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Personalmanagement im Mittelstand

erfolgreich handeln und gestalten

1028
2019
978-3-7398-8012-9
978-3-7398-3012-4
UVK Verlag 
Prof. Dr. Günther Schanz
Silvia Strack

Der Mittelstand ist das Rückgrat unserer Wirtschaft. Mehr als die Hälfte der Deutschen arbeiten dort - vom Azubi, über Facharbeiter bis hin zum Akademiker. Doch welche Wege können Mittelständler gehen, um im Wettbewerb um Mitarbeiter attraktiv zu sein? Günther Schanz und Silvia Strack gehen dieser Frage in ihrem Buch auf den Grund. Dabei berücksichtigen sie die gesamte Bandbreite des personalwirtschaftlichen Handelns und Gestaltens - von der Mitarbeiterplanung bis zur Mitarbeiterführung. Sie berücksichtigen auch explizit die Rahmenbedingungen des mittelständischen Personalmanagements. Ferner werden die Besonderheiten des Arbeitsmarkts, des gesellschaftlichen Wertewandels und arbeitsrechtliche Aspekte berücksichtigt. Das Buch richtet sich in erster Linie an Personalverantwortliche, GeschäftsführerInnen und UnternehmerInnen im Mittelstand.

<?page no="0"?> ISBN 978-3-7398-3012-4 Der Mittelstand ist das Rückgrat unserer Wirtschaft. Mehr als die Hälfte der Deutschen arbeiten dort - vom Azubi, über Facharbeiter bis hin zum Akademiker. Doch welche Wege können Mittelständler gehen, um im Wettbewerb um Mitarbeiter attraktiv zu sein? Günther Schanz und Silvia Strack gehen dieser Frage in ihrem Buch auf den Grund. Dabei berücksichtigen sie die gesamte Bandbreite des personalwirtschaftlichen Handelns und Gestaltens - von der Mitarbeiterplanung bis zur Mitarbeiterführung. Sie berücksichtigen auch explizit die Rahmenbedingungen des mittelständischen Personalmanagements. Ferner werden die Besonderheiten des Arbeitsmarkts, des gesellschaftlichen Wertewandels und arbeitsrechtliche Aspekte berücksichtigt. Das Buch richtet sich in erster Linie an Personalverantwortliche, GeschäftsführerInnen und UnternehmerInnen im Mittelstand. Schanz | Strack Personalmanagement Günther Schanz | Silvia Strack Personalmanagement im Mittelstand erfolgreich handeln und gestalten www.uvk.de 53012_Umschlag.indd 1,3 03.09.2019 11: 34: 03 <?page no="2"?> Günther Schanz │ Silvia Strack Personalmanagement im Mittelstand erfolgreich handeln und gestalten UVK Verlag · München <?page no="3"?> Die Autoren Prof. Dr. Günther Schanz (emeritiert) lehrte an der Universität Göttingen. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind Unternehmensführung, Personalwirtschaft, Organisation und Grundlagenprobleme der BWL. Diplom-Kauffrau Silvia Strack ist geschäftsführende Gesellschafterin eines mittelständischen Unternehmens mit langjähriger personalwirtschaftlicher Erfahrung. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlag 2019 - ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG Lektorat: Rainer Berger, München Einbandmotiv: iStockphoto Druck und Bindung: CPI - Clausen & Bosse, Leck UVK Verlag Nymphenburger Str. 48 80335 München Telefon: 089/ 452174-66 Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG Dischingerweg 5 72070 Tübingen Telefon: 07071/ 9797-0 www.narr.de ISBN 978-3-7398-3012-4 <?page no="4"?> Vorwort In Ihren Händen halten Sie, sehr geehrte Leserinnen und Leser, einen nicht in der Art eines Rezeptbuchs geschriebenen Ratgeber für die Praxis. Wir - eine geschäftsführende Gesellschafterin eines mittelständischen Unternehmens und ein ehemaliger Hochschullehrer für Betriebswirtschaft mit einem Schwerpunkt auf dem Gebiet des Personalmanagements - ziehen es vor, stattdessen von einem Lesebuch zu sprechen. Hauptadressaten unseres ‚alternativen‘ Ratgebers sind Eigentümerinnen und Eigentümer mittelständischer Unternehmen und dort tätige weitere Entscheidungsträger mit Personalverantwortung. Wir glauben darüber hinaus, dass von der Lektüre auch Studentinnen und Studenten profitieren können, die sich mit dem Gedanken tragen, später einmal in einem mittelständischen Unternehmen ihr Berufsleben zu beginnen. Vielleicht besteht aber auch ein über diesen Kreis hinausgehendes Interesse an den von uns behandelten Fragestellungen. Die gewählte Art der Darstellung erlaubt es, unsere Leserinnen und Leser mit einer Reihe von Problemen vertraut zu machen, die in der üblichen Praxisliteratur eher stiefmütterlich thematisiert werden. Personalmanagement ist eine facettenreiche, gedanklichen Tiefgang erfordernde Angelegenheit. Dies macht verschiedentlich den Rückgriff auf grundlegende verhaltenstheoretische Erkenntnisse erforderlich. Dennoch sollte unser Bemühen um eine gut verständliche, zuweilen auch unterhaltsame Darstellung erkennbar sein. Auf Quellennachweise haben wir weitestgehend verzichtet. <?page no="5"?> 6 Vorwort Wenn im Text von Mitarbeitern - ein zwangsläufig häufig auftauchendes Wort - die Rede ist, dann sind damit selbstverständlich nicht nur Personen männlichen Geschlechts gemeint. Herrn Rainer Berger vom UVK Verlag danken wir für die stets angenehme Zusammenarbeit. Lob und Tadel erreichen uns auf schnellstem Weg unter  schanzg@yahoo.de. Landau in der Pfalz, im Sommer 2019 Silvia Strack, Günther Schanz <?page no="6"?> Was Sie vorab über dieses Buch wissen sollten! Die Problematik mittelständischen Personalmanagements wird von uns in insgesamt 17 Kapiteln behandelt, die sich ihrerseits fünf größeren Bereichen zuordnen lassen. Im Rahmen dieses Vorspanns wollen wir darlegen, welche Überlegungen uns dabei geleitet haben. In den beiden Eingangskapiteln ist erstens zu klären, welches die für mittelständische Unternehmen typischen Merkmale sind und weshalb angesichts ihrer Vielfalt von einem Mittelstandsuniversum gesprochen werden kann. Weil Bilder bekanntlich mehr als tausend Worte zu sagen vermögen, meinen wir, dass damit eine anschauliche und einprägsame Vorstellung von der für die bundesrepublikanische Wirtschaft besonders charakteristischen Eigenheit ihrer Unternehmenslandschaft herbeigeführt werden kann. Zu klären ist zweitens, welche Vorstellungen sich mit Personal und dessen Management verbinden. Auf eine Kurzformel gebracht, sprechen wir bei Ersterem von ‚lebendiger Arbeit‘ und bringen damit zum Ausdruck, dass es sich, anders als bei Maschinen oder Rohstoffen, nicht um Objekte, sondern um Subjekte handelt. Personalmanagement ist folglich der Umgang mit lebendiger Arbeit. Gemeinsam ist den beiden Eingangskapiteln, dass in ihnen begriffliche Grundlagen gelegt werden. In den ihnen folgenden drei Kapiteln befassen wir uns mit Rahmenbedingungen mittelständischen Personalmanagements, womit erstens die Bevölkerungsentwicklung und Merkmale des Arbeitsmarkts, zweitens die das Verhalten der Menschen lenkenden gesellschaftlichen und kulturellen Werte und deren Wandel, sowie drittens die vielfältigen Regelungen arbeitsrechtsrechtlicher Art gemeint sind. In ihrer Gesamtheit bilden sie die von (mittelständischen) Unter- <?page no="7"?> 8 Was Sie vorab über dieses Buch wissen sollten! nehmen nicht oder allenfalls in engen Grenzen beeinflussbare Ausgangskonstellation für personelles Gestalten. Der gemeinsame Nenner der in den Kapiteln 6 bis 9 behandelten Themen kann darin gesehen werden, dass es in ihnen um Hintergrundwissen für personelles Gestalten geht. Dabei ist zunächst herauszuarbeiten, was es mit der Motivation und dem Motivieren auf sich hat. Bereits hier deutet sich an, dass es keine Einheitslösungen für personelles Gestalten geben kann. Im Anschluss daran ist darzustellen, dass das Mitarbeiterverhalten nicht frei von Gefühlen ist. Wir unterscheiden dabei zwischen negativen und positiven Arbeitsemotionen und weisen auf ihre jeweilige Bedeutung für personelles Gestalten hin. Die dann folgenden Ausführungen sind den Bestimmungsfaktoren der individuellen Arbeitsleistung und den damit ins Spiel kommenden Leistungsanreizen gewidmet. Unterschieden wird hier zwischen einer Fähigkeits- und einer Bereitschaftskomponente. Ferner gehen wir der Frage nach, welche unternehmensseitigen Einwirkungsmöglichkeiten es hier wie dort gibt. Abschließend ist der Stellenwert der Arbeitszufriedenheit für personelles Gestalten zu beleuchten; eine Thematik, die in engem Zusammenhang mit der Arbeitsleistung steht. Für das Personalmanagement kommt ihr damit ebenfalls grundlegende Bedeutung zu. In den Kapiteln 10 bis 13 werden Themen behandelt, die allesamt die personelle Verfügbarkeit von Mitarbeitern betreffen. Den Ausgangspunkt bildet die Planung des Mitarbeiterbedarfs. Es folgen Ausführungen zur Personalgewinnung auf dem internen und dem externen Arbeitsmarkt. Weiterhin werden Fragen der Auswahl von Mitarbeitern, sowie derer Einstellung und Eingliederung in das Unternehmen erörtert. Den Abschluss bildet der Problemkomplex der Mitarbeiterbindung. Dabei wird insbesondere auf die Mitarbeiterfluktua- <?page no="8"?> Was Sie vorab über dieses Buch wissen sollten! 9 tion und das zeitweilige Fernbleiben von der Arbeit in Form von Absentismus eingegangen. Personelle Wirksamkeit ist der die vier letzten Kapitel verbindende Gedanke. Den Anfang bilden Überlegungen zur Arbeitszeitgestaltung. Von der Notwendigkeit sowie den verschiedenen Zielgruppen und Maßnahmen der Mitarbeiterqualifizierung handelt Kapitel 15, Gegenstand von Kapitel 16 ist die Mitarbeitervergütung. Das abschließende Kapitel ist der Mitarbeiterführung gewidmet. Bei der Lektüre wird der Leser feststellen, dass wir dem Phänomen der Unterschiede zwischen den Mitarbeitern im Hinblick auf ihre Fähigkeiten, vor allem aber auf ihre Bedürfnisse, Wünsche und Interessen besondere Aufmerksamkeit widmen. Zusammenfassend wird dem in unseren Schlussbemerkungen in Form eines Plädoyers für Individualisierung im Sinn einer Leitlinie für personelles Gestalten Rechnung getragen. <?page no="10"?> Inhalt Vorwort ....................................................................................................5 - Was Sie vorab über dieses Buch wissen sollten! ..........................7 - 1 Das Mittelstandsuniversum ...................................................15 - Der Mittelstand als Wirtschaftsfaktor............................................16 - Mittelstandsförderung als politisches Anliegen ..........................18 - Zwei einander ergänzende Mittelstandsdefinitionen .................19 - Definitorischer und gefühlter Mittelstand ....................................21 - Ausgangssituation mittelständischen Personalmanagements .......................................................................23 - 2 Personal und Personalmanagement ....................................27 - Personal und Arbeit............................................................................28 - Der einzelne Mitarbeiter im Fokus des Personal managements .......................................................................................30 - Akteure des Personalmanagements ................................................32 - 3 Demografie und Arbeitsmarkt ..............................................35 - Demografische Grundtatbestände...................................................37 - Entwicklung der beruflichen Qualifikationsstruktur .................40 - Fachkräftemangel als Kehrseite formaler Höherqualifizierung ...........................................................................42 - Vom abstrakten Arbeitsmarkt zu segmentierten Teilarbeitsmärkten..............................................................................43 - <?page no="11"?> 12 Inhalt 4 Werte und Wertewandel .........................................................45 - Auslöser von Prozessen des Wertewandels ..................................46 - Ausgewählte Tendenzen des Wertewandels ................................47 - Von der Generation der Babyboomer bis zur Generation Y .....50 - Generation Z betritt die Arbeitswelt ..............................................51 - Berücksichtigung von kulturellen Werten....................................54 - 5 Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen ......................57 - Weisungsgebundene Arbeit als Gegenstand des Arbeitsrechts ........................................................................................58 - Grundzüge des Individualarbeitsrechts .........................................60 - Grundzüge des Betriebsverfassungsrechts....................................62 - 6 Motivation und Motivieren.................................................67 - Grundlegendes zur Motivation und zum Motivieren .................68 - Einzelaspekte motivgeleiteten Verhaltens ....................................71 - Wie sich Motivstrukturen herausbilden ........................................74 - 7 Arbeitsemotionen ..................................................................77 - Emotionspsychologische Grundtatbestände.................................78 - Negative Arbeitsemotionen ..............................................................80 - Positive Arbeitsemotionen................................................................84 - 8 Arbeitsleistung........................................................................87 - Personengebundene und situationsabhängige Bestimmungsfaktoren der Arbeitsleistung ...................................88 - Facetten des Fähigkeitskonzepts .....................................................90 - Aktivierung der Leistungsbereitschaft durch Anreize ...............92 - <?page no="12"?> Inhalt 13 9 Arbeitszufriedenheit.............................................................95 - Ausprägungsformen von Arbeits(un)zufriedenheit....................96 - Faktorzufriedenheiten und Gerechtigkeitserfordernisse ...........99 - Arbeits(un)zufriedenheit und Arbeitsleistung ...........................102 - 10 Mitarbeiterbedarf planen .................................................105 - Reichweiten der Planung.................................................................106 - Personalbewegungen im Planungszeitraum ...............................107 - Berücksichtigung eines Reservebedarfs zum Ausgleich von Fehlzeiten ....................................................................................109 - 11 Mitarbeiter gewinnen.........................................................113 - Schauplätze der Mitarbeitergewinnung.......................................113 - Auszubildende als Zielgruppe ........................................................115 - Ältere Arbeitnehmer und zugewanderte Arbeitskräfte als Zielgruppen ..................................................................................118 - Zeitgemäße Wege der Mitarbeitergewinnung ...........................121 - 12 Mitarbeiter auswählen, einstellen und eingliedern .............................................................................123 - Anliegen und Gestaltung der Mitarbeiterauswahl ....................124 - Der juristische und der psychologische Vertrag........................128 - Fachliche und soziale Integration neuer Mitarbeiter................131 - 13 Mitarbeiter an das Unternehmen binden ..................135 - Was bedeutet Mitarbeiterbindung? ..............................................136 - Mitarbeiterfluktuation und ihre mittelstandsspezifischen Besonderheiten ..................................................................................138 - Absentismus - wie damit umgehen? ............................................142 - <?page no="13"?> 14 Inhalt 14 Gestaltung der Arbeitszeit...............................................147 - Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitszeit ..................................149 - Flexibilisierung und Individualisierung der Arbeitszeit...........151 - Teilzeitarbeit im Dienst von Flexibilisierung und Individualisierung .............................................................................154 - 15 Mitarbeiter qualifizieren .......................................................161 - Grundlegendes zur beruflichen Fortbildung...............................162 - Führungs- und Fachkräfte als Zielgruppen der Mitarbeiterqualifizierung ................................................................165 - Fortbildung älterer Mitarbeiter ......................................................167 - 16 Mitarbeiter vergüten .............................................................171 - Die Vergütungsbestandteile im Überblick ..................................172 - Vergütungsgestaltung im Mittelstand..........................................176 - Möglichkeiten einer materiellen Beteiligung .............................178 - 17 Mitarbeiter führen ..................................................................181 - Allgemeines zur Mitarbeiterführung............................................182 - Erwartungen an Vorgesetzte ..........................................................184 - Mitarbeitergespräche als Führungsinstrument ..........................187 - Individualisierung als Leitidee personellen Gestaltens ...........193 - Stichwörter .........................................................................................197 - <?page no="14"?> 1 Das Mittelstandsuniversum Sie sind, so hören und so lesen wir, das Herz und das Rückgrat, die Basis, der Beschäftigungsmotor und die Speerspitze der deutschen Wirtschaft. Zahlreiche Hidden Champions - ein Begriff, der für technisches Können, Innovationsfähigkeit und Marktführerschaft in Nischenbereichen steht - kommen aus ihren Reihen. Überdies sind sie die Ausbilder der Nation und das Ausland beneidet uns ihretwegen. Die Rede ist von mittelständischen Unternehmen oder in Kurzform: vom Mittelstand. Wer von Made in Germany spricht, kommt an ihm nicht vorbei! ‚Mittelstand‘ war ursprünglich kein Begriff aus der Welt der Wirtschaft. Bezeichnet wurde damit zunächst jener Stand in der Gesellschaft, der - gemessen an Einkommen, Vermögen oder Beruf - in dieser eine ‚mittlere‘ Stellung zwischen Adel und Klerus auf der einen Seite, der seinerzeit noch unfreien Landbevölkerung auf der anderen, einnahm. Aus ihr ging später die in sich immer stärker differenzierende gesellschaftliche Schicht des Bürgertums hervor. Historiker haben herausgefunden, dass der Begriff in der Rechtsprechung erstmals im Jahr 1695 auftauchte. 1919 erhielt ‚Mittelstand‘ dann an prominenter Stelle seine heute übliche ökonomische Hauptbedeutung. Artikel 164 der Weimarer Verfassung lautet: „Der selbständige Mittelstand in Landwirtschaft, Gewerbe und Handel ist in Gesetzgebung und Verwaltung zu fördern und gegen Überlastung und Aufsaugung zu schützen.“ Halten wir es fest: Der Förderungswürdigkeit bei gleichzeitiger Schutzbedürftigkeit des selbstständigen Mittelstandes wurde bereits vor rund 100 Jahren höchste politische Priorität eingeräumt. <?page no="15"?> 16 Personalmanagement im Mittelstand Einzelne Unternehmen, die mit den hiesigen Mittelständlern vergleichbar sind, gibt es selbstverständlich im gesamten europäischen Raum, darüber hinaus auch weltweit. Insgesamt haben wir es aber mit einer typisch deutschen (und österreichischen) Besonderheit der Unternehmenslandschaft zu tun. Sie verleiht der bundesrepublikanischen Wirtschaft offenbar ein besonderes Gepräge, und es ist bezeichnend, dass der Begriff in anderen Sprachen kein annähernd genaues Äquivalent hat. Als Lehnwort ist er - was ja nicht allzu häufig vorkommt - sogar ins Englische („German Mittelstand“) und Spanische eingegangen. Der Mittelstand als Wirtschaftsfaktor In der Bundesrepublik Deutschland gibt es nahezu vier Millionen Mittelständler, bei einer anderen Zählweise nur geringfügig weniger. Sie machen damit 96,6 Prozent aller Unternehmen aus. Die überragende Bedeutung des Mittelstands als Wirtschaftsfaktor lässt sich ferner daran erkennen, dass beinahe 60 Prozent der Erwerbstätigen dort beschäftigt sind, mittelständische Unternehmen also mit Fug und Recht als Beschäftigungsmotor der deutschen Wirtschaft gelten können. Ihr Beitrag zur Nettowertschöpfung liegt bei etwa 55 Prozent und ca. 80 Prozent der Auszubildenden finden hier ihren Einstieg in das Berufsleben. Bei den angeführten Prozentwerten handelt es sich um ungefähre Zahlen, die sich über Jahre hinweg aber nur unwesentlich verändert haben. Ihnen ist hinzuzufügen, dass mittelständische Unternehmen selbstverständlich auch einen nicht unwesentlichen Anteil am Export der deutschen Wirtschaft haben. Für Großunternehmen sind sie zudem vielfach als Zulieferer tätig und tragen damit oft maßgeblich zu deren Erfolg bei. <?page no="16"?> Das Mittelstandsuniversum 17 Hinsichtlich ihrer Größe unterscheiden sich die mittelständischen Unternehmen beträchtlich voneinander. Unabhängig davon sind sie in den verschiedensten Sektoren der Wirtschaft tätig: in der Land- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei, in Handwerk und Industrie, im Handel und im Verkehr, im Dienstleistungsgewerbe sowie innerhalb der sogenannten Freien Berufe (Ärzte, Architekten, Finanz-, Wirtschafts- und Steuerberater etwa); Letztere nicht zwingend in wirtschaftlicher, sondern eher in gesellschaftlicher Hinsicht. Neuere Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft haben es mit sich gebracht, dass zum Mittelstand auch zahlreiche Start-ups hinzugekommen sind. Weitere Tiefengliederungen, auf deren Darstellung hier verzichtet werden kann, führen zur Unterscheidung verschiedener Wirtschaftszweige und der für sie charakteristischen Berufe. Es genügt, darin einen zusätzlichen Hinweis auf die in der Mittelstandslandschaft anzutreffende Unternehmensvielfalt zu erblicken. Sie - diese Vielfalt - rechtfertigt es, von einem Mittelstandsuniversum zu sprechen. Bleiben wir kurz beim Bild: Das Universum ist bekanntlich voller Sterne. Zumindest für unser Auge strahlen diese jedoch nicht alle mit der gleichen Intensität. Manche scheinen sogar zu flackern. Im Hinblick auf den Mittelstand heißt dies, dass wir dort Unternehmen antreffen, die in wirtschaftlicher Hinsicht höchst unterschiedlich erfolgreich sind. Die meisten ihrer Eigentümer, so dürfen wir weiterhin vermuten, werden weit davon entfernt sein, sich als (heimliche) ‚Champions‘ zu begreifen. Stattdessen sind sie voll und ganz mit der Bewältigung der im Tagesgeschäft anfallenden Aufgaben und der Sicherung ihrer längerfristigen Existenz beschäftigt. Im Hinblick auf die hier zu behandelnde Thematik und bewusst etwas salopp formuliert, heißt dies: Mitarbeiter zu finden und ‚bei Laune‘ in dem Sinn zu halten, dass sie mit ihrer Arbeit zufrieden sind und eine ange- <?page no="17"?> 18 Personalmanagement im Mittelstand messen hohe Arbeitsleistung an den Tag legen. Dem Personalmanagement kommt dabei entscheidende Bedeutung zu. Mittelstandsförderung als politisches Anliegen Die Überzeugung, dass mittelständische Betriebe oder Unternehmen durch geeignete politische Maßnahmen gefördert werden sollten, hat hierzulande eine gewisse Tradition, auch wenn sich die inhaltlichen Schwerpunkte zwischenzeitlich in vielerlei Hinsicht verschoben haben. Hauptanliegen ist die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen zur Entfaltung unternehmerischen Handelns von Unternehmen, die mittelstandsspezifische Merkmale aufweisen. Neben der Unternehmensgröße ist dies das Zusammenfallen bzw. die Identität von Eigentum und Leitung - worauf zurückzukommen ist. Der Erlass von Gesetzen zur Mittelstandsförderung ist in der Bundesrepublik Ländersache. Ohne dass dem größere Bedeutung zukommt, weichen deren Bezeichnungen geringfügig voneinander ab. So gilt im Freistaat Bayern ein „Gesetz über die Förderung der mittelständischen Unternehmen sowie der Freien Berufe“, in Hessen ein „Gesetz zur Förderung der mittelständischen Wirtschaft und zur Vergabe öffentlicher Aufträge“. In Niedersachsen kommt ein „Gesetz zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen“ zur Anwendung, in Baden-Württemberg, in Rheinland-Pfalz und in Sachsen-Anhalt schlicht ein „Mittelstandsförderungsgesetz“. Angesichts einer auf Besonderheiten des Personalmanagements gerichteten Zielsetzung müssen weitere Einzelheiten an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Bereits 1957 wurde auf Initiative des damaligen Wirtschaftsministers Ludwig Erhard das in Bonn angesiedelte Institut für Mittelstandsforschung gegründet. Die Aufgabe dieser Einrichtung besteht darin, neben der Lage und Entwicklung des <?page no="18"?> Das Mittelstandsuniversum 19 Mittelstands auch dessen Probleme zu erforschen. Gemeinsam mit dem Statistischen Bundesamt wird dort unter anderem regelmäßig ein sogenannter Selbstständigen-Monitor erstellt. Seit seiner Gründung haben verschiedene der am genannten Institut entstandenen Forschungsarbeiten wesentlich zum besseren Verständnis mittelstandsspezifischer Eigenheiten und Probleme beigetragen. Zwei einander ergänzende Mittelstandsdefinitionen Was sind typische Merkmale mittelständischer Unternehmen und worin unterscheiden sie sich insbesondere von jenen Unternehmen, die allein ihrer Größe wegen in aller Regel viel deutlicher sichtbar sind und uns insbesondere (aber nicht ausschließlich) in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG) begegnen? Das ist offensichtlich eine Definitionsfrage. Debatten über Definitionen werden oft als langweilig und etwas dröge empfunden. Um zu wissen, worüber geredet wird, können wir uns ihnen jedoch nicht völlig entziehen. In Bezug auf die hier zu klärende Frage ist dazu einleitend festzustellen, dass es keine allseits akzeptierte begriffliche Festlegung - denn darum handelt es sich bei einer Definition - von Mittelstand gibt. Glücklicherweise ergeben sich daraus aber keine gravierend nachteiligen Konsequenzen. Auf der begrifflichen Ebene kann man dem Mittelstand nämlich mittels zweier einander sinnvoll ergänzender Definitionen näherkommen. Es liegt nahe, mittelständische Unternehmen erstens anhand ihrer charakteristischen Größenmerkmale vom Rest der privaten Wirtschaft abzugrenzen. Dabei handelt es sich um die sogenannte quantitative Mittelstandsdefinition. Als Größenmerkmale kommen hier insbesondere der jährlich erzielte Umsatz, die Bilanzsumme oder die Zahl der Beschäftigten in Betracht. <?page no="19"?> 20 Personalmanagement im Mittelstand Im Hinblick auf das von uns verfolgte Anliegen - es geht um Personalmanagement - stellt die Beschäftigtenzahl ganz eindeutig das für uns maßgebliche Bestimmungsmerkmal dar. Zusätzlicher Präzisierungsbedarf entsteht deshalb, weil damit noch nicht feststeht, ab und bis zu welcher Beschäftigtenzahl von mittelständischen Unternehmen gesprochen werden soll. Darüber ist letzten Endes pragmatisch zu befinden. Die Europäische Kommission hat empfohlen, die Obergrenze bei ‚unter 250 Mitarbeitern‘ festzulegen. Hierzulande kommt meist die sogenannte KMU-Definition - die Buchstaben stehen für kleine und mittlere Unternehmen - zur Anwendung. Ihr zufolge liegt die Obergrenze bei 499 Mitarbeitern, wobei angesichts der immer noch beträchtlich großen Spannweite weiter zwischen kleinsten (bis 9 Beschäftigte), kleinen (bis 49 Beschäftigte) und mittelgroßen Unternehmen (bis 499 Beschäftigte) unterschieden wird. Gleichzeitig können wir dieser Differenzierung entnehmen, dass die Zugehörigkeit eines Unternehmens zum Mittelstand bereits bei einer Belegschaftszahl von nur einem Mitarbeiter beginnt. Das bereits erwähnte Institut für Mittelstandsforschung propagiert eine andere, die sogenannte qualitative Mittelstandsdefinition. Diese orientiert sich an charakteristischen Eigentumsverhältnissen und Führungsstrukturen, kommt also ohne irgendwelche Größenbeschränkungen aus. Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist die wirtschaftliche und rechtliche Selbstständigkeit mit den damit verbundenen Konsequenzen im Hinblick auf Leitung, Haftung und Risiko. Einerseits läuft dies auf eine Erweiterung des Mittelstandsbegriffs hinaus, denn es werden auf diese Weise all jene sogenannten Familienunternehmen einbezogen, die mehr als die genannten 499 Mitarbeiter beschäftigen. Faktisch kann es sich sogar um sehr große Unternehmen handeln, die ansonsten aber typisch mittelständische Qualitäten aufweisen. Ihr Stellenwert <?page no="20"?> Das Mittelstandsuniversum 21 innerhalb der bundesrepublikanischen Wirtschaft ist hoch einzuschätzen; auszugehen ist davon, dass sich ihre Zahl auf etwa 4700 Unternehmen beläuft. Wenn einleitend von den sogenannten Hidden Champions, den heimlichen Weltmarktführern, gesprochen wurde, so sind diese nahezu ausschließlich in diesem Segment anzutreffen. Sie befinden sich häufig im Besitz von Familien und werden von diesen auch geleitet. Letzteres kann gegebenenfalls indirekt aus einem dafür vorgesehenen Gremium, etwa einem Beirat, heraus erfolgen. Andererseits zählen gemäß der qualitativen Definition nicht zum Mittelstand jene kleinen oder mittleren Unternehmen (KMU), die via Beteiligung oder ganz im Besitz anderer Unternehmen oder Personen stehen. In solchen Fällen kann nicht länger von Selbstständigkeit gesprochen werden. Insofern handelt es sich also um einen enger gefassten Mittelstandsbegriff. Faktisch ist davon auszugehen, dass die Schnittmenge der von beiden Mittelstandsdefinitionen erfassten Unternehmen außerordentlich groß ist. Im Hinblick auf das hier verfolgte Anliegen ist es daher zweckmäßig, beide begrifflichen Festlegungen heranzuziehen, denn sowohl aus der Unternehmensgröße als auch aus den Eigentumsverhältnissen ergeben sich Konsequenzen im Hinblick auf personelles Gestalten. Definitorischer und gefühlter Mittelstand Die auf einer ganz anderen Ebene liegende Unterscheidung zwischen einem definitorischen und einem selbst definierten bzw. gefühlten Mittelstand geht auf Arbeiten des Instituts für Mittelstandsforschung zurück. Im ersten Moment mag sie etwas gekünstelt erscheinen. Überflüssig wird sie damit allerdings nicht, denn es gibt Unternehmer, die sich als dem Mittelstand angehörig fühlen, es definitionsgemäß aber nicht sind. Und umge- <?page no="21"?> 22 Personalmanagement im Mittelstand kehrt gilt auch, dass Unternehmer per Definition zum Mittelstand gehören, ohne dies so zu empfinden. Zum besseren Verständnis dieser Differenzierung: Die Erfahrung zeigt, dass gar nicht selten mit einer gewissen Selbstverständlichkeit davon ausgegangen wird, Mittelständler zu sein, obwohl die Kriterien dafür nicht vollumfänglich erfüllt sind. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn aufgrund zwischenzeitlich erfolgter Veränderungen Eigentum und Leitung teilweise oder sogar zur Gänze auseinanderfallen; dies etwa dann, wenn das Unternehmen verkauft wurde, der ursprüngliche Unternehmer aber weiterhin als (nunmehr angestellter) Geschäftsführer dort tätig ist. In der Selbsteinschätzung fühlt er sich gleichwohl als Mittelständler, dies vielleicht aus Gewohnheit oder auch aus einem gewissen Stolz heraus. Auf der anderen Seite gibt es Unternehmen, deren Eigner sich dem Mittelstand als nicht zugehörig empfinden, obwohl sie sämtliche Definitionsmerkmale erfüllen. Vermutlich dürfte dies insbesondere bei kleinen Handwerksbetrieben und Dienstleistern der Fall sein, ohne dass dahinter eine bewusst vollzogene, vielleicht sogar ideologisch begründete Abgrenzung steht. Bestimmend ist in solchen Fällen schlicht das Gefühl, nicht zum Mittelstand zu gehören. Vermutlich ist davon auch bei Freiberuflern, wie etwa Ärzten oder Rechtsanwälten, auszugehen. Hier dürfte ein in eine andere Richtung gehendes Standesbewusstsein den Hintergrund bilden. Wir müssen dem hier nicht näher nachgehen. Unabhängig davon, ob die definitorischen Kriterien der Zugehörigkeit zum Mittelstand exakt oder allenfalls teilweise erfüllt sind oder ob eine lediglich gefühlsmäßige Nicht-Zugehörigkeit vorliegt - Fragen der Gestaltung personeller Angelegenheiten stellen sich in den betreffenden Unternehmen in vergleichbar ähnlicher, vielleicht sogar identischer Weise. Stattdessen geht es abschließend darum, den gegenüber Groß- und Größtunter- <?page no="22"?> Das Mittelstandsuniversum 23 nehmen bestehenden Unterschieden in der Ausgangssituation für personelles Gestalten nachzugehen. Denn würden solche nicht anzunehmen sein, wäre es weitgehend überflüssig, eine Studie mit Personalmanagement im Mittelstand zu betiteln. Ausgangssituation mittelständischen Personalmanagements Personalmanagement ist eine facettenreiche Angelegenheit. In späteren Kapiteln wird darauf ausführlich einzugehen sein. Einige Hinweise sollten bereits an dieser Stelle erkennen lassen, weshalb hier teilweise eine mittelstandsspezifische Ausgangssituation anzunehmen ist. Ein Anspruch auf Vollständigkeit verbindet sich damit nicht und allzu weitgehende Verallgemeinerungen verbieten sich ebenfalls. Dies berücksichtigend sehen wir diese Spezifika insbesondere in Folgendem: Im Hinblick auf die Gewinnung und Erhaltung von Perso- [1] nal befinden sich mittelständische Unternehmen nach zwei Seiten hin im Wettbewerb. Konkurrenten sind einerseits andere mittelständische Unternehmen, dies insbesondere dann, wenn sie in derselben Branche tätig sind. Andererseits ist, abhängig von regionalen Verhältnissen, unter Umständen mit (mächtigen) Wettbewerbern in Gestalt von Groß- und Größtunternehmen zu rechnen, weil diese Arbeitnehmern aus verschiedenen Gründen als attraktivere Arbeitgeber erscheinen können. Lokale und regionale Verankerung mittelständischer [2] Unternehmen können sich im Hinblick auf Personalgewinnung und Personalerhaltung einerseits vorteilhaft auswirken. Ein gezielter Aufbau und die sensible Pflege von Beziehungsnetzen durch ihre Eigentümer spielen dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Andererseits kann die Regionalität diesbezüglich auch negative Auswirkungen ha- <?page no="23"?> 24 Personalmanagement im Mittelstand ben, dies insbesondere dann, wenn der Standort als unattraktiv wahrgenommen wird. Ob Mittelständler über eine motivations- und leistungs- [3] fördernde Unternehmenskultur verfügen, ist per se nicht ausgemacht. Die erfolgreichen unter ihnen gehen davon - und dies wohl zu Recht - mit einer gewissen Selbstverständlichkeit aus. Merkmale wie ihre vergleichsweise gute Überschaubarkeit und enge persönliche Beziehungen der Unternehmensführung zu den Mitarbeitern sind günstige Voraussetzungen, damit sich eine solche Kultur herauszubilden vermag. Im Mittelstand, so kann man es sehen, hat Eigentum ein [4] Gesicht. Das konstitutive Merkmal der Einheit von Eigentum und Leitung ist zudem dazu angetan, dass in mittelständischen Unternehmen Interessengegensätzen zwischen Eigentümern und Managern keine oder zumindest deutlich geringere Bedeutung zukommt. Vor diesem Hintergrund ist ein auf längere Fristen angelegtes Denken mit positiven Konsequenzen für das Personalmanagement möglich. Weite Bereiche des Mittelstands sind von dem seit gerau- [5] mer Zeit allgemein spürbaren Mangel an Fach- und Führungskräften in besonders starker Weise betroffen. Seine weitere Entwicklung wird dadurch gehemmt und in Einzelfällen sogar gefährdet. Vor dem Hintergrund von Vollbeschäftigung macht sich Personalmangel zudem selbst bei Lkw-Fahrern, Lagerarbeitern, Handwerkern, Pflegepersonal usw. als Entwicklungsbremse bemerkbar. Obwohl zu Recht als Ausbilder der Nation bezeichnet, hat [6] der Mittelstand zunehmend mit Schwierigkeiten zu kämpfen, Ausbildungsplätze zu besetzen und damit dem erwähnten Fachkräftemangel zu begegnen. Zurückzuführen ist diese Entwicklung auf eine Reihe von Gründen, die wir in späteren Kapiteln näher beleuchten werden. <?page no="24"?> Das Mittelstandsuniversum 25 Zur Ausgangssituation mittelständischen Personalmana- [7] gements gehört schließlich, dass es in vielen Unternehmen schlicht an jener Professionalität fehlt, wie sie in Groß- und natürlich auch in größeren Familienunternehmen längst selbstverständlich ist. Aus leicht nachvollziehbaren Gründen verfügen insbesondere kleinste und kleine Unternehmen in aller Regel über kein eigenständiges Personalressort. Dies macht sich insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Bürokratisierung der Personalarbeit nachteilig bemerkbar. <?page no="26"?> 2 Personal und Personalmanagement In der Vergangenheit verstand man unter dem Personal die Dienerschaft. Sie sorgte in der Küche für das leibliche Wohl der Herrschaft, war für die Sauberkeit im Haus zuständig oder verrichtete Gartenarbeit. Heute ist damit in aller Regel die Belegschaft von Betrieben, Unternehmen oder Firmen gemeint. Sieht man einmal von großen Familienunternehmen ab, die gemäß der vorangehend eingeführten qualitativen Definition ebenfalls zum Mittelstand zählen, so handelt es sich um Wirtschaftseinheiten mit bis zu etwa 500 Beschäftigten. Personalmanagement ist ein vergleichsweise neuer Begriff. Er stammt aus dem angelsächsischen Sprachraum und ist zwischenzeitlich in viele andere Sprachen - so auch ins Deutsche - übernommen worden. Verstanden als eine Funktion im Unternehmen, hat ‚Management‘ zahlreiche Bedeutungen, die aber allesamt in eine bestimmte Richtung weisen: Es geht darum, etwas zu bewerkstelligen oder zu handhaben, zu führen oder zu leiten. Wir halten es für zweckmäßig, die in alledem erkennbare Gestaltungsfunktion des Managements in den Vordergrund zu stellen. Im Teilbereich des Personalmanagements geht es folglich um personelles Gestalten. Dieses konkretisiert sich in Maßnahmen und Entscheidungen, die darauf abzielen, (mittelständischen) Unternehmen einen effektiven Einsatz ihres Personals zu ermöglichen. Vorwiegend stilistischer Gründe wegen bietet es sich an, gelegentlich auch von Personalarbeit zu sprechen. Zum Personalmanagement gibt es eine ganze Reihe begrifflicher Alternativen. So war es innerhalb der deutschen Betriebswirtschaftslehre zunächst und für viele Jahre üblich, von Personalwesen zu sprechen. Diese auch noch heute gelegentlich verwendete Bezeichnung erscheint uns nicht mehr zeitge- <?page no="27"?> 28 Personalmanagement im Mittelstand mäß. Sie ist unscharf und lädt zu allerlei Spekulationen konkret-inhaltlicher Art ein. - Wer es nicht unbedingt für erforderlich hält, dass die deutsche Sprache ohne Not von Anglizismen überschwemmt wird, könnte an Personalwirtschaft Gefallen finden. Zudem steht damit schon auf der begrifflichen Ebene im Raum, dass sich personelles Gestalten auch an ökonomischen Kriterien zu orientieren hat. - Von Personalpolitik zu sprechen, denn auch diese Bezeichnung wird gelegentlich verwendet, halten wir für unzweckmäßig, weil sie zu eng ist, um die Gesamtheit personellen Geschehens zu erfassen. - Schließlich hat in jüngerer Zeit die Rede von Human Resource Management (in Kurzform: HRM) zunehmende Verbreitung gefunden. Sie hat ihren Charme, kommt in ihr doch zum Ausdruck, dass das Personal nicht bloßer Kostenfaktor ist, sondern eine wichtige Ressource bzw. ein Erfolgspotenzial darstellt. Das ist ein in seiner praktischen Bedeutung nicht hoch genug einzuschätzender Gedanke, dem indes durch entsprechende inhaltliche Ausrichtung des Personalmanagements Rechnung getragen werden kann. Personal und Arbeit Es handelt sich keineswegs um einen Ausflug ins Akademische, wenn wir eingangs feststellen: Wie sich in einem Unternehmen personelles Gestalten vollzieht und wie effektiv es letzten Endes ist, hängt entscheidend davon ab, was unter Personal (bzw. der Belegschaft) verstanden wird. Nach unserer Überzeugung lohnt es sich, dem eingangs kurz nachzugehen und dabei am Arbeitsbegriff anzusetzen. Arbeit ist ein in der Alltagssprache häufig verwendetes Wort. Darüber hinaus handelt es sich um einen ökonomischen Grundbegriff. Als solcher spielt er in beiden Wirtschaftswissenschaften, in der Volkswirtschaftslehre ebenso wie in der Betriebswirtschaftslehre, eine Schlüsselrolle. In letzterer - der <?page no="28"?> Personal und Personalmanagement 29 Betriebswirtschaftslehre - hat (menschliche) Arbeit neben den Betriebsmitteln bzw. der technischen Apparatur und den sogenannten Werkstoffen in Gestalt von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen den Status eines Produktionsfaktors. Für ein angemessenes Verständnis der vom Personal zu leistenden Arbeit erscheint es allerdings erforderlich, sich der Besonderheiten dieses Produktionsfaktors bewusst zu sein. Schließlich arbeiten auch Maschinen, und dasselbe lässt sich vom Geld sagen, das zur Beschaffung von Betriebsmitteln oder Werkstoffen und gelegentlich auch zu rein spekulativen Zwecken benötigt oder eingesetzt wird. Dabei gibt es allerdings einen entscheidenden Unterschied. Während Maschinen oder Rohstoffe und natürlich auch das Geld Objekte sind, handelt es sich bei arbeitenden Menschen um Subjekte. Dieses Merkmal macht sie zu einem Produktionsfaktor besonderer Art. In Abgrenzung zu dem, was Maschinen leisten, handelt sich um lebendige Arbeit. Seinen Ausdruck findet dieses Merkmal unter anderem in einer beim personellen Gestalten stets in Rechnung zu stellenden Eigenwilligkeit dieser Subjekte. Ihr angemessen Rechnung zu tragen, ist vermutlich die größte Herausforderung des Personalmanagements. Was aber bedeutet Arbeit für die sie Leistenden - die Arbeitenden - selbst? Deren Bewertung hängt nicht ausschließlich, aber doch entscheidend von den Umständen ab, unter denen sie sich vollzieht. Insofern kommt es nicht überraschend, dass das mittelhochdeutsche Wort ‚arebeit‘ seinerzeit stets mit der Vorstellung von Mühsal, von Zwang gar, verbunden war. In Teilbereichen hat sich diese der Arbeit anhaftende negative Bewertung bis heute erhalten, denn in der Arbeitswelt stößt man nach wie vor auf Tätigkeiten, die auszuführen langweilig, stressig und anstrengend sind. Zudem gibt es eine attraktive Alternative zur Arbeit - die Freizeit. <?page no="29"?> 30 Personalmanagement im Mittelstand Unverkennbar ist, dass sich die Arbeitsanforderungen mittlerweile deutlich verändert haben. Während die körperlichen Belastungen tendenziell zurückgingen, sind die mentalen Herausforderungen eher größer geworden. Vielfach ist es auch zu einer stärkeren Verdichtung der Arbeit gekommen. Alles in allem kann aber ein positives Bild vom Wandel der Arbeitswelt gezeichnet werden. Zurückzuführen ist dies nicht zuletzt darauf, dass zwischenzeitlich zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten verfügbar sind, die diese optimistische Sicht rechtfertigen. In Teilen der Wirtschaft kommen sie längst zur Anwendung. Arbeit - dies zum Schluss und zugleich als Vorbereitung auf spätere Vertiefungen - lässt sich als ein ziemlich umfassendes Mittel der Bedürfnisbefriedigung begreifen. Dabei ist naheliegender Weise zunächst daran zu denken, dass durch sie Einkommen in Form von Lohn oder Gehalt erzielt wird. - Da Arbeit in der Regel nicht isoliert, sondern gemeinsam mit anderen geleistet wird, kann damit sozialen Bedürfnissen Rechnung getragen werden. - Entsprechend gestaltet, vermag Arbeit zudem einen eigenständigen Befriedigungswert erlangen, dies vor allem dann, wenn sie als interessant, als herausfordernd und als sinnvoll wahrgenommen wird. Mit alledem sind Fragen motivationaler Art angesprochen. In vertiefter Form werden sie in dem der Motivation gewidmeten → Kapitel 6 sowie bei der Erörterung der Bestimmungsfaktoren der Arbeitsleistung eine Rolle spielen (→ Kapitel 8). Darüber hinaus kommt ihnen aber auch in nahezu sämtlichen Bereichen personellen Gestaltens eine spezifische Bedeutung zu. Der einzelne Mitarbeiter im Fokus des Personalmanagements Es klingt wie eine Binsenweisheit, und das ist sie auch: Jeder Mensch ist einzigartig. Für erfolgreiches Personalmanage- <?page no="30"?> Personal und Personalmanagement 31 ment enthält sie allerdings eine Botschaft, deren Bedeutung kaum hoch genug eingeschätzt werden kann. Zugleich ist es eine Botschaft, die konsequent zu berücksichtigen alles andere als einfach ist. Worauf es hier zunächst ankommt: In der Rede vom Personal ist sie nicht angelegt, denn diese bezieht sich zunächst auf eine Personenmehrheit. Eingangs wurde ganz in diesem Sinn von der Belegschaft, von den Beschäftigten des Unternehmens oder von seinen Mitarbeitern gesprochen. Kurz: Personal ist ein typischer Sammelbegriff. Hauptansatzpunkt personellen Gestaltens kann allerdings nicht das Personal insgesamt sein. Vielmehr ist es der einzelne Mitarbeiter. In der täglichen Praxis des Personalmanagements geht es eher selten um die Gesamtheit des Personals. Vielmehr sind es Individuen, auf die sich die verschiedenen Aktivitäten - das Führen eines Mitarbeitergesprächs etwa - richten bzw. denen sie gelten. Begriffe wie Personalgewinnung, Personalerhaltung, Personalfreistellung oder auch Personalführung, die später noch eine gewichtige Rolle spielen werden, sind dazu angetan, dass dies aus dem Auge verloren werden kann. Schwerpunktmäßig geht es aber beispielsweise darum zu entscheiden, wem unter den Bewerbern um eine freie Stelle der Vorzug gegeben wird, wie ein Vorgesetzter einen Mitarbeiter mit dessen Leistungsdefiziten konfrontiert, ohne dass sich daraus eine Belastung der zukünftigen Zusammenarbeit ergibt, was bei einem Rückkehrgespräch nach längerer Abwesenheit zu beachten ist usw. An vielen weiteren Beispielen ließe sich belegen, dass der Fokus des Personalmanagements auf dem einzelnen Mitarbeiter liegt. Damit wird nicht verkannt, dass der einzelne Mitarbeiter Teil einer Gesamtheit - des Personals oder der Belegschaft eben - ist. Von ihm wird beispielsweise erwartet, dass er nicht gegen für alle verbindliche Regelungen verstößt und die die jeweilige <?page no="31"?> 32 Personalmanagement im Mittelstand Unternehmenskultur ausmachenden Werte teilt. Ferner ist er in vielen Fällen Mitglied einer Arbeitsgruppe oder eines Teams. Sein Status als Individuum bleibt indes von alledem unberührt. Gleichwohl gibt es einige (wenige) Bereiche des Personalmanagements, in denen es sinnvoll ist, sich von der Vorstellung vom Personal als einer Gesamtheit leiten zu lassen. Das ist insbesondere dort der Fall, wo es um in die Zukunft gerichtete, also planerische Überlegungen zur Ermittlung des quantitativen und qualitativen Mitarbeiterbedarfs geht (→ Kapitel 10). Solche können auch in mittelständischen Unternehmen erforderlich werden, dies etwa dann, wenn die Geschäftstätigkeit erweitert oder der Schwerpunkt verlagert werden soll. Häufig ist es der in einer Branche sich vollziehende Technikwandel, der Auslöser für derartige Überlegungen sein kann. Ebenso müssen gelegentlich die personellen Konsequenzen einer aus irgendwelchen Gründen ins Auge zu fassenden Schrumpfung des Unternehmens rechtzeitig geprüft werden. In derartigen Fällen kann der einzelne Mitarbeiter nicht oder lediglich ausnahmsweise sinnvoller Gegenstand personellen Gestaltens sein. Akteure des Personalmanagements Abschließend ist zu klären, welches die Akteure des Personalmanagements sind. Wer, mit anderen Worten, trifft Entscheidungen oder ist an solchen beteiligt, die in den Bereich personellen Gestaltens fallen? Im Hinblick auf den Mittelstand sind hier an erster Stelle die Eigentümer zu nennen. Dabei muss es sich selbstverständlich nicht zwangsläufig um eine Einzelperson handeln, denn häufig gehört das Unternehmen einer Eigentümerfamilie. Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn die Gründung bereits vor mehreren Generationen erfolgt ist. <?page no="32"?> Personal und Personalmanagement 33 Betrachten wir zunächst die Situation bei den kleinsten und kleinen Mittelstandsunternehmen. Hier wird in der Regel keine Einstellung von Mitarbeitern ohne aktive Beteiligung des Eigentümers erfolgen; zudem begegnet er ihnen zwangsläufig im täglichen Arbeitsalltag und kann folglich deren Leistungsvermögen sehr gut einschätzen. - Bei den größeren mittelständischen Unternehmen ist all dies meist nicht mehr ohne Weiteres möglich. Hier ist der Eigentümer in der Regel auf die Mitarbeit von angestellten Führungskräften angewiesen und es liegt in seinem ureigensten Interesse, Personen mit dem gewünschten Fähigkeitsprofil für das Unternehmen zu gewinnen. Aber nicht nur das: Er wird auch abzuschätzen versuchen, ob der ins Auge gefasste Bewerber zu ihm persönlich passt. Unter Umständen wird er bei alledem die Hilfe eines Personalberaters in Anspruch nehmen. Es kann und muss an dieser Stelle nicht näher ausgelotet werden, wie der Eigentümer seine Rolle als Akteur des Personalmanagements inhaltlich im Einzelnen ausfüllt. Dass es eine Schlüsselrolle ist, sollte gleichwohl deutlich geworden sein. Zu dieser Einschätzung zu kommen, ergibt sich allein schon deshalb, weil es ein für personelles Gestalten zuständiges Personalressort in mittelständischen Unternehmen längst nicht überall gibt. Personalarbeit fällt natürlich trotzdem an, beschränkt sich aber in der Regel auf die Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie auf die Abwicklung von Einstellungs- und Kündigungsvorgängen. Dennoch ist es angebracht, das Personalressort als Akteur des mittelständischen Personalmanagements explizit zu berücksichtigen. Dies ergibt sich allein schon daraus, dass ein solches in den großen Familienunternehmen selbstverständlich anzutreffen ist. Aber auch mittelgroße Betriebe verfügen heute in der Regel über eigenständige, als Stabstelle geführte und für das Personalmanagement zuständige (kleine) Abteilungen. <?page no="33"?> 34 Personalmanagement im Mittelstand Soweit vorhanden - denn auch hier spielt die Unternehmensgröße eine entscheidende Rolle - gehört zu den Akteuren des Personalmanagements die Gruppe der angestellten Führungskräfte. Davon ist ohne jede Einschränkung deshalb auszugehen, weil ihnen in aller Regel Mitarbeiter weisungsmäßig unterstellt sind. Mit anderen Worten: Führungskräfte tragen Personalverantwortung. Neben Fachkompetenz wird von ihnen auch Führungskompetenz erwartet. Und weil bezüglich Letzterer in vielen Fällen Schulungsbedarf besteht, werden sie uns daher später auch als Zielgruppe von speziellen Weiterbildungsaktivitäten begegnen (→ Kapitel 15). Festzuhalten ist, dass Führungskräften eine ausgesprochen wichtige Rolle im Ensemble der Akteure des Personalmanagements spielen. Ähnliches gilt auch im Hinblick auf den Betriebsrat, dies freilich mit der Einschränkung, dass es ihn in den meisten mittelständischen Unternehmen überhaupt nicht gibt: Nur in etwa einem Drittel der Unternehmen mit zwischen 20 und 499 Beschäftigten findet Arbeitnehmerbeteiligung über dieses Organ statt (hierzu ausführlich → Kapitel 5). Ferner ist zu berücksichtigen, dass dort, wo Betriebsräte existieren, die gesetzlich zugesicherten Rechte in unterschiedlichem Umfang in Anspruch genommen werden. <?page no="34"?> 3 Demografie und Arbeitsmarkt Mit Kapitel 3 betreten wir das Feld der Rahmenbedingungen personellen Gestaltens. Gewidmet ist es der Demografie, auch Bevölkerungswissenschaft genannt. Deren Hauptaufgabe besteht in der Beschreibung und Analyse des Zustands der Bevölkerung, dies auch im Hinblick auf die Veränderung von Bevölkerungszahl und Bevölkerungszusammensetzung im Zeitablauf. Die von ihr gelieferten Informationen können sich auf ein Land, auf kleinere Regionen bis hin zur Weltbevölkerung beziehen. Für die Wirtschaft insgesamt, aber auch für das einzelne Unternehmen sind sie unentbehrlich. In kurz- und mittelfristiger Perspektive richtet sich das Interesse dabei vorrangig auf eine Teilklasse der Bevölkerung - auf Erwerbspersonen. Sie sind das Reservoir, aus dem Unternehmen Mitarbeiter beziehen. Gemäß Definition des Statistischen Bundesamts gliedern sie sich, hier etwas verkürzt wiedergegeben, „in Erwerbstätige, d.h. Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen (...), selbständig ein Gewerbe oder eine Landwirtschaft betreiben oder aber einen Freien Beruf ausüben sowie Erwerbslose. Erwerbslose sind Personen ohne Arbeitsverhältnis, die sich um eine Arbeitsstelle bemühen ... unabhängig davon, ob sie beim Arbeitsamt gemeldet sind.“ Hinsichtlich dieses Teils der Bevölkerung befinden sich die Unternehmen untereinander in einer Wettbewerbssituation. Er spielt sich auf dem Arbeitsmarkt ab, auf dem das Angebot an und die Nachfrage nach Arbeitskräften aufeinandertreffen. Im Unterschied zu manchen anderen Märkten handelt es sich in mindestens dreierlei Hinsicht um einen ausgesprochen unvollkommenen Markt: Der Arbeitsmarkt ist zunächst deutlich weniger gut überschaubar bzw. transparent als etwa Waren- oder Wertpapiermärkte. Zweitens ist die Anpassungsge- <?page no="35"?> 36 Personalmanagement im Mittelstand schwindigkeit der Marktteilnehmer - von Arbeitnehmern und Arbeitgebern also - ungleich geringer, was sich arbeitnehmerseitig beispielsweise dahingehend äußert, dass nicht mehr nachgefragte Fähigkeiten erst mit deutlicher Verzögerung und zuweilen sogar überhaupt nicht an geänderte Bedingungen angepasst werden können. Hinzu kommt drittens, dass die Betroffenheit wesentlich größer ist; dies etwa in Form eines Arbeitsplatzverlustes oder eines mit einem Umzug in eine andere Gegend verbundenen Stellenwechsels. Damit sind zugleich gewichtige Gründe dafür genannt, weshalb der Staat, fußend auf dem Leitbild der sozialen Marktwirtschaft, hierzulande aktive Arbeitsmarktpolitik betreibt. Ihren institutionellen Niederschlag findet diese in Gestalt der Bundesagentur für Arbeit mit Sitz in Nürnberg, zehn Regionaldirektionen (früher: Landesarbeitsämter) sowie 156 Agenturen für Arbeit (früher: Arbeitsämter). Ferner gibt es seit 2010 sogenannte Jobcenter als gemeinsame Einrichtungen der Agenturen für Arbeit und kommunaler Träger. Neben der Leistungsgewährung für Hartz IV-Empfänger sind sie auch für die Arbeitsvermittlung zuständig. Insofern erlangen Jobcenter im Rahmen der Personalgewinnung mittelständischer Unternehmen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung (→ Kapitel 11). Wichtige Gesetze, auf deren Grundlage der Staat in den Arbeitsmarkt regulierend eingreift, sind das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) von 1969, das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft von 1967 und das Berufsbildungsgesetz von 1969. Dass diese Gesetze in den späten 1960er- Jahren verabschiedet wurden, ist kein Zufall. Mehrere Dinge kamen seinerzeit zusammen: Das Land erlebte die erste Nachkriegsrezession, die Bergbaukrise erreichte ihren Höhepunkt und in der Landwirtschaft vollzog sich ein tiefgreifender Strukturwandel. Eine vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit war die Folge. <?page no="36"?> Demografie und Arbeitsmarkt 37 Insbesondere das zwischenzeitlich mehrfach geänderte Arbeitsförderungsgesetz - seit 1998 ist es im 3. Buch des Sozialgesetzbuches aufgegangen bzw. wurde von diesem abgelöst - wirkt in zahlreiche Bereiche der täglichen Personalarbeit hinein. Statt eingetretene Arbeitslosigkeit zu vermeiden, sollte sie erst gar nicht entstehen. Verschiedentlich wird es als Grundgesetz der Arbeitsmarktpolitik bezeichnet. Demografische Grundtatbestände Das Mitarbeiterpotenzial ist für Unternehmen, gleich welcher Größe und welcher Eigentumsverhältnisse, keine beliebig disponierbare Manövriermasse. Weder in quantitativer Hinsicht, geschweige denn im Hinblick auf die qualitativen Erfordernisse ist es ohne Weiteres verfügbar. Erste Anhaltspunkte dafür liefern die vom Statistischen Bundesamt systematisch erhobenen und nach verschiedenen Kriterien aufbereiteten demografischen Daten. Im Hinblick auf personelles Gestalten interessiert dabei insbesondere die Entwicklung der eingangs erwähnten Erwerbspersonen. Aus ihrer Definition - Erwerbspersonen sind Erwerbstätige und um eine Arbeitsstelle bemühte Arbeitslose - lässt sich entnehmen, dass es sich im Kern um Arbeitsmarktdaten handelt. 2017 standen 44,3 Millionen Erwerbstätigen - das sind 53,4 Prozent der Gesamtbevölkerung - 2,5 Millionen Erwerbslose gegenüber. Dabei gelten gemäß amtlicher Statistik Personen als erwerbstätig, wenn sie einer entlohnten Tätigkeit von mindestens einer Stunde in der Woche nachgehen. Die genannte Zahl sagt im Übrigen nichts über die Erwerbsform (abhängige oder selbstständige Tätigkeit), den zeitlichen Umfang der Erwerbsbeteiligung (Vollzeit- oder Teilzeitarbeit) sowie den arbeits- und sozialrechtlichen Status der Beschäftigten (sozialversicherungspflichtige oder geringfügige Beschäftigung, Leiharbeit, unbefristete oder befristete Beschäftigung) aus. Da allenfalls <?page no="37"?> 38 Personalmanagement im Mittelstand nur am Rande von thematischem Interesse, verzichten wir an dieser Stelle auf zusätzliche Differenzierungen. Die Zahl der Erwerbstätigen hängt vom Arbeitsangebot ab. Die hier in der jüngeren Vergangenheit zu verzeichnende Erhöhung ist vor allem auf eine zunehmende Erwerbsneigung von Frauen und auf Zuwanderung von Arbeitskräften zurückzuführen. Die Arbeitsnachfrage entscheidet darüber, in welchem Umfang Arbeitskräfte benötigt werden. Sie bestimmt sich anhand ökonomischer Kriterien bzw. der konjunkturellen Situation. Ohne dem hier näher nachzugehen: Ab dem Jahr 2003 ist ein kontinuierlicher Anstieg der Erwerbstätigen zu verzeichnen, wobei 2017 fast zwei Drittel im Dienstleistungssektor tätig waren. Zu den von der amtlichen Statistik erfassten Daten gehört auch die Altersstruktur der Bevölkerung. Wegen signifikanter Unterschiede wird dabei üblicherweise zusätzlich eine Unterscheidung zwischen Frauen und Männern, eine geschlechtsspezifische Differenzierung also, vorgenommen. Die Entwicklung der Lebenserwartung, d.h. das durchschnittliche Alter, das Neugeborene eines bestimmten Geburtsjahrgangs voraussichtlich erreichen werden, wirkt sich auf das demographische Geschehen besonders nachhaltig aus. Um davon einen Eindruck zu gewinnen, lohnt sich ein kurzer Rückblick in die schon etwas zurückliegende Vergangenheit: Innerhalb eines einzigen Jahrhunderts hat sie sich in etwa verdoppelt. Gegen Ende der 1980er-Jahre betrug die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern ungefähr 72 und von Frauen fast 79 Jahre. Dieser Trend hat sich weiter fortgesetzt. 2017 geborenen Mädchen werden voraussichtlich 83 Jahre und 2 Monate alt, Jungen 78 Jahre und 4 Monate. Allerdings ist es keineswegs ausgemacht, dass diese Tendenz weiter anhält. Wissenschaftliche Studien kommen zu dem Ergebnis, dass speziell in Ländern mit einem vergleichsweise ho- <?page no="38"?> Demografie und Arbeitsmarkt 39 hen Einkommensniveau mittlerweile ein Rückgang der allgemeinen Lebenserwartung zu verzeichnen ist. Zumindest für die USA wird die Hauptursache im extensiven Konsum von Alkohol, Drogen und verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln gesehen, dem vor allem Männer mittleren Alters zum Opfer fallen. Auch hierzulande gibt es in diese Richtung weisende Anzeichen. So ist der bisherige Höchstwert der Lebenserwartung aus dem Jahr 2014 in den beiden Folgejahren nicht mehr erreicht worden. Weder die Hintergründe für die beschriebene Entwicklung noch die Methodik ihrer Ermittlung müssen hier beleuchtet werden. Fest steht, dass sich aus ihr gravierende Konsequenzen für die bundesrepublikanische Gesellschaft im Allgemeinen und für die Wirtschaft im Besonderen ergeben. Was Letztere angeht, so betreffen sie insbesondere die Länge der Erwerbsbeteiligung. Sie hat sich seit der Jahrtausendwende erheblich und in sich deutlich differenziert verändert. Dabei sind folgende Trends erkennbar: Gegenüber dem Jahr 2000 waren junge Männer 2015 seltener erwerbstätig. Zurückgeführt wird dies auf die Abschaffung der Wehrpflicht, vor allem aber auf eine wachsende Teilnahme an weiterführenden Schul- und Hochschulausbildungen. - Über 25-jährige Frauen, dies ist ein weiterer Trend, sind zwischenzeitlich deutlich häufiger erwerbstätig als früher. Gründe dafür liegen in einer wachsenden Erwerbsneigung von Frauen sowie verbesserten Möglichkeiten, Familie und Beruf zu vereinbaren. Vielfach wird von ihnen eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt. - Die Erwerbstätigenquote von über 55-jährigen Männern und Frauen, ein dritter bemerkenswerter Trend, ist als Folge von Arbeitsmarktreformen und Einschränkungen bei der Frühverrentung deutlich gestiegen. Dieser Trend wird sich im Zuge der schrittweisen Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre aller Wahrscheinlichkeit nach weiter verstärken. <?page no="39"?> 40 Personalmanagement im Mittelstand Im Vorgriff auf die in → Kapitel 4 zu behandelnde Problematik lohnt es sich, einen Blick auf verschiedene Altersgruppen innerhalb der Bevölkerung zu werfen. Die Zahlen betreffen das Jahr 2018. Personen, die älter als 65 Jahre sind, können dabei unberücksichtigt bleiben, weil sie überwiegend nicht mehr im Berufsleben stehen. Die Gruppe der 45 bis 65-jährigen, die wir später als Generation der geburtenstarken Jahrgänge kennenlernen werden, haben hier einen Anteil von ca. 31 Prozent. 18 bis 44 Jahre alte Personen machen ca. 32 Prozent der Bevölkerung aus. Die letzte Gruppe der unter 18-Jährigen stellt einen Anteil von knapp unter 13 Prozent. Es handelt sich dabei durchweg um geburtenschwache Jahrgänge, die nach und nach die Arbeitswelt betreten werden. Wie in der ihnen vorgelagerten Bevölkerungsgruppe auch - die Natur hat das so vorgesehen - ist in ihr das männliche Geschlecht geringfügig stärker als das weibliche vertreten. Entwicklung der beruflichen Qualifikationsstruktur Im erweiterten Sinn zählen zu den demographischen Daten auch Informationen über die Entwicklung der Qualifikationsstruktur der Bevölkerung. Das Statistische Bundesamt unterscheidet dabei zwischen dem Bildungsstand nach allgemeiner Schulausbildung und nach beruflichem Bildungsabschluss. Hier wie dort ist die Tendenz eindeutig: Zwischen 2008 und 2017 ist die Zahl der Hauptschulabgänger (als höchstem erreichten Bildungsstand) von 39,3 Prozent auf 30,4 Prozent zurückgegangen, während im gleichen Zeitraum die Zahl der Personen mit Fachhochschul- und Hochschulreife von 24,4 Prozent auf 31,9 Prozent gestiegen ist. Was die beruflichen Bildungsabschlüsse angeht, so sind die Abschlüsse im Dualen System - ebenfalls zwischen 2008 und 2017 - von 50,8 Prozent auf 47,5 Prozent zurückgegangen, während Hochschulabschlüsse (Bachelor, <?page no="40"?> Demografie und Arbeitsmarkt 41 Master und Diplom) von 7,0 Prozent auf 16,5 Prozent angewachsen sind. Die genannten Zahlen beziehen sich auf die Gesamtbevölkerung. Wird zusätzlich die Entwicklung der Bildungsabschlüsse in Abhängigkeit vom Alter betrachtet, dann zeigt sich die Tendenz zur Höherqualifikation noch wesentlich deutlicher. Auf eine differenzierte Darstellung kann hier verzichtet werden. Das folgende Zitat aus dem im Internet abrufbaren Bericht über „Bildung in Deutschland 2016“ mag als Beleg für diese Tendenz stehen. Dort wird zugleich auf ein Problem am unteren Ende der Bildungspyramide aufmerksam gemacht, das auch in thematischer Hinsicht Beachtung verdient: Es habe sich gezeigt, „dass die Nachfrage nach formal höher qualifizierenden Bildungszertifikaten in Deutschland ungebrochen hoch ist und weiter steigt. Der Bildungsstand der Bevölkerung hat sich in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich verbessert, es werden mehr allgemeinbildende und berufsqualifizierende Bildungszertifikate erworben. Der Anteil der Personen mit Hochschulzugangsberechtigung oder einem Studienabschluss ist weiter gestiegen und wird sich voraussichtlich auch weiter erhöhen. Demgegenüber stehen Jugendliche und junge Erwachsene, die maximal einen Hauptschulabschluss erwerben oder ohne eine berufliche Qualifikation in das Erwerbsleben starten. Diese Gruppen sind trotz positiver Entwicklungen weiterhin zu groß und steigen in jüngster Zeit aufgrund der von Zuwanderung von Schutz- und Asylsuchenden auch wieder an. Hinzu kommt, dass Personen aus sozial weniger begünstigten Familien sowie junge Menschen mit Migrationshintergrund in der Gruppe der formal gering oder nicht Qualifizierten überdurchschnittlich stark vertreten sind. An den Effekten steigender Bildungsbeteiligung partizipieren demnach nicht alle gleichermaßen“ (www.bildungsbericht.de, Daten für 2016, S.13). <?page no="41"?> 42 Personalmanagement im Mittelstand Fachkräftemangel als Kehrseite formaler Höherqualifizierung So begrüßenswert die aus der Bildungsstatistik zu entnehmende Tendenz zur Höherqualifikation auch sein mag - im wachsenden Mangel an Fachkräften hat sie auch eine Kehrseite. Geschuldet ist dieser seitens der Wirtschaft mit zunehmender Sorge betrachtete Zustand ziemlich eindeutig dem verstärkten Bestreben zur Aufnahme eines Fachhochschul- oder Hochschulstudiums zulasten der dualen Ausbildung, dem Hauptsektor des Berufsbildungssystems also. Struktureller Gründe wegen - man denke beispielsweise an die vielen Handwerksbetriebe - ist der Mittelstand von diesem Mangel überproportional stark betroffen. Folgt man der Argumentation der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), dann vollzieht sich der Anstieg der akademischen Abschlüsse in Deutschland immer noch zu langsam. Er liege deutlich unter dem Durchschnitt der 36 OECD-Mitgliedsstaaten. Formal ist dies richtig. Unberücksichtigt bleiben dabei allerdings Besonderheiten des deutschen Berufsbildungssystems in Gestalt der dualen Ausbildung. Sie bestehen insbesondere darin, dass in anderen Ländern Ausbildungsinhalte an Fachhochschulen und Hochschulen gelehrt werden, deren Vermittlung hierzulande - und dies durchaus erfolgreich - innerhalb des Dualen Systems erfolgt. Ob man pauschal von einem sich abzeichnenden oder bereits bestehenden Akademikerüberhang sprechen kann, soll hier dahingestellt bleiben. Unübersehbar ist die Existenz einer Fachkräftelücke. Sie führt im Extremfall dazu, dass es bei der Bearbeitung von Aufträgen zu deutlichen Verzögerungen kommt oder weitere Aufträge überhaupt nicht mehr angenommen werden können. Entgegenwirken lässt sich dem nach Lage der Dinge dadurch, dass versucht wird, gering Qualifizierte hö- <?page no="42"?> Demografie und Arbeitsmarkt 43 her zu qualifizieren und die Attraktivität des Dualen Systems weiter zu steigern. Dass sich nicht wenige junge Menschen letzten Endes dort besser aufgehoben fühlen als an Hochschulen, zeigt sich im Übrigen an der vergleichsweise hohen Zahl von Studienabbrechern. Presseberichten zufolge war es 2017 fast jeder Dritte; dies mit steigender Tendenz. Speziell mittelständische Unternehmen, die ihr Augenmerk auf sie richten, sind damit offensichtlich gut beraten (→ Kapitel 11). Vom abstrakten Arbeitsmarkt zu segmentierten Teilarbeitsmärkten Einleitend ist der Arbeitsmarkt als ein unvollkommener Markt beschrieben worden. Dass sich daraus eine Begründung für eine aktive Arbeitsmarktpolitik des Staates ableiten lässt, wurde ebenfalls erwähnt. Hier wie dort handelte es sich um allgemein gehaltene Hinweise zum Ort des Zusammentreffens von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage und zu den dabei in Rechnung zu stellenden Besonderheiten. Von ‚dem‘ Arbeitsmarkt kann nun allerdings nur in einem abstrakten Sinn gesprochen werden. Im Hinblick auf praktische Erfordernisse erweist es sich als notwendig, zusätzlich zwischen segmentierten Teilarbeitsmärkten zu unterscheiden. Die Gründe liegen auf der Hand: Es gibt Arbeitsmärkte für die unterschiedlichen Berufe und Fähigkeiten, geschlechtsspezifische Arbeitsmärkte, regionale Arbeitsmärkte, Arbeitsmärkte für Jugendliche und Ältere, für Ungelernte und Qualifizierte sowie in besonderen Situationen für ethnische Gruppen. Auch in zeitlicher Hinsicht kann sich eine Segmentierung als zweckmäßig erweisen, denn in Abhängigkeit von der jeweiligen konjunkturellen Situation verschieben sich die Verhältnisse zwischen Angebot von und Nachfrage nach Arbeit erheblich. <?page no="43"?> 44 Personalmanagement im Mittelstand Die Differenzierung zwischen verschiedenen Teilarbeitsmärkten lässt sich mühelos weiter verfeinern. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die verschiedenen Berufe und Fähigkeiten, aber auch in Bezug auf örtliche bzw. regionale Gegebenheiten. In der Unterscheidung zwischen Vollzeit- und Teilzeitarbeit ist eine weitere naheliegende Möglichkeit zur Segmentierung des Arbeitsmarktes angelegt. Für mittelständische Unternehmen, und hier insbesondere für die kleinen bis mittelgroßen unter ihnen, konzentriert sich das Interesse fast ausschließlich auf den jeweiligen regionalen Arbeitsmarkt. Die Veröffentlichungen der Agenturen für Arbeit sind dabei eine nützliche Informationsquelle. In ihrem Internetauftritt findet sich beispielsweise ein sogenannter Arbeitsmarktmonitor. Interpretiert wird er als „Instrument zur Analyse regionaler Strukturen“, das Hilfe dabei leisten soll, „mit seinen Angeboten, Chancen und Risiken des Arbeitsmarktes zu erkennen“, und der Rubrik „Faktencheck zum Arbeitsmarkt“ lassen sich Fakten zu den Themen „Fachkräfte“, „Ausbildungsmarkt“, „Branchen“ und „Regionalstruktur“ entnehmen. Ergänzend dazu informieren Jobcenter in differenzierter Form über Stellenangebote von Unternehmen der Region. <?page no="44"?> 4 Werte und Wertewandel Das Verhalten der Menschen, ihre Erwartungen und Empfindungen - all dies wird von Faktoren geprägt, die teilweise außerhalb ihrer selbst liegen. Es ist die Umwelt, in der sie aufwachsen und ihr späteres Leben verbringen, die maßgeblich darüber entscheidet, wie sich dies im Einzelnen äußert bzw. an welchen Werten sich ihr Verhalten orientiert. Viele Lebensbereiche werden davon nachhaltig tangiert. In der Welt der Arbeit nehmen sie Einfluss auf die Arbeitseinstellung und entfalten damit eine verhaltenslenkende Wirkung. Sie fungieren im Sinne eines Kompasses. Unterscheiden lassen sich dabei zwei große Gruppen. Auf der einen Seite handelt es sich um gesellschaftliche Werte. Sie stehen im Mittelpunkt unserer Ausführungen. Auf der anderen Seite sind es kulturelle Werte. Geteilt werden sie von größeren, gegebenenfalls Landesgrenzen überschreitenden Gruppen von Menschen, dies etwa dann, wenn von einem westlichen, einem arabischen oder einem ostasiatischen Kulturkreis die Rede ist. Dabei ist die Unterscheidung zwischen gesellschaftlichen und kulturellen Werten nicht völlig überschneidungsfrei. So haben wir insbesondere davon auszugehen, dass sich innerhalb einer Gesellschaft (im soziologischen Sinn) in aller Regel Subkulturen bzw. subkulturelle Werte identifizieren lassen. In der Kapitelüberschrift ist nicht nur von Werten, sondern auch von Wertewandel die Rede. Damit soll zusätzlich zum Ausdruck kommen, dass sich die das Verhalten steuernden Werte im Zeitablauf verändern können. Sie sind also nur relativ stabil, wobei auch hier die Unterscheidung zwischen gesellschaftlichen und kulturellen Werten Bedeutung erlangt: Letztere sind deutlich stabiler, wandeln sich also allenfalls sehr langsam und unter Umständen sogar überhaupt nicht. Anders ver- <?page no="45"?> 46 Personalmanagement im Mittelstand hält es sich mit dem Wandel der gesellschaftlichen Werte. Er kann, wie wir sehen werden, in überraschend kurzer Zeit stattfinden. Wenn die Zeichen nicht trügen, ist hier in jüngerer Zeit sogar eine deutliche Beschleunigung festzustellen. Auslöser von Prozessen des Wertewandels Weshalb sich das Verhalten der Menschen im Allgemeinen und das Arbeitsverhalten von Mitarbeitern im Besonderen im Zeitablauf verändert, lässt sich in aller Kürze wie folgt formulieren: Zurückzuführen sind derartige Prozesse auf die sich im Zeitablauf verändernden Bedingungen, unter denen Menschen aufwachsen; auf, wie es im Fachjargon heißt, gewandelte Sozialisationsbedingungen. In der Tat - und dies über einen längeren Zeitraum hinweg - haben sich diese Bedingungen markant verändert. In Stichworten: Breite (bundesrepublikanische) Bevölkerungskreise haben nach und nach einen vergleichsweise hohen Stand materiellen Wohlstands erreicht. Das Bildungsniveau ist im Durchschnitt gestiegen. Die Erziehungspraktiken haben sich deutlich verändert. Die Arbeitszeiten sind kürzer geworden. Der technologische Wandel hat in die verschiedensten Lebensbereiche Einzug gehalten. Obwohl eine sehr junge Innovation, ist das Internet aus der heutigen Lebenswelt nicht mehr wegzudenken. Von derartigen Veränderungen wird die Bevölkerung allerdings nicht gleichmäßig erfasst. Es ist vor allem die jeweils jüngste Generation, für die Veränderungen - etwa der gerade angeführten Art - zur selbstverständlichen Erfahrung werden. Vorangehende Generationen haben einen breiteren Erfahrungshorizont, haben beispielsweise Zeiten der Not erlebt. Sie werden in ihrem Verhalten also auch oder sogar ausschließlich von ursprünglich dominanten Werten gesteuert. <?page no="46"?> Werte und Wertewandel 47 Die Werteforschung konzentriert sich also nicht grundlos vor allem auf die für bestimmte Generationen typischen Einstellungs- und Verhaltensmuster. Ihr Augenmerk richtet sich dabei gezielt auf die verhaltensbestimmenden Werte der jeweils jüngsten Generation. Stehen diese im deutlichen Kontrast zu den Werten früherer Generationen, dann scheint es an der Zeit zu sein, ihnen einen eigenen Namen zu geben. Im Vorgriff auf später zu Behandelndes heißt dies: Auf die Babyboomer folgt Generation X, später dann Generation Y, auf diese wiederum Generation Z. Wenn in diesem Zusammenhang regelmäßig die Rede von einem Kohorteneffekt auftaucht, so hat es damit folgende Bewandtnis: Eine Kohorte war ursprünglich eine aus 500 bis 600 Soldaten bestehende Einheit des Fußvolks im römischen Heer. Weil es sich dabei um ungefähr zur gleichen Zeit Geborene handelte, kann nach heutigem Verständnis davon ausgegangen werden, dass sie von weitgehend identischen Sozialisationsbedingungen geprägt wurden. Angesichts der sich auf die Generationenzugehörigkeit konzentrierten Werteforschung bot es sich an, von dem erwähnten Kohorteneffekt zu sprechen. Die Diskussion über den Wertewandel, dies sei hier abschließend angemerkt, wird mit allerlei Schlagworten und gelegentlich auch etwas unseriös geführt. Man stößt zudem auf Interpretationen und Schlussfolgerungen unterschiedlichster Art. Unbeschadet dessen verdient das Phänomen wegen seiner nachhaltigen Konsequenzen für personelles Gestalten gezielte Aufmerksamkeit. Ausgewählte Tendenzen des Wertewandels Von einer systematischen Erforschung des Wertewandels und seines Einflusses auf die Arbeitseinstellung und das Arbeitsverhalten kann seit Mitte der 1970er-Jahre gesprochen werden. <?page no="47"?> 48 Personalmanagement im Mittelstand Als eine ‚stille Revolution‘ wurde bezeichnet, was da herausgefunden wurde: In den westlichen Gesellschaften habe ein allmählicher Übergang von materialistischen hin zu postmaterialistischen Werthaltungen stattgefunden. Bei dieser Unterscheidung handelt es sich um abstrakte Kategorien. Konkret äußert sich Materialismus im Streben nach angemessener Versorgung und Sicherheit, Postmaterialismus in Wünschen nach sozialen Kontakten, Wertschätzung und Selbstverwirklichung. Aus heutiger Sicht ist dies eine recht schlichte Interpretation, aber sie enthält Botschaften, die nach wie vor Beachtung verdienen. Wenig später wurde eine Tendenz weg von einer Opferethik hin zu einer Gleichgewichtsethik diagnostiziert. Bezogen auf die Welt der Arbeit heißt dies, dass von einer abnehmenden Arbeitsorientierung der Menschen auszugehen ist, die durch eine Zunahme der Freizeitorientierung kompensiert wird. Auch dabei handelt es sich um eine eindimensionale Interpretation des Wertewandels: Was die eine Werthaltung gewinnt, verliert die andere; ein Nullsummenspiel gewissermaßen. Unabhängig davon, ob es mit der unterstellten Kompensation seine Richtigkeit hat, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beruflichen Anforderungen und privaten Bedürfnissen haben zu wollen ist ein Wunsch, von dem das Denken von Mitarbeitern nach wie vor und vielleicht sogar verstärkt geprägt wird. Ob man dabei allerdings von Work-Life-Balance sprechen sollte, scheint uns zweifelhaft, denn Arbeit machte und macht stets einen Teil des Lebens aus! Steht der Abnahme sogenannter Pflicht- und Akzeptanzwerte eine wachsende Bedeutung von Selbstentfaltungswerten gegenüber, ohne dass dabei notwendigerweise die Vorstellung von einem Nullsummenspiel eine Rolle spielt? Beachtung verdient diese ebenfalls vorgetragene Interpretation nach wie vor, denn es gibt viele Belege für ihre tendenzielle Richtigkeit. <?page no="48"?> Werte und Wertewandel 49 Die Vorstellungen, worin sich Pflicht- und Akzeptanzwerte auf der einen Seite, Selbstentfaltungswerte auf der anderen äußern, mögen sich dabei in der Zwischenzeit verändert haben. Dass damit eine im Prinzip zutreffende Interpretation des Wertewandels vorliegt, wird man kaum bezweifeln wollen. Wir werfen eine weitere Frage auf: Könnte der unübersehbare Technikwandel in der Arbeitswelt nicht ebenfalls Konsequenzen für die Arbeitsorientierung der Menschen haben? Ist, mit anderen Worten, nicht von einer Beziehung zwischen Technik- und Wertewandel auszugehen? Etwa in der Mitte der 1980er- Jahre ist der Soziologe Gerhard Schmidtchen diesen Fragen nachgegangen und zu einem aufschlussreichen Ergebnis gekommen: Während sogenannte klassisch-puritanische Tugenden (Stichworte: fleißig und pünktlich sein; ausgeruht zur Arbeit kommen; tun, was gefordert wird) tendenziell an Bedeutung verloren haben, ist die der kommunikativen Tugenden (Stichworte: Bereitschaft zur Teamarbeit; eine eigene Meinung haben; zuhören können) unter dem Einfluss neuer Techniken gewachsen. Die jeweilige Technik scheint sich demnach eine zu ihr passende Arbeitsmoral zu schaffen. Unbeschadet dessen, dass die zur Beschreibung des Wertewandels benutzten Begriffe voneinander abweichen, zieht sich durch die gerade vorgestellten Deutungsmuster ein roter Faden: Die Ansprüche an die Arbeit, die an sie gerichteten Erwartungen also, sind über die Zeit deutlich komplexer - und unternehmensseitig schwerer zu erfüllen - geworden. Die Neigung zur Übernahme neuer Wertemuster, auch dies lässt sich herauslesen, hängt offensichtlich und keineswegs überraschend vom Lebensalter ab. Indem die Generationszugehörigkeit nicht nur beiläufig berücksichtigt, sondern in den Vordergrund gestellt wird, lässt sich diesem Tatbestand Rechnung tragen. An ihm, und nicht mehr an Worten wie materialistische und postmaterialistische Werte, Opferethik und <?page no="49"?> 50 Personalmanagement im Mittelstand Gleichgewichtsethik usw., wird der Wertewandel in jüngerer Zeit festgemacht. Bei der Beschreibung der jeweils generationstypischen Wertemuster kann dann allerdings auf die genannten und einige weitere Begriffe nicht verzichtet werden. Den Übergang von der einen zur anderen Generation hat man sich dabei selbstverständlich nicht so vorzustellen, dass er gleichsam an einem bestimmten Stichtag erfolgt. Vielmehr überlappen sich ihre Werthaltungen. Von der Generation der Babyboomer bis zur Generation Y In verschiedenen Studien wird davon ausgegangen, dass die Generation der Babyboomer die etwa zwischen 1946 und 1964 Geborenen umfasst. (Wie auch im Hinblick auf die anderen Generationen, schwanken die Angaben etwas. Mit den jeweils angeführten Jahreszahlen sollte man es also nicht zu genau nehmen.) Genannt werden sie so, weil es sich um die geburtsstarken Jahrgänge handelt. Ein Teil von ihnen hat die Arbeitswelt altersbedingt bereits wieder verlassen. Daher reicht es aus, ihr berufliches Orientierungsmuster mit nur wenigen Worten zu beschreiben: Als Nachkriegsgeneration und vom sogenannten Wirtschaftswunder profitierend, sind sie am persönlichen und beruflichen Fortkommen stark interessiert; ihre Arbeit hat für sie einen hohen, vielleicht sogar den höchsten Stellenwert. Von der Generation X, den von 1965 bis 1979 Geborenen, kann man dies nicht länger uneingeschränkt sagen. Im Gegenteil: Von der Erfahrung geprägt, dass die Wirtschaft auch in eine Krise geraten kann und dass sich daraus in beruflicher Hinsicht für sie selbst gravierende Konsequenzen ergeben können, neigen sie zu einer pessimistischen Grundhaltung, zu Skeptizismus und zum Rückzug ins Private. Zugespitzt formuliert: Arbeit wird als bloße Notwendigkeit, nicht dagegen als <?page no="50"?> Werte und Wertewandel 51 ‚Teil der Daseinserfüllung‘ empfunden, wie es in einer älteren Brockhausausgabe heißt. Generation Y, die zwischen 1980 und 1998 Geborenen, erschien erstmals um die Jahrtausendwende auf dem Arbeitsmarkt und wird deshalb auch als Generation der Millennials bezeichnet. Werteforscher schreiben ihren Vertretern eine optimistische Grundhaltung, eine stark ausgeprägte Leistungsorientierung und eine hohe Engagementbereitschaft zu. Sie sind teamfähig. Im Gegenzug erwarten sie aber auch einiges: Auf ihre Bedürfnisse (oder was sie darunter verstehen) zugeschnittene Arbeitszeiten oder als interessant empfundene Aufgaben beispielsweise. Die Rede von der Work-Life-Balance wird zu einem beherrschenden Thema. Als erste Generation mit Computern (und Computerspielen) und den neuen sozialen Medien aufgewachsen, wissen sie damit auch in der Arbeitswelt versiert umzugehen; sie sind die ersten Digital Natives. Nach einer Zeit des Gewöhnens haben sich Unternehmen auf das Wertemuster von Generation Y zwischenzeitlich weitgehend eingestellt und nutzen es auch für ihre eigenen Zwecke. Generation Z betritt die Arbeitswelt Mit Generation Z klopft eine ziemlich anders gepolte junge Generation an die Tür zur Arbeitswelt. Allein dies legt eine etwas ausführlichere Darstellung nahe. Geboren nach 1995 oder 1999, man muss sich da nicht genau festlegen, sind auch sie Digital Natives. In der digitalen Welt kennen sie sich bestens aus, aber nicht nur dies: Dem Beobachter scheinen sie von einer neuen Krankheit befallen zu sein; einer neuen Spielart von Abhängigkeit. Ein Leben ohne Smartphone können sie sich nicht vorstellen, erlaubt ihnen dieses technische Gerät doch die jederzeitige Präsenz in sozialen Netzwerken. <?page no="51"?> 52 Personalmanagement im Mittelstand Auffällig ist, dass Generation Z ausgesprochen stark auf körperliche und emotionale Sicherheit bedacht ist. Hier darzustellen, worin sich dies im Einzelnen äußert, würde zu weit führen. Aber es bietet sich an, bei dieser Gelegenheit auf einen Sozialisationsfaktor hinzuweisen, der zu diesem Orientierungsmuster vermutlich geführt hat oder der zumindest an seiner Herausbildung stark beteiligt ist: Im Kindesalter wurden die Mitglieder dieser Generation - und dies wie keine Generation vor ihnen - von ihren Eltern (‚Helikopter-Eltern‘) umfassend umsorgt, gehegt und gepflegt. Während Generation Y Beruf und Privates miteinander zu verbinden sucht, ist Generation Z auf eine klare Trennung dieser beiden Lebensbereiche bedacht. Dieses Bestreben äußert sich gelegentlich auf eine Weise, von der nicht unbedingt zu erwarten war, dass sie in der Welt der Arbeit jemals wieder größere Bedeutung erlangen würde: Generation Z legt Wert auf klare Strukturen und präzise Anweisungen. Speziell die Arbeitszeit sollte eindeutig geregelt sein; das Ableisten von Überstunden ist nicht selbstverständlich, sondern wird allenfalls widerwillig in Kauf genommen. Ähnlich verhält es sich im Hinblick auf Arbeitsinhalte. Auch hier wird erwartet, dass diese möglichst eindeutig definiert sind. Erleben ausführlich verfasste Stellenbeschreibungen etwa eine Renaissance? Angesichts des beschriebenen Wertemusters ist das nicht unwahrscheinlich. Die Bereitschaft, hierarchische Autorität zu akzeptieren, kann von Generation Z nicht von vornherein erwartet werden. Eine emotionale Bindung an das Unternehmen entwickelt Generation Z allenfalls in deutlich schwächerer Form als ihre Vorläufer. Eher sind es einzelne Personen, deren Erfahrung man zu schätzen gelernt hat und die man deshalb respektiert. Auf ein gutes Betriebsklima legt Generation Z durchaus Wert. Was dieses im Einzelnen ausmacht, wird allerdings auf eigene Weise definiert. <?page no="52"?> Werte und Wertewandel 53 Generation Z, dies durchzieht fast alle Studien, blickt nicht besonders optimistisch in die Zukunft, ist diesbezüglich aber auch nicht pessimistisch. Vielmehr wird Realismus an den Tag gelegt. Vage Versprechungen, etwa im Hinblick auf eine Karriere im Unternehmen, werden skeptisch beurteilt; man macht sich bezüglich ihrer Einlösung keine Illusionen. Wenn die Arbeit nicht den persönlichen Vorstellungen entspricht, wird Ausschau nach einem anderen Arbeitgeber gehalten. Präferierte Arbeitgeber, dies sei hier schon einmal festgehalten, sind Großunternehmen. Welche Konsequenzen die hier holzschnittartig beschriebenen Werthaltungen von Generation Z im Hinblick auf das Personalmanagement im Allgemeinen, auf das personelle Gestalten mittelständischer Unternehmen im Besonderen haben werden, ist gegenwärtig nur im Ansatz zu erahnen. Mit Sicherheit lässt sich feststellen, dass es weitreichende Herausforderungen sind. In der einen oder anderen Form betreffen sie fast sämtliche Gestaltungsfelder. Angesichts dessen, dass in Unternehmen alle vier Generationen aufeinandertreffen können, wir es dann also mit einer Vier-Generationen-Belegschaft zu tun haben, muss zudem mit dem Auftreten von Spannungen und Konflikten gerechnet werden. Kann man mit einiger Berechtigung davon ausgehen, dass ein ‚heilsamer Zwang‘ zur Korrektur dieses nicht nur im ersten Moment irritierend erscheinenden Wertemusters führt? Ist Generation Z vielleicht lediglich ein Zwischenspiel? Möglich wäre das schon, erscheint uns unter den gegenwärtigen Bedingungen aber eher unwahrscheinlich. Im Moment kaum zu beurteilen ist schließlich, ob die Vorgängergenerationen von den Z-typischen Werthaltungen zumindest partiell ‚infiziert‘ werden. Ganz ausschließen lässt sich auch dies nicht. <?page no="53"?> 54 Personalmanagement im Mittelstand Berücksichtigung von kulturellen Werten Kulturelle Werte, denen wir uns abschließend zuwenden, sind den gesellschaftlichen Werten übergeordnet. Sie betreffen ganze Kulturkreise, wobei das verbindende Element häufig eine geteilte Religion oder eine gemeinsame Weltanschauung ist. Im Unterschied zu den gesellschaftlichen Werten sind kulturelle Werte deutlich änderungsresistenter. Ebenso wie die gesellschaftlichen Werte werden kulturelle Werte dem Menschen nicht durch sein Erbgut vermittelt. Dennoch ist die Vorstellung von einer Art Vererbungsmechanismus nützlich: Die Weitergabe der für einen Kulturkreis charakteristischen Denk- und Verhaltensweisen erfolgt ebenfalls im Rahmen von Erziehungsbzw. Sozialisationsprozessen. Gemeinsam ist beiden Wertekategorien folglich, dass es sich um Ergebnisse sozialen Lernens handelt. Kulturelle Werte werden vielfach als natürliche Gegebenheiten betrachtet - was sie allerdings keineswegs sind. Sie werden deshalb auch kaum kritisch hinterfragt. Solange man sich im vertrauten Kulturkreis aufhält, besteht dazu auch meist kein Anlass. Folgenreich ist dies vor allem deshalb, weil sich daraus mit einer gewissen Zwangsläufigkeit ein ethnozentrisches Weltbild der Art entwickelt, dass die eigene Werteausstattung ihren Trägern als die einzig richtige und anderen kulturellen Wertesystemen überlegene erscheint. Fügen wir auch das hinzu: Unter Umständen lohnt es sich sogar, dafür in den Krieg zu ziehen. Mit den verschiedenen Ausprägungen und Wirkungen kultureller Werte befasst sich eine wissenschaftliche Disziplin, die auf den ersten Blick mit Wirtschaft kaum etwas zu tun zu haben scheint - die Kulturanthropologie. Bei näherem Hinsehen wird man allerdings eines anderen belehrt. Internationalisierung und Globalisierung der Unternehmenstätigkeit bedeu- <?page no="54"?> Werte und Wertewandel 55 tet schließlich nichts anderes als Wirtschaften unter unterschiedlichen kulturellen Bedingungen. Nicht für alle, aber für die meisten mittelständischen Unternehmen ergeben sich daraus allenfalls indirekte Wirkungen. Das heißt jedoch keineswegs, dass sie mit den Werten anderer Kulturkreise nicht in Berührung kommen. Mittlerweile ist es der Regelfall, dass ein Teil ihrer Belegschaft ausländische Wurzeln hat und damit Träger von Werten ist, die mehr oder weniger stark vom hierzulande Gewohnten abweichen. Das gilt insbesondere für Mitarbeiter, die aus Ländern mit einer deutlich anderen Kultur - ggf. als Migranten - kommen. Wie die Erfahrung zeigt, gestaltet sich ihre Integration ins Unternehmen nicht selten als äußerst schwierig. <?page no="56"?> 5 Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen Dass der Stellenwert der Personalfunktion innerhalb des Unternehmensgeschehens über die Zeit kontinuierlich gewachsen ist, hängt nicht zuletzt auch mit Entwicklungstendenzen des Arbeitsrechts zusammen. Im Sinn einer Rahmenbedingung wird personelles Gestalten von diesem Rechtsgebiet entscheidend beeinflusst. Wie die Ausführungen zeigen werden, haben wir es mit einer komplexen Materie zu tun. Darüber hinaus handelt es sich um ein außerordentlich dynamisches Rechtsgebiet in dem Sinn, dass hier nicht nur eine kontinuierliche Ausweitung zu verzeichnen ist. Auch die Veränderungsgeschwindigkeit hat im Zeitablauf zugenommen. Beides zusammen erschwert seine Überschaubarkeit. Den Hintergrund dieser Entwicklung bildet das Bestreben, durch zunehmend differenzierte rechtliche Regelungen mehr Einzelfallgerechtigkeit zu ermöglichen. So begrüßenswert dieses Anliegen ist, der dafür zu zahlende Preis besteht in der erwähnten erschwerten Überschaubarkeit und erhöhtem bürokratischen Aufwand. Große Unternehmen kommen zur Handhabung rechtlicher Probleme in aller Regel nicht ohne eine eigene Rechtsabteilung aus. In ihnen sind im Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht ausgebildete Volljuristen tätig. Im typischen Mittelstandsunternehmen sind solche Spezialisten eher ausnahmsweise anzutreffen. Im Folgenden werden die für sie wichtigsten arbeitsrechtlichen Regelungen dargestellt. Stets handelt es sich um Regelungen in Form von Gesetzen. Sie zu berücksichtigen, macht einen beträchtlichen Teil der täglichen Personalarbeit aus. Teilweise bilden sie einen nicht auf den ersten Blick erkennbaren Hintergrund personellen Gestaltens. Einleitend geht es zunächst allerdings darum, unsere Leserinnen und Leser mit <?page no="57"?> 58 Personalmanagement im Mittelstand dem Gegenstand des Arbeitsrechts einschließlich seiner Historie vertraut zu machen. Weisungsgebundene Arbeit als Gegenstand des Arbeitsrechts Das Arbeitsrecht regelt jenen Teil der Rechtsverhältnisse, in denen weisungsabhängige bzw. weisungsgebundene Arbeit geleistet wird. So jedenfalls drücken sich Juristen aus und spielen damit auf den Kern des Verhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern an. Seinen sichtbarsten Ausdruck findet dies im Arbeitsvertrag, in dem unter anderem die vom Arbeitnehmer zu erfüllenden Aufgaben beschrieben werden. Faktisch macht der Arbeitsvertrag, auf den im Zusammenhang mit der Einstellung von Mitarbeitern (→ Kapitel 12) zurückzukommen sein wird, nur einen (kleineren) Teil der arbeitsrechtlichen Regelungen aus. In seiner Gesamtheit ist das Arbeitsrecht das Ergebnis eines längeren historischen Prozesses. Von Anfang an handelt es sich um Schutzrecht im umfassenden Sinn. Erst deutlich später kam als zweites Anliegen die Gewährleistung der Persönlichkeitsentfaltung hinzu. Verglichen mit manchen anderen Rechtsgebieten ist das Arbeitsrecht sehr jung. Es entwickelte sich - und dies natürlich nicht zufällig - erst im 19. Jahrhundert, auch wenn es unselbstständige bzw. fremdbestimmte Arbeit in Form von Sklavenarbeit oder Lohnarbeit freier Menschen schon in der Antike gab. Die damals zur Anwendung kommenden Rechtsregeln können aber allenfalls als bescheiden angelegte Vorläufer des heutigen Arbeitsrechts gelten. Ungefähr ab Mitte des 19. Jahrhunderts begann das Zeitalter der Industrialisierung. In seinem Gefolge tauchte eine neue, nach und nach auf eine angemessene Antwort drängende soziale Frage auf. Sie ist vor dem Hintergrund der Entstehung <?page no="58"?> Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen 59 von Massenarbeitsverhältnissen zu sehen. Es gab - zunächst in England, mit einiger Verzögerung dann auch auf dem europäischen Festland - nicht länger lediglich Arbeiter, sondern es bildete sich eine industrielle Arbeiterschaft als neue soziale Klasse heraus. Hinsichtlich der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses bestand von Anfang an Vertragsfreiheit. Aber die Machtverhältnisse waren alles andere als im Gleichgewicht. Dies wirkte sich dahingehend aus, dass Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen extrem einseitig zu ihrem Vorteil gestalten konnten. Fabrikordnungen, wie sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts üblich waren, legen davon ein beredtes Zeugnis ab. Angesichts der zunehmend als unerträglich empfundenen Arbeitsbedingungen kam es bald zu sozialen Spannungen, die nach und nach als ernsthaftes politisches Problem gesehen wurden. Zunächst in Form erster Ansätze zu einer Arbeitsschutzgesetzgebung, später dann als Sozialversicherung, begann die Entwicklung des Arbeitsrechts. Erste Nutznießer waren übrigens Kinder und Jugendliche. Neben diesen vom (preußischen) Staat, also ‚von oben‘ initiierten Maßnahmen ist die Entwicklung des Arbeitsrechts maßgeblich auch von sogenannten rechtstatsächlichen Vorgängen geprägt. Zunächst gegen den Willen des Gesetzgebers kam es zur Bildung von Koalitionen in Form von Gewerkschaften mit dem Ziel der kollektiven Selbsthilfe. Um über ein wirksames Gegengewicht zu verfügen, schlossen sich daraufhin Arbeitgeber zu Arbeitgeberverbänden zusammen. Von Tarifverträgen wurde zunächst noch nicht gesprochen, wohl aber von kollektiven Arbeitsverträgen. Wir überspringen hier die weitere Entfaltung des Arbeitsrechts in der Weimarer Republik und den tiefgreifenden Einschnitt, den dieses Rechtsgebiet im Zuge der nationalsozialistischen Machtergreifung erfahren hat. Eigenheiten des bundesrepu- <?page no="59"?> 60 Personalmanagement im Mittelstand blikanischen Arbeitsrechts können den folgenden Ausführungen entnommen werden. Die Darstellung ist insofern selektiv, als die für das Personalmanagement in mittelständischen Unternehmen besonders relevanten Tatbestände im Vordergrund stehen. Für die Orientierung nützlich ist dabei die Unterscheidung zwischen Individualarbeitsrecht auf der einen Seite und Kollektivarbeitsrecht auf der anderen. Ersteres regelt die Pflichten und Rechte des einzelnen Arbeitnehmers, des abhängig Beschäftigen also. In Letzterem, dem Kollektivarbeitsrecht, wird der einzelne Arbeitnehmer als Mitglied der Unternehmensbelegschaft betrachtet. Grundzüge des Individualarbeitsrechts Das Individualarbeitsrecht gliedert sich seinerseits in zwei Rechtsgebiete - das Recht des Arbeitsverhältnisses auf der einen Seite und das Arbeitsschutzrecht auf der anderen. Das Arbeitsverhältnis - wir wissen es bereits - ist aus juristischer Sicht ein Abhängigkeitsverhältnis. Von einem solchen ist auszugehen, wenn eine Person aufgrund eines Vertrags für eine andere Person unselbstständige, fremdbestimmte bzw. weisungsgebundene Arbeit leistet. Bei der ‚anderen Person‘ kann es sich dabei auch um ein Unternehmen handeln. Juristen sprechen in diesem Fall von einer juristischen Person. Geregelt ist das Arbeitsverhältnis im Arbeitsvertrag. Auf seine Hauptinhalte werden wir in → Kapitel 12 näher eingehen. Konkret geht es um die rechtliche Regelung einer Tauschbeziehung. Das Arbeitsschutzrecht, zweiter Bereich des Individualarbeitsrechts, befasst sich mit den Umständen, unter denen fremdbestimmte Arbeit geleistet wird. Zu differenzieren ist dabei zwischen Gefahrenschutz und Arbeitszeitschutz; fer- <?page no="60"?> Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen 61 ner dem Arbeitsvertragsschutz, der einer unsozialen Gestaltung der vertraglichen Arbeitsbedingungen vorbeugen soll. Faktisch wird dem in diesem Zusammenhang auftauchenden Regelungsbedarf weitgehend durch Vorschriften des kollektiven Arbeitsrechts Rechnung getragen. An die Seite der allgemeinen Bestimmungen zum Arbeitsschutz treten solche, die neben den im Unternehmen tätigen Frauen auch Jugendliche, Schwerbehinderte und Heimarbeiter betreffen; darüber hinaus Arbeitnehmer, die, wie See- und Bergleute, besonderen Gefahren ausgesetzt sind. Auf Einzelheiten muss an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Der Gefahrenschutz, seit 1996 umfassend im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) geregelt, betrifft Vorschriften zur Verhütung von Betriebsunfällen und Berufskrankheiten. Der Arbeitgeber hat zunächst dafür zu sorgen, dass die verschiedenen Schutzbestimmungen im Betrieb auch tatsächlich beachtet werden. Ein absoluter Schutz vor jedem denkbaren Risiko wird ihm dabei (realistischerweise) aber nicht abverlangt. Seitens des Arbeitnehmers besteht die Pflicht, Unfallverhütungsvorschriften zu beachten, erforderlichenfalls Schutzkleidung zu tragen usw. Der Arbeitszeitschutz stellt den zweiten Pfeiler des Arbeitsschutzrechts dar. Seine Bedeutung ergibt sich daraus, dass ein durch einen Arbeitsvertrag begründetes Dauerschuldverhältnis zeitraumbezogen ist. Im Unterschied zu anderen Dauerschuldverhältnissen (wie etwa Miete oder Pacht) wird Arbeit nicht kontinuierlich geleistet, sondern ist durch Pausen, Ruhezeiten, Feiertage oder Urlaub unterbrochen. Als Folge davon entsteht ein jeweils spezifischer Regelungsbedarf. Im Rahmen des Personalmanagements kommt der Gestaltung der Arbeitszeit ein hoher Stellenwert zu (→ Kapitel 14). Zum Gegenstand des Arbeitsschutzrechts wird die Arbeitszeit mit dem vorrangigen Ziel, einer Überforderung des Arbeitnehmers durch zu lange Arbeitszeiten vorzubeugen. Während im <?page no="61"?> 62 Personalmanagement im Mittelstand Arbeitsvertrag geregelt wird, wie lange er arbeiten muss, geht es hier darum, wie lange er im Höchstfall arbeiten darf. Gesetzliche Grundlage ist das 1994 in Kraft getretene Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Grundzüge des Betriebsverfassungsrechts Das Betriebsverfassungsrecht ist Teil des kollektiven Arbeitsrechts, zu dem ferner das Mitbestimmungsrecht, das Tarifvertragsrecht und das (nicht gesetzlich geregelte) Arbeitskampfrecht zählen. Da in thematischer Hinsicht von untergeordneter Bedeutung, können die drei letztgenannten Bereiche im Weiteren unberücksichtigt bleiben. Zu erinnern ist daran, dass der einzelne Arbeitnehmer hier als Teil der Belegschaft betrachtet wird. Geregelt ist das Betriebsverfassungsrecht im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Dessen erster Satz lautet, dass in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, Betriebsräte gewählt werden (§ 1 BetrVG). Wer mit juristischen Feinheiten nicht vertraut ist, wird dieser Bestimmung vermutlich entnehmen, dass in der überwiegenden Zahl mittelständischer Unternehmen dieses Organ der Interessenvertretung der Belegschaft anzutreffen ist. Das trifft ist aber keineswegs zu, denn trotz der gesetzlichen Vorgabe existiert ein Betriebsrat nur in deutlich weniger als einem Drittel der Unternehmen mit 20 bis 499 Beschäftigten. Faktisch haben wir es also mit einer Kann-Bestimmung zu tun. Unabhängig von seiner im Mittelstand alles andere als flächendeckenden Verbreitung des Betriebsrats kommt dem Betriebsverfassungsgesetz allein schon deshalb Bedeutung zu, weil viele seiner Einzelregelungen als Orientierungskompass für personelles Gestalten auch dort dienen können, wo kein Be- <?page no="62"?> Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen 63 triebsrat installiert ist. Indiz dafür ist, dass in zahlreichen mittelständischen Unternehmen Formen der Interessenvertretung existieren, die betriebsratsähnliche Strukturen haben. Hinzu kommt, dass ein Betriebsrat von der Belegschaft jederzeit auch gegen den Willen des Arbeitgebers gewählt werden kann. Wenn es im Unternehmen Bestrebungen zur Wahl eines Betriebsrats gibt, darf der Arbeitgeber dies nicht behindern. Eine ausführliche Darstellung von Einzelregelungen ist hier weder möglich noch erforderlich. Wir wollen uns daher lediglich auf einige uns besonders bedeutsam erscheinende Merkmale konzentrieren. Dazu gehört zweifellos das Kooperationsgebot als betriebsverfassungsrechtliche Grundnorm (§ 2 BetrVG). Der Gesetzgeber hat es nicht ohne Grund für zweckmäßig gehalten, es gleich an den Anfang des Gesetzestextes zu stellen und ihm wie folgt Ausdruck zu verleihen: Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen. Unterstellt wird mithin ein Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindendes Interesse an der Prosperität des Betriebs bzw. des Unternehmens. Betriebliche Mitbestimmung führt demnach, so lässt sich daraus ableiten, auch zur Übernahme von Mitverantwortung. Wie es zur Wahl eines Betriebsrats kommt, aus wie vielen Personen er sich (in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße) zusammensetzt und verschiedenes mehr, muss hier nicht dargestellt werden. Angesichts dessen, dass wir im Betriebsverfassungsgesetz einen Orientierungskompass für personelles Gestalten erblicken können, wollen wir uns auf seinen inhaltlichen Kern - auf die dort aufgeführten Regelungsbereiche - konzentrieren. <?page no="63"?> 64 Personalmanagement im Mittelstand Herausragende Bedeutung kommt dabei den sozialen Angelegenheiten zu. Gemeint sind damit sowohl formelle als auch materielle Arbeitsbedingungen, also beispielsweise Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Fragen der betrieblichen Lohngestaltung u.v.m. Der zweite Regelungsbereich betrifft die Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung mit dem Ziel, bei der Arbeitsgestaltung neben technischen und ökonomischen Aspekten von vornherein auch die Konsequenzen für die davon betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Bei personellen Angelegenheiten, dem dritten Regelungsbereich, geht es einerseits um allgemeine Angelegenheiten, die Sachverhalte wie die Personalplanung, das Ausschreiben von Arbeitsplätzen, Personalbeurteilungsgrundsätze u.v.m. betreffen; andererseits um personelle Einzelmaßnahmen wie die Einstellung, die Versetzung oder die Kündigung von Mitarbeitern. Aufgeführt wird dort ferner der Bereich der Berufsbildung und deren Förderung. Der vierte und letzte Bereich betrifft wirtschaftliche Angelegenheiten. Im Hinblick auf Personalmanagement sind hier jene Einzelregelungen von besonderer Bedeutung, die im Zusammenhang mit geplanten Betriebsänderungen zu beachten sind. Im Kern betreffen sie Vereinbarungen über einen Interessenausgleich und über einen Sozialplan. Bezüglich der Intensität der Einflussmöglichkeiten von Betriebsräten unterscheidet der Gesetzgeber zwischen Mitwirkung und (weitergehender) Mitbestimmung. Innerhalb dieser beiden Gruppen hat er noch verschiedene Differenzierungen vorgenommen; bei der Mitwirkung zwischen Informationsbzw. Unterrichtungsrechten sowie Anhörungs- und Beratungsrechten; bei der Mitbestimmung zwischen Vorschlags-, <?page no="64"?> Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen 65 Zustimmungs-, sowie Veto- und Initiativrechten bis hin zu erzwingbaren Mitbestimmungsrechten. Mit dem Hinweis, dass sich in alledem zeigt, wie stark mittlerweile das Direktionsrecht des Arbeitgebers durch kollektivrechtliche Regelungen eine deutliche Einschränkung erfahren hat, wollen wir die Ausführungen zu den arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen mittelständischen Personalmanagements beenden. <?page no="66"?> 6 Motivation und Motivieren Den allzeit motivierten Mitarbeiter - welcher Mittelständler wünscht ihn sich nicht und vielleicht träumt er gelegentlich sogar von ihm! Es ist ein verständlicher Wunsch, denn schließlich sind, wie man schon mal lesen kann, motivierte Mitarbeiter das ‚Herz‘ eines jeden Unternehmens. Aber wie realistisch ist er? Und was überhaupt hat es mit der Motivation auf sich? Insbesondere die zweite Frage wollen wir in diesem Kapitel zu beantworten versuchen; die erste beantwortet sich dann fast von selbst. Einfache Lösungen, dies vorab, werden dem Leser nicht angeboten. Beginnend mit dem der Motivation (und dem Motivieren) gewidmeten → Kapitel 6 befassen wir uns mit dem für personelles Gestalten nützlichen Hintergrundwissen. Die Erforschung dieses unter anderem für die Leistungsbereitschaft von Mitarbeitern außerordentlich bedeutsamen Phänomens obliegt schwerpunktmäßig der Psychologie (einschließlich Sozialpsychologie). Wesentliche Erkenntnisse sind aber auch der modernen Neurobiologie zu verdanken. Der Begriff selbst leitet sich vom Lateinischen ‚movere‘ ab, was mit ‚bewegen‘, ‚anregen‘ oder auch ‚antreiben‘ übersetzt werden kann. Speziell im Hinblick auf die letztgenannte Bedeutung ist anzumerken, dass es dabei allerdings nicht darum geht, ‚jemanden anzutreiben‘, sondern ‚was jemanden antreibt‘. Dabei handelt es sich - und damit sind gleichzeitig zwei weitere Begriffe eingeführt - um die unser Verhalten und Handeln lenkenden Motive bzw. Bedürfnisse. Mit anderen Worten: Motivgeleitetes Verhalten ist zielgerichtet. Zusammen mit dem Tatbestand der Mittelknappheit stellt das Streben nach Bedürfnisbefriedigung einen Grundbegriff der Wirtschaftswissenschaften dar. Wirtschaften steht <?page no="67"?> 68 Personalmanagement im Mittelstand demnach im Dienst der Befriedigung individueller und kollektiver Bedürfnisse. Dieser Gedanke, der in der Regel primär auf die Welt des Konsums bezogen wird, lässt sich - vgl. hierzu die Ausführungen in → Kapitel 2 - auch auf die Welt der Arbeit übertragen. An ihn zu erinnern, kann nicht schaden: Arbeit ist ein (ziemlich umfassendes) Mittel der Bedürfnisbefriedigung; das arbeitgebende Unternehmen der Ort, an dem sie geleistet wird. Das Streben nach Bedürfnisbefriedigung macht einen gewichtigen Teil der menschlichen Natur aus. Wir halten es für nützlich, an dieser Stelle auf eine Überzeugung des schottischen Philosophen und Historikers David Hume zu verweisen, dass sich die Legitimität von Institutionen danach bemisst, ob und inwieweit sie sich im Einklang mit eben dieser menschlichen Natur befindet. Hume war ein Kind des 18. Jahrhunderts. Sein ethisch motivierter Brückenschlag von der Natur des Menschen zu den Prinzipien, die bei der Gestaltung von Institutionen zur Anwendung kommen sollten, ist nach wie vor aktuell, vielleicht sogar aktueller denn je. Er kann auch auf personelles Gestalten angewandt werden. Insofern sind die folgenden Ausführungen auch von Humes Botschaft inspiriert. Grundlegendes zur Motivation und zum Motivieren Motivbzw. bedürfnisgeleitetes Verhalten spielt in den unterschiedlichsten Lebensbereichen eine Rolle. In thematischer Hinsicht erscheint es zweckmäßig, gleich eingangs auf zwei Grundtatbestände aufmerksam zu machen, die nach unserer Überzeugung in der Arbeitswelt besonderer Aufmerksamkeit bedürfen: Herausgearbeitet werden soll erstens, dass sich das Mitarbeiterverhalten nur vor dem Hintergrund einer Motivvielfalt verstehen lässt. Darzustellen ist zweitens, dass sich Mitarbeiter in dem, wonach sie in der Arbeit streben, beträcht- <?page no="68"?> Motivation und Motivieren 69 lich voneinander unterscheiden; dass es, mit anderen Worten, individuelle Unterschiede zu berücksichtigen gilt. Aus den erwähnten Grundtatbeständen lassen sich Konsequenzen ableiten, die von unmittelbarem praktischem Interesse sind. Sie betreffen die Frage, wie bzw. mit welchen Mitteln auf die Mitarbeitermotivation unternehmensseitig Einfluss genommen werden kann. Gemeint sind Anreize, die das Mitarbeiterverhalten in eine von Unternehmen gewünschte Richtung lenken sollen. Im Kern handelt es sich dabei um Leistungsanreize. Darüber hinaus werden wir an anderer Stelle aber auch von Bleibeanreizen, von Anwesenheitsanreizen oder von Eintrittsanreizen sprechen. Über das bislang Ausgeführte hinaus ist es angebracht, sich mit einigen weiteren grundlegenden Tatbeständen zur Motivation und zum Motivieren vertraut zu machen. Dazu gehört an erster Stelle der Hinweis, dass der Mensch von Natur aus motiviert ist. Auch wenn dies angesichts scheinbar gegenteiliger Erfahrungen vielleicht überraschend und möglicherweise sogar unglaubwürdig klingt: Motivation ist Teil der Grundausstattung der Menschen. Ob sie damit zugleich zu dem motiviert sind, was sich der am Kapitelanfang in den Raum gestellte fiktive Mittelständler wünscht, steht dabei freilich auf einem anderen Blatt. Eine zweite grundlegende Feststellung ist diese: Das Anliegen der Motivationsforschung erschöpft sich nicht darin, Aussagen zur Richtung im Verhalten und Handeln von Menschen zu machen. Erklärungsbedürftig sind auch dessen Stärke und sein Andauern. Damit wird zusätzlich zwei Tatbeständen Rechnung getragen, denen in praktischer Hinsicht ebenfalls unübersehbare Bedeutung zukommt: Menschen unterscheiden sich zunächst offensichtlich darin, mit welcher Intensität sie ein bestimmtes Ziel zu erreichen suchen. Ebenso offensichtlich <?page no="69"?> 70 Personalmanagement im Mittelstand ist, dass sie ihre Anstrengungen im Zeitablauf variieren oder im Laufe ihres Berufslebens sogar gänzlich einstellen können. Bezüglich der Motivation kommt es leicht zu Missverständnissen. Sie haben etwas mit der Blickrichtung auf dieses Phänomen zu tun. Vorprogrammiert sind solche insbesondere dann, wenn (motivgeleitetes) Verhalten ausschließlich mit Persönlichkeitsmerkmalen ‚erklärt‘ wird. Dies ist ein sehr naheliegender Blick, denn in einem gewissen Sinn sind wir alle Motivationstheoretiker. Wir begnügen uns nämlich meist nicht damit, die Verhaltensweisen anderer Personen einfach zur Kenntnis zu nehmen. Vielmehr wird auf einen sich hinter ihnen stehenden Beweggrund - auf ein Motiv also - geschlossen. Ohne dem schon an dieser Stelle nachzugehen: Dies ist die Perspektive der Fremdbeobachtung. Eine zweite Blickrichtung basiert auf Selbstbeobachtung und richtet sich auf die Situation, in der man sich befindet. Als Interpret seines Verhaltens lenkt der Mensch sein Augenmerk auf das, was ihn in seiner Umgebung dazu geführt hat, sich in bestimmter Weise zu verhalten. Er kann sein Handeln damit vor sich selbst, bei Bedarf aber auch vor anderen Personen rechtfertigen. Die dritte Blickrichtung geht von einer Interaktion zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und der Handlungssituation bzw. den relevanten Umweltfaktoren aus. Sie vermeidet damit die Einseitigkeiten der auf Fremd- oder Selbstbeobachtung basierenden Positionen. Präzisierend ist darauf hinzuweisen, dass dabei nicht die objektiv existierende Umwelt, also beispielsweise die tatsächliche Beschaffenheit des im Unternehmen zur Anwendung kommenden Anreizsystems, eine Rolle spielt, sondern die Art und Weise ihrer (stets subjektiven) Wahrnehmung. Gemeint ist folglich etwas, das man als ‚psychologische Umwelt‘ bezeichnen kann. <?page no="70"?> Motivation und Motivieren 71 Das Thema der vierten Blickrichtung liegt auf einer anderen Ebene. Es kreist um die Frage, weshalb Verhaltensabsichten, seien sie noch so stark ausgeprägt, nicht zu verwirklichen versucht werden. Ihre Bedeutung liegt auf der Hand: In der individuellen Wahrnehmung kann ein Mangel an Realisierungsmöglichkeiten bestehen. Auch aus praktischer Sicht heraus lohnt es sich, diesem Aspekt motivationalen Geschehens Aufmerksamkeit zu schenken, denn aus ihm können sich Verhaltenskonsequenzen wie Fluktuation, Absentismus oder ‚innere Kündigung‘ ergeben. Einzelaspekte motivgeleiteten Verhaltens Im Folgenden soll der Blick auf einige Ergebnisse der Motivationsforschung gelenkt werden, die uns für das Verständnis des Phänomens besonders beachtenswert erscheinen. Grundsätzliche Bedeutung kommt dabei der Unterscheidung zwischen Inhaltstheorien und Prozesstheorien der Motivation zu. Während sich erstere entweder der Wirkungsweise einzelner Motive widmen oder versuchen, die Vielzahl der verhaltenslenkenden Motive in bestimmter Weise zu klassifizieren, befassen sich Letztere mit dem Ablauf von Handlungen, ohne dabei zwangsläufig auf ein bestimmtes Motiv Bezug zu nehmen. Beide Zweige der Motivationsforschung sind keine Alternativen, sondern ergänzen sich. Denn erinnern wir uns: Das Anliegen besteht darin, Richtung, Stärke und Andauern im menschlichen Verhalten zu erklären. An alledem besteht nicht nur akademisches, sondern auch praktisches Interesse. Es liegt nahe, die Darstellung mit inhaltlichen Aspekten - und hier zunächst mit Möglichkeiten der Motivklassifikation - zu beginnen. Ohne Umschweife wollen wir dabei gleich auf ein weithin bekanntes Ordnungsschema zusteuern - auf Abraham H. Maslows Bedürfnispyramide. Es ist vermutlich davon auszugehen, dass die von ihm vorgenommene Differenzierung <?page no="71"?> 72 Personalmanagement im Mittelstand zwischen physiologischen, Sicherheits-, Zugehörigkeits-, Wertschätzungs- und Selbstverwirklichungsbedürfnissen vielen Praktikern geläufig ist. Sie ist anschaulich und erscheint, sieht man einmal vom Bedürfnis nach Selbstverwirklichung und der ihm anhaftenden Sonderproblematik ab, auch intuitiv plausibel. Darüber hinaus ist sie nützlich, vermittelt die Unterscheidung zwischen den angeführten elementaren Motivgruppen (denn um solche handelt es sich) doch einen Eindruck von der Reichhaltigkeit dessen, was Menschen ‚bewegt‘. Mit dieser positiven Einschätzung können wir es jedoch nicht bewenden lassen. Als problematisch erweist sich insbesondere das von Maslow vermittelte Bild von einer pyramidalen Anordnung der Grundbedürfnisse des Menschen in dem Sinn, dass diese in der genannten Reihenfolge - angefangen von den physiologischen Bedürfnissen bis hin zum Streben nach Selbstverwirklichung - verhaltenswirksam werden. Unterstellt wird also eine mehr oder weniger von der Natur vorgegebene Reihenfolge der Persönlichkeitsentwicklung. Im Licht dessen, was man über die Herausbildung von Motiven und deren Stärke weiß, ist diese Vorstellung zumindest in ihrer schlichten Form unhaltbar. Wir kommen darauf zurück. Wie angekündigt, befasst sich die Motivationsforschung auch mit der Wirkungsweise von Einzelmotiven, etwa mit dem Machtbedürfnis oder dem Bedürfnis nach sozialen Kontakten. Besondere Aufmerksamkeit hat die Analyse des Leistungshandelns gefunden. Das solchermaßen thematisierte Leistungsmotiv hier herauszugreifen liegt schon deshalb nahe, weil leistungsthematischen Bezügen in der Arbeitswelt herausgehobene Bedeutung zukommt. Seine Definition lässt allerdings erkennen, dass der Erklärungsanspruch weit darüber hinausgeht. Verstanden wird darunter nämlich das (unterschiedlich stark ausgeprägte) Bedürfnis, etwas zu vollbringen, das nach allgemein anerkannten Bewertungsmaßstäben eine <?page no="72"?> Motivation und Motivieren 73 besondere Leistung darstellt. Dabei kann es sich neben einer herausragenden Arbeitsleistung beispielsweise auch um eine besondere schulische oder sportliche Leistung handeln. Wie angemerkt, ist das Leistungsbedürfnis von Individuum zu Individuum unterschiedlich stark ausgeprägt. Das klingt wie eine Binsenweisheit, wie eine für jedermann selbstverständliche Erkenntnis. Unterschätzen sollten wir ihren Wert allerdings nicht. Ferner ist festzuhalten, dass es sich um eine verallgemeinerungsfähige Erkenntnis handelt. Sie trifft im Grunde genommen auf sämtliche Beweggründe zu, die unserem Verhalten und Handeln zugrunde liegen. Die obige Definition, in der von ‚allgemein anerkannten Bewertungsmaßstäben‘ die Rede war, macht darüber hinaus auf etwas Weiteres aufmerksam. Die Anerkennung dessen, was eine besondere Leistung ausmacht, kann sich nämlich erstens im Zeitablauf ändern. Sie unterliegt, mit anderen Worten, dem gesellschaftlichen Wertewandel. Zweitens können - und faktisch kommt dem ebenfalls einige Bedeutung zu - auch kulturelle Werte darüber entscheiden, was als allgemein anerkannter Bewertungsmaßstab gilt (zu beidem → Kapitel 4). Nun begründen Motive, von denen bislang gesprochen wurde, lediglich eine grundsätzliche Verhaltensbereitschaft. Zusätzlich bedarf es der Erwartung, dass dem an den Tag zu legenden Verhalten auch Erfolg beschieden ist. Es geht also um eine Beurteilung der Erfolgsaussichten der zur Erreichung eines angestrebten Ziels zu unternehmenden Anstrengungen. Was damit gemeint ist, lässt sich anhand eines praktischen Beispiels illustrieren: Stellen wir uns einen Vertriebsmitarbeiter eines mittelständischen Unternehmens vor, der an einem möglichst hohen Einkommen interessiert ist. Seine Kundenansprache wird er aller Wahrscheinlichkeit nach nur dann erhöhen, wenn er ein Vergütungssystem vorfindet, das seine zu- <?page no="73"?> 74 Personalmanagement im Mittelstand sätzlichen Bemühungen in Form von Prämien oder Provisionen belohnt. Kehren wir zum Allgemeinen zurück: Erwartungen entstehen auf der Grundlage von Informationen, die im Zuge einer Beurteilung der momentanen Situation gewonnen werden. Soweit möglich, wird dabei auch auf Erfahrungen in gleichen oder ähnlichen Situationen zurückgegriffen. Als Informationsquelle kommt ferner die soziale Umwelt in Betracht, wobei insbesondere an die Kommunikation mit Kollegen zu denken ist. Nicht vergessen wollen wir schließlich, dass auch Persönlichkeitsmerkmale die Erwartungsbildung beeinflussen: Ein notorischer Optimist wird die Erfolgsaussichten einer ins Auge gefassten Verhaltensweise positiver beurteilen als ein bodenständiger Realist oder gar als ein zu Pessimismus neigender Zeitgenosse. Wie sich Motivstrukturen herausbilden Wie kommt es dazu, dass sich die Menschen - und im engeren Sinn die Mitarbeiter mittelständischer Unternehmen - in dem, was für sie besonders erstrebenswert ist, beträchtlich voneinander unterscheiden? Dass dabei Umwelteinflüsse eine Rolle spielen, lässt sich den vorangehenden Ausführungen entnehmen. Aber gibt es vielleicht Lebensabschnitte, in denen sich der prägende Einfluss solcher Faktoren besonders stark bemerkbar macht? Wie wir sehen werden, handelt es sich dabei um eine in praktischer Hinsicht keineswegs nebensächliche Frage - im Gegenteil. Zunächst wollen wir jedoch festhalten, dass man gut daran tut, bezüglich der Grundbedürfnisse von einem fundamentalen Repertoire der menschlichen Natur auszugehen. Ob Abraham H. Maslows Vorstellungen dieses Repertoire umfassend abbilden oder ob hier die eine oder andere Korrektur vorzu- <?page no="74"?> Motivation und Motivieren 75 nehmen ist, kann dabei dahingestellt bleiben. Bislang findet sich in der Motivationsforschung darauf keine überzeugende Antwort. Vermutlich handelt es sich sogar um eine Frage, die zu stellen müßig ist. Außer Zweifel steht, dass der Mensch (als sogenanntes Gattungswesen) über grundlegende physiologische, Sicherheits-, Beziehungs- und Wertschätzungsbedürfnisse verfügt; dies unabhängig davon, ob die Bezeichnungen teilweise nicht auch etwas anders gewählt werden können. Wichtig ist diese Einsicht, weil sie vor der irrigen milieutheoretischen Ansicht bewahrt, wonach der Mensch das alleinige Produkt von gesellschaftlichen oder kulturellen Verhältnissen sei. Aber der Mensch ist selbstverständlich ein auch von seinen Lebensumständen geprägtes Wesen. Im Hinblick auf seine Motive und deren Stärke stellt sich dabei eine weiterführende Frage: Wird der prägende Einfluss dieses Milieus zeitlebens wirksam, oder sind es vielleicht bestimmte Lebensphasen, in denen sich dieser besonders nachhaltig bemerkbar macht? Was die Motivationsforschung hierzu herausgefunden hat, lässt sich in aller Kürze wie folgt mitteilen: Für die Entwicklung der individuellen Bedürfnisstruktur sind vor allem frühe, in der Regel also vor Beginn des Berufslebens wirksame Einflüsse maßgeblich. Sozialwissenschaftler sprechen von Sozialisationserfahrungen, und es lässt sich auch begründen, weshalb dies so ist: In der Kindheit und in der frühen Jugend wird der Mensch nicht nur besonders stark geformt, er ist in dieser Lebensphase auch besonders leicht formbar. Was man motivationale Plastizität zu nennen pflegt, geht später weitgehend verloren. Zumindest im Hinblick auf unsere Motive scheint es insofern auch mit einem bekannten Sprichwort seine Richtigkeit zu haben: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr! Es ist an dieser Stelle nicht erforderlich, auf die Bedingungen einzugehen, die beispielsweise für die Herausbildung eines <?page no="75"?> 76 Personalmanagement im Mittelstand hohen Leistungsbedürfnisses förderlich sind. Sorgfältig festzuhalten ist hingegen, dass sich innerhalb des Berufslebens motivationale Dispositionen nicht oder allenfalls nur geringfügig verändern lassen. Das liegt daran, dass sowohl die Richtung als auch die Stärke und das Andauern in unserem Verhalten in den vorberuflichen Lebensabschnitten entscheidend geprägt werden. Aus der Sicht des einen oder anderen Praktikers mag dies eine enttäuschende Botschaft sein; andere werden ihre persönlichen Erfahrungen voll und ganz bestätigt finden. Damit sind wir am Ende dessen angelangt, was es nach unserer Ansicht im Hinblick auf Motivation und Motivieren zwingend zu bedenken gilt. In Erinnerung behalten sollten wir vor allem, dass und weshalb sich Mitarbeiter in dem, wonach sie streben, mit welcher Intensität und wie lange sie dies tun, beträchtlich voneinander unterscheiden. Bislang nicht näher eingegangen wurde auf die Unterscheidung zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation. Systematischer Gründe wegen holen wir dies in dem der Arbeitsleistung gewidmeten → Kapitel 8 nach. <?page no="76"?> 7 Arbeitsemotionen Emotionalität ist ein Grundelement menschlichen Seins. Auch in der Welt der Arbeit kommt ihr eine unübersehbare Bedeutung zu. Sprechen wir deshalb von Arbeitsemotionen. Gegenstand dieses Kapitels ist demnach eine Teilklasse des reichhaltigen Repertoires dessen, wodurch Menschen ‚emotional bewegt‘ werden. Voranzustellen ist, dass die Emotionalität bis in die jüngere Vergangenheit ein eher schlechtes Image hatte. Der Rat Platons, dass man sich vor seinen Gefühlen hüten sollte, wird bis heute gern erteilt. Hinlänglich bekannte Begriffspaare wie ‚Denken und Fühlen‘ oder ‚Vernunft und Leidenschaft‘ sind in der Regel nicht nur Gegenüberstellungen zweier für uns Menschen charakteristischen Reaktionen. In ihnen schwingt vielmehr mit, dass zwischen ratio und emotio ein deutliches Gefälle besteht; dass Emotionalität der rationalen Zügelung bedarf. Und was die Wirtschaftswissenschaft angeht: Mit allerlei verbalen Kniffen hat sie rationales Handeln zu ihrem alleinigen Gegenstand gemacht, während dem von Emotionen geprägten Verhalten der Wirtschaftssubjekte allenfalls in Nebenbemerkungen Beachtung geschenkt wird. Zahlreiche Befunde der modernen Neurowissenschaft entlarven solche Einschätzungen als Vorurteil. Vielmehr sind Vernunft und Gefühl nicht einfach zwei Seiten der menschlichen Natur, sondern kooperieren als gleichberechtigte Partner auf das Engste miteinander. <?page no="77"?> 78 Personalmanagement im Mittelstand Emotionspsychologische Grundtatbestände Emotionen äußern sich in mehr oder weniger alltäglichen Empfindungen. Sie sind Untersuchungsgegenstand der Emotionspsychologie. Wissenswert und auch in praktischer Hinsicht bedeutsam ist hier zunächst die Erkenntnis, dass emotionales Geschehen als ein aus mehreren Komponenten bestehender Prozess zu begreifen ist, der Zustände physiologischer Erregung, Gefühle, kognitve Vorgänge sowie bestimmte Verhaltensweisen umfasst. Was es damit im Einzelnen auf sich hat, lässt sich wie folgt verdeutlichen:  Physiologische Erregungen können sich auf unterschiedliche Weise äußern. Ihre Erscheinungsformen treten unter Umständen gleichzeitig auf und sind muskulärer (Kontraktionen bis hin zu Verkrampfungen), hormonaler (z.B. Ausstoß von Adrenalin), organspezifischer (z.B. verstärktes Herzklopfen) und schließlich auch neuronaler Art.  Gefühle sind innere Zustände, die als ‚gut‘ oder ‚schlecht‘ bzw. als ‚positiv‘ oder ‚negativ‘ wahrgenommen werden. Sie äußern sich beispielsweise als Empfindungen von Freude, Furcht oder Ekel. Die Intensität des Empfindens kann dabei variieren. An einem Ende einer Intensitätsskala stehen dabei Affekte, die als heftige, nur kurz andauernde emotionale Reaktionen in Erscheinung treten. Am anderen Ende stehen Stimmungen, bei denen es sich um eher schwache, dafür aber länger anhaltende gefühlsmäßige Regungen handelt.  Kognitive Vorgänge sind am emotionalen Geschehen insofern beteiligt, als Situationen, die Emotionen auslösen, zunächst wahrgenommen, dann bewertet und schließlich auch irgendwie gehandhabt werden müssen.  In Form von Verhaltensweisen schließlich wird emotionales Geschehen der direkten Beobachtung zugänglich. Bestehen können sie in Weinen oder Lachen, in Umsichschlagen <?page no="78"?> Arbeitsemotionen 79 und Verschiedenem mehr bis hin zu subtilen mimischen Äußerungen oder etwa einem spontanen Hilferuf. Emotionspsychologen pflegen zwischen elementaren Emotionen und den sich um diese gruppierenden Varianten zu unterscheiden. Die Liste der elementaren Emotionen ist vergleichsweise kurz, die ihrer Varianten (und Nuancierungen) dafür außerordentlich umfangreich. Gemeinsam ist ihnen, dass sie in evolutionsgeschichtlicher Hinsicht einen Beitrag zum Überleben leisten. Weil die Natur nicht vorauszusehen vermag, worin dieser in konkreten Situationen besteht, hat sie uns mit einem elementaren Fundus ausgestattet. Um ihn herum kann sich dann ein den jeweiligen Umständen angepasstes Netz spezifischer Gefühlsregungen entwickeln. Von elementaren oder auch universellen Emotionen zu sprechen, begründet sich damit, dass sie sich (kulturunabhängig) im Gesichtsausdruck widerspiegeln. Zum harten Kern scheinen lediglich vier, nämlich Furcht/ Angst, Wut/ Zorn, Ekel und Freude zu gehören; Emotionspsychologen sind sich bezüglich ihrer genauen Zahl nicht ganz einig. Um sie herum ranken sich geradezu unzählig viele Varianten und Nuancierungen. Wegen des Situationsbezugs von Gefühlen ist nichts anderes zu erwarten. Beispiele aus der Welt des Sport können dies belegen: Skispringer benötigen ‚Fluggefühl‘, Tennisspieler ‚Ballgefühl‘ und Segler sollten ‚eine Nase für den Wind‘ haben. Bei den Arbeitsemotionen handelt es sich um eine aus den elementaren Emotionen abgeleitete, auf Arbeitssituationen bezogene Teilmenge. In ihnen findet die subjektive Befindlichkeit im Arbeitsalltag ihren Ausdruck. Werden sie im Einzelnen betrachtet, so können hier zahlreiche Varianten identifiziert werden. Um der Art ihres Empfindens Rechnung zu tragen, wird im Folgenden zwischen negativen und positiven Arbeitsemo- <?page no="79"?> 80 Personalmanagement im Mittelstand tionen unterschieden. Bezüglich der Ersteren gehen wir im Folgenden lediglich auf Angst und Stress ein. Ihnen lassen sich aber auch Neid, Arbeitsunzufriedenheit (hierzu ausführlich → Kapitel 9) und Langeweile zurechnen. Bei Letzteren, den positiven Arbeitsemotionen, unterscheiden wir zwischen Arbeitsstolz und Arbeitsfreude. Darüber hinaus ist auch Arbeitszufriedenheit ein Gefühl von unübersehbar großer Bedeutung. Negative Arbeitsemotionen Beginnen wir mit der Angst. Bei ihr handelt es sich zweifelsfrei um eine elementare Emotion. Weil dieses Gefühl allgemein als unangenehm empfunden wird, haben wir es zudem mit einer negativen Emotion zu tun. (Auf einem anderen Blatt steht, dass Angst nach wie vor einen positiven Beitrag zum Überleben leistet.) Innerhalb der Arbeitswelt können Mitarbeiter Angstgefühle verschiedenster Art erleben, dies selbstverständlich mit unterschiedlicher Intensität. Angst vor Arbeitsplatzverlust, vor Überforderung, vor Veränderungen rund um ihren Arbeitsplatz, vor Krankheit oder Unfall, vor ihrem Vorgesetzten oder vor Mobbing durch Kollegen. Die Liste möglicher Erscheinungsformen von Arbeitsangst ließe sich noch beträchtlich erweitern. Zur Systematisierung der verschiedenen Erscheinungsformen ist die Unterscheidung zwischen Existenzängsten, sozialen Ängsten und Leistungsbzw. Versagensängsten nützlich. Im Fall von Existenzängsten handelt es sich um Befürchtungen, dass die physische oder psychische Unversehrtheit bei der Arbeit nicht gewährleistet ist. Was deren Ausmaß anbelangt, so ist hier eine berufsgruppenspezifische Differenzierung vorzunehmen. Die Wahrscheinlichkeit, einen Unfall in einem gefahrengeneigten Beruf zu erleiden, ist um ein Vielfaches höher <?page no="80"?> Arbeitsemotionen 81 als etwa bei einer Bürotätigkeit. Bezüglich der Intensität von Angstgefühlen ist, nicht überraschend, mit interindividuellen Unterschieden zu rechnen. Aber nicht nur dies: Wie die dem gesellschaftlichen Wertewandel gewidmeten Ausführungen in → Kapitel 4 erkennen ließen, ist Generation Z sehr stark auf körperliche und emotionale Sicherheit bedacht. Ist es abwegig, darin eine Angstvermeidungsstrategie zu erblicken? Soziale Ängste entstehen im Umfeld der zwischenmenschlichen Beziehungen am Arbeitsplatz. Vorgesetzte verfügen über Belohnungs- und Bestrafungsmöglichkeiten und damit über Machtinstrumente (→ Kapitel 17). Abhängig von der Art und Weise ihres Einsatzes führt dies mitunter bei den ihnen unterstellten Mitarbeitern zu Gefühlen des Ausgeliefertseins. Auch der tägliche Umgang mit einzelnen Kollegen, etwa innerhalb einer Arbeitsgruppe oder eines Teams, kann aus verschiedenen Gründen als angsterzeugend wahrgenommen werden. Leistungs- oder Versagensängste stehen häufig mit sozialen Ängsten in Verbindung. Davon ist schon deshalb auszugehen, weil Arbeit vielfach nicht isoliert, sondern im Rahmen von Kollektiven geleistet wird. Die Befürchtung, den Erwartungen von Kollegen und Vorgesetzten nicht gerecht werden zu können, führt zu Angstgefühlen. Die Ursache für das Aufkommen von Leistungsbzw. Versagensängsten kann aber auch in Selbstzweifeln bestehen, mit den Arbeitsanforderungen nicht zurechtzukommen und in der Folge davon mit schwerwiegenden Konsequenzen rechnen zu müssen. Zudem ist Folgendes zu bedenken: In → Kapitel 6 wurde von einem Bedürfnis nach Wertschätzung gesprochen, das sowohl im Streben nach Fremdwertschätzung als auch im Bedürfnis nach Selbstwertschätzung Ausdruck finden kann. Man tut gut daran, beides als feste Bestandteile unserer motivationalen Grundausstattung zu interpretieren. Insofern überrascht es nicht, dass vor diesem <?page no="81"?> 82 Personalmanagement im Mittelstand Hintergrund sowohl soziale Ängste als auch Leistungsbzw. Versagensängste aufkommen können. Stress ist eine weitere Emotion, der in der Welt der Arbeit einige und allem Anschein nach weiter wachsende Bedeutung zukommt oder zumindest zugeschrieben wird. Dies rechtfertigt eine etwas ausführlichere Darstellung. Als mittlerweile fester Bestandteil der Alltagssprache sind damit in aller Regel Empfindungen gemeint, die mit Worten wie ‚keine Zeit‘, ‚Druck‘‚ ‚Hetze‘, ‚Hektik‘, ‚Anspannung‘ und gelegentlich auch mit ‚Angst‘ umschrieben werden. Kurz: Es handelt sich um durchweg negative Erfahrungen. Die Stressforschung ist da allerdings viel weniger eindeutig. Dies kommt in der Unterscheidung zwischen anregendem Stress (Eustress) und zerstörendem Stress (Distress) zum Ausdruck. Insofern kann Stress nicht nur den negativen Arbeitsemotionen zugerechnet werden. Da wir uns hier vorrangig mit den Folgewirkungen von Distress befassen, hat es aber mit der von uns vorgenommenen Einordnung in die Reihe der negativen Arbeitsemotionen schon seine Richtigkeit. Die Stress auslösenden Umweltmerkmale werden als Stressoren bezeichnet, auf die mit Flucht oder Angriff reagiert wird. In der Arbeitswelt kann sich Erstere beispielsweise in einer spontanen Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Anschluss an ein etwas turbulent verlaufenes Mitarbeitergespräch, Letzterer in Form von Beleidigungen verbaler Art oder mittels mehr oder weniger eindeutiger Gesten äußern. Bei den in der Arbeitswelt typischerweise anzutreffenden Umweltmerkmalen, die Stressempfindungen auslösen können, wollen wir zwischen Leistungsstressoren, psychosozialen Stressoren und in den äußeren Arbeitsbedingungen liegenden Stressoren unterscheiden. Wie sich zeigen wird, spielen dabei - keineswegs überraschend - auch elementare Angstgefühle eine Rolle. <?page no="82"?> Arbeitsemotionen 83 Die Wirkung von Stress auf das Leistungsverhalten ist eines der Hauptthemen der Stressforschung. Geleitet wird sie von der plausiblen Annahme, dass zwischen Stressausmaß und Arbeitsleistung ein Zusammenhang derart besteht, dass geringe Stressdosen sich ungünstig auf die Arbeitsleistung auswirken, weil hier eine Unterforderung vorliegt. Dagegen kommt es bei hohen Stressdosen zu einem Leistungsabfall wegen Überforderung. Stressdosen mittleren Ausmaßes wirken sich positiv auf die Leistungshöhe aus. Bei der letztgenannten Erscheinungsform haben wir es demnach mit Eustress bzw. einem optimalen Stressniveau zu tun. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Stress in seinen beiden Erscheinungsformen - als Eustress ebenso wie als Distress - interindividuell unterschiedlich empfunden wird. Vor dem Hintergrund der Ausführungen lassen sich die vielleicht wichtigsten (negativen) Leistungsstressoren identifizieren: quantitative und qualitative Über- oder Unterforderung am Arbeitsplatz, überhöhte Leistungserwartungen, rigide Leistungskontrollen und intensiver Wettbewerb. Unter quantitativer Überforderung ist dabei insbesondere Arbeiten unter fortwährendem Zeitdruck zu verstehen. Unter den psychosozialen Stressoren sind so alltägliche Dinge wie Konflikte mit Kolleginnen und Kollegen, fehlende Anerkennung durch Vorgesetzte, Abgeschnittenheit von Informationen, soziale Isolierung, offene oder versteckte Diskriminierung und Verschiedenes mehr zu zählen. Es ist offensichtlich, dass all dies auch als angsterzeugend (vgl. oben) empfunden werden kann. Schließlich können auch zahlreiche äußere Arbeitsbedingungen stresserzeugend sein. Dies gilt offensichtlich insbesondere für Schichtarbeit und Lärm, die wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge im Grunde genommen bei allen Menschen negative Stressgefühle auslösen. <?page no="83"?> 84 Personalmanagement im Mittelstand Positive Arbeitsemotionen Die subjektive Befindlichkeit im Arbeitsalltag kann auch in zahlreichen angenehmen Gefühlen Ausdruck finden, insbesondere in Stolz auf das Geleistete sowie in Freude an der Arbeit. Dabei handelt es sich beim Arbeitsstolz um eine Emotion, die sich primär auf Arbeitsergebnisse bezieht. Wesentliche Voraussetzung, dass ein derartiges Gefühl zu entstehen vermag, ist eine Aufgabe bzw. Tätigkeit, deren erfolgreiche Erfüllung nicht für jedermann als selbstverständlich gilt und die auch gesellschaftliche Anerkennung findet. Einstellen kann es sich insbesondere dann, wenn dazu ein vergleichsweise hohes Maß an Professionalität erforderlich ist. Stolz bezieht sich dabei, dies ist festzuhalten, nicht auf die eigene Person, sondern ausschließlich auf die von ihr erbrachte Leistung. Stolz, der sich um die eigene Person rankt und der in der Arbeitswelt selbstverständlich auch anzutreffen ist, führt nicht selten zu Eitelkeit, Hochmut und einem Mangel an Bescheidenheit; Persönlichkeitseigenschaften, die von der sozialen Umwelt in aller Regel als negativ wahrgenommen werden. Ideale Bedingungen für die Herausbildung von auf die eigene Leistung bezogenem Stolz finden sich insbesondere in vielen handwerklichen Berufen - und damit in einer Vielzahl mittelständischer Unternehmen. Wenn es sich nicht um typische Massenfertigung handelt, bietet auch die Industrie gute Voraussetzungen. Hier wie dort beziehen sich die Stolzerlebnisse auf die Qualität der gefertigten Produkte. Damit erklärt sich, weshalb in diesem Zusammenhang gelegentlich auch von Produzentenstolz gesprochen wird. Was den Dienstleistungssektor anbelangt, so fehlt es bislang häufig an der gesellschaftlichen Anerkennung, dass die geleistete Arbeit - beispielsweise in einem Pflegeheim für ältere Menschen - etwas Besonderes darstellt. Ferner ist die Qualität von Dienstleistungen, anders <?page no="84"?> Arbeitsemotionen 85 als die von handwerklich oder industriell gefertigten Produkten, deutlich weniger gut messbar. Freude, dies zur Erinnerung, ist eine der wenigen elementaren Emotionen. Im Unterschied zu dem auf Leistungsergebnisse bezogenen Stolz ist Arbeitsfreude eine Empfindung, die sich primär bei der Tätigkeitsausführung einzustellen vermag. Recht treffend kommt dies darin zum Ausdruck, wenn statt dessen von Schaffensfreude gesprochen wird. Im Lexikon der Psychologie ist nachzulesen, dass der Begriff erstmals im Umfeld der in den 1920er-Jahren einsetzenden Kritik am sogenannten Taylorismus und der für ihn charakteristischen hochgradigen Teilung der Arbeit benutzt wurde. Damit deutet sich an, dass es bestimmter Tätigkeitsmerkmale bedarf, um Spaß an der Arbeit zu finden. Mitarbeiterseitige Voraussetzung dafür ist, dass an der Arbeit Interesse besteht. Erst auf dieser Grundlage ist es möglich, seiner Tätigkeit mit einer Portion Enthusiasmus nachzugehen und sich mit ihr zu identifizieren. Gefühle der Langeweile kommen dabei nicht auf. Im Gegenteil: Die Zeit vergeht, sprichwörtlich ausgedrückt, im Fluge. Arbeitsfreude, dies als Nebenergebnis, beeinflusst offensichtlich auch unser Zeitempfinden. Arbeitsfreude, so wurde oben gesagt, vermag sich primär bei der Tätigkeitsausführung einzustellen. Angesichts dessen, dass es dazu einer Reihe von Tätigkeitsmerkmalen bedarf, die nur in Teilen der Arbeitswelt anzutreffen sind, würde dies auf eher enge Grenzen für das Erleben dieser positiven Emotion hindeuten. Glücklicherweise gibt es jedoch eine zweite Quelle für das Empfinden von Arbeitsfreude - das soziale Umfeld. Wer sich am Arbeitsplatz und gegebenenfalls in seiner Arbeitsgruppe auf Grund der als angenehm empfundenen Beziehungen zu den Arbeitskollegen oder auch zum Vorgesetzten ausgesprochen wohlfühlt, hat in der Regel ebenfalls Spaß an seiner Arbeit. Das derartige Erleben speist sich in diesen Fällen aus einer anderen <?page no="85"?> 86 Personalmanagement im Mittelstand Quelle: Mitarbeiterseitige Voraussetzung ist hier ein vergleichsweise stark ausgeprägtes Bedürfnis nach sozialen Kontakten. Emotionen sowohl negativer als auch positiver Art, dies gilt es abschließend festzuhalten, sind innerhalb der Arbeitswelt stets gegenwärtig und sollten daher im Rahmen des Personalmanagements die ihnen gebührende Beachtung finden. Wie unternehmensseitig mit ihnen umgegangen wird, schlägt sich darüber hinaus im Betriebsklima und in der Unternehmenskultur nieder - womit allerdings die Grenzen dessen überschritten werden, was zu behandeln wir uns vorgenommen haben. <?page no="86"?> 8 Arbeitsleistung Das allem anderen übergeordnete Ziel personellen Gestaltens besteht darin, leistungsfähige und leistungsbereite Mitarbeiter zu gewinnen und längerfristig an das Unternehmen zu binden. Damit sind gleichzeitig die beiden zentralen Bestimmungsfaktoren der Arbeitsleistung identifiziert: Das zur Tätigkeitsausführung erforderliche individuelle ‚Können‘ und ‚Wollen‘. Neben der Arbeitszufriedenheit (→ Kapitel 9) betrachten wir die Arbeitsleistung als eines der beiden Grundkonzepte des Personalmanagements. Hier wie dort handelt es sich um facettenreiche Themen. Dies macht es erforderlich, sie in gesonderten Kapiteln zu behandeln, auch wenn zwischen ihnen Zusammenhänge bestehen. Vor voreiligen Schlüssen ist allerdings schon an dieser Stelle zu warnen: Mit ihrer Arbeit rundum zufriedene Mitarbeiter sind nicht automatisch auch diejenigen, die eine hohe Arbeitsleistung erbringen. Nun hängt das Ausmaß der Arbeitsleistung von Mitarbeitern, worin auch immer sie bestehen mag, nicht allein von ihren Fähigkeiten und ihrer Leistungsbereitschaft ab. Zuweilen sind es beispielsweise arbeitsorganisatorische Probleme oder solche ergonomischer Art, die hier ebenfalls zu berücksichtigen sind. Dies führt uns im Folgenden zur Unterscheidung zwischen personengebundenen und situationsabhängigen Einflüssen auf die Arbeitsleistung. Individuelle Fähigkeiten sind in der Regel keine feststehende Größe. Vielfach können sie im Laufe des Berufslebens erweitert werden. Damit sind Fragen der Mitarbeiterqualifizierung angeschnitten, denen in → Kapitel 15 ausführlich nachzugehen sein wird. Mittels der Unterscheidung zwischen einer mo- <?page no="87"?> 88 Personalmanagement im Mittelstand mentanen und einer potenziellen Leistungsfähigkeit werden die Grundlagen dafür innerhalb dieses Kapitels geschaffen. Die Frage schließlich, wie auf die Leistungsbereitschaft von Mitarbeitern unternehmensseitig Einfluss genommen werden kann, richtet sich auf die hierfür geeigneten Leistungsanreize. Angeknüpft werden kann dabei an den in → Kapitel 6 behandelten Aspekten der Motivation und des Motivierens. Personengebundene und situationsabhängige Bestimmungsfaktoren der Arbeitsleistung Es wurde einleitend bereits gesagt: Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft bestimmen das Ausmaß der Arbeitsleistung eines Mitarbeiters. In beiden Fällen handelt es sich um personengebundene Einflussbzw. Bestimmungsfaktoren. Dabei ist davon auszugehen, dass ‚Können‘ und ‚Wollen‘ - ein wenig elementare Mathematik kann an dieser Stelle nicht schaden - multiplikativ miteinander verknüpft sind: Arbeitsleistung = f (Leistungsfähigkeit · Leistungsbereitschaft) Das Produkt (und nicht etwa die Summe) von Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft entscheidet also über die Höhe der Arbeitsleistung. Der Grund ist einfach und lässt er sich besonders leicht erkennen, wenn die jeweiligen Grenzfälle betrachtet werden: Fehlt es völlig an der zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Fähigkeit, dann kann dies nicht durch eine noch so stark ausgeprägte Bereitschaft ausgeglichen werden. Und umgekehrt gilt dasselbe: Das erforderliche ‚Können‘ mag vollumfänglich vorhanden sein; wenn keinerlei Bereitschaft zu seiner Anwendung besteht, dann kommt es auch nicht dazu. Die Multiplikation mit Null ergibt, unabgängig von der Größe des anderen Faktors, stets ebenfalls Null. <?page no="88"?> Arbeitsleistung 89 In der Realität geht es meist weniger um Grenzfälle. Bezüglich der Leistungsbereitschaft ist realistischerweise zu berücksichtigen, dass es sich dabei nicht ausschließlich um einen vom individuellen ‚Wollen‘ gesteuerten Faktor handelt. In Anbetracht der Existenz von ökonomischen und mitunter auch von sozialen Zwängen ist davon auszugehen, dass hinter der an den Tag gelegten Leistungsbereitschaft auch eine Notwendigkeit bzw. ein ‚Müssen‘ stehen kann. Neben diesen an Personen gebundene Bestimmungsfaktoren wird die Arbeitsleistung darüber hinaus auch von arbeitsorganisatorischen und ergonomischen Voraussetzungen sowie von dem im Unternehmen zur Anwendung kommenden Anreizsystem beeinflusst. In allen diesen Fällen handelt es sich um (vorgegebene) äußere bzw. situationsabhängige Bestimmungsfaktoren. So ist beispielsweise davon auszugehen, dass das Leistungsausmaß entscheidend davon abhängt, inwieweit die an einem Arbeitsplatz benötigten Materialien rechtzeitig und im erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen. Das ist ein typisches arbeitsorganisatorisches Problem. - Im Hinblick auf die ergonomischen Voraussetzungen geht es unter anderem darum, ob der Arbeitsplatz den Körpermaßen des Mitarbeiters angepasst ist oder Belastungsgrenzen überschritten werden. All das verdient Beachtung, weil sich daraus nachteilige Auswirkungen auf die Leistungsbereitschaft ergeben können; dies insbesondere dann, wenn es sich um Dauerzustände handelt. Ganz im Zentrum personellen Gestaltens stehen die im Unternehmen zur Anwendung kommenden Leistungsanreize. Ihr Zweck besteht darin, die individuelle Leistungsbereitschaft zu aktivieren. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sie - wir wissen es bereits - auf die das Leistungsverhalten der Mitarbeiter bestimmenden Motive zugeschnitten sein. Insofern kann von einem Korrespondenzproblem gesprochen werden. <?page no="89"?> 90 Personalmanagement im Mittelstand Facetten des Fähigkeitskonzepts Im Weiteren ist zunächst auf verschiedene Faktoren einzugehen, die allesamt das individuelle ‚Können‘ betreffen. Dies soll vor dem Hintergrund der folgenden Ausgangsüberlegung geschehen: Wird eine neu geschaffene oder zeitweilig freie Stelle besetzt, dann stellt sich die Frage, ob der künftige Stelleninhaber über die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Fähigkeiten verfügt. Dies in Erfahrung zu bringen, ist Aufgabe der Personalauswahl (→ Kapitel 12). Die damit aufgeworfene Problematik kann selbstverständlich auch laufende Beschäftigungsverhältnisse betreffen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist zunächst, dass nicht nur unzureichende Fähigkeiten die Aufgabenerfüllung beeinträchtigen. Kaum weniger problematisch ist es, wenn Fähigkeiten im Übermaß vorhanden sind. Deutlich erkennen lässt sich beides, wenn man die Sachlage aus der Position eines unter- oder überqualifizierten (gegebenenfalls potenziellen) Mitarbeiters betrachtet: Wer sich seiner Leistungsdefizite bewusst wird oder sie von seinem Vorgesetzten und Kollegen signalisiert bekommt, fühlt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit unwohl. Und im Fall von Überqualifikation wird sich vielfach ein für das Leistungsverhalten nachteiliges Gefühl der Unterforderung herausbilden. Beides - und damit zeigt sich zugleich ein Zusammenhang zwischen Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft - ist in aller Regel mit einem Motivationsabfall verbunden. Zu berücksichtigen ist ferner, dass es Fähigkeitsdefizite gibt, die physische oder psychische Ursachen haben - dies wohlgemerkt im Hinblick auf eine bestimmte Stelle im Unternehmen. Um gewisse Tätigkeiten ausführen zu können, mangelt es beispielsweise an einem Mindestmaß an manueller Geschicklichkeit, an Kraft, an körperlicher Robustheit oder an der Fähigkeit, über längere Zeit hinweg ein für die Aufgabenerfüllung erforderliches Aufmerksamkeitsniveau aufrechtzuhalten. Derartige Fragen be- <?page no="90"?> Arbeitsleistung 91 treffen, wie man sagen kann, die individuelle Leistungsdisposition. Einleitend wurde festgestellt, dass es zweckmäßig ist, zwischen momentaner und potenzieller Leistungsfähigkeit zu unterscheiden. Denn nicht wenige Mitarbeiter werden in der Erwartung eingestellt, dass sie die ihnen zugedachten Aufgaben nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit der Einarbeitung erfüllen können. Es wird, mit anderen Worten, davon ausgegangen, dass sie das notwendige Potenzial dafür haben. (Damit wird zugleich deutlich, weshalb zwischen ‚Fähigkeit‘ und ‚Befähigung‘ unterschieden werden muss.) Der mit Abstand wichtigste Mechanismus des Fähigkeitserwerbs ist individuelles Lernen. Der schnelle technologische Wandel in der Arbeitswelt bringt es mit sich, dass es sich dabei für viele Mitarbeiter um einen ihr gesamtes Berufsleben begleitenden Prozess handelt. Aufbauend auf den im vorberuflichen Bildungssystem erworbenen Kenntnissen erfolgt der Erwerb und die Erweiterung von Fertig- und Fähigkeiten schwerpunktmäßig im Rahmen verschiedener Formen der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung bzw. der Personalentwicklung. Damit ist ein Kernbereich des Personalmanagements angesprochen, auf den wir unter Bezug auf die besondere Situation mittelständischer Unternehmen später in → Kapitel 15 ausführlich zurückkommen werden. Weitreichende Bedeutung kommt der Unterscheidung zwischen fachlichen bzw. technischen Fähigkeiten auf der einen Seite und sozialen bzw. kommunikativen Fähigkeiten auf der anderen zu. (Wir werden später in beiden Fällen statt von Fähigkeiten auch von Kompetenzen sprechen.) Geht es im ersten Fall um den Umgang mit Objekten im weiten Sinn, steht im zweiten Fall der Umgang mit Menschen im Fokus. Häufig - und dies gilt insbesondere für Mitarbeiter mit Personalverantwortung - ist es <?page no="91"?> 92 Personalmanagement im Mittelstand erforderlich, dass die betreffenden Stelleninhaber über beide Arten individueller Fähigkeiten verfügen. Aktivierung der Leistungsbereitschaft durch Anreize In Anbetracht der in → Kapitel 6 angestellten Überlegungen zur Motivation ist an dieser Stelle daran zu erinnern, dass Motive bzw. Bedürfnisse lediglich eine grundsätzliche Verhaltensbzw. Leistungsbereitschaft begründen. Aktivieren lässt sich die Leistungsbereitschaft mittels Leistungsanreizen - dies allerdings nur dann, wenn sie mit der motivationalen Disposition in Einklang stehen. Es handelt sich um das oben erwähnte Korrespondenzproblem, und wir können feststellen: In dessen erfolgreicher Lösung besteht die ‚Kunst‘ des Motivierens. Wenn auch nicht völlig überschneidungsfrei, lassen sich Leistungsanreize in gewisser Weise klassifizieren. Nach dem Anreizobjekt kann hier erstens zwischen materiellen und immateriellen Anreizen unterschieden werden. Bei den materiellen Anreizen handelt es sich in erster Linie um das weite Feld der Entgeltgestaltung und gegebenenfalls auch um Formen einer Beteiligung von Mitarbeitern am Gewinn oder am Kapital des Unternehmens (→ Kapitel 16). Immaterielle Anreize betreffen insbesondere Möglichkeiten des Mitwirkens und der Mitbestimmung bei Entscheidungen bezüglich Arbeitsort, Arbeitszeit und Arbeitsinhalt sowie Verschiedenes mehr. Nach der Zahl der Adressaten (bzw. der Anreizempfänger) kann zweitens zwischen Individual-, Gruppen- und unternehmensweiten Anreizen differenziert werden. In erster Linie bezieht sich diese Unterscheidung auf materielle Anreize. Auszugehen ist dabei von unterschiedlichen Anreizwirkungen hinsichtlich der genannten Adressaten. Drittens lassen sich Leistungsanreize gemäß ihrer Quelle klassifizieren. Dies führt zu der bereits in → Kapitel 6 aufmerksam <?page no="92"?> Arbeitsleistung 93 gemachten Unterscheidung zwischen extrinsischen und intrinsischen Anreizen bzw. im erweiterten Zusammenhang zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation. Extrinsische Anreize sind dabei solche, die als Mittel zum Zweck der Bedürfnisbefriedigung dienen, vorrangig die materielle Vergütung also. Karriereanreize, gewisse Statussymbole oder sogenannte Incentives, lassen sich ebenfalls dieser Kategorie zurechnen. Intrinsische Anreize tragen auf unmittelbare Weise zur Bedürfnisbefriedigung bei. Auf ihren Stellenwert wird man geradezu schlagartig dann aufmerksam, wenn verschiedene außerberufliche Betätigungen betrachtet werden: Warum beispielsweise nehmen Bergsteiger, Drachenflieger oder Weltumsegler enorme Anstrengungen in Kauf und setzen sich dabei größten Gefahren aus? Offensichtlich haben derartige Betätigungen für sie einen außerordentlich hoher Befriedigungswert. Die Welt der Arbeit muss mit weniger spektakulären Attraktionen auskommen. Aber das heißt nicht, dass sie keine intrinsischen Anreize zu bieten hat. Zu denken ist dabei insbesondere an Tätigkeiten, die bestimmte Merkmale aufweisen: Ihre Ausführung sollte beispielsweise als sinnvoll empfunden werden und eine Art Ganzheitscharakter haben. Auf die Rolle des Geldanreizes in der Arbeitswelt gehen wir in → Kapitel 16 ausführlich ein. Seine außerordentlich große Bedeutung zeigt sich allein schon darin, dass er implizit bei allen drei Klassifikationsmöglichkeiten - als materieller Anreiz, als Individual-, Gruppen- oder unternehmensweiter Anreiz und als extrinsischer Anreiz - auftaucht. Und dafür gibt es einen naheliegenden Grund: Geld fungiert als ein nahezu universelles Mittel der Bedürfnisbefriedigung. Es handelt sich, anders ausgedrückt, um ein Instrument zur Befriedigung grundlegender Existenzbedürfnisse wie auch von Status-, Macht- oder Wertschätzungsbedürfnissen - wenn auch von Individuum zu Individuum bzw. von Mitarbeiter zu Mitarbeiter in unterschiedlich starkem <?page no="93"?> 94 Personalmanagement im Mittelstand Ausmaß. Insofern hat der Geldanreiz im Laufe der Zeit keineswegs an Bedeutung verloren. Allerdings ist davon auszugehen, dass er in Gestalt anderer Anreize starke Konkurrenz bekommen hat. Beenden wollen wir dieses Kapitel mit dem Hinweis auf eine Reihe von Anreizen, die speziellen Steuerungszwecken dienen oder sich an ausgewählte Zielgruppen richten. Anzuführen sind hier beispielsweise Anreize für Verhalten, das nicht nur kurzfristig-operativen, sondern auch langfristig-strategischen Erfordernissen von Unternehmen Rechnung trägt; Implementierungsanreize, die sicherstellen sollen, dass Gewolltes auch tatsächlich realisiert wird; Anreize zur Weckung von Innovationsbereitschaft; Anreize zur Entfaltung von Kreativität; schließlich Anreize zur Anpassung momentan vorhandener Fähigkeiten und Kenntnisse an gewandelte technologische Bedingungen. Hinzu kommen Anreize zur Gewinnung von Mitarbeitern, zu ihrer Bindung an das Unternehmen sowie zur Reduzierung von Fehlzeiten. Einiges davon wird uns in den folgenden Kapiteln noch näher beschäftigen. <?page no="94"?> 9 Arbeitszufriedenheit Menschen können mit vielem zufrieden oder unzufrieden sein: Mit eher belanglosen Kleinigkeiten bis hin zu den wirklich wichtigen Dingen des Lebens. Zunächst losgelöst von einem Bezug zur Arbeit handelt es sich um eine subjektive Befindlichkeit; um einen inneren Zustand, der sich als Folge situationsbezogener, also auf bestimmte Dinge oder Umstände gericheteter Bewertungen ergibt. Dabei wird Zufriedenheit, nicht überraschend, als angenehm/ positiv, Unzufriedenheit als unangenehm/ negativ wahrgenommen. In der Rede von einer subjektiven Befindlichkeit deutet sich an, dass im Hinblick auf das Ausmaß des Zufriedenheits- oder Unzufriedenheitsempfindens mit beträchtlichen Unterschieden zwischen den Menschen auszugehen ist. So auch in Bezug auf die Arbeits(un)zufriedenheit, bei der es sich um einen (positiv/ angenehm oder negativ/ unangenehm empfundenen) inneren Zustand handelt, der aus der Bewertung der Arbeit herrührt. Neben der Arbeitsleistung, so wurde es bereits angekündigt, ist die Arbeitszufriedenheit unser zweites Grundkonzept des Personalmanagements. Ob es um Fluktuation und Absentismus oder um das weite Feld des Arbeitsverhaltens geht - stets ist von einer Beziehung zur Arbeitszufriedenheit auszugehen. Um etwas bewerten zu können, bedarf es eines Maßstabs. Im vorliegenden Fall handelt es sich um die individuelle Motivbzw. Bedürfnisstruktur. Wenn es, so die Überlegung, Mitarbeitern aus irgendwelchen Gründen verwehrt erscheint, ihre Bedürfnisse bei oder mittels ihrer Arbeit angemessen zu befriedigen, dann werden sie damit auch nicht zufrieden sein - und umgekehrt. Es ist also, keineswegs überraschend, von einem <?page no="95"?> 96 Personalmanagement im Mittelstand Zusammenhang zwischen Motivation und Arbeits(un)zufriedenheit auszugehen. Formulieren lässt er sich wie folgt: Auch wenn es sich etwas abstrakt anhört - Arbeits(un)zufriedenheit ist ein Folgezustand (mittels Arbeit) realisierter bzw. nicht realisierter Bedürfnisbefriedigung. Ausprägungsformen von Arbeits(un)zufriedenheit Bei dieser allgemeinen Feststellung können wir es allerdings nicht belassen, denn bei näherem Hinsehen wird deutlich, dass sich der Zustand von Arbeitszufriedenheit ebenso wie sein Gegenteil auf sehr unterschiedliche Weise ergeben kann. Es ist, mit anderen Worten, mit einer ganzen Reihe an Ausprägungsformen von Arbeits(un)zufriedenheit zu rechnen. Die folgende Beobachtung - sie hat sich vielfach empirisch bestätigt - soll uns als Hinleitung dienen: Wird Mitarbeitern die einfache Frage gestellt, ob sie mit ihrer Arbeit zufrieden sind, dann zeigt die Erfahrung, dass sie darauf in überraschend vielen Fällen mit (einem vielleicht etwas zögerlich vorgebrachten) „Ja“ antworten; dies selbst dann, wenn ihre Arbeitsbedingungen dem Beobachter alles andere als attraktiv erscheinen. Liegt Letzteres vielleicht an der falschen Einschätzung des Beobachters, oder könnte seitens der Befragten auch ein Mechanismus im Spiel sein, der zu den überraschend häufigen Zufriedenheitsbekundungen führt? In der Tat können hier subtile psychologische Verteidigungsmechanismen eine Rolle spielen. Solche Mechanismen äußern sich insbesondere in einer Absenkung des eigenen Anspruchsniveaus und sorgen so dafür, die eigene Situation geschönt wahrzunehmen. Sich einzugestehen, mit seiner Arbeit unzufrieden zu sein, ist schließlich nicht einfach zu verkraften. Das Selbstwertgefühl kann davon negativ beeinträchtigt werden. Durch Umbewertung der Situation - und um <?page no="96"?> Arbeitszufriedenheit 97 nichts anderes handelt es sich bei der ‚Manipulation‘ des eigenen Anspruchsniveaus - ist es möglich, sich davor zu schützen. Solche und einige weitere Überlegungen sind Anlass, zwischen insgesamt sechs verschiedenen Formen von Arbeits(un)zufriedenheit zu unterscheiden. Ihre Bezeichnungen gehen auf Agnes Bruggemann und das mit ihrem Namen eng verknüpfte Zürcher Modell der Arbeitszufriedenheit zurück. Vier davon beschreiben mögliche Ausprägungen von Arbeitszufriedenheit, zwei von Arbeitsunzufriedenheit. Die Darstellung des dahinter stehenden theoretischen Instrumentariums beschränken wir auf ein Minimum. Dennoch sollte erkennbar werden, dass nicht jede Form von Arbeitszufriedenheit erstrebenswert ist, und dass Arbeitsunzufriedenheit nicht in allen Fällen etwas Negatives bedeuten muss - beides sowohl aus der Perspektive des Unternehmens als auch aus der des einzelnen Mitarbeiters.  Progressive Arbeitszufriedenheit stellt sich im Gefolge einer Erhöhung des individuellen Anspruchsniveaus ein. Den Hintergrund bildet die Erfahrung, dass Arbeit gute Möglichkeiten bietet, persönliche Ziele zu erreichen.  Um stabilisierte Arbeitszufriedenheit handelt es sich, wenn das bisherige Anspruchsniveau beibehalten wird. Die an den Beruf gerichteten Erwartungen haben sich erfüllt; es besteht kein Grund zur Unzufriedenheit. Künftige Ambitionen richten sich gegebenenfalls auf andere, außerhalb der Arbeit liegende Lebensbereiche.  Anders stellt sich die Situation im Fall von resignativer Arbeitszufriedenheit dar. Sie ergibt sich als Folge einer Absenkung des persönlichen Anspruchsniveaus. Voraus geht ihr die Wahrnehmung einer deutlichen Diskrepanz zwischen den eigenen (hohen) Erwartungen an die Arbeit und den (wahrgenommenen) tatsächlichen Möglichkeiten, die sie bietet. Eine Reduzierung des persönlichen Anspruchsniveaus schützt davor, das Selbstbild zu beschädigen. Mit anderen <?page no="97"?> 98 Personalmanagement im Mittelstand Worten: Unter bestimmten Umständen ist Arbeitszufriedenheit subjektiv herstellbar.  Bei Pseudoarbeitszufriedenheit schließlich wird das persönliche Anspruchsniveau trotz beträchtlicher Diskrepanzen zwischen den eigenen Erwartungen und dem im Beruf tatsächlich Erreichten beibehalten. Durch Problemverdrängung oder eine Verfälschung der Situationswahrnehmung - beides im Grunde genommen Formen von Selbstbetrug - ist es möglich, damit zurechtzukommen.  Fixierte Arbeitsunzufriedenheit ist das Ergebnis einer Beurteilung, die zu der Erkenntnis führt, dass es keine weiterführenden Lösungsmöglichkeiten - beispielsweise in Form eines Stellenwechsels - bezüglich der als unbefriedigend empfundenen Arbeitsbzw. Berufssituation gibt. Mit dieser Form des Unzufriedenseins ist bei Menschen zu rechnen, deren vergleichsweise hohe Frustrationstoleranz sie daran hindert, auf psychologische Abwehrmechanismen der geschilderten Art auszuweichen.  Um den Fall von konstruktiver Arbeitsunzufriedenheit handelt es sich schließlich, wenn Alternativen zur bisherigen Situation gesehen werden und aktiv versucht wird, eine befriedigende Lösung zu finden. Auch hier ist, gepaart mit einer stark ausgeprägten Veränderungsmotivation, eine ausreichend hohe Frustrationstoleranz erforderlich, um am ursprünglichen Anspruchsniveau festzuhalten. Lässt sich aus den vorgetragenen Differenzierungen etwas für personelles Gestalten Verwertbares gewinnen? Nun, wenn es darum geht, Mitarbeiter längerfristig an das Unternehmen zu binden, dann erlangt Wissen darum, wie es um deren Arbeitszufriedenheit bestellt ist, zweifellos Bedeutung. Ein geeignetes Instrument kann die Mitarbeiterbefragung sein. Anonymisiert durchgeführt, lässt sich damit ein Gesamtbild im Hinblick <?page no="98"?> Arbeitszufriedenheit 99 auf die Zufriedenheit der Belegschaft mit ihrer Arbeit gewinnen. Noch größere Bedeutung kommt dem Mitarbeitergespräch zu. Vom Betriebsverfassungsgesetz zwingend vorgeschrieben, kann es dazu dienen, ein Bild von der Zufriedenheit der einzelnen Mitarbeiter zu gewinnen (→ Kapitel 17). Faktorzufriedenheiten und Gerechtigkeitserfordernisse Bevor wir uns mit den auf einzelne Faktoren bzw. Bereiche der Arbeit - die Regelung der Arbeitszeit, Vergütungsfragen, Aspekte der Mitarbeiterführung etwa - bezogenen Zufriedenheitsempfindungen befassen, ist vorab darauf hinzuweisen, dass zwischen der Arbeits(un)zufriedenheit und der allgemeinen Lebenszufriedenheit im Sinne eines Persönlichkeitsmerkmals Zusammenhänge bestehen. Nicht überraschen kann dies allein schon wegen des hohen Zeitanteils der Arbeit und ihres gesellschaftlichen Stellenwerts. Auszugehen ist einerseits davon, dass die Arbeitszufriedenheit in aller Regel Einfluss auf die allgemeine Lebenszufriedenheit nimmt. Andererseits ist es ebenso wahrscheinlich, dass sich die Lebenszufriedenheit auf die Arbeitszufriedenheit auswirkt oder zumindest auswirken kann - Letzteres ein Sachverhalt, der Personalverantwortlichen gelegentlich beträchtliche Probleme beschert. Unabhängig davon kommt dem Tatbestand einige Bedeutung zu, dass Mitarbeiter mit bestimmten Merkmalen ihrer Arbeit (etwa mit ihrer Tätigkeit) vollauf zufrieden sind, während andere (beispielsweise die Lage der Arbeitszeit) als unbefriedigend empfunden werden oder keinerlei Auswirkungen auf ihre Zufriedenheitsempfindungen haben. Ähnliche Beurteilungen können sich auf das Vergütungssystem, die Beziehungen zu den Kollegen, den Führungsstil des Vorgesetzen, das Betriebsklima und Verschiedenes mehr beziehen. Weil all dies Merkmale bzw. Einzelfaktoren der Arbeit sind, die als mehr oder <?page no="99"?> 100 Personalmanagement im Mittelstand weniger befriedigend empfunden werden können, wollen wir von Faktorzufriedenheiten sprechen. Der so gewählte Begriff wird vermutlich als ungewohnt empfunden. Im Hinblick auf personelles Gestalten lenkt er - und darin liegt sein Wert - den Blick auf die Zufriedenheits- oder Unzufriedenheitswirkungen einzelner Faktoren (bzw. Bereiche) der Arbeitssituation. In Erfahrung gebracht werden können diese, wie oben bereits erwähnt, im Rahmen von Mitarbeiterbefragungen und insbesondere von Mitarbeitergesprächen. Nicht überraschend wäre es, dass im Rahmen von Mitarbeitergesprächen gelegentlich auch das Gerechtigkeitsthema berührt wird. Aus welchen Gründen auch immer: Mitarbeiter können sich ungerecht behandelt fühlen, und Unzufriedenheit ist eine geradezu zwangsläufige Folge. Gerecht bzw. fair behandelt zu werden, ist ein zutiefst menschliches Verlangen. Die Natur hat uns mit einem Sinn für Gerechtigkeit ausgestattet; einem Sinn, der sich bereits in der frühen Kindheit entwickelt. Innerhalb der Arbeitswelt kommt ihm unübersehbar große Bedeutung zu; ein Tatbestand, dem folglich auch im Rahmen personellen Gestaltens auf angemessene Weise Rechnung zu tragen ist. Wann aber empfinden sich Mitarbeiter als gerecht, wann als ungerecht behandelt? Um darauf eine Antwort geben zu können, wollen wir die Frage ein wenig umformulieren: Wann fühlen sie sich ungleich behandelt? Sie lenkt erstens den Blick auf die in diesem Zusammenhang stattfindenden Vergleichsprozesse. Zweitens steht damit die weiterführende Frage im Raum, was da eigentlich verglichen wird und mit wem man sich vergleicht. Letzteres sind in der Regel andere Personen. Im Hinblick auf Arbeitszufriedenheit handelt es sich vor allem (aber nicht ausschließlich) um die unmittelbaren Kollegen am Arbeitsplatz. <?page no="100"?> Arbeitszufriedenheit 101 Die primäre Beschränkung auf das nähere Umfeld ergibt sich vor allem daraus, dass man hier recht gut darüber informiert ist, was andere leisten (Einsätze) und was sie dafür erhalten (Erträge). Damit deutet sich zugleich an, was verglichen wird - die eigenen Einsätze und Erträge mit den Erträgen und Einsätzen von Vergleichspersonen. Unter den eigenen Einsätzen und denen von Vergleichspersonen sind insbesondere Fähigkeiten und Kenntnisse gemeint, die in die Arbeit eingebracht werden. Dabei kann es sich beispielsweise um das Bildungsniveau und das Dienst- oder Lebensalter handeln. Eigene Erträge und die anderer schlagen sich vor allem in der Höhe der Vergütung nieder, gegebenenfalls aber auch in Sonderzahlungen oder in einer Beförderung. Die Einsatz-Ertrags-Bilanz, also das Ergebnis solcher Vergleichsprozesse, kann sich nun im Prinzip in zwei Richtungen im Ungleichgewicht befinden. Mit Unzufriedenheit ist dann zu rechnen, wenn man zu einem für sich selbst nachteiligen Ergebnis kommt und sich damit ungerecht behandelt fühlt. Wird die Bilanz dagegen als für die eigene Person vorteilhaft empfunden, dann besteht natürlich kein Grund zur Unzufriedenheit, aber es kann sich - dies vielleicht nur kurzfristig - ein Gefühl des Unbehagens einstellen. Nicht sich selbst, sondern andere empfindet man in diesem Fall als ungerecht behandelt. Die angestellten Überlegungen lassen sich in erster Linie auf mögliche Unzufriedenheitswirkungen des im Unternehmen zur Anwendung kommenden Entgeltsystems beziehen (→ Kapitel 16). Mitarbeiter können sich aber auch gegenüber dem einen oder anderen Kollegen vom gemeinsamen Vorgesetzten als ungerecht behandelt empfinden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es sich stets um subjektive Empfindungen handelt. Das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, kann sich also durchaus auch als Ergebnis von Fehleinschätzungen ergeben. Unternehmensseitig erfordert dies selbstverständlich ei- <?page no="101"?> 102 Personalmanagement im Mittelstand nen anderen Umgang mit der von einem Mitarbeiter zum Ausdruck gebrachten Unzufriedenheit. Derartige Bekundungen können neben Gestaltungsbedarf also auch Aufklärungsbedarf signalisieren; Letzteres dann, wenn gute Gründe für die ungleiche Behandlung von Mitarbeitern sprechen - und solche gibt es in der Arbeitswelt nicht wenige. Vergleichsprozesse der geschilderten Art finden primär zwischen den Kollegen am Arbeitsplatz statt. Darüber hinaus können sie aber auch einen ganz anderen Hintergrund haben. So kann es insbesondere das Wissen oder die bloße Vermutung sein, dass ein anderes Unternehmen bei vergleichbaren Arbeitsbedingungen höhere Löhne oder Gehälter zahlt. Es handelt sich hier um eine für Teile mittelständischer Unternehmen nicht untypische Situation, wenn sie es mit Großunternehmen als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt zu tun haben. Arbeits(un)zufriedenheit und Arbeitsleistung Die Vorstellung, dass es sich bei der Arbeitszufriedenheit um eine wichtige Voraussetzung für Arbeitsleistung - und hier insbesondere für Leistungsbereitschaft - handelt, kommt dem Alltagsverstand außerordentlich stark entgegen. Aber nicht nur das: Für Vorgesetzte ist es viel angenehmer, ihr Augenmerk auf (wie auch immer geartetes) Zufriedenheitsmanagement zu richten, als sich mit Problemen nicht ausreichender Leistung befassen zu müssen. So plausibel sie sich anhört und so angenehm sie für Vorgesetzte erscheinen mag - es handelt sich um eine allzu schlichte Vorstellung. Durch empirische Untersuchungen ist sie längst widerlegt, und es gibt auch ein (hoffentlich) schlagartig überzeugendes Argument, weshalb das so ist: Warum beispielsweise sollte ein Mitarbeiter eine hohe Leistungsbereitschaft an den Tag legen, wenn er mit dem, was er rund um seinen Arbeits- <?page no="102"?> Arbeitszufriedenheit 103 platz vorfindet, vollauf zufrieden ist? Erinnern wir uns an den Fall von stabilisierter Arbeitszufriedenheit. Stabilisiert zufriedene Mitarbeiter sind nicht zwangsläufig diejenigen, von denen sich Unternehmen am liebsten trennen würden. Von ihnen ist lediglich nicht zu erwarten, dass sich ihr berufliches Engagement durch Leistungsanreize irgendwelcher Art nennenswert steigern lässt. Wir würden auch zögern, in solchen Fällen von ‚innerer Kündigung‘ zu sprechen, die sie vollzogen haben. Sie sind einfach zufrieden mit dem, was sie erreicht haben. Vielleicht geht es unternehmensseitig also nicht ausschließlich um ein Hinwirken auf Zufriedenheit, sondern vorrangig um das Vermeiden von Unzufriedenheit. Denn Arbeitsunzufriedenheit wirkt sich ohne jeden Zweifel negativ auf die Arbeitsleistung aus und steigert darüber hinaus die Neigung zu Absentismus und Fluktuation (→ Kapitel 13). Über subtile psychologische Abwehrmechanismen und Problemverdrängungen mündet sie - die Arbeitsunzufriedenheit - in manchen Fällen in resignative Arbeitszufriedenheit und Pseudoarbeitszufriedenheit. Beides erscheint weder aus mitarbeiternoch unternehmensseitiger Sicht wünschenswert. Wie aber ist der Fall von konstruktiver Arbeitsunzufriedenheit zu beurteilen? Zunächst handelt es sich dabei um einen zusätzlichen Beleg dafür, dass Arbeitszufriedenheit keine zwingende Voraussetzung für eine angemessen hohe Leistungsbereitschaft darstellt. Charakterisiert wurde sie durch das Erfordernis von hoher Frustrationstoleranz und Veränderungsbereitschaft. Aus Unternehmenssicht stellt sich die Sachlage jedoch nicht unproblematisch dar. Sieht man einmal von der Möglichkeit eines unternehmensinternen Stellenwechsels ab, so bedeutet Veränderungsbereitschaft, dass sie bei passender Gelegenheit (→ Kapitel 13) das Unternehmen verlassen werden. In einem eindeutig positiven Zusammenhang mit der Arbeitsleistung steht die Erscheinungsform der progressiven Arbeits- <?page no="103"?> 104 Personalmanagement im Mittelstand zufriedenheit. Sie wurde auf eine Weise beschrieben, die deutlich signalisiert, worauf es ankommt: Mitarbeiter müssen die Erfahrung machen können, dass ihre Arbeit gute Möglichkeiten bietet, ihre persönlichen Ziele zu erreichen. Wir kommen also zu dem Ergebnis, dass es sich bei Arbeitszufriedenheit um eine Folge von Arbeitsleistung und der damit erreichten persönlichen Ziele handelt und meinen, dass es sich dabei um eine für das ‚Zufriedenheitsmanagement‘ nützliche Erkenntnis handelt. <?page no="104"?> 10 Mitarbeiterbedarf planen Im „Lied von der Unzulänglichkeit“ heißt es Ja, mach nur einen Plan sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch ´nen zweiten Plan Gehn tun sie beide nicht. Wenn im Folgenden verschiedenen Facetten der Mitarbeiterbedarfsplanung nachgegangen wird, dann sollten wir uns von Bert Brechts ironischem Urteil bezüglich der Möglichkeiten des Planens nicht einschüchtern lassen. Seine Skepsis bezüglich des ‚Blicks in die Zukunft‘ ist gleichwohl im Auge zu behalten. Anmerken wollen wir an dieser Stelle ferner, dass beginnend mit Kapitel 10 und in den folgenden drei weiteren Kapiteln Fragen behandelt werden, die die personelle Verfügbarkeit betreffen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht handelt es sich bei der Planung um Prozesse des Festlegens der Ziele des Unternehmens und der Methoden, um diese zu erreichen. Planung steht, dies können wir der so gewählten Begriffsbestimmung entnehmen, im Dienst der Unternehmensführung und macht neben Steuerung und Kontrolle einen ihrer Teilbereiche aus. Eine Stufe tiefer ist die Personalbzw. Mitarbeiterplanung einzuordnen, und bei der Planung des Mitarbeiterbedarfs handelt es sich um eine ihrer möglichen ‚Unterabteilungen‘. Ihr kommt die Aufgabe zu, Informationen bezüglich einer kurz-, mittel- und langfristig angestrebten Personalstruktur zu liefern; dies sowohl in quantitativer, qualitativer, zeitlicher und ggf. auch in örtlicher Hinsicht; Letzteres dann, wenn es sich um ein <?page no="105"?> 106 Personalmanagement im Mittelstand aus mehreren örtlich getrennten Betrieben bestehendes Unternehmen handelt. Wir sind uns dessen bewusst, dass diese Beschreibung nicht eben idealtypisch auf die Verhältnisse der meisten mittelständischen Unternehmen zugeschnitten ist. Gleichzeitig meinen wir, dass sich der oben angeführten Definition nützliche Hinweise entnehmen lassen, worauf sich die Planungsüberlegungen gegebenenfalls zu richten haben. Insofern kommt ihr eine Sensibilisierungsfunktion zu - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Reichweiten der Planung Zweckmäßigkeitsüberlegungen führen zunächst zur Unterscheidung zwischen kurzfristiger, mittelfristiger und langfristiger Planung. Im Hinblick auf den Mitarbeiterbedarf heißt dies: Die Planung des kurzfristigen Mitarbeiterbedarfs betrifft üblicherweise einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten und orientiert sich damit am Geschäftsjahr. Es handelt sich um einen Planungshorizont, der relativ sichere Bedarfsprognosen erlaubt. Mittelfristige Mitarbeiterbedarfsplanung erstreckt sich nach allgemeinem Verständnis auf einen Zeitraum von bis zu drei Jahren. Wir wollen dabei unterstellen, dass der so festgelegte Horizont es erlaubt, die personellen Auswirkungen von absehbaren zwischenzeitlichen Veränderungen im Unternehmen einigermaßen treffsicher abzuschätzen. An die Seite von quantitativen Anpassungsmaßnahmen treten hier in aller Regel solche, die dem Bereich der qualitativen Bedarfsplanung zuzurechnen sind. Die langfristige Mitarbeiterbedarfsplanung reicht über drei Jahre hinaus. Angesichts der damit zwangsläufig wachsenden Prognoseunsicherheit kann es sich innerhalb dieses <?page no="106"?> Mitarbeiterbedarf planen 107 Horizonts lediglich um eine Grobplanung handeln, die - zweckmäßigerweise in Abstimmung mit der Investitions- und Absatzplanung sowie ggf. mit weiteren Planungsbereichen - zu erfolgen hat. Größere Veränderungen innerhalb des Unternehmens oder von dessen Umwelt erzwingen dabei unter Umständen Anpassungen der Planungsziele. Faktisch sind die Übergänge zwischen diesen drei Planungszeiträumen fließend. Zudem können sie von Branche zu Branche unterschiedlich verlaufen. Personalbewegungen im Planungszeitraum Der auf einen zukünftigen Zeitpunkt bezogene Mitarbeiterbedarf hängt zunächst von der Höhe des momentanen Personalbestands ab. Im Zusammenhang mit der Planung des künftigen (quantitativen) Personalbedarfs ist dies, weil unmittelbar gegenwartsbezogen, die einzig wirklich problemlos zu ermittelnde Größe. Innerhalb des Planungszeitraums finden, vom momentanen Personalbestand ausgehend, Personalbewegungen in Form von Abgängen und Zugängen statt. Zahlreiche Informationen über die im Planungszeitraum zu erwartenden Personalabgänge liefert die Altersstruktur der Mitarbeiter. Die aus deren Analyse zu gewinnenden Informationen sind einfach zu erlangen. Zudem sind sie vergleichsweise verlässlich. Insbesondere im Fall von kleinen und kleinsten Unternehmen ermöglichen sie einen schnellen und vor allem auch häufig ausreichend genauen Überblick hinsichtlich des sich im Planungszeitraum abzeichnenden Handlungsbedarfs. Da hier mit dem altersbedingten Ausscheiden von nur wenigen Mitarbeitern zu rechnen ist, können die erforderlichen Fähigkeiten des sie ersetzenden Personals gleichsam ‚mitbedacht‘ werden. <?page no="107"?> 108 Personalmanagement im Mittelstand Mit zunehmender Unternehmensgröße empfiehlt sich der Aufbau einer Personaldatenbank bzw. eines Personalinformationssystems. Neben der Altersstruktur lassen sich dort auch Daten über vorhandene und wünschenswerte Qualifikationen erfassen sowie zahlreiche weitere Differenzierungen vornehmen. Derartige Systeme sind computergestützt und in Form eines mittlerweile breiten Angebots an Standardsoftware verfügbar, die auf mittelständische Erfordernisse ausgerichtet ist. Personalabgänge, teilweise auch nur zeitweiliger Art, ergeben sich nicht nur aufgrund des altersbedingten Ausscheidens von Mitarbeitern, sondern auch wegen längerer Krankheit, Invalidität oder Tod sowie als Folge einer zeitweiligen Unterbrechung der Berufstätigkeit. Ferner bleibt es nicht aus, dass seitens des arbeitgebenden Unternehmens Kündigungen ausgesprochen werden (müssen). Ein weiterer Personalbedarf ergibt sich als Folge von Mitarbeiterfluktuation, was ebenfalls eine Form von Personalbewegungen ist. Diese Thematik verdient vor allem deshalb eine vertiefte Behandlung, weil Stellenwechsel unterschiedliche Ursachen haben können und damit seitens des beschäftigenden Unternehmens auch unterschiedlich zu handhaben sind (→ Kapitel 13). Im Hinblick auf das Fluktuationsphänomen verfügen Unternehmen in der Regel über Erfahrungswerte, die bis zu einem gewissen Grad in die Personalbedarfsplanung einfließen können. Allerdings ist in Rechnung zu stellen, dass diese Werte in aller Regel Schwankungen im Zeitablauf unterworfen sind. Herausgehobene Bedeutung kommt dabei der konjunkturellen Situation zu. Ferner ist davon auszugehen, dass im Zuge des gesellschaftlichen Wertewandels mit einem veränderten ‚Bindungsverhalten‘ zu rechnen ist (→ Kapitel 4). Auch hier wollen wir weitergehenden Überlegungen nicht vorgreifen, sondern lediglich darauf hinweisen, dass ab einer bestimmten Un- <?page no="108"?> Mitarbeiterbedarf planen 109 ternehmensgröße das Führen einer Fluktuationsstatistik angebracht sein kann (→ Kapitel 13). Personalzugänge im Planungszeitraum sind in erster Linie die in ihm stattfindenden Einstellungen neuer Mitarbeiter, Vorgänge der Mitarbeitergewinnung also (→ Kapitel 11). Auch die Übernahme von Auszubildenden in ein normales Beschäftigungsverhältnis gehört in diesen Zusammenhang. Berücksichtigung eines Reservebedarfs zum Ausgleich von Fehlzeiten Für kleine und kleinste mittelständische Unternehmen ist das (explizite) Vorhalten eines Reservebedarfs an Mitarbeitern zum Ausgleich von Fehlzeiten in aller Regel Luxus pur. Unabhängig davon, ob die Bezeichnung tatsächlich benutzt und wie dieser Bedarf gedeckt wird: Mittelgroße und vor allem große mittelständische Unternehmen kommen um das Thema nicht herum. Die Gründe für das Auftreten von Fehlzeiten (gelegentlich auch: Ausfallzeiten) sind vielfältig. Sie und die zu ihrem Ausgleich anfallenden Kosten sind zum großen Teil nicht zu vermeiden. Mitarbeiter haben ein Recht auf Erholungs- und teilweise auch auf Bildungsurlaub. Sie erscheinen für eine gewisse Zeit krankheits- oder unfallbedingt nicht am Arbeitsplatz. Auch Fortbildungs- und Schulungsmaßnahmen führen dazu. Und weiterhin: Die Mutterschutzfrist beginnt sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin und endet acht Wochen nach der Entbindung; bei Früh- und Mehrlingsgeburten gelten über diesen Zeitraum hinausgehende Sonderregelungen. Schließlich besteht ein Recht zur Inanspruchnahme von Elternzeit. Daneben gibt es Fehlzeiten, die ‚motivational bedingt‘ sind: Mitarbeiter erscheinen nicht am Arbeitsplatz, obwohl sie es, da <?page no="109"?> 110 Personalmanagement im Mittelstand nicht wirklich krank oder wegen eines Unfalls gehindert, durchaus könnten. Diese Form der Abwesenheit wird auch als Absentismus bezeichnet. Dass ein ärztliches Attest vorgelegt wird, heißt dabei unter Umständen wenig. Auch für Ärzte ist es teilweise nicht einfach, das Vorliegen einer Krankheit treffend zu diagnostizieren. Darüber hinaus werden, aus welchen Gründen auch immer, Gefälligkeitsatteste ausgestellt. Absentismus kann allerdings auch ein Hinweis auf Arbeitsunzufriedenheit sein. Für Unternehmen ist dies Anlass, den dafür maßgeblichen Gründen nachzugehen. Da es sich hierbei um ein vielschichtiges Problem handelt, werden wir darauf in dem der Mitarbeiterbindung gewidmeten Kapitel zurückkommen. Auch die Möglichkeit, Absentismus mit Anwesenheitsanreizen in Grenzen zu halten, wird dort zu diskutieren sein (→ Kapitel 13). Um sich einen Eindruck vom Umfang der Fehlzeiten zu verschaffen, können Kennzahlen gebildet werden. Arbeitszeitbezogen sind sie dann, wenn die Anzahl der Fehlstunden/ -tage durch die Sollarbeitsstunden/ -tage dividiert wird. Sie sind stets auf einen bestimmten Zeitraum - üblicherweise auf das Jahr oder ein Quartal - bezogen. Im Unterschied dazu stellen personenbzw. gruppenbezogene Kennzahlen auf Zeitpunkte ab. Im einfachsten Fall geht es beispielsweise darum, den Fehlstand an einem bestimmten Arbeitstag zu ermitteln, also die Anzahl der an diesem Tag Abwesenden durch den gesamten Sollbestand zu teilen. Differenzierungen sind z.B. dadurch möglich, dass eine abteilungsbezogene Erfassung erfolgt. Ursachenbezogene Kennzahlen schließlich berücksichtigen nicht nur das Ausmaß, sondern auch die Gründe für das Zustandekommen von Fehlzeiten. Besondere Bedeutung kommt dabei der erwähnten Unterscheidung zwischen krankheitsbedingter und motivational bedingter Abwesenheit zu - was im Zweifelsfall allerdings nur schwer voneinander zu trennen ist. <?page no="110"?> Mitarbeiterbedarf planen 111 Die Rede von einem Reservebedarf suggeriert, dass Personal zu dem alleinigen Zweck eingestellt wird, um Mitarbeiter für die Zeit ihrer Abwesenheit zu ersetzen. Idealtypisch verwirklicht ist dies im sogenannten Springersystem. Zur Anwendung kommt es schwerpunktmäßig bei getakteten Produktionslinien, wo der Ausfall eines einzigen Mitarbeiters den Ablauf an der gesamten Linie gefährden würde. Für mittelständische Unternehmen ist dies eine eher untypische Situation. Fehlzeiten sind aber auch hier an der Tagesordnung. Ausgeglichen werden sie häufig dadurch, dass Kollegen die Arbeit der Abwesenden durch Ableisten von Überstunden oder durch Arbeitsverdichtung übernehmen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass darunter deren Motivation und Zufriedenheit leiden kann. Auch Auszubildende, die sich in einem fortgeschrittenen Stadium ihrer Ausbildung befinden, können in mittelständischen Unternehmen Vertretungen für fehlende Mitarbeiter übernehmen. Unter Umständen muss sogar auf Leiharbeit zurückgegriffen werden. Als Fazit wollen wir festhalten, dass die Planung des Mitarbeiterbedarfs in weiten Teilen des Mittelstands auf enge Grenzen stößt. Teilweise kann hier mit zu Kennzahlen verdichteten Erfahrungswerten aus der Vergangenheit gearbeitet werden. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Absentismusproblematik, dies angesichts des Tatbestands, dass die motivational bedingte Abwesenheit ein Indiz für Unzufriedenheit ist oder zumindest sein kann. Insofern empfiehlt es sich, der Absentismusprophylaxe einen hohen Stellenwert im Rahmen personellen Gestaltens einzuräumen. In den folgenden Kapiteln werden sich zahlreiche Gelegenheiten bieten, diesen Hinweis zu untermauern. <?page no="112"?> 11 Mitarbeiter gewinnen In Fortsetzung der im vorangehenden Kapitel angestellten Überlegungen beschäftigen wir uns im Weiteren mit Aktivitäten, die in der Absicht unternommen werden, Personalzugänge herbeizuführen. Sie betreffen das Tagesgeschäft des (mittelständischen) Personalmanagements und sind insofern gegenwartsbezogen. Vielfach ist dabei von Personalbeschaffung, Personalbereitstellung oder Personalrekrutierung die Rede. Um den Besonderheiten von lebendiger Arbeit Rechnung zu tragen, sprechen wir im Folgenden von Mitarbeitergewinnung. Das empfiehlt sich auch aus einem pragmatischen Grund. Seit geraumer Zeit und vermutlich auch in der näheren Zukunft ist hierzulande von einem Arbeitnehmermarkt auszugehen (→ Kapitel 3). Vielleicht deutlichstes Indiz dafür ist der schon erwähnte Fachkräftemangel, der sich im Mittelstand besonders gravierend bemerkbar macht. Viele Unternehmen haben es darüber hinaus sehr schwer, Mitarbeiter zu finden, die vergleichsweise einfache Arbeiten zu verrichten bereit sind. In dieser Situation erscheint es allein von der Wortwahl her unpassend, Personal beschaffen, bereitstellen oder rekrutieren zu wollen. Arbeitgeber müssen sich vielmehr einiges einfallen lassen, um Mitarbeiter für ihr Unternehmen zu gewinnen. Dies hat in der jüngeren Vergangenheit zu einem bemerkenswerten Wandel im Hinblick auf die dabei zur Anwendung kommenden Methoden geführt. Schauplätze der Mitarbeitergewinnung Ein personeller Bedarf entsteht, wenn es entweder darum geht, eine aus irgendwelchen Gründen frei gewordene wieder oder <?page no="113"?> 114 Personalmanagement im Mittelstand eine neu geschaffene Stelle erstmals zu besetzen. In beiden Fällen müssen dabei die erforderlichen Qualifikationen der künftigen Stelleninhaber berücksichtigt werden. Der Mitarbeiterbedarf kann erstens unternehmensextern auf dem Arbeitsmarkt gedeckt werden. Als zweite Möglichkeit kommt eine Besetzung offener Stellen aus den eigenen Reihen in Betracht. Dabei hat letzterer - der interne Arbeitsmarkt also - aus mindestens drei Gründen zunächst einmal Vorrang. Der erste Grund besteht darin, dass Mitarbeiter erwarten, sich innerhalb ‚ihres‘ Unternehmens um eine frei gewordene oder neu zu besetzende Stelle bewerben zu können. Werden diese Erwartungen enttäuscht, führt dies mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Unzufriedenheit und deren Auswirkungen auf Fluktuation, Absentismus und ihre allgemeine Leistungsbereitschaft. Veränderungs- und damit gegebenenfalls verbundenen Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb des Unternehmens wohnt zweitens ein beträchtliches Motivationspotenzial inne; ein Tatbestand, der in späteren Kapiteln noch weiter zu belegen sein wird. Aus Unternehmenssicht ist die interne Besetzung frei gewordener oder neuer Stellen drittens deshalb von Vorteil, weil damit der Einarbeitungs- und Eingliederungsaufwand reduziert wird oder sogar ganz entfällt (→ Kapitel 12). Zu berücksichtigen ist ferner, dass gemäß Betriebsverfassungsgesetz der Betriebsrat eine innerbetriebliche Ausschreibung von zu besetzenden Arbeitsplätzen verlangen kann, auch wenn das nicht zwangsläufig bedeutet, dass ein interner Bewerber bei der späteren Auswahlentscheidung vorrangig zu berücksichtigen ist. Die Besetzung freier Stellen aus den eigenen Reihen kann sich allerdings dahingehend nachteilig bemerkbar machen, dass dem Unternehmen zu wenig neues Wissen zufließt. Ferner <?page no="114"?> Mitarbeiter gewinnen 115 kommt es möglicherweise zu Spannungen innerhalb der Belegschaft, wenn mehrere interne Bewerber um eine Stelle konkurrieren. Zudem entsteht durch eine unternehmensinterne Besetzung freier Stellen im Unternehmen in der Regel ein Personalbedarf an einem anderen Ort - und spätestens dann kommt der externe Arbeitsmarkt als Schauplatz der Mitarbeitergewinnung ins Spiel. In → Kapitel 3 haben wir ihn als einen in mehrfacher Hinsicht unvollkommenen Markt kennengelernt und dies als Begründung für zahlreiche staatliche Eingriffe angeführt. Die weitere Darstellung konzentriert sich auf ausgewählte Zielgruppen, weil sich damit den Eigenheiten, Problemen und Prioritäten der Mitarbeitergewinnung im Mittelstand pointiert Rechnung tragen lässt. Auf zwei Unterpunkte verteilt, befassen wir uns mit Auszubildenden, älteren Arbeitnehmern und zugewanderten Arbeitskräften. Damit wird nicht übersehen, dass es viele weitere Zielgruppen gibt, die selbstverständlich ebenfalls im Fokus der Personalgewinnung stehen - Führungskräfte, Arbeitnehmer ohne eine berufliche Ausbildung, kaufmännisch oder technisch Ausgebildete usw. Auszubildende als Zielgruppe Warum, so wollen wir eingangs fragen, ist der Mittelstand Ausbilder der Nation? Zahlen für das Jahr 2018 belegen es: Presseberichten zufolge lernen etwa 90 Prozent der Azubis (wie Auszubildende in Kurzform genannt werden) in kleinen und mittleren Unternehmen; rechnet man große Mittelständler noch hinzu, sind es sogar noch mehr. Es ist also völlig korrekt zu sagen, dass der Mittelstand den weitaus größten Teil der Berufsausbildung in Deutschland schultert. Dabei bildet keineswegs jedes mittelständische Unternehmen aus. Es sind lediglich etwa 13 Prozent. Dass dabei die Größe der <?page no="115"?> 116 Personalmanagement im Mittelstand Unternehmen ein Rolle spielt, kann kaum überraschen: Je kleiner sie sind, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass Auszubildende einen Teil der Belegschaft ausmachen. Berufliche Erstausbildung findet ganz überwiegend in Unternehmen ab 50 Mitarbeitern statt. Damit ist die Frage, warum sich der Mittelstand mit Fug und Recht als Ausbilder der Nation bezeichnen kann, noch nicht beantwortet. Schließlich ist die Hinführung von Jugendlichen zum Beruf für Unternehmen - drücken wir es ruhig ein wenig salopp aus - kein Zuckerschlecken. Nun, wenn sie sich dieser Aufgabe annehmen, dann stehen dahinter primär wirtschaftliche Beweggründe. Mit anderen Worten: Getragen wird die von mittelständischen Unternehmen in großem Umfang betriebene berufliche Erstausbildung von der Hoffnung, zumindest einen Teil der Auszubildenden später in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernehmen zu können. In diesem Sinn handelt es sich bei ihnen um potenzielle Mitarbeiter. In nicht wenigen Fällen wird diese Hoffnung auf harte Proben gestellt. Dem Berufsbildungsbericht 2018 ist zu entnehmen, dass im Jahr 2016 jeder vierte Ausbildungsvertrag aufgelöst wurde. Es lohnt sich den für die Auflösung angeführten Gründen nachzugehen: Die Abbrecher unter den Auszubildenden führen besonders häufig Konflikte mit Vorgesetzten, mangelnde Ausbildungsqualität, ungünstige Arbeitsbedingungen oder unzutreffende Berufsvorstellungen an. Nur Letzteres ist eindeutig ihnen selbst zuzurechnen. Betriebe hingegen verweisen auf unzureichende Ausbildungsleistungen der Auszubildenden, fehlende Motivation oder mangelnde Bereitschaft, sich in das Betriebsgeschehen zu integrieren. Dabei muss eine vorzeitige Auflösung von Berufsausbildungsverträgen nicht immer auf einen endgültigen Abbruch jedweder Berufsausbildung hinauslaufen. Angesichts eines gestiegenen Angebots an Ausbildungsplätzen besteht vielfach die Mög- <?page no="116"?> Mitarbeiter gewinnen 117 lichkeit, relativ problemlos in ein anderes Ausbildungsverhältnis zu wechseln. Die Begründungen für den Abbruch der beruflichen Erstausbildung lassen sich unabhängig davon, von welcher Seite sie vorgebracht werden, natürlich fast durchweg hinterfragen. Sind es möglicherweise übersteigerte Ansprüche, unrealistische Vorstellungen oder eine unzureichende schulische Vorbildung seitens zahlreicher Auszubildender, die dazu führen? Wird von den ausbildenden Unternehmen wirklich überall genug getan, damit Jugendlichen der Einstieg in das Berufsleben hinreichend attraktiv erscheint? Und weiter gefragt: Welche Art von Unterstützung erfahren in der Ausbildung befindliche Jugendliche seitens ihrer Eltern, wenn erste Anzeichen auftauchen, dass sich zwischen den eigenen Erwartungen und den unternehmensseitigen Anforderungen Lücken auftun? Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an die Ausführungen zum Wertewandel in → Kapitel 4. Sie sollten helfen, die besorgniserregend hohen Abbruchquoten realistisch einzuordnen und daraus Schlüsse für das eigene Unternehmen zu ziehen. Nützlich könnte es auch sein, Informationen über die Branchenverhältnisse einzuholen. Dem im Internet problemlos abzurufenden Bericht, aus dem oben zitiert wurde, können sie entnommen werden. Ferner informieren darüber auch verschiedene Branchenverbände. Als Fazit ist an dieser Stelle festzuhalten, dass ein Teil der Ursachen für die hohen Abbruchquoten bei der beruflichen Erstausbildung außerhalb der Einflussmöglichkeiten mittelständischer Unternehmen liegt; vermutlich ist es der größere Teil. Unbeschadet dessen lohnt es sich, jenen (verbleibenden) Gründen für den Abbruch der Lehre nachzuspüren, die im ausbildenden Unternehmen zu verorten sind. Eine in jüngerer Zeit stark angewachsene Sondergruppe der Auszubildenden stellen Studienabbrecher dar. Nahtlos an die <?page no="117"?> 118 Personalmanagement im Mittelstand Ausführungen zur Situation in der beruflichen Erstausbildung anknüpfend lässt sich feststellen: Auch das Studium wird häufig abgebrochen; dies übrigens ähnlich oft wie eine Lehre. Als Alternative bietet sich die Aufnahme einer beruflichen Ausbildung an. Und dieser Weg wird in der Regel auch beschritten. Die höchsten Abbruchquoten haben dabei die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Natur- und Technikwissenschaften) zu verzeichnen. In ihnen werden die jungen Studenten offensichtlich mit für sie überraschend hohen Anforderungen konfrontiert, denen sie sich häufig nicht gewachsen fühlen. Über sämtliche Studiengänge hinweg spielen ferner finanzielle Gründe und Motivationsprobleme für den Abbruch eine Rolle. Letztere ergeben sich in der Regel daraus, dass die ursprünglichen Vorstellungen vom gewählten Studienfach nicht eingelöst wurden. Speziell für das Handwerk sind Studienaussteiger eine vielversprechende Fachkräftequelle. So jedenfalls formuliert es der Zentralverband des deutschen Handwerks und verweist auf speziell entwickelte Laufbahnkonzepte, die zielgerichtet zum Handwerksmeister führen. Studienabbrechern bieten sich aber auch über eine Ausbildung in handwerklichen Berufen hinaus und quer durch die verschiedenen Wirtschaftsbereiche viele weitere Möglichkeiten. Wer sich im Internet orientiert, findet dort zahlreiche Angebote; alles Indizien dafür, dass Studienaussteiger offensichtlich eine umworbene Zielgruppe der Mitarbeitergewinnung mittelständischer Unternehmen darstellen. Ältere Arbeitnehmer und zugewanderte Arbeitskräfte als Zielgruppen Ältere Arbeitnehmer hatten es lange Zeit schwer, einen ihren Fähigkeiten angemessenen neuen Arbeitsplatz zu finden. Einkommens- und Statusverluste waren die Regel. Viele Unter- <?page no="118"?> Mitarbeiter gewinnen 119 nehmen, und hier insbesondere die großen unter ihnen, folgten - und folgen teilweise auch noch heute - einer Leitlinie, die auf Verjüngung ihrer Belegschaften abzielt. Den Gründen muss hier nicht explizit nachgegangen werden; fest steht, dass sich unter dem Eindruck akuten Arbeitskräftemangels ältere Arbeitnehmer im personalpolitischen Kalkül speziell mittelständischer Unternehmen zwischenzeitlich einen deutlich höheren Stellenwert erlangt haben. Als ‚älter‘ gilt in der Regel die Gruppe der ab 50bis 55- Jährigen. Aus Untersuchungen der Bundesagentur für Arbeit war die Arbeitslosenquote Älterer (hier: ab 55-Jähriger) in der jüngeren Vergangenheit rückläufig; ein Indiz dafür, dass diese Altersgruppe verstärkt in den Fokus der Mitarbeitergewinnung gerückt ist. Es waren nicht nur ökonomische Gründe, weshalb ältere Mitarbeiter am Arbeitsmarkt zeitweilig ins Hintertreffen geraten sind. Vielmehr ging man mit einer gewissen Selbstverständlichkeit davon aus, dass Älterwerden zwangsläufig mit Verlusten verbunden ist - Verlusten an physischer Kraft, Lernfähigkeit, Anpassungsbereitschaft und Anpassungsvermögen. Eine Rolle spielt hier ferner eine erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten. Teilweise sind dabei Vorurteile im Spiel. Die Gerontologie, auch Altersforschung genannt, vermittelt ein wesentlich differenzierteres Bild und nötigt dazu, mit ihnen und der damit einhergehenden Stigmatisierung älterer Arbeitnehmer aufzuräumen. Erforderlich ist insbesondere, den Blick nicht einseitig auf altersbedingte Verluste zu fokussieren, sondern ihn auch auf die besonderen Kompetenzen zu lenken, über die jüngere Mitarbeiter logischerweise nicht verfügen können. Gemeint ist ihr Erfahrungswissen, das sie im Laufe ihres Berufslebens erworben haben und von dem Unternehmen im nicht zu unter- <?page no="119"?> 120 Personalmanagement im Mittelstand schätzenden Umfang zu profitieren vermögen. In → Kapitel 15 wird sich die Gelegenheit ergeben, dies weiter zu präzisieren. Zugewanderte Arbeitskräfte, mit denen wir uns abschließend befassen wollen, sind mittlerweile zu einem den bundesrepublikanischen Arbeitsmarkt (mit)prägenden Faktor geworden. Dies rechtfertigt es, sie als Zielgruppe der Mitarbeitergewinnung zu betrachten. Hintergrundfaktoren der stattgefundenen und stattfindenden Zuwanderungen sind die uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit für die osteuropäischen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die Schuldenkrise in einigen EU-Ländern und die Fluchtmigration. Folge davon ist eine (in seinem Umfang allerdings kaum genau zu beziffernde) Zunahme des Arbeitskräfteangebots. Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche mittelständische Unternehmen mit dieser Zielgruppe bereits Erfahrung gemacht haben. Mangelnde Sprachkenntnisse und Mentalitätsunterschiede dürften die Hauptgründe sein, weshalb sie in vielen Fällen ernüchternd sind. Davon ist überwiegend im Hinblick auf Arbeitskräfte aus den sogenannten nichteuropäischen Asylherkunftsländern - Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien - auszugehen. Rein zahlenmäßig bilden sie den größten Teil der Zugewanderten. Ferner machen sich hier die weitestgehend fehlenden Sprachkenntnisse und die erwähnten Mentalitätsunterschiede besonders gravierend bemerkbar. Aber es wird auch über positive Erfahrungen berichtet. Laut Erhebungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hatten beispielsweise 25 Prozent der seit 2015 nach Deutschland gekommenen Fluchtmigranten im Jahr 2018 eine Arbeit. Viele von ihnen üben Tätigkeiten aus, bei denen gute Deutschkenntnisse nicht zwingend erforderlich sind. Etwa jeder Fünfte ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Setzt sich der Beschäftigungszuwachs fort, könnten - so die Schät- <?page no="120"?> Mitarbeiter gewinnen 121 zung - in absehbarer Zeit die Hälfte der Zuwanderer eine Arbeit haben. Das Gastgewerbe und Dienstleistungsunternehmen sind die häufigsten Arbeitgeber, während in der Industrie bislang die wenigsten Flüchtlinge einen Arbeitsplatz finden. Die meisten üben, bislang zumindest, Hilfsarbeiten aus. Mit verbesserten Deutschkenntnissen steigen allerdings ihre Chancen auf höherwertige Tätigkeiten und damit auch auf eine bessere Bezahlung. Aber auch ohne diese Zukunftsperspektive: Der Arbeitsmarkt für mittelständische Unternehmen leidet keineswegs ausschließlich an einem Fachkräftemangel, sondern ganz allgemein an einem Mangel an Arbeitskräften. Zumindest gegenwärtig - wir schreiben das Jahr 2019 - und in der absehbaren Zukunft kann dem nach Lage der Dinge nur durch Integration zugewanderter Arbeitnehmer abgeholfen werden - bei der es sich übrigens auch um eine humanitäre Aufgabe handelt. Zeitgemäße Wege der Mitarbeitergewinnung Die folgenden Ausführungen befassen sich mit Methoden der Personalgewinnung. Dabei sind die Zeiten, in denen Unternehmen ihren Mitarbeiterbedarf mittels Hinweisen auf freie Stellen am Werkstor decken konnten, wohl endgültig vorbei. Auch Zeitungsinserate haben zwar nicht ausgedient, aber an Bedeutung stark verloren. Stattdessen ist die (wechselseitige) elektronische Suche, das Internet vor allem, in den Vordergrund gerückt. Social Media Recruiting ist die Mitarbeitersuche und -gewinnung über soziale Netzwerke wie Xing, LinkedIn oder Facebook. Weitere Generalisten-Jobbörsen mit teilweise fantasievollen Namen sind Stepstone, Monster, Jobware oder Jobstairs. Daneben haben sich Spezial-Jobbörsen wie beispielsweise Azu- <?page no="121"?> 122 Personalmanagement im Mittelstand biyo für Auszubildende oder Jobvector für Ingenieure oder IT- Fachkräfte etabliert. Social Media Recruiting ist eine auf die digitale Gesellschaft - vor allem auf die Generationen der Digital Natives (→ Kapitel 4) - zugeschnittene Form der Kontaktaufnahme. Mit Stellenanzeigen können Unternehmen auf ihren momentanen Personalbedarf aufmerksam machen, Stellensuchende ihr Interesse an einem (in der Regel neuen) Job kundtun. Beide Parteien nutzen diese Möglichkeiten mittlerweile intensiv. Neben der firmeneigenen Website eignen sich derartige Plattformen auch dazu, das Unternehmen gezielt als Arbeitgeber darzustellen bzw. eine Arbeitgebermarke - ein Employer Brand - zu kreieren. Analog zum Corporate Branding, bei dem meist bestimmte Produkte oder Dienstleistungen als Markenzeichen (Brand) von Unternehmen herausgestellt werden, geht es beim Employer Branding darum, das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber zu präsentieren. Ersteres richtet sich also primär an Konsumenten, Letzteres an wechselwillige oder neu in das Berufleben eintretende Arbeitnehmer. Bekanntheit als Arbeitgeber allein genügt freilich nicht. Wie beim Corporate Branding geht es auch hier darum, überzeugende Alleinstellungsmerkmale herauszuarbeiten und zu kommunizieren. Dazu kann beispielsweise der Verweis auf die Unternehmensphilosophie gehören. Ferner lässt sich ein hoher Qualitätsanspruch im Hinblick auf Produkte, Kundenbetreuung und Beratung herausstellen. Stets kommt es dabei auf eine in den Augen der Adressaten glaubwürdig erscheinende Darstellung an. Sie sollte folglich weitestgehend mit dem Image des Unternehmens in der Öffentlichkeit in Einklang stehen. All dies und manches mehr kann dazu beitragen und erfolgt in der Hoffnung, das Interesse an einer Bewerbung zu wecken. <?page no="122"?> 12 Mitarbeiter auswählen, einstellen und eingliedern Nehmen wir an, dass den Bemühungen, Interessenten für eine zu besetzende Stelle zu gewinnen, Erfolg beschieden war. Gehen wir weiterhin davon aus, dass mehrere von ihnen an der zu besetzenden Stelle durch eine Bewerbung ernsthaftes Interesse bekundet haben. Das Unternehmen steht damit vor einem Selektionsproblem: Unter den eingegangenen Bewerbungen muss eine Auswahl getroffen werden, wobei nach Möglichkeit der am besten geeignete Bewerber den Zuschlag erhalten sollte. Es geht, mit anderen Worten, in diesem Kapitel zunächst um Verfahren, die bei der Mitarbeiterauswahl zum Einsatz kommen können. Sie sollten zu möglichst zuverlässigen Ergebnissen führen, denn Entscheidungen, die sich im Nachhinein als falsch erweisen, verursachen beträchtliche Kosten. Hinzu kommt, dass sie unter Umständen nur schwer zu korrigieren sind. Danach erfolgt die Einstellung des ausgewählten Bewerbers - dies unter der Annahme, dass er oder sie das Angebot des Unternehmens auch tatsächlich anzunehmen bereit ist. Damit kommt es zur Begründung des Arbeitsverhältnisses auf der Basis eines Arbeitsvertrags. Unabhängig von den genauen Modalitäten seiner Ausgestaltung handelt es sich dabei um eine rechtliche Regelung, in deren Zentrum die Rechte und Pflichten der Vertragspartner stehen. Weil der juristische Vertrag in einer wesentlichen Hinsicht aber stets unvollständig ist, werden wir ihm einen psychologischen Vertrag zur Seite stellen. Mit Abschluss des Arbeitsvertrags ist ein neuer Mitarbeiter nicht automatisch im Unternehmen auch ‚angekommen‘. Er <?page no="123"?> 124 Personalmanagement im Mittelstand hat allenfalls vage Vorstellungen davon, was auf ihn dort zukommt; dies vielleicht weniger im Hinblick auf die an ihn gerichteten Erwartungen als Fachkraft. Was er nicht kennt, ist die Vielzahl der Eigenheiten und Regelungen, die für das Unternehmen und seine Kultur charakteristisch sind. Mit anderen Worten: Der Einstellung folgt ein sich über mehrere Wochen oder sogar Monate hinweg ziehender, hinsichtlich seiner Bedeutung für die weitere Entwicklung des Arbeitsverhältnisses vielfach unterschätzter Prozess der Eingliederung. Anliegen und Gestaltung der Mitarbeiterauswahl Bei der Mitarbeiterauswahl (auch: Mitarbeiterselektion) geht es darum, den am besten geeigneten Kandidaten für die Besetzung einer vakanten oder einer neu geschaffenen Stelle zu finden. Dazu bedarf es der Feststellung, ob eine hinreichende Übereinstimmung zwischen den aufgabenbzw. tätigkeitsbezogenen Anforderungen und den Leistungsvoraussetzungen des Bewerbers besteht. Eignungsdiagnostische Verfahren, die dabei zum Einsatz kommen, liefern Erfolgsprognosen. Im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit ist davon auszugehen, dass (gegebenenfalls erforderliche) medizinisch-physiologische Untersuchungen zu recht zuverlässigen Ergebnissen führen. Ihnen gegenüber fällt - nicht überraschend - die Treffsicherheit von manchen psychologischen Verfahren wie beispielsweise Intelligenz- oder Persönlichkeitstests enttäuschend gering aus. Ihre Anwendung rechtfertigt sich allenfalls nur unter sehr spezifischen Bedingungen, und dann meist in Kombination mit weiteren eignungsdiagnostischen Verfahren, etwa innerhalb des später zu betrachtenden Assessment-Centers. Was vermutlich als überraschend empfunden wird: Enttäuschend niedrig ist es auch um die Treffsicherheit des Inter- <?page no="124"?> Mitarbeiter auswählen, einstellen und eingliedern 125 views bestellt. Seine sogenannte Augenscheinvalidität, der weit verbreitete Glaube also, dass das Interview zur Beurteilung von Bewerbern gut geeignet ist, steht in einem deutlichen Gegensatz zu dem, was es tatsächlich zu leisten vermag. In Form des Vorstellungsgesprächs gilt es allerdings als unverzichtbar, denn es bietet die Gelegenheit zum persönlichen wechselseitigen Kennenlernen. Chancen würden vertan, liefe dieses Gespräch vorwiegend als Einwegkommunikation in dem Sinn ab, dass der Bewerber über weite Strecken der Befragte ist, über den der künftige Arbeitgeber möglichst viel in Erfahrung bringen möchte. Vielmehr ist von einem wechselseitigen Informationsbedarf auszugehen, und für beide Parteien kann es durchaus aufschlussreich sein, worin dieser im Einzelnen besteht. Im Vorstellungsgespräch ergibt sich für den Bewerber vor allem die Möglichkeit, detaillierte Fragen zum künftigen Aufgabenbereich oder zu Entwicklungsmöglichkeiten zu stellen; Fragen vor allem, die über das hinausgehen, was im Stellenangebot angesprochen wurde. Zu berücksichtigen ist ferner, dass dem Fragerecht des Arbeitgebers Grenzen gesetzt sind. In zahlreichen Fällen ist es das Persönlichkeitsrecht, das Bewerber vor bestimmten Fragen schützt. Unterschieden wird dabei zwischen uneingeschränkt zulässigen, beschränkt zulässigen und unzulässigen Fragen. Uneingeschränkt gestellt werden dürfen Fragen nach beruflichen und fachlichen Fähigkeiten, nach Kenntnissen und Erfahrungen, nach dem bisherigen beruflichen Werdegang sowie nach Prüfungs- und Zeugnisnoten. Zahlreiche darüber hinaus gehende Fragen gelten als unzulässig, so etwa bei Frauen nach einer eventuell bevorstehenden Eheschließung oder einer bestehenden Schwangerschaft. Bezüglich zahlreicher weiterer Fragen, etwa zur Schwerbehinderung, zu Vorstrafen, zu den Vermögensverhältnissen oder zur Religions- und Parteizugehö- <?page no="125"?> 126 Personalmanagement im Mittelstand rigkeit ist das Fragerecht in je spezifischer Weise beschränkt. Um ein Beispiel anzuführen: Fragen nach früheren Erkrankungen sind nur dann zulässig, wenn an ihrer Beantwortung im Hinblick auf die Arbeit, den Betrieb und die übrigen Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse besteht. Interviews können im Übrigen unterschiedlich ablaufen. In der Fachliteratur wird dabei wie folgt differenziert: Beim frei geführten Gespräch ist weder der Gesprächsinhalt noch der Gesprächsablauf vorgegeben. Es kommt nach unserer Ansicht schwerpunktmäßig bei der Einstellung von Führungskräften zum Einsatz, potenziellen Mitarbeitern also, die bereits über ein hohes Maß an Berufserfahrung verfügen. - Für das strukturierte Interview ist charakteristisch, dass gewisse Kernfragen auf jeden Fall gestellt werden, so beispielsweise zum bisherigen beruflichen Werdegang. Über diese hinaus bleibt genügend Raum für eine freie Gestaltung des Gesprächsablaufs. Dagegen folgen standardisierte Interviews einem vorweg festgelegten Muster. Auch die spätere Auswertung erfolgt einheitlich, wodurch der Vergleich zwischen einer größeren Anzahl an Bewerbern erleichtert wird. Die Erfahrung zeigt, dass die beiden erstgenannten Interviewabläufe (gegebenenfalls in Mischform) der letztgenannten Variante vorgezogen werden. In typischen mittelständischen Unternehmen ist dies der Regelfall. Seit geraumer Zeit hat sich die Palette der eignungsdiagnostischen Verfahren erweitert. Bei dem hier als erstes zu nennenden biografischen Fragebogen erfolgt eine Erhebung von Lebenslaufdaten nicht nach einem vorgegebenen Schema, sondern durch Selbstbeschreibung. Dies geschieht in der Erwartung, auf diese Weise nützliche Hinweise auf grundlegende Verhaltensmuster, Einstellungen und Interessen zu erhalten. Zugrunde liegt diesem Verfahren die Erkenntnis, dass eine Biografie weitgehend auch durch selbstbestimmte Entscheidun- <?page no="126"?> Mitarbeiter auswählen, einstellen und eingliedern 127 gen geprägt ist; Entscheidungen, die etwas über Persönlichkeitsmerkmale aussagen. Zum Einsatz kann dieses Instrument vor allem bei der Vorauswahl unter einer größeren Bewerberzahl kommen. Daraus lässt sich ableiten, dass der biografische Fragebogen lediglich ein zusätzliches Instrument der Eignungsprüfung darstellt. Sinn macht sein Einsatz insbesondere bei interaktiv gestalteten Onlinebewerbungen, deren Bedeutung in jüngerer Zeit gewachsen ist. Weil dabei kein direkter Kontakt mit dem Interviewer stattfindet, spielt hier der sogenannte Primacy-Effekt, die der Objektivität der Beurteilung abträgliche Wirkung des ersten Eindrucks also, keine Rolle. Beim Assessment-Center, auf das wir hier abschließend eingehen, handelt es sich um ein in mehrfacher Hinsicht aufwändiges Verfahren. Allein dies schränkt seinen Anwendungsbereich innerhalb des Mittelstands von vornherein auf größere Unternehmen ein. Der vorweg genannte biografische Fragebogen kann dabei einen Baustein bilden. Einige weitere Komponenten, wie etwa die sogenannte Postkorbübung, mittels der das Arbeitsverhalten unter Zeitdruck einzuschätzen versucht wird, diverse Rollenspiele, Kurzvorträge, Gruppendiskussionen u.v.m., müssen hier nicht näher beschrieben werden. Wenn wir zusätzlich vorschlagen, Bewerber speziell um einen Ausbildungsplatz einen kurzen Aufsatz über ein von ihnen selbst gewähltes Thema schreiben zu lassen, so deshalb, weil sich damit gegebenenfalls aufschlussreiche Erkenntnisse gewinnen lassen: Nicht nur darüber, wie es um die Rechtschreibung bestellt ist, oder ob die Darstellung einer gewissen Logik folgt, sondern beispielsweise auch im Hinblick auf ihre allgemeinen Interessensschwerpunkte oder darauf, wofür sie sich besonders engagieren. <?page no="127"?> 128 Personalmanagement im Mittelstand Der juristische und der psychologische Vertrag Nach dem seitens eines Bewerbers erfolgreichen Durchlaufen des Auswahlprozesses kommt es zu dessen Einstellung bzw. zur Begründung des Arbeitsverhältnisses. Dies ist ein juristischer Vorgang, der seinen Niederschlag im Arbeitsvertrag (und bei Auszubildenden im Berufsausbildungsvertrag) findet. Davon gibt es einige Varianten: Den unbefristeten und den befristeten Arbeitsvertrag, den Probe- und den Aushilfsarbeitsvertrag sowie den Vollzeit- und den Teilzeitarbeitsvertrag. Hinweisen wollen wir ferner auf den Praktikantenvertrag und Arbeitsverträge mit ausländischen Arbeitnehmern, die zwar grundsätzlich dem deutschen Arbeitsrecht unterliegen, aber gewisse Besonderheiten aufweisen können, beispielsweise die Hinzuziehung eines Dolmetschers betreffend. Auch auf die einzelnen Vertragsinhalte muss hier nicht näher eingegangen werden. Wenn wir uns stattdessen auf die aus dem Arbeitsvertrag erwachsenden Pflichten konzentrieren, so erfolgt dies nicht zuletzt in der Absicht, auf eine dem juristischen Vertrag anhaftende prinzipielle Unvollständigkeit aufmerksam zu machen. Arbeitsverträge regeln eine Tauschbeziehung (→ Kapitel 5). Im Unterschied zu vielen anderen derartigen Beziehungen liegt beim Arbeitsvertrag ein Dauerschuldverhältnis zugrunde, aus dem sich für die Vertragspartner - dem Arbeitnehmer auf der einen Seite, dem Arbeitgeber auf der anderen - bestimmte Pflichten ergeben. So steht der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers die Vergütungspflicht des Arbeitgebers gegenüber. Dies sind die beiden (korrespondierenden) Hauptpflichten. Es ist offenkundig, dass damit eine ganze Reihe von Anschlussfragen - wir gehen ihnen in späteren Kapiteln ausführlicher nach - aufgeworfen werden, so beispielsweise die nach der Höhe der Vergütung <?page no="128"?> Mitarbeiter auswählen, einstellen und eingliedern 129 oder unter welchen Umständen es zu einer Befreiung von der Arbeitspflicht kommt. An arbeitsvertraglichen Nebenpflichten steht der Treuepflicht des Arbeitnehmers die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber. In beiden Fällen handelt es sich um abstrakte Tatbestände, deren praktische Bedeutung sich erst durch Konkretisierungen erschließt: Seiner Treuepflicht kommt ein Arbeitnehmer nach, wenn er sich über seine Arbeitspflicht hinaus für die Interessen des Arbeitgebers und des Betriebes einsetzt, schädigendes Tun unterlässt, auf drohende Schäden aufmerksam macht sowie rechtswidriges Verhalten von Kollegen dem Arbeitgeber (oder seinem Vorgesetzten) meldet. Bestechungsgelder anzunehmen oder der Konkurrenz wichtige Informationen zuzuspielen, sind Beispiele für Verletzungen seiner Treuepflicht, die als sogenannte nachwirkende Pflicht auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Tragen kommt. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers besteht in konkretisierter Form beispielsweise darin, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit weitestmöglich geschützt ist. Ferner besteht eine Obhutspflicht hinsichtlich des vom Arbeitnehmer berechtigterweise zur Arbeit mitgebrachten Eigentums. Auch hier ist von einer nachwirkenden Fürsorgepflicht auszugehen, bestehend etwa in dem Verbot, bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses die Personalakte des Arbeitnehmers Dritten zur Verfügung zu stellen. Dem Arbeitgeber auferlegt ist schließlich die Pflicht zur Gleichbehandlung der Arbeitnehmer. Sie stellt ein zentrales Ordnungsprinzip des gesamten Arbeitsrechts dar, wirft in der Praxis allerdings zahlreiche Auslegungsprobleme auf. Faktisch haben wir es mit einem Benachteiligungsverbot zu tun. <?page no="129"?> 130 Personalmanagement im Mittelstand Trotz all dieser Regelungen ist von der erwähnten prinzipiellen Unvollständigkeit des Arbeitsvertrags auszugehen. Bestandteile des psychologischen Vertrags, der damit ins Spiel kommt, sind wechselseitige Erwartungen, die juristisch meist nicht fixiert sind und sich darüber hinaus auch kaum fixieren lassen, weil es sich um eher ‚weiche‘ Leistungsmerkmale handelt. Unternehmensseitig wird beispielsweise eine andauernd hohe Engagement- und Anpassungsbereitschaft erwartet. Künftige Mitarbeiter wollen vor allem Wertschätzung erfahren und fair behandelt werden. Die Denkfigur des psychologischen Vertrags liefert wesentliche Anregungen für die Gestaltung der in einem Unternehmen zur Anwendung kommenden Anreizsysteme. Vor allem erlaubt sie es, dem Wandel in den Arbeitsbeziehungen und in den Erwartungshaltungen von Mitarbeitern und Unternehmen Rechnung zu tragen. Hier kann nahtlos an die Ausführungen zum Wertewandel angeknüpft werden (→ Kapitel 4), und auch der Technikwandel spielt dabei eine entscheidende Rolle. Versuchen wir, dies anhand einiger Beispiele zu konkretisieren: Im Zuge des Wandels hin zu postmaterialistischen Werthaltungen wollen mehr Mitarbeiter als vormals Verantwortung übernehmen, die über das übliche Verständnis von Delegation hinausgeht. Im Rahmen der Tätigkeitsgestaltung kann dem Rechnung getragen werden. Ihr Verlangen richtet sich ferner auf vermehrte Zeitsouveränität, womit der Bereich der Arbeitszeitgestaltung angesprochen ist (→ Kapitel 14). Und was die Arbeitgeberseite angeht: Weil neue Techniken beherrscht werden müssen, erwarten Unternehmen von ihren Mitarbeitern unter anderem, dass sie Anpassungs- und Lernbereitschaft in einem vormals nicht gekannten Umfang an den Tag legen. Die Liste möglicher Komponenten des psychologischen Vertrags ließe sich über die angeführten Beispiele hinaus beträchtlich erweitern. <?page no="130"?> Mitarbeiter auswählen, einstellen und eingliedern 131 Fachliche und soziale Integration neuer Mitarbeiter Die nun zur Diskussion stehende Eingliederungsproblematik wollen wir mit der Feststellung eines Tatbestands einleiten, der Praktikern nur allzu gut bekannt sein dürfte: Die Kündigungsrate neu eingestellter Mitarbeiter ist nachweislich deutlich höher als die der schon länger beschäftigten - um ein Mehrfaches sogar. Das kann daran liegen, dass sie bereits nach kurzer Zeit feststellen, eine aus ihrer Sicht falsche Entscheidung getroffen zu haben. Ihre Erwartungen haben sich nicht erfüllt, und es ist nur konsequent, wenn sie daraufhin kündigen. Innerhalb der Probezeit ist dies relativ problemlos möglich und im Übrigen auch aus der Unternehmensperspektive heraus eine in mancherlei Hinsicht zweckmäßige Lösung. Drücken wir es ein wenig salopp aus: Irren ist menschlich - das muss schließlich auch im Hinblick auf die Begründung eines Arbeitsverhältnisses gelten. Allerdings können die hohen Kündigungsraten neu eingestellter Mitarbeiter auch auf vermeidbare Versäumnisse bei ihrer Eingliederung zurückzuführen sein. Um dies zu erkennen, ist es angebracht, sich gedanklich in deren Situation zu versetzen. Hilfreich ist es dabei, sich an einen Teil dessen zu erinnern, was in → Kapitel 7 zu Arbeitsemotionen ausgeführt wurde. Seitens neu eingestellter Mitarbeiter besteht zunächst ein Gefühl der Unsicherheit. Es resultiert aus einem unvermeidbaren Informationsdefizit, denn Neulinge kennen ihr künftiges Aufgabenfeld nur in groben Zügen. Ihre Vorstellungen beschränken sich auf das Wenige, was aus Stellenbeschreibungen hervorgeht oder im Einstellungsinterview angesprochen wurde. Mindestens ebenso bedeutsam ist, dass sie sich in einem für sie neuen sozialen Umfeld zurechtfinden müssen, und das Geflecht der vielfältigen informalen Beziehungen ist ihnen vollkommen unbekannt. <?page no="131"?> 132 Personalmanagement im Mittelstand All dies bildet den Nährboden für das Entstehen von Angst. Im Unterschied zu Furcht, deren Entstehungshintergrund etwas Bestimmtes ist, handelt es sich bei der Angst um ein (unangenehmes) Empfinden, von dem sich allenfalls vage sagen lässt, worauf es sich bezieht. Eben dies ist die Situation, in der sich neu eingestellte Mitarbeiter befinden. Es liegt nahe, an dieser Stelle eine Brücke zum Empfinden von Stress zu schlagen. All das, was in → Kapitel 7 dazu ausgeführt wurde, lässt sich auf die Situation eines neu eingestellten Mitarbeiters beziehen. Bildlich gesprochen liegt vor ihm ein Berg von tätigkeitsbezogenen und sozialen Problemen, die er in relativ kurzer Zeit bewältigen muss. So dramatisch muss sich die Gefühlslage natürlich nicht bei allen neuen Mitarbeitern darstellen, denn Unsicherheit, Angst und Stress werden individuell unterschiedlich stark erlebt. Unabhängig davon gibt es Möglichkeiten, auf das Ausmaß der emotionalen Betroffenheit in der Eingliederungsphase einzuwirken - und damit die eine oder andere schnelle Kündigung zu vermeiden. Spezielle Einführungsseminare für neue Mitarbeiter sind dabei größeren Unternehmen vorbehalten, sodass es sich erübrigt, darauf hier näher einzugehen. Dagegen ist das Patensystem ein Instrument, das auch im Gros der mittelständischen Betriebe - und hier nahezu unabhängig von der Belegschaftsgröße - zum Einsatz kommen kann. Der Grundgedanke besteht darin, dass einem neuen Mitarbeiter für die erste Zeit ein erfahrener Kollege zur Seite gestellt wird. Dessen Aufgabe besteht darin, dem Neuling die fachliche und soziale Integration zu erleichtern. In Analogie zum (erwachsenen) Wegbegleiter eines neugeborenen Kindes kommt ihm die Aufgabe zu, neue Mitarbeiter beispielsweise über ihren Arbeitsplatz und dessen Umfeld sowie gegebenenfalls über bestehende Sozialeinrichtungen zu informieren, sie in die Arbeitsgruppe einzuführen und bei der <?page no="132"?> Mitarbeiter auswählen, einstellen und eingliedern 133 Einarbeitung zu unterstützen. Ihm obliegt es gegebenenfalls auch, sie mit den ‚ungeschriebenen Gesetzen‘ des Unternehmens vertraut zu machen. Für all dies muss dem Paten ausreichend Zeit eingeräumt werden. An Persönlichkeitseigenschaften sollte er über soziale Sensibilität verfügen. Sicherzustellen ist dabei, dass er nicht in die Rolle eines Ersatzvorgesetzten hineinwächst. Zu achten ist also auf eine klare Trennung zwischen Vorgesetzten- und Patenaufgaben. Die Aufgabe des Vorgesetzten, dem eine Schlüsselrolle bei der Eingliederung neuer Mitarbeiter zukommt, besteht vorrangig darin, für eine möglichst reibungslose, sich gegebenenfalls über einen längeren Zeitraum hinziehende fachliche Integration zu sorgen. Daher kann ein unmittelbar bei Arbeitsantritt des Neulings stattfindendes erstes Orientierungsgespräch in der Regel kurz ausfallen. Zu den Selbstverständlichkeiten gehört, ihn seinen Arbeitskollegen persönlich vorzustellen. Zwingend zu empfehlen ist, Vorgesetzte bereits am Einstellungsvorgang zu beteiligen - was in mittelständischen Unternehmen gängige Praxis sein dürfte. Weil das Gespür für die psychisch-emotionale Situation neuer Mitarbeiter im Unternehmensalltag leicht verlorengeht oder weil dafür die notwendige Sensibilität nicht immer vorausgesetzt werden kann, empfiehlt es sich, die Eingliederungsproblematik im Rahmen der Schulung bzw. Weiterbildung von Vorgesetzten explizit zu thematisieren (→ Kapitel 15). Das auf diese Weise erwerbbare Wissen verspricht zudem nicht nur bei der Eingliederung von Neulingen, sondern auch bei der Rückkehr von Mitarbeitern nach einer längeren Berufspause Früchte zu tragen, denn Rückkehrer befinden sich über weite Strecken in einer vergleichbaren emotionalen Situation. <?page no="134"?> 13 Mitarbeiter an das Unternehmen binden Gelegenheitskunden zu Stammkunden zu machen ist die mit Kundenbindung verfolgte Absicht. Es handelt sich um einen Begriff aus der Welt des Marketings. Wird die zugrunde liegende Idee auf die Welt der Arbeit übertragen, dann liegt es nahe, von Mitarbeiterbindung zu sprechen: Unternehmen haben ein vitales Interesse, Arbeitsverhältnisse über einen längeren Zeitraum hinweg fortzuführen - wenn auch nicht in jedem Fall und um jeden Preis, wie wir an dieser Stelle schon einmal festhalten wollen. Insofern handelt dieses Kapitel von selektiver Mitarbeiterbindung. War ursprünglich meist von Maßnahmen zur Personalerhaltung die Rede, so ist es mittlerweile eher üblich, den Bindungsaspekt in den Vordergrund zu stellen und ein sogenanntes Retention Management zu betreiben. Im Kern geht es darum, Mitarbeiter mittels geeigneter Maßnahmen von einem Stellenwechsel abzuhalten und Einfluss auf die Häufigkeit ihres Erscheinens am Arbeitsplatz zu nehmen. Die zu diesem Zweck unternommenen Maßnahmen betreffen ein außerordentlich weites Feld. Hier spielen Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ebenso eine Rolle wie solche der Fort- und Weiterbildung oder der beruflichen Entwicklung. Ferner hängt das Gelingen der Mitarbeiterbindung auch von Einzelheiten der Entgelt- und der Tätigkeitsgestaltung sowie - ganz entscheidend - von der Art der Mitarbeiterführung ab. Die genannten Bereiche betreffen also einen beträchtlichen Teil des gesamten Personalmanagements. Beginnend mit → Kapitel 14 werden wir uns mit ihnen ausführlich befassen. Die Gemeinsamkeit der dort zu behandelnden Themen besteht darin, dass es dabei um Fragen der personellen Wirksamkeit geht. <?page no="135"?> 136 Personalmanagement im Mittelstand Was bedeutet Mitarbeiterbindung? Beginnen wir so: Nicht gelungene Mitarbeiterbindung liegt vor, wenn ein Mitarbeiter von sich aus das Unternehmen verlässt und eine Stelle bei einem anderen Arbeitgeber - möglicherweise bei einem direkten Konkurrenten - annimmt. Diese arbeitnehmerseitig initiierte Auflösung des Arbeitsverhältnisses wird als Mitarbeiterfluktuation (engl.: employee turnover) bezeichnet. Soweit eine Fluktuationsentscheidung motivationale Gründe hat bzw. auf Arbeitsunzufriedenheit zurückzuführen ist, kann ihr mit Hilfe von Bleibeanreizen vorgebeugt werden. Absentismus ist die zweite Erscheinungsform von nicht gelungener Mitarbeiterbindung, jene Spielart der Abwesenheit vom Arbeitsplatz also, bei der es keine wirklichen Verhinderungsgründe gibt; zumindest keine solchen, die das Fernbleiben (wie etwa Krankheiten) zwingend rechtfertigen. In solchen Fällen spricht man von motivational bedingten Fehlzeiten. Damit deutet sich gleichzeitig an, dass sich dem mittels Anwesenheitsanreizen zumindest teilweise - wir wollen keine übertriebenen Hoffnungen wecken - entgegenwirken lässt. In ihrer Häufigkeit hängen sowohl Fluktuation als auch Absentismus vom Ausmaß der Identifikation der Mitarbeiter mit dem arbeitgebenden Unternehmen ab - von, wie es im angelsächsischen Sprachraum heißt, ihrem Commitment. Je stärker es ausgeprägt ist, desto geringer ist die Neigung zu einem Stellenwechsel und zu dessen tatsächlichem Vollzug. Analoges darf auch im Hinblick auf die motivational bedingte Arbeitsabwesenheit angenommen werden. Commitment kann als eine Art ‚Bekenntnis‘ zum arbeitgebenden Unternehmen interpretiert werden. Dabei lassen sich verschiedene Grundlagen unterscheiden. Als affektives Commitment hat es emotionale Wurzeln und entsteht im Zuge von rundum positiven Erfahrungen mit dem arbeitgebenden <?page no="136"?> Mitarbeiter an das Unternehmen binden 137 Unternehmen. Unter Umständen sind dabei auch Persönlichkeitsmerkmale im Spiel. - Normatives Commitment basiert auf einer moralischen Verpflichtung gegenüber dem Unternehmen und entsteht insbesondere im Gegenzug zu dessen Investitionen in seine Mitarbeiter, dies beispielsweise in Form von Weiterbildungsmaßnahmen. - Hinter dem kalkulativen Commitment schließlich stehen rationale Überlegungen in Gestalt von Abwägungen zwischen Kosten und Nutzen eines Stellenwechsels. Gegenüber den beiden erstgenannten Ausprägungsformen kann es hier eher zu einem Umschlagen kommen, dies etwa dann, wenn dem Mitarbeiter ein vergleichsweise attraktives Angebot eines anderen Arbeitgebers vorliegt. Es ist aufschlussreich, wie sich derartige Differenzierungen in empirischen Untersuchungen niederschlagen: Seit 2001 veröffentlicht das Beratungsunternehmen Gallup GmbH einen sogenannten Engagement-Index. Unterschieden wird dabei unter anderem zwischen hoher, geringer und keiner Bindung der Mitarbeiter an das arbeitgebende Unternehmen. Im Vergleich der Jahre 2001 und 2016 haben sich dabei nur geringe Veränderungen im Bindungsempfinden ergeben. Aufschlussreich ist allerdings die prozentuale Verteilung: 16 (2001) bzw. 15 (2016) Prozent fühlten sich der Untersuchung zufolge hoch, 69 (2001) bzw. 70 (2016) Prozent gering und jeweils 15 Prozent überhaupt nicht an das Unternehmen gebunden. Aus der erwähnten (im Internet abrufbaren) Gallup-Studie geht zudem hervor, dass zwischen dem Grad der Mitarbeiterbindung und Fehlzeiten ein klar erkennbarer Zusammenhang besteht. Bei den stark Gebundenen waren sie - die Fehlzeiten - deutlich niedriger als bei den beiden anderen Gruppen. Aus erhebungstechnischen Gründen wurde dabei nicht zwischen einer krankheits- und einer motivational bedingten Abwesenheit von der Arbeit unterschieden, aber es darf begründet vermutet werden, dass die Differenz nicht auf erstere, sondern <?page no="137"?> 138 Personalmanagement im Mittelstand eindeutig auf die motivational bedingte Abwesenheit zurückzuführen ist. Deutliche Hinweise auf Unterschiede in der Fluktuationsneigung - auch sie lassen sich dieser Studie entnehmen - ergeben sich daraus, dass 84 Prozent der stark an das Unternehmen gebundenen Mitarbeiter bekundeten, „heute nach drei Jahren noch bei meiner derzeitigen Firma“ tätig sein zu wollen. Bei den gering Gebundenen waren es hingegen nur 61 Prozent und bei den nicht Gebundenen lediglich 31 Prozent. Besagte Studie liefert viele weitere Hinweise auf den Stellenwert der Mitarbeiterbindung im Rahmen des Personalmanagements. Wie angekündigt, befassen wir uns im Weiteren mit Fluktuation und Absentismus, beides Indizien für das Ausmaß, in dem sich Mitarbeiter an das Unternehmen gebunden fühlen. Hier wie dort werden sich dabei Gelegenheiten ergeben, die für den Mittelstand typischen Verhältnisse zu beleuchten. Mitarbeiterfluktuation und ihre mittelstandsspezifischen Besonderheiten Aus verschiedenen empirischen Untersuchungen ist zu entnehmen, dass in deutschen Unternehmen die durchschnittliche Fluktuationsrate zwischen 10 und 14 Prozent pro Jahr pendelt. Bei den mittelständischen Unternehmen liegt sie deutlich höher, dies insbesondere bei Spitzenkräften. Angesichts des anderweitig belegten Tatbestands, dass der Mittelstand im Schnitt auf höhere Identifikationswerte im oben beschriebenen Sinn kommt, erscheint letzteres zunächst wenig plausibel, lässt sich aber erklären: Die Mitarbeiterbindung ist offensichtlich nur ein Bestimmungsfaktor für das Ausmaß der Fluktuationsneigung und einen tatsächlich vollzogenen Stellenwechsel. Vor allem scheint sie nicht der am stärksten ins Gewicht fallende zu sein. Deutlich stärker wirkt sich hier aus, <?page no="138"?> Mitarbeiter an das Unternehmen binden 139 dass große Unternehmen, Konzerne zumal, eine höhere Anziehungskraft haben. Zurückzuführen ist dies zunächst auf ihren deutlich größeren Bekanntheitsgrad. Ferner wird häufig stillschweigend davon ausgegangen, dass bei ihnen die Arbeitsplatzsicherheit in stärkerem Maß gewährleistet ist als im typischen mittelständischen Unternehmen. In der Vorstellung bieten sie attraktiv erscheinende Karrieremöglichkeiten und eine Vielzahl an Arbeitszeitregelungen, vielleicht auch eine höhere Vergütung und allerlei Nebenleistungen. Google beispielsweise, ein Sonderfall allerdings, hat seinen Firmensitz als eine Art Freizeitpark gestaltet. Angesichts all dessen kommt man nicht um die Erkenntnis herum, dass es für mittelständische Unternehmen deutlich schwerer ist, Mitarbeiter langfristig an sich zu binden. In der erwähnten höheren Fluktuationsrate spiegelt sich dies wider. Aber aus verschiedenen Fluktuationsstatistiken ist etwas Weiteres zu entnehmen: Offensichtlich sind es mehrheitlich die unterdurchschnittlich engagierten, passiven Mitarbeiter, die große Unternehmen bevorzugen - und damit diejenigen, auf die am ehesten verzichtet werden kann. Als Nebenergebnis dieses Befunds lässt sich ableiten, dass auf eine pauschale Senkung der Fluktuationsquote hinzuarbeiten keine angemessene Strategie ist. Vielmehr geht es darum, die dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Bleibeanreize nicht nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen, sie vielmehr bewusst selektiv einzusetzen; primär gerichtet an leistungsstarke und entwicklungsfähige Mitarbeiter, die zu verlieren für das Unternehmen besonders schmerzhaft wäre. Das können mit einfachen Tätigkeiten beschäftigte Arbeiterinnen und Arbeiter ebenso sein wie Spitzenkräfte in einer Führungsposition oder Spezialisten auf einem besonderen Gebiet. Angesichts der guten Überschaubarkeit mittelständischer Unternehmen lassen <?page no="139"?> 140 Personalmanagement im Mittelstand sie sich relativ einfach identifizieren - wie übrigens auch ihre eher leistungsschwachen Kollegen. Nun müssen sich Mittelständler nicht nur gegenüber Großunternehmen behaupten. In Konkurrenz um leistungsfähige und leistungsbereite Mitarbeiter und in dem Bemühen, diese langfristig an sich zu binden, stehen sie auch mit Unternehmen vergleichbarer Größenordnung. Teilweise wird dieser Wettbewerb mit harten Bandagen ausgetragen: In Zeiten akuten Personalmangels gehören Abwerbungsversuche zur Tagesordnung. Ob der Gedanke an einen Stellenwechsel zur aktiven Suche nach einem neuen Arbeitsplatz führt oder ob Abwerbungsversuchen anderer Unternehmen Erfolg beschieden ist, hängt von zahlreichen Einflussfaktoren ab. Eine allgemeine Fluktuationsursache ist zunächst darin zu sehen, dass für manche Mitarbeiter ein nach einer gewissen Zeit vollzogener Stellenwechsel einen festen Bestandteil der Planung ihres Berufsweges darstellt. Der Einsatz von Bleibeanreizen oder ein wie immer geartetes Zufriedenheitsmanagement bleibt in solchen Fällen weitgehend wirkungslos. Eine entscheidende Rolle des so begründeten Wunschs zum Ausscheiden mag dabei der Tatbestand spielen, dass die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb des Unternehmens als begrenzt wahrgenommen werden. Während innerhalb von Großunternehmen in der Regel verschiedene andere Einsatzorte in Frage kommen, ist davon im Mittelstand deutlich weniger häufig auszugehen. Zumindest teilweise lässt sich damit erklären, weshalb die Fluktuationsrate hier signifikant höher ausfällt. Das Ausmaß der Mitarbeiterfluktuation hängt ferner von der wahrgenommenen Einfachheit des Ausscheidens ab, die sich ihrerseits aus der konjunkturellen Lage und - damit meist eng verbunden - der Arbeitsmarktsituation ergibt. Dies dürfte gleichzeitig der Hauptgrund für die erwähnte Schwankungs- <?page no="140"?> Mitarbeiter an das Unternehmen binden 141 breite des Fluktuationsgeschehens im Zeitablauf sein. Bei einer prosperierenden Wirtschaft ist es in aller Regel leicht, einen Stellenwechsel vorzunehmen - und umgekehrt. Zur zukünftigen Reduzierung von Fluktuation können Austrittsbzw. Abgangsinterviews beitragen. Sie stellen eine Sonderform des Mitarbeitergesprächs dar (hierzu ausführlich → Kapitel 17). Ihr Zweck besteht darin, die für die Kündigung maßgeblichen Gründe in Erfahrung zu bringen. Unter Umständen ergeben sich dabei wertvolle Hinweise auf Schwachstellen innerhalb des Unternehmens. Realistischerweise ist davon auszugehen, dass die auf diese Weise zu gewinnenden Informationen keineswegs immer ein zutreffendes Bild liefern. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass die wirklichen Kündigungsgründe bei dieser Gelegenheit häufig nicht oder nur sehr nebulös zur Sprache kommen. Unbeschadet dessen kann es sich lohnen, Abgangsinterviews zu führen. Einen harmonischen Verlauf vorausgesetzt, bleibt damit zudem möglicherweise die Tür für eine spätere Rückkehr offen. Den größeren unter den mittelständischen Unternehmen kann ferner das Führen einer Fluktuationsstatistik mit dem Ziel empfohlen werden, eventuelle Häufungen in bestimmten Abteilungen oder an bestimmten Arbeitsplätzen zu identifizieren. Analoges gilt übrigens auch im Hinblick auf Fehlzeiten (vgl. unten). Werden solche festgestellt, so kann dies Anlass für eine genauere Analyse mit dem Ergebnis sein, dass und wo konkreter Handlungsbedarf besteht. Fluktuation - darauf wollen wir abschließend hinweisen - ist teuer. Die einem Unternehmen aus Stellenwechseln entstehenden Kosten sind beträchtlich und werden zudem in ihrer tatsächlichen Höhe meist unterschätzt. Teilweise sind sie, wie etwa der für eine Neueinstellung erforderliche finanzielle Aufwand, leicht zu ermitteln. Ins Gewicht fallen darüber hinaus aber auch indirekte, schwer zu quantifizierende Kosten an. So <?page no="141"?> 142 Personalmanagement im Mittelstand ist mit einer mitarbeiterseitigen Leistungsreduktion vor, während und nach der Entscheidung zum Stellenwechsel zu rechnen. In vielen Fällen führt der Weggang eines langjährigen Mitarbeiters ferner zu einem Wissensverlust. Hier wie dort erscheint es kaum möglich, die Höhe der dafür anzusetzenden Kosten annähernd genau zu bestimmen. Eines aber zeichnet sich ab: Im Vergleich zu Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung ist (nicht gewollte) Mitarbeiterfluktuation die deutlich teurere Alternative. Absentismus - wie damit umgehen? Ausdruck nicht gelungener Mitarbeiterbindung, so haben wir eingangs festgestellt, ist neben der (ungewollten) Fluktuation auch der Absentismus. Verstanden wird darunter die motivational bedingte Abwesenheit vom Arbeitsplatz, eine Teilklasse der Fehlzeiten also, die in ihrer Gesamtheit die Notwendigkeit der Einplanung eines Reservebedarfs (→ Kapitel 10) begründen - wie auch immer diesem in der Praxis Rechnung getragen wird. Was berechtigt überhaupt, von motivational bedingter Arbeitsabwesenheit zu sprechen? Aus juristischer Sicht ist diese Form des gelegentlichen Fernbleibens jedenfalls nicht vorgesehen: Seitens des Arbeitnehmers besteht Arbeitspflicht, die allenfalls wegen Krankheit, Urlaub, Pausen usw. zeitweilig und in klar geregelter Weise unterbrochen werden kann (→ Kapitel 12). Faktisch geht es in der Arbeitswelt nicht durchweg geregelt zu. Was dabei das motivational bedingte zeitweilige Fernbleiben von der Arbeit anbelangt, so lohnt es sich, einen (nur) im ersten Moment abwegig erscheinenden Gedanken näher zu verfolgen: Dass das tägliche ‚zur-Arbeit-Kommen‘ trotz vertraglicher Verpflichtung bis zu einem gewissen Grad freiwillig er- <?page no="142"?> Mitarbeiter an das Unternehmen binden 143 folgt. Weiter zugespitzt heißt dies, dass sich Mitarbeiter jeden Tag neu für oder gegen eine physische Anwesenheit am Arbeitsplatz entscheiden. Wir meinen, dass dieses Gedankenspiel geradewegs zum Kern der Frage führt, worin Absentismusprophylaxe besteht und wie sie erfolgreich betrieben werden kann. Fahren wir mit unserem Gedankenspiel noch eine Weile fort: Wie die täglich zu treffende Entscheidung zwischen An- und Abwesenheit ausfällt, hängt maßgeblich von den erwarteten Konsequenzen in Form von Belohnungen oder Bestrafungen ab. Von einer Motivation, am Arbeitsplatz zu erscheinen, kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Belohnungs- Bestrafungs-Bilanz der Anwesenheit günstiger ausfällt als die des gelegentlichen Abwesendseins. Es sind also nicht nur Buchhalter, die Bilanzen erstellen. Wir alle tun es, und dies vermutlich sogar mehrmals täglich. So zu kalkulieren ist schließlich nichts anderes als Ausdruck unserer Rationalität. Warum also sollte sie nicht auch bei der Entscheidung zwischen dem täglichen ‚schaffen gehen‘ oder ‚nicht schaffen gehen‘ eine Rolle spielen? Wann aber wird Arbeit als ‚bestrafend‘ empfunden? Dies wird in der Regel dann der Fall sein, wenn sie zu Unzufriedenheit Anlass gibt. Soweit wir es mit motivational bedingter Abwesenheit zu tun haben, läuft Fehlzeitenmanagement demnach in einem ersten Schritt darauf hinaus, den Gründen für das Empfinden von Unzufriedenheit auf die Spur zu kommen. Aber wir wollten realistisch sein. Es gibt Mitarbeiter, bei denen Unzufriedenheit als Grund für ihr gelegentliches Fernbleiben von der Arbeit keine Rolle spielt. Um beim obigen Bild zu bleiben: Vielleicht empfinden sie ihre Arbeit gar nicht als besonders unangenehm, aber sie bilanzieren anders. Für sie hat das gelegentliche Fernbleiben von der Arbeit einen höheren Stellenwert als das Erscheinen am Arbeitsplatz. Unzufriedenheits- <?page no="143"?> 144 Personalmanagement im Mittelstand empfindungen kommt hier allenfalls untergeordnete, möglicherweise sogar überhaupt keine Bedeutung zu. Das mag kein mentaler Dauerzustand sein, kann aber zumindest zeitweise eine beträchtliche Rolle spielen. Ein Blick auf einen Posten innerhalb der Fehlzeitenstatistik lässt dies besonders deutlich erkennen: Montags und seit einiger Zeit besonders freitags ist eine überdurchschnittliche Häufung der Fehlzeiten zu verzeichnen (→ Kapitel 10). Im Hinblick auf den Montag lässt sich dies zumindest teilweise damit erklären, dass Menschen über das Wochenende krank werden und folglich am darauf folgenden Wochenanfang nicht zur Arbeit kommen können. Woher aber kommt die auffällige Häufung am Freitag? Es liegt nahe, diese Frage mit dem Hinweis auf die Attraktivität eines verlängerten Wochenendes zu beantworten. Soweit im Hinblick auf den Absentismus relevant, greifen wir drei weitere Ergebnisse von empirischen Untersuchungen zur Fehlzeitenproblematik heraus, verzichten aber darauf, sie näher zu kommentieren. Aufschlussreich ist hier zunächst, dass in kleineren Unternehmen die Fehlzeiten niedriger ausfallen als in größeren. Im besonderen Maße trifft dies für Handwerksbetriebe zu. - In den verschiedenen Altersgruppen sind die Fehlzeitenquoten unterschiedlich: Jüngere, unter 30 Jahre alte Mitarbeiter sind häufiger, meist aber für einen kürzeren Zeitraum abwesend. Ältere Arbeitnehmer fehlen weniger häufig, dann aber länger. Am niedrigsten ist die Fehlzeitenquote bei den 30bis 50jährigen. - Fehlzeiten sind ein Spiegel der konjunkturellen Entwicklung. In Zeiten anziehender Konjunktur steigen sie an, in Zeiten konjunktureller Abschwünge gehen sie zurück. Wie kann der motivational bedingten Abwesenheit von der Arbeit begegnet werden? Sofern das Fernbleiben auf Arbeitsunzufriedenheit zurückzuführen ist, geht es wie bei der Fluktuation auch hier zunächst darum, die genauen Gründe in Erfahrung zu bringen. Stellt sich dabei beispielsweise heraus, dass <?page no="144"?> Mitarbeiter an das Unternehmen binden 145 die Arbeitszeit als übermäßig restriktiv empfunden wird, so lässt sich dem möglicherweise durch das Angebot einer Gleitzeitregelung abhelfen (→ Kapitel 14). Als Mobbing empfundenes Verhalten anderer Mitarbeiter oder des Vorgesetzten und Verschiedenes mehr können weitere Gründe für Arbeitsunzufriedenheit sein (→ Kapitel 9). Ferner ist an den gezielten Einsatz von Anwesenheitsanreizen zu denken; dies mit dem Ziel, Mitarbeiter trotz (geringfügigen) Unwohlseins zum Erscheinen am Arbeitsplatz zu bewegen. Bestehen können sie u.a. in Anwesenheitsprämien, dem Versuch also, sie mittels eines extrinsischen Anreizes (→ Kapitel 8) dazu zu bewegen, sich bei Unlust oder geringfügigen gesundheitlichen Beschwerden nicht umgehend krank zu melden. Nach längeren, in der Regel krankheitsbedingten Fehlzeiten, aber auch dann, wenn sich (kürzere) Fehlzeiten häufen und insofern auf Absentismus hindeuten, empfiehlt es sich, möglichst unmittelbar nach dem Wiedererscheinen des Mitarbeiters am Arbeitsplatz mit ihm ein Rückkehrgespräch zu führen. Angesichts der dabei zur Sprache kommenden, teilweise durchaus brisanten Thematik handelt es sich um eine Aufgabe, die erfolgreich wahrzunehmen Fingerspitzengefühl erfordert. Das Führen von Rückkehrgesprächen gehört zu den Aufgaben des direkten Vorgesetzten (→ Kapitel 17); in den kleinen und kleinsten mittelständischen Unternehmen wird es in der Regel die Chefin oder der Chef selbst sein. Dabei sind zwei Arten zu unterscheiden: Findet es bei Wiedererscheinen am Arbeitsplatz nach einer längeren Krankheit statt, geht es insbesondere darum, gegenüber dem Rückkehrer die mit ihm geteilte Freude darüber zum Ausdruck zu bringen, dass er wieder gesund ist; dass man ihn vermisst hat usw. Angesichts seines weitgehend vorgezeichneten Ablaufs kann von einem Standard-Rückkehrgespräch gesprochen werden. <?page no="145"?> 146 Personalmanagement im Mittelstand Deutlich anders gestaltet sich der Verlauf von Rückkehrgesprächen nach wiederholtem Fehlen. Der Rückkehrer - sprechen wir etwas salopp von einem durch häufige Kurzabwesenheit auffällig gewordenen ‚Edelabsentisten‘ - muss mit klaren Worten darauf hingewiesen werden, dass seine häufige Abwesenheit nicht länger hingenommen werden kann und er im Wiederholungsfall mit Konsequenzen zu rechnen hat. Das Ziel besteht in diesem Fall darin, eine Verhaltensänderung zu bewirken. Um dem Nachdruck zu verleihen, empfiehlt es sich, derartige Gespräche zu protokollieren, dem Mitarbeiter die Mitschrift zukommen und von ihm auch unterschreiben zu lassen. Zudem ist es ratsam, dass eine weitere Person am Gespräch teilnimmt. <?page no="146"?> 14 Gestaltung der Arbeitszeit Aus ökonomischer Sicht ist Zeit ein knappes, in nur begrenztem Umfang verfügbares Gut. Als Betriebszeit regelt sie einen beträchtlichen Teil der Abläufe im Unternehmen. Als Arbeitszeit strukturiert sie das Leben der Menschen, solange sie sich in ihrer Erwerbsphase befinden. Beides zusammen - ihr Knappheitscharakter und ihre strukturierende Wirkung - fordert dazu auf, mit diesem Gut sorgsam umzugehen. Gegenüber vielen anderen Gütern weist die Zeit zwei markante Besonderheiten auf: Sie kann nicht, wie etwa Produkte, geschaffen, wohl aber gestaltet werden. Und sie lässt sich auch nicht stapeln, was eine Möglichkeit böte, sich davon einen Vorrat anzulegen - Zeit verfließt. Am sorgsamen Umgang mit der Zeit verbindet Unternehmen und ihre Mitarbeiter ein gemeinsames Interesse - das in konkretisierter Form allerdings längst nicht immer in die gleiche Richtung weist. Die Gestaltung der Arbeitszeit ist demnach eine in mancherlei Hinsicht konfliktträchtige Angelegenheit. Deutlich machen wollen wir dies anhand zweier Begriffe: Während unternehmensseitig von einem Interesse an Flexibilisierung der Arbeitszeit auszugehen ist, liegt Mitarbeitern an deren Individualisierung. Diese Differenzierung weicht vom üblichen Sprachgebrauch ab, bei dem in der Regel lediglich von Flexibilisierung gesprochen wird und damit die in mancherlei Hinsicht unterschiedliche Interessenlage von Unternehmen und ihren Mitarbeitern unberücksichtigt bleibt. Zwischen der Regelung der Arbeitszeit und der Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen (→ Kapitel 13) besteht ein Zusammenhang: Bestimmte Arbeitszeitregelungen können Arbeitsunzufriedenheit verursachen und damit zu Absen- <?page no="147"?> 148 Personalmanagement im Mittelstand tismus und (unerwünschter) Fluktuation führen. Mit Anwesenheits- und Bleibeanreizen lässt sich dem entgegenwirken. Als Leistungsanreize eignen sich Arbeitszeitregelungen dagegen kaum. Bei der Behandlung der arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen wurde deutlich, dass der Gesetzgeber zum Schutz von Arbeitnehmern Obergrenzen für die Länge der Arbeitszeit definiert hat (→ Kapitel 5). Ansonsten ist die Arbeitszeit eindeutig eine Domäne kollektivrechtlicher Vereinbarungen. Diese schlagen sich in Tarifverträgen, aber auch in Betriebsvereinbarungen (oder vergleichbaren Regelungen) nieder. Darüber hinaus kann die Arbeitszeit auch arbeitsvertraglich vereinbart werden. Insgesamt ist von einem außerordentlich großen Spielraum für Regelungsmöglichkeiten auszugehen, mit denen sich den jeweiligen Erfordernissen von Unternehmen und ihrer Mitarbeiter Rechnung tragen lässt. Um diesen Spielraum auszuloten, stellen wir zunächst das Spektrum der Gestaltungsmöglichkeiten dar. Relativ breiten Raum werden die Ausführungen zur Flexibilisierung und zur Individualisierung der Arbeitszeit einnehmen. Verschiedene Teilzeitregelungen erweitern in diesem Zusammenhang den Gestaltungsspielraum beträchtlich. In unserer Einleitung haben wir darauf hingewiesen, dass beginnend mit → Kapitel 14 Fragen der personellen Wirksamkeit behandelt werden. Diese Einordnung ist nicht zwingend, denn bei der Gestaltung der Arbeitszeit geht es selbstverständlich auch um eine die personelle Verfügbarkeit betreffende Thematik. Wir meinen allerdings, dass die überwiegende Zahl der Gründe für die von uns gewählte Zuordnung spricht. <?page no="148"?> Gestaltung der Arbeitszeit 149 Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitszeit Die Unterscheidung zwischen Dauer und Lage der Arbeitszeit soll uns als Einstieg dienen, um die Bandbreite der Gestaltungsmöglichkeiten zu erschließen. Erstere - ihre Dauer also - betrifft die sogenannte chronometrische Dimension. Soll sie näher gekennzeichnet werden, bedarf es des Bezugs auf einen bestimmten Zeitraum, also beispielsweise auf einen Tag. Davon ist auch im Hinblick auf letztere - die Lage der Arbeitszeit - auszugehen, so beispielsweise die 24 Stunden eines Arbeitstages, die mit Tages-, Abend- oder Nachtarbeit belegt sein können. Bezeichnet wird sie auch als chronologische Dimension. Aus dieser Unterscheidung ergeben sich für die Arbeitszeitgestaltung weitere Konsequenzen: Es handelt sich um starre Arbeitszeiten, wenn sowohl Dauer als auch Lage fest fixiert sind. Bei beweglichen bzw. variablen Arbeitszeiten ist dies nicht der Fall. Allerdings muss dann auf die oben eingeführte Unterscheidung zurückgegriffen werden. Abweichungen von der allgemein üblichen Dauer einer Vollzeitbeschäftigung stellen chronometrische Zeitvariationen dar. Teilzeitarbeit ist die geläufigste Form einer solchen Variation. - Um chronologische Variationen handelt es sich, wenn die Lage eines bestimmten Arbeitszeitumfangs variiert werden kann. Dies ist vor allem bei (einfachen) Gleitzeitregelungen der Fall. Die gesamte Bandbreite an Gestaltungsmöglichkeiten erschließt sich dann, wenn Kombinationen von chronometrischen und chronologischen Variationen vorgenommen werden. Solche Regelungen können in den Dienst von Flexibilisierung und Individualisierung gestellt werden. Bei den bereits angesprochenen Bezugszeiträumen handelt es sich um den Arbeitstag, die Arbeitswoche, den Arbeitsmonat und das Arbeitsjahr. Dazwischen kann noch die Saison <?page no="149"?> 150 Personalmanagement im Mittelstand eingeordnet werden. Ferner bietet die gesamte Dauer des Erwerbslebens, die Lebensarbeitszeit, zahlreiche Ansatzpunkte. Gehen wir etwas mehr ins Detail: Die tägliche Arbeitszeit beginnt zu dem Zeitpunkt, an dem der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitsleistung zur Verfügung stellt; sie endet, wenn dies nicht mehr der Fall ist. In der Regel kollektivvertraglich geregelt, kann dabei auf das Betreten der Arbeitsstätte, die Ankunft am Arbeitsplatz oder die Aufnahme der Arbeit abgestellt werden. Unterbrochen wird die tägliche Arbeitszeit durch der Erholung dienende Ruhepausen von in der Regel mindestens 15 Minuten Länge; ferner durch Ruhezeiten, definiert als Zeitraum zwischen Ende der täglichen Arbeitszeit und ihrem Wiederbeginn. Wird dem Mitarbeiter die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit in einem bestimmten Umfang überlassen, handelt es sich um eine Gleitzeitregelung - worauf zurückzukommen ist. Innerhalb des vom Gesetzgeber definierten Rahmens von 48 Stunden (zu Einzelheiten vgl. § 3 und § 9 ArbZG) wird über die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit traditionell im Rahmen von Tarifverhandlungen entschieden. Die Verhandlungsergebnisse beziehen sich normalerweise auf Vollzeitarbeitsverhältnisse. (Selbstverständlich kann auf arbeitsvertraglicher Basis eine bestimmte Wochenstundenzahl auch für Teilzeitarbeitsplätze vereinbart werden.) Ohne dem hier nachgehen zu müssen: Im Laufe der Zeit kam es zu einer deutlichen Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit. Für die hier zur Diskussion stehende Problematik kommt der monatlichen Arbeitszeit bei starren Regelungen untergeordnete Bedeutung zu; bei variablen Zeitmustern allerdings eröffnen sich Gestaltungsmöglichkeiten, die in den Dienst der Flexibilisierung und Individualisierung gestellt werden können. <?page no="150"?> Gestaltung der Arbeitszeit 151 Unabhängig von dem in ihr verborgenen Flexibilisierungs- und Individualisierungspotenzial eignet sich die jährliche Arbeitszeit insbesondere für internationale Vergleiche. Hier stößt man auf beträchtliche Unterschiede, die nicht nur dadurch zustande kommen, dass die Wochenarbeitszeiten von Land zu Land differieren. Hinzu kommt eine unterschiedlich lange Urlaubsdauer und eine ebenfalls unterschiedliche Zahl an Feiertagen. Ferner spielen länderspezifische Fehlzeiten eine Rolle. Um hier lediglich den Stand der Dinge mitzuteilen: Mit etwas mehr als 1650 Stunden pro Jahr wurde nach Angaben der Hans-Böckler- Stiftung 2017 in Deutschland mit Abstand am wenigsten gearbeitet. Nur für die Niederlande ergibt sich ein ähnlicher Wert. Besonders viele Stunden pro Jahr - mehr als 2000 - arbeitet man übrigens in Griechenland. Flexibilisierung und Individualisierung der Arbeitszeit Unsere Ausführungen zum Spektrum der Gestaltungsmöglichkeiten sollten vor allem als Hinleitung zu den im Folgenden anzustellenden Überlegungen dienen. Beginnen wir mit der Arbeitszeitflexibilisierung. Sie liegt nicht uneingeschränkt im Unternehmensinteresse, denn starre Regelungen haben durchaus ihre Vorteile. Vor allem sind sie vergleichsweise einfach zu praktizieren. Dass an ihnen lange festgehalten wurde, kommt also nicht von ungefähr. Um davon abzurücken, bedurfte es offensichtlich eines nachhaltigen Anstoßes. Worin dieser bestand und wann er erfolgte, kann recht genau identifiziert und terminiert werden: Am Ende eines 1984 mit harten Bandagen in der Metall- und Druckindustrie geführten Arbeitskampfes war klar, dass sich der Einstieg in die 35- Stunden-Woche nicht länger verhindern ließ. Als Gegenleistung bestand die Arbeitgeberseite (erfolgreich) darauf, den sich im Zuge fortschreitender Arbeitszeitverkürzungen abzeichnen- <?page no="151"?> 152 Personalmanagement im Mittelstand den Problemen mittels geeigneter Flexibilisierungsmaßnahmen Rechnung tragen zu können. Weiteres kam hinzu: Infolge fortschreitender Automatisierung und dem damit einhergehenden erhöhten Kapitalbedarf wurde eine intensivere Nutzung der Anlagen als unumgänglich empfunden. Daher ist ab Mitte der 1980er-Jahre arbeitgeberseitig die Arbeitszeitflexibilisierung stark mit dem vorrangigen Ziel einer Entkopplung von Arbeits- und Betriebszeit vorangetrieben worden. Was in der Metall- und Druckindustrie seinen Anfang nahm, griff bald auch auf andere Wirtschaftsbereiche über. Wenn es in der Folgezeit zu einer geradezu explosionsartigen Vermehrung von Arbeitszeitmodellen kam, so auch deshalb, weil seitens des Gesetzgebers der Spielraum für Gestaltungsmöglichkeiten erweitert wurde. Dies geschah dadurch, dass die individuellen Arbeitszeiten mit dem 1994 in Kraft getretenen Arbeitszeitgesetz flexibler verteilt werden konnten. Ein wesentlicher Beitrag zur Flexibilisierung der Arbeitszeit ist schließlich der Möglichkeit zu verdanken, dass Detailregelungen mittlerweile viel stärker als früher Gegenstand von Betriebsvereinbarungen sein können. Zunehmend verbreitete Öffnungsklauseln in Tarifverträgen erlauben dies. Die Arbeitszeit lässt sich damit auf die Erfordernisse des einzelnen Unternehmens - und damit auch auf die seiner Mitarbeiter - zuschneiden. Damit ist zur Individualisierung der Arbeitszeit übergeleitet. Eine besonders offenkundige Möglichkeit bietet die Gleitzeit. Hier kann sich das Erleben von Zeitsouveränität in täglich erfahrbarer Weise einstellen. Und genau darum geht es bei der Individualisierung der Arbeitszeit - um Möglichkeiten, über Dauer und Lage der Arbeitszeit in einem gewissen Umfang persönlich entscheiden zu können. <?page no="152"?> Gestaltung der Arbeitszeit 153 In ihrer einfachsten, auf einen einzigen Tag bezogenen Variante kommt sie in der Bundesrepublik schon seit 1967 zur Anwendung, wenn zunächst auch meist in selektiver, vor allem auf Büroarbeit beschränkter Form. Das ursprüngliche Anwendungsfeld ist mittlerweile deutlich größer geworden, aber es gibt nach wie vor Bereiche und Personengruppen, in und bei denen die Einführung von Gleitzeitmodellen auf enge Grenzen stößt. Charakterisieren lässt sich Gleitzeit im Wesentlichen mittels dreier Begriffe: Während der Kernzeit besteht Anwesenheitspflicht für sämtliche Mitarbeiter, die am Gleitzeitmodell partizipieren. Sie bestimmt automatisch die Zeitpunkte des spätestmöglichen Arbeitsbeginns und des frühestmöglichen Arbeitsendes. Nach und vor der Kernzeit liegen Gleitspannen, durch die diese Zeitpunkte markiert werden. Innerhalb der Spannen können der Arbeitsanfang und das Arbeitsende selbst bestimmt werden. Als Bandbreite schließlich wird der Zeitraum zwischen frühestmöglichem Arbeitsbeginn und spätestmöglichem Arbeitsende bezeichnet. Dieses Grundmuster bezieht sich auf den Arbeitstag. Das Spektrum der Gestaltungsmöglichkeiten erweitert sich beträchtlich, wenn es auf die Arbeitswoche, den Arbeitsmonat oder sogar auf das Arbeitsjahr bezogen wird. Das führt gleichzeitig zur Unterscheidung zwischen einfachen und qualifizierten Gleitzeitmodellen. Um die denkbar einfachste Regelung handelt es sich, wenn die individuelle Soll-Arbeitszeit (sagen wir: acht Stunden) täglich abgeleistet werden muss. Qualifizierte Gleitzeitregelungen sind dadurch charakterisiert, dass bei ihnen auch die Dauer der Arbeitszeit variiert werden kann. Wird diese Möglichkeit genutzt, ergeben sich Zeitguthaben oder Zeitschulden, die innerhalb eines festgelegten Zeitraums ausgeglichen werden <?page no="153"?> 154 Personalmanagement im Mittelstand müssen. In der Praxis ist dies häufig der Monat. Vielfach wird auch der Umfang des übertragbaren Saldos begrenzt. Eine längerfristige Übertragungsmöglichkeit bietet das sogenannte Gleitzeitsparbuch. Seiner großzahligen Verbreitung sind enge Grenzen gesetzt, aber es handelt sich um eine originelle Idee, die unter dem Gesichtspunkt der Individualisierung Beachtung verdient. Erwähnenswert ist insbesondere, dass damit Zeitguthaben aufgebaut werden können, die sich später für Langzeiturlaube, außerberufliche Weiterbildungsvorhaben oder auch für eine erforderliche Betreuung von Angehörigen bis hin zu einem vorzeitigen Ruhestand verwenden lassen. Realistischerweise ist davon auszugehen, dass sich dieses Modell im Mittelstand gegenwärtig eher ausnahmsweise praktizieren lässt. Gleitzeitregelungen, darauf wollen wir abschließend hinweisen, sind ein Beleg für die Existenz einer Schnittmenge des Unternehmensinteresses an Flexibilisierung und des Mitarbeiterinteresses an Individualisierung der Arbeitszeit: Weil Gleitzeit in der Regel als attraktiv empfunden wird, wirken sich entsprechende Modelle positiv im Hinblick auf die Mitarbeitergewinnung aus. Gleitzeit ist zusätzlich ein wirksames Mittel zur Reduzierung von Absentismus; zudem ein (wenn auch nur begrenzt wirksamer) Bleibeanreiz. Im Unternehmensinteresse liegt ferner, dass mittels Gleitzeitregelungen die Betriebszeit über die individuelle Arbeitszeit hinaus ausgedehnt werden kann. Teilzeitarbeit im Dienst von Flexibilisierung und Individualisierung Teilzeitarbeit galt bis in die jüngere Vergangenheit als ein Arbeitsverhältnis zweiter Klasse. Bei Männern die seltene Ausnahme, gingen ihr Frauen überwiegend auf Arbeitsplätzen <?page no="154"?> Gestaltung der Arbeitszeit 155 nach, die eine geringe Qualifikation erforderten und entsprechend niedrig honoriert wurden. Zurückzuführen auf die veränderte Arbeitsmarktsituation und eine gestiegene Nachfrage hat diese Beschäftigungsform zwischenzeitlich eine deutliche Aufwertung erfahren. Hinzu kommt, dass seit Januar 2019 eine Neuregelung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) in Kraft ist, die explizit dies bewirken will. Gegenüber Vollzeitarbeit weist Teilzeitarbeit Besonderheiten auf, die über den trivialen Sachverhalt hinausgehen, dass bei ihr das Arbeitszeitvolumen reduziert ist. Der Umfang der Verkürzung ist dabei übrigens kein Definitionsmerkmal. Arbeitnehmer, die eine geringfügige Beschäftigung ausüben, sogenannte Minijobber also, gelten ebenfalls als teilzeitbeschäftigt. Auch hinsichtlich der Lage der (in ihrem Umfang verkürzten) Arbeitszeit sind vielfältige Variationen möglich. Damit lässt sich im Prinzip sowohl betrieblichen Erfordernissen als auch den Wünschen der Mitarbeiter gezielt Rechnung tragen. Teilzeitarbeit kann sowohl in Form von starrer als auch beweglicher Arbeitszeit geleistet werden. Um erstere handelt es sich, wenn bezüglich Dauer und Lage keine Variationen möglich sind; mittels der letzteren lassen sich zusätzliche Flexibilisierungs- und Individualisierungspotenziale erschließen. Vor dem Hintergrund der verschiedenen Bezugszeiträume der Arbeitszeitgestaltung - des Arbeitstages, der Arbeitswoche usw. - soll im Folgenden die Bandbreite der Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Beginnen wir mit halbierter Arbeitszeit. Was den Arbeitstag betrifft, so ist Halbtagsarbeit die bekannteste und gleichzeitig am weitesten verbreitete Form von Teilzeitarbeit. Sie stellt gewissermaßen das Grundmuster aller Teilzeitmodelle dar. Wir setzen voraus, dass diese Variante weitestgehend bekannt ist. <?page no="155"?> 156 Personalmanagement im Mittelstand Halbierte Arbeitszeit auf Wochenbasis kann beispielsweise bedeuten, dass an zwei Tagen ganztägig, an einem weiteren nur halbtags gearbeitet wird. Aber dies ist lediglich eine von vielen Gestaltungsmöglichkeiten, die es erlauben, die Interessen von Unternehmen und einzelnen Mitarbeitern auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Zahlreiche weitere Optionen geraten ins Blickfeld, wenn sich die Überlegungen auf den Arbeitsmonat beziehen. Zu denken ist dabei etwa an wochenweises Arbeiten, das sich mit arbeitsfreien Wochen so abwechselt, dass sich insgesamt eine halbierte monatliche Arbeitszeit ergibt. In Bezug auf das Arbeitsjahr schließlich wäre es denkbar, dass im monatlichen Rhythmus ein Wechsel zwischen Arbeits- und arbeitsfreier Zeit stattfindet oder dass mehrere Monate zu einem ‚Arbeitsblock‘ zusammengefasst werden, auf den dann ein längerer ‚Freizeitblock‘ folgt. Auch wenn derartige Regelungen zunächst exotisch erscheinen mögen, können sie unter bestimmten Bedingungen den Interessenlagen beider Vertragspartner - denen des Unternehmens und denen des einzelnen Mitarbeiters - außerordentlich gut entgegenkommen, dies insbesondere in Kombination mit Partner-Teilzeitarbeit, auf die noch einzugehen sein wird. Um Teilzeitarbeit - daran ist zu erinnern - handelt es sich immer dann, wenn die regelmäßige Arbeitszeit von vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschritten wird; dies unabhängig vom Umfang der Unterschreitung. Damit geraten Regelungen umfangmäßig variierter Teilarbeitszeit ins Blickfeld. Das Spektrum der Gestaltungsmöglichkeiten erweitert sich damit beträchtlich. Überlegen wir zunächst, an welchen Zeitkorridor dabei zu denken ist: Wenn auch nicht zwangsläufig, so wird er im Regelfall mehr oder weniger deutlich oberhalb einer halbierten Arbeitszeit liegen. Wird beispielsweise von einer Verkürzung auf 30 Wochenstunden ausgegangen, so können diese auf die <?page no="156"?> Gestaltung der Arbeitszeit 157 verschiedenen Bezugszeiträume unterschiedlich verteilt werden. Für (mittelständische) Unternehmen, die sich auf solche Zeitmuster einlassen (können), ergeben sich damit zusätzliche Möglichkeiten einer Entkopplung von Arbeits- und Betriebszeit. Von etwas anderen Verhältnissen ist auszugehen, wenn Monats- oder Jahresarbeitszeitverträge die Basis für bewegliche Teilzeitarbeit bilden. Dass dabei der mittelfristig voraussehbare Arbeitsanfall berücksichtigt und damit dem Unternehmensinteresse Rechnung getragen werden muss, versteht sich von selbst. Für Mitarbeiter können solche Verträge auf einen zusätzlichen Gewinn an Zeitsouveränität hinauslaufen und damit einen Individualisierungsbeitrag leisten. Verbinden lassen sie sich mit Vereinbarungen über ein verstetigtes Monatseinkommen. Eine Sonderform von Teilzeitarbeit stellt die bereits erwähnte Partner-Teilzeitarbeit dar, die auch als Arbeitsplatzteilung oder Job Sharing bezeichnet wird. Ihr liegt die Idee zugrunde, einen Vollzeitarbeitsplatz oder mehrere Vollzeitarbeitsplätze auf eine Anzahl von Mitarbeitern aufzuteilen, die größer ist als die Zahl der Arbeitsplätze. Im einfachsten Fall teilen sich zwei Mitarbeiter einen Vollzeitarbeitsplatz und bilden ein Job- Sharing-Team. Werden mehrere Arbeitsplätze auf eine größere Zahl von Mitarbeitern aufgeteilt, so handelt es sich um einen Job-Sharing-Pool. Hier wie dort kommen Teilzeitregelungen zur Anwendung. Der Individualisierungsgedanke solcher Modelle besteht darin, dass die Aufteilung und die Lage der individuellen Arbeitszeiten weitgehend der Selbstbestimmung der beteiligten Mitarbeiter überlassen bleibt. Nicht grundlos werden diese als Partner bezeichnet. In seiner idealtypischen Ausprägung nimmt das beschäftigende Unternehmen keinen Einfluss darauf, wie groß die Arbeitszeitanteile der Team- oder Poolmitglieder sind. Das- <?page no="157"?> 158 Personalmanagement im Mittelstand selbe gilt auch im Hinblick darauf, wie die tägliche, wöchentliche, monatliche oder sogar jährliche Arbeitszeit aufgeteilt wird. Seitens des Teams oder des Pools ist gegenüber dem Unternehmen lediglich sicherzustellen, dass die Arbeitsplätze innerhalb der vereinbarten Zeitzonen auch tatsächlich besetzt sind. Vorstellbar ist beispielsweise, dass sich zwei Partner einen Vollzeitarbeitsplatz im Verhältnis 60: 40 aufteilen (und natürlich entsprechend entlohnt werden). Dabei kann es ihnen überlassen bleiben, wie die Zeitanteile auf die einzelnen Wochentage verteilt werden. Ferner können sie unter sich vereinbaren, dass die Arbeitstage (nicht jedoch die Zeitanteile) im wöchentlichen Rhythmus getauscht werden. Es gibt zahlreiche weitere Varianten, wie Partner-Teilzeitarbeit gestaltet werden kann. Gemeinsam ist ihnen allen ein hohes Potenzial zur Individualisierung der Arbeitszeit. Flexibilisierungsgewinne dagegen sind von ihnen nicht oder allenfalls in bescheidenem Umfang zu erwarten. Im Unternehmensinteresse kann diese Form der Arbeitszeitgestaltung aber schon deshalb liegen, weil sie sich auf Vollzeitarbeitsplätze bezieht und damit verschiedene arbeitsorganisatorische Probleme der herkömmlichen Teilzeitarbeit nicht in Erscheinung treten. Unabhängig davon können sich Job-Sharing-Angebote als wirksame Mittel zur Bindung von Mitarbeitern an das Unternehmen erweisen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass eine reibungslose Abstimmung zwischen den Partnern erforderlich ist. Abschließend kommen wir darauf zurück, dass Anfang 2019 eine Ergänzung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes in Kraft getreten ist: Mitarbeiter, die ab dem 1. Januar 2019 einen Teilzeitarbeitsvertrag abschließen, haben seitdem einen Rechtsanspruch auf Rückkehr in Vollzeit. Kleine und kleinste Mittelständler sind davon ausgenommen. Für Unternehmen ab 46 <?page no="158"?> Gestaltung der Arbeitszeit 159 Mitarbeitern ergeben sich aus der Neuregelung allerdings weitreichende Konsequenzen. Auch vor dem genannten Zeitpunkt konnten Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit verringern, hatten aber keinen Anspruch auf Rückkehr in eine Vollzeitstelle. Fortan haben sie, geregelt in § 9a TzBfG Abs. 1 und unter den dort genannten Bedingungen ein Recht auf sogenannte Brückenteilzeit. Gegenüber der vormals geltenden Regelung läuft dies auf eine Erweiterung der Möglichkeiten zur Individualisierung der Arbeitszeit hinaus. In der vom Gesetzgeber vorgesehenen Form leistet Brückenteilzeit andererseits keinen Flexibilisierungsbeitrag. In vielen mittelständischen Unternehmen dürfte sie darüber hinaus zu weitreichenden Umsetzungsproblemen führen. <?page no="160"?> 15 Mitarbeiter qualifizieren Gegenwartsschrumpfung - der Begriff macht seit geraumer Zeit die Runde. Maßgeblich geprägt hat ihn der Philosoph Hermann Lübbe, und er meint damit die Abnahme der Zeitdauer, für die wir mit einer (ungefähren) Konstanz der Lebensverhältnisse rechnen können. „Verkürzter Aufenthalt in der Gegenwart“ lautet der im ersten Moment etwas geheimnisvoll klingende Untertitel einer seiner Veröffentlichungen. Das so beschriebene Phänomen wirkt in viele Lebensbereiche hinein. Es macht sich auch in der Welt der Arbeit auf nicht zu übersehende Weise bemerkbar: Das dort zur Anwendung kommende Wissen veraltet im Zeitablauf; wird obsolet - und dies mit wachsender Geschwindigkeit. Ein wichtiger Treiber der Gegenwartsschrumpfung ist der Technikwandel. Welche genaue Richtung er nimmt, lässt sich allenfalls ungefähr voraussagen. Es gibt hinreichend viele Beispiele dafür, dass Unternehmen von ihm ‚auf dem falschen Fuß‘ getroffen und in ihrer Existenz ernsthaft gefährdet wurden oder sogar ganz vom Markt verschwunden sind. Es liegt folglich im ureigensten Interesse mittelständischer Unternehmen, dem Phänomen der Gegenwartsschrumpfung gezielt Beachtung zu schenken. Im Hinblick auf personelles Gestalten sind damit vorrangig die verschiedenen Facetten der Mitarbeiterqualifizierung angesprochen. ‚Wissen‘, von dem oben die Rede war, kann übrigens sowohl in den Köpfen als auch in den Händen gespeichert sein. Der Begriff umfasst damit auch die zur Ausübung eines Handwerks benötigten manuellen Fähigkeiten. Interpretiert als Wissensträger sind Mitarbeiter vom Phänomen der Gegenwartsschrumpfung in dem Sinn betroffen, dass ihre <?page no="161"?> 162 Personalmanagement im Mittelstand im Rahmen der beruflichen Erstausbildung oder während eines Studiums erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse in aller Regel nicht ausreichen, um damit ihr gesamtes Berufsleben bestreiten zu können. Im Prinzip müssen sie also ein vitales Interesse an ihrer permanenten Fortbildung haben. Auch wenn die Rede vom lebenslangen Lernen gelegentlich etwas überstrapaziert wird - um eine nützliche Leitlinie für das Berufsleben handelt es sich allemal. Ferner wollen wir festhalten, dass bezüglich Mitarbeiterqualifizierung bzw. Fortbildung ein die Unternehmen und ihre Mitarbeiter verbindendes Interesse besteht, auch wenn die Vorstellungen in Bezug auf die Fortbildungsinhalte nicht immer deckungsgleich sind. Grundlegendes zur beruflichen Fortbildung Die Fortbzw. Weiterbildung von Mitarbeitern ist ein Kernstück der Berufsbildung, zu der gemäß Berufsbildungsgesetz ferner die Berufsausbildungsvorbereitung, die eigentliche Berufsausbildung und die berufliche Umschulung zählen. Sie soll es ermöglichen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erhalten und anzupassen oder zu erweitern und beruflich aufzusteigen (§ 1 Abs. 4 BBiG). In der Unternehmenspraxis wird heute meist von Personalentwicklung gesprochen; ein Oberbegriff, der sowohl Erhaltungs-, Erweiterungs-, Anpassungsals auch Aufstiegsfortbildung umfasst. Die Differenzierungen sprechen für sich selbst, sodass ihnen an dieser Stelle nicht ausführlich nachgegangen werden muss. Gegenwartsschrumpfung äußert sich nicht nur in dem zunehmend schnellen Veralten von Wissen. Hinzu kommt, dass es immer schwieriger wird, künftig benötigte berufliche Fähigkeiten und Kenntnisse annähernd treffsicher zu antizipieren. Dem lässt sich durch Erwerb von Schlüsselqualifikationen Rechnung tragen. Diese Thematik ist nicht ganz neu, aber von fortdauernder Aktualität. Gemeint sind überfachliche, mög- <?page no="162"?> Mitarbeiter qualifizieren 163 lichst multifunktionale Kompetenzen, die in den verschiedensten Situationen zur Anwendung gebracht werden können. Sie unterliegen damit nicht jener schnellen Veralterung, der fachliche Qualifikationen ausgesetzt sind. Eine überfachliche, hier bewusst an erster Stelle aufgeführte Schlüsselqualifikation ist Lernfähigkeit, dies einfach deshalb, weil Lernen den Mechanismus des Wissenserwerbs darstellt. ‚Lernen lernen‘ ist zu einem Motto der Bildungsreformdebatte avanciert. Dabei handelt es sich auch um Methodenwissen; Wissen, das den Erwerb von beruflich verwertbaren Fähigkeiten und Kenntnisse erleichtert. Eine Voraussetzung, dass Neues erfolgreich zur Anwendung gebracht werden kann, stellt zuweilen das Vergessen dar. Auch die Kehrseite des Lernens ist also eine nützliche Gedächtnisleistung. Wir entledigen uns damit von Fesseln, die es ansonsten möglicherweise verhindern würden, sich dem Neuen engagiert zuzuwenden. Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit sind eine weitere Schlüsselqualifikation. Auch sie hat in der modernen Arbeitswelt erheblich an Bedeutung gewonnen. Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft sind beispielsweise Voraussetzungen dafür, dass Wissen geteilt wird. Selbstverständlich ist dies nicht. Insbesondere machtstrategische Überlegungen können dem entgegenstehen, denn ‚Wissen ist Macht‘. Ferner wird es häufig so sein, dass Mitarbeitern nicht bewusst ist, dass sie über auch für ihre Kollegen nützliches Wissen verfügen. Im besonderen Maße trifft dies für sogenanntes implizites Wissen zu, das sich aus einer langjährigen Erfahrung speist und über das folglich vor allem ältere Mitarbeiter verfügen. Keines weiteren Nachweises bedarf es, dass auch Kommunikationsfähigkeit eine nützliche Schlüsselqualifikation darstellt. Insbesondere für Führungskräfte ist sie im Grunde genommen unabdingbar. <?page no="163"?> 164 Personalmanagement im Mittelstand Die eigentliche Qualifikationsvermittlung kann - unabhängig davon, ob sie unmittelbar tätigkeitsbezogener oder überfachlicher Art ist - direkt am Arbeitsplatz (on the job) oder abseits von diesem (off the job) erfolgen. On-the-job-Fortbildung kann man sich beispielsweise so vorstellen, dass die Vermittlung von Fähigkeiten und Kenntnissen einem erfahrenen Kollegen obliegt. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil liegt darin, dass sich dabei gute Möglichkeiten zum unmittelbaren Selbstausführen bieten - was zugleich eine besonders effektive Form des Lernens ist. Bei der Teilnahme an Schulungsbzw. Seminarveranstaltungen handelt es sich um typische Off-the-job-Fortbildung. Sie findet in aller Regel ‚außer Haus‘ statt, vornehmlich in darauf eingestellten Schulungseinrichtungen. Die Wissensvermittlung erfolgt durch auf bestimmte Themen spezialisierte Referenten. Es handelt sich um die häufigste Form der Fortbildung. Unabhängig von dem auf den Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten gerichteten Anliegen haben derartige Veranstaltungen einen weiteren Effekt: Mitarbeiter empfinden die Teilnahme daran in der Regel als Zeichen von Wertschätzung und fühlen sich daher an das beschäftigende Unternehmen stärker gebunden (→ Kapitel 13). Dabei kann es durchaus sein, dass der eine oder andere mittelständische Unternehmer erfahren muss, dass seine Investitionen in die Fortbildung von Mitarbeitern deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern und einen Stellenwechsel erst möglich machen. Die Einschätzung, dass Fortbildung ein wirksames Mittel zur Bindung an das Unternehmen darstellt, muss dadurch jedoch nicht grundlegend revidiert werden. Eine anders gelagerte Problematik von Off-the-job-Fortbildung besteht im Transfer des auf diesem Weg erworbenen Wissens in das Unternehmen. Die Erfahrung lehrt, dass Neues - worum immer es sich dabei handeln mag - von den Arbeitskollegen <?page no="164"?> Mitarbeiter qualifizieren 165 keineswegs immer geschätzt wird; dies deshalb, weil sie befürchten, dass sich daraus für sie nachteilige Veränderungen ergeben könnten. Unter Umständen bedarf es daher der engagierten Unterstützung ‚von oben‘, um Neues zu implementieren. Im typischen mittelständischen Unternehmen wird es sich dabei um die Chefin oder den Chef selbst handeln. Im Folgenden differenzieren wir zwischen verschiedenen Zielgruppen der Fortbildung und verstehen darunter nach Funktions- und Positionsmerkmalen voneinander getrennt zu betrachtende Personen oder Personenmehrheiten. Daraus lassen sich je spezifische Qualifizierungserfordernisse und -inhalte ableiten. Angesichts sehr unterschiedlicher Verhältnisse im Mittelstandsuniversum kann es sich dabei nur um eine holzschnittartige Darstellung handeln: Wir konzentrieren uns also auf die jeweiligen Fortbildungsschwerpunkte. Führungs- und Fachkräfte als Zielgruppen der Mitarbeiterqualifizierung Die Fortbildung von Führungskräften - unsere erste Zielgruppe - steht traditionell im Zentrum der betrieblichen Bildungsarbeit. Dies ergibt sich aus ihrer herausgehobenen Bedeutung für den Unternehmenserfolg sowie aus der Vielfältigkeit der von ihnen zu erfüllenden Aufgaben. Die Chefin oder den Chef mittelständischer Unternehmen zählen wir dabei zum Personenkreis der Führungskräfte. Insbesondere bei den kleinsten und kleinen Mittelständlern sind sie sogar die einzigen, die als solche zu bezeichnen sind. Führungskräfte sind in aller Regel Träger von Personalverantwortung. Sie weisen die ihnen unterstellten Mitarbeiter an, nehmen die Koordination zwischen diesen wahr und kontrollieren die Arbeitsergebnisse (→ Kapitel 17). Um diesen und den damit verbundenen Aufgaben - zu denken ist beispiels- <?page no="165"?> 166 Personalmanagement im Mittelstand weise an das möglicherweise notwendige Führen eines Kritikgesprächs - gerecht werden zu können, sind kommunikativsoziale Fähigkeiten erforderlich. Solche Fähigkeiten werden auch als Soft Skills bezeichnet; als eher ‚weiche‘ Kompetenzen also. Stets geht es um den Umgang mit und zwischen Menschen, der sich deutlich anders gestaltet als der mit einem Werkzeug oder mit Zahlen aus dem betrieblichen Rechnungswesen. Wenn sie als ‚weich‘ bezeichnet werden, so sollte dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihr Fehlen durchaus ‚harte‘ Konsequenzen haben kann. Drücken wir es in aller Kürze so aus: Unzulänglich wahrgenommene Personalverantwortung ist kostspielig. Emotionale Kompetenz scheint eine besonders wichtige kommunikativ-soziale Fähigkeit zu sein. Bei ihr geht es darum, das Empfinden anderer richtig zu deuten und damit angemessen umzugehen (→ Kapitel 7). Was aber rechtfertigt es, diese Kompetenz als besonders wichtig zu bezeichnen? Nun, wer darüber verfügt, der hat mit der Einflussnahme auf die von ihm geführten Mitarbeiter weniger Probleme. Mit anderen Worten: Emotionale Kompetenz erleichtert die Wahrnehmung von Führungsaufgaben. Es handelt sich insofern um eine anderen Fähigkeiten übergeordnete Kompetenz, um eine sogenannte Metakompetenz. Das Wissen um die Gefühlswelt anderer (und auch um die eigene) ist uns Menschen teilweise in die Wiege gelegt, denn wir sind von Natur aus soziale Wesen. Zum Tragen kommt es allerdings in einem sehr unterschiedlichen Ausmaß. Glücklicherweise lässt sich emotionale Kompetenz bis zu einem gewissen Grad erlernen. Eine dabei hilfreiche Methode ist das in jüngerer Zeit geradezu zum Hype gewordene Achtsamkeitstraining, eine Form der Fortbildung, die auch für mittelständische Unternehmen einen hohen Stellenwert hat. <?page no="166"?> Mitarbeiter qualifizieren 167 Bei Fachkräften - unserer zweiten Zielgruppe der Mitarbeiterqualifizierung - liegt der Schwerpunkt der Fortbildung auf den für die Ausübung ihres Berufs erforderlichen technischen Fähigkeiten. Es handelt sich um eine außerordentlich heterogene Zielgruppe. Sie umfasst Mitarbeiter, die eine gewerbliche, kaufmännische oder sonstige Berufsausbildung erfolgreich absolviert haben; gegebenenfalls auch solche, die sich die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Laufe ihres Berufslebens angeeignet haben. Fortbildungsbedarf entsteht hier vorrangig aufgrund des technisch-organisatorischen Wandels, darüber hinaus aber auch wegen der sich aus zahlreichen anderen Gründen vollziehenden Veränderungen, von denen Unternehmen in irgendeiner Weise - etwa durch Globalisierung - betroffen werden. Teilweise sind sie ausgesprochen disruptiver Art. Die Tätigkeitsinhalte von Fachkräften haben sich seit geraumer Zeit in bemerkenswerter Weise verändert. In vielen Bereichen kann sich ihre Fortbildung nicht mehr auf Inhalte beschränken, die rein fachlicher Natur sind. Fachkompetenz ist demnach lediglich ein Teil dessen, worüber sie verfügen sollten. Erforderlich ist vielmehr eine umfassende Handlungskompetenz, die neben Fach-, auch Methoden- und Sozialkompetenz umfasst. Mittelständler können hier auf ein umfassendes Schulungsangebot von Kammern und Verbänden zurückgreifen. Fortbildung älterer Mitarbeiter Bei dem Erwerb beruflicher Qualifikationen, gleich welcher Art, handelt es sich um einen Lernprozess; wir haben dies bereits einleitend angemerkt. Die Fähigkeit, ihn erfolgreich zu absolvieren, hängt dabei erfahrungsgemäß unter anderem vom Lebensalter ab. Insofern ist anzunehmen, dass sich aus diesem <?page no="167"?> 168 Personalmanagement im Mittelstand Tatbestand im Hinblick auf die Fortbildung älterer Mitarbeiter gewisse Konsequenzen ergeben. Soll die Rede vom lebenslangen Lernen nicht zur Leerformel verkommen, scheint uns dabei insbesondere Folgendes mitteilenswert: Bezüglich dessen, was gelernt werden soll (Lerninhalte) und auch wie schnell es gelernt werden kann (Lerntempo), kommt es insbesondere darauf an, Bezüge zum bisherigen Erfahrungshintergrund herzustellen, ausreichend Zeit zum Erwerb der Lerninhalte zu gewähren und den Sinn des zu Lernenden gut erkennbar zu machen. Dies ist gewissermaßen die Quintessenz dessen, was sich aus den Ergebnissen der Lernforschung im Hinblick auf die Fortbildung älterer Mitarbeiter ableiten lässt. Fügen wir dem noch dies hinzu: Im Zusammenhang mit dem gerade Referierten spielt die Unterscheidung zwischen flüssiger und kristallisierter Intelligenz eine Rolle. (Der Intelligenzbegriff bezieht sich dabei ganz allgemein auf geistige Fähigkeiten.) Erstere - die flüssige Intelligenz - betrifft die Fähigkeit zur Lösung von neuartigen Problemen. Mit zunehmendem Alter geht sie - dies lässt sich gerontologischen Untersuchungen entnehmen - geringfügig zurück, wobei der Rückgang jedoch durch gezieltes Training aufgehalten und sogar überkompensiert werden kann. Die Lerninhalte sollten dabei allerdings - siehe oben - von den bisherigen nicht stark abweichen. Kristallisierte Intelligenz bezieht sich auf Wissen, das im Laufe des Lebens - des Berufslebens im Besonderen - erworben wurde und befähigt damit primär zum Umgang mit vertrauten Problemen. Um dieses Wissen zu erhalten, muss es gleichwohl von Zeit zu Zeit aufgefrischt werden. Nicht grundlos ist im eingangs erwähnten Berufsbildungsgesetz die Erhaltungsfortbildung im Katalog der verschiedenen Fortbildungsschwerpunkte explizit aufgeführt. Es ist zu vermuten, dass der <?page no="168"?> Mitarbeiter qualifizieren 169 Gesetzgeber dabei insbesondere ältere Arbeitnehmer und deren berufliche Chancen im Auge hatte. Als Fazit ist mithin festzustellen, dass mit zunehmendem Alter von einem generellen Rückgang geistiger Fähigkeiten nicht ausgegangen werden muss. Im Licht gerontologischer Erkenntnisse erweist sich insofern die das Meinungsbild lange Zeit beherrschende Defizitvorstellung als weitgehend unzutreffend. Daraus lässt sich folgern, dass Unternehmen gut beraten sind, fortbildungswillige ältere Mitarbeiter an Fortbildungsmaßnahmen teilhaben zu lassen. Dem Mittelstand kommt die obige Erkenntnis sehr entgegen, ist doch hier der in Großunternehmen und Konzernen weitverbreitete ‚Jugendwahn‘ traditionell kaum anzutreffen. Man hat dort schon immer auf die Erfahrung älterer Mitarbeiter gesetzt. Es kann deshalb auch nicht überraschen, dass sie - von Großunternehmen vorzeitig in den Ruhestand geschickt - nicht selten im Mittelstand für den Rest ihres Berufslebens einen neuen Arbeitgeber finden. <?page no="170"?> 16 Mitarbeiter vergüten Ob Flöhe, Kies, Knete oder Kohle; Mammon, Moneten, Moos oder Mäuse; Penunzen, Piepen, Pinke-Pinke, Zaster oder Bimbes - stets geht es um Geld. Allein die Fülle der meist volkstümlich-umgangssprachlichen Bezeichnungen lässt sich als Indiz für die Bedeutung werten, die ihm beigemessen wird. Im Gefolge der Vergütungspflicht des Arbeitgebers kommt dem Geld auch in der Welt der Arbeit zentrale Bedeutung zu; dies in Form von Entgelt für die von seinem Vertragspartner geleistete Arbeit. Es handelt sich, so in → Kapitel 12 nachzulesen, um dessen arbeitsvertragliche Hauptpflicht. Wie ihr im Einzelnen entsprochen wird, wirft allerdings eine Reihe weiterführender Fragen auf, insbesondere die nach der Höhe des Entgelts und den damit verbundenen Bewertungsproblemen. Aus letzteren ergibt sich die Notwendigkeit zur Entgeltdifferenzierung, um so den verschiedenen Anforderungen der Arbeit und/ oder den Leistungsunterschieden sowie einigen weiteren Faktoren Rechnung zu tragen. Stets spielt dabei der Gedanke der Entgeltgerechtigkeit eine zentrale Rolle. Über den juristischen Vertrag hinaus ergeben sich daraus auch Konsequenzen für den psychologischen Vertrag, auf dessen Bedeutung ebenfalls in → Kapitel 12 aufmerksam gemacht wurde. Aus einer Reihe von Gründen ist die Vergütungsproblematik eine konfliktträchtige Angelegenheit: Für Unternehmen handelt es sich beim Lohn und beim Gehalt um Kosten, die in die Kalkulation eingehen und damit in der Regel ihre Wettbewerbsposition beeinflussen. Für Mitarbeiter geht es um Einkommen, von dessen Höhe die Möglichkeiten ihrer Lebensgestaltung maßgeblich abhängen. Bewusst holzschnittartig ausgedrückt steht also einem Minimierungsinteresse ein Maximierungsinteresse gegenüber. <?page no="171"?> 172 Personalmanagement im Mittelstand Faktisch kann dieser Interessengegensatz schon deshalb nicht ungezügelt wirksam werden, weil die konkrete Regelung der Vergütung hierzulande über weite Strecken das Ergebnis von Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden (in seltenen Fällen: einzelnen Unternehmen) ist. Tarifverträge, in denen sie ihren Niederschlag finden, haben in der Regel eine Laufzeit von einem Jahr. Zunehmend werden sie allerdings über einen längeren Zeitraum abgeschlossen, wobei dann meist stufenweise Lohn- oder Gehaltserhöhungen - zu Kürzungen ist es bislang nicht gekommen - vorgesehen sind. Unternehmensseitig erhöht sich dadurch die Planungssicherheit. Weil die weitaus meisten mittelständischen Unternehmen nicht in einem Arbeitgeberverband organisiert sind, könnte der Eindruck entstehen, dass ihr Vergütungsspielraum vergleichsweise groß ist. Wie wir sehen werden, trifft dies aus einer Reihe von Gründen kaum zu. Am Ende des Kapitels befassen wir uns mit den Möglichkeiten der materiellen Beteiligung von Mitarbeitern. Herausgehobene Bedeutung kommt ihr im Hinblick auf Führungskräfte zu, die auf diese Weise unter Umständen wirksam an das Unternehmen gebunden werden können. Auf die motivationalen Wirkungen des Geldanreizes sind wir in knapper Form bereits in → Kapitel 6 eingegangen. Dabei wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass dem Entgelt instrumenteller Wert im Hinblick auf die Befriedigung einer ganzen Reihe von Bedürfnissen zukommt. Allein dies unterstreicht die große Bedeutung dieses Anreizes. Die Vergütungsbestandteile im Überblick Dass die Vergütung für geleistete Arbeit nicht nur in Form von Geld, sondern auch in Naturalien erfolgen kann, ist hier ledig- <?page no="172"?> Mitarbeiter vergüten 173 lich der Vollständigkeit wegen zu erwähnen. Ersteres ist der Regelfall, weshalb sich die weiteren Ausführungen ganz auf ihn konzentrieren können. Wir gehen im Folgenden ferner davon aus, dass auf die Unterscheidung zwischen Lohn für gewerbliche Mitarbeiter und Gehalt für Angestellte nicht ausführlich eingegangen werden muss. Sie spielt weiterhin eine Rolle, hat aber seit geraumer Zeit wegen der zunehmenden Angleichung von Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen an Bedeutung verloren. Erörterungsbedürftig sind hingegen die verschiedenen Bestandteile, aus denen sich die Vergütung für die geleistete Arbeit zusammensetzt. Gelegentlich ist dabei von einer ‚Entgeltsäule‘ die Rede, was aber die nur teilweise zutreffende Vorstellung suggeriert, dass diese Bestandteile stets allesamt anzutreffen sind. Der Reihenfolge, in der sie im Folgenden aufgeführt werden, kommt dabei lediglich untergeordnete Bedeutung zu. Beginnen wir beim sogenannten Mindestlohn. 2015 per Mindestlohngesetz (MiLoG) eingeführt und seit Januar 2018 ausnahmslos für alle Branchen der Wirtschaft verbindlich, beläuft er sich seit Anfang 2019 auf 9,19, ab 2020 dann auf 9,35 EU brutto pro Arbeitsstunde. Eine weitere Bewegung nach oben ist vorprogrammiert; dies teilweise auch deshalb, weil seine Höhe beliebter Gegenstand parteipolitischer Auseinandersetzungen ist. Bei seiner Festlegung orientiert sich die Mindestlohn- Kommission - und damit wollen wir es hier bewenden lassen - maßgeblich am sogenannten Tarifindex des Statistischen Bundesamtes. Eine besonders wichtige Komponente der Vergütungsstruktur ist ihr anforderungsbezogener Anteil. Mit ihm findet der Gedanke Berücksichtigung, dass der Schwierigkeitsgrad von Tätigkeiten bei der Vergütung angemessen zu berücksichtigen ist. Dessen Feststellung kann dabei mittels verschiedener Verfahren der Arbeitsbewertung erfolgen. Sie erfolgt ohne Bezug <?page no="173"?> 174 Personalmanagement im Mittelstand auf eine bestimmte Person, also losgelöst davon, wie die Leistung im Einzelfall erbracht wird. Im Ergebnis führt dies zur Unterscheidung verschiedener Lohn- und Gehaltsgruppen. Deren Beschreibung wird anhand von Richtbeispielen vorgenommen. (Ein Beispiel: Lohngruppe 8 - Schwierige Facharbeit, die besondere Fertigkeiten und langjährige Erfahrungen voraussetzt.) Die Aushandlung findet üblicherweise zwischen den Tarifpartnern statt. Für nicht tarifgebundene Unternehmen, also für das Gros des Mittelstands, können die Verhandlungsergebnisse als Richtgrößen herangezogen werden. Ein weiterer Baustein der Vergütungsstruktur ist ihr qualifikationsabhängiger Anteil. Auch als Qualifikations-, Polyvalenz- oder Potenziallohn bezeichnet, orientiert sich die Höhe der Vergütung an den von Mitarbeitern eingebrachten Fähigkeiten, ohne dass diese zwangsläufig allesamt bei der momentanen Tätigkeit zur Anwendung kommen müssen. Honoriert wird also ein gewissermaßen auf Abruf zur Verfügung stehendes ‚Können‘. Gegenwärtig von eher untergeordneter Bedeutung, dürfte dieser Lohnbestandteil angesichts der wachsenden Notwendigkeit eines flexiblen Mitarbeitereinsatzes an Bedeutung gewinnen. Einen hohen Stellenwert innerhalb der Vergütungsstruktur hat ihr leistungsbezogener Anteil. Kommt er zur Anwendung, so führt dies zu einer leistungsbezogenen Entgeltdifferenzierung. Voraussetzung ist, dass eine weitgehend exakte Leistungsmessung oder -beurteilung durchgeführt werden kann. In Form von Akkord- und Prämienlohn sowie in abgeschwächter Form als Zeit- und Pensumlohn handelt es sich um eine sogenannte leistungsreagible Vergütung. Seine zweite Grundform stützt sich auf die Leistungsbeurteilung, die in der Regel vom direkten Vorgesetzten vorgenommen wird (→ Kapitel 17). Bei vielen mittelständischen Unternehmen ist dies die Chefin oder der Chef persönlich. <?page no="174"?> Mitarbeiter vergüten 175 Mittels eines marktbezogenen Anteils innerhalb des Vergütungsgefüges wird berücksichtigt, dass bei der Entgeltgestaltung auch die Bedingungen des Arbeitsmarktes Beachtung finden müssen. Wenn es hier zwischen den Unternehmen zu spürbaren Unterschieden in der Höhe der Vergütung kommt, muss mit (nicht erwünschter) Fluktuation (→ Kapitel 13) gerechnet werden. Über den ‚Marktwert‘ von Mitarbeitern entscheiden dabei insbesondere die jeweiligen Knappheitsverhältnisse im Hinblick auf spezifische Qualifikationen. In Zeiten eines hohen gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsgrades kommt diesem Anteil besonders große Bedeutung zu. Weil im Wettbewerb um Mitarbeiter stehend, können sich mittelständische Unternehmen derartigen Einflüssen kaum entziehen. Auch das Lebensalter von Mitarbeitern oder die Dauer ihrer Unternehmenszugehörigkeit sind Faktoren, die im Vergütungssystem eines Unternehmens in der Regel eine Rolle spielen. Dies sind soziale Gesichtspunkte, weshalb von sozialbezogenen Anteilen bzw. von einem ‚Soziallohn‘ gesprochen wird. Letzter Posten innerhalb einer idealtypischen Vergütungsstruktur sind Zuschläge, wie sie für die Leistung von Überstunden, für Schicht-, Nachtsowie Sonn- und Feiertagsarbeit anfallen. So beläuft sich beispielsweise der übliche Nachtzuschlag auf 25 Prozent des Lohns. Sprechen wir zusammenfassend von sonstigen Anteilen. Verpflichtend gezahlt werden müssen sie allerdings nicht. Zu diesen Anteilen zählen auch Zulagen, mit denen besondere Erschwernisse oder Leistungen und Verschiedenes mehr zusätzlich honoriert werden. Aus der Darstellung der verschiedenen Anteile - und darauf wollen wir am Ende dieses Abschnitts gezielt aufmerksam machen - lässt sich entnehmen, in welch hohem Maße bei der Mitarbeitervergütung Gerechtigkeitsaspekte eine Rolle spielen. So entspricht es beispielsweise dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen, dass der Schwierigkeitsgrad der Arbeit oder <?page no="175"?> 176 Personalmanagement im Mittelstand die zu ihrer Ausführung erforderlichen Qualifikationen sich in der Entgelthöhe widerspiegeln sollten. Dasselbe gilt, wenn vielleicht auch im unterschiedlichen Ausmaß, im Hinblick auf die übrigen Bestandteile des Vergütungsgefüges. Wird dagegen verstoßen, ist mit negativen Zufriedenheitswirkungen und ihren verschiedenen Konsequenzen auf das Arbeitsverhalten zu rechnen. Wir erinnern in diesem Zusammenhang insbesondere an die Ausführungen in den → Kapiteln 9 und → 13. Stets kann es sich dabei allerdings nur um eine relative Gerechtigkeit handeln, die es bei der Mitarbeitervergütung anzustreben gilt. Vergütungsgestaltung im Mittelstand Über weite Strecken wird über die Höhe und über die Differenzierung der Vergütung auf kollektivvertraglicher Ebene entschieden; wir haben darauf bereits einleitend aufmerksam gemacht. Ihren Niederschlag finden die Verhandlungen ganz überwiegend in den von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelten Tarifverträgen. Damit wird der Gestaltungsspielraum für Unternehmen, dies unabhängig von ihrer Größe, von vornherein eingeengt. Ihre Begründung findet die weitgehend kollektivvertragliche Regelung darin, dass der einzelne Arbeitnehmer bei der Aushandlung der Entgelthöhe dem Arbeitgeber strukturell unterlegen ist. (Vgl. hierzu auch die Hinweise zur historischen Entwicklung des Arbeitsrechts in → Kapitel 5.) Die sogenannte Tarifbindung von Unternehmen ist seit geraumer Zeit deutlich rückläufig. Im besonderen Maße gilt dies für die neuen Bundesländer, wo Branchentarifverträge mittlerweile für lediglich ungefähr ein Drittel der Arbeitnehmer Geltung erlangen. In den alten Bundesländern sind es noch geringfügig mehr als 50 Prozent. Haustarifverträge können dies nicht kompensieren. Es ist also von einer abnehmenden Bedeutung dieses <?page no="176"?> Mitarbeiter vergüten 177 Regelungsinstruments auszugehen. Weil viele mittelständische Unternehmen meist keiner Tarifbindung unterliegen, erlangen die zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelten Vereinbarungen vielfach als Orientierungsgrößen Bedeutung. Allein der Wettbewerb um Mitarbeiter lässt gar nichts anderes zu. Ähnliches gilt für den weiten Bereich der Nebenbzw. Sozialleistungen. Aus Unternehmenssicht handelt es sich bei ihnen um Personalzusatzkosten; für Mitarbeiter stellen sie den ‚zweiten Lohn‘ bzw. das ‚zweite Gehalt‘ dar. Das Merkmal dieses Entgeltbestandteils besteht darin, dass kein direkter Zusammenhang zu der tatsächlich geleisteten Arbeit besteht. Eine feststehende Größe bilden hierbei die gesetzlichen Personalnebenkosten, bestehend aus den Beiträgen des Arbeitgebers zur Sozialversicherung ihrer Beschäftigten (Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung) sowie zur betrieblichen Unfallversicherung, ferner die Lohnbzw. Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall und die Feiertagsvergütung. Per Gesetz vorgeschrieben sind darüber hinaus Leistungen des Arbeitgebers gemäß Mutterschutz- und Schwerbehindertengesetz, den verschiedenen Bildungsurlaubsgesetzen der Bundesländer und, soweit im Unternehmen ein Betriebsrat institutionalisiert ist, dem Betriebsverfassungsgesetz (→ Kapitel 5). Zu den tariflichen Leistungen zählen beispielsweise das Weihnachts- oder das Urlaubsgeld, Fortbildungsmaßnahmen, eine betriebliche Altersvorsorge sowie Zuschüsse zu vermögenswirksamen Leistungen u.v.m. Grundlage ist ein für das Unternehmen verbindlicher Tarifvertrag. In ihren Wirkungen können sie ein nicht zu unterschätzender Faktor im Wettbewerb der Unternehmen um Personal sein - weshalb sie auch von vielen tariflich nicht gebundenen mittelständischen Unternehmen erbracht werden (müssen). <?page no="177"?> 178 Personalmanagement im Mittelstand Betriebliche bzw. freiwillige Leistungen sind Essens- und Kinderbetreuungszuschüsse, Fahrtkostenvergütungen, Nutzung eines Firmenfahrzeugs für private Zwecke, Tankgutscheine und Verschiedenes mehr. Bei ihnen eröffnen sich Gestaltungsspielräume für das einzelne (mittelständische) Unternehmen, denen im Einzelfall bei der Gewinnung von Mitarbeitern und ihrer langfristigen Bindung an das Unternehmen durchaus einige Bedeutung zukommen kann. Möglichkeiten einer materiellen Beteiligung Sonderfälle innerhalb des Spektrums der Mitarbeitervergütung sind verschiedene Formen einer materiellen Beteiligung. Ihre beiden Grundformen sind Erfolgsbeteiligungen und Kapitalbeteiligungen, die ihrerseits in mehrere Varianten unterteilt und sich damit auf die speziellen Gegebenheiten und Erfordernisse des einzelnen Unternehmens zuschneiden lassen. Nutznießer können sämtliche Mitarbeiter des Unternehmens, bestimmte Mitarbeitergruppen oder einzelne Personen sein. Um die Verbreitung einer besonderen Spielart der Mitarbeiterbeteiligung bemüht sich seit 1950 die Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Partnerschaft in der Wirtschaft, die vor geraumer Zeit in Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung AGP umbenannt worden ist. Wie die Bezeichnung zum Ausdruck bringt, spielt dabei der Gedanke der Partnerschaft zwischen Unternehmern und Mitarbeitern eine zentrale Rolle. Unabhängig vom Partnerschaftsgedanken können die verschiedenen Formen der materiellen Mitarbeiterbeteiligung sowohl auf die Gewinnung von Mitarbeitern, ihre Bindung an das Unternehmen und unter Umständen auch auf ihre Leistungsbereitschaft positive Auswirkungen haben. Unter den Erfolgsbeteiligungen kommt der Gewinnbeteiligung die größte Bedeutung zu. In Abhängigkeit vom wirt- <?page no="178"?> Mitarbeiter vergüten 179 schaftlichen Erfolg des Unternehmens erhalten dabei sämtliche Mitarbeiter einen zusätzlichen Bonus zu ihrer Vergütung. Wegen der vergleichsweise guten Überschaubarkeit mittelständischer Unternehmen kann sich dies unter Umständen auch positiv auf ihre Leistung auswirken, dann nämlich, wenn sie das Gefühl haben, nicht nur zum Erfolg des Unternehmens beizutragen, sondern daran auch zu partizipieren. - Deutlich größere Bedeutung kommt Gewinnbeteiligungen für Führungskräfte zu. Von ihrem Arbeitseinsatz hängt der wirtschaftliche Erfolg von Unternehmen entscheidend ab; sie daran teilhaben zu lassen, erscheint damit nicht nur gerechtfertigt, sondern auch im Interesse der Unternehmenseigner zu liegen. Bei einer Beteiligung von Mitarbeitern am Kapital des Unternehmens ist zwischen zwei Grundformen - der Beteiligung am Fremdkapital oder am Eigenkapital - zu unterscheiden. Erstere erfolgt zweckmäßigerweise mittels eines Mitarbeiterdarlehens, das die Mitarbeiter dem Unternehmen für einen in der Regel festgelegten Zeitraum gewähren. Während der Laufzeit erhalten sie dafür einen (meist) festen Zins. Mit Mitsprache- oder Mitbestimmungsrechten ist diese Form der Beteiligung nicht verbunden. So beteiligte Mitarbeiter verfügen lediglich über Vermögensrechte. Letzten Endes gesellschaftsrechtlicher Gründe wegen ist eine ‚echte‘ Beteiligung der Mitarbeiter am Eigenkapital kaum zu verwirklichen. In Frage kommt hier lediglich eine Beteiligung als sogenannte stille Gesellschafter, die ihrem Wesen nach allenfalls ‚eigenkapitalähnlich‘ ist. Stille Gesellschafter sind zwingend am Gewinn des Unternehmens beteiligt, während eine Beteiligung am Verlust ausgeschlossen werden kann. Von der Geschäftsführung ausgeschlossen, besitzen sie gemäß § 338, Abs. 1 HGB lediglich Kontrollrechte. Aus unseren Ausführungen lässt sich entnehmen, dass beide Formen der Kapitalbeteiligung von Mitarbeitern nicht nur im <?page no="179"?> 180 Personalmanagement im Mittelstand personalwirtschaftlichen Kalkül von Unternehmen eine Rolle spielen, sondern auch im Rahmen der Unternehmensfinanzierung Bedeutung erlangen können. Obwohl das Thema ‚Mitarbeiterbeteiligung‘ mit einer gewissen Regelmäßigkeit von der politischen Diskussion immer wieder aufgegriffen wird, besteht in der Unternehmenspraxis daran seit geraumer Zeit nur geringes Interesse. Unbeschadet dessen - und auch weil sich dies möglicherweise schnell ändern kann - haben wir es für notwendig gehalten, darauf in diesem der Vergütungsproblematik gewidmeten Kapitel zumindest mit wenigen Stichworten einzugehen. Zudem sind wir der Ansicht, dass es sich bei der Mitarbeiterbeteiligung um eine Thematik handelt, der im Mittelstand deutlich größere Bedeutung zukommt als in Großunternehmen mit den für sie typischen Strukturen und Kulturmerkmalen. In Bezug auf die Kapitalbeteiligung einzelner Führungskräfte stellt sich die Situation von vornherein anders dar. Vor allem bieten sich hier in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht deutlich weitergehende Lösungen an. Ihnen kann in Abhängigkeit von der Rechtsform beispielsweise eine Beteiligung als Kommanditist oder als GmbH-Gesellschafter angeboten werden. Nicht nur die Bindungskraft derartiger Maßnahmen ist beträchtlich. Auch das Engagement für das Unternehmen lässt sich damit erfahrungsgemäß in einem Umfang steigern, der über andere Formen der Vergütung weit hinausgeht. <?page no="180"?> 17 Mitarbeiter führen Führung ist ein von der Aura des Mystischen umgebenes Phänomen. Wenn sich eine derartige Aura entwickeln konnte, so liegt dies maßgeblich daran, dass ‚Führern‘ Eigenschaften zugesprochen werden, die sie von ihren ‚Gefolgsleuten‘ deutlich abheben. In der Welt der Sagen begegnen wir ihnen als Helden oder als Retter aus verfahrenen Situationen. Wir lernen sie aber auch als Tatmenschen oder als Visionäre kennen, die den Weg in die Zukunft weisen. Eine unzeitgemäße Beschreibung ist dies keineswegs. Zahlreiche Publikationen über Gründer oder ‚Retter‘ von in Not geratenen Unternehmen künden von der Aktualität derartiger Mystifizierungen. Bei der Führung von Mitarbeitern, dem Thema unseres abschließenden Kapitels, spielen derlei Zuschreibungen allenfalls eine untergeordnete Rolle. Die zu Führenden sind zunächst einmal keine ‚Gefolgsleute‘ - was eine am Geist der Zeit völlig vorbeigehende Problemsicht wäre. Und ihre Vorgesetzten sind nicht ‚Führer‘, sondern Träger von Personalverantwortung - was manchmal auch als Bürde empfunden werden kann. Gegenüber den ihnen unterstellten Mitarbeitern sind Vorgesetzte in bestimmten Grenzen weisungsbefugt. Dies ergibt sich aus ihrer übergeordneten hierarchischen Position. Um mit dem großen deutschen Soziologen Max Weber zu sprechen: Sie verfügen damit über legitimierte Macht. Mit ‚Macht‘ ist zugleich ein Begriff eingeführt, der in den folgenden Ausführungen noch eine größere Rolle spielen wird. Führung und Macht sind zwei miteinander auf das Engste verknüpfte Phänomene. Ferner geht es in diesem Kapitel darum, Schlüsselfunktionen des Führungshandelns zu identifizieren. <?page no="181"?> 182 Personalmanagement im Mittelstand Aus ihnen ergeben sich aufschlussreiche Hinweise, was den Erfolg von Führung ausmacht. Ausgesprochen wichtige Führungsinstrumente schließlich sind die aus verschiedenen Anlässen und zu unterschiedlichen Zeiten stattfindenden Mitarbeitergespräche. Allgemeines zur Mitarbeiterführung Definieren lässt sich Führung als eine Beziehung, bei der eine Person eine (oder mehrere) andere Person(en) bei der Erledigung einer gemeinsamen Aufgabe anweist, koordiniert und überwacht. Damit sind, zusammen mit dem Ziel von Führung und ihrem interpersonellen Charakter, zentrale Führungsaktivitäten angesprochen. Sie ist damit darauf gerichtet, das Verhalten anderer in eine bestimmte Richtung zu lenken. Bezogen auf die Welt der Arbeit sind es Vorgesetzte, die diese Aktivitäten gegenüber den ihnen weisungsmäßig unterstellten Mitarbeitern ausüben. Führung basiert in klar erkennbarer Weise auf Macht. Dabei kann grundsätzlich zwischen Belohnungsmacht auf der einen Seite und Bestrafungsmacht auf der anderen Seite unterschieden werden: Vorgesetzte können Mitarbeiter für eine Lohn- oder Gehaltserhöhung vorschlagen; sich gegebenenfalls für eine Beförderung aussprechen oder eine besondere Leistung auf geeignete Weise würdigen. Sie können aber auch darauf dringen, Mitarbeiter wegen unzureichender Leistungen zu entlassen oder sich gegen ihre Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen aussprechen. Das sind lediglich einige Beispiele für Belohnungs- und Bestrafungsmöglichkeiten, die sich in der Regel aus ihrer übergeordneten hierarchischen Position ergeben. Bestrafungsmacht ist offensichtlich die Kehrseite von Belohnungsmacht. Dennoch ist es zweckmäßig, zwischen diesen <?page no="182"?> Mitarbeiter führen 183 beiden Grundlagen zu unterschieden. Begründen lässt sich dies damit, dass Belohnungen und Bestrafungen unterschiedliche Verhaltenswirkungen haben: Während es in der Regel nur einen einzigen Weg gibt, um eine Belohnung zu erlangen, existieren meist mehrere Möglichkeiten, wie auf Bestrafungen reagiert wird. Statt der gewünschten Verhaltensänderung kann es beispielsweise zu vermehrtem Absentismus kommen. Auch wenn auf die Androhung und den Einsatz von Bestrafungen nicht generell verzichtet werden kann, handelt es sich bei Belohnungen um effektivere Formen der Verhaltensbeeinflussung. Neben diesen beiden Machtgrundlagen gibt es eine weitere, die nicht zwingend an eine übergeordnete hierarchische Stellung gebunden ist. Sie beruht auf einer gegenüber anderen Personen überlegenen Problemlösungsfähigkeit und ergibt sich aufgrund von Wissensvorsprüngen auf einem Spezialgebiet. Es liegt nahe, in solchen Fällen von Expertenmacht zu sprechen. Aus der heutigen Arbeitswelt ist sie nicht wegzudenken; dies mit der Folge, dass Belohnungs- und Bestrafungsmacht tendenziell an Wirksamkeit verloren haben. Für den gesamten Bereich des Führungshandelns hat dies nachhaltige Konsequenzen: Die bloße Berufung von Vorgesetzten auf ihren hierarchischen Rang reicht im Umgang mit Experten in der Regel nicht aus, um Einfluss auszuüben. Wer so zu führen versucht, muss mit Akzeptanzschwierigkeiten rechnen. Macht zu erlangen und sie gegebenenfalls auch anzuwenden - und mit diesem Hinweis wollen wir unsere einführenden Überlegungen zur Führung beenden - ist ein unter Menschen unterschiedlich stark ausgeprägtes Bedürfnis. Dem kommt insofern auch im Hinblick auf die Führung von Mitarbeitern Bedeutung zu: Es wäre eine einseitige Sicht der Dinge, würde lediglich auf den Nutzen des Verfügens über Macht und ihrer Ausübung abgestellt. Dies liegt zwar nahe, denn Personen in <?page no="183"?> 184 Personalmanagement im Mittelstand Führungspositionen erzielen in der Regel höhere materielle Einkünfte als die ihnen weisungsmäßig unterstellten Mitarbeiter. Auch können sie ihre Fremd- und Selbstwertschätzungsbedürfnisse leichter befriedigen. Aber es gibt eine Kehrseite solcher Annehmlichkeiten - Führung verursacht auch Kosten in Form von belastenden Begleiterscheinungen wie beispielsweise dem Übernehmen von Verantwortung, dem Erleben von Stress und erhöhtem zeitlichen Einsatz. Angesichts dessen kann es nicht überraschen, wenn Mitarbeiter auf einen ihnen von der Geschäftsleitung angetragenen Wechsel in eine Vorgesetztenposition keineswegs begeistert reagieren oder ein solches Angebot sogar rundweg ablehnen. Damit ist insbesondere dann zu rechnen, wenn sie weisungsbefugt gegenüber ihren bisherigen Kollegen werden sollen, dies etwa als Gruppenleiter. Sie wissen in aller Regel, dass sich damit die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen verändert und empfinden dies als einen zu hohen Preis. Erwartungen an Vorgesetzte Der eine oder andere Leser wird vielleicht erwarten, dass wir nun auf Führungsstile zu sprechen kommen; Stile, die ein bestimmtes, relativ zeitstabiles Verhaltensmuster einer Führungskraft zum Ausdruck bringen. Zusätze wie ‚autoritär‘ und ‚kooperativ‘, ‚charismatisch‘ und ‚patriarchalisch‘, ‚situativ‘ und ‚partizipativ‘, ‚transaktional‘ und ‚transformational‘ lassen zumindest andeutungsweise erkennen, wie man sich die von ihnen vorgenommene Einflussnahme vorzustellen hat. Wir wählen einen anderen Zugang und gehen von der Frage aus, worin sich Führungserfolg niederschlägt. Dies ist, so unsere Antwort, das leistungsbezogene Verhalten der einem Vorgesetzten weisungsmäßig unterstellten Mitarbeiter. Gegenüber der auf die erwähnten Verhaltensmuster von Führungs- <?page no="184"?> Mitarbeiter führen 185 kräften abstellenden Sichtweise handelt es sich um eine veränderte Blickrichtung: Die Erwartungen der zu führenden Mitarbeiter gegenüber ihrem Vorgesetzten treten in den Vordergrund. Aus ihnen lassen sich gewisse Schlüsselfunktionen des Führungshandelns ableiten. Mitarbeiter erwarten von ihren Vorgesetzten erstens, dass sie Unterstützung bei ihrer Aufgabenerfüllung erfahren. Dabei kann es sich um eine technische Hilfe handeln, aber auch um klar formulierte Vorgaben und Rückmeldungen. Als Mitglieder von Arbeitsgruppen erwarten sie ferner, dass Vorgesetzte Kooperationsbedingungen schaffen, die der Erfüllung der Gruppenaufgabe förderlich sind. Auch Anerkennung für gute und konstruktive Kritik an unzureichender Leistung kann als unterstützend empfunden werden. Bezogen auf Führungskräfte läuft dies darauf hinaus, dass sie Aufgabenbzw. Leistungsorientierung an den Tag legen müssen. An die Seite dieser ersten Schlüsselfunktion tritt zweitens die Erwartung, dass Vorgesetzte in ihr Führungshandeln auch mitmenschliche Qualitäten einbringen bzw. Mitarbeiterbzw. Beziehungsorientierung zeigen. Mitarbeitern liegt daran, dass ihren Sicherheits-, sozialen und auf Wertschätzung gerichteten Bedürfnissen Rechnung getragen wird. Dem kann der Vorgesetzte beispielsweise dadurch entsprechen, dass er auftretende Konflikte innerhalb der von ihm geführten Arbeitsgruppe oder zwischen sich und einzelnen Mitarbeitern konstruktiv zu lösen versucht. (Vgl. hierzu die späteren Ausführungen zum Konfliktgespräch.) Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Erwartung auf faire bzw. gerechte Behandlung zu. Das läuft darauf hinaus, dass eine Führungskraft von ihrer Belohnungs- und Bestrafungsmacht so Gebrauch macht, dass die Gerechtigkeitsempfindungen von Mitarbeitern nicht verletzt werden - ein die Arbeitszufrieden- <?page no="185"?> 186 Personalmanagement im Mittelstand heit außerordentlich stark beeinflussender Tatbestand (→ Kapitel 9). Mitarbeiter erwarten drittens, von Vorgesetzten nicht als bloße Befehlsempfänger behandelt zu werden; dies insbesondere dann, wenn sie ein hohes Maß an Fachkenntnis und Problemlösungsfähigkeit in ihre Arbeit einbringen und sich insofern mit Fug und Recht als Experten fühlen dürfen. Vor diesem Hintergrund wird nachvollziehbar, dass sie mit einer gewissen Selbstverständlichkeit davon ausgehen, an den ihre Arbeit betreffenden Entscheidungen beteiligt zu werden. Vorgesetzte sind folglich gut beraten, derartigen Erwartungen durch Mitwirkungsbzw. Partizipationsorientierung Rechnung zu tragen. Auch die Tendenzen des gesellschaftlichen Wertewandels weisen überwiegend in diese Richtung (→ Kapitel 4). Allerdings haben Mitarbeiter unterschiedliche Erwartungen an ihre Vorgesetzten. Beispiele, dass der eine oder andere von ihnen keinerlei Interesse an einer Mitwirkung an den ihn betreffenden Entscheidungen an den Tag legt, lassen sich vermutlich mühelos finden. Und was bedeutet Beziehungsorientierung konkret? Gewiss kommt ihr im umfassenden Sinn Bedeutung zu - aber verbergen sich dahinter nicht in unterschiedliche Richtungen gehende Erwartungen? Ebenso verhält es sich im Hinblick auf Aufgabenorientierung. Es stellt sich demnach die Frage nach den individuellen Unterschieden in der Erwartungshaltung von Mitarbeitern und inwieweit sich diesen mittels individualisierter Führung Rechnung tragen lässt. Wer dies für eine kaum praktikable Vorstellung hält, der sollte bedenken, dass es sich dabei teilweise um gängige Alltagspraxis handelt. So lassen Vorgesetzte in der Regel die von ihnen wahrgenommenen Stärken und Schwächen ihrer einzelnen Mitarbeiter, ihre Präferenzen oder Abneigungen einfach deshalb nicht außer Acht, weil sich damit die Wirksamkeit ihres Einflusshandeln erhöht. Ferner <?page no="186"?> Mitarbeiter führen 187 erfolgt in der Regel eine alters- oder geschlechtsspezifisch differenzierte Behandlung - ohne dass dies zwangsläufig als ungerecht empfunden wird. Durch eine speziell auf Führungskräfte ausgerichtete Weiterbildung (→ Kapitel 15) kann die Sensibilität für die Notwendig- und Zweckmäßigkeit individualisierten Führens gesteigert werden. Inhaltlich geht es dabei vorrangig um die Vermittlung von Wissen, dass und warum Menschen unterschiedlich stark ausgeprägte Bedürfnisse haben und weshalb dem auch in der Welt der Arbeit große Bedeutung zukommt (→ Kapitel 6). Dabei bieten Mitarbeitergespräche gute Möglichkeiten zum Erkennen von Individualisierungsbedarf. Es ist also nur folgerichtig, wenn wir im Weiteren auf dieses Führungsinstrument gezielt zu sprechen kommen. Mitarbeitergespräche als Führungsinstrument Mit den ihnen weisungsmäßig unterstellten Mitarbeitern kommunizieren Vorgesetzte auf vielfältige Weise. In formalisierter Form findet die Kommunikation in Gestalt von Mitarbeitergesprächen statt, die ihrerseits als unverzichtbares Instrument der Personalführung gelten. Solche Gespräche können, worauf zurückzukommen ist, regelmäßig oder aus besonderen Anlässen geführt werden. Unterscheiden lassen sich zahlreiche Arten von Mitarbeitergesprächen. Beginnen wir mit dem Zielvereinbarungsgespräch, das üblicherweise jährlich stattfindet. Geführt wird es beispielsweise mit einem im Vertrieb tätigen Mitarbeiter. Gesprächsgegenstand wird hier aus naheliegenden Gründen zunächst die Zielerreichung in der Vergangenheit sein: War das Ziel realistisch gesetzt? Welche unerwarteten Vorkommnisse hat es im Vereinbarungszeitraum gegeben? Lassen sich Trends <?page no="187"?> 188 Personalmanagement im Mittelstand im Kundenverhalten erkennen? Aus alledem ergeben sich Hinweise bezüglich der Höhe des neu zu vereinbarenden Ziels. In der Praxis können solche Gespräche sehr unterschiedlich ablaufen. Manche Mitarbeiter werden bestrebt sein, ein möglichst niedriges, leicht zu erreichendes Ziel zu vereinbaren. Andere überschätzen vielleicht ihre Fähigkeiten und sind folglich bezüglich der festzulegenden Zielhöhe zu optimistisch. Aus der Motivationsforschung ist bekannt, dass von mittelschwer erreichbaren Zielen die stärkste Anreizwirkung - denn auf sie kommt es letztlich an - ausgeht. Vorgesetzte benötigen dazu ein beträchtliches Maß an Erfahrungswissen, um abschätzen zu können, was eine mittelschwere Aufgabe ist. Und es kommt etwas Weiteres hinzu: Was zu erreichen einem Mitarbeiter leichtfällt, ist für einen anderen zu schwer, um damit zurechtzukommen. Auch dies gilt es bei der Zielvereinbarung zu bedenken. Um Lob und Tadel geht es bei Anerkennungs- und Kritikgesprächen. Anlass für ersteres - das Anerkennungsgespräch - ist dabei eine besondere, also nicht selbstverständliche Leistung des Mitarbeiters. Wie in → Kapitel 6 zu erfahren war, streben Menschen nach Wertschätzung. Durch Anerkennung wird diesem Grundbedürfnis seitens des Vorgesetzten Rechnung getragen. Lob spornt zudem an und macht sich auch atmosphärisch positiv bemerkbar. Möglichkeiten, Anerkennung auszusprechen, ergeben sich häufig spontan aus Alltagssituationen heraus; dies etwa dann, wenn der Mitarbeiter im Rahmen einer Präsentation eine überzeugende Problemlösung vorgestellt hat. Zweischneidig kann es sein, wenn das Lob nicht unter vier Augen, sondern in Gegenwart anderer ausgesprochen wird. Einerseits lässt sich damit signalisieren, worin nach Ansicht der Führungskraft eine besondere Leistung besteht; dies in der Hoffnung, dass sich die Kollegen ebenfalls anstrengen. Auf der anderen Seite können <?page no="188"?> Mitarbeiter führen 189 Neidgefühle entstehen (→ Kapitel 7) oder der Gelobte muss gegebenenfalls spöttische Bemerkungen über sich ergehen lassen. Wir wissen es nur allzu gut: Mit Lob umzugehen fällt leichter als mit Tadel. Im Prinzip gilt dies für Mitarbeiter ebenso wie für Vorgesetzte. Auf Fehlverhalten hingewiesen zu werden, wird meist als unangenehm empfunden. Aber auch Führungskräfte tun sich damit nicht leicht, denn sie müssen befürchten, dass Mitarbeiter darauf mit Unverständnis reagieren und sich vehement verteidigen. Auch Gefühlsausbrüche sind nicht ausgeschlossen. Ferner kann es dazu kommen, dass sich die Stimmung in der Arbeitsgruppe verschlechtert. Das Führen von Kritikgesprächen ist dennoch unerlässlich. Wer sich als Vorgesetzter dem verweigert, wird einer Führungsaufgabe nicht gerecht. Die Erfahrung lehrt, dass Kritik nicht nur als destruktiv, sondern auch als ausgesprochen konstruktiv empfunden werden kann. Es kommt offensichtlich darauf an, wie sie vorgetragen wird. Vorgesetzte sollten daher bemüht sein - und diese Kompetenz lässt sich lernen - Kritikgespräche in konstruktiver Absicht zu führen. Das fängt bereits bei der Wortwahl an. Verletzende Formulierungen und Verallgemeinerungen lassen sich vermeiden. Stattdessen ist Sachlichkeit angesagt. Ferner empfiehlt es sich, dem Mitarbeiter die Möglichkeit zu geben, zu der vorgebrachten Kritik Stellung zu nehmen. Wenn die Gegenrede nicht in eine bloße Verteidigung ausartet, kann dies das Finden einer gemeinsamen Lösung - und darum muss es letztendlich gehen - erleichtern. Vom Kritikgespräch ist das Konfliktgespräch zu unterscheiden. Im beruflichen Alltag lassen sich Konflikte nicht vermeiden, haben aber andere Ursachen als Verhaltensweisen, die ein Kritikgespräch veranlassen. Als eine spezielle Variante des Mitarbeitergesprächs ist das Führen solcher Gespräche eben- <?page no="189"?> 190 Personalmanagement im Mittelstand falls Bestandteil des Aufgabenkatalogs von Vorgesetzten. Er kann dabei selbst Konfliktpartei, Moderator oder Schlichter von Konflikten sein. Auch wenn der Begriff anderes signalisiert: Konflikte sind nicht zwangsläufig negativ. Mitunter ergeben sich aus ihnen Impulse für notwendige Veränderungen. Aus Konfliktgesprächen kann sich gelegentlich genau diese Konsequenz ergeben. Ein konstruktiver Umgang mit Konflikten vermag zudem zur Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehungen im Unternehmen beizutragen. Bloße Meinungsverschiedenheiten sind übrigens noch keine Konflikte, auch wenn eine klare Unterscheidung gelegentlich nicht einfach ist. Mit Konflikten ist auch zwischen Mitarbeitern untereinander zu rechnen. Sie können sich an sehr unterschiedlichen Dingen entzünden. Um in solchen Fällen zu einer Lösung zu kommen, muss der Vorgesetzte die Rolle eines Moderators und gegebenenfalls die eines Mediators beziehungsweise Schlichters übernehmen. Auf eine weitere Spielart, das Rückkehrgespräch, wurde bereits in dem der Mitarbeiterbindung gewidmeten → Kapitel 13 eingegangen. Der Vollständigkeit halber ist auf das Entgeltgespräch und das Entwicklungsgespräch - etwa im Hinblick auf Fortbildungsmaßnahmen oder die Übernahme weiterer Aufgaben - hinzuweisen. Schließlich ist das Kündigungsgespräch zu nennen, das angesichts seiner Brisanz eine besondere Sensibilität verlangt. Wird auf Zeiträume abgestellt, dann ist an erster Stelle das Jahresgespräch zu nennen. Zielvereinbarungen finden in der Regel einmal jährlich statt. In diesem Zusammenhang kann auch eine Leistungsbeurteilung erfolgen. Ein Halbjahresgespräch oder ein Quartalsgespräch zu führen erweist sich als zweckmäßig, wenn sich seit der letzten Zielfestlegung größere Veränderungen ergeben haben. Ferner kann dabei geprüft <?page no="190"?> Mitarbeiter führen 191 werden, ob sich der Mitarbeiter auch tatsächlich auf Zielkurs befindet. Andere Gespräche finden zweckmäßigerweise anlassbezogen und damit zeitnah statt, so insbesondere das Anerkennungs-, das Kritik- und das Konfliktgespräch. <?page no="192"?> Individualisierung als Leitidee personellen Gestaltens Unser „Personalmanagement im Mittelstand“ durchzieht ein roter Faden: Weil es sich bei Mitarbeitern um Individuen handelt, hängt der Erfolg personellen Gestaltens maßgeblich davon ab, ob und inwieweit es gelingt, ihren persönlichen Bedürfnissen und Interessen, ihrem Denken und Fühlen sowie ihren jeweiligen Leistungsvoraussetzungen angemessen Rechnung zu tragen. Weitergedacht läuft dies darauf hinaus, dass die zwischen ihnen bestehenden Unterschiede bei den verschiedenen Gestaltungsmaßnahmen - soweit eben möglich - zu berücksichtigen sind. Wird dies aktiv oder vielleicht auch nur implizit betrieben, kann von Individualisierung - alternativ auch von Personalisierung - gesprochen werden. Der Begriff wird in den vorangehenden Kapiteln bereits mehrfach benutzt, so beispielsweise im Zusammenhang mit der Arbeitszeitgestaltung oder der Mitarbeiterführung. Auf das Personalmanagement insgesamt bezogen lässt sich darin eine Leitidee personellen Gestaltens erblicken. Sowohl Großunternehmen als auch typische Mittelständler können ihr Personalmanagement an dieser Idee orientieren. Sie befinden sich dabei allerdings in unterschiedlichen Ausgangssituationen. So erscheint es für die meisten mittelständischen Unternehmen kaum möglich, mit dem Variantenreichtum an Individualisierungsmöglichkeiten zu konkurrieren, den manche Großunternehmen - beispielsweise im Hinblick auf Arbeitszeitmodelle oder bei Vergütungsregelungen - zu bieten in der Lage sind. In anderer Hinsicht sind sie dafür aber häufig in einer günstigeren Position. Dieser Vorteil ergibt sich insbesondere aus der <?page no="193"?> 194 Personalmanagement im Mittelstand persönlichen Nähe zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitern. Vielfach kennt man sich persönlich; von Mensch zu Mensch gewissermaßen. Nicht selten erfahren mittelständische Unternehmerinnen und Unternehmer etwas über private Sorgen und Nöte einzelner Mitarbeiter und leisten einen Beitrag zu deren Linderung, so etwa bei einem plötzlich auftretenden Pflegebedarf eines Familienmitglieds durch eine vorübergehende Veränderung der Arbeitszeit. Ferner gelangen Informationen zur Befindlichkeit der Belegschaft zeitnah an die Spitze des Unternehmens. Schließlich erlaubt persönliche Nähe, bei von Zeit zu Zeit erforderlichen Veränderungen mögliche Reaktionen der Mitarbeiter zu antizipieren. In die gleiche Richtung weist ein weiteres Merkmal mittelständischer Unternehmen - ihre starke lokale Verankerung (→ Kapitel 1). Mit ihr einher geht in der Regel ein stark ausgeprägtes Gefühl von Verantwortung der Eigentümer gegenüber der Belegschaft im Allgemeinen und einzelnen Mitarbeitern im Besonderen. Dieses Gefühl kann unter anderem darin zum Ausdruck kommen, dass Individualisierungswünsche ein offenes Ohr finden. W ir glauben, dass sich die unterschiedliche Ausgangssituation wie folgt beschreiben lässt: Während man in (einzelnen) Großunternehmen und Konzernen eine institutionalisierte Individualisierung antrifft, ist für den Mittelstand eine eher informelle Individualisierung charakteristisch. Sie findet ihren Ausdruck in Vereinbarungen, die persönlichen Bedürfnissen und Wünschen einzelner Mitarbeiter auf unbürokratische Weise entgegen kommen. Allerdings sollte der Individualisierungsgedanke nicht überstrapaziert werden. Selbstverständlich kann nicht jedem Wunsch von Mitarbeitern entsprochen werden, denn Unternehmen - ob Mittelständler oder Konzerne - haben zahlreiche <?page no="194"?> Individualisierung als Leitidee 195 Funktionsvoraussetzungen, die dem mitunter harte Grenzen setzen. Unbeschadet dessen meinen wir, dass informelle Individualisierung eine nützliche, auf die besondere Situation mittelständischer Unternehmen zugeschnittene Leitidee für personelles Gestalten und insofern ein charakteristisches Kulturmerkmal dieses Wirtschaftssektors darstellt. <?page no="196"?> Stichwörter A Abgangsinterview 141 Absentismus 142 Achtsamkeitstraining 166 Akkordlohn 174 Anerkennungsgespräch 188 Anreizsystem 70, 89, 130 Anspruchsniveau 96ff. Arbeitsangst 80 Arbeitsbewertung 173 Arbeitseinstellung 45, 47 Arbeitsemotionen 77 negative 80 positive 84 Arbeitskampfrecht 62 Arbeitslosigkeit 36f. Arbeitspflicht 128 Arbeitsverhältnis 60 Arbeitsvertrag 60ff., 123, 128 Arbeitszeitflexibilisierung 151 Arbeitszeitgesetz 62, 152 Assessment-Center 124, 127 Ausbildungsvertrag 116, 128 Ausfallzeiten 109 Austrittsinterview 141 B Babyboomer 47, 50 Bedürfnispyramide 71 Belohnungsmacht 182 Benachteiligungsverbot 129 Berufsausbildungsvertrag 128 Bestrafungsmacht 182 Betriebsklima 52, 86, 99 Betriebsrat 34, 62f., 114, 177 Betriebsvereinbarungen 148, 152 Betriebsverfassungsgesetz 62, 99, 177 Bleibeanreize 69, 136, 139f., 148 Brückenteilzeit 159 Bundesagentur für Arbeit 36, 44, 119 C Commitment 136f. Corporate Branding 122 D Dauerschuldverhältnis 61, 128 <?page no="197"?> 198 Stichwörter Digital Natives 51, 122 Direktionsrecht 65 Distress 82 Duales System 40, 42f. E Eintrittsanreize 69 Employer Branding 122 Entgeltdifferenzierung 171 Entgeltgerechtigkeit 171 Erfolgsbeteiligung 178 Erwerbspersonen 35 Eustress 82 Expertenmacht 183 extrinsische Anreize 76, 93 F Faktorzufriedenheit 99 Fehlzeiten 109, 142 Flexibilisierung 147f., 151 Fluchtmigration 120 Fluktuation 95, 108f., 136, 138 Fortbildung 162, 167 off the job 164 on the job 164 Fragebogen biografischer 126 Frühverrentung 39 Führungsstil 99, 184 Fürsorgepflicht 129 G Gefahrenschutz 60f. Geldanreiz 93f., 172 Generation X 47, 50 Generation Y 47, 50ff. Generation Z 51ff. Gerontologie 119 Gewinnbeteiligung 178 Gleichgewichtsethik 48, 50 Gleitzeit 145, 149f., 152f. Gleitzeitsparbuch 154 H Handlungskompetenz 167 Human Resource Management 28 I Individualarbeitsrecht 60 Individualisierung 147, 151, 154f., 157 als Leitidee 193 Institut für Mittelstandsforschung 18, 20 Intelligenz flüssige 168 kristallisierte 168 Interessenausgleich 64 Interview 125 standardisiertes 126 strukturiertes 126 intrinsische Anreize 76, 93 <?page no="198"?> Stichwörter 199 J Jahresarbeitszeitvertrag 157 Job Sharing 157 Jobbörsen 121 Jobcenter 36, 44 K Kapitalbeteiligung 178f. Kohorteneffekt 47 Kollektivarbeitsrecht 60 Konfliktgespräch 185, 189ff. Kooperationsgebot 63 Kritikgespräch 166, 189 Kulturanthropologie 54 L Lebenszufriedenheit 99 Leiharbeit 37, 111 Leistungsanreize 69 Leistungsbereitschaft 88f., 92 Leistungsbeurteilung 174, 190 Leistungsmotiv 72 M Migranten 55, 120 Millennials 51 Mindestlohn 173 Minijobber 155 Mitarbeiterauswahl 123f. Mitarbeiterbedarf 32, 105 Mitarbeiterbefragung 98 Mitarbeiterbindung 110, 135ff., 142, 190 Mitarbeiterführung 99, 135, 182, 193 Mitarbeitergespräch 31, 82, 99, 187 Mitarbeitergewinnung 109, 113, 121 Mitarbeitermotivation 69 Mitarbeiterqualifizierung 161, 165, 167 Mitbestimmung 62, 64 Mittelstandsförderung 18 Mittelstandsuniversum 7, 15, 165 Mobbing 80, 145 O Öffnungsklausel 152 Opferethik 48f. P Partner-Teilzeitarbeit 156f. Patensystem 132 Pensumlohn 174 Personalbedarf 107f., 115, 122 Personalbestand 107 Personalbewegung 107 Personaldatenbank 108 <?page no="199"?> 200 Stichwörter Personalentwicklung 91, 162 Personalerhaltung 23, 31, 135 Personalfreistellung 31 Personalführung 31, 187 Personalgewinnung 8, 23, 36, 115, 121 Personalinformationssyste m 108 Personalnebenkosten 177 Personalplanung 64 Personalpolitik 28 Personalressort 33 Personalverantwortung 34 Personalwesen 27 Personalwirtschaft 28, 180 Praktikantenvertrag 128 Prämienlohn 174 Primacy-Effekt 127 Probezeit 131 Q Qualifikationslohn 174 Qualifikationsstruktur 40 R Reservebedarf 109, 111, 142 Rückkehrgespräch 31, 145, 190 S Schichtarbeit 83 Schlüsselqualifikation 162f. Schwerbehinderte 61, 177 Social Media Recruiting 121 Soft Skills 166 Soziallohn 175 Sozialplan 64 Stress 132 Stressoren 82f. Studienabbrecher 117 Subkultur 45 T Tarifbindung 176 Tarifverhandlung 150, 172 Tarifvertrag 177 Tarifvertragsrecht 62 Technikwandel 32, 130, 161 Teilzeitarbeit 37, 44, 128, 149, 150, 154, 156, 158 Treuepflicht 129 U Unternehmenskultur 24, 32, 86 V Vergütung 128, 171f., 174 Versetzung 64 Vertrag 128 juristischer 123 psychologischer 123 <?page no="200"?> Stichwörter 201 Vollzeitarbeit 150, 155, 157f. Vorstellungsgespräch 125 W Weiterbildung 91, 135, 137, 162 Wiedereingliederung 114, 123 Wissen implizites 163 Work-Life-Balance 48 Z Zeitdruck 83 Zeitsouveränität 130, 152 Zielvereinbarungsgespräch 187, 190 Zufriedenheitsmanagement 102, 104, 140 <?page no="201"?> www.utb-shop.de Mit Einblicken in die Marketingpraxis Elisabeth Fröhlich, Sascha Lord, Kristina Steinbiß, Torsten Weber Marketing Theorie und Praxis 2018, 230 Seiten, Broschur ISBN 978-3-8252-4990-8 Marketing ist allgegenwärtig! Es begegnet Ihnen im Supermarkt, in Onlineshops und in sozialen Medien. Doch was steckt konkret hinter dem Marketing und wie gestalten Unternehmen es erfolgreich? Auf diese und weitere Fragen geht das Buch im Detail ein. Zu Beginn vermittelt es Grundlagen zum Konsumentenverhalten, zum Kaufprozess und zur persönlichen Kaufentscheidung. Vor diesem Hintergrund erläutert es Ziele und Maßnahmen der strategischen Marketingplanung. Darauf aufbauend präsentiert es Aspekte einer operativen Marketingplanung und diskutiert die Marken-, Produkt-, Distributions-, Kommunikationssowie Preispolitik ausführlich. Marketingprofis geben Einblicke in die Praxis. Ein Best-Practice-Beispiel mach das Gelernte schnell (be)greifbar. <?page no="202"?> Der richtige Umgang mit Menschen im Beruf und Alltag Nello Gaspardo Von harten Hunden und hyperaktiven Affen Der richtige Umgang mit Menschen im Beruf und Alltag 2017, 158 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-834-9 Jeder Mensch ist einzigartig! Das ist fraglos richtig. Dessen ungeachtet finden Sie bei Ihren Mitmenschen wiederkehrende Charaktereigenschaften, mit denen Sie im Beruf und im Alltag umgehen müssen. Denken Sie nur an den harten Hund aus der Chefetage, den cleveren Fuchs aus dem Controlling oder den zappeligen, aber vor Ideen sprühenden Affen aus der Marketingabteilung. Der Kommunikations- und Verhandlungsexperte Nello Gaspardo skizziert neun solcher Typen anhand von Tierbildern. Er zeigt deren Stärken und Schwächen auf und verrät Ihnen pointiert, was Sie im Umgang mit diesen Menschen unbedingt wissen sollten und wie Sie mit diesen Typen richtig kommunizieren. Das Buch ist ein unverzichtbarer Ratgeber für alle, die im Beruf und im Alltag gemeinsam mit anderen Menschen schnell und harmonisch Ziele erreichen möchten. www.uvk.de <?page no="203"?> Günther Schanz Eine kurze Geschichte der Betriebswirtschaftslehre 2018, 164 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-832-5 Bereits in der Antike, im Mittelalter und in der Renaissance beschäftigten sich Gelehrte mit ökonomischen Fragestellungen. Die akademische Betriebswirtschaftslehre ist dennoch eine junge Disziplin, die erst im 20. Jahrhundert aufblühte. Ihre Geschichte zeichnet Günther Schanz anhand der Wissenschaftsprogramme von Eugen Schmalenbach, Wilhelm Rieger, Heinrich Nicklisch, Erich Gutenberg, Edmund Heinen und Hans Ulrich kritisch nach. Überdies stellt er die arbeitsorientierte Einzelwirtschaftslehre, die ökologische Öffnung der Disziplin, der Neue Institutionalismus und die verhaltenstheoretische Betriebswirtschaftslehre verständlich vor. Dieses Buch ist für Studierende und Wissenschaftler der Wirtschaftswissenschaften sowie angrenzender Studiengänge und darüber hinaus auch für Interessierte eine aufschlussreiche und zugleich spannende Lektüre. Kompakter und spannender Gesamtüberblick www.uvk.de <?page no="204"?> ISBN 978-3-7398-3012-4 Der Mittelstand ist das Rückgrat unserer Wirtschaft. Mehr als die Hälfte der Deutschen arbeiten dort - vom Azubi, über Facharbeiter bis hin zum Akademiker. Doch welche Wege können Mittelständler gehen, um im Wettbewerb um Mitarbeiter attraktiv zu sein? Günther Schanz und Silvia Strack gehen dieser Frage in ihrem Buch auf den Grund. Dabei berücksichtigen sie die gesamte Bandbreite des personalwirtschaftlichen Handelns und Gestaltens - von der Mitarbeiterplanung bis zur Mitarbeiterführung. Sie berücksichtigen auch explizit die Rahmenbedingungen des mittelständischen Personalmanagements. Ferner werden die Besonderheiten des Arbeitsmarkts, des gesellschaftlichen Wertewandels und arbeitsrechtliche Aspekte berücksichtigt. Das Buch richtet sich in erster Linie an Personalverantwortliche, GeschäftsführerInnen und UnternehmerInnen im Mittelstand. Schanz | Strack Personalmanagement Günther Schanz | Silvia Strack Personalmanagement im Mittelstand erfolgreich handeln und gestalten www.uvk.de 53012_Umschlag.indd 1,3 03.09.2019 11: 34: 03