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Das Bistum Chur

Band I: Seine Geschichte von den Anfängen bis 1816

1002
2017
978-3-7398-0623-5
978-3-8676-4807-3
UVK Verlag 
Albert Fischer

Als am 27. Januar 1816 mit dem Breve von Papst Pius VII. (1800-1823) die österreichischen Anteile vom Bistum Chur abgetrennt und in der Folge den beiden Bistümern Brixen und Trient zugeordnet wurden, ging eine über tausendjährige Geschichte der ältesten, nördlich der Alpen (rechtsrheinisch) gelegenen Diözese in ihrer historischen, seit dem 8. Jahrhundert unverändert gebliebenen Grenzziehung zu Ende. Nach dem Zugewinn von 1819 des ehemaligen Gebiets der >>Schweizer Quart<< des 1821/27 untergegangenen Bistums Konstanz begann dann eine neue Zeitepoche des seit 451 nachweislich existierenden, wahrscheinlich Ende des 4. / Anfang des 5. Jahrhunderts von Mailand aus gegründeten Kirchensprengels Chur. Seine Geschichte einer breiteren Leserschaft zugänglich zu machen, ist der Zweck des vorliegenden ersten reich illustrierten Bandes, welcher die Zeit der Christianisierung Rätiens bzw. der Gründung des Bistums Chur bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts umfasst. Ein weiterer Band erscheint dann 2019 und beleuchtet die Zeit der Neuzirkumskription ab 1816/19 bis zur Gegenwart.

<?page no="0"?> Am 27. Januar 1816 wurden auf Erlass von Papst Pius VII. (1800-1823) die österreichischen Anteile des Bistums Chur abgetrennt und den beiden Bistümern Brixen und Trient zugeordnet. Damit ging die über tausendjährige Geschichte der ältesten, nördlich der Alpen (rechtsrheinisch) gelegenen Diözese in ihrer historischen, seit dem 8. Jahrhundert unverändert gebliebenen Grenzziehung zu Ende. Der Churer Diözesanarchivar Dr. Albert Fischer zeigt im vorliegenden Band 1 seiner zweibändigen «Geschichte des Bistums Chur» die wechselvollen Zeiten des vermutlich Ende 4. / Anfang 5. Jahrhundert von Mailand aus gegründeten Kirchensprengels Chur auf, welcher ab 843 bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts zur Kirchenprovinz Mainz gehörte. Reich bebildert bietet das Buch einer historisch interessierten Leserschaft profunde und detaillierte Informationen, übersichtlich dargestellt. ISBN 978-3-86764-807-3 www.uvk.de Albert Fischer Das Bistum Chur Band 1 Seine Geschichte von den Anfängen bis 1816 Albert Fischer Das Bistum Chur Band 1 <?page no="1"?> Albert Fischer Das Bistum Chur · Band 1 <?page no="2"?> «Denkt an die Tage der Vergangenheit, lerne aus den Jahren der Geschichte.» (Dtn 32,7) Dr. theol. Albert Fischer, geboren 1964 in Chur, ist Diözesanarchivar des Bistums Chur und seit 2009 Mitglied des Churer Domkapitels. Seit 2014 ist er Dozent für Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit und Churer Diözesangeschichte an der Theologischen Hochschule Chur. <?page no="3"?> Albert Fischer Das Bistum Chur Band 1: Seine Geschichte von den Anfängen bis 1816 UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz und München <?page no="4"?> Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Bistums Chur, des Churer Domkapitels und des Landes Vorarlberg. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abruf bar. ISBN 978-3-86764-807-3 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und straf bar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2017 Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas Einbandmotiv Vorderseite: Wappen des Bistums Chur (aufrechter schwarzer Steinbock auf silbernem Grund); Karte des Bistums Chur vor 1800 (mit bläulicher Markierung der reformierten/ paritätischen Gebiete) [BAC.BA] Einbandmotiv Rückseite: Siegel des Churer Bischofs Johannes III. Ambundii (1416-1418) an der Pergamenturkunde vom 2. September 1417 [BAC] Druck und Bindung: CPI · Clausen & Bosse, Leck UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de <?page no="5"?> 5 Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I Romanisierung des Alpenraumes und Ausbreitung des Christentums . . 15 1. Eingliederung des Alpenraumes in das Römische Imperium. . . . . . . . . . . . . . . 15 2. Spärliche Quellen über christliche Zeugnisse und Bistumsorganisationen auf dem Gebiet der heutigen Schweiz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 II Churer Bischofssitz und Bistum bis zur fränkischen Reichsteilung von 843 (6 -9 . Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Churer Bischofssitz auf dem «Hof» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Das Bistum Chur und seine Bischöfe in der frühen Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3. Die Churer Bischöfe in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . 24 a) Bischof Tello - Erbauer der zweiten Churer Kathedrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 b) Bischof Constantius und die Schutzurkunde Karls des Grossen . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 c) Bischof Remedius und die sog. «Capitula Remedii» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 4. Grafschaftsverfassung in Churrätien (um 806) und Vertrag von Verdun (843). . 29 III Weltliche Kanonissenstifte und Klöster im frühen Bistum Chur . . . . . . 33 1. Das Kanonissenstift St. Peter in Cazis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Das Kloster St. Peter in Mistail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Das adelige Damenstift St. Sebastian in Schänis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4. Das Benediktinerkloster Disentis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 5. Das Benediktinerkloster Pfäfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 6. Das Benediktinerkloster St. Johann in Müstair. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 IV Die ältesten Pfarrkirchen im Bistum Chur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 <?page no="6"?> 6 Inhaltsverzeichnis V Die Bistumspatrone Luzius und Florinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. Der heilige Luzius - Glaubensbote und Bekenner in Rätien. . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Der heilige Florins - Seelsorger in Ramosch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 VI Das Bistum Chur von der ottonischen Zeit bis zum Ende des Investiturstreites (10 .-12 Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Die bedeutenden Zuwendungen Ottos I. an den Churer Bischof Hartbert . . . 51 2. Die Churer Bischöfe im Bannkreis des Investiturstreites. . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 VII Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12 / 13 Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Churer Bischöfe nach dem Wormser Konkordat bis zum Ende des 12. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Konrad I. von Biberegg (1123-1145) und die Berufung der Prämonstratenser nach Chur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Adalgott (1151-1160) und die Reform der alten Klöster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 c) Exkurs: Ein Abbild der Blütezeit kirchlicher Kunst in Rätien des 12. / 13. Jahrhunderts: Die Kathedrale von Chur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 d) Egino von Ehrenfels (1160-1170) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 e) Ulrich III. von Tegerfelden (1170-1179) und Bruno (1179-1180) . . . . . . . . . . . . . . 70 f ) Heinrich II. (1180-1194) und Reinher della Torre (1194-1209) . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Die Churer Bischöfe zwischen Hirtenamt, Hochstiftsverwaltung, regionaler Fehden- und Reichspolitik im 13. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Die bischöflichen Festen Churburg und Fürstenburg in ihrer frühen Zeit . . . . 82 a) Die Feste Churburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Die Feste Fürstenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 4. Klosterstiftungen im Bistum Chur während des 13. Jahrhunderts . . . . . . . . . . 84 a) Die Prämonstratenserpropstei St. Jakob im Prättigau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 b) Das Johanniterpriorat in Feldkirch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 c) Das Dominikanerinnenkloster Maria Steinach in Algund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 d) Das Dominikanerinnenkloster Maria Zuflucht in Weesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 e) Das Dominikanerinnenkloster St. Peter in Bludenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 f ) Das Dominikanerkloster St. Nicolai in Chur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 <?page no="7"?> 7 Inhaltsverzeichnis VIII Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14 / 15 Jahrhundert) . . . . . . . 97 1. Ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Wandel zu einer dualistisch strukturierten Bischofsherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 b) Wandel in Welt- und Lebensformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 c) Erweiterung der Siedlungsgebiete und Pfarrorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Die Pfarreien im Bistum Chur vor der Reformation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Die Churer Bischöfe in der Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Päpsten sowie regionalen Konfliktherden in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4. Die Burgen im Hochstift Chur - Abbild der weltlichen Macht eines geistlichen Reichsfürsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 5. Bischof Peter I. Gelyto und der Zusammenschluss des Gotteshausbundes (1367) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 6. Das Bistum Chur und seine «fremden» Hirten bis zum Ende des Abendländischen Schismas durch das Konzil von Konstanz 1417 . . . . . . . . . 123 7. Klostergründungen des Franziskanerordens auf dem Territorium des Bistums Chur im 14. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Eine landesfürstliche Stiftung: Das Klarissenkloster am Kornplatz in Meran . . . . . . 126 b) Das Minoritenkloster auf dem Viktorsberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 c) Das Klarissenklosters in Valduna bei Rankweil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 8. Bündnispolitik und «Churer Bistumsstreit»: Die Diözese in der Zeit des Konzils von Konstanz bis zum Tod Leonhard Wismairs (1458) . . . . . . . . 139 9. Exkurs: Zum Churer Bischofswahlrecht zwischen 1448 und 1806 . . . . . . . . . 144 10. Im Beziehungskonflikt mit der Stadt Chur, dem Gotteshausbund und der Casa d’Austria: die Episkopate Ortliebs von Brandis und Heinrichs V. von Hewen (1458-1505) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Emanzipationsbestrebungen der Stadt Chur: Erfolgreiche Lösung der Reichsvogtei und gescheiterter Versuch um freie Reichstadt . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Schlaglichter auf Bischof Ortliebs Hirtentätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 c) Auseinandersetzungen des Churer Bischofs Heinrich V. von Hewen mit den Eidgenossen und Bündnern sowie mit Österreich: Der Schwabenkrieg (1499) . . . . 156 <?page no="8"?> 8 Inhaltsverzeichnis IX Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16 Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Reformation in Bünden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Wegbereitung durch diverse Artikelbriefe als Weckruf zu kirchlichen Reformen . . . 163 b) Konfessionelle Umwälzungen in Bünden und Schaffung der Evangelisch-rätischen Synode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 c) Niedergang und Aufhebung von Klöstern in der Stadt Chur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Bildersturm in Amden, Mels, Ragaz und Weesen (1529) . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Reformatorisches Gedankengut und Gegenreformation im Vorarlberg. . . . . . 178 4. Bauernaufstände und Reformartikel in Tirol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 5. Missstände und erste Reformversuche im innerkirchlichen Bereich . . . . . . . . 183 6. Ein Blick auf die Situation der Gesamtkirche: Vortridentinische Reformmassnahmen und das Konzil von Trient (1545-1563) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Begriffsklärung «Katholische Reform» - «Gegenreformation» . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Reformbestrebungen in Pastoral und theologischer Bildung durch neue kirchliche Gemeinschaften: Die Kapuziner und Jesuiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 c) Erneuerung an der römischen Kurie: Das Reform-Gutachten von 1537 . . . . . . . . . 189 d) Das Reformkonzil von Trient und seine Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 7. Initiierung der innerkirchlichen Reform in der katholischen Eidgenossenschaft durch Hilfe von aussen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Carlo Borromeo als Wegbereiter der tridentinischen Glaubenserneuerung . . . . . . . . 199 b) Errichtung einer ständigen Nuntiatur in Luzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 8. Situationsanalyse und wegweisende Initiativen zu einer innerkirchlichen Erneuerung im Bistum Chur nach Trient an der Wende zum 17. Jahrhundert . 203 a) Verordnete Trienter Luft für den Churer Bischof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Erste Reformen auf Ebene der Diözesanleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 c) Erste Reformen auf Ebene der Pfarreien und Seelsorge(r). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 X Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17 Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Abriss der kirchenpolitischen Situation des Bistums Chur zwischen 1600 und 1700 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 <?page no="9"?> 9 Inhaltsverzeichnis 2. Das grundlegende Reformpaket: Die gedruckten «Decreta et Constitutiones» von Bischof Johann V. Flugi aus dem Jahr 1605 . . . . . . . . . . 219 3. Ein zentraler Schwerpunkt und wichtiges Kontrollinstrument in der Reformtätigkeit: Die bischöflichen Visitationen in den acht Dekanaten . . . . . 221 4. Ausbildung des Churer Diözesanklerus vor dem Hintergrund des Trienter Seminardekrets (1563) zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert . . . . 225 a) Inhalt des Seminardekrets «Cum adolescentium aetas» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 b) Intention und Bedeutung des Seminardekrets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 c) Externe Hilfestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 d) Weg, Ort und Form der Priesterausbildung im Bistum Chur bis 1800. . . . . . . . . . . 230 e) Langjähriges Ringen um eine Bildungsstätte der Jesuiten auf Bistumsebene: Die Niederlassung in Feldkirch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 5. Aspekte der Pastoralreform: Intensivierte Pfarrseelsorge und neue Frömmigkeitsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .240 a) Sicherstellung der «cura animarum» und barocker Bauboom . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Dismembration von der Talkirche am Beispiel der Abtrennung der Filialkirche St. Georg in Surcuolm von Pleif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 c) Ausformung nachtridentinischer Frömmigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 6. Die Surselva nur «un parte dei paesi haeretici»? Das klare ‹Nein› des Priesterkapitels zu einem «Quasibistum» Disentis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 7. Exkurs: Der Barock - Eine Epoche spezifisch katholischer Kultur zwischen Konfessionalisierung und Aufklärung (ca. 1600/ 50-1750/ 70). . . . . 251 a) Zur Begriffsfindung: Der Barock als «Kultur des frühneuzeitlichen Katholizismus». . . 251 b) Katholisches Leben in Alltag, Kirche, Architektur und Kunst: Beispiele aus dem Bistum Chur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 8. Kapuzinerklöster im Bistum Chur und die Rätische Kapuzinermission . . . . . 263 a) Das Kapuzinerkloster in Feldkirch (seit 1605) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 b) Das Kapuzinerkloster in Bludenz (1645-1941/ 1991) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 c) Das Kapuzinerkloster in Meran (seit 1616) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 d) Das Kapuzinerkloster in Schlanders (1644-2017) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 e) Das Kapuzinerkloster in Mels/ SG (seit 1650) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 f ) Die Besetzung von Pfarreien in Bünden durch Kapuziner: Die rätischen Kapuzinermissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 <?page no="10"?> 10 Inhaltsverzeichnis 9. Ein leidvolles Kapitel: Hexenverfolgungen und die Rolle der katholischen Kirche - mit einem Blick auf Vorkommnisse im Bistum Chur . . . . . . . . . . . . 276 a) Ursprung und Gründe der Verfolgungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 b) Von der unrühmlichen Rolle eines kirchlichen Exponenten in der Steuerung des Prozessverfahrens vor dem 17. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 c) Carlo Borromeos Aufenthalt in der Mesolcina 1583 und die Ausrottung der «Ketzer» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 d) Skepsis und zunehmender Widerstand: Zum Umdenken der katholischen Kirche bei der Hexenverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 e) Erschütternde Aktennotizen über Verfolgungen im 17. Jahrhundert auf dem Territorium des Bistums Chur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 10. Ausdrucksformen der wieder erstarkten Stellung des Churer Bischofs als geistlicher Reichsfürst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 a) Bischöfliche Vertretungen auf Reichstagen und Friedensverhandlungen. . . . . . . . . . 289 b) Die Herausgabe des «Proprium Sanctorum Curiensis» 1646 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 c) Umfangreiche Sanierung und Neubauten an der bischöflichen Residenz auf dem Hof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 XI Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum (18 Jahrhundert) . . 297 1. Biographische Notizen und Schlaglichter auf die Tätigkeit der Churer Bischöfe im 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .299 a) Ulrich VII. von Federspiel (1692-1728) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 b) Joseph Benedikt von Rost (1729-1754). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 c) Johann Baptist Anton von Federspiel (1755-1777) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 d) Johann Franz Dionys von Rost (1777-1793). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 2. Die Auswirkungen der josephinischen Klosteraufhebungspolitik im Vinschgau und Walgau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 a) Die Aufhebung des Klarissenklosters in Meran (1782). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 b) Die Aufhebung der Kartause Allerengelberg im Schnalstal (1782) . . . . . . . . . . . . . . 312 c) Die Aufhebung des Dominikanerinnenklosters Maria Steinach in Algund (1782). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 d) Die Aufhebung des Klarissenklosters in Valduna bei Rankweil (1782) . . . . . . . . . . . 318 e) Die Aufhebung des Minoritenklosters auf dem Viktorsberg oberhalb Röthis (1785) . . 320 f ) Die Aufhebung des Hieronymitanerklosters auf dem Josephsberg bei Meran (1786). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 <?page no="11"?> 11 Inhaltsverzeichnis g) Auswertung der josephinischen Klosteraufhebung im österreichischen Anteil des Bistums Chur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 3. Das wenig ertragreiche josephinische «Pfarreinrichtungsgeschäft» im Vinschgau und Walgau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 4. Die staatliche Regulierung des Priesternachwuchses 1783-1790: Das Generalseminar in Innsbruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 5. Die staatliche Diözesanregulierung unter Joseph II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 a) Erste Entwürfe der staatlichen Diözesanregulierung für Tirol 1782 . . . . . . . . . . . . . 342 b) Verbindliche kaiserliche Vorlage und der Anstoss zu einem Bistum Bregenz 1783 . . 345 c) Reaktionen des Churer Bischofs 1784 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 d) Zur Frage der Residenz für den vom Kaiser ernannten Bischof von Bregenz 1784/ 85 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 6. Exkurs: Ein Vertreter der Periode der religiösen Schwärmerei des 18. Jahrhunderts: Johann Joseph Gassner (1727-1779) - Teufelsbanner und Wunderheiler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 XII Das Bistum Chur und das Ende seiner Geschichte in seinen historischen Grenzen am Beginn des 19 Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . 357 1. Die Folgen der Säkularisation für das Bistum Chur: Neue Pläne staatlicher Diözesanregulierung für die österreichischen Anteile . . . . . . . . . . . 358 2. Ein mutiger Schritt in schwieriger Zeit: Die Gründung des Priesterhauses in Meran (1801) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 3. Durchsetzung des josephinischen «Generalsatzes»: Ausschliessung aller fremden Diözesen - Die Abtrennung der österreichischen Anteile des Bistums Chur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 I. Churer Bischofsliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 II. Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 III.Literaturauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 IV. Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 V. Orts- und Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 <?page no="13"?> 13 Vorwort Vor bereits über hundert Jahren erschien 1907/ 1914 das zweibändige Werk «Geschichte des Bistums Chur» aus der Feder von Johann Georg Mayer (1845-1912), welcher als promovierter Kirchenjurist zwischen 1889 und seinem Tod am 30. November 1912 als Professor für Kirchenrecht am Priesterseminar St. Luzi in Chur gewirkt hatte und als profunder Kenner der Churer Bistumsgeschichte gilt. Zwar ist das voluminöse Werk Mayers in einigen Teilen durch neue Erkenntnisse und Forschungsergebnisse überholt, doch fehlt bislang für eine breite Leserschaft eine neue griffige Churer Bistumsgeschichte. Der Versuch einer in fünf Hefte aufgeteilten Darstellung der «Geschichte der Kirche im Bistum Chur» - Hefte 1 und 5 erschienen im Verlag Edition du Signe in Strasbourg 2001 bzw. 2003 - scheiterte an einer nicht gesicherten Finanzierung des ambitionierten Projekts. Der vom Verfasser 2009 als Internetversion vorgelegte, 167 Seiten umfassende «Abriss der Geschichte des Bistums Chur von den Anfängen bis heute» versuchte eine erste Abhilfe zu schaffen. Aufgrund der regen Leserschaft und positiven Rückmeldungen wird mit der vorliegenden, stark überarbeiteten und wiederum reich bebilderten Druckausgabe versucht, dem Wunsch nach einer gerafften und für breitere Lesekreise bestimmte Darstellung der Churer Bistumsgeschichte in zwei Bänden zu entsprechen. Unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstandes wird der Weg einer über 1560 Jahre alten Ortskirche bis in die Gegenwart nachgezeichnet und der Leserschaft ein umfassendes Bild ihres religiösen, kulturellen und institutionellen Lebens in den einzelnen Epochen geboten, welche im ersten Band die Zeit von den Anfängen bis 1816 umgreift und im zweiten Band die Bistumsgeschichte nach der Neuzirkumskription von 1816/ 19 bis ins 21. Jahrhundert hinein nachzeichnet. Bei der Darstellung wird bewusst auf einen wissenschaftlichen Anmerkungsapparat verzichtet. Hierfür bietet der Anhang für jedes Hauptkapitel eine Auswahl neuerer Literaturhinweise, die für eine Vertiefung der Thematik Hand bieten; daselbst findet sich eine Zeittafel, eine Liste der (Fürst-)Bischöfe von Chur sowie ein Orts- und Personenregister. Für die Umsetzung dieses Projekts und die Drucklegung danke ich der UVK Verlagsgesellschaft Konstanz und allen finanziellen Unterstützern, insbesondere für die namhaften Beiträge des Bistums Chur und des Churer Domkapitels. Chur, 19. März 2017 Albert Fischer <?page no="14"?> 14 Vorwort Abb. 1: Erste noch erhaltene, von einem Churer Bischof ausgestellte (Pergament-)Urkunde vom 27. Juli 1070 mit Siegel [von Bischof Heinrich I. von Montfort (bez. 1070-1078)] [BAC] <?page no="15"?> 15 I. Romanisierung des Alpenraumes und Ausbreitung des Christentums 1. Eingliederung des Alpenraumes in das Römische Imperium Als Universalreligion, die sich grundsätzlich an alle Menschen wendet und in allen Kulturen Wurzeln schlagen kann, trägt das Christentum von Anfang an eine missionarische Dimension in sich, die bereits im Neuen Testament in der Terminologie wie «Apostel», «Zeugnis» oder «Verkündigung» des Evangeliums sowie in entsprechenden Verbformen wie «bezeugen» oder «evangelisieren» zum Ausdruck kommt. Nach der Himmelfahrt Christi, so berichtet uns das älteste Evangelium nach Markus, zogen die Jünger aus und «predigten überall», und der «Herr stand ihnen bei und bekräftigte die Verkündigung durch die Zeichen, die er geschehen liess» (Mk 16,20). Grundvoraussetzung für die Christianisierung im Mittelmeerraum und darüber hinaus bis weit in den Alpenraum bildete die Romanisierung von Gebieten und Völkerschaften. Vor allem die Begünstigung der christlichen Kirche durch Konstantin I. dem Grossen (306-337) und seine Nachfolger, welche dann unter Kaiser Theodosius I. (379-395) im Jahre 380 bzw. 391/ 92 zur Staatreligion erklärt wurde, waren wichtige äussere Faktoren auf dem Weg der Ausbreitung des Christentums und seiner Festigung. Der christliche Glaube gelangte in der Folge der römischen Eroberungszöge nördlich der Alpen nur langsam nach Rätien. Um das im Jahre 15 v. Chr. durch die beiden Adoptivsöhne des Kaisers Augustus (27 v. Chr. - 14 n. Chr.), Drusus und Tiberius, gewaltsam an das Imperium Romanum angeschlossene Rätien besser kontrollieren zu können, wurden diverse Heeresstrassen angelegt. 46 v. Chr. konnte der wichtige Verkehrs- und Handelsweg von Oberitalien durch das Etschtal über den Reschenpass nach Augsburg [Augusta Vindelicorum] als Fahrstrasse fertig gestellt werden, die «Via Claudia Augusta». Über Chur [Curia], einem wichtigen Knotenpunkt im Alpenrheintal, führten zwei weitere Strassen von Como und Mailand an den Bodensee: die Julier-/ Septimerroute und die Splügenroute. Erstere erreichte von Chiavenna aus die in den römischen Itinerarien genannte Station Muro/ Müraia bei Promontogno im Bergell (gleichzeitig Talsperre), überwand den Malojapass und führte nach Sils im Engadin, von dort über den Julierpass nach Bivio, Tinizong, Savognin, Riom, Tiefencastel und weiter über die Lenzerheide. Die Julierroute ist durch das römische Heiligtum auf der Passhöhe und die an vielen Stellen noch erhaltenen tief eingeschnittenen Karrengeleise als intensiv für den Warenverkehr genutzte Verbindung bezeugt. Als Abkürzung aus dem Bergell in den Norden wählte man zudem den Septimerpass in Richtung Bivio. Auch an diesem Passübergang zeugen Karrenspuren von einem regen Verkehr; allerdings wurde der Septimer wegen seiner steil abfallenden Südseite wohl nur von Norden nach Süden befahren. Die zweite Route führte von Chiavenna aus über den Splügenpass nach Thusis und konnte zur Römerzeit wegen <?page no="16"?> 16 I. Romanisierung des Alpenraumes und Ausbreitung des Christentums der beiden Schluchten Rofla und Viamala nur zu Fuss oder zu Pferd begangen werden. Auf der Passhöhe des Splügen wurden interessanterweise keine römischen Funde zu Tage gefördert. Weitere Saumpfade in römischer Zeit führten über den San Bernardino und über den Lukmanier, hatten aber weit geringere Bedeutung als die beiden Hauptrouten, auf denen später (auch von Norden her) die Boten des christlichen Glaubens ins Land fanden. Die südlichen Alpentäler des heutigen Graubünden kamen nach der Eroberung zu den Regionen X und XI Italiens, und ihre Bewohner wurden römische Bürger. Das übrige Gebiet bildete zusammen mit dem Wallis und dem bayerischen Alpenvorland eine administrative Einheit unter einem «praefectus Raetis Vindelicis Vallis Poeninae et levis armaturae» («Präfekt der Räter, Vindeliker, des Wallis und der leicht bewaffneten Truppeneinheiten [dieses Gebiets]»). Erst Kaiser Claudius (41-54) trennte das Wallis ab und schuf eine Provinz «Raetia et Vindelica» (abgekürzt «Raetia», etwa 80’000 km 2 ) [Abb. 2]. Hauptort der Provinz Rätien war wahrscheinlich zuerst Kempten [Cambodunum], seit dem 2. Jahrhundert dann Augsburg [Augusta Vindelicorum]. Im Zuge der Reichsreformen unter Kaiser Diokletian (284-305) und besonders unter Konstantin I. dem Grossen wurde die Provinz «Raetia» zweigeteilt: [a] in das Gebiet nördlich des Bodensees mit Abb. 2: Die unter Kaiser Claudius geschaffene Provinz «Raetia» [BAC.BA] <?page no="17"?> 17 1. Eingliederung des Alpenraumes in das Römische Imperium Augsburg (sog. «Raetia secunda») und [b] in das Gebiet südlich des Bodensees mit Curia Raetorum [Chur] als Hauptverwaltungssitz (sog. «Raetia prima») [Abb. 3]. Verwaltet wurden die beiden Provinzen von je einem Praeses (Provinzstatthalter) und gehörten zur zivilen Diözese «Italia annonaria», verstanden als übergeordnete römische Verwaltungseinheit, die ihren Hauptsitz in Mailand hatte. Die Neuordnung der Provinzen im 4. Jahrhundert war insofern auch für die künftige Organisation der Bistumssprengel von massgeblicher Bedeutung, als die Kirche seit konstantinischer Zeit ihre Verwaltungseinheiten (Bistümer, Metropolien), in aller Regel den römischen Verwaltungsstrukturen anglich. Abb. 3: Provinz Raetia prima (um 370) [aus: Reinhold Kaiser, Churrätien im frühen Mittelalter, S. 19] <?page no="18"?> 18 I. Romanisierung des Alpenraumes und Ausbreitung des Christentums Nach der Absetzung des letzten weströmischen Kaisers Romulus Augustulus (475/ 76) durch den germanischen Heerführer Odoaker (um 433-493) und dem Sieg Theoderichs (493) über Odoaker gehörte «Raetia prima» bis 536 zum Reich der Ostgoten, hernach stand es unter der Oberherrschaft des merowingischen Frankenreiches. Mit dem Niedergang der fränkischen Macht im 7.- Jahrhundert war Rätien praktisch weitgehend selbständig geworden. Einheimische, vor allem die Familie der sog. Viktoriden, übten die weltliche und geistliche Gewalt als Praesides respektive Bischöfe aus. Waren mit der Eingliederung des Alpenraumes einschliesslich des Alpenvorlandes in das römische Imperium und mit der rasch einsetzenden Romanisierung die Voraussetzungen für die Ausbreitung des Christentums geschaffen, so dauerte es für Rätien wie auch für den gesamten heutigen Schweizer Raum noch eine geraume Zeit, bis erste nachweisbare Spuren davon im 5./ 6. Jahrhundert greifbar werden. 2. Spärliche Quellen über christliche Zeugnisse und Bistumsorganisationen auf dem Gebiet der heutigen Schweiz Erst um die Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert sind Christen auf dem Gebiet der heutigen Schweiz bezeugt, die aber nicht aus diesem Gebiet stammten. Dies geht aus zwar erheblich späteren schriftlichen Zeugnissen und legendären Überlieferungen hervor. So erlitten in der Zeit der diokletianischen Christenverfolgung in St. Maurice d’Agaune [Acaunum] der heilige Mauritius und seine Gefährten den Märtyrertod, in Solothurn [Salodurum] die heiligen Ursus und Viktor sowie in Zürich [Turicum] das heilige Geschwisterpaar Felix und Regula. Der Überlieferung nach zählen diese Christen alle zur Thebäischen Legion, die angeblich von der Thebais in Ägypten an den Rhein verlegt worden sein soll, historisch aber nicht nachweisbar ist. Die Tatsache, dass über Generationen hinweg die Erinnerung an diese Personen lebendig geblieben ist, setzt mindestens christliche Gruppen - wenn auch nicht notwendig organisierte Christengemeinden - an den genannten Orten voraus, die ihr Andenken pflegten. Für das Gebiet der «Raetia prima», einer bislang spärlich besiedelten Region, fehlt eine solche Präsenz im 3./ 4. Jahrhundert noch gänzlich; daher ist davon auszugehen, dass höchstens entlang der oben beschriebenen Handelswege einzelne Christen sich aufhielten oder langsam ansiedelten. Sichere Zeugnisse für das Christentum im Alpenraum greifen erst wieder in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts. 377 setzte der römische Provinzstatthalter Pontius Asclepiodotus eine Inschrift, die heute im Rathaus von Sitten aufbewahrt wird und als bislang älteste datierte christliche Inschrift der Schweiz gilt. Sie bezeugt, dass der Beamte im Rang eines Praetors ein früheres kaiserliches Bauwerk durch ein schöneres und besseres ersetzen liess; durch Beifügung des konstantinischen Christusmonogramms (Chi-Rho) mit Alpha und Omega [vgl. Abb. 4, in der 2. Zeile] bringt er seine christliche Überzeugung klar zum Ausdruck. <?page no="19"?> 19 2. Spärliche Quellen über christliche Zeugnisse und Bistumsorganisationen auf dem Gebiet der heutigen Schweiz In dieser Zeit liegen auch die Anfänge der kirchlichen Bistumsorganisationen im Gebiet der heutigen Schweiz wie auch auf dem Territorium Oberitaliens (Mailand, Como, Aosta und Novara). Als erster Bischof des schweizerischen Alpenraumes ist der heilige Theodor (Theodul) von Martigny [Octodurus] im Unterwallis, das zur römischen Provinz Alpes Graiae et Poeninae zählte, bezeugt. Nachweislich nahm er 381 am oberitalienischen Konzil von Aquileia teil, ferner figuriert er 393 als Teilnehmer auf der von Bischof Ambrosius (374-397) geleiteten Provinzsynode in Mailand, - ein Hinweis, dass Martigny der Kirchenprovinz Mailand angehörte und wahrscheinlich auch von Mailand aus gegründet worden ist. In Genf [Genava] amtete um 400 Isaak als erster bezeugter Bischof dieser Diözese; Grabungen vor Ort lassen den Schluss zu, dass der Genfer Bischofssitz im dritten Viertel des 4. Jahrhunderts errichtet worden sein muss. Zu erwähnen ist ferner, dass mit Bubulcus von Windisch [Vindonissa] erstmals 517 ein Bischof auf der burgundischen Synode von Epao (Albon? ) nachgewiesen ist. Der Bischofsitz wurde später nach Avenches und Ende des 6. Jahrhunderts nach Lausanne verlegt. Für Chur, dem Hauptort der «Raetia prima», schliesslich ist mit Asinio laut Mailänder Provinzsynodalakten aus dem Jahr 451 erstmals ein Bischof bezeugt. In diesem Dokument signierte der damalige Bischof von Como, Abundantius (449- 468[? ]), in Mailand für sich und den abwesenden Bischof von Chur einen Synodalbrief an Papst Leo I. (440 - 461), womit dem «Dogmatischen Brief» des Papstes an den Patriarchen Flavian von Konstantinopel (446 - 449/ 50) zugestimmt wurde - einem Schreiben, dessen Inhalt die Menschwerdung Jesu Christi gegen die Irrlehren des Mönches und Monophysiten Eutyches (370/ 378 - kurz nach 454) verteidigte. Der Wortlaut seiner Unterschrift lautet: Abb. 4: Asclepiodotus-Inschrift von 377 (im Rathaus Sitten) [aus: Walter Drack / Rudolf Fellmann, Die Römer in der Schweiz, S. 508] <?page no="20"?> 20 I. Romanisierung des Alpenraumes und Ausbreitung des Christentums «Ego, Abundantius episcopus ecclesiae Comensis, in omnia supra scripta consensi et pro me et pro absente sancto fratre meo Asinione, ecclesiae Curiensis primae Raetiae episcopo, subscripsi anathema dicens his, qui de incarnationis dominicae scramento impia senserunt.» «Ich, Abundantius, Bischof der Kirche von Como, habe allem oben Aufgezeichneten zugestimmt und für mich [selbst] und für meinen abwesenden heiligen [Amts-]Bruder Asinio, den Bischof der Kirche von Chur in der Provinz Raetia prima, zugestimmt [und] das Anathem über diejenigen ausgesprochen, die gottlos über das Geheimnis der Menschwerdung des Herrn gedacht haben.» Die Anwesenheit des Abundantius in Mailand und seine Unterschriftleistung für Asinio lassen darauf schliessen, dass das Bistum Chur damals zur Kirchenprovinz Mailand gehörte und analog zum Bistum Martiny von Mailand aus etwa Ende des 4. Jahrhunderts oder spätestens anfangs des 5. Jahrhunderts - dies bezeugen die Grabungen rund um St.-Stephan in Chur - gegründet worden war. Abb. 5: Abschrift des Synodalbriefes aus dem Jahre 451 mit der Erwähnung des ersten Churer Bischofs Asinio [BAC.BA] <?page no="21"?> 21 II. Churer Bischofssitz und Bistum bis zur fränkischen Reichsteilung von 843 (6.-9. Jahrhundert) 1. Churer Bischofssitz auf dem «Hof» Was Kult und Glaube betrifft, ist in Chur selbst bislang weder ein römischer Tempel noch ein Heiligtum gefunden worden. Möglicherweise stand ein solches auf dem «Hof», dem Sitz der römischen Munizipalverwaltung, des Statthalters (Praeses) und der Provinzverwaltung der «Raetia prima» seit der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts. Doch auch ein Standort jenseits der Plessur im «Welschdörfli» kommt in Frage, wo die römische Siedlung des 1. bis 4. Jahrhunderts lag. Umfangreiche Grabungen haben dort Gebäude verschiedener Bestimmungen (Wohnräume, Thermen, Herberge) zutage gefördert, jedoch keinerlei sichere Hinweise auf eine Kultstätte, geschweige denn auf einen frühchristlichen Kirchenbau ergeben. Grabungen von 1921 in der bestehenden Kathedrale des 12./ 13. Jahrhunderts förderten dagegen sowohl Teile des Vorgängerbaus aus dem 8. Jahrhundert zutage (sog. Tellokirche) als auch eine in das 5. Jahrhundert zurückreichende halbrunde Apsis und weiteres Mauerwerk aus jener Zeit. Sie sind neben aufgefundenen Reliquienbehältnissen aus dem Sepulcrum des Hochaltars der Churer Kathedrale (geöffnet 1943) deutliche Hinweise auf eine unter Asinio bereits bestehende spätantike Bischofskirche. Hatte die Bischofskirche im 5. Jahrhundert also ihren Sitz auf dem «Hof», so befand sich dort auch der Bischofssitz. Die exponierte Lage von Bischofssitz und -kirche auf dem höchsten Punkt des ehemaligen spätrömischen Kastells auf dem «Hof», einem nach Westen leicht abfallenden Plateau am Fusse des Mittenbergs, entsprach der Bedeutung, die in der Spätantike einem Bischof als dem Repräsentanten der römischen Reichskirche zukam. 2. Das Bistum Chur und seine Bischöfe in der frühen Zeit Auch wenn sich durch einzelne Nachrichten und punktuelle archäologische Funde für die Anfangszeit der Churer Bistumsgeschichte (5./ 6. Jahrhundert) ausserhalb des Verwaltungszentrums Chur am Vorder- und Hinterrhein (Sagogn, Bonaduz, Hohenrätien bei Thusis, Zillis), im Prättigau (Schiers) und auf dem Gebiet des heutigen Fürstentums Liechtenstein (Schaan) Hinweise auf eine allmähliche Ausbreitung des christlichen Glaubens dokumentieren lassen, klafft nach der Erstnennung eines Churer Bischofs im Jahre 451 eine bislang nicht ausfüllbare Lücke bis zum Todesjahr 548 des nächsten, historisch festzumachenden Oberhirten mit Namen Valentian (oder Valentinian), der das Ende der Ostgotenherrschaft und den Übergang der «Raetia prima» in den Machtbereich der Franken miterlebte. Das Gebiet des Bistums Chur, das quasi deckungsgleich mit dem Territorium der «Raetia prima» war, gehörte nach 540 zur fränkischen Reichskirche, ohne aber aus dem Metropolitanverband Mailand auszuscheiden. Wie die untenstehenden Abbil- <?page no="22"?> 22 II. Churer Bischofssitz und Bistum bis zur fränkischen Reichsteilung von 843 (6.-9. Jahrhundert) dungen [Abb. 6 / 7] zeigen, ist die Grabinschrift für Valentian literarisch überliefert, während der Grabstein selbst bis auf ein 1863/ 64 in Mols am Walensee gefundenes Fragment verschollen bleibt. Nicht zuletzt wegen seiner in der Inschrift gerühmten Mildtätigkeit wurde Valentian später im Bistum Chur als Heiliger verehrt (9. September). Bis zur Nennung eines weiteren Churer Bischofs mit Namen Theodor (bezeugt 599 - 603) klafft wiederum eine Lücke von 50 Jahren, die bis heute nicht geschlossen werden kann. Als Nachfolger Theodors auf dem Churer Bischofsstuhl reiht sich Viktor I. ein (bezeugt 614). Er nahm an der fünften Bischofssynode von Paris (614) teil, der grössten Generalsynode des merowingischen Frankenreiches. Am 10. Oktober 614 unterzeichnete Viktor I. die 17 Canones der Synode, welche sich mit Fragen der kirchlichen Rechtsordnung befassen (z. B. Freiheit der Bischofswahl, Kompetenz der kirchlichen Gerichte, Kirchengüter). Die Präsenz Viktors auf der fränkischen Reichssynode macht deutlich, dass das Bistum Chur als zur fränkischen Reichskirche gehörig betrachtet wurde und in diese fest integriert war. Obwohl die Churer Bischöfe vom 7. bis in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts ausschliesslich im fränkischen Kontext erscheinen, blieb der Sprengel de iure dem Mailänder Metropoliten unterstellt; die alte Verbindungslinie nach Oberitalien verblasste aber de facto mehr und mehr. Abb. 6 / 7: Fragment und Abschrift von Aegidius Tschudi (1505 -1572) der Grabinschrift für den Churer Bischof Valentian (gest. 7. Januar 548) [BAC.BA / StiASG, Codex 609, S. 84] «In diesem Grab liegt, den die rätische Erde beweinte, der grösste Ruhm der höchsten Priester [= Bischöfe], der an die Niedergedrückten Schätze austeilte, die nackten Scharen bekleidete [und] den Gefangenen reichliches Lösegeld brachte. Seine Frömmigkeit ist dem Himmel nahe, und den (Schicksals-)Schlag des Todes spürt er nicht, da er, der nach den Sternen strebt, über seine guten Taten jubelt. Da du durch diese Verdienste stark bist, Priester [= Bischof ] Valentian, glauben alle, dass du nicht sterben konntest. Er lebte in dieser Welt etwa 70 Jahre [und wurde] bestattet am 6. Tag vor den Iden des Januars im 7. Jahr nach dem Konsulat des Basilius, im 11. Jahr der Indiktion. Sein Neffe [oder Enkel] Paulinus liess dieses (Grabmal) errichten.» <?page no="23"?> 23 2. Das Bistum Chur und seine Bischöfe in der frühen Zeit Nach Bischof Viktor I. versiegen die Nachrichten über historisch bezeugte Churer Bischöfe erneut für gute 50 Jahre, bis dann im letzten Drittel des 7. Jahrhunderts mit Paschalis (um 670) ein Mitglied der einflussreichen Familie der Zacconen (Viktoriden) den Churer Bischofsstuhl bestieg. Im Zuge der fränkischen Italienpolitik eroberten die Franken entweder bereits 536/ 37 unter Theudebert I. (König der Franken 533-547/ 48) im Zusammenhang mit der Inbesitznahme der «Raetia secunda» oder dann erst in den Kämpfen gegen die Langobarden am Ende des 6. Jahrhunderts Gebiete des heutigen Südtirols. Ob wirklich erst dann der obere und untere Vinschgau sowie Teile des Burggrafenamts mit der Stadt Meran, dessen Territorium laut früherer Forschungshypothesen bislang zur «Raetia secunda» und damit kirchlich zum Bistum Säben gehört hatte, neu zum Bistum Chur gekommen sind, muss nach neueren Erkenntnissen in Frage gestellt werden. Jüngste Thesen plädieren dafür, dasss der Vinschgau immer zur «Raetia prima» und daran anknüpfend kirchlich immer churerisch war. Hingegen wurde das Bergell, welches zuvor zum Bistum Como zählte, im 6. Jahrhundert im Kontext der fränkischen Eroberungen dem Churer Sprengel einverleibt. Dagegen verlor das Bistum Chur südlich von San Vittore im Misox das Gebiet Abb. 8: Grenzveränderungen des frühmittelalterlichen Bistums Chur gegenüber der «hypothetischen» Grenzziehung im Osten der römischen Provinz «Raetia prima» [aus: Reinhold Kaiser, Churrätien im frühen Mittelalter, S. 35] <?page no="24"?> 24 II. Churer Bischofssitz und Bistum bis zur fränkischen Reichsteilung von 843 (6.-9. Jahrhundert) um Bellinzona und die Täler des Tessins an Mailand. Mit der Gründung des Bistums Konstanz Ende des 6. Jahrhunderts verlor das Bistum Chur das heutige Glarnerland, den Thurgau, das Toggenburger und Appenzeller Land sowie das Gebiet um Bregenz an den Konstanzer Sprengel. Die Bistumsgrenze im Norden verlief neu in der Linthebene zwischen Zürich- und Walensee, folgte dann dem Säntismassiv, überquerte beim Hirschensprung im St. Galler-Rheintal den Rhein, so dass Rüthi noch zu Chur gehörte, und führte bis nach Götzis (Hohenems zu Konstanz). Die Diözesangrenzen dürften sich in diesem Raum im Laufe des 7. und frühen 8. Jahrhunderts gefestigt haben, etwas später im oberen Bereich des Walgaus, zwischen dem Arlberg und Inntal, wo der Sprengel von Chur unter Einschluss des oberen Paznaun- und des Samnauntals an den Sprengel des Bistums Brixen als Nachfolger des Bistums Säben stiess. Vom Ende des 6. Jahrhunderts bis 1816 blieben die Grenzen des Bistums Chur unverändert. 3. Die Churer Bischöfe in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts Der Name der römischen Provinz Raetia lebte in gotischer und merowingischer Zeit zunächst als Doppelname «Raetia prima» und «Raetia secunda» bzw. in der Pluralform «Raetiae» fort; allmählich kam es jedoch zur Reduzierung auf «Churrätien». Weil aber die Franken ihre anfänglichen Ambitionen auf Ausdehnung ihres Reiches nach Italien aufgeben mussten, verringerte sich alsbald auch ihr Interesse an der eigentlich strategisch wichtigen Passlandschaft Churrätiens, die infolge zu einer entlegenen Grenzregion des Frankenreiches verkam. Diese Entwicklung ermöglichte Churrätien im 7./ 8. Jahrhundert eine Phase weitgehender Selbständigkeit, in der sich, wenn auch nur kurzzeitig, weltliche und geistliche Macht in den Händen einer Familie, der Zacconen, konzentrierte. a) Bischof Tello - der Erbauer der zweiten Churer Kathedrale Unter den Mitgliedern dieser in Churrätien des 7./ 8. Jahrhunderts einflussreichen Familie der Zacconen (Viktoriden) ist Bischof Tello (bezeugt 759/ 60-765) hervorzuheben. Nach dem Tod seines Bruders Zacco vereinigte er als Praeses (weltlicher Herrscher) und als Bischof von Chur die höchste staatliche und kirchliche Würde in Churrätien. Um 760 erliess er die «Lex Romana Curiensis» - eine Gesetzessammlung zur Regelung der bürgerlichen Rechtsverhältnisse. Tello gilt ferner als Erbauer der karolingischen Kathedrale auf dem Hof (Baubeginn um 750/ 60), welche, wie bereits erwähnt, an der Stelle der ersten Bischofskirche aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts (einer Saalkirche mit Querraum und halbkreisförmiger Apsis) trat. Die Tello-Kathedrale war - wie vielleicht schon ihre spätantike Vorgängerin - der Gottesmutter Maria geweiht. 762 nahm Bischof Tello an der Synode von Attigny-sur-Aisne teil, auf der Bischof Chrodegang von Metz (742-766), der damals an der Spitze des fränkischen Episkopats stand, einen das gesamte Frankenreich umspannenden Gebetsbund ins Leben rief. Die über 40 Teilnehmer der Synode verpflichteten sich in diesem Gebetsbund nach dem Tod <?page no="25"?> 25 3. Die Churer Bischöfe in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts eines Mitglieds bestimmte liturgische Gebetsleistungen (z. B. Psalmen, Messfeier) für den Verstorbenen, sei es selbst, sei es im Verbund mit den ihnen unterstellten klösterlichen Gemeinschaften zu verrichten. Neben Tello unterzeichneten auch die Bischöfe von Konstanz und Basel sowie der Abt des rätischen Benediktinerklosters Pfäfers. Im Zuge solcher Gebetsverbünde entstanden die überkommenen wertvollen «Verbrüderungsbücher» der Klöster in Pfäfers, auf der Insel Reichenau oder in St.- Gallen. Im Pfäferser Exemplar (heute im Stiftsarchiv St. Gallen) sind die Churer Bischöfe Tello, Constantius, Remedius und Esso eingetragen. Abb. 9: Platten aus der karolingischen Kathedrale, Mitte 8. Jahrhundert (heute verwendet als Verkleidung des Laurentiusaltars im Dom zu Chur) [BAC.BA] Abb. 10: Eintrag der Churer Bischöfe im Verbrüderungsbuch «Liber viventium» des Benediktinerklosters Pfäfers [StiftsASG] <?page no="26"?> 26 II. Churer Bischofssitz und Bistum bis zur fränkischen Reichsteilung von 843 (6.-9. Jahrhundert) Auf den 15. Dezember 765 ist das sog. «Tello-Testament» datiert, in welchem der Churer Bischof als letzter Überlebender des Geschlechts der Zacconen seinen Familienbesitz (Güter und Ländereien zwischen Sagogn und Trun) nach seinem Tod - er starb am 24.- September zwischen 766 und 773 - dem Benediktinerkloster Disentis vermachte. Wenn auch diese Schenkungsurkunde nur in Abschriften aus dem 17. und 18. Jahrhundert (u. a. im Stiftsarchiv St. Gallen) überliefert ist, sind im Text sicherlich echte Passagen aus dem 8. Jahrhundert enthalten; sie weisen den Bischof und damit das Geschlecht der Zacconen zweifelsfrei als bedeutende Grossgrundbesitzer in Churrätien aus. Die «donatio post obitum» (Schenkung nach dem Tod) zählt innerhalb der spärlichen Schriftquellen zu den wichtigsten Dokumenten zur rätischen Kirchengeschichte des 8. Jahrhunderts, ist zudem die einzige aus dieser Zeit überkommene Urkunde für das um 750 entstandene Kloster Disentis und eines der ältesten schriftlichen Dokumente Bündens überhaupt. Unter den Amtsnachfolgern Tellos blieb die geistliche und weltliche Gewalt in Churrätien in der Hand des Churer Bischofs bis 806 vereint. b) Bischof Constantius und die Schutzurkunde Karls des Grossen Der wahrscheinlich unmittelbare Nachfolger Tellos war Bischof Constantius (bezeugt 773/ 774); möglicherweise stammte er aus dem Geschlecht der «Constantier», welche rund um Sargans umfangreichen Besitz hatten. Seine Amtszeit fällt bereits in die Regierungszeit Karls des Grossen als König des Fränkischen Reiches (768-814, seit 800 Kaiser). Unter ihm wurde auch Churrätien wieder straffer in das politische Gefüge des Abb. 11: Schutzurkunde Karls des Grossen für den Churer Bischof Constantius und für das rätische Volk (um 773) [BAC] <?page no="27"?> 27 3. Die Churer Bischöfe in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts Frankenreichs einbezogen - nicht zuletzt durch die Eroberung des Langobardenreichs (773/ 774) und dessen Eingliederung in das Karolingerreich gewann Churrätien als Passland an strategischer Bedeutung. Ausdruck dieser veränderten politischen Situation ist eine um 773 ausgestellte Schutzurkunde Karls des Grossen für Bischof Constantius und das rätische Volk - übrigens die älteste, zwar seit dem späten Mittelalter stark beschädigte, im Original erhaltene Pergamenturkunde Churrätiens [Abb. 11], welche im Bischöflichen Archiv Chur aufbewahrt wird. Darin bestätigt Karl der Grosse zum einen die zuvor vorgenommene Einsetzung des «vir venerabilis» (d.h. des Bischofs) Constantius als «rector» über das Gebiet Rätiens, zum anderen die Rechtsbeziehungen und das Treueverhältnis, das bereits früher zwischen Churrätien und den Frankenkönigen bestanden hatte. Constantius und seine Nachfolger, die mit königlicher Zustimmung und Erlaubnis vom Volk gewählt werden sollen (per Akklamation), werden infolge einer an den König getragenen Bittschrift zusammen mit dem ganzen rätischen Volk dem Königsschutz unterstellt, der sich auf die Abwehr äusserer wie innerer Bedrohungen bezog. Da dieser Schutz nur innerhalb des Reichs- und Herrschaftsgebiets des Königs gewährt werden konnte, ist die ausgesprochene Garantie Ausdruck einer strafferen Einbindung Churrätiens ins Karolingerreich, welche zu Beginn des 9. Jahrhunderts alsbald weitere Auswirkungen haben sollte. Abb. 12: Das Frankenreich zwischen 481 und 814 [aus: Historical Atlas, hrsg. von William R. Shepherd, New York 1911 (BBC)] <?page no="28"?> 28 II. Churer Bischofssitz und Bistum bis zur fränkischen Reichsteilung von 843 (6.-9. Jahrhundert) c) Bischof Remedius und die sog. «Capitula Remedii» Wie lange Constantius in Amt und Würde stand bzw. wann er gestorben ist, bleibt unbekannt. Als Nachfolger wird Remedius in den alten Bischofslisten aufgeführt (bezeugt 790/ 91-806), in dessen Hand nach wie vor weltliche und geistliche Leitungsgewalt vereint blieb. Remedius, so bezeugen diverse Urkunden und Briefe, unterhielt freundschaftliche Beziehungen zum frühmittelalterlichen Gelehrten Alkuin (735-804), dem Leiter der königlichen Hofschule und späteren Abt des Stifts St. Martin in Tours. Bischof Remedius erliess die um 802/ 03 publizierten «Capitula Remedii», welche in Rückgriff auf römisches, fränkisches und kanonisches Recht in 12 Kapiteln strafrechtliche Bestimmungen (als Ergänzung zu dem bestehenden rätischen Recht) zu verschiedenen Tatbeständen wie Verstösse gegen die Sonn- und Feiertagsheiligung, Totschlag, Meineid, Ehebruch, Vergewaltigung, Diebstahl, Streit zusammentragen und heute nur noch in einer einzigen Handschrift in der Stiftsbibliothek St. Gallen (Codex 722, siehe Abb. 13) erhalten sind. Aufgabe der Geistlichen, die ein Exemplar dieser «Capitula» besitzen sollten, war es, die Rechtsnormen in regelmässigen Abständen dem Volk vorzulesen und zu erklären. Abb. 13: Anfang der «Capitula Remedii» (Stiftsbibliothek St. Gallen, Codex 722, p. 248) [StiBSG] <?page no="29"?> 29 4. Grafschaftsverfassung in Churrätien (um 806) und Vertrag von Verdun (843) 4. Grafschaftsverfassung in Churrätien (um 806) und Vertrag von Verdun (843) Entsprechend der Verwaltungsstruktur des Karolingerreichs trennte Karl der Grosse um 806 (nach dem Tode Remedius [? ]) das höchste weltliche Amt des Landes vom kirchlichen Leitungsamt, indem er für ersteres einen Grafen einsetzte (Grafschaftsverfassung); erster rätischer Graf war Hunfrid (806/ 07- 823), seit 799 Marktgraf von Istrien. Die gesamte Vermögensmasse, welche bislang in der Verfügungsgewalt des «rector-episcopus» (Tello bis Remedius) von Churrätien stand, wurde dreigeteilt: Ein bedeutender Teil der Abb. 14: Urkunde Ludwigs des Frommen vom 9. Juni 831 zugunsten der Kirche von Chur [BAC] <?page no="30"?> 30 II. Churer Bischofssitz und Bistum bis zur fränkischen Reichsteilung von 843 (6.-9. Jahrhundert) Güter beanspruchte der König (Königsgut), ein weiterer Teil diente zur Ausstattung des Grafen mit Amtsgut, das dieser als Lehen erhielt, der Rest verblieb als Kirchenbzw. Bischofsgut in den Händen des Churer Bischofs. Diese «divisio» von 806 beraubte den Bischof seiner herrschaftlichen Rechte und beschnitt sein wirtschaftliches Potential erheblich, was unter Bischof Viktor III. (bezeugt 822/ 23-831) aufgrund rechtswidriger Übergriffe auf fremdes Gut und wiederholten Machtmissbrauchs durch einzelne Grafen zu Klagen vor den Kaiser führte (823). 831 befreite der Sohn Karls des Grossen, Ludwig I. der Fromme (König des Fränkischen Reiches seit 814, Kaiser 813-840), Rätien wieder von der gräfischen Oberaufsicht und stellte die Kirche von Chur unter seinen unmittelbaren Schutz; ihr und den Besitzungen in Churrätien, im Elsass und in Almannien gewährte er volle Immunität [Abb. 14]. Gemäss eines Schreibens Viktors III. an Kaiser Ludwig den Frommen standen in dieser Zeit auf dem Gebiet des rätischen Bistums bereits 230 Kirchen bzw. Kapellen, drei weltliche Kanonissenstifte (St. Peter in Cazis, St. Peter in Mistail, St. Sebastian in Schänis) und drei Benediktinerklöster (in Disentis, Pfäfers und Müstair). Am 21. Januar 843 Abb. 15: Kaiser Lothar I. bestätigt 843 dem Churer Bischof Besitzungen und Rechte und nimmt ihn und das rätische Volk unter seinen Schutz [BAC] <?page no="31"?> 31 4. Grafschaftsverfassung in Churrätien (um 806) und Vertrag von Verdun (843) erneuerte Kaiser Lothar I. (840-855) gegenüber dem für die Jahre 836 bis 843 bezeugten Churer Bischof Verendar die von seinem Vater (Ludwig I.) und Grossvater (Karl d. Gr.) dem Bischof und dem Volk von Chur gewährten Privilegien, unterstellte sie seinem Königsschutz und bestätigte ihre althergebrachten Rechte [Abb. 15]. Nur ein Jahr zuvor, 842, hatte in der Person Verendars zum letzten Mal ein Churer Bischof an einer Mailänder Provinzialsynode teilgenommen. In Folge des am 10. August 843 geschlossenen Vertrags von Verdun löste sich das Bistum Chur im Zuge der Reichsteilung [siehe Karte (Abb. 16)], die auf der Grundlage einer Beschreibung des Reichsgutes («descriptio imperii») vorgenommen wurde, vom Metropolitanverband Mailand und wurde als Teil des ostfränkischen Reiches und als Suffraganbistum der Kirchenprovinz Mainz angegliedert; bei dieser kirchlichen Zuteilung blieb es bis zur Säkularisation (1803). Zum ersten Mal wird gemäss Quellen 852 der Churer Bischof Esso (bezeugt 849-868) auf einer fränkischen Synode in Mainz anwesend sein. Abb. 16: Karte der fränkischen Reichsteilung von 843 (Vertrag von Verdun) [BBC] Rot untermalt: Westfränkisches Reich (unter Karl dem Kahlen) Gelb untermalt: Fränkisches Mittelreich (unter Lothar I.) Blau untermalt: Ostfränkisches Reich (unter Ludwig II. dem Deutschen) <?page no="33"?> 33 III. Weltliche Kanonissenstifte und Klöster im frühen Bistum Chur Die frühen weltlichen Damenstifte und Männerklöster nach der Regel des hl. Mönchvaters Benedikt von Nursia (um 480-547) auf dem Gebiet Churrätiens haben weder für die Christianisierung eine bedeutende Rolle gespielt, noch waren sie für die Ausbildung der kirchlichen Organisation wegweisend. Sie entstanden erst zwischen 700/ 720 und 815. In Folge der Einführung der Grafschaftsverfassung 806 verlor der Churer Bischof die bisherigen Eigenklöster Disentis, Pfäfers und Müstair. Bischöflich blieben damals nur die Damenstifte Cazis und Mistail. 1. Das Kanonissenstift St. Peter in Cazis Vermutlich ist die Gründung in Cazis im Domleschg die älteste Klostergründung im Bistum Chur überhaupt. Wegen fehlender Quellen lässt sich die Frühgeschichte von Cazis lediglich in groben Zügen rekonstruieren. Laut Eintrag im «Necrologium Curiense» aus dem 12. Jahrhundert wurde die Institution von Bischof Viktor II. (bezeugt Anfang 8.-Jahrhundert) um 700/ 720 als bischöfliches Haus- und Eigenkloster gegründet (Eintrag im Liber C für den 21. November: «Victor Curiensis episcopus obiit, qui Cacias construxit.»). Abb. 17: Nennung im «Necrologium Curiense», Liber C, von Bischof Viktor II. als Gründer des Klosters Cazis [BAC] <?page no="34"?> 34 III. Weltliche Kanonissenstifte und Klöster im frühen Bistum Chur Das Kloster soll für eine Äbtissin und 12 Klosterfrauen, die als «nobiles puellae» bezeichnet werden, gestiftet und mit Gütern im Domleschg, am Heinzenberg sowie im Albulatal, Oberhalbstein, Oberengadin und im Vinschgau ausgestattet worden sein (fassbar erst im 12. Jahrhundert). Die Existenz des Klosters bezeugt auch das um 885/ 90 geschriebene St. Galler Verbrüderungsbuch, welches eine Konventliste («nomina sorores de Gaczes») aus dem Anfang des 9. Jahrhunderts enthält. Die oben genannte Bezeichnung «adelige Frauen» legt nahe, dass die Niederlassung als ein freies weltliches Damenstift konzipiert war und erst 1156 vom Churer Bischof Adalgott (1151-1160) im Zuge seiner monastischen Reformen und gegen den Widerstand der Cazner Kanonissen die Augustinerregel, sowie Gelübde und Klausur aufgezwungen bekam. Adalgott unterstellte das Stift damals der Leitung eines Prämonstratenserpaters als Prior aus dem Kloster St. Luzi in Chur (fortan also ein Augustiner-Chorfrauenstift). Seinen Standort hatte der Konvent nicht am heutigen Platz im Dorf, sondern nordwestlich an jenem Ort, der als «Claustra vedra» (altes Kloster) bezeichnet wird. Erst nach dem verheerenden Brand 1369 wurde die Niederlassung ins Dorfzentrum verlegt. Das Kloster bestand danach bis ins 16. Jahrhundert. Die Wiederbesiedlung erfolgte 1647 durch Dominikanerinnen. 2. Das Kloster St. Peter in Mistail St. Peter in Mistail in der Gemeinde Alvaschein wird namentlich lediglich zweimal erwähnt. Ende des 9. Jahrhunderts im oben genannten St. Galler Verbrüderungsbuch direkt hinter dem Kloster Cazis und in einer nur noch als Abschrift vorhandenen Urkunde vom 3. November 926, ausgestellt in Worms von König Heinrich I. (919-936), worin dieser dem Churer Bischof Waldo (bezeugt 920-940) den Ort Almens auf Lebenszeit Abb. 18: Die noch bestehende Kirche St. Peter in Mistail [BAC.BA] <?page no="35"?> 35 2. Das Kloster St. Peter in Mistail vergabt und verfügt, dass Almens nach dem Tod des Bischofs zu gleichen Teilen den Klöstern Cazis und «Uuapitines» zufalle. Die Identifikation von «Uuapitines» mit Mistail - wahrscheinlich als Tochterkloster von Cazis - ist durch das Patrozinium St. Peter und seine Lage in der Nähe von Tiefencastel [Castellum Impitinis] gegeben. Die Gründung des Frauenkonvents von Mistail als bischöfliches Eigenkloster einer Gemeinschaft von Kanonissen erfolgte um 750 vor dem Bau der heute noch bestehenden, aus der Zeit um 800 stammenden St. Peterskirche. Im Besitz des Konvents waren die Höfe von Prada bei Tiefencastel, Savognin, Filisur und Latsch ob Bergün. Da das Kloster einen disziplinären und wirtschaftlichen Niedergang erlebte, hob Bischof Wido (1096-1122) dieses am Ende des 11. Jahrhunderts auf. Eine selbständige Überlieferung für St. Peter in Mistail hat sich nicht erhalten. Ein Missale und ein Antiphonar des 11. Jahrhunderts, in handschriftlicher Verbindung mit einem Urbar des 11.-13. Jahrhunderts, lag bis 1864 im Gemeindearchiv Alvaschein, ging 1870 an des Churer Domkapitel und wurde später nach Amerika veräussert; sein Verbleib ist ungeklärt. 3. Das adelige Damenstift St. Sebastian in Schänis Das im Bezirk Gaster (seit 1803 Kanton St. Gallen) an der Westgrenze Rätiens und des Bistums Chur gelegene Stift, im 10. Jahrhundert «monasterium Skennines» genannt, wurde zwischen 806/ 07 und 823, wohl nach 814, durch den Statthalter von Istrien und seit 806 Markgrafen Hunfrid von Rätien zu Ehren der durch Schenkung Karls des Grossen in seinem Besitz sich befindlichen Christusreliquien vom Hl. Kreuz und vom Hl. Blut gegründet. Als Mutterkloster von Schänis ist in der Forschung St. Stephan im elsässischen Strasbourg vermutet worden, weil in einem Verbrüderungsbuch der Benediktinerabtei St. Gallen die «sorores» von Schänis gemeinsam mit jenen der Frauengemeinschaft von St. Stephan eingetragen sind; eindeutige, auf weitere Quellen beruhende Belege hierfür fehlen jedoch. Regelmässige Beziehungen pflegte der Konvent in Schänis hingegen mit den Stiften in Säckingen, Lindau, sowie mit den Niederlassungen in Ottmarsheim, Andlau und Masmünster (alle drei im Elsass). Die Frauengemeinschaft im Gaster ging 1018 auf die Grafen von Lenzburg über. 1045 kam das Stift an König Heinrich III. (Kaiser 1046-1056), welcher dem Kloster im gleichen Jahr Schutz und Freiheit zusicherte und das Recht auf freie Wahl der Äbtissin zusprach. Bis ins 12. Jahrhundert hinein bleiben die Regeltraditionen für die Niederlassung in Schänis unsicher. Bei der Kommendation an König Heinrich III. im Jahre 1045 ist die Rede von «sanctae moniales sub canonica regula servientes», in der ältesten noch erhaltenen Papsturkunde Alexanders III. (1159-1181) von 1178 für das Kloster von den «sorores regularem vitam professae» und vom «ordo canonicus secundum Augustini regulam». Der Churer Bischof Adalgott, bekannt als aktiver Reformer des Ordenswesens in seiner Diözese, dürfte mit seinem Versuch, die Frauen in Schänis zu Regularkanonissen zu machen, wenn überhaupt, dann nur vorübergehenden Erfolg verbucht haben. Im Spätmittelalter war Schänis jedenfalls ein Stift von Säkularkanonissen ohne Vita communis. Tridentinische <?page no="36"?> 36 III. Weltliche Kanonissenstifte und Klöster im frühen Bistum Chur Reformbestrebungen prallten am Widerstand der Chorfrauen ab, die sich auf ihre alten Privilegien beriefen, welche mit den drei Attributen «weltlich», «adelig» und «fürstlich» umschrieben wurden. Nuntius Rodolfo Acquaviva (1668-1670) stellte in einer Relatio von 1668 ernüchternd fest, «le canoniche non sono propriamente religiose», da sie, kein Gelübdezwang kennend, austreten und heiraten könnten; und sie hiessen lediglich deshalb Kanonissen, weil sie den Chordienst leisteten. Ihre Bezeichnung lautete in der Folge: weltliche Chorfrauen oder Chordamen. Im Jahr der Aufhebung 1811 durch den Kanton St. Gallen wird Schänis als adeliges Damenstift betitelt. Die Zahl der Chorfrauen betrug im Hochmittelalter 12 bis 15; später waren es neben der Äbtissin nur mehr 6 Chordamen - meist aus dem Ritteradel Südschwabens und dem Elsass, nicht aber aus der damaligen katholischen Eidgenossenschaft. Ein Platz im Stift konnte nur mit einer Aussteuer und einem Leibgeding in beträchtlicher Höhe erworben werden. Die Äbtissin als einzige geistliche Person im Kloster, ausgestattet mit Abtsstab und Ring, führte zwar den Titel einer Reichfürstin, das Stift indes war auf dem Reichstag nie vertreten. Die kirchliche Jurisdiktion oblag immer dem Churer Bischof; er bestätigte die Statuten, benefizierte die Äbtissin und nahm Visitationen vor. Die Stiftskirche St. Sebastian war bereits 1178 zugleich Pfarrkirche von Schänis. Der Stiftspfarrer und -kaplan, eingesetzt von der Äbtissin, waren auch für die Seelsorge der Chorfrauen zuständig. 4. Das Benediktinerkloster Disentis Etwa um die Mitte des 8. Jahrhunderts wurde bei den Gräbern der heiligen Placidus (einem wohlhabenden Räter, ermordet um 720) und Sigisbert (einem fränkischen Eremiten) in der damals noch unbesiedelten Einöde bei Disentis unter Abtbischof Ursicinus Abb. 19: Ehemaliges Damenstift und heutige Pfarrkirche St. Sebastian in Schänis [BAC.BA] <?page no="37"?> 37 4. Das Benediktinerkloster Disentis (um 750) ein Kloster gegründet. Hierüber geben jedoch lediglich mittelbare Quellen Auskunft. Die Konventsmitglieder, zuerst mehrheitlich Laienmönche, Ende des 8. Jahrhunderts bereits in der Mehrzahl Klerikermönche, lebten gemäss der karolingischen Klosterreform von Anfang an nach der Regel des hl. Benedikts. Aufgrund der bereits erwähnten umfangreichen Schenkung des Churer Bischofs Tello, der als letztes Mitglied des Geschlechts der Zacconen (Viktoriden) seinen ganzen Familienbesitz (zwischen Sagogn und Trun) 765 testamentarisch dem jungen Kloster am Vorderrhein vermacht hatte, erlebte die Benediktinerabtei Disentis einen raschen wirtschaftlichen Aufschwung. Die oberste Talstufe westlich des Russeiner Felsens wurde hingegen erst im Hochmittelalter besiedelt und bildete dann den Kern der klösterlichen Grundherrschaft Cadi. Ursprünglich war die Gründung in Disentis ein bischöfliches Eigenkloster. Im Zuge der Einführung der Grafschaftsverfassung in Rätien 806 entzog Karl der Grosse dem Churer Bischof dieses Bischofsgut und machte es zum Reichsgut; entsprechend wurde die Abtei als Königsgut Reichskloster. In seiner langen Geschichte erlebte das Kloster wiederholt schwere Rückschläge. Einen ersten solchen Einschnitt war der Sarazenen-Einfall um 940, vor dem die Mönche mit den Reliquien der Klosterheiligen Placidus und Sigisbert sowie dem Kirchenschatz nach Zürich flohen. Das zerstörte Kloster wurde bald danach wiederaufgebaut und gelangte nicht zuletzt dank der idealen Passlage des Lukmaniers unter den ottonischen Herrschern durch Schenkungen und Zusicherung der freien Abtwahl zu neuer Blüte. Abb. 20: Kloster Disentis [BAC.BA] <?page no="38"?> 38 III. Weltliche Kanonissenstifte und Klöster im frühen Bistum Chur 5. Das Benediktinerkloster Pfäfers Die Anfänge der Benediktinerabtei St. Maria, hoch über der Einmündung der Taminaschlucht ins Rheintal in der heutigen Gemeinde Pfäfers/ SG gelegen, welche bis 1838 bestand, liegen in mancher Hinsicht im Dunkeln. Das Datum der Gründung kann gegen die Mitte des 8. Jahrhunderts angesetzt werden; als erster namentlich bekannter Abt tritt Adalbertus 762 (als Teilnehmer der Synode von Attigny-sur-Aisne) ins Licht der Geschichte. Spätestens bei der «divisio» von 806 wurde das bischöfliche Eigenkloster in Churrätien durch Trennung von geistlicher und weltlicher Macht Reichskloster. Für die äussere Entwicklung seit dem 9. Jahrhundert gibt die im Stiftsarchiv St. Gallen aufbewahrte Quelle des «Liber viventium Fabariensis», angelegt in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, für die Zeit bis ins späte Mittelalter hinein reichlich Auskunft zur Pfäferser Klostergeschichte sowie über ein blühendes monastisches und kulturelles Leben. Erstmals urkundlich gesichert, erteilte Ludwig II. der Deutsche (843-876) im Jahr 861 dem bis zu 70 Mönche umfassenden Konvent Immunität und Königsschutz, was in späterer Zeit regelmässig erneuert wurde. Erst im Investiturstreit gab es kurzzeitig eine Änderung: Wegen seiner antikaiserlichen und papstfreundlichen Haltung kam das Kloster unter die Obhut des Bischofs von Basel. Papst Paschalis II. (1099-1118) machte dieser Unterstellung 1116 ein Ende, bestätigte Pfäfers alle früheren Rechte und Freiheiten und verlieh ihm das Recht der freien Abtwahl. Das karolingische Reichgutsurbar für Churrätien (etwa um 842 entstanden), welches einzig in einer frühneuzeitlichen Kopie von Ägidius Tschudi (1505-1572) in der St. Galler Stiftsbibliothek überliefert ist, erlaubt zudem eine eindrückliche Übersicht über den umfangreichen wie weitgestreuten Besitz des Klosters in der Mitte des 9. Jahrhunderts. Abb. 21: Klosteranlage von Pfäfers um 1700 [BAC.BA] <?page no="39"?> 39 6. Das Benediktinerkloster St. Johann in Müstair Die Pfäferser Güter lagen als Kernbesitz in Ragaz, Maienfeld, Fläsch, Untervaz, Trimmis, Chur und Domat/ Ems, ferner in Flims, Ruschein, Ladir, Siat, Duvin, sodann im Schanfigg, in Splügen und südlich des Malojapasses in Casaccia, weiter in Mels, Walenstadt, Quarten, in Eschen/ FL, Rankweil und Sulz (Walgau), in Tuggen/ SZ, Busskirch/ SG, Männedorf, Wetzwil/ ZH, Weggis/ LU, in Güttingen/ TG, Hirschlatt (Baden-Württemberg), Morter im Vinschgau und Nals im Etschland nördlich von Bozen. Dazu kamen 20 Eigenkirchen mit Zehnten und 6 Kapellen. 6. Das Benediktinerkloster St. Johann in Müstair Das «monasterium Tuberis», heute Kloster Müstair, erhebt sich in seinem monumentalen, z. T. wehrhaft anmutenden Bau auf der obersten Talstufe des Vinschgau, in unmittelbaren Nähe zur Schweizer Grenze hin nach Taufers. Seine Gründung erfolgte wohl nach der Eroberung des Langobardenreiches durch Karl den Grossen im letzten Viertel des 8.-Jahrhunderts. Seit dem 12. Jahrhundert wird Karl, wenn auch historisch nicht nachweisbar, als eigentlicher Klostergründer verehrt; Abbild hierfür ist die romanische Karlsstatue in der Klosterkirche St. Johannes d. T. Müstair ist jedoch eine bischöfliche Gründung, wie sich aus der deutlichen Klage des Churer Bischofs Viktor III. über die Entfremdung der benediktischen Klöster nach der «divisio» von 806 ergibt. Als mögliche Gründerbischöfe kommen Constantius oder Remedius in Frage. Das Benediktinerkloster Pfäfers, welches auch Güter im Vinschgau besass, hat sicherlich aus dem eigenen Bestand einige Mönche zur Unterstützung im Aufbau der neuen Niederlassung in Müstair entsandt; um 825 Abb. 22: Klosteranlage von Pfäfers, ehemaliges Konventsgebäude heute [BAC.BA] <?page no="40"?> 40 III. Weltliche Kanonissenstifte und Klöster im frühen Bistum Chur zählte der Konvent neben dem Abt bereits 34 Mitglieder. In der Mitte des 9. Jahrhunderts waren von den 45 Konventualen 16 Priester, 6 Diakone und 23 Laienbrüder. Nach 806 erhielt das Kloster Müstair als Königsgut den Status eines Reichsklosters. Um 878/ 80 schenkte der ostfränkische König Karl III. der Dicke (876-887; Kaiser 881- 888) das Reichskloster seinem Erzkanzler, Bischof Liutward von Vercelli; 881 kam die benediktinische Gründung mittels eines Tausches Vercellis gegen bischöflichen Besitz im Elsass wieder in die Hand des Churer Oberhirten. Die massiv schwindende Zahl an Konventualen am Ende des 9. Jahrhunderts läutete den Niedergang ein. Welche Gründe zur Aufgabe führten, sind nicht bekannt. Fast 200 Jahre lang schweigen dann die Quellen zu Müstair. Als die Einrichtung um die Mitte des 12. Jahrhunderts unter dem Churer Bischof Adalgott in Urkunden wieder aufscheint, war aus dem Benediktinerein Benediktinerinnenkloster geworden. Abb. 23: Klosteranlage St. Johann in Müstair [BAC.BA] <?page no="41"?> 41 IV. Die ältesten Pfarrkirchen im Bistum Chur Wie andernorts stand auch in der frühen Geschichte des rätischen Bistums nicht die Errichtung von Pfarreien als exakt abgegrenzte territoriale Grösse im Fokus, sondern die Errichtung christlicher «Zentren» ohne präzise abgegrenzten Bezirk. Der Bischof, auf dem Hof zu Chur residierend, betraute einen Priester mit der örtlichen Seelsorge - vor allem mit der Sakramentenspendung (Katechese, Taufe, Eucharistie und Predigt im Vordergrund). Für die weitere Entwicklung hin zu einer Pfarrei war der von den Gläubigen zu entrichtende Kirchenzehnte zur Unterhaltung von Gotteshaus und Seelsorger von zentraler Bedeutung; das führte alsbald zu einer bestimmten Kirchenzugehörigkeit der Bevölkerungsteile in einer Talschaft. Dieser Kirchenzehnte wurde im Frankenreich zunächst 765 von Pippin III. dem Jüngeren (751-768) und dann im Jahre 779 von Karl dem Grossen durch Gesetz verbindlich eingeführt. So entstand im Bistum Chur im Laufe des 7. bis zum 9. Jahrhundert ein nahezu flächendeckendes Netz von Land- oder Talpfarreien mit Tauf- und Begräbnisrecht. Dazu kamen noch Filialkirchen, von denen wiederum nicht wenige zu den sog. Eigenkirchen zählten - gestiftet auf dem eigenen Grund und Boden von wohlhabenden Familien, Herrschern, ja sogar vom Bischof selbst. Da und dort kennen wir Mischformen: So konnte eine Eigenkirche, zumal eine bischöfliche, bisweilen auch die Funktion und die Rechte einer Pfarrkirche wahrnehmen. 5./ 6. Jahrhundert Entstehung von ersten Taufkirchen («ecclesia baptismalis») 6./ 7. Jahrhundert Gründung der frühen Pfarreien («ecclesia plebeia» / «mater ecclesia») 7./ 8. Jahrhundert Ausbau der grossen Tal- und Landpfarreien Dadurch werden alle wesentlichen Siedlungsräume durch die Pfarrorganisation erfasst. Um 800 ist im Churer Sprengel von ungefähr 230 Gotteshäusern auszugehen, was eine beträchtliche Zahl darstellt und Abbild ist für die intensive kirchliche Durchdringung und Organisation in karolingischer Zeit. Das nicht vollständig und ohnehin nur in einer frühneuzeitlichen Abschrift vorhandene Reichsurbar (um 842) verzeichnet - dies nach der «divisio» von 806 - 72 Kirchen, die zum Reichskirchengut gehörten. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts existierten bereits rund 50 Pfarreien auf dem Territorium des Bistums Chur. <?page no="42"?> 42 IV. Die ältesten Pfarrkirchen im Bistum Chur Abb. 24: Taufers, Kirche St. Johannes d. T. aus dem 9. Jahrhundert, gehörte zum Kloster Müstair [BAC.BA] Abb. 25: Die heutige Ortschaft Riom/ Reams, im Vordergrund die Burg Raetia Ampla oder Casti da Riom am Platz des ehemaligen Könighofs aus dem 9. Jahrhundert (zw. 1258 und 1552 im Besitz des Bistums Chur) [BAC.BA] <?page no="43"?> 43 IV. Die ältesten Pfarrkirchen im Bistum Chur Region Pfarrei [Ort in alphabetischer Reihenfolge] Patrozinium als Pfarrei unsicher Chur Kathedrale auf dem Hof St. Maria Schanfigg St. Peter St. Peter Fünf Dörfer Untervaz St. Laurentius X Zizers St. Peter Bündner Herrschaft Fläsch / St. Luzisteig St. Luzius X Prättigau Schiers St. Johannes d. T. Liechtenstein Balzers St. Nikolaus Bendern St. Maria Eschen St. Martin Schaan St. Peter Walgau Bludenz St. Laurentius Ludesch St. Martin Nenzing St. Mauritius Nüziders St. Viktor Rankweil St. Peter Rheintal Grabs St. Bartholomäus Wartau St. Martin X Sarganserland Flums St. Laurentius [heute St. Justus] Mels St. Peter Ragaz St. Pankratius Sargans St. Kassian Walenstadt St. Luzius Gasterland Benken St. Peter Schänis St. Gallus Churer Gebiet Ems St. Peter Imboden Rhäzüns St. Georg Trin-Tamins St. Pankratius X Vorderrhein (bis Ilanz) Castrisch St. Georg X Flims St. Martin Ilanz St. Martin Sagogn St. Maria Lugnez Pleif St. Vincentius <?page no="44"?> 44 IV. Die ältesten Pfarrkirchen im Bistum Chur Abb. 27: Kirche St. Florinus in Ramosch [BAC.BA] Abb. 26: Kirche St. Luzius in Siat [BAC.BA] <?page no="45"?> 45 IV. Die ältesten Pfarrkirchen im Bistum Chur Region Pfarrei [Ort in alphabetischer Reihenfolge] Patrozinium als Pfarrei unsicher Surselva (hinter Ilanz) Breil / Brigels St. Maria Falera St. Remigius Rueun St. Andreas Ruschein St. Georg Siat St. Luzius X Sumvitg St. Johannes d. T. Trun St. Martin Domleschg Hochrialt (Hohenrätien) St. Johannes d. T. Paspels St. Lorenz Schams Zillis St. Martin Misox-Calanca San Vittore St. Viktor Albulatal Lantsch / Lenz St. Maria Tiefencastel St. Ambrosius Vaz / Obervaz St. Donatus Oberhalbstein Savognin St. Martin X Riom St. Laurentius Bergell Casaccia St. Gaudentius X Talsperre von Castelmur [heute Gemeinde Bondo] St. Maria [Nossa Donna] Oberengadin Samedan St. Peter Unterengadin Ramosch St. Florinus [urspr. St. Peter ? ] Vinschgau und Burggrafenamt ob Burgeis St. Stephan Gratsch St. Peter Latsch St. Peter Mals St. Martin Naturns St. Zeno Schlanders St. Maria Bei der Nennung der Patrozinien der im 9. Jahrhundert (wahrscheinlich) bereits existierenden Pfarrkirchen fällt auf, dass von den beiden späteren Bistumspatronen Luzius (6.- Jahrhundert) und Florinus (7. Jahrhundert) nur die Gotteshäuser in Ramosch, Siat, St. Luzisteig und Walenstadt die Namen dieser Heiligen gewählt haben. In späterer Zeit finden wir den Glaubensboten Luzius als Patron der Pfarrkirchen in Göfis, Laatsch und Wangs; den Seelsorger Florinus wählten die Pfarreien Matsch im Vinschgau und Siat (für die zweite Kirche im Dorfkern) zu ihrem Kirchenpatron. <?page no="47"?> 47 V. Die Bistumspatrone Luzius und Florinus 1. Der heilige Luzius - Glaubensbote und Bekenner in Rätien Über die missionarische Wirksamkeit des hl. Luzius in der halbheidnischen Umgebung von Chur (Luzisteig) besitzt man mit Ausnahme der zwischen 780 und 818 entstandenen «Lucius-Vita» keine näheren Angaben. Leben und Wirken des hl. Luzius im Gebiet von Churrätien dürfen dennoch als gesichert gelten; dafür spricht das Vorhandensein seines Grabes in der heute noch erhaltenen Ringkrypta in der Seminarkirche St. Luzi in Chur, wohin die Reliquien um 800 aufgrund wachsender Verehrung aus der unweit gelegenen St. Stephanskirche (dortiges Grab des Heiligen erst 1848/ 49 entdeckt) übertragen worden waren. 923 hören wird vom Reliquienraub. Seine sterblichen Überreste fand man 1108 wieder und übertrug sie in einen heute im Dommuseum Chur befindlichen Luziusschrein. Ab dem 12.-Jahrhundert nimmt Luzius die feste Stelle des Churer Bistumspatrons ein, dessen man bis zur Liturgiereform am 3. Dezember (sein Todestag [? ]) gedachte; heute begeht man sein Fest am 2. Dezember. Abb. 28 [links]: Der hl. Luzius, Detail aus dem Hochaltar in der Kathedrale Chur [BAC.BA] Abb. 29 [rechts]: Spätromanischer Luzius-Schrein im Churer Domschatz, entstanden 1252 [BAC.BA] <?page no="48"?> 48 V. Die Bistumspatrone Luzius und Florinus Was wissen wir über diesen Mann der frühen Kirche? - Luzius lebte im 6. Jahrhundert und stammte aus dem Land der «Britanni»; dieser Name ist nicht etwa gleichzusetzen mit demjenigen des damaligen Königreichs Britannien, sondern ist ein Synonym für die Leute aus dem Grenzraum des bündnerischen Prättigau und des vorarlbergischen Montafon. Als Glaubensbote wirkte Luzius sicher in der Umgebung von Chur; über seinen Tod haben wir keine gesicherten Nachrichten. Jedenfalls wurde er immer als «Confessor» (Bekenner) verehrt; später hinzugekommene Attribute wie «Märtyrer», «(erster) Bischof von Chur» oder «König», die sich z. T. leider bis in die Gegenwart behauptet haben, beruhen auf Falschinterpretationen bzw. auf legendäre Quellen, fanden aber im 17. Jahrhundert Eingang in diözesane Heiligenproprien. 2. Der heilige Florinus - Seelsorger in Ramosch Der heilige Florinus, dessen Gedenktag jeweils am 17. November gefeiert wird, wirkte im 7. Jahrhundert im Unterengadin als Priester in Ramosch. Seine Lebensbeschreibung, die sog. «Florinus-Vita», stammt hingegen aus der Feder eines anonymen Schreibers aus dem 12. Jahrhundert. Gemäss dieser Vita liessen sich die Eltern des Heiligen, welche sich auf einer Romwallfahrt kennengelernt haben sollen, im Vinschgau, wahrscheinlich im Matschertal, nieder, wo Florinus zu Welt kam. Abb. 30 [links]: Der hl. Florinus, Ausschnitt aus dem Hochaltar in der Kathedrale Chur [BAC.BA] Abb. 31 [rechts]: Spätgotischer Florinus-Schrein im Churer Domschatz, entstanden 1300-1320 [BAC.BA] <?page no="49"?> 49 2. Der heilige Florinus - Seelsorger in Ramosch Bereits im Knabenalter stehend, wurde er dem damaligen Pfarrer von St. Peter in Ramosch im Unterengadin, mit Namen Alexander, der Erziehung und Bildung anvertraut. Sein Lehrer führte den Jungen schliesslich zum Priestertum. Kurz nach der Ordination soll Alexander gestorben sein, so dass Florinus als junger Geistlicher die Nachfolge in Ramosch als Ortspfarrer antrat. Als vorbildlicher Seelsorger starb Florinus im Ruf der Heiligkeit; das Todesjahr ist nicht bekannt. Als Förderer der Florinus-Verehrung sticht einer der späteren Pfarrherren in Ramosch hervor, Hartbert, der zwischen 951 und 972 das Churer Bischofsamt versah. Die lokale Wallfahrt zu den inzwischen aus dem ursprünglichen Erdgrab erhobenen und in die Kirche übertragenen sterblichen Überresten Florinus verzeichnete starken Zulauf und hielt bis zur Reformation an. Wahrscheinlich noch unter Bischof Hartbert kamen Florinus- Reliquien auch nach Chur, wo sie später in dem heute im Domschatz befindlichen gotischen Halbschrein (entstanden zwischen 1300 und 1320) aufbewahrt wurden. 1288 wird der hl. Florinus, bereits Schutzpatron des Unterengadins und des Vinschgaus, erstmals neben dem hl. Luzius als zweiter Bistumspatron genannt. Abb. 32 [links]: Reliquien-Büste des hl. Luzius (fälschlicherweise als König dargestellt), entstanden 1499, im Churer Domschatz [BAC.BA] Abb. 33 [rechts]: Reliquien-Büste des hl. Florinus, entstanden um 1480, im Churer Domschatz [BAC.BA] <?page no="50"?> 50 V. Die Bistumspatrone Luzius und Florinus Abb. 34: Das Ottonische Imperium [aus: Ökumenisches Heiligenlexikon (www.heiligenlexikon.de/ BiographienO/ Otto_der_Grosse.html)] <?page no="51"?> 51 VI. Das Bistum Chur von der ottonischen Zeit bis zum Ende des Investiturstreites (10.-12. Jahrhundert) Die Zeit zwischen dem 10. und 11. Jahrhundert ist in Rätien vor dem Hintergrund der Alpen- und Italienpolitik der Ottonen geprägt durch die hochmittelalterliche Ausbaubewegung, begleitet von einer herrschafts-, siedlungs- und territorialpolitischen Entwicklung. Auf dem weitreichenden kirchlichen Territorium, welches das Bistum Chur seit dem 8. Jahrhundert - von West nach Ost betrachtet - von der Passhöhe der Furka bis hinunter nach Meran und - von Nord nach Süd - von Götzis im Vorarlberg bis San Vittore in der Valle Mesolcina umgriff, vermochten die Churer Bischöfe in der Ottonenzeit ihre seit 806 verloren gegangene weltliche Herrschaft wenigstens teilweise wieder auszubauen; ein erheblicher Teil des damaligen Königsbesitzes und der damit verbundenen Königsrechte in Churrätien ging durch Schenkungen und Privilegien der Kaiser an den Churer Bischof. 1. Die bedeutenden Zuwendungen Ottos I. an den Churer Bischof Hartbert Bischof Hartberts Tätigkeit als Churer Bischof (bezeugt 951-972) spielt sich vor dem Hintergrund ottonischer Reichs- und Kirchenpolitik ab. Hartbert, dessen Herkunft unsicher bleibt, wahrscheinlich jedoch dem Kreis des damaligen Hochadels entstammte, gehörte zu einem erlesenen Kreis ausgewählter enger Mitarbeiter Ottos I. (seit 936 König des Ostfrankenreichs; 962-973 römisch-deutscher Kaiser). Hartberts Bedeutung für den Bischofssitz Chur, die Privilegierungen, die er für sein Bistum erwirkte, bezeugen, dass er erstens weit mehr war als ein blosser Repräsentant herrscherlicher Politik. Tatkräftig wusste er eigene Interessen, reichspolitische Diplomatie und enge Beziehungen zur Herrscherdynastie gewinnbringend zu verbinden. Zweitens nahm Hartbert an zahlreichen Reichstagen und Reichssynoden teil. Und drittens gewannen die Alpen- und Reichsstrassen von Norden nach Süden im Zuge der ottonischen Italienpolitik nicht nur wieder an Bedeutung, sondern hatten durch Territorialherren gesichert zu werden, denen alsbald auch Hartbert und seine Nachfolger zugerechnet werden dürfen. Im Jahre 951 unternahm König Otto I. einen von ihm selbst geleiteten und sehr erfolgreichen Italienfeldzug; Bischof Hartbert zählte zum Gefolge Ottos und unterstützte in Rom Ottos Erhebung zum Kaiser (962). Diese Reise machte den Anfang einer Reihe von Schenkungen - fiskalisch und herrschaftlich nutzbarer Rechte - zugunsten des Bistums Chur. Das erste Privileg vom 15. Oktober 951 [Abb. 35] beinhaltet die Übertragung eines Teils der königlichen Steuereinkünfte aus der Grafschaft Chur an Bischof <?page no="52"?> 52 VI. Das Bistum Chur von der ottonischen Zeit bis zum Ende des Investiturstreites (10.-12. Jahrhundert) Hartbert und die Übertragung der rechtlichen Mittel, diese Steuern eintreiben zu können. Es handelt sich einerseits um den Transitzoll am Obertor vor der Brücke über die Plessur und andererseits um Abgaben vom städtischen Markt am Fuss des bischöflichen Hofs bei St. Martin. Dieses Privileg darf vor dem Hintergrund der im Bistum Chur entstandenen Schäden durch den Sarazenen-Einfall gesehen werden - eine Quelle («Liber de feodis») spricht sogar von der Brandschatzung Churs im Jahre 940 -, steht aber auch am Beginn der Einbindung des Churer Bischofs in die Reichspolitik. Am 3. August 956 [Abb. 36] bestätigte Otto I. dem Churer Bischof die Schenkung des Königshofes («curtis») in Zizers (unter Aufzählung allen Zubehörs). Überreste dieses Gebäudekomplexes - Gutshof mit Stallungen - als Stützpunkt für den herumreisenden König konnten durch den Archäologischen Dienst Graubünden 2003/ 2009-2013 südlich der reformierten Dorfkirche in Zizers ergraben und freigelegt werden. Nur anderthalb Jahre später schenkte Otto I. laut der im königlichen Hoflager zu Fritzlar ausgestellten Urkunde vom 16. Januar 958 [Abb. 37] dem Churer Bischof die halbe «civitas» Chur (wahrscheinlich die ummauerte Hofanlage) mitsamt der Laurentiuskapelle auf dem Hof, ferner die Kirche St. Martin mit dem dazugehörenden Weinberg, das Hofgut und die Kapelle St. Hilarius bei Chur, die Kirche St. Carpophorus zu Trimmis, sowie Abb. 35: Übertragung von Fiskaleinkünften der Grafschaft Chur an Bischof Hartbert (951) [BAC] <?page no="53"?> 53 1. Die bedeutenden Zuwendungen Ottos I. an den Churer Bischof Hartbert Abb. 36: Bestätigung der Schenkung des Königshofs in Zizers an Bischof Hartbert (956) [BAC] Abb. 37: Erhalt der ersten Herrschaftsrechte am 16. Januar 958 [BAC] <?page no="54"?> 54 VI. Das Bistum Chur von der ottonischen Zeit bis zum Ende des Investiturstreites (10.-12. Jahrhundert) neben dem bereits seit 952 innehabenden Zollregal nun auch das Münzrecht in Chur, das nicht nur zum wirtschaftlichen Aufschwung der «bischöflichen» Stadt beitrug, sondern die unentbehrliche Geldwirtschaft förderte und zudem fiskalischen Eigennutzen brachte. Mit dieser Urkunde erhielt der Bischof von Chur also erstmals eigentliche Herrschaftsrechte, aber ebenso die Pflicht auferlegt, die Stadtmauern bewachen zu lassen. Entsprechend mutierte Hartbert zum militärischen Alleinherr über die «civitas» und garantierte für ein friedliches Zusammenleben in der Stadt. 960 [Abb. 38] wurden weitere königliche bzw. kaiserliche Schenkungen und ausserordentliche Privilegien vergeben, u. a. der «in vico Curia» gelegene Königshof (im Welschdörfli), das Val Bregaglia mit allen Grafen-, Gerichts- und Bannrechten, Steuer- und Zolleinkünften, das allgemeine Münzregal sowie die Fischenz im Walensee und in der Seez. Die ottonischen Zuwendungen bildeten allmählich einen zusammenhängenden Komplex und machten aus dem rätischen Bistum Chur einen bischöflichen Feudalstaat, der den Hauptverkehrsweg zwischen Oberitalien und Alemannien einsäumte und vom Walensee bis ins Veltlin reichte, nachdem am 5. Dezember 980 Kaiser Otto II. (973-983) dem Churer Bischof Hiltibald (bezeugt 975-988) den Brückenzoll an der Maira zu Chiavenna geschenkt hatte. König Otto III. (983-996; 996-1002 Kaiser) schliesslich übergab am 8. Oktober 995 der Kirche zu Chur alle einst vom Grafen Amizo zu Lehen besessenen Rechte und Nutzungen in Chiavenna. Abb. 38: Kaiserliche Schenkungen und Privilegien an Bischof Hartbert (960) [BAC] <?page no="55"?> 55 2. Die Churer Bischöfe im Bannkreis des Investiturstreites 2. Die Churer Bischöfe im Bannkreis des Investiturstreites Die Wendezeit des Mittelalters wird gemeinhin als «Zeitalter des Investiturstreites» bezeichnet. Eine kirchenrechtliche Einzelfrage, umstritten zwischen der weltlichen und geistlichen Gewalt, wird in diesem Terminus zur Signatur eines ganzen Abschnittes der Vergangenheit. Die Dauer der Auseinandersetzungen lässt sich - zumindest für den Bereich der deutschen und reichsitalienischen Geschichte - auf den Tag genau festlegen: nämlich vom 24. Januar 1076, als König Heinrich IV. (1056-1106) mit 26 Bischöfen in Worms Papst Gregor VII. (1073-1085) die Anerkennung entzog, bis zum 23. September 1122, als sein Sohn Heinrich V. (1106-1125) wiederum in Worms mit den Legaten des Papstes Calixtus II. (1119-1124) die Urkunden über den künftigen Modus der Bischofseinsetzungen austauschte (sog. «Wormser Konkordat»). Grundsätzlich war der Investiturstreit aber keineswegs allein eine Auseinandersetzung zwischen Kaisertum und Papsttum; vielmehr wandten sich die römischen Investiturverbote im Interesse der Unabhängigkeit der Kirche generell gegen die in allen Ländern üblich gewordene Rechtspraxis der Einsetzung kirchlicher Amtsträger durch Laien. Der christliche Charakter des kirchlichen Amtes wurde hervorgehoben und die Investitur (lat. «investitura» = Einkleidung) zu einem kirchlichen Akt erklärt. Doch damit verfielen Eigenkirchenwesen, Königs- und Reichskirche einem grundsätzlichen Verdikt, was zu folgenschweren Auseinandersetzungen führte. Das frühere einvernehmliche Verhältnis zwischen Kurie und deutschem Königshof hatte sich gegen Endes des Pontifikats Alexanders II. (1061-1073) zunehmend verschlechtert. Kontroverspunkt war 1073 die Besetzung des vakanten Mailänder Bischofssitzes durch König Heinrich IV., welcher ohne Rücksprache mit Rom den adeligen Kleriker Gottfried investierte (abgesetzt 1074), und danach unter dem neuen Pontifikat Gregors-VII. erneut versuchte, durch die eigenmächtige Ernennung Tedalds zum Erzbischof von Mailand (1075-1085) den Papst unter Druck zu setzen. Gregor VII. drohte dem weltlichen Herrscher Bann und Absetzung an; der Salier seinerseits betrachtete dies als Kampfansage, worauf die Reichsversammlung in Worms 1076 Antwort gab. Die deutschen Bischöfe formierten sich hinter Heinrich IV., formulierten einen Absagebrief an den Papst, während der König in einem eigenen Schreiben Gregor VII. die Gewalt aberkannte und ihn zum sofortigen Amtsverzicht aufforderte. Die lombardischen Bischöfe unter Führung Tedalds von Mailand schlossen sich in Piacenza dem deutschen Episkopat an. Reichskirche und König gingen in Worms ein Bündnis ein, dessen geistige Triebkräfte Episkopalismus und theokratische Herrscherauffassung waren. Wirkungsvoll und geschickt war die Reaktion Gregors VII. auf der Fastensynode zu Rom am 14./ 15. Februar 1076: Er setzte seinerseits Heinrich IV. ab, belegte ihn mit dem Kirchenbann und löste alle Vasallen vom königlichen Treueeid. Der Erzbischof von Mainz als Leiter der Wormser Versammlung wurde suspendiert, den sonstigen Teilnehmern dagegen Gnade in Aussicht gestellt, wenn sie bis zum 1. August 1076 dem Apostolischen Stuhl Genugtuung leisteten, andernfalls Absetzung und Exkommunikation angedroht. Diese im kirchenpolitischen Kampf noch neue und scharfe Waffe tat in der mittelalterlichen Welt ihre Wirkung. Auf dem Fürstentag zu Tribur bei Mainz drohten die Fürsten und die Mehrzahl der deutschen Bischöfe, sich von <?page no="56"?> 56 VI. Das Bistum Chur von der ottonischen Zeit bis zum Ende des Investiturstreites (10.-12. Jahrhundert) der Treuepflicht gegenüber Heinrich IV. zu lösen - ein grundsätzlicher Machtkampf um das Verhältnis der beiden Gewalten «regnum» und «sacerdotium» war losgebrochen. Zudem war die noch junge Reichskirche in ihrer von Otto I. geschickt aufgebauten Funktion als Stütze des Königtums erstmals ernsthaft gefährdet. Der berühmtgewordene Gang nach Canossa, wo Heinrich IV. am 28. Januar 1077 von Gregor VII. die Aufhebung der Exkommunikation erwirkte, stellt eine Wende zur Entsakralisierung des Königtums dar und läutete eine neue Epoche abendländischer Geschichte mit Führungsanspruch des Papstes ein: zum ersten Mal in deutlicher Weise auf der Lateransynode von 1078 in umfassende Geltung gebracht durch das Verbot der Laieninvestitur, welches auf der Märzsynode 1080, nachdem Heinrich IV. weiterhin Bischofstühle besetzte, noch verschärft wurde, indem es auch die investierenden Laien mit dem Bann belegte. Vor diesen Hintergrund sind die Amtszeiten der Churer Bischöfe Norbert (1079- 1088), Ulrich II. von Tarasp (1089-1096) und Wido (1096-1122) einzuordnen. Vor seiner Ernennung zum Bischof von Chur amtete Norbert, dessen Herkunft mit einem Fragezeichen versehen werden muss, als Dompropst zu Augsburg. Augsburg zählte gerade in den Jahrzehnten der Auseinandersetzungen zwischen Papsttum und Königtum zu den zuverlässigsten Bastionen Heinrichs IV. im süddeutschen Raum. Das dortige Domkapitel diente dem König als Reservoir zur Besetzung vakanter Bistümer - so auch 1079 in Chur. Als Gegenkandidat zum papsttreuen Churer Dompropst Ulrich von Tarasp erhob Heinrich IV. Norbert auf den Churer Bischofsstuhl mit der Auflage, das Bistum Chur von Mainz zu lösen und wieder dem Erzbistum Mailand zu unterstellen, was aber keine Umsetzung fand. Auf der Synode von Brixen unterzeichnete Norbert am 25. Juni 1080 das Dekret über die Absetzung Papst Gregors VII. Im Februar 1085 erhielt er durch Heinrichs Parteigänger Wezilo, Erzbischof von Mainz (1084-1088), die Bischofsweihe, wurde aber wenige Zeit später auf der Synode der Papsttreuen in Quedlinburg (Sachsen-Anhalt) am 20. April 1085 als Churer Bischof abgesetzt und gebannt mit der Begründung, Norberts Einsetzung durch Heinrich IV. und die Konsekration durch Wezilo seien ungültig. Trotzdem vermochte sich Norbert bis zu seinem Tod am 26. Januar 1088 in Chur zu halten. Am 18. April 1089 beauftragte Papst Urban II. (1088-1099) den Bischof von Konstanz, Gebhard III. von Zähringen (1084-1110), mit der Wiederbesetzung des vakanten Churer Bischofsstuhls. Gebhard III. gelang es, den 1079 noch unterlegenen Ulrich von Tarasp dieses Mal in Chur einzusetzen. Urkunden aus seiner Amtszeit sind keine erhalten; laut Eintrag im «Necrologium Curiense» starb Ulrich II. am 30. Juli 1096. Zu den Amtshandlungen des aus dem Unterengadin stammenden papsttreuen Bischofs zählt die Mitbegründung des Tarasper Eigenklosters Schuls/ Scuol, das unter der Regelbeobachtung des hl. Benedikts stand und wegen ungünstiger Lage und Armut 1146 nach St.-Stephan ob Burgeis im oberen Vinschgau und kurz darauf nochmals zu einer nahegelegenen Marienkapelle verlegt und infolge «Marienberg» (1150: «in monte sancte Marie») genannt wurde - somit den Anfang bildete der bis heute bestehenden Benediktinerabtei Marienberg. Ulrichs Nachfolger, Bischof Wido, amtete zuvor wie schon Norbert als Domherr zu Augsburg, stand der Gregorianischen Reformpartei nahe und ist am 10. März 1096 erst- <?page no="57"?> 57 2. Die Churer Bischöfe im Bannkreis des Investiturstreites mals als Bischof von Chur bezeugt. Über sein 26jähriges Episkopat geben erhaltene Korrespondenzen (in der Vatikanischen Bibliothek) zwischen Wido und den beiden Päpsten Paschalis II. und Calixtus II. aufschlussreiche Auskünfte. Wido diente der römischen Kurie zum einen als wichtiger Ansprechspartner für deren Angelegenheiten im süddeutschen Raum, als Vermittler in der Befriedung der Differenzen zwischen Krone und Tiara im Zuge des Investiturstreites; zum anderen wird in den päpstlichen Schreiben der Churer Bischof angehalten, den Umgang mit von der Kirche exkommunizierten Persönlichkeiten zu meiden. Im Bischöflichen Archiv Chur finden sich ausser den Einträgen im «Necrologium Curiense» erstaunlicherweise keinerlei urkundliche Hinweise. Bischof Wido näherte sich nach dem Tod Heinrichs IV. dem neuen Herrscher, Heinrich V., an, vermied aber geschickt eine einseitige Parteinahme. Paschalis II. bedankte sich am 2. Januar 1110 ausdrücklich bei Wido für dessen «obedientia» gegenüber dem päpstlichen Stuhl. Dass Wido ein Jahr zuvor (1109) zusammen mit dem Konstanzer Bischof die Weihe des Reformklosters Zwiefalten vorgenommen hatte, hängt wohl damit zusammen, dass das Kloster auf churrätischem Territorium lag und um Maienfeld über beachtlichen Besitz verfügte, weniger jedoch mit Widos möglicherweise positiver Einstellung gegenüber den angegangenen (Kloster-)Reformen. Stellvertretend für den Konstanzer Ordinarius weihte Wido 1113 auch das benediktinische Reformkloster St. Peter im Schwarzwald; doch Nachweise seiner Obsorge um das klösterliche Leben innerhalb des Churer Sprengels bleiben rar, ja weisen eher auf Widos Vernachlässigung hin (Niedergang Mistails und des Benediktinerklosters in Müstair, wachsende unbefriedigende Zustände Abb. 39: Benediktinerabtei Marienberg ob Burgeis im Vinschgau [BAC.BA] <?page no="58"?> 58 VI. Das Bistum Chur von der ottonischen Zeit bis zum Ende des Investiturstreites (10.-12. Jahrhundert) in Cazis). Unter Widos Amtszeit wurde das Hospiz auf dem Septimerpass (teilweise aus Gütern des ehemaligen Klosters Mistail) errichtet; der Passübergang als Direktverbindung zwischen Bivio und dem Bergell nahm erst im 11. Jahrhundert an Bedeutung zu und erfuhr dank der Hospizerrichtung zusätzlich eine Aufwertung. Bischof Wido erlebte die Beilegung des Investiturstreites durch das Wormser Konkordat nicht mehr; er starb im Benediktinerkloster Petershausen in Konstanz am 17. oder 18. Mai 1122; sein Leichnam wurde anschliessend nach Chur überführt. Zur Beilegung des Investiturstreites zwischen Papst und Kaiser traten die deutschen Fürsten auf den Plan und erreichten unter Calixtus II. und Heinrich V. den Konkordatsabschluss zu Worms am 23. September 1122, dessen Inhalt 1123 durch das Erste Laterankonzil bestätigt wurde. Formell handelt es sich um zwei getrennte Urkunden: dem «Calixtinum» mit den päpstlichen Zugeständnissen und dem «Privilegium Henrici», das die Zugeständnisse des Kaisers enthielt. Letzterer gestand die freie kanonische Wahl der Bischöfe und Äbte des Reiches zu. Die geistlichen Würden («spiritualia») wurden nun mit Ring und Stab durch den zuständigen Metropoliten übertragen, die «temporalia» hingegen vom König/ Kaiser verliehen. Dieser nahm auch die Investitur mit den Reichslehen und den weltlichen Hoheitsrechten vor (bis 1806) und empfing dafür entweder vor oder bis sechs Monate nach der Weihe den Lehens- und Treueeid des Bischofs. Insgesamt war der Konkordatsabschluss ein bescheidenes Ergebnis. Das Konfliktpotential zwischen «sacerdotium» und «regnum» konnte wohl verringert, aber keinesfalls umfassend beseitigt werden. Insofern bedeutet die Zeit des Investiturstreits nur eine erste Spannungsphase innerhalb der langfristigen, bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts virulenten Gesamtproblematik des Verhältnisses zwischen beiden Universalgewalten, welche auch auf die Churer Bistumsgeschichte Einfluss hatte. <?page no="59"?> 59 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12./ 13. Jahrhundert) Seit dem 12. Jahrhundert hatte sich aus der bischöflichen Grundherrschaft und den dazugehörigen Hoheitsrechten ein weltliches Fürstentum gebildet mit Hofhaltungen (in Chur, Fürstenau und Fürstenburg) sowie mit Lehensgericht für Dienst- und Lehensleute. Als erster Churer Bischof in der Stellung eines geistlichen Reichsfürsten [Fürstbischof (bis 1806)] ist Egino von Ehrenfels (1160-1170) urkundlich bezeugt. Die Kerngebiete des weltlichen Territoriums der Churer Bischöfe [= Hochstift] lagen historisch bedingt an den Nord-Süd-Strassen entlang der bereits früher beschriebenen wichtigen Julier- und Septimerroute. Im Hochmittelalter gehörten auch die Grafschaften Chiavenna und Bormio dazu. Im Bergell, im Schams und Rheinwald gelangte der Bischof in Besitz alter Grafenrechte, und in der Surselva, im Unterengadin und im Vinschgau verfügte er über Streubesitz und die niedere Gerichtsbarkeit. Bis zur Reformation blieben die Churer Bischöfe die bedeutendsten rätischen Grundherren. Dieser weltliche Besitzzuwachs war zweifellos eine (lebens-)wichtige Grundlage der punktuell ausgeübten Herrschaftsrechte des Bischofs von Chur im Hoch- und Spätmittelalter; doch verlor sich der Bischof infolge oft genug im Dickicht seines Feudalstaates mit seinen kostspieligen und mitunter blutig ausgetragenen Fehden (v. a. gegen die Herren von Vaz und von Matsch), was die Wahrnehmung seiner eigentlichen Hirtenaufgaben beeinträchtigte und zunehmend negative Auswirkungen auf die Seelsorge zeigte. 1. Churer Bischöfe nach dem Wormser Konkordat bis zum Ende des 12. Jahrhunderts a) Konrad I. von Biberegg (1123-1145) und die Berufung der Prämonstratenser nach Chur Nach dem Tod Widos wurde Konrad I. aus dem schwäbischen Grafengeschlecht von Biberegg auf den bischöflichen Stuhl von Chur erhoben. Die Beteiligung bzw. Anwesenheit Konrads bei den Unterhandlungen und / oder beim Abschluss des Wormser Konkordats lässt sich nicht belegen. Auch auf der Lateransynode 1123 findet sich der Name Konrads nicht, sondern dieser reiste im März des gleichen Jahres nach Speyer, wo er von Heinrich V. die Reichsregalien verliehen bekam. Am 29. April 1123 empfing Konrad I. von Biberegg in Mainz die Bischofsweihe. Seine Anwesenheit auf dem Mitte November 1125 in Regensburg stattgefundenen Hoftag nutzte Konrad I. zur Etablierung seiner Person und Stellung als Bischof an der Nord-Süd-Achse im Alpenraum. Auf Vermittlung des Churer <?page no="60"?> 60 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) Ordinarius erhielten die Benediktinerklöster Pfäfers und Disentis durch König Lothar III. (1125-1133, Kaiser 1133-1137) 1125 den Status von Reichsabteien. Die durch einen Brand zerstörte und wiederaufgebaute Erstgründung in Tarasp als Vorläuferin des späteren Klosters Marienberg wurde am 7. Juli 1131 von Bischof Konrad I. neu eingeweiht; anschliessend reiste der Churer Bischof weiter in den Vinschgau, wo er die Kapelle St. Zeno in Burgeis konsekrierte. Im November 1133 gehörte Konrad I. zum Gefolge der Gratulanten, welche in Basel dem neu gekrönten Kaiser die Ehre erwiesen und daselbst einen Hoftag abhielten. 1137/ 39 kam es auf dem Territorium des Bistums Chur zu einer wichtigen Veränderung bzgl. Güter und Besitzverhältnisse. Die Grafen von Gammertingen [heute: Stadt in Baden-Württemberg] verkauften ihre Herrschaft im Oberengadin (eine Fläche von S-chanf bis Silvaplana bzw. vom Albula- und Julierbis zur Wasserscheide des Berninapasses) für 800 Mark Silber und 60 Unzen reinen Goldes an den Churer Bischof. Durch diesen Kauf verfügte das Hochstift Chur neu über das ganze Oberengadin mit den beiden Hauptsiedlungen Zuoz und Samedan samt den entsprechenden Kirchen; so war nicht nur die Aufsicht über die Julierpassstrasse in der Hand des Bischofs, sondern er hatte neu über den Berninapass freien Zugang ins Puschlav und Veltlin. Doch nicht nur das Territorium des weltlichen Hochstifts Chur erhielt unter Konrad I. beachtlichen Zuwachs, sondern in seiner Amtszeit gelang wahrscheinlich bereits die Berufung von Prämonstratenserpatres von Roggenburg nach St. Luzi ob dem bischöflichen Hof in Chur, wo seit der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts eine dem hl. Luzius geweihte Kirche stand, welche die spätromanische Andreasmemorie (Grabkirche) ersetzt hatte. Der Prämonstratenserorden (lat. «Candidus et Canonicus Ordo Praemonstratensis» - «Weisser und Kanonischer Orden von Prémontré» [OPraem]) ist der grösste römisch-katholische Orden von regulierten Chorherren und wurde 1120 von Norbert von Xanten (1080/ 85-1134), einem Wanderprediger, mit 13 Gefährten in Prémontré bei Laon in der Picardie (Frankreich) gegründet. Norbert wurde 1126 Erzbischof von Magdeburg und starb daselbst am 6. Juni 1134 (heiliggesprochen 1582). Gemäss der Tradition liess um 1140 der Churer Bischof aus dem schwäbischen Prämonstratenserkloster Roggenburg, das seine Brüder Siegfried (Domherr zu Augsburg) und Graf Bertold von Biberegg um 1126 gestiftet hatten, Kanoniker nach Chur kommen, die sich bei St. Luzi niederliessen. Erste urkundlich bezeugte Erwähnung von St. Luzi als Kloster stammt aus dem Jahre 1149. Papst Eugen III. (1145-1153) gewährte in Frascati am 6. November 1149 dem Gotteshaus St. Luzi seinen Schutz und bestätigte diesem seine Besitzungen (Höfe im Vorarlberg, in Igis, Peist und Malix, zudem Weinberge, Felder und Wiesen in Chur sowie die Kirche St. Maria und St. Michael in Churwalden), Rechte und Freiheiten. Die Urkunde [Abb. 40] wurde auf Verlangen vom Churer Prior Aimo (1146-1154) und seinen Mitbrüdern erstellt; erwähnt wird darin zudem, dass die Klostergemeinschaft, als «fratres regularem vitam professi» bezeichnet, nach der Augustinerregel lebte. Zusammen mit eigenen Lebensformen bildete diese für die Prämonstratenser die Grundlage. Die Zugehörigkeit des Churer Konvents zum Prämonstratenserorden wird urkundlich erstmals in einer in Rom ausgestellten päpstlichen Bulle vom 21. April 1214 durch Innozenz III. (1198-1216) bestätigt. <?page no="61"?> 61 1. Churer Bischöfe nach dem Wormser Konkordat bis zum Ende des 12. Jahrhunderts Abb. 40: Urkunde vom 6. November 1149 [BAC] <?page no="62"?> 62 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) b) Adalgott (1151-1160) und die Reform der alten Klöster Nach dem Tod des nur für kurze Zeit als Churer Bischof im Amt gestandenen Konrads-II. (1142-1150; gestorben am 27. März 1150) bestieg ein Zisterziensermönch des Klosters Clairvaux und Schüler des hl. Bernhard von Clairvaux (um 1090-1153) den Churer Bischofsstuhl: Adalgott. Er ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Abt von Disentis aus dem 11. Jahrhundert. Trotz seines fortgeschrittenen Alters war Adalgott in erster Linie ein tatkräftiger und reformorientierter Hirte, stand aber auch auf dem Parkett der Reichspolitik mit dem Stauferkaiser Friedrich I. Barbarossa (1155-1190) in gutem Einvernehmen; letzterer wusste die rätischen Alpenübergänge als sichere Zugänge in den Süden rege zu nutzen. Die Bischofsweihe erhielt Adalgott am 4. Februar 1151 in Mainz. In einer Urkunde aus dem Jahre 1154 sagt er über sich selbst, er habe die Last des bischöflichen Amtes zum Nutzen für die Klöster und zur Sorge für die Armen übernommen («ego, Algotus Curiensis episcopus, pro utilitate monasteriorum et cura pauperum pontificale onus suscipiens»). In der Tat gilt Adalgott als Reformer der Klöster Cazis, Müstair und Schänis; er drang auf klösterliches Leben, auf die Feier der Liturgie, die Einhaltung der Klausur und die Übung der Nächstenliebe. Insbesondere begünstigte Adalgott im Einverständnis des Churer Domkapitels das neu gegründete Prämonstratenserkloster St. Luzi, dem er das Spital bei der Martinskirche in Chur, die Höfe Savognin und Latsch, Zehntrechte in Rankweil sowie Klosterbesitz in Mistail mit der Auflage schenkte, die Armen zu unterstützen. Mit der Güterübergabe von Hof und Kirche in Prada an St. Luzi hob Adalgott das Frauenkloster St. Peter Mistail rechtlich und besitzmässig definitiv auf, nachdem dieses bereits seit längerer Zeit unbesiedelt geblieben war und eine Reanimation nicht zuletzt aufgrund der ungünstigen geographischen Lage unmöglich erschien. Im bischöflichen Eigenkloster Cazis, der ältesten Klostergründung im Bistum Chur, stellte er unter ausdrücklicher Zustimmung des Papstes 1156 die Klosterdisziplin (Gelübde, Klausur) wieder her, übergab die Konventsleitung einem Prämonstratenser-Chorherrn aus St. Luzi in der Funktion eines Priors und dotierte es ebenso mit Gütern. Papst Hadrian IV. (1154-1159) bestätigte am 27. November 1156 Adalgotts Arbeit in Cazis und sicherte dem Augustiner-Chorfrauenstift päpstlichen Schutz zu. Besonders kümmerte sich Adalgott um das noch im Aufbau befindliche Benediktinerkloster Marienberg. Zusammen mit Ulrich III. von Tarasp, zu dem Adalgott freundschaftliche Beziehungen pflegte und der ihm 1160 im Unterengadin (Schuls, Ftan, Tarasp, Ardez, Guarda), oberen Vinschgau (Laatsch, Schleis, Mals), Oberhalbstein (Savognin, Tinizing) und Bergell (Vicosoprano, Casaccia) Ministeriale und Besitz schenkte, sorgte Adalgott durch Schenkungen (Inkorporation der Kirche St. Martin in Passeier) für eine materielle Sicherstellung der Abtei ob Burgeis. Einer Reform bedurfte der Konvent nicht, weil dort bereits von Ottobeuren aus die Hirsauische Reform Eingang gefunden hatte. Am 13. Juli 1160 konnte der Churer Bischof die von einem unbekannten Maler («Meister von Marienberg») wunderbar künstlerisch ausgestaltete Krypta der Klosterkirche von Marienberg einweihen [Abb. 41]. <?page no="63"?> 63 Um seinen Schenkungen und getätigten Klosterreformen Bestand zu verleihen, liess Adalgott alles 1157 durch seinen Mainzer Metropoliten und Erzbischof Arnold von Selenhofen (1153-1160) urkundlich bestätigen; diese Bestätigung liegt lediglich als Vidimus des Geistlichen Gerichts in Chur vom 20. Juli 1396 vor [Abb. 42]. Nach neunjähriger Amtszeit hinterliess Adalgott bei seinem Tod am 3. Oktober 1160 (Necrologium Curiense) ein im Umfang weiter angewachsenes Hochstift Chur und ein durch seine Reformarbeit geordnetes Klosterleben in seinem Bistum. Im ersten gedruckten Churer Proprium von 1646 figuriert Adalgott als diözesaner Heiliger; auch die Zisterzienser nahmen ihn in ihren Heiligenkalender auf. 1. Churer Bischöfe nach dem Wormser Konkordat bis zum Ende des 12. Jahrhunderts Abb. 41: Die 1160 von Bischof Adalgott eingeweihte Krypta in der Benediktinerabtei Marienberg [BAC.BA] Abb. 42: Vidimus der Urkunde von 1157, worin der Erzbischof von Mainz Reformen und Schenkungen Adalgotts bestätigt [BAC] <?page no="64"?> 64 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) c) Exkurs: Ein Abbild der Blütezeit kirchlicher Kunst in Rätien des 12. / 13. Jahrhunderts: Die Kathedrale von Chur Ein Abbild der Blüte religiösen Lebens, das sich in seinen Ausformungen für das Hochmittelalter nur lückenhaft erschliessen lässt (z. B. Verehrung der Heiligen [Chur, Disentis, Rankweil, Ramosch], Wallfahrten oder Sorge um das Seelenheil [Jahrzeitstiftungen]), ist immer auch die kirchliche Kunst. Eine erste Kunstblüte in Rätien fällt noch in die karolingische Zeit. Die Kirchenbauten von Mistail, Müstair, Mals und Naturns erinnern daran. Doch die Einfälle der Sarazenen im 10.- Jahrhundert brachten einen schweren Rückschlag. Man baute wohl im überkommenen Stil weiterhin Gotteshäuser und stattete sie mit künstlerisch wertvollen Bilderzyklen aus (so in St.-Georg in Rhäzüns, St.-Martin in Zillis oder St. Agatha in Disentis), aber von der Blüte des romanischen und gotischen Baustiles im angrenzenden Deutschland und Frankreich nahm man kaum Notiz. Das einzige noch erhaltene Bauwerk, das klare Einflüsse der Romanik und Gotik aufweist, ist die heutige Kathedrale zu Chur. Anhand von Grabungen im Jahre 1921 konnte nachgewiesen werden, dass der heutigen romanisch-frühgotischen Basilika zwei Kirchen vorausgegangen sind - zunächst eine aus frühchristlicher Zeit: Wahrscheinlich war es eine dreischiffige Basilika mit Querschiff, die von einem Vorgänger Bischofs Asinio erbaut worden war. Den Bau der zweiten vorkarolingischen Kathedrale schreibt die Tradition, wie bereits erwähnt, Bischof Tello zu. Ihre Bau- Abb. 43 / 44: Kathedrale Chur. Südseite und Hauptportal (Westseite) [BAC.BA] <?page no="65"?> 65 1. Churer Bischöfe nach dem Wormser Konkordat bis zum Ende des 12. Jahrhunderts zeit schätzt man auf insgesamt zehn Jahre, 750 bis 760. Laut Grabungsergebnissen haben wir das Gotteshaus als einschiffige Saalkirche mit drei hufeisenförmigen Apsiden zu denken. Aus ihr sind uns weisse Marmorplatten mit ornamentalem Schmuck überkommen (heute als Altarverkleidung in der Krypta und in der Laurentiuskapelle zu bewundern). Abb. 45: Verkleidung am Krypta-Altar mit Flechtwerkfragmenten aus dem 8. Jahrhundert [BAC.BA] Abb. 46: Grundriss der Kathedrale mit Hinweisen auf die Vorgängerbauten [BAC.BA] <?page no="66"?> 66 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) Mit dem Bau der heutigen Kathedrale Mariae Aufnahme in den Himmel (Patrozinium: 15. August) wurde noch im Jahre 1150 begonnen; somit kommt der Zisterziensermönch und Bischof Adalgott als Bauplaner und erster Bauherr in Frage. Am 2. Juni 1178 wurden vom Zisterzienserbischof Berno von Mecklenburg-Schwerin der Hochaltar und der Chorraum geweiht. Die Schlussweihe dagegen fand mehr als 100 Jahre später statt: am 19.-Juni 1272 durch den Churer Bischof Heinrich III. von Montfort (1251-1272); die entsprechende Konsekrationsurkunde [Abb. 47] wurde 1943 im Sepulcrum des Hochaltars gefunden. Es ist geradezu erstaunlich, dass trotz dieser langen Bauzeit eine einheitliche, geschlossene Wirkung erzielt werden konnte, welche in gekonnter Weise südfranzösische und lombardische Einflüsse, aber auch eigenständiger Formwille vereinte. Wenn der Besucher die Kathedrale durch das romanische Portal der Westfront [Abb. 44] betritt, wird ihm auffallen, wie das Altarhaus, das Chorquadrat und wiederum der Chor und das Kirchenschiff nicht in einer gerade verlaufenden Achse liegen (vgl. Grundriss, Abb. 46). Solche Verschiebungen kommen bei Grossbauten des Mittelalters mit langer Bauzeit häufig vor, da jede Bauleitung die Kirche von neuem orientierte. In Chur waren sicherlich auch Geländeschwierigkeiten (steil abfallende Südseite) eine der Ursachen. Obwohl die Bauherren vom gotischen System das Kreuzrippengewölbe und den Spitzbogen übernommen hatten, bleibt der Dom ganz von der Romanik geprägt. Das Hochstrebende, die Auflösung der Wandpfeiler, der Formenreichtum ist ihm weitgehend fremd geblieben. Dagegen kommt die Forderung der zisterziensischen Reform nach Einfachheit, verbunden mit den damals eher kargen wirtschaftlichen Voraussetzungen und den landschaftlichen Gegebenheiten, gut zum Ausdruck. Der Bau trägt den Geist der Natur, aus der er gewachsen ist. Wenn die Urkunden nur spärlich Auskunft geben über die Zeit des Entstehens der Kathedrale oder über die Namen der Werkleute, so reden die Steine bis in unsere Tage hinein eine sehr deutliche Sprache über das Können der Künstler und über den Glauben, dem sie in ihrem Werk bleibenden Ausdruck verliehen haben. Hier sind vor allem die zahlreichen Steinmetzarbeiten angesprochen: z. B. die Kapitelle (unbehauen als Bosse eingesetzt und vor Ort verarbeitet) oder die vier Apostelsäulen. Wenn der Abb. 47: Weiheurkunde der Kathedrale zu Chur vom 19. Juni 1272 mit Siegel des Churer Bischofs Heinrich III. von Montfort [BAC] <?page no="67"?> 67 1. Churer Bischöfe nach dem Wormser Konkordat bis zum Ende des 12. Jahrhunderts Bau in Beziehung gebracht wird mit Bischof-Adalgott und dem Zisterzienserorden, kann man durchaus annehmen, dass Mönche den Inhalt der Darstellungen festgelegt haben. Insbesondere den figürlichen Darstellungen kommt ein heilsgeschichtlicher Aussagewert zu; diesen immer richtig zu bestimmen, fällt nicht leicht. Das Denken in Symbolen und Zeichen war dem Zeitalter der Romanik und Gotik viel vertrauter als uns. Generell gesagt, führen uns die Darstellungen (wahrscheinlich thematisch geordnet) vom Heilshandeln Gottes im Alten Testament (Kirchenschiff) hin zum Neuen ewigen Bund in Jesus Christus (Chorraum). Zu den Rosinen im Dom, die der spätgotischen Zeit zuzurechnen sind, gehören zum einen das Sakramentshäuschen (1484), zum anderen der im Zuge der Gesamtsanierung des Domes (2001-2007) minuziös renovierte Hochaltar. Kunstmäzen und Churer Bischof Ortlieb von Brandis (1458-1491) gab die Steinmetzarbeit in Feldkirch bei «Meister Claus» in Auftrag; das Altarretabel liess er von Jakob Russ aus Ravensburg vor Ort anfertigen. Russ schuf den Altaraufbau in den Jahren 1486 bis 1492. In beiden Werken werden Maria als Kirchenpatronin und die hll. Luzius und Florinus als Bistumspatrone herausgestellt. Die Innenseiten der Altarflügel hat Russ der Darstellung der Heiligen vorbehalten, welche mit Chur in besonders enger Beziehung standen: die hll. Placidus und Sigisbert (Disentis) sowie die hll. Gallus und Othmar (St. Gallen). Die Passionsszenen in der Predella führen den Betrachter zur bemalten und geschnitzten Rückseite des Flügelaltars, wo Abb. 48: Steinmetzarbeiten in der Kathedrale: Kapitelle [BAC.BA] <?page no="68"?> 68 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) die Kreuzigung Christi und seine Grablegung Platz finden. Steht der renovierte Hochaltar im Schein der Sonnenstrahlen, welche die südlichen Obergadenfenster durchbrechen, oder in gut gewähltem Kunstlicht, wird der Besucher eine spätgotische Kostbarkeit im Einklang der Romanik des Churer Domes bewundern können, die ihresgleichen sucht. d) Egino von Ehrenfels (1160-1170) Als Nachfolger Adalgotts ist der zwischen 1154 und 1160 amtierende Churer Dompropst Egino von Ehrenfels bezeugt. Den genauen Zeitpunkt der Amtsübernahme kann aufgrund fehlender Quellen nicht festgemacht werden; jedenfalls blieb Egino nach seiner Ernennung zum Bischof längere Zeit nur Elekt und liess sich gemäss Eintrag im Necrologium Curiense erst am 16. April 1167 konsekrieren - vom wem und wo, bleibt unbekannt. 1163 erhielt das Kloster Müstair durch Schenkungen aus dem Geschlecht der Abb. 49: Hochaltar der Kathedrale Chur, geschaffen von Jakob Russ aus Ravensburg in den Jahren 1486-1492 [BAC.BA] <?page no="69"?> 69 1. Churer Bischöfe nach dem Wormser Konkordat bis zum Ende des 12. Jahrhunderts Tarasper und ihrer Verwandten bedeutenden Zuwachs an Gütern und Besitz im Etschtal, Engadin und Vinschgau, welche Egino urkundlich bestätigte. Das bischöfliche Eigenkloster wurde nicht nur zu einem zentralen Stützpunkt im Münstertal, sondern wichtiger Ausgangspunkt des Churer Bischofs für die Ausweitung seiner politischen Einflussnahme Abb. 50: Pergamenturkunde Kaiser Friedrichs I. Barbarossa vom 15. Mai 1170 [BAC] <?page no="70"?> 70 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) im Vinschgau. Hierin spielte auch der zweite Klostersitz Marienberg nicht zuletzt in der Alpen- und Italienpolitik des Stauferkaisers Friedrich I. Barbarossa eine Rolle. Die Verbundenheit mit dem weltlichen Herrscher wird dadurch deutlich, dass Kaiser Friedrich I. am 15. Mai 1170 bei der Übertragung der Vogtei Chur durch Bischof Egino als Lehen an den Sohn Friedrichs, Herzog Friedrich V. von Schwaben (1167-1191), den Churer Oberhirten auf Lebenszeit vom Hof- und Reichsdienst befreite; in dieser Urkunde [Abb. 50] wird Egino erstmals als Fürstbischof («princeps noster Egino episcopus») bezeichnet. Mit dieser Übertragung standen so nicht bloss die wichtigsten rätischen Passübergänge in der Verfügung der Staufer, sondern der kirchliche Sprengel Chur wurde dadurch immer mehr in den staufischen Machtbereich hineingezogen. 1180 wurde auch der Bodenseeraum (durch Schenkung des Grafen Rudolf von Pullendorf an den Kaiser) zu einem fast völlig staufischen Herrschaftsgebiet. Laut Necrologium Curiense soll Egino am 9. August (wahrscheinlich 1170) gestorben sein. e) Ulrich III. von Tegerfelden (1170-1179) und Bruno (1179-1180) Vor seiner Wahl zum Bischof von Chur lebte Ulrich von Tegerfelden, der aus einem aargauischen Freiherrengeschlecht stammte, als Benediktinermönch im Kloster St. Gallen und übernahm 1167 als Abt die Führung des Konvents. Wegen seines vorbildlichen Lebenswandels berief man ihn 1170 nach dem Tod Eginos auf den Churer Bischofsstuhl. Ulrich III. nahm das bischöfliche Amt zwar an, ohne je die Bischofsweihe empfangen zu haben; dagegen behielt er die Leitung des Klosters St. Gallen weiterhin inne. Deshalb liegt es nahe, dass am 2. Juni 1178 nicht Abtbischof Ulrich, sondern in seinem Namen der Zisterzienserbischof Berno von Mecklenburg-Schwerin den Chor und den Marienaltar der Kathedrale zu Chur geweiht hat. Auf dem dritten Laterankonzil von 1179, das neben 300 weiteren Bischöfen auch Abtbischof Ulrich besuchte, beschloss die Kirchenversammlung, dass niemand mehrere Würden zugleich innehaben durfte. Papst Alexander III. stellte den Oberhirten von Chur in der Folge vor die Alternative, entweder auf die Führung der Reichsabtei St. Gallen oder des Bistums Chur zu verzichten. In Gegenwart aller Konzilsväter, so wird berichtet, habe Ulrich III. auf das Bischofsamt verzichtet und seiner Berufung als Mönch den Vorzug gegeben. Abt Ulrich leitete den Konvent in St. Gallen noch bis 1199. Auf Ulrich III. folgte ein gewisser Bruno auf den Churer Bischofsitz; er starb als Elekt bereits im Jahr 1180. f) Heinrich II. (1180-1194) und Reinher della Torre (1194-1209) Brunos Nachfolger, Heinrich II., Domherr zu Salzburg, ist von Juli 1180 bis November 1183 als Churer Elekt bezeugt. Wohl 1184 in Mainz dann zum Bischof konsekriert, wurde er nach einem jahrelangen und zermürbenden Prozess über drei Instanzen auf Klage des Churer Domkapitels durch Papst Cölestin III. (1191-1198) wegen enormer Misswirtschaft und anderer schwerer Vergehen Ende 1193 / Anfang 1194 abgesetzt und <?page no="71"?> 71 1. Churer Bischöfe nach dem Wormser Konkordat bis zum Ende des 12. Jahrhunderts exkommuniziert. Wann und wo der seines Amtes Enthobene starb, verzeichnet das Churer Totenbuch nicht; es berichtet bloss, dass unter seinem Episkopat das Bistum Chur in «gänzlichen Zerfall» geraten sei. Als weiterer treuer Parteigänger der Staufer bestieg bald nach der Absetzung Heinrichs der aus dem Valle di Blenio stammende Reinher della Torre den Churer Bischofsstuhl; zwischen 1200 und 1209 ist er urkundlich bezeugt. Seine Hauptaufgabe war es, nach der turbulenten Zeit um Heinrich II. das Bistum in innerkirchlicher wie auch politischer Hinsicht wieder in ruhigere Bahnen zu führen, was ihm als angesehener Reichsfürst und von den Päpsten in ihren Dienst genommenen geschickter Kirchendiplomat gelang. 1194 weilte Kaiser Heinrich VI. von Hohenstaufen (1191-1197) auf seinem Zug nach Italien (25. Dezember 1194: Krönung zum König von Sizilien) in Chur, wo er laut Urkunde vom 22. Mai 1194 [Abb. 51] dem Prämonstratenserkloster St. Luzi die Kirche St. Mariae Himmelfahrt in Bendern mit den ihr zugehörigen Gütern übertrug; dieses königliche Lehen besass zuvor ein gewisser Rüdiger von Limpach. Der Besitz der Kirche wurde den Chorherren 1207 von König Philipp von Schwaben (1198-1208), 1214 von König Friedrich II. (1212-1220; 1220-1250 Kaiser) sowie 1208 und 1214 von Papst Innozenz III. und 1229 von Papst Gregor IX. (1227-1241) bestätigt. Die Inkorporation erfolgte zuerst 1215 durch Bischof Arnold II. von Matsch (1209-1221) und dann «pleno iure» am 13. Dezember 1251 durch Bischof Heinrich III. von Montfort mit der Begründung, das Kloster St. Luzi sei arm und brauche die Einkünfte der Pfarrei. Der Propst von St. Luzi konnte künftig die Pfarrpfrund mit einem eigenen Abb. 51: Pergamenturkunde Kaiser Heinrichs VI. von Hohenstaufen vom 22. Mai 1194 [BAC] <?page no="72"?> 72 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) Chorherrn oder einem säkularen Geistlichen besetzen. Zum Pfarrsprengel Bendern mit Gamprin gehörten Sennwald (bis 1422), Salez (bis 1512), Haag (bis 1637), Ruggell (bis 1874) und Schellenberg (bis 1881). Bendern wurde in der Geschichte der Prämonstratenser von St. Luzi zu einem wichtigen (Zufluchts-)Ort nach der Reformation in Chur. Eine weitere Begebenheit in der Amtszeit Reinhers soll hier festgehalten werden: Anlässlich der am 28./ 29. Oktober 1201 durchgeführten Altarweihen in der inzwischen fertiggestellten Klosterkirche St. Maria in Marienberg gelangten die Pfarrangehörigen von Burgeis an Bischof Reinher mit der Bitte, sie von der Seelsorge durch die Benediktinerpatres zu lösen, indem sie bestritten, das Stift besässe das Recht, die inkorporierte Pfarrpfründe durch einen Konventualen zu besetzen. Nach entsprechenden Abklärungen bestätigte der Churer Bischof in St. Valentin auf der Haide das Recht des Abtes, die Pfarrei Burgeis mit einem Benediktiner zu besetzen - allerdings mit der jeweiligen Zustimmung des Ortsbischofs. Trotz dieser Klärung bereitete Burgeis deswegen auch in späterer Zeit immer wieder Schwierigkeiten. Am 6. Mai 1208 nahm Papst Innozenz III. das Prämonstratenserkloster Churwalden unter seinen Schutz und erwähnte in der Bulle auch die dortigen «moniales». Churwalden, laut der Urkunde vom 6. November 1149 im Besitz der Prämonstratenser zu St. Luzi in Chur [siehe Abb. 40], war ein Doppelkloster, d. h. ein Männerkloster mit einem weiblichen Annexkonvent. Seine Gründung geht in die Mitte des 12. Jahrhunderts zurück, an der die Herren von Vaz massgeblich Anteil hatten. Am 24. Mai 1222 bestätigte Papst Honorius III. (1216-1227) mit einer Bulle die päpstliche Schutzherrschaft über das Kloster Churwalden. Die im Bischöflichen Archiv Chur aufbewahrte Urkunde zeigt gegenüber derjenigen von 1208 eine beachtliche Zunahme des Klosterbesitzes; darunter finden sich Abb. 52: Prämonstratenserkloster Churwalden [BAC.BA] <?page no="73"?> 73 2. Die Churer Bischöfe zwischen Hirtenamt, Hochstiftsverwaltung, regionaler Fehden- und Reichspolitik neben der Pfarrkirche St. Maria und Michael in Churwalden auch die Kapellen St. Peter und Paul in Parpan (nach der Reformation verfallen), St. Margrethen in Chur (1538 säkularisiert, beim Stadtbrand 1574 zerstört), St. Maria und Florinus in Luzein (seit 1535 reformiert), St. Nikolaus in Balzers, St. Petronella in Altenstadt sowie die Pfarrkirche St. Martin in Seefelden im Linzgau am Nordufer des Bodensees. Und dennoch weist das Kloster Churwalden eine verhältnismässig bescheidene Entwicklungsgeschichte auf. Es lag wohl an der meist begangenen Strasse Oberrätiens von Chur über Lantsch/ Lenz, Tiefencastel, Bivio, Septimer, durch das Bergell nach Chiavenna, einen wesentlichen Nutzen daraus konnte der Konvent aber trotz seines Hospizes mit Kapelle (gestiftet von Heinrich II. von Sax) nicht ziehen, war doch die Etappe von Chur nach Lantsch/ Lenz problemlos in einem Tag zu bewältigen. Am 4. September 1295 wurde das Kloster durch ein starkes Erdbeben zerstört, konnte aber infolge wiederaufgebaut werden. Reinher della Torre starb - so die Angabe im Necrologium Curiense - am 9. November 1209 wahrscheinlich in Chur. 2. Die Churer Bischöfe zwischen Hirtenamt, Hochstiftsverwaltung, regionaler Fehden- und Reichspolitik im 13. Jahrhundert Bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts sind die Hinweise über die Wirkungsfelder der Churer Bischöfe sehr rar. Zwischen 1209 und 1221 sass ein Mitglied der im Vinschgau begüterten Familie von Matsch auf dem Churer Bistumsstuhl: Arnold II. Vor seiner Wahl und Konsekration 1209 finden wir ihn 1185 bis 1209 in verschiedenen Funktionen im Bistum Strassburg (1205-1208 Domkustos, 1208/ 09 Dompropst). Er setzte die Tradition fort und stand mit dem staufischen König Friedrich II. in bestem Einvernehmen, was zwischen Arnold II. und den Anhängern des Welfenkönigs Otto IV. (1198/ 1208-1218), u.a. mit dem Comer Bischof Guglielmo della Torre (1204-1226), zu heftigen Auseinandersetzungen führte, welche erst 1219 durch einen Friedensschluss beigelegt werden konnten. Als Churer Bischof nahm auch Arnold II. auf dem vierten Laterankonzil (1215) teil, eines der grössten mittelalterlichen Konzilien mit rund 1300 kirchlichen Würdenträgern, welches ganz im Zeichen der päpstlichen Führungskraft eines Innozenz III. stand. Auf dem Konzil wurde nicht nur der deutsche Thronstreit zwischen Otto IV. und Friedrich II. entschieden, indem Innozenz III. den Stauferherrscher bestätigte, sondern ein bedeutendes Reformkorpus in 68 Artikel erlassen, welches fast alle Bereiche des kirchlichen Lebens tangierte. Bis heute besteht, wenn auch in gewandelter Form, die Vorschrift der jährlich einmaligen Beichte und der Kommunion in der österlichen Zeit [Kan. 21]. Im April 1219 errichtete Heinrich von Sax-Misox mit Zustimmung Bischofs Arnold II. das Kollegiatsstift San Vittore in der Valle Mesolcina mit sechs Kanonikern. Mit der Unterstellung der Gotteshäuser im Misox wurden dem Stift die nötigen Einkünfte zugesichert. Hauptzweck dieser Stiftung war die seelsorgerliche Sicherstellung im Tal und zeigt schon früh die Einflussnahme weltlicher Territorialherren in Fragen der Pastoral. <?page no="74"?> 74 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) Zwei Jahre später wandte sich der Propst des Stiftes an Papst Honorius III. und liess sich vom Pontifex die von Bischof Arnold II. festgesetzte Zahl der sechs Kanoniker bestätigen, ebenfalls den zugesicherten Besitz und die bestehenden Kirchen. Laut Necrologium Curiense verstarb Arnold II. von Matsch am 24. Dezember 1221. Als nach dem Tod Arnolds ein Teil der Churer Domherren Heinrich von Rialt, ein anderer Teil Albert von Güttingen seine Stimme gab, beide aber 1223 noch vor der päpstlichen Entscheidung über die Wahl starben, wurde das Bistum spätestens 1224 Rudolf I. von Güttingen (1224-1226), einem Benediktinerpater und seit 1220 Abt des Stifts St. Gallen sowie Bruder des oben genannten Albert, verliehen. Aufgrund geflossener Bestechungsgelder an einflussreiche Kuriale wurde Rudolf vom Papst ermöglicht, wegen finanzieller Schieflage des Bistums Chur über drei Jahre zusätzlich als Abt von St. Gallen weiter zu wirken. Doch hier machte der Papst die Rechnung ohne den Bischof. Denn Rudolf I. von Güttingen stürzte nicht nur den Sprengel Chur wegen seines aufwendigen Lebensstils und seiner Reisefreudigkeit, sondern auch die Abtei St. Gallen in enorme Schulden. Noch vor der für Rudolf gesetzten päpstlichen Frist für seine Resignation starb der Abtbischof an Malaria in Rom am 18. September 1226, wo er in der Lateranbasilika seine letzte Ruhestätte fand. Vom Domkapitel nach einer anderthalbjährigen Vakanz zum Bischof gewählt, ist zwischen Ende August 1228 und Mitte Juni 1233 Berthold von Helfenstein als Churer Ordinarius bezeugt. Am 25. August 1233 wurde er aus nicht bekannten Gründen (in der Abb. 53: Herrschaftsgebiet der Sax-Misox im Mittelalter [BAC.BA] <?page no="75"?> 75 2. Die Churer Bischöfe zwischen Hirtenamt, Hochstiftsverwaltung, regionaler Fehden- und Reichspolitik Nähe von Rueun? ) ermordet. Papst Gregor IX. verpflichtete den Haupttäter, Rudolf von Greifenstein, den Leutpriester Heinrich von Waltensburg und andere am Mord indirekt Beteiligte zu einer Busswallfahrt ins Heilige Land. 1233/ 34 übernahm dann Ulrich IV. von Kyburg bis 1237 das schwierige, durch die Bluttat stark belastete Amt des Churer Bischofs. Er entstammte dem einflussreichen Adelsgeschlecht Kyburg, welches sein gleichnamiges Stammschloss bei Winterthur hatte. Papst Gregor IX. gestattete Ulrich IV., seine bisherigen Benefizien als Domherr zu Konstanz und Basel sowie als Propst von Beromünster (vorläufig) weiter zu behalten. Noch vor dem 25. November 1234 konsekriert, hielt sich Ulrich IV. von Kyburg fern von der Reichspolitik. 1237 schenkten die Herren von Vaz mit Zustimmung des Churer Bischofs «ihrem» Hauskloster in Churwalden für ihr Seelenheil und das ihrer Vorfahren, welche bereits im Kreuzgang des Prämonstratenserklosters ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten, das Patronatsrecht der Kirche St. Lorenz bei Paspels mit den dazugehörigen Gütern, das sie bislang als bischöfliches Lehen innehatten. Ulrich IV. legte auf die Förderung des Gregorianischen Chorals an seiner Kathedrale grossen Wert, weshalb er daselbst das «officium cantoris», also die Stelle des Churer Domkantors (Leitung des Gesangs und Unterricht der Chorsänger), schuf, dessen Wahl jeweils dem Bischof zustehen sollte. Am 8. März 1237 ist erstmals ein gewisser Otto als Domkantor überliefert. Das Necrologium Curiense bezeugt den Tod Ulrichs von Kyburg am 17. Juni 1237. 1219 bis 1237 als Churer Domherr bezeugt, wurde nach einer weiteren kurzen Vakanz Volkard von Neuburg (bei Untervaz) als Kandidat der kaiserfreundlichen Partei vom Domkapitel gewählt und vom Mainzer Erzbischof Siegfried von Eppstein (1230-1249) bestätigt. Ungeachtet der Appellation der päpstlichen Parteifreunde im Domkapitel nach Rom, konsekrierte der Mainzer Metropolit am 28. März 1238 Volkard von Neuburg in Mainz. Papst Gregor IX. beauftragte 1238 verschiedene Prälaten mit der Untersuchung der Wahlstreitigkeiten, die für Volkard hohe Kosten verursachten und erst 1241 (vorübergehend) zu seinen Gunsten beigelegt werden konnten. Denn im schwelenden Konflikt zwischen dem vom Papst 1245 abgesetzten und gebannten Friedrich II. und dem kirchlichen Oberhaupt bezog Volkard klar für den Staufer Stellung, was ihm 1246 Suspension und Exkommunikation einbrachte. Weder die Kirchenstrafe noch die 1247 anbefohlene Zitation vor die römische Kurie nach Lyon schien seine Stellung als Bischof unter dem Schutz des Kaisers zu erschüttern. Papst Innozenz IV. (1243-1254) ermächtigte schliesslich den Dominikaner und päpstlichen Pönitentiar Heinrich von Montfort (1248/ 49), Volkard seines Amtes zu entheben und das Bistum Chur bis zu einer Neuwahl der Leitung des Abtes von St. Gallen zu übergeben; doch gelang es nicht, Volkard, zeitlebens ein treuer Anhänger Friedrichs II. (gest. 1250), aus Chur zu verdrängen. Angesichts dieser Querelen konnte sich Volkard kaum seinen geistlichen Aufgaben im Bistum widmen sowie um die Verwaltung seines Hochstifts kümmern. Aus dem Urkundenbestand im Bischöflichen Archiv Chur geht hervor, dass Volkard Andreas Planta von Zuoz am 19. Mai 1244 [Abb. 54] das Kanzleramt im Oberengadin (Verwaltung des dortigen Hochstiftsanteils) verliehen hatte, ferner inkorporierte er die Kirche zu Bludenz der Churer Dompropstei (22. November 1247), setzte am 14. Mai 1246 den Propst des Prämonstratenserklosters Churwalden als Pfarrer in Paspels ein und übertrug am 19. Juni <?page no="76"?> 76 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) im selben Jahr Walter III. von Vaz (um 1200-1254) ein Lehensgut in Luzein, welches später an die Prämonstratenserpropstei St. Jakob im Prättigau ging. Schliesslich wurde am 6. Juni 1249 zwischen dem Churer Bischof und Heinrich von Flums ein Vertrag betreff Viztumamt zu Flums und der damit verbundenen Übertragung der Fest Flums auf Lebenszeit abgeschlossen. Volkard von Neuburg starb am 16. Oktober 1251. Schon in der Frühgeschichte der Stadt Feldkirch, die bis 1816 zum Bistum Chur gehörte, begegnen uns Vertreter der landesherrlichen Familie der Grafen von Montfort-Feldkirch als Inhaber höchster geistlicher Würden. Als erste solche Persönlichkeit tritt Heinrich, der Abb. 54: Übertragung des Kanzleramtes im Oberengadin an Andreas Planta (1244) [BAC] <?page no="77"?> 77 2. Die Churer Bischöfe zwischen Hirtenamt, Hochstiftsverwaltung, regionaler Fehden- und Reichspolitik Abb. 55: Erwerb der Burg und des Hofs Riom durch Bischof Heinrich III. von Montfort, 1258 [BAC] <?page no="78"?> 78 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) dritte Sohn des Grafen Hugo I. von Montfort, des Stammvaters der Dynastie, als Mitglied des Dominikanerordens und als Bischof von Chur (1251-1272) ins Rampenlicht. Wahrscheinlich unmittelbar nach dem Tod Volkards wurde Heinrich III. als päpstlicher Parteigänger und Gegner der Staufer (wahrscheinlich direkt) von Papst Innozenz IV. zum Bischof ernannt. Als «electus» ist er bereits im Dezember 1251 bezeugt, liess sich aber erst relativ spät zum Bischof konsekrieren (1268). Heinrich III. setzte sich während der turbulenten Zeiten des Interregnums - das ist die Zeit zwischen der Absetzung Friedrichs II. durch Papst Innozenz IV. (1245) und der Königswahl Rudolf I. von Habsburg (1273) - gegenüber dem rätischen Adel (Herren von Rhäzüns, Belmont, Fryberg, Rialt) und den Vögten von Matsch durch, besiegte diese am 26. August 1255 bei Domat/ Ems, rettete damit das Hochstift vor dem Zerfall und sicherte es anschliessend durch (Aus-)Bau oder Erwerb diverser Burgen. So erwarb er mit Urkunde vom 8. Februar 1258 [Abb. 55] von Berthold II. von Wangen aus der Gemeinde Ritten bei Bozen Burg und Hof Riom (300 Mark), weiteren Besitz im Oberhalbstein und in der Stadt Chur sowie das Patronatsrecht der Kirchen in Riom und Tinizong. Am 15. Juli des gleichen Jahres habe Graf Johann Peter von Sax-Misox dem Churer Bischof die Fest (Alt-)Aspermont ob Trimmis mit dem Hof Molinära und den dazugehörigen Gütern und Leuten verkauft. Johann Peter von Sax- Misox lebte hingegen erst im 16. Jahrhundert (gest. 1540); die Urkunde [Abb. 56] ist nach Schrift, Form und Inhalt eine grobe Fälschung aus dem 15./ 16. Jahrhundert. Abb. 56: Angeblicher Erwerb der Burg (Alt-)Aspermont ob Trimmis mit dem Hof Molinära durch Bischof Heinrich III. von Montfort, 1258 (Fälschung) [BAC] <?page no="79"?> 79 2. Die Churer Bischöfe zwischen Hirtenamt, Hochstiftsverwaltung, regionaler Fehden- und Reichspolitik Die Schirmvogtei des Hochstifts Chur fiel infolge Ausstreben des staufischen Geschlechts an den Bischof von Chur zurück und wurde während des Interregnums nicht mehr weiter verliehen. In der aktiven Reichspolitik hielt sich Heinrich III. stark zurück. In die Geschichte des Bistums eingegangen ist er vor allem als Konsekrator am 19. Juni 1272 der nach einer über hundertjährigen Bauzeit fertig gestellten heutigen Kathedrale [siehe Abb. 47]. Ein halbes Jahr später starb Heinrich III. am 14. November 1272 und wurde in Ramosch begraben. Heinrichs Nachfolger auf dem Churer Bischofsthron war Konrad III. von Belmont (1273-1282; bis 1278 nur Elekt), Sohn Heinrichs II. von Belmont, einem einflussrei- Abb. 57: Die ersten noch erhaltenen Statuten des Churer Domkapitels, 1273 [BAC] <?page no="80"?> 80 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) chen und begüterten Freiherrengeschlecht in Rätien des 12.-14. Jahrhunderts (Besitzschwerpunkt um Castrisch und Flims). Als vom Churer Domkapitel bestellter Schiedsrichter gab er diesem am 17. Mai 1273 [Abb. 57] neue Statuten - übrigens die ersten noch erhaltenen Statuten für diese geschichtsträchtige Institution. 1275 erlangte Bischof Konrad III. vom deutschen König Rudolf I. von Habsburg die Bestätigung aller Freiheiten und Rechte für das Hochstift. 1277 berief er die Dominikaner nach Chur, wo das Kloster St. Nicolai am Kornplatz gegründet wurde. Er gilt als Erbauer der Feste Fürstenburg bei Burgeis (ca. 1282), die zuerst als Schutz der Gotteshausleute im Vinschgau gegen Übergriffe der Vögte von Matsch diente und dann zu einem wichtigen Verwaltungssitz, in der Frühen Neuzeit auch zur «Fluchtresidenz», der Churer Bischöfe werden sollte. Auf dem Weg an eine Mainzer Provinzialsynode starb Konrad III. im Herbst 1282 in Dieburg östlich von Darmstadt (Hessen), wurde nach Chur überführt und in der Kathedrale in der Familiengruft der Freiherren von Belmont begraben. Bischof Johann VI. Flugi von Aspermont (1636-1661) liess die Gruft am 17.-Juni 1652 öffnen und die Überreste des Bischofs in den Marmorsarkophag überführen, welchen Bischof Ortlieb von Brandis als Ossarium hatte anfertigen lassen. Ein weiterer Vertreter aus dem Geschlecht Montfort, Friedrich I., trat 1282 bis 1290 die Nachfolge Konrads III. an. Seine beiden Brüder - Wilhelm I., Benediktinermönch und seit 1281 Abt des Klosters St. Gallen (gest. 1301), sowie Heinrich III., Dompropst zu Chur (1288-1307), - bekleideten ebenso hohe geistliche Ämter. Alle drei wurden in Abb. 58: Stich der Stadt und des Schlosses Werdenberg aus dem 19. Jahrhundert [BAC.BA] <?page no="81"?> 81 3. Die bischöflichen Festen Churburg und Fürstenburg in ihrer frühen Zeit ihrer Wirkungszeit in die Fehden mit ihren stammesverwandten Werderberger Grafen und dem mit letzteren verbündeten späteren deutschen König Rudolf I. von Habsburg hineingezogen. In der Absicht, seinem Bruder Wilhelm im Kampf gegen Rudolf beizustehen, zog der Churer Bischof 1288 mit Kriegsscharen das Rheintal hinunter; bei Balzers kam es überraschend zum Zusammentreffen mit dem feindlichen Werdenberger. Bischof Friedrich I. von Montfort wurde gefangen genommen und fristete sein Dasein während anderthalb Jahren als Inhaftierter auf der Burg Werdenberg. Bei einem Fluchtversuch aus der Burg starb er am 3. Juni 1290. Sein Leichnam wurde im Dom zu Chur beigesetzt. In seiner Amtszeit wurden Münzen geprägt, welche erstmals den Steinbock als Kennzeichen des Bistums Chur zeigen (sog. Brakteaten [Exemplar im Rätischen Museum Chur]). In den Siegeln und Wappen des Hochstifts und der Churer Bischöfe findet das Bündner Wappentier später bis zum heutigen Tag einen festen Platz. Als Kanoniker von Konstanz und Chur sowie 1282 auch als Pfarrer von Sagogn bezeugt, wirkte Berthold II. von Heiligenberg 1291 bis 1298 als letzter Churer Bischof im 13. Jahrhundert. Heiligenberg liegt im oberen Linzgau (Bodenseekreis, Baden-Württemberg) und war bis 1535 Sitz der Grafen von Heiligenberg bzw. Werdenberg-Heiligenberg. Berthold II. wurde aber nie zum Bischof ordiniert, weshalb in den Akten während seiner Amtszeit ein Weihbischof in der Person des Augustiner-Eremiten Bonifacius im Frühjahr 1294 aufscheint, welcher von Berthold II. die Weihevollmacht für den Churer Sprengel übertragen bekam. Dieser Bonifacius wirkte auch als Weihbischof in Konstanz (bezeugt 1289-1294), Basel (1293) und Trient. Den Mitgliedern des Predigerordens in St. Nicolai in Chur bestätigte Berthold II. die verliehenen Privilegien seiner beiden Amtsvorgänger und reiht sich so ein in die Förderer der Dominikaner im rätischen Bistum. Laut Necrologium Curiense starb er am 17. Januar 1298. Abb. 59/ 60: Steinbock als Wappentier des Hochstifts und Bistums Chur (links: Bischof Johann V. Flugi [1605]) sowie als Teil im Wappen des Churer Domkapitels (rechts oben [1703]) [BAC.BA] <?page no="82"?> 82 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) 3. Die bischöflichen Festen Churburg und Fürstenburg in ihrer frühen Zeit a) Die Feste Churburg Dem Churer Bischof Heinrich III. von Montfort wurde nach dem siegreichen Verlauf einer Fehde gegen die Vögte von Matsch laut Schiedsspruch vom 27. Februar 1253 u.a. das Recht eingeräumt, «an einem gefelligen orth […] von Cleven [gemeint ist wohl Calven am Eingang des Münstertals] bis gegen Latsch […] schlosz oder vestung oder vestung frey unverhinderlich zw bawen». Der Name der alsbald am Eingang des Matschertals ob Schluderns gebauten und ab dem 16. Jahrhundert bis heute im Besitz der Familie Trapp befindlichen Burg begegnet am 21. Februar 1259 in einer von Bischof Heinrich III. ausgestellten Urkunde: «Curberch». Dem Geschick der Vögte von Matsch gelang es in kürzester Zeit, in der vorwiegend gegen sie errichteten Burg Fuss zu fassen: 1297 ist die eine Hälfte der Anlage als Churerisches Lehen, die andere Hälfte als Eigenbesitz in ihrer Hand. Ab dem 14. Jahrhundert bis zum Ableben des letzten Grafen Gaudenz von Matsch (gest. 1504) bildete Churburg den Hauptsitz der Matscher Vögte. b) Die Feste Fürstenburg Nachdem Mitte des 13. Jahrhunderts der erste Versuch der Churer Bischöfe, ihre Vinschgauer Herrschaftsrechte durch die Erbauung der Churburg zu sichern, gescheitert war, Abb. 61: Schloss Churburg [Foto. A. Fischer] <?page no="83"?> 83 3. Die bischöflichen Festen Churburg und Fürstenburg in ihrer frühen Zeit kam es zu einem neuen Bauprojekt. In ihrer vielhundertjährigen Geschichte blieb die Feste Fürstenburg fast immer in geistlichem Besitz. Seit ihrer Gründung im späten 13. Jahrhundert gehörte sie den Bischöfen von Chur; nach der Säkularisation von 1803 fiel sie an den österreichischen Staat, nach dem kurzen bayerischen Zwischenspiel (1805-1814) an die Gemeinde Burgeis. 1883 erwarb sie das Benediktinerkloster Marienberg, ohne aber für die Burg eine richtige Verwendung zu finden. 1952 stimmte der Konvent einem Vorschlag zu, das Schloss für eine Landwirtschaftsschule zur Verfügung zu stellen. Heute ist sie Sitz der Fachschule für Landwirtschaft für das Südtirol. Ihre historischen Räumlichkeiten sind aber erhalten geblieben und können auch besichtigt werden. Zu Beginn ihres Werdens war die Fürstenburg ein wichtiges Herrschaftszentrum und bischöfliche Rentkammer. Über den Baubeginn und Fertigstellung der Burg, die als Residenz der Fürstbischöfe von Chur den treffenden Namen «Fürstenburg» trägt, sind uns keine schriftlichen Nachrichten überliefert. Bischof Konrad III. von Belmont gilt, wie bereits erwähnt, als Bauherr. Die erste sichere Nachricht über diese Feste stammt aus dem Jahr 1288, und 1292 kommt ihre Name «Fürstenburg» urkundlich erstmals vor, als Bischof Berthold II. von Heiligenberg ein Pergament «in castro nostro Furstenburch» ausstellen liess. Burgen sind befestigte Herrschaftszentren mit bestimmten Schutz- und Verwaltungsaufgaben. Die Fürstenburg war von ihren Anfängen an nicht bloss Wohnsitz der Churer Kirchenfürsten, wenn sie sich in ihrem tirolerischen Diözesanteil aufhielten, sondern vor allem eine Rentkammer - ein Aufbewahrungsort für die Geld- und Naturalerträge, welche die Bewirtschafter der bischöflichen Güter und die übrigen Gotteshausleute (Angehörige des Hochstifts Chur im Vinschgau) alljährlich abzuführen hatten. Die Burg selbst scheint der Bischof von Beginn ihrer Existenz an, einem Kastellan zum Schutz des Gebäudes Abb. 62: Westfront der Feste Fürstenburg bei Burgeis im oberen Vinschgau [Foto: A. Fischer] <?page no="84"?> 84 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) anvertraut zu haben. Diese Kastellane waren in der ersten Zeit noch keine Burgvögte, deren Stellung ihnen in Vertretung des Bischofs richterliche Kompetenzen erlaubt hätten, denn die eigentliche Vogtei Vinschgau [Abb. 73] lag bis 1421 in den Händen der Herren von Matsch als die grössten Rivalen der Churer Bischöfe. Die späteren Schlosshauptleute kamen fast ausschliesslich aus Bünden und bezogen die Fürstenburg mit ihren Familien. 4. Klosterstiftungen im Bistum Chur während des 13. Jahrhunderts Obwohl die Quellen für eine Darstellung des religiös-geistigen wie des politisch-wirtschaftlichen Aspekts für die Zeit des 13. Jahrhunderts noch sehr spärlich fliessen, zeugen die Stiftungen der klösterlichen Gemeinschaften, unter denen die Frauenkonvente überwiegen, von einem auch im Bistum Chur neu erwachenden Geist des Religiösen des späten Mittelalters, verbunden mit dem Wohlwollen seitens der geistlichen und weltlichen Obrigkeit gegenüber diversen Ordensgemeinschaften im Geiste Augustinus, Benedikts, Dominikus oder Franziskus. Alle diese Gemeinschaften erlebten im Laufe ihrer Geschichte Höhen und Tiefen, Zeiten der Blüte, aber auch Zeiten harter Not, ja sogar die betrübende Zeit des eigenen Niedergangs. Da im folgenden Niederlassungen des Dominikanerordens im Bistum Chur eine wichtige Position einnehmen, sei zur Verständigung kurz etwas über die Gliederung dieses Ordens angemerkt. Der Dominikanerorden («Ordo Fratrum Praedicatorum» [OP] wurde 1215 von dem um 1170 im spanischen Calaruega geborenen Dominikus als «Predigergemeinschaft» gegründet. 1216 bestätigte Papst Honorius III. den Dominikanerorden als Predigerorden mit Augustinerregel. GLIEDERUNG Erster Zweig: Männliche Mitglieder, die sich vornehmlich der Glaubensverkündigung widmen, von Stadt zu Stadt ziehen, dasselbst auch Niederlassungen gründen und zudem wissenschaftlich tätig sind (so z. B. Albertus Magnus, Thomas von Aquin) [erster Orden genannt] Zweiter Zweig: Frauengemeinschaften a) monastische Gemeinschaften («moniales») [früher zweiter Orden genannt] b) klausurierte Gemeinschaften («monasteria sororum Tertii Ordinis») [früher dritter Orden genannt] Dritter Zweig: Kongregationen («Congregationes sororum Familiae dominicanae») Diese entstanden im 19. / 20. Jahrhundert und sind Frauengemeinschaften, deren Wirken sich auch auf die Öffentlichkeit bezieht, die z. B. Schulen und Kindergärten betreuen oder sich der Krankenpflege widmen. Schliesslich gibt es noch die Laiengemeinschaften im Dominikanerorden («Fraternitates laicales») [früher Dominikaner-Terziaren], welche seit der Gründungszeit bestehen. a) Die Prämonstratenserpropstei St. Jakob im Prättigau Die Gründung, Errichtung und Ausstattung der Propstei St. Jakob, im heutigen Ort Klosters gelegen, wird von der Forschung in die Zeit zwischen 1220 und 1230 gelegt. <?page no="85"?> 85 4. Klosterstiftungen im Bistum Chur während des 13. Jahrhunderts Diese Zeitspanne basiert auf dem Umstand, dass die «ecclesia sancti Iacobi in Bretenkowe» in einer päpstlichen Bulle vom 24. Mai 1222 unter den Besitzungen des Prämonstratenserklosters Churwalden aufgeführt wird. Die Existenz der Propstei im Prättigau ist aber urkundlich erst 1246 gesichert. Die massgeblichen Förderer zu dieser klösterlichen Gründung im Prättigau waren wie bereits in Churwalden die Freiherren von Vaz (bis 1338). Wegen der weitgehenden Vernichtung des Quellenmaterials während des Bauernaufstandes 1526 bleibt die Geschichte des Klosters St. Jakob mehr oder minder im Dunkeln. Über die ehemaligen Klostergebäulichkeiten ist so gut wie nichts bekannt. Es wird angenommen, dass sie sich südöstlich der heutigen Kirche St. Jakob (aus dem Jahre 1493) befanden; dazu gehörte wahrscheinlich auch ein Hospiz (Spital). Der Propst vor Ort wurde jeweils von Churwalden eingesetzt. Über die Zahl der Konventualen ist wiederum praktisch nichts bekannt. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts lebten nur mehr zwei bis drei Patres in St. Jakob. Mit der Einführung der Reformation im Prättigau kam das Ende der eigentlich reich begüterten Propstei sehr rasch. Der Aufstand der Bauern von Klosters hatte ausgesprochen sozial-revolutionären Charakter; er wandte sich nicht nur gegen die katholische Kirche und ihre Vertreter, sondern auch gegen die österreichische Herrschaft im Tal (1477- 1649). Der letzte Propst von St. Jakob, Bartholomäus Bilgeri (1512-1525), schloss sich 1525 der Reformation an, heiratete die Schwester des Landammanns Bartholomäus Jegen und zog nach Chur, um eine Familie zu gründen. Die Klostergüter übergab Bilgeri Abb. 63: Auszug aus dem Urbar des Klosters Churwalden: Propstei St. Jakob im Prättigau [BAC] <?page no="86"?> 86 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) der bäuerlichen Nachbarschaft, die zur Verwaltung vier Vögte bestellten und mit der Umnutzung der Gebäulichkeiten begannen. Die Versuche Österreichs zur Wiederherstellung der Propstei dauerten zwar bis 1548 an, blieben aber erfolglos. Im Bischöflichen Archiv Chur befindet sich das Urbar von St. Jakob aus dem Jahre 1514 [Abb. 63], das im Urbar des Klosters Churwalden von 1508 eingebunden ist. b) Das Johanniterpriorat in Feldkirch Der 1228 verstorbene Stammvater der Grafen von Montfort und Werdenberg, Hugo I. von Montfort, stiftete in der Zeit der Kreuzzüge 1218 für die «Hospitalbrüder zum hl. Johannes in Jerusalem» in Feldkirch ein Ritterhaus und übergab dem Orden die damalige Kapelle im Mariental samt einer Mühle, einigen Äckern ausserhalb Feldkirchs und einem Waldstück gegen den Arlberg hin. Infolge dieser Stiftung entstanden in der Vorarlberger Stadt an der Ill das Johanniter-Ordenshaus gegenüber der Johanniterkirche sowie das Pfrundhaus oder Alte Spital mit der erst 1876 aufgehobenen Spitalkapelle. Der Gesamtorden der Johanniter umfasste acht «Zungen» oder Nationalitäten, an deren Spitze der auf Lebenszeit berufene Grossmeister stand. Die «Zungen» waren in 12 Balleien (= Provinzen) und 27 Grosspriorate eingeteilt; diese Priorate wurden wiederum in Kommenden gegliedert, die einem Komtur unterstand. Die Anzahl der in der Komturei Feldkirch (zum Grosspriorat Deutschland [Heitersheim] gehörend) lebenden Brüder Abb. 64: Stadt Feldkirch, Ansicht von Matthäus Merian, Mitte 17. Jahrhundert [BAC.BA] <?page no="87"?> 87 4. Klosterstiftungen im Bistum Chur während des 13. Jahrhunderts betrug gemäss Dokumenten aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts - frühere Quellenangaben fehlen - sechs (Komtur, Prior, 4 Konventsbrüder). Ihre Tätigkeit erstreckte sich vornehmlich auf caritative Aufgaben, auf Dienste im örtlichen Spital und Pfrundhaus, auf Gottesdienste in der Johanneskirche, aber auch auf die Seelsorge in der ihnen seit 1315 gehörigen Pfarrei Tisis sowie auf die Verwaltung der Prioratsgüter im Walgau. Die Kompturei Feldkirch besass ferner das Patronatsrecht auf die Pfarreien Thüringen und Bludesch sowie auf deren Filialen Sonntag im Grossen Walsertal, Nenzing und Mauren/ FL. Der Johanniterorden behielt seine Feldkircher Niederlassung bis zum Jahre 1610, danach ging der gesamte Güterkomplex und die Gerechtsame per 31. Dezember 1610 für 61’000 Gulden an die schwäbische Benediktiner-Reichsabtei Weingarten (gegründet 1056, aufgelöst 1803). Unter der Weingartener Herrschaft wurde der Klosterbesitz in Feldkirch ein Benediktinerpriorat. c) Das Dominikanerinnenkloster Maria Steinach in Algund Das Kloster Maria Steinach liegt in unmittelbarer Nähe der neuen 1971 eingeweihten Pfarrkirche St. Josef von Algund. Der Algunder Ortsteil Steinach galt früher als eigenständige Siedlung, die etwa eine halbe Stunde Fussmarsch von der alten Pfarrkirche St.-Hippolyt (heute: Dorf Algund) entfernt liegt. Die Gründung des Dominikanerinnenklosters im Ortsteil Steinach fällt urkundlich nachweisbar auf den 8. September 1241. Auf diesen Tag hatte die Gräfin Adelheid von Tirol (gest. 1275), Gemahlin Meinhards IV. von Götz, anlässlich des 1241 vom Papst ausgerufenen Kreuzzuges gegen die Tartaren, an dem auch ihr Vater Albert III. von Tirol (1202-1253) teilnahm, das Kloster im Burggrafenamt quasi am Fusse ihres Stamm- Abb. 65: Ausschnitt aus dem ehemals im Kloster Maria Steinach verehrten Gnadenbild der Muttergottes mit Jesuskind: Darunter zu sehen ist die Klosteranlage aus dem 18. Jahrhundert [BAC.BA] <?page no="88"?> 88 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) schlosses Tirol gestiftet. Leider ist die Stiftungsurkunde zusammen mit anderen wichtigen Dokumenten während der Bauernunruhen im Tirol 1525 vernichtet worden. Den noch erhaltenen Quellen zufolge bezog 1241 zunächst nur eine kleine Gemeinschaft von Schwestern des dritten Ordens des hl. Dominikus (um 1170-1221) ein provisorisch eingerichtetes Gebäude. Am 18. Februar 1243 schenkte der Bischof von Brixen, Egno von Eppan (1240-1250), von den diözesanen Besitzungen an der Etsch den Schwestern Grund und Boden in Steinach für die Errichtung eines eigentlichen Klosters. Der dominikanische Konvent wurde aber unter die Aufsicht des Bischofs von Chur gestellt, zu dessen Territorium (bis 1816) der obere und untere Vinschgau, Teile des Burggrafenamts mit der Stadt Meran und das rechte Passeiertal gehörten (Dekanat Vinschgau). Erst 1258 übergab der Dominikaner auf dem Churer Bischofsstuhl, Heinrich III. von Montfort, dem Konvent offiziell die Regeln des hl. Dominikus. Im selben Jahr werden in einem päpstlichen Schutzbrief Alexanders IV. (1254-1261) vom 13. April 1258 an die Priorin des Konvents «der hl. Maria von Steinach» die Stiftung von 1241 urkundlich erstmals als «Kloster» bezeichnet und darin alle Rechte und Besitztitel aufgezählt. Papst Urban IV. (1261-1264) bestätigte den apostolischen Schutz über das Kloster 1261, ohne aber eine vollumfängliche Exemtion auszusprechen. Vielmehr blieb das Dominikanerinnenkloster stets unter der Aufsicht der Churer Bischöfe, was im Laufe der Jahrhunderte verschiedentlich zu teils heftigen Streitigkeiten führte. Als Zeichen gewisser Selbständigkeit wurde der Gemeinschaft in Algund die freie Priorinnen-Wahl zugesprochen, ferner zwei Weltgeistliche, Prediger und Beichtvater, sowie ein Verwalter für die weltlichen Angelegenheiten zuerkannt. Herzog Heinrich von Kärnten (1295-1335; König von Böhmen 1307-1310) protestierte 1327 gegen die Bestimmung von Weltgeistlichen im Kloster und forderte wirkungsvoll zwei Priester aus dem Dominikanerorden. Die quellenmässig nur schwer erfassbare Zeit des 14. und 15. Jahrhundert - auf die Klosteraufhebung unter Kaiser Joseph II. (1780-1790) im Jahre 1782 wird weiter unten eingegangen - überbrückten vereinzelte Darstellungen zur Geschichte des Dominikanerinnenklosters im Burggrafenamt mit wohlmeinenden Formulierungen, wie der Konvent habe in «gutem Rufe fortgeblüht». Skepsis insbesondere hinsichtlich der klösterlichen strengen Zucht ist jedoch durchaus angebracht, berücksichtigt man eine Notiz aus dem Jahre 1327, worin von Graf Heinrich II. von Görz-Tirol (1310-1335) unter Androhung der Streichung landesfürstlicher Dotierungen auf eine rigorose Handhabung der Klausur gedrängt wurde. d) Das Dominikanerinnenkloster Maria Zuflucht in Weesen Das heute noch bestehende Dominikanerinnenkloster in Weesen am Walensee entstand nicht durch einen eigentlichen Stiftungsakt, sondern bildete das Ergebnis einer langen historischen Entwicklung. Das Frauenkloster ging aus einer Klause beim sog. «Sandhof» hervor, wo bereits im 9. Jahrhundert laut Reichsgutsurbar eine Kirche stand. Als Umschlagplatz vom Wasserzum Landweg war Weesen im mittelalterlichen Churrätien ein bedeutender Handelsplatz, wo sich Kaufleute und Reisende trafen. Im 13. Jahrhundert <?page no="89"?> 89 4. Klosterstiftungen im Bistum Chur während des 13. Jahrhunderts soll im «Sandhof» bei den «Wyden» [Weidenbäume] eine kleine Frauengemeinschaft als Klausnerinnen gelebt haben, ohne sich an eine der von der Kirche anerkannten Ordensregeln zu halten. Nachdem das vierte Laterankonzil 1215 die Gründung neuer Orden bzw. das Einführen neuer Regeln untersagt hatte, sahen sich solche Frauengemeinschaften wie diejenige in Weesen gezwungen, sich zu einem von der Kirche vorgegebenen «Regel-Leben» zu entscheiden. 1259 nahmen sie Kontakt mit dem 1229 in der Limmatstadt Zürich gegründeten Dominikanerkloster auf. Die älteste uns erhaltene Urkunde der Dominikanerbeginen von Weesen trägt das Jahr 1256. Mit diesem Dokument vom 7. Oktober nahm der Dominikaner und Churer Bischof Heinrich III. von Montfort die «sorores de congregatione in Weesen» in seinen Schutz, gewährte ihnen das Recht der freien Aufnahme von Novizinnen und verlieh den Wohltätern der Klostergemeinschaft einen Ablass. 1272 erlaubte derselbe Bischof den Schwestern von Weesen den Bau eines eigenen Gotteshauses. 1278 weihte der Churer Weihbischof Johannes von Litauen, der dem Predigerorden angehörte, die neu errichtete Kapelle ein. Die junge Schwesterngemeinschaft von Weesen erfuhr nicht nur von geistlicher Seite das Wohlwollen, sondern durfte sich auch der Wertschätzung und Spendefreudigkeit weltlicher Könige und Grafen erfreuen. Gilt der Churer Bischof Heinrich III. von Montfort in der Weesener Klostertradition als geistlicher Stifter, so wird der Rapperswiler Graf Rudolf IV. (gest. um 1262) zusammen mit seiner Gemahlin Mechthild als materieller Stifter des Konvents hoch in Ehren gehalten. 1259 schenkte der Graf den Schwestern das Feld am Walensee und den Hang mit dem Lauibach samt Zins zu vollem Eigentum. Weitere Schenkungen an Grundstücken zur wirtschaftlichen Sicherung kamen hinzu. Doch blieb das Kloster in seiner Geschichte immer nur von regionaler Bedeutung. Abb. 66: Dominikanerinnenkloster in Weesen (Ende 17. Jahrhundert) [Dominikanerinnenkloster Maria Zuflucht, Weesen] <?page no="90"?> 90 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) e) Das Dominikanerinnenkloster St. Peter in Bludenz Die Gründungsgeschichte des vorarlbergischen Dominikanerinnenklosters St. Peter verläuft in ähnlichen Bahnen wie diejenige des Konvents von Weesen; es ist ein langsamer Übergang von einer Gemeinschaft von Predigerbeginen zu einem regulierten Kloster des heiligen Dominikus. Die Bludenzer Niederlassung geht auf eine Stiftung der damaligen Landesherren im heutigen Südvorarlberg, der Grafen von Werdenberg, zurück. Der Stadtgründer von Bludenz, Graf Hugo I. von Werdenberg-Heiligenberg (gest. 1280) schenkte am 25. Mai 1278 den Augustinerinnen in Ötenbach in Zürich das Patronat über die bereits bestehende Kirche St. Peter im Osten von Bludenz. Grund dieser Schenkung war das Wirken einer Tochter des Grafen in Ötenbach. Da damals viele Landesherren generelles Interesse an Klostergründungen zeigten, förderten auch die Werdenberger alsbald eine eigene Gründung im Raum Bludenz, denn solche Gründungen waren nicht nur Stätten des Gebets, der vorbildlichen Lebensführung und der sozialen Tätigkeit, sondern die Klöster bildeten stets auch wirtschaftliche Zentren, sie beförderten das kulturelle Leben und zeigten sich als Stützpunkte der (regionalen) politischen Mächte. Nach einer historisch schlecht belegten Tradition lebten zu dieser Zeit bei der Kirche St. Peter angeblich Beginen, die sich zu persönlicher Armut und Keuschheit verpflichtet hatten; ob dann tatsächlich Schwestern von Ötenbach nach Bludenz kamen, erfahren wir aus den Quellen nicht. Am 28. Oktober 1286 schenkte ein Vetter der Grafen von Werdenberg, Friedrich I. von Montfort, der oben genannte Bischof zu Chur, dem in Bludenz gebildeten weiblichen Konvent, welcher laut bischöflicher Urkunde vom 26. Juli desselben Jahres nach der Ordnung und Regel des hl. Augustinus lebte, die besagte Kirche St. Peter inkl. des Patronats- und Präsentationsrechts. 1286 gilt damit als Gründungsjahr des Frauenklosters zu St. Peter. Vor Ort existierte bereits ein landesherrlicher Hof, zu dem die Kirche Abb. 67: Dominikanerinnenkloster Ötenbach in Zürich (Ausschnitt aus dem Plan des Kartographen Jos Murer, 1576) [BAC.BA] <?page no="91"?> 91 4. Klosterstiftungen im Bistum Chur während des 13. Jahrhunderts gehörte. Leider weiss man zu wenig über diesen Gutshof und über die frühe Geschichte der Peterskirche, wahrscheinlich aber erfolgte die mittelalterliche Kolonisation im Montafon zu einem grossen Teil von diesem Herrenhof aus, weil die Montafoner sich lange Jahrhunderte als «Hofjünger» bezeichneten und weil sie das Attribut des hl. Petrus, die Himmelsschlüssel (in gekreuzter Form), schliesslich in ihr Wappen aufnahmen. Innerhalb der Gemarkungen dieses werdenbergischen Hofes, der auch eine Gerichtsstätte umfasste, entstand dann neben der Kirche eine kleine Behausung für die Nonnen, sicherlich äusserst bescheiden, wie es der Ordensgründer Dominikus vorgeschrieben hatte. Zu einem unbekannten Zeitpunkt wechselten die dort ansässigen frommen Frauen ihre Statuten (Ordensregel) und glichen sich der Ordensregel des hl. Dominikus an. Mit Sicherheit wissen wir von einem Dominikanerinnenkloster vor Ort aus dem Jahr 1295, weil damals unter Zustimmung des Churer Bischofs Berthold II. von Heiligenberg von zwei Erzbischöfen und zehn Bischöfen ein Ablassbrief ausgestellt wurde, d. h. den Besuchern des Gotteshauses und den Wohltätern für den Neubau wurde der Nachlass zeitlicher Sündenstrafen gewährt. Derartige Ablassbriefe sind stets ein Hinweis auf die Inangriffnahme eines umfangreichen Projekts, womit Spendern und gutherzigen Leuten himmlische Vorzüge in Aussicht gestellt wurden. Der Augustinereremit und Churer Bischof Ulrich V. (Ribi) von Lenzburg (1331-1355) erteilte einen weiteren Ablass ausdrücklich im Hinblick auf den Kirchen- und Klosterbau zu St. Peter in Bludenz, sodass wir in dieser Zeit Erweiterungsbzw. Neubauten annehmen können. An der Spitze der 11 bis 14-köpfigen klösterlichen Frauengemeinschaft stand auch in Bludenz eine Priorin. Um das Überleben des Konvents zu sichern, mussten die Nonnen Abb. 68: Klosteransicht von St. Peter in Bludenz, gezeichnet von Sr. Bernarda Büchele OP, 1854 [Dominikanerinnenkloster Bludenz] <?page no="92"?> 92 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) in der Anfangszeit sich landwirtschaftlich betätigen. Später war dann den Nonnen jedes Verlassen des klösterlichen Areals streng untersagt, so dass eine junge Frau, die ins Kloster eintrat, den klösterlichen Bezirk ihr ganzes Leben nie mehr verlassen konnte. In einer sog. «Verzichtsurkunde» vom 7. November 1348 bestätigten die Dominikanerinnen diese Lebensform. Wie das Kloster in Weesen wurde auch St. Peter im späten Mittelalter nicht in den Orden der Dominikaner inkorporiert, sondern unterstellte sich dem Bischof von Chur. f) Das Dominikanerkloster St. Nicolai in Chur Mendikanten in die Bischofsstadt Chur zu holen, fusst sicherlich auf Initiativen des Dominikanerbischofs Heinrich III. von Montfort; die Ausführung gelang hingegen erst seinem Amtsnachfolger. Zwischen 1276 und 1277 wandte sich der Churer Bischof Konrad III. von Belmont zusammen mit dem Churer Domkapitel an den Provinzial und die Definitoren, welche das Provinzialkapitel der Dominikaner in Regensburg vorbereiteten, und baten um eine Niederlassung des Ordens in Chur, nicht zuletzt, so wird in der Urkunde [Abb. 69] betont, aufgrund der geographischen Lage als Rastort für die über die Alpen wandernden Prediger, aber auch aufgrund der vorherrschenden religiösen Not im Volk. Der Baugrund für das Konventsgebäu- Abb. 69: Undatierte Urkunde (1276/ 77) mit Bitte um Niederlassung der Dominikaner in Chur [BAC] <?page no="93"?> 93 4. Klosterstiftungen im Bistum Chur während des 13. Jahrhunderts de ausserhalb des alten städtischen Siedlungsgebietes, jedoch noch innerhalb der Stadtmauer, war durch die Schenkung des bischöflichen Ministerialen Ulrich II. von Flums (gest. 1313) gesichert. Die neu gegründete Niederlassung wurde wahrscheinlich durch Dominikaner aus den in Zürich (seit 1229) und Konstanz (seit 1230) gelegenen Predigerkonventen besetzt, genaue Quellen hierzu fehlen. 1292 wird in einer Urkunde als Prior des Konvents in Chur P. Heinrich von Embrach/ ZH genannt. Die ersten noch erhaltenen Siegel von Prior und Konvent hängen an der im Stadtarchiv Chur aufbewahrten Urkunde vom 18. Juni 1293 [Abb. 70]. Die Aufnahme der Churer Niederlassung - übrigens das einzige männliche Predigerkloster im Bistum Chur in seinen alten Grenzen - in den Ordensverband geschah 1280 durch das Generalkapitel in Oxford. Abb. 70: Urkunde vom 18. Juni 1293, u. a. mit den Siegeln des Konvents und Priors von St. Nicolai (1. + 2. von links) [StadtAC, A/ I,1.35.01] <?page no="94"?> 94 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) In der Urkunde vom 18. Juni 1293 beurkundet der Churer Bischof Berthold II. von Heiligenberg, dass der Leutpriester (Pfarrer) von St. Martin in Chur mit dem Prior und Konvent von St. Nicolai den an der Ringmauer gelegenen Weingarten seiner Kirche gegen andere Güter getauscht habe. Ob auf dieser Parzelle des ehemaligen Weingartens tatsächlich das neue Klostergebäude als auch die dazugehörige Kirche mit zwei Altären (Hauptaltar zu Ehren der Heiligen Nikolaus, Dominikus und Augustinus; zweiter Alter zu Ehren der Gottesmutter Maria und des Evangelisten Johannes), welche bereits Ende 1288 konsekriert wurden, errichtet worden sind, erscheint aufgrund der Ausgrabungen und der archäologischen Befunde in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts zumindest als fraglich. Aus einem Indulgenzbrief, ausgestellt vor dem 22. Februar 1289, und unterzeichnet in Rom von vier Erzbischöfen und zehn Bischöfen, erfahren wir, dass die Dominikanerniederlassung in Chur in kurzer Folge zweimal abgebrannt sein musste. Die 14 kirchlichen Würdeträger aus Italien, dem heutigen Kroatien, Albanien und aus der Türkei gewährten allen Gläubigen, welche zum Wiederaufbau beitrugen oder die wieder errichtete Kirche besuchten, einen Ablass. Schliesslich konnte am 26. April 1299 der Chor der neuen Kirche mit nun fünf Altären durch den Churer Bischof Siegfried von Gelnhausen (1298-1321) eingeweiht werden. Auch Bischof Siegfried gewährte den Kir- Abb. 71: Ewige Messstiftung vom 4. Juli 1377, mit Siegel des Konvents St. Nicolai [BAC] <?page no="95"?> 95 4. Klosterstiftungen im Bistum Chur während des 13. Jahrhunderts chenbesuchern einen Ablass. 1350 wurde das Kloster zum dritten Mal von einem verheerenden Brand heimgesucht, der die Kirche weitgehend, die Konventsgebäude vollständig zerstörte. Der Wiederaufbau gestaltete sich dieses Mal recht langwierig; erst 1377 stiftete der Dominikanerkonvent eine ewige Messe für alle, die zum Erfolg des Neuaufbaus beigetragen hatten [Abb. 71]. Ab Mitte des 14. Jahrhunderts liegen Belege für eine intensive Seelsorgetätigkeit der Dominikanermönche (1377: 11 Konventualen [ohne Laienbrüder und Novizen]) vor, welche von den Churer Bischöfen mittels «Schutzurkunden» immer wieder genehmigt wurde und so gesichert blieb (erstmals 1283: Friedrich I. von Montfort bestätigt den Dominikanern das Recht, im ganzen Bistum Chur zu predigen und das Busssakrament zu spenden [Abb. 72]). Unter Bischof Peter I. Gelyto [Wurst] (1356-1368) erhielten die Prediger von St.-Nicolai 1360, 1361, 1364, 1367 und 1368 Bestätigungen ihrer (päpstlichen) Privilegien. Infolge entstandener Streitigkeiten um die Wirkungsfelder der auf dem ganzen Bistumsterritorium tätigen Dominikaner erging 1494 der Entscheid, den unteren Vinschgau und das Burggrafenamt dem Bezirk der Prediger in Bozen zu unterstellen. Ferner bestand zwischen bischöflicher Kurie, Stadt Chur und Konvent ein vielfältiges Beziehungsnetz. Die Abb. 72: Bischöfliche Bestätigung der Privilegien der Dominikaner im Bistum Chur, 1283 [BAC] <?page no="96"?> 96 VII. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft - Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12. / 13. Jahrhundert) Bedeutung des Churer Mendikantenklosters bis hin zu seiner ersten Aufhebung in den Wirren der Reformationszeit 1538 lag in erster Linie in der Entfaltung seiner seelsorgerlichen Kräfte für das Bistum, worin die Churer Bischöfe die Prediger stetig unterstützten. Ob zwischen dem Predigerkloster in Chur und den Inklusen in Altenstadt bei Feldkirch, wo 1442 - an die dortige Pfarrkirche angeschlossen - eine kleine Kapelle zu Ehren des hl. Dominikus und anderen Heiligen eingeweiht worden war, Beziehungen bestanden, muss aufgrund fehlender Quellen offengelassen werden. Der dominikanischen Niederlassung in Altenstadt stand bis ins 17. Jahrhundert lediglich eine «Mutter» vor; erst ab 1634 wurde der Schwesternkonvent von einer Priorin geleitet. 1640 erhielt die Gemeinschaft neue, vom Churer Bischof approbierte Statuten, die auf der Augustinerregel und den Konstitutionen für Dominikanerinnen gründeten. Abb. 73: Herrschaftsgebiete im 14. Jahrhundert auf dem Territorium des heutigen Kantons Graubünden (grün: Hochstift Chur) [BAC.BA] <?page no="97"?> 97 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) 1. Ein Überblick Die Bezeichnung «Mittelalter» wurde im 15. Jahrhundert von humanistischen Sprachforschern eingeführt. Sie sahen die Zeit zwischen der von ihnen zutiefst verehrten Antike und ihrer eigenen Lebenszeit als «mittlere Zeit». Diese Zeit wurde in der Folge noch untergliedert in Früh-, Hoch- und Spätmittelalter; letzterer Abschnitt umgreift die Jahre zwischen ca. 1250 und ca. 1500 - oft verknüpft mit dem irreführenden Eindruck vom krisenhaften Ende des Mittelalters. a) Wandel zu einer dualistisch strukturierten Bischofsherrschaft Das Spätmittelalter ist zum einen durch revolutionäre ökonomisch-soziale Umstrukturierungen gekennzeichnet. Der Herrschaftsbegriff wird verstärkt im politischen Sinn generalisiert und im 15. Jahrhundert im Begriff «Landesherrschaft» mit der territorialen Dimension von Herrschaft verknüpft. So bilden sich im 14. und 15. Jahrhundert fürstliche Herrschaften aus und zwar als Territorialstaat mit einer Reihe landesherrlicher Burgen auf engem Raum oder Herrschaftssitze fürstlicher Ministerialen. Erst Herrschafts- und Grafschaftsrechte gemeinsam schaffen Landeshoheit. Diese Entwicklung ist bei weltlichen wie auch geistlichen Herrschaften zu beobachten. Einflussreiches Konkurrenzinstrument im Ausbau der bischöflichen Landesherrschaft eines Churer Fürstbischofs waren vor allem die Vogteien in den Händen der Adelsgeschlechter [Abb. 73]. Deshalb vermied es der Churer Bischof seit dem Ende des 13. Jahrhunderts nach Möglichkeit, seine Vogteien dem (hohen) Adel zu verleihen, sondern setzte an dessen Stelle Amtsleute, Burgvögte oder Statthalter (= bischöfliche Dienstleute) ein. Im Spätmittelalter gab es eine ganze Reihe von bischöflichen Dienstlehen oder Beamtenvogteien, so in den Vier Dörfern (mit der Burg Alt-Aspermont als Verwaltungszentrum), im Domleschg (Burg Fürstenau), im Oberhalbstein (Burg Riom), im Albulatal (Burg Greifenstein) oder im oberen Vinschgau (Burg Reichenberg, später Fürstenburg). Zwar waren grundsätzlich die Ämter nicht vererblich, in der Praxis hingegen besetzte dennoch meist der gleiche Kreis von Ministerialen die bischöflichen Ämter. Ihre Vertreter wirtschafteten je nach Umständen durchaus in den eigenen Sack und dienten keineswegs immer loyal der Sache des Bischofs, was im Engadin und Vinschgau unter Bischof Hartmann II. von Werdenberg-Sargans (1388-1416) zu einer hartnäckigen, für den Bischof aber erfolgreichen Fehde zwischen Landesherrn und den Freiherren von Matsch führte. Nicht alle Bischöfe engagierten sich wie Hartmann II. auf kämpferische Weise für ihre Herrschaftsrechte. Bereits im Jahre 1360 überliess Bischof Peter I. Gelyto [Wurst] den Herzögen von Österreich für acht Jahre seine landesherrlichen Rechte in der Grafschaft <?page no="98"?> 98 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) Tirol und im Vorarlberg. Dass die Österreicher zum Zug kamen, entsprach der wachsenden Nähe der Churer Bischöfe zum Herzoghaus und bedeutete aus der Sicht der kirchlichen Würdeträger durchaus einen Stabilitäts- oder zumindest Prestigegewinn. Trotzdem blieb das bis dato wenig untersuchte Verhältnis zwischen den Churer Bischöfen und dem Hause Habsburg komplex. Letzteres wirkte, bald als Ordnungsmacht, bald nach Vorherrschaft strebend, aus Österreich und nach 1363 auch aus Tirol in den rätischen Raum ein. Die Expansionsgelüste der Habsburger in Bünden wurden schliesslich im Schwabenkrieg 1499 von eidgenössischen und bündnerischen Truppen abgeblockt; die aufstrebende europäische Grossmacht konnte aber ihre bisherigen Erwerbungen grösstenteils im Friedensvertrag von 1500 sichern. 1502 schloss sich diesem Friedensvertrag auch der Churer Bischof an. Diese auf zwanzig Jahre abgeschlossenen Verträge von 1500/ 1502 sollten dann 1518 von der «ewigen» Erbeinigung zwischen Kaiser Maximilian I. (1508-1519), den Gemeinen Drei Bünden und dem Bischof von Chur abgelöst werden. Mit dem geplanten definitiven Auskauf der weltlichen Verwaltung und Einkünfte in der Grafschaft Tirol und im Vorarlbergischen durch Bischof Peter I. Gelyto gegen ein kümmerliches Jahresgeld an Österreich begann in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine neue und äusserst unruhige Epoche der Churer Bistums- und Hochstiftsgeschichte, die schliesslich in die Wirren der Reformationszeit einmündete. Den wachsenden Autonomiebestrebungen einzelner Hochgerichte kam der Zusammenschluss der Vier Dörfer, des Domleschgs, Oberhalbsteins, Greifensteins, Bivio-Avers, des Ober- und Unterengadins, des Bergells, des Münstertals und Puschlavs mit der Stadt Chur und dem Churer Domkapitel 1367 zum «Gotteshausbund» als Notgemeinschaft gegen die bischöflichen Auskaufabsichten gelegen. In der Folge bekämpften sie die bischöfliche Herrschaft sowie die Art und Weise der von den selten konsequent in Chur residierenden Ordinarien eingesetzten Dienstleuten. Auswahl und Einsetzung von bischöflichen Verwaltern sollte nur noch mit ihrem Einverständnis geschehen. 1395 entstand der Obere oder Graue Bund, 1436 der Zehngerichtenbund. Durch landesständische Ordnungen als Form territorialer Herrschaftsmodernisierung forderten sie erfolgreich eine aktivere Mitbeteiligung an der Regierung des Landes. Vor allem der Einfluss der Gemeinden im Gotteshausbund vergrösserte sich zusehend und wurde schliesslich bestimmend. Zur Verschiebung der Gewichte im bischöflich-landständischen Territorium trug dazu bei, dass sich die Bindung der bischöflichen Amts- und Dienstleute an die Gemeinden verstärkte. Der Wandel zur dualistisch strukturierten Bischofsherrschaft durch die landständische Ordnung hatte die politische Stellung des Churer Bischofs zum einen (vor allem nach aussen hin) verstärkt, zum anderen wurde er von den Gemeinden häufig politisch überspielt. Mit dem Blick auf die Stadt Chur kann diesbezüglich festgehalten werden: Die Stadt, nur zu gerne wie etwa Konstanz eine freie Reichsstadt geworden, erhielt nach dem verheerenden Brand im Jahre 1464 von kaiserlicher Seite immerhin neue Privilegien, so etwa das Recht, Bürgermeister und Rat zu setzen und Zünfte zu gründen. Aus der bald darauf erlassenen Zunftsordnung - der Funktion nach stellte diese eine Stadtverfassung dar - erkennt man deutlich die Autonomiebestrebungen. Doch erst 1489 konnte sich die Stadt auch von der hohen Gerichtsbarkeit (beschränkt auf das eigentliche Stadtgebiet, ohne Hofbezirk) loskaufen; diese lag als Teil der Reichsvogteirechte bislang in bischöfli- <?page no="99"?> 99 1. Ein Überblick chen Pfandbesitz. Auch wenn die Gotteshausleute, deren Haupt der Bischof von Chur war, mit den anderen beiden Bünden wiederholt versuchten, dem Bischof die Landeshoheit zu entreissen, blieben insgesamt Kontinuität und Wirksamkeit der seit dem frühen Mittelalter gewachsenen bischöflichen Herrschaft bis über das Jahr 1500 hinaus bestehen. b) Wandel in Welt- und Lebensformen Im Spätmittelalter geschah zum anderen auch im kulturellen-mentalen Bereich in relativ kurzer Zeit Beachtliches: Weltbilder und Lebensformen wandelten sich. Durch eine fortschreitende Individualisierung des Einzelnen änderte sich nicht zuletzt auch seine Beziehung zu Gott, zum Leben und zum Sterben. Insbesondere die Beschäftigung mit Krankheit, Sterben und Tod erfasst grundlegende Bereiche im Leben jedes Menschen. Gerade das Spätmittelalter als jene Epoche, die sich durch verschiedene Katastrophen, insbesondere die Pestepidemien, auf besondere Weise mit den Themen Krankheit, Sterben und Tod konfrontiert sah, reagierte auch besonders. Die (testamentarischen) Schenkungen und Stiftungen an Kirchen oder kirchliche Institutionen wie Orden nahmen markant zu, neue Bruderschaften wurden gegründet, vermehrt Wallfahrten unternommen, liturgische Gerätschaften gestiftet, die Zahl der Feiertage vermehrt. Parallel ergab sich aber auch die Tendenz, dass sich der Mensch mehr der profan-säkularen Welt zuwandte, die nicht mehr zwingend in die heilsgeschichtliche bzw. kirchlich-sakramentale Welt eingebettet sein musste. Davon war mitunter das Eheleben, das Leben im Ordensund/ oder Priesterstand tangiert. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Phänomen Tod ist eine der grossen anthropologischen Konstanten, die Auslegung desselben hingegen von der jeweiligen Gesellschaft abhängig. Im Spätmittelalter werden Sterben und Tod ganz anders empfunden als heute. Man wusste damals, dass jedes Leben unsicher ist und war davon überzeugt, dass über das Seelenheil oft erst in der Sterbestunde entschieden würde. Zugleich lehrte die Erfahrung, dass in Kriegs- und Seuchenzeiten häufig sehr viele Menschen auf einmal sterben mussten. Daher konnte letztlich niemand sicher sein, in der entscheidenden Stunde einen geistlichen Beistand garantiert zu haben, worauf grundsätzlich grosser Wert gelegt wurde, weshalb die einzelnen Gemeinden sich bemühten, einen eigenen oder zumindest einen in nützlicher Frist erreichbaren Seelsorger auf ihrem Territorium zu haben. Nach Auffassung zeitgenössischer Autoren unterschied man in zwei Arten von Sterben / Tod: in den «schönen Tod», der dem Menschen genügend Zeit zur Vorbereitung auf das Jenseits gab und in den jähen, vorzeitigen, «schlechten Tod», der vor allem - so die gängige Ansicht - jenen Menschen widerfahre, die ein unredliches Leben geführt hätten. Um den «guten Tod» wurde gebetet, die Vorsorge darum begleitete die Menschen ihr Leben lang. Sie trachteten danach, sich mit Bussakten, Wallfahrten und vor allem mit dem Empfang der Sterbesakramente auf die jenseitige Welt vorzubereiten. Die allgemein verbreitete Angst vor Sterben und Tod, die wohl unter dem Eindruck von unerklärbaren Naturkatastrophen, Tierseuchen und verheerenden Pestepidemien im ausgehenden Mittelalter stärker ins Bewusstsein rückte, gründete vorwiegend in der Angst, das Seelenheil <?page no="100"?> 100 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) könne verwirkt werden. Durch die Verstärkung alter als auch neuer ritueller Verhaltensformen versuchte man, diese Angst etwas einzudämmen. Dazu dienten erfolgreich bebilderte Schriften über die «Kunst des guten Sterbens» (ars moriendi). Die Text-Bild-Kombinationen dieser geistigen Frömmigkeitsliteratur waren darauf ausgerichtet, jedem, auch der einfachen Landbevölkerung, Trost und Hoffnung auf dem letzten Weg zu vermitteln. c) Erweiterung der Siedlungsgebiete und Pfarrorganisation Ein dritter interessanter Aspekt ist die Entwicklung bzw. der Ausbau der kirchlichen Pfarrseelsorge. Klimabegünstigte Täler und Terrassen auf dem weit verzweigten Territorium des Bistums Chur wurden früh besiedelt und weisen entsprechend in den Quellen bald eigene Gotteshäuser auf. Schwer zugängliche Räume hingegen blieben bis ins Hochmittelalter spärlich bevölkert. Erst im 13. Jahrhundert liefern Schriftquellen Hinweise zum Landesausbau. Vor allem die Zuwanderung aus dem Bodenseeraum führte in Nordbünden zu einem deutlichen Anwachsen der Bevölkerung. Die bislang spärlich bewohnten rätoromanischen Gebiete Mittelbündens erfuhren hingegen im Hochmittelalter eine Zuwanderung von Süden her. Ende des 12. Jahrhunderts erfolgte dann die Einwanderung der deutschsprachigen Walser aus dem Oberwallis, die sich in bisher unbesiedelten hochgelegenen Stufen der Seitentäler Bündens und Vorarlbergs niederliessen. Neben Dörfern in den fruchtbaren und klimatisch begünstigten Gebieten, die sich bereits um Herrschaftshöfe oder Pfarrkirchen gruppierten, überwogen in den Randregionen die Weiler- und Einzelhofsiedlungen. Die dortigen Bewohner mussten zu Fuss für Kirchgang, Taufe und Begräbnis entsprechend grosse Distanzen bewältigen, bis sie ihre Pfarrkirche erreichten, was das Bestreben, eine eigene Pfarrkirche zu erhalten, nur verständlich macht und zum erklärten Ziel werden liess. Hier ein konkretes Beispiel aus dem 14. Jahrhundert: Mit dem Zuzug der Walser aus Davos ins innere Schanfigg kam 1384 die Stiftung der Kirche Langwies zustande, indem die Bewohner von Sapün, Fondei und Arosa an der Einmündung der drei Täler, auf dem Gut «Lang Wise», eine der Muttergottes geweihten Kapelle erbauten und mit Eigengut dotierten, so dass von Beginn an ein Kuratkaplan vor Ort ansässig war; eigentliche Pfarrkirche blieb aber weiterhin St. Peter. Der Ausbau des Pfarrnetzes im Sprengel Chur kann im Zuge einer regen Kirchenbautätigkeit - Bauinitiative und finanzielle Belastung (Grundausstattung: etwa 600-800 Gulden) lagen zum grossen Teil bei den Gläubigen als massgebliche Mitgestalter des kirchlich-religiösen Lebens im Spätmittelalter - anhand zunehmend überlieferter Quellen nachgezeichnet werden. Von der Gründung einer Kapelle bis hin zu ihrer eventuellen Erhebung als Pfarrkirche konnten aber viele Jahrzehnte, in einzelnen Fällen sogar Jahrhunderte vergehen. Ziel der Gemeinde war eine gesicherte Seelsorge; dazu zählte, einen vor Ort ansässigen Priester zu haben, der täglich die Messe zelebrierte und die Sakramente, vor allem die Taufe spendete, den Kranken und Sterbenden beistand sowie die Verstorbenen in die geweihte Erde bei der eigenen Kirche beisetzen konnte. Letzteres gehörte meist zu den ersten Pfarrrechten, die einer Filialkirche übertragen wurde, was vor allem in den entlegenen Talschaften praktische Gründe hatte. Die Übertragung des Taufrechts <?page no="101"?> 101 2. Die Pfarreien im Bistum Chur vor der Reformation auf eine Filiale galt als ein klares Zeichen, dass die entsprechende Kirche «de facto» von der Mutterkirche unabhängig wurde. Entscheidende Bedingungen zur Pfarreierhebung bildeten das Vorliegen eines berechtigten und von der Diözesankurie geprüften Grundes (v. a. Topographie, Witterungsbedingungen, seltener Zunahme der Bevölkerung) und die garantierte finanzielle Eigenständigkeit. In ihrer Eigenschaft als Stifter gewannen die Dorf- und Kirchgemeinschaften zunehmend an Einfluss auf das kirchliche Leben. Sie setzten zur Verwaltung des Kirchenvermögens eigene Kuratoren ein und erkämpften sich lange vor der Reformation Mitspracherechte bei der Besetzung der von ihnen errichteten Pfründe. Diese Mitsprache konnte vom Zustimmungsrecht der Gemeinde bei der vom Patronatsherrn getroffenen Wahl des Seelsorgers bis hin zur freien Pfarrwahl gehen. Diese Praxis widersprach zwar dem geltenden Kirchenrecht, wurde aber von den kirchlichen Behörden geduldet und fand nicht nur im Bistum Chur rege Verbreitung. Am Vorabend der Reformation unterstanden auf dem Gebiet der Drei Bünde mehr als ein Drittel der Pfarrpfründen der Aufsicht der Dorfgemeinden, welche sich durch die Stiftung von Kapellen und Pfründen zu Kirchgenossenschaften konstituiert hatten. Ihre Befugnisse konnten so weit gehen, dass nicht einmal mehr die vom Kirchenrecht vorgeschriebene lebenslängliche Einsetzung eines Priesters ins Amt eingehalten wurde. So schrieben die Pfarrgenossen der Landschaft Davos um 1500 in ihrer Kirchenordnung, ihre «frye pfar kilchen» würden sie jedes Jahr von neuem ihrem Pfarrer «lichen» (Wiederwahl). 2. Die Pfarreien im Bistum Chur vor der Reformation In den acht Dekanaten des Bistums Chur zählte man bis 1525 (in alphabetischer Reihenfolge nach Orten) folgende 191 katholische Pfarreien (davon nach 1524/ 25: 73 protestantisch). Dekanat Surselva (oder auch Dekanat Ob dem Flimserwald genannt) Dazu gehörten die Cadi (Herrschaftsgebiet der Benediktinerabtei Disentis einschliesslich Ursern), Obersaxen und die Herrschaft Jörgenberg, das Lugnez und die Gruob. Das Hochtal Ursern kaufte sich 1649 von Disentis los, blieb aber bis 1970 bischöfliches Deputat. Verzeichnis der Pfarreien vor der Reformation Infolge der Reformation zum neuen Glauben übergetretene Pfarreien Breil/ Brigels Castrisch Castrisch [zwischen 1530 und 1537] Degen/ Igels Disentis Falera/ Fellers Flims Flims [seit 1528] Ilanz Ilanz [seit 1526] <?page no="102"?> 102 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) Abb. 74: Präsentationsurkunde vom 6. Mai 1484 für Gabriel Stephani auf die Pfarrpfrund St. Remigius in Falera [BAC] <?page no="103"?> 103 2. Die Pfarreien im Bistum Chur vor der Reformation Verzeichnis der Pfarreien vor der Reformation Infolge der Reformation zum neuen Glauben übergetretene Pfarreien Laax (erhoben 1525) Lumbrein Medel-Platta Obersaxen Pleif Riein [nach 1526] Rueun/ Ruis Ruschein Sagogn/ Sagens Sagogn/ Sagens [seit 1524/ 25; seit 1633 paritätisch] Schlans (erhoben 1518) Sumvitg/ Somvix Surcasti/ Oberkastels Tamins Tamins [seit 1546] Tavetsch-Sedrun Trin Trin [seit 1535] Trun Ursern-Andermatt Valendas Valendas [seit 1523/ 24] Vals Waltensburg/ Vuorz Waltensburg/ Vuorz [seit 1526/ 27] 27 Pfarreien 9 Pfarreien [paritätisch: 1] Dekanat Ob dem Churer Wald Darin waren der Heinzenberg, das Domleschg, das Albulatal und der Oberhalbstein, Schams und Rheinwald sowie das Bergell (bis Castasegna) zusammengeschlossen. Verzeichnis der Pfarreien vor der Reformation Infolge der Reformation zum neuen Glauben übergetretene Pfarreien Almens Almens [seit 1592; seit 1629 paritätisch] Alvaneu Avers-Cresta Avers - ganze Talschaft [seit ca. 1530] Bergell Bergell - ganze Talschaft [zwischen 1526 und 1555] Bergün Bergün [seit 1577] Bivio/ Stalla Bivio/ Stalla [seit 1584; im 17. Jahrhundert wieder paritätisch] Cazis Churwalden Churwalden [ab 1616 paritätisch] Davos Davos [seit 1526] Filisur Filisur [seit 1590] <?page no="104"?> 104 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) Abb. 76: Präsentationsurkunde vom 29. April 1504 für Conradin Tomasch auf die Pfarrpfrund St. Callistus und Florinus in Peist (Schanfigg) [BAC] Abb. 75: Präsentationsurkunde vom 21. April 1479 für Paul Gmach auf die Pfarrpfrund St. Franziskus in Mon [BAC] <?page no="105"?> 105 2. Die Pfarreien im Bistum Chur vor der Reformation Verzeichnis der Pfarreien vor der Reformation Infolge der Reformation zum neuen Glauben übergetretene Pfarreien Hinterrhein Hinterrhein [seit ca. 1530] Lantsch/ Lenz Malix Malix [seit 1526] Mon Obervaz Parpan Parpan [seit 1606] Portein Portein [seit ca. 1530] Präz (erhoben 1519) Präz [seit 1526] Riom/ Reams Safien-Platz Safien - ganze Talschaft [zwischen 1524 und 1573] Salouf/ Salux Savognin/ Schweiningen Scharans Scharans [seit ca. 1530] Sils im Domleschg Sils im Domleschg [seit ca. 1530] Splügen Splügen [vor 1552] Thusis (erhoben 1505) Thusis [seit 1535] Tiefencastel Tinizong/ Tinzen Tomils Tschappina (erhoben zwischen 1509 und 1520) Tschappina [seit 1530? ] Zillis (Schamser Talkirche) Schams - ganz Talschaft [seit 1560] 31 Pfarreien 19 Pfarreien [paritätisch: 2] Dekanat Churer Gebiet Ihm waren die Stadt Chur, der Rhäzünserboden, die Vier Dörfer, das Schanfigg und Prättigau mit Davos integriert. Verzeichnis der Pfarreien vor der Reformation Infolge der Reformation zum neuen Glauben übergetretene Pfarreien Chur - Hof und Stadt Chur - Stadt [seit 1527] Castiel Castiel [seit ca. 1530] Domat/ Ems Fanas Fanas [seit ca. 1561] Felsberg Felsberg [seit ca. 1535] Igis Igis [seit ca. 1522] Jenaz Jenaz [seit 1538/ 30] Langwies Langwies [seit 1530/ 31] Maladers Maladers [seit 1635/ 36 paritätisch] Malans Malans [seit 1523/ 26] Peist Peist [seit ca. 1530] Rhäzüns <?page no="106"?> 106 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) Abb. 77: Präsentationsurkunde vom 29. April 1479 für Gallus Jecklin auf die Pfarrpfrund St. Peter in Samedan [BAC] Abb. 78: Präsentationsurkunde vom 21. April 1478 für Hans Bürkli auf die Pfarrpfrund St. Amandus in Maienfeld [BAC] <?page no="107"?> 107 2. Die Pfarreien im Bistum Chur vor der Reformation Verzeichnis der Pfarreien vor der Reformation Infolge der Reformation zum neuen Glauben übergetretene Pfarreien Saas im Prättigau Saas im Prättigau [seit 1526] Schiers Schiers [seit 1561/ 63] Seewis im Prättigau Seewis im Prättigau [seit ca. 1590] St. Peter St. Peter [seit ca. 1530] Trimmis Trimmis [seit 1614 paritätisch] Untervaz Untervaz [seit 1611 paritätisch] Valzeina (erhoben 1523) Valzeina [seit ca. 1561] Zizers Zizers [seit 1612/ 14 paritätisch] 20 Pfarreien 18 Pfarreien [paritätisch: 4] Dekanat Engadin Dazu gehörten das Ober- und Unterengadin bis zum Ofenpass bzw. Reschenpass, also inkl. Nauders, Spiss und Finstermünz. Verzeichnis der Pfarreien vor der Reformation Infolge der Reformation zum neuen Glauben übergetretene Pfarreien Ardez/ Steinsberg Ardez [seit 1538] Ftan Ftan [seit 1543] Guarda (erhoben zwischen 1494 und 1520) Guarda [seit 1529] Lavin Lavin [seit 1529] Nauders Ramosch/ Remüs Ramosch/ Remüs [seit 1538] Samedan Samedan [seit 1531] S-chanf (erhoben 1523) S-chanf [seit 1569/ 70) Scuol/ Schuls Scuol/ Schuls [seit 1530/ 32] Sent Sent [seit 1576] Sils im Engadin Sils im Engadin [seit 1525] St. Moritz St. Moritz [seit 1577] Susch/ Süs Susch/ Süs [seit 1550] Tschlin/ Schleins Tschlin/ Schleins [seit 1545] Zernez Zernez [seit 1535] Zuoz Zuoz [seit 1553] 16 Pfarreien 15 Pfarreien <?page no="108"?> 108 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) Dekanat Misox Es umfasste die Orte südlich des San Bernardino-Passes, inkl. das Calancatals, bis und mit San Vittore. Verzeichnis der Pfarreien vor der Reformation Infolge der Reformation zum neuen Glauben übergetretene Pfarreien San Vittore (Propstei und zugleich kirchliches Zentrum der ganzen Mesolcina) --- Roveredo (erhoben 1484) Sta. Maria del Castello bei Mesocco (unterstand San Vittore) Sta. Maria in Calanca (bis 1548 Mutterkirche des ganzen Valle Calanca) 4 Pfarreien 0 Pfarreien Dekanat Unter der Landquart Dieser kirchliche Sprengel umfasste die Herrschaft Maienfeld, das Sarganser- und Gasterland, das Liechtensteiner Ober- und Unterland [FL] sowie Teile der Grafschaft Werdenberg, der Landvogteien Sax und Rheintal. Der «Hirschensprung» bildete im Norden die Grenze zur Diözese Konstanz, so dass Rüthi/ SG noch zu Chur gehörte. Verzeichnis der Pfarreien vor der Reformation Infolge der Reformation zum neuen Glauben übergetretene Pfarreien Amden (1529 Bildersturm; ab 1531 wieder katholisch) Balzers / FL Bendern / FL Benken (1529/ 33 Glaubenswirren) Buchs Buchs Eschen / FL Flums (1529/ 30 vorübergehend protestantisch, kein Bildersturm) Gams Gommiswald (1529 Glaubenswirren) Grabs Grabs Jenins Jenins [zwischen 1537 und 1540] Kerzeren Kerzeren Maienfeld Maienfeld [seit 1529] Mauren / FL Mels (1529 Bildersturm; ab 1532 wieder katholisch) Niederurnen Niederurnen <?page no="109"?> 109 2. Die Pfarreien im Bistum Chur vor der Reformation Verzeichnis der Pfarreien vor der Reformation Infolge der Reformation zum neuen Glauben übergetretene Pfarreien Pfäfers Quarten Ragaz (1530 Bildersturm; ab 1533 wieder katholisch) Rüthi Sargans Sax Sax [seit 1598] Schaan / FL Schänis (1529/ 33 Glaubenswirren) Sennwald Sennwald [seit 1529/ 1565] Sevelen Sevelen Triesen / FL Vättis Vilters Walenstadt (1525/ 30 Glaubenswirren) Wartau Wartau [seit ca. 1526] Weesen (1529 Bildersturm; ab 1533 wieder katholisch) Wildhaus Wildhaus 33 Pfarreien 11 Pfarreien Dekanat Walgau Inbegriffen waren hier das untere Vorarlberg von Feldkirch bis Götzis, dazu die Gegend von Bludenz sowie das Montafon und Paznauntal (seit 1717 auch Liechtenstein). Verzeichnis der Pfarreien vor der Reformation Infolge der Reformation zum neuen Glauben übergetretene Pfarreien Altenstadt --- Bartholomäberg Bludenz Bürs Dalaas Damüls Feldkirch Frastanz Fraxern Galtür Göfis Götzis Ischgl <?page no="110"?> 110 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) Abb. 79: Präsentationsurkunde vom 30. Dezember 1497 für Ludwig Rad auf die Pfarrpfrund St. Nikolaus in Feldkirch [BAC] Abb. 80: Präsentationsurkunde vom 17. Oktober 1445 für Georg Kilchenmayger auf die Pfarrpfrund St. Mariae Aufnahme in den Himmel in Mals [BAC] <?page no="111"?> 111 2. Die Pfarreien im Bistum Chur vor der Reformation Verzeichnis der Pfarreien vor der Reformation Infolge der Reformation zum neuen Glauben übergetretene Pfarreien Klaus --- Klösterle Laterns Ludesch Nenzing Nüziders Rankweil, Mariae Heimsuchung Rankweil, St. Peter Röthis Satteins Schlins Schnifis Silbertal Sonntag St. Gallenkirch St. Gerold [Propstei] Thüringen Tisis Tosters Tschagguns 32 Pfarreien [ohne St. Gerold] Dekanat Vinschgau Dazu zählten das Gebiet südlich des Ofenpasses (Val Müstair) und des Reschenpasses bis hinunter nach Meran, ferner das rechte Passeiertal und die seit 1728 bestehende, zur Pfarrei Tschars gehörende Kaplanei Vent im hintersten Ötztal. Verzeichnis der Pfarreien vor der Reformation Infolge der Reformation zum neuen Glauben übergetretene Pfarreien Agums-Prad --- Algund Burgeis [zu Marienberg] Glurns Graun Haid [St. Valentin auf der Haide] Kains-Kuens Laas Laatsch Latsch Lichtenberg Mals <?page no="112"?> 112 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) Verzeichnis der Pfarreien vor der Reformation Infolge der Reformation zum neuen Glauben übergetretene Pfarreien Matsch --- Müstair im Münstertal Naturns Partschins Plaus Schlanders Schlinig [zu Marienberg] Schluderns Schnals, Unser Frau St. Martin in Passeier [zu Marienberg] St. Peter-Gratsch [zu Stams] Sta. Maria im Münstertal Sta. Maria im Münstertal [seit 1529 kurze Zeit protestantisch; ab 1600 paritätisch] Taufers --- Tirol (inkl. Meran) Tschars Tschengls 28 Pfarreien 1 Pfarrei 3. Die Churer Bischöfe in der Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Päpsten sowie regionalen Konfliktherden in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts Nach dem Tod von Bischof Berthold II. von Heiligenberg am 17. Januar 1298 kam das Churer Domkapitel für eine Neuwahl in Chur zusammen. Die Mehrheit der Stimmen fiel auf Graf Hugo von Montfort, eine Minderheit unterstützte Graf Wolfhard von Veringen. Beide Kontrahenten versuchten in Rom ihre Wahl zu legitimieren, doch Papst Bonifaz VIII. (1294−1303) forderte von beiden den Verzicht auf Annahme der Wahl. Graf Hugo von Montfort starb noch während seines Romaufenthaltes am 3. August 1298 in der Ewigen Stadt. Mit Zustimmung des Domkapitels ernannte der Papst schliesslich am 20. November 1298 den aus Aschaffenburg stammenden Churer Kanoniker Siegfried von Gelnhausen (bei Mainz) zum neuen Churer Bischof (1298−1321), welcher zum Zeitpunkt seiner Ernennung erst im Stand eines Subdiakons war; die Diakonen- und Priesterweihe folgten nach November 1298. Die Bischofskonsekration muss vor April 1299 geschehen sein, da Siegfried laut Quellen damals bereits als «ordinarius» den Chor der Dominikanerkirche St. Nicolai in Chur mit fünf Altären eingeweiht hatte. Bereits als Stiftskanoniker von Aschaffenburg und Burgkaplan von Gelnhausen stand er im Dienst der reichspolitisch bedeutsamen Mainzer Bistumskanzlei. Den Schwerpunkt seines bi- <?page no="113"?> 113 3. Die Churer Bischöfe in der Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Päpsten sowie regionaler Konfliktherden schöflichen Wirkens legte er entsprechend auf die Reichspolitik an der Seite seines Metropoliten und Mainzer Erzbischofs Peter von Aspelt (1306-1320). Nicht nur zu König Albrecht I. von Österreich (1298−1308), unter dessen Herrschaft die Reichsvogtei Chur als Reichslehen für jährliche 300 bzw. 400 Mark (seit 1302) in die Hände des Churer Bischofs gelangte und es bis 1489 bleiben sollte, sondern auch zu König Heinrich VII. von Luxemburg (1308−1313) und Friedrich (III.) dem Schönen von Österreich (1314−1330) pflegte Siegfried von Gelnhausen beste Beziehungen. Wegen seiner wiederholt längeren Abwesenheit von Chur - neben Reichsdiensten tritt Siegfried in den Quellen 1300/ 01, 1306, 1309 und 1316 auch als Generalvikar des Mainzer Erzbischofs hervor - ernannte er den Churer Dompropst Graf Rudolf von Montfort (1307-1322) zu seinem Generalvikar (1310-1320) und verknüpfte diese Ernennung mit der Übergabe der vollen geistlichen und weltlichen Verwaltung für die Dauer von zehn Jahren. Siegfrieds auswärtige Dienste als auch Verwicklungen Rudolfs von Montfort in kriegerische Fehden verschlangen enorme Summen aus der Bistumskasse, was zu diversen Besitzverkäufen oder Verpfändungen zwecks Beschaffung neuer Gelder führte. Bereits am 8. Juli 1300 erhielt Siegfried auf Lebenszeit von König Albrecht I. das Ungeld in der Stadt Chur − eine Art indirekte Steuer, die insbesondere auf Wein erlassen wurde. Abb. 81: Bischof Siegfried von Gelnhausen und sein Generalvikar Rudolf von Montfort verkaufen dem Churer Domkapitel am 2. August 1311 die Alp Fondei [BAC] <?page no="114"?> 114 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) Verkaufsbzw. Verpfändungsurkunden aus dem Bischöflichen Archiv Chur (getätigt unter Bischof Siegfried von Gelnhausen) Verkauf von Zinsen aus Gütern in Müstair und Taufers 1303 April 25 Verpfändung des Hofs Sevelen an den Grafen Hugo II. von Werdenberg-Heiligenberg 1304 Juni 30 Verkauf des Zehnten in Glurns 1307 September 15 Verpfändung eines Teils des Zehnten vom Hof Scharans an Johann von Schauenstein 1308 Oktober 28 Verkauf der Feste Rotund an Heinrich von Reichenberg (hierfür Erhalt von Gütern im Raum Mals) 1310 Juli 24 Verkauf der Alp Fondei durch Bischof und Generalvikar an das Churer Domkapitel [Abb. 81] 1311 August 2. / 5. Verpfändungen von Einkünften in Alvaschein, Tiefencastel und der Alp Tein (Gemeinde Wiesen) 1311 September 20 Verpfändungen von Gütern in Cazis und Riom 1313 November 9 Verpfändungen von Einkünften aus dem Hof Riom 1314 März 31 / Juni 22 Verpfändungen von Einkünften aus der Alp Faller (Gemeinde Mulegns) und dem Hof Prada (Gemeinde Tiefencastel) 1315 Juli 3 Lediglich im Besitz der niederen Weihen wurde Dompropst Rudolf von Montfort (1307- 1322) nach dem Tod Siegfrieds (gest. am 19. Juli 1321 in Chur) als engagierter Parteigänger der Habsburger vom Domkapitel zu dessen Nachfolger erkoren, lehnte jedoch ab. In Avignon, wo die Päpste zwischen 1309 und 1377 residierten, ernannte ihn Papst Johannes XXII. (1316−1334) am 19. März 1322 direkt zum Churer Bischof (1322). Nur Monate später, am 1. Oktober 1322, erhob ihn der Pontifex auf den Bischofsstuhl von Konstanz (1322−1334) unter vorläufiger Beibehaltung des Bistums Chur als Administrator (1322−1325). Die Bischofsweihe erhielt er wahrscheinlich im Mai 1223 (in Konstanz? ). Im Thronstreit zwischen König Ludwig IV. dem Bayern (1314−1347) und Friedrich von Österreich nahm Bischof Rudolf für Friedrich offen Partei, was dazu führte, dass der Konstanzer Bischof Rudolf III. von Montfort von der Kirche gebannt wurde und bis zu seinem Tod 1334 auf Schloss Arbon residierte. Erst unter Papst Clemens VI. (1342-1352) erfolgte 1349 die Absolution des Montforter «post mortem suam» und die Möglichkeit der Bestattung in geweihter Erde bzw. die Erlaubnis zur Umbettung seiner sterblichen Überreste in die Pfarrkirche von Arbon. Weder im Churer noch im Konstanzer Totenbuch findet sich ein Eintrag seines Todesdatums (wahrscheinlich Ende März 1334). In Bischof Rudolf nur einen kriegslüsternen geistlichen Fürsten zu sehen, griffe zu kurz. 1327 drängte er als Konstanzer Oberhirte auf Einhaltung der kirchlichen Disziplin, beauftragte sodann seinen Offizial mit einer Visitation der Diözese und veranstaltete noch im gleichen Jahr eine Diözesansynode. Der Erfolg dieser diözesanen Bemühungen blieb angesichts der unsicheren politischen Lage ungewiss. Die weltlichen Dinge nahmen Montfort so sehr in Beschlag, dass er darüber die innerkirchlichen immer mehr aus den Augen verlor und sich im Dickicht säkularer Auseinandersetzungen in unheilvoller Weise verlor, was ihm letztlich als exkommunizierter Bischof von Konstanz zum persönlichen Verhängnis wurde. <?page no="115"?> 115 3. Die Churer Bischöfe in der Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Päpsten sowie regionaler Konfliktherden Nach Entbindung der Churer Administration (1325) ernannte der Papst am 12. Juni 1325 wiederum eigenständig einen neuen Churer Oberhirten: den aus Konstanz stammenden Johannes I. Pfefferhard (1325−1331). Sowohl in seiner Heimatstadt als auch in Chur (für 1300-1305) ist er als Kanoniker bezeugt. Obwohl die höheren Weihen noch nicht empfangen, wirkte er 1310 bis 1320 anscheinend als Kirchherr in Steffisburg/ BE (Bistum Konstanz). Mit päpstlicher Sondergenehmigung durfte der Electus mit seiner Priesterbzw. Bischofsweihe bis 1326 bzw. 1327 zuwarten - ein besonderer Gunsterweis der in Avignon sitzenden Kurie, da dieser sehr daran gelegen war, einen ihr ergebenen Günstling auf dem Churer Bischofsstuhl zu wissen. Seine Konsekration zum Bischof ist jedoch erst für den 18. September 1329 in Avignon durch Petrus Deprés, Kardinalbischof von Palestrina, bezeugt, wohin sich Johannes I. Pfefferhard begeben hatte und daselbst gleich auch die schuldigen Taxen für Ernennung und Ordination der päpstlichen Kammer überbrachte. Auf der Rückreise nach Chur nahmen ihn die Anhänger Ludwigs IV. des Bayern, welcher die Gunst des Papstes durch Bann verloren hatte und in der Folge entschieden gegen papsttreue Bischöfe vorzugehen wusste, gefangen und setzten Pfefferhard auf Burg Tüfelsruggen fest, wo der Bischof am 23. Mai 1331 verstarb. In der Pfarrkirche von Binzen (Bistum Konstanz) fand er seine letzte Ruhestätte. In dieser Zeit erlebte Rätien verheerende Raubzüge und Brandschatzungen durch Donat von Vaz (1284−1337/ 38), der sich auf die Seite Ludwigs IV. geschlagen hatte und mit seinen Kriegshaufen Territorien des Hochstifts Chur gezielt massiv schädigte, mit dem Ziel auf deren Kosten den Machtbereich der Freiherren von Vaz weiter auszubauen. Mit 25 Festen kontrollierte die Dynastie, deren Stammburg einst beim Weiler Nivagl südlich des Dorfes Zorten (Gemeinde Vaz/ Obervaz) gelegen hatte, am Ende des 13. Jahrhunderts bereits grosse Teile entlang der rätischen Nord-Süd-Route zwischen Konstanz und Como. Am 30. Januar 1327, so eine Urkundenabschrift aus dem Bischöflichen Archiv Chur, hatte Johannes I. Pfefferhard dem Churer Domkapitel das Hospiz St. Valentin (Gemeinde Graun) im Vinschgau als Ersatz für die durch Donat von Vaz verursachten Schäden auf dem Gebiet des späteren Bündens übertragen. Vor dem Hintergrund der Differenzen zwischen Papsttum und Kaisertum - Ludwig IV. der Bayer zog 1327 nach Italien und liess sich durch seinen selbsternannten Gegenpapst Nikolaus V. (1328−1330) in Rom im Jahr 1328 zum Kaiser krönen, worauf Papst Johannes XXII. in Avignon den Wittelsbacher erneut mit Bann und Interdikt belegte - vollzog sich die Churer Bischofsernennung 1331. Ein Augustinereremit und Pönitentiar des Erzbischofs von Mainz, Ulrich V. (Ribi) von Lenzburg, erlangte diese geistliche Würde (1331−1355). Da Ulrich klar zum avignonesischen Papst stand, konnte er zu Beginn seiner Amtszeit die Residenz auf dem Hof nicht betreten und musste auf die Feste Fürstenburg ausweichen, bemühte sich jedoch um eine rasche Konsolidierung seines zerrütteten Hochstifts. Als gefragter Vermittler versuchte Ulrich V. zusammen mit dem Erzbischof von Mainz, Heinrich von Virneburg (1328/ 37-1346/ 53), vor allem auf gesamtkirchlicher Ebene zwischen Papst Benedikt XII. (1334-1342) und Kaiser Ludwig-IV. zu einem besseren Einvernehmen zu finden; mit kirchlichen Strafen belastet, verlor letzterer mehr und mehr an Rückhalt und Ansehen. Unter Einflussnahme des Papstes in Avignon wählte die Mehrheit der Kurfürsten 1347 den Luxemburger Karl IV. (1347−1378) zum <?page no="116"?> 116 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) neuen Haupt des Reiches. Von Dresden aus bestätigte Karl IV. am 27. Dezember 1348 dem Churer Bischof und dem Hochstift Chur alle Freiheiten, Privilegien, Rechte und Briefe der früheren Kaiser und Könige. Gleichentags wurde eine Urkunde ausgestellt, worin der König dem Churer Bischof auch den Besitz des Kastells, der Stadt und des Tals Chiavenna bestätigte und dies den Bürgern und Bewohnern der Stadt und Talschaft Chiavenna kundtat. Am 12. Mai 1354 [Abb. 83] erliess Karl IV. in Schlettstadt zudem ein Gesetz, wonach alle Fremden, solange sie in bischöflichen Landen, Tälern und Städten - auch in der Stadt Chur - wohnten, dem Bischof von Chur untertan sein sollten wie die eigenen Gotteshausleute; bei Übertretung dieser Weisung drohte eine Busse von 100 Pfund reinen Goldes. Auf regionaler Ebene brachte hingegen erst der Tod Donats von Vaz (1337/ 38) kurzzeitige Beruhigung. Aus den Verzichtsleistungen der Erben des letzten männlichen Freiherrn von Vaz zugunsten des Hochstifts Chur wird ersichtlich, welche Schäden angerichtet und wie hoch diese zu stehen kamen. Nach erfolgter Erbaufteilung gab es in Rätien neben dem Bischof von Chur als Landesherrn zwar kein so dominierendes Adelsgeschlecht mehr, dafür kam es im tirolischen Teil der Diözese Chur zu heftigen Unruhen mit persönlich verheerenden Folgen für den darin verwickelten Churer Bischof, dem dadurch seine Hirtensorge fast vollständig entzogen wurde. Im Zusammenhang mit dem Versuch Karls IV., im Jahre 1347 Tirol den Wittelsbachern zu entziehen, zog der König in Begleitung des Churer und Trienter Bischofs sowie diversen bewaffneten Mannschaften ins Burggrafenamt, verwüstete die halbe Stadt Abb. 82: Burg Belfort, seit dem 13. Jahrhundert Hauptsitz der Freiherren von Vaz [Foto: A. Fischer] <?page no="117"?> 117 3. Die Churer Bischöfe in der Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Päpsten sowie regionaler Konfliktherden Meran und belagerte Schloss Tirol. Bei diesem für Karl IV. in einer Niederlange endenden Waffengang geriet Bischof Ulrich V. bei Tramin in Gefangenschaft des Markgrafen Ludwigs von Brandenburg. Auf Schloss Tirol über ein halbes Jahr «in der Keuche» inhaftiert, musste der Churer Bischof die Nachricht vom Überfall auf die Feste Fürstenburg durch die Grafen von Matsch und ihre Verbündeten zur Kenntnis nehmen. Weiteres Hochstiftsgebiet in Besitz zu bekommen, misslang den Matsch hingegen. Auch überliess Ludwig von Brandenburg die Fürstenburg wider Erwarten nicht den Vögten von Matsch, sondern als Pfandbesitz Konrad von Freiberg, einem seiner engsten Vertrauensleute, was zu neuen Reibereien führte. Nur gegen Zugeständnisse und die Zusicherung, sich an einem bestimmten Termin wieder (auf Schloss Tirol) zu stellen, kam der Bischof frei, und zum vorgeschriebenen Termin wurde ihm die nächste Frist gesetzt. Zwar war er nach dem Friedensschluss zwischen Markgraf Ludwig von Brandenburg und König Karl IV. im Mai 1349 von dieser Stellungspflicht befreit, aber der Tiroler Landesfürst liess den Churer Bischof bis zu seinem Tod 1355 seine Gegnerschaft spüren. Erst nach langwierigen Verhandlungen erlangte Ulrichs Amtsnachfolger (unter Zugeständnissen: Kastellane durch den Tiroler Landesfürsten ausgewählt) 1356/ 58 die Fürstenburg mit Leuten und Gütern zurück. Die Burg blieb vorläufig bis 1388/ 89 im Pfandbesitz tirolischer und österreichischer Adeliger. Als Ulrich V. (Ribi) von Lenzburg 1355, wahrscheinlich am 25. März bei Abb. 83: Urkunde von Karl IV. vom 12. Mai 1354 [BAC] <?page no="118"?> 118 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) Sargans, verstarb, verschied mit ihm weniger ein engagierter Hirte des Bistums Chur als vielmehr ein Reichsfürst in der Position eines tatkräftigen Vermittlers in den unseligen Kämpfen zwischen rivalisierenden Herrschern im Reich. 4. Die Burgen im Hochstift Chur - Abbild der weltlichen Macht eines geistlichen Reichsfürsten Das seit den königlichen Gunsterweisen gegenüber den Churer Bischöfen ab dem 10. Jahrhundert angewachsene und durch weitere Schenkungen oder Erwerbungen vergrösserte Territorium des Hochstifts Chur umfasste im Spätmittelalter im Detail: die Stadt Chur als Teil der Reichsvogtei (von 958/ 1050 bis 1489), die Vier Dörfer - Trimmis, Zizers, Igis und Untervaz -, Maladers im vorderen Schanfigg und Malix im Gericht Churwalden. Das Schanfigg war bis Mitte des 15. Jahrhunderts Lehen des Bistums mit hoher und niederer Gerichtsbarkeit. Der Bischof konnte in der Stadt Chur folgende weltliche Ämter frei besetzen: die Mitglieder des Stadtrates und den Stadt-Ammann. Ferner vergab er das Vizdumamt; der Inhaber hatte u.a. dafür zu sorgen, dass die Zinsen rechtzeitig am bischöflichen Hof abgeliefert wurden, zudem musste er jeden Montag zu Gericht sitzen. Zudem ernannte der Bischof den Kanzler (versah das Siegelamt), den Proveid, besetzte das städtische Zoll-, Marchstall-, Becher-, Keller-, Torwart-, Schmid-, Jagd- und Forstamt sowie diverse Hofämter, u. a. dasjenige des bischöflichen Hofmeisters (Verwalter). Ferner zählten die an den Walensee grenzende Herrschaft Flums zur Territorialherrschaft des Bischofs von Chur und weite Teile der Bündner Talschaften (Domleschg, Schams, Rheinwald, Oberhalbstein, Albulatal, Oberengadin, Bergell und Münstertal), wobei diese Talschaften als Gerichtsgemeinden mit je einem eigenen Ammann eine weitgehende Selbständigkeit besassen. Im Bergell, in Schams und Rheinwald war der Bischof im Besitz alter Grafenrechte, in der Surselva und im Unterengadin verfügte er über Streubesitz und die niedere Gerichtsbarkeit. Im Vinschgau schliesslich hatte der Churer Oberhirte die Immunitätsgerichtsbarkeit inne; diese betraf Besitzungen in Nauders, Mals, Burgeis und Schlanders [vgl. Abb. 73 und 85]. Ausserhalb des kirchlichen Sprengels besassen die Churer Bischöfe zwischen ca. 937 und 1694 (Verkauf an das Kloster Zweifalten) die Herrschaft Grossengstingen (im heutigen Landkreis Reutlingen) und um Landeck Land und Rechte, nicht aber die Landesherrschaft. Diverse Burgen, welche vom Bischof an Amtsleute, Burgvögte und Vizdume (Statthalter) zu Lehen gegeben wurden, dienten in oben genannten Gebieten als Verwaltungssitze. Aus dem Jahre 1410 stammt das im Bischöflichen Archiv Chur aufbewahrte sog. Urbar R oder das «buoch der vestinen, so dem stifft Chur zu hörent». Die Zahl der darin aufgeführten Burgen in Bünden und in der Grafschaft Tirol, welche damals (noch) im Besitz des Hochstifts Chur waren, beläuft sich neben der Residenz auf dem Hof in Chur auf stolze 30. In alphabetischer Reihenfolge waren dies: Alt-Aspermont (Gemeinde [Gde.] Trimmis) Bärenburg (Gde. Andeer) Baldenstein (Gde. Sils im Domleschg) <?page no="119"?> 119 4. Die Burgen im Hochstift Chur - Abbild der weltlichen Macht eines geistlichen Reichsfürsten Castelmur als Teil der Talsperre oberhalb Promontogno (Gde. Bondo, Bergell) Castrisch als mittelalterliche Wehranlage (Gde. Castrisch) Falkenstein (Gde. Igis) Gräpplang (Gde. Flums) Friedau (Gde. Zizers) Fürstenau (heute: Unteres oder Bischöfliches Schloss, Gde. Fürstenau) Fürstenburg (Gde. Burgeis, Vinschgau) Greifenstein (Gde. Filisur) Guardaval (Gde. Madulain) Haldenstein (Gde. Haldenstein) Hochjuvalt (Gde. Rothenbrunnen) Hohenrätien (Gde. Sils i. D.) Marschlins (Gde. Igis) Naudersberg (Gde. Nauders, Vinschgau) Neu-Aspermont (Gde. Trimmis) Ortenstein (Gde. Tomils) Plantaturm als bischöfliche Residenz im Klostertrakt Müstair (Gde. Müstair i. M.) Senwelen-Turm (Gde. Vicosoprano, Bergell) Reichenberg (Gde. Taufers, Vinschgau) Remüs/ Ramosch [Burg Tschanüff] (Gde. Ramosch) Abb. 84: Schloss Fürstenau im Domleschg [BAC.BA] <?page no="120"?> 120 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) Rietberg (Gde. Pratval) Riom (Gde. Riom/ Reams) Rotund (Gde. Taufers, Vinschgau) Schroffenstein (Gde. Stanz bei Landeck, Tirol) Steinsberg (Gde. Ardez) Wynegg (Gde. Malans) Wiesberg (Gde. Tobadill, Tirol) Eine erste spürbare Schwächung der bischöflich-weltlichen Machtstellung machte sich im Laufe des 14. Jahrhunderts bemerkbar. Ausschlaggebend waren hierfür die stärkere Anlehnung der Churer Bischöfe an die aufstrebende Grossmacht Österreich und deren zunehmende Einflussnahme im rätischen Raum einerseits sowie die Autonomiebestrebungen der Stadt Chur und einzelner Gerichtsgemeinden in Bünden andererseits. Beide Entwicklungen führten zu der übergreifenden politischen Organisationsform der landständischen Ordnung, wie dem Gotteshausbund (1367), dem Oberen oder Grauen Bund (1395/ 1424) und dem Zehngerichtenbund (1436), was im Laufe des 15. Jahrhunderts eine Verschiebung der Gewichte im bischöflich-landständischen Territorium herbeiführte, indem sich die Bindung der bischöflichen Amts- und Dienstleute zu Ungunsten des Bischofs an die Gemeinden verstärkte. Entscheidende Veränderungen der landesfürstlichen Herrschaft im Hochstift Chur erfolgten jedoch erst im Zuge der Einführung der Reformation in Bünden im 16. Jahrhundert. Abb. 85: Territorium des Hochstifts Chur (violett) im Gebiet des Bistums Chur [BAC.BA] <?page no="121"?> 121 5. Bischof Peter I. Gelyto und der Zusammenschluss des Gotteshausbundes (1367) 5. Bischof Peter I. Gelyto und der Zusammenschluss des Gotteshausbundes (1367) Wie bereits sein Amtsvorgänger auf dem Churer Bischofsstuhl fühlte sich auch Peter I. Gelyto [dt. Wurst] auf dem Parkett der Reichspolitik weit wohler und agierte entsprechend gewandter als in der Funktion eines Hirten für die Diözese Chur, zu der er ohnehin keine Beziehung hatte. Peter I. wurde um 1325 in Nieder-Johnsdorf bei Lanškroun [Landskron] in Tschechien geboren, wuchs in Ungarn auf, studierte später in Bologna, Perugia, Rom und trat als Doktor beider Rechte alsbald in den Dienst der römischen Kurie. Papst Innozenz VI. (1352-1362) ernannte ihn am 10. Juni 1356 zum Bischof von Chur. Während seiner ersten Regierungsjahre (bis 1360) trat er gemäss des Marienberger Chronisten Goswin (gest. nach 1393) wiederholt als Konsekrator von Kirchen und Kapellen im oberen Vinschgau und in Müstair auf. Im Juni 1368 ist er ein letztes Mal als Bischof von Chur in den Quellen greifbar, danach wirkte er zwischen 1368 und 1371 als Bischof von Litomyšl [Leitomischl] (Erzdiözese Prag, Tschechien), 1371-1381 als Erzbischof von Magdeburg und schliesslich 1381-1387 als Bischof von Olmütz. Die habsburgfreundliche Politik der Churer Bischöfe führte Gelyto im Anschluss an die Aussöhnung mit dem Markgrafen Ludwig von Brandenburg fort und schloss auf Zusicherung der Rückgabe der Fürstenburg (für bezahlte 1000 Mark Tiroler Währung) 1358 mit Österreich ein Bündnis auf Lebenszeit. Darin garantierte er den Herzögen militärische Hilfe im Angriffsfall und ausserhalb des Bistums zudem Schutz gegen Sold; Österreich seinerseits verpflichtete sich zum Schutz des Gotteshauses Chur und seiner Angehörigen. Da Gelyto ab 1360 meist im kaiserlichen Dienst Karls IV. (1355-1378) stand, welcher übrigens den Bischof in der Schuldentilgung des Bistum Chur (ca. 6000 Gulden) aktiv unterstützte (Gewährung von Zollerhöhungen, etc.), und sich in Chur mit seiner steten Abwesenheit keine Freunde machte, übergab Peter I. am 25. Juli 1360 im elsässischen Thann seine landesherrlichen Rechte, also die weltliche Herrschaft des Bistums (Hochstift) samt Einkünfte gegen eine jährliche Pension vom 1000 Gulden auf acht Jahre den Herzögen von Österreich. Im Namen der Herzöge übernahm der Landvogt in Schwaben und Elsass, Herzog Friedrich von Teck, die Verfügungsgewalt über die weltliche Regierung des Gotteshauses Chur. Die kirchliche Jurisdiktion des Bischofs blieb ausdrücklich vorbehalten und die Herzöge verpflichteten sich, Klerus, Kirchen und Klöster zu schützen. 1366 übertrug er Herzog Albrecht III. (1365-1395) auch die Fürstenburg zu Lehen. Mangelnde persönliche Präsenz ertrug eine mittelalterliche Herrschaft nur schlecht, und diverse Amtsträger des Bistums Chur sorgten sich nicht nur um ihre Positionen, sondern auch um die bischöfliche Herrschaft, die ohne ihr Einverständnis nun in einer Art Obervogtei für die zentrale Verwaltung in den Händen der Österreicher lag. Ende Januar 1367 trat das Churer «Gotteshaus» zusammen - die Körperschaften, auf die sich die bischöfliche Herrschaft im einzelnen bezog: das Churer Domkapitel, die Dienstleute (Ministerialen), die Talgemeinden Domleschg, Schams, Oberhalbstein, Bergell, Ober- und Unterengadin sowie die Bürgervertretung der Stadt Chur. Die Gotteshausleute aus dem Val Müstair und Vinschgau fehlten bei dieser Zusammenkunft. Grund <?page no="122"?> 122 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) ihres Zusammenfindens in Chur waren, nachdem um 1364/ 65 ein Treffen mit dem Bischof in Zernez ergebnislos verlaufen war, die offenkundige Vernachlässigung der bischöflichen Residenzpflicht und Gelytos eigenmächtige Vergabe der Hochstiftsverwaltung an Österreich. Entsprechend beschlossen die Vertreter, keinen Vikar oder weltlichen Pfleger zu akzeptieren, der nicht ihre gemeinsame Zustimmung besass. Ebenso zeigten sie sich entschlossen, Veräusserungen von Gütern des Gotteshauses zu verhindern. Der Unterhalt der Festen im Hochstift Chur sollte fortan wenn immer möglich aus dem Vermögen des Bistums bestritten werden; fehlendes Geld hierfür war nach gemeinsamer Beratung mittels gerechter Besteuerung von Klerikern und Laien, Edlen und Volk zu beschaffen. Das am 29. Januar 1367 in Chur einst mit 15 Siegeln versehene und geschlossene Abkommen [Abb. 86] von den Vertretern des «Gmein Gotzhus», aufbewahrt im Bischöflichen Archiv Chur, wird herkömmlich als Gründung des Gotteshausbundes betrachtet. Doch im Unterschied zu späteren Bündnisschlüssen fehlen in diesem Dokument die Kernpunkte der Landfriedenswahrung und der gemeinen Rechtssatzung. Aus der Vereinbarung geht keine unmittelbar gegen die Herrschaft Österreich gerichtete politische Abb. 86: Abkommen der Vertreter des «Gmein Gotzhus» vom 29. Januar 1367 [BAC] <?page no="123"?> 123 6. Das Bistum Chur und seine «fremden» Hirten bis zum Ende des Abendländischen Schismas 1417 Zweckbestimmung hervor. Die Kontrolle über die Hochstiftsverwaltung durch eigene Vertrauensleute zu übernehmen, richtete sich primär gegen die Amtsführung des Churer Bischofs Peter I. Gelyto. Was trotzdem entscheidend und wegweisend bleibt, ist die Tatsache, dass die Gotteshaus-Vertreter damals aus eigener Initiative zusammentrafen und nicht mehr als beratendes Gremium des Bischofs, sondern als Interessengemeinschaft des Gotteshauses, unter Umständen durchaus auch gegen den Willen des ortsabwesenden Bischofs handelnd, auftraten. In der Folge versammelten sich die Vertreter des Gotteshauses - 1428 als «gemein gotzhus der täller von Chur» bezeichnend - öfters zu Beratungen wichtiger politischer Geschäfte; dazu gehörte etwa der Ankauf von Herrschaften (1456: Schams und Obervaz, 1475: Heinzenberg, 1483: Flims, Gruob, Lugnez und Vals). Bischof und Gotteshaus - dieser Dualismus entsprach, wie bereits oben ausgeführt, der landständischen Ordnung als durchaus erfolgreiche Form der territorialen Modernisierung im 14./ 15. Jahrhundert. Landstände waren diejenigen Stände (Personenverbände, Körperschaften), welche gemeinsam das Land bzw. den Herrschaftsverband bildeten. Sie beteiligten sich neben dem Landesherrn (im oben gezeigten Fall: der Bischof von Chur) an der Regierung des Territoriums, stärkten dessen Legitimität, sicherten mit ihrer Teilnahme aber auch ihre eigene Position sowie ihre politische Einflussnahme. Dennoch blieb die Kontinuität und Wirksamkeit der bischöflichen Herrschaft (Hochstift Chur) bis 1500 durchaus intakt. Landständisch organisiert waren auch die geistlichen Herrschaften wie die Cadi, also das Gotteshaus des Abtes von Disentis, die Grafschaft Toggenburg unter dem Abt von St. Gallen oder (als weltliches Beispiel) die Gefürstete Grafschaft Tirol. 6. Das Bistum Chur und seine «fremden» Hirten bis zum Ende des Abendländischen Schismas durch das Konzil von Konstanz 1417 Auch nach der wenig glücklichen päpstlichen Auswahl eines Churer Bischofs in der Person des Tschechen Peter I. Gelyto gelangte unter österreichischem Einfluss erneut ein «Fremder» auf den rätischen Bischofssitz: Friedrich II. von Erdingen (1368-1376), vermutlich aus Schwaben stammend. Friedrich II., wie Gelyto oft von Chur abwesend, übertrug 1372 die weltliche Verwaltung des Bistums für sieben Jahre dem Grafen Rudolf von Montfort-Feldkirch. Mit erneuten Pfandverschiebungen und Lehensverleihungen versuchte man das finanziell nach wie vor angeschlagene Hochstift zu sanieren. Nur zwei Jahre später bat Friedrich von Erdingen den Papst um Translation nach Brixen. Dem Wunsch entsprach Gregor XI. (1330-1378) aber erst unter dem Druck Herzogs Leopold III. von Österreich (1365-1386) im Jahre 1376 und ernannte Friedrich zum Bischof von Brixen (1376-1396), wo jener am 15. Juni 1396 verstarb. Auch der nächste Hirte kam mit österreichischer «Empfehlung» auf den Churer Bischofssitz: der aus Bern stammende Johannes II. (Ministri) von Ehingen (1376-1388). Die Vergabe der weltlichen Verwaltung des Hochstifts Chur setzte er fort und verlängerte die Amtszeit des Grafen Rudolf von Montfort-Feldkirch in dieser Funktion um weitere <?page no="124"?> 124 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) fünf Jahre. Letzterer schenkte dem Churer Domkapitel 1386 für «ewige Zeiten» den Kirchensatz (Pfarrpfrund) von Schaan mit allen Einkünften und Rechten; das Kapitel präsentierte von da an den Ortspfarrer. Das nach dem Tod Gregors XI. (gest. am 27. März 1378 in Rom) losgetretene längste Schisma in der Kirchengeschichte (1378-1417), welches direkt auf das Avignonesische Exil folgte und bis zur Lösungsfindung auf dem Konzil von Konstanz (1414-1418) anhielt, zog seine Wirkungslinien quer durch Europa, zeigte seine Auswirkungen in den Orden oder auch in den diözesanen Domkapiteln. Auf Druck einer erregten römischen Volksmenge, die zwingend einen «Ihrigen» forderte, wählten die Kardinäle in Rom am 8. April 1378 in aller Eile wenigstens einen Italiener: Bartolomeo Prignano, Erzbischof von Bari, zum Papst, der den Namen Urban VI. annahm (1378-1389). Er war übrigens der letzte Nichtkardinal, der zum Papst gewählt wurde. Grössenwahnsinnig und mit harter Hand regierend, indem er bereits im Frühsommer 1378 fünf der ihm nicht gewogenen Kardinäle hinrichten liess, zeigte dieser alsbald sein wahres Gesicht. In Folge sagten sich vor allem französische Kardinäle von Urban VI. los, erklärten dessen Wahl wegen starker Druckausübung für nichtig und wählten am 20. September 1378 in Fondi Robert von Genf als Clemens VII. zum Gegenpapst (1378-1394). Italien und das Reichsgebiet, Ungarn und England anerkannten mehrheitlich Urban VI., Frankreich, Spanien, Schottland, Savoyen und Neapel hielten zu Clemens VII., welcher 1379 seine Residenz wieder in Avignon aufschlug. Da beide Päpste davon überzeugt waren, die rechtmässigen Nachfolger des hl. Petrus zu sein, wurden sie Opfer des überspitzten Systems, das keine übergeordnete Instanz anerkennt. Obwohl Bischof Johannes II. (Ministri) von Ehingen klar zu Urban VI. hielt, die Mehrheit des Churer Domkapitels hingegen für Clemens VII. Partei ergriff, konnte der diözesane Friede über den bischöflichen Hof in Chur hinaus gewahrt bleiben. Ein Werk besonderer kommerzieller Bedeutung gelang unter Bischof Johannes II.: der Ausbau der Septimer-Passstrasse durch Jakob von Castelmur 1387. Der Passweg mochte in den folgenden Jahren nach Fertigstellung mit Fahrzeugen rege benutzt worden sein, doch der Verschleiss an Wagenmaterial war derart gross, dass man sich alsbald wieder nur mehr auf das Säumen mit Pferden beschränkte. Tatsache bleibt, dass dieser Handelsweg als direkte Abkürzung von Bivio ins Val Bregaglia dem Hochstift Chur wichtige Einnahmen aus den Warentransporten sicherte. Ebenso in engagiertem Reichsdienst stehend, kam der Johanniter Hartmann II. von Werdenberg-Sargans, ein Neffe des Bistumspflegers Rudolf von Montfort-Feldkirch, 1388 unter dem Gegenpapst Clemens VII. zur Bischofswürde und übernahm die Leitung des Bistums Chur bis 1416. Um den Johanniter überhaupt wahlfähig zu machen, erhielt Hartmann aus der Hand des Pfäferser Abts die niederen Weihen. Da er sich noch 1412 als «electus» bezeichnete, ist es fraglich, ob er jemals die Bischofsweihe empfangen hatte. 1392 übersandte Herzog Leopold III. an Papst Bonifaz IX. (1389-1404), dem Nachfolger Urbans VI., die Nachricht, der Churer Bischof hätte sich nach langer Weigerung nun doch auf die Seite der «römischen» Päpste gestellt und ebenso Klerus und Volk dazu angewiesen, den gleichen Schritt zu tun. Leopold III. bat den Papst in Rom, Hartmann II. zu bestätigen; ob und wann dies geschehen ist, bleibt unbekannt. Interessanterweise <?page no="125"?> 125 6. Das Bistum Chur und seine «fremden» Hirten bis zum Ende des Abendländischen Schismas 1417 nennt nämlich der Gegenpapst Benedikt XIII. (1394-1417) in einer Bulle aus dem Jahre 1396 an das Churer Domkapitel den amtierenden Bischof noch immer «seinen geliebten Sohn». Fakt ist, dass Hartmann II. nicht nur bis zu seinem Tod 1416 unangefochten im Besitz des Bistums Chur geblieben ist, sondern auch Teile des Hochstifts Chur (die Vogtei Vinschgau, das Münstertal und das Engadin) erfolgreich gegen die massiven Angriffe der Grafen von Matsch zu verteidigen wusste. Die Nähe zur Casa d’Austria wurde dadurch immer enger, die bischöfliche Landesherrschaft gegenüber den auf Expansionskurs befindlichen Herzögen von Österreich zu behaupten, immer schwieriger. Dies führte im Gegenzug zu weiteren Bündnissen und Zweckverbindungen in Rätien: 1395 schlossen der Abt von Disentis, der Herr von Rhäzüns und der Herr von Sax ein Bündnis («Oberer Bund» genannt) zur Sicherung des Landfriedens, insbesondere im Hinblick auf den Lukmanierpassweg. 1406 schlossen sich der Obere Bund mit dem Bischof von Chur und dem Gotteshaus zusammen. Als Teilnehmer am Konzil von Konstanz erkrankte Hartmann II. von Werdenberg- Sargans auf Schloss Sonnenberg im heutigen Kanton Thurgau und starb dort am 6. September 1416. Sein Leichnam wurde nach Chur überführt und in der bischöflichen Gruft der Domkirche beigesetzt. Es war der Zeitpunkt, an dem der «rechtmässige» Papst Gregor XII. (1406-1415) abgedankt hatte, Johannes XXIII. (1410-1415) für abgesetzt erklärt worden war und das Absetzungsverfahren gegen Benedikt XIII. noch andauerte - also eine Zeit, in der die Kirche bis zur Wahl Martins V. (1417-1431) am 11. November 1417 in Konstanz ohne geistliches Oberhaupt dastand. Abb. 87: Jakob von Castelmur verpflichtet sich am 5. März 1387, den Streckenabschnitt von Tinizong aus über den Septimerpass bis nach Piuro auszubauen (sog. Castelmursche Strasse) [BAC] <?page no="126"?> 126 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) 7. Klostergründungen des Franziskanerordens auf dem Territorium des Bistums Chur im 14. Jahrhundert Wie bereits nach der päpstlichen Bestätigung des Dominikanerordens im Jahre 1215 Niederlassungen weiblicher und männlicher Zweige dieser Gemeinschaft alsbald auf dem Territorium des Bistums Chur entstanden sind, können entsprechende Entwicklungen auch beim Bettelorden der Franziskaner ausgemacht werden, dessen Regelwerk des hl. Franziskus (1181/ 82-1226) 1223 gesamtkirchliche Bestätigung gefunden hatte. Die drei selbständigen franziskanischen Männerorden sind: die Franziskaner oder Orden der Minderen Brüder [Ordo Fratrum Minorum (OFM)], die Minoriten oder Konventualen [Ordo Fratrum Minorum Conventualium (OFMConv)] und die Kapuziner [Ordo Fratrum Minorum Capuccinorum (OFMCap)]. Der weibliche Zeig ist nach der hl. Klara von Assisi (1193-1253) benannt: die Klarissen [Ordo S. Clarae (OSCl)]. Die beschaulichen Klarissenklöster sind selbständig und unterstehen einer gewählten Äbtissin oder Priorin. Durch strenge Klausur von der Aussenwelt abgeschnitten, halten die Klarissen Geist und Seele auf das Jenseits gerichtet, weihen ihr Leben ausschliesslich Gott, ihrem Schöpfer, und erblicken ihre Berufung im täglichen gemeinsamen Lobpreis Gottes, in Gebet, Betrachtung, Busse sowie in der Verrichtung interner Klosterarbeiten (Garten, Haushalt, Handarbeiten). Je ein solches Klarissenkloster entstand 1309 in Meran, bzw. 1388/ 1393 in Valduna bei Rankweil. Die Minoriten konnten sich 1383 im vorarlbergischen Viktorsberg etablieren. a) Eine landesfürstliche Stiftung: Das Klarissenkloster am Kornplatz in Meran Nachdem bereits 1229 in Trient eine Niederlassung des Klarissenordens geglückt war, entstand noch vor 1235 in Brixen das erste Klarissenkloster im gesamten deutschen Sprachraum. Die Meraner Ordensniederlassung ist dann der zweiten Besiedlungswelle zuzuordnen, die ihren Ausgang von bereits bestehenden und in ihrer Struktur gefestigten Ordenskonventen nahm; es wurde zu Beginn des 14. Jahrhunderts von Brixen bzw. Dürnstein in Niederösterreich aus besiedelt. Über 470 Jahre prägte das am 2. März 1309 durch Herzogin Euphemia (1281−1347), Gemahlin Herzogs Otto III. von Kärnten (um 1265−1310), gegründete Kloster am Kornplatz das Stadtbild von Meran. In der auf Schloss Tirol ausgestellten Stiftungsurkunde lesen wir: «Wir Ofmey von Gots gnaden Herzoginne zu Chernden, Graefinne ze Tirol vnd ze Gorz verliehen vnd ton chunt allen den, die disen briv sehent oder horent lesen, daz wir inrechlich in der ere der heiligen Drivaltichait vnd vnser frowen sand Marien, der ewigen mait, mit gutem willen, wort vnd gunst vnser lieben herren vnd wirtes, des edeln herzog Otten von Chernden, in vnser stat an Meran ein chloster stiften vnd pawen wellen des ordens der heiligen junchfrawen sand Chlaren, vnd haben dar zv willichlich gegeben auch mit vnsere lieben wirtes willen, wort vnd gunst. […].» <?page no="127"?> 127 7. Klostergründungen des Franziskanerordens auf dem Territorium des Bistums Chur im 14. Jahrhundert Auch in späteren Dokumenten bezeichnet Herzogin Euphemia sich und Elisabeth von Taufers, verehelichte von Schönberg, − eine Adelige, welche dem Kloster bedeutende Schenkungen gemacht hatte und nach dem Tod ihres Mannes 1316 selbst in den Konvent eingetreten war (Äbtissin 1320−1325) - als Stifterinnen des Klosters, so etwa in der Urkunde vom 11. Juli 1312, in der beide die Katharinenkapelle gegenüber des Klosters am Rennweg von den Rechten des Pfarrers von Tirol befreiten und dem Kloster übergaben, oder etwa 1363 in der Bestätigung des landesfürstlichen Freiheitsbriefes durch Herzog Rudolf IV. (1358−1365). Die Gründung aus dem Jahr 1309 durch Herzogin Euphemia unter Zustimmung ihres Gemahls Otto III. und finanzkräftiger Mithilfe Elisabeths von Taufers ist also wie bereits die Gründung des Dominikanerinnenklosters Maria Steinach in Algund eine landesfürstliche Stiftung, welche von allen späteren Tiroler Landesherren in ihren Rechten immer wieder bestätigt, mit Privilegien und Gütern ausgestattet sowie unter ihren steten Schutz gestellt wurde. Die Gründung des Klarissenklosters fällt zudem in eine für die Meraner Stadtarchitektur sehr fruchtbare Zeit, die unter Graf Meinrad II. von Tirol-Görz (um 1238−1295), dem Stifter der Zisterzienserabtei Stams, begonnen und sich unter seinen Söhnen Herzog Otto III. und Heinrich VI. von Kärnten-Tirol (um 1270−1335) fortgesetzt hatte. Unter Meinrad II. waren in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Laubengasse entstanden, 1271 das Heilig-Geist-Spital, die Münzstätte gegründet und wohl noch Ende des Jahrhunderts die sog. «Neustadt» entlang des heutigen Rennwegs angelegt worden. Um diese Zeit hatte sich der einstige Marktort endgültig zur Stadt ent- Abb. 88: Schloss Tirol (vom Dorf Tirol aus gesehen) [Foto: A. Fischer] <?page no="128"?> 128 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) wickelt. Die Klarissenniederlassung entstand damals am bereits bestehenden Kornplatz (Markt- und Gerichtsstätte), den Gepflogenheiten des Bettelordens entsprechend, ausserhalb der Stadt, aber auf Grund und Boden des Landesherrn. Neben der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus - sie gehörte bis 1921 zur Grosspfarrei Dorf Tirol-Meran (seit 1665 residierte der Pfarrer von Tirol jedoch in Meran) - war die Klosterkirche St. Maria der bedeutendste Sakralbau der Stadt an der Passer ([angeblich] konsekriert am 8. Oktober 1310). Die Klarissen waren zudem der einzige ins Mittelalter zurückreichende Frauenkonvent Merans. Das Kloster entwickelte sich zu einem Zentrum der Marienfrömmigkeit im Burggrafenamt, beherbergte lokale Bruderschaften und Zünfte. Die Kirche ihrerseits erwuchs zu einer gern gewählten Begräbnisstätte von bedeutenden Bürgern und Bürgerinnen der Stadt und von Adeligen, welche die ebenfalls grösstenteils aus dem Adel stammenden Klarissen durch Stiftungen und Schenkungen nachhaltig zu fördern wussten. Trotz diverser reichhaltiger Schenkungen durften sich die Klarissen laut Regel nichts persönlich aneignen. «Gleich wie Pilgerinnen und Fremde in dieser Welt, die dem Herrn in Armut und Demut dienen», waren sie gehalten, «voll Vertrauen um Almosen zu bitten» (aus der Regel der hl. Klara von Assisi, Kapitel VIII). Nachdem laut Quellen die ersten Klarissen noch im November 1310 die bereitgestellten Lokalitäten bezogen hatten, musste das Kloster im ersten Jahrzehnt seines Bestehens bereits einen regen Zulauf gehabt haben, da 1323 Meraner Klarissen für die Gründung des Abb. 89: Klarissenkloster in Meran (Detail aus dem Kupferstich der Stadt Meran von Benedikt Auer, 1722−1792) [Original im StadtAM] <?page no="129"?> 129 7. Klostergründungen des Franziskanerordens auf dem Territorium des Bistums Chur im 14. Jahrhundert Abb. 90: Titelseite des Stockurbars von 1649 aus dem Klarissenkloster in Meran [StadtAM] <?page no="130"?> 130 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) Klosters in Sankt Veit an der Glan (Kärnten) abgezogen werden konnten. Zugleich versahen Förderer den Konvent mit Zollfreiheit auf verschiedene Güter und liessen ihm weitere Privilegien zukommen. Wegen ihres zunehmenden Besitzes bezeichneten Zeitgenossen die Klarissen spitz als «streitbare Nonnen». In der Tat besass das Kloster im Burggrafenamt im Laufe des 14./ 15. Jahrhundert ausgesprochen reichen Grundbesitz; neben verschiedenen Häusern am Rennweg zählten dazu Weingüter in Mais und Gratsch, einträgliche Zinsen von Höfen im Passeiertal, in Völlan, Ulten, Mitterlana, Algund und Marling. Umso gravierender war der Einschnitt zu Beginn des 16. Jahrhunderts, als im Zuge der ausgebrochenen Bauernunruhen in Tirol, eines Aufstandes gegen die weitreichenden Privilegien des Adels und der Kirche, aufständische Bauern aus dem Burggrafenamt 1525 auch das Klarissenkloster verwüsteten. Die Zeit des Wiederaufbaus, aber auch die Jahrzehnte danach waren bis ins 17. Jahrhundert hinein geprägt durch Entbehrung und Nahrungsknappheit. Mit Hilfe kräftiger Unterstützung der Erzherzöge von Österreich, des Landadels und der Stadt Meran vermochte das Kloster wieder zu ansehnlichem Wohlstand zurückfinden, was sich in einer regen Bautätigkeit und der Renovierung der Klosterkirche (1643) widerspiegelt. Der im Stadtarchiv Meran aufbewahrte voluminöse Band des sog. «Stockurbars» des Klarissenklosters aus dem Jahre 1649 enthält Aufzeichnungen des grundherrlichen Besitzes, der Einnahmen, Zinsen und Privilegien des Konvents. b) Das Minoritenkloster auf dem Viktorsberg 1984 gründeten das Land Vorarlberg, die auf knapp 900 m über Meer gelegene Gemeinde Viktorsberg, die Stadt Feldkirch, die Diözese Feldkirch, die Marktgemeinde Rankweil sowie die Gemeinden Fraxern, Klaus, Laterns, Röthis, Sulz, Übersaxen, Weiler und Zwischenwasser die «Stiftung Kloster Viktorsberg». Zweck der Einrichtung der Stiftung war und ist die Restauration sowie die Erhaltung der ehemaligen Klosteranlage, deren Geschichte mit der Ansiedlung von Minoritenpatres Ende des 14. Jahrhunderts begann und bis 1785 Bestand hatte. Der 13. September 1383 ist die eigentliche Geburtsstunde der franziskanischen Wirkstätte im Vorarlberg. An diesem Tag übergab Rudolf V. von Montfort-Feldkirch (gest. 1390) den neu errichteten Klosterbau an die Minoriten der Oberdeutschen Provinz. Im Laufe der Zeit gewann das Kloster zur ursprünglich gestifteten Ausstattung manche Güter durch Schenkung oder Kauf hinzu. Quellen aus der Anfangszeit sind rar. Urkunden aus dem 15./ 16. Jahrhundert, welche im Vorarlberger Landesarchiv Bregenz aufbewahrt werden, nennen einen Weinberg am Sulnerberg (1401), das Gut Klusbach hinter Viktorsberg (1420), ein Gut mit Hofstatt in Röthis (1428), ein Gut in Sulz (1443) sowie einen Weinberg ob Röthis (1476/ 1513). Als Kastvogt über das Kloster amteten Ammann und Rat der Stadt Feldkirch, welche aus ihren Reihen einen Verwalter (Pfleger) stellten. Erst nachdem auf dem Konzil von Trient (1545−1563) der Ordenszweig der Franziskaner-Konventualen, dem Viktorsberg angehörte, «in communi» als besitzfähig erklärt worden war, gab der Feldkircher Magistrat nach langen Streitigkeiten 1650 die Güterverwaltung an den Guardian des Minoritenklosters ab. <?page no="131"?> 131 7. Klostergründungen des Franziskanerordens auf dem Territorium des Bistums Chur im 14. Jahrhundert Das etwas entlegene Kloster weist eher eine bescheidene Wirkungsgeschichte aus. Aus dem 16. Jahrhundert berichten Quellen, dass 1568 alle Klosterbewohner bis auf einen Diener innerhalb von 14 Tagen von einer nicht genauer bezeichneten Krankheit dahingerafft worden seien. 1598 weilten nur mehr gerade zwei Patres auf dem Viktorsberg. Erst mit dem Wiederaufblühen des katholischen Lebens in der Barockzeit kam es auch im Kloster zu einer allmählichen Aufstockung des Bestandes. 1723 wohnten sechs Patres und drei Laienbrüder in den Gebäulichkeiten. Noch vor dem verheerenden Brand im Jahre 1642, am 18. Dezember 1639, weihte der Churer Bischof Johann VI. Flugi von Aspermont im Zuge seiner Visitation im Dekanat Walgau die neue Kapelle im Kloster ein, welche an die Kirche angebaut worden war. Im Volk war die kleine Ordensgemeinschaft sehr beliebt; Patres leisteten in der nahen Umgebung Aushilfen, vor Ort erfreuten sich die franziskanische Gürtelbruderschaft und die Bruderschaft Maria vom Guten Rat reger Mitgliedschaft sowie förderten das religiöse Brauchtum. Ein neues Arbeitsfeld tat sich für die Franziskaner-Minoriten 1773 in der Stadt Feldkirch auf. Als die Jesuiten nach der Aufhebung ihres Ordens (1773) nach und nach auch die Lehrtätigkeiten am Kolleg St. Nikolaus in Feldkirch aufgaben, traten Konventualen aus Konstanz und Viktorsberg an ihre Stelle. Am 19. Februar 1785 erhielt der Churer Bischof Franz Dionys von Rost (1777−1793) im Zuge der zweiten Welle josephinischer Klosteraufhebungen den unumgänglichen Befehl zur Schliessung der Institution auf Viktorsberg. Abb. 91: Kirche und ehemaliges Konventsgebäude auf Viktorsberg [Foto: A. Fischer] <?page no="132"?> 132 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) c) Das Klarissenkloster in Valduna bei Rankweil Die Klarissin Clara von Embs (gest. am 1. März 1630), Tochter des Grafen Jakob Hannibal von Hohenems (1530-1587), schreibt in ihrer um 1602 verfassten Valduna-Chronik, welche bis ins Jahr 1499 reicht, über die Vorgeschichte des Klosters folgendes: «Es ist zu wissen, daß in Curer Bistum hinder Ranquil ist gelegen ein wald, ist genampt Valdunen. Darin quillt aus ain adellicher [edler] brun, ist gehaissen die guldin mülli. Nun fügt es sich, daß ain mensch aus feren [fernen] landen heraus kham in dies land als ain armer bilger [Einsiedler] und kham in denselben wald Valdunen, da die guldin mülli genambt inlitt [darin liegt]. By dem brunen stand ain große aych [Eiche], die was ybel holl [innen ganz hohl]. In dem holl hatt[e] der bilger vil sein wonung allein mit großem andacht. Und also jez jm [ihm] Gott in der homliche [Behausung] ettliche wunder offenbaren wollt, die sider künfftüghlich fürgegangen seind. In was er sah engel von dem himmel herabkhumen und sich ließend auf den stain, auf dem der erst stock dis klosters gesezt ist worden, und warent gar loblichen singen. Das hortt der mensch, namlich der waldbruder mit fröden, und auf dem stain so gingendt vil fröwly [Fräuleins], die hattent schwarze wille [Schleier] auf iren höpteren. Und also auf dieselben fröwly warent die hailgen engel sich herablassen zu syben mall im tag und ob inen schweben, und daby ward jm zu verständ geben von Gott, daß dies da ain beschlossen kloster [klausurierter Konvent] mit gewilenten [verschleierten] frowen söllte werden, darin die syben zeytt täglichen gesungen sölend werden.» Nach dem Wegzug dieses historisch nicht festzumachenden Waldbruders aus der Einsamkeit des Waldgürtels, welcher sich zwischen Rankweil, Göfis und Satteins erstreckt, liess sich ein ehemals wohlhabender Kaufmann aus Brixen, Marquard von Tegernsee, daselbst nieder. Als 1373 Graf Rudolf V. von Montfort-Feldkirch, ehemaliger Churer Dompropst (1357-1368; gest. 1390), die Herrschaft Feldkirch erwarb [siehe Abb. 92] - dazu gehörte auch der Valduna-Wald -, bemühte er sich vor dem Hintergrund der mündlichen Überlieferung um eine definitive Klause und konnte hierfür den oben genannten Marquard gewinnen. Am 23. Juni 1388 wurde in Feldkirch zwischen dem Grafen, Bruder Marquard und seinen potentiellen Nachfolgern ein Stiftungsbrief ausgestellt, welcher drei wichtige Punkte ausweist: 1. Rudolf V. von Montfort-Feldkirch sichert dem gegenwärtigen Waldbruder und den zukünftigen Einsiedlern für eine feste Wohnstatt Grund und Boden im Wald Valduna zu und befreit sie von allen Abgaben. 2. Der Waldbruder und seine Nachfolger erhalten für «ewige Zeiten» das Recht und die Freiheit, im genannten Waldgebiet Holz zu schlagen und sich daraus den nötigen Bedarf an Bau- und Brennholz zu nehmen. 3. Falls sich nach Marquards Wegzug oder Ableben keine geeigneten Einsiedler finden liessen, sollten Frauen, die im geistlichen Stande ein kontemplatives Leben führen und so Gott dienen wollten, den Besitz der Wohnstatt in Valduna sowie alle Rechte und Freiheiten übernehmen. <?page no="133"?> 133 7. Klostergründungen des Franziskanerordens auf dem Territorium des Bistums Chur im 14. Jahrhundert Gemäss dieser dritten Bestimmung erachtet die Tradition Graf Rudolf V. von Montfort- Feldkirch als Stifter der (späteren) klösterlichen Niederlassung in Valduna. Am 6.- September 1389 stellte Graf Rudolf zusammen mit Graf Heinrich von Werdenberg-Sargans (Churer Dompropst 1374-1377) einen zweiten Stiftungsbrief aus, worin beide die Dotation von 1388 bekräftigten und diese durch weitere Grundstücke vermehrten sowie die Bewohner der Einsiedelei von allen Zinsen, Zehnten, Steuern und der weltlichen Gerichtsbarkeit befreiten. Als Bruder Marquard mit seinen inzwischen ihm beigesellten (zwei) Genossen nach nur dreijähriger Bleibe die Stätte überraschend verliess, reifte 1391 der Plan, definitiv Schwestern nach Valduna zu holen. Graf Rudolf V. von Montfort-Feldkirch, welcher bereits 1370 den Bau eines Minoritenklosters neben der Kapelle des hl. Viktor auf dem Viktorsberg initiiert hatte und 1383 erfolgreich zu Ende bringen konnte, wandte sich mit dem Anliegen, im Valduna-Wald eine Niederlassung von Klarissen zu ermöglichen und diese kräftigst zu dotieren, an den Provinzial der Konventualen der Oberdeutschen bzw. Strassburger Provinz, P. Marquard von Lindau (gest. 1392). Der Provinzial machte alsbald eine verbindliche Zusage. Von St. Ottilia Grimmenstein, einer Enklave des heutigen Kantons Appenzell-Innerrhoden (Gemeinde Walzenhausen) sollte die dort ansässige kleine Beginengemeinschaft (gegründet 1378; später Kapuzinerinnenkloster) nach Valduna wechseln. Doch der unerwartete Tod des Grafen von Montfort 1390 drohte das Unternehmen zu Fall zu bringen, weil die finanziellen Mittel für den Bau des Klarissenklosters durch den Verstorbenen urkundlich nicht festgehalten und entsprechend abgesichert waren. Mit ideeller Unterstützung des Provinzials erreichte die dreiköpfige Schwesterngemeinschaft aus Appenzell am 14.-August 1391 ihre neue Wirkstätte Valduna, wo sie als Tertiarinnen nach der dritten Regel des hl. Franz von Assisi ein Gott geweihtes Leben führte. Ihre Namen sind aus der Überlieferung bekannt: Anna Mayer und Adelheid Mayer (Geschwister) aus Berneck im Rheintal sowie Anna Hug aus Feldkirch. Die Vollendung des unter gegebenen Umständen ohnehin äusserst einfachen Klosterbaus gestaltete sich nach dem Hinschied des Provinzials P. Marquard (1392) äusserst schwierig; eine Aufgabe des Klosters musste in Betracht gezogen werden. Aus einer weiteren Valduna-Chronik - eigentlich ein Auszug aus der Chronik von Schwester Clara -, welche bis ins Jahr 1499 reicht, dann von anderer Hand bis 1692 weitergeführt wird, lesen wir: «Das woltend vil der lütten auff dem land und die burger in der statt [Feldkirch] benüty [durchaus] nit sy wider hinablassen und battend die schwöstern ernstlich, daß sy belibent [bleiben]. Sy wöltent jnen helfen und ratten und trösten.» Mit Hilfe von Spenden und Almosen konnte der Bau zu Ende geführt und die Klarissen mit dem Nötigsten unterstützt werden. Die spätere Geschichte des Klosters Valduna verdeutlicht, dass gerade die Armut die dortigen Klosterfrauen befähigte, nicht nur den Geist ihres Ordensvaters in allen Situationen treu zu wahren, sondern auch späteren Stürmen, welche die Existenz des Klosters wiederholt bedrohten, erfolgreich standzuhalten. Am 7. April 1393 erfolgte schliesslich die Bestätigung Herzogs Leopold IV. von Österreich (1386-1411), an welchen die Besitzungen des Grafen Rudolf V. von Montfort-Feldkirch übergegangen waren, alle bisherigen Stiftungsprivilegien auch künftig zu sichern; zudem gewährte er ihnen einen örtlichen Friedhof mit Begräbnisrecht. Dieser dritte (neue) Stiftungsbrief bezeichnet die Niederlassung in Valduna erstmals als «convent <?page no="134"?> 134 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) Abb. 92: Übersichtskarte zur Herrschaftsausdehnung der Familie Montfort und Werdenberg im Mittelalter [BAC. BA] <?page no="135"?> 135 7. Klostergründungen des Franziskanerordens auf dem Territorium des Bistums Chur im 14. Jahrhundert der closterfrawen S. Clarae ordens, der newen stüftt, die angefangen ist uf der hofstatt, genandt die guldin Müli, gelegen in dem wald Valduna bey Veldtkhirch, in Ranckhwyler kilchspil». Am 8. Dezember 1394 konnte die Schwesterngemeinschaft, welche inzwischen um drei Personen gewachsen war - Ursula Goldschmid aus Feldkirch, Anna Walch aus Göfis und Elisabeth Kriess aus Chur -, den einfachen Konventsbau beziehen. Die Chronik hält fest: «In dem engen, unausgebauten häuslin wohnten die liebe sälige kinder sanctae Clarae. Ihr leben fundierten sie auf dem edlen liebreichen eggstein Christum Jesum und sein hailiger armut, darin sie vortrefflich scheinen täten.» Gemäss den Angaben aus der Valdunerchronik rief der starke Andrang an Chorfrauen und Laienschwestern zu Erweiterungsbauten und zum Bau eines eigenen Gotteshauses. Nur Dank weiterer Almosen und Stiftungen - ein eigentlicher Baufonds und eine Klosterfundation fehlten nach wie vor - gelangen diese Vorhaben. Anfangs Oktober 1398 (genauer Tag nicht sicher) weihte der Churer Weihbischof und Minorit Dietrich, Bischof von Seny in Kroatien (für Chur bezeugt 1392-1398) die neue Klosterkirche zu Ehren der Apostelfürsten St. Peter und Paul ein. Erster Spiritual war nachweislich P. Johannes Schilter aus dem Konstanzer Minoritenkloster (gest. 1403). Die Bemühungen um endgültige Bestätigung der Gemeinschaft in Valduna durch den Papst in Rom zogen sich wegen fehlender genügender Dotation in die Länge. Wichtige Unterstützung leisteten hierin diverse Bürger aus der näheren Umgebung. So ist im Bischöf- Abb. 93: Älteste Schenkung: Urkundlich besiegeltes Vermächtnis des Heinrich Stöckli aus Feldkirch zugunsten des Klosters in Valduna (11. Oktober 1395) [BAC] <?page no="136"?> 136 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) lichen Archiv Chur auch eine auf den 11. Oktober 1395 datierte Urkunde erhalten [Abb. 93], worin das Vermächtnis Heinrich Stöcklis aus Feldkirch zugunsten des Klosters Valduna festgeschrieben ist. Ferner ist das Handbieten Herzogs Leopold IV. von Österreich zu erwähnen: Mit Urkunde vom 2. Juli 1400 überliess er den Klarissen in Valduna die Einkünfte der Pfarrkirche Unserer Lieben Frau in Rankweil, die ein herzogliches Lehen war; das Präsentationsrecht blieb hingegen beim Hause Österreich. Der Churer Bischof Hartmann II. von Werdenberg-Sargans bestätigte die einträgliche Schenkung am 29. August 1407. Mit Breve vom 31. August 1402 beauftragte schliesslich Papst Bonifaz IX. den Konstanzer Bischof Marquard von Randeck (1398-1406) mit der Visitation in Valduna, um bei positivem Befund die Aufnahme der Frauengemeinschaft in den Klarissenorden auszusprechen. Eine mehrköpfige bischöfliche Delegation unter Leitung des Konstanzer Offizials Conrad Elye aus Laufen/ BE übernahm diese Aufgabe und kam zu einem befriedigenden Resultat. In seiner Eigenschaft als apostolischer Delegat bestätigte Bischof Marquard mit Dekret vom 10. April 1403 die Stiftung des Gotteshauses Valduna, genehmigte die Einführung des Ordens der hl. Klara, bewilligte den Klarissen das Recht auf Äbtissinnen-Wahl, verlieh die üblichen päpstlichen Rechte, Privilegien und Freiheiten und stellte den Konvent unter die Aufsicht der Oberdeutschen Minoritenprovinz. Der damalige Provinzial P. Johannes Leonis [Lew] aus Thann/ Elsass (gest. 1414) nahm die Eingliederung der Schwestern von Valduna vor und unterstellte diese der Kustodie Bodensee. In Valduna wurde dieser entscheidende Schritt am 6. Mai 1403 feierlich begangen. Die erste Vorsteherin Anna Mayer, welche bislang den Titel «Meisterin» führte, wurde zur Äbtissin gewählt (bis 1408 †). Entbehrung und Not in Valduna prägten die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts. Obwohl im Oktober 1404 Heinz Stöckli von Feldkirch und sein Sohn Christoffel dem Konvent ihren Zehnten zu Altenstadt (genannt der «Ämptz-Zehenden») verkauft hatten, welcher den Klarissen - damals waren im Kloster täglich über 70 Personen zu ernähren - jährlich 10 Scheffel Weizen und 20 Scheffel Korn nach Feldkircher Mass [Scheffel = altes Hohlmass, variierte je nach Region stark], dazu 10 Hühner und 100 Eier abwarfen, verschlechterte sich die wirtschaftliche und finanzielle Lage weiter. Der genannte Zehnte verkaufte das Kloster am 10. November 1487 an das Churer Domkapitel. Die Auswirkungen der Appenzeller Kriege, einer Reihe bewaffneter Konflikte zwischen dem Fürstabt von St. Gallen und den Gemeinden des Appenzellerlandes im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts, waren rund um den Bodensee, insbesondere infolge der Teuerung, stark zu spüren. Nach intensiven Beratungen und mit Genehmigung des Churer Bischofs Hartmann II. von Werdenberg-Sargans entschied man sich in Valduna zum einen für den Verkauf von Klostergütern, zum anderen für die zeitliche Entlassung einer Anzahl Klosterfrauen in ihre angestammte Heimat (bis 1410). Der Bischof seinerseits verbriefte 1410 dem Konvent aus zweien seiner Güter im Vorarlberg eine ewige Stiftung von jährlichen Zinsen an Schmalz und Käse. Zur Sicherung des Klosters generell, aber auch zur Stabilisierung der momentan angespannten wirtschaftlichen Lage trug 1411 die Verleihung des Bürgerrechts der Stadt Feldkirch an alle Klarissen bei; Stadtammann und Rat von Feldkirch versicherten, das Kloster stets zu schützen, so wie alle ihre Bürger/ innen dieses Anrecht hätten (Schirmvogtei). Wie sehr aber die Notlage des Valduner <?page no="137"?> 137 Klosters trotz einiger bedeutender Schenkungen und Erwerbungen andauerte und der Konvent auf fremde Hilfe angewiesen blieb, verdeutlicht ein Erlass vom 4. Dezember 1446 des Landesfürsten Herzog Sigismund von Österreich (1446-1490) zu Beginn seiner Herrschaft an alle Obrigkeiten im Vorarlberg, sie sollten durch Unterstützung und Almosenaktionen zugunsten des Klosters in Valduna dieses begünstigen und nach Möglichkeiten fördern. Die österreichischen Landesfürsten zählten bis ins 18. Jahrhundert hinein grundsätzlich zu den grössten Förderern des Klarissenklosters, indem sie die alten Stiftungsbriefe kontinuierlich erneuerten bzw. diese durch weitere Privilegien ergänzten (so 1474, 1497, 1529, 1573, 1615, 1620, 1660, 1666, 1709, 1718 und 1743). Hinzu kam die Verleihung der Patronats- und Präsentationsrechte über die Pfarreien Egg im Bregenzerwald (seit 1405) und Satteins (seit 1507). 1457 legte auch der Churer Bischof Leonhard Wismair (1456-1458; nur Elekt) der Geistlichkeit seines Sprengels nahe, allen Gläubigen die Almosenspende an das Kloster in Valduna wärmstens zu empfehlen. Unter Bischof Ortlieb von Brandis finden sich 1463 und 1472 entsprechende Dokumente, in denen der Ortsordinarius Geistlichen wie Gläubigen seines Bistums die Unterstützung der Klarissen empfahl und dafür die Gewinnung eines Ablasses in Aussicht stellte. Mit Datum vom 17. Dezember 1498 rief selbst der spätere Kaiser Maximilian I. die weltliche und geistliche Obrigkeit in den österreichischen Landen zu Spenden zugunsten des Klosters in Valduna auf. Die grösseren und kleineren Schenkungen, die dem Frauenstift im Lauf der Zeit gemacht wurden, und der nicht unbedeutende Erwerb von liegenden Gütern im 16./ 17. Jahrhundert, den es durch günstigen Kauf oder Tausch gesichert hatte, ermöglichte nach Jahren der Unsicherheit und grossen Not endlich ein etwas weniger entbehrungsreiches Klosterleben. Opfergeist, Liebe zum Leiden in der Nachfolge Christi und ausharrende Geduld waren die Tugenden der Valduner Schwestern, welche so die oben geschilderten Notlagen zu überwinden vermochten. Eifer in der Verherrlichung Gottes und tugendhaftes Leben brachten dem Konvent nach aussen hin alsbald den Ruf eines «Musterklosters» ein. Nicht zuletzt beriefen die Oberen Abb. 94: Ansicht des Klarissenklosters in Valduna um 1676 (vor dem Neubau) [BAC.BA] <?page no="138"?> 138 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) der Oberdeutschen Ordensprovinz zur Reformierung anderer Klöster mit Vorliebe Klarissen aus Valduna. Eucharistiefeier, Chorgebet und -gesang sowie Ewige Anbetung prägten zentral den Tagesablauf. Der Chronistin war es eine Ehrensache, der Nachwelt zu versichern, dass diese drei Eckpfeiler in Valduna «mit eifer und ernst verrichtet und gehalten worden durch alle zeiten von dem anfange des klosters an». Alle Chorfrauen waren verpflichtet, sowohl am nächtlichen als auch am täglichen Offizium teilzunehmen; allein die Äbtissin oder die Priorin konnte in Ausnahmefällen davon dispensieren (z. B. Krankheit). Die Äbtissin selbst sollte, wenn immer möglich, am Chorgebet teilnehmen; die Funktionen im Chor hatte sie an Festtagen ‹in personam› zu leiten. Eine Frucht des in Valduna treu erfüllten geistlichen Lebens in Gebet und Betrachtung ist ein noch erhaltenes handschriftliches Gebetsbüchlein (Schwerpunkt: Verehrung des Lebens und Leidens Christi), welches in seinen ältesten Teilen ins 14. Jahrhundert zurückreicht; spätere Abschnitte stammen aus dem 17. Jahrhundert [heute im Besitz des Vorarlberger Landesarchivs in Bregenz]. 1651 schrieb der Provinzobere der Minoriten, P. Eustachius Wy, über die lobenswerte Situation im Kloster Valduna an den Churer Bischof Johann VI. Flugi von Aspermont. Die Verwaltung der zeitlichen Güter und die Handhabung der geistigen Ordenszucht seien so positiv, dass nicht nur der Bischof, sondern selbst der Papst diese zu rühmen wüsste («summe recommendatura esset»). Am 3. Juni 1682 weihte der Churer Bischof Ulrich VI. de Mont (1661-1692) die zwischen 1676 und 1682 neu erbaute Klosterkirche in Valduna zu Ehren der Hl. Dreifaltigkeit und der Gottesmutter Maria ein. Abb. 95: Klosteranlage in Valduna 1682 nach einem Gemälde von Leopold Scherl [BAC.BA] <?page no="139"?> 139 8. Bündnispolitik und «Churer Bistumsstreit»: Die Diözese in der Zeit des Konzils von Konstanz bis 1458 8. Bündnispolitik und «Churer Bistumsstreit»: Die Diözese in der Zeit des Konzils von Konstanz bis zum Tod Leonhard Wismairs (1458) Der nach dem Tod Hartmanns II. am 6. September 1416 vom Churer Domkapitel unter Einflussnahme König Sigismunds (1410-1437, seit 1433 Kaiser) gewählte neue Bischof von Chur, Johannes Ambundii aus Schwaan (Mecklenburg), amtete zwischen 1394 und 1399 als Generalvikar und Offizial des Bischofs von Bamberg, gleichzeitig als Generalvikar des Bischofs von Speyer und zwischen 1401 und 1408 als Generalvikar des Ordinarius in Würzburg. Er genoss nicht nur das Ansehen König Ruprechts von der Pfalz (1400-1410), sondern auch dasjenige Sigismunds. Zur Zeit der Neubesetzung des Churer Bischofssitzes arbeitete Ambundii als Anwalt der Deutschen Nation auf dem Konzil von Konstanz. Gemäss vorhandenem Wahlprotokoll versammelten sich am 27. November 1416 17 Domherren in der Sakristei der Domkirche zu Chur und wählten mit einem 2/ 3 Stimmenmehr Johannes Ambundii. Der Elekt erbat sich in Konstanz eine Bedenkzeit von einem Monat; am 5. Januar 1417 erklärte er dann Annahme der Wahl, wollte aber das Bistum Chur erst nach der Zustimmung des Metropoliten von Mainz, Johann von Nassau (1397-1419), übernehmen. Letzterer bestätigte mit Datum vom 14. Februar 1417 Ambundii als Churer Bischof. Obwohl die Inbesitznahme des Bistums am 6. April 1417 erfolgt war und Ambundii wohl vor November 1417 die Bischofsweihe empfangen hatte, sah dieser seine Hauptaufgabe weiter in der Konzilsstadt Konstanz, wo er im sog. Prioritätenstreit für den Vorrang der Wahl eines neuen Papstes zwecks Beendigung des Abendländischen Schismas vor der Kirchenreform eintrat. Aus dem in Konstanz stattgefundenen Konklave ging am 17. November 1417 Kardinal Oddo Colonna als neuer Pontifex hervor (Martin V., 1417-1431). Nach der Wahl übernahm Martin V. sofort die Leitung des noch tagenden Konzils und führte es im April 1418 zum Abschluss. Noch in der Konzilsstadt bestätigte Martin V. am 28. Februar 1418 Johannes Ambundii als Churer Bischof; am 19. April 1418 verlieh Abb. 96: Johannes IV. Naso (Naz), Bischof von Chur 1418-1440 (erstes gemaltes Portrait eines Churer Bischofs im Rittersaal des Bischöflichen Schlosses Chur) [Foto: Hugo Hafner] <?page no="140"?> 140 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) ihm König Sigismund die Regalien. Ambundiis Arbeit auf dem Konzil und seine freundschaftliche Verbindung zu Sigismund führten am 11. Juli 1418 zu seiner Ernennung zum Erzbischof von Riga (1418-1424) durch den Papst. Wahrscheinlich mit gleichem Datum ernannte Martin V. im Einvernehmen Sigismunds Ambundiis Nachfolger in Chur: den aus Prag stammenden Johannes IV. Naso (Naz) [1418-1440], welcher wie sein Amtsvorgänger auf dem Konzil von Konstanz insbesondere im Kampf gegen die Hussiten hervor- und im Prozess gegen Jan Hus (um 1370-1415) wiederholt als Kläger aufgetreten war. Als Doktor des kanonischen und zivilen Rechts wurde er unter dem Gegenpapst Johannes XXIII. Rota-Auditor in Rom und reiste mit dem Pontifex im Herbst 1414 nach Konstanz. In Chur führte Naso den Kampf gegen die Hussiten zunächst aktiv fort (Teilnahme an einem Feldzug im Sommer 1422), doch setzte die zunehmend prekäre Lage des Hochstifts Chur seinem weiteren Einsatz Grenzen. Güter und Rechte des Bischofs als Landesherr wurden durch die komplizierte politische Organisation Bündens und durch die Autonomiebestrebungen der Gemeinden, welche sich im 15.- Jahrhundert in weiteren Bündnissen zusammenschlossen, immer häufiger beschnitten. Der bereits erwähnte, 1395 geschlossene «Obere Bund» wurde in Trun am 16. März 1424 erneuert und zugleich erweitert. Neben dem Abt des Benediktinerklosters und dem Gericht Disentis, dem Freiherrn Hans Brun von Rhäzüns für sich, seine Herrschaft Rhäzüns und die Gemeinden Safien, Tenna und Obersaxen, dem Hans von Sax-Misox für sich und die Gerichte Ilanz, Gruob, Lugnez, Vals, Castrisch und Flims schlossen sich ferner an: der Graf von Werdenberg-Heiligenberg mit allen seinen Untertanen sowie die Gerichte Trins und Tamins, die Freien von Laax sowie die Gemeinden im Rheinwald und im Schams. Noch vor 1440 traten die Herrschaften Löwenberg, Thusis, Tschappina und Heinzenberg bei, 1441 schloss sich das Kloster Cazis an, 1480 die Nachbarschaften Mesocco und Soazza und 1496 als letzter Graf von Misox, Gian Giacomo Trivulzio (1440-1518), mit den Gerichten Misox und Calanca. Dem Oberen Bund gehörten am Ende des 15. Jahrhunderts insgesamt acht Hochgerichte an (Disentis, Lugnez, Gruob, Waltensburg, Rhäzüns, Schams-Rheinwald, Thusis und Misox). Nach dem Aussterben der Grafen von Toggenburg schlossen deren Untertanen im heutigen Gebiet des Kantons Graubünden am 8. Juni 1436 in Davos einen dritten rätischen Bund, der gegenseitige Hilfe und «ewige» Verbundenheit der Bündnispartner garantieren sollte. Dieser Zusammenschluss des sog. «Zehngerichtenbundes», welcher wie der Gotteshausbund weder militärische Hilfspflichten noch ein eigentliches Schiedsverfahren zur Landfriedenswahrung enthielt, zielte auf die Erhaltung der je eigenen Gerichtsorganisation bei Herrschaftswechseln und richtete sich insbesondere gegen die Expansionsgelüste Habsburgs nach Bünden. Beteiligt waren, wie der Name es besagt, die Zehn-Gerichte Belfort, Davos, Klosters, Castels, Schiers, Schanfigg (St. Peter), Langwies, Strassberg (Churwalden), Maienfeld, und Neu-Aspermont (mit Jenins und Malans) - ein Gebiet von sieben Hochgerichten. Der Zusammenschluss zum Zehngerichtenbund konnte jedoch nicht verhindern, dass die Gebiete der Gerichtsgemeinden später aufgeteilt wurden: Der grösste Teil ging an die Grafen von Montfort, das vordere Prättigau an die Grafen von Matsch sowie Maienfeld und Malans an die Freiherren von Brandis. Die <?page no="141"?> 141 8. Bündnispolitik und «Churer Bistumsstreit»: Die Diözese in der Zeit des Konzils von Konstanz bis 1458 Montforter verkauften ihre Gerichte 1470 und die Matscher die ihren 1477 - wie 1436 befürchtet - an die Herzöge von Österreich. Diese fassten ihre Gebiete zu einer Vogtei zusammen (acht Gerichte); der zuständige Landvogt residierte auf der Burg Castels bei Luzein. Obwohl die Leute des Zehngerichtenbundes souverän über die Landespolitik und die Lokalverwaltung bestimmen konnten, waren sie territorialrechtlich (hohe Gerichtsbarkeit und Abgaben) österreichische Untertanen geworden und blieben dies bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts (Freikauf 1649-1652). Die ausgezeichneten Beziehungen zu Sigismund, der Naso zur Bischofswürde verholfen hatte, verdeutlichen sich u.a. darin, dass der Churer Ordinarius den Kaiser auf dem Konzil von Basel (1431-1449) vertrat; dort kämpfte er gegen eine extreme Anwendung Abb. 97: Aufteilung der drei rätischen Bünde (1367 / 1424 / 1436), welche sich 1471 zum «Freistaat» zusammenschlossen [BAC.BA] <?page no="142"?> 142 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) der konziliaren Theorie, um die Einheit von Reich und Kirche zu bewahren. In Regensburg bestätigte der Kaiser in Anwesenheit des Bischofs am 14.-September 1434 alle Rechte und Privilegien des Churer Hochstifts. Die ständige Abwesenheit Naso’s von Chur und Bistum - seine Arbeit im Dienste des Reiches stand weitgehend im Zentrum seiner Amtszeit - führte zu immer grösseren Spannungen mit der Stadt Chur und dem Gotteshausbund, in deren Verlauf Naso 1437 kurzzeitig gefangen gesetzt wurde; daraufhin wich Naso in den Vinschgau aus. 1439 bestellten die Stadt Chur und der Gotteshausbund drei Pfleger für die diözesane Verwaltung. Am 24. Januar 1440 starb Johannes Naso in Meran; er fand in der dortigen Pfarrkirche St. Nikolaus seine letzte Ruhestätte. Nach einer ersten kurzen Administratur durch Konrad von Rechberg zu Hohenrechberg (1440-1441), zwischen 1433 und 1439 Churer Dompropst, welcher angeblich wegen Kränklichkeit nach nur einem Jahr auf sein Amt in Chur resignierte, wurde der Weg frei für die zweite Administratur zwischen 1441 und 1456, welche jedoch auf einem regelrechten Deal beruhte: Konrad von Rechberg erkannte rasch, dass er den angewachsenen Problemfeldern auf dem Territorium des Hochstifts und Bistums Chur nicht mit der dazu nötigen Durchsetzungskraft begegnen konnte, um Befriedung und Stabilisierung herbeizuführen. Entsprechend trat er an den initiativen und mit unermüdlicher Arbeitskraft beseelten Konstanzer Bischof, Heinrich Freiherr von Hewen (1436-1462), heran, welcher in seinem weitreichenden Sprengel nicht nur die wirtschaftliche Situation durch kluge Schuldenabtragung unter Kontrolle bringen, sondern auch das religiöse Leben sowie die Seelsorge mittels Klerusreform (Diözesanstatuten 1438) und Abhaltung einer Diözesansynode (1441) merklich verbessern konnte, und bat ihn um Übernahme der Administration des Bistums Chur. Nach Zustimmung des Konstanzer und Churer Domkapitels ging Papst Eugen IV. (1341-1447) auf dieses Geschäft ein und ernannte Abb. 98 / 99: Portraits der beiden Administratoren des Bistums Chur, Konrad von Rechberg (1440-1441) [links] und Heinrich Freiherr von Hewen (1441-1456) [rechts] [Fotos: Hugo Hafner] <?page no="143"?> 143 8. Bündnispolitik und «Churer Bistumsstreit»: Die Diözese in der Zeit des Konzils von Konstanz bis 1458 den Konstanzer Ordinarius aufgrund seiner Verdienste zusätzlich zum Administrator des Bistums Chur. Die Konstanzer Dompropstei-Pfrund, welche Heinrich IV. auch als Bischof noch besass, wurde umgehend an Konrad von Rechberg übertragen; keine Krankheit liess ihn daran hindern, dieses Amt noch 30 Jahre lang bis zu seinem Tod am 5. August 1473 in Konstanz mit Würde zu tragen. Die römische Kurie hatte Konrads Verzichtsleistung mit seinem gefährdeten Gesundszustand begründet, wovon später offenbar keine Rede mehr war. Die ersten zehn Jahre der Administratur Heinrichs verliefen ohne nennenswerte Zwischenfälle, doch die Nähe zum österreichichen Herzog Sigismund, dem Regenten von Tirol, sollte von Hewen alsbald zum Verhängnis werden. Zudem wurde ihm angelastet, durch seine Nachlässigkeit als Landesherr des Gotteshausbundes mitverantwortlich zu sein für die 1451/ 52 ausgebrochene «Schamser Fehde» (kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Grafen von Werdenberg-Sargans und ihren Verbündeten einerseits und den nach mehr Unabhängigkeit strebenden Gemeinden des Oberen- und des Gotteshausbundes andererseits). Es kam nicht nur zum Bruch mit Sigismund, sondern auch mit dem Churer Domkapitel, dessen Vertreter Heinrich von Hewen wegen des oben geschilderten Pfründentausches mit Konrad von Rechberg in einem Appellationsschreiben an die römische Kurie Simonie vorwarfen. Mit Unterstützung Herzogs Sigismund wählte das Churer Domkapitel im Frühjahr 1453 den Kanoniker aus Brixen, Leonhard Wismair, zum Bischof. Obwohl Papst Nikolaus V. (1447-1455) diesen Wahlakt als ungültig verwarf, blieb die Opposition so stark, dass Wismair quasi als Gegenbischof in Bünden Amtshandlungen vornehmen konnte, im Vorarlberg und Vinschgau hingegen weiterhin Heinrich von Hewen als Administrator wirkte. Es folgten weitere Appellationen seitens beider Konfliktparteien an den Heiligen Stuhl. 1454 zeigte sich Rom entschlossen, dem unseligen Churer Bistumsstreit des 15. Jahrhunderts ein Ende zu machen; doch erst Nikolaus’ Nachfolger auf dem päpstlichen Thron, Calixtus III. (1455-1458), gelang es, 1456 durch Entzug der Administratur Heinrichs von Hewen, einen Weg zur Beruhigung zu bahnen. Calixtus III. ernannte den aus Pavia stammenden Kleriker Antonio de Tosabeciis zum Churer Bischof (1456). Als dieser, sowohl von Kaiser Friedrich III. (1452-1493) als auch von Herzog Sigismund nicht anerkannte neue Churer Oberhirte am 1. Oktober 1456 auf dem Hof von seiner Residenz Besitz nehmen wollte, starb er gleichentags an den Folgen eines Schlaganfalls. Nach diesem tragischen Todesfall erreichte Kaiser Friedrich III. beim Papst am 12. November 1456 die Ernennung Wismairs zum Bischof von Chur. Leonhard Wismair Abb. 100: Leonhard Wismair, ernannter Bischof von Chur (1456-1458) [Foto: Hugo Hafner] <?page no="144"?> 144 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) starb nach nur anderthalb Jahren als Elekt am 20. Mai 1458 in Chur. Damit gelangte der Bistumsstreit für alle darin verstrickten Parteiungen zu einem Ende; der Weg war frei für eine Neuwahl durch das Churer Domkapitel. 9. Exkurs: Zum Churer Bischofswahlrecht zwischen 1448 und 1806 In der Geschichte des Bistums Chur spielte das Kollegium des örtlichen Domkapitels stets eine wichtige Rolle. Durch das Verhalten einzelner Kanoniker oder gewisser Gruppierungen im Kapitel vor und bei den jeweiligen Bischofswahlen wurden - mehr oder minder bewusst − Weichenstellungen in der Ausrichtung der Episkopate sowohl im Bereich der Kirchenpolitik als auch im Bereich der Pastoral im Bistum vorgenommen. Nach dem Untergang des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1806 fiel das Churer Kapitel insofern in einen rechtlosen Raum, da das seit 1448 bestehende freie Bischofswahlrecht, welches bislang alle Reichsfürstbistümer innehatten, verloren ging und im Fall von Chur bis 1948 ungeregelt blieb. Das Domkapitel (von lat. capitulum) - seltener auch in Abgrenzung zu einem Stiftskapitel «Kathedralkapitel» genannt - ist das leitende Gremium an einem Bischofssitz; es besteht aus den vom Bischof dazu erwählten oder zumindest bestätigten Geistlichen. Die jahrhundertealte Institution entwickelte sich aus dem Presbyterium der Urkirche, wo der Bischof mit seinen Priestern und Diakonen eine Arbeits- und Wohngemeinschaft bildete. Das gemeinschaftliche Leben wurde von einer bestimmenden Regel (Canon) geordnet; darum wurden die Mitglieder dieser Gemeinschaft auch Canonici genannt. Die Mitglieder der meisten Domkapitel waren in Mittelalter und Früher Neuzeit überwiegend nachgeborene Söhne adliger oder ritterlicher Familien. Die eigentliche Hauptaufgabe eines Domkapitels ist bis heute die Pflege des gemeinsamen Chorgebets und der Liturgie an der Kathedralkirche. Die Domkapitel entstanden ab dem 9. Jahrhundert an Orten, wo Bistümer gegründet wurden. Für Chur sind die «fratres episcopi Curiensis» erstmals 940 eindeutig bezeugt. Neben dem regelmässigen gemeinsamen Chorgottesdienst in der Kathedrale gehörte zu den Aufgaben des Kapitels die Beratung und Unterstützung des Bischofs in Diözese (geistlicher Herrschaftsbereich) und Hochstift (weltlicher Herrschaftsbereich). Im Laufe des 12. Jahrhunderts formierten sich die Domkapitel allgemein zu exklusiven Wahlkollegien mit dem Recht der Bischofswahl. Seit 1238/ 40 ist auch das Churer Domkapitel immer wieder als Wahlbehörde nachgewiesen, wenn nicht der Papst in eigener Person und frei direkt einen Kandidaten auf den Churer Bischofsstuhl erhoben hatte. Kraft des zwischen Papst Nikolaus V., König Friedrich III. (1440-1493, seit 1452 Kaiser) und den Reichsfürsten des Heiligen römischen Reiches Deutscher Nation geschlossenen Konkordats von Wien-Aschaffenburg vom 17. Februar 1448 - als päpstliches Privileg am 19. März 1448 in Rom veröffentlicht - erlangten schliesslich bis 1806 alle Domkapitel eines Reichsfürstbistums das freie Bischofswahlrecht. Mit Abschluss dieses <?page no="145"?> 145 9. Exkurs: Zum Churer Bischofswahlrecht zwischen 1448 und 1806 Vertrags zwischen dem Reich und dem Heiligen Stuhl wurde die Besetzung der Kirchenämter und die kirchliche Organisation im Reich auf ein solides Fundament gestellt und galt (bis 1806) als Basis für die Beziehungen mit der Kurie. Zentrale Punkte aus dem Wiener Konkordat von 1448 • Die Domkapitel sollten die nicht direkt dem apostolischen Stuhl unterstellten Erzbistümer und Bistümer durch freie kanonische Wahl besetzen. Das gleiche Recht besassen die Konvente der exemten, also direkt dem Heiligen Stuhl unterstellten Abteien für ihre Vorsteher. Die erfolgte Wahl musste dem Papst innerhalb des im kirchlichen Rechtsbuch von 1298 (Liber Sextus) und den beiden Konstitutionen «Execrabilis» von 1317 bzw. «Ad regimen» von 1335 vorgeschriebenen Fristen angezeigt werden, worauf er sie bestätigte, sofern sie gemäss den Normen erfolgt war. Andernfalls durfte der Papst im Konsistorium einen würdigeren Kandidaten als Abt, Bischof oder Erzbischof direkt ernennen. • Der Papst und diejenigen Instanzen, denen die Vergabe der anderen Dignitäten und Benefizien traditionelll zustand, d. h. die ordentlichen Kollatoren (Bischöfe, Dom- und Stiftskapitel, Äbte und Konvente) teilten sich die Vergabe dieser Pfründen auf. Fortan verfügte der Papst über die in den ungeraden Monaten (Januar, März, Mai, Juli, September, November) erledigten Benefizien; der ordentliche Kollator war für die vakant gewordenen Stellen in den geraden Monaten (Februar, April, Juni, August, Oktober, Dezember) zuständig. Im 15.-Jahrhundert gewann das Churer Domkapitel zunehmend an Einfluss, da es ihm zustand, Vikare und weltliche Pfleger für abwesende Bischöfe zu ernennen. 1504 übertrug der Bischof dem Kapitel für die Zeit seiner Abwesenheit sogar die geistliche und weltliche Administration des Bistums. Politische Streitigkeiten und die Anlehnung der Churer Fürstbischöfe an das Haus Österreich bewirkte eine weitere Verselbständigung des Kapitels. Vom Beginn der Reformation bis Anfang des 17. Jahrhunderts hat es durch seine entscheidende Haltung zur Rettung des wohl stark geschrumpften Hochstifts und des bedrängten Bistums Chur wesentlich beigetragen. Mit Entschiedenheit trat es zusammen mit den Reformbischöfen des 17. Jahrhunderts für die Restitution verlorener Rechte und Güter ein, welche sowohl das Domkapitel als auch das Hochstift betrafen; dem Erfolg ihrer Bemühungen waren jedoch enge Grenzen gesetzt. Die in den Ilanzer Artikeln von 1526 widerrechtlich erhobene Forderung, der Churer Bischof müsse inskünftig ein Bündner, speziell ein Gebürtiger aus dem Gotteshausbund sein, und die Eidleistung der Bischofskandidaten auf die staatlichen Wahlkapitulationen der sechs Artikel von 1541 wurden allesamt durch den Lindauer Vertrag von 1622 für null und nichtig erklärt. Die 1627 erfolgte Bischofswahl (gewählt wurde Joseph Mohr [1627-1635]) und auch die künftigen Elektionen markieren den Neubeginn eines von staatlicher Bevormundung <?page no="146"?> 146 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) sich lösenden rein innerkirchlichen Wahlverfahrens, das sich als Erfolg der Katholischen Reform in Form grösserer Unabhängigkeit des Churer Bischofs gegenüber dem politischen Kräftemessen in Bünden des 17. Jahrhunderts fortsetzte und bis 1806 Bestand hatte. Bei Bischofswahlen kamen seit dem Spätmittelalter sog. «Wahlkapitulationen» zur Anwendung [ältestes Churer Exemplar 1321 (Wahl Rudolfs II. von Montfort, 1322-1325)]. Ziel und Zweck der als Ergebnis geistlicher Feudalbildung aufgekommenen Kapitulationen bestanden in der Beachtung überkommener Rechte (Privilegien) und den Versuchen, über die Vorschriften den Einfluss des Domkapitels auf die geistliche und weltliche Regierung des Bischofs zu behaupten bzw. auszudehnen. Die dem zu wählenden Kandidaten vorgelegten Verpflichtungen mussten von diesem vor, bei oder spätestens nach der Wahl zum neuen Oberhirten akzeptiert werden. Für das 17. Jahrhundert kann für Chur beobachtet werden, dass neben Punkten für eine geistig-geistliche Erneuerung der Diözese, die Mitregierung des Domkapitels (vor allem in Verwaltungsfragen) und die Bemühungen um Schuldenreduktion wichtige Themen in den Kapitulationen waren. Die bereits vor dem Konzil von Trient (1545-1563) eingesetzte Kritik der römischen Kurie am Wahlkapitulationswesen führte wohl am 22. September 1695 in der Konstitution «Ecclesiae catholicae» von Papst Innozenz XII. (1691-1700) zum Verbot aller Wahlkapitulationen, Abb. 101: Das Prämonstratenserkloster St. Luzi tauscht mit dem Churer Domkapitel Güter zur Vergrösserung des Friedhofes bei der Martinskirche in Chur. An dieser Urkunde aus dem Jahre 1220 hängt das älteste noch erhaltene Siegel des Domkapitels [BAC] <?page no="147"?> 147 9. Exkurs: Zum Churer Bischofswahlrecht zwischen 1448 und 1806 die während oder nach einer Sedisvakanz geschlossen wurden. Das päpstliche Verdikt (sog. «Innocentiana»), bestätigt durch Kaiser Leopold I. (1658-1705) am 11. September 1698 (sog. «Leopoldina»), vermochte aber die Ausstellung solcher Wahlinstrumente nicht gänzlich zu unterbinden. Vielmehr blieben sie zum Ende des Alten Reichs ein Mittel der Rechtssetzung, der Verfassungsentwicklung und auch ein Weg der Reform in den geistlichen Staaten. Als in Folge der Säkularisation von 1802/ 03 das Gebilde der einst mächtigen Reichskirche zerschlagen und schliesslich mit der Niederlegung der Kaiserkrone am 6. August 1806 durch Franz II. (1792-1806) der Untergang des Heiligen Römischen Reichs besiegelt wurde, verlor auch das Konkordat von 1448 seine rechtliche Gültigkeit. Nach 1806 kam dem Churer Domkapitel, das seit 1655 aus 6 residierenden und 18 nichtresidierenden, gleichermassen wahlberechtigten Kanonikern bestand, explizit kein freies Bischofswahlrecht mehr zu. Abb. 102: Das Churer Domkapitel erlässt am 6. Oktober 1321 Statuten für die Bischofswahl [BAC] <?page no="148"?> 148 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) Die Dignitäre des Churer Domkapitels (sog. Residenzialkapitel) Dompropst Verwaltung des Kapitelsvermögens (mensa capituli) Stellvertreter des Bischofs in allen äusseren Angelegenheiten, geistlicher Richter bis 1448: Wahl durch das Kapitel seit 1448: Besetzung durch den Hl. Stuhl Domdekan Überwachung der Kapitelsstatuten, der Disziplin im Domkapitel, der Gottesdienste in der Kathedrale, befugt, das Kapitel einzuberufen, geistlicher Richter Wahl durch das Kapitel, bedurfte der bischöflichen Bestätigung Domscholastikus ursprünglich zuständig für den Unterricht an der Domschule (musste theologisch gebildet sein) Wahl durch das Kapitel, bedurfte der bischöflichen Bestätigung Domkantor zuständig für das Ritualwesen, die Liturgie und die Leitung des Chorgesangs in der Kathedrale Ernennung durch den Bischof Domkustos verantwortlich für den baulichen Unterhalt der Kathedrale, ferner für die Aufbewahrung der liturgischen Gewänder und Gefässe in der Kathedrale, ebenso für die Beleuchtung der Altäre und die Hostien Ernennung durch den Bischof Domsextar [Dignität existiert erst seit 1633] keine spezifischen Aufgaben zugeteilt, wirkte als Dompönitentiar Ernennung durch den Bischof <?page no="149"?> 149 10. Im Beziehungskonflikt mit der Stadt Chur, dem Gotteshausbund und der Casa d’Austria (1458-1505) 10. Im Beziehungskonflikt mit der Stadt Chur, dem Gotteshausbund und der Casa d’Austria: Die Episkopate Ortliebs von Brandis und Heinrichs V. von Hewen (1458-1505) Nach dem Tod Wismairs wählte das Churer Domkapitel gemäss des Wiener Konkordats, welches die freie Bischofswahl reichsrechtlich ermöglicht hatte, am 30. Mai 1458 Ortlieb von Brandis zum Churer Bischof (1458-1491). Mit Ortlieb gelangte wieder ein Vertreter des ansässigen Adels auf den rätischen Bischofssitz. Der bei der Wahl erst 28-jährige Ortlieb von Brandis wurde 1430 als Sohn des Wolfhard V. von Brandis, Herrn von Maienfeld, Vaduz, Schellenberg und Blumenegg, und der Verena von Werdenberg-Bludenz geboren. Die aus Brandis bei Lützelflüh im Kanton Bern stammenden Freiherren von Brandis besassen im Sarganserland und im Vorarlberg grössere Herrschaften. Seine Besitzungen im Berner Oberland verkaufte Wolfhard V. erst 1455 an die Stadt Bern. Ein weiterer Sohn Wolfhards, Rudolf von Brandis, ergriff wie Ortlieb die geistliche Laufbahn und war von 1459 bis 1467 Churer Domdekan. Die Churer Dignitären wählten Ortlieb, der noch im Studium weilte, bereits 1453 zum Dekan (1453-1458). Mit päpstlicher Dispens von der Residenzpflicht entbunden, konnte er seine theologische Ausbildung an der Universität in Pavia abschliessen. Auch nach der Wahl zum Bischof erhielt er nicht nur bereits am 21. Juli 1458 die päpstliche Bestätigung, sondern wiederum die nötige Dispens wegen mangelnden Alters; bis dato hatte er zudem lediglich die niederen Weihen empfangen. Die Regalien verlieh ihm Kaiser Friedrich III. am 20. September 1459 [Abb. 103]. Vier Jahre später, am 27. März 1463, empfing er in Como durch den dortigen Ortsbischof Lazzaro Scarampi (1460-1466) alle höheren Weihen sowie die Bischofsweihe. a) Emanzipationsbestrebungen der Stadt Chur: erfolgreiche Lösung der Reichsvogtei und gescheiterter Versuch um freie Reichsstadt Der Episkopat von Brandis war durch wiederholte Auseinandersetzungen mit dem Gotteshausbund und vor allem mit der Stadt Chur gekennzeichnet, die beide ihre Autonomie gegenüber Bischof und Österreich-Tirol zu behaupten bzw. auszubauen suchten. Infolge des verheerenden Stadtbrandes von 1464 - vollständig verschont blieben der Hof und die beiden Klöster St. Luzi und St. Nicolai -, wobei sämtliche städtische Freiheitsbriefe ein Raub der Flammen wurden, gelangte der Gesandte der Stadt Chur, Stadtschreiber Johannes Gsell, an den kaiserlichen Hof nach Wien mit der Bitte um Bestätigung der zerstörten Privilegien. Friedrich III. bestätigte am 28. Juli 1464 nicht nur die alten Briefe, sondern gewährte der damals etwa 2000 Einwohner fassenden Stadt Chur, den Bürgermeistertitel zu verwenden, einen zweiten Rat einzusetzen, Zünfte einzuführen (1465 Zunftsgründung mit 5 Zünften: Rebleuten, Schumacher-, Schneider-, Schmiede- und Pfisterzunft) sowie Steuern, Dienst- und Wachtgeld und die Hälfte des Ungelds einzuziehen. Im Gegensatz zu Bischof Johannes IV. Naso, der den Gebrauch des Bürgermeistertitels, die Einführung <?page no="150"?> 150 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) eines Grossen Rates und die Rechtssprechung im Rat mit allen Mitteln bekämpft hatte, setzte sich Bischof Ortlieb von Brandis gegen keines dieser vom Kaiser neu verliehenen Rechte zur Wehr; dagegen kam von Seiten des Domkapitels heftiger Widerstand gegen die Erhebung von Steuer- und Wachtgeld auf geistlichen Besitz und gegen das Ungeld. Ein vom Kaiser beauftragtes Schiedsgericht unter Vorsitz des Abtes von St. Gallen entschied im st. gallischen Wil am 30. August 1477, dass alle Güter, welche für den Gottesdienst bestimmt oder geschenkt worden waren, von allen Abgaben befreit blieben. Geistliche Personen hingegen, die Güter gekauft oder geerbt hatten oder dies in Zukunft tun würden, hatten davon Steuer- und Wachtgeld so wie andere Bürger in Chur zu entrichten. Auch von verliehenen Erblehen an Geistliche oder Weltliche waren weiterhin Steuergelder zu bezahlen; fielen die Lehensgüter an die geistlichen Lehensherren zurück, mussten davon bis zur erneuten Verleihung keine Abgaben entrichtet werden. Betreffend des Ungeldes wurde vereinbart, dass das Domkapitel vom bis anhin bezogenen Wein aus Eigengütern aus dem nahen Ausland den Churern keine Abgabe bezahlen müsse; aus Neuerwerbungen von Weinzehnten und -gärten sei hingegen in Zukunft das Ungeld an die Stadt zu entrichten. Dieser Entscheid schien von beiden Seiten akzeptiert worden zu sein; jedenfalls fehlen Informationen über weitere Auseinandersetzungen. Abb. 103: Kaiser Friedrich III. verleiht am 20. September 1459 Bischof Ortlieb von Brandis die Reichsregalien [BAC] <?page no="151"?> 151 10. Im Beziehungskonflikt mit der Stadt Chur, dem Gotteshausbund und der Casa d’Austria (1458-1505) Neben der Urkunde vom 28. Juli, welche die althergebrachten Rechte der Stadt bestätigte und, wie oben dargelegt, erweiterte, stellte Friedrich III. am 30. Juli 1464 noch ein zweites Pergament aus, das zur finanziellen Entlastung und zur Unterstützung der brandgeschädigten Einwohner Churs gedacht war. Mit diesem kaiserlichen Privileg erliess er allen, die auf den Brandstätten bauten oder bauen wollten, die Hälfte der Grund- und Bodenzinsen. Die andere Hälfte hatten die Bauwilligen während der nächsten sechs Jahre ebenfalls nicht abzuliefern, sondern die Beträge für den Aufbau ihrer Häuser zu verwenden. Diese Erleichterungen gingen jedoch auf Kosten des Bischofs und des Domkapitels, da sich ein Grossteil des Bodens auf Stadtgebiet in deren Besitz befand. Die Beschwerden vom bischöflichen Hof an Friedrich III. liessen nicht auf sich warten. Nach einem gescheiterten Vermittlungsversuch unter Leitung des Konstanzer Bischofs entschloss sich das Churer Domkapitel zusammen mit der Stadt Chur zu einer einvernehmlichen Regelung ohne externe Vermittlung. Am 17. März 1466 entschied man, dass vom Tag der Feuersbrunst an bis zum Ausstelldatum des Vergleichs alle Zinsen erlassen werden; ausgenommen davon Abb. 104: Kaiser Friedrich III. bewilligt am 31. Juli 1464 Bürgermeister, Rat und Gemeinde der Stadt Chur, die Reichsvogtei mit allen ihren Rechten, wie sie gegenwärtig der Churer Bischof Ortlieb von Brandis pfandweise innehat, um den Pfandschilling auszulösen [StadtAC, A I/ 1.01.01] <?page no="152"?> 152 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) blieben Gebäulichkeiten, die nur wenig Schaden genommen hatten. Ferner kamen beide Parteien überein, dass der Zins von den bis auf die Grundmauern abgebrannten Häusern für immer zur Hälfte erlassen sein solle, die andere Hälfte sei ab dem 11. November 1466, unter der Bedingung innerhalb von sechs Jahren zu bauen, dem Domkapitel aber zu entrichten. Aus dieser im Stadtarchiv Chur aufbewahrten Urkunde, in der alle dem Domkapitel gehörenden Hofstätten und deren Inhaber zur Zeit des Stadtbrandes 1464 verzeichnet sind, geht deutlich hervor, dass nur etwa die Hälfte dem Kapitel gehörenden Gebäude bis auf den Grund zerstört worden waren. Damit ist der Protest seitens des Domkapitels gegen eine vom Kaiser gewährte generelle Halbierung der jährlichen Zinsleistung verständlich; Friedrich III. schien offenkundig zu wenig genau über die Brandkatastrophe orientiert worden zu sein - vielleicht nicht ganz unbeabsichtigt, um dadurch die enge Bindung zwischen Hof und Stadt Chur aus gegebenem Anlass leichter zu lösen. Johannes Gsell brachte aus Wien noch ein drittes wichtiges Dokument Friedrichs III. nach Chur zurück. Laut diesem Mandat, datiert in Wiener Neustadt am 31. Juli 1464, das im Original ebenfalls im Stadtarchiv Chur liegt [Abb. 104], erlaubte der Kaiser der brandgeschädigten Stadt, die Reichsvogtei gegen Bezahlung der Pfandsumme vom Bischof zu lösen: «Wir Friderich von Gottes gnaden römischer keyser etc. bekennen, daß wir unnsern und des reichs lieben getrewen burgermaister, rate, burgern und gemeinde der statt zu Chur vergonnet und erlaubet haben, vergonnen und erlauben in auch von romischer kayserlicher macht, in krafft diz briefs, dz sy unser und des reichs vogtey zu Chur mit iren rechten und zugehörung, so yetz der erwürdig Ortolff bischoff zu Chur unser fürste und lieber andächtiger innehaben, und weilent seinen vorfarn bischoven zu Chur von unsern vorfarn am reich verpfendet sein sol, umb den pfantschilling, dafür die gemelt vogtey verpfandt und versatzt ist, und nach laut der pfantbriefe darüber gegeben, an sich und die gemelt statt ledigen und lösen, und die alsdann umb denselben pfantschilling und nach laut der pfantbrief von unsern vorfarn am reich darüber ausgegangen, von uns und dem heiligen reiche in pfandsweise inhaben nutzen und niessen sollen und mugen von allermeniglich ungehindert.» Ferner versprach der Souverän, die Vogtei in den kommenden 16 Jahren nicht an sich zu ziehen; erst nach Ablauf dieser Frist (1480) behielt er für sich und seine Nachfolger das Rücklösungsrecht vor. In den Jahren nach dem Brand war es der Churer Bürgerschaft nicht möglich, von diesem Privileg Friedrichs III. Gebrauch zu machen; das Aufbringen der Pfandsumme war schlichtweg unmöglich. Als Abgeordnete des Stadtrates dann im Juli 1480 beim Bischof die Lösung der Reichsvogtei einforderten und die Höhe der Pfandsumme in Erfahrungen bringen wollten, zeigte sich Ortlieb von Brandis überrascht, da er von diesem gewährten Privileg zuvor nichts erfahren hatte. Seine Vermutungen gingen dahin, dass Johannes Gsell in Wien den Kaiser nicht korrekt über die verbrieften Rechte des Hochstifts Chur informiert hatte, weshalb der Bischof Friedrich III. umgehend die entsprechenden Dokumente zukommen liess. Auch Gsell reiste nochmals nach Wien und vertrat dort die städtische Position. Beide Parteien wurden vom Kaiser angehört. Schliesslich widerrief Friedrich III. am 6. Juli 1481 seine Erlaubnis von 1464 an die Stadt Chur, die Vogtei auszulösen und befahl ihr, ihm alle darüber ausgestellten Urkunden auszuhändigen und den Bischof ohne Anstände weiter im Besitz der Reichsvogtei zu belassen. Noch am 11.-Mai 1487 befahl Friedrich III. der Stadt zudem, den Bischof bei der Ausübung der hohen Gerichtsbarkeit nicht zu behindern. <?page no="153"?> 153 10. Im Beziehungskonflikt mit der Stadt Chur, dem Gotteshausbund und der Casa d’Austria (1458-1505) Nur ein Jahr später änderte der Kaiser seine Einstellung erneut und stellte der Stadt Chur am 30. Juni 1488 unter Kenntnissetzung des Churer Bischofs eine Urkunde aus, womit er der Stadt die Auslösung der Churer Vogtei einschliesslich der Vier Dörfer (Zizers, Trimmis, Igis und Untervaz), des Ammann-, Vizdum- und Profektamtes sowie des Zolls in Chur bewilligte. Der Bischof vermochte aber in Innsbruck vor dem Kaiser den Beweis erbringen, dass Ämter und Zoll unabhängig von der Vogtei in den Besitz des Bistums gelangt waren; zudem verstand er es auch, Friedrich zu überzeugen, dass die Vogteirechte über die Vier Dörfer besser beim Bistum zu belassen seien, da dieses daselbst reich begütert war. Am 10. März 1489 stellte der Kaiser eine entsprechend korrigierte Urkunde an die Stadt Chur aus. Darin erlaubte er der Stadt, die Vogtei (für 700 Pfund) auszulösen, jedoch ohne die Zugehörigkeit der Vier Dörfer, ohne Zoll und ohne Ämter. Ein letzter strittiger Punkt zwischen Ortlieb von Brandis und der Stadt wurde dann am 14. September 1489 geregelt: Ein Schiedsgericht sprach ausschliesslich dem Bischof die niedere und hohe Gerichtsbarkeit über den Hofbezirk zu. Die Auseinandersetzungen zwischen der Stadt Chur und dem Bischof, welche keineswegs 1489 zu einem Ende kamen, sondern über den Tod Ortliebs von Brandis (gest. 25. Juli 1491) hinaus unter seinem Nachfolger Heinrich V. von Hewen (1491-1505), der sich mit dem Übergang der Vogtei in die Hände der Churer nicht abfinden wollte, weitergingen, waren letztlich mitbestimmend für das immer stärker werdende Emanzipationsbestreben der Stadt Chur gegenüber ihrem geistlichen Oberherrn. Wohl hatte Abb. 105/ 106: Kaiser Friedrich III. (1440-1493) [links] und Kaiser Maximilian I. (1486/ 1508-1519) [rechts] [Quelle: Wikipedia] <?page no="154"?> 154 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) die Churer Bürgerschaft es verstanden, ihre Selbständigkeit nach dem Brand von 1464 beachtlich auszubauen und abzusichern, doch blieb dem Bischof nach wie vor die Besetzung der zivilen Ämter, auch die Regalien, wie etwa das Zoll- und Münzrecht, standen ihm weiter zu. Wie die anderen Gotteshausgemeinden waren die Churer Bürger gehalten, dem Bischof den Treueeid zu leisten. So wundert es nicht, dass Chur als grosses Ziel die Anerkennung als freie Reichsstadt anstrebte, d.h. sie hätte keinem Landesherrn (Bischof ) mehr unterstanden, sondern unmittelbar dem Kaiser. Doch auf dem Reichstag zu Freiburg i. Br. entschied 1498 Kaiser Maximilian I. zusammen mit den Reichsfürsten gegen die Stadt Chur und zugunsten des Churer Bischofs: Mit Ausnahme der 1489 ausgelösten Reichsvogtei blieben die Churer unter der Herrschaft des Bischofs; Chur als freie Reichsstadt fand keine Anerkennung und den Reichsadler durften sie nicht im Wappen führen. Mit dem Ausbruch des Schwabenkrieges 1499 waren dann sämtliche Träume der Churer Bürger von Reichsfreiheit und Reichsunmittelbarkeit ausgeträumt, ja nach Beendigung dieses Waffengangs war eine engere Zugehörigkeit zum Reich für die Stadt Chur keine Option mehr. b) Schlaglichter auf Bischof Ortliebs Hirtentätigkeit In der oben geschilderten Auseinandersetzung mit der Stadt Chur um die Lösung der Reichsvogtei erwies sich Bischof Ortlieb dem Kaiser gegenüber als getreuer Reichsfürst. Zu Recht hatte sich der Bischof von Chur als Inhaber der ihm seit 958 durch Kaiser Otto-I. verliehenen Rechte über die Stadt verteidigt, sich aber auch dem kaiserlichen Entscheid letztlich nicht entgegengesetzt. Bischof Ortlieb, so schreibt Johann Georg Mayer in seiner Abb. 107/ 108: Ortlieb von Brandis, Bischof von Chur 1458-1491 [links] und Heinrich V. von Hewen 1491-1505 [rechts] [Fotos: Hugo Hafner] <?page no="155"?> 155 10. Im Beziehungskonflikt mit der Stadt Chur, dem Gotteshausbund und der Casa d’Austria (1458-1505) Churer Bistumsgeschichte, «war ein begabter und würdiger Kirchenfürst». «Mit Festigkeit und Tatkraft», aber auch «mit weiser Mässigung, Klugheit und Berechnung» führte er in schwierigen Verhältnissen «das doppelte Steuerruder der geistlichen und weltlichen Regierung». Für seine Hirtensorge gibt es mehrere Beispiele, die hier kurz Erwähnung finden sollen. Als erstes ist eine vermehrte Kirchenbautätigkeit während seiner Amtszeit zu verzeichnen, die bis zu Beginn der Reformation andauerte. Zweitens erliess er 1490 das «Directorium pro clero»; mit diesem ältesten noch erhaltenen Rituale Curiense ordnete Bischof Ortlieb in seinem Sprengel die einheitliche Gestaltung des Gottesdienstes (Messfeier und Stundengebet) und erliess Regeln für die (Heiligen-)Festtage im kirchlichliturgischen Jahresablauf; ebensfalls 1490 kam unter ihm als Handreichung für seinen Klerus das «Breviarium Curiense» heraus. Drittens gilt Ortlieb von Brandis als aktiver Förderer der kirchlichen Kunst, primär in der eigenen Kathedralkirche (Sakramentshäuschen, Hochaltar). Gerade das von Bischof und Domkapitel bei Jakob Russ in Ravensburg in Auftrag gegebene spätgotische Retabel des Hochaltars verdeutlicht in seinem mariologisch-christozentrischen Charakter die Hirtenpflicht Ortliebs, dem Christgläubigen von damals anhand eines grosses Kunstschatzes eine sichere Handhabe auf Weg des Glaubens zu geben. Abb. 109: Sarkophag Bischofs Ortlieb von Brandis in der Kathedrale zu Chur [BAC.BA] <?page no="156"?> 156 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) c) Auseinandersetzungen des Churer Bischofs Heinrich V. von Hewen mit den Eidgenossen und Bündnern sowie mit Österreich: Der Schwabenkrieg (1499) Der am 8. August 1491 vom Churer Domkapitel gewählte Nachfolger Ortliebs, Heinrich V. von Hewen, entstammte einem schwäbischen Freiherrengeschlecht aus dem Hegau und war der Neffe des früheren Churer Administrators und Konstanzer Bischofs Heinrich IV. (1441-1456). Als Kanoniker von Konstanz studierte Hewen 1472 in Freiburg i. Br.; ferner bekleidete er einen Chorherrenposten in Beromünster, findet sich seit 1478 in der Kanonikerliste als Kustos in Strassburg und schliesslich seit 1485 neben dem Domdekanenamt in Konstanz als Domherr in Chur. Nachdem Bischof Heinrich V. am 16. Oktober 1491 von seinem Bistum Besitz ergriffen hatte, ging er daran, mit Hilfe einer Diözesansynode Reformen bei Klerus und im religiösen Leben durchzuführen. Seine Forderung nach Einführung von Taufregistern ist bemerkenswert, da erst das Konzil von Trient (1545-1563) diese 1563 verpflichtend vorschreiben sollte. In Kenntnis der vorgegebenen politischen Unruhen im zu Ende gehenden 15. Jahrhundert bat er Klerus und Volk um Gebetsunterstützung für seine Amtsführung, die alsbald von konfliktreichen, ja kriegerischen Auseinandersetzungen in und um sein Bistumsterritorium überschattet wurde und zu einer starken Trübung der bis anhin ausgezeichneten Beziehungen des Bistums Chur zu Österreich führte. Anlass zum Krieg zwischen Kaiser Maximilian I. und der zehnörtigen Eidgenossenschaft (Uri, Schwyz, Unterwalden, Glarus, Zug, Luzern, Bern, Solothurn, Freiburg und Zürich), mit der sich Abtei und Stadt St. Gallen, Appenzell, Biel, Schaffhausen sowie die drei territorialen Gebilde Gotteshaus-, Oberer- und Zehngerichtenbund zusammengeschlossen hatten, bot die verworrene landesrechtliche Situation im heutigen Graubünden. Habsburg hatte bis 1496 acht Gerichte im Prättigau erworben und besass alte Rechte im Unterengadin, im Münstertal und Vinschgau, die allerdings von den Churer Bischöfen wiederholt bestritten wurden. Die auf Expansion ausgerichteten Ansprüche Habsburgs drängten den Gotteshausbund (inkl. Vinschgauer Gotteshausleute, aber ohne den Bischof ) als Rückhalt am 13. Dezember 1498 zu einem «ewigen» Bündnis mit der Eidgenossenschaft; Bischof Heinrich V. von Hewen, Haupt des Bundes und gleichzeitig geistlicher Reichsfürst, geriet damit zwischen die Fronten. Im Januar 1499 liess der habsburgische Statthalter von Tirol den Vinschgau und das Münstertal militärisch besetzen, um seinen Anspruch gegen die bischöflichen Rechte und den Gotteshausbund durchzusetzen. Das eigentliche Ziel war dabei die Sicherung des Umbrailpasses als direkte Verbindung zwischen Innsbruck und Mailand sowie für die Präsenz Habsburgs in der Lombardei entscheidend. Eine am 2. Februar 1499 in Glurns auf Vermittlung des Konstanzer Bischofs zustande gekommene Vereinbarung, an der auch der Bischof von Chur mitwirkte, die Anstände zwischen Bünden und Österreich gütlich zu regeln, wurde von der Regentschaft in Innsbruck als illegal bezeichnet und verworfen. Über den Churer Bischof als Beteiligten am «Glurnser-Abkommen» und seinen Untertanen wurde am 15. Februar die Reichsacht verhängt, was einer Kriegserklärung gleichkam. <?page no="157"?> 157 10. Im Beziehungskonflikt mit der Stadt Chur, dem Gotteshausbund und der Casa d’Austria (1458-1505) Neben weiteren Kriegsschauplätzen am Bodensee und im Vorarlberger Rheintal [siehe Karte, Abb. 110] kam es an der Calven oberhalb von Laatsch gegen Taufers zur Schlacht bündnerischer und eidgenössischer Truppen gegen die nicht mehr rechtzeitig verstärkten Truppenkontingente der Österreicher. Die am 22. Mai 1499 besiegten Habsburger wurden unter grausamen Massakern, begleitet von örtlichen Verwüstungen und Plünderungen, bis weit in den Vinschgau hinunter verfolgt. Der beim Ausbruch der Calvenschlacht auf der Fürstenburg weilende Bischof von Chur geriet in die Hände der Österreicher, wurde nach Innsbruck gebracht und von dort in das abgelegene Kloster St. Georgenberg (Gemeinde Stans, Nordtirol) transportiert. Auf dem Weg dorthin vermochte Hewen zu entkommen und sich nach Strassburg abzusetzen. Die Fürstenburg selbst wurde von königlichen Truppen «nach etlichen tagen gerumbt, geplündert, die haab gen Malls gefüert und das gantz verbrendt». Erst am 22. September 1499 konnte nach Verhandlungen der Friede zu Basel zwischen Maximilian I. in seiner Eigenschaft als Erzherzog von Österreich und Graf von Tirol einerseits sowie den Eidgenossen und Bünden andererseits besiegelt werden. Nicht nur die Eidgenossenschaft ging aus dem Schwabenkrieg in ihrer Selbständigkeit innerhalb des Heiligen Römischen Reiches gestärkt hervor, obwohl sie rechtlich gesehen bis 1648 ein fester Teil des Reiches blieb, sondern auch der Gotteshausbund erwuchs vorübergehend gestärkt aus dem Konflikt und betraute in der Folge aufgrund der Abwesenheit des Bischofs (weilte in Strassburg) vier Männer, darunter den ehemaligen Domkustos Franziskus della Porta (1466-1492) und den Churer Bürgermeister Hans Locher, mit der Regentschaft über das Hochstift Chur. Diese walteten recht willkürlich und verkauften bischöflichen Besitz, um die enormen Kriegsschulden zu bezahlen. Abb. 110: Übersicht über die einzelnen Kriegsschauplätze im Schwabenkrieg von 1499 (rechts unten: Schlacht bei Calven) [Quelle: Wikipedia] <?page no="158"?> 158 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) Im Januar 1500 kam Heinrich V. von Hewen von Strassburg in das Prämonstratenserkloster Rüti/ ZH mit der Absicht, von seinem Bistum wieder Besitz zu ergreifen. Als er auf Veranlassung und Vermittlung der Stadt Zürich, dessen Bürgerrecht er besass, am 3.- März nach Chur zurückkehrte, trat die vierköpfige Regentschaft aber nicht zurück. Hewen sah sich gezwungen, erneut in den Vinschgau auszuweichen. Im Zuge der Verhandlungen in Feldkirch 1503 bezüglich Konkretisierung der Beschlüsse von Basel (1499), die u. a. eine separate Vereinbarung zur Beilegung der Differenzen zwischen dem Bischof von Chur und Kaiser Maximilian I. hinsichtlich der jeweiligen Untertanen forderte, stimmte Heinrich V. «mit sambt seinen reten und tumbcapitel und Gotzhaws» am 30. Mai 1503 folgender Lösung zu: Alle seine Untertanen unter der Calven und ausserhalb von Martinsbruck, also in den drei landesfürstlichen Gerichten Nauders, Glurns-Mals und Schlanders, sollten fortan für immer zu tirolischen Untertanen werden und Kaiser Maximilian I. als ihrem Herrn den Untertaneneid leisten. Die Feste Fürstenburg «an aller seiner gerechtkait, souil es der hat», war davon ausgenommen. In den Kompetenzstreitigkeiten im Engadin und Val Müstair fand man gangbare Kompromisslösungen. Dieser Vertragsabschluss löste in Bünden ein Sturm der Entrüstung aus; ein Verzicht auf die Gotteshausleute im Vinschgau entsprach in den Augen der Bündner keineswegs dem Kriegsausgang von 1499. Der beschimpfte und geächtete Churer Oberhirte willigte schliesslich in die Bestellung eines Diözesanadministrators in der Person von Paul Ziegler, dem späteren Churer Bischof (1509-1541), ein; auch das Domkapitel und der Gotteshausbund gaben ihre Zustimmung. Im März 1504 übertrug Heinrich V. die weltliche Verwaltung des Bistums dem Domkapitel. Die römische Kurie versagte dem Administrator zunächst die Bestätigung; erst nach der Resignation Hewens konfirmierte Papst Julius II. (1503-1513) am 6. Mai 1505 Paul Ziegler. Nach Festsetzung einer jährlichen Pension als Abfindungssumme begab sich Heinrich V. endgültig nach Strassburg, wo er bis dato immer noch die Würde des Domkustos bekleidete. Dem Gotteshausbund war es mit der Ablösung Hewens wohl gelungen, die bischöfliche Herrschaft in Bünden längst vor der Reformation massiv zurückzudrängen; doch lag Bünden anders als die Eidgenossenschaft, welche sich nach dem Schwabenkrieg faktisch aus dem Reichsverband gelöst hatte, weiter im Einflussbereich der erstarkenden Macht Österreichs. Erbeinigungen mit Österreich sicherten ein friedlicheres Nebeneinander: geschlossen am 27. Oktober 1500 mit Gotteshaus- und Zehngerichtenbund, am 31. Mai 1502 auch mit dem Oberen Bund. Im Vinschgau aber setzten sich die tirolischen Ansprüche von 1503 alsbald durch: In einer Art Landesordnung wurde in Glurns 1519 bestimmt, dass die Gotteshausleute im Gebiet von Nauders und damit die Leute im oberen Vinschgau (Nauders, Reschen, Graun, St. Valentin und umliegende Weiler) gänzlich dem tirolischen Gericht Naudersberg unterstellt und damit tirolische Herrschaftsleute wurden. Weitere Bestimmungen folgten 1540. Die Ereignisse um die Schlacht von Calven stellen zwar einen zentralen Einschnitt in der Ausdifferenzierung eines bündnerischen und eines tirolischen Staatsverbands dar; der definitive Abschluss sollte jedoch noch Jahrhunderte benötigen. Der Auskauf von tirolischen Herrschaftsrechten im Prättigau und Unterengadin gelang erst zwischen 1640 und 1652. Danach blieb neben der österreichischen Herrschaft Tarasp (bis 1803) noch die Landeshoheit über die <?page no="159"?> 159 10. Im Beziehungskonflikt mit der Stadt Chur, dem Gotteshausbund und der Casa d’Austria (1458-1505) erst 1497 durch Tausch von Maximilian I. erworbene Herrschaft Rhäzüns (mit den Gemeinden Rhäzüns, Bonaduz, Domat/ Ems und Felsberg) bis 1819 bestehen. Heinrich V. von Hewen, dem das geistliche Wohl seines Bistums Chur eigentlich sehr am Herzen lag - dies bezeugen mitunter die von ihm 1491 einberufene Diözesansynode, die dort erlassenen sowie später gedruckten Konstitutionen und 1497 die Herausgabe des Missale Curiense -, und der als ein Opfer der politischen Machtverhältnisse in Bünden an der Schwelle zum 16. Jahrhundert gesehen werden darf, starb zwischen dem 16.-November 1519 und dem 30.-Juni 1520 in Strassburg und wurde daselbst beigesetzt. Seit Mitte des 15. Jahrhunderts hatten die Churer Bischöfe als einst einflussreichste Territorialherren Rätiens einen Grossteil ihrer Privilegien und Rechte in gegenseitigem Einvernehmen oder durch Absprachen und Auskauf preisgegeben. Zudem war im tirolischen Bistumsanteil (v. a. im Vinschgau) die Einflussnahme der habsburgischen Herzöge von Österreich seit der Übernahme der Grafschaft Tirol 1363 immer deutlicher spürbar. Mit der Bildung des Gotteshausbundes 1367 als Reaktion auf die verstärkte Bindung der Churer Bischöfe an die Casa d’Austria wurde nicht nur die Handlungsfreiheit des Churer Oberhirten als weltlicher Herr eingeschränkt, sondern bedeutete den Anfang des Niedergangs des Churer Bischofsstaates. Dafür entwickelten sich nach 1450 die Gerichtsgemeinden in den drei Bündnissen (Gotteshausbund, Oberer Bund, Zehngerichtenbund) Abb. 111: Auszug aus dem «Missale Curiense» von 1497: Beginn des Exsultet [BAC] <?page no="160"?> 160 VIII. Das Bistum Chur im Spätmittelalter (14. / 15. Jahrhundert) in ihrer Eigenständigkeit gegenüber den früheren Feudalherren. Diese «Gemeinen Drei Bünde», obwohl in manchen Teilbereichen noch zerstritten, formten sich vor dem Hintergrund der Machtübernahme der Habsburger, des Herrschaftswandels, des bischöflichen Machtverlusts, der kommunalen Verfestigung und der Ausformung neuer politischer Führungseliten um 1500 allmählich zu einem immer grösseren Einfluss nehmenden Gebilde auf dem Territorium des Bistums Chur. Die immer mehr autonom agierenden Gerichtsgemeinden bildeten nach 1500 neben den zum Teil prekären religiösen Zuständen eine wichtige Plattform für die Ausbreitung des reformatorischen Gedankengutes. <?page no="161"?> 161 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrhundert) Als nach 1520 von Süddeutschland, den eidgenössischen Orten und später auch von Italien her das reformierte Glaubensgut in Bünden Fuss fasste, traf die Reformation auf ein Bistum, das infolge der Spannungen während des Schwabenkrieges 1499 als eines ernstzunehmenden Warnzeichens vor einem (gewaltsamen) Umbruch vom Feudalismus zur Demokratie in politischer Hinsicht sehr geschwächt war. Zudem blieben die zum Freistaat der Drei Bünde zusammengeschlossenen Gemeinden in ihrer Opposition gegen die weltliche Stellung des Bischofs von Chur aktiv. Neben dem Kampf um die Erlangung Abb. 112: Der bischöfliche Hof um 1550 aus der Kosmologie des Sebastian Münster [BAC.BA] <?page no="162"?> 162 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) von Hoheitsrechten lassen bereits um 1500 diverse Kirchenordnungen deutlich erkennen, dass die Kommunen auch immer mehr bestrebt waren, «ain frye Pfarrkilchen» zu haben. Es darf deshalb nicht verwundern, wenn Auseinandersetzungen um die geistliche Gerichtsbarkeit sowie Ein- und Absetzungen von Geistlichen vielfach schon am Ende des 15. Jahrhunderts mit der völligen Autonomie der Kirchgemeinden endeten. Ausserhalb Bündens bildeten sich auf dem Territorium der Churer Diözese im Kampf gegen wachsende kirchliche Missbräuche Unruheherde im Gaster, im Sarganserland sowie in einzelnen Gemeinden Vorarlbergs und Liechtensteins. Ein wirksamer revolutionärer Vorstoss in geschlossener Front wie später in den Drei Bünden war hingegen schon durch das Fehlen einer einheitlichen Rechtslage wie auch durch die klaren österreichischen Rechtsverhältnisse und landesfürstlichen Pfarreipräsentationen unmöglich. Die Reformation und ihre Auswirkungen in Bünden unterscheiden sich grundsätzlich von der Durchsetzung wie den Folgen der Glaubensneuerung in den eidgenössischen Orten. Statt einer tragfä- Abb. 113: Bünden im Spannungsfeld ausländischer Mächte [BAC.BA] <?page no="163"?> 163 1. Reformation in Bünden higen, politisch starken Obrigkeit wie Ordnungsmacht (vergleichbar mit dem Ratsregiment in Zürich, Bern oder Freiburg) erwuchs das bäuerlich-partikularistische Element zum wichtigsten Instrument auf dem Weg zu einer völligen Autonomie der (Kirch-)Gemeinden und einer politischen Anarchie im Freistaat. Dadurch gelang ein zwar später mit vielen Konsequenzen zu büssender Schlag gegen das mit dem Freistaat verbündete Haus Österreich-Tirol (Erbeinigung von 1518). Letztlich führte aber alles zur Abhängigkeit Bündens von den das kleine Land umschliessenden Grossmächten im 16. / 17. Jahrhundert (Frankreich, Republik Venedig, Spanien und Österreich), welche nicht bloss von unzähligen Bestechungen beider Seiten geprägt war, sondern wiederholt Krieg, Hunger, Seuchen und Verwüstungen ins Land brachte. 1. Reformation in Bünden a) Wegbereitung durch diverse Artikelbriefe als Weckruf zu kirchlichen Reformen Nach dem Wegzug von Pfarrer Laurenz Mär [Mehr] zu St. Martin in Chur (1506- 1518/ 1520 -1522) nach Zürich kam es bei der Bestellung des Nachfolgers an der Stadtpfarrei zum Streit zwischen der Churer Bürgerschaft und dem Dompropst. Trotz des vehementen Einspruchs des Propstes, der auf sein altes Kollaturrecht nicht verzichten wollte, wählte die Bürgerschaft den aus Maienfeld stammenden Johannes Dorfmann (gräzisiert Comander, 1483/ 85-1557) zum neuen Stadtpfarrer. An Ostern 1523 trat dieser seine Stelle an. Zwar blieb das katholische Kirchenwesen vorläufig unangetastet, aber Comander begann auf der Kanzel ungehindert und bei wachsender Zuhörerschaft den neuen Glauben (nach der Auffassung des Zürcher Reformators Huldrych Zwingli [1484- 1531]) vorzutragen. Im gleichen Jahr, Anfang November 1523, ging die Stadt Chur mit einigen Gerichtsgemeinden des Gotteshausbundes und den Vier Dörfern (Trimmis, Zizers, Igis, Untervaz) einen Vertrag ein, der ihnen das Recht verschaffte, gewisse Kirchensachen fortan nach eigenem Gutdünken zu regeln. Das dort Formulierte hatte seinen Ursprung in den sog. «Sieben Artikeln» des Oberen Bundes vom 20. April 1523; die damals in Ilanz verabschiedeten Punkte hatten allesamt kirchliche Reformen zum Gegenstand, bei denen der Klerus bzw. sein (unsittliches) Verhalten im Fokus stand: So durfte sich ein Geistlicher nicht mehr von seiner Pfrund entfernen und die Stelle einfach durch einen anderen Kleriker vertreten lassen. Die sich gehäuften Klagen wegen Wucher bei der Geistlichkeit waren von einem unparteiischen Gericht zu schlichten. Beim Tod eines Klerikers hatte das Erbe künftig nicht mehr an die Kirche, sondern an seine Erben zu fallen. Testamentsniederschriften durften bei einem Sterbefall nicht mehr von Geistlichen allein getätigt werden, sondern es bedurfte der Anwesenheit zweier Amtspersonen. Das zunehmend verwerfliche Verhalten von Geistlichen (übermässiger Wirtshausbesuch, Würfelspiel um Geld, Lärmen in den Gassen, Halten von Konkubinen) sollte bald möglichst abgestellt werden. Diese Bestimmungen mit «Gebotscharakter» richteten sich nicht <?page no="164"?> 164 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) zuletzt gegen die Churer Bistumsleitung und forderten sie zum Handeln auf, andernfalls behielten sich die Gemeinden vor, selbst einzugreifen. Ferner verbot man, jemanden wegen weltlichen Forderungen vor ein geistliches Gericht zu ziehen. Am Bundstag zu Chur vom 6. November 1523 übernahmen die Vertreter der drei Bünde die «Sieben Artikel» und integrierten diese in ein 18-Punkte-Mandat. Diese 18 neuen Reformartikel wurden noch 1523 in Nürnberg, Augsburg und Zwickau gedruckt und hatten dadurch alsbald entscheidenden Einfluss auf ähnliche Erlasse im süddeutschen Raum. Nach intensiver Diskussion in den einzelnen Talschaften Bündens wurde ihr Inhalt auf dem Bundstag zu Ilanz von den Abgeordneten gebilligt und am 4.-April 1524 in den «Ersten Ilanzer Artikelbrief» eingearbeitet und besiegelt [Abb. 114]. Dieser Artikelbrief stellt ein Reformversuch der Bündner Gemeinden im Bereich des Benefizienwesens und der geistlichen Judikatur dar - aber ohne jede Mitwirkung der kirchlichen Obrigkeit. Die 18 Artikel enthielten Bestimmungen gegen zum Teil gravierende Missbräuche bei kirchlichen Pflichten. Jeder Pfründeninhaber wurde zur Residenz verpflichtet, damit «dem gemeinen man das wortt unnd ler Cristi dester trülicher fürgehalten vnnd [er] nitt in irrung gefürt wird». Den einzelnen Gemeinden verschafften sie das Recht der Pfarrerwahl, schränkten die geistliche Gerichtsbarkeit sowie die bischöfliche Jurisdiktionsgewalt ein und unterbanden die Appellation an den Bischof. Die Artikel enthielten zwar keine Bestimmungen zur Einführung der Reformation, aber auch keine zum Schutz Abb. 114: Erster Ilanzer Artikelbrief vom 4. April 1524 [StAGR] <?page no="165"?> 165 1. Reformation in Bünden des katholischen Glaubens wie etwa das eidgenössische Glaubenskonkordat von 1525. Von Ilanz, der ersten Stadt am (Vorder-)Rhein, ging auch die Initiative zur Schaffung eines gemeinsamen Bundesbriefes aus - quasi eine Verfassung für alle drei Bünde: Gotteshaus-, Oberer- und Zehngerichtenbund. Im April 1523 stand ein Entwurf (vermutlich aus der Hand des damaligen bischöflichen Schreibers Johannes Hofmann) auf dem Bundstag zu Ilanz zur Debatte, der einerseits lediglich von einer Erneuerung der bisherigen Bundesbriefe sprach, andererseits - auf Insistieren des seit 1509 im Amt stehenden Churer Bischofs Paul Ziegler (aus Nördlingen) - einen Vorbehalt für Kaiser und Papst enthielt. Da die Bundesabgeordneten dagegen protestierten, liess man diese Passage trotz Gegenwehr des Bischofs wieder fallen. Am 23. September 1524 verabschiedeten die Abgeordneten, wiederum in Ilanz versammelt, die Bundesverfassung, die auf ein einheitliches Regieren und Auftreten der Drei Bünde zielte (gemeinsame Aussenpolitik, gemeinsame Entscheide über Krieg und Frieden oder Bündnisse mit dem benachbarten Ausland). Oberstes «gesamtstaatliches» Gremium bildete die Institution «Bundstag», welcher sich in einem Turnus in den Orten Chur, Ilanz und Davos künftighin periodisch versammeln sollte. Noch im Sommer 1524 flüchtete der frühere Administrator des Bistums Chur (1505- 1509), Bischof Paul Ziegler (1509-1541), der sich der Annahme und Besiegelung dieses Bundesbriefes verweigerte hatte, in den Vinschgau auf die Feste Fürstenburg und leitete mit seinem Weggang aus der Bischofsstadt eine schwere Spannung ein zwischen dem Haupt des Gotteshausbundes, das er selber war, und den Bündner Gemeinden - eine Spannung, die auf alle nachfolgenden kirchenpolitischen und religiösen Ereignisse dunkle Schatten warf und den Kampf der Neugläubigen gegen das Hochstift Chur fraglos wesentlich erleichtert hat. Die Verantwortung der bischöflichen Religionspolitik lastete ab 1524 bis fast zum Ende des 16.-Jahrhunderts auf dem Domkapitel. Im Herbst 1528 fasste Ziegler den wenig durchdachten Entschluss, zugunsten von Gian Angelo Medici, damals Erzpriester von Mazzo und später Papst Pius IV. (1559-1565), auf das Bistum Chur zu resignieren. Medici war ein Bruder des Kastellans von Musso, der am Comersee ein eigenes Fürstentum errichten wollte und die bündnerischen Besitzungen in Chiavenna bedrohte. Als Zieglers Absicht bekannt wurde, brach in Bünden ein Sturm der Entrüstung aus. Engadiner und Münstertaler Bauern belagerten die Feste Fürstenburg; nur mit österreichischer Hilfe gelang es Ziegler zu entkommen. Das Domkapitel forderte den Bischof zur sofortigen Rückkehr nach Chur auf und verurteilte seine Rücktrittsabsichten Abb. 115: Paul Zielger, Bischof von Chur (1505/ 09 -1541) [Foto: Hugo Hafner] <?page no="166"?> 166 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) zugunsten Medicis scharf. Unter dem Druck Österreichs, das eine Kandidatur Medicis nie gebilligt hätte, begab sich Paul Ziegler wieder auf die Feste im Vinschgau; seine Churer Residenz betrat er bis zu seinem Tod am 25.-August 1541 nicht mehr. Er fand seine letzte Ruhestätte in der Benediktinerabtei Marienberg. Vom 7. bis 9. Januar 1526 fand mit der Disputation zu Ilanz der Kampf um die Kirchenreform auf der theologischen Ebene statt; einberufen wurde sie vom Bundstag aufgrund eingegangener Klagen seitens des Domkapitels und des Prämonstratenserabtes von St. Luzi zu Chur, Theodul Schlegel (1515-1529), gegen den Stadtpfarrer an St. Martin zu Chur und späteren Reformator Johannes Comander. Als Diskussionsgrundlage dienten 18 von Comander veröffentlichte (inhaltlich den 67 Schlussreden Zwinglis von 1523 entnommene) Thesen, welche auf der Disputation bestätigt oder widerlegt werden sollten. Eine Disputation über umstrittene Glaubensfragen bzw. -praktiken bezweckte nicht zuletzt - dies zeigen auch die beiden Zürcher Disputationen von 1523 - die Meinungsbildung der anwesenden Vertreter der politischen Behörde, welche als autoritäre Obrigkeit den Glauben ihrer Untertanen bestimmte. In Bünden waren dies die Ratsboten der einzelnen Gerichtsgemeinden; exekutive Kraft blieben aber die autonomen Gemeinden. Über den turbulenten Verlauf des Gesprächs, dem eine Tagesordnung ohnehin abging, sind wir einzig durch die zwar gelegentlich polemischen Aufzeichnungen des späteren Reformators Schaffhausens, Sebastian Hofmeister (1476-1533), informiert. Erst am zweiten Tag versuchte man zur Sache zu kommen. Doch fand die Debatte nach einer ausführlichen Stellungnahme des Hauptvertreters der katholischen Seite, Abt Theodul Schlegels, zum Abendmahl und zur hl. Messe unter Protest der Anhänger Comanders ein abruptes Ende. Eine eingehende Diskussion der Thesen des Churer Reformators kam somit gar nicht erst zustande; da diese aber bereits im Druck vorlagen, fanden sie rasche Verbreitung und wurden u. a. auf dem Religionsgespräch von 1528 in Bern von Berchtold Haller (1492-1536) benutzt. Johannes Comander stellte wie Martin Luther (1483-1546) und Huldrych Zwingli das Wort Gottes in den Mittelpunkt seiner Lehre. Nur das, was «der gemahel Christus gesetzt und gebotten hat», habe auch für die Kirche bindenden Charakter. Alle (kirchlichen) Einrichtungen, Papsttum und die (sakramentalen) Handlungen - vor allem das Messopfer -, welche aus diesem reinen Biblizismus nicht abgeleitet werden können, lehnte Comander rundweg ab. Ferner verwarf er die Lehre über das Fegefeuer, lehnte die Fastengebote und den Zölibat ab und sperrte sich gegen die Bilderverehrung. Nicht zuletzt stellte sich Comander gegen die weltlichen Befugnisse des Bischofs und verlangte die Unterordnung der Geistlichen unter die Staatsgewalt. Die Disputation von Ilanz und ihre Thesen brachten für die Drei Bünde letztlich keinen Entscheid. Vielmehr folgte in den Gemeinden - die Stadt Chur spielte unter Comander eine Vorreiterrolle - ein jahrelanger, zum Teil erbitterter Kampf zwischen den konfessionellen Richtungen. Jede Gerichtsgemeinde weist deshalb ihre eigene Reformationsgeschichte auf. Im Zuge der beginnenden konfessionellen Umorientierung im Land, die gekoppelt war mit der Erhebung bündnerischer Bauern (vor allem aus dem Gotteshausbund) gegen die weltliche Herrschaft des Bischofs, verfasste der Bundstag als gemeinsames, nicht aber exekutives Organ aller Gerichtsgemeinden, wiederum in Ilanz am 25.- Juni 1526 den <?page no="167"?> 167 1. Reformation in Bünden «Zweiten Ilanzer Artikelbrief» als einseitigen wie willkürlichen Akt und als einen revolutionären Bruch mit allen bisher geltenden Verträgen und Rechten [Abb. 116]. Diese Artikel stellten den vorläufigen Abschluss der bündnerischen Bauernbewegung vom Jahr 1525 dar. Gemäss der darin enthaltenen staatsrechtlichen Bestimmungen wurden dem Churer Bischof als dem nominellen Haupt des Gotteshausbundes alle weltlichen Rechte und damit sein politischer Einfluss entzogen, die bischöflichen Lehensgüter in Erblehen mit hohen Zinssätzen umgewandelt und dem geistlichen Reichsfürsten verboten, als weltliche Appellationsinstanz zu wirken. Die Gerichtsgemeinden rissen diese Vorrechte an sich. Die Drei Bünde erklärten sich faktisch zu einer freien Republik. Alle geistlichen Amtsleute wurden aus weltlichen Räten entfernt. Respektiert blieb allein die bischöfliche Souveränität über den Churer Hofbezirk, die Steuerfreiheit, die Justiz- und Polizeihoheit sowie das Münzregal. Verheerend wirkten sich die kirchenrechtlichen Bestimmungen aus, welche jene von 1524 verschärfend ergänzten. Sie stellten Klöster unter staatliche Verwaltung und Aufsicht; die Aufnahme weiterer Novizen war verboten. Geistliche Pfründen durften allein noch von Bündnern besetzt werden (Indigenatsprinzip) mit Ausnahme jener des Bischofs; dessen Wahl sollte nur nach eingeholtem Rat und mit Einverständnis Abb. 116: Zweiter Ilanzer Artikelbrief vom 25. Juni 1526 [StAGR] <?page no="168"?> 168 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) des Gotteshausbundes vom Domkapitel vorgenommen werden. Die Gemeinden massten sich zudem das freie, aber auch willkürliche Wahl- und Absetzungsrecht der Geistlichen an, schlossen damit die überlieferten Kollaturrechte aus und konnten dem Pfarrer laut Artikel «ain zimliche und erliche narung nach ains yedenn verdienen» geben, «usz welchem guott dann ain yedliche gemaindt gutt sin bedunckt nach billichait». Der Pfarrer verkam zum Gemeindebeamten, bezüglich seiner beruflichen sowie materiellen Sicherheit ausschliesslich von der Gunst der Gemeinde abhängig. Die Stossrichtung der Formulierungen zielte konkret auf die Etablierung einer Gemeindekirche. Das freie Pfarrwahlrecht und eine mögliche Absetzung eines (fehlbaren) Geistlichen sind in der heute geltenden Bündner Kantonsverfassung von 2003 in Art. 99.3 nach wie vor verankert. Obwohl auch in den zweiten, noch radikaler formulierten Artikeln von 1526, die - bereits rechtswidrig gesiegelt (statt das Gotteshaussiegel hängt im «namen gmeynen gotzhusz» das Churer Stadtsiegel) - nie zur Abstimmung («Mehren») jeder Gerichtsgemeinde als dem einzigen und uneingeschränkten Träger des Staatswillens unterbreitet worden waren und von Anfang an nie als «Landesgesetz» Geltung und Beobachtung einfordern konnten, keine Silbe von kirchlichen Veränderungen stand, war die landesherrliche Entmachtung des Bischofs und der Beschluss zur Abschaffung der Stiftsmessen ein deutliches Signal zum Abfall vom alten Glauben. b) Konfessionelle Umwälzungen in Bünden und Schaffung der Evangelisch-rätischen Synode Zählte das Bistum Chur um 1525, wie oben bereits aufgelistet, noch 191 katholische Pfarreien, so breitete sich die Reformation ab 1540 wegen der Autonomie der Kommunen unterschiedlich rasch in Bünden aus, ohne jedoch den Walgau oder Vinschgau im alten Glauben ernsthaft zu gefährden. Der gesamte Prozess zog sich anders als in der Eidgenossenschaft bis ins zweite Jahrzehnt des 17.-Jahrhunderts hin, wobei sich die meisten Gebiete noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts für den neuen Glauben entschieden. Den Gemeinden in der Bündner Herrschaft - Fläsch und Maienfeld (1524 bzw. 1525/ 29) - und der Stadt Chur (1527) folgten zunächst weitere deutschsprachige Gemeinden im Zehngerichtenbund (Prättigau und Schanfigg) sowie Ilanz (1526) mit einigen benachbarten Dörfern bis Waltensburg (1526/ 27), Thusis (1535) mit dem Heinzenberg, das Schams und der Rheinwald (ca. 1530) im Oberen Bund. Im Misox jedoch vermochte die Reformation nach kleinen Anfängen in Mesocco und Roveredo durch den Einfluss Carlo Borromeos keine bleibenden Wurzeln zu schlagen. Interessanterweise errang gerade im Gotteshausbund das evangelisch-zwinglianische Bekenntnis erst ab 1550 die Oberhand, entscheidend im Engadin und Bergell. Spätere Rekatholisierungsversuche durch die Entsendung von Kapuzinerpatres ins Prättigau und Unterengadin zeitigten auf Dauer keinen Erfolg. Im Kreis der Vier-Dörfer formierten sich Neugläubige erst im 17.- Jahrhundert; ein Schiedsgericht beschloss 1612 für Trimmis, Untervaz, Zizers, Igis und Mastrils die Parität. Zuletzt wandte sich die Freiherrschaft Haldenstein bei Chur <?page no="169"?> 169 1. Reformation in Bünden Abb. 117: Konfessionsverhältnisse im Bistum Chur nach 1550 (blau: reformiert) [BAC.BA] Abb. 118: Synodalverhandlungen der rätisch-evangelischen Prädikanten (ab 1572) [links] [Quelle: Hans Berger, Bündner Kirchengeschichte, 2. Teil: Die Reformation, Chur 1986, S. 74] Abb. 119: Handschrift der deutschen Fassung des zweiten Helvetischen Bekenntnisses von 1566 [rechts] [Quelle: Rudolf Pfister, Kirchengeschichte der Schweiz, Bd. 2, Zürich 1974, Bildteil Nr. 27] <?page no="170"?> 170 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) dem reformierten Bekenntnis zu (1616). Generell kann man sagen, dass ausserhalb Churs bis ca. 1570 nicht von einer Reformation als planvolle Umgestaltung von Kirchenorganisation und Ritus gesprochen werden kann. Erst mit der Schaffung der Evangelisch-rätischen Synode 1537/ 47 wurde ein Gremium ins Leben gerufen, das einen Versuch zu einer territorialen Kirchenorganisation unternahm. 1537 gestand ein Bundstagsabschied den Prädikanten zu, im Amt stehende Pfarrer hinsichtlich Lehre und Lebenswandel zu überprüfen und allenfalls mit Zensuren zu belegen sowie neu hinzugekommene fremde Prediger zu examinieren (sog. «Rezeption», später «Ordination»). 1547 ist die formelle Abhaltung einer solchen Zusammenkunft bekannt; eine effektive Kontrolle der Gemeindepfarrer wurde hingegen erst 1570/ 80 erreicht. 1552 schuf man für den Ablauf der Synode eine feste Ordnung. Philipp Gallicius (1504-1566), damals Pfarrer an der Regulakirche in Chur, erhielt den Auftrag, in Zusammenarbeit mit Johannes Comander neben der Synodalordnung auch ein Bekenntnis zu verfassen, die sog. «Confessio Raetica» (1552/ 53), welche zwar bereits 1566 offiziell durch das «Zweite Helvetische Bekenntnis» ersetzt wurde, aber weit darüber hinaus lokale Bedeutung behielt. Mit Synode und Bekenntnis waren die organisatorischen Grundlagen der evangelischen Kirche in Bünden geschaffen. In einem der Zustandsberichte über Hochstift und Diözese Chur (sog. «Relationes»), die seit 1585 im Zuge eines «Ad-limina»-Besuches gemäss Weisung Papsts Sixtus V. (1585-1590) regelmässig nach Rom geliefert werden mussten, werden für 1607 ausserhalb Bündens circa 70 katholische Pfarreien gezählt, im gesamten Freistaat waren es dagegen nur noch circa 38. Diese Angaben widersprachen der Wirklichkeit und vermittelten der Kurie ein falsches Bild der sich bildenden Konfessionsgrenzen; genau genommen zählte man 1607 total 132 katholische Pfarreien. Verglichen mit der statistischen Erfassung ist die Zahl der Pfarreien ausserhalb Bündens weit unterschritten; es waren 84. Die Angabe über Pfarreien im Hoheitsgebiet der Drei Bünde unterschlägt zehn Pfarreien (total also 48). Noch beim Ausbruch der «Bündner Wirren» um 1618 bestand der Obere Dekanate im Bistum Chur Pfarreien (bis 1525) Anzahl der zum neuen Glauben übergetretene Pfarreien [siehe oben S. 101-112] Surselva 27 9 (davon 1 paritätisch) Ob dem Churer Wald 31 19 (davon 2 paritätisch) Churer Gebiet 20 18 (davon 4 paritätisch) Engadin 16 15 Misox 4 --- Unter der Landquart 33 11 Walgau 32 --- Vinschgau 28 1 (Sta. Maria im Val Müstair, ab 1600 paritätisch) Total 191 73 (davon 62 in Bünden) <?page no="171"?> 171 1. Reformation in Bünden Bund mehrheitlich aus katholischen Gemeinden. Die Kommunen des Zehngerichtenbundes waren dagegen fast vollständig protestantisch, eine kleine Zahl paritätisch. Im Gotteshausbund besassen inzwischen die Reformierten ebenfalls die Mehrheit; nur wenige Gemeinden im Domleschg und Oberhalbstein bekannten sich zum katholischen Glauben oder waren paritätisch. Beim alten Glauben blieben das Misox- und Calancatal, ausserhalb Bündens das Sarganser- und Gasterland, Liechtenstein und die beiden Dekanate Walgau und Vinschgau. Aufgrund der hier in groben Zügen skizzierten konfessionspolitischen Umwälzungen in den drei Bünden im Kampf um die Unabhängigkeit der Gemeinden des Gotteshausbundes gegenüber ihrem bischöflichen Landesherrn (usurpierte Judikatur) kann nach 1526 nicht mehr von einem intakten Hochstiftsgebiet und Bistum Chur gesprochen werden. Bischof und Domstift hatten ihre Stütze zeitweilig bloss noch in den auf österreichischem Territorium gelegenen Diözesananteilen und vermochten ihren politischen Einfluss nur dank der vertraglich abgesicherten Verbindung (Erbeinigung von 1518) mit dem Haus Habsburg-Tirol auszuüben. Entsprechend suchte die tirolische Kirchenpolitik unter den Erzherzögen Ferdinand I. (1521-1564) und Ferdinand II. (1564-1595) weiterhin - oft auf geheimen oder doch sehr verschlungenen Wegen - Einfluss auf die Besetzung des Churer Bischofsstuhles zu nehmen. Souveränität besass der bedrängte Bischof von Chur noch über den Hofbezirk in Chur. Zu seinem Besitz zählten ferner das Schloss Fürstenau im Domleschg, wo er den jeweiligen Landvogt ernannte, welcher die Gerichtsbarkeit in Obervaz ausübte, ebenso die Festen Remüs im Unterengadin und Gräpplang bei Flums. Im Oberen Bund, im Münstertal sowie im tirolischen Teil der Diözese vermochten die Churer Fürstbischöfe weiterhin einige eher unbedeutende Herrschaftsrechte zu halten. Im Vinschgau gehörte ihnen die im 16./ 17. Jahrhundert häufig aufgesuchte Zufluchtsstätte (zweiter Amtssitz): das Schloss Fürstenburg. Dort verwaltete im Auftrag des Bischofs ein Kastellan die wichtigsten aus dem Vorarlberg und Tirol fliessenden Einkünfte der Diözese. Ebenso blieb die Herrschaft Grossengstingen bis 1717 in bischöflicher Hand. Diese Restbestände der mittelalterlichen Feudalherrschaft und die stets bis 1806 behauptete Reichsfürstenwürde ermöglichte es dem Bistum Chur, die Zeit der Reformation recht und schlecht zu überdauern; der Abbau von beängstigend wachsenden Schuldenbergen blieb jedoch bis weit ins 17. Jahrhundert hinein ein ständiger Kampf, dem sich die Churer Bischöfe zu stellen hatten. Festzuhalten ist: Mit der rechtsbrechenden Loslösung der Gemeinden des Gotteshausbundes aus der Obhut ihres bischöflichen Landesherrn öffnete man im Freistaat der Drei Bünde auch das Tor für den Einzug der von Zürich her stark geförderten Reformation, welche sich - durch die Autonomie der einzelnen Gerichtsgemeinden beeinflusst und letztere noch vorantreibend - in einem Zeitrahmen von beinahe 100 Jahren vollzog (ca.-1520 bis 1620) und sich so vom Reformationsvorgang in der Eidgenossenschaft deutlich abhebt. Form wie Inhalt der Artikelbriefe von 1524/ 26 als Versuch einer «Landesordnung» mit Beanspruchung der ganzen Judikatur gegenüber der bischöflichen Kirche bedeuteten einen (weitgehenden) Rechtsbruch. Sie zwangen zusammen mit den zusätzlich vom Gotteshausbund aufgestellten Sechs Artikel vom 6. August 1541 (Beibehaltung des «Status quo» in Glaubenssachen, Billigung sämtlicher vom Gotteshausbund bereits getä- <?page no="172"?> 172 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) tigten Veräusserungen ehemals bischöflicher Herrschaftsrechte und Erwerbungen sowie Bekleidung des Bischofsamtes nur durch einen Geistlichen aus dem Gotteshausbund) [Abb. 120], welche als staatliche Wahlkapitulationen bei nachstehenden Bischofselektionen bis 1627 beschworen wurden, die Churer Bischöfe in eine schwere Abhängigkeit des Freistaates. Alle diese Artikel schufen mitunter Voraussetzungen, welche die Durchsetzung der Reformation in Bünden ohne Zweifel erleichterten. Der Entscheid für oder gegen den neuen Glauben blieb hingegen den einzelnen (Kirch-)Gemeinden überlassen. Die gesamte kirchenpolitische Entwicklung Bündens nach 1530 war in eine Zeit hineingestellt, in der nicht Weitsicht, sondern Leidenschaft massgebend war. c) Niedergang und Aufhebung von Klöstern in der Stadt Chur Über das Schicksal des Prämonstratenserklosters St. Luzi Mit dem Zweiten Ilanzer Artikelbrief von 1526 verboten die Drei Bünde zum einen die Novizenaufnahme in Bündner Klöster. Die Protestbewegung der Bauern andererseits mündete in häufige Zins- und Zehntverweigerung, welche auch die Einkünfte des Stifts Abb. 120: Abschrift der vom Churer Bischof Luzius Iter (1542-1549) erstmals beschworenen 6 Artikel von 1541 (sog. «staatliche» Wahlkapitulatioen) [BAC] <?page no="173"?> 173 1. Reformation in Bünden St. Luzi beträchtlich schmälerten. Die Mehrzahl der Prämonstratenserkonventualen blieb beim alten Glauben. Eine starke Persönlichkeit zu Beginn der Glaubenswirren im 16. Jahrhundert war, wie bereits erwähnt, Abt Theodul Schlegel. In Ilanz verteidigte er 1526 die katholische Linie in einem ergebnisoffen verlaufenen Religionsgespräch mit Johannes Comander. Der Versuch, Gian Angelo Medici, den späteren Papst Pius IV. und Bruder des mit den Bündnern verfeindeten Gian Giacomo von Musso, auf den Bischofsstuhl von Chur zu bringen, wurde dem Abt dann zum persönlichen Verhängnis. Schlegel wurde des Hochverrats bezichtigt, zum Tod verurteilt und am 23. Januar 1529 in Chur hingerichtet. Im Bischöflichen Archiv Chur ist eine Abschrift des Berichts vom 23. Februar 1529 aus der Feder des Kaplans in Feldkirch, Johann Winterthur, über die Verurteilung und Hinrichtung Schlegels greifbar. Noch während Schlegels Amtszeit liess der Gotteshausbund das Stift durch einen weltlichen Vogt verwalten, worüber sich die Chorherren mit teilweisem Erfolg beschwerten. Die eigene Verwaltung des inneren Hauswesens wurde ihnen unter der Bedingung zugestanden, dem Gotteshausbund jährlich Rechnung abzulegen. Aus dem Jahre 1535 stammt ein Inventar aller Güter und Rechte des Stifts St. Luzi. Gemäss Beschluss vom 12. Juni 1538 zwang der Gotteshausbund die Prämonstratenser in Chur, das Kloster St. Luzi zu verlassen. Das Vermögen des Klosters setzte der Bund für den Unterhalt der neu gegründeten städtischen Lateinschule ein. Am 7. Juli 1539 gaben Abgeordnete des Gotteshausbundes das Kloster St. Luzi und seine Güter, die in der Stadt und unmittelbar ausserhalb Churs lagen, vier Churer Bürgern für einen jährlichen Zins von 200 Gulden zu Erblehen. Ausgenommen blieb davon nur die Kirche St. Luzi samt Paramenten und Kirchenschatz, welche 1542 an das Churer Domkapitel kam. Nach ihrer Vertreibung aus Chur 1538 liessen sich die Chorherren von St. Luzi in Bendern/ FL nieder. Vermutlich war ihre Zahl so stark zurückgegangen, dass der Vaterabt in Roggenburg es zuerst nicht für nötig erachtete, die seit dem Tod Schlegels 1529 vakante Abtstelle wieder zu besetzen bzw. eine Abtwahl zu veranlassen. In einer Bulle vom 22. Dezember 1542 berief sich Papst Paul III. (1534-1549) auf das Devolutionsrecht an den Apostolischen Stuhl, da die Abtei bereits mehrere Jahre ohne Vorsteher gewesen war, und ernannte den Churer Domdekan und reformorientierten Kirchenmann Bartholomäus von Castelmur (1541-1552) zum Administrator von St. Luzi. Sollte Castelmur sich innerhalb von zwei Jahren dem Orden anschliessen, so wäre er ipso facto Abt geworden, ansonsten hatte er die Administration abzugeben. Der Abt von Roggenburg seinerseits beabsichtigte durch Neuzuzug von Novizen mit Stationierung in Bendern, das Kloster St. Luzi wieder zu beleben und die Einkünfte des Stifts hierfür zu verwenden. Ende 1549 wohnten in Bendern drei Konventualen und einige Novizen. Pater Georg Feuerstein aus Feldkirch, damals Pfarrer in Bendern (1541-1560), wurde zwischen Anfang Mai und Ende Juli 1550 von seinen Mitbrüdern zum Abt von St. Luzi gewählt (1550-1560) und von Roggenburg bestätigt. Im selben Jahr bestätigte Kaiser Karl V. (1519-1558) die alten Privilegien des Klosters. Trotz des Weiterbestehens des Churer Konvents im Exil hatte St. Luzi stark an Bedeutung und Selbständigkeit eingebüsst. Die Abhängigkeit von Roggenburg war deutlich spürbar. Erst mit dem Einrücken der österreichischen Truppen 1621 in Bünden bot sich die Möglichkeit auf Restitution des Klosters St. Luzi in Chur. Unter Einfluss und tatkräftiger Mithilfe seitens des apostolischen Nuntius Alessandro Scappi <?page no="174"?> 174 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) (1621-1628) beschloss der Gotteshausbund am 5./ 12. Dezember 1623 die Rückgabe der beiden Klöster St. Luzi und Churwalden; die entsprechende Restitutionsurkunde wurde am 7. Februar 1624 ausgestellt. Doch alle Güter zurückzubekommen, war ein schwieriges Unterfangen. Hinzu kam die Baufälligkeit des Klosters und der Kirche St. Luzi; Baumassnahmen waren nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Drei Bünde möglich. Noch Ende 1639 glich das Kloster einer Ruine. Zwischen 1630 und 1639 amtete kein Abt. Mit der Verwaltung wurde der Administrator und Pfarrer in Bendern, Pater Johannes Kopp aus Roggenburg (1630-1636), beauftragt. Dieser kehrte 1636 mit den restlichen Chorherren von Bendern nach Chur zurück und wurde am 6. Dezember 1639 zum neuen Abt von St. Luzi (1639-1661) gewählt. 1640 konnten die Prämonstratenser vor Ort mit dem Wiederaufbau der Kirche und des Klostergebäudes beginnen. Aus finanzieller Not verkaufte St. Luzi am 21. November 1642 die Alp Ramoz im Schanfigg an die Stadt Chur, am 3. Januar 1650 auch Zinsen und Güter in Chur; davon verschont blieb der Stephansweinberg. Die prekäre Armut forderte finanzielle Hilfestellungen. Trotz aller Versuche verbesserte sich der Zustand von St. Luzi nur wenig. Am 6. November 1687 ermahnte Nuntius Giacomo Cantelmi (1685-1687) den Abt von St. Luzi, Pater Florin Zarn (1662-1689), dafür besorgt zu sein, dass mindestens vier Konventualen vor Ort lebten; andernfalls drohte er, das Kloster der Domkirche in Chur zu inkorporieren, bis das Kloster «ad meliorem fortunam» gekommen wäre. Zwischen 1688 und 1717 war St. Luzi dann Priorat von Roggenburg, was das Mutterhaus verpflichtete, dem Kloster in Chur finanziell zu helfen (Unterhalt der Klostergebäude und der Konventualen). 1707 wird die horrende Summe für die letzten Abb. 121: Ausschnitt aus dem sog. Knillenberger- Prospekt: Hof und ruinöser Klosterkomplex St. Luzi um 1640 (oben rechts) [BAC.BA / Original im Rätischen Museum, Chur] <?page no="175"?> 175 1. Reformation in Bünden 20 Jahre von 15’000 Rheinischen Gulden genannt. Pläne der Äbte der Zirkarie Schwaben - eine Zirkarie ist ein Visitations- und Verwaltungsbezirk im Prämonstratenserorden (vergleichbar mit einer Ordensprovinz) −, St. Luzi definitiv nach Bendern zu verlegen, scheiterten sowohl am Churer Bischof als auch an der römischen Kurie. Beide wollten St. Luzi wieder zu einer selbständigen Abtei machen. 1717 griff der Heilige Stuhl durch, erklärte die Vereinigung mit Roggenburg für ungültig und ernannte den Administrator von St. Luzi, Milo Rieger, zum neuen Abt (1717-1725). Aufhebung - Restitution - endgültige Auflösung des Dominikanerklosters St. Nicolai Mit dem Verbot von Jahrzeitstiftungen und Aufnahme von Novizen in Klöstern auf Bündner Boden wurde auch die Situation für die Prediger von St. Nicolai in der Stadt Chur immer schwieriger. Nachdem sich die Gemeinden des Gotteshausbundes mehrheitlich der Reformation angeschlossen hatten, verfügten die Kommissare dieses Bundes 1538 neben derjenigen von St. Luzi auch die Einziehung sämtlicher Klostergüter von St. Nicolai (mit Ausnahme des Konventsgebäudes, der Kirche und der liturgischen Gerätschaften). Die Güter gingen als Erblehen an Churer Bürger. Im Konventsgebäude selbst wurde eine städtische Lateinschule eingerichtet. Über den weiteren Aufenthalt der Konventualen, denen das Bleiberecht unter Aussetzung einer Leibrente eingeräumt worden war, ist dann für fast 100 Jahre nichts bekannt. Im zweiten Dezennium des 17. Jahrhunderts schien sich für St. Nicolai eine positive Wende abzuzeichnen. Nachdem Teile der bündnerischen Lande (zeitweilig) unter österreichischer Besatzung standen und das Bistum Chur sich wieder stärker an die alte «Schutzmacht» der Casa d’Austria band, gelang 1622 unter Federführung Spaniens und Österreichs die Erbeinigungserneuerung von 1518. Darin verpflichteten sich de iure alle Bündnispartner - Haus Habsburg, Churer Bischof, Churer Domkapitel, Oberer Bund, Gotteshausbund und Herrschaft Maienfeld - nicht nur zur Restitution aller dem Bischof von Chur zustehenden Güter und Rechte (inklusive der freien Bischofswahl) und zur Annullierung sämtlicher antikatholischer Dekrete (seit 1524/ 26), sondern garantierten auch Glaubenfreiheit und uneingeschränkte Akzeptanz wie Missionsmöglichkeiten kirchlich anerkannter Orden. Aufgrund des in Lindau ausgearbeiteten Vertrags von 1622 und des mutigen Vollzugskonzepts des damaligen Nuntius Alessandro Scappi (1621-1628), der in Chur ausgehandelten sog. Scappischen Artikeln vom 18. Dezember 1623, öffnete sich dem Bistum die Tür zur Restitution − langfristig jedoch nur mit kleinem Erfolg, da vor allem Österreich als verbriefter Schirmherr des Bistums Chur darauf verzichtete, aktiv in das Restitutionsgeschäft einzugreifen. Vielmehr betrachtet die Casa d’Austria die Restitution als intern zu regelnde Angelegenheit zwischen Bischof, Domkapitel und den einzelnen (Gerichts-)Gemeinden Bündens. Die Gunst der Stunde zwang jedoch 1624 den Gotteshausbund und die Stadt Chur, der sowohl vom Churer Bischof, vom päpstlichen Nuntius als auch vom Dominikanerorden geforderten Restitution des Klosters St. Nicolai stattzugeben. Der wieder angesiedelte ‹Konvent› umfasste in der Folge nie mehr als zwei Dominikaner. Ebenso hatte die 1641 im Kloster etablierte katholische Schule nicht lange Bestand. Die Grabungsuntersuchungen zwischen 1996 und 1998 förderten zutage, <?page no="176"?> 176 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) dass die umfassenden, nach der Restitution 1624 begonnenen Wiederherstellungsarbeiten etappenweise ausgeführt wurden und man bemüht war, die Arbeiten im Bereich der Kirche prioritär voranzutreiben (vor allem im Chorraum), um diesen für den Gottesdienst bald möglichst bereitzustellen. Die Kirche wurde innerhalb der Zeitspanne von 1624 bis 1640 wiederaufgebaut und erhielt das heute noch bestehende Dachwerk. Ebenfalls im Zuge dieser Arbeiten entstand eine neue Seitenkapelle im Bereich des ehemaligen Friedhofs. Als 1653 die katholische Minderheit in Chur den Prior von St. Nicolai, Pater Giovanni Maria Bass OP (1646-1653), dem sie zurecht moralische Verfehlungen vorwarf, unter Schimpf und Schande vertrieb, zog die Stadt das Kloster wieder an sich. Nach langen Verhandlungen zwischen Delegierten der Stadt und der Kirche (Nuntius) gelang es der Stadt, 1658 sämtliche klösterlichen Vermögenswerte mit Ausnahme der Kultgegenstände definitiv zu erwerben. Dabei musste sie sich - wenigstens auf dem Papier − verpflichten, die Klosterkirche weder für den evangelischen Gottesdienst zu verwenden noch für landwirtschaftliche Zwecke zu profanieren. Dennoch diente die Kirche infolge als Zeughaus, Korn- und Reisspeicher sowie als Versammlungsort der Churer Pfisterzunft; das Konventsgebäude wurde wie bereits nach 1538 wieder als Schule genutzt. Die oben erwähnten Grabungsresultate bestätigen nach 1653 geringfügige Eingriffe an Kirche und Kloster und eine schleichende Profanierung. 1675 teilte man dann das Langhaus der Kirche durch eine Binnenmauer in zwei Bereiche und zog einen Zwischenboden ein; in einem der Obergeschosse entstand so der Tagungsraum der Churer Pfisterzunft. Tiefgreifende Veränderungen und einen massiven Verlust von originaler Bausubstanz an Kirche und Kloster brachten einerseits der Schulhausneubau von Stadtbaumeister Paul Christ (1809-1812), zum anderen der 1827 durchgeführte Um- und Ausbau durch Karl David Lindenmayer, welcher den Abbruch der Seitenkapelle und des Turmes zur Folge hatte. Trotz dieser Eingriffe gibt die heutige städtische Schul- und Verwaltungsliegenschaft Nicolai am Kornplatz im wesentlich noch den im 17. Jahrhundert erreichten Zustand wieder, nur äusserlich modernisiert und im Innern wiederholt umgestaltet. Mit ihrer Namensgebung erinnert die Liegenschaft zudem an die Zeit einer mittelalterlichen Klosterblüte des Dominikanerordens in der Stadt Chur. Abb. 122: Das Kloster St. Nicolai (in der Bildmitte), Auszug aus dem Knillenberger-Prospekt um 1640 [BAC. BA / Original im Rätischen Museum Chur] <?page no="177"?> 177 2. Bildersturm in Amden, Mels, Ragaz und Weesen (1529) 2. Bildersturm in Amden, Mels, Ragaz und Weesen (1529) Sowohl auf dem Territorium der ehemaligen Grafschaft Sargans - sie bildete von 1460- 1798 als Landvogtei eine Gemeine Herrschaft in der Alten Eidgenossenschaft - als auch auf dem Gebiet der Landvogtei Gaster (1438-1798 ebenfalls Gemeine Herrschaft) kam es im Zuge der Ausbreitung reformatorischen Gedankengutes von Zürich her und des von Huldrych Zwingli vehement vertretenen Bilderverbots 1529/ 30 zu zum Teil heftigen Bildersturm-Aktionen. Im Sinne einer «Reinigung» wurden von der Reformation zuneigenden Geistlichen wie von aufgeheizten Bevölkerungsschichten sämtliche figürliche Darstellungen aus dem Innenraum einer Kirche in tumultartigen Handlungen entfernt. Von Pfarreien des Churer Dekanats «Unter der Landquart» waren auf dem oben genannten Territiorum deren vier betroffen: Ragaz, Mels, Amden und Weesen. Anstelle des entlassenen Priesters in Ragaz engagierte die Gemeinde zeitweilig Martin Seger aus Maienfeld (um 1470 - nach 1534), einen Laienprediger, der sich unter Förderung Zwinglis dem evangelischen Bekenntnis zugewandt hatte. Nach dem Sieg der Katholischen über die Reformierten im Zweiten Kappelerkrieg 1531 gelang unter dem Sarganser Landvogt Aegidius Tschudi (1530-1532) und dem Sarganser Schultheiss Christoph Kramer die zwangsweise Rekatholisierung. Abb. 123: Zeitgenössische Darstellung des Bildersturms, Holzschnitt um 1525 [BAC.BA] <?page no="178"?> 178 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) 3. Reformatorisches Gedankengut und Gegenreformation im Vorarlberg In der 1520 ausgestellten Bannandrohungsbulle «Exsurge Domine» von Papst Leo X. (1513-1521) gegen Marin Luther figuriert - für viele nicht bekannt - auch ein Theologe aus Feldkirch, Johannes Dölsch (um 1486-1523). Dölsch immatrikulierte sich an der Universität Heidelberg (1502-1504) und zog dann zusammen mit Bartholomäus Bernhardi aus Schlins 1504 an die Universität Wittenberg (bis 1506). Zum Priester geweiht, kehrte er Anfangs 1507 kurz nach Feldkirch zurück, setzte aber noch im selben Herbst seine akademische Laufbahn in Wittenberg fort (1518 Lizentiat, 1521 Doktorat in Theologie). Als aktiver Vertreter der lutherischen Lehre zählte er nicht nur zum Freudes- und Verteidigungskreis des Reformators, sondern vertrat seine Auffassungen eigenständig in diversen Disputationsthesen und genoss auch als gebannter Theologe weiterhin Ansehen, das nicht zuletzt die Tatsache beweist, dass er 1520 als Domprediger nach Bamberg berufen werden sollte. Sein Tod am 21. Juli 1523 bereitete seinem Wirken ein frühes Ende. Neben Dölsch studierte zu Beginn des 16. Jahrhunderts ein gutes Dutzend Vorarlberger an der Wittenberger Universität. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass das reformatorische Gedankengut seinen Weg rasch an den Bodensee und den Alpenrhein fand. In Feldkirch wurde 1523 erstmals evangelisch gepredigt, und 1524 sprach man in Bludenz davon, die Hälfte der dortigen Bevölkerung sei bereits «guett lutterisch». Neben der lutherischen Lehre und der des Zürcher Reformators gewann auch das Täufertum in den Herrschaften vor dem Arlberg zahlreiche Anhänger. Reformatorisches Gedankengut verschmolz mit dem besorgniserregend vernachlässigten Zustand der katholischen Seelsorge auf dem Land zu einem explosiven gefährlichen Gemisch, was um 1525 in einigen Orten Vorarlbergs zu Bauernaufständen führte. Generell und insbesondere in den Herrschaften Rankweil-Sulz, Jagdberg, Sonnenberg und Bludenz scheiterten die Aufständischen jedoch an der nötigen Unterstützung regionaler Eliten und obrigkeitlichen Amtsträgern. In Feldkirch liess der Stadtrat 1529 in der Pfarrkirche St. Nikolaus verkünden, alle Gläubigen seien zur österlichen Beichte und zum Kommunionempfang verpflichtet. Aus dem Jahre 1532 ist ein Beichtbzw. ein Verzeichnis der Kommunikanten von Feldkirch erhalten; 1025 Personen hatten demnach die österlichen Sakramente empfangen, lediglich fünf blieben fern. Nicht zuletzt wegen der «sektiererischen Gefahr» bat derselbe Stadtrat in einem Gesuch vom 16. März 1575 Papst Gregor XIII. um die Verknüpfung der Feldkircher Pfarrfrund mit einem Churer Kanonikat. Durch massgebliches Einwirken des Kardinals Mark Sittich von Hohenems, Bischofs von Konstanz (1561-1589) und früheren Konzilslegaten in Trient, an der Kurie hatte die Feldkircher Bitte erstaunlich rasch Erfolg. Mit der päpstlichen Bulle vom 9. April 1575 wurde die Stadtpfarrei Feldkirch für immer [! ] mit einem Kanonikat an der Churer Domkirche vereinigt [Abb. 124]. Da das Churer Domkapitel über das römische Vorgehen vorgängig nicht unterrichtet worden war und deshalb gegen die päpstliche Entscheidung Widerstand ankündigte, bekräftigte Gregor XIII. auf Wunsch des damaligen Pfarrers Matthäus Tintel (1566-1584) und der Stadt Feldkirch seine Verfügung mit einer zweiten Bulle vom 26. April 1578. Darin wurde betont, der Pfarrer geniesse das Kanonikat mit allen Rechten und Pflichten; eine Berufung <?page no="179"?> 179 3. Reformatorisches Gedankengut und Gegenreformation im Vorarlberg gegen die päpstliche Entscheidung sei unzulässig. Der Ortsseelsorger sei aber seinerseits wie bis anhin zur Residenzpflicht und zur eifrigen Seelsorge in Feldkirch verpflichtet. Die Feldkircher Pfarrpfrund entwickelte sich dadurch seit 1575/ 78 zu einem wichtigen Sprungbrett für eine geistliche Karriere im Bistum Chur. So bestiegen die ehemaligen Feldkircher Stadtpfarrherren Beat à Porta (1562-1565), Johann Flugi (1585-1597) und Joseph Mohr (1604-1607) den Churer Bischofstuhl. Die landesfürstliche Regierung des Hauses Habsburg-Tirol unterdrückte bereits im Anfangsstadium jeden Versuch, die neue Lehre in ihrem Hoheitsgebiet auszustreuen. Parallel zu den energischen Unterdrückungsmassnahmen ging jedoch auch das Bestreben der Regierung, den katholischen Glauben neu zu beleben sowie Entartungen in Sitte und Moral bei Klerus und Volk abzustellen. Hier leistete die weltliche Macht bedeutende Pionierarbeit, lange bevor entsprechende Bemühungen der Kirche gegen Ende des 16. Jahrhunderts einsetzten. Die Hauptsorge galt primär der Besetzung jener Pfarreien mit würdigen und gebildeten Geistlichen, wo der Landesfürst das Patronatsrecht besass. Im Dekanat Walgau zählten dazu die Pfarreien St. Nikolaus in Laterns, Mariae Heimsuchung in Rankweil, St. Sulpitius in Frastanz und St. Georg in Satteins (bis 1507). Daneben unterstützte die Regierung durch kräftige Finanzhilfen Restaurierungen oder Neubauten von Gotteshäusern, kontrollierte durch ihre Vögte die Verwaltung der Kirchengüter und Einkommen, erliess Kleidungsvorschriften für den Klerus, hielt ein waches Auge über dessen Lebensführung und scheute sich nicht, wiederholt die Bischöfe zu Visitationen Abb. 124: Bulle Gregors XIII. vom 9. April 1575: Verknüpfung der Stadtpfarrpfrund St. Nikolaus in Feldkirch mit einem Churer Kanonikat [StadtAF] <?page no="180"?> 180 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) zu mahnen. So ist es nicht verwunderlich, dass bereits Bischof Beat à Porta (1565-1581) aus seiner Fluchtresidenz Fürstenburg im Vinschgau in einem Schreiben vom 9. Oktober 1568 an Erzherzog Ferdinand II. diesen als «Erhalter der katholischen Religion» zu rühmen wusste und ihn als «Vorbild für die geistlichen Oberhirten» bezeichnete. Als ein besonders deutliches Zeugnis für die Sorge der landesfürstlichen Regierung um Erhalt und Förderung des katholischen Glaubens gelten diverse Mandate, welche jeweils an die Vogteien und Amtsleute in Feldkirch, Bludenz oder Sonnenberg versandt wurden und heute im Stadtarchiv Feldkirch aufbewahrt werden. Die Verwaltungsstellen waren für die Veröffentlichung der Mandate (Verlesung auf der Kanzel, Anschlag an Kirchentüren) und deren Ausführung verantwortlich. So richtete ein Religionsmandat vom 23. Januar 1571 die Mahnung an die Geistlichkeit, infolge der «Spaltung vnd Zwayung in der Religion, Sterbleüs vnd Krieg» sowie der vorherrschenden Wasserwie Nahrungsknappheit Busspredigten abzuhalten und an Freitagen Andachten mit Bittprozessionen durchzuführen: «Haben wir in bedacht solcher vrsachen in unsern / Ober vnnd Vorderösterreichischen Lannden / Auch Marggrafschafften / Grafvnnd Herrschafften / für notwendig / vnnd hailsam angesehen / in der Wochen auf ainen glegsamen tag / als am Freytag in allen Pfarrn / ain sonderlichen Gottßdienst / vnnd Procession / (Darzue allwegen auß ainen Jeden Hauß / Zwo / oder aufs wenigist ain Person erscheinen soll) zehalten / vnd darbey die Vnderthanen vermanen zelassen / bey solchem gottßdienst mit gepognen Knien / vnd aufgehebten Henden / den Allmechtigen Gott / vmb seines geliebten Sons Jhesu Christi willen / vmb abwendung seins Zorns / vnnd Straff / Jnprünstiglichen zubitten / Welches Jr des geistlichen Stanndts / also in das werckh richten sollet.» Am 1. Juli 1585 folgte ein scharfes, ganz im Geist der Gegenreformation verfasstes Mandat, worin der Landesverweis von Neugläubigen binnen dreier Monaten gefordert wurde. Entsprechend verbot ein Mandat noch am 26. Juli 1621 - dies zum wiederholten Mal - die Auswanderung von «Vnterthanen vnnd Leibaignen Leüthen» in einen ‹sektischen› Ort. Diese landesherrliche Weisung erging auch an den Ammann und Rat der Stadt Feldkirch mit der Aufforderung, «daß Jr aller Orthen Ewrer Verwaltung / die verfüegung vnd bestellung thüet / damit berüerten Vnderthanen / solche verenderung an vncatholische Orth / ganz vnd gar abgelegt / vnd nit gestattet / an ander vnd Catholische Orth aber gegen erlegung deß gewohnlichen vnd billichen Abzugs (da es anderst von alters also herkommen / vnd denselben abzufordern bräuchig gewest) auch anderer schuldigkaiten passiert werde.» Im Sommer 1592 schliesslich erging ein Religionsmandat Ferdinands II. an die Vogteien, die Geistlichkeit solle ihren ganzen Eifer in gewissenhafter Pflichterfüllung für die Sache des katholischen Glaubens aufwenden und besonders «alle Sonvnd Feyrtag / vnd wie es sonsten die notturft erfordert / ab der Canzel / vnd inn anderweg / auß der heiligen Schrifft / guete ernstliche vnd embsige vermanung / vnd erinnerungen thuen», sowie «noch andere mehr gemaine Gebett / Processionen vnnd Creuzgeng anstellen», um «den geliebten Friden / ainigkait / zeitlich vnd ewige wolfart / vnd der Christlichen Catholischen Kirchen wolstandt / widerumb» zurückzugewinnen. Neben jährlich wiederkehrenden, oft gleichlautenden Fastenmandaten sind Verordnungen (1548, 1568, 1586) von besonderem Interesse, die es der Jugend strikte untersagten, höhere Schulen oder Universitäten zu besuchen, an welchen sich protestan- <?page no="181"?> 181 4. Bauernaufstände und Reformartikel in Tirol tisches Gedankengut breitgemacht hatte; namentlich warnte man vor einer Ausbildung an den Universitäten Wien und Freiburg. Dagegen wurden Diözesanalumnen die Jesuiten-Hochschulen in Dillingen und Ingolstadt wärmstens empfohlen. Maximillian III. (1602-1618) erliess 1609 an die «fürnemblichen der Wallgewischen Herrschafften» die klare Weisung, «daß kainer auß euch / wer der seye / seine Kinder / Freundt oder andere seine Verwohnten / auff kain andere Vniuersitet, Partikularschůlen / oder ort vnd ende / dann do man vnserer alten / wahren / Catholische Religion zuegethan / studiern / dienen / Handtwerck lernen vnd treiben / noch anderer ursachen halben / verordne oder schicke / sonder sich dessen ein jeder / bey vermeydung vnserer schweren vngnad vnd straff / gänzlichen enthalte / Vnd ob etlich auß eure Kinder / Freundt vnd Verwohnte / an andere ort geschickt hetten / dieselben strackts widerumben abforderet / vnd von dannen nemet.» Dem in manchen Fällen gerechtfertigten, aber massiven Druck aus Innsbruck als gegenreformatorische Massnahme zur Sicherung des katholischen Bekenntnisses in den zur österreichischen Herrschaft zählenden Churer Dekanaten Walgau und Vinschgau musste jedoch alsbald statt Zwang vorbildhaftes Verhalten des Klerus im katholischen Glaubensleben folgen, wenn man langfristigen Erfolg sichern und nicht den Unwillen der Landbevölkerung über eine staatlich kontrollierte Religionsausübung hervorrufen wollte. 4. Bauernaufstände und Reformartikel in Tirol Die Kritik über Missstände in der Verwaltung und im Gerichtswesen, in kirchlichen Belangen, vorwiegend über Seelsorger, welche ihrer Aufgabe nicht nachkamen, sowie Protestaktionen gegen weltliche Herrschaft kirchlicher Würdenträger und gegen Klöster machte sich auch in der Grafschaft Tirol breit. Geldentwertung, Katastrophen, Seuchen und ständiger Durchzug von Kriegsvolk verstärkten die Unsicherheit und Verbitterung in der Landbevölkerung. In der ersten Hälfte des Jahres 1525 kam es in weiten Teilen Tirols zu Bauernunruhen und Aufständen durch Bergknappen. Im Norden des Landes verstand es Erzherzog Ferdinand I., die Bewegung nach ersten Ausschreitungen in ruhigere Bahnen zu lenken und mit gemässigteren Anführern Verhandlungen zu führen. In der Stadt Meran hingegen kam es gegen den Willen des Landesfürsten zwischen dem 30. Mai und 8. Juni 1525 zu einem Landtag der Bürger und Bauern des Burggrafenamtes, die ihre Beschwerden und Forderungen in den sog. «62 Meraner-Artikeln» zusammenfassten - die umfangreichste wie detaillierteste Artikelschrift des «Tiroler Bauernkriegs». Der Versuch Ferdinands, die Versammlung in Meran durch Mandate, in denen er die Teilnahme verbot, zu verhindern, schlug fehl. Die Artikel sind eine klare Willenskundgebung der Bevölkerung Tirols gegenüber ihrem Landesherrn, welche auch Forderungen nach kirchlichen Neuerungen miteinschlossen. Bereits in der Einleitung zu den Meraner Artikeln, die als eine Art Landesordnungsentwurf zur Vorlage an den von Ferdinand I. auf den 25. Juni 1525 einberaumten Landtag nach Innsbruck gelten darf, wird das reformatorische Motiv mit aller Deutlichkeit entfaltet: «[…] als sich lannge zeit her in den geistlichen und weltlichen standt vil boser mispreuch erhebt, dardurch das wort Gots verhindert, die lieb Cristi unnd des nagstn guet tat zu beweisen vergessen, allain alle sachen auf aigennut- <?page no="182"?> 182 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) zigkait unnd nicht auf gmainen nutz gewendt, daz Got der allmechtig nit lenger gedulden mugen, sonnder aus gotlicher gerechtigkait mit ainer solchen grausamer straff dieser aufrurn und emporungen erzaigt, demnach, damit di eer und das wort Gots an allen aigennutzigen zusatz gepredigt, pruederliche lieb gehalten unnd gmainer nutz gefudert werde, ist an die F.[ürstliche] D.[urchlaucht] zu begern, all nachvolgend artiggl zu furderung ierer F. D. unnd gmains nutz aufzerichten unnd ain newe Lanndßordnung zu machen.» Die Vorschläge in den Artikeln intendierten insofern auch eine Reform der alten Kirche und ihrer feudalen Herrschaftsstruktur, obwohl sie auf theologische Inhalte im Sinne einer Umschreibung verbindlicher reformatorischer Lehrsätze verzichteten, indem die Aufhebung der personalen Herrschaftsgewalt von Geistlichen oder Adeligen als Individuen und die alleinige Unterstellung unter die Obhut des Landesfürsten gefordert wurde, verbunden mit der Forderung, dass sämtliche an Bischöfe und Klöster verpfändeten Herrschaftsrechte mit den damit verbundenen Zinszahlungen wieder an die Landesherrschaft zu übergeben seien und es künftighin nur mehr einen säkularen Gerichtsstand für Geistliche wie Weltliche geben soll. Ferner forderte die Meraner Versammlung in Artkel 8 die Pfarrerwahl durch die Gemeinden: «[…] das ain jede stadt und gericht ieren pharrer selb zu erweln, besetzn unnd entsetzn gewalt hab». Die Pfarrgeistlichkeit, strikte zur Residenz verpflichtet, möge aufgrund vieler negativer Erfahrungen nicht mehr aus dem Kreis der Ordensleute rekrutiert werden. Auch ihr Einkommen sei durch die Gemeinden festzulegen (Einziehen des «geistlichen Zehnten») und damit den «gemeinen Mann» von den wuchernden Gebühren und Belastungen, die bislang für Sakramentenspendungen und seelsorgerliche Dienste zu entrichten waren, zu befreien. Die in Meran mittels Artikelforderung festgemachten Eingriffe in die kirchliche Verfassung beabsichtigen letztlich eine neue Struktur einer reformatorischen Gemeindekirche. Auch wenn bei der Ausschreibung des Landtags nach Innsbruck der reformatorische Kontext als Konfliktthema von der Landesregierung sorgfältig vermieden wurde, kamen neben weiteren Forderungskatalogen der tirolischen Städte und Gerichte im Juni / Juli 1525 auch das Meraner Artikelwerk, welches Ferdinand I. als gefährliche Vorlage zu einer gänzlich neuen Landesordnung bezeichnete, zur Sprache. Die langwierigen Verhandlungen, gerade auch der religiös-kirchlichen Materie, führten am 21. Juli zu einer im Entwurf verabschiedeten revidierten Landesordnung, die am 1. Mai 1526 als neue, erstmals gedruckte Landesordnung der Gefürsteten Grafschaft Tirol erschien - ein Kompromiss- Werk, das wesentliche Wünsche der Bevölkerung berücksichtigte, ohne aber im Grundsätzlichen etwas zu ändern, nicht zuletzt ein taktisches Manöver Ferdinands I., Zeit zu gewinnen und den Schwung der Aufstandsbewegung von 1525 abklingen zu lassen. Denn bereits Ende 1526 begann eine neuerliche obrigkeitliche Unterdrückungspolitik gegen jegliche reformatorischen Einflüsse im Land; eine 1532 entsprechend revidierte Landesordnung zeigte einen unverkennbaren Rückschritt auf die Zeit vor 1525/ 26. In der Folge formierte sich aus der in die Illegalität abgedrängten Anhängerschaft der Reformation das Tiroler Täufertum (vor allem im Inn- und Pustertal). <?page no="183"?> 183 5. Missstände und erste Reformversuche im innerkirchlichen Bereich 5. Missstände und erste Reformversuche im innerkirchlichen Bereich Sowohl die erzwungene Einflussnahme der staatlichen Behörden auf die Leitung des Bistums Chur, die fortschreitende Reformation in den Drei Bünden als auch das Einfliessen reformatorischen Gedankenguts in Vorarlberg und Tirol liessen Johann Georg Mayer zur Beurteilung kommen, es gebe keine Zeitspanne, in welcher die Churer Diözese «in so schlimmer Lage und in solcher Gefahr des gänzlichen Untergangs» gestanden habe als das 16. Jahrhundert. Dieses Urteil des Verfassers der zweibändigen Churer Bistumsgeschichte von 1907/ 14 schliesst auch die unerfreulichen innerkirchlichen Zustände jener Zeit mit ein. Wenn es vielerorts an einem geistig und sittlich hochstehenden Klerus mangelte, dann war damit in erster Linie die weite Verbreitung wie Akzeptanz des priesterlichen Lebens im Konkubinat angesprochen, schloss aber auch die Pfründenhäufung und Vernachlässigung der Seelsorge mit ein. Dieser Entwicklung standen die Churer Bischöfe, zum Teil selbst enge Beziehungen mit weiblichen Personen pflegend, lange tatenlos gegenüber. Wohl wurden dagegen häufig Geldstrafen (Busse für Konkubinarier: vier bis acht Gulden) verhängt, deren Erträge eine leere Bistumskasse nur zu gerne aufnahm; ansonsten aber zeigten sie keine Wirkung. Vielmehr vergrösserte ein solches Vorgehen die Gefahr, dass Straftaxen den Charakter einer eigentlichen Steuererhebung annahmen, was wiederum zu neuem Missmut im Klerus gegen die Bistumsleitung führte. Hinzu kam noch das finanziell einträgliche Recht des Churer Bischofs, grundsätzlich alle Geistlichen, die aus einer Priesterehe hervorgegangen waren, zu beerben (sog. Spolienrecht). Die wirtschaftlich-sozial schwache Stellung solcher Geistlichen ‹milderte› der Bischof, indem er den Auskauf des Spolienrechts - natürlich nur um einen erheblichen Geldbetrag - ermöglichte und dadurch wenigstens indirekt wiederum von sittlichen Missständen profitierte. Ein weiteres Malum stellte der fortschreitende Niedergang der Klerusbildung dar, was aber bis in die fünfziger Jahre des 16. Jahrhunderts nicht im Zusammenhang stand mit mangelnder Allgemeinbildung. Forschungen ergaben, dass zwischen 1500 und 1530 nahezu 58% der späteren (residierenden) Churer Domherren - wohl stammten nicht alle aus dem Bistumsgebiet - an Universitäten eingeschrieben waren und dort einen akademischen Grad erlangt hatten. Von den 45 Domherren, die zwischen 1541 und 1581 dem Churer Kapitel angehörten, studierten 31 an Hochschulen, von welchen wiederum für 13 ein akademischer Abschluss nachgewiesen werden kann. Als katholischer Studienort hatte Freiburg i. Br. Priorität. Auch vom diözesaneigenen Seelsorgeklerus studierten nachweislich 41% an Universitäten, was damals durchaus dem regen Bildungsinteresse entsprach. Die seelsorgerliche Ausbildung hingegen beruhte keineswegs auf einem Universitätsstudium mit akademischem Abschluss und war bis zum Ausbruch der Reformation nie Bedingung für die Zulassung zu den Weihen und damit zur Seelsorge. Die Verantwortung der spezifischen Vorbereitung auf die Gemeindepastoral lag bei Weltwie Ordensgeistlichen, welche der künftigen Priestergeneration parallel zum Universitätslehrgang das Rüstzeug mitgaben, das in der Qualität je nach Priesterpersönlichkeit entsprechend unterschiedlich ausfiel. Im Bistum Chur sind erst für die Jahre nach dem Tridentinum 1567/ 68 und 1570/ 72 <?page no="184"?> 184 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) Examensprotokolle von Klerikern erhalten; diese zeigen (wieder) eine deutlichere Kontrolle über das pastoral-theologische Grundwissen der Weihekandidaten. Das Bild des innerkirchlichen Zustandes während der Wirren der Reformation würde zu negativ gezeichnet, blieben für das vielbedrängte Bistum Chur vorhandene erste Reformversuche unerwähnt. Gerade im Churer Domkapitel existierte eine als Reformpartei zu bezeichnende Gruppe, die bereits vor dem Abschluss des Tridentinums Bestimmungen erliess, die sich mit den Konzilsdekreten inhaltlich teilweise deckten. Das Haupt dieser vortridentinischen Reform war der aus dem Bergell stammende Domdekan und Generalvikar Bartholomäus von Castelmur (1541-1552). Als Domdekan beabsichtigte er, das Ansehen des an Kapitularen ohnehin geschrumpften Kapitels zu erneuern, denn allein durch die Reform vorerst im Kleinen konnte späteren Reformen im weitreichenden Gebiet des Bistums Geltung verschafft werden. Im besonderen sollten die kirchlichen Aufgaben der einzelnen Kanoniker wieder ernster genommen und klar befolgt werden. Deshalb verfasste Castelmur 1541 neue Statuten für das Churer Domkapitel, die von Bischof Luzius Iter (1542-1549) genehmigt wurden [Abb. 125]. Darin ging es neben einzelnen zeitgemässeren Hinzufügungen vor allem um eine klarere Interpretation bereits bestehender Bestimmungen aus dem Jahre 1377. So wurden der Gottesdienst als auch das gemeinsame Chorgebet in der Kathedrale genau umschrieben und die entsprechende liturgische Kleidung hierfür festgelegt. Die Domherren hatten sich in Zukunft während mindestens 31 Wochen und zwei Tagen in der Churer Residenz aufzuhalten (Residenzpflicht). Wer dieser Weisung nicht nachkam, verlor das Einkommen seiner Pfründe. Des weiteren hatte jeder Domherr zum jährlichen Generalkapitel zu erscheinen, das vom Gallusfest (16.- Oktober) an abgehalten wurde und meistens einige Tage dauerte. Noch im Studium an auswärtigen Universitäten und Hochschulen weilende Domherren waren von den beiden letztgenannten Verordnungen nicht betroffen. Es folgten strenge Vorschriften Abb. 125: Auszug aus den Statuten für das Churer Domkapitel von 1541 [BAC] <?page no="185"?> 185 6. Ein Blick auf die Situation der Gesamtkirche: Vortridentinische Reformmassnahmen und das Konzil von Trient über die Lebensführung der Kanoniker, die in ihrem priesterlichen Dasein anderen Beispiel geben sollten, dann Bestimmungen betreffs Verwaltung der Kapitelsgüter und Regelungen für die Benefizienübertragung durch den Dompropst. Dabei sollte vermieden werden, dass ein Domherr gleichzeitig im Besitz zweier Pfründen sein konnte. Die Statuten schlossen mit Verordnungen über die verschiedenen Kapitelsämter. Der praktische Erfolg der Castelmur’schen Statuten von 1541 nach aussen blieb unbedeutend: bis zu seinem Tod 1552 war von der von ihm angestrebten Reform wenig verwirklicht. Dennoch gehört Bartholomäus von Castelmur zu einem verdienstvollen Vorboten der durch das Konzil von Trient angestrebten und verwirklichten innerkirchlichen Erneuerung im Bistum Chur. 6. Ein Blick auf die Situation der Gesamtkirche: Vortridentinische Reformmassnahmen und das Konzil von Trient (1545-1563) a) Begriffsklärung «Katholische Reform» - «Gegenreformation» Wenn zurecht davon gesprochen wird, dass die Katholische Reform in mancherlei Hinsicht älter sei als das Konzil von Trient (1545-1563), welches trotz seiner Mängel als Ergebnis der Reform wegweisend für die kommenden Jahrhunderte sein sollte, dann müssen zwei Begriffe - «Katholische Reform» und «Gegenreformation» - erläutert werden. Auf einen kurzen Nenner gebracht, ist nach den Worten des renommierten Kirchenhistorikers Hubert Jedin (1900-1980) die Katholische Reform die Selbstbesinnung der Kirche, bewirkt durch innere Selbsterneuerung; dazu gehört auch das Konzil von Trient. Die Gegenreformation als Antithese zur Reformation (1517-1555) hingegen ist eine kämpferische Selbstbehauptung unter Führung der erstarkten Reformkräfte (Papsttum, Orden). Die Gegenreformation darf in der Geschichtsschreibung als eine knapp 100-jährige Epoche bezeichnet werden (auch als «Konfessionelles Zeitalter» beschrieben), welche nach Abschluss des Augsburger Religionsfriedens von 1555 beginnt und bis zum Westfälischen Frieden 1648 reicht. Die Katholische Reform demgegenüber ist vielmehr ein langer wie mühsamer Weg der Glaubenserneuerung der nunmehr dezidiert römisch- Abb. 126: Luzius Iter, Bischof von Chur (1542-1549) [Foto: Hugo Hafner] <?page no="186"?> 186 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) katholischen Kirche, welcher bis weit ins 18. Jahrhundert hineinführt. Entscheidende Weichenstellungen auf diesem Weg bildeten zum einen die Konzilsbeschlüsse von Trient, zum anderen aber − vor allem nach Trient − das erstarkte Papsttum, die reformorientierte römische Kurie, reformwillige Diözesanbischöfe, Nuntien und insbesondere Vertreter der Reformorden - allen voran die Kapuziner und Jesuiten. b) Reformbestrebungen in Pastoral und theologischer Bildung durch neue kirchliche Gemeinschaften: Die Kapuziner und Jesuiten Nicht das humanistische Ideal von Friede und Eintracht vermochte die immer weiter um sich greifende Spaltung der Kirche zu überwinden oder wenigstens zum Stillstand zu bringen. Religiöse Lebensenergie sowie Widerstands- und Anziehungskraft konnten der Kirche nur aus sich selbst erwachsen, und zwar durch eine Reform, eine Erneuerung von innen heraus. Was aber für Vorstellungen verbanden die Zeitgenossen des 15. und 16. Jahrhunderts mit dem Begriff «Reform»? Diego Laínez SJ (1512-1565; ab 1558 zweiter General der Jesuiten) gibt in seiner Rede zur Kirchenreform in der Generalkongregation des Trienter Konzils vom 16. Juni 1563 eine Definition dessen, was er unter Reform der Kirche verstand: «Reform ist die Rückführung der Kirche auf ihre ursprüngliche Form. Sie ist zweifach. Sie betrifft den inneren Menschen und besteht in der geistlichen Vereinigung mit Gott; und sie ist zum anderen eine Umgestaltung des äusseren Menschen, die sich auf die Katholische Reform Der Grund für das neuerliche Erstarken des Katholizismus als nunmehr dezidierte «ecclesia catholica romana» seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts liegt in seiner inneren Selbsterneuerung. Das Konzil von Trient erwuchs einerseits aus bereits begonnenen Reformbemühungen und bereitete andererseits durch die dogmatischen Klarstellungen kirchlicher Lehre und Dekrete zur Reform den weiteren Weg bis ins 18. Jh. hinein. Entscheidende Weichenstellungen auf diesem langen Weg der Glaubenserneuerung waren nach Tient das erstarkte Papsttum, die reformorientierte römische Kurie, reformwillige Bischöfe in den Diözesen, Nuntien und Reformorden (Kapuziner und Jesuiten) Gegenreformation Der Terminus «Gegenreformation» bildet eine Antithese und setzt die Reformation (1517- 1555) voraus. Der Historiker Leopold von Ranke (1795-1886) verwendete den Begriff prägend für die gewaltsame Rückführung eines protestantisch gewordenen Gebietes zum alten Glauben: Gegenreformation also als Gegenangriff auf die Reformation unter Führung des Papsttums (1555-1648). Gegenreformation als eine Form aktiver Selbstbehauptung der wieder erstarkten «ecclesia catholica romana» wird somit zu einer Epochenbezeichnung der Kirchengeschichte von knapp 100 Jahren (heute auch als «Konfessionelles Zeitalter» bezeichnet). <?page no="187"?> 187 6. Ein Blick auf die Situation der Gesamtkirche: Vortridentinische Reformmassnahmen und das Konzil von Trient zeitlichen und äusserlichen Dinge bezieht.» - Die Reform umfasst also zwei Aspekte: den inneren Menschen, man könnte sagen, eine geistlich-moralische Umgestaltung, und die äussere Seite des Zusammenlebens der Christen, das heisst die sichtbare Gestalt der Kirche mit ihren institutionellen Formen und Strukturen. Reform der Kirche ist also etwas Umfassendes: Sie umschliesst das ganze kirchliche Leben, nicht nur die äussere sichtbare Seite, sondern auch Glaube und Theologie. Zwei Bewegungen mit Bedeutung bis in unsere Tage hinein, die sich im 16. Jahrhundert neben den biblischen Humanisten um eine theologische wie spirituelle Neubesinnung bemühten, seien hier kurz vorgestellt, da Vertreter beider Reformbewegungen durch ihre unterschiedliche Ausrichtung auch das pastorale und spirituelle Leben sowie die theologische Bildung - dies wird in einem späteren Kapitel aufgezeigt - auf dem Territorium des Bistums Chur prägten. Die Kapuziner (OFMCap) Das Ideal der apostolischen Armut eines Franziskus erweckte neue Kräfte im Orden des Heiligen von Assisi. In Ancona trat der Franziskaner Matteo da Bascio (1492/ 95-1552) als volkstümlicher Prediger auf, der seinen Ordensstifter in allem, auch in der Tracht, nachahmen wollte. Bald sammelte sich um den Bussprediger in rauem Habit und spitzer Kapuze («Kapuziner») eine Schar von Observanten unter der Führung des Ludovico Tenaglia da Fossombrone OFMObs (Provinz Pesaro und Urbino) [um 1490-1552], die gegen alle franziskanische Ordensgewohnheiten ein Eremitenleben führten, sich nur auf Handarbeit und Krankenpflege festlegten, aber nichts von Studien wissen wollten. Der Widerstand gegen die neue Lebensart war in franziskanischen Kreisen gross. Doch der damals bereits einflussreiche Gian Pietro Carafa (Kardinal 1536-1555, Papst Paul IV. 1555-1559) trat für diese neue franziskanische Art an der Kurie ein, so dass die kleine Gemeinschaft am 3. Juli 1525 von Papst Clemens VII. (1523-1534) anerkannt wurde [Gründungsbulle der Kapuziner]. Nur wenige Jahre später zählte sie bereits 500 Mitglieder und hatte das Einsiedlerideal durch die Betonung der Predigt und der dafür notwendigen Studien faktisch aufgegeben. Für ihre Verbreitung nördlich der Alpen - erstes Kloster war übrigens dasjenige in Altdorf/ UR - bildete Carlo Borromeo die wichtigste Initiationskraft. Sowohl in der Zentralschweiz, dem Alpsteingebiet, im Wallis als auch ab 1620 in Bünden wirkten die braunen Kuttenträger segensreich für die Erhaltung und Festigung des katholischen Glaubens (1589 Gründung der Helvetischen Kapuzinerprovinz). Schwerpunkt ihrer Tätigkeit lag während des ganzen 17. Jahrhunderts primär in der (Pfarr-)Seelsorge, wo die Kapuziner als Aushilfsgeistliche (sog. «Mission») durch Predigt, Katechese, Konvertitenunterricht und Beichthören viele Menschen im katholischen Glauben stärken und nicht wenige dahin zurückführen konnten. Das Ziel allen pastoralen Bemühens lag in der Hinführung der Gläubigen zu einem Leben aus den Sakramenten, was sekundär eine Neubelebung der Volksfrömmigkeit bewirkte (Verehrung der Gottesmutter im Rosenkranzgebet, Gründung von Bruderschaften). Auch das sozial-caritative Wirken nahm einen festen Platz in ihrem seelsorgerlichen Programm ein: So pflegten die Patres nicht allein in Pest- <?page no="188"?> 188 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) zeiten die Kranken und Sterbenden in selbstloser Hingabe oder reichten Obdachlosen an der Klosterpforte eine bescheidene Mahlzeit. Entsprechend der Vielfalt ihres seelsorgerlichen Wirkens ist uns nicht zuletzt auch ein reichhaltiges, vorwiegend der Seelsorge dienendes Schrifttum aus den Federn der Kapuziner überliefert. Die Jesuiten (SJ) Neben weiteren regenerierenden Reformkräften wie der neu gegründeten Gemeinschaften der Somasker (durch Hieronymus Ämiliani [1486-1537]), Barnabiten (durch Antonio Maria Zaccaria [1502-1539]) und der Ursulinen (durch Angela Merici [1474-1540]) erlangte der Jesuitenorden stärkste und dauerhafte Kraft. Inigo López de Loyola, der jüngste unter acht Söhnen eines baskischen Edelmannes, kam früh in den Dienst der Höfe von Kastilien und Navarra. 1521 wurde der lebenslustige Offizier 30-jährig bei der Verteidigung der Festung Pamplona gegen die Franzosen schwer verwundet und auf sein Heimatschloss verbracht. Während einer langen Genesungsphase, verbunden mit einem inneren Gesinnungswandel, reifte in Ignatius der Wunsch, Priester zu werden. Nach dem Besuch der Lateinschule in Barcelona, studierte er Philosophie und Theologie in Alcalá, Salamanca und Paris, wo er 1535 den Grad Abb. 127: Gründung und Ausbreitung der Kapuziner und Jesuiten in der katholischen Eidgenossenschaft und in Bünden im 16. / 17. Jahrhundert [Karte: A. Fischer] <?page no="189"?> 189 6. Ein Blick auf die Situation der Gesamtkirche: Vortridentinische Reformmassnahmen und das Konzil von Trient eines Magisters erlangte. Noch während der Studien suchte er die fähigsten seiner Kommilitonen als Mitarbeiter für das Reich Gottes zu gewinnen. Sie verbanden sich 1534 zu einer festen Gemeinschaft und gelobten, Armut und Keuschheit zu beobachten sowie nach Jerusalem zu pilgern, um dort das Reich Gottes auszubreiten. Sollte die Jerusalemfahrt aber innerhalb eines Jahres nicht möglich sein, wollten sie sich dem Papst zur Verfügung stellen. Da sich der Heilig-Land-Plan definitiv als undurchführbar erwies, entschieden sich Ignatius und seine Gefährten 1539 für den Zusammenschluss zu einem eigenen Orden mit den Namen «Societas Jesu» (Gesellschaft Jesu). Er wurde 1540 durch die Bulle «Regimini militantis ecclesiae» von Papst Paul III. (1534-1549) als regulierter Klerikerorden bestätigt und hatte die Zielsetzung, christliches Denken und Leben zu fördern und den Glauben durch Predigt, Christenlehre und Werke der Liebe auszubreiten. Zu den drei Gelübden der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams gesellte sich bei den Jesuiten ein viertes an den Papst, nämlich zu gehen, wohin immer er sie sende. Die von Ignatius in jahrelanger Überlegung erarbeiteten Konstitutionen legten besonderen Nachdruck auf eine gründliche Ausbildung der Mitglieder in Philosophie und Theologie sowie auf eine zentralistische Verfassung des Ordens. Ein halbes Jahr nach der päpstlichen Bestätigung wurde Ignatius zum ersten Ordensgeneral gewählt. Während die Seinigen in die Welt hinausgingen, blieb er in Rom und leitete den Orden bis zu seinem Tode am 31. Juli 1556. Beim Tod des Stifters war die Gesellschaft Jesu schon auf vier Erdteilen verbreitet. Trotz der strengen Auslese zählte sie über 1000 Mitglieder in zwölf Provinzen. Nördlich der Alpen war das Wirken der Jesuiten im Interesse des zu leistenden religiösen Wiederaufbaus von Anfang an auf die Schule verwiesen. In Gymnasien, Priesterseminaren und Universitäten galt es, nach einem einheitlichen Erziehungs- und Lehrplan eine geistliche und weltliche Elite heranzubilden, die bereit und fähig war, Kirche und Staat aus humanistischer Bildung und lebendiger Frömmigkeit neu zu durchdringen. c) Erneuerung an der römischen Kurie: Das Reform-Gutachten von 1537 Dem Einfluss der vielfachen neuen religiösen Kräfte, die in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts gerade während der Reformation in den romanischen Ländern erstanden und sich mehr und mehr nach Rom verlagerten, konnte sich auch die römische Kurie auf Dauer nicht entziehen. Es war Papst Paul III., der die Notwendigkeit einer religiösen Selbstreform der Kirche erkannte und in die Wege leitete. Die erste Aufgabe sah er in der geistigen Neuformung des Kollegiums der Kardinäle. Deshalb erhob er neben Ne- <?page no="190"?> 190 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) poten und Angehörigen politischer Freunde auch durch Gelehrsamkeit und Frömmigkeit ausgezeichnete Männer in den Senat der Kirche, so zunächst 1535 Gasparo Contarini (1483-1542), einen Laien, der von Venedig nach Rom übersiedelte, dort - zum Priester geweiht - zum Mittelpunkt eines Reformkreises wurde; dazu zählten die Purpurträger Gian Pietro Carafa (1476-1559; seit 1555 Papst Paul IV.), Jacopo Sadoleto (1477-1547), Reginald Pole (1500-1558; letzter röm.-kath. Erzbischof von Canterbury 1556-1558), Marcello Cervini (1501-1555; seit 1555 Papst Marcellus II.) und Giovanni Morone (1509- 1580). Diese geistvollen Männer berief der Papst im Herbst 1536 in eine Kommission, welche die nötigen Reformen an der Kurie vorschlagen sollte. Im Frühjahr 1537 legte die Kommission ihr Gutachten vor, das berühmt gewordene «Consilium de emendanda ecclesia». Selbst dem Kirchenhistoriker stockt der Atem, liest er in diesem, ausdrücklich im Auftrag des Papstes verfassten und nur für den Papst bestimmten Dokument, das - trotz Druckverbot gelangen zwischen 1538 und 1560 dreizehn Editionen - in grossem Freimut die Gründe der inzwischen offen daliegenden Missbräuche in der Kirche benennt. Der Papst wurde als Leiter der Gesamtkirche unmissverständlich auffordert, die nötigen Reformen an Haupt und Gliedern rasch an die Hand zu nehmen. Dass das Gutachten von 1537 den absoluten Vorrang der Seelsorge herausstreicht, verdeutlicht [1.] die Aufforderung zu einer radikalen Änderung der kurialen Ämterpraxis (Abschaffung der Benefizien-Kumulation), [2.] die Forderung nach strikter Einhaltung der Residenzpflicht bei Bischöfen und Pfarrern und [3.] der Tadel wegen der vernachlässigten Aufsicht und Vorsicht der Bischöfe bei der Auswahl von würdigen Alumnen zu Priestern, mit der verheerenden Folge - so wird betont -, «dass immer wieder zu den höheren Weihen, vorab zur Priesterweihe, [...] alle möglichen Leute zugelassen werden, die völlig ungebildet sind, von niederer Herkunft, fragwürdigem Lebenswandel und ohne das nötige Abb. 128: Textseite aus: «Concilium de emendanda ecclesia» (Druck 1555) [Bayerische Staatsbibliothek München] <?page no="191"?> 191 6. Ein Blick auf die Situation der Gesamtkirche: Vortridentinische Reformmassnahmen und das Konzil von Trient Lebensalter». Damit hänge der weitverbreitete Missbrauch der leichtfertigen Verleihung der kirchlichen Pfründen eng zusammen. Papst Paul III. solle deshalb «alle Bischöfe, gegebenenfalls unter Androhung von Zensuren, verpflichten, in ihren Diözesen sich dieser Angelegenheit anzunehmen». Jeder Bischof habe hierfür geeignete Lehrkräfte zu berufen, welche die niederen Kleriker wissenschaftlich ausbilden und zu einem vorbildhaften Lebenswandel anleiten. Bei künftigen Pfründenverleihungen, die mit einem Seelsorgeauftrag verbunden waren, sei dann darauf zu achten, «dass sie ehrenwerten und gelehrten Männern verliehen werden, [...] damit sie selbst die Aufgaben wahrnehmen, zu denen sie verpflichtet sind». - Den wichtigsten Beitrag zur kirchlichen Erneuerungsarbeit aber leistete Papst Paul III. schliesslich mit der lange vergeblich geforderten wie ersehnten Einberufung eines Allgemeinen Ökumenischen Konzils nach Trient. d) Das Reformkonzil von Trient und seine Bedeutung Seitdem Martin Luther in seiner Schrift «An den christlichen Adel deutscher Nation» (1520) die weltliche Obrigkeit aufgefordert hatte, ein «recht frey concilium» einzuberufen, dauerte der Kampf um das Konzil an. Da ein Allgemeines Konzil, wie es 1524 auch Kaiser Karl V. (1519-1558) anmahnte, nach dem Muster von Konstanz und Basel für das Papsttum der Renaissance eine existentielle Bedrohung bedeutete, setzte Clemens VII. alles daran, die Konzilsforderung mittels einer wahren Verzögerungstaktik zu umgehen, weshalb Clemens VII. die Hauptschuld trifft, das Konzil nicht viel früher, am besten noch vor 1530, also vor der Abfassung der «Confessio Augustana», einberufen zu haben, um eventuell die Glaubenseinheit im Reich zu retten. Mit der Furcht der Kurie vor Konziliarismus und Beseitigung vieler Missbräuche verbanden sich bei Clemens VII. persönliche Befürchtungen wegen seiner unehelichen Geburt und den nicht ganz einwandfreien Umständen seiner Papstwahl, sowie auch die Furcht, dass ein Konzil angesichts der permanenten Rivalität der Grössmächte Frankreich und Habsburg zu einem Schisma führen könnte. So wird vom Papst folgende Äusserung gerne zitiert: «Ein paar trunkene Deutsche werden das Konzil und die ganze Welt durcheinander bringen. Aber lasst sie! Ich fliehe in die Berge, und dann mag man auf dem Konzil einen neuen Papst wählen. - Nein, ein Dutzend, denn jede Nation wird ihren eigenen haben wollen.» Doch auch der Regierungswechsel in Rom 1534 änderte zunächst die Lage nicht. Vielmehr stärkte der Wille des Kaisers, dass auf dem Konzil vorwiegend über die Reform der Kirche und die Beseitigung der Missstände unter Zurückstellung der dogmatischen Fragen beraten werden sollte, den Widerstand der Gegner einer Reform an der Kurie. Der neu gewählte Papst Paul III. hingegen war klug genug zu erkennen, dass dem Konzilsverlangen irgendwann nachgegeben werden musste, sollten die Kirche und besonders der Papst nicht alle Glaubwürdigkeit verlieren. Nachdem frühere Berufungen nach Mantua (1537) und Vicenza (1538) gescheitert waren, einigte man sich im Sommer 1541 auf Trient als Tagungsort auf Reichsboden. Doch der Krieg zwischen Frankreich und dem Kaiser vereitelte ein weiteres Mal die Einberufung des Konzils. Erst mit dem Frieden von Crépy im September 1544 war die Bahn hierfür frei. Durch die Bulle «Laetare Ierusalem» <?page no="192"?> 192 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) vom 30. November 1544 berief Paul III. auf den Laetare-Sonntag (4. Fastensonntag), den 15. März 1545, ein Allgemeines Konzil in die kaiserliche Stadt Trient. Neue Schwierigkeiten und neues Misstrauen verzögerten die Eröffnung der Versammlung ein drittes Mal bis zum 3. Adventssonntag («Gaudete»), dem 13. Dezember 1545. Geschäftsordnung und erste Tagungsperiode (1545-1549) Niemand der wenigen Teilnehmer an der feierlichen Eröffnung des Konzils - es waren ausser den 3 Kardinalslegaten Del Monte, Cervini und Pole noch der Kardinal von Trient, 4 Erzbischöfe, 21 Bischöfe, 5 Ordensgeneräle, die Gesandten des Königs Ferdinand I. (Kaiser 1558 -1564) und 42 nicht stimmberechtigte Theologen anwesend - konnte ahnen, dass die ohnehin erst 28 Jahre nach Beginn der reformatorischen Bewegung eröffnete Kirchenversammlung, zweimal unterbrochen, erst 18 Jahre später enden würde, noch weniger, dass sie, so mühsam ins Leben gerufen, auf Jahrhunderte hin eine überragende Bedeutung für das Leben der Kirche erhalten würde. Abb. 129: Zeitgenössische Darstellung des Konzils von Trient (1545-1563) [im ehemaligen Kapuzinerkloster, Stans] [PAL] <?page no="193"?> 193 6. Ein Blick auf die Situation der Gesamtkirche: Vortridentinische Reformmassnahmen und das Konzil von Trient Die Konzilslegaten hatten in der ersten Periode des Konzils, die von Dezember 1545 bis September 1549 reichte, ihre Aufgabe äusserst geschickt erfüllt und sich gleich zu Beginn klug das Propositionsrecht (Vorschlagsrecht) gesichert, indem sie an die Teilnehmer die Frage richteten, ob mit dem Dogma oder der Reform zu beginnen sei. Da sich die grosse Mehrheit für eine Parallelberatung aussprach und sich so gegen Papst Paul III. und seinen engsten Berater Kardinal Alessandro Farnese stellte - Letzterer besass kein Organ für die elementare Notwendigkeit der Reformanliegen -, wurden in den folgenden Sitzungen neben den «decreta de fide» immer auch «decreta de reformatione» beraten und verkündet. In der Geschäftsordnung wich man erheblich von den Konzilien des 15. Jahrhunderts ab. Nur die Bischöfe, Ordensgenerale und Vorsteher der Mönchskongregationen besassen Stimmrecht und stimmten nach Köpfen, nicht nach Nationen ab. Der Geschäftsgang verlief in drei Stufen. Die Theologenkongregationen, in denen geschulte Theologen nichtbischöflichen Ranges in Vorträgen zu den jeweils vorgelegten Problemen Stellung bezogen, dienten zur Information der stimmberechtigten Prälaten. Die zweite Stufe bildeten die Generalkongregationen aller stimmberechtigten Prälaten. In diesen Versammlungen gab jeder sein Votum über die dogmatischen Vorlagen bzw. Reformvorschläge ab. In den Feierlichen Sitzungen schliesslich wurde über die so fertiggestellten Dekrete abgestimmt. Ohne Rücksicht auf den vor dem Ausbruch stehenden Schmalkaldischen Krieg und die Verzögerungswünsche des Kaisers trieben die Legaten in den Monaten 1546 die dogmatischen Beratungen voran. In der V. Sitzung wurde das Dekret über die Erbsünde angenommen, ein halbes Jahr später, auf der VI. Sitzung im Januar 1547, das Dekret über die Rechtfertigung. Doch zwei Monate später, als der Kaiser auf der Höhe der Macht entschlossen war, die unterworfenen Protestanten zum Besuch des Konzils zu verpflichten, verlegten die Legaten des Papstes am 11. März 1547 das Konzil nach Bologna. Man hatte ein ansteckendes Fleckfieber, das in Trient ausgebrochen war, zum Anlass genommen. Doch war dies nicht das Hauptmotiv für die Verlegung. Man wollte sich vielmehr dem Einfluss Kaisers Karl V. entziehen, der wiederholt mehr Engagement von den hohen geistlichen Würdenträgern im Anliegen der Kirchenreform einforderte. Der reformfreudige Bischof von Aquino meinte denn auch, immer wenn von nötigen Reformen die Rede sei, höre man die Schreie, der Ruin des Römischen Hofes stände unmittelbar bevor. Auf solche Reden könne man nur antworten: «Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner Seele Schaden leidet» (Mt 16,26). Die Verlegung des Konzils nach Bologna erwies sich als schwerer Fehler. Der Kaiser sah durch die Translation auch seinen Plan für ein Unionskonzil durchkreuzt. Er bestärkte die in Trient verbliebene Minderheit von vierzehn Prälaten in ihrem Widerstand und verlangte vom Papst die Rückverlegung nach Trient. Paul III. verweigerte diese hartnäckig unter Berufung auf die Rechtmässigkeit seines Verlegungsbeschlusses. Die Gefahr eines Konzilsschismas drohte. Ab Februar 1548 ruhte nach dem Willen des Papstes die Tätigkeit des Konzils in Bologna ganz; im September 1549, zwei Monate vor seinem Tod, suspendierte Paul III. die Versammlung definitiv. Fast drei Monate dauerte sodann das Konklave, aus dem der bisherige Konzilslegat Giovanni Maria Del Monte als Julius III. (1550-1555) hervorging. Der neue Papst bemühte sich um die Wiederaufnahme des Konzils und verfügte dessen erneute Eröffnung in Trient für Mai 1551. <?page no="194"?> 194 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) Zweite Tagungsperiode (1551-1552) Die zweite Tagungsperiode des Konzils dauerte nur ein knappes Jahr, von Mai 1551 bis April 1552. Die Versammlung wurde wiederum nur mit wenigen Vätern eröffnet. Französische Prälaten fehlten gänzlich; dafür kamen die Deutschen in grösserer Zahl. Neben den 3 rheinischen Erzbischöfen (den Kurfürsten von Köln, Mainz und Trier) erschienen die Bischöfe von Strassburg, Konstanz, Chur (Thomas Planta), Chiemsee, Wien und Naumburg (1029-1615), dazu einige Weihbischöfe und Prokuratoren, ja sogar eine Reihe von Gesandten protestantischer Stände, war es doch dem Kaiser auf dem Augsburger Reichstag von 1548 gelungen, die Protestanten zur Beschickung des Konzils von Trient zu verpflichten. Allerdings hatten diese den Vorbehalt gesetzt, dass das Konzil nicht unter der Leitung des Papstes stehen dürfe und die Dekrete der ersten Periode nochmals beraten werden müssten, um darauf Einfluss zu nehmen. Als nach den brandenburgischen und württembergischen Vertretern im Januar 1552 auch die Gesandtschaft des Kurfürsten Moritz von Sachsen in Trient eingetroffen war, verlangten die Protestanten zu ihrer persönlichen Sicherung ein verbessertes freies Geleit und Aufschub der dogmatischen Entscheidungen bis zur Ankunft ihrer Theologen, was ihnen gewährt wurde. Ihre weitergehenden Forderungen aber - (1.) erneute Beratung aller bisherigen Dekrete, (2.) Superiorität des Konzils über den Papst und (3.) Entbindung der anwesenden Bischöfe vom Treueid gegenüber dem Papst - konnte das Konzil ohne Selbstaufgabe nicht erfüllen. Die Verhandlungen in Trient waren bereits hoffnungslos festgefahren, als beunruhigende Nachrichten aus Deutschland wegen erneuten Kriegshandlungen die Heimkehr der deutschen Bischöfe erzwangen. Das Konzil vertagte sich vorerst auf zwei Jahre, wurde aber tatsächlich erst nach nahezu zehn Jahren wiederaufgenommen. Nicht nur die angestrebte Union mit den Protestanten war definitiv gescheitert, auch sonst hinterliessen die Konzilsväter in jeder Hinsicht einen Torso, denn es waren mit Ausnahme des Dekrets über die Eucharistie (Realpräsenz Christi, Transsubstantiation) weder weitere kontroverse Lehrbegriffe autoritativ festgestellt noch das Problem der Kirchenreform befriedigend gelöst. Die entscheidende dritte Tagungsperiode (1562-1563) Papst Pius IV. (1559-1565), ein Mailänder Medici, ein geübter Diplomat und lebensfroher Mann, berief nach längeren Vorverhandlungen das seit 1552 unterbrochene Konzil wieder nach Trient ein. In der Eröffnungssitzung vom 18. Januar 1562 zählte man 109 Mitraträger und 4 Ordensgeneräle, mehr als je zuvor. Es folgten insgesamt acht Sitzungen und die Überwindung zweier ernsthafter Krisen, bis das Konzil am 4. Dezember 1563 erfolgreich beendet werden konnte. Die Leitung der Versammlung war neu in die Hände einer fünfköpfigen Legatenkommission gelegt. Auch die weltlichen Mächte verstärkten ihre Bemühungen um die Inangriffnahme einer umfassenden Kirchenreform. Einzelne Nationen bzw. nationale Gruppen und Bischöfe reichten eine Reihe von Reform-Denkschriften beim Konzil ein; zu nennen sind etwa die Initiativen des portugisischen Hofs, der spanischen und italienischen Bischöfe, der französischen Vertreter und des Kaisers <?page no="195"?> 195 6. Ein Blick auf die Situation der Gesamtkirche: Vortridentinische Reformmassnahmen und das Konzil von Trient Ferdinand I., welcher vor allem die zersplitterte konfessionelle Lage des Reichs im Blickfeld hatte. Grundanliegen aller Forderungen war, einen fähigen und religiösen Klerus heranzubilden und die Seelsorge entscheidend zu verbessern. Dies bedingte auch eine durchgreifende Umgestaltung der kurialen Praxis und der vielfach festgefahrenen kurialen Strukturen. Es gab einige neuralgische Punkte bei den Reformverhandlungen, bei denen die unterschiedlichen Tendenzen auf dem Konzil zusammenprallten. Gleich zu Beginn wurde in den Beratungen die schon 1547 angeschnittene Frage der Residenzpflicht der Bischöfe aufgegriffen, welche die Versammlung wegen des heftig entbrennenden Streites zwischen den Anhängern des Episkopal- und des Papalsystems in eine erste Krise stürzte. Vor allem die spanischen, aber auch ein Teil der italienischen Bischöfe verfochten die Anschauung, dass die Bischöfe ihre Gewalt unmittelbar von Christus hätten, dass also auch die Residenzpflicht göttlichen Rechtes sei, dass folgerichtig hier keine päpstliche Dispens möglich sei und dass die vielen Bischöfe, an der Kurie bei den Kardinälen angefangen, in ihre Diözesen gehen müssten. Die Kurialisten hingegen sahen in solchen Thesen einen Angriff auf die Primatrechte des Papstes. Nach monatelangen Debatten verbot Pius IV. autoritativ weitere Diskussionen über diese Frage. Nun erst nahm man die dogmatischen Erörterungen wieder auf, erarbeitete die Artikel über die Kinderkommunion, die Kommunion unter einer oder beiden Gestalten und verabschiedete das Dekret über die Eucharistie als Messopfer (Opfercharakter sowohl im Sinne einer Vergegenwärtigung als auch eines Gedächtnisses des Kreuzesopfers Christi). Mitten in den dogmatischen Verhandlungen legte der kaiserliche Gesandte am 6. Juli 1562 dem Konzil ein Reformlibell vor, das zum wiederholten Mal auf die Beratung der Reform vor weiteren dogmatischen Verhandlungen drängte - ein gefährlicher Eingriff der weltlichen Macht, die in der gegenwärtigen Lage leicht zur Sprengung des Konzils hätte führen können. Denn hatten schon die Verhandlungen über die Residenzpflicht zu einer ernsthaften Krise geführt, und das kaiserliche Reformlibell die Gemüter der Konzilsväter erneut erhitzt, so bahnte sich eine zweite Krise an, als im November 1562 ein gutes Dutzend französischer Prälaten unter Führung des Kardinals von Lothringen, Charles de Lorraine-Guise (1524-1574), in Trient eintraf. Die Neuangekommenen vertraten den episkopalistischen Standpunkt in der Residenzfrage und, was noch gefährlicher erschien, die Konstanzer Beschlüsse von der Superiorität des Konzils über den Papst. Alles, was theologischer Scharfsinn und Kunst der Formulierung aufbieten konnte, wurde aufgeboten, um einen annehmbaren Kompromiss zu finden. Aber die Lösungsversuche scheiterte an der Unversöhnlichkeit der sich gegenüberstehenden Parteien. Erst der von Pius IV. eingesetzte neue Konzilslegat Kardinal Giovanni Morone führte aus der krisengeschüttelten Versammlung, ja er wurde zum eigentlichen Retter des Konzils. Des vollen Vertrauens des Papstes gewiss, verhandelte Morone persönlich mit dem Kaiser in Innsbruck über die Reformfrage und gewann Kardinal de Guise für einen Kompromiss in der Gewaltenfrage. Der Papst seinerseits versicherte gegenüber den weltlichen Mächten, dass ihm die Reform ein wirkliches Anliegen sei. <?page no="196"?> 196 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) Die nunmehr, nach einer Unterbrechung von zehn Monaten, möglich gewordene XXIII. Sitzung vom 14. Juli 1563 wurde zum positiven Wendepunkt des Konzils. Man beschränkte sich darauf, die protestantische Lehre über das Weihesakrament zurückzuweisen und dem Residenzdekret eine strengere Fassung zu geben, klammerte die strittige Frage nach der Begründung der bischöflichen Residenzpflicht durch göttliches oder kirchliches Recht jedoch aus. Das Seminardekret mit seiner Forderung nach Gründung von Seminarien in allen Bistümern zur Heranbildung eines zahlenmässig ausreichenden und gebildeten Klerus schuf endlich jene Institution, die bislang gesamtkirchlich gefehlt hatte. Die folgenden Sitzungen brachten dogmatische Dekrete über das Sakrament der Ehe und grundlegende Bestimmungen über den Eheabschluss. So wurde durch das Dekret «Tametsi» der geheime Eheabschluss für null und nichtig erklärt und der Austausch des Ehewillens vor dem Priester und zwei Zeugen festgeschrieben, wodurch eine Quelle vielfältiger Rechtsunsicherheit beseitigt war. Hinsichtlich der Reformfragen gelang es der Geschicklichkeit Morones, durch eine eigene umfassende Vorlage in 42 Artikeln die verschiedenen nationalen Wünsche aufzufangen. So sollten alle drei Jahre Provinzial-, alle Jahre aber Bistumssynoden stattfinden; die Bischöfe hatten ihre Diözesen regelmässig zu visitieren, und die Domkapitel sollten reformiert werden. Weitere Bestimmungen betrafen Missbräuche im Stellenbesetzungswesen (Verbot von Pfründenkumulation, Provisionen und Reservationen), das Predigtamt und die religiöse Unterweisung des Volkes. Noch einmal sei betont: Mit Recht hat man die Förderung der Seelsorge als erstes Motiv all dieser Reformbestimmungen gesehen, die, Abb. 130: Papst Paul III. (1534 -1549), berief 1545 das Konzil von Trient ein [Gemälde von Tizian (1543), Museo de Capodimonte Napoli] [Quelle: Wikipedia] Abb. 131: Papst Pius IV. (1559-1565) konnte 1563 das Konzil von Trient zu einem erfolgreichen Abschluss bringen [Gemälde entstanden im Umkreis von Tizian, Cantalupo in Sabina, Rieti] [Quelle: Wikipedia] <?page no="197"?> 197 6. Ein Blick auf die Situation der Gesamtkirche: Vortridentinische Reformmassnahmen und das Konzil von Trient obwohl so wichtig, erst am Ende des Konzils standen. Es ist keine Übertreibung: Das Moronesche Reformpaket war die Initialzündung zu entscheidenden und richtungsweisenden Reformdekreten von 1563, die man später gerne als die «tridentinische Reform» bezeichnen sollte. Dennoch bleibt das Trienter Reformwerk ein Kompromiss, um das Scheitern der ganzen Kirchenversammlung zu verhindern. Hubert Jedin, im allgemeinem eher behutsam in seiner kritischen Sicht des Trienter Konzils, charakterisiert den Trienter Reform-Kompromiss folgendermassen: «Die in den letzten beiden Sessionen des Konzils dekretierte Kirchenreform liess das im späten Mittelalter ausgebildete Kurialsystem im Wesentlichen intakt.» Die Reform blieb «weit zurück hinter den Zielvorstellungen nicht nur konziliaristischer und gallikanischer Reformer» auf dem Konzil, sondern auch hinter den 1537 für Papst Paul III. formulierten Vorschlägen der kurialen Reformkommission und den erwähnten Denkschriften. Das Reformwerk «war ein Kompromiss und trug alle Schwächen eines solchen an sich». Die Reform «begnügte sich mit kurzen Schritten, solchen, die eben noch gangbar schienen, in der stillen Hoffnung, dass ein neuer Geist in die Kirche einkehren und weitere Schritte ermöglichen werde». Am 3. und 4. Dezember 1563 wurden sämtliche Dekrete noch einmal verlesen, durch Unterschrift der Konzilsväter (199 Bischöfe, 7 Äbte, 7 Ordensgeneräle) angenommen und die Versammlung definitiv geschlossen. Zur Bedeutung des Konzils von Trient Die unverhältnismässig lange, mehrfach unterbrochene, von so vielen Schwierigkeiten und Krisen gefährdete Arbeit des Konzils von Trient hat das anfänglich im Vordergrund stehende grosse Ziel, nämlich die Wiederherstellung der Glaubenseinheit, nicht erreicht. Das christliche Abendland blieb konfessionell gespalten, ja diese Spaltung wurde durch die klare Definition der kontroversen Lehren noch vertieft. Aber gerade durch diese eindeutigen Lehrsätze, welche die dogmatische Substanz und nicht theologische Schulmeinungen definierten, wurde der katholische Glaube gesichert. Das Konzil von Trient war also die Antwort des höchsten kirchlichen Lehramtes auf die protestantische Reformation und die, wenn auch nicht vollkommene, so doch eben erreichbare Erfüllung des lang angestauten Verlangens nach einer inneren Erneuerung der Kirche. Das Konzil gab zum einen der Theologie wie der Glaubensverkündigung klare Normen, indem es lehramtlich abgrenzte, aber dennoch nicht trennte, wo nicht schon Trennung war. Und es stellte zum anderen der protestantischen Reformation die Katholische Reform entgegen, jedoch nicht so, dass man einfach das Mittelalter restaurierte, sondern indem man Verfassung und Seelsorge nach den Erfordernissen einer durch den reformatorischen Einbruch zutiefst veränderten Zeit ausrichtete − jedoch mit starker zentralistischer, auf Disziplin in Lehre und Dogma ausgerichteten Tendenz. Das Konzil von Trient war somit ein nachhaltig wirkender Akt der kirchlichen Selbstbesinnung und Selbsterneuerung, ein Akt, der das Gesicht der katholischen - fortan dezidiert «römisch-katholischen» - Kirche bis zum II. Vaticanum herauf prägte. Es hätte jedoch schwerlich diese seine kirchen- und weltgeschichtliche Wirkung über Jahrhunderte ausgeübt, wenn sich nicht das nachtridentinische Papsttum mit seiner ganzen Autorität <?page no="198"?> 198 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) der Durchführung der Konzilsdekrete und der in Trient (v. a. auf der 3. Periode) initiierten Reformen angenommen hätte. Die Wirkungsgeschichte der Trienter Beschlüsse ist komplex und vielschichtig, von Land zu Land, von Diözese zu Diözese und von Orden zu Orden ganz verschieden; generelle Aussagen lassen sich deshalb darüber kaum machen. Global kann gesagt werden: Was von den Trienter Reformdekreten am meisten realisiert wurde und die nachhaltigste Wirkung zeitigte, war die geistige und geistliche Hebung des Klerus und in der Folge, mit bewirkt durch das widerbelebte Instrument der kirchlichen Visitation, die Verbesserung der Seelsorge. 7. Initiierung der innerkirchlichen Reform in der katholischen Eidgenossenschaft durch Hilfe von aussen Formal sind die Beschlüsse des 19. Allgemeinen Ökumenischen Konzils von Trient durch die Unterzeichnung des Einsiedler Fürstabtes Joachim Eichhorn (1544-1569), Teilnehmer auf der dritten Konzilsperiode, im Januar 1564 für den gesamten Klerus und im März des gleichen Jahres durch den Landammann Nidwaldens, Melchior Lussy (1529- 1606), namens der sieben katholischen Orte der Eidgenossenschaft - Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug, Luzern, Freiburg und Solothurn - wohl angenommen worden, doch es Abb. 132: Kirchliche Einteilung der Eidgenossenschaft und der angrenzenden Gebiete im 16. / 17. Jahrhundert [Karte: A. Fischer] <?page no="199"?> 199 7. Initiierung der innerkirchlichen Reform in der katholischen Eidgenossenschaft durch Hilfe von aussen fehlten Wille und Kräfte für eine baldige Umsetzung. Die weltlichen Vertreter der katholischen Orte betonten wiederholt, ohne primäre und ernsthaft gewillte Mitwirkung der geistlichen Behörden sei wenig zu erreichen. Der wunde Punkt war hiermit offengelegt; es bedurfte reformwilliger Diözesanbischöfe. Diese waren gerufen, langfristig die in dem Reformpaket des Tridentinums vorgelegten Punkte umzusetzen und so zu einer geistig-geistlichen Erneuerung bei Klerus und Volk wesentlich beizutragen. Es sei betont: Durchführung des Trienter Konzils bedeutete immer Durchführung seiner Reformdekrete, insbesondere derjenigen, welche auf den Sessionen der dritte Periode 1562/ 63 erlassen wurden. Diese Umsetzung entpuppte sich bald als ein äusserst vielschichtiger Vorgang, der in seinen Hauptzügen auch in der damaligen Schweiz (inkl. Bistum Chur) bis tief ins 17. Jahrhundert hineinreichte. Der entscheidende und wirkkräftigste Ansporn zur innerkirchlichen Reform, kam von aussen: zum einen vom Mailänder Erzbischof und Kardinal Carlo Borromeo, zum anderen von der durch ihn ins Leben gerufenen ständigen Nuntiatur mit Sitz in Luzern und nicht zuletzt von den (oben erwähnten) in der Schweiz Fuss gefassten Reformorden der Jesuiten und Kapuziner. Diese «Hilfe von aussen», gleichsam als Initialzündung, und nicht in erster Linie die Konzilsbeschlüsse schuf allmählich in den Bistümern Konstanz, Basel, Lausanne, Sitten und Chur die Atmosphäre einer gewissen Reformmentalität, welche sich auf die dortigen Leitungsverantwortlichen übertrug. Deshalb ist es wichtig, diese Hilfestellung etwas genauer zu beleuchten. a) Carlo Borromeo als Wegbereiter der tridentinischen Glaubenserneuerung Besondere Verdienste um die Initiierung bzw. Förderung der Katholischen Reform in der Eidgenossenschaft, den ennetbirgischen Vogteien und auf dem Hoheitsgebiet Gemeiner Drei Bünde erwarb sich Carlo Borromeo (1538-1584), Erzbischof von Mailand (1560-1584) und seit 1560 Träger der Kardinalswürde. In seiner unermüdlichen Reformtätigkeit liegt die grosse kirchenwie pastoralgeschichtliche Bedeutung des bereits am 1. November 1610 von Papst Paul V. (1605-1621) heiliggesprochenen Bischofs. In den zwanzig Jahren seiner Wirksamkeit als Erzbischof von Mailand hielt er elf Diözesan- und sechs Provinzialsynoden ab, führte unermüdlich Visitationsreisen durch, gründete Priesterseminare und sorgte für Geistliche in den Pfarreien, welche die Seelsorge wieder als ihre Hauptaufgabe betrachteten. <?page no="200"?> 200 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) Den Grundsatz, als Guter Hirte Beispiel für andere zu sein, trug Borromeo, von seinem Onkel Papst Pius IV. gleichzeitig mit der Erhebung zum Erzbischof von Mailand 1560 zum «Protector Helvetiae» ernannt, über die Alpen zu den Eidgenossen. Zunächst visitierte er die ambrosianischen Täler des Tessins. Durch diese oft beschwerlichen Reisen zu den entlegensten Bergdörfern verschaffte er sich 1567, 1570, 1577 und 1581/ 82 klare Einsicht in die kirchenpolitischen Verhältnisse der ennetbirgischen Vogteien, die kirchlich zum Erzbistum Mailand gehörten, erliess erste Reformverordnungen und kam so in regen Kontakt zu den dort regierenden drei Urkantonen. 1570 nutzte Borromeo eine Reise ins vorarlbergische Hohenems zu seinen Verwandten, um persönlich auf die katholischen Orte der Eidgenossenschaft einzuwirken und auf die Durchführung der Trienter Konzilsdekrete zu dringen. In seinem Bericht über seine «Schweizer Reise», die ihn u. a. via Gotthard nach Altdorf, Stans, Sachseln, Luzern, Einsiedeln und St. Gallen führte, rühmte der Kardinal die Redlichkeit, die Gastfreundschaft wie auch die vielfältigen Formen der Religiosität, das blühende Wallfahrtswesen und den eifrigen Kirchenbesuch der Eidgenossen, nannte aber auch ihre zögernde Haltung gegenüber einer ihren eigenen Interessen oft quer stehenden Verwirklichung von Konzilsbeschlüssen. Die negativen Punkte auflistend, prangerte er in deutlichen Worten die fast gänzlich fehlende geistliche Gerichtsbarkeit und das Ärgernis erregende Leben der Geistlichen an, von welchen die meisten mit einer Konkubine zusammenleben, dabei die Sakramentenspendung vernachlässigen und sich mehr mit weltlichen Belangen beschäftigen würden. Als primäre Konsequenz seiner Beobachtungen forderte er in seinem Bericht nach Rom die Entsendung eines Nuntius oder Visitators speziell für die Eidgenossenschaft und ihre Zugewandten Orte. Nur durch umfassende Visitationen gelänge eine geistlich-geistige Erneuerung nach den Vorgaben des Tridentinums, das bekanntlich alle katholischen Orte angenommen hatten. Eine zweite wichtige Konsequenz, die Carlo Borromeo aus seiner Reise von 1570 zog, war die Forderung nach einer Seminargründung speziell für die katholische Eidgenossenschaft. Als bevorzugten Standort nannte er Luzern. Neun Jahre später, am 1. Juni 1579, gelang Borromeo mit der päpstlichen Gründungsbulle die Verwirklichung des von ihm geplanten Collegio Elvetico in Mailand speziell als Ausbildungsstätte für den angehenden Klerus aus den katholischen Orten der Eidgenos- Abb. 133: Kardinal Carlo Borromeo, Erzbischof von Mailand (1560-1584), als «Protector Helvetiae» [BAC.BA] <?page no="201"?> 201 7. Initiierung der innerkirchlichen Reform in der katholischen Eidgenossenschaft durch Hilfe von aussen senschaft, des Wallis, der Drei Bünde und ihrer Untertanenlande; das Collegio hatte als segensreiche Stätte Bestand bis zur erzwungenen Schliessung durch Napoleon I. Bonaparte (1799-1812/ 15) am 7. Juni 1797. Borromeos Anregung zur Schaffung einer eigenen Nuntiatur für die Eidgenossenschaft zeigte unter dem Pontifikat Gregors XIII. (1572-1585) ihren ersten Teilerfolg: Am 27. November 1582 ernannte der Papst den Mailänder Erzbischof selbst zum ausserordentlichen päpstlichen Delegaten und Visitator der damaligen Schweiz und der Drei Bünde. Dem päpstlichen Breve folgte alsbald die Tat des unermüdlichen Reformers. Im November 1583 betrat Borromeo erstmals als Visitator in der Mesolcina bündnerischen Boden, wo er bis gegen Ende desselben Monats die Hauptpfarreien visitierte. Wie bereits andernorts setzte er auch in dieser italienischsprachigen Talschaft der Churer Diözese den Schwerpunkt auf die Reform des Klerus, der zum grossen Teil aus italienischen Flüchtlingen, besonders aus apostasierten Mönchen bestand. Bussfertige Priester schickte er zum Teil in ihre angestammten Klöster zurück, reformunwillige Kleriker enthob er kurzerhand ihres Amtes. Für die Zukunft erliess Borromeo die Verordnung, auswärtige Geistliche dürften ohne vorgängige Prüfung und Einwilligung des Bischofs von Chur nicht mehr aufgenommen werden. Seine letzte zukunftsträchtige Amtshandlung in den ennetbirgischen Vogteien nahm der bereits von Krankheit gezeichnete Kardinal in Ascona vor, wo er 1584 das Collegio di Santa Maria (Collegio Papio) errichtete; wieder in Mailand starb Borromeo am 3. November 1584; Ursache seines frühen Todes war die komplette Überarbeitung und die damit verbundenen körperlichen Strapatzen. Durch das persönliche Beispiel eines von der innerkirchlichen Erneuerung überzeugten Trienter Konzilsvaters und Bischofs, durch sein reges Interesse an der Schweiz und Abb. 134: Collegio Elvetico in Mailand, um 1674 [AStMi] <?page no="202"?> 202 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) seinen Bewohnern, wie dies immer wieder aus seiner Korrespondenz ersichtlich wird, vor allem aber durch seine nimmermüde Reisetätigkeit nicht bloss auf eidgenössischem Gebiet, wo er den Gläubigen als verständnisvoller Hirte, den Klerikern durchaus auch als strenger, unnachgiebiger Visitator persönlich begegnete, wuchs allmählich die Reformmentalität in den katholischen Orten, den ennetbirgischen Vogteien und auch im italienischsprachigen Teil der Churer Diözese. Gestärkt und weiter gefestigt wurde diese dann durch die von Carlo Borromeo angeregte wichtige Institution einer ständigen Nuntiatur mit Sitz in Luzern. b) Errichtung einer ständigen Nuntiatur in Luzern In seiner Funktion als Protektor der Eidgenossen bemühte sich Carlo Borromeo unermüdlich um die Verwirklichung seines 1570 formulierten Vorschlags; doch erst nach zähen Verhandlungen und einer 15-jährigen Zeitspanne, die geprägt war durch Sondermissionen päpstlicher Gesandter sowohl für das Gebiet der Schweizer Quart des Bistums Konstanz als auch für das Bistum Chur, gelang 1586 die Entsendung des ersten ständigen Nuntius für die Schweiz mit Sitz in Luzern. Papst Sixtus V. (1585-1590) betraute mit diesem Amt Giovanni Battista Santonio, Bischof von Tricàrico (1586-1592), einer Stadt in der süditalienischen Provinz Matera. Am 17. August 1586 wurde das päpstliche Beglaubigungsschreiben an die sieben katholischen Orte der Eidgenossenschaft ausgestellt, worin Sixtus V. Santonio eindeutig als «nuntius ordinarius» bezeichnete und damit die Geburtsstunde einer ständigen Nuntiatur für die Schweiz einläutete (1586-1873 in Luzern / 1873-1920 keine offizielle Vertretung / ab 1920 in Bern). Am 24. August 1586 reiste Nuntius Santonio von Rom ab, visitierte auf seinem Reiseweg in den Norden das Collegio Elvetico in Mailand und das Collegio di Papio in Ascona. Am 26. September traf er in Luzern ein, wo er am 4. Oktober offiziell den Boten der sieben katholischen Orte sein Kreditiv vorlegte. Bis 1798 wurden die jeweiligen Nuntien nur bei den katholischen Orten/ Kantonen akkreditiert; für die Drei Bünde (als Zugewandter Ort der Eidgenossenachft) war dies nie vorgesehen. Santonio blieb lediglich bis Mitte August 1587 in Luzern; ihm folgte der Bischof von Alessandria (1584-1593), Ottavio Paravicini (1587-1591). Das Betätigungsfeld der jeweiligen Amtsinhaber der Luzerner Nuntiatur - von 1586 bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts waren die päpstlichen Gesandten immer Diözesanbischöfe - war durch weitgehende geistliche Jurisdiktionsrechte abgesichert. Gerade das lange Zeit von seinem eigenen Oberhirten vernachlässigte Bistum Konstanz im zu Ende gehenden 16. Jahrhundert zeigt, wie der Nuntius von Luzern aus - wenn auch nur faktisch - als «Quasiordinarius» der Schweizer Quart die anstehenden bischöflichen Aufgaben wahrnahm. Mit dem Sitz in Luzern schuf die römische Kurie also eine politische wie kirchliche Instanz, die zum einen in Korrelation, zum anderen oft in Konkurrenz zu den jeweiligen Ortsbischöfen als wirksames Instrument die Umsetzung der tridentinischen Reform voranzutreiben hatte. <?page no="203"?> 203 8. Situationsanalyse und wegweisende Initiativen zu einer innerkirchlichen Erneuerung im Bistum Chur 8. Situationsanalyse und wegweisende Initiativen zu einer innerkirchlichen Erneuerung im Bistum Chur nach Trient an der Wende zum 17. Jahrhundert a) Verordnete Trienter Luft für den Churer Bischof Der aus Zuoz im Engadin stammende Thomas Planta, am 21. Dezember 1549 als Nachfolger von Luzius Iter vom Churer Domkapitel zum neuen Churer Bischof gewählt (1550-1565), weilte zur Zeit der zweiten Konzilsperiode (1551/ 52) in Rom, um sich gegen Anschuldigungen seines Widersachers und bei der Bischofswahl unterlegenen Erzpriesters von Sondrio, Bartholomäus Hieronymus von Salis (1501−1570), zur Wehr zu setzen. Die Untersuchungen an der Kurie verliefen zugunsten Plantas. Noch in Rom erhielt er am 10. Oktober 1551 die Bischofsweihe. Papst Julius III. verpflichtete den bestätigten Churer Bischof, den Weg seiner Heimreise über Trient zu wählen, um dort den Konzilsverhandlungen beizuwohnen. Am 29. Oktober 1551 traf Planta in Trient ein, wo er bis zur Suspendierung des Konzils am 22. April 1552 verblieb. Als im Freistaat der Drei Bünde die Kunde laut wurde, Planta weile tatsächlich für längere Zeit auf dem Konzil, regte sich alsbald Misstrauen und heftige Empörung. Insbesondere die Prädikanten suchten dem bischöflichen Aufenthalt entgegenzuwirken, indem sie den Gläubigen zu verstehen gaben, die erfolgte Bestätigung Plantas in Rom gereiche ganz Bünden zum Schaden. Der Gotteshausbund sandte sogar einen Gesandten nach Trient mit der anmassenden Forderung an den Bischof, sich in nichts einzulassen, was auch immer auf dem Abb. 135: Thomas Planta, Bischof von Chur (1550-1565) [Foto: Hugo Hafner] Abb. 136: Giovanni Antonio Volpe, Bischof von Como (1559-1588) [BAC.BA] <?page no="204"?> 204 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) Konzil behandelt und beschlossen werde, da Planta vom Gotteshausbund hierzu keinerlei Vollmachten erhalten habe. Diese Reaktion macht den Machteinfluss der weltlichen Seite auf die (äusserst geschwächte) geistliche Regierung eines Churer Bischofs um die Mitte des 16. Jahrhunderts deutlich. Trotz Drohungen verharrte Planta in Trient - mehr aus Gehorsam gegenüber der päpstlichen Weisung als aus innerer Überzeugung für die Sache der Reform; denn auf der entscheidenden dritten Periode war Planta nicht mehr in Trient anzutreffen. Da der Comer Bischof Giovanni Antonio Volpe (1559−1588) nicht zuletzt in seiner Stellung als apostolischer Sondergesandter für die katholische Eidgenossenschaft und Bünden Planta wiederholt annahmte, als Churer Oberhirte «proximus Tridenti» sei ihm die Teilnahme nicht nur möglich, sondern als Episcopus mit dem Blick auf die Not der Gesamtkirche sei er dazu schlechthin verpflichtet, rettete sich Thomas Planta aus der misslichen Situation, indem er zuerst den Einsiedler Abt Joachim Eichhorn (für 1562), und dann Volpe selbst (für 1563) als seine Prokuratoren auf dem Konzil benannte. Von einer zweiten persönlichen Teilnahme hielt sich Planta aufgrund der kirchenpolitisch unruhigen Lage in seiner Heimat definitiv für entschuldigt. Nach Beendigung des Konzils unterzeichnete Volpe die Konzilsdekrete «pro me et procuratorio nomine Reverendissimi Domini Thomae Planta episcopi Curiensis». Im Oktober 1564 erhielt Planta von Volpe die gedruckten Konzilsdekrete nach Chur gesandt; deren Umsetzung war nun Sache des Ortsbischofs. Thomas Planta, persönlich nicht nur wenig darum gelegen, sondern zudem ohne interne reformgesinnte Stütze im Domkapitel und Klerus dastehend, hatte hierzu keine Gelegenheit mehr; er starb am 28. April 1565 während eines Kuraufenthalts im Bad Fideris an einer fieberhaften Erkrankung. b) Erste Reformen auf Ebene der Diözesanleitung Schlechte Voraussetzungen Auch Plantas Nachfolger auf dem Churer Bischofssitz musste sich gegen den streitsüchtigen Herausforderer Bartholomäus Hieronymus von Salis und seine Anhängerschaft ein weiteres Mal in Rom durchsetzen. Beat à Porta (1565−1581), ein Churer Bürger, doch aus Davos stammend, seit 1562 Stadtpfarrer in Feldkirch, wurde am 26. Mai 1565 vom Domkapitel rechtmässig gewählt, von Papst Pius IV. am 24. August 1565 bestätigt und wiederum in Rom im November des gleichen Jahres zum Bischof geweiht. Obwohl Kaiser Maximilian II. (1564-1576) dem Churer Bischof bereits am 10. Februar 1566 die Reichsregalien verliehen hatte, konnte Beat à Porta erst nach intensiver Vermittlung seitens der Eidgenossenschaft aus dem Vinschgau (Fürstenburg) bzw. aus Feldkirch am 2. Januar 1567 in seine Residenz auf dem Hof in Chur einziehen, welche durch Misswirtschaft seines Widersachers von Salis und durch einen verheerenden Brand 1565 völlig heruntergekommen war (Schadens- und Schuldensumme: ca. 100’000 Gulden). Unter Druck der Stadt Chur hatte von Salis resigniert und das Schloss in Chur verlassen; 1570 verzichtete er auch auf das bislang innegehabte Churer Kanonikat und starb im gleichen Jahr in Albosaggia im Veltlin. <?page no="205"?> 205 8. Situationsanalyse und wegweisende Initiativen zu einer innerkirchlichen Erneuerung im Bistum Chur Das Konfliktpotenzial zwischen Vertretern des Gotteshausbundes, welche von Salis lange unterstützt hatten, und dem neuen Ordinarius wurde in der Folge keineswegs geringer, sondern verstärkte sich noch durch den Erlass von vier Artikeln des Gotteshausbundes vom 22. November 1574, wonach der Churer Bischof diesen Bund als seinen Schutz- und Schirmherrn anzuerkennen und ihm sämtliche Abrechnungen vorzulegen hatte. Beat à Porta verweigerte den geforderten Eid auf diese anmassenden (staatlichen) Kapitulationen, floh auf seine zur Fluchtresidenz gewordene Feste Fürstenburg im Vinschgau und weigerte sich (wie schon Paul Ziegler), unter diesen Gegebenheiten nach Chur zurückzukehren. 1576 ernannte à Porta Dompropst und Generalvikar Nicolaus Venosta (1563/ 71−1596) zu seinem Stellvertreter in Chur. Da die bischöflichen Einkünfte in Bünden gesperrt waren und der Druck des damaligen päpstlichen Sondergesandten Giovanni Francesco Bonhomini (1579−1581) zur Rückkehr nach Chur immer intensiver wurde, resignierte Beat à Porta 1580. Mit Ausstellung eines Pensionsvertrags vom 4. Juni 1581 (in der Höhe von jährlich 400 Gulden) erlangte die Demission Rechtskraft. Noch 1578 verfasste à Porta auf der Fürstenburg einen ausführlichen Bericht an die katholischen Orte der Eidgenossenschaft. Darin heisst es in ungeschminkter Wortwahl: «[...] Jeder selbst bapst vnnd bischoff vnnd landsherr sin will, niemand mer für ein schäfle gehalten werden, vß schäfler nit allein böckler, sonder gar zuo wölffen, bären vnnd wilden schwynen gerathen. Vnnd ist auch die ergernuß, muotwill vnnd vngehorsam nit allein vnder den leyen vnnd den lichtfertigen pfaffen verpliben, sonder auch in die wenig überblibnen clöster vnder äpt vnnd religiosen geraten. [...] Ja, in unserem domcappitel selbst, da wie vormals auch iezt noch beider gefunden, die vmb ires anhangs vnnd fründtschafft willen, vonn vnns nit mögen zuo gebürlicher zucht vnnd gehorsam gebracht werden […]». Abb. 137: Beat à Porta, Bischof von Chur (1565-1581) [Foto: Hugo Hafner] Abb. 138: Giovanni Francesco Bonhomini, päpstlicher Sondergesandte (1579-1581) [BAC.BA] <?page no="206"?> 206 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) Reformen für das Churer Domkapitel 1578 Die im Schreiben des Bischofs von Chur angesprochenen Missstände, welche bis ins Domkapitel reichten, versuchte der apostolische Gesandte in der Eidgenossenschaft und in Rätien, Feliciano Ninguarda (1578−1583), ein Dominikaner im Bischofsrang, anhand erster Reformverordnungen wenn auch keineswegs gänzlich zu beseitigen, so doch wenigstens zu mindern. Die Verhandlungen zwischen Ninguarda, Bischof à Porta und Vertretern des Churer Domkapitels fanden Ende November / Anfang Dezember 1578 auf der Fürstenburg statt. In der Person Venostas erkannte Ninguarda eine reformwillige Persönlichkeit, bestätigte seine Ernennung zum Generalvikar und zeigte sich grundsätzlich bereit, den Domherren bei der Umsetzung der Trienter Reformen zu helfen, forderte jedoch Disziplin und vorbildliches geistliches Leben. Am 1. Dezember 1578 erliess der päpstliche Sondergesandte Verordnungen für das gesamte, damals 28-köpfige Churer Domkapitel. Unter anderem legte er ihnen die Pflicht zu regelmässigem und würdig gestaltetem Gottesdienst und Chorgebet in der Kathedrale zu Chur nahe. Im Konkubinat lebende Domherren hatten ihre Konkubinen binnen 8 Tagen zu entlassen. Für die Führung der Haushalte durfte nur mehr eine mindestens 46-jährige Frau guten Rufes und nicht ohne bischöfliche Einwilligung angestellt werden. Jene Kanoniker, welche ihre Pfründe auf simonistische Art und Weise erworben hatten, forderte Ninguarda ultimativ auf, um Absolution nachzusuchen. Künftig sollten keine Kanonikate − nicht ohne eingehende Prüfung − an Kleriker vergeben werden, die nicht mindestens das 22. Lebensjahr vollendet hatten, sich über eine genügende Bildung ausweisen konnten und bereits Subdiakone waren. Nicht nur Abb. 139: Peter Raschèr, Bischof von Chur (1581-1601) [Foto: Hugo Hafner] Abb. 140: Feliciano Ninguarda, päpstlicher Sondergesandter (1578-1583) [BAC.BA] <?page no="207"?> 207 8. Situationsanalyse und wegweisende Initiativen zu einer innerkirchlichen Erneuerung im Bistum Chur das jährliche Generalkapitel, sondern auch die wöchentliche Sitzung der Residentialen zur Erledigung anstehender Geschäfte hatte wieder regelmässig stattzufinden. Mit dem Reformpaket des Dominikanerbischofs Ninguarda liegt ein erster konkreter Versuch nach Trient vor, die an der Diözesanleitung beteiligten Kräfte aus dem Churer Domkapitel auf den Weg der Reform zu führen. Dank der Bemühungen Ninguardas, aber auch seines Nachfolgers Giovanni Francesco Bonhomini, alsbald über Domherren zu verfügen, deren Leben, Denken und Handeln nicht primär von Eigennutz bestimmt, sondern auf die notwendige innerkirchliche Reform gerichtet war, standen ab 1590 dem neuen Churer Bischof Peter Raschèr (1581-1601) - er stammte aus Zuoz und war bis 1578 Pfarrer in Bergün, dann von 1578 bis 1581 Domkantor − mehrere reformwillige Kapitulare zur Seite, die letztlich auch den Bischof von der Notwenigkeit einer geistig-geistlichen Erneuerung bei Klerus und Volk zu überzeugen vermochten. Reformen für Bischof und Domkapitel 1598/ 99 Die kurialen Instruktionen aus dem Jahre 1595 für den zwischen 1595 und 1606 in der Eidgenossenschaft und Rätien tätigen Nuntius Giovanni della Torre, Bischof von Veglia (1589−1623), legten ein besonderes Augenmerk auf die Lage der Diözese Chur, welche, wie es hiess, am vordringlichsten der Reform bedurfte. Für genauere Kenntnisse über die gegenwärtige Situation im Bistum wurde della Torre geraten, sowohl mit Generalvikar Venosta als auch mit dem Stadtpfarrer von Feldkirch (1585−1597) und Domherrn Johann Flugi - er stammte aus La Punt-Chamues-ch im Oberengadin − die Zusammenarbeit zu suchen, von denen er segensreiche Unterstützung erhoffen könne. Anfang Mai 1598 begab sich der päpstliche Gesandte nach Chur. Dort verhandelte er mit Bischof Peter Raschèr. Der Nuntius beanstandete, dass nach wie vor fast alle Kanoniker ausserhalb von Chur ihr Domizil hätten und zusätzlich eine Pfarrei versähen, was einer Pfründenhäufung gleichkomme. Den Vorwand, die Einkünfte würden für den Unterhalt residierender Domherren nicht ausreichen, wies er nach eingehender Prüfung als nicht stichhaltig zurück und ordnete an, neben dem Propst, Dekan und Kustos hätten drei weitere Kapitulare ganzjährig auf dem Hof zu wohnen, welche dann auch den Gottesdienst in der Kathedrale wieder regelmässig und in würdiger Form feiern mussten. Weitere Verhandlungen mit Bischof und Domkapitel führte della Torre im Spätherbst 1598 in Feldkirch. Für das gesamte Capitulum Curiense erliess der Nuntius seit den letzten Reformverordnungen unter Ninguarda Richtlinien und Statuten, in welchen die Residenzpflicht von sechs Dignitären verankert wurde. Seitdem unterscheidet man für den Churer Sprengel ‹residierende› und ‹nichtresidierende› Domherren. Mit Einwilligung Raschèrs ernannte della Torre den seit 1597 das Amt des Domdekans bekleidenden Johann Flugi zusätzlich zum neuen Generalvikar. Flugi folgte dem eingeschlagenen Reformkurs des 1596 verstorbenen Venostas und übernahm 1601 als erster Reformbischof für volle 25 Jahre die Leitung der Diözese. Das mit hohen Schulden belastete Bistum bekam des weiteren in Dompropst Ferdinand de Mont (1597-1607) einen in Finanzfragen kundigen Ökonom. Den Abschluss der in Feldkirch geführten Besprechungen bildete der im März 1599 von Giovanni della Torre vorgelegte umfangreiche Reformkatalog für Bischof <?page no="208"?> 208 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) und Domkapitel. Ersterer hatte sich seines verantwortungsvollen Hirtenamtes zu erinnern, dieses treu zu verwalten und als Vorbild seinen Klerus, welcher vor der Ordination über Leben und theologische Bildung zu prüfen war, zu einem priesterlichen Leben zu ermahnen. Zudem bemühe er sich gemäss der Konzilsforderung, seine ganze Diözese «per se ipsum», also in eigener Person, regelmässig zu visitieren und Diözesansynoden abzuhalten. Als Verbindungspersonen zwischen Ordinariat und Dekanate waren neu vier bischöfliche Vikare in der Funktion eines Ortspfarrers (sog. «vicarii foranei») zu platzieren: einer zwischen Chur und Lantsch/ Lenz, der andere in Feldkirch, der dritte im Vinschgau und der vierte in der Mesolcina. Um Einheit und Zusammenarbeit zwischen Ordinarius und Kapitularen zu fördern, war monatlich eine gemeinsame Sitzung des Residentialkapitels mit dem Bischof abzuhalten, um über wichtige Angelegenheiten im geistlichen wie weltlichen Bereich zu beraten und hierfür Lösungen zu erarbeiten. Die sechs zur Residenz auf dem Hof verpflichteten Domherren (Propst, Dekan, Scholastikus, Kantor, Kustos, der Sextar kam definitiv erst 1630/ 33 hinzu) wurden ihrerseits zur wöchentlichen Sitzung verpflichtet, um anstehenden Geschäften kontinuierlich nachzukommen. Am 8. März 1599 berichtete Nuntius della Torre über seine Tätigkeit im Churer Sprengel nach Rom und betonte, dass der Churer Bischof endlich einige reformwillige Domherren um sich geschart wisse, an denen er eine wirkliche Stütze zu weiteren Reformmassnahmen in der Diözese besitze. Insgesamt zeigte sich della Torre zuversichtlich, dass durch gemeinsames Bemühen von Bischof und Domkapitel zusammen mit dem Pfarrklerus der inneren Erneuerung im Bistum der Weg nach zähem Ringen geebnet sei. c) Erste Reformen auf Ebene der Pfarreien und Seelsorge(r) Da Beat à Porta in seinem Bericht von 1578 an die katholischen Orte der Eidgenossenschaft davon sprach, dass vorab in Bünden durch willkürliche Beschlüsse «die verlihungen der pfarrer vnnd anderer beneficien» Angelegenheit der Gemeinden geworden seien und diese mancherorts «selbst seelsorger jres willens», oft «ohrm krätzler und schmeichler», eingesetzt hätten, bleibt in einem weiteren Punkt die Frage nach dem Zustand in der Pastoral zu beantworten. Hierfür kann zu den ersten noch vorhandenen Visitationsakten gegriffen werden, welche die Situation in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in drei katholisch gebliebenen Dekanaten des Bistums Chur beleuchten - zum einen die Berichte über die bereits angesprochene Visitation durch Carlo Borromeo im Misox in der zweiten Hälfte des Monats November 1583, zum anderen die Akten zu der unter Leitung des Feldkircher Pfarrers Johann Flugi im Auftrag des Churer Bischofs durchgeführten Visitation im Walgau und Vinschgau in den Sommermonaten 1595. Glaubens- und Sittenzustand bei Klerus und Volk im Dekanat Misox 1583 In einer ersten Relation vom 15. November 1583 aus Roveredo nach Rom hob Carlo Borromeo drei Hauptursachen für die angetroffene geistliche Misere im Tal hervor: den aus Unwissenheit in Sitte und christlicher Lehre erwachsenen eigenwilligen Aberglauben, <?page no="209"?> 209 8. Situationsanalyse und wegweisende Initiativen zu einer innerkirchlichen Erneuerung im Bistum Chur das Fehlen geeigneter Seelsorger sowie die Usurpation kirchlicher Gerichtsbarkeit durch die Gemeinden. Der Propst des Kollegiatsstifts San Vittore wurde seiner geistlichen Ämter enthoben; an seine Stelle berief Borromeo den Rektor des Collegio Elvetico, Giovanni Pietro Stoppano (1555−1622), einen aus Grosotto im Veltlin stammenden hervorragend geschulten Akademiker sowie ausgezeichneten Seelsorger. Als Propst und zudem Administrator von Roveredo und Sta. Maria in Calanca erwuchs Stoppano zu einer zentralen Führungsgestalt für die Reformarbeit in der Mesolcina. In einer weiteren Relation vom 29. November 1583, diesmal aus Bellinzona, hielt der Kardinal fest, bei seiner Ankunft im Dekanat Misox - zwischen den 12. und 30. November nachweislich besuchte Ortschaften waren: San Vittore, Roveredo, Sta. Maria in Calanca und Sta. Maria del Castello, Mesocco - habe er lediglich 11 Geistliche (davon 6 aus dem Kollegiatsstift San Vittore) registriert, von denen die Mehrzahl ein in vielen Belangen vernachlässigtes Priesterleben führe. Zwei Beispiele: In Mesocco hatte sich ein aus Italien geflüchteter Franziskaner mit seiner Konkubine und vier Kindern niedergelassen; in Roveredo funktionierte ein entlaufener Benediktiner aus dem Raum Venedig. Aufgrund des akuten Mangels geeigneter Seelsorger seien - keineswegs verwunderlich - die Kirchen im Misox ungepflegt und starrten geradezu vor Schmutz (wörtlich: «Le chiese per difatto dei sacerdoti sono afatto inculte e sordidissime.»). Um einen Neuanfang in der Seelsorge überhaupt starten zu können und mittelfristig zu festigten, holte Borromeo diverse Seelsorgekräfte aus Italien in die Mesolcina - ein dem Kardinal durch die gegebene Situation sehr wohl bewusstes und nur bedingt befriedigendes Provisorium, welches erst durch den Einsatz der mehrheitlich aus dem Tal stammenden und gut ausgebildeten Priestergeneration im 17. Jahrhundert abgelöst werden konnte. Abb. 141: Carlo Borromeo predigt in der Valle Mesolcina [BAC.BA] <?page no="210"?> 210 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) In der «Relatione summaria», also dem offiziellen Schlussbericht über die Visitationstätigkeit, verfasst anfangs Dezember 1583 in Bellinzona, betonte Borromeo, die Bevölkerung in der Mesolcina sei durchaus noch katholisch, bedürfe aber infolge der Missstände bei Klerus, in Liturgie und Seelsorge eindeutiger Orientierungshilfen. Diverses reformatorisches Schriftgut sei beschlagnahmt, dafür italienisch verfasste Katechismen verteilt und bereits in seiner Anwesenheit eifrig Katechesen gehalten worden. Die nun im Tal von ihm stationierten Geistlichen würden sich weiter um eine Festigung des katholischen Bekenntnisses bemühen. Bereits am 28. November 1583 schrieb er (in Latein) auch an den Churer Bischof. Die darin enthaltene Kritik an der bischöflichen Hirtensorge wog schwer und rief zum Handeln auf: «Erinnere dich der übernommenen Pflicht, die Schafe Christi zu weiden, worüber du einst Christus selbst, der sie mit seinem Blut erlöst hat, Rechenschaft geben musst. Deine grosse Sorglosigkeit in der Ausübung des Hirtenamtes ist durchaus tadelnswert und unentschuldbar. […] Ich ermahne, ja bitte und beschwöre dich, die übernommenen Pflichten genauer, als du es bis anhin getan hast, wahrzunehmen und dich um das Seelenheil der dir anvertrauten Gläubigen zu kümmern. Visitiere deine Diözese regelmässig. […]». Zustand des Klerus und der Seelsorge in den Dekanaten Walgau und Vinschgau 1595 Peter Raschèrs Absichten zu eigenen Visitationen in seiner Amtszeit zwischen 1581 und 1601 waren äusserst bescheiden und beruhten meist auf Druck ‹von aussen› - so auch in den österreichischen Anteilen des Bistums Chur, den Dekanaten Walgau und Vinschgau, wo der Bischof erst auf wiederholtes Drängen des Erzherzogs Ferdinand II. und des damaligen Nuntius Girolamo de Porzia (1595) schliesslich 1595 Visitatoren aussandte. Neben einem Augenmerk auf die baulichen Zustände der einzelnen Gotteshäuser und deren Ausstattung legten die Delegierten bei ihren Pfarreibesuchen im Walgau, insbesondere aber in der wirklich erstmals gründlich durchgeführten Visitation im Ober- und Untervinschgau sowie im Burggrafenamt zwischen Mai und Oktober 1595 das Hauptgewicht auf die Personalvisitation. Anhand der präzisen, fast ausschliesslich auf Latein niedergeschriebenen Aufzeichnungen wird deutlich, wie weit der Klerus in den beiden Dekanaten, den katholischen Kernlanden des Bistums Chur, von einer geistig-geistlichen Erneuerung entfernt war und wie vordringlich diese deshalb erschien. Von den 84 im Protokoll namentlich registrierten Geistlichen stammten 39 Säkularkleriker aus dem Churer Bistumsgebiet, 11 waren Ordensleute, 34 Weltgeistliche kamen aus benachbarten Diözesen (15 davon aus dem Bistum Konstanz) - das heisst, nicht einmal die Hälfte konnte dem Diözesanklerus zugerechnet werden (46 %). Aufgedeckte Missstände wurden im Protokoll ohne Rücksicht auf die Person detailliert festgehalten, zum Teil mit Bussgeldern geahndet, vereinzelt mit Verhängung der Suspension bestraft. Vorwiegend in der Sakramentenlehre wiesen die Kleriker mangelhafte Kenntnisse aus («satis ignorans»), was bis zur Unkenntnis der lateinischen Tauf- und Absolutionsformel oder des Credos reichen konnte. Statt an Sonn- und Feiertagen Christenlehre abzuhalten, besuchten im Dekanat Walgau 40 % der Geistlichkeit lieber regelmässig das Wirtshaus, um sich dort bei Wein, Weib und Gesang zu amüsieren; im Vinschgau waren es 14 %. 23 Geistliche <?page no="211"?> 211 8. Situationsanalyse und wegweisende Initiativen zu einer innerkirchlichen Erneuerung im Bistum Chur Abb. 142: Auszug aus dem Visitationsprotokoll von 1595 mit Angaben zu Gaschurn und Schruns [BAC] Ablauf der im Auftrag des Churer Bischofs Peter Raschèr durchgeführten Visitation 1595 13. Februar Examen des Vorarlberger Klerus in Feldkirch April Visitation im Montafon Mai Visitation im Ill- und Rheintal Juni-Juli Visitation im Vinschgau und Burggrafenamt Mitte August Visitation im Paznauntal Ende August Visitation im Grosswalsertal Mitte September Visitation in Altenstadt Anfang Oktober Visitation in Rankweil, Fraxern und Laterns Mitte Oktober Visitation in Triesen und Balzers (zum Dekanat Unter der Landquart) Visitatoren: • Hieronymus Huttler, Abt des Prämonstratenserklosters St. Luzi in Chur (1582- 1596) und gleichzeitig Pfarrer in Bendern • Domscholastikus Johann Flugi, Stadtpfarrer in Feldkirch (1585-1597) • Christian Capitel, Pfarrer in Tosters (1588-1599) • Domherr Balthasar Moritsch, Pfarrer in Schluderns (1580-1599) und bischöflicher Vikar im Vinschgau <?page no="212"?> 212 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) lebten jeweils in ihrem Pfarrhaus mit einer Konkubine zusammen; diese Frauen waren, so die strikte Weisung, bis zum 11. November 1595 zu entlassen. Das Bild des Klerus war in der Tat in düsteren Farben zu malen: Insgesamt verzeichneten die Visitatoren für 50 % des Klerus moralisch-sittliches Fehlverhalten. Keineswegs besser war die Situation in der Pastoral: Verbreitete Unwissenheit, Tiefstand in der Frömmigkeit, zur Gleichgültigkeit verkommener Seeleneifer und beklagenswerter Lebenswandel schrien nicht allein nach einer gründlichen Um- und Neugestaltung der (Pfarr-) Seelsorge, sondern der miserable Zustand in den von der Reformation verschont gebliebenen Territorien forderte einen neuen vorbildlichen Priesterstand, um dessen diözesane Rekrutierung man grosse Anstrengungen unternehmen musste. Denn nur gerade von fünf Geistlichen berichtet das Protokoll Positives; so etwa vom Pfarrer in Sonntag im Grosswalsertal: «Scit formas sacramentorum. Bonus et pius, et in morali et sacramentali doctrina utcumque instructus.» - Das Resultat der ersten gründlichen Diözesanvisitation im Auftrag eines Churer Ordinarius nach Trient rief nach baldigen Konsequenzen. Die Verordnungen von Nicolaus Venosta (um 1595) als Vermächtnis eines diözesanen Reformers Durch das Resultat der ersten gründlichen Visitationen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Bistum Chur alarmiert, verfasste Generalvikar Nicolaus Venosta wahrscheinlich noch im Kalenderjahr 1595 Verordnungen in 35 Artikeln, die sich in unmissverständlicher Sprache, in manchen Punkten Beschlüsse des Konzils von Trient aufgreifend, an die Pfarrherren und an den gesamten Klerus der Diözese richteten. Sie können gleichsam als Vermächtnis des diözesanen Reformers (gest. am 6. November 1596) gesehen werden. Die vier gewählten thematischen Schwerpunkte - Lebenswandel des Klerus, Pfarrseelsorge, Verwaltung kirchlicher Güter/ Gelder sowie Sakramentenpastoral - verdeutlichen, in welchen Bereichen die Erneuerung beginnen und intensiv vorangetrieben werden musste. Ein paar Punkte seien herausgegriffen: Den Pfarrern wurde eingeschärft, das Wort Gottes treu der kirchlichen Lehre und in Liebe zu verkünden, damit in den Gemeinden Frieden und Eintracht wachsen können. Erstmals findet sich die tridentinische Weisung zur Anschaffung von Matrikelbüchern (Tauf-, Ehe- und Firmbuch). Nur in Notfällen und wenn kein Geistlicher in Rufweite sei, könne man in privaten Räumlichkeiten die Nottaufe spenden; die korrekte Taufformel wird hinzugefügt. Die Eucharistiefeier dürfe ohne vorliegende Erlaubnis des Ortsordinarius nur in der Kirche gefeiert, diese soll stets würdig zelebriert sowie die Utensilien hierfür sauber gehalten werden. Die an manchen Orten vernachlässigte Krankenkommunion wurde als zentrale Pflicht eines jeden Seelsorgers herausgestrichen. Ebenso bedurfte das Sakrament der Versöhnung einer Wiederbelebung; die Beichte sollte immer in der Kirche in einem dafür (in den meisten Orten noch) zu installierenden Beichtstuhl gespendet werden. Für eine gültige Eheschliessung verwies Venosta auf das Trienter Tametsi-Dekret. <?page no="213"?> 213 8. Situationsanalyse und wegweisende Initiativen zu einer innerkirchlichen Erneuerung im Bistum Chur Abb. 143: Verordnungen von Dompropst und Generalvikar Nicolaus Venosta, um 1595 [BAC] <?page no="214"?> 214 IX. Das Bistum Chur zwischen Reformation, Reformkonzil und Beginn innerkirchlicher Erneuerung (16. Jahrh.) Die Jahrzehnte nach Trient bis an die Schwelle des 17. Jahrhunderts sind im Churer Sprengel als eine entscheidende Zeit der Situationsanalyse sowohl im Bereich der Seelsorger als auch im Bereich der Seelsorge zu charakterisieren. Gerade in einer Zeit des Kampfes der Bistumsleitung um kirchliche Unabhängigkeit gegenüber wiederholt hartnäckigen Versuchen staatlicher Einflussnahme - insbesondere in Bünden - gelang mit der ‹Hilfe von aussen›, der päpstlichen Gesandten und Nuntien, welche primär eine Reform in der Diözesanleitung (Bischof und Domkapitel) erfolgreich zu erreichen suchten, sekundär allmählich das Bewusstsein für die innerkirchliche Selbstreform bei Klerus und Volk schärften. Als hilfreiches Instrument bei dieser Situationsanalyse erwies sich die kirchliche Visitation; sie öffnete den Blick in den aktuellen Zustand, vorab bei der Geistlichkeit, und rief zum Handeln. Entsprechend wird das 17. Jahrhundert im Bistum Chur zurecht als Zeit der Umsetzung tridentinischer Reform beschrieben, deren treibende Kräfte nun die Churer Bischöfe selbst waren, welche mit Hilfe einer allmählich heranwachsenden neuen Priestergeneration auch der Pastoral ein positives Erscheinungsbild geben konnten. Abb. 144: Spottbild auf die kaiserlichen Truppen vor Chur, im Jahre 1622 [BAC.BA] <?page no="215"?> 215 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) 1. Abriss der kirchenpolitischen Situation des Bistums Chur zwischen 1600 und 1700 Die vielschichtig ineinander verwobenen und sich überstürzenden Ereignisse im Freistaat der Drei Bünde im europäischen Spannungsfeld des 17. Jahrhunderts - hervorgerufen durch Parteienkampf zwischen französisch-venezianischen und spanisch-habsburgisch Gesinnten, Bündnisversprechungen gegenüber den politischen Grossmächten und Bestechungen - führten zu einem jahrelangen gespannten Verhältnis zwischen «Staat» und «Kirche», das vor allem die Regierungszeit des ersten nachtridentinischen Reformbischofs des Bistums Chur, Johann V. Flugi von Aspermont (1601-1627), und das Voranschreiten bzw. Hinhalten in Fragen der innerkirchlichen Reform massgeblich bestimmte. Die unrühmlichen «Bündner Wirren» nahmen mit dem Churer Strafgericht 1607 und den beiden Strafgerichten zu Ilanz 1607/ 08 ihren Anfang. Der Urteilspruch «im nammen gemeiner drey Pündten» vom 27. Juli 1608 enthielt erneut die unannehmbare Forderung aus dem Jahre 1574 an den Churer Bischof, die Drei Bünde als seine rechtmässige Obrigkeit anzuerkennen und dies öffentlich kundzutun. Bei Weigerung drohte ihm Landesverweis und Amtsenthebung. Der bereits 1607 nach Feldkirch geflüchtete und anschliessend auf der Fürstenburg weilende Johann V. kehrte 1610 unter Zusicherung freien Geleits kurzzeitig nach Chur zurück, musste jedoch bald wieder ins Vorarlbergische bzw. in den Vinschgau ausweichen, von wo aus er seinen bischöflichen Aufgaben soweit möglich nachzukommen suchte. Auf dem 1618 abgehaltenen Strafgericht zu Thusis, wo Erzpriester Nicolò Rusca aus Sondrio (1563-1618) unter der Folter starb, verurteilte man anhand von willkürlich aufgestellten Anklagepunkten am 15.-September auch den Churer Bischof. Das Urteil lautete auf Landesverweis; bei seiner Rückkehr nach Bünden drohte Johann-V. die Todesstrafe. Die von den Mitgliedern des Domkapitels in Betracht gezogene Resignation des Bischofs lehnte Flugi ab, da sein Amtsverzicht einer Anerkennung des Schandurteils von Thusis gleichgekommen wäre und zum Schaden des katholischen Glaubens in Bünden und des ganzen Bistums gereichte. Die Justiz in Bünden, das in den Zustand der völligen Anarchie geraten war, verkam zu einem tödlichen Werkzeug der Parteileidenschaft im politischen und konfessionellen Zwist. Am 15. Januar 1622 erfolgte in Mailand die Erneuerung der seit 1518 bestehenden Erbeinigung, einer bis zum Friedenskapitulat von 1639 grundsätzlich geltenden Rechtsnorm, zwischen dem Hause Habsburg und dem Bischof von Chur, dem Grauen Bund, dem Gotteshausbund sowie der Herrschaft Maienfeld. Der unter Federführung Spaniens und Österreichs ausgearbeitete Text von 1622 verpflichtete die Unterzeichnenden zur Restitution aller dem Bistum Chur zustehenden Güter und Rechte, zur Annullierung sämtlicher antikatholischer Dekrete seit dem 16. Jahrhundert sowie zur uneingeschränkten Akzeptanz und Missionstätigkeit kirchlich anerkannter Orden. Der Vertragsabschluss <?page no="216"?> 216 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) bot im österreichisch besetzten Territorium Bündens die Handhabe zu energischen Rekatholisierungsversuchen, welche den Prättigauer Aufstand (23./ 24. April 1622) hervorriefen, in deren Verlauf der Kapuziner Fidelis von Sigmaringen (1577/ 78 -1622) in Seewis i. Pr. ermordet wurde. Österreichs Truppen drangen in Bünden ein [vgl. Abb. 144]. Der im Windschatten der österreichischen Truppenpräsenz in Bünden am 30. September 1622 ausgehandelte Lindauer Vertrag und die sog. «Scappischen Artikel» vom 18. Dezember 1623 unterstrichen die bereits in Mailand formulierten Forderungen: [1.] Annullierung antikatholischer Bestimmungen, [2.] vollständige Religionsfreiheit und damit verbunden Akzeptanz kirchlich anerkannter Ordensgemeinschaften (v. a. Kapuziner, Jesuiten), [3.] Anerkennung der Beschlüsse von Trient, [4.] Einführung des Gregorianischen Kalenders in katholischen Gemeinden Bündens. Als wichtige Markierung auf dem Weg zur innerkirchlichen Stabilisierung erwies sich die in Lindau festgeschriebene Garantie, «die catholische Religion aller orten in den Püntten und Herrschafft Mayenfeld» könne «ungehindert» praktiziert werden. Konkrete Auswirkungen auf die Pastoral in Katholisch-Bünden sowie in den anderen Bistumsregionen hatte dies: 1. auf die zunehmende Visitationstätigkeit, verbunden mit Firmspendungen und Kirchweihen durch den Bischof (Generalvisitation des gesamten Churer Bistums zwischen September 1638 und Oktober 1643); 2. auf die Einsetzung reformeifriger und an von Jesuiten geführten Bildungsstätten im nahegelegenen Ausland ausgebildeter Priester in den Gemeinden; 3. auf die vermehrte Dismembration von grossen (Tal-)Pfarreien mit dem Zweck, die Pfarrei als Seelsorgezentrum zu stärken, und 4. auf die Förderung und Ausdehnung der rätischen Kapuzinermission, insbesondere in den Dekanaten Surselva und Ob dem Churer Wald. Die hohen Erwartungen auf geistlicher Seite im Bereich der Restitution verlustig gegangener Güter und Rechte in Bünden (Besitz des Hochstifts Chur) erfüllten sich nicht, da Österreich als verbriefter ‹Schirmherr› des Bistums seine aktive Kirchenpolitik faktisch allein auf die Rekatholisierung der okkupierten Acht Gerichte (Maienfeld, Malans, Seewis, Schiers, Luzein, Castels-Jenaz und Klosters) und des Unterengadins beschränkte. Vor dem Hintergrund der instabilen Lage in Bünden (Offensive Frankreichs 1624/ 25) Abb. 145: Johann V. Flugi von Aspermont, Bischof von Chur (1601-1627) [Foto: Hugo Hafner] <?page no="217"?> 217 1. Abriss der kirchenpolitischen Situation des Bistums Chur zwischen 1600 und 1700 betrachtete Österreich die kirchliche Restitution als interne Angelegenheit, welche zwischen dem Churer Bischof, dem Domkapitel und den Gemeinden geregelt werden sollte. Nach dem Tod Johanns V. Flugi am 30. August 1627 legte Erzherzog Leopold V. (1625-1632) dem für die Bischofswahl zuständigen Nuntius Alessandro Scappi (1621-1628) nahe, es sei ein Kandidat zu wählen, welcher frei von privaten Leidenschaften und Bestrebungen als Eiferer für die katholische Religion nur das im Auge haben werde, was zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, zur Beendigung der Parteienzwiste und zu einem guten Verhältnis mit den benachbarten Fürsten und Staaten beitrage. Die Wahlkapitulationen des Domkapitels hoben neben der Schuldentilgung (1627: über 45’000 Gulden) die Wichtigkeit einer Weiterführung der geistig-geistlichen Erneuerung hervor. Am 25.-August 1627 entschieden sich die Churer Kanoniker im zweiten Wahlgang für den aus Zuoz stammenden, aber 1577 in Mals geborenen Domscholastikus Joseph Mohr, der die Wahl zum neuen Bischof annahm. Der hartnäckigen Forderung des Gotteshausbundes, den Eid auf die sechs Artikel von 1541 abzulegen, leistete Mohr erfolgreich Widerstand. Er wie seine Nachfolger beschworen diese nicht mehr. Damit markiert die Bischofswahl von 1627, wie bereits früher betont, einen Neubeginn eines von staatlicher Bevormundung sich lösenden rein innerkirchlichen Wahlverfahrens, das sich als Erfolg der katholischen Reform in Form grösserer Unabhängigkeit des Churer Bischofs gegenüber dem politischen Kräftemessen in Bünden fortsetzte. Mohrs achtjährige Hirtensorge (1627-1635) war neben Visitationen im Vinschgau (1630/ 32) und Misox (1633) und Förderungen um die Festigung der rätischen Kapuzinermission in den Dekanaten Surselva und Ob dem Churer Wald, im Unterengadin und Münstertal vorwiegend geprägt von Bemühungen um die im Vertrag zu Lindau sowie in den Scappischen Artikeln festgelegte und in der erneuten Erbeinigung von 1629 mit Österreich bestätigte kirchliche Restitution. Des Hochstifts Initiativen, die seit 1526 geraubten bischöflich-weltlichen Rechte zurückzufordern, blieben letztlich ohne Erfolg, da sich keine politische Macht entschieden hinter die Anliegen Mohrs stellte. Die Zeit des spätmittelalterlichen Lehenwesens konnte nie wiederhergestellt werden. Zusätzlich beeinträchtigten interne Differenzen mit den in die weltliche Politik verstrickten Kanonikern eine effiziente Leitung von Bistum und Hochstift, welch letzteres 1635 ein Schuldenberg von über 60’000 Gulden geradezu erdrückte. Mohrs unerwarteter Tod Abb. 146: Joseph Mohr, Bischof von Chur (1627-1635) [Foto: Hugo Hafner] <?page no="218"?> 218 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) [wahrscheinlich an Pest] am 6. August 1635 liess eine Diözese zurück, die von fremden Truppen weiter besetzt, an Bevölkerung durch die Pestepidemie (1628-1635) stark dezimiert war und nach wie vor von konfessionellen Richtungskämpfen erschüttert wurde. Unter den beiden Nachfolgern Mohrs, Bischof Johann VI. Flugi von Aspermont (1636−1661), einem Neffen Johanns V., und Bischof Ulrich VI. de Mont (1661−1692), konnten zwar die politischen Zerwürfnisse der vergangenen Jahrzehnte zwischen Bünden und den einflussreichen Machtblöcken Spanien-Österreich durch eine weitere Erneuerung der Erbeinigung von 1518 im Jahre 1642 grösstenteils friedlich beigelegt werden, doch gelang Flugi im innerkirchlichen Bereich lediglich, den «status quo» für die katholischen Teile der Drei Bünde zu halten. Die Hoffnung auf Wiedergewinnung verlorener Herrschaftsgebiete oder zumindest auf eine angemessene finanzielle Entschädigung dafür musste endgültig aufgegeben werden. Noch auf den Friedensverhandlungen von Münster und Osnabrück (Westfälischer Frieden 1648) versuchte der Churer Bischof, der als legitimer geistlicher Reichsfürst 1645 die seit der Reformation unterbrochenen Beziehungen zum Reichstag wiederaufgenommen hatte, durch seine Vertreter und den Nuntius in Köln vergeblich die Anerkennung der Scappischen Artikel von 1623 durch die katholischen Grossmächte zu erreichen, womit die Restitution gesetzlich verankert worden wäre. Eine nicht genau datierte Notiz zu Beginn der Amtszeit von Bischof Ulrich VI., die 1661 noch von einer Restsumme von etwa 25’800 Gulden spricht, beweist, dass Flugi in seiner 25-jährigen Regierung auch den Schuldenberg Mohrs um zwei Drittel zu reduzieren vermochte. Zudem kommt Flugi das Verdienst zu, seine Diözese als eifriger Reformbischof erstmals gesamthaft (einige Dekanate mehrmals) visitiert zu haben. Insbesondere der Einblick in die Visitationsprotokolle zeigt − dies kann vorausgeschickt werden −, dass um 1660, also 100 Jahre nach dem Trienter Konzil, die Verwirklichung einer geistiggeistlichen Erneuerung im Bistum Chur gelungen war und durch Ulrich VI. in kirchenpolitisch ruhigeren Dezennien weiter gefestigt werden konnte. Fazit: Die wahre «potestas ecclesiae», dies mussten die Churer Bischöfe und das Domkapitel als Verwalter früher umfangreicher Gebiete, grossen Besitzes und Rechte, also als ehemalige Feudalherren, erkennen, lag ab dem 17. Jahrhundert definitiv und neu in der Verankerung und Sicherstellung des katholischen Glaubensgutes und im pastoralen Neuaufbau in den (katholisch gebliebenen) Gemeinden des Churer Sprengels. Abb. 147: Johann VI. Flugi von Aspermont, Bischof von Chur (1636-1661) [Foto: Hugo Hafner] <?page no="219"?> 219 2. Das grundlegende Reformpaket: Die gedruckten «Decreta et Constitutiones» von Bischof Johann V. Flugi 2. Das grundlegende Reformpaket: Die gedruckten «Decreta et Constitutiones» von Bischof Johann V. Flugi aus dem Jahr 1605 In den von Nuntius Giovanni della Torre vorgelegten Verordnungen aus dem Jahr 1599 wurde an die verantwortungsbewusste Wahrnehmung des Hirtenamtes durch den Churer Bischof appelliert. Alle ihm aufgetragenen Aufgaben treu erfüllend, habe er als Vorbild seinen Klerus zu einem priesterlichen Leben anzumahnen. Ferner sei der Bischof bemüht, gemäss Konzilsbeschluss von 1563 seine Diözese regelmässig und persönlich zu visitieren. In einem weiteren Punkt legte der Nuntius dem Bischof damals nahe, baldmöglichst die Einberufung einer Diözesansynode ins Auge zu fassen, auf der die tridentinischen Reformdekrete dem gesamten Klerus vorgestellt und eingeschärft werden sollten. Im Verlaufe des 17. Jahrhunderts fand im Bistum Chur aufgrund der kirchenpolitischen Unruhen nie eine Diözesansynode statt. Die «Constitutiones dioecesanae» bildeten gewiss eine geeignete Plattform zur besseren Durchsetzung der anstehenden Kirchenreform, doch ist nicht zu übersehen, dass das Institut ‹Diözesansynode› in den meisten Reichsbistümern in der Frühen Neuzeit bald wieder verschwand. Die Gründe für diese Entwicklung waren vielfach finanzieller und organisatorischer Art. Aber auch die komplexen kirchenpolitischen Zustände im Reich, wie etwa die Konkurrenz zwischen episkopaler und landesherrlicher Gewalt, spielten eine Rolle; synodale Beschlüsse konnten schnell zum Politikum werden. An die Stelle dieser Versammlungen trat - dies gilt auch für die Diözese Chur - das Instrument der bischöflichen Mandate an den Diözesanklerus. Als «Magna Charta» auf dem anspruchsvollen Weg der geistig-geistlichen Neuordnung im 17. Jahrhundert Abb. 148: Titelblatt der «Decreta et constitutiones» von Bischof Johann V. (1605) [BAC] <?page no="220"?> 220 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) und darüber hinaus gelten für Chur die am 7. Juni 1605 von Bischof Johann V. Flugi von Aspermont erlassenen und bei Nicolaus Kalt in Konstanz gedruckten «Decreta et Constitutiones pro universo sui episcopatus clero», die einen ebenso grossen Anspruch auf Gültigkeit einforderten wie Beschlüsse einer Diözesansynode und zudem in aller Deutlichkeit vom bischöflichen Willen zur Reform Zeugnis geben, die beim Klerus beginnen musste, um in der Pastoral zu greifen. Das episkopale Statut zur «reformatione ac correctione» des gesamten Churer Diözesanklerus sowie der Seelsorge weist, wie die untenstehende Gliederung zeigt, zwei Brennpunkte auf: Klerus und Sakramentenpastoral. Inhaltliche Gliederung der «Decreta et Constitutiones» von 1605 Einleitung Erster Hauptteil Klerus und Pfarrseelsorger • Über das Priestertum • Generelle Ermahnungen an den Klerus • Über das Amt des Pfarrers • Spezielle Ermahnungen an die Pfarrherren Zweiter Hauptteil Weitergabe des Glaubens in Katechese und Liturgie (Christenlehre) Dritter Hauptteil Landkapitel («Capitulum rurale») • Jährliche Abhaltung und Verlauf • Monatliche Dekanatszusammenkünfte • Examen des Klerus (vor allem Busskasuistik) Vierter Hauptteil Sakramentenpastoral • Ausführungen zur allgemeinen Sakramentenlehre • Spezielle Sakramentenlehre (mit pastoraler Ausrichtung) Fünfter Hauptteil Diverse Verordnungen Sechster Hauptteil Fest- und Heiligenkalender für das Bistum Chur (Auflistung der fixen und beweglichen Feste) Schlusswort Der 1. Hauptteil «Klerus und Pfarrseelsorge» verdient im Hinblick auf die Durchführung von Reformen nähere Beachtung. Bevor ein Geistlicher überhaupt eine Seelsorgestelle oder sonst ein Benefizium bekleiden konnte, hatte er vor dem Bischof, dem Generalvikar oder einem der vier bischöflichen Vikare ein (Weihe-)Examen zu bestehen, welches das Ablegen des Glaubensbekenntnisses und Gehorsamversprechens gegenüber dem Ortsordinarius miteinschloss. Der Schwerpunkt solcher Examina legte Flugi auf den Nachweis fundierter Kenntnisse in der Sakramentenlehre und auf den Vollzug entsprechender Riten. Vagabundierenden Geistlichen, die nicht eine Inkardination oder Zugehörigkeit zu einem Orden bzw. Kloster nachweisen konnten, war es untersagt, ohne bischöfliche Erlaubnis in irgendeiner Kirche des Bistums zu zelebrieren. Auch durfte eine Pfründe keinesfalls mehr ohne Einwilligung des Bischofs aufgegeben werden, um eine andere, finanziell einträglichere zu <?page no="221"?> 221 3. Ein zentraler Schwerpunkt und wichtiges Kontrollinstrument in der Reformtätigkeit … ergattern. Alle Kleriker verpflichtete man beim Verrichten ihrer geistlichen Pflichten (Stundengebet / Zelebration) strikte auf die Benutzung des römischen Beviers von 1568 und des Missale Romanum von 1570. Aber nicht bloss die Rubriken im Missale Romanum hatten genau eingehalten zu werden, sondern auch äussere Dinge zur würdigen Gestaltung des Gottesdienstes; Paramente und liturgische Gerätschaften bedurften einer umsichtigen Pflege. Predigt und praktische Glaubensunterweisung durften künftig in keiner sonntäglichen Messfeier mehr fehlen; als Hilfsmittel im katechetischen Unterricht [2. Hauptteil] nannte Flugi explizit den 1566 gedruckten Catechismus Romanus sowie die Handreichungen des Jesuiten Petrus Canisius (1521-1597) [kleiner und grosser Katechismus]. Der Ortspfarrer hatte sich auch um die pastorale Begleitung der Familien in seinem Sprengel zu kümmern, damit das christliche Gedankengut in ihren Häusern grundgelegt und gefestigt wurde. Durch vorbildhaftes Leben, ihre unermüdliche Verkündigung des Wortes Gottes und die regelmässige Spendung der Sakramente seien die Priester, so der Bischof, das wirksamste Heilmittel im Kampf gegen den in manchen Gegenden verbreiteten Aberglauben. Entsprechend mussten Säkular- und Ordenspriester über Spendung und Administration der Sakramente wirklich gründlich unterrichtet sein. Im 4. Hauptteil «Sakramentenpastoral» legte Bischof Johann V. seinem Klerus eine komprimierte pastoraltheologische Handreichung vor. Schwerpunkte setzte er in seinen Ausführungen über Taufe, Busse, Ehe, Krankensalbung und Eucharistie - Sakramente also, die vom Pfarrklerus entweder bislang unordentlich gespendet bzw. verwaltet (Taufe / Ehe / Eucharistie) oder durch Einflüsse der protestantischen Theologie fast ganz abhandengekommen waren (Busse / Krankensalbung). Schliesslich, so die Mahnung des Bischofs, hatten sich alle Geistliche vor Verlockungen des Luxus, der Trunksucht oder anderen Lastern wie Streit und Missgunst, welche die priesterliche Persönlichkeit und Tätigkeit zerstörten, zu hüten, ebenso häufigen Wirtshausbesuch oder Festgelage zu meiden. Dagegen sollte den Bedürftigen und Armen in den Gemeinden ihre besondere Aufmerksamkeit zukommen. Eine wirklich geistiggeistliche Erneuerung - so der Grundtenor dieser Verordnungen und Ermahnungen von 1605 - gelinge letztlich nur, wenn jeder einzelne Seelsorger im Blick auf seine Verantwortung und im Blick auf das Heil der ihm anvertrauten Seelen damit bei sich selbst beginne. 3. Ein zentraler Schwerpunkt und wichtiges Kontrollinstrument in der Reformtätigkeit: Die bischöflichen Visitationen in den acht Dekanaten Wie bereits die Visitationen in den gänzlich katholisch gebliebenen Dekanaten Misox, Walgau und Vinschgau 1583 bzw. 1595 gezeigt haben, war das durch das Konzil von Trient wiedererweckte, eigentlich ins Frühmittelalter zurückreichende Instrument der kirchlichen Visitation eine wichtige Handhabe für Durchführung wie Kontrolle der Reformen in Pfarreien und Klöstern. Die nachstehende Tabelle bietet eine Übersicht der nachweislich (durch Dokumente gesichert) durchgeführten Visitationen in den Dekanaten des Bistums Chur im 17. und 18. Jahrhundert. <?page no="222"?> 222 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) Visitationsakten des Bistums Chur in seinen alten Grenzen Dekanat 16. Jahrhundert 17. Jahrhundert 18. Jahrhundert Churer Gebiet --- 1640 [nur Zizers] 1752 Surselva (mit Ursern) --- 1643 1658 1662 1672 1695 1704 1716 1730 1744 1759 1772 1787 Ob dem Churer Wald --- 1623 1643 1665 1710 1735 1744 Engadin 1595 [nur Nauders] 1638 1658 [siehe Vinschgau] Misox-Calanca --- 1605 1611 1626 1633 1639 1656 1667 1674 1701 1708 1725 1733 1746 1757 1773 1784 Unter der Landquart 1595 [nur Balzers und Triesen] 1639/ 40 1654 1660 1663 1681 1732/ 33 1743 1753 1760 1772 1783 Walgau (inkl. Pfarreien im Fürstentum Liechenstein) 1595 1624 1638 [Paznauntal] 1639/ 40 1654 1660 1664/ 65 1673 1682 1694 1709 1721 1730 1743 1756 1772 1774 1789 1790 <?page no="223"?> 223 3. Ein zentraler Schwerpunkt und wichtiges Kontrollinstrument in der Reformtätigkeit … Visitationsakten des Bistums Chur in seinen alten Grenzen Vinschgau 1595 1638 1658 1662 1682 1693 1705 1729 1738 1748 1755 1767 1779 Dabei fällt auf, dass zum einen unter dem Churer Bischof Johann VI. erstmals eine Gesamtvisitation seines weitgreifenden Sprengels gelang (1638-1643), zum anderen dass die zeitlichen Abstände der in den Dekanaten immer unter bischöflicher Leitung durchgeführten Visitationen meistens recht gross waren. Das heisst, die vom Konzil von Trient geforderte jährliche bzw. zweijährige Visitation blieb (nicht nur im Bistum Chur) schlichtweg eine Illusion. Dagegen zeigen die Auswertungen der heute in kirchlichen und staatlichen Archiven lagernden Visitationsakten des 16. / 17. Jahrhunderts (v. a. Interrogatorien, Visitationsprotokolle und -rezesse), dass die Visitation des Klerus immer Haupttraktandum bildete. Erst im Laufe des 18. Jahrhunderts ist ein Wandel von der Kontrolle über Leben- und Amtsdisziplin zu einer zum Teil akribisch geführten Datensammlungstätigkeit auszumachen; einzelne, insbesondere kleine Pfarreien wurden nicht mehr eigens besucht. Aufgrund der vom Autor 2012 veröffentlichten umfangreichen Studie über das kirchliche Visitationswesen im Bistum Chur am Beispiel des Dekanats Vinschgau sind in Bezug auf die Reformumsetzung positive wie negative Beobachtungen zu machen. Bei allen zwischen 1595 und 1779 durchgeführten Visitationen wurden vier Hauptbereiche untersucht: [1.] das Leben und Wirken der örtlichen Geistlichkeit, [2.] die (Pfarr-)Gemeinde, das religiöse Leben und Brauchtum, [3.] die Gotteshäuser und ihre Ausstattung sowie [4.] die wirtschaftlichen Verhältnisse und kirchliche Verwaltung. Grundsätzlich darf man feststellen, dass die bischöflichen Visitatoren mit Nachhaltigkeit einem festgestellten Problemfeld nachgingen und dieses, falls nicht behoben oder verbessert, wiederholt anmahnten, was auf Kenntnis früherer Protokollführungen hinweist und deren Nützlichkeit und Sinnhaftigkeit hervorhebt. Abb. 149: Ulrich VI. de Mont, Bischof von Chur (1661- 1692) [Foto: Hugo Hafner] <?page no="224"?> 224 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) Kirchliche Visitationen im 16.-18. Jahrhundert Hauptgliederungspunkte Eckpunkte I. Pfarrei und ihre kirchenrechtlichen Verhältnisse • Eckdaten zur Pfarrei • Demographische Angaben II. Leben und Wirken der örtlichen Geistlichkeit Klerus in Pfarrei und Filiale(n) • Lebensführung • Amtsführung • Bildungsstand III. (Pfarr-)Gemeinde, religiöses Leben und Brauchtum • Kultus • Katechese und Predigt • Volksfrömmigkeit • Brauchtum • Einstellung und Verhalten in der Gemeinde • Konflikte zwischen Geistlichkeit und Gemeinde • Religiöse Minderheiten IV. Gotteshäuser und ihre Ausstattung • Auflistung aller Kirchen • Bauzustand • Kircheneinrichtung • Nebengebäude (Friedhof, Pfarrhaus, etc.) V. Andere Einrichtungen • Klöster im Ort • Sozialeinrichtungen • Bildungseinrichtungen VI. Wirtschaftliche Verhältnisse • Einkünfte der Geistlichen (Pfründen) • Verwaltungsfragen (Rechnungslegung) • Stiftungen • Stolgebühren • Fabrica ecclesiae VII. Spezielles Positiv wog die Annahme der römischen Liturgiereform unter Papst Pius V. (1566-1572) zwischen 1633 und 1643 für die ganze Diözese Chur; in den 50er Jahren des 17. Jahrhunderts fand auch die Führung der Kirchenmatrikel allgemeine Praktizierung. Die Verschönerung bzw. Vergrösserung von Kirchen und Kapellen im 17. / 18. Jahrhundert war Spiegelbild lebendiger Volksfrömmigkeit, welche jedoch da und dort bischöfliche Interventionen erforderte (Einhaltung kirchlicher Feiertage, Sonntagsruhe, Verbot von Wallfahrten). Die damals hohe Anzahl von kirchlichen Feiertagen lenkte die Bevölkerung keineswegs unbedingt zum gemeinsamen Gotteslob in die Kirche, sondern lockte eher zu ausgelassenen Feiern in Gaststätten und auf Tanzflächen oder zu anderer (landwirtschaftlicher) Tätigkeit, was eine Verminderung solch freier Tage durch den Bischof zur Folge hatte. Die grösste Nachlässigkeit von Seiten des Klerus bzgl. Anhaltung einerseits wie der jugendlichen Bevölkerung bzgl. Teilnahme andererseits verzeichneten die Visitatoren <?page no="225"?> 225 4. Ausbildung des Churer Diözesanklerus zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert bei der Christenlehre und Katechese. Fragt man nach den Ursachen, sind diese in der mangelnden Schulung und Eignung mancher Kleriker zu altersgerechter Unterweisung sowie in der Gleichgültigkeit der Erziehenden gegenüber der pfarrlichen Katechese für die heranwachsenden Kinder und Jugendlichen zu finden, nicht aber in fehlenden Handreichungen, von denen seit dem 16. Jahrhundert in verschiedenen Sprachen unzählige Ausgaben vorlagen. Die Problematik einer lange Zeit fehlenden kontinuierlichen katechetischen Unterweisung tangiert in der Auswertung der Churer Visitationsakten nicht nur das religiöse Leben einer Pfarrgemeinde, sondern ebenso den Themenkreis «Leben und Wirken der örtlichen Geistlichkeit». Die Aufzeichnungen präsentieren das Realbild des Geistlichen in der Pfarrei. Die 1595 im Walgau und Vinschgau noch mehrfach festgehaltene Überschreitung zölibatären Lebens blieb ab dem 17. Jahrhundert aus; hingegen warf man diversen Geistlichen (wie bereits früher) einen zu hohen Alkoholkonsum und zu häufigen Wirtshausbesuch vor, was in den bischöflichen Rezessen das generelle Verbot von Aufenthalten in Gaststätten (mit Ausnahme bei Reisetätigkeit) begründet. Im Bereich der konkreten Verkündigung und Sakramentenspendung zeigten sich die Gemeinden mit ihrer Geistlichkeit grösstenteils zufrieden; hin und wieder finden sich Interventionen gegen anstössiges Verhalten der Pfarrer in Verkündigung und Predigt. Die im Laufe des 17. Jahrhunderts allmählich greifende Klerusreform erwuchs als Frucht aus der Reform der Priesterausbildung, welche die bistumseigenen Alumnen in ausserdiözesanen Institutionen in Rom, Mailand, Dillingen, Ingolstadt, Feldkirch, Innsbruck und Wien erfolgreich durchliefen. Die bis 1773 ausgesprochen jesuitisch geprägte Ausbildung zeitigte Wirkung im theologischen Wissen und in einer engagierten Pastoralarbeit, was in den Protokollen, von den Gemeinden bezeugt, immer wieder lobend verzeichnet wird. Fazit: Der Churer Bistumsleitung ermöglichte die Visitation als zentrales Kontrollinstrument in der Reformarbeit insgesamt bessere Situationskenntnisse und aktive Einflussnahme im Aufbau der nachtridentinischen Pfarrseelsorge. 4. Ausbildung des Churer Diözesanklerus vor dem Hintergrund des Trienter Seminardekrets (1563) zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert Wenn im oben vorgestellten «Consilium de emendanda ecclesia» von 1537 die Kritik laut geworden war, alle möglichen Leute würden zur Priesterweihe zugelassen, auch solche, die völlig ungebildet seien, dann gründete dieses Malum nicht etwa in einer unzureichenden Allgemeinbildung - mit 17 höheren Schulen* auf dem Gebiet des Reiches vor * In einer ersten Gründungswelle auf Reichsgebiet wurden die Tore der Universitäten Prag (1348), Wien (1365), Heidelberg (1385), Köln (1388), Erfurt (1392), Leipzig (1409), Würzburg (1402/ 10; bereits 1413 wieder geschlossen), Rostock (1419) und Löwen (1425) geöffnet. In einer zweiten Welle, wobei sich die Reichsstruktur mit ihrer Gliederung in Territorien, Hochstifte und Reichsstädte sehr positiv und stimulierend auswirkte, folgten die Hochschulen Greifswald (1456), Freiburg i. Br. (1457), Basel (1460), Ingolstadt (1472), Trier (1454/ 73), Mainz (1476), Tübingen (1477), Wittenberg (1502) und Frankfurt/ O. (1506). <?page no="226"?> 226 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) Ausbruch der Reformation kann man sogar von einer europäischen Spitzenposition im Bildungsbereich sprechen -, sondern in der Tatsache, dass alle diese Lehranstalten nie spezifisch der Ausbildung eines späteren Seelsorgegeistlichen gedient hatten. Vielmehr standen sie Laien und Alumnen primär zur Erlangung eines akademischen Grades offen. Die eigentlichen Pflanzstätten der Kleriker blieben (für viele auch aus finanziellen Gründen) die örtlichen Lateinschulen und als Praktikumsstelle für die Gemeindepastoral das Pfarrhaus selbst. Vor allem der dortige Aufenthalt konnte den Kandidaten je nach moralisch-sittlichem Verhalten des Ortspfarrers positiv oder negativ beeinflussen. Um schliesslich zu den höheren Weihen zugelassen zu werden (Diakonat, Presbyterat), forderten die Bischöfe in unterschiedlicher Strenge eine gewisse Fertigkeit im Latein, um die Bibel und Abb. 150: Universitätsstudien von Studenten aus der Schweiz 1525-1599 [Quelle: Rudolf Bolzern, Das höhere katholische Bildungswesen in der Schweiz im Ancien Régime (16.-18. Jahrhundert): Eine Zeit ohne eigene Universität, in: ZSKG 83 (1989), S. 7-38, hier S. 11] <?page no="227"?> 227 4. Ausbildung des Churer Diözesanklerus zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert die liturgischen Texte verstehen zu können, ein Mindestwissen in der Sakramentenlehre, Grundkenntnisse im liturgischen Gesang und die Fähigkeit zur Verkündigung sowie zur Erklärung katholischer Glaubenswahrheiten. Wollte die Kirche in der Bildungsreform des Klerus wirklich vorankommen, wurde dringend eine entsprechende Institution benötigt, welche in ihrer Konzeption den späteren Seelsorgeklerus ins Blickfeld rückte. Der kuriale Rat von 1537 zu einer Reform der Priesterausbildung wurde definitiv auf dem Konzil von Trient aufgegriffen, im Zusammenhang mit der Reform des Predigtwesens und der Behandlung des Weihesakramentes ernsthaft diskutiert, bis man - eigentlich spät - 1563 zu einer Lösung fand, formuliert im Dekret «Cum adolescentium aetas», besser bekannt unter dem Schlagwort «Seminardekret». a) Inhalt des Seminardekrets «Cum adolescentium aetas» Die tridentinische Bildungsstätte für Alumnen als wichtige Ergänzung zum Universitätsbetrieb - «seminarium» genannt - weist drei konstitutive Merkmale auf. [1.] Sie ist wie die mittelalterliche Domschule in der Regel eine Lehranstalt. [2.] Die «vita communis» ist nach dem Vorbild der (Jesuiten-)Kollegien ausgerichtet, aber auf die Heranbildung von Priestern abgestellt. [3.] Im Unterschied zu beiden steht das Seminar unter der Leitung des Bischofs und ist ihm direkt unterstellt. Mit Vorzug am Sitz des Diözesanbischofs sollte mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln eine ausreichende Anzahl von Jungen ab dem vollendeten 12. Lebensjahr-[! ], welche aus rechtmässiger Ehe stammten, lesen und schreiben konnten sowie die Absicht bekundeten, ihr Leben in den Dienst der Kirche zu stellen, aus dem ganzen Bistum - vorrangig Knaben aus weniger bemittelten Familien - zusammen in einer Wohn- und Arbeitsgemeinschaft religiös erzogen und in den kirchlichen Disziplinen unterwiesen werden. Der intern abzuhaltende, den gymnasialen bzw. universitären ergänzenden Unterricht sollte grundlegend die lateinische Sprache (Grammatik und Rhetorik) vertiefen, die Kenntnis und Auslegung der Heiligen-Schrift fördern, die allgemeine wie spezielle Sakramentenlehre behandeln und auf den richtigen Vollzug der Sakramentenspendung anhand der kirchlichen Riten und Zeremonien (Gesänge) vorbereiten. Eigens wird eine Einführung zum Beichthören genannt. Zwecks ihrer religiösen wie spirituellen Formung hatten die Kandidaten jeden Tag der hl. Messe beizuwohnen, wenigstens alle Monate zu beichten und nach dem Urteil ihres Beichtvaters zur hl. Kommunion zu gehen. Ab dem Eintritt ins Seminar musste jeder Tonsur und klerikale Kleidung tragen. An Festtagen waren die Zöglinge verpflichtet, in der Domkirche oder in anderen Gotteshäusern der Bischofsstadt den Altardienst zu versehen. Alleinige Verantwortung für das religiöse Leben im Seminar trug der Bischof, welcher mit Unterstützung zweier Domherren die diözesane Pflanzstätte einzurichten hatte und diese später auch häufig besuchen sollte. Um ein solches Projekt besonders in weniger finanzkräftigen Diözesen zu bezahlen, schlugen die Konzilsväter vor, einen Teil der Pfründeneinkommen - angefangen beim Bischof und Domkapitel über den gesamten Säkularklerus bis hin zu den Ordensleuten (Mendikanten und Johanniter ausgenommen) - für das Seminar einzuziehen. Wo diese Möglichkeit nicht ausgeschöpft werden konnte, sollten sich Bistümer <?page no="228"?> 228 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) zusammenschliessen, um gemeinsam ein (überdiözesanes) Seminar zu finanzieren. Zur Behandlung der anstehenden Finanzfragen war jeder Ordinarius gehalten, einen Beirat mit kompetenten Leuten aus dem Domkapitel und Seelsorgeklerus zu gründen. b) Intention und Bedeutung des Seminardekrets Bereits der Konzilsteilnehmer Bartholomäus a Martyribus, Erzbischof von Braga (1514- 1590), bezeichnete das Dekret über die Errichtung von Seminarien als eine der «tragenden Säulen der Kirchenreform». Ohne Zweifel darf man das Seminardekret trotz einiger Mängel grundsätzlich als die «Magna charta» der Priesterbildung in der Neuzeit der Kirche bezeichnen. Gleichwohl war das tridentinische Seminar keineswegs bereits die ideale, geschweige denn erprobte Lösung. Bei der Verschiedenheit der sozialen, geistigen und religiösen Verhältnisse in den verschiedenen Ländern war eine gesamtkirchliche Ordnung der Priesterausbildung nur in der Form eines Rahmenerlasses möglich, der auf detaillierte Lösungen, sogar in wesentlichen Punkten, verzichtete und Raum für Sonderregelungen der örtlichen Gesetzgeber liess. So wurden der Aufbau des Kollegs, besonders die Aufgliederung in verschiedene Studienkurse, dem Ordinarius und seinem Beirat überlassen und die Bildungsziele im Einzelnen nicht festgelegt. Der Rahmenplan zu einer besseren spirituellen wie liturgisch-sakramentalen Formung der Alumnen sicherte nur gerade ein Mindestmass, das vom lateinischen Grammatikstudium bis hin zur Pastoraltheologie und Liturgie reichte. Da die Konzilsväter den Schritt zu einem Diözesanseminar quasi als Pflicht eines jeden Bischofs stark betonten, jedoch die Alumnen (in der Endfassung des Dokuments) nicht zum Besuch dieser neuen Bildungsstätte verpflichteten, fehlt logischerweise ein konkreter Hinweis zur Dauer des Seminaraufenthaltes. Den Priesteramtskandidaten stand es also (je nach Finanzlage des Elternhauses) auch nach 1563 weiter offen, sich im Seminar oder ausserhalb auf die Weihen vorzubereiten, falls der Bischof nicht eine diözesanverbindliche Regelung traf. Das heisst, der Episkopat wurde lediglich verpflichtet, für eine religiöse und sittliche Ausbildung jener Kandidaten des Priestertums zu sorgen, welche nicht die Möglichkeit hatten, an der Universität zu studieren. Ein weiteres Problem bei der Umsetzung des Dekrets «Cum adolescentium aetas» war die Personalfrage. Die Bischöfe benötigten nicht nur theologisch und pädagogisch geschulte Kräfte, sondern auch solche, die durch einheitliche Methode und längeres Verbleiben bei ihrer Aufgabe die Kontinuität der neuen Einrichtung gewährleisten konnten. Hierzu eigneten sich vorzüglich Mitglieder aus dem Reformorden der Societas Jesu. Allein, ihre Berufung durch den Ortsordinarius schuf wiederum Komplikationen, da der Bischof bei einer solchen Wahl von Lehrkräften nicht um die kostspielige (Mit-) Dotierung eines Jesuitenkollegs herumkam. Übertrug er den Patres ein Seminar, so traten verfassungsrechtliche Bedenken zutage. Das Tridentinum verlangte eine Einrichtung unter Leitung des Bischofs; die Jesuiten aber waren ihrem Provinzial bzw. Ordensgeneral unterstellt. Somit wird deutlich, dass das Reformkonzil neben der asketischen und pastoralen keinesfalls auch die theologisch-wissenschaftliche Bildung der Alumnen dem Seminar zuweisen wollte noch konnte. Die neue Institution «seminarium» war vielmehr eine <?page no="229"?> 229 4. Ausbildung des Churer Diözesanklerus zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert Wohngemeinschaft für Priesteramtskandidaten, in der als Ergänzung zu den an (Jesuiten-)Universitäten dozierten wissenschaftlichen Traktaten der Philosophie und Theologie speziell der Weg zu bzw. das Wachstum in einer fundierten priesterlichen Spiritualität gefördert, pastoral-theologische Fragen (Sakramentenspendung / Predigt) erörtert sowie Gesang und Liturgie gepflegt werden sollten. Das Dekret schuf mit dem Seminar als einem Kompromiss zwischen pastoraler Notwendigkeit und finanzieller Machbarkeit zum ersten Mal in der Geschichte der Kirche eine wichtige, die höheren Schulen ergänzende Institution zur spezifischen Ausbildung des künftigen diözesanen Seelsorgeklerus, an deren internen Struktur, die sich nach den jeweiligen Bedürfnissen der Seelsorge in den Gemeinden auszurichten hatte, immer wieder neu gearbeitet werden musste. Die Universitäten blieben daneben unangetastete Zentren philosophischer und theologischer Wissenschaft, ja noch mehr: Die herausragende Stellung des jesuitischen Bildungssystems (Jesuitenkolleg mit Gymnasium und Lyzeum) - siehe weiter unten - sollte die Trienter Initiative und ihre baldige Verwirklichung wenn nicht verdrängen, so doch in manchen Diözesen des Reiches (auch im Bistum Chur) verzögern. c) Externe Hilfestellungen Am 18. November 1580 formulierten die in Chur versammelten Vertreter des Gotteshausbund in einem «Abschied»: «Item hat man geordiniert, daß die tumherren sampt der übrigen priesterschaft diser loblichen stift Chur sich in irer religion und diensten fleissig haltind, nach vermög irer pflichten, sich ouch eines erbaren und züchtigen wandels beflissind, ire concubinen und andere unordnungen abschaffind, damit vorus die eere Gottes gefürderet, und mengklichen ein gut christenlich exempel vorgfürt werde.» − Um die Wiederherstellung des «gut christenlich exempel» im Klerus, das primär durch die Heranbildung einer neuen Priestergeneration erreicht werden musste, bemühte sich, wie bereits erwähnt, in herausragender Weise Kardinal Carlo Borromeo. Als eifriger Hirte und Reformer in und ausserhalb seiner Erzdiözese Mailand erwarb er sich um die Förderung einer reformorientierten Priesterausbildung für den eidgenössischen wie für den Churer Klerus einen grossen hier nochmals zu erwähnenden Verdienst. Am 1. Juni 1579 öffnete das von Carlo Borromeo initiierte Collegio Elvetico in Mailand seine Tore. Es stand unter der Leitung der Oblaten des hl. Ambrosius; Protektor war immer der Mailänder Ordinarius. 50 Studenten (Mindestalter 16 Jahre) aus der katholischen Eidgenossenschaft samt Appenzell, den Ennetbirgischen Vogteien, dem Veltlin sowie dem Diözesangebiet von Sitten und Chur fanden dort einen Wohn- und Studienplatz. Die Zahl der Freiplätze für Alumnen aus dem Hoheitsgebiet der Drei Bünde blieb im 17. Jahrhundert konstant bei sechs (erst 1726 auf 12 erhöht); jeder Bund hatte die Möglichkeit, zwei geeignete Kandidaten vorzuschlagen. Neben Borromeo bemühte sich noch ein weiterer Purpurträger um Ausbildungsplätze für Churer Priesteramtkandidaten. Der Konstanzer Bischof und Kardinal Mark Sittich von Hohenems (1561-1589), zwar keineswegs als verantwortungsbewusster Diözesanbischof am Bodensee, sondern die meiste Zeit als geschickter Kirchendiplomat an der <?page no="230"?> 230 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) römischen Kurie tätig, erwirkte als Protektor des 1552 gegründeten und 1573 reorganisierten deutschen Jesuitenkollegs in Rom, des Germanicums, auf ausdrückliche Bitte von Ammann und Rat der Stadt Feldkirch (vom 31.- Juli 1579) bei Papst Gregor XIII. für die Zukunft zwei Freiplätze am Collegio Germanico für Bürgersöhne aus der vorarlbergischen Stadt. Dieses einzigartige Privileg wurde am 25. Juni 1580 in einem Breve von Sixtus V. festgeschrieben. Papst Clemens VII. bestätigte die Verfügung 1594. Trotz wachsender Schulden, mit denen sich die Kollegsleitung im Laufe des 17. Jahrhunderts konfrontiert sah, versuchte man dem Wunsch der Stadt Feldkirch nach Studienplätzen für ihre Zöglinge wenn möglich zu entsprechen. Vom Seelsorgeklerus bzw. aus der Reihe der Churer Kanoniker, welche aus der Diözese Chur stammten, können zwischen 1552 und 1800 insgesamt 72 Studenten am Collegio Germanico registriert werden; die meisten von ihnen empfingen noch in Rom die Priesterweihe. d) Weg, Ort und Form der Priesterausbildung im Bistum Chur bis 1800 Der sichere Weg: Garantierte Studienfreiplätze Der im Auftrag des Churer Bischofs Johanns V. Flugi von Aspermont vom Augustinerchorherrn und bischöflichen Prokurator Zacharias Furtenbach verfasste Ad-Limina- Bericht vom Mai 1607 sieht für den damals beklagenswerten innerkirchlichen Zustand Abb. 151: Giuseppe Vasi (1710-1782), Chiesa di S. Apollinare e Collegio Germanico in Rom (um 1760)[BAC.BA] <?page no="231"?> 231 4. Ausbildung des Churer Diözesanklerus zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert der Diözese Chur eine der Ursachen in der Schwierigkeit, geeignete Priester zur Verfügung zu haben, die auch der sprachlichen Eigentümlichkeiten mächtig waren, wie sie in Teilen des Bistums vorherrschten. Gemeint sind neben den italienischen (Misox, Calanca) die romanisch-sprachigen Gebiete (Surselva, Oberhalbstein, Albulatal und Engadin). Furtenbach vertritt die Ansicht, Priesteramtskandidaten aus diesen mehrheitlich ärmeren Regionen bedürften einer intensiveren Förderung. Denn nur einheimische Geistliche würden uneingeschränkt von der Talbevölkerung akzeptiert und könnten vor Ort tatkräftig am Neuaufbau des katholischen Glaubenslebens mitwirken. Der momentane (jährliche) «Gesamtbedarf» für Rätien lag nach den vorliegenden Informationen bei 15 oder 16 Alumnen. In Anbetracht der hohen Schulden und einer leeren Bistumskasse war eine hauseigene Seminargründung ohne massgebliche externe Hilfe nicht möglich. Deshalb ersuchte Furtenbach im Namen Johanns V. den Papst für die nächsten zehn Jahre um eine jährliche Unterstützung von mindestens 40 Goldmünzen (Dukaten). Zusammen mit weiteren Kollekten könnte dann der Unterhalt von 12 Alumnen bestritten werden. Ein am 10. Dezember 1613 auf der Feste Fürstenburg verfasster Statusbericht [Abb. 152] bestätigt zwar die inzwischen gewährte päpstliche Finanzhilfe und die Schaffung von Freiplätzen an ausländischen Studienanstalten (Mailand: Collegio Elvetico 6; Dillingen: Hieronymus-Kolleg 4) für Alumnen aus Bünden und anderen Regionen des Bistums Chur, fordert aber dennoch weitere acht Freiplätze, da ein eigenes Seminar aufgrund der politischen Unruhen im Freistaat nicht zu realisieren sei. Die gleiche Bitte richtete man Abb. 152: Auszug aus dem Statusbericht des Bistums Chur vom 10. Dezember 1613 [BAC] <?page no="232"?> 232 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) nochmals 1618 nach Rom. Zählt man zu den oben genannten 10 Freiplätzen diejenigen am Collegio Germanico [2] und am Barbara-Kolleg in Wien [2] hinzu, waren 14 Plätze gesichert; das 1627 gegründete Collegio Urbano der Kongregation de Propaganda Fide in Rom gewährte ebenfalls einen Studienplatz. Bis zur Berufung der Jesuiten nach Feldkirch (1649) und dem dortigen Aufbau eines Gymnasiums vermochten die Churer Reformbischöfe, mit fremder Hilfe total 15 Priesteramtskandidaten aus weniger vermögendem Elternhaus im Ausland einen Studienplatz zu sichern. − Es bleibt also festzuhalten: Die Churer Priesterausbildung führte im 17. Jahrhundert und darüber hinaus über den sicheren Weg der Garantie von Studienfreiplätzen, welche von geistlicher wie weltlicher Hand finanziert wurden. Der sichere Ort: Jesuitische Bildungszentren nördlich und südlich der Alpen Ein weiterer Aspekt muss beachtet werden: Die Priesterausbildung des Bistums Chur vollzog sich im Zeitalter der tridentinischen Glaubenserneuerung bis 1650 ausschliesslich ausserhalb der Diözesangrenzen und war voll und ganz geprägt vom jesuitischen Bildungsmonopol. Nach der Errichtung der Oberdeutschen Ordensprovinz im Jahr 1556 durch Petrus Canisius SJ zählte man dort 1579 bereits acht feste Wirkungsorte der Jesuiten, darunter auch Luzern. 1611 unterhielt der Orden auf diesem Territorium 12 Kollegien, 1630 dann 20 [vgl. Abb. 155]. Das eigentliche Bildungszentrum der Oberdeutschen Provinz - nicht nur für angehende Kleriker, sondern als Drehscheibe katholisch-jesuitischer Konfessionsbildung schlechthin - lag in Bayern und Schwaben: näherhin in Ingolstadt und Dillingen. Daneben galt die 1457 gegründete vorderösterreichische Landesuniversität Freiburg i. Br. ununterbrochen als beliebter Studienort. In der damaligen Schweiz dienten vorrangig die Jesuitenkollegien in Luzern (1577) und Freiburg i. Ü. (1581) lange Zeit dem Vorbereitungsstudium der Churer Alumnen zu ihrer Weiterbildung an höhere Schulen im Ausland. 1604/ 05 kam Konstanz, 1649/ 80 Feldkirch hinzu. Im 17. / 18. Jahrhundert erfreute sich auch das seit 1562 bestehende Kolleg in Innsbruck (Diözese Brixen) wachsenden Zulaufs aus dem Churer Dekanaten Abb. 153: Jesuitenkolleg St. Hieronymus in Dillingen [BAC.BA] Abb. 154: Jesuitenkolleg St. Franz Xaver in Luzern [BAC.BA] <?page no="233"?> 233 4. Ausbildung des Churer Diözesanklerus zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert Walgau und Vinschgau. Aufgrund der dort vorherrschenden Dotationsprobleme erhob man das Innsbrucker Kolleg aber erst 1672 zur Universität. Von den jesuitischen Studienzentren auf dem Gebiet der Österreichischen Ordensprovinz bevorzugte der spätere Churer Säkularklerus Wien und Graz. Ähnlich wie im schwäbischen Dillingen nahm die Jesuitenuniversität in Graz die Monopolstellung auf dem Gebiet der höheren Bildung in der Österreichischen Ordensprovinz ein. Südlich der Alpen wurden von den Alumnen der Diözese Chur neben Rom (Collegio Germanico e Ungarico und Collegio Urbano de Propaganda Fide) die Bildungsangebote in Mailand äusserst rege wahrgenommen; auch die alten Universitäten in Pavia, Padova, Bologna, Siena und Perugia waren zwecks Aufbaustudium mit dem Ziel der Erlangung eines Lizentiats oder Doktorats in Philosophie, Theologie und Jurisprudenz gut frequentiert. Fazit: Das gymnasiale Rüstzeug holten sich die Alumnen aus dem Gebiet der Diözese Chur primär am Jesuitenkolleg in Luzern (v. a. aus der Surselva), aber auch in Freiburg i. Ü. (generell Bündner), in Innsbruck und ab 1649/ 50 in Feldkirch (mehrheitlich Vorarlberger). Das eigentliche philosophische und theologische Studium absolvierten viele nördlich der Alpen mit Vorliebe in Dillingen (v. a. aus dem Walgau), Ingolstadt, Graz Abb. 155: Jesuiten an den Universitäten im Gebiet der deutschen Ordensprovinzen 1550-1650 [Quelle: Rudolf Bolzern, Das höhere katholische Bildungswesen in der Schweiz im Ancien Régime (16.-18. Jahrhundert): Eine Zeit ohne eigene Universität, in: ZSKG 83 (1989), S. -7-38, hier S. 18] <?page no="234"?> 234 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) oder Freiburg i. Br., südlich der Alpen waren Mailand und Rom klare Favoriten. Die gesamte Priesterausbildung der Diözese Chur vollzog sich bis 1663 (Beginn der kontrovers- und moraltheologischen Vorlesungen in Feldkirch) in wissenschaftlicher wie spiritueller Hinsicht grundsätzlich ausserhalb der Bistumsgrenzen, und zwar nahezu ausschliesslich in der «Obhut» der Jesuiten und ihrer Bildungszentren. Die damals beste und einzige Form: Ein Lehrplan zur Ausbildung von Ordensgeistlichen - Die jesuitische «Ratio Studiorum» 1599 Ein dritter Aspekt ist hervorzuheben: Entsprechend dem Bildungsideal der Zeit «pietas et scientia» war das oberste Ziel des jesuitischen Engagements im Bereich der Erziehung und höheren Bildung nicht nur die wissenschaftliche Ausbildung der Schüler, sondern zugleich ihre Erziehung zur Gottesliebe und zu den christlichen Tugenden, was dazu führte, dass die Studenten, ob Alumnen oder Laien, als Konviktualen bzw. Externe mehr oder minder einem pädagogischen Kraftfeld von starker religiös-sittlicher Valenz ausgesetzt waren - einer Religiosität, die vorwiegend durch Liturgie und Sakrament bestimmt war. Dazu gehörten das Gebet vor dem Beginn der ersten Unterrichtsstunde, der tägliche Messebesuch, die Abhaltung von Andachten, das Rosenkranzgebet, die sonntägliche wie wöchentliche Predigt und monatliche Beichte (Ausstellung von Beichtzetteln mit Name und Klassenzugehörigkeit des Pönitenten). Die Vermittlung religiösen Wissens im Unterricht nahm hingegen eine weit geringere Stellung ein; nur einmal wöchentlich fand katechetische Unterweisung statt. Das gesamte Studienangebot an Jesuitenkollegien Abb. 156: Jesuitenkollegien auf dem Gebiet der heutigen Schweiz [Quelle: [Rudolf Bolzern, Das höhere katholische Bildungswesen in der Schweiz im Ancien Régime (16.-18. Jahrhundert): Eine Zeit ohne eigene Universität, in: ZSKG 83 (1989), S.-7-38, hier S. 25] <?page no="235"?> 235 4. Ausbildung des Churer Diözesanklerus zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert und -fakultäten basierte auf der 1599 erlassenen «Ratio atque Institutio Studiorum Societatis Iesu», welche bis zur Aufhebung des Ordens 1773 Geltung besass. Der gesamte Priesternachwuchs im deutschsprachigen Raum des 16. bis 18. Jahrhunderts - dies gilt auch für den Churer Diözesanklerus - folgte also einem Lehrplan zur Ausbildung von Ordensangehörigen, ein Umstand, der auch kritische Stimmen laut werden liess, die vor der Gefahr einer Bildungsuniformierung warnten; doch es fehlte schlicht eine Alternative. Wie verlief ein solches Studium? Das dem Jesuitenkolleg angeschlossene Gymnasium war normalerweise in fünf Klassen unterteilt (sog. «Studia inferiora»), was der unteren Stufe der Arstistenfakultät an Universitäten entsprach und propädeutischen Charakter für die höheren Studien in Philosophie und Theologie besass [vgl. Abb. 158]. In den drei Grammatikklassen (infirma, media, suprema) erlernten die ca. 9-11jährigen Schüler lehrplanmässig genau aufeinander abgestimmt lateinische, weniger vertieft auch griechische Formenlehre. Nach jeweils bestandenen Prüfungen stiegen die Studenten in die «classis humanitatis» auf, wo wiederum während eines Jahres anhand ausgewählter Texte von Cicero, Horaz, Vergil u. a. der richtige Ausdruck und die Schönheit der sprachlichen Form in Latein einschliesslich erster allgemeiner Regeln der Rhetorik geschult wurde. Im griechischen Aufbaustudium sollte der Syntax gebührend Platz eingeräumt werden, so dass die Schüler allmählich kleinere griechische Arbeiten abzufassen imstande waren. Die oberste Gymnasialklasse, die «classis rhetorica» - für Ordensschüler zweijährig -, diente dann der souveränen Sprach-, Rede- und Argumentationsgewandtheit. Die Formung der Muttersprache, Geschichte, Geographie, Arithmetik, Musik, Gesang und die Naturwissenschaften hingegen traten im theologieorientierten Ausbildungsgang an Jesuitengymnasien hinter der altsprachlichen Schulung zurück, was sich in der Aufklärung zu einem Hauptkritikpunkt gegen die Jesuitenschulen herauskristallisierte und nach scharfen Attacken zu internen Reformmassnahmen zwang. Nach erfolgreich bestandenen Prüfungen war der Weg frei ins Lyzeum mit scholastischem Philosophieunterricht (3 Jahre), welches an sich der oberen Stufe der Artistenfakultät entsprach (erster Teil der sog. «studia superiora») [vgl. Abb. 158]. Für die philosophischen Teildisziplinen (einzige Textquelle war Aristoteles), die in jeder Klasse täglich auf vier Lektionen verteilt gelesen wurden, verzichteten die Jesuiten auf einzelne Fachkräfte; sie liessen den gesamten Stoff von einem einzigen Professor pro Kurs unterrichten, der in der Regel kein Fachmann war, sondern ein Theologe, was mitunter dazu führte, Abb. 157: Die Jesuitische Studienordnung von 1599 [BBC] <?page no="236"?> 236 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) dass willkürlich Traktate der Theologie in die Philosophie tradiert wurden. Zudem hatten die Studenten gemäss der «Ratio studiorum» im zweiten bzw. dritten Jahr parallel zur Philosophie, Lektionen in Physik, Mathematik, Ethik, Gesellschaftslehre sowie Natur- und Völkerrecht zu hören. Neben Textübersetzung und- -interpretation zählte das gemeinsame, streng disziplinierte Disputieren über philosophische Fragen und Argumente zum Wesensmerkmal dieses Ausbildungsganges. An die Philosophieausbildung schloss sich entsprechend dem Angebot an einer theologischen Fakultät der damaligen Zeit das vierjährige Theologiestudium an (zweiter Teil der sog. «studia superiora») [vgl. Abb. 158]. Die Studenten waren dann etwa 17-20 Jahre alt. Neben einem zweijährigen Vorlesungszyklus über zentrale Themen der Kirchen- und Konziliengeschichte, der den Studenten ihren Einstieg ins eigentliche Studium der Theologie erleichtern sollte, las man biblische Theologie (Traktate aus AT / NT) und während zweier Studienjahre kanonisches Recht (Grundlage: «Corpus Iuris Canonici» von 1582, wichtigste, unter Papst Gregor XIII. publizierte Sammlung des mittelalterlichen Kirchenrechts bis 1917). Zudem förderten die Jesuiten unter Zuhilfenahme von zwei bis drei Lehrkräften die scholastische Theologie eines Thomas von Aquin und schufen Raum für die positive Theologie. Diesen Anforderungen, wie sie die Studienordnung von 1599 allgemein festschrieb, standen immer wieder Vernachlässigungen einzelner theologischer Fachgebiete durch die Lehrkräfte gegenüber, was zu Beschwerden ans Generalat bzw. zu Mahnungen aus Rom führte. So fehlte bei manchen Studenten für das wissenschaftliche Studium der Hl. Schrift das nötige sprachliche Fundament (Hebräisch und Griechisch); in nicht wenigen Fällen war diese Wissenslücke zurückzuführen auf einen mangelhaften Sprachunterricht auf dem Gymnasium. Auch das reichhaltige Spektrum kirchengeschichtlicher Themen erfuhr oft nur eine oberflächliche Entfaltung. Laut jesuitischer Studienordnung von 1599 dauerte die Vollausbildung von der ersten Grammatikklasse bis zum Abschlussexamen in Theologie ganze 14 bzw. für Ordensangehörige 15 Jahre. Eine allfällige Promotion in Philosophie oder Theologie (Magister / Doktor) war für den Absolventen mit weiteren zwei Studienjahren und mit hohen Kosten verbunden, die nicht nur für den akademischen Titel zu begleichen waren, sondern die auch ausgelassene Festgelage im Anschluss an die bestandenen Prüfungen verschlangen. Neben dem regulären bot die Societas Jesu aber auch einen kürzeren Studiengang an [vgl. Abb. 158]. Als absolutes Novum in der Bildungsgeschichte war dieser speziell für die Ausbildung des Seelsorgeklerus gedacht. Unmittelbar an das Gymnasium absolvierten die Mehrzahl der Diözesanalumnen einen zweijährigen Kurs in Moraltheologie («casus conscientiae» oder «theologia moralis»); dieser «Pastoralkurs» bestand beispielsweise am Jesuitenkolleg in Luzern seit 1599/ 1600. Studienschwerpunkte setzte man dabei mit einer Einführung in die Philosophie, mit fundierten Kenntnissen in der allgemeinen und speziellen Sakramentenlehre (besonders Busskasuistik) sowie des Dekalogs. An den Samstagen standen circa zweistündige Disputationen auf dem Programm, in deren Verlauf diverse Fragen, Schwierigkeiten oder Gewissensfälle, welche in der späteren Gemeindepastoral auftreten konnten, erörtert wurden. Deshalb erhielt diese zweijährige Ausbildung auch den Namen «Kasuistik». Nach bestandenem Schlussexamen empfingen die Kandidaten die höheren Weihen und wurden alsbald in die Seelsorgearbeit entlassen. <?page no="237"?> 237 4. Ausbildung des Churer Diözesanklerus zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert Zusammenfassend kann festgehalten werden: Fünf oder sechs Jahre Gymnasium und zwei Jahre Kasuistik waren gewiss keine Ideallösung auf der Suche nach einer effizienten Priesterausbildung für den Grossteil des Säkularklerus, bedeuteten aber für die Zeit nach Trient bereits einen beachtlichen Fortschritt. Jedenfalls begnügten sich viele Bischöfe des Reichs und auch weltliche Territorialherren mit dieser jesuitischen Vorgabe (Gymnasium und Pastoralkurs). Auch die Alumnen aus dem Bistum Chur bedienten sich in der überwiegenden Zahl - dies geht aus den Visitationsprotokollen hervor, welche im Zuge der Personalbefragung Notizen über Ort(e) und Dauer des absolvierten Studiums der Geistlichen enthalten - der neuen Ausbildungsform Gymnasium mit Kasuistik, die mehr und mehr an die Stelle eines von den Konzilsvätern in Trient geforderten «seminarium» trat. Ursprünglich als Lehrplan zur Ausbildung ordenseigenen Nachwuchses geschaffen, erwuchs der hier geschilderte jesuitische Studiengang zur klassischen Ausbildungsart des Diözesanklerus und hielt sich bis ins 18.-Jahrhundert. Damit hatte ein Orden nicht nur das Bildungsmonopol bis ins 18.- Jahrhundert für den künftigen Diözesanklerus inne, sondern übernahm mit seinem Studienangebot letztlich die Funktion des vom Tridentinum geforderten «seminarium». Somit konnte auch in dem seit der Reformation vielbedrängten Churer Bistum der generellen Forderung der päpstlichen Reformkommission von 1537 nachgelebt werden, nur noch «ehrenwerten und gelehrten Männern» Seelsorgepfründen anzuvertrauen. Die Gründung eines Seminars gelang für Chur bekanntlich erst an der Schwelle des 19.-Jahrhunderts (1801 in Meran, Verlegung nach St. Luzi, Chur 1807). Abb. 158: Gliederung des Studiums an Gymnasien und Universitäten in der Frühen Neuzeit [Quelle: Rainer A. Müller, Geschichte der Universität, München 1990, S. 56 / Ergänzungen: A. Fischer] <?page no="238"?> 238 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) e) Langjähriges Ringen um eine Bildungsstätte der Jesuiten auf Bistumsebene: Die Niederlassung in Feldkirch Bereits im Jahr seiner Wahl 1636 zum Churer Bischof versuchte Johann VI. Flugi von Aspermont zwei Jesuitenpatres in die Bischofsstadt zu holen. Der eine sollte sein persönlicher Beichtvater und Berater sein sowie als Domprediger fungieren, dem anderen wollte er die Leitung der zu gründenden Schule auf dem Hof anvertrauen. Tatsächlich entsandte die Oberdeutsche Provinz Pater Hieronymus Winiger aus Rapperswil und der zur Zeit am Konstanzer Kolleg tätige Caspar Portner aus Innsbruck nach Chur. In der Instruktion für die beiden Jesuiten wird hervorgehoben, sie sollten jede Schärfe in der Behandlung von Glaubensfragen meiden und einen festen Sitz der Gesellschaft Jesu in der Bündner Metropole unter keinen Umständen von sich aus anstreben, jedoch ein entsprechendes konkretes Angebot nach genauer Prüfung auch nicht ausschlagen. Die Freude auf der katholischen Seite über die Ankunft der beiden Patres, welche der Bischof zusammen mit zwei Domherren am 15. August 1636 von Ragaz aus persönlich nach Chur begleitet hatte, wurde bald durch denunzierende Kanzelworte des Prädikanten Georg Saluz (1605-1646) gegen die «jesuitischen Eindringlinge» getrübt, die er mit reissenden Wölfen verglich, welche das Vaterland und die Religion bedrohten. Man müsse alles unternehmen, um diese Patres unverzüglich aus Bünden zu jagen. Der Churer Stadtrat hakte ein und verlangte unter Hinweis auf frühere Erlasse und auf die aktuellen Drohungen gegen die beiden Personen die sofortige Abreise Winigers und Portners. Dem massiven Druck konnten Bischof und Domkapitel nicht standhalten. Nach nur zehn Tagen verliessen die Jesuiten die Stadt in Richtung Luzern. Im September schrieb Winiger aus Konstanz an die Ordensprovinz, er erachte eine spätere Rückkehr nach Bünden für sinnlos. Der Gedanke eines Jesuitenkollegs mit Standort in der verkehrstechnisch günstig gelegenen Stadt Feldkirch, wie ihn Bischof Johann VI. bereits nach dem erzwungenen Abzug der Jesuiten aus Chur geäussert hatte, erhielt Aktualität durch die Nachricht, Feldkirch beabsichtige, seine alte Lateinschule aus dem 15. Jahrhundert zu reorganisieren. Nach vergeblichen Verhandlungen 1643 zwischen dem Feldkircher Stadtrat und dem Abt der Benediktinerabtei Weingarten, P. Dominikus Laymann (1637-1673), schaltete sich im August 1644 der Churer Bischof ein und empfahl Ammann und Rat der Feldkircher Stadt die Jesuiten als die geeignetsten Lehrkräfte. Doch die Antwort war negativ: Feldkirch sehe sich nicht in der Lage, «ain ganzes gymnasium vnnd ain große anzahl der studenten jn disem engen ländlin zu erhalten». Weitere Briefwechsel folgten; doch das Tauziehen ging bis 1648 weiter. Erst unter Stadtammann Matthäus Gasser aus Strassberg (1647/ 48; 1651-1653; 1655) kam es zum Stimmungswechsel. Nach eingeholten positiven Berichten über das Wirken der Jesuiten in Luzern entschied sich eine überwältigende Mehrheit der Ratsmitglieder (1648: 72 zu 7 Stimmen) für den Plan zur Gründung einer Jesuitenniederlassung mit Gymnasium in Feldkirch. Nach einem (überarbeiteten) Gesuch der Stadt an den oberdeutschen Provinzial Lorenz Keppler (1646-1650) vom 4. Februar 1649 willigte der Provinzial ein und sandte zwei Patres des Konstanzer Kollegs aus der in Auflösung befindlichen Missionsstation Lindau ins Vorarlbergische. Am 6. März 1649 trafen der frühere Rektor des Kollegs in Freiburg i. Br., P. Maximilian Eisenreich aus <?page no="239"?> 239 4. Ausbildung des Churer Diözesanklerus zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert Braunau, und P. Adam Weidenhofer aus Oberaltaich in Feldkirch ein und bezogen das leerstehende «Rambschwagsche Haus» am Kirchplatz, das bis zur Fertigstellung der eigentlichen Residenz 1663 ihr unentgeltlicher Wohnort blieb. Nach Ankunft eines dritten Paters, Friedrich Gunzner, im August 1649 konnten die Ordensleute in einem Provisorium («Weinzierlsches Haus») mit dem Schulunterricht beginnen und bereits im Frühjahr 1650 in einen von der Stadt finanzierten Neubau mit acht Unterrichtsräumen einziehen. Mit der Aufstockung von weiteren Lehrkräften (von 1650 [vier] bis 1652 [sechs]) stieg auch die Schülerzahl stetig an: von 21 im Jahre 1649 auf 150 im Jahre 1652. Nach weiteren finanziellen Zusicherungen auch aus dem Ordinariat in Chur erteilte die Ordensleitung grünes Licht für eine feste Residenz in Feldkirch und für den Ausbau zu einem Kolleg (als solches am 7. September 1680 durch Erlass des damaligen Ordensgenerals P. Giovanni Paolo Oliva [1664-1681] rechtskräftig erhoben). Obwohl die finanzielle Notlage bis zur Kollegsaufhebung 1773 ein Dauerproblem bleiben sollte, konnten sich primär die Churer Bischöfe nach langem Ringen einer qualitativ hochstehenden Bildungsanstalt besonders für ihren künftigen Diözesanklerus rühmen, deren Schülerzahl im Durchschnitt rund 200 betrug. Abb. 159: Jesuitenkolleg St. Nikolaus in Feldkirch [BAC.BA] <?page no="240"?> 240 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) 5. Aspekte der Pastoralreform: Intensivierte Pfarrseelsorge und neue Frömmigkeitsformen a) Sicherstellung der «cura animarum» und barocker Bauboom Das von den Konzilsvätern in Trient übertragene Bild des «pastor bonus», des Guten Hirten, nicht nur auf die Person des Bischofs, sondern ganz bewusst auch auf den Priester und Seelsorger diente als entscheidende Grundlage für eine Reform der Pastoral vor Ort, denn der Geweihte hatte nicht mehr nur als Funktionär eines Benefiziums, sondern durch seinen Lebenswandel und seine Frömmigkeit gegenüber seinen Gläubigen Beispiel und Abbild des Guten Hirten schlechthin, Christus, zu sein. In seinem Dienst vor Gott und an den Gläubigen stand entsprechend die Feier der hl. Messe an erster Stelle, dann die Heilsverkündigung durch Predigt und Katechese, die übrige Sakramentenspendung sowie die Armenfürsorge. Um diesem tridentinischen Pastoralkonzept mit den Schwerpunkten Sakramente, Verkündigung und Caritas, welches bereits in den bischöflichen «Decreta et Constitutiones» von 1605 vorgezeichnet wurde, in der Seelsorge noch besser gerecht zu werden, soll- Abb. 160: Pfarrdismembrationen im Dekanat Surselva im 17. Jahrhundert [Karte: A. Fischer] <?page no="241"?> 241 5. Aspekte der Pastoralreform: Intensivierte Pfarrseelsorge und neue Frömmigkeitsformen ten auch im Bistum Chur alte Gross- oder Talpfarreien zwecks Sicherstellung der «cura animarum» entweder mit genügend Hilfspriestern versehen oder bei zu grosser Entfernung der dazugehörigen Dörfer in kleinere selbständige Pfarreisprengel aufgeteilt werden. Im Dekanat Surselva kam es bis 1685 zu insgesamt 8 Pfarreidismembrationen (Andiast [1650], Cumbel [1653/ 68], Danis [1659], Pigniu [1667], Siat [1644], Surcuolm [1643], Tersnaus [1669] und Vrin [1597]), im Dekanat Walgau zu 9 (Bludesch [1613], Gaschurn [1587], Meiningen [1609/ 10], Raggal [1586], Schruns [1579/ 97], St. Anton [1640/ 63], Stuben [1666], Übersaxen [1637] und Vandans [1651]) und im Dekanat Misox-Calanca sogar zu 10 neuen Pfarreien (Arvigo [1626], Buseno [1626], Cama-Leggia [1625], Abb. 161: Barocke Umgestaltung / Neubauten von Kirchen im Dekanat Surselva im 17. Jahrhundert [Karte: A. Fischer] <?page no="242"?> 242 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) Abb. 162: Barocke Umgestaltung / Neubau von Kirchen im Dekanat Surselva im 17. Jahrhundert [Karte: A.-Fischer] <?page no="243"?> 243 5. Aspekte der Pastoralreform: Intensivierte Pfarrseelsorge und neue Frömmigkeitsformen Cauco [1633], Grono [eigene Kuratie bereits 1520, formell Pfarrei erst 1684], Lostallo [zwischen 1583 und 1611], Selma [1623], Soazza [1626], Sta. Domenica [seit 1548 Pfarrunion mit Cauco bis 1633] und Verdabbio [1632]). Ferner kann man anhand der Visitationsberichte erkennen, dass zur Besserstellung der seelsorgerlichen Betreuung innerhalb des Pfarrsprengels zahlreiche Kapellen erbaut und Kooperatoren bzw. Benefiziate unter Leitung des Ortsgeistlichen eingesetzt wurden. Als herausragendes Beispiel gilt hier abermals das Dekanat Surselva. Zwischen 1635 und 1692 wurden mittels gross angelegten Umbauten oder Neukonzeptionen 14 Pfarrkirchen in barocker Ausgestaltung errichtet, hinzukommen 63 Kapellen, Filial- oder Wallfahrtskirchen (davon 41 Erstbauten). In einem Zeitraum von fast 60 Jahren sind am Vorderrhein und seinen Zuflüssen (vor allem im Lugnez) total 77 Gotteshäuser (neu) erbaut worden. Initiierend wirkten dabei nicht nur die bischöflichen Visitatoren, welche mancherorts die Bausubstanz bemängelten, sondern geldgebende private Stifter für die Pfarreierrichtungen. In der Surselva darf demnach zu Recht von einer barocken Baufreudigkeit gesprochen werden - ein deutlicher Ausdruck neu aufblühenden katholischen Lebens in der Region. Barocke Baufreudigkeit im Dekanat Surselva im 17. Jahrhundert EIN ÜBERBLICK Kreis Ilanz Laax Pfarrkirche St. Othmar und Gallus (Neubau 1675-1678) Kapelle St. Nikolaus (vor 1624) Ruschein Kapelle St. Antonius von Padua (um 1680) Kapelle St. Maria (1643) Sagogn Pfarrkirche St. Mariae Aufnahme in den Himmel (Um- und Neubau 1643) Schluein Kapelle St. Peter und Paul (Neubau vor 1643) Sevgein Pfarrkirche St. Thomas (Neubau 1687-1691) Wallfahrtskapelle zum Heiligen Grab (erbaut 1679) Kreis Lugnez Camuns Filialkirche St. Johannes Ev. und St. Antonius (Neubau 1696-1700) Cumbel Pfarrkirche St. Stephan (Umbau vor 1689) Degen Kapelle St. Antonius von Padua in Rumein (1669/ 70) Lumbrein Pfarrkirche St. Martin (Neubau 1646-1649) Kapelle St. Rochus in Lumbrein (erbaut 1628/ 29) Kapelle St. Andreas in Sont Andriu (erbaut 1660/ 61) Kapelle St. Sebastian in Silgin (Neuweihe 1643) Kapelle St. Nikolaus in Surrin (vor 1695) Morissen Kapelle St. Carlo Borromeo (2. Hälfte 17. Jh.) Surcuolm Pfarrkirche St. Georg (eingeweiht 1604) Surcasti Kapelle St. Joseph (eingeweiht 1689) <?page no="244"?> 244 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) Barocke Baufreudigkeit im Dekanat Surselva im 17. Jahrhundert EIN ÜBERBLICK Kreis Lugnetz [Forts.] St. Martin Filialkirche St. Martin (Umbau vor 1695) Kapelle St. Sebastian in Munt (erbaut Mitte 17. Jh.) Tersnaus Pfarrkirche St. Apollinaris und Maria Magdalena (Vollendung des Neubaus 1672) Vals Pfarrkirche St. Peter und Paul (umfassende Umbauten vor 1643) Wallfahrtskapelle St. Maria in Camp (erbaut 1692) Kapelle St. Jakob in Leis (erbaut 1600-1610) Kapelle St. Johannes d. T. in Soladüra (anfangs 17. Jh.) Kapelle Hl. Kreuz in Vale (erbaut 1677) Kapelle St. Bartholomäus in Zerfreila (erbaut vor 1640) Vrin Kapelle St. Valentin zu Puzzatsch (erbaut vor 1643) Kreis Rueun Obersaxen Kapelle St. Mariae Heimsuchung in Afeier (erbaut vor 1668) Kapelle St. Valentin in Canterdu (erbaut vor 1643) Kapelle St. Antonius von Padua (um 1675) Kapelle St. Georg (erbaut vor 1643) Kapelle St. Sebastian in Miraniga (erbaut 1668) Kapelle St. Jakobus d. Ä. in Misanänga (erbaut 1617) Kapelle Hl. Drei Könige in Platänga (örtlich verlegter Neubau 1695) Kapelle St. Anna in Valata (erbaut nach 1600) Rueun Kapelle St. Franziskus (erbaut um 1642) Kapelle St. Maria Magdalena (Umbau und Erweiterung 1643) Siat Kapelle St. Luzius (erweiterter Umbau 1656) Kreis Disentis Sutsassalia Danis Pfarrkirche Hl. Dreifaltigkeit (Neubau zw. 1654 und 1658) Dardin Kapelle St. Sebastian und Rochus (Neubau vollendet 1696) Schlans Pfarrkirche St. Georg (Neubau vollendet 1671) Kapelle St. Maria im Schnee (erbaut vor 1683) Sumvitg Pfarrkirche St. Johannes d. T. (Beginn des Neubaus nach 1630) Kapelle St. Joseph in Compadials (erbaut 1641) Kapelle St. Laurentius und Sebastian in Laus (Neubau vor 1695) Kapelle St. Maria zum Schnee (erbaut 1674) Rabius Kapelle St. Mariae Geburt (umfassender Neubau vollendet 1669) Kapelle St. Michael in Campieschas (erbaut 1669) Kapelle St. Nikolaus in Runs (erbaut Ende 17. Jh.) Surrein Kapelle St. Placidus (Neubau vor 1695) Kapelle St. Paul in Val (erbaut vor 1643) <?page no="245"?> 245 5. Aspekte der Pastoralreform: Intensivierte Pfarrseelsorge und neue Frömmigkeitsformen Barocke Baufreudigkeit im Dekanat Surselva im 17. Jahrhundert EIN ÜBERBLICK Kreis Disentis Sutsassalia [Forts.] Trun Pfarrkirche St. Martin (Neubau vor 1660 bis 1662) Wallfahrtskirche St. Maria Licht in Acladira (erbaut 1663, erweitert 1681/ 82) Kapelle St. Joseph in Darvella (erbaut 1676) Kreis Disentis Sursassalia Disentis Pfarrkirche St. Johannes d. T. (Neubau zw. 1640 und 1643) Kapelle St. Placidus in Disentis (Neubau vollendet 1655) Kapelle St. Maria in Acletta (erbaut 1630, Neubau vor 1670) Kapelle St. Antonius von Padua in Caverdiras (erbaut vor 1662, Neubau noch vor 1689) Kapelle St. Sigisbert in Madernal (erbaut um 1630) Kapelle St. Valentin in Mompe-Medel (Neubau 1647) Kapelle St. Sebastian und Rochus in Segnes (erbaut um 1637, Umbau 1675-1680) Medel Filialkirche St. Nikolaus in Curaglia (Neubau 1667) Kapelle St. Jakobus d. Ä. (erbaut vor 1658) Kapelle St. Barbara und Brigida in Biscuolm (erbaut vor 1658) Kapelle St. Maria in Flurns (erbaut vor 1658) Kapelle St. Sebastian in Mutschnengia (Neubau vor 1610) Kapelle St. Joseph in Pali (erbaut im letzten Viertel 17. Jh.) Tujetsch Pfarrkirche St. Vigilius in Sedrun (Neubau 1691/ 92) Kapelle St. Anna in Camischolas (Neubau vor 1658) Kapelle St. Luzius in Cavorgia (umfassender Umbau vor 1658) Kapelle St. Sebastian in Giuf (17. Jh.) Kapelle St. Johannes Ev. und Valentin in Selva (Neubau vor 1695) Kapelle St. Antonius von Padua in Sur Rain (erbaut nach 1680) Kapelle St. Nikolaus in Tschamut (Neubau vor 1658) Kapelle St. Maria zum Schnee in Zarcuns (erbaut 1622) b) Dismembration von der Talkirche am Beispiel der Abtrennung der Filialkirche St. Georg in Surcuolm von Pleif Zu den insgesamt 8 neu erhobenen Pfarreien, welche bis 1685 in der Folge oder im Anschluss an die Reformation durch Dismembrationen von ihren Mutterkirchen in der Surselva entstanden sind, zählt auch die Kirche St. Georg in Surcuolm. Geographisch gehörte Surcuolm zu Obersaxen, politisch jedoch zum Lugnez. Der Zusammenhang erklärt sich durch die lebhaft benutzte Wegverbindung über den Mundaun zwischen dem heutigen Vella und Obersaxen. Anlässlich der bischöflichen Visitation durch die Surselva 1643 äusserten die Bewohner von Surcuolm am 2.-September gegenüber dem Bischof den Wunsch zur Loslösung <?page no="246"?> 246 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) von der Talkirche St. Vinzenz in Pleif. Diesem Anliegen wurde kurze Zeit später entsprochen. Die Dismembrationsurkunde ist in Pleif («Lugniz») am 12.- September 1643 ausgestellt worden. Laut Inhalt waren es zwei Hauptgründe, welche eine Separation nahelegten: [1.] der im Winter verunmöglichte Gang zur Pfarrkirche St.Vinzenz, um die Sakramente zu empfangen oder Tote zu beerdigen, und [2.] die finanzielle Möglichkeit der Gemeinde Surcuolm, selbst für den Unterhalt eines Seelsorgers aufzukommen. In Anbetracht dieser Lage wurde St.-Georg «von ernennter pfarrkirch Lugniz für iezt vnd zu allen ewigen ziten» abgetrennt. Die Separation erfolgte unter einem interessanten Vorbehalt. Falls die Gemeinde als ganze oder mehrheitlich vom katholischen Glauben abfallen sollte, was nur durch ein «Mehren» möglich war, hatte das Gotteshaus St. Georg samt seinen Einkommen wieder der Mutterkirche in Vella zuzufallen. Der Sprengel blieb katholisch und somit auch eigenständig. Weil die neue Pfarrei von der Gemeinde gestiftet wurde - das Stiftungsvermögen betrug insgesamt 3000 Gulden -, so betont die Urkunde, falle das Pfarrwahlrecht (Kollatur) der Gemeinde zu; diese hatte aber beim amtierenden Churer Bischof um die Pfarreinsetzung (Investitur) zu bitten. Dem örtlichen Seelsorger stand ein Haus mit Garten zu, ferner hatte er Anspruch auf kostenloses Brennholz und als jährliches Einkommen 100 Gulden (aus dem Zins der 3000 Gulden). Als Gegenleistung bzw. Dienst an der Gemeinde war der Pfarrer verpflichtet, häufig zu zelebrieren - von einer täglichen Zelebration wird nicht gesprochen -, zudem die Vesper in der Kirche an den Feierabenden, samstags, sonntags und an allen Festtagen zu singen bzw. zu rezitieren. An Sonntagen war (der Jugend) Christenlehre zu halten. Ferner wurde er zur genauen Führung der Pfarrbücher (Eintrag von Taufen, Firmungen, Ehen, Verstorbenen) verpflichtet. Abb. 163: Dorf Surcuolm mit Pfarrkirche St. Georg [BAC.BA] <?page no="247"?> 247 5. Aspekte der Pastoralreform: Intensivierte Pfarrseelsorge und neue Frömmigkeitsformen c) Ausformung nachtridentinischer Frömmigkeit Die oben erwähnte grosszügige barocke Ausgestaltung von Kirchen [siehe hierzu auch den Exkurs unter Kapitel 7] weist auf ein weiteres wichtiges Merkmal der Pastoralreform hin: auf die Ausformung neuer Frömmigkeitsformen. Auf der Basis eines ausgesprochenen kirchlichen Bewusstseins - Kirche als Hort der Wahrheit, als Vermittlerin der Gnaden und Objekt der Frömmigkeit - sowie in enger Verbindung von Architektur, Plastik und Malerei gelang der Versuch, unter Einbeziehung aller Mittel der Kunst ein Stück Himmel auf die Erde zu holen und dort dramatisch präsent zu halten. Die Vereinheitlichung der Liturgie in Sprache (Latein) und Form durch das Konzil und mit Hilfe der veröffentlichten (zur Pflicht gemachten) liturgischen Bücher hatte zur Folge, dass ausserliturgische Formen wie Andachten, Prozessionen, Wallfahrten, etc. verstärkt der Ort waren, wo sich die Volksfrömmigkeit wiederfand, an der die Gläubigen kreativ mitarbeiten konnten, und wo sie unter kräftiger Förderung durch Ordens- und Weltpriester weit über die eigentlich nüchterne Form der römischen Liturgie hinauswuchs. Im Zentrum der oft grandios ausgestalteten Prozessionen (Fronleichnam) stand die eucharistische Frömmigkeit, was bereits in der Gestaltung des Innenraumes einer Kirche richtungsweisend zum Ausdruck kam. Der Tabernakel, im Mittelalter als Sakramentshäuschen ausserhalb des Altarbereichs platziert, musste überall auf den Hauptaltar verlegt werden (bei Visitationen streng kontrolliert). Damit war auch optisch klar ausgedrückt, dass die Eucharistie das Zentrum der katholischen Frömmigkeit war. Ferner wurde die aus Italien importierte Andachtsform des Vierzigstündigen Gebets vor dem ausgesetzten Allerheiligsten (vor allem in Kriegs- und Notzeiten) gefördert. Vor dem Hintergrund des Verständnisses der hl. Messe als Opfer und weniger als Mahlfeier entwickelte sich eine ausgeprägte Passionsfrömmigkeit. Mit dem Mittel der Karfreitags- oder Bussprozessionen sollten bei den Gläubigen die Gefühle des Mitleidens, der Trauer und der Selbstanklage als Sünder wachsen, um so demutsvoll und bewusster auf dem Weg der Nachfolge Christi zu wandeln. Eine Intensivierung verbuchte des weiteren die Marienverehrung; sie war zusammen mit der wachsenden Heiligenverehrung wesentlicher Bestandteil habsburgischen dynastischen Frömmigkeit und wurde entsprechend in den österreichischen Anteilen des Bistums Chur stark gefördert. Mit Nachdruck empfahlen die Churer Bischöfe allen Gläubigen das Beten des Rosenkranzes. Ausserdem erfreuten sich die Lauretanische Litanei, das Ave-Maria, das tägliche Angelus-Gebet und das Salve Regina zunehmender Beliebtheit. Im Dienste der Seelsorge und Volksfrömmigkeit standen auch die Bruderschaften. Ihre Blütezeit erlebten sie bereits im Spätmittelalter in enger Verbindung mit den Zünften (besonders in Städten), und erneut im Barock, neu aber unter Aufsicht des Bischofs (so festgelegt durch die Bulle «Quaecumque» von Clemens VIII., 1604). Damit wird deutlich, dass die Sodalitäten nicht länger als freie und selbständige Initiativen von religiös interessierten Personen galten, sondern als kirchlich genehmigte und reglementierte Einrichtungen im Dienst der Seelsorge standen. Anhand der Visitationsprotokolle kennen wir im Bistum Chur v. a. Rosenkranz-, Herz-Jesu-, Sakraments- und Heiligenbruderschaften, im 18. Jh. dann auch die Christenlehr-Bruderschaft. Ein Beispiel: In der Grosspfarrei Tirol- <?page no="248"?> 248 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) Meran (mit Dorf Tirol, Riffian und Meran) zählte man 1779 total 18 Bruderschaften. Zu den Hauptzielen des Bruderschaftswesen gehörten die Gebetsfrömmigkeit, vor allem das wechselseitige Gebet für Lebende und Verstorbene, die Sorge um würdige Begräbnisfeiern, die Heiligenverehrung, die persönliche Glaubensvertiefung und die Caritas. Im Zentrum stand die wöchentliche oder monatliche gemeinsame Feier der hl. Messe in der Bruderschaftskirche; daneben fanden regelmässig Andachten in der Ortskirche statt, die auch Nichtmitgliedern offenstanden. Ferner betätigten sich die Bruderschaften als eifrige Organisatoren von Wallfahrten und (innerörtlichen) Prozessionen. Nicht zuletzt finanzierten betuchte Mitglieder oder die Gemeinschaft einer Sodalität Kirchenrenovationen, Altaraufbauten, Statuen sowie liturgische Gerätschaften und trugen damit zur Verschönerung der Kirchenräume bei. 6. Die Surselva nur «un parte dei paesi haeretici»? Das klare ‹Nein› des Priesterkapitels zu einem «Quasibistum» Disentis Dieses Kapitel berührt zwar bloss eine kurze Episode in der Geschichte des Dekanats Surselva, die jedoch, wäre sie von Dauer gewesen, nicht nur für das oben geschilderte aufblühende kirchliche Leben des 17. Jahrhunderts am Vorderrhein, sondern für die ganze Churer Diözese verheerende Folgen gehabt hätte. Im Anschluss an die Abtswahl von Adalbert II. de Medel (1655-1696) versuchte Nuntius Federico Borromeo (1654- 1665) in Disentis einem bislang unausgeführt gebliebenen Plan seines Amtsvorgängers Girolamo Farnese (1639-1643) aus dem Jahr 1641 zum Durchbruch zu verhelfen. Mittels Auskauf der Klosterexemtion sollte vom jungen Rhein der Bistumskasse 2000-fl. zufliessen. Das Machwerk Farneses hatte wohl die Inkorporation von Pfarreien für die Benediktinerstifte Pfäfers, Mari- Abb. 164: Benediktinerabtei Disentis um 1701 [BAC.BA] <?page no="249"?> 249 6. Die Surselva nur «un parte dei paesi haeretici»? Das klare ‹Nein› des Priesterkapitels zu einem «Quasibistum» Disentis enberg und Einsiedeln (Nüziders und Schnifis) vorgesehen, nicht aber für Disentis. Von Nuntius Borromeo in dieser Angelegenheit anfangs September 1655 nach Chur zitiert, brachte der neugewählte Ordensobere zu Recht mehrere Einwände gegen das Projekt vor. Der Finanzierungsplan gereiche in seiner jetzigen Form weder dem Bistum noch dem Stift zum Nutzen. Borromeo drohte hierauf, dem neuen Abt seine noch ausstehende Konfirmation und Benediktion zu verweigern. Wenig später erreichte den Abt eine überraschende Nachricht aus Luzern: Als Gegenleistung für die Zahlung von 2000 fl. an das Bistum versprach der Nuntius nun grosszügig, insgesamt 16 Pfarreien von jeder bischöflichen Jurisdiktion zu befreien und Disentis zu unterstellen. Der Abt ging auf dieses finanzielle Spitzenangebot ein. Bereits am 28. September 1655 wurde der Vertrag im bischöflichen Schloss in Chur in Gegenwart und mit angeblichem Einverständnis Johanns VI. («qui sciens, volens certioratus debitum assensum praestitit») vom Nuntius unterzeichnet. Von Waltensburg und Valendas einmal abgesehen, sollten zusammen mit dem Kloster 14 katholische Pfarrkirchen und drei Filialen «totaliter perpetuo» von der Jurisdiktion des Churer Bischofs befreit und dem Abt unterstellt werden: • Ursern mit Andermatt und den beiden Filialen Hospental und Realp, • die Pfarrgemeinden der Cadi: Tavetsch, Disentis, Medel, Sumvitg, Trun und Breil, • als Exklave der Cadi: Schlans, • die Pfarrgemeinden Rueun, Ruschein mit Filiale Ladir, Andiast, Siat, Falera und Ems. Der Abt besass laut Vertragstext alle Einkünfte und Rechte dieser Pfarreien und konnte zur Seelsorge nach seinem Gutdünken Welt- oder Ordensgeistliche einsetzen, die nicht mehr dem Priesterkapitel der Surselva unterstanden. Der Bischof verlor das Visitationsrecht und die «correctio» des Klerus. Am 13. Oktober 1655 zahlte Landrichter Conradin von Castelberg im Auftrag des Abtes die geforderten 2000 fl. an das Bistum. Damit war aber der Streit um die Exemtion keineswegs beendet, sondern es begann ein fast einjähriger Kampf gegen das Borromäische Vertragswerk. Abb. 165: Federico Borromeo, Nuntius in der Schweiz 1654-1665 [BAC.BA] <?page no="250"?> 250 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) Bereits bei der ersten Zusammenkunft der Seelsorger aus den betroffenen Pfarreien mit Abt Adalbert II. vom 18. bis 20. Oktober 1655 kam es zu heftigen Auseinandersetzungen. Bischof und Säkularklerus wüssten alles zu unternehmen, um die Vereinbarung zu unterbinden, kommentierte der Ordensobere an Nuntius Borromeo. Der päpstliche Gesandte richtete hierauf ein Mandat an die Pfarrer und Käplane der 14 Pfarrkirchen. Sichtlich verärgert, gebot er unter Androhung der Suspension allen Priestern, den Abt als Superior eidlich anzuerkennen. Ein weiteres Schreiben erging aus Luzern an die betroffenen Kirchgemeinden, worin der Nuntius zum Gehorsam gegenüber den Weisungen des apostolischen Stuhles aufrief, wenngleich der umstrittene Vertrag vom 28. September eigentlich aus Borromeos Feder stammte. Die Mahnungen schafften keine Beruhigung. Dompropst Christoph Mohr (1637-1664) bezichtigte in einem Klageschreiben an die Kurie das Borromäische Vertragswerk als völlig rechtswidrig; dieses müsse umgehend kassiert werden, da frühere Dokumente nie von Inkorporationen an das Kloster Disentis gesprochen, sondern diesem einzig Jurisdiktion und Exemtion gewährt hätten. Zudem würde das gläubige Volk lieber unter der Leitung des Churer Bischofs bleiben, als sich unter die Obhut von Regularen zu stellen, die sich selbst nicht zu lenken wüssten («monachis se ipsos regere nescientibus»). Für die zugestandene Exemtion des Klosters solle der Diözesankasse 1000 fl. verbleiben; die andere Hälfte sei rückzuvergüten. In einer anderen Eingabe nach Rom wird das Argument des öffentlichen Ärgernisses in den Vordergrund gerückt. Dem Bistum könne nicht effizient geholfen werden, wenn man katholische Diözesanteile einfach abtrenne; die Surselva gehöre entgegen kurialer Ansicht, was die territoriale Unkenntnis beweise, nicht zum ‹häretischen› Teil Bündens. Die beschlossene Inkorporation in der Surselva berge sogar die Gefahr eines Bürgeraufstandes in sich. Falls Disentis tatsächlich in den Besitz der Pfarreien und Filialkirchen gelange, werde die Einheit der bündnerischen Katholiken entzweibrechen. Die wachsende Opposition, welche nicht zuletzt von seiten der Kapuziner, die seit 1648 in Disentis wirkten, Unterstützung erhielt, eskalierte auf der Landsgemeinde der Cadi am 5. Juni 1656. Durch eine feurige Rede des Domkustos Matthias Sgier (1656-1664) fanatisiert, forderte die Volksmenge die unverzügliche Herausgabe des Originals vom Vertragstext. Um einer drohenden Klostererstürmung vorzubeugen, ging Abt Adalbert II. den Kompromiss ein, das Breve in die Obhut zweier Weltgeistlichen zu übergeben, welche verpflichtet wurden, das Couvert mit Inhalt erst einige Tage nach der Landsgemeinde zu öffnen; diese fanden darin aber nicht das umstrittene Breve, sondern lediglich die auf Pergament ausgestellte Doktoratsurkunde des Abtes vor. Der in die Abtsgemächer geschickte Pater hatte vor lauter Aufregung den falschen Briefumschlag erwischt. Natürlich wurde dieses Missgeschick als bewusste Hintergehung ausgelegt, obwohl der Ordensobere das Couvert umgehend austauschte. Der von Bischof und Domkapitel immer mehr bedrängte Nuntius sah sich gezwungen, von Rom eine baldige Entscheidung zu erwirken. Anfang Oktober 1656 reiste Federico Borromeo nach Chur. Dort erfuhr er vom gleichfalls angereisten Disentiser Abt, die Verwirklichung der Pfarreiinkorporation sei ohne Tumulte nicht zu bewerkstelligen und deshalb aufzugeben. Die entsprechenden Verhandlungen dauerten bis Mitte des Monats. Am 16. Oktober gelang die Einigung, welche die Transaktion von 1655 vollständig annullierte. <?page no="251"?> 251 7. Exkurs: Der Barock - Eine Epoche spezifisch katholischer Kultur zwischen Konfessionalisierung und Aufklärung Fazit: Nur der massive Druck des Churer Bischofs, des Domkapitels und v. a. der Weltgeistlichen aus der Surselva gegen das von Rom abgesegnete Machwerk der Luzerner Nuntiatur, deren Vertreter wohl die finanzielle Notlage der Diözese vor Augen hatten, aber aus der Ferne die konkrete pastorale Situation eines neu erstarkten Dekanats nur ungenügend einzuschätzen wussten, verpasste nach aussen der Kurie einen Denkzettel und rettete intern einen katholischen Sprengel vor dem vorschnellen Ausscheiden aus dem Churer Bistumsverband. 7. Exkurs: Der Barock - Eine Epoche spezifisch katholischer Kultur zwischen Konfessionalisierung und Aufklärung (ca. 1600/ 50-1750/ 70) a) Zur Begriffsfindung: Der Barock als «Kultur des frühneuzeitlichen Katholizismus» Unter den zusammenfassenden Werken mit dem Begriff ‹Barock› im Titel, wie zum Beispiel dem erstmals 1921 erschienenen Opus «Weltmacht des Barock» von Oswald Redlich, einer Geschichte Österreichs unter Leopold I. (1658-1705), verstecken sich konventionelle, auf das Politische konzentrierte Ereignisgeschichten, die überhaupt nicht oder nur am Rande den Barock als Kultur zum Thema haben, sondern vielmehr die neutrale Bezeichnung «17. Jahrhundert» durch Titelmodifikation ein wenig farbiger erscheinen lassen. Andere Autoren haben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Versuche unternommen, den Barockbegriff mit Kategorien, welche von Fächern ausserhalb der Kunstgeschichte stammen, inhaltlich zu füllen. Die beiden wichtigsten Kategorien sind hier die «Gegenreformation» und der «Absolutismus». Gegenreformation und Absolutismus aber sind Begriffe aus der Kirchen- und der politischen Geschichte und eignen sich ebenso wenig für eine adäquate Beschreibung der vielschichtigen Barockkultur im 17. und 18. Jahrhundert. Peter Hersche, emeritierter Professor für Geschichte an der Universität in Bern und einer der wohl besten Kenner des Barock, plädiert in seinen jüngsten Publikationen über die Zeitepoche von Beginn des 17. Jahrhunderts bis etwa 1770 dafür, den Begriff Barock als ein im Wesentlichen katholisches Phänomen vermehrt auf eine wirtschafts- und sozialgeschichtliche fundierte Basis abzustellen. Nicht allein vom kunsthistorischen Befund her betrachtet, spricht Hersche vom Barock als «Kultur des frühneuzeitlichen Katholizismus». Für diese klare Verankerung im Katholischen können folgende Sachverhalte angeführt werden: 1. Der Barock als solches entstand im Zentrum des neu erstarkten Katholizismus in Rom. Der in der Ewigen Stadt bereits um 1600 einsetzende und vor allem in der Innenausstattung von Kirchen sichtbare Wandel vom verhältnismässig kargen zum immer prunkvolleren Hochbarock ist nicht bloss eine stilistische Wende, sondern bezeugt eine gewandelte Geisteshaltung. Die noch von Carlo Borromeo für den Kirchenbau proklamierte Sparsamkeit wich der verschwenderischen architektonischen <?page no="252"?> 252 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) Opulenz diverser Mäzene aus dem Bischof- und Kardinalsstand sowie den miteinander wetteifernden Orden. Ein Blick in die Jesuitenkirche San Ignazio oder in die Theatinerkirche San Andrea della Valle in Rom mit ihrer reichen Ausstattung, ihrem geradezu überschäumenden Freskenschmuck sagt hier mehr als eine theoretische Abhandlung. Die enorm lange dauernde und zudem oft mühsame Umsetzung tridentinischer Normen liess den tridentinischen Geist allmählich wieder verblassen, was sich in einer mehr und mehr weltlich werdenden Barockkunst Ausdruck schuf und sich von Italien nach Norden hin ausweitete. 2. Ein zweites, primär sozialgeschichtliches Faktum, geht dahin, dass die katholische künstlerische Produktion quantitativ bei weitem, insbesondere im Sakralbau, die Bautätigkeit in protestantischen Gebieten überragt. Entscheidend hierfür war es damals, dass der Barockbau in der katholischen Welt zu einem grossen Teil Sache organisierter und finanzkräftiger Gruppen war (z. B. Orden, Bruderschaften). Zudem wirkte das kirchliche Stiftungswesen, das in den mittleren Einkommensschichten seinen grössten Personenkreis fand, geradezu als antriebskräftiger Motor. 3. Mit dem sozialgeschichtlichen Faktum zusammenhängend, ergaben sich aus den dem Katholizismus spezifischen theologischen Grundlagen mehr Möglichkeiten künstlerischen Ausdrucks, die der Barock voll ausschöpfte. Eine Reihe von Bauten bzw. Einrichtungen gab es nur auf katholischem Territorium: Ordens- und Wallfahrtskirchen, eigene Bruderschaftskirchen bzw. -kapellen, dazu die grosszügigen Innenausstattungen dieser Gotteshäuser wie etwa Altaraufbauten, Statuten, Gemälde, Reliquienschreine, Chorgestühl, Beichtstühle, oder andere Zeichen des Ausdrucks katholischer Frömmigkeit im 17. / 18. Jahrhundert wie Kreuzwege, Denksäulen, Heilige Treppen, etc. Spezifisch «katholisch-barock» ist das Deckenfresko, das in protestantischen Kirchen kaum vorkommt. 4. Wichtig war auch die Rückbindung des Barock an die Zeit vor der Reformation, an das Mittelalter, oder besser ausgedrückt, die Interpretation des Barock als «verlängertes Mittelalter». 5. Schliesslich ist hinzuweisen, dass die Spannung zwischen Weltlichem und Geistlichem, welche für die Barockkunst essentiell ist, deutlich die in vielen anderen Lebensbereichen festzustellende Vermischung von Sakralem und Profanem widerspiegelt und im katholischen Raum weit ausgeprägter in Erscheinung tritt als auf protestantischem Territorium. Diese eng mit der Religion verbundene Kultur auf allen Ebenen war in den katholischen Teilen Europas, und nur in diesen, in der Zeit zwischen 1650 bis 1750 (als Hochblüte des Barock) die bestimmende Kraft - mehr jedenfalls als Politik oder Wirtschaft, eine Kultur, welche zwischen zwei Umbruchzeiten der Reformation bzw. Konfessionalisierung und der Aufklärung auf Tradition setzte und Stabilität suchte. Der Barock entfaltete sich also in einer Zeit relativer Ruhe nach einer und vor einer erneuten kirchengeschichtlich viel bewegten Zeit. Daraus ergeben sich die Eckpunkte des Barockzeitalters als Epoche: im Süden von 1600, im Norden von ca. 1650 bis etwas 1750/ 70. Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass die barocke Religiosität nicht auf das Kognitive, sondern vielmehr auf die <?page no="253"?> 253 7. Exkurs: Der Barock - Eine Epoche spezifisch katholischer Kultur zwischen Konfessionalisierung und Aufklärung Sinne ausgerichtet ist - sichtbar, hörbar, greifbar. Den Alltag des einzelnen wie der Gesellschaft prägend, wurde sie vor allem im Kollektiv mit gewissem Demonstrationscharakter ausgeübt, was die oben erwähnten Frömmigkeitsformen verdeutlichen. Konkrete Beispiele aus dem katholisch-kirchlichen (Alltags-)Leben auf dem Territorium des Bistums Chur, wie dieses aus diversen Quellenberichten (primär aus den Visitationsakten) zu erfahren ist, mögen beschreibend und illustrierend das Gesagte untermauern. b) Katholisches Leben in Alltag, Kirche, Architektur und Kunst: Beispiele aus dem Bistum Chur Gelebte Frömmigkeit zwischen Landwirtschaft, Gotteshaus und Bittgang Der Rahmen jeglicher wirtschaftlichen Tätigkeit im 17. / 18. Jahrhundert - die Landwirtschaft spielte die absolut führende Rolle - wurde von Theologie und Kirche vorgegeben. In der agrarisch dominierten barocken Wirtschaft war den Menschen die Vorstellung eines wirtschaftlichen Wachstums ausserhalb des natürlichen völlig fremd. Grundsätzlich glaubte man, der Kuchen der materiellen Güter sei gleichbleibend und lasse sich höchstens unterschiedlich verteilen. Wenn der Reichtum des einen wuchs, so geschah dies auf Kosten eines anderen. Deshalb wurde die wirtschaftliche Tätigkeit kritisch mit moralischen Ellen gemessen. Das Ziel barocken Wirtschaftens war also nicht Wachstum um jeden Preis, schon gar nicht kurzfristige spekulative Gewinne, sondern möglichst stetiger jährlicher Ertrag. Hierfür arbeitete Generation um Generation im Bewusstsein, dass die alltägliche menschliche Arbeit auf Hof und Feld dem Schutz des Schöpfers unterstellt sei, den die Menschen auch unter Zuhilfenahme diverser Schutzpatrone (Heilige) um Schutz und Beistand vor Naturkatastrophen, Pest und anderem Schaden anriefen. Profanes und Geistliches verbanden sich zu einer korrespondierenden Einheit; barocke Religiosität prägte den Alltag und umgekehrt. So hatten auch die kirchlichen Feste mit ihren stark regionalen Ausprägungen Sitz im dörflichen Leben. Wohl bestimmte die Bulle «Universa per orbem» von Papst Urban VIII. (1623-1644) aus dem Jahre 1642 auf gesamtkirchlicher Ebene 36 Feiertage (10 Herren-, 5 Marien- und 21 Heiligenfeste); neu dazu kam 1708 das Fest der Unbefleckten Empfängnis Mariens (total also 37). Doch konnten es je nach Region und Brauchtum gut das Doppelte sein (Patroziniumsfeiern, Kirchweihfeste, Hagelfeiern, Feste, welche für überstandene Not, Unglücke oder Katastrophen jährlich begangen wurden). Zudem existierten für bestimmte Personenkreise, etwa für die Mitglieder von Bruderschaften, noch weitere Feiertage. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn eine Person sich gleich in zwei oder noch mehreren Bruderschaften als Mitglied einzuschreiben pflegte. Ferner gab es die Vigilien, die Vortage von hohen kirchlichen Festen, wo man die Arbeit früher beendete, und schliesslich waren fast alle Katholiken damals jährlich einige Tage auf Wallfahrten und Bittgängen unterwegs. Entsprechend wurden Vorwürfe laut, viele Katholiken würden im Laufe eines Jahres zu einem Drittel überhaupt nicht arbeiten. <?page no="254"?> 254 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) Aus dem Visitationsprotokoll von 1638 erfahren wir Konkretes für die Stadt Glurns im oberen Vinschgau. Die hohe Zahl an zusätzlichen regionalen Festtagen (so das Fest des örtlichen Kirchenpatrons St. Pankratius, zudem die Festtage der hll. Vitus, Placidus und Sigisbert, Johannes und Paulus, Margaretha, Leonhard, Sebastian, Antonius, Gallus, Ulrich und Innozenz) führte dazu, dass «die gebotten desto schlechter gehalten» wurden. Der Churer Bischof verordnete deshalb eine Verminderung der regionalen: die Gedenktage Placidus und Sigisbert, Margaretha, Antonius, Gallus, Ulrich und Innozenz wurden gestrichen und damit eine ganze Arbeitswoche (6 Tage) hinzugewonnen. In einem anderen Fall versuchte in der Pfarrei Latsch im unteren Vinschgau der Ortspfarrer über das Churer Ordinariat im Jahre 1748 12 regionale Feiertage zu streichen. In seinem Rezess zur Visitation argumentierte der Bischof, er könne diesem Ansuchen nicht ohne weiteres entsprechen, da nicht eindeutig hervorgehe, ob «die abthuung dieser feyertäge von gesamter pfarrgemeinde oder nur vom pfarrherrn allein anbegehret werde». Der Regionalvikar möge der Sache nachgehen, um eine einvernehmliche Lösung zu finden; aus den Akten wird in der Folgezeit nicht ersichtlich, dass diese 12 arbeitsfreien Tage gestrichen worden sind. Ein drittes Beispiel aus der eben genannten Pfarrei Latsch verdeutlicht die rege Teilnahme der Bevölkerung an Vesper und Andachten. 1682 ging an den Churer Bischof Ulrich VI. de Mont von gewissen unzufriedenen Leuten aus Latsch die Klage ein, der Ortspfarrer würde die Vesper zu spät am Nachmittag ansetzen und zudem Litanei und Rosenkranz «alles nacheinander» abhalten. Auf diesen Vorwurf antwortete der damalige Pfarrer Petrus Heil, er habe in den vergangenen acht Jahren seiner Pastoration in Latsch (1674-1718) «nichts anderts gesuecht, als die ehr Gottes zu pflanzen». Der Grund zur Verlegung der Hore gegen Abend diene der ganzen Gemeinde, «dan umb 3 vhr hat wegen vilföltiger arbeit ser wenig volckh» Zeit und Musse, gegen Abend sei aber «zum öfftern die khürch vol volckh». Auf Verlangen des Bischofs würde er die Vesper wieder um 15 Uhr halten, die Verlegung auf die von ihm gewählte spätere Uhrzeit hätte jedoch durchaus pastoralen Sinn gehabt. In der Pfarrei Algund, quasi vor den Toren der Stadt Meran gelegen, kann im Laufe des 18. Jahrhunderts anhand der Aufzeichnungen eine starke Vermehrung von Kreuzgängen und Prozessionen nachgewiesen werden, die neben religiösen durchaus auch gesellschaftliche Ereignisse darstellten. Die Bittgänge der Algunder Bevölkerung mit Zielen wie Staben, Terlan oder Burgstall - alle ausserhalb des Churer Bistums − boten Gelegenheit zum gemeinsamen Beten unterwegs, noch viel mehr aber zu Geselligkeit, ja Ausgelassenheit, und belasteten darüber hinaus wegen steigenden Unkosten - insbesondere für Speise und Trank - immer mehr die Kassen der Pfarrgemeinde und der örtlichen Bruderschaften. Dessen ungeachtet zählte man 1771 im Pfarrdistrikt Algund jährlich 5 Prozessionen, 22 Umgänge und 20 Kreuzgänge - natürlich verbunden mit ganz- oder doch halbtätigen arbeitsfreien Tagen. Dass Prozessionen oder Wallfahrten nicht nur Ausdruck offen gelebter Glaubensfrömmigkeit waren, sondern durchaus den urmenschlichen Instinkt nach Geselligkeit implizierten, zeigen zwei Beispiele aus der Stadt Meran. 1682 erging eine scharfe bischöfliche Mahnung an den zuständigen Pfarrer und Churer Domherrn Zacharias Lachardtinger <?page no="255"?> 255 7. Exkurs: Der Barock - Eine Epoche spezifisch katholischer Kultur zwischen Konfessionalisierung und Aufklärung (1663-1698) bzgl. der örtlichen Fronleichnamsprozession. Gemäss Dekret vom 18. April 1672 hatte die Prozession mit dem Altarsakrament von der Stadtkirche St. Nikolaus aus ohne Unterbrechung über vier Stationen durch die Stadt und dann wieder zur Pfarrkirche zurück geführt zu werden. Larchardtinger habe dieses Dekret bei «vnnachleßlicher straff gehorsambist» zu befolgen und keineswegs mehr wider alle Anordnung die Prozession zu unterbrechen, um bei den Klarissen in Meran noch ein Amt zu zelebrieren, da zwischenzeitlich Handwerksleute und andere Personen aus der Prozessionsformation das Wirtshaus besucht und in betrunkenem Zustand die für die Prozession benötigten Fahnenstangen zerbrochen hätten. Offenbar hatten sich diese Frohnaturen mit ihren demolierten Stangen wieder in die Prozession eingereiht und durch ihren torkelnden Gang und grölenden Gesang zur Belustigung bzw. zum öffentlichen Ärgernis beigetragen. Bei der Visitation von 1693 hatte derselbe Pfarrer eine bis anhin mehrtätige und rege besuchte Wallfahrt über den 2094 Meter hohen Jaufenpass zur Knappenkirche St. Maria Magdalena im Ridnauntal sofort einzustellen. Als Grund wird im Visitationsrezess angegeben, durch die Teilnahme Abb. 166: Auszug aus dem am 20. August 1682 erlassenen Rezessen im Anschluss an die Visitation in der Pfarrei Tirol-Meran (Thema Fronleichnamsprozession) [BAC] <?page no="256"?> 256 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) meist junger Leute sei es wiederholt zu nachbarschaftlichen Streitigkeiten sowie wegen den wenig klug gelösten Übernachtungsmöglichkeiten zudem zu übereilten Eheanbahnungen und unmoralischen Zwischenfällen gekommen. Meisterhafte barocke Ausgestaltung am Vorderrhein Denken wir darüber nach, wo die Epoche des Barock noch erlebbar in unsere Gegenwart hineinreicht, so können wir neben der Barockmusik, welche in den vergangenen Jahrzehnten geradezu eine wahre Renaissance erlebt hat, die in den katholischen Territorien vorhandenen grossen wie kleinen sakralen Meisterwerke der Architektur und deren Ausgestaltung nennen. Die noch vorhandenen Objekte sind der Obhut der Denkmalpflege anvertraut, welche zusammen mit Bund, Kantonen und Gemeinden viel für notwendige Restaurierungen aufgewendet haben und dies in dankenswerter Weise auch weiter tun. Ein kleines ‹Paradies› barocker kirchlicher Bauten im Bistum Chur wurde bereits genannt: die zwischen 1635 und 1692 geschaffenen 77 Kirchen und Kapellen im Dekanat Surselva, insbesondere im Lugnez. Die Vorstellung der folgenden zwei Beispiele aus Trun und Vrin möge nicht zuletzt Einladung sein, bei Zeit und Musse, um es mit den Attributen des Barock zu formulieren, diese Gotteshäuser vor Ort einmal zu besuchen und in ihnen zu verweilen. Unter Pfarrer Johann de Turre, welcher zwischen 1638 und 1687 als langjähriger Ortsseelsorger in Trun wirkte, wurden insgesamt vier Kirchen in und um Trun neu errichtet: die Pfarrkirche St. Martin (1660−1662), die Kapelle St. Katharina in Campliun (1592/ 1658), die Kapelle St. Josef in Darvella (1676) sowie die Wallfahrtskirche Maria Licht, romanisch Nossadunna dalla Glisch, auf Acladira (1663−1684). Letzterem Bauwerk sei die erste Aufmerksamkeit gewidmet. Nach Abbruch des alten Sebastiankirchleins und der Grundsteinlegung am 27. April 1663 durch Pfarrer de Turre folgte in einer ersten Bauetappe zwischen 1663 und 1672 die Errichtung einer kleinen, turmlosen Kapelle, bestehend aus Chorraum und dem heutigen Vorchor; in einer zweiten Phase zwischen 1682 und 1684 entstand als Erweiterungsbau unter Baumeister Christian Nigg (in Zusammenarbeit mit dem Disentiser Konventualen P. Carl Decurtins OSB) das Schiff; schliesslich errichtete man nach 1684 (aber noch vor 1688) den Turm. Die Ausgestaltung auf Acladira verweist auf wichtige Merkmale barocker Frömmigkeit. Die zwar baugeschichtlich bedingte, jedoch meisterhaft gelungene dreistufige Grössenabstufung der Marienkirche vom Schiff zum Chor wirkt sich räumlich als starke architektonische Konzentrierung auf den Hauptaltar (mit dem Tabernakel) hin aus, was eine bewusste Ausrichtung auf das Zentrum katholischer Frömmigkeit - die Eucharistie - darstellt. Als praktische, besonders volksnahe und deshalb beliebte Ausformung dieser Christozentrik im Kirchenraum zählten die daselbst durchgeführten Sakramentsprozessionen und eucharistischen Andachten. Ein anderes Exempel: Von den auf Leinwand gemalten, in Stuckrahmen eingelassenen Marienbildern des Chorgewölbes ist das Mittelstück in ikonographischer Hinsicht bemerkenswert, weil hier Maria die Milch ihrer Brust in eine Opferschale fliessen lässt, die auch das Blut Christi auffängt: eine seltene Kombination der Trinitätsidee mit eucharistischer Symbolik und dem Gedanken der Mitwirkung <?page no="257"?> 257 7. Exkurs: Der Barock - Eine Epoche spezifisch katholischer Kultur zwischen Konfessionalisierung und Aufklärung Mariens am Erlösungswerk Christi, wie er auch in einem weiteren Bild in Mariens Rolle als Fürbitterin im Gerichtssaal (sog. «Deesis») zum Ausdruck kommt; - für die damalige Zeit ein deutlicher Fingerzeig auf die Intensivierung der Marienverehrung, welche vor Ort am Schild über dem Eingang zum Vorchor durch einen Triumphzug Mariens aus dem Jahre 1687 (gemalt von Frater Fridolin Eggert aus Disentis) eine weitere Ausgestaltung erfahren hat. Der Zug wird geleitet vom hl. Benedikt, ihm folgen die heiligen Mönche Beda, Bernhard, Maurus und Adalgott, dann paarweise in aufsteigender Rangordnung heilige Bischöfe, Kardinäle und Päpste, welche den Triumphwagen der Muttergottes ziehen; dieser rollt ungeachtet über Häretiker hinweg; gefesselte Schismatiker, von den Erzengeln angetrieben, bilden den Schluss des Zuges. Gerade in Acladira gelang so in enger Verbindung von Architektur, Plastik und Malerei der Versuch, ein Stück Himmel an den Vorderrhein zu holen und daselbst geradezu dramatisch präsent zu halten. Das zweite hier zu erwähnende Beispiel führt ins hinterste Lugnez, nach Vrin. Der Ort unterstand bis 1597 kirchlich Pleif (Vella), danach erlangte Vrin pfarreiliche Selbständigkeit. Gemäss des Visitationsberichts von 1643 war der Kirchenbau von 1504 zu Ehren Mariae Geburt und Johannes des Täufers zwar klein, aber doch vorläufig ausreichend; Vrin zählte um die Mitte des 17. Jahrhunderts ca. 250 Einwohner. Erst zwischen 1687 und 1694 errichtete man in der Amtszeit der beiden Pfarrherren Ulrich Bertogg (1685−1691) und Johann Demarmels (1691−1696) unter Baumeister Antonio Berogio (Broggio) aus Roveredo und einem Stukkator Johann Baptist, dessen Zuname nicht belegt ist (möglicherweise auch ein Broggio), einen kompletten barocken Neubau. Abb. 167: Wallfahrtskirche Nossadunna dalla Glisch ob Trun/ GR - Aussenansicht [Foto: A. Fischer] Abb. 168: Wallfahrtskirche Nossadunna dalla Glisch ob Trun/ GR - Innenansicht [Foto: A. Fischer] <?page no="258"?> 258 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) Die feierliche Konsekration fand am 2. Juni 1695 statt. Der stattliche Bau, welcher sich bestimmend über die profanen Bauten der heute noch intakten bäuerlichen Siedlung erhebt, beeindruckt in diesem Tal durch seine barocke Grösse und Einheitlichkeit. Die nach Norden hin gerichtete Anlage besteht aus dem dreijochigen Schiff mit zwei Kapellen mit Querschiffcharakter und einem dreiseitig geschlossenen Chor. Über Schiff und Chor liegen durch Gurten geteilte Tonnengewölbe. Als Wandglieder dienen gestufte Pilaster, über denen ein kräftiges Gebälk als Hauptgesims im ganzen Raum auf gleichem Niveau durchläuft. Reicher Stuckdekor italienischer Art findet sich in den beiden Kapellen - ein Hinweis, dass der Einfluss des italienischen Barocks durch Architekten und Künstler südlich der Alpen mit Erfolg in die nördlichen Alpentäler und bis in den süddeutschen Raum getragen werden konnte. Beeindruckend sind auch der Hochaltar aus dem Jahr 1710, ein zweigeschossiger Aufbau aus Holz, und die reich beschnitzte Kanzel, welche wie das Chorgestühl ein Jahr zuvor (1709) entstand. Auch das barocke Gesamtkunstwerk zuhinterst im Lugnez weist durch seine prachtvolle Ausgestaltung auf das ersehnte Jenseits, welches durch Bauherr, Stukkatoren und Holzschnitzer vor Ort eine beeindruckende Abbildung gefunden hat. Abb. 169 / 170: Pfarrkirche Sta. Mariae Geburt in Vrin - Aussenansichten [Fotos: A. Fischer] Abb. 171/ 172: Pfarrkirche Sta. Mariae Geburt in Vrin - Innenansicht und Stuckdekor italienischer Art [Fotos: A. Fischer] <?page no="259"?> 259 7. Exkurs: Der Barock - Eine Epoche spezifisch katholischer Kultur zwischen Konfessionalisierung und Aufklärung Meisterhafte barocke Malereien in den Kirchen von Savognin an der Julierroute Zur Ankurbelung des aufsteigenden Wintertourismus in Savognin kreierte die Gemeinde im Oberhalbstein (Surses) vor einigen Jahren den Werbespruch «Mein Ziel: Savognin». Sicherlich gibt es schönere Ortschaften in Graubünden als Savognin, doch ein Dorf, in dem vor über 300 Jahren in der kurzen Zeitspanne von knapp 35 Jahren drei neue Barockkirchen eingeweiht wurden, ist etwas Besonderes und lädt zum Verweilen ein. Die Pfarrei Savognin (früher Schweiningen) wurde 1487 von der Grosspfarrei Riom abgetrennt, deren Gotteshaus St. Laurentius ursprünglich die Talkirche des ganzen Oberhalbsteins war. Der Kirchenbauboom in Savognin, welcher durch die Kapuziner in der Ortsseelsorge (1649−1942) entscheidend gefördert wurde, brachte in den Jahren 1632 bis 1641 unter Baumeister Crisostomo Guccio aus Mesocco die neue Pfarrkirche Nossadonna (Maria Empfängnis) hervor - übrigens die früheste Immakulata-Kirche der Schweiz; am 30. September 1643 fand ihre Konsekration durch Bischof Johann VI. Flugi von Aspermont statt. Das Bildprogramm der Wand- und Deckenmalereien in der Pfarrkirche über das Marienleben entstand 1663 und sein theologischer Gehalt unter dem Motto «Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter» (Lk 1,48) ist einzigartig. Besonders sei auf die Immakulata-Symbole am Chorgewölbe hingewiesen, welche von Bedeutung sind, bedenkt man, dass erst 1854 das Dogma der Unbefleckten Empfängnis Mariens verkündet worden ist. Abb. 173: Pfarrkirche Nossadonna (Mariae Empfängnis) in Savognin - Innenansicht [Foto: A. Fischer] <?page no="260"?> 260 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) Die Darstellung der Immakulata mit dem geflügelten Teufel zu ihren Füssen steht im lichtumfluteten Zentrum. Links davon erkennen wir den brennenden Dornbusch, in dem Gott leuchtet, aber nicht verbrennt («LUCET NON URIT»). Von Ephräm dem Syrer (um 306-373) stammt das Wort: «Im Dornbusch grüssen wir dich, Maria. In deinem Schoss hat die Flamme geweilt, und du, Mutter, bist nicht versengt.» Daneben weist auch die aufgehende Sonne auf Maria. Schon der Kirchenvater Hieronymus (347-420) sagte über Maria: «Niemals war sie im Schatten, sondern immer im Lichte.» So wird die Jungfrau gepriesen als «HINC PROCUL UMBRAE» (Von hier sind die Schatten weit entfernt) [links] und als «AEMULA SOLIS» (Wetteiferin mit der Sonne) [rechts]. Gegenüber des brennenden Dornbuschs erkennt der Betrachter die Arche Noah − auch sie ein Symbol für die Immakulata, deshalb steht: «NUMQUAM MERGITUR» (Sie geht niemals unter). Der griechische Olymp im Feld daneben ist ein weiteres Symbol für Maria: Als Brücke zur Welt für den Sohn Gottes ist sie «CALIGINIS EXPRES», der Finsternis nicht teilhaftig. Und weil der Heilige Geist mit seiner göttlichen Kraft die Jungfrau überschattet hat, kennt sie keinen, von der Sünde herrührenden Schatten («UMBRAE NESCIA»). Als Sinnbild ist hierfür der Obelisk gesetzt, der keinen Schatten wirft, da die Sonne senkrecht über ihm steht. Die Symbolsprache, welche immer wieder auf Bibel- und Kirchenvätertexte zurückgreift, ist ein wichtiger Schlüssel zu Verständnis und Deutung der Bildsprache (nicht nur) barocker Malerei. Abb. 174: Pfarrkirche Nossadonna (Mariae Empfängnis) in Savognin - Deckenmalerei am Chorgewölbe [Foto: A. Fischer] <?page no="261"?> 261 7. Exkurs: Der Barock - Eine Epoche spezifisch katholischer Kultur zwischen Konfessionalisierung und Aufklärung Als ein geradezu barockes Juwel Bündens steht die Kirche Son Martegn (St. Martin) am Hang über Savognin; das Gotteshaus diente bis 1643 als Pfarrkirche. Der barocke Bau geht auf die Initiative des Kapuziners Francesco Maria de Vigevano zurück (in Savognin 1658−1692); der Baumeister Battista Lera stammte aus Cramignano (bei Lugano). Am 1. Oktober 1677 vollzug Bischof Ulrich VI. de Mont die Kirchweihe. Im Innenraum dominiert Abb. 175: Kirche Son Martegn (St. Martin) in Savognin - Aussenansicht [Foto: A. Fischer] Abb. 176: Kirche Son Martegn (St. Martin) in Savognin - Deckenfresko [Foto: A. Fischer] <?page no="262"?> 262 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) ebenso wie am Aussenbau schlichtes Weiss. Höhe und Weite überraschen; Kapitelle und das umlaufende Gebälk sind reich verziert, aber keineswegs überladen. Alles scheint konzentriert auf das einzigartige Deckenfresko im Zentrum des Gewölbes. Der Zusammenklang von Architektur, Ausstattung, Malerei, Beleuchtung und Akustik machen St. Martin in Savognin mit dem bedeutendsten Deckenfresko der Barockzeit auf Bündner Boden zu einer der schönsten Barockkirchen Graubündens. Unter dem Titel «La Gloria del Paradiso» wurde es 1681 von Carlo Nuvolone aus Mailand geschaffen (sein Onkel, Carlo Francesco Nuvolone [1609−1662], schuf das Altarbild auf Acletta/ Maria Licht, Trun). Als Malfläche war ein gestrecktes, kuppelartiges Gewölbe gegeben. Dem Mailänder Meister schien diese Form jedoch zu ausdrucklos; er schuf eine Komposition, die das glatte Rechteckgewölbe wenigstens in der Illusion in eine hoch emporsteigende Rundkuppel verwandelt. Der Blick in den offenen Himmel zeigt uns die Herrlichkeit des Paradises als Heilige Stadt Jerusalem, wo sich in Gottes Gemeinschaft Engel und Heilige begegnen. Den Rahmen des Freskos bildet die kostbar verzierte Stadtmauer des himmlischen Jerusalems, die nach allen vier Himmelsrichtungen gemäss der Offenbarung des Johannes je drei Tore hat. Die Vorstellung von den hier dargestellten neun Engelschören verdanken wir dem Pseudo-Dionysius Areopagita, einem unbekannten christlichen Autor des frühen 6. Jahrhunderts, aufgezeichnet in seiner Schrift «De coelesti hierarchia» (Über die himmlische Hierarchie). Pseudo-Dionysius geht vom unerkennbaren Geheimnis Gottes aus, das als ewige Sonne im Zentrum von drei Triaden Engeln umgeben wird. Diese neun Engelschöre als Verherrlichung der «ecclesia triumphans» geben die von Gott empfangene Liebe, Erleuchtung und Kraft einander in sich ständig verminderter Stärke weiter - bis auf den Menschen. Und die Menschen steigen von unten über den Weg der Reinigung und Erleuchtung empor zur triumphierenden Kirche, zur ewigen Gemeinschaft mit Gott. Auch der berühmte italienische Dichter Dante Alighieri (1265−1321) verarbeitete die Vision von der Hierarchie der neun Engelschöre in seiner Göttlichen Komödie «La divina commedia» (entstanden um 1307−1320). Dieses zentrale Werk der mittelalterlichen Literatur hat vermutlich auf die späteren Künstlergenerationen Italiens einen nachhaltigen Einfluss ausgeübt, so auch auf Carlo Nuvolone. Durch eine allmähliche Verringerung der Kreisabstände, seine souveräne Ausnützung aller perspektivischen Möglichkeiten und durch fortschreitende Auflichtung der Farben gab er seinem in Savognin geschaffenen Meisterwerk eine besondere Note ins Grosse und Feierliche, die bis heute ungemein beeindruckt und den Betrachter die Sehnsucht nach dem «siebenten Himmel», der «Ecclesia triumphans», steigen lässt, zu der wir als Pilger im Glauben an den dreifaltigen Gott unterwegs sind. <?page no="263"?> 263 8. Kapuzinerklöster im Bistum Chur und die Rätische Kapuzinermission 8. Kapuzinerklöster im Bistum Chur und die Rätische Kapuzinermission a) Das Kapuzinerkloster in Feldkirch (seit 1605) Das Kapuzinerkloster in Feldkirch, deren Mitglieder heute der norditalienischen Provinz angehören, ist die älteste Klostergründung des franziskanischen Bettelordens im Bistum Chur in seinen alten Grenzen. Die zu Beginn des 17. Jahrhunderts an der Ill sich niedergelassenen Patres gehörten damals der Schweizerischen Provinz an, die erst 1668 geteilt wurde. Es entstand die neue Vorderösterreichische Kapuzinerprovinz, welche - wenn auch nur kurzfristig - noch einmal 1781 unter Kaiser Joseph II. eine Unterteilung erlebte: in eine Vorderösterreische und in eine Schwäbische Provinz. Seit 1783 untersteht die Niederlassung in Feldkirch der Tiroler Provinzleitung. Aufgrund der im Frühjahr 1600 gehaltenen erfolgenreichen Fastenpredigten des Kapuziner-Guardians von Frauenfeld/ TG, P. Seraphin Engel, in der Montforter Stadt, gelangten am 8. Mai 1600 auf Wunsch der Bevölkerung der kasierliche Vogt sowie der Stadtammann und Rat von Feldkirch mit der Bitte an den Provinzial der Schweizerischen Provinz, vor Ort die Gründung eines eigenen Klosters in die Wege zu leiten. Am 5. Februar 1602 erfolgten die feierliche Kreuzaufrichtung und Grundsteinlegung auf dem für den Bau von Wohltätern geschenkten Grund vor dem Bregenzertor nahe des alten Stadtzentrums. Nach einigen Verzögerungen gelang dann im Herbst 1605 die Fertigstellung des Klosterbaus (Baumeister: Hieronymus Hummelberg). Die Einweihung der Klosterkirche nahm am 30. November 1605 der Churer Bischof Johann V. Flugi vor, der in Feldkirch bekanntlich zwischen 1585 und 1597 als Stadtpfarrer gewirkt hatte. Die bereits seit 1602 vor Ort anwesenden Patres konnten das bislang gemietete Wohnhaus eines gewissen Nicolaus Brock verlassen und ihr Kloster beziehen. Die Feldkircher Niederlassung gelangte insbesondere wegen des späteren ersten Kapuzinermärtyrers, P. Fidelis von Sigmaringen (um 1578-1622), welcher zwischen Juli 1621 und seinem gewaltsamen Tod am 24. April 1622 in Seewis/ Prättigau als Guardian der Klostergemeinschaft in Feldkirch vorstand und im Zuge der Rekatholisierung durch Österreich gleichzeitig mit der Rätischen Mission (im Unterengadin und Prättigau) beauftragt war, ins Rampenlicht. Der 1729 selig- und 1746 von Papst Benedikt XIV. (1740-1758) heiliggesprochene Märtyrer wurde 1968 bei der Gründung der heutigen Diözese Feldkirch neben dem hl. Gebhard zum zweiten Bistumspatron erhoben. In einer Seitenkapelle der Klosterkirche ist in einer Reliquienstele das Haupt des hl. Fidelis zur Verehrung aufgestellt. Seelsorge und Apostolat gehörten und gehören bis heute zu den primären Aufgaben der theologisch gut gebildeten Patres. Für Feldkirch selbst war ihre Tätigkeit als Sonntags- und Festtagsprediger in der Pfarrkirche St. Nikolaus prägend, darüber hinaus wirkten sie als Aushilfsgeistliche in verschiedenen umliegenden Pfarreien, im Liechtensteiner Unterland und bis ins 19. Jahrhundert hinein auch im St. Galler Rheintal. <?page no="264"?> 264 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) Pater Fidelis - sein bürgerlicher Name war Markus Roy - kam 1577/ 78 in Sigmaringen als Sohn des dortigen Bürgermeisters Johannes Roy und seiner Frau Genoveva, geborene Rosenberger, zur Welt und ging als geradezu dramatische Führungsgestalt im Ordensgewand zur Zeit der Gegenreformation in Bünden in die Ordensgeschichte der Minderbrüder, weniger prägend in die Geschichte des Bistums Chur ein, da seine Grabstätte (1622) in der Krypta der Churer Kathedrale bis in die Gegenwart hinein nie zu einem wirklich vielbesuchten Ort seiner Verehrung erwachsen ist. Glänzend begabt, promovierte er 1601 in Freiburg i. Br. zum Doktor der Philosophie, 1611 dann zum Doktor beider Rechte. Der Jurist liess sich 1612 zum Priester weihen und trat noch im selben Jahr nach dem Vorbild seines leiblichen Bruders Apollinaris in Freiburg i. Br. in den Kapuzinerorden ein. Nach Ablegung der Gelübde folgte 1613-1617 das Studium der Theologie. Anschliessend wirkte er als begnadeter Volksprediger in Altdorf/ UR, als Guardian Abb. 177: Kapuzinerkloster Feldkirch [Foto: A. Gnädinger, Feldkirch] [BAC.BA] Abb. 178: Darstellung des hl. Fidelis von Sigmaringen um 1690 [BAC.BA] <?page no="265"?> 265 8. Kapuzinerklöster im Bistum Chur und die Rätische Kapuzinermission in Rheinfelden (1618-1621), Freiburg i. Ü. (1621), in Feldkirch (ab Sommer 1621) und von dort aus zusätzlich als Superior der Rätischen Mission - ein Ordensmann von vornehmer Gesinnung und nachhaltiger Überzeugungskraft, die seine Bewährung im Zuge des Prättigauer Aufstandes im Martertod für die christliche Botschaft gefunden hat. b) Das Kapuzinerkloster in Bludenz (1645-1941/ 1991) Auch die zweite Niederlassung auf dem Territorium des Churer Dekanats Walgau, das Kapuzinerkloster Bludenz, ist eine Gründung der Schweizerischen Kapuzinerprovinz mit Sitz in Luzern. Seit der Gründung des Klosters in Feldkirch kamen wiederholt Patres zur seelsorgerlichen Aushilfe und zu Missionsvorträgen nach Bludenz. Die braunen Kuttenträger erwarben dabei rasch das Vertrauen der Bevölkerung, so dass in der Stadt alsbald werktätige Hilfe in Ausssicht gestellt wurde, wenn in Bludenz ebenfalls ein Kloster gebaut würde. Nach Bittgesuchen der drei Stände Bludenz, Sonnenberg und Montafon sowie dem Einverständnis des Generalministers in Rom, P. Innozenz von Caltagirone (1634- 1650), zu einer neuen Niederlassung, erfolgten am 8. Oktober 1645 Kreuzaufrichtung und Grundsteinlegung des aus Almosen zu errichtenden Klosters durch den Kämmerer des walgauischen Kapitels und Pfarrer in Bürs, Christian Krafft; bei dieser Feier war auch der Schweizer Provinzial, P. Matthias von Herbstheim, zugegen. Die bereits ortsanwesenden Patres unter Leitung eines Superiors (bis 1652) wohnten in einem Provisorium in der Stadt. In der Nacht auf den 1. März 1651 wurden das Kloster und die noch nicht konsekrierte Kirche (Baubeginn 1648) durch einen Grossbrand vernichtet. Nach sofortigem Wiederaufbau und dank einer in Innsbruck genehmigten landesweiten Brand- und Hilfssteuer konnte am 28. August 1651 die Kirche durch Bischof Johann VI. Flugi von Aspermont eingeweiht werden. Patrozinium ist der Festtag Maria Hilf. Sicherlich ab 1651 bis weit ins 18. Jahrhundert hinein übernahmen die Bludenzer Kapuziner, welche seit 1653 unter Leitung eines Guardians standen (erster Guardian: Abb. 179: Ansicht der Stadt Bludenz um 1643, Kupferstich von Matthäus Merian [BAC.BA] <?page no="266"?> 266 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) P.-Zachäus Uelin aus Solothurn, 1653-1655), in der Pfarrkirche St. Laurentius die Sonn- und Festtagspredigten. In der Advents- und Fastenzeit sowie an den Marienfesten hielten die Patres Predigten und Andachten in der Klosterkirche. Zeitweilig wurden Kapuziner mit der Leitung der vor Ort üblichen Passionsspiele am Karfreitag betraut (erstmals 1705 nachgewiesen). Nach Teilung der Schweizer Kapuzinerprovinz 1668 wurde das Kapuzinerkloster Bludenz ein Konvent der Vorderösterreichischen Provinz. Im 18. Jahrhundert wohnten zumeist 16 Mitglieder des Ordens in den Gebäulichkeiten (13 Geistliche, 3 Laienbürder). Wie Feldkirch kam 1783 auch das Bludenzer Kloster zur Tiroler Provinz. Während des Zweiten Weltkrieges schliesslich wurde das Kloster am 4. Juni 1941 aufgehoben und erst 1945 wiederhergestellt. Am 30. Oktober 1945 konsekrierte Weihbischof und Generalvikar in Feldkirch, Franz Tschann (1936-1955), die Altäre der Kirche neu. Mit Dekret des Generalministers Flavio Roberto Carraro (1982-1996), datiert vom 11. Mai 1991, löste die Ordensleitung das Kapuzinerkloster Bludenz definitiv auf, welches dann am 10. Juli 1991 von polnischen Franziskanern der Provinz Posen übernommen wurde. c) Das Kapuzinerkloster in Meran (seit 1616) Um die Einführung der Kapuziner in der Stadt Meran bemühte sich primär der Churer Bischof Johann V. selbst und erhielt hierfür am 19. Februar 1613 grundsätzlich das Einverständnis des Tiroler Landesfürsten, Erzherzog Maximilian III. des Deutschmeisters (1595-1618), dem Erhaltung wie Stärkung des katholischen Glaubens ein wichtiges Anliegen war. Der Meraner Stadtrat hingegen reagierte anfänglich ablehnend, teilte dann aber (nach geklärter Finanzierung durch den Erzherzog) die nötige Bauparzelle auf der Marein am Vinschgauertor zu und liess die Umfassungsmauer an der Landstrasse errichten. Am 1. Mai 1616 legte Johann V. Flugi den Grundstein zum Bau des Klostergebäudes und zu der gleichzeitig zu errichtenden Kirche, welche er bereits am 19. Oktober 1617 zu Ehren des hl. Märtyrers Maximilian - bezeichnenderweise der Namenspatron des Landesfürsten - einweihen konnte. Den bereits seit 1610 in Meran weilenden Patres, welche bis heute der Südtiroler Kapuzinerprovinz unterstehen, wurde 1637 vom Churer Bischof das sonn- und feiertägliche Kanzelwort in der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus und die Katechese bei Kindern übertragen. Während der Fastenzeit des Jahres 1617 hielten die Kapuziner allwöchentlich zweimal Fastenpredigten. Den Abschluss dieser Fastenmission bildete die von den Kapuzinern inszenierte und von den städtischen Behörden unterstützte Karfreitagsprozession (auch Karfreitagsumzug genannt), die von der Klosterkirche aus durch Meran führte, und seither - mit massiven Einschränkungen in der theresianischjosephinischen Zeit - bis 1970 als Passionspiel und Büsserumzug wider den Un- und Irrglauben der Zeit unter grosser Teilnahme der Bevölkerung veranstaltet wurde, - ein Massenmedium mit langer Tradition in Tirol und Ausdruck einer städtisch-bürgerlichen Volkskultur. Etwa hundert Jahre nach der ersten bescheidenen Errichtung kam es zu Erweiterungsbauten und zur Vergrösserung der Kirche (1711-1713; Konsekration der neuen Kirche <?page no="267"?> 267 8. Kapuzinerklöster im Bistum Chur und die Rätische Kapuzinermission am 22. Juni 1712 durch Bischof Ulrich VII. von Federspiel). Auch wenn der Konvent der josephinischen Klosteraufhebung dank des übernommenen Schulunterrichts in Meran entgehen konnte, wurde der Bestand durch staatlichen Beschluss stark vermindert: von 36 (27 Patres und 9 Laienbrüder) auf noch insgesamt 18 Konventualen. Im Zuge der staatlichen Eingriffe in den innerkirchlichen Bereich durch die restriktive Politik der bayerischen Regierung in Tirol (1805-1814) wurden nicht nur die Benediktinerpatres der Abtei Marienberg zwangsweise versetzt, was am 3. August 1808 zur (zeitweiligen) Auflösung des Stifts führte, sondern man ging alsbald auch gegen «ungehorsame» Bettelmönche vor (in Meran, Schlanders und Mals). Gegen Mitternacht des 15. August 1808 liess Johann Theodor von Hofstetten (1773-1836), seit 1806 Kreishauptmann von Bruneck im Pustertal und seit Dezember 1807 mit einem Spezialmandat in geistlichen Angelegenheiten betraut, das Meraner Kapuzinerkloster durch das Militär besetzen. Alle Patres wurden unter teilweise äusserst roher Behandlung auf bereitstehende Kutschen verladen und zwangsweise auf Ordensniederlassugen in Klausen [2] bzw. Neumarkt in Tirol [6] umgesiedelt. Die Laienbrüder wurden später ebenfalls auf mehrere Klöster verteilt. Erst nach der Übernahme Tirols wieder durch Österreich gelang auch die Rückführung der Patres und die Weiterführung des Meraner Klosters bis zum heutigen Tag (1997/ 98: Restaurierung der Klosterkirche). Abb. 180: Innengarten des Kapuzinerklosters in Meran (heute) [Quelle: Wikipedia] <?page no="268"?> 268 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) d) Das Kapuzinerkloster in Schlanders (1644-2017) Seit Beginn des 17. Jahrhunderts nahm auf die religiöse Entwicklung im Dekanat Vinschgau in verstärktem Masse auch der Kapuzinerorden Einfluss. Für Schlanders kamen die entscheidenden Impulse von der 1616 gegründeten Meraner Institution. Bereits 1626 sandte der Südtiroler Provinzial auf Initiative des Deutschordens, der in Schlanders die Pfarrei betreute, den als Prediger in gutem Ruf stehenden Kapuziner P. Roman Faber von Ingolstadt nach Schlanders, wo dieser so erfolgreich wirkte, dass seither auch in der Fastenzeit und an höheren kirchlichen Feiertagen Kapuzinerpatres in Schlanders das Wort Gottes auslegten; zudem leisteten sie in der Pestzeit 1635/ 36 wichtige seelsorgerliche Hilfe vor Ort. Am 10. Juni 1638 verfassten Adel und Gemeinde von Schlanders eine Bittschrift an den Meraner Guardian mit dem Wunsch nach Errichtung einer Niederlassung der Kapziner mit drei oder vier Patres. Das Provinzkapitel erteilte seine Zustimmung vorerst für eine provisorische Residenz in Form eines Hospizes; alsbald bewohnten drei Patres ein im Besitz von Ferdinand von Mitterhofer stehendes Haus in Schlanders; die Messfeiern wurden in der Kapelle St. Ingeniun und Albuin abgehalten. Da der Churer Bischof entgegen dem Willen der Bevölkerung statt Kapuziner lieber Franziskaner in Schlanders wissen wollte, blieb nicht nur eine entsprechende Bitte der Gemeinde vom 24. Juli 1638 um Unterstützung unberücksichtigt, sondern Johann VI. liess verlauten, er denke nicht daran, für eine definitive Niederlassung seine Zustimmung zu geben. Auch eine Vermittlung der Landesfürstin, Erzherzogin Claudia (1632-1646), brachte vorerst keine Fortschritte. Es ist deshalb kaum verwunderlich, dass dem Ordinarius 1639 bei seiner Visitation in Schlanders der Eintritt ins Hospiz der Kapuziner verwehrt wurde mit der Folge, dass Johann VI. drohte, den Mendikanten das Predigen und Beichthören zu verbieten. Hierauf reiste als Vermittler der Meraner Guardian, P. Eusebius Saher, eigens nach Chur; doch erst das energische Eingreifen des Nuntius in Luzern, Girolamo Farnese (1639-1643), erzwang beim Churer Bischof am 27. September 1639 das Einverständnis zu einer festen Niederlassung der Kapuziner in Schlanders. Den noch im Frühjahr 1642 geplanten Beginn des Klosterbaus liess Johann VI. durch erneute Störmanöver verhindern, doch gelang es ihm nicht, den festen Willen der örtlichen Bevölkerung zu einer festen Institution zu brechen. Nachdem letztlich der Ordensgeneral am 8. November 1642 aus Rom seine Zustimmung zum Projekt gegeben hatte, war der Weg endlich frei. Am 22. Oktober 1643 erfolgten die feierliche Kreuzaufrichtung und am 24. August 1644 die Grundsteinlegung. Bereits 1645 konnte der Klosterbetrieb aufgenommen werden; erster Guardian war P. Jakob Calovi aus Nonsberg. 1648 vollendete man auch den Bau der Kirche St. Johannes d. T.; die Konsekration nahm der einstige Gegner der Niederlassung, Johann VI., am 27. November 1645 persönlich vor. Es wäre jedoch weit gefehlt, in dieser Handlung auch ein Zeichen der Versöhnung zu sehen. Vielmehr setzten sich die Animositäten des Churer Bischofs gegen Konventsmitglieder in Schlanders fort. Nachdem er 1650 zwei Patres der üblen Nachrede beschuldigt hatte, brachte eine Untersuchung des Provinzial nichts Belastendes gegen die beiden Kapuziner zutage. Johann VI. sah sich in der Folge in der Weise herausgefordert, dass er das Kloster suspendierte. Am 11. Januar 1651 eröffnete dann der bischöfliche Vikar und <?page no="269"?> 269 8. Kapuzinerklöster im Bistum Chur und die Rätische Kapuzinermission Pfarrer von Mals, Sebastian Capol aus Müstair (1642-1657), dem Konvent die Hiobsbotschaft aus Chur, dass ihm das Recht zu predigen, die Beichte zu hören und Almosen zu sammeln, entzogen werde und dass dieses Verbot für das ganze Territorium des Vikariatdistrikts gelte. Die Antwort des Guardians aus Schlanders kam nach Rücksprache mit dem Provinzial postwendend: Man sei sich keiner Verfehlung bewusst und werde sich dieser kollektiven Churer Strafmassnahme nicht unterwerfen. Nach Interventionen der Südtiroler Kapuzinerklöster und des Landesfürsten Ferdinand Karl (1632/ 46-1662) lenkte der Churer Bischof insofern ein, indem er die Abberufung der beiden beschuldigten Patres verlangte, die gegen seine Person und die Hinterfragung der Gültigkeit der Bischofswahl 1636 Stimmung gemacht hatten. Im März 1651 schien dann die leidige Sache mit der Aufhebung der Suspension für beide Seiten beigelegt zu sein und der Weg endgültig frei für mehr oder minder «ungestörtes» pastorales Wirken der Kapuziner (ca. 15-20 Patres und Laienbrüder) in Predigt, Katechese, Beichthören und Betreuung der Kranken in und um Schlanders bis ins Jahr 1808. Wie in Meran lösten die bayerischen Behörden wegen ihres «schädlichen Wirkens» und «Volksaufwiegelung» auch den Konvent in Schlanders am 15./ 16. August 1808 auf; die Mendikanten wurden nach Klausen in Tirol zwangsversetzt. Doch bereits nach der ersten Landesbefreiung (nach den vier Schlachten am Bergisel, 1809) konnten Kapuzinerpatres wieder in Schlanders wirken und blieben bis zur Gegenwart dort ansässig. Auf den 1. September 2017 wird die nur mehr aus zwei Kapuzinern bestehende Gemeinschaft definitiv aufgelöst. Abb. 181: Kapuzinerkloster in Schlanders [Foto: Br. Albert Piok OFMCap, Schlanders] <?page no="270"?> 270 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) e) Das Kapuzinerkloster in Mels (seit 1650) Das reformatorische Gedankengut fand auch seine Anhängerschaft im Sarganserland und führte, wie oben geschildert, in Mels, deren Gemeindemitglieder am 27. September 1529 beschlossen, sich dem neuen Glauben anzuschliessen, zu einer überstürzten Bildersturmaktion. Zwei Jahre später kehrte Mels unter Druck der Landvogtei Sargans wieder zum katholischen Bekenntnis zurück. In der Folge bemühten sich die katholischen Orte der Eidgenossenschaft im Verbund mit dem Nuntius und dem Churer Bischof, die Missstände im religiösen wie sittlichen Leben, wie sie auch in Teilen des Dekanats «Unter der Landquart» offen zutage traten, zu beheben. Als ein wirksames Mittel betrachtete man die Gründung eines Kapuzinerklosters im Herzen des Sarganserlandes für sinnvoll. Die Umsetzung des bereits auf der Tagsatzung vom 8.-10. Januar 1613 gefassten Beschlusses gelang aber erst Jahrzehnte später. Uneinigkeiten wegen des Standorts verzögerten die Sache nochmals, bis endlich im April 1651 an dem von der Gemeinde Mels vorgeschlagenen Platz im sog. Bünten mit den Bauarbeiten begonnen werden konnte. Die Geldmittel für den Bau besorgten vorwiegend die katholischen Orte (ungefähr 4000 Gulden); aber auch die Gemeinden des Sargnserlandes und spendefreudige Privatpersonen unterstützten das Projekt. Selbst der Erzbischof von Mailand, Kardinal Alfonso Litta (1652-1679), - offiziell um Unterstützung angefragt - liess am 10. März 1654 in seinem weitgestreckten Bistum eine Kollekte für die Melser Kapuzinerniederlassung ausschreiben. Im September 1654 konnten 7 Patres, 2 Kleriker und 2 Laienbrüder den fertiggestellten Bau beziehen (erster Guardian: P. Chrysogomus Wyss aus Sursee/ LU, 1654-1657), und am 11. Oktober desselben Jahres konsekrierte Johann VI. Flugi von Aspermont die dem hl. Carlo Borromeo geweihte Klosterkirche. Doch bereits ab 1650 weilten drei Kapuziner vor Ort und wirkten in der Seelsorge; ihre Zahl stieg bis 1761 auf 11 Patres und 3 Brüder, sank dann aber im Laufe des 19. Jahrhunderts wieder auf 5-6 Patres. 1970 erreichte der Konvent nochmals 10 Patres und 2 Brüder. Abb. 182: Kapuzinerkloster in Mels um 1818, Aquarell von P. Ludwig Schönenberger OFMCap von Wil [aus: P. Thaddäus Vonarburg, Renovation und Umbau des Kapuzinerklosters Mels 1964/ 65, Mels (ohne Jahr), S. 3] <?page no="271"?> 271 Die segensreiche Wirksamkeit der Kapuziner in und um Mels konnte mit einer kurzen, politisch bedingten Einschränkung zwischen 1798 und 1808/ 15 (Helvetik und Mediation) bis heute aufrechterhalten werden. Der am 20. März 1799 erlassene Befehl des helvetischen Direktoriums, die Kapuziner aus Mels zu vertreiben, blieb unausgeführt. Im Kloster selber standen sie den Menschen beratend zur Seite, feierten Gottesdienste, hielten Katechesen und nahmen die Beichte ab. Seit Jahrhunderten arbeiten die Mendikanten als Aushilfskräfte in den Pfarreien des Sarganserlandes. Auch in den Pfarreien des Oberlandes im Fürstentum Liechtenstein sowie in den Gemeinden Gams, Wildhaus und Alt-St. Johann waren die Kapuziner von Mels immer gerne gesehen. In Zeit und Gesundheit raubenden Fussmärschen erreichten sie von Mels aus jeweils ihren Einsatzort; nach Mols brauchte man etwa vier Stunden, nach Schaan fünf, nach Wildhaus gar sechs. lhren seelsorgerischen Dienst erwiesen sie auch der Bevölkerung in der Diaspora der Bündner Herrschaft. Nachhaltig wirkten sie in den Gemeinden des Domleschg und rund um Obervaz. Beim vorherrschenden Priestermangel im Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert kommt ihrem unermüdlichen Seelsorgeeinsatz erst recht grosse Bedeutung zu. Das neue Leitbild sieht vor, dass das Kloster vor allem die Funktion eines geistlichen Zentrums mitten in den neu sich formenden Seelsorgeeinheiten bilden soll. f) Die Besetzung von Pfarreien in Bünden durch Kapuziner: Die rätischen Kapuzinermissionen Auf dem Territorium des heutigen Kantons Graubünden spielten im konfessionellen Zeitalter und darüber hinaus die «fratri minori» eine bedeutende Rolle - nicht nur im anfänglichen, von katholischen Fürsten geförderten Kampf gegen die Protestanten, sondern in der Festigung des katholischen Bekenntnisses, verbunden mit der Förderung verschiedener (barocker) Frömmigkeitsformen. Obwohl der Orden bereits seit 1529 bestand, war Bünden für die Minderbrüder absolutes Neuland, eine «terra de missione» im eigentlichen Sinne des Wortes. Die eigentliche «Missione apostolica dei Cappucini in Rezia» - die Rätische Kapuzinermission - begann im Januar 1621 mit deren Errichtung durch päpstliches Dekret; zum ersten Vorsteher («Superiore») der Mission ernannte Paul V. (1606-1621) den bereits im Münstertal missionierenden Kapuziner und früheren Guardian des Kapuzinerklosters Edolo in Brescia, P. Ignazio da Casnigo (1571-1632). 1622 übernahm die neu gegründete Congregatione de Propaganda Fide (für die Verbreitung des Glaubens) von Rom aus die leitende Koordination der Rätischen Mission - bis 1921. Die römische Institution betraute die praktische Missionsleitung ab 1645 bis 1892 der italienischen Ordensprovinz der Kapuziner in Brescia an; danach unterstand die Mission bis 1921 der Ordensprovinz Rom. 1951 erfolgte die Zuteilung des ehemaligen Missionsgebietes an die Tessiner Kapuziner, die sich 1971 mit der Provinz Schweizer Kapuziner vereinigten. Eine weitere Gründung, die «Missione apostolica dei Cappucini nelle Valli di Mesolcina e Calanca» - die Kapuzinermission im Misox -, ging ebenfalls im Jahre 1635 von der Propaganda de Fide 8. Kapuzinerklöster im Bistum Chur und die Rätische Kapuzinermission <?page no="272"?> 272 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) aus und reichte bis 1920; die in den beiden italienischsprachigen Talschaften tätigen Patres wurden aus der Kapuzinerprovinz Mailand rekrutiert. Beide Missionen, welche nicht nur alles andere als einheitlich organisiert waren, sondern sich später auch in Interessengebieten und Zuständigkeitsbereichen überlagern und konkurrenzieren sollten, unterstanden nie dem Churer Bischof, sondern einem jeweiligen Vizepräfekten, der normalerweise auf dem Territorium selbst einer Pfarrei vorstand. Von der ehemaligen Rätischen Mission oblag Tarasp (1625-1716) ab 1716 den Nordtiroler Kapuzinern; Müstair (1621-1726) unterstand ab 1733 den Brixener Kapuzinern. Anhand der reformorientierten Kräfte aus dem Kapuzinerorden das katholische Leben abzusichern, zu festigen und unter der zeitweiligen Vorherrschaft Österreichs in Bünden auch ehemals katholische Gebiete zurückzugewinnen, konnte nach dem Lindauer Vertrag von 1622 und den Scappischen Artikeln von 1623, welche Aufenthalt und Tätigkeit der von der Kirche approbierten Orden garantierten, zielstrebig an die Hand genommen werden. Unter Bischof Joseph Mohr setzte nach einer ersten (gescheiterten) gegenreformatorisch ausgerichteten Missionsstrategie die zum Teil bis ins 20. Jahrhundert (erfolgreich) fortgeführte neue Strategie der Pfarreibetreuung durch Kapuziner in Cazis, Almens-Rodels, Tomils, Mon, Tiefencastel, Lantsch/ Lenz, Brienz, Bivio-Marmorera und Tinizong ein. Von den damals 15 Pfarreien im Dekanat «Ob dem Churer Wald» übergab der Bischof also deren 9 den Mendikanten. Unter Bischof Johann VI. folgten daselbst noch Stierva, Riom, Salouf sowie Savognin, Mulegns-Sur und Vaz / Obervaz (1663), Alvaneu dagegen erst 1687. Somit war praktisch ein ganzes Dekanat wenigstens zeitweilig nicht mehr in der Hand von Diözesangeistlichen, sondern lag in der Obsorge von Ordensgeistlichen. Im Dekanat Surselva unterstanden unter den genannten beiden Bischöfen Cumbel, Danis, Disentis, Rueun, Sagogn, Sevgein und Siat der Seelsorge durch Kapuziner. Im Dekanat Misox wurden unter Johann VI. die Pfarreien Cama-Leggia, Grono, Lostallo, Roveredo, Soazza und Sta. Maria in Calanca (mit den Filialen Castaneda und Braggio) der Obhut von Mitgliedern aus der mailändischen Ordensprovinz überantwortet, was aber im Tal unter den diözesanen Weltgeistlichen zu Missmut und, wie auch andernorts in Bünden, zu zum Teil heftigen Agitationen (vor allem zwischen 1640 und 1650) gegen die Kapuziner und deren Ausweisung aus paritätischen Gemeinden (Unterengadin [ausser Tarasp], Bergell, Domleschg, Sagogn, Bivio) führte. Hierfür trugen hartnäckige Protestanten wie unversöhnliche Katholiken - bei einzelnen Entscheidungen auch die Kompromisslosigkeit Bischofs Johann VI. oder der römischen Kurie bzw. der Kongregation de Propaganda Fide - gleichermassen die Verantwortung. Hinzu kamen wachsende Uneinigkeiten zwischen dem Churer Bischof und der Leitung der Rätischen Kapuzinermission im fernen Brescia bezüglich der von dort aus autonom durchgeführten Pfarreibesetzungen und oft willkürlichen Mutationen mit / von Regularen sowie diverser Jurisdiktions- und Kompetenzfragen in der Seelsorge. Die Realität des unausweichlichen Nebeneinanders beider Konfessionen in diversen Gemeinden Bündens zwang - insbesondere nach der Abwendung der Casa d’Austria von ihrem einstigen Vorhaben einer Rekatholisierung ganzer Talschaften und vor dem Hintergrund der aktiven Mitwirkung der Gemeinden in kirchlichen Belangen - die Diözesanleitung wie die Kurie zum Einlenken und zu einer Neuorientierung auf dem Weg zu einem konfessionellen Miteinander. <?page no="273"?> 273 8. Kapuzinerklöster im Bistum Chur und die Rätische Kapuzinermission In Chur selbst unterhielten Kapuziner erstmals kurzfristig 1621 einen Posten; ab März 1623 bewohnten zwei Mendikanten, Pater Jeremias Wendelstein aus Freiburg i. Br. und Bruder Juniperus Diein aus Gruns (Tirol), ein im Besitz des Bischofs stehendes Haus beim sog. «Kratz» (heute Sennhof ) auf Stadtgebiet. Für ihren Unterhalt sorgten Bischof und Domkapitel. Nach dem durch Dekret des Stadtrates 1643 erzwungenen Wegzug aus dem städtischen Territorium fanden die Patres Zuflucht auf dem bischöflichen Hof, einer Enklave und bis 1852 eigenständigen politischen Gemeinde, wo sie weiter bis 1880 ein Hospiz mit 3-4 Patres unterhielten (Haus zwischen Kathedrale und bischöflichem Schloss; nach dem Hofbrand von 1811 Haus des Hummelbergischen Benefiziaten [Hof 16]). Zu ihrem Wirkungskreis zählten neben der Seelsorge der etwa 200 auf dem Hof wohnenden Katholiken die Orte Trimmis, Untervaz und Zizers. An letzteren beiden Orten eröffneten die Kapuziner später - 1686 in Zizers (1-2 Patres) bzw. 1698 in Untervaz (2-3 Patres) - je ein eigenes Hospiz. Weitere örtliche Hospizgründungen (vor 1816) gelangen in chronologischer Abfolge 1688 in Andermatt, 1699 in Mals, 1728 in Mastrils ob Landquart und 1735 in Realp. Die nachstehende Tabelle bietet einen Überblick über die Besetzung von katholischen oder paritätisch ausgerichteten Pfarreien in den auf dem Hoheitsgebiet der Drei Bünde liegenden Dekanaten des Bistums Chur durch Kapuziner. In den drei Dekanaten Unter der Landquart, Walgau und Vinschgau [ausser Val Müstair] oblagen die Kapuziner keiner selbständigen Pfarreiseelsorge, sondern wirkten von ihren Klöstern aus als gern gehörte Prediger und Aushilfsgeistliche in der Pastoral. Abb. 183: Stationen der Kapuzinermissionen in Bünden - das gemalte Gotteshaus stellt die Pfarrkirche von Tiefencastel dar, an dessen Ort bis 1997 das Archiv der Rätischen Kapuzinermission aufbewahrt worden ist (heute im Provinzarchiv in Luzern) [PAL] <?page no="274"?> 274 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) Pfarrseelsorge durch Kapuziner im Bistum Chur Dekanat Pfarrei Dauer (in Jahren) Churer Gebiet Chur-Hof (Kathedrale) 1621 / 1623-1880 Ems 1626-1628 Untervaz 1699 - 20. Jh. Zizers 1625-1632 [Betreuung von Chur aus] 1686 - 20. Jh. Abb. 184: Konfessionelle Karte zur Ausbreitung der Kapuziner im schweizerisch-süddeutschen Sprachraum [aus: 400 Jahre Kapuziner auf dem Wesemlin 1588-1988. Ausstellungskatalog des Historischen Museums, Luzern 1988] <?page no="275"?> 275 8. Kapuzinerklöster im Bistum Chur und die Rätische Kapuzinermission Pfarrseelsorge durch Kapuziner im Bistum Chur Surselva Andermatt (Ursern) 1688 - 21. Jh. Cumbel 1650-1923 Danis 1650-1940 Disentis 1648-1818 Rueun 1628-1644 Sagogn 1633-1649 1724-1922 Sevgein 1647-1823 Siat 1644-1649 Ob dem Churer Wald Almens-Rodels 1629-1648 1686-1939 Alvaneu 1687-1888/ 90 Alvaschein 1738-1922 Bivio-Marmorera 1631-1925 Brienz 1627-1725 Cazis 1634-1647 Lantsch/ Lenz 1627-1636 1670-1687 Mon 1635-1677 Mulegn/ Mühlen 1649-1948 Obervaz 1663-1933 Riom-Parsonz-Cunter 1638-1644 1647-1727 Salouf 1641/ 1645-1653 1747-1949 Savognin 1650-1942 Stierva 1641-1707 Tiefencastel [Casti] 1635-1955 Tinizong 1634-1663 1707-1943 Tomils 1631-1634 1672-1674 1728 - 20. Jh. Engadin Samnaun 1623-1647 Sent 1630-1930 Tarasp 1625- 21. Jh. <?page no="276"?> 276 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) Pfarrseelsorge durch Kapuziner im Bistum Chur Vinschgau Müstair 1621- 20. Jh. Sta. Maria i. M. 1621-1647 Taufers 1638- [? ] Misox Cama-Leggia 1640-1925 Castaneda 1640-1920 Grono 1684-1925 Lostallo 1636-1872 Rossa 1656-1921 Roveredo 1635-1890 Sta. Domenica 1656-1706 1708-1714 Sta. Maria in Calanca 1640-1920 Soazza 1636-1920 9. Ein leidvolles Kapitel: Hexenverfolgungen und die Rolle der katholischen Kirche - mit einem Blick auf Vorkommnisse im Bistum Chur Der Zeitraum von 1550 bis 1750 kennt neben seinen lichten Seiten, die in der katholischen Reform und in der Glaubenskraft der reformierten Orthodoxie zum leuchten kamen, auch seinen dunklen Part, welcher, auch das Territorium des Bistums Chur überschattend, nicht verschwiegen werden darf. Dazu zählen die Verfolgungen wegen Hexerei und Zauberei. Ihre Prozesse mit Schwerpunkt im 16.-18. Jahrhundert sind aber von der eigentlichen Inquisition (von lat. «inquisitio» = Untersuchung, Befragung), dem Prozess gegen Glaubensabweichung bei Häresieverdacht, zu trennen und zu unterscheiden, welche geschichtlich bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht. Bei der Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit gingen die christlichen Konfessionen trotz allen Abgrenzungen in Lehre und Praxis eine unrühmliche Komplizenschaft ein. Dabei sind einzelne Territorien der heutigen Schweiz (zwischen 1530 und 1782 [dem letzten Urteil gegen Anna Göldi]: Genf und in der Waadt, Innerschweiz [v. a. Obwalden], Südbündner Tal Poschiavo) sowie Teile des Bistums Chur (Bergell, Misox, Surselva [Gruob, Disentis, Vals], Schanfigg, Prättigau/ Davos, Oberhalbstein, Rheinwald, Schaan, Feldkirch, Vinschgau, Burggrafenamt) mit ihren daselbst durchgeführten Prozessen gegen angebliche Hexerei in eine unheimliche Verwirrung eingebunden, die mit Ausnahme der iberischen Halbinsel ganz West- und Mitteleuropa erfasst und in ihrer paradoxen Konsequenz nichts anderes zur Folge hatte als den Zusammenbruch jeder gesellschaftlichen und menschlichen Solidarität. <?page no="277"?> 277 9. Ein leidvolles Kapitel: Hexenverfolgungen und die Rolle der katholischen Kirche … a) Ursprung und Gründe der Verfolgungen Pseudo-religiöses Motiv Im Hexenwahn haben sich Vorstellungen alter Mythologien mit dem christlichen Glauben von der Existenz des Teufels als Menschenfeind verbunden. Hexen und Hexer wurden darin als Menschen angesehen, die im Bund mit dem Teufel ihren Mitmenschen Schaden an Leib und Gut zufügten. Dieses Bedrohungspotential erscheint in der Epoche der europäischen Hexenverfolgungen (15.-18. Jahrhundert) neu eingebettet in eine umfassende, religiöse Theorie des Bösen. Von Theologen im Übergang vom 14. zum 15. Jahrhundert ausformuliert und von den Trägern der weltlichen Ordnung nach und nach übernommen, besagt diese Theorie: Alle Magie und insbesondere die Anrufung übernatürlicher Kräfte ist eine Sünde gegen den christlichen Glauben. Wer sich trotzdem darauf einlässt, fällt von Gott ab (Apostasie) und wird ein Anhänger des Teufels (Idolatrie), der allein magische Wirkungen vorspiegeln oder real geschehen lassen kann - allerdings immer mit Gottes Zulassung. Um Männer und Frauen in seinen Bann zu ziehen, bietet der Böse materielle Gefälligkeiten (wie Geld in Notzeiten) oder sexuelle Befriedigung an, wobei er sich Männern in einer Frauengestalt (succubus) und Frauen in einer Männergestalt (incubus) präsentieren kann. Ziel all seiner Verführungskünste ist es, Christen zur Aufkündigung ihres Taufbundes zu bewegen. An dessen Stelle sollen sie mit dem Teufel einen neuen Bund (pactum cum diabolo) schliessen, der dann mit einem entsprechenden Schwurritual und häufig in Form einer pervertierten «Eheschliessung» (Buhlschaft) sexuell vollzogen wird. Auf solche Weise schafft der Teufel eine verschworene Gemeinschaft von Glaubensabtrünnigen, die sich zu nächtlichen Zusammenkünften einfinden (sog. Hexensabbat) und dort weiteren Schadenzauber beschliessen. Hexerei wird damit - im Gegensatz zu traditionellen Zaubereivorstellungen - zu einem stets kollektiv ausgeübten Verbrechen. Und da solche Verbrechen und die gegenüber den Mitmenschen entstandenen «Schäden» von Gesetzes wegen öffentlich zu ahnden waren, kam es zu ihrer Verfolgung in den sog. Hexen- oder Zaubereiprozessen mit ihren grausamen Untersuchungsmethoden und Strafurteilen. Gesellschaftliches Motiv Neben diesem pseudo-religiösen Motiv waren dabei auch gesellschaftliche Vorurteile wirksam. Obwohl auch Männer bis hinauf zu hohen kirchlichen Würdenträgern und selbst Kinder den Prozessen zum Opfer fielen, richteten sie sich doch in grosser Mehrzahl gegen Frauen. Die vom römischen Recht herrührende und durch mittelalterliche Anschauungen geförderte Minderbewertung, ja Verachtung der Frau, fand hier ihren schlimmsten Ausdruck. Für die Feminisierung der Deliktvorstellungen sind mehrere Gründe zu nennen: - die Vorstellung der meist sexuellen Verführung durch den Teufel und die Unterwerfung unter diese männlich verstandene Figur des Bösen, <?page no="278"?> 278 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) - die Geschlechter bedingte Rollenverteilung im alltäglichen Wirkungsbereich (Erziehung der Kinder, Haus- und Hofwirtschaft, Nahrungszubereitung, Krankenpflege), - und das Selbstbewusstsein wie die Selbständigkeit mancher Frauen gegenüber obrigkeitlichen Normsetzungen und männlichen Dominanzansprüchen. - Darüber hinaus eigneten sich Frauen aufgrund ihrer rechtlichen, sozialen und ökonomischen Minderstellung besser als Opfer und wurden nicht selten geradezu stellvertretend für die Konflikte der Männer wegen Hexerei belangt. Krisenbedingtes Motiv Drittens kam eine situationsbedingte Komponente hinzu: Am stärksten wüteten die Verfolgungen in Zeiten besonderer Nöte, vor allem während der Pest und Hungersnöten, die als Folge von Missernten auftraten, aber auch zu Zeiten von Naturkatastrophen. Die Zeit des 15. bis 17. Jahrhunderts erschien in ausserordentlichem Mass krisengeprägt: Dazu gehörte vor allem eine als «Kleine Eiszeit» bezeichnete, langanhaltende Klimaverschlechterung (1570-1630 und 1675-1715), welche gravierende Ernteausfälle und langfristige Preissteigerungen sowie in der Folge spürbare Not, Hunger und eine erhöhte Sterblichkeit bedingte. Verstärkt wurde dieses Krisenbewusstsein durch weitere bekannte Phänomene wie Seuchen, Pest und Kriege, die ebenfalls in jener Zeit Hochkonjunktur hatten. Die durch Ernteausfälle, Viehsterben und Kriegseinwirkungen gesteigerte Ressourcenverknappung führte in Kleinstädten, Dörfern und Nachbarschaften zu einer Verschärfung der meist nur oberflächlich im Gleichgewicht gehaltenen gemeinschaftlichen Solidarität. Aus überlieferten Zeugenaussagen und Anklageschriften ist diese krisenhafte Situation deutlich abzulesen. In diesem angespannten Klima gediehen Neid, Missgunst, Streitsucht und Gewalttätigkeit. Insgesamt hatten jedoch nicht nur lokale durch das schlechte Wetter bedingte oder politische, durch den Menschen bedingte Kriegskatastrophen und ihre Folgen Anteil am Klima der Angst. Vielmehr war die Ansicht weit verbreitet, man lebe in einer «geschwinden Zeit», einer Endzeit, die mit grossen Schritten auf die Apokalypse zu eilte. Dieses Klima wurde durch Druckmedien mit sensationslüsternen Nachrichten aus allen Teilen Europas negativ gefördert. b) Von der unrühmlichen Rolle eines kirchlichen Exponenten in der Steuerung des Prozessverfahrens vor dem 17. Jahrhundert Für die Durchführung der Prozesse waren in Ablösung der mittelalterlichen Inquisition vom 16. Jahrhundert an nahezu ausschliesslich die weltlichen Gerichte zuständig. Als Grund zur Anklage trat an die Stelle des ursprünglichen Leumundsprozesses immer mehr die Denunziation. Die Zulassung dieses Indizes war allerdings umstritten, denn die «Besagung» als oftmals einzig ausschlaggebendes Indiz hatte fatale Wirkung: Es setzte Kettenprozesse in Gang und konnte so ganze Familien auslöschen. Da nach geltendem Recht eine Verurteilung nur auf das Geständnis der Angeklagten hin erfolgen durfte, spielte zu <?page no="279"?> 279 9. Ein leidvolles Kapitel: Hexenverfolgungen und die Rolle der katholischen Kirche … dessen Erzwingung die Folter in den Verfahren nicht nur eine entscheidende Rolle, sondern nahm immer grausamere Formen an. Diverse Publikationen von Gelehrten, insbesondere aus der Feder von Geistlichen, förderten in der ersten Zeit die Verbreitung des Hexenglaubens. So erhob sich am Ende des 15. Jahrhunderts ein gelehrter Dominikanermönch namens Heinrich Kramer (lat. Institoris) [um 1430-1505] und publizierte 1486/ 87 ein Werk, das bis heute im Verdacht steht, Entscheidendes zur weiteren Verbreitung des Hexenglaubens beigetragen zu haben - der berüchtigte «Malleus Maleficarum» (dt. «Hexenhammer»). Auf jeden Fall stellt das Buch die erste systematische Zusammenfassung der Thematik dar, die trotz ihrer Abfassung in Latein ein breites Publikum erreichte. Spätestens seit 1480 hatte Kramer in seiner elsässischen Heimat Erfahrungen mit Hexenprozessen gemacht, war dabei aber wiederholt auf starke Opposition gestossen. Um diese zu brechen, reiste er nach Rom und erwirkte am 5. Dezember 1484 von Papst Innozenz VIII. (1484-1492) die sog. Hexenbulle «Summis desiderantes affectibus» [«In unserem sehnlichsten Wunsche»], deren Text jedoch Kramer selbst verfasst hatte. Im Dokument legte der Papst dar, dass in Deutschland und anderen Ländern nördlich der Alpen Personen beiderlei Geschlechts mit dem Teufel fleischlich verkehrten sowie durch Zaubereisprüche und -mittel Menschen und Tieren grosses Unheil oder Schaden zufügten. Damit bestätigte Innozenz VIII. als einziger Papst überhaupt die Existenz der Hexerei und die Gefährlichkeit des sich ausbreitenden Zauberei- und Hexenwesens. Zudem bekräftigte die Bulle die Bestellung Kramers als päpstlichen Inquisitor in Oberdeutschland und Tirol. Als Kramer von Rom herkommend in Brixen Station machte, erlitt er mit seinen immer radikaleren Agitationen gegen die vermeintlichen Hexen schmählichen Schiffbruch. Seine ungewöhnliche Prozessführung provozierte nicht nur den Widerstand des Tiroler Landesfürsten Erzherzog Sigismunds, sondern auch den des Brixener Bischofs Georg Golser (1464/ 71-1488). Der unrechtmässigen Prozessführung beschuldigt, wies Golser den Mönch kurzerhand aus seinem Bistum und zwang ihn mit Billigung Sigismunds, Tirol zu verlassen. Kramer reagierte auf diese Niederlage mit der eiligen Niederschrift des «Hexenhammer», des- Abb. 185: Das Werk Heinrich Kramers «Malleus Maleficarum», Ausgabe von 1669 [Quelle: Wikipedia] <?page no="280"?> 280 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) sen Autorität er mit einem gefälschten Gutachten der Kölner theologischen Fakultät zu steigern suchte und völlig unberechtigt auch die päpstliche Bulle von 1484 voranstellte. Heinrich Kramer, als Autor ebenso skrupellos wie als Inquisitor, versuchte darin, alle zu Gebote stehenden Erleichterungen zur Überführung von vermeintlichen Hexen zusammenzutragen. Sein an den Tag gelegter Hexenwahn war so extrem, dass er alle, die nicht an Hexen glaubten, zu Häretikern abstempelte. Als Begründungen zur harten Verfolgung listete er auf: - die besondere Anfälligkeit von Frauen, die er abschätzig als «Übel der Natur» titulierte, für die Verführungskünste des Teufels, − das lat. Wort «femina» leitete er kurzerhand von «fides» [Glauben] und «minus» [weniger] ab, - die Verbindung von geistlichem und weltlichem Kapitaldelikt, (um die weltliche Gerichtsbarkeit auf den Plan zu rufen), und - die besondere Tarnung des Verbrechens, zu dessen Aufdeckung die Schutzregeln, welche einem Angeklagten vor dem weltlichen Gericht zustanden, ausser Kraft gesetzt werden durften. Trotz dieses in mehreren Auflagen erschienenen Werkes eines im Verstand wahrlich eingeschränkten Gelehrten der Kirche - der Brixener Bischof Golser bezeichnete Kramer als «kindischen Greis» - blieb vornehmlich für katholische Territorien im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und für den habsburgischen Staatenverbund die 1532 erlassene «Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V.», die «Carolina», relevant. In Bezug auf Hexereiverfahren erscheint die Carolina zwar etwas zwiespältig, stellte sie doch «nur» die tatsächlich schädigende Zauberei unter Todesstrafe, überliess die Bestrafung der Zauberei ohne Schädigung dagegen dem Ermessen des Richters. Es muss aber auch betont werden, dass die Carolina viele allgemeine Bestimmungen enthielt, welche angeklagten Personen und ihren Familien helfen konnten, das drohende Ende eines Hexereiverfahrens abzuwehren - so an erster Stelle die Beibehaltung eines ordentlichen Strafprozesses, dazu gehörte die Haftung der Kläger für die entstehenden Prozesskosten (für Klageschrift, Beibringen von Zeugen) und für die Folgen, welche die Klage für den Angeklagten hatte. Auch erlaubte die Carolina eine uneingeschränkte Verteidigung und untersagte die Erzwingung eines Geständnisses allein unter der Folter. Obrigkeiten, die Hexereiverfolgungen ernsthaft eindämmen wollten, hatten mit der Carolina durchaus eine dienliche Handhabe. Es sei ferner hingewiesen: Die frühneuzeitliche Römische Inquisition erfuhr von seiten der Kirche erst durch die Konstitution Pauls III. «Licet ab initio» vom 21. Juni 1542 eine zentral wie straff geregelte Ordnung. Damals wurde ein für die ganze Christenheit zuständiges oberstes päpstliches Inquisitionstribunal errichtet. Diese neue Organisation fand als «Congregatio sanctae Inquisitionis» unter Papst Sixtus V. mit dem Dokument «Immensa aeterni» vom 22. Januar 1587 ihre endgültige Form. Über Jahrhunderte führte sie den Namen «Congregatio Romanae et Universalis Inquisitionis». Erst anlässlich der Kurienreform von 1908 wurde sie in «Sacra Congregatio Sanctii Officii» umbenannt. Unter Papst Paul VI. (1963-1978) schliesslich bekam sie 1965 den Namen «Congregatio <?page no="281"?> 281 9. Ein leidvolles Kapitel: Hexenverfolgungen und die Rolle der katholischen Kirche … pro Doctrina Fidei» (Kongregation für die Glaubenslehre). Sie sieht heute ihre Hauptaufgabe nicht mehr im blossen ‹Überwachen›, sondern vielmehr in der Vorantreibung der gesunden katholischen Lehre, um das Evangelium Jesu Christi, die Frohe Botschaft, unverfälscht zu den Menschen zu tragen. c) Carlo Borromeos Aufenthalt in der Mesolcina 1583 und die Ausrottung der «Ketzer» Unter den Begleitern, welche Carlo Borromeo während seiner oben geschilderten Visitation des Misox vom 3. bis zum 30. November 1583 unterstützten, ragt der Jesuit Francesco Borsato aus Mantua heraus, welcher sich bereits im Oktober 1583 vor der Ankunft des Mailander Kardinals als apostolischer Visitator auf Churer Bistumsgebiet als aktiver «Inquisitor» im Kampf gegen die neugläubige Bevölkerungsschicht im Tal betätigte. Man sammelte nicht nur reformatorische Schriften, um diese anschliessend zu vernichten, sondern Borsato ging gegen renitente und verstockte Personen vor, die der neuen Glaubensauffassung nicht entsagen wollten. Als Bündner Landsleute standen die reformierten Talangehörigen unter dem Schutz der geltenden Zivilgesetze, welche weder Anklagen noch Verurteilungen wegen ihrer Konfessionsangehörigkeit erlaubten; erklärte man sie jedoch zu «Hexen», waren sie rechts- und schutzlos. Die Skrupellosigkeit eines Borsato, der hierin - eigentlich unverständlich - die Unterstützung Borromeos genoss, wählte exakt diesen Weg, um gegen die «ketzerischen» Personen wirkungsvoll vorgehen zu können. Im Laufe seiner Ermittlungen gegen über 100 Personen, davon ein beträchtlicher Anteil Frauen, insbesondere zur Überführung von «Hexen», wurden manche Angeklagten mittels Folter zu Geständnissen gezwungen. Ein Todesurteil konnte nach geltendem Recht letztlich nur gefällt werden, wenn der/ die angebliche Deliquent/ in das ihm/ ihr zur Last gelegte Verbrechen auch gestanden hatte. Nachdem die Urteile am 28./ 29. November noch in Anwesenheit Carlo Borromeos verkündet worden waren, der Kardinal dann aber abgereist war, wurden 6 nicht geständige, aber, so hiess es, der Hexerei «überführte» Männer und 4 unbussfertige, aber geständige Frauen am 30. November 1583 bei lebendigem Leib auf dem brennenden Scheiterhaufen von der weltlichen Hand hingerichtet. Auch der damalige Propst von San Vittore, Domenico Quattrino, der seine Neigung zum neuen Glauben nicht bestritt, wurde als nicht geständiger «Hexenmeister» überführt, von Borromeo aller geistlicher Würden entkleidet, doch von dem säkularen Gericht dann wegen befürchteter Unruhen begnadigt. Das Todesurteil gegen den höchsten Talgeistlichen wurde in langjährige Kerkerhaft umgewandelt. Das Durchgreifen des Kardinals gegen manche Missstände in der Mesolcina zeigte Erfolge, nicht aber die versuchte «Vernichtung» der Reformierten im Tal. Vor allem im oberen Teil des Misox konnte sich ein Rest allen Druckversuchen widersetzen, dem neuen Glauben abzuschwören. Ein Zeitgenosse, der rätoromanische Chronist Peider Aliesch aus Chamues-ch, hebt in seinen Aufzeichnungen «La Cronica» (1575-1588) ein wichtiges Element hervor, welches bei diesem unverhältnismässigen Einschreiten des kirchlichen und weltlichen Arms im Misox gegen die Reformierten, nicht mehr als «Ketzer», sondern <?page no="282"?> 282 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) der Hexerei verdächtigt, eine verheerende Rolle spielte: die Denunziation und der sinnlose gegenseitige Vernichtungskampf: «Es bildeten sich zwei Streitparteien, die einander befehdeten, gefangen nahmen und einkerkerten, die Feinschaft wuchs an und steigerte sich, dass es Gott im Himmel geklagt sei.» Gegen die Verantwortlichen im weltlichen Stand, welche das Vorgehen eines Borsatos unterstützt und gefördert hatten, ging man im Oberen Bund mit einem vom 14.-18. Februar 1584 in Ilanz geführten Prozess vor. Die Urteile - es wurden gegen die damaligen Kriminalrichter lediglich Geldbussen ausgesprochen - fielen nicht nur milde aus, sondern was auffällt, ist, dass in den Prozessakten die Hexen- und Ketzerverfolgung in der Mesolcina an sich nirgends Gegenstand von Klagen bildeten. d) Skepsis und zunehmender Widerstand: Zum Umdenken der katholischen Kirche bei der Hexenverfolgung Auch wenn die kirchlichen Autoritäten selbst die Hexenprozesse nicht direkt durchführten, hatten sie viel zulange nicht entschieden genug dagegen Stellung bezogen. Die am Ende des 16. Jahrhunderts zu beobachtende Entwicklung einer Dogmatisierung des Hexenwahns unterdrückte auf katholischer Seite zum einen die grundsätzliche Diskussion, zum anderen legte man sich auf die schärfste Prozessform fest, was den exzessiven Einsatz der Folter implizierte sowie die Bewertung von «Besagungen» (Denunziationen) als entscheidende Indizien. Erst das Ausmass der Verfolgungen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts führte zwangsläufig zu einem allmählichen Umdenken. Die stärkste Gegenwehr erwuchs interessanterweise aus den Reihen der Jesuiten. Gelehrtendiskurs im Zeichen von Eskalation und Kritik Sichtbar wurde eine veränderte Haltung spätestens 1627, als P. Adam Tanner SJ (1572- 1632), Professor für scholastische Theologie an der Universität Ingolstadt, im Zuge der grossen Hexenverfolgungen in Bayern eine kritische Einschätzung vornahm. Anhand einer wissenschaftlichen Erörterung thematisierte Tanner die äusserst schweren Schäden, die dem gesamten Gemeinweisen aus den ungerechten, unbedachten und gefährlichen Prozessen gegen die vermeintlichen Verbrechen von Hexen entstehen konnten. Dabei verwies er auf die Folter, die er vehement als ein entsetzliches Instrumentarium ablehnte, und auf die mangelnde Eignung von Richtern; letztere würden entweder durch Unerfahrenheit oder durch ihre ungezügelte Begierde bestrafen und so einerseits die Gerechtigkeit mit Füssen treten, andererseits schweren Schaden über die Unschuldigen bringen. Kurze Zeit später veröffentlichte ein weiterer Jesuit und Professor für kanonisches Recht an der Universität Dillingen, P. Paul Laymann (1574-1635), 1630 in einer moraltheologischen Abhandlung seine Ansichten gegen die Hexenprozesse. Indem er auf Tanner zurückgriff, legte er dar, in Prozessen sei grösste Vorsicht geboten, insbesondere im Umgang mit den «Besagungen», deren Wert er für null und nichtig hielt. Wegen der Denunziation seien schon viele unschuldige Menschen grausam behandelt worden und zu Tode gekommen. <?page no="283"?> 283 9. Ein leidvolles Kapitel: Hexenverfolgungen und die Rolle der katholischen Kirche … 1631 schliesslich blies ein dritter Jesuit mit akademischer Autorität zu einem entscheidenden Angriff auf die sinnlosen Verfolgungen. P. Friedrich Spee von Langenfeld (1591- 1635), Professor für Moraltheologie in Paderborn, übertraf mit seiner Schrift «Cautio Criminalis» bzw. «Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse» alle frühere katholische Kritik an Deutlichkeit. Derartig massiv waren seine Angriffe auf die Verfahrensweise bei Hexenprozessen und besonders gegen die Verantwortlichen - Beamte, Juristen, Geistliche, Fürsten −, dass sein Buch zunächst anonym erscheinen musste. Erst eine 1664 in Lyon publizierte französische Übersetzung nannte Spee ausdrücklich als Verfasser; doch war der Name des Autors in kirchlichen Kreisen schon zuvor kein Geheimnis mehr. Im Kern machte Spee fünf Faktoren bzw. Gruppierungen für die Verfolgungen verantwortlich: 1. die Einstellung der Bevölkerung, die entweder aus Aberglauben oder aus Hass und Neid stets neue Anklagen hervorbringe, 2. das Treiben der Juristen, Richter und Beamten, die entweder grausam, auf ihren Vorteil bedacht oder bloss unfähig seien, 3. der Fanatismus der Geistlichkeit, welche die Landesherren immer wieder dazu verleitete, die Prozesse fortzuführen, Abb. 186 / 187: Pater Friedrich Spee von Langenfeld SJ (1591-1635) und sein Werk «Cautio criminalis» [Quelle: Wikipedia] <?page no="284"?> 284 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) 4. die Sorglosigkeit der Landesherren selbst, welche die Verantwortung für die Prozesse auf ihre Beamten und Gerichte schoben, und 5. die Folter, welche jene Geständnisse erzeugte, mit denen die Verfolgerseite ihr Gewissen beruhigen und ihr Handeln rechtfertigen konnte. All dies führte den Jesuitenpater zur Forderung, die Verfolgungen vollständig einzustellen und zu einer angemessenen Weltsicht und Politik zurückzukehren. Dazu gehörte vor allem, der von Gott geordneten Natur wieder ihren Platz einzuräumen und nicht jedes Ereignis auf Hexerei zurückzuführen. Es ist schwer, die konkreten Auswirkungen von Spee’s Schrift auf die Verfolgungen zu bestimmen; sicher ist, dass dieses Buch dazu beigetragen hat, die weitere Entwicklung hin zur völligen Abkehr von Hexenverfolgungen in Gang zu halten bzw. zu beschleunigen. Die kuriale Instruktion zu Beginn des 17. Jahrhunderts Obwohl auch die Päpste der Neuzeit immer skeptischer auf die Glaubwürdigkeit von Selbstbezichtigungen und Denunziationen über Teilnehmer am sog. Hexensabbat reagierten, dauerte es lange, bis endlich im zweiten Dezennium des 17. Jahrhunderts mittels einer «Instructio pro formandis processibus in causis strigum» [um 1624], einer Ordnung zur korrekten Führung von Hexen- und Zaubereiprozessen, an die sich alle Inquisitoren zu halten hatten, die Kongregation der Inquisition offiziell und − man muss auch hier betonen − in sehr deutlicher Form gegen die verwerflichen Praktiken Stellung bezog. Die Verfasser der erst 1657 im Druck erschienenen Instruktion tadelten die Leichtgläubigkeit so mancher geistlichen wie weltlichen Untersuchungsrichter mit der Konsequenz, dass kaum jemals ein Prozess richtig und rechtmässig abgelaufen sein könne, sondern dass aus diesen Prozessen zu oft ungerechte und unangemessene Urteile resultierten. Allein durch die Blindheit der Richter würden die meist harmlosen Frauen und Männer zu Verkörperungen des Bösen hochstilisiert. Die genannte lateinische Instruktion wurde alsbald in der Schweiz vom Einsiedler Benediktiner Konrad Hunger (1623-1662) ins Deutsche übersetzt und mit Erfolg verbreitet. Abb. 188: Erste Seite der bereits um 1624 verfassten kurialen «Instructio», erstmals 1657 gedruckt [Quelle: Wikipedia] <?page no="285"?> 285 9. Ein leidvolles Kapitel: Hexenverfolgungen und die Rolle der katholischen Kirche … e) Erschütternde Aktennotizen über Verfolgungen im 17. Jahrhundert auf dem Territorium des Bistums Chur Die Öffnung des Archivs der Glaubenskongregation, dem ehemaligen Heiligen Offizium, hat in den letzten Jahren der Erforschung der römischen Inquisition bereits verschiedentlich aufschlussreiche Impulse gegeben. Welche ‹Schätze› im Palazzo del Sant’ Ufficio im Schatten des Petersdomes trotz starker Verluste in napoleonischer Zeit noch zu heben sind und welche aufregenden Erkenntnisse dabei erwartet werden können, zeigt das folgende Beispiel aus dem Bistum Chur. Die Rettung von 15 zum Tod verurteilten Kinder aus Vals Seit der Neuordnung der Kardinalskongregationen im Jahr 1588 war das Heilige Offizium das wichtigste, angesehenste, aber auch gefürchtetste Machtorgan der katholischen Kirche. Die Kardinäle tagten mindestens zweimal wöchentlich. Am Donnerstagstermin nahm nach Möglichkeit der Papst selbst den Vorsitz ein. An einem solchen Tag, es war der 13. Mai 1654, behandelte die Kongregation in Anwesenheit von Papst Innozenz X. (1644-1655) ein Schreiben des damaligen Nuntius in Luzern, Carlo Caraffa della Spina (1652-1654), worin dieser die bevorstehende Gefahr schilderte, dass die weltlichen Behörden im bündnerischen Valsertal 15 Jungen und Mädchen im Alter zwischen 8 und 12 Jahren als angebliche Hexenkinder zum Tod verurteilen wollten. Da ihre Eltern bereits dem Feuertod übergeben worden seien, schlug der Nuntius zur Rettung der Kinder vor, man solle diese dem Grossinquisitor bzw. an den Erzbischof in Mailand übergeben, welcher alle bei «rechtschaffenen Männern und ehrbaren Frauen», also bei guten Familien, unterbringen könne, damit ihr junges Leben gerettet und ihre Zukunft, die wir aus den Protokollen nicht kennen, gesichert würde. Die Rückfrage des Heiligen Offiziums an den Nuntius in Luzern, ob die staatlichen Stellen einer solchen Übergabe überhaupt zustimmen würden, bejahte die Nuntiatur. Am 16. Juli 1654, so das Sitzungsprotokoll der Kongregation, erörterte man das neue Schreiben aus Luzern (vom 15. Juni). Der Churer Bischof Johann VI. Flugi von Aspermont hatte dem Nuntius versichert, dass die Kinder einem von ihm Beauftragten übergeben würden; allerdings müsse die Sache rasch an die Hand genommen werden, ansonsten drohe eine bestialische Exekution. Der Papst persönlich wies den Luzerner Nuntius an, dafür zu sorgen, dass ihm die Kinder ohne irgendwelche Bedingungen anvertraut würden, um sie nach Mailand bringen zu lassen. Gleichzeitig erging die Order in die Lombardei, sich der 15 Kinder anzunehmen und darüber dann Bericht zu erstatten. Am 9. Dezember 1654 legten die Kardinäle auf einer weiteren Sitzung fest, dass die Kinder nach ihrer Ankunft in Mailand seelsorgerlich betreut und im Glauben unterwiesen werden sollten; zur Unterstützung der namentlich bekannten fünf Buben und 10 Mädchen aus Vals ging ein nicht bekannter Geldbetrag an den Erzbischof von Mailand. Der nächste und letzte Eintrag in dieser Sache findet sich in der Niederschrift der Sitzung des 10. Juni 1655. Mittlerweile waren die Kinder in Mailand eingetroffen; die angeforderten Prozessakten lagen als Kopien in Rom vor. Hauptanklagepunkt: mittels Denunziation beschuldigte die Hexenjustiz im Tal die Kinder der <?page no="286"?> 286 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) Teilnahme auf dem Hexensabbat. Unter Leitung Papsts Alexander VII. (1655-1667) beschloss die Kongregation, die geretteten Kinder seien in Mailand bei Familien unterzubringen, bei denen sie aufwachsen und ihren Lebensunterhalt verdienen konnten, ferner möge man sie weiterhin durch einfühlsame Seelsorger begleiten. Das Verdienst, auf das drohende Schicksal dieser Kinder aus Vals aufmerksam gemacht und die Rettungsaktion durch die römische Kurie in Gang gesetzt zu haben, gebührt den beiden Churer Diözesanpriestern Antonio Maria Laus aus Roveredo (ursprünglich aus der Surselva) [gest. 1670] und Taddeo Bolzone aus Grono (gest. 1684). Sie waren damals im Auftrag der Kongregation für die Glaubensverbreitung («Congregatio de propaganda fide») in Graubünden tätig. Laus genoss zudem das Vertrauen des Nuntius, so dass ein alarmierendes Schreiben über die damaligen himmelschreienden Zustände in Vals, wo bereits 40 Menschen ohne Indizien verhaftet und auf das unter Folter erzwungene Geständnis, mit dem Teufel im Bunde zu stehen, hingerichtet worden seien, in Luzern Wirkung zeigte. Für die anerkennende Haltung der Kurie ist zudem bezeichnend, dass Papst und Kardinäle es nicht mit der konkreten Hilfe bewenden liessen, sondern 1655 durch die Übersendung der oben erwähnten «Instructio» an die Luzerner Nuntiatur hofften, die örtliche Justiz der katholischen Schweiz und Bündens zu einem Umdenken in der Frage der sinnlosen und gegen alles Recht verstossende Hexenverfolgung zu bewegen. Dass ein wirkliches Umdenken seine Zeit brauchte, zeigt ein zweites Beispiel aus dem Jahr 1679. Abb. 189: Gemeinde Vals (heute) [BAC.BA] <?page no="287"?> 287 9. Ein leidvolles Kapitel: Hexenverfolgungen und die Rolle der katholischen Kirche … Das Schicksal des Schaaner Kaplans Gerold Hartmann Im Zuge der umfassenden Sanierungsarbeiten im Bischöflichen Archiv Chur zwischen 2005 und 2007 kamen unter dem Verputz an den Wänden im Historischen Archiv des Marsölturms etliche Rötelzeichnungen und Schriftzitate aus verschiedenen Quellen zum Vorschein. Bald stellte sich heraus, dass diese Graffiti (grösstenteils) von Gefangenen angefertigt worden waren, welche im Gefängnis am bischöflichen Sitz - der Fürstbischof besass bekanntlich die niedere und hohe Gerichtsbarkeit - eingesperrt waren. Unter diesen Personen befanden sich auch Geistliche, darunter im Jahre 1679 auch Gerold Hartmann. 1633 in Frastanz geboren, besuchte er zwischen 1652 und 1655 das Jesuitenkolleg in Feldkirch, wechselte dann bis 1658 an die Universität Dillingen und wurde daselbst am 20. September 1658 zum Priester geweiht. 1671 kam er als Hofkaplan nach Schaan. Als am 6. Mai 1679 gegen seinen Neffen Gerold Negele wegen Hexerei (Zauberei, Giftmischerei) der Prozess eröffnet wurde, denunzierte man in Schaan auch den Kaplan. Das Verhörprotokoll vom 26. April 1679 unter Leitung des liechtensteinischen Landvogtes Johann Thomas Brügler und in Gegenwart des bischöflichen Kommissars Johannes Öri ist in den Aktenbeständen des Bischöflichen Archivs Chur aufgefunden worden. Daraus seien einige Passagen zitiert, um anhand deren Aussagen zu verstehen, welchen Unsinn die geladenen und selbst beschuldigten Zeugen vertraten und durch Denunziation andere in furchtbares Elend stürzen konnten. Ein gewisser This Conradt, ebenfalls der Hexerei angeklagt, bestätigte vor den Inquisitoren, dass er «Geroldt Hartman vast auf allen denzen habe sehen mess lesen, der da aber kheinen kelch, sonderen an statt desselben mithin einen schwarzen hilzenen becher, wohl ein bokhs horn, gebrauchet, die hoch hailigiste hostiam zerbrökhlet, vnder den hexen-haufen geworffen, das allerheiligste bluet aber, gleich wie wür sonsten mit dem geweiehten wasser zue thun pflegen, vnder sye außgesprizet, und gesagt, sye sollen dises hexenwerkh hinnemmen, vnd imb deifels namen allerley hexerey daraus machen, darauf dan alles zugelassen, vnd ein ieder sich beflissen, etwas zue seiner vorhabenden schelmerey darvon zu tragen, […]». Eine Frau namens Anna Schädler aus Schaan bekräftigte ihre bereits früher unter der Folter gemachte Aussage, «das sye auf dem danz gesehen mess lessen den Geroldt Hartman, deme ein junger knab, wie sye bedunkhet von Schan, zu althar gedienet, und dises seie ihrer mainung nach 6 bis 7 mahl geschechen, da er Hartman alle zeith an stat deß kelches einen heßlichen engen schwarzen becher, welcher mer ainem horn gleich gesehen, in seinen händen gebrauchet, nach der consecration die hailige hostiam in stückhle zerbrochen, vndt vndter die hexenleüth ausgeworffen, vermeldent, da werffe er den drekh imb deifels namen hinaus, sollen darauf danzen. Vnd solches also auch geschechen […]. Deßgleichen habe er dz hailige blueth vnder sye ausgeschüt vnd gesagt, da haben sye die mistlachen, imb deifels nammen, sollen in selbigem nammen, auch darmit vornemmen, handlen und thuen, was, und wie mit vorigem.» Infolge dieser Vorwürfe und wegen «suspicionem magiae» (Verdacht auf Zauberei) überstellte man Gerold Hartmann nach Chur, wo er nachweislich während 43 Wochen im Marsölturm eingelocht war - die von ihm an der Wand angebrachten Striche (43) sind heute dank der Freilegung der Graffitis wieder zu sehen [Abb. 191]. Unter Verwendung von Folterwerkzeugen versuchte das bischöfliche Geistliche Gericht ein Geständ- <?page no="288"?> 288 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) nis des armen Geistlichen zu erzwingen. Eine Rötelinschrift könnte auf die furchtbaren Stunden Hartmanns hinweisen, wenn da in Latein steht: «Miseremini mei sacerdotis, qui estis eiudes ordinis! » [«Habt Erbarmen mit mir, ihr Priester, ihr die ihr meines Ranges seid.»] Die Untersuchungen brachten kein Ergebnis, so dass Hartmann, man muss wohl sagen, zum guten Glück, 1680 an den Grossinquisitor nach Mailand überstellt wurde. Dort erfuhr er endlich 1682 Genugtuung: Wiederum war es das Heilige Offizium in Rom, welches auf päpstlichen Entscheid den physisch und psychisch schwer getroffenen Priester für unschuldig erklärte, ihn in vollem Umfang restituierte und in Freiheit setzte. Gerold Hartmann kehrte als körperliches Vrack und als Mann der Kirche, welcher wegen unhaltbaren Denunziationen im wahrsten Sinne des Wortes das Kreuz Christi zu tragen hatte, 1682 nach Frastanz zurück. Im bischöflichen Verlies erinnert er die Nachwelt an seine Leidenszeit: «O Domine ego, passionem meam tuae unio passioni, et crucem cruci, meritum merito tuo.» 1686 verzichtete Gerold Hartmann auf die immer noch innegehabte Hofkaplaneipfründe in Schaan und verbrachte seinen Lebensabend in Erolzheim (Baden- Württemberg), wo er am 2. März 1694 starb. Diese beiden konkreten Fälle aus Vals und Schaan, aber auch viele andere Fälle mit positivem Ausgang verdeutlichen, dass Papst und Kardinäle (gemäss der Protokolleinträge der Kongregationssitzungen) im Laufe der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die weltliche Justiz grundsätzlich zu einem konsequenten Umdenken in der Hexenverfolgung zu bewegen suchten. Diese Ausführungen zu einem traurigen Kapitel, das mitunter schwere Schatten auf die Kirche wirft, aber eben auch aufgrund des zwar spät erfolgten Einsehens und Umdenkens kirchlicher Vertreter und kurialer Stellen Erwähnung bedarf, soll mit einem Wort von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) beschlossen werden, der 1994 vor Kardinälen die Frage formulierte: «Wie soll man schweigen zu den vielen Formen der Gewalt, die auch Abb. 190 / 191: Historische Abteilung des Bischöflichen Archivs Chur im Marsölturm - an den Wänden Rötelzeichnungen [Fotos: A. Fischer] <?page no="289"?> 289 10. Ausdrucksformen der wieder erstarkten Stellung des Churer Bischofs als Hirte vor Ort und … im Namen des Glaubens ausgeübt wurden? Religionskriege, Tribunale der Inquisition und andere Formen von Verletzung der Rechte von Personen? » - Am 12. März 2000 haben Johannes Paul II., Kardinäle und Bischöfe in einem dramatischen Akt der Demut ein Schuldbekenntnis für die Verfehlungen in der Vergangenheit abgelegt. Die Selbstprüfung hat sich auch auf die Inquisition und die Hexenverfolgung erstreckt, ohne dass sie ausdrücklich genannt wurden. Letztlich ist zu konstatieren: Die Inquisition und die Hexenverfolgungen kann man im Rahmen des historischen Kontextes nur zu erklären suchen, rechtfertigen kann man sie nie. 10. Ausdrucksformen der wieder erstarkten Stellung des Churer Bischofs als Hirte vor Ort und als geistlicher Reichsfürst a) Bischöfliche Vertretungen auf Reichstagen und Friedensverhandlungen Die politischen Zerwürfnisse der vergangenen Jahrzehnte zwischen Bünden und den einflussreichen Machtblöcken Spanien und Österreich konnten zwar durch die wiederholte Erneuerung der Erbeinigung 1642 (blieb bis 1800 in Geltung) - der Bischof von Chur war nicht mehr als Kontrahent beteiligt - grösstenteils friedlich beigelegt werden, im innerkirchlichen Bereich jedoch gelang Johann VI. lediglich, den Status quo für die katholischen Teile der Drei Bünde zu halten. Die Hoffnung auf Wiedergewinnung der verlorenen Herrschaftsrechte oder zumindest auf eine angemessene finanzielle Entschädigung dafür musste hingegen endgültig aufgegeben werden. Abb. 192 / 193: 1645 gedruckte Schrift «Catalogus oder ordentliche Series der Bischoffen zu Chur» von Bischof Johann VI. Flugi von Aspermont (mit Besitzvermerk: Conradin Mohr, Dekan) [BAC] <?page no="290"?> 290 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) Aus Anlass der Wiedererlangung von Sitz und Stimme auf den Reichstagen ab 1645, wodurch sich der Churer Bischof zwar als verschuldeter, aber legitimer Reichsfürst auswies und auf dem Parkett der europäischen Politik zurückmeldete, verfasste Johann VI. auf seinem 1641 erworbenen Privatsitz Knillenberg in Obermais bei Meran die 1645 in Hohenems bei Bartholomäus Schnell gedruckte Schrift «Catalogus oder ordentliche Series der Bischoffen zu Chur», deren zweiter Teil eine detaillierte Aufzählung ehemaliger bischöflicher Herrschaftsrechte beinhaltet - das «Verzeichnus Ettlicher Herrschafft / Hochvnd Gerechtigkeiten / welche dem Vuralten Bistumb Chur / Kauffs / Tausch- oder verehrsweis einverleibt / meisttheils aber / nach dem Religionsabfall / demselben von den Calvinischen Graw-Pündtnern / selbst eygens gewalts entzogen vnnd vorgehalten worden» -, die mit Karl dem Grossen beginnt und bis ins Jahr 1635 (Erwerb von Grossengstingen) reicht. Die Schrift aus der Feder Johanns VI. mit dem Verzeichnis seiner bischöflichen Amtsvorgänger, das er irrtümlicherweise bis auf den Bistumspatron Luzius zurückzuführen glaubte, und der gedrängten Aufzählung ehemaliger Herrschaftrechte (Hochstift Chur) ist ein deutlicher Versuch eines machtlos gewordenen geistlichen Reichsfürsten, sich im Rund der ihn umgebenden Reichsgesandten unter Rückbesinnung auf historische Werte und Rechte neu zu positionieren. Noch auf den Friedensverhandlungen von Münster und Osnabrück, die das Ende des Dreissigjährigen Krieges (1618-1648) besiegelten, versuchte der Churer Bischof, der als Herr von Grossengstingen und als geistlicher Reichsfürst 1645 die seit der Reformation unterbrochenen Beziehungen zum Reichstag wieder aufgenommen hatte, durch seinen Agenten Pater Cristoforo da Toscolano OFMCap (gest. 1681) und seinen offiziellen Vertreter Franz Wilhelm von Wartenberg, Bischof von Osnabrück (1625-1661) und Bi- Abb. 194: Landsitz Knillenberg in Obermais bei Meran [BAC.BA] <?page no="291"?> 291 10. Ausdrucksformen der wieder erstarkten Stellung des Churer Bischofs als Hirte vor Ort und … schof von Regensburg (1649-1661), vergeblich die Anerkennung der Scappischen Artikel durch die katholischen Grossmächte zu erreichen. Die Aufgabe des Kapuzinerpaters bestand darin, in Münster die Interessen des Bistums Chur und der katholischen Kirche in den Gemeinen Drei Bünden den kirchlichen Verhandlungsführern darzulegen und, als mit den rätischen Verhältnissen vertraut (seit 1633 Missionar in Sagogn und seit 1649 in Sevgein), diesen als Berater zur Seite zu stehen. Zudem galt P. Cristoforo als Garant für den Informationsaustausch zwischen Münster und Chur. In einem Antwortschreiben Wartenbergs an Flugi aus Münster vom 18. Januar 1647, worin er den Erhalt der Eingaben aus Chur (zwei Schreiben vom 15. und 22. Dezember 1646) verdankte, weckte der Bischof von Osnabrück anfänglich die Hoffnung, dem Ansuchen des Churer Bischofs um Anerkennung der Bestimmungen von Lindau und Chur von 1622 bzw. 1623 würde eventuell entsprochen: «[...] anderß selbst nicht begehren, alß daß die sachen in den standt wird gestelt, worinnen die anno 23 vnd 24 [sic! ] nach inhalt des mit dem pabstlichen nuncio Scappio aufgerichteten vergleichs gewesen vnnd solches eben terminiert ist». Ebenso habe er die Angelegenheit um Restitution «auf allen fall sowol bey dem französischen alß Chur Maintzischen directorio vorgebracht». Frankreich und Spanien zeigten sich geneigt, im Friedensvertrag den Status quo der religiösen Verhältnisse in Bünden zu garantieren und damit jeder weiteren Ausbreitung des Protestantismus einen reichsverbindlichen Riegel vorzuschieben. Doch die Grossmächte fanden am Ende der Verhandlungen für die Churer Anliegen vor allem auch aufgrund des bereits früher erfolgten Ausscherens Österreichs als einstige Schutzmacht des Bistums und Hochstifts Chur kein Gehör, so dass eine schriftliche Fixierung ausblieb. Da half weder der «Catalogus» aus bischöflicher Feder, noch die Agententätigkeit eines Kapuziners in Münster, der mitunter keinen Hehl daraus machte, dass sein Aufenthalt im Norden letztlich seiner Gesundheit schade: «Es ist nämlich nicht nötig, dass ich mich hier so lange aufhalte und nichts tue, zum beachtlichen Schaden für meine Gesundheit, denn weder dieses Klima noch dieses Bier sind für meinen Körper geeignet» [«E non essendo necessario che io mi trattengo qui tanto tempo a far niente, con notabile detrimento della mia sanità, poi che ne questa aria, ne questa birra sono per la mia complessione»]. Trotz dieses Misserfolgs in Münster band Johann VI. die Churer Diözese im Gegensatz zur Eidgenossenschaft und den Drei Bünden, die sich seit dem Friedenschluss von 1648 aus dem Reichsverband herausnahmen und - vor allem nach Auskäufen von österreichischen Herrschaftsrechten in Teilen Bündens - fortan unabhängig blieben, wieder stärker an das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Dies erstaunt um so mehr, als zur Bildung einer eigenständigen geistlichen Herrschaft wie in anderen Diözesen des Reichs die materiellen Grundlagen fehlten; im 17. Jahrhundert war mit Ausnahme des bischöflichen Hofes in Chur nur noch ein Bruchteil der früheren bischöflichen Herrschaftsrechte (wie etwa Gebiete im Vinschgau [bis 1657], Grossengstingen [bis 1694], Münstertal [bis 1737]) übrig. <?page no="292"?> 292 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) b) Die Herausgabe des Proprium Sanctorum Curiensis 1646 Bereits als Churer Domherr verfasste Johann Flugi unter dem Titel «Flos sanctorum nobilissimi et antiquissimi episcopatus Curiensis» Lebensskizzen der Heiligen seiner Diözese. Diese Viten dienten Johann VI. in den Jahren 1643 bis 1646 als nützliche Grundlage, als er in Kooperation mit dem Disentiser Abt Augustin Stöcklin (1634-1641) und dem Propst des vorarlbergischen St. Gerold, Pater Christoph Hartmann OSB (1614-1637), an einem neuen Proprium Curiense arbeitete, das schon Nuntius Scappi in seinen «Constitutiones et Decreta» vom 9. Februar 1624 gefordert hatte und dessen baldige Publikation zuletzt in den Wahlkapitulationen von 1636 angemahnt worden war. Im März 1646 schloss der Bischof mit Bartholomäus Schnell in Hohenems den Vertrag zum Druck von 800 Exemplaren des Diözesanpropriums ab; die Kosten beliefen sich auf 5’760 Gulden (7,2 Gulden pro Stück). Noch im selben Jahr erschien das «Proprium Sanctorum, antiquissimi Episcopatus Curiensis». Darin fanden auch mehrere Lokalheilige, die im alten Churer Brevier von 1595 gefehlt hatten, ihren Platz - so die als Heilige verehrten Churer Bischofe Asinio (erwähnt 451), Valentinian (gest. 548) und Adalgott (1151-1160), der Abt von Disentis, Ursicin (gest. 760), der Priester Viktor von Tomils (um 840) und der Märtyrer Eusebius von Viktorsberg (gest. 884). Gegen eine solche eigenmächtige Einfügung erhob später der dem Bischof ohnehin nicht wohlgesinnte Nuntius Carlo Caraffa della Spina (1653/ 54) vergeblich Einspruch. Die Ritenkongregation in Rom genehmigte die von ihr eingesehene neue Churer Ausgabe und machte so den Weg frei für eine sinvolle, bald durch Nachdrucke (1671, 1680, 1690) neu aufgelegte Handhabe für den gesamten Diözesanklerus. Abb. 195 / 196: «Proprium Sanctorum Curiensis» von 1646, hrsg. von Bischof Johann VI. Flugi von Aspermont [BAC] <?page no="293"?> 293 10. Ausdrucksformen der wieder erstarkten Stellung des Churer Bischofs als Hirte vor Ort und … c) Umfangreiche Sanierung und Neubauten an der bischöflichen Residenz auf dem Hof In seinen letzten Lebensjahren wurde Johann VI. Flugi von Aspermont wiederholt von heftigen Gichtanfällen geplagt. Am 7. Januar 1661 verletzte ihn dann ein Mauereinsturz im bischöflichen Schloss zu Chur so schwer, dass er an den Folgen am 24. Januar 1661 starb. Der Einsturz stand im Zusammenhang mit den zwischen 1636 und 1663 erfolgreich durchgeführten umfangreichen Um- und Neubauten der Residenz auf dem Hof. Die um einen trapezförmigen Innenhof gruppierte Anlage der bischöflichen Residenz besteht seit diesen Um- und Neubauten aus vier Flügeln, die ungefähr den Himmelsrichtungen zugeordnet werden können; zu erwähnen sind besonders der Nordtrakt mit dem Marsölturm aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts und dem Rittersaal sowie der Westtrakt mit dem ausladenden barocken Treppenhaus. In der päpstlichen Bestätigungsbulle für Bischof Johann VI. vom 14. September 1636 wurde dem neuen Churer Oberhirten auferlegt - diese Forderung fehlte in den Wahlkapitulationen -, die Residenz auf dem Hof, welche sich in schlechtem baulichen Zustand befand, bald möglichst zu restaurieren. Flugi entsprach bereits 1637 dieser Weisung und um 1640 war der ganze, neu als Einheit konzipierte Nordflügel anstelle der alten Einzelhäuser im Rohbau fertiggestellt. Der oben erwähnte Unfall mit Todesfolge ereignete sich im 1660/ 61 begonnenen Neubau des Westtraktes. Unter Flugis Nachfolger Ulrich VI. de Mont wurde die Eingangsfassade von Baumeister Domenico Barbieri aus Roveredo (gest. 1686) wiederaufgebaut und die Innenausstattung des grossen Saales (Rittersaal) im Nordflügel mit einer reichgegliederten Felderdecke voll- Abb. 197: Nordansicht des bischöflichen Schlosses und des Hofs um 1650 (Ausschnitt aus dem Altarblatt des Rosenkranzaltars (1653) von Johann Rudolf Sturn in der Kathedrale Chur) [BAC.BA] <?page no="294"?> 294 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) endet (im Mittelfeld: Wappen Ulrichs VI. [1663]). So ist der repräsentativste Raum des Bischöflichen Schlosses aus dieser Epoche ohne Zweifel der zweigeschossige Rittersaal. Ihn prägt die schlichte, elementare Auffassung seiner Zeit und die Reduktion auf die Materialien Naturstein, Verputz und Holz. Die grossformatigen und starken Bodenplatten aus Scalärastein bilden den kräftigen Gegenpart zur flach gehaltenen Felderdecke. Profilierte und geohrte Türgewände künden vom Einfluss des italienischen Manierismus. Äusserst leicht erscheint demgegenüber die heute umlaufende, hölzerne Galerie mit ihren dünnen Balustern. Den Aufgang zu ihr überwindet eine hölzerne Wendeltreppe, deren Baluster in manieristischer Art wie der Hals und die Schnecke einer Violine ausgebildet sind. U-förmig angelegt, sparte die Galerie ursprünglich die Ostwand aus, an der möglicherweise ein Bischofsthron stand; zum Umlauf ergänzt wurde sie vermutlich im 19. Jahrhundert. Unter Bischof Joseph Benedikt von Rost (1728-1754) schliesslich wurden 1732/ 33 das Treppenhaus und die Westfront neugestaltet. Beide Teile wie auch der Nordtrakt und der Marsölturm erhielten Régence-Stukaturen eines Meisters Joseph, dessen Name und Herkunft jedoch nicht überliefert ist. An der zum Domplatz weisenden Schlossfassade erinnert eine Tafel mit dem Doppelwappen der Bischöfe Johann VI. und Ulrich VI. an das Anfangs- und an das Enddatum des ersten barocken Umbaus (1637/ 1663). Nicht nur der von Rom angeordnete (erste) Umbau der bischöflichen Residenz konnte in den 60er Jahren des 17. Jahrhunderts erfolgreich zu Ende geführt werden, sondern auch die innerkirchliche Erneuerung im Zuge der Katholischen Reform konnte in dieser Zeit - trotz vieler, kirchenpoltisch bedingten Hindernissen und konfessionellen Unruhen auf dem Gebiet der Drei Bünde - im Bistum Chur unter Leitung willenstarker Ortsbischöfe und einer langsam heranwachsenden neuen Priestergeneration im grossen und ganzen als gelungen betrachtet werden. Abb. 198: Blick in den Rittersaal des Bischöflichen Schlosses [BAC.BA] <?page no="295"?> 295 10. Ausdrucksformen der wieder erstarkten Stellung des Churer Bischofs als Hirte vor Ort und … Abb. 199: Westfassade des Bischöflichen Schlosses [BAC.BA] Abb. 200: Wappenemblem der Churer Bischöfe Johann VI. Flugi von Aspermont und Ulrich VI. de Mont [1637/ 1663] an der zum Hofplatz weisenden Schlossfassade [BAC.BA] <?page no="296"?> 296 X. Das Bistum Chur im Zeitalter der katholischen Erneuerung (17. Jahrhundert) Abb. 201: Der Bischöfliche Hof mit Kathedrale und Prämonstratenserkloster St. Luzi 1782 [BAC.BA] <?page no="297"?> 297 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum (18. Jahrhundert) Wer sich mit Kirche und Welt der Gegenwart ernsthaft beschäftigt, wird zur Auseinandersetzung mit der «Aufklärung» geführt, die alle Bereiche der europäischen Geistigkeit erfasste. Wie immer man dieses geistesgeschichtliche Phänomen beurteilen mag, es ist aus der neuzeitlichen Geschichte nicht wegzudenken; ja, die moderne Menschheit ist mit der Aufklärung unlösbar verbunden. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der Aufklärung keineswegs um eine einheitliche europäische «Bewegung» des 17./ 18. Jahrhunderts handelt, sondern um vielfältige Ansätze des Denkens, der gesellschaftlichen, sozialen, wirtschaftlichen, religiösen und politischen Reformen in dieser Zeit. Es sei deshalb bemerkt, dass die französische Geschichtsschreibung den Plural statt des Singulars benutzt und nicht zu Unrecht von «Aufklärungen» («les lumières») statt von Aufklärung spricht. Aufklärung hat sich zudem, anders als andere Epochen, selbst als neue Epoche verstanden und sich den Namen gegeben. Der begriffsgeschichtliche Befund geht dahin, dass am Ende des 18. Jahrhunderts «Aufklärung» zu einem historischen Epochenbegriff und zum Begriff der entsprechenden geistig-geschichtlichen Bewegung wird. Für weite Kreise, gerade der gebildeten Schichten, wurde die Aufklärung bestimmende Weltanschauung und Lebenshaltung; sie war es auch, die für das geistige Antlitz des 19. Jahrhunderts weithin massgebend blieb, wenn sich auch starke Gegenströmungen erhoben, wie etwa der philosophische Idealismus, die Romantik, die Restauration oder verschiedene Erweckungsbewegungen im evangelischen wie katholischen Bereich. Die Geschichte kennt das Phänomen der Entlastung, wenn Traditionen sich allzu sehr angehäuft haben und als drückend empfunden werden. Diese Entlastung vollzieht sich von Zeit zu Zeit und meist nicht ohne Sturm und Drang. In der abendländischen Neuzeit wollten schon Renaissance und Reformation den Menschen von ‹Lasten› der Geschichte befreien. Beide Bewegungen griffen dabei auf etwas Ursprüngliches innerhalb der Geschichte zurück: die Renaissance auf den ideal verklärten Menschen der heidnischen Antike, die Reformation auf den «freien Christenmenschen», auf das «lautere Gotteswort» des reinen, «unverfälschten Evangeliums». Die Aufklärung indes, der umfassendste und radikalste der neuzeitlichen Entlastungsversuche, griff vor alle Geschichte zurück - auf den Menschen als Vernunftwesen. Was aber ist Aufklärung? Der Königsberger Philosoph Immanuel Kant (1724−1804) hat auf diese Frage 1783 die klassische Antwort gegeben: «Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschliessung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen.» - und er fügte hinzu: «Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! » Bei dieser Begriffsbestimmung dachte Kant in erster Linie an Religionssachen; denn hier galt die Unmündigkeit als am schädlichsten und entehrendsten für den Menschen als Vernunft- <?page no="298"?> 298 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum wesen. Ein andermal nennt der Königsberger Philosoph sein Jahrhundert das «Zeitalter der Kritik». Kritik hatte tatsächlich in einem bisher nie gekannten Mass eingesetzt. Der sich seiner selbst voll bewusst gewordene Mensch setzte den Hebel der Vernunft überall und allerorten an, ohne Kompromiss und ohne Rücksicht auf die Folgen: an die Dinge des diesseitigen Erfahrungswissens, das unter dieser neuen Methode einen gewaltigen Aufschwung nahm, aber auch an die Möglichkeit einer transzendenten Welt und ihrer Erkennbarkeit für den Menschen. Ein jahrtausendaltes Weltbild, vehement auch von der Kirche gestützt und verteidigt, löste sich beim Vorstoss von Beobachtung und Experiment vor der rechnenden und wägenden Vernunft auf. Die ungeahnten Erfolge steigerten das Selbstbewusstsein und förderten die Fortschrittsgläubigkeit. Menschenrechte bildeten die Grundlage moderner Staatsverfassungen; Gewissensfreiheit und Toleranz fanden mehr und mehr Anerkennung. Die Kirche ihrerseits verlor ihre beherrschende Stellung im öffentlichen Leben; wohl als (noch) hilfreiche Institution für Bildung und Moral betrachtet, hatte sie sich im aufgeklärten Absolutismus dem Staat zu unterwerfen. In österreichischen Landen bildete sich unter Kaiserin Maria Theresia (1740-1780) und Joseph II. (1780-1790) eine Sonderform der ‹katholischen› Aufklärung, in deren Bannstrahl alsbald auch Teile des Bistums Chur in starkem Masse gerieten - die Dekanate Walgau und Vinschgau - und die Churer Bistumsleitung nach einer eher ruhigen Phase der innerkirchlichen Stabilisierung gegenüber dieser Entwicklung zum Handeln und später, im Verbund mit benachbarten, ebenfalls betroffenen Bischöfen, zu aktiver Gegenwehr zwang, was anfangs des 19.-Jahrhunderts dann für das Bistum Chur in seinen historischen Grenzen folgenschwere Konsequenzen haben sollte. Blieben die betroffenen Dekante Walgau und Vinschgau, welche bekanntlich unter vorderösterreichischer bzw. tirolischer Herrschaft standen, im 16. Jahrhundert weitestgehend von der Reformation verschont, und bildete das mit fast 40% des Churer Anteils umfassende Seelsorgegebiet in der Folgezeit nicht nur eine wichtige Basis innerkirchlicher Erneuerung, sondern eine für den Churer Bischof nach den beträchtlichen Verlusten seiner Hoheitsrechte und Güter in Bünden auch eine wichtige finanzielle Einnahmequelle, so wurden beide Distrikte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum Experimentierfeld staatkirchlicher Einflussnahme und Reglementierung - besser bekannt unter dem Namen Josephinismus. Als österreichische Variante des Aufgeklärten Absolutismus in die Geschichtsschreibung eingegangen, zwangen Kaiserin Maria Theresia sowie Kaiser Joseph II. und ihre einflussreichen Berater nicht zuletzt die ‹Anstalt Kirche› unter die Obhut des Staates und griffen vehement mittels unzähliger, vor allem unter Joseph II. bald Schlag auf Schlag erfolgenden Direktiven staatlich gelenkter religiöser Autarkie in die Ausformung kirchlicher Grenzziehung und kirchlichen Lebens [«Reform» der Klöster unter dem Moto der Nützlichkeit für Staat und Gesellschaft, Klerusbildung unter dem Aspekt treuer Staatsdienerschaft, (Pfarr-)Seelsorge, Liturgie und Volksfrömmigkeit] ein. <?page no="299"?> 299 1. Biographische Notizen und Schlaglichter auf die Tätigkeit der Churer Bischöfe im 18. Jahrhundert 1. Biographische Notizen und Schlaglichter auf die Tätigkeit der Churer Bischöfe im 18. Jahrhundert a) Ulrich VII. von Federspiel (1692-1728) Ulrich von Federspiel wurde am 7. Mai 1657 in Domat/ Ems als Sohn des Johann Federspiel, Landamtmanns der Herrschaft Rhäzüns und Amtmanns der Benediktinerabtei Pfäfers, und der Maria de Mont, einer Halbschwester von Bischof Ulrich VI. de Mont, geboren. Zwischen 1669 und 1674 besuchte er das Jesuitenkolleg in Feldkirch und studierte seit 1678 in Dillingen. Am 28.-März 1682 empfing er die Priesterweihe; nur gerade zwei Jahre darauf wurde er Churer Domherr und bischöflicher Kanzler. Als solchen wählten 12 der 22 in Chur versammelten Kanoniker unter Vorsitz des Nuntius Marcello d’Aste (1691/ 92-1695) am 28.-April 1692 Federspiel zum neuen Bischof. Wie schon bei früheren Bischofswahlen versuchte der Gotteshausbund erneut, Einfluss auf das Wahlgeschäft zu nehmen. Er verlangte vom Neugewählten die Beschwörung der sechs Artikel aus dem Jahre 1541, was aber (seit 1627) weiter verhindert werden konnte. Federspiels Gegenkandidat war Generalvikar und Dompropst Franz Rudolf von Salis-Zizers (GV 1683-1692; Propst 1690-1739), ein Angehöriger des Gotteshausbundes. Die von Salis versuchten mit allen Mitteln, die Bestätigung der Wahl Federspiels in Rom zu hintertreiben. Ohne auf den Druck der von Salis einzutreten, kassierte der Heilige Stuhl die Wahl. Anschliessend ernannte Papst Innozenz XII. (1691-1700) aus eigener Vollmacht Ulrich Federspiel am 1.-Dezember 1692 zum Bischof von Chur. Die Konsekration erteilte ihm der Nuntius am 1.-März 1693 in der Kathedrale zu Chur. Zwei Jahre später verlieh ihm Kaiser Leopold I. (1658-1705) die Reichsregalien. Ulrich VII. Federspiel, 1702 in den Freiherrenstand erhoben, setzte die von seinen Vorgängern unternommene Politik der Anlehnung an das Haus Österreich fort. Im Oktober 1717 verkaufte er die in Schwaben gelegene Herrschaft Grossengstingen an das Kloster Zwiefalten. Kurz vor seinem Tod 1728 bot er Kaiser Karl VI. (1711-1740) die bischöflichen Hoheitsrechte im Val Müstair zum Verkauf an; dieses Geschäft wurde jedoch erst unter seinem Nachfolger Joseph Benedikt von Rost (1729-1754) 1734 (bzw. nach Ausräumung diverser Differenzen mit dem Gotteshausbund 1762 endgültig) abgeschlossen. Konfessionelle Spannungen in Bünden dauerten auch unter Federspiel an, Abb. 202: Ulrich VII. von Federspiel, Bischof von Chur (1692-1728) [Foto: Hugo Hafner] <?page no="300"?> 300 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum so etwa 1693 rund um das Städtchen Ilanz, wo die eigenmächtige Trennung der katholischen Gemeinden in der Gruob von der Gerichtsgemeinde Ilanz und die Konstituierung einer eigenen Gerichtsgemeinde beide Konfessionen in schwere Konflikte stürzte. Protestantische Einwohner Sagogns beklagten sich beim Bischof über diskriminierende Massnahmen seitens der Katholiken im Dorf. Die Mitbenutzung der einzigen Dorfkirche werde ebenso verweigert wie der Bau eines eigenen evangelischen Gotteshauses. Grössere Auseinandersetzungen konnten nur dank eines Schiedsgerichts verhindert werden, das unter Beisitz bischöflicher Vertretung am 9.-Oktober 1701 den Protestanten grundsätzlich freie Religionsausübung zusicherte. Zudem wurden sämtliche katholischen Gemeinden der Gruob wieder unter das Gericht Ilanz gestellt. 1742 erbauten die Evangelischen dann ihre eigene Kirche in Sagogn. In Liechtenstein - Kaiser Karl VI. erhob am 23. Januar 1719 die beiden Herrschaften Vaduz und Schellenberg zu einem reichsunmittelbaren Fürstentum (ab 1806 souveränes Fürstentum) - kam es 1719 zu Auseinandersetzungen des örtlichen Klerus mit Fürst Anton Florian von Liechtenstein (1718-1721) wegen der Auszahlung des Novalzehnten (d. h. der Abgaben aus neu angelegten Ackerflächen), welche bis anhin zur Hälfte an den Klerus abgegeben worden war, nun aber in vollem Umfang vom Landesfürsten beansprucht wurde. Nach erfolglosen Mahnungen exkommunizierte Bischof Ulrich VII. den fürstlichen Verwalter und belegte die Schlosssowie die St.- Florinkapelle in Vaduz mit dem Interdikt. Ein Mandat des Landesfürsten vom 14. September 1720, die Exkommunikation seines Verwalters sei «unter Leibes- und Lebensstrafe» nicht zu beachten sowie an die Pfarrherren von Schaan, Triesen und Bendern seien jegliche Unterstützungen untersagt, verfehlte seine Wirkung beim Volk. Es kam zum Aufruhr. Der Churer Fürstbischof und der Fürstabt von St.-Gallen, welcher ebenfalls Güter im «Ländle» besass, wandten sich direkt an den Kaiser. In dessen Auftrag vermittelte der Bischof von Konstanz, Johann Franz Schenk von Stauffenberg (1704-1740), und erreichte schliesslich, dass die traditionelle Beteiligung des Klerus erhalten blieb. In Chur hatte Federspiel einen Konflikt zwischen dem Prämonstratenserkloster St.- Luzi und dem Abt von Roggenburg zu schlichten. Letzterer versuchte St. Luzi, das 1450 von einer Propstei zu einer Abtei erhoben worden war, wieder zu einer Filiale von Roggenburg zu degradieren. Federspiel verlangte 1712 von Nuntius Giacomo Caracciolo (1710-1716) die Einsetzung eines Abtes oder dann die Umwandlung der Abtei in ein für das Bistum Chur nach wie vor fehlendes Diözesanseminar. Weil die geforderte Abtswahl weiter auf sich warten liess bzw. durch den Abt von Roggenburg gezielt verhindert wurde, ernannte 1717 der Hl. Stuhl in der Person von Pater Milo Rieger selbst einen Abt für St.-Luzi (1717-1725) und bestätigte die jahrhundertealte Selbständigkeit des Klosters. Im Einverständnis mit dem Churer Bischof erhielt 1705 die Benediktinerabtei Pfäfers das Privilegium, elf Pfarreien in ihrem Herrschaftsgebiet - das waren Pfäfers selbst, Vättis, Ragaz, Valens, Mels, Vilters, Weisstannen, Wangs, Walenstadt, Quarten und Eschen - vorrangig mit eigenen Konventualen zu besetzen. Während der Verhandlungen um den Verkauf der bischöflichen Herrschaftsrechte im Val Müstair (bischöfliches Verkaufsangebot an Kaiser Karl VI. vom 21. April 1728) starb Bischof Ulrich VII. von Federspiel unerwartet am 11.-Oktober 1728 in Chur. Er wurde <?page no="301"?> 301 1. Biographische Notizen und Schlaglichter auf die Tätigkeit der Churer Bischöfe im 18. Jahrhundert in der Kathedrale beigesetzt. Sein Episkopat harrt bis heute einer genaueren Untersuchung anhand diverser Quellen. b) Joseph Benedikt von Rost (1729-1754) Joseph Benedikt von Rost erblickte am 17. Februar 1696 in Vils/ Tirol als Sohn des Johann Anton Freiherr von Rost und der Maria Jakobea Felizitas Schütz das Licht der Welt. Sein Vater war kaiserlicher Gesandter bei den Drei Bünden und residierte als solcher auf Schloss Rhäzüns. Sein Philosophie- und Theologiestudium absolvierte Joseph Benedikt bei den Jesuiten in Dillingen und Wien. Schon sieben Jahre vor seiner Priesterweihe, am 25. Juni 1720, wurde er 1713 Domsextar, 1716 Domkustos, 1723 dann Domscholastikus. Unter Bischof Ulrich VII. von Federspiel wirkte von Rost als Generalvikar (1725-1728). Nach dem Tod Federspiels drängten der Gotteshausbund, Vertreter der Familie von Salis und französische Parteigänger erneut auf die Wahl des Churer Dompropstes Franz Rudolf von Salis-Zizers, welcher seit 1703 gleichzeitig als Abt der ihm 1694 von Kaiser Leopold I. verliehenen Abtei vom Hl. Kreuz in Muren (Ungarn) vorstand. Unter dem Vorsitz des Nuntius Domenico Passionei (1721- 1730) wählten die Churer Kanoniker mit elf Stimmen Joseph Benedikt von Rost; auf den Dompropst fielen acht Stimmen. Als der Widerstand der Salischen gegen den Gewählten anhielt, kassierte Rom die Wahl des Kapitels erneut, und Papst Benedikt XIII. (1724-1730) ernannte am 23. März 1729 in eigener Vollmacht Joseph Benedikt von Rost zum Churer Bischof. Die Bischofsweihe spendete ihm der Trienter Bischof Anton Dominikus von Wolkenstein-Trostburg (1726-1730) am 9. Juni 1729 im Dom zu Trient. Die Regalien als geistlicher Reichsfürst wurden ihm am 3. März 1731 verliehen. Der bereits unter von Rosts Vorgänger angestrebte Verkauf bischöflicher Hoheitsrechte im Val Müstair an den Kaiser führte zu weiteren Spannungen mit dem Gotteshausbund, der den Bischof erst 1733 anerkannte und sich beim hängigen Verkaufsgeschäft auf das in den Artikeln von 1541 festgemachte vermeintliche Mitspracherecht bei Veräusserungen des Bistums stützte. Der Kaiser, weiteren Unmut abwendend und ungeachtet bischöflicher Protestnote, bot im August 1732 den Loskauf der Rechte für 17’000 Gulden den Drei Bünden an. Da sowohl die Münstertaler als auch der Gotteshausbund zögerten, Abb. 203: Joseph Benedikt von Rost, Bischof von Chur (1729-1754) [Foto: Hugo Hafner] <?page no="302"?> 302 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum wurde das Kaufinstrument 1734 zwischen Bischof und Kaiser ausgefertigt. Erst später kamen die Drei Bünde auf das kaiserliche Angebot zurück. Die Münstertaler konnten sich infolge ratenweise loskaufen, so dass das Geschäft erst 1762 seinen endgültigen Abschluss fand. Die Bitte der Gemeinde Müstair, der Bischof möge die Herrschaft wieder übernehmen, blieb erfolglos. Von Rost garantierte aber, sich für die im Vertragstext festgeschriebene Wahrung des katholischen Glaubens im Tal einzusetzen. Mit der Stadt Chur überwarf sich von Rost bzgl. der bischöflichen Gerichtsbarkeit, welche die Stadt in weltlichen Belangen nie anerkannte. Ein Fall, welcher nicht nur grösseres Aufsehen erregte, sondern sichtbare Folgen davontrug - eine der letzten Kraftproben zwischen Stadt und Hof -, geschah 1753. Dem wegen Diebstahl im städtischen Gefängnis einsitzenden Johann Schleuninger gelang die Flucht auf den bischöflichen Hof und in die Kathedrale. Das städtische Auslieferungsgesuch wurde im Namen des Bischofs vom Pfalzgericht abgeschlagen, indem es sich auf das kirchliche Asylrecht berief. Die Stadt reagierte umgehend und baute vor den Torturm (Hofkellerei) das sog. «Brillentor», um so den Zugang zum Hof fortan zu kontrollieren. Nach Protesten des Bischofs, welche in Wien auch den Kaiser erreichten, fällte eine Bundstagskommission das salomonische Urteil: Das Tor durfte stehen bleiben, die Flügel mussten aber ausgehängt werden. Dagegen verpflichtete sich der Churer Bischof, das alte Hoftor während den Hauptgottesdiensten in St. Martin geschlossen zu halten. Letzteres weist auf konfessionelle Störungen hin, welche wiederholt zu Verärgerungen geführt hatten (1672: Schändung der St.- Luzius- Abb. 204: Das 1753 von der Stadt Chur errichtete «Brillentor» (bis 1854) vor dem Hoftor [BAC.BA] <?page no="303"?> 303 1. Biographische Notizen und Schlaglichter auf die Tätigkeit der Churer Bischöfe im 18. Jahrhundert Kapelle am Mittenberg; 1723: Störung der Mitternachtsmesse in der Kathedrale). Schleuninger selbst nutzte die Situation und floh ausser Lande. Der Abbruch des Brillentors erfolgte erst nach der Eingliederung des Hofbezirks in das Stadtgebiet (1854). Gewissenhaft erfüllte von Rost seine bischöflichen Pflichten und visitierte die katholischen Diözesanteile (1729/ 1738/ 1748 Vinschgau, 1730 Liechtenstein und Vorarlberg, 1731 Sarganserland und Gaster, 1738/ 1744 Bündner Oberland). Im Vorarlberg stiess der Bischof hingegen auf Widerstand bzw. Hinhaltungen: Von Jahr zu Jahr sah er sich gezwungen, die Pastoralvisitation zu verschieben. Als von Rost 1742 nach 12 Jahren seit seinem Besuch 1730 die Visitation erneut ankündigte, hielt ihm die Vorarlberger Regierung die Kostenfolge des bischöflichen Besuchs als Hindernis entgegen. Abb. 205: Neuausgabe des «Rituale Romano-Curiense» 1732 [BAC] Abb. 206: Haupttreppenaufgang im Bischöflichen Schloss [BAC.BA] <?page no="304"?> 304 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum Joseph Benedikt von Rost reagierte ungehalten: Er suche auf den Pastoralreisen die Kosten möglichst gering zu halten; diese seien zudem nicht vom Volk, sondern von den Kirchen und den Geistlichen zu tragen. Doch erst 1743 vermochte der Bischof das Dekanat Walgau zu visitieren. In einem allgemeinen Dekret an den Churer Klerus vom 24. Juli 1747 erliess von Rost strenge Verordnungen bzgl. Einhaltung der Residenzpflicht von Kuratgeistlichen. Eine mehr als dreitägige Ortsabwesenheit erforderte eine schriftliche bischöfliche Erlaubnis. Ferner achtete er darauf, dass ihm oder seinen Offizialen von den zuständigen Kirchenvögten jährlich vollständige Rechnungen über Ein- und Ausgaben der Ortskirchen vorlegt wurden. Das bischöfliche Konsistorium (der geistliche Rat) tagte seit 1731 zweimal wöchentlich, um alle Angelegenheiten, welche nicht vom bischöflichen Vikar im Dekanat (aufgrund fehlender Vollmachten) erledigt werden konnten, zu bewältigen. Ebenfalls 1731 erfolgte die Herausgabe des neuen Proprium Curiense und 1732 die Neuausgabe des Rituale Roamno-Curiense. Mit grossem Aufwand liess Joseph Benedikt von Rost ab 1733 die Churer Residenz renovieren und den Haupttrakt im damals gängigen Rokokostil umgestalten. Am 12. November 1754 starb von Rost als ein tatkräftiger Oberhirte im 58.-Altersjahr unerwartet in Chur und wurde in der von Johann VI. Flugi von Aspermont angelegten Bischofsgruft im südlichen Seitenschiff der Kathedrale beigesetzt. c) Johann Baptist Anton von Federspiel (1755-1777) Johann Baptist Anton von Federspiel wurde am 23.-Oktober 1708 auf Schloss Fürstenburg im oberen Vinschgau als ältester Sohn des bischöflichen Schlosshauptmanns Luzius Rudolf von Federspiel und der Maria Anna Elisabeth Freiherrin von Rost geboren. Sein Vater, dessen Familie aus Domat/ Ems stammte, war ein Bruder des früheren Churer Bischofs Ulrich VII. von Federspiel; seine Mutter wiederum eine Schwester des Bischofs Johann Baptist von Rost. Die Schulbank drückte der junge Federspiel zuerst an der Klosterschule Marienberg, seit 1724 weilte er in Innsbruck, wechselte 1726 für kurze Zeit an die Universität nach Dillingen und absolvierte als Alumnus des Bistums Chur sein Theologiestudium am Collegio Germanico in Rom (1727-1731). Am 22.-Juli 1731 wurde er zum Priester geweiht. Auch Federspiel bekleidete längst vor den höheren Weihen (bereits seit 1724) ein Churer Kanonikat. 1739 wurde er Domkantor, 1743 dann Domdekan. Nach dem Tod seines bischöflichen Onkels von Rost 1754 demonstrierte der Gotteshausbund unter Drohung der Konfiskation bischöflicher Güter erneut seine Absicht, einzig einen Bundesgenossen als neuen Bischof zu akzeptieren. Das Domkapitel trat als Wahlbehörde am 3. Februar 1755 zusammen. Favorit im ersten Wahlgang war Domkantor Dionys von Rost (1744-1755, Domdekan 1755-1777), verfehlte aber die nötige Stimmenmehrheit. Am 6.-Februar wählte das Kapitel überraschend Johann Baptist Anton von Federspiel zum Bischof; die Beschwörung der sechs Artikel von 1541 wurde erfolgreich abgewehrt, was den Gotteshausbund bewog, den Neugewählten nicht offiziell anzuerkennen. Ungeachtet dessen erfolgte die päpstliche Bestätigung am 21. Juli desselben Jahres, und am 19.-September 1755 spendete im Dom zu Brixen der dortige Oberhirte <?page no="305"?> 305 1. Biographische Notizen und Schlaglichter auf die Tätigkeit der Churer Bischöfe im 18. Jahrhundert Leopold Maria Joseph von Spaur (1748- 1778) Federspiel die Bischofsweihe. Am 23. März 1757 schliesslich empfing der neue geistliche Fürst auf dem Churer Bischofstuhl von Kaiser Franz I. Stephan (1745-1765) die Reichsregalien. Während sich die Beziehungen des Bistums zur Stadt Chur und zum Gotteshausbund unter Federspiel merklich verbesserten, kam es im österreichischen Diözesanteil infolge der immer stärker werdenden staatlichen Abhängigkeit des örtlichen Klerus zu wiederholten Streitigkeiten zwischen Chur und der Innsbrucker Regierung. Um das jahrhundertealte Beziehungsgeflecht zwischen Bistum und Österreich nicht ernsthaft zu gefährden, beschränkte sich Federspiel vorderhand auf die Verteidigung der bischöflichen Immunität und Jurisdiktion. Der Forderung von 1755, die neuen Pfarrherren sollten jeweils durch einen landesfürstlichen Kommissar in die Temporalien eingesetzt werden, widersetzte sich Federspiel. Mit deutlichen Worten protestierte er ferner gegen die Einführung eines neuen Katechismus aus der Feder des Augustiner Chorherrn Benedikt Strauch [Katechetiker, Begründer des biblischen Geschichtsunterrichts und Schulreformer (1724-1803), Prior und Abt des Stifts Sagan (1763/ 1778-1803)] in allen österreichischen Landesteilen und gegen Sonderbesteuerungen des Klerus. Die aufklärerische Tendenz staatlicher Einmischung in kirchliche Belange machte sich auch in Liechtenstein bemerkbar: Der Churer Bischof wurde 1756 an der Visitation der Pfarrsprengel im «Ländle» ohne vorherige Anzeige dem Landesfürsten gegenüber gehindert. Bischöfliche Protestnoten zeitigten keine Wirkung. Durch seine Studien an jesuitischen Bildungszentren nördlich wie südlich der Alpen pflegte Federspiel exzellente Beziehungen zum Reformorden der Società Jesu. Noch kurz vor dessen Auflösung (1773) befasste sich der Churer Bischof 1766 mit dem Projekt der Errichtung eines Jesuitenkollegs auf Bündner Boden, welches aber (seit dem 17. Jahrhundert) aufgrund ungemein schnell wachsender Opposition weiterhin keine reellen Chancen hatte. Als das Kolleg in Feldkirch nach der Ordensaufhebung seine Tore schliessen musste, versuchte Federspiel vergeblich, die Räumlichkeiten für ein Diözesanseminar zu erhalten. Die Studienfreiplätze in Dillingen hingegen konnten für Studenten aus dem Bistum Chur gerettet werden. Am 27. Februar 1777 starb Johann Baptist Anton von Federspiel an den Folgen eines Schlaganfalls in Chur und wurde wie bereits seine Amtsvorgänger in der Bischofsgruft der Domkirche beigesetzt. Abb. 207: Johann Baptist Anton von Federspiel, Bischof von Chur (1755-1777) [Foto: Hugo Hafner] <?page no="306"?> 306 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum d) Johann Franz Dionys von Rost (1777-1793) Im Markt Reutte/ Tirol erblickte am 14. Januar 1716 Johann Franz Dionys Constanz von Rost das Licht der Welt. Sein Vater, Johann Gaudenz III. Freiherr von Rost, war ein entfernter Verwandter des Churer Fürstbischofs Joseph Benedikt von Rost und stand als Festungskommandant auf Ernberg sowie seit 1738 als Feldmarschallleutnant und Militärdirektor der ober- und niederösterreichischen Länder in engem kaiserlichen Dienst. Karl VI. erhob ihn und seine ganze Familie 1738 in den erblichen Grafenstand. Der Stand der Familie ermöglichte es, dass Dionys und drei seiner älteren Brüder zwischen 1727 und 1733 die 1711 gegründete Ritterakademie des Benediktinerklosters Ettal besuchten konnten. Dem damaligen Abt, Plazidus Seiz (1709-1736), war es ein Anliegen, den Adel, der nicht allein im Staat, sondern auch in der Kirche einflussreiche Ämter bekleidete, mittels seiner Ordensschule zu neuem Verantwortungsbewusstsein und neuer Tüchtigkeit heranzubilden. Noch am 1. Juni 1733 erhielt Dionys, der sich für die geistliche Laufbahn entschieden hatte, in Ettal von Abt Plazidus die Tonsur und die vier niederen Weihen. Von August 1733 bis 1737 weilte er als Alumnus des Bistums Augsburg [! ] am Collegio Germanico in Rom. Papst Clemens XII. (1730-1740) providierte den erst 18jährigen Studiosus zum Domsextar in Chur, wo Dionys am 9. September 1734 durch das Kapitel installiert wurde. Es liegt kaum fern anzunehmen, dass die Verwandtschaft Dionys’ mit dem zur Zeit amtierenden Churer Bischof Joseph Benedikt von Rost bei dieser Wahl ihren Einfluss geltend machte. Jedenfalls war dem Alumnus aus dem Bistum Augsburg damit der Weg in die rätische Bischofsstadt geebnet. In der Kathedrale zu Chur empfing Dionys von Rost am 24. September 1740 die Priesterweihe. 1743 wurde er Domkantor, 1755 Domdekan. Bereits bei der Bischofswahl 1755 galt Rost als Favorit, unterlag jedoch knapp Johann Baptist Anton von Federspiel. Nach dessen Tod wurde Dionys im ersten Wahlgang am 16. April 1777 einstimmig zum Bischof gewählt. Die Proteste des Gotteshausbundes, der wieder auf seine alten «Rechte» verwies, ignorierte das Kapitel auch dieses Mal. Papst Pius VI. (1775-1799) bestätigte mit der Bulle vom 28. Juli 1777 die Wahl Dionys’ von Rost. Am 14. September des gleichen Jahres spendete ihm Nuntius Giovanni Battista Caprara (1775-1785) unter Assistenz der Abb. 208: Johann Franz Dionys von Rost, Bischof von Chur (1777-1793) [Foto: Hugo Hafner] <?page no="307"?> 307 2. Die Auswirkungen der josephinischen Klosteraufhebungspolitik im Vinschgau und Walgau Äbte von Pfäfers, Disentis und St. Luzi in der Kathedrale zu Chur die Bischofsweihe. Die Reichsregalien wurden von Rost am 19. Januar 1779 verliehen. Seine Amtszeit war ab 1781 von wiederholten und in ihrer Intensität zunehmenden Auseinandersetzungen mit der Staatskirchenpolitik Josephs II. gekennzeichnet, welche den österreichischen Bistumsteil betrafen und nachfolgend in einzelnen thematisch gegliederten Kapiteln behandelt werden. Wenn auch aus dem Tirol stammend, war von Rost bei diesen Konflikten doch isoliert, da er von den Regierungen in Innsbruck und Wien als Ausländer mit Residenz ausserhalb der österreichischen Erblande angesehen wurde. Die Churer Einwände gegen die ersten staatlichen Dekrete (königliches Plazet, Erlass gegen bischöfliche Absolutions- und Dispensationsvollmachten, Bücherzensur, Toleranzpatent sowie Ehegesetzgebung) führten zu heftigen Reaktionen in Innsbruck - mittels Anzeige der Landesstelle an den Kaiser versuchte man, renitente Kirchenfürsten gefügig zu machen -, so dass der Bischof die Konfiskation der bischöflichen Güter in Tirol befürchtete. Den Bischöfen waren die Hände gebunden, und der direkte Widerstand eines einzelnen Oberhirten ohne Schützenhilfe aus Rom - der Kurzbesuch von Papst Pius VI. am 22. März 1783 in Wien brachte keine Erfolge - oder von Seiten der Nuntiatur in Luzern musste sinnlos erscheinen. Dionys von Rost verhielt sich in der Folge zurückhaltend, beinahe resigniert, und nahm die weitere Flut staatlicher Dekrete und Massnahmen gegen die Freiheit der Kirche gezwungener Massen hin, nicht zuletzt auch als es als erste einschneidende staatliche Massnahme zur Aufhebung von Klöstern im Vorarlberg und Vinschgau kam. 2. Die Auswirkungen der josephinischen Klosteraufhebungspolitik im Vinschgau und Walgau Persönlich davon überzeugt, vertrat Kaiser Joseph II. ein Kirchenbild, in welchem sowohl die äusseren Erscheinungsformen wie inneren kirchlich-religiösen Vollzüge als politisch relevante Sachverhalte hervortraten und damit einer staatlichen Reglementierung unterlagen. Die Kirche erschien nicht mehr als universale, sondern als territorial-nationale Grösse, deren Angelegenheiten hinsichtlich der «temporalia» als auch der «spiritualia» der staatlichen Oberaufsicht unterlagen. Jeglicher Einfluss durch kirchliche Obrigkeiten (Ordensobere oder Bischöfe), welche ihren Sitz ausserhalb der österreichischen Erbländer hatten, war zu unterbinden und durch eine Neuregelung der kirchlichen Strukturen innerhalb der Erbländer zu regeln. Auf dem Weg zum Ziel − einer dem Staat untergeordneten territorialgegliederten Nationalkirche − zählen die zum Teil überstürzt durchgeführten und daher mancherorts auch gescheiterten Bemühungen Josephs II. um eine Angleichung der Diözesangrenzen an jene der habsburgischen Verwaltungseinheiten (Diözesanregulierung), gekoppelt mit Bestrebungen zur Verbesserung der Pastoral auf Ebene der Pfarreien (sog. «Pfarreinrichtungsgeschäft»). Parallel zur josephinischen Diözesan- und Pfarreiregulierung - zwischen 1777 und 1791 wurden 12 neue Diözesen gegründet - trieb man die staatlich kontrollierte Vereinheitlichung der Klerusausbildung <?page no="308"?> 308 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum und die Reformbestrebungen im Bereich des Ordenswesens voran. Die radikale Klosteraufhebungspolitik im josephinischen Jahrzehnt, der in zwei Säkularisierungswellen (1782 und 1783-1787) zwischen 700 und 800 Klöster zu Opfer fielen, ist nicht nur Abbild einer grundsätzlichen Ablehnung des Herrschers und der massgeblichen Staatsstellen eines kontemplativ ausgerichteten Ordenslebens, sondern steht ebenso in engem Zusammenhang mit der (in Vorbereitung stehenden) Pfarreiregulierung des Kaisers und erscheint drittens als Strukturbereinigung und Vorwegnahme staatlicher Säkularisationspolitik. Der Verkauf des zu den Klöstern und Konventen gehörenden Besitzes spülte über sechzig Millionen Gulden in den 1782 geschaffenen staatlichen Religionsfonds, der nach dem Willen des Kaisers für den Unterhalt der Seelsorger, für ihre Ausbildung und für die Finanzierung der (Pfarr-)Seelsorge genutzt werden sollte, woraus aber auch die Pensionen an die zahllosen, wieder in die Welt entlassenen Mönche und Nonnen bezahlt werden mussten, so dass dieser staatliche Geldtopf alsbald auszutrocknen drohte. Die seit 1770 vermehrt angedachten und alsbald auch angeordneten staatlichen Einschränkungen im Bereich des Ordenslebens, welches von Staatskanzler Wenzel Anton Graf von Kaunitz-Riethberg (1711-1794) für Staat und Gesellschaft als «höchst schädlich» bezeichnet worden war und entsprechend eine «unumgängliche» Dezimierung erfordern würde, führten unter Kaiser Joseph II. zum Klosteraufhebungsdekret vom 12. Januar 1782, wonach in den österreichischen Erblanden alle Konvente, die nicht im Bereich des Schulwesens, der Sozial- und Armenfürsorge oder der Seelsorge ihre «Nützlichkeit» erweisen konnten, konkret die Orden der Kartäuser, Kamaldulenser, Eremiten, Karmeliterinnen, Klarissen, Franziskanerinnen und Kapuzinerinnen, aufgehoben wurden. Mit der Schaffung der Geistlichen Hofkommission im Juni 1782 mutierte im Zuge der einsetzenden Pfarrregulierung der Hauptgrund für eine Klosteraufhebung von der «Nutzlosigkeit» hin zur «Entbehrlichkeit», wenn die regulare Institution nicht für die Pastoral dienlich zu sein schien. Damit wurde die Klosteraufhebung alsbald mit dem josephinischen «Pfarreinrichtungsgeschäft» verknüpft. Abb. 209: Kaiser Joseph II. (1780-1790) [TLMF] <?page no="309"?> 309 2. Die Auswirkungen der josephinischen Klosteraufhebungspolitik im Vinschgau und Walgau Das Dekret vom 12. Januar 1782 musste in jedem betroffenen Kloster durch einen landesfürstlichen Kommissar kundgemacht werden, welcher auch, ungeachtet irgendwelcher Klausurvorschriften, die Säkularisation des Konvents zu überwachen hatte. Das Vorgehen des zuständigen Kommissars war immer gleich: a) Vornehmen des Aufhebungsaktes vor Ort und offizielle Inbesitznahme des Klosters, b) Erfassung des Personenstandes und Erstellung des Inventars von Besitz und Gütern, c) vollständige Räumung des Klosters (Wegzug der Ordensleute), d) Übernahme des Vermögens durch die Hofkammer bzw. durch die am 28. Februar 1782 neu geschaffene Religions- und Pfarrkasse (Religionsfonds). Der zuständige Bischof wurde verpflichtet, den betroffenen Gemeinschaften durch ein sog. Anweisungsschreiben zu befehlen, sich in allem, was Regierung und Kommissar anordneten, zu fügen. Joseph II. erlaubte in seinem Dekret den betroffenen Regularen wohl den Eintritt in ausländische Häuser des gleichen Ordens oder in irgendein inländisches Kloster einer anderen Gemeinschaft, doch die praktische Umsetzung erwies sich nur in begrenztem Masse als durchführbar. Ferner gewährte der Kaiser den aufgehobenen Konventen eine Frist von einigen Wochen oder Monaten, damit Nonnen und Mönche sich auf ihr neues Leben zurück in der Welt vorbereiten konnten. Zentrales Organ für die Umsetzung der Verordnung war zunächst die Wiener Hofkanzlei; von dort aus wurde das ganze «Aufhebungsgeschäft» geleitet und koordiniert. Ab Mitte Juni 1782 übernahm die Geistliche Hofkommission die Oberaufsicht. Mit Schreiben vom 9. April 1782 informierte das Gubernium in Innsbruck den Churer Bischof zudem über Ausführungsbestimmungen der Wiener Hofkanzlei bei Profanisierung von Kirchen bzw. über Vorgehensweisen bei Veräusserung von liturgischen Gerätschaften. Grundsätzlich hatte der gesamte Erlös in die «Pfarr- und Religionskasse» zu fliessen. In den Städten waren die Gotteshäuser der aufzuhebenden Klöster «einverständlich mit den betreffenden Ordinarien zu leeren und [die Gerätschaften/ Altäre] nachher zu verkaufen», weil daselbst genügend Kirchen vorhanden seien und der Erhalt der in einem Inventar zuvor aufgenommenen Gegenstände vor Ort «nicht nötigist» sei. Bei aufzuhebenden Konventen auf dem Land hingegen sei zu beachten, die betroffene Kirche - falls nötig − als Lokalkaplanei für den Gottesdienst zu erhalten. Wo jedoch eine Pfarrkirche in der Nähe sei, könne die Klosterkirche «geleert» und das Inventar zum Verkauf freigegeben werden. Bei Veräusserung der liturgischen Gerätschaften, Ornate, Statuen und Bilder sollten Anfragen von bedürftigen Pfarreien oder neu einzurichtenden Lokalkaplaneien Berücksichtigung finden. Am 7. Juni 1782 schliesslich erreichte Bischof von Rost aus Innsbruck die Weisung, anhand des am 22. Mai 1782 erlassenen Hofdekrets, Verzeichnisse über Anniversarien, Messen und Stiftungen der aufgehobenen Klöster einzureichen und diese mit Vorschlägen zur bestmöglichen Verteilung an Pfarreien und Kaplaneien zu versehen. In den beiden Churer Dekanaten Walgau und Vinschgau waren 1782 das Klarissenkloster Valduna bei Rankweil, die Kartause Allerengelberg im Schnalstal, das Dominikanerinnenkloster Maria Steinach in Algund und das Klarissenkloster in der Stadt Meran von der josephinischen Zwangsmassnahme betroffen. 1785 erfolgte auch die Schliessung des Minoritenklosters auf dem Viktorsberg oberhalb von Röthis, 1786 die Aufhebung des Hieronymitanerklosters am Josephsberg bei Meran. <?page no="310"?> 310 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum a) Die Aufhebung des Klarissenklosters in Meran (1782) Kurz nach dem 12. Januar 1782 wurde dem 1309 gegründeten Klarissenkloster in Meran zusammen mit einer Abschrift des kaiserlichen Dekrets die Aufhebung angekündigt. Dem zuständigen Churer Ordinarius legte das Gubernium in Innsbruck nahe, das Anweisungsschreiben «ungesäummt auszufertigen» und dieses in einem verschlossenen Couvert an den Kreishauptmann im Vinschgau und Burggrafenamt mit Sitz in Bozen, Franz Anton von Triangi, zu senden. Letzterer hatte das bischöfliche Schreiben dann an den mit der Aufhebung betrauten landesfürstlichen Kommissar Karl Ignaz von Schenk weiter zu leiten, welcher für seine Arbeit bereits am 27. Januar 1782 in Meran eingetroffen war. Bischof von Rost erliess am 1. Februar 1782 zwei gleichlautende Anweisungsschreiben für die beiden aufzuhebenden Institutionen in Meran und im Schnalstal. Darin heisst es geradezu hilflos: «Es ist uns nicht anders übrig, als dem an uns gestellten Anverlangen zu folgen, alle und jede dahin anzuweisen, daß sie mehrerwähnte allerhöchste Verordnung [der Klosteraufhebung] mit den weitern dahin einschlagenden Verfügungen mit all jener Ehrerbietigkeit und Unterwürfigkeit, welche Landesfürstlichen Verordnungen gebührt, empfangen, alle Unanständigkeiten von was immer Art und Gattung sorgfältig vermeiden, und, so schwer es auch zu fallen scheinen mag, sich der fernern Vorsicht mit aller Gelassenheit [zu] überlassen.» Im Klarissenkloster zu Meran waltete alsbald Karl Ignaz von Schenk seines Amtes: Er versammelte im Refektorium die aus Eppan gebürtige Äbtissin Johanna Franziska von Grustner zu Grustdorf-Reinsberg (1781-1782, gest. 11. April 1790), alle Nonnen, Novizinnen und den Beichtiger P. Gerhard Knoll OFM, trug die Verordnungen vor und erteilte die Weisung, das Kloster innerhalb von fünf Monaten zu verlassen. Im Monat Februar wurde das Inventar über das gesamte Vermögen der Niederlassung erstellt (insgesamt 168’154 Gulden) und den Feldmesser Veit Jordan mit der Anfertigung eines genauen Plans der Klosteranlage beauftragt. Bis 1790 betrug der Erlös der liquidierten Besitzungen des Klarissenklosters, welche in den Religionsfonds flossen: a) für Mobilien 1’455 fl., b) für Realitäten 22’970 fl., c) für Urbargefälle 55’131 fl. 30 xr., d) für liquidierte Kapitalien 50’734 fl., Total: 130’290 fl. 30 xr. Am 5. Juli 1782 verliessen 39 Nonnen und 11 Laienschwestern definitiv das Kloster am Kornplatz. Der bisherige Verwalter des Klosters, Bartholomäus Staffler, nun Administrator des aufgehobenen Konvents, schrieb am 8. Juli nach Innsbruck: «Nunmehro solle einer hochloblich Gubernierenden Landesstelle pflichtschuldigst einberichten, wie daß die gesamte Kloster Frauen von dem aldaigen Klarisser Kloster dem 5.ten dieß [dieses Monats] um 3 Uhr morgens würklichen aus- und in ihre vorläufig bestelte weltliche Kost Orte eingetretten seyen. Dießer Austritte war freylich betrübt, indeme das Kloster und die Einsamkeit verlassen sehr viele Thränen gekostet. Ich aber habe a) sogleich die Thiren zur Kloster Kirche sperren lassen, mich sodann b) mittlst zuhanden genohmenen Schlüsslen in den Administrations Besitz des Klosters gesetzet, auch c) denen zur Baurschaft nicht anständigen Dienstbothen, als Mihler, <?page no="311"?> 311 2. Die Auswirkungen der josephinischen Klosteraufhebungspolitik im Vinschgau und Walgau Bedienten, Meßner und dreyen Dienst Mägden deren dienst zu verlassen angekindet; [aber] die übrigen zur Baurschaft angestellte Dienstbothen, neben dem Binder (welchen zu Besorgung deren Weine und des Getrayds erforderlich), behaltn.» Die nach Wegzug der Schwestern gesperrte Klosterkirche wurde am 19. Juni 1787 profanisiert. Die jährlichen Pensionen der 39 Chorfrauen wurden auf je 300 Gulden, die der 11 Laienschwestern auf je 150 Gulden festgesetzt; zudem erhielt jede von ihnen einen Ausstattungsbeitrag von 100 Gulden. Die 3 Novizinnen mussten sich mit einem einmaligen Betrag von 50 Gulden begnügen. Vor der endgültigen Versteigerung der Realitäten waren verschiedene Vorschläge für eine weitere Verwendung des Klosters gemacht worden. Im Oktober 1782 unterbreitete man dem Churer Bischof Franz Dionys von Rost die Möglichkeit zur Verwendung als Priesterhaus; dieser aber gab damals noch zu bedenken, dass die Entfernung zu den anderen Bistumsteilen zu gross sei. 1801 errichtete Bischof Karl Rudolf von Buol-Schauenstein, welcher zwischen 1799 und 1807 in Meran im ehemaligen Ruffinhaus (heute Sitz des Bezirksgerichts) seine Residenz aufgeschlagen hatte, das Priesterhaus unter Leitung des Regens Gottfried Purtscher dann tatsächlich unweit des ehemaligen Klarissenklosters, nämlich in vier Gebäuden direkt am Vinschgauertor (bestand bis 1807). 1788 zog man eine Verwendung als Spital in Betracht. 1790 wurde ein weiterer Vorschlag gemacht, im ehemaligen Kloster das neue Kriminalkreisgericht an der Etsch einzurichten. Mit Datum vom 16. Juli 1790 liegt im Stadtarchiv Meran ein interessantes, bislang nicht bekanntes Dokument, welches sogar eine Wiederherstellung des aufgehobenen Klarissenklosters thematisiert. In diesem nur im Entwurf erhaltenen Schreiben wandte sich der Meraner Stadtrat an Kaiser Leopold II. (1790-1792). Die Aufhebung, welche ohne Rücksicht auf die fast 500-jährige Geschichte des Klosters durchgeführt worden sei, habe nicht zuletzt die Stadt Meran in «empfindlichste Nachtheile versetzet»; vor allem die «zahlreichen Armen, die vormals von diesem Kloster gespeiset und mit übriger Nothwendigkeit unterstützet worden» seien, würden dem bereits aufgeschöpften Armenfonds «zur unerträglichen Last fallen». Zudem fehle es an einer geistlichen Stätte für junge Damen aus Adel und Bürgertum, welche verspührten, ein Gott geweihtes Leben zu führen. «Die noch am Leben sich befindende Frauen wünschen einzig, in das Kloster zurückgestellet zu werden und dortselbs ihre von dem Herrn des Lebens und Tods ausgemessenen Lebens Täge in der vormals reiflich gewählten Ruhe zubringen zu mögen.» Der Stadtrat unterstütze mit seiner Bittschrift das Anliegen der in Meran zerstreut lebenden ehemaligen Nonnen, diesen das ohnehin ungenutze Kloster wieder zur Verfügung zu stellen, wonach die Frauen so sehr «seufzen». Eine Antwort auf diese «allergehorsamste Bittschrift» konnte nicht gefunden werden. 1792 schliesslich richteten die Vertreter der Stadt Meran an das Oberösterreichische Landesgubernium ein letztes Gesuch mit der Bitte, im ehemaligen Klarissenkonvent ein neues Elisabethinerinnen-Kloster einzurichten; es ist nicht wunderlich, dass dieses Gesuch abgelehnt wurde. So kam es am 18. und 19. April 1792 im ehemaligen Kloster zur öffentlichen Versteigerung der Gebäude, Grundstücke, Gerätschaften und Viehbestände. Für 4’625 Gulden ersteigerte der Bürgermeister von Meran, Anton Simon Isser, das Klostergebäude samt grossem Garten, inklusive Kirche und Vorplatz und einem Stall. Die gegenüberliegen- <?page no="312"?> 312 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum de Katharinenkapelle erwarb der Maurermeister Josef Plattner um 455 Gulden. Am 5. November 1792 gelangte am Sitz des Kreisamtes zu Bozen auch das gesamte Urbar des Klarissenklosters zur Versteigerung (geschätzte 77’292 Gulden); Anton Simon Isser bot 81’500 Gulden und erhielt wiederum den Zuschlag. Das ehemalige Konventsgebäude wurde total umgestaltet: Sein Innenraum erhielt drei durch ein Treppenhaus erschlossene Etagen. Nach weiteren Umbauten, verbunden mit archäologischen Grabungen, sind die Gebäulichkeiten heute Sitz der Südtiroler Volksbank; im ehemaligen Kirchenraum befindet sich die Schalterhalle des Geldinstituts. b) Die Aufhebung der Kartause Allerengelberg im Schnalstal (1782) Es ist geradezu eine Ironie der Geschichte: Noch 1756 wurde die 1326 im fernab, nach aussen hin abgeschlossenen wie unwirtlichen Schnalstal im Vinschgau gelegene Kartause Allerengelberg unter Kaiserin Maria Theresia aus der Ordensprovinz «Alemannia superior» ausgegliedert und im Zuge der besseren Integration der Kirche in die Organisation und territoriale Verwaltung des Staates der österreichischen Provinz zugeschlagen. Gleichzeitig verlieh die Kaiserin dem örtlichen Prior den Prälatentitel und band ihn damit enger an Wien. Nicht die religiöse Gesinnung und spirituelle Tiefe war für die Ernennung des neuen Priors und ersten Prälaten massgebend, sondern die freundschaftliche Verbindung und Gesinnung zum Kaiserhof. Der 1756 aus dem Konvent Mauerbach ins Schnalstal entsandte Prior Max Maurisberg (1756-1776), der sich alsbald als ein Lebemensch, eif- Abb. 210/ 211: Ehemaliger Kreuzgang und Fresko aus der Klosterkirche [Foto: A. Fischer] <?page no="313"?> 313 2. Die Auswirkungen der josephinischen Klosteraufhebungspolitik im Vinschgau und Walgau riger Kartenspieler und Verschwender des Klostervermögens entpuppte, wurde erst auf Druck der Gemeinschaft 1776 abberufen. Ihm folgte dann 1778 mit Pater Ambrosius von Winkler aus Bruneck (1778-1782) als Prälat seiner Majestät wieder eine integre geistliche Grösse, welche jedoch alsbald die von Joseph II. staatlich verordnete Aufhebung des Kartäuserordens 1782 erleben musste. Im Auftrag der landesfürstlichen Regierung traf Aufhebungskommissar Karl Ignaz von Schenk von Meran her am 5. Februar 1782 in der Kartause im Schnalstal ein und eröffnete den versammelten Eremiten den kaiserlichen Entschluss vom 12. Januar zur Aufhebung aller in den österreichischen Erblanden liegenden Kartäuserklöster. Wie die Klarissen in Meran hatten auch die Kartäuser fünf Monate Zeit - bis Anfang Juli - ihr angestammtes Zuhause zu verlassen. Der einzige Novize, Christoph Rudolf Georg von Elzenbaum (aus St. Lorenzen im Pustertal), erhielt sofort einen einmaligen Betrag in der Höhe von 150 fl. und musste auf Befehl Schenks das Kloster am 21. Februar verlassen; er trat in Brixen ins dortige Priesterseminar ein. Am 1. Juli 1782 erhielt jeder Mönch ein Reisegeld von 100 fl. ausbezahlt. Den 23 Bediensteten des Klosters bewilligte man bis zum Wegzug der Patres täglich je 12 xr. Die am 12. Juli 1782 festgelegten jährlichen Pensionen für die Kartäuser betrugen für den Prior 800 fl., für die Priesterschaft je 300 fl. und für die beiden Brüder je 150 fl. Neben dem aus Chur am 21. Februar abgesandten, lateinisch verfassten bischöflichen «Anweisungsschreiben» erreichte den Konvent Anfang Mai - nach längerem Zögern von Rosts - die Dispens für den Genuss von Fleischspeisen und die Einwilligung zuhanden der Patres, sich künftig als Weltgeistliche zur Verfügung zu stellen (in Chur datiert auf den 30. April 1782), nicht aber die Dispens von den Ge- Abb. 212: Ansicht der Kartause Allerengelberg im Schnalstal um 1750 (Ausschnitt aus dem Ölbild im Augustiner Chorherrenstift Klosterneuburg) [BAC.BA] <?page no="314"?> 314 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum lübden. Am Pfingstsonntag, den 19. Mai 1782, legten die Mönche ihr Ordensgewand ab und trugen fortan Weltpriesterkleidung. Doch die aktive (Pfarr-)Seelsorge war für die an ein kontemplatives Leben gewöhnten Mönche keine Variante; die meisten suchten nach ihrem gemeinsamen Weggang am 5. Juli 1782 aus dem Schnalstal ihre Heimatorte auf und liessen sich dort im Umkreis ihrer Familien nieder. Als Administrator des Klosters und seiner Besitzungen im Schnalstal setzte Kommissar Schenk den bisherigen Klosterrichter Jakob Christoph von Sölder zu Brackenstein ein und stellte ihm als Gehilfe den Klosteraufseher Anton Pohl zur Seite. Für die Erhebung des übrigen Vermögens der Kartause, das ausserhalb der Talschaft lag, wurde der ehemalige Landrichter Bartholomäus Staffler in Meran beauftragt. Die zeitraubende Inventarisierung der zerstreuten Liegenschaften von Nauders bis Meran und ihrer Einkünfte konnte erst im September 1782 abgeschlossen werden. An Kapitalien besass die Kartause Allerengelberg total 25’992 fl.; an Barschaft waren 782 fl. 39 xr. vorhanden; die Einträge in den Urbaren wurden auf insgesamt 49’128 fl. 52 xr. errechnet. Neben zwei kostbaren, mit Edelsteinen besetzen Messkelchen und vier reichbestickten Messgewändern waren weitere 11 Kelche vorhanden, welche den Priestern bei ihrem Wegzug überlassen wurden. Der Schätzungswert des Kirchensilbers, die oben genannten Gegenstände nicht eingerechnet, betrug 1’217 fl. 38 xr. In der Sakristei fanden sich noch 58 weitere Messgewänder, die zum Teil den Kartäusern käuflich übergeben oder versteigert wurden. Alle Urkunden, andere Archivalien sowie die gesamte Bibliothek wurden 1783, in 45 Kisten verpackt, nach Innsbruck spediert. Der überwiegende Teil der Klostergüter blieb nach dem endgültigen Wegzug der Mönche am 5./ 7. Juli 1782 lange unveräussert. Erst 1786 meldete sich als einziger Interessent der aus Fano (Provinz Pesaro und Urbino, Italien) stammende Graf Castruccio Francesco Castracane degli Antelminelli (1753-1822), welcher aber noch nie im Schnalstal gewesen war und die örtlichen Gegebenheiten nicht kannte. Gemäss des vom Gubernium in Innsbruck aufgestellten Kaufvertrags vom 1. Oktober 1786 erhielt Castracane alle im Tal gelegenen ehemaligen kartausischen Gebäude, Gärten, Äcker, Wiesen, Bergweiden, Alpen und Waldungen, das Klostergericht sowie die Patronatsrechte auf die Pfarrei Naturns und die Kuratie Katharinaberg. Der junge Adelige hatte innerhalb dreier Jahre zwischen 1787 und 1789 je 4’333 fl. 20 xr. in tirolischer Währung zu bezahlen. Die Hofbuchhaltung vermochte Joseph II. zu überzeugen, dass dieser Kaufpreis von 13’000 Gulden für Güter, welche sich quasi ausserhalb jeglicher menschlichen Gesellschaft befanden und von Naturns aus nur per Saumpfad erreichbar waren, annehmbar sei. Als Castracane am 6. Oktober 1786 erstmals in einer Tragsänfte am Ort seines neuen Besitzes eintraf, erkannte er bald, dass daraus schwer ein Vermögen zu erwirtschaften war. Mit seinem überstürzten Wegzug Ende Oktober 1786 aus dem unwirtlichen Tal überliess er die Kartause ihrem Schicksal und kümmerte sich auch um die Mahnungen seitens des Guberniums nicht mehr. Mit einer am 2. Februar 1794 erfolgten Versteigerung der Klostergebäude und -güter für insgesamt 11’926 Gulden gelangten diese als auch die Patronatsrechte an Karl Johann Graf Hendl zu Kastelbell (1735-1809). Hendl zerstückelte die erworbenen Güter aus dem Schnalstal nach entsprechender Genehmigung des Guberniums sowie der Verwaltung des Religionsfonds und veräusserte sie an einzelne Interessenten; der Verkauf <?page no="315"?> 315 2. Die Auswirkungen der josephinischen Klosteraufhebungspolitik im Vinschgau und Walgau der Parzellen an Einzelpersonen war die «Geburtsstunde» des heutigen Dorfes Karthaus; der daraus erwirtschaftete Gewinn belief sich auf eine Höhe von 23’000 Gulden. Der staatliche Religionsfonds besass als herrenloses Gut schliesslich nur mehr die ehemalige geschlossene Konventskirche St. Michael. Der aus Meran gebürtige Geistliche Josef Ladurner (1770-1832), seit 1797 Benefiziat in Partschins und eifriger Geschichtsforscher, besuchte selbst das verwahrloste Gotteshaus. Sein aus dem Jahre 1825 stammender Bericht ist erschütternd und in Bezug auf den bescheidenen Ertrag von knapp 60’000 Gulden, der im Zuge der Aufhebung der Kartause in den Religionsfonds gespült werden konnte, mahnend zugleich: «Tritt man auf die mit Moos und Stechgras bewachsene Schwelle der St. Michaelskirche und öffnet man ihre verwitterte Thüre, so glaubt man [sich] in einen Ort greulicher Verwüstung versetzt. […] Der marmorne Fußboden ist herausgerissen und die Steine zu verschiedenen Zwecken verwendet. Drei nackte Mensen sagen, daß drei Altäre in der Kirche gestanden hatten. […] Der Boden ist von Statuentrümmern bedeckt, wie ein Schlachtfeld von menschlichen Gliedmassen; mitunter liegen Haufen von Stroh durcheinander. […] Wie Schilde auf einer Bahre trauern an den Kirchwänden einige schimmelichte mit fingerdickem Staube überdeckte Gemälde. Auf dem Gewölbe, das dem Einsturze nahe ist, hört man die Regentraufe, da das Dach ganz durchlöchert ist. Kein Fenster umgibt die schöne Kuppel, durch welche die Kirche ihr Licht empfing. Durch die Öffnungen dringt Wind, Regen und Schnee in die Kirche. […] In der großen Sakristei liegt alles darunter und darüber; überall Zerstörung und Entweihung.» c) Die Aufhebung des Dominikanerinnenklosters Maria Steinach in Algund (1782) Das entsprechende Aufhebungsdekret der kaiserlichen Hofkanzlei vom 18. März 1782 erreichte den Konvent im Burggrafenamt am 10. April 1782, nachdem das Gubernium in Innsbruck mit Schreiben vom 30. März den Churer Bischof über diesen Schritt informiert und ihn gebeten hatte, «damit auch dermalen weder in Ansehung der Klausur noch in anderwegs einige Unanständigkeiten unterlaufen mögen», dem in seinem Sprengel liegenden Kloster «ungesäumt» das entsprechende Anweisungsschreiben über den gegenwärtigen Kreishauptmann im Vinschgau und Burggrafenamt und zum Aufhebungskommissar ernannten Franz Anton von Triangi zukommen zu lassen. Der Entschluss Josephs II. vom 18. März, so Bischof Dionys von Rost am 9. April 1782 an die damalige Priorin Sr. Ignatia Theresia von Mohr (gest. 1783), würde ihn und «alle Jnwohnerinnen in nicht geringe Betrübniß versetzen». Wie schon im Brief an die Klarissen in Meran hält der Ordinarius fest, es bleibe ihm «nichts anders übrig, als dem an uns gestellten Anverlangen zu folgen»; aufgrund des kaiserlichen Befehls hebe er alle Klausurvorschriften auf und ordne an, sich den Anweisungen des Kommissars vor Ort zu fügen. Bereits am Morgen des 11. April 1782 verlangte die Aufhebungskommission Einlass ins Kloster. Der Konvent umfasste zu diesem Zeitpunkt neben der Priorin Sr. Ignatia Theresia von Mohr 36 Chorfrauen, 11 Laienschwestern und 3 Novizinnen (total 51 Nonnen); hinzu kamen die beiden Geistlichen P. Ludwig Löschl OP (Beichtvater) und P. <?page no="316"?> 316 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum Stephan de Rottenburg OP (Prediger). Die Zahl der weltlichen Bediensteten betrug 10 Personen. Unmittelbar nach Verlesung des kaiserlichen Beschlusses und der Übergabe aller Schlüssel an Triangi begann man mit der Inventarisierung, welche am 27. April 1782 abgeschlossen werden konnte. Den Vermögensstand zum Zeitpunkt der Aufhebung errechnete die Kommission auf total fast 172’000 Gulden. Erst nach längerem Zögern erlaubte Bischof von Rost am 17. Juli 1782 den Dominikanerinnen, ihr Ordenskleid in ein «anständig angemessenes weltliches abzuändern», entband sie aber entgegen der Bitte der Priorin vom 1. Juli nicht von den Ordensgelübden. Vielmehr betonte er, auch für die Frauen, welche die Ordensregeln in ihrer neuen Lebensweise nicht mehr zu erfüllen vermögen, seien die einmal abgelegten Gelübde «heilig und unverbrüchlich». Am Morgen des 12. Septembers 1782 verliessen sämtliche Nonnen das Kloster. Kirche und Konvent wurden umgehend gesperrt, die Pretiosen sicherheitshalber in das Kelleramtsgebäude nach Meran gebracht. 43 Frauen hatten nach ihrem Weggang aus dem Kloster das Ordenskleid abgelegt: 16 lebten in Meran, 8 in Algund (darunter die Priorin), 4 in Partschins, zwei jeweils in Brixen und Bozen sowie eine jeweils in Lajen bei Klausen, Innichen, Innsbruck und Sterzing. Von 7 Frauen ist der Aufenthaltsbzw. Sterbeort nicht bekannt. 8 Nonnen blieben dem Ordensleben treu: 7 wechselten ins Dominikanerinnenkloster nach Lienz, 1 Novizin trat als Klarissin in Brixen in das dortige Kloster ein. Beichtvater Löschl verstarb 1796 im Dominikanerkloster in Wien, Prediger de Rottenburg 1806 als Kaplan in Milland bei Brixen. Abb. 213: Aussenansicht der Klosterkirche Maria Steinach in Algund (heute) [Foto: A. Fischer] <?page no="317"?> 317 2. Die Auswirkungen der josephinischen Klosteraufhebungspolitik im Vinschgau und Walgau Nach dem Abzug der Schwestern ging der staatliche Religionsfond dazu über, die Mobilien, Grundgülten und Immobilien zu veräussern; letztere wurden über ein Jahrzehnt vom Zisterzienserkloster Stams verwaltet, bis sich eine Gesellschaft von Reformierten aus Graubünden um die Liegenschaften in Algund interessierte. Von diesem Vorhaben aufgeschreckt, brachte der damalige Pfarrer zu Algund, Josef Bartholomäus Graf von Wicka (1795-1822), den wohlhabenden Bauer von Maratsch in der Gemeinde Plars, Johann Ladurner, dazu, dasselbe Angebot wie die Bündner dem Religionsfonds zu unterbreiten, um ja keine Zwinglianer in der Pfarrei Algund ansässig zu haben. Über diesen Weg wurde Johann Ladurner mit dem Angebot in der Höhe von 15’000 Gulden Eigentümer des Klosters, des Beichtigerhauses, das er und seine Familie als Wohnsitz wählten, und einiger umliegender Güter. Im Klostergebäude selbst wurden alsbald minderbemittelte Leute untergebracht. Die unveräusserte Klosterkirche diente anfänglich noch gelegentlich dem Gottesdienst. Wiederholte Bittgesuche (1782, nochmals 1794/ 95) der Gemeinden Algund und Forst sowie des Ortspfarrers, die leerstehende Kirche wenigstens als Lokalkaplanei offiziell wieder in Gebrauch zu nehmen, wurden abgewiesen. Die endgültige Zweckentfremdung der Klosterkirche kam dann 1797, als sie im Zuge des Franzoseneinmarsches zu einem militärischen Depot umfunktioniert wurde. Ein für die Winterszeit in Betracht gezogenes Militärlazaret schien nicht umgesetzt worden zu sein. Nach Abzug der Truppen blieb die Kirche gesperrt und diente als Magazin oder Wagenremise. Die letzte ehemalige Steinacher Schwester starb 1833. Eine Kloster-Neugründung gelang erst Jahre später, am 26. April 1848 mit dem Kauf der Klostergebäude für 4’000 Gulden aus dem Besitz der Witwe von Johann Ladurner durch das dominikanische Mutterkloster Maria-Heimsuchung in Lienz. Abb. 214: Situationsplan des Klosters Maria Steinach 1846 [Klosterarchiv Algund] Legende: 1 Klosterhof und Kreuzgang, 2 Klostergebäude, 3 Ziehbrunnen, 4 Kirche, 5 Sakristei, 6 Kapitelsgebäude, 7 Vorbau vor der Kirche, 8 Klostergarten, 9 Zugänge zu Kirche und Kloster <?page no="318"?> 318 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum d) Die Aufhebung des Klarissenklosters in Valduna bei Rankweil (1782) Am 24. Januar 1782 sandte die Landesstelle der österreichischen Vorlande in Freiburg i. Br. den kaiserlichen Beschluss zur Aufhebung aller kontemplativen Klöster in den Erblanden an den Churer Bischof. Nach den allgemeinen Punkten, die bei der Durchführung eingehalten werden mussten, wurde Dionys von Rost angewiesen, «den vorgeschriebenen Befehl an das der Churer Dioeces unterstehende Frauen Kloster Valduna […] ehe möglichst und etwa binnen 8 Tagen längstens» zu übermitteln, damit sich die Klarissen «der Landesfürstlichen Commission auf das genaueste fügen»; falls der Bischof hierfür nicht bereit wäre, sei die Amtsstelle in ihrer Verantwortung gegenüber Wien genötigt, ohne seine Weisungen an das Kloster abzuwarten, vorzugehen. Mit Zuschrift vom 25. Januar 1782 war auch dem Vogteiverwalter Franz Philipp Gugger von Staudach von derselben Stelle eröffnet worden, er habe als Aufhebungskommissar die Schliessung des Klosters dem zu versammelnden Klarissenkonvent in Valduna persönlich anzukündigen, dieselbe gemäss Instruktionen zu vollziehen und darüber ein Protokoll einzusenden. Nach Erhalt des bischöflichen Anweisungsschreibens vom 6. Februar kreuzte Gugger am 16. Februar 1782 in Valduna auf und tat in Anwesenheit der Äbtissin Catharina Josefa Gau (1777−1782), sämtlicher 17 Chorfrauen (davon 4 aus Bünden) und 8 Laienschwestern - es gab bereits keine Novizinnen mehr - den kaiserlichen Entschluss kund. Danach kassierte er alle Schlüssel zu diversen Kassen, Kirchenschatz, Archiv und Vorratskammern. Räumlichkeiten, welche bis zum Wegzug der Konventualen (maximal 5 Monate nach Ankündigung) nicht notwendig gebraucht wurden, liess er versiegeln. Von dem vor Ort vorhandenen Bargeld in der Höhe von 274 fl. 51 ¼ xr. zahlte der Kommissar die für alle Ordensfrauen und den Beichtvater P. Benedikt Wagner OFMConv (aus dem 1785 aufgehobenen Minoritenkloster auf dem Viktorsberg) angewiesenen Unterhaltskosten für 14 Tage im Voraus, ebenso beglich er für die gleiche Zeitspanne die Kosten für fünf Dienstboten; den Restbetrag von 60 fl. 25 ¼ xr. überwies Gugger an das Rentamt in Feldkirch. Mit Schreiben vom 25. Juni 1782 gestattete der Churer Bischof die Aufhebung der Klausurvorschriften und den Übergang in ein weltliches Leben unter Beibehaltung der Ehelosigkeit und Gebetsverpflichtungen; eine generelle Dispens von den Gelübden blieb ausgeschlossen. Jeder Klosterfrau wurden 100 fl. zum Erwerb ihrer Ausstattung ausbezahlt. Auf den 21. Juli hatten die Nonnen Valduna zu verlassen; mit diesem Tag hörte auch die oben erwähnte Zahlung der täglichen Unterhaltsgelder auf und begann der Bezug der jährlichen Pensionen von 200 fl. für jede Chorfrau und 150 fl. für jede Laienschwester. Noch bevor die Schwesterngemeinschaft ihr Zuhause verlassen musste, spekulierte man eifrig über den späteren möglichen Verwendungszweck der Klosteranlage. In seinem Bericht vom 24. April 1782 an die Regierung und Kammer in Freiburg i. Br. bezeichnete Aufhebungskommissar Gugger die örtliche Lage als sehr abgeschieden und schlecht zugänglich; ferner seien die Gebäude «alt und durchaus nur zum klösterlichen Leben eingerichtet», was sich für eine Umnutzung zu einer «Fabrik» oder einem «Spinn- und Zuchthaus» unter kostspieligem Aufwand nach seiner Ansicht kaum lohne. Er könne sich keinen Käufer vorstellen, welcher diesen Gebäudekomplex auch nur unter dem «allerniedrigsten Preis» erwerben wolle. Sein Vorschlag ging erstaunlicher Weise dahin, das Klostergebäude <?page no="319"?> 319 2. Die Auswirkungen der josephinischen Klosteraufhebungspolitik im Vinschgau und Walgau als Wohnstätte für eine bestimmte Anzahl der ausgetretenen Schwestern zur Verfügung zu stellen, damit sie dort ihren Lebensabend verbringen könnten, oder falls dieser Vorschlag keine Akzeptanz finden würde, Kirche und Kloster abzureissen und das Material zu versteigern. Die Gebäude blieben nach Wegzug der Nonnen leer, ungenutzt und so auch ohne Ertrag für den Religionsfonds. Am 16. Dezember 1782 richtete Gugger an das Gubernium ein Gesuch, nach erfolgter öffentlicher Versteigerung der Hausgerätschaften auch Gegenstände aus der Klosterkirche zu veräussern; auf einem Beilageblatt zählt er u.a. die Glocken, die Kirchenuhr, die Orgel, den Weihwasserstein aus Marmor oder das Heilig Grab auf. Erst 1788 erging die Weisung, Kirche und alle Klostergebäulichkeiten auf Aufbruch zu versteigern; der voraussichtliche Erlös aus den noch zu gewinnenden Materialen als Resultat dieser radikalen ‹Endmassnahme› wurde auf knapp 2’535 Gulden errechnet. Damals notierte der Pfarrer von St. Gerold, P. Othmar Rüepp OSB (1787-1789): «Ich konnte die Tränen und den Unmut kaum zurückhalten, als ich jenes berühmte Frauenkloster Valduna wie durch einen Krieg der Ungläubigen oder durch Brand bis zur Mitte der Mauer usque ad medium muri verlassen und zerstört sah mit der Kirche, die zu einer Ruine gemacht wurde, während die Klosterfrauen und auch die Äbtissin mit einer Pension in die Welt hinausgestoßen wurden.» Die 1784 durchgeführte Veräusserung von Klostergütern und Grundbesitz durch Versteigerung erbrachte lediglich eine Gesamtsumme von 29’592 fl. Unter der Käuferschaft sticht die Gemeinde Rankweil hervor, die zu einem Spottpreis von 5’600 fl. Klosterkirche, Klostergebäude und Zubehör, die Waldungen (für 710 fl.) und das Recht des Holzschlags (für 1’160 fl.) erwarb. 1862 entstand auf dem ehemaligen Klostergrund die Abb. 215: Wohltätigkeitsanstalt Valduna nach dem Niedergang als Kloster im Jahr der Eröffnung 1862 (nach einem Gemälde von Leopold Scheel) [BAC.BA] <?page no="320"?> 320 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum private «Wohltätigkeitsanstalt Valduna» für geistig und körperlich Behinderte, aber auch zur Aufnahme von arbeitslosen und sittlich verkommenen Personen. Als öffentliche Institution für Geisteskranke figurierte sie zwischen 1870 und 1941 unter dem Namen «Landesirrenanstalt Valduna». Heute ist es der Standort des Vorarlberger Landeskrankenhauses Rankweil. e) Die Aufhebung des Minoritenklosters auf dem Viktorsberg oberhalb Röthis (1785) Im Schickalsjahr 1785 zählte der Konvent neben Guardian P. Benedikt Wagner OFM- Conv - die beiden affilierten Minoritenpatres aus Konstanz miteingerechnet - 7 weitere Patres und 4 Laienbrüder, davon wohnten jedoch 6 Patres und 1 Bruder (dieser in Breisach/ D) ausserhalb des Klosters; die Geistlichen füllten die durch die Aufhebung des Jesuitenordens 1773 entstandene Lücke von Lehrkräften am Feldkircher [4] bzw. am Konstanzer Gymnasium [2], unterrichteten daselbst und wohnten vor Ort. Mit dem Schreiben des Guberniums in Innsbruck vom 19. Februar 1785 erhielt der Churer Bischof Dionys von Rost Kenntnis vom Entschluss Josephs II. (22. Januar 1785), «die Aufhebung des Klosters Minoriten zu Rettis anzuordnen». Zeitgleich erreichte den Vogteiverwalter in Feldkirch und wiederum zum Aufhebungskommissar bestimmten Franz Philipp Gugger von Staudach die Information mit dem entscheidenden Hinweis, die Aufhebung solle unverzüglich vollzogen werden. Die vier köpfige Kommission - neben Gugger als Leiter fungierten Martin Johann Tanner (Rentmeister in Feldkirch), Johann Eberlin (Landschreiber) und Franz Josef Neyer (Aktuar) ihres Amtes - erschien wegen des vielen Schnees erst am 14. März 1785 auf dem Viktorsberg, wo sich im Kloster neben Guardian Wagner nur Pater Franz de Paula Scherer und drei Brüder aufhielten; die vier am Feldkircher bzw. Konstanzer Gymnasium wirkenden Minoriten mussten wie auch Bruder Gallus Euwler aus Breisach vorgeladen werden. Allen Anwesenden wurde das Kreditiv vorgelegt, das kaiserliche Aufhebungsdekret verlesen und mitgeteilt, das klösterliche Leben sei ab sofort zu Ende. Anschliessend erfolgten die Beschlagnahmung des vorhandenen Bargeldes (502 fl. 10 ½ xr.) und die Schlüsselübergaben der Kassen, des Kirchenschatzes, des Archivs, der Bibliothek und der Vorratsräume. Anderntags nahm Gugger den Manifestationseid ab und erklärte, Patres wie Laienbrüder hätten bald möglichst über ihre künftige Standeswahl zu entscheiden, diesen Entschluss dem Vogteiamt mitzuteilen und das Kloster innerhalb dreier Monate (bis spätestens 13. Juni) zu verlassen. Bis dahin wurde für den täglichen Bedarf jedem Konventualen in Viktorsberg 40 xr. zugesprochen; das nötige Brennholz stand unentgeltlich zu Verfügung. Für die Administration und Koordination vor Ort bis zum Abzug der Minoriten beauftragte Gugger den aus Klaus stammenden Basil Ludescher. Am 15. und 16. März wurde das Inventar aufgenommen. Erst am 19. März trat die Kommission die Rückfahrt nach Feldkirch an. Der verkaufte bzw. versteigerte Besitz des Minoritenklosters betrug lediglich 37’561 fl. Nach bischöflich erteilter Erlaubnis, das Ordenskleid in Weltpriesterkleidung bzw. bei den Brüdern in weltliche Gewandung einzuwechseln, verliessen am 13. Juni 1785 Pater <?page no="321"?> 321 2. Die Auswirkungen der josephinischen Klosteraufhebungspolitik im Vinschgau und Walgau Guardian Wagner und Pater Scherer zusammen mit den drei Laienbrüdern definitiv den Klosterkomplex. Scherer übernahm 1786 die Frühmesspfrund in Röthis, Wagner lebte als Weltpriester in Rankweil. Ein Bruder, Daniel Handt aus Stopfenheim, trat in den Minoritenkonvent in Maihingen (Bistum Augsburg) ein und wurde Pater. Der zur Zeit der Aufhebung noch in Ausbildung sich befindliche Pater Viktor Gmeinder fand 1786 nach Erhalt der Cura animarum aus Konstanz als erster Kaplan der am 16. April 1786 durch das Gubernium errichteten Expositur den Weg zurück nach Viktorsberg, wo er in der Pastoral als Weltgeistlicher das Erbe der Minoriten bis zu seinem Tod 1806 wachhielt. f) Die Aufhebung des Hieronymitanerklosters auf dem Josephsberg bei Meran (1786) Die letzte Klostergemeinschaft, welche in der zweiten josephinischen Aufhebungswelle (1783-1787) auf dem österreichischen Territorium des Bistums Chur aufgelöst wurde, lag eine gute Stunde Fussmarsch ausserhalb der Stadt Meran am Josephsberg. Aus ehemals einer 1669 erbauten Einsiedelei, wo ein gewisser Andreas Planer aus Kastelruth (Südtirol) und Wolfgang Holzer aus Warngau (Oberbayern) ein zurückgezogenes Leben führten, in Brixen 1678 bzw. 1681 zu Priestern geweiht wurden, und an deren Platz 1674 vom Grundstückbesitzer und Grafen Franz Adam Brandis eine Kapelle zu Ehren des hl. Josefs errichtet worden war (eingeweiht am 16. Juli 1682 durch den Churer Bischof Ulrich VI. de Mont), entstand mit der Platzierung einer Josefsstatue in der Kirche ein vielbesuchter Wallfahrtsort. Den beiden Eremitenpriestern schlossen sich alsbald zwei weitere Geistliche an: Philipp von Schulthaus [Schultheis? ] und Stephan Rizzi. Ersterer war angeblich Priester des Bistums Chur und vermachte bei seinem Eintritt der Einsiedelei auf dem Josephsberg die Hälfte seines Vermögens, letzterer wirkte zuvor als Pfarrer in Villanders (Südtirol). Nach Differenzen mit der Ordensleitung der Karmeliter zu Trient, denen sich die Eremiten ob Meran zugeordnet hatten, gelang es Wolfgang Holzer (mit dem Namen Bruder Onuphrius), die Eremitengemeinschaft dem Orden der Hieronymiten anzugliedern. Am 10. Juli 1694 bestätigte Papst Innozenz XII. (1691-1700) diesen Akt; so erwuchs aus der Einsiedelei ein Hieronymitanerkloster - übrigens das erste auf deutschem Boden. Finanziell kräftig mitdotiert wurde das Kloster durch Innozenz Graf Brandis, Josef Hiebler, Pfleger zu Lienz im Pustertal, und Christian Chager von Bozen, einem wohlhabenden Handelsmann, der dem Kloster 1710 eine Summe von 2’000 Gulden zukommen liess. Doch die Lebensdauer dieser Niederlassung währte keine hundert Jahre. Am 9. Juli 1786 erreichte den Churer Bischof das in Innsbruck am 24. Juni ausgestellte Schreiben des Guberniums, worin in äusserst knapper Weise von Rost über die Aufhebung der Gemeinschaft auf dem Josephsberg informiert wurde: «Da unter anderen hieländigen Klösteren auch jenes der Hieronimitaner am Josephsberg nächst Meran zur Aufhebung bestimmt ist, so hat man hierwegen bereits das erforderliche verfüget, und wird somit die Aufhebung dieses Klosters ehestens vorgenommen werden, welches wir mithin Euer fürstlichen Gnaden zu dießfälliger Wissenschaft geziemend hiemit […] eröffnen.» <?page no="322"?> 322 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum Am 18. August 1786 erschien aus Meran unter Begleitung des Stadtrates Felix Martin Widenplatzer (Buchhaltung) und Sebastian Plunger (Aktuar) Stadt- und Landrichter Andreas Alois Hellrigl. Die dreiköpfige Aufhebungskommission eröffnete der versammelten Klostergemeinschaft den Entschluss zur Auflösung und nahm den Konventualen den Manifestationseid ab; innerhalb von 6 Wochen hatten sie das Kloster zu verlassen. Zu diesem Zeitpunkt waren 8 Patres, welche mit einer Ausnahme alle aus dem Vinschgau stammten, und 3 Laienbrüder mit ungewisser Herkunft auf dem Josephsberg ansässig. Anschliessend nahmen Widenplatzer und Plunger das Inventar auf; der gesamte Besitzstand errechnete sich auf knapp 33’360 fl. In einem Schreiben vom 4. September 1786 an die von der Aufhebung betroffene Klostergemeinschaft entsprach der Churer Bischof der über den Pfarrer von Algund und Vikariatsverwalter Jakob Heiss (1773-1790) in Chur eingegangenen Bitte um Ablegung des Ordensgewandes, entband die Hieronymitaner jedoch nicht von ihren Gelübden. Darin heisst es: Unter den gegebenen traurigen Umständen «gestatten wir […], das heilige Ordenskleid, doch mit Beybehaltung eines unter euren künftigen Kleidern zu tragenden Zeichens eurer feierlichen Profession zum Merkmal, daß eure Entschließung nur Entschließung endiglicher Nothwendigkeit ist, […] umzuändern und eure künftigen Lebenstäge unter den weltlichen zuzubringen.» Obwohl die Ordensregeln und Satzungen in der neuen Lebensform nicht mehr weiter umgesetzt werden konnten, betonte Abb. 216: Informationsschreiben des Guberniums aus Innsbruck an den Churer Bischof über die baldige Aufhebung des Hieronymitanerklosters auf dem Josephsberg, 24. Juni 1786 [BAC] <?page no="323"?> 323 2. Die Auswirkungen der josephinischen Klosteraufhebungspolitik im Vinschgau und Walgau der Bischof, «sollen euch doch jederzeit eure Gelübde, mit denen ihr euch Gott auf so besondere und feyerliche Weise verbunden habet, heilig und unverbrüchlich seyn». All jenen Patres, «die sich die erforderliche Eigenschaft zur Ausübung der Seelsorge beygeleget haben», stehe es frei, eine entsprechende Anstellung anzunehmen. Am 30. September folgten die Ordensleute der bischöflichen Weisung, legten ihr Gewand (Habit aus einer weissen Tunika aus groben Stoff und einem schwarzen Skapulier mit kleiner Kapuze) ab und verliessen mit dem zuvor zugesprochenen Reisegeld von je 100 fl., die Geistlichen als Weltpriester gekleidet, das Kloster. Eine Hofresolution vom 23. Januar 1787 bestimmte zum einen für jeden Pater eine jährliche Pension von 200 fl., für jeden Laienbruder 150 fl., zum anderen ordnete sie die umgehende Sperrung der Klosterkirche an. Die einst im Zentrum der Wallfahrten auf den Josephsberg gestandene Holzfigur des Nährvaters Jesu erwarb die Pfarrei Partschins. Nachdem man von der «Errichtung einer Seelsorge am Josephsberg» abgekommen war und einzelne Waldstücke im früheren Besitz des Klosters, welche nicht zu einem bestimmten Gut gehörten, mittels öffentlicher Versteigerung veräussert hatte, erfolgte am 16. April 1793 durch den Stadt- und Landrichter Jakob Fidel Simeon von Buchberg, den Kameraladministrator Felix Martin Widenplatzer und Aktuar Franz Anton Tscholl eine genaue Auflistung aller Präziosen und Mobilien und am 22. Juli 1793 diejenige aller Kapitalien. Bereits 1794 entschlossen sich die umliegenden Gemeinden, das dem ehemaligen Kloster nahegelegene freisprudelnde Quellwasser, deren Heilwirkung vielversprechende Einnahmen zu garantieren schien, zu fassen, und das Konventsgebäude in eine Badeanstalt mit Gastbetrieb umzugestalten. Der Meraner Advokat Sebastian Latzi kaufte hierfür die Gebäulichkeiten am bewaldeten Nordhang des Marlinger Berges vom früheren Besitzer und Pfarrmusiker in Bozen, Franz Anton Plank. Das Unternehmen «Heilbad» scheiterte, die Gebäude blieben ungenutzt, und Latzi verlor sein ganzes Vermögen. Die spätere profane Entwicklung reichte ab 1860 von einem Hotelbetrieb bis hin zu einem Therapiezentrum; 2015 ist die auf 2,1 Millionen Euro geschätzte Liegenschaft zur Versteigerung ausgeschrieben worden. Abb. 217: Ansicht des Hieronymitanerklosters auf dem Josephsberg im 18. Jahrhundert [Zentrales Provinzarchiv der Kapuziner Österreich-Südtirol, Innsbruck] <?page no="324"?> 324 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum g) Auswertung der josephinischen Klosteraufhebungen im österreichischen Anteil des Bistums Chur Name des Klosters [Jahr der Aufhebung] Vermögensstand (z.T. nach Verkauf bzw. Versteigerung) Personalbestand (zum Zeitpunkt der Aufhebung) im Ordensstand geblieben Tätigkeit als Weltpriester [im Bistum Chur] privat wohnhaft [im Bistum Chur] Nonnen / Patres Laienschwestern / Brüder Novizen Total Vinschgau / Burggrafenamt Klarissen in Meran [1782] 130’290 fl. 39 11 3 53 1 OP --- 52 [35] Meran Algund Dorf Tirol Kartause Schnalstal [1782] 58’131 fl. 10 2 --- 12 --- 10 [5] 2 Dominikanerinnen in Algund [1782] 171’958 fl. 37 11 3 51 8 7 OP 1 OSCl --- 43 [28] Meran Algund Partschins Hieronymitaner am Josephsberg [1786] 33’359 fl. 8 3 --- 11 2 OSH 6 [3] 3 Walgau Klarissen in Valduna [1782] 99’459 fl. 18 8 --- 26 keine --- 26 [23] Feldkirch Rankweil Minoriten auf Viktorsberg [1785] 37’561 fl. 6 4 --- 10 2 OFM- Conv 5 [4] 3 94 ♀ 24 ♂ 30 ♀ 9 ♂ 6 ♀ 130 ♀ 33 ♂ 9 ♀ 4 ♂ Total 530’561 fl. 118 72,4 % 39 23,9 % 6 3,7 % 163 100 % 13 8 % 21 [12] 12,9 % 129 [87] 79,1 % <?page no="325"?> 325 2. Die Auswirkungen der josephinischen Klosteraufhebungspolitik im Vinschgau und Walgau Die wenig erbaulichen Schicksale der insgesamt 163 Nonnen, Laienschwestern, Novizinnen, Patres und Brüder aus den 1782, 1785 und 1786 aufgehobenen sechs Klostergemeinschaften im Vinschgau, Burggrafenamt und Walgau widerspiegeln die konsequent umgesetzte Auffassung Kaunitz’s und Josephs II., das ausschliesslich kontemplativ ausgerichtete Ordensleben sei für Staat und Gesellschaft höchst schädlich und erfordere unter rationellen Gesichtspunkten eine Dezimierung. In den überlieferten historischen Berichten zu diesem fragwürdigen Eingriff des Staates in das kirchliche Leben, welcher zum einen von den Direktbetroffenen nach Abklingen erster emotionaler Reaktionen geradezu mit heroischer Grösse angenommen, zum anderen von bischöflicher Warte aus - selbst handlungsunfähig - passiv mitverfolgt werden musste, finden sich keine aktiv formierten Widerstandskräfte. Vor allem in der zweiten Aufhebungsphase 1783-1787 kann bei einigen Klöstern sogar von einer Klostermüdigkeit und einer Bereitschaft zur Selbstaufgabe gesprochen werden. Bei der Bevölkerung waren dagegen die negativen Reaktionen partiell heftiger und Solidaritätsbekundungen örtlich häufiger. Der in den Anweisungsschreiben des Churer Ordinarius formulierte Aufruf zur «Unterwürfigkeit» gegenüber der kaiserlichen Anordnung und zur «Gelassenheit» im Blick auf eine zwar äusserst unsichere Zukunft für die aus der Ordensgemeinschaft gerissenen Frauen und Männer ist zudem ein Abbild des bis dahin von den zuständigen kirchlichen Behörden vor Ort noch meist verkannten Gefahrenherdes, welche die kirchenpolitischen Zwangsmassnahmen der nächsten Jahre und Jahrzehnte (bis hin zur Grossen Säkularisation 1802/ 03) in sich bargen. Geharnischte bischöfliche Protestschreiben aus Trient, Brixen und Chur fanden sich hingegen im Zuge der staatlich kontrollierten Priesterausbildung (Schaffung von Generalseminarien) viel rascher und häufiger auf den Schreibtischen der Hofkanzlei in Wien oder des Guberniums in Innsbruck. Ausgenommen von dieser spürbaren Lethargie gegenüber staatskirchlichen Eingriffen war die kompromisslose Haltung des Churer Bischofs, die aus dem schützenden Kloster in eine offene Welt gestellten Männer und Frauen nicht von den Gelübden, welche «heilig und unverbrüchlich» seien, zu entbinden. Entsprechend lebten insbesondere ehemalige Nonnen aus dem Klarissenkloster in Meran weiter in kleineren Gemeinschaften in Privatwohnungen in Meran, wo sie zum Teil auch ihren Lebensabend verbrachten; Klarissen aus Valduna fanden als Bürgerinnen der Stadt Feldkirch daselbst Wohnung. Andere zogen sich an ihren Heimatort und in den Kreis ihrer Familie oder Verwandten zurück (insgesamt 129 [79,1 % des ursprünglichen Bestandes]). Vereinzelt traten Novizinnen und einige wenige Nonnen bzw. Patres in andere Konvente über, was ihnen das Aufhebungsdekret vom 12. Januar 1782 ausdrücklich erlaubte hatte (8 %). Der grösste Übertritt erfolgte aus dem ehemals 51-köpfigen Konvent Maria Steinach in Algund: Sieben Ordensfrauen traten in das Dominikanerinnenkloster Lienz/ Südtirol ein, eine Nonne entschied sich zum Wechsel in das Klarissenkloster in Brixen. Eine weitere Tragik war der Verlust und die da und dort mittels Versteigerung angeordnete überstürzte Veräusserung des Klosterbesitzes, ferner die nach Inbesitznahme der gesperrten Klosterkirchen durch den staatlichen Religionsfonds erfolgte Vernachlässigung, Entweihung bzw. der Abbruch eines Gotteshauses. Einzig für den Viktorsberg ergab sich die erfreuliche «Lösung» der Schaffung einer Lokalkaplanei am Sitz des aufgehobenen <?page no="326"?> 326 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum Minoritenklosters. Erster Kaplan wurde ein ehemaliger Minderbruder aus diesem Konvent und wirkte als Weltpriester vor Ort. Der Gesamtbetrag des Vermögens der sechs säkularisierten Klöster von rund 550’000 Gulden floss wohl in den Religionsfond, reichte jedoch bei weitem nicht einmal aus, die Pensionen der Regularen zu decken, geschweige denn mit diesem Geld die staatlichen Seelsorgepläne in Tirol bzw. im Vorarlberg mitzufinanzieren, so dass diese sechs Klosteraufhebungen von 1782, 1785 und 1786 im österreichischen Anteil des Bistums Chur als verfehlte, wenig durchdachte und der Seelsorgereform keineswegs dienliche staatliche Aktion bezeichnet werden muss. Im Hinblick auf die Säkularisation von 1802/ 03 stellt die josephinische Klosteraufhebung ein deutlicher Vorbote der staatlichen Repressionspolitik gegenüber einer unter säkulare Aufsicht gezwungenen Kirche dar, welche deren Gefahrenherd in den ersten Jahren nicht rechtzeitig zu erkennen schien und gegen solche Zwangsmassnahmen wenig wirksam zu agieren wusste. Erst vor dem Hintergrund weiterer drohenden Klosteraufhebungen nach 1790 reagierte der Churer Bischof 1793 und strich die Wichtigkeit der in seinem Sprengel noch verbliebenen Klostergemeinschaften heraus: «Wir glauben mit Grund sagen zu dörfen, daß der Bestand und [die] Beförderung guter Klöster für unsere Zeiten mehr als jemals ein wahres Zeitbedürfnis und für die Religion und das gemeine Beste wichtig und zuträglich sey» - nicht zuletzt auch zur «Aushilf und Erleichterung der Seelsorge.» 3. Das wenig ertragreiche josephinische «Pfarreinrichtungsgeschäft» im Vinschgau und Walgau Im gleichen Monat des ergangenen folgeschweren Entscheids der Klosteraufhebungen formulierte Kaiser Joseph II. am 29. Januar 1782 erstmals Gedanken über eine nach seiner Ansicht nach dringend zu verbessernden (Pfarr-)Seelsorge. Dabei sollte von Seiten des Staates durch die Landesstellen und Kreisämter objektiv und systematisch geprüft werden, welche Gemeinden wirklich einen ortsansässigen Seelsorger beanspruchen konnten. Ausschlaggebend waren die Grösse der zu betreuenden Pfarr- und Filialgemeinde(n), die Entfernung der Siedlungen zur Mutterkirche sowie die topographischwie witterungsbedingten Verhältnisse. Aus diesen Überlegungen erwuchsen die am 12. September 1782 publizierten Direktivregeln als verbindliche Grundlage für alle künftigen Pfarrumstrukturierungspläne. Ziel des sog. josephinischen «Pfarreinrichtungsgeschäfts» war eine staatlich normierte pfarrliche Seelsorge; der Pfarrklerus, zu einem beträchtlichen Teil besoldet aus dem Topf des Religionsfonds, erwuchs zum geistlichen Staatsbeamten, der auch das priesterliche Erscheinungsbild im 19. Jahrhundert wesentlich bestimmen sollte. In der ersten Phase der Pfarrregulierung im österreichischen Anteil des Bistums Chur (1782-1783) sandten die Landesstellen in Innsbruck und Freiburg i. Br. bereits im Februar und wieder im Mai 1782 Anweisungen zur Erstellung genauer Listen nach Chur. Auf Karten waren die Diözesan- und Dekanatsgrenzen sowie die bestehenden Seelsorgestellen (Pfarreien mit ihren Filialkirchen und Kaplaneien) einzutragen. Dabei stellte sich heraus, <?page no="327"?> 327 3. Das wenig ertragreiche josephinische «Pfarreinrichtungsgeschäft» im Vinschgau und Walgau dass das Churer Ordinariat bislang über keinerlei eigene Bistumskarten verfügte! Erste, eher allgemeine, aber für die zuständigen staatlichen Stellen wenig aussagekräftige Angaben gelangten im September 1782 ans Gubernium nach Innsbruck, gefolgt von einer im Oktober erstellten Liste bedürftiger Pfarrkirchen, welche aus den Beständen der aufgehobenen Klöster liturgische Gerätschaften günstig zu erhalten hofften. Nach weiteren Mahnungen seitens des Guberniums bemühte sich eine aus weltlichen und geistlichen Mitgliedern zusammengesetzte Kommission im Dekanat Vinschgau um konkrete Vorschläge. Im unteren Vinschgau, Burggrafenamt und rechten Passeiertal sollten neu 4 Kuratien und 13 Lokalkaplaneien auf dem Territorium bestehender Pfarreien, im oberen Vinschgau (inkl. Nauders) 5 Kuratien und 6 Lokalkaplaneien geschaffen werden; dazu schlug man diverse Umteilungen von Höfen und Siedlungen in andere näherliegende Pfarrsprengel vor. Nach Prüfung durch das Churer Ordinariat genehmigte Innsbruck Anfang Juli 1783 für das Dekanat Vinschgau grundsätzlich 26 der 28 eingereichten Vorschläge (Quadrat und Rojen abgelehnt) um einen ortseigenen Seelsorgeposten sowie die entsprechenden Umteilungen. Directiv-Regeln, nach welchem sich bey dem vorhandenden Pfarreinrichtungs-Geschäfte zu achten ist. I. mo Die Einrichtung einer Pfarre oder Lokal-Kaplaney ist nothwendig, wo die Pfarrkinder entweder durch Wasser oder hohes Gebirge oder durch Schnee im Winter und üble Wege zu ihrer Pfarrkirche schwer kommen können, oder wohl gar von derselben getrennt werden. II. do Wo die Entfernung über eine Stunde Wegs beträgt. III. tio Wo die Gemeinde über 700 Personen stark ist; es wären dann solche Gegenden, wo die Katholischen gemischt mit anderen Religionsverwandten wohnen, in welchem Fall auch eine mindere Anzahl, und zwar von 500, auch allen Falls weniger Personen hinlänglich wären, weil in diesen Orten der Unterricht im Glauben und die Pflege in der Seelsorge wegen der Gefahr des Abfalles noch nothwendiger ist. IV. to Verdienen jene Ortschaften eine Rücksicht, die mit einer Kirche versehen sind, und mit Dokument erweisen können, daß sie in ältern Zeiten schon einen Pfarrer oder eigenen Seelsorger gehabt haben, und wo schon einiger Fundus zu Unterhaltung eines Geistlichen vorhanden ist. V. to Eine andere Zu- und Entheilung der Pfarrern ist nothwendig, wo der Pfarrer, um seinen Pfarrkindern die seelsorgerlichen Pflichten zu leisten, durch eine fremde Pfarre gehen muß, oder wo ein Pfarrer in einem mit einem Seelsorger ohnehin versehenen Ort Pfarrkinder hätte, folglich eine Vermischung mehrerer Pfarreyen in dem nämlchen Orte obwaltete, oder endlich wo die Pfarrkinder in eine andere Kirche beträchtlich näher, in ihre eigene aber viel weiter oder einen beschwerlichen Weg hätten. <?page no="328"?> 328 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum Vikariat Unterer Vinschgau, Burggrafenamt und Passeiertal Pfarrei Ort, Siedlung, Höfe [Seelenzahl] Vorgeschlagende Änderung: Errichtung einer … Algund Aschbach [151] Lokalkaplanei Forst Lokalkaplanei Vellau [159] Lokalkaplanei Vernuer-Gfeis [170] Lokalkaplanei Latsch Marein [201] Kuratie St. Martin am Kofl [250] Kuratie Tarsch [400] Kuratie Trumsberg-Vorberg [200] Lokalkaplanei Martell 11 Höfe [80] Lokalkaplanei Naturns Pfossental [112] Lokalkaplanei Tschirland [309] Lokalkaplanei Partschins Quadrat [60] Lokalkaplanei [abgelehnt] Schlanders Morter Kuratie Schnals, Unser Frau Kurzras [67] Lokalkaplanei St. Martin in Passeier Saltaus [260] Lokalkaplanei Tschars Tabland [295] Lokalkaplanei Tannberg [158] Lokalkaplanei Vikariat Oberer Vinschgau Pfarrei Ort, Siedlung, Höfe [Seelenzahl] Vorgeschlagene Änderung: Errichtung einer … Graun Langtaufers [über 300] Lokalkaplanei Rojen [ca. 36] Lokalkaplanei [abgelehnt] Mals Planeil [ca. 300] Kuratie Marienberg (Kloster) Schlinig [150] Lokalkaplanei Nauders Spiss [200] Kuratie Schlanders Nördersberg [345] Kuratie Sonnenberg [394] Kuratie Schnalstal Karthaus mit 12 Höfen [90] Lokalkaplanei Stilfs Trafoi [119] Lokalkaplanei Tschengls Tanas (ein Teil der Gemeinde) [208] Kuratie Kirche St. Peter Tanas (ein anderer Teil der Gemeinde) [104] Lokalkaplanei Kirche St. Joachim und Anna Die für Teile des Dekanats Walgau vorgelegten Kommissionsvorschläge waren anfangs so unzureichend, dass nach entsprechender Rüge an den Churer Bischof eine zweite überarbeitete Fassung erstellt und 1783 nach Innsbruck abgeschickt werden musste. Für das <?page no="329"?> 329 3. Das wenig ertragreiche josephinische «Pfarreinrichtungsgeschäft» im Vinschgau und Walgau Territorium im vorderen Walgau erbat man 6 Lokalkaplaneien (davon 4 genehmigt), im inneren Walgau schlug man die Erhebung der Kuratie Wald zur Pfarrei vor, was jedoch keine Unterstützung fand, und forderte ferner 2 Lokalkaplaneien in St. Leonhard und Gurtis. Vikariat Vorderer Walgau Pfarrei Ort, Siedlung, Höfe [Seelenzahl] Vorgeschlagene Änderung: Errichtung einer … Götzis Meschach [128] Lokalkaplanei Altach mit Ober- und Unterbauen [460] Lokalkaplanei Laterns 37 Höfe hinter dem Tschuggentobel Lokalkaplanei [abgelehnt] Rankweil, Unsere Liebe Frau Buchebrunnen [95] Lokalkaplanei [abgelehnt] Dafins [115] Lokalkaplanei Rankweil, St. Peter Pfarrei [155] könnte vollständig in die Pfarrei Unsere Liebe Frau integriert werden. nur noch Sitz eines Lokalkaplans Röthis Viktorsberg [103] nach möglicher Aufhebung des Klosters Lokalkaplanei Schnifis Dünserberg [92] Schnifiserberg [51] Lokalkaplanei in Düns Vikariat Innerer Walgau Pfarrei Ort, Siedlung, Höfe [Seelenzahl] Vorgeschlagene Änderung: Errichtung einer … Dalaas Wald (Kuratie) [251] Pfarreierhebung [abgelehnt] Bartholomäberg Innerberg [ca. 300] Lokalkaplanei [abgelehnt] Vallün Lokalkaplanei [abgelehnt] Bludenz St. Leonhard [208] Lokalkaplanei (für die Siedlungen Bings, Grubs, Radin, Gassünd und St. Leonhard) Nenzing-Frastanz Gurtis [520] Lokalkaplanei (für die Siedlungen Gampelün, Latz, Rungeletsch, Winkel, Halden und Gurtis) St. Gallenkirch Rüti mit 14 Höfen Lokalkaplanei [abgelehnt] Die zweite Phase der Pfarrregulierung (1784-1785) war geprägt von zeitintensiven Arbeiten des bischöflichen Kanzlers Georg Schlechtleutner, welcher zum einen die angeforderten Listen mit einfachen Benefizien (ohne Seelsorgeauftrag, z. B. Frühmesspfrund) im Vinschgau und Walgau zusammen mit Angaben über deren Notwendigkeit oder Entbehrlichkeit im April 1784 nach Innsbruck spedierte. Von den 58 aufgeführten einfachen geistlichen Pfründen im Dekanat Vinschgau beurteilte der Kanzler 28 als für die Pastoral <?page no="330"?> 330 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum notwendig oder gar unentbehrlich, 10 waren wünschenswert und für 18 stellte er eine mögliche Aufhebung in Diskussion. Im Dekanat Walgau registrierte Schlechtleutner 40 sog. «Beneficia simplicia»; davon bezeichnete er 23 als notwendig, 15 waren wünschenswert und nur gerade 2 konnten seiner Meinung nach aufgehoben werden. Zum anderen errechnete er unter Mithilfe der betroffenen Pfarrherren für alle vier Vikariate der beiden Dekanate den Stand der Pfarrsprengel, der Geistlichen und Gläubigen. Laut Gesamtauswertung (Stand 1784) existierten auf dem Gebiet des Bistums Chur innerhalb des Einflussbereichs Joseph II. 76 Pfarreien mit 65’878 Katholiken, welche von 206 Geistlichen (Pfarrer [74], Kooperatoren [24], Frühmessern [43], Kuraten [9], Benefiziaten [54]) betreut wurden. Erst aufgrund dieser umfangreichen Datensammlung erreichten Chur 1785 konkrete Vorgaben zum weiteren Vorgehen im Pfarreinrichtungsgeschäft in Tirol und Vorarlberg. Von den in der ersten Phase durch Kreisämter und Churer Ordinariat eingereichten 28 Vorschlägen auf dem Gebiet des Dekanats Vinschgau wurden nicht zuletzt wegen fehlender Finanzierungsmöglichkeiten lediglich 15 Seelsorgeposten bewilligt (1 Lokalkaplanei [Saltaus], 14 Exposituren in Abhängigkeitsverhältnis zur nächstliegenden Pfarrei); im Dekanat Walgau genehmigte man nur 6 Exposituren, die ihrerseits einer in den Quellen Abb. 218: Auszug aus dem Verzeichnis der Ortschaften in Tirol und Vorarlberg, wo ein eigener Seelsorger (als Pfarrer, Lokalkaplan oder Expositus) eingesetzt werden sollte, hier: Burggrafenamt und Vinschgau [TLA] <?page no="331"?> 331 3. Das wenig ertragreiche josephinische «Pfarreinrichtungsgeschäft» im Vinschgau und Walgau greifbaren Vernehmlassung durch die betroffenen Gemeinden zugeführt wurden. Aufgrund diverser Kritik und erheblichen Widerstandes bedurfte es bei geplanten Umpfarrungen einiger Änderungen. Von diesen 21 Seelsorgestellen (53,8 % der ursprünglich 39 vorgeschlagenen) - nur 13 waren neu zu errichten (8 Benefizienpfründe bereits vorhanden) - entsprachen lediglich 3 den Vorgaben von 1783 (Lokalkaplanei in Saltaus, ständiger Benefiziat in Meschach und zusätzlicher Benefiziat für die Pfarrei Schnifis); die übrigen 18 zu errichtenden Exposituren befriedigten aufgrund des leeren Religionsfonds nur bedingt und blieben Minimallösungen im anfangs so grosszügig angekündigten Pfarreieinrichtungsgeschäft. Exposituren bzw . «exponierte Kapläne» - staatliche Eigenentwicklung unter Joseph II für eine neue Stelle zur Förderung der Seelsorge • sind Benefiziate an einer zum Teil weiter entfernten Filialkirche des Pfarrsprengels • sind abhängig von der Mutterpfarrei • staatliche Weisung von 1786 ermöglicht Sakramentenspendungen in der Filiale (Taufe, Trauungen) sowie Beerdigungen von Verstorbenen in der Filiale auf den eigens errichteten örtlichen Friedhöfen [Sonderstatus] • Expositus bezieht aus dem Religionsfond ein Mindestgehalt von 200 Gulden pro Jahr In der dritten Phase der Pfarrregulierung im österreichischen Anteil des Bistums Chur (1786-1789) kam es neben der staatlich verordneten Errichtung von Exposituren (ab 1786) im Zusammenhang mit unzähligen Sperrungen von nicht mehr benötigten Gotteshäusern (zwischen 1786 und 1788 im Vinschgau: 44 / im Walgau: 76) und der neuen josephinischen Gottesdienst- und Andachtsordnung von 1786 als radikalen Eingriff in die religiöse Alltagskultur, die eine nüchterne einheitliche Liturgie in den Pfarreien anstrebte, zu gefährlichen Unruhen, welche insbesondere churerische und konstanzische Teile des Vorarlbergs betrafen. Staatliche Stellen waren wenigstens zu teilweiser Rücknahme von Verordnungen gezwungen bzw. mussten gangbare Kompromisse mit der Kirchenleitung suchen, um einen grösseren Flächenbrand durch das aufbegehrende gläubige Volk und den sich den Neuerungen verweigernden Klerus rechtzeitig zu unterbinden. Den Churer Bischof zwang man mehr oder minder zu einer Pastoralvisitation im Walgau (September 1789). Mittels Beschwerden und Bittschriften forderten ganze Talschaften sowie einzelne Gemeinden Bischof Franz Dionys von Rost auf, sich beim Kaiser persönlich für die Rücknahme gewisser Verordnungen, welche Volksfrömmigkeit und Brauchtum am meisten tangierten (Gebetsformen wie Rosenkranz und Vesper, Prozessionen, Wiederöffnung gesperrter Kirchen), einzusetzen. Doch erst nach dem Tod Josephs II. gewährten staatliche Stellen Lockerungen, herkömmliche Andachten wurden wieder gestattet, diverse gesperrte Kapellen und Kirchen im Vinschgau und Walgau zur Benutzung frei gegeben. Vor dem Hintergrund einer Aussage der kaiserlichen Hofkanzlei von 1789, es könne dem Staat und dem Landesfürsten eigentlich gleichgültig sein, welchen Kirchengebräuchen <?page no="332"?> 332 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum der Untertane nachlebe, Hauptsache sei er der Krone treu ergeben, erliess von Rost am 14. April 1790 eine eigene bischöfliche Andachtsordnung für die österreichischen Bezirke seines Sprengels (mit Partikularnormen). Schliesslich kam 1789 auch im zu Tirol gehörenden Gericht Nauders (kirchlich: Dekanat Engadin) das Pfarreinrichtungsgeschäft zum Abschluss: Reschen, zuvor als Expositur vorgeschlagen, blieb fest bei Graun; die Zuordnung Rojens erforderte weitere Abklärungen; im Tal Langtaufers war zu Pleif eine neue Expositur zu errichten, die bereits bestehenden Benefizien in Mathon und Spiss wurden ebenfalls zu Exposituren erhoben. Staatlich angeordnete Sperrung von Gotteshäusern im Dekanat Vinschgau (zwischen 1786 und 1788) Pfarrei Verzeichnis der zu sperrenden Kirchen Algund St. Kassian Burgeis St. Nikolaus Glurns Hl. Kreuz St. Martin St. Jakobus in Sölles bei Glurns St. Laurentius in den Tawentz-Wiesen bei Glurns Laas St. Markus St. Martin St. Nikolaus St. Sisinius Kapelle Unserer Lieben Frau an der Brücke Laatsch St. Thomas Latsch Kirche Unserer Lieben Frau auf dem Bichel St. Antonius in Marein St. Carpophorus in Tarsch Lichtenberg St. Christina Mals St. Benedikt St. Johannes d. T. St. Martin St. Michael St. Nikolaus St. Christina in Tartsch St. Joseph in Tartsch Marienberg (Schlinig) Hl. Kreuz St. Stephanus Naturns St. Laurentius in Staben St. Ursula auf dem Berg Schlanders St. Albuin St. Jenewein im Ladurnerhof St. Antonius in Goldrain St. Ägidius in Kortsch St. Georg in Kortsch St. Nikolaus St. Thomas im Ansitz Freienturm St. Walburga in Göflan <?page no="333"?> 333 3. Das wenig ertragreiche josephinische «Pfarreinrichtungsgeschäft» im Vinschgau und Walgau Staatlich angeordnete Sperrung von Gotteshäusern im Dekanat Vinschgau (zwischen 1786 und 1788) Pfarrei Verzeichnis der zu sperrenden Kirchen Schluderns St. Antonius Stilfs St. Martin Taufers St. Antonius St. Johannes d. T. St. Martin Tirol-Meran St. Gertrud auf Zenoburg St. Leonhard (Spitalkirche) Sand-Kapelle Tschengls St. Ottilia Staatlich angeordnete Sperrung von Gotteshäusern im Dekanat Walgau (1788/ 89) Pfarrei Verzeichnis der zu sperrenden Kirchen * Altenstadt Kapelle St. Martin Kapelle St. Sebastian und Rochus in Gisingen* Bartholomäberg Kapelle St. Maria in Jetzmunt Kapelle St. Maria in Marentes Kapelle St. Sebastian in Valleu Bludenz Kapelle Hl. Kreuz auf dem Friedhof von Bludenz Kapelle St. Leonhard in Radin Kapelle St. Johannes Nepomuk in Lorüns Brand Kapelle St. Anna in Daleu Braz Kapelle Maria Hilf auf dem Mühleplatz Kapelle St. Wolfgang in Gantschief Kapelle St. Magnus in Innerbraz Kapelle St. Anna in Ausserbraz Bürs Kapelle St. Johannes Nepomuk Kapelle St. Wolfgang (an der Strasse nach Bürserberg) Dalaas Kapelle Hl. Kreuz in Dalaas Kapelle St. Maria in Innerpoller Kapelle auf dem Hillebrandhof Kapelle Maria Dolorosa in Kaiser Kapelle St. Sebastian in Bühel Kapelle St. Martin auf Mason Kapelle Unsere Liebe Frau auf Mason Kapelle St. Martin am Radanatobel Kapelle St. Sebastian bei Innerwald <?page no="334"?> 334 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum Staatlich angeordnete Sperrung von Gotteshäusern im Dekanat Walgau (1788/ 89) Pfarrei Verzeichnis der zu sperrenden Kirchen * Feldkirch Kirche Unsere Liebe Frau in der Vorstadt Kapelle St. Leonhard in der Au Kapelle St. Peter und Paul auf dem Friedhof* Kapelle St. Magdalena in Levis (an der Reichsstrasse)* Elendbild-Kapelle in Levis Kapelle St. Veit auf dem Veitskapf 7 Kapellen ausserhalb der Stadt Feldkirch [ohne weitere Angaben] Frastanz Kapelle St. Wendelin Gaschurn Kapelle Maria Schnee Göfis Kapelle St. Sebastian und Rochus* Götzis Wallfahrtskirche St. Arbogast (an der Landstrasse) [? ] Kapelle auf dem Reichenberg Klösterle Kapelle St. Michael am Langen Kapelle zu den 14 Nothelfern in Hof Kapelle St. Sebastian und Rochus in Sand Kapelle Mater Dolorosa in Danöfen Koblach Kapelle St. Rochus in der Au* Nenzing Luz-Gantenbein-Kapelle (auf dem Weg nach Latz) Kapelle Maria Krönung in Motten Kapelle Maria Schnee in Halden Nofels Kapelle St. Sebastian in Bangs Kapelle St. Martin in Fresch* Nüziders Kapelle St. Magnus (an Strassengabelung Bludenz/ Hinterofers) Kirche St. Vinerius Kapelle Maria Heimsuchung auf Latz Rankweil Kapelle St. Michael auf dem Friedhof* Kapelle St. Anna in Brederis* Kapelle St. Wendelin zu Buchebrunnen* Satteins Kapelle St. Sebastian* Schlins Kapelle St. Michael auf Schloss Jagdberg Kapelle St. Anna in Frommengärsch* Kapelle St. Magnus und Rochus in Röns Schruns Kirche auf dem Kalvarienberg Litz-Kapelle im Dorf Silbertal Kapelle St. Agatha auf Kristberg <?page no="335"?> 335 3. Das wenig ertragreiche josephinische «Pfarreinrichtungsgeschäft» im Vinschgau und Walgau Staatlich angeordnete Sperrung von Gotteshäusern im Dekanat Walgau (1788/ 89) Pfarrei Verzeichnis der zu sperrenden Kirchen * St. Gallenkirch Kapelle Unsere Liebe Frau in Aussergant Kapelle Mariae Dolorosa in der Reute (Rüti) Kapelle Hl. Familie an der Kreuzgasse Kapelle Unsere Liebe Frau am Hohen Steg Kapelle St. Mariae Verkündigung auf Gand (gegen Gortipohl) Tisis Kapelle St. Margareta auf dem Kapf Kapelle Hl. Kreuz in der Parzelle Hl. Kreuz* Kapelle St. Wolfgang Kapelle St. Antonius von Padua auf Carina Tosters Kapelle St. Wolfgang «am Sand» Vandans Kapelle Unsere Liebe Frau in Vens *Die mit einem Stern versehenen Kirchen konnten laut Schreiben des Guberniums vom 1. September 1789 aus Innsbruck an den Churer Bischof «nach einer genauen Erwägung der Lokalumstände» offenbleiben. Anhand der überkommenen Zusammenstellungen der Seelsorgeposten aus den Jahren 1792/ 94 für die beiden Dekanate Vinschgau und Walgau wird deutlich, dass im Vergleich zu den Zahlen vor 1785 bezüglich Pfarreinrichtung ausser sinnvoll geregelten Zusammenführungen von zerstreut liegenden Siedlungen zu näherliegenden Pfarreien sowie einigen neu erbetenen und von den staatlichen Stellen genehmigten Exposituren mit einem ortsansässigen Geistlichen (aus einfachen Benefizien) keine grundlegenden Veränderungen zu verzeichnen sind. Dekanat Vinschgau 1784 / 1792 Pfarreien [mit Nauders] 1784 Benefiziate: 79 Kuratien: 7 1792 Benefiziate: 55 Kuratien: 1 1786 geplante Exposituren 1792 bezeichnete Exposituren bis 1792 abgeschaffte einfache Benefizien 33 86 56 20 26 4 Dekanat Walgau 1784 / 1792 Pfarreien 1784 Benefiziate: 42 Kuratien: 2 1792 Benefiziate: 33 Kuratien: 0 1786 geplante Exposituren 1792 bezeichnete Exposituren bis 1792 abgeschaffte einfache Benefizien 43 44 33 6 9 4 Das josephinische Projekt «Pfarreinrichtungsgeschäft» trug im österreichischen Anteil der Diözese Chur, ohnehin schleppend vorankommend, nicht zuletzt aufgrund einer fehlenden Finanzierungsmöglichkeit durch den 1790 nahezu ausgetrockneten Religionsfonds, wozu die Vermögenswerte der aufgehobenen sechs Klöster und gesperrten Kirchen wenig beizutragen vermochten, praktisch keine Früchte und muss grossmehrheitlich als gescheitert bezeichnet werden. Bereits 1789 konstatierte das Kreisamt an der Etsch mit Sitz in Bozen, die Erledigung des Pfarreinrichtungsgeschäfts sei wohl nicht zu erhoffen. <?page no="336"?> 336 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum 4. Die staatliche Regulierung des Priesternachwuchses 1783-1790: Das Generalseminar in Innsbruck Am 19. Februar 1783 erliess Kaiser Joseph II. die Hofresolution zur Gründung staatlicher Generalseminarien in den Erblanden Österreichs. Mit diesem absolutistischen Eingriff in innerkirchliche Angelegenheiten wurde den Bischöfen durch die immer mächtiger werdende Hand des Staates die Bildung ihrer Seelsorger abrupt entzogen. Bis 1790 mussten somit auch alle Priesteramtskandidaten des Bistums Chur, welche aus den Dekanaten Walgau oder Vinschgau stammten, waren es Weltkleriker oder Regularen, diese Institution besuchen. Noch am 30.-März bzw. 20. August 1783 ergingen Hofdekrete, welche die Gründung eines Generalseminars in Innsbruck festschrieben. Am 10. November konnte dieses, provisorisch eingerichtet, seine Tore öffnen; erst am 14. Januar 1784 erfolgte die offizielle feierliche Eröffnung. Die Alumnen, welche vor dem Eintritt bei ihrem Bischof Tonsur und niedere Weihen zu beantragen hatten, sollten während den sechs vorgeschriebenen Studienjahren (inkl. praktischem Jahr) in Philosophie und Theologie zu Staatsbeamten herangezogen werden und einem Staate dienen, der die katholische Religion als Tugendmittel und Prämisse der sozialen Ordnung anerkannte. Die Kosten für Mahlzeiten, Unterhalt und Bücher betrugen laut Voranschlag im zehnmonatigen Studienjahr pro Person etwa 120 fl., welche in vier Raten zu begleichen waren. Das Rektorat der Institution in Innsbruck (1783-1790) wurde Johann Baptist Albertini (1742-1820), einer umstrittenen Priesterpersönlichkeit, übertragen, die der Freimaurerloge «Zu den drei Bergen» angehörte; sein Führungsstil wie seine theologischen Ansichten riefen wiederholt Protestschreiben hervor, welche aber ohne Konsequenzen blieben. Bischof Franz Dionys von Rost war sich zu Beginn der landesherrlichen Verfügung der gefährlichen Tragweite dieser neuen Institution in Innsbruck für seine Zöglinge kaum bewusst, die er auf Weisung aus Innsbruck im Schreiben vom 16. Juli 1783 an das Gubernium mit der Bemerkung präsentierte: «Seiner majestät verdanken wir vor allem diese allergnädigste zum besten der religion abgesehenen vorsorge in aller unterthänigkeit.» Folgende Alumnen mit unterschiedlichem Studienstand (zum Teil bereits ordiniert) wurden für 1784 auf das Generalseminar angemeldet: Aus dem Dekanat Walgau: Franz Fidel Nassal aus Altenstadt Anton Purtscher aus Dalaas Joseph Anton Tschoffen aus St. Gallenkirch Joseph Mehr aus Röns Johann Baptist Tscholl aus Klösterle Johann Jakob Ebenhoch aus Feldkirch Johann Nepomuk Leo aus Feldkirch Franz Joseph Meier aus Schruns Johann Michael Waker aus Götzis Lukas Frick aus Feldkirch Dominikus Lorenzi aus Bludenz Aus dem Dekanat Vinschgau: Matthias Vollie aus Graun Johann Baptist Blaas aus Graun <?page no="337"?> 337 4. Die staatliche Regulierung des Priesternachwuchses 1783-1790: Das Generalseminar in Innsbruck Vor dem Hintergrund der am 21. August 1783 erlassenen kaiserlichen Verfügung, statt tridentinische Priesterseminare neu pro Diözese ein Priesterhaus zuführen, worin nach dem Studium am Generalseminar die Alumnen auf ihre seelsorgliche Tauglichkeit hin geschult und geprüft werden sollten, vertrat von Rost die Ansicht, der Kaiser möge den im letzten Studienjahr am Generalseminar vorgesehenen praktischen Unterricht generell den Bischöfen überlassen. Die Durchführung eines solchen Kurses sei im kleinen Kreis diözesaner Kandidaten effizienter zu gestalten als in grosser Anzahl; zudem könne der zuständige Bischof seine künftigen Priester besser kennen und ihre Fähigkeiten einschätzen lernen. Das vom Staat geforderte Priesterhaus auf Diözesanebene sei hierfür der richtige Ort. Das Dilemma des Churer Bischofs bestand jedoch darin, dass er zum einen seit dem Tridentinum weder ein «seminarium» noch ein Priesterhaus den Studienabgängern aus dem Generalseminar anbieten konnte, zum anderen besass das Bistum auch keinen Fonds für alte oder gebrechliche Geistliche (sog. «Deficienten»-Fonds), dessen Kapital, wie vom Kaiser verordnet, zum Unterhalt eines Priesterhauses Verwendung finden sollte. Drittens flossen sämtliche Einkünfte unbesetzter Benefizien der Dekanate Walgau und Vinschgau in den staatlichen Religionsfonds, woraus insbesondere die Deckung der Kosten für die Generalseminare gesichert werden sollten. Nahezu handlungsunfähig stand von Rost vor der paradoxen Situation, dass die Realisierung der vom Monarchen gefor- Abb. 219: Abrdruck des Dekrets Josephs II. vom 21. August 1786 [BAC] <?page no="338"?> 338 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum derten Institution eines Priesterhauses durch den Entzug der notwendigen Mittel wieder unmöglich gemacht wurde. Somit verkam das Generalseminar in Innsbruck, das zwar seit dem Studienjahr 1787/ 88 bedürftige Alumnen mit gutem Sittenzeugnis auf Kosten des Religionsfonds zum unentgeltlichen Studium aufnahm, zum Hemmschuh für die Schaffung eines diözesanen Priesterhauses und blockierte dadurch eine effiziente wie notwendige pastorale Schulung der angehenden Seelsorger im Bistum Chur. Zu diesem äusseren verworrenen Zustand kamen alsbald Meldungen, welche klärendes Licht auf die innere Entwicklung, insbesondere auf Inhalte der vermittelten Theologie auf den Generalseminarien warfen und die betroffenen Bischöfe von Konstanz, Brixen, Trient und Chur ab 1787 zu aktivem Widerstand auch gegen die Institution in Innsbruck riefen. Das kaiserliche Dekret vom 21. August 1786 [Abb. 219], womit Joseph- II. explizit alle Alumnen zum theologischen Studium ausschliesslich auf die Generalseminare zwang - ohne dortigen Studienabschluss durfte niemand mehr geweiht und zur Seelsorge freigestellt werden -, weckte mehr und mehr das Interesse am Lehrplan und an den dem Studenten vermittelten Inhalten durch die Professorenschaft auf der hierfür zuständigen theologischen Fakultät Innsbruck, der Nachfolgeinstitution der 1782 aufgehobenen Universität. 1783 durch Hofdekret noch auf sechs Jahre erhöht, verringerte ein neues Dekret vom 16. Juni 1785 das Theologiestudium aus staatswirtschaftlichen Gründen wieder auf vier Jahre; hinzu kam anschliessend ein praktisches Jahr. Gemäss Hofdekret vom 26. August 1788 kam es zu einer erneuten Umstrukturierung auf noch maximal vier Jahre; damit verbunden waren Streichungen von Lehrpersonen. Entsprechend sah der Studienverlaufsplan für Innsbruck wie folgt aus: Plan für Studienjahre 1785/ 86 bis 1787/ 88 Plan für Studienjahre 1788/ 89 bis 1790 1. Jahr Kirchengeschichte Theologische Enzyklopädie Hebräisch Altes Testament 1. Jahr Kirchengeschichte (inkl. theologische Literaturgeschichte und Patrologie) Hebräisch Griechisch Exegese AT/ NT 2. Jahr Theologische Literaturgeschichte Griechisch Exegese NT Patrologie Dogmatik 2. Jahr Dogmatik Moral Polemik (Kontroverstheologie) 3. Jahr Dogmatik Polemik (Kontroverstheologie) Moral 3. Jahr Kirchenrecht Pastoral 4. Jahr Kirchenrecht Pastoral 4. Jahr Praktisches Jahr (Pädagogik, Katechese) 5. Jahr Praktisches Jahr (Pädagogik, Katechese) - - - <?page no="339"?> 339 4. Die staatliche Regulierung des Priesternachwuchses 1783-1790: Das Generalseminar in Innsbruck Parallel zum Eingriff in Aufbau und Verlauf des Theologiestudiums verliefen die staatlichen Verordnungen für die Beschaffung von Lehrmitteln, welche die Professorenschaft zum Teil explizit zu gebrauchen hatten. Der Pastoralwie der Kirchenrechtsprofessor hatten zudem alle staatlichen Verordnungen über die Seelsorge in den Unterrichtsstoff einzubauen. Ernsthafte Zweifel an Form und Inhalt der staatlich gesteuerten Ausbildung seines künftigen Klerus äusserte der Churer Bischof nachweislich erstmals gegenüber seinem Amtsbruder in Brixen im Oktober 1788. Es sei eine Tragik, «daß die ganze erziehung des künftigen klerus den ordinariaten benommen, die generalseminarien, ohne deren einfluß eigenen aufsehern, den politischen stellen untergeordnet, die lehre und vorlesungsbücher bestimmt». Falls Aussagen einiger ausgetretenen Alumnen glaubhaft seien, würden Lehrkräfte eingestellt, «über deren verkehrte lehr und grundsätze die ordinariate unmöglich gleichgültig seyn können, wenn nicht nach und nach sämtliche geistlichkeit und durch diese das volk in die jrr und das verderben geführet werden soll». Er erachte es deshalb als dringlich, «auf nachdrucksame behelfungsmittel mit vereinigten kräften das augenmerk zu setzen». Im gleichen Anliegen wandte sich von Rost am 4. Januar 1789 an den Koadjutor des Erzbischofs von Mainz und Fürstbischofs von Worms, Karl Theodor von Dalberg (1788-1802). Die «erziehung und unterrichtung der künftigen geistlichkeit» geschehe ohne jede «auf- und einsicht der ordinariate» auf den Generalseminarien, wo «grundsätzen der weg eröffnet» würden, «die manchmal so zweydeutig und bedenklich» seien, dass vermehrte «aufmerksamkeit und vorsorge», ja «bischöfliche wachsamkeit von allen seiten» erforderlich seien. Von Rost äusserte die Befürchtung, dass «der gesamte bischofsstand unzureichend seye, die gänzliche unterjochung von seite der weltlichen macht abzuwenden». Aktiver Widerstand gegen das Generalseminar in Innsbruck und gegen die an der dortigen theologischen Fakultät vertretenen Lehrauffassungen erwachte vollends, nachdem der Fürstbischof von Augsburg (1768-1812) und Kurfürst-Erzbischof von Trier, Clemens Wenzeslaus von Sachsen (1768-1801), anfangs September 1789 eine Kommission zur Einvernahme von drei Alumnen aus Innsbruck anordnete. Unter grösster Geheimhaltung befragte man die drei Alumnen in Augsburg. Das Ergebnis bestätigte Wenzeslaus Befürchtungen, weshalb er unvermittelt über seinen Seminarregens Ludwig Rössle dem Brixener Bischof Bericht erstatten liess. Brixen seinerseits orientierte das Ordinariat in Trient. Rössle reiste in gleicher Mission nach Chur und Konstanz. Bis zum Jahresende 1789 konnten sich fünf Ordinariate zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen das Innsbrucker Generalseminar und die staatlich kontrollierte Priesterausbildung zusammenfinden. Noch Ende Oktober wandte sich der Bischof von Chur in einem ausführlichen Schreiben direkt an den Kaiser. Darin brandmarkt er die Generalseminarien als Institutionen, an denen «verdeblichste grundsätze» gelehrt würden. Man verwende «anstößige bücher» und entferne jene, welche die katholischen Wahrheiten klar wiedergäben. Aufgrund seiner Brisanz ist der Wortlaut dieses Briefabschnittes wiedergegeben: «Die generalseminarien, diese in sich der wissenschaft und gottseligkeit gewidmeten bildungshäuser des künftigen klerus, sind mit so allgemeinem und richtigen verdacht beleget, daß ich nicht nur die besorgniß des volks, sondern auch meine eigene, um nicht ein verräther meines bischöflichen amtes zu werden und ein miedling meiner herde zu seyn, eurer r[ömischen] <?page no="340"?> 340 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum k[äiserlich] k[öniglichen] a[llergnädigsten] majestät in aller unterthänigkeit vorzutragen mich verpflichtet finde. Man hat soviele nachrichten von den verderbnissen - öffentlich und heimlich - der zöglinge, von denen, welchen von allerhöchstdemselben oder in allerhöchstdero namen das lehr- und aufsehungsamt anvertrauet ist, [von] beygebrachten grundsätzen mit bezeichniß des tags und des orts, von unangemeßenen oder anstößigen büchern, die öffentlich gebraucht, empfohlen und aufgedrungen werden, von entfernung andrer, die den allgemeinen beyfall der katholischen welt für sich haben, von einer dem geist der kirche und geistlichen beruf nicht entsprechenden bildungsart etc., daß sich weder an dem, was thatsache ist, mit grund zweifeln, noch etwas anders, als die mislichsten folgen für religion und staat daraus vorsehen läßt. Es sind mir zwar mehrere von allerhöchstdemselben zu behebung dieser unordnungen auf verschiedentlich allerunterthänigst gemachten vorstellungen erlaßenen heilsamen anordnungen nicht unbekannt. Sie hatten aber den nämlichen nachrichten zu folge, wie mehrere andre zum wahren besten der religion abzwekend, immer das unglück, vereitelt und nur zur schutzwehre des schleichenden und um sich freßenden giftes gebraucht zu werden, daß sich auch von andern gleichen nichts beruhigendes hoffen läßt, wenn sich nicht allerhöchstdieselben die axt an baum zu setzen, und die erziehung des klerus jenen, die Gott zu vorstehern der religion und jener kirche gesetzet hat, anzuvertrauen allergnädigst entschließen wollen. Ich kann auch nicht zweifeln, daß mehrere andre bischöfe ihre diesfälligen besorgnisse für religion und sitten vor den thron zu bringen und allerhöchstdero angestammte gottseligkeit um beruhigende und dem übel gewachsene abhülfe anzurufen und aufzufordern sich verpflichtet finden werden.» Der Tod Josephs II. am 20. Februar 1790 schuf eine neue Ausgangslage. Sein Nachfolger, Leopold II., erliess, nachdem diesem in einem gemeinsam verfassten Schreiben der Bischöfe von Trient, Brixen und Salzburg deutlich gemacht wurde, dass aus den staatlichen Abb. 220: Auszug aus dem kaiserlichen Dekret von Leopold II. vom 4. Juli 1790 zur Aufhebung der Generalseminarien [BAC] <?page no="341"?> 341 4. Die staatliche Regulierung des Priesternachwuchses 1783-1790: Das Generalseminar in Innsbruck Priesterschmieden kein für Religion, Kirche und Staat brauchbarer Klerus erwachsen würde, am 4. Juli 1790 das Hofdekret zur Aufhebung der Generalseminarien [Abb. 220]. Hauptgrund für die Schliessung war jedoch keineswegs die von kirchlicher Seite immer stärker kritisierte Ausbildungsform und deren Inhalte, auch nicht die vermehrt losgebrochenen Unruhen im katholischen Volksteil, welcher sich gegen die staatlichen Eingriffe in Bereiche der religiösen Kultur aufbäumte - so auch im Vorarlberg 1789- -, sondern die schlechte Lage der Staatsfinanzen und die Unzulänglichkeit des Religionsfonds. Die Unterhaltskosten für die über 1’000 Zöglinge beliefen sich jährlich bereits auf fast 210’000 fl.; verbunden mit einer geplanten massiven Aufstockung der Kapazität war eine nicht mehr tragbare Kostenexplosion zu befürchten, welche letztlich den Religionsfonds auszutrocknen drohte. Jeder Ortsordinarius hatte sich künftig wieder selbst, jedoch unter staatlichen Auflagen, um die (Aus-)Bildung seiner Geistlichen zu kümmern, was den Churer Bischof zwang, trotz finanzieller Engpässe weiter nach einer Lösung auf diözesanem Territorium der österreichischen Erblande zu suchen - vor allem auch deshalb, da der Geist der Aufklärung in den öffentlichen theologischen Akademien (auch in Innsbruck) nicht so rasch zu tilgen war. Dies wird bereits im Hofdekret vom 4. Juli deutlich, worin festgelegt wird, die Bischöfe hätten sich «in ihren seminarien [= Priesterhäusern] keiner andern als der an den erbländischen universitäten vorgeschriebenen lehrbücher» zu bedienen. Zur Ablegung Abb. 221: Auszug aus dem Testament des Churer Bischofs Franz Dionys von Rost 1791 [BAC] <?page no="342"?> 342 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum von Prüfungen nach dem praktischen Jahr müssten die Seminaristen an die nächstgelegene Höhere Schule geschickt werden. In Gebieten, in denen keine öffentliche Bildungsinstitution vorhanden sei, dürfe eine eigene theologische Lehranstalt im Seminar erst dann errichtet werden, wenn diese mit Lehrkräften bestückt werden könne, «die an einer erbländischen universität aus allen theologischen lehrgegenständen geprüft und bestättiget» seien. Diese einschränkenden Auflagen des neuen Machthabers blockierten generell eine kirchlich gesinnte Reform der Bildungspolitik Josephs II. und waren im speziellen ein neues, aus eigenen Kräften kaum zu überwindendes Hindernis auf dem Weg zu einer baldigen Lösung im Bistum Chur. Die aus dem Walgau und Vinschgau stammenden Alumnen hatten weiterhin an staatlich kontrollierten theologischen Fakultäten wie Innsbruck oder Wien zu studieren. In geradezu verwerflichem Ton urteilte der junge Geistliche und spätere erste Regens von Meran bzw. Chur, Gottfried Purtscher (1767-1830), seit 1790 als Registrator am Ordinariat in Chur tätig, in einem Brief vom 14. September 1791 an den bischöflichen Vikar im unteren Vinschgau, Nicolaus Patscheider, über die Innsbrucker Studenten: «Wie viele und welche priester werden wir erhalten, da wir in Innsbruck nicht einmal eine heimliche aufsicht haben, und jeden theologen, der zwar mit den besten sittenzeugnissen kommt, dessen schuhe aber noch mit dem staube des tanzbodens bedeckt sind, und dessen kopf noch vom bierrausche schwindelt, weihen müssen? » In seinem bereits am 30. März 1791 verfassten Testament legte Dionys von Rost mit einem Legat von 6’000 fl. den Grundstock für ein zu errichtendes Priesterhaus. Der «nutzbarkeit und vortheile [...] zur bildung würdiger seelsorger» bewusst, insbesondere «für den österreichischen bisthumstheil mehr als jemals so erwünschlich als nöthig», äusserte der Bischof die Hoffnung, noch in seiner Amtszeit einer solchen Institution zu ihrer Geburt zu verhelfen. Falls dies nicht gelingen würde, sollten die 6’000 fl. «zu capital gemacht und so lang mit seinen zinsen vermehrt werden, biß es mit beyhülfe andern stüftungen oder freywilligen beyträgen» für die Gründung ausreiche. Damit sollte von Rost seinem Nachfolger das verpflichtende Erbe hinterlassen, die bereits in ihre Jahre gekommene zermürbende Suche nach einer Lösung in der Frage der Priesterausbildung auf Bistumsgebiet weiter aktiv voranzutreiben und zu einem konkreten Abschluss zu bringen. 5. Die staatliche Diözesanregulierung unter Joseph II. a) Erste Entwürfe der staatlichen Diözesanregulierung für Tirol 1782 Die Angleichung der Diözesangrenzen an jene der habsburgischen Verwaltungseinheiten war für Kaiser Joseph II. und seine Berater ein wichtiges und alsbald explizit vom Monarchen persönlich vorangetriebenes Geschäft. Ziel war die Ausgrenzung aller «ausländischen» Bischöfe aus dem österreichischen Territorium und die Schaffung einer Nationalkirche. Von dieser «Ausgrenzungsaktion» war auch Chur betroffen, da mit den beiden Dekanaten Vinschgau und Walgau ein grosser und bedeutender Teil des Churer Bistumsterritoriums in der Gefürsteten Grafschaft Tirol (2’310 km 2 ) sowie im Vorarlberg (1’480-km 2 ) lag [vgl. Abb. 222 (violett markierte Gebiete)]. <?page no="343"?> 343 5. Die staatliche Diözesanregulierung unter Joseph II. Noch bevor Hofrat Franz Joseph Freiherr von Heinke (1726-1803) im Auftrag der Wiener Hofkanzlei seine Vorschläge zu einer Diözesanregulierung am 10. März 1782 dem Kaiser unterbreiten konnte, überraschte Joseph II. mit einem Handbillett vom 9.-März 1782 an den Präsidenten der Hofkanzlei, Heinrich Kajetan Graf von Blümegen (1717- 1788), mit einem selbständig ausgearbeiteten Plan über die künftige Einteilung der Bistümer in den österreichischen Erblanden. Betreffend Tirol schrieb er: «In Tyrol würden die fremden Diözesen zwischen dem Bischof von Brixen und Trient vertheilt, wo vorher erhoben werden müsste, was diese fremden Diözesen - Brixen und Trient ausgenommen - betragen, um zu sehen, ob es nicht vortheilhaft wäre, einen Bischof zu Innsbruck zu bestellen, dem das Bregenzische und Vorarlbergische auch zugegeben werden könnte.» Gemäss dieses Vorschlags zog Joseph II. im März 1782 bereits die Schaffung eines neuen Bistums Innsbruck in Betracht, dem auch die Churer Anteile in Vorarlberg und Tirol (Dekanate Walgau und Vinschgau) zugeordnet werden sollten. Abb. 222: Kirchengebiete in Tirol und Vorarlberg um 1780 (Karte von Fridolin Dörrer) [BAC.BA] <?page no="344"?> 344 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum Der Entwurf der kaiserlichen Hofkanzlei bzw. des Hofrates Heinke vom 10. März unterbreitete für Tirol folgendes: Heinke hielt fest, die ganze Grafschaft, die 1780 kirchlich noch in 11 Diözesen aufgesplittert war (Aquileia, Augsburg, Brixen, Chiemsee, Chur, Feltre, Freising, Padua, Salzburg, Trient und Verona), möge unter die zwei Bischöfe von Trient und Brixen aufgeteilt werden; beide so gewachsenen Bistümer seien dann in die Kirchenprovinz für Innerösterreich (Seckau als Erzbistum, geplanter Metropolitansitz in Graz) einzugliedern. Von der Schaffung eines Bistums Innsbruck ist darin jedoch keine Rede. In der Frage der Mitwirkung Roms verweist der Vorschlag Heinkes auf die geltende Rechtsordnung, wonach nicht nur die Bestätigung der Bischöfe, sondern auch die Errichtung und die Veränderung bestehender Bistümer sowie die Vornahme aller damit im Zusammenhange stehenden Rechtshandlungen zu den Reservatsrechten des römischen Stuhles gehörten, und erklärt, dass sich daran vorläufig nichts ändern lasse. Diese Ansicht muss im Zusammenhang gesehen werden mit der bevorstehenden Reise und Ankunft Pius’ VI. (1775-1799) nach bzw. in Wien, wo dieser sich vom 22. März bis zum 22. April 1782 aufhielt und in der Hofburg wohnte. Dem Kaiser wurde zum einen von gemässigter Seite nahegelegt, die Anwesenheit des Papstes in Wien für seine Zwecke zu nutzen und die Diözesanregulierungspläne offen zur Sprache zu bringen. Zum anderen warnten Vertreter einer harten Haltung gegenüber Rom, darunter auch Anton Graf von Kaunitz, vor einer Einbeziehung des Papstes in die staatliche Regulierung. Rom mitwirken zu lassen, bedeute gleichsam einzugestehen, dass der weltliche Souverän keine Macht habe, wie bereits früher während mehreren Jahrhunderten (bis ins 14. Jahrhundert hinein) frei die Diözesen abzugrenzen oder neue zu schaffen. In Rom sei lediglich die Anzeige über Änderungen zu machen und gleichzeitig um die Konfirmation der ernannten (neuen) Bischöfe nachzusuchen. Abb. 223: Unterredung Josephs II. mit Papst Pius VI. in Wien 1782 [Zeichnung von Johann Hieronymus Löschenkohl 1753-1807 ÖNB] <?page no="345"?> 345 5. Die staatliche Diözesanregulierung unter Joseph II. Die weitere Vorgehensweise verzögerte sich. Erst nach der Abreise des Papstes aus Wien - Pius VI. wurden die Pläne einer Diözesanregulierung vor Ort nicht vorgelegt - erging mit Datum vom 29. April 1782 die Hofresolution Josephs II., worin betreffend Tirol folgender Entschluss (ohne Mitwirkung Roms) festgemacht wurde: «In Tyrol sind die fremden Diözesantheile an Trient und Brixen zu vertheilen; in den vorderösterreichischen Ländern aber die dermalen bestehende Diözesanabtheilungen noch weiterhin unberührt zu belassen.» Doch in einer Note vom 7. Mai 1782 an Hofrat Heinke hielt der Kaiser fest: «Die Ausschliessung aller fremden Diözesen bleibt ein bestimmter Generalsatz.» b) Verbindliche kaiserliche Vorlage und der Anstoss zu einem Bistum Bregenz 1783 Anderthalb Jahre verstrichen, bis sich der Mitarbeiterstab des obersten österreichischen Staatskanzlers Leopold Graf Kolowrat (1727-1809), konkret die Geistliche Hofkommission, anfangs Oktober 1783 an die Arbeit machte, um dem Monarchen einen neuen Entwurf der künftigen Diözesanregulierung in den deutschen Erblanden zu unterbreiten. Doch Joseph II. reagierte erneut schneller und übersandte Kolowrat am 18. November 1783 seine wiederum eigenständig erarbeitete Variante - dieses Mal als verbindliche Vorlage inkl. Bischofsernennungen für vorgesehene Neugründungen, worüber er auch Papst Pius VI. mit Schreiben vom 16. November informiert hatte. Abb. 224: Ansicht der Stadt Bregenz von Matthäus Merian [BAC.BA] Das um Teile der ausländischen Ordinarien von Salzburg, Chiemsee, Freising und Augsburg erweiterte Bistum Brixen sowie die Diözese Trient, vergrössert um den tirolischen <?page no="346"?> 346 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum Anteil des Bistums Feltre, umgriffen demnach den grössten Teil der Grafschaft Tirol. Neu zu errichten war zudem ein Bistum Bregenz, dessen Territorium den bisherigen österreichischen Anteil des Bistums Chur, also die Dekanate Vinschgau und Walgau, des weiteren sämtliche Gebiete Vorarlbergs (bisher zu den Bistümern Konstanz und Augsburg) und die Herrschaft Bregenz umfassen sollte. Der Kaiser schien von seinem Plan so sehr überzeugt zu sein, dass er als künftigen Bischof von Bregenz bereits den amtierenden Generalvikar (1777-1803) und Weihbischof von Wien (1778-1805), Edmund Maria Josef Reichsgraf von Artz (1739-1805), eigenmächtig bestimmte, diesen zur Organisation des neuen Bistums anhielt und das Kreis- und Oberamt Bregenz anwies, eine mögliche Residenz für den neuen Ordinarius vorzuschlagen. Am 20. November 1783 erging aus Wien an die Landesstelle in Innsbruck das entsprechende Dekret, welches für Tirol und Vorarlberg die neue Umschreibung der drei Bistümer Brixen, Trient und Bregenz festschrieb. c) Reaktionen des Churer Bischofs 1784 Die Pläne Josephs II., bald möglichst ein Bistum Bregenz zu schaffen und dahin die grössten Teile der beiden Churer Dekanate Walgau (43 von 58 Pfarreien) und Vinschgau (30 von 32 Pfarreien) anzugliedern, führten auf dem bischöflichen Hof zu Chur noch vor der offiziell erhaltenen Mitteilung vom 15. Juli 1784 durch Leopold Graf Kolowrat aus Wien, zu einer eigentlichen Existenzkrise, obwohl das Churer Ordinariat aufgrund des josephinischen «Generalsatzes», fremde Ordinarii aus dem tirolischen Gebiet auszuschliessen und die betroffenen Territorien inländischen Bischöfen zu unterstellen, über die gefährliche Lage längst in Kenntnis gesetzt und alarmiert war. Nach Meinung des Churer Ordinarius wäre die Aufspaltung des alten Bistumsgebiets einer Katastrophe gleichgekommen und forderte von ihm deshalb - schneller als bei früheren josephinischen Aktionen (wie etwa der Klosteraufhebungen) - stringentes Handeln. Als geistlicher Reichsfürst und bedrängter Bischof sowie im Wissen, dass eine Intervention durch den Heiligen Stuhl beim kaiserlichen Hof «von nicht genugsam hinreichendem Gewicht» schien, wandte sich von Rost «in engstem Vertrauen» hilfesuchend an die Bischöfe von Konstanz, Freising, Regensburg und an seinen Metropoliten in Mainz. In von Rosts Antwort vom 18. Juli 1784 an Kolowrat, machte der Churer Bischof deutlich, das Ansinnen Josephs II., den österreichischen Churer Anteil in Tirol und Vorarlberg dem neuen Bischof von Bregenz einzugliedern, habe er «mit nicht weniger Bestürzung» zur Kenntnis genommen. Seine «Devotion» gegenüber dem Hause Habsburg sei zwar ungebrochen, wisse er doch um die geschichtsträchtige Verbundenheit und die von Österreich dem Bistum Chur immer wieder erwiesenen Wohltaten, wofür er dankbar sei. «Von diesen Gesinnungen allerunterthänigster Devotion und Dankbarkeit durchdrungen, kann ich doch andrerseits den betrübten Zustand meiner durch so viele andre Zufälle bekannterdingen so sehr verunglükten und erniedrigten Diözes, deren Bestes nach Kräften zu besorgen bey ihrer Antrettung zu meiner theuersten Verbindlichkeit geworden, nicht verkennen, wenn sie nun ihren übrigen halben und besten Theil entlaßen sollte.» Die Absicht solcher Pläne und die daraus resultierenden Folgen zwängen ihn, primär mit jenen Bischöfen in Kon- <?page no="347"?> 347 5. Die staatliche Diözesanregulierung unter Joseph II. takt zu treten, die ebenfalls von der josephinischen Diözesanregulierung betroffen seien, um über ein gemeinsames Vorgehen gegen solche Willkürakte zu beraten. Auf ihrer Sitzung vom 20. Juli 1784 traktandierte auf Wunsch des Bischofs auch das Churer Residentialkapitel den Inhalt des Schreibens Kolowrats vom 15. Juli. In der vom Protokollführer zusammenfassten Note wurde festgehalten, mit Bestürzung hätte das Kapitel Kenntnis genommen von der geplanten Abtrennung, wodurch das ohnehin schon «so sehr herunter gesetzte Hochstüft Chur» mehr als die Hälfte seines Diözesangebiets verlöre und damit «seines Hauptansehens glatthin beraubt» würde. Wie bereits der Bischof gegenüber Kolowrat betont habe, sei der Schmerz hierüber umso empfindlicher, da das Bistum und Hochstift Chur bislang in jeder Bedrängnis den kaiserlichen Schutz «zur Aufrechterhaltung des Catholischen Christenthums in hieseitigen Landen» habe erfahren dürfen. Eine solche Abtrennung sei nach Meinung des Domkapitels, welche sich mit derjenigen des Bischofs deckte, von so hoher Relevanz, weshalb sich die Kapitulare ausserstande sähen, darüber in irgendeiner Art zu entscheiden; vielmehr müsse dieses «Geschäft von größter Wichtigkeit» mit Zuziehung des zuständigen Metropoliten und Bischofs von Mainz zur endgültigen Entscheidung dem Apostolischen Stuhl vorgelegt werden. Das Kapitel bat von Rost, weiter intensiv mit anderen, gleichfalls betroffenen Ordinarien in Verbindung zu bleiben, um gemeinsam nach einer Möglichkeit zu suchen, den Kaiser von seinem Vorhaben abzubringen. Mit Datum vom 1. August 1784 wandte sich Bischof Dionys in einem Schreiben direkt an Papst Pius VI. und beklagte die schwere, kaum zu heilende Wunde, welche dem Churer Sprengel drohe, falls Rom der Forderung des Kaisers nachgäbe, liege doch der beachtlichste Teil der zwar ohnehin geringen Einkünfte auf österreichischem Gebiet, die bei einem Wegfall des Walgau und Vinschgau auch verlustig gingen und unweigerlich zum Ruin des Bistums Chur führten. Von Rost verwies zudem darauf, die josephinische Diözesanregulierung gereiche als ganze nicht zuletzt Rom zum gravierenden Nachteil, da mit dem Ausschluss aller ausländischen Hirten und der staatlichen Neuzirkumskription der Diözesen innerhalb der österreichischen Grenzen das Gebilde einer Nationalkirche entstehe, welche ganz vom Willen des Kaisers und von den dortigen politischen Machenschaften abhienge. Er wisse wohl, dass die Hoffnung noch nicht aufzugeben sei, das Projekt zu stoppen; der Kaiser spreche vorderhand lediglich von einem Wunsch, der sich jedoch kaum von einem Befehl unterscheide. So möge der Papst entscheiden, welche Schritte man unternehmen solle. Von Seiten der römischen Kurie gibt es hingegen in den Aktenbeständen keine Belege für Reaktionen. Aus den im Bischöflichen Archiv Chur aufbewahrten Kopialbüchern wird dann ersichtlich, dass sich der Churer Bischof in einem Schreiben vom 17. November 1784 erneut an den obersten Kanzler und Grafen Kolowrat gewandt hatte. Darin betont er: «Nach reiflich gepflogener Überlegung mit meinem Domkapitel - auch weiters beschehener schuldiger Anzeige an Seine Päpstliche Heiligkeit und meinen Metropolitan Herrn Churfürsten und Erzbischof zu Mainz, deren zu erwartenden und noch zum Theil abgängigen Rückäußerungen mich immer verspätet haben, finde ich mich bemüßiget, eben dieses in sämtlichen Hochstifts Namen mit all jener pflichtschuldigsten tiefesten Ehrerbiethung […] zuversichtsvollst zu wiederholen: Zwey Drittheile Bündtnerlandes nebst einem beträchtlichen <?page no="348"?> 348 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum Theile des Schweizerbezirkes sind dem unglücklichen Bisthum durch die leidige Religionsänderung entzogen worden. Der nunmehr abzutrettende Antheil ist seine noch übrige beste Helfte - ein Verlust, deßen Wichtigkeit sich von selbsten veroffenbaret.» Der Kaiser möge daraus selbst die richtigen Schlüsse ziehen und erkennen, «daß kein anders Hochstift in so mislichen Umständen sich befinde und keines die Entlassung seiner Diözesanrechtsamen so schwer empfinden könne» wie das Bistum Chur, um sodann (hoffentlich) von seinem Plan zu einem Bistum Bregenz abzurücken. Noch am 18. Dezember 1784 schrieb Dionys von Rost an den Mainzer Metropoliten, diesen über den Briefwechsel mit Kolowrat informierend, es sei bislang aus Wien keine Antwort in Chur eingelangt, doch könnten «bald nachfolgende neue Andringungen» keineswegs ausgeschlossen werden. Tatsache bleibt, dass der Kaiser von seinen Plänen explizit nie Abstand genommen hat. Doch auch eine stringente Weiterverfolgung mit dem Ziel einer kanonischen Erhebung des Bistums Bregenz inkl. der Abtretungen der Churer Teile durch die untergeordneten staatlichen Amtsstellen in Wien und Innsbruck bzw. durch den Heiligen Stuhl - Papst Pius VI. forderte wie bei den innerösterreichischen Unterhandlungen grundsätzlich eine Abtretungserklärung der betroffenen Bischöfe von Augsburg, Chur und Konstanz, welche diese verweigerten - ist nicht nachzuweisen. d) Zur Frage der Residenz für den vom Kaiser ernannten Bischof von Bregenz 1784/ 85 Wäre der josephinische Plan zu einem Bistum Bregenz konsequent umgesetzt worden, hätte der bereits vom Kaiser ernannte Bischof Edmund Maria Joseph Reichsgraf von Artz alsbald von Wien ins Vorarlbergische umziehen müssen. Die Domiziliensuche scheint im Anschluss an das Dekret vom 20. November 1783 rasch von statten gegangen zu sein, denn bereits für den 17. Januar 1784 liegt ein Entwurf zu einem Bericht der Kommission in geistlichen Sachen aus Innsbruck an Kaiser Joseph II. vor, worin von den beiden ins Blickfeld tretenden, 1782 aufgehobenen Frauenklöstern in Bregenz - Kloster St. Anna (Barfüsserinnen) und Franziskanerinnenkloster Thalbach - vom Kreis- und Oberamt Bregenz nicht zuletzt wegen der relativ niederen Kosten für Umbauten in der Höhe von rund 4’300 Gulden der Gebäudekomplex Thalbach favorisiert wurde. Die Kommission, so der Entwurf, bemühe sich, «Plan und Kostenüberschlag aller gehorsamst einzubegleiten und ihr unmaßgeblichstes Gutachten beyzusetzen, daß das Kloster Thalbach zur bischöflichen Wohnung, unerachtet seiner unangenehmen Lage, zu bestimmen und zu adoptieren wäre, weil einer seits kein anders anständiges Quartier vorfindig, anderer seits aber dieses Kloster ein geräumiges, dauerhaft und regelmäßiges Gebäude ist». Nach Augenscheinnahme des Gebäudes, so hält ein Bericht des Oberamtes Bregenz vom 6. Januar 1784 nach Innsbruck fest, könne der untere Stock, welcher ausser «nothwendiger Ausbesserung der Fenster, Böden, Thüren» für etwa 150 Gulden im gegenwärtigen Zustand belassen werden und sei bewohnbar. Das Treppenhaus zum zweiten und dritten Stock sowie der Chorraum bedürften hingegen eines «gänzlichen» Umbaus. Die dritte <?page no="349"?> 349 5. Die staatliche Diözesanregulierung unter Joseph II. und oberste Etage, wo sich die Zellen der Nonnen befanden, könne zur bischöflichen Wohnung umgestaltet werden. Die genannten Umgestaltungen im Innern erforderten nach vorliegenden Berechnungen eine Summe von etwas über 3’000 Gulden; hinzu kamen Kosten für Eingriffe rund um das Kloster, insbesondere die Erstellung eines bequemen und befahrbaren Zugangs zur Landstrasse. Nicht zuletzt war wegen des Wassermangels im Gebäude eine neue Quellenfassung und Zuleitung nötig; ferner fehlte es an Stallungen und Remisen. Aufgrund dieser im Bericht als «üble Situation» bezeichneten Lage des Gebäudes fragte man sich ernsthaft über Sinn- und Zweckmässigkeit für eine bischöfliche Behausung. Mit Unterstützung des Bregenzer Stadtmagistrates hoffe man auf eine Lösungsfindung «in mitten der Stadt». 1784 wurde tatsächlich ein Gebäude im Zentrum von Bregenz als möglicher bischöflicher Wohnsitz ins Spiel gebracht: der Wolfegg’sche Palais, Sitz des heutigen Vorarlberger Landesarchivs. Die nächst anstehenden Häuser könnten zudem als Wohnsitz der Kanoniker in Betracht gezogen werden. Der Ankaufspreis des Palais wurde mit 8’500 Gulden angegeben. Ungeachtet dieser Stossrichtung, im Zentrum von Bregenz selbst eine Niederlassung für Artz zu finden, wurden in einem Schreiben vom 12. März 1784 auch der Ammann und Rat der Stadt Feldkirch in Wien vorstellig und legten die Vorzüge eines Bischofssitzes in Feldkirch gegenüber dem Standort Bregenz offen. Erstens sei Feldkirch für das Vorarlberg seit alters her die geschichtlich wichtigere Siedlung und Hauptort, zudem «ansehnlicher und regelmäßiger gebaut als die übrigen Städte und Ortschaften, auch von einer Abb. 225: Stadtkirche von Bregenz und links davon Kloster Thalbach [VLB] <?page no="350"?> 350 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum gesunden und fruchtbaren Lage». Zweitens sei Feldkirch nicht nur der «Mittelpunkt vom Land, wo alles zur menschlichen Unterhalt und Nahrung erforderliche und in wohlfeilem Preis vorhanden» wäre, sondern der Ort führe diverse Schulen und weise eine geschichtsträchtige Stadtpfarrei mit ansehnlichen Stiftungen aus. Dazwischen liege das aufgehobene Jesuitenkollegium und könne, anders als vom Oberamt in Bregenz behauptet, durchaus bequem zu einer bischöflichen Residenz umgebaut werden, «so daß der Bischof unter Dach in die Kirche käme und die Pfarrkirche sehr schicksam auch zur Kathedralkirche dienen würde». Für das örtliche Domkapitel liessen sich Wohnungen «ganz nahe an der Kirche» herrichten. Eine definitive Festlegung auf das eine oder andere Gebäude kam nicht zustande, sondern die Pläne und Entwürfe verschwanden nach 1785 in den Schubladen der Amtstuben in Bregenz, Innsbruck und Wien. Wohl erklärte Joseph II. per Dekret vom 4. Juni 1788 den Komplex des ehemaligen Klosters Thalbach zur Residenz des Bregenzer Bischofs, doch kam die kanonische Errichtung eines Bistums Bregenz und dessen Besitzergreifung nie zustande. Die Wiederaufnahme von Diözesanregulierungen mit Folgen für den Sprengel Chur stand zu Beginn des 19. Jahrhunderts dann ganz unter dem Zeichen der Grossen Säkularisation von 1802/ 03 und den politischen Umwälzungen in Europa [siehe Kapitel XII]. Abb. 226 / 227: Schreiben vom 19. Juni 1784 aus Innsbruck betreffend Wolfegg’schen Palais in Bregenz [VLA] / Vorarlberger Landesarchiv (heute) [Foto: A. Tschaikner] <?page no="351"?> 351 6. Exkurs: Ein Vertreter der Periode der religiösen Schwärmerei des 18. Jahrhunderts: Johann Joseph Gassner 6. Exkurs: Ein Vertreter der Periode der religiösen Schwärmerei des 18. Jahrhunderts: Johann Joseph Gassner (1727-1779) - Teufelsbanner und Wunderheiler Mit allen Waffen der Wissenschaft und Vernunft wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gegen Hexen- und Teufelswahn vorgegangen. Zur gleichen Zeit aber blühte auf dem Rasen der vielgestaltigen (Volks-)Frömmigkeit auch der Glaube an Magie und alles, was damit in Verbindung gebracht werden konnte, in ungeahnter Weise auf. Es bildete sich eine Periode der religiösen Schwärmerei heraus. Der Churer Diözesangeistliche Johann Joseph Gassner (1727-1779) war wohl einer der merkwürdigsten Vertreter einer starken okkultistischen Welle, die damals durch Europa ging. Der «Wunderdoktor» aus Braz steht mit seinen berüchtigten Heilverfahren, die von der Kirche nach langem Zusehen letztlich verworfen wurden, als Beispiel, dem Bedürfnis des einfachen Volkes nach seelischem Beistand durch sein »Wirken» ein wenig entgegen gekommen zu sein. Am 22. August 1727 erblickte Johann Joseph Gassner in dem im vorarlbergischen Klostertal gelegenen Ort Braz das Licht der Welt. Seine philosophischen und theologischen Studien absolvierte er zuerst in Prag, dann bei den Jesuiten in Innsbruck. Am 29. September 1750 wurde er in Chur von Bischof Joseph Benedikt von Rost zum Priester geweiht [Abb. 228]. Seine erste Seelsorgestelle war zwischen 1751 und 1758 Dalaas, anschliessend wirkte er bis 1774 als Pfarrer in Klösterle. Abb. 228: Auszug aus dem Weiheprotokoll von 1750 [BAC] <?page no="352"?> 352 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum Bereits in seinen ersten Priesterjahren betätigte sich Gassner gelegentlich als Exorzist eigener Prägung. Von der Überzeugung geleitet, dass fast alle Krankheiten letztlich ein Werk des Teufels seien, nahm er Beschwörungen an Kranken und Leidenden vor. Den Anstoss zu solchem Tun gaben eigene, um 1752 einsetzende Kopfschmerzen mit Übelkeit und Schwindelgefühlen. Diese Symptone traten hauptsächlich während seiner priesterlichen Pflichten auf; heute würde man wahrscheinlich eine ekklesiogene Neurose mit dem manifesten Symptom einer Migräne diagnostizieren. Behandlungen mit Hilfe konventioneller Medizin halfen nicht. Immer mehr fand Gassner zur Überzeugung, seine Krankheit habe keine natürliche Ursache, sondern hier hätte der Satan selbst seine Hände im Spiel. Um «sicher» zu gehen, befahl er dem Teufel im Namen Jesu, die Symptome erneut zu erzeugen; dies - so bezeugt er selbst - sei geschehen, und er hätte sich mit Hilfe der Exorzismusformel dann davon befreit. Seine Methode der «geistlichen Mittel» gegen den Einfluss der bösen Geister, die nicht nur schädigenden Einfluss auf die Seele, sondern auch auf den Leib ausübten, schien ihm so sicher, dass er diese auch bei seinen Pfarrkindern anwandte. Die «sicherste» Unterscheidung zwischen natürlichen und unnatürlichen Krankheiten basierte für den bald bekannten Wunderheiler von Klösterle auf den Befehlen des Geistlichen an den «Plageteufel», jene Krankheitssymptome erscheinen zu lassen, die bislang beim Kranken festgestellt werden konnten. Später (1778) vertrat Gassner die extreme Position, wonach alle Krankheiten, die nicht von einer sichtbaren Verletzung herrührten, unnatürlich seien, d. h. vom Teufel stammten. Die «Behandlungen» nahm Gassner vor, wie es sich gerade ergab, mit oder ohne Stola, mit oder ohne Verwendung von Kreuz und Weihwasser. Gewöhnlich durfte nur ein kleiner Teil der Hilfesuchenden im Sprechzimmer oder in einer Kapelle den Hergang der Beschwörungen mitverfolgen. Der Heiler erkundigte sich über Art und Umstände der Gebrechen und gab dann einen längeren Zuspruch. Das Wesentliche der Gassnerschen Kuren war die bedingungslose Akzeptanz des Hilfesuchenden, der Teufel sei die Ursache seiner Krankheit(en), und allein auf das Gebot im Namen Jesu werde der Böse und Abb. 229: Darstellung des Wunderheilers Johann Joseph Gassner aus Braz [BAC.BA] <?page no="353"?> 353 6. Exkurs: Ein Vertreter der Periode der religiösen Schwärmerei des 18. Jahrhunderts: Johann Joseph Gassner damit die Krankheit als etwas Unnatürliches weichen. Ein Arzt aus dem bayerischen Sulzbach berichtet später, Gassner hätte bei vielen Patienten wiederholt ohne Erfolg das Hervorrufen der Krankheitssymptome versucht; die Auflegung seiner Hand oder der priesterlichen Stola hätten wenig zur Wirkung beigetragen. Dennoch erfreute sich Gassners Wirken als Wunderheiler lange Zeit grosser Beliebtheit. Im Oktober 1774 verliess er mit Erlaubnis des Churer Bischofs den Pfarrsprengel Klösterle und begann eine Reise als Teufelsbanner und Wunderdoktor in verschiedenen Orten des an das Vorarlberg grenzende Bistums Konstanz. Zwischen November 1774 und Juni 1775 vollführte er seine «Kuren» in Ellwangen als Gast des dortigen Fürstpropstes und Reichsgrafen Anton Ignaz von Fugger (1756-1787), der zugleich dem Bistum Regensburg vorstand (1769-1787). Obwohl es Gassner nicht gelang, dem erblindeten Bischof und grosszügigen Gönner zu helfen, nahm ihn dieser in seine Diözese auf. 1776 erhielt Gassner die Pfarrei Pondorf an der Donau, östlich von Wörth, wo er am 4. April 1779 starb. Seine Tätigkeit erregte ein so hohes Aufsehen, dass innerhalb von drei bis vier Jahren beinahe 80 Schriften für oder wider ihn erschienen. Theologen wie Laien, Katholiken wie Protestanten beteiligten sich an der publizistischen Fehde, die mit voller Schärfe einsetzte, als der Exorzist den Schauplatz seiner Heilkuren auf den süddeutschen Boden verlegte. Grosses Aufsehen erregten 1775 vier Ingolstädter Professoren, als sie sich nach einem Besuch bei Gassner in Regensburg in einem ausführlichen Gutachten eindeutig für den Wunderheiler aussprachen. In Vorarlberg zählten bereits der Kammerer Christian Lentsch von St.-Gallenkirch und der Landvogt von Bludenz, Baron von Sternbach, zu seinen Gegnern. Überragender Wortführer im Kampf gegen Gassners Praktiken erwies sich der Münchener Theologe und Theatinerpater Ferdinand Sterzinger (1721-1786), welcher in Bayern mit Erfolg gegen den Hexen- und Aberglauben kämpfte. Kein protestantischer Theologe verfolgte Gassners Kuren mit solcher Aufmerksamkeit wie der Pfarrer am Waisenhaus in Zürich, Johann Caspar Lavater (1741-1801). 1778 unternahm er eine Reise zu Gassner nach Pondorf a. D. Gespräche mit dem Priester und der augenscheinliche Misserfolg der Abb. 230: «Magische Säule» in Meersburg am Bodensee [Quelle: Wikipedia] Peter Lenk setzte Johann Joseph Gassner mit seiner Figur an dieser Säule ein Denkmal. Gassner hatte 1774 in Meersburg Wunderheilungen vorgenommen und dabei angeblich einen lahmen Kaplan zum Laufen gebracht. <?page no="354"?> 354 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum Heilkuren machte Lavater mehr als nachdenklich. Bei seiner Rückkehr nach Zürich äusserte er sich so: «Gassner hat weder meinen Verstand noch mein Herz gewonnen.» Gassners ansehnliche Zahl an einflussreichen Gönnern - Unterstützung erfuhr er insbesondere vom Churer und Regensburger Bischof - vermochte nicht zu verhindern, dass schliesslich die staatliche und kirchliche Obrigkeit gegen seine Praktiken einschritten. Der bayerische Kurfürst Maximilian III. Josef (1745-1777) untersagte Gassner jegliches Auftreten auf seinem Territorium. Aufgrund der in der Mehrzahl in Wien eingegangenen negativen Berichte setzten Kaiserin Maria Theresia und Kaiser Joseph II. es durch, dass der Priester aus dem Vorarlberg die Reichsstadt Regensburg 1776 verlassen musste (Erhalt der kleinen Pfarrei Pondorf a. D.). Unmittelbar nachdem in Wien die Entscheidung gegen den Exorzisten gefallen war, folgte die öffentliche Verurteilung Gassners Heilskuren durch die Erzbischöfe von Prag und Salzburg. Das entscheidende Schreiben von Papst Pius- VI. (1775-1799) wurde in Rom mit Datum vom 20. April 1776 an den Regensburger Bischof gesandt. Darin heisst es aus dem Lateinischen in deutscher Übersetzung: «[...] Wir können auf keinen Fall das Verfahren Gassners bei seinen Beschwörungen billigen», - insbesondere deshalb, «weil er glaubt und diese Ansicht auch im Volk allenthalben verbreitet, dass der grösste Teil von Krankheiten und Schäden, von denen das menschliche Geschlecht heimgesucht wird, vom Teufel entweder gänzlich bewirkt oder doch verschlimmert werde». [...] «Um zu verhindern, dass sich daraus ein noch grösseres Ärgernis entwickelt, entscheiden Wir also [...], dass dieser von ihm selbst eingeführte Brauch in der Anwendung der Exorzismen vollkommen beseitigt und abgeschafft werden muss.» - Die Entscheidung des Papstes bedeutete eine vollkommene Ablehnung von Gassners Lehre und Praxis; alle Bemühungen ein- Abb. 231: Titelblatt der ersten, auf Latein verfassten Churer Bistumsgeschichte von P. Ambrosius Eichhorn OSB, erschienen in St. Blasien 1797 [BBC] Abb. 232: Titelblatt der 1770 gedruckten «Chronik» von Joseph Resch [BBC] <?page no="355"?> 355 6. Exkurs: Ein Vertreter der Periode der religiösen Schwärmerei des 18. Jahrhunderts: Johann Joseph Gassner flussreicher (geistlicher) Gönner, eine Änderung des vernichtenden Urteils zu bewirken, blieben erfolglos. Mit dem Tod des Wunderdoktors aus dem Bistum Chur am 4. April 1779 in Pondorf a. D. war auch die «wundersame Heilungszeit» endgültig Vergangenheit. Das Kapitel des Bistums Chur im 18. Jahrhundert abschliessend, sei hier noch auf die erste publizierte Churer Bistumsgeschichte hingewiesen: Unter Bischof Franz Dionys von Rost wurde die erste Gesamtdarstellung der Geschichte des Bistums Chur verfasst. Der Fürstabt des Benediktinerklosters St.-Blasien, Martin Gerbert (1764-1793), ein bedeutender Musikhistoriker seiner Zeit, hegte um 1780 den ehrgeizigen Plan, eine «Germania Sacra», ein Geschichtswerk über alle Diözesen und Klöster des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation herauszugeben. Pater Ambrosius Eichhorn OSB (1758-1820), 1779 in St. Blasien die Gelübde abgelegt und 1783 zum Priester geweiht, sollte hierfür den Churer Sprengel beleuchten. Unordnung im bischöflichen Archiv in Chur und fehlende Dokumente erschwerten die Arbeit Eichhorns, welcher im Sommer 1787 vor Ort zu Studien weilte. Von Rost begegnete mit Interesse und Hilfsbereitschaft dem Projekt, das aber erst 1797 durch die Klosterdruckerei in St. Blasien unter dem Titel «Episcopatus Curiensis in Rhaetia sub Metropoli Moguntina chronologice ac diplomatice illustratus» Abb. 233 / 234: Grabepitaph für Bischof Franz Dionys von Rost in der Kathedrale Chur: Entwurfszeichnung (1797) von Bildhauer Joseph Sporer aus Konstanz und ausgeführtes Werk [BAC / BAC.BA] <?page no="356"?> 356 XI. Das Bistum Chur in der Zeit zwischen innerkirchlicher Stabilisierung und aufgeklärtem Staatskirchentum seine Vollendung fand. Nach einer 30-seitigen Einleitung, worin auch die Zirkumskription des Churer Sprengels mit Nennung aller Pfarreien (198 [+ 61 Filialen]) beschrieben wird (S. XXVI-XXX), folgt auf 368 Seiten die eigentliche Bistumsgeschichte anhand der historisch festzumachenden Bischöfe von Asinio (451) bis Franz Dioyns von Rost (gest. 1793) sowie Ausführungen zu den Ordenshäusern auf dem Churer Territorium. Im 192-seitigen Anhang platzierte Pater Eichhorn diverse Quellen aus dem 7. bis ins 18.-Jahrhundert. Bereits vor Eichhorn bemühte sich der Brixener Priester, Kanonikus an der Stiftskirche von Innichen, Lehrer und Geschichtsforscher Joseph Resch (1716-1782) im jährlich erscheinenden Brixener Schreibkalender ab 1763 eine Chronik oder kurze Geschichte der Bischöfe von Chur zusammenzustellen, welche aber lediglich bis ins Jahr 1233 reicht. Die einzelnen Faszikel wurden 1770 mit einem separaten Titelblatt versehen und bei Johann Cassian Krapf in Brixen als Separatdruck unter dem Titel «Annales Ecclesiae Curiensis - Chronick des fürstl. Stifts Cur. Sammt der Reihe der Bischöffen daselbst, Fürsten des heil. Röm. Reichs» publiziert. Mit dem Tod des 78-jährigen Dionys von Rost am 31.-Oktober 1793 in Chur verlor die rätische Diözese nach den Worten P. Ambrosius Eichhorns «einen Prälaten von hervorragender Frömmigkeit, Klugheit, Sanftmut und Eifer». Mit Klugheit und diplomatischem Geschick, welches oft genug harte Rückschläge kassieren musste, versuchte von Rost als durchaus standesbewusst auftretender Kirchenfürst des Ancien Régime das Bistum Chur in seinen alten Grenzen mit österreichischen Gebieten (Vorarlberg, Vinschgau und Burggrafenamt) durch eine bewegte Zeit des Josephinismus zu führen. Abb. 235: Stadt Chur vor dem Hofbrand 1811 [BAC.BA] <?page no="357"?> 357 XII. Das Bistum Chur und das Ende seiner Geschichte in seinen historischen Grenzen am Beginn des 19. Jahrhunderts Unter der langjährigen Hirtentätigkeit von Rosts Nachfolgers, Karl Rudolf von Buol- Schauenstein (1794-1833), erfolgte die einschneidendste Umgestaltung des Bistums Chur seit dem 9. Jahrhundert. Am 22. Januar 1794 wurde der erst 34-jährige Geistliche und Domherr von Buol-Schauenstein schon im ersten Wahlgang mit grosser Mehrheit vom versammelten Kapitel zum neuen Churer Bischof gewählt. Am 30. Juni 1760 in Innsbruck geboren, besuchte Karl Rudolf, welcher aus einem der bedeutendsten Geschlechter Bündens stammte, das Gymnasium in Feldkirch, absolvierte das Philosophiestudium in seiner Geburtsstadt und wechselte für die theologischen Fächer dann nach einem Zwischenaufenthalt am Collegio Germanico (1778/ 79) an die Universität Dillingen. Seit Ende 1777 als Kanoniker bezeugt und noch vor seiner Priesterweihe 1783 als Domkantor (1781-1794) ins Churer Residentialkapitel befördert, erlebte er als Mitarbeiter Bischofs von Rost die unruhige Zeit der theresianisch-josephinischen Kirchenpolitik mit ihren Auswirkungen in den österreichischen Anteilen des Churer Sprengels. In Brixen am 5. Oktober 1794 durch den dortigen Ordinarius zum Bischof geweiht und 1796 als letzter Churer Reichsfürst mit den Regalien beliehen, in seiner kirchlichen Gesinnung dem Heiligen Stuhl sowie in seiner politischen Ausrichtung dem österreichischen Kaiserhaus nach wie vor treu ergeben, durchlebte er den durch die Französische Revolution losgetretenen gewaltsamen Umbruch in Europas Mitte an der Schwelle zum 19. Jahrhundert. Der Gefahr einer Besetzung von Teilen seines Bistumsgebietes durch französische Truppen bewusst, flüchtete von Buol nach deren Vorstössen ins Bündnerland im März 1799 von Chur ins Montafon, dann weiter nach Meran, von wo aus er in Korrespondenz mit seinem Kanzler Johann Joseph Baal aus Tschagguns (1802-1838), welcher am bischöflichen Hof verblieb, das bedrängte Bistum Chur weiter zu leiten versuchte. Bischof Karl Rudolf lehnte das 1801 an ihn gerichtete Ersuchen des Churer Domkapitels um Rückkehr in das 1799 unter französischem Druck in die Helvetische Republik (1798 -1803) eingetretene Graubünden zunächst mit der Begründung ab, dass seine Residenz in Chur trotz reichsrechtlicher Sonderstellung mit der Einquartie- Abb. 236: Karl Rudolf von Buol-Schauenstein, Bischof von Chur (1794-1833) [Foto: Hugo Hafner] <?page no="358"?> 358 XII. Das Bistum Chur und das Ende seiner Geschichte in seinen historischen Grenzen am Beginn des 19. Jahrhunderts rung napoleonischer Truppen widerrechtlich besetzt worden sei, begab sich dann aber 1802 kurzzeitig in die Bischofsstadt, behielt jedoch seinen «Residenzsitz» in Meran bis zur seiner gewaltsamen Ausweisung 1807 durch die Bayerische Regierung bei. Wie die Französische Revolution zum Untergang der Ecclesia Gallicana geführte hatte, hat die bereits vor dem Reichsdeputationshauptschluss [RDH] von 1803 einsetzende, durch diesen aber reichsrechtlich sanktionierte Säkularisation grossen Stils das Schicksal der alten, seit Otto I. (10./ 11. Jh.) begründeten und gewachsenen Reichskirche besiegelt, zudem eine altehrwürdige klösterliche Kultur fast völlig zerstört, den Untergang des beinahe tausendjährigen Heiligen Römischen Reiches (1806) eingeläutet und unter neuen politischen Rahmenbedingungen letztlich zum Ende des Bistums Chur in seinen historischen Grenzen geführt. 1. Die Folgen der Säkularisation für das Bistum Chur: Neue Pläne staatlicher Diözesanregulierung für die österreichischen Anteile Der mit der Durchführung des Säkularisationsprozesses einberufene Reichstag zu Regensburg (1802/ 03) sicherte in den Verhandlungen dem ausserordentlichen Abgesandten der Helvetischen Republik, David Christoph Stockar von Neuforn (1754-1814), zu, zur Vergütung ihrer Rechte und Ansprüche auf die von ihren geistlichen Stiftungen abhängigen Besitzungen in Schwaben würde der Republik das Bistum Chur und die Herrschaft Tarasp im bündnerischen Unterengadin zufallen. Tatsächlich erwog man von seiten der Helvetischen Republik noch Anfang Dezember 1802 eine Besitzergreifung der Churer Bistumsgüter, wie diese Paragraph 29 des RDH im Februar 1803 festschrieb: «Die Helvetische Republik erhält zur Vergütung ihrer Rechte und Ansprüche auf die von ihren geistlichen Stiftungen abhängigen Besitzungen in Schwaben, über welche durch die vorhergehenden Artikel disponirt worden ist: das Bisthum Chur, hat aber für den Unterhalt des Fürstbischofs, des Capitels, und ihre Diener zu sorgen; sodann die Herrschaft Trasp. [...]» Die Okkupation unterblieb aber, weil das ländliche Bistum und die wenig ertragsreiche Herrschaft Tarasp in keiner Weise ein adäquater Ersatz für die verlustig gehenden Gebiete in Schwaben sein Säkularisation als historisch-politisch und juristischer Begriff (erstmals im Mai 1646 bei den Vorverhandlungen zum Westfälischen Frieden von 1648 verwendet) bezeichnet die Entziehung kirchlicher Hoheitswie auch Besitz- und Nutzrechte durch den Staat ohne Zustimmung der Kirche. Als die [Grosse] Säkularisation ist neben bereits in früheren Jahrhunderten durchgeführten Enteignungen der grosse, umfassende, radikale Enteignungsprozess kirchlichen Besitzes an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in die Geschichte eingegangen, - ein Prozess, der durch die Mediatisierung aller geistlichen Territorien und geistlichen Reichsstände und durch die Überführung nicht reichsunmittelbaren Kirchengutes in weltliche Hand zum Ende der alten Reichskirche (1806) führte. <?page no="359"?> 359 1. Die Folgen der Säkularisation für das Bistum Chur konnten. Im März 1803 war klar, dass das Minimum der im RDH vorgesehenen Jahresrente für einen Fürstbischof - nämlich 20’000 Gulden [Paragraph-51a] - den maximalen Ertrag der Churer Hochstiftsgüter um vieles überschritt. Das heisst, die Säkularisation des armen, länderlosen Hochstifts Chur konnte keineswegs im Interesse der Helvetischen Republik liegen. Die Beratungen über die Zukunft des Hochstifts wurden zu Beginn des Jahres 1804 abgeschlosssen. Am 3. Januar entschied die Tagsatzung als nichtständige Konferenz der Kantone, den Bischof und das Domkapitel von Chur im Besitz ihrer Einkünfte (und Schulden! ) zu belassen und auf eine Säkularisation der in Bünden gelegenen Hochstiftsgüter zu verzichten. Beschränkte sich die Säkularisation in Bünden also ‹nur› auf den Verlust der hoheitlichen Kompetenzen - am 19. April 1803 kam es zur Vereinigung des Hofbezirkes als ehemaliges Reichsgebiet (Hochstift) mit der Stadt Chur (auf dem Hof amtete bis 1852 noch ein eigenes Gericht) −, so traf die Durchführung der Bestimmungen des RDH in den österreichischen Bistumsanteilen den Churer Bischof umso empfindlicher. Eine Zusammenstellung aus dem Jahre 1805 aus der Hand des inzwischen unter Bischof Karl Rudolf von Buol-Schauenstein zum Churer Generalvikar berufenen Kanzlers Georg Schlechtleutner (1802-1810) über Erträge aus Zehnten und Naturalgefällen, Lehen mit entsprechenden Zinsen und Liegenschaften des Bistums Chur sowie des Churer Domkapitels in den österreichischen Landen ergab eine jährliche Einnahmesumme von maximal ca. 14’500 Gulden, welche bei einer Loslösung dieser Gebiete aus dem Bistumsverband unweigerlich in der Kasse der bischöflichen Mensa fehlten und zu gefährlichen finanziellen Engpässen führten. Abb. 237: Einteilung der Helvetischen Republik 1798-1803 [Quelle: Wikipedia] <?page no="360"?> 360 XII. Das Bistum Chur und das Ende seiner Geschichte in seinen historischen Grenzen am Beginn des 19. Jahrhunderts In der Befürchtung, Kaiser Franz II. (1792-1806) verwirkliche nach Joseph II. tatsächlich die Diözesanregulierung in Tirol, wodurch die beiden Churer Anteile Walgau und Vinschgau definitiv abgetrennt worden wären, übergab Karl Rudolf von Buol-Schauenstein am 24. Januar 1804 in Bozen dem nach Rom reisenden Gesandten des Augsburger Bischofs, Jakob Anton Zallinger zum Thurn (1735-1813), aus der Hand seines Regens am 1801 eröffneten Priesterhauses in Meran, Gottfried Purtscher (1801-1830), eine Note an Papst Pius VII. Darin wird wenig überzeugend, eher in verzweifelter Manier, vorgeschlagen, der Churer Bischof könne während zwei Drittel eines Jahres im österreichischen Anteil, ein Drittel dann auf dem bischöflichen Hof zu Chur residieren. Der Churer Vorschlag möge beim Heiligen Stuhl Unterstützung finden, denn dies sei wohl (noch) die einzige Variante, den Kaiser von seinem Plan abzubringen und gleichzeitig die in Bünden ohnehin gefährdete katholische Religion durch weiteren Bestand und Einfluss der Casa d’Austria zu erhalten. Zu der von der Wiener Reichshofkanzlei weiter verfolgten Gesamtregulierung jener Diözesen, die ganz oder teilweise auf österreichischem Territorium lagen, nahmen Vizekanzler Ludwig Cobenzl (1753-1809) sowie Staats- und Konferenzminister Franz de Paula Colloredo-Waldsee (1736-1806) gegenüber Franz II. am 11. April 1804 Stellung; betreffend Tirol wird festgehalten: «Tirol und das Vor-Arlbergische war bisher unter die Hochstifter Salzburg, Freysing, Augsburg, Chiemsee, Trient, Brixen und Kur vertheilt [in der Aufzählung fehlt Konstanz]. Alle diese (mit Ausnahme Chiemsees, das niemals ein weltliches Gebieth hatte) sind säkularisirt worden, und es wird von der ah. [allerhöchsten] Entschließung abhangen, welche Eintheilung dieser Diöcesen für die Zukunft mit dem päbstlichen Stuhle verabredet werden wolle. Das Natürlichste scheint zu seyn, daß der größte Theil oder auch ganz Tirol einem Bisthume untergeben, das Vor-Arlbergische hingegen mit allen alten und neuen Besitzungen E. M. [Eurer Majestät] in Schwäbisch-Österreich einem an einem schicklichen Ort zu errichtenden neuen Bisthume in kirchlicher Hinsicht einverleibt werde.» Franz II. liess über Cobenzl am 30. Juni 1804 nach Rom melden, aufgrund der massiven Umgestaltung des Reiches im kirchlichen Bereich und des nach wie vor «unabänderlichen Hauptgrundsatzes», die Sprengel der österreichischen Bistümer «künftighin nicht außerhalb der Landesgränzen und des österreichischen Kreises auf fremde Gebiethe erstrecken» zu lassen bzw. keinem «auswärtigen Bischof» zu erlauben, seine Diözese in die Erbstaaten auszudehnen, sehe er sich veranlasst, auch für die Grafschaft Tirol definitiv Änderungen einzuleiten: In Brixen solle ein einziger Bischof plaziert und in Trient nur mehr ein Generalvikar stationiert werden. Das bisher den Bischöfen von Chur und Konstanz unterstehende Vorarlberger Gebiet werde zusammen mit den österreichischen Besitzungen in Schwaben ein eigenes Bistum bilden. Am 23. Juli 1804 informierte der oberste österreichische Kanzler Alois Graf von und zu Ugarte (1749-1817) die Landesstelle in Innsbruck über die in Tirol und Vorarlberg zu erwartenden Diözesanregulierungen, die dem Papst vom Kaiser unterbreitet worden seien. Das Gubernium möge bis zu weiteren Anweisungen in der Zwischenzeit ein genaues Verzeichnis aller Seelsorgestationen mit Angabe der Seelenzahl sowie näheren Informationen über den Stand der Seelsorger zusammenstellen lassen und dann an die Hofkanzlei senden. Die entsprechenden Listen liess man über die Ordinariate erstellen; entsprechende, in den Monaten September und Oktober 1803 <?page no="361"?> 361 1. Die Folgen der Säkularisation für das Bistum Chur zusammengetragene Angaben in Tabellenform für den Vinschgau und Walgau liegen im Bischöflichen Archiv Chur. Die Zahl der zum österreichischen Anteil gehörenden Katholiken gab man mit 70’461 an, welche von insgesamt 238 aktiv in der Pastoral stehenden Geistlichen betreut wurden. Alle 72 Pfarreien [inkl. Nauders, Galtür und Ischgl] waren Abb. 238: Schloss Tarasp mit Fontana und Sparsels [BAC.BA] Abb. 239 / 240: Papst Pius VII. (1800 -1823) und Kardinalstaatssekretär Ercole Consalvi (1800 -1806/ 1815- 1823) [Quelle: Wikipedia] <?page no="362"?> 362 XII. Das Bistum Chur und das Ende seiner Geschichte in seinen historischen Grenzen am Beginn des 19. Jahrhunderts zum Zeitpunkt der erstellten Statistik besetzt, Exposituren und Nebenbenefizien blieben hingegen da und dort unbesetzt, «weil wirklich in der Dioeces nicht ein einziger vorräthiger zur Seelsorge brauchbarer Priester übrig ist». Den Zustand der Kirchen und Pfarrgebäulichkeiten wies die Auswertung durchschnittlich als «sehr mittelmässig» aus. In dem geplanten, vom Bistum Chur abzutrennenden Gebiet existierten noch 7 männliche Klostergemeinschaften (Benediktinerabtei Marienberg, Kapuzinerklöster in Bludenz, Feldkirch, Meran, Schlanders, das Kapuzinerhospiz in Mals sowie das Benediktiner-Priorat St. Johann in Feldkirch) und 3 weibliche Niederlassungen (Dominikanerinnenklöster in Altenstadt und Bludenz, Englische Fräulein in Meran). Das Sumarium der «Haupt-Dioecesan-Tabelle des Bistums Chur im Österreichischen Dioecesan-Antheil» enthält folgende Daten: Dekanat Pfarreien Kuratien, Lokalkaplaneien, Exposituren Kooperatoren od. Hilfspriester Kapläne od. Benefiziate Aushelfende Priester [ohne Seelsorgeauftrag] Nicht in der Seelsorge stehende Priester (alt/ krank) Seelenzahl Männl. Klöster Weibl. Klöster Vikariat Meran 11 13 22 12 7 9 18’702 1 1 Provikariat Schluderns 18 11 10 20 3 5 18’402 3 --- Galtür und Ischgl [zu Tirol] 2 1 --- 2 --- --- 1’420 --- --- Tirolischer Anteil 31 25 32 34 10 14 38’524 4 1 Vikariat Rankweil 22 1 2 11 4 8 15’838 2 1 Provikariat St. Gallenkirch 19 8 --- 17 --- --- 16’099 1 1 Vorarlberg 41 9 2 28 4 8 31’937 3 2 Total 72 34 34 62 14 22 70’461 7 3 <?page no="363"?> 363 2. Ein mutiger Schritt in schwieriger Zeit: Die Gründung des Priesterhauses in Meran (1801) Am 10. Oktober 1804 erhielt Wien aus Rom von Kardinalstaatssekretär Ercole Consalvi (1800 -1806 / 1815-1823) Antwort in Form einer Protestnote, die sich energisch gegen die Alleingänge Franz II. stellte; dem Papst allein stünde das Privileg zu, Bistümer zu errichten oder neu abzugrenzen bzw. Bischofssitze zu verlegen. Die österreichische Regierung liess darauf über ihren Geschäftsträger in Rom Consalvi eine Erklärung zukommen, worin man die geplanten Massnahmen seitens des Staates wie schon unter Joseph II. rechtfertigte. Viele der bisherigen fremden Oberhirten in Tirol hätten zudem ihre Amtsaufgaben daselbst kaum je persönlich wahrgenommen; auch der Churer Bischof habe sich im Laufe der Geschichte nur wegen der stetig gewachsenden Differenzen mit den Bündnern nach Ausbruch der Reformation zum regelmässigen Aufenthalt im Vinschgau (Fürstenburg) und Burggrafenamt (Meran) gezwungen gesehen. Wien schien nicht mehr gewillt zu sein, «bey dem Grundsatz, daß kein österreichischer Bischof seinen Kirchsprengel ausserhalb der Landesgränze auf fremde Gebiethe erstrecken und eben so wenig ein femder Bischof künftighin im Oesterreichischen einige geistliche Jurisdiktion ausüben soll», das Diözesanregulierungsprojekt «Tirol» noch einmal fallen zu lassen. Entsprechend schrieb Bischof Karl Rudolf am 18. Dezember 1804 an seinen Amtsbruder Karl Franz von Lodron (1792-1828) nach Brixen, er erwarte für das kommende Jahr «eine neue Epoche für unsere teutsche Kirchengeschichte». Doch es sollten noch einmal zehn Jahre vergehen, bis es am 27. Januar 1816 zur definitiven Abtretung der ehemals österreichischen Anteile des Bistums Chur kam. In der Zwischenzeit gelang der Churer Bistumsleitung die wichtige und zukunftsgerichtete Gründung eines Priesterhauses - in Meran. 2. Ein mutiger Schritt in schwieriger Zeit: Die Gründung des Priesterhauses in Meran (1801) Bereits zwischen 1780 und 1795 sind aus der Feder des Churer Kanonikers und bischöflichen Kanzlers Georg Schlechtleutner (1777-1802), der aus Kardaun bei Bozen stammte und wie erwähnt zwischen 1802 und 1810 als Generalvikar des Bistums Chur amtete, konkrete, bis ins Detail ausgearbeitete Überlegungen zu einem diözesanen Priesterhaus mit Sitz in Feldkirch oder Meran greifbar, - zu einem Haus also, «worin die priesterthumscandidaten über ihren beruf sowohl als wissenschaftlichen und moralischen zustand» im Anschluss an die «auf öffentlichen schulen vollendeten studien geprüfet und zur practischen seelsorgsausübung vorbereitet» werden sollten. Zur Deckung eines Teils der von Schlechtleutner geschätzten Kosten von gegen 30’000 Gulden, welche die geplante Institution zu verschlingen drohte - 6’000 Gulden als Grundstock sicherte die testamentarische Verfügung Bischofs von Rost (1791) [Abb. 221] -, schlug Schlechtleutner der Bistumsleitung vor, «eine besondere allgemeine sammlung unmittelbar an die seelsorgerlichen geistlichen und durch dise bey guter thunlichkeit auch an vermöglichere und gutgesinnt weltliche» in Betracht zu ziehen. Sein Rat: «einen tauglichen priester mit einem bischöflichen schreiben zur gesammten österreichischen geistlichkeit umherzusenden, die sache mit guten gründen vorstellig zu machen und sie zu freywilligen beyträgen einzuladen». Das Projekt sei letztlich aber nur <?page no="364"?> 364 XII. Das Bistum Chur und das Ende seiner Geschichte in seinen historischen Grenzen am Beginn des 19. Jahrhunderts zu verwirklichen, so der Kanzler, wenn der alles zunichtemachende Gedanke «der unmöglichkeit» endlich getilgt werde, der in Chur viel zu lange schon die Oberhand habe und damit «die besten gelegenheiten» zu einem Priesterhaus bislang ungenutzt habe verstreichen lassen. Wenn Schlechtleunter mittels seiner Ausführungen zu einem Priesterhaus einen Beitrag leisten will, den Gedanken der Unmöglichkeit endlich zu überwinden, dann ist dem promovierten Theologen nicht nur die verfehlte Zweckbestimmung des seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf dem Hof bestehenden kleinen Seminars in schlechter Erinnerung, das der Kanzler in einem Memorandum von 1779/ 80 an die Churer Bistumsleitung als unnötige «ministratenschule der domkirche» und «denkmal ärgerlicher verwaltung» bezeichnete, sondern er weiss ebenso um das Auf und Nieder des vergeblichen Ringens um eine diözesaneigene Priesterausbildungsstätte nach 1773. Das Schicksalsjahr 1773, in dem auf Druck der Bourbonenhöfe der Jesuitenorden durch Papst Clemens XIV. (1769-1774) aufgehoben wurde, zwang die Churer Bischöfe unausweichlich, vor allem für die Kandidaten aus den auf österreichischem Territorium gelegenen Dekanaten Walgau und Vinschgau, ein ‹seminarium› auf Bistumsgebiet zu schaffen. Aufgrund der nach wie vor die Bistumskasse belastenden finanziellen Engpässen kam hierfür nur ein grundsätzlich von der weltlichen Macht akzeptiertes und unter Joseph II. auch gefordertes Priesterhaus in Frage, in dem die Alumnen nach mehr oder minder vollständigem Theologiestudium während eines Jahres vor allem pastoralorientierte, praktische Übungen zu absolvieren und Examina zu bestehen hatten, bevor sie ordiniert wurden. Als geeignete Standorte galten neben Feldkirch auch Rankweil und das Schloss Rietberg im bündnerischen Domleschg; die Verwirklichung gelang jedoch in Meran. Der Leiter der Meraner Institution, der initiative Geistliche und Regens Gottfried Purtscher aus Nauders (1801-1830), der seit seiner Tätigkeit als Registrator (ab 1790) am Churer Ordinariat zu den engen Vertrauten Buol-Schauensteins zählte, berichtet am 24. August 1802 bei einem Aufenthalt in Chur: «Schon am 9. september 1800 wurden die ordinandi in Meran in einer privatwohnung zur vorbereitung ad suscipiendos heiliger ordines mit begnehmigung und vorwissen des hochwürdigsten ordinariats gleichsam in ein seminarium versammelt. Durch den umstand, dass einige ad curam animarium noch weiters vorbereitet werden mußten und andre neue ordinandi sucessive immer nachkamen, erhielt sich diese erste anstalt, bis endlich im monath september 1801 das neue von herrn dompropst Fliri ge- Abb. 241: Gottfried Purtscher (1767-1830), Regens am Priesterhaus in Meran und im Priesterseminar St. Luzi in Chur 1801-1830 [BAC.BA] <?page no="365"?> 365 2. Ein mutiger Schritt in schwieriger Zeit: Die Gründung des Priesterhauses in Meran (1801) schenkte haus bezogen und das seminarium sohin förmlich errichtet werden konnte. Es liegt in Meran, freilich (nach den dermaligen dioeces gränzen) an den äussersten enden des bistums.» Bereits am 31.-März 1801 unterzeichnete der aus Taufers stammende Dompropst Christian Jakob Fliri (1776-1801) den Kaufvertrag in der Höhe von 8375-fl. für drei Gebäude am Vinschgauer Tor, welche er von der Witwe Maria Barbara von Hebenstreit, geborene von Tasch, erwerben konnte und dem Seminar zur Verfügung stellte; es handelte sich dabei um die «Braunhoferische behausung» mit einem dahinterliegenden Vorhof, um die «Baumgartnerische behausung» mit einem dazugehörenden Torkel und um das «Kasererische-Diet- Fingische haus» mit Stadel, Stallung und Garten. Gottfried Purtscher seinerseits erwarb mit Geldern Fliris am 2. Juli 1801 für 800 fl. vom Kooperator in Algund, Joseph Jörg, das Seilerhaus, das an das Baumgartnerische Haus anschloss. Der Stadtmagistrat von Meran stellte schliesslich der geistlichen Bildungsanstalt den Turm des Vinschgauer Tors zur Errichtung einer Hauskapelle zur Verfügung. Dank weiterer Geldmittel, die der Regens geschickt einzutreiben vermochte, konnten unter Purtschers Leitung in den Sommermonaten 1801 die erstandenen Gebäude am Vinschgauer Tor für das Seminar zweckdienlich hergerichtet werden. Mit dem Bezug der neuen Institution im September 1801 durch sicher 14 Kandidaten (davon 7 aus Bünden), konnte «das seminarium förmlich errichtet» werden. Die Räumlichkeiten erlaubten sogar die zusätzliche Schaffung eines kleinen Internats für Gymnasiasten, deren Betreuung der Geistliche Franz Anton Tapfer (1773-1835) übernahm. Abb. 242: Gebäudekomplex am Vinschgauertor in Meran (heute) [Foto: A. Fischer] Abb. 243: Auszug aus dem Bericht Gottfried Purtschers vom 24. August 1802 [BAC] <?page no="366"?> 366 XII. Das Bistum Chur und das Ende seiner Geschichte in seinen historischen Grenzen am Beginn des 19. Jahrhunderts Um die Neugründung des Priesterhauses in Meran finanziell abzusichern, bestätigte Dompropst Fliri mit testamentarischer Verfügung vom 16. Dezember 1801 - er starb am 19. Dezember 1801 - seine früheren Schenkungen an die Bildungsinstitution. Die «dazu erkauften häusern» gehörten «von iezt an auf allzeit zum wa[h]ren eigenthum ohne mindesten vorbehalt» dem Seminar. Zudem vermachte Fliri der Institution ein Kapital von 50’000 fl. samt Zinsen und sein noch vorhandenes Silberzeug. Der bei der Testamentseröffnung neben anderen Zeugen gegenwärtige Regens verpflichtete sich, das Geld «für das seminarium zu Meran getreu aufzubewahren und zu desselben behuf nach ordinariats weisung zu verwenden». So gelang Ende 1801 dank des forcierten Schrittes eines initiativen Geistlichen - der eigentlichen treibenden Kraft bei der Realisierung des Seminarprojekts, der sich nicht nur der Unterstützung seitens der Bistumsleitung gewiss war, sondern auch durch grosszügige Schenkungen eines ihm wohlgesonnenen, alternden Würdenträgers aus dem Domkapitel «sein» Projekt abzusichern wusste, die Gründung des seit Jahren geplanten Priesterhauses für die Diözese Chur. Der Start des Meraner Priesterhauses (1801) stand trotz selbstrühmlicher Worte aus Chur, welche stolz vom «seminarium dioecesis Curiensis» sprachen, und des energischen Voranschreitens eines Gottfried Purtschers unter einem ungünstigen Stern. Seit dem absolutistischen Eingriff Josephs II. in die Aus- und Fortbildung des Seelsorgeklerus in den Erblanden Österreichs - die oben geschilderte Epoche der Generalseminare (1783-1790) war zwar nur von kurzer Dauer - stellte das Gubernium in Innsbruck mit entsprechender Rücksicherung aus Wien ständig neue Anforderungen an die auf ihrem Territorium befindlichen Priesterhäusern und Seminarien. Der Institution in Meran fehlte das Wichtigste: die staatliche Anerkennung und den dortigen Lehrkräften die staatlich anerkannte Befähigung. Ungeachtet der sich im ersten Dezennium des 19.-Jahrhunderts Abb. 244: Übereinkunft zwischen Bischof Karl Rudolf von Buol-Schauenstein und Dompropst Christian Jakob Fliri vom 30. März 1801, worin letzterer sich verpflichtet, die gekauften Gebäude am Vingschauertor «dem seminario ganz zu schänken». [BAC] <?page no="367"?> 367 2. Ein mutiger Schritt in schwieriger Zeit: Die Gründung des Priesterhauses in Meran (1801) zuspitzenden Konflikte zwischen Staat und Kirche in Tirol darf dennoch festgehalten werden: Das Priesterhaus in Meran entwickelte sich in den wenigen Jahren seiner Existenz (1801-1807), zwar als «staatszweckwidrige anstalt» angefeindet, zu einem regionalen Brennpunkt in der Priesterausbildung des Bistums Chur, das nach 1816 die grössten Gebietsumwälzungen seiner Geschichte erleben sollte. Das zeigen uns anhand des im Zuge der Sanierung und Neuordnung im Bischöflichen Archiv Chur aufgefundenen Büchleins «Notae et caracteres alumnorum Seminarii Dioecesani Meranensis Curiensis» die Zahlen zur Frequentation der Institution am Vinschgauertor. Neben Studenten aus Bünden [total 24, v.a. Surselva (13) und Engadin (7)] kamen nachweislich 20 Studenten aus dem Dekanat Walgau und 27 aus dem Vinschgau. In den drei best frequentierten Studienjahren 1804/ 05 [17], 1805/ 06 [16] und 1806/ 07 [12] durchliefen im Durchschnitt 15 Alumnen das Pastoraljahr. Die Priesterweihe empfingen sie in der Seminarkapelle, welche 1804 im Turm des Vinschgauertors eingerichtet werden konnte (zuvor in der Kapelle des Instituts der Englischen Fräulein oder in der bischöflichen Hauskapelle im Ruffinhaus am Rennweg, dem heutigen Sitz des Bezirkgerichts). Aus dem bereits zitierten Bericht Purtschers vom 24.- August 1802 erhalten wir ferner wertvolle Details über die Art und Weise der Ausbildung während des praktischen Jahres in Meran. Die Alumnen, welche pro Woche ein Kostgeld in der Höhe von 2 Gulden 18 Kreuzern zu entrichten hatten, repetierten die bereits in ihrem mehr oder minder vollständig abgeschlossenen philosophisch-theologischen Studium (z.B. in Innsbruck oder Brixen) absolvierten Haupttraktanden in Dogmatik, Moral und Kirchenrecht. Ihr Arbeitsschwerpunkt hingegen lag in den Fächern Kasuistik (anhand konkreter Beispiele) sowie Pastoral (Administration der Sakramente und Sakramentalien). Des weiteren Abb. 245 / 246: Titelblatt und Auszug aus den «Notae et caracteres alumnorum Seminari Dioecesani Meranensis Curiensis» [BAC] <?page no="368"?> 368 XII. Das Bistum Chur und das Ende seiner Geschichte in seinen historischen Grenzen am Beginn des 19. Jahrhunderts bot man ihnen einen Leitfaden zur persönlichen geistlichen Formung bzw. Vertiefung und führte die Seminaristen in den Choralgesang ein. Auch sportliche Betätigung (unter Leitung des Regens persönlich) sollte nicht fehlen. Dank Purtschers Bericht erhalten wir nicht zuletzt einen Einblick in den Menuplan des Priesterhauses: Die Kost sei «einfach, doch genüglich». «Mittags besteht sie aus suppe, voressen, rindfleisch und zugenuß. Abends aus suppe, braten und salat.» Zum Getränk wurde «gegen bezahlung einem jeden eine halbe maß wein bewilliget», mit dem Zusatz «mehr aber nicht». Doch die Tage der «genüglichen Kost» am Priesterhaus waren gezählt. Angesichts der sich zuspitzenden Konflikte zwischen Staat und Kirche in Tirol 1806/ 07 plante der Churer Bischof, in seine Residenz nach Chur zurückzukehren. Mitten in diese Vorbereitungen fiel das am 14.-August 1807 ausgestellte Reskript des Königs von Bayern, Maximilian I. (1806-1825), welches das theologische Studium in Meran verbot. Das Gubernium hatte bereits im Juni 1807 dem König eine «detaillierte übersicht dieser staatszweckwidrigen anstalt, auf deren unbedingte und ungesäumte Auflösung» gedrungen wurde, zukommen lassen. Die Leitung des Priesterhauses wurde Purtscher, einem «mann von kenntnissen, aber voll hierarchischem fanatismus, voll des hasses gegen alles, was auf der universität gelesen wird», entzogen und dem Benediktinerpater aus Marienberg, Benedikt Langes (1750-1820), der den Rektorposten am Gymnasium in Meran bekleidete (1782-1810 und 1815-1820), übertragen. Langes war ab sofort verantwortlich, dass die Priesteramtskandidaten nur mehr praktischen Unterricht erhielten. Regens Purtscher verliess am 28. September 1807 Meran in Richtung Chur. Im Anschluss an die vom Meraner Landrichter am 9.-Oktober 1807 vorgenommene Inventarisierung des Priesterhauses und die - zwar falsch - errechnete Verschuldung der Anstalt sowie nach Ausweisung des Churer Bischofs aus Tirol (24. Oktober) bot sich der bayerischen Landesverwaltung unter Abb. 247: Letzte Seite der Vereinbarung zwischen dem Prämonstratenserkloster St. Luzi und Regens Gottfried Purtscher in Chur vom 17. Januar 1806 [BAC] <?page no="369"?> 369 Generalhofkommissar Karl Arco die Gelegenheit, per Dekret vom 27.- Oktober 1807 die sofortige Schliessung des Priesterhauses anzuordnen. Der vorhandene Besitz wurde beschlagnahmt, das gesamte Dienstpersonal ausbezahlt und entlassen. Den Lehrkräften verweigerte man, da die Anstalt nie vom Staat anerkannt worden war und die Professoren keine öffentliche Befähigungsprüfung nachweisen konnten, jegliche Geldauszahlung. Subregens Ignaz Purtscher (dozierte Liturgie), Josef Florin Lutz (Spiritual und Dozent für Moral) sowie Professor Franz Anton Tapfer (Dogmatik / Kasuistik) und sein Bruder Michael Tapfer verloren ihre Wohnung im beschlagnahmten Gebäudekomplex. Noch in der Nacht des 26. Dezembers 1807 transportierte man die Genannten nach Glurns, wo sie dem Landrichter vorgeführt wurden, der sie ohne Verzug über die Grenze nach Bünden schaffen liess. Die Verjagten erwartete in Chur zwar ein offenes, aber äusserst renovationsbedürftiges Haus: das ehemalige Prämonstratenserkloster St.- Luzi, welches durch Vereinbarung vom 17.- Januar 1806 zwischen dem letzten Abt Nicolaus de Rupe Gyr (1782-1806) und seinen wenigen Konventualen einerseits und dem Vertreter des Bischofs, Gottfried Purtscher, andererseits dem Bistum als künftiges diözesanes Priesterseminar überschrieben worden war. Am 21. Januar 1808 kam es in Meran zur Versteigerung des Mobiliars des Priesterhauses; die Gebäude wurden zur Truppeneinquartierung freigegeben. Unrühmlich endete damit die Geschichte der seit 1801 bestehenden Institution. Fazit: Insbesondere für den angehenden Klerus aus dem österreichischen Bistumsanteil, also aus den Dekanten Walgau und Vinschgau, war der einjährige pastoral-theologische Kurs mit Prüfungsabschluss im Priesterhaus zu Meran nicht nur eine willkommene 2. Ein mutiger Schritt in schwieriger Zeit: Die Gründung des Priesterhauses in Meran (1801) Abb. 248: Ansicht von Chur, um 1780 (von der Kälberweide aus, rechts Kirche St. Luzi) [BAC.BA] <?page no="370"?> 370 XII. Das Bistum Chur und das Ende seiner Geschichte in seinen historischen Grenzen am Beginn des 19. Jahrhunderts wie notwendige Hinführung auf die Arbeit in Pfarrei und Seelsorge, sondern nach 1773 die einzige Stätte auf dem alten Territorium der Diözese Chur. Das Priesterhaus in Meran ist nach fast 240 Jahren dank «forcierten schritten» kurialer Mitarbeiter und Domherren betreff Organisation und Finanzierung das erfolgreiche Ergebnis tridentinischer Weisung und intensiver Bemühungen des Churer Episkopats um ein diözesaneigenes «seminarium» am Übergang vom 18.- zum 19.- Jahrhundert. Und da es seit 1807 in Chur seine Fortsetzung und seinen kontinuierlichen Ausbau erfahren hat und weiter erfährt, ist der «Gedanke der unmöglichkeit» wirklich überwunden. 3. Durchsetzung des josephinischen «Generalsatzes»: Aussschliessung aller fremden Diözesen - Die Abtrennung der österreichischen Anteile des Bistums Chur Nachdem die österreichischen Bistumsteile (Tirol) gemäss der Bestimmungen des Friedens von Pressburg vom 26. Dezember 1805, welcher die verlustreichen Kämpfe des 3.-Koalitionskrieges zwischen Österreich, England und Russland gegen das starke napoleonische Frankreich nach der Dreikäiserschlacht von Austerlitz besiegelten, Teil des seit dem 1. Januar 1806 ausgerufenen Königreichs Bayern geworden waren und die bayerische Regierung unter massivem Einfluss von Maximilan Freiherr von Montgelas (1759-1838) ihr System staatlicher Kirchenhoheit, insbesondere die Reglementierung der Priesterausbildung und die Besetzung der geistlichen Stellen auf das neu erworbene Gebiet anwenden wollte, leistete der Churer Bischof Karl Rudolf von Buol-Schauenstein zusammen mit Karl Franz von Lodron, 1792 bis 1828 letzter Fürstbischof von Brixen, und Emanuel Maria Graf von Thun, 1800 bis 1818 letzter Fürstbischof von Trient, entschiedenen Widerstand. Die Regierung reagierte zuerst mit der Sistierung des Gehaltes der jährlichen 5’000 Gulden an den Churer Ordinarius, die 1804 noch um 1’000 Gulden aufgestockt worden waren, und zitierte ihn schliesslich unter Androhung des Landesverweises aus Tirol nach Innsbruck. Am 26. Oktober 1807 wurde Buol-Schauenstein angesichts seines ungebrochenen Widerstandes gegen die bayerischen Eingriffe in die Kirchenfreiheit, aber auch aufgrund seines Status eines aufmüpfigen ‹ausländischen› Bischofs nach Graubünden deportiert; man verbot ihm jegliche weitere Kommunikation mit seinen Diözesanen im Königreich Bayern. Im Sommer darauf beschloss die bayerische Regierung am 3. August 1808 die Auflösung des Benediktinerstifts Marienberg ob Burgeis (Neubesiedlung und -aufbau 1816). Somit bestanden im Tiroler Anteil des Bistums Chur nur noch zwei Mendikantenklöster, die oben beschriebenden Kapuzinerniederlassungen in Meran und Schlanders sowie das seit 1699 bestehende Hospiz in Mals. Sowohl in Predigten als auch im Kontakt mit der Bevölkerung distanzierten sich die Patres in aller Deutlichkeit von der staatlichen Religionspolitik. Ihre wiederholte Weigerung, sich dem Ordinariat in Trient zu submittieren, führte, wie bereits erwähnt, am 15./ 16. August 1808 in einer Militäraktion zur Deportation der Kapuziner. Der Superior von Mals, P. Philipp Decosta OFMCap, und <?page no="371"?> 371 3. Durchsetzung des josephinischen «Generalsatzes»: Aussschliessung aller fremden Diözesen ein weiterer Mitbruder wurden nach Vorladung in Innsbruck im September 1808 in das Zentralkloster Altötting abgeschoben; die Tätigkeit in der Seelsorge wurde ihnen bei Strafe verboten. In Vorarlberg konnte eine Wegweisung der Kapuziner aus Bludenz und der älteren Patres aus Blumenegg in Zentralklöster dank des geschickten Taktierens des örtlichen bayerischen Generalkommissars gegenüber der Landesstelle in Innsbruck unterbunden werden. Nach gescheiterten Diözesanregulierungsversuchen der bayerischen Regierung, die Churer Anteile in Tirol und Vorarlberg dem Bistum Augsburg oder dem Bistum Brixen zuzuschachern, resignierte 1808 Buol-Schauenstein auf seine seit Joseph II. so ‹umworbenen› beiden Bistumsteile, und Papst Pius VII. wies dieselben in Übereinkunft mit Bayern per Breve vom 3. September 1808 provisorisch Brixen zu. In einem Schreiben vom 25. September 1808 aus Chur an den König von Bayern, Maximilian I. (1799-1825), schrieb Bischof Karl Rudolf: «Mit vollkommener Hingebung und jener Unterwürfigkeit, die ich dem Statthalter Christi in Bezug meines Hirtenamtes schuldig bin, unterziehe ich mich seiner Fügung ohne Ausnahme und ganz nach Maaßgabe der getroffenen Übereinkunft.» Der von der (wenn auch nur provisorischen) Zuteilung betroffene Klerus in Tirol und Vorarlberg war zu diesem Zeitpunkt noch nicht informiert. Erst am 20. September 1808 sandte man aus München den päpstlichen Entscheid, mit dem königlichen Plazet versehen, nach Innsbruck und von dort weiter nach Brixen. Am 5. Oktober 1808 schickte der Churer Bischof die Mitteilung, die Churer Anteile seien provisorisch Brixen übertragen worden, an die Vikare in Partschins und Feldkirch sowie an die Provikare in Schluderns und St. Gallenkirch. Der Bischof von Brixen seinerseits zeigte sich in einem Schreiben vom 13. Oktober nach Innsbruck keineswegs erfreut über den Gebietszuwachs. Er betrachtete die anfallende Mehrverwaltung als eine eher aufgezwungene Bürde; insbesondere sei der Vorarlberger Anteil wegen seiner grossen Entfernung nur schlecht von Brixen aus zu betreuen. «Zur Vermeidung aller Irrungen will ich zwar diesen Antheil einstweil und provisorisch unter die bischöfliche Obhut nehmen, aber auf eine längere Zeit oder für allezeit behalten könnte ich mich zum Nachtheile dortiger Gemeinden nicht entschliessen.» Nach langwierigen diplomatischen Verhandlungen gelang Kaiser Franz I. (1804- 1835) am 26. Juni 1814 die Besitzergreifung des seit 1805 an Bayern verlorenen Teils von Tirol; und im Dezember des gleichen Jahres fasste man Tirol und Vorarlberg zu einer Provinz zusammen, zu dessen Gouverneur mit Sitz in Innsbruck der Kaiser den Grafen Ferdinand Ernst von Bissingen (1749-1831) ernannte. Auch kirchlich gab es alsbald rückführende, wenn auch keineswegs die Situation beruhigende Änderungen. Da der Bischof von Brixen, die Churer Anteile lediglich provisorisch übernommen wissen wollte, sah er durch die «Heimführung» Tirols unter österreichische Verwaltung die Gelegenheit gekommen, dem Kaiser am 2. August 1814 die Rückstellung der Anteile nach Chur anzubieten. Zeitgleich schlug der päpstliche Nuntius in Luzern, Fabrizio Sceberras Testaferrata (1803-1816), gegenüber Papst Pius VII. die Wiedererrichtung der Churer Diözese in ihrem vollen Umfang vor 1808 vor. Diesem Vorschlag entsprach Pius VII. und teilte dem Churer Bischof Karl Rudolf von Buol-Schauenstein per Breve vom 24. August 1814 über die Luzerner Nuntiatur die Rekonsilierung des Churer Sprengels in seine frühere Ausdehnung mit. Der eben- <?page no="372"?> 372 XII. Das Bistum Chur und das Ende seiner Geschichte in seinen historischen Grenzen am Beginn des 19. Jahrhunderts falls darüber in Kenntnis gesetzte Bischof von Brixen zeigte sich grundsätzlich zur Abtretung der verwalteten Gebiete Walgau und Vinschgau bereit, machte seine Zusage jedoch von der noch ausstehenden kaiserlichen Zustimmung abhängig. Da das päpstliche Breve dem Brixener Oberhirten jedoch die Jurisdiktion bereits entzogen hatte, blieb vorerst nichts anderes übrig, als Karl Franz von Lodron zu ersuchen, die Gebiete im Namen und Auftrag des Churer Ordinariates weiter zu verwalten. Die Landesstelle in Innsbruck, im Auftrag des Churer Bischofs von Gottfried Purtscher über die neueste Lage informiert, wandte sich umgehend nach Wien, wo sie sich vor dem Hintergrund des Länderpurifikationssystems, d. h. keine Jurisdiktionsvergabe an einen ausländischen Bischof mehr zu genehmigen, klar gegen eine solche Rückführung aussprach. Die Wiener Staatskanzlei entschied Ende November 1814, das kaiserliche Plazet gegenüber den am 24. August 1814 ausgestellten päpstlichen Breven an Chur und Brixen zu verweigern. Noch bevor Brixen über diesen Entscheid Kenntnis erhalten hatte, liess Lodron an die Adresse Roms, Innsbrucks und Churs verlauten, er werde auf den 1. Januar 1815 weisungsgemäss das altchurerische Gebiet definitiv an Buol-Schauenstein abtreten. In Brixen erhielt man den Negativentscheid aus Wien erst am 31. Dezember 1814, in Chur sogar erst am 2. Januar 1815, als die Rückgabe gemäss Zusage Brixens bereits vollzogen war. Damit löste man einen ganzjährig dauernden Konflikt zwischen der österreichischen Regierung, die auf keinen Fall eine Wiederaufnahme kirchlicher Jurisdiktion durch einen ‹ausländischen› Bischof auf ihrem Verwaltungsterritorium zu akzeptierten bereit war und somit den josephinischen «Generalsatz» konsequent durchsetzte, mit den beiden Bistümern Brixen und Chur aus. Diese auch die innerkirchliche Verwaltung im Walgau und Vinschgau stark in Mitleidenschaft ziehende Konfliktsituation konnte erst durch die endgültige Entschei- Abb. 249: Rückführung der Dekanate Walgau und Vinschgau in den Churer Sprengel, Breve von Papst Pius VII. vom 24. August 1814 [BAC] <?page no="373"?> 373 3. Durchsetzung des josephinischen «Generalsatzes»: Aussschliessung aller fremden Diözesen dung des Papstes vom Januar 1816 über den Verbleib des österreichischen Anteils des Bistums Chur entschärft werden. Am 3. Januar 1816 schrieb Kardinal Consalvi an den Sekretär und Vertreter des kaiserlichen Botschafters beim päpstlichen Stuhl, Graf Ludwig Lebzeltern (1774-1854), Papst Pius VII. wolle zwar die Breven vom 24. August 1814 an die Bischöfe von Chur und Brixen keineswegs förmlich zurücknehmen, sei aber bereit, ohne seine apostolischen Rechte preisgeben zu müssen, anzuordnen, dass diese vorläufig nicht ausgeführt werden sollten. Wien zeigte sich mit dieser Lösungsfindung einverstanden, und die Kurie informierte die beiden betroffenen Bischöfe. Das alsbald am 27. Januar 1816 erlassene Breve an Bischof Karl Rudolf dankt dem Churer Oberhirten für seine stete Ergebenheit und hegt deshalb keine Zweifel, dass der Bischof auch die neueste Entscheidung annehme. In der Hoffnung auf friedvollere ruhigere Zeiten habe Rom die unter den Bischof von Brixen gestellte Administration der tirolischen und vorarlbergischen Gebiete per Dekret am 24. August 1814 «vollständig wieder zurückgestellt». Da nun jedoch «Umstände von ganz besonderer Wichtigkeit eingetreten» seien, werde das obengenannte Breve suspendiert und - in deutscher Übersetzung: «Du [Karl Rudolf ] wirst Dich also fortan von jeder Ausübung einer bischöflichen Jurisdiction in jenen Theilen von Tirol und Vorarlberg enthalten.» Die Administration gehe erneut an Brixen und der Churer Ordinarius möge sich mit seinem südlichen Nachbarn «in brüderlicher Freundschaft» verständigen, was künftig zum Heil der Gläubigen in den von Chur abgetrennten Gebieten Vinschgau und Walgau diene. Obwohl Buol-Schauenstein die päpstliche Entscheidung wohl oder übel zu akzeptieren hatte, war seine Enttäuschung über diese kirchenpolitisch erzwungene Wende gross. Abb. 250: Päpstliches Breve vom 27. Januar 1816 zur Abtrennung der Distrikte Walgau und Vinschgau von Chur und Angliederung an Brixen [BAC] <?page no="374"?> 374 XII. Das Bistum Chur und das Ende seiner Geschichte in seinen historischen Grenzen am Beginn des 19. Jahrhunderts In ideeller wie materieller Hinsicht war die Abtrennung 1816 ein äusserst schwerer Verlust: Fast 40 % der Churer Pfarreien mit all ihren Seelsorgestationen und insgesamt fast 75’000 Gläubigen gingen verloren (im Dekanat Walgau 49 Pfarreien und 11 Kuratien, im Dekanat Vinschgau 33 Pfarreien). Ferner traf den Churer Bischof der Verlust seiner Einkünfte, die im Breve keinerlei Erwähnung fanden, äusserst hart, washalb er Consalvi in einem Schreiben vom 11. März 1816 ersuchte, dass dem nunmehr massiv verkleinerten Bistum Chur die lebensnotwendigen Einkünfte auf irgendeine Art und Weise zuteil würden, ohne die der Bischof kaum leben könne. Die finanzielle Regelung blieb auch über das Datum der Abtretung der Churer Teile an Brixen am 1. August 1816 hinaus ungeklärt. Bereits vor der Bekanntgabe des päpstlichen Entscheids von Ende Januar 1816 unterbreitete das Gubernium dem Kaiser die Möglichkeit der Schaffung eines Generalvikariats in Vorarlberg, welches bei einer zu erwartenden Diözesanregulierung entweder dem Bistum Brixen oder dem zu schaffenden Bistum Innsbruck unterstellt sein würde. Zur Finanzierung schlug man entweder die Gefälle der 1806/ 07 aufgehobenen Benediktiner- Abb. 251: Bistumseinteilung in Tirol und Vorarlberg seit 1816/ 18 [BAC.BA] <?page no="375"?> 375 3. Durchsetzung des josephinischen «Generalsatzes»: Aussschliessung aller fremden Diözesen abtei Mehrerau bei Bregenz (gegründet 1097) oder die mit Sequester belegten Gefälle des Churer Domkapitels im Vorarlbergischen vor. Mehrerau selbst eigne sich zudem als Sitz eines solchen Generalvikariates, dessen Inhaber als Weihbischof fungieren könnte, denn so wurde betont: «Diese Würde würde diese Anstalt in den Augen der Geistlichkeit und des Volkes ungemein erhöhen.» Am 2. Mai 1818 wurden durch die Zirkumskriptionsbulle «Ex imposito» die Brixener Diözesanverhältnisse neu geordnet. Dabei erhielt Brixen von Chur den oberen Vinschgau, ferner ganz Vorarlberg, dessen Territorium bis dahin den drei Bistümern Chur, Konstanz und Augsburg zugeordnet war. Ab 1820 bildete der Vorarlberg ein dem Bistum Brixen unterstelltes Generalvikariat, dessen erster Leiter Weihbischof Bernhard Galura (1820-1829) mit Amtssitz in Feldkirch wurde. Nach diesem Zuwachs umfasste Brixen neu 16’159 km 2 . Der untere Vinschgau mit Meran und Bozen ging 1818 definitiv an das Bistum Trient. Mit Datum vom 10. September 1816 ist der letzte Hirtenbrief eines Churer Bischofs an seine Gläubigen im Vorarlberg und Tirol gerichtet, worin er die jahrtausendalte Zugehörigkeit österreichischer Gebiete zum Bistum Chur aufgrund des päpstlichen Entscheids Pius VII. vom 27. Januar 1816 für beendet erklärt und sich von Klerus und Volk, welche ab dem 6. Oktober 1816 dem Brixener Oberhirten unterstellt wurden, verabschiedet. Bischof Karl Rudolf von Buol-Schauenstein macht in diesem Schreiben kein Hehl daraus, dass ihn die kuriale Entscheidung zur endgültigen Loslösung der beiden Dekanate Walgau und Vinschgau von Chur mit grossem Schmerz erfüllt: «Wir verbergen anbei nicht, daß Uns diese Trennung von einem Theile Unserer Herde, den Wir stets unter Unseren geliebtesten und getreuesten gezählt haben, nicht wenig schmerzlich fällt.» Der Churer Bischof schliesst seinen letzten Hirtenbrief an Klerus und Gläubige im Vorarlberg und Tirol mit den Worten: «Wir danken Euch für so viele Beweise Eurer Liebe und Treue gegen Uns, und da wir alle E-i-n-e Kirche ausmachen und in dieser mit einander im Geiste vereiniget sind, werden Wir, der äußern Trennung ungeachtet, Euch nie aus Unserm Herzen noch aus Abb. 252: Letzter Hirtenbrief des Churer Bischofs an seine Gläubigen in Vorarlberg und Tirol 1816 [ADF] <?page no="376"?> 376 XII. Das Bistum Chur und das Ende seiner Geschichte in seinen historischen Grenzen am Beginn des 19. Jahrhunderts Unserm Andenken und Gebete für Euch entlassen, so wie Wir in dieses auch Uns gegenseitig empfehlen, indem Wir Euch das letztemal, voll der oberhirtlichen Liebe, Unsern bischöflichen Segen ertheilen.» Mit dem kurialen Schlussstrich im Januar 1816 endete eine über 1000-jährige Geschichte des Bistums Chur in seiner alten Grenziehung - nördlich im vorarlbergischen Götzis und südöstlich im tirolischen Burggrafenamt bei Meran. <?page no="377"?> 377 Rückblick Sowohl die Anfänge des Christentums in Rätien als auch die Errichtung des Bistums Chur liegen weitgehend im Dunkeln. Der erst 451 nachweisbare Bischofssitz Chur am strategisch wichtigen nördlichen Ausgangspunkt zu den Bündner Alpenübergängen Julier, Septimer und Splügen gehörte nach der Eroberung durch die Römer 15 v. Chr. zuerst zur Provinz Raetia. Bei der Neueinteilung der römischen Provinzen im 4. Jahrhundert wurde Chur römischer Verwaltungssitz und Hauptort der «Raetia prima». Wahrscheinlich Ende des 4. / anfangs des 5. Jahrhunderts wurde von Mailand aus das Bistum Chur gegründet. Als erster historisch nachweisbarer Bischof von Chur gilt Asinio (bezeugt 451). Die Bistumsgrenzen waren zunächst weitgehend deckungsgleich mit der römischen Provinz der «Raetia prima»; die nördlichen Teile südlich des Bodensees wurden dann im 7. Jahrhundert dem neuen Bistum Konstanz zugeschlagen. Wahrscheinlich seit Beginn der Bistumsgründung gehörte auch der Vinschgau bis und mit Meran zum kirchlichen Sprengel Chur, welcher bis Mitte des 9. Jahrhunderts als Suffragan dem Erzbistum Mailand unterstand. Mit der Eroberung Venetiens durch den Merowingerkönig Theutebert kam Rätien um 536/ 539 unter fränkische Oberhoheit; die Verfassungs- und Verwaltungsstrukturen aus römischer Zeit blieben daselbst jedoch bestehen. Deren herausragendes Merkmal war die Vereinigung von weltlicher und geistlicher Gewalt in den Händen der einheimischen Familie der Viktoriden (Zacconen) in Rätien. Diese Dynastie erreichte den Höhepunkt ihres Einflusses im 8. Jahrhundert und regierte nach dem Niedergang der fränkischen Herrschaft weitgehend selbständig. Als letzter Vertreter der Viktoriden versah der Churer Bischof Tello (bezeugt 759/ 60-765) in Personalunion das weltliche Amt des Praeses sowie das geistliche Amt des Bischofs und hatte entsprechend die Gesamtherrschaft über Rätien inne. Die feste Eingliederung Rätiens in das karolingische Imperium begann nach der Eroberung des Langobardenreichs 773/ 74 durch Karl den Grossen und der stärkeren Bindung der Alemannen an das Frankenreich. Nach 806 führte Karl der Grosse in Rätien die karolingische Grafschaftsverfassung ein; trennte die geistliche und weltliche Gewalt und damit verbunden Bistumsgut von Königs- und Grafschaftsgut. Diese «divisio» kam einer Neuordnung der Besitz-, Macht- und Herrschaftsverhältnisse in Rätien gleich; sie beendete die frühmittelalterliche Churer Bischofsherrschaft und führte zu einem erheblichen Verlust von bischöflichem Kirchengut. In der Klageschrift des Churer Bischofs Viktor III. (bezeugt 822/ 23-831) gegen die Säkularisationen unter Karl dem Grossen und Ludwig dem Frommen zur Ausstattung des neu geschaffenen Grafenamtes in Rätien wird deutlich, dass im 9. Jahrhundert bereits ein reges kirchliches wie klösterliches Leben vorherrschte und eine ausgebaute Pfarreiorganisation vorlag; zu den frühen Kanonissenstiften bzw. Klöstern zählen die Niederlassungen in Cazis, Mistail, Schänis, Disentis, Pfäfers und Müstair. In Folge der Zuteilung Rätiens im Vertrag von Verdun 843 an das ostfränkische Reich unter Ludwig dem Deutschen kam das Bistum Chur von Mailand weg und wurde als Suffragan bis 1803 der Kirchenprovinz Mainz eingegliedert. <?page no="378"?> 378 Rückblick Zirkumskription des Bistums Chur zwischen dem 8./ 9. Jahrhundert und 1816 • das Gebiet des heutigen Kantons Graubünden (ohne das Puschlav [zum Bistum Como]) • das Urserntal zwischen Oberalpass und Passhöhe der Furka • die nördlichsten Teile des heutigen Kantons Glarus • die südlichen Teile des heutigen Kantons St. Gallen (Linthebene, Sarganserland) • das Rheintal bis zum Hirschensprung (Rüthi) einschliesslich der obertoggenburgischen Gemeinde Wildhaus • das Gebiet des seit 1719 bestehenden Fürstentums Liechtenstein • das Gebiet des südlichen Vorarlbergs bis und mit Götzis • das Paznauntal • der obere und untere Vinschgau • die nördlichen Teile des Burggrafenamts mit der Stadt Meran (Grenze: Einfluss der Passer in die Etsch) • rechte Talseite des Passeiertals (bis und mit Gemeinde St. Martin in Passeier) Aufgrund der geostrategischen Lage des Churer Bischofssitzes am Knotenpunkt der Passrouten über die rätischen Alpen gewannen auch die Churer Bischöfe nach dem Einbruch durch die «divisio» im 10. / 11. Jahrhundert wieder kräftig an Bedeutung und Einfluss. Mittels königlichen Schenkungen und umfangreichen Privilegien an die Bischöfe, vor allem unter Kaiser Otto I., wurde die Grundlage zu einer feudalen geistlichen Herrschaft auf dem Territorium des Bistums Chur geschaffen (Hochstift); dazu kamen Münz-, Zoll- und Steuerrechte. Das hervorragende Einvernehmen zwischen den Bischöfen und dem deutschen Königtum hielt bis zum Investiturstreit an; dieser führte dann auch in Chur zu einem Wechsel von päpstlichen und königlichen Parteigängern unter den geistlichen Amtsträgern. Auch gegenüber den Staufischen Herrschern im 12. Jahrhundert, in deren Gefolge die Churer Hirten wiederholt auf Reichs- und Hoftagen anzutreffen waren, blieb die Gesinnung kaiser- und reichstreu. Neben seinen Reichsdiensten gilt Bischof Adalgott (1151-1160) auf Bistumsebene als herausragende Persönlichkeit; er war wahrscheinlich der erste Bauherr der heutigen Kathedrale (Bauzeit zwischen 1150 und 1272) und ein eifriger Reformer des monastischen Lebens. 1170 befreite Kaiser Friedrich I. Barbarossa den Churer Bischof Egino (1163 -1170) vom Reichs- und Hofdienst - die Geburtsstunde der Churer Oberhirten als geistliche Reichsfürsten (bis 1806). Die Bestrebungen zur Herrschaftsverdichtung führten auf regionaler Ebene zunehmend zu Konflikten und Fehden zwischen den Churer Bischöfen und verschiedenen bischöflichen Vögten und Lehensträgern, wie den Familien Matsch, Werdenberg und Toggenburg. Dessen ungeachtet gelangen im 12. / 13. Jahrhundert weitere Gründungen wichtiger monastischer Gemeinschaften: die Prämonstratenserniederlassungen in St. Luzi in Chur und in Churwalden, das Johanniterpriorat in Feldkirch sowie männliche wie weibliche dominikanische Ordensgemeinschaften in Chur, Weesen, Bludenz und Algund. <?page no="379"?> 379 Rückblick Ausbildung des Hochstifts Chur (weltliches Herrschaftsterritorium der Churer Bischöfe) seit dem 12. Jahrhundert [vgl. Abb. 85] Auf dem Territorium des Bistums Chur: • die Stadt Chur (bis 1464) und der bischöfliche Hof (bis 1803) • die «Vier Dörfer» (Igis, Zizers, Trimmis und Untervaz) • die Kerngebiete lagen an den Nord-Süd-Achsen entlang der Julier-, Septimer- und Splügenpassroute: also die Talschaften Domleschg, Schams, Rheinwald, Oberhalbstein, Albulatal, Bergell, Oberengadin • Münstertal • Herrschaft Flums • Streubesitz in der Surselva, im Unterengadin und im Vinschgau Ausserhalb des Bistums Chur: • im Hochmittelalter vorübergehend Chiavenna und Bormio • Streubesitz um Landeck • Herrschaft Grossengstingen (ca. 937-1694/ 1717) Burgen und Verwaltungssitze (neben dem Hof in Chur): 30 (im 15. Jh.) Eine neue Epoche begann im 14. Jahrhundert mit der immer stärkeren Anlehnung der Churer Bischöfe an Österreich, der Intensivierung des habsburgischen Einflusses im rätischen Raum sowie den Autonomiebestrebungen der Stadt Chur und der ländlichen Gerichtsgemeinden. Es bildeten sich neue übergreifende politische Organisationsformen, wie der Gotteshausbund (1367), der Obere Bund (1395/ 1424) und der Zehngerichtenbund (1436). Der Wandel von der feudalen zu einer dualistisch strukturierten Bischofsherrschaft durch eine landständische Ordnung war unaufhaltsam. Sich mehrende Verkäufe und Verpfändungen unter Bischof Siegfried von Gelnhausen (1298-1321), insbesondere dann die häufige Ortsabwesenheit des Churer Bischofs Peter Gelito (1356-1368) und die durch ihn an österreichische Herzöge gegen ein Jahrgeld übergebenen landesherrlichen Rechte samt Einkünften zwangen das Churer Domkapitel, die Dienstleute, die bischöflichen Talgemeinschaften Domleschg, Schams, Oberhalbstein, Bergell, Ober- und Unterengadin sowie die Stadtgemeinde Chur zu einem aus der Not erwachsenen Zusammenschluss gegen den Bischof mit der Absicht, keine weiteren fremden Bistums- und Hochstiftsverwalter zu akzeptieren sowie willkürliche Veräusserungen von Gütern des Gotteshauses (ohne ihre ausdrückliche Zustimmung) inskünftig zu verhindern. Ziel war die landständische Mitwirkung an der bischöflichen Landesherrschaft, welche trotz Einschränkungen - die zum Teil erfolgreichen Autonomiebestrebungen der Stadt Chur gegenüber dem Bischof und der nicht verwiklichte Wunsch der Stadt nach Reichsfreiheit (freie Reichsstadt) nach 1464 sind beispielhaft - bis zur Reformation intakt blieb. Der Einfluss der österreichischen Herzöge reichte bis hin zu neuen Klosterstiftun- <?page no="380"?> 380 Rückblick gen: so war die Gründung des Klarissenklosters in Meran (1309) eine Stiftung des Tiroler Landesfürsten bzw. seiner Gemahlin. Ferner gelangen im 14. Jahrhundert weitere franziskanische Niederlassungen auf Diözesangebiet (Viktorsberg und Valduna). Die politischen Spannungen im Bistum zwischen habsburgfreundlichen Oberhirten und den einzelnen Bünde hielten auch im 15. Jahrhundert an und eskalierten im Schwabenkrieg 1499. Während der Gotteshausbund damals wenigstens für kurze Zeit gestärkt aus den Kriegshandlungen mit Österreich hervorging, konnte sich Bischof Heinrich von Hewen (1491-1505) nicht gegen die aufgrund seiner Abwesenheit eingesetzte vierköpfige Regentschaft über das Hochstift Chur durchsetzen, übertrug 1504 die weltliche Verwaltung des Bistums dem Churer Domkapitel, welches seit 1448 bis 1806 das freie Bischofswahlrecht besass, und willigte in die Bestellung eines Diözesanadministrators in der Person Paul Zieglers ein. Trotz der instabilen politischen wie prekären finanziellen Verhältnisse der bischöflichen Herrschaft zeigten sich am Ende des Spätmittelalters im Bistum Chur erste Ansätze einer religiös-kirchlichen Erneuerung. Heinrich von Hewen hielt 1492 eine Diözesansynode ab, deren Statuten weitgehend mit jenen der Konstanzer Synode von 1483 übereinstimmten. Sie zielten vor allem auf eine Klerusreform, von deren Umsetzung jedoch wenig zu spüren war. 1497 veranlasste Hewen zudem die Herausgabe des ersten gedruckten Missale Curiense, 1503 auch eines Rituale Curiense. Am Ende des 15. Jahrhunderts bestanden im Bistum in den acht Dekanten 183 Pfarreien mit über 280 Kaplaneien. Vor dem Hintergrund der Machtübernahme der Habsburger, des Herrschaftswandels, des bischöflichen Machtverlustes und magelhaften Führungstils oft abwesender Hirten, der kommunalen Verfestigung autonom agierenden (Gerichts-) Gemeinden und der Ausformung neuer politischer Führungsschichten in Rätien bzw. in dem neuen Gebilde der «Gemeinen Drei Bünde» (1471-1797) bildete sich um 1500 allmählich eine Plattform für die Ausbreitung des reformatorischen Gedankenguts. Den nach 1520 einsetzenden konfessionellen Umwälzungen zeigte sich Bischof Paul Ziegler (1509-1541) nicht gewachsen. Der Ausbruch der Reformation in Bünden führte zum Aufstand gegen die weltliche Herrschaft des Churer Bischofs und zu seiner Entmachtung als Landesherr. Die «Ilanzer Artikelbriefe» von 1524 und 1526 stärkten nicht nur die Autonomie der Gemeinden, sondern befreiten diese von Zehntabgaben und räumten ihnen das Pfarrwahlrecht sowie die Absetzung eines Geistlichen ein. Die bischöfliche Herrschaft reduzierte sich auf den Churer Hofbezirk, auf die im Vinschgau gelegene Feste Fürstenburg, die Herrschaft Grossengstingen in Schwaben und auf Reste in Graubünden (Münstertal, Obervaz, Fürstenau im Domleschg). Bischofssitz blieb trotz der protestantisch gewordenen Stadt immer Chur. Der Reformationsverlauf in Bünden zog sich aufgrund der starken Autonomie der Gemeinden bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts hin, wobei weite Gebiete des Gotteshaus- und Zehngerichtenbundes sich spätestens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts für das reformierte (zwinglianische) Bekenntnis entschieden. Auch im Dekanat «Unter der Landquart» wurden 11 Pfarreien evangelisch (Herrschaften Werdenberg und Sax). Katholisch blieben die Mehrheit des Oberen Bundes, ferner das Urserntal, das Sarganserland, das Linthgebiet, das Territorium des Fürstentums Liechtenstein, Vorarlbergs und Tirols. Von den um 1525 bestehenden 191 Pfarreien wechselten 73 (davon 62 in Bünden) zum neuen Glauben. Für eine dringend notwenige <?page no="381"?> 381 Rückblick innerkirchliche Reform war die bedrängte wie geschwächte Churer Bistumsleitung nach dem Konzil von Trient (1545-1563) noch nicht gerüstet, sondern bedurfte externer Hilfestellungen seitens des Mailänder Erzbischofs und Kardinals Carlo Borromeo und weiterer apostolischer Sondergesandten. Erst nach 1590 setzten unter Druck von aussen erste bischöfliche Reformbestrebungen ein; wie notwendig diese primär im Klerus und in der weitgehend vernachlässigten (Sakramenten-)Pastoral waren, zeigen die Auswertungen der Visitiation von 1595 in den katholisch gebliebenen Gebieten der Dekanate Walgau und Vinschgau. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts setzten dann bistumseigene Reformkräfte klare Zeichen zum Willen einer innerkirchlichen Erneuerung. Als erster Churer Reformbischof ist Johann V. Flugi von Aspermont (1601-1627) zu nennen, dessen eindeutige Reformbestrebungen schriftlichen Niederschlag in den 1605 gedruckten «Decreta et Constitutiones» fanden und beim diözesaneigenen Klerus beginnen mussten. Die «Decreta» dienten gleichzeitig als wichtiges Ersatzinstrument für eine im Bistum Chur schon aus finanziellen wie auch aus politischen Gründen in nachtridentinischer Zeit nie durchgeführten Diözesansynode. Nicht nur die bischöfliche Wirkungszeit Johanns V., sondern auch die Amtszeiten seiner beiden Nachfolger Joseph Mohr (1627-1635) und Johann VI. Flugi von Aspermont (1636-1661) waren überschattet von den «Bündner Wirren» im Freistaat der Drei Bünde, einer Zeit der gefährlichen Bündnispolitik mit den angrenzenden Mächten, Landes internen Parteienkonfikten und sich häufenden Strafgerichten, welche nicht zuletzt den Churer Bischof betrafen (1618). Unter dem zeitweiligen österreichischen Schutz gelangen 1622/ 23 in Lindau bzw. Chur Verträge, welche nicht nur die Rückerstattung der verlorenen Güter und Herrschaftsrechte sowie die freie Bischofswahl garantierten, alle seit 1524/ 26 gegen Bistum und Hochstift gerichteten Artikel für null und nichtig erklärten, sondern auch dem Bischof seine kirchlichen Jurisdiktionsrechte zurückgaben, freie katholische Glaubensausübung und die Tätigkeit kirchlich anerkannter Orden in Bünden erlaubten. Aufgrund dieser Bestimmungen begann 1622 die grossmehrheitlich segensreiche Wirksamkeit der Kapuziner in Bündner Pfarreien. Ferner konnten die Churer Bischöfe auch auf dem Territorium der Drei Bünde Visitationen durchführen; eine Gesamtvisitation des Bistums Chur gelang unter Johann VI. zwischen 1638 und 1643. Die Hoffnung auf vollständige Restitution der durch die Reformation verlorenen bischöflichen Güter und Rechte blieb hingegen unerfüllt, da hierfür die Rückendeckung der Grossmächte ausblieb. Wenigstens gelang 1636 die Wiederansiedlung der Prämonstratenser in St. Luzi in Chur, welche während fast 100 Jahren in der dem Kloster inkorporierten Pfarrei Bendern weilten, kurzzeitig auch die Wiedereröffnung des 1538 geschlossenen Dominikanerklosters St. Nicolai in der Stadt Chur (bis 1653) und die von Bludenz aus durch Dominikanerinnen gelungene Neuansiedlung in Cazis. Ferner kamen im Laufe des 17. Jahrhunderts Gründungen von Kapuzinerklöstern in Meran, Schlanders, Feldkirch, Bludenz und Mels zustande. In der durch das Konzil von Trient im «Seminardekret» von 1563 angestossenen Reform der Priesterausbildung setzte der Jesuitenorden bis 1773 klare Akzente, indem er mittels eines ganzen Netzes von Jesuitenkollegien und -universitäten in Europa dem künftigen Weltklerus die Möglichkeit zu einem fundierten Studium bot. Auch die Churer Alumnen waren bis 1649/ 80 gezwun- <?page no="382"?> 382 Rückblick gen, ausschiesslich ausserhalb der Bistumsgrenzen an Bildungszentren der Società Jesu nördlich oder südlich der Alpen zu studieren; erst Mitte des 17. Jahrhunderts gelang unter Bischof Johann VI. nach langem Hin und Her eine entsprechende Niederlassung in der Stadt Feldkirch (Jesuitenkolleg mit Gymnasium). Im Zuge der Seelsorgereform teilte man alte Grosspfarreien in kleinere selbständige Pfarrsprengel auf. Im Zeitalter des Barocks entstanden vielerorts teils neue oder teils stark umgebaute sowie künstlerisch reichlich ausgestattete Gotteshäuser. Parallel dazu förderten Seelsorger, vor allem die Kapuziner, neue Formen barocker Volksfrömmigkeit als klares Abbild des wieder erstarkten katholischen Glaubens. Im Laufe der Amtszeit Johanns VI. konnten die politischen wie konfessionellen Differenzen in Bünden mehrheitlich friedlich beigelegt werden - ein von der 1586 gegründeten Nuntiatur in Luzern lanciertes «Quasibistum» Disentis, dem 14 Pfarreien des Dekanats Surselva zugeordnet werden sollten, war zum Scheitern verurteilt -, so dass seine beiden Nachfolger in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (Ulrich VI. de Mont [1661-1692] und Ulrich VII. von Federspiel [1692-1728]) in ruhigeren Bahnen das Bistum Chur zu führen vermochten. Rekatholierungsversuche im Prättigau und Unterengadin waren früh gescheitert und mussten dem Klima eines konfessionellen «Nebeneinanders» in Bünden Raum geben. Den Churer Bischöfen erlaubte diese Situation einerseits (nach einem längeren Unterbruch infolge der reformatorischen Wirren), sich als legitime geistliche Reichfürsten wieder vermehrt auf dem Parkett der Reichspolitik zurückzumelden und sich auf den seit 1664 regelmässig zu Regensburg einberufenen Reichstagen würdig vertreten zu lassen. Andererseits stand es im Interesse ihrer überregionalen Stellung, die eigene Churer Residenz auf dem Hof nicht nur zu sanieren, sondern nach gelungenem Abbau eines massiv drückenden Schuldenberges ihre Sitze in Chur und im oberen Vinschgau - die Feste Fürstenburg - standesgemäss ausbauen zu lassen. Die Zeit des Barock als eine Epoche wiederaufblühender katholicher Kultur zwischen Konfessionalisierung und Aufklärung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch auf dem Territorium des Churer Bistums in unrühmlicher Komplizenschaft mit evangelischen Gemeinden diverse Wellen von Hexenverfolgungen zu verzeichnen sind, welche, wenn auch vor weltlichen Gerichten durchgeführt, von kirchlicher Seite viel zu lange Unterstützung fanden oder geduldet wurden. Eine deutliche Kehrtwende in diesem verwerflichen Verhalten, das unzähligen unschuldigen Menschen (in der Mehrzahl Frauen) das Leben kostete, war erst ab Mitte des 17. Jahrhunderts zu spüren. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde der traditionell enge wie zeitweilig auch vertraglich abgesicherte Anschluss der Churer Bischöfe an das Haus Österreich einer schweren Belastung ausgesetzt. Johann Baptist Anton von Federspiel (1755-1777) und Franz Dionys von Rost 1777-1793) standen nicht nur in kritischer Distanz zu den Strömungen der Aufklärung, sondern sahen sich alsbald im Kampf gegen das aufgeklärte Staatskirchentum Maria Theresias und Josephs II., welches vor allem unter Bischof von Rost in den österreichischen Bistumsanteilen in Tirol und Vorarlberg hart zu spüren war und folgeschwere Konsequenzen nach sich zog. Von Rost musste die meisten staatlichen Reformen und Massnahmen, die Kaiser Joseph II. zwischen 1781 und 1789 in atemberaubendem Tempo erliess, hinnehmen, darunter die Klosteraufhebungen im <?page no="383"?> 383 Rückblick Vinschgau und Burggrafenamt (Klarissen in Meran, Kartäuser im Schnalstal, Dominikanerinnen in Algund, Hieronymitaner am Josephsberg ob Forst) sowie in Vorarlberg (Klarissen in Valduna, Minoriten auf dem Viktorsberg). Von Anfang an zäh und letztlich wenig «ertragsreich» verlief hingegen das josephinische Pfarreieinrichtungsgeschäft. Das Bestreben Josephs II., auch im Westen Österreichs die Landesmit den Diözesangrenzen in Übereinstimmung zu bringen (Diözesanregulierung) und die österreichischen Teile des Bistums Chur - Dekanate Vinschgau und Walgau - mit den vorarlbergischen Teilen der Bistümer Konstanz und Ausburg zu einem neuen Bistum Bregenz zusammenzuführen, verlief zu Lebzeit des Kaisers erfolglos und die Pläne verschwanden in den Schubladen der Innsbrucker bzw. Wiener Amtsstuben. Der josephinische Grundsatz hingegen, künftig keinen ausländischen Bischof auf österreichischem Territorium zu dulden, blieb virulent und wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach dem Zusammenbruch der alten Ordnung im Reich (Säkularisation 1802/ 03, Untergang des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation 1806) umgesetzt. Per Breve vom 27. Januar 1816 wurden die Churer Dekanate Vinschgau und Walgau (ohne Liechtenstein) vom Bistum Chur abgetrennt und Brixen bzw. Trient zugeordnet - in materieller wie ideeller Hinsicht ein herber Verlust für das bereits durch die Reformation geschmälerte Bistum, welches damit in seinem historischen Umfang betrachtet zu seinem Ende kam. Erst die umfangreiche Neuordnung der Diözesen in Deutschland und der Schweiz verschafften Chur 1819 mit dem Zuwachs der «Schweizer Quart» des 1821/ 27 untergegangenen Bistums Konstanz eine beträchtliche Erweiterung und setzt damit den zeitlichen Beginn zu einer Churer Bistumsgeschichte in neuer Zirkumskription. <?page no="385"?> 385 Anhang I. Churer Bischofsliste Hinweis: Verzeichnet sind nur historisch nachweisbare Bischöfe von Chur. Asinio bez. 451 Valentian gest. 548 Paulinus bez. 548 Theodor bez. 599-603 Viktor I. bez. 614 Paschalis 3. Drittel des 7. Jahrhunderts Viktor II. bez. Anfang des 8. Jahrhunderts Vigilius bez. 1. Hälfte des 8. Jahrhunderts Tello bez. 759/ 60-765 Constantius bez. 773/ 74 Remedius bez. 791/ 96-806 Viktor III. bez. 822/ 23-831 Verendar bez. 836-843 Esso bez. 849-868 Ruodhar (Rothar) gest. vor 888 Diotolf (Theodolf ) bez. 888-913 Waldo bez. 920-940, gest. 949 Hartbert bez. 951-972 Hiltibald bez. 976-988 Ulrich I. bez. 1006-1024 Hartmann I. bez. 1030-1036, gest. 1039 Dietmar von Montfort bez. 1040-1061, gest. 1070 Heinrich I. von Montfort bez. 1070-1078 Norbert bez. 1080-1087, gest. 1088 Ulrich II. von Tarasp 1087-1095 Wido 1096-1122 Konrad I. von Biberegg 1123-1142 Konrad II. 1142-1150 <?page no="386"?> 386 Anhang Adalgott 1151-1160 Egino von Ehrenfels 1160-1170 Ulrich III. von Tegerfelden 1170-1179 Bruno 1180 Heinrich II. von Arbon bez. 1180, 1192 Arnold I. bez. 1199 Reinher della Torre 1194-1209 Arnold II. von Matsch 1209-1221 Rudolf I. von Güttingen, OSB 1224-1226 Berthold von Helfenstein 1228-1233 Ulrich IV. von Kyburg 1233/ 34-1237 Volkard von Neuburg 1237-1251 Heinrich III. von Montfort, OP 1251-1272 (bis 1268 nur Elekt) Konrad III. von Belmont 1273-1282 (bis 1278 nur Elekt) Friedrich I. von Montfort 1282-1290 (bis 1287 nur Elekt) Berthold II. von Heiligenberg 1291-1298 (nur Elekt) Siegfried von Gelnhausen 1298-1321 Rudolf II. von Montfort 1322 1322-1325 (Administrator) 1322-1334 Bischof von Konstanz Johannes I. Pfefferhard 1325-1331 Ulrich V. (Ribi) von Lenzburg, OESA 1331-1355 Peter I. Gelyto [Wurst] 1356-1368 1368-1371 Bischof von Leitomischl 1371-1381 Erzbischof von Magdeburg 1381-1387 Bischof von Olmütz Friedrich II. von Erdingen 1368-1376 (ernannter Bischof ) 1376-1396 Bischof von Brixen Johannes II. (Ministri) von Ehingen 1376-1388 (bis 1377[? ] nur Elekt) Hartmann II. von Werdenberg-Sargans 1388-1416 (bis 1412[? ] nur Elekt) <?page no="387"?> 387 I. Churer Bischofsliste Johannes III. Ambundii 1416-1418 1418-1424 Erzbischof von Riga Johannes IV. Naso (Naz) 1418-1440 Konrad von Rechberg zu Hohenrechberg 1440-1441 (Administrator) Heinrich IV. Freiherr von Hewen 1441-1456 (Administrator) 1436-1462 Bischof von Konstanz Antonio de Tosabeciis 1456 (ernannter Bischof ) Leonhard Wismair 1456-1458 (nur Elekt) Ortlieb von Brandis 1458-1491 Heinrich V. von Hewen 1491-1505 Paul Ziegler 1505-1509 (Administrator) 1509-1541 (Bischof ) Lucius Iter 1542-1549 Thomas von Planta 1550-1565 Beat à Porta 1565-1581 Peter Raschèr 1581-1601 Johann V. Flugi von Aspermont 1601-1627 Joseph Mohr 1627-1635 Johann VI. Flugi von Aspermont 1636-1661 Ulrich VI. de Mont 1661-1692 Ulrich VII. von Federspiel 1692-1728 Joseph Benedikt von Rost 1729-1754 Johann Baptist Anton von Federspiel 1755-1777 Johann Franz Dionys von Rost 1777-1793 Karl Rudolf von Buol-Schauenstein 1794-1833 1824-1833 Bischof von St. Gallen Johann Georg Bossi 1835-1844 1835-1836 Bischof von St. Gallen Kaspar de Carl ab Hohenbalken 1844-1859 Nikolaus Franz Florentini 1859-1876 Kaspar Willi, OSB 1877-1879 Franz Konstantin Rampa 1879-1888 Johannes Fidelis Battaglia 1889-1908 <?page no="388"?> 388 Anhang Georgius Schmid von Grüneck 1908-1932 Laurenz Matthias Vincenz 1932-1941 Christianus Caminada 1941-1962 Johannes Vonderach 1962-1990 Wolfgang Haas 1990-1997 1997-1998 (Apostolischer Administrator) seit 1997 Erzbischof von Vaduz Amédée Grab, OSB 1998-2007 Vitus Huonder seit 2007 <?page no="389"?> 389 II. Zeittafel II. Zeittafel 15 v. Chr. Eroberung und Anschluss des späteren Gebietes Rätiens an das Imperium Romanum 41-54 Schaffung der römischen Provinz «Raetia er Vindelica» unter Kaiser Claudius 284-337 Reichsreformen unter den Kaisern Diokletian und Konstantin I. d. Gr. Zweiteilung der Provinz «Raetia» in: «Raetia prima» mit Hauptort Chur / «Raetia secunda» mit Hauptort Augsburg 377 bislang älteste datierte christliche Inschrift der Schweiz (im Rathaus Sitten) um 380 Anfänge der Bistumsorganisation im Alpenraum Ende 4. Jh. / Anfang 5. Jh. Gründung des Bistums Chur (von Mailand aus) 451 erste urkundliche Nennung eines Churer Bischofs (Asinio) 476 Absetzung des letzten weströmischen Kaisers: «Raetia prima» wird Teil des Reiches Odoakers 493 Sieg Theoderichs über Odoaker: «Raetia prima» wird Teil des Ostgotenreiches 5./ 6. Jh. Missionarisches Wirken des hl. Luzius in der Umgebung von Chur 536/ 37 «Raetia prima» wird Teil des merowingischen Frankenreiches 548 Todesjahr des Churer Bischofs Valentian Ende 6. Jh. Neufestlegung der Churer Bistumsgrenzen (im Zusammenhang mit der Gründung des Bistums Konstanz) [blieben dann unverändert bis 1816] Bergell (bislang zum Bistum Como) neu ans Bistum Chur angegliedert Die bislang zu Chur gehörigen Gebiete des heutigen Glarnerlands, Thurgaus, Toggenburger und Appenzeller Landes sowie Gebiete um Bregenz werden Konstanz zugeteilt. Oberer und unterer Vinschgau sowie Teile des Burggrafenamts mit der Stadt Meran gehörten wahrscheinlich immer zur «Raetia prima» und daran anknüpfend kirchlich zum Bistum Chur (und nicht, wie frühere Forschungen bislang annahmen) zuerst zum Bistum Säben. 7. Jh. Wirken des hl. Florinus als Pfarrer in Ramosch (Unterengadin) um 700/ 720 Gründung des Frauenklosters Cazis (Kanonissenstift) um 750 Gründung des Frauenklosters Mistail (Kanonissenstift) um 750 Gründung des Benediktinerklosters Pfäfers um 750 Gründung des Benediktinerklosters Disentis nach 750 Neubau der Churer Kathedrale unter Bischof Tello 765 Testament des Bischofs Tello 773/ 74 Schutzurkunde Karls des Grossen für Bischof (Constantius) und Volk Churrätiens nach 775 Gründung des Benediktinerklosters Müstair 790/ 91-806 Bischof Remedius zu Beginn des 9. Jh. Existenz von rund 50 Pfarreien auf dem Territorium des Bistums Chur <?page no="390"?> 390 Anhang um 806 Einführung der Grafschaftsverfassung in Churrätien durch Karl d. Gr. 807 Hunfrid, erster Graf von Rätien nach 814 Gründung des Frauenklosters Schänis (Kanonissenstift) 822/ 23-831 Bischof Viktor III.: Übergriffe auf Bischofsgut (Klageschriften) 842 Zum letzten Mal nimmt ein Churer Bischof (Verendar) an einer Mailänder Provinzialsynode teil. um 842 Anlage des Reichsgutsurbars 843 Fränkische Reichsteilung (Vertrag von Verdun): Bistum Chur wird vom Metropolitanverband Mailand abgetrennt und als Suffraganbistum der Kirchenprovinz Mainz zugeteilt (bis 1803) 852 Zum ersten Mal nimmt ein Churer Bischof (Esso) an einer fränkischen Synode in Mainz teil. 951-972 Bischof Hartbert: Bedeutende Zuwendungen durch Kaiser Otto I. als Grundlage zum späteren bischöflichen Feudalstaat (Hochstift Chur) 980 Kaiser Otto II. schenkt dem Churer Bischof den Brückenzoll an der Maira zu Chiavenna 995 König Otto III. übergibt das Lehen der Grafschaft Chiavenna an die Kirche zu Chur 1070 Erste noch erhaltene, von einem Churer Bischof ausgestellte (Pergament-) Urkunde [mit Siegel des Bischofs] 1076-1122 Bischöfe von Chur im Bannstrahl des Investiturstreites 1137/ 39 Verkauf der Herrschaft Oberengadin durch die Grafen von Gammertingen an den Churer Bischof 1146 Verlegung des in Scuol gegründeten Eigenklosters in den oberen Vinschgau (ob Burgeis): Beginn der bis heute bestehenden Benediktinerabtei Marienberg 12./ 13. Jh. Ausbau der bischöflichen Grundherrschaft um 1140 Berufung von Prämonstratenserpatres nach Chur: Gründung des Klosters St. Luzi (erste Erwähnung als Klosters 1149) 1151-1160 Bischof Adalgott als Reformer der alten Klöster und erster Bauherr der heutigen Kathedrale zu Chur (Baubeginn nach 1150) 1157 Bestätigung der Reformarbeit Adalgotts durch den Erzbischof von Mainz 1170 Bischof Egino (1160-1170) wird als erster Churer Oberhirte als Fürstbischof bezeichnet 1194 Absetzung und Exkommunikation des Churer Bischofs Heinrich II. durch Papst Cölestin III. (wegen enormer Misswirtschaft und anderer schwerer Vergehen) 1208 päpstliche Schutzurkunde für das Prämonstratenserkloster Churwalden (gegründet mit Hilfe der Herren von Vaz um 1150) 1215 Viertes Laterankonzil (eines der grössten mittelalterlichen Konzilien) mit Teilnahme des Churer Bischofs Arnold II. 1218 Stiftung des Johanniterpriorats in Feldkirch 1219 Errichtung des Kollegiatsstifts San Vittore in der Valle Mesolcina <?page no="391"?> 391 II. Zeittafel 1220 Älteste noch erhaltene (Pergament-)Urkunde mit einem Siegel des Churer Domkapitels (Gütertausch mit dem Prämonstratenserkloster St.-Luzi) 1220/ 30 Gründung der Prämonstratenserpropstei St. Jakob im Prätttigau 1233 Ermordung des Churer Bischofs Berthold von Helfenstein in der Nähe von Rueun 1241 Gründung des Dominikanerinnenklosters Maria Steinach in Algund 1246 Suspenion und Exkommunikation des Churer Bischofs Volkard von Neuburg durch Papst Innozenz IV. (wegen klarer Parteinahme für den abgesetzten und gebannten Stauferkaiser Friedrich II.) 1251-1272 Bischof Heinrich III. von Montfort OP während der turbulenten Zeiten des Interregnums (1245-1273) nach 1253 Bau der Churburg 1255 Sieg Heinrichs III. im Kampf gegen den rätischen Adel bei Domat/ Ems und Sicherung des Churer Hochstiftsbestandes 1256 urkundlich älteste Erwähnung der Dominikanerbeginen in Weesen (später Dominikanerinnenkloster Maria Zuflucht) 1272 Konsekration der fertiggestellten Churer Kathedrale durch Bischof Heinrich III. 1273 erste noch erhaltene Statuten des Churer Domkapitels 1277 Berufung der Dominikanerpatres nach Chur unter Bischof Konrad III. von Belmont: Gründung des Klosters St. Nicolai am Kornplatz 1281 erste urkundliche Erwähnung eines Weihbischofs (Johannes, Bischof von Litauen; weihte 1288 drei Altäre im Kloster St. Nicolai) um 1282 Bau der Fürstenburg 1286 Gründungsjahr des Dominikanerinnenklosters St. Peter in Bludenz 1290 Tod des seit 1289 auf Schloss Werdenberg inhaftierten Churer Bischofs Friedrich I. von Montfort infolge des missglückten Fluchtversuchs 1. Hälfte des 14. Jh. Churer Bischöfe in Auseinandersetzungen zwischen weltlichen und geistlichen Herrschern 1303-1315 diverse Verpfändungen und Verkäufe bischöflichen Besitzes unter Bischof Siegfried von Gelnhausen (zwecks Beschaffung neuer Geldquellen) 1309 Stiftung des Klarissenklosters in Meran 1322-1325 Bischofsadministratur I: Rudolf II. von Montfort 1331 Tod des Bischofs Johannes I. Pfefferhard in Gefangenschaft auf Burg Tüfelsruggen 1337/ 38 Tod Donats von Vaz: Kurzzeitige Beruhigung des durch Raubzüge und Brandschatzung durch den Vazer massiv geschädigten Hochstifts Chur 1347 Verwüstung der Stadt Meran und Inhaftierung des Churer Bischofs Ulrich V. (Ribi) von Lenzburg auf Schloss Tirol durch den Markgrafen Ludwig von Brandenburg 2. Hälfte des 14. Jh. Intensivierung der habsburgerfreundlichen Politik der Churer Bischöfe <?page no="392"?> 392 Anhang 1358 Bündnis zwischen Bischof Peter I. Gelyto und Österreich 1360 Übergabe der weltlichen Herrschaft des Bistums Chur (Hochstift) samt den Einkünften an die Herzöge von Österreich (auf 8 Jahre) 1367 Abkommen der Vertreter des «Gmein Gotzhus» (als Gründung des Gotteshausbund angesehen) gegen die Amtsführung des Churer Bischofs Peter I. Gelyto 1383 Stiftung des Minoritenklosters auf dem Viktorsberg ob Röthis 1387 Ausbau der Septimer-Passstrasse durch Jakob von Castelmur 1388/ 93 Stiftung des Klarissenklosters in Valduna bei Rankweil 1395 Bündnis zur Sicherung des Landfriedens («Oberer Bund») zwischen Abt von Disentis, Herr von Rhäzüns und Herr von Sax 1414-1418 Konzil von Konstanz 1418-1440 Episkopat Johannes IV. Naso (Naz) 1424 Erneuerung und Ausdehnung des «Oberen Bundes» 1431-1449 Konzil von Basel 1436 Zusammenschluss des sog. «Zehngerichtenbundes» 1440-1441 Bischofsadministratur II: Konrad von Rechberg zu Hohenrechberg 1441-1456 Bischofsadministratur III: Heinrich IV. von Hewen 1448 Churer Domkapitel erhält durch das Wiener Konkordat von 1448 das freie Bischofswahlrecht (bis 1806) 1451/ 52 Schamser Fehde 1453-1458 Churer Bischofsstreit 1458-1491 Episkopat Ortlieb von Brandis 1464 Churer Stadtbrand 1464-1489 Emanzipationsbestrebungen der Stadt Chur: Auslösung der Reichsvogtei 1471 Bildung des «Freistaates» der Drei Bünde 1486-1492 Schaffung des Hochaltar-Retabels in der Kathedrale zu Chur durch Jakob Russ aus Ravensburg 1490 Ortlieb von Brandis erlässt das «Directorium pro clero» 1490 Ortlieb von Brandis gibt «Breviarium Curiense» heraus 1491 Churer Diözesansynode unter Bischof Heinrich V. von Hewen 1497 Herausgabe des «Missale Curiense» 1498 Anerkennung Churs als freie Reichsstadt durch Kaiser Maximilian I. abgelehnt 1498 Bündnis des Gotteshausbundes mit der Eidgenossenschaft 1499 Schwabenkrieg (Calvenschlacht: 22. Mai) 1499-1504 Vierköpfige Regentschaft über das Hochstift Chur 1500/ 02 Erbeinigung mit Österreich 1504-1509 Bischofsadministratur IV: Paul Ziegler 1509-1541 Episkopat Paul Ziegler 1518 Erneuerung der Erbeinigung mit Österreich 1519 Unterstellung der Gotteshausleute im Gebiet des oberen Vinschgaus unter das tirolische Gericht Naudersberg <?page no="393"?> 393 II. Zeittafel 1523 Stellenantritt von Johannes Dorfmann (Comander) an der Stadtpfarrkirche St. Martin in Chur 1523 Abfassung der «Sieben Artikel» des Oberen Bundes in Ilanz (Ruf nach kirchlichen Reformen) 1523 Verabschiedung eines 18-Punkte-Mandats durch die Vertreter der drei Bünde in Chur (gedruckt) ab 1523 Ausbreitung evangelischen Gedankengutes in Feldkirch und Teilen Vorarlbergs (durch die Erzherzöge rasch unterbunden) 1524 1. Ilanzer Artikelbrief 1524 Abfassung eines gemeinsamen Bundesbriefes (Verfassung für alle drei Bünde) in Ilanz [Bischof von Chur als Haupt des Gotteshausbundes verweigert diese Bundesverfassung.] 1524 Bischof Paul Ziegler verlässt im Sommer die Residenz auf dem Hof in Chur (Wohnsitz auf der Fürstenburg, ohne Rückkehr bis zu seinem Tod 1541) um 1525 Bestand von 191 Pfarreien auf dem Territorium des Bistums Chur 1525 Bauernunruhen und Aufstände in Teilen Tirols 1525 Landtag der Bürger und Bauern des Burggrafenamtes in Meran: Abfassung der «62 Meraner Artikel» 1525 Päpstliche Bestätigung des späteren Reformordens der Kapuziner 1526 erste gedruckte Landesordnung der Gefürsteten Grafschaft Tirol 1526 Gescheiterte Disputation in Ilanz (Kampf um Kirchenreform auf theologischer Ebene) 1526 2. Ilanzer Artikelbrief 1524-1616 Ausbreitung der Reformation auf dem Territorium der Drei Bünde (62 Pfarreien nehmen neuen Glauben an) 1529 Hinrichtung (wegen Hochverrats) des Abtes von St. Luzi, Theodul Schlegel, in Chur 1529 Bildersturm-Aktionen in Amden, Mels, Ragaz und Weesen (1531 zwangsweise Rekatholisierung) 1532 Revidierte Landesordnung der Gefürsteten Grafschaft Tirol (Rücknahme der noch 1526 gemachten Reformzugeständnissen) 1537/ 47 Schaffung der Evangelisch-rätischen Synode 1537 Kuriales Reformgutachten «Concilium de emendanda ecclesia» 1538 Einziehung der Klostergüter und erzwungener Wegzug der Prämonstratenser aus dem Kloster St. Luzi in Chur nach Bendern (bis 1636) 1538 Einziehung sämtlicher Güter des Dominikanerklosters St. Nicolai in Chur (über den Aufenthalt der Dominikaner zwischen 1538 und 1624 ist nichts bekannt) 1540 Päpstliche Bestätigung des regulierten Klerikerordens der Jesuiten 1541 «Sechs Artikel» des Gotteshausbundes (sog. staatliche Wahlkapitulationen) <?page no="394"?> 394 Anhang 1541 Reformorientierte Statuten des Churer Domkapitels (abgefasst von Domdekan Bartholomäus von Castelmur) 1545-1563 Konzil von Trient 1551/ 52 Bischof Thomas Planta auf dem Konzil von Trient 1563 Morone’sches Reformpaket auf dem Konzil 1563 Verabschiedung des «Seminardekrets» auf dem Konzil 1564 Annahme der Konzilsbeschlüsse durch die sieben Orte der katholischen Eidgenossenschaft 1567-1582 Visitationen durch Kardinal Carl Borromeo der ambrosianischen Täler des Tessin (zum Erzbistum Mailand) 1570 «Schweizer Reise» Carlo Borromeos und erste Reformvorstösse 1574 «Vier Artikel» des Gotteshausbundes: Churer Bischof sollte den Bund als seinen Schutz- und Schirmherrn anerkennen und diesem jährlich sämtliche Abrechnungen vorlegen 1578 Erste Reformen für das Churer Domkapitel (durch Feliciano Ninguarda) 1579 Gründung des Collegio Elvetico in Mailand 1580 Garantierte Studienfreiplätze für Feldkircher Bürgersöhne am Collegio Germanico 1580 Erzwungene Resignation des Churer Bischofs Beat à Porta 1582 Päpstliche Ernennung von Carlo Borromeo zum ausserordentlichen apostolischen Visitator der damaligen Schweiz und der Drei Bünde 1583 Visitation durch Carlo Borromeo im Misox (verbunden mit dem Kampf gegen «Ketzer») [Hexenverfolgungen]) 1584 Gründung des Collegio de Santa Maria (Collegio Papio) in Ascona 1586 Errichtung der Nunziatur in Luzern 1595 Visitation im Walgau und Vinschgau um 1595 Reformorientierte Verordnungen in 35 Artikeln des Churer Generalvikars und Dompropstes Nicolaus Venosta an den Klerus des Bistums Chur 1598/ 99 Reformen für den Churer Bischof und das Domkapitel (durch Giovanni della Torre) 1599 Erlass der «Ratio Studiorum» (Lehrplan der Jesuiten zur Ausbildung der Geistlichkeit, gültig bis 1773) 1601-1661 Zeit der Churer Reformbischöfe 1605 Abfassung und Druck der «Decreta et Constitutiones» von Bischof Johann V. Flugi (wegweisendes Reformmandat für Klerus und Sakramentenpastoral) 1605 Gründung des Kapuzinerklosters in Feldkirch 1616 Gründung des Kapuzinerklosters in Meran 1618 Thusner Strafgericht (Tod Nicolò Ruscas, Landesverweis des Churer Bischofs) 1622 Erneuerung der Erbeinigung von 1518 mit Österreich 1621 Beginn der Rätischen Kapuzinermission («Missione apostolica dei Cappucini in Rezia») [mit Übernahme von diversen Pfarreien bis ins 20. Jh.] <?page no="395"?> 395 II. Zeittafel 1622 Martyrertod des Kapuziners Fidelis von Sigmaringen in Seewis im Prättigau (im Zuge der gescheiterten Rekatholisierungsversuche unter österreichischer Vorherrschaft) 1622 Lindauer Vertrag 1623 Abfassung der «Scappischen Artikel» in Chur: Annullierung aller antikatholischer Bestimmungen, vollständige Religionsfreiheit in Bünden, Akzeptanz kirchlich anerkannter Orden, Anerkennung der Trienter Beschlüsse und Einführung des Gregorianischen Kalenders in den katholischen Gemeinden Bündens 1623-1643 Stationierung von Kapuzinern beim sog. «Kratz» in der Stadt Chur (Haus im Besitz des Bischofs) ab 1623 Beginn der kirchlichen Visitationen auf dem Territorium Bündens (Misox bereits früher) um 1624 Abfassung der kurialen «Instructio» zur korrekten Führung von Hexen- und Zaubereiprozessen seit 1627 Ignorierung der Beschwörung der Artikel von 1541 bei/ nach Bischofswahlen: Neubeginn eines von staatlicher Bevormundung sich lösenden rein innerkirchlichen Wahlverfahrens 1629 Kirchliche Restitutionsbestrebungen unter Bischof Joseph Mohr (nur wenig Erfolge) 1635 Gründung der Kapuzinermission im Misox («Missione apostolica dei Cappucini nelle Valli di Mesolcina e Calanca») 1635 Schuldenberg von gegen 60’000 Gulden gefährden das Bistum und das seit der Reformation ohnehin geschrumpfte Hochstift Chur 1636 Gescheiterter Versuch Bischofs Johann VI. Flugi von Aspermont, Jesuiten nach Chur zu holen 1636-1663 Umfangreiche Sanierung und Ausbau des Bischöflichen Schlosses auf dem Hof in Chur 1638-1643 Generalvisitation des gesamten Bistums Chur unter Bischof Johann VI. 1641 Kauf des Schlosses Knillenberg in Obermais bei Meran durch Bischof Johann VI. (als Privatsitz) 1642 Erneute Erbeinigung 1643-1880 Erzwungener Wegzug der Kapuziner aus dem Stadtgebiet von Chur auf den bischöflichen Hof (Übernahme der Seelsorge am Dom) 1644 Gründung des Kapuzinerklosters in Schlanders 1645 Gründung des Kapuzinerklosters in Bludenz ab 1645 Wiedererlangung von Sitz und Stimme des Churer Bischofs als Reichsfürst auf den Reichstagen 1645 Druck der Schrift von Bischof Johann VI. «Catalogus oder ordentliche Series der Bischoffen zu Chur» (inkl. eines Verzeichnisses der ehemaligen Herrschaftsrechte) 1646 Herausgabe des «Proprium Sanctorum Curiense» unter Bischof Johann VI. <?page no="396"?> 396 Anhang 1647/ 48 Gescheiterter Versuch Johanns VI. auf den Friedensverhandlungen in Münster um reichsrechtliche Anerkennung der Bestimmungen von Lindau und Chur (1622/ 23) 1649 Gründung und Ausbau der Jesuitenniederlassung in Feldkirch (erlangte 1680 den Status eines Jesuitenkollegs) 1650 Gründung des Kapuzinerklosters in Mels 1654/ 55 Rettung von sog. «Hexenkindern» aus der Gemeinde Vals 1655 Gescheiterter Versuch der Luzerner Nuntiatur zur Erstellung eines «Quasibistums» Disentis (Loslösung von 14 Pfarrkirchen aus der Jurisdiktion des Churer Bischofs) 1657 Verkauf der Herrschaftsrechte im Vinschgau 1679-1682 Prozess gegen den Schaaner Kaplan Gerold Hartmann wegen Hexerei bis 1685 Dismembrationen von Gross- oder Talpfarreien im Bistum Chur und Ausformung nachtridentinischer Frömmigkeit bis 1692 grossangelegte Umbauten und Neukonzeptionen in barocker Ausgestaltung von Gotteshäusern im Dekanat Surselva 1717 Verkauf der bischöflichen Herrschaft Grossengstingen an das Kloster Zwiefalten 1719 Schaffung eines reichsunmittelbaren Fürstentums aus den beiden Herrschaften Vaduz und Schellenberg 1728-1762 Auskauf der bischöflichen Hoheitsrechte im Val Müstair 1732 Herausgabe des «Rituale Romano-Curiense» unter Bischof Joseph Benedikt von Rost 1743 Visitation im Dekanat Walgau (nach jahrelanger Weigerung seitens der Vorarlberger Regierung) 1753 Bau des sog. «Brillentors» durch die Stadt vor das Hoftor (bestand bis 1854) ab 1755 Beginn der Verschlechterung im jahrhundertealten Beziehungsgeflecht zwischen Churer Bistumsleitung und Österreich im Zuge der theresianisch-josephinischen Kirchenpolitik 1770 Druck der Faszikel des Brixener Geistlichen Joseph Resch über Churer Bischöfe (bis 1233) unter dem Titel «Annales Ecclesiae Curiensis» 1774-1776 Tätigkeit des Churer Diözesangeistlichen Johann Joseph Gassner als Teufelsbanner und Wunderdoktor 1782, 1785, 1786 Auswirkungen der Klosteraufhebungspolitik Josephs II. im Vinschgau und Walgau: Aufhebungen des Klarissenklosters in Meran (1782), der Kartause Allerengelberg im Schnalstal (1782), des Dominikanerinnenklosters Maria Steinach in Algund (1782), des Klarissenklosters in Valduna (1782), des Minoritenklosters auf dem Viktorsberg (1785) und des Hieronymitanerklosters auf dem Josephsberg ob Forst (1786) 1782-1789 Josephinisches Pfarreinrichtungsgeschäft in Vorarlberg und Tirol mit Sperrung von Gotteshäusern und massiven Eingriffen in die Volksfrömmigkeit <?page no="397"?> 397 II. Zeittafel 1782-1785 Josephinische Diözesanregulierung in Vorarlberg und Tirol: Plan zu einem Bistum Bregenz (1783) 1783-1790 Staatliche Regulierung des Priesternachwuchses mittels Generalseminare 1789 Volksaufstand in Vorarlberg, Pastoralvisitation durch Bischof Franz Dionys von Rost zur Beruhigung der angespannten Lage 1794-1833 Amtszeit des letzten Fürstbischofs von Chur, Karl Rudolf von Buol- Schauenstein 1797 Druck der ersten Churer Diözesangeschichte «Episcopus Curiensis in Rhaetia sub Metropoli Moguntina chronologice ac diplomatice illustratus» von Pater Ambrosius Eichhorn OSB 1798-1807 Residenznahme des Churer Bischofs in der Stadt Meran 1799 Französische Truppen in Bünden und Einquartierungen auf dem bischöflichen Hof 1798-1803 Helvetische Republik 1801 Gründung des diözesanen Priesterhauses in Meran (Verlegung nach St.-Luzi in Chur 1807) 1803 Reichsdeputationshauptschluss in Regensburg: Reichsrechtliche Sanktionierung der Säkularisation kirchlichen Besitzes und Mediatisierung aller geistlichen Territorien 1804 Verzicht der Tagsatzung auf Säkularisation des Bistum Chur, aber Verlust der hoheitlichen Kompetenzen (Vereinigung des Hofbezirkes als ehemaliges Reichsgebiet mit der Stadt Chur, bis 1852 noch eigenes Gericht) 1804 Neue Pläne einer Diözesanregulierung in Tirol unter Kaiser Franz II. 1805-1814 Tirol unter bayerischer Regierung des Königreiches Bayern 1806 Untergang des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1806 Vereinbarung zwischen dem letzten Abt von St. Luzi, Nicolaus de Rupe Gyr, und Regens Gottfried Purtscher, die Gebäude des Prämonstratenserklosters der Diözese als künftiges Priesterseminar zur Verfügung zu stellen 1807 Ausweisung des Churer Bischofs aus Tirol 1808 Aufhebung der Benediktinerabtei Marienberg (Neubesiedlung 1816) 1808 Deportation der Kapuziner aus dem Vinschgau 1808 Provisorische Unterstellung der Dekanate Walgau und Vinschgau durch Papst Pius VII. unter die Obhut des Brixener Bischofs 1814 Tirol wieder ganz in den Händen Österreichs 1814 Rekonsilierung der churerischen Anteile in Vorarlberg und Tirol durch Papst Pius VII. unter die Leitung des Churer Bischofs 1814 Wien verweigert das kaiserliche Plazet für diese Rückführung 1816 Endgültige Dismembration der österreichischen Anteile des Bistums Chur durch päpstliches Breve (an Brixen und Trient) [27. Januar] 1816 Letzter Hirtenbrief eines Churer Bischofs an die Gläubigen im Walgau und Vinschgau [10. September] 1816 Ende des Bistums Chur in seinen historischen Grenzen [6. Oktober] <?page no="398"?> 398 Anhang III. Literaturauswahl Gesamtdarstellungen Franz Xaver Bischof, Bistum Chur, in: Erwin Gatz (Hrsg.), Die Bistümer des Heiligen Römischen Reiches. Von ihren Anfängen bis zur Säkularisation. Ein historisches Lexikon mit 62 vierfarbigen Bistumskarten, Freiburg i. Br. 2003, 165-179 [Lit.]. Amrosius Eichhorn, Episcopatus Curiensis in Rhaetia sub Metropoli Moguntina chronologice ac diplomatice illustratus, St. Blasien 1797. Johann Anton Fetz, Das Bisthum Chur. Historisch und statistisch beschrieben, gedruckt als Anhang zu «Schematismus der Geistlichkeit des Bisthums Chur für das Jahr 1863», Chur-Ingenbohl 1863. Johann Georg Mayer, Geschichte des Bistums Chur, 2 Bde., Stans 1907/ 1914. Joseph Resch, Annales Ecclesiae Curiensis - Chronick des fürstl. Stifts Cur. Sammt der Reihe der Bischöffen daselbst, Fürsten des heil. Röm. Reichs, Brixen [gedruckt bei Johann Cassian Krapf, fürstlicher Hofbuchdrucker] 1770. Theodor Schwegler, Geschichte des Bistums Chur, in: Helvetia Christiana: Die Bistümer der Schweiz. Bistum Chur, Bd. 1, Kilchberg-Zürich 1941, 1-61. Anton von Sprecher (Bearb.), Zwei Churer Bischofschroniken aus der Zeit um 1550 von Graf Wilhelm Werner von Zimmern und Kaspar Brusch (Gaspar Bruschius), Chur 2011 [im Eigenverlag]. 1500 Jahre Bistum Chur, Zürich 1950. Otto P. Clavadetscher / Werner Kundert, Das Bistum Chur, in: Helvetia Sacra I/ 1, Bern 1972, 449-465. Einzeldarstellungen Von der Romanisierung des Alpenraumes und den Anfängen des Bistums Chur bis zur fränkischen Reichsteilung (843) [Kapitel I-V] Matthias Becher, Das Kaisertum Karls des Grossen zwischen Rückbesinnung und Neuerung, in: Hartmut Leppin / Bernd Schneidmüller / Stefan Weinfurter (Hrsg.), Kaisertum im ersten Jahrtausend. Wissenschaftlicher Begleitband zur Landesausstellung «Otto der Grosse und das Römische Reich. Kaisertum von der Antike zum Mittelalter», Regensburg 2012, 251-270. Beiträge zur Raetia Romana - Voraussetzungen und Folgen der Eingliederung Rätiens ins Römische Reich (hrsg. von der Historisch-Antiquarischen Gesellschaft von Graubünden), Chur 1987. Ursus Brunold, Cazis, in: HS III/ 1.1, Bern 1986, 253-256. <?page no="399"?> 399 III. Literaturauswahl Heinrich Büttner, Die Entstehung der Churer Bistumsgrenzen. Ein Beitrag zur fränkischen Alpenpolitik des 6.-8. Jahrhunderts, in: ZSKG 53 (1959) 81-104. 191-212. Otto P. Clavadetscher, Die Einführung der Grafschaftsverfassung in Rätien und die Klageschriften Bischof Viktors III. von Chur, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung 39 (1953) 46-111. Ders., Rätien im Mittelalter. Verfassung, Verkehr, Recht, Notariat. Ausgewählte Aufsätze. Festgabe zum 75. Geburtstag, hrsg. von Ursus Brunold und Lothar Deplazes, Disentis-Sigmaringen 1994. Ders., Übergang ins Frühmittelalter, in: Churer Stadtgeschichte, Band I: Von den Anfängen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, Chur 1993, 186-218. Walter Drack / Rudolf Fellmann, Die Römer in der Schweiz, Stuttgart 1988. Michael Durst, Geschichte der Kirche im Bistum Chur I: Von den Anfängen bis zum Vertrag von Verdun (843), Strasbourg 2001. Ders., Die Anfänge der Kirche im Bistum Chur, in: Ders. (Hg.), Studien zur Geschichte des Bistums Chur (451-2001) [= Schriftenreihe der Theologischen Hochschule Chur-1], Freiburg/ CH 2002, 13-58. Ders., Karl der Grosse und das Bistum Chur, in: Geschichte im Bistum Aachen 12 (2013/ 2014), hrsg. vom Geschichtsverein für das Bistum Aachen e.V., Neustadt a.-d. Aisch 2015 [Sonderdruck]. Albert Gasser, Die Lucius-Vita. Das älteste grössere Zeugnis christlichen Glaubens in Rätien. Übersetzt und kommentiert, Disentis 1984. 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Der Vinschgau im politischen Kontext des 7.-Jahrhunderts, in: Der Schlern 81 (2007) 6-19. Dies., «Tirol» und das Frankenreich vom 6. bis ins frühe 9. Jahrhundert, in: Bericht über den 24. Österreichischen Historikertag in Innsbruck [= Veröffentlichungen des Verbandes Österreichischer Historiker und Geschichtsvereine 33], Innsbruck 2006, 172-181. <?page no="400"?> 400 Anhang Dies., Wie weit reichte das «Engadin»? Überlegungen zur spätantikfrühmitteralterlichen Raum-Ordnung am oberen Inn, in: Rainer Loose (Hrsg.), Von der Via Claudia Augusta zum Oberen Weg. Leben an Etsch und Inn. Westtirol und angrenzende Räume von der Vorzeit bis heute [= Schlern-Schriften 334], Innsbruck 2006, 87-104. Dies., Zur Kontinuität der Raumorganisation in Nordtirol von der Spätantike bis ins hohe Mittelalter, in: Rainer Loose / Sönke Lorenz (Hrsg.), König, Kirche, Adel. Herrschaftsstrukturen im mittleren Alpenraum und seinen Nachbarräumen (6.-13. Jahrhundert), Lana 1999, 267-289. 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Bernd Schneidmüller / Stefan Weinfurter (Hrsg.), Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919-1519), München 2003. <?page no="402"?> 402 Anhang Das Bistum Chur im Hochmittelalter (12./ 13. Jahrhundert) [Kapitel VII] Urban Affentranger, Die Bischöfe von Chur in der Zeit von 1122 bis 1250, Chur 1975. Ders., Die Ausbreitung der Bettelorden im spätmittelalterlichen Churrätien, in: Geschichte und Kultur Churrätiens. Festschrift für Pater Iso Müller OSB zu seinem 85. Geburtstag, hrsg. von Ursus Brunold / Lothar Deplazes, Disentis 1986, 363-387. Mercedes Blaas, Geschichte der Fürstenburg bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, in: Die Fürstenburg [= Veröffentlichungen des Südtiroler Kulturinstituts 1], Lana 2002, 11-157. Simona Boscani Leoni, Sichtbar heilig. Entstehung und Funktion von Aussenmalereien im alten Bistum Chur (1150-1530), Lindenberg i. Allgäu 2017. 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Wichtige Fakten in Kurzform [= Brennpunkte der Geschichte der Klöster im Bistum Chur in seinen alten Grenzen (bis 1816): Aufgelöste oder aufgehobene Konvente 3], Chur 2014. Ders. Das Dominikanerkloster St. Nicolai in Chur ca. 1277/ 80-1538/ 1652. Wichtige Fakten in Kurzform [= Brennpunkte der Geschichte der Klöster im Bistum Chur in seinen alten Grenzen (bis 1816): Aufgelöste oder aufgehobene Konvente 4], Chur 2014. Ders. Das Dominikanerkloster Maria Steinach in Algund 1241-1782. Wichtige Fakten in Kurzform [= Brennpunkte der Geschichte der Klöster im Bistum Chur in seinen alten Grenzen (bis 1816): Aufgelöste oder aufgehobene Konvente 5], Chur 2014. Ders., Das Johanniterbzw. Benediktinerpriorat in Feldkirch 1218-1610/ 1695-1803. Wichtige Fakten in Kurzform [= Brennpunkte der Geschichte der Klöster im Bistum Chur in seinen alten Grenzen (bis 1816): Aufgelöste oder aufgehobene Konvente 6], Chur 2014. 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Kreuzer Orden OFM Ordo Fratrum Minorum (Franziskaner) OFMCap Ordo Fratrum Minorum Capuccinorum (Kapuziner) OFMConv Ordo Fratrum Minorum Conventualium (Minoriten) OFMObs Ordo Fratrum Minorum Observantiae (Observanten) OESA Ordo Fratrum Eremitarum Sancti Augustini (Augustiner-Eremiten) OP Ordo Fratrum Praedicatorum (Dominikaner) OPraem Candidus et Canonicus Ordo Praemonstratensis (Prämonstratenser) OSB Ordo Sancti Benedicti (Benediktiner) SJ Societas Iesu (Jesuiten) Verwendetes Bildmaterial aus Archiven, Bibliotheken und Druckmedien: Der Autor dankt allen, die bei der Beschaffung des Bild- und Quellenmaterials behilflich waren und, wenn nötig, die entsprechende Publikationsgenehmigung erteilt haben. ADF Archiv der Diözese Feldkirch AStMi Archivio di Stato Milano BAC Bischöfliches Archiv Chur <?page no="410"?> 410 Anhang BAC.BA Bischöfliches Archiv Chur. Bildarchiv BBC Bischöfliche Bibliothek Chur HS Helvetia Sacra ÖNB Österreichische Nationalbibliothek PAL Provinzarchiv Schweizer Kapuziner, Luzern StadtAC Stadtarchiv Chur StadtAF Stadtarchiv Feldkirch StadtAM Stadtarchiv Meran StAGR Staatsarchiv Graubünden StiASG Stiftsarchiv St. Gallen StiBSG Stiftsbibliothek St. Gallen TLA Tiroler Landesarchiv, Innsbruck TLMF Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck VLA Vorarlberger Landesarchiv, Bregenz VLB Vorarlberger Landesbibliothek, Bregenz ZSKG Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte <?page no="411"?> 411 V. Orts- und Personenregister V. Orts- und Personenregister Ortsregister A Ägypten 18 Agums-Prad (Ort / Pfarrei) 111 Albanien 94 Albosaggia 204 Albula - Pass 60 - Tal 34, 45, 97, 103, 118, 231, 379 Alcalá 188 Alemannien 30, 54 Alessandria 202 Algund (Ort / Pfarrei) 87 f., 111, 127, 130, 254, 309, 315-317, 322, 324 f., 328, 365, 378, 383, 391, 396 - Dominikanerinnenkloster Maria Steinach 88 f., 127, 309, 315-317, 324 f., 332, 378, 383, 391, 396 - Kirche St. Kassian 332 - Klosterarchiv 317 - Klosterkirche 317 - Lokalkaplanei 317 - [alte] Pfarrkirche St. Hippolyt 87 - [neue] Pfarrkirche St. Josef 87 Allerengelberg, Kartause im Schnalstal 309, 312-315, 324, 383, 396 - Konventskirche St. Michael 315 Almens (Ort / Pfarrei) 34 f., 103, 272, 275 Alpen(raum) 15 f., 18 f., 59, 62, 92, 187, 189, 233 f., 258, 279, 305, 378, 382, 389 Alpes Graiae et Poeninae, römische Provinz 19 Alpstein 187 Altach 329 - Ober- und Unterbauen 329 Altdorf 187, 200, 264 Altenstadt (Ort / Pfarrei) 73, 96, 109, 136, 211, 333, 336, 362 - Dominikanerinnenkloster 96, 362 - Kapelle St. Martin 333 - Kirche St. Petronella 73 Altötting 371 Alt-St. Johann 271 Alvaneu (Ort / Pfarrei) 103, 272, 275 Alvaschein (Ort / Pfarrei) 34 f., 114, 275 Amden (Ort / Pfarrei) 108, 177, 393 Amerika 35 Ancona 187 Andeer 118 Andermatt (Ort / Pfarrei) [siehe auch unter Ursern] 103, 249, 273, 275 - Kapuzinerhospiz 273, 275 Andiast (Ort / Pfarrei) 241, 249 Andlau 35 Aosta 19 Appenzell 133, 156, 229 Appenzell-Innerrhoden 133 Appenzell, Landschaft 24, 136, 389 Aquileia 19 - Bistum 344 Aquino 193 Arbon 114 - Schloss 114 Ardez/ Steinsberg (Ort / Pfarrei) 62, 107, 120 - Steinsberg, Burg 120 Arlberg 24, 86, 178 Arosa 100 Arvigo 241 Aschaffenburg 112, 144 Aschbach 328 Ascona 201, 394 - Collegio di Santa Maria (Collegio Papio) 201 f., 394 Aspermont [siehe unter Trimmis] Attigny-sur-Aisne 24, 38 Augsburg [Augusta Vindelicorum]15-17, 56, 164, 339, 389 - Augsburger Reichstag 194 <?page no="412"?> 412 Anhang - Augsburger Religionsfrieden 185 - Bischof / Bischöfe 339, 345, 348, 360 - Bistum 306, 321, 344, 346, 360, 371, 375, 383 - Domkapitel 56 Austerlitz 370 Avenches 19 Avignon 115, 124 Avers, Tal 98, 103 Avers-Cresta (Ort / Pfarrei) 103 B Baden-Württemberg 39, 60, 81, 288 Bärenburg, Burg 118 Baldenstein, Burg 118 Balzers (Ort / Pfarrei) 43, 73, 81, 108, 211, 222 - [alte] Pfarrkirche St. Nikolaus 43, 73 Bamberg 139, 178 - Bischof / Bischöfe 139 Bangs (Nofels) 334 - Kapelle St. Sebastian 334 Barcelona 188 Bari 124 Bartholomäberg (Ort / Pfarrei) 109, 329, 333 - Kapelle St. Maria in Jetzmunt 333 - Kapelle St. Maria in Marentes 333 - Kapelle St. Sebastian in Valleu 333 Basel 60, 81, 157, 158 - Bischof / Bischöfe 25, 38 - Bistum 199 - Domherren von 75 - Konzil 141, 191, 392 - Universität 225 Bayern 232, 282, 353, 367, 370, 371, 397 Belfort - Burg 116 - Gericht 140 Bellinzona 24, 209, 210 Bendern (Ort / Pfarrei) 43, 71 f., 108, 173-175, 211, 300, 381, 393 - [alte] Pfarrkirche St. Maria 43, 71 Benken (Ort / Pfarrei) 43, 108 - [alte] Pfarrkirche St. Peter 43 Bergell (Val Bregaglia), Talschaft 15, 23, 45, 54, 58 f., 62, 73, 98, 103, 118 f., 121, 124, 168, 184, 272, 276, 379, 389 Bergisel (bei Innsbruck) 269 Bergün (Ort / Pfarrei) 103, 207 Bern 123, 149, 156, 163, 166, 202, 251 Berner Oberland 149 Berneck 133 Bernina, Pass 60 Beromünster 75, 156 - Propst 75 Biel 156 Bings 329 Binzen 115 Bivio/ Stalla [mit Marmorera] (Ort / Pfarrei) 15, 58, 73, 98, 124, 272, 275 Bleniotal (Valle di Blenio) 71 Bludenz (Ort / Pfarrei) 43, 75, 90, 91 f., 109, 178, 180, 265 f., 329, 333, 336, 353, 362, 371, 378, 381, 391, 395 - Dominikanerinnenkloster St. Peter 90-92, 362, 378, 391 - Gutshof 91 - Herrschaft 178, 180 - Kapelle Hl. Kreuz 333 - Kapuzinerkloster 265 f., 362, 371, 381, 395 - Klosterkirche St. Peter 90 f. - [alte] Pfarrkirche St. Laurentius 43, 266 Bludesch (Ort / Pfarrei) 87, 241 Blumenegg 149, 371 Bodensee 15-17, 70, 73, 81, 100, 136, 157, 178, 229, 353, 377 Böhmen 88 Bologna 121, 193 - Universität 233 Bonaduz (Ort / Pfarrei) 21, 159 Bondo 45, 119 - [alte] Pfarrkirche St. Maria [Nossa Donna] 45 <?page no="413"?> 413 V. Orts- und Personenregister - Talsperre von Castelmur 45, 119 Bormio - Grafschaft 59, 379 Bozen 39, 95, 310, 312, 316, 321, 323, 360, 363, 375 - Kreisamt 312 Braga 228 Braggio 272 Brand 333 - Kapelle St. Anna in Daleu 333 Brandis (bei Lützelflüh) 149 Braunau 239 Braz (Ort / Pfarrei) 333, 351, 352 - Kapelle Maria Hilf auf dem Mühleplatz 333 - Kapelle St. Anna in Ausserbraz 333 - Kapelle St. Magnus in Innerbraz 333 - Kapelle St. Wolfgang in Gantschief 333 Brederis 334 - Kapelle St. Anna 334 Bregenz 24, 130, 345, 348-350, 374, 389 - Bischof 346, 350 - Bistum 346, 348, 350, 383, 397 - Franziskanerinnenkloster Thalbach 348-350 - Herrschaft 346 - Kloster St. Anna (Barfüsserinnen) 348 - Kreis- und Oberamt 346, 348, 350 - Stadtpfarrkirche St. Laurentius 349 - Vorarlberger Landesarchiv 130, 138, 349, 350 - Wolfegg’sche Palais 349 f. Bregenzerwald 137 Breil/ Brigels (Ort / Pfarrei) 45, 101, 249 - [alte] Pfarrkirche St. Maria 45 Breisach 320 Brescia 271 f. - Kapuzinerkloster 271 Brienz (Ort / Pfarrei) 272, 275 Britannien, Königreich 48 Brixen 56, 123, 126, 132, 279, 304, 313, 316, 321, 325, 356 f., 360, 363, 367, 371 - Bischof / Bischöfe von 88, 123, 279 f., 304, 338 f., 340, 343 f., 363, 370 f., 373, 397 - Bistum 24, 232, 344-346, 360, 371, 373-375, 397 - Dom 304 - Klarissenkloster 126, 325 - Priesterseminar 313 Bruneck (im Pustertal) 267, 313 Buchebrunnen 329, 334 - Kapelle St. Wendelin 334 Buchs (Ort / Pfarrei) 108 Bünden [siehe auch unter Gemeine Drei Bünde] 26, 100, 118, 120, 140, 146, 156-158, 161 f., 165 f., 168, 170-172, 175, 187 f., 204, 215 f., 218, 231, 238, 250, 262, 264, 271-273, 286, 289, 291, 298 f., 305, 357, 359, 365, 367, 369, 380-382, 395, 397 - Bündner Wirren 215, 381 Bündner Herrschaft 43, 168, 271 Bündner Oberland 303 Bürs (Ort / Pfarrei) 109, 265, 333 - Kapelle St. Johannes Nepomuk 333 - Kapelle St. Wolfgang (an der Strasse nach Bürserberg) 333 Burgeis (Ort / Pfarrei) 45, 56 f., 62, 72, 80, 83, 111, 118 f., 332, 370, 390 - [alte] Pfarrkirche St. Stephan (ob Burgeis) 45, 56 - Kirche St. Nikolaus 332 - Kapelle St. Zeno 60 - Marienkapelle 56 Burggrafenamt 23, 45, 87 f., 95, 116, 128, 130, 181, 210 f., 276, 310, 315, 324 f., 327 f., 330, 356, 363, 376, 378, 383, 389, 393 Burgstall 254 Buseno (Ort / Pfarrei) 241 Busskirch 39 <?page no="414"?> 414 Anhang C Calanca (Val Calanca), Talschaft 45, 108, 140, 171, 231 Calven 82, 157, 158, 392 - Schlacht an der (Schwabenkrieg) 154, 157 f., 161, 380, 392 Cama (Ort / Pfarrei) 241, 272, 276 Camuns 243 - Filialkirche St. Johannes Ev. und St. Antonius 243 Canossa, Burg (Oberitalien) 56 Canterbury 190 Casaccia 39, 45, 62 - [alte] Pfarrkirche St. Gaudentius 45 Castaneda 272, 276 Castasegna 103 Castelmur [siehe unter Bondo] Castels - Burg 141 - Gericht 140, 216 Castiel (Ort / Pfarrei) 105 Castrisch (Ort / Pfarrei) 43, 80, 101, 119, 140 - [alte] Pfarrkirche St. Georg 43 - Wehranlage 119 Cauco (Ort / Pfarrei) 243 Cazis (Ort / Pfarrei) 33-35, 58, 62, 103, 114, 272, 275, 377, 381 - Augustiner-Chorfrauenstift 34, 62 - Claustra vedra (altes Kloster) 34 - Dominikanerinnenkloster 34, 381 - Kanonissenstift St. Peter 30, 33-35, 58, 62, 140, 377, 389 Chiavenna 15, 54, 73, 116, 165, 390 - Grafschaft 59, 116, 379, 390 - Kastell 116 Chiemsee - Bischof / Bischöfe 194, 345 - Bistum 344, 360 Chur [Curia Raetorum] 15, 17, 19, 21, 39, 47 f., 52, 54, 56, 58-60, 62, 64, 67, 71-73, 75, 78, 80 f., 92, 94 f., 98, 105, 112-116, 118, 120, 121-125, 135, 140, 142, 144, 149, 150, 151-154, 156, 158, 163-166, 168, 171, 173-176, 204 f., 207 f., 214, 229, 238, 249 f., 273 f., 287, 291, 293, 299, 300, 302, 304 f., 313, 325, 330, 339, 342, 346, 348, 351, 356 f., 359, 364, 366, 368, 369-372, 377-382, 389, 391-393, 395, 397 - Andreasmemorie (Grabkirche) 60 - Bischof / Bischöfe von 13, 19-23, 25 f., 30 f., 33, 37, 40 f., 51 f., 54, 56 f., 59 f., 62, 69 f., 72 f., 75-79, 81-84, 88, 90-92, 94-99, 112-118, 120 f., 123-125, 131, 137, 139, 141, 143, 145 f., 149, 151, 153 f., 156-159, 161, 164 f., 167, 171 f., 175, 183, 185, 194, 201, 203-206, 208, 210, 212, 214-219, 223, 232, 238 f., 247, 249-252, 262, 266, 268-270, 272 f., 287, 289-293, 298-302, 306, 309 f., 315, 318, 320-322, 325 f., 328, 331, 335, 337-339, 341, 346-348, 353 f., 357, 359 f., 363, 368, 370, 372-375, 377-379, 381, 382, 389-391, 394, 396 f. - Bischöfliches Archiv 27, 57, 72, 75, 86, 114 f., 118, 122, 136, 173, 287 f., 347, 355, 361, 367 - Bischöfliches Schloss 59, 139, 204, 249, 273, 293-296, 303 f., 395 o Rittersaal 139, 293 f. - Bistum (Kirche zu Chur) 13, 20, 21-24, 29-31, 33, 35, 41 f., 51 f., 54, 56 f., 60, 62, 70 f., 74-76, 81, 84, 93, 95-97, 100 f., 108, 114, 118, 120-122, 124-126, 132, 142-145, 156, 159 f., 162, 165, 168-171, 175, 179, 183-185, 187, 199, 201 f., 207 f., 210, 212, 214, 216, 218-221, 223 f., 229-231, 233 f., 237, 241, 247- 249, 251, 253, 256, 262, 273, 276, 281, 285, 291, 294, 298, 300, 304, 321, 324, 326 f., 330 f., 335 f., 338, <?page no="415"?> 415 V. Orts- und Personenregister 342, 344, 346-348, 350, 355-360, 362-364, 366, 370-383, 389 f., 393, 396, 397 o Dekanat Surselva (Ob dem Flimserwald) 101 f., 170, 216 f., 222, 240-243, 248, 251, 256, 272, 275, 382, 396 o Dekanat Ob dem Churer Wald 103-105, 170, 216 f., 222, 272, 275 o Dekanat Churer Gebiet 105-107, 170, 222, 274 o Dekanat Engadin 107, 170, 222, 275, 332 o Dekanat Misox-Calanca 108, 170, 209, 221 f., 241, 272, 276 o Dekanat Unter der Landquart 108 f., 170, 177, 211, 222, 270, 273, 380 o Dekanat Walgau 109-111, 131, 170 f., 179, 181, 210, 221 f., 225, 233, 241, 265, 273, 298, 304, 309, 328-331, 333-337, 342 f., 346 f., 362, 364, 367, 369, 371-375, 381, 383, 396 f. o Dekanat Vinschgau 88, 111 f., 170 f., 181, 210, 221-223, 226, 233, 268, 273, 276, 298, 309, 327, 329-333, 335-337, 342 f., 346 f., 362, 364, 367, 369, 371-375, 381, 383, 397 - Bistumsgeschichte 13, 21, 58, 79, 98, 155, 183, 264, 355 f., 383 - Bistumsgrenzen 24, 382, 389 - Bistumspatrone 47-49, 67 - Bistumsstreit 143 f., 392 - «Brillentor» 302 f., 396 - Churer Priesterausbildung 230-237, 300, 336-342, 363-370 - Churer Proprium 63, 292, 304 - Churer Strafgericht 215 - Domkapitel 13, 35, 62, 70, 74 f., 79-81, 92, 98, 112-115, 121, 124 f., 136, 139, 142-152, 155 f., 158, 165 f., 171, 173, 175, 178, 183 f., 203 f., 206-208, 214 f., 217 f., 230, 238, 251, 273, 304, 347, 357, 359, 366, 379 f., 391 f., 394 - Domschatz (Dommuseum) 47-49 - Geistliches Gericht 63, 287, 302 - Grafschaft / Reichsvogtei 51 f., 70, 113, 118, 151-154 - Hochstift Chur 59 f., 63, 75, 78-81, 83, 96, 98, 115-118, 120, 121-125, 140, 142, 144 f., 152, 157, 165, 170 f., 216 f., 249, 290 f., 347 f., 359, 379-381, 390-392, 395 - Hof 21, 24, 41, 43, 51 f., 60, 98, 105, 115, 118, 124, 143, 149, 151-153, 161, 166 f., 171, 174, 184, 204, 207 f., 229, 238, 273, 293, 296, 302, 346, 357, 359 f., 364, 379, 380, 382, 393, 395, 397 o Hofbrand 273 o Hofschule 238, 364 o Hoftor (Torturm) 302, 396 o Kapuzinerhospiz 273 f. o Laurentiuskapelle 52 o Marsölturm 287 f., 293 f. - Kälberweide 369 - Kathedrale St. Maria Aufnahme in den Himmel (Dom) 21, 24 f., 43, 47, 64-68, 70, 79-81, 125, 139, 144, 148, 155, 174, 184, 206 f., 264, 273, 293, 296, 299, 301-307, 355, 378, 389-392, 395 o Bischofsgruft 125, 304 f. o Grundriss 65 o Hauptportal 64 o Hochaltar 47 f., 66-68, 155, 392 o Kapitelle 67 o Krypta / Krypta-Altar 65, 264 o Laurentiusaltar/ -Kapelle 25, 65 o Rosenkranz-Altar 293 o Sakramentshäuschen 67, 155 o Sakristei 139 <?page no="416"?> 416 Anhang - Kornplatz 80, 176 - Konsistorium, bischöfliches 304 - «Kratz» (heute Sennhof ) 273, 395 - Lateinschule, städtische 173, 175 - Obertor 52 - Rätisches Museum 81, 174, 176 - Scappische Artikel 216-218, 272, 291, 381, 395 f. - Spital 62 - St. Hilarius, Kapelle 52 - St. Margrethen, Kapelle 73 - St. Martin, Kirche 51 f., 62, 94, 146, 163, 166, 393 - St. Regula, Kirche 170 - St. Stephan, Kirche 20, 47 - St. Luzi, Kapelle am Mittenberg 303 - St. Luzi, Kirche 47, 174, 369 - St. Luzi, Prämonstratenserkloster 34, 60, 62, 71 f., 146, 149, 166, 172-175, 211, 296, 300, 307, 368 f., 378, 381, 390 f., 393, 397 - St. Luzi, Priesterseminar 13, 237, 364, 369, 397 - St. Nicolai, Dominikanerkloster 80 f., 92-96, 112, 149, 175 f., 378, 381, 391, 393 - Stadtarchiv 93, 152 - Stadtbrand 149, 152, 154, 392 - Stadtrat 238, 273 - Stephansweinberg 174 - Welschdörfli 21, 54 o Königshof 54 - Zünfte 149, 176 Churburg, Schloss 82, 391 Churrätien [siehe auch Rätien] 24, 26 f., 29 f., 33, 38, 47, 51, 88, 389 f. - Grafschaftsverfassung in 29 f., 33, 37 - Reichgutsurbar, karolingisches 38, 88, 390 Churwalden (Ort / Pfarrei) 60, 72 f., 75, 85, 103, 378 - Gericht Strassberg 118, 140 - Hospiz 73 - Pfarr-und Klosterkirche St. Maria und Michael 60, 73 - Prämonstratenserkloster 60, 72 f., 75, 85 f., 174, 378, 390 Clairvaux 62 Comersee 165 Como 15, 19, 115, 149 - Bischof / Bischöfe 19 f., 73, 149, 203 f. - Bistum 23, 378, 389 Cramignano 261 Crépy 191 Cumbel (Ort / Pfarrei) 241, 243, 272, 275 - Pfarrkirche St. Stephan 243 Cunter/ Conters 275 D Dafins 329 Dalaas (Ort / Pfarrei) 109, 329, 333, 336, 351 - Kapelle Hl. Kreuz 333 - Kapelle St. Maria in Innerpoller 333 - Kapelle auf dem Hillebrandhof 333 - Kapelle Maria Dolorosa in Kaiser 333 - Kapelle St. Sebastian in Bühel 333 - Kapelle St. Martin auf Mason 333 - Kapelle Unserer Lieben Frau auf Mason 333 - Kapelle St. Martin am Radanatobel 333 - Kapelle St. Sebastian bei Innerwald 333 Damüls (Ort / Pfarrei) 109 Danis (Ort / Pfarrei) 241, 244, 272 - Pfarrkirche Hl. Dreifaltigkeit 244 Dardin 244 - Kapelle St. Sebastian und Rochus 244 Darmstadt 80 Davos (Ort / Pfarrei) 100, 103, 105, 140, 165, 204, 276 - Gericht 140 Degen/ Igels (Ort / Pfarrei) 101, 243 - Kapelle St. Antonius von Padua in Rumein 243 <?page no="417"?> 417 V. Orts- und Personenregister Deutschland 64, 86, 279, 383 Dieburg 80 Dillingen 181, 225, 231, 232, 299, 301, 305 - Hieronymus-Kolleg 231 f. - Universität 181, 233, 282, 287, 304, 357 Disentis (Ort / Pfarrei) 36 f., 64, 67, 101, 245, 248-250, 272, 275 f., 377 - Abt / Äbte 62, 123, 125, 140, 248- 250, 292, 307, 392 - Benediktinerabtei 26, 30, 33, 36 f., 60, 248-250, 377, 389 - Cadi 37, 101, 123, 140, 249 f. - Kirche St. Agatha 64 - Kreis Disentis: Sursassalia 241, 245 - Kreis Disentis: Sutsassalia 242, 244 f. - Pfarrkirche St. Johannes d. T. 245 - Kapelle St. Antonius von Padua in Caverdiras 245 - Kapelle St. Maria in Acletta 245 - Kapelle St. Placidus 245 - Kapelle St. Sebastian und Rochus in Segnes 245 - Kapelle St. Sigisbert in Madernal 245 - Kapelle St. Valentin in Mompe-Medel 245 - «Quasibistum» 248-251, 382, 396 Domat [siehe unter Ems] Domleschg, Talschaft 33 f., 45, 97 f., 103, 105, 118 f., 121, 171, 271 f., 364, 379 Dresden 116 Düns 329 - Dünserberg 329 Dürnstein 126 Duvin 39 E Egg (im Bregenzerwald) 137 Eidgenossenschaft (Eidgenössische Orte / Katholische E.) 36, 156-158, 161, 168, 171, 177, 188, 198, 200-202, 204, 205-208, 229, 270, 291 Einsiedeln 200 - Abt / Äbte 204 - Benediktinerabtei 249, 284 Ellwangen 353 Elsass 30, 35 f., 121, 136 Ems (Ort / Pfarrei) 39, 43, 78, 105, 159, 249, 274, 299, 304, 391 - [alte] Pfarrkirche St. Peter 43 Engadin, Talschaft [siehe auch unter Oberengadin / Unterengadin] 69, 97, 125, 158, 165, 168, 203, 231, 367 England 124, 370 Ennetbirgische Vogteien 199 f., 202, 229 Epao (Albon? ) 19 Eppan 310 Erblande, österreichische 307, 318, 336, 341, 343, 345, 366 - Diözesanregulierung, josephinische 307, 342-350, 363, 383, 397 - Klosteraufhebungen, josephinische 307-326, 396 - Pfarreiregulierung, josephinische (Pfarreieinrichtungsgeschäft) 307, 326-335, 383, 396 - Religionsfonds 309, 315, 319, 325 f., 331, 335, 338, 341 Erfurt, Universität 225 Ernberg, Feste 206 Erolzheim 288 Eschen (Ort / Pfarrei) 39, 43, 108, 300 - [alte] Pfarrkirche St. Martin 43 Etsch - Fluss 88, 378 - Kreisamt an der (Sitz in Bozen) 335 Etschtal 15, 69 Etschland 39 Ettal 306 - Abt / Äbte 306 - Benediktinerabtei 306 - Ritterakademie 306 Europa 124, 252, 351, 357, 381 <?page no="418"?> 418 Anhang F Falera (Ort / Pfarrei) 45, 101, 249 - [alte] Pfarrkirche St. Remigius 45, 102 Falkenstein, Burg 119 Faller, Alp 114 Fanas (Ort / Pfarrei) 105 Fano 314 Feldkirch (Ort / Pfarrei) 76, 86 f., 96, 109, 130-133, 135 f., 158, 173, 178-180, 204, 207 f., 211, 215, 225, 232-234, 238 f., 263-266, 276, 287, 299, 318, 320, 324 f., 334, 336, 349 f., 362, 364, 371, 375, 378, 381 f., 393 f., 396 - Benediktinerpriorat St. Johann 87, 362 - Bregenzertor 263 - Diözese 130, 263 - Generalvikariat 375 - Gymnasium 320 - Herrschaft 132, 180 - Jesuitenkolleg St. Nikolaus 131, 232, 238 f., 287, 299, 305, 350, 382, 396 - Johanniterkirche 86 f. - Johanniterkompturei 87 - Johanniterpriorat St. Johann 86 f., 378, 390 - Kapelle im Mariental 86 - Kapelle St. Leonhard in der Au 334 - Kapelle St. Peter und Paul auf dem Friedhof 334 - Kapelle St. Magdalena in Levis (an der Reichsstrasse) 334 - Elendbild-Kapelle in Levis 334 - Kapelle St. Veit auf dem Veitskapf 334 - Kapuzinerkloster 263-266, 362, 381, 394 - Kirchplatz 239 - Kirche Unserer Lieben Frau in der Vorstadt 334 - [alte] Lateinschule 238 - Pfrundhaus (Alte Spital) 86 - Priesterhaus 363 - Rambschwagsche Haus 239 - Rentamt 318 - Spitalkapelle 86 - Stadtarchiv 180 - Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 110, 178 f., 263 - Stadtrat 178, 180, 230, 238, 263, 349 - Vogteiamt 320 - Weinzierlsches Haus 239 Felsberg (Ort / Pfarrei) 105, 159 Feltre - Bistum 334, 346 Fideris, Bad 204 Filisur (Ort / Pfarrei) 35, 103, 119 Finstermünz 107 Fläsch 39, 43, 168 Flims (Ort / Pfarrei) 39, 43, 80, 101, 123, 140 - [alte] Pfarrkirche St. Martin 43 Flums (Ort / Pfarrei) 43, 108, 119, 171 - [alte] Pfarrkirche St. Laurentius [heute: St. Justus] 43 - Gräpplang, Schloss 76, 119, 171 - Herrschaft 118, 379 Fondei, Alp 100, 113 f. Fondi 124 Forst (bei Meran) 328, 383, 396 Franken / Frankenreich 18, 21-24, 26 f., 41, 377, 389 - Fränkische Reichskirche 21 f. - Fränkische Reichsteilung 31, 390 - Fränkisches Mittelreich 31 - Ostfränkisches Reich 31, 51 - Westfränkisches Reich 31 Frankfurt an der Oder, Universität 225 Frankreich 64, 124, 163, 191, 216, 291, 370 Frascati 60 Frastanz (Ort / Pfarrei) 109, 287 f., 329, 334 - Kapelle St. Wendelin 334 - Pfarrkirche St. Sulpitius 179 Frauenfeld 263 Fraxern (Ort / Pfarrei) 109, 130, 211 Freiburg i. Br. 154, 156, 183, 198, 233, 238, 264, 273, 318 - Jesuitenkolleg 238 <?page no="419"?> 419 V. Orts- und Personenregister - Landesstelle 318, 326 - Universität 156, 181, 183, 225, 232 Freiburg i. Ü. (Schweiz) 156, 163, 233, 265 - Jesuitenkolleg 232 Freising - Bischof / Bischöfe 345, 346 - Bistum 344, 360 Fresch (Nofels) 334 - Kapelle St. Martin 334 Friedau, Burg 119 Fritzlar 52 Frommengärsch 334 - Kapelle St. Anna 334 Ftan (Ort / Pfarrei) 62, 107 Fürstenau 119, 380 - Unteres oder Bischöfliches Schloss 59, 97, 119, 171 Fürstenburg, Schloss 59, 80, 82-84, 97, 115, 117, 119, 121, 157 f., 165 f., 171, 180, 204-206, 215, 231, 304, 363, 380, 382, 391, 393 Furka, Pass 51, 378 G Galtür (Ort / Pfarrei) 109, 361 f. Gampelün 329 Gamprin 72 Gams (Ort / Pfarrei) 108, 271 Gaschurn (Ort / Pfarrei) 211, 241, 334 - Kapelle Maria Schnee 334 Gassünd 329 Gaster(land) 35, 43, 108, 162, 171, 303 - Landvogtei 177 Gelnhausen 112 Gemeine Drei Bünde, Freistaat 98, 141, 160-165, 167, 170-172, 174, 183, 199, 201-203, 215, 229, 273, 289, 291, 294, 301 f., 380 f., 392-394 - Gotteshausbund 98, 120-122, 140, 142 f., 145, 149, 156-159, 163 f., 166-168, 171-173, 175, 203-205, 215, 217, 229, 299, 301, 304-306, 379 f., 392-394 - Oberer / Grauer Bund 98, 120, 125, 140, 143, 156, 158 f., 163 f., 168, 170 f., 175, 215, 282, 379, 392 f. - Zehngerichtenbund 98, 120, 140 f., 156, 158 f., 164, 168, 171, 379, 380, 392 Genf [Genava] 19, 276 - Bistum 19 Gisingen 333 - Kapelle St. Sebastian und Rochus 333 Glan (Kärnten) 130 - Klarissenkloster St. Veit 130 Glarnerland 24, 389 Glarus 156, 377 Glurns (Ort / Pfarrei) 111, 114, 156, 158, 254, 332, 369 - Gericht Glurns-Mals 158 - Kirche Hl. Kreuz 332 - Kirche St. Martin 332 - Kirche St. Jakob in Sölles 332 - Kirche St. Laurentius in den Tawentz- Wiesen 332 - Pfarrkirche St. Pankratius 254 Göfis (Ort / Pfarrei) 45, 109, 132, 135, 334 - Kapelle St. Sebastian und Rochus 334 Göflan 332 - Kirche St. Walburga 332 Götzis (Ort / Pfarrei) 24, 51, 109, 329, 334, 336, 376, 378 - Wallfahrtskirche St. Arbogast 334 Goldrain 332 - Kirche St. Antonius 332 Gommiswald (Ort / Pfarrei) 108 Gortipohl 335 Gotthard, Pass 200 Grabs (Ort / Pfarrei) 43, 108 - [alte] Pfarrkirche St. Bartholomäus 43 Gräpplang [siehe unter Flums] Gratsch (Ort / Pfarrei) 45, 112, 130 - [alte] Pfarrkirche St. Peter 45, 112 <?page no="420"?> 420 Anhang Graubünden 96, 140, 156, 262, 271, 317, 370, 378, 380 Graun (Ort / Pfarrei) 111, 115, 158, 328, 332, 336 Graz 233, 344 - Universität 233 Greifenstein - Hochgericht 98 - Burg 97, 119 Greifswald, Universität 225 Grimmenstein 133 - St. Ottilia, Beginen 133 Grono (Ort / Pfarrei) 243, 272, 276, 286 Grosotto 209 Grossengstingen, Herrschaft 118, 171, 290 f., 299, 379 f., 396 Grosswalsertal 211 f. Grubs 329 Grueb 101, 123, 140, 276, 300 Gruns (Tirol) 273 Guarda (Ort / Pfarrei) 62, 107 Guardaval, Burg 119 Güttingen 39 Gurtis 329 H Haag 72 Habsburg [siehe unter Österreich] Haid [siehe unter St. Valentin auf der Haide] Halden 329, 334 - Kapelle Maria Schnee 334 Haldenstein 119 - Burg 119 - Herrschaft 168 Hegau 156 Heidelberg, Universität 178, 225 Heilig Land 75, 189 Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 144, 146, 157, 280, 291, 355, 358, 383, 397 Heinzenberg 34, 103, 123, 140, 168 Heitersheim 86 Helvetische Republik 357-359, 397 Hinterrhein (Ort / Pfarrei) 105 Hirschensprung 24, 108, 378 Hirschlatt 39 Hochjuvalt, Burg 119 Hochrialt (Hohenrätien), Burganlage 21, 45, 119 - [alte] Pfarrkirche St. Johannes d. T. 45 Hohenems 24, 200, 290, 292 Hospental 249 I Igis (Ort / Pfarrei) 60, 105, 118 f., 153, 163, 168, 379 Ilanz (Ort / Pfarrei) 43, 45, 101, 163, 165 f., 168, 173, 241, 282, 300, 393 - Ilanzer Artikelbriefe 145, 164, 167, 172, 380, 393 - Gericht 140 - Kreis 243 - [alte] Pfarrkirche St. Martin 43 - Strafgericht 215 Ill, Fluss 86, 263 Illtal 211 Imboden 43 Imperium Romanum 15, 18, 389 Ingolstadt 232 f., 268, 353 - Universität 181, 225, 282 Innerberg 329 Innerschweiz 276 Innichen 316, 356 Innsbruck 153, 156 f., 181 f., 225, 232 f., 238, 265, 304, 316, 320-322, 325, 327-329, 335, 338 f., 342, 348, 350 f., 357, 360, 367, 370 f. - Bischof 343 - Bistum 343 f., 374 - Generalseminar 336-342 - Gubernium / Regierung 305, 307, 309-311, 314 f., 319-322, 325-327, 335 f., 346, 350, 360, 366, 368, 371, 374 <?page no="421"?> 421 V. Orts- und Personenregister - Jesuitenkolleg 232 - Theologische Fakultät 342 - Universität 233 Inntal 24, 182 Ischgl (Ort / Pfarrei) 109, 361 f. Istrien 29, 35 Italia annonaria 17 Italien 16, 24, 71, 115, 262, 314 J Jagdberg - Herrschaft 178 - Schloss 334 Jaufenpass 255 Jenaz (Ort / Pfarrei) 105, 216 Jenins (Ort / Pfarrei) 108, 140 Jerusalem 189 Jörgenberg, Herrschaft 101 Josephsberg (bei Meran) 309, 321-323, 383, 396 - Badeanstalt («Heilbad») 323 - Hieronymitanerkloster 309, 321-324, 383, 396 - Kapelle / Wallfahrts- und Klosterkirche St. Joseph 321, 323 - Therapiezentrum 323 Julier, Pass 15, 59, 60, 377, 379 K Kärnten 130 Kains-Kuens (Ort / Pfarrei) 111 Kappel - Kappelerkrieg 177 Kapuzinerprovinzen - Ordensprovinz Mailand 272 - Ordensprovinz Rom 271 - Norditalienische (Tirolische) Provinz 262, 266, 272 - Vorderösterreichische Provinz 262, 266 - Schwäbische Provinz 262 - Schweizerische Provinz 262, 265, 271 - Südtiroler Provinz 266, 268 Kardaun 363 Karolinger(reich) 27, 29 Kartaus im Schnalstal 315, 328 Kastelruth (Südtirol) 321 Kastilien 188 Kempten [Cambodunum] 16 Kerzeren (Ort / Pfarrei) 108 Klaus (Ort / Pfarrei) 111, 130, 320 Klausen (Südtirol) 267, 269, 316 Klösterle (Ort / Pfarrei) 111, 334, 336, 351-353 - Kapelle St. Michael am Langen 334 - Kapelle zu den 14 Nothelfern in Hof 334 - Kapelle St. Sebastian und Rochus in Sand 334 - Kapelle Mater Dolorosa in Danöfen 334 Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 313 Klosters 84, 140, 216 - Hospiz (Spital) 85 - Kirche St. Jakob 85 - Prämonstratenserpropstei St. Jakob 76, 84-86, 391 Klostertal (Vorarlberg) 351 Knillenberg, Schloss 290, 395 - Knillenberger Prospekt 174, 176 Koblach 334 - Kapelle St. Rochus in der Au 334 Köln 218 - Bischöfe / Kurfürsten 194 - Universität 225, 280 Königsberg 297 f. Konstanz 13, 81, 93, 98, 114 f., 125, 131, 139 f., 143, 156, 220, 232, 321, 339, 355, 375, 389 - Benediktinerkloster Petershausen 58 - Bischof / Bischöfe 25, 56 f., 114, 136, 142 f., 151, 156, 178, 194, 229, 300, 338, 346, 348, 360 <?page no="422"?> 422 Anhang - Bistum 24, 108, 115, 199, 202, 210, 346, 353, 360, 377, 383, 389 - Domherren 75, 81, 156 - Domkapitel 142 - Gymnasium 320 - Jesuitenkolleg 232, 238 - Konzil 123-125, 139 f., 191, 195, 392 - Minoritenkloster 135 - Schweizer Quart 202, 383 Kortsch 332 - Kirche St. Ägidius 332 - Kirche St. Georg 332 Kroatien 94, 135 Kurzras 328 L Laas (Ort / Pfarrei) 111, 332 - Kapelle Unserer Lieben Frau an der Brücke 332 - Kirche St. Markus 332 - Kirche St. Martin 332 - Kirche St. Nikolaus 332 - Kirche St. Sisinius 332 Laatsch (Ort / Pfarrei) 45, 62, 82, 111, 157, 332 - Kirche St. Thomas 332 Laax (Ort / Pfarrei) 103, 243 - Kapelle St. Nikolaus 243 - Pfarrkirche St. Othmar und Gallus 243 Ladir 39, 249 Lajen (bei Klausen) 316 Landeck 118, 120, 379 Landquart 273 Langobarden(reich) 23, 27, 39, 377 Langwies (Ort / Pfarrei) 100, 105 - Gericht 140 - Kirche St. Maria 100 Langtaufers 328, 332 - Pleif 332 Lanškroun [Landskron] 121 Lantsch/ Lenz (Ort / Pfarrei) 45, 62, 73, 105, 208, 272, 275 - [alte] Pfarrkirche St. Maria 45 La Punt-Chamues-ch 207, 281 Laterns (Ort / Pfarrei) 111, 130, 179, 211, 329 - Höfe hinter dem Tschuggentobel 329 - Pfarrkirche St. Nikolaus 179 Latsch [im Vinschgau] (Ort / Pfarrei) 45, 111, 254, 328, 332 - Kirche Unserer Lieben Frau auf dem Bichel 332 - [alte] Pfarrkirche St. Peter 45 Latsch ob Bergün 35 Latz 329, 334 - Kapelle Maria Heimsuchung 334 Laufen 136 Lausanne 19 - Bistum 199 Lavin 107 Leggia (Ort / Pfarrei) 241, 272, 276 Leipzig, Universität 225 Lenzburg 35 Lenzerheide 15 Lichtenberg (Ort / Pfarrei) 111, 332 - Kirche St. Christina 332 Liechtenstein, Fürstentum 21, 43, 108 f., 162, 171, 222, 263, 271, 300, 303, 305, 378, 380, 396 Lienz 316 f., 321, 325 - Dominikanerinnenkloster Maria- Heimsuchung 317, 325 Limmat, Fluss 89 Lindau 35, 381 - Lindauer Vertrag 145, 175, 216 f., 272, 291, 381, 395 f. - Missionsstation (der Jesuiten) 238 Linzgau 81 Linthebene 24, 378, 380 Litomyšl [Leitomischl] 121 Löwen, Universität 225 Löwenberg, Herrschaft 140 Lombardei 156, 285 Lorüns 333 - Kapelle St. Johannes Nepomuk 333 <?page no="423"?> 423 V. Orts- und Personenregister Lostallo (Ort / Pfarrei) 243, 272, 276 Ludesch (Ort / Pfarrei) 43, 111 - [alte] Pfarrkirche St. Martin 43 Lützelflüh 149 Lugano 261 Lugnez (Val Lumnezia), Talschaft 43, 101, 123, 140, 241, 243, 245 f., 256-258 - Kreis 243 f. Lukmanier, Pass(Strasse) 16, 37, 125 Lumbrein (Ort / Pfarrei) 103, 243 - Pfarrkirche St. Martin 243 - Kapelle St. Rochus 243 - Kapelle St. Andreas in Sont Andriu 243 - Kapelle St. Sebastian in Silgin 243 - Kapelle St. Nikolaus in Surrin 243 Luzein 73, 76, 141, 216 - Kirche St. Maria und Florinus 73 Luzern 156, 198-200, 202, 232, 236, 238, 249, 265, 268, 285 f., 371, 382, 394 - Jesuitenkolleg St. Franz Xaver 232 f., 236 - Nuntiatur 202, 251, 285 f., 307, 371, 382, 394, 396 - Provinzarchiv der Schweizer Kapuziner 273 Lyon 75, 283 M Männedorf 39 Madulain 119 Magdeburg 121 - Bischof / Bischöfe 60, 121 Maienfeld (Ort / Pfarrei) 39, 57, 106, 108, 140, 149, 163, 168, 177, 216 - Herrschaft 108, 175, 215 - Pfarrkirche St. Amandus 106 Maihingen 321 - Minoritenkloster 321 Mailand 15, 17, 19, 20, 55, 156, 200 f., 215 f., 225, 229, 231, 233 f., 262, 285 f., 288, 377, 389, 394 - Bischof / Bischöfe von 19, 22, 55, 199-201, 229, 270, 281, 285, 381 - Bistum 200, 377, 394 - Collegio Elvetico 200-202, 209, 229, 231, 394 - Kirchenprovinz 19-21, 24, 31, 56, 390 - Provinzialsynode 19, 31 Mainz 31, 56, 59, 70, 112, 390 - Bischof / Bischöfe / Kurfürsten 55 f., 63, 75, 113, 115, 139, 194, 339, 346, 347, 348, 390 - Kirchenprovinz 31, 56, 377, 390 - Provinzialsynode 31 - Universität 225 Maira, Fluss 54, 390 Mais (bei Meran) 130 Maladers (Ort / Pfarrei) 105, 118 Malans (Ort / Pfarrei) 105, 120, 140, 216 Malix (Ort / Pfarrei) 60, 105, 118 Maloja, Pass 15, 39 Mals (Ort / Pfarrei) 45, 62, 64, 110 f., 114, 118, 267, 269, 273, 328, 332, 370 - Kirche St. Benedikt 332 - Kirche St. Johannes d. T. 332 - Kirche St. Michael 332 - Kirche St. Nikolaus 332 - Kapuzinerhospiz 273, 362, 370 - [alte] Pfarrkirche St. Martin 45, 332 Mantua 191, 281 Maratsch (Gemeinde Plars) 317 Marein 328, 332 - Kirche St. Antonius 332 Marienberg 72, 111, 112, 328, 367 - Benediktinerabtei 56 f., 60, 62, 70, 83, 111 f., 166, 249, 267, 328, 362, 367, 370, 390, 397 - Klosterkirche St. Maria 72 - Klosterschule 304 - Krypta der Klosterkirche 62 f. - Meister von Marienberg 62 Marling 130, 323 Marschlins, Schloss 119 Martell 328 <?page no="424"?> 424 Anhang Martigny [Octodurus] 19 - Bistum 20 Martinsbruck 158 Masmünster 35 Mastrils 168, 273 - Kapuzinerhospiz 273 Matera 202 Mathon 332 Matsch (Ort / Pfarrei) 45, 112 Matschertal 48, 82 Mauerbach, Kartause 312 Mauren (Ort / Pfarrei) 87, 108 Mazzo 165 Mecklenburg 139 Medel-Platta (Ort / Pfarrei) 103, 245, 249 - Filialkirche St Nicolaus in Curaglia 245 - Kapelle St. Barbara und Brigida in Biscuolm 245 - Kapelle St. Jakobus d. Ä. 245 - Kapelle St. Joseph in Pali 245 - Kapelle St. Maria in Flurns 245 - Kapelle St. Sebastian in Mutschnengia 245 Meersburg 353 Mehrerau, Benediktinerabtei 375 Meiningen 241 Mels (Ort / Pfarrei) 39, 43, 108, 177, 270 f., 300, 381, 393, 396 - Bünten 270 - Kapuzinerkloster 270 f., 381, 396 - [alte] Pfarrkirche St. Peter 43 Meran 23, 51, 88, 111 f., 116, 126-130, 142, 181 f., 237, 248, 254, 266 f., 290, 309, 310-314, 316, 321 f., 324 f., 333, 342, 357 f., 362-370, 375-378, 380 f., 383, 389, 391, 393-397 - Elisabethinerinnen-Kloster 311 - Englische Fräulein 362, 367 - Gymnasium 367 - Heilig-Geist-Spital 127 - Kapuzinerkloster 266-268, 362, 370, 381, 394 - Klarissenkloster 126-130, 255, 309, 310-312, 315, 324 f., 380, 383, 391, 396 - Kornplatz 126, 128, 310 - Kriminalkreisgericht 311 - Laubengasse 127 - Münzstätte 127 - Neustadt 127 - Priesterhaus 237, 311, 342, 360, 363-370, 397 - Rennweg 127, 130, 367 - Ruffinhaus (Bezirksgericht) 311, 367 - Sandkapelle 333 - Seilerhaus 365 - Stadtarchiv 130, 311 - Stadtrat 266, 311 - St. Katharina, Kapelle 127, 312 - St. Leonhard (Spitalkirche) 333 - St. Maria, Kirche des Klarissenklosters 128, 130, 311 f. - St. Nikolaus, Stadtpfarrkirche 128, 142, 255, 266 - Südtiroler Volksbank 312 - Vikariat 362 - Vinschgauertor 266, 365-367 Meschach 329, 331 Mesocco 140, 168, 209, 259 Milland (bei Brixen) 316 Mistail [Uuapitines] 34 f., 62, 112, 377 - Kanonissenstift St. Peter 30, 33-35, 57 f., 62, 377, 389 - Kirche St. Peter 35, 64 Mittenberg 21 Mitterlana 130 Misox (Valle Mesolcina), Talschaft 23, 45, 51, 73, 108, 140, 168, 171, 201, 208-210, 217, 230, 271, 276, 281, 390, 394 f. Mols 22, 271 Mon (Ort / Pfarrei) 104 f., 272, 275 - Pfarrkirche St. Franziskus 104 Montafon, Talschaft 48, 109, 211, 265, 357 Morissen 243 - Kapelle St. Carlo Borromeo 243 <?page no="425"?> 425 V. Orts- und Personenregister Morter 39, 328 München 190, 353, 371 - Bayerische Staatsbibliothek 190 Münster (Westfalen) 218, 290, 291, 396 - Westfälischer Friede 185, 218 Münstertal (Val Müstair), Talschaft 69, 82, 98, 111, 118, 121, 125, 156, 158, 165, 170 f., 217, 271, 273, 291, 299, 300-302, 379 f., 396 Müstair 39, 40, 68, 114, 119, 121, 269, 272, 276, 302, 377 - Benediktinerkloster St. Johann 30, 33, 39 f., 42, 57, 62, 68 f., 377, 389 - Benediktinerinnenkloster St. Johann 40 - Klosterkirche St. Johannes d. T. 39, 64 - Plantaturm 119 Mulegns/ Mühlen 114, 272, 275 Muren 301 - Abtei vom Hl. Kreuz 301 Muro/ Müraia 15 Musso 165, 173 N Nals 39 Naturns (Ort / Pfarrei) 45, 64, 112, 314, 328, 332 - Katharinaberg, Kuratie 314 - Kirche St. Ursula auf dem Berg 332 - [alte] Pfarrkirche St. Zeno 45 Nauders (Ort / Pfarrei) 107, 118 f., 158, 222, 314, 327 f., 335, 361, 364 - Naudersberg, Gericht 158, 332, 392 - Naudersberg, Schloss 119 Naumburg - Bischof / Bischöfe 194 Navarra 188 Neapel 124 Nenzing (Ort / Pfarrei) 43, 87, 111, 329, 334 - Kapelle Maria Krönung in Motten 334 - Luz-Gantenbein-Kapelle 334 - [alte] Pfarrkirche St. Mauritius 43 Neu-Aspermont, Gericht 140 Neumarkt in Tirol 267 Nidwalden 198 Nieder-Johnsdorf 121 Niederösterreich 126 Niederurnen (Ort / Pfarrei) 108 Nivagl, Weiler 115 Nördersberg 328 Nördlingen 165 Nofels 334 Nonsberg 268 Novara 19 Nürnberg 164 Nüziders (Ort / Pfarrei) 43, 111, 249, 334 - Kapelle St. Martin 334 - Kirche St. Vinerius 334 - [alte] Pfarrkirche St. Viktor 43 O Oberalp, Pass 378 Oberaltaich 239 Oberbayern 321 Oberengadin, Talschaft 34, 45, 60, 75 f., 98, 107, 118, 121, 207, 379, 390 Oberhalbstein (Surses), Talschaft 34, 45, 62, 78, 97 f., 103, 118, 121, 171, 231, 259, 276, 379 Oberitalien 15, 19, 54 Obermais 290, 395 Obersaxen (Ort / Pfarrei) 101, 103, 140, 244-f. - Kapelle St. Anna in Valata 244 - Kapelle St. Antonius von Padua 244 - Kapelle St. Georg 244 - Kapelle St. Jakobus d. Ä. in Misanänga 244 - Kapelle St. Mariae Heimsuchung in Afeier 244 - Kapelle St. Sebastian in Miraniga 244 - Kapelle St. Valentin in Canterdu 244 - Kapelle Hl. Drei Könige in Platänga 244 <?page no="426"?> 426 Anhang Obervaz [siehe unter Vaz / Obervaz] Oberwallis 100 Obwalden 276 Österreich / Haus Habsburg [Casa d’Austria] 98, 120-122, 125, 136, 140, 145, 149, 156-160, 163, 166, 171, 175, 179, 191, 215-218, 251, 263, 267, 272, 289, 291, 299, 305, 346, 360, 370, 379 f., 382, 392, 394, 396 f. Ötztal 111 Ofenpass 107, 111 Olmütz 121 Ortenstein, Schloss 119 Osnabrück 218, 290 - Bischof / Bischöfe 290, 291 Ostgoten(reich) 18, 21, 389 Ottmarsheim 35 Ottobeuren 62 Oxford 93 P Paderborn 283 Padova/ Padua - Bistum 334 - Universität 233 Palestrina 115 Pamplona, Festung 188 Paris 22, 188 Parpan (Ort / Pfarrei) 73, 105 - Kapelle St. Peter und Paul 73 Parsonz 275 Partschins (Ort / Pfarrei) 112, 315 f., 323 f., 328, 371 Paspels (Ort / Pfarrei) 45, 75 - [alte] Pfarrkirche St. Lorenz 45, 75 Passeiertal 88, 111, 130, 327 f., 378 Passer, Fluss 128, 378 Pavia 143 - Universität 149, 233 Paznauntal 24, 109, 211, 222, 378 Peist (Ort / Pfarrei) 60, 104 f. - Pfarrkirche St. Callistus und Florinus 104 Perugia 121 - Universität 233 Pesaro 187, 314 Pfäfers (Ort / Pfarrei) 25, 38, 109, 300, 377 - Abt / Äbte von 25, 124, 307 - Benediktinerabtei St. Maria 25, 30, 33, 38 f., 60, 248, 299 f., 377, 389 Pfossental 328 Piacenza 55 Picardie (Frankreich) 60 Pigniu (Ort / Pfarrei) 241 Piuro 125 Planeil 328 Plars 317 Plaus (Ort / Pfarrei) 112 Pleif im Lugnez (Ort / Pfarrei) [siehe auch unter Vella] 43, 103, 246, 257 - [alte] Pfarrkirche St. Vincentius 43, 246 Plessur, Fluss 21, 52 Pondorf an der Donau 353-355 Portein (Ort / Pfarrei) 105 Posen 266 Prada, Hof bei Tiefencastel 35, 62, 114 Prättigau, Talschaft 21, 43, 48, 76, 85, 105, 140, 156, 158, 168, 263, 276, 382, 395 - Prättigauer Aufstand 216, 265 Präz (Ort / Pfarrei) 105 Prag 121, 140, 225, 351, 354 - Bischof / Bischöfe 354 - Universität 225 Pratval 120 Prémontré bei Laon 60 Pressburg 370 Promontogno 15, 119 Puschlav (Val Poschiavo), Talschaft 60, 98, 276, 377 Pustertal 182, 267, 313, 321 <?page no="427"?> 427 V. Orts- und Personenregister Q Quadrat 327 f. Quarten (Ort / Pfarrei) 39, 109, 300 Quedlinburg (Sachsen-Anhalt) 56 R Rabius 244 - Kapelle St. Mariae Geburt 244 - Kapelle St. Michael in Campieschas 244 - Kapelle St. Nikolaus in Runs 244 Rätien [Raetia] [siehe auch Churrätien] 15-18, 24, 27, 30, 35, 37, 51, 64, 73, 80, 98, 115 f., 120, 125, 159, 206 f., 231, 377, 380, 389 f. - Raetia prima, Provinz 17-21, 23 f., 377, 389 - Raetia secunda, Provinz 17, 23 f., 389 Rätische (Kapuziner)Mission 263, 265, 271-273, 394 f. Radin 329, 333 - Kapelle St. Leonhard 333 Ragaz (Ort / Pfarrei) 39, 43, 109, 177, 238, 300, 393 - [alte] Pfarrkirche St. Pankratius 43 Raggal (Ort / Pfarrei) 241 Ramosch/ Remüs (Ort / Pfarrei) 44 f., 48 f., 64, 107, 119, 389 - Burg Tschanüff / Remüs 119, 171 - [alte] Pfarrkirche St. Florinus [urspr. St. Peter? ] 44 f., 49 Ramoz, Alp 174 Rankweil (Ort / Pfarrei) 39, 43, 62, 64, 111, 130, 132, 135, 179, 211, 309, 318 f., 321, 324, 329, 334, 364, 392 - Herrschaft Rankweil-Sulz 178 - Kapelle St. Michael auf dem Friedhof 334 - [alte] Pfarrkirche St. Peter 43, 111, 329 - Pfarrkirche Mariae Heimsuchung 111, 136, 179, 329 - Vikariat 362 Rapperswil 238 Ravensburg 67 f., 155, 392 Realp 249, 273 - Kapuzinerhospiz 273 Regensburg 59, 92, 142, 353 f., 358, 382, 397 - Bischof / Bischöfe 291, 346, 354 - Bistum 353 - Reichsdeputationshauptschluss [RDH] 358 f., 397 Reichenau - Benediktinerabtei 25 Reichenberg, Burg 97, 119 Rechenberg, Kapelle auf dem 334 Reschen 158, 332 Reschenpass 15, 107, 111 Reutlingen 118 Reutte (Tirol) 306 Rhäzüns (Ort / Pfarrei) 43, 64, 105, 140, 159 - Herrschaft 140, 159, 299 - [alte] Pfarrkirche St. Georg 43, 64 - Schloss 301 Rhäzünserboden 105 Rhein, Fluss 18, 21, 24, 164, 178, 248 Rheinfelden 265 Rheintal 15, 24, 38, 43, 81, 108, 133, 157, 211, 263, 378 Rheinwald, Talschaft 59, 103, 118, 140, 168, 276, 379 Ridnauntal 255 - Knappenkirche St. Maria Magdalena 255 Riein 103 Rietberg, Schloss 120, 364 Riffian 248 Riga 140 - Bischof 140 Riom/ Reams (Ort / Pfarrei) 15, 42, 45, 77 f., 105, 114, 120, 259, 272, 275 - Königshof 42 - Pfarrkirche St. Laurentius 45, 259 - Raetia Ampla (Casti da Riom), Burg 42, 77 f., 97, 120 <?page no="428"?> 428 Anhang Ritten (bei Bozen) 78 Rodels 272, 275 Röthis (Ort / Pfarrei) 111, 130, 309, 321, 329, 392 Röns 334, 336 - Kapelle St. Magnus und Rochus 334 Rofla, Schlucht 16 Roggenburg 60, 173-175 - Abt / Äbte 173, 300 - Prämonstratenserabtei 60, 174 f. Rojen 327 f., 332 Rom / Römische Kurie / Apostolischer Stuhl 55, 60, 74 f., 94, 112, 121, 124, 135, 143 f., 170, 189-191, 200, 202-204, 208, 225, 230, 232-234, 236, 250, 251 f., 265, 268, 271, 279, 285, 292, 294, 299, 301, 304, 306 f., 344, 346, 348, 354, 360, 363, 372 - Collegio Germanico (Germanicum) 230, 232 f., 304, 306, 357, 394 - Collegio Urbano de Propaganda Fide 232 f. - Lateranbasilika 74 - Palazzo del Sant’ Ufficio (Glaubenskongregation) 285 f., 288 - Petersdom 285 - S. Apollinare, Kirche 230 - San Andrea della Valle, Theatinerkirche 252 - San Ignazio, Jesuitenkirche 252 Rossa 276 Rostock, Universität 225 Rothenbrunnen 119 Rotund, Burg 114, 120 Roveredo (Ort / Pfarrei) 108, 168, 208 f., 272, 276, 286, 293 Rueun (Ort / Pfarrei) 45, 75, 103, 241, 249, 272, 275, 391 - Kreis 244 - [alte] Pfarrkirche St. Andreas 45 - Kapelle St. Franziskus 244 - Kapelle St. Maria Magdalena 244 Rüthi/ SG (Ort / Pfarrei) 24, 108, 109, 378 Rüti/ ZH - Prämonstratenserkloster 158 Ruggell 72 Rumein 243 Rungeletsch 329 Ruschein (Ort / Pfarrei) 39, 45, 103, 243, 249 - [alte] Pfarrkirche St. Georg 45 - Kapelle St. Antonius von Padua 243 - Kapelle St. Maria 243 Russland 370 S Saas im Prättigau (Ort / Pfarrei) 107 Säben - Bistum 23 f., 389 Säckingen 35 Säntis 24 Sachseln 200 Safien, Talschaft 105, 140 Safien-Platz (Ort / Pfarrei) 105 Sagan [Zagán] (Polen), Augustiner-Chorherrenstift 305 Sagogn/ Sagens (Ort / Pfarrei) 21, 26, 37, 43, 81, 103, 243, 272, 275, 291, 300 - [alte] Pfarrkirche St. Mariae Aufnahme in den Himmel 43, 243 Salamanca 188 Salez 72 Salouf/ Salux (Ort / Pfarrei) 105, 272, 275 Saltaus 328, 331 Salzburg 70 - Bischof / Bischöfe 340, 345, 354 - Bistum 344, 360 Samedan (Ort / Pfarrei) 45, 60, 106 f. - [alte] Pfarrkirche St. Peter 45, 106 Samnaun (Ort / Pfarrei) 275 Samnaun, Talschaft 24 San Bernardino, Pass 16, 108 San Vittore (Ort / Pfarrei) 23, 45, 51, 73, 108, 209, 281 - Kollegiatsstift 73, 209, 281, 390 <?page no="429"?> 429 V. Orts- und Personenregister - [alte] Pfarrkirche San Vittore (St. Viktor) 45 - Propst 74, 209 Sapün 100 Sargans (Ort / Pfarrei) 26, 43, 109, 118 - Grafschaft / Landvogtei 177, 270 - [alte] Pfarrkirche St. Kassian 43 Sarganserland 43, 108, 149, 162, 171, 270 f., 303, 378, 380 Satteins (Ort / Pfarrei) 111, 132, 137, 334 - Kapelle St. Sebastian 334 - Pfarrkirche St. Georg 179 Savognin/ Schweiningen (Ort / Pfarrei) 35, 45, 62, 105, 259-262, 272, 275 - [alte] Pfarrkirche St. Martin (Son Martegn) 45, 261 f. - Pfarrkirche St. Mariae Empfängnis (Nossadonna) 259 f. Savoyen 124 Sax 109 - Landvogtei / Herrschaft 108, 380 Scuol/ Schuls (Ort / Pfarrei) 56, 62, 107, 390 Seckau 344 Seefelden (im Linzgau) 73 - Pfarrkirche St. Martin 73 Seewis im Prättigau (Ort / Pfarrei) 107, 215, 263, 395 Seez, Fluss 54 Selma 243 Sennwald (Ort / Pfarrei) 72, 109 Sent (Ort / Pfarrei) 107, 275 Seny (in Kroatien) - Bischof von 135 Septimer, Pass(Strasse) 15, 58 f., 73, 124 f., 377, 379, 392 - Hospiz 58 Sevelen (Ort / Pfarrei) 109, 114 Sevgein (Ort / Pfarrei) 243, 272, 275, 291 - Pfarrkirche St. Thomas 243 - Wallfahrtskapelle zum Heiligen Grab 243 Siat (Ort / Pfarrei) 39, 44 f., 241, 244, 249, 272, 275 - [alte] Pfarrkirche St. Luzius 44 f., 244 Siena - Universität 233 Sigmaringen 264 Silbertal (Ort / Pfarrei) 111, 334 - Kapelle St. Agatha auf Kristberg 334 Silgin 243 Sils im Domleschg (Ort / Pfarrei) 105, 118 f. Sils im Engadin (Ort / Pfarrei) 15, 107 Silvaplana 60 Sitten 18 f., 389 - Bistum 199, 229 Sizilien 71 Soazza (Ort / Pfarrei) 140, 243, 272, 276 Solothurn [Salodurum] 18, 156, 198, 266 Sondrio 203, 215 Sonnenberg 180, 265, 324 - Herrschaft 178, 180, 265 - Schloss 125 Sonntag (Ort / Pfarrei) 87, 111, 212 Spanien 124, 163, 175, 215, 218, 289, 291 Speyer 59, 139 - Bischof 139 Spiss 107, 328, 332 Splügen (Ort / Pfarrei) 39, 105 - Pass 15 f., 377, 379 Süddeutschland 161 Südschwaben 36 Südtirol 23, 83, 321 Sulnerberg 130 Sulz 39, 130 Sulzbach (Bayern) 353 Sumvitg/ Somvix (Ort / Pfarrei) 45, 103, 244, 249 - [alte] Pfarrkirche St. Johannes d. T. 45, 244 - Kapelle St. Joseph in Compadials 244 - Kapelle St. Laurentiusund Sebastian in Laus 244 - Kapelle St. Maria zum Schnee 244 Sur 272 Surcasti/ Oberkastels (Ort / Pfarrei) 103, 243 - Kapelle St. Joseph 243 <?page no="430"?> 430 Anhang Surcuolm (Ort / Pfarrei) 241, 243, 245 f. - Pfarrkirche St. Georg 243, 245 f. Surrein 244 - Kapelle St. Placidus 244 - Kapelle St. Paul in Val 244 Surrin 243 Sursee 270 Surselva, Talschaft 45, 59, 118, 231, 233, 243, 245, 249-251, 276, 286, 367, 379 Susch/ Süs (Ort / Pfarrei) 107 Sch S-chanf (Ort / Pfarrei) 60, 107 Schaan (Ort / Pfarrei) 21, 43, 109, 124, 271, 276, 287 f., 300, 396 - [alte] Pfarrkirche St. Peter 43 Schänis (Ort / Pfarrei) 35 f., 43, 109, 377 - Kanonissenstift (adeliges Damenstift) [monasterium Skennines] St. Sebastian 30, 35 f., 62, 377, 390 - [alte] Pfarrkirche St. Gallus 43 - Stiftskirche (Pfarrkirche) St. Sebastian 36 Schaffhausen 156, 166 Schams, Talschaft 45, 59, 105, 118, 121, 123, 140, 168, 379 - Schamser Fehde 143, 392 Schanfigg, Talschaft und Gericht 39, 43, 100, 104 f., 118, 140, 168, 174, 276 Scharans (Ort / Pfarrei) 105, 114 Schellenberg 72, 149 - Herrschaft 300, 396 Schiers (Ort / Pfarrei) 21, 43, 107, 140, 216 - [alte] Pfarrkirche St. Johannes d. T. 43 Schlanders (Ort / Pfarrei) 45, 112, 118, 267-269, 328, 332, 370, 381, 395 - Gericht 158 - Kapelle St. Ingenium und Albuin 268 - Kapelle St. Jenewein im Ladurnerhof 332 - Kapelle St. Thomas im Ansitz Freienturm 332 - Kirche St. Albuin 332 - Kirche St. Nikolaus 332 - Kapuzinerkloster 268 f., 362, 370, 381, 395 - Kapuzinerkirche St. Johannes d. T. 268 - [alte] Pfarrkirche St. Maria 45 Schlans (Ort / Pfarrei) 103, 244, 249 - Pfarrkirche St. Georg 244 - Kapelle St. Maria im Schnee 244 Schleis 62 Schlettstadt 116 Schlinig (Ort / Pfarrei) 112, 328, 332 - Kirche Hl. Kreuz 332 - Kirche St. Stephanus 332 Schlins [zu Marienberg] (Ort / Pfarrei) 111, 178, 334 - Kapelle St. Michael auf Schloss Jagdberg 334 Schluderns (Ort / Pfarrei) 82, 112, 211, 333, 371 - Kirche St. Antonius 333 - Provikariat 362 Schluein 243 - Kapelle St. Peter und Paul 243 Schnals, Unser Frau (Ort / Pfarrei) 112, 328 Schnalstal 309 f., 312-315, 328, 383, 396 Schnifis (Ort / Pfarrei) 111, 249, 329, 331 - Schnifiserberg 329 Schottland 124 Schroffenstein, Burg 120 Schruns (Ort / Pfarrei) 211, 241, 334, 336 - Kirche auf dem Kalvarienberg 334 - Litz-Kapelle im Dorf 334 Schwaan 139 Schwaben 121, 123, 175, 232, 358, 360, 380 Schweiz / Schweizer Raum 18 f., 199-201, 226, 234, 259, 284, 286, 383 Schwyz 156, 198 St St. Anton (Ort / Pfarrei) 241 St. Blasien <?page no="431"?> 431 V. Orts- und Personenregister - Benediktinerabtei 355 - Klosterdruckerei 355 St. Gallen 67, 156, 200 - Abt / Äbte 70, 74 f., 123, 150, 300 - Benediktinerabtei 25, 35, 70, 74, 156 - Kanton 36, 378 - Stiftsarchiv 25 f., 38 - Stiftsbibliothek 28, 38 St. Gallenkirch (Ort / Pfarrei) 111, 329, 335 f., 353, 371 - Kapelle Unsere Liebe Frau in Aussergant 335 - Kapelle Unsere Liebe Frau am Hohen Steg 335 - Kapelle Mariae Dolorosa in der Reutte (Rüti) 335 - Kapelle Hl. Familie an der Kreuzgasse 335 - Kapelle St. Mariae Verkündigung auf Gand 335 - Provikariat 362 - Rüti 329 St. Gerold, Propstei 111, 292, 319 St. Leonhard 329 St. Lorenzen (Pustertal) 313 St. Luzisteig 43, 45, 47 - [alte] Pfarrkirche St. Luzius 43 St. Martin am Kofl 328 St. Martin im Lugnez 244 - Filialkirche St. Martin 244 - Kapelle St. Sebastian in Munt 244 St. Martin in Passeier (Ort / Pfarrei) 62, 112, 328, 378 St. Maurice d’Agaune [Acaunum] 18 St. Moritz 107 St. Peter im Schanfigg (Ort / Pfarrei) 43, 100, 107 - [alte] Pfarrkirche St. Peter 43, 100 St. Peter im Schwarzwald, Benediktinerkloster 57 St. Valentin auf der Haide 72, 111, 115, 158 - Hospiz 115 Sta. Domenica (Ort / Pfarrei) 243, 276 Sta. Maria del Castello (bei Mesocco) 108, 209 Sta. Maria im Münstertal (Ort / Pfarrei) 112, 170, 276 Sta. Maria in Calanca (Ort / Pfarrei) 108, 209, 272, 276 Staben 254, 332 - Kirche St. Laurentius 332 Stams, Zisterzienserabtei 112, 127 Stans (Österreich) 157 - St. Georgenberg 157 Stans (Schweiz) 192, 200 Stanz bei Landeck 120 Steffisburg 115 Steinach, Ortsteil von Algund [siehe auch Algund] 87 f. Sterzing 316 Stierva/ Stürvis (Ort / Pfarrei) 272, 275 Stilfs 328, 333 - Kirche St. Martin 333 Stopfenheim 321 Strassberg 238 Strasbourg/ Strassburg 13, 35, 156-159 - Bischöfe 194 - Bistum 73 - Kloster St. Stephan 35 Stuben 241 T Tabland 328 Tamina, Schlucht 38 Tamins (Ort / Pfarrei) 43, 103, 140 Tanas 328 - Kuratie St. Peter 328 - Lokalkaplanei St. Joachim und Anna 328 Tannberg 328 Tarasp (mit Fontana, Sparsels) 56, 60, 62, 272, 275, 361 - Herrschaft 158, 358 - Schloss 361 Tarsch 328, 332 - Kirche St. Carpophorus 332 <?page no="432"?> 432 Anhang Tartsch 332 - Kirche St. Christina 332 - Kirche St. Joseph 332 Taufers (Ort / Pfarrei) 39, 112, 114, 120, 157, 276, 333, 365 - Kirche St. Antonius 333 - Kirche St. Johannes d. T. 42, 333 - Kirche St. Martin 333 Tavetsch [siehe unter Tujetsch] Tein, Alp 114 Tenna 140 Terlan 254 Tersnaus (Ort / Pfarrei) 241, 244 - Pfarrkirche St. Apollinaris und Maria Magdalena 244 Tessin, Talschaft 24, 200 Thann 121, 136 Thebais 18 Thüringen (Ort / Pfarrei) 87, 111 Thurgau 24, 125, 389 Thusis (Ort / Pfarrei) 15, 21, 105, 140, 168 - Strafgericht 215, 394 Tiefencastel/ Casti [Castellum Impitinis] (Ort / Pfarrei) 15, 35, 45, 73, 105, 114, 272 f., 275 - [alte] Pfarrkirche St. Ambrosius 45 Tinizong (Ort / Pfarrei) 15, 62, 78, 105, 125, 272, 275 Tirol 98, 157, 171, 183, 266 f., 307, 326, 330, 343, 345, 360, 362 f., 367 f., 370 f., 373-375, 380, 382, 393, 396 f. - Dorf Tirol 127, 248, 324 - Grafschaft 98, 116, 118, 120, 123, 130, 143, 149, 156, 159, 181 f., 332, 342 f., 345 f., 360, 393 - Pfarrei Tirol-Meran 112, 127 f., 248, 255 - Schloss 88, 117, 126 f., 391 Tisis (Ort / Pfarrei) 87, 111, 335 - Kapelle St. Margareta auf dem Kapf 335 - Kapelle Hl. Kreuz in der Parzelle Hl. Kreuz 335 - Kapelle St. Wolfgang 335 - Kapelle St. Antonius von Padua auf Carina 335 Tobadill (Tirol) 120 Toggenburg 24, 123, 389 Tomils (Ort / Pfarrei) 105, 119, 272, 275 Tosters (Ort / Pfarrei) 111, 211, 335 - Kapelle St. Wolfgang «am Sand» 335 Tours 28 - Abtei St. Martin 28 Trafoi 328 Tramin 117 Tribur 55 Tricàrico 202 Trient 81, 126, 178, 186, 192-198, 203 f., 216, 237, 240, 301, 321, 325, 360 - Bischof / Bischöfe 116, 192, 301, 338, 340, 343 f., 370 - Bistum 344-346, 360, 370, 375, 397 - Konzil 130, 146, 156, 178, 183-186, 191-199, 203 f., 207, 212, 214, 216, 218, 221, 223, 225-228, 237, 381, 394 Trier - Bischof / Bischöfe 194, 339 - Universität 225 Triesen (Ort / Pfarrei) 109, 211, 222, 300 Trimmis (Ort / Pfarrei) 39, 52, 107, 118 f., 153, 163, 168, 273, 379 - (Alt-)Aspermont, Burg 78, 97, 118 - (Neu-)Aspermont, Burg 119 - Kirche St. Carpophorus 52 - Molinära, Hof 78 Trin (Ort / Pfarrei) 43, 103 - Gericht 140 - [alte] Pfarrkirche St. Pankratius 43 Trumsberg-Vorberg 328 Trun (Ort / Pfarrei) 26, 37, 45, 103, 245, 249, 256 f., 262 - [alte] Pfarrkirche St. Martin 45, 245, 256 <?page no="433"?> 433 V. Orts- und Personenregister - Wallfahrtskirche St. Maria Licht (Nossadunna dalla Glisch) in Acladira 245, 256 f., 262 - Kapelle St. Joseph in Darvella 245, 256 - Kapelle St. Katharina in Campliun 256 - Kapelle St. Sebastian 256 Tschagguns (Ort / Pfarrei) 111, 357 Tschappina (Ort / Pfarrei) 105, 140 Tschars (Ort / Pfarrei) 111 f., 328 Tschechien 121 Tschengls (Ort / Pfarrei) 112, 328, 333 - Kirche St. Ottilia 333 Tschirland 328 Tschlin/ Schleins (Ort / Pfarrei) 107 Tübingen, Universität 225 Tüfelsruggen, Burg 115, 391 Türkei 94 Tuggen 39 Tujetsch-Sedrun (Ort / Pfarrei) 103, 245, 249 - Pfarrkirche St. Vigilius in Sedrun 245 - Kapelle St. Anna in Camischolas 245 - Kapelle St. Antonius von Padua in Sur Rain 245 - Kapelle St. Johannes Ev. und Valentin in Selva 245 - Kapelle St. Luzius in Cavorgia 245 - Kapelle St. Maria zum Schnee in Zarcuns 245 - Kapelle St. Nikolaus in Tschamut 245 - Kapelle St. Sebastian in Giuf 245 U Übersaxen (Ort / Pfarrei) 130, 241 Ulten 130 Ungarn 121, 124, 301 Unterengadin, Talschaft 45, 48 f., 56, 59, 62, 98, 107, 118, 121, 156, 158, 168, 171, 216 f., 263, 272, 358, 379, 382, 389 Untervaz (Ort / Pfarrei) 39, 43, 75, 107, 118, 153, 163, 168, 273, 274, 379 - Kapuzinerhospiz 273 - [alte] Pfarrkirche St. Laurentius 43 Unterwalden 156, 198 Unterwallis 19 Urbino 187, 314 Urkantone 200 Uri 156, 198 Ursern, Hochtal 101, 222, 249, 378, 380 V Vättis (Ort / Pfarrei) 109, 300 Vaduz 149 - Herrschaft 300, 396 - Kapelle St. Florinus 300 - Schlosskapelle 300 Valduna (bei Rankweil) 126, 132 f., 135-138, 318-320, 325, 380, 383, 392, 396 - Klarissenkloster 132 f., 135-138, 309, 318-320, 324 f., 380, 383, 392, 396 - [alte] Klosterkirche St. Peter und Paul 135 - [neue] Klosterkirche Hl. Dreifaltigkeit 138, 319 - Landesirrenanstalt 320 - Valduna-Wald 132, 133 - Vorarlberger Landeskrankenhaus 320 - Wohltätigkeitsanstalt 319 Valendas (Ort / Pfarrei) 103, 249 Valens 300 Vallün 329 Vals (Ort / Pfarrei) 103, 123, 140, 244, 276, 286, 288, 396 - Pfarrkirche St. Peter und Paul 244 - Wallfahrtskapelle St. Maria in Camp 244 - Kapelle St. Jakob in Leis 244 - Kapelle St. Johannes d. T. in Soladüra 244 - Kapelle Hl. Kreuz in Vale 244 - Kapelle St. Bartholomäus in Zerfreila 244 Valsertal 285 Valzeina (Ort / Pfarrei) 107 Vandans (Ort / Pfarrei) 241, 335 <?page no="434"?> 434 Anhang - Kapelle Unsere Liebe Frau in Vens 335 Vatikan - Vatikanische Bibliothek 57 - Vatikanum II 197 Vaz / Obervaz (Ort / Pfarrei / Herrschaft) 45, 105, 115, 123, 171, 271 f., 275, 380 - [alte] Pfarrkirche St. Donatus 45 - Herren von 59, 72 Veglia 207 Vella im Lugnez 245 f., 257 Vellau 328 Veltlin 54, 60, 204, 209, 229 Venedig 190 - Republik 163 Venetien 377 Vent 111 Verdabbio (Ort / Pfarrei) 243 Verdun 31 Vernuer-Gfeis 328 Verona - Bistum 344 Viamala, Schlucht 16 Vicenza 191 Vicosoprano 119 - Senwelen-Turm 119 Vier Dörfer 97 f., 105, 118, 153, 163, 168, 379 Viktorsberg 126, 130 f., 133, 292, 309, 318, 320 f., 325, 329, 380, 383, 392, 396 - Kapelle 131, 133 - Klosterarchiv 320 - Klosterbibliothek 320 - Klosterkirche 131 - Klusbach, Gut 130 - Lokalkaplanei 325, 329 - Minoritenkloster 130 f., 309, 318, 320 f., 324, 326, 380, 383, 392, 396 Villanders (Südtirol) 321 Vils (Tirol) 301 Vilters (Ort / Pfarrei) 109, 300 Vinschgau 23, 34, 39, 45, 48 f., 57, 59, 69 f., 73, 80, 83, 97, 115, 118-121, 142, 143, 156-159, 165 f., 168, 171, 180, 204 f., 208, 211, 215, 217, 225, 276, 291, 303, 307, 310, 312, 315, 322, 324 f., 330 f., 342, 356, 360 f., 363, 372, 377, 379 f., 383, 394, 396 f. - Oberer Vinschgau 23, 56, 62, 83, 88, 97, 121, 158, 210, 254, 304, 327 f., 375, 378, 382, 389 f., 392 - Unterer Vinschgau 23, 88, 95, 210, 254, 327 f., 342, 375, 378, 389 - Vogtei 84, 125 Völlan 130 Vorarlberg 51, 60, 90, 98, 100, 109, 130, 136 f., 143, 149, 162, 171, 178, 183, 215, 238, 303, 307, 326, 330, 341 f., 343, 346, 348, 353 f., 356, 360, 371, 373-375, 378, 380, 382 f., 393, 396 f. Vorderrhein 37, 43, 164, 243 Vrin (Ort / Pfarrei) 241, 244, 256-258 - Pfarrkirche St. Mariae Geburt 257 f. - Kapelle St. Valentin zu Puzzatsch 244 W Waadt 276 Walensee 22, 24, 54, 88 f., 118 Walenstadt (Ort / Pfarrei) 39, 43, 45, 109, 300 - [alte] Pfarrkirche St. Luzius 43 Wald 329 Walgau 24, 39, 43, 87, 168, 208, 210, 225, 233, 324 f., 329, 331, 342, 360 f., 372, 394, 396 - Innerer Walgau 329 - Vorderer Walgau 329 Wallis 16, 187, 201 Walsertal, Grosses 87 Waltensburg/ Vuorz (Ort / Pfarrei) 103, 140, 168, 249 Walzenhausen 133 Wangs 45, 300 Warngau (Oberbayern) 321 Wartau (Ort / Pfarrei) 43, 109 - [alte] Pfarrkirche St. Martin 43 <?page no="435"?> 435 V. Orts- und Personenregister Weesen (Ort / Pfarrei) 88-90, 92, 109, 177, 378, 391, 393 - Dominikanerinnenkloster Maria Zuflucht 88 f., 92, 378, 391 - Lauibach 89 - Sandhof 88 f. Weggis 39 Weiler 130 Weingarten, Benediktinerabtei 87, 238 Weisstannen 300 Werdenberg - Grafschaft / Herrschaft 108, 380 - Schloss 80 f., 391 Wetzwil 39 Wiesberg, Burg 120 Wiesen 114 Wien 144, 149, 152, 225, 233, 300, 307, 312, 316, 344-346, 348-350, 354, 363, 372, 397 - Barbara-Kolleg 232 - Bischof / Bischöfe 194 - Geistliche Hofkommission 308 f., 345 - (Reichs-)Hofkanzlei / Regierung 307, 309, 315, 325, 350, 360, 372 - Theologische Fakultät 342 - Universität 181, 225, 233 - Wiener Konkordat 144 f., 148, 392 - Wiener Neustadt 152 Wil 150, 270 Wildhaus 271, 378 Windisch [Vindonissa] 19 Winkel 329 Wittenberg, Universität 178, 225 Wörth an der Donau 353 Worms 34, 55 - Bischof / Bischöfe 339 Würzburg 139 - Bischof 139 - Universität 225 Wynegg, Burg 120 Z Zenoburg (bei Meran) 333 - Kapelle St. Gertrud 333 Zentralschweiz 187 Zernez (Ort / Pfarrei) 107, 122 Zillis (Ort / Pfarrei) 21, 45, 64, 105 - [alte] Pfarrkirche St. Martin 45, 64 Zizers (Ort / Pfarrei) 43, 52 f., 107, 118 f., 153, 163, 168, 222, 273 f., 379 - Kapuzinerhospiz 273 f. - Königshof 52 f. - [alte] Pfarrkirche St. Peter 43 Zorten 115 Zwiefalten, Benediktinerkloster 57, 118, 299, 396 Zwischenwasser 130 Zürich [Turicum] 18, 37, 89 f., 93, 156, 158, 163, 171, 177, 353, 354 - Dominikanerinnenkloster Ötenbach 90 - Waisenhaus 353 Zürichsee 24 Zug 156, 198 Zuoz (Ort / Pfarrei) 60, 75, 107, 203, 217 Zwickau 164 <?page no="436"?> 436 Anhang Personenregister A. = Abt/ Äbtissin; Bf. = Bischof; Br. = Bruder; DPr. = Dompropst; EBf. = Erzbischof; EHz. = Erzherzog/ in; EPr. = Erzpriester; Ev. = Evangelist; FHr. = Freiherr/ in; G. = Graf/ Gräfin; GPp. = Gegenpapst; GV = Generalvikar; hl. = Heilige/ r; Hz. = Herzog/ in; K. = Kaiser; Kard. = Kardinal; Kg. = König; Mart. = Märtyrer/ in; Nun. = Nuntius; P. = Pater; Pp. = Papst; Pr. = Priester; Sr. = Schwester; WBf. = Weihbischof A Abundantius, Bf. 19 f. Acquaviva, Rodolfo, Nun. 36 Adalbertus, A. 38 Adalbert II. de Medel, A. 248-250 Adalgott, Bf., hl. 34 f., 40, 62 f., 66-68, 257, 292, 378, 386, 390 Adelheid von Tirol, G. 87 Ämiliani, Hieronymus, P. 188 Aimo, P. 60 Albertini, Johann Baptist, Pr. 336 Albrecht III., Hz. 121 Alexander II., Pp. 55 Alexander III, Pp. 35, 70 Albert III. von Tirol, G. 87 Albert der Grosse (Albertus Magnus), hl. 84 Albert von Güttingen 74 Albrecht I. von Österreich, Kg. 113 Alemannen 377 Alexander IV., Pp. 88 Alexander VII., Pp. 286 Alexander von Ramosch, Pr. 49 Aliesch, Peider 281 Alighieri, Dante 262 Alkuin, A. 28 Ambrosius, Bf., hl. 19, 229 Antonio de Tosabeciis, Bf. 143, 387 Antonius der Einsiedler, hl. 254 Arco, Karl 369 Aristoteles 235 Arnold I., Bf. 386 Arnold II. von Matsch, Bf. 71, 73 f., 386, 390 Arnold von Selenhofen, EBf. 63 Artz, Edmund Maria Josef von, G., GV, WBf. 346, 348 Asinio, Bf., hl. 19-21, 64, 292, 377, 385, 389 Aste, Marcello d’, Nun. 299 Auer, Benedikt 128 Augustinus, hl. 84, 90, 94 Augustus, K. 15 B Baal, Johann Joseph, Pr. 357 Barbieri, Domenico 293 Barnabiten 188 Bartholomäus a Martyribus, EBf. 228 Basilius 22 Bass, Giovanni Maria, P. 176 Battaglia, Johannes Fidelis, Bf. 387 Beda Venerabilis, hl. 257 Belmont, Herren von 78, 80 Belmont, Konrad III. von, Bf. 79 f., 83, 92 Benedikt XII., Pp. 115 Benedikt XIII., Pp. 301 Benedikt XIII., GPp. 125 Benedikt XIV., Pp. 263 Benedikt von Nursia, hl. 33, 37, 56, 84, 257 Bernhard von Clairvaux, hl. 62, 257 Bernhardi, Bartholomäus 178 Berno von Mecklenburg-Schwerin, P., Bf. 66, 70 Berogio (Broggio), Antonio 257 Berogio (Broggio), Giovanni Battista 257 Berthold von Helfenstein, Bf. 74, 386, 391 Berthold II. von Heiligenberg, Bf. 81, 91, 94, 112, 386 Berthold II. von Wangen 78 <?page no="437"?> 437 V. Orts- und Personenregister Bertogg, Ulrich, Pr. 257 Biberegg, Bertold von 60 Biberegg, Konrad I. von, Bf. 59 f. Bilgeri, Bartholomäus, Propst 85 Bissingen, Ferdinand Ernst von, G. 371 Blaas, Johann Baptist 336 Blümegen, Heinrich Kajetan von, G. 343 Bolzone, Taddeo, Pr. 286 Bonhomini, Giovanni Francesco, Nun. 205, 207 Bonifacius, WBf. 81 Bonifaz VIII., Pp. 112 Bonifaz IX., Pp, 124, 136 Borromeo, Carlo, Kard. 168, 187, 199-202, 208 f., 229, 251, 270, 281, 381, 394 Borromeo, Federico, Nun. 248-250 Borsato, Francesco, P. 281 f. Bossi, Johann Georg, Bf. 387 Brandis, Freiherren von 140, 149 Brandis, Franz Adam, G. 321 Brandis, Innozenz, G. 321 Brandis, Ortlieb von, Bf. 67, 80, 137, 149, 150-156, 387, 392 Brandis, Rudolf von 149 Brandis, Wolfhard V. von 149 Brock, Nicolaus 263 Brügler, Johann Thomas 287 Brun, Hans, FHr. 140 Bruno, Bf. 70, 386 Bubulcus, Bf. 19 Buchberg, Jakob Fidel Simeon von 323 Büchele, Bernarda, Sr. 91 Buol-Schauenstein, Karl Rudolf von, Bf. 311, 357, 359 f., 363 f., 366, 370, 371-373, 375, 387, 397 Bürkli, Hans, Pr. 106 C Calixtus II., Pp. 55, 57 f. Calixtus III., Pp. 143 Calovi, Jakob, P. 268 Caltagirone, Innozenz von, P. 265 Caminada, Christianus, Bf. 388 Canisius, Petrus P. 221, 232 Cantelmi, Giacomo, Nun. 174 Capitel, Christian, Pr. 211 Capol, Sebastian, Pr. 269 Caprara, Giovanni Battista, Nun. 306 Caracciolo, Giacomo, Nun. 300 Carafa, Gian Pietro, Kard. 187, 190 Caraffa della Spina, Carlo, Nun. 285, 292 Carl ab Hohenbalken, Kaspar de, Bf. 387 Carraro, Flavio Roberto, P. 266 Casnigo, Ignazio, P. 271 Castelberg, Conardin von 249 Castelmur, Bartholomäus von 173, 184 f., 394 Castracane degli Antelminelli, Castruccio Francesco, G. 314 Cervini, Marcello, Kard. 190, 192 Chager, Christian 321 Charles de Lorraine-Guise, Kard. 195 Christ, Paul 176 Chrodegang vom Metz, Bf. 24 Cicero 235 Clara von Embs, Sr. 132 f. Claudia de’ Medici, EHz. 268 Claudius, K. 16, 389 Claus, Steinmetz 67 Clemens VI., Pp. 114 Clemens VII. Pp. 187, 191, 230 Clemens VII., GPp. 124 Clemens VIII., Pp. 247 Clemens XII., Pp. 306 Clemens XIV., Pp. 364 Cobenzl, Ludwig 360 Cölestin III., Pp. 70, 390 Colloredo-Waldsee, Franz de Paula 360 Colonna, Odo, Kard. 139 Comander [Dorfmann], Johannes 163, 166, 170, 173, 393 Conrad, This 287 Consalvi, Ercole, Kard. 361, 363, 373 Constantius, Bf. 25-28, 39, 385, 389 Contarini, Casparo, Kard. 190 Cristoforo da Toscolano, P. 290, 291 <?page no="438"?> 438 Anhang D Dalberg, Karl Theodor von, EBf. 339 Decosta, Philipp, P. 370 Decurtins, Carl, P. 256 Demarmels, Johann, Pr. 257 Deprés, Petrus, Kard. 115 Diein, Juniperus 273 Dietmar von Montfort, Bf. 385 Dietrich, WBf. 135 Diokletian, K. 16, 389 Diotolf (Theodolf ), Bf. 385 Dölsch, Johannes 178 Dominikus, hl. 84, 88, 90 f., 94, 96 Donat von Vaz 115 f., 391 Drusus 15 E Ebenhoch, Johann Jakob 336 Eberlin, Johann 320 Egino von Ehrenfels, Bf. 59, 68-70, 378, 386, 390 Egno von Eppan, Bf. 88 Eichhorn, Ambrosius, P. 354-356, 397 Eichhorn, Joachim, A. 198, 204 Eisenreich, Maximilian P. 238 Elisabeth von Taufers, A. 127 Elzenbaum, Christoph Rudolf Georg von 313 Engel, Seraphin, P. 263 Ephrem der Syrer 260 Esso, Bf. 25, 31, 385, 390 Eugen III., Pp. 60 Eugen IV., Pp. 142 Euphemia, Hz. 126 f. Eusebius von Viktorsberg, Mart. hl. 292 Eutyches, Mönch 19 Euwler, Gallus, Br. 320 Eyle, Conrad 136 F Faber, Roman, P. 268 Farnese, Alessandro, Kard. 193 Farnese, Girolamo, Nun. 248, 268 Federspiel, Johann von 299 Federspiel, Johann Baptist Anton von, Bf. 304-306, 382, 387 Federspiel, Luzius Rudolf von 304 Federspiel, Ulrich VII. von, Bf. 267, 299-301, 304, 382, 387 Felix, Mart., hl. 18 Ferdinand I, EHz., K. 171, 181 f., 192, 195 Ferdinand II., EHz. 171, 180, 210 Ferdinand Karl, EHz. 269 Feuerstein, Georg, A. 173 Fidelis von Sigmaringen, P., Mart., hl. 216, 263 f., 395 Flavian von Konstantinopel, Bf. 19 Fliri, Christian Jakob, DPr. 364-366 Florentini, Nikolaus Franz, Bf. 387 Florinus, hl. 45, 48 f., 67, 389 Flugi von Aspermont, Johann V., Bf. 81, 179, 207 f., 211, 215-221, 230 f., 263, 266, 381, 387, 394 Flugi von Aspermont, Johann VI., Bf. 80, 131, 138, 218, 223, 238, 249, 259, 265, 268, 270, 272, 285, 289, 290-295, 304, 381, 382, 387, 395, 396 Francesco Maria de Vigevano, P. 261 Franz I. Stephan, K. 305 Franz I., K. 371 Franz II., K. 147, 360, 363, 397 Franziskus von Assisi, hl. 84, 126, 133, 187 Frick, Lukas 336 Friedrich I. Barbarossa, K. 62, 69, 70, 378 Friedrich I. von Montfort, Bf. 80 f., 90, 95, 386, 391 Friedrich II., K. 71, 73, 75, 78, 391 Friedrich II. von Erdingen, Bf. 123, 386 Friedrich III., K. 143 f., 149, 150-153 Friedrich III. der Schöne von Österreich 113 f. Friedrich V. von Schwaben, Hz. 70 <?page no="439"?> 439 V. Orts- und Personenregister Friedrich von Teck, Hz. 121 Fryberg, Herren von 78 Fugger, Anton Ignaz Reichsgraf von, Propst 353 Furtenbach, Zacharias, P. 230 f. G Gallicius, Philipp 170 Gallus, hl. 67, 254 Galura, Bernhard, GV, WBf. 375 Gammertingen, Grafen von 60, 390 Gasser, Matthäus 238 Gassner, Johann Joseph, Pr. 351-355, 396 Gau, Catharina Josefa, A. 318 Gaudenz von Matsch 82 Gebhard, hl. 263 Gebhard III. von Zähringen, Bf. 56 Gerbert, Martin, A. 355 Gmach, Paul, Pr. 104 Gmeinder, Viktor, P. 321 Göldi, Anna 276 Goldschmid, Ursula, Sr. 135 Golser, Georg, Bf. 279 f. Goswin, Chronist 121 Gottfried, Bf. 55 Grab, Amédée, P., Bf. 388 Gregor VII., Pp. 55 f. Gregor IX., Pp. 71, 75 Gregor XI., Pp. 123 f. Gregor XII., Pp. 125 Gregor XIII., Pp. 178 f., 201, 230, 236 Grustner zu Grustdorf-Reinsberg, Johanna Franziska von, A. 310 Gsell, Johannes 149, 152 Guccio, Crisostomo 259 Gugger von Staudach, Franz Philipp 318-320 Gunzner, Friedrich, P. 239 Gyr, Nicolaus de Rupe, A. 369, 397 H Haas, Wolfgang, Bf. 388 Habsburger 98, 114 Hadrian IV, Pp. 62 Haller, Berchtold 166 Handt, Daniel, Br. 321 Hans von Sax-Misox 140 Hartbert, Bf. 49, 51-54, 385, 390 Hartmann I., Bf. 385 Hartmann II. von Werdenberg-Sargans, Bf. 97, 124 f., 136, 139, 386 Hartmann, Christoph, Propst 292 Hartmann, Gerold, Pr. 287 f., 396 Hebenstreit (geb. Tasch), Maria Barbara von 365 Heil, Petrus, Pr. 254 Heiligenberg, Grafen von 81 Heinke, Franz Joseph FHr. von 343-345 Heinrich I., Kg. 34 Heinrich I. von Montfort, Bf. 385 Heinrich I. von Montfort, G. 78 Heinrich II. Bf. 70 f., 386, 390 Heinrich II. von Belmont 79 Heinrich II. von Görz-Tirol, G. 88 Heinrich II. von Sax, G. 73 Heinrich III., K. 35 Heinrich III. von Montfort, Bf. 66, 71, 75-79, 82, 88 f., 92, 386, 391 Heinrich III. von Montfort, DPr. 80 Heinrich IV., Kg. 55-57 Heinrich V., Kg. 55, 57-59 Heinrich VI. von Hohenstaufen, K. 71 Heinrich VI. von Kärnten-Tirol, Hz. 127 Heinrich VII. von Luxemburg, Kg. 113 Heinrich von Embrach, P. 93 Heinrich von Flums 76 Heinrich von Kärnten, Hz. 88 Heinrich von Reichenberg 114 Heinrich von Rialt 74 Heinrich von Sax-Misox 73 Heinrich von Virneburg, EBf. 115 Heinrich von Waltensburg, Pr. 75 <?page no="440"?> 440 Anhang Heinrich von Werdenberg-Sargans, G. 133 Heiss, Jakob, Pr. 322 Hellrigl, Andreas Alois 322 Hendl zu Kastelbell, Karl Johann, G. 314 Herbstheim, Matthias von, P. 265 Hersche, Peter 251 Hewen, Heinrich (IV.) FHr. von, Bf. 142, 156, 387, 392 Hewen, Heinrich V. von, Bf. 153 f., 156, 158 f., 380, 387, 392 Hiebler, Josef 321 Hieronymus, hl. 260 Hiltibald, Bf. 54, 385 Hofmann, Johannes 165 Hofmeister, Sebastian 166 Hofstetten, Johann Theodor von 267 Hohenems, Mark Sittich von, Bf., Kard. 229 Holzer, Wolfgang (Br. Onuphrius), 321 Honorius III., Pp. 72, 74, 84 Horaz 235 Hug, Anna, Sr. 133 Hugo von Montfort, G. 112 Hugo I. von Montfort, G. 86 Hugo I. von Werdenberg-Heiligenberg, G. 90 Hugo II. von Werdenberg-Heiligenberg, G. 114 Hummelberg, Hieronymus 263 Hunfrid, G. 29, 35, 390 Hunger, Konrad, P. 284 Huonder, Vitus, Bf. 388 Hus, Jan 140 Hussiten 140 Huttler, Hieronymus, A. 211 I Issak, Bf. 19 Isser, Anton Simon 311 f. Innozenz I., Pp., hl. 254 Innozenz III., Pp. 60, 71-73 Innozenz IV., Pp. 75, 78, 391 Innozenz VI., Pp. 121 Innozenz VIII., Pp. 279 Innozenz X., Pp. 285 Innozenz XII., Pp. 146, 299, 321 Iter, Luzius, Bf. 172, 184 f., 203, 387 J Jakob von Castelmur, 124 f., 392 Jakob Hannibal von Hohenems, G. 132 Jecklin, Gallus, Pr. 106 Jedin, Hubert 185, 197 Jeger, Bartholomäus 85 Jesus Christus 15, 19, 35, 67, 281 Jörg, Joseph, Pr. 365 Johann Peter von Sax-Misox 78 Johann von Schauenstein 114 Johannes, Ev. 94, 262 Johannes und Paulus, Mart. hll. 254 Johannes XXII., Pp. 114 f., 125 Johannes XXIII., GPp. 140 Johannes I. Pfefferhard, Bf. 115, 386, 391 Johannes II. (Ministri) von Ehingen, Bf. 123 f., 386 Johannes III. Ambundii, Bf. 139 f., 387 Johannes IV. Naso (Naz), Bf. 139-142, 149, 387, 392 Johannes von Jerusalem, hl. 86 Johannes von Litauen, WBf. 89, 391 Johannes von Nassau, EBf. 139 Johannes Paul II., Pp. 288 f. Jordan, Veit 310 Joseph II., K. 88, 263, 298, 307-309, 313-315, 320, 325 f., 330 f., 336-338, 340, 342-345, 348, 354, 360, 363, 366, 371, 382 f., 396 Julius II., Pp. 158 Julius III., Pp. 193, 203 K Kalt, Nicolaus 220 Kant, Immanuel 297 f. Karl der Grosse, K. 26, 27, 29-31, 35, 37, 39, 41, 290, 377, 389, 390 <?page no="441"?> 441 V. Orts- und Personenregister Karl III. der Dicke, K. 40 Karl IV., K. 115-117, 121 Karl V., K. 173, 191, 193, 280 Karl VI., K. 299, 306 Karl der Kahle, K. 31 Kaunitz-Riethberg, Wenzel Anton G. von 308, 325, 344 Keppler, Lorenz, P. 238 Kilchenmayger, Georg, Pfr. 110 Klara von Assisi, hl. 126, 128 Kolowrat, Leopold, G. 345-348 Knoll, Gerhard, P. 310 Konrad I. von Biberegg, Bf. 385 Konrad II., Bf. 62, 385 Konrad III. von Belmont, Bf. 386, 391 Konrad von Freiberg 117 Konstantin I. d. Gr., K. 15 f., 389 Kopp, Johannes, A. 174 Krafft, Christian, Pr. 265 Kramer, Christoph 177 Kramer (Insistoris), Heinrich, P. 279 f. Krapf, Johann Cassian 356 Kriess, Elisabeth, Sr. 135 L Laax, Freien von 140 Lachardtinger, Zacharias, Pr. 254 f. Ladurner, Johann 317 Ladurner, Josef, Pr. 315 Laínez, Diego, P. 186 Langes, Benedikt, P. 368 Langobarden 377 Latzi, Sebastian 323 Laus, Antonio Maria, Pr. 286 Lavater, Johan Caspar 353 f. Laymann, Dominikus, P. 238 Laymann, Paul, P. 282 Lebzeltern, Ludwig, G. 373 Lentsch, Christian, Pr. 353 Lenzburg, Grafen von 35 Leo I., Pp. 19 Leo X., Pp. 178 Leo, Johann Nepomuk 336 Leonhard, hl. 254 Leonis [Lew], Johannes, P. 136 Leopold I., K. 147, 251, 299, 301 Leopold II., K. 311, 340 Leopold III. von Österreich, Hz. 123 f. Leopold IV. von Österreich, Hz. 133, 136 Leopold V. von Österreich, EHz. 217 Lera, Battista 261 Liechtenstein, Anton Florian Fürst von 300 Lindenmayer, Karl David 176 Litta, Alfonso, Kard. 270 Liutward von Vercelli, Bf. 40 Locher, Hans 157 Lodron, Karl Franz von, Bf. 363, 370, 372 Löschenkohl, Johann Hieronymus 344 Löschl, Ludwig, P. 315 f. López de Loyola, Inigo, P. [Ignatius von Loyola] 188 f. Lorenzi, Dominikus 336 Lothar I., K. 30 f. Lothar III. K. 60 Ludescher, Basil 320 Ludwig I. der Fromme, K. 29-31, 377 Ludwig II. der Deutsche, Kg. 31, 38, 377 Ludwig IV. der Bayer, Kg. 114 f. Ludwig von Brandenburg, G. 117, 121, 391 Lussy, Melchior 198 Luther, Martin 166, 178, 191 Lutz, Josef Florin, Pr. 369 Luzius, hl. 45, 47-49, 60, 67, 290, 389 M Marcellus II., Pp. 190 Mär [Mehr], Laurenz, Pr. 163 Margaretha, hl. 254 Maria, Gottesmutter 94, 138, 260 Maria Theresia, K. 298, 312, 354, 382 Marquard von Lindau, P. 133 Marquard von Randeck, Bf. 136 Marquard von Tegernsee 132 Martin V., Pp. 125, 139 f. <?page no="442"?> 442 Anhang Matteo da Bascio, P. 187 Matsch, Herren (Vögte) von 59, 73, 78, 80, 82, 84, 97, 117, 125, 140, 378 Mauritius, Mart., hl. 18 Maurisberg, Max, P. 312 Maurus, P., hl. 257 Mayer, Adelheid, Sr. 133 Mayer, Anna, A. 133, 136 Mayer, Johann Georg, Pr. 13, 154, 183 Maximilian, Mart., hl. 266 Maximilian I., K. 98, 137, 153, 156-159, 392 Maximilian I., Kg. von Bayern 368, 371 Maximilian II., K. 204 Maximilian III. der Deutschmeister, EHz. 181, 266 Maximilian III. Josef, Kurfürst von Bayern 354 Mechthild von Rapperswil 89 Medici, Gian Angelo, EPr. 165 f., 173, 194 Medici, Gian Giacomo 173 Mehr, Joseph 336 Meier, Franz Joseph 336 Meinhard IV. von Götz, G. 87 Meinrad II. von Tirol-Görz, G. 127 Merian, Matthäus 86, 265, 345 Merici, Angela, Sr. 188 Mitterhofer, Ferdinand von 268 Mohr, Christoph, DPr. 250 Mohr, Conradin, Pr. 289 Mohr, Ignatia Theresia von, Sr., Priorin 315 Mohr, Joseph, Bf. 145, 179, 217 f., 272, 381, 387, 395 Mont, Ferdinand de, DPr. 207 Mont, Maria de 299 Mont, Ulrich VI. de, Bf. 138, 218, 223, 254, 261, 293-295, 299, 321, 382, 387 Monte, Giovanni Del, Kard. 192, 193 Montfort, Rudolf II. von, Bf. 146 Montfort-Feldkirch, Grafen von 76, 86, 134, 140 Montgelas, Maximilian FHr. von 370 Moritsch, Balthasar, Pr. 211 Moritz von Sachsen, Kurfürst 194 Morone, Giovanni, Kard. 190, 195 Münster, Sebastian 161 Murer, Jos, Kartograph 90 N Napoleon I. Bonaparte, K. 201 Nassal, Franz Fidel 336 Negele, Gerold 287 Neyer, Franz Josef 320 Nigg, Christian 256 Ninguarda, Feliciano, Nun. 206 f., 394 Nikolaus, Bf., hl. 94 Nikolaus V., GPp. 115 Nikolaus V., Pp. 143 f. Norbert, Bf. 56, 385 Norbert von Xanten, P., hl. 60 Nuvolone, Carlo 262 Nuvolone, Carlo Francesco 262 O Odoaker, germanischer Heerführer 18, 389 Öri, Johannes, Pr. 287 Österreich, (Erz)Herzöge von 97, 121, 125, 130, 141, 159, 379, 392, 393 Oliva, Giovanni Paolo. P. 239 Othmar, hl. 67 Otto I., K. 51 f., 56, 154, 378, 390 Otto II., K. 54, 390 Otto III., K. 54, 390 Otto III. von Kärnten, Hz. 126 f. Otto IV., Kg. 73 Otto (Domkantor) 75 Ottonen 51 P Pankratius, Mart., hl. 254 Paravicini, Ottavio, Bf. 202 Paschalis, Bf. 23, 385 Paschalis II, Pp. 38, 57 Passionei, Domenico, Nun. 301 Patscheider, Nicolaus, Pr. 342 <?page no="443"?> 443 V. Orts- und Personenregister Paul III., Pp. 173, 189, 191-193, 196, 280 Paul IV., Pp. 187, 190 Paul V., Pp. 199, 271 Paul VI., Pp. 280 Paulinus 22 Paulinus, Bf. 385 Peter I. Gelyto [Wurst], Bf. 95, 97 f., 121- 123, 379, 386, 392 Peter von Aspelt, EBf. 113 Petrus, Mart., hl. 91, 124 Philipp von Schwaben, Kg. 71 Pippin III. der Jüngere, Kg. 41 Pius IV., Pp. 165, 173, 194-196, 200, 204 Pius V., Pp. 224 Pius VI., Pp. 306 f., 344 f., 347 f., 354 Pius VII., Pp. 360 f., 371-373, 375, 397 Placidus, Mart., hl. 36 f., 67, 254 Planer, Andreas, P. 321 Plank, Franz Anton 323 Planta, Andreas 76 Planta, Thomas, Bf. 194, 203 f., 387, 394 Plattner, Josef 312 Plunger, Sebastian 322 Pohl, Anton 314 Pole, Reginald, Kard. 190, 192 Pontius Asclepiodotus, Provinzstatthalter 18, 19 Porta, Beat à, Bf. 179 f., 204-206, 208, 387, 394 Porta, Franziskus della 157 Portner, Caspar, P. 238 Porzia, Girolamo de, Nun. 210 Prignano, Bartolomeo, EBf. 124 Pseudo-Dionysius-Areopagita 262 Purtscher, Anton 336 Purtscher, Gottfried, Pr. 311, 342, 360, 364-369, 372, 397 Purtscher, Ignaz, Pr. 369 Q Quattrino, Domenico, Propst 281 R Rad, Ludwig, Pr. 110 Rampa, Franz Konstantin, Bf. 387 Ranke, Leopold von 186 Raschèr, Peter, Bf. 206 f., 210 f., 387 Rechberg zu Hohenrechberg, Konrad von, Bf. 142 f., 387, 392 Redlich, Oswald 251 Regula, Mart., hl. 18 Remedius, Bf. 25, 28 f., 39, 385, 389 Resch, Joseph, Pr. 354, 356, 396 Rhäzüns, Herren von 78, 125, 392 Rialt, Herren von 78 Rieger, Milo, A. 175, 300 Rizzi, Stephan, P. 321 Robert von Genf 124 Rössle, Ludwig, Pr. 339 Romulus Augustulus, K. 18 Rost, Johann Anton FHr. von 301 Rost, Johann Franz Dionys Constanz von, Bf. 131, 304, 306 f., 309-311, 313, 316, 318, 320, 331, 332, 336 f., 339, 341 f., 346-348, 355-357, 363, 382, 387, 397 Rost, Johann Gaudenz III. FHr. von 306 Rost, Joseph Benedikt von, Bf. 294, 299, 301-304, 306, 351, 387, 396 Rost, Maria Anna Elisabeth FHr. von 304 Roy, Apollinaris, P. 264 Roy, Johannes 264 Roy, Markus [siehe unter Fidelis von Sigmaringen] Roy (geb. Rosenberger), Genoveva 264 Rudolf I. von Güttingen, A. Bf. 74, 386 Rudolf I. von Habsburg, Kg. 78, 80 f. Rudolf IV., Hz. 127 Rudolf IV. von Rapperswil, G. 89 Rudolf V. von Montfort-Feldkirch, G. 130, 132 f. Rudolf von Greifenstein 75 Rudolf von Montfort-Feldkirch, G. 123 f. <?page no="444"?> 444 Anhang Rudolf [II. / III.] von Montfort, G., GV, Bf. 113 f., 386, 391 Rudolf von Pullendorf, G. 70 Rüdiger von Limpach 71 Rüepp, Othmar, P. 319 Ruodhar (Rothar), Bf. 385 Ruprecht von der Pfalz, Kg. 139 Rusca, Nicolò, EPr., Mart. 215, 394 Russ, Jakob 67, 68, 155, 392 S Sadoleto, Jacopo, Kard. 190 Saher, Eusebius, P. 268 Salier 55 Salis, Familie von 301 Salis, Bartholomäus Hieronymus von, EPr. 203-205 Salis-Zizers, Franz Rudolf von, DPr. GV 299, 301 Saluz, Georg 238 Santonio, Giovanni Battista, Nun. 202 Sarazenen 37, 52, 64 Sax-Misox, Herren von 125, 140, 392 Scappi, Alessandro, Nun. 173, 175, 217, 292 Scarampi, Lazzaro, Bf. 149 Sebastian, Mart., hl. 254 Seger, Martin 177 Seiz, Plazidus, A. 306 Sgier, Matthias 250 Siegfried von Biberegg 60 Siegfried von Eppstein, EBf. 75 Siegfried von Gelnhausen, Bf. 94, 112-114, 379, 386, 391 Sigisbert, hl. 36 f., 67, 254 Sigismund, K. 139-141 Sigismund von Österreich, EHz. 137, 143, 279 Sittich von Hohenems, Mark, Bf., Kard. 178 Sixtus V., Pp. 170, 202, 230, 280 Sölder zu Brackenstein, Jakob Christoph von 314 Somasker 188 Spaur, Leopold Maria Joseph von, Bf. 305 Spee von Langenfeld, Friedrich, P. 283 f. Sporer, Joseph 355 Sch Schädler, Anna 287 Scheel, Leopold 319 Schenk, Karl Ignaz von 310, 313 f. Schenk von Stauffenberg, Johann Franz von, Bf. 300 Scherer, Franz de Paula, P. 320 f. Scherl, Leopold 138 Schilter, Johannes, P. 135 Schlechtleutner, Georg, GV 329 f., 359, 363 Schlegel, Theodul, A. 166, 173, 393 Schleuninger, Johann 302 f. Schmid von Grüneck, Georgius, Bf. 388 Schnell, Bartholomäus 290, 292 Schönenberger, Ludwig, P. 270 Schütz, Maria Jakobea Felizitas 301 Schulthaus [Schultheis? ], Philipp von, P. 321 St Staffler, Bartholomäus 310, 314 Staufer 70, 71, 78 Stephan de Rottenburg, P. 316 Stephani, Gabriel, Pr. 102 Sternbach, Baron von 353 Sterzinger, Ferdinand, P. 353 Stöckli, Christoffel 136 Stöckli, Heinrich 135 f. Stöckli, Heinz 136 Stöcklin, Augustin, A. 292 Stockar von Neuforn, David Christoph 358 Stoppano, Giovanni Pietro, Pr. 209 Strauch, Benedikt, A. 305 T Tanner, Adam P. 282 Tanner, Martin Johann 320 <?page no="445"?> 445 V. Orts- und Personenregister Tapfer, Franz Anton, Pr. 365, 369 Tapfer, Michael, Pr. 369 Tedald, EBf. 55 Tello, Bf. 24-26, 29, 37, 64, 377, 385, 389 Tenaglia da Fossombrone, Ludovico, P. 187 Testaferrata, Fabrizio Sceberras, Nun. 371 Theoderich, K. 18, 389 Theodor [Thedul], Bf., hl. 19 Theodor, Bf. 22, 385 Theodosius I., K. 15 Theudebert I. Kg. 23, 377 Thomas von Aquin, hl. 84, 236 Thun, Emanuel Maria G. von, Bf. 370 Tiberius 15 Tintel, Matthäus, Pr. 178 Tizian 196 Toggenburg, Grafen von 140, 378 Tomasch, Conradin, Pr. 104 Torre, Giovanni della, Nun. 207 f., 219, 394 Torre, Guglielmo della, Bf. 73 Torre, Reinher della, Bf. 71-73, 386 Trapp, Grafen von 82 Triangi, Franz Anton von 310, 315 f. Trivulzio, Gian Giacomo, G. 140 Tschann, Franz, GV, WBf. 266 Tschoffen, Joseph Anton 336 Tscholl, Franz Anton 323 Tscholl, Johann Baptist 336 Tschudi, Ägidius 22, 38, 177 Turre de, Johann, Pr. 256 U Uelin, Zachäus, P. 266 Ugarte, Alois G. von und zu 360 Ulrich, Bf. hl. 254 Ulrich I., Bf. 385 Ulrich II. von Flums 93 Ulrich II. von Tarasp, Bf. 56, 385 Ulrich III. von Tarasp 62 Ulrich III. von Tegerfelden, A., Bf. 70, 386 Ulrich IV. von Kyburg, Bf. 75, 386 Ulrich V. (Ribi) von Lenzburg, Bf. 91, 115, 117, 386, 391 Urban II., Pp. 56 Urban IV., Pp. 88 Urban VI., Pp. 124 Urban VIII., Pp. 253 Ursicinus, A., Bf. 36, 292 Ursulinen 188 Ursus, Mart., hl. 18 V Valentian (Valentinian), Bf., hl. 21 f., 292, 385, 389 Vasi, Giuseppe 230 Vaz, Herren von 75, 85, 115 f., 390 Venosta, Nicolaus, DPr., GV 205-207, 212 f., 394 Verena von Werdenberg-Bludenz 149 Verendar, Bf. 31, 385, 390 Vergil 235 Vigilius, Bf. 385 Viktor, Mart., hl. 18, 133, 292 Viktor I., Bf. 22 f., 385 Viktor II., Bf. 33, 385 Viktor III., Bf. 30, 39, 377, 385, 390 Vincenz, Laurenz Matthias, Bf. 388 Vitus, Mart., hl. 254 Volkard von Neuburg, Bf. 75 f., 78, 386, 391 Vollie, Matthias 336 Volpe, Giovanni Antonio, Bf. 203 f. Vonderach, Johannes, Bf. 388 W Wagner, Benedikt, P. 318, 320 f. Waker, Johann Michael 336 Walch, Anna, Sr. 135 Waldo, Bf. 34, 385 Walser 100 Walter III. von Vaz 76 Wartenberg, Franz Wilhelm von, Bf. 290 Weidenhofer, Adam, P. 239 <?page no="446"?> 446 Anhang Wendelstein, Jeremias, P. 273 Wenzeslaus von Sachsen, Clemens, EBf. 339 Werdenberg[-Heiligenberg], Grafen von 81, 86, 90, 134, 140, 143, 378 Wezilo, EBf. 56 Wicka, Josef Bartholomäus G. von, Pr. 317 Widenplatzer, Felix Martin 322 f. Wido, Bf. 35, 56-59, 385 Wilhelm I. von Montfort, A. 80 f. Willi, Kaspar, P., Bf. 387 Winiger, Hieronymus, P. 238 Winkler, Ambrosius, P. 313 Winterthur, Johann, Pr. 173 Wismair, Leonhard, Bf. 137, 143 f., 148, 387 Wittelsbacher 115 f. Wolfhard von Veringen, G. 112 Wolkenstein-Trostburg, Anton Dominikus, Bf. 301 Wy, Eustachius, P. 138 Wyss, Chrysogomus, P. 270 Z Zaccaria, Antonio Maria, P. 188 Zacco 24 Zacconen (Viktoriden) 18, 23 f., 26, 37, 377 Zallinger zum Thurn, Jakob Anton 360 Zarn, Florin, A. 174 Ziegler, Paul, Bf. 158, 165 f., 205, 380, 387, 392 f. Zwingli, Huldrych 163, 166, 177 <?page no="447"?> Band 12 Albert Fischer Klosteraufhebungen, Pfarrei- und Diözesanregulierung Die Auswirkungen der theresianisch-josephinischen Kirchenpolitik auf das Territorium des österreichischen Anteils des Bistums Chur 1780 bis 1806/ 16 2016, 408 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-657-4 Am 10. September 1816 entließ der Churer Bischof Karl Rudolf von Buol-Schauenstein (1794-1833) mit einem Hirtenschreiben seine Diözesanen der österreichischen Anteile Tirol und Vorarlberg ins Bistum Brixen, womit die jahrhundertealte Zugehörigkeit dieses Territoriums zum Bistum Chur endete. Schon Jahrzehnte zuvor begann im Zuge der theresianisch-josephinischen kirchenpolitisch motivierten (Zwangs-) Maßnahmen als Sonderform des Aufgeklärten Absolutismus und eines gesteuerten Zentralisierungs- und Verwaltungsprozesses in der Habsburgermonarchie die Ausgrenzung »ausländischer« Bischöfe aus dem österreichischen Territorium mit dem Ziel der Schaffung einer Nationalkirche. Albert Fischer untersucht anhand diversen Quellenmaterials die Auswirkungen der unter Kaiser Joseph II. (1780-1790) initiierten sowie mehr oder minder erfolgreich vorangetriebenen Klosteraufhebungen, Pfarrei- und Diözesanregulierung auf dem Territorium des österreichischen Anteils des Bistums Chur (Dekanate Vinschgau und Walgau), welche unter seinen Nachfolgern nach dem Ende des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation (1806) zur endgültigen, in materieller wie ideeller Hinsicht verlustreichen Ausgliederung dieser seit Jahrhunderten zum churrätischen Bistum gehörenden Teile führten. Die Aufarbeitung der »josephinischen« Periode in der Churer Diözesangeschichte dient zum besseren Verständnis der kirchenpolitischen Umwälzungen im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert. Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs Herausgegeben von Alois Niederstätter vom Vorarlberger Landesarchiv in Bregenz. In dieser Reihe erscheinen Monographien, Tagungs- und Sammelbände, Forschungsberichte und Dissertationen zur Geschichte Vorarlbergs und der Bodenseeregion. Klicken + Blättern Leseprobe und Inhaltsverzeichnis unter www.uvk.de Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. : Weiterlesen <?page no="448"?> Band 9 Mathias Moosbrugger Der Hintere Bregenzerwald - eine Bauernrepublik? Neue Untersuchungen zu seiner Verfassungs- und Strukturgeschichte im Spätmittelalter 2009, 390 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-161-6 Ende des 14. Jahrhunderts lassen die Quellen im Hinteren Bregenzerwald die Existenz einer Gerichtsgemeinde erkennen, die in wichtigen Bereichen der politischen Repräsentation und Verwaltung eine bemerkenswerte Rolle spielte. Band 10 Christine Ertel, Verena Hasenbach, Sabine Deschler-Erb Kaiserkultbezirk und Hafenkastell in Brigantium Ein Gebäudekomplex der frühen und mittleren Kaiserzeit 2011, 326 Seiten 200 s/ w und 20 farb. Abb., Broschur ISBN 978-3-86764-182-1 Der Forschungsband dokumentiert anhand zahlreicher Bildtafeln, Zeichnungen und Fotos die archäologischen Ergebnisse der ab 1980 durchgeführten Notgrabungen in Bregenz für den Autobahnzubringer Citytunnel und auf benachbarten Grundstücken. Band 11 Karl Heinz Burmeister Magister Rheticus und seine Schulgesellen Das Ringen um Kenntnis und Durchsetzung des heliozentrischen Weltsystems des Kopernikus um 1540/ 50 2015, 700 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-554-6 Der 500. Geburtstag eines in den internationalen Enzyklopädien gewürdigten Gelehrten verlangt nach einer Gedächtnisschrift. Meist geschieht das in der Form, dass man in Vorträgen auf einer Jubiläumstagung Altbekanntes zusammenfasst. Mit dem vorliegenden Band sollen aber neue Wege beschritten und künftiger Forschung gedient werden, indem das Augenmerk auf den Umkreis des Gelehrten gerichtet wurde. Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs Herausgegeben von Alois Niederstätter vom Vorarlberger Landesarchiv in Bregenz. In dieser Reihe erscheinen Monographien, Tagungs- und Sammelbände, Forschungsberichte und Dissertationen zur Geschichte Vorarlbergs und der Bodenseeregion. Klicken + Blättern Leseprobe und Inhaltsverzeichnis unter www.uvk.de Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. : Weiterlesen <?page no="449"?> Am 27. Januar 1816 wurden auf Erlass von Papst Pius VII. (1800-1823) die österreichischen Anteile des Bistums Chur abgetrennt und den beiden Bistümern Brixen und Trient zugeordnet. Damit ging die über tausendjährige Geschichte der ältesten, nördlich der Alpen (rechtsrheinisch) gelegenen Diözese in ihrer historischen, seit dem 8. Jahrhundert unverändert gebliebenen Grenzziehung zu Ende. Der Churer Diözesanarchivar Dr. Albert Fischer zeigt im vorliegenden Band 1 seiner zweibändigen «Geschichte des Bistums Chur» die wechselvollen Zeiten des vermutlich Ende 4. / Anfang 5. Jahrhundert von Mailand aus gegründeten Kirchensprengels Chur auf, welcher ab 843 bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts zur Kirchenprovinz Mainz gehörte. Reich bebildert bietet das Buch einer historisch interessierten Leserschaft profunde und detaillierte Informationen, übersichtlich dargestellt. ISBN 978-3-86764-807-3 www.uvk.de Albert Fischer Das Bistum Chur Band 1 Seine Geschichte von den Anfängen bis 1816 Albert Fischer Das Bistum Chur Band 1