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Philosophenwege

0827
2018
978-3-7398-0566-5
978-3-8676-4861-5
UVK Verlag 
Wolfram Hoepfner

Über die Methoden der Lehre und die Lehrstätten der Philosophen der spätklassischen Zeit kursieren abenteuerliche Vorstellungen. Trotz einseitiger Quellenlage lassen sich die Wege von Sokrates in Athen, Platons Reisen nach Syrakus und Aristoteles Aufenthalte in Makedonien aber erstaunlich genau nachvollziehen. Philosophen nutzten für ihre Lehre bestimmte schattige Rundwege, um sich bei gleichmäßiger Bewegung mit einem oder zwei Schülern auf einen dialogos zu konzentrieren. Schon für die Historiker der späten Antike wie Diogenes Laertius war dieses Verhalten zum Rätsel geworden. Das Phänomen lässt sich dennoch erklären und sogar topographisch festlegen. Das Hauptaugenmerk gilt den Schulen der Philosophen. In vielen Fällen war damit der Peripatos gemeint, ein Bau-Typus, den Platon in der Akademie kreiert hatte. Wie er aussah, welche Räumlichkeiten vertreten waren und wie lange solche Lehrstätten Bestand hatten, ist Thema dieses Buches.

<?page no="0"?> Wolfram Hoepfner Philosophenwege Konstanzer Althistorische Vorträge und Forschungen Herausgegeben von Wolfgang Schuller Heft 52 <?page no="1"?> Wolfram Hoepfner Philosophenwege Xenia Konstanzer Althistorische Forschungen Herausgegeben von Wolfgang Schuller Heft 52 <?page no="2"?> Stadtplan von Athen in spätklassischer und frühhellenistischer Zeit als die Philosophenschulen florierten. Zur Akademie im Nordwesten, wo Platon seine Philosophenschule (Schulbau) in der Nähe des Akademie-Gymnasions errichtete, führte das Demosion Sema, der Heldenfriedhof mit den Staatsgräbern, unter denen auch Philosophen waren. Im Bezirk Lykeion östlich vor den Stadtmauern lag das Lykeion-Gymnasion. Dort errichtete Aristoteles seinen „Garten der Musen“ und später weiter östlich sein Schüler Theophrast einen „eigenen Garten“. Als Peripatos nutzten Philosophen den ruhigen Rundweg „aussen an der Stadtmauer“ schon seit Ende 5. Jh. für ihre Lehre. Ein weiterer Peripatos (Rundweg für Philosophen) entstand später unterhalb der Burgmauer der Akropolis. Dieser ist durch eine Fels-Inschrift als solcher gekennzeichnet. Über die Herkunft der Philosophen, die im Lauf der Zeit in Athen lehrten, gibt die Karte oben rechts Auskunft (Entwurf und Zeichnung Verf. 2015). <?page no="3"?> Wolfram Hoepfner Philosophenwege UVK Verlagsgesellschaft mbH <?page no="4"?> Zum Autor: Prof. a.D. Dr. Wolfram Hoepfner ist Archäologe, Bauhistoriker und Topograph. Er lehrte Baugeschichte und Städtebau der Antike an der Freien Universität Berlin. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 0936-8663 ISBN 978-3-86764-861-5 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2018 Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas Printed in Germany UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 www.uvk.de <?page no="5"?> 5 Vorwort des Herausgebers Die gesamte Alte Welt und ihre Bauten sind das Arbeitsfeld Wolfram Hoepfners. Nach der Teilnahme an zahlreichen Ausgrabungen wurde er Leiter des Architekturreferats am Deutschen Archäologischen Institut in Berlin, danach Ordinarius an der Freien Universität Berlin, die Ausgrabungen gingen natürlich weiter. Mit dem vorliegenden Band trägt der Herausgeber eine zum Reihentitel passende Dankesschuld ab: Er konnte an zahlreichen Unternehmungen Wolfram Hoepfners als mitforschender und mitpublizierender Gast teilnehmen und freut sich sehr, dass durch den damaligen Gastgeber dessen Philosophenwege ihren Weg in die Xenia haben finden können. In dieser Reihe erscheinen Abhandlungen aus dem Umkreis der Arbeit des althistorischen Lehrstuhls Konstanz, auch nach der Emeritierung des Herausgebers, er ist nach Herbert Nesselhauf der zweite Lehrstuhlinhaber. Der dritte, Ulrich Gotter, wird sich ebenfalls an einem Folgeband beteiligen, einem Band, der großenteils durch die Hilfe Wolfram Hoepfners zustandekommen konnte. Daher ist der hier vorliegende Band ein weiteres Beispiel für die Lebendigkeit des Reihentitels, der „Gastgeschenke“ bedeutet. Der Herausgeber dankt also dem Autor Wolfram Hoepfner, er dankt Uta Corinna Preimesser vom UVK Universitätsverlag Konstanz für die Betreuung des Bandes - und er dankt abermals Heinz Breuninger, der durch sein Mäzenatentum die Reihe erst möglich gemacht hatte. Wolfgang Schuller <?page no="7"?> 7 Inhalt Vorwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Vorbemerkungen zum Verständnis des Textes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Kapitel 1: Philosophen auf dem älteren, dem äusseren Peripatos an der Stadtmauer in Athen . . . . . . . . . . . . . 15 Athen. Ein topographischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Schon Protagoras, Euthydemos und andere Sophisten lehrten auf einem Peripatos. . . . . . . . . . . . . . . 16 Sokrates und Phaidros auf dem älteren Peripatos an der Stadtmauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Lysis. Sokrates auf dem älteren Peripatos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Beschreibung des älteren, des äusseren Peripatos. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Kapitel 2: Sokrates überall in Athen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Sokrates in den Gymnasien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Lysis. Sokrates in dem im Bau befindlichen Pompeion-Gymnasion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Phaidros. Sokrates ein Spaziergänger? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Sokrates auf den Agorai . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Sokrates im δεσμοτήριον (Gefängnis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Kapitel 3: Platons Reisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Philosophen in Megara . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Platon in Kyrene und auf den Spuren der Pythagoreer in Süd-Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Tyrannis von Vater und Sohn Dionysios in Syrakus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Platons 1., 2, und 3. Reise nach Syrakus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Katapulte und Mauern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Die Insel Ortygia wird Tyranneion und Festung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Ringbefestigung der Insel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Drei Häfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Platon im Garten der Oikia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Hermodoros. Der geschäftstüchtige Schüler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Platon in der Oikia des Tyrannen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Platon, Eudoxos und eine Sonnenuhr in Syrakus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Kapitel 4: Platon und seine Schule im Hain des Heros Hekademos in der nordwestlichen Vorstadt Athens . . 35 Innerer und äusserer Kerameikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Das Demosion Sema: Heldenfriedhof, Fussgängerzone und Laufbahn der Gymnasien . . . . . . . . . . . 35 Der Alsos (heiliger Hain) des Heros Hekademos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Platon schliesst einen Vertrag mit der Polis über die Errichtung eines Schulgebäudes . . . . . . . . . . . . . 38 Planung und Plan des Schulbaus. Lob des ἀρχιτέκτων . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Ausgrabungen und Rekonstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Der Schulbau als Kunstwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Bibliothek und Bücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Platon organisiert einen Peripatos in der Akademie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 „Platon und die Geometrie“ (K. Popper). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 <?page no="8"?> 8 Inhalt Platons Bildnis in der Akademie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Platons privates Gärtchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Platons letzte Nacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Attalos, Lakydes und das Lakydeion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Cicero mit Freunden in der Akademie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Kapitel 5: Aristoteles in Platons Schule und Plan einer Philosophenstadt in Assos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Aristoteles’ Jugend und Lehrjahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Aristoteles bei Hermias in Aterneus und Assos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Aristoteles mit Theophrast auf der Insel Lesbos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Kapitel 6: Aristoteles in Makedonien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Mit Alexander auf einem Peripatos in Mieza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Aristoteles mit Alexander in Pella . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Das Haus des Dionysos: Oikia des Reichsverwesers Antipatros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Die Dreiraumgruppe: Speiseräume für Herrscher und Herrscherin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Der Audienzsaal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Aristoteles und Alexander auf der Hochzeit von Kleopatra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Palast oder Festhaus in Aigai? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Kapitel 7: Aristoteles und sein Garten der Musen im Bezirk Lykeion in der östlichen Vorstadt Athens . . . . . . 58 Der Bezirk Lykeion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Temenos, Tempel und Kultbild des Apollon Lykeios . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Politik in Athen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Die Epoche Lykurg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Wo lag das Lykeion-Gymnasion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Lage von Aristoteles’ Garten der Musen und der Peripatos an der Mauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Wie sah der Garten der Musen des Aristoteles aus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Wer war der Fürsprecher? Lykurg oder Antipatros? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Kapitel 8: Ein Peripatos für Aristoteles am Hang der Akropolis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Der Peripatos der Akropolis einfach ein Spazierweg? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Die Peripatos-Inschrift IG II/ III 2 2639 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Das Dionysos-Theater und der Akropolis-Peripatos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Temenos des Eros und der Aphrodite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Die Heiligtümer auf der grossen Terrasse im Nordwesten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Sitzstufen - Exedra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Aglauros-Höhle und Ephebeia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Alte Heiligtümer auf der Südseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Aristoteles auf dem schattigen Peripatos der Akropolis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Akademiker und spätere Philosophen auf dem Akropolis-Peripatos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Kapitel 9: Aristoteles auf der Flucht und Zerstörung des Gartens der Musen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Krisenjahre in Athen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Zerstörung des Gartens der Musen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Kapitel 10: Demetrios von Phaleron und das Museion in Alexandria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Demetrios von Phaleron. Ein Philosoph als Politiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Demetrios in Alexandria. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Kapitel 11: Der eigene Garten des Theophrast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Garten des Theophrast oder Lykeion-Gymnasion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Der Peripatos am Ufer des Ilissos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 <?page no="9"?> 9 Inhalt Kapitel 12: Ein Museum für Aristoteles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Ein Bildnis des göttlichen Aristoteles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Aristoteles’ Testament. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Theophrasts Testament. Vom Museion zum Museum für Aristoteles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Museum, Verein oder Heroon? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Kapitel 13: Das Schicksal der Bibliothek von Aristoteles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Kapitel 14: Museion und Kunstmuseum im Tal der Musen am Helikon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Kapitel 15: Epikur und sein Gemüsegarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Ein Museum für Epikur im äusseren Kerameikos? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Kapitel 16: Zenon in der Stoa Poikile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Kapitel 17: Kyniker auf Wanderschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Die Gründer der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Ein Abstecher: August Bebel wandert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Wanderschaft bei den Kynikern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Wissen und Bibliotheken? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Kapitel 18: Hadrians luxuriöse Philosophenschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Lage, Masse, Form und Funktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Pausanias bestaunt Ausstattung und Dekor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Kapitel 19: Zerstörung Athens und letzte Blüte unter den Neuplatonikern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Sturm der Heruler, der Post Herulian Wall und ein Steinbruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Herkulios und Plutarchos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Kapitel 20: Was ist das Eigentliche ? würde Platon fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Apendix: Philosophie ist nie von gestern - Ein Philosophenweg in Berlin? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Bildnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 <?page no="10"?> 10 Abkürzungen BCE = Before Common Era CE = Current Era Jh. = Jahrhundert Ü: = Übersetzung LSJ = H. G. Lidell and R. Scott. With a revised supplement by H. S. Jones. 7. Aufl. (Oxford 1996) DL = Diogenes Laertius DNO = Der Neue Overeck. Die antiken Schriftquellen zu den bildenden Künsten der Griechen. Von K. Hallof, S. Kansteiner, L. Lehmann, B. Seidensticker, K. Stemmer, Johannes Overbeck (Berlin 2014) Judeich, Athen = W. Judeich, Topographie von Athen (2. Auflage München 1931) Travlos, Athen = J. Travlos, Bildlexikon zur Topographie des antiken Athen (Tübingen 1971) Gaiser, Philodem = K. Gaiser, Philodems Academica. Die Berichte über Platon und die Alte Akademie (Stuttgart - Bad Cannstadt 1988) Gercke, Aristoteles = A. Gercke, RE 2 (1894) 1012-1055 s.v. Aristoteles <?page no="11"?> 11 Dank Wolfgang Schuller, Proferssor emeritus für Alte Geschichte an der Universität Konstanz, danke ich für die Aufnahme der Schrift in die von ihm herausgegebene Reihe XENIA. Das verdient hervorgehoben zu werden, weil einem Archäologen und Bauforscher das Wort erteilt wird, der sich an den Rand des eigenen Gebietes vorwagt. Klaus Hallof, Direktor des Epigraphischen Instituts der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, danke ich für Korrekturen an griechischen Texten. Eliza Siumpara sprach mir Mut zu, und Wilhelm Osthus danke ich für eine kritische Durchsicht des ganzen Textes und für wichtige Verbesserungsvorschläge. Ich freue mich, dass Hellmut Flashar meinen Ausführungen in dem 2002 erschienenen Band Antike Bibliotheken 1 zustimmte und meine (durchaus hypothetischen) Zeichnungen zum Schulbau Platons in der Akademie in sein neues Buch über Aristoteles aufnahm. 2 Dankbar erwähne ich noch, dass ich von Ioannis Travlos, dem besten Kenner der Topographie Athens viel gelernt habe, als ich vor vielen Jahren das auf Griechisch geschriebene Bildlexikon zur Topographie des antiken Athen ins Deutsche übersetzte. Vorbemerkungen zum Verständnis des Textes * Die Philosophenschulen waren Gemeinschaften Gleichgesinnter, die unter dem Schutz der Musen standen. Die Quellen berichten von Bildern der Musen, von Altären und auch vom Garten der Musen des Aristoteles. Die freundlichen Töchter des Zeus und der Mnemosyne tanzten am quellenreichen Berge Helikon, wo auch Hesiod verehrt wurde. Der Schöpfer der Theogonie lässt jedes Kapitel von Musen eröffnen, und wir begreifen, dasss der früharchaische Dichter, dem Musik, Kunst und Wissenschaften wichtig waren, einen Gegenentwurf zu Homers Kriegshelden und Abenteurern schuf. Das war auch die Welt der Philosophen. * Die übliche Vorstellung, nach der Philosophen in den Gymnasien lehrten, trifft nicht oder doch nur ausnahmsweise zu. Die Schulen der Philosophen waren auch nicht Teil eines Gymnasions. 3 Es waren separate Baukörper, die allerdings in der Nähe der Gymnasien entstanden, weil sich Philosophen zu allen Zeiten als Lehrer der Jugend ansahen. Wenn also in den Quellen von Platons Schule die Rede ist, muss sich das nicht auf den Lehrer und seine Schüler beziehen, vielmehr kann mit Schule sehr konkret der Schulbau Platons gemeint sein. * Bei der Schule von Theophrast ist ausdrücklich vom eigenen Garten die Rede. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass Theophrast einen Garten besass, der einen anderen Status hatte als die Schulen seiner Vorgänger. Er hatte ein privates Grundstück erworben und darauf seine Schule erbaut. Dagegen war bei der Anlage, bei der Errichtung und auch beim Unterhalt der Schulen seiner Vorgänger die Polis involviert. Denn in deren Testamenten werden weder die Schulen noch die Bücher als Erbmasse aufgeführt. Es muss besondere Vereinbarungen gegeben haben. * Das seltsame Phänomen, dass Philosophen während der Lehre auf und ab zu schreiten pflegten, sich täglich mit Schülern auf einem Peripatos (Rundweg) bewegten, schildert Diogenes Laertius in allen zehn Büchern seines Werkes Leben und Meinungen berühmter Philosophen. Dem Historiographen muss die beste Bibliothek seiner Zeit zur Verfügung gestanden haben. Aber natürlich blieb 700 Jahre nach Platon, Aristoteles und Theophrast (Diogenes Laertius lebte im 3. Jh. CE und arbeitete vermutlich in Rom) manches rätselhaft. Das gilt auch für die Frage, warum Aristoteles und seine Schüler bezeichnet werden als: οἱ ἀπὸ τοῦ περιπάτου und οἱ περιπατητικοί die vom Peripatos (Rundweg) und die Umherwandler. 4 Weil alle Philosophen, auch die der Akademie, die ambulatorische Lehre pflegten, meinte Adolf Busse (der diesen Ausdruck als erster verwendete) zu Recht, dass der peripatos eine ganz besondere Sache sein müsse, etwas Räumliches, <?page no="12"?> 12 Vorbemerkungen zum Verständnis des Textes ein Ort oder ein Bauwerk, mit dem Aristoteles zu tun hatte. Das hat breite Zustimmmung gefunden. Ich glaube aber nicht an einen umfangreichen Bau mit grossen Vortragssälen und Säulenhallen (wie ihn Vitruv für Gymnasien des späten Hellenismus beschreibt). Ich biete eine andere Lösung an: Die fast vergessene Peripatos-Inschrift IG II/ III 2 2639 bezieht sich auf den hoch am Hang um die Akropolis führenden Rundweg. Dieser - so meine Theorie - wurde von der Polis als besondere Wertschätzung für Aristoteles und seine Schüler angelegt. Daher die Bemerkung die vom Peripatos. Ich komme auf diese Theorie zurück. Im Gegensatz zu dem sehr alten Wort Periodos ist das Wort Peripatos ein erfundenes Kunstwort, das vielleicht erst Platon einführte. Das Verb περιπατέω, das schon im 5. Jh. vorkommt, bedeutet dagegen einfach hin- und hergehen oder herumlaufen. Das Verb schliesst niemanden aus, auch nicht Philosophen, die während des Hin- und Herlaufens lehrten. Jeder konnte hin- und hergehen oder herumlaufen. So laufen Frauen im Haus umher (Aristophanes, Lysistrate 709). Oder der Steuermann eines Schiffes geht am Ufer entlang (Platon, Gorgias 511). Dass er am Strand spazieren geht, wie es in den deutschen Übersetzungen heisst, meinte Platon sicher nicht. *Es ist mir ein Anliegen, im Zusammenhang mit Peripatos das oft in deutschen Übersetzungen benutzte Wort Spaziergang zu tilgen. Noch anstössiger ist die Formulierung, dass Aristoteles bei der Lehre lustwandelte. 5 Die Lehre auf einem Peripatos war konzentrierte Arbeit. Silvia Montiglio hat in ihrem Aufsatz Wandering Philosophers in Classical Greece (JHS 120, 2000, 86-93) sehr überzeugend das Phänomen mit der Förderung der Konzentration erklärt: ... he (Platon) valued the movement of the body in itself as an activity conductive to concentration. Philosophen waren rastlose Denker. Das bestätigt ein Blick auf die vielen Verweise bei dem Stichwort peripatos in dem unübertroffen kenntnisreichen Wörterbuch Lidell and Scott. 6 Auch bei Xenophon, Oikonomikos 14.15 ist mit dem Wort περίπατος ein ruhiger, im Freien liegender, von Philosophen benutzter Weg gemeint (kein Spaziergang! ). Wegen dieser Qualitäten ist er auch der Gesundheit zuträglich. Nur davon ist im Dialog die Rede. <?page no="13"?> A: Wohin des Weges? B: Richtung πραγματικότης A: was ist das? B: ein Fünkchen ἀλήθεια A: und dann? B: dann nach Megara und Syrakus, später nach Assos, Lesbos, nach Pella und Aigai und schliesslich nach Chalkis! <?page no="15"?> 15 Kapitel 1: Philosophen auf dem älteren, dem äusseren Peripatos an der Stadtmauer in Athen Athen Ein topographischer Überblick Schon in archaischer Zeit sicherte eine Mauer das Stadtgebiet Athens (Stadtplan, rot). Der grosse Felsen der Akropolis war Sitz der Stadtgöttin Athena, und Thukydides sagt ausdrücklich, dass sich die Wohngebiete vor allem südlich davon erstreckten (dort, wo heute das neue Akropolis-Museum steht, unter dem Ruinen erhalten und zu besichtigen sind) und dass die uralten Heiligtümer des Zeus Olympios, des Pythischen Apollon, der Ge und des Dionysos (an den Teichen) sich nach Osten bzw. nach Südosten anschliessen. Vom grössten dieser Heiligtümer, dem Dipteros des Olympischen Zeus, stehen mehrere 20 m hohe Säulen des hellenistischen bzw. kaiserzeitlchen Neubaus aufrecht. Die alte Stadtmauer umschloss diese Heiligtümer, und der Fluss Ilissos mit der Quelle Kallirrhoe, die jetzt nach dem Umbau durch die Tyrannen Enneakrunos heisst, reichte fast an die Stadtmauer heran. Flüsse und selbst Rinnsale eignen sich als natürliche Hindernisse im Gelände zur Verteidigung, und so wurde im Norden der vom Lykabettos kommende Fluss Eridanos zur Grenze der archaischen Stadt. Von der dortigen alten Stadtmauer fand sich bis heute kein einziger Stein in situ. Die alte Mauer war hier komplett abgetragen worden, um ihre Steine für die in Eile errichtete neue Mauer zu verwenden. Denn Themistokles hatte vorausschauend Abb 1 Athen. Blick von Süden auf die heutige Parklandschaft der Neuen Agora, auf der sich Sokrates oft aufhielt. Auf dem Kolonos Agoraios dominiert der Tempel des Hephaistos (Foto Verf. 2014). <?page no="16"?> 16 Kapitel 1: Philosophen auf dem älteren, dem äusseren Peripatos an der Stadtmauer in Athen die Stadt im Jahr 479 BCE nach Norden um ein Gebiet von etwa 40 ha erweitert - das war andernorts die Grösse einer ganzen Stadt! Weil ein Konflikt mit den Spartanern drohte, war damals Eile geboten. Es blieb keine Zeit für Planung und Ausführung eines regelmäßigen Strassennetzes, wie man es schon lange von den neuen Pflanzstädten kannte. Die Besitzer der dort vorhandenen Gärten und Felder verkauften die Grundstücke einzeln, die Straßen blieben wie sie waren, und die Chance, eine wenigstens in Teilen moderne Stadt zu gewinnen, war vertan. Es scheint, dass die Bewohner von Häusern unmittelbar südlich des Eridanos in das neue Stadtgebiet nördlich des Flusses umzogen, um so Raum für eine weite Agora- Zone zu schaffen, die sich nun über 800 m von der alten Agora im Osten bis zum Hügel Kolonos Agoraios erstreckte. Dort, im Westen, am Fuss des Hügels entstand sukzessive ein neues politisches Zentrum des Stadtstaates, zu dem der Piräus, Eleusis und ganz Attika gehörten. Diese Neue Agora mit den Ruinen der öffentlichen Bauten präsentiert sich heute als eine Parklandschaft, in der der ausgezeichnet erhaltene Hephaistos-Tempel dominiert (Abb 1). 7 Die alte Agora in dem heute Plaka genannten, belebten Stadtviertel ist archäologisch kaum erforscht. Auf einer dort gefundenen Inschrift wird das Prytaneion, der Amtssitz der höchsten Beamten, genannt. Das muss der Vorgänger der Tholos auf der Neuen Agora sein. Pausanias 1,20,1 sagt: Es führt eine Strasse vom Prytaneion weg, die Dreifussstrasse heisst. Die Lage dieser Strasse - und damit der alten Agora - ist durch eine Reihe wieder aufgefundener Dreifuss-Monumente gesichert. 8 Der Monopteros des Lysikrates ist sogar fabelhaft erhalten und jedem Touristen ein Foto wert. Der Kaufmarkt, auf dem Sokrates sein Publikum fand, war die weite Zone zwischen dieser alten und der Neuen Agora. Waren aus der ganzen Welt wurden hier verkauft. Walther Judeich hat die in den Quellen genannnten Sparten aufgeführt: Erz- und Eisenwaren, Erzeugnisse der Töpfer, Kochtöpfe, Schuhe, Kleider, Kleinkram. 9 Geldwechsler, Pferdemarkt und Sklavenmarkt hatten besondere Standorte. Das gilt natürlich auch für Lebensmittel und verderbliche Waren. Später liess Augustus neben dem späthellenistischen Uhrenturm einen Marktbau mit Ladengeschäften errichten, der heute allgemein Römische Agora heisst. Die wichtigste städtebauliche Neuerung betraf den Süden Athens. Breite, für den Wagenverkehr geeignete Stadtmauern, die sogenannten Langen Mauern verbanden Athen über 6 km direkt mit dem Hafen Piräus. Es mögen die schlechten Erfahrungen mit der Stadterweiterung im Norden Athens gewesen sein, die die Athener nun bewogen, den schon berühmten Städtebauer Hippodamos von Milet mit der Planung der neuen Hafenstadt Piräus, die ein Teil der Stadt Athen werden sollte, zu beauftragen. Davon wird in Quellen berichtet. Zahlreiche Ausgrabungen im alten Stadtgebiet lassen die Grundzüge des genialen Planes mit einem dichten Strassennetz und kurzen Baublöcken (Insulae) erkennen. 10 Das Stadtgebiet Athens verdoppelte sich und erreichte mit dem Piräus zusammen mehr als 200 ha, eine Größe, die der nun einsetzenden hegemonialen Politik entsprach. In den letzten Jahrzehnten sind in Athen bei vielen hundert Notgrabungen und auch beim Bau der Metro Reste antiker Strassen in allen Bereichen der alten Stadt aufgedeckt worden. Ioannis Travlos hat Fundstellen, soweit sie bis 1987 bekannt waren, für seine Plan-Zeichnungen benutzt. 11 Schon Protagoras, Euthydemos und andere Sophisten lehrten auf einem Peripatos Alfred Gercke hat in seinem 1894 erschienenen Artikel über Aristoteles ausgeführt, dass mindestens seit Protagoras die Philosophen im Umhergehen wissenschaftliche Gegenstände behandelten. 12 Gercke und Adolf Busse beziehen sich offensichtlich auf Platon, der mit seinem Dialog Protagoras dem berühmten Philosophen ein Denkmal setzt, ihn aber auch lächerlich macht. In Platons Augen war Protagoras ein Wichtigtuer. Hippokrates und Sokrates gehen zum Haus des reichen Kallias, in dem Protagoras abgestiegen war. Es wird für Kallias eine Ehre gewesen sein, dem berühmten Philosophen ein Xenon (Gästezimmer) anzubieten (Abb 2). Ἠπειδὴ δὲ εἰσήλθομεν, κατελάβομεν Πρωταγόραν ἐν τῷ προστῴῳ περιπατοῦντα, ἑξῆς δ ’αὑτῷ συμπερεριεπάτουν … Als wir nun hineintraten, fanden wir Protagoras in der Vorhalle im Gespräch hin- und hergehend, mit ihm schritten hin- und her … Diese Stelle, die nicht eine zufällige Bemerkung sein kann, gibt Gercke recht: Platon will mitteilen, dass schon Protagoras während der Lehre mit ein oder zwei Schülern hin- und herzuschreiten pflegte. Diese Konzentration fördernde Methode war Protagoras so wichtig, dass er sie sogar in der kurzen Halle eines Privathauses ausübte, obwohl er dort schon nach wenigen Schritten wenden musste. Über Protagoras von Abdera, der zeitweise in Athen lebte, ist oft geschrieben worden, obwohl von seinen Schriften kaum etwas erhalten ist. 13 Protagoras war ein Freund von Perikles und auf dessen Vermittlung Gesetzgeber für die 444/ 443 neu gegründete Stadt Thurioi. Vielleicht hat Protagoras während seines Aufenthaltes in Unteritalien die ambulatorische Lehre von den dortigen Kollegen übernommen. <?page no="17"?> 17 Kapitel 1: Philosophen auf dem älteren, dem äusseren Peripatos an der Stadtmauer in Athen In Platons Dialog Euthydemos erfahren wir, dass weitere Sophisten des späten 5. Jhs. ambulatorisch lehrten. Euthydemos und sein Bruder Dionysodoros kamen mit vielen Schülern εἰσελθόντε δὲ περιεπατείτην ἐν τῷ καταστέγῳ δρόμῳ herein und gingen in dem dem gedeckten Gang (Halle des neu erbauten Peristyls des Lykeion-Gymnasions S.-19) hin- und her. Der gedeckte Gang im Gymnasion hat Schule gemacht. Nicht selten ist daraus geschlossen worden, dass Philosophen im Allgemeinen in gedeckten Hallen von Gymnasien lehrend hin und hergingen. Aber die namentlich genannten Philosophen (nicht Sokrates) nutzten die Hallen eines Gymnasions als Peripatos nur, wenn das Wetter die Benutzung eines Peripatos im Freien nicht gestattete. Xenophon, Oikonomikos 14.15 sagt ganz deutlich, dass die stillen Wege im Freien, die Peripatoi, der Gesundheit zuträglicher seien als die gedeckten Gänge im Gymnasion und auch als die Wege in der Stadt. Von einer Verengung des Begriffs περίπατος auf Wandelhalle kann also keine Rede sein. Der Sophist Euthydemos war Zeitgenosse von Protagoras und hat vermutlich den Peripatos aussen an der Stadtmauer benutzt, von dem jetzt die Rede ist. Sokrates und Phaidros auf dem älteren Peripatos an der Stadtmauer Im Dialog Phaidros (S. 23) trifft Sokrates den jungen Phaidros am Stadtrand, in der Nähe der Stadtmauer, wahrscheinlich am Dipylon-Tor. Denn von dort nach Norden und Osten ist der Weg an der Stadtmauer eben und erlaubt ein gleichmässiges Schreiten, bei dem ein Gespräch geführt werden kann. Phaidros berichtet: πορεύομαι δὲ πρὸς περίπατον ἔξω τείχους, ich gehe gerade zum Peripatos aussen an der Stadtmauer. Er suche die Peripatoi (Plural) auf, weil diese gesünder seien als die Strassen (in der Stadt). Das kann jeder nachvollziehen, denn der Peripatos an der Mauer war nach einer Seite offen und bot mehr Licht und Luft als die engen Gassen in den Wohnbereichen, in den es auch üble Gerüche gegeben haben muss. Die beiden Fussgänger gehen auf dem Weg aussen an der Stadtmauer (Abb 3) im grossen Bogen um die nördliche Stadt herum und verlassen erst im Osten oder im Südosten diesen Rundweg, um zum Fluss Ilissos hinabzugehen. Anders als seine Sophisten-Kollegen, die während der Lehre auf- und abzugehen pflegten, führte Sokrates seine Lehr-Gespräche im Stehen oder sitzend auf einer Bank. Sokrates wollte, so vermutet Alfred Gercke, seinem Ge- Abb 2 Blick in den Hof eines Typenhauses des 4. Jhs. in Olynth in Makedonien mit der breit gelagerten, zum Hof weisenden Halle (Pastas). Das Haus des Kallias in Athen, in dessen Halle der Philosoph Protagoras hin- und herging, könnte ähnlich ausgesehen haben. In den relativ grossen Häusern in Olynth gab es ein Xenon (Gästezimmer). Auch das traf sicher für die grösseren Bürgerhäuser in Athen zu (Zeichnung W.J. Brunner 1985). <?page no="18"?> 18 sprächspartner in die Augen sehen. Wenn Sokrates im Dialog Phaidros doch mit seinem Schüler auf dem Peripatos an der Stadtmauer entlangging, so war das eine Ausnahme, die sich aus der Situation ergab. Bei Xenophon kommt das Wort Peripatos auch in den Erinnerungen an Sokrates 1,1,10 vor: Sokrates geht am frühen Morgen zu den Peripatoi und zu den Gymnasien. Dass das nicht Wege in Gymnasien sind, wie manchmal behauptet wird, zeigt allein das Wort und. Gemeint ist hier der ältere, der lange und von vielen Philosophen gleichzeitig benutzbare Peripatos (daher der Plural) aussen an der Stadtmauer. Lysis Sokrates auf dem älteren Peripatos Platon teilt uns im Dialog Lysis (203a) mit, Sokrates sei auf dem Weg von der Akademie (vom Akademie Gymnasion) direkt zum Lykeion (Gymnasion) gegangen: τὴν ἔξω τείχους ὑπ᾽αὐτὸ τὸ τεῖχος. ausserhalb der Mauer, dicht unter der Mauer. Wenn in diesem Dialog für den Weg aussen an der Stadtmauer das Wort Peripatos nicht vorkommt, könnte das daran liegen, dass Platon diesen Dialog zu Lebzeiten von Sokrates lange vor Gründung seiner Schule geschrieben hatte (S.-47). Beschreibung des älteren, des äusseren Peripatos Franz Georg Mayer hat in seinen Mauerbauinschriften erläutert, dass auf jeder Seite der Stadtmauer in der Regel ein 20 bis 50 Fuss (etwa 7 m bis 17 m) breiter Streifen, der παράστασις genannt wurde, von jeder Bebauung frei bleiben musste. 14 Das war gesetzlich festgelegt und galt natürlich auch für Athen, wo schon an der von Themistokles errichteten Stadtmauer aussen ein begehbarer Rundweg bestand. Auf der Zeichnung von Travlos (Abb 3) ist für den Weg auf der Innenseite der Mauer ein Mass von 2,60 m angegeben. Das ist jedenfalls ein zu kleiner Abstand, denn innen an der Mauer mussten im Fall eines Angriffs Waffen schnell zu den Stellen, wo sie gerade gebraucht wurden, transportiert werden. Aussen musste ein Glacis von Bebauung frei bleiben, um Angreifern keinen Schutz zu bieten. Im Süden, im Südosten und im Südwesten Athens gab es an der Stadtmauer Felsen und hügeliges Gelände. Nur im Norden war das Gelände eben und erlaubte die Nutzung des Rundweges als Peripatos. Der Rundweg begann im Nordwesten am Dipylon-Tor und führte im grossen Bogen um die nördliche Vorstadt herum nach Osten und weiter nach Süden bis zum Diochares-Tor (Stadtplan). Bei den aus der Mauer vorspringenden Türmen (die nur sporadisch erhalten sind und deshalb in meinem Plan fehlen) musste der Weg in Form einer Schleife geführt werden. Die Länge des gesamten Peripatos, der immer nur abschnittweise, vermutlich von Tor zu Tor benutzt wurde, betrug vom Dipylon-Tor bis zum Diochares-Tor etwa 1400 m. Wir werden sehen, dass Aristoteles nach seiner Rückkehr aus Makedonien den östlichen Teil dieses älteren Peripatos beim Diochares-Tor für seine Lehre nutzte (S.-47). Kapitel 1: Philosophen auf dem älteren, dem äusseren Peripatos an der Stadtmauer in Athen Abb 3 Athen. Die 4,20 m starke Stadtmauer klassischer Zeit hat Fundamente und Sockel aus Kalkstein, darüber Lehmziegel. Aussen vor der Mauer gab es (wie bei allen Stadtmauern) einen Rundweg. Die Philosophen benutzten diesen stillen Rundweg (Peripatos) für ihre ambulatorische Lehre (Rekonstruktion I. Travlos). <?page no="19"?> 19 Kapitel 2: Sokrates überall in Athen Sokrates war kein Lehrer im üblichen Sinn. Er verzichtete auf Bücher, auf das Verfassen eigener Schriften und er hielt keine Vorträge, die bestimmte Räumlichkeiten erfordert hätten. Sokrates’ Lehre in Form hermeneutischer Dialoge konnte überall in Athen praktiziert werden. Methode und Fragestellungen überlieferten seine Schüler Platon und Xenophon. Bei Xenophon, Erinnerungen an Sokrates, 1,1,10 heisst es: Ἀλλὰ μὴν ἐκεῖνός (Sokrates) γε ἀεὶ μὲν ἦν ἐν τῷ φανερῷ πρῳί τε γὰρ εἰς τοὺς περιπάτους καὶ τὰ γυμνάσια ᾔει καὶ πληθούσης ἀγορᾶς ἐκεῖ φανερὸς ἦν καὶ τὸ λοιπὸν ἀεὶ τῆς ἡμέρας ἦν ὅπου πλείστοις μέλλοι συνέσεσθαι. So tat gerade er (Sokrates) stets alles in voller Öffentlichkeit. Am frühen Morgen ging er nämlich zu den Peripatoi und den Gymnasien, und wenn die Agora sich füllte, war er dort zu sehen, und auch den Rest des Tages war er immer dort, wo er mit den meisten Menschen zusammen sein konnte. Xenophon betont, dass Sokrates darauf Wert legte, dass es Zeugen seiner Gespräche gab. Gleich am Anfang der Dialoge von Platon und Xenophon werden oft Orte genannt, an denen die Gespäche stattfanden. Das ist für den Inhalt meist nicht von Bedeutung. Sie wurden aus der Erinnerung aufgeschrieben, natürlich in einer von Platon bearbeiteten, ihm genehmen Fassung. Weil die Ereignisse sich (immer? ) Jahrzehnte vorher zugetragen hatten, war der Anteil Platons an diesen Werken grösser ist als es den Anschein hat. Bei der Frage, wie genau der historische Sokrates geschildert wird, gehen die Meinungen auseinander. 15 Sokrates in den Gymnasien In dem frühen Dialog Charmides (153A) lässt Platon seinen Lehrer Sokrates berichten, dass er gerade aus der Schlacht bei Potideia (422 BCE) zurückgekehrt sei und mit Vergnügen die gewohnten Plätze wieder aufsuchte. Er war auf dem Wege zur Taureas-Palästra, eine der (vermutlich privaten) Ringschulen in Athen, deren Lage noch nicht bekannt ist. Tatsache ist, dass Sokrates bevorzugt die grossen öffentlichen Gymnasien aufsuchte, weil er dort auf viele junge Männer traf, die sich gern auf ein Gespräch einliessen. Der Dialog Euthydemos, der im Lykeion-Gymnasion spielt, ist schon genannt worden. Um die Diskutanten bildete sich eine Traube von Menschen, die dem Gespräch lauschten. Dazu ist noch nachzutragen, dass die Formulierung gedeckter Gang altertümlich ist. Gemeint ist nichts anderes als eine Halle eines vierseitigen Peristyls. Denn wenn es sich um eine alleinstehende Halle gehandelt hätte, stünde hier das Wort Stoa. Das wenigstens schon im 5. Jh. existierende Lykeion-Gymnasion war erst einige Jahre vorher modernisiert worden. Pausanias 1,29,16 nennt uns den Verantwortlichen: Die Modernisierung der bis dahin aus unregelmässig verstreuten Anlagen bestehenden Gymnasien gehörte zum Bau- und Erneuerungsprogramm von Lykurg. 16 Natürlich bekam das Lykeion-Gymnasion nicht erst damals eine Palästra, wie Lynch vermutet. 17 Der Ringkampf gehörte zu den ältesten Sportarten. Nach dem Vorbild des Pompeion (S. 21) wurden die neuen Palästren nun regelmässig auf vier Seiten von Hallen umgeben. Es entstanden Peristyle. Das Wort Peristyl war aber noch nicht in der Umgangssprache angekommen. Es sei angemerkt, dass das regelmässige, oft quadratische Peristyl die bedeutendste raumbildende Neuerung der spätklassischen und der hellenistischen Architektur werden sollte. 18 Lysis Sokrates in dem im Bau befindlichen Pompeion- Gymnasion Unter den von Platon verfassten Dialogen ist wenigstens einer, der aufgrund der geschilderten Örtlichkeit nicht nur topographisch bestimmbar ist, sondern wegen der Erwähnung einer im Bau befindlichen, archäologisch erfassten Palästra auf wenige Jahre genau datiert werden kann. Das betrifft allerdings nicht die Zeit, in der Platon den Dialog schrieb, sondern die Datierung der geschilderten Ereignisse. Von der Akademie kommend musste Sokrates bis zum Dipylon-Tor die gradlinige Prachtstrasse, das Demosion Sema genommen haben, wählte dann aber nicht den direkten Weg zum Lykeion über die Agora, sondern ging im Bogen um die nördliche Stadt herum, aussen an der Stadtmauer entlang, auf dem schon erwähnten älteren Peripatos (Stadtplan). Als er vom Dipylon auf den Rundweg einbog, heisst es im Dialog Lysis (203a): Sokrates: Als ich aber an dem Pförtchen war, wo das Brunnenhaus des Panops ist, traf ich Hippothales, den Sohn des Hieronymos, und Ktesippos aus Paiania und eine Schar anderer junger Männer dort herum stehend. Hippothales sah mich herankommen. Hippothales: O Sokrates, wohin denn und woher? Sokrates: Aus der Akademie gehe ich geradewegs nach dem <?page no="20"?> 20 Kapitel 2: Sokrates überall in Athen Lykeion. Hippopthales: Hierher zu uns! Lenkst du nicht hier ein? Es lohnt sich doch! Sokrates: Wohin denn eigentlich und wer sind die hier? Hippothales: Hierher! Sokrates: Hippothales zeigte mir gegenüber der Stadtmauer einen περίβολoς (Umfriedung, Umfassungsmauer) und eine offene Tür. Hippothales: Hier vertreiben wir uns die Zeit, wir selbst und noch manche andere Schöne. Sokrates: Was ist denn aber dieses (Gebäude) hier? Und was der Zeitvertreib? Hippothales: Eine Palästra ganz neu erbaut! Ein Blick auf unseren Stadtplan zeigt, dass Sokrates das Dipylon passierte, das grösste Stadttor Athens, dass die breite, von der Agora kommende Strasse entliess. Dieses Hoftor hatte schon in der älteren Fassung klassischer Zeit vier Ecktürme. Sie sind im Plan von Gottfried Gruben (Abb . 4) schwarz eingezeichnet. Von den äusseren Türmen ging nach beiden Seiten direkt an und unter der Mauer eine Strasse ab, die Gruben (um 1960 Architekt der Kerameikos-Ausgrabung) Ringstrasse nannte. 19 Das war durchaus richtig, denn zweifellos handelt es sich um den Rundweg, der im späteren Dialog Phaidros Peripatos genannt wird. Die Philosophen nutzten diesen Peripatos für ihre Lehre, weil er ruhiger war als die Strassen in der Stadt (S. 23). Als die jungen Männer, die am Brunnenhaus (Abb 5) beim Dipylon standen, Sokrates sahen, war dieser gerade dabei, in den Rundweg an der Mauer einzubiegen. Das Wort κρήνη kann sowohl Quelle als auch Brunnen oder Brunnenhaus bedeuten. 20 Das Brunnenhaus am Dipylon Abb 4 Athen. Kerameikos. Heiliges Tor, Pompeion und Dipylon mit Einzeichnung der „Ringstrasse“ aussen an der Stadtmauer (G. Gruben 1961). <?page no="21"?> 21 Kapitel 2: Sokrates überall in Athen wurde über eine Tonrohr-Leitung mit Wasser gespeist. Die Marmorstufen des erhaltenen Unterbaus sind im Bereich zwischen den ionischen Säulen stark abgenutzt. Das grosse Wasserbassin erfrischte über Jahrhunderte Reisende, die hier am Dipylon die Stadt betraten. Die damals im Bau befindliche Palästra war zweifellos das schon genannte Pompeion-Gymnasion, das sehr geschickt in den Zwickel zwischen Dipylon und Heiligem Tor eingefügt ist. Die am Brunnenhaus stehenden Epheben sahen die nordöstliche Ecke der Aussenmauer des Pompeion mit einer Tür auf der östlichen, zur Strasse gewandten Seite. Das schöne, aus bläulichem Hymettos- Marmor errichtete, viersäulige Propylon war erst etwas später nach einer Planänderung eingefügt worden, um dem Bau, dem am Fest der Panathenäen eine wichtige Rolle zufiel, mehr Würde zu verleihen. 21 Mit keinem Wort hat Platon die Umstände der Erbauung dieser Palästra erwähnt. Sie war bald nach dem Sturz der Dreissig (um das Jahr 402 BCE) 22 im Zusammenhang mit der damals eingeführten Ephebeia entstanden. 23 Mit der in der neuen Verfassung festgelegten zweijährigen, vorwiegend militärischen Ausbildung der etwa 18bis 20jährigen (Aristoteles, Ath. Pol. 42) gewann die in langen Kriegen ausgeblutete Polis (in der manche Bürger von der Wiedergewinnung der alten Stärke träumten) jährlich 400 bis 500 Krieger. Vielleicht ist die Vermutung nicht falsch, dass die Funktion des Baus im Zusammenhang mit den Panathenäen und so auch der Name Pompeion von der eigentlichen Bestimmung als Kriegsschule ablenken sollte. Wenn Platon jeden Hinweis auf die aktuelle Situation vermeidet, so gehorcht das einer Vorstellung von ‚zeitloser‘ Philosophie. Im Pompeion gab es eine Statue des Sokrates, die die reuigen Athener bald nach seinem Tod errichtet hatten (DL 2,43). Denn während der Ausgrabungen (an denen ich um 1970 als junger Wissenschaftler beteiligt war) kam im Bereich der östlichen Halle auf den Stufen des Propylons eine später eingefügte Steinsetzung ans Licht, die mit Sicherheit der Aufstellung einer Statue diente, und in der das erwähnte Bild des Sokrates zu vermuten ist. 24 Der Philosoph blickte auf den Hof, der auch Palästra genannt werden kann, und wo die Epheben gymnastische Übungen ausführten (Abb 6). Neben der Statue stand eine an die Wand gelehnte Bank, auf der die Epheben während des Unterrichtes sassen. Wenn der Demos als Ort der Aufstellung der Statue gerade das Pompeion wählte, so kann das nur bedeuten, dass Sokrates hier oft philosophische Gespräche führte. Von der Agora war das Pompeion mit nur wenigen Schritten zu erreichen. Abb 5 Athen. Blick von Südwesten auf Hof, Säulenhallen und Propylon des Pompeion. Hinten rechts das Brunnenhaus am Dipylon wo Platon den Epheben Lysis und seine Freunde traf (Verf. 2013). <?page no="22"?> 22 Kapitel 2: Sokrates überall in Athen Weil das Pompeion der erste grosse auf allen vier Seiten von Säulen umstandene Hof eines öffentlichen Baus war, hatte sich die Bezeichnung Peristyl für diesen neuen Typus noch nicht durchgesetzt. Die Bezeichnung Palästra bezieht sich, wie das Wort mitteilt, auf den für Ringkämpfe genutzten ‚Sandkasten‘, der hier in grösstmöglicher Breite von 17,50 m ausgeführt worden war. Die mit 5,50 m tiefen, rundum laufenden Hallen, deren Aussenwände die Schenkelmauern der beiden Stadttore berührten, hatten ein schlichtes Gebälk aus Holz, aber ein schönes Dach mit farbigen Stirnziegeln (Abb 7). Das war dem Zweckbau Gymnasion angemessen. Nach einem kurzen, einleitenden Gespräch gehen Sokrates und Ktesippos begleitet von weiteren Gefährten in die Palästra, um dort Lysis zu treffen, dem die ganze Aufmerksamkeit gilt. Sie finden dort die Knaben nach vollbrachtem Opfer, schön geschmückt und mit Knöcheln spielend. Die meisten spielten draussen im Hof, andere in einer Ecke des Apodyterions (Auskleidezimmer) ‚Gerade und Ungerade‘ mit vielen Knöcheln, die sie aus einem Körbchen hervorholten. 25 Unter den um sie herumstehenden Zuschauern war auch Lysis. Als ἀποδυτήριον (so wurden noch in der Kaiserzeit die Auskleidezimmer in den Thermen genannt) kann nur einer der sechs Banketträume des Pompeion gedient haben, die durch Tür und Fenster Licht erhielten. 26 Das Pompeion war als echter Mehrzweckbau konzipiert worden. Am Fest der Panathenäen speisten in denselben Banketträumen die Honoratioren der Stadt. 27 Sokrates bedenkt Lysis mit der Formel höchsten Lobes, der junge Mann sei καλός τε κἀγαθός (gut und edel). In der Diskussion geht es um Probleme der Erziehung - sollen Väter ihren noch jungen Sohn ein Viergespann lenken lassen? - und um das Wesen der Freundschaft. Ein beliebtes Thema, dessen sich alle Philosophen annahmen. Zu den drei Arten der Freundschaft bei Platon äusserte sich Diogenes Laertius 3,81. Lysis ist einer der frühesten Dialoge von Platon und war vielleicht noch zu Lebzeiten von Sokrates (vor 399 BCE) entstanden. Beim Herakles, was der junge Mensch doch alles über mich zusammenlügt (DL 3,35) soll Sokrates ausgerufen haben, als Platon sein kleines Werk vorlas. Das alles passt lückenlos zu den Ergebnissen der Ausgrabung. Die im Dialog vorkommenden Orte sind keineswegs erfunden. Abb 6 Athen. Blick von Norden auf Hof und Hallen der Palästra des neu erbauten Pompeion-Gymnasions. Platon nennt im Dialog Lysis die dort trainierenden Epheben. Im Hintergrund neben dem Propylon die Statue des Sokrates (Verf. 1976). Abb . 7 Athen. Das Pompeion Gymnasion, in dem Sokrates sich aufhielt, war ein schlichter Bau ionischer Ordnung mit hölzernem Gebälk und korinthischem Dach (Verf. 1976). <?page no="23"?> 23 Kapitel 2: Sokrates überall in Athen Phaidros Sokrates ein Spaziergänger? Der Dichter Platon kommt im Dialog Phaidros, der zu den späteren Werken gehört, zu Wort. Sokrates trifft (227a) den jungen Phaidros am Dipylon-Tor. Sie gehen zusammen auf dem Weg aussen an dder Stadtmauer in grossem Bogen um die nördliche Vorstadt herum. Phaidros möchte eine philosophische Rede vorlesen. Dazu wollen sie sich niederlegen. Sokrates schlägt vor, dass sie abbiegen und zum Fluss (Ilissos) hinabgehen, um eine geeignete Stelle zu finden. Nun, siehst du dort die höchste Platane? fragt Phaidros. Sokrates sieht sie und schildert dann (230b) die Natur in einer für die philosophische Literatur ungewohnten Weise: Sokrates: Bei Hera, freilich ein schöner Ruhepunkt! Denn diese Platane ist prächtig belaubt und hoch, und die hohen Sträucher und ihre Verschattung sind überaus schön, und sie stehen gerade in voller Blüte, dass es den Ort mit Wohlgeruch erfüllt! Und unter der Platane fliesst die lieblichste Quelle mit kühlem Wasser, wenn man seinen Füssen trauen darf. Skulpturen und Bilder weisen hier zudem auf ein Heiligtum einiger Nymphen und des Acheloos hin. Und beachte noch weiter, wie lieblich und überaus angenehm ist das Wehen der Luft hier, deren sommerlicher Hauch sich hell tönend in den Chor der Zikaden mischt! Das Herrlichste aber ist das Gras am sanften Abhang, darauf hingelegt kann man das Haupt gemächlich ruhen lassen. Kurz, du hast mich vortrefflich geführt, mein lieber Phaidros. (Ü: L. Georgii) Ähnlich heisst es in Platons Epigramm (Anthologia Graeca 21.1.c.16,13): Wandrer, lege dich nieder am Fuss der ragenden Fichte. Horch, der Zephyr umspielt ruhlos das schauernde Laub. Murmelnd rieselt der Quell, es klingt meine Syrinx und träufelt dir bezaubernd ins Aug bald den erquickenden Schlaf. 28 Platon schildert hier seinen Lehrer, der es sonst immer eilig hat und mit Frage und Antwort philosophischer Erkenntnis nachspürt, als einen empfindsamen Menschen, den die Schönheit der Natur überwältigt. Dieser Ort am Flussufer (Abb 8) hat viele Maler der neueren Zeit fasziniert. Mitten im Fluss entsprang eine Quelle. Sie hiess Kallirrhoe oder Enneakrunos. Ihr frisches Wasser wurde für Riten bei Hochzeiten benutzt. 29 Abb 8 Athen. Mitten im Fluss Ilissos, der Athen im Südosten berührt, entspringt die Quelle Kallirrhoe. In der Nähe gab es ein Heiligtum der Musen, und hier, am baumbestandenen Ufer, legten sich Sokrates und Phaidros nieder, um einen Text zu studieren (Zeichnung Verf. 2016). <?page no="24"?> 24 Kapitel 2: Sokrates überall in Athen Sokrates auf den Agorai Sokrates erfüllte seine Pflichten als Bürger der Polis Athen und übte zeitweise öffentliche Ämter aus. Im Jahr 406 war er Ratsherr und einmal sogar Vorsteher in der Volksversammlung, die damals noch in der ursprünglichen Form mit Blick der Zuhörer auf die Stadt auf dem Pnyx-Hügel westlich der Akropolis stattfand (Stadtplan). Als die neun Admirale um Thrasyllos nach einem Seesieg bei den Arginusen wegen eines Unwetters die Schiffbrüchigen nicht gerettet hatten, drohte ihnen in Athen die Todesstrafe. Sokrates bewies Mut und versuchte, die gesetzwidrige einfache Abstimmung in der Volksversammlung zu verhindern (Xen. mem.1,1,18). Auch Mabel L. Lang hat in ihrem erfolgreichen Büchlein Socrates in the Agora den Philosophen als einen guten Bürger beschrieben, der sich täglich auf der Agora aufhielt. 30 Sie stützt sich vor allem auf die schon genannte Stelle bei Xenophon, mem.1,1,10, in der der häufige Besuch der Agorai erwähnt wird. Sie lobt den Philosophen Sokrates, dem nichts wichtiger war als das Gespräch mit seinen Mitmenschen. Xenophon (Apol.17c) sagt, dass Sokrates bei den Tischen (der Agora) von vielen zu hören war. Wo und was waren diese Tische? Ioannis Travlos denkt bei dieser Szene an die Süd-Stoa I mit Banketträumen auf der Neuen Agora. 31 Aber Tische in Banketträumen waren kaum einer solchen Erwähnung wert. Es muss sich um Tische auf dem erwähnten Kaufmarkt handeln, hunderte Tische, auf denen vor einem sich drängenden Publikum alle Waren der weiten Welt ausgebreitet waren. Wie noch heute im orientalischen Bazar waren Stände und Waren nach Berufen der Betreiber und nach Sachen geordnet. Weiter westlich, im Bereich der öffentlichen Bauten auf der Neuen Agora, verlief die Feststrasse der Panathenäen. Aischines, Schüler des Sokrates, Makedonen-Freund und Widersacher des Demosthenes, berichtet, dass Sokrates sich mit Freunden in der Halle des Zeus Eleutherios unterhalb und nördlich des Hephaisteion aufhielt, um den Festzug der Panathenaien aus der Nähe zu beobachten (Stadtplan). Sokrates im δεσμοτήριον (Gefängnis) Im Jahr 399 wurde Sokrates der Prozess gemacht. Diogenes Laertius 2,40 berichtet: Diese Anklage verfasste und reichte unter Eid ein Meletos, des Meletos Sohn aus dem Demos Pitthos gegen Sokrates, des Sophroniskos Sohn aus dem Demos Alopeke: Sokrates versündige sich durch Leugnung der vom Staat anerkannten Götter sowie durch Einführung neuer göttlicher Wesen; auch vergeht er sich an der Jugend, indem er sie verführt. Der Antrag geht auf Todesstrafe. Jeder wusste, dass die Anklage politisch motiviert war. Sokrates hatte einen Verwandten unter den verhassten Dreissig Tyrannen und verkehrte mit Sympathisanten der oligarchischen Seite. Aber, so sagte der Ankläger, sowohl Kritias wie Alkibiades, die mit Sokrates vertrauten Umgang hatten, haben dem Staat grössten Schaden zugefügt. Denn Kritas war von allen Oligarchen der habsüchtigste, gewalttätigste, und mordlustigste, Alkibiades andererseits war von allen Demokraten der zügelloseste und übermütigste (Xen.mem.1,2,12). Sokrates lenkte im Gespräch alle dahin, wohin er wollte. In den Augen der Ankläger ging von Sokrates ein Zauber aus, der die jungen Leute zu seinen Anhängern machte. Wirklich beweisen konnten die Richter nicht ein einziges Fehlverhalten. Das gilt auch für die Religiosität. Xenophon, mem.1,1,19: Er glaubte jedenfalls, dass die Götter sich um die Menschen kümmerten, allerdings nicht so wie die meisten meinen; denn diese denken, dass die Götter manches wüssten, manches aber auch nicht; Sokrates aber glaubte, dass die Götter alles wüssten, sowohl was gesprochen und getan wie auch, was stillschweigend geplant werde, dass sie überall gegenwärtig seien und den Menschen über die menschlichen Dinge Zeichen gäben. Im oben erwähnten Dialog Euthydemos lässt Platon Sokrates behaupten, dass er gerade ein Zeichen von den Göttern erhalten habe. Während des Prozesses wurden lange Reden gehalten. Die Fürsprecher von Soktates sprachen immer wieder von ἀρετή, von Tugend, aber der Angeklagte brüskierte die Geschworenen mit Überheblichkeit. Wo trug sich dieses Ereignis zu? 501 Geschworene hätten kaum einen ganzen Tag stehend den Ausführungen lauschen können. Eine einfache Halle wie etwa die Stoa Poikile war für diese grossen Prozesse ungeeignet. Die berühmten, bei den geheimen Abstimmungen benutzten Stimmsteine wurden im Zentrum der Neuen Agora in einem Behälter im Quadratischen Peristyl unter der hellenistischen Attalos-Stoa gefunden. 32 Dort muss sich das δικαστήριoν, der Gerichtshof befunden haben. Hat Mabel Lang recht, wenn sie in dem klassischen Bau in der Südwest-Ecke der Neuen Agora das Gefängnis erkennt, in dem Sokrates auf seine Hinrichtung warten musste? 33 Ein Gefängnis war damals kein Ort, an dem man eine Strafe absitzen musste, sondern, wie das Wort δεσμοτήριον besagt, ein Gebäude, in dem der Verurteilte durch Fussfesseln am Weglaufen gehindert wurde bis ihm der Prozess gemacht oder das Urteil vollstreckt wurde. Sokrates musste (Xen. Mem.4,8,2) nach dem Urteil noch 30 Tage auf seine Hinrichtung warten, weil das delische Fest in jenen Monat fiel, das Gesetz aber keine öffentliche Vollstreckung des Urteils gestattete, bis die Festgesandtschaft aus Delos zurückgekehrt war, und in dieser ganzen Zeit zeigte er sich in seiner Lebensweise in keiner Hinsicht anders, als er vorher gelebt hatte. Bei Platon, Phaidon 59A heisst es: das Gerichtshaus ist nahe bei dem Gefängnis. Ebendort versammelten sich am Morgen nach dem Urteil Schüler und Bewunderer des an den Füssen gefesselten Sokrates. <?page no="25"?> 25 Kapitel 3: Platons Reisen Philosophen in Megara Im bäurischen Megara? Ja, denn der aus Megara stammende Euklides, war Schüler des Sokrates und gründete, wie Diogenes Laertius 2,106 berichtet, in seiner Heimatstadt eine Philosophenschule. Dort soll ihn Platon aufgesucht haben. Platon war im Jahr 428 als Athener Bürger im vornehmen Demos Kollytos (südwestlich der Akropolis, Stadtplan) geboren worden. Er hatte eine Ausbildung in Grammatik, soll im Ringkampf unbestaubt (lag nicht am Boden) geblieben sein, wie Philodem unter Berufung auf Dikaiarch berichtet. 34 Seit seinem zwanzigsten Lebensjahr war er, wie auch Xenophon, ununterbrochen Hörer des Sokrates und verschrieb sich der Philosophie (DL 3,6). Nach Sokrates’ Tod im Jahr 399 fühlte er sich bedroht und floh wie viele andere Philosophen aus Athen nach Megara, um dort Eukleides und andere Schüler des Sokrates zu treffen. Wir glauben in Megara einen Zirkel von Schülern zu erkennen, die Werk und Lehren ihres Meisters diskutierten. Dabei mögen Probleme der Beweisführung und Tugendlehren, vielleicht aber auch Fragen der Erkenntnistheorie behandelt worden sein. Denn Platon lässt sehr viel später die Personen seines Dialogs Theaitetos nicht in Athen, sondern in Megara agieren: Dort suchen der betagte Theodoros aus Kyrene (Platons Lehrer in Mathematik), Euklides und das junge Genie Theaitetos aus Sunion, ein Schüler von Theodoros, die Frage zu klären, was Wissenschaft ist. 35 Die Agora der Polis Megara lag, wie Ausgrabungen beweisen, unter der heutigen Kleinstadt zwischen zwei Akropolis-Hügeln (Abb 9). 36 Das berühmte und sehr gut erhaltene Brunnenhaus des Tyrannen Theagenes bildet die nordöstliche Ecke des annähernd rechteckigen Platzes. 37 Dieser wird im Süden von einer 50 m breiten Stoa abgeschlossen. Sie könnte ein Äquivalent zur Süd-Stoa I auf der Neuen Agora in Athen gewesen sein. In beiden Städten bildet eine Stoa mit Banketträumen den Abschluss des Platzes. In Athen liegen 15 Räume mit je sieben Klinen in einer Reihe, in Megara 10 Räume, von denen jeder 9 Klinen fasste. Diese Banketträume wurden zweifel- Abb . 9 Megara. Nach dem Tod von Sokrates trafen sich die aus Athen geflohenen Philosophen in Megara. Die Agora, in der es eine Stoa mit Banketträumen gab, liegt im Sattel zwischen zwei Akropolen (Verf. 2016 nach I. Travlos). <?page no="26"?> 26 Kapitel 3: Platons Reisen los öffentlich genutzt, vielleicht von Bürgern, die in ihren Häusern nur kleinere Andrones besassen. Wir können uns vorstellen, dass Euklides in einem dieser Räume seine Kollegen aus Athen zum Symposion empfing. Das Gebiet von Megara grenzte an das von Athen. Reisende, die in Athen auf brachen, erreichten im Piräus die Küstenstrasse, die über Eleusis nach Megara und von dort weiter nach Korinth führt. Die Entfernung zwischen den Poleis betrug etwa 40 km. Platon könnte also nach Megara zu Fuss unterwegs gewesen sein. Platon in Kyrene und auf den Spuren der Pythagoreer in Süd-Italien Sichere Daten für die Zeit nach dem Tod des Sokrates gibt es kaum. Hermodoros müsste als Schüler von Platon gut unterrichtet sein, wenn er behauptet, so Diogenes Laertius 3,6, dass der angehende Philosoph nach dem Aufenthalt in Megara nach Kyrene reiste, um sich dort von dem berühmten Mathematiker Theodoros in die Wissenschaft der Mathematik einführen zu lassen (Kärtchen auf dem Stadtplan). Das ist auch deshalb glaubhaft, weil Mathematik, Geometrie und Astronomie Schwerpunkte von Platons Philosophie werden sollten. 38 Griechen auf der Insel Thera (Santorin) waren im 7. Jh. in Not geraten, wanderten aus und gründeten das dorische Kyrene in Libyen. Nach einer langen Periode der politischen Unabhängigkeit mussten sie die persische Oberhoheit anerkennen. Als Platon hier zu Besuch war, gab es eine demokratische Verfassung. Ausgrabungen in der späteren Cirenaica Romana brachten als Zeugen eines frühen Wohlstandes in Kyrene Bauglieder gewaltiger dorischer Tempel ans Licht. Wenngleich die Struktur der frühen Stadt nicht erfasst werden konnte, so war es doch möglich, die Lage und sogar die Entwicklung der Agora zu ergründen. 39 Dort, so vermuten wir, hat Theodoros seinen Gast Platon begrüsst. Genaues wissen wir nicht; sicher ist nur, dass Platon nach Unteritalien weiterreiste, denn dort hatte Pythagoras gelehrt und Schüler hinterlassen, die an seiner Philosophie festhielten. Diogenes Laertius nennt die Namen Eurytos und Philolaos. Dessen Schüler Archytas war in seiner Heimatstadt Tarent als Philosoph hoch angesehen und besass Einfluss, 40 so dass er Jahre später Platon, der in Syrakus in eine brenzliche Situation geraten war, aus dieser Notlage befreien konnte. Reisen der Philosophen standen oft im Zeichen der philosophischen Koine. Die Schilderungen beschränken sich meist auf die blosse Nennung von Orten. Doch bei Platons Reisen nach Syrakus und Aristoteles’ Aufenthalte in Makedonien sind Konkretisierungen möglich. Das betrifft vor allem Syrakus mit Oikia, Garten und Hafen des Tyrannen. Diogenes Laertius 3,6 schickt Platon auch nach Ägypten zu den Propheten. Davon hören wir sonst nichts. Platons jüngerer Kollege, der Philosoph Eudoxos von Knidos, hatte tatsächlich eine Zeit bei den Priestern in Ägypten verbracht, und weil beide Philosophen sich in Unteritalien begegneten, entstand vielleicht das Ondit, dass auch Platon sich in Ägypten aufgehalten habe. Der Philosoph Philodem aus Gadara (in Syrien), der im 1. Jh. BCE ein Buch über die Akademie des Platon schrieb, erwähnt eine Reise nach Ägypten mit keinem Wort. 41 Wir wissen nicht, wie lange sich Platon in Megara, in Kyrene und bei den Pythagoreern in Unteritalien aufhielt. Zwischen dem Tod von Sokrates und Platons Rückkehr nach Athen im Jahr 388 liegen mehr als 10 Jahre. Sollte Platon ununterbrochen auf Reisen gewesen sein? Jedenfalls lässt die Frage, wo die Philosophen unterwegs wohnten, auf ein effizientes System der Beherbergung von Fremden in Privathäusern der griechischen Poleis schliessen. Das Vorhandensein eines Xenon (Gastzimmer) muss in den Bürgerhäusern noch des 4. Jhs. BCE die Regel gewesen sein. Ich stelle mir vor, dass Platon, wenn er ohne Empfehlungssschreiben in eine Stadt wie Kyrene kam, zunächst auf der Agora nach einem Athener Bürger vielleicht sogar seines Demos fragte, um dort als Gast aufgenommen zu werden. Fremde konnten sich auf Zeus Xenios berufen und durften nicht abgewiesen werden. 42 Andere Fragen bleiben gänzlich ohne Antwort. Hatte Platon einen Reisebegleiter (einen Sklaven, dem er vertraute? ), und wie finanzierte er seine zehnjährige Reise, auf der er in Unteritalien teure Bücher erwarb? Hatten die grossen Heiligtümer der Städte, die ja die Rolle von Banken einnahmen, untereinander Verbindung? Tyrannis von Vater und Sohn Dionysios in Syrakus Bevor wir Platon nach Syrakus begleiten, seien einige Worte zur Geschichte und Topographie vorausgeschickt. Seit dem 6. Jh. strebten die Karthager nach der Vorherrschaft im westlichen Mittelmeer. Sie beherrschten zeitweise den westlichen Teil Siziliens, hatten aber bei Himera im Jahr 480 eine schwere Niederlage erlitten, rüsteten wieder auf und forderten die Griechenstädte der Insel heraus. Bei politischen Auseinandersetzungen in Syrakus gelang es einem ehrgeizigen jungen Mann mit Namen Dionysios, sich in das wichtigste politische Gremium der damals demokratischen Stadt wählen zu lassen. Nach aussenpolitischen Erfolgen wurde Dionysios noch im selben Jahr 405 zum στρατεγός αὐτοκράτωρ, zum alleinigen Befehlshaber ernannt. Dieses Amt war das Sprungbrett zur Macht. Höhepunkt der Erfolge unter seiner Führung war die Eroberung der Insel-Stadt Motya im äussersten Westen Siziliens im Jahr 398. Diodor 14,48- 53 schildert den Bau eines Dammes, die Belagerung der Stadt, den Einsatz modernster Kriegstechnik. Nicht ohne Grund ist die Eroberung der Insel-Stadt Motya mit Alexanders Belagerung und Eroberung der phönizischen Insel-Stadt Tyros im Jahr 332 verglichen worden, die sieben Monate dauerte. Als im Krieg bei den Karthagern ei- <?page no="27"?> 27 Kapitel 3: Platons Reisen ne Seuche ausbrach und die Zahl der Toten auf 150 000 stieg (Diod.14,75) gab es endlich Verhandlungen. Dionysios‘ Herrschaft über Syrakus wurde anerkannt. Einen Tyrann gab es damals nicht nur in Syrakus. 43 Dionysios musste nicht in die Vergangenheit schauen, um sich Rat zu holen für die Festigung seiner Macht. Diodor 14,7,4.5 berichtet ausführlich, wie sich Dionysios eine dankbare Klientel schuf, indem er Landbesitzer enteignete - also gesetzlos agierte - und den Boden an freigelassene Sklaven und Arme verteilte. Auch von einer dem Tyrannen ergebenen Gruppe der φίλοι καὶ μισθοφόροι, der Freunde und Söldner berichtet Diodor. Dionysios soll sich mit Tausenden Leibwächtern umgeben haben. Jede sich ihm nähernde Person musste eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen. Dank grosser Vorsicht überlebte der Tyrann Attentate und herrschte fast 40 Jahre über Syrakus. Im Jahr 367 fiel er in einem neuerlichen Krieg gegen die Karthager. Dionysios I. war auf vielen Gebieten ein hervorragender Organisator mit Gespür für Innovationen. Er erfuhr bei Tyrannen seiner Zeit höchste Bewunderung, ja seine Herrschaftsmethoden wurden sogar imitiert. 44 Im Streben nach Anerkennung bei griechischen Poleis schickte er zu den Olympischen Spielen im Jahr 388 mehrere Viergespanne und liess von dem besten Rhapsoden eigene Gedichte vortragen - mit mässigem Erfolg. Sein Sohn Dionysios II., der die Tyrannis in Syrakus nahtlos fortsetzen konnte, bekam von keinem Historiker guten Noten. Er wird als unsteter und schwacher Charakter geschildert. Aber anders als sein Vater hatte er Interesse an Philosophie. In seine Regierungszeit fallen zwei Besuche von Platon, die uns im folgenden Kapitel interessieren. Platons 1 , 2 und 3 Reise nach Syrakus Platon reiste im Jahr 388, als er sich noch auf den Spuren der Pythagoreer in Unteritalien aufhielt, nach Sizilien, um die Insel und ihre Feuerschlünde zu besichtigen (DL 3,18). Ob ihn der Vulkan Ätna, dessen Hänge damals noch bewaldet waren, beeindruckte, erfahren wir nicht. Berichtet wird, dass Platon das sogenannte glückliche Leben βίος εὐδαίμων in Syrakus mit übervoll gedeckten Tischen und zwei (warmen) Mahlzeiten täglich missfiel (7. Brief 326b). Durch göttliche Fügung, wie es übereinstimmend heisst, und gleichsam von göttlicher Hand vorbereitet (Plutarch, Dion 4), lernte er in Syrakus den jungen Dion, den Schwiegersohn des Tyrannen Dionysios I. kennen. 45 Dion, obschon das luxuriöse Leben am Hof gewöhnt, bewunderte Platon sehr und seine Begeisterung für die Philosophie liess ihn glauben, dass auch der Tyrann unter dem Einfluss von Platon sich der Tugend - es ist oft von ἀρετή die Rede - zuwenden würde. Das Gespräch kam tatsächlich am Hof des Tyrannen zustande, verlief aber anders als erwartet. Als Platon die Tyrannis als Regierungsform offen kritisierte, drohte der gereizte Tyrann: deine Worte schmecken nach Altersschwäche. Platon musste Syrakus fluchtartig verlassen. Er erreichte ein Schiff, aber dessen Kapitän brachte ihn nach Ägina, wo er - wie alle dort aufgegriffenen Athener - als Sklave verkauft worden wäre, wenn ihn nicht Freunde freigekauft hätten. Von dieser Episode, die manche für erfunden halten, 46 berichtet Plutarch, Dion 5. Als Dionysios II. im Jahr 367 BCE seinem Vater als Herrscher von Syrakus nachfolgte und Interesse für Philosophie zeigte, bat Dion seinen Lehrer Platon, so schnell als möglich nach Syrakus zu kommen. Der Philosoph liess sich tatsächlich noch einmal auf diese weite, anstrengende und nicht zuletzt auch gefährliche Reise ein. Ermuntert von Dion hielt auch er es für möglich, den jungen Tyrannen positiv zu beeinflussen. Platon wollte nicht, wie er später im 7. Brief schreibt, für einen blossen Theoretiker gehalten werden. 47 Zunächst verlief alles nach Wunsch. Platon wurde ehrenvoll empfangen. Im Hafen stand ein königlicher, prächtig geschmückter Wagen für ihn bereit, und der Tyrann veranstaltete ein Opfer als sei seiner Regierung ein grosses Glück widerfahren. Bei Symposien im Palast gab es ernste Tischgespräche und der Tyrann zeigte sich aufgeschlossen. Eine Schilderung der ersten, glücklichen Tage bei Plutarch, Dion 13 ist auch in Bezug auf unser Kernthema interessant: Φορὰ δέ τις ἦν ἐπὶ λόγους καὶ φιλοσοφίαν ἁπάντων, καὶ τὸ τυραννεῖον, ὥς φασι, κονιορτὸς ὑπὸ πλήθους τῶν γεωμετρούντων κατεῖχεν. Bei allen äusserte sich auf einmal ein heftiger Trieb zu den Wissenschaften und Philosophie, und das Tyranneion, wie man sagt, war wegen der Menge derer, die sich der Philosophie widmeten, ganz mit Sand bedeckt. Es war natürlich bekannt, dass Platon nicht nur mündliche Dispute liebte, sondern auch der Geometrie grosse Bedeutung beimass. Und geometrische Figuren und Probleme lassen sich am besten auf einem mit feinem Sand bestreuten Boden darstellen und erklären, weil leicht Korrekturen möglich sind. Nach anfänglichen Erfolgen bei der Unterrichtung des Tyrannen bahnten sich auf menschlichen Schwächen beruhende Konflikte an. Der Tyrann erlitt Qualen der Eifersucht. Hin und hergerissen zwischen den Lehren und Angeboten Platons und den Einflüsterungen seiner ‚Freunde‘, die zunehmend in Platon einen Feind sahen, fällte der Tyrann Entscheidungen, denen harte Schläge der Tyche folgten. Dionysios beschuldigte seinen Schwiegersohn Dion der Konspiration mit den Karthagern und verbannte ihn aus Syrakus. Neun Jahre lebte Dion, die <?page no="28"?> 28 Kapitel 3: Platons Reisen meiste Zeit als Schüler und Freund Platons in Athen, wo er sich ein Landhaus kaufte. Er lebte fürstlich solange er über die Einkünfte aus der Verpachtung seiner Ländereien auf Sizilien verfügte. Im Jahr 365 war Platon aus Syrakus abgereist, aber vier Jahre später erreichte ihn eine Bitte des Tyrannen, noch einmal nach Syrakus zu kommen. Platon war fast 70 Jahre alt, hatte grosse Bedenken, bestieg aber trotzdem die bereit stehende Triere. In Syrakus gab es bald Streit, weil der Tyrann die Überweisung der Einkünfte Dions verhinderte und dann sogar dessen Ländereien auf Sizilien zu seinen eigenen Gunsten verkaufte. Es ging um das gigantische Vermögen Dions, das Platon, 7. Brief 347b auf 100 Talente schätzte. Platon verteidigte Dion und geriet nach einem Aufenthalt von drei Monaten selbst in Gefahr. Er sah sich gezwungen, seinen Freund den Pythagoreer Archytas um Hilfe zu bitten. Dieser hatte in Tarent grossen Einfluss und liess Platon mit einer Triere abholen nicht ohne vorher dem Tyrannen einen Drohbrief geschickt zu haben. In Olympia, wo zu den Spielen Griechen aus aller Welt anreisten, trafen sich die Freunde Platon und Dion. Das Gespräch in Olympia wird als folgenschwer angesehen, denn hier fassste Dion den Entschluss zum Kampf gegen seinen Schwiegervater. 48 Platon wollte sich nicht beteiligen. 49 Im Jahr 357 hatte Dion 800 Söldner unter Vertrag, und so gerüstet betrat er Boden der Insel Sizilien. Die Syrakusaner des Stadtteils Achradina begrüssten ihn mit Blumen. Bei der Akropolis bestieg Dion eine Sonnenuhr und erklärte dem Volk, dass er gekommen sei, den Tyrannen zu stürzen. Dion hatte die Stadt vom Tyrannen befreit, scheiterte aber als Herrscher bei dem Versuch, eine Regierungsform durchzusetzen, die Platons Vorstellungen entsprochen hätte (Plut. Dion 53). Ihm schwebte eine eingeschränkte Monarchie vor, bei der der Basileus einer Verfassung verpflichtet wäre. 50 Wie sein Lehrer misstraute Dion der Herrschaft des Volkes und widersetzte sich aber einer Stasis (Empörung, Umsturz). Dion verlor jeden Rückhalt in der Bevölkerung. Ein schlimmer Fehler Dions war es, dass er den früher gefassten Volksbeschluss zur Neuverteilung des Grundbesitzes rückgängig machte. 51 Noch zu Lebzeiten Platons, der in Athen die Ereignisse aus der Ferne verfolgte, wurde Dion von Gegnern seiner Politik grausam ermordet. Erst im Jahr 341, als Platon schon sechs Jahre tot war, konnte der aus Korinth nach Syrakus gerufene und glückhaft operierende Timoleon den letzten Widerstand von Parteigängern des alten Systems brechen. Nach 60 Jahren Tyrannen-Herrschaft kamen 60 000 neue Siedler in die stark dezimierte Stadt, die nun wieder eine demokratische Verfassung hatte. Katapulte und Mauern Nach dieser Vorschau kehren wir zurück zu Dionysios I. und schildern den Umbau der Stadt, den der Tyrann zur Sicherung seiner Herrschaft ersonnen hatte. Den besten Schutz gegen innere und äussere Feinde boten Mauern. Allerdings mussten sie stärker sein als früher und Bastionen für die Aufstellung von Katapulten vorsehen. Dionysios I. schuf ein System ringförmiger Befestigungen, und er scheute sich nicht, für den Mauerbau die gesamte Bevölkerung der Polis einzusetzen, um in kürzester Zeit seine Ziele zu erreichen. Diodor 14,42 schreibt, dass die Katapulte in dieser Zeit in Syrakus erfunden wurden. Richtig ist, dass Dionysios und seine Ingenieure ganz auf diese neuen und bereits bewährten μηχανήματα setzten, die schon die Belagerung von Motya entschieden hatten (S.-26). Dionysios liess ausserhalb der Wohnstadt Syrakus einen 15 km langen Mauerring anlegen, der die ganze Kalkstein-Hochebene Epipolai umschloss. Dieser weite Mauerring erfüllte die Aufgabe eines Proteichisma, einer Vormauer, und bot im Kriegsfall der Landbevölkerung Schutz. Im Westen, an der Strasse nach Achradina, entstand das gewaltige Bollwerk Euryalos mit Bastionen für die grössten Katapulte. Deren Ruinen beeindrucken noch heute. Hinter der genannten Aussen-Ringmauer folgte in 6km Entfernung eine zweite ebenfalls stark befestigte Mauer. Das war die eigentliche Stadtmauer, die den Stadtteil Achradina auf dem Festland umschloss. Der genaue Verlauf ist noch immer unbekannt, und unbekannt ist auch das westliche Stadttor. 52 Das ist das bei Plutarch, Dion 29 genannte Temenitische Tor, ausserhalb dessen das Temenos von Demeter und Kore lag. 53 Bei Ausgrabungen könnte sich zeigen, ob hier auch das rätselhafte, bei Diodor genannte Hexapylon (der Sechs-Tore-Bau) gestanden hat. Die Insel Ortygia wird Tyranneion und Festung Auf der 40 ha grossen Insel Ortygia (Wachtel) hatten im 8. Jh. die ersten griechischen Siedler aus Korinth Fuss gefasst, und ähnlich dem benachbarten Megara Hyblaia, legten sie eine Streifenstadt an (Abb . 10). 54 Touristen spazieren heute durch die engen Gassen von Syrakus, bewundern die barocken Paläste und ahnen nicht, dass die Strassen unter ihren Füssen sogar Jahrtausende alt sind. Die Ausgrabungen von Paola Pelagatti hatten bewiesen, dass das alte Syrakus erstaunlicher Weise trotz Zerstörungen, Bränden und Erdbeben seine an den parallelen Strassenzügen erkennbare uralte Struktur behalten hat. 55 In archaischer und frühklassischer Zeit, als Syrakus zu den reichen Städten zählte, waren auf der Insel monumentale Heiligtümer für Apollon, für Athena und für Artemis errichtet worden. Jeder dieser peripteralen Tempel (von denen das ionische Artemision unfertig blieb) 56 war um 60 m lang. Die Temene mit ihren grossartigen <?page no="29"?> 29 Kapitel 3: Platons Reisen und wohl auch protzigen dorischen Tempeln bestimmten noch im 5. Jh. den Charakter der Stadt. Der Weg zum Palast des Dionysios führte Platon, wenn er auf seiner ersten Reise vom Stadtteil Achradina kam, an dem ältesten, ehrwürdigen, dem Apollon heiligen Tempel vorbei. Unter Dionysios I. wurde Ortygia zum Tyrannensitz und zur Festung. Fortan wohnten dort nur die schon erwähnten Freunde und Söldner. Die bisher dort wohnenden Syrakusaner, sicher mehrere tausend Personen, mussten ihre Häuser verlassen und auf das Festland umziehen. Damals entstand dort der Stadtteil Neapolis nördlich des alten Stadtteils Achradina. Abb 10a. Archäologische Ausgrabungen beweisen, dass das Strassennetz aus engen, parallelen Gassen zur Zeit der Stadtgründung vor fast 3000 Jahren angelegt wurde. In der Mitte der Insel (bei der Zahl 5) ein Stadtteil mit unregelmässigen Gassen (E. Greco 1996). Abb 10b Syrakus um 1900 mit alter Küstenlinie und Befestigungen. Bei Promontorio S. Lucia eine antike Mole (Meyers Lexikon 1908). Abb . 10c. Syrakus zur Zeit Dionysios I., als Platon den Tyrannen aufsuchte. Die Insel Ortygia war das befestigte Tyranneion. Die Akropolis mit Palast und Garten, in dem Platon wohnte, und dem geheimen Hafen war eine mauerbewehrte Einheit (Verf. 2015). <?page no="30"?> 30 Kapitel 3: Platons Reisen Das im 1. Viertel des 4. Jhs. angelegte Tyranneion in Syrakus wurde Vorbild für die Basileia (Königsviertel) der späteren Residenzen hellenistischer Könige. Denn sicher war während der Tyrannen-Zeit in Syrakus das Zentrum der Macht Schaltstelle der ganzen Polis. Ausser den Bauten der Freunde, der Leibwache, des Militärs und der Waffenlager (in den Quellen genannt) muss es dort raumgreifende Einrichtungen der Verwaltung gegeben haben, so der Steuerbehörde, der Schatzkammer und der Münze. Die entscheidend wichtige, aber nicht ganz eindeutige Quelle zur Insel Ortygia zur Zeit der Tyrannen ist Diodor 14,7. Es heisst dort, dass Dionysios I., nachdem er mit den Karthagern Frieden geschlossen hatte, sich mehr um die Festigung seiner Tyrannenherrschaft kümmern müsse, weil anzunehmen sei, dass die Syrakusaner, die nun vom Krieg befreit waren, genügend Zeit hätten, die Wiederherstellung ihrer Freiheit zu erstreben. Wörtlich heisst es dann: Wahrnehmend, dass die Insel der am stärksten befestigte Teil der Stadt und leicht zu verteidigen war, teilte er (Dionysios) sie von den übrigen Stadtteilen ab, indem er eine ausgezeichnete Mauer mit hohen Türmen in kurzen Abständen baute, und vor diesen errichtete er χρηματιστήρια (Banken, Handelsplatz) und Stoen, geeignet, einen Grossteil der Bevölkerung aufzunehmen. Er errichtete auch auf der Insel mit hohen Kosten eine befestigte Akropolis als Ort des Rückzugs im Fall der plötzlichen Bedrohung, und innerhalb der Mauern, die zum kleinen λάκκος (Grube, Loch) genannten Hafen führen, (errichtete er) νεώρια (Schiffshäuser). Diese konnten 60 Trieren aufnehmen und hatten ein verschliessbares Tor, durch das zur selben Zeit immer nur ein Schiff einfahren konnte. In dieser wichtigen Stelle sind mehrere Quellen kompiliert. Um verständlich zu sein, muss sie ‚entzerrt’ werden: Agora: Das Wort Agora kommt im Text nicht vor. Sinngemäss ergibt sich aber, dass die genannten Handelsplätze und Stoen zu einer neuen Agora auf dem Festland in Nähe des Hafens gehören. Die alte Agora, die im Norden der Insel lag, stand der Bevölkerung nicht mehr offen, seit die Insel Festung war. Diateichisma: Eine Landzunge verband die Insel mit dem Festland (in Quellen ist mehrfach von einer sogenannten Insel die Rede. 57 Die ausgezeichnete Mauer mit starken Türmen kann nur ein Diateichisma, eine Quermauer gewesen sein. Dieses Bollwerk erinnert an das genannte Euryalos. Hier muss es wie dort Geschütztürme mit mindestens drei Stockwerken für die Aufstellung von Katapulten gegeben haben. Dieses Diateichisma war höchstens 400 m lang und hatte vermutlich sechs Türme, wie in unserer Abbildung 10c angenommen. Katapulte schützten die Landenge effektiv und erlaubten, zwischen den mittleren Türmen ein repräsentatives Tor vorzusehen. Hier sind die Pentapyla (das Fünf-Durchgänge-Tor) anzunehmen, durch das Dion mit seinen Söldnern nach Ortygia einzog (Plut. Dion 29). Die einzigen bekannten Pentapyla finden sich auf der Akropolis in Athen: Die dortigen Propyläen haben als feierlicher Eingang in den Bereich der Heiligtümer tatsächlich fünf Tore, die zusammen 20m breit sind. Akropolis: Der Leser erwartet, dass nun die Ringmauer um die Insel geschildert wird. Aber bei Diodor 14,7 folgt jetzt der Hinweis auf eine befestigte Akropolis auf der Insel. In vier wichtigen Quellen, in Platons 7. Brief 329e, bei Diodor 16,17 und bei Plutarch, Dion 16 und sogar häufig bei Plutarch, Timoleon ist von dieser Akropolis oder auch kürzer von ἄκρα (Spitze, Gipfel) die Rede. Kein Wunder, denn auf der Akropolis stand die weiträumige οἰκια, das Haus (ein Wort Palast gab es noch nicht), in dem der Tyrann wohnte und herrschte. Aber wir stolpern über das Wort Akropolis, denn weder auf der Insel noch auf dem gegenüber liegenden Stadtteil Achradina ist eine deutlich aufragende Höhe zu erkennen. Und doch muss es auf der Insel eine Akropolis gegeben haben, eine freilich, die den Namen eigentlich nicht verdient. Nur sacht steigt das Gelände auf der Insel zur Mitte an und erreicht dort 20m Höhe (Abb 11). Nun helfen uns Stadtpläne weiter. Die eingangs genannten parallelen Strassen des alten Syrakus sind in der Mitte der Insel nicht vorhanden (Abb . 10a). Dort, im alten Viertel Sperduta, gibt es nur unregelmässige Gassen. Die Akropolis kann nur in diesem Bereich gelegen haben. Deren Mauern sind verschwunden, aber die umlaufenden Gassen können benannt werden: Im Westen die alte nord-südlich verlaufende Hauptstrasse (heute Via Dione), 58 im Süden die zweite Hauptstrasse, die Via della Maestranz, im Norden die ebenfalls zum alten Strassennetz gehörende Via Vinzenso Mirabella. Die Akropolis glich im Grundriss einem Parallelogramm von etwa 3 bis 4ha Grösse. An der Stelle der Oikia Dionysios’ I, in dem die Gespräche mit Platon stattfanden, steht seit 1397 einer der prächtigsten Paläste der Stadt, der Palazzo Montalto (Abb 12). Eine Ausgrabung auf dem Platz davor brachte einige späte Mauern und Brunnen ans Licht. Dass von der ὠχυρωμένη ἀκρόπολη, von der befestigten Akropolis, die Dionysios I. mit hohen Kosten hatte errichten lassen, nirgends ein einziges Mauerstück erhalten ist, liegt an ihrem späteren Schicksal. Dionysios II. hatte im Jahr 341 die Akropolis, die sich bei der Belagerung dank ihrer starken Mauern noch in seiner Gewalt befand, Timoleon übergeben. Plutarch, Timoleon 22 berichtet, dass Timoleon - anders als früher Dion - sich von der kostbaren Bauweise nicht blenden liess und die Syrakusaner aufforderte, mit eisernen Werkzeugen zu erscheinen, um die Mauern niederzureissen. An dieser Stelle wurde als Sinnbild der neuen Demokratie ein Gerichtsgebäude errichtet. <?page no="31"?> 31 Kapitel 3: Platons Reisen Ringbefestigung der Insel Dionysios I. hatte die ganze Insel, das Tyranneion, mit einer περιτείχισμα καλῷς κατασκευασάμενος gut befestigten Ringmauer umgeben, (wie später die hellenistischen Könige ihre Basileia). Diese dritte Ringmauer verlief am Ufer. Auf Karten des 19. Jhs. eingezeichnete Ufermauern scheinen Teile dieses Ringes zu sein. Knud Fabricius, der um 1930 dort noch Mauern gesehen hat, schrieb dazu: Endlich sind Trümmer der Stadtmauer auf der Insel gefunden worden, mit bis zu fünf Lagen Steinen übereinander, aber wenn auch diese Steine kleiner sind, als die in der Terrassenmauer (die, was die nördliche Strecke betrifft, von Dionysios kurz vor 400 gebaut worden ist), so tragen sie andrerseits Baumeisterzeichen, die stark an gleichartige Zeichen im Euryalos, der Festung des Dionysios, erinnern. 59 Eine Karte in Meyers Lexikon 1908 (Abb 10b), die auf einer älteren Karte basiert, 60 zeigt noch Ufermauern im Süden und im Nordosten. Aber Vorsicht: Eindeutig nicht antik ist die heute noch in Resten vorhandene Festung, die Ortygia mit dem Festland verband. Das beweisen spitzwinklige Schenkel mit Bastion für Kanonen vor schiffbaren Kanälen und drei Brücken. Diese fortificazioni di epoca spangnuola war um 1883 noch erhalten. 61 Wie schon erwähnt, verband in der Antike eine Landzunge die Insel Ortygia mit dem Festland. Sicher unrichtig wird auf dieser Landzunge die Akropolis angenommen, denn diese exponierte Stelle war dafür völlig ungeeignet. 62 Drei Häfen Was den von Plutarch Lakkos genannten Hafen angeht - ich komme noch einmal auf die Stelle Diodor 14,7 zurück -, so kann damit weder der riesige Grosse Hafen noch der Kleine Hafen gemeint sein. Denn sogar der Kleine Hafen hat mehr als 100 m Durchmesser und kann nicht durch Graben eines Loches entstanden sein. Es muss einen dritten Hafen gegeben haben, einen geheimen Hafen, der im Fall eines Aufstandes oder einer Belagerung dem Herrscher einen Fluchtweg bieten sollte. Das entspricht den Könighäfen der hellenistischen Zeit. 63 Dieser Kunsthafen muss an der Ostküste gelegen haben. Das in alten Karten eingezeichnete Promontorio S. Lucia bringt uns auf seine Spur (Abb 10b). Es war eine der beiden Molen, die in neuer Zeit dort versenkten Beton- Wellenbrechern Platz gemacht haben (Abb 13). Der geringe Abstand zwischen beiden Molen zeigt an, dass hier tatsächlich, wie Diodor schreibt, immer nur ein Schiff ein- oder ausfahren konnte. Wie auch bei grösseren Häfen konnte die Zufahrt mit einer Kette gesperrt werden. Der eigentliche Hafen war ein Lakkos, ein künstlich ausgeschachtetes Loch, das als Polygonal auf alten und neuen Karten wie ein Fremdkörper wirkt. Es handelt sich um das regelmässige, von Gassen umgebene Vieleck östlich der Molen. Bei 130 m Breite konnte er nur wenige Schiffe aufnehmen. Der Lakkos-Hafen hat den Tyrannen mehrfach gute Dienste geleistet. Dazu zwei Stellen bei Plutarch, Dion 14 und 37. Der Tyrann hatte seinen Schwiegersohn Dion zur scheinbaren Versöhnung aufgerufen. Er führte ihn Abb 11 Syrakus. Die schmalen, auf die Zeit der Stadtgründung zurückgehenden Gassen im Nordwesten, hier die Via del Cordari, steigen zur Akropolis in Stadtmitte auf 20 m Höhe an (Verf. 2015). Abb . 12 Syrakus. An der höchsten Stelle der Insel lag der Palast des Tyrannen, der später von den Bürgern abgerissen wurde. An selbiger Stelle steht heute der Palazzo Montalto, dessen sehenswerte Fassade auf das Jahr 1397 zurückgeht (Verf. 2015). <?page no="32"?> 32 Kapitel 3: Platons Reisen ganz allein unten an der Akropolis hin an das Meer, und dann zeigte er ihm den Brief und beschuldigte ihn, mit den Karthagern gegen ihn zu konspirieren. Als Dion sich verteidigen wollte, liess er ihn nicht zu Wort kommen, sondern brachte ihn gleich, so wie er war, auf eine kleine Barke und befahl den Seeleuten, ihn an der Küste von Italien (dem Festland) auszusetzten. Platon musste vom benachbarten Garten die Gefangennahme und Einschiffung seines Freundes Dion ansehen ohne helfen zu können. Bei Plutarch, Dion 37 heisst es zur später erfolgten Flucht des Tyrannen: Dann übergab Dionysios die Burg (ἄκραν) Apollokrates, seinem ältesten Sohn, während er, auf günstigen Wind wartend an Bord seiner Schiffe die ihm teuersten Personen und Schätze brachte und davon segelte, ohne von Herakleides, dem Befehlshaber der syrakusischen Flotte, bemerkt zu werden. Eine heute noch erhaltene und auch auf älteren Karten verzeichnete Gasse führt von der höchsten Stelle der Akropolis in einem Bogen hinab zum Hafen. Im 19. Jh. stand in dem später Hafenbecken das Lyceum (heute Tomaso Gargallo). Der Tyrannen-Hafen war gleich nach der Befreiung von Syrakus zugeschüttet worden. Diodor, der um die Mitte des 1. Jhs. BCE in Athen und in Alexandria lebte, wusste nichts von einem geheimen Hafen, weil die von ihm benutzten Quellen ihn nicht als solchen kennzeichnen. So hielt er den Lakkos-Hafen für identisch mit dem Kleinen Hafen nördlich der Insel, wo tatsächlich Schiffshäuser entdeckt worden sind. Aber ein für eine mögliche Flucht eines Herrschers angelegter geheimer Hafen war klein und möglichst unsichtbar. Platon im Garten der Oikia Der Kepos, der Garten der Akropolis in Syrakus hat, wie Stellen bei Platon selbst, wie Diodor und Plutarch verraten, neben der Oikia, neben dem Palast gelegen, und auch der kleine Hafen war in der Nähe. Der Garten oder Park nahm etwa die Fläche von 1,5 ha ein, die wir ihm in unseren Plan zugewiesen haben, denn weiter südlich schliessen sich regelmässigen Strassenzüge der antiken Wohnbebauung an. Leider sagen die Quellen nicht, ob es sich um einen Nutzgarten handelt, der im Fall einer Belagerung den in der Akropolis Eingeschlossenen das Leben retten konnte, oder - und das ist wahrscheinlich - um eine Kombination von einem Nutzgarten mit einem der Erholung dienenden Natur-Garten. Der römische hortus hatte gradlinige, oft von Skulpturen gesäumte Wege, während beim Natur-Garten oder naturbelassenen Garten Symmetrie und rechter Winkel gemieden wurden. 64 Wir kehren zu den Ereignissen am Hof des Tyrannen zurück. Der eifersüchtige Dionysios II. hatte (bei Ausbruch eines Krieges) Platon zurückgeschickt, wie es bei Plutarch, Dion 15.16 lapidar heisst. Wie oben schon geschildert, folgte Platon Jahre später dem dringenden Ruf des Tyrannen noch einmal. Er schreibt dazu im 7. Brief 347a: - ᾤκουν γὰρ δὲ πρὸς τοῖς ἄλλοισιν κακοῖς ἐν τῷ κήπῳ τῷ περὶ τὴν οἰκίαν - denn ich wohnte bei allen Übeln damals wieder im Garten bei der Oikiα (im Garten beim Palast). Wenn Platon etwas weiter unten, 348c schreibt: Abb . 13 Syrakus. Auf der Ostseite der Insel, am Promotorio S. Lucia, befand sich zur Zeit der Tyrannen die Einfahrt zu dem in den Quellen genannten, geheimen Hafen des Tyrannen (Verf. 2015). <?page no="33"?> 33 Kapitel 3: Platons Reisen - ἔτυχον δ’ ἐν τῷ κήπῳ καὶ ἐγὼ τότε περιπατῶν - - ich ging damals gerade im Garten umher - so ist nicht eindeutig zu erkennen, ob er dort als Lehrer mit Schülern auf und abging, oder ob er allein im Garten umherging. Das Verb περιπατῶ kann die eine oder auch die andere Bedeutung haben. Hermodoros Der geschäftstüchtige Schüler In den Gesetzen 12,941b schreibt Platon Diebstahl von Werten ist etwas Niederträchtiges. Er mag dabei an seinen Schüler Hermodor gedacht haben (vielleicht auch an Xenophon), der seine (Platons) Werke in seiner Heimatstadt Syrakus verhökerte. Dessen Geschäftigkeit in dieser Sache nennt Cicero att.13, 30 sprichwörtlich: ʽλόγοισιν Ἑρμόδωρος´. Weil Hermodor auch Biographisches zu Platon mitteilt, und weil er von Diogenes Laertius als Quelle genutzt wurde, seine Kenntnisse also nicht unbedeutend sein konnten, wird angenommen, dass er eine Zeit lang tatsächlich in der Akademie als Schüler Platons präsent war. Möglich ist aber auch, dass Hermodor Platon bei seinem ersten Aufenthalt in Syrakus kennen gelernt hat und ihm dort nicht mehr von der Seite wich. Er könnte auch Gastgeber gewesen sein, denn Platon war damals nicht auf Einladung des Tyrannen in Syrakus, und es wäre naheliegend, wenn er sich an einen Schüler gewandt hätte. Platon in der Oikia des Tyrannen Von der stark befestigten Akropolis war schon die Rede (S.-28). Auch davon, dass von den als unbezwingbar geltenden Mauern nichts erhalten ist. Ebenso verschwunden ist die grosse Oikia, der Palast der Tyrannen Vater und Sohn - abgebrochen von den Bürgern der Stadt. Dennoch können wir uns von dem repräsentativen Audienz-Saal, in dem Platon empfangen wurde, und von den Andrones, den Gelageräumen, in denen Platon mit dem Hausherrn und seinen Vertrauten zu Tisch lag, eine Vorstellung machen. Denn in Pella und Pergamon können wir uns dank besser erhaltener Ruinen (die hier S. 51 neu interpretiert werden) vom Typus einer herrschaftlichen Oikia eine Vorstellung machen. Kern ist ein grosser, repräsentativer Säulenhof. Prunkvolle Andrones mit mosaikgeschmückten Böden umgeben die Hallen, und ein drittes Grundelement der Paläste war ein Audienz- und Empfangssaal. 65 Plutarch, Dion 10,4 berichtet von Luxus, Verschwendung und Überfluss in der Oikia, im Palast der Tyrannen in Syrakus: … τῷ μὲν σώματι περιττῶς ἀμπεχόμενον καὶ τῇ περὶ τὴν οἴκησιν ἁβρότητι καὶ κατασκευῇ λαμπρυνόμενον… (wenn der Herrscher Dionysios I.) sich stutzerhaft mit einem eigentlich nutzlosen prächtigen Umhang kleidet und seinen Palast höchst üppig ausstattet mit luxuriöser Einrichtung… Kostbare Möbel waren Klinen in den Banketträumen, Bänke, Lehnstühle, Lesestühle, Tische und Truhen im Audienzsaal. An edlen Materialien wie farbigen Hölzern, Elfenbein und Bernstein für Einlagen war sicher nicht gespart worden. Wenn Dion mit seinen Freunden und Helfern von goldenen Geschirren ass, so gilt das allemal für den Herrscher und seine Gäste. Die bisherigen Ausgrabungen am Ort haben, soweit ich weiss, von diesem Luxus nichts ans Licht gebracht. Platon wohnte in Syrakus im Lauf seiner drei Reisen an vier verschiedenen Orten. Hotels gab es nicht. Reisende wohnten bei Verwandten, Freunden oder einfach bei einem Landsmann. Das trifft auch für Platon auf seiner ersten Reise zu. Gästehäuser des Herrschers gab es im Garten der Akropolis. Bei Plutarch, Dion 19 heisst es, dass Platon während seiner zweiten Reise im Garten beim Palast gewohnt habe, dann aber zu den Söldnern versetzt wurde, weil Dionysios ihn auf diese Weise loswerden wollte. An einer anderen Stelle (ebenda 16) wird berichtet, dass Platon auf die Akropolis umziehen musste, damit ihn der Tyrann, der ihm eine Wache zuteilte, besser im Auge hätte. Platon, Eudoxos und eine Sonnenuhr in Syrakus Platon soll eine Weckuhr konstruiert haben: Tropfendes Wasser bringt ein Gefäss zum plötzlichen Überlaufen in anderes Gefäss, dessen Luft mit einem Pfeifton entweicht. 66 Der vielseitige Philosoph war an praktischen wissenschaftlichen Fragen interessiert, und diese banal wirkende Erfindung zeugt von einem Interesse für das Problem der Zeitmessung. Für die Ägypter war die Zeitmessung bekanntlich wegen des Nil-Wasserstandes von existentieller Bedeutung. So überrascht es nicht, dass es in Ägypten Sonnenuhren schon im Neuen Reich gab. 67 Als sich Eudoxos vor der Mitte des 4. Jhs. zu Studienzwecken in Ägypten aufhielt, wurde sein Interesse ganz sicher auch auf das Problem der Zeitmessung gelenkt. Dem Philosophen ging es dabei nicht nur um die praktische Anwendung, sondern um den Versuch, in den komplizierten Bewegungen des Schattens Regelmässigkeit und damit göttliche Fügung zu erkennen. Platons Interesse an diesen Fragen beweist eine Sonnenuhr in der Akademie bei Athen. Sie stand auf einem hohen Pfeiler, der auf dem Philosophen-Mosaik (Abb 22,) eindeutig zu erkennen ist. Der Baumeister Vitruv hat das neunte seiner Zehn Bücher über Architektur den nützlichen Erfindungen gewidmet und sagt expressis verbis (Vorrede 5), dass bei bestimmten Problemen, die mathematisch nicht lösbar sind (es geht um die unendliche Zahlenreihe von √2) die Geometrie anzuwenden sei. Im 7. Kapitel behandelt Vitruv die Herstellung eines Analemma. Dabei ist das Verhältnis aus dem kürzesten Schatten zur Höhe eines γνώμων Gnomon (Zeiger, senkrecht stehender Stab) entscheidend. Dieser Wert verändert sich von Ort zu Ort. Er beträgt <?page no="34"?> 34 Kapitel 3: Platons Reisen in Rom 8: 9, in Athen 3: 4, in Rhodos 5: 7, in Tarent 9: 11. Sonnenuhren waren universelle Zeitmesser. Sie zeigten nicht nur die Tages-Stunden, deren Länge von Tag zu Tag wechselte, sondern auch Tage und Monate, Sternkreiszeichen und Winde. Entsprechend kompliziert war die Herstellung eines Netzes aus gekrümmten Linien. In den antiken Lexika findet sich unter dem Stichwort Sonnenuhr eine Anekdote: In Katania (nördlich von Syrakus am Fuss des Ätna) gab es eine für diesen Ort konstruierte Sonnenuhr. Der Konsul Manlius Valerius brachte sie 263 BCE nach Rom, wo sie 200 Jahre eine falsche Zeit anzeigte. 68 Von Eudoxos, dem bedeutendsten Astronomen des Altertums (DL 8,86-91) heisst es bei Vitruv 9,8,1, dass er eine ἀράχνη Arachne (Spinne, Spinnennetz) genannte Konstruktion für eine horizontale Sonnenuhr erfunden habe. 69 Eudoxos, Platon und Archytas aus und in Tarent bildeten als Pythagoreer das oben genannte Dreigestirn. Vitruv nennt im Zusammenhang mit Sonnenuhren noch einen gewissen, uns unbekannten Skopinas aus Syrakus. Das führt uns endlich zu der Stelle bei Plutarch, Dion 29,2,4: ἦν δ᾽ ὑπὸ τὴν ἀκρόπολιν καὶ τὰ πεντάπυλα, Διονησίου κατασκευάσαντος, ἡλιοτρόπιον καταφανὲς καὶ ὑψηλόν. ἐπὶ τοῦτο προβὰς … Nun, dort unter der Akropolis und den Pentapyla stand eine von Dionysios erbaute, weithin sichtbare und hohe Sonnenuhr. 70 Darauf gestiegen ... (war Dion, um zu den Syrakusanern zu sprechen). Diese Sonnenuhr hat vielleicht jener Skopinas, vielleicht aber Platon oder Eudoxos konstruiert. Katania gehörte zum Herrschaftsgebiet Dionysios I., so dass ein Zusammenhang zwischen der Sonnenuhr in Katania und der in Syrakus allein wegen der genannten Daten naheliegt. Es handelt sich immerhin um eine frühe wissenschaftlich konstruierte Sonnenuhr. Unsere Vorstellung von Sonnenuhren ist jedoch von den in der Römerzeit als Gnomon aufgestellten ägyptischen Obelisken geprägt. Die Entdeckung der augusteischen Sonnenuhr auf dem Marsfeld in Rom, von der Edmund Buchner berichtet, lässt erkennen, dass ein 30 m hoher Gnomon (100 Fuss) eine 160 m breite Fläche beanspruchte, um auch die längsten Stunden des Jahres anzuzeigen. 71 Eine solche Fläche wird nur in wenigen Fällen in Stadtmitte - nur dort ist eine Sonnenuhr sinnvoll - vorhanden gewesen sein. Die beiden Uhren in Katania und Syrakus standen vermutlich auf den Agorai und waren sicher kleiner als die auf dem Marsfeld in Rom. Weil aber die Uhr in Syrakus etwas „Gebautes“ war - nicht etwa nur ein Baumstamm -, und weil Dion auf die Uhr stieg, um eine Rede an das Volk zu halten, und weil aus der Beschreibung weithin sichtbar und hoch auf Monumentalität zu schliessen ist, müssen diese offenbar berühmten und wohl auch ältesten Uhren der griechischen Antike einen Gnomon von mindestens 10 m Höhe gehabt haben. Das streng symmetrisch, ost-westlich ausgerichtete Spinnennetz müsste dann immer noch um 50 m breit gewesen sein. Anders als bei den Obelisken mag hier der Gnomon aus einer gebauten, spitz zulaufenden Pyramide mit aufgesetzter Kugel als Zeiger bestanden haben. Auf einem würfelförmigen Sockel könnte eine Inschrift berichtet haben, dass Dionysios dieses Werk Helios weihte. <?page no="35"?> 35 Kapitel 4: Platon und seine Schule im Hain des Heros Hekademos in der nordwestlichen Vorstadt Athens Innerer und äusserer Kerameikos Im Nordwesten Athens teilt die Stadtmauer den Bezirk Kerameikos in einen inneren und einen äusseren Bereich. Mit nur 50 m über dem Meeresspiegel ist der Kerameikos das am tiefsten liegende Gebiet von Athen. Die Schichten hochwertiger Ton- und Lehmerden liessen hier im Nordwesten Athens Produktionsstätten der berühmten attischen Keramik entstehen, die über Jahrhunderte in allen Ländern der antiken Welt geschätzt wurde. Im Kerameikos liegt der bedeutendste Friedhof des alten Athen. Seit der Stadterweiterung im Jahr 479 begann am Dipylon Tor das Demosion Sema, der Heldenfriedhof Athens und führte fast gradlinig nach Nordwesten zur Akademie. Für diese Strasse sind mehrere Längen überliefert. Am heutigen, genauen Plan gemessen war diese Prachtstrasse 1685 m oder 9½ Stadien lang. Auf unserem Plan (Stadtplan) sind die von Pausanias notierten Gräber eingetragen. Bei diesem Gang durch die Geschichte Athens sind viele Ereignisse der späten Klassik anzutreffen. Ausgrabungen im Gebiet des Demosion Sema waren fast immer Notgrabungen, die auf engen Grundstücken im Zusammenhang mit der Errichtung von Neubauten erfolgten. Es überraschte die Ausgräber, dass die Stellen antiker Strassendecken nicht genau auf einer Linie liegen. Sie sind ohne Zweifel zwei parallelen, 50 m voneinander entfernten Strassen zuzuordnen. Im ausgegrabenen Bereich der schmaleren südlichen Strasse waren auf den Strassendecken von Wagenrädern verursachte Rinnen zu sehen. In diesen Zusammenhang gehört der „Querweg“, der im Gebiet der Kerameikos-Ausgrabung über Jahrhunderte existierte (Stadtplan) und die Aufgabe hatte, am Dipylon erscheinende Wagen über eine Brücke am Fluss Eridanos auf die Wagenstrasse zu leiten, die den gesamten Wagenverkehr aufnahm (Abb . 14). Das Demosion Sema war dagegen eine Fussgänger-Zone von hoher politischer und symbolischer Bedeutung. 72 Wer heute im äusseren Kerameikos jenseits der modernen Piräus-Strasse das Demosion Sema sucht, findet in der quirligen Vorstadt einige Hinweisschilder und auch kurze erklärende Texte, sollte aber doch einen Stadtplan bei sich haben. Denn die heutigen Strassen stimmen nicht mit den antiken überein. Das Demosion Sema Heldenfriedhof, Fussgängerzone und Laufbahn der Gymnasien Im Ausgrabungsgebiet Kerameikos mit der eindrucksvollen Gräber-Strasse und dem sehr sehenswerten, neu gestalteten Museum liegt auch der Anfangsbereich des Abb 14 Athen. Im Kerameikos leitete ein Querweg die vom Dipylon-Tor kommenden Fahrzeuge über den Eridanos auf die Wagenstrasse. Die Brücke über den Fluss, der seit späthellenistischer Zeit ein Abwasserkanal war, musste immer wieder erneuert werden (Verf. 2015). <?page no="36"?> 36 Kapitel 4: Platon und seine Schule im Hain des Heros Hekademos in der nordwestlichen Vorstadt Athens Demosion Sema. 73 Die feierlichen Begräbnisse hatten eine ungewöhnliche Breite des Strassenraumes nötig gemacht. Zwei Grenzsteine mit der Aufschrift ΟΡΟΣ ΚΕΡΑΜΕΙΚΟ ͂ Υ Grenzstein des Kerameikos lehnen noch heute beiderseits der Türme des Dipylon-Tores an der Stadtmauer und markieren die Breite der Strasse mit 39,60 m. 74 Auf der von den Grabungen erfassten Südseite der Strasse kamen in dichter Folge Gräber ans Licht. Am Strassenrand geben weitere Grenzsteine die genaue Richtung der Strasse an. So ist der Horos 2 vom Horos am Dipylon 76 m entfernt. Nach weiteren 47,50 m folgt Horos 3 an der Stelle einer leichten Richtungsänderung der Strasse nach Norden (Abb 15). Von den vielen Gräbern sei das Polyandrion (Viel-Männer-Grab) bei Horos 2 auf der Südseite genannt. Der 12- m breite Sockel aus Quadermauerwerk (in dem sich 13 Skelette fanden) war mit einer schlichten Deckplatte geschlossen, die auf der schmalen Front Namen der Bestatteten trägt. 75 Es sind Offiziere der Spartaner, die im Jahr 403 im Piräus gefallen waren, als sie den bedrängten „Dreissig“ (Tyrannen) und ihren Freunden zu Hilfe gekommen waren. Denn ein Jahr nach dem Ende des Peloponnesischen Krieges war es den Demokraten unter der Leitung von Thrasybulos gelungen, die von den Spartanern eingesetzte Oligarchie zu erschüttern. Xenophon hell. 2,4,28-32 beschreibt die Vorgänge, nennt die Namen der gefallenen Spartaner und sagt, dass sie im Kerameikos begraben seien. Dabei lässt Xenophon immer wieder die Verzweiflung darüber anklingen, dass sich Athenische Bürger feindlich gegenüber standen, nur weil sie unterschiedlichen politischen Lagern angehörten. In dieser Situation konnten die Spartanischen Polemarchen ebenso ein Ehrengrab auf dem Demosion Sema erhalten wie Thrasyboulos, der Anführer und wirkliche Held der Demokraten, dessen Grab nach der Liste bei Pausanias 1,29 in der Nähe des Dipylon-Tores zu suchen ist. „Der beste Athener“ hatte, wie Pausanias mitteilt, die Parteien des Bürgerkrieges versöhnt (Stadtplan). Von allen mit dem Demosion Sema verknüpften Ereignissen ist die ergreifende Rede, die Perikles nach dem ersten Jahr des Peloponnesischen Krieges (431 BCE) zu Ehren der Gefallenen hielt, noch heute im kollektiven Gedächtnis der Griechen vertreten. Thukydides 2,35 gibt sie im Wortlaut wieder. Perikles beschwor die Tugenden der Athener und hob vor allem ihre demokratische Verfassung hervor. Er sprach damals von einer eigens für diesen Zweck errichteten Rednerbühne nahe dem Dipylon-Tor, um von den dort versammelten Bürgern Athens gehört und gesehen zu werden. Unter den Gräbern am Demosion Sema (wörtlich „öffentliches Zeichen“) waren auch die Grabstätten von zwei bedeutenden Philosophen: Zenon aus dem fernen Kition auf Zypern, der die philosophische Richtung der Stoa gegründet hatte (S.- 90), und Chrysippos aus Soloi (oder aus Tarsos). Bei Diogenes Laertius 7,9-13 ist der Volksbeschluss wiedergegeben, in dem die Vergabe des Ehrengrabes für Zenon geschildert wird. 76 Darin ist von einem Bau die Rede, dessen Ausführung von fünf namentlich genannten Bürgern überwacht werden soll. Der finanzielle Aufwand muss beträchtlich gewesen sein. Die Ehrengräber der beiden Philosophen der Stoa lagen in der Nähe des Eingangs zur Akademie. Bei der sukzessiven Anlage der Gräber ist man keiner Regel gefolgt, wenngleich einer Periode angehörende Gräber oft benachbart sind. Zur Zeit der grossen Philosophen erhielten auffallend viele Bürger die Ehre einer Bestattung auf dem Demosion Sema. Den Eingang zur Akademie, den Pausanias 1,30,1 nennt, vermute ich in der Verlängerung des Demosion Sema (Abb 16). Genau dort stand, wie der Perieget berichtet, ein Altar des Eros und der Aphrodite. Am Anfang und am Ende des Demosion Sema befanden sich zwei Gymnasien, das Pompeion im Süden und das Akademie-Gymnasion im Nordwesten. Deshalb diente die 40 m breite Strasse den täglichen Lauf-Übungen der Gymnasiasten und wurde auch einfach Dromos genannt. Unmittelbar am Tor zur Akademie, am Altar des Prometheus, begann der auf Vasen dargestellte Fackellauf, bei dem die jungen Männer die Aufgabe hatten, am Altar entzündete Fackeln in einem Wettlauf auf die Akropolis zu tragen (Paus. 1,30,2). Der Alsos (heiliger Hain) des Heros Hekademos Nach der Schilderung von Pausanias lag die Akademie in der Nachbarschaft des 56 m hohen Hügels Kolonos Hippios. Als bei Ausgrabungen ein Grenzstein mit der Aufschrift Grenze der Akademie in der Nähe der Kreuzung der Strassen Aimonos und Tripoleos in situ entdeckt wurde, war die Nordostecke des öffentlichen Raumes des Abb 15 Athen. Am Dipylon, dem grössten Stadttor Athens, begann das zur Akademie führende Demosion Sema, eine 40 m breite Feststrasse. Sie wurde von Staatsgräbern gesäumt. Links ein Grenzstein in situ (Verf. 2015). <?page no="37"?> 37 Kapitel 4: Platon und seine Schule im Hain des Heros Hekademos in der nordwestlichen Vorstadt Athens Heros Hekademos gefunden (Abb . 16). 77 Anders als bisher vermutet bildete die westliche lange Seite vom Grenzstein im Norden über 400 m eine gerade Linie. Denn weiter südlich, im Bereich von Platons Schule ist die Umfassungsmauer dieser Seite an zwei Stellen erhalten. Seit archaischer Zeit befand sich in der Akademie eines der drei grossen öffentlichen Gymnasien der Stadt. Weil es damals die einzige bauliche Einrichtung in dieser Gegend war, wurde es einfach Akademie genannt. Das hat zur Folge, dass es manchmal zweifelhaft ist, ob der Bezirk als Ganzes oder das Gymnasion gemeint ist. Bedeutung hatte der Ort, den Pausanias baumreich und Diogenes Laertius 3,7 ἄλσος (heiliger Hain) nennt, auch wegen der dort wachsenden heiligen Ölbäume. Sie lieferten das kostbare Öl, das am Fest der Panathenäen an die Sieger bestimmter Wettkämpfe vergeben wurde. Ölbäume sind Nutzpflanzen, und als solche standen sie zweifellos in ‚Reih und Glied‘ im Abstand von etwa 16 Fuss (5 m). Diese Pflanzungen, die unter dem Schutz von Athena standen, werden in dem etwa 13 ha grossen Akademie-Bezirk eine rechteckige Fläche eingenommen haben. Der Charakter des Ortes änderte sich, als Kimon in frühklassischer Zeit dort Platanen, Pappeln und Ulmen pflanzen liess. 78 Plutarch, Kimon 13 sagt sogar, dass die Akademie vorher ein dürrer und verwilderter Platz war, bis Kimon ihn in einen reichlich bewässerten Hain verwandelte. Das geschah sicher nicht, um Bauholz zu gewinnen. Ulmen liefern zwar hartes Holz, das Stellmacher zu schätzen wussten, aber wie auch Platanen und Pappeln wurden sie fast immer als Zier- und Alleebäume gepflanzt. Weil diese Bäume vor allem in Flussniederungen wachsen, drängt sich die Vermutung auf, dass der Eridanos, der damals ein ansehnlicher Fluss war, 79 im Westen ausserhalb der Stadt etwa parallel zur Wagenstrasse (Höhenlinie 30 und 35- m) verlief, dann die Akademie durchquerte, weiter Abb 16 Athen. Das Demosion Sema mündete in den Heiligen Hain des Heros Hekademos. Dort lag das Akademie-Gymnasion, in dessen Nähe Platon seine Schule baute. Höhenlinien beweisen, dass der Fluss Eridanos durch die Akademie floss. An dessen Ufer hatte Platon für die ambulatorische Lehre einen Peripatos, einen Rundweg angelegt (Verf. 2015). <?page no="38"?> 38 Kapitel 4: Platon und seine Schule im Hain des Heros Hekademos in der nordwestlichen Vorstadt Athens nach Westen floss und in den Fluss Kephisos mündete, um schliesslich in Phaleron das Meer zu erreichen. 80 Pausanias 1,30,2 zählt mehrere in der Akademie befindliche Altäre auf. Der Altar des Hermes ist ebenso wie der des Herakles im Gymnasion zu suchen. Aber der ebenfalls genannte Altar der Musen hat zweifellos in Platons Schule gestanden. Denn diese wird in einigen Quellen auch Museion genannt. Einrichtungen dieser Art standen unter dem Schutz der Musen, der Töchter des Zeus. Von Polemon, der im Jahr 314 BCE seinem hoch verehrten Lehrer Xenokrates als Haupt der Schule nachfolgte, sagt Diogenes Laertius 4,19, dass er zurückgezogen in der Akademie lebte, und dass seine Schüler sich kleine Hütten errichtet hätten, um πλησίον τοῦ μουσείου καἰ τῆς ἐξέδρας, um Museion und Exedra nahe zu sein. Diese Stelle besagt nicht nur, dass die Studenten, die vielleicht keine Bleibe hatten, sich neben dem Schulbau provisorische Unterkünfte bastelten, sondern vor allem, dass der Schulbau ein Musenheiligtum war und auch so gernannt wurde, und ferner, dass zum Schulbau eine Exedra, ein Raum für die täglichen Vorlseungen gehörte. Platon schliesst einen Vertrag mit der Polis über die Errichtung eines Schulgebäudes Richtig berühmt wurde die Akademie erst, als Platon nach der Rückkehr von der langen Reise nach 388 BCE dort seine Schule einrichtete und dann viele Jahre leitete. Als Bürger Athens hatte er grundsätzlich keine Schwierigkeiten beim Erwerb eines Grundstücks. Die Wahl fiel auf die Akademie, weil für den Philosophen die Nachbarschaft des staatlichen Gymnasions wichtig war. Die Akademie war zwar parkartig gross, aber doch ein heiliger Hain mit einer Umfassungsmauer, ein öffentlicher Raum, in dem private Privatpersonen nicht ohne weiteres Boden erwerben und Bauten errichten durften. Das galt auch für einen einflussreichen Bürger wie Platon. In Platons Testament (DL 3,41-43) ist zwar von mehreren Grundstücken die Rede, aber mit keiner Silbe werden das Grundstück seiner Schule oder das Schulgebäude selbst oder die eben dort befindlichen Bücher erwähnt. Offensichtlich hatte Platon keine Verfügungsgewalt über diese Objekte. 81 Es muss also einen Kontrakt mit der Polis gegeben haben, in dem Nutzungsbedingungen festgelegt waren. Platon hat den Bau seiner Schule vermutlich selbst bezahlt und durfte sie seinen Vorstellungen entsprechend einrichten und nutzen. Aber der Boden und alles, was dort entstand blieb im Besitz der Polis. Solche juristischen Konstruktionen sind noch heute nicht selten. 82 Ich betone: Platons und später auch Aristoteles’ Schule waren, wie die Testamente belegen, nicht Eigentum ihrer Erbauer. 83 Planung und Plan des Schulbaus . Lob des ἀρχιτέκτων Platon muss von Beginn an die Schaffung einer Institution im Auge gehabt haben, die auf Dauer wirksam sein sollte. Vorbild waren vielleicht entsprechende Einrichtungen der Pythagoreer in Unteritalien. Wie gerade schon angedeutet, nennen uns die Quellen (vor allem aber nicht nur Diogenes Laertius und Philodem) welche Räumlichkeiten, Objekte und Nutzungen der Schulbau als Institut für Lehre und Forschung aufwies. Dazu gehörten: Statuen der Musen oder nur ein Altar ohne Bilder der Musen. Musen verlangten kein blutiges Opfer, so dass ein im Freien stehender profilierter Quader genügen konnte; 1 Saal (Exedra) für Vorlesungen (in Quellen werden Morgen- Vorlesungen und Abend-Vorlesungen genannt); 1 Saal für die Lagerung vieler Bücher und zum Studium derselben; 1 mit feinem Sand (Spezialsand? ) bestreuter Hof für leicht zu korrigierende geometrische Zeichnungen; Hallen für die Aufstellung von Lehrmaterial und für die Nutzung als Peripatos bei schlechtem Wetter; 1 Raum für gemeinsame Mahlzeiten für die Mitglieder der Schule und für die Bewirtung von Gästen; Nebenräume. Die Nutzung privater Räume kann ich nicht erkennen. Abb 17 Akademie. Ioannis Travlos war als junger Mann 1968 an den Ausgrabungen in der Akademie beteiligt, und zeichnete den bis heute einzigen Plan der Grundmauern von Platons Schule. <?page no="39"?> 39 Kapitel 4: Platon und seine Schule im Hain des Heros Hekademos in der nordwestlichen Vorstadt Athens Ausgrabungen und Rekonstruktionen Ausgrabungen in der Akademie führte die Archäologische Gesellschaft zusammen mit der Akademie Athens seit 1929 durch. Konstantinos Kourouniotis leitete sie bis 1940. Erst 1955 nahmen Ph. Stavropoulos mit Ioannis Travlos als Architekt die Arbeiten wieder auf. Später führte die 3. Ephorie Notgrabungen in der Akademie durch. Aus den Berichten geht hervor, dass es am Ort der Akademie schon in geometrischer Zeit ein Heiligtum gab. Uns interessieren zwei jüngere etwa 240 m voneinander entfernte Baukomplexe, deren Ruinen heute im Akademie- Park besichtigt werden können (Abb 16). Eine ausführliche Publikation mit einer steingerechten Aufnahme im Massstab 1: 25 ist trotz der Bedeutung des Ortes nie erfolgt. Der sichtbaren Oberfläche der niedrig erhaltenen Mauern können nur beschränkt Informationen abgelesen werden. Eine Unterscheidung von Bauphasen ist meines Erachtens nicht möglich. Die Geschichte der Ausgrabungen hat Ada Caruso in ihrer Studie zur Akademie dargestellt und dabei bislang unpubliziertes Material vorgelegt. 84 Im Norden wurden ein quadratisches Peristyl mit 40 m Seitenlänge, einige Mauerreste und ein isolierter Raum freigelegt. Dieser ist mit 12,70 m × 8,70 m ziemlich gross und war für viele Zwecke geeignet. Genau an dieser Stelle wurden archaische Dachziegel gefunden, ein Hinweis auf das hohe Alter der Anlage. Stavropoulos bezeichnet es in einer Überschrift als Peripatos oder Didaskaleion, meint aber im Text, dass es sich um ein Gymnasion handele, das im 4. Jh. BCE erneuert worden sei. Schülerübungen, Kritzeleien auf Steinabschlägen, wurden in der Nähe entdeckt. 85 Sie waren als Abfall an der Akademiemauer abgelegt worden. Im Bereich des Peristyls fanden sich mehrere Ehreninschriften unterschiedlicher Epochen. Es handelt sich also um einen öffentlichen Raum, und meines Erachtens ist nie ernsthaft bezweifelt worden, dass diese Ruine ein Gymnasion war. Und weil es in der Akademie nur ein Gymnasion gab, handelt es sich um das berühmte, das seit archischer Zeit existierende Akademie-Gymnasion. 86 Diese Entdeckung und Deutung ist für die Geschichte Athens von grösster Wichtigkeit. Für unsere Frage nach dem Schulbau Platons ist unter allen in der Akademie ausgegrabenen Ruinen einzig nur das in der südlichen Ecke der Akademie gelegene Ensemble (edificio 2 bei Caruso) von Bedeutung. Diese zweifel- Abb 18 Akademie. Heute sind die vor langer Zeit von Stavropoulos ausgegrabenen Grundmauern, die ich für einen kaiserzeitlichen Neubau der Schule Platons halte, in einem Park zu besichtigen. Das Foto zeigt in der Mitte die Grundmauern der Bibliothek (Verf. 2015). <?page no="40"?> 40 Kapitel 4: Platon und seine Schule im Hain des Heros Hekademos in der nordwestlichen Vorstadt Athens los kaiserzeitlichen Mauern (Abb 17, 18) hat Stavropoulos in einem langen Artikel ebenfalls als Gymnasion bezeichnet, und Ioannis Travlos sah in diesen Ruinen sogar das eigentliche Gymnasion der Akademie. 87 So ist es bei dieser Benennung geblieben. Dass es sich aber nicht um ein Gymnasion handelt, zeigt allein der für eine Palästra (Ringkampfstätte) wenig geeignete längliche Hof, in dem sich zudem ein flaches, rechteckiges Wasserbecken befindet, das Kühlung bringen sollte. Ada Caruso hat das Wasserbecken mit einem Boden aus opus spicatum einer späteren Bauphase zugerechnet. Wohl nicht zu Unrecht, wenngleich die Technik von Vitruv erwähnt wird und dann über tausend Jahre in Gebrauch war. Ohne einen Suchschnitt mit aussagekräftigen Funden lässt sich dieser Boden kaum datieren. Besonders problematisch ist ein zweites Becken an der nördlichen Schmalseite des Hofes, von der ich ein im Mai 2015 entstandenes Foto vorlege (Abb 19). Diese 12,50 m lange Wanne hat ebenfalls einen Boden aus opus spicatum und verputzte Wände. Zweifellos nahm dieses Becken ebenfalls Wasser auf. Aber in der Wanne befanden sich in gleichmässigen Abständen würfelförmige Steinquader, von denen zwei sich noch in der Wanne befinden. Die Ausgräber und Restauratoren hatten erkannt, dass diese Quader zur Ausstattung der Wanne gehörten, und deshalb blieben zwei am Platz. Was soll das bedeuten? Ich halte es für wahrscheinlich, dass neun dieser Sockel in einer Reihe standen und Statuen der Musen aufnahmen. Wenn es sich bei diesem Bau um das Museion und Lehrgebäude Platons handelt, sollten hier Musen vereehrt worden sein und es muss auch einen Altar gegeben haben. 88 Eine Reinigung des Bodens in der Wanne würde Klarheit über die Zahl der darin aufgestellten Sockel bringen. Beispiele für solche Wasserbecken, in denen auf Sockeln Statuen stehen, sind aus der Barockzeit bekannt. Ada Caruso, die sich in Bezug auf die Funktion des edificio 2 bedeckt hält, erkennt vier Bauphasen. Der Phase-I, mit der eine Reihe wiederverwendeter Baublöcke gemeint sind, wird jeder zustimmen. Doppel-T-Klammern, Dübellöcher und Anathyrosen sprechen für eine Datierung in das 4. Jh. BCE. Weil es keine Baugrube oder Fundamentreste eines nahe gelegenen Vorgängers gibt, gewinnt meine Theorie, dass diese Spolien von dem Vorgänger Platons an derselben Stelle und derselben Form stammen, und dass in der Kaiserzeit der ehrwürdige Bau Platons erneuert wurde, an Boden. Ich halte es nicht für richtig, die starken Mauern des zentralen Baues isoliert zu betrachten und ihnen eine eigene Bauphase II und III zuzuweisen. Denn sie sind parallel zu den anderen Mauern und haben einen festen Platz im Baugefüge. Ich halte an meiner schon 2002 geäusserten Theorie fest, dass in dem zentral gelegenen Saal eine Bibliothek deutlich zu erkennen ist. Wie bei der Bibliothek in Pergamon, in Ephesos und anderen Orten standen in Bibliothekssälen von den Wänden abgerückt breite Mauersockel, die Bibliotheksschränke aufnahmen. Auf der sichtbaren Oberseite der erhaltenenen Mauern dieses Sockels sind Ritzlinien zu sehen, von denen ich glaube, dass sie die Tiefe der Bücherschränke anzeigen (Abb 20). Zwei annähernd quadratische Räume liegen symmetrisch an den Seiten des Bibliothekssaales und öffneten sich wie dieser zur nördlichen Halle des Peristyls. Sie sind auf dem Plan von Travlos (Abb 17) - dem einzigen, den es bis heute gibt -, gut zu erkennen. Türen oder aufgehende Wände sind nicht erhalten. Einer dieser Seitenräume scheint die Abb . 19 Akademie. Wo die Bilder der Musen im Hof von Platons Schule zu vermuten sind, legten die Ausgräber eine 12,50- m lange, in den Boden versenkte Wanne frei, in der es Wasser gab. Zwei von mehreren Quadern (Sockel für Statuen? ) liegen noch in der Wanne (Foto Verf. 2015). <?page no="41"?> 41 Kapitel 4: Platon und seine Schule im Hain des Heros Hekademos in der nordwestlichen Vorstadt Athens Exedra, der Vortragssaal gewesen zu sein, der unter anderem bei Diogenes Laertius 4,19 genannt wird. Der andere Raum war für die gemeinsamen Mahlzeiten συσσίτια der Philosophen bestimmt. Offensichtlich handelt es sich um einen kanonischen Andron für sieben Klinen. Denn der Raum ist quadratisch und hat eine Seitenlänge von 4,30 m. Die Säulenhallen waren 5,20 m tief und auf den Seiten immerhin 45 m lang, denn sie waren für eine Nutzung als Peripatos bei schlechtem Wetter gedacht. Die Proportionen der Hallen legen ein Joch von 2,75 m nahe. Es wurde keine Säulenschäfte gefunden. Sie waren vermutlich aus Holz. In der Mitte einer jeden Halle fand sich je eine Reihe quadratischer Fundamente (72 cm Seitenlänge), die Homer Thompson als Stützen für Tischplatten deutete. Weil das ziemlich wacklige Tische ergäbe, glaube ich eher an einen Einbau für einen nicht ersichtlichen Zweck zu einer Zeit, in der auf dem Peripatos nicht mehr gelehrt wurde. Weil Geometrie im Lehrplan von Platon an vorderer Stelle stand, musste im Hof eine mit feinem Sand bestreute Fläche vorhanden sein, um das Skizzieren, das Löschen und Korrigieren geometrischer Figuren zu ermöglichen (Abb 21). Papyrus war zu wertvoll, um es als ‚Schmierpapier‘ zu benutzen. Zudem konnten Zeichnungen auf Sand von mehreren Personen gleichzeitig eingesehen werden. Ein von Hallen umgebener Hof schützte vor Wind. Die Ausgräber haben zum Belag des Hofes keine Angaben gemacht.Die Schule Platons war kein repräsentativer Bau. Säulen und Gebälk bestanden aus Holz. Es war ein Nutzbau. Das wenige Jahre vorher errichtete Pompeion-Gymnasion mit Peristyl-Hof und Banketträumen bot sich als Vorbild an (Abb . 7). Der Schulbau als Kunstwerk Der Entwurf (Abb 21) lässt einen Fachmann erkennen. Denn die genannten Räumlichkeiten sind in eine sinnvolle Ordnung gebracht und genügen zudem ästhetischen Ansprüchen. Die geforderten Räume bilden einen geschlossenen Baukörper. Die Bibliothek als Ort des gesammelten Wissens ist ein herausragender Baukörper und Mittelpunkt der Anlage. Kleine Räume beiderseits der Bibliothek sind um winzige lichtbringende Höfe gruppiert. Die grösseren Räume öffnen sich zur Nordhalle eines Peristyls, das einen langrechtigen Hof umschliesst. Vorbild war das schon genannte Pompeion (Abb . 4) in seiner älteren, bescheidenen Fassung ohne repräsentatives Propylon. Der schlichte Philosophen-Schulbau unterschied sichvon den aufwendigen Marmorbauten der Epoche Ly- Abb 20 Akademie. Die 1,60 m breiten Mauern im zentralen Saal (Bibliothek) halte ich für Teile des Sockels, auf dem (wie in der Bibliothek im Pergamon) Bücherschränke aus Holz für die Schriftrollen standen. Ritzlinien (hier über drei Steine zu verfolgen) geben die Tiefe der Schränke an (Foto Verf. 2015). Abb 21 Akademie. Hypothetische Rekonstruktion des Schulbaus von Platon. Das Wasserbecken im säulenumstandenen Hof (Peristyl) mit Boden aus opus spicatum scheint spätantik zu sein (Verf. 2002). <?page no="42"?> 42 Kapitel 4: Platon und seine Schule im Hain des Heros Hekademos in der nordwestlichen Vorstadt Athens kurg. Gemeinsam ist diesen Bauten das Streben nach Verwirklichung von Typenlösungen. Man denke an die Skeuothek des Philon im Piräus. Der Architekt ist vielleicht der nämliche, der wenige Jahre vorher das Pompeion ausgeführt hatte. Das war vielleicht Xenokles von Cholargos. 89 Es sei aber noch auf eine weitere Möglichkeit hingewiesen. Platon war Philosoph, Wissenschaftler, Mathematiker, Erfinder, Wortschöpfer (DL 3,24), Gesetzgeber 90 und Dichter. Es sollte uns nicht wundern, wenn er auch als ἀρχιτέκτων tätig war und den Plan für die seine philosophische Schule selbst entwarf. Platon verfügte zweifellos über alle Fähigkeiten, die der Beruf des ἀρχιτέκτων erforderte 91 : ein hervorragendes Gedächtnis, um Formen, Proportionen und Zahlen zu speichern. Kombinationsgabe und die seltene Fähigkeit, dreidimensionale Formen zu konzipieren, beweist allein seine Beschäftigung mit den Fünf Platonischen Körpern (S.-45). Auschlaggebend aber mag sein, dass Platon den ἀρχιτέκτων als Denker charakterisiert. Dazu Philodem: καὶ τῶν μαθημάτων ἐπίδοσις πολλὴ κατ’ ἐκεῖνον τὸν χρόνον ἀρχιτεκτονοῦντος μὲν καὶ προβλήματα διδόντος τοῦ Πλάτωνος, ζητούντων δὲ μετὰ σπουδῆς αὐτὰ τῶν μαθηματικῶν. in jener Zeit gab es auch einen grossen Fortschritt bei den mathematischen Wissenschaften, wobei Platon wie ein ἀρχιτέκτων agierte und die Aufgaben vorgab, die dann die Studenten mit Eifer studierten. 92 In diesem Sinn, als schöpferischer Denker oder Erfinder benutzt Platon das Wort in einem Spätwerk. Im Staatsmann 259E sagt der Ξένος (der hier die sonst übliche Stelle des Sokrates einnimmt): Καὶ γὰρ ἀρχιτέκτων γε πᾶς οὐκ αὐτὸς ἐργαςτικός, ἀλλὰ ἐργατῶν ἄρχων. der archtitekton ist nicht selbst Arbeiter, sondern gebietet den Arbeitern. Und zwei Zeilen weiter: Und gibt also doch seine Einsicht dazu her, nicht seiner Hände Arbeit. Und weiter: Mit Recht also würde man sagen, er habe Teil an der bloss einsichtigen Erkenntnis. Im Staatsmann geht es um die Definition des Staatslenkers (besser als das Wort Staatsmann), und in sokratischer Manier wird ein Weber-Gleichnis und ein Hirten- Gleichnis bemüht, aber eben auch, und zwar gleich am Anfang, ein ἀρχιτέκτων-Gleichnis. Der Dialog geht vermutlich zurück auf das Gespräch mit Dion in Olympia (360 BCE) und ist bald danach entstanden. Denn offensichtlich wollte Platon seinem Freund, der sich entschieden hatte, mit Söldnern Syrakus vom Tyrannen zu befreien, daran erinnern, was sein Lehrer vom Staatslenker erwartet. Noch deutlicher wird Aristoteles pol. 7,3,5: μάλιστα δὲ καὶ πράττειν λέγομεν κυρίως καὶ τῶν ἐξωτερικῶν πράξεων τοὺς ταῖς διανοίαις ἀρχιτέκτονας. Wir nennen denn auch vorzugsweise handelnd - selbst in Bezug auf die äusseren Handlungen - jene, die in ihrem Denken Baumeister sind. Platon sieht den Architekten nicht als Künstler, sondern als phantasiebegabten Denker. Ihm fühlt er sich verwandt. 93 Bibliothek und Bücher Die Bücher der Pythagoreer, die Platon während des ersten Aufenthaltes in Sizilien für eine sehr hohe Summe erwarb (DL 3,20), blieben vermutlich in seinem Privatbesitz. 94 Als Lehrer der Philosophie war Platon jedenfalls auf eine grosse Bibliothek seiner Schule angewiesen. Fachbücher, Schriften zu Philosophie, Mathematik, Geometrie und Astronomie, müssen erworben worden sein. Und natürlich mussten Neuerscheinungen bestellt und gekauft werden. Die Zahl von mehreren tausend Schriftrollen ist sicher nicht übertrieben. Aufbewahrt wurden die Rollen in Holz verkleideten Nischen auf den Langseiten des Bibliothekssaales (die an Ritzlinien auf den erhaltenen Mauern noch immer kenntlich sind). Diese Nischen waren in Reihen übereinander angeordnet. Zu (hellenistischen) Bücherschränken in Form einer Aedicula habe ich mich früher geäussert. 95 Ein Verzeichnis der Werke von Platon, die in der Bibliothek seiner Schule vollständig vorhanden sein mussten, gibt es bei Diogenes Laertius nicht. Nach der Liste von Wilamowitz-Moellendorff waren es allein 26 Dialoge. 96 Alle Werke waren veröffentlicht und kursierten in Abschriften. Von Arkesilaos, später einer seiner Nachfolger als Haupt der Akademie-Schule, sagt Diogenes Laertius 4,32.33: ἐῴκει δὴ θαυμάζειν καὶ τὸν Πλάτωνα καὶ τὰ βιβλία ἐκέκτητο αὐτοῦ auch bewunderte er Platon und war im Besitz seiner Bücher. Auch Xenophon hatte als Privatmann zweifellos Platons Bücher in Form von Kopien erworben, denn er behandelte dieselben Themen und es treten auch dieselben Personen auf. Allerdings wird er in der Verbannung, als er auf einem Gut nahe von Olympia wohnte, nicht alle Schriften erreicht haben. Kein Wunder jedenfalls, dass das Verhältnis zwischen beiden Literaten gespannt war (DL 3,34). Der kritische Walther Burkert spricht von Unstimmigkeiten in Xenophons Text, von einem merkwürdig ungleichmässig durchgearbeiteten Sammelwerk, zu dem ursprünglich auch die Hauswirtschaftslehre gehörte...Exzerpt, Erfindung, echte ‚Erinnerung’ genauer abzugrenzen, bleibt eine überaus heikle Aufgabe. 97 <?page no="43"?> 43 Kapitel 4: Platon und seine Schule im Hain des Heros Hekademos in der nordwestlichen Vorstadt Athens Alfred Gercke hat in seinem Aufsatz über Aristoteles in der Realenzyklopädie Strabons abenteuerliche Darstellung vom Schicksal der Bücher und Bibliotheken der Philosophen zurückgewiesen. Der Strabon-Kenner Stefan Radt hat ihm unlängst Recht gegeben. 98 Seit Platon und noch in der späten Kaiserzeit waren gute Bibliotheken Voraussetzung jeder Forschung. Und wir sehen, dass Bibliotheksbauten die hervorgehobenen Baukörper der philosophischen Schulen waren. Platon organisiert einen Peripatos in der Akademie Viele Quellen belegen, dass es nicht nur im Lykeion-Bezirk, sondern auch in der Akademie einen Peripatos gegeben hat, und dass - wie eingangs dargelegt - die Akademiker die peripatetische Lehre pflegten. Adolf Busse: Endlich ist, wie schon angedeutet, die überlieferte Gewohnheit, bei der philosophischen Unterhaltung auf und ab zu gehen, nicht eine Eigenart des Aristoteles, sondern allgemein verbreitet gewesen. 99 In diesem Zusammenhang ist auch ein Papyrus wichtig, der mit anderen Papyri eine private Bibliothek mit 2000 Rollen bildete, die schon 1752/ 54 in der Villa des Piso in Herculaneum entdeckt worden war. Teile der verkohlten, nur bruchstückhaft lesbaren, aber dank philologischer Gelehrsamkeit weitgehend rekonstruierten Schriften stammen aus der Feder des epikureischen Philosophen Philodem aus Gadara (1. Jh. BCE), der ein Freund des Hausherrn Piso war. Diese Papyri sind aufschlussreich, weil Philodem einige bislang unbekannte Quellen zur Akademie nutzte. 100 Das Fragment 171 gehört zu einer Reihe undatierter Briefe Epikurs, der aus seiner Ablehnung der Philosophie seiner grossen Vorgänger keinen Hehl macht. Er behandelt zunächst die Jugend des Aristoteles, dann heisst es: ...ἀναπεπταμένου τοῦ Πλάτωνος περιπάτου πᾶσι παραβαλεῖν αὑτόν ...weil der Peripatos von Platon allen zugänglich war, trat (Aristoteles) bei... Schwerlich hätte Epikur, der zu den frühen und deshalb wichtigen Zeugen zählt, die Schule (nicht das Gebäude) als Peripatos bezeichnet, wenn es dort nicht schon zur Zeit des Gründers einen Peripatos für die ambulatorische Lehre gegeben hätte. Diese und weitere Formulierungen lassen vermuten, dass für Platon das ambulatorische Lehren einen hohen Stellenwert hatte. Es kann sich also nicht um irgendeine als Peripatos genutzte Strasse handeln. Dieser Peripatos muss ein eigens für die Lehre angelegter Weg in der Nähe des Lehrgebäudes gewesen sein. Bei Diogenes Laertius 3,7 wird Eupolis zitiert: … ἐν εὐσκίοις δρόμοισιν Ἑκαδήμου Θεοῦ … … auf den schattigen Wegen des Gottes Hekademos … Und an gleicher Stelle sagt Timon über Platon, dass dessen Worte wie der Gesang der Zikaden von den Bäumen der Akademie erschallen. Der Peripatos bei der Akademie, so folgern wir, führte am Ufer des Eridanos entlang, wo Ulmen und Pappeln den erwünschten Schatten spendeten (Abb 16). Wir besitzen ein hellenistisches, wichtige Einzelheiten verratendes Dokument: Ich meine das berühmte Philosophenmosaik aus einer Villa bei Torre Annunciata (heute im Nationalmuseum Neapel) (Abb 22). Das Bild zeigt (anders als bei Karl Schefold geschildert 101 ) das parkartige Gelände in der baumreichen Akademie. In einiger Entfernung ist die Stadt Athen mit ihren Stadtmauern zu sehen. Wir befinden uns ausserhalb der ummauerten Schule Platons. Links ist ein Tor zu sehen, das nur das der Akademie sein kann. Ein Baum steht für die baumreiche Akademie (Plut. Kimon 13). Weil die Exedra, die halbrunde Sitzbank, ein Kennzeichen der Philosophenwege ist, dürfen wir in der dargestellten Szene den Peripatos in der Akademie erkennen. Sieben Philosophen haben ihren Rundgang bei einer Exedra unterbrochen und diskutieren eine bestimmte Passage, wie die geöffneten Schriftrollen zeigen. Platon könnte der alte Mann auf der Sitzbank sein, und in dem sich rechts von der Gruppe abwendeten jüngeren Mann glaubt man Aristoteles zu erkennen. Zur Staffage gehören eine Capsa, ein Kasten für Buchrollen, ein Globus (? ) und eine Sonnenuhr auf einem Pfeiler (S.-33). Hauptgrund für Platon, seine Philosophenschule an dieser Stelle in der Akademie anzulegen, war zweifellos die Nähe zum Akademie-Gymnasion. Die Athener sahen in Platon einen Lehrer der Jugend. Daneben mag auch die Möglichkeit eine Rolle gespielt haben, in der Nähe einen stillen Rundweg als Lehrpfad anzulegen. Alles spricht dafür, dass Platon als erster die systematische peripatetische Lehre mit einem so benannten Peripatos einführte. Im Wörterbuch Lidell and Scott (7. Auflage 1996) sind in chronologischer Reihenfolge alle Nennungen und Bedeutungen des Substantivs Peripatos aufgeführt. 102 Dort genannte Quellen belegen, dass diese Art der Lehre in der Akademie eine zentrale Rolle spielte. Philodem von Gadara (Diokles? ) sagt über Speusippos, den Neffen und Nachfolger Platons in der Akademie: 103 ἔτη ỏκτὼ κατασχὼν τὸν περίπατον. acht Jahre nutzte er den Peripatos. Von Polemon (seit 316 Haupt der Akademie) berichtet Diogenes Laertius 4,19, dass er sich nicht einmal hinsetzte bei der Besprechung der Thesen (seiner Schüler), sondern die Peripatoi in Anspruch nahm (R. D. Hicks in Ausgabe Loeb übersetzt sehr schön: ... but would argue walking up and down.). <?page no="44"?> 44 Kapitel 4: Platon und seine Schule im Hain des Heros Hekademos in der nordwestlichen Vorstadt Athens „Platon und die Geometrie“ (K . Popper) Über der Tür zu Platons Akademie soll zu lesen gewesen sein: ΜΗΔΕΙΣ ΑΓΕΩΜΕΤΡΗΤΟΣ ΕΙΣΙΤΩ Kein Eintritt für der Geometrie Unkundige (Abb . 21). Zweifel am hohen Alter dieser legendären Inschrift äussert H. D. Saffrey. 104 Fest steht aber, dass Platon schon seit seiner Jugend die Pythagoreer bewunderte. In diesen Zusammenhang gehört die Bemerkung bei Plutarch, Dion 14, dass in Syrakus befürchtet wurde, Platon könne den Herrscher Dionysios dazu überreden, in der Akademie (im fernen Athen) das geheim gehaltene höchste Gut zu suchen und durch die Geometrie glücklich zu werden. 105 διὰ γεομετρίας εὐδαίμονα γενέσθαι. Platon lässt in dem nach 360 entstandenen Dialog Timaios 54E bis 55E den Philosophen aus Lokri auftreten und die Welt erklären. Sie besteht nach den Vorstellungen der Pythagoreer aus kleinen, unsichtbaren Atomen. Diese sind geometrische, regelmässige Körper, zusammengesetzt aus kongruenten Vielecken. Es gibt nur 5 Platonische Körper von grösstmöglicher Symmetrie (Abb 23). Es können nämlich in einer Ecke nicht mehr als 5 Kanten zusammenstossen, weil bei mehr als 5 Kanten ein räumliches, regelmässiges Gebilde nicht mehr möglich ist. 106 Die Namen dieser fünf Platonischen Körper entsprechen der Anzahl ihrer Flächen. Es sind: Tetraeder, der Vierflächner aus 4 gleichseitigen Dreiecken mit 4 Ecken und 6 Kanten; Hexaeder, Sechsflächner aus 6 Quadraten mit 8 Ecken und 12 Kanten (Würfel); Oktaeder, Achtflächner aus 8 gleichseitigen Dreiecken mit 6 Ecken und 12 Kanten; Dodekaeder, Zwölfflächner aus 12 gleichseitigen Fünfecken mit 20 Ecken und 30 Kanten; Ikosaeder, Zwanzigflächner aus 20 gleichseitigen Dreiecken mit 12 Ecken und 30 Kanten. Die Pythagoreer unterschieden zwischen Tetraeder, Hexaeder und Dodekaeder. Das Oktaeder wurde möglicherweise noch nicht beachtet, weil es als Doppelpyramide angesehen wurde. Der Athener Theaitetos (ca. 427- 347 BCE) kannte auch Oktaeder und Ikosaeder. Er bewies, dass es nur fünf reguläre Polyeder geben kann. Eva Sachs, Schülerin von Wilamowitz-Moellendorff, hat vor genau hundert Jahren das wichtigste Buch über Bedeutung und Wirkung der Platonischen Körper verfasst. 107 In Platons Werk Timaios 53c-57c wird die Einzigartigkeit, Schönheit und Symmetrie dieser Körper als ideale Abb 22 Das Philosophen-Mosaik aus einer Villa bei Torre Annunciata zeigt eine Szene am Peripatos der Akademie. Sieben bärtige Philosophen, unter ihnen Platon und Aristoteles, sitzen auf oder stehen neben einer Rundbank (Exedra) und diskutieren. Im Hintergrund die Mauern von Athen, links das Tor zur Akademie (Neapel, Museo Nazionale, Inv.Nr. 1214545). <?page no="45"?> 45 Kapitel 4: Platon und seine Schule im Hain des Heros Hekademos in der nordwestlichen Vorstadt Athens Vorbilder der Natur hervorgehoben. Jeder Polyeder hat einen Mittelpunkt, der Mittelpunkt zweier Kugeln ist: eine äussere berührt alle Ecken, eine innere in der Mitte alle Kanten. In Platons philosophischen System haben die regelmässigen Polyeder einen hohen Stellenwert. Er brachte sie mit den Grundelementen des Kosmos in Verbindung. Timaios: die Atome des Feuers haben die Form der Tetraeder und die der Luft die Form der Oktaeder. Das perlende Wasser hat Atome in Form der Ikosaeder. Und an anderer Stelle heisst es, dass die Atome der Erde die Form von Würfeln haben. 108 Timaios 33B: Demjenigen lebendigen Wesen, das alles andere Lebendige in sich fassen soll (Gott), dürfte nun wohl auch eine Gestalt angemessen sein, die alle anderen Gestalten in sich fasst. Deshalb drehte er (Gott) sie denn auch kugelförmig, so dass sie von der Mitte aus überall gleichweit von ihren Endpunkten entfernt war, nach Massgabe der Kreisform, die von allen Gestalten die vollkommenste und am meisten sich selber gleiche ist, indem er das Gleiche für tausendmal schöner als das Ungleiche hielt (Ü: F.-Susemihl). Der Vollkommenheit des Kreises schien es zu widersprechen, dass Umfang und Fläche sich nicht in entsprechend einfachen, glatten Zahlen ausdrücken lassen. 109 Der Philosoph Karl R. Popper hat in seinem letzten Buch in einem eigenen Kapitel mit dem oben genannten Titel die Frage aufgeworfen, wie Platon zeichnerisch einen Näherungswert für die Zahl π ermitteln konnte. 110 Er vermutet, dass Platon bekannt war, dass √2 +√3 fast genau dem Wert π entspricht. Der Satz des Pythagoras (mit dessen Hilfe sich aus den Strecken 3, 4 und 5 absolut genau rechte Winkel konstruieren lassen, wie schon die Babylonier wussten) legt das nahe. Aristoteles hat sich später von den Deutungen, die sein Lehrer Platon den geometrischen Figuren beilegte, distanziert. 111 Platons Bildnis in der Akademie Diogenes Laertius 3,25 schreibt: Im ersten Buch der Denkwürdigkeiten des Favorin findet sich die Bemerkung, dass der Perser Mithridates, des Orontobates Sohn, ein Bild des Platon in der Akademie aufstellte mit der Inschrift: „Der Perser Mithridates, des Rhodobatos Sohn, hat den Musen das Bild des Platon aufgestellt, Silanion hat es gemacht. Leider ist über diesen Mithradates, der ein Schüler Platons gewesen zu sein scheint, nichts und über den Künstler Silanios nur wenig bekannt. Fachleute sehen in diesem Werk, das um 370 entstand und nicht erhalten ist, das wichtigste Portrait des Philosophen, das andere Repliken beeinflusste. 112 Platons privates Gärtchen Platon hielt sich nach der Rückkehr nach Athen, sagt Diogenes Laertius 3,7, in der Akademie auf. Dass er dort auch gewohnt habe, steht nicht im griechischen Text. 113 Es gab dort keine privaten Räume und allein die Vorstellung, dass sich dort Frau und Kinder aufhielten, ist ein Unding. Wenn es heisst, Platon habe nach seiner Rückkehr seine philosophischen Studien zunächst in der Akademie betrieben (gemeint ist von ihm dort gegründete Schule) und dann im Garten am Kolonos (Hippios), so ist mit diesem Garten ausserhalb der Akademie sein privates Haus gemeint, wie schon Judeich a.O. 44.45 vermutete. Der 56 m hohe Hügel (Kolonos bedeutet Hügel) grenzt an die Akademie, so dass Platon die Schule in der Akademie in wenigen Minuten erreichen konnte. An anderer Stelle ist von einem κηπίδιον, einem Gärtchen die Rede (DL3,20). Platon habe für die Summe von 3000 Drach- Abb 23 Die fünf Platonischen Körper sind von regelmässigen Vielecken begrenzte Polyeder (Vielflächner). Platon geht in seinem Spätwerk Timaios auf Polyeder als Bausteine der Elemente ein (H. Wussing). <?page no="46"?> 46 Kapitel 4: Platon und seine Schule im Hain des Heros Hekademos in der nordwestlichen Vorstadt Athens men (oder 2000 Drachmen), die Dion gegeben habe, das κηπίδιον αὑτῷ τὸ ἐν Ἀκαδημεία πρίασθαι Gärtchen in der Akademia gekauft. Mit Akademie ist hier der Stadtbezirk gemeint. Die genannte Summe hat sicher zum Kauf eines Grundstücks in der nördlichen Vorstadt ausgereicht. Im Übrigen kann Platon (der aus vornehmer Familie stammte) kein armer Mann gewesen sein, wenn er sich zehn Jahre in Unteritalien aufhielt und dort nicht als Bettler oder als Lehrer auftrat. Die Geschenke, die er später von dem steinreichen Freund und Schüler Dion erhielt, lassen aber sein Testament (DL 3,41.42) trotzdem nicht wie das eines Reichen aussehen. Diese neue Theorie von Platons Wohnhaus entspricht ausgezeichnet der Anekdote, auf die Ioannis Dillon hinweist. 114 Dort heisst es, Aristoteles habe den schon vergesslichen, 80jährigen Platon zu einem Rededuell herausgefordert. Verärgert habe Platon den Peripatos (bei der Schule) Aristoteles überlassen und habe in seinem eigenen Garten Philosophie betrieben. Dillon betont, dass die von Aelian überlieferte Anekdote wohl erfunden sei, dass sie aber zeige, dass die Philosophen private Häuser mit Garten besessen hätten, die immerhin gross genug waren, dort im kleinen Kreis Philosophie zu lehren. Platons letzte Nacht Der schon oft genannte Philodem aus Gadara berichtet als einziger von Platons letzter Nacht. 115 Er beruft sich auf Neanthes und dieser auf den Astronomen Philippos von Opus, der als Platons Sekretär in seiner letzten Nacht bei ihm war. Platon hatte einen Chaldäer (eines semitisch aramäischen Volksstammes) bei sich aufgenommen. Dessen Zaubergesänge sollten Platons Fieber vertreiben. Er wurde von einer Flöte spielenden Thrakerin begleitet. Nun spielte sich, wie Konrad Gaiser bemerkte und kommentierte, eine Szene ab, die Platon als einen Kenner von musikalischen Rhythmen ausweist. Als es hiess, unrhythmisch ist das Ohr wohl des Barbarenlands, das so die Schwünge aufzunehmen nicht vermag, freute sich Platon sehr über dieses Zitat aus einer Tragödie. Er war heiterer Stimmung, als die Seele seinen Körper verliess. Platon starb im Jahr 348 BCE. Es war das Jahr, in dem Philipp II. mit der Zerstörung von Olynth das makedonische Zeitalter Griechenlands zementierte. Attalos, Lakydes und das Lakydeion Der pergamenische Herrscher Attalos I. (241-197 BCE) nutzte die Schwäche der Seleukiden und machte in wenigen Jahrzehnten rastlosen Einsatzes aus dem lokalen Fürstentum ein mächtiges Reich, das weite Teile Kleinasiens umfasste. Attalos siegte über die gefürchteten Horden der Galater, nahm den Königstitel an und vertrat die Interessen Roms. 116 Als Freund der Athener wurde er bei einem Besuch in der Stadt hoch geehrt. Diogenes Laertius 4, 59-61 berichtet, dass Attalos den Philosophen Lakydes aus Kyrene, der damals die Akademie leitete, zu sich rief. Gemeint ist wohl, dass Lakydes an seinen Hof nach Pergamon kommen sollte. Der Philosoph lehnte mit der Bemerkung ab, dass man Statuen aus der Entfernung betrachten solle. 117 Dennoch zeigte sich der Monarch überaus grosszügig. Ὁ γοῦν Λακύδης ἐσχόλαζεν ἐν Ἀκαδημεία ἐν τῷ κατασκευασθέντι κήπῳ ὑπὸ Ἀττάλου τοῦ βασιλέως, καὶ Λακύδεῖον ἀπ’ αὐτοῦ προσηγορεύετο Lakydes lehrte in der Akademie in dem von König Attalos hergestellten (gebauten) Garten, von dem die Bezeichnung Lakydeion herkommt. Wenn Diogenes Laertius an anderer Stelle, zu Beginn seiner Ausführungen über Lakydes sagt, dass dieser der Schöpfer der „neuen Akademie“ war, so denken Philologen an eine neue philosophische Richtung. Aus dem Text bei Diogenes Laertius geht aber hervor, dass Attalos dem von ihm offensichtlich hochgeschätzten Philosophen ein neues Schulgebäude, einen Garten mit Bauten einrichtete. Wir wissen nicht, ob der neue Garten einen baufälligen alten Garten ersetzte oder ob die königliche Stiftung ein Institut nahe dem alten war. Cicero mit Freunden in der Akademie Im Jahr 87 BCE hatte Sulla Athen belagert, die Vorstädte verwüstet und die Bäume der Akademie fällen lassen, um Belagerungsmaschinen zu bauen. Acht Jahre später besuchte Cicero mit Freunden die Akademie-Gegend, um den Philosophen zu huldigen. Die gebildeten Freunde beschwören den genius loci, und gefallen sich darin, die Namen der berühmten Akademiker zu nennen. 118 In manchen Örtlichkeiten liegt eine grosse Kraft, uns Erinnerungen wach zu rufen … Platons Schulbau existierte damals noch, und es wurde dort auch gelehrt. Denn Cicero (Buch 7, Brief 1, 25.26) schreibt an seinen Freund Attikus: Equidem valde ipsas Athenas amo... Ich liebe Athen als Stadt über alles und wünsche dort ein Erinnerungsmal an mich, doch hasse ich gefälschte Inschriften unter fremden Statuen. Cicero erwog, dem Museion der Akademie ein Propylon zu stiften. Dazu kam es nicht, aber wir entnehmen dieser Bemerkung, dass das bescheidene Museion kein Propylon, sondern nur eine einfache Tür hatte. Das stimmt bestens mit den Untersuchungen von Stavropoulos überein, denn es fanden sich keine Spuren eines Propylon- Fundamentes. <?page no="47"?> 47 Kapitel 5: Aristoteles in Platons Schule und Plan einer Philosophenstadt in Assos Aristoteles’ Jugend und Lehrjahre Die Lebensdaten des berühmtesten Philosophen, des vielseitigen Wissenschaftlers und des Erziehers des jungen Alexander hat Diogenes Laertius 5,9-11 nur in äusserst knapper Form festgehalten: Geboren wurde Aristoteles 384 BCE in der nicht unbedeutenden Stadt Stageira nahe der Dreifinger-Halbinsel Chalkidike. 119 Er stammte aus einer begüterten Familie mit engen Kontakten zum makedonischen Hof. Sein Vater Nikomachos war Leibarzt des Königs, und so mag es stimmen, dass Aristoteles als junger Mann mit Pharmazeutika zu handeln versuchte, wie Epikur hundert Jahre später in einem Brief schrieb. 120 Im Alter von 17 Jahren ging Aristoteles nach Athen und schloss sich Platon an. 20 Jahre lernte und lehrte er in der Akademie. 121 Politisch waren diese Jahre geprägt durch den unaufhaltsamen Aufstieg Makedoniens. In Athen wetterte Demosthenes gegen die Machtgelüste Philipps II. Die Spannung zwischen freundlichen Gefühlen für makedonische Granden und Loyalität gegenüber seiner Wahlheimat Athen sollten Aristoteles sein ganzes Leben begleiten. In einem Philippos genannten Sendschreiben hatte der Redner Isokrates, der zu den Weisen der Stadt gehörte (S.-50), Philipp aufgefordert, die Griechen in den Kampf gegen Persien zu führen. So geschah es tatsächlich. Philipp II. liess sich 336 vom Korinthischen Bund zum Strategen wählen und schickte seine Generäle Parmenion und Attalos mit einem Vorkommando von 10 000 Mann nach Kleinasien. Aristoteles hat seiner Schrift Politik sehr eigene Vorstellungen vom idealen Staat entwickelt. Noch ausführlicher geht er im Dialog Gesetze auf Einzelheiten des Zusammenlebens der Menschen ein. Dort weist er den Frauen, wohl gemerkt den Bürgerinnen, eine modern anmutende Stellung in der Gesellschaft zu. In beiden Werken vertrat er die Auffassung, dass sich nur im überschaubaren Stadtstaat seine auf ἀρετή (Tugend) beruhenden Ideale verwirklichen lassen. 122 Das hat man kritisiert. Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff geht in seinem Buch Aristoteles und Athen mit dem Verfasser des Staates sogar hart ins Gericht. Auf einer einzigen Seite nennt er Platons Staat dreimal „kümmerlich“ und spricht sogar von einem „halb kommunistischen“ System. 123 Diese Schriften seien entstanden, als Alexander im Osten von Eroberung zu Eroberung eilte, und damit stünden sie im Kontrast zur politischen Wirklichkeit. (Die politische Wirklichkeit von Wilamowitz-Moellendorff war das Deutschland nach 1871, das nunmehr als Flächenstaat eine grosse Zukunft erwarten liess.) Der Philologe Werner Jaeger, der begabte und berühmte Schüler von Wilamowitz-Moellendorff, hatte eine andere, die Dinge geradezu auf den Kopf stellende Sicht: In seiner Studie Aristoteles.Grundlegung einer Geschichte seiner Entwicklung (1. Auflage Berlin 1923) verlegte er die Abfassung der bedeutenderen Dialoge in eine viel frühere Zeit. Aristoteles habe sich in den 13 Jahren seiner Tätigkeit im Garten der Musen ausschliesslich der Lehrtätigkeit gewidmet. 124 Platon habe, so schreibt Jaeger, im Phaidros die Unbrauchbarkeit des geschriebenen Wortes zur Übermittlung wahrer wissenschaftlicher Erkenntnis gelehrt. 125 Die uns von Aristoteles erhaltenen Lehrschriften seien keine vollendeten Bücher, sondern das Substrat dieser lebendigen Wirksamkeit unter seinen Schülern. Beweis für die Theorie von Jaeger soll eine für Fachleute erkennbare formale Unfertigkeit dieser Schriften sein. Die Bücher zur Schriftkritik füllen inzwischen Regale. Hier drängt sich die Frage auf, wann hat Aristoteles die grossen Werke wie die Politik, die Gesetze und das Sammelwerk mit der Darstellung von 159 Verfassungen ausgearbeitet? Wir antworten mit Jaeger: früher! Das kann nur eine Spanne der beiden Jahrzehnte sein, die er bei Platon in der Akademie verbrachte. Ich vermute, dass die genannten Werke damals geschrieben oder doch in den Grundzügen verfasst worden waren. Der Politiker Artistoteles hatte eine Verwirklichung dieser Ideen vor Augen, als er Hermias, den Herrscher von Atarneus kennenlernte, während dieser Vorlesungen in der Akademie hörte. Daraus wäre zu folgern, dass die grosse Bibliothek, die wir für Platons Institut archäologisch nachweisen können, auch Aristoteles diente. Aristoteles bei Hermias in Aterneus und Assos Hermias, der Herrscher über Atarneus und die umliegenden Küstenorte in Kleinasien, hörte Vorlesungen in der Akademie bei dem greisen Platon und auch bei Aristoteles, mit dem er Freundschaft schloss. Nach dem Tod Platons im Jahr 348 folgte Aristoteles der Einladung des Herrschers nach Atarneus. Ihn begleitete Theophrast aus <?page no="48"?> 48 Kapitel 5: Aristoteles in Platons Schule und Plan einer Philosophenstadt in Assos Eresos, der als junger Mann nach Athen gekommen war, um in der Akademie Philosophie zu studieren. Er war überaus begabt, avancierte zum Meisterschüler von Aristoteles und wurde bald sein Vertrauter. Diogenes Laertius schweigt zu diesen Vorgängen, aber der schon mehrfach erwähnte Philodem aus Gadara teilt Einzelheiten mit, so auch, dass früher schon zwei andere Philosophen seinem Ruf gefolgt waren. Offensichtlich wollte Hermias sein kleines Herrschaftsgebiet zu einem Zentrum der Philosophie und Wissenschaft machen. Es ging, wie es bei Philodem heisst, um das Wort Platons, um die Realisierung politischer Ideen. 126 In allen Quellen ist von einer bewundernswerten Grosszügigkeit des Gastgebers die Rede, der sich auch schon selbst als Philosoph bewährt habe. Hermias übte eine milde Herrschaft aus. Das soll heissen, dass hier in Atarneus im Gegensatz zu Syrakus, wo Platon gescheitert war, Aussicht auf Veränderung der Verhältnisse bestand. Dazu schreibt Philodem (Gaiser a.O.161 f.): Und er gab ihnen die Stadt Assos zum Wohnen. Gaiser fügt in Klammern hinzu (und Verwalten? ). Die gut befetigte Hafenstadt an der Küste gegenüber der Insel Lesbos wird von Strabon 13,1,57.58 beschrieben. Auf der Akropolis, einem 240 m steil emporragenden Trachytfelsen, liegen heute noch die Ruinen eines archaischen dorischen periperalen Tempels, des einzigen dieser Art in Kleinasien. Ausgrabungen der Jahre 1891 bis 1893 und die Publikation der Ergebnisse mit wunderbaren Zeichnungen von Robert Koldewey machten die Stadtanlage mit ihren Bauten bekannt. 127 Felsige Steilhänge erforderten künstliche Terrassen und trugen früh dazu bei, mehrstöckige Hallenbauten zu errichten (Abb . 24). Spuren haben die Philosophen in Assos nicht hinterlassen. Sie hatten kaum Zeit, sich einzurichten. Hermias wurde beim persischen Grosskönig Artaxerxes der Illoyalität bezichtigt. Bei Diodor 16,16,52,5 heisst es, er habe in einem Geheimabkommen Philipp II. einen Brückenkopf in der Äolis angeboten. Der misstrauische Grosskönig Artaxerxes III. kannte keine Gnade und liess Hermias ans Kreuz schlagen. Im Jahr 342 war der Traum vom philosophischen Zentrum in Assos ausgeträumt. Aristoteles mit Theophrast auf der Insel Lesbos Als Hermias sein Leben verwirkt hatte, mussten die griechischen Philosophen die Rache des persischen Satrapen fürchten und flohen nach Lesbos. Dorthin reichte der Arm des Grosskönigs nicht. Vermutlich war Theophrast nun Gastgeber und lud Aristoteles in seine Heimatstadt Eresos ein. An dieser Stelle fügt Alfred Gercke die Episode der Heirat von Aristoteles ein, obwohl es bei Diogenes Laertius heisst, dass schon Hermias seine Nichte Pythias dem Freund Aristoteles zur Frau gegeben hatte. Auf Lesbos erreichte Aristoteles der Ruf von König Philipp, die Erziehung des damals dreizehnjährigen Kronprinzen Alexander zu übernehmen. Im Jahr 341 reiste Aristoteles in die neue makedonische Hauptstadt Pella, um diese Aufgabe zu übernehmen. Abb 24 Assos. Heute Bayram Kale. Blick auf das Trümmerfeld der Agora. Vor einer Felswand mit Peristasis (Zwischenraum) die Rückwand einer der mehrstöckigen Hallen mit grossen Balkenlöchern für die Decke des Untergeschosses (Verf. 1978). <?page no="49"?> 49 Kapitel 6: Aristoteles in Makedonien Mit Alexander auf einem Peripatos in Mieza Aristoteles unterrichtete seinen Schüler Alexander in Mieza in der Landschaft Emathia. Die genaue Lage des Ortes, in dem es ein berühmtes Heiligtum der Nymphen gab, ist noch immer nicht bekannt. Beim heutigen Naousa, nicht weit von der alten Stadt Veria entfernt, muss das alte Mieza gelegen haben. In dieser Gegend, deren Boden beste Ernten gewährt, kamen prächtige makedonische Kammergräber ans Licht. Sie sind Zeugnisse des Reichtums der makedonischen Oberschicht. 128 Plutarch, Alexandros 7 berichtet, dass es ein Ort sei ὄπου μέχρι νῦν Ἀριστοτέλους ἔδρας τε λιθίνας καὶ ὑποσκίους περιπάτους δεικνύουσιν wo bis heute die steinernen Sitze von Aristoteles und schattige Peripatoi gezeigt werden... Dieser knappe Satz verrät mehr als nur die Tatsache, dass der Ort, an dem Aristoteles seinen Schüler Alexander unterrichtete, noch 300 Jahre später bekannt war. Die steinernen Sitze (oder Bänke) sind das, was an anderen Orten im Zusammenhang mit einem Peripatos Exedra genannt wird. So zeigt das schon erwähnte Philosophen-Mosaik aus Pompeji Philosophen der Akademie auf einer Exedra, die in Buchrollen lesen. Sitzplatz und Peripatos für die ambulatorische Lehre sind in einem Zusammenhang zu sehen. Das kann so verstanden werden, dass Lehrer und Schüler (es sind wohl selten mehr als zwei oder drei gleichzeitig) auf den steinernen Sitzen Platz nahmen, um eine Buchrolle, die sie mit sich führten, zu öffnen und eine bestimmte Passage zu lesen. Deren Inhalt wurde dann während des Gehens auf einem schattigen Peripatos diskutiert. Nach etwa einer halben Stunde nahmen Lehrer und Schüler wieder Platz und widmeten sich einer anderen Stelle der Buchrolle. Alexander soll später auf seinen Feldzügen die Werke Homers mit sich geführt haben. Die vielen Homer-Zitate im Werk von Plutarch, Alexander mögen Relikte der Dispute auf dem Peripatos in Mieza sein. Der begabte Schüler Alexander lernte nicht nur die Werke Homers und anderer Dichter kennen. Er wurde auch in die akromatischen und apoptischen Wissenschaften eingeführt, wie Plutarch an gleicher Stelle berichtet. Dabei handelt es sich um schwierige Geheimwissenschaften, wie sie beim dritten und letzten Grad der eleusinischen Mysterien vermittelt wurden. 129 Aristoteles mit Alexander in Pella Residenz des makedonischen Königreiches war die moderne Hafenstadt Pella. In den dortigen, auf einem Hügel über der riesigen Agora errichteten Palästen residierte Philipp, und wir dürfen annehmen, dass in den drei Jahren der Ausbildung Alexanders Lehrer und Schüler hier oft Gast waren. Leider wurden die Reste von Bauten der spätklassischen Zeit später überbaut und zerstört. Bemerkenswert ist ein Schwimmbad, dessen Wasser bei Bedarf über Hypokausten erwärmt werden konnte. Die Datierung weist, so versicherte uns die Ausgräberin Maria Siganidou bei einem Besuch der Ausgrabung, in die Zeit des jungen Alexander. 130 Das Haus des Dionysos in Pella: Oikia des Reichsverwesers Antipatros Wie aus dem Testament von Aristoteles hervor geht, war der in Pella residierende Reichsverweser sein bester Freund und Vertrauter. Als Mitglied einer Athener Gesandtschaft oder auch privat war Aristoteles in Pella und dort Gast in der Oikia von Antipatros. So mag es berechtigt sein, an dieser Stelle zu fragen, ob unter den bisher in Pella ausgegrabenen Grosshäusern die Oikia des Antipatros zu finden ist. Ich zitiere: In der Geschichte der Privat-Architektur der klassischen und der hellenistischen Epoche ist das ‚Haus des Raubes der Helena‘ und das ‚Haus des Dionysos‘ (beide benannt nach Mosaiken) einmalig in Bezug auf Grösse, monumentalen Charakter und Pracht. Das schrieben die Ausgräber Christos Makaronas und Eugenia Giouri in ihrer ausgezeichneten Publikation über die genannten prunkvollen Häuser südlich der Agora in der makedonischen Residenzstadt Pella. Dass das mehr als 3000 m 2 grosse Haus des Dionysos (Abb . 25) die Megale Oikia eines dort residierenden Regenten oder Königs sein könnte, wird in diesem Buch nicht gesagt. Die Ausgräber nehmen als Bauherrn ἐξέχοντες ἑταίρους hervorragende Gefährten (des Regenten) an. Ich meine jedoch, dass der Regent Antipatros selbst sich diesen riesigen Palast errichtete. Meine Argumente sind folgende: 1. Allgemeine Umstände: Antipatros war von Alexander als ἀντιβασιλεύς (Regent, Reichsverweser) in Makedonien eingesetzt und später mit grössten Vollmachten bestätigt worden (Diodor 18,39). Antipatros herrschte 16 Jahre bis zu seinem Tod im Jahr 319 BCE. Natürlich musste er seiner Stellung entspre- <?page no="50"?> 50 Kapitel 6: Aristoteles in Makedonien chend eine repräsentative Oikia bewohnen. Es wäre aber Blasphemie, wenn Antipatros aus dem Schatten Alexanders herausträte und den Königs-Palast auf dem Hügel der Akropolis für sich selbst beansprucht hätte. Ein räumlicher und wertmässiger Abstand sollte gewahrt werden. 2. Datierung und Lage: Die Funde und Bauformen des Hauses des Dionysos deuten, wie die Ausgräber und Mosaik-Spezialisten feststellten, fraglos auf eine Bauzeit im letzten Drittel des 4. Jhs. Das Haus liegt an hervorragender Stelle in der Mitte der Südseite der Agora und bedeckt eine Fläche von 3160- m 2 . Die Lage an der grossen Agora zeugt davon, dass der Bauherr wie die Bürger der Stadt wohnen wollte. 3. Form und Funktion der Räume: Kenner wundern sich über die ungewöhnliche Breite der Insulae (Baublöcke). Statt der üblichen 30 bis 35-m (100 Fuss) messen sie hier 47-m oder 150 Fuss. So wurde Raum für ein repräsentatives Peristyl mit einem 17m breiten Hof gewonnen. Wie andere königliche Paläste besteht auch dieser aus einem Repräsentations-Trakt mit eigenem Peristyl und einem etwas kleineren, aber qualitativ ebenso hochwertigen Privat-Trakt. 4. Prachtvolle Ausstattung mit teilweise signierten Mosaiken (Abb 26). Dreiraumgruppe: Speiseräume für Herrscher und Herrscherin: Im Repräsentationstrakt nimmt eine ‚Dreiraumgruppe‘ die westliche Seite ein (Abb 25, 26). Zwei gleiche Banketträume für je 15 Klinen (innen Seitenlänge 8,70 m, Klinenlänge 1,90 m) hatten Böden mit prächtigen Bildmosaiken, von denen eines erhalten ist. Nach der dortigen Darstellung des Dionysos auf einem Panther (heute im Museum Pella) benannten die Ausgräber das Haus. Es fällt auf, dass diese Dreiraumgruppe der königlichen Dreiraumgruppe im Festhaus in Aigai (Abb 31) genau gleicht. Wie dort so auch hier kommen für diese anspruchsvollen Ensembles nur höchste Würdenträger (König und Königin) als Nutzer in Frage. R. Ginovès und A. Guimier-Sorbets wiesen in einem überzeugenden Aufsatz auf die ungewöhnliche geometrische Form des fast quadratischen Bodenmosaiks im Vorraum der Dreiraumgruppe in Pella hin. Das Mosaik besteht aus ineinander geschachtelten schwarzen und weissen Quadraten (Abb 26). Das ist die Spiegelung einer Decke mit einer voute „Galate“, einem Übereck-Gewölbe, wie es in Kleinasien nicht selten vorkommt. Bei dortigen Decken quadratischer Grabkammern haben hölzerne Balken die ungeheure Last des Erdreichs eines Tumulus zu tragen. Die Übereckstellung dieser Balken erlaubt die Verwendung von mehr als 25% kürzeren und so auch stabileren Balken. Wie wir in Pella sehen, besteht hier bei dem erwähnten Vorraum für die Übereckstellung der Hauptbalken keine statische Notwendigkeit. Der Raum ist innen zwar immerhin 9,35 m breit und 8,75 m tief, aber es gibt keine Auflast, die den Gräbern in Kleinasien gleich käme. Hier ist das sternenförmige Gewölbe zu einer Schmuckform geworden. Aus der Kaiserzeit sind mehrere Beispiele solcher falscher Gewölbe mit über Eck gestellten Feldern bekannt. Berühmtes Beispiel Abb . 25 Pella. Das nach einem Mosaik benannte Dionysos-Haus war vermutlich die Oikia des Reichsverwesers Antipatros und bestand aus zwei Peristylen: Repräsentationstrakt links und Privattrakt (Verf. 2015). <?page no="51"?> 51 Kapitel 6: Aristoteles in Makedonien ist ein Grabtempel am Stadtrand des karischen Mylasa. 131 Die vor 320 BCE errichtete Decke in Pella ist bisher das älteste Beispiel einer solchen Schmuckform. Dürfen wir erwarten, dass eine Entsprechung von Boden und Decke auch bei anderen Räumen im Palast vorkam? Der Audienzsaal Bei dem weiter unten beschriebenen Prunkbau in der alten makedonischen Metropole Aigai, in dem Aristoteles und Alexander mutmasslich Gäste waren (Abb 31), hat das Fehlen eines Audienzsaals eine Zweckbestimmung als Palast ausgeschlossen, denn wie wir heute wissen, durfte in einem Palast ein solcher der Repräsentation dienender Saal für Empfänge, Audienzen und Konferenzen nicht fehlen. In Pella ist dieser Saal vorhanden, und es erstaunt nicht, dass es sich mit 15,35 m Breite und 10,45 m Tiefe (160 m 2 ! ) um den bei weitem grössten, in der Nähe des Eingangs liegenden Raum handelt. Die Lage auf der Nordseite des Hofes war für die Belichtung vorteilhaft. Auf der zum Hof weisenden Seite sind die Türschwellen ausgeraubt, aber die Steinlage darunter zeigt durch ihre grössere Tiefe als alle anderen Mauern, dass hier in dichter Folge und in ganzer Breite der Mauer Pfeiler angeordnet waren (Abb . 31). Diese schmalen Pfeiler sind ebenfalls ausgeraubt worden, denn solche Quader waren als Baumaterial begehrt. Aber an Ort und Stelle fanden die Ausgräber Bruchstücke kleinerer, nur 1,82 m hoher, 20 cm breiter und 90 cm tiefer Pfeiler einer Fensterwand. Sie waren aus grösserer Höhe herabgestürzt, können also ihren Platz nur über dem Hallendach des Peristyls gehabt haben. Es handelt sich also um eine zweigeschossige Fensterwand. Die Höhe dieses Audienzsaals kann mit 9-m geschätzt werden. Während die kostbaren Bildmosaiken, das des auf einem Panther reitenden Dionysos und das der Löwenjagd heute Prunkstücke im dortigen neuen Museum sind, blieb das aus schwarz-weissen Rauten bestehende Mosaik des Audienzsaals am Ort (Abb . 27) 132 Es besteht aus dicht verlegten, relativ grossen Kieseln mit flacher Oberseite. Ein ebenfalls schwarz-weisses Wellenband fasst das Rauten-Rechteck ein, und zum Rand des Saals folgt umlaufend ein 94 cm breiter Streifen aus weissen Tesserae. Es handelt sich dabei keinesfalls um eine Unterlage für Klinen, denn diese sind in den Banketträumen als erhabener Streifen ausgeführt. Ausserdem legt das Fehlen eines mittigen Bildfeldes eine andere Verwendung des Raumes nahe. Man blickte nicht vom Rand auf die Mitte, sondern bewegte sich auf dem geometrischen Feld. Der weisse Randstreifen hat eine andere Bedeutung: Er war für die Aufnahme einer Bank bestimmt, die aus Holz war, sicher eine Lehne hatte, und dem Mosaikstreifen entsprechend, sich an drei Seiten des Raumes entlang zog. Rauten sind ein beliebtes Muster in der Webkunst, und wir können uns vorstellen, dass im Winter über dem Abb 26 Pella. Der Repräsentationstrakt im Dionysos-Haus. Links die ‚Dreiraumgruppe‘ aus einem gemeinsamen Vorraum und zwei 15-Klinen- Speiseräumen für den Herrscher und für seine Frau. Oben der prunkvolle Audienzsaal mit anschliessendem Speisesaal mit 20 Klinen (Verf. nach Giouri). <?page no="52"?> 52 Kapitel 6: Aristoteles in Makedonien Mosaik ein Teppich mit gleichem Muster verlegt wurde. Noch vor wenigen Jahren, als in Griechenland Heizungen die Ausnahme waren, war es üblich, in der kalten Jahreszeit Teppiche auszulegen. Nach der Diskussion über Boden und Decke im Vorraum des königlichen Andron (S. 50) liegt die Vermutung nahe, dass das schwarz-weisse Rautenmosaik des Empfangsraumes, dessen starke Wirkung eine perspektivische Zeichnung verdeutlichen soll (Abb 28), in ähnlicher Weise bei der Gestaltung der Decke eine Rolle spielte. Aber schräg liegende, eine Raute bildende Deckenbalken sind auszuschliessen, weil sie bedeutend länger sein müssten als im rechten Winkel angeordnete Balken. Und mit mehr als 10 m gehört dieser Raum zu den grössten seiner Zeit. Die enorme Spannweite muss Probleme verursacht haben. Denn die maximale Länge der Deckenbalken bei stützenlosen Grossräumen betrug etwa 8.20- m. Dieser Wert kommt bei den grössten Banketträumen des Festhauses in Aigai vor (S. 59), und ein Blick auf die Stoai der frühhellenistischen Zeit, die Jim Coulton zusammengestellt hat, bestätigt diese Theorie. Die Schiffe von Stoen haben eine Spannweite bis zu 8,50-m. Nur die Nordwest-Halle in Thasos macht mit 12 m ohne Innenstützen eine Ausnahme. 133 Ohne eine Dreieck- Binderkonstruktion, vielleicht mit Hängesäule, war das Durchhängen der Deckenbalken nicht zu verhindern (das spezifische Gewicht von Hartholz liegt bei 1000 kg oder 1 Tonne). Eine ähnliche Konstruktion muss es auch bei dem 10,30 m breiten Audienzsaal in Pella gegeben haben. Wir kennen ein Beispiel von Innenraum-Konsolen bei einer Halle in Aegae südlich von Pergamon. Davon hat Richard Bohn eine Zeichnung vorgelegt. 134 Es ist möglich, dass solche Konsolen am Rand des Innenraumes in Pella verwendet wurden, um ein Äquvalent zu dem fast 1m breiten Randstreifen des Bodenmosaiks zu schaffen. In Pella wurden auf einer kleinen Insula direkt nördlich des Hauses des Dionysos und am Rand der Agora sehr viele Fragmente einer prachtvollen Stuckwand gefunden (Abb 29). Es hat den Anschein, dass sie dort nach dem Einsturz des Dionysos-Hauses als Schutt abgeladen wurden. Die Restauratoren hatten erkannt, dass es ursprünglich eine Sockelzone aus quadratischen Feldern gab, die oben von flachen roten Quadern abgeschloss. Über einem kleinen Gesims folgte die Wandzone aus lebhaft ockerfarbigen Quadern, die oben mit einem Gesims en- Abb 27 Pella. Das in situ erhaltene Boden-Mosaik des Audienzsaales besteht aus schwarz-weissen Rauten und einem 97 cm breiten Randstreifen aus weissen Tesserae (Verf. 2013). <?page no="53"?> 53 Kapitel 6: Aristoteles in Makedonien dete. Die Zone unter der Decke verblüfft mit einer Fensterwand. Die Felder zwischen schmalen weissen Pfeilern bestehen aus einer rot stuckierten Brüstung, über der überraschend blauer Himmel angedeutet ist. Diese Stuckwand, heute im Museum Pella rekonstruiert, scheint ursprünglich im Audienzsaal verbaut gewesen zu sein. Denn die Wände dieses repräsentativen Raumes waren gewiss nicht kahl oder auch nur einfarbig stuckiert. Die hoch gelegene Fensterwand mit Blick auf blauen Himmel, könnte eine Fortsetzung der realen Fenstwand auf der Südseite des Audienzsaals gewesen sein. Besucher sollten den Eindruck einer leichten sehr farbigen Architektur mit einer zeltartigen, auf Stützen ruhenden Decke haben. Im Westen des Audienzsaales führte eine Tür in einen 20-Klinen-Bankettraum, dessen hervorragende Bedeutung das berühmte Löwenjagd-Mosaik unterstreicht. Dieser Speiseraum bildet mit dem Audienzsaal eine Einheit. Ein gleiches Ensemble ist auch am Königspalast V in Pergamon zu erkennen. 135 Es war sicher eine hohe Ehre, wenn der Hausherr nach dem Empfang oder nach Besprechungen zum gemeinsamen Mahl in das benachbarte Speisezimmer bat. Der Prunkraum in Pella war ein kostbar ausgestatteter Audienzsaal, in dem der Regent Gleichgestellte, Gesandte, Minister, Boten und Bittsteller empfing. Das griechische Wort δέχομαι kommt schon bei Homer vor und bedeutet empfangen, steht aber auch weitergehend für gastliche Aufnahme. Die δεξίωςιϛ (Empfang, Begrüssung) bedeutet eigentlich die Darreichung der rechten Hand und ist ein Symbol für freundschaftliche Gesinnung. Wir erinnern uns, dass der Empfang von Gesandtschaften (πρεσβεία) der griechischen Städte, Alltag für den Herrscher war. In schwieriger Lage sollten Abgeordnete, unter denen oft Philosophen waren, Vergünstigungen erreichen. Nach Schilderungen bei Diogenes Laertius traten die Abgeordneten einzeln vor, um eine kurze Rede zu halten. Sie sassen offensichtlich auf langen, an der Wand stehenden Bänken. Der Herrscher hat vermutlich den Bittstellern gegenüber auf einem Stuhl Platz genommen. Berater mögen neben dem Herrscher gesessen haben. Ein Schreiber musste die abschliessenden Worte protokollieren. Der Beschluss wurde in der Kanzlei ausgearbeitet, das Ergebnis vom Herrscher bestätigt und den Adressaten zugeschickt. Wenn ein solcher Erlass günstig war, konnte er am Ort der Antragsteller auf Stein geschrieben in einem öffentlichen Raum aufgestellt werden. Eine Sitzgelegenheit für eine grosse Zahl Anwesender in Form an der Wand stehender Bänke kennen wir aus Gymnasien und auch aus einem Empfangs- und Konferenzsaal in Messene (2. Jh. BCE). 136 Ferner hat Hans Lauter eine δημοσία οἰκία (Bezeichnung nach Xeno- Abb 28 Pella. Der Audienzsaal bekam Licht über eine bemerkenswerte Fensterwand aus schmalen Pfeilern. Dem scheint gegenüber eine farbige Stuckwand mit Darstellung gleicher Elemente entsprochen zu haben (Rekonstruktionsversuch Verf. 2016). <?page no="54"?> 54 Kapitel 6: Aristoteles in Makedonien phon, Hell. 7,4,36) in Megalopolis untersucht, die der hier besprochenen Einheit sehr ähnlich ist. 137 Es sei noch erwähnt, dass im Haus des Dionysos-Mosaiks in Pella zahlreiche Dachziegel mit Stempel gefunden wurden. Manche tragen in zwei Zeilen die Aufschrift ΒΑΣΙ und ΑΝTI (Abb 30). Giouri interpretiert ΒΑΣΙ[ΛΕΩΣ] ΑΝΤΙ[ΓΟΝΟΥ]. Aber wie kam Antigonos dazu, in der makedonischen Königsstadt Pella (Strabon 16,2,10: … Pella, die Vaterstadt Philipp’ und Alexanders, gleichsam die Hauptstadt der Makedonen) Dachziegel mit seinem Namen stempeln lassen? Der historischen Situation entspräche es besser beide Abkürzungen mit dem Titel Antibasileus des Antipatros zu verbinden. Ungeklärt ist aber, ob diese Aufschriften auf ein königliches Gebäude schliessen lassen oder ob der König Besitzer der Dachziegel-Firma war und mit seinem Kürzel für Qualität bürgte. Wahrscheinlicher ist die erste Möglichkeit, nach der Ziegel bestimmter Gebäude mit Zeichen versehen wurden, um Irrtümer zu vermeiden oder sie als Ersatzstücke eines bestimmten Daches zu lagern. Denn bei aufwendigen Bauten mussten die Dachziegel, um der Grösse des Baus genau zu entsprechen, extra angefertigt werden. Westlich des Hauses des Dionysos liegt ein gleich kostbar ausgestattetes Haus, das nach einem gut erhaltenen Mosaik Haus des Raubes der Helena genannt wird. Dieser Palast könnte der des Königs Kassandros gewesen sein, des Sohnes und Nachfolgers von Antipatros. Beide Paläste werden von der Agora durch eine Reihe kleiner Insulae getrennt, die mit 1366 m2 für repräsentatives Wohnen nicht gross genug waren. Wir gehen kaum fehl, wenn wir dort Kasernen für die Somatophylakes (Leibwachen) annehmen. Aristoteles und Alexander auf der Hochzeit von Kleopatra Aristoteles scheute den Umgang mit den Grossen des Reiches eben so wenig wie Alexander, der sich schon früh als Feldherr und Eroberer hervortat. So ist kaum zu bezweifeln, dass Aristoteles im Sommer 336 zu den Gästen der Hochzeit gehörte, die Philipp II. seiner Tochter Kleopatra mit Alexander, dem König der Molosser, in Epirus ausrichtete. Das Fest war als epochales Ereignis geplant, das jedem Griechen vor Augen führen sollte, in welcher Richtung sich die Politik bewegte. Gefeiert wurde nicht in der neuen Hauptstadt Pella, sondern in der alten Königsstadt Aigai, ebendort, wo Manolis Andronikos vor numehr 40 Jahren die prunkvollen Gräber der makedonischen Könige entdeckt hatte. Am Hochzeitstag, den Diodor 16,91 schildert, versammelten sich alle Beteiligten und Gäste früh am Morgen im kleinen Theater hoch oben am Hang des von einer Stadtmauer umgebenen Berges. Stella Drogou hat das Abb 29 Pella. Nördlich der Oikia des Reichsverwesers fanden die Ausgräber einen Schutthaufen mit Fragmenten von farbigem Wandstuck. Die von den Spezialisten der Ephorie rekonstruierte Wand zeigt oben unter der Decke eine Fensterzone mit Durchblick in blauen Himmel. (Museum Pella, Foto Verf. 2013). Abb . 30 Pella. Dachziegel vom Haus des Dionysos tragen Stempel mit den Buchstaben BASI(LEUS) und ANTI(PATROS) (Makaronas - Giouri 1989). <?page no="55"?> 55 Kapitel 6: Aristoteles in Makedonien Theater, das sich unterhalb des Festhauses befindet, ausgegraben und publiziert. 138 Gleich oberhalb des Theaters liegt das noch gut erhaltene Festhaus, in dem die Hochzeitsfeier stattfinden sollte. Grandiose, mehrere Tage dauernde Feste mit eigens errichteten Bauten waren nicht so ungewöhnlich, wie es heute scheint. Denn siegreiche Feldherrn und Könige gefielen sich in der Rolle als Gastgeber und Veranstalter von Festen, die ewig in Erinnerung bleiben sollten. 139 Nach dem Mord an Philipp II. am Morgen des Hochzeitstages im kleinen Theater in Aigai fand kein Festmahl statt. Der sehr junge Alexander folgte sofort seinem Vater als König nach und setzte im Vertrauen auf die Unüberwindbarkeit der makedonischen Phalanx die riskante Machtpolitik fort. Sein Fernziel war nach Konsolidierung der Herrschaft im alten Hellas die Befreiung der Griechenstädte Kleinasiens. Die Städte Ioniens waren seit dem Diktat des Grosskönigs auf einer Friedenskonferenz im Jahr 386 wieder unter persische Herrschaft gekommen. Aristoteles sah seine Aufgabe als beendet an. Trotz zu erwartender Ressentiments kehrte er nach Athen zurück. Für einen unermüdlichen Wissenschaftler kam ein anderer Ort als Athen nicht in Frage. Abb . 31 Aigai. Der im 19. und dann im 20. Jh. ausgegrabene ‚Palast‘ in der alten makedonischen Hauptstadt war ein für die Hochzeit von Kleopatra mit dem König Alexandros errichtetes Festhaus mit 270 Klinen für die Bewirtung der Abgesandten der griechischen Städte. Aristoteles und sein Schüler Alexander sollten vermutlich als bevorzugte Gäste im Andron von König Philipp speisen (Verf. 2014). <?page no="56"?> 56 Kapitel 6: Aristoteles in Makedonien Palast oder Festhaus in Aigai? Das bis heute bei weitem sehenswerteste Monument im Gebiet der von einer Mauer umgebenen Stadt Aigai ist das stattliche Banketthaus, das Léon Heuzey und Honoré Daumet 1861 auf einer Terrasse am Hang der Berge entdeckten und dokumentierten. Sie brachten nicht wenige Bauglieder nach Paris. Dort waren sie im Grand Louvre, vermehrt um viele weitere Funde, in der Sonder- Ausstellung Au royaume d’Alexandre le Grand 2011/ 2012 zu sehen. Besucher konnten sich davon überzeugen, dass es sich um ein Bauwerk von herausragender Qualität handelt - eines Königs würdig. Heuzey und Daumet hatten den östlichen Bereich des Baus ausgegraben. Die später unter Leitung von K. A. Rhomaios ganz freigelegte Ruine ist bis heute ausnahmslos als die eines Palastes der makedonischen Könige bezeichnet worden (Abb . 31). Das gilt auch für die jüngsten Interpretationen von Angeliki Kottaridou, Direktorin der 17. Ephorie (Makedonien). Sie hat sich ausführlich mit der Funktion des Baus auseinandersetzt. Mir kommen indessen Zweifel an der Deutung des fast 9000-m 2 grossen Kernbaus als Palast. Denn dieser ‚Palast‘ besteht aus einem riesigen Peristyl, das auf allen vier Seiten von quadratischen Andrones, von Gelageräumen umgeben ist. 270 Gäste sollten hier bewirtet werden, aber für die Familie, für Frauen und Kinder gibt es keine Räume, keinen eigenen Trakt, der sich nach dem Beispiel anderer Grosshäuser und Paläste direkt anschliessen müsste. Der Anbau im Südwesten hat Holzstützen und den Charakter eines Nebengebäudes: Vermutlich war hier die erforderliche Grossküche. Speisen und Getränke für mehr als 270 Gäste konnten nicht aus der Stadt gebracht werden. In einem monarchisch strukturierten Staat (wie dem makedonischen) möchte man Audienzräumlichkeiten im königlichen Palast als selbstverständlich voraussetzen, schrieb Vera Heermann 1980 in ihrer intelligenten und folgenreichen Dissertation über makedonische Architektur und meinte anschliessend, weil diese Räume fehlen, müssten Empfänge im Mittelraum der Flügeldreiraumgruppe stattgefunden haben. Vera Heermann sieht dann, um Empfangsräume nachzuweisen, ‚Flügeldreiraumgruppen‘ auch dort, wo keine sind. Tatsächlich vorhanden ist auf der Südseite des Festhauses (so nenne ich das Gebäude) eine besonders hervorgehobene Dreiraumgruppe. In der Mitte zwischen zwei gleichen Speiseräumen liegt ein Vorraum, in dem die Gastgeber ihre Gäste begrüssten. Eine repräsentative Türwand mit drei Stützen gewährt den beiden Hauptpersonen getrennte Eingänge (Abb 32). Von den kostbaren Mosaikböden ist nur einer mit floralem Muster erhalten. Diese beiden 15-Klinen-Banketträume waren für den König mit Ehrengästen und die Königin mit Gefährtinnen vorgesehen. Sie waren quadratisch mit einem Durchmesser Abb 32 Aigai. Auf der Nordseite des Festhauses liegt eine dem König und der Königin vorbehaltene ‚Dreiraumgruppe‘ . Am Ort erhalten sind drei Pfeiler (makedonischer Typus mit angearbeiteten Halbsäulen) des Eingangs zum Empfangsraum (Verf. 2000). <?page no="57"?> 57 Kapitel 6: Aristoteles in Makedonien von 9,30 m. Die frei bleibende Mitte war mit mehr als 6m gross genug für Schaustellungen und musikalische Darbietungen (Abb . 33). Die grössten Räume des Festhauses liegen im Westen. Es sind drei benachbarte, annähernd quadratische und mit fast 18 m Durchmesser riesige Räume. Weil die Trennwände und die Wände mit den Eingängen von den Hallen des Peristyls ausgeraubt wurden und nur die Baugruben zu erkennen sind, lässt sich die Abgrenzung der drei parallelen Räume nicht auf den Zentimeter genau bestimmen. Ioannis Travlos fertigte um 1971 ein neues Aufmass der Ruine an und rekonstruiert drei gleichgrosse Räume, die mit 30 Klinen die grössten Banketträume der griechischen Architektur waren. Diese Rekonstruktion war damals allgemein anerkannt und wurde oft publiziert, so bei Stella Drogou 1999. Vera Heermann und auch Angeliki Kottaridou haben dagegen im Mittelraum einen Audienzsaal als Herzstück eines Palastes angenommen. Das ist wenig überzeugend, denn ein Audienzsaal müsste im Norden und in der Mitte des Peristyls liegen, um von Süden ausreichend Licht zu erhalten. Das beweisen Audienzsäle in Pella und Pergamon, die aus demselben Grund breiter als tief sind. Ich bleibe bei meiner Theorie, nach der es sich in Aigai um ein Festhaus handelt: Ein Hof mit 40 m Durchmesser war auf allen vier Seiten von quadratischen Andrones (Gelageräumen) umgeben. Diese Banketträume zu 15 Klinen, zu 20 Klinen und zu 30 Klinen (zusammen 270 Klinen) dienten einem besonderen festlichen Ereignis. Das kann nur die geplante königliche Hochzeit gewesen sein, denn ich stimme Angeliki Kottaridou zu, wenn sie die Bauformen in die Zeit Philipp II. datiert. Die Bauzeit kann dann sogar auf das Jahr genau bestimmt werden: 337/ 336 BCE. An Geld und Fachleuten mangelte es Philipp II. nicht. Eine kurze Bauzeit war für einen König kein Problem. Das gilt besonders für Philipp II., für den Schnelligkeit ein Grundmuster seines Handelns war. Aber vermutlich hat dieses Festhaus niemals Gäste gesehen. Die heute noch an ihrem alten Ort befindlichen Türschwellen (Abb 32) zeigen keinerlei Spuren einer Nutzung. Gab es nach der Ermordung Philipp II. während der Hochzeitsfeier in Aigai nichts mehr zu feiern? Antipatros, den Alexander als seinen Vertreter (Antibasileus) einsetzte, residierte in Pella, wo in Zukunft auch die makedonischen Herrscher begraben wurden. Erst neue Ausgrabungen im Stadtgebiet von Aigai werden zeigen, welche Bedeutung die alte Residenzstadt in hellenistischer Zeit noch hatte. Abb 33 Während bescheidenen Wohnhäusern ein kleiner Speiseraum mit drei Klinen die Regel war (Raumgrösse 3 x 3 m), gab es in grösseren Bürgerhäusern Sieben-Klinen-Andrones (Raumgrösse 4,5 x 4,5 m), aber nur königliche Speiseräume fassten 15 Klinen (9,30-m x 9,30 m) und waren gross genug für Schaustellungen in Raummitte während des Symposions (Skizze Verf. 2016). <?page no="58"?> 58 Kapitel 7: Aristoteles und sein Garten der Musen im Bezirk Lykeion in der östlichen Vorstadt Athens Der Bezirk Lykeion Bei antiken Schriftstellern kommt in Verbindung mit Philosophen oft das Wort Lykeion vor. Interpreten denken dabei fast immer an das Lykeion-Gymnasion, das sie für das eigentliche Zentrum philosophischer Lehre ansehen. Dass das nicht richtig sein kann, beweisen die Ausgrabungen der Akademie, die neuen Ausgrabungen am Ilissos (S. 77) und auch weitere Tatsachen. Zweitausend Schüler soll Theophrast gehabt haben (DL 5,37). Sie hätten jedes Gymnasion gesprengt. Nein, mit „Lykeion“ ist fast immer der gleichnamige Bezirk gemeint. Dieser ist heute unter Häusern und Strassen der vornehmen Vorstadt östlich des Syntagma-Platzes begraben. Das in alter Zeit fruchtbare und wasserreiche Gebiet im Osten Athens wurde im Süden von dem Fluss Ilissos und im Norden vom Berg Lykabettos begrenzt. Vor den Toren der Stadt dehnten sich Gärten und Felder, Oliven- und Obsthaine aus. Hier lagen auch Felder von Xenophon, die er von seinem Haus im Norden Athens zu Fuss erreichen konnte. Für die Gärten und Felder genügte das Wasser des Flusses Ilissos und das Wasser der vom Lykabettos kommenden Bäche. Als in archaischer Zeit vor der Stadt ein Gymnasion angelegt wurde, war sauberes und frisches Wasser eine unabdingbare Voraussetzung. Das damals geschaffene Netz aus unterirdisch verlegten Tonrohren brachte aus Abb 34 Athen. In der Mitte des heutigen Nationalgartens hinter dem Parlament wurden vor langer Zeit die Fundamente der Innensäulen eines Tempels freigelegt. An dieser Stelle wird der Tempel des Apollon Lykeios im gleichnamigen Bezirk vermutet (Verf. 2014). <?page no="59"?> 59 Kapitel 7: Aristoteles und sein Garten der Musen im Bezirk Lykeion in der östlichen Vorstadt Athens den viele Kilometer entfernten Hymettos-Bergen frisches Wasser nach Athen. Es speiste auch die Brunnenhäuser in anderen Bereichen der Stadt. 140 Bei einem Gefälle von 0,7 % verlief die Leitung über weite Strecken am Rand der Mesogeia-Strasse, die mit 7m Breite die bedeutendste Fernstrasse in Attika war. 141 Temenos, Tempel und Kultbild des Apollon Lykeios Der (Bezirk) Lykeion hat seinen Namen von Lykos, dem Sohn des Pandion, und galt von Anfang an bis heute als dem Apollon heilig, und hier wurde der Gott zuerst Lykeios genannt, heisst es bei Pausanias 1,19,3. Der sehr alte Tempel war Mittelpunkt des fruchtbaren Gartenlandes. Als die Spartaner im Peloponnesischen Krieg die etwa 35 ha grosse Gegend verwüsteten, war das für die Athener eine Katastrophe. Erst unter der Führung von Lykurg (nach 338 BCE) pflanzten die Athener im Lykeion-Bezirk wieder Bäume und liessen die Bauten grundlegend restaurieren (S.-37). 142 In der Kaiserzeit scheint der Tempel nochmals neu aufgebaut worden zu sein. Heute noch im Nationalgarten sichtbare Fundamente von der inneren Säulenstellung eines Tempels (Abb 34) hat Travlos wegen der zentralen Lage für Reste des Tempels des Apollon Lykeios gehalten, eine Deutung, der ich mich anschliesse. 143 Mit dem Kultbild des spätklassischen Tempels hat sich zuletzt Heiner Knell ausführlich befasst. 144 Späte Wiederholungen der berühmten Statue zeigen den jugendlichen Gott mit einem Bogen in der Linken, und mit der Rechten greift er über den Kopf, um einen Pfeil aus einem Köcher am Rücken zu nehmen. In den erhaltenen Repliken fehlt der Köcher, so dass der Griff hinter den Kopf unmotiviert bleibt. Hadrian, der grosse Philhellene unter den römischen Kaisern, wollte der Stadt Athen neuen Glanz verleihen. Seine Erweiterung der Stadt im Osten, von der die Inschrift am Hadrians-Tor Kenntnis gibt, umfasste fast den ganzen Lykeion-Bezirk, der nun (wie im Stadtplan angedeutet) von einer Stadtmauer umschlossen wurde. 145 So nimmt es nicht wunder, dass in allen Ausgrabungen in diesem Gebiet kaiserzeitliche Phasen als Zeugnisse reger Bautätigkeit dominieren. Politik in Athen In seiner ausführlichen Würdigung des Redners Demosthenes hat Plutarch die turbulenten Ereignisse vor und nach der Niederlage der verbündeten Athener und Thebaner in der Schlacht bei Chaironeia im Jahr 338 BCE aus der Sicht der Makedonen-Gegner dargestellt. Im Buch Phokion kommt der kluge und auf Ausgleich bedachte Widersacher des Demosthenes zu Wort. Ihm und Demades hatten es die Athener zu danken, dass sie trotz ihrer andauernden antimakedonischen Haltung (noch im Jahr 330 verteidigte Demosthenes in seiner berühmten Kranzrede den neun Jahre zurück liegenden Antrag des Bürgers Ktesiphon, ihm einen goldenen Kranz zu verleihen) von König Alexander glimpflich behandelt wurden. Athen blieb eine freie Stadt - solange seine Politik den makedonischen Interessen nicht widersprach. König Alexander hatte bei seinem Aufbruch nach Kleinasien Antipatros zu seinem Vertreter bestimmt. Der Antibasileus hatte seinen Sitz in Pella. Die Epoche Lykurg Der um 390 BCE in Athen geborene Lykurg stammte aus vornehmer Familie und studierte wie andere vermögende junge Männer bei Platon und auch bei Isokrates, dem berühmtesten Redner dieser Epoche. Isokrates lehrte (gegen hohe Bezahlung) an seiner eigenen Schule, deren Lage nicht bekannt ist. In einem Dreijahres-Zyklus vermittelte er die Fähigkeit εὖ λέγειν, gut zu reden. Der auf Eigennutz zielende Stil der so ausgebildeten Redner wurde nicht selten kritisiert, während die Vermittlung der παιδεία, Bildung im weitesten Sinn, als hohes Verdienst des Isokrates gewertet wurde. 146 Für die Karriere von Lykurg war es zweifellos von Vorteil, sich als Hörer der beiden bedeutendsten und miteinander konkurrierenden Bildungseinrichtungen bezeichnen zu können. Seine rhetorische Ausbildung scheint in der Volksversammlung entscheidend für die Durchsetzung hochfliegender Pläne gewesen zu sein. Entscheidende Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg war die jahrelange Zeit des Friedens. 338/ 37, ein Jahr bevor Aristoteles wieder nach Athen kam, wurde Lykurg der oberste Finanzbeamte Athens. 147 Walther Judeich bezeichnet ihn als Staatslenker, und tatsächlich war sein Einfluss enorm. Er war unbestechlich und wird sogar als starrsinnig bezeichnet. Er setzte ein gewaltiges Rüstungsprogramm durch, das nur im Hinblick auf eine künftige Auseinandersetzung mit den Makedonen Sinn machte: Ausbau der Flotte auf die gewaltige Zahl von 400 Schiffen, Bau der nötigen Schiffshäuser im Piräus (darunter die berühmte Skeuothek des Philon) und die Erneuerung der Stadtmauern (S. 63). 148 Der Baueifer des leitenden Mannes (Judeich) erstreckte sich auf die Kultur und wirkte auch ansteckend, wie prachtvolle, von privater Hand errichtete choregische Denkmäler zeigen. Der konservative Politiker Lykurg beschwor die Erinnerung an Kunst und Künstler der Zeit Athens kurz vor und nach den Perserkriegen. Die Klassik als Blick auf eine zurück liegende grosse Epoche war geboren. Der Nutzbarmachung des kulturellen Erbes dienten neue Versammlungsbauten. 149 Unter allen Massnahmen fand der Neubau des Dionysos Theaters am Hang der Akropolis die meiste Zustimmung. Der Bau aus pentelischem Marmor hat die Form einer Muschel und eine unerreicht gute Akustik. Den Architekten kennen wir nicht. Tatsache ist jedenfalls, <?page no="60"?> 60 Kapitel 7: Aristoteles und sein Garten der Musen im Bezirk Lykeion in der östlichen Vorstadt Athens dass in fast allen griechischen Poleis nach diesem Vorbild in den Hang gebettete Theater entstanden, von denen einige heute wieder benutzt werden. Im Dionysos-Theater in Athen wurden während der Zeit von Lykurg auch Werke der Tragiker der hohen Klassik aufgeführt. Bronzestatuen von Aischylos, Sophokles und auch des von den Sophisten beeinflussten Euripides liess Lykurg auf einem gemeinsamen Sockel an der östlichen Schenkelmauer des Theaters aufstellen, so dass sie jedem Besucher ins Auge fielen. Christina Papastamativon Moock schreibt in ihrem Bericht über die noch im Gang befindlichen Restaurierungen und Forschungen: Die Gesamterscheinung des Monuments ließ beim Betrachter des späten 4. Jhs. v. Chr. eine eindeutige, von Lykurg beabsichtigte Konnotation mit der klassischen Herkunft der Dargestellten entstehen. 150 Eben diese museale Konzeption äussert sich auch in einer genauen Wiederherstellung der schriftlichen Originalfassung der im Theater ausgeführten Tragödien. Diese dem Original ensprechenden Fassungen wurden dann im Metroon auf der Agora auf bewahrt. Lykurg war der Schöpfer eines systematisch angelegten Staatsarchivs. Bei den Ausgrabungen im Metroon auf der Neuen Agora konnte nur eine später hellenistische Phase des Archivs erkannt werden. Das Dionysos-Theater diente auch politischen Zwecken. Hier fand jedes Jahr die feierliche Übergabe der Waffen an die Epheben nach dem ersten Jahr ihrer zweijährigen Ausbildung im Rahmen der Ephebeia statt. Unter Lykurg scheint diese Institution eine neue Gestalt bekommen zu haben. 151 Lykurg starb im Jahr 324. Er erhielt (verspätet) ein Ehrengrab auf dem Demosion Sema. Es war eine grosse Überraschung, als 1979 bei einer Notgrabung der Grabbezirk der Familie des ‚Staatslenkers‘ Lykurg ans Licht kam: Ein Stück einer Mauer des Grabbezirks, zwei beschriftete, palmettenbekrönte Stelen (Stadtplan und Abb 35) sowie eine ebenfalls beschriftete Grablekythos. 152 Unerklärt ist die Lage des Grabbezirks im Bereich der Feststrasse an der westlichen Strassenkante. Heute steht an dieser Stelle auf dem Grundstück Kratylou 56 (Abb 16) ein Mehrfamilienhaus. Pausanias 1, 29,16 ist einer der vielen Bewunderer von Lykurg und staunt darüber, dass Lykurg trotz überaus aufwendiger Projekte 6500 Talente mehr (? ) als Perikles in die Staatskasse eingebracht hat. Dazu trugen ohne Zweifel die sprudelnden Einnahmen aus den attischen Silbergruben bei, aus denen einige Privatleute, die Silberbergbau betreiben, in je drei Tagen ein Euböisches Talent herausholten (Strabon 3,2,9). Wo lag das Lykeion-Gymnasion? Einen Anhaltspunkt für die Lage des Dromos, der 1 Stadion langen Laufbahn des Gymnasions, bieten die Höhenlinien. Denn die 90 m-Höhenlinie und auch noch die 85 m Höhenlinie (Stadtplan) umschliesst eine längliche etwas höhere Zunge, die auf die Stadtmauer ausgerichtet ist. Nur hier, auf trockenem Boden kann der Dromos des Gymnasion gelegen haben. Das beweist zudem eine Episode, von der Xenophon, hell. 2,4,2 berichtet: Nach dem Ende des Peloponnesischen Krieges im Jahr 404 BCE hatten die siegreichen Spartaner in Athen eine Oligarchie durchgesetzt. (Unter den die Macht ausübenden Dreissig (Tyrannen) war der Spartaner-Freund Kritias, ein Schüler von Sokrates.) Der erfahrene Admiral Thrasybulos sammelte die oppositionellen Demokraten und es kam zum Bürgerkrieg. Die Spartaner-Freunde kamen aus dem Piräus und standen im Begriff, im Lykeion-Bezirk Katapulte auf dem Dromos des Gymnasions heranzufahren, um aus relativ kurzem Abstand die Stadtmauer zum Einsturz zu bringen. Der Maschinenbauer in der Stadt konnte das erfolgreich verhindern, indem er sämtliche Gespanne dazu ein- Abb 35 Athen. Auf dem Heldenfriedhof (Demosion Sema) wurde vor 20 Jahren überraschend das Familiengrab des Staatslenkers Lykurg entdeckt. Hier eine der dort gefundenen Stelen mit dem Namen Lykophronos, des Vaters von Lykurg (Foto 3. Ephorie). <?page no="61"?> 61 Kapitel 7: Aristoteles und sein Garten der Musen im Bezirk Lykeion in der östlichen Vorstadt Athens setzte, Steine von der Größe einer Wagenladung heranzuschaffen, um sie, wo jeder wollte, auf den Dromos zu werfen. Als dies einmal geschehen war, verursachte jeder einzelne dieser Steine den Angreifern Schwierigkeiten (Ü: G. Strasburger). Das Lykeion-Gymnasion mit seinem Dromos muss also dicht an der alten Stadtmauer (im heutigen Nationalpark) gelegen haben, denn selbst die grössten Katapulte konnten Steinkugeln nicht weiter als höchstens 400 m schleudern. 153 Auf die in der Nähe des Ilissos ausgegrabenen Ruinen eines grossen Peristyls, die von der Stadtmauer fast 1km entfernt sind, und deshalb nicht das Lykeion- Gymnasion sein können, gehe ich später ein (S.-77). Wenige Schritte nördlich des Dromos wurden Fundamente aus Breccia ausgegraben. Dieses unverwechselbare, rötliche Baumaterial wurde im 4. Jh. BCE verwendet. Travlos hat hier die Palästra des Gymnasions vermutet. Stoa, Palästra, Dromos und Bäder waren Bestandteile eines Gymnasion in klassischer Zeit. Für die Bäder des Lykeion-Gymnasions war ein Brunnen kaum ein ausreichender Wasserspender, obwohl Strabon 9,1,19 sagt, vor dem Tor des Diochares, in der Nähe des Lykeion (Gymnasion) hätte es früher einen Brunnen gegeben, der viel gutes Wasser gab, während das Wasser des Flusses Eridanos nicht einmal das Vieh trinken wollte. Zurzeit von Strabon gegen Ende des 1. Jhs. BCE war der Eridanos bereits stark verunreinigt und eine Kloake. Schon Jahrhunderte vorher zweigte von der oben erwähnten grossen Tonrohr-Wasserleitung noch ausserhalb der Stadt nach Norden in Richtumng Diochares-Tor ein Zweig ab, endet nach 140 m und versorgte mit ziemlicher Sicherheit die Bäder des Gymnasions (Stadtplan). Lage von Aristoteles’ Garten der Musen und des Peripatos an der Mauer Auf dem Syntagma-Platz, dem Platz der Verfassung, wo heute das Leben pulsiert und fast täglich Bürger demonstrieren und ihrem Ärger über Politik Luft machen, eben dort befand sich in spätklassischer Zeit eine Oase der Ruhe. Hier lag ein Garten der Musen. Bei frühen Ausgrabungen wurde auf der Nordseite des in Terrassen angelegten Platzes nahe der Kreuzung der Strassen Stadiou und Georgiou ein Grenzstein mit der Aufschrift ὅρος Μουσῶν κήπου Grenzstein des Gartens der Musen gefunden. 154 Anders als die sorgfältig ausgeführten und beschrifteten Grenzsteine des Kerameikos ist der am Garten der Musen ein Stein in zweiter Verwendung mit nur mässig gut ausgeführter Schrift. Die Buchstabenformen weisen in das späte 4. Jh. BCE In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde dieser Grenzstein auf einem modernen Sockel ganz in der Nähe des Fundortes aufgestellt (Abb . 36). 155 Heute sucht man ihn an diesem Ort vergebens. Neben dem Zeitungsstand ist nur noch der untere Teil des Sockels vorhanden. Ein zweiter Grenzstein mit gleicher Inschrift soll 300 m weiter südlich bei der Russischen Kirche gefunden worden sein und mag heute noch dort liegen. 156 Schon Ioannis Travlos nahm an, dass der früher am Ort erhaltene Grenzstein eine Ecke des Gartens der Musen markierte. In seinem Plan von Athen ist dieser Garten der Musen ungefähr deckungsgleich mit dem heutigen Syntagma- Platz (Abb . 37). 157 Weil aber das Gelände nach Westen fällt, ist es wahrscheinlicher, dass der in der Mitte der Nordseite des Syntagma-Platz gefundene Grenzstein die nordöstliche Ecke des Gartens der Musen markierte. Dieser erstreckte sich von dort nach Westen, und natürlich nach Süden. Höchst wahrscheinlich reichte er bis an die 170 m entfernte, viel frequentierte Mesogeia-Strasse. Dort, an der Strasse, ist das Tor zum Garten der Musen zu vermuten (Stadtplan). Die Ausdehnung nach Westen Abb 36 Athen. Grenzstein des Gartens der Musen im Lykeion- Bezirk, wie er bis zum Jahr 2014 nahe dem Fundort am Syntagma-Platz in Athen aufgestellt war (Foto N. Panayotopoulos). <?page no="62"?> 62 Kapitel 7: Aristoteles und sein Garten der Musen im Bezirk Lykeion in der östlichen Vorstadt Athens ist unsicher. Weil das Gelände direkt vor der Stadtmauer keinesfalls bebaut werden durfte, kann der Garten kaum breiter als etwa 120 m gewesen sein. Der Garten der Musen war ein Temenos, und deswegen ein mit Grenzsteinen markierter und von einer Mauer umgebener Raum. Die Gesamtfläche betrug etwa 2 ha. In diesem von mir angenommenen Gebiet des Gartens der Musen gab es bislang keine Ausgrabungen. Aber wenig weiter östlich, unter der sehr breiten Strasse Leoforos Amalias, fanden während der Anlage der Metro vor dem Jahr 2000 sorgfältig dokumentierte Ausgrabungen statt, bei denen kaiserzeitliche Thermen ans Licht kamen. Weiter südlich fand sich das Bett des Flusses Eridanos. Überraschend ist nicht nur die Lage - der Fluss wurde bislang weiter nördlich vermutet, sondern vor allem die beachtliche Grösse des Flussbettes. Die Ausschachtung mit senkrechten Wänden gibt zu erkennen, dass es sich bei diesem späten Bett des Eridanos um eine Kloake der Kaiserzeit handelt, die im Stadtgebiet mit Platten überdeckt war. In dem von Olga Zacharidou vorgelegten Plan 158 ist zu erkennen, dass der vom Lykabettos kommende Eridanos westlich des kleinen Hügels verlief, auf dem heute das Parlament steht. 159 Dann bog der Fluss nach Westen um. Zusammen mit der Mesogeia-Strasse passierte er das Diochares-Tor, durchquerte dann die Stadt, um sie schliesslich zusammen mit der Heiligen Strasse über das gleichnamige Tor im Kerameikos wieder zu verlassen. Wir sehen in der Zeichnung (Stadtplan), dass der Garten der Musen im Süden und auf der östlichen Seite vom Fluss Eridanos gerahmt wurde. Das ist wichtig, denn beim Kult der Musen durfte Wasser nicht fehlen, ja vielleicht war fliessendes Wasser Voraussetzung für die Anlage des Gartens gerade an dieser Stelle (S. 40). Die Ausgräber deckten eine Frischwasserleitung klassischer Zeit auf, die von Süden kommend mit Hilfe eines Aquäduktes das Bett des Eridanos überquerte und vielleicht mit dem Garten der Musen in Verbindung stand. Allein die Bezeichnung Garten der Musen legt einen Zusammenhang mit philosophischer Lehre nahe. Wie schon erwähnt, war auch die Schule Platons ein Museion. In den Höfen beider Schulen, und auch in der von Theophrast muss es Bilder (Statuen) der Musen mit einem zugehörigen Altar gegeben haben. Abb 37 Athen. Blick von der Strasse Amalias auf den Syntagma-Platz. Der Garten der Musen des Aristoteles nahm den hinteren Teil des heutigen Platzes ein und reichte in das Gebiet der Häuser hinein (Verf. 2013). <?page no="63"?> 63 Kapitel 7: Aristoteles und sein Garten der Musen im Bezirk Lykeion in der östlichen Vorstadt Athens In Publikationen des vorigen Jahrhunderts wird der Garten der Musen, von dem der Grenzstein im Lykeion-Bezirk Kenntnis gibt, als der des Theophrast bezeichnet. 160 Mit der Auffindung eines weiteren Lehrinstituts vor einigen Jahren in der Nähe des Ilissos (S. 77) hat sich die Sachlage nun geändert. Als Nutzer des Gartens der Musen an der Stadtmauer kommt nur Aristoteles in Frage. Warum Aristoteles gerade diesen Ort wählte, ist leicht zu erklären. Die konkurrierende Akademie war weit entfernt, und das Lykeion-Gymnasion, aus dem Zuhörer in seinen Garten strömten, war benachbart. Auch die Zone der Agora und das Zentrum der Stadt waren in wenigen Minuten zu erreichen. Ferner sei an den älteren Peripatos, an den Rundweg an und unter der Stadtmauer erinnert, der nur 140 m vom Garten des Aristoteles entfernt war. Es sieht so aus, dass Aristoteles für seine ambulatorische Lehre diesen nahen und schon früher benutzten Peripatos in Anspruch nahm und nicht einen vorhandenen Uferweg am Eridanos als Peripatos wählte. Die besonders wichtige Stelle bei Diogenes Laertius 5,2 lautet: Aristoteles ἑλέσθαι περίπατον τὸν ἐν Λυκείῳ ... Aristoteles wählte einen Peripatos im Lykeion, wo er täglich bis zur Zeit des Salbens auf- und abgehend zusammen mit den Schülern philosophierte. Damit ist nicht - wie heute noch oft vermutet wird (S.-11) - das gleichnamige Gymnasion gemeint, sondern der weiträumige Bezirk Lykeion, in dessen Zentrum sich der namensgebende Tempel des Apollon Lykeios befand, ferner das gleichnamige Gymnasion und nun auch der Garten der Musen mit Schule (Schulbau) des Aristoteles und auch der von diesem mit Schülern benutzte Peripatos (Stadtplan) Lykurg hatte erst wenige Jahre vorher das Proteichisma anlegen lassen. In diesem Zusammenhang war vermutlich auch die Decke des etwa 7m breiten Rundweges erneuert worden (Abb . 38). Vom Peripatos an der Stadtmauer benutzte Aristoteles den Bereich nördlich des Diochares-Tores. Als-Beweis für diese Theorie kann auch auf die im Testament von Theophrast genannte kleine Stoa hingewiesen werden, die vom Peripatos zum Schulgebäude hinführte. Davon ist gleich die Rede. Wie sah der Garten der Musen des Aristoteles aus? Ausser den topographischen Hinweisen gibt es keine Beschreibung des Museion, des Gartens der Musen, der in der Horos-Inschrift genannt wird. Weil auch Platons Akademie mitunter Museion genannt wird, ist eine gewisse Ähnlichkeit der beiden Schulbauten denkbar, zumal die Nutzung dieselbe war. Hier hilft uns eine Passage im Testament von Theophrast, dem Schüler, Freund und Nachfolger von Aristoteles, weiter. Gleich am Anfang geht es um die Wiederherstellung eines in einem Krieg zerstörten Musen-Heiligtums. Dass damit Aristoteles’ Schulbau gemeint ist, liegt nahe, aber trotzdem ist das - soweit ich sehe - nur von Alfred Gercke erkannt worden. 161 Ich gehe weiter unten auf Einzelheiten dieser Wiederherstellung ein (S. 81) und weise hier nur darauf Abb . 38 Athen. Rekonstruktion der Stadtmauer im Osten Athens mit dem von Lykurg ausgeführten Proteichisma (Vormauer und Graben). Der Weg zwischen Hauptmauer und Graben war der alte, von Philosophen für die Lehre genutzte Peripatos (Rekonstruktion Travlos 1968 nach Befund der Ausgrabungen). <?page no="64"?> 64 Kapitel 7: Aristoteles und sein Garten der Musen im Bezirk Lykeion in der östlichen Vorstadt Athens hin, dass es im Museion und Institut von Aristoteles offensichtlich einen von Hallen umgebenen Hof gab, in dem Bilder der Musen und ein sehr schöner Altar standen. Das spricht dafür, dass Aristoteles sich an das bewährte Vorbild von Platons Schule hielt. Bibliothek und Bücher werden im genannten Text nicht erwähnt. Dass aber gerade Aristoteles für seine Forschungen selbstverständlich eine grosse, vielleicht sogar die grösste Bibliothek unterhielt, muss nicht erläutert werden. Weil Aristoteles eine Morgen- und eine Abend-Vorlesung hielt, hat es auch einen Vortragssaal und natürlich auch einen Raum für gemeinsame Mahlzeiten gegeben. Eine Skizze der topographischen Situation mit Eintragung der in der Inschrift genannten Räumlichkeiten wird hier eingefügt (Abb 39). Wer war Fürsprecher Lykurg oder Antipatros? Aristoteles war bei seiner Rückkehr aus Makedonien ein berühmter Mann mit höchst einflussreichen Freunden. Aber er war kein Bürger Athens, und als Metöke hatte er nicht das Recht, Grundbesitz zu erwerben. Die Lage des Gartens von Aristoteles ziemlich dicht an der Stadtmauer hat sicher einer besonderen Genehmigung bedurft, weil im Fall einer Belagerung Bauten oder auch nur Mauern den Feinden Schutz boten. 162 Tatsächlich sollte später diese Lage im Schussfeld vor der Stadtmauer verhängnisvoll sein. Für Aristoteles und seine ambulatorische Lehre muss die Nachbarschaft des Peripatos wichtig gewesen sein. Dem entsprechen die Formulierungen in seinem Testament, das bei Diogenes Laertius 5,11-16 zu finden ist. Ich vermute, dass ein Gönner sich für einen Vertrag nach dem Muster der mutmasslichen Vereinbarung zwischen der Polis und Platon eingesetzt hat. Aristoteles war nicht Eigentümer, weder eines Grundstücks noch eines Schulbaus. Wer war sein Gönner? Der Staatslenker Lykurgos, der auf umfassende Bildung der Jugend Wert legte, musste grösstes Interesse daran haben, einen berühmten Philosophen wie Aristoteles in Athen zu halten. Dagegen ist es eher unwahrscheinlich, dass Antipatros im ersten Jahr seines Amtes als Antibasileus eine solche Einmischung in Athener Angelegenheiten wagte. Abb . 39 Die im Testament von Theophrast genannten Restaurierungen eines Musen-Heiligtums beziehen sich auf das Museion von Aristoteles. Die genannten Wörter sind hier in eine Grundriss-Skizze von Platons Schule eingefügt und beweisen eine Ähnlichkeit beider Schulen (Verf. 2017). <?page no="65"?> 65 Kapitel 8: Ein Peripatos für Aristoteles am Hang der Akropolis? Vorbemerkung Den mehrfach erwähnten, von Philosophen des 5.Jhs. benutzten, älteren Peripatos aussen an der Stadtmauer habe ich im Stadtplan als äusseren Peripatos bezeichnet. Es gab aber auch einen inneren Peripatos, der hoch oben am Hang um die Akropolis herumführte. Dieser Rundweg kann heute wieder lückenlos verfolgt werden, denn er wurde in den letzten Jahren von den Fachleuten der zuständigen Ephorie restauriert (Stadtplan, Abb 40). Er gestattet eine prachtvolle Aussicht bis hin zum Penteli und nach Süden zum Hafen Piräus. Einer von mehreren Zugängen zu dem umzäunten Nordabhang der Akropolis befindet sich heute oberhalb des Turmes der Winde. Meine Deutung des Rundweges als philosophischer Peripatos stützt sich vor allem auf die Peripatos-Inschrift IG II/ III 2 2639. Dieser Zusammenhang ist seltsamerweise bisher nicht gesehen worden. Der Peripatos, so wird behauptet, war einfach ein Spazierweg oder auch ein Spazierweg für die Vornehmen Athens. Abb 40 Athen. Zur Zeit von Lykurg wurde hoch oben um die Akropolis ein nach der zugehörigen Inschrift Peripatos genannter Rundweg angelegt. Nach neuerlicher Restaurierung steht er Besuchern offen (Verf. nach I. Travlos). <?page no="66"?> 66 Kapitel 8: Ein Peripatos für Aristoteles am Hang der Akropolis? Der Peripatos der Akropolis einfach ein Spazierweg? Viele Erwähnungen von Peripatoi bei Diogenes Laertius lassen fast immer auf den engen Zusammenhang mit der philosophischen Lehre schliessen. Der Peripatos um die Akropolis wird aber weder bei Diogenes Laertius noch in anderen Quellen erwähnt. So sehen Interpreten der Neuzeit trotz der genannten Inschrift keine Verbindung zur Philosophie. Weil im Neugriechischen das Wort Peripatos einfach Spazierweg bedeutet, und weil in alten Wörterbüchern unter dem Stichwort Peripatos vor allem von Spazierwegen die Rede ist, darf es nicht erstaunen, dass auch der grosse Kenner der griechischen Architektur und Topographie Ioannis Travlos den Zusammenhang mit dem philosophischen Lehrpfad nicht gesehen hat. In dem von ihm mit Anastasios Orlandos veröffentlichten Lexikon der antiken architektonischen Begriffe (Athen 1986 griechisch) heisst es S. 206 unter dem Stichwort Peripatos: Τόπος, ὁδὸς ἔνθα περιεπάτουν οἱ ἄνθρωποι χάριν ἀναψυχῆς, ἢ χῶροι ἔνθα περιεπάτουν οἱ ἐπίσημοι, ἤ πρὸ τῶν τειχῶν… Ort, Strasse auf der die Menschen spazieren der Erholung wegen, oder Räume, in denen Würdenträger spazieren, oder an den Stadtmauern … (Übers. Verf.). Das stimmt auffallend mit dem entsprechenden Text im Wörterbuch von K. Jacobitz und E.E. Seiler, Leipzig 1897 7 überein, wo es genauer heisst, Aristoteles pflegte im Garten des Lykeion bei Athen lustwandelnd zu lehren. Weiter ist dort von Spazirengehen und einen Spazirgang machen die Rede. Die Verfasser der alten Wörterbücher berufen sich auf eine Stelle bei Xenophon, Oikonomikos 14.15, wo das Verb περιπατ-έω zweimal vorkommt. Bei genauem Hinschauen lässt Xenophon den Gesprächspartner von Sokrates aber nicht lustwandeln (in der klassischen Antike war der Spaziergang als Müssigang unstatthaft), sondern der körperlichen Ertüchtigung wegen laufen statt reiten. 163 Aus dieser Stelle kann nicht geschlossen werden, dass es sich bei dem Rundweg um die Akropolis um einen Spazierweg im Sinn von Müssiggang handelt (S. 12). Dieser Peripatos muss eine andere, eine dem Ort angemessene Bedeutung gehabt haben. Die Peripatos-Inschrift IG II/ III 2 2639 Das wichtigste Dokument am Rundweg ist die schon genannte Peripatos-Inschrift IG II/ III 2 2639. Der kurze Text ist in grossen Lettern auf einem in situ erhaltenen Felsen neben dem Weg eingeritzt (Abb 41 42). Veröffentlicht hat sie der Philologe und Althistoriker Ulrich Köhler im Rahmen der ab 1877 erschienenen Neuauflage des Corpus Inscriptionum Graecarum. Der Band trägt den Titel Inscriptiones Atticae aetatis quae est inter Euclidis annum et Augusti tempora. Eukleides war 403/ 402 Archon in Athen. Zu seiner Zeit wurde das ionische Alphabet eingeführt. Köhler datiert die Inschrift sehr genau: titulum non multo post med. saeculum IV incisum esse. eingeritzt nicht lange nach der Mitte des 4. Jhs. Das führt in die oben geschilderte Zeit von Lykurg. Die Inschrift informiert über die Länge des Peripatos. 5-Stadien und 18 Fuss sind umgerechnet 895,60m. Ioannis Travlos hat errechnet, dass diese Strecke genau der tatsächlichen entspricht. Ein Zusammenhang von Peripatos und Rundweg ist also nicht zu bezweifeln. Aber warum steht das Wort Peripatos im Genitiv? Die Erklärung ist einfach. Weil Peripatos, ein erst von Platon in Umlauf gebrachtes Kunstwort ist, das einer Erklärung bedarf. Peripatos kann nicht wie das lange schon gebräuchliche Wort Periodos einfach eine Strasse sein. Es muss sich um eine Sache mit einer besonderen Funktion handeln. Nach den vielen Erwähnungen des Wortes Peripatos bei Diogenes Laertius kann das nur der Zusammenhang mit Philosophie sein. Im schon genannten Wörterbuch Lidell and Scott 1382 s.v. περιπατ-έω und περίπατος im selben Abschnitt wei- Abb 41 Akropolis. Die Peripatos-Inschrift IG II/ III 2 2639 mit Angabe der Länge des Rundwegs ist noch heute auf einem Felsen am Wegrand zu sehen. Auf dem Foto ist unten das Wort ΠΟΔΕϹ (Füsse, Längenmass) zu erkennen (Foto Verf. 2013). Abb 42 Akropolis. Die Peripatos-Inschrift wurde von Ulrich Köhler in den Inscriptiones Grecae in die Zeit bald nach der Mitte des 4. Jhs. datiert <?page no="67"?> 67 Kapitel 8: Ein Peripatos für Aristoteles am Hang der Akropolis? ter unten sind alle Text-Zusammenhänge aufgeführt. Klassische oder gar archaische Erwähnungen des Wortes peripatos gibt es nicht. Erst mit Platon und Xenophon setzt eine Verwendung des Wortes ein. Unter 2. heisst es im selben Absatz: walk about while teaching, discourse. Im Absatz unter 3: school of philosophy. First used of the Academy. Erst in der Kaiserzeit kommen in den Villen der Reichen Wege vor, die Paripatoi genannt werden, und die Philosophenwege sein sollten, auch wenn sie nicht als solche genutzt wurden. Sie zeugen vom Bildungsanspruch der Villenbesitzer (Plutarch, Lukullus 39,2). Wenden wir uns nun der Topographie zu. Das Dionysos-Theater und der Akropolis-Peripatos In unserem Zusammenhang ist es wichtig, dass das κοῖλον, der Zuschauerraum des Dionysos-Theaters im oberen Bereich von einem quer verlaufenden Weg unterbrochen wird (Abb 43). Obwohl die Sitzstufen nur partiell erhalten sind, ergibt doch die äusserst genaue zeichnerische Rekonstruktion des Theaters von Manolis Korres 164 eindeutig, dass dieser Weg breiter als fünf Sitzreihen war und nicht später eingefügt wurde. Es war der erwähnte Peripatos, der hoch oben, unterhalb des Steilfelsens um die Akropolis herumführende Rundweg. Er muss schon Teil der Planung des Theaters gewesen sein. In seiner neuen Form gehörte des Theater zu den von Lykurg veranlassten Werken. Es wurde um etwa 330 BCE errichtet. Temenos des Eros und der Aphrodite In der steilen Felswand unterhalb des Erechtheion wurden schon vor mehr als hundert Jahren über den dort abgeladenen Schutthalden Votivnischen beobachtet. Sie sind im Plan von Judeich angedeutet und beruhen auf den Ausgrabungen von P. Kavvadias seit 1896. Die Situation klärten dann die Ausgrabungen von Oscar Broneer im Jahr 1930. 165 Dieser entdeckte und las im verwitterten Felsen die Inschrift IG I 3 1382, von der wir heute mit Mühe noch einige Buchstaben erkennen. Sie besagt, dass hier ein (hypäthrales) Heiligtum des Eros und der Aphrodite bestand (Abb . 44, 45). Nun konnte eine Stelle bei Pausanias 1,27,3, die lange Kopfzerbrechen bereitet hatte, erklärt werden. Der Perieget berichtet staunend, dass zwei Jungfrauen, die nahe dem Tempel der Polias (dem Erechtheion) wohnten, in der Nacht des Festes der Göttin (im Spätsommer wie Lexikographen berichten) geheim gehaltene Gegenstände über eine unterirdische Treppe zum nicht weit entfernten Heiligtum der Aphrodite in den Gärten bringen. Dort werden ihnen die Gegenstände abgenommen und andere, wiederum geheime ausgehändigt, die sie zurück auf die Burg bringen. Abb 43 Akropolis. Der Peripatos muss zusammen mit dem Theater geplant und gebaut worden sein, denn er führte durch den Zuschauerraum des Dionysos-Theaters hindurch (Verf. 2013). <?page no="68"?> 68 Kapitel 8: Ein Peripatos für Aristoteles am Hang der Akropolis? Abb 44, 45 Akropolis. Am Nord-Abhang der Akropolis liegt das alte Heiligtum des Eros und der Aphrodite. Die Anlage des Peripatos brachte einen bequemen Zugang von unten (I. Travlos und Verf. 2013). <?page no="69"?> 69 Kapitel 8: Ein Peripatos für Aristoteles am Hang der Akropolis? Das zentrale Heiligtum der Aphrodite in den Gärten lag südlich des Olympieion. Ein von der Akropolis dorthin führender unterirdischer Gang ist kaum glaubhaft. Nach den Grabungen von Broneer ist es nun sicher, dass die Arrephoren zu dem unterhalb des Erechtheion gelegenen Heiligtum des Eros und der Aphrodite, das ein Filial-Heiligtum war, über eine heute noch sichtbare steile Treppe hinabstiegen. Broneer war sich sicher, dass die von ihm entdeckte Inschrift nach der Form der Buchstaben ziemlich genau in die Mitte des 5. Jhs. zu datieren ist. Der Kult, der sich ursprünglich wohl auf die Handlungen der Arrephoren beschränkte, war jedenfalls viel älter als der Peripatos. In der Ausgrabung von Broneer kamen Marmorreliefs mit Bildern von Genitalien zutage, die ursprünglich in den Votivnischen ihren Platz hatten. Sie waren nach der Heilung der helfenden Göttin Aphrodite geweiht worden. Keines dieser Reliefs scheint aus der Zeit vor Anlage des Peripatos zu stammen. Wir folgern daraus, dass sich der Charakter des Heiligtums grundlegend geändert hatte. Während es ursprünglich nur über die unterirdische (mit einem Dach versehene) Treppe von oben zu erreichen war, scheint es gleich nach Anlage des Peripatos zu einem vielbesuchten Kultplatz geworden zu sein. 166 Die Heiligtümer auf der grossen Terrasse im Nordwesten Am Nordwestabhang der Akropolis dominieren grosse, weithin sichtbare Höhlen. Sie werden von einer Terrasse zusammengefasst, die nach einer Vermutung von Ioannis Travlos von einem Stück der alten äusseren Pelargikon- Mauer gestützt wird (Abb 46). Der Plan zeigt anschaulich drei etwa 5m breite und mehr als 7m hohe Höhlen, denen sich nach Osten ebenfalls drei untereinander verbundene Felsspalten anschliessen. 167 Dass diesem durch eine Laune der Natur auffällig gestaltete Bereich frühzeitig göttlichen Kräfte zugeordnet wurden, muss nicht eigens begründet werden. Pausanias 1,28,4 erzählt zur Höhle B, dass hier Apollon Hypoakraios, Apollon unter dem langen Felsen verehrt wurde. Kreüsa, eine Tochter des Erechtheus, hätte in der Höhle dem Gott beigewohnt. Das geschah in der imposantesten dieser Höhlen (Abb 47). Ein Altar vor der Höhle, von dem eine Felsbettung Kenntnis gibt, lässt auf einen regelmässigen Kult schliessen. Näheres ist Votivreliefs zu entnehmen, die in den vielen Felsnischen in und neben der Höhle eingelassen waren. Es sind Weihungen der neun Archonten, darunter des Archon Basileus, der für die religiösen Feste und Opfer verantwortlich war. Die Reliefs (heute im Epigraphischen Museum) zeigen als Zeichen Apollons einen Lorbeerkranz. Die meisten sind kaiserzeitlich, manche hellenistisch. Apollon unter dem Felsen war mit dem pythischen Apollon identisch, dessen Hauptheiligtum mit einem grossen Peripteros am Ilissos identifiziert wurde (jetzt IG II/ III 2 4,2). In Höhle C, ebenfalls mit einem Altar versehen, wurde Zeus Olympios verehrt. In den zerklüfteten Felsspalten D, D1 und D2 war Pan zuhause, den Judeich als den in klassischer Zeit eigentlichen Herrn des Nordwestabhangs bezeichnet, weil sein Kult in den Perserkriegen zum Staatskult erhoben worden war. Wo der Hirtengott und Erfinder der Hirtenflöte verehrt wurde, kann die Nymphe nicht weit sein. Auf einem Relief aus dem 2. -Jh. BCE, das im Akropolismuseum aufbewahrt wird, ist Pan zusammen mit einer Nymphe dargestellt. 168 Vor der Höhle D2 führt eine Treppe in mehreren Windungen nach oben und endet in einer stark befestigten Pforte der Akropolis-Ringmauer. Bis zur Anlage des Peripatos, der unterhalb der Terrasse verläuft, wurden auch diese Heiligtümer viele Jahre, ja vielleicht Jahrhunderte von der Akropolis aus bedient. Erst im 4.Jh.BCE änderte sich das mit dem Bau des Peripatos, der einen bequemen Zugang von der Stadt bot. Sitzstufen - Exedra Eine sehr grosse und weithin sichtbare Höhle über der alten Quelle Klepshydra und unter den Propyläen (zur Zeit nicht zugänglich) war kein Heiligtum. Sitzstufen in und vor der Höhle lassen an eine Exedra denken. Ich halte einen Zusammenhang mit dem philosophischen Peripatos für möglich. Wenn Philosophen und ihre Schüler von der Alten Agora aufstiegen und bei der Peripatos-Inschrift ihren Rundgang begannen, so lud auf halbem Weg die grosse Höhle zum Verweilen ein. Die weite Öffnung gab genügend Licht, um auf den Stufen sitzend den Text einer Papyrusrolle zu studieren. Sicher nicht zufällig befindet sich ein weiterer Ruhepunkt am entgegen gesetzten Ende des Rundweges. Dort, wo der Peripatos mitten durch den Zuschauerraum des Dionysos-Theaters verläuft, wartete eine ganze Reihe von Sitzen auf die Philosophen. Aglauros-Höhle und Ephebeia 1981 hat Georgios Dontas, der damals Direktor der Akropolis war, im Osten der Burg in der grossen, weithin sichtbaren Höhle die Inschrift IG II/ III 3 1, 1002 entdeckt, deren brisanter Inhalt die bisherige Topographie ins Wanken brachte: Hier lag die Höhle der Aglauros (Abb 48), die früher viel weiter westlich oberhalb der Neuen Agora vermutet worden war. Jetzt zeigte sich, dass dieser symbolträchtige Ort, an dem die Epheben aller Bürger Athens ihren Eid auf die Verfassung ablegten, 169 oberhalb der Altstadt und der Alten Agora lag. Der zur Zeit von Lykurg angelegte Peripatos verläuft unterhalb der Höhle und muss im Zusammenhang mit den Zeremonien der Ephebeia eine Rolle gespielt haben. Alte Heiligtümer auf der Südseite Auf der Südseite der Akropolis, oberhalb der von Thukydides 2,15,3 bezeugten alten Stadt, waren schon in archaischer Zeit hoch am Hang Heiligtümer entstanden, zwischen denen es eine am Hang verlaufende Strasse gab. Dazu gehörte das bei Pausanias 1,22,1 erwähnte Heiligtum der Themis neben der Quelle (Abb 49). 170 Das im <?page no="70"?> 70 Kapitel 8: Ein Peripatos für Aristoteles am Hang der Akropolis? Abb 46, 47 Akropolis. Unterhalb der Propyläen wurden Apollon Hypoakraios und Zeus Olympios in grossen natürlichen Höhlen verehrt. Die grosse Terrasse vor den Höhlen war vom Peripatos aus zu erreichen (Verf. 2013). <?page no="71"?> 71 Kapitel 8: Ein Peripatos für Aristoteles am Hang der Akropolis? 4.-Jh. umgestaltete und erweiterte Heiligtum des Asklepios wird zur Zeit von Grund auf restauriert. Also verlief der Rundweg der Philosophen auf dieser Seite der Akropolis nicht direkt unterhalb des Steilfelsens, sondern weiter unten auf der älteren Hangstrasse. Der Übergang des durch das Theater verlaufenden Peripatos in diese ältere Strasse ist noch heute zu sehen. Aristoteles auf dem schattigen Peripatos der Akropolis? Platon und seine Nachfolger kommen als Bezugsperson für den Akropolis-Peripatos schon aus zeitlichen Gründen nicht in Frage. Platon war 347 gestorben, 10 Jahre bevor Lykurgos das Amt des Finanzverwalters übernahm. Zudem gibt die Lage der Inschrift im Nordosten (Abb 40 Pfeil) zu erkennen, dass ein Zusammenhang mit dem Lykeion Bezirk und mit dem Garten der Musen von Aristoteles wahrscheinlicher ist. Nachprüfen lässt sich das nicht. Denn heute befindet sich hoch oben am Hang eine Siedlung aus kleinen Häusern, die Flüchtlinge von der Insel Anaphi im 19. Jh. errichteten. Zur Zeit als Aristoteles im Garten der Musen lehrte, lag die Macht beim Reichsverweser Antipatros, der in Pella residierte, und den Alexander als seinen Vertreter bestimmt hatte. Aristoteles kannte Antipatros aus seiner Zeit in Makedonien. Beide Männer verband eine enge Freundschaft. Nach Diogernes Laertius 5,27 hat Aristoteles an seinen mächtigen Freund acht Briefe geschrieben, weit mehr als an Alexander. In Aristoteles’ Testament heisst es auf der ersten Zeile: ἐπίτροπον μὲν εἶναι πάντων καὶ διὰ παντὸς Ὰντίπατρον. Aufsicht über alles und in allen Sachen soll Antipatros haben. In Athen war in den relativ ruhigen Jahren vor 324 Lykurgos der höchste Finanzbeamte und realisierte sein gewaltiges Bauprogramm, zu dem das Dionysos-Theater und, wie wir gesehen haben, auch der Peripatos gehörte. Lykurgos war wie die meisten Athener kein Freund der Herrschaft der Makedonen. Von ihm hatte Aristoteles keine Freundschaftsbeweise zu erwarten, auch wenn er ihn als homme de lettres als Gelehrten und Philosophen anerkannt haben muss. So ist zu vermuten, dass es Antipatros war, der seinem Freund Aristoteles einen Peripatos am besten Ort, den die Stadt vorzuweisen hatte, verschaffte. Natürlich muss die Poilis Athen damit ein- Abb 48 Akropolis. Die grösste natürliche Höhle liegt im Westen oberhalb des Peripatos. Nach einer vor 30 Jahren dort in situ gefundenen, beschrifteten Stele war das die Höhle der Aglauros, wo die Epheben den Eid auf die Verfassung ablegten (Verf. 2013). <?page no="72"?> 72 Kapitel 8: Ein Peripatos für Aristoteles am Hang der Akropolis? verstanden gewesen sein, denn - wie wir gesehen haben - verlief der Peripatos durch das Theater und muss gleichzeitig mit diesem entstanden sein. Es sei an den Peripatos an der Stadtmauer erinnert, wo Aristoteles nach Diogenes Laertius 5,2 auf und ab gehend zusammen mit seinen Schülern bis zur Zeit des Salbens philosophierte. Dort gab es zwar keine Störungen, aber im Sommer muss die Hitze an der Wärme abstrahlenden, etwa 8m hohen Mauer unerträglich gewesen sein. In Mieza, wo Aristoteles den jungen Alexander unterrichtet hatte, geschah das ausdrücklich auf einem schattigen Peripatos, und auch die Wege in der Akademie werden als schattig bezeichnet (S. 43). Diese Betonung des angenehmen Klimas bestärkt mich in der Vermutung, dass Aristoteles Nutzniesser des neu entstandenen Peripatos am Hang der Akropolis war. Denn dort war es möglich, je nach Tageszeit oder Jahreszeit die Nordseite oder die Südseite der Akropolis für die ambulatorische Lehre zu wählen. Akademiker und spätere Philosophen auf dem Akropolis-Peripatos Alkestis Choremi-Spetsieri hat in einem Aufsatz über Porträts, die bei neuen Ausgrabungen rund um die Akropolis gefunden wurden, Köpfe von Philosophen vorgestellt. Unter ihnen ist ein Portrait von Aristoteles des bekannten Typus von ausgezeichneter Qualität (Abb 50). Der Fundort nahe der Nordwest-Ecke des Weiler-Gebäudes (Stadtplan) ist mit Sicherheit nicht der Aufstellungsort gewesen. Weitere Portraits von Philosophen, darunter eine Büste von Platon und eine eines glatzköpfigen bärtigen Philosophen waren schon früher in der Nähe entdeckt worden. Choremi-Spetsieri erörtert einen möglichen Zusammenhang mit einer der grossen Stadtvillen am Fuss der Akropolis, darunter das Haus von Ciceros Freund Atticus. Die Gärten solcher Grosshäuser waren beliebte Aufstellungsorte für Philosophenporträts in Form von Hermen. 171 Nach den hier ausgeführten Überlegungen zum Akropolis-Peripatos bietet sich eine alternative Vermutung an: Im Zusammenhang mit dem Rundweg um die Akropolis kann es nahe dem Dionysos- Theater, wo drei Strassen zusammen stiessen, und so ein öffentlicher Bereich entstand, eine vielleicht gegen Ende des 1. Jhs. u.Z. eingerichtete Gedenkstätte für die Philosophen gegeben haben, die dort einst gelehrt hatten. 172 Krantor aus Soloi auf Zypern ist einer der wenigen Philosophen, die ohne Haupt einer Schule gewesen zu sein, bei Diogenes Laertius 4,24 mit einem eigenen Kapitel gewürdigt werden. Um 310 BCE in Athen angekommen, Abb 49 Akropolis. Am südlichen Hang der Akropolis lagen alte Heiligtümer, darunter eines der Themis bei der Quelle, deren Grenzstein in situ erhalten ist. Der Peripatos verläuft hier auf dem alten Weg unterhalb dieser Heiligtümer (Verf. 2013). <?page no="73"?> 73 Kapitel 8: Ein Peripatos für Aristoteles am Hang der Akropolis? Kapitel 8: Ein Peripatos für Aristoteles am Hang der Akropolis? war Krantor gleichzeitig mit Polemon Hörer des Xenokrates (des Nachfolgers von Platon). Er wurde krank und brach zum Asklepieion auf, und dort wandelte er. Wenn hier das Verb περιπᾶτέω benutzt wird, kann nichts anderes gemeint sein, als dass er den am Asklepieion vorbei führenden Peripatos nutzte. Hörer schlossen sich ihm an, weil sie glaubten, er wolle eine neue Schule gründen. 700 Jahre später war die Tradition des Akropolis-Hanges als Ort der Philosophie noch immer lebendig. Proklus war 412 in Konstantinopel zur Welt gekommen. Er lebte und lehrte in Athen, wo er um 440 als Nachfolger von Syrianos Haupt der Platonischen Akademie wurde. Dieses Amt hatte er über 40 Jahre inne, bis zu seinem Tod am 17. April 485 (genau belegt durch eine Sonnenfinsternis). Proklos war Neuplatoniker und ‚harmonisierte‘ die Lehren der klassischen Philosophen. Von dem Verbot der heidnischen Religionen, das Kaiser Theodosius einige Jahrzehnte vorher durchgesetzt hatte, waren die Philosophen offensichtlich nicht betroffen. Proklos und seine zahlreichen Schüler nutzten sehr wahrscheinlich weiter den Rundweg, den Peripatos um die Akropolis als ‚Lehrpfad‘. Denn der Philosoph besass unterhalb des Peripatos auf der Südseite der Akropolis ein grosses Privathaus (Abb 40 unten), das teilweise bei der Anlage der modernen Strasse Apostolou Pavlou aufgedeckt worden war. Eine sehr grosse Exedra lässt vermuten, dass Proklos in seinem Privathaus Vorlesungen hielt. Versteckt in einer Kammer seines Hauses fanden sich Reliefs und Skulpturen mit Darstellungen der alten Götter. 173 Diese Funde sind heute in der Eingangshalle des neuen Akropolis Museums zu sehen. Abb . 50 Akropolis. Das besonders qualitätvolle Portrait des Aristoteles wurde vor einigen Jahren mit weiteren Philosophenportraits im Süden unterhalb der Akropolis bei der Anlage des neuen Museums gefunden (Bild nach A. Choremi-Spetsieri). <?page no="74"?> 74 Kapitel 9: Aristoteles auf der Flucht und Zerstörung des Gartens der Musen Krisenjahre in Athen Aristoteles hat in Athen das Katastrophenjahr 324 unbeschadet überstanden. Als Harpalos, der Schatzmeister Alexanders in Babylon, mit ganzen Schiffsladungen gestohlener Schätze vor dem Piräus erschien, konnten die Athener zunächst widerstehen und verweigerten die Einfahrt in ihre Häfen. 174 Als im Sommer desselben Jahres Alexander während der Spiele in Olympia verkünden liess, dass alle Verbannten und Vertriebenen in ihre Heimat zurückkehren dürften, traf das die Athener hart, denn sie hatten in den sechziger Jahren in zwei Schüben die Samier aus ihrer Heimat vertrieben und Athener Bürger dort angesiedelt. Nun schickten die Athener Demosthenes zu Verhandlungen nach Olympia, um wenigstens einen Aufschub zu erreichen. Vergeblich. Demosthenes war wohl nicht der richtige Mann, von Nikanor, dem Vertreter Alexanders, einen Gunstbeweis für Athen zu erhalten. Die abgewiesenen Athener liessen den untreuen Harpalos mit seinen Schiffen nun doch in ihre Häfen einfahren. Mehrere Athener Bürger liessen sich mit Geld oder kostbaren Gegenständen bestechen. Endlich aus dem fernen Osten zurück in Babylon, bestrafte Alexander untreue Satrapen und forderte die Auslieferung des Harpalos. Die Athener zwang er zudem, ihrem weltweit bekannten Redner Demosthenes den Prozess zu machen und ihn zum Tode zu verurteilen. Der Makedonen-Freund Demades stellte in der Volksversammlung den Antrag, Alexander göttliche Ehren zu gewähren. Die Athener wagten es zunächst, den Antrag abzulehnen. Aber als Alexander im Jahr 323 unerwartet in Babylon starb, formierten sich die Makedonen-Gegner sofort, und Demosthenes gewann viele Griechenstädte, darunter auch Theben, sich einem Freiheitskampf anzuschliessen. Es kam zum „Lamischen Krieg“, in dem der Reichsverweser Antipatros in der Stadt Lamia militärisch bedrängt wurde. 175 In dieser Atmosphäre entlud sich der Hass auf alles Makedonische. Das traf auch Aristoteles. Neuerliche Anfeindungen und eine Anklage wegen Gottlosigkeit riefen in ihm das Schicksal des Sokrates in Erinnerung. So aufgeschreckt verliess er fluchtartig 323 Athen. Er ging nicht in das heimatliche Stageira, sondern in das nahe gelegene Euböa, weil dort eine makedonische Besatzung den Ton angab. In der Stadt Chalkis stand Aristoteles das Haus seiner Mutter zur Verfügung. Wir hören nichts davon, dass Aristoteles in Chalkis seine Lehrtätigkeit aufgenommen hätte. Werner Jaeger schildert ihn als gebrochenen und vereinsamten Mann. Aristoteles starb im Jahr 322 in Chalkis im Alter von 63 Jahren. Ob sein im Testament genannter Wunsch erfüllt wurde, zusammen mit den Gebeinen seiner schon früher verstorbenen Frau begraben zu werden, ist nicht überliefert. Im Juni 2016 teilt der Archäologe Kostas Seismanides der Presse mit, dass das Grab des Philosophen Aristoteles in Stageira identifiziert worden sei. Noch im selben Jahr 322 erlitten die Athener mit ihren Verbündeten bei Amorgos eine Niederlage zur See und verloren bei Krannon eine Landschlacht. Für Walther Judeich ist das Jahr 322, in dem Athen nun doch eine makedonische Besatzung erhielt, die Wende: Mit dem Verlust der Selbstständigkeit hatte Athen seine politische Bedeutung eingebüsst, wenngleich die Stadt (ohne den Hafen Piräus) für die Jahre seit 287 dank erfolgreicher militärischer Aktionen für 25 Jahre noch einmal unabhängig war, wie Christian Habicht betont. 176 Zerstörung des Gartens der Musen In Athen hatte ein gewisser Lachares, ein Parteigänger des in Pella residierenden Kassander um 300 BCE die Macht an sich gerissen. Lachares machte sich mit besonderer Härte als Unterdrücker einen Namen und scheute sich nicht, wegen Geldnot das goldene Gewand der Athena Parthenos einschmelzen zu lassen. Er überstand ein Attentat, dessen Ausführende später als Helden auf dem Demosion Sema ein Ehrengrab erhielten (Stadtplan). Hilfe für die Athener kam von Antigonos und seinem Sohn Demetrios, die damals Gross-Phrygien (das innere Kleinasien) beherrschten, und die sich gern als Befreier der griechischen Städte aufführten. 177 So versuchte der Städtebelagerer Demetrios im Jahr 295 Athen von der Herrschaft des Lachares zu befreien. Die Belagerung dauerte Monate. Das flache Gelände im Lykeion-Bezirk erlaubte Demetrios den Einsatz schwerer Katapulte und Steinwerfer. Diese konnten auf dem festen Boden der vom Diochares Tor ausgehenden Strasse plaziert werden, so dass das Tor selbst, aber auch der Garten der Musen im Schussfeld lagen. Die Schule des Aristoteles wurde zerstört. In Athen herrschte eine entsetzliche Not. Anfang 294 zwang Hunger zur Aufgabe. Lachares entkam nach Böotien. <?page no="75"?> 75 Kapitel 10: Demetrios von Phaleron und das Museion in Alexandria Demetrios von Phaleron . Ein Philosoph als Politiker Diogenes Laertius widmet im 5. Buch Demetrios von Phaleron ein eigenes Kapitel und nennt alle Titel seiner Werke, von denen die meisten philosophischen Betrachtungen sind. Erhalten sind wenige Fragmente, die Erich Bayer in seiner Monographie über Demetrios zusammengestellt hat. Demetrios war Schüler von Aristoteles und befreundete sich dann mit Theophrast. Es war also tatsächlich ein Peripatetiker, ein Philosoph, den Kassander im Jahr 317 zum Regenten von Athen machte. Cicero lobt Demetrios, sieht er in ihm doch einen Seelenverwandten, einen politisch engagierten Philosophen. Auch Strabon 9,1,20 gehört zu den Bewunderern von Demetrios. Er lobt das milde Regime von Kassandros: Gegen die Athener zeigte er sich wohlgesinnt. Denn er stellte einen ihrer Bürger, Demetrios von Phaleron, einen Schüler des Philosophen Theophrast, an ihre Spitze, der die Demokratie nicht nur nicht aufhob, sondern sogar verbesserte. Dies beweisen die Abhandlungen, die er über diese politische Tätigkeit geschrieben hat. (Ü: A. Forbiger), Hier wird auf Gesetzgebung angespielt. Es sind vor allem die Aufgaben der neu geschaffenen Institution der Nomophylakes (Gesetzeswächter), die von Historikern unterschiedlich beurteilt werden. Mir scheint, dass die Verurteilung des Sokrates und die spätere Revision des Urteils die Philosophen und Gesetzgeber des 4. Jhs. so beeindruckte, dass sie auf Möglichkeiten sannen, solche ad hoc entstandenen Beschlüsse der Volksversammlung oder der Geschworenen zu verhindern. Die Nomophylakes bei Demetrios von Phaleron (die gewählt und nicht etwa ernannt wurden) haben Ähnlichkeit mit den Weisen bei Platon, die nach mehreren Wahlgängen als die wirklich Weisesten gelten konnten. 178 Von den meisten Athenern begrüsst wurde das Anti-Luxus- Gesetz, das aufwendige Grabmäler verbot und die diesbezüglichen Symposien auf höchstens 30 Personen beschränkte. Ostentativ zur Schau gestellter Luxus sollte es nicht mehr geben. Das prachtvolle Gastmahl, bei dem Platons Freund Dion seine 800 Söldner mit goldenen und silbernen Gefässen im Hippodrom von Zakynthos bewirtet hatte, mag manchem als hybris in Erinnerung gewesen sein. 179 Demetrios führte Volkszählungen durch, er machte den Staatshaushalt transparent, und so nimmt es nicht wunder, dass er mit Ehrungen überhäuft wurde. Es soll 300 Bronzestatuen von ihm gegeben haben. Demetrios in Alexandria Antigonos und sein Sohn Demetrios Poliorketes waren Gegner der Vorherrschaft der Makedonen in Griechenlandund gaben sich als Befreier. Als im Jahr 307 Demetrios Poliorketes in Athen siegreich einzog, jubelten die Athener und zerstörten die Statuen des anderen Demetrios. Dieser verschwindet für zehn Jahre aus der Weltgeschichte und taucht im Jahr 297 in Alexandria wieder auf. Nach Wilamowitz-Moellendorff hat Demetrios, nachdem er das Vertrauen des Königs Ptolemaios I. erworben hatte, diesen bei der Einrichtung der grössten und bedeutendsten wissenschaftlichen Institutionen, bei Museion und Bibliothek in Alexandria beraten. Dass Demetrios von Phaleron aus Athen Kenntnisse im Bibliothekswesen mitbrachte, steht ausser Frage. Es ist aber zunächst eine Vermutung, dass das Institut in Alexandria eine vergrösserte Kopie der klassischen Schulen in Athen war. Ich erinnere an Strabon 17,1,8. Im Jahr 25/ 24 BCE beschreibt der Geograph die Stadtanlage von Alexandria und äussert sich auch zum dortigen Museion: ... τῶν δἐ βασιλείων μέρος ἐστἰ καὶ τὸ Μουσεῖον, ἔχον περίπατον καὶ ἐξέδραν καὶ οἶκον μέγαν, ἐν ᾧ τὸ συσσίτιον τῶν μετεχόντων τοῦ Μουσείου φιλολόγων ἀνδρῶν. ἔστι δὲ τῇ συνόδῳ ταύτῃ καὶ χρήματα κοινὰ καὶ ἱερεὺς ὁ ἐπὶ τῷ Μουσείω, τεταγμένος τότε μὲν ὑπὸ τῶν βασιλέων, νῦν δ᾽ ὑπὸ Καίσαρος. ... ein Teil der Basileia ist auch das Museion, das einen Peripatos hat und eine Exedra und einen grossen Oikos, in dem die zum Museion gehörenden gelehrten Männer gemeinsam speisen (Syssitia sind Gemeinschaftsmahlzeiten). Dieser Verein hat auch gemeinsame Einkünfte und einen Priester am Museion, damals von den Königen, jetzt aber vom Kaiser bestellt. (Ü: Verf.) Hier ist mit Museion das Gebäude, die Örtlichkeit gemeint. Und es drängt sich tatsächlich die Vermutung auf, dass diese Anlage den Museia in Athen glich: ein von Hallen umgebener Hof mit einer Gruppe von Räumen auf der Nordseite. Das Museion in Alexandria lag im Königsviertel und nahm sehr wahrscheinlich seiner Bedeutung entsprechend in dem streng rechtwinkligen Stadtplan eines der grossen, von breiten Strassen umfahrenen Rechtecke (310 x 275-m) ein. 180 Stimmt das, dann hätten die den Hof umgebenden Hallen einen Peripatos von 5 Stadien Länge ergeben. Diesem Wert sind wir bei dem inneren Peripatos in Athen begegnet. Ähnlich war wohl <?page no="76"?> 76 Kapitel 10: Demetrios von Phaleron und das Museion in Alexandria auch der Luxus-Peripatos von Hadrian in Athen (S.-96), bei dem die den Hof umgebenden Hallen von Exedren unterbrochen waren. Rudolf Pfeiffer zitiert eine Stelle bei Plutarch: Πτολεμαῖος ὁ πρῶτος συναγαγὼν τὸ μουσεῖον. Ptolemaios der Erste brachte das Museion zusammen. 181 Damit ist die Gemeinschaft der Philosophen gemeint, ein der Wissenschaft dienender Verein, den der König initiiert hatte, und den die Krone finanzierte. Das Problem ist aber, dass Strabon in seiner Beschreibung des Museion in Alexandria kein einziges Wort zur Bibliothek oder den Büchern verliert. Ich vermute, dass die in kurzer Zeit auf mehrere hunderttausend Bände angewachsene Bibliothek - von der Sammlerleidenschaft der Könige ist bekanntlich in Quellen die Rede - mit Schreibern und sonstigem Personal in einen eigenen benachbarten Bau ausgegliedert werden musste, damit die Gemeinschaft der Philosophen ungestört blieb. Von den Schriften des Philosophen Demetrios von Phaleron hat Demetrios Laertius 5,80.81 eine von 27 mit dem Titel Περὶ τύχης, Von der Macht des Schicksals, aufgeführt. Erich Bayer sagt dazu, dass die Tyche gemäss ihrer Natur nicht allmählich und in langsamen Entwicklungen, sondern jäh und unvermutet zuschlägt. 182 Demetrios von Phaleron hatte offensichtlich die häufigen dramatischen Wendungen in seinem eigenen Leben vor Augen, als er diese letzte seiner Schriften verfasste. Er war bei Ptolemaios II. in Ungnade gefallen und musste die letzten Jahre seines Lebens in der ägyptischen Provinz verbringen. Das von Aufstiegen und Stürzen geprägte Leben des Demetrios von Phaleron, der eigentliche Philosoph sein wollte und in die Fallstricke der Politik geriet, könnte William Shakespeare zu einem Drama angeregt haben. <?page no="77"?> 77 Kapitel 11: Der eigene Garten des Theophrast Garten des Theophrast oder Lykeion-Gymnasion? Die Entdeckung eines spätklassischen oder frühhellenistischen Baukomplexes mit Peristyl-Hof und angrenzenden Räumen im heutigen Bezirk Kolonaki (Stadtplan, Abb 51) liess die Fachwelt aufhorchen. Denn es war sofort klar, dass dieser Bau der spätklassischen oder frühhellenistischen Zeit eines der aus den Quellen bekannten Bauwerke des Bezirkes Lykeion sein müsste. In unserem Stadtplan ist der kleinformatige Grundriss im Plan von Olga Zacharidou übernommen. 183 Evi Lygkouri leitete die Ausgrabungen in der heutigen Strasse Rygillis. 184 Später wurden die Ruinen wetterfest gemacht und das ganze Gelände in einen sehr schönen Park verwandelt. Den Besuchern des Internationalen Philosophenkongresses wurde im Sommer 2013 das angeblich neu gefundene Lykeion-Gymnasion präsentiert. Auf Informationstafeln und auf einem Faltblatt wird eben diese Meinung vertreten, dass es sich um das berühmte Lykeion-Gymnasion handele. Ada Caruso schliesst sich dieser Meinung an und legt einen Steinplan der Ephorie der neuen Anlage vor, den ich hier wiederhole (Abb 52). 185 Die Deutung der Ruinen als Gymnasion beruht vor allem auf der mehrfach wiederholten Behauptung, dass der Peristylhof quadratisch sei. Ein Blick auf den eben genannten Steinplan zeigt aber, dass der südliche Teil der Anlage durch spätere Baumassnahmen total zerstört ist, und dass von einer südlichen Begrenzung des Hofes nicht ein einziger Stein erhalten ist. Aus der abrupt unterbrochenen Mauern des Peristyls ist im Gegenteil zu folgern, Abb 51 Athen. Die im Osten des alten Lykeion-Bezirks nahe dem Fluss Ilissos ausgegrabenen und jetzt konservierten Ruinen sind Teil des eigenen Gartens von Theophrast. Zu sehen ist der mittlere Bereich mit Bibliothek (Verf. 2014). <?page no="78"?> 78 Kapitel 11: Der eigene Garten des Theophrast dass der Hof sicher nicht quadratisch war, sondern sich nach Süden fortsetzte. Er war länglich und kann nach der Definition von Caruso mithin keine Palästra eines Gymnasion gewesen sein. 186 Es kann sich auch deshalb nicht um das Lykeion-Gymnasion handeln, weil der Abstand von der Stadtmauer mit 900 m viel zu gross ist. Die entscheidende Stelle bei Xenophon, Hellenika 2,4 habe ich bereits ausführlich kommentiert (S.- 60). Ausserdem hatte das von Lykurg erneuerte Gymnasion einen Vorgänger, von dem es Spuren und Funde geben müsste. Nun zeigt eine Gegenüberstellung von Zeichnungen des Schulbaus von Platon mit der Anlage nahe dem Ilissos (beide in gleicher Grösse), dass eine Gleichheit vorliegt und auf eine gleiche Nutzung schliessen lässt (Abb 53). 187 Um das Museion des Aristoteles kann es sich nicht handeln, denn dieses lag dicht an der Stadtmauer. Es sei an den Grenzstein vom Garten der Musen erinnert, der in einer kurzen Entfernung (140 m) von der Stadtmauer (auf den Syntagma-Platz) entdeckt wurde und bislang immer als dort gelegene Institut des Aristoteles galt. Als Kandidat für die neu entdeckte Schule kommt nur der eigene Garten von Theophrast infrage. Ferner erzählt man, so heisst es bei Diogenes Laertius 5,39, er (Theophrast) habe nach des Aristoteles’ Tod einen eigenen Garten erworben mit Hilfe von Demetrios Phalereus (S.-75), mit dem er in enger Beziehung stand. Das kann im Jahr 317 gewesen sein, als Demetrios als Gouverneuer von Athen eingesetzt worden war. Wie bei Platons Akademie sind auch hier die Mauern nur in geringer Höhe erhalten. Ein Blick auf den Hof und die ihn umgebenden Hallen lässt vermuten, dass es in späterer Zeit einen Umbau gab. Damals wurden die Hallen von 5m auf etwa 3,50 m Breite verkleinert, um an den Seiten noch weitere Räume zu schaffen. Das könnte in einer späten Zeit geschehen sein, als die Philosophen nicht mehr auf einem Peripatos lehrten und damit diese Nutzung auch für die Hallen entfiel. Diogenes Laertius erwähnt gleich zu Beginn des Kapitels Theophrast, dass der Philosoph 2000 Studenten gehabt haben soll. Vielleicht zwang die grosse Zahl seiner Schüler zu diesem Umbau. Besser erhalten und deutlich zu erkennen sind zwei in unmittelbarer Nachbarschaft nachträglich gebaute Badestuben (Abb . 54). Hypokausten dienten der Bereitung von Warmwasser. Als in der Kaiserzeit alle Gymnasien mit Thermenanlagen ausgestattet wurden, wollten auch die Philosophen des eigenen Gartens den Luxus des warmen Wassers nicht missen. Sie begnügten sich mit bescheidenen Lösungen. Diese kleinen Badestuben wären für den Betrieb in Gymnasien völlig ungeeignet. Sie sind ein Zeugnis für einen Betrieb mit nur wenigen Teilnehmern. Der Peripatos am Ufer des Ilissos Vielleicht hätte Theophrast für seine Schule ein Grundstück in der Nähe des Gymnasions finden können. Aber die Erfahrung, dass die dicht an der Stadtmauer liegenden Bauten bei kriegerischen Ereignissen gefährdet waren, mag den Philosophen bewogen haben, auf Distanz zu gehen. Das gewählte Grundstück (Stadtplan) ist vom Ilissos nur knapp 90m entfernt. Dass war - ähnlich wie bei Aristoteles‘ Garten - ein grosser Vorteil. Der Peripatos, der Lehrpfad konnte am Ufer des Ilissos angelegt werden. Während Theophrast im langen ersten Teil seines Testaments sich auf das Museion des Aristoteles bezieht, wie ausführlich erörtert, folgen etwa in der Mitte des Testaments (DL 5,53 unten) zunächst Bemerkungen über seine Bestattung: Er will an irgend einem geeigneten Platz im Garten ohne jeden Aufwand bei der Grablege und beim Monument (Grabstein) bestattet werden. Dann heisst es weiter: τὰ περὶ τὸ ἱερὸν καὶ τὸ μνημεῖον καὶ τὸν κῆπον καὶ τὸν περίπατον θεραπευόμενα συνεπιμελεῖσθαι καὶ Πομπύλον τούτων ὲποικοῦντα ... Abb 52 Athen. Der von der Ephorie angefertigte Steinplan vom neu gefundenen Bau nahe dem Ilissos zeigt irrtümlich eine Begrenzungsmauer des Hofes im Süden (es ist nicht ein einziger Stein erhalten! ). Der dadurch entstehende Eindruck eines fast quadratischen Hofes täuscht. Der Hof hatte längliche Gestalt. <?page no="79"?> 79 Kapitel 11: Der eigene Garten des Theophrast … was das Heiligtum (der Musen) betrifft und das Monument (Statuen der Musen) und den Garten (die Schule mit Schulhaus) und den Peripatos, so soll auch Pampylos sich darum kümmern (? ) indem er dort wohnt und wie bisher für die anderen Mitglieder sorgt ... Der Peripatos wird hier zusammen mit dem eigenen Garten genannt. Das kann nicht der öffentliche Weg am Eridanos sein. Gemeint sind die um den Hof angelegten Hallen, in denen bei ungünstigem Wetter die ambulatorische Lehre stattfand. Abb 53 Meine Deutung der Ruine am Ilissos (rechts) als Schule des Theophrast stützt sich auf die Lage und vor allem auf die verblüffende Ähnlichkeit mit Platons Schule (Schulbau) in der Akademie (links). Abb 54 Athen. In der Kaiserzeit entstanden im eigenen Garten von Theophrast zwei kleine Badestuben, die den Philosophen des Peripatos die Annehmlichkeiten des Warmbadens bescherten (Verf. 2014). <?page no="80"?> 80 Kapitel 12: Ein Museum für Aristoteles Ein Bildnis des göttlichen Aristoteles Wir kehren zurück nach Athen. Franz Studniczka erkannte vor mehr als hundert Jahren den Typus des Aristoteles-Portraits. Gisela Richter, Karl Schefold und andere haben die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem Kopf im Kunsthistorischen Museum in Wien um eine Marmorkopie der frühen Kaiserzeit handelt, die auf ein Original des 4. Jhs., wohl der Jahre um 330 zurückgeht. Als Bildhauer dieses frühen Portraits wird Lysipp vermutet. In diesem Zusammenhang hat schon Studniczka in seinem schmalen Bändchen auf den Teil einer Herme hingewiesen, die auf dem ausschliesslich erhaltenen Mittelteil eine Inschrift trägt (Abb 55): 188 (υἱ)ὸν Νικομάχου σοφίης ἐπγίστορα πάσης Στῆσεν Ἀλέξανδρος θεῖον Ἀριστοτέλην Den Sohn des Nikomachos, der alle Weisheit der Welt besass, stellte Alexander auf, den göttlichen Aristoteles. Der stark bestossene Stein aus pentelischem (? ) Marmor, der sich heute im Epigraphischen Museum in Athen befindet, soll bei der Kirche Kapnikarea in der gleichnamigen Strasse gefunden worden sein. 189 Karl Schefold hat sich eindeutig festgelegt, indem er einen Zusammenhang von Inschrift und Kopf annahm: Alexander der Grosse habe seinem göttlichen Lehrer Aristoteles ein bronzenes Bildnis aus der Hand des Bildhauers Lysipp aufgestellt. Davon legten als Kopien sowohl der Kopf als auch die Inschrift Zeugnis ab. 190 Schriftzüge und Anordnung der Buchstaben weisen aber in das späte 2. Jh. CE. Das veranlasst Emmanuel Voutiras zu der Meinung, dass der im Epigramm genannte Alexandros nicht der grosse Eroberer, sondern ein namentlich bekannter Philosoph des 2. Jhs. CE war, der seinen berühmten Kollegen Aristoteles mit der Aufstellung der Herme ehrte. 191 Eine wirklich überzeugende Hypothese vertritt Klaus Hallof, Epigraphiker der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, den ich um Auskunft bat. Auch er zweifelt nicht daran, dass Herme und Epigramm der späteren Kaiserzeit angehören, meint aber, dass sehr wohl Alexander der Grosse gemeint sei. Ein unbekannter Stifter habe historisierend ein Kunstwerk schaffen wol- Abb 55 Athen. Im Epigraphischen Museum befindet sich ein Teil einer Herme mit einer kaiserzeitlichen Inschrift, die besagt, dass Alexander das Bild des allwissenden und heiligen Aristoteles geweiht habe (Verf. 2014). <?page no="81"?> 81 Kapitel 12: Ein Museum für Aristoteles len, wie es seiner Meinung nach Alexander der Grosse getan hätte. Das überzeugt, wirft aber die Frage auf, in welchem Zusammenhang das zu sehen ist. Eine Antwort folgt in den nächsten Kapiteln. Aristoteles’ Testament Fragen wir nach Gestalt, Einrichtung und Bestimmung des Gartens der Musen des Aristoteles, so stellen wir zunächst fest, dass im Testament von Aristoteles (DL 5,11- 16) seine Schule überhaupt nicht vorkommt. H. B. Gottschalk hat in einem ausführlichen Aufsatz über die erhaltenen Testamente von sechs Philosophen die Meinung vertreten, dass Aristoteles sein Testament erst nach seiner Flucht im letzten Lebensjahr in Chalkis 322/ 321 verfasst habe: There is no mention of a school in Aristotele’s will because he died in exile and probably did not expect that his former teaching activity would be renewed by his successors. 192 Kann das stimmen? Im Testament ist ausschliesslich von in Athen zu regelnden Angelegenheiten die Rede. Nichts deutet auf Unsicherheiten hin, die doch der Aufenthalt in Chalkis auf Euböa - der ja einer Flucht aus Athen glich - mit sich brachte. Aristoteles regelt im Testament seine privaten Angelegenheiten: Frau und Kinder sollen versorgt werden, Sklaven sollen freigelassen werden. Mit keinem Wort werden Bücher, Manuskripte oder andere Angelegenheiten seiner wissenschasftlichen Forschungen erwähnt. Wir folgern, dass Aristoteles keine Verfügungsgewalt über das Museion und die dortige Bibliothek hatte. Das Museion war Forschungs- und Lehrinstitut aber eben auch Heiligtum und kein persönlicher Besitz. Mehr über das Schicksal des Museion erfahren wir aus dem Testament des Nachfolgers von Aristoteles, von seinem Freund Theophrast, von dem schon die Rede war (S.-77). Theophrasts Testament. Vom Museion zum Museum für Aristoteles Theophrast schrieb sein Testament um 290, jedenfalls nach der Zerstörung des Gartens der Musen im Jahr 295 BCE von dessen Wiederherstellung bzw. Fertigstellung der Wiederherstellung in seinem Testament die Rede ist. Der wichtige Text ist vollständig bei Diogenes Laertius 5,51-57 wiedergegeben. Das Testament ist ein juristisches Dokument, für dessen Richtigkeit Zeugen genannt sind. Also muss dem Schriftstück (anders als bei Briefen) eine wohl überlegte Gliederung zu Grunde liegen. Vorangestellt sind Verfügungen über privaten Besitz. Darauf gehe ich später ein. Dann folgt ein langer Abschnitt, in dem von einer Wiederherstellung eines Museion die Rede ist. H. B. Gottschalk hat darin ein Musenheiligtum im Garten des Theophrast sehen wollen. 193 Und Lynch vermutete, dass es sich um ein noch unbekanntes Museion im Temenos des Apollon Lykeios handelt. 194 Es ist aber viel naheliegender in diesem Museion den Garten der Musen des Aristoteles zu sehen, in dem Theophrast erst als Schüler und dann als Lehrer tätig war. Im Jahr 294 war das dicht an der Stadtmauer liegende Gebäude - wie auch andere dort liegende Baulichkeiten - während einer Belagerung stark zerstört worden. Theophrast, der kein armer Mann war, hatte die Wiederherstellung des Museion begonnen und selbst bezahlt. Nun verfügt er in seinem Testament wie die Vollendung dieser Wiederherstellung zu geschehen hat. Dieser Text beginnt mit dem Hinweis, dass Hipparchos die nötigen Gelder in Verwahrung hat, und die Arbeiten davon bezahlen soll. Der Übersichtlichkeit wegen ist hier den Abschnitten des Textes je eine Zahl vorgesetzt: Die Beträge, über die Hipparchos verfügt, will ich verwendet sehen für folgende Leistungen: 1) erstens die Arbeiten für die Beendigung der Wiederherstellung des Museion mit den (Statuen der) Göttinnen mit allen der Schönheit dienlichen Vervollkommnungen; 2) zweitens Wiederaufstellung des Bildes des Aristoteles, das früher im Heiligtum war, sowie auch die übrigen ἀναθήματα, Weihgeschenke, soweit es sie früher im Heiligtum gab; 3) εἶτα τὸ στωίδιον οἰκοδομηθῆναι τὸ πρὸς τῷ μουσείῳ μὴ χεῖρον ἢ πρότερον. dann soll die kleine Halle beim Museion nicht schlechter als vorher wieder aufgebaut werden; 4) ἀναθεῖναι δὲ καὶ τοὺς πίνακας, ἐν οἶς αἱ τῆς γῆς περίοδοί εἰσιν, εἰς τὴν κάτω στοάν. auch sollen die Tafeln, auf denen die Erdkarten (? ) dargestellt sind, im unteren Säulengang wieder aufgestellt werden (Ü: Apelt); 5) Ferner Wiederherstellung auch des Altars so, dass ihm nichts an Schönheit und Vollkommenheit fehlt; 6) auch soll die Statue des Nikomachos in gleicher Grösse (wie die vorhandene des Aristoteles) aufgestellt werden. Der vereinbarte Preis für das Kunstwerk ist Praxiteles schon bezahlt worden. Der Rest soll aus den genannten Mitteln bestritten werden. Seine Aufstellung soll es an einem Platz finden, der den Ausführenden auch der übrigen Bestimmungen angemessen erscheint. So viel vom Heiligtum und von den Weihgeschenken. Mit dieser letzten Bemerkung schliesst Theophrast das Thema ab. Auf die dann folgenden Vorschriften, die seine Person und sein Eigentum betreffen, gehe ich später ein (S.- 84). Es bleiben Fragen. Weder Bibliothek noch eine Exedra für Vorlesungen und auch ein Oikos für gemeinsame Mahlzeiten werden erwähnt. Wir müssen davon ausgehen, dass im Garten der Musen (der nicht sein eigener war) nicht mehr wie früher gelehrt und geforscht werden sollte. Die Aufstellung kostbarer Statuen von Aristoteles und seinem Vater bringen uns auf die vermutlich richtige Spur: Das Museion, in dem Aristoteles und dann auch Theophrast viele Jahre gelehrt hatten, sollte nun eine Erinnerungsstätte werden, ein Heroon für Aristoteles und für seinen Vater, den Leibarzt des makedoni- <?page no="82"?> 82 Kapitel 12: Ein Museum für Aristoteles schen Königs. Der unter 6) genannte Bildhauer der Statue des Nikomachos kann nicht der berühmte Praxiteles gewesen sein. 195 Das Wort ἴσην wird meist mit „Lebensgrösse“ übersetzt, gemeint ist hier aber gleich (der Statue des vorher erwähnten Aristoteles). Wenn Bilder von Aristoteles, von seinem Vater zusammen mit den übrigen Weihgeschenken im Heiligtum standen, darf hier die oben erwähnte Herme der mittleren Kaiserzeit, des allwissenden und göttlichen Aristoteles als vermeintliche Stiftung Alexanders nicht gefehlt haben. Nun wird klar, warum die eine Lehrstätte charakterisierenden Baulichkeiten wie Exedra (Vortragsaal), Bibliothek und Peristyl im Testament nicht genannt werden. Sie spielten in einem Museum, in einer Verehrungsstätte für Aristoteles keine Rolle mehr. Die dringlichsten Arbeiten nach der Zerstörung während der Belagerung im Jahr 294 werden die Instandsdetzung der Umfassungsmauer und die Ausbesserung des Daches betroffen haben. Wahrscheinlich gab es auch intakt gebliebene Teile, denn es ist von der offensichtlich noch erhaltenen unteren Stoa die Rede. Eine untere Stoa muss eine Entsprechung in einer oberen Stoa gehabt haben (Abb 39). Es liegt nahe, an ein vierseitiges Peristyl zu denken, das einen Hof umschliesst. Nur der Hof ist ein geeigneter Platz für die im Text genannten Statuen (Bilder) der Göttinnen und für den zugehörigen Altar, dem nichts an Vollkommenheit fehlen soll. Die Hallen (stoai) lassen eine Ähnlichkeit wenn nicht sogar Gleichheit mit dem Schulbau Platons in der Akademie vermuten. Im Text bei Theophrast ist dann die Rede von der Wieder-Aufstellung des Bildes von Aristoteles und ebenso der übrigen Weihgeschenke, die vorher im Heiligtum ihren Platz hatten. Dafür kommen die Wände der Hallen infrage. Denn ein Tempel ist im Heiligtum der Musen nicht zu erwarten. 196 Besonders hervorgehoben wird im Text das offensichtlich neue Bild eines Nikomachos. Damit kann nur Nikomachos, der Vater von Aristoteles und Leibarzt des makedonischen Königs Amyntas gemeint sein. Diese Statue war schon in Auftrag gegeben worden, und der Bildhauer hatte sein Geld schon erhalten. Weiter schreibt Theophrast, dass die kleine, zum Museion führende Halle, die sehr wahrscheinlich die Verbindung zum Peripatos an der 140 m entfernten Stadtmauer herstellte, so gut wie sie vorher war, wieder aufgebaut werden soll. Sie mündete vermutlich in die untere Halle, von der im selben Satz gesagt wird, dass dort die Pinakes (Tafeln, Reliefs, Modelle? ) wieder ihren alten Platz finden sollten. Dabei muss es sich um Arbeitsmaterial von Aristoteles handeln, um Karten oder um Ergebnisse seiner naturwissenschaftlichen Forschungen, das den Besuchern einen Eindruck von den Arbeiten des Philosophen geben sollten. Mit unten kann, dem nach Süden fallenden Gelände entsprechend, nur die Südseite des Gartens der Musen an der Strasse gemeint sein: Also betraten von der Strasse kommende Besucher die Halle und fanden dort an der Rückwand die erwähnten Tafeln. Alles in allem lassen sich alle im Testament genannten Bauteile lückenlos auf einer Planskizze der Akademie unterbringen (Abb 39). Das Lehrinstitut von Platon hat den Anforderungen an ein solches Institut so sehr entsprochen, dass Aristoteles (und später auch Theophrast) sich weitgehend auf eine Kopie beschränkten. Museum, Verein oder Heroon? Die eben geschilderte Umwandlung des Heiligtums der Musen, der Forschungs- und Lehrstätte von Aristoteles, in eine Verehrungsstätte für den Philosophen hat der Privatmann Theophrast geplant und ausgeführt. Wenn Aristoteles in einer späten Inschrift als göttlich bezeichnet wird (Abb . 54), so fragt sich dennoch, welchen Charakter diese Stätte hatte. War es eine für die Öffentlichkeit bestimmte Erinnerungsstätte des Genies Aristoteles? Wenn es sich um ein Heiligtum handelt, müsste für den Betroffenen ein Altar vorhanden sein. Aber der unter 5) im Testament aufgeführte Altar sollte wieder hergestellt werden. Es gab ihn also schon vorher, und es war der für die Verehrung der Musen bestimmte Altar, deren Bilder (Statuen) ebenfalls restauriert werden sollten. Werfen wir in diesem Zusammenhang einen Blick auf Verehrungsstätten für Alexander, die nach seiner Aufforderung, ihn als Gott zu verehren (vermutlich 324 bei den Olympischen Spielen von Nikanor bekannt gegeben) in zahlreichen Städten entstanden waren. In den Jahren nach Alexanders Tod herrschte in den entsprechenden Heiligtümern ein populärer bildloser Kult vor. 197 Später war man bemüht, ein Bildnis Alexanders aufzustellen. Am Ort entdeckt und ausgegraben ist ein solches Heiligtum bislang nur im ionischen Priene, dessen Bewohner Grund hatten, Alexander dankbar zu sein. Allerdings hielten sich die Ausgräber mit der Zuweisung an Alexander zurück, obwohl die Anlage nach Funden in die ersten Jahrzehnte des 3. Jhs. datiert wird (oder in erster Phase vielleicht sogar noch dem 4. Jh. angehört), und obwohl eine Inschrift am Tor von einem Heiligtum, einem ἱερόν spricht, und obwohl im grossen Saal neben anderen Weihungen eine Statuette Alexanders von hervorragender Qualität gefunden wurde. Das Argument, dass auch andere Weihungen zutage kamen, bedeutet wenig. Diese Anlage im Südwesten der Stadt Priene an der Westtorstrasse 198 nimmt den Raum mehrerer Häuser ein, ist etwa 500 m 2 gross und präsentierte sich den Ausgräbern im Zustand mehrerer Bauphasen, die eine Rekonstruktion der ursprünglichen Anlage erschweren. Zu den jüngsten Stellungnahmen gehört eine Vorlage eines (ziemlich groben) Kieselmosaiks in einer Kammer in einer Ecke südöstlich des grossen Saales (Abb 56). Frank Rum- <?page no="83"?> 83 Kapitel 12: Ein Museum für Aristoteles scheid, der eigentlich nie irrt, hat hier aber übersehen, dass dieser Phase, für die drei Kammern an der Ostwand der Anlage kennzeichnend sind (zu sehen im Plan des Ausgräbers Wilberg von 1897), ein dreiseitig von Säulen umstandener Hof vorausgeht. 199 Von der Nordhalle sind eine Säulenbasis (dritte von Westen), und etwas weiter östlich ein Rest des Stylobates noch am Ort erhalten. Eine zweite Säule zeugt von der südöstlichen Ecke des Peristyls (im Plan von Wilberg rot kenntlich gemacht). Das Joch der zu ergänzenden Säulen der auf allen drei Seiten annähernd gleich tiefen Hallen beträgt einheitlich 2,95 m oder 10 Fuss. Das Heiligtum bestand also aus einem dreiseitigen Peristyl mit einem Altar im Hof (Fundamente erhalten), aus einem Raum im Norden, 19 m x 9 m gross, in dem sich mehr als hundert Personen versammeln konnten, und aus zwei Banketträumen für je 11 Klinen im Süden. Die Teilnehmer versammelten sich vermutlich am Geburtstag und am Todestag Alexanders und trugen nach der nur bruchstückhaft erhaltenen Inschrift am Tor weisse Kleidung. Anders als Aristoteles genoss Alexander göttliche Ehren mit Opfer am Altar. Es handelt sich um einen Thiasos, um einen Kultverein, wie sie im Hellenismus vielfach auf privater Basis entstanden. Abb 56 Priene. Von dem an der Hauptstrasse gelegenen Alexandreion ist rechts die Befund-Zeichnung von 1897 dargestellt. Daraus lässt sich der ursprüngliche Zustand des Vereinshauses rekonstruieren: ein auf drei Seiten von Hallen umgebenen Hof mit Altar, Banketträumen und einem Versammlungsraum (Verf. 2017). <?page no="84"?> 84 Kapitel 13: Das Schicksal der Bibliothek von Aristoteles Aristoteles verfügte - darin sind sich die Fachleut einig - über eine grosse, vielleicht sogar über die bis dahin grösste Büchersammlung. In seinem Testament ist aber weder von den Büchern noch von einer Bibliothek die Rede. Das kann nur so verstanden werden, dass Bücher und Bibliothek zusammen mit dem Gebäude eine Einheit bildeten. Darüber hatte Aristoteles keine Verfügungsgewalt. Das Museion war ihm auf Beschluss des Demos von der Polis eingerichtet worden, und es scheint so, dass auch das Inventar de jure der Polis gehörte (S. 38). Es gibt aber eine andere Quelle, die eine Lösung des Problems bietet. Im zweiten Teil des Testaments von Theophrast (DL 5,52 Mitte) geht es um seinen eigenen, um seinen privaten Besitz, so um ein Landgut in Stageira, das er offensichtlich von Aristoteles geerbt hatte. Das soll nun Kallion erben, der zum Kreis der zehn auserwählten Schüler von Theophrast gehört. Zu diesen Zehn Peripatetikoi zählte auch Neleus aus Skepsis, einem ganz unbedeutenden Ort in der Troas. 200 Ihm vermachte Theophrast alle Bücher: τὰ δὲ βιβλία πάvτα Νηλεῖ. Das Wort πάvτα hat schon Strabon irrtümlich so verstanden, dass damit die Bücher der grossen, zur Schule gehörenden Bibliothek gemeint sind. Bei Strabon, Geographika 608 heisst es nämlich, dass Neleus die Bücher, unter denen sich auch die von Aristoteles befanden, nach Skepsis brachte, dass sie dort unter der Erde in einem Stollen versteckt wurden bis die Familie des Neleus die inzwischen zerfressenen Bücher verkaufte. Sie gelangten irgendwie wieder nach Athen, wo sie wegen fehlerhafter Restaurierung wenig nützlich waren. Plutarch Sulla, 26 wiederholt diese Geschichte und fügt hinzu, dass Sulla schliesslich die Bibliothek, darunter auch die Bücher von Aristoteles, nach Rom geschafft habe. Viele Historiker, unter ihnen auch Philologen, haben diese Geschichte geglaubt, 201 obwohl man sich doch fragen muss, was Theophrast für ein Interesse gehabt haben könnte, sein Lehrinstitut ohne Bücher zu hinterlassen? Und wie und vor allem warum sollte Neleus die vielleicht 40 000 Bücher nach Skepsis geschafft und dort vergraben haben? Der erste, der Zweifel hegte, war Alfred Gercke 1894, der allerdings dazu nur drei Worte schrieb, die offensichtlich überlesen wurden. 202 Der Fehler liegt bei Strabon, wie Stefan Radt im Kommentar zu seiner neuen Übersetzung sagt: sicher, dass es bei dieser Transaktion (der Vererbung an Neleus) nicht um die ganze Bibliothek sondern nur um die eigenen Schriften der beiden Philosophen ging. Es handele sich um ein Missverständnis von Strabon. 203 Gemeint ist meiner Meinung nach eine kleine Bibliothek privat erworbener Bücher. Das mögen 20 oder vielleicht auch 40 Buchrollen gewesen sein, die Neleus in einer zugehörigen Kapsa (Buchrollen-Schachtel) transportieren konnte. Athenaios 1,3a wiederholt den ersten Teil der phantastischen Geschichte, berichtet dann aber, dass schon Ptolemaios Philadelphos die Bibliothek des Apellikon von Teos (der die Bücher inzwischen erworben haben soll) für die Bibliothek in Alexandria gekauft habe. Fassen wir zusammen. Nach dem Tod von Aristoteles im Jahr 322 hielt sein Nachfolger Theophrast den wissenschaftlichen Betrieb und die Lehre im Museion zunächst aufrecht. Als sich unter Kassandros die politischen Verhältnisse grundsätzlich änderten und unter makedonischer Aufsicht Demetrios von Phaleron, Schüler von Aristoteles und Freund von Theophrast, die Regierungsgeschäfte im Jahr 317 übernahm, verhalf letzterer nach Diogenes Laertius 5,39 dem Metöken Theophrast zu einem eigenen Garten. Warum? Weil der Garten der Musen von Aristoteles eine Kriegsruine war, und weil er im Zug der Wiederherstellung eine Erinnerungsstätte des grossen Philosophen werden sollte. Sein Freund und Nachfolger hat das Vorhaben geplant und ausgeführt. <?page no="85"?> 85 Kapitel 14: Museion und Kunstmuseum im Tal der Musen am Helikon Wir besuchen mit Pausanias das Tal der Musen, um an diesem Ort - gleichsam der Heimat der Musen - zu verdeutlichen, dass Musik, Kunst und Wissenschaft in gleich welcher Äusserung mit dem Wirken der Musen zu tun hat. Entsprechend vielseitig ist der Begriff Museion. Hesiod, der bedeutendste Dichter der archaischen Zeit nach Homer, soll einst am Gebirge Helikon Schafe geweidet haben, und dort hätten ihm die Musen einen Olivenzweig überreicht, ihm die Gabe des Gesanges verliehen und ihm befohlen, die Götter zu besingen, heisst es in der Theogonie 22 ff. 204 Die Verehrungsstätte Hesiods im Tal der Musen, in der mehrere Bildwerke von Hesiod standen, und sogar eine Tafel mit Schriften seiner Werke gezeigt wurde, war wie das Museion des Aristoteles im Bezirk Lykeion zu einem Museum geworden. In vielen Heiligtümern vollzog sich in spätklassischer Zeit der Wandel zum Kunstmuseum. Die Aufstellung von Statuen oder anderen Werken grosser Künstler wurde ausschlaggebend für die Bedeutung des jeweiligen Ortes. 205 Pausanias 9,27 besucht auf seiner Tour durch Griechenland das böotische, das siebentorige Theben, widmet dem Helden Epameinondas viele Seiten und kommt auch nach Thespiai. An diesem Ort, dessen einstige Bedeutung die spärlichen Ruinen nicht ahnen lassen, fand Pausanias Statuen des Zeus Saotes (der Retter hatte die Stadt von einem Drachen befreit), von Dionysos, der Tyche und Athena. Am berühmtesten war eine Statue des Eros aus der Hand von Praxiteles, die später geraubt, dann zurückgegeben, wieder geraubt und schliesslich in Rom bei dem grossen Brand zu Grunde ging. 206 Von Thespiai wandte sich Pausanias nach Westen und erreichte nach etwa drei Stunden das Tal der Musen am Fuss des quellenreichen Helikon (Abb 57). 207 Pausanias lobt den fruchtbaren Boden, viele dort wachsende Heilkräuter und erklärt, dass hier in dieser idyllischen Landschaft anfangs drei, später dann neun Musen verehrt wurden, die schon die bekannten Namen trugen (Hesiod, Theogonie 76 ff.): Polyhymnia (Musik, Leier, Gesang), Thalia Abb 57 Tal der Musen am Gebirge Helikon. Das Heiligtum am plätschernden Bach Permessos ist von Thespiai über einen Feldweg zu erreichen (Zeichnung nach Kirsten und Kraiker). <?page no="86"?> 86 Kapitel 14: Museion und Kunstmuseum im Tal der Musen am Helikon (Komödie), Terpsychore (Chorgesang, Tanzkunst), Erato (Lyrik, Liebesdichtung), Urania (Astronomie), Kalliope (Epos, Elegie), Euterpe (Flöte), Melpomene (Tragödie). Pausanias weist auf die grosse Bedeutung der Musik als Geschenk der Götter hin. An einem kleinen Felsen gebe es ein Bild des Linos, eines Sohnes der Urania und des Amphimaros. Dieser Linos habe in der Musik bei seinen Zeitgenossen höchsten Ruhm erlangt. Apollon habe ihn getötet, weil Linos seinen Gesang mit dem seinigen verglich. Als Linos gestorben war, erfüllte Trauer selbst das äussere Barbarenland ganz, ja sogar die Aigypter stimmten Klagelieder um Linos an. Pausanias berichtet noch weitere Anekdoten über den Gesang des Knaben Linos (ich denke dabei an den betörenden Gesang von Solisten der Wiener Sängerknaben) und weist wenig später gleichsam als Ergänzung auf ein im Heiligtum stehendes Bildnis des Orpheus hin, der ebenfalls mit seiner Stimme Menschen und sogar Tiere bezauberte. Im Heiligtum nennt Pausanias Statuen der ganzen Gruppe der Musen aus der Hand von Kephisodotos, 208 eine andere Gruppe von nur drei Musen vom selben Künstler, andere von Sthennes aus Olynth 209 und sehr viele weitere Statuen, darunter ein Dionysos von Lysipp. Ein stehender Dionysos von Myron war zu seiner Zeit nicht mehr vorhanden. Statuen von Dichtern und sonst in der musischen Kunst Hervorragenden stellten sie folgende auf: einen Thamyris, der schon blind ist und eine zerbrochene Leier hält; auch Arion aus Methymna auf einem Delphin ist da. ... Auch Hesiod sitzt dort mit einer Kithara auf den Knien ... Weiter unten berichtet Pausanias 9,31,3: Auf dem Helikon steht unter anderen Dreifüssen auch als ältester der, den Hesiod in Chalkis am Euripos erhalten haben soll, als er am Sangeswettkampf gesiegt hatte. Um den Hain herum wohnen auch Leute, und die Thespier feiern hier ein Fest und einen Wettkampf Museia; sie veranstalten auch für Eros Wettkämpfe, wobei sie Preise nicht nur für musische Dinge sondern auch für Athleten aussetzen…und sie zeigten mir bei der Quelle eine Bleitafel, die mit der Zeit stark beschädigt war. Auf ihr aber waren die „Werke“ (von Hesiod) geschrieben (Ü: E. Meyer). Bei den Ausgrabungen, die vor langer Zeit im Tal der Musen stattfanden, wurden ein Theater, ein Altar und die Ruinen einer Stoa freigelegt. 210 Einen Tempel hat es in diesem Heiligtum nicht gegeben. Die Statuen der Musen standen im Freien neben dem Bach Permessos. Ohne Quellen oder Wasserläufe sind Musen nicht denkbar. Das Plätschern von Quellen in freier Natur wird in Griechenland noch heute als Musik empfunden. Der Ausdruck μουσική stand in klassischer Zeit für jede Art von geistiger und künstlerischer Betätigung, die unter dem Schutz der Musen stand. Wie fast kein anderer war dieser Götterdienst ein Kultus des Geistes. 211 Ein Besuch des Tals der Musen steht heute selten auf dem Programm von Reisenden. Aber am 21. Juni, am Tag der Sonnenwende im Jahr 2015, kommt eine Gruppe weiss gekleideter Verehrer der antiken Götter in diese einsame Gegend am Fuss des Helikon, um Eros und den Musen nahe zu sein. Diese in Griechenland anerkannte Religionsgemeinschaft nennt sich Heilige Gemeinschaft der Gläubigen der Antike (ELINAIS). An eben diesem Tag bin ich mit Kollegen mit gleichem Ziel unterwegs. Von Thespiai aus führt ein befahrbarer Feldweg am Bach Permessos entlang nach Westen. Das anfangs weite Tal verengt sich, blühender Ginster, Purnaria, Lorbeersträucher, viele Walnussbäume, Feigenbäume und Oliven begleiten uns bis zum Heiligtum, von dem jenseits des Permessos-Baches verstreut liegende Marmorblöcke sichtbar werden. Eine Quelle unterhalb des Weges, erkennbar an einer gemauerten Einfassung, ist heute versiegt und stumm, aber der Bach Permessos plätschert, und Glocken weidender Schafe und Ziegen bimmeln ohne Unterlass. Wir entdecken die Tiere in der Nähe des Theaters, das sich als Mulde am südwestlichen Hang abzeichnet (Abb 58). Dort haben die von Pausanias erwähnten Versammlungen und Wettkämpfe stattgefunden. Zentrum des Kultes war der teilweise erhaltene Altar mit grosser Trapeza (Altartisch) von immerhin 10 m Breite. In geringer Entfernung liegen weitere Marmorblöcke, darunter Teile einer Exedra und solche mit Einlassungen für die Füsse bronzener Statuen. Konstantin der Grosse hat Statuen der Musen nach Konstantinopel bringen lassen. Davon zeugt, wie mir Klaus Hallof, der gerade aus Theben zurück gekehrt ist, eine grosse Basis im dortigen Museum. Abb 58 Tal der Musen. Die Quader im Vordergrund gehörten dem mehr als 10 m grossen Altar an. Im Hintergrund das Theater der Kultstätte (Verf. 2016). <?page no="87"?> 87 Kapitel 15: Epikur und sein Gemüsegarten In der späten Kaiserzeit war die Philosophie Epikurs noch im ganzen Reich verbreitet. Dem trägt Diogenes Laertius Rechnung, indem er dem ‚Philosophen des kleinen Glücks‘, der Zufriedenheit im Privaten, das ganze umfangreiche zehnte und letzte Buch mit sage und schreibe 154 Kapiteln widmet. Wir lesen dort (DL10,1,2), dass die Familie des später berühmten Philosophen zu den Athenern gehörte, die sich 365 BCE auf Samos nach Vertreibung der dortigen Bevölkerung niedergelassen hatten. Epikur wurde im Jahr 341 BCE auf der Insel geboren. Er soll sich schon als Vierzehnjähriger für Philosophie interessiert haben. Das mag seine Entscheidung beeinflusst haben, die übliche Ausbildung im Rahmen der Ephebeia im Alter von 18 bis 20 Jahren in Athen zu absolvieren. Denn dort lehrte damals Xenokrates als Nachfolger von Platon in der Akademie. Schlimme Folgen für die athenischen Bewohner der Insel Samos hatte der oben (S. 74) erwähnte Erlass Alexanders des Grossen im Jahr 324, nach dem alle Exilanten in ihre Heimat zurück kehren durften. Nun mussten die in Samos lebenden Athener die Insel verlassen. Die Eltern von Epikur gingen nach Kolophon in Ionien, wo ihr Sohn sie erreichte. In den folgenden Jahren lernte und lehrte der junge Philosoph Epikur erst in Mytilene auf Lesbos, dann in Lampsakos (Karte im Stadtplan). Dort schloss er Freundschaft mit Hermarchos, Metrodoros und Kolotes. Diese Gefährten begleiteten ihn im Jahr 306 nach Athen und wurden Mitglieder in der Gemeinschaft des Kepos (Garten). Was hat es mit diesem Kepos auf sich? Hatte Aristoteles den Menschen als ζῷον πολιτικόν, als gesellschaftliches Wesen definiert und wie seine Vorgänger Teilnahme am öffentlichen Leben gefordert, so empfahlen die Verhältnisse nach dem Katastrophenjahr 324 das Gegenteil. Das Walten der Tyche, der tiefe Fall verdienter Politiker wie Demosthenes und Demetrios von Phaleron, die Ohnmacht der Poleis erstickte den Ehrgeiz junger Leute und empfahl einen Rückzug ins Private. Der Garten wurde zum Symbol der politischen Abstinenz einer intellektuellen Elite. Hundert Jahre vor Epikur hatte Xenophon in seinem Oikonomikos die Landwirtschaft als kommerzielles Unternehmen geschildert, das, um Erträge zu erzielen, reibungslos verwaltet werden muss. Im Gegensatz zu wenig geachteten Handwerksberufen seien die mit der Landwirtschaft zusammenhängenden Tätigkeiten ehrenvoll (oik.4,4), und zudem auch gesund. Es ist sicher nicht falsch, in Bezug auf das Lob des Landlebens in Xenophon einen Vorgänger Epikurs zu sehen. Bei Epikur ist der Garten Bestandteil seiner Philosophie. Pflanzen und Früchte des Gartens gehören zur selbst gewählten, schlichten Lebensweise. Das unter diesen Umständen gelebte Freisein von Schmerz führt zur dauerhaften εὐδαιμονία, zur Glückseligkeit. Eine durchaus unrichtige Beurteilung finden wir bei Plinius (der nie in Athen war und auch nicht als Philhellene hervortrat). In seiner Naturgeschichte 19, 49-52 Von der Kultur der Gartengewächse heisst es: … Jetzt besitzt man unter der Bezeichnung Gärten sogar in Rom selbst (in der Stadt) delicias agros villasque dem Vergnügen dienende Äcker und Landgüter. Als erster hat in Athen solche Anlagen Epikur, der Lehrer des Müssiggangs, eingerichtet; denn bis zu seiner Zeit hatte man in ipsa urbe in den Städten noch keine Landhäuser. - In Rom jedenfalls war (früher) der Garten der Acker des Armen; für den gemeinen Mann war der Garten sein Fleisch- und Gemüsemarkt, und wie unschuldig war diese Lebensweise in Vergleich mit dem jetzigen Luxus! Ein dem Vergnügen dienender Lustgarten war Epikurs Garten in Athen keinesfalls. Plinius hat in der Stadt liegende grosse Häuser mit Gartenanlagen im Sinn, bei denen kommerzielle Interessen keine Rolle spielten, wenn es auch nützlich sein mochte, seinen Gästen Früchte aus dem eigenen Gartens anzubieten. In Latium waren solche städtischen Landhäuser zu Plinius’ Zeit nicht selten. In Athen war der innerstädtische Garten Epikurs noch eine Ausnahme. Das geht schon aus der Bezeichnung seiner Schüler als die vom Garten hervor. Sie strömten auch von allen Seiten bei ihm zusammen und lebten mit ihm im Garten, wie Apollodor berichtet. Diesen Garten soll er für 80 Minen gekauft haben … heisst es bei Diogenes Laertius 10,10. Für den Preis von 80 Minen (8000 Drachmen, mehr als 1 Talent! ) waren in Athen zur Zeit Epikurs zwei Häuser zu bekommen. Also konnte Epikur für diesen hohen Kaufpreis (den vermutlich Gönner aufgebracht hatten) ein grosses Grundstück erwerben. Ich denke an eine Fläche von mindestens 50 x 100- m, wie sie in hellenistischer Zeit (2. Jh.) für grosse Stadthäuser mit Peristylen und Gärten üblich werden sollte. Epikurs Garten war das, was wir heute einen Gemüsegarten nennen. Er diente ausschliesslich zur Selbstversorgung und Unabhängigkeit der Hausgemeinschaft. Früher hatten in griechischen Städten aus hygienischen Gründen und aus Raumnot nicht nur Ställe, sondern auch grosse Gärten ausserhalb der Stadtmauern ge- <?page no="88"?> 88 Kapitel 15: Epikur und sein Gemüsegarten legen. Epikur scheint mit seinem grossen, innerhalb der Stadtmauern liegenden Gartengrundstück Vorbild für vermögende Bürger gewesen zu sein, die sich ebenfalls im Stadtgetriebe eine private Insel schaffen wollten. Wie hat Epikurs Garten ausgesehen? Der Zufall will es, dass Gemüsegärten heute wieder geschätzt werden. In Potsdam, im Park von Sanssouci haben die Gärtner 2014 gegenüber den Römischen Bädern (Architekt Karl Friedrich Schinkel) nach historischem Vorbild einen Gemüsegarten angelegt, der aus schmalen Reihen verschiedener Pflanzen wie Bohnen, Salaten, Kohl (sehr dekorativ! ) und auch Artischocken besteht (Abb 59). Ein Kräuter- und Gemüsegarten verströmt wunderbare Düfte und ist auch für den Sehenden eine Augenweide. Zwei der vielen, sich um Epikur rankenden Anekdoten seien hier noch genannt. Während der grossen Hungersnot zur Zeit der Blockade Athens im Jahr 296 hungerten auch die Epikureer. Epikur zählte den Seinen täglich eine Ration von einzelnen Bohnen ab. Auch Kapern, die eigentlich wie Unkraut im Garten wachsen, waren kostbar geworden. In einem Brief an einen Freund bittet Epikur darum, ihm Käse aus Kythnos zu schicken, damit ich, wenn ich Lust dazu habe, einmal recht schwelgen kann (DL 10,11). Ziegen auf Kythnos ernährten sich von seltenen Kräutern, die dem Käse einen sehr eigenen Geschmack gaben, wie Plinius, nat. 13,134 berichtet. 212 Diogenes Laertius war es gelungen, das Testament Epikurs ausfindig zu machen. Darin wird eine Büchersammlung erwähnt (DL 10,21). Ferner ist vom Garten nebst Zubehör und von der Instandhaltung des Gartens die Rede. Ein Gemüsegarten braucht Pflege. Es wird aber auch deutlich, dass die üblichen Einrichtungen einer Philosophen-Schule vorhanden waren: Bibliothekssaal, Oikos für gemeinsame Mahlzeiten und natürlich ein Peripatos. Im Testament (DL 10,17) wird auch ein ein Haus im Bezirk Melite (Stadtplan) genannt, das Amynomachos und Timokrates als Wohnung erhalten sollen. Wir schliessen daraus, dass die Baulichkeiten im Kepos den Gefährten der Gemeinschaft nicht als Wohnung dienten. 213 Jedenfalls können das Haus in Melite und der Kepos nicht identisch sein. Der Demos Melite war keine schlechte Wohngegend. Themistokles wohnte dort und Abb 59 Potsdam. Im Park von Sanssouci wurde 2014 vor den Römischen Bädern ein historischer Gemüsegarten angelegt, der eine Vorstellung davon gibt, wie der Kepos (Garten) des Epikur in Athen ausgesehen haben könnte: Lange Reihen gleicher Pflanzen sind übersichtlich und erleichtern Pflege und Ernte (Verf. 2014). <?page no="89"?> 89 Kapitel 15: Epikur und sein Gemüsegarten hatte gleich nach dem Ende der Perserkriege ebenda den von Threpsiades aufgefundenen Tempel der Artemis Aristobule erbaut. 214 Ein Museum für Epikur im äusseren Kerameikos? Bei Ausgrabungen nordwestlich des Dipylon-Tores entdeckte der Ephoros Georgios Dontas 1968 in einer späten Mauer und bei einer spätantiken Ruine fünf sitzende kopflose Statuen von Philosophen, von denen zwei Epikur selbst darstellten. Die anderen drei liessen sich nicht identifizieren. Alison Frantz vermutet, dass hier vor den Toren der Stadt ein Garten des Epikur angelegt worden war, weil der alte in der Innenstadt, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr bestand. 215 Diese zunächst unwahrscheinliche These bietet aber eine Möglichkeit, sowohl an der innerstädtischen Lage des originalen Kepos festzuhalten und eine Stelle bei Cicero zu erklären. Als Cicero mit Bruder und Freunden im Jahr 78 BCE die Akademie aufsuchte (S. 46), gedenken die sehr gebildeten Römer historischer Ereignisse und Persönlichkeiten. Bei Cicero fin. 5,3 heisst es: Darauf nahm Pomponius das Wort: Ich aber, über den Ihr als einen ergebenen Anhänger Epikurs herzufallen pflegt, weil ich mich auch viel mit Phaedrus, den ich, wie Ihr ja wisst, ausserordentlich hochschätze, gern in Epikurs Gärten aufhalte, an denen wir eben vorbei kamen, ich halte es mit dem alten Sprichwort und gedenke der Lebenden. Aber trotzdem darf ich auch den Epikur nicht vergessen, selbst wenn ich es wollte. Unsere Freunde besitzen sein Bild nicht nur auf Gemälden, sondern auch auf Bechern und Ringen (Abb 60). Dann sagt Cicero über seinen Freund: Er hat sich nämlich in Athen so eingenistet, dass er fast ein richtiger Attiker ist, und ich glaube, dass er diesen Beinamen auch wirklich erhalten wird. Kein Zweifel, Pomponius Atticus, der Bewunderer Epikurs, kennt sich aus, und so ist an der Richtigkeit der Aussage nicht zu zweifeln: in Epicuri hortis, quos modo praeteribamus in Epikurs Gärten, an denen wir eben vorbeikamen (Ü: O. Gigon - L. Straume-Zimmermann). 216 Weil die Freunde ausdrücklich direkt vom Dipylon-Tor zur Akademie gingen, müssen sie den Dromos, das Demosion Sema, benutzt haben, und die neuen Gärten Epikurs sind an dieser Strasse zu suchen, eben da, wo Dontas die Statuen der fünf Philosophen, darunter zwei Epikur darstellend, gefunden hat. Was spricht dagegen, hier ein Museum für Epikur zu vermuten, das dem oben geschilderten für Aristoteles ähnlich gewesen sein könnte? Abb 60 Ein frühhellenistischer Silberbecher aus Boscoreale (heute im Louvre) gehört zur Gruppe der Skelettbecher. Auf der Vorderseite zeigt der Stoiker Zenon (links) auf Epikur (Bildmitte), der gierig nach dem Brot auf einem Tisch greift. Eine Anspielung auf die Hungersnot während der Belagerung Athens im Jahr 295? Oder soll die stoische Ruhe als überlegene Phiolosophie demonstriert werden? (nach Schefold, Bildnisse Nr. 175.) <?page no="90"?> 90 Kapitel 16: Zenon in der Stoa Poikile In Lexika findet sich oft die Definition, dass jemand als stoisch bezeichnet wird, der besonnen handelt und sich durch unerschütterliche Ruhe auszeichnet. Zenon, der Begründer der philosophischen Richtung der Stoa, wurde um 300 BCE in Kition auf Zypern geboren. Spöttische Bemerkungen über diese, seine ferne Heimat konnten Zenon nicht erschüttern. Er war als Schiffbrüchiger im Piräus gelandet, ging nach Athen und setzte sich bei einem Buchhändler nieder, wo ihm Xenophons Memorabilia vor die Augen kamen. Begeistert fragte er - so will es die Legende DL 7,2.3 -, wo er Menschen wie Sokrates finden könne. Der Philosoph Krates kam gerade vorbei, und so wurde er dessen Schüler. Die Beziehung hielt einige Zeit, obwohl dieser Krates ein Schüler des Kynikers Diogenes von Sinope war (S. 93), Zenon aber für die hündische Schamlosigkeit wenig übrig hatte. Später hörte er Stilpon und auch Xenokrates, als dieser Haupt der Akademie war. Nach einigen Jahren - Zenon war schon ein reifer Mann - fasste er den Entschluss, eine eigene Schule zu gründen. Um sich von den herkömmlichen Schulen zu distanzieren, wählte er für die Lehre einen ungewöhnlichen Ort. Für einen Philosophen, der auffallen wollte, war dafür kein Gebäude besser geeignet als eine der prachtvollen Hallen am Rand der Neuen Agora (Stadtplan). Dort kamen viele Bürger Athens täglich zusammen, und es bedurfte keiner Reklame, um bei der Ausübung einer Tätigkeit bekannt zu werden. Es erstaunt, dass der Philosoph Zenon die Lehre an einem so betriebsamen Ort über einen langen Zeitraum fortsetzte. Ein Grund dafür mag die ausdrücklich überlieferte schlechte gesundheitliche Konstitution gewesen sein. Die Lehre in der Halle, die man sich in einem abgegrenzten Bereich vorstellen kann, schützte vor Wind und Wetter. Für die Nutzung eines wichtigen öffentlichen Baus musste der Demos seine Zustimmung geben, handelte es sich doch um eine grosse Ehre. 217 Das sollte besonders für die berühmteste aller Hallen gegolten haben. Denn diese Stoa Poikile, die Bunte Halle, war dank ihrer ästhetischen Vollkommenheit eines der Symbole für die kultu- Abb . 61 Athen. Der Philosoph Zenon lehrte in der Stoa Poikile am Nordrand der Neuen Agora. Die prächtigste Halle Athens war mit Bildern mythischer und historischer Schlachten geschmückt (Skizze Verf. 2010 nach W. B. Dinsmoor jr.). <?page no="91"?> 91 Kapitel 16: Zenon in der Stoa Poikile relle Überlegenheit der Athener (Abb . 61). Das bezieht sich nicht zuletzt auf Bilder des Malers Polygnot an der Rückwand des Innenraumes, auf denen die für die Athener bedeutungsvollen Schlachten dargestellt waren. In der Mitte kämpfen Athener zusammen mit dem Stadtgründer Theseus gegen die Amazonen, und auf einem benachbarten Bild war die Einnahme von Troja zu sehen. Gerahmt von mythischen Kämpfen werden historische Szenen dargestellt, auf denen Athener gegen Spartaner und Athener gegen Barbaren kämpften. 500 Jahre nach ihrer Entstehung waren die Bilder noch erhalten. Pausanias 1,15,1.2 beschreibt sie ausführlich. Bunte Halle und Hermes-Halle sind nach Pausanias immer am Nordrand der Neuen Agora vermutet worden, dort, wo die vom Dipylon kommende breite Strasse mündet und sich im Panathenäischen Weg fortsetzt (Stadtplan). Der Einschnitt, den der Bau der Metro um 1900 mit sich brachte, gab Hinweise, aber grössere Ausgrabungen auf dem schwierigen Gelände kamen erst vor einigen Jahrzehnten zu Stande. Ans Licht kamen Fundamente und Reste der westlichen Seite einer Halle aus hochklassischer Zeit. 218 Die Aussenordnung ist dorisch. Schlanke und hohe Innensäulen lassen einen offenen Dachstuhl vermuten. Jedes der beiden Seitenschiffe war 5,40 m breit. Zenon pflegte hier regelmässig Gespräche zu führen, so dass er und seine Schüler „die von der Stoa“ genannt wurden. Bei Diogenes Laertius 7,14 heisst es weiter: οὐ μὴν οὐδὲ μετὰ πλειόνων δύο ἢ τριῶν περιεπάτει. er (Zenon) wandelte (philosophierend) nie mit mehr als zwei oder drei an seiner Seite. Die Bunte Halle war nach Süden offen und entsprechend hell. Die berühmten Bilder waren gut zu erkennen, und das Licht reichte aus, um Bücher zu lesen. Aber die Halle war mit etwa 40 m kurz, und so mussten Zenon und seine Begleiter oft wenden und von einem Seitenschiff auf das andere wechseln. Diogenes Laertius widmete Zenon und seiner Lehre einen grossen Teil des Siebenten Buches. Zenon sei (DL 7,15) ein eifriger Forscher gewesen, der alles auf scharfe Begriffe brachte. Er unterschied in der Philosophie drei Teile (DL 7,39): Physik, Ethik und Logik. Der grosse Erfolg der Stoa beruhte aber keineswegs auf wissenschaftlicher Erkenntnis. Es war vielmehr die Vereinfachung der Philosophie, ihre Reduktion auf Moral. So heisst es bei Diogenes Laertius 7,109 Es ist eine Verpflichtung, jederzeit in Übereinstimmung mit der Tugend zu leben, aber nicht immer verpflichtend ist es, Rede und Gegenrede (Dialektik) zu praktizieren und peripatein (ambulatorisch zu lehren oder zu lernen). Die Dialektik, die für Sokrates, für Platon und Aristoteles die wichtigste Quelle der Erkenntnis war, gehörte bei Zenon, wie auch alle Leidenschaften zu den adiaphora, zu dem zu Vernachlässigendem. Nicht mit Hinweisen auf Vorschriften, sondern mit einem vernunftgemässen Abwägen des Für und Wider vor jeder Entscheidung und mit Milde gewann Zenon die Jugend. Diogenes Laertius war selbst ein Anhänger der Stoa und Verehrer des Zenon. Er zitiert 7,10-12 einen Volksbeschluss der Athener im Wortlaut (jetzt IG II/ III 3 1). Die Athener ehrten Zenon, weil er als Lehrer der Philosophie die jungen Männer unausgesetzt für die Sache der Tugend und die Mässigkeit zu gewinnen suchte, wobei er ihnen sein eigenes Leben als Muster für alles Trefflichste vor Augen stellte..,mit einem goldenen Kranz, und auch sei ihm auf Staatskosten ein Grabdenkmal im Kerameikos zu errichten 219 . Pausanias hat, wie oben S.-36 schon berichtet, das Grab Zenons auf dem Demosion Sema nahe dem Eingang zur Akademie gesehen (Stadtplan). Der Volksbeschluss sollte auf zwei Stelen aufgeschrieben werden, von denen eine in der Akademie und die andere im Lykeion aufzustellen sei. Wir folgern daraus, dass Zenon die Bibliotheken der beiden philosophischen Schulen benutzt hat. Denn ohne Einsicht in die Bücher seiner Vorgänger und Kollegen zu den jeweiligen Themen hätte Zenon seine eigenen Theorien nicht formulieren können. Die schlichte Tugendlehre des Zenon hatte Anhänger in den höchsten Kreisen der Republik und noch der späteren Kaiserzeit. Kaiser Marc Aurel, Verfasser der Selbstbetrachtungen schreibt: Denn dass man die Haltung des Philosophen nicht aufgeben soll, wie schlimm es einem auch ergehen mag, dass man sich auf kein Geschwätz mit Leuten einlassen soll, die weder von Philosophie noch von Naturwissenschaften etwas verstehen, darin sind sich alle Philosophenschulen einig. Was not tut, ist dies, dass man sich überlegt, was zu tun ist und wie man es tun kann... Was immer über dich kommt, es war dir von jeher bestimmt, und die Verkettung der Ursachen hat von Ewigkeit her dein Dasein mit diesem Geschick verflochten (Ü: H.M. Endres). <?page no="92"?> 92 Kapitel 17: Kyniker auf Wanderschaft Definitionen Während Akademiker und Peripatetiker eigene Schulgebäude unterhielten, kamen Kyniker als jede Bindung verachtende Individualisten ohne eigenen Besitz, und so auch ohne eigene Schulgebäude aus. Sie zogen umher und waren an vielen Orten zu sehen. Unserem Thema „Philosophenwege“ wäre damit schon Genüge getan, zumal nur sehr wenige Philosophen sich auf ein entbehrungsreiches Leben einliessen, Freude am Wandern in frischer Luft hatten und sich der Kritik aussetzten, Schmarotzer und Anarchisten zu sein. Aber immerhin widmet Diogenes Laertius den Kynikern ein ganzes, das 6. Buch. Der Athener Antisthenes und dessen Schüler Diogenes aus Sinope, beide Zeitgenossen von Platon, werden als Gründer der Gruppe der hündischen Philosophen in mehreren Kapiteln ausführlich gewürdigt. 220 Über deren Schüler Monimos aus Syrakus, Onesikritos aus Astypalaia und Krates aus Theben berichtet Diogenes Laertius mit einigen wenigen Anekdoten. Metrokles und seine Schwester Hipparchia stammten aus Maroneia in Thrakien. 221 Die griechische Philosophin und ihr Bruder waren Schüler des Krates. Rätselhaft bleiben Menippos, ein philosophierender Sklave, und Menedemos. Alle Schüler des Diogenes gingen auf Wanderschaft. 222 Was für andere Philosophen der stadtnahe Peripatos war, war für die Kyniker die Landstrasse. Diogenes Laertius 6,103 versichert, dass es sich bei den Kynikern um wirkliche Philosophen handele und nicht, wie manche meinen, um eine Lebensweise. Das überzeugt jedoch kaum, denn die Ablehnung wissenschaftlicher Disziplinen macht keine Philosopie aus: Von Logik also und Physik wollen sie nichts wissen. Musik, Geometrie, Astronomie und dergleichen könne man, meinte er (Antisthenes) beiseite liegen lassen als nutzlose und nicht notwendige Fächer (DL 6,73.74). Sie widmen ihre ganze Aufmerksamkeit der Ethik. ... Als Endziel stellen sie (die Kyniker) hin ein tugendhaftes Leben. ... Nach ihnen ist die Tugend lehrbar, wie Antisthenes in seinem „Herakles“ sagt, und unverlierbar (DL 6,105). Weiter bei DL 6,102-105: Das ähnelt den Stoikern, wie denn überhaupt zwischen beiden Schulen ein gewisser Zusammenhang besteht. Daher auch die Bezeichnung des Kynismus als eines kurzen Weges zur Tugend. ... Sie predigen ein genügsames Leben, begnügen sich mit Speisen, die unmittelbar nur den Hunger stillen, und mit ihrem Mantel, unter Verachtung des Reichtums, des Ruhmes und der hohen Geburt. Zuweilen leben sie nur von Kräutern, und immer nur von kaltem Wasser ... Diogenes pflegte zu sagen, es sei göttlich, nichts zu bedürfen, und gottähnlich, nur wenig nötig zu haben… Zusammenfassend schreibt Kaiser Julian, bedeutender Kenner philosophischer Literatur und auch der Werke des Diogenes Laertius: Zweck und das Ziel der kynischen Philosophie, wie überhaupt aller Philosophie, ist die Glückseligkeit, aber eben einer Glückseligkeit, ἐν τῷ ζῆν κατὰ φύσιν zu leben im Einklang mit der Natur. 223 Die Gründer der Schule Der um 444 BCE in Athen geborene Antisthenes galt als erster Kyniker. Weil seine Mutter eine Thrakerin war (eine Sklavin? ), war ihm der Besuch der grossen Gymnasien verwehrt. Wie auch den anderen in Athen lebenden Fremden stand für ihn nur das Kynosarges-Gymnasion offen. Dieses Gymnasion, das den seltsamen Namen Weisser Hund führte, ist bis heute nicht genau lokalisiert. Nach dem Fund einer Inschrift muss es südlich des Flusses Ilissos in der Nähe der zum Piräus führenden Strasse gelegen haben (Stadtplan). Heute weist der Name einer Station der Metro auf die Lage des Kynosarges-Gymnasion hin. Die Bezeichnung Kyniker für die Philosophen der Genügsamkeit soll sich vom Namen dieses Gymnasions herleiten. Antisthenes, der sich eines langen Lebens erfreute (er starb um 368), war Zeitgenosse von Platon, scheute aber anders als dieser den Umgang mit Reichen. Von Hause aus besitzlos machte er aus der Not eine Tugend, indem er sich zu einer Philosophie der Genügsamkeit bekannte. Er selbst wurde nach dem Gymnasion, in dem er sich aufhielt und sehr wenige Schüler unterrichtete, Ἁπλοκύων genannt (DL 6,13), wörtlich einfach Hund. Gemeint war aber wohl in Anspielung auf Platon Hundan-sich oder Hundheit. Ich weise in diesem Zusammenhang auf eine Stelle bei Diogenes Laertius 6,53 hin, die sich auf Diogenes aus Sinope, den Schüler von Antisthenes bezieht: Als Platon ( bei einem Gastmahl) sich über seine Ideen vernehmen liess und von einer Tischheit und einer Becherheit redete, sagte er (Diogenes): Was mich anbelangt, Platon, ich sehe wohl einen Tisch und einen Becher, aber eine Tischheit und Becherheit nun und nimmermehr. Darauf Platon: Sehr begreiflich; denn Augen, mit denen man Becher und Tisch sieht, hast du allerdings; aber Verstand, mit dem man Tischheit und Becherheit erschaut, hast du nicht (Ü: O. Apelt). Auch wenn diese Anekdote erfun- <?page no="93"?> 93 Kapitel 17: Kyniker auf Wanderschaft den ist, so trifft sie doch die Skepsis, mit der die Kyniker die Lehren der berühmten Kollegen betrachteten. Der Kyniker Diogenes stammte aus Sinope, einer milesischen Gründung an der Südküste des Schwarzen Meeres, zeitweise unter persischem Einfluss. 224 Er war so schlagfertig, geistreich und witzig, dass er das Buch 6 bei Diogenes Laertius mit hundert Anekdoten fast ganz allein füllt. Er kam nach Athen und wollte Schüler des Antisthenes werden. Dieser wies ihn ab und erhob sogar seinen Stock. Schlag nur zu, denn du wirst kein Holz finden, das hart genug wäre, mich fort zu treiben, solange ich dich noch reden höre. Diogenes pflegte, mit seinem Finger auf die Zeus-Stoa und auf das Pompeion weisend, zu sagen, diese Bauten hätten ihm die Athener, als Wohnung gebaut (DL 6,23). Es ist wohl kein Zufall, dass gerade diese beiden Bauten auch im Zusammenhang mit der Schilderung von Sokrates vorkommen (S.-21). In Sokrates sahen die Kyniker einen Vorläufer ihrer Lehre. Diogenes hat wahrscheinlich nur einmal in einer Ecke der Zeus-Stoa oder auf einer Bank im Pompeion geschlafen. Bei Wiederholungen wäre er sicher aus den öffentlichen Gebäuden vertrieben worden. Das gilt auch für die Geschichte mit dem Pithos im Metroon, den Diogenes als Wohnung benutzt haben will, wie er selbst in Briefen bezeugt (DL 6,23). Die übliche Übersetzung von πίθος mit Tonne lässt an ein hölzernes Fass denken und ist unrichtig. Pithoi sind Tongefässe, von denen die grössten mit 3- m Höhe schon in geometrischer Zeit Vorräte aufnahmen. Kunstvoll verzierte Pithoi sind nicht selten. Es ist möglich, dass ein solcher, vielleicht mit Reliefs geschmückter Pithos ein Weihgeschenk im Metroon, im Tempel der Meter war. Vermutlich hat der Lebenskünstler Diogenes, der die Athener gern mit originellen Sprüchen und Handlungen amüsierte und provozierte, tatsächlich eine Nacht in einem Pithos verbracht (Abb 62). Diogenes wanderte in Attika und auf der Peloponnes. Sparta und Olympia werden genannt. Er scheint aber auch in Kleinasien gewesen zu sein. So wird über Myndos in Karien eine Anekdote erzählt, die Autopsie voraussetzt. In Korinth scheint Diogenes längere Zeit gelebt zu haben. Eben dort starb er im Alter von fast 90 Jahren. Pausanias 2,2,4 hat noch sein Grab besucht. Auf dem Grabstein war das Relief eines Hundes zu sehen. Vielleicht erfunden, aber durchaus zutreffend ist eine Bemerkung des Wanderers Diogenes auf die Frage nach seiner Herkunft: κοσμοπολίτης Ich bin Weltbürger (DL 6,63). Die Kyniker waren ‚Aussteiger‘, wie man heute sagen würde. Um diese allen Kynikern eigene Lebensweise zu verstehen, kann es nützlich sein, einen Blick auf eine jüngere Zeit zu werfen, in der das organisierte Wandern (eine Wanderzeit von etwa zwei Jahren) für eine bestimmte Gruppe der Bevölkerung üblich war. Ein Abstecher: August Bebel wandert Anschaulich und informativ schildert August Bebel in seiner fast 1000 Seiten umfassenden Autobiographie Kindheit und Jugend. Seine schmächtige Figur führte er auf die ärmlichen Verhältnisse im Elternhaus zurück. Wenn bei Tisch die Kinder Hunger litten, pflegte die Mutter zu sagen, manchmal müsse man ein Bündel zuschnüren, auch wenn es noch nicht voll ist. August Bebel lernte das Drechsler-Handwerk, weil gerade eine entsprechende Lehrstelle frei war. 225 Schmerzlich wartete ich auf das Ende der Lehrzeit, ich hatte Sehnsucht, die ganze Welt zu durchstürmen. 1858, mit 18 Jahren wurde Bebel Geselle und ging auf Wanderschaft. Er wanderte zu Fuss von Heidelberg nach Mannheim und von dort nach Speyer, wo er Arbeit fand. Solche Unterbrechungen der Wanderungen waren üblich und dienten dazu, die Reisekasse aufzufüllen. Der Wochenlohn war mit umgerechnet 2 Mark (Reichsmark) bei freier Kost und Logis denkbar niedrig. Im nächsten Frühjahr ging Bebel wieder auf die Walze. Er wanderte durch die Pfalz nach Germersheim, und über den Rhein zurück nach Karlsruhe, und landaufwärts über Baden-Baden, Offenburg, Lahr nach Freiburg i.B., wo er Arbeit nahm und einen sehr angenehmen Sommer verbrachte. Er nennt die Stadt ein herrliches Stückchen Erde. Handwerker-Gesellen wanderten auch im Winter und liessen sich vom schlechten Wetter nicht abhalten: Ein Streit mit dem Meister veranlasste mich, schon am 1. Februar trotz Kälte und Schnee auf die Reise zu gehen. … Das Wetter war wieder miserabel. Als ich eines Tages bei stürmischem Schneewetter, das mir ins Gesicht schlug, die Hände in den Hosentaschen, den Stock unter dem Arme und die Hutkrempe ins Gesicht gezogen, auf der Strasse über den fränkischen Landrücken stapfte. ... Und an anderer Stelle Abb 62 Auf dieser Gemme in der Ermitage (St. Petersburg) ist Diogenes vor einem riesigen Kugel-Pithos dargestellt. Er diskutiert mit Epikur, der aus einer Buchrolle vorliest (nach Schefold, Bildnisse Nr. 190). <?page no="94"?> 94 Kapitel 17: Kyniker auf Wanderschaft heisst es: Von Ulm aus schloss sich mir ein stämmiger Tiroler an, der wie ein Fleischer aussah, aber ein Schneider war. Statt des „Berliners“ (ein mit Wachstuch überzogenes Bündel, das in der Regel die Form einer Riesenwurst hat, mit den notwenigsten Habseligkeiten angefüllt) trug er einen Militärtornister auf dem Rücken. ... Was mir im späteren Leben ein Rätsel erschien, war, dass ich von all diesen Märschen, bei denen ich oft bis auf die Haut durchnässt wurde und jämmerlich fror, nie eine ernste Krankheit davontrug. Meine Kleidung war keineswegs solchen Strapazen angepasst, wollene Unterwäsche oder ein Überrock war ein unbekannter Luxus, und ein Regenschirm wäre für einen wandernden Handwerksburschen ein Gegenstand des Spottes geworden. Bebel war klein von Statur, aber gut zu Fuss und klagte nicht wie viele seiner Gefährten über wund gelaufene Füsse. In Deutschland stellten die Grenzen der kleinen staatlichen Einheiten oft Hindernisse dar: Damals wurde an der Grenze von jedem Handwerksburschen, der nach Österreich wollte, der Nachweis von fünf Gulden verlangt. ... In Württemberg bestand zu jener Zeit in den Städten die Einrichtung, dass die reisenden Handwerksburschen ein sogenanntes Stadtgeschenk in Empfang nehmen konnten, das in der Regel 6 Kreuzer betrug, um sie vom Fechten (Betteln) abzuhalten. … Ich habe dieses Geschenk überall gewissenhaft kassiert. Weil unser Geld knapp war und Fechten zu keiner Zeit als Schande für einen Handwerksburschen galt, klopften wir ziemlich häufig die Dörfer ab, die wir passierten. In Tirol erhielten die beiden Wanderer beim „Fechten“ unerwartet viel Kleingeld. Es stellte sich heraus, dass dieses Geld eine Woche später ungültig werden sollte, weil die österreichische Regierung neue Münzen herausgegeben hatte. Weiter unten erklärt Bebel, dass in dieser Zeit das Obststehlen seine schwache Seite gewesen sei. In München hätten es ihm besonders die Mirabellen des Fürstbischofs angetan. Er bekämpfte das schlechte Gewissen mit einem Ausspruch des heiligen Ambrosius, der Ende des 4.-Jhs. als Bischof von Mailand erklärt hatte: Die Natur gibt alle Güter allen Menschen gemeinsam; denn Gott hat alle Dinge geschaffen, damit der Genuss für alle gemeinschaftlich sei. Bebel philosophiert - nicht wie Demetrios von Phaleron, der Tyche für das Schicksal verantwortlich machte - nein, er nennt es glückliche Umstände, die im Leben mancher bevorzugte Plätze vergeben, während für unendlich viele, die diesen Platz nicht erhalten, des Lebens Tafel nicht gedeckt ist. ... Sind aber die Umstände günstig, so muss allerdings die nötige Anpassungsfähigkeit vorhanden sein, sie auszunutzen. Das kann man als das persönliche Verdienst des Einzelnen ansehen. Bebel beklagt sich nicht. Ihn haben glückliche Umstände nach Thüringen und Sachsen geführt, wo sich ihm eine berufliche Karriere eröffnete und er den Weg in die Politik fand. Wanderschaft bei den Kynikern Wie die wandernden Handwerksgesellen der Neuzeit waren die Kyniker an ihrer Ausrüstung zu erkennen: Gedoppelter Mantel, kurzer Wanderstock und Quersack. So heisst es bei Diogenes Laertius 6,13: Πρῶτος ἐδίπλωσε τὸν τρίβωνα, καθά φησι Διοκλῆς, καὶ μόνῳ αὐτῷ ἐχπῆτο βάκτρον τ` ἀνέλαβε καἰ πήραν. Er (Antisthenes) war der erste, berichtet Diokles, der seinen Mantel doppelte, und mit dem allein zufrieden, nahm er Stock und Quersack mit. Was es mit dem gedoppelten Mantel auf sich hat, verrät Diogenes Laertius 6,22 an anderer Stelle: τρίβωνα διπλώσας πρῶτος κατά τινας διὰ τὸ ἀνάγκην ἔχειν καὶ ἐνεύδειν αὐτι᾽, πήραν τ` ἐκομίσατο, ἔνθα αὐτῷ τὰ σιτία ἦν, καὶ παντὶ τόπῳ ἐχρῆτο εἰς πάντα, ἀπιστῶv τε καὶ καθεύδων καὶ διαλεγόμενος. Er (Diogenes aus Sinope) war es nach einigen, der als erster den Mantel doppelte, um jedem Bedarf zu genügen und auch darin zu schlafen. Ein gedoppelter Mantel ist also nichts anderes als Mantel und Schlafsack in einem. Die findigen Kyniker schufen einen Schlafsack, indem sie den Mantel doppelten und an der Seite zunähten. Es ist klar, dass ein solcher Mantel ein schmuckloses Kleidungsstück war, das sich mit den zur Schau gestellten, faltenreichen Mänteln vornehmer Athener nicht messen konnte. Zahlreiche Anekdoten handeln von der Verachtung, mit der Kyniker stutzerhaft gekleidete junge Männer straften - ein Verhalten, das sicher oft auf Gegenseitigkeit beruhte. Gedoppelter Mantel, Stock und Quersack werden zusammen genannt. Es wird aber nur eine Tätigkeit beschrieben. Damit ist das Wandern gemeint, auch wenn das griechische Wort ὁδοιπορία (Wanderschaft) hier nicht vorkommt. Denn bei DL 6,22 heisst es nach der Erwähnung des gedoppelten Mantels. βακτηρίᾳ δ’ἐπεστηρίζετο ἀσθενήσας ἔπειτα μέντοι καὶ διὰ παντὸς ἐφόρει, οὐ μὴν ἐν ἄστει, ἀλλὰ καθ’ ὁδὸν αὐτῇ τε καὶ τῇ πήρα, Er stützte sich nicht auf einen Stock bis er unpässlich wurde, dann aber hatte er ihn immer und überall bei sich, nur nicht in der Stadt, wohl aber auf allen Landstrassen, ihn (den Stock) und auch den Quersack … Die Übersetzung von πήρα mit „Quersack“, einem Sack, an dessen beiden Enden ein Gurt befestigt ist, der über den Kopf gestreift wird, ist eben das, was Bebel als „Berliner“ der wandernden Gesellen bezeichnet. Wir lernen weiter, dass Diogenes sich auf einen Wander-Stock stützte, der ihm - und das gilt für alle Wanderer - bis zur <?page no="95"?> 95 Kapitel 17: Kyniker auf Wanderschaft Hüfte reichte und nicht zu verwechseln ist mit dem langen Stock oder Stab, den vornehme Bürger als Statussymbol auf der Agora bei sich trugen, und wie er auf vielen Vasenbildern zu sehen ist. Diogenes Laertius führt drei Zeugen für die Richtigkeit der Behauptung an, dass Diogenes aus Sinope ein Wandersmann war. Das berichten Olympiodoros, der Vorsteher Athens und Polyeuktos der Redner und Lysanias, der Sohn des Aischrion. Drei Zeugen, denn es war ihm wohl klar, dass über den Kyniker Diogenes so viele erfundene Geschichten im Umlauf waren wie über keinen anderen Philosophen. 226 Kerkidas aus Megalopolis schrieb Verse über den Kyniker Diogenes (DL 6,76). Die zweite Zeile lautet: τῆνος ὁ βακτροφόρας, διπλοείματος, αἰθεριβόσκας R.D. Hicks übersetzt (Loeb Classical Library II 79): That famous one who carried a staff, doubled his cloak, and lived in the open air… In der Übersetzung fehlt das schöne Bild, bei dem Diogenes, erkennbar am Wanderstock und gedoppelten Himation (gemeint ist Mantel-Schlafsack), unter freiem Himmel weidet (wie Schafe) … Mit αἰθεριβόσκας sollte das Wandern als besonders erstrebenswert charakterisiert werden, weil es eigentlich ziellos ist und damit der Philosophie der Kyniker entspricht. Der Mantel-Schlafsack war das eigentliche Erkennungszeichen der Kyniker, das sie davor schützte, für einen Trunkenbold oder Taugenichts gehalten zu werden. So wie Handwerksgesellen einer ehrbaren Gruppe angehörten, wollten die Kyniker für Philosophen gehalten werden. Beide Gruppen waren in ihrer Gesellschaft, wenn auch nicht akzeptiert, so doch geduldet. Das äussert sich bei den Handwerksgesellen bei dem üblichen, und also erfolgreichen „Fechten“. Auch bei den Kynikern ist von Hunger, und auch vom Betteln oft die Rede (DL 6,56- 58). Selbst unkonventionelles Verhalten wie hündische Schamlosigkeit (DL 6,69) konnte die Mitbürger kaum erschrecken. Die Kyniker sind ein gutes Beispiel für weitgehende Toleranz gegenüber Minderheiten in der griechischen Gesellschaft. Um aber Beifall zu finden, mussten Kyniker sich als Philosophen zu erkennen geben: Ihr Spott musste geistreich und witzig sein. Das geschah oft, indem sie Behauptungen einfach in ihr Gegenteil verkehrten. Für Handwerksgesellen war in Deutschland im 19. Jh. das Führen eines „Wanderbuches“ Vorschrift. Denn die Obrigkeit beobachtete wandernde Gesellen misstrauisch. Die Erinnerung an die erst 10 Jahre zurück liegende Revolution war noch nicht verblasst. Wanderer umgingen Polizeistationen weiträumig. Die Kyniker galten dagegen als harmlos, obwohl ihre Thesen nicht immer staatstragend waren. Die einzig richtige πολιτεία (Staatsverfassung) findet sich nur im Universum behauptet Diogenes von Sinope (DL 6,72). Bebel spricht das Problem Hygiene an und verweist auf amtliche Kontrollen, die das Mitführen unliebsamer Körper-Bewohner verhindern sollten. Im Griechenland der klassischen Zeit war Reinlichkeit ein hohes Gut - man denke an Brunnen und Zisternen in privaten Häusern, an zahllose Vasenbilder mit Wäsche waschenden Frauen. Kyniker konnten wie alle Bürger die öffentlichen Brunnen nutzen, so etwa den Laufbrunnen am Dipylon-Tor und das Brunnenhaus am Südrand der Neuen Agora. Speziell für Reisende, zu denen Kyniker zählten, gab es vor den Stadttoren Badestuben. In Rundbauten waren kreisförmig Sitz-Badewannen angeordnet, die anders als die späteren Thermen einen geringen Wasserverbrauch hatten. Wissen und Bibliotheken? August Bebel hebt ausdrücklich hervor, dass den Handwerksgesellen in den Jahren ihrer Wanderschaft die Kommunikation mit Gleichgesinnten für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit überaus wichtig war. Das gilt sicher auch für die Kyniker der Antike. Aber weil das befriedigende, aber doch beschwerliche Dasein eines wandernden Kynikers meist erst im reifen Lebensalter gewählt wurde, ging in der Regel eine behütete Kindheit und Jugend mit Bildungsangeboten voraus. Wenn manche der Kyniker, so Diogenes von Sinope, zeitweise als Erzieher in privaten Haushalten tätig waren, müssen sie selbst eine gute Ausbildung in Gymnasien, und dann bei Lehrern der Philosophie erfahren haben. Kein Zweifel, die Kyniker waren gebildet, und einige haben auch Schriften hinterlassen. Ich stelle mir vor, wie der Kyniker Diogenes mit zwei Schülern von Athen nach Korinth auf der Landstrasse wanderte. Der Lehrer nannte ein Thema, und es entspann sich ein dialogos, eine Diskussion, in deren Verlauf sich eine Theorie herausbildete, die eine Veröffentlichung wert war. Betrachten wir nun die Themen der Bücher, die von ihm (Diogenes von Sinope) im Umlauf sind, wie sich Diogenes Laertius 6, 80.81 vorsichtig ausdrückt, so sind tatsächlich an erster Stelle Dialoge genannt. Themen sind Das Staatswesen,Vom Reichtum, Von der Liebe, Über den Tod und anderes. Die Präposition Von lässt Bescheidenheit erkennen: Diogenes rollt kein Thema erschöpfend auf, er will nur einen Aspekt beleuchten. Kein einziges dieser Themen, und auch nicht die ihm zugeschriebenen Tragödien, machen die Benutzung einer Bibliothek oder Büchersammlung zwingend notwendig. Dürfen wir uns diese Schriften als geistreiche Essays vorstellen? Vielleicht hat der Kyniker Diogenes das in Bibliotheken bewahrte Wissen der Kollegen sogar verachtet. Stimmt das, käme den Buchhändlern allein das Verdienst zu, Schriften dieses und anderer Philosophen in Umlauf gebracht und bewahrt zu haben. In der enzyklopädisch angelegten Bibliothek Ptolemaios I. in Alexandria werden sie nicht gefehlt haben. <?page no="96"?> 96 Kapitel 18: Hadrians luxuriöse Philosophenschule Vorbemerkung Im Zusammenhang mit einer Studie über Bibliotheken hatte ich die Hadriansbibliothek in Athen als ein Gebäude für die beiden bedeutenden Philosophenschulen, für die Akademiker und für die Peripatetiker bezeichnet. 227 Heute, nachdem ich mit Wilhelm Osthus über diese Frage diskutiert habe, bin ich sicher, dass das riesige Gebäude im Zentrum der Stadt für die aktuell konkurierenden Gruppen der Philosophen bestimmt war, für die Epikuräer und für die Stoiker. Ein wichtiges Beweismittel für die Bestimmung der Bibliothek als Philosophenschule hatte ich damals nicht im Auge: Eine Inschrift am Tor (heute noch sichtbar! ) besagt, dass der „Sophist“ (Philosoph) Plutarchos Anfang des 5. Jhs. CE dem Praefecten Herculius eine Statue errichtete als Dank für die Wiederherstellung des Gebäudes … Doch davon später. Lage, Masse, Form und Funktion Hadrian war während seiner Regierungszeit 117-138 fast ständig auf Reisen. Den Winter 124/ 125 verbrachte er in Athen, 128/ 129 blieb er länger in der Stadt und begann mit der Realisierung seiner Pläne für die Renaissance des klassischen Griechentums. Das ausgeplünderte und verarmte Athen sollte wieder eine volkreiche Metropole und ein weithin leuchtendes Zentrum griechischer Kultur werden. Den riesigen Tempel des Zeus Olympios, seit der Zeit des syrischen Königs Antiochos IV. Epiphanes unfertig liegen geblieben, vollendete Hadrian unter Verwendung kostbarer Materialien und wies ihm die Rolle eines Zentrums erneuerter Religiosität zu - bei der sich der Kaiser als Mittler feiern liess. Im Rahmen des Programmes für die Erneuerung Athens entstanden in wenigen Jahren klotzig moderne Grossbauten, deren Fassaden und Innenräume dank der verwendeten Marmore farbig erstrahlten. Dazu gehörte auf dem Gebiet des Kaufmarktes eine Basilika mit Kaisersaal, ein neuer prachtvoller Ort des Handels und der höchsten richterlichen Instanz. Der Kaiser hatte Umgang mit Philosophen und gefiel sich selbst als Philosoph. Hadrian hatte die Stadtgrenze Athens weit nach Osten erweitert, und der Lykeion Bezirk lag nun im Bereich der Stadtmauern (Stadtplan). Sein Neubau für die Philosophen entstand aber weder dort noch in der Akademie, sondern genau im Zentrum, am nördlichen Rand der belebtesten Strasse. Die Ruine dieses ‚Kulturpalastes‘ ist heute allen Besuchern Athens als Hadriansbibliothek bekannt. Mehrere Jahrzehnte seines Lebens hat Ioannis Knithakis Ausgrabungen und Restaurierungen dieses Baus gewidmet. Sie betrafen vor allem die 76m breite Front, die mit einem mittig vorspringenden, viersäuligen Propylon und beidseitig vor der Wand stehenden je sieben korinthischen Säulen, die wohl prunkvollste Fassade in Athen darstellte (Abb 63, 64). Heutige Restaurierungen konzentrieren sich nun auf den Bibliothekssaal, dessen Rückwand zwar hoch aufrecht steht, aber ihr desolater Zu- Abb 63 Athen. Die im Zentrum gelegene Bibliothek ist die am meisten aufwendige Stiftung Hadrians. Auf schwierigem Gelände musste eine Terrasse angelegt werden, die den 126 m langen und 87 m breiten Bau aufnahm. Wie bei den alten Philosophenschulen umschliesst ein Peristyl, hier mit 22 x 30 Säulen, einen Hof, in dessen Mitte sich ein Wasserbecken befand. Auch die Gruppe der Nutzräume ist Vorbildern gleich: Bibliothek im Zentrum, seitlich in doppelter Ausführung Vortragssaal und Speisesaal. <?page no="97"?> 97 Kapitel 18: Hadrians luxuriöse Philosophenschule stand gibt keine Vorstellung von der alten Nutzung als Wand mit Galerien und Bücherschränken. 228 Mit 126 m Tiefe und einer Breite von 87 m war die neue Philosophenschule eines der grössten Gebäude der Stadt. Das Propylon führte den Besucher in die östliche Halle, und weiter in einen 59 x 130 m grossen Peristyl-Hof. In der Mitte dieses Hofes lag ein langes Wasserbecken. Bei einem den Musen heiligen Gebäude (die Philosophenschulen sind immer auch Heiligtümer der Musen) durfte ein Wasserbecken nicht fehlen. Heute sind an dieser Stelle Trümmer einer Kirche und die Reste eines älteren Profanbaus zu sehen. Die 8- m tiefen, umlaufenden Hallen werden an den Langseiten von je drei Exedren mit Sitzbänken unterbrochen (Abb 65). Hadrians Architekten haben damit den philosophischen Peripatos, einen Rundweg, der in Abständen Exedren mit Sitzbänken aufweist, wieder aufleben lassen. Im Osten, der Eingangsseite gegenüber, liegt zentral ein Prunksaal mit Nischen für Bücherschränke in drei Etagen. In Resten noch erkennbare Treppenhäuser beiderseits des Saales erschlossen die oberen Galerien, die Zugang zu je acht sehr grossen Bücherschränken gewährten. Diese waren aus Holz, vermutlich aus Zedernholz, um Schriftrollen vor Insekten und Feuchtigkeit zu schützen. Vitruv 9,12 beschreibt das ausführlich. Dem Eingang gegenüber gab es in der Mitte jeder Galerie der grossen Bücherwand Nischen für die Aufstellung von Statuen. Zu ihnen gehörte jedenfalls Athena als Göttin der Wissenschaft, vermutlich aber auch der Stifter Hadrian. 1969 von Ioannis Knithakis, Georgios Dontas und Ioannis Travlos begonnene Ausgrabungen brachten beiderseits des Hauptsaales in symmetrischer Anordnung weitere Räume ans Licht. Vortragssäle mit ursprünglich 18 Sitzreihen fassten mehrere hundert Personen. Direkt dem Zentralsaal benachbart sind quadratische, zum Hof offene Räume. Es sind die von Pausanias erwähnten οἰκήματα, Speiserräume von 11m Durchmesser für die Philosophen und ihre Gäste. Die dreiteilige Öffnung nach Westen gewährte einen Durchblick zum Hof. Speiseräume in gleicher Anordnung gab es auch in privaten Grosshäusern der Kaiserzeit. Das ganze Ensemble erinnert an Bauten in Rom. Dietrich Willers hebt in seinem Buch über die Werke Hadrians in Athen den ausgeprägten Charakter als Hochschule - griechisch gesprochen als Museion mit speziell gebauten Hörsälen zu Seiten des Bibliothekssaals hervor. 229 Das doppelte Vorhandensein von Vortragssaal und Speisesaal kann nur bedeuten, dass der Philhellene Hadrian mit seiner Philosophenschule sowohl die Epikuräer als auch die Stoiker mit getrennten Einrichtungen bedenken wollte. Die opulent ausgestattete Bibliothek sollten die Vertreter beider Richtungen gemeinsam benutzen. Abb 64 Athen. Die Fassade besteht aus einem viersäuligen Propylon, das beiderseits von sieben freistehenden Säulen gerahmt wird, auf denen Statuen der berühmtesten Philosophen, vermutlich Epikuräer und Stoiker, standen (Foto: B. Eleuftheriou 2015). <?page no="98"?> 98 Kapitel 18: Hadrians luxuriöse Philosophenschule Pausanias bestaunt Ausstattung und Dekor Pausanias 1,18,9 kommt von der Neuen Agora und schreibt zu diesem Bau, dem er keinen eigentlichen Namen gibt: Ἀδριανὸς δὲ κατεσκευάσατο μὲν καί ἄλλα ὰθηναίοις, ναὸν Ἥρας καὶ Διὸς πανελληνίου καὶ θεοῖς τοῖς πᾶσιν ἱερὸν κοινόν, τὰ δὲ ἐπιφανέστατα ἑκατόν εἰσι κίονες φρυγίου λίθου πεποίηνται δὲ καὶ ταῖς στοαῖς κατὰ τὰ αὐτὰ οἱ τοῖχοι. Καὶ οἰκήματα ἐνταῦθά ἐστιν ὀρόφῳ τε ἐπιχρύσῳ καὶ ἀλαβάστρῳ λίθῳ, πρὸς δὲ ἀγάλμασι κεκοσμημένα καὶ γραφαῖς. κατάκειται δέ ἐς αὐτὰ βιβλία. Hadrian baute den Athenern unter anderem einen Tempel der Hera und des Zeus Panhellenios und ein gemeinsames Heiligtum aller Götter (Pantheon), aber das Grossartigste sind hundert Säulen aus phrygischem Stein, und die Wände sind ebenso gebaut wie die Säulenhallen. Und es gibt hier Säle (οἰκήματα) mit vergoldeter Decke und aus Alabaster und dazu mit Statuen und Gemälden geschmückt. Bücher sind dort aufbewahrt. In allen Übersetzungen ist von einem goldenen Dach die Rede. Abgesehen davon, dass goldene Dächer nicht vorstellbar sind, belegt das verwendete Wort ὀροφή, dass hier die Decke eines Innenraumes gemeint ist. Also bewundert Pausanias die Decken der Vortragssäle, der Räume für gemeinsame Mahlzeiten (οἰκήματα) und vor allem die des riesigen Bibliothekssaales, der eine Breite von 15m hatte. Nur mit einer Binderkonstruktion war eine solche Spannweite zu überbrücken. Entsprechend hoch muss der Dachraum gewesen sein. Innen sahen die Besucher eine horizontale Decke aus Kassetten. Deren Felder konnten Bilder aufnehmen. Hier waren sie mit Blattgold belegt. Seit Neros Goldenem Haus hat es keinen solchen Decken-Prunk mehr gegeben. Der im Zusammenhang mit den Decken genannte Alabaster bezieht sich auf die Wanddekoration der Säle. Dabei handelt es sich nicht um Gipsgestein sondern in allen so bezeichneten Fällen um Kalksinter, der aus Brüchen in Ägypten stammt. 230 Charakteristisch sind lebhafte Muster aus eng parallelen Linien in gelben und braunen Farben mit weissen Adern (Abb . 66 oben). Dekorationsplatten aus Alabaster wurden oft für Sockel in den Innenräumen prunkvoller öffentlicher Bauten verwendet. Bei privaten Bauten kommt Boden- und Wand-Dekor aus Stein selten vor. Harald Mielsch meint, dass der hohe Preis ausschlaggebend war. Wahrscheinlich wollten aber die Kaiser den Stein aus ihren Brüchen nur in öffent- Abb 65 Athen. Auf den Langseiten des Peristyls der Hadriansbibliothek waren Exedren mit Sitzbänken angeschlossen. Das Bild zeigt die mittlere Rechteck-Nische auf der Nordseite (Verf. 2014). <?page no="99"?> 99 Kapitel 18: Hadrians luxuriöse Philosophenschule lichen Bauten und in ihren eigenen Palästen verwendet sehen. Der phrygische Stein aus Docimium bei Synnada in Phrygien zeigt in der Regel weisse Einschlüsse auf violettem oder rostrotem Grund, und wurde seit späthellenistischer Zeit für Böden und Wände verwendet, später auch für Säulen und sogar für Statuen (Abb 65 unten). 100 Säulen aus diesem Pavonazzetto-Marmor (30 an den Langseiten, 20 an den Schmalseiten) waren ein Beweis höchster Wertschätzung. Hadrians Museion war der prächtigste Bau in Athen. Der Wert einer Bibliothek ist freilich nur am Bestand der Bücher abzulesen. So dürfen wir vermuten, dass der Kaiser die Kosten nicht scheute, die leeren Regale in Athen, die Cicero beklagt hatte, mit neuen Abschriften zu füllen. Einen Zentralkatalog gab es nicht, aber Fachleute wussten, in welcher Bibliothek der grossen Städte sie suchen mussten. Noch ein Wort zu Fassade und Propylon im Westen. Das sichtbare Quadermauerwerk dieser Front des Baus besteht aus pentelischem Marmor. Die beiderseits des Propylons vor der Wand stehenden Säulen (Abb 64) haben monolithe Schäfte aus Cippolino (Zwiebel-)Marmor von der Insel Euböa. Sie stehen auf niedrigen Podesten und erreichen damit die Höhe der Säulen des Propylon. Konsolen über dem Gesims aus Architrav und Fries vergrössern die Fläche der verkröpften, quadratischen Platten der Geison-Zone. Auf deren Oberseite müssen Dübellöcher zu sehen sein, die der Befestigung von Basen für Statuen dienten. Denn diese vor der Wand stehenden Säulen konnten nur den Zweck haben, Statuen zu tragen. Die Rekonstruktion von M. Sisson 231 und das Modell der Hadriansbibliothek im Museo della Civiltà Romana, das arg in die Jahre gekommen ist, zeigt sicher richtig auf diesen Säulen Statuen. Ich vermute, dass links vom Tor sieben Statuen der Epikuräer standen, während Standbilder von sieben Stoiker auf die Säulen rechts vom Tor verteilt waren. Die Kyniker werden Hadrians Luxus-Museion verspottet haben. Aber auch Epikureer, die mit ihrer Lehre vom Masshalten als Weg zum Glück noch in der Kaiserzeit grossen Erfolg hatten, werden in der prunkvollen Umgebung der neuen Bibliothek nicht glücklich gewesen sein. Abb 66 Athen. Für die Hadriansbibliothek wurden kostbarste Materialien verwendet. Die Gesteinproben zeigen oben stark farbigen Kalksinter aus Ägypten, wie er für Verkleidung der Wandsockel im grossen Büchersaal (der gegenwärtig restauriert wird) verwendet wurde. Unten sind Proben von lebhaft farbigem Pavonazzetto aus Phrygien zu sehen. Die hundert Säulen der Hallen, die Pausanias hervorhebt, bestanden aus diesem kostbaren Stein (Foto: Antikenmuseum Berlin). <?page no="100"?> 100 Kapitel 19: Zerstörung Athens und letzte Blüte unter den Neuplatonikern Sturm der Heruler, der Post Herulian Wall und ein Steinbruch Sulla hatte 86 BCE Athen belagert, erobert und partiell zerstört. In der folgenden Friedenszeit, der pax Romana, fühlten sich die Athener sicher und kümmerten sich nicht um die Stadtmauern. Das rächte sich im Jahr 267, als die Heruler, ein Stamm der Germanen, von der Gegend des Asowschen Meeres nach Griechenland kamen und ohne auf nennenswerte Verteidigung zu stossen Athen, Korinth, Sparta und Argos plünderten. Die Heruler drangen an mindestens zwei Stellen gleichzeitig in Athen ein und verwüsteten vor allem den Süden und die Neue Agora. Feuer zerstörte viele Grossbauten, darunter das Odeion des Perikles. Für die Hadriansbibliothek fehlen die Belege, es ist aber sehr wahrscheinlich, dass dieser Prachtbau mutwillig zerstört wurde. Als nämlich nach dem Abzug der Horden die Athener nördlich der Akropolis in aller Eile einen Teil der Stadt mit einer provisorischen Mauer umschlossen, wurde Hadrians Philosophenschule einbezogen, aber sie musste nun, wie es scheint, neue Aufgaben übernehmen. Bei Ausgrabungen in der Hadriansbibliothek fand sich von den hundert Säulen aus phrygischem Stein nicht eine einzige, ja nicht einmal Bruchstücke einer solchen Säule. So vermute ich, dass diese zweifellos bewunderten Säulen aus auffälligem und schönem Marmor den Besitzer wechselten. In Frage kommt Konstantin, denn es ist bekannt, dass seine Baumeister als Würdezeichen oft älteres Baumaterial verwendeten. Die Architekten der neuen Reichshauptstadt Byzanz konnten sich vielleicht sogar ungehindert bedienen. Der Kaiserpalast in Konstantinopel kommt als Ort der neuen Verwendung in Frage. Südlich des Hippodrom erstreckten sich Gärten und Paläste, darunter grosse Peristyle, vielleicht solche mit wiederum 100 Säulen. 232 Mehr als hundert Jahre lebten die Athener in Ruinen. Aber trotz grosser Armut existierten die Philosophen- Schulen weiter. Vermutlich konzentrierten diese sich auf den inneren Peripatos um die Akropolis. Das Haus des Philosophen Proklos am Südhang der Akropolis habe ich im Zusammenhang mit dem Akropolis-Peripatos schon genannt. Abb: 67 Athen. Eine Inschrift links neben dem Propylon der Hadriansbibliothek bezeugt eine spätantike Wiederherstellung des Gebäudes. Plutarchos, der sich selbst Sophist nennt, errichtete um das Jahr 410 dem Praefekten Herkulios eine Statue. Diese stand im Propylon rechts neben der Inschrift (Foto: B. Eleutheriou 2015). <?page no="101"?> 101 Kapitel 19: Zerstörung Athens und letzte Blüte unter den Neuplatonikern Herkulios und Plutarchos Links neben dem Propylon der Hadrians-Bibliothek befindet sich auf einem der Wandquader aus pentelischem Marmor die heute noch gut lesbare Inschrift IG II 2 4224 (Abb 67): 233 τὸν θεσμῶν ταμίην Ἑρκούλιον ἁγνὸν ὕπαρχον Πλούταρχος μύθων ταμίης ἔστησε σοφιστής Den Schatzmeister der Gesetze, Herkoulios, den frommen Praefekten, hat (als Statue) aufgestellt Ploutarchos, der Sophist, der Schatzmeister der Gesetze (Ü: K. Hallof ). Diese zwei Zeilen bieten eine dreifach wichtige Information. Denn Herkulios war Praefekt der östlichen Provinz Illyrien und ist in diesem hohen Amt nachweisbar vom 24. Mai 410 bis zum 9. April 412. 234 Der Schatzmeister der Gesetze hatte in dem Sophisten Plutarchos einen engagierten und einflussreichen Athener Bürger zur Seite, als es darum ging, die Stadt zu erneuern. Wir sehen in Plutarchos, der 432 starb, mit Alison Frantz den Schöpfer des Neuplatonismus. Die Inschrift am Tor der Hadriansbibliothek beweist nicht nur die Aufstellung einer Statue des Herkulios an dieser Stelle, sondern den Wiederaufbau des zerstörten und ausgeraubten Gebäudes als Philosophen-Schule. 235 Eine Reihe von Basen von grober Arbeit sind Zeugnisse dieses Wiederaufbaus (Abb 68). Eine weitere Inschrift 236 lobt Plutarchos, den König der Gesetze, den Hort fester Weisheit dafür, dass er seinen ganzen Reichtum hingegeben habe, indem er die grossen Panathenäen veranstaltete, das heilige Schiff ruderte und sich dreimal dem Tempel der Athena näherte. Theodosios I. duldete anfangs den Kult der alten Götter. Heiden, wie der Rhetor Libanios, der zeitweise in Athen lehrte, waren sogar hoch angesehen. Aber nachdem der Kaiser 380 den Grundsatz des Glaubenszwanges verkündet hatte, musste er gegen Heiden stärker vorgehen. 391 wurde der Besuch von Tempeln und das Opfer untersagt, und am 8. November 392 wurde schliesslich jeglicher Götterkult verboten. 237 Hundert Jahre später folgte das endgültige Aus für die Philosophenschulen in Athen. Justinian erliess 529 das entsprechende Gesetz. Das Mittelalter hatte begonnen. Abb 68 Athen. Auf den originalen Stufen der Hallen der Hadriansbibliothek liegen mehrere flüchtig gearbeitete Säulen-Basen, die der spätantiken Wiederherstellung der Philosophenschule angehören (Foto: Verf. 2013). <?page no="102"?> 102 Kapitel 20: Was ist das Eigentliche? würde Platon fragen Platons Schule, Schulbau mit Peripatos in der Akademie war Grundmuster und Vorbild. Nichts Versuchsmässiges ist spürbar. Aristoteles und Theophrast gingen keine Experimente ein. Sie hielten sich bei ihren Schulbauten an das bewährte Vorbild. Und noch Hadrian, der mit einem Grossbau im Herzen Athens Epikuräer und Stoiker zusammenführte, wiederholte - freilich auf kaiserlichem Niveau - die Grundelemente von Platons Schule. Aus der Zusammenstellung der Grundrisse in unserer Abb 69 wird der Bautypus erkennbar: Mauern umschliessen und begrenzen ein Temenos, denn die Quellen belegen, dass die Philosophenschulen immer auch Heiligtümer der Musen waren. Die Musen boten Schutz. Sie wurden - soweit wir sehen - im Hof verehrt, das heisst, zu den Bildern gehörte ein Altar. Die Höfe sind lang-rechteckig und von Hallen umgeben. Diese sind unerlässlich, denn sie dienten beim Rundgang zu zweit oder auch im grösseren Kreis der Kommunikation der Fachgenossen und der Lehre, wenn die Witterung oder andere Gründe von der Nutzung der nahe gelegenen Peripatoi im Freien abhielten. Für Platon war die Geometrie ein Schlüssel zu seiner Ideen-Lehre. Zu seiner Zeit, und sicher auch noch bei Aristoteles diente im Hof gestreuter feiner Sand als Grund für geometrische Zeichnungen. An einer Schmalseite des Peristyls (das zu Platons Zeit eine höchst moderne Bauform war) schliesst sich eine Raumgruppe an. Sie wird von einem Saal dominiert, in dem Bücher auf bewahrt wurden. Die Bibliothek war schon bei Platon das absolut notwendige Mittel zur Diskussion mit allen Fachgenossen. Einer der Räume an den Seiten der Bibliothek diente den regelmässigen Vorträgen. Die bei Diogenes Laertius wiedergegebenen Schriftenverzeichnisse zeigen die Themen der Vortragsreihen. Der andere Raum war den oft in den Quellen genannten gemeinsamen Mahlzeiten (Sissytia) gewidmet. Wie bei den Andrones in privaten Häusern standen Klinen an den Wänden. Für die drei nacheinander errichteten Philosophenschulen in Athen ist ein Peripatos im Freien belegt. Der Peripatos in der Akademie, der Peripatos an der Stadtmauer bei Aristoteles’ Garten der Musen, der Peripatos um die Akropolis sowie auch der von Theophrast am Ufer des Ilissos waren stille, öffentliche Wege. Lehrer und Schüler an ihrer Seite wollten ungestört sein, um sich auf philosophische Probleme zu konzentrieren. Die Bürger Athens schwankten zwischen Misstrauen und enthusiastischer Zustimmung. Diogenes Laertius 5,38 bericht, dass alle Philosophen - unter ihnen auch Theophrast - Athen verliessen, als ein gewissser Sophokles, Sohn des Amphikleides, ein Gesetz durchgesetzt hatte, nach dem es für Philosophen bei Todesstrafe verboten war, ohne ausdrückliche Genehmigung des Volkes als Leiter einer Schule aufzutreten. Aber wenig später wurde dieser Sophokles angeklagt, einen unerlaubten Vorschlag gemacht zu haben, und die Philosophen kehrten zurück. Der kosmopolitische Charakter der philosophischen Bewegung zeigt sich (wie auf dem Kärtchen auf dem Stadtplan dargestellt) nicht zuletzt an der Herkunft der Lehrer und Studenten aus den entferntesten Städten der griechischen Welt. Abb 69 Die Philosophenschule Platons in der Akademie war für die nachfolgenden Schulen Vorbild. Das gilt noch für die Hadriansbibliothek, die als kaiserliche Stiftung doppelte Grösse hat. Es hat einen Typus Philosophenschule gegeben, der vermutlich auch an anderen Orten gebaut wurde (Zusammenstellung Verf. 2016). HADRIANS BIBLIOTHEK MUSEION DES ARISTOTELES GARTEN DES THEOPHR AST PLATONS SCHULE <?page no="103"?> 103 Apendix: Philosophie ist nie von gestern - Ein Philosophenweg in Berlin? In Berlin, das früher nicht selten „Spree-Athen“ genannt wurde, ist noch heute die Rekonstruktion oder Neugestaltung der städtischen Mitte keineswegs abgeschlossen. So bietet sich die Chance, hier etwas zu verwirklichen, was es in keiner anderen Stadt der Welt gibt: ein den Philosophen Europas gewidmeter Peripatos. Nach dem Beschluss des Senats, zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor eine dauerhafte „Feier-Meile“ einzurichten, wäre ein solcher Peripatos ein Kontrastprogramm, das nicht zuletzt an die Philosophen erinnern sollte, die an der Berliner Universität lehrten. Die 1981/ 82 in Berlin gezeigte Ausstellung „Hegel in Berlin“ war ein voller Erfolg und machte, ebenso wie unzählige Neuerscheinungen der letzten Jahre, deutlich, dass es ein breites Interesse an diesem Thema gibt. Und gegenüber einer Ausstellung im geschlossenen Raum böte ein Peripatos unter „Schatten spendenden Bäumen“ (Plutarch) eine attraktive Unmittelbarkeit. Das gilt um so mehr, als sich für einen Peripatos in Berlin ein historisch belasteter Ort anbietet, dem eine neue Aura verliehen werden könnte. Im rechten Winkel zur Strasse des 17. Juni (früher Charlottenburger Chaussee) verlief die „Siegesallee“, die Kaiser Wilhelm II. den Berlinern an der Wende zum 20. Jahrhundert zum Geschenk gemacht hatte: 32 pompöse Denkmäler stellten Markgrafen, Könige und Kaiser der Askanier und Hohenzollern dar. Die Berliner nannten sie spöttisch „Puppen“ (Abb 70). Die überlebensgrossen Statuen standen in siegreicher Pose auf Podesten. Die sie umgebenden halbrunden Sitzbänke sollten an Exedren der antiken Philosophen erinnern, wie sie vom Philosophen-Mosaik in Pompeji bekannt waren. Anders als die Bäume des Tiergartens haben die pompösen Statuen aus Carrara Marmor beide Weltkriege überdauert und befinden sich heute in einem Depot. An ihre erneute Aufstellung ist nicht gedacht. Aber der Weg der einstigen Siegesallee ist noch heute vorhanden und führt als stiller Parkweg vom Kemper Platz (bei der Philharmonie) zur 500 m entfernten Strasse des 17. Juni, wo sich auf der gegenüber liegenden Seite anstelle der Hohenzollern- Abb . 71 Berlin. Die einstige Siegesallee ist noch als stiller Parkweg erhalten. Er beginnt am sowjetischen Siegesmonument und setzt sich jenseits der heutigen Strasse des 17. Juni bis zum Kemper-Platz fort. Ich schlage vor, diesen Parkweg zu einem Peripatos umzugestalten, bei dem Denkmäler europäischer Philosophen den Platz der Hohenzollernfürsten einnehmen. Abb 70 Berlin. Im Tiergarten errichtete Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1900 eine Siegesallee: 32 halbrunde Sitzbänke aus Marmor sind antiken Exedren nachempfunden. Sie umschlossen je einen Sockel mit einer Statue eines Hohenzollern-Fürsten (Foto aus dem damaligen Führer). <?page no="104"?> 104 Apendix Philosophie ist nie von gestern - Ein Philosophenweg in Berlin? fürsten auf dem sowjetischen Siegesdenkmal ein Rotarmist erhebt (Abb 71). Dieses Denkmal lehnt sich mit der Grundform einer Exedra an die kaiserlichen Vorbilder an, die es freilich an Monumentalität übertrifft. Auf dem Teil der heute noch als Parkweg vorhandenen „Siegesallee“ standen 24 Denkmäler ehemaliger Herrscher. Nähmen ihre Plätze Denkmäler der bedeutenden europäischen Philosophen ein, so entspräche das einem Gang durch die europäische Geistesgeschichte und zugleich der lokalen Situation Berlins als einem Mittelpunkt Europas. Villenbesitzer der römischen Kaiserzeit schmückten ihren Garten gern mit beiderseits des Mittelweges aufgestellten Hermen berühmter Philosophen. In Berlin sollte es weitergehend möglich sein, Kernaussagen der Philosophen in Form künstlerischer Bilder sichtbar zu machen. Für Leibnitz, dessen 300. Todesjahr dieser Tage gedacht wird, böte die von ihm erfundene Rechenmaschine oder auch seine oft missverstandene Theorie von der besten aller möglichen Welten Anhaltspunkte für die Gestaltung eines Denkmals. <?page no="105"?> 105 Anmerkungen 1 Kurzer Bericht eines an der Freien Universität Berlin gehaltenen Seminars: W. Hoepfner (Hrsg.), Antike Bibliotheken (Mainz 2002) 56-62. Auf die ablehnenden Argumente von A. Caruso komme ich zurück. 2 H. Flashar, Aristoteles. Lehrer des Abendlandes (München 2013). 3 J.P. Lynch, Aristoteles’ School. A-Study of a Greek Educational Institution (1972) 26 vertritt sogar die Meinung, dass das Heiligtum des Apollon Lykeios (ein Vorstadt-Heiligtum! ) eine so riesige Ausdehnung hatte, dass darin später Gymnasion und Philosophenschule Platz finden konnten. Noch in Der Neue Pauly 1 (1996) s.v. Akademeia Sp. 381.382 heisst es: Der Unterricht konnte sowohl im Gymnasion als auch in Platons Haus erfolgen... 4 Alle Stellen (etwa 8) bei A. Busse, Peripatos und Peripatetiker, Hermes 61, 1926, 338 Anm.1. 5 In fast allen deutschsprachigen älteren Wörterbüchern wie K. Jacobitz und E. E. Seiler, griechisch - deutsches Wörterbuch (Leipzig 1897) s.v. peripatos erscheint diese Formulierung. - Die Wörter Spaziergang und lustwandeln gehen zurück auf die 1710 in Halle bei Renger erschienene Griechische Kulturgeschichte in Stichworten von Paul Christ. Hoepfner, Grecia antiqua oder Kurtze Fragen von den alten Gebräuchen der Griechen, s.v. peripatos. S. 271: Müßiggänger wurden beschimpfet. 6 LSJ 1382 s.v. περίπατος. 7 Zur Theorie der Neuen Agora: G. Miller, Architecture as Evidence for the Identity of the Early Polis, in: M. H. Hansen (Hrsg.), Sources for Ancient Greek City State (Kopenhagen 1995) 201 ff. 8 Überblick bei H. R. Goette - J. Hammerstaedt, Das antike Athen. Ein literarischer Stadtführer (München 2004) 193 - 197; E. Sioumpara, Νέο χορηκό μνημείο από την οδό Τριπόδων, Festschrift P. Themelis (Athen 2013) 261-279. 9 W. Judeich, Topographie von Athen, HdA (2. Aufl. München 1931) 358-360. 10 W. Hoepfner - E.-L. Schwandner, Haus und Stadt im klassischen Griechenland (1. Aufl. München 1986, 12-20); W. Hoepfner (Hrsg.), Geschichte des Wohnens, Band 1, 5000 v. Chr. - 500 n.Chr. (Stuttgart 1999), 213-222. 11 Der letzte Stadtplan Athens von Travlos: Bildelexikon des antiken Attika (Tübingen 1988) 23-51. 12 A. Gercke, RE 2 (1894) 1012-1055 s.v. Aristoteles, 1018. Später im gleichen Sinn A. Busse, Peripatos a.O. 335. 13 H. Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker (Berlin 1903) 511- 520. 14 F. G. Mayer, Griechische Mauerbauinschriften (Heidelberg 1959) Nr. 71,5.10. 15 A. Gercke, Sokrates bei Platon, Neue Jahrbücher 1, 1898, 585- 594 wählt einen Mittelweg. 16 Das seltsam unfertige Peristyl des Gymnasions der Akademie, das Stavropoulos aufdeckte (die Säulen standen, aber die Hallen waren noch nicht ausgeführt), geht offensichtlich auf eine Modernisierung des Lykurg zurück, die begonnen, aber nicht beendet wurde. Die Erneuerung der Gymnasien (so auch des Lykeion-Gymnasions) war Teil des lykurgischen Bauprogramms. 17 Lynch, Aristoteles’ School a.O. 15. 18 W. Hoepfner (Hrsg.), Geschichte des Wohnens I: 5000 v. Chr.- 500 n. Chr. Vorgeschichte Frühgeschichte Antike (Stuttgart 1999) 317-333 (Hoepfner). 19 G. Gruben, Untersuchungen am Dipylon 1964-1966, AA 1969, 31-40. 20 R. Tölle-Kastenbein, Das archaische Wasserleitungsnetz für Athen (Mainz 1994) 73 ff. 21 W. Hoepfner, Das Pompeion und seine Nachfolgerbauten, Kerameikos 10 (Berlin 1976) 24-35. 22 Zu den Schichtfunden (Baugruben) F. W. Hamdorf in: Hoepfner, Pompeion a.O. 196-223. 23 D. Kah, Militärische Ausbildung im hellenistischen Gymnasion, in: D. Kah - P. Scholz (Hrsg.), Das hellenistische Gymnasion (München 2004) ohne Bezug auf das Pompeion-Gymnasion. 24 E. Voutiras, Sokrates in der Akademie, AM 109, 1994, 146-191 beruft sich auf Philodem (1. Jh. BCE) und hält die Statue des Sokrates im Pompeion für eine Erfindung eines späteren Autors. 25 Zum philosophischen Problem ἄρτιον περιττόν (das Gerade und das Ungerade) W. Burkert, Weisheit und Wissenschaft. Studien zu Pythagoras, Philolaos und Platon (Nürnberg 1962) 30-46. 26 Hoepfner, Pompeion a.O. 122 f. 27 Hoepfner, Pompeion a.O. 99-103. Die im Pompeion gefundenen Fenster (Marmor-Rahmen mit schweren Eisengittern) gehörten nach meiner neuen Einschätzung der originalen Ausstattung der Banketträume an. Sie waren im Zwickel der Stadtmauer von aussen nicht zu sehen. 28 Nach G. Martin, Platon (Reinbeck bei Hamburg, Rowohlt Taschenbuch 8. Aufl. 1977) 71. andere Übersetzung in: Platon. Sämtliche Werke (5. Aufl. Köln 1967 Band III 783-Nr. XXVI. 29 Travlos, Bildlexikon Athen a.O. 292 s.v. Ilissos-Gebiet; R. Tölle-Kastenbein, Kallirrhoe und Enneakrunos, JdI 101, 1986, 57. 30 M. L. Lang, Socrates in the Agora, Picture Book 17 (Athen 1978). 31 Travlos, Bildlexikon Athen a.O. 534. 32 The Athenian Agora. Guide (4. Aufl. 1990) 125-130. 244-250. 33 Agora, Guide a.O. 185-187. Neu: M.-Chr. Hellmann, L’identification et l’interprêtation d’une construction grecque, une question de temps ? in: Festschrift Manolis Korres (Athen 2016) 619-627. 34 K. Gaiser, Philodems Academiaca. Die Berichte über Platon und die Alte Akademie (Stuttgart - Bad Cannstadt 1988) 145. 35 Martin, Platon a.O.; 133. 36 J. Travlos, Bildlexikon des antiken Attika (Tübingen 1988) 258-267 s.v. Megaris mit Literaturliste und Abb. 37 G. Gruben, Das Quellhaus von Megara, in: Arch.Delt. 19,1, 1964, 37-41. 38 W. Burkert, Weisheit und Wissenschaft. Studien zu Pythagoras, Philolaos und Platon (Nürnberg 1962), Kap. I: Platonische und Pythagoreische Zahlenlehre 14-85. 39 S. Stucchi, L’agora di Cirene (1956). 40 Burkert, Weisheit a.O., 81. 41 Diskussion bei Gaiser, Philodems Academiaca a.O. 397. 42 W. Pape, Griechisch-Deutsches Handwörterbuch. Nachdruck der dritten Auflage (Graz 1954) 2. Band 277 s.v. xenos. 43 H. Berve, Die Tyrannis bei den Griechen (München 1967) 3.-Teil, Die jüngere Tyrannis 638-661. 44 M. Burstein, Outpost of Hellenism: The Emergence of Heraclea on the Black Sea (Berkeley 1976); ders. in: D. Brendan Nagle - S. M. Burstein, Readings in Greek History (New York <?page no="106"?> 106 Anmerkungen - Oxford 2007) 223-235 mit Betonung der kaum vorstellbaren Grausamkeiten des Tyrannen. 45 Quellen einschliesslich Cornelius Nepos Kap.10 bei H. Berve, Dion. Akad. Mainz (Wiebaden 1956), bes. Kapitel 10: Dion, Platon und Dionysios (367-357). - Kein Hinweis auf die Topographie. 46 Nach Philodem 10, 17-24, Gaiser, Philodem a.O. p. 164 wurde Platon nicht freigekauft sondern aus Güte freigelassen. 47 M. Burnyeat - M. Frede, The pseudo-Platonic Seventh Letter (Oxford 2015): Fälschung. - Rez. Th. A. Szlezák, Gnomon 89, 2017, 311-323: doch echt. 48 Philodem Z 7-31, Gaiser, Philodem a.O. S. 403. 49 Quellen mit Risikobewertung bei Gaiser, Philodem a.O. 403- 406. 50 Eine gesetzgebende Kommission hätte eine Verfassung ausarbeiten sollen. Im 7. Brief 334C nennt Platon 35 Gesetzeswächter. Diskussion der Verfassungsfrage bei Berve, Dion a.O. 109 und K. Trampedach, Platon, die Akademie und die zeitgenössische Politik, Hermes Einzelschriften 66 (Stuttgart 1994) 119-122. 51 H. Breitenbach, Platon und Dion (Zürich 1960) 54. 52 Drögemüller, RE Suppl. 13 (München 1973) 835 s.v. Syrakus: Möglicherweise gehört zu dieser Westmauer ein 8m langes Stück an der Nordseite des römischen Theaters. 53 Zur Topographie und einer frühen Stadterweiterung: H.-P. Drögemüller, Syrakus. Zur Topographie und Geschichte einer griechischen Stadt, Gymnasium Beih. 6, 151 ff.; ders. RE Suppl. 13 (1973) 815 ff.; ders. Der kleine Pauly (Nachdr. 1979) Bd.-5 s.v. Syrakusai 460-469. 54 D. Mertens - E. Greco, Urban Planning in Magna Graecia, in: G. Pugliese Carratelli (Ed.), The Western Greeks, Kat. Ausstellung Rom 1996, 243-314. 55 P. Pelagatti, ASAthene 44, 1982, 117 ff. 56 G.V. Gentili, Palladio 1967, 61 ff. 57 Strabon 6,2,4 spricht von einer Brücke (zu seiner Zeit). Siehe auch Drögemüller in Gymnasium a.O. 18. 58 Der westlich benachbarte, schnurgerade verlaufende Corso Matteotti ist wie auch die Strassenzüge im Bereich der Brücke erst Anfang des 20. Jhs. entstanden. 59 K. Fabricius, Das antike Syrakus, Klio Beih. 28 (1932) Neudruck 1963, 7. 60 Meyers Großes Konservationslexikon (Leipzig und Wien Bibliographisches Inst. 1908), Bd. 19, Sp. 248-252 s.v. Syrakus, Abb. S. 250.; ältere Pläne im Reisehandbuch K. Baedeker’s South Italy (1883). 61 F. Saverio Cavallari - A. Holm, Topografia Archeologica di Siracusa (1883); deutsch: Lupus, Syracus im Altertum (Strasburg 1885) 18. 62 So auch H.-P. Drögemüller, Syrakus. Zur Topographie und Geschichte einer griechischen Stadt. Beiheft 6 Gymnasium (Heidelberg 1969) mit Plänen. 63 Vitruv 2,8,13 nennt bei der Beschreibung der Stadt Halikarnassos einen dem König Maussollos zur Verfügung stehenden portus secretus, einen „geheimen Hafen“, der von der Stadt nicht einsehbar war. Er liegt tatsächlich nicht, wie bisher angenommen im grossen Hafen (wo er ein unbeobachtetes Entweichen des Königs nicht gewährleisten könnte), sondern in der westlich benachbarten, heute noch sehr flachen Bucht, in der es eine Fahrrinne gab, die nur Kenner benutzen konnten: W. Hoepfner, Halikarnassos und das Maussolleion (Darmstadt/ Mainz 2013) 58-61. 64 M. Caroll-Spillecke, ΚΗΠΟΣ. Der antike griechische Garten. Wohnen in der klassischen Polis III (München 1989). 65 Das grosse Haus des Tyrannen Dionysios in Syrakus scheint der älteste, unter den eigentlich schon hellenistischen Palästen gewesen zu sein. Wenige Jahre jünger war der Palast des Königs Maussollos in Halikarnassos und auch der Palast des Tyrannen Klearchos in Herakleia Pontike. Deren Lage in den jeweiligen Stadtgebieten kann bisher nur vermutet werden. Zu Halikarnassos: Hoepfner, Halikarnassos a.O. 56 f.; zu Heraklaia am Pontos (von Alexander ausdrücklich als selbstständig anerkannt) W. Hoepfner, Herakleia Pontike - Eregli. Eine baugeschichtliche Untersuchung, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Denkschriften 89 (Wien 1966) 19-25. 66 Athenaios, Deipnosophistai 4, 174c. Skizze bei H. Wilsdorf, Technisches Denken, in: Geschichte des wissenschaftlichen Denkens im Altertum (Berlin 1982) 371. 67 Teile von Modellen (? ) von Sonnenuhren im Neuen Museum in Berlin Inventar-Nr. AM 19743 und AM 14573 mit Darstellung Amenophis III. vor dem Sonnengott, Zeit des Neuen Reichs (14. Jh.). 68 F. M. Feldhaus, Die Technik. Ein Lexikon der Vorzeit, der geschichtlichen Zeit und der Naturvölker (Nachdruck München 1970) 1225. 69 F. Lasserre (Hrsg.), Die Fragmente des Eudoxos von Knidos (Berlin 1966) 158-160. 70 ἡλιοτρόπιον ist im Neugriechischen die Bezeichnung für Sonnenblume. 71 E. Buchner, Die Sonnenuhr des Augustus (Mainz 1982). Buchner a.O. 8 spricht von etwa 220 Fuss. 72 E. Lykouri, Οδοί από την Αθήνα έως την Ακαδεμία Πλάτωνος, in: M. Korres (Ed.), ΑTΤΙΚΗΣ ΟΔΟΙ a.O. 138- 139 nennt die Grabungsberichte. Sie hält die topographische Situation für unklar. 73 N.T. Arrington, Location oft he Athenian Public Cemetary, Hesperia 79, 2010, 499-539. 74 Inschrift IG II/ III2 2617; Inschrift am Horos 2 IG II/ III 2 2618; Inschrift am Horos 3 IGII/ III2 2619; J. Stroszeck, Zu den Grenzsteinen des Kerameikos, Polis 1 (2003), 53-85. 75 Grab Nr. 63 bei U. Knigge, Der Kerameikos von Athen. Führer durch Ausgrabungen und Geschichte (Athen 1988) 160 f. Inschrift IG II/ III 2 11673. 76 Inschrift jetzt IG II/ III 3 1, 980. 77 Inschrift IG I 3 1091. 78 Pausanias 1,30,2.3 zur Akademie. 79 Sehenswert das mit einem Ziegelgewölbe überdeckte Bett des Eridanos (Kloake der Kaiserzeit) in der Halle der Metro-Station Monastiraki. 80 W. Dörpfeld, Der Eridanos, AM 13, 1888, 211-220 liess den Fluss ausserhalb des Kerameikos scharf nach Süden abbiegen. Die Höhenlinien legen das nicht zwingend nahe, trotzdem findet sich der unmotiviert wirkende Knick auch in Plänen bei Judeich und noch bei Travlos. 81 Die Zuverlässigkeit der bei Diogenes Laertius wiedergegebenen Testamente ist nie bezweifelt worden. Sie werden oft ausdrücklich als echt bezeichnet. 82 Ausländern ist in manchen Ländern das Bau- und Nutzungsrecht von ihnen gebauter oder erworbener privater Häuser auf 99 Jahre beschränkt. 83 Anders H.B. Gottschalk, Notes on the Wills of the Peripatetic Scholarchs, Hermes 100, 1972, 314-342 ohne Erklärung für das Fehlen der Schule und auch der Bücher in Platons Testament. 84 A. Caruso, Akademia: archeologia di una scola filosofica ad Atene da Platone a Proclo (387 a.C. - 485 d.C.). Studi di Archeologia e di Topografia di Atene e dell’Attica (Athens - Paestum 2013). 85 Kritisch zu den „Schülerübungen“ L. Threatte, The Inscribed Schist Fragments from the Athenian Academy Excavations (Athen 2007). 86 Ada Caruso, Akademia a.O. 96 sieht in ihrer Deutung des quadratischen Peristyls als Gymnasion einen nuove proposte. 87 Enkyklopedeia, Sympleroma A1 (o.J., um 1961) s.v. Akademia <?page no="107"?> 107 Anmerkungen 341-344 (Ph. Stavropoulos); Travlos, Bildlexikon Athen a.O. 42; W. Hoepfner, Platons Akademie. Eine neue Interpretation der Ruinen, in: ders. (Hrsg.), Antike Bibliotheken (Mainz 2002) 56-62. 88 Speusippos, der Nachfolger Platons als Haupt der Schule liess Statuen der Χαρίτες im Museion aufstellen (DL 4,1). 89 Hoepfner, Pompeion a.O. 119. Meine Beobachtungen stützen sich auf archäologische Befunde (Zylinder-Basen aus pentelischem Marmor, Schäfte aus Kalkstein). - Xenokles von Cholargos hat nach Plutarch, Perikles 13 den Bau des Telesterion in Eleusis beendet. Ausführlich diskutiert bei H. Svenson-Evers, Die griechischen Architekten archaischer und klassischer Zeit (Frankfurt a.M. 1996) mit Liste der im Text erwähnten Architekten S. 524 s.v. Xenokles von Cholargos, bes. 237-246 (ohne Erwähnung des Pompeion). 90 DL 3,23: Platon sollte für die neu gegründete Stadt Messene als Gesetzgeber tätig sein. 91 Gemeint ist der entwerfende und ausführende Architekt. Dazu Svenson-Evers a.O. 505-508. 92 Griechischer Text und deutsche Übertsetzung der Seite Y von Philodem bei Gaiser, Philodem a.O. S. 151.152. Übersetzung der Stelle bei Lynch a.O. 55: act as architect and set the problems. 93 Bei Xenophon, mem. 4,2,10.12: Der ἀρχιτέκτων ist ein belesener Mann und kann als Leistung seine eigenen Bauten vorweisen. 94 W. Burkert, Platonische und pythegoreische Zahlenlehre, in: ders. Weisheit und Wissenschaft. Studien zu Pythagoras, Philolaos und Platon (Nürnberg 1962) 14-85. 95 W. Hoepfner, Die Bibliothek Eumenes’ II. in Pergamon, in: ders. (Hrsg.), Antike Bibliotheken (Mainz 2002) 41-52. 96 Diogenes Laertius 3,57 kommt auf 56 echte Dialoge, die Gruppen bilden. 97 Lexikon der Alten Welt (Zürich - München 1990) Bd.- 3, Sp.-3292 s.v. Xenophon (W. Burkert). 98 S. Radt (Hrsg.), Strabons Geographika (Göttingen 2008) Bd.-7 Buch XI-XIII Kommentar S. 505. 99 A. Busse, Peripatos und Peripatetiker, Hermes 61, 335-342 hier 336. 100 Mekler, Academicorum philosophorum. Index Herculanensis (Neudruck); K. Gaiser, Philodems Academica. Die Berichte über Platon und die Alte Akademie in zwei herculanensischen Papyri. Supplement Platonicum I (1988). 101 K. Schefold, Die Bildnisse der antiken Dichter, Redner und Denker (Basel 1997) 294 mit Abb. 172. 102 LSJ 1382. - Es sei angemerkt, dass die Inschrift IG2 2 , 2639 in eine Spalte eingefügt ist, die an dieser Stelle einen covered walk nahelegt. Das ist unrichtig. 103 Gaiser, Academica a.O. 190. 104 H. D. Saffrey, Une inscription légendaire, Revue des Études Grecques 81 (1981) 67-87; Lynch, Aristoteles’ School a.O. 62.63. 105 Platons Begeisterung für die Geometrie teilte sich auch Lesern neuerer Zeit mit: Goethe am 13.2.1769 in einem Brief an Friederike Oeser: Meine gegenwärtige Lebensart ist der Philosophie gewidmet. Eingesperrt, allein, Zirkel, Papier, Feder und Tinte, und zwei Bücher, mein ganzes Rüstzeug. Und auf diesem einfachen Wege komme ich in der Erkenntnis der Wahrheit oft so weit, und weiter, als andere mit ihrer Bibliothekar-Wissenschaft. Zitiert nach H.E. Gerlach und O. Herrmann (Hrsg.), Goethe erzählt sein Leben (Hamburg 1950) 53. 106 Der Eulersche Satz: In jedem von kongruenten Flächen begrenzten Körper ist die Anzahl der Ecken, vermehrt um die der Flächen, gleich der um zwei vermehrten Anzahl der Kanten. 107 E. Sachs, Die fünf Platonischen Körper. Zur Geschichte der Mathematik und der Elementarlehre Platons und der Pythagoreer. Philologische Untersuchungen Band 24 (Berlin 1917). 108 Philodem (Dikaiarch) lobt überschwenglich die Fortschritte in den Fächern Mathematik und Geometrie, Gaiser a.O. 152. 109 Definition und Interpretation des Kreises: Platon, 7. Brief, 7,3,4d. 110 K. R. Popper, Die Welt des Parmenidis. Der Ursprung des europäischen Denkens (deutsche Ausgabe München 2001) 325- 354. - Siehe auch Platon, Timaios 53A bis 53E über gleichseitige und ungleichseitige Dreiecke. 111 H. Flashar, Aristoteles. Lehrer des Abendlandes (München 2013) 233-237. 112 DNO 2077. 113 Apelt übersetzt (Leben und Meinungen S. 152) διατριβή mit Wohnung statt mit Aufenthalt. 114 J. Dillon, The Heirs of Plato. A Study of the Old Academy (347-274) (Oxford 2005) 115 Gaiser, Academica a.O. 176-181 mit Übersetzung des Papyrus P. 1021. 116 M. Rostovtzeff, Die Hellenistische Welt. Gesellschaft und Wirtschaft (Tübingen1955) Bd. 1, 27. 117 M. Haake, Der Philosoph in der Stadt. Untersuchungen zur öffentlichen Rede über Philosophen und Philosophie in den hellenistischen Poleis. Vestigia 56 (München 2007) 149 betont, dass ein solcher ehrenvoller Ruf überwiegend Aufgaben jenseits des Philosophierens mit sich brachte. 118 Cicero, De finibus bonorum et malorum 5, 1-8. Lateinisch - deutsch bei A. Kabca (Hrsg.), Das höchste Gut und das schlimmste Übel (München 1960); Chr. Habicht, Athen. Die Geschichte der Stadt in hellenistischer Zeit (München 1995) 328. 119 Neue Ausgrabungen in Stageira, K. Sismanidis, Stageira (Athen 2003). 120 Zu Epikur: Hermannus Usener, Epicurea (Stuttgart 1887, Neudruck Stuttgart 1966) S. 152 Briefe unbekannten Datums, Fragment 171,25 (athenaeus VIII p. 354b). 121 U. v. Wilamowitz-Moellendorf, Aristoteles und Athen (2. Aufl. Berlin 1893) 11-319; H. Flashar, Aristoteles. Lehrer des Abendlandes (München 2013) 9-24. 122 Arist. Pol. 7,4. - Falsche Angabe bei Gercke a.O. 1015. 123 Wilamowitz-Moellendorff, Aristoteles a.O. 365 f. 124 W. Jaeger, Aristoteles. Grundlegung einer Geschichte seiner Entwicklung (2. Aufl. Berlin 1955) 337. 125 Ähnlich bei Platon 7. Brief 3.3. Für die Echtheit des 7. Briefes Berve, Dion a.O. 7; K. Trampedach, Platon, die Akademie und die zeitgenössische Politik, Hermes Einzelschrift 66 (Stuttgart 1994) 106-111 hält den 7. Brief nicht für echt. Siehe Anm.-77. 126 Diskutiert bei Gaiser, Academica a.O. 384-386. 127 J.T. Clarke - F.H. Bacon - R. Coldewey, Investigations in Assos (1902). 128 Zusammenfassend I. Touratsoglou, Makedonien. Geschichte. Monumente. Museen (Athen 1995) 199-210. - C. Zambas, ΠΑΡΑΤΗΡΗΣΕΙΣ ΓΙΑ ΤΟ ΣΚΕΔΙΟ ΚΑΙ ΤΗΝ ΟΙΚΟΔΟΜΙΚΗ ΤΩΝ ΜΑΚΕΔΟΝΙΚΩΝ ΤΑΦΩΝ, in: Festschrift M. Korres (Athen 2016) 527-540. 129 L. Kröner zu Plutarch, Alex. 7, Goldmanns Gelbe Taschenbücher, Plutarch, Lebensbeschreibungen 4 (1965) 270, Anm.-16. 130 M. Siganidou, Die Basileia von Pella, in: W. Hoepfner - G. Brands (Hrsg.), Basileia. Die Paläste der hellenistischen Könige, Symposion Berlin 1992 (Mainz 1996) 144-147. Neu: M. Lilimpaki-Akamaki, Pella. La nouvelle capitale, in: Kat. Ausstellung Paris 2011, Au royaume d’Alexandre le Grand. La Macédoine antique 270-272; P. Chrysostomou, Le palais de Pella, ebenda 294-295, Abb. der Badeanlage S.294. 131 Foto der komplett erhaltenen Decke bei W. Hoepfner, Halikarnassos und das Maussolleion (Darmstadt / Mainz 2013) Abb.-77, S. 132. Schöne Zeichnung bei J. Durm, Die Baukunst der Griechen, HdA 2,1 (Leipzig 1910) 187 Abb.-161. Das Auf- <?page no="108"?> 108 Anmerkungen mass solcher kaiserzeitlichen Decken löste bei frühklasizistischen Bauten in Westeuropa eine entsprechende Mode aus. So schon am Schlossbau in Wörlitz (Erdmannsdorf ). 132 Der 50 cm tiefe Beton-Unterbau, von dem mir der Bauingenieur Nikolaos Iouri am Ort berichtete, hat sich offensichtlich bewährt. 133 J. J. Coulton, The Architectural Development oft he Greek Stoa (Oxford 1976) Fig. 20-25. 134 R. Bohn, Altertümer von Aegae, 2. Erg. Heft des JDI (Berlin 1889) 30 zeichnete korrekt einen Schnitt durch das Gesims der Halle, nahm aber fälschlich an, dass die Stierköpfe nach innen weisen, und dass auf ihnen die Balken auflagen. Die gewaltige Eisenklammer beweist das Gegenteil. 135 Bei Palast V in Pergamon habe ich den zum Hof offenen Saal früher als Bankettsaal bezeichnet. Das ist falsch. Es handelt sich wie in Pella um einen Audienzsaal mit anschliessendem Speisesaal. Dazu hier eine neue Zeichnung: 136 Zum Konferenzraum (19 m im Quadrat, vier Stützen) im ‚Asklepieion‘ von Messene, der Ausgräber P. Themelis, Ancient Messene. Site and Monuments (Marousi 1998) 15-26. 137 H. Lauter-Buffe - H. Lauter, Die politischen Bauten von Megalopolis (Darmstadt/ Mainz 2011) 19-124 mit zahlreichen Abbildungen und Rekonstruktionen. 138 S. Drogou, ΤΟ ΑΡΧΑΙΟ ΘΕΑΤΡΟ ΤΗΣ ΒΕΡΓΙΝΑΣ (Thessaloniki 1999); dies. in: Vergina (Thessaloniki um 2003) a.O. 126-134; dies. Das antike Theater in Vergina, AM 112, 1997, 281-305 mit Stadtplan S. 301 Abb.-7. 139 F. Studniczka, Das Symposion Ptolemaios II. nach der Beschreibung des Kallixeinos (Leipzig 1914). 140 So auch das Brunnenhaus auf der Neuen Agora, B auf Stadtplan, und das Brunnenhaus am Dipylon. 141 P. Taxiarche, Οδός Μεσογείον, in: Korres, Odoi a.O. 172-181. 142 Plut. mor. 841-843. 143 Travlos, Bildlexikon Athen a.O. 345 s.v. Lykeion behandelt den gleichnamigen Bezirk. Abb.-379 auf S. 291 Nr. 205 „Tempelfundamente“. 144 H. Knell, Athen im 4. Jh. v. Chr. Eine Stadt verändert ihr Gesicht (WBG Darmstadt 2000) 184-190. 145 Inschrift IG II/ III 2 5185. 146 F. Kühnert, Die Bildungskonzeption des Isokrates, in: ders. Bildung und Redekunst in der Antike (Jena 1994) 42-56. Kühnert spricht S. 45 von einem „Jahrhunderte andauernden Kampf zwischen Rhetorik und Philosophie um den Vorrang in der Jugendbildung“. - Zu Isokrates Plut. mor. 842 E mit vielen Einzelheiten. 147 Plut.mor. 841B - 844A. 148 A. Schaefer, Demosthenes und seine Zeit (2.Aufl. 1887, Neudruck 1966) 3. Bd. 300-304. 149 Neu zu Lykurg H.-J. Gehrke, Zwischen Politik und Ästhetik: Das Klassische in der Zeit der griechischen Klassik, in: T. Leuker - Chr. Pietsch, Klassik als Norm - Norm als Klassik. Kultureller Wandel als Suche nach funktionaler Vollendung (Münster 2016) 52-65. 150 Chr. Papastamati-von-Moock, Menander und die Tragikergruppe. Neue Forschungen zu den Ehrenmonumenten am Dionysostheater in Athen, AM 122, 2007, 273-327, 321. 151 A.S. Chankowski, L’éphébie atheniénne antérieure à la réforme d’Epikrates, BCH 138, 2014, 15-78. 152 ADelt. 34, 1979, B1 Chron. Nr. 165 S.18-20 (Th. Karagiorga); A.P. Mathaiou, ‚Hρίον Λυκούργου Λυκόφρονος Βουτάδου, Horos 5, 1987, 31-48 mit Fotos der Grabstelen und einer Grablekythos (heute im Epigraphischen Museum) Athen; Plut. mor. 841B-844A spricht von einem uns nicht bekannten Philosophen Melanthion, in dessen Garten das Grab der Familie Lykurg gelegen habe (? ). 153 Ich habe diese Stelle ausführlich geschildert, weil es wenig bekannt ist, dass es in Athen bereits vor 400 treffsichere Katapulte und und einen Maschinenbauer gab. 154 W. Peek, AM 67, 1942, S. 33 Nr. 34; E. Vanderpool, The Museum and the Garden of the Peripatetics, Arch. Ephemeris 1953-54 II, 126-128; R.E. Wycherley, The Stones of Athens (Princeton 1978) 77 ff.; Inschrift IG II/ III2 2613. 155 Foto N. Panayotopoulos, in: Ch. Bouras u.a. (Hrsg.), Athens. From the Classical Period to the Present Day (5th century B.C. - A.D. 2000) (Athen 2001) 164 Abb.-16. 156 Judeich, Athen a.O. 424 Anm.5. Inschrift IG II/ III 2 2614. 157 J. Travlos, Bildlexikon zur Topographie des antiken Attika (Tübingen 1988) 34 Abb.-29. 158 Plan der neuen Ausgrabungen im Bereich von Diochares Tor und Lykeion Bezirk: O. Zachariadou, The eastern area of Athens during the Roman Period, in: S. Blizos (Hrsg.), Η ΑΘΗΝΑ ΚΑΤΑ ΤΗ ΡΟΜΑΙΚΗ ΕΠΟΧΗ (Athen 2008) 153- 163. 159 Katalog zur Ausstellung Η ΠΟΛΗ ΚΑΤΩ ΑΠΟ ΤΗΝ ΑΘΗΝΑ (Athen 2000) 148-161. 160 Wicherley, Stones of Athens a.O. 77ff.; E. Vanderpool, The Mouseum and Garden of the Peripatetics, Arch.Ephem. 1953/ 54, 2, 126-128. 161 A. Gercke, Aristoteles a.O. 1017. 1018. Das wurde von A. Busse, Peripatos a.O. 339 Anm.-3 (m.E. zu unrecht) scharf zurückgewiesen. 162 In allen Städten waren Bauten oder Anbauten innen und aussen an der Stadtmauer verboten: F.G. Mayer, Mauerbau-Inschriften (Heidelberg 1959) Bd. 1 Nr. 71, 5.10. 163 In der neuen Übersetzung von Xenophons Oikonomikos (Marburg 1975) 14.15 spricht Klaus Meyer zwar immer noch von Spaziergang, betont aber in Anmerkung 94 richtig, Spaziergang dieser Art wird freilich abgehoben vom Müssiggang. Er sieht diese Art des Spaziergangs im Rahmen hygienisch-diaietetischer Vorschriften. - Andere Versuche, den Akropolis-Peripatos zu erklären, betreffen die Nähe zum Theater. Aber der fast 1000 m lange Rundweg kann unmöglich für Besucher des Theaters angelegt worden sein. Auch eine militärische Bedeutung kommt nicht in Frage, denn am Rand der steil aufragenden Felsen hätte Angreifer Schutz gefunden. <?page no="109"?> 109 Anmerkungen 164 Neuzeichnungen des Dionysos Theaters und topographische Pläne von M. Korres in dem vom „Verein der Freunde der Akropolis“ herausgegebenen Heft Νότια Κλιτής Ακροπόλεως (Athen 2004) S.11. Detaillierter Plan von Korres auch auf dem Frontispiz des Buches: W. Hoepfner (Hrsg.), Kult und Kultbauten auf der Akropolis, Symposion Berlin 1995 (1997). 165 O. Broneer, Eros and Aphrodite on the North Slope of the Acropolis in Athens, Hesperia 1 (1932) 31-55 mit Plänen. 166 Travlos, Bildlexikon Athen a.O. 228 f. s.v. Heiligtum des Eros und der Aphrodite, mit Literatur und Abbildungen. 167 Travlos, Bildlexikon Athen a.O. 417-421 s.v. Pan mit Lit.; 91- 95 s.v. Apollon Hypoakraios mit Lit. 168 Inv.Nr. 1345, Travlos, Bildlexikon Athen a.O. s.v. Pan Abb.-538. 169 Nicht nur die Epheben der Hoplitenklasse: E. Ruschenbusch, Die soziale Herkunft der Epheben um 330, ZPE 35, 1979, 173- 176. 170 Rekonstruktion des Quellhauses mit schönem archaischen Polygonal-Mauerwerk bei Travlos, Bildlexikon Athen 138-140. 171 A. Choremi-Spetsieri, Πορτρέτα από πρόσφατες ανασκαφές γύρω από την Ακροπόλη, in: Vlizos, Η ΑΘHΝΑ a.O. 371 - 390; Herculaneum: D. Pandermalis, Zum Programm der Statuenausstattung in der Villa dei Papiri, in: AM 86, 1971, 173- 209, unter den griechischen Persönlichkeiten auch Lysias, dort Taf. 82,2. 172 Weitere Literatur bei Choremi-Spatsieri a.O. 386 ff.: A. Stähli, Ornamentum Academiae. Kopien griechischer Bildnisse in Hermenform, in: T. Fischer u.a. (Ed.), Ancient Portraiture: Image and Message, Acta Hyperborea 4 (1992) 153 ff.; I. Triandi, Ἐνα νέο πορτρέτο του Πλάτονα, in: Αρχάια Ελλενική Γλυπτική, in Erinnerung an Stelios Trianti; L. Baumer, Klassische Bildwerke für tote Philosophen, AntK 44, 2001, 55-69. 173 Zum House of Proclus: The Athenian Agora a.O. 24; A. Frantz, Late Antiquity: A.D. 267-700 (Princeton, New Jersey 1988) 42-47; Caruso, Akademia a.O. 165-188. 174 E. Bayer, Demetrios Phalereus, der Athener (Nachdruck WBG Darmstadt 1969 der Ausgabe Stuttgart 1942) 127-129 Kapitel: Zum Jahr 324. 175 Schaefer, Demosthenes a.O. 371-383. 176 Chr. Habicht, Athen. Die Geschichte der Stadt in hellenistischer Zeit (München 1995) 129-153. 177 Zu den sich überschlagenden Ereignissen P. Grimal, Die Zeit der Diadochen (323-280 v. Chr.), in: P. Grimal (Hrsg.), Der Hellenismus und der Aufstieg Roms. Fischer Weltgeschichte 6 (Frankfurt a.M. 1965) 29-68. 178 Platon, Gesetze 945C - 948B. Bei Platon haben die Gesetzeshüter als einzige das Recht Lorbeerkränze zu tragen; bei Demetrios tragen sie weisse Binden. 179 Plutarch, Dion 23. 180 Plan in: W. Hoepfner (Hrsg.), Bibliotheken a.O. 38 Abb.-45. 181 R. Pfeiffer, A History of classical sholarship from the beginnings to the end oft he Hellenistic Age (1968) 125. 182 Bayer a.O.164-174. 183 O. Zacharidou in: Blizos a.O. Abb.-3 S.155. 184 E. Ligouri, Excavating an Ancient Palaestra in Athens, in: M. Yeroulanou (Ed.), Excavating Classical Culture. Recent Archaeological Discoveries in Greece, Studies in Classical Archaeology 1 (Oxford 2002) 203-212. 185 Caruso, Akademia a.O. 93 Fig.38. 186 Caruso, Akademia a.O. ausführlich mit Beispielen 96-103. 187 Als ich mit Hellmut Flashar über den Schulbau Platons sprach, hat ihn gerade die frappierende Ähnlichkeit mit den Ruinen in der Rigillis-Strasse bewogen, meine Zeichnungen in seinem Aristoteles-Buch abzudrucken. 188 F. Studniczka, Das Bildnis des Aristoteles (Wien 1908) 14. - Inschrift IG II/ III 2 4261. 189 A. Choremi-Spetseri, Roman Portraits a.O. 389. 190 K. Schefold, Die Bildnisse der antiken Dichter, Redner und Denker (2. Aufl. Basel 1997) 186-187. 191 E. Voutiras, ΑΡΙΣΤΟΤΗΛΙΣ ΚΑΙ ΑΛΕΞΑΝΔΡΟΣ, in: Festschrift Manolis Andronikos (Thessaloniki 1987) 179-185; ders., Zur Aufstellung und Datierung des Aristotelesportraits, in: Festschrift Klaus Fittschen (Rahden/ Westf. 2001) 123-143. 192 H. B. Gottschalk, Notes on the Wills of the Peripatetic Scholars, Hermes 100, 1972, 314-342, bes. 317. 193 Gottschalk, Notes a.O. 319. 194 Lynch, Aristoteles’ School a.O. 22. 195 DNO 2423 Praxiteles d.J. Anf. 3. Jh. 196 R.D. Hicks, THE LOEB CLASSICAL LIBR ARY (London 1972) übersetzt DL 5, 51-57 (Testament von Theophrast) mehrfach ἱερῷ mit Tempel, obwohl doch die Musen zweifellos im Freien verehrt wurden und Heiligtum gemeint ist. 197 Diod. 18,60,4 ff. 198 Th. Wiegand - H. Schrader, Priene. Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen in den Jahren 1895-1898 (Berlin 1904) 171-182; zur Inschrift am Tor: F. Hiller von Gaertringen, Inschriften von Priene (Berlin 1906) Nr. 205.206 S. 143; Hoepfner, Der Koloss von Rhodos (Mainz 2003) 43-45. 199 F. Rumscheid, Luxusböden für besondere Räume. Neues zu Kieselmosaiken aus Priene, IstMItt. 47, 1997, 221-230 mit Tafel 33-37. 200 Chr. Marek, Geschichte Kleinasiens in der Antike (München 2. Aufl. 2010) 262.290. 201 Lynch, Aristoteles’ School a.O. 335-340; auch noch Marek, Kleinasien a.O. 309. 202 Gercke, Aristoteles a.O. 1018. Ebenso zweifelnd Habicht, Athen o.O. 63. 203 S. Radt (Hrsg.), Strabons Geographika, Band 7 (Göttingen 2008) Kommentar S. 505. 204 Lexikon der Alten Welt 2 (Augsburg, Neudruck 1994), 1286- 1288 s.v. Hesiod (G. Knebel). 205 Zunehmende Profanisierung: D. Steuernagel, Individuelle Bedürfnisse und Kollektive Normen. Zur baulichen Gliederung und zur Nutzung griechischer Tempelräume in hellenistischer Zeit, in: A. Matthaei - M. Zimmermann (Hrsg.), Stadtkultur im Hellenismus (Heidelberg 2014) 52-75. 206 DNO 1918-1935. 207 Hegesinos nach Paus. 9,29,1. 208 DNO 1839. 209 DNO 1445. 210 G. Roux, Le val des Muses et les Musées chez les auteurs ancien, BCH 78, 1954, 22-48; Zusammenfassende Beschreibung des Tals der Musen bei E. Kirsten - W. Kraiker, Griechenlandkunde (Heidelberg 1967) 238-240 mit Lageskizze dort S. 241 Abb.-72. 211 Baedeker’s Griechenland (1909) 163. 212 Habicht, Athen a.O. 93 mit Anm.73. 213 Zu Amynomachos und anderen Philosophen des Kepos Haake, Philosoph a.O. 146-166. 214 Travlos, Bildlexkon Athen a.O. 121 f.; in unseren Stadtplan eingetragen. 215 Frantz, Late Antiquity a.O. 65 mit Literatur. 216 Cicero, De finibus bonorum et malorum 1-8. (München - Zürich 1988). 217 Julian berichtet, dass der Redner Libanios das Privileg hatte, Vorträge im Rathaus von Antiochia halten zu dürfen. 218 The Athenian Agora. A Guide to the Excavation and Museum (4. Aufl. Athen 1990) 101-109 mit Zeichnungen von William Bell Dinsmoor, jr. Abb.-56-59. 219 Vollständiger Text mit Übersetzung bei Haake, Philosoph a.O. 121-129 mit Zweifel an der Originalität bes. 128. 220 Kaiser Julian in seiner 6. Rede Über die ungebildeten Hunde <?page no="110"?> 110 Anmerkungen 187C: Die kynische Philosophie ist weder antisthenisch noch diogenesisch, vielmehr war es Herakles, der der Menschheit das beste Beispiel dieser Lebensweise gegeben hat. - Diogenes von Sinope soll eine Tragödie Herakles geschrieben haben (DL 6,80). 221 Maroneia, im 7. Jh. gegründet. Ausgrabungen eines Theaters und eines aufwendigen Mosaikenhauses spätklassischer Zeit, G. Karadedos, in: DiskAB 4, 1983, 208-214. 222 Zu Wanderphilosophen und Kyniker M. Haake, Der Philosoph in der Stadt (München 2007) 188 Anm.9. 223 Kaiser Julian, 6. Rede a.O. 193D. 224 Chr. Marek, Geschichte Kleinasiens in der Antike (2. Aufl. 2010) 207 f. mit Schilderung eines Vertrages zwischen Sinope und Herakleia. 225 A. Bebel, Aus meinem Leben (Ausgabe Berlin 1964) Kapitel: Die Lehr- und Wanderjahre 38-60. 226 Das gilt wohl auch für die Anekdote, dass Platon als Sklave verkauft wurde und dann zum Erzieher der Kinder seines Herren avancierte: RE 9 (1903) 765-773 s.v. Diogenes von Sinope (Natorp). 227 Hoepfner, Bibliotheken a.O. 63-66. 228 Y. Tigginaga, Η αφανής αρχιτεκτονική της Βιβλιοθήκης του Αδριανού, in: Blizos, ΑΘΗΝΑ a.O. 133-153 mit zahlreichen Plänen; A. Choremi-Spetsieri-Tigginaga, Η Βιβλιοθήκη του Αδριανού στην Αθήνα. Τα ανασκαφικά δεδομένα, in: Blizos, ΑΘΗΝΑ a.O. 115-131; dieselbe, H MEΓΑΛΗ ΑΝΑΤΟΛΙΚΗ ΑΙΘΟΥΣΑ ΤΗΣ ΒΙΒΛΙΟΘΗΚΗΣ ΤΟΥ ΑΔΡΙΑΝΟΥ, Arch. Delt. 54, 1999, A`, 285-326. 229 D. Willers, Hadrians panhellenisches Programm (Basel 1990) 19. 230 H. Mielsch, Buntmarmore aus Rom im Antikenmuseum Berlin (SMPK Berlin 1985) 37. - Farbabbildungen von 192 Beispielen, darunter. Alabaster (Taf. 1-3) und Pavonazzetto aus Phrygien Taf.18. 231 M. A. Sisson, The Stoa of Hadrian at Athens, BSR 11, 1929, 50- 72. 232 Pläne der Ruinen des Palastbezirks (etwa 24 ha) bei W. Müller-Wiener, Bildlexikon zur Topographie Istanbuls (Tübingen 1977) 229-247 s.v. Paläste; vgl. auch A.Berger, Konstantinopel, die erste christliche Metropole? In: B. Brands - H.-G. Severin (Hrsg.), Die spätantike Stadt und ihre Christianisierung (Wiesbaden 2003) 63-71. 233 A. Frantz, Late Antiquity a.O. 63 f. 234 RE 7,1 (1912) 614 s.v. Herculius Nr. 4 (Seeck). 235 A. Frantz, Late Antquity a.O. 57-74. 236 IG II/ III 2 3818 = 13281. 237 Der kleine Pauly 5 s.v. Theodosius Nr. 2 (1979) 702-703 (A. Lippold). <?page no="111"?> 111 Bildnachweise Stadtplan (neu) Verf. 2015. Abb. 2 W. Hoepfner - E.L. Schwandner, Haus und Stadt im klassischen Griechenland (2. Auflage München 1996) 98 Abb.-76. Abb. 3, 15, 19a, 44, 46, 52a, 63 Travlos, Bildlexikon Athen 318 Plan 417 usw. Abb. 36 Ch. Bouras u.a. (Hrsg.), Athens from the Classical Period to the Present Day (Athen 2001) S.-299 Abb.-19 im Beitrag F.-M. Tsigakou, The Rediscovery of Athens. Abb. 5 G. Gruben, AA. 1964, Plan bei S. 415. Abb. 7, 8, 9, 10 W. Hoepfner, Das Pompeion und seine Nachfolgerbauten. Kerameikos 10 (Berlin 1976) Taf.-22 usw. Abb. 11a E. Greco, in: The Western Greeks, Ausstellung Venedig 1996, S. 271. Abb. 11b. Meyers Konversationslexikon s.v. Syrakus, 19. Band, S. 250 (Leipzig 1908). Abb. 24 Verf. 1978. Abb. 25 Megale Oikia (Palast) vermutlich des Reichsverwesers Antipatros (Verf.-2016). Abb. 29 N. Panayotopoulos in: Ch. Bouras u.a. (Hrsg.), Athens. From the Classical Period to the Present Day (5th century B.C. - A.D. 2000) (Athen 2001) 164 Abb.-16. Abb. 48c IG II/ III 2 Nr. 2639. Abb. 60 E. Kirsten - W. Kraiker, Griechenlandkunde (Heidelberg 1967) Abb.-72. Abb. 65 K. Schefold, Die Bildnisse der antiken Dichter, Redner und Denker (Basel 1997) Abb.-175 nach MonPiot 5, 1899 Taf. 8,2 (Louvre Bj 2923). Abb. 67 Schefold a.O. Abb.-190 nach E. Zwierlein-Diehl, Glaspasten im Martin-von- Wagner-Museum der Universität Würzburg I (1986) Taf. 85 Nr.-489. Abb. 71, 73 V. Eleftheriou, Direktorin der Restaurierungsarbeiten der Akropolis 2016. Abb. 72 H. Mielsch, Buntmarmore aus Rom im Antikenmuseum Berlin (SMPK Berlin 1985 Taf.-18. Abb. 75, 76, 77 Berlinische Galerie e.V. u.a. (Hrsg.), Berlin um 1900. Kat. Zur Ausstellung (Berlin 1984) Nr.-11. 644. Alle übrigen Abbildungen vom Verfasser. <?page no="112"?> 112 Ortsregister Aigai 50-52, 54-57 Akademie 2, 11, 18 f., 26, 33, 36-49, 58, 63, 72 f., 78-80, 82, 87, 89-91, 96, 102, 105-107 Assos 47-f. Athen passim Dionysos-Theater, Athen 60, 67, 69, 71 f., Anm.-164 Halikarnassos Anm.-63 Kerameikos 20, 35 f., 61 f., 89, 91, Anm.-21, Anm.-74, Anm.-80, Anm.-111 Kyrene 25 f. Lykeion Bezirk 2, 43, 58 f., 62-64, 67, 74, 77, 85, 96, Anm.-158 Lykeion-Gymnasion 2, 17-20, 60 f., 66, 78, Anm.-16 Lykeion-Heiligtum 91 Megara 25 f., Anm.-37 Olympia 28, 42, 74, 93 Pella 33, 48-54, 57, 59, 74, Anm.-130, Anm.-135 Pergamon 33, 40 f., 46, 52 f., Anm.-95, Anm.-135 Peripatos 11 f., 16, 18, 38 f., 41, 75, 78 f., 92, 102-f., Anm.-4 u. 5, Anm.-12, Anm.-99, Anm.-161 Peripatos am Ilissos 78, 102 Peripatos an der Stadtmauer 15-20, 65, 72, 102 Peripatos hoch am Hang der Akropolis 12, 64-73, 75, 100, Anm.-163 Peripatos im Lykeion-Bezirk an der Stadtmauer 61, 63-f., 81 f., 102 Peripatos in der Akademie 37, 39, 43 f., 46, 102 Peripatos in Hallen 38, 41, 76, 78, 97 Peripatos in Mieza 49, 51 Stageira 47, 74, 107 Syrakus 26-34, 42, 44, 48, 92, Anm.-52 Sachregister Agora 15-17, 20 f., 24-26, 30, 34, 48-50, 52, 54, 60, 63, 69, 90 f., 95, 98, 100, Anm.-7, Anm.-94, Anm.-140, Anm.-173 Akropolis 12, 24-26, 29-34, 36, 48, 50, 59, 65-73, 100, 102, Anm.-163, Anm.-164 Basileia 29, 31, 75, Anm.-130 Exedra (Sitzbank, Vortragssaal) 38, 41-44, 49, 69, 73, 75, 81 f., 86, 104 Garten 11, 26, 30, 32 f., 45-47, 58-64, 66, 71, 74, 77-79, 81, 84, 87-89, 102, 104, Anm.-64, Anm.-152 Hafen 16, 26 f., 29-32, 48-f., 65, 106 Katapult 28, 30, 60 f., 74 Möbel 33 Palast, Oikia 19-22, 26-33, 40, 49, 50 f., 53-57, 100, 106, Anm.-135, Anm.-32 Sonnenuhr 28, 33, 34. Stadtmauer 2, 15-20, 23, 28, 30 f., 35 f., 43, 54, 59-66, 72, 78, 81-f., 87 f., 96, 100, 102, Anm.-162 Syssitia (gemeinsame Mahlzeiten) 75, 96 <?page no="113"?> 113 Personenregister Anthistenes 92-94 Antipatros, Antibasileus 49 f., 54, 57, 64, 71, 74 Aristoteles passim Bebel, A. 93-95, Anm.-225 Broneer, O. 67, 69, Anm.-165 Burkert, W. 42, Anm.-25, Anm.-94, Anm.-97 Busse, A. 11, 16, 43, 105, 107 Caruso, A. 39 f., 77 f., Anm.-1, Anm.-84, Anm.-173 Choremi-Spetsieri, A. 72 f., Anm.-171, Anm.-172, Anm.-189 Cicero 33, 46, 72, 89, 99, Anm.-118, Anm.-216 Dillon, I. 46, Anm.-114 Diodor aus Sizilien 26 f., 31 f., 48 f., 54 Diogenes Laertius passim Diogenes von Sinope 90, 93, 110 Dion: von Syrakus 27 f., 30, 32-34, 42, 44-46, 75, Anm.-45, Anm.-50 u. 51, Anm.-125, Anm.-179 Dionysios I. von Syrakus 26-31, 34 Dionysios II. von Syrakus 27, 32-34, 44, Anm.-45 Drögemüller, H.-P. Anm.-52 u. 53, Anm.-57, Anm.-62 Epikur 43, 47, 87-89, 93, 97, 99, 102, Anm.-120 Eudoxos von Knidos 28, 33 f., Anm.-69 Flashar, H. 11, 105, 107, 109, Anm.-2, Anm.-111, Anm.-121 Frantz, A. 89, 101, Anm.-173, Anm.-233, Anm.-235 Gaiser, K. 46, 48, Anm.-34, Anm.-41, Anm.-46, Anm.-48 u. 49, Anm.-92, Anm.-100, Anm.-103, Anm.-109, Anm.-115 Gercke, A. 10, 16, 43, 48, 63, Anm.-12, Anm.-122, Anm.-161, Anm.-202 Gottschalk, H. B. 81, Anm.-83, Anm.-192, Anm.-193 Haake, M. Anm.-117, Anm.-213, Anm.-222 Habicht, Chr. 74, Anm.-118, Anm.-176, Anm.-202, Anm.-212 Hallof, K. 11 Heermann, V. 56 f. Hermias von Atarneus 47 f. Hermodoros aus Syrakus 26, 33 Hesiod 11, 85 f., 109 Hoepfner, P. Chr. Anm.-5 Homer 11, 41, 49, 53, 85 Jaeger, W. 47, 74, Anm.-124 Knell, H. 59, Anm.-144 Knithakis, G. 97 Köhler, U. 66 Korres, M. 67, Anm.72, Anm.-164 Lang, M. L. 24 Lidell and Scott 10, 12, 43, 66 Lygkouri, E. 77 Lykurg, Politiker und Redner 19, 59 f., 63-67, 69, 71, 78, Anm.-16, Anm.-149, Anm.-152 Lynch, J. P. 19, 81, Anm.-3, Anm.-92, Anm.-194 Montiglio, S. 12 Nikomachos, Vater von Aristoteles 47, 80-82 Osthues, W. 11, 80, 86, 101 Pelagatti, O. 106 Philodem aus Gadara 25 f., 38, 42 f., 46, 48, Anm.-24, Anm.-46, Anm.-48, Anm.-92, Anm.-100 Platon passim Popper, K. 44 f., Anm.-110 Protagoras von Abdera 7, 16 f. Radt, S. 43, 84, Anm.-98, Anm.-203 Sachs, E. 44, 94, Anm.-107 Schaefer, A. Anm.-148 Schuller,W. 11 Schwandner, E.-L. 111, Anm.-10, Sokrates passim Stavropoulos, Ph. 39 f., 46, 105, Anm.-87 Theophrast aus Eresos 11, 47 f., 58, 62-64, 75, 77-79, 81-82, 84, 102, 109 Tigginaga, Y. Anm.-228 Travlos, I.: 11, 16, 18, 24 f., 38 f., 49, 57, 59, 61, 63, 65, 68 f., 97, 105, 106, 111 Voutiras, E. 80, Anm.-24, Anm.-191 Wilamowitz-Moellendorf, U. v. 42, 44, 47 Willers, D. 97, Anm.-229 Xenophon von Athen 12, 18 f., 24 f., 36, 42, 60, 66-f., 78, 87, 90, 107-f. Zacharidou, O. 62, 77, Anm.-158, Anm.-183. Zenon 36, 89-91 <?page no="115"?> ISBN 978-3-86764-861-5 www.uvk.de Über die Methoden der Lehre und die Lehrstätten der Philosophen der spätklassischen Zeit kursieren abenteuerliche Vorstellungen. Leser werden überrascht sein, wie genau sich trotz einseitiger Quellenlage die Wege von Sokrates in Athen, Platons Reisen nach Syrakus und Aristoteles Aufenthalte in Makedonien nachvollziehen lassen. Ein besonders eigenartiges Phänomen ist der Peripatos. Philosophen nutzten für ihre Lehre bestimmte schattige Rundwege, um sich bei gleichmäßiger Bewegung mit einem oder zwei Schülern auf einen »dialogos« zu konzentrieren. Schon für die Historiker der späten Antike wie Diogenes Laertius war dieses Verhalten zum Rätsel geworden. Wie hier gezeigt wird, lässt sich das Phänomen Peripatos dennoch erklären und sogar topographisch festlegen. Das Hauptaugenmerk gilt den Schulen der Philosophen. In vielen Fällen war damit ein bestimmter Bau-Typus gemeint, den Platon in der Akademie kreiert hatte. Wie er aussah, welche Räumlichkeiten vertreten waren und wie lange der Typus dieser Lehrstätten Bestand hatte, ist Thema dieses Buches. Professor a. D. Dr. Wolfram Hoepfner ist Archäologe, Bauhistoriker und Topograph. Er lehrte Baugeschichte und Städtebau der Antike an der Freien Universität Berlin.