"Frau Berlin" – Paula Thiede (1870-1919)
Vom Arbeiterkind zur Gewerkschaftsvorsitzenden
0626
2019
978-3-7398-0565-8
978-3-8676-4905-6
UVK Verlag
Uwe Fuhrmann
Paula Thiede wurde als Pauline Berlin am 6. Januar 1870 in Berlin geboren. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie rund um den heutigen Mehringplatz in Kreuzberg, am südlichen Rand des Zeitungsviertels. Sie kam aus proletarischen Verhältnissen, stand früh auf eigenen Beinen und wurde »Anlegerin« an Buchdruckschnellpressen. Mit 19 heiratete sie, mit 21 war sie Witwe und hatte eines ihrer beiden Kinder unter dramatischen Umständen verloren. Sie kämpfte sich zurück ins Leben und trat dem »Verein der Arbeiterinnen an Buchdruck-Schnellpressen« (siehe Kasten) bei. Sie heiratete erneut und versuchte trotz aller Schwierigkeiten, dem sozialen Elend des Kaiserreichs mit kämpferischer Gewerkschaftsarbeit zu begegnen.
Von 1898 bis zu ihrem Tod im Jahre 1919 war sie Vorsitzende des »Verbandes der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands«. Damit war sie, soweit bekannt, weltweit die erste Frau an der Spitze einer gemischtgeschlechtlichen Gewerkschaft.
In ihre Amtszeit fallen große Erfolge: Lohnsteigerungen durch heute vergessene Kampftaktiken, frühe Tarifverträge und ein hoher Anteil von organisierten HilfsarbeiterInnen. Auch zeigte sich, wie die einengende Geschlechterpolitik der Gesellschaft und der Gewerkschaften ins Wanken gebracht werden konnte. Paula Thiede starb am 3. März 1919 nach langer Krankheit.
<?page no="0"?> www.uvk.de ISBN 978-3-86764-905-6 Wenn die britische Feministin Laurie Penny Recht hat, und Feminismus nicht etwas zum »Sein«, sondern zum »Machen« ist, dann war Paula Thiede eine der großen Feministinnen des Kaiserreichs. Als Arbeiterkind vom Halleschen Tor in Berlin stand Pauline Berlin (so ihr Geburtsname) früh auf eigenen Beinen und wurde »Anlegerin« an Buchdruckschnellpressen. Mit 19 heiratete sie, mit 21 war sie Witwe und hatte eines ihrer beiden Kinder unter tragischen Umständen verloren. Sie schloss sich der aktivsten Frauengewerkschaft Deutschlands an und wurde 1898 schließlich zur weltweit ersten weiblichen Vorsitzenden einer gemischtgeschlechtlichen Gewerkschaft. Lohnsteigerungen, frühe Tarifverträge und ein hoher Organisierungsgrad gehörten zu den Erfolgen, die sie mit dem Verband der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen erringen konnte. Die Abkehr von der einengenden Geschlechterpolitik der Gesellschaft und der Gewerkschaften war ein wichtiger Bestandteil dieser Kämpfe. Dieses Buch geht anschaulich auf den Alltag proletarischer Frauen ein und folgt der spektakulären, zu Unrecht vergessenen Lebensgeschichte von Paula Thiede, die am 3. März 1919 verstarb. Paula Thiede (1870 - 1919) Vom Arbeiterkind zur Gewerkschaftsvorsitzenden Uwe Fuhrmann Uwe Fuhrmann »Frau Berlin« - Paula Thiede (1870 - 1919) "Frau Berlin“ <?page no="1"?> Uwe Fuhrmann „Frau Berlin“ - Paula Thiede (1870 -1919) <?page no="2"?> Paula Thiede <?page no="3"?> Uwe Fuhrmann „Frau Berlin“ Paula Thiede (1870 -1919) Vom Arbeiterkind zur Gewerkschaftsvorsitzenden UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz <?page no="4"?> Die Publikation beruht auf einem Forschungsprojekt, das von der Hans-Böckler-Stiftung und der Gewerkschaft ver.di gefördert wird. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internetüber http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-86764-905-6 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2019 Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Fotos auf Einbandvorderseite: Zeitgenössische Postkarte (vor 1906), Portrait Paula Thiede aus dem Nachlass von Hermann Lohse (Hamburg), verdi-archiv. Printed in Germany UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 www.uvk.de <?page no="5"?> 5 Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Berliner Pflanze (1870 - 1891) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Kindheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Jugend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Ganz unten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Organisierung (1891 - 1894). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Arbeiterinnenbewegung um 1890 . . . . . . . . . . . . . . 43 Gründung von Verein und Arbeitsnachweis . . . . . . . 47 Ein großer Rückschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Der Weg in die Gewerkschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Geschlecht und Klasse (um 1900) . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Sorgearbeit und „Gebärstreik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Organisation (1895 - 1898) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Wiederaufbau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Gründung des Zentralverbands . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Vorsitzende (1898) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Biografische Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Persönliche Eignung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Verbandsinterne Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Stürmische Jahre (1898 - 1902) . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Aufstand der Zahlstelle I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Krise im Zentralvorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 <?page no="6"?> Inhalt 6 Im Frauennetzwerk. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Entfaltung (1902 - 1905). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Aufbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Aufschwung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Die Verbandszeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Paula Thiedes Leitungsstil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Paula Thiede und der VBHi (bis 1919) . . . . . . . . . . . 153 Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Bildnachweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . 207 Texte und Quellen (vor 1945) . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Forschungsliteratur und Editionen (nach 1945) . . . 216 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Zum Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 <?page no="7"?> Für Kathrin <?page no="9"?> 9 Einleitung „Unter den Abgeordneten des Gründungskongresses war neben anderen Kolleginnen eine Frau, die, wie selten eine, den richtigen Blick für die Situation hatte. […] Diese Frau wurde Wegbereiterin und Führerin, und mit ihr zogen die anderen, ihr helfend und sie unterstützend.“ 1 Mit diesen Worten erinnerten 1928 die organisierten grafischen HilfsarbeiterInnen an ihre 1919 verstorbene, langjährige Verbandsvorsitzende Paula Thiede (*1870). Sie hat ein bemerkenswertes, geradezu unwahrscheinliches Leben geführt, dem öffentliche Erinnerung und Wissenschaft bislang jedoch kaum Beachtung geschenkt haben: Die Berliner Pflanze, die in proletarischen Verhältnissen groß wurde und zwischenzeitlich in bitterster Armut lebte, wurde 1898 zur ersten Vorsitzenden einer deutschen Gewerkschaft überhaupt. Das blieb sie bis zu ihrem Tode und es sollte mehr als ein halbes Jahrhundert dauern, bis sie 1982 in Monika Wulf-Mathies, der Vorsitzenden der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), eine Nachfolgerin fand. Das Leben und Wirken von Paula Thiede, die am 6. Januar 1870 als Pauline Philippine Auguste Berlin geboren wurde, ist eng verbunden mit dem Aufstieg der Arbeiterbewegung, den ersten Aufbrüchen der Frauenemanzipation und schließlich mit einer „Geschichte von unten“ der Stadt Berlin. Die Zufälle des einschlägigen Geburtsnamens „Berlin“ - der auf ihren holsteinischen Großvater zurückgeht - und ihrer markanten Lebensspanne von der Deutschen Reichsgründung bis zur Novemberevolution unterstreichen den Symbolcharakter ihres Lebens. <?page no="10"?> 10 Einleitung Im Laufe dieses Lebens wechselte Paula Thiede mehrfach ihren Namen. Statt Pauline nannte sie sich als Erwachsene Paula und ihr Nachname änderte sich durch ihre beiden Ehen gleich zweimal: Berlin - Fehlberg (1889) - Thiede (1895). Davon abweichend werde ich in dieser Biografie ihre Eigenständigkeit auch auf der Bezeichnungsebene abbilden und versuchen, diesem Leben mit einer Emanzipation von Ehe- und Namensrecht gerecht zu werden, indem ich hier - im Blick zurück - ihren Geburtsnamen „Berlin“ zunächst über beide Namensänderungen hinweg nutze. Die beiden bekanntesten Vertreterinnen der Arbeiterbewegung, Rosa Luxemburg und Clara Zetkin, hatten Ähnliches bereits zu Lebzeiten praktiziert. 2 Eine „Frau Berlin“ - wie der Titel dieses Buches vielleicht nahelegen mag - hat es allerdings nicht gegeben. Es gab Fräulein Berlin, Frau Fehlberg und Frau Thiede, denn das Namensrecht band die Identität der Frauen bei Eheschließung an den Namen ihres Ehemannes. Ich möchte allerdings nicht auf das patriarchale, aber damals für unverheiratete Frauen übliche „Fräulein“ zurückgreifen und - um die gebotene Distanz zu wahren - auch nicht ausschließlich ihren Vornamen nutzen. Die Bezeichnung „Frau Berlin“ ist also keine historische, sondern eine geschichtswissenschaftliche Konstruktion. Sie beruht auf konzeptionellen Überlegungen, denn „Frau Berlin“ verweist sehr treffend auf verschiedene Facetten der vorliegenden Biografie - auf die geschlechterpolitische Seite genauso wie auf die Bedeutung und rasante Geschichte Berlins. Zudem sind HistorikerInnen durch die unvermeidbare Re-Konstruktion der Vergangenheit aus der Perspektive der Gegenwart gezwungen (und haben die fantastische Möglichkeit), Dinge zu sehen und zu benennen, die die ZeitgenossInnen so nicht immer sehen <?page no="11"?> 11 Einleitung konnten. Vor diesem Hintergrund habe ich die Bezeichnung von Paula Thiede, geborene Berlin, verheiratete Fehlberg, neu strukturiert: Relevant sind hier in erster Linie ihr Wirken und ihre Arbeit und nicht ihre Ehemänner. Daher habe ich mich entschieden, sie in den Abschnitten, in denen es ausschließlich um die bislang kaum bekannte erste Hälfte ihres Lebens geht, bei ihrem Geburtsnamen zu nennen: „Pauline bzw. Paula Berlin“ oder „Frau Berlin“. Ab Ende Mai 1898 wurde sie als Gewerkschaftsvorsitzende „Paula Thiede“ zunehmend einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Dies ist zugleich der Name, unter dem sie bis zu ihrem Tod wirkte - und unter welchem sie bis heute erinnert wurde und wird. Bei generellen Aussagen und für die Zeit nach dem Gründungsverbandstag Ende Mai 1898 werde ich daher auch in dieser Biografie den Namen „Paula Thiede“ verwenden. Paula Thiede wuchs nicht nur mitten in der Hauptstadt (am Belle-Alliance-Platz, heute der Kreuzberger Mehringplatz) auf, sondern sollte auch bis zu ihrem Tod im Zentrum des Wilhelminischen Kaiserreiches leben und arbeiten. Die wichtige Industriestadt Berlin entwickelte sich zum Mittelpunkt der immer stärker werdenden Arbeiterbewegung: Hier stand ab 1900 das erste Gewerkschaftshaus, hier diskutierten die Funktionäre der Bewegung ihre Theorien und lehrten ab 1906 in der zentralen Parteischule der SPD, und hier erschien nach dem Fall des Sozialistengesetzes ab 1891 der Vorwärts - das Central-Organ der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Berlin war gleichzeitig ein wichtiges Labor für die Strategien der Gewerkschaftsbewegung: Kleine Vereine, große Streiks, stete Unruhe und gelegentliche Unruhen gehörten zum Alltag der Berliner Arbeiterbewegung um 1900. <?page no="12"?> Einleitung 12 Teil dieser dynamischen Bewegungslandschaft waren die verschiedenen Organisationen der HilfsarbeiterInnen im Buchdruck. Im März 1890 wurde der Verein der Arbeiterinnen an Buchdruck-Schnellpressen gegründet. Diese Frauengewerkschaft beharrte später als Zahlstelle- I auch dann auf ihrer Eigenständigkeit, als sie Ende Mai 1898 in Berlin einen gemischtgeschlechtlichen, reichsweiten Verband - deren erste Vorsitzende Paula Thiede hieß - mitgründete. Letzterer änderte mehrfach seine Bezeichnung, die jeweils auch in leicht variierter Form genutzt wurde - die längste Zeit nannte sich die Gewerkschaft Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (im Folgenden: VBHi). 3 Wichtige Teile der sozialistischen Arbeiterbewegung befürworteten, zumindest prinzipiell, die Emanzipation der Frau, und trotzdem teilten organisierte Proletarierinnen die Einschränkungen für Frauen aller Klassen. Dazu zählten insbesondere die Festlegung auf die Rolle der Mutter und Hausfrau, die gesellschaftliche Geringschätzung ihrer Fähigkeiten und die harte Sanktionierung abweichenden Verhaltens. Doch in den Jahren, als Pauline Berlin erwachsen wurde, regte sich unter Arbeiterinnen zunehmend der Wille, die Verbesserung der eigenen Lage zu erkämpfen. Der 1885 gegründete Verein zur Vertretung der Interessen der Arbeiterinnen ist ein Beispiel für Zusammenschlüsse proletarischer Frauen, die gewerkschaftsähnliche Ansätze praktizierten. Kurz darauf bildeten sich weibliche Agitationskommissionen, die für die Sache der arbeitenden Frauen warben und diese trotz erheblicher Repression organisierten - wenn nötig, stets aufs Neue. Zur selben Zeit beschleunigte sich auch der Aufstieg der ersten Frauenbewegung bürgerlicher Prägung. Denn Frauen <?page no="13"?> 13 Einleitung aus besseren Verhältnissen mussten ebenfalls mit erheblichen Sanktionen rechnen, wenn sie anders als vorgesehen leben wollten. Selbstständigkeit neben dem Ehemann war nicht vorgesehen. Lehrerinnen beispielsweise, die den einzigen akzeptierten Beruf für bürgerliche Frauen ausübten, verloren bei Heirat nicht nur ihre gesamten Pensionsansprüche, sondern gleichfalls die Erlaubnis, ihrer Arbeit nachzugehen. Und auch für die bürgerliche Frauenbewegung, die sich gegen diese und viele weitere Missstände richtete, war die Stadt Berlin ein Kristallisationsort. Von Minna Cauer wurde hier zum Beispiel 1888 der entschieden für Gleichberechtigung eintretende Verein Frauenwohl gegründet und hier wurden wichtige Schriften der Frauenbewegung verlegt - unter anderem die „Gelbe Broschüre“ von Helene Lange, in der eine bessere Mädchenbildung verlangt wurde und die großen Widerhall fand. Auch bedeutende, zum Teil internationale Konferenzen der Frauenstimmrechtsbewegung fanden folgerichtig in der Hauptstadt des Wilhelminischen Kaiserreiches statt. Berlin war also nicht nur politischer Mittelpunkt Preußens und des Kaiserreiches, sondern auch der Arbeiterbewegung und der bürgerlichen wie auch proletarischen Frauenbewegung. Das Berlin der Jahre 1870 bis 1919 steht insofern für den Aufbruch einer proletarischen Bewegung, die unter ihrer Oberfläche mehr umfasste als nur die Organisierung männlicher Facharbeiter. Genau für diese, meist unsichtbare Diversität steht sinnbildlich Paula Thiedes Leben - und der Name „Frau Berlin“. Paula Thiede zählte zu der kleinen Gruppe von Frauen, die aus proletarischen Verhältnissen stammten und trotz erschwerter Bedingungen wichtige Funktionen in der deutschen Arbeiterbewegung einnahmen: Ottilie Baader, Wil- <?page no="14"?> Einleitung 14 helmine Kähler, Gertrud Hanna, Helma Steinbach, Marie Juchacz und Luise Zietz gehören zu ihnen. Viele weibliche Vertreterinnen der proletarischen Bewegung, die heute noch bekannt sind, kommen hingegen aus einem bildungsnahen, bürgerlichen Elternhaus (wie etwa Rosa Luxemburg, Clara Zetkin, Ida Altmann und Toni Sender, tendenziell auch Emma Ihrer) oder dem Adel (wie die Generalstochter Lily Braun). Sie waren oft besser ausgebildet, besaßen mehr kulturelles Kapital und hatten seltener materielle Sorgen. Die meisten von ihnen beschäftigten früher oder später privates Hilfs- und Haushaltspersonal, was eine intensive politische Tätigkeit erheblich vereinfachte. 4 Die Zugehörigkeit zu der weitestgehend unbeachteten Gruppe der Proletarierinnen macht Paula Thiede nicht besser oder schlechter, aber zu etwas Besonderem - nicht für die soziale Basis der gewerkschaftlichen Frauenorganisierung um 1900, wohl aber für eine Geschichtsschreibung, die solchen Biografien tendenziell ausweicht. Die bis heute seltene wissenschaftliche Beschäftigung mit diesen Frauen schrieb über Jahrzehnte die zeitgenössische Marginalisierung fort, ja sie verstärkte sie noch und macht öffentliches, politisches Erinnern bis heute schwierig. Das liegt nicht nur an geringem Interesse der maßgeblichen (geschichts-) politischen und wissenschaftlichen Akteure, sondern auch an einer schwierigen Quellenlage. Paul Thiede hat - wie es bei ihrer proletarischen Herkunft häufig der Fall war - nach jetzigem Stand weder Briefe noch Tagebücher hinterlassen; und lediglich zwei Fotos von ihr sind bekannt. Paula Thiede hat viel für ihren Verband gearbeitet, aber nur wenige längere Texte hinterlassen. Auch das ist der Erinnerung abträglich, denn die tagtägliche (Gewerkschafts-) Arbeit ist für die Geschichtswissenschaften schwerer zu re- <?page no="15"?> 15 Einleitung konstruieren als theoretische Texte - und gilt nicht selten als belangloser. Obwohl ihre Gewerkschaft nach ihrem Tod ein Ehrengrabmal auf dem Zentralfriedhof Berlin-Friedrichsfelde bauen ließ, geriet Paula Thiede ab Anfang der 1930er Jahre in Vergessenheit. Die atemlosen Jahrzehnte nach ihrem Tod 1919 haben dazu beigetragen, dass kaum Zeugnisse von Zeitzeugen vorliegen. Die Bestände in den Archiven der Gewerkschaften litten in den Jahren 1933 bis 1945 erheblich und wurden auch danach jahrzehntelang nicht systematisch gepflegt, so dass viele gewerkschaftliche Materialien heute als verloren gelten müssen. Im Fall der Gewerkschaft der HilfsarbeiterInnen im Buchdruck sind die zentralen gedruckten Quellen stark verstreut überliefert, und von zahlreichen Publikationen ist nur die Verbandszeitschrift Solidarität erhalten. Interne Schreiben, Korrespondenzen und Arbeitsmaterialien liegen überhaupt nicht vor. 5 Zudem wirkt die jahrzehntelange Geringschätzung von Frauenbiografien, die erst durch die (Frauen-)Geschichte „von unten“ aufgebrochen wurde, bis heute nach. Als ich Ende 2017 mit der Arbeit an diesem Buch begonnen habe, war nicht einmal der Geburtsname von Paula Thiede bekannt - die vorhandenen Informationen passten in kurze biografische Übersichten. 6 Über die Gewerkschaften der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen fehlt eine systematische Studie ebenfalls. 7 Selbst zu den übergeordneten Themenkomplexen „Geschlecht und Klasse“ bzw. „Frauen und Gewerkschaften“ sind, insbesondere für den Zeitraum vor 1933, nur wenige einschlägige Arbeiten zu verzeichnen, die zudem meist schon einige Jahrzehnte alt sind. 8 Besser ist die Literaturlage für die Geschichte Berlins und die Entwicklung des Buchdrucks. 9 <?page no="16"?> Einleitung 16 Aufgrund des schlechten Forschungsstandes ist diese biografische Annäherung in seinen Kernbereichen nahezu ausschließlich aus den (noch vorhandenen) Quellen heraus geschrieben. Über die notwendige Strukturierungsarbeit hinaus habe ich versucht, die Perspektive einer klassischen politischen Biografie zu erweitern und die Quellenfunde von verschiedenen Seiten zu befragen. Ich habe in Forschung und Darstellung aufgenommen, was an verschiedenen gesellschaftlichen und persönlichen Verhältnissen für das Leben und Wirken von Paula Thiede von Bedeutung war. Dazu zählt insbesondere ihr Status als Frau im Kaiserreich sowie ihre Mehrfachbelastung durch Lohnarbeit, Gewerkschaftsarbeit und „häusliche Pflichten“, insbesondere als jung verwitwete Mutter. Ihre Lebenswirklichkeit war von den Faktoren Geschlecht, Klasse und Ausbildung, sowie den meist Frauen vorbehaltenen „Care“-Aufgaben geprägt. In der Forschungsdiskussion wird eine Perspektiverweiterung auf verschiedene Machtverhältnisse oft als „intersektional“ bezeichnet und kann im Idealfall die Vorstellungen von „Klasse“ und „Geschlecht“ erheblich vielfältiger machen. 10 Diese intersektionale Aufmerksamkeit hat sich im vorliegenden Fall als sehr produktiv erwiesen. Um die daraus resultierende Multiperspektivität abbilden zu können, variieren die thematischen Schwerpunkte der einzelnen Kapitel: Teilweise steht die biografische Entwicklung von Paula Thiede im Vordergrund, an anderen Stellen ihre politische Arbeit. Des Weiteren wechseln sich Abschnitte, in denen ihre Klassenlage im Vordergrund steht, mit solchen ab, in denen ihre geschlechtliche Realität in den Fokus rückt. Dies ist also eine Biografie, die sich besonders um die Umstände schert - aber es bleibt eine Biografie. <?page no="17"?> 17 Einleitung Der vorliegende Band konzentriert sich auf die frühen Jahre bis 1902, und damit auf die Phase, bevor Paula Thiedes Position als Verbandsvorsitzende nach einigen stürmischen Jahren durch einen Verbandstag im März 1902 als gefestigt gelten kann. Ihre persönlichen Verhältnisse wurden - soweit irgend möglich - rekonstruiert, um einen Einblick entstehen zu lassen, wie das Arbeiterkind vom Belle-Alliance-Platz die erste Gewerkschaftsvorsitzende Deutschlands wurde - mithin: wie Pauline Berlin zu Paula Thiede wurde. Weniger ausführlich werden dagegen die letzten 17 Jahre ihres Lebens behandelt - dies nicht zuletzt aus konzeptionellen Überlegungen: die Analyse ihrer meist nach 1902 geschriebenen längeren Texte sowie eine kritische wissenschaftliche Reflexion ihres Wirkens sind Ausgangspunkt für einen geplanten, separaten Forschungsband. Paula Thiede beteiligte sich rege an den verschiedenen Aktivitäten sozialdemokratischer Frauen, doch ihre Lebensaufgabe war der gewerkschaftliche Kampf um die Verbesserung der Lebensbedingungen - eine scheinbar reformistische und unrevolutionäre Arbeit. Durch eine bemerkenswerte und sehr produktive Verbindung von inhaltlicher Entschiedenheit und versöhnlichem Auftreten gelang es ihr in den zwei Dekaden als Vorsitzende, den Verband der HilfsarbeiterInnen im Buchdruck zu einer äußerst erfolgreichen Gewerkschaft zu formen. Und in Anbetracht dessen, vor welchen Schwierigkeiten Frauen in der Gesellschaft um 1900 standen, hat dieses reformistische Wirken - Thiedes konsequenter Auf- und Ausbau eines Verbandes, in dem Frauen gleichberechtigt neben ihren männlichen Kollegen wirken sollten, ihre lapidar erscheinenden Bemerkungen zu Sozialisation, Gleichberechtigung und Lohngleichheit - durchaus eine revolutionäre Seite. <?page no="18"?> Einleitung 18 Wenn die britische Feministin Laurie Penny Recht hat, und Feminismus nicht etwas zum ‚Sein‘, sondern zum ‚Machen‘ ist, 11 dann war Paula Thiede eine der großen Feministinnen des Kaiserreichs. <?page no="19"?> 19 Berliner Pflanze (1870 - 1891) Berlin-Friedrichstadt, 6. Januar 1870: Während in London bereits täglich Zehntausende die U-Bahn für die Wege durch die Metropole nutzen, waren in Berlin noch Pferdewagen das Maß der Dinge. Unweit der Wilhelmstraße, mitten im Zentrum der Weltmetropole in spe, steht bis 1943 die Dreifaltigkeitskirche. In diesem Bauwerk aus dem 18. Jahrhundert konfirmierte der evangelische Theologe und Mitbegründer der Berliner Universität Friedrich Schleiermacher zu Ostern 1831 einen gewissen Otto von Bismarck. Etliche Jahre später erschien hier Paul von Hindenburg sonntags zur Messe und die Kinder des letzten deutschen Kaisers wurden in den 1880er Jahren in der Dreifaltigkeitskirche getauft. 12 Aber in der Umgebung befanden sich auch zahlreiche proletarische Quartiere - wie in den meisten Bezirken dieser Stadt, in der 40 Jahre später bis zu 70 Prozent der abgegebenen Stimmen auf die Sozialdemokratie entfallen werden. 13 Im Einzugsbereich der Dreifaltigkeitskirche lag zum Beispiel die „südliche Friedrichstadt“ (nördlich des Halleschen Tores), die einige Jahrzehnte zuvor noch als Refugium für Literaten wie Ludwig Tieck galt. Sie war dicht bebaut und entwickelte sich, ausgehend vom Zeitungsunternehmer Rudolf Mosse, zu einem Zentrum der Berliner Druckindustrie - ab den späten 1890er Jahren siedelten sich zudem Unternehmen der jungen Filmbranche hier an. Dieses „Berliner Zeitungsviertel“ um die südliche Friedrichstraße und die Kochstraße (heute zum Teil Rudi-Dutschke-Straße) galt mit vielen kleinen Verlagen und den Massenblättern aus den Häusern Mosse, Ullstein und Scherl bald als das weltgrößte seiner Art. 14 <?page no="20"?> Berliner Pflanze (1870 - 1891) 20 Friedrichstraße / Ecke Leipziger Straße, Blickrichtung Potsdamer Platz (vor 1906). Zu sehen ist eine Filiale der Firma Mosse in der Friedrichstraße 193a bzw. Leipziger Straße 103. Vorne rechts das markante Haus der Equitable Versicherung (bekannt als das spätere „Moka Efti“ aus „Babylon Berlin“). An der Kreuzung links führt die Friedrichstraße Richtung Belle-Alliance-Platz (heute Mehringplatz). <?page no="21"?> Kindheit 21 Kindheit Am südwestlichen Rand dieser Gegend, in der Wilhelmstraße, erst in der Nummer 19, dann in der 21, wohnte am Ende der 1860er Jahre die Familie Berlin: Der Tischlergeselle Christoph Heinrich Detlev Berlin, seine Ehefrau Caroline Wilhelmine Friederike, geborene Röder mit ihrer ersten gemeinsamen Tochter Georgine Adelaide Sophie (geb. 25. April 1868). Die Eltern hatten am 5.-Mai 1867 in eben jener Dreifaltigkeitskirche geheiratet, beide waren zu diesem Zeitpunkt 29-Jahre alt gewesen. Caroline entstammte einer Arbeiterfamilie aus dem 200 Kilometer entfernten, damals brandenburgischen Woldenberg und der Vater von Christoph war zuletzt Konditor in Preetz bei Kiel. Die Neu-Berliner Familie befand sich damit in einem damals häufigen historischen Übergangsstadium zwischen arbeitender Landbevölkerung mit handwerklichem Hintergrund und dem entstehenden städtischen Industrieproletariat. Es ist anzunehmen, dass die Eheleute ihr Glück unabhängig voneinander in Berlin gesucht haben und sich dort kennenlernten. 15 Die Familie Berlin konnte am 6. Januar 1870 ein weiteres Familienmitglied begrüßen: Pauline Philippine Auguste. Die evangelische Taufe fand - ebenfalls in der Dreifaltigkeitskirche - am 26.-Juni 1870 statt. Pauline war also knapp zwei Jahre jünger als ihre Schwester Georgine, doch es gibt nur wenige Hinweise auf die Umstände, unter denen die beiden Mädchen groß wurden. Von der Wilhelmstraße 21 war die Familie zunächst zum Waterlooufer-4 übergesiedelt (dorthin, wo heute die Amerika-Gedenkbibliothek steht). Im Laufe des Jahres 1876 zog sie dann in die Friedrichstraße 250 - direkt am Belle-Alliance-Platz (heute Mehringplatz). 16 Die drei Wohnorte der Familie Berlin rund um den heuti- <?page no="22"?> Berliner Pflanze (1870 - 1891) 22 Die Gegend um den damaligen Belle-Alliance-Platz. Markiert sind die Wohnorte der Familie Berlin sowie ganz im Norden die Dreifaltigkeitskirche. Das Zeitungsviertel erstreckte sich vom Belle-Alliance-Platz aus in nordöstlicher Richtung. <?page no="23"?> Kindheit 23 gen Mehringplatz umfassten zusammen mit dem Areal bis zur Dreifaltigkeitskirche sowie dem gesamten im Entstehen begriffenen Zeitungsviertel eine Fläche von gerade einmal einem Quadratkilometer. Im Februar 1876 hatten die sechsjährige Pauline und die achtjährige Georgine einen Bruder bekommen, doch der kleine Wilhelm Friedrich Karl verstarb bereits im August, nur sechs Monate nach der Geburt. Die späte Hochzeit der Eltern - ohne dass einer der Partner zuvor schon verheiratet gewesen wäre - spricht für eine bewusste Familienplanung. Die Dreifaltigkeitskirche von Süden aus gesehen, um 1900. <?page no="24"?> Berliner Pflanze (1870 - 1891) 24 Christoph Berlin war zudem ausgelernter Tischlergeselle und so lässt sich mutmaßen, dass den beiden Töchtern zunächst die schlimmste Armut erspart blieb. Allerdings verließ der Vater bald die Familie, zog nach Altona und verstarb, bevor die Kinder volljährig waren. Ihre Mutter heiratete 1883 erneut, führte dann den Nachnamen Kordes und verlegte ihren Wohnsitz in die Derfflinger Straße 21, in der Nähe des Schöneberger Nollendorfplatzes. 17 Die beiden Mädchen waren zu diesem Zeitpunkt 13 und 15 Jahre alt, hatten ihre Schulpflicht erfüllt und mussten versuchen, auf eigenen Beinen zu stehen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass sie mit ihrer Mutter zusammen umzogen; vielleicht blieben sie gemeinsam in der elterlichen Wohnung in der Friedrichstraße 250 wohnen. Vor allem aber die Berufswahl von Pauline Berlin war eng mit dem Zeitungsviertel verbunden und lässt einen Umzug in die weit entfernte Gegend am Nollendorfplatz unrealistisch erscheinen. Für ein enges Verhältnis der Schwestern spricht, dass ihre folgenden Wohnadressen dicht beieinander lagen. 18 Obwohl sie nun auf sich selbst gestellt waren, entgingen sie den größten Gefahren einer proletarischen Berliner Kindheit im 19.-Jahrhundert: Weder starben sie, noch wurden sie minderjährig ledige Mütter - beides waren realistische Gefahren in den proletarischen Quartieren, in denen Ernährung und medizinische Versorgung völlig mangelhaft und das Wissen um und die Möglichkeiten zur Verhütung rar waren. Hilfreich war es wohl, dass beide Geld verdienen konnten. Während ihre Schwester Georgine als „Handarbeiterin“ tätig war, wählte Pauline Berlin einen anderen Weg. 19 <?page no="25"?> Jugend 25 Jugend Als ihre Mutter im Mai 1883 neu heiratete und nach Schöneberg zog, war Pauline Berlin noch keine 14 Jahre alt und stand direkt vor dem Abschluss der achtjährigen Volksschule. Im preußischen Berlin der 1880er Jahre waren für junge, proletarische Frauen die Möglichkeiten der Berufswahl aufgrund von Verboten, Gewerbeordnungen, Schulgeld und eingespielten patriarchalen Praktiken stark begrenzt. Ordentlich ausgebildet wurden in der Regel nur Männer; höhere Mädchenschule und Lehrerinnenseminar waren ob des Schulgeldes schon aus finanziellen Gründen ausgeschlossen. Von den beruflichen Möglichkeiten, die ihr faktisch zur Verfügung standen, wählte Pauline Berlin eine der vergleichsweise guten: Sie wurde „Anlegerin“ im Buchdruckgewerbe - eine im wahrsten Sinne des Wortes naheliegende Entscheidung für die Tochter einer Familie, die stets im südlichen Teil des aufstrebenden Zeitungsviertels mit seinen großen und weniger großen Druckereien gelebt hat. Diese boten nicht nur Arbeitsgelegenheiten für viele Buchdruckergehilfen (die sich nach drei oder vier Jahren Ausbildung so nennen durften), sondern auch für angelernte HilfsarbeiterInnen. Diese Tätigkeit hob Pauline Berlin vom ungelerntem Personal ab, war jedoch mit den mehrjährigen Lehrberufen im Druckwesen, die fast ausschließlich Männern („Gehilfen“) vorbehaltenen waren, in Sachen Verdienst und Prestige nicht zu vergleichen. Anlegerin an einer Schnellpresse war für Frau Berlin nicht die schlechteste Wahl. Dass sie „von dem wenigen, das sie verdiente“ noch Familienmitglieder unterstützen musste, tat der Sache keinen Abbruch. 20 <?page no="26"?> Berliner Pflanze (1870 - 1891) 26 Der Beruf der Anlegerin war verhältnismäßig jung und hatte seinen Ursprung in den technischen Eigenarten der Branche. Im 19. Jahrhundert gab es eine Reihe von einschneidenden Neuerungen in der Drucktechnik - insbesondere die Entwicklung von halbautomatischen Schnellpressen. Die Veränderungen machten geschultes Personal in verschiedenen neuen Arbeitsbereichen notwendig, zunehmend an Maschinen. Die handwerklichen Fähigkeiten der gelernten Drucker gerieten in den Hintergrund, die vormaligen Arbeitsgänge wurden zu einem Teil durch die Arbeit an und von Maschinen ersetzt und zum anderen Teil an männliche und weibliche HilfsarbeiterInnen ausgelagert. Aus den ehemaligen Press- oder Ballenmeistern wurden so Maschinenmeister einerseits und AnlegerInnen, PunktiererInnen Blick (vor 1902) vom Waterloo-Ufer auf den Belle-Alliance-Platz (heute Mehringplatz) und den Beginn der Friedrichstraße (im Bildhintergrund). Die Familie Berlin wohnte seit 1876 hinter dem hellen Haus auf der linken Straßenseite (Friedrichstraße 250). <?page no="27"?> Jugend 27 oder BogenfängerInnen (nun auch weiblich) andererseits. Um das Jahr 1890 waren Hilfsarbeiterinnen deutlich in der Überzahl, sie verrichteten eine Form der Frauenarbeit, die „ihre Entstehung der technischen Entwicklung verdankte“. 21 Prinzipiell bestand schon früh die technische Möglichkeit, die HilfsarbeiterInnen durch Maschinenarbeit zu ersetzen. Doch diese großen und teuren Geräte (zum Beispiel „Anlegeapparate“) lohnten sich noch viele Jahrzehnte lang nur für die ganz großen Zeitungsdruckereien. Gegen Ende des 19.-Jahrhunderts prägte noch eine unüberschaubare Vielzahl an Druckverfahren, Antriebstechniken und Papierzufuhren die Drucklandschaft, dabei dominierten verschiedene Varianten der sogenannten „Schnellpressen“. Diese hatten keine automatische Papierzufuhr, sondern wurden von Hilfsarbeiterinnen mit den Papierbögen versorgt. Gleichzeitig wuchs der Wirtschaftszweig im Ganzen, denn gedruckte Werke wurden zur allgegenwärtigen Kommunikationsform. Zwischen 1830 und 1900 ist daher - trotz neuer Maschinen - eine Steigerung der Beschäftigtenzahlen im Buchdruck um etwa 500 Prozent (bzw. 250 Prozent relativ zum Bevölkerungswachstum) zu beobachten. Die Lebensspanne von Paula Thiede (1870-1919) deckte sich im Wesentlichen mit dem Zeitraum, in dem die Hilfsarbeiten ihren quantitativen Höhepunkt erreichten. 22 Diese Hilfsarbeiten im Druckablauf waren meist darauf bezogen, den großen Schnellpressen das benötigte Papier Blatt für Blatt fachgerecht und im Rhythmus der Maschine zuzuführen („AnlegerIn“), es - bei einigen Maschinen - in der Presse zu fixieren („PunktiererIn“) oder die fertigen Drucke aus der Schnellpresse zu entnehmen („BogenfängerIn“). Dies waren Aufgaben, die die standesbewussten <?page no="28"?> Berliner Pflanze (1870 - 1891) 28 Druckergehilfen nicht ausüben wollten und die langandauernde Aufmerksamkeit in monotoner Tätigkeit erforderten. Und genau diese Eigenschaften wurden nach damaligen Vorstellungen insbesondere Frauen - und jungen Mädchen aus der Nachbarschaft - durchaus zugebilligt. Es war überall üblich, Frauen für die gleichen Tätigkeiten wesentlich weniger Lohn zu zahlen, was für den Unternehmer ein wichtiges Argument für die Einstellung weiblicher Hilfskräfte war. Der Beruf der Anlegerin war in einer bis zu einjährigen Lehr- und Einarbeitungszeit zu erlernen und besaß - wie die anderen Hilfsarbeiterinnen - einen Status zwischen den Buchdruckergehilfen (mit verschiedenen Spezialisierungen, oft Maschinenmeister) und den gänzlich ungelernten ArbeiterInnen. 23 Fehler, insbesondere von AnlegerInnen, konnten in der Produktion lange Ausfallzeiten verursachen. Denn das Anlegen bestand darin, die zu bedruckenden Papierbögen im Takt der Maschine exakt an eine große Walze einzulegen - und zwar Bogen für Bogen: eine im höchsten Maße repetitive, aber gleichbleibend hohe Konzentration erfordernde Aufgabe. Legte eine Anlegerin einen Bogen schief ein, wurde Makulatur produziert. Noch folgenreicher war aber ein zu spätes oder gänzlich fehlerhaftes Anlegen, denn dann gelangte die Druckfarbe auf die Trägerwalze anstatt auf den Papierbogen und übertrug sich in den nächsten Arbeitsgängen auf die Rückseiten der nächsten Bögen. In einem solchen Fall musste die gesamte Maschine angehalten und die Walze gereinigt werden. 24 Das verursachte spürbaren wirtschaftlichen Schaden und war der Hauptgrund dafür, dass zuverlässige Anleger und Anlegerinnen durchaus wertgeschätzt wurden - was diese auch wussten: <?page no="29"?> Jugend 29 „Unsere Arbeitskraft ist ein sehr gesuchter Artikel und das erklärt sich daraus, daß die monotone geisttödtende Beschäftigung nicht Jedermanns Sache ist. Wenn man eine Schnellpresse in vollem Gange sieht und sieht den Einleger dabei seine Arbeit verrichten, so kommt man unwillkürlich zu dem Schluß, daß das zwei Maschinen sind, die eine von Stahl und Eisen, die andere von Fleisch und Bein.“ 25 Trotz erheblicher Vorteile und der verantwortungsvollen Aufgabe im Produktionsprozess war das Los einer Anlegerin im Buchdruck schwer. Noch über zwanzig Jahre, nachdem Pauline Berlin das erste Mal an der Maschine gestanden hatte, zweifelten weder ArbeiterInnen noch die Arbeitgeber des Maschinensaal der Firma Klingenberg (Detmold, 1905). Zu sehen sind mehrere große, nebeneinander aufgestellte Schnellpressen; an der vordersten Maschine links ein Maschinenmeister, rechts erhöht eine Anlegerin, die einen Papierbogen von oben in die Maschine einlegt. <?page no="30"?> Berliner Pflanze (1870 - 1891) 30 Druckgewerbes („Prinzipale“) ernsthaft an Aussagen wie der folgenden: „Wenn ein Mädchen mit 16 Jahren bei uns auf die Maschine gestellt wird und 6 Jahre daran arbeitet, dann sind unsere Anlegerinnen gewöhnlich krank.“ Zahlreiche Giftstoffe und Metalle kamen in einem Drucksaal zur Verwendung und wer die Druckwalzen nach Nutzung zu reinigen hatte, bekam oft „vielfache Hautkrankheiten“. 26 Über die Sterblichkeitsrate der männlichen Buchdrucker, die ja mit den Frauen an denselben Maschinen standen, liegen für die zweite Hälfte des 19.- Jahrhunderts Zahlen vor: Weniger als die Hälfte der Berliner Buchdrucker erlebte demnach den 40.-Geburtstag. 27 Diese Gesundheitsschädigungen - bis hin zum frühzeitigen Tod - waren eine ‚körperliche Erfahrung von Klasse‘, die sich um 1900 in verschiedenen Ausprägungen in zahlreichen Berufen und vielen Weltregionen bemerkbar machte. 28 Trotz dieser gravierenden Nachteile war Pauline Berlins Berufswahl - gemessen an allen realistischen Alternativen - ein Glücksfall für eine Berliner Pflanze, die früh auf eigenen Füßen stehen musste. Denn Fabrikarbeit wurde im Vergleich zu den für Frauen üblichen Alternativen -haushaltsnahe Dienstleistungen oder Heimarbeit - deutlich besser bezahlt und ermöglichte es ihr sogar, Schwester und Mutter finanziell zu unterstützen. 29 Die ‚bessere Bezahlung‘ der Anlegerinnen ist allerdings relativ zu verstehen - einer ihrer gewerkschaftlichen Weggefährten erinnerte 1919 an die persönlichen Verhältnisse der jungen Frau Berlin: „Von frühester Jugend auf, kaum der Schule entwachsen, hat sie ihr Leben für kargen Lohn fristen müssen“ 30 . Ein Wermutstropfen blieb außerdem die tägliche Erkenntnis, dass männliche Hilfsarbeiter wesentlich mehr Lohn erhielten, nämlich etwa das Anderthalbfache für die gleiche Arbeit. <?page no="31"?> Jugend 31 Dieser Missstand wird Frau Berlin und später die Gewerkschaft der HilfsarbeiterInnen im Buchdruck immer wieder beschäftigen. Als zweiter Vorteil ist die größere soziale Freiheit zu sehen, die mit der Fabrikarbeit verbunden war. Dienstmädchen zum Beispiel konnten ihre Arbeitsstätte kaum verlassen und waren ‚ihrer‘ Familie ausgeliefert; Heimarbeiterinnen erging es im Prinzip ähnlich. Pauline Berlin stand hingegen tagtäglich mit vielen Kolleginnen und Kollegen verschiedenen Alters an der Maschine, sie hatte so etwas wie Feierabend und war in dieser Zeit niemandem Rechenschaft schuldig. Drittens kannte zwar auch das Druckgewerbe (mit Ausnahme einiger Setzerinnen 31 ) nur männliche „Gehilfen“ (Gesellen). Anlegerinnen hatten jedoch eine Anlernzeit, die zwischen sechs und zwölf Monaten lag. Hilfsarbeiterin in einer Druckerei war damit eine der wenigen weiblichen Fabriktätigkeiten, die überhaupt irgendwie als qualifiziert galten. Sie waren zwar zu ersetzen, aber nicht von einem Tag auf den anderen. Mit der zunehmenden Zahl an Hilfsarbeiterinnen (und Buchbinderinnen) war die Druckbranche eine der wenigen relevanten Bereiche, in denen Frauen nicht ausschließlich ungelernte Arbeit zu schlechtesten Konditionen verrichten mussten. In welchem Betrieb Pauline Berlin den Beruf erlernte, was sie dabei dachte und fühlte, ist unmöglich heute zu sagen, denn die Quellenlage entspricht ihrer damaligen sozialen Lage, sie ist dürftig. Die Schlagfertigkeit und Robustheit in politischen Diskussionen, die sie später als Gewerkschaftsvorsitzende an den Tag legte, lässt vermuten, dass sie sich mit Berliner Schnauze im rauen, männlich geprägten Arbeitsleben gut hat behaupten können. Genauere Überlieferungen sind erst für die Zeit bekannt, in der Pauline - oder <?page no="32"?> Berliner Pflanze (1870 - 1891) 32 Paula, wie sie sich bald nennt - begann, sich in der Gewerkschaftsbewegung zu engagieren. Was Frau Berlin jedoch ohne jeden Zweifel schon als junge Frau kennengelernt hat, war die Mühsal und das schwere Los einer Frau und Arbeiterin im 19. Jahrhundert, der ein einzelner Schicksalsschlag schnell das ganze Leben ruinieren konnte. Ganz unten Bald war Paula Berlin eigenständig, hatte eine eigene Wohnung in Kreuzberg, in der sie zusammen mit dem zehn Jahre älteren Schriftsetzer Rudolf Oskar Richard Fehlberg wohnte. Am 11.-Oktober 1889 heiratete sie, bereits unübersehbar schwanger, diesen Buchdrucker, der einer sozialdemokratischen Familie entstammte. 32 Er hatte in einer ersten Ehe bereits drei Kinder im Säuglingsalter und schließlich auch seine Frau verloren. 33 Rudolf war Sohn eines kleinen Berliner Angestellten (Martin Fehlberg, geboren in Havelberg, Kreis Westpriegnitz 34 ) und dessen Ehefrau Dorothea, geborene Kahlweggen. 35 Paula Berlin, jetzt Fehlberg, wurde zum Zeitpunkt der Eheschließung behördlicherseits als „Arbeiterin“ bezeichnet. 36 Im selben Monat heiratete ihre zwei Jahre ältere Schwester Georgine, die sich ihrerseits nun Sophie nannte, ebenfalls. 37 Vielleicht hatten die beiden seit dem Wegzug ihrer Mutter ein so vertrautes Verhältnis entwickelt, dass sie ihre Hochzeiten koordinierten. Sophie Berlin, jetzt Sauer, war eine dauerhafte Ehe beschieden (ob es eine glückliche war, bleibt unbekannt), aus der zahlreiche Kinder hervorgingen und die sie bald in die Provinz verschlug. Paula Berlin, jetzt Fehlberg, wurde dagegen, bald räumlich von ihrer großen Schwester getrennt, mit den Fährnissen des proleta- <?page no="33"?> Ganz unten 33 rischen Berlins konfrontiert. Und diese Gefahren waren für Frauen, die nichts zu verkaufen hatten als ihre Arbeitskraft, ungleich größer als für Arbeiter. Als Paula Berlin 1889 heiratete, war sie noch keine zwanzig Jahre alt, doch bereits wenige Wochen später kam ihr erstes Kind zur Welt. Emma Pauline Elisabeth Fehlberg wurde am 30.- Dezember in der ehelichen Wohnung in der Dieffenbachstraße 31 in Berlin geboren. 38 Ein Jahr später war bereits das zweite gemeinsame Kind unterwegs. Doch wenige Wochen vor der Geburt, am 23.-März 1891, erlag ihr Mann im städtischen Krankenhaus am Urban 39 einem „kurzem, aber schwerem Leiden“ 40 . Rudolf Fehlberg war somit keine 31- Jahre alt geworden und teilte das Schicksal eines frühen Todes mit zahlreichen Berufsgenossen. 41 Innerhalb weniger Wochen hatte sich durch den Tod ihres Ehemannes die Lebensrealität der nun 21-jährigen Frau Berlin dramatisch gewandelt. Das gesamte Familieneinkommen fiel aus, hochschwanger musste sie „ihre Erwerbsarbeit wieder aufnehmen“ 42 . Am 2.-Mai kam mit Hilfe einer Hebamme aus der Nachbarschaft schließlich das zweite Kind, ein Junge Namens Richard Adolf Martin Fehlberg zur Welt - wie ihr erstes Kind eine Hausgeburt. 43 Durch das Wochenbett und die Fürsorgepflichten für ihr Baby sowie für die eineinhalbjährige Emma stand Frau Berlin plötzlich alleinerziehend und ohne Einkommen da. Keine Versicherung, keine Unterstützung einer Gewerkschaft und erst recht keine staatliche Fürsorge sprangen ein. 44 Auch von ihrer Familie war keine Unterstützung zu erwarten: Ihr Vater war zuletzt in Altona gesehen worden und bereits tot, ihre Mutter schien keine Hilfe zu sein und ihre Schwester war kurz zuvor samt Familie in das 400 km entfernte Neustadt in Oberschlesien (heute Prudnik), den Geburtsort ihres Mannes, gezogen. 45 <?page no="34"?> Berliner Pflanze (1870 - 1891) 34 Es folgte der Auszug aus der Kreuzberger Dieffenbachstraße und der Umzug in den Norden, genauer in die Chausseestraße 10 II (=- zweiter Stock) in der Oranienburger Vorstadt. 46 Das war weit entfernt von ihren KollegInnen im Zeitungsviertel und ihren sozialen Bezügen in der alten Heimat. 47 Gegenüber ihrer neuen Adresse, auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof befinden sich heute die Gräber von Helene Weigel, Bertolt Brecht, Christa Wolf und vielen anderen bekannten Persönlichkeiten der linken Geschichte. Doch die Gegend war nicht für idyllische Gräber bekannt, als Frau Berlin hier Quartier bezog. Eisengießereien und Dampfmaschinen hatten der Chausseestraße, damals vor den Mauern der Stadt, zu Beginn des 19. Jahrhunderts zum preußischen Industriegebiet ersten Ranges verholfen: Hier produzierten Egells und Borsig Maschinen und gossen Eisen; hier wurden die Firmen Schering und AEG gegründet. Der nächtliche Widerschein der Feuer, die für die Metallverarbeitung gebraucht wurden, ließ den nie verlegenen Berliner Volksmund die Gegend „Feuerland“ nennen. 48 Noch 1889, zwei Jahre bevor Frau Berlin dort einzog, beherrschte die Industrie den Straßenblock, in dem sich die Chausseestraße- 10 befand: „Am Oranienburger Thor, wo früher der Zoll eingenommen wurde […], dehnen sich - fast ein apartes Stadtviertel - die Borsig’schen Fabrik-Anlagen aus, in welchen allein tausende Arbeiter beschäftigt“ waren. 49 Die Chausseestraße provozierte zahlreiche literarische Beschreibungen, unter anderem vom dichtenden Ingenieur Heinrich Seidel, der die Yorckbrücken und den Anhalter Bahnhof entworfen hatte und mit den Erzählungen von „Leberecht Hühnchen“ einen Publikumserfolg erzielte. Darin heißt es: <?page no="35"?> Ganz unten 35 „Vom Oranienburger Tore aus reihte sich an ihrer rechten Seite eine große Maschinenfabrik an die andere in fast ununterbrochener Reihenfolge. Den Reigen eröffnete die weltberühmte Lokomotivfabrik von Borsig mit den von Strack erbauten schönen Säulengängen, dann folgten Egells, Pflug, Schwartzkopff, Wöhlert und viele andere von geringerem Umfang. In den Straßenlärm hinein tönte überall schallendes Geräusch, und das dumpfe Pochen mächtiger Dampfhämmer erschütterte weithin den Boden, daß in den Wohnhäusern gegenüber die Fußböden zitterten, die Gläser klirrten und die Lampenkugeln klapperten. Zu gewissen Stunden war die Straße ein Flußbett mächtiger Ströme von schwärzlichen Arbeitern, die aus all den Fabriktoren in sie einmündeten [...]“ 50 Doch die Stadt und der Platzbedarf der Industrie wuchsen, und 1890/ 91 wichen auch diese Industrieanlagen. In dem Maße, wie sich die Produktionsstätten im südlichsten Block der Chausseestraße in den Berliner Norden verlagerten, entstanden auf den freigewordenen Flächen die für Berlin typischen vielgeschossigen Mietshäuser, die den angrenzenden Teil der Chausseestraße bereits prägten. Viele dieser Mietskasernen gelten heute als Baudenkmäler, 51 doch damals regierte das Elend. „Fast beängstigend wirkt diese Atmosphäre der unermüdlichen, angestrengten Arbeit und beängstigend kränklich sehen auch oft die Menschen aus, welche hier, dicht zusammengedrängt, wohnen. Wieviel Elend und Kummer, wieviele Leiden und Sorgen mögen sich hinter diesen schmucklosen, weißgetünchten Wänden verbergen, wieviel heiße Gebete um Hilfe aus der Noth ertönen! Wenn <?page no="36"?> Berliner Pflanze (1870 - 1891) 36 einmal das socialistische Gespenst Fleisch und Blut annimmt, dann wird es von dieser Berliner Gegend her viel Nahrung bekommen! “ 52 Die Gegend um die Chausseestraße war ein traditionelles Zielgebiet für die Wanderung der Armen an den Stadtrand oder in die Nähe der Industrie. 53 Im ersten Häuserblock der Chausseestraße kam 1891 eine besondere Variante der Armenwanderung zum Tragen. Die Neubauten auf dem Gelände der ehemaligen Borsigwerke und der Umgebung wurden in dieser Zeit fertiggestellt. 54 Die Innenwände dieser Mietskasernen wurden mit Kalkmörtel gedeckt und waren die ersten Monate nach Fertigstellung noch baufeucht und damit eigentlich unbewohnbar. Eigentlich - denn über Jahrzehnte wurde in Berlin das sogenannte „Trockenwohnen“ praktiziert: Wurden die feuchten Häuser bewohnt, beschleunigte sich der Trocknungsprozess - in erster Linie, weil durch die Atemluft ein erhöhter CO 2 -Gehalt in den Räumen herrschte und dieser notwendig zum Abbinden des Putzes war. 55 In einen der gerade fertiggestellten Neubauten, Chausseestraße 10, inmitten der Mischung von Resten der Schwerindustrie, Handwerk und entstehenden Mietshäusern zog Frau Berlin nach dem Tod ihres Mannes und der Geburt ihres zweiten Kindes ein. Die Möglichkeit des mietfreien Wohnens in der Chausseestraße, wo die Häuser in den Monaten errichtet wurden, als Frau Berlin mit ihrem Mann zugleich ihr Einkommen verlor, erklärt den Umzug in eine Gegend, die weit entfernt von ihren bisherigen Bezugspunkten lag. Ohne jegliches Einkommen konnte sie die nötigen drei Mark wöchentliche Miete nicht aufbringen. 56 Und so hat die Not wohl auch Paula Fehlberg, geborene Berlin, als mittellose zweifache Mutter <?page no="37"?> Ganz unten 37 - wie so viele andere - dazu gezwungen, als Alternative zur Obdachlosigkeit mit ihren zwei Kindern zur „Trockenwohnerin“ zu werden, also „durch ihr Wohnen den Trockenprozeß zu beschleunigen, und damit gleichzeitig den Ruin ihrer Gesundheit.“ 57 Die spätere Gewerkschaftsvorsitzende kann Mitte des Jahres 1891 getrost zu den Ärmsten der Armen gezählt werden. Heinrich Zille: „Die Trockenwohner“. Anders als bei der hier dargestellten dauerumziehenden Familie blieb das Trockenwohnen für Frau Berlin Episode. <?page no="38"?> Berliner Pflanze (1870 - 1891) 38 Ihr Mann war verstorben, ihre vertraute Schwester wohnte nun weit entfernt und ihre Mutter war neu verheiratet. Geld, um Hilfe zu bezahlen, besaß sie keines und Betreuung durch medizinisches Personal war in Frau Berlins Milieu ein seltener Glücksfall. Nur kurze Zeit schaffte es die junge Witwe unter diesen Umständen, den kleinen Richard Fehlberg am Leben zu erhalten - dann starb das wenige Monate alte Baby am 13.-August 1891. Die Todesanzeige bei der zuständigen Behörde nahm sie selbst vor. 58 Es war für Frau Berlin wohl wenig tröstlich, dass sie fünfzehn Jahre zuvor einen ebenso alten Bruder verloren hatte und dass solche Schicksale in der Arbeiterschaft um 1900 in endemischem Ausmaß auftraten. 59 Nicht einmal eine formale Todesursache wird in der Sterbeurkunde genannt, aber sicherlich kann Richard Fehlberg wie ungezählte andere als Opfer der elenden Umstände, die diese historische Phase des Kapitalismus mit sich brachte, eingeordnet werden. Frau Berlin gelang nach dem tragischen Ende der Situation jedoch ein Neuanfang. Es mag zynisch klingen, aber der Tod ihres Säuglings ermöglichte ihr, wieder lohnzuarbeiten. Im Gegensatz zu Kindern im Säuglingsalter wurden etwas ältere Kinder, wie ihre Tochter Emma, „am frühen Morgen in einem Asyl oder bei fremden Leuten den Tag über untergebracht, leider aber in vielen Fällen sich selbst überlassen“ wie Frau Berlin einige Jahre später bedauerte, vielleicht aus eigener Erfahrung. 60 Ihr erneutes eigenes Einkommen ermöglichte es ihr, mit ihrer Tochter zusammen zurück in die Nähe des Hermannplatzes zu ziehen, genauer gesagt in die Urbanstraße 36. 61 Damit war sie wieder in ihrer alten Nachbarschaft angelangt, die ein dichtes Netz von sozialen Kontakten und milieuspezifischen Einrichtungen bereithielt. In ihrem Wohn- <?page no="39"?> Ganz unten 39 haus befand sich beispielsweise eine der Verkaufsstellen der „Genossenschaftsbäckerei für Berlin und Umgegend“ 62 . In den Arbeitergegenden entstand außerhalb der eigenen Wohnung eine vielschichtige „Quartiersöffentlichkeit“. 63 Und die gesamte Gegend war eine Hochburg der organisierten Arbeiterinnenbewegung, wie die Wohnorte ausgesuchter ProtagonistInnen zeigen: Marie Greifenberg, die 1897 als Delegierte der Berliner Frauen zum SPD-Parteitag nach Hamburg geschickt wurde, sich dort dafür einsetzte, die Forderung nach dem Frauenwahlrecht stärker zu vertreten, 64 und später in Bayern eine bekannte SPD-Vertrauensfrau wurde, 65 gab gegenüber dem „Königlichen Polizeipräsidium Berlin“ bei der Anmeldung einer Veranstaltung ihre Adresse mit Dieffenbachstraße 28 an (das waren 250 Meter Fußweg bis zur Urbanstraße 36). 66 Frau Jung (Vorname unbekannt), die Mitte der 1890er Jahre zeitweise Mitglied der sechsköpfigen Berliner Frauenagitationskommission war, wohnte in der Böckhstraße 27 (etwa 700 Meter Fußweg bis zu Frau Berlin). 67 Agnes Fahrenwald wohnte 1893 in der Schönleinstraße 19 (380 Meter Fußweg) und leitete den Allgemeinen Arbeiterinnen-Verein, der in vier Filialen rund 270 Mitglieder verzeichnete, 68 sich aber zum 22. Februar 1893 auflöste. 69 Sie war 1895 mit Frau Jung zusammen in der Frauenagitationskommission und zu diesem Zeitpunkt in der Urbanstraße 116 (das war schräg gegenüber der Urbanstraße 36, etwa 200 Meter entfernt) wohnhaft. 70 Sie beteiligte sich später lebhaft an verschiedenen Diskussionen auf SPD-Parteitagen (zum Beispiel 1904 und 1911). Auch Herr A. Riese, der dem Verein der Arbeiter und Arbeiterinnen der Buch-, Papier- und Lederwarenindustrie vorstand, wohnte nur 400 Meter entfernt, in der Schönleinstraße 17. 71 <?page no="40"?> Berliner Pflanze (1870 - 1891) 40 Und es war schließlich nur ein Kilometer Fußweg bis zur Wohnung von Sophie Fiesel (später Teske), die 1893 den Vorsitz des Vereins innehatte, der unter verschiedenen Bezeichnungen im Leben von Frau Berlin die prägende Rolle spielen sollte: Der Verein der Arbeiterinnen an Buch- und Steindruck-Schnellpressen. 72 In fußläufiger Entfernung wohnte außerdem mindestens eine weitere Handvoll Männer und Frauen, die sich energisch für die Verbesserung der Lage und für die Organisierung arbeitender Frauen einsetzten. 73 Was für die gesamte Gegend galt, traf im südlichen Teil des heutigen Kreuzberger Graefekiez im Besonderen zu: Frau Jung, Frau Greifenberg, Frau Fahrenwald und Herr Riese wohnten allesamt im gleichen Häuserblock - in eben jenem Block, in welchem Frau Berlin vor ihrem durch den Tod ihres Ehemannes erzwungenem Umzug gewohnt hatte (Dieffenbachstraße 31) und in dessen unmittelbare Nähe sie nach dem Tod ihres Sohnes wieder zurückzog. Wir finden hier auf 0,1 km² eine kleinteilige, nachbarschaftliche und auf persönlichen Kontakten basierende soziale Organisationsform des Politischen vor, die in zahlreichen proletarischen Quartieren über Jahrzehnte Bestand haben sollte. Vor der Jahrhundertwende war diese Organisationsform weit verbreitet, denn es gab kaum private Telefonanschlüsse und allzu weite Wege konnten im Alltag schon wegen des Mangels an arbeitsfreier Zeit nicht in Kauf genommen werden. Hinzu kam, dass der Parteiaufbau der SPD - verstärkt durch das Sozialistengesetz - stark von räumlicher Nähe (auch in Gaststätten und Kneipen) und persönlichem Vertrauen geprägt worden war. 74 Frau Berlin war also wieder in ihrem alten Kiez angekommen, doch sie selbst war nicht mehr dieselbe. Innerhalb eines Jahres hatte sie ihre Arbeit, ihren Mann und ihren <?page no="41"?> Ganz unten 41 Zweitgeborenen verlorenen und war von den Verhältnissen gezwungen worden, in einem weit entfernten, ihr unbekannten Stadtteil mit ihrer Gesundheit und der ihrer Kinder die Miete zu bezahlen („Trockenwohnen“). Sie zog aus ihren Erfahrungen kämpferische Konsequenzen. Wohnorte ausgewählter Personen, die in den 1890er Jahren im Bereich gewerkschaftlicher Frauenorganisierung aktiv waren (einschließlich der Wohnorte von Frau Berlin 1891 und 1895). Unten begrenzt durch die Hasenheide, oben durch den Landwehrkanal und rechts durch den Kottbusser Damm. Links oben ist der Urbanhafen mit dem Urbankrankenhaus zu erkennen. <?page no="43"?> 43 Organisierung (1891 - 1894) In der Beteiligung an den Kämpfen zur Abschaffung der Umstände, die sie im Jahr 1891 selbst so dramatisch erlebt hatte, fand Frau Berlin eine Aufgabe, die ihr weiteres Leben prägen würde. Denn die Ungerechtigkeiten und das Elend insbesondere der städtischen ArbeiterInnen riefen eben nicht nur tiefe Verzweiflung, sondern auch individuelle wie kollektive Gegenwehr hervor. Der Wille zur Verbesserung der eigenen Lage manifestierte sich meistens in der Gründung von Gewerkschaften, die oft als (lokale) „Fachvereine“ oder (überregionale) Verbände von Beschäftigten in bestimmten Branchen entstanden. Vermutlich hatte Frau Berlin während ihrer Arbeit oder über ihren ersten Mann bereits Berührungspunkte mit dem gewerkschaftlichen Milieu gehabt, bevor sie im Zuge eines großen Streiks im Druckgewerbe 1891/ 92 zur Gewerkschaftsbewegung fand und schnell zu einem wichtigen Aktivposten wurde. 75 Arbeiterinnenbewegung um 1890 Als Vereine und Verbände, die sich ausschließlich für die Verbesserung der sozialen Lage ihrer Mitglieder einsetzten, waren Gewerkschaften während des im Oktober 1878 in Kraft getretenen Sozialistengesetzes nicht prinzipiell verboten. Ihre Aktivitäten konnten jedoch als politisch bewertet werden, wenn sie generalisierte Forderungen aufstellten; in dieser behördlichen Bewertung lag natürlich ein starkes willkürliches Moment. Und tatsächlich konnte nur eine Handvoll freier Gewerkschaften das Sozialistengesetz ohne <?page no="44"?> Organisierung (1891 - 1894) 44 Verbot überstehen. Die wichtigste von ihnen war der Buchdruckerverband, der sich als Unterstützungsverein deutscher Buchdrucker politisch stark zurücknahm und sich von der Sozialdemokratie lossagte. 76 Einige Jahre nach der ersten umfassenden Verbotswelle kam es jedoch vermehrt zu Neugründungen von Fachvereinen bzw. Gewerkschaften. Die preußischen Behörden beobachteten in der Zeit zwischen 1885 und 1889 alleine 32 Frauenvereine im sozialdemokratischen Milieu, die sich neu gegründet hatten. 77 Als Frau Berlin mit fast 21 Jahren kurz vor ihrer Volljährigkeit stand, lief das Sozialistengesetz am 30.-September 1890 aus. Doch der §8 des preußischen Vereinsrechtes, der bis 1908 unreformiert bestehen sollte, erschwerte weiterhin die politische Partizipation von Frauen. Dieser verbot ihnen, in politischen Vereinen aktiv zu werden und untersagte politischen Vereinen vice versa, Frauen aufzunehmen - bei Strafe des Vereinsverbotes. Die politische, aber auch gewerkschaftliche Organisierung von Frauen wurde dadurch zusätzlich behindert, denn Gewerkschaften oder „Fachvereine“ galten zwar nicht grundsätzlich als politisch, konnten aber schnell zu politischen Körperschaften erklärt werden. Das heißt, dass jede Gewerkschaft, die Frauen organisieren wollte, einen hohen Preis zu zahlen hatte: Sie musste sich insbesondere jeglicher politischer Positionierung enthalten und das Damoklesschwert des Verbots in Kauf nehmen. Ganz besonders hart traf diese rechtliche Einschränkung die politische Selbstorganisation von Frauen, die - als Konsequenz aus der nur bedingten Solidarität der Klassengenossen - in den 1880er Jahren an Fahrt gewonnen hatte. Etliche Frauenvereinigungen mit proletarischem Hintergrund wurden bereits vor dem Auslaufen des Sozialistengesetzes mit Rückgriff auf den §8 des preußischen Vereinsgesetzes verbo- <?page no="45"?> Arbeiterinnenbewegung um 1890 45 ten. Ein Schwerpunkt dieser Verbote war das Jahr 1886: Im Mai diesen Jahres wurden mit Hilfe des Vereinsrechtes zahlreiche gewerkschaftsähnliche Frauenvereine politisch aufgelöst. Zu diesen zählten der Dresdener Arbeiterinnenverein, der Verein für die Vertretung der Interessen der Arbeiterinnen, der Verein der Arbeiterinnen Berlins (einschließlich des Nordvereins) und der Fachverein der Berliner Mantelnäherinnen. 78 Die Auflösung weiterer sieben Frauenvereine im Reichsgebiet folgte, unter anderem in Halle an der Saale, Frankfurt am Main, Düsseldorf und Breslau. 79 Auch proletarische Frauenveranstaltungen wurden untersagt. 80 Im Juni 1886 wurde schließlich das wichtigste Publikationsorgan der Arbeiterinnenbewegung, die „Staatsbürgerin“, in diesem Fall auf Grundlage des Sozialistengesetzes, verboten. 81 Gleichzeitig nahm 1886 die behördliche Repression gegen die gesamte Arbeiterbewegung wieder zu. 82 Völlig zu Recht merkte Emma Ihrer einige Jahre später an, dass der §8 des preußischen Vereinsrechts in sehr weiter Auslegung lediglich gegen „Arbeiterinnen-Vereine“ in Stellung gebracht wurde, während die „Vereine der Frauen der Bourgeoisie, welche thatsächlich politische Forderungen in ihrem Statut aufstellen, unbehelligt bleiben.“ 83 Doch ließen sich viele proletarische Frauen anscheinend nicht dauerhaft schrecken. Die preußische Polizei musste beispielsweise zwei Monate nach dem entsprechenden Verbot feststellen, dass die gemeinsamen Aktivitäten von „früheren Mitgliedern des Vereins für die Interessen der Arbeiterinnen Berlins“ - das war einer der wichtigsten dieser Vereine - keineswegs eingestellt worden waren. Dokumentiert ist zum Beispiel eine gemeinsame Fahrt der ehemaligen Vereinsmitglieder zu einem Ausflugsrestaurant in Steglitz. 84 Gegen Ende der 1880er Jahre - und zwar schon vor dem Ende des Sozialistengesetzes - ist dann eine verstärkte Dy- <?page no="46"?> Organisierung (1891 - 1894) 46 namik zu beobachten, wenn es um die Organisierung proletarischer Frauen geht. Öffentliche Aufrufe wurden verfasst und verbreitet. Im Jahr 1888/ 89 fanden sehr gut besuchte Frauenversammlungen in zahlreichen Städten statt. 85 Der Aufbruch der proletarischen Frauen wurde durch den bevorstehenden Internationalen Arbeiterkongress in Paris verstärkt, für den Clara Zetkin als Delegierte der Berliner Arbeiterinnen in öffentlicher Versammlung gewählt wurde. 86 Auf dem Parteitag der SPD in Halle im Oktober 1890, also kurz nach dem Auslaufen des Sozialistengesetzes, plädierte die Hamburgerin Helma Steinbach (als Delegierte für den Wahlkreis Gera) für die Gründung von (weiblichen) Fachvereinen, „um auf dem Arbeitsmarkt den Frauen das gleiche Recht wie den Männern zu erringen“ 87 , wie es Emma Ihrer bereits zwei Jahre vorher als Ziel formuliert hatte. 88 Es folgten einige gewerbespezifische Gründungen von Frauen-Fachvereinen, etwa in der Pelzbranche. 89 Vereinzelt nahmen bestehende Fachvereine Frauen auf und entgingen trotzdem dem Verbot, zum Beispiel die Schäftearbeiter und -arbeiterinnen. 90 Die Behörden konnten nicht mehr aufhalten, dass die Arbeiterinnen eine „von Tag zu Tag bedeutendere Rolle in den gegenwärtigen wirtschaftlichen Kämpfen“ spielten, wie die Polizei besorgt an den preußischen Minister des Inneren berichtete. 91 Die Gründungswelle proletarischer Frauenverbände zu Beginn der 1890er Jahren wurde insofern durch den Wegfall der Sozialistengesetze zwar erleichtert, aber keineswegs ausgelöst - und auch der Verband, der zur politischen Heimat von Paula Thiede werden sollte, wurde bereits vor dem Ende des Sozialistengesetzes gegründet. Einer von 56-Arbeiterinnenvereinen, die Emma Ihrer im Jahr 1893 in einer Broschüre verzeichnen konnte, war dieser Verein der Arbeiterin- <?page no="47"?> Gründung von Verein und Arbeitsnachweis 47 nen an Buch- und Steindruck-Schnellpressen, dessen knapper Eintrag wie folgt lautete: „Gegründet 1890. Vorsitzende: Sophie Friesel [sic! Richtig: Fiesel, später Teske], Skalitzerstr. 122. Mitgliederzahl 1100 (durch den verunglückten Buchdruckerstreik etwas gefallen). Zweck: Die Verkürzung der Arbeitszeit und Erhöhung der Löhne. Beitrag 15 Pf pro Woche, wird verwandt zur Unterstützung Arbeitsloser. Wochenlohn durchschnittlich bei 10stündiger Arbeitszeit 8-16 Mark.“ 92 Gründung von Verein und Arbeitsnachweis Die Gründung des Berliner Vereins der Arbeiterinnen an Buch- und Steindruck-Schnellpressen am 5. März 1890 war Teil dieser Gründungswelle und erwies sich in den nächsten Jahren als das erfolgreichste und nachhaltigste dieser Projekte überhaupt. Ausgelöst wurde der Zusammenschluss durch die unhaltbaren Zustände in der Arbeitsvermittlung (die zeitgenössisch als „Arbeitsnachweis“ bezeichnet wurde), die für das Hilfspersonal bislang auf Geheiß der Prinzipale (Buchdruckereibesitzer) durch eine dazu beauftragte Einzelperson vorgenommen wurde. 93 Tatsächlich wurde der Verein der Arbeiterinnen an Buch- und Steindruck-Schnellpressen in erster Linie gegründet, um „das Joch des damaligen Stellenvermittlers, welcher von den Prinzipalen eingesetzt war, abschütteln zu können.“ 94 Denn vor der Vereinsgründung befand sich die Berliner Stellenvermittlung für BuchdruckereihilfsarbeiterInnen in der Hand eines invaliden Buchdruckergehilfen (Maschinenmeister Neumann), der von den Prinzipalen dazu beauftragt wor- <?page no="48"?> Organisierung (1891 - 1894) 48 den war. Sie befand sich in einer dunklen Kellerwohnung in der Treptower Straße in Berlin. Die von den Prinzipalen geförderte Selbstherrlichkeit des Stellenvermittlers führte zu skurrilen Zuständen: Wer als Mann „schon in die Gepflogenheiten eingeweiht war“, der erklärte dem Vermittler Neumann, dass er nebenan in der Kneipe warten werde. „Es dauerte dann auch gar nicht lange, so war Vater N. auch dort; man spielte ‚eine‘ gemütliche Partie Billard, bei der man beileibe den Alten nicht reinfallen lassen durfte“ und auf diese Weise bekam man bald eine Stelle zugewiesen. 95 Für die Uneingeweihten und die Frauen diente Neumanns Wohn- und Schlafzimmer als Wartezimmer, „Anlegerinnen und Bogenfängerinnen mußten auf einem Plättbrett Platz nehmen, das auf zwei Stühle gelegt war“, während „tüchtige Punktiererinnen“, die zu Beginn der 1890er Jahre noch sehr nachgefragt waren, Anrecht auf einen der „bevorzugten Plätze am Kellerfenster“ hatten. Die männlichen Kollegen mussten auf der Kellertreppe warten, bis gegen halb eins mittags die Arbeiterinnen den Arbeitsnachweis verließen. 96 Eigentlich sollte eine von Prinzipalen und Arbeitssuchenden paritätisch zu tragende und nach Berufen gestaffelte Gebühr entrichtet werden, 97 doch im Kellerreich des Herr Neumann waltete die Willkür, und „ansehnliches Trinkgeld“ in Höhe von „5 und mehr Mark“ wurde zuweilen fällig. 98 Der Stellenvermittler soll so „sein Schäfchen ganz bedeutend geschoren haben.“ 99 Zudem wurden die Arbeitssuchenden oft gezwungen, Arbeit unter sehr schlechten Bedingungen anzunehmen. 100 So manche Berliner Pflanze wird mit ihrem losen Mundwerk die Sache nicht unkommentiert gelassen haben. Doch wer sich beschwerte, musste mit Anwendung des Hausrechts rechnen: 101 <?page no="49"?> Gründung von Verein und Arbeitsnachweis 49 „Die selbstherrliche und zeitweise ungerechte Vermittlung des Herrn Neumann brachte es mit sich, daß eine erkleckliche Anzahl Hilfsarbeiterinnen den Nachweis meiden mußte; von diesen ging der Gedanke aus, einen eigenen Arbeitsnachweis zu gründen“. 102 Die Initiative zur Gründung der Frauengewerkschaft ging von vier Punktiererinnen und einem Sozialdemokraten aus. Diese Versammlung fand „noch unter dem letzten Schatten des Sozialistengesetzes“ 103 statt und war zugleich der Gründungstag einer zunächst kleinen, aber äußerst erfolgreichen Gewerkschaft. Der Buchdrucker und Gewerkschafter Philipp Schmitt hielt auf der ersten Versammlung im März 1890 den einleitenden Vortrag über: ‚Die Gründung einer Organisation und Errichtung eines Arbeitsnachweises‘. 104 „Arbeitsnachweis“ - das war eine zeitgenössische Bezeichnung für eine Institution, die freie Stellen und Arbeitssuchende vermittelte und die bei der Entwicklung dieser Gewerkschaft noch eine zentrale Rolle spielen sollte. Aber zunächst wurde Ernstine Jendritza noch auf der ersten Versammlung zur Vorsitzenden gewählt. 105 An der Gründung waren etwa 450 Kolleginnen beteiligt, 106 und im Juli 1890 waren genug Ressourcen gesammelt worden, um (anstelle eines Provisoriums) ein Zimmer und ein Telefon für den Arbeitsnachweis anzumieten. 107 Langjährige „Arbeitsnachweiserin“ und Mitarbeiterin in anderen Funktionen (unter anderem Kassiererin) war Ida Gottwald. 108 Eine aktive Rolle in den ersten Organisationsversuchen spielten außerdem Mathilde Sabath, Pauline Henkel und Selma Sternhagen. 109 Unterstützung kam außerdem von engagierten Kollegen aus den Gehilfenkreisen, und „keine Versammlung verging im Laufe des ersten Jah- <?page no="50"?> Organisierung (1891 - 1894) 50 res, ohne daß nicht aus Buchdruckerkreisen ein Referent über Arbeitsnachweise, Ausbau der Organisation, Verkürzung der Arbeitszeit usw. geredet hätte“. 110 Etwas anders lagen zu Beginn die Dinge in Hamburg, wo sich einen Monat später (am 4.- April 1890) der Verein der im graphischen Gewerbe beschäftigten Hilfsarbeiter gründete. Dessen erste Ziele bestanden ebenfalls in „Lohnverbesserungen“ und „geregelte[r] Arbeitslosenvermittlung“. Und auch in Hamburg wurde - zwar mit einem Jahr Verzögerung, aber dennoch zügig - im September 1891 ein Arbeitsnachweis, also eine verbandseigene Stellenvermittlung, gegründet. Allerdings waren es hier im Gegensatz zu Berlin, aber „wie sonst fast überall in der Arbeiterschaft, die Kollegen, die den Anfang machten und zuerst einmal von den Kolleginnen nichts wissen wollten“. Der offensichtlich schnell folgende Gesinnungswandel lässt sich leider nicht mehr nachvollziehen, „doch schon nach Ablauf eines Jahres wurde beschlossen, auch die Kolleginnen aufzunehmen.“ 111 Ein Herabschauen auf die Kolleginnen, die im Gegensatz zu den Männern schon ihren Verein hatten, konnten sich die Berliner Hilfsarbeiter hingegen kaum erlauben. Die Männer hatten zwar schon in den 1880er Jahren mehrfach versucht, eine informelle Vernetzung aufzubauen, scheiterten aber mehr als einmal an der einschüchternden polizeilichen Beobachtung und die Versammlungen „endeten immer nur mit einer Kegelparthie“. Mit dem Pioniergeist der Kolleginnen gingen sie pragmatisch um. Denn als das männliche Hilfspersonal in den Druckereien nun „das Entstehen der weiblichen Organisation sah, schlugen sie eine andere als die bisherige Taktik ein“ und orientierten sich an dem Modell der Frauen. Sie meldeten eine Veranstaltung am 16.-April in der Kreuzberger Sebastianstraße polizeilich <?page no="51"?> Gründung von Verein und Arbeitsnachweis 51 an, wählten einen provisorischen Vorstand und arbeiteten Statuten aus. So konnte am 4. Mai 1890 der Interessenverein der Berliner Buchdruckerei-Hilfsarbeiter durch 200 (nach anderen Angaben bis zu 350) männliche Hilfsarbeiter gegründet werden. Auch der Arbeitsschwerpunkt auf die Arbeitsvermittlung wurde von den Frauen übernommen. Den Vorsitz übernahm zunächst der Hilfsarbeiter Krüger, später leitete Otto Bleich den Verband lange Jahre hindurch. 112 Auch ein Vierteljahrhundert später spiegelte ein Rückblick die Besonderheit, dass Frauen in allen Belangen die Initiative zur gewerkschaftlichen Organisierung der HilfsarbeiterInnen im Buchdruck übernommen hatten, wider: „Aus den Schwestern ward’s geboren, was erst winzig schien, was dann aufwuchs und erstarkte, wurzelnd in Berlin. Und es folgten hier die Brüder schnell dem Ruf der Zeit: Euer Schicksal zu gestalten geht den Weg der Einigkeit! “ 113 Und bereits kurz nach der Gründung wurde der Aufruf der letzten Zeile umgesetzt: Frei nach dem Motto „march divided and fight united“ 114 blieben Männer und Frauen organisatorisch eigenständig, handelten aber gemeinsam - zum Beispiel als Ende 1890 die Hilfsarbeiter und Hilfsarbeiterinnen bei der Druckerei Mosse, dem ältesten Unternehmen im Zeitungsviertel, in einen mehrwöchigen Streik traten. 115 Zusammen mit der Hamburger Organisation waren die beiden Vereine in Berlin die Keimzellen des Zusammenschlusses der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen und das Jahr <?page no="52"?> Organisierung (1891 - 1894) 52 1890 wurde als Gründungsjahr der gewerkschaftlichen Organisation der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen betrachtet. Im Kriegsjahr 1915 wurde anstelle von Feierlichkeiten das 25.-Gründungsjubiläum nur in einigen Texten auf die Verbandsgeschichte zurückgeblickt. Darin wurde von den Beteiligten unter anderem der Stellenwert des Arbeitsnachweises betont: „Was die Berliner Kollegenschaft ihrem Arbeitsnachweis zu verdanken hat, das wird bei der Geschichte des Verbandes einen würdigen Platz einnehmen.“ 116 Die Geschichte des Verbandes wurde, anders als Paula Thiede in diesem Zitat erwartete, bislang nicht geschrieben - und auch keine Geschichte der gewerkschaftlichen Arbeitsnachweise. 117 Bevor in den Jahren 1919 und 1920 die Stellenvermittlung in staatliche Hände überging, tummelten sich auf diesem Feld jedoch sehr unterschiedliche Akteure, nicht selten nebeneinander: Einrichtungen in kommunaler Trägerschaft (meist in Süddeutschland) und solche des liberalen Bürgertums, gewerbliche Stellenvermittler, gewerkschaftliche Einrichtungen und schließlich von den Unternehmen beauftragte und bezahlte Arbeitsnachweise. Die hohe Bedeutung, die der Arbeitsnachweis und damit die gewerkschaftliche Stellenvermittlung in den Jahren zwischen 1890 und dem Ersten Weltkrieg für viele Gewerkschaften besaßen, ist durch den Lauf der Geschichte gründlich verschüttet worden. Arbeitsnachweise wurden von den Gewerkschaften unter anderem als Kampfmittel genutzt und ermöglichten insbesondere den Buchdruckereihilfsarbeiterinnen in Berlin eine deutliche Verbesserung der Arbeitsverhältnisse. Ähnliche Ansätze waren zuvor schon vom <?page no="53"?> Gründung von Verein und Arbeitsnachweis 53 Verein zur Wahrung der Interessen der Arbeiterinnen Berlin und seinem Ableger, dem Nordverein entwickelt worden. Diese hatten in den 1880er Jahren versucht, die Stellenvermittlung in die eigenen Hände zu bekommen. 118 Auch die gesamte Gewerkschaftsbewegung stand bis 1908 auf dem Standpunkt, dass Arbeitsnachweise in die Hände der ArbeiterInnen gehören. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand waren die HilfsarbeiterInnen im Buch- und Steindruck innerhalb der gesamten deutschen Gewerkschaftsbewegung führend hinsichtlich ihrer konsequenten Nutzung. 119 Seinen Anfang nahm diese Entwicklung als, wie oben beschrieben, von der Arbeitsvermittlung ausgeschlossene ArbeiterInnen auf der Versammlung am 5.- März 1890 die Idee eines eigenen Arbeitsnachweises konkretisierten. Dieser Zusammenhang unterstreicht die Bedeutung der Arbeitsvermittlungsfrage für die aufstrebende Gewerkschaftsbewegung. Nur fünf Tage nach der ersten Versammlung eröffneten die Hilfsarbeiterinnen ihren provisorischen Arbeitsnachweis. 120 Die Kollegen folgten drei Monate später (Eröffnung am 1. Juni 1890). 121 Den Aufbau der eigenen Stellenvermittlungen begünstigte, dass in den ersten Jahren die gewerkschaftlich gut organisierten Maschinenmeister in hohem Maße über Entlassungen und Einstellungen des Personals entscheiden konnten. 122 Und natürlich hatten auch die Zustände beim Vermittler Neumann ihren Teil dazu beigetragen, den HilfsarbeiterInnen im Buchdruck die Vorteile einer eigenen Organisation zu verdeutlichen: „Frauen und Mädchen und auch wohl Männer, welche noch nie einer Organisation angehört und Versammlungen besucht hatten, forderten ihre Kollegen und Kolleginnen in begeisterten Worten auf, sich der Organisation anzuschlie- <?page no="54"?> Organisierung (1891 - 1894) 54 ßen und zur Weiterentwicklung derselben Sorge zu tragen. […] Die Mitgliederzahl stieg bei uns in Kürze auf 1.200, mit deren Einnahme wir einen eigenen Arbeitsnachweis - die Verwalterin desselben erhielt einen wöchentlichen Lohn von 15 Mark - sehr gut erhalten konnten. 123 Das Ziel, den Arbeitsnachweis in die eigenen Hände zu bekommen, war für die Arbeiterinnen also der Impuls für die erfolgreiche Gründung ihrer Gewerkschaft. Beim 1890 gegründeten verbandseigenen Arbeitsnachweis handelte es sich im Kern um eine Aufstellung der freien Hilfsarbeiterinnen-Stellen (samt den Arbeitsbedingungen) und eine Liste der arbeitssuchenden Kolleginnen. Diese Informationen wurden von einer Kollegin gepflegt und miteinander abgeglichen. In einem Lokal bzw. einem Büro mit Telefon wurden zu festen Geschäftszeiten entsprechende Meldungen entgegengenommen. Diese Meldungen kamen in der Aufbauphase vor allem von den Kolleginnen aus den Betrieben sowie solidarischen Buchdruckergehilfen (meist Maschinenmeister), die in den 1890er Jahren noch oft ihr Hilfspersonal selbstständig auswählen konnten. Der Mainzer Hilfsarbeiter Kaspar Suder berichtete 1898 anschaulich, wie ein solcher Arbeitsnachweis funktionierte: Blocks mit Stellenmeldezetteln wurden zunächst durch Vereinsmitglieder in die Werkstätten gebracht. Sobald Arbeitskräfte gebraucht wurden, schickte man diese Meldezettel ausgefüllt zum Arbeitsnachweis zurück - meist taten dies Maschinenmeister, die ebenfalls Gewerkschaftsmitglieder waren. Im Arbeitsnachweis wurde aus einer komplementären Liste ein Vereinsmitglied ausgesucht, das auf Arbeitssuche war und zum Gesuch passte. Als arbeitssuchend konnten sich auch diejenigen registrieren lassen, die in Arbeit standen, <?page no="55"?> Ein großer Rückschlag 55 aber eine bessere Stelle suchten. 124 Der zentrale Hebel dieser Einrichtung war für die Gewerkschaft, dass sie in dieser Struktur entscheiden konnte, welche Arbeitskräfte wann in welche Druckerei geschickt wurden. Das war ein vorzügliches Werkzeug, um die Löhne und Arbeitsbedingungen im Sinne der Arbeitenden zu beeinflussen, weil dadurch sehr gezielt Druck auf einzelne Betriebe ausgeübt werden konnte, ohne einen aufwändigen Arbeitskampf zu riskieren. Den Berliner „Prinzipalen war die neue Organisation ein Dorn im Auge“, was wenig verwunderlich ist. Sie steuerten gegen, indem sie den Gehilfen, namentlich den Maschinenmeistern, eine hohe Prämie von 10-Mark für das Anlernen neuen Hilfspersonals versprachen. 125 Dieser erste Versuch, die Organisierung der HilfsarbeiterInnen durch Verbreiterung des Arbeitskräfteangebots zu durchkreuzen, schlug allerdings fehl. Zum einen waren die Buchdrucker und Maschinenmeister gewerkschaftlich organisiert und hielten sich bei der Annahme des Angebotes zurück. Zum anderen waren die Hilfsarbeitervereine Fluktuation gewöhnt und konnten das neu ausgebildete Personal durchaus schnell für ihre Ziele gewinnen. Für die Arbeitsnachweise gefährlicher wurde indessen eine empfindliche Niederlage in der Streikbewegung 1891/ 92. Ein großer Rückschlag Gegen Ende desselben Jahres 1891, in dem die junge Frau Berlin (damals Fehlberg) verwitwete, verarmte und ihren Zweitgeborenen Richard verlor, führten die Buchdrucker in Berlin einen zuerst hoffnungsvollen, dann zunehmend verzweifelten Kampf um den Neunstundentag. Es war ein <?page no="56"?> Organisierung (1891 - 1894) 56 massiver Angriffsstreik, der guten Mutes begann. Von den Buchdruckern selbst ist er als „Arbeitseinstellung, die es im ganzen Weltenrund nicht gegeben“ hatte, mit großen Worten historisiert worden. 126 Und im Kaiserreich steht der Streik symbolisch für die vielen kleinen und großen Auseinandersetzungen, die in den 1890er Jahren dazu führten, dass sich sowohl die ArbeiterInnenbewegung als auch die besitzende Klasse mental und organisatorisch auf größere und dauerhafte Auseinandersetzungen einstellten. Doch davon ahnte im Oktober 1891 noch kaum jemand etwas. Nach drei Tagen ergebnisloser Verhandlungen in Leipzig „gingen die Parteien am 8. Oktober 1891 auseinander“. 127 Am 30.- Oktober begannen schließlich (wiederum in Leipzig) die ersten Arbeitsniederlegungen, und wie ein „schäumender Wildbach“ folgten viele weitere Städte - am 14. November standen schließlich 12.000 Buchdrucker im Streik. 128 Die Hilfsarbeiter und Hilfsarbeiterinnen unterstützen ihre höherqualifizierten und besser bezahlten männlichen Kollegen (die Buchdruckergehilfen, also Maschinenmeister, Schriftsetzer, Schriftgießer, etc.) bis an den Rand ihrer persönlichen und organisatorischen Kräfte. Sie verbanden mit dem Kampf nicht nur die Hoffnung auf Verbesserung der eigenen Lage, sondern verstanden ihre Unterstützung auch als praktische Solidarität: In einer gemeinsamen Versammlung der Männer und Frauen verabschiedeten 900 Berliner HilfsarbeiterInnen eine Resolution und erklärten in vier Punkten ihre Teilnahme am Kampf der Gehilfen um den Neunstundentag: „Die Versammlung verpflichtet sich […] Überstunden zu verweigern […] überall, wo die Forderungen der Buchdrucker aufgestellt worden [sic! ], für diese einzutreten.“ 129 Und immerhin scheint es von Seiten der Gehilfen ein Zugehen auf die schlechter qualifizierten <?page no="57"?> Ein großer Rückschlag 57 KollegInnen gegeben zu haben, denn die wichtigen Geldsammlungen für die streikenden HilfsarbeiterInnen wurden im Laufe des Streiks bald über die einschlägigen Listen der Buchdruckergehilfen organisiert. 130 In der Aufschrift der abgebildeten Münze bildet sich diese Aufnahme der Hilfsarbeiter (noch nicht: Hilfsarbeiterinnen) in die Kampfgemeinschaft des Buchdruckerpersonals ebenfalls ab. Doch die Aufopferung war - so schien es - vergeblich: Der Kampf der Buchdrucker ging verloren. Die Behörden beschlagnahmten die gewerkschaftseigenen Geldreserven in den Unterstützungskassen und so waren trotz breiter Solidarität nach etwa zehn Wochen die Streikkassen ausgetrocknet. Vom 11. bis 16.- Januar 1892 fanden daraufhin die Verhandlungen zum Streikende statt. Im Ergebnis stand durch das „Abkommen Büxenstein/ Döblin“, das nach den „Hoch der Neunstundentag - Durch Kampf zum Sieg“. Münze zum Streik 1891/ 92, die durch den Unterstützungsverein deutscher Buchdrucker vermutlich noch während des laufenden Kampfes verbreitet wurde. Auf der Rückseite ist zu lesen: „Zur Erinnerung an die Neunstundenbewegung der Buchdrucker, Schriftgiesser und Hilfsarbeiter 1891-1892“. <?page no="58"?> Organisierung (1891 - 1894) 58 beiden Verhandlungsführern benannt war, eine Niederlage auf ganzer Linie: Die Arbeiten mussten zu den alten Bedingungen ohne jedwedes Zugeständnis wieder aufgenommen werden. 131 Vor Ort wurde die Nachricht oft nur mit allergrößtem Widerwillen aufgenommen. 132 Mit welchen Emotionen der Buchdruckerstreik 1891/ 92 verbunden war, davon zeugt ein Gedicht von Ernst Preczang - einem Buchdrucker, der Mitte der 1890er den HilfsarbeiterInnen sehr verbunden war. Unter Buchdruckern wie unter den HilfsarbeiterInnen galt er als „Vereinsdichter“ 133 und „zählte im ersten Drittel des 20. Jh. zu den meistgelesenen sozialdemokratischen Autoren“ 134 in Deutschland. 135 Nach dem Neunstundenkampfe (Berlin 1892) Nie schlug Begeisterung so hohe Wellen; Nie war die Zuversicht so stark und groß; Nie schien sich sieggewisser unser Los Mit einem Schlage mächtig zu erhellen. […] Und nun - wir fassens kaum: besiegt, geschlagen! Jäh in das Dunkel sank der Hoffnung Stern Vor Mammonsmacht, Verrat und Schwächlichkeit 136 Die beiden Berliner Organisationen der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen standen vor einem Scherbenhaufen. Noch deutete nicht viel darauf hin, dass nur wenige Jahre später der Neunstundentag für die Buchdrucker Wirklichkeit wurde und etwa ab dem Jahrhundertwechsel ein Zentralverband der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen eine wegweisende Rolle in der gewerkschaftlichen Organisation arbeitender Frauen und Mädchen spielen würde. <?page no="59"?> 59 Der Weg in die Gewerkschaft Der Weg in die Gewerkschaft Genau in dieser Phase, mitten im laufenden Arbeitskampf, stieß die junge Frau Berlin zum Verband. 137 Jahre später erinnerte sie sich an diese Zeit, nahm sich dabei aber persönlich zurück und schrieb über sich als eine von vielen in der dritten Person: „Im Januar 1892 wurde der Kampf beendet, er mußte als verloren angesehen werden, trotzdem mit Ausdauer und Opfermut ausgehalten wurde […]. Gehilfenseitig waren keine zu großen Verluste zu verzeichnen, denn die Unterstützungseinrichtungen waren ein festes Band; aber bei den Hilfsarbeitern war das anders, große Hoffnungen waren vernichtet […]. Nur Berlin und Hamburg hatten die zähe Kraft, durchzuhalten. […] [A]ber vor großen Schwierigkeiten standen die Berliner Kolleginnen, da der gesamte Vorstand seine Ämter niederlegte. Aus dieser Zeit stammen unsere Kämpferinnen, die auch heute noch an erster Stelle stehen. Sophie Teske (früher Fiesel), Pauline Henkel, Selma Sternhagen, Mathilde Sabath, Paula Thiede (früher Fehlberg), Ida Gottwald, diese übernahmen es, die Fahnenflüchtigen zurückzurufen und weiter zu bauen am begonnenen Werk.“ 138 Nach der verheerenden Niederlage, die ihre Organisation bis auf wenige Reste niederwarf, mussten also die Verbände der HilfsarbeiterInnen neu aufgestellt werden. Der Neubeginn des Berliner Vereins der Arbeiterinnen an Buchdruck-Schnellpressen wurde auch zum Neubeginn für Frau Berlin, die sich, gerade 22-jährig, aber bereits voller Lebenserfahrung, in den Kampf zur Verbesserung der Lage ihresgleichen warf. Trotz <?page no="60"?> 60 Organisierung (1891 - 1894) (oder wegen? ) ihrer alleinigen Verantwortung für die ihr verbliebene dreijährige Emma setzte sie sich mit viel Aufwand für den Wiederaufbau des Vereins ein. Es dauerte nur wenige Wochen, dann übernahm sie am 4. März 1892 durch die Wahl zum Vorstandsmitglied auch formal Verantwortung, weitere zwei Jahre später wird sie Vorsitzende der Berliner Hilfsarbeiterinnen. 139 Wieder konzentrierte sich der Verein zunächst auf die verbandseigene Arbeitsvermittlung. 140 Doch der Einsatz für die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für sich selbst und die KollegInnen war gerade in dieser Zeit mit erheblichen Entbehrungen verbunden. Wie viele andere GewerkschafterInnen, die wichtige Funktionen innehatten, saß Frau Berlin „bis tief in die Nacht hinein zu Hause in der engen Wohnung […] und verfertigte handschriftlich Versammlungseinladungen, Anschreiben an die Kolleginnen usw., die selbstverständlich auch von den Vorstandsmitgliedern selber verteilt werden mußten.“ 141 Von einer nennenswerten „Remuneration“, also Entschädigung oder Bezahlung für die Verbandsarbeit konnte dabei noch nicht die Rede sein. Die Versammlungen fingen bei langer täglicher Arbeitszeit erst um halb neun oder neun Uhr abends an und endeten nie vor halb zwölf, oft gingen sie noch wesentlich länger. Die „Pferdebahn stellte um 11 Uhr auf fast allen Strecken den Verkehr ein“ und die Kolleginnen gingen zu Fuß nach Hause - „aber früh um 7 an der Maschine stehen, das war Pflicht und wurde gemacht.“ 142 In einem Bericht im Vorwärts, das nicht nur als Lokalblatt, sondern auch als wichtigstes überregionales Kommunikationsmedium der Sozialdemokratie diente, wurde Frau <?page no="61"?> 61 Der Weg in die Gewerkschaft Berlin („Paula Fehlberg“) zum ersten Mal im Juli 1894 als Vorsitzende des Vereins der Arbeiterinnen an Buch- und Steindruck-Schnellpressen erwähnt. 143 Der Vereinsvorsitz wurde in der Folgezeit nochmals von Sophie Fiesel (später Teske) übernommen. Im Jahr 1897 übte Frau Berlin (nun schon unter dem Namen „Paula Thiede“) das Amt der Schriftführerin aus. Erst zu Beginn des Jahres 1898, als die Gründung eines Zentralverbandes schon in Aussicht stand, übernahm sie wieder den Vorsitz. 144 <?page no="63"?> 63 Geschlecht und Klasse (um 1900) Die meisten Frauen aus dem Proletariat waren aus unterschiedlichen Gründen gezwungen, einer Lohnarbeit nachzugehen. Sei es, dass der Verdienst des Ehemannes nicht ausreichte, um die Familie zu ernähren, sei es, weil sie (noch) unabhängig von einem Mann über die Runden kommen mussten oder wollten. Letzteres betraf nicht nur kinderlose, alleinstehende Frauen, sondern auch zahlreiche Familien, „die den Vater […] nie gekannt oder verloren hatten“ 145 . Paula Thiede hat im Prinzip alle diese Familienkonstellationen durchgemacht. Für sie wie für alle anderen Frauen, denen Last und Verantwortung für Kinder und Haushalt aufgebürdet wurden, waren Themen von großer Bedeutung, um die sich nur wenige Männer kümmerten. Ehe Nachdem Frau Berlin alias Paula Fehlberg 1894 Vorsitzende des Vereins der Arbeiterinnen an Buchdruck-Schnellpressen (der späteren Zahlstelle I des Zentralverbandes VBHi) geworden war, aber noch bevor im 1896er-Streik die Anerkennung der Arbeitsnachweise erzwungen wurde, heiratete sie im Oktober 1895 ein zweites Mal, nun den wenige Monate älteren Kellner Wilhelm Thiede. 146 Gewerkschaftsarbeit musste mangels eigener Räume oft in Lokalen sympathisierender Wirte stattfinden, erst einige Jahre später sollte die Berliner Arbeiterbewegung mit der Eröffnung des Gewerkschaftshauses am Engelufer einen eigenen Ort haben. Der Wohnort des Gastwirtsgehilfen Thiede, die Seydelstra- <?page no="64"?> Geschlecht und Klasse (um 1900) 64 ße 26 (in Berlin Mitte), war nur wenige Gehminuten vom Restaurant Keßner in der Annenstraße- 16 entfernt, einem häufigen Versammlungsort der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung, in dem seit September 1893 der verbandseigene Arbeitsnachweis der Buchdruckereihilfsarbeiterinnen untergebracht war. 147 Es scheint naheliegend, dass Pauline Philippine Auguste Fehlberg, geborene Berlin, und Wilhelm Friedrich August Thiede sich in der Annenstraße 16 kennenlernten - sie als Gewerkschafterin, die nach einem langen Arbeitstag noch die Organisation der Hilfsarbeiterinnen zu verbessern suchte, und er, während er als Teil seiner Arbeitszeit die seltenen Bestellungen der oft aus Not heraus sehr sparsamen Buchdruckereihilfsarbeiterinnen entgegennahm. Wilhelm Thiede wurde am 3.-September 1869 in Lossin/ Kreis Stolp (heute Łosino/ Słupsk) als Sohn eines Maurers geboren. Auch Wilhelms Eltern kamen also „aus der Provinz“ (wie es in Berlin hieß), waren aber im Gegensatz zu den Eltern von Frau Berlin dort geblieben. Wieder verwandelte sich mit Wilhelms Wanderung nach Berlin ein handwerklicher, ländlicher Teil der Bevölkerung in einen proletarischgroßstädtischen, wie es so typisch für das 19.- Jahrhundert war. Die Land-Stadt-Migrationsgeschichten der Familie Berlin und der Familie Thiede waren lediglich um eine Generation versetzt. 148 Wilhelm Thiede akzeptierte in den folgenden Jahren stets den Weg seiner Ehefrau - er muss diese Entscheidung sogar sehr bewusst getroffen haben, weil Paula im Jahr der Hochzeit schon innerhalb der späteren Zahlstelle I im Vorstand aktiv war - und ihr Engagement in den Jahren nach der Hochzeit verstärkte, anstatt darin nachzulassen. Dies war alles andere als selbstverständlich. Ob in bürgerlichen oder proletarischen Kreisen, selbstbewusste Frauen mussten sich <?page no="65"?> Ehe 65 nur allzu oft zwischen ihren eigenen Interessen und denen ihres Mannes und den Ansprüchen der Gesellschaft entscheiden. 149 Die kaiserliche Gesellschaft war Antreiber einer patriarchalen Idee von Geschlecht und Familie und wies den Individuen die entsprechenden Orte zu. Vielleicht waren Vorstellungen der geschlechtlich vorherbestimmten Rolle niemals so geschlossen, niemals so konsequent, so binär und ließen nur so wenig ideologische und praktische Schlupflöcher, wie das in der zweiten Hälfte des langen 19. Jahrhunderts der Fall war. Doch gleichzeitig wurden diese Vorstellungen zunehmend mit ebenso kategorisch formulierten Emanzipationsbestrebungen konfrontiert. Diese Gegenbewegung musste um jeden Fußbreit kämpfen, jede einzelne weibliche Studentin war ein Ereignis, die wenigen Ärztinnen hatten samt und sonders im Ausland studiert. Lehrerinnen - der einzige anerkannte Beruf für Frauen, der Selbstständigkeit bot - verloren bei Hochzeit ihre Stellung („Lehrerinnenzölibat“). In großen und kleinen Praktiken manifestierten sich die frauenfeindlichen Vorstellungen: In ihrer Heiratsurkunde wurde Paula Thiede, verwitwete Fehlberg, geborene Berlin nicht als „Anlegerin im Buchdruck“, ja noch nicht einmal als „Mutter“ oder „Hausfrau“ bezeichnet, sondern als „Schriftsetzerwitwe“. Vermutlich mussten solche Bezeichnungspraktiken sowie die Zulassung zum Studium für die meisten arbeitenden Frauen zweitrangig bleiben. Sie waren froh, wenn sie ihr Überleben und das ihrer Familie sichern konnten, ohne selbst vollständig unterzugehen. Von dieser patriarchal verfassten Gesellschaft stellte die Arbeiterbewegung im Kaiserreich - obwohl sie zumindest in Ansätzen dagegen Stellung bezog - keine große Ausnahme dar. Die Biografien männlicher Gewerkschaftsfunktionäre <?page no="66"?> Geschlecht und Klasse (um 1900) 66 legen davon beredtes Zeugnis ab. Selbst ein August Bebel, der mit seinem Buch „Die Frau und der Sozialismus“ Generationen von Frauen zur Selbstständigkeit ermunterte, hat die Theorie der Frauenemanzipation „an sein eigenes Leben […] offenbar nicht herangelassen“ 150 . Er war mit seinem Verständnis von Familie und Geschlecht, das wir - vielleicht fälschlicherweise - als „traditionell“ bezeichnen, nicht allein: Vor allem männliche Sozialdemokraten, die Karriere gemacht haben, aber auch durchschnittliche Parteigänger lebten höchst selten gleichberechtigte Partnerschaften. 151 Auch auf organisatorischer Ebene der Gewerkschaften war die Frauenemanzipation noch in weiter Ferne. Im Jahr 1910 hatten von 53 Gewerkschaftsverbänden 18 keine weiblichen Mitglieder. 152 Der Berufsverband der Buchdrucker weigerte sich besonders lange (bis 1920), Frauen in seine Reihen überhaupt aufzunehmen. 153 Und den Gastwirtsgehilfen musste Gertrud Hanna noch 1920 erklären, dass es bei der Organisierung in Gewerkschaften um den gemeinsamen Kampf von Männern und Frauen am Arbeitsplatz gehe - und nicht um eine etwaige „Hebung der Sittlichkeit“ der Frauen, wie sie vom Verband der Gastwirtsgehilfen mit Verweis auf die Gefahr der Prostitution in den Mittelpunkt gerückt wurde. 154 Vor diesem Hintergrund sind die Ehen von Frau Berlin bemerkenswert, weil beide Ehemänner - Rudolf Fehlberg als Schriftsetzer und Wilhelm Thiede als Kellner - rückständigen Gewerkschaften angehörten. Zumindest für Wilhelm Thiede kann man dabei feststellen, dass er den Weg von seiner Ehefrau akzeptierte, unterstützte oder ihr zumindest nicht im Weg stand. Vielleicht kam es seinen Vorstellungen entgegen, vielleicht besaß Wilhelm Thiede Größe und Solidarität genug, Frau Berlins gewerkschaftliche Ambitionen <?page no="67"?> Sorgearbeit und „Gebärstreik“ 67 zu unterstützen und als Mann öffentlich eine untergeordnete Rolle zu spielen. Für Frau Berlins zweiten Ehemann kann jedenfalls offenbar gelten, was Clara Zetkin über Rosa Luxemburgs langjährigen Partner Leo Jogiches sagte: „Er war einer jener heute noch sehr seltenen Mannspersönlichkeiten, die neben sich in treuer, beglückender Kameradschaft eine große Weibspersönlichkeit ertragen können, ohne deren Wachsen und Werden als eine Fessel des eigenen Ichs zu empfinden“. 155 Ein solches politisches und privates Einverständnis bildete anscheinend ein solides Fundament für die Dauerhaftigkeit der am 22.-Oktober 1895 geschlossenen Ehe, denn sie hielt 24 Jahre lang und endete erst mit Paulas Tod. 156 Sorgearbeit und „Gebärstreik“ Eine solche Solidarität in der Familie ist nicht wenig in einer Zeit, in der Frauen in öffentlichen Funktionen rar waren und nicht selten einen hohen Preis dafür bezahlen mussten. Sie wurden unterschätzt, ihre Leistungen wenig gewürdigt und im Extremfall wurde ihr abweichendes Verhalten gesellschaftlich heftig sanktioniert. 157 Für Frauen war die Sorgearbeit für Familie und Kinder nur schwer vereinbar mit politischem Engagement. Als ihre Tochter Emma neun Jahre alt war, sprach Paula Thiede auf einer lokalen Verbandsversammlung in Hamburg und thematisierte neben anderen gewerkschaftlichen Themen wie selbstverständlich auch die Doppel- und Dreifachbelastung von arbeitenden Frauen. In ihrem Referat behandelte sie „geschäft- und <?page no="68"?> Geschlecht und Klasse (um 1900) 68 häusliche Verhältnisse, schilderte die Kindererziehung nach beendigter Geschäftszeit, was durch Überanstrengung […] auch zum schnellen Verschwinden der körperlichen Kräfte Anlaß giebt“ 158 . Umso bemerkenswerter erscheint dies, weil diese Verhältnisse zwar allgegenwärtig waren, jedoch umso seltener besprochen wurden. Der Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (VBHi) stellte mit seiner selbstbewussten weiblichen Mitgliedschaft eine seltene Ausnahme darin dar, die Konsequenzen geschlechtlicher Arbeitszuweisung in seine Diskurse und Praktiken aufzunehmen. Das Arbeitsvolumen von Frauen vervielfachte sich, sobald zu Lohnarbeit und Haushalt noch Kinder hinzukamen. Frau Berlin bekam in der zweiten Ehe keine weiteren Kinder. Im Vergleich mit den Frauen ähnlicher Klassenlage war ihre Kinderzahl damit gering - ihre Schwester beispielsweise, die zur gleichen Zeit geheiratet hatte, bekam zwischen 1890 und 1909 sieben Kinder. Unter den Frauen, an die heute noch aufgrund ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Tätigkeit erinnert wird, waren Kinder, die ohne einen aufopferungsvollen Partner, unterstützende Familie und/ oder bezahltes Personal großgezogen wurden, eine absolute Ausnahme - und zwar unabhängig von der sozialen Herkunft. Tatsächlich ist die Zuweisung der Geschlechterrollen über die Klassengrenzen hinweg so stark, dass hinsichtlich der Vereinbarung von öffentlichem Leben und Familie entscheidender war, welchem Geschlecht man zugerechnet wurde, als aus welchen sozialen Verhältnissen man stammte. Frauen, die Politik machten, hatten in der zweiten Hälfte des langen 19. Jahrhunderts in der Regel keine Kinder. Frau Berlin war aktiv in den Berliner Frauennetzwerken und -lesekreisen, 159 im Verein der Arbeiterinnen an <?page no="69"?> Sorgearbeit und „Gebärstreik“ 69 Buchdruck-Schnellpressen und bei den sozialistischen Frauen in der SPD. Schließlich leitete sie zwei Jahrzehnte lang eine reichsweite Gewerkschaft - und sie brachte zwei Kinder zur Welt (von dem sie eins im Säuglingsalter verlor), womit sie schon eine Ausnahme darstellte. Rosa Luxemburg blieb ebenso kinderlos wie Emma Ihrer und Luise Zietz. Tony Sender und Ida Altmann verzichteten genauso auf Nachwuchs, wie es die späteren Parlamentsabgeordneten aus dem VBHi Gertrud Hanna (Berlin), Gertrud Lodahl und Johanne Reitze (beide Hamburg) taten; die selbst aus einem kinderreichen, armen proletarischen Elternhaus stammende Ottilie Baader hatte ebenfalls keinen eigenen Kinder. Auch die Hamburgerin Helma Steinbach (auf dem ersten Parteitag der SPD nach dem Sozialistengesetz neben Emma Ihrer die einzige weibliche Delegierte, die sich zu Wort meldete) blieb kinderlos. 160 Clara Zetkin bekam hingegen zwei Söhne und Marie Juchacz Sohn und Tochter. Zu den wenigen Ausnahmen zählen außerdem Johanna Tesch, die in der Weimarer Republik Reichstagsabgeordnete und lange Jahre Mitglied des SPD-Parteivorstands war, mit drei Kindern sowie Margarete Wengels, die neun Kinder zur Welt gebracht hatte. Wengels leitete 1893 die Berliner Frauenagitationskommission, war um 1900 eine zentrale Figur auf diesem Gebiet und wurde später für die USPD Stadtverordnete in Berlin (1919- 1925). 161 Diese Verhältnisse werfen unweigerlich die Frage auf, wie die Kinderlosigkeit denn organisiert wurde. Um 1900 war es schwierig bis ausgeschlossen, Verhütung öffentlich zu thematisieren, zumal für Frauen, denn es lagen starke Tabus auf einer weiblich-selbstbestimmten Sexualität und der Familienplanung - und es mangelte daher an entspre- <?page no="70"?> Geschlecht und Klasse (um 1900) 70 chendem Wissen. Der Coitus interruptus war Alltagspraxis, ansonsten fühlten sich Männer oft nicht zuständig. 162 Präservative waren teuer (ein Dutzend kostete in etwa ein Viertel eines Hilfsarbeiter-Wochenlohnes 163 ) und ihre Nutzung obendrein auf männliche Kooperation angewiesen. Die Bewerbung sämtlicher Verhütungsmethoden war verboten. Lediglich Kondome waren relativ leicht zu bekommen. 164 Die mündliche Weitergabe ‚traditioneller‘ Verhütungs- und Abtreibungsmethoden scheint in diesem Milieu zu dieser Zeit nur stark eingeschränkt funktioniert zu haben. Sprechverbote und durch die Land-Stadt-Migration unterbrochene vertrauliche Beziehungen scheinen viele junge Frauen in Sachen Kontrazeption ahnungslos gemacht zu haben. 165 Lediglich von „Mutterspritzen“ und hemdsärmeliger Selbsthilfe („Stochern“) wurde in Befragungen berichtet. 166 Abtreibungen waren illegal (§§ 218-220) und fanden deswegen selbst bei ‚professioneller‘ Hilfe unter höchst riskanten Umständen statt - nur die oberen Schichten konnten im liberalen Belgien den daraus resultierenden Gefahren entgehen. 167 Obwohl die Verbote nicht alle konsequent umgesetzt wurden, 168 forderten diese Zustände im Kaiserreich Hunderttausende von Todesopfern 169 - Frauen vor allem und Kinder, die in Zustände hineingeboren wurden, die ein Überleben zur Glückssache machten. Trotz der Tabus und hindernden Gesetze gab es eine zunehmende Tendenz zu bewusster Familienplanung, die bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts verstärkt die Arbeiterinnen erfasste. 170 Das Thema umfasste nicht nur technische Fragen der Verhütung, sondern auch die vermehrten Belastungen durch Erziehung, Sorge- und Pflegearbeit sowie Haushaltsführung („Care“), die mit jedem Familienzuwachs für Frau- <?page no="71"?> Sorgearbeit und „Gebärstreik“ 71 en folgten. Die öffentliche Diskussion begann allerdings erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg, 171 ausgelöst durch einen spürbaren Geburtenrückgang. 172 Der Themenkomplex „Kinder, Care, Familienplanung“ spielte für fast alle Frauen (und insbesondere für die meist junge weibliche Basis des Verbandes der Hilfsarbeiterinnen) eine zentrale Rolle in der Lebensgestaltung. Weil er aber - in der für Frau Berlin diesbezüglich wichtigsten Zeit - noch nicht ‚sagbar‘ bzw. öffentlich diskutierbar war (und damit kaum wissenschaftlich rekonstruierbar), bietet sich an, auf die Gebärstreikdebatte von 1913 zurückzugreifen, um die verschiedenen Implikationen des Themas zu verdeutlichen. Diese Debatte demonstrierte spektakulär, welche Relevanz Verhütung und Familienplanung gerade auch für Frauen aus dem Milieu der Arbeiterbewegung besaßen. In zwei brechend vollen Veranstaltungen im August 1913 wurden die politischen Implikationen von Verhütung, Schwangerschaftsabbrüchen und Geburtenplanung in der „Neuen Welt“ am Berliner Hermannplatz öffentlich diskutiert. Zu beiden erschienen mehrere Tausend Frauen - mehr, als der Saal, einer der größten in Berlin, fassen konnte. Das Interesse war „erheblich größer“ als an den Veranstaltungen zum Massenstreik. 173 Hintergrund der Debatte war ein vom Innenministerium bestellter Bericht, in dem der SPD die Hauptverantwortung für die sinkenden Geburtenraten gegeben wurde. 174 Konkreter Auslöser waren jedoch die Thesen zweier sozialdemokratischer Ärzte, Julius Moses und Alfred Bernstein, 175 die die abnehmenden Geburtenraten (insbesondere qualifizierter Arbeiterinnen) als Taktik im Klassenkampf legitimierten, weil Geburtenkontrolle dem Kapitalismus Arbeitskräfte entziehe: „Der Gebärstreik, der unblutige, er wird den Kapi- <?page no="72"?> Geschlecht und Klasse (um 1900) 72 talismus auf das Knie zwingen“. 176 In vielen Veranstaltungen rief Alfred Bernstein die proletarischen Frauen dazu auf, den „Geburtenstreik“ zu organisieren und verbreitete en passant detailliertes Verhütungswissen. 177 Die Ärzte kannten die Lage der Arbeiterfamilien und betonten die Alltagsbedeutung der Geburtenkontrolle stets stärker als die politische Rechtfertigung: „die Oede eures Daseins, die schreckliche Folter eures Erwerbslebens, Hunger, Siechtum […] - sie werden bis in alle Ewigkeit bestehen, wenn ihr nicht die Kinderproduktion regelt! “ 178 Dem Eindruck nach haben die beiden Ärzte, die langjährige Erfahrung in proletarischen Quartieren hatten, mit ihrer Theorie vor allem ihre humane Einstellung und Praxis innerhalb der Sozialdemokratie politisch abschirmen wollen. Denn die SPD vertrat in dieser Frage keinen emanzipierten Standpunkt. Die Hamburger Sozialdemokratin Alma Wartenberg hatte sich als eine der ganz wenigen - entgegen der Parteilinie - für die Selbstbestimmung der Frau in Sachen Verhütung und Geburten stark gemacht: „Wenn der Staat auch noch so viel Gesetze gegen den Rückgang der Geburten schaffe, so müsse die Frau doch Herrin über ihren eigenen Körper bleiben. Das Recht, sich gegen Geburten zu schützen, stehe ihr selbst gegen den Willen ihres Ehemannes zu! “ 179 Sie hätte hinzufügen können: auch gegen den Willen von Rosa Luxemburg, Clara Zetkin oder Wilhelm Liebknecht; 180 gegen den Willen auch der Berliner SPD, die im August 1913 aus ihrem Standpunkt keinen Hehl machte, wenn sie die Parole „Gegen den Gebärstreik“ als „Thema“ tarnte. Die SPD schickte Clara Zetkin, Rosa Luxemburg und Luise Zietz auf das Podium der beiden Veranstaltungen, die unter dem Motto „Gegen den Gebärstreik“ stattfanden. <?page no="73"?> Sorgearbeit und „Gebärstreik“ 73 Daneben hielten die Ärzte Julius Moses und Alfred Bernstein, die zum Ausbruch der Debatte beigetragen hatten, kurze Beiträge. Die in überwältigender Anzahl erschienenen Frauen waren mit der Parteiposition überhaupt nicht einverstanden. Zuerst hielt Clara Zetkin ein längeres Eingangsreferat. Es war die Zetkin, deren Eltern um der Bildung ihrer Kinder wegen umgezogen waren und die in einem Privatseminar als Lehrerin ausgebildet wurde. Es war auch dieselbe Zetkin, deren Sohn Maxim 1913 bereits promovierter Mediziner war, und deren zweites Kind Kostja kurz vor dem Abschluss des Medizinstudiums stand. 181 Diese Clara Zetkin, die seit über zehn Jahren Haushaltspersonal beschäftigte und seit 1907 Besitzerin eines Automobils war, 182 erklärte den anwesenden Frauen, ihr Gebärstreik sei kleinmütig und „eine ganz reaktionäre Utopie“. Wer sich aus Antimilitarismus weigere, viele Kinder zu bekommen, weigere sich gleichzeitig, „der Revolution Soldaten zu gebären“. Und das würde Einladung zur Versammlung über den Gebärstreik, Vorwärts, 22. August 1913 (Jg. 7 / Nr. 216), S. 7. <?page no="74"?> Geschlecht und Klasse (um 1900) 74 den historischen Sieg der Arbeiterklasse in Frage stellen, weil ein „Blick in die Geschichte zeige, daß die aufstrebenden Klassen nicht durch ihre Qualität, sondern durch ihre Masse gesiegt hätten“. 183 Daneben nahm es sich geradezu harmlos aus, dass die kinderlose Rosa Luxemburg „Oberflächlichkeit, Dummheit und Denkfaulheit“ am Werke sah, weil der Gebärstreik so viele Anhängerinnen fand. Sie wie auch Zetkin plädierten gegen individuelle „Selbsthilfe“ 184 (Luxemburg) und für den Kampf im „Interesse der ganzen Klasse“ 185 (Zetkin). Letztere tat die Familienplanung der arbeitenden Frauen, die unter allerschwersten Umständen stattfand, als „bürgerlichanarchistelnd[es]“ Streben nach individueller Verbesserung ab. 186 Aber auch die Gegenseite fuhr schweres rhetorisches Geschütz auf: Alfred Bernstein veröffentlichte parallel zu den Diskussionsveranstaltungen in Neukölln eine Broschüre unter dem Titel „Wie fördern wir den kulturellen Rückgang der Geburten? “. Darin hieß es Richtung Clara Zetkin, die immer wieder die „reinliche Scheidung“ der proletarischen von der bürgerlichen Frauenbewegung betont hatte: „Und ihr Frauen, die ihr die grosse Scheidelinie zwischen hüben und drüben nicht genug betonen könnt, seht die höchste Erfüllung euren sittlichen Strebens im Massenunglück, in einer dauernden Verelendung der Arbeiterklasse. Ihr wärmt euch an der Sonne von Militaristen, Pfaffen, Rassenidioten! “ 187 Zetkin und Luxemburg trafen bei den Veranstaltungen in der „Neuen Welt“ mit ihrer scharfen Ablehnung schließlich nicht den Nerv der „vielen Versammelten, die schon seit ei- <?page no="75"?> Sorgearbeit und „Gebärstreik“ 75 nem Jahrzehnt den Gebärstreik praktisch übten“ 188 . Nicht eine Taktik im Klassenkampf, sondern die praktischen Nöte standen am Anfang der Bewegung. Hinter dem sogenannten „Gebärstreik“, der sich über viele Jahre lang aufgebaut und verbreitet hatte, stand die (bittere) Lebensrealität der daran Beteiligten. Die Parteilinie, trotzdem sie von den führenden Frauen der Partei vertreten wurde, scheiterte: Eine Zuhörerin (Frau Herrmann) merkte spitz an, „Genossin Zetkin hat nicht so recht in die Verhältnisse der Armen hineingesehen“ und riet allen Anwesenden unter Zustimmung: „[S]treiken sie weiter“! 189 Die nur rudimentären staatlichen Sicherungen für die Zeiten rund um die Geburt konnten durch die 1913 bestehenden gewerkschaftseigenen Unterstützungssysteme zwar abgemildert, aber nicht ausgeglichen werden. Diese Unterstützungskassen der Gewerkschaften waren aber erst in den Jahren zuvor ausgebaut worden. Frau Berlin hatte sich ab März 1891 in einer Lage befunden, die sie zunächst hochschwanger zum Arbeiten gezwungen und sie nach der Geburt der völligen Armut überlassen hatte. Die Sorgearbeit für die Kinder lag beinahe ausschließlich auf den Schultern der Frauen, ebenso die Haushaltsführung, die ohne Unterstützung durch Mann, Waschmaschine oder Dienstmädchen enormen Aufwand bedeutete. Mit jedem zusätzlichen Kind erhöhte sich die Arbeitsbelastung für die Frauen und verringerte sich die Möglichkeit der Selbstverwirklichung jenseits der Familie weiter. Jedes nicht auf die Welt gebrachte Kind war damit auch als eine Art Arbeitszeitverkürzung zu betrachten, weil der Sorgeaufwand sich verringerte. Der Terminus „Gebärstreik“ legt nahe, dass hier lediglich der Vorgang des körperlichen Zur-Welt-Bringens bestreikt werden sollte, doch der Begriff <?page no="76"?> Geschlecht und Klasse (um 1900) 76 hat einen Doppelcharakter: Der Gebärstreik war zugleich ein ‚Care-Streik‘. Nicht nur wurden die körperlichen Belastungen und Gefahren von Schwangerschaft und Geburt verringert, sondern eben auch die alltägliche Arbeitszeit mit abnehmender Kinderzahl reduziert. Wäre für Hausarbeit ein Lohn gezahlt worden, läge eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich vor. Die dadurch gewonnene Zeit und Energie (und die - positiv gedachte - ‚Verantwortungslosigkeit‘) konnte für die individuelle Entwicklung, einschließlich eines des tieferen Sinns enthobenen Vergnügens eingesetzt, aber auch für politischen, sozialen und kulturellen Einfluss genutzt werden. Luise Zietz sprach in der Gebärstreikdebatte von dem „lebendige[m] Wunsche der Frauen, mehr an der Kultur teilzunehmen“ 190 . Der Verzicht auf (viele) Kinder war eine mögliche feministische Antwort auf die Einengungen, die das historisch noch junge, aber umso vehementer durchgesetzte bürgerliche Modell der Kleinfamilie für Frauen vorsah. Zwar stellte auch Zietz sich gegen den „Präventivverkehr“ als „Kampfmittel“ und sah die „Selbstvernichtung“ der Klasse drohen; ebenso betrachtete sie den Kampf gegen den Kapitalismus und für den „Ausbau der Sozialgesetzgebung“ als den eigentlich richtigen Weg - doch möge „[d]er Einzelne [sic! ] ihretwegen seine Kinderzahl begrenzen“. 191 Und so blieb es denn Luise Zietz---die als einzige auf dem Podium einen ähnlichen sozialen Hintergrund wie die Zuhörerinnen hatte - vorbehalten, durch ihr Verständnis für die zugrunde liegenden Beweggründe der Frauen der höchst kontroversen Debatte zu einem konstruktiven Ende zu verhelfen. 192 Während die beiden Veranstaltungen mit vielen Tausend Zuhörerinnen im August 1913 noch unter der Parole der <?page no="77"?> Sorgearbeit und „Gebärstreik“ 77 Parteiführung „Gegen den Gebärstreik“ liefen, bekam eine von führenden SozialdemokratInnen ein Jahr später herausgegebene Broschüre zum Thema den Titel „Gegen den staatlichen Gebärzwang“. 193 Die in der Broschüre festgehaltene Position war differenziert, doch die generelle Stoßrichtung hatte sich ins Gegenteil verkehrt. Die offizielle Parteilinie bedrängte nun nicht mehr die eigene Basis, sondern den Staat - und setzte sich für mehr Wahlfreiheit ein. Das war angesichts der Konstellation, wie sie noch ein Jahr zuvor geherrscht hatte, ein beachtlicher Erfolg der weiblichen Basis der Partei, zu dem die beiden Veranstaltungen in Berlin wesentlich beigetragen haben dürften. Von einer solchen öffentlichen Debatte konnte in den 1890er Jahren indes noch nicht mal geträumt werden. Mittel, Worte, Wissen und Willen zum Gebärstreik waren erst in Ansätzen vorhanden. Es gibt keine Dokumente, die darauf hinweisen, warum die Eheleute Paula und Wilhelm Thiede keine Kinder bekamen. Vor dem Hintergrund ihrer Biografie und ihren Erfahrungen als arbeitende Mutter lässt sich vermuten, dass Frau Berlin das Risiko, ähnliches wie in der Chausseestraße zu erleben, auf jeden Fall vermeiden wollte. Hinzu kommt, dass sie ihr gewerkschaftliches Engagement für ein weiteres Kind hätte aufgeben oder stark einschränken müssen. Frau Berlin war bei ihrer zweiten Heirat bereits Mutter und Wilhelm Thiede wurde nach ihrem Tod in einer zweiten Ehe Vater. Es ist also zumindest wahrscheinlich, dass die Kinderlosigkeit der Ehe beabsichtigt war. Ob Wilhelm davon unterrichtet war oder sich aktiv beteiligte, bleibt im Dunkeln. Vor dem Hintergrund, dass die Eheleute bis zu Paula Thiedes Tod in vielfachem Einverständnis miteinander handelten, liegt dies jedoch auch für diese Fragestellung nahe. <?page no="78"?> Geschlecht und Klasse (um 1900) 78 Frau Berlin kam zugute, dass sie einige Zeit nach ihrer zweiten Hochzeit nicht mehr als Anlegerin arbeiten musste, weil ihr zweiter Ehemann ein Einkommen hatte. 194 Nun hatte sie nach einigen besonders entbehrungsreichen und zehrenden Jahren (1890-1895), in denen sie gleichzeitig Geld verdienen, ihre kleine Tochter Emma versorgen und die verschiedenen Reproduktionsarbeiten zu erledigen hatte, verhältnismäßig mehr Zeit zur Verfügung. Sie teilte damit den Lebensweg zahlreicher Berufskolleginnen, die nach einer Heirat aus dem aktiven Berufsleben ausschieden oder es zumindest unterbrachen. Frau Berlin widmete sich in dieser lohnarbeitsfreien Zeit jedoch mit unermüdlichem Einsatz weiterhin der Stärkung des Verbandes. Die Möglichkeit, aufgrund der verbesserten individuellen sozialen Situation, der Gewerkschaft als dem von ihr gewählten Motor der Verbesserung mehr Zeit und Energie zu widmen, korrespondierte mit der Phase des Aufschwungs der gewerkschaftlichen Organisierung der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen. Doch der Weg zum Aufbau gewerkschaftlicher Macht war steinig, nicht nur für Frau Berlin, sondern auch für alle ihre Berufsgenossinnen. <?page no="79"?> 79 Organisation (1895 - 1898) Trotz der verheerenden Situation nach dem verlorenen Streik von 1891/ 92 hatten sich die Buchdruckereihilfsarbeiterinnen mit Frau Berlin in ihren Reihen schon bald erholt und neue Erfolge stellten sich ein. Die Mitgliederzahlen wuchsen wieder, und die Versuche der Prinzipale (der Unternehmer im Druckgewerbe), die Arbeitsvermittlung und damit das wichtigste Instrument der Gewerkschaft in ihre Hände zu bekommen, schlugen im Wesentlichen fehl. Durch Zähigkeit und Entwicklung erfolgreicher Kampftechniken konnten allen widrigen Umständen zum Trotz erste Verbesserungen der Lebensbedingungen erreicht werden. Auch ihre männlichen Kollegen waren darin erfolgreich. Ein gemeinsamer Rechenschaftsbericht der Berliner Gewerkschaften belegt, dass die (männlichen) Buchdruckereihilfsarbeiter in Berlin 1896 tatsächlich besser verdienten als Bäcker oder Dachdecker, die immerhin eine mehrjährige Lehre absolvieren mussten. 195 Wiederaufbau Bis zum erstmaligen Erscheinen der Solidarität - der späteren Verbandspublikation des VBHi- - im Jahr 1895 ist Material zur Geschichte der Organisierung der HilfsarbeiterInnen Mangelware. Die Buchdrucker schätzten im August 1894 die reichsweite Zahl der organisierten „Xylografen, Stereotypeure und Hilfsarbeiter“ auf etwa 2.000, 196 wovon der überwiegende Teil Berliner HilfsarbeiterInnen gewesen sein dürften. Die polizeiliche Beobachtung der Arbeiterbewegung vermutete 1895, dass in Berlin 3.000 weibliche <?page no="80"?> Organisation (1895 - 1898) 80 Arbeiterinnen gewerkschaftsähnlichen Verbänden angehörten, 197 von denen wiederum ein großer Anteil auf die Buchdruckereihilfsarbeiterinnen zurückzuführen sein dürfte. Bis 1895 waren in Berlin in den offiziellen Statistiken zu den arbeitenden Frauen im gesamten polygrafischen Gewerbe zwischen 1.200 und 1.500 Arbeiterinnen registriert - bei steigender Tendenz. 198 Und Ende des Jahres 1895 weisen die Gewerkschaftszahlen für Berlin bereits wieder einen Organisierungsgrad der HilfsarbeiterInnen im Buchdruck von etwa 30 Prozent auf - bei knapp 2.000 in diesem Bereich arbeitenden Frauen. 199 Nicht einmal ein Jahr nach der Niederlage im ersten Neunstundenstreik beteiligten sich die HilfsarbeiterInnen Ende 1892 an Auseinandersetzungen um Missstände in der Ortskrankenkasse „gewerblicher Arbeiter und Arbeiterinnen“ (früher Meyer’sche), deren Mitglieder sie waren. Weil sie sich bestens organisiert hatten, gewannen sie im Anschluss daran die Delegiertenwahlen der Krankenkasse deutlich. Ein halbes Jahr später wurden die HilfsarbeiterInnen in die „Ortskrankenkasse für das Buchdruckgewerbe“ überführt - „jedenfalls nicht zu unserem Schaden“, wie sich Otto Bleich (zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender der Zahlstelle II / Männer Berlin) 1905 erinnerte. 200 Eine Tarifbewegung im Februar 1896 brachte schließlich den „nachher soviel bekämpften Tarifabschluß“ 201 samt dem Neunstundentag für die Buchdruckergehilfen (Maschinenmeister, Schriftsetzer usw.). Die BuchdruckereihilfsarbeiterInnen sahen sich daraufhin gezwungen, „die gleiche Arbeitszeitverkürzung und sonstigen Vergünstigungen zu verlangen“, wie ihre besser bezahlten Kollegen - auch ohne Tarifvertrag. Das spricht für das enorme Selbstbewusstsein der jungen GewerkschafterInnen, die dafür kämpften „nicht <?page no="81"?> Wiederaufbau 81 als Arbeiter zweiter Klasse betrachtet zu werden“ - was sie, wenn lediglich die formale Qualifizierung betrachtet wird, durchaus waren. Als die Prinzipale sich weigerten, legten am 4.-Mai 1896 etwa 300 ArbeiterInnen die Arbeit nieder. 202 In diesem Kampf bewies der Arbeitsnachweis nochmals seine durchschlagende Wirkung. Zwei Jahrzehnte später erinnerte sich Paula Thiede als Vorsitzende des Zentralverbandes: „Nun begann ein Kampf von Druckerei zu Druckerei, bewilligte ein Prinzipal, dann gut, lehnte er ab, dann war keine Stunde später das gesamte Hilfspersonal auf dem Arbeitsnachweis […]. Fast fünf Wochen wurde diese Kampfesform mit wechselndem Glück beibehalten, und bei Beendigung des Kampfes konnten die Berliner Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen feststellen, daß die Löhne von 1,50 bis 3,- Mk pro Woche gestiegen waren, allerdings noch nicht in allen Betrieben, diese aber wurden in der nächsten Zeit bei besserem Geschäftsgang herangezogen, was durch geschickte Ausnutzung des Arbeitsnachweises auch gelungen ist. Der Arbeitsnachweis wurde auch in der Folge der Lohnregulator in Berlin.“ 203 Die gewerkschaftliche Praxis einen Betrieb „zu sperren“, also dort zu kündigen und kollektiv die Bewerbung auf freie Stellen zu unterlassen, wurde in dieser Streikform zugespitzt. Und mit Hilfe dieser Vorgehensweise kapitulierten „[t]agtäglich“ Firmen. Die Auseinandersetzung wurde nach 26 Tagen am 30. Mai 1896 beendet, „da in den meisten Druckereien die Forderungen bewilligt worden waren.“ Lediglich über „13 Druckereien wurde die Sperre verhängt.“ 204 Aus Berichten der Berliner Gewerkschaftskommission las- <?page no="82"?> Organisation (1895 - 1898) 82 sen sich genauere Ergebnisse dieses erfolgreichen Arbeitskampfes rekonstruieren. Demnach hatten 75 Druckereien recht schnell die Forderungen der HilfsarbeiterInnen, einschließlich des Neunstundentages, bewilligt und 15 bis 20 weitere wurden schnell in die Knie gezwungen; hilfsarbeiterseitig waren daran 245 Personen beteiligt. Der Streik, der vom 3. bzw. 4. Mai bis zum 30. Mai dauerte, endete sogar mit einem leichten Plus im Streikfonds und die Vereine verzichteten darauf, bei der Berliner Gewerkschaftskommission die übliche Unterstützung zu beantragen. Der Bericht endet mit der lapidaren Feststellung: „Der Streik war ein Angriffsstreik und fiel zu Gunsten der Arbeiter aus.“ 205 Und das in einer Zeit, in der Niederlagen in Arbeitskämpfen durchaus üblich waren - man denke nur an die beiden größten Streiks der 1890er Jahre: den im Buchdruck wenige Jahre zuvor (1891/ 92) und den der Hamburger Hafenarbeiter, der ein halbes Jahr nach den Erfolgen der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen begann und niederschmetternd endete. Dieser wichtige Erfolg im Streik 1896 wurde mit der Anerkennung des verbandseigenen Arbeitsnachweises durch die Unternehmer noch gesteigert. Doch um die Arbeitsvermittlung vollständig zu übernehmen, war ein sechs Jahre währender, aber schließlich sehr erfolgreicher Kampf notwendig gewesen: Zum einen waren die mit schnellem Erfolg aufgebauten lokalen Gewerkschaften für männliche und weibliche Hilfsarbeiter nach dem verlorenen Streik 1891/ 92 wieder zusammengebrochen und „von 1.600 Mitgliedern, die an der ersten Bewegung teilnahmen, wurden nach Beendigung noch glücklich 400 Uebriggebliebene gezählt, die dann den Grundstock zum Wiederaufbau der Organisation bildeten“. 206 In diesem Wiederaufbau hatte sich Frau Berlin erstmals substantiell in die Gewerkschaftsarbeit eingebracht. <?page no="83"?> Wiederaufbau 83 Zum anderen wurde nach diesem Streik 1892 ein „Centralarbeitsnachweis“ für BuchdruckereihilfsarbeiterInnen eingerichtet. 207 Dieser war Teil des 1883 aus dem liberalen Bürgertum heraus gegründeten Berliner Zentralvereins für Arbeitsnachweis 208 , an dem die Buchdruckerprinzipale „pekuniär hervorragend beteiligt“ 209 waren. Als die Organisationen der ArbeiterInnen zu Beginn des Jahres 1892 am Boden lagen, unterstützten die Unternehmer also einen privaten Arbeitsnachweis (der sich einen neutralen und kommunalen Anstrich gab) - in der Absicht, „den Organisationen den Gnadenstoß zu versetzen“. 210 Als 1899 der Gewerkschaftskongress in Frankfurt am Main leidenschaftlich über die Bedeutung der Arbeitsnachweise stritt, erinnerte Paula Thiede die Delegierten an diese unheilvolle Rolle: „Mit dem städtischen Arbeitsnachweis haben wir sehr schlimme Erfahrungen gemacht.“ 211 Doch letztlich erwies sich die Disziplin der HilfsarbeiterInnen und die Solidarität vieler Gehilfen nach der Streikniederlage von 1891/ 92 als stark genug und nach der erfolgreichen Neunstundenbewegung 1896 musste der Nachweis von den Prinzipalen anerkannt werden. 212 Ohne die Zuweisung von Arbeitskräften durch den nun gewerkschaftlich geleiteten Arbeitsnachweis war der Betrieb in den Druckereien gefährdet - und bei schlechten Arbeitsbedingungen blieben diese Zuweisungen aus. Die Berliner Frauen, die als Hilfsarbeiterinnen im Buch- und Steindruck tätig waren, schafften es durch dieses Vorgehen, ihre Löhne ständig zu heben. Bald verdienten die Berliner Frauen mehr als viele männliche Kollegen in anderen Städten. 213 Der Arbeitsnachweis und damit die Entscheidung, zu welchen Betrieben welche Arbeiterinnen geschickt werden, wenn Personal benötigt wird, war ein machtvoller Hebel und lag in den Jahren 1896 bis 1906 ausschließlich in der Hand der <?page no="84"?> Organisation (1895 - 1898) 84 BuchdruckeierhilfsarbeiterInnen. In deutlichen Worten und mit aller Entschiedenheit verteidigten sie in der Folge auch innerhalb der Gewerkschaften ihren Arbeitsnachweis als das „heiligste Gut der Organisation “ 214 samt der dahinter stehenden Idee. 215 Als einige Delegierte auf dem Gewerkschaftskongress 1899 kommunale Arbeitsnachweise als Alternative vorschlugen, meldete sich Paula Thiede zu Wort: „Unser Arbeitsnachweis ist eine Lebensbedingung für unsere Organisation. Durch die Arbeitsnachweise haben wir in dem zehnjährigen Bestehen unserer Organisation eine recht erhebliche Lohnerhöhung bewirken können. Wir werden dieses unser Kampfmittel ganz gewiß nicht aufgeben.“ 216 Noch hatte diese entschiedene Position der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen einen erheblichen Rückhalt in der Gewerkschaftsbewegung. Denn obwohl die gewerkschaftliche Praxis vor Ort schon immer Ambivalenzen aufwies, hatte sich in den frühen 1890er Jahren zunächst eine Position durchgesetzt, die sich auf dem zweiten Kongress im Jahre 1896 in Halle manifestierte. Dort hieß es: „Der Arbeitsnachweis gehört in die Hände der Arbeiter“ 217 . Derselbe Kongress nahm eine „schroff ablehnende Stellung“ gegen die vor allem in Süddeutschland aufkommenden kommunalen Arbeitsnachweise ein. 218 Es wurde betont, dass der Arbeiter „Besitzer seiner Arbeitskraft [ist], deren Verwertung allein ihm zusteht“. 219 Im Kontext der Verbandsdiskussionen schloss sich auch der wichtigste Gewerkschaftsfunktionär dieser Zeit, Carl Legien, dieser Auffassung an und argumentierte auf einem Verbandstag des VBHi, „[d]er Arbeitsnachweise gehöre dem, der seine Arbeitskraft verkauft, dies sei der Arbeiter.“ 220 Wo kein eigener Arbeitsnachweis bestand, sollte selbst bei <?page no="85"?> Gründung des Zentralverbands 85 kommunaler Trägerschaft die „Leitung der Vermittlung unter allen Umständen bei den Arbeitern“ verbleiben. 221 Durch den Erfolg in der Auseinandersetzung von 1896 und die Anerkennung des Arbeitsnachweises wurden in Berlin bei den HilfsarbeiterInnen Energien freigesetzt, die in der Folge die reichsweite Vernetzung beschleunigten. Der Vorschlag „eine Zentralisation zu schaffen“ wurde nach Beendigung des Berliner Streiks im Buchdruckgewerbe vermehrt diskutiert und im Mai 1898 umgesetzt. 222 Gründung des Zentralverbands In den 1890er Jahren war die Landschaft der gewerkschaftlichen Organisierung nicht nur im grafischen Gewerbe heterogen und weit verzweigt; es bestanden zahlreiche Fachvereine, die oft nur lokale Reichweite hatten, neben althergebrachten zentralisierten reichsweiten Verbänden, wie insbesondere dem Verband der Buchdrucker; dazu eine Reihe Gewerkschaften unterschiedlicher Ausrichtung und in verschiedenen Entwicklungsstadien: junge Zentralverbände, die noch den Charakter von einfachen überregionalen Zusammenschlüssen hatten und hoch spezialisierte, zum Teil sehr erfolgreiche Organisierungsansätze 223 sowie schließlich kämpferische, den Zentralisierungs- und Tarifbestrebungen gegenüber skeptisch oder feindlich eingestellte Verbindungen in lokalistischer Tradition, zum Beispiel im Umfeld der Zeitschrift „Buchdruckerwacht“. 224 Der VBHi wurde an den - wegen Pfingsten arbeitsfreien- - Tagen Ende Mai 1898 als zentralisierte Gewerkschaft gegründet. Die konkrete Vorgeschichte ist dabei mit etwa zwei Jahren für heutige Verhältnisse ziemlich kurz. Der <?page no="86"?> Organisation (1895 - 1898) 86 Vorschlag „eine Zentralisation zu schaffen“ wurde nach Beendigung des Berliner Streiks im Buchdruckgewerbe von 1896 vermehrt diskutiert. Heinrich Jahns hatte am 11. November 1896 erstmals vorgeschlagen, zur Vorbereitung eines reichsweiten Zusammenschlusses eine Agitationskommission zu gründen. Zweifel, ob eine solche Aufgabe nicht verfrüht käme, wurden insbesondere von Clara Bien, die später manches Mal zu den Kritikerinnen des Vorstands und insbesondere der Vorsitzenden gehörte, vorgetragen und führten zu einer Verschiebung des Vorhabens. Doch bereits zehn Monate später (im September 1897) erklärte sich dann eine weitere Berliner Versammlung mit dem Vorschlag Jahns einverstanden und wählte eine Agitationskommission zum Zwecke der Gründung eines Zentralverbandes der Buchdruckereihilfsarbeiterinnen und -arbeiter. Dieser Kommission gehörten neben Paula Thiede auch Clara Bien, Heinrich Jahns sowie zwei weitere Kollegen an. Die Aufgabe der Kommission bestand darin, die ersten Ansätze überregionaler Verbindung auszubauen und zu ergänzen. So gab es bereits einige Orte wie Hamburg (wo es ebenfalls schon sehr früh eine Organisierung der HilfsarbeiterInnen gegeben hatte), Breslau, Straßburg im Elsaß und München, die Verbindungen nach Berlin unterhielten, das Berliner Blatt Solidarität abonniert hatten und mit dem geplanten Zusammenschluss einverstanden waren. 225 Die Agitationskommission legte bereits wenige Wochen später, am 12. Dezember 1897, in einer Resolution penibel ihre Ziele und Mittel offen. 226 Sie gab eine Art Rechenschaftsbericht ab, wonach sie - neben tausenden verschickten Druckerzeugnissen - mit 36 Städten in Verbindung getreten war, 469 Briefe und Karten verschickt und an 13 Druckereiversammlungen teilgenommen hatte: ein beein- <?page no="87"?> Gründung des Zentralverbands 87 druckendes Arbeitspensum für das ehrenamtlich arbeitende Gremium. 227 Es bekannte sich zu den Zielen der „modernen Arbeiterbewegung“ und kündigte an, dass etwaigen „Gegenströmungen […] mit aller Entschiedenheit entgegentreten wird“. Trotz dieser Absichtserklärung wird eine lokalistisch denkende und konfrontativer orientierte Tradition die Organisation der HilfsarbeiterInnen bis zum Ersten Weltkrieg in verschiedenen Varianten begleiten. Dieser Lokalismus blieb unorganisiert und divers, doch er drang insbesondere in Konfliktsituationen in verschiedenen Formen an die Oberfläche. 228 Es lag nicht zuletzt an den Fähigkeiten der Vorsitzenden, dass der Verband an diesen Widersprüchen nicht zugrunde ging. Neben Aufrufen und Flugblättern sollten Anfang des Jahres 1898 zum Aufbau des Zentralverbandes von Berlin aus RednerInnen an Orte geschickt werden, die ein entsprechendes Interesse angemeldet hatten - diese Aufgabe übernahm Clara Bien. 229 Ihren Erfolg und den der gesamten Agitationskommission würdigte die „lustge“ Festzeitung zum vierten „Graphischen Sommerfest“ zwei Monate nach Verbandsgründung mit folgenden Strophen: „Dann ein Bienchen summ, summ, summ Schickte sie im Land herum All die Schläfer wach zu rütteln, Ihre Lage zu bekritteln Die Idee war gar nicht dumm Denn es wusst’ die kleine ‚Bien‘ Ueberall wo sie erschien, Den Kollegen zu erzählen, Dass sie Delegierte wählen Zum Kongress hier in Berlin“ 230 <?page no="88"?> Organisation (1895 - 1898) 88 Für das unangefochtene Zentrum der Bewegung, das Stadtgebiet Berlin, sah die Agitationsstrategie zahlreiche Druckereiversammlungen vor. Auch die Solidarität verbreitete hier den Gedanken der Verbandsgründung, denn von den 1.400 Exemplaren wurden die meisten in Berlin gelesen. 231 Hamburg war der dritte Aktivposten unter den HilfsarbeiterInnen - neben den beiden Berliner Vereinen der Frauen (Verein der Arbeiterinnen an Buch- und Steindruck- Schnellpressen) und der Männer (Interessenverein der Berliner Buchdruckerei-Hilfsarbeiter). Aus Hamburg ist auch eine besonders kreative Vorgehensweise überliefert, um zwecks Gründung des Zentralverbandes Verbindungen zu den DruckereihilfsarbeiterInnen anderer Städte aufzunehmen: „In der Druckerei des ‚Hamburger Echo‘ wurde die ‚Neue Welt‘, ein Unterhaltungsblatt, das vielen sozialdemokratischen Tagesblättern als Wochenbeilage beigelegt wurde, gedruckt. Unsere Kollegen hatten die einzelnen Auflagen für die auswärtigen Tagesblätter zu verpacken. In diese Ballen legten die Kollegen Aufrufe und Zettel, die sie schrieben, mit ein. Die Aufrufe forderten die Kollegen der andern Städte auf, doch Verbindung zu schaffen zur Gründung einer Zentralorganisation.“ 232 So ging der Aufruf zur Kontaktaufnahme genau an die richtige Adresse, von DruckereihilfsarbeiterIn zu DruckereihilfsarbeiterIn. „Bald bekamen unsere Kollegen vom ‚Hamburger Echo‘ auch Zusagen im gewünschten Sinne.“ 233 Obwohl die Geldmittel knapp waren, blieb die optimistische Annahme der Kommission, dass die Vorbereitungen für die Zentralverbandsgründung „binnen Jahresfrist“ abgeschlossen sein sollten. Mit dem der Zeit eigenen Pathos endete <?page no="89"?> Gründung des Zentralverbands 89 der erwartungsvolle Bericht der Vorbereitungsgruppe: „Die schwärzeste Finsternis ist gebrochen. Der Tag bricht an. Es geht Vorwärts! Die Agitationskommission.“ 234 Und tatsächlich waren die Resonanz auf die Bemühungen groß und die Reaktionen schnell, so dass bereits am 24. Januar 1898 eine kleine Konferenz in Berlin über die baldige Gründung beraten konnte. Von der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands - dem Vorläufer aller späteren deutschen Gewerkschaftsbünde - wurde als Vertreter Carl Legien selbst geschickt. Die Generalkommission sagte anschließend finanzielle Unterstützung in Höhe von 3.000 Mark zu, wodurch der Gründungstermin zügig für den 30. Mai 1898 festgelegt werden konnte. 235 Am 6. März erfolgte in der Solidarität die offizielle Einladung der Agitationskommission zur Gründung des zentralen HilfsarbeiterInnen-Verbandes durch einen „Kongreß der Buchdruckerei - Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands“. Erreichbar war die entstehende Organisation unter einer Privatadresse: „Paula Thiede, Berlin S., Urbanstr. 36 III“, also im Postbezirk Berlin-Süd (später „Kreuberg 61“) im dritten Stock der Urbanstraße-36. 236 In den folgenden Ausgaben wurden bereits einige vorbereitende Diskussionen in der Solidarität, die offiziell weiterhin vom Graphischen Kartell Berlins verlegt wurde, geführt. Eine bemerkenswerte Koordination innerhalb der freien Gewerkschaften führte außerdem dazu, dass der schon länger bestehende Verein der graphischen Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands bei seiner Generalversammlung in Frankfurt am Main - einen Tag vor der Gründung- - die Hilfsarbeiter und Hilfsarbeiterinnen per Statutenänderung aus dem Verband ausschloss, auf dass sie dem neugegründeten VBHi beitreten würden. 237 <?page no="90"?> Organisation (1895 - 1898) 90 In den Arminhallen in der Kommandantenstraße 20 in Berlin, unweit der Reichsdruckerei, fand dann zu Pfingsten 1898 der Gründungskongress statt. Geschmückt war das Lokal mit „rothen Fahnen, auf denen Arbeiter-Denksprüche standen“, mit Birkenzweigen sowie den Büsten von Lassalle und Marx „zu beiden Seiten des Vorstandstisches“. 238 Versammelt hatten sich 24 Personen, von denen neun Frauen waren. Neben Frau Berlin und Clara Bien von der Agitations- und Vorbereitungsgruppe sowie Wilhelmine Kähler (als Vertreterin der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands) waren dies Delegierte aus Berlin (Ida Gottwald und Sophie Fiesel, später Teske), München („Frau Marcy“), Leipzig („Frl. Ida Rade“), Hannover („Frl. Lina Mathias“) und Kassel („Frl. Lina Kraft“), wobei die beiden letztgenannten ihre Orte alleine vertraten. Die Arminhallen (Kommandantenstraße 20) in der Nähe des Berliner Zeitungsviertels dienten als Versammlungsort für den Gründungskongress des VBHi an Pfingsten 1898. <?page no="91"?> Gründung des Zentralverbands 91 Eingangs berichtete Frau Berlin über die sehr zielführende Arbeit der Agitationskommission, einschließlich der erfolgreichen Reise der Kollegin Bien durch fünf Städte. Ermöglicht wurde diese Arbeit zur Hälfte durch Spenden aus Berlin, zu 30 Prozent durch Mittel der Generalkommission, und zu 20 Prozent durch Spenden anderer KollegInnen verschiedener Orte. 239 In den Berichten der lokalen Gliederung sind die unterschiedlichen Bedingungen zu erkennen, unter denen die Gründung jeweils vor sich ging. In Mainz lief die Organisierung der „Mädchen“ besser als die der Männer und aus Berlin wurde berichtet, dass geschätzte zwei Fünftel aller Hilfsarbeiter organisiert waren. In Stuttgart traten innerhalb von sechs Wochen nach Gründung 280 KollegInnen dem Verband bei, während in Leipzig nur schleppend Fortschritte gemacht wurden. Die Buchdrucker halfen meist beim Aufbau, aber vereinzelt (z.B. aus München) wurde von Schwierigkeiten mit den höherqualifizierten Kollegen berichtet. 240 Die Delegierten einigten sich nach konstruktivem Austausch auf die Verbandsgründung und setzten dann die Beratungen fort. Die Arbeitsnachweise spielten überall eine wichtige Rolle, wurden aber ortsabhängig unterschiedlich gehandhabt. Zusätzlich wurde auf dem Gründungskongress ein Zentralarbeitsnachweis des Verbandes gegründet, der reichsweit Stellen vermittelte - auch zu dem Zweck, „gelegentlich ein agitatorisch kräftiges Mitglied an schlechte Orte [zu] schicken, um die dortige Arbeiterschaft für die Organisation zu gewinnen.“ 241 Am Vormittag des dritten Kongresstages, es war der 31. Mai 1898, wurde dann formal „die Zentralisation“ beschlossen und - einem Vorschlag von Paula Thiede folgend - der Name Verband der in Buchdruckereien und verwandten <?page no="92"?> Organisation (1895 - 1898) 92 Gewerben beschäftigten Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen gewählt 242 - wie eingangs erwähnt, änderte sich der verwendete Namen mehr als einmal. Von den verschiedenen möglichen Unterstützungszahlungen, welche die deutschen Gewerkschaften zu dieser Zeit ihren Mitgliedern boten, wurde nach längerer Diskussion und angesichts der unklaren Kassenverhältnisse beschlossen, dass „von Verbandswegen nur die Arbeitslosenunterstützung gezahlt werden solle“. 243 Diese würde den Mitgliedern im Falle von Arbeitslosigkeit ausgezahlt werden, soweit sie bereits ein Jahr oder länger Mitglied des Verbandes waren. Diese zwölfmonatige Karenzzeit führte dazu, dass die ersten Zahlungen erst im darauffolgenden Jahr erfolgen mussten - und dann prompt eine folgenreiche Debatte über eine Erhöhung der Beitragssätze auslösten. Bevor einige auswärtige Delegierte abreisen mussten, wurden die Vorstandswahlen abgehalten. Nach einer letzten Sitzung mit Statutenberatung schloss der Kongress nach verschiedenen Danksagungen - auch in Richtung der Buchdruckergewerkschaft, die sich durch ihren Vorsitzenden Emil Döblin eingebracht hatten - mit mehrfachen begeisterten Hoch-Rufen auf den neuen Verband. 244 Die Gründung des Zentralverbandes war also planmäßig und äußerst erfolgreich verlaufen-- und nur anderthalb Jahre nach dem ersten Berliner Vorstoß und nach lediglich sechs Monaten Arbeit der Agitationskommission abgeschlossen. Bis zum August des Gründungsjahres hatten sich zwölf Zahlstellen, wie die unterste (und zu diesem Zeitpunkt einzige) Gliederungsebene genannt wurde, der jungen Organisation angeschlossen, davon zwei in Berlin (Zahlstelle I = Frauen und Zahlstelle II = Männer). Neben Sophie Fiesel, die wiederum die Leitung der Zahlstelle I in Berlin von der nunmehrigen Verbandsvorsitzenden Paula Thiede über- <?page no="93"?> Gründung des Zentralverbands 93 nahm, wurde zunächst nur eine weitere Zahlstelle, nämlich Kassel, von einer Frau (Katharina Frömberg) geleitet. 245 Als Vorstandsmitglieder wurden aus praktischen Notwendigkeiten nur BerlinerInnen gewählt. Dass die Vorstandsmitglieder alle in derselben Stadt wohnten, war zu dieser Zeit übliche Praxis der deutschen Gewerkschaften. Die Leitung des neuen Verbandes bestand aus zwei Vorsitzenden (Paula Thiede und ihr Stellvertreter Robert Mahle), zwei Kassierern (August Schulze und Albert Mohnhaupt) und zwei BeisitzerInnen (August Röhling und Frl. Selma Sternhagen) sowie einer Schriftführerin (Clara Bien). 246 <?page no="95"?> 95 Vorsitzende (1898) Der Aufbau und die Leitung eines solchen Zentralverbandes war mit einer Menge Arbeit verbunden - und nur ein Ineinanderfallen von persönlicher Prioritätensetzung, etlichen historischen Voraussetzungen und (biografischen) Zufällen ließ Frau Berlin diese Aufgabe übernehmen. Dass sie dazu fähig war, lag an ihren erworbenen Kompetenzen, an ihrem Willen, der entscheidend von ihren eigenen Erfahrungen beeinflusst wurde, und an ihren Lebensumständen zum Zeitpunkt der Wahl. Natürlich trug auch die spezifische Geschichte der Organisierung der Buchdruckereihilfsarbeiterinnen maßgeblich dazu bei, dass erstmals eine Frau Vorsitzende einer deutschen Gewerkschaft werden konnte. Biografische Voraussetzungen Wäre der Zentralverband fünf Jahre zuvor gegründet worden, wäre Frau Berlin mit Glück dazu in der Lage gewesen, allenfalls ein Delegiertenmandat wahrzunehmen. Sie war 1893 gerade der extremen Armut entronnen, die durch den plötzlichen Tod ihres ersten Mannes ausgelöst worden war. Für den Lebensunterhalt für sich und ihre Tochter und die anfallenden Sorgearbeiten war sie allein verantwortlich und hatte als Anlegerin eine zehnstündige tägliche Arbeitszeit. Für die Übernahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit im Umfang eines Verbandsvorsitzes wären dies denkbar schlechte Voraussetzungen gewesen. Zwar waren Frau Berlins „Care“-Verpflichtungen 1898 mutmaßlich immer noch größer als die jedes (verheirateten) <?page no="96"?> Vorsitzende (1898) 96 Kollegen und auch als diejenigen Emma Ihrers und Clara Zetkins, die beide eine Haushaltshilfe beschäftigten. Doch war ihre Tochter Emma allmählich in ein Alter gekommen, in dem die Betreuungsfrage eine kleinere Rolle spielte. Durch ihre zweite Heirat mit dem berufstätigen Gastwirtsgehilfen Wilhelm Thiede im Jahre 1895 wurde der ökonomische Druck im Leben von Frau Berlin geringer und sie gab ihre Lohnarbeit in der Druckerei auf. 247 Das Einkommen ihres Partners gab ihr die finanzielle Freiheit, die unabdingbar war, um den zeitaufwändigen, aber quasi unbezahlten Posten zu übernehmen und angemessen auszufüllen. Denn „noch schlimmer als in den großen“ waren die Verhältnisse in den kleinen Verbänden, so wurde es 1899 auf dem Kongress der deutschen Gewerkschaften beklagt: „Für deren Beamte könnte man ein Kapitel à la Hausindustrie schreiben.“ 248 Auch im VBHi dürfte die (ernst genommene) Verbandsleitung nur wenig geringeren Aufwand als eine normale Berufstätigkeit erfordert haben, während die dafür gezahlte Entschädigung in den ersten Jahren allenfalls symbolisch zu nennen ist, und selbst 1902 - nach einer enormen Steigerung auf 600 Mark - noch deutlich unter dem Mindestverdienst für weibliche Anlegerinnen in Berlin lag. 249 Im Leben einer lohnabhängigen Person ist selten Platz für einen unbezahlten verantwortungsvollen Posten. Bei der Verbandsgründung traf es den Kollegen Bleich, der aufgrund von „Arbeitsüberbürdung“ ablehnen musste, und „nur“ die Leitung der Zahlstelle II (Männer Berlin) übernahm. 250 Es muss Spekulation bleiben, aber möglicherweise war diese Aussage gleichzeitig ein Mittel, vorherigen Absprachen, wer den Vorsitz übernehmen soll, zu ihrem Recht zu verhelfen. Jedenfalls prädestinierte die eher symbolische Entschädi- <?page no="97"?> Persönliche Eignung 97 gung für diese anspruchsvolle und zeitintensive Tätigkeit eigentlich Frauen für diese Aufgabe - und es spricht Bände, dass diese Konstellation trotzdem nur in zwei einsamen Fällen eine weibliche Vorsitzende nach sich zog, nämlich von 1903 bis 1911 Emma Ihrer für den kleinen Zentralverband der in der Blumen-, Blätter-, Palmen- und Putzfederfabrikation beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands 251 und eben unsere Frau Berlin. Dieser biografische Zufall war aber nur eine der Voraussetzungen, die es in einer glücklichen und sehr seltenen Kombination erlaubten, dass der Verbandsvorsitz von einer Frau - Pauline Philippine Auguste Thiede, verw. Fehlberg, geb. Berlin und ab hier: Paula Thiede - übernommen werden konnte. Persönliche Eignung Eine grundlegende Voraussetzung für die erfolgreiche Verbandsleitung war zunächst Paula Thiedes persönliche Eignung. Damit ist keine angeborene Fähigkeit gemeint, vielmehr waren Erfahrung, Verantwortungsübernahme und Selbstbildung, die Paula Thiede immer wieder in ihren Texten und Reden stark machte, ausschlaggebend, um die nötigen Qualifikationen zu erwerben. Seit 1892 hatte sie eine gewisse Routine in öffentlichen Auftritten und Reden sowie im Umgang mit geschriebenem Text erwerben können. In den Jahren vor der Verbandsgründung hat sie durch die verschiedenen verantwortlichen Aufgaben, insbesondere durch ihre langjährige Vorstandstätigkeit im Verein der Arbeiterinnen an Buchdruckschnellpressen und ihre Arbeit in der Agitationskommission, eine entsprechende Selbst-Sozialisation durchlaufen. Paula Thiede hatte auch über den ei- <?page no="98"?> Vorsitzende (1898) 98 genen Verband hinaus solche Verantwortung übernommen, zum Beispiel 1895 als Leiterin eines Lesekreises im Umfeld der Frauenagitationskommission, auf die noch eingegangen werden wird. So hatte sie das Vertrauen und Selbstvertrauen erworben, das es brauchte, um einen solchen Posten anzunehmen - was im ausgehenden 19. Jahrhundert keine Selbstverständlichkeit war. Es gehörte zu den Vorzügen der geschlechtergetrennten Organisierung in Berlin, dass zwangsläufig alle zu besetzenden Posten von Frauen übernommen wurden. Mit der Möglichkeit, sich entsprechende Fähigkeiten anzueignen, wuchs die Einsicht, dass Frauen generell allen Aufgaben gewachsen sein konnten, obwohl die Gesellschaft anderes behauptete. Die Worte, die 1919 von Antonio Gramsci an die Turiner Arbeiter gerichtet wurden, waren noch dringlicher für proletarische Frauen - und wurden im Verein der Arbeiterinnen an Buchdruckschnellpressen bereits seit 1890 eindrucksvoll umgesetzt: „Bildet euch, denn wir brauchen all eure Klugheit. Bewegt euch, denn wir brauchen eure ganze Begeisterung. Organisiert euch, denn wir brauchen eure ganze Kraft.“ 252 Genau diesen wichtigen Aspekt der Selbstsozialisierung machte Paula Thiede immer wieder stark. Sie konnte 1899 souverän zugeben, dass es schwer sei, „die Kolleginnen zur Organisation heranzuziehen“, öffnete mit ihrer im selben Atemzug genannten Begründung - „weil die Mädchen nicht danach [erzogen werden]“ - aber genau die Perspektive, die dem Verband eine erfolgreiche Frauenorganisierung über zwei Jahrzehnte ermöglichte. 253 Ihre Erfahrungen in der Organisierung und Aktivierung von Frauen für die gewerk- <?page no="99"?> Verbandsinterne Konstellation 99 schaftliche Arbeit fasste Paula Thiede 1916 in einem Artikel für die erste Nummer der Gewerkschaftlichen Frauenzeitung zusammen. Eine Vielzahl von konkreten Maßnahmen wird darin angeführt; alle diese Vorschläge plädierten dafür, Frauen nicht nur pro forma, sondern tatsächlich Verantwortung zu übergeben. Die Erfahrungen im VBHi hatten über viele Jahre gezeigt, dass, sobald die Aufgaben verantwortungsvolle sind, Frauen „durchaus geeignet sind, selbstständig Organisationsarbeit zu leisten“ 254 . Dieses Wissen half gleichzeitig dabei, zum männlichen Selbstbewusstsein, das oft fließende Grenzen zur Selbstüberschätzung hat, aufzuschließen. Jenseits der erworbenen Bildung sowie der Bewegungs- und Organisationserfahrungen gelang es Paula Thiede, die mit dem Leitungsposten verbundene Verantwortung sehr spezifisch und auf lange Sicht sehr erfolgreich auszufüllen. Wesentlich für ihren sich entwickelnden Leitungsstil war das Vermögen, bei Konflikten inhaltlich und persönlich entschieden aufzutreten, aber gleichzeitig mit Verständnis und Nachsicht auf andere Positionen und Akteure zuzugehen. In vielen Situationen in den folgenden Jahren wird Paula Thiede diesen Zug ihrer Leitungsrolle zeigen, schärfen und verfeinern. Verbandsinterne Konstellation All diese Erfahrungen und die überwundene Schwierigkeit, sich als Frau trotz der frauenfeindlichen gesellschaftlichen Umgebung zuzutrauen, einen gemischtgeschlechtlichen Gewerkschaftsverband zu leiten, wären aber nutzlos gewesen, wenn sich nicht in der sozialen Basis und unter den Delegierten des Gründungskongresses über Jahre eine Akzeptanz für weibliche Führung etabliert hätte. Zum einen war für die <?page no="100"?> Vorsitzende (1898) 100 Männer des VBHi, die ja in Beruf und Familie nicht anders sozialisiert worden waren als ihre Kollegen in den anderen Gewerkschaften, eine jahrelange Gewöhnung an die aktive Rolle ihrer Kolleginnen eingetreten. Hinzu kommt, dass (entsprechenden Forschungen zufolge) bei Hilfsarbeitern die eigene Männlichkeit nicht so stark an das Berufsethos gekoppelt war wie bei den Gehilfen. Letztere bezogen ihr männliches Selbstbild vorwiegend aus der (handwerklichen) Qualifikation sowie aus der Rolle als gutbezahlte Familienernährer. Eine weibliche Vorsitzende gefährdete das Selbstbild der männlichen Hilfsarbeiter daher weniger als eine simple Kollegin das Selbstbild der Ausgelernten in Frage stellte. 255 Und schlussendlich war eine klare Machtkonstellation zu beobachten: Der Verein der Berliner Frauen war im Jahr der Verbandsgründung die älteste und größte Sektion und stellte knapp die Hälfte aller Mitglieder im gesamten Reich. Und von den Delegierten des Verbandes beim Gründungskongress im Mai 1898 war immerhin ein Drittel weiblich, ebenso waren weibliche Funktionäre - zumindest im Vergleich mit der deutschen Gewerkschaftsbewegung - häufig. Die Agitationskommission war von Paula Thiede nach außen vertreten worden und die Agitationstour war ebenfalls von einer Kollegin, nämlich Clara Bien, durchgeführt worden. So wurden auf dem Gründungstag laut Protokoll „nur von wenigen Bedenken gegen die Wahl einer Frau als Vorsitzende geltend gemacht“. Bemerkenswerterweise erklärten sich einige Delegierte sogar „ausdrücklich mit der Wahl einer Frau im allgemeinen und der vorgeschlagenen Kollegin im besonderen“ einverstanden. Auf Vorschlag von Wilhelmine Kähler, die als Delegierte der Generalkommission anwesend war, wurde Paula Thiede ohne GegenkandidatIn einstimmig zur ersten Verbandsvorsitzenden gewählt. 256 <?page no="101"?> 101 Stürmische Jahre (1898 - 1902) Bevor der VBHi in dieser Konstellation ab 1902 einen erstaunlichen Aufschwung nahm, waren in den ersten Jahren nach der erfolgreichen Gründung jedoch existenzielle Schwierigkeiten zu überwinden. Paula Thiede stand dabei vielfach im Zentrum der Diskussionen. In diesen ernsthaften Turbulenzen spielten die drei wichtigsten Zahlstellen Berlin-I, Berlin II und Hamburg jeweils eine Rolle. Insbesondere die BerlinerInnen hielten den gesamten Verband in Atem. Zunächst kam es zu kleineren, aber stetigen Beschwerden aus verschiedenen Zahlstellen, wobei diese in weiten Teilen als Gewöhnung an eine zentralisierte und damit die lokale Autonomie beschneidende Organisationsform eingeordnet werden können. Paula Thiede sprach von „Oppositionswuth“ und nahm öffentlich zu diesen Vorgängen Stellung. Sie legte dar, dass der Verbandsvorstand den ihm aufgetragenen Verpflichtungen auch im Sinne der regionalen Zahlstellen nachgekommen war. 257 Auch geäußerte Vermutungen, der Verbandsvorstand würde mit den Finanzmitteln sorglos umgehen, sind möglicherweise im Zusammenhang mit dem Paula Thiede, undatiertes Foto, um 1900 <?page no="102"?> Stürmische Jahre (1898 - 1902) 102 Verlust lokaler Autonomie zu sehen. Die Straßburger Zahlstelle beschloss nach einem Referat ihres Vorsitzenden, der kritisierte, Sitzungsgelder und Verwaltungskosten des Zentralvorstandes seien „horrend“, eine Resolution, die den Verband als Ganzes dadurch in Gefahr sah und eine sofortige Ausgabensenkung forderte. 258 Der Berliner Zentralvorstand nahm die Vorwürfe ernst und ließ die Sache durch eine Kommission von Nichtberlinern prüfen „Die Kommission stellte fest, daß die Angriffe vollständig ungerechtfertigt waren. Damit ist die Sache erledigt.“ 259 Aufstand der Zahlstelle I Der erste große Konflikt war zugleich der heftigste; er erforderte nach nicht einmal einem Jahr einen außerordentlichen Verbandstag 260 und stellte eine echte Zerreißprobe für den jungen VBHi dar. Im Zentrum stand das Vorhaben, die Mitgliedsbeiträge für den Gesamtverband, die für alle Mitglieder gleich hoch waren, von 10 auf 15 Pfennig zu erhöhen. Zum einen sollten die Einnahmen verwendet werden, um ein „Obligatorium“ für die Solidarität einzuführen, das heißt, allen Mitgliedern die Zeitung im automatischen Abonnement zukommen zu lassen. Ein Jahr nach Verbandsgründung wurden zudem die ersten Zahlungen an Mitglieder fällig, die von Arbeitslosigkeit betroffen waren. Zum anderen sollten die höheren Einnahmen die generelle Handlungsfähigkeit des Verbandes gewährleisten. 261 Doch das Vorhaben einer Beitragserhöhung stieß auf Widerstand. Etliche FunktionärInnen hegten Zweifel, ob nicht eine so deutliche Erhöhung der Beiträge massenhafte Austritte nach sich ziehen würde, dabei war die einzige rein weibliche <?page no="103"?> 103 Aufstand der Zahlstelle I Gliederung besonders skeptisch. Die Zahlstelle I, in der die weiblichen Berliner Hilfsarbeiterinnen zusammengeschlossen waren, war eine der drei ältesten, größten und aktivsten Gliederungen im jungen Zentralverband. Die Kolleginnen unter Wortführung von Emilie Heydemann befürchteten, dass eine Beitragserhöhung das Weiterbestehen der Zahlstelle I gefährden würde. 262 Sie hatten für diese Befürchtung gute Gründe: Bei den weiblichen Hilfsarbeiterinnen herrschte traditionell eine größere Fluktuation, was an den spezifisch weiblichen Lebensumständen lag. Die Fabrikarbeit wurde oft nur als begrenzter Zeitraum betrachtet, und tatsächlich sorgten Heirat, Kinder oder Krankheiten oft für das Ende oder die langjährige Unterbrechung dieser Lohnarbeit. 263 Durch diese Fluktuation und die oft sehr jungen Hilfsarbeiterinnen war eine gefestigte Verbandsbindung schwer herzustellen. Dies wurde verstärkt dadurch, dass der VBHi eine Ausnahme darstellte, wenn er Frauen als politische Subjekte ansprach. Viele der jungen Anlegerinnen oder Bogenfängerinnen waren, anders als Männer im Milieu der linken Arbeiterbewegung, nicht routiniert darin, politische Loyalitäten auszubilden. Diese Zustände kombiniert mit den - im Vergleich zu den Männern - viel niedrigen Einkommen und relativ höheren Verbandsbeiträgen (ein an die Verdiensthöhe gekoppelter Beitrag war noch nicht vorgesehen) sorgten für die spezifische Lage der Zahlstelle-I. Aufgrund des Widerstands der Zahlstelle I wurde bereits nach weniger als einem Jahr ein erster (außerordentlicher) Verbandstag, wiederum in Berlin, anberaumt (21.-23. Mai 1899). Dieser sollte über den obligatorischen Bezug des Verbandsblattes für alle Mitglieder und einer damit einhergehenden Beitragserhöhung entscheiden. Auf diesem ersten <?page no="104"?> Stürmische Jahre (1898 - 1902) 104 Verbandstag nach Gründung wurde aufgrund großer Kontroversen beschlossen, die Basis entscheiden zu lassen und dass der Vorstand zu diesem Zweck eine Urabstimmung über diese Frage zu organisieren solle. Diese wurde für August 1899 geplant. 264 Der Verbandsvorstand warb eindringlich dafür, die Notwendigkeit der Beitragserhöhung sowie der Rettung und weiteren Verbreitung der Solidarität zu sehen und entsprechend abzustimmen: „[D]ie Zeitung ist das Rückgrat einer Organisation“ schrieb Paula Thiede dazu. 265 Perspektivisch wurde von der Verbandsleitung mit diesem Schritt schon die vollständige Übernahme der Solidarität, die zu diesem Zeitpunkt noch vom Graphischen Kartell Berlins herausgegeben wurde, ins Auge gefasst. 266 Doch die Konfliktsituation des Jahres 1899 war nicht auf die Beitragserhöhung beschränkt. Hinzu kam, dass nach den ersten Erfahrungen mit der Struktur eines Zentralverbandes die Vorbehalte gegen die Zentralisierung an sich verstärkt formuliert wurden. Die Protagonistinnen der Zahlstelle-I fühlten sich in verschiedenen Belangen übergangen und sprachen von einer „Diktatur“. 267 Auch die Verwaltung des Arbeitsnachweises spielte eine Rolle. Die Frauen wollten diesen gegen eine gemeinsame Verwaltung mit den Berliner Männern schützen - und verteidigten damit auch ihre Eigenständigkeit als Zahlstelle. 268 Wortführer in dieser Auflehnung gegen den Zentralvorstand war die Zahlstelle I, die organisatorische Heimat von Paula Thiede. Sie und die Vorsitzende der Berliner Frauen, Emilie Heydemann (später Ehm), hatten ähnliche Biografien. Die gebürtige Königsbergerin Emilie Heydemann war nur zwei Jahre jünger, hatte ebenfalls direkt nach der Schule begonnen, als Anlegerin zu arbeiten und war anlässlich des Buchdruckerstreiks in den Verein der Buchdruckereihilfsarbeiterinnen eingetreten. <?page no="105"?> 105 Aufstand der Zahlstelle I Wie Paula Thiede engagierte sich Emilie Heydemann parallel zur gewerkschaftlichen Arbeit in verschiedenen Frauenzusammenhängen. 269 Die Lage eskalierte zu einem in der Verbandsöffentlichkeit ausgetragenen, handfesten Streit, 270 in dem zu allem Überfluss persönliche Konflikte eine Rolle gespielt zu haben scheinen. 271 Die Beteiligten waren Paula Thiede auf Seiten des Zentralvorstandes und auf Seiten der Zahlstelle- I Emilie Heydemann (seit kurzem Vorsitzende derselben 272 ) sowie Clara Bien (die eine zentrale Rolle in der Verbandsgründung gespielt hatte und Schriftführerin im Gesamtvorstand war). In einer öffentlichen Berliner Versammlung schaltete sich vermittelnd sogar Ida Altmann in die Diskussion ein. 273 Altmann war zwar kein Mitglied des VBHi, aber eine der führenden Personen in der proletarischen Frauenbewegung Berlins und stand als solche unter ständiger Polizeibeobachtung. 274 Eine Schlichtung wurde in Namen der Gewerkschaftskommission Berlin hingegen von einem Mann, nämlich Albert Massini, vorgenommen. 275 Massini selbst war Buchdruckergehilfe, aber früher auch Redakteur der Solidarität und kannte die Gewerkschaft somit relativ gut. Ausgerechnet von der Zahlstelle der Berliner Frauen, in der Paula Thiede mit dem Verband in ihre Rolle als Vorsitzende hineingewachsen war, ging so heftiger Widerstand aus, dass die junge Gewerkschaft fast daran zerbrochen wäre. Am 27. September 1899, noch bevor das Ergebnis der Urabstimmung über die Beitragserhöhung bekannt wurde, trat die Zahlstelle I, die mitgliederstärkste überhaupt, aus dem VBHi aus. 276 Ungefähr zu diesem Zeitpunkt hatte die Zahlstelle I darüber hinaus ein Flugblatt mit Vorhaltungen gegenüber dem Zentralvorstand an einige Städte verschickt, was dort für erhebliche Unruhe und Mitgliederrückgang sorgte. 277 <?page no="106"?> Stürmische Jahre (1898 - 1902) 106 Paula Thiede agierte in diesem Konflikt, der sie stark berührt haben wird, mit nicht nachlassendem Engagement. Immer wieder ging sie in die Versammlungen der Zahlstelle I, obwohl dort eine feindliche Atmosphäre herrschte und sie persönlich angegriffen wurde. Zwar wurde ihr vom Zentralvorstand zu Beginn deutlich der Rücken gestärkt, 278 niemals jedoch ließ sie sich von einem anderen Vorstandsmitglied vertreten. Stets nahm Paula Thiede die scharfe Kritik von Emilie Heydemann, Clara Bien oder anderen auf sich. Selbst von Gertrud Hanna kam zu dieser Zeit keine offensive Unterstützung, und Sophie Fiesel (ab Dezember 1901 Teske) hatte sich temporär aus dem Vorstand zurückgezogen. Vielleicht waren sich die Frauen nicht sicher, wo die gewerkschaftlichen und politischen Prioritäten gesetzt werden sollten: Auf die Zukunft des einzigen Zusammenschlusses arbeitender Frauen? Oder auf den Zentralverband (mit einer Frau an der Spitze)? Paula Thiede jedenfalls hatte sich entschieden und hielt beides für miteinander vereinbar, denn sie warb unermüdlich für die Position des Zentralverbandes, aber auch für eine gemeinsame Zukunft. 279 Trotzdem ist der Langmut bemerkenswert, mit dem sie sich auch schärfste Vorwürfe der Zahlstelle-I anhörte. Ihre gleichzeitig zu beobachtende, aktive Rolle für einen gemeinsamen weiteren Weg verhinderte vielleicht das Auseinanderbrechen des jungen Verbandes, blieb aber in ihren Rückschauen auf die Verbandsgeschichte unerwähnt. 280 Die Urabstimmung selbst ergab schließlich bei einer Gesamtmitgliederzahl von 1.467 Personen eine deutliche Mehrheit für die den Streit auslösende Beitragserhöhung (524 : 304). In der Zahlstelle I stimmten 112 gegen und 44-Frauen für den Bezug der Solidarität, was eine verhältnismäßig geringe Wahlbeteiligung bedeutet. 281 <?page no="107"?> 107 Aufstand der Zahlstelle I Der Zentralvorstand bat schließlich den Zusammenschluss der Berliner Gewerkschaften, eine Schlichtung zu übernehmen. Und „nach Abhaltung verschiedener stürmischer Sitzungen und Versammlungen“ gelang es, die Frauen zum Wiederanschluss am 18. Oktober 1899 zu bewegen. 282 Zwar hielt Albert Massini 283 es in seiner Rolle als Vermittler für wenig plausibel, dass die Berliner Hilfsarbeiterinnen mit einem wöchentlichen Verbandsbeitrag von 15 Pfennig finanziell überfordert sein könnten (zu Recht wie sich im Folgenden herausstellte). Doch die Resolution, die der Einigung dann zugrunde lag, griff die Befürchtungen der Zahlstelle I in weiten Teilen auf: „Der Arbeitsnachweis untersteht der Aufsicht der örtlichen Verwaltung. Der Verband hat die Pflicht, die örtlichen Verwaltungen zu unterstützen. Von den Verbandsbeiträgen der Filialen verbleiben 10% den Filialen, die anderen 90% sind an den Verband abzuliefern. Das Obligatorium der ‚Solidarität‘ ist durch eine allgemeine Urabstimmung herbeigeführt.“ 284 Damit hatte sich die Zahlstelle ihre Eigenständigkeit nicht nur bewahrt, sondern sie ausgebaut und formal abgesichert - dies trug maßgeblich dazu bei, dass sie bald wieder zu den Aktivposten des Verbandes zählen konnte. Mit berechtigtem Stolz rief die Zahlstellen-Vorsitzende Emilie Heydemann ihre Kolleginnen auf, gemeinsam dafür zu sorgen, dass der „einzige selbstständige existirende Frauenverein“ in ganz Deutschland für die Zukunft gesichert und ausgebaut werde. 285 Mit dem Frauenverein bezog sich Heydemann auf die Zahlstelle I, die nach diesem Konflikt wieder selbstbewusst unter ihrem Gründungsnamen als Verein der Arbeiterinnen <?page no="108"?> Stürmische Jahre (1898 - 1902) 108 an Buchdruckschnellpressen firmierte und die Verbandszugehörigkeit in den Untertitel verbannte. 286 Durch das stetige Engagement von Paula Thiede, eine außerordentliche Generalversammlung der Zahlstelle, zahllose Diskussionen, einige Zugeständnisse und schließlich durch die Hilfe der vom Zentralvorstand als Vermittlerin angerufenen Berliner Gewerkschaftskommission konnten also die Berliner Hilfsarbeiterinnen im Buchdruckgewerbe überzeugt werden, dem VBHi wieder beizutreten - und gewannen dabei nochmals an Selbstbewusstsein. Trotz der heftigen Streitereien, die sich noch bis ins folgende Jahr zogen, arbeiteten die Beteiligten in den folgenden Jahren wieder gut zusammen. In nächster Zeit kamen Querschläge gegen die zentrale Verbandsführung aus anderer Richtung, insbesondere aus der Zahlstelle der Berliner Männer. Als auf dem Verbandstag 1902 die Berliner Zahlstelle der Männer Misstrauen gegenüber dem Verbandsvorstand äußerte, stellten sich die Frauen jedoch an die Seite Paula Thiedes. 287 Genervt von diesen Vorkommnissen war vor allem „die Provinz“, die sich insbesondere am Verhalten der Zahlstelle-I und einzelnen männlichen Vorstandsmitgliedern störte. Schon gegen Ende des Jahres 1899 hatten die Berliner Kapriolen die Geduld so mancher KollegInnen strapaziert. Auf Seite 1 der Verbandszeitung schrieb L. Miller aus Hannover im Oktober 1899 unter dem Titel „Eine Stimme aus der Provinz“ den BerlinerInnen ins Stammbuch: „[E]ins möchte ich den bekannten Herren, die sich z.B. in den Zentralvorstand wählen ließen, um durch ihre Beschlüße den Ruin zu beschleunigen und den abschwenkungssüchtigen Damen der Zahlstelle I doch zurufen: Glauben sie vielleicht, daß der Verband sich lediglich nach <?page no="109"?> Krise im Zentralvorstand 109 Ihnen zu richten hat? Die Provinz, die ca. die Hälfte der Mitglieder stellt, hat ebenso Rechte und Pflichten, und sollte Berlin gehen, so werden wir umso mehr bleiben“ 288 Und sogar die den BerlinerInnen eigentlich eng verbundene Hamburger Zahlstelle verfasste Ende November 1899 eine Resolution gegen das schädigende Verhalten beider Berliner Seiten. 289 Krise im Zentralvorstand Nachdem die heftigen Zerwürfnisse beigelegt worden waren, unternahm Paula Thiede im Januar 1900 eine Agitationstour ‚durch die Provinz‘, um die gröbsten Schäden, die durch den Streit und durch die Flugblattverschickung der Zahlstelle I entstanden waren, zu beseitigen. Diese Tour führte die Verbandsvorsitzende nach Leipzig, Dresden, Fürth, München und Stuttgart. In Stuttgart meldete sich unter anderem Clara Zetkin in der Diskussion zu Wort - und agitierte kurz darauf auf einer lokalen HilfsarbeiterInnen-Druckereiversammlung im Sinne des Verbandes. 290 Doch die Krisen zogen auch in den Reihen des Verbandsvorstands „manchen Sturm nach sich“ 291 und im Herbst des Jahres 1900 - mitten in der laufenden Amtsperiode - trat Paula Thiede vom Vorsitz des Verbandes zurück. Im offiziellen Rechenschaftsbericht des VBHi hieß es dazu, dass sie „durch Gründe privater Natur verhindert war, ihr Amt in altgewohnter Weise weiter versehen zu können“. 292 Was genau der Grund für ihren Rückzug war, ist nur schwer zu rekonstruieren. <?page no="110"?> Stürmische Jahre (1898 - 1902) 110 Paula Thiede hatte zwischen dem 18. und 20. Juli 1900 ein (nicht erhaltenes) „hektographirtes Schreiben“ an die Zahlstellen geschickt, dass sie sich unter den gegebenen Umständen (das bezog sich insbesondere auf die nur marginale Bezahlung ihrer Tätigkeit) von der Verbandsspitze zurückziehe. Daher solle auf einem (dafür statutengemäß notwendigen 293 ) Verbandstag, „und zwar schon zu Weihnachten“ die Neuwahl eines (besoldeten) Vorsitzenden vorgenommen werden. Bis dahin, aber nicht länger, würde Paula Thiede indes „auf ihrem Posten bleib[en], bis die geeignete Person gefunden ist“. Seit Mai 1900 waren zudem statutengemäß die ersten Arbeitslosenunterstützungen zu zahlen und die Finanzlage angespannt, so dass eine lebhafte Diskussion entbrannte, ob aus diesen beiden Gründen ein außerordentlicher Verbandstag notwendig sei. 294 Thiedes Vorschlag, auf einem Verbandstag einen neuen besoldeten Vorsitzenden zu wählen, schließt die Möglichkeit ein, dass sie auf diese Weise darauf hinarbeitete, ihre Funktion weiter, aber gegen angemessene, vielleicht aus privaten Gründen nun notwendige, Bezahlung ausüben zu können. Ein aufwändiger Kongress konnte jedoch vermieden werden, weil sich mit dem Kollegen Carl Wittig eine Person fand, die die Verbandsleitung unter den schlechten Konditionen fortführen wollte und sich die Gliederungen damit einverstanden erklärten, dass die Berliner Mitgliedschaft die nötigen Neuwahlen vornehmen könne. Am 14. Oktober 1900 fand dazu eine gemeinsame Versammlung des Zentralvorstandes und der beiden Berliner Zahlstellen statt, auf der ein neuer Vorsitzender, ein neuer Kassierer und eine neue Revisorin gewählt wurden. Auch die finanzielle Frage konnte zugunsten der Zahlstellen geklärt werden. 295 Am 28. Oktober wurden diese Ergebnisse der kombinierten Berliner Vor- <?page no="111"?> Krise im Zentralvorstand 111 standssitzung (des Zentralvorstandes und der beiden Zahlstellenvorstände) in der Verbandszeitschrift veröffentlicht. 296 Paula Thiedes Rückzug, der sich später als Teilrückzug entpuppte, war weder überstürzt, noch ist ein einzelner auslösender Moment zu erkennen. Es deutet viel daraufhin, dass ihrer Entscheidung eine Kombination verschiedener Ursachen zugrunde lag. Da ist zum Ersten der anstrengende und von persönlichen Angriffen gekennzeichnete Alltag zu nennen. Seit der Verbandsgründung machten ihr verschiedene Gliederungen und Einzelpersonen persönliche Vorwürfe, die aber eigentlich nur Unzufriedenheiten mit der neuen, zentralisierten Struktur artikulierten. Paula Thiede, die diese neue Struktur verkörperte und umsetzen musste, war als Vorsitzende dafür die erste Beschwerdeadresse. Doch es scheint, den Mitgliedern und FunktionärInnen war nicht immer bewusst, dass ihr Unmut mit der neuen Struktur zu tun hatte, die den lokalen Vereinen viele Entscheidungsfreiheiten genommen hatte. Dadurch wurde die Schuld in persönlichem Verhalten gesucht. Dafür, dass dieser Aspekt eine Rolle gespielt haben dürfte, spricht auch die Tatsache, dass gleichzeitig mit ihr der erste Kassierer, an den die Vorwürfe der Verschwendung gerichtet waren, seinen Rücktritt wegen „Amtsmüdigkeit“ 297 verkündete. Gleichzeitig hintertrieb wohl ein Teil der männlichen Kollegen der Zahlstelle II die Autorität des Wahlamtes, offensichtlich weil sie sich mit einer Frau als Vorsitzende schwer taten. 298 Zum Zweiten ist die Höhe der Aufwandsentschädigung, also die äußerst geringe Bezahlung der Arbeit als Vorsitzende zu beachten, die vor dem Hintergrund der persönlichen Belastungen noch mehr Gewicht erhielt. Im betreffenden Zeitraum belief sich diese „Remuneration“ für die tagesfül- <?page no="112"?> Stürmische Jahre (1898 - 1902) 112 lende Tätigkeit des bzw. der ersten Vorsitzenden sowie für den Posten des Kassierers auf jährlich lediglich 200 Mark. 299 Zum Vergleich: Weibliche Anlegerinnen verdienten etwa 800- Mark jährlich, die genaue Summe schwankte je nach Erfahrung und Arbeitsplatz. 300 Die etablierten Gewerkschaften bezahlten ihre Beschäftigten hingegen deutlich besser: Die vom Metallarbeiterverband angestellten Hilfsarbeiter erhielten zum Beispiel 1.800 Mark jährlich 301 und die beiden Festangestellten der Generalkommission der Gewerkschaften, Legien und Sabath, erhielten im Jahr zuvor (also 1899) 200 Mark - monatlich (! ) 302 Auch der Redakteur des gewerkschaftlichen Correspondenzblattes bezog ab Februar 1900 ein Gehalt in derselben Höhe, nämlich 2.400 Mark jährlich. 303 Der einfache Hilfsarbeiter der Generalkommission der Gewerkschaften bekam Ende 1902 dieselbe Summe; wie auch der Kassierer des höchsten Gewerkschaftsgremiums immerhin 2.500 Mark jährlich ausgezahlt bekam. 304 Diese Gehälter beliefen sich damit auf das Zwölffache der Summe, die Paula Thiede für ihre Arbeit als Verbandsleiterin ausgezahlt bekam - und waren im Gegensatz dazu ein Gehalt, von dem sich leben ließ. Sollte Paula Thiede nicht nur aus etwaiger Selbstachtung, sondern auch aus Angewiesenheit darauf, für ihre Lebenszeit ein Gehalt zu erhalten, auf der Bezahlung bestanden haben, dann hätten wir es mit einer Verkehrung der Vorzeichen zu tun, die ihre Wahl im Mai 1898 erst ermöglicht hatten. Um die Entscheidungsfindung von Paula Thiede in diesem Zeitraum genau zu rekonstruieren, fehlt schlichtweg das Quellenmaterial. Allerdings lässt sich aus verstreuten Hinweisen ihre persönliche Situation ableiten. Bereits zum 1. Oktober 1898 war sie von Kreuzberg aus in die „Große Frankfurter Straße 63 v. IV.“ umgezogen (heute Karl-Marx- <?page no="113"?> Krise im Zentralvorstand 113 Allee, Höhe Rathaus Mitte). 305 Nun, zwei Jahre später, verzog sie zum 1. Oktober 1900 - genau, als sie die Verbandsleitung abgab - in die Seydelstraße 30 in Berlin-Mitte. 306 Ihre neue Adresse war nur vier Hausnummern von dem Haus entfernt, in dem ihr Mann Wilhelm bei ihrer Eheschließung gewohnt hatte. Vermutlich griff die Familie mit dem Umzug auf alte Netzwerke und Beziehungen von Wilhelm zurück, jedenfalls hatte der gelernte Gastwirtsgehilfe dort eine Gaststätte übernommen („Gut gepflegte hiesige und fremde Biere, exquisites Weißbier. Zimmer von 20- 150 Personen. Angenehmer Familien-Aufenthalt.“ 307 ). In der Gastwirtschaft trafen sich traditionell Vereine aus dem sozialdemokratischen Milieu, zum Beispiel die Abteilung „Gemütlichkeit“ des Arbeiter-Sängerbundes Berlin und Umgegend. 308 Die Familie wohnte in den an die Restauration anschließenden Wohnräumen und wird in der Phase der Geschäftseröffnung auf die Mitarbeit Paula Thiedes angewiesen gewesen sein - zumindest solange sie kein eigenes Gehalt bezog, mit dem ggf. Hilfskräfte in der Gastwirtschaft hätten bezahlt werden können. Die Formulierung eines Stuttgarter Kollegen, dass Paula Thiede ihr Amt wegen „anderweitiger Geschäfts-Übernahme am 1. Oktober niederlege“ 309 wird auf diese Konstellation bezogen sein. Die offiziell verkündeten persönlichen Gründe waren also mit der Frage der (Nicht-)Bezahlung für die Gewerkschaftstätigkeit verbunden und stellten zumindest einen Teil der Motivation dar. Festhalten lässt sich zunächst: Carl Wittig übernahm zu den schlechten Konditionen, die mit ein Grund für den Teilrückzug von Paula Thiede gewesen waren, den Verbandsvorstand Ende Oktober 1900. Neuer Kassierer wurde Heinrich Lodahl, vermutlich der Ehemann von Gertrud Lodahl, die ebenfalls im VBHi aktiv war und die später in die National- <?page no="114"?> Stürmische Jahre (1898 - 1902) 114 versammlung der Weimarer Republik aufrückte. 310 Auf der entscheidenden Versammlung der kombinierten Vorstände (Gesamtvorstand, Berlin I und II) am 14. Oktober 1900, von der ein kurzer Bericht vorliegt, 311 offenbarte sich, dass Paula Thiede zwar entschlossen war, den Vorsitz abzugeben, sie sich aber bereits geschickt eine Rückkehroption sicherte. Zunächst schlug sie als neuen Kassierer den bisherigen zweiten Vorsitzenden 312 Heinrich Lodahl vor, mit dem sie zuvor (und in der Folge) lange Jahre vertrauensvoll zusammenarbeitete. Obwohl mit dem vormaligen zweiten Kassierer ein Gegenvorschlag im Raum stand, folgte die Versammlung gegen fünf Stimmen dem Vorschlag Thiedes. Daraufhin machte Lodahl seinerseits den Vorschlag, Paula Thiede „schon zur Unterstützung Wittigs“ nun zur zweiten Vorsitzenden zu wählen. Es folgten einige Gegenreden und drei Gegenvorschläge: Clara Bien, Sophie Fiesel und ein männlicher Hilfsarbeiter (Hr. Preißing). Paula Thiede erklärte dar- Die Innenräume der Gastwirtschaft Seydelstraße 30 (vermutlich Mitte der 1920er Jahre). <?page no="115"?> Krise im Zentralvorstand 115 aufhin „da die Kollegen es besser wissen, was sie zu thun hat, so verzichtet sie auf das Amt“ - eine Ankündigung, mit der sie ihre UnterstützerInnen aus der Reserve lockte. Sie fragte im Anschluss die Vorgeschlagenen, ob sie die Wahl annehmen würden. Preißing lehnte wegen Nachtarbeitsschichten ab; Sophie Fiesel nutzte die Steilvorlage und erklärte sich für Paula Thiede - und lehnte damit ebenfalls ab. Nur Clara Bien - die in persönlichem Konflikt mit der bisherigen Vorsitzenden stand 313 - „dankte“. Durch das Plädoyer von Sophie Fiesel (später Teske) war die Kandidatur von Paula Thiede wieder aktuell, und in der folgenden Abstimmung wurde sie gegen sieben Stimmen zur zweiten Vorsitzenden gewählt. Paula Thiede trug damit den Sieg gegen den Teil der Zahlstelle I um Clara Bien, der sie persönlich in Frage stellte, davon - und vermied es, aus den Verbandsgeschäften vollkommen herauszufallen. 314 Die stürmischen ersten Jahre und insbesondere der temporäre Rückzug von Paula Thiede blieben nicht ohne Folgen für den gesamten Verband. Die Unruhe und der Streit in Berlin störten die Entwicklung der jungen Gewerkschaft, die Mitgliederzahl ging zurück und drei Zahlstellen (München, Mainz und Fürth) lösten sich auf. Nur die Hauptverursacher, die beiden Berliner Zahlstellen, wirkten unbeeindruckt und konnten in der konkreten Arbeit eine Fülle an Aktivitäten entfalten und weitere Mitglieder gewinnen. 315 Teile der Basis formulierten darüber hinaus explizit ihre Unzufriedenheit mit dem Interimsvorstand: „Sehen wir uns dazu die Anträge vom Verbandsvorstande an, so ist es doch eine recht minimale Arbeit, die uns da vorgelegt wird“, beschwerte sich ein Mitglied Anfang März 1902. 316 In der Zeit des Interimsvorstandes wurde offenbar weiteren Beteiligten klar, was sie an Paula Thiede gehabt hatten. <?page no="116"?> Stürmische Jahre (1898 - 1902) 116 Vielleicht hat diese schlechte Entwicklung der Gewerkschaft Paula Thiede zur Rückkehr an die Verbandsspitze bewegt. Außerdem trat eine erneute Änderung der ‚privaten‘ Verhältnisse der Familie Thiede ein. Die gemeinsam geführte Gastwirtschaft in der Seydelstraße 30 (an die ihre Wohnung angeschlossen war) gaben die Eheleute Wilhelm und Paula Thiede jedenfalls nach kurzer Zeit wieder auf. Das zeigte ein weiterer Umzug (jetzt an den westlichen Rand des Friedrichshaines) an und war vermutlich mit einer neuen Arbeitsstelle von Wilhelm Thiede verbunden. Dies könnte Paula Thiede die Rückkehr auf den arbeitsintensiven Vorstandsposten ermöglicht haben - oder die Änderungen waren andersherum Ausdruck ihres Willens, die Verbandsführung wieder zu übernehmen. Möglich ist auch, dass der Umzug und die Aufgabe des Restaurants unabhängig davon geschahen und Carl Wittig ihr die Entscheidung abnahm, denn er trat seinerseits überraschend von seinem Posten zurück. 317 Mitten in der laufenden Amtsperiode, nur wenige Wochen vor einem regulären Verbandstag, war jedenfalls in der Verbandszeitung ohne weitere Erläuterung von einem „im Verbandsvorstand vorgekommene[n] Wechsel“ zu lesen und alle Post für Vorstand und Redaktion der Zeitung sollten wiederum an die alte und neue Vorsitzende adressiert werden: „Paula Thiede, Berlin NO., Elbingerstr. 27, vorn 4“. 318 Hinsichtlich der immensen Schwierigkeiten, die der Verband in diesen ersten vier Jahren nach seiner Gründung zu bewältigen hatte, stellte Paula Thiede im Rückblick fest, dass es die „immer mehr zunehmende ernste Arbeit war […], die alles persönliche überbrückte“ 319 . Wie stets in ihren Berichten spielte Paula Thiede ihre eigene Rolle in solchen Formulierungen herunter oder machte sie gar unsichtbar. Gertrud Hanna, die über zwei Jahrzehnte lang an ihrer Seite stand, <?page no="117"?> Krise im Zentralvorstand 117 formulierte denselben Sachverhalt später deutlich anders. Danach hat es Paula Thiede „verstanden, die junge Organisation über die Schwierigkeiten hinwegzubringen, die ihr im Anfang durch Absplitterung drohten“ 320 . Erst nachdem die hier beschriebenen internen Klippen erfolgreich umschifft worden waren und erst nach der Rückkehr von Paula Thiede auf ihren Posten stand fest, dass der Verband der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen „als Sieger aus allen inneren Krisen hervorgegangen“ war. 321 Mit einem klärenden und nach vorne gerichteten Verbandstag im Jahr 1902 kam der VBHi schließlich auf eine beeindruckende Erfolgsspur. Doch bevor dieser Aufbruch näher beleuchtet wird, muss auf eine wichtige Ressource gewerkschaftlich aktiver Frauen wie Paula Thiede eingegangen werden, namentlich die Netzwerke von Frauen innerhalb der Arbeiter- Innenbewegung. <?page no="119"?> 119 Im Frauennetzwerk Der große Konflikt mit den Frauen der Zahlstelle I im ersten Jahr nach der Gründung des Zentralverbandes muss für Paula Thiede eine neue und irritierende Erfahrung gewesen sein. In den Jahren zuvor war sie, wie fast alle politisch aktiven Frauen, gezwungen, auf solidarische Frauennetzwerke zurückzugreifen, denn in den regulären Partei- und Gewerkschaftsgremien war Unterstützung für explizite Frauenorganisierung selten zu haben. 322 Diese Netzwerkarbeit musste von Paula Thiede wie von allen anderen aktiven Frauen zusätzlich zu den bereits bestehenden Verpflichtungen (Lohnarbeit, politische Arbeit, Haushalt und Kinder) getragen werden. Es sind kaum Beschreibungen der konkreten Arbeit dieser oft informellen Kreise überliefert, aber es ist davon auszugehen, dass aufgrund gemeinsamer verbindender Erfahrungen eine Atmosphäre von gegenseitigem Verständnis und Solidarität geherrscht hat. Ähnliches muss innerhalb des Vereins der Arbeiterinnen an Buchdruckschnellpressen gegolten haben: Die wechselseitige Übernahme des Vorsitzes durch verschiedene Frauen (Jendritza, Teske, Bien, Thiede) spricht ebenso dafür wie die gute Zusammenarbeit von Clara Bien und Paula Thiede in der Agitationskommission zum Aufbau des reichsweiten Verbandes (vor der beschriebenen Konfrontation im Jahr 1899). Von politischen oder persönlichen Konflikten wurde nicht berichtet und es ist angesichts der vielen Angriffe von außen unwahrscheinlich, dass sie, falls vorhanden, ausgetragen wurden. Vielleicht spiegelte der oben beschriebene Konflikt zwischen der weiblichen Vorsitzenden und der Zahlstelle der Berliner Frauen ein Stück politische Normalität - eine Normalität, die für Frauen im <?page no="120"?> 120 Im Frauennetzwerk Kaiserreich alles andere als normal war und den Verband der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen auch in dieser Hinsicht zu einer Ausnahme macht. Funktionierende gewerkschaftliche Frauenorganisationen wurden von sozialdemokratischen Frauen vor 1908 zwecks Umgehung des Vereinsrechts zur politischen Selbstorganisation und Agitation genutzt. 323 Deshalb organisierten Frauen sich in Gewerkschaften, obwohl sie nicht in der entsprechenden Branche arbeiteten, Ida Altmann etwa war für den Textilarbeiterverband tätig. 324 Eine Art RednerInnenaustausch war übliche Praxis in den Gewerkschaften, an der sich auch Paula Thiede spätestens ab dem Jahr 1901 rege beteiligte 325 - doch Altmanns Einsatz ging im Falle der Buchdruckereihilfsarbeiterinnen über das normale Maß hinaus. Sie hielt für diese eine zumindest kurzfristig erfolgreiche Veranstaltung zwecks Aufbaus einer örtlichen Zahlstelle in ihrer Heimatstadt Königsberg ab 326 und hatte sich bereits während der Krise im Jahr nach der Verbandsgründung engagiert. Aufgrund der schwierigen rechtlichen Situation war die proletarische Frauenbewegung bis zur Reformierung des preußischen Vereinsgesetzes, also bis 1908, wesentlich dezentraler und weniger formalisiert organisiert als die männlich geprägte Restbewegung. Neben den immer wieder verbotenen Vereinen hatten sich - über die Gewerkschaftsarbeit hinaus - sogenannte „Frauen-Agitationskommissionen“ gebildet, die sehr informell arbeiteten. Die jahrzehntelange Geschichte dieser zweiten, sehr flexiblen Struktur aus Kommissionen, Agitationskreisen und Leserunden ist recht komplex und nicht leicht nachzuvollziehen. Die Zusammenhänge wurden oft umbenannt, verboten oder lösten sich in weiser Voraussicht selbst auf; mal waren sie im Par- <?page no="121"?> 121 Im Frauennetzwerk teiumfeld aktiv und manchmal an die Gewerkschaftsarbeit angebunden. Die Berliner Zusammenhänge überlagerten sich zudem oft mit reichsweiten Entwicklungen, doch gerade hier spielte „die Agitationskommission in der Entwicklung der proletarischen Frauenbewegung eine zentrale und entscheidende Rolle“. 327 Das Vorgehen und die politische Alltagsarbeit von Paula Thiede bis zur Mitte der 1910er Jahre kann ohne Orientierung über die Frauennetzwerke nicht in Gänze verstanden werden, daher sei diese sehr besondere Organisationsform in seinen wesentlichen Merkmalen hier erläutert. Bereits in den 1880er Jahren begannen die ersten Bestrebungen proletarischer Frauen, sich selbstständig zu organisieren. Doch selbst informelles Vorgehen bewahrte politisch aktive Frauen nicht immer davor, in den Fokus der Obrigkeit zu geraten. Im Jahr 1888 kam die gewählte Frauenkommission in Berlin einem Verbot zuvor und löste sich selbst auf, um Repressionen zu vermeiden. Die beobachtende Behörde musste allerdings besorgt feststellen: Die „im Entstehen begriffene hiesige Frauen-Organisation ist durch die Auflösung der gewählten Kommission keineswegs aufgegeben worden, sondern [wurde] mit geänderter Taktik weiter gesucht“ 328 . Im Anschluss an den Sozialistenkongress in Paris 1889 und anlässlich der Berichterstattung durch Emma Ihrer und Clara Zetkin vom Pariser Kongress 329 wurde in Berlin eine zweite aus sieben Frauen bestehende Frauenagitationskommission gegründet, die nach anfänglichen Schwierigkeiten mit den Behörden die Arbeit aufnehmen konnte. Zu Beginn der 1890er Jahre konnten in Berlin daraufhin einige Arbeiterinnenvereine gegründet werden. 330 Dabei hat sicher die Nicht-Verlängerung des Sozialistengesetzes eine Rolle gespielt - außerdem erwirkte Emma Ihrer <?page no="122"?> Im Frauennetzwerk 122 beim preußischen Innenminister die Zusage der Duldung von Frauenversammlungen. 331 Die Zusage wurde in den folgenden Jahren tatsächlich eingehalten. 332 Einige Jahre später, am 19.-Februar 1895, wurde die örtliche, zu diesem Zeitpunkt offen arbeitende Kommission dann jedoch polizeilich aufgelöst. 333 Ähnliche Verbote trafen alle vergleichbaren Frauenkommissionen in Deutschland. 334 Emma Ihrer führte die Verbote unter anderem darauf zurück, dass der große bürgerliche „Berliner Frauentag“ im März 1894 die Arbeiterinnenvereine als sozialdemokratisch denunziert habe. 335 Die organisierten Frauen hatten Ende Januar 1895, noch vor dem Verbot, eine Leseliste zusammengestellt, die leider nicht erhalten ist. Diese diente als Grundlage für „Lese-Abende“, an denen eine Person den anderen aus „politischen Werken [und] Zeitschriften“ vorlas und anschließend der Inhalt diskutiert wurde, und die zweimal pro Monat an sieben Orten in Berlin stattfanden. Für einen dieser Orte, ein Lokal in der Kreuzberger Naunynstraße 86, wurde von der „Politischen Polizei“ als Verantwortliche unsere damalige Frau Berlin („Frau Fehlberg“) ermittelt. Das war vor ihrer Hochzeit mit Wilhelm Thiede und sie wohnte in der vom Veranstaltungsort zu Fuß erreichbaren Urbanstraße 36. 336 Es zeigte sich schon in frühen Jahren - drei Jahre vor der Übernahme des Vorsitzes des Zentralverbandes -, dass Paula Thiede in ihren Aktivitäten Prioritäten setzte. Zwar engagierte sie sich neben ihren persönlichen Aufgaben des Geldverdienens und der Verantwortung für ein zu diesem Zeitpunkt fünfjähriges Kind auch in der nicht-gewerkschaftlichen proletarischen Frauenbewegung, indem sie ihre Fähigkeiten - hier Selbstbewusstsein, (Vor-)Lesenkönnen und Zuverlässigkeit - zur Leitung eines zweiwöchentlichen <?page no="123"?> 123 Im Frauennetzwerk Lesekreises zur Verfügung stellte. Aber obwohl sie persönlich dafür geeignet gewesen wäre, wurde sie kein führendes Mitglied einer parteinahen Frauenagitationskommission, sondern legte ihren Fokus auf die Gewerkschaftsarbeit - auf die verbesserte Absicherung der Frauen im Arbeitsleben, deren Abwesenheit ihr so bittere persönliche Erfahrungen gebracht hatte. Nach Einschätzung der Polizei wurden die Leseabende mit dem Verbot der Agitationskommission ebenfalls beendet. 337 Für die Arbeiterinnenbewegung war es aber nichts Neues, dass die Aktivitäten im Verborgenen stattfinden mussten und vielleicht wurden diese Leseabende in Eigenregie weiter geführt - zumal die Akten der Polizei mehrfach offenlegen, dass diese längst nicht alles mitbekam. In den Jahren nach dem Verbot der zweiten Frauenkommission im Februar 1895 wurden aus den netzwerkartigen Zusammenhängen dann immer wieder große Veranstaltungen zur Frauenfrage organisiert, auf denen viele der bekannten SozialdemokratInnen redeten (Wilhelm Liebknecht, August Bebel, Clara Zetkin, Ottilie Baader, Lily Braun und andere) und bei denen die Zahl der Zuhörenden nicht selten in den vierstelligen Bereich ging. 338 Von der politischen Polizei wurde Paula Thiede Ende Dezember 1898 nochmals als eine der „in der Bewegung agitatorisch thätigen und hier bekannten Frauen“ erwähnt 339 , aber ohne dass sie sich als Anmelderin einer Veranstaltung oder Referentin oder durch eine Funktion besonders hervorgetan hätte. Ihre Prioritätensetzung auf die gewerkschaftliche Arbeit zeigte sich auch in Paula Thiedes Verhältnis zur SPD. Wie selbstverständlich tauchte sie in verschiedenen Kontexten des sozialdemokratischen Milieus auf, aber nur ein einziges Mal nahm sie an einer Konferenz teil, und zwar an der ersten <?page no="124"?> Im Frauennetzwerk 124 Konferenz sozialdemokratischer Frauen im September 1900 in Mainz. 340 Von den 20 Delegierten, unter anderem Wilhelmine Kähler (Altona), Helma Steinbach und Luise Zietz (Hamburg) sowie Clara Zetkin (Stuttgart), waren vier aus Berlin angereist. Diese vier - Paula Thiede, Ottilie Baader, Emma Ihrer und Margarete Wengels - dürften zu diesem Zeitpunkt nicht Mitglied der Partei gewesen sein, weil das Preußische Vereinsrecht mit dem §8 die Mitgliedschaft für Frauen, Schüler und Lehrlinge in politischen Vereinen und Parteien untersagte. Auf der Konferenz wurden die Agitation und Schulung von Arbeiterinnen sowie das später sehr erfolgreiche Vertrauenspersonensystem, 341 durch welches Frauenagitationskommission der deutschen Sozialdemokratie, Berlin 1896: Laut Bildbeschreibung sind (in unbekannter Reihenfolge) zu sehen: Emma Ihrer, Martha Tietz, [Ottilie] Gerndt, Lenscher [vermutlich Antonia Leuschner] und [Mathilde] Hofstetten. <?page no="125"?> 125 Im Frauennetzwerk das Vereinsgesetz umgangen wurde, besprochen und systematisiert. Das beschlossene „Regulativ“ für die Vertrauenspersonen sah als Publikationsorgan für Berichte und weiteres die Gleichheit vor. 342 Zur Zentralvertrauensperson wurde bei der Wahl zwischen Emma Ihrer und Ottilie Baader für Letztere votiert. 343 Flugblätter und Broschüren sollten von einer fünfköpfigen Kommission verantwortet werden, die von „den Berliner Genossinnen gewählt“ werden sollte. 344 An dieser Kommission und an erneuten, diesmal deutlich parteinahen Lesekreisen, die ab 1904 wieder veranstaltet wurden, beteiligte sich Paula Thiede schließlich gar nicht mehr, obwohl diese zu Beginn mit Gewerkschaftsthemen lockten: Ottilie Baader veranstaltete ab Januar 1904 Frauenlesekreise, zunächst im Gewerkschaftshaus am Engelufer. Sie begannen mit der Ausrichtung auf „solche Frauen und Mädchen, die gewerklich entweder in Fabriken oder als Heimarbeiterinnen tätig sind und die schon in der Gewerkschaftsbewegung eine gewisse Rolle spielen. (Augenblicklich sind es etwa 15 Personen). Der Sinn dieser Einrichtung ist, geschickte Agitatorinnen für die gewerkschaftliche Bewegung der Frauen heranzubilden.“ 345 Neben Ottilie Baader, die als Zentralvertrauensperson der SPD-Frauen agierte, beteiligte sich Luise Zietz an diesen Kursen, die zu einer regelrechten Bewegung heranwuchsen, sich allerdings immer mehr auf Agitation für die Partei und weniger auf den Gewerkschaftsgedanken konzentrierten. Dementsprechend wurde der Versammlungsort vom Gewerkschaftshaus in ein Lokal in der Ritterstraße verlegt. 346 Paula Thiede konzentrierte sich stattdessen auf die Stärkung der weiblichen Strukturen in den Gewerkschaften. <?page no="126"?> Im Frauennetzwerk 126 Ein erster Versuch, auf höchster Ebene etwas zu bewirken, scheiterte, als ein Antrag auf Einrichtung einer gewerkschaftlichen Frauenagitationskommission, den Paula Thiede im Namen ihres Verbandes auf dem Gewerkschaftskongress 1902 stellte, nicht zur Diskussion zugelassen wurde. Paula Thiede hatte so nicht einmal die Chance, dem männlich dominierten Kongress von ihren Erfahrungen zu berichten, dass „man Frauen mindestens so gut organisieren kann wie die Männer“. 347 Solche Erfahrungen der Geringschätzung von Arbeiterinnen durch männliche Gewerkschafter wurden immer wieder gemacht. Als 1903 ein großer Streik in der Crimmitschauer Heimarbeit, der zum überwiegenden Teil von Frauen getragen wurde, die Solidarität der anderen Gewerkschaften benötigte, beschwerte sich Theodor Leipart (damals noch in seiner Funktion als Vorsitzender des Holzarbeiterverbandes) über die „Bettelei für Crimmitschau“, die andere Gewerkschaften belasten würde. 348 Auf den üblichen Wegen in der Gewerkschaftsbewegung war kein Fortschritt zu erzielen, und daher gründeten Berliner Frauen die nächste informelle Selbsthilfestruktur. Obwohl die Vorgeschichte des „gewerkschaftlichen Arbeiterinnen-Komitees“ bis in das Jahr 1902 - und damit zum gescheiterten Antrag auf dem Gewerkschaftskongress - zurückging, 349 trat dieses Netzwerk erstmals bei einem großen Kongress zum Thema Heimarbeit als „Frauenversammlung Berlin“ im März 1904 in Erscheinung. Dort war der Kreis federführend in der Vorbereitung des Kongresses zum Schutz von HeimarbeiterInnen (wie beispielsweise in Crimmitschau). Mitglieder dieser Frauenversammlung waren Paula Thiede, Clara Zetkin, Elise Panzeram, Martha Tietz und Ottilie Baader. 350 Noch im selben Jahr (im Juli 1904 351 ) <?page no="127"?> 127 Im Frauennetzwerk wurden die Aktivitäten dann von einem „Arbeiterinnenagitationskomitee“ in veränderter Zusammensetzung übernommen, in dem Paula Thiede, Emma Ihrer, Ida Altmann, Marie Hofmann und Martha Tietz zusammenarbeiteten. 352 Martha Tietz war bereits 1898/ 99 an einem ähnlichen Versuch, gewerkschaftliche Frauenarbeit zu systematisieren, beteiligt gewesen - damals in Form einer sozialdemokratischen Beschwerdekommission für frauenspezifische Missstände in der Arbeitswelt. 353 Die 1902 von Hamburg nach Berlin übergesiedelte Generalkommission der Gewerkschaften stellte dem Arbeiterinnenagitationskomitee 1904 ein Büro zur Verfügung, „in welchem täglich ein Mitglied“ bereitstand, um „Auskünfte zu erteilen, Beschwerden und Auskünfte für die Agitation entgegenzunehmen“. 354 Selbst die kleinste Kommission hatte einen Vorstand, und in diesem Falle war das von Beginn an Emma Ihrer. 355 Die erfolgreiche Tätigkeit dieser „privaten Vereinigung“ galt einer fachkundigen Zeitgenossin als zentral dafür, im Jahr 1905 endlich das Arbeiterinnensekretariat in der Generalkommission der Gewerkschaften durchsetzen zu können. 356 Dieser Erfolg war unter anderem dem entschiedenen Einsatz von Carl Legien zu verdanken, der - in der Sache überzeugt und überdies Emma Ihrer sehr nahestehend 357 - männliche Angriffe auf das Frauenbüro im Gewerkschaftshaus (einen „kleinen, nicht benutzten Raum in den Bureauräumen der Generalkommission“ 358 ) geschickt dazu nutzte, das Frauensekretariat endlich einzurichten. 359 Die Stelle wurde von Ida Altmann mit ihrer halben Arbeitskraft besetzt; ihre andere Aufgabe darin bestand, für den „Internationalen Sekretär“ (das war Carl Legien) die anfallenden Übersetzungen vorzunehmen. 360 <?page no="128"?> Im Frauennetzwerk 128 Ida Altmann kooperierte in der Folge sowohl mit dem Berliner Privatkomitee, von dem sie selbst ein Teil war und in dem Paula Thiede eine wichtige Rolle spielte, als auch mit Gewerkschaften, in denen Frauen eine sichtbare Rolle einnahmen. Zu diesen zählten die Verbände der Textil- und Metallarbeiterinnen, der WäscherInnen und natürlich wiederum der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen, deren Zahlstelle I ja zu diesem Zeitpunkt immer noch ein selbstständiger Frauenverein war. Diese Organisationen hatten jeweils ein System weiblicher Vertrauensleute eingerichtet, und 1905 hatten die Metallarbeiterinnen 75 und die Buchdruckereihilfsarbeiterinnen 40 weibliche Vertrauenspersonen in Berlin. 361 Der „wunderbar arbeitende […] Hilfsstamm“ von Vertrauensleuten in Berlin und Hamburg war für den gesamten Verband ein „glückliches, wertvolles Bindeglied zwischen Vorstand und Mitgliedern“. Viele schnelle Erfolge des Verbandes waren dieser „gemeinsamen Zusammenarbeit zu verdanken“. 362 Die Vertrauensfrauen der verschiedenen Verbände stellten einen Teil der Frauen, die nun systematisch geschult wurden. Diese Schulungen waren ein Ergebnis der Zusammenarbeit der gewerkschaftlich aktiven Frauen, des gewerkschaftlichen Arbeiterinnenagitationskomitees und von Ida Altmann als Frauensekretärin. Insbesondere von Altmann erforderte diese Tätigkeit eine enorme Korrespondenz. 363 Dazu wurden nicht nur Werkstätten-, Fabrik-, und öffentliche Versammlungen durchgeführt, sondern auch Übungsabende, die „der Initiative des gewerkschaftlichen Arbeiterinnen-Organisationskomitees [Thiede, Ihrer, Altmann, Hofmann, Tietz] ihr Entstehen verdank[t]en“. Unter anderem wurden an diesen Abenden „Referentinnen für die Agitationsarbeit“ geschult. Fast 250 Veranstaltungen konnte dieses Netzwerk von ge- <?page no="129"?> 129 Im Frauennetzwerk werkschaftlich aktiven Frauen für Frauen in nicht mal zwei Jahren durchführen. Nicht selten zogen diese Schulungen einen erweiterten Tätigkeitskreis dieser jungen Frauen im Gewerkschaftsbereich nach sich, bis hin zur Mitarbeit an der Gewerkschaftspresse oder der Anstellung als Gewerkschaftsbeamte. 364 Auch eine direkte Erhöhung des Anteils weiblicher Mitglieder konnte in einigen Verbänden direkt auf die Arbeit Ida Altmanns zurückgeführt werden. 365 Ab dem Jahr 1911, als sich die Arbeit des Arbeiterinnensekretariats verstetigt hatte und mit Gertrud Hanna seit 1909 366 eine Frau aus der Schule des VBHi die Tätigkeit von Altmann übernommen hatte, wurde alle zwei Wochen „den für die Gewerkschaft tätigen Arbeiterinnen zur Agitation geeignetes Material zugesandt“. Dieses Vorgehen stellte explizit die zeitliche Doppelbelastung der Frauen in Rechnung und diente diesen als Arbeitserleichterung. 367 In dieser Zeit hatten sich langlebige politische und persönliche Bindungen ergeben, wie sich anlässlich des Todes von Emma Ihrer im Jahr 1911 beobachten lässt. „Ein unabsehbarer Zug von Männern und Frauen wogte dem Totenacker zu, um der Verstorbenen das letzte Geleite zu geben“ war im Vorwärts zu lesen, so dass auf dem Friedhof in Friedrichsfelde „auch nicht das kleinste Plätzchen mehr frei war“. Das sieben Jahre zuvor gegründete gewerkschaftliche Arbeiterinnenkomitee legte einen Kranz nieder, auf dessen Schleife ein Spruch geschrieben stand, der heute noch auf dem Grab Ihrers zu lesen ist: „Wirken für andere war ihres Glückes ergiebigster Quell“. 368 Neben Clara Zetkin, Luise Zietz und Margarete Wengels sprach Paula Thiede am Grabmal. Aus einem von ihr verfassten Nachruf spricht viel persönliche Nähe und Verbundenheit. Ihrer habe sich mit großer Energie „freigemacht aus den Anschauungen, in <?page no="130"?> Im Frauennetzwerk 130 denen sie erzogen worden ist.“ Die Zeit und die gemeinsamen Erfahrungen hatten Paula Thiede und Emma Ihrer die Gelegenheit gegeben, eine Freundschaft zu entwickeln: „Unsere Emmy, wie wir als Freundinnen sie nannten, […] hat der großen und guten Sache viele Kämpfer und Kämpferinnen, auch Führer und Führerinnen gewonnen“. Ihrers „treue Freundinnen“ wurden, so Paula Thiede, durch diesen Verlust noch „enger zusammengeführt“. Das aus der Not heraus entwickelte gewerkschaftliche Frauennetzwerk lebte also weiter. 369 Die institutionellen Bedingungen für die Organisierung von weiblichen Lohnabhängigen in der sozialistischen Arbeiterbewegung formalisierten sich jedoch mit der Zeit. Die Frauenagitationskommissionen wurden Schritt für Schritt vom SPD-Vertrauenspersonensystem ersetzt und das gewerkschaftliche Netzwerk setzte das Arbeiterinnensekretariat bei der Generalkommission durch. Ohne die latente Drohung der eigenständigen Organisierung der Arbeiterinnen hätten Partei und Gewerkschaften wohl auch diese kleinen Zugeständnisse nicht gemacht. <?page no="131"?> 131 Entfaltung (1902 - 1905) Der VBHi verlor hingegen seit seiner Gründung nicht aus den Augen, weibliche Mitglieder nicht nur aufzunehmen, sondern auch strukturell willkommen zu heißen. Dies war einer der Gründe für den Erfolg, der sich in den Jahren 1902 bis 1914 einstellte. Doch in den ersten Jahren nach der Gründung des Zentralverbandes im Jahre 1898 war noch lange nicht ausgemacht, dass das Projekt ein Erfolg werden würde. Sieben Monate nach der erfolgreichen Gründung des Zentralverbandes betrug die Mitgliederzahl insgesamt 1.423, wovon ein knappes Drittel die Frauen der Zahlstelle I ausmachten und ein weiteres Drittel auf die Zahlstelle II und die Hamburger Sektion entfiel. 370 Auch in den drei darauf folgenden stürmischen Jahren konnte diese Zahl nur geringfügig erhöht werden. Die Querschüsse der Zahlstellen I und-II und der zwischenzeitliche Rückzug von Paula Thiede ließen die etwa 2.000 Mitglieder im März 1902 beinahe noch schmeichelhaft erscheinen. 371 Was an positiver Entwicklung zu beobachten war, beschränkte sich zudem fast gänzlich auf die beiden Berliner Zahlstellen. 372 Diese Entwicklung ist besonders auffällig, weil sie dem allgemeinen Trend von deutlich erhöhten Mitgliederzahlen der deutschen Gewerkschaften - auch bei Frauen - entgegenstand. 373 Erst die erneute Wahl von Paula Thiede vom März 1902 im Berliner Gewerkschaftshaus am Engelufer leitete eine lang anhaltende Phase des Aufschwungs für den VBHi ein. <?page no="132"?> Entfaltung (1902 - 1905) 132 Aufbruch Paula Thiede trat auf diesem Verbandstag mit einem bemerkenswerten Selbstbewusstsein auf, auch und gerade in der Konfrontation mit den starken Zahlstellen I und II. 374 Besonders deutlich wurde ihr abgeklärtes Auftreten jedoch in der Debatte um die Bedingungen um ihre Rückkehr auf den Verbandsvorsitz. In einem Verband, der mäßig viel verdienende HilfsarbeiterInnen organisierte, war die prekäre Kassenlage gerade in den ersten Jahren ein ständiger Begleiter - und damit waren auch die Zwecke, für die das knappe Geld aufgewendet werden sollte, stets umstritten. Dessen ungeachtet gab Paula Thiede dem Verbandstag zu verstehen, dass sie bereit sei, bei der vorgeschlagenen Erhöhung der Entschädigung für ihre Tätigkeit von 200 auf 600 Mark jährlich den Vorsitz noch einmal zu übernehmen. 375 Um dies zu ermöglichen wurden der Verbandsvorsitz und das Amt des verantwortlichen Redakteurs der Verbandszeitschrift Solidarität mit Paula Thiedes vorherigem Einverständnis schließlich zusammengelegt. 376 Die männlichen Berliner Delegierten hatten für den Verbandstag 1902 jedoch offensichtlich den Sturz Paula Thiedes vorbereitet und wandten sich explizit gegen diesen Vorschlag. Ihr Anliegen sah vor, den gesamten Vorstand nach Hamburg zu verlegen, und sie konnten offensichtlich im Vorfeld einzelne Hamburger Kollegen dafür gewinnen. Paula Thiede betonte in der Diskussion allerdings nochmals, wie viel Aufwand die Vorstandsarbeit bedeutete, 377 woraufhin die im Vorhinein eingebundenen Hamburger ablehnten. 378 Ihnen war aufgegangen, dass das Arbeitspensum einen Verzicht auf Lohnarbeit bedeuten musste und dass man selbst von der erhöhten Entschädigung (600 Mark) „in Hamburg nicht existiren kann“ 379 , geschweige denn eine Familie ernährt werden konnte. Der <?page no="133"?> Aufbruch 133 Hamburger Vertreter (Lohse) schloss nun vielmehr ein komplettes Eingehen der Hamburger Zahlstelle, die „jetzt schon mit Defizit“ arbeitete, für die nahe Zukunft nicht aus - sie war also völlig ungeeignet dafür, einen kompletten Verbandsvorstand mit mindestens sechs Personen zu stellen. 380 Verbissen hielten die Vertreter der Zahlstelle II jedoch an ihrem Plan fest, sogar dann noch, als die wichtige Zahlstelle I sich an die Seite von Paula Thiede gestellt hatte. 381 Eine politische Begründung, zum Beispiel das Ringen um eine kämpferische, basisdemokratischere, mithin lokalistischere Ausrichtung des Verbandes hätte öffentlich argumentiert werden können (was nicht geschah) und scheidet daher als Grund für dieses Verhalten aus. Das erhebliche Maß von Irrationalität, das im Festhalten an dem bereits gescheiterten Plan zum Ausdruck kam, lässt sich eigentlich nur damit erklären, dass es der eigentliche Zweck war, die weibliche Vorsitzende loszuwerden, was wiederum aber nicht offen geäußert werden konnte. Paula Thiede hingegen sprach das Unausgesprochene an: Sie hielt denjenigen Delegierten, die Verbandsprobleme an ihrer Person festmachen wollten, selbstbewusst entgegen, „daß ihr einziger Fehler nur darin besteht, daß sie eine Frau ist, denn Fehler in der Geschäftsführung sind ihr nicht nachzuweisen“. 382 Gegen vier Delegiertenstimmen wurde sie im Anschluss an diese Kontroversen wieder zur Vorsitzenden gewählt und ihre unnachgiebigen Gegner erlitten eine deutliche Abstimmungsniederlage. 383 Zu ihrem erfolgreichen Auftritt hatte sicher beigetragen, dass sie zehn Jahre Organisations-, Agitations- und Leitungserfahrung vorweisen konnte. 384 Nach ihrer Wiederwahl spielte Paula Thiede in den folgenden Jahren ihre Stärken und ihre Erfahrung für den Verband aus. So geriet der zweite ordentliche Verbandstag vom März 1902 im neuen Gewerkschaftshaus am Berliner Engelufer zu einem Aufbruch. <?page no="134"?> Entfaltung (1902 - 1905) 134 „In dem mit den Büsten Marx’ und Lasalles und mit Fahnen reich geschmückten Saal III des Gewerkschaftshauses zu Berlin eröffnete die Vorsitzende Frau Thiede […] die Verhandlungen“. Grafik: Jonah Gronich (2019). <?page no="135"?> Aufschwung 135 Aufschwung Bereits nach Paula Thiedes Rückkehr als Interimsvorsitzende Anfang 1902 bis zum Verbandstag im März und der damit einhergehenden Konsolidierung schien diese Aufbruchsstimmung Fuß gefasst zu haben. Die Zahlstelle I konnte auf dem Verbandstag im März 1902 bereits von jüngsten, Mut machenden Erfolgen in der täglichen Arbeit berichten. Es wurden erfolgreiche Streiks durchgeführt, eine Beitragserhöhung ohne Austritte durchgeführt und in großen Berliner Druckereien arbeiteten nur noch im VBHi organisierte Hilfskräfte. 385 Die Zahlstelle II tat sich allerdings zunächst schwer, die Niederlage auf dem Verbandstag zu verdauen. Doch nach etwa zwei Monaten und vielen Diskussion ließen ihre Vertreter sich überzeugen, den Zentralverband zu stärken, anstatt über einen Austritt abstimmen zu lassen. 386 Der Verband mit Paula Thiede an der Spitze konnte den Aufwärtstrend dann über Berlin hinaus tragen. Bereits zum 30. Juni 1903 wurde ein Mitgliederzuwachs verzeichnet, der höher lag als in den drei vorausgehenden Jahren zusammen. Insgesamt 2.606 zahlende Mitglieder bedeuteten 617 mehr als ein Jahr zuvor und eine Zunahme von fast 25 Prozent. 387 Der Anteil der weiblichen Mitglieder nahm nun auch in der Fläche zu und so war 1903 das letzte Jahr, in dem der VBHi mehr männliche als weibliche Mitglieder hatte. 388 Ebenfalls im ersten Jahr nach dem klärenden Verbandstag von 1902 wurden erfolgreiche Lohnkämpfe aus München, Stuttgart, Karlsruhe und Kiel gemeldet. In Berlin wurde ein Mindestlohn von 16-Mark pro Woche für Frauen erstritten, die Zahlstelle verzeichnete einen enormen Zuwachs an Mitgliedern und die Gründung neuer Zahlstellen kam reichsweit voran. In München wurde die zuvor eingegangene Zahlstel- <?page no="136"?> Entfaltung (1902 - 1905) 136 le mit 150 Neueintritten erfolgreich reetabliert. 389 Ein Jahr später waren dort sowie in Leipzig und Dresden erfolgreich verbandseigene Arbeitsnachweise aufgebaut worden und die gesamte Mitgliederentwicklung ging rasant nach oben. 390 Noch im Jahr 1902 wurde der Name in Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands geändert, denn der Lithographenverband (die Gewerkschaft der Steindrucker) hatte sich bereit erklärt, neben der schon von Beginn an gewährten Zuständigkeit für die weiblichen Hilfsarbeiterinnen im Steindruckgewerbe auch die männlichen Hilfsarbeiter an den Verband von Paula Thiede abzugeben. 391 Nur die drittälteste und drittgrößte Zahlstelle Hamburg bereitete kurzfristig Schwierigkeiten. Sie war in erhebliche finanzielle Schieflage geraten und konnte die Verbandsbeiträge nicht mehr zahlen. Erst auf einer eigens dazu einberufenen Konferenz im Januar 1903 konnten der Verbandsvorstand um Paula Thiede und die lokale Zahlstellenleitung die Ursache dafür (ein nachlässiges Eintreiben der Mitgliedsbeiträge) erkennen und beheben, was der Hamburger Organisation im Folgenden zu einem erheblichen Aufschwung verhalf. 392 In den Jahren nach dem Verbandstag 1902 unternahm Paula Thiede zahlreiche Reisen, um verstärkt in Versammlungen vor Ort für den Verband zu werben. Das Jahr 1903 führte sie unter anderem zu Veranstaltungen im Großraum Hamburg (etwa in Wandsbek und Altona) 393 und 1904 sowie 1905 tourte sie durch den Westen, der nach wie vor als Sorgenkind der Organisation galt. 394 Bis 1905 verdreifachte sich der Mitgliederstand und die „glänzende Entwicklung“ 395 setzte sich fort: Im Rechenschaftsbericht 1907 konnten dann sechsmal so viele Mit- <?page no="137"?> Aufschwung 137 glieder wie 1902 verzeichnet werden (12.689) und im Jahr 1912 war mit 17.000 Organisierten schließlich der Höchststand vor dem Ersten Weltkrieg erreicht. 396 Der Anteil der organisierten Frauen lag 1907 bei fast einem Drittel aller in der Branche arbeitenden Frauen. 397 Hatte Paula Thiede 1902 noch hart darum kämpfen müssen, eine mehr als symbolische Anerkennung für ihre Tätigkeit zu bekommen, waren bereits wenige Jahre später mehrere Hauptamtliche bei der Gewerkschaft der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen angestellt. 398 Die Gewerkschaftsbewegung dieser Jahre erlebte einen allgemeinen Aufschwung. Der Anteil organisierter Frauen innerhalb der Gewerkschaften nahm dabei in den eineinhalb Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg von etwa vier auf acht Prozent zu. 399 Doch der Erfolg der HilfsarbeiterInnen ging weit darüber hinaus. Die Berliner Sektion des Verbandes der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen, nun „Gau 8“ genannt, hielt nicht nur mit der Entwicklung Schritt, sondern blieb die Avantgarde des Verbandes. Auf Grundlage von Umfragen berichteten die BerlinerInnen 1913, dass von insgesamt 5110 erfassten beschäftigten HilfsarbeiterInnen 3925 dem Verband angehörten. Obwohl dies einem Organisationsgrad von 76,6 Prozent entsprach, erkannte der Verband darin ein „Zeichen, welches große Agitationsfeld uns selbst in Berlin noch offen steht.“ 400 Nach einer anderen Statistik aus dem Jahr 1911 variierte der jeweilige Organisierungsgrad je nach spezifischer Tätigkeit - und lag bei den Anlegerinnen und Punktiererinnen in Berlin bei sagenhaften 97,3 Prozent. 401 Der wöchentliche Durchschnittslohn von Anlegerinnen betrug in Berlin 18,67 Mark und lag damit auf oder über dem Niveau der entsprechenden Männerlöhne in zahlreichen <?page no="138"?> Entfaltung (1902 - 1905) 138 anderen deutschen Städten mit und ohne Tarif. 402 Bereits 1905 sang der „Vereinsdichter“ Ernst Preczang 403 (von dem bereits das zitierte Gedicht zum Buchdruckerstreik 1891/ 92 stammte), ein zwölfstrophiges Loblied auf die erfreuliche Entwicklung der Zeitung der grafischen Hilfsarbeiterschaft und nahm dabei unter anderem Bezug auf die Verbandszeitschrift Solidarität: „Es wuchs die Freiheit unter Haß und Schmerzen. Die Saat ging herrlich auf, die hier gesät: Die rote Blume Solidarität, sie leuchtet frühlingsfrisch in tausend Herzen“ 404 Die Verbandszeitung Das Vertrauen, das sich Paula Thiede in den ersten Jahren der Verbandsleitung erworben hatte, machte sich auf dem Verbandstag Ende März 1902 in Berlin nicht nur in ihrer Wiederwahl gegen nur vier von achtzehn Stimmen bemerkbar, sondern auch daran, dass ihr bei dieser Gelegenheit zusätzlich das wichtige Amt der verantwortlichen Redakteurin der Verbandszeitschrift Solidarität. Organ des Verbandes der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands übertragen wurde. 405 Die Gründung einer Verbandszeitung wurde direkt nach dem Aufbau der gewerkschaftlichen Organisation und nach der Inbetriebnahme des Arbeitsnachweises angestoßen. Ein erster - gescheiterter - Anlauf ist ein halbes Jahr nach Vereinsgründung unternommen worden. Die Vereinsvorsitzende Ernstine Jendritza wandte sich am 12.- November 1890 an das Polizeipräsidium Berlin und bat um Genehmigung <?page no="139"?> Die Verbandszeitung 139 für eine Versammlung „der Arbeiterinnen an Buch- und Steindruckschnellpressen am Mittwoch den 12.- November Abend 8 ½ Uhr im Restaurant Reyer, alte Jakobstr 83“. Der zentrale Tagesordnungspunkt war die „Gründung eines Organs“. Die Ordnungsbehörden versagten dem Antrag jedoch eine Genehmigung und begründeten dies mit der Kurzfristigkeit der Anmeldung. Die zuständige Abteilung wurde um „Inhibierung“ (Verhinderung) der Veranstaltung gebeten. Die Versammlung fand nicht statt. 406 Das konnte das Vorhaben jedoch nur verzögern und nicht aufhalten, und am 1. Juli 1891 erschien „die erste Nummer der ‚Union‘, die vom 1. Oktober ab ‚Neue Union‘ genannt wurde, weil schon eine ältere Zeitung mit dem zuerst gewählten Namen bestand.“ 407 Zunächst zeichnete ein Herr Lehmann für die Union verantwortlich. 408 Am 6. September desselben Jahres beschlossen die Hamburger eine Kombination der Vereinsmitgliedschaft mit dem Bezug der Berliner Zeitung - so „wurde ein Band geschaffen, das die Orte Berlin und Hamburg nicht mehr trennte“. 409 Die Zeitung existierte drei Jahre und bis „zur Gründung der ‚Solidarität‘ […] war Ph. Schmitt Leiter“ der Neuen Union. 410 Das war derselbe Kollege, der den Impulsvortrag zur Bedeutung des Arbeitsnachweises auf der Gründungsversammlung des Vereins der Hilfsarbeiterinnen gehalten hatte. 411 Ende 1894 stellte die Neue Union, von der leider keine Ausgabe erhalten ist, ihr Erscheinen ein. 412 Damit hatten die beiden Vereine der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen zunächst keine eigene Zeitschrift mehr. Jetzt trat die Graphische Kommission Berlins auf den Plan. Bereits seit Dezember 1892 hatte es ernsthafte Bestrebungen gegeben, ein Graphisches Kartell als gemeinsame grafische Gewerkschaft unter Einschluss der Buchdrucker zu gründen. 413 <?page no="140"?> Entfaltung (1902 - 1905) 140 Das wäre ein wegweisender Zusammenschluss gewesen, doch bis zu einer übergreifenden grafischen Gewerkschaft, die als Idee am Anfang der gemeinsamen Kommission stand, sollten noch fünf Jahrzehnte vergehen. Nach dem Scheitern dieses Vorhabens wurde das dazu ins Leben gerufene Delegiertentreffen seinerseits zum Graphischen Kartell bzw. zur Graphischen Kommission Berlins. Zum Zeitpunkt der Einstellung der Neuen Union hatten sich die in der Kommission organisierten grafischen ArbeiterInnen Berlins bereits darauf geeinigt, mit der Solidarität ein neues, gemeinsames Blatt zu gründen. 414 Dieser Plan war Teil der Bemühungen, über die Sparten hinweg eine engere Zusammenarbeit der Beschäftigten im polygrafischen Gewerbe herzustellen. Aus „gemeinsamen Mitteln“ der in der Kommission vertretenen „Buchbinder, Lithographen und Steindrucker, den lokalen Hilfsarbeitervereinen in Berlin und den Spartengruppen der Maschinenmeister, Stereotypeure und Schriftgießer wurde die ‚Solidarität‘ erhalten“. Später wurde in diesem Kreis auch die Frage eines reichsweiten Hilfsarbeiterverbandes diskutiert. 415 Die erste Ausgabe des Organs für die Interessen aller im graphischen Berufe beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen erschien am 14. Juli 1895. 416 Zwar wurde das Blatt in breiter Trägerschaft herausgegeben und behandelte die „Interessen aller Verbandsmitglieder“ der grafischen Gewerkschaften in Berlin, 417 doch finanziell war die Lage äußerst prekär. Für das zweite Erscheinungsquartal Ende 1895 wurde bereits ein Defizit von 150 Mark verzeichnet. 418 Daher wurde jährlich eine Art ‚Soliparty‘ für die Zeitschrift veranstaltet. Das erste dieser Sommerfeste sicherte mit 650 Mark Überschuss dem gesamten Projekt Solidarität das Überleben („Holland war gerettet“). 419 Doch der „ Himmel war […] den Veranstaltern <?page no="141"?> 141 Die Verbandszeitung der graphischen Feste selten Hold“ 420 und das Wetter erwies sich nur allzu oft als „Spielverderber“ für die jährlichen grafischen Sommerfeste - und damit auch für die Kasse der Zeitschrift. 421 Die Buchdruckergehilfen hatten ihre eigene reichsweite Zeitschrift, den Correspondent, der seit 1863 erschien und drei Mal in der Woche gedruckt wurde 422 , und Ähnliches galt für die Buchbinder. Die Verantwortung für die Solidarität ging zunehmend an die HilfsarbeiterInnen über, was wiederum ein Auslöser für die Beitragserhöhung und die damit verbundenen Konflikte 1899 war. Hinzu kam: Das Funktionieren des gesamten Kartells war Schwankungen unterworfen. Im Jahr 1896 bestanden zunächst sogar Pläne, diese Organisationsform über Berlin hinaus auszudehnen und einen gemeinsamen „Reservefonds zur Bestreitung der Posten für größere Kämpfe“ anzulegen, an dem sich die Buchdrucker beteiligen wollten. 423 In diese Überlegungen flossen mit Sicherheit die Erfahrungen der beiden großen Streiks im Druckgewerbe 1891/ 92 und 1896 ein. Die Ausdehnung über Berlin hinaus scheiterte ebenso wie die grafische Gewerkschaft und schon Ende der 1890er Jahre ging das Berliner Kartell, vor allem durch den konfliktbeladenen Ausstieg der Buchbinder „mehr und mehr seiner Auflösung entgegen“ 424 . So trafen drei Faktoren aufeinander, die einen Funktionswechsel der Solidarität in die Wege leiteten. Im Jahr 1898 hatte sich der Zentralverband der HilfsarbeiterInnen gegründet, der finanziell noch kein eigenes Verbandsorgan schultern konnte, die Solidarität konnte sich trotz der grafischen Sommerfeste finanziell dauerhaft nicht selbst tragen und die Herausgeberin, die Berliner Graphische Kommission, stand vor ihrer Auflösung. <?page no="142"?> Entfaltung (1902 - 1905) 142 Diese Situation wurde mit einer naheliegenden Entscheidung aufgelöst: Die in der Kommission koordinierten Berliner ArbeiterInnen des polygrafischen Gewerbes machten Ende des Jahres 1900 dem jungen Zentralverband der HilfsarbeiterInnen ein „Weihnachtsgeschenk“ 425 und zum 1.- Januar 1901 erschien die Solidarität als Organ des Verbandes der Buchdruckerei-Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands. Die Graphische Kommission Berlins sah in der Übergabe einen durchaus bedeutsamen Schritt und plante die feierliche Übergabe der Zeitschrift unter Anwesenheit der bisherigen Redakteure. 426 Der „Dank an alle Berufsgenossen“ 427 der HilfsarbeiterInnen richtete sich explizit auch an die Buchdruckergehilfen, zu denen stets ein spannungsgeladenes Verhältnis bestanden hatte. Viele Gehilfen setzten sich mit Leidenschaft und großer Solidarität für ihre kürzer oder gar nicht ausgebildeten KollegInnen ein. Ein anderer Teil der Buchdrucker, Schriftsetzer und Maschinenmeister wähnte sich hingegen als etwas Besseres, behandelte die HilfsarbeiterInnen von oben herab und sprach von den weiblichen Kolleginnen abschätzig als lohndrückende, „buchdruckerliche Primaballerinen“ 428 , die man von der Arbeitswelt fernhalten musste. 429 Im Falle der Übergabe der Solidarität ermöglichte jedoch eine nennenswerte Spende der Generalversammlung des Verbandes der deutschen Buchdrucker (Mainz 1899) dem damaligen Redaktionsverantwortlichen (Albert Wachs) „dem Verbande der Hilfsarbeiter nicht nur eine schuldenfreie Zeitung, sondern auch 200 Mark Bewegungsgelder zu übergeben.“ 430 Erster Redakteur wurde der bereits erwähnte Dichter und Buchdrucker Ernst Preczang. 431 Sein Amt als Chefredakteur der Solidarität legte er aufgrund von Loyalitätskonflikten zwischen verschiedenen Gewerkschaften jedoch schon bald <?page no="143"?> 143 Die Verbandszeitung wieder nieder. Er blieb der Zeitschrift jedoch als regelmäßiger Autor erhalten. Kommissarisch übernahm zunächst Albert Massini die Redaktion. Die Buchdrucker verhinderten dann jedoch einen Buchbinder als Redakteur, vorgeblich, weil sie um die Druckqualität fürchteten - woraufhin es verständlicherweise eine heftige Auseinandersetzung gab, die zum oben erwähnten Ausstieg der Buchbinder aus der Graphischen Kommission führte. Obwohl Paula Thiede bereits erheblichen Anteil an der Erstellung der Zeitschrift hatte, folgten drei weitere männliche Buchdrucker als Redakteure in kurzer Abfolge: Oskar Teske (der spätere Mann von Sophie Fiesel - ein „kurzes Interregnum“) sowie Otto Bleich und Karl Raabe; schließlich führte der Interimsvorsitzende Carl Wittig bis Anfang 1902 kommissarisch die Redaktionsgeschäfte. 432 Die Kunstfigur „Punktierer Knerjel“ berlinerte schließlich in einer verbandseigenen Rückschau: „un nu hatten wia von de Flejeväter de Näse voll. Nu ja‘m wia sie bei eene Flejemutta in Kost un ick muß sagen, seit se bei de Paula an de Muttabrust liecht, jedeiht se prächtich un wird zuseh’ns jreeßer.“ 433 So übernahm Paula Thiede ab Januar 1902 die Federführung bei der alle vierzehn Tage auf vier Seiten erscheinenden Solidarität - und zwar im „Nebenamt“, zusätzlich zur Vorstandsarbeit. 434 Das wurde auf dem Verbandstag im März von den Delegierten bestätigt. 435 In beiden Bereichen leistete sie ganze Arbeit. Im Vergleich mit den schnellen Wechseln zuvor gab sie der Zeitschrift vier Jahre Kontinuität, bevor sie im Jahr 1906 das Redaktionsamt wieder abgab, weil die Vorstandsarbeit immer umfangreicher wurde. Der VBHi <?page no="144"?> Entfaltung (1902 - 1905) 144 hatte inzwischen einen bemerkenswerten Aufschwung genommen, konnte mehrere Hauptamtliche bezahlen und die tägliche Arbeit sowie die lokalen Nachverhandlungen des ersten Tarifvertrages für HilfsarbeiterInnen nahmen die Vorsitzende völlig in Beschlag. Ihr Nachfolger als Redakteur wurde Engelbert Pucher, der zu diesem Zeitpunkt ihr Stellvertreter war. Der seit Verbandsgründung 1898 gehegte Wunsch nach wöchentlichem Erscheinen der Solidarität 436 konnte allerdings erst ab Oktober 1908 erfüllt werden und die Zeitung wurde dann von einem eigens dafür beschäftigten Redakteur betreut. 437 <?page no="145"?> 145 Paula Thiedes Leitungsstil Paula Thiede füllte die Rolle der Vorsitzenden unter schwierigsten Umständen auf eine ganz eigene Weise aus. Als auf dem Verbandstag 1908 von Teilen der Zahlstelle I scharfe persönliche Angriffe auf den Redakteur der Solidarität Engelbert Pucher gefahren wurden, verteidigte Paula Thiede ihn und berücksichtigte dazu seine persönlichen Verhältnisse. Sie warb um Verständnis dafür, dass niemand eine Zeitung perfekt redigieren kann, der neun Stunden am Tag arbeitet, an den Vorstandssitzungen teilnehmen muss und dem „häufig nur die Nachtstunden für die Redaktionsarbeit“ blieben. 438 Bemerkenswert war ihr Eintreten zu seinen Gunsten vor allem, wenn man bedenkt, dass Pucher gerade erst seine stark ablehnende Haltung gegenüber der Vorsitzenden aufgegeben hatte. 439 Noch drei Jahre zuvor hatte er als Wortführer der Zahlstelle II die ordentliche Bezahlung von Paula Thiede verhindern wollen und dazu vorgebracht, die Arbeit der Vorsitzenden könne eigentlich „neben der Berufstätigkeit erledigt werden“ 440 . Sicher erleichterten ihre eigenen Erfahrungen Paula Thiede dieses nachsichtige Verständnis, aber ihre Rückendeckung für den unter Druck geratenen Redakteur der Solidarität war großzügig und konnte für die Zukunft eines Kollegen und die Beurteilung durch die Delegierten sehr wichtig sein. Engelbert Puchers Gewerkschaftskarriere hätte auf diesem Verbandstag durchaus zu Ende sein können, doch so wurde er 1920 als Nachfolger von Paula Thiede selbst zum Verbandsvorsitzenden gewählt. In den oft heftigen und in rauem Umgangston geführten internen Auseinandersetzungen hatte Paula Thiede die Gabe entwickelt, sich zu behaupten, ohne die vorhandenen Ge- <?page no="146"?> Paula Thiedes Leitungsstil 146 gensätze zu verstärken. Selten nur wurde sie selbst ausfällig, vielmehr rief sie immer wieder dazu auf, beide Konfliktseiten zu sehen. Nach einem der oft mit harten Bandagen ausgetragenen Konflikte brachte sie die Konfliktparteien mit einigen Bemerkungen wieder zusammen: „[W]er eine schwarze Brille hat, kann natürlich nicht anders sehen als schwarz. Es wird also notwendig sein, daß man die schwarze Brille mit einem kräftigen Ruck absetzt, um wieder klar zu sehen, wie denn die Farben eigentlich sind. Das kollegiale Gefühl hat bei uns noch nicht nachgelassen, das Verantwortlichkeitsgefühl auch nicht und auch nicht das Gefühl der Wertschätzung all unserer mitarbeitenden Kollegen und Kolleginnen.“ 441 In diesem Sinne handelte sie als Verbandsvorsitzende - auch in den Fällen, in denen sie persönlich angegriffen wurde, und das kam in den ersten Jahren regelmäßig vor. Sie stellte sich auch schwierigen Konflikten (wie 1899 mit der Zahlstelle I) und hatte einen klaren eigenen Standpunkt - sie verzichtete jedoch darauf, den ‚starken Mann zu markieren‘. Widersprüchen wich Paula Thiede nicht aus, sondern wehrte sich in den schnörkellos ausgetragenen Konflikten durchaus in der deutlichen Rhetorik ihrer Gegner. Doch sie behandelte diese nicht als Feinde. Sie zeigte sich stattdessen bereit, Nachsicht zu üben und trotz inhaltlicher Entschiedenheit nach konstruktiven Lösungen zu suchen. Diese Fähigkeiten sollten dem VBHi in den nächsten Jahren oft das (Über-)Leben erleichtern. In einer Debatte über einen verbandsinternen Konflikt, der durch einen geharnischten Artikel des Leiters der Zahlstelle München (Albert Schmid) ausbrach, gab Paula Thiede 1914 etwa zu Protokoll: <?page no="147"?> 147 Paula Thiedes Leitungsstil „Schmid gehört doch wirklich nicht zu den jüngsten, wieso macht er denn das? - Doch nur, um Stimmung gegen uns zu machen. Da ging es nicht anders, als daß der Hauptvorstand sich auch seiner Haut gewehrt hat, und wenn man da auch mal ein kräftiges Wort gebraucht, weil auf einen groben Klotz auch ein grober Keil gehört, so dürfen sie das auch nicht übel nehmen.“ 442 Doch auch diese Bewertung eines Konfliktes endete mit dem bereits erwähnten, entschiedenen Appell dazu, alle Seiten sollten ihre „schwarze Brille“ abnehmen und sich auf das „Gefühl der Wertschätzung all unserer mitarbeitenden Kollegen und Kolleginnen“ besinnen. 443 Dass Paula Thiede selbst dabei mit gutem Beispiel voranging, zeigte sich immer wieder; zum Beispiel in der Nachsicht mit Pucher im Jahr 1908 und auch einige Jahre später im Umgang mit dem konfliktfreudigen Berliner Kollegen August Moritz (der sich als Leiter der Zahlstelle II weigerte, einen vom Zentralvorstand ausgehandelten Tarifvertrag zu unterschreiben). In diesem Geiste, der eine besondere Atmosphäre von Gleichberechtigung und Solidarität schuf, duldete sie gleichzeitig explizite Gegner ihrer Person und Kritiker einer starken Rolle des Vorstandes - ohne den Versuch, sie mit Machtmitteln ‚kaltzustellen‘ oder ihnen den Raum zu nehmen. Dieser Konfliktlösungsansatz und ihre entsprechende Interpretation der Verbandsleitung waren bereits im Konflikt mit der Zahlstelle I und beim Verbandstag 1902 in Ansätzen sichtbar gewesen. Es gibt weitere deutliche Beispiele für den inkludierenden Charakter ihrer Verbandsleitung, etwa in einer Jubiläumsausgabe der Solidarität drei Jahre später. In diesem Jahr erschienen in der Verbandszeitschrift - die Verbandsvorsitzende war gleichzeitig auch Redaktionsleite- <?page no="148"?> 148 Paula Thiedes Leitungsstil rin - mehrere historische Rückschauen. Ein Resümee aus 15 Jahren HilfsarbeiterInnengewerkschaft hatte Paula Thiede selbst verfasst und ein Rückblick auf zehn Jahre Solidarität stammte von Albert Massini, der 1899 die Schlichtung zwischen Zahlstelle I und dem Zentralvorstand geleitet hatte. Massini war einer der frühen Redakteure der Solidarität gewesen und um 1900 Vorsitzender des Vereins der Berliner Buchdrucker und Schriftgießer. 444 Er wirkte in den 1890er Jahren in der Berliner Graphischen Kommission und machte sich früh durch eine eher korporatistische Interpretation der Gewerkschaftsaufgaben stark. Massini hatte sich nicht nur nachdrücklich für die Teilnahme an den Gewerbegerichtswahlen ausgesprochen, 445 sondern war auch Vertreter der „Arbeitnehmerseite“ im unternehmernahen Berliner Zentralverein für Arbeitsnachweis, mit dem die HilfsarbeiterInnen so schlechte Erfahrungen gemacht hatten. 446 In seinem Text über die Geschichte der Zeitschrift verfolgte der ehemalige Redakteur und Buchdruckergehilfe eine eigene Agenda, in der die (männlichen) Buchdruckergehilfen die eigentlich Handelnden waren. Nach Massini sei die Neue Union erst Anfang 1892 während des Neunstundenkampfes vom Verband der deutschen Buchdrucker, also den Gehilfen, „eigens zu dem Zwecke zum Zusammenschluß der Hilfsarbeiter und Hilfsarbeiterinnen“ gegründet und erst später von Ph. Schmitt „übernommen und geleitet“ worden. Er gab neben dem falschen Ersterscheinen - die Zeitschrift war schon lange vor dem Neunstundenkampf erstmals publiziert und bereits noch früher von den Hilfsarbeiterinnen geplant worden - auch ein falsches Datum für die Einstellung des Zeitungsprojektes an. 447 Durch die Formulierung „eigens zu dem Zwecke zum Zusammenschluß der Hilfsarbeiter und Hilfsarbeiterinnen“ stellte Massini die <?page no="149"?> 149 Paula Thiedes Leitungsstil Initiative der Buchdruckergehilfen als ausschlaggebend für die Gründung der Hilfsarbeitergewerkschaft dar. Doch auch dies war inkorrekt, denn deren Anfänge liegen nachweislich weit vor Beginn des Jahres 1892 und wären ohne Eigeninitiative der Hilfsarbeiterinnen nicht möglich gewesen. Anders als die Verbandsvorsitzende, deren Ausführungen sich in Einklang mit den verfügbaren Dokumenten befinden, versuchte der Buchdruckergehilfe Massini offenbar nicht, seine paternalistisch strukturierten Erinnerungen am Material zu überprüfen und mit Dokumenten in Einklang zu bringen. Paula Thiede ließ also in „ihrer“ Zeitschrift einen Text zu, der ein falsches Geschichtsbild transportierte, implizit die Leistungen der HilfsarbeiterInnen negierte und von dem sie wissen musste, dass er falsche Angaben enthielt. Das mag integer und souverän gewesen sein, aber vielleicht auch politisch unklug und riskant. Die Entscheidung, einen strukturell ihr gegenüber privilegierten männlichen Funktionär der Gehilfen in der Zeitung, die 1905 längst zum Hilfsarbeiterverband gehörte und von Paula Thiede betreut wurde, seine (falsche) Geschichte vortragen zu lassen, folgte jedoch dem Leitungsstil von Paula Thiede: Dieser beinhaltete Konflikte und Meinungsunterschiede offen und solidarisch auszutragen, ohne ihre Machtposition voll auszuspielen. Ihr anhaltender Erfolg beim Aufbau der Gewerkschaft lässt den Schluss zu, dass es sich dabei nicht um ‚Führungsschwäche‘ handelte, sondern um einen erfolgreichen integrativen Führungsstil. Paula Thiede brachte auch in ihrem weiteren Wirkungskreis klare Positionen ein, die in der Regel angenommen wurden - und zwar nicht nur dort, wo sie Vorsitzende war. Im Gewerkschaftsausschuss, dem beratenden Gremium bei der Generalkommission, kam im Dezember 1903 ein Konflikt <?page no="150"?> 150 Paula Thiedes Leitungsstil zwischen den Verbänden der in der Wäschebranche Beschäftigten und den SchneiderInnen auf. Im Kern ging es um Organisationsbereiche und die Legitimität der Vertretung im Gewerkschaftsausschuss. Die Situation war festgefahren, Carl Legien ratlos. Nun stellte Paula Thiede, die überhaupt erst das dritte Mal in dem 60-köpfigen Gremium anwesend war und neben Emma Ihrer die einzige Frau war, einen Antrag. Demnach seien die WäschearbeiterInnen berechtigt, am Gewerkschaftsausschuss teilzunehmen, beide Verbände werden aber aufgefordert, „eine Einigung anzustreben“. Die Angelegenheit ist ein gutes Beispiel für den Stil, mit dem Paula Thiede es schaffte, den Verband der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen trotz erheblicher Fliehkräfte in den Jahren nach der Verbandsgründung zusammenzuhalten. Sie hatte eine klare eigene Position (hier: die WäschearbeiterInnen haben ein Recht auf Vertretung) und versteckte ihre Meinung nicht, schlug aber gleichzeitig eine Lösung vor, die auf Kooperation der vorher Streitenden abzielte und bei allen Differenzen im Kleinen das gemeinsame Ziel nicht aus dem Blick verlor. Im Gewerkschaftsausschuss war das Ziel der Erfolg der deutschen Gewerkschaftsbewegung, und in ihrem Verband die Arbeitsfähigkeit und produktive Zusammenarbeit der MandatsträgerInnen. Obwohl solche Situationen und vor allem spontane Problemlösungsvorschläge wie von Paula Thiede keinesfalls die Regel im Gewerkschaftsausschuss waren, konnte sie auch in diesem Gremium von 58 männlichen Delegierten (neben ihr und Emma Ihrer) mit ihrem Standpunkt überzeugen: Ihr Antrag wurde nach Diskussion mit 36: 16 Stimmen angenommen. 448 Paula Thiede hatte mit der „ihr eigenen Energie, ihrer glänzenden Beredsamkeit und dem unermüdlichen Streben für die Ausbreitung des Organisationsgedankens in den Rei- <?page no="151"?> 151 Paula Thiedes Leitungsstil hen der Arbeiterinnen“ 449 ganz entscheidenden Anteil am Aufschwung des VBHi - „ihrer“ Gewerkschaft. Der Verband, der von 1896 bis 1898 durch die späteren Zahlstellen Berlin I, Berlin II und Hamburg initiiert worden war, fand unter großen Auseinandersetzungen und Schwierigkeiten in den ersten Jahren seinen eigenen Weg. Ausschnitt: Paula Thiede Paula Thiede inmitten wichtiger VerbandsfunktionärInnen im Dezember 1906 am Rande eines Tarifkongresses des Verbandes. Zu sehen sind Paula Thiede in der Bildmitte sowie stehend Engelbert Pucher (3. v. l.), Heinrich Lodahl (6. v. l.), Hermann Lohse (4. v. r.) und August Moritz (3. v. r.) sowie sitzend Albert Schmid (1. v. l.) Sophie Teske (früher Fiesel, 3. v. l.), Otto Schulze, (4. v. l.) und Gertrud Hanna (4. v. r.). <?page no="152"?> Paula Thiedes Leitungsstil 152 Die jahrelange Aufbauarbeit, an der Paula Thiede entscheidenden Anteil hatte, war die Grundlage für die Erfolgsgeschichte, die sich ab 1902 entwickelte. Sie umfasste nicht nur stark steigende Mitgliedszahlen, sondern die weitere räumliche Ausdehnung, die Erschaffung von neuen lokalen Arbeitsnachweisen, die Anerkennung durch die Unternehmer sowie konkrete Verbesserungen für die Mitglieder. Darüber hinaus erwies sich der VBHi als einzigartig in seiner Herangehensweise an das Verhältnis zwischen Geschlecht und Klasse. Seine Vorsitzende verband die Lebensrealität der Mitglieder und Delegierten mit den Verbandszielen und konnte sie verständlich auf die allgemeine Ebene und das Leben der Kolleginnen und Kollegen beziehen. „[Bessere Löhne] bedeuten bessere Lebenshaltung und bessere Gesundheit; kürzere Arbeitszeit fördert das Wohlergehen, bringt Sonnenschein und Glück“ 450 <?page no="153"?> 153 Paula Thiede und der VBHi (bis 1919) In der ersten Jahreshälfte 1902 hatte sich der Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (VBHi) innerlich gefestigt. Mit der Rückkehr von Paula Thiede auf ihren Posten waren die internen Schwierigkeiten so weit beigelegt, dass für die Stärkung und das Wachstum des Verbandes eine gute Ausgangslage bestand. Besonders in den Jahren 1905 und 1906 machte sich dies bemerkbar, denn die Mitgliederzahl verdreifachte sich beinahe. 451 Das hatte auch mit einem zentralen Meilenstein in der Entwicklung des Verbandes zu tun, denn zu diesem vergleichsweise frühen Zeitpunkt erlangte der VBHi reichsweite Tariffähigkeit. Der Tarifvertrag war zwar noch nicht allgemeingültig und musste regional nachverhandelt werden. Dennoch kam es einer kleinen Sensation gleich, dass ein relativ junger Verband von HilfsarbeiterInnen einen der damals noch raren überregionalen Tarifverträge abschließen konnte. Dafür musste jedoch ein hoher Preis bezahlt werden, denn der Tarifvertrag bedeutete einen Wechsel in der Kampfarena - den die Unternehmer angeboten hatten, um die verhassten gewerkschaftlichen Arbeitsnachweise loszuwerden. Der Abschluss von Tarifverträgen hatte in der übrigen Gewerkschaftsbewegung mittlerweile hohe Priorität gewonnen. Unter dem doppelten Druck von Unternehmern und befreundeten Verbänden musste der VBHi den „Kleinkrieg“ auf Betriebsebene - seine „altbewährte Taktik“-- aufgeben. 452 Bis zum Ersten Weltkrieg konnten Teile der Agenda umgesetzt werden, die Paula Thiede den Delegierten in ihrem Schlusswort auf dem entscheidenden Verbandstag 1902 <?page no="154"?> 154 Paula Thiede und der VBHi (bis 1919) mit auf den Weg gegeben hatte („bessere Löhne“; „kürzere Arbeitszeit“). Am Herzen lag der Verbandsvorsitzenden die Stärkung der Frauen im Verbandsgefüge. Die patriarchalen Beharrungskräfte waren groß und durch die hohe Fluktuation der weiblichen Hilfsarbeiterinnen kamen die Bemühungen teilweise einer Sisyphusarbeit gleich. Trotzdem wurden im VBHi verschiedene Techniken der Emanzipation ausprobiert und verfeinert. Dazu zählte es, innerhalb des Verbandes das Ziel der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen zu verankern. Der zugehörige Diskurs ruhte auf zwei grundlegenden Aussagen. Die erste beinhaltete, die Verantwortungsübernahme von Frauen in Gewerkschaften als machbar und wünschenswert zu begreifen. Die zweite Aussage ging dahin, die ungleichen Lebensrealitäten von Männern und Frauen zu erkennen und auf dieser Grundlage sukzessive die Lage der Frauen, gerade dann, wenn sie arbeiteten und Kinder hatten, besser zu berücksichtigen. Die Durchsetzung dieses Diskurses, der die beiden Komplexe „Feminismus“ (damals noch nicht so genannt) und „Gewerkschaft“ zusammenbrachte, war ein Prozess, der auch die männlichen Hilfsarbeiter einem wichtigen Lernprozess unterwarf. Als 1907 bei Tarifverhandlungen über Überstundenregelungen gestritten wurde, wies der Leipziger Hilfsarbeiter Otto Schulze (vgl. Postkarte S.-155) mehrfach auf die besondere Lage von Frauen hin. Deren Kinder befänden sich während der Arbeitszeit in „irgendwelchen Kinderheimen“ 453 und sie seien daher auf pünktlichen Feierabend angewiesen. Schulze fügte hinzu: „Bezüglich des weiblichen Personals muss man doch anerkennen, daß dasselbe, wenn es nach Hause kommt, auch noch arbeiten muß.“ 454 Das war noch kein gleichberechtigtes Geschlechterverständnis, aber immerhin die volle Anerkennung von <?page no="155"?> 155 Paula Thiede und der VBHi (bis 1919) Reproduktionstätigkeiten als Arbeit und ein Ansatz zu einem Bündnis von lohnabhängigen Männern und Frauen. Solche Bemühungen um Gleichberechtigung machten sich nicht nur in Tarifverhandlungen bemerkbar, sondern auch in den Praxen des Verbandes selbst. 1905 wurde im VBHi eine Staffelung des Beitrages nach Einkommen - unabhängig des Geschlechts - eingeführt. An die Höhe des Beitrags waren auch die Unterstützungszahlungen bei Krankheit und Arbeitslosigkeit gekoppelt. Der geschlechtsunabhängige Staffelbeitrag war zu diesem Zeitpunkt einzigartig bei den deutschen Gewerkschaften und entwickelte sich schnell zu einem erfolgreichen „Agitationsmittel“ des VBHi. Ebenso einzigartig war die 1908 eingeführte Wöchnerinnenunterstützung. Wie bereits geschildert, gab es für die Zeit rund um die Geburt keine ausreichende Unterstützung für Frau- Anlässlich des Verbandstag des Jahres 1908 hergestellte Postkarte des VBHi. Die abgebildete Ausgabe der Solidarität ist vom 16. Mai 1908; Leitartikel: „Zum IV. Verbandstag“ (München 1.-5 Juni 1908). Die Karte wurde am 23. Juni 1908 versendet, und zwar aus Leipzig, von Otto Sch[ulze]. <?page no="156"?> Paula Thiede und der VBHi (bis 1919) 156 en. Weder vom Staat, noch von den Buchdruckergehilfen, die nicht einmal Frauen in ihren Gewerkschaftsreihen duldeten, war eine Initiative zur Verbesserung zu erwarten. 455 Wieder stellte es sich als Vorteil heraus, in einer patriarchal geprägten Umgebung als selbstständiger, ‚gendersensibler‘ Verband auf eigene Handlungsmacht hingearbeitet zu haben. Das Spektakuläre an der Wöchnerinnenunterstützung bestand in der erstmaligen, auch symbolischen Anerkennung von Bedürfnissen, die ausschließlich auf Lohn angewiesene Frauen haben konnten. Darüber hinaus konnten weibliche Mitglieder, „die ihrer Verheiratung oder Familienverhältnisse halber gezwungen sind, ihre Beschäftigung zeitweise aufzugeben“ zu einem speziellen, sehr niedrigen Tarif eingeschriebenes VBHi-Mitglied bleiben und bei Bedarf von den gewerkschaftseigenen Unterstützungszahlungen profitieren. 456 Das war eine sehr fortschrittliche Auslegung des den Gewerkschaften eigenen solidarischen Selbstverständnisses, das stets in ein Spannungsfeld zwischen prinzipieller Befürwortung von Gleichberechtigung und patriarchalen Alltagspraxen eingebettet war. Paula Thiede trug im Jahre 1904 die Ausrichtung eines großen „Heimarbeiterschutzkongreß[es]“ sichtbar mit. Er wurde publizistisch in der Verbandszeitung begleitet. Das demonstrierte, dass der Klassenbegriff und die Grenzen des Solidaritätsprinzips der Hilfsarbeiterinnen nicht an ihrem Werkstor haltmachten. Das Verhältnis zu den Buchdruckern gestaltete sich hingegen schwieriger. Immer wieder gab es große solidarische Unterstützung der Maschinenmeister, die nicht nur mit den Frauen an der Maschine standen, sondern auch vielfach persönliche Bindungen hatten: Sophie Fiesel heiratete den Buchdrucker Oskar Teske, Emilie Heydemann ging ebenfalls eine Ehe mit einem Buchdrucker ein, der Vater <?page no="157"?> 157 Paula Thiede und der VBHi (bis 1919) von Gertrud Hanna arbeitete als Schriftgießer und auch Rudolf Fehlberg, Paula Thiedes erster Ehemann, war Schriftsetzer. Doch es gab auch wichtige Teile der Buchdruckerschaft, die nicht nur frauenfeindlich auftraten, sondern auch ihren Zunftstolz nicht zugunsten einer Klassensolidarität aufgeben wollten. Die verschiedenen Vorurteile verdichteten sich in der Figur der „weiblichen Schmutzkonkurrenz“, in der die Schuld für den lohndrückenden Effekt der schlechten Frauenlöhne den Frauen selbst gegeben wurde. Paula Thiede mögen die Jahre nach 1902 ruhiger erschienen sein als ihr Leben davor. Spätestens als sie 1905 endlich ein normales Gehalt für ihre Arbeit zugesprochen bekam, 457 war die Lebenswelt von Paula Thiede nicht mehr die von Frau Berlin, einer einfachen Buchdruckereihilfsarbeiterin, die mit einem Schriftsetzer oder Kellner verheiratet ist. Paula Thiede hat einen klassischen Aufstieg durch Gewerkschaftsarbeit erlebt. Sie konnte berufstätig bleiben, ohne der körperzerstörenden Tätigkeit einer Buchdruckereihilfsarbeiterin nachgehen zu müssen. Sie lernte Organisieren, Reden, Schreiben - und Reisen. Dies war die positive Seite der Aufopferung: Paula Thiede lebte ein vielseitigeres, reicheres Leben als es Pauline Berlin vorgezeichnet gewesen war. Auch ihr Mann Wilhelm profitierte von ihrem Weg und wechselte von der Gastronomie in andere berufliche Felder. Bald war er mit dem Vertrieb von Gewerkschaftszeitungen betraut und wurde Ende des Jahres 1912 sogar Geschäftsführer einer sozialdemokratischen Druckerei. Reich wurde das Ehepaar Thiede dadurch nicht, doch das sichere Auskommen und die geistig anregende und mit vielen Lernprozessen verbundene Tätigkeit schlugen sich bald in einigen programmatischen Texten nieder, die Paula Thiede verfasste. 458 <?page no="158"?> Paula Thiede und der VBHi (bis 1919) 158 In der ersten Ausgabe der Gewerkschaftlichen Frauenzeitschrift fasste sie in einem Artikel Lehren und Erfahrungen zusammen, die im VBHi zur Beteiligung von Frauen an der Gewerkschaftsarbeit gesammelt worden waren. 459 Diese Ausgabe war zugleich Zeugnis des Erfolgs der weiblichen Selbstermächtigungsstrategie im VBHi: Mit Gertrud Hanna (Herausgeberin) und den beiden Beiträgerinnen Paula Thiede und Gertrud Lodahl war mehr als ein Drittel der Beteiligten der Erstnummer dieses Prestigeprojektes durch den VBHi geschult und befähigt worden. Hanna und Lodahl waren zwei der Frauen aus der Schule des Verbandes, die sich durch die Arbeit im VBHi in die Lage versetzt hatten, öffentlich politisch aufzutreten. Gertrud Hanna, Buchdruckereihilfsarbeiterin und langjährige Mitarbeiterin des Verbandes wurde 1909 (als Nachfolgerin von Ida Altmann) Leiterin des Arbeiterinnensekretariats und später Mitglied des preußischen Landtags; Gertrud Lodahl, ebenfalls vom VBHi geprägt, zog 1919 für die MSPD in die Weimarer Nationalversammlung ein. Emilie Heydemann (später Ehm) ist ein weiteres Beispiel, denn sie wurde 1919 zur Stadtverordneten der SPD in Köpenick gewählt und 1920 Mitglied der KPD. In der gleichen Phase, in der Paula Thiede begann, Texte außerhalb der Solidarität zu veröffentlichen, trat sie aus der Kirche aus und nahm an den beiden internationalen Kongressen sozialistischer Frauen in Stuttgart (1907) und Kopenhagen (1910) teil. In Kopenhagen war sie Teil der deutschen Delegation, die der Konferenz den Antrag vorlegte, dass die „sozialistischen Frauen aller Länder jedes Jahr einen Frauentag, der in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dient“ 460 , veranstalten sollten. Der Antrag wurde angenommen und in der Folge auch umgesetzt - dies war der Ursprung des heutigen Weltfrauentages am 8. März. Die <?page no="159"?> 159 Paula Thiede und der VBHi (bis 1919) erste Durchführung am 19. März 1911 gilt als enormer Erfolg. Paula Thiede war eine von den dreizehn zentralen RednerInnen (darunter drei Frauen), die bei Veranstaltungen in Berlin eine Ansprache hielten. Ihre Rede in der Weddinger Badstraße wurde von mehreren Tausend Zuhörerinnen aufmerksam verfolgt. Etwa dreieinhalb Jahre nach dem ersten internationalen Frauentag stürzte der Beginn des Ersten Weltkriegs auch die Gewerkschaft der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen in eine selbstverschuldete Agonie. Im Wesentlichen trug der VBHi mit seiner Vorsitzenden den kriegsduldenden Kurs der deutschen Gewerkschaften mit, der eine faktische Unterstützung der aggressiven deutschen Politik darstellte. Dies geschah, soweit sich das sagen lässt, ohne besonderen Enthusiasmus, aber unter Übernahme der Erzählungen der Kriegspropaganda („Dem deutschen Volk und dem deutschen Vaterland droht das russische Knutenregiment.“ 461 ). Zahlreiche Mitglieder und Funktionäre des VBHi wurden zum Militär eingezogen. Noch öfter, nun aufgrund äußerer Verhältnisse, traten Frauen an verantwortliche Stellen im Verband, so dass Paula Thiede für den VBHi im Juni 1918 feststellte, dass überwiegend Frauen die „Erhalterinnen der Organisation“ gewesen seien. 462 Im Februar 1917 erkrankte die Verbandsvorsitzende schwer. In dieser letzten Phase ihres Lebens zeigte sich noch einmal in aller Deutlichkeit, wie intrinsisch ihre Motivation für ihre Gewerkschaftsarbeit war. Ihre bitteren persönlichen Erfahrungen mit dem Elend, das aus der ungerechten Wirtschafts- und Sozialordnung resultiert hatte, waren starker und lang tragender Antrieb für ihre Tätigkeit. Ihr Ausspruch „Die Organisation ist ein Stück von mir selbst“ 463 wird vor diesem Hintergrund besser verständlich. Obwohl <?page no="160"?> Paula Thiede und der VBHi (bis 1919) 160 bereits von der Krankheit gezeichnet, rieb sie sich weiter für ihre KollegInnen auf. Als im Juni 1918 ein lange aufgeschobener Verbandstag stattfand, war sie schon erheblich geschwächt: 464 „Ein ihr und ihren Angehörigen und Freunden bekanntes unheilbares Leiden zehrte langsam ihre Lebenskräfte auf. Es vermochte aber nicht ihren lebhaften Geist zu zähmen.“ 465 Der Verbandsvorstand verschwor sich zu einem letzten Versuch, das Leben seiner Vorsitzenden zu retten und beschloss in einer Sitzung, von der Paula Thiede ausgeschlossen wurde, ihr einen dreiwöchigen Sonderurlaub zu genehmigen. Trotz klammer Verbandskassen stellten sie 1.000-Mark bereit, um Paula Thiede eine von den behandelnden Charité- Ärzten empfohlene Kur in Bad Pyrmont bezahlen zu können. 466 Doch zu spät: Anfang 1919 fesselte sie die Krankheit zunehmend ans Bett. Es ist nicht mehr genau zu ermitteln, ob ein Magenkrebs 467 oder ein „heimtückisches, einjähriges Darmleiden“ 468 sie niederwarf, aber das schlechte Gewissen ihres Vorstandskollegen Albert Schmid, sie habe „ihren Krankheitszustand hauptsächlich auch ihrer Tätigkeit im Verbande zu verdanken“ 469 , ist wohl nur bedingt gerechtfertigt. Ein letzter Triumph war der Schwerkranken vergönnt: „Zur Wahl für die Nationalversammlung [am 19. Januar 1919] hat sie sich mit Hilfe ihrer ihr in aufopferungsvoller Liebe ergebenen Angehörigen noch hingeschleppt. Sie wollte doch mit dabei sein, wenn Frauen nach langen Kämpfen, an denen sie so lebhaften persönlichen Anteil genommen hatte, ihr Bürgerrecht ausübten, zum ersten Male“. 470 <?page no="161"?> 161 Paula Thiede und der VBHi (bis 1919) Doch bereits eine Woche später hatte sich ihr Gesundheitszustand so verschlechtert, dass sie nicht mehr in der Lage war, an den Wahlen zur preußischen Landesversammlung teilzunehmen. 471 In der Nacht vom 2. auf den 3. März, um ein Uhr nachts, verstarb Paula Thiede im Beisein ihres Mannes in ihrer Wohnung in der Elbinger Straße. 472 Hatte der Weltkrieg die Verbandsfeiern zum 25. Gründungstag (1890-1915) verhindert, beschränkten nun die Ausläufer der Revolution die Begräbnisfeierlichkeiten. Der 8.-März 1919 war ebenso voller Symbolik wie das gesamte Leben Paula Thiedes: „Generalstreik, Verkehrshindernisse, Barrikadenkämpfe in den Straßen Berlins - alles hatte sich verbunden, um die Trauerfeier nicht in der Form vor sich gehen zu lassen, wie es die Verstorbene verdient hat und wie es geplant war“. 473 Nur eine kleine Abordnung des VBHi erreichte den einzigen fahrenden Zug und reiste vom Stettiner Vorortbahnhof zur Beisetzung nach Buch. Sogar der bestellte Chor fiel aufgrund der Umstände aus. Obwohl die gesamte Arbeiterbewegung auf die eine oder andere Art und Weise in den ersten Märztagen 1919 schwer beschäftigt war, blieb Paula Thiedes Ableben alles andere als unbeachtet. In einer Mitteilung in der Solidarität dankte der Verbandsvorstand für die „Anteilnahme am erlittenen Verlust“ und bat um Verständnis dafür, dass er sich ob der schieren Menge von Kranzsendungen und Beileidsbekundungen außer Stande sah, „im einzelnen zu danken.“ 474 <?page no="162"?> Paula Thiede und der VBHi (bis 1919) 162 Am 8. März 1919 fand sich die „kleine Schar der Trauernden“ (Solidarität, 22. März 1919, S. 1) am Stettiner Vorortbahnhof ein, um mit dem Zug zum Friedhof Buch zu fahren. Grafik: Jonah Gronich (2019). <?page no="163"?> 163 Paula Thiede und der VBHi (bis 1919) Dem Genre angemessen, aber in den starken Worten trotzdem beeindruckend, überschlugen sich Paula Thiedes WeggefährtInnen in Worten des Lobes. Diese vom Verlust geprägten Aussagen gilt es in diesem Licht zu betrachten. Doch in den vielen, oft noch Jahre später geäußerten Erinnerungen und Bewertungen ist immer der gleiche, anerkennende, ja dankbare Tenor herauszulesen - von Frauen und Männern: „Auch die Gegner mußten eben einsehen, welch großes Talent zur Organisatorin und Leiterin einer Organisation sich in Paula Thiede verkörperte, und mit welchem Eifer und welcher Liebe sie ihre Arbeit erfüllte.“ 475 „Mit Hochachtung und Dankbarkeit haben wir jener Frau immer zu gedenken. Das sollten vor allem unsere Kolleginnen beherzigen, denen sie Anerkennung in Unternehmer- und Arbeiterkreisen verschaffte.“ 476 „Ihre gefällige und doch jeder gekünstelten Phrase abholde Ausdrucksweise, hat ihr als Rednerin stets den im Interesse der von ihr vertretenen Sache liegenden Erfolg gebracht. […] Ihr Wirken und die Art ihres Auftretens verschafften der Verstorbenen in weiten Kreisen der Kollegenschaft Liebe und Anhänglichkeit“. 477 „Kollegin Thiede hat es verstanden, in mehr als 20jähriger Arbeit den Verband zu jener Größe zu heben, zu der er bis heute gelangt ist. Die Kollegin Thiede hat auf allen Tagungen mit ihrem natürlichen Geschick, ihren Fähigkeiten und Kenntnissen und ihrer ganz besonderen Art der Liebenswürdigkeit und Energie die notwendigen <?page no="164"?> Paula Thiede und der VBHi (bis 1919) 164 Arbeiten gefördert und die Einigkeit unter der Kollegenschaft hochgehalten.“ 478 „Der Verband war ihre Schöpfung, und seine heutige Gestalt und seine Stärke war der Verstorbenen Lebenswerk.“ 479 Drei Monate nach der Beerdigung wurde der Leichnam vom städtischen Friedhof in Buch auf den Friedhof in Berlin- Friedrichsfelde überführt, der sich spätestens seit der Beisetzung von Wilhelm Liebknecht (1900) als Ruhestätte der Wahl für die weltlich orientierte Berliner Arbeiterbewegung etabliert hatte. Die Beisetzung „erfolgte im Erbbegräbnis, Mittelallee Nr. 13“, 480 einen kurzen Fußweg von Gräbern Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts entfernt. Im Sommer 1921 stellte ihr Verband, der sich nun Verband der Graphischen Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands nannte, auf ihrer Beisetzungsstätte ein Grabdenkmal auf. 481 Als Widmung ist dort bis heute zu lesen: Ihrer Führerin Die graphischen Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands Mit dieser hohen symbolischen Anerkennung fand der bemerkenswerte Weg von Paula Thiede einen vorläufigen Schlusspunkt. Das Arbeiterkind Pauline Berlin ist mitten im alten Berlin des Kaiserreichs aufgewachsen und begann mit vierzehn Jahren als Anlegerin im Buchdruck zu arbeiten. Der frühe Tod ihres Mannes stürzte die junge Frau in eine verzweifelte Lage. Nach dieser wohl schwierigsten Phase ihres Lebens, in der sie nicht nur ihren Mann, sondern <?page no="165"?> 165 Paula Thiede und der VBHi (bis 1919) auch ihr zweites Kind verlor, wurde sie aktives Mitglied der einzigen Gewerkschaft Deutschlands, in der ausschließlich Frauen organisiert waren. Wie viele andere Frauen lernte sie im Verein der Arbeiterinnen an Buchdruck-Schnellpressen, was Mädchen und Frauen eigentlich vorenthalten werden sollte: die Übernahme von (politischer) Verantwortung außerhalb der häuslichen Sphäre. Die notwendigen Fähigkeiten dazu erlernte sie gründlich und wandte sie so erfolgreich an, dass sie - während einer biografisch günstigen Situation - im Mai 1898 zur Vorsitzenden der neugegründeten, reichsweiten und gemischtgeschlechtlichen Gewerkschaft der BuchdruckerhilfsarbeiterInnen gewählt wurde. Trotz erheblicher anfänglicher Schwierigkeiten konnte sie seit dem Verbandstag im März 1902 ihren Charakter und ihre Fähigkeiten als Vorsitzende voll ausspielen. Als hochgeschätzte Vorsitzende verfolgte sie die Ziele der ArbeiterInnenbewegung und der Gleichberechtigung in, für und mit Hilfe des Verbandes der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands in der Arbeitswelt und in der Gewerkschaftsbewegung. Bis Ende der 1920er Jahre war die Erinnerung an die Verbandsvorsitzende im Nachfolgeverband - dem Verband der Graphischen Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands - noch lebendig, danach wich sie dem immer hektischeren Tagesgeschehen. In den Jahren 1933 bis 1945 wurden von der Gewaltherrschaft der Nazis nicht nur die politischen Aktivitäten der Gewerkschaften unterdrückt, sondern auch deren kulturelles Leben. Viele ihrer Mitglieder starben in Lagern oder auf den deutschen Schlachtfeldern einen vorzeitigen Tod. Mit ihnen wurden viele Erinnerungen ausgelöscht, während gleichzeitig auch die kulturelle Weitergabe unterbrochen wurde. <?page no="166"?> Paula Thiede und der VBHi (bis 1919) 166 Nur rudimentäre Informationen in kleinsten Auflagen wurden nach 1945 über dieses unwahrscheinliche Leben veröffentlicht. An die „allen unvergeßliche“ 482 Paula Thiede erinnerte über viele Jahrzehnte nur noch ein verblichenes Denkmal. Die Spuren der Familie von Paula Thiede verlieren sich nach der Heirat ihrer Tochter Emma Fehlberg, die zu diesem Zeitpunkt als Gewerkschaftsangestellte tätig war, mit dem Postassistenten Gustav Wolter im Oktober 1919. Grabmal Paula Thiede (2018). <?page no="167"?> 167 Zeittafel Paula Thiede 6. Januar 1870 Geburt als Pauline Philippine Auguste Berlin (in Berlin). bis ca. 1883 Verschiedene Umzüge der Familie rund um das Hallesche Tor. 1884 Ende der Schulpflicht; Aufnahme der Tätigkeit als Anlegerin an Buchdruckschnellpressen. 11.-Oktober 1889 Heirat mit dem Schriftsetzer Rudolf Fehlberg, gemeinsame Wohnung in der Dieffenbachstraße 31. 30. Dez. 1889 Geburt der Tochter Emma Fehlberg. 23.-März 1891 Tod des Ehemannes Rudolf Fehlberg. 2. Mai 1891 Geburt ihres Sohnes Richard Fehlberg. Frühsommer 1891 Umzug in die Chausseestraße 10. 13.-August 1891 Tod ihres Sohnes Richard Fehlberg. Ende 1891 Umzug in die Urbanstraße 36; Wiederaufnahme der Arbeit als Anlegerin; Beginn der gewerkschaftlichen Tätigkeit. Oktober 1891- Januar 1892 Großer, aber erfolgloser Streik im Buchdruck für den Neunstundentag unter Beteiligung der HilfsarbeiterInnen. 4. März 1892 Eintritt in den Vorstand des Vereins der Arbeiterinnen an Buch- und Steindruck-Schnellpressen. Juli 1894 Erstmals Vorsitzende des Vereins der Arbeiterinnen an Buch- und Steindruck-Schnellpressen. 22. Oktober 1895 Heirat mit dem Gastwirtsgehilfen (Kellner) Wilhelm Thiede. Februar 1896 Erfolgreiche Streiks für den Neunstundentag in Druckereien. Der Arbeitsnachweis der HilfsarbeiterInnen kann sich vollends etablieren. Mai 1898 Der Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands wird gegründet und Paula Thiede zur Vorsitzenden gewählt. <?page no="168"?> Zeittafel Paula Thiede 168 1. Oktober 1900 - Januar 1902 Paula Thiede gibt den Verbandsvorsitz temporär ab und betreibt mit ihrem Mann in dieser Zeit eine Gastwirtschaft in der Seydelstraße. 1902-1905 Ein Frauennetzwerk setzt das Arbeiterinnensekretariat bei der Generalkommission der Gewerkschaften durch. 1905 Paula Thiede wird erstmals regulär von ihrer Gewerkschaft angestellt und bezahlt. 1906 Tarifverhandlungen für die HilfsarbeiterInnen im Buchgewerbehaus in Leipzig. 1908 Der Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands führt Zahlungen an Wöchnerinnen ein und erweitert so das Unterstützungswesen der deutschen Gewerkschaften um einen neuen Zweig. 1909 Gertrud Hanna, langjährige Mitarbeiterin von Paula Thiede wird Leiterin des Arbeiterinnensekretariats (als Nachfolgerin von Ida Altmann). 1910 Paula Thiede nimmt an der Internationalen Konferenz sozialistischer Frauen in Kopenhagen teil. Auf Anregung der deutschen Delegation wird dort der Weltfrauentag beschlossen. 19. März 1911 Bei der ersten Durchführung des Weltfrauentags hält Paula Thiede in Berlin-Gesundbrunnen vor mehreren Tausend Zuhörerinnen eine Rede. Juli/ August 1914 Beginn des Ersten Weltkriegs. 5. Januar 1916 In einem Artikel in der neuen Gewerkschaftlichen Frauenzeitung fasst Paula Thiede ihre jahrzehntelangen Erfahrungen und Erkenntnisse über die „Mitarbeit der Frauen in der Organisation“ zusammen. Februar 1917 Beginn einer schweren Erkrankung. 3. März 1919 Paula Thiede verstirbt nach langer Krankheit. <?page no="169"?> Zeittafel Paula Thiede 169 8. März 1919 Die Umstände ihrer Beisetzung (zunächst in Berlin- Buch) sind von den revolutionären Ereignissen in Berlin geprägt. 3. Juni 1919 Paula Thiedes Leichnam wird auf den Zentralfriedhof Friedrichsfelde überführt. Sommer 1921 Das bis heute existierende Denkmal wird vom Verband der graphischen Hilfsarbeiter und -arbeiterinnen am Grab von Paula Thiede errichtet. Es befindet sich auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin-Lichtenberg, unweit der „Gedenkstätte der Sozialisten“. März 2007 Das gestohlene Bronzeporträt auf Paula Thiedes Grabmal wird durch ein gläsernes Bildnis (Künstlerin: Erika Klagge) ersetzt. <?page no="170"?> 170 Anmerkungen 1 Die Mitgliedschaften im Gau I Rheinland-Westfalen (1928): Zum neunten Verbandstage in Köln und zum dreissigjährigen Bestehen des Verbandes der Graphischen Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands, 24.-30. Juni 1928, Köln, S. 6. 2 Clara Zetkin (geborene Eißner) nahm den Nachnamen ihres Partners Ossip Zetkin an, ohne mit ihm verheiratet zu sein - und behielt diesen Namen auch bei, als sie nach dessen Tod dann tatsächlich heiratete (den Maler Friedrich Zundel). Rosa Luxemburg heiratete aus Gründen des Staatsbürgerschaftsrechtes 1898 Gustav Lübeck, trat aber mit diesem Nachnamen nicht in Erscheinung und blieb stets unter ihrem Geburtsnamen bekannt. Ida Altmann führte nach ihrer Heirat mit Jegor Bronn selbstbewusst einen Doppelnamen, Losseff-Tillmanns, Gisela (2015): Ida Altmann-Bronn 1862-1935. Lebensgeschichte einer sozialdemokratischen, freidenkerischen Gewerkschafterin - eine Spurensuche, Baden-Baden, S. 113f. 3 Der Verband selbst hat keine Abkürzung genutzt. Aus Gründen der Lesbarkeit und Einheitlichkeit nutze ich für den Zentralverband die von mir gewählte Abkürzung „VBHi“, die verschiedene sprachliche Varianten des Namens des Verbandes der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen abdeckt. 4 Die dörflich-handwerklich sozialisierte Emma Ihrer war mit einem selbstständigen Apotheker verheiratet und beschäftigte später eine „treue Hausgehilfin“, siehe „Emma Ihrers Begräbnis“, in: Gleichheit, 30. Januar 1911, S.- 140, zitiert nach Sachse, Mirjam (2010): Von „weiblichen Vollmenschen“ und Klassenkämpferinnen. Frauengeschichte und Frauenleitbilder in der proletarischen Frauenzeitschrift „Die Gleichheit“ (1891-1923). Diss., Kassel, S. 595. Das Bild eines Lebens in relativem Wohlstand bei Emma Ihrer vermittelt auch: Schönlank, Bruno (1929): Agnes. Roman aus der Zeit des Sozialistengesetzes, Berlin, S. 203-209. Rosa Luxemburg hatte in ihrer Berliner Zeit (hier 1902) ebenfalls Personal eingestellt, namentlich „meine dicke Gertrud“, Brief Luxemburg an Hans Diefenbach (1917), abgedruckt in: Briefe an Freunde (1950), S. 82 (Angabe nach: W. B. (1952): Einige Briefe Rosa Luxemburgs und andere Dokumenten, in: Bulletin of the International Institute of Social Histo- <?page no="171"?> 171 Anmerkungen ry, H. 1 (1952), S. 9-39, S. 35. Ein längerer Auszug aus dem Brief ist auch wiedergegeben in der frühen Biografie Luxemburgs Frölich, Paul (1949): Rosa Luxemburg. Gedanke und Tat, Hamburg, S. 98. Weitere Literaturangaben zu Biografien der weiblichen Arbeiterbewegung siehe Anmerkung 8. 5 Die Ausgaben der ersten fünf Jahre der Solidarität (1895-1899) sind in der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung zugänglich, die folgenden Jahrgänge wurden im Projekt „Gewerkschaftspresse“ der Friedrich-Ebert-Stiftung vollständig retrodigitalisiert. Die Vorläuferzeitung Neue Union muss als verloren gelten, ebenso das spätere lokale Berliner Mitteilungsblatt. Um die Protokolle der Verbandstage, die Tätigkeits- und Rechenschaftsberichte des VBHi - die wichtigsten, tausendfach gedruckten Dokumente einer Gewerkschaft - zu vervollständigen, mussten drei historische Bibliotheken bemüht werden. Vereinzelt sind regionale (Fest-)Schriften des Verbandes zu verzeichnen. 6 Die Recherche nach den Personenstandsurkunden fand zum Teil mit Hilfe des - eigentlich für Ahnenforschungszwecke gedachten - Portals ancestry.de statt. Eine Auflistung der Personenstandsurkunden, meist aus dem Landesarchiv (LA) Berlin, mit ihren Signaturen findet sich im Quellen- und Literaturverzeichnis. 7 Erste Ansätze in Gabel, Angela (1988): Die Arbeiterinnen und ihre gewerkschaftliche Organisation im deutschen Buchdruckgewerbe 1890-1914, Mag.-Arbeit, Darmstadt. 8 Losseff-Tillmanns, Gisela (1978): Frauenemanzipation und Gewerkschaften, Wuppertal; dies. (Hg.) (1982): Frau und Gewerkschaft, Frankfurt am Main; Evans, Richard J. (1979): Sozialdemokratie und Frauenemanzipation im deutschen Kaiserreich, Berlin und Bonn; Quataert, Jean Helen (1979): Reluctant feminists in German social democracy 1885-1917, Princeton; Richebächer, Sabine (1982): Uns fehlt nur eine Kleinigkeit. Deutsche proletarische Frauenbewegung 1890-1914, Frankfurt am Main. Biografisch orientiert: Sachse, Von „weiblichen Vollmenschen" und; Gélieu, Claudia von (2007): „Sie kannte nicht den Ehrgeiz, der an erster Stelle stehen will“. Emma Ihrer (1857-1911) zum 150. Geburtstag, in: JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, H. III (2007), S.- 92-104; Losseff-Tillmanns, Ida Altmann-Bronn; Schneider, Dieter-(Hg.) (1988): Sie waren die Ersten. Frauen in der <?page no="172"?> 172 Anmerkungen Arbeiterbewegung, Frankfurt am Main; Steen, Jürgen (1992): Tony Sender 1888-1964. Rebellin, Demokratin, Weltbürgerin, Frankfurt am Main; Tobias Kühne (2015): „Willst Du arm und unfrei bleiben? ” Louise Zietz (1865- 922); hg. v. SPD-Parteivorstand, Berlin; Haake, Kirsten (2018): Helma Steinbach 1847-1918. Eine Vorkämpferin für Gewerkschaft, Genossenschaft und Partei, Norderstedt; Struck, Lydia (2017 3 ): „Mir geht so vieles durch den Kopf und durchs Herz“. Marie Juchacz - Briefe und Gedanken zum Neuanfang der AWO, Berlin, sowie Puschnerat, Tânia (2003): Clara Zetkin. Bürgerlichkeit und Marxismus: eine Biographie. Habil., Univ. Bochum [1999], Essen und Plener, Ulla (Hg.) (2008): Clara Zetkin in ihrer Zeit. Neue Fakten, Erkenntnisse, Wertungen. Material des Kolloquiums anlässlich ihres 150. Geburtstages am 6. Juli 2007 in Berlin. An vielen Stellen unzuverlässig ist Juchacz, Marie (1971): Sie lebten für eine bessere Welt. Lebensbilder führender Frauen des 19. und 20. Jahrhunderts, Hannover. Autobiografisch: Sender, Tony (1981): Autobiographie einer deutschen Rebellin; hg. v. Gisela Brinker-Gabler, Frankfurt am Main; Braun, Lily (1909): Memoiren einer Sozialistin. Lehrjahre, München bzw. Braun, Lily (1911): Memoiren einer Sozialistin. Kampfjahre, München; Baader, Ottilie (1921): Ein steiniger Weg. Lebenserinnerungen, Stuttgart. Zu nennen sind außerdem Sammlungen zeitgenössischer Texte, Dokumente und autobiografische Beiträge, etwa: Losseff-Tillmanns, Frau und Gewerkschaft; Klucsarits, Richard u. Kürbisch, Friedrich G. (Hg.) (1975): Arbeiterinnen kämpfen um ihr Recht. Autobiographische Texte zum Kampf rechtloser und entrechteter „Frauenspersonen“ in Deutschland, Österreich und der Schweiz des 19. und 20. Jahrhunderts, Wuppertal sowie Frederiksen, Elke (Hg.) (1981): Die Frauenfrage in Deutschland 1865-1915. Texte und Dokumente, Stuttgart. 9 Die Vielfältigkeit der Literatur zur Geschichte Berlins kann an dieser Stelle nicht abgebildet werden, als hilfreich hat sich insbesondere erwiesen: Geist, Johann Friedrich u. Kürvers, Klaus (1984): Das Berliner Mietshaus 1862-1945. Eine dokumentarische Geschichte von „Meyer’s-Hof“ in der Ackerstrasse 132-133, der Entstehung der Berliner Mietshausquartiere und der Reichshauptstadt zwischen Gründung und Untergang, München. Zur Geschichte des Buchdrucks und seiner Gewerkschaften sind zu nennen: Beier, Gerhard (1966): Schwarze Kunst und Klassenkampf. Band 1: Vom Geheimbund zum <?page no="173"?> 173 Anmerkungen Königlich-Preussischen Gewerkverein (1830-1890), Frankfurt am Main [u.a.]; Gabel, Die Arbeiterinnen im Buchdruckgewerbe; Zimmermann, Rüdiger (2016): Vordenker und Strategen. Die Gewerkschaftspresse im grafischen Gewerbe und ihre Redakteure seit 1863; hg. v. Frank Werneke u.a., Berlin; Zoller, Helga u. Schuster, Dieter (Hg.) (1992): Aus Gestern und Heute wird Morgen. Ans Werk - der Weg ist noch weit, aber er lohnt sich; hg. von der Industriegewerkschaft Medien, Druck und Papier, Publizistik und Kunst aus Anlass ihres 125jährigen Bestehens, Stuttgart sowie (wenig weiterführend) Zentralvorstand der IG Druck und Papier im FDGB (Hg.) (1966): Hundert Jahre Kampf der Gewerkschaften der graphischen Arbeiter. Beitrag zur Entwicklung der gewerkschaftlichen Organisationen in der graphischen Industrie seit der Gründung des Deutschen Buchdruckerverbandes im Jahre 1866 bis zur Gegenwart, Berlin. Außerdem umfangreiches zeitgenössisches Schrifttum, etwa Krahl, Willi (1916): Der Verband der Deutschen Buchdrucker. Fünfzig Jahre deutsche gewerkschaftliche Arbeit mit einer Vorgeschichte. Band 2 [1866-1916], Berlin und Leipzig; Müller, Hermann (1917): Die Organisationen der Lithographen, Steindrucker und verwandten Berufe, Berlin sowie zahlreiche Broschüren und Handbücher zur technischen Entwicklung der Branche. 10 Vgl. Meyer, Katrin (2017): Theorien der Intersektionalität zur Einführung, Hamburg sowie Küppers, Carolin (2014). Intersektionalität, in: Gender Glossar / Gender Glossary, verfügbar unter http: / / nbnresolving.de/ urn: nbn: de: bsz: 15-qucosa-220383, zuletzt 14.- Januar 2019. 11 „Ich denke, Feminismus ist etwas, das man tut und nicht etwas, was man ist“, Penny, Laurie (verm. 2018): „Arbeit, Sex, Macht und Liebe“, Interview durch Sarah Nagel, übersetzt von Niklas Sandschneem in Ada Magazin, https: / / adamag.de/ laurie-penny-arbeitsex-macht-und-liebe, zuletzt 14. Januar 2019. 12 Vgl. Wille, Hans-Dieter (2004): Schleiermacher - heute gelesen, in: OFFENE KIRCHE, H. 3 und 4 (2004), S. 1-9 (der Online- Version) sowie Anne Käfer: Glauben und denken. Zum 250. Geburtstag des evangelischen Theologen Friedrich Schleiermacher, in: Frankfurter Rundschau, 21. November 2018. Für Bismarck Gall, Lothar (1980): Bismarck. Der weiße Revolutionär, Frankfurt am Main, Wien u.a., S. 32. <?page no="174"?> 174 Anmerkungen 13 Etwa bei den Stadtverordnetenwahlen 1909; eigene Berechnungen nach den Zahlen in Baasen, Geert (2012): Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung und zum Abgeordnetenhaus von Berlin zwischen 1862 und 2011, in: Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg, H. 1+2 (2012), S. 58-65, S. 61. 14 Keller, Walter E. (2003): Vom Zeitungsviertel zum Medienquartier. Berliner Spurensuche zwischen Leipziger Straße und Mehringplatz, Treuchtlingen. 15 Zur Hochzeit der Eltern, ihrem Alter und zur Adresse Wilhelmstraße 19 siehe Heiratseintrag in der entsprechenden Kirchenbuchseite; für Geburtstag Georgine sowie Adresse Wilhelmstraße 21 siehe Taufeintrag der entsprechenden Kirchenbuchseite (Angaben jeweils im Anhang). Woldenberg in der Neumark (Friedberger Kreis) zählte damals zu Brandenburg (heute Dobiegniew im Kreis Strzelecko- Drezdenecki, Polen). Auf dem Grundstück Adresse Wilhelmstraße 19 befindet sich heute die Hedemannstraße. 16 Zu Geburt und Taufe Paula Berlin siehe den Eintrag in der entsprechenden Kirchenbuchseite; für Adresse Waterlooufer 4 siehe Geburtsurkunde Wilhelm Friedrich Karl Berlin; für die Adresse Friedrichstraße 250 siehe Sterbeurkunde Wilhelm Friedrich Karl Berlin. 17 Angaben zum früh verstorbenen Bruder siehe Geburtsurkunde und Sterbeurkunde Wilhelm Friedrich Karl Berlin; Mitteilung, dass beide vorher nicht verheiratet waren, siehe Heiratseintrag Berlin-Röder in der entsprechenden Kirchenbuchseite; Aufenthalt und Mitteilung „verstorben“ für den Vater in Heiratsurkunde Paula Berlin - Rudolf Fehlberg; Angaben zur Neuverheiratung siehe Heiratsurkunde Caroline geb. Röder, verw. Berlin, - Kordes. (Nachname von Korts in Kordes korrigiert durch Angaben in der Heiratsurkunde Berlin - Fehlberg). 18 Paula Berlins Schwester wohnte im September 1890 in der Admiralstraße 25 (Geburtsurkunde Ernst Heinrich Carl Sauer), sie selbst bald in der nahegelegenen Dieffenbachstr. 31. 19 Berufsangabe in: Heiratsurkunde Georgine Berlin - Carl Sauer. Unter Handarbeiterinnen waren zu dieser Zeit „Schneiderinnen, Blumen- und Putzmacherinnen, Stickerinnen, Posamentierarbeiterinnen und dergl.“ zu verstehen, Ihrer, Emma (1898): Die Arbeiterinnen im Klassenkampf. Anfänge der Arbeiterinnen-Bewegung, ihr Gegensatz zur bürgerlichen Frauenbewegung und ihre nächsten <?page no="175"?> 175 Anmerkungen Aufgaben, Hamburg, S. 9. Eine Putzmacherin stellte Damenhüte her, und Posamentiererinnen schmückende Textilien wie Zierbänder, Kordeln, Borten etc. Die Schulpflicht in Preußen endete laut dem Generallandschulreglement nach acht Jahren Volksschule und begann mit dem 5. Lebensjahr. 20 Solidarität, 22. März 1919, S. 1. 21 Zu den Schnellpressen Gabel, Die Arbeiterinnen im Buchdruckgewerbe, S. 45-47, zur weiteren technischen Entwicklung und zur sich verändernden Arbeitsteilung ebd., S. 48-60 sowie S.-63f. (Tabelle). Zu den Ballenmeistern Walenski, Wolfgang (2001): Von Druckerballen und Lederwalzen. Eine kleine historische Betrachtung zum Einfärben der Druckform, in: Journal für Druckgeschichte, H. 2 [Neue Folge 7] (2001), S. 61-63, mit Literaturangaben. Für die Verteilung weibliche/ männliche Hilfsarbeiter Gabel, Die Arbeiterinnen im Buchdruckgewerbe, S. 120; Zitat ebd., S. 3. 22 Beier, Schwarze Kunst und Klassenkampf, S. 71 und für die Hilfsarbeiten Gabel, Die Arbeiterinnen im Buchdruckgewerbe, S. 116 und S. 304 (Anlage 6). 23 Viele dieser Felder wurden erstmals 1906 formal geregelt, vgl. Beschlussprotokoll der Kommission zur Feststellung der Arbeitergruppen, in: Verband der Buch- und Steindruckerei- Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1907): Protokoll über die Sitzung der Kommission zur Schaffung allgemeiner Bestimmungen für die Obliegenheiten, Arbeitszeit und Entlohnung des Hilfspersonals, abgehalten am 16. Dezember 1906 im Deutschen Buchgewerbehause zu Leipzig, S. 50f. Dort eine Einteilung des Hilfspersonals (Anlegerinnen = 1 Jahr Lehrzeit, alle anderen ½ Jahr) auf S. 51. 24 Ein herzlicher Dank geht an das Team des Museums für Druckkunst Leipzig in der Nonnenstraße 38, das mir (unter anderem) diese Einblicke in die praktischen Zusammenhänge erheblich vereinfacht hat. 25 Solidarität, 23. Februar 1896, S. 3, Bericht von einer Versammlung der Breslauer Hilfsarbeiter. 26 VBHi, Protokoll Obliegenheiten, S. 23 und S. 25. 27 Beier, Schwarze Kunst und Klassenkampf, S. 110f. 28 Vgl. Pietsch, Eva (1999): „Bleiche Lippen und hektische Wangen, flache Brust und blasse Haut“. „Bodily Experience of Class“ im 19. und frühen 20. Jahrhundert. In: Susanne Conze (Hg.): Körper <?page no="176"?> 176 Anmerkungen macht Geschichte - Geschichte macht Körper. Körpergeschichte als Sozialgeschichte. Bielefeld, S. 248-271, Beispiele auf S.-255f., 259. 29 Solidarität, 22. März 1919, S. 1 (Grabrede Pucher). 30 Ebd. 31 Gabel, Die Arbeiterinnen im Buchdruckgewerbe, S. 66-114. 32 Die Todesanzeige für Rudolf Fehlberg erschien im „Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ (Vorwärts. Berliner Volksblatt, 26. März 1891, S. 4) und wurde nicht nur von seiner Frau, sondern auch von Eltern und Geschwistern gezeichnet. 33 Vgl. die entsprechenden Sterbeurkunden (Anhang). 34 Heiratsurkunde Paula Berlin - Rudolf Fehlberg, Berufsbezeichnung des Vaters hier „Regierungs-Feldmesser“; in der Heiratsurkunde der ersten Ehe (Schönberner - Fehlberg) lautete diese noch „Versicherungsbeamter“. 35 Sterbeurkunde Rudolf Fehlberg. In der Heiratsurkunde Paula Berlin - Rudolf Fehlberg erscheint sie als geborene Büchten. 36 Heiratsurkunde Paula Berlin - Rudolf Fehlberg. 37 Heiratsurkunde Georgine Berlin - Carl Sauer, Unterschrift. 38 Geburtsurkunde Emma Berlin. 39 Sterbeurkunde Rudolf Fehlberg. 40 Todesanzeige Rudolf Fehlberg im Vorwärts, 26. März 1891, S. 4. 41 Beier, Schwarze Kunst und Klassenkampf, S. 110f. 42 Anonym [vermutlich Gertrud Hanna] (1919): Paula Thiede. [=- Nachruf ], in: Gewerkschaftliche Frauenzeitung, H. 5 (1919), S.- 34-35. Dass Frauen anlässlich einer Geburt die Lohnarbeit nur wenige Tage unterbrachen, war indes keine Seltenheit, vgl. beispielhaft: Kuhn, Axel (1982): Die proletarische Familie. Wie Arbeiter in ihren Lebenserinnerungen über den Ehealltag berichten, in: Haumann, Heiko (Hg.): Arbeiteralltag in Stadt und Land. Neue Wege der Geschichtsschreibung, Berlin, S. 113f. 43 Geburtsurkunde Richard Fehlberg. 44 Nach dem Bismarck’schen „Gesetz, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter“ vom 15. Juni 1883, §§- 20 und 21 hatten Wöchnerinnen Anspruch auf drei, im Krankheitsfalle sechs Wochen Lohnersatzleistung. Der §28 schränkte die Ansprüche für nicht erwerbstätige Personen stark ein, so dass selbst im Falle einer kurzen, ordnungsgemäß gemeldeten Erwerbstätigkeit zwischen dem Tod von Rudolf und der Geburt von Richard Fehlberg die Unterstützung <?page no="177"?> 177 Anmerkungen marginal gewesen sein dürfte (RGBl Nr. 9 (1883), S. 73ff). Im Jahre 1892 wurde für die Bezugsberechtigung eine vorherige Arbeitsdauer (bzw. Mitgliedschaft in der Krankenversicherung) von sechs Monaten festgelegt und die Mindestzahlung auf die Dauer des (vierwöchigen) Beschäftigungsverbotes erweitert, vgl. die Änderungen im nun „Krankenversicherungsgesetz“ genannten Regelwerk, Krankenversicherungsgesetz vom 10. April 1892, §20, Absatz 2, abgedruckt in: Ayass, Wolfgang; Tennstedt, Florian; Winter, Heidi; (Hg.) (2012): Die gesetzliche Krankenversicherung, Darmstadt, S. 92-145, hier S.-105f. 45 Nachweis Tod des Vaters durch Hochzeitsurkunden Paula und Georgine Berlin. Neustadt bzw. Prudnik ist bereits der Geburtsort des zweiten Kindes ihrer Schwester Georgine (Margarete Sauer, *20.-Juni 1892). 46 Nachweis durch Sterbeurkunde Richard Fehlberg. 47 Der Stadtbezirk Kreuzberg entstand erst 1920 und der Begriff „Kiez“ ist erst seit den 1970er Jahren gebräuchlich, dazu ausführlich Hochmuth, Hanno (2017): Kiezgeschichte. Friedrichshain und Kreuzberg im geteilten Berlin, Göttingen. 48 Für die Entwicklung zum Industriegebiet Demps, Laurenz (1980): Die Maschinenbauanstalt von Franz Anton Egells und die Neue Berliner Eisengießerei - ihre Bedeutung für die Industrialisierung Berlins, in: Berliner Geschichte. Dokumente, Beiträge, Informationen; hg. vom Stadtarchiv der Hauptstadt der DDR, H. 1 (1980), S.- 14-31, Anm. 11 (S. 30). Für Egells siehe ebenfalls Demps, Die Maschinenbauanstalt; für Borsig siehe Galm, Ulla (1987): August Borsig, Berlin; Schering wurde 1851 von dem Apotheker Ernst Schering in der Chausseestraße 17 gegründet, Elgert, Alexandra (1999): Chausseestraße - Wandel einer Straße in Berlin, in: Schulz, Marlies u. Gewand, Oliver (Hg.): Märkte und Strukturen im Wandel, Berlin, S. 151-167; für AEG siehe Demps, Laurenz u.a. (Hg.) (1987): Geschichte Berlins von den Anfängen bis 1945, Berlin, S.-448. Zur Bezeichnung Feuerland Demps, Die Maschinenbauanstalt, S. 21 und Elgert, Chausseestraße - Wandel einer Straße. 49 Lindenberg, Paul (verm. 1886): Berlin. Die Umgebungen Berlins. Band 3, Leipzig, S. 40-42, zitiert nach Geist et al., Das Berliner Mietshaus 1862, S. 360. <?page no="178"?> 178 Anmerkungen 50 Seidel, Heinrich (1957): Leberecht Hühnchen, Berlin, Darmstadt. Die erste, hier zitierte Episode von „Leberecht Hühnchen“ stammt ursprünglich aus dem Jahr 1882. 51 Einträge Torstraße 231, Chausseestraße 5, 13, 17 und 22, in: Landesdenkmalamt Berlin (Hg.) (2003): Denkmale in Berlin. Bezirk Mitte, Ortsteil Mitte. Unter Mitarbeit von Heinrich Trost (=- Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland), Petersberg, S.-556-559 und 688. 52 Lindenberg, Berlin, S. 40-42, zitiert nach Geist et al., Das Berliner Mietshaus 1862, S. 360. 53 Elgert, Chausseestraße - Wandel einer Straße. 54 Siehe dazu beispielsweise die entsprechende Baualterskarte in Geist et al., Das Berliner Mietshaus 1862, S. 360. Der betreffende Bestand im Bauaktenarchiv Berlin Mitte ist durch einen Kriegsschaden vernichtet worden (telefonische Auskunft Hr. Juhnke, 24. Januar 2019). Der Bestand A Rep. 180 (Feuersozietät Berlin) des Landesarchivs Berlin weist für die Chausseestr. 10 im betreffenden Zeitraum keine Unterlagen nach. Auch die Untere Denkmalschutzbehörde hat keine Kenntnis vom exakten Fertigstellungsdatum des Gebäudes (Mail von Uta Walch am 28. Januar 2019). Auch eine Suche nach Hausbüchern bzw. Mieterbüchern, in denen das Baujahr ebenfalls verzeichnet wäre, blieb erfolglos. 55 Vgl. „Trockenwohners Ende“, in: Vorwärts, 22. Februar 1927 Morgenausgabe, S. 5 (=-Beilage-1, S. 1). Vermutlich prominentestes Opfer des Trockenwohnens war der Komponist Franz Schubert. Er zog im September 1828 zu seinem Bruder Ferdinand, der seine Wohnung im Frühjahr desselben Jahres in einem noch feuchten Neubau in einer Wiener Vorstadt bezogen hatte. Franz Schuberts seit Jahren aufgrund einer Infektionen schlechter Gesundheitszustand verschlimmerte sich dadurch schnell und er starb am 19.-November 1828, Wien Museum (Hg.) (20132): Franz Schubert. Geburtshaus, Sterbewohnung, Wien, S. 60f. 56 Zur Miethöhe Geist et al., Das Berliner Mietshaus 1862, S. 458, nach Angaben der Arbeiter-Sanitäts-Kommission von 1893 (Braun, Adolf [Bearb.]: Berliner Wohnungsverhältnisse. Denkschrift der Berliner Arbeiter Sanitäts-Kommission. Reihe: Berliner Arbeiter-Bibliothek. Herausgegeben von Max Schippel. III. Serie, 6. und 7.-Heft, Berlin 1893). Zur Entwicklung der Miethöhe zwischen 1881 und 1895 <?page no="179"?> 179 Anmerkungen vgl. Emmy Reich (1912): Die Perioden des Berliner Wohnungsmarktes, abgedruckt in: Geist et al., Das Berliner Mietshaus 1862, S. 338-361, hier S. 355-357 (Seitenspalte) sowie Goecke, Theodor (1890): Das Berliner Arbeiter-Mietshaus, in: Deutsche Bauzeitung, H. 84-86 (1890), S. 501f.; 508-510; 522f., hier S. 502, der etwas höhere Preise angibt. 57 Nagel, Otto (1970 13 [1962]): H. Zille, Berlin, S. 147. 58 Sterbeurkunde Richard Fehlberg. 59 Vgl. für die Zustände in der Heimindustrie eindrücklich: Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands (1904): Protokoll der Verhandlungen des ersten Allgemeinen Heimarbeiterschutz-Kongresses. Abgehalten zu Berlin im Gewerkschaftshaus am 7.,- 8.- und 9. März 1904, Berlin sowie Literarische Kommission der deutschen Heimarbeitsausstellung (Hg.) (1906): Bilder aus der deutschen Heimarbeit, Berlin. Für die Folgen der Wohnzustände Südekum, Albert (ca. 1905): Großstädtisches Wohnungselend, Berlin (aus der Serie „Großstadtdokumente“). 60 Paula Thiede: Bericht der Agitationstour im Januar 1900, Solidarität, 4. Februar 1900, S. 2f, S. 2. 61 Vorwärts, 19. Juli 1894, S. 6. 62 Liste von Verkaufsstellen im Vorwärts, 2. Oktober 1894, S. 8. 63 Hochmuth, Kiezgeschichte, S. 96. 64 Sozialdemokratische Partei Deutschlands (1897): Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten zu Hamburg vom 3. bis 9. Oktober 1897, S. 136. 65 Sachse, Von „weiblichen Vollmenschen“, S. 49, Anm. 48. 66 LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 14967, Blatt 150. 67 LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030, Tit 95, Nr. 14968, Blatt 15. 68 Ihrer, Emma (1893): Die Organisationen der Arbeiterinnen Deutschlands, ihre Entstehung und Entwicklung, Berlin, S. 9. 69 Vorwärts, 25. März 1893, S. 4. 70 LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030, Tit 95, Nr. 14968, Blatt 15. Vgl. auch Quataert, Reluctant feminists, S. 73f. 71 Ihrer, Die Organisationen der Arbeiterinnen, S. 11. Der Verein existierte vermutlich nur zwei Jahre. Statut und eine vollständige Mitgliederliste in LA Berlin, A-Pr. Br. Rep. 030 Nr. 15018 (ganze Akte). <?page no="180"?> 180 Anmerkungen 72 Sie war wohnhaft in der Skalitzerstr. 122 (= Ecke Mariannenstraße), Ihrer, Die Organisationen der Arbeiterinnen, S. 9. 73 Darunter Frau Palm, Vorsitzende des Frauen- und Mädchenbildungsvereins für Berlin und Umgegend (Mittenwalderstraße 18) und weitere Personen in der Reichenbergerstr., Admiralstr., Wrangelstr., Ihrer, Die Organisationen der Arbeiterinnen, S.-9-11. 74 Saldern, Adelheid von (1995): Häuserleben. Zur Geschichte städtischen Arbeiterwohnens vom Kaiserreich bis heute, Bonn, S. 106- 115. Zur Bedeutung der Quartiersöffentlichkeit aus Frauenpersepktive ebd., S. 87-90. 75 Die erste Zeitung der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen, die Neue Union, die nach dem Fall des Sozialistengesetzes erstmalig im Juli 1891 erschien, ist nicht mehr erhalten, so dass eine exakte Rekonstruktion nicht mehr möglich ist. Vgl. dazu auch den Abschnitt „Die Verbandszeitung“, ab S.-136. 76 Zoller, Helga (1992): Der Verband der Deutschen Buchdrucker, in: Zoller, Helga u. Schuster, Dieter (Hg.): Aus Gestern und Heute wird Morgen. Ans Werk - der Weg ist noch weit, aber er lohnt sich; hg. von der Industriegewerkschaft Medien, Druck und Papier, Publizistik und Kunst aus Anlass ihres 125jährigen Bestehens, Stuttgart, S.-13-49, S. 28f. 77 LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030, Tit 95, Nr. 14966, Vorblatt. Siehe auch den Bericht in derselben Akte, Blatt 84-91. Eine Übersicht bis 1890 in Losseff-Tillmanns, Ida Altmann-Bronn, S. 52-54. 78 Verbotsverfügung in LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030, Tit 95, Nr.-14966 („Arbeiterinnen-Vereine Generalia“), Blatt 83 und für Dresdener Arbeiterinnenverein Blatt 73. 79 Ihrer, Die Organisationen der Arbeiterinnen, S. 5. 80 LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030, Tit 95, Nr. 14966, Blatt 111f. 81 LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030, Tit 95, Nr. 14966, Blatt 140. Ein handschriftlicher Vermerk in dieser Polizeiakte erwähnt, dass die von Frau Guillaume-Schack begründete Central-Kranken- und Begräbniskasse für Frauen und Mädchen in Deutschland, als dessen Organ die „Staatsbürgerin“ offiziell fungierte, anstatt der oft genannten 25.000 zum Oktober 1886 „nur“ 13.437 Mitglieder verzeichnet hatte. 82 Nestriepke, Siegfried (1919): Die Gewerkschaftsbewegung. Erster Band, Stuttgart, S. 230f. <?page no="181"?> 181 Anmerkungen 83 Ihrer, Die Organisationen der Arbeiterinnen, S. 5. Im Original Sperrung von „thatsächlich“. 84 LA Berlin A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 14967, Blatt 3-4, d.i. ein Bericht vom 26. Juli 1886 über diesen Ausflug. Der 1885 gegründete Verein konnte nur ein Jahr arbeiten, Gélieu, Sie kannte nicht den Ehrgeiz, S.-98f. Beteiligt waren Emma Ihrer, Marie Hofmann, Pauline Staegemann, Gertrude Guillaume-Schack und andere. 85 Vgl. LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030, Tit 95, Nr. 14966; die Versammlungen fanden in folgenden Städten statt: Berlin Ende Oktober 1888, Referat Jaegert, Emma Ihrer war anwesend (=-Bl. 165); Berlin 13. November 1888, Referat Jagert (=-Blatt 166); Hannover 29.-August 1889, Referat Jagert (Blatt 171); Zeitz 1. September 1889, Referat Emma Ihrer (wurde verboten) (Blatt 172); Berlin 9.-Dezember 1889, Referat Emma Ihrer (Blatt 173). Im November 1889 wurde zur Organisierung aller Frauen und Mädchen, insbesondere der Schneiderinnen aufgerufen, LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030, Tit 95, Nr. 14966, Blatt 192f. 86 Der Sozialdemokrat, 29. Juni 1889, S. 3. 87 Sozialdemokratische Partei Deutschlands (1890): Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten zu Halle a. S. vom 12. bis 18. Oktober 1890, S. 233. 88 Emma Ihrer sagte bei einer öffentlichen Veranstaltung am 3. Dezember 1888: „Obwohl ich nun die Gründung von Fachvereinen für nöthig halte, so sind doch zunächst noch viele Vorarbeiten nöthig“, LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030 Nr 14967, Blatt 58-62 (Polizeilicher Bericht vom 7.-Dezember über eine Veranstaltung zum „Stand der Arbeiterinnen-Bewegung“ am 3. Dezember 1888 mit der Referentin „Frau Ihrer aus Velten“), hier Blatt 58. 89 LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 14967, Blatt 184. 90 Losseff-Tillmanns, Ida Altmann-Bronn, S. 54 (mit weiteren Beispielen). 91 Bericht vom 30. Oktober 1891 an den Königlichen Staatsminister und Minister des Inneren, LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 14950, Blatt 333-356, hier Blatt 339. 92 Ihrer, Die Organisationen der Arbeiterinnen, S. 9. 93 Thiede, Paula: Unsere Jubilare Berlin - Hamburg, in: Solidarität, 10. April 1915, S. 2-4, S. 2. <?page no="182"?> 182 Anmerkungen 94 Heydemann: Zum 10jährigen Bestehen der Organisation der Hilfsarbeiterinnen Berlins, in: Solidarität, 1. April 1900, S. 1. 95 Bleich, Otto: 1890-1898. Ein Rückblick auf die Organisationsentwicklung, in: Solidarität.-Organ des Verbandes der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands, 10.- Juni 1905, S. 3-4. 96 Thiede, Paula: 25 Jahre Organisation! , in: Vorwärts, 13. April 1915, S. 6. 97 Ebd. 98 Heydemann, Zum 10jährigen Bestehen. 99 Bleich, Ein Rückblick. 100 Heydemann, Zum 10jährigen Bestehen. 101 Thiede, 25 Jahre Organisation! . 102 Ebd. 103 Heydemann, Zum 10jährigen Bestehen. 104 Thiede, 25 Jahre Organisation! . Leider ist nur der Name des Sozialdemokraten genannt (Wilhelm Werner), nicht der vier Kolleginnen. Zu Schmitt siehe Anm.-411. 105 Thiede, Paula (1917): Erwerbsarbeit, Entlohnung und Organisation der Frauen, in: Sozialistische Monatshefte, H. 23 (1917), S. 356- 366, S. 358. 106 Ebd. 107 Losseff-Tillmanns, Frauenemanzipation und Gewerkschaften, S.- 320 und Bleich, Ein Rückblick. 108 Thiede, Unsere Jubilare Berlin - Hamburg, S. 2. 109 Ebd. 110 Ebd. 111 Ebd. 112 Für die „Kegelparthie“ Solidarität, 29. Mai 1898, S. 1; für die Angabe von 350 Teilnehmern Thiede, Erwerbsarbeit, Entlohnung und Organisation, S. 358; für die Namen der Vorsitzenden Thiede, Unsere Jubilare Berlin - Hamburg, S. 2; alle anderen Angaben und Zitat Bleich, Ein Rückblick. 113 Ernst Preczang: Ein Vierteljahrhundert! , in: Solidarität, 10. April 1915, Titelseite (vierte von zehn Strophen). 114 Quataert, Reluctant feminists, S. 65 mit Bezug auf „Eine gewerkschaftliche Frauenorganisation“ (Gleichheit, 10.-Mai 1909) und „Zur <?page no="183"?> 183 Anmerkungen Geschichte einer gewerkschaftlichen Frauenorganisation“ (Gleichheit, 14. März 1910). 115 Vorwärts, 17. Januar 1891, S. 3. 116 Thiede, Unsere Jubilare Berlin - Hamburg, S. 3. 117 Eine Annäherung an die Geschichte der Arbeitsnachweise in Fuhrmann, Uwe (voraus. 2019): Die Arbeitsvermittlung und die Gewerkschaften, in: Stefan Berger, Wolfgang Jäger, Anja Kruke (Hg.): Gewerkschaften in revolutionären Zeiten. Europa 1917 bis 1923, Essen (in Vorbereitung). 118 Ihrer, Die Arbeiterinnen im Klassenkampf, S. 17. 119 Vgl. Fuhrmann, Die Arbeitsvermittlung. 120 Bleich, Ein Rückblick. 121 Ebd. 122 Thiede, Unsere Jubilare Berlin - Hamburg, S.-2. Demnach konnten die Maschinenmeister in den 1890er Jahren mehr über Einstellungen entscheiden als 1915. 123 Heydemann, Zum 10jährigen Bestehen. 124 Kongreß der Buchdruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1898): Protokoll vom Ersten Kongreß der Buchdruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands am 30., 31.-Mai und 1. Juni 1898. Abgehalten zu Berlin in den Arminhallen, Kommandantenstr. 20, Berlin, S. 11-13. 125 Thiede, 25 Jahre Organisation! . 126 Krahl, Der Verband der Deutschen Buchdrucker, S. 120. 127 Thiede, Unsere Jubilare Berlin - Hamburg, S. 2. 128 Krahl, Der Verband der Deutschen Buchdrucker, S. 119f. 129 Vorwärts, 4. November 1891, S. 10 (Versammlungsbericht), anwesend waren etwa 900 BuchdruckereihilfsarbeiterInnen. 130 Vorwärts, 18. Dezember 1891, S. 7. 131 Krahl, Der Verband der Deutschen Buchdrucker, S. 182f. 132 Ebd., S. 186f. 133 Albert Wachs: Die „Solidarität“ und das graphische Kartell, in: Solidarität, 10. Juni 1905, S. 2-3, S. 3. 134 Höffner, Robert, „Preczang, Ernst“ in: Neue Deutsche Biographie 20 (2001), S. 680f. [Online-Version]; URL: https: / / www.deutschebiographie.de/ pnd116281383.html#ndbcontent, zuletzt 5. April 2019 . 135 Preczang konnte sich ab dem Jahr 1900, vermutlich aufgrund einer kleinen Erbschaft, der Schriftstellerei widmen und gründete 1924 <?page no="184"?> 184 Anmerkungen die Büchergilde Gutenberg mit. Preczang verlegte sowohl B.-Traven als auch Mark Twain das erste Mal auf Deutsch und ging in den 1930ern wie so viele andere ins Exil (in die Schweiz). Seine Begleiterin in diesen Jahren war Emmy Thiede (1878-1949, Buchdruckerin und später Prokuristin des „Vorwärts“), die aber (allen bekannten Dokumenten nach) nichts mit unserer Paula Thiede, geb. Berlin, zu tun hatte. Zur Biografie und den Lebensstationen Preczangs siehe auch den Nachlass im Fritz-Hüser-Institut in Dortmund. 136 Ernst Prezcang (1925): Ein Kranz dem Verbande. Kampfrufe und lustige Buchdruckerverse aus einem halben Jahrhundert, Leipzig, S.-40. 137 Solidarität, 1. Oktober 1899, S. 1f. In einem ganz anderen Zusammenhang berichtete sie, dass sie im Oktober 1899 „fast 8 Jahre Mitglied der Zahlstelle“ war, woraus ihr Gewerkschaftseintritt zum Jahreswechsel 1891/ 92 folgt. 138 Thiede, Unsere Jubilare Berlin - Hamburg, S. 2. 139 Anonym [vermutlich Gertrud Hanna], Paula Thiede sowie Vorwärts, 19. Juli 1894, S. 6. 140 Bleich, Ein Rückblick. 141 Anonym [vermutlich Gertrud Hanna], Paula Thiede. Sämtliche Vervielfältigungsapparate waren zu diesem Zeitpunkt für den Verein noch zu teuer. 142 Thiede, Unsere Jubilare Berlin - Hamburg, S. 3. 143 Vorwärts, 19. Juli 1894, S. 6. 144 Vgl. die jeweils erste Ausgabe der Solidarität der Jahre 1895-1898. 145 Richebächer, Uns fehlt nur eine Kleinigkeit, S. 28. 146 Geboren am 3. September 1869, Heiratsurkunde Paula und Wilhelm Thiede. 147 Die Nutzung durch die sozialdemokratische Arbeiterbewegung belegen zahlreiche entsprechende Hinweise im „Vorwärts“. Auch der Verein der Arbeiterinnen an Buch- und Steindruck-Schnellpressen traf sich hier, Vorwärts, 5. Mai 1891, S. 9. Der Arbeitsnachweis wurde 1893 in die Annenstraße verlegt, Vorwärts, 30.-September 1893, S.-3. Einige Jahre später war der Arbeitsnachweis nicht mehr in der Annenstraße, sondern der Jüdenstraße 55/ 56 (Restaurant Mörschel) zu finden, Solidarität, 4. September 1898, S. 4 (die Männer hatten einen separaten Nachweis, ebd.). Später befand sich in der Annenstraße das „Luisenstädtische Clubhaus“, in dem sich unter anderem die Berliner Gewerkschaftskommission traf, LA Berlin, A Pr. Br. <?page no="185"?> 185 Anmerkungen Rep. 030 Nr. 15459, Blatt 81-82, Polizeibericht vom 8.-April 1898; zu diesem Zeitpunkt traf sich dort auch noch die Zahlstelle I, Solidarität, 4. September 1898, S. 4. 148 Angaben nach Heiratsurkunde Paula und Wilhelm Thiede. Wilhelms Eltern wohnten zum Zeitpunkt der Hochzeit ihres Sohnes in Sanskow, unweit des Geburtsortes von Wilhelm Thiede. Zu den Migrationsbewegungen aus dem preußischen ländlichen Raum und den erbärmlichen Wohnverhältnissen der Neuankömmlinge Liang, Hsi-Huey (1970): Lower-Class Immigrants in Wilhelmine Berlin, in: Central European History, H. 1-2 (1970), S. 94. 149 Zahlreiche (bürgerliche) Beispiele in Beuys, Barbara (2014): Die neuen Frauen. Revolution im Kaiserreich 1900-1914, München. 150 Kuhn, Die proletarische Familie, S. 91-93, Zitat S. 93. 151 Dazu sehr erhellend Kuhn, Die proletarische Familie. Bei Arni, Caroline (2000): Robert Grimms Befreiungsschlag. Eine Fallstudie zum Verhältnis von Geschlechtergeschichte und politischer Geschichte der Schweiz, in: Traverse: Zeitschrift für Geschichte = Revue d’histoire, H. 1 (2000), S. 109-124 sind verschiedene Facetten dieses Geschlechterbildes glänzend an einem Schweizer Beispiel ausbuchstabiert. Die Annahme, die Geschlechterarrangements seien „traditionell“, ist möglicherweise irreführend. Denn die spezifische kaiserlichbürgerliche Rigidität der Geschlechterrollen erscheint trotz etlicher Kontinuitäten eher als brutale Durchsetzung von etwas Neuem, denn als Variante einer langen Tradition, siehe dazu Gerhard, Ute (1978): Verhältnisse und Verhinderungen. Frauenarbeit, Familie und Rechte der Frauen im 19. Jahrhundert. Mit Dokumenten, Frankfurt am Main, S. 74-95 und S. 170-176. 152 Hauff, Lilly (1912): Die deutschen Arbeiterinnen-Organisationen. Diss. (Univ. Tübingen), Halle (Saale), S. 27. 153 Zoller, Der Verband der Deutschen Buchdrucker, S. 40 und Rüdiger Zimmermann (2008): Das gedruckte Gedächtnis der Drucker. Zur Quellenüberlieferung gewerkschaftlich organisierter Arbeiter und Arbeiterinnen im graphischen Gewerbe in der Friedrich-Ebert- Stiftung. Online unter http: / / library.fes.de/ fulltext/ bibliothek/ iadbeitrag-zimmermann.pdf, zuletzt 1. April 2019, S. 42f. 154 Losseff-Tillmanns, Frauenemanzipation und Gewerkschaften, S.-331-335, Zitat 334. <?page no="186"?> 186 Anmerkungen 155 Zitiert nach Frölich, Rosa Luxemburg, S. 30. Die schwierigen Momente in der Beziehung zwischen Luxemburg und Jogiches haben (Frölich zufolge) der Sache keinen Abbruch getan. 156 Heiratsurkunde Paula und Wilhelm Thiede. 157 Das Ende der verarmten, aber aus guten Verhältnissen stammenden Agnes Wabnitz (1841-1894) ist dafür eines der eindrücklichsten Beispiele (mit einer expliziten [gender-]politischen Dimension). Ab Mitte der 1880er Jahre war Wabnitz umtriebiger Teil der Berliner Bewegung arbeitender Frauen. Als sie in die Mühlen der politischen Justiz geriet, reagierte sie mit einem Hungerstreik, woraufhin sie als „gemeingefährliche Geisteskranke“ in eine geschlossene Anstalt überwiesen werden sollte. Vgl. den Artikel „Agnes Wabnitz“, in: Gleichheit, 19. September 1894, S. 149, zitiert nach: Sachse, Von „weiblichen Vollmenschen“, S. 585. Der Zwangseinweisung kam Wabnitz mit ihrem Suizid im August 1894 zuvor - die Beerdigung wurde mit mehreren Zehntausend Personen trotz Verbot zu einer der größten politischen Demonstration, die das Berlin jener Tage sah. Für Verbot Vorwärts, 2. September 1894, S. 5, für Bericht von der Beerdigung Vorwärts, 31. August 1894, S.- 2. Vgl. darüberhinausgehend Sachse, Von „weiblichen Vollmenschen“, S. 582-588. Vgl. auch den Roman „Agnes“ von Bruno Schönlank, der den Stoff literarisch verarbeitet hat. 158 Bericht über eine Hamburger Versammlung am 15. Mai 1899 auf der Paula Thiede referierte, Solidarität, 11.-Juni 1899, S. 2f. 159 Vgl. Kapitel Im Frauennetzwerk ab S.-117. 160 Zu Ida Altmann: Losseff-Tillmanns, Ida Altmann-Bronn; zu Ottilie Baader: Freude, Roswitha (1985): Ottilie Baader. Ein biographischer Beitrag zur Geschichte der deutschen Frauenbewegung. Diss., Leipzig; zu Toni Sender: Steen, Tony Sender 1888-1964; zu Ihrer: Gélieu, Sie kannte nicht den Ehrgeiz; zu Zietz: Kühne, Tobias, Louise Zietz; zu Steinbach: Haake, Helma Steinbach; zu Gertrud Hanna: Hoffmann, Jana (2008): Hanna, Gertrud (1876-1944). „Anwältin der erwerbstätigen Frauen“, in: Mielke, Siegfried (Hg.): Gewerkschaftlerinnen im NS-Staat. Verfolgung, Widerstand, Emigration, Essen 2008, S. 164-176. In den meisten Biografien politisch aktiver Frauen wird die Kinderlosigkeit nicht erwähnt, geschweige denn thematisiert. <?page no="187"?> 187 Anmerkungen 161 Zu Tesch: Kern, Ursula und Schnädelbach, Dr. Anna (2017): Johanna Tesch, geb. Carillon (1875-1945), in: Webseite Frankfurter Frauenzimmer (Hg. Historisches Museum Frankfurt), unter: www.frankfurterfrauenzimmer.de, zuletzt 3. April 2019 sowie Eckhardt, Hanna: Johanna Tesch: „Wir ochsen Steuergesetze …“, in: AWO FFM | Zeitung, 03/ 2017, S. 6; zu Wengels: Dornemann, Luise (1981): Alle Tage ihres Lebens. Frauengestalten aus zwei Jahrhunderten, Berlin, S. 49-75, hier S. 57; von acht Kindern spricht Sachse, Von „weiblichen Vollmenschen“, S. 598f. Vgl. auch Ihrer, Die Organisationen der Arbeiterinnen, S.-11. 162 Neuman, R. P. (1978): Working Class Birth Control in Wilhelmine Germany, in: Comparative Studies in Society and History, H. 03 (1978), S. 408, S. 420f. 163 Ebd., S. 419. Angabe hier (1900): 5 Mk für ein Dutzend Kondome. 164 Zu den rechtlichen Bedingungen und den daraus erwachsenen praktischen Konsequenzen Bergmann, Anna (1987 2 ): Frauen, Männer, Sexualität und Geburtenkontrolle. Zur Gebärstreikdebatte der SPD im- Jahre 1913, in: Hausen, Karin (Hg.): Frauen suchen ihre Geschichte. Historische Studien zum 19. u. 20. Jahrhundert, München, S. 83-110, S. 85f. 165 Zur größeren zeitlichen Dimension des Wissens um Verhütung vgl. Robert Jütte (2007): Abtreibung und Empfängnisverhütung in der Frühen Neuzeit. In: Lexikon zur Geschichte der Hexenverfolgung, hrsg. v. Gudrun Gersmann, Katrin Moeller und Jürgen-Michael Schmidt, unter: www.historicum.net, zuletzt 3. Januar 2018. Entgegen seiner Stoßrichtung lese ich aus diesem Text eine marginale Kenntnis von Kontrazeption und Abort im übergroßen Teil der Bevölkerung. 166 Bergmann, Frauen, Männer, Sexualität, S. 86f. 167 Alfred Bernstein (1913): Wie fördern wir den kulturellen Rückgang der Geburten? Ein Mahnruf an das arbeitende Volk, Berlin, S. 6; Bergmann, Frauen, Männer, Sexualität, S. 88. 168 Neuman, Working Class Birth Control, S. 416. 169 Für die 1920er Jahre, in denen die Umstände eher besser als schlechter gewesen sein dürften, sprechen Schätzungen von 10.000 toten Frauen pro Jahr, Bergmann, Frauen, Männer, Sexualität, S. 89. 170 1913 praktizierten bereits etwa 2/ 3 aller Arbeiterinnen in der einen oder anderen Form Geburtenplanung, Neuman, Working Class Birth <?page no="188"?> 188 Anmerkungen Control, S. 417. In den gehobeneren Schichten waren die Zahlen vergleichbar hoch, Bergmann, Frauen, Männer, Sexualität, S. 88f. 171 König, Malte (2011): Geburtenkontrolle. Abtreibung und Empfängnisverhütung in Frankreich und Deutschland 1870-1940, in: Francia. Forschungen zur westeuropäischen Geschichte (2011), S.-127-148, S. 134. 172 Neuman, Working Class Birth Control, S. 408. 173 Evans, Sozialdemokratie und Frauenemanzipation, S. 248. 174 Ebd., S. 247. 175 Zu Julius Moses: Tennstedt, Florian (1977): Soziale Selbstverwaltung. Geschichte der Selbstverwaltung in der Krankenversicherung von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, S. 142 (Anm. 78). 176 Bernstein, Rückgang der Geburten, S. 5. 177 Ebd., S. 5 und 16. 178 Ebd., S. 4. 179 Zitiert nach Bergmann, Frauen, Männer, Sexualität, S. 99. Durch diese Äußerung wurde Alma Wartenberg 1913 sogar Thema im preußischen Landtag. 180 Kautsky berichtete, dass Wilhelm Liebknecht Verhütung als verwerflich und unsittlich ansah, Bergmann, Frauen, Männer, Sexualität und, S. 102, ähnlich Niggemann, Heinz (1981): Emanzipation zwischen Sozialismus und Feminismus. Die sozialdemokratische Frauenbewegung im Kaiserreich, Wuppertal, S. 262. Selbst Bebel hatte in der Frage der Verhütung nicht verstanden, was seine Klassengenossinnen wohl wirklich bewegt haben könnte, Kühne, Louise Zietz, S.-32f. 181 Zetkin hatte ihre eigenen Kinder in deren ersten fünf Jahren „nie, auch nur vorübergehend, Dritten überlassen“ (Zetkin) und hat sich den größten Teil des Tages der Erziehung ihrer Kinder gewidmet, Gerhard, Adele u. Simon, Helene (1901): Mutterschaft und geistige Arbeit. Eine psychologische und soziologische Studie auf Grundlage einer internationalen Erhebung mit Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung, Berlin, S. 300f, zitiert nach: Puschnerat, Clara Zetkin, S. 47. Für viele proletarische Frauen Berlins war eine so aufmerksame Erziehung ein Ding der Unmöglichkeit. Selbst wenn Zetkin sich in dieser Zeit in ärmlichen Verhältnissen im Pariser Exil befand, hatte ihr damaliges Leben „mit der französischen Proleta- <?page no="189"?> 189 Anmerkungen rierexistenz wenig zu tun“, Puschnerat, Clara Zetkin, S. 48. Kostja hatte zum Zeitpunkt der Debatte eine langjährige Liebschaft mit der neben Clara Zetkin auf dem Podium sitzenden Luxemburg. 182 Puschnerat, Clara Zetkin, S. 80. 183 Vorwärts, 24. August 1913, S. 6. 184 Ebd., S. 7. 185 Ebd., S. 6. 186 Ebd. 187 Bernstein, Rückgang der Geburten, S. 16. 188 Vorwärts, 24. August 1913, S. 6 (Moses). 189 Vorwärts, 31. August 1913, S. 13 (= S. 3 der Beilage). 190 Vorwärts, 24. August 1913, S. 7. 191 Ebd. 192 Ebd. 193 Unbekannt [SPD] (Hg.) (1914): Gegen den staatlichen Gebärzwang. Reden der Reichstagsabgeordneten Genosse August Brey, des Genossen-Dr. Silberstein und der Genossin Luise Zietz, Hannover. 194 Verband der in Buch- und Steindruckereien beschäftigten Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands (1902): Protokoll vom Zweiten-Verbandstag. Abgehalten in Berlin im Gewerkschaftshause am 28., 29., 30. und 31. März 1902, Berlin, S. 36. 195 Berliner Gewerkschaftskommission (1895): Rechenschaftsbericht für die Zeit von Juli 1895 bis Januar 1896, S. 63-65. 196 Correspondenzblatt der Buchdrucker und Schriftgießer, 25. August 1894, S. 1. 197 LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 14953, Jahresbericht „betreffend die gewerkschaftliche Arbeiterbewegung“, Blatt 9-36, hier Blatt 20. 198 LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030 Nr 1426, Blatt 15, 25, 57 und 70. 199 Berliner Gewerkschaftskommission (1895): Rechenschaftsbericht für die Zeit von Juli 1895 bis Januar 1896, S. 50 (35,2-% der Männer und 29-% der Frauen). 200 Bleich, Ein Rückblick. Im Vergleich scheinen die Hilfsarbeiterinnen sehr frühzeitig in die Entwicklung der Krankenkassen interveniert zu haben, vgl. Tennstedt, Soziale Selbstverwaltung, S. 47-51, insbes. S.-48f.; zur Entwicklung der Kassen ebd., S. 51-58. 201 Thiede, Unsere Jubilare Berlin - Hamburg, S. 3. 202 Berliner Gewerkschaftskommission (1896): Rechenschaftsbericht für die Zeit von Januar 1896 bis Juli 1896, Berlin, S.-48. <?page no="190"?> 190 Anmerkungen 203 Thiede, Unsere Jubilare Berlin - Hamburg, S. 3. 204 Berliner Gewerkschaftskommission (1896): Rechenschaftsbericht für die Zeit von Januar 1896 bis Juli 1896, Berlin, S. 48. 205 Ebd., S. 15 und 51. 206 Thiede, 25 Jahre Organisation! . 207 Heydemann, Zum 10jährigen Bestehen, S. 1. 208 Maier, Dieter G. (2004): Anfänge und Brüche der Arbeitsverwaltung bis 1952. Zugleich ein kaum bekanntes Kapitel der deutschjüdischen Geschichte, Brühl/ Rheinland, S. 25. 209 Bleich, Ein Rückblick. 210 Ebd. 211 Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands (1899): Protokoll der Verhandlungen des Dritten Kongresses der Gewerkschaften Deutschlands. Abgehalten zu Frankfurt a. M.-Bockenheim vom 8. bis 13. Mai 1899, Hamburg, S. 142. 212 Heydemann, Zum 10jährigen Bestehen. 213 Der durchschnittliche Wochenlohn von Anlegerinnen in Berlin betrug im Jahr 1911 genau 18,67 Mark und war damit etwa gleich hoch wie die entsprechenden Männerlöhne in Straßburg und deutlich höher als solche in zahlreichen anderen Städten mit und ohne Tarif, Verband der Buch- und Steindruckerei- Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1911): Statistik über Betriebs-, Organisations- und Tarifverhältnisse sowie über Arbeitszeit, Entlohnung des Hilfs-Personals in Buch- und Steindruckerein, Berlin, S. 58f. (Frauen) und S. 46f. (Männer). 214 Solidarität, 18. September 1898, S. 1. 215 Vgl. „Die paritätischen Arbeitsnachweise, ihr Zweck und Nutzen für die Organisation“, in: Solidarität, 2. April 1899, S. 2f. 216 Generalkommission, Protokoll des Dritten Kongresses, S. 142. 217 Nach Mattutat, Hermann (1917): Der Kampf um den Arbeitsnachweis, in: Sozialistische Monatshefte, H. 23 (1917), S. 926-931, S.-927. 218 Mattutat, Kampf, S.-928. 219 Ebd., S. 927. 220 Solidarität, 28. Mai 1899, S. 1. 221 Mattutat, Kampf, S. 927. 222 Thiede, Paula: Ein Rückblick auf unsere Verbandsgründung, in: Solidarität, 10. Juni 1905, S. 1-2 der Beilage. <?page no="191"?> 191 Anmerkungen 223 Zum Beispiel die Schirmmacher (in Berlin 1898: 80 Mitglieder, Rechenschaftsbericht der Berliner Gewerkschaftskommission für das Jahr 1898, S. 104), die Bilderrahmenmacher (in Berlin 1898: 58 Mitglieder, ebd.) oder die Zigarrensortierer (mit 1899 reichsweit 857 Mitgliedern, Hauff, Die deutschen Arbeiterinnen-Organisationen, S. 29). 224 Organisatorischer Ausdruck letzterer Tendenz war zum Beispiel die Buchdruckerwacht. Organ zur Förderung der Gewerkschaftsbewegung, die zwischen August 1896 und Oktober 1902 in Leipzig erschien. Zum Entstehen der Buchdruckerwacht Zoller, Der Verband der Deutschen Buchdrucker, S. 33. 225 Vgl. Thiede, Ein Rückblick [1905]. Die Solidarität wurde zu diesem Zeitpunkt noch von der Graphischen Kommission Berlins herausgegeben. Zur Graphischen Kommission (auch: Graphisches Kartell Berlins) siehe S. 137-140. 226 Sie ist abgedruckt in Thiede, Ein Rückblick [1905]. 227 Solidarität, 12. Juni 1898, S. 1. 228 Zum Beispiel anlässlich von Debatten um die Einführung bzw. die Erneuerung eines Tarifvertrages (1905/ 1906 und 1911/ 12). 229 Thiede, Unsere Jubilare Berlin - Hamburg, S. 3. 230 Emil Jaedicke, Punktierer (1898): Kongress-Lyrik, in: Graphische Festzeitung, 31. Juli 1898, S. 3. 231 Auflage der „Solidarität“ im Jahre 1898 nach LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 14950, „Übersicht über die gewerkschaftlichen Verbände und Fachblätter“ Blatt 399-410, hier Blatt 401. 232 Verband der Graphischen Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1925): Geschichtlicher Rückblick über die Gründung und Entwicklung der Hamburger Zahlstelle, o.O., S. 14. 233 Ebd., S. 15. 234 Vgl. Thiede, Ein Rückblick [1905]. 235 Ebd. 236 Solidarität, 6. März 1898, S. 1. 237 LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 14953, Blatt 326 und VBHi, Protokoll vom Zweiten-Verbandstag 1902, S. 23. 238 Kongreß der Buchdruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands, Protokoll vom Ersten Kongreß, S. 3. 239 Ebd., S. 5 (Herkunft der Mittel) und S. 28 (Lob der Agitationskommission). <?page no="192"?> 192 Anmerkungen 240 Ebd., S. 7-9. 241 Ebd., S. 11-13, Beschluss S. 13. 242 Ebd., S. 16f. 243 Ebd., S. 19-21. 244 Ebd., S. 28. 245 Solidarität, 7. August 1898, S. 1. 246 Solidarität, 24. Juli 1898, S. 1. 247 Dass sie nicht mehr als Anlegerin tätig war, erschließt sich aus einer entsprechenden Äußerung etwas später, VBHi, Protokoll vom Zweiten-Verbandstag 1902, S. 35. 248 Generalkommission, Protokoll des Dritten Kongresses, S. 84f. 249 VBHi, Protokoll vom Zweiten Verbandstag 1902, S. 32f. und 35- 37. Für das erste Amtsjahr 1898/ 99 wurde eine Entschädigung von 100 Mark gezahlt, 1899-1902 dann 200 Mark. (Vgl. auch Solidarität, 28. Mai 1899, S. 1f ). Die Schätzung eines Hilfsarbeiterinnen- Jahreslohns (800 Mark) ergibt sich aus dem 1903 erkämpften Mindestlohn von 16 Mark/ Woche für die weiblichen Hilfsarbeiterinnen in Berlin, Verband der in Buchdruckereien und verwandten Berufen beschäftigten Hilfsarbeiter u. Arbeiterinnen Deutschlands (1903): Rechenschaftsbericht für die Zeit vom 1. Oktober 1902 bis 30.-September 1903, Berlin, S. 4. 250 Kongreß der Buchdruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands, Protokoll vom Ersten Kongreß, S. 25. 251 Gélieu, Sie kannte nicht den Ehrgeiz, S. 94. 252 Titelblatt der ersten Ausgabe des von Gramsci herausgegebenen L’Ordine Nuovo, 1.-Mai 1919. 253 Solidarität, 6. August 1899, S. 3. 254 Thiede, Paula: Der Wert der Mitarbeit der Frauen in der Organisation, in: Gewerkschaftliche Frauenzeitung, 5. Januar 1916, S. 5-6, S.-5. 255 Zu dieser Kopplung von erworbenen beruflichen Fähigkeiten und Männlichkeit vergleiche Baron, Ava (1989): Questions of gender. Deskilling and demasculinization in the U.S. printing industry, 1830-1915, in: Gender & History, H. 2 (1989), S. 178-199, S.-180f. 256 Kongreß der Buchdruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands, Protokoll vom Ersten Kongreß, S. 25. 257 Solidarität, 19. März 1899, S. 3f. 258 Solidarität, 14. Mai 1899, S. 3. 259 Solidarität, 28. Mai 1899, S. 1f. <?page no="193"?> 193 Anmerkungen 260 Ebd. 261 Solidarität, 23. Juli 1899, S. 1f. 262 Vgl. Thiede, Ein Rückblick [1905]. 263 Beim Streik der Berliner HilfsarbeiterInnen 1896 waren zum Beispiel von den 245 beteiligten Personen nur 20 verheiratet (mit 15- Kindern), Berliner Gewerkschaftskommission (1896): Rechenschaftsbericht für die Zeit von Januar 1896 bis Juli 1896, Berlin, S.-51. 264 Vgl. Thiede, Ein Rückblick [1905]. 265 Solidarität, 23. Juli 1899, S. 1, ähnlich Thiede, Ein Rückblick [1905]. 266 Solidarität, 23. Juli 1899, S. 1. 267 Solidarität, 13. August 1899, S. 3. 268 Solidarität, 12. November 1899, S. 3. 269 Angaben nach SAPMO/ BA, SgY30/ 184 Erinnerungen von Emilie Ehm (geborene Heydemann). Herzlichen Dank an Claudia von Gélieu für diese Informationen. 270 Vgl. die Berichte in folgenden Ausgaben der Solidarität: 20. August 1899, S. 1; 3. September 1899, S. 1; 1.-Oktober 1899, S. 1f.; 15.-Oktober 1899, S. 3; 12. November 1899, S. 3. 271 Solidarität, 23. Juli 1899, S. 3 und 12. November 1899, S. 1f. und S. 3. 272 Solidarität, 5. Februar 1899, S. 3. 273 Solidarität, 29. Oktober 1899, S. 3. 274 Vgl. Losseff-Tillmanns, Ida Altmann-Bronn, S. 10 und die entsprechende Akte im Landesarchiv Berlin („Überwachung der sozialdemokratischen jüdischen Privatlehrerin Ida Altmann 1892-1912“, A-Pr. Br. Rep. 030 Nr. 8742). 275 Solidarität, 12. November 1899, S. 3. 276 Vgl. Thiede, Ein Rückblick [1905]. 277 Paula Thiede: Bericht der Agitationstour im Januar 1900, Solidarität, 4. Februar 1900, S. 2f sowie der lokale Bericht der Stuttgarter Veranstaltung, ebd. S. 3f. 278 Kurzbericht über die Generalversammlung der Zahlstelle I, Solidarität, 5. Februar 1899, S. 3: „Hierauf wird ein Rechtfertigungsschreiben von Zentralvorstandsmitgliedern für die in der letzten Versammlung angegriffene Kollegin Thiede verlesen.“ <?page no="194"?> 194 Anmerkungen 279 Vgl. die Berichte in folgenden Ausgaben der Solidarität : 13. August 1899, S. 3; 1. Oktober 1899, S. 3; 15. Oktober 1899, S. 3f; 12.-November 1899, S. 3. 280 Vgl. Thiede, Ein Rückblick [1905]. 281 Solidarität, 1. Oktober 1899, S. 1. Vgl. auch Thiede, Ein Rückblick [1905]. 282 Thiede, Ein Rückblick [1905]. Die entscheidenden Sitzungen waren am 11. bzw. 18. Oktober 1899, vgl. Solidarität, 29. Oktober 1899, S. 1, 3 und 4. 283 Zu Massini siehe S.-146f. 284 Die Resolution ist abgedruckt in Solidarität, 12. November 1899, S.-3. 285 Solidarität, 12. November 1899, S. 1. Aufruf von Heydemann an die Kolleginnen der Zahlstelle I. 286 In einer Anzeige für das jährliche Stiftungsfest lautete vor dem Konflikt die Selbstbezeichnung „Verband aller in Buchdruckereien u. verw. Berufen beschäftigten Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands“ - und erst in der Unterzeile „Ortsverwaltung Berlin. - Zahlstelle I“, Solidarität, 5. März 1899, S. 4. Einige Monate später - nach dem Konflikt - hieß es in einer vergleichbaren Einladungsannonce dann Verein der Arbeiterinnen an Buchdruckschnelldruckpressen und im erst im Untertitel „Zahlstelle I des Verbandes der Hilfsarbeiter und Hilfsarbeiterinnen etc.“, Solidarität, 10. Dezember 1899, S.-4. 287 Siehe dazu den Abschnitt Aufbruch, ab S. 132. 288 Solidarität, 15. Oktober 1899, S. 1. 289 Solidarität, 26. November 1899, S. 2. 290 Solidarität, 21. Januar 1900, S. 3 (Ankündigung); Solidarität, 4. Februar 1900, S. 2f.(Bericht von Paula Thiede). In derselben Ausgabe steht auch der lokale Bericht der Stuttgarter Veranstaltung, an der sich Clara Zetkin beteiligte, ebd. 3f. 291 Thiede, Ein Rückblick [1905]. 292 Verband der in Buchdruckereien und verwandten Berufen beschäftigten Hilfsarbeiter u. Arbeiterinnen Deutschlands (1901): Rechenschaftsbericht für die Zeit vom 1. Oktober 1900 bis 30. September 1901, Berlin, S. 3. 293 Solidarität, 5. August 1900, S. 3 (Bericht aus Leipzig). 294 Dazu und zum Folgenden vergleiche die Berichte und Ankündigungen des Verbandes und der Berliner Zahlstellen in folgenden Ausga- <?page no="195"?> 195 Anmerkungen ben der Solidarität: 5. August 1900, S. 2 und 3 (verschiedene lokale Berichte); 2. September 1900, S. 4; 16. September 1900, S. 3; 14. Oktober 1900, S. 4; 28. Oktober 1900, S.- 1 und S. 3. Datierung des „hektografirten Schreibens“ durch die Ausgabe vom 5. August 1900, S. 3 (Abgleich der Berichte aus Breslau und Leipzig). Zitate aus Solidarität, 5. August 1900, S. 3 (zweiter Bericht aus Breslau). 295 Die Zahlstellen verlangten mehr Geld für ihre lokale Arbeit und bekamen künftig 15% statt 10% der Beitragseinnahmen. Auch dies konnte ohne einen Verbandstag geregelt werden, Solidarität, 16.-September 1900, S. 4 (Bericht aus Hamburg). 296 Verlauf dieser Sitzung wie S.-114f. 297 VBHi, Rechenschaftsbericht bis 1901, S. 3. 298 Das manifestierte sich dann öffentlich im Verhalten der Delegierten der Zahlstelle II auf dem Verbandstag 1902, vgl. Abschnitt Aufbruch ab S. 132. 299 VBHi, Rechenschaftsbericht bis 1901, S. 11. Für das gesamte erste Jahr im Verbandsvorstand waren als Entschädigung für Vorsitzende und Kassierer lediglich je 100 Mark vorgesehen, VBHi, Protokoll vom Zweiten Verbandstag 1902, S. 35-37. 300 Berechnung Jahreslohnhöhe siehe Anmerkung 249. 301 Generalkommission, Protokoll des Dritten Kongresses, S. 84f. 302 Vgl. Anhang zum Protokoll der Sitzung des Gewerkschaftsausschusses am 6. Juli 1899. In Hamburg sollen einige Jahre zuvor von der SPD ReferentInnen-Honorare von bis zu 12 Mark gezahlt worden sein - eine Summe, die beinahe einen Wochenlohn von Hilfsarbeiterinnen darstellte, vgl. Haake, Helma Steinbach, S. 25f. 303 Protokoll der Sitzung des Gewerkschaftsausschusses am 1. Februar 1900, S. 2. 304 Protokoll der Sitzung des Gewerkschaftsausschusses am 20. November 1902, S. 2. 305 Solidarität, 18. September 1898, S. 4. 306 Solidarität, 30. September 1900, S. 1. In Solidarität, 28. Oktober 1900, S. 1 ist die Adresse ergänzt mit „prt“ (Parterre), was als Hinweis auf das Betreiben der Gastwirtschaft zu werten ist. 307 Vorwärts, 26. Juli 1901, S. 8 (Anzeige). 308 Für Arbeitersängerbund Vorwärts 2. August 1901, S. 6; auch weitere sozialdemokratische Vereine trafen sich dort, Vorwärts, 12. Februar 1901, S. 6; ähnlich Vorwärts, 4. Juni 1901, S. 7. Das Lokal diente <?page no="196"?> 196 Anmerkungen bereits vor der Übernahme durch die Familie Thiede als Treffpunkt der Arbeiterbewegung, Vorwärts, 23. Februar 1893, S. 8. 309 Versammlungsbericht der Zahlstelle Stuttgart, Solidarität, 5. August 1900, S. 2. 310 Bureau d. Reichstags (Hg.) (1919): Handbuch der verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung Weimar 1919. Biographische Notizen, Berlin, S. 210. 311 Solidarität, 28. Oktober 1900, S. 3. 312 Solidarität, 1. Oktober 1899, S. 1. 313 Ein Kollege aus Breslau hatte gar öffentlich vermutet, Bien habe in den vorherigen Konflikten Heydemann lediglich „vorgeschoben“ und eigentlich handele es sich um persönliche Angriffe auf Paula Thiede, Solidarität, 12. November 1899, S. 1f. Das lässt sich aber nicht verifizieren und könnte auch eine paternalistisch-männliche Interpretation „normaler“ politischer Auseinandersetzungen sein. Zur möglichen persönlichen Dimension des Konfliktes siehe aber: Solidarität, 23. Juli 1899, S. 3 und Solidarität, 15. Oktober 1899, S. 3 . 314 Alle Angaben nach Solidarität, 28. Oktober 1900, S. 3. Sie blieb die ganze Zeit hindurch formal zweite Vorsitzende, vgl. beispielhaft: Solidarität, 18. August 1901, S. 1. 315 VBHi, Rechenschaftsbericht bis 1901, S. 5 (verlorene Zahlstellen) und S. 13 (Berlin). 316 Leserbrief zum Kongress in: Solidarität, 2. März 1902, S. 2. 317 VBHi, Protokoll vom Zweiten-Verbandstag 1902, S. 27. 318 Solidarität, 16. Februar 1902, S. 3 (Zitat) und Solidarität, 2. Februar 1902, S. 1 (Adresse). Die Elbingerstraße- 27 ist heute die Danziger Straße 197 („vorn 4“ = Vorderhaus, 4. OG). 319 Vgl. Thiede, Ein Rückblick [1905], S. 2. 320 Anonym [vermutlich Gertrud Hanna], Paula Thiede. 321 Vgl. Thiede, Ein Rückblick [1905], S. 2. 322 Für die SPD vgl. Evans, Sozialdemokratie und Frauenemanzipation, S. 87; für die Gewerkschaften Losseff-Tillmanns, Frauenemanzipation und Gewerkschaften, S. 107-119. 323 Das hat unter anderem der SPD-Parteitag von Gotha (1896) den „Genossinnen“ auf Antrag von Zetkin, Baader und anderen empfohlen, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (1896): Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei <?page no="197"?> 197 Anmerkungen Deutschlands. Abgehalten zu Gotha vom 11. bis 16. Oktober 1896, S. 15 (Antrag Nr. 61) und S. 175 (Annahme). 324 Losseff-Tillmanns, Ida Altmann-Bronn, S. 83. 325 Vgl. dazu entsprechende Berichte im Vorwärts: 8. Dezember 1901, S. 11 (Vortrag bei den Kürschnern); 13.-April 1902, S. 10 (Vortrag bei den Beschäftigten in der Palmenfederindustrie); 27. November 1903, S. 7 (Vortrag bei den Zimmerern); 8. Mai 1904, S. 17 (Vortrag bei den TextilarbeiterInnen); 15. September 1907, S.-7 (Vortrag bei den SchneiderInnen). 326 VBHi, Rechenschaftsbericht bis 1901, S. 5. 327 Evans, Sozialdemokratie und Frauenemanzipation, S. 72. 328 LA Berlin Pr. Br. Rep. 030 Nr. 14967, Blatt 52f. („Bericht Frauen- Organisationen betreffend, Berlin 28.11.88“), dort heißt es: „Als Grund der Auflösung wird angegeben, daß die Kommission seitens der Polizei bereits als Verein betrachtet worden sei.“ 329 Ihrer, Die Arbeiterinnen im Klassenkampf, S. 21. 330 Losseff-Tillmanns, Frauenemanzipation und Gewerkschaften, S.-84f. 331 Gélieu, Sie kannte nicht den Ehrgeiz, S. 100. 332 Ihrer, Die Arbeiterinnen im Klassenkampf, S. 22. 333 Vgl. die abgedruckte Verfügung, Vorwärts, 23. Februar 1895, S. 6 sowie Freude, Ottilie Baader, S. 36 und Ihrer, Die Arbeiterinnen im Klassenkampf, S. 23-27. Die sechs Mitglieder der Kommission waren zu diesem Zeitpunkt die Frauen Fahrenwald, Baader, Ihrer, Jung, Klotzsch und Frohmann, vgl. LA Berlin, A Pr. Br. Rep.-030, Tit 95, Nr. 14968, Blatt 15. 334 Losseff-Tillmanns, Ida Altmann-Bronn, S. 43. 335 Ihrer, Die Arbeiterinnen im Klassenkampf, S. 28. 336 Auch Frau Altmann und Frau Rohrlack zeichneten jeweils für einen Ort verantwortlich, LA Berlin, A Pr. Br. Rep 030, Tit 95, Nr. 14968, Blatt 94 (mit falsch angegebener Adresse von „Frau Fehlberg“). 337 Landesarchiv Berlin, LA Berlin A Pr. Br. Rep 030, Tit 95, Nr. 14968, Blatt 94. 338 Vgl. die Akte LA Berlin A Pr. Br. Rep 030, Tit 95, Nr. 14968. Blatt 241-263 ist ein langer stenografischer Bericht über eine dieser Veranstaltungen, auf der Ihrer, Zetkin und andere referierten. 339 Vgl. eine resümierende Einschätzung der Berliner Frauenbewegung, LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030, Tit 95, Nr. 14968, Blatt 452-456, Zitat Blatt 452. <?page no="198"?> 198 Anmerkungen 340 Zur den Frauenkonferenzen Beavan, Doris u. Faber, Brigitte (1987): „Wir wollen unser Teil fordern …“. Interessenvertretung und Organisationsformen der bürgerlichen und proletarischen Frauenbewegung im deutschen Kaiserreich, Köln, S. 229-235. 341 Evans, Sozialdemokratie und Frauenemanzipation, S. 90. 342 Sozialdemokratische Partei Deutschlands (1900): Bericht über die Frauenkonferenz am 16. und 17. September [1900] in Mainz [enthalten im Protokoll über die Verhandlungen des Parteitags der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.-Abgehalten zu Mainz vom 17. bis 21. September 1900, S. 247-257], Berlin, S. 249 (§8 des beschlossenen „Regulativs“). 343 Ebd., S. 257. 344 Ebd., S. 251. 345 LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030, Tit 95, Nr. 15852 (Titel: „Sozialdemokr. Frauen-Leseabende und Unterrichts-Kurse in Groß-Berlin“; Vol. I 1904-1915; Akten der Abteilung VII-4 des Königlichen Polizei-Präsidiums zu Berlin), Blatt 1. 346 LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030, Tit 95, Nr. 15852, Blatt 2-81. 347 Zitiert nach Losseff-Tillmanns, Frauenemanzipation und Gewerkschaften, S. 124. 348 Nach Losseff-Tillmanns, Ida Altmann-Bronn, S. 73. 349 Solidarität, 21. Januar 1911, S. 2f., hier S. 3; Vgl. auch Losseff-Tillmanns, Frauenemanzipation und Gewerkschaften, S. 127. 350 Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands (1904): Protokoll der Verhandlungen des ersten Allgemeinen Heimarbeiterschutz-Kongresses. Abgehalten zu Berlin im Gewerkschaftshaus am 7., 8., und 9. März 1904, Berlin, S. XII. 351 Losseff-Tillmanns, Frauenemanzipation und Gewerkschaften, S.-127. 352 Gabel, Die Arbeiterinnen im Buchdruckgewerbe, S. 282 (mit Anm.) sowie ebd., S. 19. 353 Losseff-Tillmanns, Frauenemanzipation und Gewerkschaften, S.-117. 354 Hauff, Die deutschen Arbeiterinnen-Organisationen, S. 19, Zitat ebd. 355 Solidarität, 21. Januar 1911, S. 3. 356 Hauff, Die deutschen Arbeiterinnen-Organisationen, S. 19. 357 Legien und Ihrer führten (trotz Ihrers weiterbestehender Ehe) lange Jahre eine Liebesbeziehung, die in den Gewerkschaften zu allerlei <?page no="199"?> 199 Anmerkungen gehässigem Tratsch Anlass gab, vgl. Gélieu, Sie kannte nicht den Ehrgeiz, S. 93-97. 358 Protokoll des 5. Kongresses der deutschen Gewerkschaften in Köln 1905, S. 86, nach Losseff-Tillmanns, Frauenemanzipation und Gewerkschaften, S. 130. 359 Losseff-Tillmanns, Ida Altmann-Bronn, S. 74. 360 Losseff-Tillmanns, Frauenemanzipation und Gewerkschaften, S.-127-132. 361 Thiede, Paula (1905): Die Arbeiterin in der Gewerkschaftsbewegung, in: Correspondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands, 18. März 1905, S. 169-170, S. 170. 362 Thiede, Unsere Jubilare Berlin - Hamburg, S. 2. 363 Losseff-Tillmanns, Ida Altmann-Bronn, S. 75. 364 Alles nach Hauff, Die deutschen Arbeiterinnen-Organisationen, 20-25, Zitat S. 24. 365 Losseff-Tillmanns, Ida Altmann-Bronn, S. 74. 366 Vgl. dazu ausführlich ebd., S. 77-79 und zu Altmanns Beweggründen S. 79-85. 367 Hauff, Die deutschen Arbeiterinnen-Organisationen, S. 25. 368 Vorwärts, 12. Januar 1911, S. 14; https: / / wo-sie-ruhen.de/ friedhoefe ? stadt=1& friedhof=16, zuletzt 28. März 2019. 369 Solidarität, 21. Januar 1911, S. 2f. 370 Solidarität, 19. März 1899 S. 6: insgesamt 1.423 Mitglieder, davon Zahlstelle I: 445 und Zahlstelle II: 371, es folgen Hamburg (158), Stuttgart (117) und Breslau (115). 371 VBHi, Protokoll vom Zweiten-Verbandstag 1902, S. 4. 372 Ebd., S. 6. 373 Hauff, Die deutschen Arbeiterinnen-Organisationen, S. 48. 374 Beispiele: VBHi, Protokoll vom Zweiten Verbandstag 1902, S. 25-30. 375 Ebd., S. 36f. 376 Ebd., S. 32f. 377 Ebd., S. 31. 378 Ebd., S. 34-37. 379 Ebd., S. 35. 380 Ebd., S. 36. 381 Ebd., S. 34-37. 382 Ebd., S. 35. 383 Dazu auch VBHi, Protokoll vom Zweiten-Verbandstag 1902, S.-35-37. <?page no="200"?> 200 Anmerkungen 384 Ebd., S. 8f (detaillierte Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse) sowie Solidarität, 4. Februar 1900, S. 1f und Solidarität, 18.-Februar 1900, S. 1 (zweiteiliger Bericht von der Agitationstour im Januar 1900). 385 VBHi, Protokoll vom Zweiten Verbandstag 1902, S. 9f. 386 Vgl. Thiede, Ein Rückblick [1905]. 387 VBHi, Rechenschaftsbericht 10/ 1902-09/ 1903, S. 3. 388 Ebd., S. 1f. 389 Ebd., S. 4f. und S. 13. 390 Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1904): Rechenschaftsbericht für die Zeit vom 1. Oktober 1903 bis 30. September 1904, Berlin, S. 1. 391 VBHi, Protokoll vom Zweiten- Verbandstag 1902, S. 23. Die Gewerkschaft der Steindrucker zahlte in diesem Zusammenhang eine gewisse Summe an den HilfsarbeiterInnenverband, damit die übergetretenen Mitglieder sofort berechtigt waren, Unterstützungszahlungen zu erhalten. 392 Vgl. Thiede, Ein Rückblick [1905]. 393 Zahlstelle Hamburg, Geschichtlicher Rückblick, S. 16. 394 Gau I Rheinland-Westfalen, Zum neunten Verbandstage, S. 11. 395 Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1908): Vorstands- und Rechenschafts-Bericht der letzten Verbands-Periode 1905-1908 [und] Protokoll vom 4.- Verbandstag. Abgehalten in München in der Zeit vom 1. bis 5.-Juni 1908, Berlin, S. 1. 396 Vgl. die Tabelle in Verband der Graphischen Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1923): Rechenschaftsbericht über 1922, Berlin, ohne Seite. Ergänzend für den rasanten Zuwachs an Zahlstellen Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1906): Rechenschafts-Bericht für die Zeit vom 1.-April 1905 bis 31. März 1906, Berlin, S. 1 und Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1915): Vorstands- und Rechenschaftsbericht über die Verbandsperiode 1910/ 13 [und] Protokoll vom VI. Verbandstag Abgehalten in Leipzig in der Zeit vom 5. bis 11. Juli 1914, Berlin, S.-19-26. 397 Quataert, Reluctant feminists, S. 64. <?page no="201"?> 201 Anmerkungen 398 VBHi, Rechenschaftsbericht 04/ 1905 bis 03/ 1906, S. 1. Es waren acht Verbandsangestellte sowie eine Anzahl lokaler Kräfte in den Arbeitsnachweisen verzeichnet. 399 Hanna, Gertrud (1924): German Women’s Fight for Labor Equality, in: Current History (New York); New York, H. 4 (1924), S.- 622- 626, S. 626. Detaillierte Zahlen bei Hauff, Die deutschen Arbeiterinnen-Organisationen, S. 26-28. 400 Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter u. Arbeiterinnen Deutschlands (1914): Verwaltungs- und Rechenschaftsbericht für 1913, Berlin, S. 54f. Es beteiligten sich 5.234 Mitglieder an der Umfrage. 401 VBHi, Statistik 1911, S. 32. 402 Ebd., S. 46f. und S. 58f. 403 Zu Preczang siehe Anmerkung 135. 404 Preczang, Ernst: Zehn- Jahre, in: Solidarität.- Organ des Verbandes der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands, 10. Juni 1905, S. 1, elfte Strophe. 405 VBHi, Protokoll vom Zweiten Verbandstag 1902, S. 37. 406 LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 14967, Blatt 206 (mit Anmerkungen). 407 Thiede, 25 Jahre Organisation! . 408 Vorwärts, 7. August 1891, S. 6. 409 Thiede, Unsere Jubilare Berlin - Hamburg, S. 2. 410 Thiede, 25 Jahre Organisation! . 411 Schmitt kam aus dem Verband der deutschen Buchdrucker und war 1892 in der Delegation, die mit den Prinzipalen das Ende des Streiks um den Neunstundentag aushandeln musste, vgl. Krahl, Der Verband der Deutschen Buchdrucker, S. 182. 412 Thiede, Unsere Jubilare Berlin - Hamburg, S. 3. Die behördliche Beobachtung (LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 14548, Akte zur „Quartalspresse“) führte die Union erst ab dem III. Quartal 1892 (Blatt 185) und registrierte die Umbenennung für das I.- Quartal 1894 (Blatt 246). Die Einstellung hätte demnach im II. Quartal 1895 stattgefunden (Blatt 281 und 295). Die Behörden waren hier nicht auf dem aktuellen Stand. 413 Bericht über eine Versammlung „der Buch-, Papier- und Lederarbeiter und -Arbeiterinnen“ am 19. Dezember, Vorwärts, 21. Dezember <?page no="202"?> 202 Anmerkungen 1892, S. 6. Bei diesem Anlass wurde das Graphische Kartell gegründet. 414 Thiede, Unsere Jubilare Berlin - Hamburg, S. 3. 415 Ebd. 416 Die preußischen Behörden jedenfalls verzeichneten die Solidarität erstmalig in einem Bericht über das IV.-Quartal 1895, vgl. LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 14548 („Die Quartalspresse“), Blatt 297. Im Gegensatz zur Neuen Union ist die Solidarität ab der ersten Ausgabe erhalten, siehe Anmerkung 5. 417 Solidarität, 2. April 1899, S. 1. 418 Wachs, Die „Solidarität“, S. 2. 419 Ebd. 420 Max Eichler: Reminiszenzen, in: Solidarität, 10. Juni 1905, S. 2 der Beilage. 421 Eichler, Reminiszenzen. 422 Zimmermann, Vordenker und Strategen, S. 7. 423 LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 14953, Blatt 27f. 424 Als die Buchbinder einen Redakteur aus ihren Reihen vorschlugen, wurde dieser nicht gewählt. Die Buchdrucker fürchteten offiziell um die inhaltliche Kompetenz in Sachen Druck und beschlossen sogar, dass der Redakteur entweder Gehilfe oder Hilfsarbeiter des Buchdrucks sein musste. Die Buchbinder zogen sich nach dem anschließenden großen Streit aus der Graphischen Kommission zurück, Wachs, Die „Solidarität“, S. 3, Zitat ebd. 425 VBHi, Rechenschaftsbericht bis 1901, S. 3. 426 Solidarität, 28. Oktober 1900, S. 3. 427 VBHi, Rechenschaftsbericht bis 1901, S. 3. 428 Zitiert nach Gabel, Angela (1992): Kollegin oder Konkurrentin - der lange Weg zur Gleichberechtigung, in: Zoller, Helga u. Schuster, Dieter (Hg.): Aus Gestern und Heute wird Morgen. Ans Werk - der Weg ist noch weit, aber er lohnt sich; hg. von der Industriegewerkschaft Medien, Druck und Papier, Publizistik und Kunst aus Anlass ihres 125jährigen Bestehens, Stuttgart, S. 335-347, S. 336. 429 Vgl. Gabel, Kollegin oder Konkurrentin, S. 336. 430 Wachs, Die „Solidarität“, S. 3. 431 Zu Preczang siehe Anmerkung 135. 432 Anonym (1905): Punktierer Knerjel’s Betrachtung ieba den Werdegang der „Solidarität“, in: Solidarität, 10. Juni 1905, (S. 2 der Bei- <?page no="203"?> 203 Anmerkungen lage) sowie Wachs, Die „Solidarität“, S. 3. Die Wechsel sind auch in der Nennung der Verantwortlichen in der jeweiligen Ausgabe Solidarität nachzuvollziehen. Zu Massini siehe S. 146f. 433 Anonym, Punktierer Knerjel’s Betrachtung. 434 Vgl. zum Zeitpunkt des Wechsels die Angaben in Solidarität, 19.-Januar 1902 (Wittig) und 2. Februar 1902 (Thiede). 435 VBHi, Protokoll vom Zweiten Verbandstag 1902, S. 35. 436 Kongreß der Buchdruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands, Protokoll vom Ersten Kongreß, S. 13f. 437 Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1909): Rechenschaftsbericht für 1908, Berlin, S. 4. 438 VBHi, Berichte und Protokoll vom Verbandstag 1908, S. 150. 439 Ebd., S. 158. 440 Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1905): Protokoll vom dritten Verbandstag abgehalten in Halle a. S. vom 10. bis 13. Juni 1905, Berlin, S. 28. 441 VBHi, Berichte 1910-13 und Protokoll vom Verbandstag 1914, S.-108. 442 Ebd., S. 105f. 443 Ebd., S. 108. 444 Solidarität, 7. Januar 1900, S. 4. 445 Vgl. Berliner Gewerkschaftskommission (1894): Rechenschaftsbericht für die Zeit von Anfang Januar bis Ende Juni 1894, Berlin. 446 Vgl. Zentral-Verein für Arbeitsnachweis zu Berlin (o.J.): Geschäftsbericht für das Jahr 1901, Berlin, S. 1; Massini führte diese Tätigkeit sehr lange fort, vgl. Zentral-Verein für Arbeitsnachweis zu Berlin (o.J.): Geschäfts-Bericht für das Jahr 1913/ 14, Berlin, S. 5. 447 Albert Massini: Zum zehnjährigen Bestehen der Solidarität, in: Solidarität, 10. Juni 1905, S. 2. 448 Sitzung des Gewerkschaftsausschusses am 10. Dezember 1903, Protokoll, S. 3-5. 449 Anonym [vermutlich Gertrud Hanna], Paula Thiede. 450 VBHi, Protokoll vom Zweiten Verbandstag 1902, S. 44 (Schlusswort). 451 VBHi, Berichte und Protokoll vom Verbandstag 1908, S. 17. Mitgliederzuwachs vom 1. Januar 1905 bis 31. Dezember 1906: von 4.826 auf 12.689, die möglicherweise im Zusammenhang mit den <?page no="204"?> 204 Anmerkungen ersten Verhandlungen über den Tarifvertrag für HilfsarbeiterInnen im Druckgewerbe stand. 452 VBHi, Protokoll vom dritten Verbandstag 1905, S. 17. 453 VBHi, Protokoll Obliegenheiten, S. 42. 454 VBHi, Protokoll Obliegenheiten, S. 45. 455 Siehe Anmerkung 44 sowie S. 66. 456 Vgl. die Aktualisierung dieser Regelung Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1918): Protokoll vom 2. außerordentlichen Verbandstag. Abgehalten in Berlin in der Zeit vom 16.-20. Juni 1918, S. 110f. 457 VBHi, Protokoll vom dritten Verbandstag 1905, S. 29f. 458 Eine Liste dieser Texte ist im Anhang zu finden. Inhalt und Erscheinungsorte können uns Auskunft darüber geben, welche Prioritäten sie setzte und in welches Verhältnis sie sich zu den Debatten innerhalb der Sozialdemokratie setzte (Gewerkschaftliche Frauenzeitung, Sozialistische Monatshefte und andere). 459 Thiede, Paula (1916): Der Wert der Mitarbeit der Frauen in der Organisation, in: Gewerkschaftliche Frauenzeitung, 5. Januar 1916, Nr. 1 (1. Jg.), S. 5-6. 460 Zitiert nach einem Bericht von der Zweiten internationalen Konferenz sozialistischer Frauen, abgedruckt in Vorwärts, 30. August 1910, S. 13 (= 3. Beilage des Vorwärts, S. 1). 461 Solidarität, 8. August 1914, S.1. 462 VBHi, Protokoll vom Verbandstag 1918, S. 106. 463 Anonym [vermutlich Gertrud Hanna], Paula Thiede, S. 35. Der Ausspruch selbst ist im Protokoll des Verbandstages nicht zu finden. Doch dort ist nur ein Bruchteil der Diskussionen abgedruckt und Gertrud Hanna war auf dem besagten Verbandstag Schriftführerin; sie hat hier vermutlich aus ihren Notizen zitiert. 464 VBHi, Protokoll vom Verbandstag 1918, S. 138. 465 Anonym [vermutlich Gertrud Hanna], Paula Thiede, S. 35. 466 VBHi, Protokoll vom Verbandstag 1918, S. 122f. 467 Nachlass Hermann Lohse (Archiv der Gewerkschaft ver.di), Begleitschreiben, S. 2. 468 Solidarität, 8. März 1919, S. 1 (Nachruf auf Paula Thiede). 469 VBHi, Protokoll vom Verbandstag 1918, S. 122. 470 Anonym [vermutlich Gertrud Hanna], Paula Thiede, S. 35. <?page no="205"?> 205 Anmerkungen 471 „Schmerzlich war es für sie freilich, daß sie nicht imstande war, das Wahlrecht zu der preußischen Landesversammlung und zu den Gemeindewahlen auszuüben“, Anonym [vermutlich Gertrud Hanna], Paula Thiede, S. 35. Die Wahlen zur preußischen Landesversammlung fanden am 26.- Januar 1919 statt. Mit „Gemeindewahlen“ ist vermutlich die Wahl zur Stadtverordnetenversammlung von Berlin (23. Februar 1919) gemeint. 472 LA Berlin, P Rep. 523 Nr. 847 (heute Danziger Straße 213). 473 Solidarität, 22. März 1919, S. 1. 474 Ebd. 475 Anonym [vermutlich Gertrud Hanna], Paula Thiede, S. 35. 476 Die Mitgliedschaften im Gau I Rheinland-Westfalen, Zum neunten Verbandstage, S.-6. 477 Solidarität, 8. März 1919, S. 1 (Nachruf auf Paula Thiede). 478 Verband der graphischen Hilfsarbeiter und -arbeiterinnen Deutschlands (1921): Protokoll vom 7. ordentlichen Verbandstag, abgehalten in Frankfurt am Main vom 11./ 18. Juli 1920, o.S. (Bericht vom ersten Verhandlungstag). 479 Solidarität, 8. März 1919, S. 1 (Nachruf auf Paula Thiede). 480 Solidarität, 14. Juni 1919, S. 4 (Überführung am 3. Juni 1919). 481 Vgl. Vorwärts, 20. Juli 1920, S. 4 (Beschluss über die Errichtung des Grabmals). 482 Gau I Rheinland-Westfalen, Zum neunten Verbandstage, S. 11. <?page no="206"?> 206 Bildnachweis S. 2: Die Mitgliedschaften im Gau I Rheinland-Westfalen (1928): Zum neunten Verbandstage in Köln und zum dreissigjährigen Bestehen des Verbandes der Graphischen Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands, 24.-30. Juni 1928, Köln, Seite 4. S. 20: Zeitgenössische Postkarte (vor 1906) ohne Nennung von FotografIn. Privatarchiv Uwe Fuhrmann. S. 22: Mit freundlicher Genehmigung von „http: / / histomapberlin.de/ “ (ein Kooperationsprojekt zwischen dem Landesarchiv Berlin (Andreas Matschenz) und der Beuth Hochschule für Technik Berlin (Matthias Möller)). S. 23: Wikimedia Commons (gemeinfrei), entnommen aus: Richard Schneider (Hrsg): Berlin um 1900, Berlin 2004, S. 99 (Königlich Preußische Messbildanstalt, 1910). S. 26: Hallesches Tor zwischen 1890 und 1900, Library of Congress, Digital ID: ppmsca 00343 (gemeinfrei). S. 29: Klingenberg-Archiv (ohne Signatur); Wikimedia Commons (gemeinfrei). Das Klingenberg-Archiv befindet sich im Archiv der GundlachGruppe (Bielefeld). S. 37: Aus: Otto Nagel: H. Zille, Berlin, 1970; S.-147. S. 41: wie S. 22. S. 57: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Inventarnummer MS/ 268/ 2004. S. 73: Vorwärts, 22. August 1913 (Jg. 7 / Nr. 216), S. 7. S. 90: Arminhallen, Zeitgenössische Postkarte. Fotograf R. Teipelke (Rixdorf ). Privatarchiv Uwe Fuhrmann. S. 101: Solidarität, 8. März 1919 (= Nr.-5, 25. Jg.), Seite 1. S. 114: Seydelstraße, Zeitgenössische Postkarte, Kunstanstalt (Sally) Voremberg (Berlin). Privatarchiv Uwe Fuhrmann. S. 122: Bundesarchiv Bild Y 1-102-663-66. S. 134: Verband der in Buch- und Steindruckereien beschäftigten Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands (1902): Protokoll vom Zweiten Verbandstag. Abgehalten in Berlin im Gewerkschaftshause am 28., 29., 30. und 31. März 1902, Berlin, S. 3. Grafik: Jonah Gronich (2019). S. 151: Nachlass Hermann Lohse (Hamburg), verdi-archiv. S. 155: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig. Inventarnummer: D 2400/ 37. S. 162: Grafik: Jonah Gronich (2019). S. 166: Foto: Uwe Fuhrmann (2018). Das Grabmal wurde im Frühjahr 2019 renoviert. <?page no="207"?> 207 Quellen- und Literaturverzeichnis Das Verzeichnis ist nach Erscheinungsjahr (vor und nach 1945) aufgeteilt. Der erste Teil, der auch die Quellen umfasst, gliedert sich dabei nochmals in verschiedene Gruppen; unter anderem werden die verwendeten Personenstandsurkunden nachgewiesen und alle bekannten Schriften von Paula Thiede aufgeführt. Texte und Quellen vor 1945 Für die vorliegende Arbeit wurden unter anderem zeitgenössische Zeitungen ausgewertet, allen voran die Solidarität. Organ des Verbandes der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands und der Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Nur mehrfach verwendete und in den Anmerkungen mit Kurztitel nachgewiesene Artikel werden im Folgenden mit einer Vollangabe aufgeführt. Ein Großteil der Personenstandsurkunden wie auch der übrigen Archivquellen stammt aus dem Landesarchiv (LA) Berlin, insbesondere aus der Aktengruppe A Pr. Br. Rep. 030 bzw. der polizeilichen Überwachung der Berliner ArbeiterInnenbewegung. Genauere Angaben und Signaturen sind den Anmerkungen zu entnehmen. Als hilfreiches Instrument hat sich außerdem die vom Landesarchiv Berlin in Kooperation mit der Berliner Beuth Hochschule für Technik entwickelte Website http: / / histomapberlin.de erwiesen. Mit ihrer Hilfe sind viele städtebauliche Veränderungen wissenschaftlich abgesichert nachzuvollziehen. <?page no="208"?> Quellen- und Literaturverzeichnis 208 Personenstandsurkunden Die aufgeführten Dokumente entstammen überwiegend dem Landesarchiv Berlin (LA Berlin). Zum Teil wurden sie über eine Online-Plattform für Ahnenforschung (ancestry.de) ermittelt. Paula Thiede • Taufurkunde Paula Berlin (zugleich Geburtsnachweis): ˏ Geborene und Getaufte in der Dreifaltigkeitskirche 1870, A1308a, Doppelseite 56 (Kirchenbuchseite), in: Evangelische Taufen 1867-1871, Berlin/ Brandenburg, Dreifaltigkeit, verfilmt von der „Genealogical Society, Salt Lake City, Utah“ in Berlin Dahlem am 5. September 1951, Vol. A1308. • Eheschließungsurkunde Paula Berlin und Rudolf Fehlberg: ˏ LA Berlin, P Rep. 500 Nr. 374/ 155f (Erstregister). ˏ LA Berlin, P Rep. 500 Nr. 623/ 169f (Zweitregister). • Geburt Tochter Emma: LA Berlin, P Rep. 500 Nr. 117/ 28. • Geburt Sohn Richard: LA Berlin, P Rep. 500 Nr. 130/ 1736. • Sterbeurkunde Sohn Richard: LA Berlin, P Rep. 809 Nr.-136/ 234. • Eheschließungsurkunde Paula Fehlberg, geborene Berlin - Wilhelm Thiede: LA-Berlin, P Rep. 805 Nr. 464/ 333f. • Heirat Tochter Emma: LA Berlin, P Rep. 521 Nr. 345/ 147f. • Sterbeurkunde Paula Thiede: LA Berlin, P Rep. 523 Nr. 847/ 443. Familie Berlin • Heirat der Eltern Christoph Heinrich Detlev Berlin - Caroline Röder: Aufgebotene und Getraute in der Dreifaltigkeitskirche (Mai 1867), Dok. A1305b, Doppelseite 00025 (Kirchenbuchseite), in: Heiraten und Tote (evangelisch) 1867-1870 Berlin/ Brandenburg, Dreifaltigkeit, verfilmt von der „Genealogical Society, Salt Lake City, Utah“ in Berlin Dahlem am 7. September 1951, Vol. A1305 Vol. II (1867). <?page no="209"?> Quellen- und Literaturverzeichnis 209 • Taufurkunde Schwester Georgine Berlin (zugleich Geburtsnachweis): Geborene und Getaufte in der Dreifaltigkeitskirche im Juni 1868, A1306, Doppelseite 47 (Kirchenbuchseite), in: Evangelische Taufen 1867-1871, Berlin/ Brandenburg, Dreifaltigkeit, verfilmt von der „Genealogical Society, Salt Lake City, Utah“ in Berlin Dahlem am 5. September 1951, Vol. A1305. • Geburtsurkunde Bruder Wilhelm Berlin: LA Berlin, P Rep. 500 Nr. 8/ 233. • Sterbeurkunde Bruder Wilhelm Berlin: LA Berlin, P Rep. 801 Nr. 26/ 465. • Heiratsurkunde Schwester Georgine: LA Berlin, P Rep. 804 Nr. 318/ 259f (Zum Erstregister erklärtes Zweitregister). • Geburtsurkunde Ernst Sauer (erstes Kind von Georgine Sauer, geborene Berlin): LA Berlin, P Rep. 502 Nr. 175/ 279. • Heiratsurkunde Caroline, geb. Röder, verw. Berlin - Theodor Kordes: LA Berlin, P Rep. 804 Nr. 290/ 23f [Nachname von „Korts“ in „Kordes“ korrigiert durch Angaben in der Heiratsurkunde Berlin-Fehlberg, wie oben]. Rudolf Fehlberg • Heiratsurkunde (Eltern Fehlberg): LA Berlin, P Rep. 500 Nr.-374/ 1010. • Heiratsurkunde Rudolf Fehlberg - Helene Schönberner: LA Berlin, P Rep.-804 Nr. 289/ 99f. • Tod Helene Schönberner: LA Berlin, P Rep. 500 Nr. 1031/ 449. • Tod der drei Kinder aus der Ehe Fehlberg-Schönberner: ˏ LA Berlin, P Rep. 500 Nr. 1011/ 337. ˏ LA Berlin, P Rep. 500 Nr. 1206/ 197. ˏ LA Berlin, P Rep. 500 Nr. 1031/ 434. • Sterbeurkunde Rudolf Fehlberg: LA Berlin, P Rep. 500 Nr.-1051/ 207. <?page no="210"?> Quellen- und Literaturverzeichnis 210 Schriften von Paula Thiede Thiede, Paula (1905): Die Arbeiterin in der Gewerkschaftsbewegung, in: Correspondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften-Deutschlands, 15. Jg., H. 11 (18. März 1905), S. 169-170. Thiede, Paula (1906): Die Spielwaren-Arbeiter und Arbeiterinnen in Sonneberg und Umgebung, in: Literarische Kommission der deutschen Heimarbeitsausstellung (Hg.): Bilder aus der deutschen Heimarbeit (=- Sozialer Fortschritt. Hefte und Flugschriften für Volkswirtschaft und Sozialpolitik, Nr. 63/ 64), Berlin, S. 26-28. Thiede, Paula (1909): Passiver Widerstand in Tarifgewerben, in: Correspondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften-Deutschlands, 19. Jg., H. 52 (25. Dezember 1909), S. 815f. Thiede, Paula (1909): Ein Wiedersehen, Berlin. (Agitationsschrift; Autorenschaft wahrscheinlich). Thiede, Paula (1911): Einrichtung und Ausgestaltung der sozialdemokratischen Frauenkonferenz, in: Sozialistische Monatshefte, 17. Jg., H. 18/ 20 (1911), S. 1248-1250. Thiede, Paula (1914): Die fachgewerbliche Ausbildung der Arbeiterin, in: Sozialistische Monatshefte, 20. Jg., H. 12/ 13 (1914), S. 824-828. Thiede, Paula (1916): Der Wert der Mitarbeit der Frauen in der Organisation, in: Gewerkschaftliche Frauenzeitung, 1. Jg., H. 1 (5.- Januar 1916), S. 5-6. Thiede, Paula (1917): Erwerbsarbeit, Entlohnung und Organisation der Frauen, in: Sozialistische Monatshefte, 23. Jg., H. 7 (14. November 1917), S.-356-366. Zahlreiche Beiträge (zwischen 1895-1918) in der Verbandszeitschrift Solidarität. Von Paula Thiede wurden folgende Zeitungsartikel mehrfach verwendet: Thiede, Paula (1900): Bericht der Agitationstour im Januar 1900, Solidarität, 4. Februar 1900, S. 2f. Thiede, Paula (1905): Ein Rückblick auf unsere Verbandsgründung, in: Solidarität, 10. Juni 1905, (= Extra-Ausgabe der „Solidarität“ zur Feier ihres 10jährigen Bestehens), S. 1-2 der Beilage. Thiede, Paula (1915): Unsere Jubilare Berlin - Hamburg, in: Solidarität, 10. April 1915, Nr.15 (21. Jg.), S. 2-4. Thiede, Paula (1915): 25 Jahre Organisation! , in: Vorwärts, 13. April 1915, S.-6. <?page no="211"?> Quellen- und Literaturverzeichnis 211 Schrifttum des VBHi (chronologisch sortiert) Kongreß der Buchdruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1898): Protokoll vom Ersten Kongreß der Buchdruckerei- Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands am 30. 31. Mai und 1. Juni 1898, zu Berlin in den Arminhallen, Kommandantenstr. 20, Berlin. Verband der in Buchdruckereien und verwandten Berufen beschäftigten Hilfsarbeiter u. Arbeiterinnen Deutschlands (1901): Rechenschaftsbericht für die Zeit vom 1. Oktober 1900 bis 30. September 1901, Berlin. Verband der in Buch- und Steindruckereien beschäftigten Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands (1902): Protokoll vom Zweiten- Verbandstag. Abgehalten in Berlin im Gewerkschaftshause am 28., 29., 30. und 31. März 1902, Berlin. Verband der in Buchdruckereien und verwandten Berufen beschäftigten Hilfsarbeiter u. Arbeiterinnen Deutschlands (1903): Rechenschaftsbericht für die Zeit vom 1. Oktober 1902 bis 30.-September 1903, Berlin. Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1904): Rechenschaftsbericht für die Zeit vom 1.-Oktober 1903 bis 30. September 1904, Berlin. Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1905): Protokoll vom dritten Verbandstag, abgehalten in Halle a. S. vom 10. bis 13. Juni 1905, Berlin. Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1906): Rechenschafts-Bericht für die Zeit vom 1.-April 1905 bis 31. März 1906, Berlin. Verband der Buch- und Steindruckerei- Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1907): Protokoll über die Sitzung der Kommission zur Schaffung allgemeiner Bestimmungen für die Obliegenheiten, Arbeitszeit und Entlohnung des Hilfspersonals, abgehalten am 16. Dezember 1906 im Deutschen Buchgewerbehause zu Leipzig, Berlin. Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1908): Vorstands- und Rechenschafts-Bericht der letzten Verbands-Periode 1905-1908 [und] Protokoll vom 4.-Verbandstag, abgehalten in München in der Zeit vom 1. bis 5. Juni 1908, Berlin. <?page no="212"?> Quellen- und Literaturverzeichnis 212 Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1909): Rechenschaftsbericht für 1908, Berlin. Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1911): Statistik über Betriebs-, Organisations- und Tarifverhältnisse sowie über Arbeitszeit, Entlohnung des Hilfs-Personals in Buch- und Steindruckereien, Berlin. Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter u. Arbeiterinnen Deutschlands (1914): Verwaltungs- und Rechenschaftsbericht für 1913, Berlin. Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1915): Vorstands- und Rechenschaftsbericht über die Verbandsperiode 1910/ 13 [und] Protokoll vom VI. Verbandstag, abgehalten in Leipzig in der Zeit vom 5. bis 11. Juli 1914, Berlin. Verband der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1918): Protokoll vom 2. außerordentlichen Verbandstag, abgehalten in Berlin in der Zeit vom 16.-20. Juni 1918. Verband der Graphischen Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1923): Rechenschaftsbericht über 1922, Berlin. Verband der Graphischen Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands (1925): Geschichtlicher Rückblick über die Gründung und Entwicklung der Hamburger Zahlstelle, o.O. Die Mitgliedschaften im Gau I Rheinland-Westfalen (1928): Zum neunten Verbandstage in-Köln und zum dreissigjährigen Bestehen des Verbandes der Graphischen Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands. 24.-30. Juni 1928, Köln. Zeitungsartikel (nur mehrfach verwendete): Aus der Solidarität. Organ des Verbandes der Buch- und Steindruckerei- Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands: Anonym (1905): Punktierer Knerjel’s Betrachtung ieba den Werdegang der „Solidarität“, in: Solidarität, 10. Juni 1905 (= Extra-Ausgabe der „Solidarität“ zur Feier ihres 10jährigen Bestehens), S. 2 der Beilage. Bleich, Otto (1905): 1890-1898. Ein Rückblick auf die Organisationsentwicklung, in: Solidarität-, 10. Juni 1905 (= Extra-Ausgabe der Solidarität zur Feier ihres 10jährigen-Bestehens), S. 3-4. <?page no="213"?> Quellen- und Literaturverzeichnis 213 Eichler, Max (1905): Reminiszenzen, in: Solidarität, 10. Juni 1905 (=-Extra-Ausgabe der „Solidarität“ zur Feier ihres 10jährigen Bestehens), S. 2 der Beilage. Heydemann, Emilie (1900): Zum 10jährigen Bestehen der Organisation der Hilfsarbeiterinnen Berlins, in: Solidarität, 1. April 1900, S. 1. Massini, Albert (1905): Zum zehnjährigen Bestehen der Solidarität, in: Solidarität, 10. Juni 1905 (= Extra-Ausgabe der „Solidarität“ zur Feier ihres 10jährigen Bestehens), S. 2. Preczang, Ernst (1905): Zehn Jahre, in: Solidarität, 10. Juni 1905 (= Extra-Ausgabe der Solidarität zur Feier ihres 10jährigen-Bestehens), S. 1. Wachs, Albert (1905): Die „Solidarität“ und das graphische Kartell, in: Solidarität, 10. Juni 1905 (= Extra-Ausgabe der „Solidarität“ zur Feier ihres 10jährigen Bestehens), S. 2-3. Mehrfach verwendete Zeitungsartikel außerhalb der Solidarität: Anonym [vermutlich Gertrud Hanna] (1919): Paula Thiede [= Nachruf ], in: Gewerkschaftliche Frauenzeitung, 1. Jg., H. 5 (1919), 34-35. Goecke, Theodor (1890): Das Berliner Arbeiter-Mietshaus, in: Deutsche Bauzeitung, 14. Jg., H. 84-86 (1890), S. 501f.; 508-510; 522f. Hanna, Gertrud (1924): German Women’s Fight for Labor Equality, in: Current History (New York), 19. Jg., H. 4 (1924), S. 622-626. Mattutat, Hermann (1917): Der Kampf um den Arbeitsnachweis, in: Sozialistische Monatshefte, 23. Jg., H. 18 (1917), S. 926-931. Weitere Protokolle und Berichte Berliner Gewerkschaftskommission (1894): Rechenschaftsbericht für die Zeit von Anfang Januar bis Ende Juni 1894, Berlin [enthalten in: LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 15458, als Blatt 173]. Berliner Gewerkschaftskommission (1895): Rechenschaftsbericht für die Zeit von Juli 1895 bis Januar 1896, Berlin [http: / / resolver.staatsbibliothek-berlin.de/ SBB00020ABF00030000, zuletzt 9.- April 2019]. Berliner Gewerkschaftskommission (1896): Rechenschaftsbericht für die Zeit von Januar 1896 bis Juli 1896, Berlin [enthalten in: LA Berlin, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 15458, als Blatt 252]. <?page no="214"?> Quellen- und Literaturverzeichnis 214 Berliner Gewerkschaftskommission (1899): Rechenschaftsbericht der Berliner Gewerkschaftskommission für das Jahr 1898, Berlin [http: / / resolver.staatsbibliothek-berlin.de/ SBB00020ABF00050000, zuletzt 9. April 2019]. Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands (1899): Protokoll der Verhandlungen des Dritten Kongresses der Gewerkschaften Deutschlands. Abgehalten zu Frankfurt am Main-Bockenheim vom 8. bis 13. Mai 1899, Hamburg. Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands (1904): Protokoll der Verhandlungen des ersten Allgemeinen Heimarbeiterschutz-Kongresses. Abgehalten zu Berlin im Gewerkschaftshaus am 7., 8., und 9. März 1904, Berlin. Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands: Protokolle des Gewerkschaftsausschusses (verschiedene Jahrgänge), Berlin / Hamburg. Sozialdemokratische Partei Deutschlands (1890): Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten zu Halle a. S. vom 12. bis 18. Oktober 1890. Sozialdemokratische Partei Deutschlands (1896): Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten zu Gotha vom 11. bis 16. Oktober 1896. Sozialdemokratische Partei Deutschlands (1897): Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten zu Hamburg vom 3. bis 9. Oktober 1897. 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Ans Werk - der Weg ist noch weit, aber er lohnt sich; hg. von der Industriegewerkschaft Medien, Druck und Papier, Publizistik und Kunst aus Anlass ihres 125jährigen Bestehens (=-Schriftenreihe der Industriegewerkschaft Medien), Stuttgart. <?page no="223"?> 223 Personenverzeichnis Altmann (-Bronn), Ida 14, 69, 105, 120, 127-129, 158, 168 Baader, Ottilie 13, 69, 123-126 Bebel, August 66, 123 Bernstein, Alfred 71-74 Bien, Clara 86, 87, 90, 91, 93 Bismarck, Otto von 19 Bleich, Otto 51, 80, 96, 143 Braun, Lily 14, 123 Büxenstein, Friedrich Wilhelm Georg 57 Cauer, Minna 13 Döblin, Emil 57, 92 Fahrenwald, Agnes 39, 40 Frömberg, Katharina 93 Gerndt, [Ottilie] 124 Gottwald, Ida 49, 59, 90 Gramsci, Antonio 98 Greifenberg, Marie 39, 40 Guillaume-Schack, Gertrude 180, 181 Hanna, Gertrud 14, 66, 69, 106, 116, 129, 151, 157, 158, 168 Henkel, Pauline 49, 59 Herrmann, Frau (Vorname unbekannt) 75 Heydemann (später Ehm), Emilie 103-107, 156 Hofmann, Marie 127, 128 Hofstetten, Mathilde 124 Jagert, Johanna 181 Jahns, Heinrich 86 Jendritza, Ernstine 49, 119, 138 Jogiches, Leo 67 Juchacz, Marie 14, 69 Jung, Frau (Vorname unbekannt) 39,40 Kähler, Wilhelmine 14, 90, 100, 124 Kraft, Lina 90 Lange, Helene 13 Legien, Carl 84, 89, 112, 127, 150 Lehmann, Herr (Vorname unbekannt) 139 Leipart, Theodor 126 Liebknecht, Wilhelm 72, 123, 164 Liebknecht, Karl 164 Lodahl, Gertrud 69, 113, 158 Lodahl, Heinrich 113, 114, 151 Lohse, Hermann 133, 151 Leuschner, Antonia 124 Luxemburg, Rosa 10, 14, 67, 69, 72, 74, 164 Mahle, Robert 93 Marcy, Frau (Vorname unbekannt) 90 Massini, Albert 105, 107, 143, 148, 149 Mathias, Lina 90 Miller, L. 108 Mohnhaupt, Albert 93 Moritz, August 147, 151 Moses, Julius 71, 73 Mosse, Rudolf 19 <?page no="224"?> Personenverzeichnis 224 Neumann, Herr (Vorname unbekannt) 48 Panzeram, Elise 126 Penny, Laurie 18 Preczang, Ernst 58, 138, 142 Preißing, Herr (Vorname unbekannt) 114, 115 Pucher, Engelbert 144, 145, 147, 151 Raabe, Karl 143 Rade, Ida 90 Reitze, Johanne 69 Riese, Herr A. 39 Röhling, August 93 Sabath, Gustav 112 Sabath, Mathilde 49, 59 Schleiermacher, Friedrich 19 Schmid, Albert 146, 147, 151, 160 Schmitt, Philipp 49, 139, 148 Schubert, Franz 55 Schulze, August 93 Schulze, Otto 151, 154 Seidel, Heinrich 34 Sender, Toni 14, 69 Staegemann, Pauline 181 Steinbach, Helma 14, 46, 69, 124 Sternhagen, Selma 49, 59, 93 Suder, Kaspar 54 Tesch, Johanna 69 Tieck, Ludwig 19 Tietz, Martha 124, 126-128 Teske, Oskar 143, 156 Teske (geb. Fiesel), Sophie 40, 47, 59, 61, 90, 106, 115, 119 Wabnitz, Agnes 186 Wachs, Albert 142 Wartenberg, Alma 72 Wengels, Margarete 69, 124, 129 Wittig, Carl 110, 113, 114, 116, 143 Wolter, Gustav 166 Wulf-Mathies, Monika 9 Zetkin, Clara 10, 14, 46, 67, 69, 72-75, 96, 109, 121, 123, 124, 126, 129 Zietz, Luise 14, 69, 72. 76, 124, 125, 129 Zille, Heinrich 37 <?page no="225"?> 225 Danksagung Es erscheint mir geradezu aberwitzig, dass eine Biografie wie die von Paula Thiede so viele Jahrzehnte keine Aufmerksamkeit erfahren hat. Umso verdienstvoller ist die Arbeit von Gisela Losseff-Tillmanns aus dem Jahr 1978 („Frauenemanzipation und Gewerkschaften“) einzuschätzen, denn sie funktioniert auch heute noch als ein Wegweiser zu verschiedenen Personen, Quellen und Diskussionen. Der Autorin gilt zudem mein persönlicher Dank für die wertschätzende Art, mit der sie auf mein Vorhaben reagiert hat. Eine ganze Reihe von Personen hat mir während der Arbeit am Manuskript verschiedene wertvolle Rückmeldungen gegeben. Gedankt sei daher Kathrin für die wie immer schonungslosen, aber umso hilfreicheren Anmerkungen; Henning, Till und Lars möchte ich ebenso wie Clemens für die aufmerksame Lektüre und die tollen Vorschläge danken. Großer Dank geht auch an Claudia von Gélieu, die mir mit zahlreichen Hinweisen und Gesprächen weitergeholfen hat. Meinen Bürokollegen Andi und Henning danke ich dafür, dass die letzten Monate am Schreibtisch trotz allem eine gute Zeit waren. Kathrin danke ich außerdem für das Verständnis in der Zeit des sich ausdehnenden Endspurtes - und für das, was damit verbunden ist, wenn man sich gemeinsam um Kinder kümmert. Dank geht auch an die TeilnehmerInnen des Seminars „Frauen und Gewerkschaften“ im WiSe 2017/ 18 an der Uni Leipzig, die - kurz vor Beginn meiner eigentlichen Arbeit an „Frau Berlin“ - durch Diskussionen, Fragen und ihre gelungenen Seminararbeiten Themen in mein Blickfeld gerückt haben, die dort vorher so nicht waren (etwa den Ge- <?page no="226"?> Danksagung 226 bärstreik). Das ist keine Ausnahme im universitären Betrieb, aber umso mehr eine Erwähnung wert. Die Zeichnungen hat Jonah Gronich beigetragen, dem ich für seine offene Aufnahme unkünstlerischer geschichtswissenschaftlicher Einwände sowie für die Bilder selbst danke. Das Team des Museums für Druckkunst Leipzig hat mir viele Fragen beantwortet und mir durch die Vorführung einer Schnellpresse erheblich vereinfacht, die technischen Zusammenhänge zu verstehen. Die MitarbeiterInnen verschiedener Archive waren wie stets unersetzlich. Uta Preimesser von der UVK Verlagsgesellschaft in Konstanz hat nicht zum ersten Mal den Prozess vom Manuskript zum Buch hervorragend begleitet. Dieses Buch ist Teilergebnis eines Drittmittelprojektes, das von der Hans-Böckler-Stiftung und der Gewerkschaft ver.di ermöglicht wurde. Stellvertretend danke ich Michaela Kuhnhenne (HBS) herzlich für die Kooperation, ihre Ansprechbarkeit und ihren Einsatz. Seitens der Universität Leipzig liegt die Betreuung des Projektes „Geschlecht und Klasse um 1900. Paula Thiede (1870-1919) und die gewerkschaftliche Organisation von HilfsarbeiterInnen“ bei Detlev Brunner, dem ich für die damit verbundenen genauso wie für die darüber hinausgehenden Gespräche und Anregungen herzlich danke. Schlussendlich lässt sich wohl ohne Übertreibung sagen, dass es das vorliegende Buch ohne Hartmut Simon nicht gegeben hätte. Er hat Paula Thiede vor knapp 15 Jahren innerhalb der Gewerkschaft bekannt gemacht und auf diese Weise dafür gesorgt, dass ver.di heute am Paula-Thiede-Ufer in Berlin zu finden ist. Hartmut Simon war es auch, der mich angeregt hat, die vorliegenden Forschungen überhaupt in Betracht zu ziehen. Wo es ging, hat er zum Gelingen bei- <?page no="227"?> Danksagung 227 getragen. Für all das gebührt ihm vielfacher und sehr herzlicher Dank. Wie in der Einleitung erwähnt, werde ich das Leben von Paula Thiede und den Themenkomplex „Geschlecht und Klasse um 1900“ noch eine Weile weiterbearbeiten und dazu weitere Ergebnisse vorlegen. Ich freue mich jederzeit über Hinweise auf Quellen, Ereignisse und Texte, die dabei Beachtung finden könnten. Berlin-Neukölln im April 2019 Uwe Fuhrmann (*1979) hat nach dem Abschluss einer Schreinerlehre Geschichte in Berlin und Granada studiert. Neben Fragen zur Geschichtspolitik beschäftigt er sich mit dem Einfluss von ArbeiterInnenbewegung und Gewerkschaften auf die Gesellschaft. Bei UVK erschien von ihm zuletzt der Band „Die Entstehung der ‚Sozialen Marktwirtschaft‘ 1948/ 49“, mit der er an der FU Berlin promovierte. <?page no="228"?> Uwe Fuhrmann Die Entstehung der »Sozialen Marktwirtschaft« 1948/ 49 Eine historische Dispositivanalyse 2017, 360 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-665-9 Nach der Währungsreform 1948 strebte Ludwig Erhard zunächst in Wort und Tat eine »freie Marktwirtschaft« an. Erst nach massiven Sozialprotesten und einem Generalstreik setzte eine deutliche wirtschaftspolitische Kursänderung ein. Die Studie untersucht zahlreiche - auch bislang unbeachtete - unterschiedliche politische Auseinandersetzungen dieses Zeitraums. Die daraus resultierende Genealogie der »sozialen Marktwirtschaft« lässt alle bisherigen Erzählungen zu ihrer Entstehung fragwürdig erscheinen. Pressestimme: »Die Erläuterung einer neuen und in der deutschen Forschung weitgehend noch nicht rezipierten Methode ist Fuhrmann ebenso gut gelungen wie die Analyse von Diskurs und Ereignisgeschichte. Es ist an der Zeit die Anfänge der Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik kritisch zu überarbeiten.« Gegenblende Klicken + Blättern Leseprobe und Inhaltsverzeichnis unter www.uvk.de Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. : Weiterlesen <?page no="229"?> www.uvk.de ISBN 978-3-86764-905-6 Wenn die britische Feministin Laurie Penny Recht hat, und Feminismus nicht etwas zum »Sein«, sondern zum »Machen« ist, dann war Paula Thiede eine der großen Feministinnen des Kaiserreichs. Als Arbeiterkind vom Halleschen Tor in Berlin stand Pauline Berlin (so ihr Geburtsname) früh auf eigenen Beinen und wurde »Anlegerin« an Buchdruckschnellpressen. Mit 19 heiratete sie, mit 21 war sie Witwe und hatte eines ihrer beiden Kinder unter tragischen Umständen verloren. Sie schloss sich der aktivsten Frauengewerkschaft Deutschlands an und wurde 1898 schließlich zur weltweit ersten weiblichen Vorsitzenden einer gemischtgeschlechtlichen Gewerkschaft. Lohnsteigerungen, frühe Tarifverträge und ein hoher Organisierungsgrad gehörten zu den Erfolgen, die sie mit dem Verband der BuchdruckereihilfsarbeiterInnen erringen konnte. Die Abkehr von der einengenden Geschlechterpolitik der Gesellschaft und der Gewerkschaften war ein wichtiger Bestandteil dieser Kämpfe. Dieses Buch geht anschaulich auf den Alltag proletarischer Frauen ein und folgt der spektakulären, zu Unrecht vergessenen Lebensgeschichte von Paula Thiede, die am 3. März 1919 verstarb. Paula Thiede (1870 - 1919) Vom Arbeiterkind zur Gewerkschaftsvorsitzenden Uwe Fuhrmann Uwe Fuhrmann »Frau Berlin« - Paula Thiede (1870 - 1919) "Frau Berlin“
