15755 77 6141 909 76 2048 410 3186 29919 5008 78 5175 725 64 1468 295 2420 25117 4247 79 -4920 -162 2 -1573 22 14 102 19 80 9259 308 78 547 359 1004 5569 752 81 4884 2363 74 30 255 320 4780 503 82 15364 3418 230 1052 1046 4524 40370 6282 83 56344 5425 416 3223 1886 12950 179003 22037 84 8827 0 0 1507 0 5799 6016 1124 eingesetzt. Aus diesen beiden Positionen wird die Summe der Vorleistungen zu Anschaffungspreisen berechnet, indem G ¨ utersteuern hinzugef ¨ ugt und G¨ utersubventionen abgezogen werden. In schematischer Darstellung: <?page no="254"?> 254 8 Input-Output-Analysen Vorleistungen aus inl¨andischer Produktion 33532 (73) + Vorleistungen der Produktionsbereiche aus Importen 5859 (74) + G¨ utersteuern abz¨ uglich G¨ utersubventionen 1589 (75) = Vorleistungen der Prod.-bereiche zu Anschaffungspreisen 40980 (76) Im n¨achsten Schritt wird die Bruttowertsch¨opfung berechnet, in schematischer Darstellung: Arbeitnehmerentgelt im Inland 6141 (77) + Sonstige Produktionsabgaben abz¨ uglich sonstige Subventionen -4920 (79) + Abschreibungen 9259 (80) + Nettobetriebs¨ uberschuss 4884 (81) = Bruttowertsch¨opfung 15364 (82) Schließlich wird aus der Summe der Vorleistungen zu Anschaffungspreisen und der Bruttowertsch¨opfung der Produktionswert gebildet: Vorleistungen der Prod.-bereiche zu Anschaffungspreisen 40980 (76) + Bruttowertsch¨opfung 15364 (82) = Produktionswert 56344 (83) Unter der Zeile 83, die den Produktionswert enth¨alt, ist eine weitere Zeile 84 ” darunter: Firmeninterne Lieferungen und Leistungen“ angegeben. Anders als im ESVG 2010 vorgegeben, enthalten die Produktionswerte in den Input-Output-Tabellen des Statistischen Bundesamts auch den Wert von G ¨ utern, die von einer ¨ ortlichen Einheit produziert und von dieser selbst verbraucht werden (z.B. elektrische Energie, die von Elektrizit ¨ atswerken verbraucht wird). In Zeile 84 wird der Wert dieser Weiterverarbeitungsproduktion gesondert ausgewiesen. Im Unterschied zur A-Tabelle hat die A ∗ -Tabelle 89 Zeilen. Box 8.3 informiert ¨ uber ihre Bedeutung. Die ersten 72 Zeilen beziehen sich auf die Vorleistungsmatrix A ∗ , dann folgt wie in der A-Tabelle die Summe der Vorleistungen, diesmal jedoch die Summe der a ∗ ij -Koeffizienten, die die importierten Vorleistungen enthalten. Durch Hinzuf¨ ugen der G¨ utersteuern und Abzug der G ¨ utersubventionen entsteht die Summe der Vorleistungen zu Anschaffungspreisen. Dies entspricht der Vorgehensweise in der A-Tabelle, so dass die Summe der Vorleistungen zu Anschaffungspreisen <?page no="255"?> 8.1 Input-Output-Tabellen 255 Box 8.3 Zeilen in der A ∗ -Tabelle 2015 des Statistischen Bundesamts. Zeile Symbol Beschreibung 1 - 72 a ∗ ij Produktionsbereiche 73 u ∗ 0 j Vorleistungen der Produktionsbereiche 74 u ∗ 1 j G¨ utersteuern abz¨ uglich G¨ utersubventionen 75 u ∗ 2 j Vorleistungen der Produktionsbereiche zu Anschaffungspreisen 76 u ∗ 3 j Arbeitnehmerentgelt im Inland 77 darunter: Bruttol¨ohne und -geh¨alter 78 u ∗ 4 j Sonst. Produktionsabgaben abz¨ ugl. sonst. Subventionen 79 u ∗ 5 j Abschreibungen 80 u ∗ 6 j Nettobetriebs¨ uberschuss 81 u ∗ 7 j Bruttowertsch¨opfung 82 u ∗ 8 j Produktionswert 83 darunter: Firmeninterne Lieferungen und Leistungen 84 u ∗ 9 j Importe gleichartiger G¨ uter zu cif-Preisen 85 aus der Europ¨aischen Union 86 darunter: aus Mitgliedstaaten der W¨ahrungsunion 87 darunter: aus Nichtmitgliedstaaten der W¨ahrungsunion 88 Importe aus Drittl¨andern 89 u ∗ 10 j Gesamtes Aufkommen an G¨ utern in beiden Tabellen identisch ist. Dies zeigt auch ein Vergleich von Tabelle 8.3 mit Tabelle 8.4, in der ein entsprechender Auszug aus der A ∗ -Tabelle dargestellt ist. Ebenfalls analog verl ¨ auft die Berechnung der Bruttowertsch ¨ opfung aus der Summe der Arbeitnehmerentgelte im Inland, der sonstigen Produktionsabgaben abz¨ uglich der sonstigen Subventionen, der Abschreibungen und des Nettobetriebs¨ uberschusses. Somit ist auch der Produktionswert in beiden Tabellen identisch. Nur bei der Verbuchung der Importe gibt es eine Besonderheit, auf die man achten muss. Denn einerseits enthalten die a ∗ ij -Koeffizienten bereits einen Teil der importierten Vorleistungen; andererseits werden in Zeile 84 die gesamten Importe der jeweiligen G¨ utergruppe ausgewiesen. Z.B. besagt die Zahl 31.037 Mio. Euro in Spalte 1 der Tabelle 8.4, dass in diesem Umfang landwirtschaftliche G ¨ uter importiert wurden. Ein gewisses Problem entsteht somit bei der Berechnung des Gesamten Aufkommens an G¨ utern in Zeile 89. Die Berechnung erfolgt, indem der Produktionswert und die insgesamt importierten G¨ uter addiert werden, in unserem Beispiel: <?page no="256"?> 256 8 Input-Output-Analysen Box 8.4 Gleichungen f¨ ur die Zeilen der Input-Output-Tabelle. u 0 j = ∑ 72 i =1 a ij u ∗ 0 j = ∑ 72 i =1 a ∗ ij u 3 j = u 0 j + u 1 j + u 2 j u ∗ 2 j = u ∗ 0 j + u ∗ 1 j u 8 j = u 4 j + u 5 j + u 6 j + u 7 j u ∗ 7 j = u ∗ 3 j + u ∗ 4 j + u ∗ 5 j + u ∗ 6 j u 9 j = u 3 j + u 8 j u ∗ 8 j = u ∗ 2 j + u ∗ 7 j u ∗ 10 j = u ∗ 8 j + u ∗ 9 j u 2 j = u ∗ 1 j u 3 j = u ∗ 2 j u 4 j = u ∗ 3 j u 5 j = u ∗ 4 j u 6 j = u ∗ 5 j u 7 j = u ∗ 6 j u 8 j = u ∗ 7 j u 9 j = u ∗ 8 j Tabelle 8.4 Auszug aus der A ∗ -Tabelle 2015 des Statistischen Bundesamts. Herstellungspreise in Mio. Euro. 1 2 3 4 5 6 7 8 1 12164 130 0 0 0 0 38036 100 2 50 953 0 0 8 55 23 0 ... 71 33 1 0 11 6 33 145 14 72 0 0 0 0 0 0 0 0 73 39391 1952 177 2161 828 8096 137210 15568 74 1589 55 9 10 12 330 1423 187 75 40980 2007 186 2171 840 8426 138633 15755 76 6141 909 76 2048 410 3186 29919 5008 77 5175 725 64 1468 295 2420 25117 4247 78 -4920 -162 2 -1573 22 14 102 19 79 9259 308 78 547 359 1004 5569 752 80 4884 2363 74 30 255 320 4780 503 81 15364 3418 230 1052 1046 4524 40370 6282 82 56344 5425 416 3223 1886 12950 179003 22037 83 8827 0 0 1507 0 5799 6016 1124 84 31037 969 719 3966 62510 7508 54076 54484 85 18223 779 406 428 18366 1760 40645 17713 86 14519 362 201 98 13396 1037 30903 12664 87 3704 417 205 330 4970 723 9742 5049 88 12814 190 313 3538 44144 5748 13431 36771 89 87381 6394 1135 7189 64396 20458 233079 76521 Produktionswert 56344 (82) + Importe gleichartiger G¨ uter zu cif-Preisen 31037 (84) = Gesamtes Aufkommen an G¨ utern 87381 (89) <?page no="257"?> 8.1 Input-Output-Tabellen 257 Im Unterabschnitt 8.1.6 wird auf die unterschiedliche Buchung der Importe noch einmal anhand einer separaten Importtabelle eingegangen. Um nicht die ¨ Ubersicht zu verlieren, ist es n ¨ utzlich, symbolische Bezeichnungen f¨ ur die Zeilen der Input-Output-Tabelle zu vereinbaren. Wir verwenden die in den Boxen 8.2 und 8.3 angegebenen Symbole. Dann ergeben sich aus den Buchf¨ uhrungsregeln die in Box 8.4 dargestellten Gleichungen, jeweils f¨ ur die A- und die A ∗ -Tabelle. Außerdem wird angegeben, welche Zeilen der beiden Tabellen einander entsprechen. 8.1.5 Darstellung der G¨ uterverwendung Im vorangegangenen Abschnitt wurde dargestellt, wie in den Input- Output-Tabellen des Statistischen Bundesamts ¨ uber Kosten und Wertsch¨opfung der G¨ uterproduktion Buch gef¨ uhrt wird. In diesem Abschnitt wird erkl¨art, wie in den Tabellen die Verwendung der produzierten bzw. importierten G¨ uter dargestellt wird. Zur Illustration wird wiederum auf die Input-Output-Tabelle f ¨ ur das Jahr 2015 Bezug genommen. Wir beginnen mit der A-Tabelle. In schematischer Darstellung: 1 · · · 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 1 ... A v 72 73 74 75 76 77 78 u frei 79 80 81 82 83 84 Im ersten Quadranten befindet sich die Matrix A, die die Vorleistungsverflechtungen erfasst. Unterhalb befindet sich in den Zeilen 73 - 89 und den Spalten 1 - 72 der dritte Quadrant, der im vorangegangenen Abschnitt besprochen wurde. Im Folgenden wird der zweite Quadrant erkl¨art, der sich rechts neben der Vorleistungsmatrix in den Zeilen 1 - 72 und den <?page no="258"?> 258 8 Input-Output-Analysen Box 8.5 Spalten der A-Tabelle 2015 des Statistischen Bundesamts. Spalte Symbol Beschreibung 1 - 72 a ij Produktionsbereiche 73 v 0 j Summe der Vorleistungen (Spalten 1 - 72) 74 v 1 j Konsumausgaben Privater Haushalte im Inland 75 v 2 j Konsumausgaben Privater Organisationen ohne Erwerbszweck 76 v 3 j Konsumausgaben des Staates 77 v 4 j Anlageinvestitionen: Ausr¨ ustungen und sonstige Anlagen 78 v 5 j Anlageinvestitionen: Bauten 79 v 6 j Vorratsver¨anderungen und Nettozugang an Wertsachen 80 v 7 j Exporte 81 v 8 j Exporte in EUL¨ander 82 darunter: in Mitgliedstaaten der W¨ahrungsunion 83 darunter: in Nichtmitgliedstaaten der W¨ahrungsunion 84 Exporte in Drittl¨andern 85 v 9 j Letzte Verwendung von G¨ utern 86 v 10 j Gesamte Verwendung von G¨ utern Spalten 73 - 86 befindet. Auf den vierten Quadranten wird nicht n ¨ aher eingegangen, da seine Elemente ¨ uberwiegend nicht besetzt sind. Box 8.5 informiert ¨ uber die Eintr ¨ age, die sich in den Spalten der A- Tabelle befinden. Zur Illustration zeigt Tabelle 8.5 den entsprechenden Ausschnitt der Input-Output-Tabelle. Spalte 73 enth¨alt die Summe der Vorleistungen, also die Summe der Eintr¨age in den Spalten 1 - 72. In den weiteren Spalten wird ¨ uber die Verwendung der produzierten und importierten G¨ uter Buch gef¨ uhrt. Folgendes Schema zeigt den Zusammenhang der Eintr¨age am Beispiel des Produktionsbereichs 1 (landwirtschaftliche G¨ uter): Konsumausgaben Privater Haushalte im Inland 8063 (74) + Konsumausgaben Privater Organisationen o. E. 0 (75) + Konsumausgaben des Staates 0 (76) + Anlageinvestitionen: Ausr¨ ustungen und sonst. Anlagen 689 (77) + Anlageinvestitionen: Bauten 0 (78) + Vorratsver¨anderungen u. Nettozugang an Wertsachen 3397 (79) + Exporte 6853 (80) = Letzte Verwendung von G¨ utern 19002 (85) Die Letzte Verwendung von G¨ utern umfasst also die gesamte Verwendung von G¨ utern, sowohl der im Inland produzierten als auch der importierten <?page no="259"?> 8.1 Input-Output-Tabellen 259 Tabelle 8.5 Auszug aus der A-Tabelle 2015 des Statistischen Bundesamts. Herstellungspreise in Mio. Euro. 73 74 75 76 77 78 79 80 · · · 85 86 1 37342 8063 0 0 689 0 3397 6853 19002 56344 2 3333 1266 0 0 0 0 451 375 2092 5425 3 219 85 0 0 0 0 17 95 197 416 4 2812 75 0 0 0 0 201 135 411 3223 5 699 463 0 16 0 0 -30 738 1187 1886 6 11671 60 0 0 68 0 -105 1256 1279 12950 7 45331 88660 0 531 0 0 -4701 49182 133672 179003 8 4329 7553 0 0 12 0 -903 11046 17708 22037 9 15498 1619 0 0 113 3396 862 5762 11752 27250 10 21707 3352 0 0 0 0 149 16250 19751 41458 11 15704 2283 0 0 11 0 -1310 1815 2799 18503 12 20278 16324 0 178 0 0 187 17545 34234 54512 13 59541 5037 0 129 0 0 -20 90553 95699 155240 14 5837 9506 0 8046 0 0 -27615 38906 28843 34680 15 36689 1662 0 0 364 675 903 33487 37091 73780 16 3581 1602 0 0 57 0 -448 4408 5619 9200 17 22836 2576 0 0 81 3257 -2650 6842 10106 32942 18 58055 0 0 0 0 593 173 22196 22962 81017 19 17537 0 0 0 0 0 1588 19534 21122 38659 20 17332 0 0 0 482 97 1093 234 1906 19238 21 69463 3468 0 0 3306 9523 5152 32619 54068 123531 22 10026 5958 0 221 7826 559 -10066 55456 59954 69980 23 25853 5706 0 0 5297 1504 1893 48479 62879 88732 24 47250 1233 0 0 36099 1357 -1018 140386 178057 225307 25 102631 47400 0 0 22383 0 -7949 199795 261629 364260 26 10230 1861 0 170 7075 53 -11374 34544 32329 42559 27 2118 17871 0 496 8312 95 -2878 22879 46775 48893 28 28052 486 0 0 13852 718 -190 6880 21746 49798 29 65520 29776 0 247 0 0 -13 4634 34644 100164 30 10458 7560 0 0 0 0 -8521 0 -961 9497 31 3449 6615 0 0 0 0 13 0 6628 10077 32 32266 13572 0 939 0 0 -2463 8147 20195 52461 33 4802 0 0 0 0 54600 2248 395 57243 62045 34 7652 0 0 0 0 29249 0 236 29485 37137 35 88574 5413 0 0 0 95825 3481 1250 105969 194543 36 34717 26385 0 0 9169 0 0 11166 46720 81437 37 110674 53234 0 3231 10942 0 0 68897 136304 246978 38 48869 123951 0 6546 2578 0 0 0 133075 181944 39 66992 35510 0 355 0 0 -4700 3867 35032 102024 40 2020 2732 0 0 0 0 -1700 23430 24462 26482 41 5724 14225 0 0 0 0 0 6151 20376 26100 42 111318 3336 0 2851 0 0 0 7777 13964 125282 43 37389 2936 0 0 0 0 0 952 3888 41277 44 5391 76886 0 0 0 0 0 7983 84869 90260 45 19328 9903 0 0 0 0 0 13583 23486 42814 46 10310 8504 5668 0 4165 0 -211 2937 21063 31373 47 34314 29207 0 0 0 0 0 3372 32579 66893 48 82033 252 0 0 24122 0 0 14372 38746 120779 49 86442 41869 0 0 0 0 0 19223 61092 147534 50 27314 40194 0 0 0 0 0 8140 48334 75648 51 26107 615 0 0 0 0 0 4101 4716 30823 52 144845 264889 0 531 0 4588 0 1014 271022 415867 53 103343 2014 0 0 0 2246 0 17119 21379 124722 54 39645 2141 0 0 0 18697 0 11141 31979 71624 55 778 0 1869 5281 64479 0 -65 19658 91222 92000 56 17259 0 0 0 0 0 9 6024 6033 23292 57 19817 5938 0 0 0 0 48 1789 7775 27592 58 59057 4731 0 0 0 0 0 15599 20330 79387 59 32365 236 0 0 0 0 0 2907 3143 35508 60 23980 5600 0 0 0 0 0 1199 6799 30779 61 76819 9718 0 0 0 6218 32 5443 21411 98230 62 40758 5918 0 169834 0 2080 0 4208 182040 222798 63 2990 0 0 29632 0 0 0 0 29632 32622 64 23199 17697 6862 109905 0 0 0 203 134667 157866 65 10687 48331 686 151860 0 0 0 54 200931 211618 66 724 14914 13084 54638 0 0 -300 0 82336 83060 67 6961 14701 308 9329 885 0 1912 496 27631 34592 68 7700 9373 2692 4952 0 0 0 114 17131 24831 69 8069 2090 21438 6278 0 0 0 79 29885 37954 70 2056 1135 0 0 0 0 0 280 1415 3471 71 13179 41197 0 0 0 0 0 0 41197 54376 72 0 7624 0 0 0 0 0 0 7624 7624 <?page no="260"?> 260 8 Input-Output-Analysen G ¨ uter, soweit diese nicht in Form von Vorleistungen eingesetzt werden. Addiert man hierzu die Summe der im Inland produzierten und importierten Vorleistungen (Spalte 73), enth¨alt man die Gesamte Verwendung von G¨ utern: Summe der Vorleistungen 37342 (72) + Letzte Verwendung von G¨ utern 19002 (81) = Gesamte Verwendung von G¨ utern 56344 (82) In der A-Tabelle ist also die Gesamte Verwendung von G¨ utern mit dem Produktionswert identisch (v 10 j = u 9 j ). Im Unterschied zur A-Tabelle hat die A ∗ -Tabelle 89 Zeilen und 86 Spalten, in schematischer Darstellung: 1 · · · 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 1 ... A ∗ v ∗ 72 73 74 75 76 77 78 u ∗ 79 80 81 frei 82 83 84 85 86 87 88 89 Im ersten Quadranten befindet sich jetzt die Matrix A ∗ , die die Vorleistungsverflechtungen erfasst, wobei Vorleistungen aus inl ¨ andischer Produktion und Importen zusammengefasst sind. Die weiteren Zeilen wurden im vorangegangenen Abschnitt erl¨autert. Die Bedeutung der Spalten 73 - 86 wird in Box 8.6 erkl¨art; Tabelle 8.7 zeigt den entsprechenden Ausschnitt aus der Input-Output-Tabelle. In Spalte 73 befindet sich wiederum die Summe der Vorleistungen, also die Summe der Eintr ¨ age in den Spalten 1 - 72. Dann wird wie in der <?page no="261"?> 8.1 Input-Output-Tabellen 261 Box 8.6 Spalten der A ∗ -Tabelle 2015 des Statistischen Bundesamts. Spalte Symbol Beschreibung 1 - 72 a ∗ ij Produktionsbereiche 73 v ∗ 0 j Summe der Vorleistungen (Spalten 1 - 72) 74 v ∗ 1 j Konsumausgaben Privater Haushalte im Inland 75 v ∗ 2 j Konsumausgaben Privater Organisationen ohne Erwerbszweck 76 v ∗ 3 j Konsumausgaben des Staates 77 v ∗ 4 j Anlageinvestitionen: Ausr¨ ustungen und sonstige Anlagen 78 v ∗ 5 j Anlageinvestitionen: Bauten 79 v ∗ 6 j Vorratsver¨anderungen und Nettozugang an Wertsachen 80 v ∗ 7 j Exporte 81 v ∗ 8 j Exporte in EUL¨ander 82 darunter: in Mitgliedstaaten der W¨ahrungsunion 83 darunter: in Nichtmitgliedstaaten der W¨ahrungsunion 84 Exporte in Drittl¨andern 85 v ∗ 9 j Letzte Verwendung von G¨ utern 86 v ∗ 10 j Gesamte Verwendung von G¨ utern A-Tabelle ¨ uber die Verwendung Buch gef¨ uhrt (die Zahlen beziehen sich auf die Produktion landwirtschaftlicher G¨ uter): Konsumausgaben Privater Haushalte im Inland 17691 (73) + Konsumausgaben Privater Organisationen o. E. 0 (74) + Konsumausgaben des Staates 0 (75) + Anlageinvestitionen: Ausr¨ ustungen und sonst. Anlagen 689 (76) + Anlageinvestitionen: Bauten 0 (77) + Vorratsver¨anderungen u. Nettozugang an Wertsachen 5806 (78) + Exporte 10138 (79) = Letzte Verwendung von G¨ utern 34324 (81) Addiert man zur Letzten Verwendung von G ¨ utern die Summe der Vorleistungen (Spalte 73), erh¨alt man die Gesamte Verwendung von G¨ utern: Summe der Vorleistungen 53057 (72) + Letzte Verwendung von G¨ utern 34324 (81) = Gesamte Verwendung von G¨ utern 87381 (82) <?page no="262"?> 262 8 Input-Output-Analysen Tabelle 8.6 Auszug aus der A ∗ -Tabelle 2015 des Statistischen Bundesamts. Herstellungspreise in Mio. Euro. 73 74 75 76 77 78 79 80 · · · 85 86 1 53057 17691 0 0 689 0 5806 10138 34324 87381 2 4000 1428 0 0 0 0 535 431 2394 6394 3 517 336 0 0 0 0 48 234 618 1135 4 6603 288 0 0 0 0 162 136 586 7189 5 45778 4840 0 178 0 0 4501 9099 18618 64396 6 20339 94 0 0 68 0 -1538 1495 119 20458 7 63503 118290 0 624 0 0 -5107 55769 169576 233079 8 9238 28961 0 0 156 0 8175 29991 67283 76521 9 19842 2409 0 0 232 3953 1099 6562 14255 34097 10 33219 4730 0 0 0 0 972 18587 24289 57508 11 16571 2295 0 0 11 0 -1388 2049 2967 19538 12 45093 24495 0 178 0 0 1176 18622 44471 89564 13 121265 9206 0 140 0 0 2868 105466 117680 238945 14 13011 11391 0 20527 0 0 -26323 55977 61572 74583 15 53884 6247 0 0 432 834 1338 41550 50401 104285 16 7168 1958 0 0 57 0 -553 5318 6780 13948 17 27768 3070 0 0 81 3423 -3113 8094 11555 39323 18 80942 0 0 0 0 1600 315 23660 25575 106517 19 43264 0 0 0 0 0 3344 26341 29685 72949 20 17467 0 0 0 482 113 1108 274 1977 19444 21 83639 4883 0 0 5325 12099 7116 39358 68781 152420 22 34846 16883 0 694 24937 782 4557 94844 142697 177543 23 49401 9094 0 0 9987 3247 3582 67664 93574 142975 24 76137 1443 0 0 53029 1769 1204 168754 226199 302336 25 152918 59534 0 0 37002 0 -9944 225358 311950 464868 26 18889 3008 0 246 12803 66 -15986 46311 46448 65337 27 6426 27496 0 784 14240 163 4314 32992 79989 86415 28 30620 503 0 0 13852 718 38 6880 21991 52611 29 67478 30462 0 356 0 0 -68 4634 35384 102862 30 10458 7560 0 0 0 0 -8521 0 -961 9497 31 3449 6615 0 0 0 0 13 0 6628 10077 32 37386 13572 0 942 0 0 200 8479 23193 60579 33 4815 0 0 0 0 54921 2255 395 57571 62386 34 7690 0 0 0 0 29415 0 236 29651 37341 35 89110 5463 0 0 0 96295 3500 1250 106508 195618 36 38763 28949 0 0 9169 0 0 11166 49284 88047 37 115925 53234 0 3231 10942 0 0 68897 136304 252229 38 48869 123951 0 6546 2578 0 0 0 133075 181944 39 76799 35763 0 356 0 0 -4700 3867 35286 112085 40 6993 2738 0 0 0 0 -1700 23430 24468 31461 41 6237 15597 0 0 0 0 0 6151 21748 27985 42 127131 3349 0 2851 0 0 0 7777 13977 141108 43 37653 2957 0 0 0 0 0 952 3909 41562 44 10882 76886 0 0 0 0 0 7983 84869 95751 45 26720 12867 0 0 0 0 0 14239 27106 53826 46 12063 9286 5668 0 4380 0 0 3096 22430 34493 47 36710 31065 0 0 0 0 0 3372 34437 71147 48 93292 312 0 0 26984 0 0 14372 41668 134960 49 94978 43992 0 0 0 0 0 19223 63215 158193 50 30827 40194 0 0 0 0 0 8140 48334 79161 51 28717 687 0 0 0 0 0 4101 4788 33505 52 145663 264889 0 534 0 4588 0 1014 271025 416688 53 121429 2124 0 0 0 2406 0 17119 21649 143078 54 46839 2319 0 0 0 21350 0 11142 34811 81650 55 1042 0 1869 5281 79787 0 -61 19658 106534 107576 56 25146 0 0 0 0 0 12 6024 6036 31182 57 21713 6351 0 0 0 0 48 1796 8195 29908 58 68329 5061 0 0 0 0 0 15599 20660 88989 59 34337 250 0 0 0 0 0 2907 3157 37494 60 25027 5781 0 0 0 0 0 1199 6980 32007 61 82351 10247 0 0 0 6218 32 5443 21940 104291 62 41467 6027 0 169834 0 2080 0 4208 182149 223616 63 2990 0 0 29632 0 0 0 0 29632 32622 64 23301 17749 6862 109926 0 0 0 203 134740 158041 65 10689 48335 686 151882 0 0 0 54 200957 211646 66 724 14914 13084 54638 0 0 -300 0 82336 83060 67 7243 14824 308 9337 885 0 1912 664 27930 35173 68 7772 9389 2692 4952 0 0 0 114 17147 24919 69 8203 2103 21438 6278 0 0 0 79 29898 38101 70 2145 1240 0 0 0 0 0 280 1520 3665 71 13179 41197 0 0 0 0 0 0 41197 54376 72 0 7624 0 0 0 0 0 0 7624 7624 <?page no="263"?> 8.1 Input-Output-Tabellen 263 Box 8.7 Spalten in der Importtabelle 2007 des Statistischen Bundesamts. Spalte Symbol Beschreibung 1 - 72 b ij Produktionsbereiche 73 w 0 j Summe der Vorleistungen (Spalten 1 - 72) 74 w 1 j Konsumausgaben Privater Haushalte im Inland 75 w 2 j Konsumausgaben Privater Organisationen ohne Erwerbszweck 76 w 3 j Konsumausgaben des Staates 77 w 4 j Anlageinvestitionen: Ausr¨ ustungen und sonstige Anlagen 78 w 5 j Anlageinvestitionen: Bauten 79 w 6 j Vorratsver¨anderungen und Nettozugang an Wertsachen 80 w 7 j Exporte 81 w 8 j Exporte in EUL¨ander 82 darunter: in Mitgliedstaaten der W¨ahrungsunion 83 darunter: in Nichtmitgliedstaaten der W¨ahrungsunion 84 Exporte in Drittl¨andern 85 w 9 j Letzte Verwendung von G¨ utern 86 w 10 j Gesamte Verwendung von G¨ utern 8.1.6 Aufbau der Importtabelle In diesem Abschnitt soll noch einmal etwas genauer auf die unterschiedliche Buchf¨ uhrung ¨ uber Importe eingegangen werden. Als Hilfsmittel dient eine dritte Tabelle, die Importtabelle , in der die Art und Verwendung der Importe in differenzierter Form nach den unterschiedlichen G¨ utergruppen dargestellt wird. Die Erl ¨ auterungen orientieren sich wiederum an der Input-Output-Tabelle 2015 des Statistischen Bundesamts. Die Importtabelle hat 73 Zeilen und 86 Spalten. Das folgende Schema verdeutlicht den Aufbau: 1 · · · 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 1... B w 72 73 Die Zeilen 1 - 72 entsprechen den G¨ utergruppen, so dass sich im ersten Quadranten die Matrix B = ( b ij ) befindet, deren Koeffizienten bereits in 8.1.3 erkl ¨ art wurden: b ij erfasst die Menge der importierten G ¨ uter der Gruppe i, die im Produktionsbereich j als Vorleistungen verwendet werden (sie werden in cif-Preisen ausgewiesen, vgl. 8.1.2). Die Bedeutung der Spalten 73 - 86 wird in Box 8.7 erkl ¨ art. Spalte 86 <?page no="264"?> 264 8 Input-Output-Analysen Tabelle 8.7 Auszug aus der Importtabelle 2015 des Statistischen Bundesamts. cif-Preise in Mio. Euro. 73 74 75 76 77 78 79 80 · · · 85 86 1 15715 9628 0 0 0 0 2409 3285 15322 31037 2 667 162 0 0 0 0 84 56 302 969 3 298 251 0 0 0 0 31 139 421 719 4 3791 213 0 0 0 0 -39 1 175 3966 5 45079 4377 0 162 0 0 4531 8361 17431 62510 6 8668 34 0 0 0 0 -1433 239 -1160 7508 7 18172 29630 0 93 0 0 -406 6587 35904 54076 8 4909 21408 0 0 144 0 9078 18945 49575 54484 9 4344 790 0 0 119 557 237 800 2503 6847 10 11512 1378 0 0 0 0 823 2337 4538 16050 11 867 12 0 0 0 0 -78 234 168 1035 12 24815 8171 0 0 0 0 989 1077 10237 35052 13 61724 4169 0 11 0 0 2888 14913 21981 83705 14 7174 1885 0 12481 0 0 1292 17071 32729 39903 15 17195 4585 0 0 68 159 435 8063 13310 30505 16 3587 356 0 0 0 0 -105 910 1161 4748 17 4932 494 0 0 0 166 -463 1252 1449 6381 18 22887 0 0 0 0 1007 142 1464 2613 25500 19 25727 0 0 0 0 0 1756 6807 8563 34290 20 135 0 0 0 0 16 15 40 71 206 21 14176 1415 0 0 2019 2576 1964 6739 14713 28889 22 24820 10925 0 473 17111 223 14623 39388 82743 107563 23 23548 3388 0 0 4690 1743 1689 19185 30695 54243 24 28887 210 0 0 16930 412 2222 28368 48142 77029 25 50287 12134 0 0 14619 0 -1995 25563 50321 100608 26 8659 1147 0 76 5728 13 -4612 11767 14119 22778 27 4308 9625 0 288 5928 68 7192 10113 33214 37522 28 2568 17 0 0 0 0 228 0 245 2813 29 1958 686 0 109 0 0 -55 0 740 2698 30 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 31 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 32 5120 0 0 3 0 0 2663 332 2998 8118 33 13 0 0 0 0 321 7 0 328 341 34 38 0 0 0 0 166 0 0 166 204 35 536 50 0 0 0 470 19 0 539 1075 36 4046 2564 0 0 0 0 0 0 2564 6610 37 5251 0 0 0 0 0 0 0 0 5251 38 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 39 9807 253 0 1 0 0 0 0 254 10061 40 4973 6 0 0 0 0 0 0 6 4979 41 513 1372 0 0 0 0 0 0 1372 1885 42 15813 13 0 0 0 0 0 0 13 15826 43 264 21 0 0 0 0 0 0 21 285 44 5491 0 0 0 0 0 0 0 0 5491 45 7392 2964 0 0 0 0 0 656 3620 11012 46 1753 782 0 0 215 0 211 159 1367 3120 47 2396 1858 0 0 0 0 0 0 1858 4254 48 11259 60 0 0 2862 0 0 0 2922 14181 49 8536 2123 0 0 0 0 0 0 2123 10659 50 3513 0 0 0 0 0 0 0 0 3513 51 2610 72 0 0 0 0 0 0 72 2682 52 818 0 0 3 0 0 0 0 3 821 53 18086 110 0 0 0 160 0 0 270 18356 54 7194 178 0 0 0 2653 0 1 2832 10026 55 264 0 0 0 15308 0 4 0 15312 15576 56 7887 0 0 0 0 0 3 0 3 7890 57 1896 413 0 0 0 0 0 7 420 2316 58 9272 330 0 0 0 0 0 0 330 9602 59 1972 14 0 0 0 0 0 0 14 1986 60 1047 181 0 0 0 0 0 0 181 1228 61 5532 529 0 0 0 0 0 0 529 6061 62 709 109 0 0 0 0 0 0 109 818 63 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 64 102 52 0 21 0 0 0 0 73 175 65 2 4 0 22 0 0 0 0 26 28 66 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 67 282 123 0 8 0 0 0 168 299 581 68 72 16 0 0 0 0 0 0 16 88 69 134 13 0 0 0 0 0 0 13 147 70 89 105 0 0 0 0 0 0 105 194 71 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 72 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 73 586091 141405 0 13751 85741 10710 46349 235027 532983 1119074 <?page no="265"?> 8.1 Input-Output-Tabellen 265 zeigt die gesamten Importe der jeweiligen G ¨ utergruppe. Z.B. erkennt man aus Tabelle 8.7, dass 2015 insgesamt landwirtschaftliche G¨ uter im Wert von 31.037 Mio. Euro importiert wurden. Die weiteren Spalten zeigen, wie die Importe verwendet wurden. Der als Vorleistungen verwendete Teil wird in Spalte 73 dargestellt. Z.B. wurden f¨ ur 15.715 Mio. Euro importierte landwirtschaftliche G ¨ uter als Vorleistungen (von der Gesamtheit der Produktionsbereiche) verwendet. Die weitere Aufgliederung der Verwendung entspricht den bereits aus den A- und A ∗ -Tabellen bekannten Unterscheidungen. Hier noch einmal der Zusammenhang in Form einer schematischen Darstellung, wobei sich die Zahlen auf den Produktionsbereich 1 (landwirtschaftliche G¨ uter) beziehen: Konsumausgaben Privater Haushalte im Inland 9628 (74) + Konsumausgaben Privater Organisationen o. E. 0 (75) + Konsumausgaben des Staates 0 (76) + Anlageinvestitionen: Ausr¨ ustungen und sonst. Anlagen 0 (77) + Anlageinvestitionen: Bauten 0 (78) + Vorratsver¨anderungen u. Nettozugang an Wertsachen 2409 (79) + Exporte 3285 (80) = Letzte Verwendung von G¨ utern 15322 (85) Die Summe der Spalten 73 und 85 liefert schließlich den Eintrag in Spalte 86, d.h. die Gesamte Verwendung der importierten G¨ uter der jeweiligen G¨ utergruppe. 8.1.7 Daten- und Sch¨atzprobleme Bei der Erstellung von Input-Output-Tabellen wird zwischen der Input- und der Output-Methode unterschieden. Den Ausgangspunkt bilden Informationen ¨ uber die gesamte Produktion in den einzelnen Produktionsbereichen und ¨ uber deren Verwendung, differenziert in Vorleistungen, Konsum, Investitionen und Exporte, die aus vorhandenen Statistiken mehr oder weniger gut ermittelt werden k ¨ onnen. 9 Das Hauptproblem stellt sich bei der Erfassung der Vorleistungsverflechtungen zwischen den Produktionsbereichen bzw. G¨ utergruppen. 9 Allerdings werden diese Gr ¨ oßen in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auf der Grundlage institutioneller Gliederungen berechnet, so dass sich das Problem stellt, den ¨ Ubergang zu den funktionellen Unterscheidungen einer Input-Output-Tabelle zu vollziehen. Daf ¨ ur wurde vom Statistischen Bundesamt ein ziemlich kompliziertes ” ¨ Uberleitungsmodell“ entwickelt. Man vgl. Stahmer (1979). <?page no="266"?> 266 8 Input-Output-Analysen Bei der Input-Methode wird versucht, f¨ ur jeden Produktionsbereich die Gesamtsumme der Vorleistungen nach G¨ utergruppen aufzugliedern. Bei der Output-Methode wird versucht, denjenigen Teil der Produktion, der in Form von Vorleistungen verwendet wird, nach G¨ utergruppen aufzugliedern. Dazu heißt es bei St¨aglin (1968, S. 69) ”Bei der Input-Methode wird von den Gesamtinputs der einzelnen Wirtschaftszweige ausgegangen; die Tabellenerstellung erfolgt spaltenweise, in dem f¨ ur die einzelnen Produktions- und Endnachfragesektoren die Kostenbzw. Bezugsstrukturen ermittelt werden. [. . .] Bei der Output-Methode wird die Tabelle zeilenweise erstellt, indem die Outputs der einzelnen Produktionssektoren auf die jeweiligen Verbraucher bzw. K¨aufer aufgeteilt werden. Zur Ermittlung dieser Outputs wird von dem Gesamtangebot einer Vielzahl von G¨ utergruppen ausgegangen, das sich aus der Inlandserzeugung und den Einfuhren zusammensetzt, das aber durch Abzug der Ausfuhren auch auf die inl¨andische Verf¨ ugbarkeit beschr¨ankt werden kann. Dieses G¨ uterangebot wird den in der Input-Output-Tabelle unterschiedenen Produktionssektoren seiner jeweiligen Herkunft nach zugeordnet und ergibt dann, je nach Ber¨ ucksichtigung der Nebenprodukte im weitesten Sinn, die institutionell oder funktionell abgegrenzten Outputs als Ausgangsgr ¨ oßen, die in einem zweiten Rechengang auf die einzelnen Abnehmer zu verteilen sind.“ Das Statistische Bundesamt versucht, beide Methoden zu kombinieren. ¨ Uber die Konstruktion der Input-Output-Tabelle f ¨ ur das Berichtsjahr 1995 heißt es in der Fachserie 18, Reihe 2, 1995 S. 24: ”Zur Erstellung von Input-Output-Tabellen werden im Berechnungsablauf der Input-Output-Rechnung des Statistischen Bundesamts verschiedene Methoden angewendet. Ausgangsgr ¨ oßen f ¨ ur die Berechnung der Input-Output-Tabellen sind tiefgegliederte Angaben ¨ uber das Aufkommen an G¨ utern aus inl¨andischer Produktion und aus Importen. Wichtigste statistische Quellen f¨ ur die Ermittlung des inl ¨ andischen Aufkommens sind die Ergebnisse der Produktionsstatistik; den Importangaben liegen insbesondere die Werte der Außenhandelsstatistik zugrunde. Die Aufkommensgr ¨ oßen bilden die Spaltenbzw. Zeilensummen der Input-Output-Tabellen. Die Aufgliederung der Angaben in den Spalten geschieht vor allem mit Hilfe der Input-Methode und in den Zeilen mit der Output-Methode.“ Weiter heißt es: ”F¨ ur die Berechnung der Vorleistungen im ersten Quadranten der Input-Output- <?page no="267"?> 8.1 Input-Output-Tabellen 267 Tabelle stehen demnach zwei Berechnungsmethoden zur Verf¨ ugung. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil die statistischen Angaben ¨ uber Vorleistungsinputs f ¨ ur einzelne Bereiche (vor allem Dienstleistungsbereiche) sehr unvollst ¨ andig sind. L ¨ ucken im statistischen Nachweis bei der einen Methode k ¨ onnen durch Ergebnisse nach der anderen Methode ganz oder teilweise geschlossen werden. Im Zuge der Abstimmung der nach beiden Methoden ermittelten Rechenergebnisse k¨onnen Ungenauigkeiten erkannt und unter Beachtung der jeweils verwendeten Basisstatistiken beseitigt werden. Ferner ist eine Aktualisierung der Input- Strukturen trotz des Fehlens j ¨ ahrlicher Angaben ¨ uber den Wareneingang mit Hilfe der Output-Methode sch¨atzungsweise m¨oglich.“ Es ist hilfreich, sich das Problem in einer formalen Notation deutlich zu machen. Gesucht ist eine Vorleistungsmatrix A = (a ij ) mit n Zeilen und Spalten. Bekannt sind zun¨achst die Spaltenbzw. Zeilensummen: u = (u 1 , . . . , u n ) ′ und v = (v 1 , . . . , v n ) ′ So ergibt sich folgendes Schema: a 11 · · · a 1 n v 1 ... ... ... a n 1 · · · a nn v n u 1 · · · u n Die gesuchten Koeffizienten a ij k¨onnen jedoch nicht unmittelbar ermittelt werden. Stattdessen liefert die Input-Methode eine Matrix U = (u ij ) und die Output-Methode eine Matrix V = (v ij ). In schematischer Darstellung ergibt sich somit folgendes Bild: u 11 · · · u 1 n u 1 · ... ... ... u n 1 · · · u nn u n · u · 1 · · · u · n v 11 · · · v 1 n v 1 · ... ... ... v n 1 · · · v nn v n · v · 1 · · · v · n Die Methoden gew ¨ ahrleisten, dass u · j = u j und v i · = v i ist; aber sie gew¨ahrleisten nicht die Gleichungen u i · = v i und v · j = u j . Somit entsteht 10 Das Problem unvollst¨andiger Informationen stellte sich insbesondere in den Anf¨angen der Konstruktion von Input-Output-Tabellen. Z.B. berichten St ¨ aglin und Wessels (1969, S. 21) ¨ uber die Berechnung einer Input-Output-Tabelle des DIW mit 56 Sektoren f¨ ur das Berichtsjahr 1958, dass von den insgesamt 3136 Feldern der Tabelle nur 1949 ”origin¨ar ermittelt werden“ konnten. <?page no="268"?> 268 8 Input-Output-Analysen die Frage, wie man aus einer Kenntnis der Matrizen U und V die Matrix A konstruieren kann. Dabei ist zu ber¨ ucksichtigen, dass beide Matrizen mehr oder weniger unvollst¨andig sein k¨onnen; 10 im Grenzfall gibt es nur eine unvollst¨andige U- oder V-Matrix. Hat man nach der Input-Methode die U -Matrix und/ oder nach der Output-Methode die V-Matrix ermittelt, gibt es f¨ ur die (i, j)-Felder der Vorleistungsmatrix folgende M ¨ oglichkeiten: (1) Sowohl u ij als auch v ij haben n¨aherungsweise g¨ ultige Werte, (2) nur f¨ ur u ij gibt es einen n¨aherungsweise g ¨ ultigen Wert, (3) nur f ¨ ur v ij gibt es einen n ¨ aherungsweise g¨ ultigen Wert, (4) sowohl u ij als auch v ij sind unbekannt. Im letzten Fall hat man keinerlei Informationen und ist gezwungen, in irgendeiner Form Sch ¨ atzungen vorzunehmen; z.B. kann man versuchen, Informationen aus fr ¨ uheren Jahren zu verwenden und aus ihnen in irgendeiner Weise N ¨ aherungswerte f ¨ ur das Berichtsjahr zu bilden. Weiterhin stimmen im ersten Fall die Koeffizienten der U - und der V -Matrix nicht unbedingt ¨ uberein. Dann muss eine ” Abstimmung“ vorgenommen werden, um Inkonsistenzen zu beseitigen. Bei der Erstellung der Input-Output-Tabellen des Statistischen Bundesamts werden solche Inkonsistenzen zun¨achst f¨ ur jedes Feld der Tabelle gesondert untersucht und ggf. mit Hilfe zus¨atzlicher und spezifischer Informationen zu beseitigen versucht (vgl. Fachserie 18, Reihe 2, 1995 S. 46). Als Ergebnis entsteht aus den Matrizen U und V eine neue Matrix B = (b ij ), in der alle Felder eine provisorische G¨ ultigkeit haben. Allerdings ist nicht automatisch gew ¨ ahrleistet, dass die Spalten- und Zeilensummen mit den vorgegebenen Gr ¨ oßen der Vektoren u bzw. v ¨ ubereinstimmen. Deshalb erfolgt schließlich ein weiterer Rechenschritt. In der Fachserie 18, Reihe 2, 1995 S. 47, heißt es dazu: ”F¨ ur die Abstimmung der verbliebenen Differenzen im ersten Quadranten wird ein maschinelles Fehlerausgleichsprogramm benutzt, mit dessen Hilfe die Werte der Vorleistungsmatrix [ in unserer Terminologie die Matrix B ] in einem iterativen Prozeß innerhalb vorgegebener Grenzen abwechselnd zeilen- und spaltenweise so lange ver¨andert werden, bis die Zeilen- und Spaltensummen mit den entsprechenden Ausgangswerten [ in unserer Terminologie die Vektoren u und v ] ¨ ubereinstimmen.“ Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass nicht alle Koeffizienten der B- Matrix als gleichermaßen modifizierbar betrachtet werden; sondern einige vermutlich gesicherte Koeffizienten werden als unver¨anderbar behandelt und f ¨ ur einige andere werden Unter- und Obergrenzen f ¨ ur ihre Modifikation festgelegt. Wie das ” Fehlerausgleichsprogramm“ im Einzelnen <?page no="269"?> 8.2 Berechnungen mit IO-Tabellen 269 beschaffen ist, wird in der zitierten Quelle nicht n ¨ aher ausgef ¨ uhrt. Aus der Literatur sind jedoch einige Verfahren bekannt, die f¨ ur diesen Zweck eingesetzt werden k¨onnen. Mit einem dieser Verfahren besch¨aftigen wir uns im Anhang A.4. 8.2 Berechnungen mit IO-Tabellen In diesem Abschnitt wird an die in Kapitel 6 besprochenen Modelle gesellschaftlicher Produktion angekn ¨ upft (infolgedessen sind auch die mathematischen Hilfsmittel weitgehend identisch). W¨ahrend es dort um die Frage ging, wie man sich ein modellhaftes Bild gesellschaftlicher Produktion machen kann, besteht das Ziel dieses Abschnitts darin, einige der Zusammenh ¨ ange anhand von Input-Output-Tabellen nachzuvollziehen. Daf¨ ur beziehen wir uns wie bisher auf die Input-Output-Tabelle 2015 des Statistischen Bundesamts. Auf ihre Dokumentation wird auch weiterhin mit der Abk¨ urzung FS18-R2-2015 auf die ausf¨ uhrlichere Dokumentation der Tabelle des Jahres 1995 mit Fachserie 18, Reihe 2, 1995 hingewiesen. Unterschiede ergeben sich nat¨ urlich daraus, dass bei der Konstruktion der Modelle in Kapitel 6 von einer institutionellen Gliederung ausgegangen wurde, so dass man sich jeden Sektor als ein Unternehmen vorstellen kann, das eine bestimmte G¨ utersorte produziert. Andererseits orientieren sich die Input-Output-Tabellen des Statistischen Bundesamts an einer funktionellen Gliederung, bei der jeder Sektor einen Produktionsbereich ¨ ahnlicher G ¨ uter zusammenfasst. Dies muss bei der Interpretation der Rechenergebnisse ber¨ ucksichtigt werden. 8.2.1 Aggregierte IO-Tabellen Wir besprechen zun ¨ achst, wie IO-Tabellen aggregiert, d.h. zu kompakteren und einfacher ¨ uberschaubaren Tabellen zusammengefasst werden k¨onnen. Aggregierte Tabellen mit 12 G¨ utergruppen/ Produktionsbereichen werden vom Statistischen Bundesamt ebenfalls regelm¨aßig in der Fachserie 18, R 2 ver ¨ offentlicht. Bei diesen Tabellen werden die urspr ¨ unglich 72 Sektoren zu 12 neuen Bereichen zusammengefasst. Die aggregierte Tabelle f ¨ ur 2015 findet man in Statistisches Bundesamt (2019b), wir verweisen im Text mit dem K¨ urzel FS18-12G-2015 darauf. In diesem Abschnitt wird besprochen, wie man die Aggregation praktisch durchf¨ uhren kann. Dabei orientieren wir uns an der Vorgehensweise des Statistischen Bundesamts. <?page no="270"?> 270 8 Input-Output-Analysen Box 8.8 Zusammenfassung von Sektoren. Neuer Bereich Abgek¨ urzt gebildet aus 1 Erzeugn. der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei Land 1-3 2 Bergbauerzeugnisse, Steine und Erden Bergbau 4-6 3 Nahrungs- und Futtermittel, Getr¨anke, Tabakerzeugnisse Nahrung 7 4 Chemische und pharmazeutische Erzeugnisse Chemie 13, 14 5 DV-Ger¨ate, elektronische u. optische Erzeugnisse, elektrische Ausr¨ ustungen, Maschinen Maschinen 22-24 6 Fahrzeuge Fahrzeuge 25-26 7 Sonstige Erzeugnisse des Verarbeitenden Gewerbes Verarbeitung 8-12, 15-21, 27, 28 8 Dienstlg. der Energieversorg., der Wasserversorg., der Entsorgung. usw. Energie 29-32 9 Bauarbeiten Bau 33-35 10 Handels- und Verkehrsleistg., Dienstleistg. d. Gastgewerbes Handel 36-44 11 Informations-, Kommunikations-, Finanz-, Versicherungs-, Unternehmensdienstg.; Dienstg. d. Grundst¨ ucksu. Wohnungswesens Finanzen 45-61 12 ¨ Off. u. sonst. Dienstleistg. Einschl. Waren priv. Haushalte Dienste 62-72 Die Box 8.8 zeigt, wie die 72 Sektoren zu 12 Sektoren zusammengefasst werden. Weiterhin muss ¨ uberlegt werden, wie mit den ¨ ubrigen Zeilen und Spalten der Tabellen umgegangen werden soll. In den meisten F ¨ allen sollten sie unver¨andert in die aggregierten Tabellen ¨ ubernommen werden. Einige Zeilen und Spalten sind jedoch nicht unbedingt erforderlich und einige k¨onnen zusammengefasst werden. Wir verwenden folgende Zuordnung der Zeilen: Neue Zeile 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 A-Tabelle 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 A ∗ -Tabelle 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 89 Import-Tabelle 73 und folgende Zuordnung der Spalten: Neue Spalte 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 A-Tabelle 73 74 + 75 76 77 78 79 80 81 85 86 A ∗ -Tabelle 73 74 + 75 76 77 78 79 80 81 85 86 Import-Tabelle 73 74 + 75 76 77 78 79 80 81 85 86 Da die Konsumausgaben privater Organisationen ohne Erwerbszweck mit Ausnahme der aggregierten G ¨ utergruppen 11 und 12 generell 0 <?page no="271"?> 8.2 Berechnungen mit IO-Tabellen 271 sind, fassen wir in den aggregierten Tabellen diese Konsumausgaben mit den Konsumausgaben privater Haushalte im Inland zusammen. Die drei aggregierten Tabellen (Inl¨andische Produktion, Inl¨andische Produktion und Importe, Importe) weisen damit einheitlich folgende Spalten rechts der 12 G¨ utergruppen auf: Spalte Bezeichnung Abk¨ urzung 13 Input der Produktionsbereiche Vorleistung 14 Konsumausgaben privater Haushalte im Inland (inkl. pr. Org. o. E.) C PH 15 Konsumausgaben des Staates C S 16 Anlageinvestitionen: Ausr¨ ustungen und sonstige Anlagen I Aus 17 Anlageinvestitionen: Bauten I Bau 18 Vorratsver¨anderungen und Nettozugang an Wertsachen I Vor 19 Exporte Ex 20 Exporte in die Europ¨aische Union Ex EU 21 Letzte Verwendung von G¨ utern LV 22 Gesamte Verwendung von G¨ utern GV Somit k¨onnen drei aggregierte Tabellen erzeugt werden: Tabelle Zeilen Spalten A-Tabelle 24 22 A ∗ -Tabelle 26 22 Import-Tabelle 13 22 Die aggregierten Tabellen k¨onnen auf einfache Weise aus den urspr¨ unglichen Tabellen erzeugt werden, da es nur erforderlich ist, die Elemente der Zeilen und Spalten, die zusammengefasst werden sollen, zu addieren. 11 Tabelle 8.8 zeigt die aggregierte A-Tabelle. Die Angaben beziehen sich wie in der urspr ¨ unglichen Tabelle auf Herstellungspreise in Mio. Euro. Weiterhin zeigt Tabelle 8.9 die aggregierte A ∗ -Tabelle. Die Angaben beziehen sich wie in der urspr¨ unglichen Tabelle auf Herstellungspreise in Mio. Euro. Schließlich zeigt Tabelle 8.10 die aggregierte Import-Tabelle. Die Angaben beziehen sich wie in der urspr ¨ unglichen Tabelle auf cif- Preise in Mio. Euro. Die aggregierte A ∗ - und Import-Tabelle sind weder in der Fachserie noch im Statistischen Jahrbuch ausgewiesen. 11 Eine sehr ausf¨ uhrliche Darstellung dieser Additionsvorg¨ange anhand von Zahlenbeispielen findet man bei Holub und Schnabl (1994a, Kap. 4). <?page no="272"?> 272 8 Input-Output-Analysen Tabelle 8.8 Aggregierte A-Tabelle 2015. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 1 12517 63 24706 20 0 0 2362 0 0 363 310 2 23 2209 130 4534 41 33 2684 3139 1985 30 38 3 3333 7 25760 1147 0 0 12 4 0 7544 95 4 664 318 199 45785 988 1271 9555 155 1970 438 1082 5 657 103 606 309 50690 8284 6515 2476 7782 1753 2477 6 87 4 11 25 3099 103235 1527 48 15 2367 610 7 1378 1636 5197 8572 37509 43790 152797 4678 36627 18412 15307 8 2133 1108 4838 5196 2787 1906 24464 31955 1084 14799 8506 9 811 360 1004 911 1303 769 3648 6237 20463 9053 41885 10 5296 1107 24236 8310 30200 29597 44032 8599 22599 184442 26019 11 8040 1708 17090 15042 33025 24444 47340 20013 39421 125388 399528 12 502 441 2095 1589 2794 2515 4430 10270 4508 7033 27902 13 35441 9064 105872 91440 162436 215844 299366 87574 136454 371622 523759 14 6079 2021 31338 47638 70952 86729 150387 18783 23192 67941 56177 15 1653 352 1423 1091 2027 674 2013 2233 1941 11343 18323 16 43173 11437 138633 140169 235415 303247 451766 108590 161587 450906 598259 17 7126 5644 29919 21510 94835 47885 130939 24874 78690 296173 362856 18 5964 4183 25117 17032 78585 38755 109717 20240 65616 249350 294078 19 -5080 -1537 102 286 353 331 435 -482 81 1367 7170 20 9645 1910 5569 11899 24461 28371 22791 25075 5843 52766 253570 21 7321 605 4780 16056 28955 26985 34887 14142 47524 120572 293010 22 19012 6622 40370 49751 148604 103572 189052 63609 132138 470878 916606 23 62185 18059 179003 189920 384019 406819 640818 172199 293725 921784 1514865 24 8827 7306 6016 32502 391 30620 59981 3970 0 0 0 <?page no="273"?> 8.2 Berechnungen mit IO-Tabellen 273 Tabelle 8.8 (Forts.) Aggregierte A-Tabelle 2015. 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 1 553 40894 9414 0 689 0 3865 7323 4612 21291 62185 2 336 15182 598 16 68 0 66 2129 1517 2877 18059 3 7429 45331 88660 531 0 0 -4701 49182 39117 133672 179003 4 2953 65378 14543 8175 0 0 -27635 129459 73209 124542 189920 5 1477 83129 12897 221 49222 3420 -9191 244321 117645 300890 384019 6 1833 112861 49261 170 29458 53 -19323 234339 108147 293958 406819 7 7276 333179 58796 674 26590 18354 1728 201497 136301 307639 640818 8 12917 111693 57523 1186 0 0 -10984 12781 9957 60506 172199 9 14584 101028 5413 0 0 179674 5729 1881 1216 192697 293725 10 38657 423094 339195 12983 22689 0 -6400 130223 66378 498690 921784 11 72717 803756 433348 5812 92766 31749 -187 147621 75536 711109 1514865 12 52244 116323 208050 536428 885 2080 1612 5434 3902 754489 870812 13 212976 2251848 1277698 566196 222367 235330 -65421 1166190 637537 3402360 5654208 14 24854 586091 141405 13751 85741 10710 46349 235027 138191 532983 1119074 15 27859 70932 173779 7450 6660 44702 0 0 0 232591 303523 16 265689 2908871 1592882 587397 314768 290742 -19072 1401217 775728 4167934 7076805 17 440317 1540768 18 350416 1259053 19 -5681 -2655 20 94457 536357 21 76030 670867 22 605123 2745337 23 870812 5654208 24 0 149613 <?page no="274"?> 274 8 Input-Output-Analysen Tabelle 8.9 Aggregierte A ∗ -Tabelle 2015. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 1 13328 63 38423 41 0 0 3238 0 0 751 510 2 85 2674 1007 5382 1658 1574 42699 13451 2138 831 316 3 3965 7 35042 2200 0 0 69 6 0 11561 136 4 3057 386 1107 79714 2517 2764 31279 295 3047 875 2186 5 901 327 771 507 95040 19353 13030 3779 13556 3673 5835 6 240 10 19 39 5482 154057 2901 84 19 4829 1008 7 2467 2563 7884 15518 50665 59201 219438 5881 50086 32267 17928 8 2162 1121 4883 5301 2834 1934 27956 34508 1102 15101 8757 9 819 360 1009 920 1312 772 3665 6291 20515 9115 42143 10 5434 1199 24963 9007 31975 31220 47533 9174 23435 217406 28032 11 8553 1929 19978 18837 39067 29159 53442 22438 41156 135918 444916 12 509 446 2124 1612 2838 2539 4503 10450 4592 7236 28169 13 41520 11085 137210 139078 233388 302573 449753 106357 159646 439563 579936 14 1653 352 1423 1091 2027 674 2013 2233 1941 11343 18323 15 43173 11437 138633 140169 235415 303247 451766 108590 161587 450906 598259 16 7126 5644 29919 21510 94835 47885 130939 24874 78690 296173 362856 17 5964 4183 25117 17032 78585 38755 109717 20240 65616 249350 294078 18 -5080 -1537 102 286 353 331 435 -482 81 1367 7170 19 9645 1910 5569 11899 24461 28371 22791 25075 5843 52766 253570 20 7321 605 4780 16056 28955 26985 34887 14142 47524 120572 293010 21 19012 6622 40370 49751 148604 103572 189052 63609 132138 470878 916606 22 62185 18059 179003 189920 384019 406819 640818 172199 293725 921784 1514865 23 8827 7306 6016 32502 391 30620 59981 3970 0 0 0 24 32725 73984 54076 123608 238835 123386 284322 10816 1620 50388 123283 25 19408 20554 40645 74900 107194 96254 164935 8761 1302 26232 72303 26 94910 92043 233079 313528 622854 530205 925140 183015 295345 972172 1638148 <?page no="275"?> 8.2 Berechnungen mit IO-Tabellen 275 Tabelle 8.9 (Forts.) Aggregierte A ∗ -Tabelle 2015. 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 1 1220 57574 19455 0 689 0 6389 10803 8060 37336 94910 2 905 72720 5222 178 68 0 3125 10730 9981 19323 92043 3 10517 63503 118290 624 0 0 -5107 55769 44031 169576 233079 4 7049 134276 20597 20667 0 0 -23455 161443 89660 179252 313528 5 3612 160384 27420 694 87953 5798 9343 331262 170912 462470 622854 6 3119 171807 62542 246 49805 66 -25930 271669 120582 358398 530205 7 11243 475141 107047 962 34868 22903 23941 260278 174396 449999 925140 8 13112 118771 58209 1298 0 0 -8376 13113 10510 64244 183015 9 14694 101615 5463 0 0 180631 5755 1881 1216 193730 295345 10 39874 469252 343424 12984 22689 0 -6400 130223 66378 502920 972172 11 79790 895183 442962 5815 111151 34562 31 148444 76097 742965 1638148 12 52695 117713 208472 536479 885 2080 1612 5602 3905 755130 872843 13 237830 2837939 1419103 579947 308108 246040 -19072 1401217 775728 3935343 6773282 14 27859 70932 173779 7450 6660 44702 0 0 0 232591 303523 15 265689 2908871 1592882 587397 314768 290742 -19072 1401217 775728 4167934 7076805 16 440317 1540768 17 350416 1259053 18 -5681 -2655 19 94457 536357 20 76030 670867 21 605123 2745337 22 870812 5654208 23 0 149613 24 2031 1119074 25 1153 633641 26 872843 6773282 <?page no="276"?> 276 8 Input-Output-Analysen Tabelle 8.10 Aggregierte Import-Tabelle 2015. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 1 811 0 13717 21 0 0 876 0 0 388 200 2 62 465 877 848 1617 1541 40015 10312 153 801 278 3 632 0 9282 1053 0 0 57 2 0 4017 41 4 2393 68 908 33929 1529 1493 21724 140 1077 437 1104 5 244 224 165 198 44350 11069 6515 1303 5774 1920 3358 6 153 6 8 14 2383 50822 1374 36 4 2462 398 7 1089 927 2687 6946 13156 15411 66641 1203 13459 13855 2621 8 29 13 45 105 47 28 3492 2553 18 302 251 9 8 0 5 9 9 3 17 54 52 62 258 10 138 92 727 697 1775 1623 3501 575 836 32964 2013 11 513 221 2888 3795 6042 4715 6102 2425 1735 10530 45388 12 7 5 29 23 44 24 73 180 84 203 267 13 6079 2021 31338 47638 70952 86729 150387 18783 23192 67941 56177 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 1 667 16680 10041 0 0 0 2524 3480 3448 16045 32725 2 569 57538 4624 162 0 0 3059 8601 8464 16446 73984 3 3088 18172 29630 93 0 0 -406 6587 4914 35904 54076 4 4096 68898 6054 12492 0 0 4180 31984 16451 54710 123608 5 2135 77255 14523 473 38731 2378 18534 86941 53267 161580 238835 6 1286 58946 13281 76 20347 13 -6607 37330 12435 64440 123386 7 3967 141962 48251 288 8278 4549 22213 58781 38095 142360 284322 8 195 7078 686 112 0 0 2608 332 553 3738 10816 9 110 587 50 0 0 957 26 0 0 1033 1620 10 1217 46158 4229 1 0 0 0 0 0 4230 50388 11 7073 91427 9614 3 18385 2813 218 823 561 31856 123283 12 451 1390 422 51 0 0 0 168 3 641 2031 13 24854 586091 141405 13751 85741 10710 46349 235027 138191 532983 1119074 <?page no="277"?> 8.2 Berechnungen mit IO-Tabellen 277 8.2.2 Buchf¨ uhrungsgleichungen Als Vorbereitung f¨ ur die weiteren Analysen erinnern wir an die elementaren Buchf ¨ uhrungsgleichungen, die bei der Konstruktion von Input- Output-Tabellen zugrunde gelegt werden. Um die Gleichungen anhand konkreter Zahlen nachvollziehbar zu machen, beziehen wir uns auf die aggregierten Tabellen, die in 8.8 beschrieben wurden. Als Beispiel dient die Produktion, der Import und die Verwendung landwirtschaftlicher G ¨ uter (Bereich 1 in der aggregierten Tabelle). Wir beginnen mit der A-Tabelle (Tab. 8.8). Die Entstehungsseite erscheint dann in folgender Form: Vorleistungen aus inl¨andischer Produktion 35441 (Z13) + Vorleistungen aus Importen 6079 (Z14) + G¨ utersteuern abz¨ uglich G¨ utersubventionen 1653 (Z15) = Vorleistungen zu Anschaffungspreisen 43173 (Z16) Diese Gleichung liefert die Gesamtheit der Vorleistungen, die der Bereich Landwirtschaft f¨ ur seine inl¨andische Produktion verwendet hat. In Klammern wird mit Z und S auf die Zeilen und Spalten der aggregierten A-Tabelle, mit Z ∗ und S ∗ auf die Zeilen und Spalten der aggregierten A ∗ - Tabelle und mit ZI und SI auf die Zeilen und Spalten der Import-Tabelle hingewiesen. Durch Hinzuf¨ ugen der Bruttowertsch¨opfung (Summe der Zeilen 17 - 20) entsteht der Produktionswert: Vorleistungen zu Anschaffungspreisen 36415 (Z16) + Bruttowertsch¨opfung 19970 (Z21) = Produktionswert 56385 (Z22) Wenn man von der Verrechnung der Steuern und Subventionen absieht, dr ¨ uckt diese Gr ¨ oße den Gesamtwert der im Inland produzierten landwirtschaftlichen G¨ uter aus. Wie bereits erkl¨art worden ist, enth¨alt dieser Produktionswert die importierten Vorleistungen. <?page no="278"?> 278 8 Input-Output-Analysen Jetzt betrachten wir die Verwendungsseite, also die Spalten der A-Tabelle: Als Vorleistungen verwendete G¨ uter 40894 (S13) + Konsum aus inl¨andischer Produktion 9414 (S14-15) + Investitionen aus inl¨andischer Produktion 4554 (S16-18) + Exporte aus inl¨andischer Produktion 7323 (S19) = Produktionswert 62185 (S22) In der ersten Zeile steht die Gesamtheit der vom Bereich Landwirtschaft produzierten G ¨ uter, die im Inland (von irgendwelchen Bereichen) als Vorleistungen verwendet worden sind. Somit zeigt das Schema, wie die inl¨andische Produktion landwirtschaftlicher G¨ uter verwendet wurde. Das Schema liefert jedoch keinen vollst ¨ andigen Aufschluss ¨ uber die gesamte Verwendung landwirtschaftlicher G ¨ uter, denn ein Teil dieser G ¨ uter stammt auch aus Importen, die in der A-Tabelle nicht direkt sichtbar sind. Dar ¨ uber informiert zun ¨ achst die Import-Tabelle (Tab. 8.10). Aus dieser Tabelle kann man erkennen: Als Vorleistungen verwendete Importe 16680 (SI13) + F¨ ur Konsum verwendete Importe 10041 (SI14-15) + F¨ ur Investitionen verwendete Importe 2524 (SI16-18) + Zum Export verwendete Importe 3480 (SI19) = Gesamtimport landwirtschaftlicher G¨ uter 32725 (SI22) Somit erh ¨ alt man auch Aufschluss ¨ uber den Gesamtexport landwirtschaftlicher G¨ uter, n¨amlich 7323 Mio. Euro aus inl¨andischer Produktion und 3480 Mio. Euro aus Importen, insgesamt also 10803 Mio. Euro. Weitere Informationen erh¨alt man aus der A ∗ -Tabelle (Tab. 8.9). Zun¨achst findet man aus Spalte 13, dass insgesamt landwirtschaftliche G ¨ uter im Wert von 57574 Mio. Euro als Vorleistungen (in allen Bereichen) verwendet worden sind. Wie die Import-Tabelle zeigt, stammt jedoch ein Teil davon, n ¨ amlich 16680 Mio. Euro, aus Importen. Die Differenz in H ¨ ohe von 40894 Mio. Euro sind die im Inland produzierten landwirtschaftlichen G ¨ uter, die als Vorleistungen verwendet werden (wie bereits die Betrachtung der A-Tabelle gezeigt hat, vgl.o.), also: Vorleistungen landw. G¨ uter aus inl. Produktion 40894 (S13) + Vorleistungen landw. G¨ uter aus Importen 16680 (SI13) = Insgesamt verwendete Vorleistungen 57574 (S ∗ 13) <?page no="279"?> 8.2 Berechnungen mit IO-Tabellen 279 Weiterhin erh ¨ alt man auch aus der A ∗ -Tabelle die gesamte letzte inl ¨ andische Verwendung an landwirtschaftlicher G¨ uter in H¨ohe von 26533 Mio. Euro aus den Angaben in der A-Tabelle und der Import-Tabelle: Konsum und Investitionen aus inl¨andischer Produktion 13968 (S14-18) + Konsum und Investitionen aus Importen 12565 (SI14-18) = Gesamtkonsum und -investitionen landwirtschaftlicher G¨ uter 26533 (S ∗ 14-18) Jetzt wird auch der Zusammenhang zwischen der Entstehungs- und Verwendungsseite der A ∗ -Tabelle deutlicher. Zun ¨ achst zeigt die Entstehungsseite: Vorleistungen einschl. importierte Vorleistungen 43173 (Z ∗ 15) + Bruttowertsch¨opfung 19012 (Z ∗ 21) = Produktionswert 62185 (Z ∗ 22) Die erste Zeile zeigt die insgesamt verwendeten Vorleistungen, sowohl aus inl ¨ andischer Produktion als auch aus Importen (entsprechend den Angaben in der A-Tabelle, vgl.o.). Auch die Angaben f ¨ ur die Bruttowertsch¨opfung und den Produktionswert stimmen mit denjenigen in der A-Tabelle ¨ uberein. Addiert man nun zum Produktionswert die Gesamtimporte landwirtschaftlicher G¨ uter, erh¨alt man die gesamte Verwendung landwirtschaftlicher G¨ uter: Produktionswert 62185 (Z ∗ 22) + Importe landwirtschaftlicher G¨ uter 32725 (Z ∗ 24) = Gesamte Verwendung landwirtschaftlicher G¨ uter 94910 (Z ∗ 26) Schließlich liefert die Verwendungsseite der A ∗ -Tabelle folgende Zusammenh¨ange: Insgesamt verwendete Vorleistungen 57574 (S ∗ 13) + Konsum u. Inv. landwirtschaftlicher G¨ uter 26533 (S ∗ 14-18) + Exporte landwirtschaftlicher G¨ uter 10803 (S ∗ 19) = Gesamte Verwendung landwirtschaftlicher G¨ uter 94910 (S ∗ 22) F¨ ur die weiteren ¨ Uberlegungen ist es n¨ utzlich, einige der eben am Beispiel <?page no="280"?> 280 8 Input-Output-Analysen der Produktion und Verwendung landwirtschaftlicher G¨ uter erl¨auterten Buchf¨ uhrungsgleichungen in allgemeiner Weise zu formulieren. Wir verwenden folgende Notationen: A und A ∗ bezeichnen die Vorleistungsmatrizen in den Abzw. A ∗ - Tabellen. x bezeichnet einen Spaltenvektor, so dass x i der Produktionswert des Bereichs i ist. k bezeichnet einen Spaltenvektor, so dass k i den Konsum und die Investitionen aus der inl¨andischen Produktion des Bereichs i erfasst. e bezeichnet einen Spaltenvektor, so dass e i der Export aus der inl¨andischen Produktion des Bereichs i ist. y : = k + e bezeichnet die Summe aus Konsum, Investitionen und Exporten. 1 bezeichnet einen Spaltenvektor, dessen Koeffizienten nur aus Einsen bestehen. Mit Hilfe dieser Notationen k¨onnen die Buchf¨ uhrungsgleichungen f¨ ur die Verwendungsseite der A-Tabelle in folgender Weise geschrieben werden: A1 + k + e = A1 + y = x (8.1) 8.2.3 Input-Output-Koeffizienten Die Eintr ¨ age in Input-Output-Tabellen beziehen sich auf die gesamten G¨ uterstr¨ome, die es im Darstellungszeitraum zwischen den Produktionsbereichen gegeben hat. F ¨ ur viele Berechnungen ist es zweckm ¨ aßig, sie stattdessen als Anteile an den jeweiligen Produktionswerten darzustellen. Diese Idee f¨ uhrt zu Inputbzw. Output-Koeffizienten. Input-Koeffizienten werden folgendermaßen definiert: π ij : = a ij x j Ein Input-Koeffizient π ij gibt also an, wie viele Vorleistungen aus dem Bereich i vom Bereich j im Durchschnitt verwendet worden sind, um ” eine Einheit“ seiner Produktion (der j -ten G ¨ utergruppe) herzustellen. Was hierbei ”eine Einheit“ bedeutet, h¨angt nat¨ urlich davon ab, in welchen Preisen und Einheiten die Vorleistungen und Produktionswerte in der <?page no="281"?> 8.2 Berechnungen mit IO-Tabellen 281 Input-Output-Tabelle angegeben werden; in unserem Beispiel: 1 Mio. Euro in Herstellungspreisen. Zur Illustration beziehen wir uns auf die aggregierte A-Tabelle. Man findet beispielsweise: a 41 = 664, x 1 = 62185, also: π 41 = 664 62185 = 0.010678 D.h., um landwirtschaftliche G¨ uter im Wert von 1 Mio. Euro zu produzieren, wurden im Durchschnitt im Wert von 10678 Euro chemische und pharmazeutische Erzeugnisse (Sektor 4) verwendet. 12 Die Gesamtheit der Input-Koeffizienten kann in einer Matrix Π = (π ij ) angeordnet werden, die von der gleichen Ordnung ist wie die Matrix A. Mit Hilfe der im vorangegangenen Abschnitt eingef ¨ uhrten Notationen erh¨alt man auch eine einfache Formel zur Berechnung: Π = A X − 1 wobei X eine Diagonalmatrix ist, in deren Hauptdiagonale sich die Koeffizienten des Vektors x (der Produktionswerte) befinden. Also gilt auch Π X = A, und man erh¨alt die Gleichung A1 = Π X1 = Π x Somit kann man auch die Gleichung (8.1) mit Hilfe von Input-Koeffizienten schreiben: Π x + k + e = Π x + y = x Durch eine Umformung erh¨alt man schließlich y = (I − Π) x (8.2) wobei I eine Einheitsmatrix passender Ordnung ist. Die Input-Koeffizienten liefern also einen Zusammenhang zwischen der Bruttoproduktion x (den Produktionswerten) und der Nettoproduktion y (Konsum, Investitionen und Exporte). Die obere H ¨ alfte der Tabelle 8.11 zeigt die Werte (man findet diese Matrix auch in FS18-12G-2015 Tab. 3.1 (siehe Statistisches Bundesamt (2019b))). 12 Daneben zudem noch importierte chemische und pharmazeutische Erzeugnisse im Wert von 38482 Euro. <?page no="282"?> 282 8 Input-Output-Analysen Tabelle 8.11 Input-Koeffizienten der aggregierten A- und A ∗ -Tabellen. Input-Koeffizienten A-Tabelle Name 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 1 Land 0,2013 0,0035 0,1380 0,0001 0,0000 0,0000 0,0037 0,0000 0,0000 0,0004 0,0002 0,0006 2 Bergbau 0,0004 0,1223 0,0007 0,0239 0,0001 0,0001 0,0042 0,0182 0,0068 0,0000 0,0000 0,0004 3 Nahrung 0,0536 0,0004 0,1439 0,0060 0,0000 0,0000 0,0000 0,0000 0,0000 0,0082 0,0001 0,0085 4 Chemie 0,0107 0,0176 0,0011 0,2411 0,0026 0,0031 0,0149 0,0009 0,0067 0,0005 0,0007 0,0034 5 Maschinen 0,0106 0,0057 0,0034 0,0016 0,1320 0,0204 0,0102 0,0144 0,0265 0,0019 0,0016 0,0017 6 Fahrzeuge 0,0014 0,0002 0,0001 0,0001 0,0081 0,2538 0,0024 0,0003 0,0001 0,0026 0,0004 0,0021 7 Verarbeitung 0,0222 0,0906 0,0290 0,0451 0,0977 0,1076 0,2384 0,0272 0,1247 0,0200 0,0101 0,0084 8 Energie 0,0343 0,0614 0,0270 0,0274 0,0073 0,0047 0,0382 0,1856 0,0037 0,0161 0,0056 0,0148 9 Bau 0,0130 0,0199 0,0056 0,0048 0,0034 0,0019 0,0057 0,0362 0,0697 0,0098 0,0276 0,0167 10 Handel 0,0852 0,0613 0,1354 0,0438 0,0786 0,0728 0,0687 0,0499 0,0769 0,2001 0,0172 0,0444 11 Finanzen 0,1293 0,0946 0,0955 0,0792 0,0860 0,0601 0,0739 0,1162 0,1342 0,1360 0,2637 0,0835 12 Dienste 0,0081 0,0244 0,0117 0,0084 0,0073 0,0062 0,0069 0,0596 0,0153 0,0076 0,0184 0,0600 Input-Koeffizienten A ∗ -Tabelle Name 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 1 Land 0,2143 0,0035 0,2147 0,0002 0,0000 0,0000 0,0051 0,0000 0,0000 0,0008 0,0003 0,0014 2 Bergbau 0,0014 0,1481 0,0056 0,0283 0,0043 0,0039 0,0666 0,0781 0,0073 0,0009 0,0002 0,0010 3 Nahrung 0,0638 0,0004 0,1958 0,0116 0,0000 0,0000 0,0001 0,0000 0,0000 0,0125 0,0001 0,0121 4 Chemie 0,0492 0,0214 0,0062 0,4197 0,0066 0,0068 0,0488 0,0017 0,0104 0,0009 0,0014 0,0081 5 Maschinen 0,0145 0,0181 0,0043 0,0027 0,2475 0,0476 0,0203 0,0219 0,0462 0,0040 0,0039 0,0041 6 Fahrzeuge 0,0039 0,0006 0,0001 0,0002 0,0143 0,3787 0,0045 0,0005 0,0001 0,0052 0,0007 0,0036 7 Verarbeitung 0,0397 0,1419 0,0440 0,0817 0,1319 0,1455 0,3424 0,0342 0,1705 0,0350 0,0118 0,0129 8 Energie 0,0348 0,0621 0,0273 0,0279 0,0074 0,0048 0,0436 0,2004 0,0038 0,0164 0,0058 0,0151 9 Bau 0,0132 0,0199 0,0056 0,0048 0,0034 0,0019 0,0057 0,0365 0,0698 0,0099 0,0278 0,0169 10 Handel 0,0874 0,0664 0,1395 0,0474 0,0833 0,0767 0,0742 0,0533 0,0798 0,2359 0,0185 0,0458 11 Finanzen 0,1375 0,1068 0,1116 0,0992 0,1017 0,0717 0,0834 0,1303 0,1401 0,1475 0,2937 0,0916 12 Dienste 0,0082 0,0247 0,0119 0,0085 0,0074 0,0062 0,0070 0,0607 0,0156 0,0078 0,0186 0,0605 <?page no="283"?> 8.2 Berechnungen mit IO-Tabellen 283 Input-Koeffizienten k¨onnen in analoger Weise f¨ ur die A ∗ -Tabelle definiert werden: π ∗ ij : = a ∗ ij x j π ∗ ij gibt an, wie viele Vorleistungen, und zwar sowohl inl¨andische als auch importierte Vorleistungen, aus dem Bereich i vom Bereich j im Durchschnitt verwendet worden sind, um ” eine Einheit“ seiner Produktion herzustellen. Auch die Berechnung erfolgt analog, n¨amlich durch Π ∗ = A ∗ X − 1 Die untere H ¨ alfte von Tabelle 8.11 zeigt die Rechenergebnisse. Zum Beispiel ist π ∗ 41 = 0, 049160 im Unterschied zu π 41 = 0.010678. Als komplement¨are Begriffsbildung lassen sich Output-Koeffizienten definieren. F¨ ur die A-Tabelle lautet die Definition: ˜ π ij : = a ij x i ˜ π ij gibt also an, welcher Anteil der G ¨ uterproduktion im Bereich i in Form von Vorleistungen im Bereich j verwendet wird. Die Berechnung erfolgt, indem die Reihenfolge der Multiplikation vertauscht wird: ˜ Π = X − 1 A Wiederum in analoger Weise lassen sich auch Output-Koeffizienten f ¨ ur die A ∗ -Tabelle definieren und berechnen. 8.2.4 Zurechnung von Vorleistungen G¨ uterproduktion erfordert Vorleistungen und Arbeitsleistungen. Wie in Kapitel 6 besprochen wurde, kann man in beiden F ¨ allen nicht nur die direkten, sondern auch die indirekten Aufwendungen ber¨ ucksichtigen. In den folgenden Abschnitten wird dieser Gedanke anhand der aggregierten Tabellen f¨ ur 2007 n¨aher verfolgt und durch Berechnungen illustriert. Wir beginnen mit der Berechnung direkter und indirekter Vorleistungen. Wie in Abschnitt 6.1.3 besprochen wurde, erh¨alt man sie durch die Formel ¯ Π = (I − Π) − 1 − I (8.3) <?page no="284"?> 284 8 Input-Output-Analysen Tabelle 8.12 (I − Π) −1 f¨ ur die aggregierten A- und A ∗ -Tabellen. A-Tabelle Name 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 1 Land 1,2665 0,0063 0,2051 0,0027 0,0012 0,0014 0,0067 0,0010 0,0014 0,0031 0,0007 0,0030 2 Bergbau 0,0031 1,1434 0,0030 0,0377 0,0017 0,0020 0,0087 0,0267 0,0101 0,0011 0,0008 0,0015 3 Nahrung 0,0814 0,0028 1,1836 0,0107 0,0016 0,0018 0,0021 0,0020 0,0018 0,0125 0,0008 0,0116 4 Chemie 0,0202 0,0307 0,0069 1,3210 0,0077 0,0102 0,0271 0,0047 0,0143 0,0023 0,0025 0,0058 5 Maschinen 0,0197 0,0131 0,0108 0,0060 1,1558 0,0354 0,0183 0,0242 0,0368 0,0052 0,0046 0,0042 6 Fahrzeuge 0,0036 0,0017 0,0019 0,0011 0,0136 1,3418 0,0051 0,0017 0,0018 0,0048 0,0011 0,0035 7 Verarbeitung 0,0609 0,1565 0,0696 0,0944 0,1602 0,2044 1,3306 0,0679 0,1931 0,0438 0,0282 0,0227 8 Energie 0,0660 0,0999 0,0590 0,0559 0,0227 0,0228 0,0688 1,2392 0,0206 0,0300 0,0126 0,0240 9 Bau 0,0325 0,0383 0,0237 0,0176 0,0135 0,0121 0,0185 0,0595 1,0869 0,0229 0,0428 0,0257 10 Handel 0,1724 0,1224 0,2431 0,0966 0,1372 0,1514 0,1309 0,1044 0,1352 1,2680 0,0396 0,0719 11 Finanzen 0,2952 0,2193 0,2608 0,1914 0,1870 0,1717 0,1822 0,2497 0,2566 0,2532 1,3827 0,1490 12 Dienste 0,0247 0,0436 0,0285 0,0220 0,0168 0,0170 0,0198 0,0868 0,0273 0,0182 0,0292 1,0698 A ∗ -Tabelle Name 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 1 Land 1,3042 0,0095 0,3509 0,0111 0,0039 0,0050 0,0135 0,0032 0,0039 0,0083 0,0015 0,0075 2 Bergbau 0,0277 1,2134 0,0328 0,0892 0,0377 0,0485 0,1428 0,1305 0,0414 0,0139 0,0065 0,0090 3 Nahrung 0,1093 0,0060 1,2778 0,0295 0,0046 0,0056 0,0073 0,0045 0,0044 0,0222 0,0017 0,0184 4 Chemie 0,1289 0,0759 0,0620 1,7538 0,0460 0,0608 0,1459 0,0252 0,0523 0,0141 0,0096 0,0216 5 Maschinen 0,0400 0,0479 0,0286 0,0241 1,3462 0,1212 0,0571 0,0520 0,0816 0,0158 0,0129 0,0122 6 Fahrzeuge 0,0128 0,0068 0,0078 0,0054 0,0355 1,6181 0,0158 0,0055 0,0066 0,0130 0,0029 0,0078 7 Verarbeitung 0,1529 0,3176 0,1674 0,2750 0,3169 0,4286 1,6176 0,1431 0,3350 0,0995 0,0482 0,0482 8 Energie 0,0840 0,1223 0,0834 0,0919 0,0417 0,0483 0,1133 1,2778 0,0362 0,0387 0,0161 0,0286 9 Bau 0,0395 0,0458 0,0343 0,0303 0,0215 0,0223 0,0312 0,0678 1,0925 0,0271 0,0458 0,0279 10 Handel 0,2214 0,1731 0,3216 0,1737 0,2025 0,2420 0,2101 0,1444 0,1768 1,3430 0,0510 0,0868 11 Finanzen 0,3923 0,3166 0,4030 0,3670 0,3061 0,3176 0,3220 0,3415 0,3317 0,3204 1,4534 0,1851 12 Dienste 0,0319 0,0519 0,0388 0,0361 0,0255 0,0286 0,0339 0,0969 0,0334 0,0223 0,0318 1,0724 <?page no="285"?> 8.2 Berechnungen mit IO-Tabellen 285 Sie kann nat¨ urlich nur verwendet werden, wenn die Matrix (I − Π) invertierbar und ihre Inverse nicht-negativ ist. Eine hinreichende Bedingung daf ¨ ur besteht z.B. darin, dass in jeder Komponente von Π keine Spaltensumme gr¨oßer als 1 und mindestens eine Spaltensumme kleiner als 1 ist. Da in unserem Beispiel alle Spaltensummen kleiner als 1 sind, ist die Invertierbarkeit also gew¨ahrleistet. Die obere H¨alfte von Tabelle 8.12 zeigt das Ergebnis. Man erkennt, dass die inverse Matrix nur nicht-negative Koeffizienten enth ¨ alt (die Zahlen findet man auch in FS18-12G-2015 Tab. 3.3). Außerhalb der Hauptdiagonalen entsprechen die Elemente der Tabelle bereits den Elementen von ¯ Π , in der Hauptdiagonalen muss der Wert 1 abgezogen werden. Zur Interpretation ist es zweckm ¨ aßig, die Tabellen 8.11 und 8.12 zu vergleichen. Z.B. erkennt man, dass zur Produktion von 1 Mio. Euro landwirtschaftlicher G ¨ uter die direkten Vorleistungen aus dem Bereich 6 (Fahrzeuge) 13991 Euro, die direkten und indirekten Vorleistungen jedoch 36420 Euro betragen. Vergleichbar deutlich ist der Unterschied bei den Vorleistungen aus dem Bereich 11 (Informations-, Kommunikations-, Finanz-, Versicherungs-, Unternehmensdienstg.; Dienstg. des Grundst ¨ ucks- und Wohnungswesens (kurz: ”Finanzen“)). Die direkten Vorleistungen betragen in diesem Fall 129291 Euro, die direkten und indirekten Vorleistungen 295232 Euro. 8.2.5 Zurechnung von Arbeitsleistungen Jetzt soll versucht werden, den direkten und indirekten Arbeitsaufwand zu berechnen. Der Grundgedanke wurde bereits in Abschnitt 6.2 besprochen. Die Idee besteht darin, f¨ ur jede G¨ utersorte j eine Gr¨oße ¯ w j zu berechnen, die angibt, wie viel Arbeit zur Produktion einer G ¨ utereinheit sowohl direkt als auch indirekt aufgewendet wird. Wie in Abschnitt 6.2 gezeigt wurde, kann die Berechnung mit folgender Formel vorgenommen werden: ¯ w ′ = w ′ (I − Π) − 1 (8.4) Es ist also nur erforderlich, die Matrix (I − Π) − 1 von links mit dem Vektor w ′ zu multiplizieren, dessen Koeffizienten den direkten Arbeitsaufwand erfassen. <?page no="286"?> 286 8 Input-Output-Analysen Tabelle 8.13 Anzahl der Erwerbst¨atigen (E) und Arbeitnehmer (A) im Inland 2015 nach Sektoren (i). Jahresdurchschnitt in 1000. i E A i E A i E A i E A 1 582 305 19 50 49 37 1943 1804 55 643 635 2 34 26 20 98 97 38 3447 3082 56 237 203 3 5 3 21 889 844 39 939 850 57 215 119 4 28 28 22 237 225 40 16 12 58 160 130 5 4 4 23 389 382 41 60 60 59 932 921 6 53 52 24 996 968 42 620 593 60 103 85 7 894 845 25 533 530 43 563 546 61 1996 1789 8 137 125 26 112 110 44 1913 1632 62 2147 2147 9 136 122 27 382 350 45 243 231 63 390 390 10 129 127 28 298 285 46 129 113 64 2322 2134 11 168 155 29 148 148 47 122 118 65 3115 2737 12 16 16 30 37 37 48 728 624 66 2409 2330 13 235 231 31 40 40 49 657 657 67 406 251 14 59 58 32 214 207 50 175 175 68 233 200 15 390 382 33 375 292 51 339 191 69 665 665 16 55 54 34 248 237 52 516 458 70 82 53 17 167 157 35 1851 1452 53 1294 1018 71 713 477 18 114 113 36 939 829 54 720 559 72 837 837 Nach Sektoren der aggregierten Tabelle 1 621 334 4 294 289 7 3029 2876 10 10440 9408 2 85 84 5 1622 1575 8 439 432 11 9209 8026 3 894 845 6 645 640 9 2474 1981 12 13319 12221 Allerdings muss ¨ uberlegt werden, wie sich der direkte Arbeitsaufwand erfassen l ¨ asst. Angaben ¨ uber die in den einzelnen Sektoren der Input- Output-Tabelle eingesetzten Arbeitsstunden gibt es leider nicht. Aus den Ver¨offentlichungen des Statistischen Bundesamts l¨asst sich nur entnehmen, wie viele Erwerbst ¨ atige bzw. Arbeitnehmer in den Sektoren im Jahresdurchschnitt besch ¨ aftigt waren. Die obere H ¨ alfte von Tabelle 8.13 zeigt die verf ¨ ugbaren Informationen f ¨ ur die nicht-aggregierte Tabelle 2015 (vgl. FS18-R2-2015 Tab. 4); in der unteren H ¨ alfte haben wir sie entsprechend der in Abschnitt 8.2.1 besprochenen Aggregation zusammengefasst. Wie die Tabelle zeigt, unterscheidet das Statistische Bundesamt zwischen Erwerbst¨atigen und Arbeitnehmern. Dazu gibt es folgende Erl¨auterungen (Fachserie 18, Reihe 2, 1995 S. 23): ”Als Erwerbst¨atige werden alle Personen angesehen, die einer oder auch mehreren Erwerbst ¨ atigkeiten nachgehen, unabh ¨ angig von der Dauer der tats ¨ achlich geleisteten oder vertragsm¨aßig zu leistenden w¨ochentlichen Arbeitszeit. F¨ ur die Zuordnung als Erwerbst ¨ atiger ist es unerheblich, ob aus dieser T ¨ atigkeit der <?page no="287"?> 8.2 Berechnungen mit IO-Tabellen 287 ¨ uberwiegende Lebensunterhalt bestritten wird oder nicht. Zu den Erwerbst¨atigen geh¨oren auch Soldaten (einschließlich der Wehr- und Zivildienstleistenden). Im Fall mehrerer (gleichzeitiger) T¨atigkeiten wird der Erwerbst¨atige nur einmal gez ¨ ahlt. Sowohl f ¨ ur die Zuordnung nach der Stellung im Beruf (Arbeitnehmer oder Selbst ¨ andiger), als auch f ¨ ur die Zuordnung auf Wirtschaftsbereiche wird die zeitlich ¨ uberwiegende T ¨ atigkeit zugrunde gelegt. Nicht zu den Erwerbst ¨ atigen rechnen Personen in ihrer Eigenschaft als Grundst ¨ ucks-, Haus- und Wohnungseigent¨ umer oder als Eigent¨ umer von Wertpapieren und ¨ahnlichen Verm¨ogenswerten. [. . .] Als Arbeitnehmer z ¨ ahlt, wer als Arbeiter, Angestellter, Beamter, Richter, Berufssoldat, Soldat auf Zeit, Wehr- oder Zivildienstleistender, Auszubildender, Praktikant oder Volont ¨ ar in einem Arbeits- oder Dienstverh ¨ altnis steht und haupts¨achlich diese T¨atigkeit aus¨ ubt. Eingeschlossen sind auch Heimarbeiter.“ In den folgenden Berechnungen verwenden wir zur Erfassung des direkten und indirekten Arbeitsaufwands die Anzahl der Erwerbst¨atigen. Ein weiteres Problem betrifft die importierten Vorleistungen, deren Produktion nat ¨ urlich ebenfalls Arbeitsleistungen erfordert. Dar ¨ uber sind jedoch ¨ uberhaupt keine Informationen verf¨ ugbar, so dass es nicht m¨oglich ist, den wirklichen gesamten Arbeitsaufwand zu berechnen. Man kann aber eine etwas andere Fragestellung verfolgen: Wie viel Arbeitsleistungen wurden im Inland direkt und indirekt f ¨ ur die Herstellung einer G ¨ utereinheit einer jeweils bestimmten G ¨ utergruppe aufgewendet? Dementsprechend gehen wir zur Berechnung von der A-Tabelle aus. F¨ ur die Berechnung sind wir folgendermaßen vorgegangen. Zun¨achst wurde die Matrix ( I − Π ) − 1 berechnet. Dann wurde ein Vektor e gebildet, um die in Tabelle 8.13 angegebenen Erwerbst ¨ atigenzahlen zu erfassen. Durch Transposition entsteht daraus ein Zeilenvektor. Dessen Koeffizienten werden mit 1000 multipliziert, da die Angaben in Tabelle 8.13 in 1000 angegeben sind, und dann durch die Produktionswerte dividiert. So entsteht der Zeilenvektor w ′ , dessen Koeffizienten die Anzahl der im Jahresdurchschnitt besch ¨ aftigten Erwerbst ¨ atigen pro 1 Mio. Euro an G¨ utern des jeweiligen Bereichs enthalten. Schließlich liefert eine Berechnung entsprechend der Formel (8.4) den Vektor ¯ w ′ . Die folgende Tabelle zeigt die berechneten Werte. i 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 w i 10,0 4,7 5,0 1,5 4,2 1,6 4,7 2,5 8,4 11,3 6,1 15,3 ¯ w i 18,0 10,3 13,5 5,7 8,8 6,5 9,8 8,3 13,9 16,8 9,9 18,6 Im Durchschnitt wurden z.B. 10 Erwerbst¨atige eingesetzt, um landwirtschaftliche G¨ uter im Wert von 1 Mio. Euro zu erzeugen. Dies ist jedoch <?page no="288"?> 288 8 Input-Output-Analysen nur der direkte Arbeitseinsatz. Der gesamte inl ¨ andische Arbeitseinsatz betr¨agt dagegen 18 jahresdurchschnittliche Erwerbst¨atige. 8.3 Input-Output-Modelle Die bisherigen ¨ Uberlegungen und Berechnungen zielten darauf, ein Bild der ¨ okonomischen Verflechtungen zwischen Produktionsbereichen zu gewinnen. Dar¨ uber hinaus k¨onnen Input-Output-Tabellen auch f¨ ur Modellberechnungen zur Reflexion m¨oglicher kausaler Zusammenh¨ange verwendet werden. In diesem Abschnitt wird ein einfaches Modell dieser Art besprochen. 8.3.1 Bruttoproduktion und Endnachfrage Unterscheidet man bei der Bruttoproduktion nur zwei Bestandteile, den Vorleistungsanteil und die Nettoproduktion, erh¨alt man, wie in Abschnitt 8.2.3 gezeigt wurde, das Gleichungssystem x = Πx + y (8.5) wobei x der Vektor der Bruttoproduktion, y der Vektor der Nettoproduktion und Π die Matrix der Input-Koeffizienten bezeichnet. Eine Input- Output-Tabelle liefert f¨ ur dieses Gleichungssystem bestimmte Zahlen. Mit diesen Zahlen wird der Intention nach festgestellt, welche G¨ uterstr¨ome es in einem Berichtsjahr tats¨achlich gegeben hat. Somit handelt es sich aus dieser Perspektive um Buchf¨ uhrungsgleichungen, die zur Darstellung von Vorg ¨ angen, die sich in einem vergangenen Zeitraum abgespielt haben, verwendet werden k¨onnen. Soweit handelt es sich also um Fragestellungen, die sich darauf beziehen, was in einem vergangenen Zeitraum tats¨achlich geschehen ist. Dar ¨ uber hinaus kann man auch andere Arten von Fragestellungen reflektieren: Was k¨onnte (in der Zukunft) geschehen? Oder auch in hypothetischer Form: Was w¨ urde geschehen, wenn bestimmte (hypothetisch gesetzte) Vorg¨ange realisiert w¨ urden? Fragestellungen dieser Art werden modale Fragestellungen genannt. Sie beziehen sich nicht darauf, was tats ¨ achlich ist bzw. in der Vergangenheit gewesen ist, sondern darauf, was sein bzw. werden k¨onnte. Um solche modalen Fragestellungen reflektierbar zu machen, dienen Modelle . Es werden hypothetische Annahmen formuliert, sowohl ¨ uber m¨ogliche Sachverhalte als auch ¨ uber Regeln, um <?page no="289"?> 8.3 Input-Output-Modelle 289 ein Verst¨andnis m¨oglicher Folgen zu gewinnen. Anhand des Gleichungssystems (8.5) kann die Vorgehensweise exemplarisch erl ¨ autert werden. Eine einfache Umformung liefert y = ( I − Π ) x , und daraus gewinnt man das Gleichungssystem x = (I − Π) − 1 y (8.6) Da von einem System von Buchf¨ uhrungsgleichungen ausgegangen wurde, ist zun¨achst auch (8.6) ein System von Buchf¨ uhrungsgleichungen. Man kann es jedoch auch als Ausgangspunkt f ¨ ur modale Fragestellungen verwenden. In der Input-Output-Rechnung wird insbesondere oft eine modale Fragestellung diskutiert, die von der Annahme ausgeht, dass y in erster Linie als Ausdruck einer gesellschaftlichen Nachfrage nach den unterschiedlichen Arten von G ¨ utern interpretiert werden kann. 13 Daran schließt sich folgende modale Fragestellung an: Wie w ¨ urde sich die Bruttoproduktion x ver ¨ andern, wenn sich die Nachfrage auf eine bestimmte (hypothetisch angenommene) Weise ver ¨ andern w ¨ urde? Es ist klar, dass man aus der Gleichung (8.6) ohne weiteres keine Antwort enth¨alt. Denn wenn sich y ver¨andert, kann sich auch Π ver¨andern, und es ist insoweit vollst¨andig offen, ob und wie sich x ver¨andern wird. Wenn man jedoch annehmen k¨onnte, dass sich Π f¨ ur einen gewissen Zeitraum nicht ver ¨ andert, k ¨ onnte man (8.6) verwenden, um zu einer Antwort zu gelangen. Man nimmt hypothetisch einen neuen Vektor ˜ y an, und erh¨alt dann einen korrespondierenden Bruttoproduktionsvektor ˜ x = (I − Π) − 1 ˜ y. Stattdessen kann man auch hypothetisch annehmen, dass sich y um Δy ver¨andert. Die korrespondierende Ver¨anderung von x ist dann Δx = (I − Π) − 1 Δy (8.7) Modelle dieser Art werden in der Literatur (offene) Leontief-Modelle genannt. 14 Der Modellansatz beruht auf zwei wesentlichen Annahmen. Die erste wurde bereits erw¨ahnt: dass die Produktionsstruktur, wie sie in einer gegebenen Matrix von Input-Koeffizienten Π erfasst werden kann, f¨ ur einen gewissen Zeitraum als n¨aherungsweise konstant angenommen werden kann. Zweitens aber auch die Annahme, dass die G ¨ uterproduktion der Unternehmen einer vorg ¨ angig definierbaren Nachfrage nach 13 Eine gewisse Einschr ¨ ankung ist hier nat ¨ urlich schon deshalb erforderlich, weil y auch ungeplante Vorratsver¨anderungen umfasst. 14 Benannt nach Wassily Leontief, der in den USA seit den 1930 er Jahren f¨ uhrend an der Entwicklung von Methoden der Input-Output-Rechnung beteiligt war. <?page no="290"?> 290 8 Input-Output-Analysen G¨ utern folgt. 15 Beide Annahmen sind fragw¨ urdig, aber auf die ziemlich weitl¨aufige Diskussion kann an dieser Stelle nicht n¨aher eingegangen werden. Zun¨achst kommt es auch darauf an, ein besseres Verst¨andnis dieses Typs von Modellen zu gewinnen. Deshalb besprechen wir im n ¨ achsten Abschnitt ein Beispiel. 8.3.2 Berechnung eines Beispiels In diesem Abschnitt besprechen wir ein aktualisiertes Beispiel, das urspr ¨ unglich in der Publikation des Statistischen Bundesamts zur Input- Output-Tabelle 1995 (Fachserie 18, Reihe 2, 1995 S. 61 ff.) angegeben wurde. In diesem Beispiel soll untersucht werden, wie sich - unter den Voraussetzungen des Leontief-Modells - eine Erh ¨ ohung der Nachfrage nach Kraftfahrzeugen um 10 % auf die Bruttoproduktion aller Bereiche auswirken w¨ urde. Zun¨achst erkennt man aus der nicht-aggregierten Input-Output-Tabelle, dass die K¨aufe der Privaten Haushalte von G¨ utern des Bereichs 25 (Kraftwagen und Kraftwagenteile) 2015 insgesamt 47400 Mio. Euro betrugen (vgl. Zeile 25, Spalte 74 in Tabelle 8.5). Davon 10 % sind 4740 Mio. Euro. Die Fragestellung ist also: Wie w ¨ urde sich die Bruttoproduktion aller Bereiche erh ¨ ohen, wenn es in der G ¨ utergruppe 25 einen zus¨atzlichen Nettoverbrauch in H¨ohe von 4740 Mio. Euro geben w¨ urde? Zur Beantwortung dieser Frage wird an Gleichung (8.7) angekn ¨ upft. Zun¨achst wird ein Vektor y d : = (0, . . . , 0, 4740, 0, . . . , 0) ′ definiert, wobei sich der Eintrag 4740 in der Position 25 befindet. Dann erh¨alt man durch x d = (I − Π) − 1 y d die entsprechende Ver¨anderung x d . In der Publikation des Statistischen Bundesamts wurde die Rechnung auf der Grundlage der aggregierten A-Tabelle ausgef ¨ uhrt. F ¨ uhrt man die Berechnung f¨ ur 2015 mit der nicht-aggregierten Tabelle durch, erh¨alt man das in Tabelle 8.14 angegebene Ergebnis. Es resultieren kleinere Unterschiede zu den Ergebnissen mit der aggregierten Tabelle. Dies betrifft auch den Gesamtumfang, um den die Bruttoproduktion zunimmt. 15 Z.B. heißt es bei Skolka (1974, S. 31): ” Die IO-Analyse geht von der einfachen ¨ Uberlegung aus, daß die Nachfrage nach Produkten eines Produktionszweiges nicht nur direkt dessen Produktionsumfang bestimmt, sondern auch indirekt Produktion in den ihm vorgelagerten Wirtschaftsbereichen induziert.“ <?page no="291"?> 8.3 Input-Output-Modelle 291 Tabelle 8.14 Rechnung mit der nicht aggregierten A-Tabelle, 2015. i x d i i x d i i x d i i x d i 1 1 19 33 37 151 55 0 2 1 20 151 38 59 56 28 3 0 21 304 39 97 57 23 4 2 22 10 40 2 58 42 5 1 23 56 41 8 59 85 6 3 24 104 42 145 60 6 7 1 25 6460 43 31 61 81 8 7 26 4 44 4 62 39 9 8 27 1 45 14 63 1 10 10 28 100 46 6 64 25 11 14 29 67 47 21 65 1 12 13 30 11 48 70 66 0 13 52 31 3 49 63 67 1 14 0 32 31 50 20 68 2 15 177 33 2 51 8 69 6 16 3 34 3 52 122 70 2 17 7 35 47 53 131 71 6 18 178 36 211 54 51 72 0 Die Rechnung mit der aggregierten Tabelle liefert Σ i x d i = 9347, die Rechnung mit der nicht-aggregierten Tabelle liefert 9426 Mio. Euro. <?page no="292"?> 292 8 Input-Output-Analysen 8.4 Aufgaben 1. Bei der Definition der Produktionsbereiche kann nach dem funktionellen oder dem institutionellen Gliederungsprinzip vorgegangen werden. Erl¨autern Sie die Vor- und Nachteile der beiden Konzeptionen. 2. Das Statistische Bundesamt ver¨offentlicht zwei Input-Output-Tabellen: Inl¨andische Produktion und Inl¨andische Produktion und Importe. a) Erl ¨ autern Sie, wie sich die beiden Vorleistungsmatrizen A und A ∗ unterscheiden. b) Welche Tabelle halten Sie zur Analyse von konjunkturell motivierten Ausgabeprogrammen f¨ ur geeigneter? 3. Betrachten Sie die Tabelle Inl ¨ andische Produktion mit 12 stark aggregierten Produktionsbereichen und ermitteln Sie die drei Produktionsbereiche mit a) den h¨ochsten Produktionswerten, b) den h¨ochsten Exporten, c) den h¨ochsten Lohnsummen, d) der h¨ochsten ”Exportabh¨angigkeit“ gemessen als Anteil der Exporte an der Endnachfrage. 4. Betrachten Sie die Tabellen Inl¨andische Produktion und Inl¨andische Produktion und Importe mit 12 stark aggregierten Produktionsbereichen. ¨ Uberlegen Sie, wie Sie ausgehend von den in der Tabelle enthaltenen Informationen sinnvoll die folgenden Begriffe operationalisieren k ¨ onnten: ” Importabh ¨ angigkeit“, ” Arbeitsproduktivit ¨ at“, ” Kapitalintensit ¨ at“. Ermitteln Sie jeweils, welcher Produktionsbereich nach Ihrer Operationalisierung den h¨ochsten Wert aufweist. 5. Ermitteln Sie die Durchschnittsl ¨ ohne der Erwerbst ¨ atigen in den Produktionsbereichen. Welche sind Hoch-, welche sind Niedriglohnbereiche? <?page no="293"?> 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 9.1 Aufgaben und Darstellungen 9.1.1 Aufgabe der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 9.1.2 Die sektorale Gliederung 9.1.3 Darstellungen von Wirtschaftskreisl¨aufen 9.1.4 Ein Kreislaufschema 9.1.5 Das aktuelle Kontensystem 9.1.6 Konten der Entstehung, Verteilung und Verwendung 9.1.7 Finanzierungsrechnung 9.1.8 Ausgew¨ahlte Ergebnisse der Finanzierungsrechnung 9.1.9 Zahlungsbilanz 9.2 Entstehungsrechnung 9.2.1 Interpretation des Bruttoinlandsprodukts 9.2.2 Produktionswert und Bruttowertsch¨opfung 9.2.3 Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts 9.2.4 Bruttonationaleinkommen 9.2.5 Bez¨ uge zur Input-Output-Rechnung 9.2.6 Beitr¨age der Wirtschaftsbereiche 9.3 Verteilungsrechnung 9.3.1 Volkseinkommen 9.3.2 Prim ¨ areinkommenssaldo und Transfers mit der ¨ ubrigen Welt 9.3.3 Verm¨ogensbildung und Finanzierungssaldo 9.3.4 Verteilung des Volkseinkommens 9.3.5 Arbeitnehmerentgelt, Sozialbeitr¨age, Lohnsteuer 9.3.6 Einnahmen und Ausgaben des Staates 9.4 Verwendungsrechnung 9.4.1 Verwendungskomponenten 9.4.2 Konsum 9.4.3 Investitionen 9.4.4 Außenhandel 9.4.5 Entwicklung der Verwendungskomponenten 9.4.6 Die drei Berechnungsarten im ¨ Uberblick 9.5 Aufgaben <?page no="294"?> 294 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung kann als Buchf¨ uhrung des gesamten Wirtschaftsgeschehens betrachtet werden. Im Zentrum steht die Ermittlung des Bruttoinlandsprodukts und davon abgeleiteter Gr ¨ oßen. In diesem Kapitel werden die wesentlichen Aspekte der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, insbesondere die Entstehungs-, Verteilungs- und Verwendungsrechnung des Bruttoinlandsprodukts, dargestellt. 9.1 Aufgaben und Darstellungen 9.1.1 Aufgabe der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) hat die Aufgabe, ein m ¨ oglichst umfassendes, tief gegliedertes, quantitatives Gesamtbild des wirtschaftlichen Geschehens zu liefern. Die VGR ist ein System von Definitionen und Buchf¨ uhrungsgleichungen zur Erfassung volkswirtschaftlicher Best ¨ ande und Str ¨ ome. Die Ergebnisse der VGR bilden die Grundlage empirischer Analysen gesamtwirtschaftlicher Fragen. Ausgangspunkt der Ausgestaltung der VGR sind die folgenden wirtschaftlichen Vorg¨ange und T¨atigkeiten, die quantitativ erfasst werden sollen: produzieren, verteilen, konsumieren, investieren, finanzieren. In Hinblick auf theoretische volkswirtschaftliche Modelle sollte die VGR so ausgestaltet sein, dass diese mit empirischen Daten ausgef ¨ ullt werden k ¨ onnen. Insbesondere in Folge der Keynes´schen Theorie ist die VGR so ausgestaltet worden, dass die wesentlichen makro¨okonomischen Stromgr ¨ oßen bereitgestellt werden. Entsprechend der geringen Bedeutung in der Keynes´schen Theorie sind auch in der VGR bis heute die Bestandsaggregate in wesentlich geringerem Maße ber¨ ucksichtigt. Die Anforderungen an die gesamtwirtschaftlichen Rechenwerke haben sich im Zeitablauf deutlich ver ¨ andert. Bei der politischen Arithmetik und Staatenkunde im 17. und 18. Jahrhundert stand die ”Messung des Wohlstands der Nation“ im Vordergrund. In den vergangenen Jahrzehnten ist insbesondere das Interesse an der Darstellung der finanziellen Str¨ome und an der Verf¨ ugbarkeit tiefer gegliederter Aggregate gestiegen. Aktuell ist die Erg¨anzung der VGR um Satellitensysteme gefordert, um dem wieder erstarkten Interesse an einer Wohlstandsmessung und der Kritik an der Eignung von Einkommensgr¨oßen der VGR als Wohlstandsmaße nachzukommen. Die Erg¨anzung der VGR um Informationen ¨ uber Ressourcenverbr¨auche und Umweltzust¨ande ist ebenfalls ein Erfordernis. <?page no="295"?> 9.1 Aufgaben und Darstellungen 295 Um einen ¨ Uberblick ¨ uber die unz¨ahligen und vielf¨altigen wirtschaftlichen Aktivit ¨ aten zu gewinnen, sind eine Kategorisierung sowie eine starke Aggregation notwendig. Ausgangspunkt der Erfassung ist hierbei die Aggregation von Wirtschaftseinheiten zu Wirtschaftsbereichen (Sektoren). Die Erfassung der wirtschaftlichen T¨atigkeiten erfolgt in Form von Konten mit dem zugrundeliegenden Konzept der doppelten Buchf ¨ uhrung. Die wesentliche Darstellungsform ist die der tabellarischen Darstellung. Die aktuell in der VGR verwendeten Definitionen und Konzepte sind im Europ ¨ aischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG 2010) verbindlich geregelt. Das ESVG 2010 beruht wesentlich auf dem System of National Accounts der UN (SNA 2008) und ist im Jahr 2014 in der deutschen VGR umgesetzt worden. Ein ganz wesentlicher Bereich der VGR umfasst den Bereich der Einkommensentstehungs-, -verteilungs- und -verwendungsrechnung. Die zentrale Gr ¨ oße im Kontext der Einkommensmessung ist das Bruttoinlandsprodukt. Weitere bedeutsame Bereiche der VGR sind daneben die Erwerbst¨atigenrechnung, die Verm¨ogensrechnung und die Erfassung der sektoralen Verflechtung in Form von Input-Output-Tabellen. 9.1.2 Die sektorale Gliederung Grundlegendes Prinzip in der VGR ist das Wohnsitzprinzip. Es werden somit in der VGR lediglich Wirtschaftseinheiten erfasst, die ihren Sitz (Wohnsitz) in Deutschland haben. Die gesamte Region außerhalb Deutschlands wird als ” ¨ Ubrige Welt“ bezeichnet (in bestimmten Fachgebieten, etwa der Außenhandelsstatistik, nat¨ urlich in entsprechender Gliederung). Die Rechtsform der Wirtschaftseinheiten, deren Eigentumsverh¨altnisse, deren Nationalit¨at usw. sind nicht von Bedeutung. Die Zusammenfassung der Wirtschaftseinheiten f ¨ uhrt zu einer groben Gliederung mit den folgenden drei Sektoren: Unternehmen Private Haushalte Staat. Unternehmen sind Wirtschaftseinheiten, die Sachg ¨ uter oder Dienstleistungen herstellen oder Kredite geben/ nehmen. Private Haushalte sind Wirtschaftseinheiten, die Mittel aus dem Verkauf ihrer Arbeit, Transfers <?page no="296"?> 296 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung oder Verm¨ogensertr¨agen, selbst¨andiger T¨atigkeit oder Gewinnentnahmen erzielen und Konsumg ¨ uter nachfragen. Organisationen ohne Erwerbszweck (Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, usw.) werden hier miterfasst, deren Marktt ¨ atigkeit aber im Unternehmenssektor. Der Staat erstellt Kollektivg¨ uter in Form von Dienstleistungen, stellt diese ohne spezielles Entgelt zur Verf¨ ugung und finanziert sich durch Zwangsabgaben. Zum Unternehmenssektor geh¨oren die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften und die finanziellen Kapitalgesellschaften. Zu den nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften z¨ahlen die Kapitalgesellschaften in Form einer AG oder GmbH, Personengesellschaften in der Rechtsform der OHG und KG, Eigenbetriebe des Staates sowie die unternehmerisch t ¨ atigen Privaten Organisationen ohne Erwerbszweck, z.B. nicht gewinnwirtschaftlich betriebene Krankenh ¨ auser und Wirtschaftsverb ¨ ande. Zu den finanziellen Kapitalgesellschaften geh¨oren Banken, Versicherungen und das finanzielle Hilfsgewerbe (B ¨ orsen, Versicherungsmakler, Versicherungsvertreter). Unternehmen ohne eigene Rechtspers ¨ onlichkeit und Selbst ¨ andige werden nicht im Unternehmenssektor, sondern bei den Privaten Haushalten erfasst. Dies ist bemerkenswert, weil sich die ¨ ublicherweise gedachte Einteilung in Unternehmen einerseits und Private Haushalte andererseits damit in den VGR nicht wieder findet. Zum Staat geh ¨ oren die Gebietsk ¨ orperschaften (Bund, L ¨ ander und Gemeinden) und die Sozialversicherungen. F¨ ur die drei Sektoren Unternehmen, Private Haushalte und Staat werden die Aktivit¨aten bzw. Sachverhalte Produktion, Einkommen, Verm¨ogens- ¨ anderung, Finanzierung und die Auslandsbeziehungen erfasst. Somit k¨onnen die Sektoren und ihre Wirtschaftsaktivit¨aten in folgendem Schema ¨ ubersichtlich dargestellt werden (vgl. Br¨ ummerhoff 2007, S. 28): Aktivit¨at/ Sektor Unternehmen Private Haushalte Staat Produktion Produktionskonten Einkommen Einkommenskonten Verm¨ogens¨anderung Verm¨ogens¨anderungskonten Finanzierung Finanzierungskonten Auslandsbeziehung Auslandskonto 9.1.3 Darstellungen von Wirtschaftskreisl¨aufen Der Wirtschaftskreislauf ist ein idealtypisches Konstrukt und Kernst¨ uck der makro¨okonomischen Theorie. F¨ ur einen Zeitraum soll die Interdepen- <?page no="297"?> 9.1 Aufgaben und Darstellungen 297 denz der wirtschaftlichen Vorg¨ange zwischen Sektoren (Polen) abgebildet werden. Die Darstellungsweise des Wirtschaftsgeschehens als geschlossener Kreislauf impliziert, dass sowohl f¨ ur die einzelnen Sektoren als auch insgesamt die Bedingung erf¨ ullt ist, dass die Summe der Zustr¨ome gleich der Summe der Abstr¨ome ist. Es existieren mehrere M¨oglichkeiten, einen geschlossenen Wirtschaftskreislauf numerisch darzustellen: Graphische Darstellung Kontensystem nach der Methode der doppelten Buchf¨ uhrung Matrixdarstellung Gleichungssystem Mit Hilfe eines kleinen Beispiels k ¨ onnen die Darstellungsm ¨ oglichkeiten verdeutlicht werden. Private Haushalte (H) beziehen von Unternehmen Lohneinkommen ( Y U H ) und vom Staat ( St ) Transfers ( T r ). Sie haben Ausgaben an die Unternehmen ( U ) f ¨ ur ihren Konsum ( C H ) und f ¨ ur Steuerzahlungen an den Staat (T H ). Die Unternehmen haben neben den Lohnzahlungen Ausgaben f ¨ ur Steuerzahlungen an den Staat ( T U ) und erhalten neben den Konsumausgaben Subventionen vom Staat (Z). Die graphische Darstellung zeigt den geschlossenen Kreislauf mit den drei Sektoren: H U St T H = 4 C H = 4 Y U H = 5 T U = 2 T r = 3 Z = 3 Mit Hilfe eines Kontensystems werden die Zahlungen folgendermaßen erfasst: Haushaltskonto Unternehmenskonto Staatskonto Ab Zu C H 4 Y U H 5 T H 4 T r 3 Ab Zu Y U H 5 C H 4 T U 2 Z 3 Ab Zu T r 3 T H 4 Z 3 T U 2 <?page no="298"?> 298 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung In Matrixdarstellung erh¨alt man: Nach Von H U S H 0 4 4 U 5 0 2 S 3 3 0 F ¨ ur jeden betrachteten Sektor gilt, dass die Zeilensumme der Spaltensumme entspricht. Und schließlich k¨onnen die Str¨ome auch mit folgenden drei Gleichungen dargestellt werden: H : Y U H + T r = 5 + 3 = C H + T H = 4 + 4 U : C H + Z = 4 + 3 = Y U H + T U = 5 + 2 St : T H + T U = 4 + 2 = T r + Z = 3 + 3 9.1.4 Ein Kreislaufschema Die wirtschaftlichen Beziehungen der Sektoren Unternehmen (nichtfinanzielle und finanzielle Kapitalgesellschaften), Private Haushalte, Staat und Ausland k¨onnen mit Hilfe eines Kreislaufschemas dargestellt werden. Zur Vereinfachung werden die Verm¨ogens¨anderungen in eigenen Polen der Verm¨ogensbildung ber¨ ucksichtigt. In der Regel f¨ uhrt eine wirtschaftliche Transaktion zu zwei entgegen gerichteten Fl¨ ussen von Waren, Leistungen, o.¨a. einerseits und finanziellen Leistungen andererseits. Die in Privaten Haushalten lebenden Menschen arbeiten zum Beispiel in Unternehmen und erhalten daf¨ ur einen Lohn ausgezahlt. Unternehmen liefern beispielsweise Waren ins Ausland und erwerben daf ¨ ur finanzielle Forderungen gegen ¨ uber dem Ausland. In dem schematischen Kreislaufschema sind jeweils nur die finanziellen Str¨ome, also etwa die L¨ohne der Unternehmen an die Privaten Haushalte eingezeichnet. F¨ ur das Verst¨andnis der wirtschaftlichen Zusammenh¨ange ist die Vorstellung eines solchen Kreislaufs zentral. Man sieht z.B. unmittelbar, dass die Einkommen der Privaten Haushalte, die von Unternehmen und dem Staat stammen, zu K ¨ aufen von Privaten Haushalten bei Unternehmen, zur Zahlung von Steuern und Abgaben an den Staat und zu Ersparnisbildung der Privaten Haushalte f¨ uhren. Betrachtet man f ¨ ur jeden Sektor bzw. Verm ¨ ogens ¨ anderungspol die Zu- und Abfl¨ usse, dann ergeben sich die Buchf¨ uhrungsgleichungen in Box 9.1. Um die Zu- und Abfl¨ usse genauer zu kennzeichnen, verwenden wir Indizes. <?page no="299"?> 9.1 Aufgaben und Darstellungen 299 Unternehmen Haushalte Staat Ausland ΔN U ΔN H ΔN A ΔN S Im Ex Im − Ex > 0 V S U S H S S S U I St I U I U T H T U Y S H ΔF S H ΔF U A ΔF U H Z T r Y U H C H Abbildung 9.1 Graphische Darstellung des Wirtschaftskreislaufs. Y U H bedeutet, dass die Haushalte von den Unternehmen Einkommen erhalten. Entsprechend kennzeichnet ΔF U A eine Forderungsver¨anderung der Unternehmen gegen ¨ uber dem Ausland, die zu einem Mittelzufluss f¨ ur das Ausland f¨ uhrt. Die Tabelle der Zu- und Abfl ¨ usse zeigt die Identit ¨ aten in Form von Buchf ¨ uhrungsgleichungen. Die vier betrachteten Sektoren (Haushalte, Unternehmen, Staat und Ausland) sind in der graphischen Darstellung des Kreislaufs um vier korrespondierende Verm ¨ ogens ¨ anderungspole der vier Sektoren erg¨anzt worden. In der Darstellung in Form von Buchf¨ uhrungsgleichungen sind in der letzten Zeile die vier Verm¨ogens¨anderungspole zu einem gesamtwirtschaftlichen Verm¨ogens¨anderungspol aggregiert worden. Es wird so deutlich, dass die Ersparnisse von Haushalten (S H ), Unternehmen (S U ) und Staat (S St ) abz¨ uglich der von Unternehmen und Staat get ¨ atigten Investitionen ( I U , I St ) dem Leistungsbilanzsaldo (Lb = Ex − Im) entsprechen. <?page no="300"?> 300 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Box 9.1 Buchf¨ uhrungsgleichungen. Pol Zufl¨ usse Abfl¨ usse H Y U H + Y St H + T r = C H + T H + S H U C H + V St U + Ex + Z + I U + I St = Y U H + Im + S U + T U St T H + T U = Y St H + V St U + S St + T r + Z A Im + Lb = Ex ΔN H S H = ΔF H St + ΔF H U ΔN U S U + ΔF H U = I U + ΔF U A ΔN St S St + ΔF H St = I St ΔN A ΔF U A = Lb ΔN S H + S U + S St = I U + I St + Lb Box 9.2 Bedeutungen der Symbole. Symbol Bedeutung Y U H Einkommen der Haushalte von den Unternehmen Y St H Einkommen der Haushalte vom Staat T r Transfereinkommen der Haushalte C H Konsumausgaben der Haushalte T H Steuerzahlungen der Haushalte S H Sparen der Haushalte V St U Vorleistungsk¨aufe des Staates bei Unternehmen Ex Exporte Z Subventionen I U Investitionen der Unternehmen I St Investitionen des Staates Im Importe S U Sparen der Unternehmen T U Steuern der Unternehmen S St Sparen des Staates Lb Leistungsbilanzsaldo (Exporte-Importe) ΔF H St Finanzierungssaldo der Haushalte gegen¨ uber dem Staat ΔF H U Finanzierungssaldo der Haushalte gegen¨ uber den Unternehmen ΔF U A Finanzierungssaldo der Unternehmen gegen¨ uber dem Ausland <?page no="301"?> 9.1 Aufgaben und Darstellungen 301 Tabelle 9.2 ¨ Ubersichtsdarstellung der Konten und Kontensalden. Quelle: Fachserie 18, Reihe 1.1, 2009 (Tab. 1.1). I. Produktionskonto B.1 Wertsch¨opfung II. Einkommensverteilungs- und -verwendungskonto II.1 Konten der prim¨aren Einkommensverteilung II.1.1 Einkommensentstehungskonto B.2 Betriebs¨ ubersch¨ usse B.3 Selbst¨andigeneinkommen II.1.2 Prim¨are Einkommensverteilungskonten II.1.2.1 Unternehmensgewinne B.4 Unternehmensgewinn II.1.2.2 Verteilung sonstiger Prim¨areinkommen B.5 Prim¨areinkommen II.2 Konten der sekund¨aren Einkommensverteilung (Ausgabenkonzept) B.6 Verf¨ ugbares Einkommen (Ausgabenkonzept) II.3 Konten der sekund¨aren Einkommensverteilung (Verbrauchskonzept) B.7 Verf¨ ugbares Einkommen (Verbrauchskonzept) II.4 Einkommensverwendungskonten II.4.1 Einkommensverwendungskonten (Ausgabenkonzept) B.8 Sparen II.4.2 Einkommensverwendungskonten (Verbrauchskonzept) B.8 Sparen III. Verm¨ogens¨anderungskonten III.1 Verm¨ogensbildungskonten III.1.1 Konten der Reinverm¨ogens¨anderung durch Sparen und Verm¨ogenstransfers B.10.1 Reinverm¨ogen durch Sparen und Verm¨ogenstransfers III.1.2 Sachverm¨ogensbildungskonto B.9 Finanzierungssaldo III.2 Finanzierungskonto B.9 Finanzierungssaldo III.3 Konten sonstiger Verm¨ogens¨anderungen III.3.1 Konto sonstiger realer Verm¨ogens¨anderungen B.10.2 Reinverm¨ogens¨anderung durch sonstige reale Verm¨ogens¨anderungen III.3.2 Umbewertungskonto (mit Unterkonten) B.10.3 Reinverm¨ogens¨anderung durch sonstige reale Verm¨ogens¨anderungen IV. Verm¨ogensbilanzen IV.1 Bilanz am Jahresanfang B.90 Reinverm¨ogen IV.2 ¨ Anderung der Bilanz B.10 Reinverm¨ogens¨anderung IV.3 Bilanz am Jahresende B.90 Reinverm¨ogen <?page no="302"?> 302 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 9.1.5 Das aktuelle Kontensystem Die Erfassung der wirtschaftlichen Transaktionen erfolgt in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen in Form der doppelten Buchf¨ uhrung in einem Kontensystem. F¨ ur die Sektoren nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften, finanzielle Kapitalgesellschaften, Staat, Private Haushalte und Private Organisationen ohne Erwerbszweck und ¨ ubrige Welt werden auf der rechten Kontoseite die Transaktionen erfasst, die zu einer Wertzunahme f¨ uhren (Aufkommen) und auf der linken Kontoseite die Transaktionen, die zu einem Wertabfluss (Verwendung) f¨ uhren. Die Konten werden im Folgenden dargestellt und die Werte f¨ ur das Jahr 2017 in Milliarden Euro angegeben: I Produktionskonto II.1.1 Einkommensentstehungskonto II.1.2 Prim¨ares Einkommensverteilungskonto II.1.2.1 Unternehmensgewinnkonto II.1.2.2 Konto der Verteilung sonstiger Prim¨areinkommen II.2 Konto der sekund¨aren Einkommensverteilung (Ausgabenkonzept) II.4 Einkommensverwendungskonto (Ausgabenkonzept) III.1.1 Konto der Reinverm ¨ ogens ¨ anderung durch Sparen und Verm¨ogenstransfers III.1.2 Sachverm¨ogensbildungskonto Die hier angef¨ uhrten Gliederungsnummern beziehen sich auf die ¨ Ubersicht der Konten in Tabelle 9.2: Konten f¨ ur die gesamte Volkswirtschaft 0. G¨ uterkonto V. Außenkonten V.I Außenkonto der G¨ utertransaktionen B.11 Außenbeitrag V.II Außenkonto der Prim¨areinkommen und Transfers B.12 Saldo der laufenden Außentransaktionen V.III Außenkonten der Verm¨ogensver¨anderungen (mit Unterkonten) B.10.1 Reinverm¨ogen V.IV Außenkonto f¨ ur Verm¨ogen und Verbindlichkeiten (mit Unterkonten) B.9 Finanzierungssaldo <?page no="303"?> 9.1 Aufgaben und Darstellungen 303 Werden f ¨ ur die vier inl ¨ andischen Sektoren deren Konten einer spezifischen Kontenart aggregiert, resultiert das entsprechende Konto der gesamten Volkswirtschaft. Neben den aufgef¨ uhrten Konten wird f¨ ur die gesamte Volkswirtschaft zus¨atzlich das aggregierte gesamtwirtschaftliche G¨ uterkonto ausgewiesen. Wir pr¨asentieren f¨ ur die verschiedenen Kontenarten jeweils das Konto f¨ ur die gesamte Volkswirtschaft und zus¨atzlich ein Konto eines inl¨andischen Sektors. F ¨ ur jedes Konto wird durch einen Saldo gew ¨ ahrleistet, dass die Budgetidentit ¨ at eingehalten wird. Dieser Saldo stellt den letzten Eintrag eines Kontos dar und erscheint im n ¨ achsten Konto auf der gegen¨ uberliegenden Kontoseite. 9.1.6 Konten der Entstehung, Verteilung und Verwendung Die nachfolgenden Zahlen sind im Wesentlichen den beiden folgenden Quellen entnommen: Fachserie 18, Reihe 1.5, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Inlandsproduktberechnung, Lange Reihen ab 1970, 2017, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2018 (Fachserie 18, Reihe 1.5) und Fachserie 18 Reihe 1.4, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Inlandsproduktsberechnung, Detaillierte Jahresergebnisse 2017, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2018 (Fachserie 18, Reihe 1.4). Die Transaktionen des Produktionsprozesses werden im Produktionskonto erfasst. Der Saldo aus dem Produktionswert und den Vorleistungen ist die Bruttowertsch¨opfung. Die Differenz aus der Bruttowertsch¨opfung und den Abschreibungen ist die Nettowertsch¨opfung. Produktionskonto, Gesamte Volkswirtschaft Verwendung Aufkommen Vorleistung 2 949,619 Produktionswert 5 904,315 dar. FISIM 49,502 dar. FISIM 78,577 Bruttowertsch¨opfung 2 954,696 Abschreibung 573,134 Nettowertsch¨opfung 2 381,562 <?page no="304"?> 304 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Produktionskonto, Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften Verwendung Aufkommen Vorleistung 2 314,200 Produktionswert 4 215,314 dar. FISIM 17,571 dar. FISIM - Bruttowertsch¨opfung 1 901,114 Abschreibung 318,168 Nettowertsch¨opfung 1 582,946 Der Vergleich der Produktionskonten f ¨ ur die gesamte Volkswirtschaft und f¨ ur die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften macht deutlich, dass die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften den wesentlichen Anteil an der Produktion haben. Das Einkommensentstehungskonto zeigt die bei der Produktion im Inland entstandenen Einkommen. Der Nettobetriebs ¨ uberschuss resultiert als Residualgr¨oße aus ertragswirksamen Einnahmen und Ausgaben. Bei den Privaten Haushalten wird die entsprechende Residualgr ¨ oße als Selbst¨andigeneinkommen bezeichnet. Einkommensentstehungskonto, Gesamte Volkswirtschaft Verwendung Aufkommen Arbeitnehmerentgelt 1 667,616 Nettowertsch¨opfung 2 381,562 Sonstige Produktionsabgaben 21,951 Sonstige Subventionen 26,272 Nettobetriebs¨ ubersch./ Selbst.eink. 718,267 Einkommensentstehungskonto, Private Haushalte und Private Org. o. Erwerbszweck Verwendung Aufkommen Arbeitnehmerentgelt 226,214 Nettowertsch¨opfung 455,450 Sonstige Produktionsabgaben 9,361 Sonstige Subventionen 1,529 Nettobetriebs¨ ubersch./ Selbst.eink. 221,404 Im prim¨aren Einkommensverteilungskonto wird erfasst, wie die bei der Produktion entstandenen Einkommen an Inl ¨ ander und Nicht-Inl ¨ ander verteilt werden. Das Prim ¨ areinkommen resultiert aus dem Nettobetriebs¨ uberschuss (bzw. dem Selbst¨andigeneinkommen), wenn dieser um den Saldo aus empfangenen und geleisteten Verm¨ogenseinkommen erg¨anzt wird. F ¨ ur die Verm ¨ ogenseinkommen wird somit unterstellt, dass diese eine Gegenleistung f¨ ur die ¨ Uberlassung von Geld- oder Sachverm¨ogen darstellen. Beim Staat werden zus¨atzlich die empfangenen Produktions- und <?page no="305"?> 9.1 Aufgaben und Darstellungen 305 Importabgaben als zufließender Einkommensstrom erfasst. Bei Privaten Haushalten und Organisationen ohne Erwerbszweck findet sich neben dem Selbst ¨ andigeneinkommen und den empfangenen Verm ¨ ogenseinkommen auf der Aufkommensseite als gr¨oßte Position das Arbeitnehmerentgelt. Prim¨ares Einkommensverteilungskonto, Gesamte Volkswirtschaft Verwendung Aufkommen Subventionen 28,365 Nettobetriebs¨ ubersch./ Selbst.eink. 718,267 Verm¨ogenseinkommen 705,096 Arbeitnehmerentgelt 1 668,810 Prim¨areinkommen 2 773,148 Empf. Produktionsu. Imp.abg. 345,122 Verm¨ogenseinkommen 774,410 Prim¨ares Einkommensverteilungskonto, Staat Verwendung Aufkommen Subventionen 28,365 Nettobetriebs¨ ubersch./ Selbst.eink. - 3,049 Verm¨ogenseinkommen 33,812 Arbeitnehmerentgelt - Prim¨areinkommen 295,784 Empf. Produktionsu. Imp.abg. 345,122 Verm¨ogenseinkommen 15,888 In dem Konto der sekund¨aren Einkommensverteilung werden die Transaktionen erfasst, die ausgehend von der prim¨aren Einkommensverteilung Umverteilungsvorg¨ange darstellen. F¨ ur die Privaten Haushalte und Privaten Organisationen ohne Erwerbszweck ergibt sich das Aufkommen wesentlich aus ihrem Prim¨areinkommen, erg¨anzt um monet¨are Sozialleistungen und sonstige laufende Transfers (insb. Schadenversicherungsleistungen). Wesentliche Komponenten der Verwendung sind die gezahlten Einkommen- und Verm¨ogensteuern, die Sozialbeitr¨age und sonstige laufende Transfers (insb. Nettopr ¨ amien f ¨ ur Schadenversicherungen). Die Differenz aus Aufkommen und Verwendung ergibt das verf ¨ ugbare Einkommen. Konto der sekund¨aren Einkommensverteilung (Ausgabenkonzept), Gesamte Volkswirtschaft Verwendung Aufkommen Eink.- und Verm¨ogensteuern 410,816 Prim¨areinkommen 2 773,148 Nettosozialbeitr¨age 674,845 Eink.- und Verm¨ogensteuern 421,253 Monet¨are Sozialleistungen 572,230 Nettosozialbeitr¨age 676,353 Sonstige laufende Transfers 331,416 Monet¨are Sozialleistungen 565,202 Verf¨ ugbares Einkommen 2 725,346 Sonstige laufende Transfers 278,697 <?page no="306"?> 306 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Konto der sekund¨aren Einkommensverteilung (Ausgabenkonzept), Private Haushalte und Private Org. o. Erwerbszweck Verwendung Aufkommen Eink.- und Verm¨ogensteuern 322,161 Prim¨areinkommen 2 269,938 Nettosozialbeitr¨age 674,845 Eink.- und Verm¨ogensteuern - Monet¨are Sozialleistungen 0,828 Nettosozialbeitr¨age 0,828 Sonstige laufende Transfers 78,224 Monet¨are Sozialleistungen 565,2022 Verf¨ ugbares Einkommen 1 869,916 Sonstige laufende Transfers 110,006 Das Einkommensverwendungskonto zeigt, wie das verf¨ ugbare Einkommen um die Ver¨anderung der betrieblichen Versorgungsanspr¨ uche erg¨anzt und verwendet wird. F ¨ ur die Privaten Haushalte wird eine Zunahme der betrieblichen Versorgungsanspr ¨ uche (Betriebsrenten) als Aufkommen, f ¨ ur die Kapitalgesellschaften als Verwendung gebucht. Eine Erh ¨ ohung der betrieblichen Versorgungsanspr¨ uche stellt f¨ ur die Privaten Haushalte ein Mittelaufkommen dar, das direkt als Sparen verwendet wird. Der Saldo aus dem Aufkommen und den Ausgaben f ¨ ur Konsum stellt das Sparen dar. Kapitalgesellschaften haben per Definition keinen Konsum. In den Konsumausgaben der Privaten Haushalte und des Staates ist ein indirekt ermitteltes Entgelt f¨ ur Finanzdienstleistungen (FISIM, Financial Intermediation Services, Indirectly Measured) enthalten, das zus¨atzlich getrennt ausgewiesen wird. Bemerkenswert ist das Sparen der Privaten Haushalte und Privater Organisationen ohne Erwerbszweck in H¨ohe von 190 Mrd. Euro und des Staates in H¨ohe von 67 Mrd. Euro. Einkommensverwendungskonto (Ausgabenkonzept), Gesamte Volkswirtschaft Verwendung Aufkommen Zunahme betriebl. Verf¨ ugbares Einkommen 2 725,346 Versorgungsanspr¨ uche 52,080 Konsum 2 371,051 Zunahme betriebl. dar. FISIM 27,840 Versorgungsanspr¨ uche 52,080 Sparen 354,295 Einkommensverwendungskonto (Ausgabenkonzept), Private Haushalte und Private Org. o. Erwerbszweck Verwendung Aufkommen Zunahme betr. Vers.anspr. - Verf¨ ugbares Einkommen 1 869,916 Konsum 1 732,176 Zunahme betr. Vers.anspr. 52,080 dar. FISIM 25,516 Sparen 189,820 <?page no="307"?> 9.1 Aufgaben und Darstellungen 307 Bei den beiden folgenden Kontenarten werden nicht Verwendung (linke Seite) und Aufkommen (rechte Seite) betrachtet, sondern die Ver¨anderung der Aktiva (linke Seite) und der Passiva (rechte Seite). Reinverm¨ogenserh¨ohende Transaktionen werden dabei auf der Passivseite gebucht. Der Saldo aus reinverm¨ogenserh¨ohenden und -vermindernden Transaktionen ergibt die auf der linken Kontoseite erfasste Reinverm¨ogens¨anderung. Konto der Reinverm¨ogens¨anderung durch Sparen und Verm¨ogenstransfers, Gesamte Volkswirtschaft Verwendung Aufkommen Verm¨ogenstransfers 70,080 Sparen 354,295 Reinverm.¨anderung 344,809 Verm¨ogenstransfers 60,594 Konto der Reinverm¨ogens¨anderung durch Sparen und Verm¨ogenstransfers, Private Haushalte und Private Org. o. Erwerbszweck Verwendung Aufkommen Verm¨ogenstransfers 9,811 Sparen 189,820 Reinverm.¨anderung 199,180 Verm¨ogenstransfers 19,171 Die Privaten Haushalte und Organisationen ohne Erwerbszweck empfangen Verm ¨ ogenstransfers von 19 und leisten Verm ¨ ogenstransfers in H ¨ ohe von 10 Mrd. Euro. Damit liegt die Reinverm ¨ ogens ¨ anderung von 199 Mrd. Euro aus Sparen und Verm ¨ ogenstransfers um 9 Mrd. ¨ uber dem Sparen. Den positiven Differenzen aus empfangenen und geleisteten Verm ¨ ogenstransfers der Privaten Haushalte und der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften stehen beim Staat und den finanziellen Kapitalgesellschaften negative Differenzen gegen¨ uber. Das Sachverm¨ogensbildungskonto zeigt, wie die f¨ ur Investitionen bereitstehenden Mittel aus der Reinverm¨ogens¨anderung (Sparen und erhaltener Nettoverm ¨ ogenstransfer) und den Abschreibungen verwendet wurden. Das Konto der gesamten Volkswirtschaft zeigt, dass von den 918 Mrd. Euro zur Verf ¨ ugung stehenden Mitteln lediglich 658 Mrd. Euro f ¨ ur Bruttoinvestitionen aufgewendet wurden. Der verbleibende Differenzbetrag nach Ber ¨ ucksichtigung des Nettozugangs an nichtproduzierten Verm ¨ ogensg ¨ utern (- 3 Mrd.) von 262 Mrd. Euro stellt den gesamtwirtschaftlichen Finanzierungssaldo dar und wurde der ”¨ ubrigen Welt“ zur Verf¨ ugung gestellt. Die Privaten Haushalte und Organisationen ohne Erwerbszweck (166 Mrd.) und die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften (86 Mrd.) weisen ebenfalls erhebliche positive Finanzierungssalden auf und <?page no="308"?> 308 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung finanzierten damit neben dem Finanzierungssaldo der ¨ ubrigen Welt auch den negativen Finanzierungssaldo der finanziellen Kapitalgesellschaften in H¨ohe von - 23 Mrd. Euro. Sachverm¨ogensbildungskonto, Gesamte Volkswirtschaft Verwendung Aufkommen Bruttoinvestitionen 658,497 Reinverm.¨anderung 344,809 Nettozugang an nichtprod. Verm.g¨ utern - 3,021 Abschreibungen 573,134 Finanzierungssaldo 262,467 Sachverm¨ogensbildungskonto, nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften Verwendung Aufkommen Bruttoinvestitionen 370,694 Reinverm.¨anderung 135,960 Nettozugang an nichtprod. Verm.g¨ utern - 2,473 Abschreibungen 318,168 Finanzierungssaldo 85,907 Das gesamtwirtschaftliche G¨ uterkonto zeigt, wie das gesamte zur Verf¨ ugung stehende Aufkommen an G¨ utern aus inl¨andischer Produktion (Produktionswert zu Herstellungspreisen zuz ¨ uglich G ¨ utersteuern abz ¨ uglich G ¨ utersubventionen) und aus Importen verwendet wurde. Die Verwendungskomponenten sind Vorleistungen, Konsumausgaben, Bruttoinvestitionen und Exporte. Im Jahr 2017 betrug das gesamte G¨ uteraufkommen gut 7,5 Billionen Euro. Gesamtwirtschaftliches G¨ uterkonto Aufkommen Verwendung Produktionswert 5 904,315 Vorleistungen 2 949,619 G¨ utersteuern 329,941 G¨ utersubventionen 7,297 Importe 1 294,106 Konsumausgaben 2 371,051 Bruttoinvestitionen 658,497 Exporte 1 541,898 Summe 7 528,362 Summe 7 528,362 9.1.7 Finanzierungsrechnung Mit der Finanzierungsrechnung wird versucht, die finanziellen Aktivit ¨ aten in einer Volkswirtschaft abzubilden. Es wird dargestellt, von wem in welcher Form und in welchem Umfang finanzielle Mittel bereitgestellt oder beansprucht wurden. Die Darstellung orientiert sich <?page no="309"?> 9.1 Aufgaben und Darstellungen 309 an: Deutsche Bundesbank (2018), Ergebnisse der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung - 2012 bis 2017 (Fachreihe 17). Ausgangspunkt der Finanzierungsrechnung sind die in der VGR dargestellten Salden aus Sachverm¨ogensbildung einerseits und Sparen und Verm ¨ ogens ¨ ubertragung andererseits, die die Finanzierungs ¨ ubersch ¨ usse oder -defizite der Sektoren darstellen. Die Finanzierungsrechnung zeigt die Grundstruktur des Finanzsystems, die Fl¨ usse der inl¨andischen Geldverm¨ogensbildung und der Mittelbeschaffung, und stellt die finanziellen Transaktionen der Privaten Haushalte, der Unternehmen und des Staates innerhalb eines Zeitraums dar. Daneben weist die Finanzierungsrechnung f¨ ur Stichtage den Geldverm¨ogensbestand der Sektoren aus. Wie der an der Vorstellung eines Wirtschaftskreislaufs orientierten Darstellung der Einkommensentstehung, -verteilung und -verwendung liegt auch der Finanzierungsrechnung die Vorstellung eines geschlossenen Kreislaufs zugrunde. Im Aggregat stehen den Aktiva Passiva in gleicher H ¨ ohe gegen ¨ uber, und der Finanzierung eines Sektors steht die Verm¨ogensbildung eines anderen Sektors gegen¨ uber. Das erfasste Verm¨ogen besteht aus Sach- und Geldverm ¨ ogen. Zu beachten ist, dass sich die Geldverm¨ogensbildung innherhalb der inl¨andischen Sektoren saldiert, da entstandenen Forderungen gleich hohe entstandene Verbindlichkeiten gegen ¨ uberstehen und sich das gesamtwirtschaftliche Geldverm ¨ ogen daher nur in H ¨ ohe der Außenfinanzierung ver ¨ andert. Als Geldverm ¨ ogen (finanzielle Forderungen) gelten alle Verm ¨ ogensgegenst ¨ ande, die auf einer rechtlich durchsetzbaren Gl ¨ aubiger-Schuldner-Beziehung beruhen. Ebenfalls dazu z ¨ ahlen Aktien, sonstige Anteilsrechte, Anspr ¨ uche gegen Versicherungen und gegen die ¨ ubrige Welt, sowie Altbest ¨ ande an Goldforderungen aus goldgedeckten W¨ahrungen. Die Gliederung der Sektoren entspricht der Gliederung in dem dargestellten Kontensystem der VGR. Weil das besondere Erkenntnisinteresse auf die finanziellen Aktivit¨aten gerichtet ist, wird in der Finanzierungsrechnung der Sektor der finanziellen Kapitalgesellschaften in die drei Untersektoren monet¨are Finanzinstitute (Kreditinstitute einschl. Deutsche Bundesbank, Bausparkassen und Geldmarktfonds), sonstige Finanzinstitute (insb. Fondsgesellschaften) und Versicherungen disaggregiert ausgewiesen. Die ausgewiesenen Finanzinstrumente sind in Tabelle 9.3 dargestellt und nach Laufzeit und rechtlichen Merkmalen gegliedert. Ausgewiesen sind die Best¨ande an Forderungen (F) und Verbindlichkeiten (VB) der Privaten Haushalte im Jahr 2017 in Mrd. Euro (FR-17, S.50). Die in der Fi- <?page no="310"?> 310 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Geldverm¨ogen Private Haushalte Unternehmen Staat Versicherungen Kapitalanlagegesellschaften Banken Kapitalm¨arkte Verbindlichkeiten Private Haushalte Unternehmen Staat Einlagen Anspr¨ uche gegen Versicherungen Aktien Investmentzertifikate Kredite Einlagen Investmentzertifikate Aktien Aktien Kredite Aktien (Aktiva) Aktien (Passiva) Investmentzertifikate Kredite Aktien Abbildung 9.2 Schematische Darstellung des Finanzsystems. <?page no="311"?> 9.1 Aufgaben und Darstellungen 311 Tabelle 9.3 Gliederung der Finanzinstrumente. F VB W¨ahrungsgold und Sonderziehungsrechte - Bargeld und Einlagen 2 311,3 Bargeld 191,6 Sichteinlagen 1 287,7 Sonstige Einlagen 831,9 Termineinlagen 245,4 Sparbriefe 21,9 Spareinlagen 564,6 Schuldverschreibungen 120,5 Kredite insgesamt 1 711,9 Wohnungsbaukredite 1 247,4 Konsumentenkredite 211,8 Gewerbliche Kredite 252,7 Anteilsrechte u. Ant. an Investmentfonds 1 218,2 Anteilsrechte 642,1 Anteile an Investmentfonds 576,2 Anspr¨ uche an Versicherungs-, Alterssicherungs- und Standardgarantie-Systeme 2 177,3 Anspr. aus R¨ uckst. bei Nicht-Lebensvers. 351,3 Anspr. aus R¨ uckst. bei Lebensvers. 979,8 Anspr. bei Alterssicherungssyst. 846,2 Sonstige Forderungen bzw. Verbindlichkeiten 33,5 15,6 Insgesamt 5 860,8 1 727,5 nanzierungsrechnung abgebildeten Transaktionen k¨onnen innerhalb und zwischen Sektoren stattfinden. Im konsolidierten Ausweis werden Transaktionen, die innerhalb eines Sektors stattfinden, nicht ber ¨ ucksichtigt und lediglich die Transaktionen zwischen Sektoren betrachtet. Beim unkonsolidierten Ausweis werden auch Transaktionen innerhalb eines Sektors ausgewiesen. In diesem Fall ist allerdings der Nachweis, insbesondere f¨ ur die nicht-finanziellen Sektoren, problematisch, da die Daten der Finanzierungsrechnung prim ¨ ar aus den Angaben der finanziellen Kapitalgesellschaften stammen. Die Transaktionen werden ganz ¨ uberwiegend zu Marktpreisen bewertet. ” Ziel der Finanzierungsrechnung ist die Wiedergabe der Transaktionswerte zu Marktpreisen, da diese implizit Informationen zur subjektiven Wertsch¨atzung der Beteiligten enthalten. Die finanziellen Str¨ome sind daher grunds¨atzlich zu den tats¨achlichen Transaktionspreisen bewertet. In der Praxis l¨asst sich dieses Prinzip in den F¨allen, in denen Best¨ande nicht zum Nominalwert, sondern zu Kurswerten anzusetzen sind, mitunter nur schwer verwirklichen.“ ” Dominierender Bewertungsmaßstab f ¨ ur die Best ¨ ande sind ebenfalls <?page no="312"?> 312 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Marktpreise (oder zumindest gesch¨atzte marktnahe Preise). Bei Finanzbeziehungen in Form verbriefter Gl ¨ aubiger- und Schuldnerverh ¨ altnisse (oder Anteilsrechte) sowie in Fremdw ¨ ahrung werden Tageskurswerte von den Wertpapier- und Devisenm¨arkten verwendet. Im Fall der nicht in Wertpapieren verbrieften Forderungen und Verbindlichkeiten in heimischer W ¨ ahrung sind dies dagegen gr ¨ oßtenteils die Nominalwerte.“ (Deutsche Bundesbank 2018, S. 11) Abweichungen zwischen den Stromgr¨oßen und den Bestandsver¨anderungen k¨onnen bei Bewertungs¨anderungen der Best¨ande entstehen. In diesem Fall wird die Konsistenz von Stromgr¨oßen und Bestandsver¨anderungen ¨ uber ein zus¨atzliches ¨ Uberleitungskonto (Reconciliation Account) hergestellt. ” Infolge der Bewertung zu Marktpreisen ergeben sich zwischen den Transaktionen und den Bestandsver ¨ anderungen Abweichungen (sonstige Str¨ome). Dahinter k¨onnen zum einen Bewertungs¨anderungen stehen, die bei den Wertpapier- und Auslandspositionen stark ins Gewicht fallen k¨onnen. Ein nahtloser Zusammenhang zwischen den Finanztransaktionen und den jeweiligen Best ¨ anden l ¨ asst sich in diesen F ¨ allen nur ¨ uber ein zus¨atzliches ¨ Uberleitungskonto herstellen, auf dem der Zusammenhang zwischen Anfangsbestand, Transaktionen, Bewertungs ¨ anderungen und Endbestand gezeigt wird.“ (Deutsche Bundesbank 2018, S. 11) Der Ausweis erfolgt f ¨ ur eine Periode netto, d.h. Zug ¨ ange und Abg ¨ ange einer Position werden aufgerechnet und nur die Nettover¨anderung wird ausgewiesen. 9.1.8 Ausgew¨ahlte Ergebnisse der Finanzierungsrechnung Tabelle 9.4 zeigt f¨ ur die verschiedenen Sektoren die konsolidierten Str¨ome bzw. Best ¨ ande der Sachverm ¨ ogensbildung (SVB), des Sparens (S), des Finanzierungssaldos (FS), der Geldverm ¨ ogensbildung (GVB), der Außenfinanzierung (AF), der Nettogeldverm ¨ ogensbildung (NGVB), des Geldverm¨ogens (GV, Bestand), der Verbindlichkeiten (VB, Bestand) und des Nettogeldverm¨ogens (NGV, Bestand) im Jahr bzw. Ende des Jahres 2017 in Mrd. Euro. Die Angaben sind der Sonderver¨offentlichung der Bundesbank Finanzierungsrechnung 2012 bis 2017 (Juli 2018) entnommen. 1 Die Sachverm ¨ ogensbildung erfolgt in Form von Nettoanlageinvestitionen und Vorratsver ¨ anderung sowie Nettozugang an nichtproduzierten 1 Die Angaben f ¨ ur 2017 im Zeitreihenservice der Deutschen Bundesbank weichen erheblich von diesen Angaben ab. <?page no="313"?> 9.1 Aufgaben und Darstellungen 313 Verm¨ogensg¨ utern. Bemerkenswert ist, dass die gesamtwirtschaftliche Ersparnisbildung in H¨ohe von 328 Mrd. Euro lediglich zu 21% in Form der Sachverm ¨ ogensbildung im Inland erfolgte und zu 79% in der Form der Nettokreditgew¨ahrung an das Ausland. Das ausgewiesene Sparen beinhaltet die Verm¨ogens¨ ubertragungen (netto). Ebenfalls bemerkenswert ist, dass die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften mit 115 Mrd. Euro eine Ersparnis aufweisen, die das 2,8-fache ihrer Sachverm¨ogensbildung von lediglich 41 Mrd. Euro betr¨agt. Entgegen der Vorstellung, dass die Unternehmen ein Finanzierungsdefizit aufweisen, um Investitionen zu t¨atigen, die sich im Laufe der produktiven Nutzung amortisieren, weisen die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften einen erheblichen Finanzierungs ¨ uberschuss auf (74 Mrd. Euro). Die Privaten Haushalte haben mit 165 Mrd. Euro ebenfalls einen erheblichen Finanzierungs ¨ uberschuss. Anders als in den vergangenen Jahrzehnten, weist der Staat aktuell mit 38 Mrd. Euro einen Finanzierungs¨ uberschuss auf. Der Geldverm ¨ ogensbildung (GVB) steht die Außenfinanzierung (AF) gegen¨ uber. Die Geldverm¨ogensbildung der Privaten Haushalte in H¨ohe von 222 Mrd. Euro erfolgt ¨ uberwiegend in Form von Bargeld und Einlagen (104 Mrd. Euro), Anlagen bei Versicherungen (72 Mrd. Euro) und dem Erwerb von Investmentfondanteilen (64 Mrd. Euro). Bemerkenswert bei der Betrachtung der Geldverm ¨ ogensbildung und Außenfinanzierung ist die gemeinsame Erh¨ohung von Forderungen und Verbindlichkeiten, die zu einer Bilanzverl ¨ angerung (Bilanzaufbl ¨ ahung) f ¨ uhrt. Bei den finanziellen Kapitalgesellschaften zeigt sich eine solche Bilanzverl¨angerung mit einer Außenfinanzierung von 116 Mrd. Euro und einer Geldverm¨ogensbildung in H¨ohe von 231 Mrd. Euro. Bei der Darstellung der langfristigen Entwicklung wichtiger Ergebnisse der Finanzierungsrechnung ist zu beachten, dass die Finanzierungsrechnung bei der Umstellung vom ESVG 1979 auf das ESVG 1995 und dann auf das ESVG 2010 ganz erhebliche Ver ¨ anderungen erfahren hat. 2 Die Umstellungen betreffen die Abgrenzung der Sektoren, die dargestellten Kategorien von Forderungen und Verbindlichkeiten als auch teilweise deren Bewertung, die in der neuen Fassung deutlich st¨arker an aktuellen 2 Die Daten des Zeitraums 1960 bis 1991 nach ESVG 1979 sind entnommen aus Deutsche Bundesbank, Ergebnisse der Gesamtwirschaftlichen Finanzierungsrechnung f ¨ ur Westdeutschland 1960 bis 1992, November 1994, die Daten ab 1991 bis 1998 nach ESVG 1995 und die Daten ab 1999 nach ESVG 2010 wurden dem Zeitreihenservice der Deutschen Bundesbank entnommen: www.bundesbank.de/ statistik/ statistik zeitreihen.php. <?page no="314"?> 314 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Tabelle 9.4 ¨ Ubersichtsdarstellung wichtiger Best¨ande und Str¨ome der Finanzierungsrechnung 2017 Quelle: Deutsche Bundesbank (2018) Deutsche Bundesbank (2018), Finanzierungsrechnung 2012 bis 2017. SVB S FS GVB AF NGVB GV VB NGV Nichtfinanzielle Kapitalgesellsch. 41,08 115,47 74,38 231,25 116,28 114,97 3553,8 5378,3 -1824,4 Inl¨and. finanzielle Sektoren 0,53 -19,91 -20,43 540,37 560,81 -20,44 13225,1 12939,1 286,0 Monet¨are Finanzinstitute 0,70 -23,58 -24,28 364,66 388,94 -24,28 8015,5 7433,1 582,4 Investmentfonds 0,00 2,54 2,54 100,94 98,40 2,54 1999,4 2116,7 -117,3 Sonstige Finanzinstitute 0,02 -4,61 -4,64 -0,38 4,26 -4,64 704,1 922,9 -218,8 Versicherungen -0,19 5,75 5,95 75,15 69,20 5,95 2506,0 2466,3 39,7 Staat -2,34 35,86 38,20 4,50 -33,70 38,20 1150,8 2344,0 -1193,2 Private Haushalte u. Org. o. E. 30,98 196,38 165,40 221,59 56,19 165,40 6045,7 1744,1 4301,6 Inl¨and. nichtfinanzielle Sektoren 69,72 347,70 277,98 457,34 138,77 318,57 10750,4 9466,4 1284,0 Inl¨andische Sektoren insges. 70,25 327,79 257,55 997,71 699,58 298,13 23975,5 22405,5 1570,0 ¨ Ubrige Welt 3,06 -254,49 -257,55 109,43 407,56 -298,13 19983,2 21149,9 -1166,7 Sektoren insgesamt 73,31 73,31 - 1107,14 1107,14 0,00 30733,6 30616,2 117,3 Erl¨auterungen: Sachverm¨ogensbildung (SVB), Sparen und Verm¨ogens¨ ubertragungen (S), Finanzierungssaldo (FS), Geldverm¨ogensbildung (GVB), Außenfinanzierung (AF), Nettogeldverm¨ogensbildung (NGVB), Geldverm¨ogen (GV), Verbindlichkeiten (VB), Nettogeldverm¨ogen (NGV). Nettokreditgew¨ahrung an die ¨ ubrige Welt (Finanzierungs¨ uberschuss): 257,55. <?page no="315"?> 9.1 Aufgaben und Darstellungen 315 Marktpreisen orientiert ist. Die wichtigste ¨ Anderung betrifft die deutlich erweiterte Definition des Sektors Private Haushalte. Dieser umfasst nun auch die Wohnungswirtschaft, die vorher als Unterkategorie der Unternehmen betrachtet wurde und die Einzelkaufleute und Selbstst¨andigen, die vorher im Sektor Unternehmen erfasst wurden. ” Gem ¨ aß ESVG 95 beinhaltet der Sektor Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften nur echte Kapitalgesellschaften sowie sogenannte Quasikapitalgesellschaften (im Wesentlichen Personengesellschaften, d.h. OHGs und KGs). Einzelkaufleute und Selbst ¨ andige, deren unternehmerische Aktivit ¨ aten sich nicht von den Transaktionen einer Privatperson trennen lassen, werden dagegen dem Sektor Private Haushalte zugerechnet. Gleiches gilt f ¨ ur die Erwerber von Privatem Wohneigentum, die die st ¨ arkste Investorengruppe innerhalb des ehemaligen Bereichs der Wohnungswirtschaft darstellten. In der alten Rechnung gem¨aß ESVG 79 wurden Einzelkaufleute und Selbst¨andige dem Unternehmenssektor zugerechnet. Dar¨ uber hinaus wurde die Wohnungswirtschaft aufgrund ihrer speziellen Finanzierungsstruktur in getrennter Darstellung als ein Untersektor der nichtfinanziellen Unternehmen behandelt.“ (Deutsche Bundesbank, Ergebnisse der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung f¨ ur Deutschland, 1991 bis 2009, Statistische Sonderver¨offentlichung 4, Juni 2010.) F¨ ur das Jahr 1999 unterscheiden sich die Angaben f¨ ur das Geldverm¨ogen der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften nach ESVG 1995 und 2010 f¨ ur das Geldverm¨ogen um 389,1 und f¨ ur die Verbindlichkeiten um 490 Mrd. Euro. Bei den finanziellen Kapitalgesellschaften betragen die Differenzen 1809,4 bzw. 1814,8, beim Staat 78,4 bzw. 35,1 und bei der ¨ ubrigen Welt 417,0 bzw. 356,1 Mrd. Euro. Lediglich die Angaben f ¨ ur die Privaten Haushalte sind weitgehend identisch. Die Graphik der Entwicklung des Nettogeldverm¨ogens (vgl. Abbildung 9.3 unten), d.h. des Forderungsbestands abz¨ uglich der Verbindlichkeiten, zeigt, dass die Privaten Haushalte in ganz erheblichem Umfang Nettogeldverm¨ogen gebildet haben. 2018 bel¨auft es sich auf 4,453 Mrd. Euro. F¨ ur die Finanzinstitute gleichen sich die sehr hohen Best¨ande an Forderungen und Verbindlichkeiten weitgehend aus. Erst am Ende des Beobachtungszeitraums 3 zeigt sich ein Anstieg des Nettogeldverm ¨ ogens (2017: 286 Mrd. Euro). Die nichtfinanziellen Unternehmen weisen 2018 Nettoverbindlichkeiten von 1,737 Mrd. Euro aus. Sowohl das Nettogeldverm¨ogen der Privaten Haushalte als auch das der nichtfinanziellen Unternehmen entwickelt sich seit Mitte der 1990er Jahre deutlich volatiler als in den 3 Die Werte des Jahres 2018 beziehen sich auf den Stand am Ende des dritten Quartals. Die Angaben der ¨ ubrigen Jahre sind Jahresendst¨ande. <?page no="316"?> 316 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 1960 1970 1980 1990 2000 2010 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Finanzielle Kapitalgesellschaften Private Haushalte Nicht nanzielle Kapitalgesellschaften Staat 1960 1970 1980 1990 2000 2010 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Finanzielle Kapitalgesellschaften Private Haushalte Nicht nanzielle Kapitalgesellschaften Staat 1960 1970 1980 1990 2000 2010 -2.0 -1.5 -1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0 4.5 5.0 Finanzielle Kapitalgesellschaften Private Haushalte Nicht nanzielle Kapitalgesellschaften Staat Abbildung 9.3 Geldverm ¨ ogen (oben), Verbindlichkeiten (mitte) und Nettogeldverm¨ogen der Sektoren (unten) in Billionen Euro im Zeitraum 1960-2017. <?page no="317"?> 9.1 Aufgaben und Darstellungen 317 1960 1970 1980 1990 2000 2010 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400 2600 Bankguthaben Sonstige Versicherungen Aktien Bargeld und Einlagen Sonstige (inkl. Schuldverschr.) Versicherungen Anteilsrechte 1960 1970 1980 1990 2000 2010 0.00 0.05 0.10 0.15 0.20 0.25 0.30 0.35 0.40 0.45 0.50 0.55 0.60 0.65 Bankguthaben Sonstige Versicherungen Aktien Bargeld und Einlagen Sonstige (inkl. Schuldverschr.) Versicherungen Anteilsrechte Abbildung 9.4 Geldverm ¨ ogenskomponenten der Privaten Haushalte in Mrd. Euro (oben) und Anteilsstruktur (unten) im Zeitraum 1960-2018. vergangenen Jahrzehnten. F ¨ ur den Staat l ¨ asst sich seit der Wiedervereinigung ein st ¨ arkerer negativer Trend als vor der Wiedervereinigung erkennen. Die Nettoverbindlichkeiten des Staates betragen, insbesondere aufgrund der massiven Verschuldung in den letzten zwei Jahrzehnten in 2018 1,1001 Mrd. Euro. Lediglich in den letzten Jahren haben die Nettoverbindlichkeiten des Staats leicht abgenommen. Betrachten wir die langfristige Entwicklung des Geldverm¨ogens der Privaten Haushalte (vgl. Abbildung 9.4), dann lassen sich vier Hauptanlageformen bilden. Mit Bankguthaben bezeichnen wir die Kategorie Bargeld und Einlagen der neuen Gliederung und die kurz- und langfristige Geldanlage bei Banken nach der alten Kategorie (ESVG 1979). Die Graphik macht deutlich, dass die neue Kategorie Bargeld und Einlagen deutlich weiter gefasst ist. Ab dem Jahr 1991 betrachten wir anstelle der Aktien nun An- <?page no="318"?> 318 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung teilsrechte, die neben b¨orsennotierten Aktien, auch ¨ ubrige Anteilsrechte und Anteile an Investmentfonds beinhalten. Am Ende des dritten Quartals des Jahres 2018 finden sich folgende Werte f ¨ ur die vier Anlagekategorien in Mrd. Euro: Bargeld und Einlagen 2468, Versicherungen 2257, Anteilsrechte 1334 und sonstige Anlagen 188. Bemerkenswert ist der geringe Wert des Aktienbesitzes sowie dessen hohe Volatilit ¨ at seit Anfang der 1990er Jahre. Die Darstellung der Anteilsstruktur des Geldverm ¨ ogens der Privaten Haushalte zeigt eine deutliche Abnahme des Anteils von Bargeld und Einlagen in den neunziger Jahren. Der Anteil des Verm ¨ ogens in Form von Versicherungen hat einen relativ glatten ansteigenden Trend. 2018 betrugen die Anteile dieser vier Geldverm ¨ ogenskategorien in Prozent: Bargeld und Einlagen 39,5, Versicherungen 36,5, Anteilsrechte 21,4 und sonstige Anlagen 3,0%. Bemerkenswert ist der hohe Anteil des Geldverm ¨ ogens der Privaten Haushalte von rund 75%, der bei Banken und Versicherungen angelegt ist. 9.1.9 Zahlungsbilanz In der Zahlungsbilanz erfolgt die Aufzeichnung der wirtschaftlichen Transaktionen der Volkswirtschaft mit der ¨ ubrigen Welt in einer Periode. Die Zahlungsbilanz gliedert sich in drei Teilbilanzen: Leistungsbilanz, Verm¨ogens¨ ubertragungen und Kapitalbilanz. In der Leistungsbilanz werden die Einfuhr und Ausfuhr von Waren und Dienstleistungen, die geleisteten und empfangenen Erwerbs- und Verm¨ogenseinkommen und die laufenden unentgeltlichen ¨ Ubertragungen nachgewiesen. Die Verm¨ogenseinkommen sind, anders als die laufenden ¨ Ubertragungen, einmalige ¨ Ubertragungen, die zudem nicht direkt das Einkommen ver¨andern. Die Abgrenzung von laufenden Verm¨ogenseinkommen und Verm¨ogens¨ ubertragungen ist allerdings problematisch. Da in der Zahlungsbilanz wie auch in den anderen Konten der VGR die Transaktionen nach dem Prinzip der doppelten Buchf¨ uhrung erfasst werden, ist die Zahlungsbilanz insgesamt per Definition ausgeglichen, nicht jedoch die drei Unterbilanzen, die jeweils Salden aufweisen. Ein positiver Saldo von Leistungsbilanz und Verm¨ogens¨ ubertragungen entspricht dem Saldo der Kapitalbilanz (Nettokapitalexport durch Zunahme von Forderungen oder Reduzierung von Verbindlichkeiten). Die Kapitalbilanz <?page no="319"?> 9.1 Aufgaben und Darstellungen 319 zeigt dabei, welche Forderungen und Verbindlichkeiten gegen ¨ uber dem Ausland sich in welcher H¨ohe ver¨andert haben. Nachfolgend sind in tabellarischer Form die wichtigsten Posten der Zahlungsbilanz mit Werten f¨ ur das Jahr 2017 in Mrd. Euro aufgef¨ uhrt (vgl. Deutsche Bundesbank, Die deutsche Zahlungsbilanz f ¨ ur das Jahr 2017, Monatsbericht M¨arz 2018, S. 15-36, insbes. S. 27.). Wichtige Posten der Zahlungsbilanz 2017, Mrd. Euro I. Leistungsbilanz + 262,7 1. Warenhandel + 265,6 Ausfuhr (fob) 1270,2 Einfuhr (fob) 1 004,6 nachrichtlich: Außenhandel + 244,6 Ausfuhr (fob) 1 279,0 Einfuhr (cif) 1 034,4 2. Dienstleistungen - 16,1 darunter: Reiseverkehr - 38,8 3. Prim¨areinkommen + 67,4 darunter: Verm¨ogenseinkommen + 68,6 4. Sekund¨areinkommen - 54,1 II. Verm¨ogens¨anderungsbilanz - 0,3 III. Saldo der Kapitalbilanz + 275,7 1. Direktinvestitionen + 42,2 2. Wertpapieranlagen + 200,2 3. Finanzderivate + 8,9 4. ¨ Ubriger Kapitalverkehr + 25,6 5. W¨ahrungsreserven - 1,3 IV. Statistisch nicht aufglieder-bare Transaktionen + 13,3 Die in den Standardkonten der VGR und die in der Zahlungsbilanz ausgewiesenen Salden korrespondieren. Die folgende tabellarische Darstellung (vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht M¨arz 1995, S. 37.) zeigt den Zusammenhang der Salden. <?page no="320"?> 320 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Zahlungsbilanz VGR 1 Warenhandel und Dienstleistungen Außenbeitrag zum Bruttoinlandsprodukt + 2 Erwerbs- und Verm¨ogenseinkommen Erwerbs- und Verm¨ogenseinkommen = 3 - Außenbeitrag zum Bruttonationaleinkommen - 4 Laufende ¨ Ubertragungen an das Ausland Laufenden ¨ Ubertragungen an die ¨ ubrige Welt = 5 Leistungsbilanz Saldo aus Ersparnis und Nettoinvestition - 6 Verm¨ogens¨ ubertragungen an das Ausland Verm¨ogens¨ ubertragungen an die ¨ ubrige Welt = 7 - Finanzierungssaldo identisch mit der transaktionsbedingten Ver¨anderung des Netto-Auslandsverm¨ogens Diese Zusammenh¨ange k¨onnen auch mit einfachen Buchf¨ uhrungsgleichungen dargestellt werden. Das Nettosozialprodukt ( Y ) entspricht der Summe von Konsum (C), Nettoinvestitionen (I n ), Außenhandelssaldo (Ex − Im) und Saldo der Erwerbs- und Verm¨ogenseinkommen (ΔE): C + I n + Ex − Im + ΔE = Y Das Nettosozialprodukt kann f¨ ur laufende ¨ Ubertragungen an das Ausland (L ¨ U ), Konsum (C) oder Ersparnis (S) verwendet werden: C + S + L ¨ U = Y Der Saldo der Leistungsbilanz, d.h. die Summe der Salden vom Waren- und Dienstleistungshandel und der Erwerbs- und Verm¨ogenseinkommen (Δ E ) abz ¨ uglich der laufenden ¨ Ubertragungen ( L ¨ U ) entspricht dem ¨ Uberschuss der Ersparnis ¨ uber die Nettoinvestitionen. Dies wird aus der Betrachtung der beiden vorausgegangenen Bestimmungsgleichung von Y deutlich: C + I n + Ex − Im + ΔE = C + S + L ¨ U Ex − Im + ΔE − L ¨ U = S − I n Neben dem Ausweis f ¨ ur eine Periode in der Zahlungsbilanz weist die Deutsche Bundesbank auch den Stand des Auslandsverm¨ogens gegliedert nach Anlagearten aus. F¨ ur die Wertpapieranlagen (IV.) und f¨ ur die ersten beiden Unterkategorien der ¨ Ubrigen Kapitalanlagen werden die Angaben zudem nach Hauptsektoren gegliedert ausgewiesen. In der folgenden Tabelle sind f ¨ ur das vierte Quartal 2017 einige wichtige Positionen des <?page no="321"?> 9.2 Entstehungsrechnung 321 Auslandsverm¨ogensstatus in Mrd. Euro dargestellt. 4 Auslandsverm¨ogensstatus, 4. Quartal 2017 Aktiva Passiva Saldo I. Direktinvestitionen 1.926,4 1.380,0 546,4 1. Beteiligungskapital 1.438,5 595,8 842,7 2. Direktinvestitionskredite 487,9 784,2 -296,3 II. Wertpapieranlagen 2.934,2 2.552,1 382,1 1. Aktien 471,1 606,4 -135,3 2. Investmentfondsanteile 602,3 136,9 465,4 3. Kurzfristige Schuldverschreibungen 18,6 150,0 -131,4 4. Langfristige Schuldverschreibungen 1.842,2 1.658,8 183,4 III. Finanzderivate und Mitarbeiteraktienoptionen 475,6 490,3 -14,7 IV. ¨ Ubrige Kapitalanlagen 2.853,5 2.162,7 690,8 1. Finanzkredite 616,2 324,0 292,2 2. Bargeld und Einlagen 1.983,0 1.564,8 418,2 3. Weitere Anlagen 254,30 273,90 -19,60 V. W¨ahrungsreserven 166,8 - -166,8 Insgesamt (I.-V.) 8.356,5 6.585,1 1.771,4 9.2 Entstehungsrechnung 9.2.1 Interpretation des Bruttoinlandsprodukts Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dient h¨aufig als Produktionsindikator. Es entspricht dem Wert der Produktion von Waren und Dienstleistungen im Inland nach Abzug der Vorleistungen. Zu beachten ist, dass das BIP als Differenzgr¨oße von Produktionswert und Vorleistungen kein Mengenger ¨ ust hat und ¨ ubliche Interpretationen im Sinne einer ” G ¨ utermenge“ irref¨ uhrend sind. Interpretiert werden kann das BIP vereinfacht als Summe der bei der Produktion im Inland entstandenen Einkommen. 9.2.2 Produktionswert und Bruttowertsch¨opfung Ausgangspunkt der Entstehungsrechnung des BIP sind die (Brutto-) Produktionswerte der Unternehmen, die folgende Komponenten enthalten: Verk¨aufe von Waren und Dienstleistungen Bestandsver¨anderung an Halb- und Fertigwaren aus eigener Produktion 4 Die Daten sind dem Tabellenanhang der Pressenotiz der Deutschen Bundesbank vom 28.9.2018, Das deutsche Auslandsverm¨ogen Ende 2017 entnommen. <?page no="322"?> 322 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Wert der selbsterstellten Anlagen Einnahmen aus der Vermietung von Wohnungen und von gewerblichen Anlagen Eigenkonsum der Unternehmer Zu beachten ist, dass die Umsatzsteuer nicht enthalten ist, es sich somit um eine Nettoerfassung handelt. Anders als bei den privaten Unternehmen wird der Produktionswert von Staat und Organisationen ohne Erwerbszweck ausgehend von Aufwandsposten ermittelt. Vorleistungen sind G ¨ uter, die von in- und ausl ¨ andischen Wirtschaftseinheiten bezogen und im Berichtszeitraum im Zuge der Produktion verbraucht wurden. Zu beachten ist, dass die eingesetzte Handelsware nicht bei den Vorleistungen und den Produktionswerten des Handels erfasst wird (Nettostellung des Handels). Die Wertsch ¨ opfung ergibt sich aus der Differenz von Produktionswert und Vorleistungen. Das Bruttoinlandsprodukt entspricht der ¨ uber alle Wirtschaftsbereiche aggregierten Bruttowertsch¨opfung, die jedoch um die G ¨ utersteuern (abz ¨ uglich Subventionen) erh ¨ oht wird. Die G ¨ utersteuern umfassen die nichtabziehbare Umsatzsteuer, die Importabgaben (Z ¨ olle, Verbrauchsteuern auf Importe) und die sonstigen G ¨ utersteuern (Verbrauchsteuern, Vergn¨ ugungssteuern, Versicherungsteuer usw.). Die G¨ utersubventionen umfassen die laufenden Zahlungen ohne Gegenleistung vom Staat oder Institutionen der Europ¨aischen Union. Es resultiert somit folgendes Berechnungsschema: Bruttowertsch¨opfung + G¨ utersteuern (abz¨ uglich Subventionen) = Bruttoinlandsprodukt 9.2.3 Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts Das Bruttoinlandsprodukt steht im Zentrum der Wirtschaftsbeobachtung und wird gemeinhin als Maß der Leistungsf¨ahigkeit einer Volkswirtschaft aufgefasst. Die Wachstumsrate des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts ist der bedeutsamste Konjunkturindikator. In Anlehnung an die Gebr ¨ auchlichkeit in den USA wird ein R ¨ uckgang des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen als Indiz einer Rezession gedeutet. Die Abbildung 9.5 zeigt die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts von 1950 bis 2018 in Jahreswerten zu jeweiligen <?page no="323"?> 9.2 Entstehungsrechnung 323 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 100 200 300 400 500 600 700 800 900 Abbildung 9.5 Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen (oben) und preisbereinigt mit Basisjahr 1950=100 (unten). Preisen (oben) und preisbereinigt (unten). Die dargestellte Zeitreihe des Bruttoinlandsprodukts weist f ¨ ur die Jahre 1960, 1970 und 1991 jeweils zwei Werte auf. Die Zeitreihe bis 1960 enth¨alt nicht die Gebiete Saarland und Berlin-West im fr¨ uheren Bundgesgebiet. Die Zeitreihe von 1960 bis 1970 des fr ¨ uheren Bundgesgebiets beinhaltet nicht die Ergebnisse der großen Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen durch die Umstellung auf das ESVG 1995. Die Zeitreihe ab 1970 weist revisionsbedingt einen h¨oheren Wert auf und stellt die Entwicklung im fr¨ uheren Bundesgebiet bis 1991 dar. Die Zeitreihe ab 1991 bis 2018 bezieht sich 5 Die Werte sind entnommen aus Statistisches Bundesamt (2019), Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Bruttoinlandsprodukt, Bruttonationaleinkommen, Volkseinkommen, 2018, Lange Reihen ab 1925. <?page no="324"?> 324 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung schließlich auf Deutschland nach der Wiedervereinigung. 5 Da die preisbereinigten Werte des Bruttoinlandsprodukts nur einen sinnvollen Vergleich von Jahr zu Jahr zulassen, wird seit der Umstellung auf die Vorjahrespreisbasis kein preisbereinigtes Bruttoinlandsprodukt in Absolutwerten mehr ausgewiesen. Das Aufmultiplizieren der j ¨ ahrlichen Ver¨anderungsraten dient seither als Indikator der langfristigen ”preisbereinigten“ Entwicklung. Da f¨ ur die Jahre der Br¨ uche durch die Gebietsver ¨ anderungen (1960, 1991) und durch die Revision (1970) jeweils die Werte ” vor“ und ” nach“ den Ver ¨ anderungen vorliegen, kann eine lange verkettete Zeitreihe berechnet werden, die keine Spr ¨ unge aufweist. Zu beachten ist, dass diese durchg¨angige Zeitreihe teilweise fiktiven Charakter hat. Der Wert des Jahres 1950 resultiert etwa aus der Fiktion, dass die relativen Ver¨anderungen durch die Gebietsver¨anderungen und durch die VGR-Revision auch im Jahr 1950 relevant w¨aren. Diese verkettete Reihe wird in der Abbildung 9.5 (unten) mit dem Basisjahr 1950=100 dargestellt. Eine vergleichbare lange Reihe ab 1950 wird auch von der Deutschen Bundesbank mit Basisjahr 2010=100 ver¨offentlicht (verf¨ ugbar ¨ uber den Zeitreihenservice der Deutschen Bundesbank). Diese weist allerdings f¨ ur die Jahre bis 1959 marginal h¨ohere Werte auf, da die Bundesbank f¨ ur diese Jahre anstelle einer einfachen Verkettung andere Sch¨atzungen vorgenommen hat. Interessant ist, dass eine Gerade eine sehr gute - und im Vergleich zu einer Exponentialfunktion bessere - Anpassung an die Zeitreihe ergibt. Die Abbildung 9.6 der Ver ¨ anderungsraten des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts zum Vorjahr zeigt die konjunkturelle Entwicklung seit 1950. R¨ uckg¨ange sind in den f¨ unf Jahren 1975, 1982, 1993, 2003 und 2009 zu beobachten. Bemerkenswert ist der R¨ uckgang im Jahr 2009 um 5,6%. Die Zeitreihe der Wachstumsraten des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts weist einen fallenden nichtlinearen Trend auf. In der Graphik ist eine angepasste nichtlineare Trendfunktion eingezeichnet. F ¨ ur die 69 Wachstumsraten (Y) von 1951 bis 2018 (T) ergeben sich f ¨ ur die Trendfunktion y t = β 1 β ( t− ¯ t ) 2 + u t t = 1951, 1952, ..., 2018 die Sch¨atzwerte der Parameter ˆ β 1 = 2, 357 und ˆ β 1 = 0, 9605. <?page no="325"?> 9.2 Entstehungsrechnung 325 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10 12 Abbildung 9.6 Ver¨anderungsrate des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts gegen¨ uber dem Vorjahr in Prozent und nichtlineare Trendfunktion. Die nachlassende Wachstumsdynamik wird auch deutlich, wenn man jeweils die geometrischen Mittel der Wachstumsraten in Prozent der sieben Jahrzehnte berechnet: 1951-60 1961-70 1971-80 1981-90 1991-2000 2001-10 2011-2018 8.24 4.43 2.89 2.33 1.98 0.90 1.80 9.2.4 Bruttonationaleinkommen W ¨ ahrend das Bruttoinlandsprodukt auf Basis des Inlandsprinzips berechnet wird, beruht das Bruttonationaleinkommen (fr¨ uher Bruttosozialprodukt) auf dem Inl¨anderprinzip. Um vom Bruttoinlandsprodukt zum Bruttonationaleinkommen zu gelangen, m¨ ussen im Bruttoinlandsprodukt enthaltene Prim¨areinkommen, die zwar im Inland entstanden sind, aber nicht Inl¨andern zugeflossen sind, abgezogen und Prim¨areinkommen, die im Ausland entstanden sind und Inl¨andern zugeflossen sind, hinzugerechnet werden. Folgendes Berechnungsschema macht dies deutlich: Bruttoinlandsprodukt + von der ¨ ubrigen Welt empfangene Prim¨areinkommen (Arbeitnehmerentgelt, Verm¨ogenseinkommen, Subventionen) an die ¨ ubrige Welt geleistete Prim¨areinkommen (Arbeitnehmerentgelt, Verm¨ogenseinkommen, Produktions- und Importabgaben) = Bruttonationaleinkommen Die Darstellung des Saldos der Prim¨areinkommen in Abbildung 9.7 zeigt, <?page no="326"?> 326 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 -30 -20 -10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Abbildung 9.7 Saldo der Prim¨areinkommen in Mrd. Euro. dass in den Folgejahren der Wiedervereinigung der Saldo deutlich negativ wurde und bis auf -28,7 Mrd. Euro im Jahr 2002 gesunken ist. Seither hat sich der Saldo dramatisch erh¨oht. Seit dem Jahr 2004 ist der Saldo der Prim¨areinkommen positiv und hat im Jahr 2018 einen Wert von 72 Mrd. Euro erreicht. Insbesondere aufgrund des gegen ¨ uber der ¨ ubrigen Welt positiven Saldos der Verm¨ogenseinkommen ist das den Inl¨andern zufließende Einkommen aus Produktionst¨atigkeit (Bruttonationaleinkommen) um 2,1% h ¨ oher als das im Inland im Rahmen der Produktionst ¨ atigkeit entstandene Einkommen (Bruttoinlandsprodukt). 9.2.5 Bez¨ uge zur Input-Output-Rechnung Symbol Bedeutung Symbol Bedeutung X Produktionswert Z Subventionen V Vorleistungen D Abschreibungen BW S Bruttowertsch¨opfung G Gewinn (Nettobetriebs¨ uberschuss) AP Anschaffungspreise T SG Sonstige G¨ utersteuern HP Herstellungspreise L L¨ohne A SP Sonstige Produktionsabgaben Wir haben uns bereits im vorherigen Kapitel mit den Input-Output Tabellen des Statistischen Bundesamts befasst. Die IO Tabellen k¨onnen als Darstellung der sektoralen Buchhaltung des Produktionsprozesses eines Jahres betrachtet werden. Die Spalten (Produktionsbereiche) sind die sektoralen Produktionskonten, die Zeilen enthalten die Verwendungsnachweise der verschiedenen G ¨ uterarten. Sowohl f ¨ ur die Produktionskonten <?page no="327"?> 9.2 Entstehungsrechnung 327 (Spalten) als auch f¨ ur die G¨ uterverwendung (Zeilen) wurden einige Buchhaltungsgleichungen betrachtet. Die zeilenweise Summation ¨ uber alle Spalten (Produktionsbereiche) hinweg f¨ uhrt von den sektoralen Produktionskonten zu dem gesamtwirtschaftlichen Produktionskonto. Hier kn¨ upft unmittelbar die Entstehungsrechnung der VGR an. Der aggregierte Produktionswert aller Produktionsbereiche abz¨ uglich der aggregierten Vorleistungen aller Produktionsbereiche f¨ uhrt zur gesamtwirtschaftlichen Bruttowertsch¨opfung. Die Addition der von allen Produktionsbereichen gezahlten G ¨ utersteuern abz ¨ uglich der erhaltenen Subventionen f ¨ uhrt von der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertsch¨opfung zum Bruttoinlandsprodukt. Im Folgenden geben wir wichtige buchhalterische Zusammenh ¨ ange der Konten und Standardtabellen des Statistischen Bundesamts an. Wir betrachten ausschließlich das Konto f¨ ur die gesamte Volkswirtschaft. Die nachfolgenden Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2017 in Mrd. Euro und beinhalten bereits die große Revision des Jahres 2014 durch die Umstellung auf das ESVG 2010, deren Ergebnisse zum Teil zu erheblichen r¨ uckwirkenden Ver¨anderungen der vorher ausgewiesenen Ergebnisse gef¨ uhrt hat. 6 Gesamtwirtschaftliches Produktionskonto. Vereinfachte Produktionsidentit¨at zu Herstellungspreisen X HP = V HP + BW S 5904, 315 = 2949, 619 + 2954, 696 Die Ber¨ ucksichtigung von sonstigen G¨ utersteuern f¨ uhrt von den Herstellungspreisen zu den Anschaffungspreisen: X AP = X HP + T SG = V HP + T SG + BW S = V AP + BW S 6234, 256 = 5904, 315 + 329, 941 = 2949, 619 + 329, 941 + 2954, 696 = 3279, 561 + 2954, 70 Das Produktionskonto und das Einkommensentstehungskonto liefern Informationen ¨ uber die Zusammensetzung der Bruttowertsch¨opfung. Sie 6 ”Die Neuberechnung der VGR-Daten nach dem ESVG 2010 brachte eine Vielzahl von methodischen ¨ Anderungen mit sich. Die quantitativ wichtigsten ¨ Anderungen sind die Behandlung von Forschung und Entwicklung sowie von milit¨arischen Waffensystemen als Investitionen. <?page no="328"?> 328 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung enth ¨ alt L ¨ ohne, sonstige Produktionsabgaben abz ¨ uglich der Subventionen, die Abschreibungen und den Nettobetriebs ¨ uberschuss (inkl. der Selbst¨andigeneinkommen) BW S = L + (A SP − Z s ) + D + G 2954, 696 = 1667, 616 + (21, 951 − 26, 272) + 573, 134 + 718, 267 Die Vorleistungen zu Anschaffungspreisen ergeben sich aus den Vorleistungen zu Herstellungspreisen und den gezahlten sonstigen G¨ utersteuern V AP = V HP + T SG 3279, 561 = 2949, 619 + 329, 941 Die gesamten Vorleistungen zu Herstellkosten stammen aus inl¨andischer Produktion ( V HP,Inl. ) und aus Importen ( V HP,Im ) . Die Aufteilung der Vorleistungen zu Herstellkosten ist aus den aktuell verf¨ ugbaren Quellen noch nicht ersichtlich: V HP = V HP,Inl. + V HP,Im = 2949, 619 Insgesamt resultiert also folgender Zusammenhang f¨ ur den Produktionswert zu Anschaffungspreisen X AP = (V HP,Inl. + V HP,Im ) + T SG + L + (A SP − Z s ) + D + G 6234, 256 = 2949, 619 + 329, 941 + 1667, 616 + (21, 951 − 26, 272) + 573, 134 + 718, 267 Gesamtwirtschaftliches G ¨ uterkonto. Das gesamte G ¨ uteraufkommen aus Produktionswert zu Herstellungskosten und G¨ utersteuern (abz¨ uglich Subventionen) sowie Importen entspricht der Verwendung als Vorleistungen und der letzten Verwendung in Form von Konsum, Investitionen und Export: X HP + T SG − Z g + Im = V HP + C + I + Ex 5904, 315 + 329, 941 − 7, 297 + 1294, 106 = 2949, 619 + 2371, 051 + 658, 497 + 1541, 898 Dar ¨ uber hinaus war die Revision 2014, wie alle umfassenden Revisionen in den VGR, mit einer gr ¨ undlichen ¨ Uberarbeitung des gesamten Rechenwerkes verbunden. <?page no="329"?> 9.2 Entstehungsrechnung 329 9.2.6 Beitr¨age der Wirtschaftsbereiche Die Beitr¨age von sieben Wirtschaftsbereichen zur Bruttowertsch¨opfung sind in der folgenden Tabelle angegeben. Bemerkenswert sind die geringen Anteile der beiden klassischen Sektoren Landwirtschaft und Baugewerbe mit lediglich 0, 9% bzw. 4, 9% im Jahr 2017. Beitr¨age der Wirtschaftsbereiche BWS, Mrd. Euro Anteil in % Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 25,47 0,9 Verarbeitendes Gewerbe 690,21 23,4 Baugewerbe 144,30 4,9 Sonstiges Produzierende Gewerbe 82,31 2,7 Handel, Gastgewerbe und Verkehr 478,41 16,2 Finanzierung, Vermietung u. Unt.dienstl. 886,09 30,0 ¨ Offentliche und Private Dienstleister 647,91 21,9 Um die l¨angerfristige Entwicklung der Struktur der Produktionst¨atigkeit darzustellen, betrachten wir eine grobe Gliederung in drei Sektoren: den prim ¨ aren Sektor (Land- und Forstwirtschaft und Fischerei), den sekund¨aren Sektor (Produzierendes Gewerbe) und den terti¨aren Sektor (Dienstleistungen). Abbildung 9.9 zeigt, dass der Anteil (Abbildung 9.8 in jeweiligen Preisen) des prim¨aren Sektors an der gesamten Bruttowertsch¨opfung von 10,7% 1950 bis auf 0,9% in 2017 gesunken ist. Der sekund¨are Sektor hatte bis 1970 den gr¨oßten Anteil von rund 50%. Setiher nimmt der Anteil deutlich ab und liegt 2010 bei 29%. Seit 1970 ist der terti¨are Sektor der gr¨oßte der drei Sektoren. Sein Anteil hat sich in den sechs Jahrzehnten von knapp 40% auf knapp 70% erh¨oht. Dabei wurden alle VGR-Aggregate in voller Tiefe bis zum Jahr 1991 zur¨ uckgerechnet, damit den Datennutzern auch nach dem ¨ Ubergang auf das ESVG 2010 methodisch konsistente lange Zeitreihen zur Verf ¨ ugung stehen. Die Generalrevision 2014 wurde ebenfalls dazu genutzt, neue Datenquellen einzuarbeiten. Zu nennen sind insbesondere die Ergebnisse des Zensus 2011, die in den VGR in der Erwerbst¨atigenrechnung sowie f ¨ ur die Berechnung der Wertsch ¨ opfung aus Wohnungsvermietung genutzt werden“ Quelle: Statistisches Bundesamt (2019c) <?page no="330"?> 330 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 Primärer Sektor Sekundärer Sektor Tertiärer Sektor Abbildung 9.8 Bruttowertsch ¨ opfung in jeweiligen Preisen in Mrd. Euro der drei Sektoren an der gesamten Bruttowertsch¨opfung. 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 0.00 0.05 0.10 0.15 0.20 0.25 0.30 0.35 0.40 0.45 0.50 0.55 0.60 0.65 0.70 0.75 Primärer Sektor Sekundärer Sektor Tertiärer Sektor Abbildung 9.9 Anteile der Sektoren an der gesamten Bruttowertsch¨opfung in Prozent. <?page no="331"?> 9.3 Verteilungsrechnung 331 9.3 Verteilungsrechnung 9.3.1 Volkseinkommen Symbol Bedeutung Symbol Bedeutung N N P Nettonationalprodukt V EK Verf¨ ugbares Einkommen G Gewinn, Nettobetriebs¨ uberschuss R E Empfangene Transfers T SG Sonstige G¨ utersteuern R G Geleistete Transfers A SP Sonstige Produktionsabgaben T SG Sonstige G¨ utersteuern Z Subventionen fKG Finanzielle Kapitalgesellschaften V e Verm¨ogenseinkommen (Saldo) nfKG Nicht-finanzielle Kapitalgesellschaften Vom Bruttonationaleinkommen f ¨ uhrt folgender Rechenweg zum Volkseinkommen: Bruttonationaleinkommen - Abschreibungen = Nettonationaleinkommen (Prim¨areinkommen) - Produktions- und Importabgaben an den Staat + Subventionen vom Staat = Volkseinkommen Das Volkseinkommen entspricht auch der Summe aller Erwerbs- und Verm¨ogenseinkommen, die Inl¨andern letztlich zugeflossen sind: Arbeitnehmerentgelt + Unternehmens- und Verm¨ogenseinkommen = Volkseinkommen Aus dem Volkseinkommen l ¨ asst sich durch die Ber ¨ ucksichtigung der Salden aus Abgaben und Subventionen gegen ¨ uber dem Staat und dem Saldo aus den laufenden Transfers gegen ¨ uber der ¨ ubrigen Welt das verf¨ ugbare Einkommen der Gesamtwirtschaft ermitteln: Volkseinkommen + Produktions- und Importabgaben an den Staat - Subventionen vom Staat + laufende Transfers aus der ¨ ubrigen Welt geleistete laufende Transfers an die ¨ ubrige Welt = Verf¨ ugbares Einkommen der Gesamtwirtschaft Betrachtet man den Sektor der Privaten Haushalte gesondert, dann ergibt sich die Sparquote der Privaten Haushalte als Relation des nicht <?page no="332"?> 332 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung konsumierten Teils ihres verf¨ ugbaren Einkommens zuz¨ uglich der Zunahme betrieblicher Versorgungsanspr¨ uche zu ihrem verf¨ ugbaren Einkommen. Das prim ¨ are Einkommensverteilungskonto zeigt die Komponenten der insgesamt entstandenen Prim¨areinkommen (Nettonationalprodukt), den Nettobetriebs¨ uberschuss (inkl. Selbst¨andigeneinkommen), die L¨ohne, die G¨ utersteuern und sonstigen Produktionsabgaben (abz¨ uglich der Subventionen) und den Saldo der Verm¨ogenseinkommen N N P = G + L + T SG + A SP − Z + V e 2773, 148 = 718, 267 + 1668, 810 + 324, 881 + 20, 241 − 28, 365 + (774, 410 − 705, 096) Das verf¨ ugbare Einkommen ist das um den Saldo aus empfangenen und geleisteten Transfereinkommen erg¨anzte Nettonationaleinkommen V EK = N N P + R E − R G 2725, 346 = 2773, 148 + 67, 961 − 115, 763 Das verf ¨ ugbare Einkommen der gesamten Volkswirtschaft ergibt sich aus den verf ¨ ugbaren Einkommen der nichtfinanziellen und finanziellen Kapitalgesellschaften, des Staates und der Privaten Haushalte V EK = V EK nfKG + V EK fKG + V EK S + V EK H 2725, 346 = 115, 955 + 33, 366 + 706, 109 + 1869, 916 9.3.2 Prim¨areinkommenssaldo und Transfers mit der ¨ ubrigen Welt Der Rechenweg vom Bruttoinlandsprodukt zum verf¨ ugbaren Einkommen ist in der nachfolgenden Tabelle dargestellt. Das Bruttonationaleinkommen liegt um rund 69 Mrd. Euro ¨ uber dem Bruttoinlandsprodukt. Dieser positive Saldo der Prim¨areinkommen von der ¨ ubrigen Welt ist weitgehend auf die Verzinsung des Bestands von Forderungen von Inl¨andern an das Ausland zur¨ uckzuf¨ uhren. Mrd. Euro Bruttoinlandsprodukt 3277,34 + Prim¨areinkommen von der ¨ ubrigen Welt (Saldo) +68,94 = Bruttonationaleinkommen 3346,28 - Abschreibungen 573,13 = Nettonationaleinkommen 2773,15 + Laufende Transfers von der ¨ ubrigen Welt (Saldo) -67,96 = Verf¨ ugbares Einkommen 2725,35 <?page no="333"?> 9.3 Verteilungsrechnung 333 Den Abschreibungen steht (rechnerisch) eine entsprechende Abnutzung des Kapitalstocks gegen ¨ uber, so dass bei Erhaltung der Substanz das Nettonationaleinkommen resultiert. Das verf¨ ugbare Einkommen ist das Nettonationaleinkommen erg¨anzt um den Saldo der laufenden Transfers von der ¨ ubrigen Welt. Dieser Saldo ist aufgrund der ¨ Uberweisungen in Deutschland arbeitender Ausl¨ander in die Heimatl¨ander typischerweise negativ. 9.3.3 Verm¨ogensbildung und Finanzierungssaldo Die nachfolgende Tabelle macht deutlich, dass die Inl¨ander mehr als 354 Mrd. Euro sparen, aber die Nettoinvestitionen lediglich 85 Mrd. Euro betragen. Somit verbleibt ein sehr hoher positiver Finanzierungssaldo von gut 262 Mrd. Euro. Diesem steht ein Außenhandels¨ uberschuss in vergleichbarer Gr¨oßenordnung gegen¨ uber. Somit wird ein betr¨achtlicher Teil des Einkommens der Inl¨ander nicht f¨ ur Konsum oder Investitionen verausgabt, sondern an das Ausland verliehen, das damit sein Außenhandelsdefizit gegen¨ uber Deutschland finanziert. Dieser Befund ist im Kontext der Euro-Krise von besonderem Interesse. Die Buchf¨ uhrungszusammenh¨ange machen deutlich, dass ein hoher Außenhandels¨ uberschuss Deutschlands mit einem Finanzierungsdefizit der Nettoimportl¨ander einhergeht. Mrd. Euro Verf¨ ugbares Einkommen 2725,35 Konsumausgaben 2371,05 Sparen 354,30 Verm¨ogenstransfers von der ¨ ubrigen Welt (Saldo) -6.47 Nettoinvestitionen 85,36 Finanzierungssaldo +262,47 Nachrichtlich: Außenbeitrag +247,80 9.3.4 Verteilung des Volkseinkommens Wird das Nettonationaleinkommen um die Produktions- und Importabgaben abz¨ uglich Subventionen (Einkommen des Staates) vermindert, resultiert das Volkseinkommen. Dieses fließt aktuell zu rund zwei Dritteln den Arbeitnehmern und zu einem Drittel den Beziehern von Unternehmens- und Verm¨ogenseinkommen zu. <?page no="334"?> 334 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 0.560 0.580 0.600 0.620 0.640 0.660 0.680 0.700 0.720 0.740 Abbildung 9.10 Die Entwicklung der Lohnquote (Anteil des Arbeitnehmerentgelts am Volkseinkommen). 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 0.00 0.05 0.10 0.15 0.20 0.25 0.30 0.35 Sozialbeiträge Lohnsteuer Abbildung 9.11 Die Entwicklung der Anteile der Sozialbeitr¨age von Arbeitnehmern und Arbeitgebern (durchgezogene Linie) und der Lohnsteuer (gepunktete Linie) am Arbeitnehmerentgelt. <?page no="335"?> 9.3 Verteilungsrechnung 335 Mrd. Euro Nettonationaleinkommen 2773,15 - Produktions- und Importabgaben abz¨ uglich Subventionen 316,76 = Volkseinkommen 2456,39 Arbeitnehmerentgelt (Inl¨ander) 1668,81 Unternehmens- und Verm¨ogenseinkommen 787,58 Nachrichtlich: Lohnquote = Arbeitnehmerentgelt/ Volkseink. 67,94% Die graphische Darstellung der Lohnquote (Anteil des Arbeitnehmerentgelts am Volkseinkommen) in Abbildung 9.10 zeigt, dass die Lohnquote recht kontinuierlich von knapp 66% im Jahr 1970 bis auf knapp 74% im Jahr 1981 angestiegen ist. In den achtziger Jahren ist sie dann bis zur Wiedervereinigung auf unter 69% gesunken. Den niedrigsten Wert hat die Lohnquote mit 63% in 2007 erreicht. Aktuell liegt sie bei 66,5%. 9.3.5 Arbeitnehmerentgelt, Sozialbeitr¨age, Lohnsteuer Von dem Arbeitnehmerentgelt erhalten die Arbeitnehmer knapp 54% als Nettol¨ohne und -geh¨alter. 46% m¨ ussen 2017 in Form von Sozialbeitr¨agen und Lohnsteuer abgef¨ uhrt werden. Bemerkenswert ist, dass die Sozialbeitr ¨ age (von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zusammen) das ungef ¨ ahr Zweieinhalbfache der Lohnsteuer betragen. Mrd. Euro Arbeitnehmerentgelt 1668,81 Sozialbeitr¨age der Arbeitgeber 302,20 Bruttol¨ohne und -geh¨alter 1366,62 Abz¨ uge der Arbeitnehmer 463,69 Sozialbeitr¨age 238,74 Lohnsteuer 224,95 Nettol¨ohne und -geh¨alter 902,93 Abbildung 9.11 zeigt die zeitliche Entwicklung der Anteile der Sozialbeitr ¨ age (von Arbeitgebern und Arbeitnehmern) und der Lohnsteuer am Arbeitnehmerentgelt. Bemerkenswert ist ebenfalls der Anstieg des Anteils der Lohnsteuer von 4% im Jahr 1970 auf lediglich 13,5% in 2017 einerseits und der Anstieg des Anteils der Sozialbeitr ¨ age von 19,7% auf das hohe Niveau von 32,4% andererseits. Aktuell werden somit durchschnittlich 45,9% des Arbeitnehmerentgelts an Staat und Sozialversicherungen abgef¨ uhrt. <?page no="336"?> 336 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 9.3.6 Einnahmen und Ausgaben des Staates Einnahmen des Staates Mrd. Euro Verk¨aufe aus Markt- und Nichtmarktproduktion 110,81 + sonstige Subventionen 0,20 + Verm¨ogenseinkommen 15,89 + Steuern (ohne verm¨ogenswirksame Steuern) 766,38 + Sozialbeitr¨age 548,60 + sonstige laufende Transfers 21,80 + Verm¨ogenstransfers 10,18 = Einnahmen 1473,85 Die Einnahmen des Staates stammen mit knapp 90% ganz ¨ uberwiegend aus Steuern (52%) und Sozialbeitr ¨ agen (37%). Setzt man die Einnahmen des Staates zum Nettonationaleinkommen (Summe der Inl ¨ andern zufließenden Einkommen) in Beziehung, resultiert eine Quote von 53%. Ausgaben des Staates Mrd. Euro Vorleistungen 156,26 +Arbeitnehmerentgelt 246,74 +sonstige Produktionsabgaben 0,18 +Verm¨ogenseinkommen 33,81 +Subventionen 28,37 +Soziale Sachleistungen 278,38 +monet¨are Sozialleistungen 506,10 +sonstige laufende Transfers 75,22 +Verm¨ogenstransfers 43,94 +Bruttoinvestitionen 72,42 +Nettozugang an nicht produzierten Verm¨ogensg¨ utern -1,59 =Ausgaben 1439,84 Finanzierungssaldo 34,01 Mit gut 54% entf ¨ allt mehr als die H ¨ alfte der Ausgaben des Staates auf Sozialleistungen (soziale Sachleistungen und monet¨are Sozialleistungen). Der Anteil der staatlichen Ausgaben f ¨ ur Arbeitnehmerentgelte an den Staatsausgaben betr¨agt 17%. Im Jahr 2017 hat der Staat 34 Mrd. Euro mehr eingenommen als ausgegeben. <?page no="337"?> 9.4 Verwendungsrechnung 337 9.4 Verwendungsrechnung 9.4.1 Verwendungskomponenten Symbol Bedeutung Symbol Bedeutung C Konsum V fE Verf¨ ugbares Einkommen I Investitionen S Sparen Ex Exporte LV Letzte Verwendung Im Importe LIV Letzte inl¨andische Verwendung BV Betriebliche Versorgungsleistungen Die Verwendungskomponenten des Bruttoinlandsprodukts sind Konsumausgaben der Privaten Haushalte (C H ) Konsumausgaben der Privaten Organisationen ohne Erwerbszweck (C OoE ) Konsumausgaben des Staates (C St ) Bruttoanlageinvestitionen (I B ) Vorratsver¨anderungen (I V ) Außenbeitrag (Ex − Im) Die Privaten Haushalte verwenden ihr verf ¨ ugbares Einkommen und die Zunahme der betrieblichen Versorgungsleistungen f ¨ ur Konsum und Sparen V f E H + ΔBV H = C H + S H 1869, 916 + 52, 080 = 1732, 176 + 189, 820 F¨ ur die gesamte Volkswirtschaft ergibt sich die Verwendung des Verf¨ ugbaren Einkommens als Summe aus Konsum (Private Haushalte und Staat) sowie Sparen. V f E = C + S 2725, 346 = 2371, 051 + 354, 295 Die Letzte Inl¨andische Verwendung ergibt sich als Summe von Privatem Verbrauch, Staatsverbrauch und Investitionen LIV = C H + C St + I 3029, 548 = 1732, 176 + 638, 875 + 658, 497 <?page no="338"?> 338 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Die Letzte Verwendung besteht aus der Letzten Inl¨andischen Verwendung und der Ausfuhr LV = LIV + Ex 4571, 446 = 3029, 548 + 1541, 898 Das Bruttoinlandsprodukt entspricht der Letzten Verwendung abz¨ uglich der Importe BIP = LV − Im 3277, 340 = 4571, 446 − 1294, 106 Die Verwendung des Bruttoinlandsprodukts setzt sich aus der Inl¨andischen Verwendung und dem Außenhandelssaldo zusammen. Die Inl ¨ andische Verwendung erfolgt in Form von Konsum und Investitionen. BIP = LIV + (Ex − Im) = C + I + Ex − Im 3277, 340 = 3029, 548 + 247, 792 = 2371, 051 + 658, 497 + 1541, 898 − 1294, 106 9.4.2 Konsum Als Konsum der Privaten Haushalte werden Waren- und Dienstleistungsk ¨ aufe der inl ¨ andischen Privaten Haushalte f ¨ ur Konsumzwecke betrachtet. Hier ist zu beachten, dass die Waren bereits zum Zeitpunkt des Kaufs und nicht erst zum Zeitpunkt des tats¨achlichen Konsums als konsumiert betrachtet werden. Neben den tats ¨ achlich erfolgten Marktk ¨ aufen werden auch unterstellte K¨aufe zum Konsum gez¨ahlt: Eigenverbrauch der Unternehmer, Wert der Nutzung von Eigent¨ umerwohnungen und Naturalentgelte f¨ ur Arbeitnehmer. Konsum, der auf Gesch¨aftskosten erfolgt, wird als Vorleistung und nicht als Konsum erfasst. Die Konsumausgaben des Staates bestehen aus dem Wert der G¨ uter, die vom Staat selbst produziert werden. Nicht zum Staatskonsum z ¨ ahlen selbsterstellte Anlagen (diese werden als Investition erfasst), Verk ¨ aufe und Ausgaben f¨ ur soziale Sachtransfers. Die Konsumausgaben in H¨ohe von knapp 2371 Mrd. Euro entfallen 73% die privaten Konsumausgaben. Die nachstehende Tabelle zeigt f ¨ ur das Jahr 2010 die Ausgaben und die Ausgabenanteile der Privaten Haushalte f¨ ur acht Ausgabenbereiche. Rund ein Viertel der Konsumausgaben entf¨allt <?page no="339"?> 9.4 Verwendungsrechnung 339 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 0.00 0.05 0.10 0.15 0.20 0.25 0.30 0.35 0.40 0.45 Nahrungsmittel Bekleidung, Einrichtungen Freizeit, Übrige Wohnen Verkehr, Nachrichten Abbildung 9.12 Anteile der Konsumausgaben der Privaten Haushalte f ¨ ur verschiedene G¨ utergruppen. auf Ausgaben des Wohnens, weniger als ein F¨ unftel entf¨allt auf Nahrung und Bekleidung. Mrd. Euro Anteil in % Nahrungsmittel, Getr¨anke und Tabakwaren 226,16 13,8 Bekleidung und Schuhe 78,22 4,8 Wohnung, Wasser, Strom, Gas u.a. Brennstoffe 385,41 23,6 Einrichtungsgegenst¨ande, Ger¨ate f¨ ur den Haushalt 111,71 6,8 Verkehr und Nachrichten¨ ubermittlung 287,78 17,6 Freizeit, Unterhaltung und Kultur 150,32 9,2 Beherbergungs- und Gastst¨attendienstleistungen 90,35 5,5 ¨ Ubrige Verwendungszwecke 306,87 18,7 Insgesamt 1636,82 Abbildung 9.12 zeigt die langfristige Entwicklung der Anteile von f¨ unf betrachteten G¨ utergruppen an den gesamten Konsumausgaben der Privaten Haushalte. Ausgehend von acht G¨ utergruppen wurde die G¨ utergruppe ”Nahrungsmittel“ gebildet, die die beiden Gruppen Nahrungsmittel, Getr ¨ anke und Tabakwaren und Beherbergungs- und Gastst ¨ attendienstleistungen umfasst. Die G¨ utergruppe ”Bekleidung, Einrichtungen“ wurde gebildet aus den beiden Gruppen Bekleidung und Schuhe und Einrichtungsgegenst¨ande, Ger¨ate f¨ ur den Haushalt. Die G¨ utergruppe ”Freizeit, ¨ Ubrige“ umfasst die beiden Gruppen Freizeit, Unterhaltung und Kultur und ¨ Ubrige Verwendungszwecke. Auff ¨ allig ist der beinahe stetig abnehmende Anteil der Ausgaben f ¨ ur Nahrungsmittel, Getr¨anke und Tabakwaren von 24,5% 1970 auf lediglich <?page no="340"?> 340 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 13,8% in 2017. Der Ausgabenanteil f¨ ur Bekleidung und Schuhe hat sich im betrachteten Zeitraum beinahe halbiert. Deutlich angestiegen sind die Anteile der Ausgaben f¨ ur die Kosten des Wohnens von 17,6% auf 23,6% und f¨ ur Verkehr und Nachrichten¨ ubermittlung von 12,5% auf 17,6%. 9.4.3 Investitionen Zu den Bruttoanlageinvestitionen z ¨ ahlen K ¨ aufe neuer Anlagen, K ¨ aufe von gebrauchten Anlagen, selbsterstellte Anlagen und K¨aufe von Land. Abgezogen werden hiervon Verk¨aufe von gebrauchten Anlagen und Land. In der Regel ist der Saldo aus K ¨ aufen und Verk ¨ aufen ungef ¨ ahr 0. Als Anlagen werden alle dauerhaften reproduzierbaren Produktionsmittel bezeichnet. Milit¨arisch nutzbare Anlagen und G¨ uter z¨ahlen jedoch nicht als Investitionen, sondern als Staatskonsum. Dauerhaft sind G¨ uter, deren Nutzungsdauer l¨anger als ein Jahr ist. Geringwertige G¨ uter (z.B. kleinere Werkzeuge, Reifen, B¨ uromittel) z¨ahlen als Vorleistung. Komponenten der Bruttoanlageinvestitionen sind Ausr ¨ ustungen (Maschinen, Ger¨ate, Fahrzeuge), Bauten (Wohnbauten, Nichtwohnbauten), Sonstige Anlagen (u.a. Computersoftware) und Vorratsver ¨ anderungen. Die Bestandsver¨anderungen von Vorr¨aten werden zu jahresdurchschnittlichen Preisen (nicht zu Buchwerten) bewertet. Die Bruttoinvestitionen erfolgen zur H ¨ alfte in der Form von Bauten. Die Investitionsquote als Verh¨altnis von Bruttoinvestitionen zum Bruttoinlandsprodukt betr ¨ agt 20%. Bemerkenswert ist der geringe Anteil der Nettoinvestitionen im Verh ¨ altnis zum Bruttoinlandsprodukt von lediglich 2,6%. Die folgende Tabelle zeigt die Zusammensetzung der Bruttoinvestitionen. Mrd. Euro Bruttoinvestitionen 658,50 Bruttoanlageinvestitionen 665,72 Ausr¨ ustungen 215,21 Bauten 326,63 sonstige Anlagen 123,88 Vorratsver¨anderungen und Nettozugang an Wertsachen -7,23 9.4.4 Außenhandel Der Außenbeitrag ist der Saldo zwischen den Exporten und Importen von Waren und Dienstleistungen. Exporte und Importe bezeichnen die <?page no="341"?> 9.4 Verwendungsrechnung 341 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 Privater Verbrauch Staatsverbrauch Bruttoinvestitionen Außenhandelssaldo 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 0.00 0.05 0.10 0.15 0.20 0.25 0.30 0.35 0.40 0.45 0.50 0.55 0.60 0.65 0.70 Privater Verbrauch Staatsverbrauch Bruttoinvestitionen Außenhandelssaldo Abbildung 9.13 Die Entwicklung der Verwendungskomponenten in jeweiligen Preisen in Mrd. Euro (oben) und die Verwendungsstruktur des Bruttoinlandsprodukts (unten). Waren- und Dienstleistungsums¨atze mit Wirtschaftseinheiten, die ihren st ¨ andigen Sitz oder Wohnsitz außerhalb Deutschlands haben. Die Importwerte werden dabei vom Grenzwert (cost insurance freight, cif) zum Wert frei Grenze (free on board, fob) des exportierenden Landes umgerechnet. Die Fracht- und Versicherungskosten ausl ¨ andischer Transport- und Versicherungsunternehmen z ¨ ahlen nicht zum Warenwert, sondern werden als Dienstleistungsk¨aufe erfasst. Die nachfolgende Tabelle zum Außenhandel macht deutlich, dass der Außenbeitrag durch einen sehr hohen ¨ Uberschuss im Warenhandel (265 Mrd. Euro) und ein geringes Defizit im Dienstleistungshandel (17 Mrd. Euro) zustande kommt. <?page no="342"?> 342 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Mrd. Euro Exporte 1541,90 Waren 1269,40 Dienstleistungen 272,50 Importe 1294,11 Waren 1004,80 Dienstleistungen 289,31 Außenbeitrag (Exporte minus Importe) 247,79 9.4.5 Entwicklung der Verwendungskomponenten In der Graphik 9.13 sind die Entwicklung der Verwendungskomponenten des Bruttoinlandsprodukts in jeweiligen Preisen (obere Graphik) und die Anteile der Verwendungskomponenten (untere Graphik) dargestellt. 7 Es ist ersichtlich, dass sich in den sechs Jahrzehnten nur geringe Verschiebungen in der Anteilsstruktur ergeben haben. Lediglich zu Beginn der siebziger Jahre zeigt sich ein deutlich abnehmender Anteil der Bruttoinvestitionen und ein deutlich ansteigender Anteil der Konsumausgaben des Staates. In 2018 betragen die Anteile von Bruttoinvestitionen und Konsumausgaben des Staates 21% bzw. knapp 20%. F ¨ ur die privaten Konsumausgaben ist eine leicht fallende Tendenz festzustellen. In 2018 betr ¨ agt ihr Anteil 52,5%. Der Außenhandelssaldo ist seit 1980 bis zur Wiedervereinigung stark angestiegen und in Folge der Wiedervereinigung kurzfristig negativ geworden. Seit dem Jahr 2000 zeigt sich eine deutliche Zunahme auf einen Anteil des positiven Saldos in H ¨ ohe von 6,9% am Bruttoinlandsprodukt in 2018. 9.4.6 Die drei Berechnungsarten im ¨ Uberblick Tabelle 9.5 gibt schematisch einen ¨ Uberblick ¨ uber die drei Berechnungsarten des Bruttoinlandsprodukts und die Werte des Jahres 2010 in Mrd. Euro. 7 Anders als f ¨ ur Detailergebnisse lagen f ¨ ur die Hauptaggregate der Verwendung bei Drucklegung bereits die Angaben f¨ ur 2018 bereits vor. <?page no="343"?> 9.4 Verwendungsrechnung 343 Tabelle 9.5 ¨ Uberblick ¨ uber die drei Berechnungsarten und Werte des Jahres 2017 in Mrd. Euro. I. Entstehungsrechnung II. Verwendungsrechnung Produktionswert 5904,315 Private Konsumausgaben (inkl. Org. o. E.) 1732,176 - Vorleistungen 2949,619 + Konsumausgaben des Staates 638,875 = Bruttowertsch¨opfung 2954,696 + Ausr¨ ustungsinvestitionen 215,214 (davon FISIM) (49,502) + Bauinvestitionen 326,630 + G¨ utersteuern 329,941 + Sonstige Anlagen 123,878 - G¨ utersubventionen 7,297 + Vorratsver¨anderungen und Nettozugang an Wertsachen - 7,225 + Exporte 1541,898 - Importe 1294,106 3277,340 = Bruttoinlandsprodukt 3277,340 + Saldo der Prim¨areinkommen aus der ¨ ubrigen Welt 68,942 = Bruttonationaleinkommen 3346,282 - Abschreibungen 573,134 III. Verteilungsrechnung = Nettonationaleinkommen (Prim¨areinkommen) 2773,148 - Produktions- und Importabgaben an den Staat 345,122 + Subventionen vom Staat 28,365 = Volkseinkommen 2456,391 - Arbeitnehmerentgelt 1668,810 = Unternehmens- und Verm¨ogenseinkommen 787,581 <?page no="344"?> 344 9 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 9.5 Aufgaben 1. Aufgaben der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung a) Erl ¨ autern Sie Aufgaben der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. b) Zur Abbildung der wirtschaftlichen Vorg ¨ ange werden drei Sektoren unterschieden. Was sind dies f¨ ur Sektoren und wie lassen sich diese charakterisieren? c) Fertigen Sie ein einfaches Kreislaufschema der Volkswirtschaft an. 2. Entstehungsrechnung des Bruttoinlandsprodukts a) Wie gelangt man von der Bruttowertsch¨opfung der verschiedenen Produktionsbereiche zum Bruttoinlandsprodukt? b) Das Bruttoinlandsprodukt wird h¨aufig als Menge der in Deutschland in einem Jahr produzierten G¨ uter interpretiert. Wie beurteilen Sie diese Interpretation? c) Wie unterscheiden sich Bruttoinlandsprodukt und Bruttonationaleinkommen (fr ¨ uher Bruttosozialprodukt) definitorisch und empirisch? 3. Die nachfolgende Tabelle enth ¨ alt f ¨ ur die beiden Jahre 1970 und 2017 die Anteile von sieben Wirtschaftsbereichen an der gesamten Bruttowertsch¨opfung in Prozent: Beitr¨age der Wirtschaftsbereiche 1970 2017 Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 3,3 0,9 Verarbeitendes Gewerbe 36,5 23,4 Baugewerbe 8,0 4,9 Sonstiges Produzierende Gewerbe 3,8 2,7 Handel, Gastgewerbe und Verkehr 19,0 16,2 Finanzierung, Vermietung u. Unt.dienstl. 13,9 30,0 ¨ Offentliche und Private Dienstleister 15,4 21,9 a) Was sind die wesentlichsten Ver¨anderungen? b) Haben Sie eine Erkl¨arung f¨ ur diese Entwicklung? 4. In Abbildung 9.6 ist die Entwicklung der Wachstumsrate des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts dargestellt. Beschreiben Sie die Entwicklung. <?page no="345"?> 9.5 Aufgaben 345 5. Die Lohnquote hat eine ganz zentrale Rolle in der Diskussion um die Einkommensverteilung. a) Wie ist die Lohnquote definiert? b) In Abbildung 9.10 ist die Entwicklung der Lohnquote dargestellt. Beschreiben Sie die Entwicklung der Lohnquote. c) Abbildung 9.11 zeigt die Entwicklung der Anteile der Sozialbeitr¨age und der Lohnsteuer am Arbeitnehmerentgelt. Beschreiben Sie die Entwicklung. 6. Die nachfolgende Tabelle enth¨alt die Anteile der Ausgaben Privater Haushalte f¨ ur verschiedene G¨ utergruppen in Prozent: 1970 2017 Nahrungsmittel, Getr¨anke und Tabakwaren 24,5 13,8 Bekleidung und Schuhe 9,7 4,8 Wohnung, Wasser, Strom, Gas u.a. Brennstoffe 17,6 23,6 Einrichtungsgegenst¨ande, Ger¨ate f¨ ur den Haushalt 9,4 6,8 Verkehr und Nachrichten¨ ubermittlung 12,5 17,6 Freizeit, Unterhaltung und Kultur 9,5 9,2 Beherbergungs- und Gastst¨attendienstleistungen 4,9 5,5 ¨ Ubrige Verwendungszwecke 12,0 18,7 Insgesamt in Mrd. Euro 191 1637 a) Was sind die auff¨alligsten Ver¨anderungen in der Anteilsstruktur? b) Haben Sie m¨ogliche Erkl¨arungen f¨ ur diese Entwicklung? 7. Nachfolgend sind die Werte der Verwendungskomponenten des Bruttoinlandsprodukts f¨ ur 2010 und f¨ ur 2017 angegeben BIP = C + I + Ex − Im 2010 : 2476, 80 = 1911, 79 + 429, 56 + 1159, 80 − 1024, 35 2017 : 2570, 80 = 2371, 051 + 658, 497 + 1541, 898 − 1294, 106 a) Ermitteln Sie die Anteile des Konsums, der Investitionen und des Außenbeitrags am Bruttoinlandsprodukt in den beiden Jahren. b) Ermitteln Sie die Ver ¨ anderungsraten der einzelnen Komponenten. c) Zeigen Sie, dass sich die Ver ¨ anderungsrate des Bruttoinlandsprodukts als Summe der gewichteten Ver ¨ anderungsraten der einzelnen Komponenten Konsum, Investitionen und Außenbeitrag darstellen l¨asst. <?page no="346"?> A Anhang A.1 Daten aus der amtlichen Statistik A.1.1 Amtliche und nichtamtliche Statistik A.1.2 Einrichtungen der amtlichen Statistik A.1.3 Publikationen der amtlichen Statistik A.1.4 Datenerhebungen der amtlichen Statistik A.2 Eigenschaften des Leslie-Modells A.2.1 Existenzbedingungen einer stabilen Altersverteilung A.2.2 Ein einfaches Zahlenbeispiel A.2.3 Konvergenz gegen eine stabile Altersverteilung A.3 Verflechtungsmatrizen A.3.1 Nichtnegative Matrizen A.3.2 Unzerlegbare Matrizen A.3.3 Zerlegbare Matrizen A.3.4 Beispiele A.4 Ausgleichsverfahren f¨ ur IO-Tabellen A.5 Nutzenbasierte Preisindizes A.1 Daten aus der amtlichen Statistik A.1.1 Amtliche und nichtamtliche Statistik Daten werden sowohl von der amtlichen als auch von der nichtamtlichen Statistik erhoben, ausgewertet und bereitgestellt. Die der Wirtschaftsstatistik zugrunde liegenden Daten stammen ganz ¨ uberwiegend von der amtlichen Statistik, insbesondere dem Statistischen Bundesamt. Daneben werden punktuell auch Daten von Forschungsinstituten verwendet. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal von amtlicher und nichtamtlicher Statistik ist, dass die amtliche Statistik einen allgemeinen Informationsauftrag und das Recht zur Durchf¨ uhrung von Erhebungen mit Auskunftspflicht besitzt und Erhebungen aufgrund von Gesetzen und 1 Wir orientieren uns an Lippe (1996, S. 4 ff.) und Rinne (1996, S. 7 ff.) . <?page no="347"?> A.1 Daten aus der amtlichen Statistik 347 Rechtsverordnungen durchf ¨ uhrt. Die nichtamtliche Statistik ist demgegen¨ uber generell auf die Auskunftsbereitschaft der Befragten angewiesen. 1 Zu den Tr¨agern der nichtamtlichen Statistik z¨ahlen Forschungsinstitute, Unternehmensverb¨ande sowie Markt- und Meinungsforschungsinstitute. A.1.2 Einrichtungen der amtlichen Statistik Die Einrichtungen der amtlichen Statistik werden in Tr ¨ ager der ausgel¨osten Statistik, dies sind das Statistische Bundesamt, die statistischen Landes ¨ amter und die Statistischen ¨ Amter der St ¨ adte und Gemeinden und Tr¨ager der nicht-ausgel¨osten Statistik unterschieden. Zu den nichtausgel¨osten Tr¨agern z¨ahlen Beh¨orden wie z.B. die Deutsche Bundesbank und die Bundesagentur f¨ ur Arbeit. Das Statistische Bundesamt mit Sitz in Wiesbaden hat als wesentliche Aufgabe die Koordinierung der in der Regel von den statistischen Landes ¨ amtern durchgef ¨ uhrten Erhebungen und die Zusammenf ¨ uhrung der dabei gewonnenen Daten. Daneben ist das Statistische Bundesamt f ¨ ur die Zusammenarbeit mit internationalen Institutionen, etwa dem Statistischen Amt der Europ¨aischen Union (Eurostat), zust¨andig. A.1.3 Publikationen der amtlichen Statistik Das Statistische Bundesamt hat ein breites Ver¨offentlichungsprogramm. Wichtigste Quelle ist das Statistische Jahrbuch, in dem aus verschiedenen Fachver¨offentlichungen die wesentlichen Informationen zusammengetragen und in ¨ Ubersichtstabellen, zum Teil auch graphisch aufbereitet, dargestellt sind. Die folgenden Sachgebiete werden in einzelnen Kapiteln behandelt: 1 Geographie und Klima, 2 Bev ¨ olkerung, 3 Arbeitsmarkt, 4 Wahlen, 5 Informationsgesellschaft, 6 Bildung und Wissenschaft, 7 Kultur, Freizeit, Sport, 8 Sozialleistungen, 9 Gesundheitswesen, 10 Justiz, 11 Bauen und Wohnen, 12 Umwelt, 13 Land- und Forstwirtschaft, 14 Produzierendes Gewerbe, 15 Binnenhandel, Gastgewerbe, Tourismus, 16 Verkehr, 17 Finanz- und andere Dienstleistungen, 18 Außenhandel, 19 Unternehmen, 20 Preise, 21 Verdienste und Arbeitskosten, 22 Wirtschaftsrechnungen privater Haushalte, 23 Finanzen und Steuern, 24 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, 25 Zahlungsbilanz. Daneben findet sich noch ein Anhang mit internationalen ¨ Ubersichten. In der monatlich erscheinenden Zeitschrift ” Wirtschaft und Statistik“ werden sowohl methodische Aufs ¨ atze zur amtlichen Statistik als auch <?page no="348"?> 348 A Anhang Box A.1 ¨ Uberblick ¨ uber die Fachserien des Statistischen Bundesamtes. Fachserie 1: Bev¨olkerung und Erwerbst¨atigkeit Reihen 1 bis 3: Bev¨olkerung Reihe 4: Erwerbst¨atigkeit Fachserie 2: Unternehmen und Arbeitsst¨atten Fachserie 3: Land- und Forstwirtschaft, Fischerei Fachserie 4: Produzierendes Gewerbe Reihen 2 und 3: Produzierendes Gewerbe insgesamt Reihe 4: Verarbeitendes Gewerbe sowie Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden Reihe 5: Baugewerbe Reihe 6: Energie- und Wasserversorgung Reihe 7.1: Besch¨aftigte und Umsatz im Handwerk Reihe 7.2: Handwerksz¨ahlung Fachserie 5: Bauen und Wohnen Fachserie 6: Binnenhandel, Gastgewerbe, Tourismus Fachserie 7: Außenhandel Fachserie 8: Verkehr Fachserie 9: Dienstleistungen Fachserie 10: Rechtspflege Fachserie 11: Bildung und Kultur Fachserie 12: Gesundheit Fachserie 13: Sozialleistungen Fachserie 14: Finanzen und Steuern Fachserie 15: Wirtschaftsrechnungen Fachserie 16: Verdienste und Arbeitskosten Fachserie 17: Preise Fachserie 18: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen Fachserie 19: Umwelt Reihen 1 bis 3: Umweltstatistiken Reihe 6: Umwelt¨okonomische Gesamtrechnungen Aufs¨atze mit ausf¨ uhrlich kommentierten Ergebnissen ausgew¨ahlter Erhebungen publiziert. Die Detailinformationen zu den verschiedenen Sachgebieten werden in tabellarischer Form in Fachserien ver ¨ offentlicht, die monatlich, viertelj¨ahrlich oder j¨ahrlich erscheinen. Box A.1 zeigt das Ver¨offentlichungsprogramm der Fachserien. In den letzten Jahren hat das Statistische Bundesamt die Zugangsm¨oglichkeiten zu den Publikationen erheblich verbessert, so dass die wesentlichen Quellen (Statistisches Jahrbuch, Fachserien) als pdf-Datei und oftmals <?page no="349"?> A.1 Daten aus der amtlichen Statistik 349 zus¨atzlich als Excel-Datei auf der Homepage www.destatis.de verf¨ ugbar sind. A.1.4 Datenerhebungen der amtlichen Statistik Volksz¨ahlung Volksz ¨ ahlungen sind idealtypischerweise Vollerhebungen der Wohnbev ¨ olkerung eines Landes und dienen in erster Linie der Feststellung des Bev ¨ olkerungsstandes und dessen sozio-demographischer und regionaler Struktur. Daneben sind die Ergebnisse von Volksz ¨ ahlungen Grundlage f ¨ ur Stichproben. Zwischen 1871 und 1987 fanden in Deutschland 19 Volksz ¨ ahlungen statt. 2 Die UN empfehlen die Durchf ¨ uhrung von Volksz¨ahlungen im Abstand von 10 Jahren. Nach dem zweiten Weltkrieg fanden in Deutschland 1950, 1961, 1970, 1987 und 2011 Volksz¨ahlungen statt. Aufgrund der politischen Widerst¨ande wurde die f¨ ur 1983 geplante Volksz¨ahlung erst im Jahr 1987 durchgef¨ uhrt. Im Jahr 2011 wurde eine Volksz ¨ ahlung als ” registergest ¨ utzte Volksz ¨ ahlung“ und damit nicht als Vollerhebung mit direkter Befragung der gesamten Wohnbev ¨ olkerung durch Interviewer durchgef¨ uhrt: ”Der Zensus 2011 wurde als so genannter registergest¨ utzer Zensus durchgef¨ uhrt. Es fand keine Vollerhebung aller Personen statt. Stattdessen wurden bereits vorhandene Verwaltungsregister als Datenquellen genutzt. Im Einzelnen waren dies: • Daten der Einwohnermelde¨amter • Daten von der Bundesagentur f¨ ur Arbeit • Daten von den ¨offentlichen Arbeitgebern“ 3 Der Zensus 2011 ist folgendermaßen ausgestaltet: 1. ¨ Ubermittlung der Daten der Melderegister aller Gemeinden an die Statistischen ¨ Amter mit einer Fehler¨ uberpr¨ ufung auf Basis der Stichprobenerhebung f¨ ur Gemeinden mit mehr als 10000 Einwohnern. 2. ¨ Ubermittlung der Daten der Bundesagentur f ¨ ur Arbeit ¨ uber sozialversicherungspflichtig Besch ¨ aftigte, Arbeitslose, Arbeitsuchende und sich in F¨ordermaßnahmen befindende Personen. 3. ¨ Ubermittlung der Daten von Bund und L¨andern ¨ uber bei diesen besch¨aftigte 2 Vgl. Lippe 1996, S. 78-83, Grohmann 2011, S. 207-221. 3 Das Verfahren ist in Ver¨offentlichungen des Statistischen Bundesamtes ausf¨ uhrlich dokumentiert: Statistisches Bundesamt 2011a und Statistisches Bundesamt 2016c. <?page no="350"?> 350 A Anhang Personen (Beamte, Angestellte, Soldaten). 4. Durchf ¨ uhrung einer Geb ¨ aude- und Wohnungsz ¨ ahlung als schriftliche Vollerhebung mit Auskunftspflicht auf Basis des Anschriften- und Geb ¨ audeverzeichnisses (AGR). Das AGR wurde ausgehend von Daten der Vermessungsverwaltung, der Meldebeh ¨ orden und der Bundesagentur f ¨ ur Arbeit erstellt. 5. Durchf¨ uhrung einer 9,6%-Haushaltsstichprobe mit Auskunftspflicht mit dem AGR als Auswahlgrundlage. Die Stichprobe wurde mit zwischen den Bundesl¨andern stark variierenden (z.B. 3,6% in Berlin und 13,3% in Rheinland- Pfalz) Auswahls¨atzen erhoben. Durch die Ausgestaltung als Klumpenstichprobe mit Geb¨auden als Klumpen, resultieren zus¨atzliche Differenzen in den Auwahlwahrscheinlichkeiten. So haben Personen in Geb ¨ auden mit vielen Wohnungen hohe Auswahlwahrscheinlichkeiten. 6. Durchf¨ uhrung von Vollerhebungen in Sonderbereichen wie Gemeinschaftsunterk¨ unften, Wohnheimen usw., da diese in Melderegistern sehr unvollkommen erfasst sind. 7. Zusammenf¨ uhrung aller Daten auf Personenbasis in den statistischen ¨ Amtern. Aufgrund des im Volksz¨ahlungsurteil von 1983 festgelegten ”R¨ uckspielverbots“, d ¨ urfen prinzipiell Daten nur zu den Statistischen ¨ Amtern, von diesen aber nicht zur¨ uck zu den Verwaltungen (Registern) fließen. 8. Da in den Melderegistern und den Angaben aus der Geb ¨ aude- und Wohnungsz ¨ ahlung Informationen ¨ uber Haushaltszusammenh ¨ ange nicht unmittelbar vorhanden sind, werden Haushalte auf Basis der zusammengeflossenen Daten vom Statistischen Bundesamt ” generiert“. Grundlage sind die Informationen ¨ uber Verwandtschaftsbeziehungen, Adressen, Namen, Familienstands ¨ anderungen und Einzugsdaten. Da die ” Generierung“ von Haushalten nur unvollkommen gelingt, werden teilweise Haushalte nach Plausibilit¨atskriterien gebildet, etwa dem durchschnittlichen Wohnraum je Person. Der registergest ¨ utzte Zensus 2011 hat vermutlich in verschiedener Hinsicht mit einer tats¨achlichen Befragung aller Haushalte qualitativ nicht vergleichbare Ergebnisse liefern k ¨ onnen. Insbesondere in den Registern nicht erfasste Informationen mussten auf Basis 10%-Stichprobe gewonnen werden. In Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern wurde die Korrektur der Melderegisterangaben nicht ¨ uber die Haushaltsstichprobe, sondern ¨ uber eine gezielte Befragungen (unplausibler Anschriften) durchgef¨ uhrt. Qualit¨atsuntersuchungen zur Einwohnerzahl nach Abschluss des Zensus 2011 haben gezeigt, dass die aus dem Zensustest abgeleiteten Erwartungen an die Melderegisterqualit ¨ at zu optimistisch waren. F ¨ ur die Sch ¨ atzung der Einwohnerzahl wurde festgestellt, dass knapp 63 % der Gemeinden <?page no="351"?> A.1 Daten aus der amtlichen Statistik 351 einen einfachen relativen Standardfehler aufwiesen, der gr ¨ oßer war als das angestrebte Genauigkeitsziel von 0,5 %. Mikrozensus Der Mikrozensus ist eine 1%-Stichprobe der Bev¨olkerung und wird seit 1957 durchgef¨ uhrt. 4 Die Erhebung erfolgt in der Form von Interviews und ist durch die Auskunftspflicht der ausgew¨ahlten Haushalte gekennzeichnet. Das Frageprogramm umfasst die Bereiche Erwerbsleben, Bev ¨ olkerung, Haushalt, Familie, Lebensgemeinschaft und Wohnverh¨altnisse. Seit 1968 ist im Mikrozensus die standardisierte Arbeitskr¨afteerhebung der Europ ¨ aischen Union integriert. Bis einschließlich 2004 war der Mikrozensus eine j¨ahrliche Erhebung mit einer Berichtswoche (meist letzte Aprilwoche). Seit 2005 wird die 1%-Stichprobe als unterj¨ahrige Erhebung durchgef¨ uhrt, indem die Interviews gleichm¨aßig auf die Kalenderwochen eines Jahres aufgeteilt werden. Da die ausgew¨ahlten Haushalte viermal in aufeinanderfolgenden Jahren teilnehmen, hat der Mikrozensus seither teilweise Panelstruktur und liefert verbesserte Informationen ¨ uber Entwicklungen auf Haushaltsebene. Daneben werden seit 2005 nicht mehr nur Stichtagsergebnisse der Jahre sondern auch viertelj ¨ ahrliche Ergebnisse ver¨offentlicht. Der Mikrozensus ist eine Zufallsstichprobe in der Form einer einstufigen Klumpenstichprobe (vgl. Statistisches Bundesamt 2011c). Klumpen, sogenannte Auswahlbezirke, bestehen aus mehreren r¨aumlich angrenzenden Geb¨auden oder auch Teilen gr¨oßerer Geb¨aude. Nach Geb¨audetypen werden die Auswahlbezirke geschichtet: Schicht eins mit Geb¨auden mit ein bis 4 Wohnungen, die durchschnittlich 12 Wohnungen enthalten, Schicht zwei mit Geb¨auden mit 5 bis 10 Wohnungen, die jeweils ein eigener Klumpen sind, Schicht drei mit Geb¨auden mit 11 und mehr Wohnungen. Hier wurden jeweils 6 Wohnungen zu einem Klumpen zusammengefasst. Im Durchschnitt betr¨agt die Klumpengr¨oße 9 Wohnungen. Neben der Schichtung nach Geb¨audetypenklassen erfolgt auch eine regionale Schichtung in 201 Raumeinheiten mit durchschnittlich 350.000 Einwohnern. In 2010 wurde die Erhebung in 53.500 Auswahlbezirken (von denen 49.100 befragt werden konnten) mit durchschnittlich; 14,2 Personen durchgef¨ uhrt. Insgesamt wurden 340.000 Haushalte und rund 700.000 Personen befragt. Die sehr reichhaltigen Ergebnisse des Mikrozensus werden f ¨ ur interes- 4 Einen ¨ Uberblick ¨ uber das Erhebungsdesign des Mikrozensus geben Lotze und Breiholz (2002a),Lotze und Breiholz (2002b), Iversen (2007), Afentakis und Bihler (2005). <?page no="352"?> 352 A Anhang sierte Wissenschaftler als Scientific Use Files auf Antrag zur Verf¨ ugung gestellt. Frei als Download verf¨ ugbar sind Campus-Files, die vollst¨andig anonymisiert sind und eine geringere Fallzahl enthalten. Aus der Sicht stark auf das Einkommen fixierter Wirtschaftswissenschaftler ist bedauerlich, dass im Mikrozensus das Einkommen nur klassiert erfragt wird und die oberste offene Einkommensklasse bereits bei 18.000 Euro (monatlich) beginnt. A.2 Eigenschaften des Leslie-Modells In diesem Abschnitt wird besprochen, unter welchen Bedingungen bei einem einfachen Leslie-Modell eine intrinsische Wachstumsrate und eine stabile Altersverteilung existieren und ob sie auch vom anf ¨ anglichen Bev ¨ olkerungsvektor n f 0 oder nur von der Leslie-Matrix F abh ¨ angen. Daf¨ ur werden die in Kapitel 4 eingef¨ uhrten Notationen vorausgesetzt. A.2.1 Existenzbedingungen einer stabilen Altersverteilung Wir beginnen mit der Frage, ob man f¨ ur eine gegebene Leslie-Matrix F eine intrinsische Wachstumsrate und eine stabile Altersverteilung konstruieren kann. Denkt man an die im vorangegangenen Abschnitt erl¨auterte Struktur von F, sind sicherlich alle Koeffizienten gr¨oßer oder gleich Null, außerdem gilt 0 < δ f τ < 1 f¨ ur τ = 1, . . . , τ m − 1, so dass alle Koeffizienten in der Subdiagonalen gr¨oßer als Null sind. Die Geburtenraten β f τ haben jedoch nur w¨ahrend der reproduktiven Phase von τ a bis τ b einen positiven Wert, und da τ b < τ m ist, hat F keinen vollen Rang. Wir gehen deshalb in zwei Schritten vor. In einem ersten Schritt betrach- 5 Man erkennt das anhand der Determinante von ˜ F : det( ˜ F ) = ± β f τ b τ b − 1 ∏ τ =1 (1 − δ f τ ) = 0 Das Vorzeichen h¨angt davon ab, ob τ b gerade oder ungerade ist. <?page no="353"?> A.2 Eigenschaften des Leslie-Modells 353 ten wir nur die ersten τ b Zeilen und Spalten von F, d.h. die Teilmatrix ˜ F : = ⎛ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝ β f 1 β f 2 · · · β f τ b − 1 σ f β ∗ τ b 1 − δ f 1 0 · · · 0 0 0 1 − δ f 2 · · · 0 0 ... ... . . . ... ... 0 0 · · · 1 − δ f τ b − 1 0 ⎞ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠ Dies ist jetzt eine nicht-negative Matrix mit vollem Rang. 5 Außerdem ist ˜ F eine unzerlegbare Matrix. Damit ist gemeint, dass man f¨ ur je zwei Indizes i und j (1 ≤ i < j ≤ τ b ) weitere Indizes, etwa k 1 , . . . , k m , finden kann, so dass a ik 1 a k 1 k 2 · · · a k m j > 0 ist. (Dies entspricht der Adjazenzmatrix eines unzerlegbaren Graphen.) Man kann deshalb ein Theorem von G. Frobenius anwenden und schließen, dass ˜ F mindestens einen reellen positiven Eigenwert λ ∗ besitzt (der auch als ein dominanter Eigenwert von ˜ F bezeichnet wird), zu dem ein Eigenvektor v ∗ = ( v ∗ 1 , . . . , v ∗ τ b ) ′ geh ¨ ort, dessen Koeffizienten ebenfalls reell und positiv sind. 6 So gelangt man zu der Gleichung ˜ F v ∗ = λ ∗ v ∗ (A.1) Eine weitere Implikation des Theorems, die f ¨ ur die Diskussion unserer zweiten Frage verwendet wird, besteht darin, dass der Absolutbetrag (Modulus) aller ¨ ubrigen Eigenwerte von ˜ F kleiner oder gleich λ ∗ ist. Jetzt kann eine stabile Altersverteilung konstruiert werden. In einem ersten Schritt werden die Komponenten eines Vektors n f, ∗ durch n f, ∗ τ : = ⎧ ⎨ ⎩ v ∗ τ f¨ ur τ = 1, . . . , τ b 1 − δ f τ− 1 λ ∗ n f, ∗ τ − 1 f¨ ur τ = τ b + 1, . . . , τ m definiert. Aus Gleichung (A.1) und der Struktur von F folgt dann F n f, ∗ = λ ∗ n f, ∗ = (1 + ρ ∗ f ) n f, ∗ (A.2) wobei ρ ∗ f : = λ ∗ − 1 ist. Die durch n f, ∗ repr ¨ asentierte Altersverteilung ver¨andert sich also nicht, wenn sie mit F multipliziert wird; alle Komponenten von n f, ∗ wachsen oder schrumpfen mit derselben Rate ρ ∗ f . Um zur Definition einer stabilen Altersverteilung zu gelangen, ist es also nur 6 Wir beziehen uns auf die Ausf¨ uhrungen bei Gantmacher (1971, Kap. xxiii). <?page no="354"?> 354 A Anhang erforderlich, n f, ∗ in Anteilswerte zu transformieren: n f,p τ : = n f, ∗ τ / ∑ τ m j =1 n f, ∗ j A.2.2 Ein einfaches Zahlenbeispiel Zur Illustration verwenden wir ein einfaches Beispiel, bei dem es nur vier Altersklassen gibt ( τ m = 4). F ¨ ur die Geburtenziffern werden die Werte β f 1 = 0 , β f 2 = 1 , β f 3 = 0 , 6 , β f 4 = 0 , f ¨ ur die Sterbeziffern die Werte δ f 1 = 0 , 2 , δ f 2 = 0 , 3 , δ f 3 = 0 , 4 , δ f 4 = 1 angenommen. Somit erh ¨ alt man die Matrizen F = ⎛ ⎜ ⎜ ⎝ 0 1 0, 6 0 0, 8 0 0 0 0 0, 7 0 0 0 0 0, 6 0 ⎞ ⎟ ⎟ ⎠ bzw. ˜ F = ⎛ ⎝ 0 1 0, 6 0, 8 0 0 0 0.7 0 ⎞ ⎠ Als dominanten Eigenwert von ˜ F (und somit auch von F) findet man λ ∗ = 1, 0573 mit dem zugeh¨origen Eigenvektor v ∗ = (0, 7405 , 0, 5603 , 0, 3710) ′ . Aus diesem Eigenwert gewinnt man auch sofort die intrinsische Wachstumsrate ρ ∗ f = 0, 0573, die zur Berechnung der stabilen Altersverteilung verwendet werden kann: n f,p = (0, 39 , 0, 30 , 0, 20 , 0, 11) ′ . A.2.3 Konvergenz gegen eine stabile Altersverteilung Jetzt wenden wir uns der zweiten Frage zu: ob die mit einem beliebigen Bev ¨ olkerungsvektor n f 0 beginnende Sequenz n f t = F t n f 0 schließlich zu einem durch die intrinsische Wachstumsrate ρ ∗ f und die Altersverteilung n f,p definierten Gleichgewichtszustand f¨ uhrt. Wie sich zeigen wird, gibt es unter sehr allgemeinen Bedingungen eine positive Antwort. Um die Argumentation zu erl ¨ autern, beginnen wir mit der Teilmatrix ˜ F und definieren dazu korrespondierend den Vektor n f,a t , der aus den ersten τ b Elementen von n f t besteht. Somit gelangt man sofort zu der Gleichung n f,a t = ˜ F t n f,a 0 (A.3) Hiervon ausgehend kann nun gezeigt werden, dass n f,a t gegen einen Vektor konvergiert, der proportional zum Eigenvektor v ∗ ist. <?page no="355"?> A.2 Eigenschaften des Leslie-Modells 355 Daf¨ ur ist es erforderlich, sich auf alle Eigenwerte λ j und Eigenvektoren v j ( j = 1 , . . . , τ b ) der Matrix ˜ F zu beziehen. Einer dieser Eigenwerte, etwa λ j ∗ : = λ ∗ , ist der dominante Eigenwert mit dem zugeh ¨ origen Eigenvektor v j ∗ : = v ∗ . Somit kann man die Gleichungen ˜ Fv j = λ j v j (f ¨ ur j = 1 , . . . , τ b ) formulieren und sie, indem man die Definitionen Λ : = diag ( λ 1 , . . . , λ τ b ) und V : = ( v 1 , . . . , v τ b ) verwendet, in Gestalt einer Matrizengleichung ˜ FV = VΛ zusammenfassen. Wie bereits erw¨ahnt wurde, hat ˜ F vollen Rang und ihre Eigenvektoren sind infolgedessen linear unabh¨angig. Daraus folgt, dass V eine invertierbare Matrix ist, so dass man auch zu den Gleichungen ˜ F = VΛV − 1 und ˜ F t = VΛ t V − 1 gelangt. Die zuletzt genannte Gleichung erlaubt nun die Formulierung n f,a t = ˜ F t n f,a 0 = VΛ t V − 1 n f,a 0 = VΛ t u bei der als Abk ¨ urzung u : = V − 1 n f,a 0 verwendet wird. Eine weitere Umformulierung f¨ uhrt zu n f,a t = (v 1 , . . . , v τ b ) ⎛ ⎜ ⎝ λ t 1 u 1 ... λ t τ b u τ b ⎞ ⎟ ⎠ = τ b ∑ j =1 (λ t j u j ) v j wodurch man erkennt, dass n f,a t als ein gewichteter Mittelwert der Eigenvektoren von ˜ F aufgefasst werden kann. Dividiert man schließlich durch λ t j ∗ , erh¨alt man die Gleichung 1 λ t j ∗ n f,a t = τ b ∑ j =1 ( λ t j λ t j ∗ u j ) v j = u j ∗ v j ∗ + ∑ j = j ∗ ( λ j λ j ∗ ) t u j v j (A.4) anhand derer man ¨ uber die Konvergenzfrage nachdenken kann. Aus dem Theorem von Frobenius weiß man bereits, dass f ¨ ur alle j = 1 , . . . , τ b gilt: λ j ∗ ≥ | λ j | . Jetzt nehmen wir zus ¨ atzlich an, dass λ j ∗ > | λ j | ist, wenn j = j ∗ . Wenn diese Annahme (die weiter unten besprochen wird) zutrifft, folgt, dass der zweite Term auf der rechten Seite der Gleichung (A.4) gegen Null konvergiert; und dies impliziert die Konvergenz 1 λ t j ∗ n f,a t −→ u j ∗ v j ∗ <?page no="356"?> 356 A Anhang Wenn also t hinreichend groß ist, gilt n¨aherungsweise n f,a t +1 ≈ λ j ∗ n f,a t , so dass n f,a t n¨aherungsweise proportional zum Eigenvektor v ∗ ist. Außerdem konvergieren die ¨ ubrigen Komponenten von n f t ebenfalls gegen eine stabile Altersverteilung, da sie nur von der Ver¨anderung der Anzahl von Frauen in der Altersklasse τ b und den nach Voraussetzung konstanten Sterbeziffern abh ¨ angig sind. Wenn sich also schließlich die Anzahl der Frauen in der Altersklasse τ b mit einer konstanten Rate ver¨andert, ver¨andern sich auch die Anzahlen in allen h ¨ oheren Altersklassen mit derselben Rate; und somit kann auch die stabile Altersverteilung einfach berechnet werden. Es bleibt also nur die Frage, ob man annehmen kann, dass der dominante Eigenwert betragsm ¨ aßig gr ¨ oßer ist als alle anderen Eigenwerte. Das ist nicht unbedingt der Fall, wie die Matrix ˜ F : = ( 0 1 0.8 0 ) zeigt, die zwei betragsgleiche Eigenwerte hat, n¨amlich 0,8944 und -0,8944. Wie Gleichung (A.4) zeigt, konvergiert in diesem Beispiel der Vektor n f,a t nicht gegen eine stabile Altersverteilung, sondern oszilliert zwischen zwei unterschiedlichen Verteilungen. Solche F ¨ alle bilden jedoch Ausnahmen. Als hinreichende Bedingung f ¨ ur die Existenz eines dominanten Eigenwerts, der betragsm ¨ aßig gr ¨ oßer als alle anderen Eigenwerte ist, gen ¨ ugt es bereits, dass es zwei aufeinanderfolgende Altersklassen mit einer positiven Geburtenrate gibt. 7 Wenn man also w ¨ ahrend der reproduktiven Phase mindestens zwei Altersgruppen unterscheidet, kann man von der Konvergenz gegen eine stabile Altersverteilung ausgehen. A.3 Verflechtungsmatrizen In diesem Anhang werden einige mathematische Hilfsmittel besprochen, die f ¨ ur das Rechnen mit Verflechtungsmatrizen (sowohl bei der Input- Output-Analyse als auch bei Adjazenzmatrizen von Netzwerken) erforderlich sind. 7 Dies wird bei Anton und Rorres (1991, S. 654) erw ¨ ahnt, wo man auch eine gute Einf ¨ uhrung in den mathematischen Hintergrund des Leslie-Modells findet. Einen expliziten Beweis der Behauptung hat Demetrius (1971) gegeben. <?page no="357"?> A.3 Verflechtungsmatrizen 357 A.3.1 Nichtnegative Matrizen Die Verflechtungsmatrizen, mit denen wir uns in diesem Text besch¨aftigen, haben alle eine wichtige Eigenschaft: Ihre Koeffizienten sind gr¨oßer oder gleich Null. Solche Matrizen werden nicht-negativ genannt. Wenn im Folgenden von nicht-negativen Matrizen gesprochen wird, soll auch stets vorausgesetzt werden, dass es mindestens einen Koeffizienten gibt, der gr ¨ oßer als Null ist. Null-Matrizen werden also aus der Betrachtung ausgeschlossen. Sei nun A eine nicht-negative (n, n)-Matrix und I eine (n, n)-Einheitsmatrix. Eine wichtige Frage, die im Haupttext an mehreren Stellen auftritt, besteht darin: Unter welchen Bedingungen ist die Matrix (I − A) invertierbar und, die Invertierbarkeit vorausgesetzt, unter welchen Bedingungen ist auch (I − A) − 1 eine nicht-negative Matrix? Eine hinreichende Bedingungen f¨ ur die Invertierbarkeit von (I − A) kann aus den Eigenwerten von A gewonnen werden. Da A eine (n, n)-Matrix ist, gibt es n Eigenwerte λ 1 , . . . , λ n . Dabei kann der gleiche Eigenwert mehrfach auftreten, außerdem kann es sich um komplexe Zahlen handeln. Jedenfalls kann man die Eigenwerte nach ihrer absoluten Gr¨oße ordnen, so dass (ggf. nach passender Umnummerierung) gilt: | λ 1 | ≥ · · · ≥ | λ n | Der gr¨oßte dieser Betr¨age wird Spektralradius der Matrix A genannt: ρ(A) : = max { | λ | ∣ ∣ λ Eigenwert von A } Jeder positive reelle Eigenwert λ ∗ von A , f ¨ ur den λ ∗ = ρ ( A ) gilt, wird ein dominanter Eigenwert von A genannt und durch dom(A) bezeichnet. Man beachte jedoch, dass eine Matrix mehrere oder auch gar keinen dominanten Eigenwert haben kann. Es gilt nun der folgende Satz: 8 Wenn ρ ( A ) < 1 ist, dann ist ( I − A ) invertierbar, und es gilt: (I − A) − 1 = ∞ ∑ k =0 A k (A.5) In gewisser Weise handelt es sich um eine Verallgemeinerung eines Satzes, 8 Man Schwartz (vgl. 1961, S. 31), wo auch auf weitere Literatur hingewiesen wird. <?page no="358"?> 358 A Anhang der vielleicht schon aus der Schulmathematik bekannt ist. Wenn n¨amlich a irgendeine Zahl (ein Skalar) und | a | < 1 ist, dann konvergiert die Reihe ∑ ∞ k =0 a k , und es gilt: ∞ ∑ k =0 a k = (1 − a) − 1 Wenn eine Darstellung in der Form (A.5) m ¨ oglich ist, folgt auch unmittelbar eine Antwort auf die zweite Teilfrage. Denn wenn A eine nicht-negative Matrix ist, dann ist sicherlich die rechte Seite von (A.5) und infolgedessen auch ( I − A ) − 1 eine nicht-negative Matrix. Zu ¨ uberlegen ist also nur, unter welchen Bedingungen die Voraussetzung des Satzes erf¨ ullt ist: dass der dominante Eigenwert von A dem Betrage nach kleiner als 1 ist, oder anders formuliert: dass alle Eigenwerte von A dem Betrage nach kleiner als 1 sind. Zun ¨ achst folgen wir einer ¨ Uberlegung von Solow (1952, S. 36 f.). A sei eine nicht-negative ( n, n )-Matrix mit den Koeffizienten a ij . λ sei ein beliebiger Eigenwert von A . Dann ist λ auch ein Eigenwert der transponierten Matrix A ′ , 9 und man kann sich auf den zugeh ¨ origen Eigenvektor w von A ′ beziehen, so dass gilt: A ′ w = λ w bzw. w ′ A = λ w ′ Jetzt sei w r der dem Betrage nach gr¨oßte Koeffizient von w, so dass also gilt: | w j | ≤ | w r | f¨ ur j = 1, . . . , n. Sicherlich ist dann auch w r = 0 , und es gilt: ∑ n i =1 a ir w i = λ w r . Somit kann man folgende Gleichungen bzw. Ungleichungen bilden: | λ | · | w r | = | λ w r | = | n ∑ i =1 a ir w i | ≤ n ∑ i =1 a ir | w i | ≤ n ∑ i =1 a ir | w r | Wenn man jetzt voraussetzen kann, dass die Spaltensummen von A kleiner oder gleich 1 sind, also a · j : = ∑ n i =1 a ij ≤ 1, folgt aus der zuvor angegebenen Ungleichungskette: | λ | · | w r | ≤ | w r | und da w r = 0 ist, folgt daraus | λ | ≤ 1. Damit ist folgendes Ergebnis 9 Es gilt allgemein, dass eine Matrix A und ihre Transponierte A ′ identische Eigenwerte (nicht jedoch Eigenvektoren) haben. <?page no="359"?> A.3 Verflechtungsmatrizen 359 gewonnen: Wenn die Spaltensummen der Matrix A kleiner oder gleich 1 sind, dann sind auch alle Eigenwerte von A dem Betrage nach kleiner oder gleich 1. Die Bedingung, dass die Spaltensummen von A kleiner oder gleich 1 sind, kann in vielen F¨allen mit inhaltlichen ¨ Uberlegungen begr¨ undet werden. Wenn z.B. A eine Kapitalverflechtungsmatrix ist, bedeutet a ij den im Besitz von i befindlichen Anteil des Kapitals von j. Die Spaltensumme a · j ist dann die Summe aller Anteile am Kapital von j, wobei ¨ uber alle in der Verflechtungsmatrix erfassten Knoten summiert wird; und es ist klar, dass diese Summe maximal den Wert 1 annehmen kann. Somit kann man in diesen F ¨ allen auch die Schlussfolgerung ziehen, dass alle Eigenwerte von A dem Betrage nach kleiner oder gleich 1 sind. Allerdings gen¨ ugt diese Voraussetzung noch nicht, um zu gew¨ahrleisten, dass eine Darstellung in der Form (A.5) m¨oglich ist. Tats¨achlich gen¨ ugt die Voraussetzung nicht einmal f¨ ur die Invertierbarkeit von (I − A), wie das Beispiel A = ( 1 0 0 0.5 ) zeigt. Denn in diesem Beispiel ist ( I − A ) offenbar nicht invertierbar. Eine hinreiche Bedingung w ¨ are zwar, dass alle Spaltensummen von A strikt kleiner als 1 sind. Denn dann w ¨ urde aus der oben dargestellten ¨ Uberlegung folgen, dass auch alle Eigenwerte von A dem Betrage nach strikt kleiner als 1 sind, und somit w ¨ aren die Voraussetzungen f ¨ ur den eingangs genannten Satz erf¨ ullt. Die Annahme, dass alle Spaltensummen von A kleiner als 1 sind, ist jedoch in vielen praktisch relevanten Anwendungsf¨allen unzutreffend. Man denke z.B. an Kapitalverflechtungen. Es ist durchaus m ¨ oglich, dass ein Unternehmen 100 % des Kapitals eines anderen Unternehmens besitzt. A.3.2 Unzerlegbare Matrizen Neue Argumentationsm ¨ oglichkeiten entstehen, wenn man voraussetzen kann, dass die Matrix A unzerlegbar ist. Damit ist gemeint: F¨ ur beliebige Indizes i, j ∈ N : = { 1 , . . . , n } ist entweder a ij > 0, oder es gibt weitere Indizes k 1 , . . . , k m ∈ N , so dass gilt: a ik 1 a k 1 k 2 · · · a k m j > 0 <?page no="360"?> 360 A Anhang Fasst man A als Adjazenzmatrix eines gerichteten Graphen auf, ist die Unzerlegbarkeit von A ¨ aquivalent damit, dass der Graph nicht in mehrere Komponenten zerlegt werden kann, also nur aus einer Komponente besteht. Zwar ist auch diese Unzerlegbarkeit in vielen praktisch relevanten Anwendungsf¨allen nicht gegeben. Der Fall zerlegbarer Matrizen bzw. Graphen kann jedoch auf eine sequentielle Behandlung ihrer unzerlegbaren Komponenten zur ¨ uckgef ¨ uhrt werden, so dass es durchaus sinnvoll ist, sich zun¨achst mit unzerlegbaren Matrizen zu besch¨aftigen. Wenn A eine unzerlegbare nicht-negative Matrix ist, gilt: 10 a) A hat einen einfachen positiven Eigenwert, dessen Wert gleich dem Spektralradius von A ist; es gibt also mindestens einen dominanten Eigenwert dom ( A ) > 0. Außerdem ist der zugeh ¨ orige Eigenvektor ebenfalls reell und hat nur positive Koeffizienten. (Da Eigenvektoren nur bis auf Multiplikation mit einem Skalar eindeutig bestimmt sind, gibt es gleichermaßen einen Eigenvektor, der nur negative Koeffizienten hat.) b) F¨ ur j = 1, . . . , n gilt : min j { a · j } ≤ dom(A) ≤ max j { a · j } . c) Wenn dom(A) = min j { a · j } oder dom(A) = max j { a · j } ist, dann folgt daraus, dass min j { a · j } = max j { a · j } ist. F ¨ ur unsere anf ¨ angliche Fragestellung wichtig sind vor allem die Eigenschaften (b) und (c). Im vorangegangenen Abschnitt wurde gezeigt, dass man bei einer Verflechtungsmatrix A oft annehmen kann, dass ihre Spaltensummen nicht gr ¨ oßer als 1 sind und dass daraus dom ( A ) ≤ 1 folgt. Der eben angef¨ uhrte Satz zeigt, dass man bei unzerlegbaren Matrizen eine weitergehende Schlussfolgerung ziehen kann: Wenn keine Spaltensumme gr ¨ oßer als 1 ist und wenn mindestens eine Spaltensumme kleiner als 1 ist, dann ist dom ( A ) < 1 (denn wenn dom ( A ) = 1 w ¨ are, m ¨ ussten alle Spaltensummen gleich 1 sein), so dass also unter diesen Bedingungen ( I − A ) invertierbar ist und eine Darstellung der Inversen in der Form (A.5) m ¨ oglich ist. 11 Im Haupttext wird gezeigt, dass diese schw ¨ achere Bedingung in vielen F ¨ allen mit inhaltlichen ¨ Uberlegungen begr ¨ undet werden kann. Bemerkenswert ist auch folgende Tatsache (Gantmacher 1971, S. 61): Wenn A eine unzerlegbare nicht-negative Matrix und dom ( A ) < 1 ist, dann sind auch alle Koeffizienten von (I − A) − 1 strikt positiv. 10 Dies wurde zuerst von G. Frobenius gezeigt. Wir st ¨ utzen uns auf die Darstellung von Gantmacher (1971, S. 46 ff.). 11 Dieses Ergebnis findet man auch in der bereits genannten Arbeit von Solow (1952) <?page no="361"?> A.3 Verflechtungsmatrizen 361 Dass es sich bei der Unzerlegbarkeit von A um eine durchaus wesentliche Voraussetzung handelt, kann man sich anhand der bereits oben als Beispiel angef¨ uhrten Matrix A = ( 1 0 0 0, 5 ) verdeutlichen. Offenbar gilt in diesem Beispiel, dass keine Spaltensumme gr ¨ oßer als 1 und mindestens eine Spaltensumme kleiner als 1 ist. Aber die Matrix ist nicht unzerlegbar, und der dominante Eigenwert ist 1. A.3.3 Zerlegbare Matrizen Es bleibt zu ¨ uberlegen, wie man bei Verflechtungsmatrizen vorgehen kann, die sich in zwei oder mehr Komponenten zerlegen lassen. Wir nehmen also an, dass A eine nicht-negative Matrix ist, die sich in m Komponenten zerlegen l¨asst. Stellt man sich A als Adjazenzmatrix eines gerichteten Graphen G vor, entspricht jeder Komponente ein Teilgraph G i ( i = 1 , . . . , m ), und jeder Teilgraph G i kann wiederum durch eine Adjazenzmatrix A i dargestellt werden. Zwei F¨alle k¨onnen unterschieden werden: a) Die Komponenten weisen keinerlei Verbindung auf, oder b) es gibt mindestens zwei Komponenten, die durch mindestens eine Kante miteinander verbunden sind. Wir besprechen zuerst den Fall (a). In diesem Fall l¨asst sich die Matrix A (ggf. nach einer passenden Umnummerierung der Indizes) in folgender Form darstellen: A = ⎛ ⎜ ⎝ A 1 0 . . . 0 A m ⎞ ⎟ ⎠ (A.6) A ist dann eine Blockdiagonalmatrix , in deren Hauptdiagonalen sich die Adjazenzmatrizen A i der m Komponenten befinden. In entsprechender Weise kann man auch (I − A) darstellen: (I − A) = ⎛ ⎜ ⎝ (I 1 − A 1 ) 0 . . . 0 (I m − A m ) ⎞ ⎟ ⎠ <?page no="362"?> 362 A Anhang wobei I 1 , . . . , I m Einheitsmatrizen passender Ordnung sind. Setzt man jetzt voraus, dass in jeder der m Matrizen A i keine Spaltensumme gr¨oßer als 1 und mindestens eine Spaltensumme kleiner als 1 ist, so dass also dom ( A i ) < 1 ist, sind auch alle Matrizen ( I i − A i ) invertierbar und es gilt: (I i − A i ) − 1 = ∞ ∑ k =0 A k i Dann ist aber auch die Matrix ( I − A ) invertierbar, und man erh ¨ alt folgende Darstellung: (I − A) − 1 = ⎛ ⎜ ⎝ (I 1 − A 1 ) − 1 0 . . . 0 (I m − A m ) − 1 ⎞ ⎟ ⎠ oder in Form einer Reihendarstellung: (I − A) − 1 = ⎛ ⎜ ⎝ ∑ ∞ k =0 A k 1 0 . . . 0 ∑ ∞ k =0 A k m ⎞ ⎟ ⎠ = ∞ ∑ k =0 A k Wenn die genannten Voraussetzungen erf ¨ ullt sind, gibt es also f ¨ ur das praktische Rechnen zwei M¨oglichkeiten: Man kann f¨ ur jede Komponente die Matrix (I i − A i ) gesondert invertieren und dann aus den Ergebnissen die Inverse von ( I − A ) bilden; oder man ignoriert die Gliederung in Komponenten und bildet unmittelbar die Inverse von (I − A) (denn die Reihenfolge der Zeilen und Spalten spielt f ¨ ur die Invertierbarkeit keine Rolle). Zum gleichen Ergebnis kommt man mit einer etwas anderen ¨ Uberlegung, die auch n¨ utzlich ist, um den Fall (b) vorzubereiten. Denn wenn A eine blockdiagonale Matrix in der Form (A.6) ist, k¨onnen ihre Eigenwerte und Eigenvektoren aus den Eigenwerten und Eigenvektoren der Bl ¨ ocke A i gewonnen werden. Sei n¨amlich λ ein Eigenwert von A i mit zugeh¨origem Eigenvektor v, also A i v = λv. Bildet man nun aus v einen neuen Vektor v ∗ der L¨ange n, der bei den A i entsprechenden Indizes mit v identisch ist und andernfalls aus Nullen besteht, gilt Av ∗ = λv ∗ . Die Eigenwerte von A sind also mit den Eigenwerten der Komponenten A 1 , . . . , A m identisch, und somit ist auch dom(A) = max i { dom(A i ) } <?page no="363"?> A.3 Verflechtungsmatrizen 363 Wenn also f ¨ ur alle Komponenten gilt, dass dom ( A i ) < 1 ist, dann ist auch dom ( A ) < 1 und man kann den in Abschnitt A.3.1 besprochenen Satz ¨ uber die Invertierbarkeit von ( I − A ) und die Reihendarstellung ihrer Inversen anwenden. Jetzt besprechen wir den Fall (b). In diesem Fall gibt es mindestens eine Verbindung zwischen zwei Komponenten. Dann gilt jedenfalls Folgendes: a) Wenn es eine Kante gibt, die von einem Knoten in der Komponente A i zu einem Knoten in der Komponente A j f ¨ uhrt, dann kann es umgekehrt keine Kante geben, die von einem Knoten in A j zu einem Knoten in A i f¨ uhrt. b) Die Komponenten k¨onnen (ggf. nach einer passenden Umnummerierung) in einer linearen Kette angeordnet werden, so dass gilt: Wenn von einem Knoten in der Komponente A i eine Kante zu einem Knoten in der Komponente A j f¨ uhrt, dann ist i < j. Somit kann man die Matrix A in diesem Fall durch eine obere Blockdiagonalmatrix darstellen, die folgende Form hat: A = ⎛ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝ A 1 B 1 A 2 B 2 . . . 0 A m ⎞ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠ (A.7) Wiederum befinden sich die Matrizen A 1 , . . . , A m in der Hauptdiagonalen und gibt es unterhalb von ihnen nur Nullen. Der Unterschied liegt nur darin, dass jetzt auch rechts neben den Bl ¨ ocken positive Koeffizienten auftreten k ¨ onnen, im Bild durch im Allgemeinen rechteckige Matrizen B 1 , . . . , B m − 1 symbolisiert. Wichtig ist nun, dass die in Paragraph 3 skizzierte ¨ Uberlegung in abgeschw ¨ achter Form auch bei oberen Blockdiagonalmatrizen g ¨ ultig ist: Die Eigenwerte von A sind mit den Eigenwerten der Bl¨ocke A 1 , . . . , A m identisch. Zwar erh ¨ alt man die zugeh ¨ origen Eigenvektoren mit dem in Paragraph 3 angegebenen Verfahren nur f¨ ur den jeweils ersten Block A i ; denn bei den nachgelagerten Bl ¨ ocken sind außerdem die oberhalb der Hauptdiagonalen vorhandenen Matrizen B 1 , . . . , B m − 1 zu ber ¨ ucksichtigen. Die Eigenwerte einer Matrix (im Unterschied zu ihren Eigenvektoren) ver¨andern sich jedoch nicht, wenn man simultan Zeilen und Spalten vertauscht (was einer Umnummerierung der Knoten des zugeh ¨ origen <?page no="364"?> 364 A Anhang Graphen entspricht). Somit kann man jeden Block an die erste Stelle bringen und dadurch zeigen, dass seine Eigenwerte auch Eigenwerte von A sein m ¨ ussen. 12 Also braucht auch bei oberen Blockdiagonalmatrizen nur vorausgesetzt zu werden, dass in allen Komponenten A i der dominante Eigenwert kleiner als 1 ist. Dann ist auch dom ( A ) < 1, und es folgt, dass (I − A) invertiertbar ist und die Inverse durch eine Reihe in der Form (A.5) dargestellt werden kann. Das Gesamtergebnis kann folgendermaßen zusammengefasst werden: Wenn A eine nicht-negative Matrix und der dominante Eigenwert in jeder Komponente von A kleiner als 1 ist, dann existiert die Inverse von (I − A); außerdem kann die Inverse in Form einer Reihe (I − A) − 1 = ∞ ∑ k =0 A k dargestellt werden und ist selbst eine nicht-negative Matrix. A.3.4 Beispiele In diesem Abschnitt werden die theoretischen Ausf¨ uhrungen der vorangegangenen Abschnitte anhand einfacher Zahlenbeispiele illustriert. Zur inhaltlichen Interpretation stellen wir uns vor, dass durch die als Beispiele verwendeten Graphen bzw. Adjazenzmatrizen Kapitalverflechtungen zwischen Unternehmen erfasst werden. Als erstes Beispiel wird ein Graph mit vier Knoten (Unternehmen) betrachtet, deren Kapitalverflechtung in einer zyklischen Kette verl¨auft: Nr. 1 h¨alt 40 % an Nr. 2, Nr. 2 h¨alt 40 % an Nr. 3, Nr. 3 h¨alt 40 % an Nr. 4, und Nr. 4 h¨alt 40 % an Nr. 1. Es handelt sich dann um einen Graphen, der nur aus einer Komponente besteht, so dass seine Adjazenzmatrix unzerlegbar ist. Sie sieht folgendermaßen aus: A = ⎛ ⎜ ⎜ ⎝ 0 0, 4 0 0 0 0 0, 4 0 0 0 0 0, 4 0, 4 0 0 0 ⎞ ⎟ ⎟ ⎠ Box A.2 zeigt das Ergebnis einer Berechnung von Eigenwerten und Eigenvektoren. Reelle Eigenvektoren werden so normiert, dass ihre euklidische 12 Wenn man die Theorie der Eigenwerte mit Hilfe von Determinanten begr¨ undet, was in der Literatur oft getan wird, kann man auch direkter argumentieren. Die Eigenwerte <?page no="365"?> A.3 Verflechtungsmatrizen 365 Box A.2 Beispiel 1: Eigenwerte und Eigenvektoren. Eigenwerte ( 0.4000, 0.0000) ( 0.0000, 0.4000) ( 0.0000,-0.4000) (-0.4000, 0.0000) Eigenvektoren ( 0.5000, 0.0000) ( 1.0000, 0.0000) ( 1.0000, 0.0000) ( 0.5000, 0.0000) ( 0.5000, 0.0000) ( 0.0000, 1.0000) ( 0.0000,-1.0000) (-0.5000, 0.0000) ( 0.5000, 0.0000) (-1.0000, 0.0000) (-1.0000, 0.0000) ( 0.5000, 0.0000) ( 0.5000, 0.0000) ( 0.0000,-1.0000) ( 0.0000, 1.0000) (-0.5000, 0.0000) L ¨ ange = 1 ist. Da im Allgemeinen komplexe Werte auftreten k ¨ onnen, verwenden wir Klammern; der vordere Teil gibt den Realteil, der hintere den Imagin ¨ arteil an. Der zu einem Eigenwert geh ¨ orige Eigenvektor ist jeweils unterhalb des Eigenwerts dargestellt. Man erkennt, dass es in diesem Beispiel zwei reelle Eigenwerte gibt, zu denen auch jeweils ein reeller Eigenvektor geh¨ort, n¨amlich 0.4 und -0.4. Der dominante Eigenwert ist offenbar dom(A) = 0.4 (gleich dem Minimum und Maximum der Spaltensummen von A ). Außerdem gibt es zwei komplexe Eigenwerte mit zugeh ¨ origen komplexen Eigenvektoren. 13 Das Beispiel zeigt auch, dass mehrere, in diesem Beispiel sogar alle Eigenwerte dem Betrage nach gleich sein k¨onnen. Jedenfalls ist der dominante Eigenwert und der zugeh¨orige Eigenvektor positiv. Jetzt betrachten wir einen Graphen, der in zwei Komponenten zerlegbar ist, zwischen denen es keine Verbindung gibt. Jeweils Nr. 1 und Nr. 2 und Nr. 3 und Nr. 4 halten wechselseitig Kapitalanteile, aber zwischen den beiden Komponenten gibt es keine Verbindung. Die Adjazenzmatrix einer Matrix A k¨onnen dann als Wurzeln ihres charakteristischen Polynoms det(λ I−A ) definiert werden. Nun gilt aber f¨ ur eine obere Blockdiagonalmatrix die Gleichung det(λ I − A ) = m ∏ i =1 det(λ I i − A i ) woraus man erkennt, dass die Eigenwerte von A mit den Eigenwerten ihrer Bl ¨ ocke identisch sind. 13 Nicht nur in diesem Beispiel, sondern generell gilt, dass bei jedem komplexen Eigenwert die komplexe Konjugierte ebenfalls ein Eigenwert ist. Beide unterscheiden sich nur durch das Vorzeichen des Imagin¨arteils. <?page no="366"?> 366 A Anhang sieht folgendermaßen aus: A = ⎛ ⎜ ⎜ ⎝ 0 0, 3 0 0 0, 1 0 0 0 0 0 0 0, 4 0 0 0, 2 0 ⎞ ⎟ ⎟ ⎠ Es handelt sich also um eine Blockdiagonalmatrix mit zwei jeweils unzerlegbaren Bl¨ocken. Box A.3 zeigt die Eigenwerte und Eigenvektoren. Man erkennt, dass in diesem Beispiel nur reelle Werte auftreten. Der dominante Eigenwert ist 0,2828, also positiv, der zugeh¨orige Eigenvektor ist jedoch nur nicht-negativ. An diesem Beispiel l¨asst sich auch noch einmal das im vorangegangenen Abschnitt verwendete Argument verdeutlichen: dass sich sich die Eigenwerte und Eigenvektoren einer Blockdiagonalmatrix aus den Eigenwerten und Eigenvektoren ihrer Bl¨ocke bilden lassen. F¨ uhrt man gesonderte Rechnungen f¨ ur die beiden Bl¨ocke aus, findet man folgende Eigenwerte: f¨ ur den Block A 1 : λ 1 = − 0, 1732 λ 2 = 0, 1732 f¨ ur den Block A 2 : λ 3 = − 0, 2828 λ 4 = 0, 2828 Sie sind offenbar mit den zuvor gefundenen Eigenwerten identisch, und es gilt dom ( A ) = max { dom ( A 1 ) , dom ( A 2 ) } = dom ( A 2 ). Eine gesonderte Berechnung der zugeh¨origen Eigenvektoren liefert v 1 = ( − 0, 8660 0, 5000 ) , v 2 = ( 0, 8660 0, 5000 ) v 3 = ( 0, 8165 − 0, 5774 ) , v 4 = ( 0, 8165 0, 5774 ) Die Eigenvektoren von A findet man daraus durch Erweiterung mit Nullen, so wie dies im vorangegangenen Abschnitt beschrieben worden ist. <?page no="367"?> A.3 Verflechtungsmatrizen 367 Box A.3 Beispiel 2: Eigenwerte und Eigenvektoren. Eigenwerte (-0.1732, 0.0000) ( 0.1732, 0.0000) (-0.2828, 0.0000) ( 0.2828, 0.0000) Eigenvektoren (-0.8660, 0.0000) ( 0.8660, 0.0000) ( 0.0000, 0.0000) ( 0.0000, 0.0000) ( 0.5000, 0.0000) ( 0.5000, 0.0000) ( 0.0000, 0.0000) ( 0.0000, 0.0000) ( 0.0000, 0.0000) ( 0.0000, 0.0000) (-0.8165, 0.0000) ( 0.8165, 0.0000) ( 0.0000, 0.0000) ( 0.0000, 0.0000) ( 0.5774, 0.0000) ( 0.5774, 0.0000) Box A.4 Beispiel 3: Eigenwerte und Eigenvektoren. Eigenwerte (-0.1732, 0.0000) ( 0.1732, 0.0000) (-0.2828, 0.0000) ( 0.2828, 0.0000) Eigenvektoren (-0.8660, 0.0000) ( 0.8660, 0.0000) ( 0.6975, 0.0000) ( 0.6975, 0.0000) ( 0.5000, 0.0000) ( 0.5000, 0.0000) (-0.6576, 0.0000) ( 0.6576, 0.0000) ( 0.0000, 0.0000) ( 0.0000, 0.0000) ( 0.2325, 0.0000) ( 0.2325, 0.0000) ( 0.0000, 0.0000) ( 0.0000, 0.0000) (-0.1644, 0.0000) ( 0.1644, 0.0000) Jetzt erweitern wir das vorangegangene Beispiel durch eine Verbindung zwischen Nr. 2 und Nr. 3, so dass eine obere Blockdiagonalmatrix entsteht. Die Adjazenzmatrix sieht folgendermaßen aus: A = ⎛ ⎜ ⎜ ⎝ 0 0, 3 0 0 0, 1 0 0, 5 0 0 0 0 0, 4 0 0 0, 2 0 ⎞ ⎟ ⎟ ⎠ Die beiden Bl¨ocke A 1 und A 2 sind mit denjenigen des vorangegangenen Beispiels identisch, jedoch gibt es zus¨atzlich eine Kante, die vom ersten zum zweiten Block f¨ uhrt. Wie man aus Box A.4 erkennt, haben sich die Eigenwerte nicht ver ¨ andert. Auch an den Eigenvektoren f ¨ ur die Eigenwerte des ersten Blocks hat sich nichts ge¨andert. Wohl aber haben sich die Eigenvektoren, die zu den Eigenwerten des zweiten Blocks geh¨oren, ver ¨ andert, da sie nicht durch einfache Erg ¨ anzung mit Nullen gebildet werden k¨onnen. <?page no="368"?> 368 A Anhang A.4 Ausgleichsverfahren f¨ ur IO-Tabellen In Abschnitt 8.1.7 wurde auf einige Daten- und Sch ¨ atzprobleme hingewiesen, die sich bei der Konstruktion von Input-Output-Tabellen stellen. Daf¨ ur werden unterschiedliche Ausgleichsverfahren verwendet. In diesem Anhang besprechen wir eine Variante solcher Verfahren. Dabei gehen wir von einer vereinfachten Problemstellung aus, die folgendermaßen beschrieben werden kann: Gegeben ist eine (n, n)-Matrix B = (b ij ), deren Koeffizienten nicht-negativ und deren Spaltensummen b · j und Zeilensummen b i · positiv sind. Außerdem gibt es positive Vektoren u und v, deren Koeffizienten die geforderten Spalten- und Zeilensummen angeben und f¨ ur die außerdem gilt: n ∑ i =1 v i = n ∑ j =1 u j (A.8) Gesucht ist eine (n, n)-Matrix A = (a ij ), deren Spaltenbzw. Zeilensummen mit u bzw. v ¨ ubereinstimmen und die sich m¨oglichst wenig von B unterscheidet. Zur Bearbeitung dieses Problems sind eine Reihe unterschiedlicher Rechenverfahren vorgeschlagen worden. Bei den meisten handelt es sich um Varianten des IPF -Verfahrens (eine Abk¨ urzung f¨ ur ”iterative proportional fitting“), das zuerst von Deming und Stephan (1940) dargestellt wurde. F ¨ ur die Konstruktion von Input-Output-Tabellen ist die Idee unter dem Namen RAS -Verfahren aufgegriffen worden. In der BRD ist das Verfahren insbesondere im Zusammenhang mit der Konstruktion von Input-Output-Tabellen durch das DIW eingesetzt und unter dem Namen MODOP -Verfahren ( ” Modell der doppelten Proportionalit ¨ at“) weiterentwickelt worden ((St¨aglin 1968, S. 71 ff.), (Schintke 1973). Die Grundidee besteht darin, die Koeffizienten einer gegebenen Matrix A so lange zu modifizieren, bis ihre Zeilen- und Spaltensummen mit vorgegebenen Werten (in unserer Notation die Vektoren u und v) ¨ ubereinstimmen. Das Verfahren ist iterativ. Jeder Iterationsschritt hat die Form A k +1 ← R k +1 A k S k +1 wobei k die Iterationsschritte z ¨ ahlt ( k = 0 , 1 , . . . ). R k und S k sind Diagonalmatrizen; als Anfangswert wird A 0 : = B verwendet. Durch die Koeffizienten der S -Matrix wird eine Anpassung an die vorgegebenen <?page no="369"?> A.4 Ausgleichsverfahren f¨ ur IO-Tabellen 369 Spaltensummen vorgenommen. Gefordert ist u j = a · j s j , was den Rechenschritt s k +1 j ← u j a k · j motiviert. Hat man ihn f¨ ur alle Spalten j = 1, . . . , n ausgef¨ uhrt, entsteht die Matrix A k ′ : = A k S k +1 , deren Spaltensummen mit den vorgegebenen Werten ¨ ubereinstimmen. Allerdings ist noch nicht gew ¨ ahrleistet, dass auch die Zeilensummen von A k ′ mit den vorgegebenen Werten ¨ ubereinstimmen. Deshalb wird jetzt eine Anpassung mit den Koeffizienten der R-Matrix vorgenommen. Gefordert ist in diesem Fall v i = a k ′ i · r i , was den Rechenschritt r k +1 i ← v i a k ′ i · motiviert. So entsteht die Matrix A k +1 ← R k +1 A k ′ = R k +1 A k S k +1 . Diese beiden Rechenschritte werden nun so lange wiederholt, bis die A-Matrix sowohl in ihren Spaltenals auch in ihren Zeilensummen hinreichend mit den vorgegebenen Werten ¨ ubereinstimmt. 14 Box A.5 fasst den Ablauf des Algorithmus zusammen. Im Schritt (4) wird die Konvergenz gepr¨ uft: Wenn die maximale Abweichung zwischen den durch A k gegebenen und den durch u und v geforderten Spalten- und Zeilensummen nicht gr¨oßer als eine vorgegebene Genauigkeitsschranke ε ist, kann abgebrochen werden; andernfalls werden die Iterationen fortgesetzt. 15 Um den Algorithmus zu illustrieren, soll die aggregierte A-Tabelle f ¨ ur 1995 verwendet werden, um eine Sch¨atzung f¨ ur die aggregierte A-Tabelle f ¨ ur 1997 zu gewinnen. 16 Die Vorleistungsmatrix der aggregierten A- Tabelle 1995 bildet also unsere Matrix B. F¨ ur 1997 wird nur eine Kenntnis der Spaltensummen u und der Zeilensummen v vorausgesetzt. Die Angaben k¨onnen dem Statistischen Jahrbuch 2001 entnommen werden: 14 Damit das Verfahren konvergiert, m ¨ ussen die anfangs genannten Bedingungen, insbesondere die Gleichung (A.8), gegeben sein. Sie sind jedoch nur notwendig, nicht aber hinreichend f ¨ ur die Existenz einer L ¨ osung, man vgl. die Hinweise bei Bachem und Korte (1979). 15 Einfache Zahlenbeispiele, mit denen man sich den Ablauf des Algorithmus verdeutlichen kann, findet man z.B. bei St ¨ aglin (1968, S. 73 f.) und bei Holub und Schnabl (1994b, S. 98 f.). 16 Die aggregierte A-Tabelle findet man f¨ ur 1995 in der Fachserie 18, Reihe 2-1995, und f¨ ur 1997 im Statistischen Jahrbuch 2001: S. 674f. Die Angaben sind Herstellungspreise in Mrd. DM. <?page no="370"?> 370 A Anhang Box A.5 Der RAS-Algorithmus. (1) f¨ ur alle i und j : a ij ← b ij (2) f¨ ur alle i und j : a ij ← a ij u j a ·j (3) f¨ ur alle i und j : a ij ← a ij v i a i· (4) Abbruch, wenn max i,j { | a i· − v i | , | a ·j − u j | } ≤ ε andernfalls Fortsetzung bei (2). u = (36, 4; 60, 6; 172, 7; 120, 5; 399, 5; 140, 3; 153, 1; 218, 2; 409, 1; 536, 1; 126, 8; 377, 6) ′ v = (60, 4; 92, 5; 206, 3; 150, 3; 238, 6; 139, 4; 77, 9; 98, 0; 411, 3; 914, 9; 249, 7; 111.5) ′ Allerdings sind infolge von Rundungsfehlern die Summen der Koeffizienten beider Vektoren nicht genau gleich, denn Σ i v i = 2750 , 8 und Σ j u j = 2750 , 9. Wir ¨ andern deshalb den letzten Koeffizienten in u von 377,6 in 377,5. Dann kann der oben angegebene Algorithmus verwendet werden, um eine Matrix A zu berechnen, die sich von B m ¨ oglichst wenig unterscheidet und deren Zeilenbzw. Spaltensummen mit u bzw. v ¨ ubereinstimmen. Tabelle A.1 zeigt das Ergebnis der Berechnung. 17 Das vom DIW verwendete MODOP -Verfahren ist eine Weiterentwicklung des IPF bzw. RAS -Algorithmus. Die Modifikationen bestehen im Wesentlichen darin, dass andere Startwerte verwendet werden, um die Konvergenz des Rechenverfahrens zu beschleunigen, und dass die M¨oglichkeit besteht, die Werte bestimmter Koeffizienten zu fixieren, so dass sie nicht in das Ausgleichsverfahren einbezogen werden. Außer dem RAS bzw. MODOP -Algorithmus gibt es noch andere Verfahren, um das am Ende des vorangegangenen Abschnitts beschriebene Problem zu l ¨ osen. Z.B. wurde von Blien und Graef (1992) ein Verfahren entwickelt, bei dem Intervalle angegeben werden k ¨ onnen, um die Modifikationsm ¨ oglichkeiten f ¨ ur die zu sch ¨ atzenden Koeffizienten einer Tabelle einzuschr ¨ anken. Die im vorangegangenen Abschnitt zitierten Ausf¨ uhrungen der Fachserie 18, Reihe 2, 1995 ¨ uber das im Statistischen 17 Zur Berechnung wurde der TDA-Befehl mpfit verwendet. Die Koeffizienten f¨ ur 1995 wurden in Mrd. DM umgerechnet, um sie mit den Informationen f¨ ur die Zeilen- und Spaltensummen f¨ ur 1997 vergleichbar zu machen. F¨ ur eine vorgegebene Genauigkeitsschranke ε = 10 − 6 wurde die Konvergenz in 23 Iterationen erreicht. <?page no="371"?> A.4 Ausgleichsverfahren f¨ ur IO-Tabellen 371 Tabelle A.1 Aggregierte A-Tabellen f ¨ ur 1995 (erste Zeile), f ¨ ur 1997 (zweite Zeile) und f ¨ ur 1997 mit dem RAS-Verfahren gesch ¨ atzt (dritte Zeile). Herstellungspreise in Mrd. DM. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 1 2,2 0,1 0,1 0,0 0,0 2,4 47,2 0,0 1,1 1,4 0,6 1,3 2,4 0,1 0,1 0,0 0,0 2,4 50,6 0,0 1,2 1,5 0,7 1,4 2,4 0,1 0,1 0,0 0,0 2,6 50,3 0,0 1,3 1,5 0,7 1,4 2 2,4 21,0 19,4 8,8 7,9 6,5 4,4 5,0 12,6 4,0 5,5 5,5 2,3 14,9 16,7 8,1 7,9 6,3 4,4 4,4 12,4 4,1 5,4 5,5 2,2 16,9 17,4 8,3 8,1 5,9 4,0 4,5 11,6 3,6 5,1 5,0 3 4,1 2,0 65,3 8,9 29,0 11,7 4,9 64,2 10,2 2,1 6,2 14,0 3,5 1,5 60,0 8,5 31,3 10,3 4,3 59,1 9,2 1,7 5,8 11,2 3,8 1,6 59,2 8,5 29,8 10,6 4,4 58,5 9,5 1,9 5,8 12,8 4 0,6 2,8 6,5 55,6 58,4 3,4 2,7 21,4 4,8 0,9 2,2 1,5 0,5 2,4 5,7 50,7 57,8 2,9 2,3 19,5 4,3 0,7 1,9 1,4 0,6 2,2 5,7 51,1 58,1 3,0 2,4 18,9 4,3 0,7 2,0 1,3 5 1,7 6,5 5,8 7,5 150,0 2,5 1,6 20,6 16,8 4,1 12,4 5,9 1,5 5,6 5,2 7,1 155,6 2,2 1,4 19,6 18,2 3,8 12,3 6,2 1,6 5,4 5,4 7,3 158,3 2,3 1,5 19,3 16,1 3,8 11,9 5,6 6 0,3 0,7 5,7 2,7 10,5 54,9 5,4 15,4 17,5 12,9 6,4 8,8 0,3 0,6 5,9 2,9 12,0 51,8 5,1 15,0 17,5 13,2 6,4 8,9 0,3 0,6 5,6 2,7 11,6 53,4 5,2 15,1 17,5 12,4 6,4 8,6 7 6,4 0,0 3,0 0,0 0,1 0,1 32,9 0,0 21,6 0,1 6,0 2,9 7,1 0,0 3,5 0,0 0,2 0,1 35,3 0,0 21,7 0,1 6,6 3,4 6,8 0,0 3,2 0,0 0,1 0,1 34,7 0,0 23,3 0,1 6,5 3,0 8 0,8 3,8 2,5 2,2 2,6 1,5 1,1 7,8 10,3 46,4 10,7 8,8 0,8 3,7 2,5 2,4 3,0 1,6 1,1 7,8 10,8 44,5 10,9 9,0 0,8 3,4 2,5 2,2 2,9 1,5 1,1 7,8 10,5 45,6 10,9 8,8 9 7,4 6,6 22,1 20,0 48,0 24,2 21,8 27,3 141,1 21,3 18,9 42,5 7,2 6,2 21,9 20,9 54,7 24,1 21,6 27,9 145,7 21,2 18,8 41,0 7,5 5,9 22,1 20,8 54,2 24,2 21,8 27,3 144,4 21,0 19,4 42,6 10 6,8 15,9 42,2 14,9 59,0 28,3 22,5 58,6 132,5 388,6 36,8 38,9 7,5 16,5 45,3 17,2 72,5 31,4 23,6 61,3 144,7 411,6 40,1 43,1 7,4 15,3 45,4 16,7 71,6 30,3 24,2 63,1 145,8 412,4 40,7 42,0 11 2,1 0,7 2,9 1,0 1,1 1,6 1,5 1,1 7,8 6,8 9,1 203,9 2,7 0,7 2,9 1,0 1,2 1,6 1,5 1,1 7,8 7,0 10,5 211,8 2,2 0,7 3,0 1,1 1,3 1,6 1,6 1,1 8,3 7,0 9,7 212,3 12 0,6 8,2 2,8 1,4 2,7 4,2 1,8 2,2 14,2 23,3 6,7 29,9 0,6 8,4 3,0 1,7 3,3 5,6 1,9 2,5 15,6 26,7 7,4 34,7 0,6 8,4 3,2 1,7 3,5 4,8 2,0 2,6 16,5 26,2 7,8 34,2 <?page no="372"?> 372 A Anhang Bundesamt eingesetzte ”Fehlerausgleichsprogramm“ deuten darauf hin, dass dort ein Algorithmus dieser Art verwendet wird. A.5 Nutzenbasierte Preisindizes Im Folgenden betrachten wir ein einfaches und oft verwendetes Beispiel, das die Herleitung eines Cost of Living Index zeigt. Wir gehen von Ausgaben in H ¨ ohe von E , zwei G ¨ utermengen q 1 und q 2 sowie zwei G¨ uterpreisen p 1 und p 2 aus. Die Budgetgerade ist dann E = q 1 p 1 + q 2 p 2 Aufgel¨ost nach der Menge q 2 resultiert q 2 = E p 2 − q 1 p 1 p 2 mit der Steigung ∂q 2 ∂q 1 = − p 1 p 2 D.h. das Austauschverh¨altnis von q 2 zu q 1 entspricht gerade dem umgekehrten Preisverh¨altnis. Nun betrachten wir eine einfache Nutzenfunktion vom Typ Cobb-Douglas: U = q α 1 1 q α 2 2 L¨osen wir auch diese Gleichung nach q 2 auf, resultiert q 2 = U 1 α 2 q − α 1 α 2 1 mit der Steigung ∂q 2 ∂q 1 = − U 1 α 2 α 1 α 2 q − α 1 α 2 − 1 1 Offenkundig h¨angt die Steigung von q 2 negativ von q 1 ab. D.h. je gr¨oßer die Menge q 1 bereits ist, desto weniger q 2 ist notwendig, um bei einer Reduzierung von q 1 den Nutzen konstant zu halten. <?page no="373"?> A.5 Nutzenbasierte Preisindizes 373 Die Ableitungen der Nutzenfunktion geben an, wie sich der Nutzen bei marginaler Ver¨anderung der Konsummenge ver¨andert ∂U ∂q 1 = ∂ [q α 1 1 q α 2 2 ] ∂q 1 = α 1 q α 1 − 1 1 q α 2 2 ∂U ∂q 2 = ∂ [q α 1 1 q α 2 2 ] ∂q 2 = α 2 q α 1 1 q α 2 − 1 2 Betrachten wir nun den Fall der Nutzenmaximierung unter Einhaltung der Budgetrestriktion U ∗ = q α 1 1 q α 2 2 + λ (E − q 1 p 1 − q 2 p 2 ) Um das Nutzenmaximum zu finden, setzen wir die Ableitungen nach q 1 , q 2 und λ gleich 0 : ∂U ∗ ∂q 1 = ∂ [q α 1 1 q α 2 2 + λ (E − q 1 p 1 − q 2 p 2 )] ∂q 1 = α 1 q α 1 − 1 1 q α 2 2 − λp 1 = 0 λ = α 1 q α 1 − 1 1 q α 2 2 p 1 ∂U ∗ ∂q 2 = ∂ [q α 1 1 q α 2 2 + λ (E − q 1 p 1 − q 2 p 2 )] ∂q 2 = α 2 q α 1 1 q α 2 − 1 2 − λp 2 = 0 λ = α 2 q α 1 1 q α 2 − 1 2 p 2 ∂U ∗ ∂λ = E − q 1 p 1 − q 2 p 2 = 0 q 2 = E p 2 − q 1 p 1 p 2 <?page no="374"?> 374 A Anhang Aus den beiden Ableitungen der Nutzenfunktion resultiert α 2 q α 1 1 q α 2 − 1 2 p 2 = α 1 q α 1 − 1 1 q α 2 2 p 1 − p 1 p 2 = − α 1 q α 1 − 1 1 q α 2 2 α 2 q α 1 1 q α 2 − 1 2 = − α 1 α 2 q 2 q 1 = − ∂U ∂q 1 ∂U ∂q 2 Das Preisverh¨altnis entspricht somit im Nutzenmaximum dem Verh¨altnis der Grenznutzen. Hieraus ergibt sich auch das zweite Gossensche Gesetz ∂U ∂q 1 p 1 = ∂U ∂q 2 p 2 Es besagt, dass der Grenznutzen je Preiseinheit in den Verwendungsarten, hier Kauf von Gut 1 oder Gut 2, gleich sein muss. Aus p 1 p 2 = α 1 α 2 q 2 q 1 folgt, dass die Ausgabenrelationen dem Verh¨altnis der Exponenten entsprechen q 1 p 1 q 2 p 2 = α 1 α 2 Hieraus lassen sich nun unter Verwendung der umgeformten Budgetgeraden auch Nachfragefunktionen herleiten E p 1 − p 2 p 1 q 2 = q 1 q 2 = p 1 p 2 α 2 α 1 q 1 = p 1 p 2 α 2 α 1 ( E p 1 − p 2 p 1 q 2 ) = E p 2 α 2 α 1 − α 2 α 1 q 2 q 2 = E p 2 α 2 α 1 1 + α 2 α 1 = E p 2 1 + α 1 α 2 q 1 = E p 1 α 1 α 2 1 + α 1 α 2 = E p 1 1 + α 2 α 1 Wir sehen, dass die Nachfagemengen lediglich von den Ausgaben, den <?page no="375"?> A.5 Nutzenbasierte Preisindizes 375 Preisen und den Exponenten der Nutzenfunktion abh¨angen. Auf einer Indifferenzkurve ist der Nutzen konstant (dU = 0) dU = dq 1 ∂U ∂q 1 + dq 2 ∂U ∂q 2 = 0 Hieraus folgt − ∂U ∂q 1 / ∂U ∂q 2 = dq 2 dq 1 D.h. das Austauschverh¨altnis von q 1 gegen q 2 entspricht dem Verh¨altnis der Grenznutzen von Gut 1 und Gut 2. Wenn die Budgetgerade und die Indifferenzkurve sich ber¨ uhren, d.h. die gleiche Steigung haben gilt − ∂U ∂q 1 ∂U ∂q 2 = − α 1 α 2 q 2 q 1 = dq 2 dq 1 = − p 1 p 2 D.h. das Austauschverh¨altnis der G¨ uter entspricht dem reziproken Preisbzw. Grenznutzenverh¨altnis. Die Ausgaben lassen sich auch schreiben als E = q α 1 1 q α 2 2 ( q 1 p 1 + q 2 p 2 q α 1 1 q α 2 2 ) = q α 1 1 q α 2 2 ⎛ ⎜ ⎜ ⎝ E p 1 1+ α 2 α 1 p 1 + E p 2 1+ α 1 α 2 p 2 ( E p 1 1+ α 2 α 1 ) α 1 ( E p 2 1+ α 1 α 2 ) α 2 ⎞ ⎟ ⎟ ⎠ = q α 1 1 q α 2 2 ⎛ ⎜ ⎜ ⎝ E 1+ α 2 α 1 + E 1+ α 1 α 2 E α 1 ( 1 p 1 1+ α 2 α 1 ) α 1 E α 2 ( 1 p 2 1+ α 1 α 2 ) α 2 ⎞ ⎟ ⎟ ⎠ <?page no="376"?> 376 A Anhang F¨ ur den Spezialfall α 1 + α 2 = 1 finden wir E = q α 1 1 q α 2 2 ⎛ ⎜ ⎜ ⎝ 1 1+ α 2 α 1 + 1 1+ α 1 α 2 ( 1 p 1 1+ α 2 α 1 ) α 1 ( 1 p 2 1+ α 1 α 2 ) α 2 ⎞ ⎟ ⎟ ⎠ = q α 1 1 q α 2 2 ⎛ ⎜ ⎜ ⎝ 1 α 1 α 1 + α 2 α 1 + 1 α 2 α 2 + α 1 α 2 ( 1 p 1 α 1 α 1 + α 2 α 1 ) α 1 ( 1 p 2 α 2 α 2 + α 1 α 2 ) α 2 ⎞ ⎟ ⎟ ⎠ = q α 1 1 q α 2 2 ⎛ ⎝ α 1 + α 2 ( α 1 p 1 ) α 1 ( α 2 p 2 ) α 2 ⎞ ⎠ = q α 1 1 q α 2 2 ( α 1 p 1 ) − α 1 ( α 2 p 2 ) − α 2 = q α 1 1 q α 2 2 ( p 1 α 1 ) α 1 ( p 2 α 2 ) α 2 = U ( p 1 α 1 ) α 1 ( p 2 α 2 ) α 2 Damit lassen sich die Ausgaben als Produkt aus dem Nutzen und mit den Exponenten gewichteten Preisen darstellen. Betrachten wir f¨ ur zwei Perioden t und 0 die Ausgaben, die bei gleichem Nutzen ¯ U resultieren E t E 0 = ¯ U ( p 1 t α 1 ) α 1 ( p 2 t α 2 ) α 2 ¯ U ( p 10 α 1 ) α 1 ( p 20 α 2 ) α 2 = ( p 1 t p 10 ) α 1 ( p 2 t p 20 ) α 2 = ( p 1 t p 10 ) α 1 α 1+ α 2 ( p 2 t p 20 ) α 2 α 1+ α 2 Offenkundig entspricht die Ausgabenver¨anderung bei optimalem Verhalten, die notwendig ist, den Nutzen konstant zu halten, gerade einem mit den Exponenten der Nutzenfunktion gewichteten geometrischen Mittel der Preismesszahlen. <?page no="377"?> A.5 Nutzenbasierte Preisindizes 377 Betrachten wir ein kleines numerisches Beispiel: p 1 = 2; p 2 = 1; E = 10; α 1 = 0, 6; α 2 = 0, 4 Wir finden − ∂U ∂q 1 ∂U ∂q 2 = − α 1 α 2 q 2 q 1 = − 3 2 q 2 q 1 = dq 2 dq 1 = − p 1 p 2 = − 2 1 q 2 q 1 = 4 3 F¨ ur q 2 und q 2 ergeben sich dann q 2 = E p 2 1 + α 1 α 2 = 10 1 1 + 0 . 6 0 . 4 = 4 q 1 = E p 1 − p 2 p 1 q 2 = 10 2 − 1 2 4 = 3 Damit wird gerade die Budgetgleichung eingehalten E = q 1 p 1 + q 2 p 2 = 10 = 3 · 2 + 3 · 1 = 10 Der Nutzen bei optimalen Mengen resultiert dann als U = q α 1 1 q α 2 2 = 3 0 . 6 4 0 . 4 = 3.365 9 und die Ausgabenanteile lauten q 1 p 1 q 2 p 2 = 3 · 2 4 · 1 = 3 2 = α 1 α 2 = 0, 6 0, 4 Betrachten wir nun eine zweite Situation t mit ver ¨ anderten Preisen: p 1 t = 3 und p 2 t = 2 Wir finden dann − ∂U ∂q 1 ∂U ∂q 2 = − α 1 α 2 q 2 q 1 = − 3 2 q 2 q 1 = dq 2 dq 1 = − p 1 p 2 = − 3 2 q 2 q 1 = 1 <?page no="378"?> 378 A Anhang Als optimale Mengen resultieren nun q 2 t = E p 2 t 1 + α 1 α 2 = 10 2 1 + 0 . 6 0 . 4 = 2 q 1 t = E p 1 − p 2 p 1 q 2 t = 10 3 − 2 3 2 = 2 Betrachten wir nun f ¨ ur die beiden Perioden die Ausgaben f ¨ ur gleichen Nutzen ¯ U E t E 0 = ( p 1 t p 10 ) α 1 ( p 2 t p 20 ) α 2 = ( 3 2 ) 0 . 6 ( 2 1 ) 0 . 4 = 1.6829 Wir sehen, dass die Ausgaben bei ” optimalem Verhalten“ um 68 , 29% steigen m¨ ussen, damit der Nutzen konstant gehalten werden kann. Verallgemeinert k ¨ onnen wir f ¨ ur die ” nutzenkonstante Ausgabenerh ¨ ohung“ schreiben P coli 0 ,t = n ∏ j =1 ( p jt p j 0 ) α j = n ∏ j =1 ( p jt p j 0 ) q j p j ∑ q j p j Wir messen die nutzenkonstanthaltende ” kompensatorische Ausgabenver¨anderung“ als mit Ausgabenanteilen gewichtetes geometrisches Mittel der Preismesszahlen. Beachte: Aufgrund der gew¨ahlten Nutzenfunktion entsprechen die Ausgabenanteile f¨ ur eine G¨ uterart in allen Perioden den Exponenten der Nutzenfunktion. Nutzenfunktionen mit derartigem Nachfrageverhalten werden als homothetisch bezeichnet. Tats¨achlich ver¨andern sich die Ausgabenanteile im Zeitablauf deutlich, weil sich erstens die Pr¨aferenzen ¨andern und sich zweitens bei ver¨andertem Einkommen die Ausgabenanteile ver¨andern. Zum Vergleich P l 0 ,t = n ∑ j =1 p jt p j 0 q j 0 p j 0 ∑ J j =1 q j 0 p j 0 = ∑ n j =1 q j 0 p jt ∑ n j =1 q j 0 p j 0 = 3 · 3 + 4 · 2 3 · 2 + 4 · 1 = 1, 7 <?page no="379"?> A.5 Nutzenbasierte Preisindizes 379 P p 0 ,t = 1 ∑ n j =1 p j 0 p jt q jt p jt ∑ J j =1 q jt p jt = ∑ n j =1 q jt p jt ∑ n j =1 q jt p j 0 = 2 · 3 + 2 · 2 2 · 2 + 2 · 1 = 1, 6667 Der Befund unseres Beispiels gilt allgemein f¨ ur den Fall homothetischer Pr¨aferenzen: P p 0 ,t ≤ P coli 0 ,t ≤ P l 0 ,t <?page no="380"?> Literatur Afentakis, A. und W. Bihler (2005). “Das Hochrechnungsverfahren beim Unterj¨ahrigen Mikrozensus ab 2005”. In: Wirtschaft und Statistik Heft 10, S. 1039- 1048. Anton, H. und C. Rorres (1991). Elementary Linear Algebra. Applications Version. New York: Wiley. Auer, L. von (2005). “Hedonische Preismessungbei Laserdruckern”. In: Statistisches Bundesamt: Wirtschaft und Statistik 6, S. 639-645. Bachem, A. und B. Korte (1979). “On the RAS-algorithm”. In: Computing 23 (2), S. 189-198. 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Bruttoproduktion, 167 Bruttoreproduktionsrate, 71 Bruttowertsch¨opfung, 329 Buchf¨ uhrungsgleichungen, 16 cif-Preise, 249 Comparative Price Level, 231 Deflationierung, 213 Demographische Prozesse Buchf¨ uhrungsgleichungen, 16 Definitionen, 13 Devisenkurs, 227 Doppelte Deflationierung, 215 Einkommensentstehungskonto, 304 Einkommensverteilungskonto, 304 Einkommensverwendungskonto, 306 Einnahmen/ Ausgaben des Staates, 336 Endnachfrage-Besch ¨ aftigungsmatrix, 175 Endnachfragematrix, 175 Entropiemaß, 156 Episoden, 42 Erwerbslose, 133 Erwerbspersonen, 133 Erwerbsquote, 133 Erwerbst¨atigenquote, 133 Erwerbst¨atigkeit, 127 Fachliche Einheit, 143 Familienbegriff, 121 Fernere Lebenserwartung, 52 Finanzierungsrechnung, 308 Finanzierungssaldo, 333 Finanzinstrumente, 309 Fisher, 205 Fisher-Index, 229 FISIM, 245 fob-Preis, 249 Funktionelle Gliederung, 242 G¨ utergruppen, 246 G¨ uterproduktion, 165 G¨ utersorten, 166 G¨ uterverwendung, 257 Geburten, nichteheliche, 80 Geburtenr¨ uckgang, langfristiger, 68 Geburtenrate, allgemeine, 67 Geburtenziffer <?page no="388"?> 388 Stichwortverzeichnis allgemeine, 22, 66 altersspezifische, 68, 73 kumulierte, 74 zusammengefasste, 70, 75 Geburtsjahrmethode, 70 Geburtskohorten, 48, 72 Gesamte Verwendung von G¨ utern, 260 Gesamtwirtschaftliches G ¨ uterkonto, 308 Gesellschaftliche Produktion, 165 Gini-Koeffizient, 149 Gleichgewichtspreise, 200 H¨aufigkeitsfunktion, 45 H¨aufigkeitsverteilung, 45 Haushalte, 120 und Familien, 121 Haushaltsbegriff, 120 Hedonische Regression, 218 Herstellungspreise, 247 Hirschman-Herfindahl-Koeffizient, 155 Homogene Produktionseinheit, 144 Importtabelle, 263 Indexziffern, f¨ ur Preise, 207 Inl¨anderkonzept, 128 Inl¨andische Produktion, 252 Inlandskonzept, 128 Input-Koeffizienten, 280 Input-Methode, 265 Input-Output-Modelle, 288 Input-Output-Tabellen, 239 Institutionelle Einheit, 144 Institutionelle Gliederung, 241 Intrinsische Wachstumsrate, 104 Investitionen, 340 Kapitalistische Preise, 184 Kaplan-Meier-Verfahren, 87 Kernfamilie, 122 Kettenindizes, 211 Kohorten, 48 Geburtskohorten, 48, 72 Kohortenansatz, 44, 72 Kohorten-Sterbetafel, 49 Konsum, 338 Kontensystem, 302 Konzentration absolute, 151 relative, 151 Konzentrationsberichterstattung, 160 Konzentrationskurve, 154 Konzentrationsmaßzahlen, 153 Konzentrationsrate, 153 Kreislaufschema, 298 Lagerhaltung, 181 Laspeyres, 203 Lebenserwartung, 51 Lebensverlaufsdaten, des MPIB, 84 Leistungsbilanz, 318 Leontief-Inverse, 174 Leslie-Modell, 103 Letzte Inl¨andische Verwendung, 337 Letzte Verwendung von G¨ utern, 258 Lexis-Diagramm, 17 Linda-Index, 156 Lohnquote, 335 Lohnsatz, 184 Lohnsteuer, 335 Lorenzkurve, 148 Marktpreise, 198 Matrix des fixen Kapitals, 181 Median, 50 Mengensurrogat, 213 Migrationsvorg¨ange, 32 Mikrozensus, 123 Mittelwert, 51 bedingter, 51 MODOP-Verfahren, 368 Monopolkommission, 151, 160 Nachfrage, 199 Nettoproduktion, 168 Nettoreproduktionsrate, 72 Nich-eheliche Geburten, 80 Nutzenbasierte Indizes, 209 ¨ Ortliche Einheit, 144 Output-Koeffizienten, 283 Output-Methode, 266 Paasche, 204 Periodensterbetafel, 50 Preisbegriff, statistischer, 201 Preisindizes, 202 nach Laspeyres, 203 nach Paasche, 204 Preisniveauvergleiche, 224 bilaterale, 224 <?page no="389"?> Stichwortverzeichnis 389 multilaterale, 226 Preisvergleiche, internationale, 228 Prim¨areinkommen, 332 Produktionsbereich, 246 Produktionseinheiten, 166 Produktionskonto, 303 Produktionskosten, 186 Produktionsmatrix, 167 Produktionsperiode, 166 Profitrate, 186 maximale, 186 Prozessdarstellung sequentielle, 42 summarische, 42 Prozesse, wiederholbare, 42 Prozessschema, 42 Prozesszeitachse, 43 Purchasing Power Parities, 230 Qualit¨ats¨anderungen, 217 RAS-Verfahren, 368 Ratenfunktion, 47 Realwert, 216 Rechts zensierte Daten, 87 Reinverm¨ogens¨anderung, 307 Relatives Preisniveau, 227 Rosenbluth-Koeffizient, 154 Sachverm¨ogensbildungskonto, 307 Sozialbeitr¨age, 335 Stabile Altersverteilung, 104 Stellung im Beruf, 142 Sterbetafel abgek¨ urzte, 54 allgemeine, 53 Kohorten-, 49 Perioden-, 50 Sterbeziffer allgemeine, 22 altersspezifische, 48 Survivorfunktion, 47 Terms of Trade Effekt, 216 Transitivit¨at, 229 Transitivit¨atsregel, 197 Unternehmen, 142, 143 Unternehmensgr¨oßen, 146 Unternehmensgruppe, 143 Unternehmenskonzentration, 148 Variationskoeffizient, 155 Ver¨anderungsrate, 22 durchschnittliche, 22 Verbrauchergeldparit¨aten, 226 Verbraucherpreisindex, 218 Entwicklung, 221 harmonisierter, 223 Verkettung, 220 Verf¨ ugbares Einkommen, 331 Verteilungsfunktion, 38, 46 Verteilungsrechnung, 331 Verweildauervariablen, 43 Verwendungsrechnung, 337 Volkseinkommen, 331 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, 294 Volksz¨ahlungen, 23, 349 Vorleistungen, 167, 172 direkte, 172 indirekte, 172 Zurechnung, 283 Vorleistungs-Besch ¨ aftigungsmatrix, 174 Warenkorb, 204 Wirtschaftliches Gleichgewicht, 197 Wirtschaftsbereiche, 132 Wirtschaftskreislauf, 296 Wirtschaftszweige, 145 Klassifikation, 145 Wohnsitzprinzip, 295 Zahlungsbilanz, 318 Zinsspanne, 245