eBooks

Leadership und Guiding

Adventuremanagement in Theorie und Praxis

0127
2020
978-3-7398-8022-8
978-3-7398-3022-3
UVK Verlag 
Manuel Sand

Was können Manager von Abenteurern lernen und wie unterscheidet sich Führung indoor und outdoor? Auf diese und viele weitere Fragen gibt der Band zum "7. Kongress für Outdoor und Adventure" spannende Antworten. 13 Expertinnen und Experten stellen ihre interdisziplinäre Expertise zu Leadership und Guiding unter Beweis. Dabei gehen sie auf die Themen nachhaltige Führung und emotionale Intelligenz als Erfolgsfaktoren ein und erläutern, wie Führung und Beratung in einer zunehmend unsicheren und unberechenbaren Welt funktioniert. Dass Führung in der Natur nur im Hier und Jetzt gelingt und folglich nur analog funktionieren kann, stellen die Expertinnen und Experten ebenso heraus wie geeignete Cheftypen und Führungsaufgaben, die Teams zum Erfolg verhelfen. Die Parallelen zwischen dem Führen outdoor und in der Wirtschaft verlieren sie dabei nicht aus den Augen und illustrieren eindrucksvoll die Komplexität des Führungsthemas. Sie zeigen darüber hinaus die vielen Gemeinsamkeiten auf, die zwischen dem Führen von Gruppen in der Natur und im Büro bestehen. Die Notwendigkeit, Erlerntes in die Praxis zu transferieren, wird abschließend thematisiert, ebenso wie richtiges Führen in Krisenzeiten. Denn von Expeditionsleitern vergangener Tage können Führungskräfte auch heute immer noch viel über einen nachweislich funktionierenden Führungsstil auf Augenhöhe lernen. Band zum 7. Kongress für Outdoor und Adventure: Leadership und Guiding.

<?page no="1"?> Manuel Sand (Hg.) Leadership und Guiding Adventuremanagement in Theorie und Praxis <?page no="3"?> Manuel Sand (Hg.) Leadership und Guiding Adventuremanagement in Theorie und Praxis UVK Verlag -∙ München <?page no="4"?> Prof. Dr. Manuel Sand lehrt im Branchenprogramm Outdoorsport und Adventuremanagement an der Hochschule für angewandtes Management. Darüber hinaus befasst er sich in Theorie und Praxis mit Fragestellungen aus dem Outdoorsport, des Abenteuertourismus, Managementaspekten von Abenteuerangeboten und der Erlebnispädagogik. Seit 2012 veranstaltet er die Kongressreihe für Outdoor und Adventure in Treuchtlingen. ISBN (Print) 978-3-7398-3022-3 ISBN (EPDF) 978-3-7398-8022-8 ISBN (EPUB) 978-3-7398-0526-9 Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlag 2020 - ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG Lektorat: Rainer Berger, München Einbandmotiv: © Pexels, Pixabay Kapiteleinstiegsbilder: aus iStock │© izhairguns, © simonkr, © wanderluster, © criene, © fon_thachakul, © yanik88, © Milosz_G, © Andrew Peacock Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck UVK Verlag Nymphenburger Str. 48 80335 München Telefon: 089/ 452174-66 Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG Dischingerweg 5 72070 Tübingen Telefon: 07071/ 9797-0 www.narr.de <?page no="5"?> Liebe Leserinnen und Leser! Bevor Sie in den Genuss der spannenden Beiträge zum Thema kommen, finden Sie hier ein paar allgemeine Informationen zum Kongress und der Kongressreihe aus der diese Beiträge entstanden sind. 7. Kongress für Outdoor und Adventure: Leadership und Guiding Der 7. Kongress für Outdoor und Adventure fand im Februar 2019 am Adventure Campus der Hochschule für angewandtes Management in Treuchtlingen statt. An zwei Tagen widmeten sich rund 75 Teilnehmerinnen und Teilnehmer dem Thema Führung aus verschiedenen Blickwinkeln. Unter der Schirmherrschaft von Dr. Karl Friedrich Ossberger (Unternehmer und Ehrenvorsitzender des IHK Gremiums) diskutierten die Kongressbesucher, wie sich Führung Indoor und Führung Outdoor unterscheiden und welche Parallelen dabei gezogen werden können. Sind Führungskräfte mit ihren Teams Outdoor überlebensfähig? Rund 70 Expertinnen und Experten versuchten, dieser Frage in spannenden Vorträgen und interaktiven Workshops auf den Grund zu gehen. Führung kommt nicht nur in vielen deutschen Wörtern vor, es ist nicht nur in Unternehmen bedeutsam, sondern auch für Outdoor-Guides und Outdoor- Trainer. Dass die Wertschätzung eine wichtige Führungskompetenz ist, stellte Prof. Otterbach von der Hochschule der Medien in Stuttgart in seiner Eröffnungs-Keynote eindrucksvoll dar. Doch dass die Führungsthemen „Draußen“ sehr ähnlich sind, zeigte Christoph Maretzek von der Trekk’n Guide Academy. Ohne Wertschätzung würden die Teilnehmer bereits nach wenigen Kilometern die Lust verlieren. Analoge Führung findet draußen im Hier und Jetzt statt, doch auch in Zeiten der Digitalisierung ist Führung entscheidend, weiß Gregor Heilmaier von Heilmaier und Heilmaier. Heute bekannte Jobs fallen aufgrund der Digitalisierung zwar weg, dafür entstehen wieder viele neue Berufsbilder, die wir heute noch gar nicht kennen. Essentiell ist dabei immer die Kommunikation. Prof. Schmutte präsentierte mit den neuen, aktuellen Ergebnissen des vom BMBF geförderten Forschungsprojektes „Teamlead“ die konkreten Führungsaufgaben, auf die sich Führungskräfte fokussieren sollten, weil sie nachweislich ihre Teams zu Höchstleistungen bringen. Am Nachmittag versuchte dann der zertifizierte Bergführer Pit Rohwedder, der heute als Berater für viele namhafte Firmen tätig ist, die Kongressfrage zu beantworten. „Es gibt zwar viele Parallelen <?page no="6"?> 6 Vorwort zwischen der Führung am Berg und der Führung im Unternehmen, doch bessere Führungskräfte lassen sich nicht durch ein paar Stunden Outdoor generieren“, so Rohwedder. Hierfür braucht man langfristige Führungskräfte-Seminare, die dann auch draußen stattfinden können. Solche Seminare führt Andrea Zuffelato von planoalto in der Schweiz durch. Seinen Vortrag verlegte er kurzer Hand nach draußen, die Teilnehmer wurden mit Kopfhörern ausgestattet, über die sie dem Vortrag lauschen konnten, sich gleichzeitig aber in der Natur bewegen konnten. Den Abschluss machte Prof. Dr. Tiebel von der Hochschule Künzelsau zum Thema emotionale Führung, zu dem er seine beiden Rettungshunde einband. Dass Führung nichts Neues ist, zeigte er dabei eindrucksvoll anhand eines Zitats eines Benediktinermönches aus dem letzten Jahrtausend. Auch das Beispiel von Shackletons gescheiterter Antarktisexpedition dient heute noch als Best-Practice-Beispiel, das in der heutigen unsicheren VUKA-Welt noch greift. Dies stellten Prof. Dr. Ulrich Lenz und Prof. Dr. Manuel Sand (beide HAM) am Morgen des zweiten Kongresstages in einem interaktiven Vortrag anschaulich dar. - Was macht nun gute Führung aus? Sie ist wertschätzend, bringt Vertrauen entgegen, bezieht alle mit ein, trifft aber klare Entscheidungen, lässt den Mitarbeitern Zeit zur Erholung, setzt alle gemäß ihren Stärken ein, geht mit gutem Beispiel voran, achtet aber auch auf sich selbst, redet viel und ist offen und ehrlich, merkt, wenn etwas nicht stimmt, setzt klare und erreichbare Ziele, lässt dabei nicht das große Ganze aus den Augen. So eine Führungskraft fällt in den seltensten Fällen vom Himmel, eine gute Entwicklung ist dabei entscheidend. Hierbei können Outdoorelemente eine bedeutsame Rolle spielen, da hier Führung authentisch, echt und analog erfolgen muss. Wie für einen Outdoorkongress angemessen fanden nicht alle Einheiten im Seminarraum statt. Im Rahmen von Interaktivworkshops hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum einen die Chance, das Thema Führung auf dem Mountainbike zu erfahren bei einer geführten Tour rund um Treuchtlingen. Zum anderen fanden zwei Aktivworkshops statt, bei denen die Teilnehmer in Austausch und Bewegung kamen. So konnten sie entweder bei Prof. Dr. Axel Koch etwas über ihre eigene Transferstärke erfahren und darüber, wie sehr man Dinge lernen und übertragen kann. Zum anderen brachte Karin Wurth ihrer Gruppe die Business Canvas näher und inszenierte eine spannende Reise durch den Adventure Campus. Der Kongress war ein großer Erfolg aufgrund der spannenden Mischung an Teilnehmern, der hervorragenden Vorträge der Referenten und der angenehmen Atmosphäre der Veranstaltung. Auch die Teilnehmer waren be- <?page no="7"?> Vorwort 7 geistert: „Selten habe ich eine Veranstaltung erlebt, bei der mich fast durchgängig alle Inputs angeregt haben. Top! “ Ohne die hochwertigen Referenten, die auch diesen Kongressband mit ihren Beiträgen tatkräftig unterstützt haben, hätte die Veranstaltung nicht zu einem Erfolg werden können. Ein herzliches Dankeschön an alle Referentinnen und Referenten! Abschließend danke ich allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, so wie all den fleißigen Helfern im Hintergrund. Die Kongressreihe Die internationale Veranstaltungsserie macht es sich zur Aufgabe, Fragestellungen aus dem Themenfeld Outdoorsport und Adventuremanagement in Theorie und Praxis zu beleuchten. Dabei versucht die Kongressreihe eine Brücke zu schlagen von der Erlebnispädagogik über Fragen rund um die Angebotsgestaltung von Outdoorsportarten bis hin zum Abenteuertourismus. All diese Themenfelder haben Überschneidungspunkte und Gemeinsamkeiten und ein Austausch zwischen den jeweiligen Akteuren wird vom Veranstalter als förderlich angesehen. Die Kongressreihe wendet sich an Entscheider und Experten aus der Praxis, ebenso wie an Vertreter aus Wissenschaft und Forschung. So sollen Teilnehmer mit verschiedenen Hintergründen aktuelle Fragestellungen diskutieren und in einen interdisziplinären Austausch treten. Neben aktuellen Keynotes und Vorträgen gibt es auch interaktive Workshops, die parallel stattfinden und zu denen sich die Teilnehmer je nach Interessen und Neigungen zusammenfinden können. Eingereichte Vorträge werden, sofern sie angenommen werden, in parallelen Sessions präsentiert. In den kommenden Jahren ist eine zunehmende Einbindung von internationalen Wissenschaftlern in die Veranstaltungsreihe angestrebt. <?page no="8"?> 8 Vorwort Bisherige Veranstaltungen  2012 Trends und Perspektiven  2013 Nachhaltigkeit und Innovation  2014 Adventuremanagement im ländlichen Raum  2015 Adventure, Erlebnis und Bildung  2017 Mountainbike und Tourismus  2018 Outdoor, Mensch, Natur  2019 Leadership und Guiding Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, viel Freude mit diesem Buch. Prof. Dr. Manuel Sand Kongressorganisator, Professor für Outdoorsport und Adventuremanagement <?page no="9"?> Inhalt Liebe Leserinnen und Leser! ..................................................................................... 5 - 1 Nachhaltige Führung und Emotionale Intelligenz als Erfolgsfaktoren ................................................................................ 15 - Christoph Tiebel - 1.1 - Vorbemerkung ........................................................................................ 16 - 1.2 - Neurobetriebswirtschaftslehre: Reflexion der Kompetenzen der Mitarbeitenden............................. 17 1.3 - Neuromanagement: Emotionsforschung steht am Anfang........... 18 - 1.4 - EI-Trainierbarkeit und Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Unternehmensführung.................................... 23 - 1.4.1 - Erfolgsfaktoren eines EI-Trainings zur nachhaltigen Unternehmensführung.......................................... 23 - 1.4.2 - Weitere Einflussgrößen ........................................................................ 25 - 1.4.3 - Konzept eines EQ-Trainings zur nachhaltigen Führung ............... 25 - 1.4.4 - TEIQue - Test zur Messung der Emotionalen Intelligenz ............ 27 - 1.5 - Ergebnisse eines Nachhaltigkeitstrainings ....................................... 27 - 1.5.1 - Ergebnisse des TEIQue SF .................................................................... 28 - 1.5.2 - Ergebnisse des TEIQue 360° SF............................................................ 29 - 1.5.3 - Fazit zu den Testverfahren der Emotionalen Intelligenz............... 30 - 1.6 - Diskussion der Ergebnisse und Fazit ................................................. 30 - Literatur ...................................................................................................................... 31 - 2 Erfolgreiche Führung in der VUKA-Welt ist eine Frage der Haltung! ................................................................ 35 - Silke Körner und Jörg Janzen - 2.1 - Wie isst man einen Elefanten? ........................................................... 36 - 2.1.1 - Volatilität und Vision............................................................................ 37 - 2.1.2 - Ungewissheit und Reflexion................................................................ 38 - 2.1.3 - Komplexität und Klarheit .................................................................... 38 - <?page no="10"?> 10 Inhalt 2.1.4 - Ambiguität und Agilität ....................................................................... 39 - 2.2 - Neue Haltung - neue Kompetenzen ................................................. 40 - 2.3 - Neugier und der Wille zur ständigen Weiterentwicklung ........... 41 - 2.4 - Führungskräfteentwicklung in der VUKA-Welt............................. 41 - Literatur ................................................................................................................... 44 - 3 Führen in der Natur analog ............................................................... 45 - Christoph Maretzek - 3.1 - Leadership ANALOG............................................................................ 46 - 3.2 - Führen in der Natur heißt Leadership aktiv leben ......................... 50 - 3.3 - Leadership ist mehr als vorangehen.................................................. 51 - 3.4 - Analog unterwegs ................................................................................. 53 - 3.5 - Leadership heißt entscheiden ............................................................. 54 - 3.6 - Fazit .......................................................................................................... 55 - Literatur ................................................................................................................... 56 - 4 Sieben tierische Cheftypen und drei Tipps für ein besseres Miteinander ........................................ 57 - Simon Karl - 4.1 - Intro .......................................................................................................... 58 - 4.2 - Jede Menge Fachkompetenz und dann auf einmal mit Menschen auseinandersetzen ...................................................... 59 - 4.3 - Der Simon und die Mitarbeiter........................................................... 60 - 4.4 - Die sieben tierischen Cheftypen entstehen ..................................... 60 - 4.4.1 - Als Erstes hätten wir da mal den lockeren, kumpelhaften Chef-Typ ....................................................................... 61 - 4.4.2 - Der zweite Cheftyp, den ich vorstelle, ist der narzisstische Chef-Typ ............................................................ 62 - 4.4.3 - Typ Nummer 3 - der Sohn unter den Chefs ................................... 63 - 4.5 - Mitarbeiterzufriedenheit dargestellt durch die Gallup-Studie..... 64 - 4.5.1 - Spaß an der Arbeit - Ja, das sollte sein............................................. 64 - 4.5.2 - Auswirkungen der Belastung am Arbeitsplatz auf den Krankenstand........................................................................... 65 - <?page no="11"?> Inhalt 11 4.5.3 - Auswirkungen in Zahlen auf das Gesamtsystem ........................... 65 - 4.5.4 - Was fasziniert mich so an diesen Studien? ...................................... 65 - 4.6 - Fehlzeiten - Report der Krankenkasse ............................................. 66 - 4.7 - Drei Tipps an dieser Stelle, um aus dem Hamsterrad zu kommen. .............................................. 66 - 4.7.1 - Tipp Nummer 1 ...................................................................................... 66 - 4.7.2 - Tipp Nummer 2 ...................................................................................... 68 - 4.7.3 - Tipp Nummer 3 ...................................................................................... 69 - 4.8 - Was ist meine Vision? .......................................................................... 70 - Literatur ................................................................................................................... 71 - 5 Beratung in - vermeintlich - unsicheren Zeiten ......................... 73 - Winfried Hofer - 5.1 - Erkenntnisse aus Szenen der Lifestyle Sports ................................. 74 - 5.2 - Status ........................................................................................................ 74 - 5.3 - Zentrale Annahme ................................................................................ 75 - 5.4 - Methodische Antworten ...................................................................... 75 - 5.4.1 - Methodische Antwort 1 - Das BEMAC-Verfahren........................ 75 - 5.4.2 - Methodische Antwort 2........................................................................ 77 - Literatur ................................................................................................................... 81 - 6 TEAMLEAD - Diese Führungsaufgaben machen Teams wirklich erfolgreich! ................................................................... 83 - Andre M. Schmutte und Nele Graf - 6.1 - Sechs Funktionen mit 23 Führungsaufgaben für leistungsfähige Teams.................................................................... 86 - 6.1.1 - Differenzmanagement - das Warum aufzeigen ............................. 87 - 6.1.2 - Ressourcenmanagement - über die Mittel entscheiden................ 89 - 6.1.3 - Strukturmanagement - die Verantwortungen festlegen .............. 90 - 6.1.4 - Prozessmanagement - Schnelligkeit und Flexibilität sicherstellen ............................................................................................ 91 - <?page no="12"?> 12 Inhalt 6.1.5 - Reflexionsmanagement - sich kontinuierlich verbessern ............ 92 - 6.1.6 - Entwicklungsmanagement - Überlastung vermeiden .................. 93 - 6.2 - Das Ergebnis: Hochleistungsfähige Teams ...................................... 94 - Literatur ................................................................................................................... 95 - 7 Abenteuer Führung in Wirtschaft und Outdoorsport ................. 97 - Karin Wurth - 7.1 - Vorbemerkung zum Kongress ............................................................ 98 - 7.2 - Vorbemerkung zum Workshop .......................................................... 98 - 7.3 - Führung auf dem Spielfeld der Digitalisierung ............................... 99 - 7.3.1 - Wohin bewegt sich Führung? ............................................................. 99 - 7.3.2 - Der Wanderführer: Auf markierten Wegen begleiten ................ 100 - 7.3.3 - Fragen zum „Abenteuer Führung“ ................................................... 101 - 7.4 - Die Business Model Canvas .............................................................. 102 - 7.4.1 - Das Denken in Geschäftsmodellen .................................................. 102 - 7.4.2 - Schlüsselfragen zu den Feldern der Canvas................................... 103 - 7.5 - Workshop mit der Canvas: Wohin entwickelt sich Führung? .. 104 - 7.5.1 - Aufgabe: Das Geschäftsmodell Führung ........................................ 104 - 7.5.2 - Fragen zur Führungs-Canvas für die Gruppenarbeit................... 105 - 7.5.3 - Gruppenarbeit: Wohin entwickelt sich Führung? ........................ 106 - 7.5.4 - Learnings der Teilnehmenden aus dem Workshop ..................... 108 - 7.6 - Möglichkeiten der Weiterarbeit ....................................................... 109 - 7.7 - Schlusswort........................................................................................... 110 - Literatur ................................................................................................................. 111 - 8 Blinder Fleck beim Lerntransfer - Die Transferstärke-Analyse bringt Licht ins Dunkel ............. 113 - Axel Koch - 8.1 - Einführung ............................................................................................ 114 - 8.2 - Das Transferstärke-Modell................................................................ 116 - 8.3 - Die Idee der Transferstärke-Analyse .............................................. 118 - 8.4 - Einzigartig in der Testlandschaft ..................................................... 124 - Literatur ................................................................................................................. 126 - <?page no="13"?> Inhalt 13 9 Führung in Krisenzeiten - wie Shackleton in der VUKA-Welt führen würde ................... 131 - Ulrich Lenz und Manuel Sand - 9.1 - Hinführung zum Thema .................................................................... 132 - 9.2 - Zur Person Ernest Shackleton .......................................................... 132 - 9.3 - Die Endurance Expedition ................................................................. 133 - 9.3.1 - Der Start der Expedition .................................................................... 134 - 9.3.2 - Auf dem Eis........................................................................................... 135 - 9.3.3 - Elephant Island..................................................................................... 136 - 9.3.4 - Die Rettung ........................................................................................... 136 - 9.4 - Shackletons Führungsstärke ............................................................. 137 - 9.5 - Lehren aus Shackletons Führung ..................................................... 138 - 9.6 - Determinanten der VUKA-Welt....................................................... 139 - 9.7 - Führung in der VUKA-Welt - alles neu oder beständige Grundsätze? ....................................... 142 - 9.8 - Fazit und Ausblick ............................................................................... 145 - Literatur ................................................................................................................. 146 - 10 Führungserfahrung durch Outdoortrainings .............................. 149 - Andrea Zuffellato - 10.1 - Unmittelbarkeit wirkt......................................................................... 150 - 10.2 - Führungstraining am Fjord ............................................................... 150 - 10.3 - Zirkulärer Transfer ............................................................................. 153 - 10.4 - Wann machen Outdoor-Leadership-Trainings Sinn? ................. 156 - Literatur ................................................................................................................. 156 - Autorenverzeichnis .................................................................................................. 157 - Stichwortverzeichnis ............................................................................................... 163 <?page no="15"?> 1 Nachhaltige Führung und Emotionale Intelligenz als Erfolgsfaktoren Christoph Tiebel <?page no="16"?> 16 Leadership und Guiding Vorbemerkung Das in der Forstwirtschaft seit langem angewandte Prinzip der Nachhaltigkeit ist unter dem Blickwinkel der Ökonomie als Art des Wirtschaftens zu verstehen, bei welcher derzeitige Bedürfnisse befriedigt werden, ohne zukünftigen Generationen die Lebensgrundlagen zu entziehen (Sustainable Development). Nachhaltige Unternehmensführung ist also durch langfristig orientiertes Denken und Handeln geprägt. So wird ein Gleichgewicht der natürlichen Ressourcen erreicht. Unternehmen verfolgen also nicht nur ökonomische Ziele, sondern auch ökologische (z.B. Reduktion des Verbrauchs von Rohstoffen) und soziale (z.B. Unterstützung von Sozialprojekten oder Sport). Meist streben Unternehmer, die Nachhaltigkeit fördern, auch ein gutes Management an. Sie wollen ethisch und moralisch handeln. Sowohl aus eigener Überzeugung als auch als Reaktion auf gesellschaftliche Erwartungen. Gutes Management wird mehr und mehr mit Zielen jenseits finanzieller Ziele oder reiner Gewinnmaximierung in Verbindung gebracht. In Diskussionen um nachhaltige Unternehmensführung wird betont, dass unternehmerische Ziele so formuliert und umgesetzt werden müssen, dass dies nicht zu Lasten der Zukunft geht. Auch Mitarbeitende können relativ lange mit erhöhtem Produktivitätsdruck arbeiten. Wenn aber die Phasen zur Rekreation und Kompetenzentwicklung zu lange unbeachtet bleiben, macht sich dies irgendwann in zunehmenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Mangel an aktuellen Kompetenzen bemerkbar. Die Belastungen der Mitarbeitenden nehmen aber eher zu. Angesichts des demografischen Wandels gilt es künftig, die Herausforderungen mit einer sinkenden Zahl von vorhandenen Fachkräften zu bewältigen. Weitsichtige Unternehmen werden sich daher um die vorhandenen Ressourcen kümmern und Investitionen in ihre funktionalen und extrafunktionalen Kompetenzen vornehmen, da sie mit den vorhandenen Belegschaften lange auskommen (vgl. Elser 2015) müssen und eine Substitution schwieriger wird. Andere Unternehmen nutzen proaktiv diesen Sachverhalt, indem sie die Strategie des Unternehmens auf die Kompetenzen der Mitarbeitenden ausrichten. Vor dem Hintergrund der zukünftigen Anforderungen der Märkte besteht bei fehlender Reflexion der Kompetenzen die Gefahr, mit den alten Vorstellungen und Rezepten in eine Einbahnstraße zu geraten. <?page no="17"?> Nachhaltige Führung und Emotionale Intelligenz 17 Neurobetriebswirtschaftslehre: Reflexion der Kompetenzen der Mitarbeitenden Die Kompetenzen der Mitarbeitenden zu reflektieren ist eine der Aufgaben einer relativ neuen interdisziplinären Herangehensweise des Human Ressource Managements: Die Neuroökonomie. Sie wird in einer umfassenden Definition als die Wissenschaft beschrieben, die das menschliche Verhalten in ökonomischen Entscheidungssituationen mit methodischer Unterstützung der Neurowissenschaften behandelt (vgl. Peters & Ghadiri, 2013 und vgl. Camerer et al. 2005, S. 9 f.). Diese Wissenschaftsrichtung erfährt gerade eine sehr hohe Aufmerksamkeit, da seit den 1990iger-Jahren die Hirnforschung eine rasante technische Weiterentwicklung erfahren hat (vgl. Elser 2015). Worum geht es? Die Neuroökonomie will die kognitiven und affektiven Prozesse erfassen und so an die Wurzeln der Spitzenleistungen von Mitarbeitenden gelangen. Sie will versuchen zu erklären, was einen erfolgreichen Mitarbeiter ausmacht? Was sind die Schlüsselfaktoren, die es zu fördern gilt? Letztendlich geht es um die Frage der nachhaltigen Führung. Folgt man dem bisherigen Verständnis der Neuroökonomie, so zeigen sich zwei Richtungen: Die Neuroökonomie im engeren Sinne beantwortet die klassischen mikroökonomischen Fragestellungen. Die Neuroökonomie im weiteren Sinne untersucht umfassendere Forschungskomplexe, die sich mit den neuronalen Basics betriebswirtschaftlich relevanten Verhaltens auseinandersetzen. Mit der Definition der Neurobetriebswirtschaftslehre (vgl. die ausführliche Diskussion bei Peters, 2013) soll ein neuer Begriff etabliert werden, der die betriebswirtschaftlichen Funktionen von den (mikro)ökonomischen Themenstellungen abgrenzt. Zielsetzung der Neurobetriebswirtschaftslehre ist es, den Nutzen neurowissenschaftlicher Studien auf das klassische Management zu ermöglichen. Die einzelnen Disziplinen der Neurobetriebswirtschaftslehre lauten Neuromarketing, Neurofinance, Neuromanagement und Neuroleadership (Peters & Ghadiri, 2013). Das Neuromanagement untersucht, ähnlich wie Neuroleadership, die neuronalen Prozesse auf Personenebene. Es wird der Zusammenhang mit dem gesamten Managementprozess in einem Unternehmen dargestellt (Branche, 2008). Im Folgenden soll das Neuromanagement weiter vertieft werden und an Hand von Forschungsergebnissen der Reinhold-Würth-Hochschule gezeigt <?page no="18"?> 18 Leadership und Guiding werden, wie nachhaltige Führung konkret mit Neuromanagement umgesetzt und trainiert werden kann. Neuromanagement: Emotionsforschung steht am Anfang Die Überwindung des Gefühls wurde häufig als Triumph der Kultur über die Biologie betrachtet. Aber Gefühl und Verstand sind doch viel enger miteinander verbunden, als man bislang vermutete. Bisher existieren viele Theorien, aber noch kein allgemeingültiges Erklärungsmodell darüber, was Gefühle eigentlich sind. Sicher scheint, dass Gefühle Erregungszustände sind, an denen der ganze Körper beteiligt ist. Was wir darüber hinaus allerdings unter subjektivem Gefühl verstehen, entzieht sich häufig noch der wissenschaftlichen Messbarkeit. Es ist schwierig, im Laborkontext echte Emotionen systematisch zu erzeugen und zu manipulieren (vgl. Ekman, 2003). Während in der Psychologie die verschiedensten Gefühlstheorien konkurrieren, sucht die Neurowissenschaft nach dem Gefühl im Gehirn (Eimer, 2010). Gesichert ist, dass das limbische System mit dem Mandelkern für die Emotionsverarbeitung zuständig ist (Kobi 2016). Dass eine definitive Aktivierung eines Hirnareals immer eine eindeutige Emotion belegt, wird häufig in Zweifel gezogen. Grundsätzlich steckt die Emotionsforschung noch in den Kinderschuhen (vgl. Freudenthaler, 2001). Das rührt auch daher, dass Gefühle lange Zeit von der Kognitionsforschung wenig beachtet wurden und häufig sogar als unseriös galten (vgl. Funke, 1998). 1.3.1 Grundlagen des Emotionsmanagements Jedes psychische Problem ist im Grunde ein emotionales Problem. Emotionsmanagement beschäftigt sich mit der Entstehung, der Verarbeitung und den Auswirkungen von Emotionen. Am Arbeitsplatz treten Emotionen signifikant häufiger auf als in der Freizeit. Dies macht Emotionsmanagement für die nachhaltige Unternehmensführung so wichtig. Emotionsmanagement umfasst (vgl. Goleman 2000):  Wahrnehmung und Ausdruck von Emotionen  Zusammenspiel von Logik und Emotion  Verstehen und Anwendung emotionalen Wissens  Reflexion und Umgang mit eigenen und fremden Emotionen <?page no="19"?> Nachhaltige Führung und Emotionale Intelligenz 19 Im Folgenden werden Emotionen näher definiert und von Stimmungen und Affekten abgegrenzt. Emotionsmanagement wird dann mit dem Begriff der emotionalen Intelligenz näher definiert. 1.3.1.1 Emotion Emotionen sind eine Reaktion des Menschen auf äußere sowie innere Reize und sind teilweise körperlich wahrnehmbar. Sie führen zu Erhöhung bzw. Verlangsamung des Pulses oder Änderungen in der Körpersprache und des Gesichtsausdruckes. Als Basisemotionen werden solche Emotionen bezeichnet, die unabhängig von kulturellen Faktoren überall auf der Welt vorhanden sind. Es gibt unterschiedliche Modelle hierzu, die sich auch in der Art und Anzahl unterscheiden (vgl. Elsasser 2015). Einige Erklärungsmodelle gehen davon aus, dass sich mittels der Basisemotionen auch sog. Sekundäremotionen erklären lassen, die im Wesentlichen eine Verschmelzung von zwei oder mehreren Basisemotionen sind (vgl. Goleman, 2005). Beispielsweise kann Scham dann dadurch beschrieben werden, dass sie aus einer Vermischung von Angst und Abscheu besteht. Die interessante Frage aber lautet, wie Emotionen entstehen und wie sie sich erklären lassen. Es gibt verschiedene Ansätze (vgl. Jäger 2012), die eine Erklärung hierzu bieten. Der physiologische Ansatz untersucht die körperlichen Reaktionen aufgrund von emotionalen Reizen. Beim kognitiven evaluierenden Ansatz stehen Denkprozesse, insbesondere die Interaktion zwischen dem Denken und Fühlen, im Vordergrund. Der dritte Ansatz - der behavioristische Ansatz - beleuchtet die Verhaltensaspekte eines Menschen, während dieser auf einen äußeren Reiz reagiert. Einen Ansatz zur Erklärung des Phänomens von Emotionen bietet auch die Evolutionstheorie (vgl. Slyter, 2016 und Mayer 2004). Hier dienen Emotionen maßgeblich als Indikator für das biologische Fortbestehen und sind Teil eines natürlichen Ausleseprozesses. Positive Emotionen weisen auf biologische Vorteile hin, negative Emotionen dagegen auf eine Gefährdung des Überlebens. 1.3.1.2 Gefühl Es scheint eine Schwierigkeit darin zu bestehen, eine allgemein anerkannte begriffliche Abgrenzung zwischen dem Wort Emotion und anderen Phänomenen des menschlichen Innenlebens zu finden. Mit Gefühl wird in der Literatur oft der subjektive Aspekt einer Emotion beschrieben (vgl. Kobi <?page no="20"?> 20 Leadership und Guiding 2016). Auch gibt es eine zeitliche Komponente, da sich das Gefühl, als Teilaspekt einer Emotion, erst nach der körperlichen Reaktion einstellt. Ein weiterer Unterschied zwischen Gefühl und Emotion besteht auch darin, dass sich Gefühle nur auf körperliche Zustände beziehen können und nicht, wie Emotionen im Allgemeinen, abhängig von Reizen sein müssen. Auch gehören körperlich nicht zu lokalisierende Wahrnehmungen hierzu, beispielsweise das Gefühl des Tatendrangs. 1.3.1.3 Stimmung Stimmungen sind, im Gegensatz zu Emotionen, keine direkten Reaktionen auf innere oder äußere Reize und haben eine andere zeitliche Komponente (vgl. Petrides, 2007). Auch beinhalten sie keinen klaren Handlungsauftrag, wie es beispielsweise beim Wegrennen bei der Emotion Angst der Fall wäre. Obwohl Stimmungen meist aufgrund von einem oder mehreren Gründen zu erklären sind, sind sie trotzdem keine direkte Reaktion auf externe oder interne Quellen. Individuen können diese meist nicht einem eindeutigen Auslöser zuordnen. Daher erzeugen Stimmungen auch keine klaren Verhaltensänderungen, wie beispielsweise eine stark veränderte Mimik oder Gestik. Es fehlt ihnen damit auch der kommunikative Aspekt für das soziale Umfeld, den Emotionen und Gefühle besitzen. Als Auslöser für Stimmungen werden häufig wiederkehrende Emotionen genannt, die sich im Menschen festsetzen und zu einer Stimmung werden. Allerdings ist der Übergang zwischen Emotion und Stimmung nicht klar abgrenzbar. 1.3.1.4 Affekt Affekte sind meist Reaktionen auf Umweltreize und treten unwillkürlich auf (vgl. Schulze, 2006). Der Begriff steht für eine sehr starke Emotion, die einen Menschen überkommen kann und ihn die Kontrolle über sein Verhalten verlieren lässt. Ein heftiges Aufwallen von Emotionen mit entsprechend starken körperlichen Reaktionen ist hierbei häufig zu beobachten. Der Begriff Affekthandlung beschreibt recht gut diese Art einer Reaktion, die meist nicht bewusst eingeleitet wird. Oftmals sind diese Verhaltensweisen auch hormonell oder neuronal zu begründen. Diese Art von Informationsverarbeitung erfolgt biologisch gesehen innerhalb einer sehr kurzen Zeit, was auch erklärt, weshalb eine zunächst kognitive Verarbeitung nicht möglich ist. <?page no="21"?> Nachhaltige Führung und Emotionale Intelligenz 21 Eine zentrale Aufgabe in der Emotionsforschung (vgl. Petrides, 2007) ist, empirisches Datenmaterial zu sammeln, dieses auszuwerten und so einen Beitrag zur wissenschaftlichen Aufklärung zu leisten. In diesem Zusammenhang spielt die Möglichkeit Emotionen zu messen eine große Rolle. Nur so lassen sich qualitative und quantitative Daten erheben, die dann Rückschlüsse zulassen. Im Falle der Emotionsforschung ist dies allerdings erschwert, da das Forschungsgebiet noch relativ jung ist und zunächst neue Messverfahren entwickelt werden müssen. Die gängigste Methode der Messung (vgl. London Psychometric Laboratory, 2013) besteht zurzeit darin, einen Probanden mit einem emotionsauslösenden Reiz zu konfrontieren. Der Proband beschreibt dann meist selbst die empfundenen Reaktionen. Oft wird diese Art der Selbstbefragung mittels Expertenbeobachtung oder über medizinische Sensoren überprüft. Demnach deckt die Emotionsmessung (vgl. Geher, 2004) folgende drei Ebenen ab:  Subjektive Erlebnismessung  Beobachtung des Verhaltens  Messung von körperlichen Reaktionen Das subjektive Erlebnis wird meist mittels Selbstbefragung bzw. Fragebögen zur Selbsteinschätzung ermittelt. Hier werden häufig standardisierte Fragebögen verwendet, die anonym ausgewertet werden. Vereinzelt wird dies auch mittels eines persönlichen Interviews durchgeführt oder durch eine 360°-Methode ergänzt, wonach engere Bekannte um eine Einschätzung gebeten werden. Diese erfolgt meist ebenfalls durch die Verwendung eines Fragebogens. Bei der Beobachtung des Verhaltens durch Dritte soll Fehlern in der Selbstwahrnehmung und eventuellen Falschaussagen entgegengewirkt werden. Hierbei werden insbesondere Mimik, Gestik, Stimme und Körpersprache analysiert. Dies kann durch beobachtende Experten, aber auch computergestützt durchgeführt werden. Ein Beispiel für Letzteres ist ein Gesichtsmuskel-EMG (Elektromyografie), welche Bewegungen in den Muskeln des Gesichts misst und dadurch veränderte Gesichtsausdrucke erkennen kann. In beiden Fällen wird davon ausgegangen, dass Veränderungen im Verhalten teilweise reflexartig erfolgen und somit Aufschluss über die emotionale Befindlichkeit des Probanden liefen können (vgl. Peters 2013). Studien haben bereits aufzeigen können, dass einige Emotionen einzelne Gehirnbereiche aktivieren und daher messbar sind (vgl. Petrides, 2007). <?page no="22"?> 22 Leadership und Guiding Obwohl diese ersten Ergebnisse vielversprechend klingen und noch mehr an Forschung dieser Art wünschenswert ist, können Instrumente der Gehirnforschung aufgrund der hohen Kosten noch nicht flächendeckend eingesetzt werden. 1.3.1.5 Emotionsmanagement und der Begriff Emotionale Intelligenz Der Begriff Emotionale Intelligenz beschreibt die Fähigkeit, eigene und fremde Emotionen möglichst genau wahrzunehmen, sie richtig zu deuten und im Umgang mit anderen sinnvoll einzusetzen. Der Begriff geht zurück auf den Emotionsforscher Peter Salovey und den Psychologen John D. Mayer, die Ende der 1980er-Jahre die Theorie der multiplen Intelligenzen des amerikanischen Psychologen Howard Gardner weiterentwickelten (vgl. Mayer, 2000). Der grundlegende Ansatz ist hierbei, keinen normativen Unterschied zwischen logisch-mathematischen Fähigkeiten, die den klassischen Intelligenzbegriff prägen, und sozialen bzw. emotionalen Kompetenzen zu machen. Wichtige Vertreter dieses Forschungsbereichs sind immer noch die Psychologen Salovey und Mayer von der Universität Yale, die Anfang der 1990er- Jahre einen Ansatz zur Beschreibung der Emotionalen Intelligenz als Ability-Modell veröffentlicht hatten und bis heute aktiv in der Forschung tätig sind. Später überarbeiteten Salovey und Mayer dieses Modell und publizierten 1997 eine modifizierte Version (vgl. Mayer 2004). Den beiden Forschern war wichtig, ein Modell zu entwickeln, welches den wissenschaftlichen Standards genügt. Das aktuelle Modell von Mayer und Salovey (vgl. Mayer, 2004), auf welchem auch der Mayer-Salovey-Caruso Emotional Intelligence Test (MSCEIT) beruht, kann folgendermaßen skizziert werden: Die Emotionale Intelligenz besteht in diesem Modell aus zwei Komponenten - das emotionale Erleben und ferner die emotionale Verarbeitung. Diese beiden Hauptkomponenten lassen sich jeweils in zwei Unterkategorien einteilen. Diese vier Unterkategorien bestehen ihrerseits aus jeweils zwei Subskalen. Die Leistung innerhalb der acht Subskalen wird mittels der Aufgaben des MSCEIT abgefragt und so die Gesamt-EI ermittelt. Das EI-Modell von Salovey und Mayer verdeutlicht einerseits die Notwendigkeit, emotionale Fähigkeiten bei der Intelligenzforschung zu berücksichtigen und hebt sich von bekannten Konzepten zur Ermittlung des Intelligenzquotienten (IQ) ab. <?page no="23"?> Nachhaltige Führung und Emotionale Intelligenz 23 Andererseits weist das Modell auf die kognitiven Fähigkeiten als Schlüssel zur hohen Emotionalen Intelligenz hin und lässt auch Parallelen zu dem Intelligenzmodell erkennen, welches in der IQ-Forschung Anwendung findet. Das Modell von Salovey und Mayer wird aufgrund seiner schweren Umsetzbarkeit und wegen seiner fehlenden Praxisbezogenheit kritisiert. Bei diesem Modell gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass die beiden Forscher die Begriffe ‚Emotion’, ‚Gefühl’ und ‚Stimmung’ vielfach synonym verwenden und so eine Ausdifferenzierung umgehen. Eine abschließende Definition des Begriffs Emotionale Intelligenz ist vonseiten der Wissenschaft noch nicht gefunden worden. Allerdings gibt es einen Ansatz, auf den sich die meisten Wissenschaftler einigen können. Dieser Ansatz geht auf Howard Gardner (vgl. Gardner, 1983) zurück, der mit seiner Differenzierung in intrapersonelle und interpersonelle Intelligenz zwei wesentliche Komponenten der EI beschrieb. Zunächst einmal ist eine emotional intelligente Person fähig, die eigenen Gefühle wahrzunehmen, Emotionen zu kontrollieren und das Verhalten bewusst zu steuern. Dies sind Fähigkeiten, die als intrapersonelle Intelligenz beschrieben werden und die das Individuum sich selbst gegenüber anwendet. Daneben gibt es die interpersonelle Intelligenz, d.h. die Fähigkeit, die Emotionen anderer Menschen wahrzunehmen und mit ihnen gut umzugehen. EI-Trainierbarkeit und Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Unternehmensführung Nachdem in den vorherigen Kapiteln erörtert wurde, was Emotionale Intelligenz im Genauen ist und wie sie gemessen werden kann, steht in diesem Kapitel die Vermittlung von EI mittels Verhaltenstrainings im Vordergrund. Die Leitfragen hierzu sind, ob sich EI überhaupt trainieren lässt und falls ja, welche Voraussetzungen und Faktoren dafür vorliegen müssen. 1.4.1 Erfolgsfaktoren eines EI-Trainings zur nachhaltigen Unternehmensführung Versteht man EI als Trait-Eigenschaft, d.h. als ein eng mit den Persönlichkeitsmerkmalen eines Menschen verwobenes Konzept, ist die Beantwortung dieser Fragen nicht einfach (vgl. Pleisteiner, 2002). Selbstverständlich durchlaufen auch die persönlichkeitsbezogenen Eigenschaften eines Menschen im <?page no="24"?> 24 Leadership und Guiding Laufe seines Lebens Veränderungen, allerdings sind dies langsame und zeitintensive Prozesse. Durch ein einmaliges Training sind diese Veränderungen daher nicht herbeizuführen. Einige Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass eine Vermittlung von EI unter Berücksichtigung bestimmter Faktoren gelingen kann und damit EI-Trainings erfolgversprechend sein können (vgl. Sluyter, 2016). Zunächst gibt es das kognitive Lernen. Als Beispiel führen die Autoren (Cherniss, Cary (u.a.) 1998, S. 4) an, dass ein introvertierter Ingenieur, der während seines Berufslebens versäumt hat, Beziehungen aufzubauen, die Nachteile dieses Verhaltens sehr wohl verstehe. Allerdings bewirkt das alleinige Wissen darüber keine Verhaltensveränderung. Um das eigene Verhalten zu ändern oder zu steuern, ist neben dem kognitiven Lernen auch das emotionale Lernen entscheidend. Der signifikante Unterschied besteht darin, dass beim kognitiven Lernen neues Wissen in bestehenden Strukturen verarbeitet wird, während beim emotionalen Lernen neue Strukturen gebildet und besondere Areale des Gehirns, wie bspw. die Amygdala, aktiviert werden. Emotionales Lernen ist ein komplexer Vorgang. Dies muss in einem erfolgreichen EI-Training berücksichtigt werden, indem Möglichkeiten geboten werden, neue Verhaltensweisen über einen längeren Zeitraum einzuüben. Das folgende Schaubild gibt einen Überblick über die Phasen eines EI- Trainings und jeweilige positive Einflussfaktoren: Der Hawthorne Effekt beschreibt das Phänomen, dass sich eine Verhaltensveränderung oder eine Leistungssteigerung schon deshalb einstellen kann, weil der Gruppe eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird oder sie sich beobachtet fühlt (vgl. Cherniss, Cary (u.a.) 1998). Sie geht zurück auf die Experimente zur Leistungssteigerung von Arbeitern, die von Roethlisberger und Dickson zwischen 1924 und 1932 in der Hawthorne Fabrik in Chicago durchgeführt wurden. Sie fanden heraus, dass sich die Arbeitsleistung mit jeder Intervention verbesserte, auch wenn die Intervention eigentlich von Nachteil für die Arbeiter war. Demnach ändern Versuchspersonen unter Beobachtung immer ihr Verhalten und verhalten sich zu einem gewissen Grad nicht natürlich. Falls eine Kontrollgruppe eingesetzt wird, sollte demnach darauf geachtet werden, dass auch diese die gleiche Aufmerksamkeit und Beobachtung erhält. Um das in der Praxis anzuwenden, kann ein einfaches Training für die Kontrollgruppe, ein sog. ‚Placebo Training’, konzipiert werden, um den Hawthorne Effekt zu minimieren. Dieses sollte keine große positive Wir- <?page no="25"?> Nachhaltige Führung und Emotionale Intelligenz 25 kung auf das Verhalten der Teilnehmenden haben, sich aber auch nicht negativ auswirken. Gründliche Evaluierungen von EI-Trainings werden nur selten durchgeführt. Eine Studie aus dem Jahr 1997 (vgl. Cherniss, Cary (u.a.) 1998, S. 24) belegt, dass von 27 befragten Unternehmen nur ein Drittel Bemühungen anstellten, ihre Verhaltenstrainings zu evaluieren. Der Grund hierfür könnte auch darin liegen, dass viele Verantwortliche der Ansicht sind, dass es keine Möglichkeit gibt, solche Trainings objektiv zu evaluieren. Allerdings zeigt die Auflistung weiter unten, dass es zumindestens im Bereich der Emotionalen Intelligenz verlässliche Messinstrumente gibt. 1.4.2 Weitere Einflussgrößen Das Alter der Teilnehmenden kann sich auf die Dynamik und den Verlauf des Trainings auswirken. Da das Thema meist im beruflichen Kontext diskutiert wird, kann es für den Trainer eine Herausforderung darstellen, eine altersspezifisch heterogene Gruppe anzuleiten. Die besprochenen Situationen und Beispiele spiegeln evtl. nicht die Lebenssituation aller Teilnehmenden wider. Allerdings bieten Gruppen mit einer breiten Altersstruktur den Vorteil, dass vom Erfahrungsschatz älterer Teilnehmender und den generell unterschiedlichen Perspektiven profitiert werden kann. Auch geschlechterspezifische Unterschiede insbesondere beim Thema Emotionale Intelligenz sollten berücksichtigt werden. Gemischte Gruppen können sich in ihrer Reaktion und Meinungen stark von Gruppen unterscheiden, die eher weiblich bzw. männlich dominiert sind. Auch muss die Wahl getroffen werden, wo das EI-Training stattfindet. Onthe-job Trainings finden direkt am Arbeitsplatz statt und haben den Vorteil, dass sie dadurch relativ kostengünstig sind, während Off-the-job Trainings außerhalb des Betriebsgebäudes stattfinden. Off-the-job Trainings haben den Vorteil, dass die Teilnehmenden ihr gewohntes Arbeitsumfeld verlassen müssen und sich so besser auf neue Inhalte oder auf evtl. Übungssequenzen fokussieren können. Gerade bei der Vermittlung von emotionalen Kompetenzen ist dies wichtig und sinnvoll. 1.4.3 Konzept eines EQ-Trainings zur nachhaltigen Führung Lässt sich also das persönliche Emotionsmanagement verbessern bzw. sind emotionale Kompetenzen erlernbar? <?page no="26"?> 26 Leadership und Guiding Im Rahmen eines Forschungsprojekts der Reinhold-Würth-Hochschule (gefördert durch die Würth-Stiftung) wurden diverse Trainings für unterschiedliche Zielgruppen durchgeführt. Für das Training wurde der Einsatz eines Lehrvortrags gewählt. Dieser ist besonders geeignet, um in das Thema einzuführen und die grundlegenden Theorien zu vermitteln. Der Vorteil eines (Lehr-)Vortrags ist, dass innerhalb einer kurzen Zeit eine große Bandbreite an Inhalten behandelt wird und der Referent diese planen und strukturieren kann. Im Anschluss an eine Vorstellungsrunde wurden die Seminarziele vorgestellt. Nach einer Einführung mit Begriffsdefinitionen und Beispielen, wurden mittels eines EI-Modells von Daniel Goleman die Komponenten Selbstwahrnehmung, Selbstregulierung, Selbstmotivation (auf das Individuum bezogen) und die Komponenten Empathie und soziale Beziehungen (auf das Umfeld bezogen) erörtert. Ergänzt durch praktische Beispiele aus dem Berufsbzw. Studierendenalltag wurden diese Komponenten gemeinsam mit den Teilnehmenden diskutiert. Zu jeder Komponente wurden weiterführende Ansätze und Theorien vorgestellt. Eindringlich wurde die anatomische Struktur des Gehirns besprochen und insbesondere die Areale, die für das Verarbeiten von Emotionen zuständig sind. Der Fokus bei diesem EI-Training lag allerdings nicht auf der Vermittlung von theoretischem Wissen, so dass dieser Teil bewusst kurzgehalten war. Den Schwerpunkt des Trainings bildeten vielmehr die Rollenspiele, Diskussionen und die Übungen mit den Trainingshunden. Dies sind speziell trainierte und zertifizierte Rettungshunde des Bayerischen Roten Kreuzes. Die Hundeübungen sowie die Rollenspiele wurden mit der Kamera begleitet und direkt nach den Übungen in der Gruppe analysiert und besprochen. Von besonderem Interesse war die gewählte Handlungsoption der gefilmten Personen und ihre Reaktion und Interaktion untereinander. Ausgehend von den Videosequenzen konnte die Gruppe gemeinsam diskutieren, Beiträge einbringen und eigene Erfahrungen nennen. Mittels Leitfragen geführt und durch die Seminarleitung moderiert, sollte diese Analyse und Gruppendiskussion das neu erworbene Wissen anwendbar machen und so zum Transfererfolg des Trainings in den Studiums- und Berufsalltag beitragen. <?page no="27"?> Nachhaltige Führung und Emotionale Intelligenz 27 1.4.4 TEIQue - Test zur Messung der Emotionalen Intelligenz Für die Auswertung der Seminare und für die Projektpartnerschaften wurde der Trait Emotional Intelligence Questionnaire (TEIQue) von K. V. Petrides, J. C. Pérez und A. Furnham (vgl. Petrides, 2008) verwendet. Der Fragebogen besteht aus einem Selbst- und einem Fremdbewertungsteil. Der TEIQue SF (Short Form) ist ein Selbstbewertungsbogen bestehend aus 30 Fragen. Die Antworten werden auf einer Skala von 1 für ‚stimme absolut nicht zu’ bis 7 für ‚stimme absolut zu’ gegeben. Der Fragebogen kann zusätzlich durch soziographische Abfragen ergänzt werden. Die zweite Komponente dieser Messmethode ist der Fremdbefragungsbogen TEIQue 360° SF. In diesem schätzen bis zu zwei Personen die emotionalen Fähigkeiten eines Seminarteilnehmers ein. Dieser Fragebogen besteht aus 15 Fragen. Die Antworten werden mittels einer Prozentzahl gegeben, d.h. es wird eine Aussage getroffen, zu wie viel Prozent die jeweils betrachtete Person eine bestimmte Kompetenz hat. Neben der Möglichkeit, durch die Fragebögen einen Gesamtwert bestimmen zu können, bietet der TEIQue auch die Möglichkeit, einige Antworten in vier Unterkategorien zuzuordnen:  Well-being (Wohlbefinden)  Self-control (Selbstkontrolle)  Emotionality (Umgang mit Emotionen)  Sociability (Soziale Kompetenzen) Damit kann eine präzisere Aussage und über einzelne Faktoren der EI getroffen und zugleich deren Veränderung im Laufe des Trainings ausgewertet werden. Ergebnisse eines Nachhaltigkeitstrainings Wenn der Zusammenhang zwischen nachhaltiger Führung und emotionaler Intelligenz besteht, dann muss die Forderung nach validen Messungen eines Trainingserfolges erhoben werden. Im Folgenden werden die Ergebnisse des TEIQue-Test kurz beschrieben und dann anschließend diskutiert. <?page no="28"?> 28 Leadership und Guiding 1.5.1 Ergebnisse des TEIQue SF Die Auswertung bei dem Fragebogen TEIQue gliedert sich in zwei Ebenen. Der erste Teil ist eine Selbstbewertung mittels des Fragebogens TEIQue SF, der zweite eine Fremdeinschätzung mit dem Fragebogen TEIQue 360° SF. Das Verfahren zur Messung gliedert sich ebenfalls in zwei Schritte. Zunächst werden vor Beginn des jeweiligen Seminars der Selbstbewertungsbogen TEIQue SF und zwei Exemplare des TEIQue 360° SF beantwortet. Die Werte spiegeln die Mittelwerte der Summen aus den 30 Antworten wider, die in einer Skala von 1 für ‚stimme absolut nicht zu’ bis 7 für ‚stimme absolut zu’ zu geben sind. Berücksichtigt werden auch notwendige Recodierungen bei negativ gestellten Fragen wie „Es fällt mir gewöhnlich schwer, meine Emotionen zu regulieren“. Die Teilnehmenden der Befragung beantworteten die Fragen aus dem TEIQue mit den vorgegebenen Kategorien (1 für ‚stimme absolut nicht zu’ bis 7 für ‚stimme absolut zu’). Für die Auswertung wurden die gegebenen Antworten zunächst als Mittelwert in dieser Skala angegeben. Ferner wurden diese zur besseren Anschaulichkeit standardisierten Punktwerten zwischen 0 und 100 zugeordnet. Dabei entspricht 0 dem niedrigsten Skalenwert und 100 dem höchsten. Auch hier wurden Mittelwerte errechnet, auf die in den folgenden Auswertungen näher eingegangen werden soll. Insgesamt finden drei Befragungen mit dem TEIQue Fragebogen statt. Die erste zu Beginn der Seminarreihe, eine weitere gegen Mitte des Projektzeitraums und eine weitere am Ende der Seminarreihe. Somit kann ein Verlauf und ein Vorher-/ Nachher-Vergleich durchgeführt werden. Für die Selbstbewertung ergibt sich für die Seminare eine leichte Steigerung des Nachher-Wertes im Vergleich zum Vorherwert. Analog zu den Gesamtwerten in der Vorher-/ Nachher-Untersuchung werden auch die Veränderungen in den einzelnen Unterkategorien (Cluster) ermittelt. Die Werte spiegeln dementsprechend auch hier die Mittelwerte der Antwortsummen wider. Durch die Einteilung in die vier Untergruppen können die Veränderungen der Gesamtwerte differenzierter betrachtet werden. Analysiert man nun das Gesamtergebnis genauer und betrachtet die vier Faktoren des TEIQue, ergibt sich für alle Seminare zusammengenommen ein interessantes Bild: Den höchsten Wert - sowohl vor wie nach der Seminarreihe - hat der Faktor Well-being. Vor und nach dem Seminar schätzten sich die Teilnehmer am schlechtesten in den Faktoren Self-control und Sociability ein. Nach dem Seminar bleiben diese beiden Faktoren in der Gesamtbetrachtung auch die mit dem niedrigs- <?page no="29"?> Nachhaltige Führung und Emotionale Intelligenz 29 ten Wert. Die Differenz zwischen dem Faktor mit dem höchsten Wert im Vergleich zum niedrigsten beträgt in der Gesamtbetrachtung vorher 14,11 Punktwerte. Nach der Seminarreihe beträgt die Differenz des besten und schlechtestes Faktors 17,13 Punktwerte. Damit nimmt die Differenz bei den Nachher-Werten sogar zu. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Faktorwert Well-being am Ende der Seminarreihe um über 6 Punktwerte zunimmt, während der Faktorwert Socialbility zwar auch steigt, allerdings nur ca. 3 Punktwerte. Der Grund hierfür ist vermutlich, dass eben genau dieser Faktor Sociability, d.h. Soziale Kompetenzen ganz am Ende der Seminarreihe trainiert wird und danach aus organisatorischen Gründen keine weitere Befragung mehr durchgeführt wird. 1.5.2 Ergebnisse des TEIQue 360° SF Für die Fremdeinschätzung wurden jedem Teilnehmer zwei Bögen zur Verfügung gestellt. Diese werden nahestehenden Personen im Rahmen des Seminars weitergeben. Der ausgefüllte Fremdeinschätzungsbogen wird der betreffenden Person nicht wieder zurückgegeben, sodass ein wahrheitsgemäßes Antworten gewährleistet ist. Die Antworten werden mittels einer Prozentzahl gegeben, d.h. es wird eine Aussage getroffen, zu wie viel Prozent die jeweils betrachtete Person eine bestimmte Kompetenz hat. Aus den jeweiligen Prozentangaben werden die Mittelwerte für die gesamte Teilnehmergruppe ermittelt. Die Antworten der 15 Fragen des TEIQue 360° SF werden in frei wählbaren Prozentangaben gegeben. Die Gesamtwerte bei beiden Seminaren liegen zu Beginn bei ca. 75 Punktwerten und erhöhen sich bei der zweiten Fremdbefragung um ca. 5 Punktwerte auf ca. 80. Vergleicht man nun diese Werte der Fremdbefragung mit der Selbsteinschätzung, ergibt sich folgendes Bild: Die Werte der Fremdeinschätzung sind deutlich besser als die der Selbsteinschätzung. Der Wert der Fremdeinschätzung liegt vorher um ca. 8 Punktwerte höher als die Selbsteinschätzung. Im Nachher-Vergleich reduziert sich diese Differenz jedoch auf ca. 6 Punktwerte. Auch bei der Fremdbewertung erfolgt eine Einteilung in die vier Unterkategorien Well-being (Wohlbefinden), Self-control (Selbstkontrolle), Emotionality (Umgang mit Emotionen) und Sociability (Soziale Kompetenzen). Die hieraus gebildeten Werte können Aufschluss über die Verteilung und Gewichtung der Kompetenzen geben. <?page no="30"?> 30 Leadership und Guiding Die Werte für die vier Faktoren Well being, Self control, Emotionality und Sociability in der Fremdbewertung verlaufen für die verschiedenen Gruppen generell ähnlich. Die Werte des Faktors Well-being und Self-control weisen die geringsten Veränderungen auf, die Werte für die Faktoren Emotionality und Sociability die höchsten. Für alle Faktoren sind in der Gesamtbetrachtung durchgängig Verbesserungen zu verzeichnen, im Rahmen von 3,62 (Self-control) und 16,48 (Emotionality). 1.5.3 Fazit zu den Testverfahren der Emotionalen Intelligenz Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich die Verwendung des TEIQue- Testverfahrens mit dem TEIQue SF als Selbstbefragungsbogen und dem TEIQue 360° SF als Fremdeinschätzung als eine unkomplizierte und zeitsparende Methode herausstellte. Insbesondere die Möglichkeit, eine durchzuführen und diese Werte mit den Ergebnissen der Fremdeinschätzung zu vergleichen, sind die augenscheinlichsten Vorteile dieses Verfahrens. Diskussion der Ergebnisse und Fazit Nachhaltige Führung und Emotionale Intelligenz sind nicht nur zwei innovative Begriffe, sondern müssen feste Bestandteile eines Human Ressource Management Konzeptes auf der Basis der Neuroökonomie werden (vgl. Consortium for Research on Emotional Intelligence in Organizations, 2013): Es sollte hier der Versuch unternommen werden, Nachhaltigkeit der Unternehmensführung und Emotionsmanagement nicht nur zu verknüpfen, sondern auch aufzuzeigen, wie Emotionsmanagement trainiert werden kann. Es wurden 22 Erfolgsfaktoren für EI-Trainings vorgestellt, die helfen, Resultate des Trainings im Sinne einer Nachhaltigkeit zu verbessern, das Lernen neuer emotionaler Kompetenzen zu erleichtern und sie auch nach dem Training beizubehalten. Daniel Goleman und Cary Chernis sind der Überzeugung, dass an emotionalen und sozialen Kompetenzen auch im Erwachsenenalter weitergearbeitet werden kann. Allerdings verlangt dies vom Individuum, dass alte, tief verwurzelte Denk- und Verhaltensweisen aufgegeben und dafür neue erlernt werden. Dies erfordert eine kontinuierliche Übung, klare Zielsetzungen, Motivation aber auch Unterstützung von außen. Die Wirksamkeitsanalyse der Reinhold-Würth-Hochschule ergab, dass sich die Teilnehmenden im Anschluss der Veranstaltung durchweg besser ein- <?page no="31"?> Nachhaltige Führung und Emotionale Intelligenz 31 schätzten, als zu Beginn des Trainings. Es konnten Verbesserungen um bis zu ca. 12 Prozentpunkte nachgewiesen werden. Das Ziel dieser Arbeit war, hierfür einen ersten Orientierungsrahmen zu schaffen und konkrete Ergebnisse für eine Verbesserung der nachhaltigen Unternehmensführung hervorzubringen. Es konnte nachgewiesen werden, dass sich die Teilnehmenden in ihren emotionalen Kompetenzen nach dem Training besser einschätzten und auch die Fremdeinschätzung durch Kollegen eine Verbesserung der Kompetenzen nahelegt. Nachhaltigkeit, Führung und Management sowie Emotionale Intelligenz sind miteinander verwobene Konzepte, die letztendlich Effizienz und Effektive des Managements betreffen. Literatur Cherniss, C. et al. (1998). Bringing Emotional Intelligence to the Workplace - A technical Report issued by the Consortium for Research on Emotional Intelligencein organizations. Verfügbar unter: http: / / www.eiconsortium.org/ pdf/ technical_report.pdf (Stand: 15.06.16). Consortium for Research on Emotional Intelligence in Organizations (Hrsg.) (2013): Measures. Verfügbar unter: http: / / www.eiconsortium.org/ measures/ measures.html (Stand 15.06.16). Eimer, M. (2015). Kognitive Neurowissenschaften. Göttingen: Hogrefe (Enzyklopädie der Psychologie : Themenbereich C, Theorie und Forschung. 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Göttingen: Hogrefe Verlag, S.141-163. <?page no="35"?> 2 Erfolgreiche Führung in der VUKA-Welt ist eine Frage der Haltung! Silke Körner und Jörg Janzen <?page no="36"?> 36 Leadership und Guiding Aber welche Kompetenzen untermauern sie - und wie erlangen wir diese? Die VUKA-Welt stellt neue Anforderungen an uns alle. Führungskräfte müssen sich heute mit einem ganz neuen Rollenverständnis und anderen Aufgaben auseinandersetzen, um erfolgreich zu sein. Mitarbeiter und Vorgesetzte erwarten, dass Führungskräfte in der VUKA- Welt einen Überblick behalten und Orientierung geben können. Gleichzeitig erwarten Mitarbeiter jedoch mehr Mitsprache und Gestaltungsraum. Vorgesetzte erwarten, dass Stakeholder, Experten anderer Abteilungen und der Kunde in bestimmte Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse miteinbezogen werden. Und Kunden möchten von Anfang an auf ihr Produkt oder die Dienstleistung Einfluss nehmen. Das verlangt ein radikal anderes Verständnis der Funktion und Verantwortungen von Führung. Ein Haltungswechsel ist gefragt! Die vier Faktoren Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität bestimmen die aktuelle Marktwirtschaft und damit auch die Arbeitswelt. Jetzt kracht es im Gebälk, weil noch keiner so richtig weiß, wie mit der Situation umzugehen ist. Die vier Worte sind so mächtig - und gleichzeitig wird die „Welt“ auf diese vier Charakteristika beschränkt -, dass wir eigentlich nur mit Hilflosigkeit und Verunsicherung reagieren können: Beherrschen lässt sich ja anscheinend gar nichts mehr! Was soll ich als einzelne Führungskraft denn hier noch ausrichten? Wie isst man einen Elefanten? „In kleinen Stücken! “ Immer dann, wenn eine Sache zu groß und unbestimmt erscheint, hilft es, sich darauf zu konzentrieren, was machbar ist. Dazu stellen wir uns für jede der vier Eigenschaften die Frage, was in einem so charakterisierten Umfeld wichtig für die Menschen ist, die darin leben. <?page no="37"?> Erfolgreiche Führung in der VUKA-Welt 37 2.1.1 Volatilität und Vision In einem Umfeld, das bestimmt ist durch Unbeständigkeit, brauchen Menschen ein überzeugendes Bild vom Ziel: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ (Helmut Schmidt) Anstelle den Weg zu einem Ziel genau zu kennen, ist es viel wichtiger, ein klares und verlockendes, d.h. also auch erreichbares, Ziel vor Augen zu haben. Nehmen wir als Beispiel einen Segeltörn: Auch hier können wir höchstens ein paar mögliche Anlaufpunkte auf einer Strecke fixieren. Wie genau der Weg zum eigentlichen Ziel jedoch aussehen wird und wie lange er dauert, hängt von Wind, Wetter und den Strömungen ab. Solange die Besatzung weiß, dass der Kurs letztendlich zum Ziel führt, ist sie auch bereit, kilometer- und tagelang gegen den Wind und eigentlich in eine andere Richtung zu kreuzen, wenn die äußeren Umstände dies notwendig machen. Dasselbe passiert im Unternehmen, wenn es um ein Projekt, ein neues Produkt oder um eine Umstrukturierung geht: Solange die Beteiligten ein überzeugendes Bild vom Ziel vor sich haben, ist die Bereitschaft, umzusteuern, Sachen über Bord zu werfen, oder einmal eine Flaute auszuhalten, da. Sobald jedoch das Ziel unklar, unrealistisch oder sinnlos wird, ist eine Meuterei kaum zu vermeiden! Eine wichtige Führungsaufgabe ist es deswegen, dafür zu sorgen, dass Mit- und Zuarbeitende - besonders in ungewissen Zeiten - ein für sie attraktives und erreichbares Ziel sehen können. Vage Ziele, die nur ein diffuses Bild in der Ferne liefern, verwirren, verunsichern oder verärgern. Sie lösen dann Gedanken, wie der von Helmut Schmidt so prägnant formulierte, aus (s. o.). Unter diesen Umständen noch an einem Strang zu ziehen, wird schwierig bis unmöglich. Die Führungskraft muss also selbst ein starkes Bild eines verlockenden Ziels sehen und dies dann auch erreichen wollen. Erst dann kann sie diese Vision auch so kommunizieren, dass sie andere überzeugt! <?page no="38"?> 38 Leadership und Guiding 2.1.2 Ungewissheit und Reflexion Gerade in der Ungewissheit ist es wichtig, innezuhalten: „Unsicherheit stärkt die Angstgefühle - diese wiederum bewahren vor unüberlegten Handlungen.“ (Karin Oberndorfer) Häufig verwechseln wir Bewegung mit gezielten Aktionen. Nur weil jemand voller Schwung in eine bestimmte Richtung geht, heißt das noch lange nicht, dass er oder sie wirklich weiß, ob es auch die richtige ist. Wenn unklar ist, wohin der nächste Schritt führt, wo Hürden sind oder Hilfen zur Verfügung stehen, ist es am besten, einfach einmal innezuhalten. Und gerade wenn alles und alle anderen in Bewegung erscheinen, ist es unerlässlich, sich zu lokalisieren und zu orientieren. Wie das geht? Durch Beobachten, Zuhören, Fragen stellen - und Reflektieren. Das kann allein oder gemeinsam mit anderen geschehen. Dazu gehört vor allem Mut: Zunächst muss man sich selbst eingestehen, dass man unsicher ist, ja sogar Angst hat. Dieses Gefühl muss man aushalten können. Und besonders, wenn die Blicke der anderen auf einen gerichtet sind mit der Frage: „Was jetzt? “, fällt es schwer zu sagen: „Ich weiß es - noch - nicht. Vielleicht können wir es gemeinsam erarbeiten.“ 2.1.3 Komplexität und Klarheit Indem wir Dinge aufs Wesentliche reduzieren, schaffen wir Sinnhaftigkeit: „Die Deckstühle auf der Titanic zurechtrücken“? In von Komplexität bestimmten Situationen ist es schwer, zu erkennen, was sinnvolle Entscheidungen sind, bzw. welche Auswirkungen eine Handlung haben könnte. Hier hilft die Reduktion auf das Wesentliche - denn die Sinnhaftigkeit unseres Tuns motiviert uns, auch wenn es schwer wird. Es ist dunkel, kalt, die Sicht ist schlecht - und das Schiff hat ein massives Leck nach der Kollision mit einem Eisberg. Die Gäste auf der Titanic beklagen sich über Personal, das ihnen für persönliche Anliegen nicht zur Verfügung steht, oder dass die Möbel von ihren Plätzen gerückt sind durch die Schieflage. Hier hat der absolute Glaube an die Unsinkbarkeit der Titanic dazu geführt, dass sich eben nicht aufs Wesentliche konzentriert wurde, und der Zusammenstoß ein tragisches Ende hatte. <?page no="39"?> Erfolgreiche Führung in der VUKA-Welt 39 Glaubenssätze, aber auch die schiere Anzahl von notwendigen Entscheidungen und Einflüsse auf ein Projekt oder einen Prozess können uns blind machen für die eigentlich bestimmenden Faktoren einer Situation. Dann fangen wir an, die Deckstühle zu arrangieren, weil wir wenigstens das schnell erledigen und das Ergebnis sofort sehen können. Nur leider ist es eine völlig sinnlose Aktivität, die wichtige Ressourcen bindet, welche zur Lösung des zentralen Problems gebraucht worden wären. Sich hier - gemeinsam mit anderen - die Fragen erneut zu stellen: „Was ist der Sinn? “, „Warum sind wir hier - was ist noch einmal unser eigentliches Ziel? “, „Was wäre, wenn ...? “ hilft uns, Kriterien für unser Handeln aufzustellen. Wir können die Vielschichtigkeit besser navigieren, weil wir aussortieren können, was wirklich wichtig ist. 2.1.4 Ambiguität und Agilität „Kräht der Hahn wohl auf dem Mist, ändert sich das Wetter - oder es bleibt, wie es ist! “ Wie gehen wir mit Mehrdeutigkeit um? Ein komplexes Umfeld mit neuen Entwicklungen und unterschiedlichen Trends kann auf viele Arten interpretiert werden. Ein hervorragendes Beispiel ist die jährliche Prognose des „Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“. Wir kennen ihn als „Die fünf Wirtschaftsweisen“. Deren Vorhersage liegt regelmäßig falsch, und zwar häufig sehr. Zwischen 2001 und 2013 war sie kein einziges Mal richtig (Greive & Hollstein, 2019). Das heißt nun nicht, dass die Wirtschaftsweisen inkompetent sind. Aber die enorme Anzahl an Variablen, gepaart mit ihrer Unberechenbarkeit, macht es einfach unmöglich, verlässliche Prognosen zu stellen. Aus demselben Grund sind auch Wettervorhersagen so unzuverlässig - und je weiter die Prognose in die Zukunft gehen soll, desto geringer ihre Genauigkeit. Der Kapitän eines Segelbootes wird sich natürlich dennoch an der Vorhersage der Großwetterlage orientieren. Für die täglichen und stündlichen Kurskorrekturen braucht er aber auch die Informationen anderer: seines Piloten und des Navigators, Wetterstationen in der Nähe und Nachrichten von anderen Schiffen oder der Küstenwache. Auch andere Gefahren oder Hindernisse, die nicht vom Wetter abhängen, können so mitbedacht wer- <?page no="40"?> 40 Leadership und Guiding den. Das erlaubt der Besatzung, das Boot so schnell und sicher ans Ziel zu navigieren, wie möglich. Diese Agilität, d.h. eine hohe Veränderungsgeschwindigkeit, gelingt also nur durch Einbeziehung anderer in Prozesse und Entscheidungen. Für Führungskräfte heißt das, sich auf gar keinen Fall nur auf die eigenen Informationsquellen, Erfahrungen und Intuitionen zu verlassen. Im Gegenteil, nur durch das Teilen und gemeinsame Analysieren des Wissens und der Meinungen aller relevanten Personen, können schnell robuste Entscheidungen getroffen werden. Vielleicht ist hier die größte Hürde für Führungskräfte: Sie müssen ihr eigenes Ego in den Hintergrund rücken, nicht nur auf andere hören, sondern sie auch entscheiden lassen und diese Beschlüsse dann mittragen! Neue Haltung - neue Kompetenzen Um die neue Haltung umzusetzen, brauchen Führungskräfte andere Fähigkeiten, als bisher. Welche das sind, ändert sich ständig! Die neue Haltung setzt also den VUKA-Faktoren vier Elemente entgegen:  Volatilität begegnet sie mit einer überzeugenden Vision  Ungewissheit mit Innehalten zur Reflexion  Komplexität mit Klarheit durch Reduktion aufs Wesentliche  Und Ambiguität mit Agilität für schnelle Anpassungen Gestandene Führungskräfte haben aber viele Jahre in einem anderen Umfeld verbracht. Gefragt war hier viel mehr, Entscheidungen allein zu treffen, und dann deren Umsetzung zu steuern und zu kontrollieren. Das verlangte andere Kompetenzen. Neue Führungskräfte sind per Definition in dieser Rolle unerfahren und müssen überhaupt noch viele Fähigkeiten und Verhaltensweisen lernen, bzw. sich Wissen aneignen. Außerdem bedeutet VUKA ja, dass sich alles ständig ändert. Keiner kann also für jede neue Situation die geforderten Fähigkeiten oder das notwendige Wissen mitbringen. Das heißt also, dass Führungskräfte geschult werden müssen. Wirklich? <?page no="41"?> Erfolgreiche Führung in der VUKA-Welt 41 Neugier und der Wille zur ständigen Weiterentwicklung „Die größte Entscheidung deines Lebens liegt darin, dass du dein Leben ändern kannst, indem du deine Geisteshaltung änderst.“ (Albert Schweizer) Natürlich sollen Führungskräfte nicht geschult werden! Vielmehr ist die Grundvoraussetzung für den Erfolg in der VUKA-Welt das Wachstumsdenken (Growth Mindset). Menschen mit Wachstumsdenken glauben, dass sie ihre Fähigkeiten entwickeln können. Sie möchten Dinge oft in der Tiefe oder Breite besser erfassen und begreifen Fehler als Chance, daraus für den nächsten Versuch etwas Neues zu lernen (Dweck, 2017). Im Gegensatz dazu glauben Menschen mit einem statischen Denken (Fixed Mindset), dass das Talent bestimmt, was jemand kann - und das ist einem eben von Geburt an mitgegeben. Sie lernen in der Regel nur auf bestimmte Ziele hin und empfinden Fehler als bedrohlich oder Schädigung ihres Selbstbildes (Dweck, 2017). Führungskräften mit Wachstumsdenken vermittelt man nicht irgendetwas Neues. Vielmehr suchen sie selbst ständig Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln. Das heißt also, es wird nicht geschult, sondern unterstützt, zu wachsen. Diese persönliche Weiterentwicklung ist ein kontinuierlicher, selbstorganisierter Prozess. Führungskräfteentwicklung in der VUKA-Welt Lernen zu wollen allein, reicht nicht - Richtiges Lernen will gelernt sein! Selbstorganisiertes Lernen an sich ist wiederum eine Kompetenz, die gelernt sein will - auch das ist kein Talent! Die hohe Veränderungsrate der VUKA- Welt hat natürlich auch ihre Auswirkungen auf das Lernen selbst. Mit welchen Tools und Methoden, wann, mit wem und wo wir lernen, hat sich verändert. Das wird besonders beim informellen, also nicht von außen strukturierten, Lernen deutlich: <?page no="42"?> 42 Leadership und Guiding  Wir schauen uns YouTube-Tutorials an, wenn wir wissen wollen, wie man etwas tut, das man noch nie zuvor gemacht hat, wie z.B. eine Spüle reparieren oder eine Formel in Excel verwenden.  Wir hören Podcasts zu relevanten Themen auf dem Weg zur Arbeit oder nutzen eine App, um eine neue Sprache zu lernen.  Wir verwalten ständig neue Software, aktualisieren deren Funktionen oder lernen, neue Geräte im Alltag einzusetzen.  Wir lernen von Menschen aus aller Welt auf Social-Media-Plattformen und anderen Foren. Im formellen Lernen, also in Weiterbildungen, Kursen und Workshops, werden Teilnehmende aber oft immer noch so behandelt, als wüssten sie nicht selbst am besten, wie sie lernen:  Alle durchlaufen dieselbe vorgegebene Abfolge von Aktivitäten.  Es gibt bestimmte Informationen, zugehörige Aufgaben und oft sogar Belohnungen bei erfolgreicher Erledigung einer Aufgabe.  Während die Lern-Experten in der Personalentwicklung und bei den Trainingsanbietern die Learning Journey entwickeln, haben die Teilnehmenden selbst so gut wie keinen Gestaltungraum. Wie kann man also die individuelle Expertise aus dem informellen Lernen für das formelle Lernen nutzen? Das ist nicht ganz einfach: Sowohl Fachleute als auch Teilnehmende haben starke Bilder davon, wie formelles Lernen aussieht. Und diese basieren auf unseren eigenen Erfahrungen in Schule, Ausbildung und Studium. So übernehmen Teilnehmende automatisch eine Rolle als Konsumenten. Sie erwarten von den Experten, dass sie nicht nur das Ziel, sondern auch die Schritte liefern, um dorthin zu gelangen. Und die Profis kommen dem nur zu gerne nach. Schließlich ist es das, was sie jeden Tag tun. Erfolgreiche Führungskräfte müssen heute aber anders lernen: Selbstgesteuert, je nach Bedarf und Situation, formell und informell, on-the-job und gemeinschaftlich mit anderen. <?page no="43"?> Erfolgreiche Führung in der VUKA-Welt 43 2.4.1 Moderne Führungskräfteentwicklung ist VUKA Effektive Führungskräfteentwicklung vereint das Beste aus zwei Welten! Moderne Führungskräfteentwicklung muss genau die Anforderungen widerspiegeln und Kompetenzen fördern, die von den Teilnehmenden für ihre ständige Weiterentwicklung gebraucht werden. Dazu muss sie den entsprechenden Rahmen und adäquate Ressourcen bieten. Dies gelingt am besten durch die intelligente Kombination von:  Erfahrungslernen in Workshops oder Seminaren für ganzheitliche, intensive Gruppenerlebnisse, die inspirieren, involvieren und Vertrauen bilden  Sozialem Lernen während der Arbeit und in Netzwerken, in Praxisgruppen und direkt im Arbeitsfluss  Individuellem Lernen mit flexiblem und mobilem Zugang zu digitalen Inhalten und Tools zur Vertiefung und Inspiration Dies kombiniert das Beste aus zwei Welten: [1] Gemeinsame Erfahrungen (Erlebnis + Reflexion = Erfahrung) bieten Möglichkeiten emotionalen Lernens für die Sinnhaftigkeit und Verankerung des Gelernten. [2] Digitale Tools und Umgebungen ermöglichen Lernen nach Bedarf und die Mitgestaltung des Lernprozesses durch die Lernenden. Dadurch steigen Engagement und Motivation. So lernen Führungskräfte allein durch die Struktur und den Aufbau der Learning Journey die Kompetenzen, die sie in der VUKA-Welt erfolgreich machen. In der Konsequenz heißt das natürlich auch, dass Führungskräfteentwicklung an sich VUKA ist: Denn welche spezifischen Tools, Inhalte und Lernumgebungen sinnvoll und effektiv sind, verändert sich genauso schnell, wie die Arbeitswelt selbst! <?page no="44"?> 44 Leadership und Guiding Literatur Vora, T. (2015). 12 Critical Competencies for Leadership in the Future, People Matters Magazine, 12/ 2015. Hart, J. (2019). Modern Workplace Learning v5, Centre for Modern Workplace Learning, Centre for Learning & Performance Technologies. Lacy, P., LaVelle K. & Zamora, A. (2019). Striking Balance with Whole-Brain Leadership - Achieve Competitive Agility, Accenture. M. Greive, M. Hollstein (2019). „Fünf Wirtschaftsweise täuschen sich zuverlässig“, „Die Welt“, 29.11.2019. Dweck C. S. (2017). „mindset - Changing the way you think to fulfil your potential”, London: Robinson. <?page no="45"?> 3 Führen in der Natur analog Christoph Maretzek <?page no="46"?> 46 Leadership und Guiding Leadership ANALOG Wer Menschen führt, hat keine virtuellen Systeme vor sich, sondern ganz und gar analog, echt und direkt reagierende Menschen in täglich zigdutzenden Situationen, die in Sekunden wechseln und die in Ablauf und Ergebnis oft nur bedingt vorhersehbar sind. Ob in Firmen oder unterwegs auf Tour: Diejenigen, die geführt werden wollen oder sollen, erlauben den Zugriff und die Vorgaben, stellen jedoch heute nicht unerhebliche Ansprüche an den Führenden, dessen Qualität und Wirkung. Da, wo der Zugriff nicht gestattet wird, wo zu Führende sich selber verweigern, wird auch im Arbeitsleben oft genug über den verdeckten Weg „geführt“, z.B. durch Manipulation. Das geht meist nicht gut, ist nicht statthaft und, einfach ausgedrückt: Wer will schon manipuliert werden? Im Bereich der Tourenleitung von Trekkingtouren, Outdoortrainings, Outdoorworkshops hat sich der Begriff Guide seit den 1980er-Jahren weiter und differenzierter etabliert und je nach Outdoorsportart eine inhaltliche wie auch organisatorische Form bekommen. In verschiedenen Ländern staatlicherseits, in anderen wiederum eher marktgelenkt und „nur“ allgemeinen Outdoorstandards und Gesetzen verpflichtet. Der Inhalt, den jedoch die „Geguideten“ sehen wollen und suchen, indem sie buchen und mitgehen, die Ansprüche an die Qualität des Guides sind in vielen Bereichen nahezu identisch mit denen seitens der Mitarbeiter und Arbeitnehmer, Teamkollegen in Firmen. Es sind Menschen mit Erwartungen im direkten Kontakt. Daher verwundert es auch nicht, dass sehr oft Bergführer, Trekking Guides oder andere Tourenleiter auch im Bereich der Teamtrainings oder Firmentrainings tätig sind. Der Übergang zum Outdoortrainer ist dabei fließend und in Teilen themen- und ortsbedingt überschneidend. Bei Militär, Polizei und Feuerwehr wird in Deutschland in weiten Bereichen eine traditionell auftragsorientierte Taktik gelebt, die den jeweils vor Ort Führenden unter Berücksichtigung bestehender Regeln und Gesetzmäßigkeiten erlaubt, schnell und effektiv auf die örtliche Lage zu reagieren und ggf. energisch und schnell vorzugehen, um auftuende Chancen zu nutzen. Alles nicht losgelöst vom erteilten Auftrag, stets mit Blick auf die „Absicht der höheren Führung“. Vieles der (an sich nicht ganz so) neuen flexiblen VUKA-Arbeitswelt, mit agilen, ausgedünnten Führungsstrukturen, beschleunigten Verfahren und erteilter wie auch beanspruchter Eigenverantwortung im Gesamtprozess fordert dies nun auch zunehmend im Bereich vieler Firmen. Dabei stößt es schon fast traditionell an die gewohnten Managerwege des „Ich bin der <?page no="47"?> Führen in der Natur analog 47 Chef“ ebenso, wie auf die Arbeitnehmerwege des „Not my Business“. Der alte amerikanische Führungsgrundsatz „No officer - no move“ ist heute nicht mehr opportun und hilfreich. Als Führender heute so vorzuleben, dass es nicht in Beliebigkeit und ungewolltem Selbstverwirklichungsprozess, sondern innerhalb gefügten Strukturen mit Zielvorgabe bei teils eigenständiger Ausführung endet, das ist die hohe Kunst der Führung heute. Guides haben schon immer aus den Bereichen der Ausbildungen und Erfahrungen des Militärs, z.B. dem der Gebirgstruppe, abgekupfert und sich schadlos gehalten, die Wirtschaft ebenso. Die Lehren von Sun Tsu sind da ebenso dienlich wie Berichte über Expeditionen etc. Da, wo Menschen unter besondere Bedingungen kommen, wo besondere Ansprüche erwachsen, da muss besonders reagiert und doch in vielen Bereichen beim Tagesrhythmus geblieben werden. Diese Symbiose zu schaffen, das ist Leadership today und analog. Direkt, echt, wirksam. Firmentrainings unter realistischen anspruchsvollen Outdoorsituationen haben sich aus guten Grund etabliert Wer draußen als Guide führt, muss sehr oft auf direkte und oft genug bedrohliche oder zu mindestens potenziell bedrohungsgeeignete Szenarien reagieren. Am Berg ist es leicht, der nächste Schritt zählt und der Plan muss auch am Tag durch Wetter, Gelände, Gruppe immer wieder angepasst werden. Selbst Umkehr ist eine Option. Im Wirtschaftlichen oder Firmenbereich ist das nicht ganz so „einfach“. Es ist durchaus leichter, auf einen Steinschlag, eine weggespülte Brücke zu reagieren, als lang abgestimmte Pläne in Firmen durch Marktbewegungen oder politische Abläufe schnell umzustellen. Die derzeitigen wirtschaftlichen Abläufe mit Bezug zu Klimafragen und gesellschaftlichen Veränderungen zeigen dies in nahezu allen Wirtschaftsbereichen. Auf Entwicklung, Wachstum und Wirtschaftlichkeit zu setzen und dann genötigt zu sein, in einer stets fließender und weniger statisch werdenden Arbeitswelt unter erheblichen Tagesbelastungen durch Mails, Besprechungen, Reisen, Unterlagen adäquat zu reagieren, setzt profundes Wissen und Können als „Guide der eigenen Mitarbeiter“ voraus. Besonders in schwierigen lagen heißt es mitnehmen und mitreißen. Menschen brauchen Führung und sie suchen sie, stellen aber auch Ansprüche an das Wie und Womit. Selbst die ausgedünnteste Führungshirarchie oder Struktur hat erkennbare Muster, Rollen und Aufgabenverteilungen, die Abläufe sind anders. Leider ist auch heute ein Großteil von Führungskräften entweder überhaupt nicht facherfahren oder zu sehr nur facherfahren, zumeist auch in Leadership nur rudimentär ausgebildet. Das Fach Führung und Leitung wird in vielen Bereichen sehr theoretisch gelehrt, aber ggf. sehr hart und rau gelernt wird es stets auf dem Wege. Nicht jeder Manager schafft es von seinem hohen Ross der reinen Lehre der Uni zu steigen und seinen 55- <?page no="48"?> 48 Leadership und Guiding jährigen Maschinenführer zu fragen: “Was können wir verbessern“. Und nicht jeder aufgestiegen Teamleiter schafft es, den für ihn neuen Anteil Leadership in einer sich wandelnden Arbeitswelt zu verinnerlichen. Er bleibt dann eben doch der weisungsgebunden Maschinenführer ohne Vision und Leader-Anspruch. Auch hier gilt: Nur Symbiose, wie z.B. der junge Leutnant und sein alter Feldwebel nur gemeinsam das Unmögliche schaffen! Wer dann noch die Mannschaft so behandelt, dass sie sich verbunden, angenommen und ehrlich behandelt fühlt, wer sie als Menschen von Wert betrachtet, Räume freimacht und vertraut, der wird Dinge anstreben und auch unter schwierigsten Bedingungen umsetzen können. Der Guide, der mit einer neuen Touristengruppe am Treffpunkt aufbricht und sich in wenigen Stunden ein Bild machen und seine Tour z.B. über den GR 20 mit Anfängern des Bergwanderns regeln muss, der kennt das Spiel ebenso: Jeder kann was, jeder hat Potenziale und der Auftrag verlangt in Firmen, im Team, im Camp, auf Tour stets dasselbe: Nutz die dich umgebenden Ressourcen, veranlasse deine Mitstreiter ihre Ressourcen zur Verfügung zu stellen und stehe vor ihnen, wenn sie es brauchen. Veranlasse sie mitzudenken und gib ihnen Raum zu handeln und tobe nicht, wenn mal was daneben geht. Fühle dich verantwortlich und nimm einen Fehler in deiner Abteilung als den deinen auf, denn DU bist der Chef. Du stehst zuallererst gerade. Du bist verantwortlich, schiebe nicht andere vor. Da, wo Sanktionen oder Rüge nötig sind, da halte das Maß und beende den „Anpfiff“ nicht mit der Abmahnung, sondern mit einem neuen Auftrag und einer ausgestreckten Hand. Nur gelebtes Vertrauen und Vorbild verbindet und stützt die Struktur. Klingt einfach. Ist aber die hohe Schule des Leadership. Planzahlen im Umgang mit Menschen tragen nicht, Planungen und Werte hingegen schon. Diese machen dann am Ende auch Planzahlen wieder tragfähig. Kommt dann die eigene Karriereplanung hinzu, wird es schnell eine kritische Masse. Und für deren Handhabung gibt es Richtlinien, die der Leader in der echten Situation aber selbst meistern muss. Die zu führenden Menschen wollen transparent, anspruchsvoll und optimal geführt werden. Und fragt der Vorgesetzte, die Führungskraft, dann drei Mitarbeiter, wird er heute vier verschiedene Meinungen und morgen drei Nachklappmails, zwei Facebook- Posts und Irrläufer aus WhatsApp-Gruppen dazu erhalten. Das ist bei Guides auf Tour oft nicht anders. Entscheiden heißt verantworten. Führen macht oft einsam und kann nur gelingen, wenn man dort sein will, wo man dann führen muss und sich sicher ist, es zu können. Das eigene Verhalten im Vorbild führt, das hat sich seit Hannibal nicht geändert. Ledig- <?page no="49"?> Führen in der Natur analog 49 lich der Rahmen ist anders geworden. Der Anspruch auf Sicherheit und Kontinuität, nicht heute Hüh und morgen Hott, Verlässlichkeit und Fairness sind Standard, und sind doch heute die Größen, die in vielen Firmen als erste über Bord gehen, weil es finanziell eng wird, der Druck wächst und die Zeit knapp wird. Ein altes Sprichwort sagt: „Wenn du absolut keine Zeit hast, nimm dir fünf Minuten extra. Besonders für den Mann, der vor dir steht.“ Ohne Vertrauen geht es dabei ebenso wenig wie ohne Führungsqualitäten, die an sich jeder lernen kann. Leadership hat viel mit klarer Haltung zu tun, ist aber letztlich ein Handwerk. Von Expeditionsleitern, Guides, Soldaten lernen heißt, sich deren Techniken angepasst auf ein oft virtuelles Feld, durchsetzt mit analog wirksamen, menschlichen Abläufen im Arbeitsumfeld anzupassen und den Menschen, der geführt werden soll, dort abzuholen, wo er steht:  Als Mensch mit Wirkung.  Als Mitarbeiter mit Verantwortung.  Als Partner mit Ansprüchen.  Als „Werkzeug“ mit Qualifikation. Die „5 K der Menschenführung©“ finden überall statt. Kontinuität im Vorgehen, Konsequenz im Handeln, Klarheit der Sprache, Korrektheit der Mittel, Kreativität der Wege. Leadership analog sorgt dafür, dass Menschen als Menschen, nicht (nur) als Funktionsteil einer virtuellen Welt gesehen werden. Sie zu veranlassen, sich zu bemühen und sich einzubringen, heißt dabei auch, das Vertrauen in kleine Fehler zuzulassen, um daraus zu lernen. Ein Zug der eher den Skandinaviern gegeben scheint, als dem immer noch traditionell denkenden deutschen Firmenboss oder Abteilungsleiter, der noch was werden will. Kontrolle ist auch bei heutigen Strukturen ein ganz normales und wichtiges Instrument der Führung. Auch eigenständige Arbeitsleistung und Auftragserfüllung sind nicht ungebunden. Der Ton macht die Musik und wer sich bei den schwierigeren Dingen im Umgang mit Menschen nicht verbiegt und nicht unter seine eigene Messlatte geht, der wird ernst genommen und angenommen. Als Leader auch durchaus mal verflucht, und wer dies nicht aushält, sollte nicht als Leader vorweggehen, oder diesen schwierigen Platz beanspruchen. Modernes Leadership im Business bedeutet heute weniger neue wissenschaftliche Konzepte und Worte, Formeln, neue Studien und Erfindungen! <?page no="50"?> 50 Leadership und Guiding Vielmehr geht es um die zwischen den Menschen direkt messbaren Werte wie:  Zuhören  Fragen stellen  Meinungen zulassen  Persönliche Ressourcen einbringen lassen  Klare Ziele definieren und erklären  Klare Regeln erlassen und durchsetzen  Mittel zur Auftragserfüllung bereitstellen  Gerecht entlohnen  Interesse zeigen und haben  Spielräume eröffnen  Möglichkeiten der Beteiligung bieten. Führungsverantwortung ist nie delegierbar - Auftragsverantwortung schon! Führen in der Natur heißt Leadership aktiv leben Wer führt, tut es immer selber. Verantwortung ist nie delegierbar. Führen können setzt führen wollen voraus. Wer führt, muss Verantwortung aushalten. Wer führt, gestaltet aktiv und situativ. Wer führt, positioniert sich. Wer führt, exponiert sich. Der Guide führt andere in eine Situation abseits des Alltags. Diese wird stets unterschiedlich wahrgenommen, erlebt und bewertet. Wer führt, tritt immer in eine Garantenstellung und verspricht dadurch i.d.R. positive Erlebnisse. Wer führt, unterstellt sich durch seine Rolle als Guide vielen berechtigten Forderungen und muss letztlich für die Ergebnisse gerade stehen. Leadership basiert auf Optimismus und der Akzeptanz von Herausforderungen. Es lebt von der Bereitschaft Entscheidungen zu treffen, aktiv zu gestalten und Konsequenzen zu (er)tragen. <?page no="51"?> Führen in der Natur analog 51 Natur ist anders Natur belastet Natur fordert heraus Abb. 1: Aspekte der Natur Leadership ist mehr als vorangehen Leadership setzt die Bereitschaft und Fähigkeit voraus, bestehende Regeln und situative Notwendigkeiten zweckmäßig zu verknüpfen. Unterwegs trägt diese Fähigkeit des Guides nur in Verbindung mit hohem Wissen und Können und dem Mut zu entscheiden. Abb. 2: Aspekte und Kompetenzen der Outdoorführung <?page no="52"?> 52 Leadership und Guiding Virtuell ist nicht echt, nicht in der Realität, echt erscheinend, modern, komplex. Analog ist veraltet, einfacher, in der Realität. Natur wirkt immer direkt, einfach und real. Führen in der Natur ist nie virtuell. Es ist immer echt. einfach leben einfache Lösungen Natur schmerzt Abb. 3 : Aspekte der Natur im Hinblick auf analoge Führung Leadership in der Natur heißt für den Guide aktiv auf Umgebungsreize im Abgleich mit dem zuvor gefassten Plan zu reagieren. Pläne müssen meistens angepasst werden. Abb. 4: Analog und Führung (eigene Darstellung) Führen in der Natur gestattet dem Guide keine Unaufmerksamkeiten, denn die Gefahr ist allgegegenwärtig. Daher empfiehlt sich der Führungsdreiklang des Guides:  Vorsicht im Sinne von achtsam sein  Weitsicht im Sinne von vorrausschauend handeln  Umsicht im Sinne von sich bewusst umsehen. ANALOG A wie aktuell N wie neu A wie aufregend L wie lebendig O wie Open End G wie gefährlich <?page no="53"?> Führen in der Natur analog 53 Kunden haben sehr oft wenig bzw. kein trainiertes Gefahrenradar. Aufgabe des Guides ist es daher auch, schnell zu verstehen, wer was braucht, wer was will und wer was mitbringt. Kennenlernen, Erlernen und Anwenden folgen oft sehr schnell aufeinander. „[…] als Anfängerin war ich etwas nervös, doch habe schnell gemerkt, dass ich in kompetenten Händen bin“ Teilnehmerin Alina, 2018. Leadership heißt, die Sicherheit, die Freude und Wohlbefinden Anderer im Auge zu haben. Analog unterwegs Analog als Guide unterwegs sein heißt: [1] ICH werde direkt wirksam … nicht die virtuellen Hilfesysteme. [2] ICH wirke ein und zeige Leadership im direkten Tun. [3] ICH nutze einfache Mittel von Mensch zu Mensch. [4] ICH verantworte Situationen und Ergebnisse. [5] ICH erkenne und reagiere … nicht der „Bremsassistent“ Der Guide steht dabei nie im Mittelpunkt, ist letztlich aber stets das Zentrum aller Abläufe. <?page no="54"?> 54 Leadership und Guiding Leadership heißt entscheiden Abb. 5: Erweiterter Entscheidungskreislauf (eigene Darstellung) „[…] eine geführte Tour bei Temperaturen um -30 Grad stellt besondere Anforderungen an das Führungsverhalten des Guides. VORAB Erlerntes sollte zu jeder Zeit abrufbar sein. Eine fordernde Ausbildung bekommt dabei einen besonderen Wert. Wer vorab sich selbst und seine Fähigkeiten unter schwierigen Verhältnissen erprobt, erlangt sicher anwendbare Kompetenzen, wenn sie auf Tour notwendig werden.“ Teilnehmerin Silvana 2019 Leadership festigt sich letztlich durch reale und realistische Belastung und eigenes Erleben im Umgang mit anderen Menschen. wahrnehmen Je nach Ausbildungs-, Erfahrungs- und Übungsstand wird schneller oder langsamer entschieden. betrachten handeln erkennen entscheiden verstehen analysieren bewerten <?page no="55"?> Führen in der Natur analog 55 Abb. 6: Aspekte von Leadership (eigene Darstellung) Leadership beim Führen in der Natur wirkt durch Können, Vorbild und Haltungen und manifestiert sich erst durch die Gefolgschaft. Fazit Leadership ist die Kunst, die Kräfte, Abläufe, Menschen und Ziele zusammenbringt, oder bei falschem Vorgehen leicht und schnell, trotz bester Absichten und Bedingungen, sich ins Gegenteil verkehren lässt. Business ohne tragfähiges Leadership ist langfristig ebenso zum Scheitern verurteilt wie Touren ohne leadershipfähige Guides. Outdoorgestützte Leadership-Prinzipien und Übungen bilden einen bewährten Rahmen für besondere und effektive Erfahrung im Bereich Leadership, da zumeist die essentiellen Grundbedürfnisse täglich und im Umgang mit anspruchsvollen Menschen und unter fordernden Bedingungen zu befriedigen sind. Der menschliche Faktor kommt hier besonders zu tragen und schafft umfangreiche und lang wirksame Transfermöglichkeiten in den Arbeitsalltag. Für Führende ist der Spagat im täglichen Abgleich zwischen eigenen Interessen, übergeordneten Interessen und Interessen der Personen im Umfeld ständig und stets gegebendie Möglichkeiten zu erkennen und sie gezielt so zu nutzen, dass hieraus Synergien und Entwicklung entsteht, ist das Ziel jeder modernen Führung- und Leitungstätigkeit. LEADERSHIP L wie Loyalität E wie Entschlossenheit A wie Authentizität S wie Sicherheit H wie Hingabe I wie Integrität D wie Durchsetzungsvermögen R wie Richtung E wie Empathie P wie Persönlichkeit <?page no="56"?> 56 Leadership und Guiding Eine in einer beweglicher und schneller reagierenden Arbeitswelt mit weitaus höheren Ansprüchen seitens der Mitarbeiter nie endende Herausforderung. Literatur Bundesministerium für Verteidigung (1976). Leitsätze für Vorgesetzte. Hahn, K. (1998) Reform mit Augenmaß. Stuttgart: Klett-Cotta. Hofbauer, H. & Kauer, A. (2012). Einstieg in die Führungsrolle. München: Carl Hanser Verlag. Hufenus, H.-P. (2009). Handbuch für Outdoor Guides: Theorie und Praxis der Outdoorleitung. Augsburg: Ziel. Malik, F. (2006). Management: Das A und O des Handwerks. Frankfurt: Campus. Maretzek, C. (2017). Trekkinggruppen führen 2017. Internes Ausbildungsdokument. Maretzek, C. (2018). Führungsgrundlagen von Tourengruppen 2018. Internes Ausbildunsgdokument. Maretzek, C. (2018). Leadership für Guides 2018. Internes Ausbildungsdokument. <?page no="57"?> 4 Sieben tierische Cheftypen und drei Tipps für ein besseres Miteinander Simon Karl <?page no="58"?> 58 Leadership und Guiding Intro In meiner Wachstumsphase von der Fachkraft zur Führungskraft und vom Macher zum Unternehmer gab es einige Hürden zu überwinden. Rückblickend war es sehr gut, durchgehalten zu haben. Denn das hat mich zu dem gemacht, wer bzw. was ich heute bin. Viel wichtiger als das, was man macht, ist aus meiner Sicht vielmehr, mit wem man es macht. Und daher ist die Beziehung untereinander die grundlegendste Basis für ein erfolgreiches Miteinander. Wenn es kein gegenseitiges Verständnis gibt, dann bleiben auch die bestdefinierten Ziele auf der Strecke. Und was gibt es Besseres, als wenn auf einmal in Gedanken zahlreiche Tiere vor einem stehen und keine kategorisierten Chefs und Mitarbeiter. Es entsteht ein neues Denken, was sicher eine spaßigere Umgebung schafft. Und aus dem Lernen heraus von uns selbst wissen wir genau: mit Spaß erlernte Dinge bleiben am besten haften und sind dauerhaft abrufbar. Verständnis für das Umfeld somit auch. Viel Spaß beim Lesen des nun folgenden Berichts über meine beste Lernerfahrung auf einem wichtigen Lebensabschnitt meines Lebens. Ich nenne mich selbst „der Simon“, weil ich mich so den Menschen vorstelle. „Ich bin der Simon.“ Das ist gar kein Doppelname, wie manche glauben und bevor ich euch drei Cheftypen meiner 7-köpfigen und tierischen Chefmannschaft präsentiere, gepaart mit drei Tipps für ein besseres Miteinander, stelle ich mich hier kurz vor. Dabei würde ich im Text die Du-Anrede verwenden. Ich komme aus dem Outdoorbereich und um das Eis von Anfang an zu brechen, verwende ich in der Anrede das kumpelhafte und gleichzeitig wertschätzende DU. Nach meinem Studium zum staatlich geprüften Techniker an der Technikerschule Weilburg merkte ich schnell, dass ich lieber draußen aktiv sein möchte, als sinnbefreit IP-Adressen zu generieren. Während einer Ausbildung zur behelfsmäßigen Bergrettung lernte ich den Thomas aus dem Schwarzwald kennen, der 2005 dabei war, einen Kletterwald bei Offenburg im Schwarzwald zu errichten. Die Idee kam aus Frankreich - einem Land, in dem man Schnecken isst und wabbliges Weißbrot gepaart mit Rotwein und Käse eine Spezialität nennt. Nun gut, dachte ich mir. Es muss ja nicht alles schlecht sein, denn die Idee in den Bäumen zu klettern und jede Menge Abenteuer zu erleben, klingt doch sehr verlockend. Und so kam die Zeit, dass ich 2006 meinen eigenen Kletterpark aufbaute. <?page no="59"?> Sieben tierische Cheftypen und drei Tipps 59 Wenn ich heute zurückblicke, würde ich sagen, dass ich damals schon Business-Start-Upper war, da gab es das Wort Start-up noch nicht und der Hashtag hieß noch Raute. Es gab hessenweit gerade mal 3 Kletterparks und meiner war einer davon. Jede Menge Fachkompetenz und dann auf einmal mit Menschen auseinandersetzen Was mir leider keiner sagte, war, dass ich mich noch mit Mitarbeitern auseinandersetzen musste. Das war rückblickend fast die größte Hürde und gleichzeitig meine größte Wachstumschance. Denn hinter unseren Ängsten und Problemen steckt meist die größte Chance und das größte Potenzial. Mit Start des Projektes Kletterwald hatte ich also auch die Aufgabe, Mitarbeiter in Teams bis zu 30 Personen zu führen. Dabei habe ich natürlich so ziemlich jeden erdenklichen Fehler selbst machen dürfen, weil ich quasi  wie die Jungfrau zum Kinde,  von der Fachkraft zur Führungskraft,  vom eigenständigen Macher zum teamorientierten Unternehmer kam. Und ehrlich gesagt, war mir das damals gar nicht so bewusst. Führen von Mitarbeitern? Aufgaben anleiten und das Ergebnis einfordern? Klare Ansagen machen und konsequent bleiben? Das habe ich so nicht gelernt und es war auch nicht immer ganz einfach. Mitarbeiter kamen und gingen und ich habe oftmals darüber nachgedacht, was ich anders machen könnte. Mit anderen Worten, ich war damals so ein richtiger Holzkopf und bin mit Mitarbeitern aneinander gerasselt. Zwischenzeitlich war ich auch auf der Suche nach einem neuen Geschäftsmodell:  am liebsten ohne Mitarbeiter,  am besten noch ohne Kunden, die einem am Ende noch schlechte Bewertungen bei Google, Facebook und Co geben,  dafür mit jeder Menge Geld zum Monatsende. <?page no="60"?> 60 Leadership und Guiding Doch dieses Geschäftsmodell habe ich bis heute leider nicht gefunden und bin daher für jede Anregung sehr dankbar. Also blieb ich bei der Aufgabe Kletterwald-Chef zu sein. Der Simon und die Mitarbeiter Meine Beziehungen mit den Mitarbeitern entwickelten sich so, dass ich den einen und anderen auch kurzerhand rausgeworfen habe, weil mir eine Zusammenarbeit schier unmöglich schien. Bei Gesprächen mit anderen Unternehmern stellte ich fest: die anderen Arbeitgeber um mich herum hatten die gleichen Probleme. Vielleicht liegt es gar nicht direkt an mir oder an der Arbeit an sich. Doch was tun? Wo die einen aufgeben, mache ich weiter. Während die anderen begannen entweder ihre Mitarbeiter zu entlassen, um im kleinen Rahmen weiterzumachen, oder die komplette Firma an ihre Mitarbeiter verkauften, um als One-Man-Show oder mit einem anderen Selbständigen zusammen als Zwei- Mann-Show weiterzumachen, fing ich natürlich auch an, an mir selbst zu zweifeln. Ich war selbst so in die täglichen Abläufe eingebunden, dass ich wenig Spielraum hatte mich persönlich zu entwickeln und mein eigenes Selbstbild wackelte. Im tristen, grauen Alltag sah ich zum damaligen Zeitpunkt wenige Möglichkeiten aus der Misere herauszukommen und so ging das eine und andere Jahr ins Land. In vielen Gesprächen über die Jahre hinweg stellte ich fest, dass auch andere Probleme hatten mit Mitarbeitern und Chefs, Fachkräfte mit Führungskräften usw. Die sieben tierischen Cheftypen entstehen Dann ergaben sich über die letzten Jahre  220 Gespräche mit  42 Personen über  33 Monate. <?page no="61"?> Sieben tierische Cheftypen und drei Tipps 61 Aus dieser Datensammlung heraus mit tausenden von Gesprächsminuten über die Jahre hinweg habe ich ein Modell entwickelt, dass meiner Meinung nach so 7 tierische Cheftypen analysiert und diese ganz gut beschreibt. Es bleibt jedoch sehr wichtig vorne anzustellen, dass ein Modell auch immer nur dafür da ist, um sich die Fragen des Lebens - ob im Beruf oder in der Freizeit - irgendwie zu erklären. Von diesem Model der 7 tierischen Cheftypen möchte ich hier kurz 3 Chefs vorstellen. Neben der Vorstellung dieser exklusiven Auswahl an Führungskräften, die zum Nachdenken anregen darf, gebe ich im Anschluss noch 3 grandiose Tipps für ein besseres Miteinander. Die sind jetzt nicht wirklich neu, aber die Idee dahinter mit der verknüpften Denkweise wird mit Sicherheit den einen und anderen Aha-Effekt bringen. 4.4.1 Als Erstes hätten wir da mal den lockeren, kumpelhaften Chef-Typ Und wer passt da besser als der Orang-Utan? Der steht heute mal nicht dafür, dass ganze Wälder gerodet werden, um überschüssige Kalorien in Form von Nutella zu uns nehmen zu können. Heute ist der Orang-Utan mal ein Symbol für die Affen, die ganz locker von Ast zu Ast schwingen und mit der ganzen Orang-Utan Familie sehr sozial umgehen. Und genau so ist auch dieser Chef. Viele Mitarbeiter bevorzugen diesen kumpelhaften Typ, der nie so richtig durchgreift und irgendwann auch als Weichei gesehen wird und dahingehend abgleitet nicht mehr ernst genommen wird. Aber Vorsicht vor diesem Typen! Denn wenn Du die Gutmütigkeit über strapazierst und wenn das Fass auf einmal voll ist, greift auch er plötzlich zu Maßnahmen, an die man vorher so nicht gedacht hätte. Auf einmal gibt es Konsequenzen für Handlungen, die vorher lange Zeit geduldet wurden. Und das kommt bei den Mitarbeitern gar nicht gut an. Vorteil für das Betriebsklima Ein freundschaftliches und lockeres Miteinander ist gut für das Betriebsklima und fördert gleichzeitig die Freude an der Arbeit. Erfahrungsgemäß, <?page no="62"?> 62 Leadership und Guiding weil ich auch einmal in dieser Rolle drinnen war, wird dieser Typ mit seinem Verhalten von dem einen und anderen gerne auch mal ausgenutzt, denn bekanntlicherweise ist Nehmen seliger als Geben. 4.4.2 Der zweite Cheftyp, den ich vorstelle, ist der narzisstische Chef-Typ Hält viel von sich - wenig von den Mitarbeitern. Was wäre da ein besseres Symbol als der Löwe? In vielen Kulturen wird der Löwe als „König der Tiere“ angesehen. Es gibt ja auch die umgangssprachlichen Ausdrücke, wie Baulöwe oder Salonlöwe für einflussreiche Chefs. Löwen kommunizieren nur mit ihresgleichen. Deswegen treten Löwen auch gerne im Rudel auf, sind dafür in diesem aber auch sehr stark und verteidigen in dieser Gemeinschaft gerne ihr selbst ernanntes Revier. Dieser Cheftyp glaubt, dass er immer Recht hat. Allerdings steht er damit alleine. Die anderen stimmen aus Furcht oftmals einfach nur zu. Es gelten quasi zwei Paragrafen im Betrieb  Paragraf 1: der Chef hat immer Recht!  Paragraf 2: Hat der Chef mal nicht recht, gilt automatisch Paragraf Nummer 1 Wie gehst du mit so einem Chef um? Es ist schwierig, wenn Du Demokratie gewohnt bist und in einer Diktatur arbeiten musst. Wie kommst Du am besten mit einem solchen Chef auf Dauer aus? Du sagst immer ja und amen, solltest Dir aber die Frage stellen, wie lange Du das Mitmachen willst. Du Bringst immer Deine Bewunderung zum Ausdruck, auch wenn Dir nicht gefällt, was Dein Chef macht. Du fragst dich, ob es nicht doch irgendwo einen anderen Job für dich gibt. Mit anderen Worten: ein wenig selbstreflektierte Menschen begeben sich auf den Weg zur inneren Kündigung und gleichzeitig solltest Du dich fragen, wie Du hier her gekommen bist, damit Du den Fehler nicht wieder machst. <?page no="63"?> Sieben tierische Cheftypen und drei Tipps 63 4.4.3 Typ Nummer 3 - der Sohn unter den Chefs Wie ist der Chef geworden? Gar nicht! Der war es schon immer. Welche Fähigkeiten bringt der mit? Gar keine! Wird der irgendwann glücklich? Nein, definitiv nicht! Der hat den Auftrag von zuhause bekommen, das Regiment weiterzuführen, würde aber lieber, was anderes machen. Den Frust über das eigene Unvermögen aus der Rolle auszubrechen, müssen jetzt die Mitarbeiter ausbaden. Wer könnte den besser darstellen als ein Nilpferd! Der sogenannte Nilpferd-Chef unter den tierischen Typen. Warum das Nilpferd? Ganz einfach: Der taucht auf, reißt sein Maul auf und gibt irgendwas von sich, was keinen Gehalt hat oder was keiner versteht und dann taucht er wieder ab! Was wenige wissen: Nilpferde können höchst aggressiv werden! Und auch am Land erreichen sie Geschwindigkeiten bis zu 40-50 km/ h und mit ihren scharfen Eckzähnen können sie für den Menschen sehr gefährlich werden. Ein kurzer Ausflug in die Statistik:  durch Haiattacken sterben gerade mal 5 Menschen in Afrika pro Jahr  durch Löwen sterben in Afrika im Jahr gerade mal 50 Menschen  durch Nilpferde immerhin fast 100  und durch herabfallende Kokosnüsse immerhin 150 Tote im Jahr Was heißt das für dich beim Umgang mit dem Nilpferd? Immer drauf achten, ob Palmen im Büro stehen, denn wenn das Nilpferd dich nicht schon kaputt macht, dann könntest Du von Nüssen erschlagen werden. Das ist so ein Typ Chef, wenn man den mit einem Witz beschreiben sollte, dann ging der ungefähr so: Chef kommt mit seinem neuen Lamborghini zur Arbeit. Geselle kommt und sagt: „Mensch Chef, was für ein geiler Wagen.“ Sagt der Chef: „Wenn Du dich so richtig reinhängst, ordentlich ranklotzt, Überstunden kloppst und Dir für keine Arbeit zu schade bist. Familie und Freundin hinten anstellst, dann habe ich nächstes Jahr noch einen zweiten.“ <?page no="64"?> 64 Leadership und Guiding Mitarbeiterzufriedenheit dargestellt durch die Gallup-Studie Jetzt hat man Studien gemacht über die Mitarbeiterzufriedenheit in Unternehmen. Sicher kennt der eine und die andere die Gallup-Studie? Was hat man da gemacht? Die Gallups (2018) haben:  fast 2 Millionen Menschen befragt!  in 230 Firmen und  49 Branchen in  73 Ländern über 3 Jahre lang. Das ist der absolute Wahnsinn. Weltweit knapp 2 Millionen Menschen befragen. Und was kommt da raus? Lediglich 14,3 % der Mitarbeiter haben eine hohe emotionale Bindung an ihr Unternehmen! Immerhin 70,5 % haben eine geringe emotionale Bindung an ihr Unternehmen! Und sogar 15,2 % der Mitarbeiter haben keine emotionale Bindung an ihr Unternehmen (Gallup, 2018)! Und wenn man sich die Charts dazu im Internet anschaut: Da gibt es kaum großartige Schwankungen seit 2001 - Wahnsinn! Somit ist das schon fast immer so, und was tun wir dagegen? Anscheinend nichts oder zu wenig! Steve Jobs hat diese Auswertung übernommen und daraus die Mitarbeiter in die Kategorien A, B und C eingeteilt. Von den C-Mitarbeitern soll man sich umgehend trennen, so sein Hinweis. 4.5.1 Spaß an der Arbeit - Ja, das sollte sein Von den 14,3 %, die eine hohe emotionale Bindung haben, hatten in der letzten Woche nur 12 wirklich Spaß an ihrer Arbeit - immerhin. Und von den 70,5 % die eine geringe Bindung haben - hatten immer gerade mal 25 Mitarbeiter Spaß der Arbeit - schon recht dürftig! Und von den 15,2 %, die keine emotionale Bindung haben, hatte immerhin noch einer Spaß bei der Arbeit (Gallup, 2018). Statistisch betrachtet sogar 1,5. Aber wie kann man halbe Mitarbeiter darstellen? Hat sich der eine zur Hälfte totgelacht durch einen schlechten Witz beim Durchlesen dieses Berichts? Oder wie? <?page no="65"?> Sieben tierische Cheftypen und drei Tipps 65 Das heißt in Summe: egal welcher Typ und welche Art der Bindung. 38 von 100 Mitarbeitern im Schnitt haben Spaß an ihrer Arbeit. In Summe haben weniger als die Hälfte der Mitarbeiter Spaß an ihrer Arbeit. Frag doch mal die anderen 62 Mitarbeiter, warum die morgens überhaupt noch aufstehen und zur Arbeit kommen! 4.5.2 Auswirkungen der Belastung am Arbeitsplatz auf den Krankenstand Die psychischen Erkrankungen haben gerade unter Führungskräften laut einer Studie der DAK (2019) zugenommen. Psychische Erkrankungen sind mit 16,7 % Anteil auf Platz Nummer 2 hinsichtlich ihrer Bedeutung und werden nur von Muskel-Skelett-Erkrankungen getoppt, die auch gerade nicht weniger werden. Danach kommen Erkrankungen der Atemwege und Verletzungen. Gerade Menschen mit chronischen Rückenbeschwerden äußern eine erhöhte Unzufriedenheit mit der Balance von Arbeit und Privatleben, die sich als signifikanter Einflussfaktor auf chronische Rückenschmerzen im Modell bewährt. Sport erweist sich hingegen als protektiver Faktor. Aber wer rafft sich nach einem anstrengenden Tag und psychischer Belastung noch auf, um abends nochmal Rad zu fahren oder die Laufschuhe auszuführen? 4.5.3 Auswirkungen in Zahlen auf das Gesamtsystem In Summe heißt das 80 bis 100 Millionen Kosten (DAK, 2019), die durch innere Kündigung verursacht werden? Und warum? Weil die Mitarbeiter zum Beispiel Missständen in Unternehmen zusehen und schweigen. Und das auch in Deinem Unternehmen! Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung ist ein entscheidender Hebel für die Leistungsbereitschaft der Menschen in Deinem Betrieb und der Wettbewerbsfähigkeit für Deinen Markt. 4.5.4 Was fasziniert mich so an diesen Studien? Ehrlich gesagt gar nichts! Ich bin kein ZDF Mensch! Kennst Du ZDF- Menschen? Also nicht die, die mit dem zweiten Auge besser sehen. Wobei es besser wäre, wenn wir öfter mal mit beiden Augen hinsehen würden! ZDF-Menschen - Zahlen, Daten, Fakten und sich dann darauf ausruhen. <?page no="66"?> 66 Leadership und Guiding Ich finde es faszinierend, dass man fast 2 Millionen Menschen in 73 Ländern befragen muss (Gallup, 2018), um eine Statistik auf den Plan zu bringen, wie es den Mitarbeitern in Unternehmen gehen soll. Wenn ich wissen will, wie es meinen Mitarbeitern geht, dann muss ich meine Mitarbeiter direkt vor Ort befragen! Ende der Durchsage. Fehlzeiten - Report der Krankenkasse  93 % der Befragten geben an, dass es ihnen wichtig ist, etwas Sinnvolles zu tun.  90,5 % wünschen sich eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf.  Nur 61 % gaben an, dass ihnen ein gutes Gehalt wichtig sei. Fazit des Reports: Je höher die Sinnhaftigkeit, umso weniger Fehlzeiten. Unter den Befragten, die einen Sinn in ihrer Arbeit sehen, gab es im Schnitt 9,6 Fehltage in 2018. Hingegen gab es 19,4 Fehltage bei den Befragten, die keinen Sinn in ihrer Arbeit sehen. Das ist mehr als doppelt so viel! (DAK, 2019) Drei Tipps an dieser Stelle, um aus dem Hamsterrad zu kommen. 4.7.1 Tipp Nummer 1 Sich und andere persönlich weiterentwickeln Gilt für Mitarbeiter, Fach- und Führungskräfte und Chefs und Unternehmer → quasi alle! Denn wie werden Führungskräfte auf ihren Job vorbereitet? Richtig: zu wenig oder gar nicht. Die sind es auf einmal und deswegen müssen sie persönlich weiter entwickelt werden. Ich kann mich damit gut identifizieren, weil es mir nicht anders ging. <?page no="67"?> Sieben tierische Cheftypen und drei Tipps 67 Sich persönlich weiterentwickeln. Die Persönlichkeit entwickeln sowohl von Mitarbeitern als auch von Führungskräften. Das ist ein stetiger Prozess. Führungskraft wird man nicht von heute auf morgen - also höchstens auf dem Papier. Auch das Lesen und studieren bringt zwar fachliche Kompetenz, doch was ist mit der persönlichen Kompetenz? Die muss durch eigenes Erleben trainiert werden. Das durfte ich jedes Jahr immer wieder neu erleben. Gleichzeitig kann ich den Fehlzeiten Report nur bestätigen: Beschäftigte, die ihre Arbeit als sinnstiftend empfinden, melden sich weniger krank (Differenz 20 %). Wenn ein Ausfalltag durch Krankheit im Schnitt Dein Unternehmen 600 Euro kostet, dann kann ich doch auch Mitarbeiter auf ein Stressbewältigungsseminar von 3-5 Tagen zu 1500 bis 2000 Euro schicken. Wenn der dafür 3-5 Tage weniger krank ist und auf dem Seminar was gelernt hat, dann hast Du für Dein Unternehmen Geld verdient. Achtung: die hier aufgeführte Milchmädchenrechnung dient lediglich der Veranschaulichung. Bitte dran denken: Bei Seminaren gilt immer „Nicht alles, was man messen kann, zählt, nicht alles, was zählt, kann man messen.“ Aus meiner Erfahrung heraus: Manchmal kommen Firmen, wollen ein Tag Teamtraining und glauben, dass sich danach die Welt verändert. Nein. Bullshit. Persönlichkeitsentwicklung ist ein lebenslanger Prozess. Mein Vater hat mir als junger Mensch den Tipp gegeben: „Das Leben ist ein lebenslanges Lernen. Ich habe ihn gehasst für den Spruch, weil er so oft kam.“ Heute weiß ich: er hatte recht! Doch für diese Weisheit brauchte ich 20 Jahre. <?page no="68"?> 68 Leadership und Guiding 4.7.2 Tipp Nummer 2 Vertrauen schenken durch Verantwortung übergeben. Schaffe mehr Eigeninitiative, in dem Du als Führungskraft Verantwortung abgibst und auch einforderst. Deine Mitarbeiter werden es dir danken. Denn der IQ von dem einen und anderen wird sich auf einmal mehr als verdoppeln. Dadurch erhält der Mitarbeiter auch gleich mehr Sinnhaftigkeit für seine Arbeit. Vielleicht kann man dies gut mit den drei Affen vergleichen. Diese stammen aus einem Sprichwort aus Japan und stehen für den Umgang mit dem Schlechten. Leider haben es Affen nicht gelernt mit dem Menschen zu kooperieren und auch manche Affenart kommuniziert nicht untereinander. Der Hund - obwohl er genetisch weiter von uns weg ist - hat es besser verstanden mit uns zu kommunizieren und zu kooperieren. Allerdings hat diese Domestikation auch eine 15000 Jahre alte Geschichte. Kommt ein Mitarbeiter auf dich zu und versucht Dir einen „Affen“ abzugeben - jedes Mal, wenn er einen Job abgeben möchte, um sich selbst nicht drum zu kümmern - achte darauf, dass der „Affe“ nicht bei Dir bleibt. Sucht ggf. gemeinsam eine Lösung, aber suche niemals eine Lösung für den Job Deiner Mitarbeiter. Nur so entsteht auf Dauer Eigeninitiative. Gemeint sind die drei Affen:  nichts sehen,  nichts hören,  nichts sagen wird in Japan als mizaru, kikazaru, iwazaru ausgedrückt. Im klassischen Japanisch wird die grammatische Form (→ zaru) ähnlich ausgesprochen wie Affe (→ saru). Ursprünglich waren es einmal 4 Affen. Der vierte Affe hält sich den Bauch und steht dafür, etwas nicht zu tun. Daher auch aus meiner Sicht die Metapher dafür, dass der Mitarbeiter einen Job abgeben will. Und wie kannst Du den Mitarbeiter dafür sensibilisieren, dass er noch mehr Sinnhaftigkeit sieht? Oftmals sieht der Mitarbeiter nur seinen oder ganze Abteilungen nur ihren Bereich. Der klassische Fall, dass jeder für sich arbeitet und die Zusammen- <?page no="69"?> Sieben tierische Cheftypen und drei Tipps 69 hänge nicht erkannt werden. Vielleicht auch mit dem „in group - out group“ Phänomen aus der Psychologie zu vergleichen. Wie bei den verfeindeten Fußballmannschaften: wir sind die einen und das andere sind ganz klar die anderen. Kooperation ist hier nicht. Aber was, wenn nur eine Mannschaft auf dem Platz steht? Dann laufen nur 10 dem Ball hinterher und einer guckt zu. Dem Sinn des Spiels würde es nicht weiterhelfen. Um das große Ganze zu sehen, hilft vielleicht folgende Metapher: Drei Steinhauer bearbeiten einen Stein. Der eine sagt, ich bearbeite einen Stein. Der zweite sagt, ich baue ein Rundbogenfenster. Der dritte sagt, ich baue eine Kathedrale. Dadurch, dass der dritte Steinhauer schon die komplette Kathedrale sieht und das große Ganze erkennen kann, hat er definitiv mehr Motivation, weil er sieht was draus wird, als nur auf einem Stein rumzuklopfen. Es entsteht dadurch auch mehr Begeisterung für das eigene Tun. Gleichzeitig muss auch die Wertschätzung und Anerkennung für das eigene Tun von oben kommen. Lob und Anerkennung für die geleistete Arbeit. 4.7.3 Tipp Nummer 3 Miteinander reden, der ist vielleicht nicht neu, hilft aber ungemein. Wer kennt den Piña-colada-Song von Rupert Holmes? Also eigentlich heißt dieser Song „Escape“, weil es darum geht aus dem ursprünglichen oder herkömmlichen Leben zu flüchten. Worum geht es dabei? Ich schildere dies mal in einer Art Simultanübersetzung: Ein Mann hat keinen Bock mehr auf seine Sozialpartnerin. Ein Pärchen liegt abends im Bett. Sie schläft schon und er liest die Anzeigen zur Sozialakquise in der Zeitung. Hier erkennt man übrigens, dass der Titel schon etwas älter ist. Heute würde er tindern oder parshipen, aber das nur nebenbei. Da steht dieser Text in der Zeitungsannonce: Wenn Du auf Piña colada stehst Und es magst, vom Regen überrascht zu werden. Wenn Du nichts von Yoga hältst. Wenn Du nur ein wenig intelligent bist. Wenn Du gerne Liebe machst in den Dünen am Kap, dann bin ich die Frau nach der Du gesucht hast. Schreibe mir und lass uns flüchten. So der Text dieser Stellenanzeige für konventionelle Partnersuche vor der Jahrtausendwende. Er antwortet direkt auf die Anzeige und beide treffen <?page no="70"?> 70 Leadership und Guiding sich dann in der Bar O´Malleys. Als sie dann die Bar betritt, müssen beide lachen, denn es ist die Frau, mit der er schon so lange zusammen ist und die gestern im Bett noch neben ihm lag. Er begrüßt sie mit den Worten, dass er gar nicht wusste, dass sie Piña colada und Champagner mag und Sex am Strand. Und trotzdem sagt er zu ihr, dass sie die Liebe sei mit der er flüchten möchte. Jetzt soll dieses Lied nicht dafür stehen mit den Mitarbeitern Sex am Beach zu haben. Vielmehr der Anstoß nach Feierabend mal gemeinsam einen Sex on the Beach trinken zu gehen und über die Dinge zu reden, für die auf der Arbeit weniger Zeit ist. Vielleicht lernt man den Gegenüber ganz anders kennen und schätzen. Und durch mehr Bewusstsein für den Gegenüber hat man mehr Verständnis im täglich Miteinander. Gemeinsames Erleben verbindet. Was ist meine Vision? Die Erde ist über 3 Millionen Jahre alt und wir haben es gerade geschafft sie in knapp 150 Jahre in Schutt und Asche zu legen. Die Aufgabe lautet definitiv mehr Bewusstsein zu schaffen, um die Welt ganz klar ein gutes Stück besser zu machen, um sie in einem ordentlichen Zustand an unsere Nachkommen zu übergeben, bevor wir sie verlassen. Wir haben zurzeit meines Erachtens größere Probleme auf diesem Planeten, als sich jeden Tag mit Schwermut auf und durch die Arbeit zu quälen. Ein Mensch alleine kann die Welt kaum verändern, nur wenn alle so denken, geht es auch nicht voran. „Wo kommen wir nur dahin, wenn alle immer nur denken: wo kommen wir denn da hin? “ Also müssen wir alle zusammen halten und dann kommen wir zusammen voran, um diesen Planeten nachhaltig zu erhalten. Irgendeiner muss aber anfangen, wie es schon Michael Jackson in seinem Klassiker von 1987„man in the mirror“ gesungen hat. Wenn Du willst, dass sich etwas ändert, dann musst Du bei dem Typ im Spiegel anfangen. Wenn du die Welt zu einem besseren Ort machen willst, betrachte dich selbst und ändere etwas. Manch einer rennt durchs Leben, als hätte er noch zweites Leben im Gepäck. Doch wir sollten uns alle bewusstmachen: nach jedem Spiel - egal ob König oder Bauer - kommt jeder in die gleiche Kiste, warum also die Zeit, die wir gemeinsam verbringen, nicht mit mehr <?page no="71"?> Sieben tierische Cheftypen und drei Tipps 71  Spaß und Freude im Tun  Rücksicht auf andere und  Wertschätzung denen gegenüber mit denen wir alle vereint sind. Vielen Dank für das Wertvollste, was wir alle zur Verfügung gestellt bekommen: Die eigene Zeit. Herzlichen Dank, dass Du diese Zeilen gelesen hast. Literatur Storm, A. (2019). Gesundheitsreport 2019. Beiträge zur Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung (Band 28) . Hamburg: DAK-Gesundheit. Gallup (2018). Engagement Index Deutschland 2018. Abgerufen unter: https: / / www.gallup.de/ file/ 245450/ Engagement_Index_2018_Presentation.pdf am 06.08.2019. <?page no="73"?> 5 Beratung in - vermeintlich - unsicheren Zeiten Winfried Hofer <?page no="74"?> 74 Leadership und Guiding Erkenntnisse aus Szenen der Lifestyle Sports Lifestyle Sports (Wheaton, 2013) beschäftigen mich etwa seit meinem 10. Lebensjahr. War es zuerst Skateboarding, wurden peu à peu Bouldering, Buildering, Eisschwimmen, Slacklining, Calisthenics, Animal-Moves, Capoeira und Surfen zu meinen beständigen bewegungskulturellen Begleitern. Meine Dissertation gab mir dann die Möglichkeit, die zugehörigen Szenen genauer zu untersuchen. Eine meiner Erkenntnisse war es, dass Lern- Prozesse in Szenen sehr ähnlich ablaufen wie in der Erlebnispädagogik. Szenen und Erlebnispädagogik „verschieben“ Teilnehmer*innen in ungewohnte Wahrnehmungsfelder (= Lernfelder) der Maslow’schen Grundbedürfnisse - physisch, psychisch, sozial, individuell, selbstverwirklichend, transzendental etc. Szenen und Erlebnispädagogik balancieren implizite Motivlagen - Beziehungsmotiv, Freiheitsmotiv, Leistungsmotiv, Machtmotiv (vgl. Kuhl/ Scheffer/ Mikoleit/ Strehlau) - günstig aus. Sie bewegen Teilnehmer - persönlich und systemisch - in Wahrnehmungsfelder, die Lernprozesse durch Selbstreflexionsprozesse begünstigen und vorantreiben. Diese Beobachtungen sind nunmehr wichtige Anker für handlungsorientierte Beratungsprojekt unserer Grazer Berater Gruppe. Diese besteht aus Gerhard Maier, Martin Prangl und mir - Winfried Hofer. Unser geografischer Wirkraum ist Österreich - und mehr und mehr auch Deutschland. Status Ja, da hat sich etwas getan in den letzten Jahren. Das, was wir da so wahrnehmen, könnten wir nach einer Idee von Michel Foucault „dispositiv analytisch“ betrachten. Medien, Gespräche, soziale Netzwerke, wissenschaftliche Veröffentlichungen sind prall gefüllt mit unterschiedlichen Bewertungen (positive, negative, gleichgültige) folgender Paradoxien des „Jetzt“:  Die Zeiten sind schnell, brüchig und unberechenbar geworden.  Unternehmen kommen, gehen, wechseln ihre Firmensitze, heißen plötzlich anders.  Der gesellschaftliche Umgangston wird rauer.  Politiker, Bossinnen und Bosse aller Art besinnen sich auf „alte“ Werte, bevor man sie beim Korrumpieren und Mogeln erwischt.  Gute Mitarbeiter sind seltener geworden als gute Kunden. <?page no="75"?> Beratung in - vermeintlich - unsicheren Zeiten 75  Die einen globalen Wanderer sehen Gesellschaften als Elite der Arbeit, die anderen als Bedrohung. Ersten öffnen sie - auch metaphorisch - alle Türen, Mauern und Zäune, die zweiten wehren sie mit diesen ab.  Die Summe der Einflüsse auf das tägliche Leben und Arbeiten ist unüberschaubar geworden. Im folgenden Text werde ich versuchen, zunächst unsere (Grazer Berater Gruppe) zentrale Annahme zu diesen Entwicklungen zu beschreiben. Danach geht es im Text um unsere methodischen Antworten in Beratungsprozessen auf diese. Dabei beschreibe ich fiktive Beratungssettings aus Berater*innenfragen und möglichen Kundenantworten. Zentrale Annahme Wir erleben zurzeit einen globalen Wettbewerb von drei dominanten Mindsets. Diese sind die von [1] makrosozial Unsicherheitsempfinden Getriggerten (Gerhold, 2009), [2] neoliberal Getriggerten (Harari, 2017), [3] postmateriell Gertriggerten (Bourdieu, 2013). In allen drei Mindsets gibt es Trends der primären Kontrolle (Scheffer/ Kuhl, 2006) - „Ich muss sofort etwas unternehmen! “ - und Trends der sekundären Kontrolle (Scheffer/ Kuhl, 2006) - „Ich muss alles genau durchdenken, analysieren und meine Haltung anpassen! “. Erste führen uns hin zu gewaltdominierten Auseinandersetzungen. Zweite zu persönlichem und institutionellem Wachstum. Entlang dieser beiden Trends gibt es immer wieder Allianzen, die mindsetübergreifend sind. Diese führen immer wieder zu Irritationen und Verwerfungen. Dieses „Match“ der Mindsets finden wir natürlich auch bei unseren Kunden und diese bei ihren auch. Die Kunst der Beratung wäre es nun, methodische Antworten zu finden. Methodische Antworten 5.4.1 Methodische Antwort 1 - Das BEMAC-Verfahren Das BEMAC-Verfahren kann für nahezu alle Arbeitsbereiche/ Themen verwendet werden: Teamentwicklung, Organisationsentwicklung, Coaching, <?page no="76"?> 76 Leadership und Guiding Selbstmanagement etc. Es kann daher als eine zentrale Methode für Beratungsprozesse verstanden sein. BEMAC umfasst die Beratungsprozess- Schritte - mit zugeordneten Fragen: Bearing, Mapping, Aiming, Converting  Bearing: Wo stehe/ n ich/ wir?  Mapping: Was habe ich/ haben wir getan, um hierherzukommen?  Aiming: Wo will ich/ wollen wir hin?  Converting: Wie gestalte ich/ gestalten wir den Prozess zu den Zielen? In allen vier Beratungsschritten kann unser „Balance-Modell“ beigezogen werden, mit seiner  Orientierungskompetenz,  Kunden-Zufriedenheitskompetenz,  Fitness-Kompetenz,  Soziale Einbettungs-Kompetenz. Erweiternde Modelle könnten sein  Bedürfnishierarchie  Kapitalsorten-Modell (Bourdieu 2013)  Leitungsstilmodell  Sozialkompetenz-Modell  Emotionsmodell  Antifragilitäts-Konzept (Taleb, 2013)  Nudge-Konzept (Thaler/ Sunstein, 2009)  Modell der impliziten Motive  je nach Auftrag - oder als untergeordnete Modelle unseres Balance-Modells. Die Anwendung des BEMAC-Verfahrens bringt ein Ansprechen und einen Austausch über die Mindsets bei unseren Kund*inn*en. Vor allem die Tendenzen der „Primär-Kontrollierenden“ in Ausbrüche und Ho-Ruck- Aktionismus zu verfallen, können so gut aufgefangen werden. Das BEMAC verfahren „verführt“ unsere Kunden dazu, in einem hohen Maße selbstreflektierend vorzugehen. <?page no="77"?> Beratung in - vermeintlich - unsicheren Zeiten 77 5.4.2 Methodische Antwort 2 5.4.2.1 Antifragilität & Nudge-Konzept Besondere Beiträge für Zeiten, in denen sich viel bewegt, könnten die Idee der Antifragilität von Nassim Taleb und das Nudge-Konzept von Thaler und Sunstein darstellen. Sie gehen davon aus, dass Krisen Bestandteil des Lebens sind, die zum persönlichen, institutionellem Wachstum einladen. Dieses Wachstum wird möglich, wenn man speziell auf Krisen vorbereitet ist. Der Versuch Krisen zu vermeiden ist hingegen unmöglich, da sie immer größer und unerwarteter auftreten können als bisherige (Taleb, 2013). Die Eckpunkte des Wachstumskonzepts sind folgende Haltungen, die wir mit Fragen auf den Punkt bringen. Wachstum durch die Via-Negative (Taleb, 2013) Wenn wir in die Zukunft blicken, sehen wir futuristische Dinge. Sie ergänzen oder ersetzen Dinge, die wir schon kennen. Zukunft ist aber ein Ort, an dem uns Bekanntes nicht mehr ist. In diese Lücke hinein entstehen Dinge, die wir mit unserem heutigen geistigen Auge unmöglich sehen können. Die Fragen an Kunden in Beratungsprozessen auf dem Weg zur Antifragilität müssten daher dazu lauten:  Beraterfrage 1: „Was wird wodurch nicht mehr sein? “ Mögliche Kunden-Antwort: „Fotoapparate werden weitgehend durch Handys ersetzt sein.“  Beraterfrage 2: „Welche Lücke tut sich auf? “ Mögliche Kunden-Antwort: „Eine emotionale Lücke im Umgang mit Bildern tut sich auf.“  Beraterfrage 3: „Wie könnten Sie sie befüllen? “ Mögliche Kunden-Antwort: „Digitale Handybilder könnten in unterschiedlichen Ausdrucken in das Wohnen der Kunden als Tapeten, Rahmenbespannungen etc. integriert werden.“ <?page no="78"?> 78 Leadership und Guiding Wachstum durch die Hantel-Strategie (Taleb, 2013) Sie arbeitet mit der Vorstellung, dass antifragile Produkte/ Dienstleistungen/ Prozesse eine „Sicherheits-Hantelscheibe“ und eine „Tüftel-Hantelscheibe“ zeigen. Unternehmen gefährden sich, wenn sie die „Sicherheits- Hantelscheibe“ vernachlässigen. Wenn sie „sichere“ Produkte/ Dienstleistungen/ Prozesse/ Kunden nicht mehr pflegen. Sie vertun sich aber auch Optionen, wenn sie um das bestehende Sichere herum keine neuen Ideen „austüfteln“. Die Ergebnisse der Tüfteleien könnten nämlich die „Scheibe“ der Sicherheit stützen, wenn sie obsolet zu werden droht. Sequenzen von Beratungsprozessen auf dem Weg zur Antifragilität könnten sich daher so gestalten:  Beraterfrage 1: „Welche Ihrer Produkte/ Dienstleistungen/ Prozesse funktionieren prima? “ Mögliche Kunden-Antwort: „Das sind ganz klar unsere Teamentwicklungsseminare! “  Beraterfrage 2: „Wie könnten Sie sie verbessern? “ Mögliche Kunden-Antwort: „Ich denke, durch eine professionellere Individualisierungen für introvertierte Teilnehmer.“  Beraterfrage 3: „Welche neuen Produkte/ Dienstleistungen/ Prozesse entstehen in der Beantwortung der Frage 2 für Sie? “ Mögliche Kunden-Antwort: „Das ist wahrscheinlich der Einsatz von Einzelarbeiten, die dann Medien unterstützt präsentiert werden können → „Results on Scaffold“ (Erklärung: „Result on Scaffold“ ist eine handlungsorientierte Methode der Grazer Berater Gruppe, bei der zunächst aus Balken, Platten, Schnüren Netzen, Planen ein mehr als menschhohes Gerüst/ Objekt/ Raumkonstrukt gebaut wird. Auf dieses werden dann Ideen, Rückmeldungen, Annahmen, Antworten etc. geklebt, gepinnt, gemalt usw.) Wachstum durch die Relativierung von „Störendem“ (Taleb, 2013): Wachstumsprozesse sind Prozesse, die durch Irritationen ausgelöst werden. Diese werden immer zunächst als „Störendes“ wahrgenommen. <?page no="79"?> Beratung in - vermeintlich - unsicheren Zeiten 79 Eine Sequenz von Beratungsprozessen auf dem Weg zur Antifragilität könnte daher so aussehen:  „Wieviel von welchen zunächst „störenden“ Irritationen lässt Sie „fitter“ werden? “ Mögliche Kunden-Antwort: „Negatives Feedback lässt mich fitter werden, wenn ich genug Zeit habe, eine Struktur zu finden/ zu entwickeln/ zu übernehmen/ zu adaptieren. Mit ihr kann ich dann Verhaltensänderungen finden, entwickeln, übernehmen, adaptieren und einüben.“ Wachstum durch Erkennen und Verfolgen von Optionen (Taleb, 2013): Maximales Chaos besteht darin, dass Ungeahntes in ungeahnter Intensität und Extensität auf uns einprasselt. Doch genau dann bieten sich maximal viele Möglichkeiten des Anknüpfens - wenn wir „Luft“ hätten, sie wahrzunehmen und zu verfolgen. Asiatische Kampfkunst hat genau dafür die Bezeichnung „Atmen-hinter-dem-Schild“ geboren. „Schilder“ können dabei gut trainierte Bauchmuskeln, Mindsets, Arbeitsteiligkeiten etc. sein. Sequenzen von Beratungsprozessen auf dem Weg zur Antifragilität könnten daher so aussehen:  Beraterfrage 1: „Was ermöglicht Ihnen das „Luftholen? “ Mögliche Kunden-Antwort: „Das Erlernen und Anwenden von wirksamen Meditationsmethoden schafft mir Raum und Zeit dafür“  Beraterfrage 2: „Welche Möglichkeiten tun sich im maximalen Chaos für Sie auf? “ Mögliche Kunden-Antwort: „Besonders das Erkennen von drängenden Bedürfnissen interner und externer Kunden.“  Beraterfrage 3: „Wie könnten Sie sie verfolgen? “ Mögliche Kunden-Antwort: „Ich denke, durch wirksame Dokumentation, Diskussion, und Produktentwicklungsprozesse.“ <?page no="80"?> 80 Leadership und Guiding Wachstum durch Handlungsanreize (Thaler/ Sunstein, 2009): Regulierungen, Ablaufpläne, Vereinbarungen etc. sind wichtig. Sie können uns, unsere Kunden und ihre Kunden zu bestimmten Handlungen bewegen. Leider wird aber so oft die intrinsische Handlungsmotivierung verletzt. Das Öffnen von anziehenden Handlungsräumen hingegen provoziert Handlungen und belebt die intrinsischen Motivierungen. Sequenzen von Beratungsprozessen auf dem Weg zu wirksamen Nudges könnten sich daher so darstellen:  Beraterfrage 1: „Welche Handlungen sind für Sie sinnvoll? “ Mögliche Kunden-Antwort: „Das sind regelmäßige körperliche Bewegungs-Praxen! “  Beraterfrage 2: „Welche Räume sind für diese Handlungen sinnvoll? “ Mögliche Kunden-Antwort: „Ansprechende, gut erreichbare Fitnessräume! “ Wachstum durch Beachten von Emotionen und logischen Brüchen (Thaler/ Sunstein, 2009): Emotionen sind toll. Sie bereichern unser Leben und lassen uns lebendig fühlen. Doch sie sind auch enorme Fallen, da sie uns unlogische/ gefährdende Entscheidungen treffen lassen. Wir müssten daher unsere Emotionalisierungen wahrnehmen können. Dies gelingt uns durch ein Bearbeiten unserer Reflexionsfähigkeit. Sequenzen von Beratungsprozesse auf dem Weg zu wirksamen Nudges könnten daher so gestaltet werden:  Beraterfrage 1: „Welche Emotionen verspüren Sie? “ Mögliche Kunden-Antwort: „Viele junge, männliche Flüchtlinge machen uns Angst, da wir ihnen Aggressivität unterstellen.“  Beraterfrage 2: Zu welchen Handlungen zieht es Sie hin? Mögliche Kunden-Antwort: „Wir möchten alle einfach aussperren! “ <?page no="81"?> Beratung in - vermeintlich - unsicheren Zeiten 81  Beraterfrage 3: „Welche Unlogiken verbergen sich in diesem Ansinnen? “ Mögliche Kunden-Antwort: „Die Rahmenbedingungen ermöglichen kein Aussperren. Unsere Deutungen des ungewohnten Äußeren, der unbekannten Sprache provozieren Missverständnisse. Die Anzahl der Jugendlichen erscheint uns durch ihr Angewiesensein auf die Nutzung des öffentlichen Raums und mediale Darstellungen als höher als sie tatsächlich ist.“  Beraterfrage 4: „Welche Gefahren ergeben sich? “ Mögliche Kunden-Antwort: „Wir lassen uns zu unmenschlichen und menschenrechtsmissachtenden Entscheidungen, Handlungen und Nichthandlungen hinreißen! “ Und das wollen wir nicht als Grazer Berater Gruppe. Das wäre auch die abschließende Kritik an der VUKA-Metapher in der Beraterlandschaft: Wir möchten nicht vom Krieg lernen, sondern von Szenen der ästhetischen Bildung: den Lifestyle Sports, dem Jazz, der Gestaltung, der Dramatik, der Literatur. Literatur Bourdieu, P. (2013). Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Gerhold, L. (2009). Umgang mit makrosozialer Unsicherheit. Zur individuellen Wahrnehmung und Bewältigung gesellschaftlich-politischer Phänomene. Lengerich: Pabst. Harari, Y. N. (2017). Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen. München: Beck Hofer, W. (2017). Life, Style, Sports und Biographie: Lifestyle Sports Szenen und ihre Biographie gestaltende Wirkung. Saarbrücken: SVH Kuhl, J., Scheffer, D, Mikoleit, B. & Strehlau, A (2010). Persönlichkeit und Motivation im Unternehmen. Anwendung der PSI-Theorie in Personalauswahl und -entwicklung. Stuttgart: Kohlhammer. Scheffer, D. & Kuhl, J. (2006). Erfolgreich motivieren. Mitarbeiterpersönlichkeiten und Motivationstechnik. Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle, Oxford, Prag: Hogrefe Taleb, N. (2013). Antifragilität. Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen. München: Knaus. <?page no="82"?> 82 Leadership und Guiding Thaler, R. H. & Sunstein, C. R. (2009). Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt. Berlin: Econ Wheaton, B. (2013). The Cultural Politics of Lifestyle Sports. London, New York: Routledge. <?page no="83"?> 6 TEAMLEAD - Diese Führungsaufgaben machen Teams wirklich erfolgreich! Andre M. Schmutte und Nele Graf <?page no="84"?> 84 Leadership und Guiding Im letzten Champions League Halbfinale hat der FC Liverpool beim „Wunder von der Anfield Road“ wieder gezeigt, was ein „Team“ zu leisten vermag, als die Mannschaft nach einem 0: 3 im Hinspiel den FC Barcelona noch mit 4: 0 aus dem Stadion schoss. Nicht nur Mannschaften im Sport oder Hochzuverlässigkeitsorganisationen wie Feuerwehr oder Rettungsdienste profitieren von der außergewöhnlichen Leistung ihrer Einsatzteams. Weil die Rahmenbedingungen immer dynamischer und unsicherer werden und Veränderungen im Umfeld immer schneller verlaufen, erfolgt die Wertschöpfung von Unternehmen in quasi allen Branchen zunehmend in einer projektorientierten Form. Damit hängt heute der Erfolg auch in „normalen“ Organisationen von den Fähigkeiten ihrer Teams ab. Im Raum stehen deshalb die Fragen, wie wir aus Gruppen funktionsfähige „Teams“ machen und wie wir funktionierende Teams zu einer hohen Leistungsfähigkeit entwickeln. Führungskräfte lernen schon lange aus den Erfahrungen des Sports, besonders was Motivation und Teamfähigkeit, Durchhaltevermögen, Risikoeinschätzung und Entscheidungsbereitschaft betrifft. Aber hier geht es meist um personale und methodische Kompetenzen, um sozial-kommunikative Fähigkeiten oder innere Überzeugungen, weniger um das konkrete Wie. Und wenn man sich in spezifischen Teamentwicklungsmaßnahmen nicht nur mit dem Teamgeist und der Verteilung von Aufgaben beschäftigt, sondern auch mit den Aufgaben der Führungskraft auseinandersetzt, war man sich bisher nicht sicher, ob und welche Wirkung die verschiedenen Maßnahmen haben. Im Teamlead-Workshop auf dem Outdoor und Adventure-Kongress 2019 zeigte sich - ganz ähnlich wie in den meisten Unternehmen und Branchen - ein entsprechend vielfältiges und gleichzeitig unvollständiges Bild. Auf die Frage, was die Führung von Teams erfolgreich macht und welche Aufgaben eine Führungskraft dafür bewältigen muss, nannten die Kongressteilnehmer eine Mischung aus Aufgaben und Kompetenzen, die aus ihrer praktischen Erfahrung heraus Voraussetzung für leistungsfähige Teams sind (Abb. 1). Es wird aus dem Foto mit dem ‚wilden‘ Kartenpuzzle nicht ganz deutlich, doch die Sammlung ist zum einen unvollständig, d.h. manche Aufgaben, die man etwa im Projektmanagement als erfolgskritisch einstuft, fehlen hier, und sie enthält Aufgaben, deren Wirkungen eher überschaubar ausfallen. Das entspricht dem Phänomen, dass sich die Führungskräfte im beruflichen Alltag manchmal mit wenig wirksamen Aktionen belasten und sie vor allem nicht immer alle notwendigen Führungsaufgaben im Blick haben. Aber welche sind das überhaupt? <?page no="85"?> TEAMLEAD 85 Abb. 1: Wichtige Führungsaufgaben aus Sicht der Kongressteilnehmer Die meisten aktuellen Führungskonzepte geben hierzu keine konkrete Antwort. Sie basieren noch auf einem klassischen Führungsverständnis, das sich auf die Kompetenzen einer Führungsperson und auf die Zweierbeziehung Vorgesetzter-Mitarbeiter konzentriert. Solche Modelle berücksichtigen keine Aufgabenprofile und keine komplexen Gruppenbeziehungen. Das ist ein Problem. Zum einen lassen sich greifbare Handlungsempfehlungen leichter aus konkreten Aufgaben und nicht so gut aus Kompetenzen ableiten. Traditionelle Konzepte bieten deshalb nur wenig Orientierung für den Berufsalltag. Darüber hinaus besteht ein Team nicht aus einer Ansammlung dyadischer Beziehungen. Jede Intervention, die eine Führungskraft bei einem der Teammitglieder unternimmt, hat Auswirkungen auf das gesamte <?page no="86"?> 86 Leadership und Guiding Team und dessen zukünftiges Handeln. Der höhere Bedarf an Koordinations- und Synchronisationsleistung führt zu einer Komplexität, zu Dynamik und zu Reibungsverlusten, die mit dem klassischen Führungsstil nicht in den Griff zu bekommen sind. „Dass Teams trotz der in ihnen herrschenden Komplexität und Dynamik häufig noch vor dem Hintergrund eines dyadischen Führungsverständnisses geführt werden, trägt erheblich dazu bei, dass der vielbeschworene synergetische Effekt von Teamarbeit in der Praxis oft ausbleibt“ (Graf, Rascher und Schmutte 2018, S. 33). Führungskräfte dürfen sich also nicht auf die Führung einzelner Mitarbeiter beschränken. Und weil sie die Komplexität der Aufgabenstellungen und im Gruppengefüge nicht alleine aus ihrer zentralen Position heraus bewältigen können, müssen sie ihr Team mehr als strategischer Richtungsgeber, Koordinator und Coach führen, während sie Entscheidungskompetenzen zunehmend auf die Teams verlagern. Moderne Team-Leader betonen dezentrale Autonomie und erkennen situativ, wann das Team tatsächlich eine Entscheidung durch sie braucht (vgl. Pawlowsky, Mistele und Steigenberg 2008, S. 50). Ihre wichtigste Aufgabe ist es, einen funktionalen Rahmen für die Teamarbeit und Raum für eigenverantwortliches Arbeiten zu schaffen. Welche konkreten Führungsaufgaben dafür letztlich entscheidend sind, hat ein Forscherteam um die Autoren Graf & Schmutte in einem mehrjährigen, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekt untersucht. Mit dem synergetischen Führungsmodell TEAMLEAD ermittelten sie 23 konkrete Führungsaufgaben, die eine empirisch nachgewiesene Wirkung auf die Leistungsfähigkeit von Projektteams oder Abteilungen haben. Sechs Funktionen mit 23 Führungsaufgaben für leistungsfähige Teams Die Aufgaben einer erfolgreichen Teamführung lassen sich in sechs aufeinander aufbauende Systemfunktionen einordnen: Differenz- und Ressourcenmanagement, Struktur- und Prozessmanagement, Reflexion und Entwicklung (Abb. 2). Differenzmanagement sichert Zielklarheit und regelt die Grenzen zur Umwelt des Teams. Die Akquisition und Verteilung der materiellen und immateriellen, der finanziellen und personalen Mittel sind Aufgaben im Ressourcenmanagement. Mit der sozialen Komplexität im Team setzt sich Strukturmanagement auseinander, Prozessmanagement mit der zeitlichen Komplexität. Reflexionsmanagement analysieret und verbessert <?page no="87"?> TEAMLEAD 87 eigene Funktionalität. Und Entwicklungsmanagement schließlich verhindert die Überlastung des Systems durch Outsourcing und Eskalationsmaßnahmen. Die folgenden Abschnitte skizzieren die dahinter liegenden Führungsaufgaben in groben Zügen. Zur vollständigen Darstellung des TEAMLEAD- Modells mit Beispielen für die Umsetzung in der Praxis siehe Graf, Rascher, Schmutte (2020). Abb. 2: Das synergetische Führungsmodell TEAMLEAD: 23 Führungsaufgaben für erfolgreiche Teams (Graf, Rascher, Schmutte 2020) 6.1.1 Differenzmanagement - das Warum aufzeigen „Ein Team ist erst dann ein Team und keine Gruppe, wenn es sich als Einheit begreift und auch nach außen geschlossen auftritt“ (Graf und Lowiec <?page no="88"?> 88 Leadership und Guiding 2017, S. 184). Differenzmanagement klärt die Grenzen zur Umwelt, sichert die Zielklarheit und meistert den Spagat zwischen Individualität und Gruppenorientierung durch die folgenden Führungsaufgaben:  „Sinn stiften“: Nach einer gemeinsamen Vision handeln und konkrete Ziele vereinbaren.  „Teamgeist stärken“: Gemeinsame Werte und Spielregeln leben.  „Teamexterne Schnittstellen koordinieren“: Einheitlich auftreten und Einflüsse erkennen.  „Mitarbeiter individuell führen“: Persönliche Motive kennen und Einsätze spezifisch vereinbaren.  „Selbstführung“: Vorbildfunktion wahrnehmen, mit den Interessen des Teams im Vordergrund. Motivation kann beflügeln und Berge versetzen. Aber Motivation kommt nicht von allein, egal ob im Sport oder in der Arbeitswelt. Ob es um die Überwindung des inneren Schweinehundes geht oder um das Erreichen unternehmerischer Ergebnisse: Konkrete Ziele beeinflussen die Intensität der Motivation, sie erhöhen die Bereitschaft und die Ausdauer auf dem Weg zu den Meilensteinen. Beim Blick in die Praxis stellt man immer wieder fest, dass die Ziele und Wege nicht explizit formuliert sind oder sich sogar widersprechen. Und oft priorisieren die Teammitglieder die Ziele auch noch unterschiedlich. Um dem Team die notwendige Orientierung zu geben und das Verhalten aufeinander abzustimmen, muss die Führungskraft Vision und Ziele, das „Big Picture“, vermitteln und sicherstellen, dass die Mitarbeiter das Warum dahinter verstehen. Nur so können die Teammitglieder erfassen, worin sie sich von anderen Gruppen unterscheiden und eine Einheit mit einer starken Identifikation bilden. Ein gutes Differenzmanagement setzt sich mit dem Verhältnis zu anderen Teams, Abteilungen, Systemen systematisch auseinander. Wer gehört zum inneren und wer zum äußeren Team? Wer ist vielleicht nicht mehr im Team, hat aber noch informellen Einfluss? Wie gestalten wir den Austausch mit den externen Gruppen? Hier müssen klare Spielregeln für die Kommunikation und das Handeln verankert werden. Neben den Grenzen des Teams nach außen bezieht sich das Differenzmanagement auch auf die „Innenumwelten“, das heißt auf den individuellen Mitarbeiter - „ein Punkt, der innerhalb der Führungsliteratur häufig nicht gesehen wird“ (Graf und Lowiec <?page no="89"?> TEAMLEAD 89 2017, S. 186). Ein Teammitglied gehört niemals „mit Haut und Haaren“ zum Team, sondern bringt nur einen Ausschnitt seiner Selbst ein. Das heißt für die Führungskraft, auf die Mitarbeiter individuell einzugehen. Die einen brauchen viel Anleitung und Anweisung, andere sind selbständiger und können, manche müssen sogar, an der langen Leine geführt werden, wobei einzelne Interessen und Ambitionen sich immer wieder ändern können. 6.1.2 Ressourcenmanagement - über die Mittel entscheiden Unter Ressourcenmanagement fällt die Akquise und Verteilung materieller und immaterieller, finanzieller und personaler Mittel. Dazu gehören die Führungsaufgaben  „Team zusammenstellen“: Kompetenzen festlegen und Mitarbeiter gemeinsam auswählen.  „Ressourcenbedarf ermitteln“: Anforderungen bestimmen und Verteilung begründen.  „Ressourcen akquirieren“: Benötigte interne und externe Mittel sicherstellen.  „Ressourcen intern verteilen“: Die Mittel nach Bedarf und Präferenzen verteilen und tauschen.  „Teamkompetenzen entwickeln“: Fachwissen und soziale Fähigkeiten integrieren und verbessern. Wie wir am Eingangsbeispiel gesehen haben, braucht ein Sportverein nicht zwingend den teuersten Spielerkader, um erfolgreich zu sein. Die erste Frage im Ressourcenmanagement, wer ins Team gehört, darf also nicht nach rein finanziellen Gesichtspunkten beantwortet werden. Die Führungskraft muss sich damit auseinandersetzen, welche Kompetenzen sie für die Bewältigung der bevorstehenden Aufgaben benötigt, welche Fähigkeiten schon vorhanden und welche neu zu akquirieren sind. Im Team fehlende Kompetenzen kann die Führungskraft entweder dauerhaft neu akquirieren, temporär einbinden oder aus dem Pool der bestehenden Fähigkeiten heraus entwickeln, indem sie die Mitarbeiter zielgerecht fördert und trainiert. Welcher Weg der richtige ist, hängt von der Situation und der strategischen Zielsetzung ab. Einerseits muss das Team Verfügbarkeit und Handlungsfähigkeit sicherstellen, selbst bei Änderungen während eines laufenden Auftrags. Gleichzeitig sind Überkapazitäten so weit wie möglich zu vermeiden, weil sie zu teuer sind und eine mangelnde Auslastung im Personal Unzufriedenheit riskiert. Je langfristiger die Leitung planen kann, desto mehr wird sie auf eigene, interne Kapazitäten setzen, neue <?page no="90"?> 90 Leadership und Guiding einkaufen oder die Mitarbeiter weiter qualifizieren. Je unsicherer dagegen die Kapazitätsauslastung ist, desto mehr wird sie auf externe Ressourcen zurückgreifen, die sie nur für eine zeitlich begrenzte Dauer beauftragt. Neben den Personalmitteln fallen auch Sach- und Finanzmittel sowie Informationen und andere immaterielle Güter wie die Aus- und Weiterbildung unter die Ressourcen, die zielgerichtet gemanagt werden müssen: Wer braucht wann was? Hier ist Flexibilität gefragt, um jedem Teammitglied zur richtigen Zeit die individuell benötigten Mittel zur Verfügung zu stellen. 6.1.3 Strukturmanagement - die Verantwortungen festlegen Die höhere Leistungsfähigkeit von Teams ist an eine Bedingung geknüpft: Sie müssen in der Lage sein, den höheren Koordinationsaufwand zu bewältigen, der sich aus den wechselseitigen Abhängigkeiten ergibt. Um das zu bewältigen, setzt sich Strukturmanagement zunächst mit der sozialen Komplexität und damit dem Aufbau des Teams auseinander:  „Arbeit strukturieren“: Relevanten Aufwand ermitteln und Arbeitspakete festlegen.  „Verantwortlichkeiten definieren“: Arbeit nach Kompetenz und Auslastung verteilen und Entscheidungsspielraum definieren.  „Teamrollen aushandeln“: Eigenverantwortung des Teams leben.  „Das soziale Gefüge beobachten“: Soziale Dynamiken steuern und Zusammenhalt stärken. Für ein gutes Ineinandergreifen der Zahnräder muss die Führungskraft klare Teamrollen aushandeln, die Arbeit sinnvoll strukturieren und für eine verbindliche Arbeitsteilung sorgen, in der jeder weiß, wer für welche Angelegenheiten zuständig und verantwortlich ist. Mit Teamrolle ist eine teamtypische Funktion, Position oder Aufgabenstellung in der Gruppe gemeint, sie kann fachlich oder sozial orientiert sein (vgl. dazu etwa Belbin 2010, der wissensorientierte, handlungsorientierte und kommunikationsorientierte Rollen unterscheidet). Die Teamrollen können den einzelnen Teammitgliedern zugewiesen werden oder sie entwickeln sich durch die gruppendynamischen Prozesse aufgrund von Eignungs- und Leistungsschwerpunkten der einzelnen Personen. Mit Blick auf die Fähigkeit, komplexe Aufgaben zu lösen und das Risiko dysfunktionaler Konflikte zu senken, profitiert das Team von einer fachlich <?page no="91"?> TEAMLEAD 91 heterogenen Zusammenstellung. Gleichzeitig gilt die Kohäsion, also die Verbundenheit des Teams, als ein weiterer entscheidender Erfolgsfaktor besonders leistungsfähiger Gruppen. Zu den Kräften, die eine Gruppe zusammenhalten, zählen zum einen die Attraktivität der Gruppe selbst (Gehöre ich zu einem „Gewinnerteam“? Beneiden mich andere darum? ), zum anderen die zwischenmenschliche Attraktivität und die Kommunikationshäufigkeit zwischen den Mitgliedern. Das Team braucht also ein fachlich heterogenes, gleichzeitig sozial homogenes Gefüge. So sichert es sich einerseits hohe Kompetenz und vermeidet andererseits eine zu starke Gruppenbildung aufgrund von Sympathie oder Antipathie, die eine effiziente Teamarbeit stören würde. 6.1.4 Prozessmanagement - Schnelligkeit und Flexibilität sicherstellen Während Strukturmanagement die soziale Komplexität bei der Bearbeitung einer Aufgabe oder eines Projektes aufgreift, geht es beim Prozessmanagement um das Managen von zeitlicher Komplexität, also um die Abläufe in- und außerhalb des Teams. Hierzu gehören:  „Selbstmanagement und Flexibilität fördern“: Zwischen Standards und Freiraum unterscheiden und Abläufe nach Bedarf anpassen.  „Standardprozesse implementieren“: So viel Standards wie nötig und so viel Flexibilität wie möglich leben.  „Operatives Vorgehen definieren“: Abläufe gemeinsam planen, festlegen und Regelkommunikation etablieren. Die interne Aufgabenteilung und die Rollendifferenzierung in Teams kann zu Anschluss- und Synchronisierungsproblemen führen, wenn sie nicht gesteuert werden. Ein Durcheinander, Doppelarbeiten und Fehler wären die Folge. Hier ist nicht alleine die Führungskraft gefragt, sondern vor allem die Teammitglieder. Anstatt sich im Mikromanagement zu verlieren, ist es Aufgabe der Führung, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die die Selbstverantwortung der Einzelnen und die Selbststeuerung des Teams fördern. Die Leitung konzentriert sich selbst auf die strategisch relevanten und erfolgskritischen Aspekte. Wie das Team die Ziele erreicht und welche Lösungswege es einschlägt, bleibt ihm weitgehend selbst überlassen. Es soll schnell und flexibel auf Änderungen reagieren und dazu die Arbeitsabläufe selbständig an neue Anforderungen ausrichten können, ohne Zeit durch Ab- <?page no="92"?> 92 Leadership und Guiding stimmungen mit der Teamleitung zu verlieren. Entscheidungskompetenzen werden also in das Team delegiert. Für Routinesituationen und häufig vorkommende Abläufe ist es hilfreich, gemeinsam verbindliche Verfahrensweisen auszuarbeiten. Standards in Form von Verhaltensrichtlinien und Handlungsanleitungen reduzieren die Komplexität, indem sie das Vorgehen für alle einheitlich regeln. Sie bieten Vorteile in puncto Sicherheit und Schnelligkeit für vorhersehbare Situationen und planbare Lösungswege. Die Herausforderung bei der Formulierung von Standards liegt darin, die richtige Balance zwischen Einheitlichkeit und Flexibilität zu finden, zwischen engen verbindlichen Regelvorgaben und freiem, kreativem Vorgehen, das für unklare Problemstellungen und unerwartete Ereignisse notwendig ist. Das Team muss also auch festlegen, in welchen Fällen von den Standards abgewichen werden kann oder sogar muss. Moderne, agile Arbeitsgruppen sind zum Beispiel deshalb in der Lage, kurzfristig und flexibel auf Änderungen reagieren zu können, weil sie in Etappen planen, ständig Rückmeldung des Kunden einholen und die Präzisierung von Arbeitspaketen im Laufe der Umsetzung erfolgt. 6.1.5 Reflexionsmanagement - sich kontinuierlich verbessern Die Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren, also seine Stärken und Schwächen zu erkennen, und sich kontinuierlich zu verbessern, ist eine der wesentlichen Voraussetzungen, die Überlebensfähigkeit des Teams dauerhaft zu sichern. Zu den Führungsaufgaben in dieser Systemfunktion gehören  „Leistungsprobleme interpretieren und lösen“: Ursachen analysieren, Lösungen entwickeln und Abläufe anpassen.  „Team permanent herausfordern“: Sich als Team selbst einschätzen und kontinuierlich weiterentwickeln.  „Monitoring relevanter Daten“: Kennzahlen festlegen und Steuerungssystem implementieren. Für professionelle Sportvereine gehören Leistungsdiagnostik, Trainings- und Wettkampfanalysen zum Standardrepertoire, um die Leistungsentwicklung einzelner Spieler und ihr Zusammenwirken als Mannschaft systematisch zu überprüfen und gezielt zu verbessern. Für die meisten „normalen“ Teams dagegen bleibt das regelmäßige Überprüfen, ob die einmal festgelegten Abläufe und Regeln immer noch ihren Zweck erfüllen, oft auf der Strecke. Weil schon die nächsten Aufgaben, neue Projekte auf das Team warten, nimmt man sich dafür genauso wenig die Zeit wie für das kritische Ausei- <?page no="93"?> TEAMLEAD 93 nandersetzen mit abgeschlossenen Projekten. Damit fehlt aber die Möglichkeit, aus den Erfahrungen zu lernen und Maßnahmen für die Optimierung zu entwickeln. In der Reflexion geht es darum, die Ursachen dafür zu identifizieren, warum etwas gut gelaufen ist (das soll man ausbauen) und warum es an anderen Stellen Probleme gab (die gilt es zu beheben). Sind die Arbeitspakete sinnvoll gegliedert? Greifen die Abläufe gut genug ineinander? Stehen genügend Ressourcen zur Verfügung? Führung heißt hier vor allem, relevante Informationen und Daten zu erfassen und ein geeignetes Steuerungssystem aufzubauen. Das Team soll jederzeit einen transparenten Überblick haben und erkennen können, ob es die Ziele wie geplant erreicht oder ob es Abweichungen gibt, die gemeinsam untersucht werden müssen. Voraussetzung dafür ist eine offene Arbeitsatmosphäre mit einer konstruktiven Fehlerkultur. Wenn die Mitarbeiter sich nicht sicher fühlen und einander vertrauen können, werden sie über Probleme oder Fehler nicht sprechen, sondern versuchen, sie zu kaschieren. 6.1.6 Entwicklungsmanagement - Überlastung vermeiden Entwicklungsmanagement verhindert die Überlastung des Systems. Zu den Führungsaufgaben gehören hier:  „Teilaufgaben outsourcen“: Abgrenzen, klar definieren und auslagern.  „Auf nächsthöherer Ebene eskalieren“: Hilfe bei zielgefährdenden Problemen einfordern.  „Projekt abschließen und Projekt auflösen“: Umgestaltung begleiten und Erfolge wertschätzen. Belastungsbedingter Stress durch fachliche oder zeitliche Überforderung führt zu einem Abfall der Teamperformance und zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der einzelnen Teammitglieder. Es drohen gravierende Leistungseinbußen. Es gehört deshalb zu erfolgreicher Teamführung, die Leistungspakete zu priorisieren und Teilaufgaben nach außen an andere Teams abzugeben, um Überlastungen zu verhindern. Ist dies nicht ohne Weiteres möglich oder kommt es zu Konflikten zwischen den Beteiligten, müssen diese auf einer höheren Ebene geklärt werden. Wichtig ist, dass die Entscheidung zeitnah fällt. <?page no="94"?> 94 Leadership und Guiding Aufgabe der Führungskraft ist es auch, Projekte oder Systeme formal abzuschließen und aufzulösen. Entweder, weil das Teamziel erreicht ist. Aber auch dann, wenn ein Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Es macht keinen Sinn, Projekte trotz Aussichtslosigkeit künstlich am Leben zu erhalten, wenn das Gesamtziel in unerreichbare Ferne gerückt ist. Sowohl aus Kostengründen als auch mit Blick auf die Ressourcenverfügbarkeit anderer Projekte bis hin zur Befindlichkeit des Teams ist es wichtig, nicht realisierbare Vorhaben unverzüglich zu beenden. Abschließend müssen die Lessons Learned, gute wie schlechte, dokumentiert werden, damit künftige Vorhaben von den Erfahrungen profitieren. Und weil Erfolge das Ergebnis harter Arbeit und nicht immer selbstverständlich sind, verdienen sie es, gebührend gefeiert zu werden. In Projekten arbeiten die Teammitglieder nur temporär zusammen. Ein Abschlussevent gibt dem Team die Möglichkeit, sich auch emotional von der Projektarbeit und den Beteiligten zu lösen und sich danach mit voller Energie den neuen Aufgaben zu widmen. Das Ergebnis: Hochleistungsfähige Teams Wie wird aus einer Gruppe von Experten ein leistungsfähiges „Team“? Indem zum einen der strukturelle und prozessuale Rahmen geeignet gesetzt und gleichzeitig die Koordinations- und Synchronisationsleistungen, die für das Managen von Teams im modernen, agilen und projektorientierten Umfeld erforderlich sind, bewältigt werden. Das synergetische Führungsmodell ist das Ergebnis des vom BMBF geförderten Forschungsprojektes „Teamlead“ und benennt sechs aufeinander aufbauende Systemfunktionen mit 23 konkreten Führungsaufgaben, die - jetzt empirisch belegt - für die Effizienz von Teams tatsächlich von Bedeutung sind. Synergetisch geführte Teams - in Sport, in Projekten wie auch in Unternehmen - sind nachweislich leistungsfähiger, sie können einen höheren Grad an Komplexität verarbeiten und entwickeln ein immer höheres Niveau der Selbststeuerung. Einzeln für sich betrachtet sind alle die genannten Führungsaufgaben bekannt und intuitiv verständlich. Nur fallen in der Praxis viele der Leadership-Aufgaben unter den Tisch, weil wir in der Alltagshektik nicht immer das gesamte Spektrum im Blick haben. Teamlead benennt genau jene Führungsaufgaben, die nachweislich Wirkung zeigen und auf die sich Führungskräfte fokussieren sollen, wenn sie ihre Teams zur Hochleistung führen wollen. <?page no="95"?> TEAMLEAD 95 Outdoor-Events, Seminare und Workshops können die Entwicklung leistungsfähiger Teams gezielt unterstützen. Besonders effektiv und wertvoll werden solche Maßnahmen, wenn sie nicht nur Führungskompetenzen und den Zusammenhalt im Team fördern, sondern wenn sie sowohl der Führungskraft die Bedeutung der sechs Führungsfunktionen mit ihren konkreten Führungsaufgaben bewusst machen als auch den Teammitgliedern Eigenverantwortung und die Fähigkeit zur Selbstorganisation und Selbststeuerung vermitteln. Literatur Belbin, R. M. (2010). Management teams: Why they succeed or fail. Oxford: Elsevier. Graf, N., & Lowiec, D. (2017). Synergetische Führung - Führen von Teams in der VUCA-Welt. In P. F.-J. Niermann, & A. M. Schmutte (Hrsg.), Managemententscheidungen - Methoden, Handlungsempfehlungen, Best Practices (S. 183-194). Wiesbaden: Springer. Graf, N.; Rascher, S., & Schmutte A. M. (2018). Für ein besseres Zusammenspiel. managerSeminare, 249, Dezember, 30-37. Graf, N., Rascher, S., & Schmutte, A. M. (2020). TEAMLEAD - Führung 4.0: So führen Sie Teams synergetisch zu Höchstleistungen. Mit Tipps & Checklisten für die Praxis. Wiesbaden: Springer. Pawlowsky, P., Mistele, P., & Steigenberg, N. (2008). Quellen der Hochleistung: Theoretische Grundlage und empirische Befunde. In P. Pawlowsky, & P. Mistele (Hrsg.), Hochleistungsmanagement - Leistungspotenziale in Organisationen gezielt fördern (S. 33-60). Wiesbaden: Springer. <?page no="97"?> 7 Abenteuer Führung in Wirtschaft und Outdoorsport Karin Wurth <?page no="98"?> 98 Leadership und Guiding Vorbemerkung zum Kongress Der 7. Kongress für Outdoor und Adventure fand auf dem Adventure Campus Treuchtlingen statt. Betrachtet man aktuelle Tendenzen in Wirtschaft und Gesellschaft wie den digitalen Wandel, agile Arbeitsweisen oder demografische Herausforderungen, drängt sich der Gedanke auf, dass sich Führung heutzutage ebenfalls in einem Adventure Campus bewegt. Dieses Abenteuerland im Umfeld digitaler Transformation lockt als Spielwiese mit unbekannten Gefahren, aber auch vielfältigen Möglichkeiten. Beispielhaft einige Fragen dazu:  Wohin entwickelt sich Führung?  Wo, wann, von wem und wie findet zukünftig die Führung statt, die es braucht, damit Unternehmen überleben?  Verändert Führung sich nur in der Wirtschaft, nicht jedoch im Outdoorsport?  Wo gibt es gemeinsame Bewegung, wo trennen sich die Wege? Vorbemerkung zum Workshop Das Thema lautete: „Abenteuer Führung in Wirtschaft und Outdoorsport. Ein interdisziplinärer Workshop für alle, die das Abenteuer Führung weiter denken wollen.“ Im Workshop wurde die Business Canvas vorgestellt. Diese agile Methode wird insbesondere zur Visualisierung und Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen eingesetzt. Um Freiraum für Ideen und Querverbindungen zu schaffen, bekamen die Teilnehmenden zusätzlich die Aufgabe, sich im Rahmen des Workshops innerhalb und außerhalb des Gebäudes zu bewegen. Ihr Auftrag lautete, mit Hilfe der Canvas in zwei Gruppen bestehende Rollen und Perspektiven für Führung sowohl in der Wirtschaft als auch im Outdoorsport weiter zu entwickeln. <?page no="99"?> Abenteuer Führung in Wirtschaft und Outdoorsport 99 Führung auf dem Spielfeld der Digitalisierung 7.3.1 Wohin bewegt sich Führung? Führung bewegt sich - nur wohin? Der derzeitig spürbare Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft unter der Klammer Digitalisierung beschränkt sich keineswegs auf technologische Innovationen. Parallel dazu, teilweise beschleunigt durch den digitalen Wandel, bewegen sich weitere Entwicklungen durch den Raum, die sich direkt auf Führungsrollen, -verhalten und -kultur auswirken. Dazu drei Beispiele:  Agile Rahmenwerke und Arbeitsweisen wie Scrum, Kanban oder Design Thinking setzen auf übergreifendes Teamwork, kurze, iterative Entwicklungsschleifen und Kundenfeedback  Firmen fokussieren stärker als früher auf Kundennutzen und Wertschöpfungskette. Der Markt treibt die Geschäftsmodelle vor sich her  Horizontale Zusammenarbeit erfordert, im Gegensatz zur früheren vertikalen, tayloristischen Sichtweise, das Denken und Arbeiten in Netzwerken statt in Hierarchen und Silos Diese neuen Anforderungen bietet zuallererst viele neue Chancen: Mit einer Grundhaltung von Zusammenarbeit und dem Mindset agilen Arbeitens dürfen neue Kompetenzen entstehen, und mit ihnen neue Führungsrollen (Abb. 3) und -perspektiven. Digitalisierung bedeutet deshalb in erster Linie Kulturwandel: Digitalisierung bedeutet Wandel. Wandel bedeutet Veränderung. Veränderung braucht Führung. Wo findet sich nun der Bezug von Führung als Abenteuer? Dazu schauen wir uns das Berufsbild einer klassischen Führungskraft im Outdoorbereich, der/ dem Wanderführer/ in an. <?page no="100"?> 100 Leadership und Guiding 7.3.2 Der Wanderführer: Auf markierten Wegen begleiten § 28 des Vorarlberger Bergführergesetzes (Bergführerverband, 2014) definiert die Rolle des Wanderführers wie folgt: „Der Wanderführer ist berechtigt, Personen bei Bergwanderungen auf markierten Wegen führen und begleiten“. Seine Pflichten laut § 12: „(Er) hat […] vor allem für die Sicherheit der Teilnehmer zu sorgen. Er hat auf ihre Leistungsfähigkeit Rücksicht zu nehmen“ (Abb. 4) In den Ausbildungsunterlagen der Vorarlberger Wanderführer-Ausbildung (Vorarlberger Bergführerverband, 2014, S. 20) wird als zentrale Voraussetzung die Kompetenz genannt: „Die Fähigkeit, seiner Gruppe ständig das Gefühl der Geborgenheit, des Umsorgtseins zu vermitteln“. Bei einer Wanderung („auf markierten Wegen“) sind deshalb unter anderem folgende Aspekte Pflichtteil der Führungsarbeit:  Erforderliche Ausrüstung wie Erste Hilfe-Set mitführen  Zwischeninformationen an markanten Punkten geben  Die Leistungsfähigkeit der Teilnehmenden beurteilen  Wo es Sinn macht, für Marscherleichterung sorgen  Ein Gefühl dafür bekommen, wo eingreifen, und wo laufen lassen  Ziel immer im Auge behalten (auch bei Umwegen, Abkürzungen etc.) Vergleicht man diese Pflichten mit den Anforderungen zeitgemäßer Führung in der Wirtschaft, zeigen sich überraschend viele Ähnlichkeiten in der Führung von Teams und Gruppen:  Die Menschen sollen in einer beschleunigten Welt einen Gipfel nach dem anderen erreichen, dabei aber nicht ausbrennen. Die Leistungsfähigkeit des Einzelnen und des Teams richtig einschätzen ist deshalb zentral für den Umgang mit der VUKA-Welt  Nicht nur Wanderführer müssen, was den Weg zum Ziel angeht, beweglich - agil - bleiben. Das sture Festhalten an Planung wird abgelöst durch angepasste, überschaubare Wegetappen (Sprints in der agilen Welt). Für beide Welten, Wirtschaft und Outdoor, gilt heutzutage der Satz: Planung ist alles, den Plan stur verfolgen ist nichts.  Wanderführer sorgen für die Sicherheit ihrer Gruppe. Früher legte die Führungskraft den Aspekt der Sicherheit auf physische Arbeitssicherheit, heute auf „Psychologische Sicherheit“, so der Artikel des artop-Instituts (Meyer, 2018)  Der Wanderführer soll seiner Gruppe ein Gefühl der Geborgenheit, des Umsorgtseins vermitteln und den Menschen genügend Aufmerksamkeit <?page no="101"?> Abenteuer Führung in Wirtschaft und Outdoorsport 101 schenken. Das Erleben eines positiven, motivierenden Grundgefühls stärkt die Selbstkompetenz. Dies gilt genauso für Mitarbeiter in Unternehmen. Abb. 1: Pflichten eines Wanderführers (eigene Darstellung) 7.3.3 Fragen zum „Abenteuer Führung“ Aus dem Bisherigen ergeben sich in der Verbindung von Outdoorsport und Wirtschaft einige interessante Fragen. Diese können zum Einstieg in die Arbeit mit der Canvas genutzt werden: Ist es ebenfalls Aufgabe einer Führungskraft in Unternehmen, Mitarbeiter auf markierten Wegen zu führen und zu begleiten? Wenn ja, wie sieht die dazugehörige Landschaft aus? Gibt es in der Wirtschaft überhaupt noch viele markierte Wege? Wer bin ich als Führungskraft, wenn ich nicht vorausgehe? Wohin möchte ein Teilnehmer, ein Gast geführt werden? Und wohin ein Mitarbeiter? Bedeutet Führung heute, auf den bisherigen, markierten Wegen zu bleiben oder diese zu verlassen? Wanderführer: „Personen gegen Entgelt bei Bergwanderungen auf markierten Wegen führen und begleiten“ (VA Bergführergesetz) Pflichten: „… vor allem für die Sicherheit der Teilnehmer zu sorgen ...“ Voraussetzung: „Die Fähigkeit, seiner Gruppe ständig das Gefühl der Geborgenheit, des Umsorgtseins zu vermitteln“ (WF-Ausbildung) <?page no="102"?> 102 Leadership und Guiding Die Business Model Canvas 7.4.1 Das Denken in Geschäftsmodellen Mit der Business Model Canvas kann man Geschäftsmodelle darstellen, visualisieren und weiterentwickeln. Die Canvas ist eine (fast) leere Leinwand, die in neun Segmente mit jeweils einer Schlüsselfrage und - perspektive eingeteilt wird (Abb. 4). Die Canvas wurde von Alexander Osterwalder und Yves Peigneur entwickelt und 2010 in ihrem Buch „Business Model Generation“ vorgestellt (Osterwalder, 2011). Aufgrund ihrer Struktur und der damit verbundenen Schlüsselfragen kann das Geschäftsmodell eines Unternehmens, eines Bereiches oder eines Produktes transparent gemacht werden. Alternativ kann eine Idee für ein Geschäftsmodell mit der Canvas systematisch durchgespielt werden. Die Canvas besteht aus neun Feldern [1] Kundensegmente [2] Wertangebote und Kundenutzen [3] Verkaufskanäle [4] Kundenbeziehungen [5] Einnahmequellen [6] Schlüsselaktivitäten [7] Schlüsselressourcen [8] Schlüsselpartner [9] Kostenstruktur Die Business Model Canvas ist die Alternative zum oder vielmehr die Weiterentwicklung des traditionellen Geschäftsplans. Sie wirkt genauso als Impulsgeber für neue Geschäftsmodelle für die digitale Transformation wie als Visualisierungstool für Start-ups. <?page no="103"?> Abenteuer Führung in Wirtschaft und Outdoorsport 103 Abb. 2: Die Business Model Canvas (in Anlehnung an Osterwalder (2019)) 7.4.2 Schlüsselfragen zu den Feldern der Canvas  Wem bieten wir unseren Nutzen an? Für welche Kunden sind wir tätig?  Welchen Kundennutzen stiften unsere Produkte und Dienstleistungen? Welche Bedürfnisse und welche Engpässe befriedigen wir? Welche Probleme lösen wir?  Welche Produkte und Dienstleistungen bieten wir an, damit welcher Kunde einen Nutzen hat? Welche Aufgaben erledigen wir für diesen Kunden?  Wie ist die Beziehung zu unseren Kunden? Welche Art von Kundenbeziehung erwarten unsere Kundensegmente von uns?  Über welche Kanäle wollen unsere Kunden erreicht werden? Welche sind unsere Verkaufskanäle? Wie verbinden wir diese mit dem Kundennutzen?  Welche Schlüsselaktivitäten erfordern unsere Nutzen-Versprechen und Wertangebote?  Welche Schlüsselressourcen brauchen wir? Welche Arten und Formen von Ressourcen? Welche Ressourcen braucht es für welchen Kundennutzen? Key Partners Key Activities Value Propositions Key Resources Customer Relationships Channels Customer Segments Cost Structure Revenue Streams The Business Model Canvas Designed for: Designed by: <?page no="104"?> 104 Leadership und Guiding  Wer sind unsere Schlüsselpartner? Welche Lieferanten, Partner, Netzwerke? Welche Schlüsselaktivitäten kommen von Partnern?  Welches sind die wichtigsten Kosten in unserem Geschäftsmodell?  Für welchen Nutzen sind unsere Kunden bereit, Geld auszugeben? Welche Arten von Einnahmen sind denkbar? Welche Zahlmodelle? Zusammenfassung Die Business Model Canvas ist ein Modell zur Beschreibung, Visualisierung und Veränderung von Geschäftsmodellen. Die Canvas kann zur Analyse der Ist-Situation, zur Weiter- oder Neuentwicklung genutzt werden. Neun Bausteine (oder Felder) stellen dar, wie sich ein Mehrwert (für den Kunden) erzeugen lässt. Alle Bausteine sind miteinander verbunden. Workshop mit der Canvas: Wohin entwickelt sich Führung? Ziel des Workshops war, den Teilnehmenden ein einfaches Werkzeug für ein schnelles Verständnis von Geschäftsmodellen zur Verfügung zu stellen, um zukünftig auch das eigene Geschäftsmodell regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen. Gleichzeitig kann mit der Erstellung einer Führungs-Canvas das Geschäftsmodell und der Wertbeitrag zeitgemäßer Führung diskutiert werden. 7.5.1 Aufgabe: Das Geschäftsmodell Führung Die Aufgabe im Workshop lautete, ein „Geschäftsmodell Führung“ mit der Business Model Canvas darzustellen, zu visualisieren und, wenn möglich, weiterzuentwickeln. Die beiden Arbeitsgruppen „Führung in der Wirtschaft“ und „Führung in Outdoor“ sollten dabei unterschiedliche Aspekte von Führung abbilden und Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede evaluieren. <?page no="105"?> Abenteuer Führung in Wirtschaft und Outdoorsport 105 Abb. 3: Abenteuer Führung (eigene Darstellung) Zur Einstimmung wurden einige zentrale Fragen, die auf der Idee von Geschäftsmodellen basieren, vorgestellt:  Ist Führung ein eigenes „Geschäftsmodell“?  Mit welchem Nutzen für welchen „Kunden“?  Welchen Anteil hat Führung in dieser Denkweise an der betrieblichen Wertschöpfung?  Was ist das dann Wertangebot von Führung? 7.5.2 Fragen zur Führungs-Canvas für die Gruppenarbeit Die Canvas lädt ein, sich als Team bzw. Teamleitung folgende (oder ähnliche) Fragen zu stellen:  Wie sieht das Geschäftsmodell unseres Verantwortungsbereiches aus?  Wer sind die „Kunden“ von Führung, gibt es Priorisierungen, gibt es interne/ externe Kunden?  Welchen Nutzen erbringt Führung für welchen Kunden? Wohin entwickelt sich Führung? Führung als Geschäftsmodell … Was ist das Wertangebot von Führung? … mit welchem Nutzen für welche/ n Kunden? Welchen Anteil hat Führung an der betrieblichen Wertschöpfung? Abenteuer <?page no="106"?> 106 Leadership und Guiding  Welchen Anteil an der betrieblichen Wertschöpfung erbringt Führung?  Welche Kommunikationskanäle unterstützen Führung?  Welcher Art ist die Beziehung zwischen Führungskraft und Kunden?  Welche Schlüsselaktivitäten erfordern die genannten Wertangebote?  Welche Kernaktivitäten stiften welchen Nutzen?  Was braucht es für gute Führung? Welche Schlüsselressourcen braucht es dafür, welche sind vorhanden, welche müssen (weiter) entwickelt werden? Welche Ressourcen verändern sich?  Mit welchen Schlüsselpartnern arbeitet Führung zusammen? Sind diese auch Kunden? 7.5.3 Gruppenarbeit: Wohin entwickelt sich Führung? Zwei Gruppen wurden gebildet und organisierten sich in der Folge selbst.  G1: Guiding im Outdoorsport  G2: Führung in der Wirtschaft Die Arbeit an der Canvas (mit beschrifteten Stellwänden) fand teilweise im Seminarraum und teilweise draußen statt. Die Teilnehmenden konnten neben der inhaltlichen Aufgabe niedrigschwellig das Arbeiten mit der Business Canvas ausprobieren. Die Canvas wurde von allen sukzessive mit Moderationskarten ausgefüllt. Unterschiedliche Sichtweisen und Einschätzungen wurden in der Gruppe diskutiert und ebenfalls visualisiert. Einschätzung der Workshop-Leiterin Karin Wurth: „Die Teams sind oft erstaunt, wie komplex die erbrachte Qualität und Leistung von Führung ist. Wie viele unterschiedliche interne und externe Kunden sie haben. Welche Bedeutung gerade Führungsarbeit für die unternehmerische Wertschöpfung besitzt. Ich finde es auch beeindruckend, wie engagiert viele Teilnehmende gerade ihren Schlüsselpartnern und -kunden einen Platz auf der Canvas geben.“ auf der folgenden Seite: Abb. 4: Ausschnitte Führungs-Canvas (eigene Darstellung) <?page no="107"?> Abenteuer Führung in Wirtschaft und Outdoorsport 107 <?page no="108"?> 108 Leadership und Guiding 7.5.4 Learnings der Teilnehmenden aus dem Workshop Abb. 5: Erkenntnisse im Workshop (eigene Darstellung) Einige Erkenntnisse der Workshop-Leiterin zur Methodik  Die Logik des Denkens in Geschäftsmodellen war teilweise fremd, insbesondere in der Outdoorgruppe  Durch die partizipative Arbeitsform und dem unkomplizierten Setting (zwei Gruppen mit jeweils 10-12 Personen im Halbkreis um eine Stellwand) war der „Einladungscharakter“ von Methode und praktischer Übung trotzdem für alle sehr hoch  Gruppenmitglieder, die sich vorher nicht kannten und erstmals mit der Canvas arbeiten, brauchen ausreichend Zeit, ihre Nennungen einander jeweils vorzustellen. Es macht Sinn, diese zumindest teilweise kurz andiskutieren zu lassen.  Gruppen von Menschen, die sich kaum kennen, neigen dazu, einen Sprecher zu suchen, der oder die in Folge die meiste Arbeit übernimmt, während die anderen, meist in Kleingruppen, diskutieren. Hier hilft ein kurzer Impuls von außen, der an die Regeln (jeder arbeitet mit, es gibt keinen Moderator) erinnert  Der größte Diskussionsbedarf erzeugt die Frage, wer ist eigentlich der Kunde, und welchen Nutzen schafft Führung. Deshalb kann die Canvas auch als Einstieg in einen tieferen Austausch zum Thema Führung eingesetzt werden beispiel‐ hafte- Learnings aus-der- Führungs‐ Canvas Abweichende Nennungen und unterschiedliche Einschätzungen sind wertvoll, bereichern die Canvas und werden der Komplexität eher gerecht als geschlossene Modelle. Selbstreflexion, Risikobewertung und mentale Stärke als Basis der Führung im Outdoorsport spielen auch in den Wirtschaft eine wachsende Rolle: Hier kann die Wirtschaft von Outdoor lernen. „Rituale“ als Nennung der Outdoorgruppe kann auch eine wichtige, bisher meist unterschätzte Ressource für Führung in der Wirtschaft sein. Das Wertangebot „Struktur“ der Gruppe Wirtschaft findet sich in den Schlüsselaktivitäten der Gruppe Outdoor wieder. Im Rahmen der Digitalisierung nimmt „Struktur“ an Bedeutung zu. <?page no="109"?> Abenteuer Führung in Wirtschaft und Outdoorsport 109 Wie könnte man nach diesem Auftakt mit der Führungs-Canvas weiterarbeiten? Möglichkeiten der Weiterarbeit 7.6.1 Der Faktor Digitalisierung Mit der Digitalisierung, verstärkt durch agile, stärker selbstorganisierte Arbeitsweisen im Team, verändert sich die Sicht auf Nutzen und Wertschöpfungsanteil von Teams und Führung. Kundenlösungen und -nutzen sollen schneller und direkter erbracht werden: Weg von einer Sicht der „Verwaltung“, hin zu einem expliziten Servicecharakter der Teams. Dadurch verändert sich die zentrale Frage, welche Qualität von Führung es dafür braucht. Führung als Geschäftsmodell zu sehen und dieses als Führungsteam zu visualisieren bringt noch einen weiteren Nutzen mit sich: Vor der bunt beklebten Canvas fällt vielen Führungskräften zum ersten Mal auf, was sie alles leisten, in welcher Breite und Tiefe, und für welche Kunden, Partner und Stakeholder. Mit Hilfe der Canvas setzen sie sich aktiv damit auseinander, worin ihr Beitrag an der betrieblichen Wertschöpfung besteht. Die Führungs-Canvas ist deshalb nicht nur ein unkompliziertes Werkzeug, einen strukturierten Blick auf Kunden, Nutzen, Aktivitäten, Ressourcen eines Geschäftsmodells Führung zu werfen. Die Canvas unterstützt auch Selbstreflexion und Selbstverständnis von Führungskräften nach innen und außen. Möglicher Einsatz für einzelne Führungskräfte  Zur Sortierung, Visualisierung und Priorisierung ihrer Aufgaben und zur Schärfung des Profils  Als Grundlage für den Austausch zweier Gruppen (nach Alter / Betriebszugehörigkeit / hierarchischer Zuordnung etc.), um ins Gespräch und ins „Aushandeln“ zu kommen  Zum Selbstmarketing gegenüber der Geschäftsleitung, z.B. zur Legitimierung des Budgets  Zur Abgrenzung: Was biete ich nicht an? <?page no="110"?> 110 Leadership und Guiding  Zur Diskussionsvorlage, welche Führungsaktivitäten verteilt oder ausgelagert werden können, oder für die Trennung in fachliche und disziplinarische Führung Für die ganze Organisation (Wirtschaft und Outdoor)  Als Start für einen Strategie-Workshop zur Führungskräfteentwicklung  Zur Weiterentwicklung eines „Geschäftsmodells Führung“ und Verknüpfung mit den strategischen Zielen der Organisation  Im Einsatz zur Teamentwicklung und -stärkung von Führungskräften, z.B. Weiterarbeit mit Schwerpunkt Aktivitäten und Ressourcen  Zum Bewusstmachen von Einflussfaktoren, die Veränderung in der Führung mit sich bringen  Für Großveranstaltungen wie Innovationscamps, um mit der Frage nach dem Kundennutzen und dem Anteil an der Wertschöpfung von Führung zurück zu den Wurzeln zu gehen  Als Methode zur Digitalisierung von Geschäftsmodellen Schlusswort Leadership und Guiding, das Thema des 7. Kongresses, zeigt, wie nahe sich Führung im Outdoorbereich und in der Wirtschaft (gekommen) sind. Ausgelöst durch den digitalen Wandel, einer sich beschleunigenden Globalisierung und der Verbreitung agiler Arbeitsweisen sind folgende Gemeinsamkeiten festzustellen:  Die Pflichten des Wanderführers, für die Sicherheit der Teilnehmer zu sorgen und der geführten Gruppe ein Gefühl der Geborgenheit, des Umsorgtseins zu vermitteln, erinnern verblüffend an aktuelle Forschungsergebnisse zur psychologischen Sicherheit (Psychological Safety), die für funktionierende Teams essentiell sind (vgl. artop, 2018)  Sowohl im Outdoorbereich draußen in der Landschaft wie auch in der VUKA-Landschaft der Wirtschaft bedeutet Führung auch Landschaftsgestaltung. Hier wie dort sind die wenigsten Wege eben, gerade und einsichtig. Beide Bereiche eint, dass Führung den Kontext von Mensch, Gruppe, Organisation, Landschaft und System immer mitdenken und mit berücksichtigen muss <?page no="111"?> Abenteuer Führung in Wirtschaft und Outdoorsport 111  Führung ist heutzutage, gerade in der Wirtschaft, kein Knotenpunkt in der Hierarchie mehr, der der Führungskraft qua Position Macht, Status und Besitzstand zusichert. Führung bewegt sich von einer Kontroll- und Entscheidungshoheit zu einer neuen Rolle, die durch Dialog, Beziehungsmanagement und dem permanenten Aushandeln von Zusammenarbeit geprägt wird: Führung heute, im Outdoorsport wie in der Wirtschaft, ist ein Abenteuer. Literatur Baumann-Habersack, F. (2017). Mit neuer Autorität in Führung gehen. Warum wir heute präsenter, beharrlicher und vernetzter führen müssen. Heidelberg: Springer. Clark, T. / Hazen, B. (2017). Business Models für Teams. Frankfurt am Main: Campus. Osterwalder, A.(2019). https: / / strategyzer.com/ canvas/ business-model-canvas Osterwalder, A. / Pigneur, Y. (2011). Business Model Generation. Ein Handbuch für Visionäre, Spielveränderer und Herausforderer. Frankfurt am Main: Campus. Meyer, H.A. (2018). Psychologische Sicherheit. Das Fundament gelingender Arbeit im Team. artop - Institut an der Humboldt-Universität zu Berlin. S. 190-201 Schallmo, D. (2018). Geschäftsmodelle erfolgreich entwickeln und implementieren. Wiesbaden: Springer Gabler. Wurth, K. (2018). Neuland. Coaching im Umfeld agiler Landschaft. Artikel im Coaching-Magazin 2/ 2018. Gesetz über das Bergführerwesen (Bergführergesetz), Stand 2014, Vorarlberger Bergführerverband. Wanderführer Vorarlberg. Wanderführerkurs (2014). Hrsg: Vorarlberger Bergführerverband. <?page no="113"?> 8 Blinder Fleck beim Lerntransfer - Die Transferstärke-Analyse bringt Licht ins Dunkel Axel Koch <?page no="114"?> 114 Leadership und Guiding Zusammenfassung Die Umsetzung von Lernerkenntnissen ist oft schwer. Das wissen die meisten Teilnehmer von Seminaren bzw. Trainings auch. Allerdings eher in der Art eines Gefühls als im Detail. Welche konkreten Einflussfaktoren auf den Lerntransfer bei ihnen eine Rolle spielen, ist ihnen nicht klar. Und auch nicht, wie sie sich besser steuern können, damit die Umsetzung in der Praxis effizient und erfolgreich funktioniert. Genau an diesem Punkt setzt die Transferstärke-Analyse an. Dieser Test macht Teilnehmern mit wenig Aufwand sichtbar, welche Stärken und Risiken für den Lerntransfer bestehen und wie sie hier Abhilfe schaffen können. Damit bietet die Transferstärke-Analyse einen völlig neuen Zugang zu einem viel zitierten Problem in der Fort- und Weiterbildung - nämlich dem mangelnden Lerntransfer. Einführung „Ich stelle mich manchmal vielleicht selbst zu schlecht dar. Ich bin eher jemand, der tiefstapelt. Denn es ist mir ein Gräuel zu prahlen, was ich Tolles geleistet habe“, sagt Bernd, 34 Jahre, in der Erwartungsabfrage zu Beginn des Kommunikationstrainings. Sein Chef habe ihm gesagt, er müsse mehr für seine „visibility“ tun, damit er seinen nächsten Karriereschritt als Führungskraft schafft. Er will lernen, sich und seine Leistungen besser zu vermarkten. Bernd ist einer von zwölf Teilnehmern, die mit unterschiedlichsten Zielen und Erwartungen das zweitägige Training besuchen. Wenn Teilnehmer wie Bernd Soft Skills-Seminare bzw. Trainings besuchen, dann haben sie in erster Linie die Lernziele und die Inhalte im Blick. Da geht es um Themen wie Kommunikation, Verkauf, Zeitmanagement oder Führung. Sie denken, dass sie das Gelernte schon umsetzen werden, wenn sie genügend Motivation und Änderungswille haben. Oder sie sehen den Trainer in der Pflicht, an dem es letztlich liegt, ob ihnen ein Seminar später im Alltag etwas bringt. Genauso denken auch die Chefs, die ihre Mitarbeiter entsenden. Doch bei all dem wird eines übersehen. Unter der Oberfläche schlummern verschiedene Risiken für den Lerntransfer, die kaum einem bekannt sind. Es gibt also einen blinden Fleck und der trägt dazu bei, dass gute Vorsätze so oft scheitern. Das bedeutet am Ende Zeitvergeudung, Frustration und oft auch die Aufgabe von eigenen Veränderungszielen. <?page no="115"?> Blinder Fleck beim Lerntransfer 115 Anstatt sich zu verbessern, bleibt alles beim Alten. Und das Geld für einen Trainingsbesuch war auch umsonst. Das Thema „Lerntransfer“ ist daher für die Teilnehmer selbst als auch für die Firmen von hoher Bedeutung. Lerntransfer bedeutet dabei, dass in einer Fortbildungsmaßnahme gelerntes Wissen bzw. erworbene Fertigkeiten und Haltungen danach auch generell im Arbeitsalltag über eine längere Zeit gezeigt werden (Baldwin & Ford, 1988, S. 64). Wie die 9. IW-Weiterbildungserhebung 2017 vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln zeigt, waren im Jahr 2016 rund 85 % der Unternehmen in Deutschland mit verschiedensten Maßnahmen in der Weiterbildung aktiv. Hochgerechnet gaben die Firmen dabei 33,5 Milliarden Euro an direkten und indirekten Kosten aus (Seyda & Placke, 2017). Lerntransfer betrifft also einen Großteil der Unternehmen. Deren Hoffnung ruht in der Regel auf den Trainern. Doch die sind streng genommen im Blindflug unterwegs. Sie können zwar in einem Training die Motivation der Teilnehmer anhand deren Mimiken und Aussagen erkennen, haben aber keine Ahnung, welche konkreten Risiken für den Lerntransfer jeder Teilnehmer mitbringt und was sie als Unterstützung leisten können, damit der Einzelne das Gelernte in seinem Arbeitsalltag optimal umsetzt. Genau an diesem Punkt setzt eine neue Lösung an, die den Lerntransfer proaktiv sicherzustellen hilft. Die Lösung ist ein psychologischer Test namens Transferstärke-Analyse. Dieser macht Teilnehmern mit wenig Aufwand sichtbar, welche Stärken und Risiken für den Lerntransfer bei ihnen bestehen und wie sie hier Abhilfe schaffen können. Der Trainer bekommt auf seiner Seite eine nie dagewesene Transparenz zu seinen Teilnehmern und erfährt, wie er besser den Lerntransfer steuern kann. Damit bietet die Transferstärke-Analyse einen völlig neuen Zugang zu einem viel zitierten Problem in der Fort- und Weiterbildung - nämlich dem mangelnden Lerntransfer (vgl. z.B. Baldwin & Ford, 1988; Saks & Belcourt, 2006; Gris, 2008; Koch, 2010; Grossman & Salas, 2011; Saks, Salas, & Lewis, 2014; Weinbauer 2015, Hughes et. al., 2018) Doch die Lösung „Transferstärke-Analyse“ geht über das Thema Lerntransfer hinaus. Sie macht Teilnehmern überdies ihre Selbstverantwortung für den Lerntransfer bewusst und fördert zugleich deren Lern- und Selbstveränderungskompetenz. Sie leistet damit einen wesentlichen Beitrag, um Mitarbeiter in ihrer Rolle als selbstverantwortlicher Lerner zu stärken. Denn genau das wünschen sich die Firmen unter dem Stichwort „Lernen 4.0“ angesichts der Digitalisierung und des ständigen Wandels von ihren Mitar- <?page no="116"?> 116 Leadership und Guiding beitern. (vgl. z.B. Erpenbeck & Sauter, 2013; Reimann, 2015, Eckelt & Sauter, 2016; Kortsch, Paulsen & Kauffeld, 2019; Mesmer, 2019). Diese Stärkung ist auch dringend nötig, wie die wohl größte Studie in Deutschland von Graf, Gramß & Heister (2016) an rund 10.000 Mitarbeitern zeigt. Auf der einen Seite haben die befragten Mitarbeiter verstanden, dass sich die Arbeitswelt rasant verändert und sie sich daher ebenfalls verändern müssen. So gut wie alle Teilnehmer (98 %) geben an, sich der Bedeutung des Lernens aufgrund sich verändernder Anforderungen bewusst zu sein. Auf der anderen Seite scheitern sie aber bei ihren Lernbemühungen und der Umsetzung. So sehen z.B. nur 27 % bei sich eine hohe Transferfähigkeit. Und hier setzt die bereits erwähnte Transferstärke- Analyse und das dahinterstehende Transferstärke-Modell an. Das Transferstärke-Modell Der Fokus des Transferstärke-Modells liegt auf den erforderlichen Einstellungen Selbststeuerungsfertigkeiten, die für den Lerntransfer bedeutsam sind. Denn die Bedeutung des Themas „Transfermotivation“ ist bereits gut untersucht (vgl. z.B. Ford & Weissbein, 1997; Grohmann, Beller & Kauffeld, 2014; Tonhäuser & Büker, 2016). Der Begriff „Transferstärke“ ist vor diesem Hintergrund definiert als persönliche Kompetenz, Lern- und Veränderungsimpulse selbstverantwortlich, erfolgreich und nachhaltig in der Praxis umzusetzen. Dabei können diese Impulse aus Seminaren und Trainings, Outdoorveranstaltungen aber auch aus E-Learnings oder aus einem Video stammen. Der Ausgangspunkt bei der Entwicklung des Modells bestand in der Sichtung von Theorien, Modellen und empirischen Befunden aus der Therapie- und Lerntransferforschung, um einen Überblick zu erhalten, welche Einflussfaktoren auf Seiten der Person den Lern- und Veränderungserfolg bestimmen (vgl. z.B. Bandura, 1977; Meichenbaum, 1977; Marx, 1982; Prochaska & DiClemente, 1983; Marlatt & Gordon, 1985; Marx, 1993; Baldwin & Ford, 1988; Mc Call, Lombardo und Morrison, 1988; Prochaska, DiClemente, & Norcross, 1992; Prochaska, Norcross, & DiClemente, 1994; Prochaska, Redding, & Evers, 1997; Larimer, Palmer & Marlatt, 1999; Polivy, 2001; Naquin & Baldwin, 2003; Buchhester, 2003; Kanfer, Reinecker & Schmelzer, 2006; Gollwitzer & Sheeran, 2006; Storch & Krause, 2007; Jack, 2007; Fydrich, Sommer & Brähler, 2007; Gnefkow, 2008; Kauffeld, Bates, Holton & Müller, 2008; Deimann, Weber & Bastiaens, 2008; Stewart, Palmer, Wilkin & Kerrin, 2008). <?page no="117"?> Blinder Fleck beim Lerntransfer 117 Insgesamt flossen etwa 18 Modelle in das an rund 2.500 Probanden faktorenanalytisch entwickelte Transferstärke-Modell ein. Ergänzend zur Literaturrecherche erfolgten 20 explorative Befragungen von Experten (Personalentwickler, Führungskräfte, Trainer). Im Folgenden werden nun die vier Faktoren der Transferstärke näher beschrieben:  Faktor 1 - Offenheit für Fortbildungsphase: Offenheit ist die zentrale Grundlage für jede Weiterentwicklung. Menschen mit einem hohen Wert bei diesem Faktor haben eine positive Einstellung gegenüber Fortbildungen und damit verbundenen Veränderungsimpulsen. Sie empfinden Inhalte und Übungen als nützlich. Sie lassen sich auf Neues und Ungewohntes ein. Es gelingt ihnen, gelernte Verhaltensregeln auf sich selbst passend anzuwenden.  Faktor 2 - Selbstverantwortung für den Umsetzungserfolg: Selbstverantwortung für den Umsetzungserfolg bedeutet, dass es aktive Bemühungen gibt, gelernte Inhalte in die Tat umzusetzen. Menschen mit einem hohen Wert bei diesem Faktor ergreifen die Initiative und sind aktiv, um aus ihrem bisherigen Trott zu kommen. Dies gelingt ihnen, weil sie gut in der Lage sind, sich selbst zu motivieren und sich selbst neue Methoden und Fertigkeiten zu erarbeiten oder ungünstige Verhaltensweisen zu verändern. Sie machen sich klar, in welchen Schritten sie vorgehen müssen, um ein gewünschtes Verhalten zu erreichen. Sie haben die nötige Umsetzungsenergie und lassen sich auch nicht durch anfänglichen Mehraufwand und Anstrengungen von ihren Vorsätzen abbringen. Bereits in einer Fortbildung sind sie aktiv und nutzen Übungsmöglichkeiten, um an ihren Themen zu arbeiten. Aber auch nach einer Fortbildung sind sie aktiv und suchen sich gezielt Übungsmöglichkeiten und Informationen zur weiteren Vertiefung. Wenn sie nicht richtig vorankommen, holen Sie sich gezielt Hilfe für die Umsetzung der gelernten Inhalte. Dazu gehört auch, Menschen aus ihrem Umfeld einzubeziehen, die sie erinnern, wenn sie geplante Verhaltensänderungen nicht umsetzen - und die sie darin unterstützten, die Rahmenbedingungen förderlich zu gestalten.  Faktor 3 - Rückfallmanagement im Arbeitsalltag: Die Umsetzung von gelernten Inhalten steht meistens im zeitlichen Konflikt mit den Anforderungen des Tagesgeschäfts. Dieses fühlt sich dringend und wichtig an, so dass gute Vorsätze schnell ins Hintertreffen gelangen. Menschen mit einem hohen Wert bei diesem Faktor beherrschen geeignete Strategien, um aus der „eigenen Komfortzone“ gewohnter Handlungsweisen auszubrechen. Sie priorisieren die Umsetzung von Lernerkenntnissen <?page no="118"?> 118 Leadership und Guiding und lassen sich nicht durch vermeintlich dringende Themen und dem spontanen Geschehen ablenken. Sie schätzen realistisch ein, was es an Zeit und Veränderungsaufwand braucht, sind geduldig mit sich und schaffen sich die erforderlichen Zeiträume. Ihnen gelingt es, sich auch unter Stress und Zeitdruck so zu steuern, dass sie sich an die Umsetzung neuer Denk- und Verhaltensweisen erinnern.  Faktor 4 - Positives Selbstgespräch bei Rückschlägen: Das Bestreben, Gewohnheiten zu ändern oder Neues zu lernen ist oft begleitet von Rückfällen in alte Muster, Fehlschlägen, unerwartet hohem Energieaufwand und Phasen der Frustration und Lustlosigkeit. Die Art des inneren Selbstgesprächs bei diesen Rückschlägen entscheidet darüber, ob Lern- und Veränderungsziele aufrechterhalten werden. Entscheidend ist eine positive und optimistische Grundeinstellung. Menschen mit einem hohen Wert bei diesem Faktor sehen Rückfälle in alte Muster als normal an. Ihnen ist klar, dass Einstellungs- und Verhaltensänderungen nicht auf Anhieb gelingen - geschweige denn von heute auf morgen passieren. Sie sehen kleine und kleinste Fortschritte in ihren Bemühungen und „feiern“ diese Erfolge. Sie sind zuversichtlich, dass sie früher oder später ihr Lern- und Veränderungsziel erreichen werden. All das trägt dazu bei, am Ball zu bleiben. Sie haben außerdem ein gutes Gefühl für den Nutzen, der sie erwartet, wenn sie ihr Ziel erreicht haben.  Unterstützendes Umfeld: Ergänzend zu den vier Faktoren der Transferstärke wurden auch noch drei Aspekte des Umfelds aufgenommen, die laut Lerntransferforschung als besonders wichtig einzustufen sind. Förderlich ist, wenn der eigene Chef und die Kollegen auf Lernbemühungen und Trainingsbesuche ermutigend und unterstützend reagieren und ein Teilnehmer die nötige Zeit für Neues und Übung hat. Somit kann auch das wichtige Wechselspiel zwischen persönlicher Transferstärke und dem Umfeld für einen wirksamen Lerntransfer betrachtet werden. Die Idee der Transferstärke-Analyse Die Idee der Transferstärke-Analyse ist ganz einfach und soll hier am Beispiel eines Trainings verdeutlicht werden. Trotz aller Digitalisierung sind nämlich Trainings nach wie vor sehr verbreitet, wie die managerSeminare- Trendstudie Weiterbildungsszene Deutschland 2018 beschreibt. Dabei sind Soft Skills, Führungsfähigkeiten, Sozialkompetenzen und die damit verbundenen Schlüsselqualifikationen mit Abstand die zentralen Inhalte der be- <?page no="119"?> Blinder Fleck beim Lerntransfer 119 fragten Weiterbildner. Befragt wurden hierzu 1.169 Trainer, Coaches und Weiterbildungsanbieter (Graf, 2018). Kehren wir zurück zu Bernd, der das eingangs erwähnte Kommunikationstraining besucht. Wie sieht in dem Fall der Einsatz der Transferstärke- Analyse aus. Einen Überblick dazu gibt das Schaubild. Abb. 1: Einsatz der Transferstärke-Analyse im Training Schritt 1: Vor dem Training Der Trainer lädt vor dem Training seine Teilnehmer per Mail zur Teilnahme an der Transferstärke-Analyse ein, die als Online-Fragebogen verfügbar ist. Ergänzend dazu gibt es ein kurzes Video, das dem Teilnehmer den Sinn und Nutzen der Transferstärke-Analyse vermittelt. Der Teilnehmer bearbeitet dann den rund 50 Aussagen umfassenden Fragebogen. Dazu steht ihm eine sechsstufige Skala von „trifft nicht zu“ bis „trifft voll zu“ zur Verfügung. Beispiele für die Fragen lauten:  Handlungsempfehlungen, die nicht meinen Erfahrungen entsprechen, empfinde ich als graue Theorie.  Um ein gewünschtes Verhalten zu erreichen, mache ich mir klar, in welchen Schritten ich am besten vorgehen muss.  Es entmutigt mich, wenn ich in alte Verhaltensmuster zurückfalle. Die Bearbeitungszeit beträgt 10-15 Minuten. Typischerweise finden die Teilnehmer den zeitlichen Aufwand gut machbar. ➊ vor dem Training ➋ im Training ➌ nach dem Training Übersendung Zugangslink zur Transferstärke- Analyse® (inkl. Info-Video) Transferstärke- Analyse® (Online-Test) (ca. 10-15 Min.) Übersendung Transferstärke- Report (inkl. Erklärvideos) Teilnehmer holt sich Inhalte zu seinem Lernziel im Training und erstellt für sich am Ende in der „Lerntransfer- Einheit“ einen Aktionsplan  Was will ich umsetzen (Vorsatz/ Lernziel)?  Welche Handlungstipps aus dem Transferstärke-Report will ich beachten? selbst mit Handlungstipps und Lernverlaufskurve arbeiten schriftliches Feedback optional: weiteres Feedback nach ca. 1 Monat nach ca. 2 Monaten <?page no="120"?> 120 Leadership und Guiding Die Teilnehmer erhalten dann zeitnah ihre personalisierten Auswertungsberichte im PDF-Format per Mail übersendet. Der Report besteht aus rund 40 Seiten. Ergänzend zu dem Report erhalten sie auch einige kurze Erklärvideos, die ihnen helfen, sich schnell in dem Report zurechtzufinden und mit den Ergebnissen wirksam zu arbeiten. Damit verbunden erhalten die Teilnehmer die Aufgabenstellung, sich mit ihrem Report und den Videos vor dem Training zu befassen. Sie sollen dann ihre Überlegungen und ihren Report mit ins Training bringen, um damit in der anstehenden Einheit zum Thema „Lerntransfer“ weiterzuarbeiten. Zur Illustration ist hier das Transferstärke-Profil von Bernd abgebildet. Abb. 2: Auszug Transferstärke-Auswertungsbericht Die Zahlen pro Faktor drücken die Ausprägung in Prozent aus. Werte über 80 % sind als Stärke definiert und bekommen die Farbe „Grün“, Werte über 50 bis 80 % stellen ein Potenzialfeld dar und sind gelb gekennzeichnet. Die Farbe Rot ist für Werte von 50 % und weniger. Sie verdeutlicht klar Risikobereiche. Wie die Abbildung zeigt, hat Bernd sein größtes Lerntransfer-Risiko beim Faktor „Rückfallmanagement im Arbeitsalltag“ (45 %). Aber auch der Faktor „Selbstverantwortung für den Umsetzungserfolg“ ist mit einem Wert von 68 % ausbaufähig. Vor diesem Hintergrund möchte Bernd natürlich gerne wissen, was er tun muss, um diese Risiken zu überwinden. Dazu gibt es im Report die persönlich auf ihn abgestimmte Seite „So stärken Sie Ihre Transferstärke“. Die 4 Faktoren der Transferstärke Steuern Sie Ihren Unternehmenserfolg Hier sehen Sie Ihr Ergebnis für die 4 Faktoren, die in Summe Ihre Transferstärke ausmachen. Jeder Faktor ist eine wichtige Stellschraube, mit der Sie Ihren Lern- und Umsetzungserfolg steuern. Die Beschreibung der einzelnen Faktoren und nähere Details zu Ihren Auswertungsergebnissen lesen Sie auf den folgenden Seiten. Offenheit für Fortbildungsimpul se Selbstverantwortung für den Umsetzungserfolg Rückfallmanagement im Arbeitsalltag positives Selbstgespräch bei Rückschlägen 80 % 45 % 68 % 84 % Stärke-(80-%-- 100-%) Risiko-(50-%-und-weniger) Potenzial-(>-50-%-- <-80-%) Stärke-(80-%-- 100-%) ❶ <?page no="121"?> Blinder Fleck beim Lerntransfer 121 Abb. 3 To-Do-Liste zur Stärkung der eigenen Transferstärke Zum Thema „Rückfallmanagement“ bekommt Bernd in seinem Report zwei Tipps angezeigt. Ein Tipp davon ist z.B. eine spezielle, gut beforschte Technik namens Aktives Rückfallmanagement (z.B. Marx, 1982; Marlatt & Gordon, 1985; Marx, 1993; Larimer, Palmer & Marlatt, 1999), die wirksam hilft, ungünstige Verhaltensweisen zu verändern. Im Kern geht es darum, die Vorboten von Rückfällen in alte Gewohnheiten zu kennen und zu wissen, wie man dann rechtzeitig gegensteuert. Indem sich Bernd nun mit diesem Bereich seines Lerntransfer-Risikos befasst, hat er einen Doppelnutzen: Er weiß, wie er bei seinem aktuellen Thema seinen Lernerfolg sicherstellen kann, und zugleich lernt er die Rückfallmanagement-Technik, die ihm bei allen künftigen Veränderungsvorhaben hilft. Der Trainer bekommt auf der Basis der einzelnen Auswertungsreporte in einem Gruppenprofil einen Überblick über seine gesamte Trainingsgruppe, wie die Abbildung 3 zeigt. To-Do-Liste So stärken Sie Ihre Transferstärke Sie kennen nun Ihr persönliches Transferstärke-Profil und Ihre Ausprägung auf den 4 Faktoren der Transferstärke. Die folgende To-Do-Liste gibt Ihnen einen schnellen Überblick, mit welchen Maßnahmen Sie Ihre Transferstärke stärken können. So gelingt es Ihnen, aktuelle und künftige Lern-/ Veränderungsziele erfolgreich zu gestalten. Genauere Hinweise zu den einzelnen Maßnahmen lesen Sie auf den folgenden Seiten. Offenheit für Fortbildungsimpulse Selbstverantwortung für den Umsetzungserfolg Rückfallmanagement im Arbeitsalltag positives Selbstgespräch bei Rückschlägen Übungen als geschützten Raum beachten (Seite 20) kleine machbare Teilschritte definieren (Seite 21) Nutzen vor Augen halten (Seite 22) Verbindlichkeit erhöhen (Seite 23) Vorboten erkennen für Rückfallvorbeuge (Seite 24) keine Maßnahme erforderlich Stärke-(80-%-- 100-%) Risiko-(50-%-und-weniger) Potenzial-(>-50-%-- <-80-%) Stärke-(80-%-- 100-%) ❷ <?page no="122"?> 122 Leadership und Guiding Name Teilnehmer Teilnehmer A Teilnehmer B Teilnehmer C Teilnehmer D Teilnehmer E Teilnehmer F Teilnehmer G Teilnehmer HL Teilnehmer I Teilnehmer J Teilnehmer K Teilnehmer L Transferstärke (gesamt) 47 50 57 60 66 67 69 70 70 72 79 90 Offenheit für Fortbildungsimpulse 55 30 45 65 75 75 85 75 85 80 85 100 Selbstverantwortung für den Umsetzungserfolg 44 58 72 62 74 68 82 72 60 68 82 82 Rückfallmanagement im Arbeitsalltag 25 30 35 40 30 55 45 45 50 45 60 85 Positives Selbstgespräch bei Rückschlägen 64 64 52 68 72 68 48 80 92 84 84 100 Unterstützendes Umfeld (gesamt) 44 38 47 58 31 60 76 49 58 35 62 64 Chef kümmert sich um Transferförderung 40 40 20 20 20 53 40 20 0 13 47 0 Kollegen motivieren für Umsetzung 45 55 85 75 35 80 95 65 90 40 80 100 Zeit für Neues und Übung 50 0 10 80 40 30 90 60 80 50 50 90 Abb. 4: Transferstärke-Werte für eine Trainingsgruppe In der Gruppenauswertung sind für jeden Teilnehmer die Werte aus dem Einzelreport sichtbar. In dem dargestellten Profil lässt sich erkennen, dass besonders zwei Teilnehmer - nämlich A, B - sowohl in ihrer Transferstärke als auch angesichts ihres Umfelds ein hohes Risiko haben, Lernimpulse nicht umzusetzen. Mindestens mit diesen Teilnehmern müsste der Trainer im Vorfeld zu der Trainingsmaßnahme sprechen, um herauszufinden, was diese Teilnehmer brauchen, um offen in die Veranstaltung zu gehen. Genauso mit Teilnehmer C, der nahe dem roten Bereich liegt und der auch eine recht geringe „Offenheit für Fortbildungsimpulse hat“. Gerade bei solch transferschwachen Teilnehmern reicht es erfahrungsgemäß nicht aus, diesen nur ihren Report und die begleitenden Erklärvideos zu übersenden. Darüber hinaus zeigen sich für drei Felder über die ganze Gruppe besondere Risiken für die Umsetzung. Die Mehrzahl der Teilnehmer ist schlecht aufgestellt zum Thema Rückfallmanagement im Arbeitsalltag, etwa die Hälfte hat wenig Zeit für Neues und Übung in ihrem Arbeitsalltag und alle Chefs kümmern sich nicht sonderlich um Transferunterstützung - würden also gar nicht merken, wenn ihre Mitarbeiter nichts des Gelernten umsetzen. Mit diesem Gruppenprofil vor Augen hat der Trainer die Chance, ein transferförderliches Trainingsdesign zu entwickeln, was sich z.B. darin ausdrückt, spezielle Lernprojekte zu definieren, die zeitlich machbar sind und <?page no="123"?> Blinder Fleck beim Lerntransfer 123 für die sich dann auch die Chefs der Teilnehmer interessieren und nachhaken. Schritt 2: Im Training Im Training gibt es eine ca. einstündige Einheit für den Lerntransfer. In Verbindung mit den eigenen Transferstärke-Ergebnissen erfolgt nun die Betrachtung auf zwei Ebenen. Nämlich Ebene 1 - was will ich umsetzen? (Vorsatz/ Lernziel) und Ebene 2 - welche Handlungstipps aus dem Transferstärke-Report muss ich zwingend beachten, damit die Umsetzung auch funktioniert. Um sich diesen beiden Fragen zu widmen, kann der Trainer z.B. seine Teilnehmer bitten, zu zweit zusammenzugehen und diese Punkte zu erörtern und aufzuschreiben. Am Ende hat dann jeder eine „transferstarke Umsetzungsstrategie“ für seine Vorsätze, mit denen er aus dem Training geht. Schritt 3: Nach dem Training Nach dem Training verfolgen die Teilnehmer ihre Umsetzung mit der sog. Lernverlaufskurve, die auch im Transferstärke-Auswertungsreport enthalten ist. Sie dient dazu, dass sie ihre Veränderungsfortschritte erkennen und sehen, inwiefern ihnen die Tipps aus den To-Do-Listen bei der Umsetzung geholfen haben. Sie ist für einen Zeitraum von acht Wochen ausgelegt. Denn dies ist der typische Zeitraum, um ein Veränderungsziel einen guten Schritt voranzubringen. Die Idee dabei ist, dass sich die Teilnehmer einmal die Woche an einem festen Tag 5-10 Minuten Zeit nehmen und sich dabei Gedanken zu den folgenden zwei Themen machen: Zuerst überlegen sie, wie gut sie ihr Veränderungsziel erreicht haben. Sie schätzen ein, wo sie sich sehen und kreuzen den entsprechenden Smiley auf einer Skala an. Als Zweites überlegen sie, wie ihr Erfolg bzw. Misserfolg mit ihrem Testergebnis und den Tipps aus dem Report zusammenhängt. Die Leitfrage ist: wie gut haben die Tipps geholfen, die Umsetzung sicherzustellen. Was muss ich ggfs. noch optimieren? Der Teilnehmer notiert die wichtigsten Gedanken als Fazit. Und so geht es dann Woche für Woche weiter. Sollte ein Teilnehmer merken, dass er gar nicht vorankommt - also dreimal in Folge den roten Negativ-Smiley angekreuzt haben, dann meldet er sich beim Trainer, damit dieser ihn berät. <?page no="124"?> 124 Leadership und Guiding Abb. 5: Erfolgsmessung mit der Lernverlaufskurve Um seine Teilnehmer bei der Umsetzung am Ball zu halten und auch zu erfahren, wo der Einzelne steht, schickt der Trainer nach etwa ein Monat eine Mail an seine Teilnehmer und bittet um ein kurzes schriftliches Feedback zum aktuellen Stand der Umsetzung und zu offenen Fragen. So kann er ggfs. weitere Impulse geben. Darüber hinaus macht es Sinn, diese Abfrage auch nochmal nach zwei Monaten zu wiederholen, um so den Lerntransfer und die Arbeit mit dem Transferstärke-Profil weiter zu fördern. Das hängt dann aber immer vom Trainingsprojekt und dem Teilnehmerkreis ab. Einzigartig in der Testlandschaft Abschließend soll an dieser Stelle kurz beleuchtet werden, welchen Mehrwert die Transferstärke-Analyse im Vergleich zu sonstigen gängigen Instrumenten hat. Insgesamt setzen Firmen bereits verschiedene Persönlichkeitsinstrumente ein, um ihren Mitarbeitern deren Potenziale aufzuzeigen und ihnen zu ermöglichen, sich selbst besser kennenzulernen. Die beliebtesten Verfahren machen zwei Methodenstudien des Verlags managerSeminare (Graf 2014; Graf 2017) sichtbar (siehe Abbildung unten). Persönlichkeitsinstrumente erfreuen sich danach seit Jahren einer ungebrochenen Beliebtheit in der Weiterbildungsbranche. Vor allem kommen verschiedene Instrumen- ❸ Lernverlaufskurve Dokumentieren Sie Ihren Umsetzungserfolg Machen Sie am Ende jeder Woche ein Kreuz in dem Bereich, der für Sie zutrifft. Notieren Sie auch das Datum. Ziehen Sie ein kurzes Fazit, was Sie weiterhin beachten müssen, damit Sie Ihren Umsetzungserfolg sicherstellen. Sollten Fortschritte ausbleiben, sprechen Sie unbedingt Ihren Transferstärke-Coach an. Woche 1 Woche 2 Woche 3 Woche 4 Woche 5 Woche 6 Woche 7 Woche 8 😌 😐 😞 Datum Fazit <?page no="125"?> Blinder Fleck beim Lerntransfer 125 te und damit verbundene Modelle zum Einsatz, die die Persönlichkeitseigenschaften, Motive und Werte von Teilnehmern oder deren Verhalten in Teams erfassen. Ein Instrument zur Erfassung der Lerntransfer-Kompetenz kommt dagegen nicht vor. Das ist insofern überraschend, weil in Zeiten des digitalen Wandels dieses Thema nochmal zusätzliche Bedeutung bekommen hat, wie eingangs in diesem Beitrag erwähnt. Insofern stellt die Transferstärke-Analyse ein Novum am Markt dar, wie die folgende Abbildung plakativ zeigt: Abb. 6: Messung von Lerntransfer-Skills - ein Novum Die Transferstärke-Analyse füllt somit eine Lücke in der Testlandschaft. Sie ist die einzige Potenzialanalyse, die aufzeigt, welche Einstellungen und Selbststeuerungsfertigkeiten entscheidend sind, damit der Lerntransfer bei verhaltensorientierten Entwicklungsmaßnahmen funktioniert. Zugleich bekommt der Teilnehmer das nötige Handwerkszeug, um seinen Transfererfolg grundsätzlich besser zu steuern. Der Test ist also keine reine Diagnostik, sondern vor allem die Basis für einen Lernprozess, den die Transferstärke-Methode beschreibt. Jetzt messbar! Transferstärke- Analyse® Instrumente zur Messung von Persönlichkeitseigenschaften • Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP) • Myers-Briggs-Typen- Indikator (MBTI) • Persolog Persönlichkeitsprofil • Insights MDI • LIFO • Structogram • HBDI (Hermann Brain Dominance Instrument) • Golden Profiler of Personality (GPOP) • 16 Persönlichkeitsfaktoren-Test (16 PF) • Insights Discovery • Profiling values • DISC/ DISG • Big Five/ NEO- Persönlichkeitsinventar Instrumente zur Messung von Motiven und Werten • Reiss-Prodile (16 Lebensmotive) • 9Levels • Motivations-Potenzial- Analyse Instrumente zur Messung von Verhalten im Team • Team Management System (TMS) • e-interplace (Belbin Teamrollen) <?page no="126"?> 126 Leadership und Guiding Literatur Baldwin, T. T. & Ford, J. K. (1988). Transfer of training: a review and directions for future research. In: Personnel Psychology, 41, 63-105. Bandura, A. (1977). Self-efficacy: Toward a unifying theory of behavior change. 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Institut für Human Resource and Changemanagement. <?page no="131"?> 9 Führung in Krisenzeiten - wie Shackleton in der VUKA-Welt führen würde Ulrich Lenz und Manuel Sand <?page no="132"?> 132 Leadership und Guiding Hinführung zum Thema Die unglaubliche Geschichte einer gescheiterten Expedition, die zu Shackletons größtem Triumph wurde, fasziniert bis heute jeden, der damit in Berührung kommt. Zunehmend gerieten die herausragenden Führungsqualitäten des angloirischen Abenteurers in den Fokus der Wissenschaft und des Managements. Shackleton führte seine Männer in dieser eigentlich ausweglosen Situation einzigartig und authentisch, ganz so wie es heute als idealtypisch angesehen wird. Heutige Managementratgeber orientieren sich an Shackleton (Perkins, 2012) und seinen teils eher intuitiven, Handlungen als Leiter seiner schiffbrüchigen Männer. Dieser Beitrag möchte zeigen, dass einige wesentliche Führungsgrundsätze von Shackleton auch mehr als 100 Jahre später in Zeiten der sogenannten VUKA-Welt relevant sind. Ziel ist es, diese unglaubliche Geschichte Shackletons in die heutige Welt zu übertragen und seine Handlungen im Rahmen der heute vorherrschenden VUKA-Welt zu analysieren und zu deuten. Im Folgenden wird zuerst die Person Ernest Shackelton vorgestellt, ehe die unglaubliche Geschichte der Endurance Expedition zusammengefasst wird. Anschließend werden Shackeltons Führungsstil und die Lehren, die das heutige Führungsverhalten in VUKA-Welten betreffen, näher beleuchtet. Zur Person Ernest Shackleton Shackleton wurde am 15. Februar 1874 in Kilkea House, nahe Athy in Irland geboren. Die Familie zog einige Jahre später nach Dublin, wo der Vater Medizin studierte. Anschließend siedelte die Familie nach England über. Seine Mitschüler sagen ihm nach, freundlich und wohlwollend gewesen zu sein. In der Schule langweilte er sich oft und der militärische Stil motivierte ihn nicht sonders. Erst als klar war, dass er die Gelegenheit bekommt, zur See zu fahren, strengte er sich an und erzielte gute schulische Leistungen (Huntford, 2011). Da sich der Vater eine Ausbildung in der Royal Navy nicht leisten konnte, begann seine Karriere in der Handelsmarine. Ernest Shackleton bewährte sich auf See, wurde von Kapitänen geschätzt und konnte rasch aufsteigen (Huntford, 2011). Um seinem Schwiegervater in spe zu imponieren, heuerte er als dritter Offizier bei der National Antarctic Expedition auf der Discovery an. Die ehrgeizige Mission wollte so weit wie möglich gen Süden und Richtung Pol vordringen. Geleitet wurde sie von einem jungen Kapitän namens Robert <?page no="133"?> Führung in Krisenzeiten 133 Falcon Scott. Der ebenfalls junge Shackleton gewann schnell die Gunst einiger Mitsegler und ordnete sich nur widerwillig dem militärischen Führungsstil Scotts unter. Der Marsch Richtung Süden scheiterte und Shackleton führte das dreiköpfige Team zurück zum Schiff und übernahm vorübergehend die Führung. Er selbst war jedoch stark gesundheitlich angeschlagen und Scott nutzte die Chance und schickte Shackleton nach Hause. Zurück in England konnte er keine feste Anstellung bei der Navy bekommen und schlug sich einige Jahre mit diversen Jobs durch. Er heiratete und bekam einen Sohn und eine Tochter. Die Antarktis ließ ihn aber nicht los, und so machte er sich 1907 mit der Nimrod auf die British Antartic Expedition, die große wissenschaftliche Erkenntnisse hervorbrachte und große Teile der Antarktis erkundete. Den Pol konnte er jedoch wieder nicht erreichen. Als die Vorräte knapp, die Erschöpfung größer und das Wetter schlechter wurden, tat er das einzig Richtige und brachte sich und seine Männer in Sicherheit. Eine Entscheidung, die Scott später nicht treffen würde, was ihm und seinen Männern das Leben kosten sollte. Anschließend hielt sich Shackleton und seine vierköpfige Familie mit Vorträgen über Wasser. Erst als Amundsen 1912 den Südpol erreicht hatte und eine Antarktisdurchquerung durch den deutschen Filchner gescheitert war, plante er die Imperial Trans-Arctic Expedition. Das Ziel war, den Antarktischen Kontinent über eine Strecke von 2.800 km zu durchqueren. Nach der Endurance Expedition, die im Folgenden näher vorgestellt wird, trat Shackleton in den zweiten Weltkrieg ein. Er wurde für einige Spezialeinsätze eingeteilt, unter anderem in Südamerika, Spitzbergen und im Norden Russlands. Lange Zeit dachte er nicht an weitere Expeditionen, plante dann aber doch noch die Quest Expedition zur Erforschung der Subantarktis. Shackleton war gesundheitlich angeschlagen und hatte bereits einige Jahre eine Herzschwäche. Auf dem Weg zur Expedition erlitt er wohl in Südamerika einen Herzinfarkt, die Expedition wurde aber fortgesetzt. Am Morgen des 5. Januar 1922 erlitt Sir Ernest Shackleton einen weiteren, tödlichen Herzinfarkt auf Südgeorgien. Auf Wunsch seiner Frau wurde er dort begraben. Die Endurance Expedition Nach vielen Tagen der Isolation im Eis, einer waghalsigen Überfahrt im Südpazifik und einer gefährlichen Bergbesteigung ohne entsprechende Ausrüstung war Shackleton fast am Ziel. Mit zwei seiner Männer saß er völlig erschöpft in einer Höhle auf Südgeorgien, sie machten eine kurze Rast, wärmten und erholten sich. Die anderen beiden schliefen unvermittelt <?page no="134"?> 134 Leadership und Guiding ein, Shackleton wusste, er muss wach bleiben. Was ihm in diesen 15 Minuten dort wohl durch den Kopf ging? Haderte er mit dem Schicksal oder mit Gott? Vielleicht dachte er auch an seine Frau und seine Kinder zu Hause in England oder an ein warmes Bad, ein loderndes Feuer oder einen lauen Sommerabend. Sehr wahrscheinlich dachte er an seine Männer, die er auf Elephant Island zurückgelassen hatte, und daran, ob er alle bei lebendigem Leibe retten kann. Das Wohl seiner Männer war stets das höchste Gut bei seinen Expeditionen. Vielleicht reflektierte er auch seine Rolle als Führer und wie er die Situation bisher meistern konnte. In den vergangenen Wochen und Monaten hatten ihm Natur und Schicksal so ziemlich alles entgegen geworfen, was man sich nur vorstellen kann. Bis dahin konnte er alle Herausforderungen zusammen mit seinen Männern meistern. Er wusste aber auch, dass er nicht einschlafen durfte, da er sonst gemeinsam mit seinen beiden Männern im Schlaf erfrieren würde. So weckte er nach 15 Minuten seine Weggefährten, erzählte ihnen, sie hätten eine halbe Stunde ausgeruht und sie machten sich wieder auf den Weg. 9.3.1 Der Start der Expedition Umstritten ist, ob das berühmte Zitat aus einer vermeintlichen Zeitungsanzeige Shackletons tatsächlich so abgedruckt wurde. Es lautet: „Men wanted for Hazardous Journey. Small wages, bitter cold, long months of complete darkness, constant danger, safe return doubtful. Honour and recognition in case of success (Huntford, 1999, S. 365)“. Sicher ist aber, dass sehr viele Männer mit Shackleton die Endurance Expedition antreten wollten, darunter etliche Veteranen seiner Nimrodexpedition. Die Endurance machte sich mit 28 Mann Besatzung und 45 Hunden von Südamerika aus auf den Weg nach Südgeorgien, von wo aus man am 5. Dezember 1914 in Richtung Weddelsee aufbrach. Ein Versorgungschiff sollte von Süden aus Vorräte deponieren, die die Männer dann für die zweite Etappe auf ihrer Antarktisdurchquerung nutzen können sollten. Die Eisdecke der Weddelsee verschloss sich wesentlich früher als geplant und die Endurance wurde am 19. Januar 1915 bei 76° 31’S rund 100 km vor dem geplanten Landungsplatz eingeschlossen. Die Männer versuchen das Schiff zu befreien, doch vergebens. Die Endurance beginnt mit den Eismassen vom Ziel weg zu driften. Der Winter kommt immer näher und Shackleton und seine Männer schaffen es nicht, sich aus der eisigen Umklammerung zu befreien. Shackleton beschließt auf der eingeschlossenen Endurance zu überwintern. Es wird dunkel, die Sonne kommt nicht mehr über den Horizont, und es ist kalt, die Temperaturen fallen auf minus 26°C. Die Männer machen das Beste aus der <?page no="135"?> Führung in Krisenzeiten 135 Situation und Shackleton lässt keine Langeweile aufkommen. Doch mit der Zeit wird es eintönig und die Stimmung sinkt, erst das Auftauchen der ersten Sonnenstrahlen am 26. Juli weckt Hoffnung. Doch mit dem Frühling brechen die Eismassen und Eisschollen türmen sich auf, schieben sich Richtung Schiff. Am 27. Oktober 1915 gerät die Endurance in einen Malstrom und wird von den Eismassen zermalmt. Fernab von jeglicher Zivilisation, der nächste Außenposten in Südgeorgien ist 1.800 Kilometer entfernt, haben die Männer nur eine Eisschicht zwischen sich und dem Weddelmeer. 9.3.2 Auf dem Eis Die Vorräte reichen nur für vier Wochen und die dünnen Leinenzelte waren nicht für diese Situation gedacht. Shackleton, der noch nie einen Mann verloren hatte, ist sich seiner Verantwortung bewusst: „I pray to god, that I can get the whole group back into civilisation“ (Shackleton, 2018). Welche Odyssee vor ihm und seinen Männer liegt, konnte er da noch nicht erahnen. Das Expeditionsteam versucht mit minimalem Gepäck, 45 Hunden, einigen Schlitten und den schweren Rettungsbooten im Schlepptau Paulet Island zu erreichen. Diese liegt 600 km entfernt. Unter den schweren Bedingungen schaffen sie maximal 10 km am Tag, aufgrund der Umwege machen sie nur 1,5 km Strecke. Shackleton entscheidet sich dafür, sich zunächst weiter mit dem Eis treiben zu lassen. Die Männer errichten Ocean Camp und harren weiter in ihrem eisigen Gefängnis aus. Robben und Pinguine dienen nicht nur als nahrhafte Mahlzeit, ihre Fettschicht dient auch als Brennstoff für Lampen und zum Kochen. Nach einem weiteren Ausbruchsversuch aus dem eisigen Gefängnis errichten die Männer Patience Camp. Ein Geduldsspiel ist es wahrlich, die Stimmung sinkt, die Nahrung wird rationiert, die Männer sind mit den Kräften am Ende und die Eisscholle, auf der sie sich befinden, wird immer kleiner. Unter ständiger Angst verbringen sie die letzten Tage auf der Eisscholle, ehe Shackleton beschließt in die Boote zu steigen. Nun verspürt er neue Energie und motiviert seine Männer für eine Bootsreise zu der 100 km entfernten Elephant Island. Die Situation scheint erneut ausweglos: Elephant Island ist ein winziger Punkt, danach ist nur offene See und die Navigation an Bord der kleinen Boote ist nahezu unmöglich, da der Himmel meist bedeckt ist. Zudem könnten jederzeit Eisschollen die Boote zerstören und die Region ist für ihre Stürme bekannt. Nach sechs Tagen auf See, während derer sie durchnässt, ausgehungert und in eisiger Kälte ausharren, sehen sie ihr Ziel am Horizont. Eine Meisterleistung des Navigators Frank Worsley. Doch noch sind sie nicht an Land, am Abend kommt Sturm auf und die Männer schaffen es nicht an Land, die Boote laufen voll und nur <?page no="136"?> 136 Leadership und Guiding durch unermüdliches Schöpfen mit Hilfe der letzten Kräfte überleben die Männer. Am 15. April haben sie dann nach rund 16 Monaten endlich wieder festen Boden unter den Füßen. 9.3.3 Elephant Island Die Ankunft wird zunächst mit heißer Milch gefeiert, zwei Tage später geht es aber widerwillig zurück in die Boote, um einen sichereren Platz für ein Camp zu suchen, und sie landen schließlich an einer Stelle, die heute als Cape Wild bekannt ist. Auf Elephant Island wird sie keiner vermuten und dort gerettet zu werden ist äußerst unwahrscheinlich. Shackleton weiß, sie müssen aus eigener Kraft Hilfe holen. Zudem sind einige Männer gesundheitlich angeschlagen, der Winter naht und viel länger kann und will er nicht warten. Zusammen mit seinem zweiten Mann Frank Wild und Steuermann Frank Worsley plant Shackleton einen Rettungsversuch. Shackleton selbst verlässt am 24. April 1916 zusammen mit Worsley und vier weiteren Männern Elephant Island auf dem Rettungs-Segelboot Frank Caird in Richtung dem 1.200 km entfernten Südgeorgien. Erneut ein waghalsiges Unterfangen, doch die einzige Möglichkeit alle Männer zu retten. Die übrigen 22 Mann bleiben unter der Leitung von Frank Wild auf Elephant Island zurück und errichten dort einen Unterschlupf in dem sie einigermaßen geschützt sind. Sie leben von Pinguinen und Robben und versuchen weiterhin bei Laune zu bleiben, obgleich sie nicht wissen, ob ihre Retter überhaupt noch am Leben sind. Wild vertritt Shackleton glänzend und schafft es, die Männer zu beschäftigen, ihnen Hoffnung zu geben und sie am Leben festhalten zu lassen. Sie entwickeln eine tägliche Routine, jeden Samstag wird musiziert. Doch allmählich gehen die Vorräte zu neige und man macht sich insgeheim Gedanken, was danach passieren wird. Nach vier Monaten des Wartens werden als letzte Hoffnung und Nahrungsquelle alte weggeworfene Robbenknochen ausgekocht. 9.3.4 Die Rettung Shackleton kann mit seinem Rettungstrupp Südgeorgien dank einer weiteren navigatorischen Meisterleistung von Frank Worsley, erreichen. Nach 15 harten Tagen auf See sichten sie Land, doch erst zwei Tage später können die komplett erschöpften Männer anlanden. Sie sind jedoch auf der unbewohnten Westseite der Insel gelandet und zur Walfangstation im Nordosten sind es 30 km durch unbekanntes Gelände. Shackleton, Worsley und Crean machen sich auf eine weitere waghalsige Tour. Sie laufen in Sackgassen, <?page no="137"?> Führung in Krisenzeiten 137 müssen durch einen Bach waten, seilen sich mit alten Seilen an einem halbgefrorenen Wasserfall ab und haben dabei unglaubliches Glück, dass das Wetter hält. Sie erreichen nach 37 Stunden fast pausenlosen Marsches die Walfangstation. Von dort macht sich Shackleton auf den Weg nach Südamerika. Mehrere Anläufe unternimmt er von dort aus auf verschiedenen Schiffen, ehe er endlich alle ihm anvertrauten Männer lebend aus der Eishölle befreien kann. Am 635. Tag der Expedition dringt er endlich mit dem Dampfer Yericho zu den Männern vor und die beste Nachricht: Alle wohlauf. Shackleton hatte dies kaum zu hoffen gewagt, da er sich ausrechnen konnte, wann die Vorräte zur Neige gehen mussten. Was dann folgte, waren feierliche Empfänge und der Ruhm für die Heldentaten im Eis. Die Menschen waren fasziniert von der Geschichte der Männer, obgleich die Expedition selbst gescheitert war. Umso unglaublicher ist es, dass viele der Männer, die allen Naturgewalten getrotzt hatten, nur wenige Wochen nach ihrem unglaublichen Abenteuer in den Schützengräben des ersten Weltkriegs ums Leben kamen oder verletzt wurden. Shackletons Führungsstärke Shackleton verlor keinen einzigen Mann trotz aller Unwägbarkeiten. Daraus wird die einmalige Führungsstärke Shackletons deutlich. Aus dem, was er tat, können Lehren für eine demokratische Führung von Menschen auf Augenhöhe gezogen werden. Shackleton verabscheute einen militärischen und autoritären Führungsstil, er führte mit Herz, Entschlossenheit und ging stets mit gutem Beispiel voran. Als die Männer persönliche Gegenstände loswerden mussten, um Gewicht zu sparen, entledigte sich Shackleton der Bibel, die er von Königin Alexandra geschenkt bekommen hatte, das Deckblatt mit der Widmung behielt er allerdings. The Boss, wie er von seinen Männern liebevoll genannt wurde, war sehr beliebt und viele seiner Männer hielten ihm die Treue, auch wenn er nicht immer alle Prämien auszahlen konnte (Huntfort, 1996). Seine Art und Weise Teilnehmer auszuwählen war eher ungewöhnlich. Er achtete nicht nur auf technische Fähigkeiten, für ihn waren Charakter und Temperament der Crew mindestens genauso wichtig. So wurden beispielsweise Wissenschaftler gefragt, ob sie singen könnten. Dies erinnert an die heutige, kompetenzorientierte Auswahl von Mitarbeitern. Alle Mann wurden bei Shackleton gleich behandelt, es gab zwar klare Arbeitsaufteilungen, aber keine strikten Hierarchien. Egal welchen Hintergrund die Expeditionsteilnehmer hatten, alle mussten gemeinsam an einem Strang ziehen und bspw. das Deck schrubben. Dennoch schaffte er es stets, <?page no="138"?> 138 Leadership und Guiding respektiert zu werden und aufkommenden Unmut gegen seine Person im Keim zu ersticken. Er traf intuitiv und schnell die richtigen Entscheidungen für sich und seine Männer. Er vermochte es, die Mannschaft zu begeistern und stellte somit stets eine gute Stimmung her. Es war ihm ein großes Anliegen, dass alle Männer beschäftigt waren und sinnvollen Tätigkeiten nachgingen. So wurden tägliche Aufgaben vergeben und man machte regelmäßig Musik, hin und wieder wurde Fußball gespielt. Shackleton achtete darauf, dass immer alle Mann entsprechend eingespannt waren und die Laune gut war. Neben kleinen Etappenzielen und wöchentlichen Highlights behielt er das Ziel der Rettung stets im Blick. Dabei dachte er aber auch immer einen Schritt voraus. Als seine größten Stärken wurden sein Einfühlungsvermögen, sein Optimismus, sein Humor, seine Herzlichkeit und sein Sinn für Gerechtigkeit angesehen (Morell & Caparell, 2003). Lehren aus Shackletons Führung Perkins (2012) interpretiert in Leading at the Edge Shakletons Lehren für heutige Führungskräfte. Ähnliche Lehren ziehen auch Morell und Caparell (2003), Ainsberg (2010) oder Baumgartner und Hornbostel (2013), die sich alle diesem Transfer in die Moderne widmen. Man sollte nie das Gesamtziel aus den Augen verlieren und sich nicht davon entmutigen lassen, dass es unerreichbar scheint. Stattdessen sollte man sich lieber erreichbare Zwischenziele setzen, die für ein Erfolgserlebnis sorgen, wenn sie erreicht werden. Eine wahre Führungsperson sollte mit gutem Beispiel vorangehen und mit diesem Handeln ein Statement abgeben, das in Erinnerung bleibt. Auch wenn man nie den Bezug zur Realität verlieren sollte, so muss man doch Optimismus verbreiten und den Leuten Selbstbewusstsein geben. Gleichwohl sollte man auch auf sich und seine Gesundheit achten, um eine starke Führungsperson zu sein. Das Team sollte im Vordergrund stehen und die gemeinsamen Ziele und das Angewiesen sein aufeinander sollte stets thematisiert werden. Gegenseitiger Respekt ist wichtig und alle Teammitglieder sollten unabhängig von ihrer Herkunft auf Augenhöhe arbeiten und kommunizieren. Machtkämpfen sollte aus dem Weg gegangen werden, wer zu meutern droht oder nicht mehr die Ziele des Teams verfolgt, sollte beschäftigt werden, um auf andere Gedanken zu kommen. Wut und Enttäuschung sollten nicht unterdrückt werden und regelmäßig in kleinen Dosen abgebaut werden. Das Team sollte stets etwas haben, über das es gemeinsam lachen kann, Dinge tun, an denen sich alle erfreuen können. Risiken sollte man nicht immer aus dem Weg gehen und diese, nach entsprechender <?page no="139"?> Führung in Krisenzeiten 139 Abwägung, gezielt eingehen. Und zu guter Letzt sollte man nie aufgeben, denn es gibt immer noch einen Ansatz, wie die Situation zu bewerkstelligen ist. Eine gute Führungskraft ist offen für neue Ideen, greift auf das gesamte Wissen seines Teams zurück und stellt einen großen Zusammenhalt her. Determinanten der VUKA-Welt Mit dem Akronym „VUKA“ sollen die Rahmenbedingungen umrissen werden, denen sich Menschen und Organisationen heute gegenüber sehen. Weltweite Vernetzung internationaler Unternehmen und vor allem technologische Entwicklungen sind Treiber gesellschaftlicher Veränderungen, die auch Unternehmen als Teil der Gesellschaft unmittelbar betreffen. Auch wenn die Wurzeln von VUKA im militärischen Bereich liegen, unter anderem in Erkenntnis, dass sich die Kriegsführung heute grundlegend geändert hat (McCrystal, 2015), sind es die Menschen in Organisationen, die vor neuen, teilweise sich widersprechenden Herausforderungen stehen. Die vier Buchstaben stehen für die Bezeichnungen Volatilität, Unsicherheit, Komplexität sowie Ambiguität. In der folgenden Tabelle werden die Dimensionen im Überblick beschrieben (in Anlehnung an Bennett & Lemoine, 2014): <?page no="140"?> 140 Leadership und Guiding Tab. 1: Dimensionen von VUKA Dimension Kurz-Charakterisierung Führungsansatz Volatilität Unstabile, schnell auftretende Veränderungsprozesse bei grundsätzlich verfügbarer Information, aber schnell wechselnde Informationslage Agilität: Fähigkeit der Informationsaufnahme und -verarbeitung einer Organisation erhöhen. Ressourcen schnell auf zukunftsfähige Lösungen ausrichten Unsicherheit Geringes Wissen über die Auswirkungen eines Effekts; Ursache und potenzielle Wirkung grundsätzlich bekannt, nicht aber Wahrscheinlichkeit und Intensität des Ereignisses Fähigkeiten der Informationsgewinnung und -verarbeitung steigern. Vorhandene Informationen systematisch hinterfragen und neue Daten gewinnen Komplexität Kommunikationsbeziehungen zwischen Systemelementen nicht überschaubar; Auswirkungen eines Eingriffs in ein System nicht vorhersehbar; es handelt sich dabei um nichtlineare Systeme Restrukturierung organisationsinterner Prozesse um auf die (gestiegene) Komplexität der organisationsexternen Umwelt zu reagieren Ambiguität Ursache-Wirkungsbeziehungen nicht bekannt und Erfahrungswissen für Voraussagen zukünftiger Zustände in einem System ist nicht anwendbar Experimente fördern. Durch intelligentes Experimentieren und systematische Reflexion der Erkenntnisse aus den Experimenten wird ein Verständnis erreicht, welche neuen Spielregeln in einer gegebenen Situation funktionieren <?page no="141"?> Führung in Krisenzeiten 141 Hieraus lassen sich einige Schlussfolgerungen ableiten:  Erstens handelt es sich um vier unterschiedliche Phänomene heutiger wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen, die jeweils unterschiedliche generische Handlungsstrategien erfordern. Es kommt deshalb darauf an, die jeweilige Situation und die vorhandenen Phänomene zu analysieren und die Handlungsweisen zu priorisieren. Bereits bei Einschätzung einer Situation und Entwicklung von Optionen ist nicht die einsam entscheidende Führungskraft gefordert, sondern Führungskräfte müssen Diskussions- und Entscheidungsprozesse gestalten, um zu tragfähigen Entscheidungen zu gelangen.  Zweitens ist die heute so stark fokussierte Agilität nur eine der möglichen Handlungsstrategien, um mit der VUKA-Welt umzugehen. Die häufig unreflektierte Einführung von agilen Organisationen, agiler Führung usw. ist mehr einem Hype geschuldet als einer systematischen, ganzheitlichen Organisationsentwicklung. Insbesondere muss klar sein, dass Agilitätskonzepte nicht ausreichen, um die Herausforderungen der VUKA- Welt zu meistern. Change Leadership erfordert mehr als nur die Implementierung einer agilen Organisation.  Drittens kann festgehalten werden, dass Führungskräfte gefordert sind, Prozesse des Lernens und der Selbstorganisation anzustoßen. Intensives und schnelles Lernen ist eine Schlüsselkompetenz in der VUKA-Welt. Auch hier wird heute häufig ein Buzzword verwendet: Fehlerkultur. Eigentlich müsste es heißen: Lernkultur. Nicht der Fehler an sich, der bei der Shackleton-Expedition nicht selten direkt zum Tod geführt hätte, ist zu managen, sondern das Lernen aus dem Fehler, nicht nur für die Betroffenen, sondern für die gesamte Organisation. Birkinshaw und Haas (2016) schlagen vor, einen „Return on Failure“ zu entwickeln. In einer nutzenorientierten Betrachtung kann man danach fragen, welche zusätzlichen Erkenntnisse aus dem Fehler hinsichtlich der Kundenbedürfnisse, hinsichtlich der zukünftigen Organisationsentwicklung, der Prozesse und hinsichtlich der Effektivität der Zusammenarbeit im Team gewonnen werden können. Außerdem kann der Kompetenzzuwachs qualitativ ermittelt werden, der bei den in den Fehler involvierten Personen entstanden ist. Die Führungsaufgabe besteht darin, eine Kultur des Vertrauens und der Offenheit zu schaffen, damit Fehler klar und insbesondere schnell kommuniziert und reflektiert werden. Fehler sind in einer VUKA- Welt an der Tagesordnung. Die Handlungsstrategie des Experimentierens in der Dimension „Ambiguität“ weist darauf hin, denn meistens lernt man in Experimenten zunächst das, was nicht funktioniert, bis sich das „Heureka-Erlebnis“ einstellt. Es kommt deshalb darauf an, aus frühen <?page no="142"?> 142 Leadership und Guiding Fehlern in einem Prozess einen möglichst hohen Return herauszuziehen, um das experimentelle Setting so zu verbessern, dass die Projektziele erreicht werden. Führung in der VUKA-Welt - alles neu oder beständige Grundsätze? Mehr als drei Viertel der Führungskräfte in Deutschland sehen die Notwendigkeit eines grundlegenden Wandels der bisherigen Führungspraxis, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes langfristig zu sichern (Forum Gute Führung, o.J.). Dabei wird von den in 400 Tiefeninterviews befragten Führungskräften - mehrheitlich auf den obersten drei Führungsebenen - insbesondere die Gestaltung ergebnisoffener Prozesse als Führungsaufgabe herausgestellt. Zum Führen in der VUKA-Welt können sich selbst organisierende Netzwerke als Zukunftsmodell verstanden werden, während klassischer Hierarchie eine deutliche Absage erteilt wird. Begründet wird das mit Volatilität und steigender Unsicherheit, woraus die Notwendigkeit einer flachen Hierarchie ohne lange Berichts- und Entscheidungswege entsteht. Vor diesem Kontext stehen sowohl die organisationsinterne als auch -externe Führungsrolle vor grundlegenden Veränderungen (Lenz & Grützmacher, 2018). Intern geht es darum, komplexe Übergangsprozesse von der Hierarchie zur Selbstorganisation zu gestalten und dabei emotional stabil mit dem eigenen Statusverlust umzugehen. Ferner kommt es, wie oben dargestellt, auf Gestaltung ergebnisorientierter Lernprozesse, die Vernetzung von Teams und Sinnvermittlung an. Extern kommt der Führungskraft zunehmend die Rolle des Vermittlers über Unternehmensgrenze hinweg zu. Dabei sind Unternehmen und Führungspersönlichkeiten die Anforderungen einer VUKA-Führungskultur überwiegend noch nicht klar. In einer nichtrepräsentativen Studie, n = 67, kommt Bernstein (2014) zur Erkenntnis, dass nur ca. 16 % der befragten Unternehmen sich auf Führung in der VUKA- Welt gut vorbereitet sehen. Gefragt nach den wichtigsten Führungseigenschaften in der VUKA-Welt geben ca. 98 % der Befragten an, dass Klarheit in Führung und Kommunikation eine Top-Priorität sei; 89 % der Befragten stellen eine ausgeprägte „Macher-Orientierung“ heraus und eine ähnlich hohe Mehrheit fokussiert auf die hohe Bedeutung der Förderung von Lernprozessen. Interessant ist ferner, dass durchwegs alle Befragungsteilnehmenden den Umgang mit Entscheidungsdilemmata als zentrale Führungsherausforderung nennen. Hier scheint ein hoher Bedarf für die Kompetenz- <?page no="143"?> Führung in Krisenzeiten 143 entwicklung von Führungskräften zu bestehen. Deshalb soll auf diesen Aspekt der Führung in der VUKA-Welt noch kurz eingegangen werden. Eine Dilemmasituation in nicht-linearen Systemen ist durch die inhärente Un-Entscheidbarkeit gekennzeichnet. Entscheidungsmuster nach dem „wenn-dann-Prinzip“ sind nicht geeignet zur Lösung komplexer Führungsprobleme. Entscheidet man nach dem linearen Modell so, dass man einen Pol der Dilemmasituation realisiert, verletzt man den anderen Pol des Dilemmas und umgekehrt (Simon, 2018). Wenn die Führung dazu auffordert, die Mitarbeitenden sollten kreativ „out of the box“ denken, dabei aber alle Prozesse und Regelungen des Unternehmens einhalten, ist das für die Mitarbeitenden eine Dilemmasituation, da die beiden Teilbotschaften zueinander im Widerspruch stehen. Das Richtige tun, zum Beispiel sich an die Regeln halten, ist falsch, weil dadurch ex definitione kein Perspektivenwechsel und damit keine Innovation möglich wird. Die Unsicherheit oder, um es noch pointierter auszudrücken, die Orientierungslosigkeit hinsichtlich Führung in der VUKA-Welt kann auch daher kommen, dass es keine wohlfeilen Führungskonzepte für den VUKA- Kontext gibt. Der Führungskontext und die konkrete Gestaltung von Führung sind in Organisationen zwischen den beteiligten Akteuren laufend neu zu verhandeln. Es gibt dabei nicht die einzelne Wahrheit, sondern stets sind in der VUKA-Welt multiple Realitäten vorhanden. Führung in Organisationen hat eine sinngebende Rolle; dieser Sinn ist wie ein Leitstern für die Aushandlung konkreter Lösungen. In diesem Aushandlungsprozess stehen sich Führung und Mitarbeitende auf Augenhöhe gegenüber (Lenz, 2019). Es sollte deutlich geworden sein, dass Führung in der VUKA-Welt einige Paradigmenwechsel gegenüber traditionellen Führungsstilen beinhaltet. Zusammenfassend lässt sich dieser Paradigmenwechsel dadurch charakterisieren, dass Führung auf mehrere Akteure aufgeteilt wird. Im Prinzip ist es bei den oben vorgestellten generischen VUKA-Handlungsprinzipien notwendig, von der Konzentration von Führung auf eine jeweils einzelne Person abzurücken. Im Zuge der Wirtschaftskrise 2009 entstand das Konzept der Shared Leadership. Dieses Konzept, das übrigens sorgsam von der Delegation von Führungsverantwortung unterschieden werden muss, fördert Gruppenzusammenhalt, psychologische Sicherheit in Teams und Verantwortungsbereitschaft (Houghton u.a., 2015) und ist damit für die VUKA- Bedingungen durchaus zielführend. Diese Ausführungen lassen vermuten, dass unsere Ausgangshypothese, dass Shackletons Führungsstil für die Anforderungen der VUKA-Welt übertragbar sein könnten, nicht zuzutreffen scheint. Ist es nicht so, dass Shackle- <?page no="144"?> 144 Leadership und Guiding ton zwar eine charismatische Führungspersönlichkeit war, der in einem lebensbedrohenden Umfeld seine Crew motiviert und gerettet hat, aber dennoch nach dem Prinzip einer ungeteilten Verantwortung geführt hat? Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man die vordergründige Ebene des Führungsverhaltens und der Führungsorganisation verlässt und danach sucht, was die Führungsphilosophie bei Shackleton einerseits und bei den modernen Führungskonzepten andererseits ausmacht. Collins hat in seinen Forschungsarbeiten über überdurchschnittlich erfolgreiche Unternehmen herausgefunden, dass Führung in diesen Unternehmen eine zentrale Bedeutung hat. Erfolgreiche, sogenannte „Level 5“-Führungskräfte stellen ihre eigene Person hinter die Entwicklung der Organisation und ihrer Menschen zurück. Solche Führungskräfte sind am nachhaltigen Wachstum des Unternehmens interessiert; mit Betonung auf „nachhaltig“. Dazu entwickeln sie gemeinsam mit den Organisationsmitgliedern einen tiefen Sinn, warum es die Organisation gibt und was ihr Platz in der Welt ist. Eine demütige Haltung, verbunden mit dem unbändigen Willen, die Ressourcen der Menschen in der Organisation zu erschließen und bestmöglich einzusetzen, prägt diese „Level 5“-Führungspersönlichkeiten (Collins & Haas, 2015). Zu ähnlichen Erkenntnissen kommt Kiel (2015) in seiner Studie zu dem Einfluss des Charakters einer Führungspersönlichkeit auf den Unternehmenserfolg. Die Unternehmen derjenigen CEOs, die sich in einer Beurteilung durch ihre Mitarbeiter durch hohe Charakterstärke auszeichneten, hatten eine ca. 5-mal höhere Rendite als die Unternehmen mit egozentrisch orientierten Vorstandsvorsitzenden. Unter Charakter versteht Kiel hohe Ausprägungen bei Integrität, Verantwortungsübernahme, Versöhnlichkeit und Mitgefühl. Es bleibt festzuhalten, dass sich auch in der VUKA-Welt die Grundsätze einer ethisch orientierten Führung, basierend auf klaren Grundwerten, nicht geändert haben. Es handelt sich um grundlegende Werte, die eine lernförderliche, gedeihliche Zusammenarbeit in Organisationen überhaupt erst ermöglichen. Das auf diesen Werten gegründete konkrete Führungsverhalten sowie die Führungsinterventionen mögen sich in der VUKA-Welt weiterentwickelt haben. Aber Führungskräfte in der VUKA-Welt sind sehr anschlussfähig an die oben in Abschnitt 9.6 dargestellten allgemeinen Lehren aus Shackletons Führung. Dies wird deutlich, wenn man das Führungsverhalten von Shackleton auf die Handlungsdimensionen von VUKA bezieht: <?page no="145"?> Führung in Krisenzeiten 145 Tab. 2: Shackletons Führungsstärke in Bezug auf die Handlungsdimensionen von VUKA Handlungsdimension VUKA Verhalten von Shackleton (Beispiele) Agilität Zügige Entscheidung nach Abstimmung mit der Crew, z.B. bei Erstickung einer drohenden Meuterei. Entscheidungen aufgrund der aktualisierten Lageeinschätzung und Bereitschaft, nicht mehr passende Entscheidungen zu ändern. Informationsgewinnung und -verarbeitung Einbeziehung aller Crewmitglieder in eine transparente Information. Abfrage und Einsatz der Spezialkompetenzen, die im Team vorhanden waren, z.B. Navigator und anschließende Besprechungsrunden. Restrukturierung Anpassung von Prozessen z.B. im antarktischen Winter und bei der Aufteilung der Besatzungsmitglieder an den Stationen. Experimente fördern Unkonventionelle Entscheidungen, z.B. die Boote mit auf den Marsch zu nehmen. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das auf einer klaren Werteorientierung basierende Führungsverhalten von Shackleton auch in der heutigen VUKA-Welt als Vorbild dienen kann und sollte. Fazit und Ausblick Mit dem Tod Shackletons endete auch das sogenannte Goldene Zeitalter der Antarktisforschung und es fanden keine weiteren Entdeckungsreisen zur naturwissenschaftlichen und geographischen Erkundung des weitgehend unbekannten antarktischen Kontinents statt. Die transkontinentale Durchquerung der Antarktis wurde letztendlich erst rund 40 Jahre später bewältigt. Dem Everest-Bezwinger Edmund Hillary und dem englischen Polarforscher Vivian Fuchs gelang dies bei der Commonwealth Trans-Antarctic Expedition von 1955 bis 1958. Reinhold Messner und Arved Fuchs durchquerten die Antarktis erstmals 1989/ 1990 ohne technische Hilfsmittel, die erste Solodurchquerung gelang dem Norweger Børge Ousland 1996/ 97. Im Jahr 2000 empfand Arved Fuchs Shackletons Bootsfahrt von Elephant Island nach Südgeorgien in einem Nachbau der James Caird nach und durchquerte anschließend Südgeorgien, wie Shackleton, Worsley und Crean es getan hatten. <?page no="146"?> 146 Leadership und Guiding Shackleton selber geriet lange Zeit in Vergessenheit und sein Widersacher Scott war es, der die Lorbeeren einheimste. Doch nach und nach geriet die unglaubliche Geschichte Shackletons, auch dank einiger Bücher, wieder in Erinnerung. Aus einer missglückten Expedition mit einem unglaublichen Abenteuer wurden Lehren für heutige Führungskräfte in Unternehmen gewonnen und anhand des Vergleichs mit Shackletons Verhalten werden die Lehren plastisch und verstehbar. Um mit den Worten von Polarforscher Apsley Cherry-Garrard zu enden: „For a joint scientific and geographical piece of organization, give me Scott; for a winter journey, give me Wilson, for a dash to the Pole and nothing else, Amundsen; and if I am in the devil of a hole and want to get out of it, give me Shackleton every time." Literatur Ainsburg, A. (2010). Shackleton: Leadership Lessons from Antarctica. New York: iUniverse. Bachmann, K. (1998). 635 Tage jenseits der Welt. Die Shackleton-Expedition: Katastrophe und Rettung im antarktischen Eis, GEO, 10, 100-128. Baumgartner, P. & Hornbostel, R. (2013). Manager müssen Mut machen: Mythos Shackleton. Kulmbach: Börsenmedien. Bennett, N. & Lemoine, G. J. (2014). What a difference a word makes: Understanding threats to performance in a VUCA World. Business Horizons, 57, 311-317. Bernstein, L. E. (2014). The Perceived Importance of VUCA-Driven Skills for 21st Century. Leader Success and the Extent of Integration of Those Skills Into Leadership Development Programs. Unveröffentlichte Dissertation Drake University: Des Moines, Iowa. Birkinsha, J. & Haas, M. (2016). Increase Your Return on Failure. xx(5), (Seiten) Collins, J. & Haas, O. (2015). Worum geht es hier eigentlich? Ein Gespräch mit Jim Collins über Organisationsprinzipien, Führung und Minibusse. Zeitschrift für Organisationsentwicklung XX Jhg. (1), 4-8. Forum Gute Führung (o.J.). Monitor Führungskultur im Wandel der Inititative Neue Qualität der Arbeit. Kulturstudie mit 400 Tiefeninterviews: Berlin Houghton, J. D., Pearce, C. L., Manz, C. C., Courtright, S. & Stewart, G. L. (2015). Sharing is caring: Toward a model of proactive caring through shared leadership. Human Resource Management Review 25(2015), 313-327. <?page no="147"?> Führung in Krisenzeiten 147 Huntford, R. (1996). Shackleton. London: Abacus. Kiel, F. (2015). Return on Character. Boston/ Mass.: Harvard Business Review Press. Lansing, A. (2015). Endurance: Shackleton’s Incredible Voyage. New York: Basic books. Lenz, Ulrich (2019). Coaching im Kontext der VUCA-Welt: Der Umbruch steht bevor. In Jutta Heller (Hrsg.). Resilienz für die VUCA-Welt. Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 49-68. Lenz, U. & Grützmacher, P. (2018). Was bin ich (noch) und was sollte ich sein? Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle der Führungskraft. In: von Au, C. (Hrsg.) Führung in der vernetzten virtuellen und realen Welt (S. 1-18). Wiesbaden: Springer Fachmedien. McChrystal, Stanley (2015). Team of Teams. New York: Penguin. Morell, M. & Caparell, S. (2003). Shackletons Führungskunst: Was Manager von dem großen Polarforscher lernen können. Leipzig: Rohwolt. Perkins, D.N. (2012). Leading at the Edge: Leadership Lessons from the Extraordinary Saga of Shackleton's Antarctic Expedition. New York: AMACOM. Sand, M. (2015). Die Auswirkungen des sechsmonatigen Segel-Schulprojektes Klassenzimmer unter Segeln auf die Persönlichkeitsentwicklung Jugendlicher. Hamburg: Feldhaus Verlag. Shackleton, E.H. (2018). South: The story of Shackleton’s 1914-1917 expedition. Wroclaw: CreateSpace Independent Publishing Platform Simon, F.B. (2018). Einführung in die systemische Organisationstheorie. 6. Aufl., Heidelberg: Carl Auer. <?page no="149"?> 10 Führungserfahrung durch Outdoortrainings Andrea Zuffellato <?page no="150"?> 150 Leadership und Guiding Gute Outdoor-Leadership-Trainings sind wirkungsstark weil sie Anders- Erfahrungen ermöglichen und dadurch einerseits intensive Erlebnisse sowie bleibende Erinnerungen schaffen und andererseits Anhaltspunkte für gezielte Reflexion liefern. Ihre handlungsorientierten Zugänge bereichern und ergänzen die vorherrschenden, vorwiegend theoretischen Weiterbildungen und Förderprogramme. Gerade was Leadership-Themen betrifft, haben Outdoortrainings einiges zu bieten, denn Führung lernt man draußen. Unmittelbarkeit wirkt Dass in realen Situationen und mittels eigener Erfahrungen besonders nachhaltig gelernt wird, ist unbestritten, und dass so komplexe Kompetenzen wie das Leiten von Teams oder das nachhaltige Umsetzen von Führungsentscheidungen schwerlich über Handouts vermittelt werden können, ist ebenso offensichtlich. Dennoch fällt es schwer, Führung sowohl systematisch als auch on the job zu lernen. Die Ansprüche an Realitätsnähe und Planbarkeit scheinen sich auszuschließen. Die Fehlertoleranz ist oft kleiner als man es sich wünscht, sowohl zwischenmenschlich als auch wirtschaftlich. Und obwohl Führungserfahrung gefordert wird, ist Selbsterfahrung vielerorts immer noch verpönt. Doch wie will man anders, als selbst Erfahrungen sammeln, durch trial and error, durch experimentelles und exemplarisches Üben, durch begleitete Praxis, gezielte Reflexion und ehrliches Feedback. „Gute Führung beginnt mit guter Selbstführung. Und die ist nie ganz abgeschlossen. Man muss immer wieder an sich arbeiten ‒ und auch bereit dafür sein, immer wieder genau hinzuschauen.“ (Vgl. Zuffellato, 2014, S. 22-24. ) Führungstraining am Fjord Treffpunkt Arkösund 100 km südlich von Stockholm: zweiundzwanzig Outdoorguides treffen sich für das Herzstück ihrer gemeinsamen Lernreise, das Seakajakmodul in Schweden in einem kleinen Fischerdorf. Acht Tage werden sie auf ihren Kajaks unterwegs sein, werden sich Gruppenplätze und Wildniscamps suchen, werden Inselhüpfen und ihre Seele baumeln <?page no="151"?> Führungserfahrung durch Outdoortrainings 151 lassen. Es ist eine bunte Truppe, Lehrkräfte, Managerinnen, Handwerker und Beraterinnen, alle zwischen zwanzig und sechzig, naturbegeistert, Lebemenschen und Bewegungstypen, Führungskräfte und solche, die es werden wollen. Sie besuchen die Ausbildung zum Outdoorguide des Schweizer Bildungsinstituts planoalto. Sie wollen sich weiterbilden in systemischer Führung, Leitung und Begleitung von Gruppen und Teams, wollen natursportliche Fähigkeiten verbessern und am eigenen Profil feilen, sie wollen lernen und sich gleichzeitig etwas Gutes tun. Jede Reise beginnt mit einem ersten Schritt; und so geht es für die Gruppe erst mal um Logistik, Planung und den gemeinsamen Lebensmitteleinkauf. Aufgabe ist es, ein Menü für die ganze Gruppe zu planen und einzukaufen. Die Essen sollen unter dem Aspekt der Führung stehen und als solche auch einen Input bieten. Essen als didaktisches Element, dient als und ist mehr als nur Nahrungsaufnahme. Die zwanzig Teilnehmer*innen schwärmen aus, durchsuchen das Fischerdorf nach Einkaufsmöglichkeiten, helfen sich mit Händen und Füßen, um einer verwunderten Verkäuferin zu erklären, was genau Polenta ist und wieso sie Milchpulver brauchen, wenn es doch frische Milch vom Bauern hat. Nach und nach kommen die Menschen mit ihren Einkäufen zurück und strahlen übers ganze Gesicht. Welche Essen und welche Inputs zu Gruppendynamik und Führung gibt es wohl diesmal? Etwas später sind die Wassersäcke gefüllt und das Kochgeschirr verteilt. Minutiös werden die Kleider eingerollt und in die sich stark verjüngenden Bug und Heckfächer gepresst, um besser Platz zu finden. Sobald das gesamte Equipment in den Luken verstaut ist, stoßen sich die ersten Teilnehmerinnen vom Kies ab und suchen auf den leisen Wogen nach ihrem Gleichgewicht. Für viele sind das die ersten Paddelerfahrungen überhaupt. Allmählich setzt sich die Karawane in Bewegung, erstaunlicherweise in eine gemeinsame Richtung. Noch übernehmen die Lehrtrainer die Navigation und die Routenführung. Die Gruppe gleitet vorbei an kleinen Fischerstegen und den verstreuten schwedischen Sommerhäuschen. In den kommenden Tagen hat jede und jeder selbst die Gelegenheit die Gruppe durch das Wirrwar an Inseln und Durchfahrten zu navigieren. Sie lernen präzise Peilungen auf bewegtem Wasser zu verfolgen, halten dabei gleichzeitig die verschiedenen Seakajaks als Gruppe zusammen, navigieren mit und gegen Wind und Wellen und nutzen die Seekarten für die Wahl der schönsten Abenteuerrouten und die Landkarten für das Aufspüren besonderer Campplatzperlen. Es ist erstaunlich, wie viel sie dabei über Führung im weiteren Sinne lernen. <?page no="152"?> 152 Leadership und Guiding Weil Essen, Kochen und die Logistik, die rundherum entsteht, wichtige Bestandteile der Unternehmung und zudem auch gezielte Lernfelder für reale Führungssituationen sind, nimmt sich die Gruppe Zeit dafür und nutzt die Menüs für tolle Kreationen und für individuelle Inputs zum eigenen Führungsstil. So entstehen schwedisches Käsefondue und Lasagna überm Feuer, werden frische Brote und Gugelhupf in den Kesseln gebacken oder wird ein Müesli mit selbst gepflückten Beeren ergänzt. Das Essen hat einen direkten Einfluss auf das Wohlbefinden und die Gruppendynamik und so macht es spürbar einen Unterschied, ob jeder für sich sein Süppchen selber kocht, ob wir einander bedienen oder wir wie beim Fondue alle aus einem Topf essen. Natürlich wird auch jede Gelegenheit für Paddelexkursionen, Eskimotierübungen und zum Angeln genutzt. Die Reise führt bis zu den weit vorgelagerten Vogelinseln hinaus, entlang verschiedener Inselgürtel und durch unterschiedliche Vegetationszonen. Sie passiert wunderschöne Felsformationen, traumhafte Buchten und verlassene Furten. Manche Passage, die auf der Karte besonders spannend aussieht, ist in Wirklichkeit zugewachsen und unpassierbar. Das meterhohe Schilf lässt nicht einmal erahnen, dass wenige Dutzend Meter weiter außen das offene Meer wartet. Mit jeder Führungseinheit, die übernommen und reflektiert wird, lernen die Teilnehmer*innen konkret zu führen, werden geführt und können diese Erfahrungen reflektieren und Rückmeldungen geben. Outdoor-Leadership-Trainings verbinden die essentiellen Elemente, die es braucht, um nachhaltige Führungserfahrungen zu sammeln und als Führungskraft persönlich wie fachlich wachsen zu können: Relevanz, Unmittelbarkeit und Verbindlichkeit, reale Konsequenzen, pointierte Rückmeldungen und echte Erfolge — oder auch echtes Scheitern. Das Outdoor ist dabei mehr als romantische Kulisse; die Natur als komplexe Umwelt gestaltet jedes Training mit und führt Regie; sie ist lebendiges Gegenüber. Die Natur wirkt unvorhersehbar und unmittelbar und es braucht keine künstliche Dramaturgie, um Herausforderungen zu simulieren, denn diese sind echt. Auch wenn diese Trainings vielleicht weniger spektakulär anmuten als Hochseilgärten und Raftingtouren, sind sie doch real und relevant. Das Teamkochen am offenen Feuer ist beispielsweise eine beliebte Methode, um Zusammenarbeit und Kommunikation zu fördern. Das nomadische Unterwegssein in der Natur fordert und fördert eine entsprechende Führungshaltung und die nötigen Kompetenzen, um als Führungskraft zu entscheiden, zu leiten, zu begleiten und umzusetzen - die vier Wege systemischer Führung. Und wenn sich Führungskräfte gar auf eine mehrtägige Reise einlas- <?page no="153"?> Führungserfahrung durch Outdoortrainings 153 sen, dann eröffnet die Kombination aus Einfachheit und Unmittelbarkeit der Naturerfahrung, dem Draußensein bei Wind und Wetter, der begleiteten Selbsterfahrung und -reflexion, der erlebten Gruppendynamik und Führungssequenzen ein besonderes Potenzial an Lernchancen. Nomadisch in der Natur unterwegs sein bedingt Achtsamkeit und Präsenz. Das Wetter gestaltet das Tagesprogramm ebenso mit, wie spontane Begegnungen oder das Kochen eines bestimmten Feuer-Gerichtes. Das tägliche Ein- und Auspacken und das langsame Vorwärtskommen entschleunigen und werfen einen auf sich selbst zurück, auf die ureigenen Bedürfnisse, Hemmschwellen, Ängste und Bequemlichkeiten. Auf Luxus und Komfort zu verzichten, bedeutet zuerst einmal Überwindung, der Gewinn kommt hinterher. Wer sich aber auf diese Art des Reisens einlässt, wird von der Konsumentin zur Genießerin, vom Passagier zum Akteur. -- Zirkulärer Transfer Wenn Kritiker über Outdoortrainings sprechen, wird oft vorschnell die Transferwirkung in Frage gestellt, also wie dafür gesorgt werden kann, dass die Learnings aus dem Training im Alltag danach messbare Veränderungen nach sich ziehen. Diesem Anspruch, so nachvollziehbar er natürlich ist, liegt ein mechanistisches Lernverständnis zu Grunde und es kann ihn wohl kaum ein Bildungsprogramm erfüllen. Die Kriterien für erfolgreiche Trainings und damit auch für einen gelingenden zirkulären Transfer sind Passung, Zustimmung und Offenheit. Wenn die Ziele eines Trainings, der Zeitpunkt der Durchführung, die Einbettung in den Gesamtprozess, das Maß an Herausforderung und Komfort und weitere Kriterien passen und das Outdoortraining in angemessenem Sinne die Lebensrealität abbildet und neue Möglichkeiten eröffnet, dann steigen die Chancen, dass ein Training nachhaltig wirkt. Zustimmung bedeutet ein gesundes Maß an Commitment seitens der betroffenen Belegschaft sowie Anschlussfähigkeit an die relevanten Umwelten und angrenzende Abteilungen, Kundengruppen oder Hierarchieebenen. Letztlich braucht es aber trotz aller Vorbereitungen und Planbarkeit ein gutes Stück Offenheit, um den sich zeigenden Prozessen und den laut werdenden Stimmen während eines Trainings gerecht zu werden. Outdoortrainings welche diese Kriterien erfüllen, wirken vor, während und nach ihrer Durchführung. Die intensive Auftragsklärung löst Reflexionsprozesse aus und fokussiert Interesse und Engagement auf das gewünschte Resultat. Das Training selbst gestaltet sich als <?page no="154"?> 154 Leadership und Guiding gemeinsames (Erfolgs-)Erlebnis, welches viele Parallelen zur Alltagssituation aufweist und diese doch auch ergänzt und erweitert. Die Einbettung bietet Ankerpunkte und Erinnerungshilfen, um auch in den nachfolgenden Wochen und Monaten aktiv an der gemeinsamen Erfahrung und den resultierten Learnings anknüpfen zu können. So stellt das Outdoortraining ein prototypisches Lösungsszenario dar, das Vorbild für weitere Prototypen sein soll. „Raus gehen hilft, die Perspektive zu wechseln, Unmittelbarkeit zu erleben und Vorhandenes wertzuschätzen. Menschen ticken in der Natur einfach anders als im Büro. Die systemische Haltung, die wir draußen schulen, verändert die Zusammenarbeit und führt weg von der erlernten Rotstiftkultur. Dadurch werden die Büros zwar nicht bunter, aber die Kooperation lebendiger“ (Vgl. Zuffellato, 2014, S. 37-45) Vier Wege systemischer Führung Outdoor-Leadership-Trainings schulen die eigene Führungshaltung in den Aspekten Ressourcenorientierung und Lösungsfokus, sie nähren gegenseitige Wertschätzung und Zuversicht und sie lehren idealerweise Bescheidenheit, denn im Draußensein relativiert sich die eigene Reichweite und die Eingebundenheit in größere Kreise wird deutlich. Aber diese Leadership Trainings bieten auch Gelegenheiten auf den vier Führungswegen zu wachsen. So gehören Entscheiden und Umsetzen natürlicherweise zum Outdoor und Führungskräfte können ihre Fähigkeiten sich auf Wesentliches zu fokussieren und das Ganze mitzudenken unter Beweis stellen. Sie sind herausgefordert ihre Wahrnehmung zu schulen und proaktiv zu handeln. Ebenso gibt es viele Möglichkeiten sich im Leiten und Begleiten zu üben, also innerhalb der Gruppe und der Aktivitäten Vertrauen zu schaffen, für angemessene Ziele zu sorgen und die vorhandenen Ressourcen und Potenziale zu nutzen. Führungsgeschehen wird so anschaulich und lebendig erlebt und bietet individuelle Anknüpfungspunkte, Reflexionsmöglichkeiten und Wachstumschancen. <?page no="155"?> Führungserfahrung durch Outdoortrainings 155 Abb. 1: Vier Wege für Systemisches Führen <?page no="156"?> 156 Leadership und Guiding Wann machen Outdoor-Leadership-Trainings Sinn? In einem breiteren Verständnis tragen alle Mitarbeitenden einer Organisation mit ihren individuellen Beiträgen zur Führung bei und Leadership betrifft sie deshalb, zumindest in punkto Selbstmanagement und eigene Kommunikationsanteile. Führungstraining nützt jungen Talenten ebenso wie alten Häsinnen und Hasen. Eine Zielgruppe sind beispielsweise Nachwuchskräfte, die aus fachlichen Gründen befördert werden und so allmählich in Führungspositionen rücken. Hier werden sie mit neuen Anforderungen und Aufgaben konfrontiert oder das Führen gilt als selbstverständliche Nebensache. Viele von ihnen haben Nachholbedarf, können es sich aber nicht leisten on the job zu lernen oder gar Fehler zu machen. So werden oft unreflektiert die eigenen (biografischen) Führungserfahrungen reproduziert, was für moderne Organisationen oft nicht passend ist. Maßgeschneiderte Outdoortrainings eignen sich aber auch für viele andere Themen rund um Führung, etwa für  Führungskräfte bei Karriereschritten  Führungskräfte bei Nachfolgeregelungen  Wenn Führungskräfte durch Selbstreflexion, Persönlichkeitsentwicklung und Verhaltensmodifikationen das eigene Profil schärfen wollen  Wenn führungsintensive Unternehmensphasen bevorstehen  Wenn Organisationen ihre Performanz auf der Führungsebene steigern wollen Literatur Hufenus, H.-P. (2013). Handbuch für Outdoor Guides. Augsburg: Ziel Verlag. Zuffellato, A. (2014). Führung lernt man draussen. Zürich: NZZ Libro. Weiterführende Literatur Covey, S. R. (2007). Die 7 Wege zur Effektivität. Offenbach: Gabal. Krusche B. (2008). Paradoxien der Führung. Heidelberg: Carl‐Auer. Lotmar, P. & Tondeur, E. (1999). Führen in sozialen Organisationen. Bern: Haupt. Seliger R. (2012). Dschungelbuch der Führung. Heidelberg: Carl-Auer. Sennett, R. (2012). Zusammenarbeit. Berlin: Hanser. <?page no="157"?> Autorenverzeichnis Professor Dr. Christoph Tiebel ist Professor für Human Ressource Management und Studiendekan des Studienganges Betriebswirtschaftslehre und Sozialmanagement. Er befasst sich im Rahmen des Forschungsprojektes Neuromanagement mit der Fragestellung der Trainierbarkeit von Emotionaler und Sozialer Intelligenz. Hierzu wurden Methoden und Systeme eines komplexen Trainings mit entsprechender Wirksamkeitsforschung entwickelt. christoph.tiebel@hs-heilbronn.de Silke Körner ist geschäftsführende Gesellschafterin der DEX Training & Consulting GmbH. Sie ist Expertin für multidimensionale Lernprozesse und moderne Didaktik. Seit Ende der 1980er-Jahre widmet sie sich der Konzeption und Durchführung erlebnisorientierter Führungskräfte- und Personalentwicklung, Train-the-Trainer- Schulungen und Ausbildungen mit zunehmendem Einsatz digitaler Lern-Tools in Nord- und Südamerika, Australien sowie Europa. silke.koerner@dextraining.de Jörg Janzen ist geschäftsführender Gesellschafter der DEX Training & Consulting GmbH. Er ist Diplom- Sportpädagoge, Lehrbeauftragter der Fresenius University of Applied Sciences und Experte für nachhaltige Personalentwicklung. Seit Ende der 1980er-Jahre arbeitet er als Systemischer Organisationsberater und Coach. Er widmet sich der Beratung, dem Vertrieb sowie der Durchführung erlebnisorientierter Führungskräfte- und Personalentwicklung sowie der Verbreitung von Blended-Learning-Ansätzen bei Entwicklungsprogrammen. joerg.janzen@dextraining.de <?page no="158"?> 158 Autorenverzeichnis Christoph Maretzek (*1967) aus Mannheim ist als Diplom-Sozialpädagoge (FH) und langjähriger Guidetrainer mit der Materie „Leadership und Guiding“ besonders vertraut. Nach seinem Studium leitete er kommunal eine Obdachlosenunterkunft für junge Erwachsene. Mit den Erfahrungen von 40 Jahren Outdoorleben sowie fast 30jährigem Dienst (Aktiv/ Reserve/ Einsatz) in der Gebirgstruppe als Zugführer und Instructor gründete er nach fast 20 Jahren aktiver Leitungsarbeit als Ausbilder, 1./ 2.Vorsitzender und Ausbildungsleiter im damaligen Internationalen Wildnisführerverband 2015 die Guide Academy Europe. Um das Thema Naturschutz auf Tour, Guiding und Leadership für Winter, Trekking und Wildnis für Guides weiter zu etablieren und auszubauen, führt er fordernde und realistische Guideausbildungen, Workshops und Weiterbildungen zwischen Nordschschwarzwald und Schwedisch-Lappland durch. Für Firmen und Behörden bildet er zugeschnittene Trainings und Bildungsmaßnahmen, für Jugendgruppenleiter ehrenamtlich Outdoor-/ Leitertrainings ab. Im Rahmen des Studiums arbeitet er seit 2019 als Referent für Leadership und Guiding, leitet weiterhin selber Wildnistouren und arbeitet im Bereich Trekking mit Forst und Naturparks eng zusammen. info@trekk-n-guide.eu Simon Karl hat nach der Ausbildung das Leben in vollen Zügen genossen und zwar in Frankfurt, wo er als Systemtechniker für eine Großbank gearbeitet hat. Da viel Lebensqualität auf der Strecke blieb, entschied er sich für ein Studium als Medientechniker und begann zum Glück parallel dazu bei einem Kanuverleih zu arbeiten. Hier begann das Feuer zu lodern, sich doch lieber draußen aufzuhalten und mit Menschen, statt mit IP-Adressen zu arbeiten. Seit 2006 betreibt er den Kletterwald Wetzlar und bietet parallel Teamtrainings außerhalb der Komfortzone an und ist durch seine Tätigkeit im Job als Führungskraft ein hervorragender Coach für Fach- und Führungskräfte, wenn es um die Beziehung zwischen den Menschen geht. „Denn nirgends kann man besser lernen, als durch die Erfahrungen, die man selbst gemacht hat.“ nachricht@der-simon.de <?page no="159"?> Autorenverzeichnis 159 Winfried Hofer ist Baumpfleger, Skateboarder und promovierter Kulturwissenschaftler. Er ist seit 1995 in der handlungsorientierten Beratung tätig. Zusammen mit Gerhard Maier und Martin Prangl ist er in der Grazer Berater Gruppe aktiv. winfried.hofer@greenpark.at Prof. Dr. Andre M. Schmutte ist Experte für Business Transformation. Er berät Unternehmen und coacht Führungskräfte in der agilen Unternehmensentwicklung und der synergetischen Führung von High Performance Teams. Prof. Schmutte ist Mitglied des Competence Centre for Innovations & Quality in Leadership & Learning (CILL) an der Hochschule für angewandtes Management und stellv. Projektleiter des Forschungsprojekts „TeamLead“, in dem das Team um Prof. Graf die erfolgskritischen Führungsaufgaben identifizierte, die Teams zu Hochleistungen führen. www.teamlead.partners andre.schmutte@teamlead.partners Prof. Dr. Nele Graf berät die Wirtschaft als Geschäftsführerin der Mentus GmbH in der Führungskräfteentwicklung und begleitet Veränderungs- und Transformationsprozesse. Als Professorin für Personal & Organisation gründete sie 2013 das Competence Centre for Innovations & Quality in Leadership & Learning (CILL) an der Hochschule für angewandtes Management. Prof. Graf ist Initiatorin und Leiterin des vom BMBF geförderten Forschungsprojekts „TeamLead“. www.teamlead.partners nele.graf@teamlead.partners Karin Wurth ist als Business Coach und Beraterin mit dem Schwerpunkt Organisationen agil entwickeln selbständig. Sie verbindet dabei ihre Erfahrung als Professional Coach (DBVC) mit ihrer Ausbildung im agilen Umfeld als Certified ScrumMaster®. Karin Wurth ist Vorarlberger Wanderführerin und begleitet Menschen, Teams und Organisationen auf deren Weg in den digitalen Wandel. coaching@karinwurth.de <?page no="160"?> 160 Autorenverzeichnis Prof. Dr. Axel Koch ist promovierter Diplom- Psychologe und Professor für Training und Coaching an der Hochschule für angewandtes Management in Ismaning (bei München). Er arbeitet seit über 20 Jahren als Trainer, Berater und Coach. Breite Bekanntheit hat er im Jahr 2008 durch seinen unter dem Pseudonym Richard Gris verfassten Wirtschaftsbestseller „Die Weiterbildungslüge“ erlangt. Die Zeitschrift OrganisationsEntwicklung zählt ihn deshalb zu den „wichtigsten Vordenkern zu den wesentlichen Fragen zur Zukunft von HR“ (Dossier 2/ 12). Mit seinem Buch „Change mich am Arsch“ (2018) landete er einen weiteren Wirtschaftsbestseller und thematisiert hier das Leiden am zunehmenden Veränderungstempo in den Firmen. In seiner Forschung befasst sich Koch mit dem Thema nachhaltige Personalentwicklung und persönliche Veränderungsprozesse. Die von ihm entwickelte Transferstärke-Methode wurde vom Deutschen Weiterbildungspreis 2011 ausgezeichnet. Dazu gibt es auch das gleichnamige Buch „Die Transferstärke-Methode“ (2018). Mehr unter: www.transferstaerke.com axel.koch@fham.de Prof. Dr. Ulrich Lenz ist Professor für Change Management, Organisationsentwicklung und Coaching an der Hochschule für angewandtes Management. In Lehre und Forschung befasst er sich mit Leadership in agilen Organisationsformen. In mehr als 25 Jahren Führungserfahrung verantwortete Lenz vielfältige Reorganisations- und Organisationsprojekte, die ihn in alle wesentlichen Wirtschaftsregionen weltweit führten. Auf der Grundlage mehrerer Coaching-Weiterbildungen arbeitet er als Executive- und Business-Coach und als Begleiter in komplexen Transformationsprozessen. Mehr unter: lenz-advisoryservices.com ulrich.lenz@fham.de <?page no="161"?> Prof. Dr. Manuel Sand organisiert die internationale Kongressreihe zum Thema Outdoor und Adventure. Er ist Programmleiter des Branchenprogramms Outdoorsport und Adventuremanagement und akademischer Leiter am Adventure Campus in Treuchtlingen. In Forschung und Lehre widmet er sich u.a. den Themen Abenteuertourismus, Erlebnispädagogik, psychologische Effekte von Abenteuern, Outdoorsport und Umweltschutz, Management und Vermarktung von Outdoorsportarten. manuel.sand@fham.de Andrea Zuffellato ist Lehrer, Lehrtrainer und systemischer Berater sowie Autor verschiedener Fachbücher und Artikel im Themenbereich Erlebnispädagogik, Outdoor und Führung. Seit 2011 leitet er das Institut planoalto, welches seit über 30 Jahren in den Feldern der handlungsorientierte Ansätze und des Erfahrungslernen in der Natur forscht und aktiv tätig ist. Seit 2014 leitet er zudem die Institution Hölzli, welche Lebensraum und Ausbildungsplätze für krisenbelastete junge Erwachsene anbietet. zuffellato@planoalto.ch Autorenverzeichnis 1 61 <?page no="163"?> Stichwortverzeichnis Affekt 20 Agilität 39, 92, 140 Ambiguität 39 Blinder Fleck 113 Business Model Canvas 102 Canvas 103 Cheftypen, tierische 60 Complexity 140 Differenzmanagement 87 Digitalisierung 99, 109 Elephant Island 136 Emotion 19 Emotionale Intelligenz 22, 30 Emotionsforschung 18 Emotionsmanagement 22 Endurance Expedition 133 Entscheidungskreislauf 54 Entwicklungsmanagement 93 EQ-Training 25 Expedition 134 Experimente 140 Fachkompetenz 59 Führen von Teams 83 Führung Abenteuer 101 Aufgaben 86 Digitalisierung 99 Entwicklung 104, 106 Erfahrung Outdoor 149 erfolgreiche 35 in der Natur 50 nachhaltige 15, 23 Training (Fjord) 150 VUKA-Welt 142 Führungskräfteentwicklung 41 Gefühl 19 Geschäftsmodelle 102 Guide 53 hochleistungsfähige Teams 94 Hochleistungsteams 83 Informationsgewinnung 140 Informationsverarbeitung 140 Klarheit 38 Kompetenzen 89 Komplexität 38 Leadership 46, 51, 52 Lerntransfer 113 Lerntransfer-Skills 125 Neugier 41 Neurobetriebswirtschaftslehre 17 Neuromanagement 18 Outdoor-Leadership-Training 150, 156 Prozessmanagement 91 Reflexion 38 Reflexionsmanagement 92 <?page no="164"?> 164 Stichwortverzeichnis Ressourcenmanagement 89 Restrukturierung 140 Rettung 136 Shackleton, Ernest 132, 136, 137, 138 Standards 91 Stimmung 20 Strukturmanagement 90 Team hochleistungsfähig 94 Teamführung 83 TEAMLEAD 83, 86, 87 TEIQue (Test) 27, 28, 29 Training im ... 123 nach dem ... 123 vor dem ... 119 Transferstärke Analyse 118 Modell 116 Ungewissheit 38, 140 Vision 37 Volatilität 37 Volatility 140 VUKA-Welt 35, 41, 131, 139, 142 Weiterentwicklung 41 Worsley, Frank 135, 136 zirkulärer Transfer 153