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Internationales Management und Personalführung

0419
2021
978-3-7398-8032-7
978-3-7398-3032-2
UVK Verlag 
Wilhelm Schmeisser
Irene E. Rath

Im Zeitalter der Globalisierung wird das Internationale Management für multinational agierende Unternehmen immer wichtiger. Aktuelle Herausforderungen sind insbesondere die internationalen Dienstleistungen, das internationale Personalmanagement und das internationale Financial Management. Diese drei hochrelevanten Managementbereiche bilden das Grundgerüst dieses Buches: Die Unternehmen müssen - was den Dienstleistungsbereich angeht - vor allem den internationalen Zahlungsverkehr der Banken und Versicherungen für sich optimieren. Darüber hinaus wird die Nutzung des Internets sowohl unternehmensintern als auch -extern diffiziler. Im Buch werden zudem die Themen global agierender Medien- und IT-Unternehmen sowie internationaler Beratungsfirmen behandelt. Das Personalmanagement entwickelt sich gerade in Europa aktuell zum strategischen Engpassfaktor. Neben den qualifikatorischen Herausforderungen von Industrie 4.0 und Künstlicher Intelligenz kommt nun noch die ohnehin schwierige Aufgabe hinzu, generell ausreichend viele Fachkräfte zu gewinnen. Doch Technik, Werkstoffe und Personal müssen auch finanziert werden und auch strategische Investitionen sind für globale Unternehmen kostenintensiv und überlebenswichtig. So rücken Cash Management-Systeme mit internationalem Cash Pooling immer mehr in den Fokus.

<?page no="0"?> Wilhelm Schmeisser, Irene E. Rath (Hg.) Internationales Management und Personalführung <?page no="2"?> Wilhelm Schmeisser, Irene E. Rath (Hg.) Internationales Management und Personalführung UVK Verlag · München <?page no="3"?> Einbandmotiv: © iStockphoto - NicoElNino Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.dnb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 1. Auflage 2021 © UVK Verlag München 2021 - ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de ISBN 978-3-7398-3032-2 (Print) ISBN 978-3-7398-8032-7 (ePDF) <?page no="4"?> Vorwort Dieses Buch wird Herrn Universitätsprofessor Dr. G. Müller-Stevens gewidmet. Das Internationale Management ist eines der dynamischsten Fächer in der Betriebswirtschaft. Mit diesem Buch wird eine Einführung mit diversen Themen gegeben. Ein Lehrbuch in das internationale Management sucht man oft vergebens. Hier ist ein erster Versuch, dieses zu heilen. Dieses Lehrbuch gibt verschiedene Perspektiven in das internationale Management. Hier verfolgen die Verfasser den Ansatz von Müller-Stevens aus St. Gallen, der im strategischen und internationalen Management als ausgewiesener Experte gilt. Prof. Dr. F. Wilhelm Schmeisser Prof. Dr. Irene E. Rath <?page no="6"?> Inhaltsübersicht Vorwort....................................................................................................................................................................... 5 Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................................................... 17 Tabellenverzeichnis ............................................................................................................................................... 21 Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................................................................ 23 Teil 1: Multinationale Organisationen ...............................................................................25 Wilhelm Schmeisser / Irene Rath 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit ........................................ 27 Wilhelm Schmeisser / Irene Rath 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen ................................. 97 Teil 2: Internationales Recruiting....................................................................................169 Wilhelm Schmeisser / Irene Rath 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements .................. 171 Wilhelm Schmeisser / Irene Rath 4 Prozess des internationalen Personalmanagements .......................................................................... 225 Wilhelm Schmeisser / Irene Rath 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung............... 305 Wilhelm Schmeisser / Irene Rath 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen .. 371 Teil 3: Dienstleistungsmanagement ...............................................................................431 Wilhelm Schmeisser / Irene Rath 7 Internationales Dienstleistungsmanagement ...................................................................................... 433 Ivana Simic / Wilhelm Schmeisser 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen...................... 479 Teil 4: Systeme und Historie...........................................................................................549 Gerfried Hannemann / Wilhelm Schmeisser 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen .......................................................................................................... 551 Jürgen Rath 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player .................................................................................... 617 Glossar..................................................................................................................................................................... 655 Über die Autorinnen und Autoren .................................................................................................................. 665 Stichwortverzeichnis ........................................................................................................................................... 667 <?page no="8"?> Inhaltsverzeichnis Vorwort .................................................................................................................................................................... 5 Abbildungsverzeichnis ......................................................................................................................................... 17 Tabellenverzeichnis .............................................................................................................................................. 21 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................................................................. 23 Teil 1: Multinationale Organisationen ..........................................................25 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit .............................................................................................................................27 1.1 Theoretischer Überblick............................................................................................... 28 1.1.1 Zu „multinationalen Unternehmen“ und zur Globalisierung ......................................... 28 1.1.2 Internationalisierung: Theorien und Erklärungsansätze ................................................ 33 1.1.3 Internationalisierungsstrategien von „multinationalen Unternehmen“: ein Überblick ........................................................................................................................ 37 1.1.4 Wettbewerbsfähigkeit: Wertschöpfung und Wertschöpfungskette ............................... 38 1.1.5 Zu den Begriffen Niedriglohn, Niedriglohnsegment, Niedriglohnland / Low-Cost Country ................................................................................................................................. 44 1.2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen.................... 47 1.2.1 Make or Buy - Eigenfertigung oder Fremdbezug ............................................................ 48 1.2.2 Fertigungstiefe ..................................................................................................................... 49 1.2.3 Einkauf, Beschaffung und Sourcing................................................................................... 49 1.2.4 Erscheinungsformen des Sourcings ................................................................................... 51 1.2.5 Global Sourcing und Low-Cost Country Sourcing - eine genauere Analyse ............... 53 1.3 Zur Wertschöpfungskette in der Bekleidungsindustrie ........................................... 62 1.3.1 Design und Produktentwicklung (Sortimentsprogramm) ............................................... 63 1.3.2 Order ..................................................................................................................................... 64 1.3.3 Verkaufsphase ...................................................................................................................... 64 1.3.4 Einkauf .................................................................................................................................. 64 1.3.5 Produktionsprozess ............................................................................................................. 64 1.3.6 Ausgangslogistik.................................................................................................................. 66 1.4 Wettbewerbs- und Wertschöpfungspotenziale in der Bekleidungswirtschaft ...... 66 1.4.1 Vertikalisierung ................................................................................................................... 66 1.4.2 Wertschöpfung in Beschaffung und Sourcing - Eigenheiten der Bekleidungsindustrie ................................................................................................................................ 68 1.5 Industrielle Revolutionen als Globalisierungstreiber ab dem 17. Jahrhundert ..... 76 1.5.1 Die erste industrielle Revolution ....................................................................................... 77 <?page no="9"?> 10 Inhaltsverzeichnis 1.5.2 Die zweite industrielle Revolution .................................................................................... 79 1.5.3 Die dritte industrielle Revolution...................................................................................... 80 1.5.4 Industrie 4.0 - die vierte industrielle Revolution ............................................................ 80 1.5.5 Terminologische Grundlagen............................................................................................. 81 1.5.6 Vertikale und horizontale Integration .............................................................................. 82 1.5.7 Revolution oder Evolution? ................................................................................................ 84 1.5.8 Die Vision Industrie 4.0 ...................................................................................................... 84 Bearbeitungshinweise zu den Übungen ........................................................................................................... 87 Literatur ........................................................................................................................................ 92 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen .................................................................................................................. 97 2.1 Interkulturelle Teams als Erfolgspotenzial und Herausforderung für Unternehmen................................................................................................................. 97 2.2 Grundlegende Termini und Modelle interkultureller Teamarbeit ........................ 100 2.3 Interkulturalität .......................................................................................................... 109 2.3.1 Kulturelle Überschneidungssituationen ......................................................................... 109 2.3.2 Terminologische Grundlagen von Interkulturalität ...................................................... 110 2.4 Teams und Interkulturalität ...................................................................................... 112 2.4.1 Terminologische Grundlagen von Teams ....................................................................... 112 2.4.2 Entwicklungsstadien von Teams ..................................................................................... 113 2.4.3 Terminologische Grundlagen von interkulturellen Teams .......................................... 113 2.5 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven .......... 114 2.5.1 Zur Notwendigkeit von vier organisationstheoretischen Perspektiven ..................... 114 2.5.2 Strukturelle Perspektive: Die Organisation als Maschine ............................................ 116 2.5.3 Verhaltenswissenschaftliche Perspektive: Die Organisation als soziales System ..... 117 2.5.4 Politisch-rechtliche Perspektive: Die Organisation als politische Arena ................... 118 2.5.5 Symbolische Perspektive: Die Organisation als Theater .............................................. 119 2.6 Interkulturelle Teams aus einer strukturellen Perspektive ................................... 121 2.6.1 Primärorganisation ........................................................................................................... 121 2.6.2 Sekundärorganisation ....................................................................................................... 123 2.6.3 Zur Aufgabe als Auslöser für den Einsatz von Teamarbeit.......................................... 125 2.6.4 Konsequenzen für den Einsatz interkultureller Teams ................................................. 126 2.7 Interkulturelle Teams aus einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive ....... 127 2.7.1 Entwicklungsprozess interkultureller Teams ................................................................ 127 2.7.2 Kommunikation in interkulturellen Teams .................................................................... 129 2.7.3 Führung interkultureller Teams ...................................................................................... 132 2.7.4 Konsequenzen für den Einsatz interkultureller Teams ................................................. 135 2.8 Interkulturelle Teams aus einer politisch-rechtlichen Perspektive...................... 135 <?page no="10"?> Inhaltsverzeichnis 11 2.8.1 Konfliktauslöser in interkulturellen Teams.................................................................... 135 2.8.2 Konfliktarten und deren Auswirkungen ......................................................................... 138 2.8.3 Verhaltensweisen in Konfliktsituationen ....................................................................... 139 2.8.4 Lösungs- und Quasilösungsstrategien für Konflikte ..................................................... 140 2.8.5 Konsequenzen für den Einsatz interkultureller Teams ................................................. 143 2.8.6 Unternehmenskultur ......................................................................................................... 143 2.8.7 Einfluss der Unternehmenskultur auf interkulturelle Teams ....................................... 144 2.8.8 Konsequenzen für den Einsatz interkultureller Teams ................................................. 144 2.9 Strukturelle Organisationsstrukturen in multinationalen Unternehmen ............ 146 2.10 Unspezifische Organisationsstrukturen multinationaler Unternehmen .............. 149 2.11 Segregierte Organisationsstrukturen internationaler und multinationaler Unternehmen ............................................................................................................... 150 2.12 Integrierte Organisationsstrukturen multinationaler Unternehmen.................... 151 Bearbeitungshinweise zu den Übungen ......................................................................................................... 155 Literatur ................................................................................................................................................................ 162 Teil 2: Internationales Recruiting............................................................... 169 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements ............................................................................................ 171 3.1 Internationalisierung von Unternehmen als Herausforderung für das Personalmanagement ................................................................................................................ 171 3.2 Internationalisierungsstrategien und Internationales Personalmanagement ...... 173 3.3 EPRG-Modell von Perlmutter .................................................................................... 174 3.4 Rahmenbedingungen des Internationalen Personalmanagements ........................ 179 3.4.1 Arbeitsmarkt ...................................................................................................................... 179 3.4.2 Interne Wege der Personalbeschaffung .......................................................................... 180 3.4.3 Externe Wege der Personalbeschaffung .......................................................................... 181 3.4.4 Besonderheiten bei internationaler Personalsuche im Vergleich zur nationalen Personalsuche ..................................................................................................................... 184 3.4.5 E-Recruiting respektive die Rolle des Internets ............................................................. 185 3.4.6 E-Recruiting-Kanäle .......................................................................................................... 188 3.4.7 Arbeitsrecht ........................................................................................................................ 192 3.4.8 Arbeitskultur ...................................................................................................................... 193 3.4.9 Exkurs: Europäisches Arbeits- und Sozialrecht ............................................................. 194 3.4.10 Geltender Rechtsrahmen für Entsendungen in der EU ................................................. 194 3.4.11 EU-Entsenderichtlinie von 1996 ....................................................................................... 195 3.5 Formen der grenzüberschreitenden Tätigkeit von Mitarbeitern........................... 197 3.6 Daten und Fakten zur Entsendung innerhalb der EU ............................................. 200 3.6.1 Mitarbeiterentsendung am Beispiel von Deutschland und Polen ................................ 200 <?page no="11"?> 12 Inhaltsverzeichnis 3.6.2 Entsendung polnischer Arbeitnehmer ins EU-Ausland ................................................ 201 3.7 Outsourcing und Offshoring des Personalmanagements ....................................... 202 Lösungshinweise zu den Übungen im Text................................................................................................... 204 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................................. 211 4 Prozess des internationalen Personalmanagements ............................... 225 4.1 Bedeutung und Ziele von Auslandseinsätzen ......................................................... 225 4.2 Auswahl von Mitarbeitern......................................................................................... 226 4.2.1 Internationale Personalauswahl ...................................................................................... 226 4.2.2 Voraussetzungen und Anforderungen zur Personalauswahl ....................................... 228 4.2.3 Personalauswahlprozess ................................................................................................... 229 4.2.4 Rechtliche Aspekte zur Auswahl von Personal ............................................................. 229 4.2.5 Klassische Auswahlinstrumente und ihre Anwendung im internationalen Kontext 232 4.2.6 Schwierigkeiten klassischer Methoden im internationalen Kontext........................... 255 4.2.7 Kritische Würdigung von Assessment-Centern als Auswahlinstrument ................... 256 4.2.8 Probleme rechtlicher Hintergründe zu Datenschutz und Ethik ................................... 257 4.3 Interkulturelles Training ........................................................................................... 258 4.3.1 Grundsätzliches zum Interkulturellen Training ............................................................ 258 4.3.2 Familiäre Stabilität ............................................................................................................ 258 4.3.3 Vorbereitung auf den Auslandseinsatz ........................................................................... 259 4.3.4 Einsatz und Betreuung des Expatriates .......................................................................... 263 4.4 Einsatz .......................................................................................................................... 266 4.4.1 Arten internationaler Auslandseinsätze ......................................................................... 266 4.4.2 Zum Entsendungsprozess ................................................................................................. 269 4.4.3 Interne versus externe Bewerber..................................................................................... 270 4.4.4 Einflussfaktoren auf den Erfolg eines Auslandseinsatzes ............................................ 272 4.4.5 Einsatzphase....................................................................................................................... 274 4.4.6 Verlauf des Kulturschocks - Phasen nach Oberg .......................................................... 274 4.4.7 W-Kurven-Modell.............................................................................................................. 275 4.4.8 Betreuung des Mitarbeiters im Ausland ......................................................................... 276 4.5 Reintegration............................................................................................................... 279 4.5.1 Verlauf der Wiedereingliederung nach Fritz.................................................................. 279 4.5.2 Drei-Phasen-Modell des Rückkehrprozesses nach Hirsch ............................................ 280 4.5.3 Arten der Reintegration.................................................................................................... 281 4.5.4 Wiedereingliederung aus Unternehmensperspektive ................................................... 286 4.5.5 Maßnahmen zur Unterstützung der Reintegration des Expatriates ............................ 287 Lösungshinweise zu den Übungen im Text................................................................................................... 290 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................................. 296 <?page no="12"?> Inhaltsverzeichnis 13 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung ............................................................................................................ 305 5.1 Motivation in unterschiedlichen Kulturen .............................................................. 305 5.1.1 Zum Konzept interkultureller beruflicher Handlungsfelder als Motivation in unterschiedlichen Kulturen .............................................................................................. 305 5.1.2 Zur Ein- und Abgrenzung von Interkulturalität ............................................................ 305 5.1.3 Zum interkulturellen Handlungsfeld der Auslandsentsendung ................................... 306 5.1.4 Zum Erfolg interkultureller Tätigkeiten ......................................................................... 310 5.2 Internationale Entgeltfindung ................................................................................... 330 5.2.1 Entgeltbegriff ..................................................................................................................... 331 5.2.2 Direktentgelt ...................................................................................................................... 332 5.2.3 Erfolgsbeteiligung.............................................................................................................. 333 5.2.4 Sozialleistungen ................................................................................................................. 333 5.2.5 Ausrichtung von Entgeltsystemen................................................................................... 333 5.2.6 Anforderungen an Entgeltsysteme .................................................................................. 333 5.2.7 Modelle internationaler Entgeltpolitik............................................................................ 335 5.2.8 Vergütung international tätiger Mitarbeiter .................................................................. 337 5.3 Entgeltvergleich eines Expatriates bei Versendung auf internationaler Ebene in Japan und Südafrika ................................................................................................... 343 5.4 Internationales Steuerrecht ....................................................................................... 347 5.4.1 Unbeschränkte Einkommenssteuerpflicht ...................................................................... 347 5.4.2 Beschränkte Einkommenssteuerpflicht ........................................................................... 348 5.4.3 Internationales Doppelbesteuerungsabkommen ............................................................ 349 Lösungshinweise zu den Übungen im Text................................................................................................... 354 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................................ 356 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen ............................................................................ 371 6.1 Personalmanagement in Europa - internationales Personalmanagement ........... 371 6.1.1 Grundbegriffe des Personalmanagements....................................................................... 372 6.1.2 Abgrenzung internationales Personalmanagement ....................................................... 372 6.1.3 Internationalisierung der Märkte .................................................................................... 373 6.1.4 Internationalisierung von Unternehmen ........................................................................ 374 6.1.5 Treiber und Barrieren der Mitarbeiterentsendung ........................................................ 375 6.2 Personalplanung in Deutschland und als Beispiel für Europa bei multinationalen Unternehmen ........................................................................................... 376 6.2.1 Methodik der Personalplanung ........................................................................................ 377 6.2.2 Zur engeren Personalplanung .......................................................................................... 379 6.3 Digitalisierung als Ausgleich des demografischen Wandels ................................. 393 6.3.1 Voranschreiten der Digitalisierung ................................................................................. 395 <?page no="13"?> 14 Inhaltsverzeichnis 6.3.2 Folgen der Digitalisierung für deutsche Unternehmen ................................................ 396 6.3.3 Substituierbarkeitspotenzial ............................................................................................ 397 6.3.4 Steigende Produktivität .................................................................................................... 402 6.3.5 Umstrukturierung der Arbeitskräfte ............................................................................... 403 6.3.6 Handlungsfelder für deutsche Unternehmen ................................................................. 404 6.4 Zugewanderte Arbeitskräfte als Ausgleich des demografischen Wandels .......... 405 6.4.1 Fluchtmigration ................................................................................................................. 406 6.4.2 Migranten aus Südosteuropa............................................................................................ 413 6.4.3 Qualifizierte Zuwanderung .............................................................................................. 415 6.4.4 Beitrag der Migration zur Fachkräftesicherung ............................................................ 419 6.4.5 Handlungsfelder für deutsche Unternehmen ................................................................. 420 Bearbeitungshinweise zu den Übungen im Text.......................................................................................... 423 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................................. 425 Teil 3: Dienstleistungsmanagement........................................................... 431 7 Internationales Dienstleistungsmanagement ............................................. 433 7.1 Rahmenbedingungen der Internationalisierung von Dienstleistungen ............... 433 7.2 Internationalisierungsmotivation (allgemein und im Besonderen bei Dienstleistungen) ................................................................................................................... 437 7.2.1 Typologisierung internationaler Dienstleistungen ....................................................... 438 7.2.2 Internationalisierung versus Globalisierung.................................................................. 441 7.2.3 Bedeutung von Zielen, Strategien und operativen Maßnahmen der Internationalisierung.............................................................................................................................. 441 7.2.4 Wettbewerbsstrategien ..................................................................................................... 443 7.3 Internationale Marktauswahl (für DL) ..................................................................... 445 7.4 Markteintritts- und -austrittsbarrieren.................................................................... 449 7.4.1 Markteintrittsbarrieren..................................................................................................... 450 7.4.2 Staatliche Politik ............................................................................................................... 455 7.4.3 Zu erwartende Reaktionen der Wettbewerber ............................................................... 456 7.5 Bedrohung durch Ersatzprodukte ............................................................................. 458 7.5.1 Verhandlungsstärke der Lieferanten ............................................................................... 458 7.5.2 Marktaustrittsbarrieren .................................................................................................... 463 7.5.3 Fazit der Strukturanalyse nach Porter im Einzelhandel in Indien............................... 464 7.6 Wettbewerbsstrategien internationaler Dienstleistungsunternehmen ................ 465 7.6.1 Drei generische Wettbewerbsstrategien nach Porter.................................................... 465 7.6.2 Generelle Wettbewerbsstrategien internationaler Dienstleistungsunternehmen ..... 469 7.6.3 Sequentiell-hybride Strategie........................................................................................... 472 Bearbeitungshinweise zu den Übungen ......................................................................................................... 473 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................................. 476 <?page no="14"?> Inhaltsverzeichnis 15 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen ........................................................................................................ 479 8.1 Begriffsdefinition und Bestimmung des First Mover.............................................. 482 8.1.1 Begriffliche Abgrenzung des First Mover bei Dienstleistungen .................................. 483 8.1.2 Zur Erkennung des First-Mover-Status ........................................................................... 484 8.1.3 Einfluss der Marktabgrenzung ......................................................................................... 486 8.2 Theoretische Auseinandersetzung mit dem First-Mover-Konzept ....................... 489 8.2.1 Spieltheoretische Modelle ................................................................................................. 490 8.2.2 Resource-based View......................................................................................................... 491 8.3 First-Mover-Konzept und allgemeine First-Mover-Vor- und -Nachteile ............. 496 8.4 Digitale Geschäftsmodelle und die Internet-Wirtschaft ........................................ 499 8.4.1 Abgrenzung des Begriffs „digitales Geschäftsmodell .................................................... 499 8.4.2 Definition der Internet-Wirtschaft und ihre Charakteristika ...................................... 501 8.4.3 Wettbewerbsbedingungen im Internet ............................................................................ 502 8.4.4 Spezifika digitaler Güter bzw. internationaler Dienstleistungen ................................ 505 8.5 Problematische First-Mover-Vor- und -Nachteile bei digitalen Geschäftsmodellen....................................................................................................................... 509 8.5.1 Synthese und Kategorisierung der einschlägigen Forschungserkenntnisse ............... 509 8.5.2 Feinanalyse der problematischen First-Mover-Vor- und -Nachteile ........................... 516 8.6 Ausgewählte Beispiele ............................................................................................... 528 8.6.1 MySpace und Facebook ..................................................................................................... 528 8.6.2 Google ................................................................................................................................. 529 Lösungshinweise zu den Übungen im Text ............................................................................. 535 Lösungen zu den Aufgaben im Text ......................................................................................... 536 Literaturverzeichnis............................................................................................................................................. 538 Teil 4: Systeme und Historie...................................................................... 549 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen ..................................................................... 551 9.1 Grundsätzliches........................................................................................................... 551 9.2 Cash Management System / e-Banking .................................................................... 552 9.3 Cash- und Liquiditätsmanagement ........................................................................... 560 9.4 Cash Concentration bzw. Cash Pooling ................................................................... 564 9.5 Zahlungsverkehr / Payment Factory ........................................................................ 566 9.6 Auswahl von Banken.................................................................................................. 579 9.7 Ausgestaltung der Zusammenarbeit von Gesellschaften und Banken beim Cash-Pooling ............................................................................................................... 581 9.8 Cash Management, spez. CASH POOLING .............................................................. 584 <?page no="15"?> 16 Inhaltsverzeichnis 9.9 Wesen, Erscheinungsformen usw. von Cash Pooling ............................................ 587 9.10 Arten (Methoden) des Cash Pooling......................................................................... 593 9.11 Juristische Aspekte: AG, GmbH, Cash Pool Master ............................................... 595 9.12 Fiktives Cash Pooling (Notional oder auch virtuelles Cash Pooling)................... 604 9.13 Grenzüberschreitendes Cash Pooling....................................................................... 607 9.14 Rechtliche Grundlagen des konzernweiten Cash Pooling ..................................... 607 9.15 Geschäftsführer im Rahmen eines Cash-Pooling im Konzern .............................. 611 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................................. 613 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player .................................................. 617 10.1 Vor 1150: Die Hansen vor der Hanse ....................................................................... 617 10.2 Von 1150 bis 1350: Hansen, Gilden und Kontore .................................................... 619 10.2.1 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen ............................................................................. 621 10.2.2 Die Fahrtgebiete der Hansen............................................................................................ 622 10.2.3 Die Kontore ........................................................................................................................ 624 10.2.4 Die Schiffe der Hanse ....................................................................................................... 628 10.2.5 Die Waren der Hanse ........................................................................................................ 630 10.2.6 Das Netzwerk der hansischen Fernkaufleute ................................................................. 631 10.3 Von 1350 bis 1500: Von der Kaufmannshanse zur Städtehanse ............................ 633 10.3.1 Die Hansetage .................................................................................................................... 635 10.3.2 Der Kampf um den Erhalt der Privilegien ...................................................................... 638 10.4 Von 1500 bis 1600: Die Welt wird größer - und unübersichtlicher ..................... 644 10.4.1 Der Niedergang der Kontore ............................................................................................ 646 10.4.2 Gesellschaftliche Umbrüche ............................................................................................. 649 10.5 Nach 1600: Blutverlust ............................................................................................... 650 10.6 Schlussbetrachtung..................................................................................................... 652 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................................. 654 Glossar ................................................................................................... 655 Über die Autorinnen und Autoren .............................................................. 665 Stichwortverzeichnis ................................................................................ 667 <?page no="16"?> Abbildungsverzeichnis Abb. 1.1 Wertkette nach Porter ....................................................................................................................... 42 Abb. 1.2 Eine Auswahl von Konzepten und Klassifizierungsformen des Sourcings ......................... 51 Abb. 1.3 Wertkette einer Bekleidungsunternehmung ............................................................................... 63 Abb. 1.4 Struktur des Marktes für Bekleidung ............................................................................................ 65 Abb. 1.5 Beispielhaft vereinfachte Kostenstruktur eines Damenoberteils ........................................... 73 Abb. 1.6 Vorgehen bei der Zielkostenfestlegung des Market-into-Company-Verfahrens ............... 75 Abb. 1.7 Market-into-Company-Zielkostenermittlung ............................................................................. 75 Abb. 1.8 Die vier Stufen der industriellen Revolution ............................................................................... 77 Abb. 1.9 Transatlantischer Dreieckshandel.................................................................................................. 78 Abb. 1.10 Vertikale Integration im Rahmen von Industrie 4.0 .................................................................. 82 Abb. 1.11 Horizontale Integration im Rahmen von Industrie 4.0 ............................................................. 83 Abb. 2.1 Internationalisierungsstrategien nach Bartlett und Ghoshal .................................................. 98 Abb. 2.2 Drei Ebenen der Verhaltensprägung nach Hofstede ............................................................... 102 Abb. 2.3 Kulturzwiebelmodell nach Hofstede............................................................................................ 103 Abb. 2.4 Kulturdimensionen nach Hofstede............................................................................................... 104 Abb. 2.5 Dynamik kultureller Überschneidungssituationen.................................................................. 109 Abb. 2.6 Modell der interkulturellen Kompetenz nach Bolten .............................................................. 111 Abb. 2.7 Phasenmodell der Teamentwicklung nach Tuckman ............................................................. 113 Abb. 2.8 Multikontextuale Perspektiven ..................................................................................................... 115 Abb. 2.9 Organisationsprämissen des strukturellen Ansatzes............................................................... 116 Abb. 2.10 Organisationsprämissen des verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes ................................ 118 Abb. 2.11 Organisationsprämissen des politisch-rechtlichen Ansatzes ................................................ 119 Abb. 2.12 Organisationsprämissen des symbolischen Ansatzes ............................................................. 120 Abb. 2.13 Aufgabenanalyse und Aufgabensynthese .................................................................................. 121 Abb. 2.14 Arbeitsanalyse und Arbeitssynthese ........................................................................................... 123 Abb. 2.15 Entwicklungsschritte leistungsstarker interkultureller Teams nach DiStefano und Maznevski........................................................................................................................................... 127 Abb. 2.16 Entwicklungsstufen eines interkulturellen Teams nach Zeutschel ..................................... 128 Abb. 2.17 Kommunikationsprozess................................................................................................................. 130 Abb. 2.18 Vier Seiten einer Nachricht............................................................................................................ 131 Abb. 2.19 Kommunikationsarten mit beispielhaften Kommunikationsinstrumenten....................... 132 Abb. 2.20 Spektrum der Führungsstile nach Tannenbaum und Schmidt.............................................. 134 Abb. 2.21 Konflikttypen nach Thomas .......................................................................................................... 140 <?page no="17"?> 18 Abbildungsverzeichnis Abb. 2.22 Konfliktlösungsmechanismen für die Eskalationsstufen nach Glasl................................... 142 Abb. 2.23 Übersicht über die Organisationsstrukturen ............................................................................. 149 Abb. 2.24 Grundmodelle segregierter Organisationsstrukturen ............................................................. 150 Abb. 2.25 Grundmuster der integrierten Funktionalstruktur .................................................................. 151 Abb. 2.26 Grundmuster der integrierten Geschäftsbereichs-/ Produktstruktur................................... 151 Abb. 2.27 Grundmuster der integrierten Regionalstruktur ...................................................................... 152 Abb. 2.28 Beispiel Basisvariante: Internationale Matrixorganisation .................................................... 152 Abb. 2.29 Tensororganisation .......................................................................................................................... 153 Abb. 2.30 Intra- und interorganisationale Netzwerkstrukturen.............................................................. 153 Abb. 3.1 Geozentrischer Ansatz nach Perlmutter ..................................................................................... 176 Abb. 3.2 Polyzentrischer Ansatz nach Perlmutter .................................................................................... 177 Abb. 3.3 Geozentrischer Ansatz nach Perlmutter ..................................................................................... 177 Abb. 3.4 Methoden der Vorbereitung auf Auslandstätigkeiten............................................................. 198 Abb. 3.5 Entsandte polnische Staatsangehörige (2010-2015) in Tsd.. .................................................. 201 Abb. 4.1 Personalauswahlkette ...................................................................................................................... 229 Abb. 4.2 Die Standards des Arbeitskreis Assessment Center e.V. als Prozesskette ......................... 240 Abb. 4.3 Kompetenzdimension Kommunikationsfähigkeit.................................................................... 243 Abb. 4.4 Auswertungsmatrix.......................................................................................................................... 244 Abb. 4.6 Aufwand-Nutzen-Verhältnis von Auswahlverfahren ............................................................. 254 Abb. 4.7 Determinanten des Entsendungserfolges ................................................................................... 273 Abb. 4.8 In Anlehnung an das W-Kurven-Modell nach Gullahorn und Gullahorn ......................... 276 Abb. 4.9 Prozessmodell der Reintegration nach Hirsch .......................................................................... 280 Abb. 4.10 Modell der Wiederanpassung nach Black et al. ........................................................................ 284 Abb. 5.1 Internationaler Einsatz bestehender Markennamen................................................................ 307 Abb. 5.2 Potenzielle Vorteile kultureller Diversität.................................................................................. 309 Abb. 5.3 Problemorientierte und ressourcenorientierte Ansätze interkultureller Forschung....... 311 Abb. 5.4 Aufbau eines Interviewleitfadens zur Nachbefragung von Expatriates ............................. 313 Abb. 5.5 Prädiktoren und Kriterien interkulturellen Erfolgs ................................................................. 320 Abb. 5.6 Proximale und distale Bewertungskriterien interkulturellen Erfolgs ................................. 321 Abb. 5.7 Charakteristika interkultureller Kompetenzen ......................................................................... 322 Abb. 5.8 Strukturmodell interkultureller Kompetenz .............................................................................. 323 Abb. 5.9 Prozessmodell interkultureller Kompetenz................................................................................ 324 Abb. 5.10 Prädiktorwirkung der Teilkomponenten interkultureller Kompetenzen........................... 325 Abb. 5.11 Der interkulturellen Kompetenz verwandte Konstrukte........................................................ 327 Abb. 5.12 Bestandteile des Entgelts. ............................................................................................................... 332 Abb. 5.13 Bestimmungsfaktoren der Gehaltsfindung. ............................................................................... 338 <?page no="18"?> Abbildungsverzeichnis 19 Abb. 6.1 Kennzahlen des deutschen Außenhandels von 2000 bis 2015............................................... 373 Abb. 6.2 Deutsche Direktinvestitionen im Ausland von 1990 bis 2012............................................... 374 Abb. 6.3 Anforderung an das internationale Personalmanagement .................................................... 375 Abb. 6.4 Erwerbspersonenpotenzial bis 2060............................................................................................. 378 Abb. 6.5 Prozess der strategischen Personalplanung ............................................................................... 380 Abb. 6.6 Prognose der Einwohnerzahl Deutschlands von 2016 bis 2060 ............................................ 381 Abb. 6.7 Prognostizierte Entwicklung der Altersstruktur in Deutschland von 2010 bis 2050 ...... 383 Abb. 6.8 Bevölkerungspyramide für das Jahr 2017................................................................................... 385 Abb. 6.9 Prognostizierte Bevölkerungspyramide für das Jahr 2030 ..................................................... 385 Abb. 6.10 Prognostizierte Bevölkerungspyramide für das Jahr 2060 ..................................................... 386 Abb. 6.11 Minimale bis maximale Substituierbarkeitspotenziale einzelner Berufsgruppen (inklusive Gruppendurchschnitt) ................................................................................................. 399 Abb. 6.12 Die deutschen Bundesländer eingeteilt nach Betroffenheit durch ein hohes Substituierbarkeitspotenzial und Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe................. 399 Abb. 6.13 Substituierbarkeitspotenziale nach Anforderungsniveau ...................................................... 400 Abb. 6.14 Prozentuale Abweichung der Zahl von Erwerbstätigen nach Berufshauptfeldern aufgrund der Digitalisierung ......................................................................................................... 404 Abb. 6.15 Altersaufbau der Schutzsuchenden in Deutschland zum 31.12.2016 - Verteilung bezogen auf je 100 000 Personen.......................................................................... 407 Abb. 6.16 Höchste besuchte Bildungseinrichtung der volljährigen Asylerstantragsteller aus allen und den Top-10-Herkunftsländern im ersten Halbjahr 2017 .............................. 409 Abb. 6.17 Bildungsstrukturen im Vergleich ................................................................................................. 415 Abb. 7.1 Zum Business Model Canvas ......................................................................................................... 436 Abb. 7.2 Typologisierung internationaler Dienstleistungen anhand Intangibilität und Interaktivität ...................................................................................................................................... 439 Abb. 7.3 Typologisierung internationaler Dienstleistungen anhand der Mobilität ......................... 440 Abb. 7.4 Stufenmodell des Auslandsengagements.................................................................................... 441 Abb. 7.5 Zum Zusammenhang von Lebenszylus, Portfoliomethode und Erfahrungskurve .......... 444 Abb. 7.6 Die fünf Wettbewerbskräfte einer Branche nach Porter ........................................................ 448 Abb. 7.7 Indischer Großhandels- und Einzelhandelsumsatz in Millionen US-Dollar...................... 461 Abb. 7.8 Entwicklung der Reallöhne in Indien 2007 bis 2012 ................................................................ 462 Abb. 7.9 Generische Wettbewerbsstrategien ............................................................................................. 466 Abb. 7.10 Formen der Internationalisierung von Dienstleistungen ....................................................... 472 Abb. 8.1 Allgemeine First-Mover-Vor- und -Nachteile in Anlehnung an Clement et al. ............... 498 Abb. 8.2 Vier Formen der Digitalisierung in der Wertkette....................................................................... 500 Abb. 8.3 Ausgewählte Beispiele digitaler Güter........................................................................................ 506 Abb. 8.4 Spezifika digitaler Güter/ Dienstleistungen ................................................................................ 508 Abb. 8.5 Kategorien zur Einordnung der Forschungserkenntnisse...................................................... 510 <?page no="19"?> 20 Abbildungsverzeichnis Abb. 8.6 Kategorisiertes Ergebnis der Synthese der Forschungserkenntnisse .................................. 515 Abb. 8.7 Kausalkette zur Problematik von First Movern digitaler Geschäftsmodelle ..................... 527 Abb. 9.1 Aufgaben einer Inhouse Bank. ...................................................................................................... 555 Abb. 9.2 In-House Bank: Die Verbindung zwischen zwei Welten ....................................................... 556 Abb. 9.3 Management der konzerninternen Finanzprozesse ................................................................. 557 Abb. 9.4 Schema einer internationalen Zahlungsstruktur...................................................................... 558 Abb. 9.5 Bestandteile und Ziele des Liquiditätsmanagement ................................................................ 561 Abb. 9.6 Ablauf der Finanzdisposition. ........................................................................................................ 564 Abb.9.7 Schema des Cash Pooling in einer Inhouse Bank..................................................................... 565 Abb. 9.8 The Third Stage Payment Factory the Cashflow Management Centre .............................. 566 Abb. 9.9 Mehrwert, den eine Payment Factory erzielen kann............................................................... 571 Abb. 9.10 AvantGard Trax payment factory solution................................................................................ 573 Abb. 9.11 Installations-Start für EBICS Signature....................................................................................... 574 Abb. 9.12 Anschluss an das SWIFT-Network (3 Varianten)..................................................................... 577 Abb. 9.13 MA-CUG ............................................................................................................................................. 577 Abb. 9.14 SCORE ................................................................................................................................................. 578 Abb. 9.15 Formate von Zahlungsdatenträgern ............................................................................................ 578 Abb. 9.16 Schema einer „SWIFT-Drittbanklösung“ .................................................................................... 579 Abb. 9.17 Strukturvariante des One Bank-Ansatzes .................................................................................. 582 Abb. 9.18 Strukturvariante des Overlay Bank-Ansatzes ........................................................................... 583 Abb. 9.19 Bank Overlay Structure................................................................................................................... 584 Abb. 9.20 Reporting / Disposition ................................................................................................................... 587 Abb. 9.21 Chancen und Risiken von Cash Pooling kurzgefasst .............................................................. 588 Abb. 9.22 Chancen und Risiken von Cash Pooling kurzgefasst .............................................................. 589 Abb. 9.23 Poolingstruktur ................................................................................................................................. 590 Abb. 9.24 Idealtypische Cash Pooling-Struktur........................................................................................... 590 Abb. 9.25 Effektives Pooling - Beispiel für Ablauf und Effekt ................................................................ 593 Abb. 9.26 Multy Currency Notional Cash Pool Structure......................................................................... 595 Abb. 9.27 Grundstruktur eines Pooling - Poolingkreise........................................................................... 601 Abb. 9.28 Konzernweiter Ausgleich-Zustand vor Pooling ....................................................................... 603 Abb. 9.29 Konzernweiter Ausgleich-Zustand nach Pooling..................................................................... 604 <?page no="20"?> Tabellenverzeichnis Tab. 1.1 Vereinfachte Darstellung von Entstehungs- und Verteilungsrechnung ............................... 39 Tab. 1.2 Vereinfachte Kostenstruktur eines Bekleidungsstücks bis zur Handelsstufe ...................... 74 Tab. 2.1 Beispiele unterschiedlicher Wertehaltung in Bezug auf Machtdistanz ............................... 105 Tab. 2.2 Beispiele unterschiedlicher Wertehaltung in Bezug auf Unsicherheitsvermeidung ........ 106 Tab. 2.3 Beispiele unterschiedlicher Wertehaltung in Bezug auf Kollektivismus und Individualismus .................................................................................................................................. 106 Tab. 2.4 Beispiele unterschiedlicher Wertehaltung in Bezug auf Maskulinität und Femininität . 107 Tab. 2.5 Beispiele unterschiedlicher Wertehaltung in Bezug auf Langzeit- und Kurzzeitorientierung ........................................................................................................................................ 107 Tab. 2.6 Dimensionen der interkulturellen Kompetenz nach Gertsen ................................................ 112 Tab. 2.7 Formen der Sekundärorganisation ................................................................................................ 124 Tab. 2.8 Merkmale von Routineprozessen und Innovationsprozessen................................................ 125 Tab. 2.9 Eskalationsstufen nach Glasl .......................................................................................................... 141 Tab. 3.1 Das E.P.R.G.-Modell von Perlmutter............................................................................................. 174 Tab. 3.2 Mögliche Vor- und Nachteile externer Personalgewinnung .................................................. 183 Tab. 3.3 Vor- und Nachteile des Outsourcing von Personalaufgaben ................................................. 203 Tab. 4.1 Unterscheidung von Entscheidungsfehlern ................................................................................ 227 Tab. 4.2 Mögliche Kosten bei Fehlentscheidungen................................................................................... 228 Tab. 4.3 Häufige Beobachtungs- und Beurteilungsprobleme in Interviews ....................................... 233 Tab. 4.4 Ablauf eines Assessment-Centers ................................................................................................. 241 Tab. 4.5 Beispiel: Zeitplan - eintägiges AC ................................................................................................ 242 Tab. 4.6 Anforderungs-Verfahrens-Matrix ................................................................................................. 245 Tab. 4.1 Unterscheidung von Entscheidungsfehlern ................................................................................ 291 Tab. 5.1 Formen der Entgeltgerechtigkeit ................................................................................................... 331 Tab. 5.2 Lohnformen Direktentgelt .............................................................................................................. 332 Tab. 5.3 Formen der Erfolgsbeteiligung: ...................................................................................................... 333 Tab. 5.4 Formen der Sozialleistung ............................................................................................................... 333 Tab. 5.5 Qualitätsanforderungen ................................................................................................................... 334 Tab. 5.6 Effizienzanforderungen.................................................................................................................... 334 Tab. 5.7 Weitere Hilfestellungen ................................................................................................................... 334 Tab. 5.8 Vor- und Nachteile des stammlandorientierten Ansatzes....................................................... 335 Tab. 5.9 Vor- und Nachteile des entsendungslandorientierten Ansatzes ........................................... 336 Tab. 5.10 Vor- und Nachteile der geozentrischen Entgeltpolitik ............................................................ 336 <?page no="21"?> 22 Tabellenverzeichnis Tab. 5.11 Bestimmungsfaktoren auf nationaler Ebene............................................................................... 337 Tab. 5.12 Zusätzliche Bestimmungsfaktoren auf internationaler Ebene ............................................... 337 Tab. 5.13 Vergleich der Lebenshaltungskosten und Kaufkraftausgleichszulagen .............................. 339 Tab. 5.14 Länderklassifikationen zur Bestimmung von Auslandszulagen............................................ 340 Tab. 5.15 Sozialversicherungsabkommen 2013 ............................................................................................ 342 Tab. 5.16 Vergleich der Einkommen in Form einer Nettovergleichsrechnung bei Entsendung nach Japan und Südafrika................................................................................................................ 343 Tab. 5.17 Vor- und Nachteile des stammlandorientierten Ansatzes....................................................... 355 Tab. 5.18 Vor- und Nachteile des entsendungslandorientierten Ansatzes ........................................... 355 Tab. 5.19 Vor- und Nachteile der geozentrischen Entgeltpolitik ............................................................ 355 Tab. 6.1 Zusammengefasste Geburtenziffer: Entwicklung der Fertilitätsrate in Deutschland von 2004 bis 2015 ............................................................................................................................... 382 Tab. 6.2 Korrigierte Prognose des Außenwanderungssaldos ................................................................. 384 Tab. 9.1 Aufgaben / Vorteile elektronischer Bankkontenführung........................................................ 559 Tab. 9.2 Liquiditätsrechnung/ Schema .......................................................................................................... 561 Tab. 9.3 Zinsberechnung vor Cash Pooling ................................................................................................ 603 Tab. 9.4 Zinsberechnung nach Pooling........................................................................................................ 604 Tab. 9.5 Zinsberechnung des Konzerns X - ohne Pooling ..................................................................... 606 Tab. 9.6 Zinsberechnung des Konzerns X - mit fiktivem Pooling........................................................ 606 <?page no="22"?> Abkürzungsverzeichnis a.a.O. am angeführten Ort; auch am angegebenen Ort AC Assessment-Center AGG Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz AIDA Attention, Interest, Desire Action AO Abgabenordnung AÜG Arbeitnehmerüberlassung BAMF Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BASF Badische Anilin- und Soda-Fabrik BetrVG Betriebsverfassungsgesetz BGB Bürgerliches Gesetzbuch BMF Bundesministerium der Finanzen BRICS Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika (Wirtschaftsraum) CDG Carl Duisberg Gesellschaft CETA Handelsabkommen zwischen Kanada und der EU (noch nicht rechtswirksam 3/ 2017) (Comprehensive Economic and Trade Agreement) CMT Cut, Make, Trim - Zuschneiden, Verarbeiten, Trimmen CUBE Contect, Usability, Banding, Emotion EEG Elektroenzephalografie EFI Expertenkommission Forschung und Innovation EG Europäische Gemeinschaft EMEA Europe, Middle East, Africa (Wirtschaftsraum) E-Recruiting Electronic Recruiting, Unterstützung bei der Personalbeschaffung durch den Einsatz elektronischer Medien EStG Einkommenssteuergesetz EU Europäische Union EWU-Länder Europäische Wirtschafts- und Währungsunion F&E Forschung& Entwicklung FOB Free on Board FTA Foreign Trade Association GATT General Agreement on Tariffs and Trade - Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen GIPS-Staaten Griechenland, Italien, Spanien und Portugal i.d.R. in der Regel IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IBM International Business Machines Corporation <?page no="23"?> 24 Abkürzungsverzeichnis IHK Internationale Handelskammer INCA Intercultural Competence Assessment Modell IT Informationstechnik M&A Mergers & Acquisitions (Fusionen und Käufe) MBV Market-based View NEO-FFI Neo-Fünf-Faktoren-Inventar NGO Nongovernmental Organization - Nichtregierungsorganisation o.b. oben beschrieben o.J. ohne Jahr OECD Organisation für Economic Co-operation and Development, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung RBV Resource-based View RL Richtlinie Rn. Randnummer SAP Software-Unternehmen aus Heidelberg SGB Sozialgesetzbuch TTIP Transatlantisches Freihandelsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership) (noch nicht rechtswirksam 12/ 2020) UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization UNICEF Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen VGR Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung VRIO Valuable, Rare, Inimitable, Organization WTO World Trade Organization - Welthandelsorganisation zit. n. zitiert nach α- Fehler Alpha-Fehler β-Fehler Beta-Fehler <?page no="24"?> Teil 1: Multinationale Organisationen <?page no="26"?> 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit von Prof. Dr. Wilhelm Schmeisser und Prof. Dr. Irene Rath Haben Sie sich schon mal mit „Multinational Organizations“ befasst? Hier würden Sie wahrscheinlich erst mal „nein“ antworten, falls Sie nicht gerade in einem solchen Unternehmen arbeiten. Jedoch werden Sie bei der Bearbeitung dieses Kapitels merken, dass Ihnen „Multinational Organizations“ im Berufsleben und auch im privaten Leben sehr oft begegnen. Typische Beispiele für solche multinationale Unternehmen sind Coca Cola, Siemens, McDonalds, Apple etc. „Apple hat weltweit 477 Stores, Ikea hat weltweit 389 Märkte (Schwochow & Ramge, 2016, S. 134) und McDonald’s hat weltweit 35 737 Restaurants“ (Schwochow & Ramge, 2016. S. 135). „McDonald’s hat es vorgemacht: Mit Filialen lässt sich die Handelswelt erobern. Der Konsum ist so global wie die Produktion. Und der Geschmack eines Kunden in China unterscheidet sich heute in vielen Bereichen nicht mehr von einem in Argentinien. Alle mögen Big Macs, schwedische Möbel, Elektronik designet in California und günstige Klamotten mit schlichtem Schnitt, denen man nicht anmerkt, dass sie aus Japan stammen“ (Schwochow & Ramge, 2016, S. 134). Wir starten mit dem theoretischen Überblick in Bezug auf multinationale Unternehmen. Im zweiten Abschnitt beschäftigen wir uns mit der Fertigung, Beschaffung und dem Sourcing solcher Unternehmen. In Abschnitt drei beschäftigen wir uns mit der Wertschöpfungskette in der Bekleidungsindustrie und den sogenannten „Low-Cost Countries“. Über die industrielle Revolution als Globalisierungstreiber gelangen wir zu Industrie 4.0. Also, es wird interessant. Lernziele  Sie sollen wissen, dass der Freihandel für multinationale Unternehmen, die mehr als 20 bis 30 Prozent ihres Weltumsatzes mit anderen Ländern und Unternehmen tätigen, unumgänglich ist, wenn sie weiterexistieren und nicht insolvent gehen wollen.  Sie sollen die gängigsten Freihandelstheorien und deren Vertreter kennen, erläutern und erklären können.  Sie sollen Industrie 4.0 als neue globalisierte technologische Entwicklung begreifen lernen, die eine Reindustrialisierung Amerikas, Europas und Chinas bedeuten könnte. Neben ihren vielfältigen und komplexen politischen, kulturellen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen für die Gesellschaft bieten Internationalisierung und Globalisierung vielen Unternehmungen seit jeher die Chance, beispielsweise Organisationsstrukturen und Produktionsprozesse zu optimieren. Viele multinationale Organisationen nehmen die Optionen wahr, weltweit Absatzmärkte zu bedienen und beim Produzieren unterschiedliche Lohnkostensysteme in verschiedenen Weltregionen zu ihren Gunsten zu nutzen. Schließlich führt ein globaler Markt, sofern es keine protektionistischen Hindernisse durch Staaten gibt , zu globalem Wettbewerbsdruck, der einerseits eine gute Produktqualität erbringt, anderseits aber die günstigsten Preise einfordert, forciert durch Verbraucher, technologische Innovationen, Wertewandel und einen demografischen Wandel. <?page no="27"?> 28 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit Das Phänomen der politischen, rechtlichen und ökonomischen Globalisierung ist dabei keine neue Erscheinung, sondern sie ist so alt wie das Streben des Menschen danach, mit begehrten Gütern Handel zu treiben (nach der modernen Archäologie mindestens 12 000-20 000 Jahre [Parzinger, 2015]), was diese wirtschaftlich vorantreibt. Wiederum neu ist die Qualität und Ausprägung der Globalisierung, die die Ausschöpfung von Niedriglohnregionen seit Ende des Zweiten Weltkriegs erfährt, wenn man politisch andererseits deklariert, man wolle die Sklavenarbeit und viele Ungerechtigkeiten beseitigen. Zurzeit wird mit großem Interesse in der Öffentlichkeit das Wachstum des afrikanischen, südamerikanischen und ostasiatischen Niedriglohnsektors - mit all seinen negativen Implikationen - diskutiert (von TTIP über CETA bis zur Wahl Bidens als neuen US-Präsidenten). Eine Fülle von Fachliteratur beleuchtet etwa die Bereiche Globalisierung und Internationalisierung der Wirtschaft. Für den deutschsprachigen Raum liefern z.B. Kutschker und Schmid (2011) eine umfassende Übersicht über das Thema Internationales Management. Eine ebenso umfangreiche Übersicht über die Theorien der Globalisierung bieten Rehbein und Schwengel: Theorien der Globalisierung, 2012, sowie Brem, Heyd und Schmeisser: Internationale Betriebswirtschaft, 2015, sowie das Buch Internationales Management von Dirk Holtbrügge & Martin K. Welge (2015). Im Hinblick auf Niedriglohnsektoren ist insbesondere das Low-Cost Country Sourcing (Wildemann, 2006) ein viel beachtetes Untersuchungsfeld, mit dem sich im deutschsprachigen Raum in letzter Zeit besonders Horst Wildemann, Martin Lockström (2007) und Ulli Arnold (2002) befasst haben. Länder wie Bangladesch, China und Indien sind dabei vor allem für internationale Textil- und Bekleidungshersteller wegen ihres niedrigen Lohnniveaus die Produktionsländer der Wahl. Sie stehen für besonders niedrige Herstellkosten - die Fertigungskosten liegen enorm unter denen, die in den hoch entwickelten Industrieländern zu erwarten wären. Die Wertschöpfung und der erzielte Gewinn für ein Produktionsgut können dank einer global ausgerichteten Beschaffungspolitik auf Grundlage von Niedriglohnsegmenten deutlich erhöht werden. Erst seit 2015 werden diese Argumente durch Industrie 4.0 widerlegt und drehen sich um. Ein Kapitel befasst sich mit der Führung wertorientierter globaler oder multinationaler Unternehmen auf der Grundlage internationaler Niedriglohnsegmente und innovativer Technologien wie Industrie 4.0. Wertorientiertem Agieren von Unternehmen liegt die Idee der Wertschöpfung zugrunde. Einer der bekanntesten Vertreter dieser Wertschöpfungsidee ist Michael E. Porter (1982 und 1984), dessen Wertkette ein entscheidendes Instrument zur Untersuchung von Wertschöpfungspotenzialen bleibt. Am von Porter vertretenen Konzept der Wertkette wird sich dieser Beitrag orientieren, indem er die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen durch die Ausschöpfung internationaler Niedriglohnregionen und innovativer Technologien (Industrie 4.0) fokussiert. Die traditionelle Betrachtungsweise wird jedoch nicht außer Acht gelassen. 1.1 Theoretischer Überblick 1.1.1 Zu „multinationalen Unternehmen“ und zur Globalisierung Internationalisierung und multinationale Unternehmen Nach Durcharbeiten diess Abschnitts  können Sie erklären, was ein multinationales Unternehmen ist,  kennen Sie die historischen Hintergründe zur Internationalisierung von Unternehmen,  verstehen Sie, was sich hinter den Begriffen Globalisierung und Internationalisierung verbirgt, <?page no="28"?> 1.1 Theoretischer Überblick 29  kennen Sie die wichtigsten Theorien, Ursachen und Erklärungsansätze zur Internationalisierung und  wissen Sie selbstverständlich, warum Unternehmen international tätig sind und sein wollen. Internationalisierung beschreibt einen Prozess der zunehmenden Ausdehnung von Aktivitäten jeglicher Art über nationale Grenzen hinaus. Multinationale Unternehmen sind Unternehmen, die in zahlreichen Ländern betriebswirtschaftlich tätig sind, um rechtliche, steuerrechtliche, produktionswirtschaftliche, beschaffungswirtschaftliche, absatzwirtschaftliche, technische, patentrechtliche und umweltorientierte Unternehmensziele besser erreichen zu können, indem sie Handelsrestriktionen vermeiden, Kostenvorteile ausnützen, Beschaffungssicherheit von Rohstoffen absichern und Absatzziele ihrer Produkte und Dienstleistungen gewährleisten. „Ihre Absatzmärkte sind auf mehrere Länder verteilt und sie steuern ihre Aktivitäten von einer Zentrale im Heimatland aus. Die Unternehmen nutzen günstige Standortvorteile und preiswerte Bezugsquellen von Rohstoffen, liefern aber im Gegenzug dem Gastland neue Technologien und Maschinen und schaffen dort auch Arbeitsplätze.“ (http: / / www.bpb.de/ nachschlagen/ lexika/ lexikon-der-wirtschaft/ 20146/ multinationaleunternehmen, zuletzt besucht am 19. 07.2017) Aktivitäten der multinationalen Unternehmen beschränken sich geografisch nicht auf einen binnenstaatlichen Bereich, sondern werden zunehmend unabhängig von nationalstaatlichen Grenzen. Die Begriffe multinational, international und global können vielfältig auf sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens angewendet werden, etwa auf die Politik oder Kultur. Im Bereich der Wirtschaft bezeichnet der Begriff Internationalisierung folglich die Ausdehnung und Dezentralisierung wirtschaftlicher Tätigkeit auf internationale, also länderübergreifende Märkte. Zugespitzt kann auch von der Internationalisierung von Unternehmungen gesprochen werden. Dies beschreibt den dynamischen Prozess, den Unternehmen auf dem Weg von einer rein nationalen Orientierung durchlaufen hin zu einer internationalen. Für multinationale Unternehmen spiegelt dies eine nachhaltige und für die jeweilige Institution bedeutsame Auslandstätigkeit wider. Die Internationalisierung eines Unternehmens ist in Form des Internationalisierungsgrades messbar (z. B. Exportumsatz am gesamten Umsatz des Unternehmens). Dieser gibt Auskunft über den Anteil der internationalen Geschäftstätigkeit an den nationalen und internationalen Gesamtaktivitäten einer internationalen Unternehmung und wird häufig auch mittels der Auslandsquote oder des Internationalisierungsindexes bestimmt. Übung 1.1 Erklären Sie den Begriff der multinationalen Unternehmung Internationalisierung von Unternehmen im historischen Abriss und Kontext Die Menschheit vor der Erfindung der Schrift und Antike (Kutschker & Schmid, 2011, Parzinger, 2015) Die Ursprünge von Internationalisierung finden sich bereits im vorchristlichen Alten Orient, Indien, China und im Alten Ägypten wieder, und zwar als Stadtkulturen, Handelsstützpunkte außerhalb des eigenen Stadt- und Staatsgebiets. Auf diese Weise wurde Fernhandel betrieben. Noch handelte es <?page no="29"?> 30 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit sich dabei um Internationalisierung als grenzüberschreitenden (Außen-)Handel. Internationalisierung in Form grenzüberschreitender Direktinvestitionen von Unternehmen außerhalb des eigenen Territoriums setzte erst später ein. Als eine der ersten bekannten wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Asien, Afrika und Europa gelten der Bernsteinhandel und die Seidenstraße, aber auch der Feuersteinhandel in Australien. Der Karawanenhandel mit Gütern wie Seide, Keramik, Kupfer, Silber, Gold, Sklaven, Gewürzen und Edelsteinen zwischen dem Mittelmeerraum und Südostasien kann als einer der ersten Belege für eine systematische, globale Beschaffung und Absatzsicherung dieser Güter durch Handel angesehen werden. Mittelalter Der Zusammenschluss nordeuropäischer Kaufleute zur Hanse im 13. Jahrhundert markiert für den nordeuropäischen Raum einen bedeutenden Abschnitt im Prozess der Internationalisierung. Zwar fand sie zu dieser Zeit noch als Außenhandel statt, die Institutionalisierung von internationalen Handelsaktivitäten deutete sich jedoch schon an. Für die beteiligten Kaufleute versprach die Organisation in der Hanse nicht nur ökonomische Vorteile. Einerseits wollte man sich gegen verlustreiche Überfälle auf die Handelstransporte schützen, andererseits fungierte die Hanse als Interessensvertretung gegenüber außenstehenden Handelspartnern, vor allem über Landesgrenzen hinaus. Aber erst im Spätmittelalter waren es Familien wie die Fugger, die Welser und die Medici, die über Europa hinaus einen regen Handel mit Waren trieben und ihr Vermögen nun durch eine frühe Form von Direktinvestitionen außerhalb der eigenen Landesgrenzen, zum Beispiel durch Fugger’sche Investitionen in den schlesischen und ungarischen Bergbau, mehren konnten. Zur Hanse finden Sie am Ende dieses Buches noch ein ausführliches Kapitel des Sozial- und Wirtschaftsgeschichtlers Dr. Jürgen Rath. Neuzeit Einen vorläufigen Höhepunkt fand die fortschreitende Institutionalisierung des Fernhandels infolge der Entdeckungsfahrten europäischer Seefahrer im 15. und 16. Jahrhundert und infolge der Kolonialisierung neu entdeckter Kontinente: Neu gegründete Überseegesellschaften wiesen nach Aufbau und Zweck schon viel Ähnlichkeit mit heutigen internationalen Unternehmungen auf (Kutschker & Schmid, 2011, S. 10). Wenn es um den ökonomischen Vorteil der Produktion von Waren fern des Absatzmarktes geht, lassen sich durchaus Parallelen zur Gegenwart ziehen, wenn auch unter unterschiedlichen Vorzeichen. Denn auch die Handelsunternehmungen der Frühen Neuzeit nutzten die ökonomischen Vorteile, die sich durch die wirtschaftliche Aktivität in den Kolonien ergaben: So war die Produktion von Handelswaren günstiger als im Mutterland, weil Rohstoffe zu günstigen Preisen vor Ort erworben werden konnten und die Lohnkosten durch den Missbrauch von Sklaven sehr niedrig waren. Industrielle Revolution Eine weitere Zäsur im Prozess der Internationalisierung von wirtschaftlichen Tätigkeiten markiert die „Industrielle Revolution“, die im Großbritannien des ausgehenden 18. Jahrhunderts ihren Anfang nahm und bis Mitte des 19. Jahrhunderts weite Teile Europas fundamental umgestaltet hatte. Kutschker und Schmid (2011, S. 12) betonen als Folge der Industrialisierung vor allem die Liberalisierung des Handels zwischen den Ländern. Zu bedeutenden deutschen Investitionen im Ausland, abgesehen von den bereits benannten Fugger’schen Direktinvestitionen, kam es erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Vorreiter waren englische Unternehmungen, die Tochtergesellschaften im Ausland gegründet hatten und das Vereinigte Königreich damit schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts „hinsichtlich der Internationalisierung zur führenden Nation“ weltweit machten. Noch aber erschwerten nationale Beschränkungen und internationale Regelungen zum Beispiel den Import und <?page no="30"?> 1.1 Theoretischer Überblick 31 Export bestimmter Warenmengen. Die Behandlung von inländischen und ausländischen Händlern war bis dato sehr protektionistisch und verhinderte einen globalen Wettbewerb. Übung 1.2 Erläutern Sie, seit wann internationaler Handel von Unternehmen betrieben wird und welche Vorteile dieser Freihandel für Unternehmen außerhalb ihres eigenen Landes brachte. Die Liberalisierung des Welthandels Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einem internationalen Welthandel war das GATT (General Agreement on Tariffs and Trade), das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen der Welthandelsorganisation, das 1947 abgeschlossen wurde und 1948 in Kraft trat. Ziel war es, den Welthandel zu erleichtern, bestehende Hindernisse, wie Zölle, Steuern und andere nationale Abgaben, abzubauen und die Weltwirtschaft zu fördern. Auch in Europa ermöglichte der Beitritt neuer Länder in den Wirtschaftsraum der EU den vereinfachten Zugriff auf weitere Beschaffungsmärkte. Als am 1. Mai 2004 Polen, Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Litauen, Estland, Ungarn und Lettland der EU beitraten, entstand der größte Binnenmarkt der westlichen Welt, und mit ihm sanken die Hürden für eine internationale Zusammenarbeit erneut. Die Liberalisierung des Welthandels war es auch, die der Bildung internationaler Niedriglohnsektoren den nötigen Impuls gab und Unternehmungen den hürdenfreien internationalen Zugriff auf vergleichsweise billige Arbeitskräfte in Ländern mit niedrigem Lohnniveau ermöglichte (Zentes, Swoboda & Morschett, 2004, S. 108 ff.). Globalisierung Die Globalisierung gilt als eine besonders weitreichende Form der Internationalisierung. Streng genommen steht der Begriff Globalisierung für einen dynamischen Prozess. Die in diesem Sinne inzwischen anerkannteste Definition ist Vernetzung (Rehbein & Schwengel, 2012, S. 10). Die Bundeszentrale für politische Bildung umschreibt Globalisierung als „eine politisch-ökonomische Bezeichnung für den fortschreitenden Prozess weltweiter Arbeitsteilung“ (Schubert & Klein, 2014). Der Globalisierungsbegriff wird auf politische, ökologische, geschichtliche, gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Kontexte angewendet. Als wirtschaftliche Globalisierung bezeichnet man die weltweite Ausrichtung und Verflechtung von Märkten und wirtschaftlichen Tätigkeiten. Als der Globalisierung ausgesetzte Märkte gelten die Finanz-, Arbeits-, Dienstleistungs-, Waren- und Kapitalmärkte. Der Prozess der Globalisierung bewirkt, dass dereinst durch Ländergrenzen voneinander abgeschottete Märkte zu länderübergreifenden, weltweiten Märkten werden. Nicht jedes Land auf der Welt ist gleichermaßen von der Globalisierung betroffen. Es sind lediglich die OECD- und BRICS-Staaten (dazu gehören Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) sowie wenige südamerikanische und asiatische Schwellenländer, die am Globalisierungsprozess teilhaben. Der größte Teil der Länder der Erde weist nur sehr geringe wirtschaftliche Vernetzungstendenzen im Globalisierungssinne auf (Koch, 2014, S. 10). Ulrich Steger (1999, S. 220) sieht die Hauptmerkmale von Globalisierung vor allem in der De-Nationalisierung, einer hohen Mobilität von Kapital, Arbeit und Wissen, einem zunehmenden Austausch von traditionell-hierarchischen Strukturen durch kooperative Strukturen sowie in einer größeren Optionsaber auch Risikovielfalt durch die Nutzung weltweiter Chancen. Auf die Ebene von Unternehmen heruntergebrochen, kann Globalisierung als eine Form der Strategie einer grenzüberschreitend tätigen Unternehmung (globale Unternehmung) angesehen werden, bei der Wettbewerbsvorteile weltweit durch die Ausnutzung von Standortvorteilen und die Erzielung von Skaleneffekten aufgebaut werden sollen. Investitionsort, Produktionsort, Steuerort und Markt sind nicht mehr zentral in einem Land gebündelt, sondern verteilen sich weltweit auf die aus <?page no="31"?> 32 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit Unternehmenssicht kostengünstigsten Standorte. Die Globalisierung von Unternehmungen kann sich in allen Unternehmensbereichen vollziehen, etwa im Marketing und Vertrieb, im Personalmanagement, in Forschung und Entwicklung, der Produktion oder dem Beschaffungswesen. Insbesondere der Produktionsprozess ist insofern zergliedert, als einzelne, noch so kleine Komponenten eines Produktionsgutes jeweils dort produziert werden, wo die Produktion am effizientesten ist. Aufgrund zunehmend abgebauter Handelsschranken zwischen den Staaten, der zunehmend weltweit mobilen Verfügbarkeit und Einsetzbarkeit des Produktionsfaktors Kapital sowie der nahezu grenzenlosen Anwendbarkeit der neuen Kommunikations- und Internettechnologien wird zunehmend in solchen Staaten produziert, die die besten Kostenvorteile bieten. Globalisierung im historischen Kontext Wie auch im Fall der Internationalisierung wird für die Globalisierung fälschlicherweise angenommen, sie sei ein „modernes“ Phänomen. Unstrittig ist aber, dass die Menschheit seit Tausenden von Jahren miteinander über sehr große räumliche Distanzen, wenn auch noch nicht weltumspannend, interagiert hat. In sich scheinbar potenzierender Geschwindigkeit haben dagegen die Reaktionszeiten durch immer speziellere und effektivere Kommunikations- und Transportmedien in den letzten Jahrhunderten stetig abgenommen. Ab wann man von Globalisierung sprechen kann, ist umstritten, die Ursachenforschung schwierig. Wenn man dem Terminus Globalisierung die Idee weltumspannender Aktivitäten und Arbeitsteilung, die Überwindung von Raum und Zeit, zugrunde legt, wäre die Frage zu stellen, seit wann es praktisch möglich ist, physisch von einem Punkt auf dem Globus zu einem anderen zu gelangen oder mithilfe von Kommunikationsmitteln mit diesem Kontakt aufzunehmen. Die Frage lässt sich klar beantworten: Die Globalisierung beginnt mit der Transportrevolution Ende des 19. Jahrhunderts, mit dem Einsatz von Dampflokomotiven, von Dampfschiffen, mit der Erfindung von Gefriermöglichkeiten, der Erfindung des Telegrafen, der Verlegung von Seekabeln. Weitere Ansätze sehen den Ursprung der Globalisierung in der Industriellen Revolution, andere wiederum setzen schon bei der europäischen Welteroberung des 16. Jahrhunderts an. Globalisierung kann und muss auch als ein Prozess der Kolonialisierung verstanden werden, der sich rückblickend geradezu als eine Zwangsläufigkeit aus dem Zusammentreffen verschiedenster Faktoren des menschlichen sozialen Interagierens ergab - die Wurzeln globalisierender Tendenzen reichen weit zurück und spiegeln sich im historischen Kontext von Internationalisierung wider. Der Terminus Globalisierung taucht vermutlich das erste Mal als „Globalization“ in der anglo-amerikanischen Literatur auf und findet 1930 erstmals in der Publikation „Towards New Education, where it denoted a holistic view of human experience in education“ Anwendung (Nevalainen & Traugott, 2012, S. 377). Darüber hinaus wird er in den Sechzigern und Siebzigern des 20. Jahrhunderts wenig genutzt. Eine intensivere Verbreitung findet er seit den 1980er-Jahren in anglo-amerikanischen Soziologenkreisen. Erst seit den 1990er-Jahren nimmt die Verwendung des Globalisierungsterminus sprunghaft zu. Und tatsächlich sehen einige Wissenschaftler die Globalisierungsmotoren in der Zunahme der weltweiten Transportkapazitäten, der Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie (speziell des Internets in den 1980er-Jahren), der Entwicklung von Laptop und Mobilfunk sowie deren Weiterentwicklung zu billigen Massenmedien seit den 1990er-Jahren. Außerdem nehmen seit den 1980er-Jahren nachweislich die grenzüberschreitenden Aktivitäten nicht nur absolut zu, sondern auch im Verhältnis zu einzelnen nationalen Entwicklungen, was sich anhand intraglobaler Handelsströme nachweisen lässt. Die Globalisierung nach ihrer strengsten Definition findet - in der Forschung unbestritten - ihre bis dato stärkste Ausprägung im Hier und Jetzt. Gern wird vom „Zeitalter der Globalisierung“ gesprochen. Gegenwärtig ist eine Verbindung zwischen einem Teil der Welt mit einem anderen Teil <?page no="32"?> 1.1 Theoretischer Überblick 33 der Welt virtuell jederzeit und real in enorm kurzer Zeit möglich, nicht nur im Hinblick auf den Transport von Waren und Gütern, sondern auch im Hinblick auf den reinen Daten- und Informationsfluss - und dies zu historisch gesehen niedrigen Kosten. Übung 1.3 Definieren Sie Globalisierung. Übung 1.4 Erläutern Sie die Kriterien, anhand welcher die Globalisierung beschreiben werden kann. 1.1.2 Internationalisierung: Theorien und Erklärungsansätze Ursachen von Internationalisierungs- und Globalisierungsprozessen Die Ursachen von Internationalisierung und Globalisierung im wirtschaftlichen Bereich sind vielfältig. Keine Ursache kann als die dominierende betrachtet werden, da eine Vielzahl von Impulsen ineinandergreift, die sich gegenseitig bedingen. Zusammenfassend können die folgenden Aspekte als treibende Kräfte von Globalisierungs- und Internationalisierungsprozessen betrachtet werden (Kutschker & Schmid, 2011, S. 182 ff., und Brem, Heyd & Schmeisser, 2015, Vorwort):  die zunehmende Liberalisierung der Märkte, Deregulierung der Waren- und Dienstleistungssowie Geld- und Kapitalströme durch Abkommen wie GATT und die Vorgaben des Internationalen Währungsfonds sowie Privatisierungen von Staatsmonopolen;  steigende Kooperationstendenzen in Form von Abkommen zwischen Staaten;  steigende Integrationstendenzen in Form von Freihandelszonen, Zollunionen, Gemeinsamem Markt, Wirtschaftsunion und politischen Unionen;  die Öffnung ehemaliger Planwirtschaften wie China;  das Auftreten neuer Wettbewerber auf dem Weltmarkt - dazu zählen südamerikanische ebenso wie asiatische Schwellenländer;  der technologische Fortschritt beispielsweise im Bereich des Transportwesens, der Informations- und Kommunikationstechnologie;  einschneidende politische Umwälzungen, wie das Ende des Eisernen Vorhangs Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre, dieser ebnete erst den Weg für eine freie, weltumspannende Wirtschaftstätigkeit. Ursachen und Gründe für die Internationalisierung von Unternehmungen Die Ursachen und Gründe für die Internationalisierung von Unternehmungen sind vielfältig. Alle eint das Streben nach Wettbewerbsfähigkeit und Wettbewerbsvorteilen, das Unternehmen transnational agieren lässt. Eine Differenzierung nach Motiven, wie sie zum Beispiel von Reinhard Meckl (Meckl, 2010, S. 6 f.) vorgenommen werden, erscheint plausibel. Meckl unterscheidet Market Seekers, Technology and Innovation Seekers, Efficiency Seekers und Natural Ressource Seekers. <?page no="33"?> 34 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit  Market Seekers sind Unternehmungen, die dann nach besseren Absatzmöglichkeiten auf ausländischen Märkten suchen, wenn der Heimatmarkt durch geringe Wachstumsraten, starken Wettbewerb und deshalb durch ein niedriges Preisniveau gekennzeichnet ist.  Technology and Innovation Seekers internationalisieren in Richtung technologie- und innovationsstarke Länder, um von deren Potenzial zu profitieren.  Efficiency Seekers suchen die Effizienzsteigerung im Ausland über den Zugang zu billigeren Produktionsfaktoren und indem sie über Volumeneffekte im Ausland Profitabilitätsbzw. Renditekennzahlen optimieren.  Natural Ressource Seekers suchen nach internationalen Investitionen, um Zugang zu Rohstoffen und Rohprodukten zu erlangen, die für die eigene Produktion benötigt werden. Dunning fügt noch strategische Motive, Strategic (created) asset-seeking hinzu. Diesen liegt der Wunsch zugrunde, sich durch Direktinvestitionen im Ausland in formelle und informelle Netzwerke einklinken zu können (Dunning & Lundan, 2008, S. 72 f.). Für die meisten Unternehmen wird nicht nur eines dieser Motive maßgeblich sein bei der Entscheidung, im Ausland zu investieren. In der Regel sind es mehrere Faktoren, die zusammentreffen und die Auslandsaktivität begründen. Netzwerkeffekt: „Auf Plattformen wirken sich selbst verstärkende Netzwerkeffekte. Das bedeutet: Je mehr Marktteilnehmer sich auf einer Plattform tummeln, desto attraktiver werden sie für andere. Netzwerkeffekte sorgten zum Beispiel dafür, dass Facebook so schnell groß werden konnte. (Schwochow & Ramge, 2016, S. 208) Formen der Internationalisierung Nach Meckl lassen sich drei Hauptformen des Auslandsengagements unterscheiden:  Handelsbeziehungen (zum Beispiel Export/ Import, Transithandel),  Auslandsbeziehungen ohne Kapitalbeteiligungen (zum Beispiel Lizenz, Franchising, internationale Kooperationen) sowie  Kapitalanlagen. Diese lassen sich unterscheiden in Finanzinvestitionen und strategische Investitionen. Strategische Investitionen wiederum können in eigengegründete Auslandsgesellschaften, Akquisitionen (Mehrheitsbeteiligungen), Minderheitsbeteiligungen und Joint Ventures differenziert werden Internationalisierungstheorien Unter Internationalisierungstheorien lassen sich alle Theorien subsumieren, die die Internationalisierung kausal (warum? ), modal (wie? ), temporal (wann? ) und/ oder lokal (wo? ) darzustellen versuchen. Dazu zählen Theorien zur Erklärung des Außenhandels, z. T. unter historischen Gesichtspunkten (zum Beispiel Merkantilismus) oder unter Betrachtung von Kostenvorteilen (Theorie der absoluten Kostenvorteile, Theorie der komparativen Kostenvorteile, Heckscher-Ohlin-Theorem), Theorien zur Erklärung von Direktinvestitionen (zum Beispiel einfache Zinssatztheorie, Währungsraumansatz, technologische Theorien wie Industrie 4.0) sowie Theorien mit einem generellen Erklärungsansatz von Internationalisierung (zum Beispiel Ansätze der Kostendegression, Standortansätze, Internalisierungsansatz). Es fällt auf, dass viele Internationalisierungsstrategien vorrangig die Absatzperspektive von Internationalisierung erklären, aber kaum explizit auf die Gründe eingehen, aus denen ein Unternehmen <?page no="34"?> 1.1 Theoretischer Überblick 35 beschließt, international Rohstoffe, unfertige Erzeugnisse und Fertigprodukte zu beschaffen, um seine Waren dann möglicherweise sogar nur national abzusetzen. Zu den wenigen Ansätzen, die diesen Sachverhalt einbeziehen, gehört der Produktlebenszyklusansatz von Vernon, auf den im Folgenden noch eingegangen wird. Ultra-traditionelle Erklärungsansätze für Außenhandel Betrachtet man die gängigen Theorien des Außenhandels näher, könnte man von Adam Smiths 1776 vorgebrachter Theorie der absoluten Kostenvorteile ausgehen, warum Unternehmen - vor allem im Hinblick auf Beschaffungsstrategien - den Weg der Internationalisierung wählen. Smith sagt, Außenhandel sei auf absolute Kostenvorteile von Ländern zurückzuführen. Jedes Land hat bei bestimmten Produkten absolute Kostenvorteile, bei anderen Produkten absolute Kostennachteile. Zum Außenhandel kommt es dann, wenn die Länder, die bei Produkten absolute Kostenvorteile haben, sich auf deren Produktion spezialisieren, diese Produkte exportieren und im Gegenzug die Produkte importieren, bei denen sie absolute Kostennachteile aufweisen. Dieser Ansatz macht jedoch idealtypische Prämissen, die in der Form in der Realität nicht anzutreffen sind (Broll & Gilroy, 1989). Auch die Idee der relativen Kostenvorteile von David Ricardo , der die Produktivitätsunterschiede von Ländern betont, kann dieses Problem nicht zufriedenstellend lösen, da sie ebenfalls Idealtypen voraussetzt. Dennoch kann die Theorie der komparativen Kostenvorteile in Ansätzen erklären, warum es beispielsweise zur Beschaffung in sogenannten Niedriglohnländern kommt. Ricardo sagt, dass Außenhandel stattfindet, weil Länder sich auf die Produktion des Gutes spezialisieren, bei dem sie relative Kostenvorteile genießen, dieses Gut dann exportieren und umgekehrt das Gut importieren, bei dem sie relative Kostennachteile aufweisen. Jeweils das Land, das für ein Gut relative Kostenvorteile hat, sollte seine Produktion darauf spezialisieren. Wohlstand könne für jedes Land eintreten, wenn zwischen den Ländern mit jeweils vorhandenen komparativen Kostenvorteilen Arbeitsteilung herrscht (Ricardo, 1979). Das Faktorproportionentheorem der schwedischen Wissenschaftler Eli Heckscher und Bertil Ohlin (Heckscher, 1949, S. 272-300) geht weiter, indem es neben dem Produktionsfaktor Arbeit die Produktionsfaktoren Kapital und Boden betrachtet. Außerdem sieht das Theorem weniger die Produktivitätsunterschiede als entscheidend an, sondern vielmehr die Ausstattung mit Produktionsfaktoren , über die unterschiedliche Länder in unterschiedlichem Ausmaß verfügen. Je stärker einer dieser Faktoren in einem Land vorhanden ist, desto geringer sind die Faktorkosten. In Ländern, die übermäßig mit dem Faktor Arbeit ausgestattet sind, ist Arbeit vergleichsweise billig. Ein solches Land hat also komparative Kostenvorteile bei der Produktion von arbeitsintensiven Gütern. Im Vergleich dazu hat ein kapitalreiches Land (Heckscher und Ohlin subsumieren Boden unter Kapital) komparative Kostenvorteile bei der Fertigung kapitalintensiver Güter. Ein Land exportiert dementsprechend das Gut, das auf dem Produktionsfaktor aufbaut, von dem ausgiebig vorhanden ist, und importiert die Güter, dessen zur Fertigung benötigter Produktionsfaktor nicht ausreichend vorhanden ist. Kapitalintensive Güter werden nach dieser Theorie in Industrieländern, arbeitsintensive Güter in Entwicklungs- und Schwellenländern produziert und dementsprechend exportiert bzw. importiert. Die Theorien von Ricardo und Heckscher/ Ohlin haben gemeinsam, dass sie Außenhandel über relative Kostenvorteile erklären. An allen Theorien wird kritisiert, sie seien zu realitätsfern, würden Faktoren wie Arbeitslosigkeit, Währungsschwankungen und Transportkosten nicht berücksichtigen und ihre Annahmen auf Faktorimmobilität, Gütermobilität sowie einer fixen Ressourcenbzw. Faktorausstattung begründen. Zudem stellte Wassily Leontief in einer kritischen Analyse die Annahmen und Ergebnisse des Faktorproportionentheorems einleuchtend infrage, indem er mit einer Studie nachwies, dass die USA mehr arbeitsintensive Güter als kapitalintensive Güter produzierten (Leontief, 1953, S. 332-349 <?page no="35"?> 36 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit und 1956, S. 386-407) - ein Widerspruch zum Heckscher/ Ohlin-Theorem. Demnach müsse der Faktor Arbeit weiter ausdifferenziert werden, denn auch die Art der Arbeitsleistung, genauer deren Qualität, sei bei einer Betrachtung von Relevanz. Dieses sogenannte Leontief-Paradoxon konnte im Laufe der Zeit von anderen Wirtschaftswissenschaftlern bestätigt werden. Traditionelle Erklärungsansätze für Außenhandel Interessant ist der (Nicht-)Verfügbarkeitsansatz von Kravis, der besagt, dass Länder die Produkte importieren, über die sie selber nicht verfügen (Kravis,1956, S. 143-155). Derartige Produkte sind beispielsweise Mineralien wie „Seltene Erden“, die nur in wenigen Regionen der Welt vorhanden sind. Für z.B. den europäischen Textil- und Bekleidungshandel trifft dieses Argument nicht zu, da die für den innereuropäischen Bekleidungshandel nötigen Produkte durchaus in Europa produziert werden könnten und dies traditionell auch geschah. Auch die Theorie der technologischen Lücke nach Posner (Posner, 1961, S. 323-341) und Hufbauer (Hufbauer, 1966) kann den Außenhandel in der Bekleidungsindustrie nicht erklären. Sie sagen, Außenhandel entwickle sich, wenn Länder nicht den gleichen technologischen Entwicklungsstand haben. Der Export von einem Land A in ein anderes Land B kommt zustande, weil Land A über die bessere Technologie eines Gutes verfügt und bis zu deren Imitation durch Land B einige Zeit verstreichen wird - eine Sachlage, die für den Bekleidungshandel zwischen Asien und Europa nicht zutrifft, denn eine solche Wechselwirkung zwischen beiden Regionen lässt sich historisch nicht nachweisen. Übergreifende Internationalisierungstheorien Eine verhaltenswissenschaftliche Analyse von Internationalisierungsprozessen in Unternehmen liefert die Verhaltenstheorie von Yaid Aharoni (Aharoni, 1966, S. 49-172). Er liefert plausible Erklärungen, die gewiss auf eine Vielzahl von Internationalisierungsentscheidungen von Unternehmungen zutreffen. Sein Fokus liegt zwar auf Direktinvestitionen, Kutschker und Schmid (2011, S. 427) betonen aber, dass die Verhaltenstheorie auch weitere Formen der Internationalisierung erklären kann. Aharoni sagt, dass Entscheidungsprozesse nicht rational sein müssen, Entscheidungen häufig im Kollektiv gefällt werden, diese Kollektive unterschiedliche Zielrichtungen und Interessen haben können und nur über eine beschränkte Informationsaufnahme-, Informationsverarbeitungs- und Problemlösungskapazität verfügen und Entscheidungen weniger aufgrund des Bedürfnisses nach Optimierung, sondern eher aufgrund des Bedürfnisses nach Befriedigung gefällt werden. Zudem sind Unternehmen lernfähig und ändern mit zunehmender Auslandserfahrung auch ihr Investitionsverhalten: Auslandsinvestitionen werden mit wachsender Auslandserfahrung immer selbstverständlicher. Auch wenn an Aharonis Theorie kritisiert wird, sie stelle lediglich dar, wie es zu suboptimalen Entscheidungen kommt, und nicht, wie Auslandsaktivitäten tatsächlich zustande kommen sollten, gelingt es ihm i. d. R., die Realität hinter Unternehmensentscheidungen besser abzubilden. Interessant im Hinblick auf Produktionsverlagerungen ins Ausland ist Raymond Vernons Produkt(lebens-)zyklusansatz, den er 1966 vorstellte (Vernon, 1966, S. 190-207). Darin unterscheidet Vernon zunächst zwischen drei Phasen eines Produkts: 1. dem Stadium des neuen Produkts, 2. dem Stadium des reifenden Produkts und 3. dem Stadium des standardisierten Produkts. Im ersten Stadium wird ein Produkt in dem Land, in dem es entwickelt wird, produziert, in den Markt eingeführt und verkauft. Eine zu Beginn noch unbedeutende Auslandsnachfrage wird über Exporte befriedigt. Der Preis für dieses Produkt ist zu diesem Zeitpunkt noch vergleichsweise hoch, da es anfangs in geringen Stückzahlen zu einem hohen Lohn- und Gehaltsniveau produziert wird. Im Stadium des reifenden Produkts erlaubt eine zunehmende Inlands- und Auslandsnachfrage, größere Stückzahlen zu fertigen. Vernon geht davon aus, dass neue Wettbewerber auf den Markt drängen - vorerst im <?page no="36"?> 1.1 Theoretischer Überblick 37 Inland, später auch im Ausland -, wodurch sich das Unternehmen gezwungen sehen wird, die Preise seines Produkts zu senken. Dies kann durch die Verlagerung an einen günstigeren Produktionsstandort, möglicherweise im Ausland, geschehen. Zu einer solchen Produktionsverschiebung kann es dann kommen, wenn die Kostenunterschiede zwischen Inland und Ausland so groß sind, dass trotz Transportkosten auch ein Reimport attraktiv erscheint. In der Regel wird die Produktion zunächst in andere Industrieländer verschoben. Im dritten und letzten Stadium kommt es zu einem vollkommen standardisierten Produkt, dessen Fertigungsprozesse nahezu vereinheitlicht sind - häufig wird hier schon das Stadium der Massenproduktion erreicht. Um in Masse zu produzieren, sind regelmäßig nur noch wenige hoch qualifizierte, hoch vergütete Arbeitskräfte, stattdessen mehr günstige, niedrig qualifizierte Arbeitskräfte vonnöten. Internationalisierung dient dabei dem Massenabsatz. Da neue Wettbewerber hinzugekommen sind und der Kostendruck steigt, steigt die Notwendigkeit, noch günstiger zu produzieren: Die Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer wird zur Ultima Ratio, Produktionsstandorte im Heimatland werden aufgegeben, die Produktion in weiteren Industrieländern reduziert, die produzierten Güter aus den Entwicklungsländern ins Heimatland und weitere Industrieländer exportiert. Relativiert wird dieser Ansatz erst durch die Industrie 4.0, die eine Rückverlagerung der Produktion in die nationalen Heimatländer erlaubt. Vernon betrachtet mit seinem Ansatz nur Direktinvestitionen, was zumindest im Widerspruch zum Heckscher/ Ohlin-Theorem steht, sofern es sich um kapitalintensive Güter handelt. Übung 1.5 Erklären und erläutern Sie die absoluten und die relativen Kostenvorteile von Ländern. Übung 1.6 Erklären Sie das Faktorproportionentheorem der schwedischen Wissenschaftler Eli Heckscher und Bertil Ohlin. Übung 1.7 Beschreiben und erklären Sie die Produktionsverlagerungen von multinationalen Unternehmen ins Ausland nach Raymond Vernons Produkt(lebens-)zyklusansatz. 1.1.3 Internationalisierungsstrategien von „multinationalen Unternehmen“: ein Überblick Unter einer Internationalisierungsstrategie nach Kutschker und Schmid (2011) sowie Porter (1982 und 1984) und Schmeisser et al. (2012) wird das geplante Maßnahmenbündel einer multinationalen Unternehmung sowie das sich plötzlich herausbildende Entscheidungs- und Handlungsmuster verstanden, auf deren Basis eine multinationale Unternehmung ihre Internationalisierungspolitik betreibt. Zu den fünf Grunddimensionen der Internationalisierungsstrategien gehören:  die Markteintrittsbzw. Marktbearbeitungsstrategie,  die Zielmarktstrategie,  die Timingstrategie und  die Allokationsstrategie (Grundarten: Konfigurations- und Leistungsstrategie). Export, Lizenzierung, Franchising, Vertragsfertigung, Joint Ventures, strategische Allianzen, Tochtergesellschaften, Fusionen oder Minderheitsbeteiligungen können Markteintritts- und Marktbearbeitungsstrategien darstellen. Zu den Zielmarktstrategien zählen die Strategien der Marktpräsenz, der Marktselektion und der Marktsegmentierung. Ihnen liegen Entscheidungen hinsichtlich der anvisierten Zielmärkte zugrunde. Timingstrategien fokussieren auf den optimalen Zeitpunkt von <?page no="37"?> 38 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit Markteintritten auf länderspezifischer oder länderübergreifender Ebene. Die Konfigurationsstrategie ist eine Strategie, die im Hinblick auf die geografische Verteilung von Wertschöpfungsaktivitäten angewendet wird. In der Autoindustrie werden verschiedene Aktivitäten der Leistungserstellung in unterschiedlichen Ländern durchgeführt. Zu ihr zählt beispielsweise die Koordinationsstrategie, bei der die optimale wechselseitige Abstimmung zwischen einzelnen Unternehmenseinheiten (zum Beispiel innerhalb von Konzernen) berücksichtigt wird. Die Leistungsstrategien betrachten die Tatsache, dass Unternehmen ihre Leistungen weltweit identisch, also standardisiert, oder weltweit differenziert anbieten können. 1.1.4 Wettbewerbsfähigkeit: Wertschöpfung und Wertschöpfungskette Wertschöpfung Unternehmen schöpfen Wert, indem die ihnen zugeordneten technischen Einheiten Güter mit den Werteigenschaften hervorbringen, die eine Befriedigung der Bedürfnisse von Abnehmern bewirken (Large, 1995, S. 10). Zur Deckung menschlicher Bedarfe ist ein Leistungsprozess notwendig, dem die Transformation von Rohstoffen in Produkte zugrunde liegt. Dieser Prozess läuft zumeist auf mehreren Stufen ab und wird in der Regel von unterschiedlichen Wirtschaftseinheiten durchgeführt. Jede dieser Stufen - bis auf die erste, die als Urproduktionsbzw. Gewinnungsstufe bezeichnet wird - übernimmt von der ihr vorgelagerten Stufe Produkte und gestaltet diese um, verarbeitet oder veredelt diese. Das so transformierte Produkt wird dadurch stets mit einem höheren Wert an die nachgelagerte Stufe weitergegeben (Haller, 1997, S. 30). Auf volkswirtschaftlicher Ebene wird die Wertschöpfung eines Unternehmens als dessen Beitrag zum im Inland entstandenen Volkseinkommen bzw. Inlandsprodukt bezeichnet. Als Wertschöpfung im engeren betriebswirtschaftlichen Sinne gilt die Summe der Roherträge, verringert um die zugekauften Vorleistungen. Sie entspricht der Differenz zwischen den Einstandspreisen aller extern eingekauften Leistungen (fremderstellte Güter und Dienste) und den Verkaufserlösen aller eigenen Marktleistungen (Güter und Dienste, die aus diesen Vorleistungen und eigenen Leistungen zusammengesetzt sind). Als Vorleistungen gelten die Güter (Waren und Dienstleistungen), die Wirtschaftseinheiten von anderen Wirtschaftseinheiten bezogen und im Berichtszeitraum im Zuge der Produktion verbraucht haben. Leistungswirtschaftlich bzw. realgüterwirtschaftlich ist die Wertschöpfung die Summe des in einer Periode hinzugefügten Produktionsbeitrags und der von anderen Unternehmen empfangenen Vorleistungen. Die Wertschöpfung ist also die Differenz des gesamten Produktionswerts und der empfangenen Vorleistungen. Für die Bruttowertschöpfung heißt das vereinfacht (Coenenberg, Haller & Schultze, 2012, S. 1170): Bruttowertschöpfung = Umsatz - Materialaufwand Die Wertschöpfung deckt damit den Faktoreinsatz und den Gewinn ab. Auf makroökonomischer Ebene ist sie eine Nettoerfolgsgröße, wenn man Erfolg als Gegenwert für das Ergebnis des Leistungsgeschehens definiert. Nach der traditionellen Deutung wird der Ausdruck Wertschöpfung als quantitativer ökonomischer Begriff genutzt, der eben diesen Wertzuwachs bezeichnet, der durch die beschriebenen ökonomischen Aktivitäten geschaffen wird. Haller betont, dass Wertschöpfung nicht den Werterstellungsprozess bezeichnet, sondern für das Ergebnis des Leistungsprozesses, den geschaffenen Wertzuwachs, steht. Wert ist dabei stets ein subjektiv empfundener Mehrwert, der sich durch einen höheren Grad der Brauchbarkeit bzw. Wertschätzung des Outputs im Vergleich zum Input ergibt. Die Bewertung des Mehrwerts als solche erfolgt in einer marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaft in <?page no="38"?> 1.1 Theoretischer Überblick 39 Form der Preiskalkulation mit einem Marktwert. Doch auch dieser Marktwert ist keine objektive Größe, sondern ergibt sich aus der gefühlten Bedürfnisbefriedigung des Kunden. Die betriebliche Wertschöpfung wird mit der Wertschöpfungsrechnung ermittelt. Es ist zwischen der Entstehungsrechnung (auch reale oder Subtraktionsmethode) und der Verteilungsrechnung (auch personale oder Additionsmethode) zu unterscheiden (Tab. 1.1) (Schmeisser, 2008, S. 126). Tab. 1.1: Vereinfachte Darstellung von Entstehungs- und Verteilungsrechnung (in Anlehnung an Coenenberg et al., 2012, S. 1172 f.) Die Entstehungsrechnung ermöglicht einen Blick auf die betriebswirtschaftliche Wertschöpfung, wogegen die Verteilungsrechnung einen breiteren Blick auf die an ihrer Erzeugung beteiligten Anspruchsgruppen ermöglicht. Möchte man die Wertschöpfung praktisch ermitteln, bietet sich die Entstehungsrechnung eher an als die Verteilungsrechnung, da mit ihrer Hilfe das Zustandekommen der Wertschöpfung deutlicher wird. Das Ergebnis beider Berechnungswege ist die Nettowertschöpfung (Schmeisser, 2008, S. 126 f.). Die Wertschöpfungsquote gibt Auskunft über den Anteil der Wertschöpfung an der Gesamtleistung des Unternehmens und lässt somit Rückschlüsse auf Fertigungstiefe, vertikale Integration und die Outsourcingstrategie des Unternehmens zu. Sie berechnet sich folgendermaßen: Wertschöpfungskette (in Prozent) = Wertschöpfung x 100 Gesamtleistung oder Umsatz Haller (1997, S. 298) weist darauf hin, dass der bisher beschriebene, traditionell interpretierte Begriff der Wertschöpfung ausschließlich bis Ende der 1970er-Jahre genutzt wurde. Seit den Siebzigern kam noch eine „moderne“ Deutungsweise hinzu, die stark von der traditionellen Deutungsweise abweicht. Diese geht auf die in den USA entstandenen strategischen und operativen Managementkonzepte zurück, die zwar auch einen aus der betrieblichen Tätigkeit entstehenden Mehrwert erfassen, doch diesen ausschließlich als Wertmehrungsfaktor für die Eigenkapitalgeber definieren. Zweck dieses „Wertschöpfungsmanagements“ (engl. „Value Added Management“) ist die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen, wie die Senkung der Stückkosten und/ oder unterschiedliche Differenzie- <?page no="39"?> 40 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit rungsformen, durch die Steigerung des Unternehmensmarktwerts (Rappaport, 1986). In diesem Sinne ist auch Michael E. Porters Wertkettenansatz (1984) zu verstehen. Hätte, Hätte, Wertschöpfungskett e. Unternehmen verbrauchen Ressourcen, wenn Sie Werte schaffen. Im Idealfall kommt Gewinn am Ende dabei heraus. Die Ansammlung von Tätigkeiten in einem Unternehmen kann mit Hilfe der Wertschöpfungskette systematisch erfasst werden. Mit Hilfe von Wertkettenanalysen können Prozesse optimiert und Wettbewerbsorteile geschärft werden (Schwochow & Ramge, 2016, S. 56). Wertschöpfung in der Supply Chain: Supply Chain Management Die exakte Übersetzung für Supply Chain nach Porter ist Lieferkette oder Wertkette, gängiger aber ist Wertschöpfungskette. Die Wertschöpfungskette umfasst alle an der Entwicklung, Erstellung, Lieferung und Entsorgung eines Produkts beteiligten Akteure, von den Rohstofflieferanten bis hin zu den Endabnehmern. Die Idee der Kette, engl. Chain, wird in der Literatur auf den Begriff des Netzwerks ausgeweitet (Schmeisser et al., 2014, drittes Kapitel). An der Erstellung einer Unternehmensleistung ist also ein Netzwerk weiterer Unternehmen beteiligt, von der Rohstofflieferung und -verarbeitung hin zum Verkauf an den Endkunden. Der Begriff Supply steht dabei für die übergeordnete Funktion der Belieferung des Endkunden. Mit der Größe eines solchen Netzwerks von miteinander verbunden agierenden Unternehmen wächst auch die Notwendigkeit der Koordination dieses komplexen Systems. Naim, Disney und Towill konnten nachweisen, dass mit zunehmender Zahl an Akteuren die Fähigkeit dieses Netzwerks, optimale Koordinationsabläufe aufrechtzuerhalten, überproportional sinkt (Naim, Disney & Towill, 2004, S. 123 f.). Die Beherrschung und Gestaltung der „Belieferungskette“ bzw. des „Belieferungsnetzwerks“ unter Wertschöpfungsgesichtspunkten sind die maßgeblichen Aufgaben der Beteiligten, denn sie begründen einen eigenen thematischen Bereich der strategischen Unternehmensführung: Supply Chain Management. Das Supply Chain Management hat zwar seine Wurzeln im Logistikmanagement, geht aber in seinen Ansätzen über ein bloßes Streben nach den klassischen Logistikzielen, wie der Reduzierung von Durchlaufzeiten (Lead Times), Bestandsverringerung und der Erhöhung der Liefertreue (Corsten & Gössinger, 2008, S. 107), hinaus. Dem Supply Chain Management ist die engere Ausrichtung an den Bedürfnissen des Endkunden eigen. Unter dem Management einer Supply Chain versteht man also „… die unternehmensübergreifende Koordination und Optimierung der Material-, Informations- und Wertflüsse über den gesamten Wertschöpfungsprozess […] mit dem Ziel, den Gesamtprozess unter Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse sowohl zeitals auch kostenoptimal zu gestalten“ (Arndt, 2013, S. 47). Ziel der Supply Chain ist zum einen das Schaffen von Kundennutzen unter Berücksichtigung von Kosten und Gewinn, zum anderen wird die Integration der Wertschöpfungsprozesse und damit einhergehend die Verbesserung der Wettbewerbsposition aller in der Supply Chain integrierten Parteien angestrebt (Kummer, Grün & Jammernegg, 2013, S. 67). Nicht allein entscheidend, aber mitentscheidend für ein wertschöpfungsorientiertes Supply Chain Management ist dabei die Kostenoptimierung/ -senkung über alle Wertschöpfungsstufen der internationalen Supply Chain. Wie von Porter angeführt, sind die Konzepte der Supply Chain und der Wertschöpfungskette miteinander verwandt (Porter & Miller, 1985, S. 149 ff.) und können insofern zusammengefügt werden, wobei eine Wertkette nicht auf eine einzelne Unternehmung beschränkt bleiben muss. Stattdessen können die Wertketten miteinander verschränkt, also der gesamte Wertschöpfungsprozess, zum <?page no="40"?> 1.1 Theoretischer Überblick 41 Beispiel in einer Supply Chain, erfasst werden (Porter, 2010, S. 60). Der Unterschied zwischen beiden Konzepten liegt darin, dass die Supply Chain Versorgungs- und Verfügbarkeitsaspekte betrachtet, die Wertkette es dagegen ermöglicht, Chancen und Risiken für Nutzen- und Wertsteigerung ins Auge zu fassen (Klaus, 1998, S. 444.) Wettbewerbsvorteile und Wertschöpfung nach Porter Porter unterscheidet zwei Grundtypen von Wettbewerbsvorteilen für Unternehmen einer Branche:  Kostenvorteil und  Differenzierung. Davon abgeleitet ergeben sich nach Porter drei Strategietypen im Wettbewerb:  Kostenführerschaft,  Differenzierung und  Konzentration auf Schwerpunkte. Der Kostenführer strebt an, der kostengünstigste Hersteller einer Branche zu sein, indem er alle Quellen für mögliche Kostenvorteile aufspürt und nutzt. Der Differenzierungsfaktor darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, da bei ungenügender Differenzierung sich auch eine noch so gute Kostenposition - widergespiegelt in zum Wettbewerber vergleichsweise niedrigen Preisen - aufhebt. Das Unternehmen, das auf die Strategie der Differenzierung setzt, wird sich mit der Betonung exklusiver Merkmale seines Produkts behaupten wollen und kann durch hohe Qualität und Spezialisierung höhere Preise als Mitbewerber der gleichen Branche erzielen. Bei der dritten Strategie, der Konzentrationsstrategie, sind zwei Varianten zu unterscheiden: die Variante des Kostenschwerpunkts und die Variante des Differenzierungsschwerpunkts. Abhängig vom gewählten Zielsegment nutzt das Unternehmen den Kostenschwerpunkt, bei dem es sich durch ein anderes Kostenverhalten von den Wettbewerbern unterscheidet, oder den Differenzierungsschwerpunkt, bei dem das Unternehmen andere spezielle Käuferbedürfnisse in anderen Segmenten als die Wettbewerber nutzt. Der die Umwelt betonende Industrial-Organization-Ansatz von Porter und anderen Autoren wird jedoch kritisiert: Es könne Unternehmen durchaus gelingen, sowohl Kostenführerschaft als auch Differenzierung umzusetzen, sie entscheiden sich für die Umsetzung beider Strategien (Kutschker & Schmid, 2011, S. 841). Porter wiederum kritisiert am gängigen Wertschöpfungsmodell, dass die Wertschöpfung potenziell kostensenkende oder differenzierungssteigernde Verbindungen zwischen Unternehmen und ihren Lieferanten außer Acht lasse. Da aber eben diese Betrachtungsweise für die multinationale Unternehmung von großer Bedeutung ist, wird im Folgenden auf die Wertkettenlehre von Porter näher eingegangen, bevor später ein Blick auf die Wertkette durch Industrie 4.0 geworfen wird. Wertkette nach Porter Als Wertkette, Wertschöpfungskette oder Value Chain bezeichnet man ein von Porter in den 1980er- Jahren maßgeblich gestaltetes Instrument, mit dem der Prozess der betrieblichen Leistungserstellung bei einem Unternehmen strukturiert werden kann ( Abb. 1 . 1). <?page no="41"?> 42 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit Abb. 1.1: Wertkette nach Porter (in Anlehnung an Porter, 2010, S. 64) Porter bietet die Idee der Wertkette als analytisches Instrument an, um die Ursachen von Wettbewerbsvorteilen zu untersuchen. Er gliedert die Wertkette eines Unternehmens in „… strategisch relevante Tätigkeiten, um dadurch Kostenverhalten sowie vorhandene und potentielle Differenzierungsquellen zu verstehen“ (Porter, 2010, S. 63). Jede einzelne strategische Tätigkeit kann die relative Kostenposition eines Unternehmens positiv beeinflussen und eine Differenzierungsbasis schaffen, um dem Unternehmen damit einen Wettbewerbsvorteil auf Basis von Kosten oder Differenzierung zu ermöglichen. Die Wertkette eines Unternehmens nach Porter ist in ein Wertsystem, einen breiten Strom von Tätigkeiten, eingebettet. Zu diesem Strom können die Wertketten von Lieferanten ebenso wie die Wertketten von Vertriebskanälen und Abnehmern gezählt werden. Das Potenzial von Wettbewerbsvorteilen liegt darin, dass sich die Wertkette eines jeden branchenspezifischen Unternehmens von der seines Konkurrenten unterscheidet. Die Wertkette zeigt den Gesamtwert einer Unternehmensleistung. Sie setzt sich zusammen aus Wertaktivitäten und der Gewinnspanne. Die Gewinnspanne ist die Differenz zwischen Gesamtwert und Summe der Kosten, die bei der betrieblichen Leistungserstellung entstehen. Stets bei der Kostenermittlung einzubeziehen sind auch die Gewinnspannen der Wertketten von Lieferanten oder anderer an der Leistungserstellung beteiligter Unternehmen, da diese Gewinnspannen einen Teil der Gesamtkosten darstellen, die der Abnehmer in Form des Endpreises übernehmen wird. Porter beschreibt neun miteinander verbundene Grundtypen von Tätigkeiten, die er als die Bausteine bezeichnet, aus denen ein Unternehmen das für den Abnehmer wertvolle Produkt erschafft. Dabei unterscheidet er primäre und unterstützende Aktivitäten. Primäre Aktivitäten sind die Schlüsselaktivitäten in den Kernprozessen, die bei der Leistungserstellung von Produkten und Dienstleistungen ausgeführt werden. Porter zählt dazu Eingangslogistik, Operationen, Marketing und Vertrieb, Ausgangslogistik und den Kundendienst. Die unterstützenden Tätigkeiten, also die Unternehmensinfrastruktur, Personalwirtschaft, Technologieentwicklung und Beschaffung, dienen der Aufrechterhaltung der primären Aktivitäten. Je nach Unternehmenstyp ergeben sich unterschiedliche Kern- und Nebenprozesse. Jede dieser Wertaktivitäten setzt zu ihrer Funktionserfüllung gekaufte Inputs, Ressourcen in Form von Arbeitskräften und Management sowie Technologie ein. Sowohl die einem Unternehmen vorgelagerten als auch nachgelagerten Akteure, wie Lieferanten und Abnehmer, haben Wertketten. Das Produkt eines Unternehmens stellt in der Kette des Abnehmers den gekauften Input dar (Porter, 2010, S. 93). <?page no="42"?> 1.1 Theoretischer Überblick 43 Die Wertkette ermöglicht eine genaue Analyse, wie einzelne Wertaktivitäten eines Unternehmens zusammenwirken, und dient als Basis für eine genaue Bestimmung von Wettbewerbsvorteilen und die Entscheidung für eine Strategie zu ihrer Umsetzung. Wettbewerbs- und Wertschöpfungsstrategien Wertschöpfungsstrategien als Teilfunktion des strategischen Managements sind all jene Strategien, die hinsichtlich Veränderungen in den Schwerpunkten der Wertschöpfung von Unternehmen angewendet werden. Zu unterscheiden sind:  Horizontale Wertschöpfungsstrategien: Dazu zählen Variationen in der Produkt-Markt- Matrix nach Ansoff. Demnach fließen in die strategischen Überlegungen die Abwägungen von Risiken und Chancen ein, ob und wie bestehende Märkte oder neue Märkte mit jeweils bestehenden oder neuen Produkten bearbeitet werden können/ sollen.  Vertikale Wertschöpfungsstrategien: Diese Strategien werden hinsichtlich der vertikalen Integration dem Unternehmen vor- und nachgelagerter Wertschöpfungsstufen angewendet. Ob ein Unternehmen im Vergleich zu seinen Mitbewerbern kostengünstig oder kostenintensiv arbeitet, hängt davon ab, in welchem Modus es die einzelnen Aktivitäten der Wertkette ausführt. Jede Wertaktivität, auch eine unterstützende, kann für den Wettbewerbsvorteil entscheidend sein. Besonders interessant ist das Potenzial, das dabei in der Integration bzw. Desintegration von originär vorgelagerten oder nachgelagerten, aufeinander abgestimmten Wertketten und deren strategischen Aktivitäten liegt. Dies gelingt zum Beispiel mittels Koalitionen mit an der Leistungserstellung beteiligten Unternehmen, wie Lieferanten, oder der kompletten Integration von Tätigkeiten, wie der Eigenproduktion oder dem Absatz. Im Rahmen von Lieferantenkoalitionen können die Wertkette des Unternehmens und die Wertkette des Lieferanten so aufeinander abgestimmt werden, dass eine Win-Win-Situation entsteht (Porter, 2010, S. 87). Einen entscheidenden Einfluss auf den Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens stellt das Wettbewerbsfeld dar, in das die unternehmerische Wertkette eingebettet ist und welches den Aufbau und die wirtschaftlichen Grundregeln der Wertkette prägt:  Segmentfeld: Marktsegment, also Produktvarianten und Abnehmer;  Integrationsgrad: Make-or-Buy-Entscheidungen;  geografisches Feld: Spektrum von Regionen, Ländern oder Ländergruppen, in denen sich das Unternehmen am Wettbewerb beteiligt;  Branchenfeld: benachbarte Branchen, in denen sich ein Unternehmen am Wettbewerb beteiligt. Entscheidet sich ein Unternehmen für die Wettbewerbsstrategie des Kostenvorsprungs, muss es sich mit dem Kostenverhalten seiner Wertaktivitäten auseinandersetzen. Dieses Kostenverhalten hängt laut Porter von einer Reihe von auch gleichzeitig kostenwirksamen Strukturfaktoren ab, die er als Kostenantriebskräfte bezeichnet. Dazu zählt, neben größenbedingten Kostendegressionen oder -progressionen und dem Grad der vertikalen Integration, auch die Frage des Standorts. Für Porter ist der geografische Standort einer Wertaktivität eine eigene Kostenantriebskraft, die das Kostenverhalten von Wertaktivitäten bestimmt. Demzufolge zählt auch die Entscheidung für einen bestimmten geografischen Standort einer Wertaktivität zur Strategie des Kostenvorsprungs und beeinflusst die Kosten auf unterschiedliche Art und Weise. <?page no="43"?> 44 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit Anhand eines Beispiels aus der Bekleidungsindustrie wird auf die in der Bekleidungswirtschaft häufig genutzten Wettbewerbs- und Wertschöpfungsstrategien der Vertikalisierung, der Lieferantenverknüpfung und der Standortwahl näher eingegangen. 1.1.5 Zu den Begriffen Niedriglohn, Niedriglohnsegment, Niedriglohnland / Low-Cost Country Niedriglohn Als Lohn wird gemeinhin der (finanzielle) Ausgleich, das Entgelt für erbrachte Leistungen eines in einem Dienstverhältnis stehenden Arbeiters bezeichnet. Entlohnt wird der Faktor Arbeit, der aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein Wirtschaftsgut darstellt, das bei der Leistungserstellung (Produktion) eingesetzt wird. Lohnkosten sind Teil der Fertigungseinzelkosten. Diese wiederum werden den Fertigungsgesamtkosten zugerechnet. Fertigungskosten sind Teil der Herstellkosten. Als Herstellkosten werden jene Kosten verstanden, die bei der Herstellung oder beim Erwerb eines Gutes anfallen. Hilfslöhne, die für Reinigungskräfte anfallen, also Tätigkeiten, die wenig direkt mit der Fertigung des Gutes zu tun haben, fallen unter Gemeinkosten. Ein Lohn wird dann als Niedriglohn bezeichnet, wenn er trotz Vollzeitbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht zur Existenzsicherung ausreicht. Der Niedriglohn kommt damit der Armutsgrenze nahe, die nach deutschem Verständnis auf Sozialhilfeniveau liegt (Schäfer, 2000, S. 77). Der Begriff Niedriglohn auf globaler, volkswirtschaftlicher Ebene umschreibt ein mit entwickelten Volkswirtschaften verglichen geringes Lohnniveau eines Beschaffungsbzw. Exportlandes (Krugman & Obstfeld, 2006, S. 351). Niedriglohnsegment Unter einem Segment wird allgemein ein Bereich verstanden, der sich aufgrund seiner ihm eigenen Charakteristika und Eigenschaften von anderen Bereichen unterscheidet. In der Betriebswirtschaft wird der Begriff besonders mit der betrieblichen Funktion des Marketings verbunden und findet sich in den Konzepten des „Marktsegments“ und der „Marktsegmentierung“ wieder. Versteht man unter dem Niedriglohnsegment einen niedrig preisorientierten Beschaffungsmarkt, bedeutet dies im Falle des Faktors Arbeit, dass dieser dort zu niedrigen Preisen beschafft wird. Darüber hinaus können auf niedrig preisorientierten Beschaffungsmärkten zu niedrigen Kosten produzierte Güter als Handelsgüter zu niedrigen Preisen eingekauft werden. Hier bezeichnet Segment in Verbindung mit dem Begriff Niedriglohn ganz abstrakt einen Teilbereich der Arbeitsentgeltpolitik von Arbeitsmärkten, der von den Charakteristika des Niedriglohns geprägt ist und sich dadurch von anderen Arbeitsentgelt-Varianten unterscheidet. Niedriglohnland respektive Low-Cost Country In Abgrenzung zu Niedriglohnsektor wird der Begriff Niedriglohnland in der deutschen, mit seinem englischen Äquivalent Low-Wage Country auch in den internationalen Wirtschaftswissenschaften genutzt. Der Begriff Niedriglohnland hat inzwischen eine eher populärwissenschaftliche Konnotation, da die negativen Seiten dieser Beschaffungsstrategie durch die häufige Nutzung im außerwissenschaftlichen Bereich, durch kritische Berichterstattung in den Medien und durch das Engagement von Nichtregierungsorganisationen (NGOs ) Eingang in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gehalten haben. Unter einem „niedrigen Lohn“ ist in Deutschland jedoch etwas anderes zu verstehen als in den bekannten Niedriglohnländern, denn ein im Vergleich zu europäischen Volkswirtschaften niedriges Lohnniveau muss theoretisch in den infrage kommenden „Niedriglohnländern“ nicht automatisch „niedrige Entlohnung“ bedeuten - in der Praxis liegen die Löhne in den <?page no="44"?> 1.1 Theoretischer Überblick 45 Ländern mit den niedrigsten Löhnen weltweit aber auch dort unter einem existenzsichernden Niveau. Der Begriff „Niedriglohnland“ impliziert darüber hinaus im Vergleich zu entwickelten Volkswirtschaften niedrige Standards im gesamten Bereich des Arbeitsumfelds: Eine geringe Arbeitssicherheit, geringer Gesundheits- und Umweltschutz, unzumutbare Arbeitszeiten, der Einsatz von Kinderarbeit, sexuelle Diskriminierung, hauptsächlich von Frauen oder die fehlenden Organisationsmöglichkeiten von Arbeitnehmern in Gewerkschaften werden mit Niedriglohnländern in Verbindung gebracht. Dass dies nicht zu Unrecht geschieht, davon zeugen nicht nur handfeste Belege von NGOs wie T RANSPARENCY I NTERNATIONAL oder A TTAC . Im Englischen werden die Begriffe Low- Wage Country oder Low-Cost Country verwendet, wobei die Betonung bei Ersterem auf der Lohnstruktur, bei Letzterem auf den Faktorkosten, wie Materialkosten, Arbeit, Anlagevermögen etc., liegt. Hier wird der Terminus Low-Cost Country genutzt, da das damit zusammenhängende Beschaffungskonzept des Low-Cost Country Sourcings in die deutschsprachige Literatur Einzug gehalten hat. In der internationalen Literatur wird ein Land, in dem der durchschnittliche Stundenlohn weniger als 10 USD (entspricht ca. 8 Euro) (Rinn & Zollenkop, 2009, S. 355), in anderen Quellen weniger als 7 USD (entspricht ca. 5 Euro) beträgt (Javaheri, 2009, S. 4), als Low-Cost Country bezeichnet. Köhler weitet den Begriff des Low-Cost Country noch über den Kostenaspekt hinaus auf Länder aus, die in der Lage sind, die Nachfrage aus einem Hochkostenland zu erfüllen, weil sie die nötige Qualität und Technologie bieten können (Köhler, 2011, S. 62). Die Differenz zwischen den Arbeitskosten in Deutschland sowie anderen europäischen Ländern und den Arbeitskosten in Osteuropa und Asien ist enorm. So betrugen die Arbeitskosten in China und Indien im Jahr 2005 nur zwischen 2,6 und 3,7 Prozent der deutschen Arbeitskosten. Die Arbeitskosten in Tschechien und Polen betrugen immer noch nur zwischen rund 9 und 12 Prozent der deutschen Arbeitskosten (Kerkhoff, 2005, S. 72). Der Begriff Low-Cost Country bezieht sich auf Exportländer, die zumeist von armen Volkswirtschaften - Schwellen- und Entwicklungsländern - vertreten werden. Einen solchen Zusammenhang zwischen Entwicklungsstufe und Bruttonationaleinkommen stellt die W ELTBANK her. Sie teilt Volkswirtschaften mit mehr als 30 000 Einwohnern - insgesamt 214 Länder - in Länder mit geringem, unterem mittlerem, oberem mittlerem und hohem Bruttonationaleinkommen ein. Zudem unterscheidet sie nach Entwicklungsstand des Landes in entwickelte Länder und Entwicklungsländer, wobei Länder mit einem hohen Bruttonationaleinkommen zu den entwickelten Ländern gezählt werden (Weltbank, 2014). In der Regel sind sogenannte Low-Cost Countries also Entwicklungsländer. Sie haben zumeist auf jedem Gebiet vergleichsweise niedrige Preise vorzuweisen. Das hat zur Folge, dass auch Gemeinkosten, also Kosten für Verwaltung, Material, Betriebs- und Hilfsstoffe sowie unechte Gemeinkosten (für Energie und weitere Ressourcen) in der Kostenträgerrechnung bzw. Deckungsbeitragsrechnung in diesen Ländern - im Vergleich zum Mutterland des Unternehmens - sehr niedrig sind. Zu den klassischen Low-Cost Countries zählen u. a. Vietnam, Malaysia, Indonesien, Indien, Bangladesch, Mexiko, Brasilien, Venezuela, Bolivien, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Ukraine, Marokko und Tunesien. Zu den Volkswirtschaften mit einem ebenfalls vergleichsweise niedrigen Lohnniveau, das aber höher ist als das Lohnniveau reiner Low-Cost Countries, zählen Länder wie Polen und Tschechien. Indem Unternehmen Teile ihrer Wertschöpfungsaktivitäten in Niedriglohnländer verlagern, können sie die Kosten dieser Aktivitäten bemerkenswert reduzieren und dadurch ebenfalls Wettbewerbsvorteile generieren. Dies geschieht zum Beispiel durch die Gründung von Tochtergesellschaften und ausländischen Kapitalbeteiligungen (Joint Ventures), Direktinvestitionen oder durch spezifische Beschaffungsaktivitäten. Wertschöpfung und Produktion sind heute in weltweiten Lieferketten verbunden. Verteilung der Wertschöpfung in Prozent am Beispiel des iPhones: <?page no="45"?> 46 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit Materialkosten iPhone 21,9 Profite Südkorea 4,7 Personalkosten China 1,8 Profite Japan 0,5 Profite USA (nicht Apple) 2,4 Profite Taiwan 0,5 Profite Apple 58,5 Profite EU 1,1 Personalkosten außerhalb Chinas 3,5 Profite von unbekannt 5,3 (Schwochow & Ramge, 2016, S. 111) Zusammenfassung Globalisierung und Internationalisierung sind historisch gesehen ein uraltes Phänomen in Gestalt des Kolonialismus und mindestens 12.000 Jahre alt und älter. Historisch bekannte Phänomene zu Zeiten der alten Ägypter sind der Bernsteinhandel von der Ostsee bis zum Alten Ägypten, die Entwicklung des Mittelmeerhandels durch die Phönizier, der Handel entlang der Seidenstraße von China durch Asien bis Europa. Die Hanse und der Handel der Fugger sind in Deutschland sehr bekannt. Historisch z. B. vernachlässigt wird bis heute der Handel in Indien, China, Afrika sowie Arabien mit Sklaven, Gold, Elfenbein und Piraterie oder der Handel der Inka in Südamerika. Die Industrialisierung von England wird erkauft durch den Handel mittels 50 Kolonien, wie Indien, Kanada, Australien, Südafrika usw. Der Brexit ist eine romantische Vorstellung der Engländer, dass es ihnen wieder so gut gehe wie im viktorianischen Zeitalter, da ihnen als Weltmacht ⅓ der Welt gehörte und sie das Sagen hatten. Globalisierung als neuer „historischer“ Begriff ist gemäß dieser Sichtweise nur die Verlängerung der Kolonialisierung seit mindestens 12.000 Jahren in allen Erdteilen der Welt. Unter Internationalisierungstheorien lassen sich alle Theorien subsumieren, die die Internationalisierung kausal (warum? ), modal (wie? ), temporal (wann? ) und/ oder lokal (wo? ) darzustellen versuchen. Dazu zählen Theorien zur Erklärung des Außenhandels, z. T. unter tendenziell betriebswirtschaftlichen und historischen Gesichtspunkten (zum Beispiel Merkantilismus) oder unter Betrachtung von Kostenvorteilen (Theorie der absoluten Kostenvorteile, Theorie der komparativen Kostenvorteile, Heckscher-Ohlin-Theorem), Theorien zur Erklärung von Direktinvestitionen (zum Beispiel einfache Zinssatztheorie, Währungsraumansatz, technogische Theorien wie Industrie 4.0) sowie Theorien mit einem generellen Erklärungsansatz von Internationalisierung (zum Beispiel Ansätze der Kostendegression, Standortansätze, Internalisierungsansatz). Es fällt auf, dass viele Internationalisierungsstrategien vorrangig die Absatzperspektive von Internationalisierung erklären, aber kaum explizit auf die Gründe eingehen, aus denen ein Unternehmen beschließt, international Rohstoffe, unfertige Erzeugnisse und Fertigprodukte zu beschaffen, um seine Waren dann möglicherweise sogar nur national abzusetzen. Zu den wenigen Ansätzen, die diesen Sachverhalt einbeziehen, gehört der Produktlebenszyklusansatz von Vernon. <?page no="46"?> 1.2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen 47 Als Wertkette, Wertschöpfungskette oder Value Chain bezeichnet man ein von Porter in den 1980er-Jahren maßgeblich gestaltetes Instrument, mit dem der Prozess der betrieblichen Leistungserstellung bei einem Unternehmen strukturiert werden kann. Porter bietet die Idee der Wertkette als analytisches Instrument an, um die Ursachen von Wettbewerbsvorteilen zu untersuchen. Er gliedert die Wertkette eines Unternehmens in „… strategisch relevante Tätigkeiten, um dadurch Kostenverhalten sowie vorhandene und potentielle Differenzierungsquellen zu verstehen“ (Porter, 2010, S. 63). Das Supply Chain Management hat zwar seine Wurzeln im Logistikmanagement, geht aber in seinen Ansätzen über ein bloßes Streben nach den klassischen Logistikzielen, wie der Reduzierung von Durchlaufzeiten (Lead Times), Bestandsverringerung und der Erhöhung der Liefertreue, hinaus. Dem Supply Chain Management eigen ist die engere Ausrichtung an den Bedürfnissen des Endkunden. Unter dem Management einer Supply Chain versteht man also die unternehmensübergreifende Koordination und Optimierung der Material-, Informations- und Wertflüsse über den gesamten Wertschöpfungsprozess mit dem Ziel, den Gesamtprozess unter Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse sowohl zeitals auch kostenoptimal zu gestalten. Porter unterscheidet zwei Grundtypen von Wettbewerbsvorteilen für Unternehmen einer Branche:  Kostenvorteil und  Differenzierung. Davon abgeleitet ergeben sich nach Porter drei Strategietypen im Wettbewerb:  Kostenführerschaft,  Differenzierung und  Konzentration auf Schwerpunkte. Der Begriff Low-Cost Country bezieht sich auf Exportländer, die zumeist von armen Volkswirtschaften - Schwellen- und Entwicklungsländern - vertreten werden. Einen solchen Zusammenhang zwischen Entwicklungsstufe und Bruttonationaleinkommen stellt die Weltbank her. Sie teilt Volkswirtschaften mit mehr als 30.000 Einwohnern - insgesamt 214 Länder - in Länder mit geringem, unterem mittlerem, oberem mittlerem und hohem Bruttonationaleinkommen ein. 1.2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen Nach Durcharbeiten dieses Abschnitts  haben Sie gelernt, wie es zu einer Entscheidung zwischen Make or Buy kommen kann,  beherrschen Sie Begriffe wie Fertigungstiefe, Sourcing inkl. Erscheinungsformen etc.,  wissen Sie, wann es sich lohnt, Global Sourcing zu betreiben,  haben Sie sich zudem mit den Risiken von Global Sourcing auseinandergesetzt. <?page no="47"?> 48 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit 1.2.1 Make or Buy - Eigenfertigung oder Fremdbezug Je nach Produktionsobjekt geht der Entscheidung zur Beschaffung in der Regel die Frage nach Eigenfertigung oder Fremdbezug - Make or Buy? - voraus. Nicht nur Unternehmen, zu deren Leistungserstellung die Produktion von Sachgütern oder Konsumgütern gehört, sind auf eine Arbeitsteilung bei der Wertschöpfung angewiesen. Auch in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Materialwirtschaft/ Logistik oder Vertrieb und Verwaltung kann die Entscheidung zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug von Relevanz sein. Erfolgt die Leistungserstellung im Unternehmen auf Basis extern beschaffter Rohstoffe oder Fertigungsteile, liegt eine Make-Entscheidung vor. Sollen fertige Produkte beschafft werden, wird die Frage mit „Fremdbezug“ beantwortet - in diesem Fall kommt es zum Outsourcing. Im weiteren Sinne können jedoch an jeder Entscheidung der Unternehmenstätigkeit strategische Überlegungen angestellt werden, zukünftig Eigen- oder Fremdfertigung durchzuführen bzw. durchführen zu lassen, zum Beispiel beim Auslaufen von Lieferverträgen, bei einer Änderung der Kosten von Eigenfertigung bzw. Fremdbezug oder bei veränderten Qualitäts- und Flexibilitätsanforderungen (Kummer et al., 2013, S. 153). Die Überlegung, ob und wie eine Tätigkeit der Leistungserstellung integriert oder ausgelagert wird, ist außerdem eng mit den damit verbundenen Kostenvorteilen verbunden. Sie ist beispielsweise davon abhängig, ob die interne oder die externe Bereitstellung von Vorprodukten kostengünstiger ist, was mittels Grenzkosten, Opportunitätskosten und Vollkosten und der sich daraus ergebenden kritischen Mengen berechnet wird (Knolmayer, 2007, S. 4). Als weitere Entscheidungsinstrumente dienen die Break-Even-Analyse, die klassische Investitionsrechnung, das Make-or-Buy-Portfolio, Nutzwertanalysen und Checklisten. Entscheidungskriterien können daneben auch die Unternehmensstrategie, die gewünschte Autonomie, ein ausreichendes Lieferangebot und die Höhe und Regelmäßigkeit des Bedarfs sein (Kummer et al., S. 153). Es stehen verschiedene Strategien zur Wahl:  die Eigen- oder Lohnfertigung im Inland,  die Eigenfertigung im Ausland,  der Zukauf (Vollimporte) oder  die Lohnfertigung im Ausland sowie  die passive Lohnveredelung als Sonderform Die Vertragsfertigung oder Lohnfertigung, auch „verlängerte Werkbank“, ist eine Markteintrittsbzw. Marktbearbeitungsstrategie, in deren Rahmen eine inländische Unternehmung per Vertrag genau definierte Fertigungsstufen, wie Vorproduktion, Endproduktion, Veredelung oder Komplettproduktion, auf eine rechtlich selbstständige ausländische Unternehmung überträgt. Sie betrifft primär die Wertschöpfungsbereiche Beschaffung und Produktion. Zu unterscheiden sind die Vorproduktion im Ausland, die Endproduktion im Ausland, die Veredelung im Ausland und die Komplettproduktion im Ausland. Eine Eigenerstellung ist zum Beispiel dann sinnvoll, wenn das Unternehmen ausreichende Kapazitäten und das nötige Know-how aufweist, um kosteneffizienter und - abhängig vom Bedürfnis des Zielkunden - schneller und/ oder qualitativ hochwertiger zu produzieren (Merkel, Breuer, Eltze & Kerner, 2008, S. 35). Unternehmen ziehen unter Umständen den Fremdbezug vor, weil ihr Kapital dann nicht in zusätzlichem Anlagevermögen gebunden ist und Aufwendungen für Bau und Unterhalt von Fabriken und die Anschaffung von Maschinen wegfallen. Darüber hinaus entstehen so keine weiteren Fixkosten und auch Lohnkosten können auf diese Weise umgangen werden. Für die Fertigung benötigte Lizenzen und Zertifikate müssen nicht vom Unternehmen erworben werden, denn im Fall des Fremdbezugs fällt auch diese Aufgabe an den Dienstleister vor Ort. Zudem kann der Fremdbezug durch auf Economies of Scale oder Economies of Scope beruhenden Kostenvorteilen gekennzeichnet sein (Baumol, Panzar & Willig, 1982, S. 67 ff.). <?page no="48"?> 1.2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen 49 Unabhängig davon, ob sich Unternehmen für oder gegen die Eigenfertigung entscheiden - sie können vom niedrigen Lohnniveau profitieren, wenn sie ihre Produktionsstandorte in sogenannte Niedriglohnländer verlagern. Charakteristisch ist, dass gerade die Fertigungskosten in Low-Cost Countries niedriger sind. Bekleidungsunternehmer lagern daher die Fertigung mitunter aus und beauftragen damit eine Manufaktur. Im Fast-Fashion-Bereich, der auf kurze Durchlaufzeiten setzt, kann dennoch die Eigenfertigung sinnvoll sein, wenn damit die Nähe zu den Absatzmärkten größer ist. 1.2.2 Fertigungstiefe Eine mit dem Wertschöpfungs- und dem Make-or-Buy-Konzept verwandte Größe ist die Fertigungstiefe, für die auch der Begriff der „Wertschöpfungstiefe“ gebraucht wird. Sie zeigt sich als Ergebnis von Make-or-Buy-Entscheidungen, indem sie den Anteil der Gesamtleistung eines Unternehmens darstellt, der von diesem zur Leistungserstellung erbracht wird. Sie sagt also aus, wie hoch der Anteil eines Unternehmens an der für ein Endprodukt insgesamt notwendigen Wertschöpfung im Produktionsprozess ist. Die Fertigungstiefe oder auch Wertschöpfungsquote wird folgendermaßen berechne Fertigungstiefe (in Prozent) = Eigenfertigung ⋅ 100 gesamte Fertigung = Eigenfertigung ⋅ 100 Eigenfertigung + Fremdbezug Ein Unternehmen weist also dann eine Fertigungstiefe von 0 Prozent auf, wenn es keine Produktion durchführt, sondern nur Handel betreibt. Ein Unternehmen mit einer sehr hohen Fertigungstiefe fertigt möglicherweise sämtliche Fertigungskomponenten und verarbeitet Rohstoffe direkt weiter. Die Fertigungstiefe gibt also Aufschluss über den Grad des Outsourcings eines Unternehmens. 1.2.3 Einkauf, Beschaffung und Sourcing Unbestritten ist, dass Einkauf (engl. purchasing), Beschaffung (engl. procurement), Sourcing und das Supply Chain Management betriebswirtschaftliche Funktionen innerhalb eines Unternehmens sind. Über die genaue Definition dieser Begriffe, deren Anwendung sowie deren Abgrenzung untereinander ist man sich in der Fachliteratur uneinig. Am ehesten herrscht Konsens darüber, dass der Einkauf eine operative Funktion darstellt (zum Beispiel bei Lockström, 2007, S. 11, und Arnolds, Heege, Röh & Tussing, 2013, S. 2) und dem Bereich der Beschaffung zugeordnet werden kann, wogegen das Beschaffungsmanagement übergeordnet, breiter gefächert und taktischer Natur ist. Sourcing und Supply Chain Management werden dagegen dem strategischen Bereich zugeordnet. Beschaffung Das Beschaffungsmanagement dient wie andere betriebswirtschaftliche Aufgaben der Erfüllung der Wertschöpfung. Nach Arnold zählen zur Beschaffung „… sämtliche unternehmensund/ oder marktbezogenen Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, einem Unternehmen die benötigten, aber nicht selbst hergestellten Objekte verfügbar zu machen“ (Arnold, 1997, S. 3). Für Porter liegt in der genauen Betrachtung der Beschaffungsmodi das Potenzial, Kostenpositionen und damit indirekt Wertaktivitäten positiv zu beeinflussen. So kann ein Unternehmen seine Kostenposition verbessern, indem es Inputs in genau der Qualität kauft, die seinen Anforderungen entspricht, diese aber nicht unnötig übersteigt. Auch die Verhandlungsstärke gegenüber den Lieferanten, die Wahl geeigneter Lieferanten sowie deren Kostensteuerung durch eine intensive Zusammenarbeit kann die Kosten- <?page no="49"?> 50 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit position eines Unternehmens im Bereich der Beschaffungsaktivitäten deutlich verbessern (Porter, 2010, S. 81 f. und S. 150 f.). Beschaffungsbzw. Sourcing-Konzepte stellen im Supply Chain Management einen Teilaspekt dar, neben Bereichen wie Prozessmanagement, zwischenbetrieblicher Kooperation oder dem Logistikmanagement (Corsten & Gössinger, 2008, S. 115). Dementsprechend gilt das strategische Beschaffen als eine kritische Größe im gesamten Supply Chain- und Wertschöpfungsmanagement, das über Erfolg und Misserfolg einer Unternehmung entscheiden kann. Zu den Beschaffungsobjekten zählen Produktionsmaterial, Betriebsstoffe, Investitionsgüter und Dienstleistungen. Ein Handelsunternehmen hat keinen Bedarf an Produktionsmaterial, im Zentrum der Beschaffung stehen die Handelswaren. Handelswaren sind Güter, die bezogen und ohne weitere Bearbeitung weiterveräußert werden. In der deutschsprachigen und der englischsprachigen Literatur werden die Begriffe Sourcing und Beschaffung (bzw. engl. Procurement) nicht synonym verwendet. Sourcing wird überwiegend synonym mit „Beschaffungsmarketing“, also einem Teilbereich des Beschaffungsmanagements, gebraucht, wodurch es der umfänglichen Bedeutung jedoch nicht gerecht wird. Deshalb wird hier der Verständlichkeit halber der Begriff Sourcing verwendet, da dieser Wortbestandteil die Beschaffungsstrategie des Low-Cost Country Sourcings beinhaltet. Sourcing Sourcing steht für den Prozess, die für die eigentliche Unternehmensleistung benötigten Vorleistungen zielgerichtet und unter unternehmensstrategischen Gesichtspunkten zu beschaffen. Das strategische Sourcing kann als kleinstes Element der Beschaffungs- und Supply-Strategie angesehen werden (Eßig, Hoffmann & Stölzle, 2013, S. 108). Mitunter wird auch der Einkauf als Sourcing bezeichnet. Eine exakte Trennung der Begriffe Beschaffung, Einkauf und Sourcing gelingt in der Fachliteratur nicht. Deshalb werden die Begrifflichkeiten in diesem Abschnitt sinnähnlich verwendet: Beschaffung und Einkauf sind auch Sourcing, denn Sourcing wird als Teilbereich des Beschaffungsmanagements verstanden. Die wichtigste Aufgabe des Sourcings im klassischen Sinne ist die „Suche, Bewertung und Selektion von Beschaffungsquellen“ (Ahlert et al., 2009, S. 745). Das Sourcing verfolgt drei entscheidende Ziele:  kundengerichtete Ziele: Dazu zählt alles, was die Versorgung der Kunden sicherstellt, denn deren Anspruchsniveau ist im Vergleich zu vor 50 Jahren enorm gestiegen.  lieferantengerichtete Ziele: Sie zielen auf die Verbesserung der Konditionen durch stabile Lieferantenbeziehungen über Mengeneffekte und eine Vertrauensbasis zwischen Unternehmen und Lieferanten ab.  wettbewerbsgerichtete Ziele: Sie haben den Wettbewerber im Blick und laufen auf deren Ausgrenzung mittels Ausschließlichkeitsverträgen hinaus. Es gibt in Theorie und Praxis eine Vielzahl von Sourcing-Konzepten, bei denen unter anderem nach Trägern der Wertschöpfung (Eigenfertigung oder Fremdbezug), Art der Bereitstellung (Zeitkonzepte: stock sourcing, demand-tailored sourcing, just-in-time), Anzahl der Bezugsquellen (Lieferantenkonzepte wie single oder multiple sourcing), Größe des Marktraums (Arealkonzepte: local sourcing, domestic sourcing, global sourcing) oder nach Sourcing-Objekt (unit sourcing, modular sourcing, system sourcing) unterschieden wird (Abb. 1.2). Hier sind es vor allem die Arealkonzepte, die einer näheren Betrachtung bedürfen. Nachdem einige der relevanten Erscheinungsformen des Sourcings näher erläutert werden, wird der Fokus auf dem Konzept des Global Sourcings und seiner Unterform Low-Cost Country Sourcing liegen (Abschnitt 2.5). Die einzelnen Sourcing-Konzepte <?page no="50"?> 1.2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen 51 finden häufig kombiniert Anwendung, beispielsweise wenn diverse Sourcing-Objekte global über eine Vielzahl von Lieferanten beschafft werden. Abb. 1.2: Eine Auswahl von Konzepten und Klassifizierungsformen des Sourcings. Weitere, hier nicht aufgezählte Möglichkeiten der Klassifizierung werden durch die leeren Kästen angedeutet (in Anlehnung an die Sourcing-Konzepte von Arnold, 2002, S. 93 ff.) 1.2.4 Erscheinungsformen des Sourcings Direktes und indirektes Sourcing Beim direkten Sourcing sind im Sourcing-Prozess keine Mittler in Form von Agenturen oder einheimischen Unternehmen zwischengeschaltet, während dies beim indirekten Sourcing der Fall ist. Diese Spezialisten übernehmen für die Unternehmen eine ganze Palette von Aufgaben, die die Unternehmen selber nicht leisten wollen. Dazu zählen alle operativen Aufgaben, wie die Auswahl von Rohmaterialien, die Koordination von Zulieferern bis hin zu Verpackung und Versand des Endprodukts (Ferny & Perry, 2011, S. 281). Sofern das Unternehmen die Kontrolle über die Beschaffung von Rohmaterialien behalten möchte, wird es die Beschaffung direkt organisieren und direkt mit Zulieferern verhandeln. Die Vorteile sind u. a. Einsparungen durch das Umgehen der Agenten (deren Marge oft 4-10 Prozent des Einkaufsvolumens beträgt) (Merkel et al., 2008, S. 38) und eine bessere Kontrolle über die Auswahl des Rohmaterials, die Produktion und die Fertigungszeit (Ferny & Perry, 2011, S. 281). Die jeweiligen Vor- und Nachteile liegen auf der Hand: Ist eine dritte Stelle zwischengeschaltet, fallen weitere Kosten an, außerdem gibt das Unternehmen die absolute Kontrolle des Fertigungs- und Logistikprozesses ab. Der Vorteil ist, dass derartige Mittler aufgrund langjähriger Erfahrung häufig einen besseren Zugang zu Beschaffungsmärkten haben. Beim direkten Sourcing dagegen kann das Unternehmen direkten Einfluss auf die Wertschöpfungskette nehmen und weitere Wertschöpfungspotenziale generieren. Andererseits ist der Aufwand für das Management eines <?page no="51"?> 52 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit Wertschöpfungsprozesses im fernen Ausland viel höher, wodurch auch die damit verbundenen Kosten höher ausfallen (Ahlert et al., 2009, S. 761). Single und Multiple Sourcing Hinter Multiple Sourcing steht eine möglichst große Auswahl von Lieferanten, mit dem Hintergedanken, den Wettbewerb zwischen ihnen zu steigern. Dieser Wettbewerbsdruck hat nicht nur positive Auswirkungen auf deren Qualität, sondern auch auf den Preis, den diese dem Auftraggeber anbieten können. Der Ausfall eines Lieferanten lässt sich zudem gut kompensieren, wenn noch weitere Lieferanten zur Wahl stehen. Single Sourcing steht demzufolge für die Beauftragung nur eines Lieferanten, was den Nachteil einer hohen Abhängigkeit hat. Dennoch kann auch diese Zusammenarbeit Preis- und Qualitätsvorteile mit sich bringen, wenn das auftraggebende Unternehmen die Leistungsfähigkeit dieses einen Lieferanten gezielt fördert, etwa durch Trainings und Investitionen in dessen Fertigungstechnologie. Zudem sind die Koordinationskosten beim Single Sourcing niedriger als beim Multiple Sourcing (Knolmayer, 2007, S. 18). Outsourcing und Offshoring Die Begriffe Outsourcing und Offshoring werden zum Teil fälschlicherweise synonym verwendet, wenn unter beidem die Auslagerung von industriellen Produktionsprozessen an externe Dienstleister an ökonomisch günstigeren Standorten, zum Beispiel in Länder mit einem niedrigeren Lohnniveau, verstanden wird. „Outsourcing“ ist ein Kunstwort, das aus den Bestandteilen outside und resourcing geschaffen wurde. Es bedeutet demnach „Nutzen externer Ressourcen“. Beim Outsourcing werden Dienstleistungen, Produktion und Herstellung aus dem Unternehmen an ein Fremdunternehmen ausgelagert. So können sich Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und dabei Kosten für Betriebsprozesse sparen, die nicht zum Kerngeschäft gehören. Dabei findet sich in der Wissenschaft die Ansicht, dass im strengen Sinne kein Unternehmen von sich behaupten kann, outzusourcen, wenn es die jeweilige Leistung in der Vergangenheit nie selbst erbracht hat - dass also nicht outgesourct werden kann, was nicht vorher schon eine unternehmensinterne Leistung war (Hermes & Schwarz, 2005, S. 15, sowie Kummer et al., 2013, S. 152). Kummer et al. relativieren diese Aussage jedoch für den Fall der Erstentscheidung: Dies trifft auf (Handels-)Unternehmen zu, die sich von Beginn an darauf festgelegt haben, eigengefertigte oder fremdbezogene Ware zu veräußern, sich also schon zu Beginn der Unternehmenstätigkeit für oder gegen Outsourcing entschieden haben. Unternehmen, die aus Kostengründen ins Ausland outsourcen, stammen in der Regel aus wirtschaftlich hoch entwickelten Industrieländern und outsourcen in Entwicklungsländer, sofern dort die infrastrukturellen, politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie das Lohnniveau aus Sicht des Unternehmens günstig sind. Der Grad des Outsourcings hängt davon ab, wie viel Kontrolle über einzelne Produktionsprozesse das Unternehmen abgeben möchte. Die Abgrenzung von Outsourcing und Offshoring gestaltet sich schwierig, da dies nicht einmal in der Fachliteratur zweifelsfrei gelingt. So impliziert der häufig verwendete Begriff Offshore Outsourcing zwar eine länderübergreifende Spezialform des Outsourcings. Offshoring wird aber teilweise synonym mit Outsourcing verwendet. In einigen Veröffentlichungen wird Outsourcing, in anderen Offshoring, als eine rein IT-spezifische Strategie angesehen. Kutschker und Schmid verstehen unter Offshoring das länderübergreifende Outsourcing, in dessen Rahmen eine internationale Unternehmung einzelne Unternehmensfunktionen von einer ausländischen Unternehmung oder Unternehmenstochter ausführen lässt (Kutschker & Schmid, 2011, S. 1453). Diese Unternehmen können Zulieferbetriebe sein oder immaterielle Dienstleistungen erbringen. Michael Brandau und Heinz-Werner Ufer definieren Offshoring noch etwas enger, indem sie die Verlagerung in Niedriglohnländer betonen (Brandau & Ufer, 2008, S. 371). Jahns, Hartmann und Bals betonen aber, dass Offshoring <?page no="52"?> 1.2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen 53 keineswegs ein Synonym von Outsourcing ist, und definieren es damit so, wie es auch im englischsprachigen Raum üblich ist: Im Rahmen von Make-or-Buy-Entscheidungen repräsentiert Outsourcing die Buy-Alternative und Offshoring sowohl Buyals auch Make-Entscheidung (Jahns, Hartmann & Bals, 2007, S. 201). Offshoring kann also auch auf eine innerhalb des Unternehmens durchgeführte Dienstleistung, etwa durch eine Tochtergesellschaft, angewendet werden. Gemeinsam haben Outsourcing und Offshoring das Hauptmotiv: die Suche nach kostengünstigen Ressourcen für die betriebliche Leistungserstellung im Ausland. Global Sourcing und Low-Cost Country Sourcing Nach Zentes, Swoboda und Morschett (2004, S. 179) kann dann von Global Sourcing gesprochen werden, wenn die strategische Unternehmensaufgabe der Beschaffung innerhalb eines internationalen Handlungsrahmens stattfindet. Demnach ist dies eine Strategie, die durch die Ausdehnung auf weltweite Beschaffungsquellen gekennzeichnet ist. Weigel und Rücker bezeichnen den globalen Einkauf als Global Sourcing (Weigel & Rücker, 2013, S. 67). Nach Kerkhoff ist unter Global Sourcing „die Ausrichtung der Beschaffungsaktivitäten von Unternehmen an den weltweit vorhandenen Beschaffungsquellen“ zu verstehen (Kerkhoff, 2005, S. 35). Low-Cost Country Sourcing ist eine Form des Global Sourcings und bezeichnet die Beschaffung von Rohwaren oder fertigen Handelsgütern aus Ländern mit einem geringen Lohnniveau - gemeinhin Niedriglohnländer - mit dem Ziel, durch die Nutzung von Kostenvorteilen Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Je intensiver der Wettbewerb, je wichtiger der Faktor Kosten im Rahmen der Wettbewerbsstrategie des Unternehmens und je arbeitsintensiver das zu beschaffende Rohprodukt, desto wahrscheinlicher wird Low-Cost Country Sourcing notwendig. Legt man Porters Verständnis von Sourcing zugrunde, also die Entscheidung für einen bestimmten geografischen Standort einer Wertaktivität, liegt das Low-Cost Country Sourcing nahe. Die Beschaffung von Investitionsgütern, Waren und Dienstleistungen in Niedriglohnländern ist eine entscheidende Strategie in Zeiten abgebauter Handelsschranken und findet in sämtlichen Industrie- und Handelszweigen Anwendung, die von einer arbeits- und lohnintensiven Produktion abhängen. Bewertungskriterien bei der Entscheidung für Global Sourcing, speziell Low-Cost Country Sourcing, sind etwa zwischen Ländern bestehende Faktorkostenunterschiede oder die entstehenden Logistikkosten, Steuern und Zölle (Wildemann, 2006, S. 256). Die Konzepte des Global Sourcings und des Low-Cost Country Sourcings stehen nicht im Widerspruch zu einer Make-Entscheidung im Rahmen der Frage Eigenfertigung oder Fremdbezug. Denn auch innerhalb der unternehmenseigenen Fertigung kann es zum Global Sourcing bestimmter Fertigungskomponenten kommen. 1.2.5 Global Sourcing und Low-Cost Country Sourcing - eine genauere Analyse Motive für Global Sourcing Es ist eine Vielzahl von Faktoren, die Unternehmen dazu bewegt, Sourcing im weltweiten Ausland zu betreiben. Gründe für Sourcingmaßnahmen im Ausland sind etwa die Nähe zu den potenziellen Wachstumsmärkten in Entwicklungs- und Schwellenländern und damit einhergehend die Möglichkeit, neue Beschaffungsmärkte und/ oder neue Absatzmärkte zu erschließen. So kann durch vorbereitendes Absatzmarketing das Potenzial von Beschaffungsmärkten als zukünftige Absatzmärkte ausgelotet werden (Arnolds et al., 2013, S. 377). Zudem verfügen Unternehmen auf weltweiten Beschaffungsmärkten über eine sehr gute Verhandlungsposition, da die eingebundenen Zulieferer <?page no="53"?> 54 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit wissen, dass der Bedarf von Unternehmen unter Umständen auch durch andere Anbieter in anderen Ländern gedeckt werden könnte. Durch eine globale Streuung von Lieferanten kann darüber hinaus eine bessere Wertschöpfung entlang der Supply Chain erfolgen, da das Unternehmen aus einem größeren Pool von leistungsbereiten Lieferanten wählen kann. Wenn die internationalen Beschaffungsländer eine Tradition in der Fertigung bestimmter Güter haben, wie China in der Seidenproduktion, lohnt sich eine Fertigung im Ausland. Dann spricht die besonders herausragende Materialqualität auf bestimmten Beschaffungsmärkten für ein Global Sourcing. Ganze Beschaffungsregionen sind hinsichtlich Know-how und Qualität inzwischen Vorreiter in der Fertigung bestimmter Güter, wie Asien für die Elektronik- und Computerindustrie (Weigel & Rücker, 2013, S. 67). Viele Unternehmen versprechen sich zudem einen besseren Zugang zu innovativen Techniken und Technologien im Bereich der Fertigung und Entwicklung, wie ihn beispielsweise der asiatische Raum für die Elektrotechnik bieten kann. Auch der Zugang zu neuen Rohstoffmärkten und -quellen ist ein entscheidender Grund für die Auslandsbeschaffung. In einigen Fällen, wie im Fall der Seltenen Erden, kann der Bedarf an Rohstoffen ausschließlich durch internationale Beschaffung gedeckt werden. Außerdem schreitet der Ausbau der nötigen Infrastruktur mit wachsender Wirtschaftsstärke in Schwellenländern voran - die Rahmenbedingungen für Unternehmen werden also immer attraktiver. Viele Unternehmen lockt auch die Tatsache, dass gesetzliche Einschränkungen wie die Einhaltung von Gesundheits- und Umweltstandards in den Industrieländern durch das Sourcing im Ausland möglicherweise wegfallen. So bestehen in Entwicklungs- und Schwellenländern andere rechtliche Rahmenbedingungen im Bereich des Arbeitsrechts: Arbeitszeiten, Krankheitsfälle, Urlaubszeiten werden weniger restriktiv gehandhabt als in Industrieländern (Knolmayer, 2007, S. 9). Ebenso locken staatliche Subventionen Unternehmen in bestimmte Beschaffungsregionen. Lieferanten, die von derartigen Subventionen profitieren, können den beauftragenden Unternehmen Konditionen unter Marktniveau anbieten (Weigel & Rücker, 2013, S. 69). Insbesondere mittels Low-Cost Country Sourcing beziehen Unternehmen einen hohen Anteil der externen Wertschöpfung aus Ländern mit niedrigem (Lohn-)Kostenniveau, um damit eine hohe Kostenersparnis zu erzielen (Weigel & Rücker, 2013, S. 67). Wildemann führt als Hauptgrund für Beschaffungs- und Sourcingmaßnahmen in Low-Cost Countries die Realisierung von Einsparungen durch die Nutzung bestehender Faktorkostenunterschiede an (Wildemann, 2006, S. 254). Auch Ferny und Perry identifizieren den Kostenfaktor, insbesondere den der Lohnkosten, als einen der Haupttreiber für das Global Sourcing in der Textil- und Bekleidungsindustrie - die Lohnnebenkosten, aber auch die Kosten für Rohmaterialien sind in den Industrieländern deutlich höher als in Low-Cost Countries (Ferny & Perry, 2011, S. 281, und Weigel & Rücker, 2013, S. 67). Beschaffungsmarkt- und Lieferantenwahl beim Global Sourcing - Kriterien und Prämissen Für das Auslandsengagement ist eine Vielzahl von Standortfaktoren zu bewerten. Wenn Unternehmen sich für die Strategie des Global Sourcings entschieden haben, werden sie intensiv prüfen, ob sowohl Beschaffungsmarkt als auch potenzielle Lieferanten oder Dienstleister die nötigen Rahmenbedingungen erfüllen, um infrage zu kommen. Gerade weil, wie oben ausgeführt, eines der wichtigsten Motive des Global Sourcings die Kostenreduktion ist, muss ausgelotet werden, ob die Charakteristika des favorisierten Beschaffungsmarkts und die Arbeitsweise des Lieferanten wirklich zu Kosteneinsparungen führen. Unter Umständen fallen schlussendlich sogar höhere Kosten an, als wenn im nahen Ausland oder gar im Inland beschafft worden wäre. <?page no="54"?> 1.2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen 55 Beschaffungsmärkte Zunächst müssen Unternehmen prüfen, ob die avisierten Beschaffungsländer oder -regionen die rechtlichen Rahmenbedingen erfüllen, die notwendige Infrastruktur und die nötige technologische Reife bieten, geringe Eintrittsbarrieren aufweisen und einen niedrigen Korruptionsgrad haben. Ein entsprechendes Bildungsniveau und die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften, qualifiziert vor allem auf der Ebene des Führungspersonals und des Fabrikmanagements, sind ebenfalls wichtig. Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen zählen mögliche staatliche Subventionen, Local-Content- Vorschriften, Zölle, Steuern sowie weitere Ex- und Importbestimmungen. Neben den genannten allgemeinen Größen müssen Unternehmen abwägen, ob die Versorgungssicherheit für Rohstoffe, Energie oder Fertigungsmaterialien gewährleistet ist. Dies hängt ab von Faktoren wie politischen Gegebenheiten, wirtschaftlichen Rahmenbedingungen oder ökologischen Restriktionen. Ein wichtiger Faktor, hauptsächlich bei der Auswahl von Low-Cost Countries, sind die Kosten. Dazu zählen die Fertigungskosten im Land. Hinzu kommen Kosten für den Transport von Rohstoffen zu den Beschaffungsmärkten und fertigen Waren zu den Absatzmärkten. Gerade im Hinblick auf die Transportkosten ist es von Vorteil, wenn die Rohstoffmärkte in der Nähe von Produktionsstätten liegen, um hierbei zu sparen und um die Lieferzeiten so gering wie möglich zu halten. Zu bedenken ist, dass Global Sourcing eine stete Präsenz vor Ort erfordert, die durch externe Agenten oder interne Unternehmensbüros gewährleistet werden muss. Die Transaktionskosten für die aufwendige Verwaltung der Auslandsaktivität fallen dabei nicht unerheblich ins Gewicht. Sie können einen Großteil der Kostenvorteile, die durch die Wahl des Low-Cost Country erzielt wurden, eliminieren. Auch die Lieferzeit von fertiger Ware zu den Absatzmärkten muss verhältnismäßig gering sein. Zudem müssen die Transportmöglichkeiten in einem idealen Verhältnis zu Aufwand und Kosten stehen. Zu beachten ist auch, dass, je weiter der Produktionsort vom Absatzmarkt entfernt ist, es umso schwieriger wird, noch Spezifikationen am Sortiment vorzunehmen. Gewagt werden sollte der Blick in die zukünftige Entwicklung von Beschaffungsländern: Sind die ausgewählten Beschaffungsländer in einigen Jahren immer noch attraktiv genug oder ist dann mit deutlich veränderten Rahmenbedingungen zu rechnen? Der demografische Wandel wird beispielsweise China immer unattraktiver machen, da die Ein-Kind-Politik zu einer immer älter werdenden Gesellschaft führt und dadurch auf lange Sicht nicht mehr genug Arbeitskräfte zur Verfügung stehen werden. Ohnehin ist China nicht mehr das attraktivste Land für die Fremdproduktion. Zum einen sind die Löhne im Vergleich zu anderen asiatischen Ländern gestiegen, zum anderen findet seit einiger Zeit ein immer härter werdender Kampf um Fertigungskapazitäten statt, was die Preise der Produzenten in die Höhe treibt. Des Weiteren steigen die Produktionskosten in den Ländern in die Höhe, die sich mit zunehmender Auftragslage und daraus wachsendem Druck der Auftraggeber gezwungen sehen, soziale und Umweltstandards einzuhalten - was auf China inzwischen zutrifft. Auf rein operativer Ebene müssen ebenfalls mögliche Hürden benannt werden: Lassen sich auf dem favorisierten Beschaffungsmarkt überhaupt die benötigten Stückzahlen beziehen? China beispielsweise ist dafür bekannt, nur großvolumige Aufträge umsetzen zu können. Ferner muss die Produktivität in Betracht gezogen werden, denn sie unterscheidet sich zwischen einzelnen Ländern deutlich. So ist die Produktivität in China deutlich höher als in Bangladesch, da die chinesischen Fabriken besser ausgebildete Mitarbeiter und leistungsfähigere Maschinen haben. Um eine Entscheidung über Ort und Art der Beschaffungsquellen treffen zu können, muss also eine Fülle von Faktoren - parallel - analysiert werden. Hat sich ein Unternehmen schließlich für eine Beschaffungsregion entschieden, bedürfen die potenziell infrage kommenden Zulieferer einer genaueren Betrachtung. <?page no="55"?> 56 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit Lieferanten Entscheidet sich das Unternehmen, eigens entwickelte Produkte im Ausland fertigen zu lassen oder fremdentworfene Produkte zu beziehen, also einen Zulieferbetrieb zu engagieren, müssen diese Zulieferer einige für eine effektive und effiziente Zusammenarbeit notwendige Rahmenbedingungen erfüllen. Diese müssen nicht nur bei der Vertragsanbahnung geprüft, sondern fortwährend kontrolliert werden. Diverse Kriterien werden - neben Solvenz und Liquidität des Betriebs - dabei abgefragt. Ein entscheidender Punkt ist die Zuverlässigkeit des Zulieferbetriebs, insbesondere im Hinblick auf Lieferzeiten, Liefermengen, Lieferpreise, Lieferqualität und die Umsetzung aller anderen vertragsrelevanten Themen. Von Gewicht ist dabei auch, wie flexibel der Betrieb bei (kurzfristigen) Produkt- und Mengenänderungen reagieren kann. Von Vorteil ist es, wenn der Betrieb bereits über Kontakte zu Rohstofflieferanten verfügt. Des Weiteren ist, sofern möglich, das Geschäftsgebaren zu durchleuchten, denn dieses kann sich in anderen Kulturkreisen von dem in Industrieländern stark unterscheiden, zum Beispiel wenn es um die Rechtsauslegung in Streitfällen oder etwaiges Unrechtsbewusstsein bei (Kommunikations-)Mängeln geht. Zulieferbetriebe und Auftragsproduzenten sollten über ausreichend reife Rahmenbedingungen für die Geschäftstätigkeit, also eine geeignete Personalaufstellung wie ausgebildete Führungskräfte und ein starkes, stabiles Management verfügen. Die Angestellten müssen neben den Fertigkeiten des Lesens und Schreibens ebenso die Finanzmathematik beherrschen. Auch die Mitarbeiter in der Produktion müssen die notwendige Fachbildung vorweisen. Zu hinterfragen ist, ob der Auftragsproduzent über Kontakte zu Rohstofflieferanten verfügt, ob er Erfahrungen in der Fertigung der in Auftrag gegebenen Produkte vorweisen kann und ob er über die dafür notwendige technische Ausstattung verfügt. Es liegt auf der Hand, dass für eine gute Zusammenarbeit die Qualität der produzierten Waren ausschlaggebend ist. Das heißt, die Fertigungsqualität des Produktionsbetriebs muss den Ansprüchen des Auftraggebers genügen. Die Qualität der Ware spielt eine wesentliche Rolle, wenn über die Verlagerung in Niedriglohnländer nachgedacht wird: Ist sie zu niedrig, können Lohnkostenvorteile durch nötige Ausbesserungen und Retouren überkompensiert werden. Da viele Unternehmen in Industrieländern an freiwillige und gesetzlich vorgegebene Umweltstandards, Compliance- und Verhaltenskodizes sowie an spezielle Corporate-Social-Responsibility (CSR)-Maßgaben gebunden sind, zum Beispiel in Bezug auf Umweltverträglichkeit und Arbeitsbedingungen, müssen etwaige Lieferanten in der Lage sein, diese Vorgaben im Sinne des Unternehmens umzusetzen. Außerdem ist zu klären, wie gut der Lieferant zu erreichen ist und wie effektiv sich der Transport der fertigen Waren vom Lieferanten zum Auftraggeber organisieren lässt. Weitere Prämissen Für die erfolgreiche Umsetzung einer Global-Sourcing-Strategie müssen auch seitens der beauftragenden Unternehmen einige Grundvoraussetzungen erfüllt werden, darunter die folgenden: Das Unternehmen sollte eine gewisse Mindestgröße vorweisen, um nötige Marktforschungs- und Implementierungsaktivitäten vor Ort finanziell bewältigen sowie die nötige datentechnische Infrastruktur über Ländergrenzen hinweg auf- oder ausbauen zu können. Zudem sind die Kosten durch Reisen und die nötige Reisezeit ungleich höher, als wenn ein lokales oder regionales Unternehmen beauftragt würde. Das Unternehmen sollte Erfahrungen in der internationalen Beschaffungsorganisation haben und über Mitarbeiter verfügen, die internationaler Verkehrssprachen mächtig sind (Wildemann, 2006, S. 266, und Arnolds et al., 2013, S. 377 und 379). <?page no="56"?> 1.2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen 57 Für das Global Sourcing kommen fast nur Beschaffungsobjekte mit einem hohen Beschaffungsvolumen infrage, da sonst Einsparungen durch (hohe) Transport- und Logistikkosten überkompensiert werden. Das Unternehmen muss mit deutlich längeren Lieferzeiten rechnen als bei regionaler Beschaffung oder Produktion. Es ist sinnvoll, mit einer Vielzahl von Lieferanten langfristige Verträge zu vereinbaren, um sich so Rabatte zu sichern, die sonst nur bei der Strategie „wenige Lieferanten - hohe Mengenrabatte“ zu erzielen wären. Risiken Zu den Risiken zählen Ereignisse, die potenziell eintreten können, aber nicht müssen. Die Risiken des Global Sourcings und speziell des Low-Cost Country Sourcings werden in der Literatur unterschiedlich klassifiziert. Zölle, Versicherungen etc. fallen nicht darunter - sofern sie vorhersehbar sind und Unternehmen bereits im Vorfeld der Auslandsaktivität mit ihnen rechnen müssen. Sie werden deshalb an dieser Stelle nicht berücksichtigt. Arnolds et al. unterscheiden zwischen allgemeinen Risiken, politischen Risiken, wirtschaftlichen Risiken und lieferantenspezifischen Leistungsrisiken (Arnolds et al., 2013, S. 373 f.). Stölzle und Kirst unterscheiden beschaffungsmarktspezifische Risiken (politische, rechtliche, finanzielle und soziokulturelle Risiken), lieferantenspezifische Risiken (noch untergliedert in Leistungsrisiken, wie Qualitätsmängel, Lieferfehler, Lieferantenausfall) und Verhaltensrisiken (darunter fallen die mit der Prinzipal-Agent-Theorie thematisierten Probleme) (Stölzle & Kirst, 2007, S. 63). Köhler differenziert - hier mit Blick auf die Supply Chain - in Supply Chainexogene und Supply Chain-endogene Risiken. Zu den exogenen Risiken zählt er politische, rechtliche, wirtschaftliche und soziokulturelle Risiken. Zu den endogenen Risiken gehören laut Köhler Lieferrisiken, Informationsrisiken, Finanzrisiken und Rechtsrisiken (Köhler, 2011, S. 68 ff.). Daneben existiert eine Vielzahl anderer Risikosystematisierungen. Allen gemein ist, dass sie die gleichen Risiken anführen, wenn es um das Abwägen von Global-Sourcing- und Low-Cost-Country-Sourcing- Maßnahmen geht. Länderrisiken Rechtliche Risiken Mit diesen Risiken ist vor allem in Ländern mit wenig Rechtssicherheit und geringen Standards des Rechtssystems zu rechnen. Dazu zählen Qualitäts-, Haftungs- und Schutzrisiken (Produktpiraterie, Plagiate), die Umsatzeinbußen und den Verlust von Marktanteilen nach sich ziehen. Politische Risiken Besonders hoch sind die politischen Risiken in Schwellen- und Entwicklungsländern, also in den Ländern, die für das Low-Cost Country Sourcing grundlegend sind. Dies sind in der Regel Länder mit einer großen politischen Instabilität. Sie weisen eine potenziell größere Anfälligkeit für Streiks, militärische Konflikte, Terrorismus, Wirtschaftskriminalität und Korruption und ein schlechteres Bildungssystem auf. Daneben können häufige Regierungswechsel durch instabile Machtverhältnisse gravierende Änderungen der Rechts- und Wirtschaftslage zur Folge haben. Weitere politische Risiken sind Risiken, die aus unvorhergesehenen fiskalpolitischen Maßnahmen von Regierungen resultieren, wie Handelshemmnisse in Form von Exportsteuern oder protektionistische Gesetze wie Exportquoten, Exportverbote, Local-Content-Vorschriften und komplizierte Sicherheits- und Umweltvorschriften. Neumair führt hier noch die Transferrisiken an, die bestehen, weil die Rückführung <?page no="57"?> 58 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit von Erlösen bzw. investiertem Kapital in das Herkunftsland des Investors erschwert oder verhindert wird (Neumair, 2006, S. 59). Wirtschaftliche Risiken Zu den wirtschaftlichen Risiken zählen Währungsrisiken, vor allem die Risiken von Wechselkurs- und Konjunkturschwankungen. Technologische Risiken Hier können eine instabile und unzureichende Informations- und Kommunikationstechnologie sowie der Mangel an Know-how und Infrastruktur für den Transport, die Produktion und die Energieversorgung genannt werden. Soziokulturelle Risiken Dazu zählen Kommunikationsschwierigkeiten verbaler und nonverbaler Natur, was insbesondere bei der Beschaffung in asiatischen Ländern von Relevanz ist. Weitere Hürden können ein unterschiedliches Qualitätsbewusstsein, unterschiedliche Unternehmenskulturen und möglicherweise fremde Geschäftsgebaren sein. Ebenfalls zu den Länderrisiken, jedoch nicht zu einer der genannten Kategorie, kann das Risiko für die Anfälligkeit von Naturkatastrophen gezählt werden. Dabei kann es für Unternehmen entscheidend sein, ob sie ihre Produktion zum Beispiel in erdbebengefährdete Gebiete verlagern oder dort Produzenten beauftragen. Ein Risiko, das kaum ein Unternehmen davon abhalten wird, in Niedriglohnländern zu produzieren oder produzieren zu lassen, ist im Absatzmarkt zu verorten: Speziell in der Textil- und Bekleidungsindustrie, aber auch in anderen Industrien wie der Elektronikindustrie ist die Akzeptanz von Produktionsverlagerung in Schwellen- oder Niedriglohnländer sehr gering. Diese Problematik kann im schlimmsten Fall wirtschaftliche Auswirkungen für Unternehmen bedeuten. Gerade für Unternehmen, die die Ablehnung bestimmter Arbeitsbedingungen und die Einhaltung von Umweltstandards stark mit ihrem Image verknüpfen, kann ein wirtschaftlicher Schaden entstehen, weil die Einhaltung bestimmter Compliance- und CSR-Regelungen nicht immer lückenlos überprüft werden kann. Leistungs- und Lieferantenrisiken Viele Unternehmen fürchten die Verletzbarkeit unternehmensinterner und wettbewerbsrelevanter Information, etwa von Betriebsgeheimnissen. Die Diskretion im Hinblick auf strategische und operative Entscheidungen des Unternehmens ist eine wichtige Kompetenz, über die ein Lieferant verfügen sollte. Darunter fällt die Scheu, Kompetenzen und Know-how zu verlieren - das Problem der Produktpiraterie ist besonders in China gravierend, da das Land mit der Ahndung dieses Problems sehr lax umgeht. Das Risiko, in Abhängigkeit von Auftragnehmern, Zulieferern und Dienstleistern zu geraten, ist hoch. So kann die Abhängigkeit vom Dienstleister bei Vertragsverlängerung zu höheren Entgeltforderungen durch den Dienstleister führen (Knolmayer, 2007, S. 6). Eine Vielzahl der Leistungsrisiken kann auf Missverständnissen in der Kommunikation beruhen, eine Problematik, die gerade bei der Zusammenarbeit mit Partnern in anderen Ländern in Betracht gezogen werden muss. So kann es passieren, dass sich Lieferanten nicht an Preisabsprachen halten (Preisrisiko), falsche Liefermengen versenden, Lieferungen nicht in der vereinbarten Qualität erfolgen, zu spät kommen oder an einen anderen Ort als vereinbart gelangen (Köhler, 2011, S. 222 f.). Die hier genannten Risiken können zu nicht unerheblichen Transaktions- und Steuerungskosten führen, die die Kostenvorteile des Global Sourcings wieder eliminieren. Auch mit Finanzrisiken ist zu rechnen, nämlich dann, wenn die Beschaffungskosten deutlich höher ausfallen als geplant und Lohnkostenvorteile, <?page no="58"?> 1.2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen 59 die Logistikkosten, Kosten der Auftragsabwicklung, Kosten des Problem-Handlings, Aufwendungen für Steuern und Zölle nicht aufwiegen. Zu den Lieferantenrisiken zählt etwa die Unsicherheit über die Geschäftssituation potenzieller Geschäftspartner, da es sich schwierig gestalten kann, über diese Lieferanten belastbare Informationen zu erhalten. Strategien zur Risikominimierung Risiken, also Gefahren, deren Eintrittswahrscheinlichkeit nicht vorhersehbar ist, können mithilfe verschiedener Strategien verringert werden. Eine gründliche Lieferantenauswahl anhand der oben genannten Kriterien kann dabei unterstützen, lieferantenbezogene Risiken so gering wie möglich zu halten. Das Stichwort ist Risikostreuung: Beispielsweise können Transaktionskosten umso niedriger gehalten werden, je mehr unterschiedliche Produkte ein Unternehmen in derselben Region beschafft. Auch die regionale Streuung von Herstellern minimiert Ausfallrisiken. Diese Vorgehensweise kann zu einer stärkeren Leistungsbereitschaft beim herstellenden Betrieb führen, da es den Wettbewerb unter den Fabriken erhöht. Das Verteilen von Zulieferern auf verschiedene Länder kann zudem im Fall von Konjunkturschwankungen und einem sich ändernden Lohnniveau notwendig werden. Wenn Unternehmen in so einem Fall rasch auf andere Beschaffungsmärkte ausweichen können, beugen sie finanziellen Verlusten vor. Eine langfristige Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Lieferant schafft Routine und Vertrauen auf beiden Seiten. Sie minimiert Kommunikationsprobleme sowie die auf der Prinzipal- Agent-Theorie basierenden Probleme, die vor und nach Vertragsabschluss entstehen können, wenn beide Seiten unterschiedliche Interessen verfolgen. Viele Unternehmen setzen auf eine starke Lieferantenintegration, -kooperation und -förderung. Diese Maßnahmen helfen, die Transparenz zwischen den einzelnen Vertragspartnern zu vergrößern - etwaige Schwachstellen können so schneller erkannt und Schäden vermieden werden. Indem Unternehmen kompetente Lieferanten aufbauen, kann das Lieferantenmängelrisiko schon im Vorfeld abgebaut werden. Dies kann mittels Schulungen und ständiger Qualitätsprüfungen geschehen. Gerade hinsichtlich der Zuverlässigkeit von Lieferanten und einem für westeuropäische Verhältnisse ungewöhnlichem Geschäftsgebaren sind vor einer Zusammenarbeit stets Vereinbarungen zu Leistungsstörungen zu treffen. Dies setzt eine gründliche Auseinandersetzung voraus mit den jeweiligen Rechtsordnungen, dem Landes- und Schuldnerrisiko sowie eine Prüfung, inwieweit mögliche Ansprüche im Ausland durchgesetzt werden können (Kerkhoff, 2005, S. 185 ff.). Wechselkursrisiken können für Unternehmen reduziert oder gar eliminiert werden, indem sie mittels speziell formulierter Kaufverträge auf den Lieferanten oder per Financial Hedging (dies sind spezielle Waren- und Devisentermingeschäfte; Köhler, 2011, S. 80) auf Dritte übertragen werden. Politische Risiken können in Ländern mit einem hohen staatlichen Einfluss, wie dies in Low-Cost Countries häufig der Fall ist, auch durch ein Public-Affairs-Management minimiert werden, also Öffentlichkeitsarbeit, Selbstverpflichtungen oder Lobbying. Auch im Fall der politischen Risiken bleibt die Streuung von Zulieferern auf verschiedene Länder mit jeweils unterschiedlich großen Risikopotenzialen eine empfehlenswerte Taktik. Üblicherweise wählen Unternehmen für unterschiedliche Zwecke unterschiedliche Ländermärkte, in denen Lieferanten sitzen. So wird je nach Fertigungskompetenz, nach Kostenstruktur und abhängig vom zu produzierenden Objekt eine strenge Auswahl der Beschaffungsregion des Landes und des Lieferanten stattfinden. Lieferanten in Ländern mit einem hohen Average Cost Index werden für die Sortimentsplanung herangezogen. Zu diesen Ländern zählen westeuropäische Staaten, die ein hohes Lohnniveau, aber auch eine hohe Fertigungskompetenz vorweisen. Je niedriger die benötigte <?page no="59"?> 60 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit Fertigungskompetenz und je niedriger der Average Cost Index des Fertigungslandes, desto höher die Produktionsmenge. So wird die kostenorientierte Massenproduktion in Schwellen- und Entwicklungsländern mit einem geringen Lohnniveau durchgeführt. Wenn die Produktion nach der Pull- Logik erfolgt, wird das erste Auftragsvolumen in Asien, die Nachorder aber in einem nahen Beschaffungsmarkt produziert, um bei großer Nachfrage schnell in die Läden zu gelangen. Die rechtlichen, gesellschaftlichen und nicht zuletzt ökonomischen Rahmenbedingungen in den einzelnen infrage kommenden Beschaffungsländern zu überprüfen, bleibt eine wichtige Maßnahme bei der Entscheidung für oder gegen ein konkretes Beschaffungsland. Gerade in Schwellen- und Dritte- Welt-Ländern ist die politische und wirtschaftliche Lage häufig so instabil, dass eine regelmäßige Überprüfung des Status quo angezeigt bleibt. Die ost- und südeuropäischen Länder gelten gemeinhin als zuverlässig. Dass man sich darauf jedoch nicht immer verlassen kann, zeigt die aktuelle Schuldenkrise einiger südeuropäischer Länder. Auch die Wirtschaftsdaten der Beschaffungsländer, also Informationen über Wirtschaftskraft, Managementqualität, das Potenzial für Wirtschaftswachstum, die Arbeitsmarktsituation, Entwicklung der Staatsverschuldung und des Zinsniveaus, technologisches Potenzial, die Ausprägung von Korruption sind die Basis für eine stichhaltige Vorauswahl. Auskünfte darüber geben die Außenhandelskammern, die Welthandelsorganisation, Länderbonitätsrankings durchgeführt von Ratingagenturen wie M OODY ’ S und S TANDARD & P OOR ’ S , der jährlich vom W ORLD E CONOMIC F ORUM aktualisierte Business Competitiveness Index, die Veröffentlichungen von T RANSPARENCY I NTERNATIONAL sowie zahlreiche weitere Publikationen von Nichtregierungsorganisationen (Kerkhoff, 2005, S. 70 f.). Allein Informationen über die tatsächlichen Lohn- und Lohnnebenkosten sind nicht einfach zu erlangen. Unternehmen sind dabei überwiegend auf eigene Recherchen angewiesen, wobei die Industrie- und Handelskammern sowie die Wirtschaftsministerien der einzelnen Länder - entsprechende Sprachkenntnisse vorausgesetzt - als Recherchegrundlage dienen können. Über die Risiken in den einzelnen Ländern informieren auch Länderberichte von Kreditinstituten und „Institutional Investor’s Country Credit Ratings“, die auf Befragungen internationaler Banken zur Kreditwürdigkeit einzelner Länder beruhen. Abgesehen davon müssen Unternehmen vor Ort Erkundungen durchführen - was wiederum mit Transaktionskosten verbunden ist. Corporate Social Responsibility als Wettbewerbsvorteil bei Low-Cost Country Sourcing Die Kritik am Modell des Low-Cost Country Sourcings ist enorm, da die Arbeit in den Fabriken der Low-Cost Countries nicht den Anforderungen entspricht, die in Deutschland an Arbeitsplatzsicherheit und Arbeitsbedingung gestellt werden. Kein Unternehmen, das sich in sogenannten Niedriglohnländern engagiert, sei es, weil es dort produziert oder produzieren lässt, kommt umhin, sich mit der Problematik der Social Responsibility zu befassen, denn der Wert einer Marke bemisst sich auch nach dem Image des dahinter stehenden Unternehmens. Die Verbraucher sind kritisch und - dank der Globalisierung - bestens informiert über Vorkommnisse fernab ihrer Lebensrealität. Es steht völlig außer Frage, dass Arbeit und das gesamte Arbeitsumfeld einem sozialen und ökologischen Standard entsprechen müssen, der sowohl den Menschen als auch der Umwelt respektvoll begegnet. Kinder- und Zwangsarbeit, sexuelle Belästigung, Missbrauch, das Verbot von Arbeitnehmervertretungen, Diskriminierungen, mangelnde Arbeitssicherheit und Umweltschutz sind die Realität in Entwicklungs- und Schwellenländern. Löhne, die nicht ausreichen, eine Familie zu ernähren, Arbeitsstandards, die die Sicherheit und Gesundheit der Fabrikarbeiter gefährden, und ein Gebaren, das der Umwelt massiv schadet, werden vom Konsumenten nicht goutiert. Ganz im Gegenteil steht angesichts eines ausreichenden Angebots von Bekleidungsunternehmen stets das ökonomisch wirksame Druckmittel des Boykotts im Raum. Neben den Konsumenten sind es auch die Industriestaaten selber, die durch gesetzliche Maßgaben Grenzen setzten. So ist der Einsatz von in der EU unerlaubten Chemikalien bei der Fertigung nicht möglich, wenn die Waren in die EU eingeführt werden sollen. <?page no="60"?> 1.2 Fertigung, Beschaffung und Sourcing multinationaler Unternehmen 61 „Nachhaltigkeit“, „Compliance“, „Corporate Social Responsibility“, „Corporate Citizenship“ oder „Sustainability“ sind nicht nur bloße Schlagworte, sie sind mittlerweile Teil der Unternehmensstrategie, denn der Verbraucher macht seine Kaufentscheidung vom Unternehmensimage abhängig. Compliance als übergeordneter Begriff steht dabei für die Einhaltung von Gesetzen, Standards und Regularien und für die Erfüllung darüber hinaus gehender, vom Unternehmen selbst gesetzter ethischer Standards und Ansprüche. Nicht nur für das Unternehmensimage scheint das Thema Compliance von Brisanz zu sein. Es ist unbestritten, dass bessere Arbeitsbedingungen eine höhere Produktivität bewirken: Ein gesunder, zufriedener Mitarbeiter ist körperlich leistungsfähiger und motivierter. Wie schnell ein Unternehmen in die Schlagzeilen geraten kann angesichts von Nachrichten über einstürzende Fabrikbauten und Meldungen über nach westlichen Gesichtspunkten unzumutbaren Arbeits- und Umweltstandards, haben nicht nur Bekleidungsunternehmen immer wieder erfahren können. Wenn es nach Negativschlagzeilen zu großangelegten Boykottaufrufen durch NGOs kommt, kann dem Absatz und somit dem Unternehmen schwerer Schaden entstehen. Ein dadurch entstandener Imageschaden kann selten durch Aussitzen, sondern häufig erst mittels neuer Investitionen in Marketing und Öffentlichkeitsarbeit wieder repariert werden. Zusammenfassung (Internationales) Sourcing steht für den Prozess, die für die eigentliche Unternehmensleistung benötigten Vorleistungen zielgerichtet und unter unternehmensstrategischen Gesichtspunkten zu beschaffen. Das strategische Sourcing kann als kleinstes Element der Beschaffungs- und Supply-Strategie angesehen werden. Mitunter wird auch der Einkauf als Sourcing bezeichnet. Eine exakte Trennung der Begriffe Beschaffung, Einkauf und Sourcing gelingt in der Fachliteratur nicht. Deshalb werden die Begrifflichkeiten sinnähnlich verwendet: Beschaffung und Einkauf sind auch Sourcing, denn Sourcing wird als Teilbereich des Beschaffungsmanagements verstanden. Die wichtigste Aufgabe des Sourcings im klassischen Sinne ist die ‚Suche, Bewertung und Selektion von Beschaffungsquellen‘. Das Sourcing verfolgt drei entscheidende Ziele:  kundengerichtete Ziele: Dazu zählt alles, was die Versorgung der Kunden sicherstellt, denn deren Anspruchsniveau ist im Vergleich zu vor 50 Jahren enorm gestiegen.  lieferantengerichtete Ziele: Sie zielen auf Verbesserung der Konditionen durch stabile Lieferantenbeziehungen über Mengeneffekte und eine Vertrauensbasis zwischen Unternehmen und Lieferanten ab.  wettbewerbsgerichtete Ziele: Sie haben den Wettbewerber im Blick und laufen auf deren Ausgrenzung mittels Ausschließlichkeitsverträgen hinaus. Es gibt in Theorie und Praxis eine Vielzahl von Sourcing-Konzepten, bei denen unter anderem nach Trägern der Wertschöpfung (Eigenfertigung oder Fremdbezug), Art der Bereitstellung (Zeitkonzepte: stock sourcing, demand-tailored sourcing, just-in-time), Anzahl der Bezugsquellen (Lieferantenkonzepte wie single oder multiple sourcing), Größe des Marktraums (Arealkonzepte: local sourcing, domestic sourcing, global sourcing) oder nach Sourcing-Objekt (unit sourcing, modular sourcing, system sourcing) unterschieden wird. Die einzelnen Sourcing-Konzepte finden häufig kombiniert Anwendung, beispielsweise wenn diverse Sourcing-Objekte global über eine Vielzahl von Lieferanten beschafft werden. Für die erfolgreiche Umsetzung einer Global-Sourcing-Strategie müssen auch seitens der beauftragenden Unternehmen einige Grundvoraussetzungen erfüllt werden, darunter die folgenden: <?page no="61"?> 62 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit Das Unternehmen sollte eine gewisse Mindestgröße vorweisen, um nötige Marktforschungs- und Implementierungsaktivitäten vor Ort finanziell bewältigen sowie die nötige datentechnische Infrastruktur über Ländergrenzen hinweg auf- oder ausbauen zu können. Zudem sind die Kosten durch Reisen und die nötige Reisezeit ungleich höher, als wenn ein lokales oder regionales Unternehmen beauftragt würde.  Das Unternehmen sollte Erfahrungen in der internationalen Beschaffungsorganisation haben und über Mitarbeiter verfügen, die internationaler Verkehrssprachen mächtig sind.  Für das Global Sourcing kommen fast nur Beschaffungsobjekte mit einem hohen Beschaffungsvolumen infrage, da sonst Einsparungen durch (hohe) Transport- und Logistikkosten überkompensiert werden.  Das Unternehmen muss mit deutlich längeren Lieferzeiten rechnen als bei regionaler Beschaffung oder Produktion.  Es ist sinnvoll, mit einer Vielzahl von Lieferanten langfristige Verträge zu vereinbaren, um sich so Rabatte zu sichern, die sonst nur bei der Strategie „wenige Lieferanten - hohe Mengenrabatte“ zu erzielen wären. Man könnte annehmen, dass für Unternehmen, die die Produktion aus der unternehmensinternen Wertschöpfungskette ausgelagert haben, ausschließlich die Beschaffungskosten, nicht direkt die Produktionskosten von Relevanz sind. Dies trifft so nicht zu. Denn auch Händler, die nicht selber produzieren, profitieren vom niedrigen Lohnniveau des Beschaffungslandes, da sich das Lohnniveau auf den Preis der produzierten Ware direkt auswirkt. „Nachhaltigkeit“, „Compliance“, „Corporate Social Responsibility“, „Corporate Citizenship“ oder „Sustainability“ sind nicht nur bloße Schlagworte, sie sind mittlerweile Teil der Unternehmensstrategie, denn der Verbraucher macht seine Kaufentscheidung vom Unternehmensimage abhängig. Übung 1.8 Welche Auswahlkriterien gelten beim Global Sourcing? Übung 1.9 Welche Prämissen gelten bei der Implementierung einer Globalstrategie? Übung 1.10 Welche Risiken müssen bei der internationalen Beschaffung von Rohstoffen und Produkten berücksichtigt werden? 1.3 Zur Wertschöpfungskette in der Bekleidungsindustrie Nach Durcharbeiten dieses Abschnitts haben Sie  die Wertschöpfungskette in der Bekleidungsindustrie verstanden und  ein Verständnis für die Eigenarten der Bekleidungsindustrie erlangt. Wertkettenansatz einer Bekleidungsunternehmung nach Porter <?page no="62"?> 1.3 Zur Wertschöpfungskette in der Bekleidungsindustrie 63 Abb. 1 . 3 stellt die Wertkette einer klassischen Bekleidungsunternehmung dar. Die hauptsächlich wertschöpfenden Aktivitäten einer Bekleidungsunternehmung, die für die Entwicklung, die Herstellung und den Absatz eines Bekleidungsstücks durchlaufen werden müssen, sind Design und Produktentwicklung, Vertrieb, Einkauf, Produktion und Versand (Ahlert et al., 2009, S. 58 f.) Für jede dieser Primäraktivitäten lassen sich ein Leistungsinput und ein Leistungsoutput definieren. Abb. 1.3: Wertkette einer Bekleidungsunternehmung (Abbildung aus Breitkopf, 1999, S. 171) Unterstützende Aktivitäten sind Logistik, dazu zählen die Informations- und Transportlogistik, das Marketing und das Controlling, das Personalsowie das Finanzierungsmanagement (Ahlert et al., 2009, S. 58 f.). Auf die einzelnen Bereiche soll nun genauer eingegangen werden. Die folgende Darstellung eines Standardprozesses bezieht sich auf den traditionellen Bekleidungshandel - H&M und andere vertikale Anbieter haben abweichende Abläufe. 1.3.1 Design und Produktentwicklung (Sortimentsprogramm) Design und Produktentwicklung ist eine für den Unternehmenserfolg entscheidende Phase. Sie beginnt mit der Ideenfindung, inspiriert durch Modemessen und durch die Arbeit von Trendscouts - der Leistungsinput. Am Ende dieser Phase steht die Umsetzung der Ideen in Form von Verkaufsmustern oder Prototypen, zusammengestellt zu Musterkollektionen - der Leistungsoutput. Gerade Modeunternehmen wie H&M bedienen sich bei der Ideenfindung bei den hochmodischen Designerkollektionen der Pariser, Londoner und Mailänder Laufstege (Ahlert et al., 2009, S. 58). Trendscouts sind damit beschäftigt, rechtzeitig Veränderungen im Konsumverhalten des Verbrauchers zu erkennen und gleichzeitig das Angebot der Konkurrenz zu beobachten. In dieser Phase ist auch das Produktangebot genauestens festzulegen. Dabei wird entschieden, welche Artikel mit welchen Stoffen, Schnitten und Farben produziert und mit welchen Accessoires (Knöpfen, Verschlüssen) versehen werden. Der Designprozess findet in der Regel am Computer mittels CAD (Computer-aided Design) statt. Dies ermöglicht es den Designern, Entwürfe nach Bedarf hinsichtlich Muster, Schnitt, Farben, Stoffen und Form zu modifizieren oder auf ältere Kollektionen und Datenbanken zurückzugreifen (Abecassis-Moedas, 2006, S. 412 ff.). Es ist stets zu klären, ob das Unternehmen auf externe Designkompetenz zurückgreift oder Inhouse-Designer anstellt. Da sich die Personalkosten und andere Aufwen- <?page no="63"?> 64 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit dungen für das interne Design mit Ausgaben für externe Dienstleister die Waage halten (Ahlert et al., 2009, S. 58 f.), sind Kosten nicht der entscheidende Faktor bei der Frage, ob das Unternehmen eigene Design-Ressourcen aufbaut. Entscheidend ist vielmehr, ob das Unternehmen ein eigenes scharfes Profil halten will, was das Erscheinungsbild seiner Kollektionen angeht. Dies ist insbesondere für exklusive Herstellermarken wichtig, die sich durch ihren eigenen Stil von den Wettbewerbern abheben müssen. 1.3.2 Order In der darauffolgenden 2. Phase legen die Bekleidungshersteller die entwickelten Verkaufsmuster ca. 4-8 Monate vor der geplanten Auslieferung vor. In bestimmten Zeiträumen kann der Handel seine Order tätigen. Die Hauptorderzeit liegt für die meisten Handelskunden während der Bekleidungsmessen, entsprechend den vier klassischen Saisons Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter im Januar und April bzw. August und November. Der Verkauf von Bekleidungsartikeln erfolgt über Showrooms und Modezentren (Ahlert et al., 2009, S. 59). 1.3.3 Verkaufsphase Es folgt die Phase des Verkaufs, vermittelt häufig durch Handelsvertreter. Sobald der Handel einen Auftrag erteilt, folgt die Fertigung eines festgelegten Volumens, da zu einem festgelegten Zeitpunkt geliefert wird. Diese Form der Fertigung wird als Auftragsproduktion bezeichnet: eine kundenindividuelle Fertigung durch den Bekleidungshersteller nach vorher durch den Kunden (Handel) festgelegten Leistungen. Der Leistungsoutput der Verkaufsphase ist hier der Produktionsauftrag. 1.3.4 Einkauf Der Einkauf ist der Teil des Beschaffungsvorgangs, in dem die für die Produktion benötigten Rohstoffe und Vormaterialien gekauft und der Zukauf von Handelsware (Tüchern, Kappen, Handtaschen, weiteren Accessoires) getätigt wird. Schon während der Kollektionsentwicklung wird entschieden, welche Rohmaterialien und Stoffe verwendet werden. In der Regel werden das Rohmaterial und benötigte Textilien bis zum Verbrauch bei der jeweiligen in- oder ausländischen Unternehmung oder beim Produzenten gelagert. Der Leistungsoutput beim Einkauf liegt bei der termingerechten Bereitstellung der zur Produktion benötigten Rohmaterialien und Textilien. 1.3.5 Produktionsprozess Dazu gehören der Zuschnitt, das Nähen sowie die Aufbereitung der Bekleidungsteile durch spezielle Bügelvorgänge. Der Leistungsinput sind die Produktionsmuster sowie die Rohmaterialien. Der Leistungsoutput ist das fertige Bekleidungsstück. Die einzelnen Produktionsstufen, also der gesamte Prozess von der Rohstoffverarbeitung und -veredelung bis hin zur Verarbeitung des fertigen Bekleidungsstücks, ist der wohl komplexeste Veredelungsschritt in der Wertschöpfungskette. Spinnen, Weben und Färben sind dabei am aufwendigsten, das Nähen zum fertigen Bekleidungsstück ist dagegen am einfachsten. <?page no="64"?> 1.3 Zur Wertschöpfungskette in der Bekleidungsindustrie 65 Abb. 1.4: Struktur des Marktes für Bekleidung (in Anlehnung an Tücking, 1999, S. 13) Abb. 1 . 4 skizziert die Struktur des Marktes der Textil- und Bekleidungswirtschaft. Angefangen bei der Bereitstellung von Rohmaterialien, Vorleistungen und Maschinen, stellt sie einerseits die Hauptproduktionsstufen, andererseits die Textil- und Bekleidungsindustrie dar, wobei hier der Schwerpunkt auf der Bekleidungsindustrie liegt. Am Ende des Fertigungsprozesses hin zum fertigen Bekleidungsstück steht der Handel, der dem Konsumenten das Bekleidungsstück verfügbar macht. Die Stufen des textilen Fertigungsprozesses lassen sich einteilen in:  Spinnstoffaufarbeitung (Vorbereitung der textilen Rohstoffe, wie Natur- und Chemiefasern, für den Spinnereiprozess),  Spinnstoffverarbeitung (Verspinnung zu Garnen und Verarbeitung zu Faserverbundstoffen),  Garnverarbeitung (Weiterverarbeitung der gesponnenen Garne, Zwirne und Chemiefasern zu Geweben, Gewirken und Gestricken),  Veredelung (Bleichen, Färben, Bedrucken und Ausrüsten der textilen Vorprodukte),  Stoffverarbeitung/ Konfektion (Fertigung von Bekleidungstextilien aus den textilen Flächen),  Bekleidungsindustrie (letzte Produktionsstufe in der textilen Kette; Weiterverarbeitung der verschiedenen Materialien zum verkaufsfertigen Bekleidungsstück),  Handelsstufe (Absatz der Erzeugnisse im Handel) (Ahlert et al., 2009, S. 43 f.). <?page no="65"?> 66 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit 1.3.6 Ausgangslogistik Die Ausgangslogistik stellt im klassischen Bekleidungshandel die letzte Stufe in der Wertschöpfungskette dar. Die verkaufsfähige Ware wird verteilt und komplettiert, was als der Leistungsinput zu verstehen ist. Darüber hinaus sind das Qualitätswesen, die Lagerhaltung, die Verpackung und die Kommissionierung Teil der Ausgangslogistik. Der Leistungsoutput ist die Zusammenstellung der verkaufs- und versandfertigen Ware an den Kunden. In der Regel wird die Aufgabe der Ausgangslogistik von externen Logistikunternehmen übernommen. 1.4 Wettbewerbs- und Wertschöpfungspotenziale in der Bekleidungswirtschaft In der europäischen Bekleidungsbranche finden sich Anbieter jeder strategischen Couleur, jede Wettbewerbsstrategie ist vertreten. So können zu den nach Porter als Kostenführer bezeichneten Anbietern jene gezählt werden, die wie K IK oder N EW Y ORKER Kleidung absetzen, die wegen niedriger Produktionskosten zu niedrigen Preisen angeboten werden, dafür aber jegliche Trendsetter-Ansprüche des Verbrauchers als nachrangig behandeln. Exklusive Designer und Premiummarken, wie H UGO B OSS , L OUIS V UITTON oder P RADA , wählen die Differenzierungsstrategie und bearbeiten Luxusmärkte - bei höheren Kosten sind Trendnähe und hohe Preise inbegriffen. Der klassische Kaufhauseinzelhandel, wie W ÖHRL und G ALERIES L AFAYETTE , versucht sich ebenfalls in der Strategie der Differenzierung, indem er sich von den preisgünstigen Angeboten der Handelsmarken-Einzelhändler, wie M ANGO , Z ARA und H&M, differenziert und qualitativ hochwertige Ware zu höheren Preisen anbietet. Gleichzeitig werden beide Wettbewerbsstrategien im Einzelhandel von Warenhäusern wie K ARSTADT verfolgt. Das Unternehmen bietet sowohl preisgünstige und trendferne Ware als auch hochpreisige und trendige Fashion an. Porter rät davon ab, beide Strategien verfolgen zu wollen - eine Warnung vor Konsequenzen, mit denen K ARSTADT nun öffentlichkeitswirksam zu kämpfen hat, denn K ARSTADT ist dadurch weder für Haushalte mit niedrigem noch für Haushalte mit hohem Einkommen interessant (Marchazina & Wolf, 2008, S. 284 f.). Sämtliche Strategien der Wertschöpfung zielen auf eine Kostensenkung ab. Auch die Unternehmen, die für die Differenzierungsstrategie stehen, werden auf ein optimales Verhältnis von Kosten und Erlös achten - in dieser Hinsicht besonders relevant für die Betrachtung der Bekleidungsindustrie. 1.4.1 Vertikalisierung 1.4.1.1 Terminologische Grundlagen und Erscheinungsformen In der Literatur finden sich unterschiedliche, in einzelnen Punkten abweichende Definitionen von Vertikalisierung. Schon das Attribut „vertikal“ wird gänzlich unterschiedlich gebraucht. Im Zusammenhang mit der Bekleidungswirtschaft findet etwa häufig das Konzept der vertikalen Distribution Verwendung. Zentes, Swoboda und Foscht differenzieren zwei unterschiedliche Gestaltungsformen von vertikaler Distribution: Secured Distribution und Controlled Distribution. Unter Secured Distribution, die auch als integrative Distribution bezeichnet wird, ist zu verstehen, dass der Händler in kommunikativer wie in distributiver Hinsicht mit dem Verbraucher in Kontakt steht: In die kommunikativen und distributiven Prozesse der Wertschöpfungskette sind keine weiteren Absatzmittler integriert. Bei der Controlled Distribution sind weitere Vertriebspartner zwischengeschaltet, die Marketingaktivitäten werden vom Händler dennoch weitestgehend kontrolliert (Zentes, Swoboda & Foscht, 2012, S. 51). In der Fachliteratur findet sich häufig für jegliche Vertikalisierungsstrategie der <?page no="66"?> 1.4 Wettbewerbs- und Wertschöpfungspotenziale in der Bekleidungswirtschaft 67 Begriff Vertikalisierung. Vertikalisierung bezeichnet dann die Integration von vor- oder nachgelagerten, technologisch eigenständigen Prozessen bzw. funktionalen Einheiten in der Wertschöpfungskette in das Eigentum und unter die Kontrolle des Unternehmens. Vertikal konzipierte Unternehmungen „nehmen direkten Einfluss auf die Entwicklung von Produkten, die Sortimentszusammenstellung und die Distribution“ (Riekhof, 2004, S. 432). Porter definiert die vertikale Integration als „die Arbeitsteilung zwischen einem Unternehmen und seinen Lieferanten, Vertriebskanälen und Abnehmern“ (Porter, 2010, S. 89). Vertikal organisierte Unternehmen sind durch eine enge Verknüpfung zwischen Groß- und Einzelhandelsstufe und der Industriestufe gekennzeichnet (Ahlert et al., 2009, S. 76). Je größer die Eigentumsrechte eines Unternehmens sowie dessen Kontrolle über aufeinanderfolgende Stufen der Wertschöpfungskette seiner Produkte sind, desto größer ist der Grad der vertikalen Integration (Grant & Nippa, 2006, S. 491). Er kann gemessen werden und beschreibt die Höhe des Anteils der von einem Unternehmen selbst erbrachten Leistungen innerhalb der Wertschöpfungskette. Die vertikale Integration ist im Produktionsbereich gleichbedeutend mit der Fertigungstiefe (Weiß, 1993, S. 33). Je stärker ein Unternehmen seine Fertigung vertikal desintegriert, also Teile oder die gesamte Fertigung outsourct, desto geringer ist die Fertigungstiefe. Der Zweck von Vertikalisierung ist die Steigerung der Effizienz in der gesamten Wertschöpfungskette, zum Beispiel durch Zeitreduktionen und Kostensenkungen beim Informations- und Warenfluss oder durch eine verbesserte Serviceleistung (Ahlert et al., 2009, S. 642). Erscheinungsformen Man unterscheidet in Rückwärtsintegration (upstreaming oder front-end-driven integration) und Vorwärtsintegration (downstreaming, back-end-driven integration). Erstere umfasst alle vorgelagerten Wertschöpfungsaktivitäten wie die Rohstoffauswahl und das Design, wobei alle dem Point of Sale vorgelagerten Prozesse integriert werden. Die Vorwärtsintegration umfasst die Integration nachgelagerter Aktivitäten wie die Aktivitäten des Vertriebs und des Marketings (Grant & Nippa, 2006, S. 492). In der Literatur wird darüber hinaus zwischen kooperativen und integrativen Vertikalisierungsmodellen unterschieden. Unter der kooperativen Vertikalisierung ist die freiwillige, regelmäßige und auf Dauer angelegte Zusammenarbeit zwischen zwei rechtlich und wirtschaftlich unabhängigen Unternehmen in Industrie und Handel zu verstehen (Kunkel, 2008, S. 44). In der Praxis wird dieses Modell zum Beispiel von G ERRY W EBER umgesetzt. Unter integrativer Vertikalisierung ist zu verstehen, dass eine einzige operative, möglicherweise sogar rechtliche Einheit die gesamte Wertschöpfungskette von der Planung über Fertigung und Logistik bis hin zur Distribution vereint. Letzteres ist bei Z ARA der Fall. Beide Modelle haben gemeinsam, dass die Lieferkette von der ersten bis zur letzten Stufe durch den Bekleidungshändler kontrolliert wird (Kunkel, 2008, S. 44 f.). Des Weiteren kann noch zwischen vollständiger Integration und partieller Integration, also nach dem Grad der Integration unterschieden werden. Das Merkmal der vollständigen Integration ist eine einheitliche Eigentumsstruktur. Zwei aufeinanderfolgende Produktionsstufen unterliegen also der gleichen Autorität, ohne dass es zu Käufen von Dritten oder Verkäufen an Dritte kommt (Grant & Nippa, 2006, S. 492). Unter einer partiellen Integration ist die Notwendigkeit zu verstehen, innerhalb einer Produktionsstufe von Dritten zuzukaufen, da die Produktion sonst nicht für die nächste Stufe ausreichen würde. Vertikal organisierte Bekleidungsanbieter sind Hersteller und Händler zugleich. Sie sind folglich integriert und „… treten gegenüber dem Konsumenten als Handelsmarke mit eigenkontrollierten Verkaufsflächen auf und beherrschen zudem die komplette dahinter liegende Wertschöpfungskette - von der Zielgruppendefinition und Formatstrategie über die Kollektionsentwicklung und - <?page no="67"?> 68 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit beschaffung bis zur Flächenbewirtschaftung und Abverkaufssteuerung am Point of Sale (PoS)“ (OC&C Strategy Consultants, 2007, S. 2). Sie sind in der Lage, das gesamte Supply Chain Management bzw. die gesamte Wertschöpfungskette auf den eigenen Bedarf, also verbraucherorientiert, einzustellen, und zwar von der Produktion bis hin zum Vertrieb. Einen besonders hohen Vertikalisierungsgrad weist Z ARA auf, da die für die Produktion notwendigen Stoffe z. T. von einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft geliefert werden und die Produktion selber zur Hälfte durch zur I NDITEX -Gruppe gehörende Produktionsstätten durchgeführt wird (Grant & Nippa, 2006, S. 500). Die auf Kostenvorteile ausgelegte Wertschöpfungsstrategie der Vertikalisierung ist so erfolgreich, dass sie den „Vertikalen“ im Vergleich zum klassischen Bekleidungshandel stetes Wachstum beschert, an der Spitze stehen H&M und Z ARA (OC&C Strategy Consultants, 2007, S. 3). Die traditionellen Einzelhändler haben - verstärkt im letzten Jahrzehnt - mit Einbußen bei Umsatz und Marktanteil, daraus resultierend notwendigen Umstrukturierungen und einer insgesamt schwierigen Geschäftslage zu kämpfen. So mussten sogar einige traditionelle Händler wie S INN L EFFERS und K ARSTADT Insolvenz anmelden oder können an alte Erfolge nicht mehr anknüpfen. 1.4.1.2 Vorteile und Risiken Vorteile Ein entscheidender Vorteil der Vertikalisierung ist das Ausschalten eines zusätzlichen Marktteilnehmers, also auch einer weiteren Margenstufe. Von großer Bedeutung für die von kurzen Reaktions- und Durchlaufzeiten abhängige Fast-Fashion-Industrie ist der Faktor Schnelligkeit, der durch eine vertikale Organisation erhöht wird: Da keine zeitintensiven Abstimmungsprozesse mit dem Handel mehr nötig sind, kommen die produzierten Bekleidungsstücke schneller in den Verkauf. Wesentlich und von Porter als das führende Argument herausgearbeitet ist der Aspekt der Kostenersparnis. Mithilfe vertikaler Integration lassen sich Marktkosten wie Beschaffungs- und Transportkosten vermeiden (Porter, 2013, S. 378 f.). Risiken Treten Probleme auf einer Produktionsstufe auf, etwa Streiks oder Lieferengpässe, können sämtliche Aktivitäten auf den nachgelagerten Produktionsstufen und deren Profitabilität erheblich beeinträchtigt werden. Dieses Risiko sollte jedoch nicht überschätzt werden, dergleichen kann auch bei anderen Organisationsformen auftreten. Integration kann zudem Kosten auch steigern, wenn sie Unternehmen unflexibel macht, beispielsweise dann, wenn die Austrittsbarrieren sich erhöhen oder Lieferanten die Produktion billiger ausführen könnten (Porter, 2013, S. 117). 1.4.2 Wertschöpfung in Beschaffung und Sourcing - Eigenheiten der Bekleidungsindustrie Angesichts gestiegener Ansprüche des Kunden und eines hohen Wettbewerbsdrucks im Bekleidungshandel hat Beschaffung mehr als noch vor 50 Jahren eine strategische Bedeutung erlangt. Das heißt, sie gewinnt eine ähnlich hohe Bedeutung wie die Absatzseite. Heute ist es vornehmliche Aufgabe von Beschaffung im Bekleidungshandel, die richtigen Produkte zur richtigen Zeit in der richtigen Qualität am Point of Sale zur Verfügung zu stellen (Merkel, et al., 2008, S. 12). Die Beschaffungsstrategien in der Bekleidungswirtschaft unterscheiden sich nicht von denen anderer Wirtschaftszweige. Allerdings weisen sowohl die Struktur der Bekleidungsindustrie als auch die textilen Fertigungsprozesse Besonderheiten auf, die sich auch auf Beschaffungsprozesse auswirken. <?page no="68"?> 1.4 Wettbewerbs- und Wertschöpfungspotenziale in der Bekleidungswirtschaft 69 In der Bekleidungsindustrie handelt es sich dann um Outsourcing, wenn Zulieferbetriebe vertraglich vereinbarte Mengen an Kleidungsstücken herstellen oder Teile der Fertigung von Kleidungsstücken übernehmen. Der Beschaffungsvorgang bezieht sich dann häufig auf die Fertigware, die im Rahmen der verschiedenen Beschaffungsstrategien im Inland oder Ausland, unternehmensintern oder unternehmensextern gefertigt wird. Die Bekleidungswirtschaft umfasst mehrere Phasen, von denen sich einige für das Outsourcing anbieten. Vor allem die Produktion erfordert die Einbeziehung vieler Zulieferer und Produzenten nicht nur in verschiedenen Ländern, sondern gar über verschiedene Kontinente hinweg (Ferny & Perry, 2011, S. 281). Da sie aber räumlich, zeitlich und organisatorisch besonders gut teilbar ist, können einzelne Arbeitsschritte ausgelagert werden. Vornehmlich die kapitalintensiven Abläufe (Färben, Weben, Stricken, Zuschneiden) und arbeitsintensive und materialintensive Abläufe (Nähen, Schneidern, Fertigen, Drucken, Qualitätskontrolle, Verpacken) werden dabei an externe Dienstleister abgegeben. Für bestimmte Phasen und kritische Kontrollfunktionen, wie die des Designprozesses, des Marketings, der Qualitätskontrolle, der Lieferantenauswahl oder der Stoffauswahl, bleibt es für eine effiziente Wertschöpfung sinnvoller, sie im Unternehmen zu belassen (Merkel et al., 2008, S. 31). Die klassischen Aufgaben des Beschaffungsmanagements, also Einkauf und Sourcing, im Bekleidungshandel sind die Bedarfsermittlung, die Lieferantensuche und -selektion, Einkaufsverhandlungen und die Erfolgskontrolle des Einkaufs und der Lieferantenbeziehungen (Ahlert et al., 2009, S. 734 ff.). Bekleidungshändler, die fertig produzierte Bekleidungsstücke beziehen und handeln, wählen ihr Sortiment aus den Angeboten einschlägiger Importeure, Zwischenhändler oder Produzenten aus. Bei dieser Vorgehensweise ist von Vorteil, dass der Importeur, wenn er für mehrere Kunden einkauft, durch die große Einkaufsmenge nicht unwesentliche Kostenvorteile generieren kann. Diese Vorteile kann er durch niedrigere Preise an seine Kunden weitergeben. Außerdem kann das Unternehmen vom Know-how des Einkaufsmittlers in den Beschaffungsregionen profitieren, wenn es um Bürokratie, Kommunikation und um regionalspezifisches Branchenwissen geht. Der Einkauf seitens der Bekleidungshändler besteht dann nur noch aus der Auswahl und der anschließenden Preisverhandlung (Merkel et al., 2008, S. 30). Diese Mittler kommen hauptsächlich bei der Beschaffung fertiger Bekleidungskollektionen zum Einsatz. Für Handelsunternehmungen, die mit inhouse designter Bekleidung handeln, ist eher die Suche nach geeigneten Manufakturen von Relevanz. Beiden Varianten sind die Anforderungen an die Beschaffungsquelle und daraus resultierend die Prozesse der Beschaffungsquellensuche und -selektion gemein. Auch in der Bekleidungsindustrie sind die entscheidenden Kriterien:  die Qualität, zu der produziert werden kann;  der Preis, zu dem produziert werden kann. Er wirkt sich direkt auf den Beschaffungspreis, zu dem der Handel kauft, aus;  die Kapazität des Lieferanten/ der Manufaktur;  die Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Lieferanten/ der Manufaktur, die Lieferleistung (Pünktlichkeit, Lead Time und Flexibilität);  die Produktionsqualität (dazu zählen u. a. die Produktionsgeschwindigkeit und die Qualität der Produktionsprozesse) sowie  Standortfaktoren, wie Zölle, Tarife, Infrastruktur, politische Rahmenbedingungen etc. (Ahlert et al., 2009, S. 746). Für vertikal integrierte Anbieter, die zudem auf langfristige Lieferantenbeziehungen aufbauen, sind eine sich ständig wiederholende Lieferantensuche und die Auswahl relevanter Lieferanten nur noch von untergeordnetem Interesse. <?page no="69"?> 70 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit Konstatiert werden muss, dass der Aufwand für das Sourcing und die Zusammenarbeit mit Auftragsnehmern im Ausland aufwendig ist. Aus diesem Grund haben viele Unternehmen im Rahmen des Direct Sourcings im Beschaffungsland Büros etabliert, in denen Mitarbeiter die Verantwortung für Produktqualität, Lieferung und weitere Verhandlungen übernehmen. Wie Ahlert et al. (2009, S. 744) herausstellen, muss abgewogen werden, was günstiger ist: die Beschäftigung fester Mitarbeiter oder die Zahlung von Provisionen an beteiligte Agenturen. Dies hängt einerseits vom Einkaufsvolumen in den infrage kommenden Regionen ab, andererseits von der Agentenmarge, die in der Region zu zahlen ist - ab einem bestimmten Einkaufsvolumen rentiert sich die Beschäftigung eigener Mitarbeiter in eigenen Einkaufsbüros, die volumenabhängigen Provisionen der Agenten würden die Kosten eines Büros übersteigen (Merkel et al., 2008, S. 157). Die Entscheidung, welche Zulieferer an welchen Standorten gewählt werden, hängt mit den oft historisch gewachsenen Spezialisierungen des jeweiligen Produktionslandes zusammen. So sind etwa China und Indien für ihre Seidenverarbeitung, China für seine Baumwollproduktion oder Italien für das Maßschneidern von besonderer Bedeutung (Ferny & Perry, 2011, S. 282). Je nachdem, welche Rohmaterialien benötigt werden und wie gut der Zugang dazu am jeweiligen Produktionsstandort ist, kann die Entscheidung für oder gegen einen Produktionsstandort getroffen werden. 1.4.2.1 Low-Cost Country Sourcing als Motor der Textil- und Bekleidungsindustrie Es gibt mittlerweile nur noch wenige Bekleidungshändler, die nicht in Low-Cost Countries produzieren lassen oder die Fertigung dorthin ausgelagert haben - unabhängig vom Markt, der bedient wird, unabhängig ob High-Fashion- oder Massenmarkt. Die Gründe sind ein immer intensiverer Wettbewerb und Verbraucher, die gute Qualität zu niedrigen Preisen erwarten. Die Hersteller sehen sich gezwungen, ihre Ziele durch eine Senkung des Lohnkostenanteils zu erreichen. Wenige Händler, die eine absatzmarktnahe Produktion mit ihrem Unternehmensimage verbinden, fertigen lokal oder regional. Die Verlagerung der Bekleidungsfertigung ins Ausland reicht von Direktinvestitionen in Form von eigenen Betrieben, über die passive Lohnveredelung bis hin zu Vollimporten und Fremdvergabe. Wie es der Begriff Low-Cost nahelegt, sind es Kostengründe, die für die Auslandsverlagerung sprechen. Es wurde bereits detailliert dargelegt, was der Ausdruck „Low-Cost“ impliziert und warum sich Unternehmen für das Low-Cost Country Sourcing entscheiden. Die dabei genannten Gründe treffen ausnahmslos auch auf die Bekleidungsindustrie zu. Warum sich gerade die Bekleidungs- und Textilindustrie veranlasst sieht, auf dem Niedriglohnsektor zu agieren, hat aber noch weitere Beweggründe. Die Herstellung eines Kleidungsstücks ist sehr arbeitsintensiv. Insbesondere Zuschnitt, Näherei und Trimmen sind sehr aufwendig, da sie i.d.R. fast ausschließlich durch Handarbeit zu erledigen sind. Jedoch kann man auch den Zuschnitt und die gesamte Textilherstellung automatisieren. Fertigungslöhne fallen also sehr ins Gewicht. Für etliche Industrien ist die Verlagerung in Low-Cost Countries von geringem Interesse, da durch Automatisierungen im Produktionsprozess Personalkosten gespart werden können. Automatisierte Produktionsabläufe bieten sich allerdings in der Bekleidungsindustrie beispielsweise aufgrund von unterschiedlichen Stoffeigenschaften nur in wenigen Fällen an. Die Arbeiten müssen also häufig von Hand erledigt werden. Ein weiteres Motiv ist, dass die Lohnkosten die Produktionskosten dominieren. Der Lohnanteil in der Bekleidungsindustrie beträgt 20-30 Prozent der Gesamtfertigungskosten. Die Fertigungsprozesse sind in sich jedoch so einfach, dass es nicht nötig ist, auf hoch qualifizierte Arbeitskräfte zurückzugreifen. Im Gegenteil: Gering qualifizierte Arbeitskräfte sind das Rückgrat der Textil- und Bekleidungsindustrie. Diese, zusammen mit einem niedrigen Arbeitskostenniveau, finden sich aus den genannten strukturellen Gründen überwiegend nur in Entwicklungs- und Schwellenländern. Die arbeitsintensiven Tätigkeiten können also an Standorte mit einem niedrigen Lohnniveau ausgelagert werden. Darüber <?page no="70"?> 1.4 Wettbewerbs- und Wertschöpfungspotenziale in der Bekleidungswirtschaft 71 hinaus können sie, wenn ein Umdisponieren aus unternehmerischer Sicht nötig ist, gerade wegen des geringen Qualifikationsgrads auch zeitnah von einem Standort zum nächsten verlagert werden. In Industrieländern gibt es für die Textil- und Bekleidungsbranche durch Tarifverträge oder gesetzlich verankerte Löhne in der Regel Mindestlohngrenzen. In osteuropäischen Ländern ist das Lohnniveau aus lohnkostenorientierter Sicht akzeptabel, weshalb die Fertigung auch in osteuropäische und südeuropäische Länder verlagert wird. Zwar gibt es inzwischen auch Mindestlohninitiativen in Schwellen- und Entwicklungsländern, diese bewegen sich aber immer noch auf einem äußerst niedrigen Lohnniveau. Auch das Fertigungswissen rund um Textilien und Bekleidung hat in den einschlägigen Regionen in Asien und Südosteuropa in den letzten Jahren maßgeblich zugenommen, seit die Textil- und Bekleidungsindustrie in vielen dieser Länder zum entscheidenden wirtschaftlichen Standbein geworden ist. Man kann davon ausgehen, dass in Ländern wie China, Indien und Bangladesch in den letzten Jahrzehnten eine Professionalisierung stattgefunden hat, die diese Länder inzwischen auf dem Gebiet der Textil- und Bekleidungsfertigung auch hinsichtlich ihres Know-hows für viele europäische und US-amerikanische Modehändler zu den Ländern der ersten Wahl hat werden lassen. Auch die Nähe zu den Rohstoffquellen spricht für sich: In Ländern, deren wirtschaftliches Standbein neben der Bekleidungsproduktion die reine Textilproduktion ist, können auch die für die Bekleidungsfertigung nötigen Stoffe besonders schnell und günstig bezogen werden. Damit können nicht nur die Kosten für den Rohstofftransport, sondern auch die Transportzeiten gering gehalten werden. Gerade für die Fast-Fashion-Branche, die wie H&M auf kurzfristige Sortimentsprogramme der Läden setzt, sind schnelle Lieferzeiten von entscheidender Bedeutung. Lieferanten für Fast-Fashion- und High-Fashion-Teile sollten sich aus strategischer Sicht in der geografischen Nähe von Lagern und Absatzmärkten befinden, da zu lange Durchlaufzeiten den Verkauf zur gewünschten Saison verhindern können und das Konzept der Fast Fashion unterminieren würden. Dies ist auch ein Grund dafür, warum sich Bekleidungsunternehmen nicht ausschließlich auf die Fertigung in asiatischen Ländern verlassen. Zum Teil bieten sich besonders Standorte in Ost- und Südeuropa an, wie Bulgarien, und an der Grenze zu Asien, wie die Türkei. Höhere Lohnkosten werden dann wegen der kürzeren Lieferkosten in Kauf genommen. Fast Fashion hat jedoch durch die Corona-Krise in 2020/ 21 mehr und mehr an Bedeutung verloren. Durch die Krise wurde deutlich weniger Bekleidung gekauft. Wer braucht schon im Homeoffice neue Schuhe oder einen neuen Anzug? Zudem leidet die Umwelt, es ist nicht nachhaltig, dauernd neue Bekleidung zu konsumieren. Außerdem gibt es aufgrund der unterbrochenen Lieferketten mehr und mehr Überlegungen wieder mehr in Europa oder auch in Deutschland zu produzieren. Das Jeans-Geschäft: Levi Strauss und Jacob W. Davis ließen sich schon 1873 die „Blue Jeans“ patentieren. Die Stoffe wurden schon damals aus Europa importiert. Diese Arbeiterhosen, die sehr robust waren und auch noch sind, galten als Vorreiter der Globalisierung. Levi-Jeans wurden zum Ausdruck von Lebensgefühl und zu Marken-Ikonen und gelten als Beispiel für die ungleiche Verteilung von Wertschöpfung (Schwochow & Ramge, 2016, S. 108f.). 1.4.2.2 Kosten und Kostentreiber bei Fertigung und Beschaffung in Low- Cost Countries Kostentreiber Kostenführerschaft und Kostenreduktion sind entscheidende Faktoren, wenn es um Wettbewerbsvorteile von Unternehmen geht. Als Kosten wird der bewertete Verzehr von wirtschaftlichen Gütern materieller und immaterieller Art zur Erstellung und zum Absatz von Sachund/ oder Dienst- <?page no="71"?> 72 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit leistungen sowie zur Schaffung und Aufrechterhaltung der dafür notwendigen Teilkapazitäten bezeichnet. Porter sieht die Analyse von Wertketten, die Diagnose von Kostenantriebskräften und deren effiziente Steuerung als wichtiges Instrument einer Kostenvorsprungstrategie an. Haben sich Bekleidungsunternehmen wie H&M für die Desintegration des Produktionsprozesses entschieden, also dafür, die Produktion an Dienstleister in Niedriglohnländer zu geben, ging dieser Entscheidung eine gründliche Make-or-Buy-Analyse voraus. Außerdem wurden Wertaktivitäten und ihre Kostenantriebskräfte gründlich analysiert. Insbesondere für ein Bekleidungsunternehmen, das auf niedrige Fertigungskosten und damit durchsetzbare niedrige Endpreise setzt, sind die Wertkette des Lieferanten bzw. die Kosten des gekauften Inputs von entscheidender Bedeutung. Dass dabei die Beschaffungspolitik einen relevanten Faktor in der Unternehmensstrategie darstellt, wurde in den vorhergehenden Kapiteln beleuchtet. Dennoch gilt die Beschaffung auf billigen Märkten nicht als Nonplusultra. Merkel et al. bringen es auf den Punkt: „Der Fokus liegt auf Gewinn statt Kosten.“ Billig eingekaufte Ware, die nicht abgesetzt werden kann, bringt keinen Gewinn, sondern Verlust. Die Orientierung sollte also nicht nur auf den Beschaffungskosten liegen, sondern auf dem Gesamtgewinn (Merkel et al., 2008, S. 12). Es muss konstatiert werden, dass der Produktionsprozess in der Bekleidungsindustrie sehr arbeitsintensiv ist und deshalb einen besonderen Kostentreiber darstellt. Hersteller sind gezwungen, die Kosten für den Produktionsfaktor „Arbeit“ zu senken, was insbesondere durch die Ausnutzung von Lohndifferenzen zwischen Entwicklungs- und Industrieländern geschieht. Selbst wenn es sich um den Fremdbezug handelt, Unternehmen also nicht eigenständig im Low-Cost Country produzieren, wirken sich die Lohnkosten direkt auf den Warenpreis aus. Doch Lohnkosten und Lohnnebenkosten stellen nur eine Einflussgröße auf den Beschaffungspreis dar. Nach einer Studie aus dem Jahr 2006 der Unternehmensberatung BearingPoint GmbH (in Zusammenarbeit mit der Universität Würzburg) betrugen für 53 Prozent der befragten deutschen Unternehmen die Netto-Kosteneinsparungen durch die Beschaffung in China, verglichen mit westeuropäischen Ländern zwischen 10 und 25 Prozent. Für 19 Prozent der Unternehmen lagen sie sogar zwischen 25 und 50 Prozent. Diese Zahlen lassen sich sicherlich auch auf den gesamten westeuropäischen Markt übertragen. Als die drei entscheidenden Kostentreiber gaben die befragten Unternehmen an:  laufende Qualitätskontrollen in der Produktion und im Warenausgang des Zulieferers,  Transportkosten,  Supply-Chain-Kosten. Als weitere Kostenkategorien, die bei der Bewertung von Beschaffungskosten zu berücksichtigen sind, gelten  Logistikkosten,  Kosten, die durch die Interaktion mit lokalen und staatlichen Behörden sowie durch bürokratische Hürden entstehen,  Kosten von Steuern und Zoll und  Währungsschwankungen (BearingPoint GmbH, 2008, S. 69). Unter Umständen kommen noch Investitionen in qualitätssichernde Maßnahmen, Weiterbildungen und in die Umsetzung des unternehmenseigenen Verhaltenskodex vor Ort hinzu, vor allem in Ländern, die nicht die sozialen und gesundheitlichen Standards wie westliche Länder aufweisen. Einen Eindruck von der Zusammensetzung des Bezugspreises eines Damenoberteils vermittelt in vereinfachter Form Abb. 1 . 5. Sie zeigt, dass der Anteil der Lohnkosten (CMT) nahezu ein Drittel an den gesamten Bezugskosten ausmacht (entspricht in der Abbildung den Landed Costs: Der Begriff Landed <?page no="72"?> 1.4 Wettbewerbs- und Wertschöpfungspotenziale in der Bekleidungswirtschaft 73 Costs entspricht dem Einstandspreis, den der Bekleidungshändler inkl. aller Kosten vom Werk des Zulieferers bis zur Heimatadresse des Händlers zu zahlen hat). Aber auch Zölle fallen stark ins Gewicht. Von 6 Euro der FOB (FOB ist ein Incoterm und steht für Free on Board; diese Handelsklausel besagt, dass die Ware in der vollen Verantwortung des Lieferers bis zum vereinbarten Verladehafen gebracht wird) fallen mit 2,70 Euro die meisten Kosten für Materialien und immer noch 2 Euro für fertigungsintensive CMT-Prozesse an (CMT steht für Cut, Make und Trim also: Zuschneiden, Verarbeiten und Trimmen). Die geringsten Kosten verursachen Transport und Importzölle. In der Summe liegen die Landed Costs bei 7,20 Euro. Abb. 1.5: Beispielhaft vereinfachte Kostenstruktur eines Damenoberteils (Merkel et al., 2008, S. 45) Kosten- und Preisermittlung Man könnte annehmen, dass für Unternehmen, die die Produktion aus der unternehmensinternen Wertschöpfungskette ausgelagert haben, ausschließlich die Beschaffungskosten, nicht direkt die Produktionskosten von Relevanz sind. Dies trifft so nicht zu. Denn auch Händler, die nicht selber produzieren, profitieren vom niedrigen Lohnniveau des Beschaffungslandes, da sich das Lohnniveau auf den Preis der produzierten Ware direkt auswirkt. Dies wurde in Abb. 1 . 5 deutlich, soll aber noch anhand der Kostenstruktur eines Bekleidungsstücks von seiner Produktion bis zur Lieferung an den Zielhafen in Tab. 1 . 2 exemplarisch und vereinfacht verdeutlicht werden. Die Selbstkosten eines Teils werden durch eine Vielzahl von Kostenblöcken bestimmt. Gerade niedrige Fertigungslöhne, die, wie gezeigt, einen Großteil der Einstandskosten ausmachen, ermöglichen den Bekleidungsunternehmen, ihre Ware zu niedrigen Preisen auf den Absatzmärkten anzubieten. Es wird aber auch offensichtlich, dass die Gemeinkosten, wie Energie, Miete, Pacht und Materialeinzelkosten, als wichtige Stellgrößen fungieren, um die Kosten zu reduzieren. Die Verlagerung der Produktion in Low-Cost Countries kann die Beschaffungskosten also enorm senken. Bei der Ermittlung des maximalen Beschaffungspreises kommt in der Bekleidungsindustrie häufig das Zielkostenverfahren zum Einsatz. Das Zielkostenmanagement, im Englischen auch Target Costing (Target Costs - die vom Markt erlaubten Kosten bzw. die Kosten, von denen man annimmt, dass der Markt sie akzeptiert; vgl. Deimel et al., 2006, S. 474), legt anhand verschiedener Kriterien fest, was ein Produkt den Konsumenten kosten darf. Diese Herangehensweise ist stark marktorientiert und dient <?page no="73"?> 74 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit Bekleidungsunternehmen, die auf wettbewerbsintensiven Märkten mit kurzen Produktlebenszyklen agieren und einem hohen Preisdruck unterliegen (Breitkopf, 1999, S. 127). Tab. 1.2: Vereinfachte Kostenstruktur eines Bekleidungsstücks bis zur Handelsstufe (Deimel, Isemann & Müller, 2006, S. 228 und S. 442) Mögliche Vorgehensweisen sind:  Market-into-Company: Die Zielkosten werden aus den am Markt erzielbaren Preisen und der Gewinnplanung abgeleitet.  Out of Competitor: Die Zielkosten werden aus den Kosten der Konkurrenz abgeleitet. (Ahlert et al., 2009, S. 746) Abb. 1 . 6 veranschaulicht die Vorgehensweise des Market-into-Company-Verfahrens. Die Zielkosten lassen sich durch Subtraktion der Bruttogewinnspanne vom geplanten Produktumsatz herleiten. Die sich daraus ergebenden, vom Markt erlaubten Kosten (allowable costs), werden den Produktstandardkosten gegenübergestellt. Der Zielverkaufspreis ist eine variable Größe, da sich durch Modewechsel Absatzpreise ändern können. Der geplante Gewinn leitet sich aus der Umsatzrentabilität ab und ist produktspezifisch verbindlich. <?page no="74"?> 1.4 Wettbewerbs- und Wertschöpfungspotenziale in der Bekleidungswirtschaft 75 Abb. 1.6: Vorgehen bei der Zielkostenfestlegung des Market-into-Company-Verfahrens (Breitkopf, 1999, S. 128) Die Zielkosten werden beim Market-into-Company-Verfahren idealerweise schon während der Kollektionsentwicklung geplant und den Designern als Richtgröße vorgegeben. Sie werden verbindlich, sobald für das zu entwickelnde Bekleidungsteil klare Vorstellungen über Form, Farbe, Material und Design bestehen (Breitkopf, 1999, S. 178 f.). Dies bedeutet, dass schon die Bekleidungsproduzenten Vorgaben erhalten, was die von ihnen produzierte Ware kosten soll, wie hoch der Einstandspreis sein muss. Bei der Auftragsvergabe erhält der ausgewählte Lieferant neben Produktspezifikationen, Konditionen sowie einem Liefertermin und den Lieferkonditionen also auch ganz genaue Preisvorgaben für ein konkret genanntes Volumen (Abb. 1.7) (Merkel et al., 2008, S. 99). Abb. 1.7: Market-into-Company-Zielkostenermittlung (Breitkopf, 1999, S. 179) Die Darstellung zeigt, dass ausgehend vom Verkaufspreis des Handels retrograd der Herstellerverkaufspreis ermittelt wird - also der Preis, den der Hersteller für die produzierten Bekleidungsstücke vom Handel verlangt. Der Bekleidungsproduzent muss seinerseits versuchen, die vom H ändler vorgegebenen Zielkosten bei der Produktion nicht zu überschreiten. <?page no="75"?> 76 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit Zusammenfassung Die Wertkette in der Bekleidungsindustrie gibt einen Einblick in die Realtität dieser Branche. Die Standardprozesse des traditionellen Bekleidungshandels (Design und Produktentwicklung, Order, Verkaufsphase, Einkauf, Produktionsprozesse und Ausgangslogistik) wurden aufgezeigt. Zudem haben Sie einen Einblick in die Wettbewerbs- und Wertschöpfungspotenziale dieser Branche erhalten. Es wurde herausgestellt, dass Low-Cost-Country-Sourcing als Motor der Textil- und Bekleidungsindustrie dient. Grundsätzlich ist zu erwähnen, dass die Wertkette in der Bekleidungsindustrie interessant ist und es abzuwarten bleibt, wie sich die Weltwirtschaft entwickelt. Vielleicht werden wir weiter in den Niedriglohnländern produzieren. Eine Alternative wäre jedoch, die Produktion wieder zurück nach Deutschland zu holen. Das Unternehmen TRIGEMA wirbt damit, in Deutschland zu produzieren. Achten Sie doch mal auf die Werbung im Fernsehen. Zudem hat sich durch die Corona-Krise in 2020/ 2021 vieles verändert. Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit sind bei den Konsumenten wieder mehr in den Fokus gerückt. Übung 1.11 Skizzieren Sie die Aspekte einer Wertkette in der Bekleidungsindustrie. Übung 1.12 Welche Wettbewerbs- und Wertschöpfungspotenziale entwickelt die internationale Bekleidungsindustrie? Übung 1.13 Welche Kosten und Kostentreiber lassen sich in der Fertigung und Beschaffung in Low-Cost Countries identifizieren? Übung 1.14 Skizzieren Sie zwei vereinfachte Kosten- und Preisermittlungsverfahren eines Bekleidungsbetriebs. 1.5 Industrielle Revolutionen als Globalisierungstreiber ab dem 17. Jahrhundert In den beiden letzten Abschnitten erfahren Sie, dass die industrielle Revolution als Globalisierungstreiber ab dem 17. Jahrhundert gilt. Sie werden die verschiedenen industriellen Revolutionen (1., 2., 3. und 4. industrielle Revolution) unterscheiden können. Die Industrie hat sich im Laufe der Zeit permanent verändert. Alle Ideen, die heutzutage entstehen, bauen demnach auf vergangenen Fortschritten auf. Industrie 4.0 durchlief demnach einen Entwicklungsprozess. Diese Entwicklung lässt sich seit dem 18. Jahrhundert in vier Phasen unterteilen - von Industrie 1.0 bis zur Industrie 4.0. Abb. 1 . 8 zeigt einen kurzen historischen Abriss über die bisherigen industriellen Revolutionen. <?page no="76"?> 1.5 Industrielle Revolutionen als Globalisierungstreiber ab dem 17. Jahrhundert 77 Abb. 1.8: Die vier Stufen der industriellen Revolution (vgl. acatech, 2013, und Herrmann, 2015, Kapitel 4) 1.5.1 Die erste industrielle Revolution Die erste industrielle Revolution, die meist als „Mechanisierung“ bezeichnet wird, startete in England während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sie stellt den Übergang einer Agrarhin zu einer modernen Industriegesellschaft dar. Eine Grundbedingung für den Anfang der industriellen Revolution war vor allem die enorme Bevölkerungsexplosion in Großbritannien. Auf dem Land kam es dadurch zu einer Massenabwanderung in die Städte, die zu Wirtschaftszentren aufstiegen. Zu dieser Zeit wurde der größte Profit in der Textilbranche erzielt (http: / / www.wissen.de/ die-anfaengeder-industrialisierung-1751-1785). Die Rohstoffe wurden durch den lukrativen Dreieckshandel zwischen England, Afrika, Amerika und Westindien staatlich gewollt und deshalb billig importiert. Mitte des 18. Jahrhunderts kam es zu einem Umbruch in der Produktion. Durch die Mechanisierung der Produktion sind zahlreiche neue Techniken entstanden. Durch den Einsatz neuer Technologien kam es zu einem gewaltigen Produktivitätszuwachs. 1764 erfand der Weber James Hargreaves die erste noch Hand betriebene Spinnmaschine „Spinning-Jenny“. Der mechanische Webstuhl folge im Jahre 1785. Dem schottischen Ingenieur James Watt gelang im Jahr 1769 mit der Weiterentwicklung der Dampfmaschine eine geniale Erfindung. Eine technische Revolution, die ab den 1880er-Jahren die Industrialisierung in vielen Wirtschaftsbranchen vorantrieb (https: / / www.globalisierung-fakten.de/ industrialisierung/ referat-industrialisierung/ (06.06.2017)). Erstmals in der Geschichte waren die Menschen unabhängig von natürlichen Energiequellen und es entstand eine Vielzahl von Fabrikstädten. Neben dem großen industriellen Nutzen wurden durch die Dampfmaschine viele Arbeiten mechanisch automatisiert. So wurde in Großbritannien die Massenproduktion möglich, was dazu führte, dass durch betriebswirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten, wie die Erfahrungskurve, die Produkte billiger wurden. Die Entwicklung der Eisenbahn führte die erste industrielle Revolution zu ihrem Höhepunkt. Sie unterstützte den Transport auf dem Wasserweg zu <?page no="77"?> 78 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit Lande. 1804 wurde die erste Lokomotive von Richard Trevithick gebaut. Allerdings wurde erst im Jahr 1829 der Durchbruch von George Stephenson mit der „Rocket“ erreicht. Der regelmäßige Personenverkehr begann 1830 auf der Strecke Liverpool-Manchester. Abb. 1.9: Transatlantischer Dreieckshandel (vgl. Harari, 2015, und Herrmann, 2015) Jedoch gab es auch eine Kehrseite der Industrialisierung, die sich auf den Straßen und vor den Fabriktoren zeigte. Die Auswirkungen dieser Revolution unterschieden sich für Arbeitnehmer und Arbeitgeber enorm. Die Klassenunterschiede verschärften sich in England. Einerseits gab es solche, die an der industriellen Wertschöpfung verdienten, und andererseits wurden die Fabrikarbeiter ausgebeutet. Harte Arbeitsbedingungen (bis zu 80 Stunden Arbeit in der Woche), Kinderarbeit, Lohndumping, Hunger, Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit waren die verheerenden Folgen der industriellen Revolution. Das Fabriksystem führte zu einem dramatischen Niedergang des Handwerks und des Heimgewerbes. Obwohl die Arbeitsbedingungen sehr schlecht waren, zogen immer noch mehr Menschen in die Industriestädte und verstärkten den Trend der Verarmung. Diese strukturelle Armut wird auch als Pauperismus bezeichnet. In Deutschland erfolgte die Industrialisierung etwa 100 Jahre später. Zum einen lag es an der rückständigen Infrastruktur in Deutschland im Vergleich zu England. Zum anderen fehlte durch die Zersplitterung Deutschlands in viele kleine Einzelstaaten ein einheitlicher aufnahme- und nachfrageorientierter Markt. Ebenso stand neben einer weit verbreiteten Technologiefeindlichkeit auch das Fehlen von erforderlichem privatem Kapital für größere Investitionen der Industrialisierung im Wege. Am 1. Januar 1834 brachte die Gründung des deutschen Zollvereins die ersten nötigen Veränderungen. Da die grundlegenden Erfindungen bereits erfolgt waren, ging die industrielle Entwicklung im Vergleich zu Großbritannien in Deutschland zügig voran. Lesen Sie den Text unter https: / / www.globalisierung-fakten.de/ industrialisierung/ industrialisierung-zusammenfassung/ (30.05.2017). <?page no="78"?> 1.5 Industrielle Revolutionen als Globalisierungstreiber ab dem 17. Jahrhundert 79 1.5.2 Die zweite industrielle Revolution Die zweite industrielle Revolution ab 1871 beruhte auf den Grundlagen der Mechanisierung und Elektrifizierung und sie fand in der Phase der Hochindustrialisierung statt. Sie war geprägt durch die arbeitsteilige Massenproduktion mithilfe elektrischer Energie. Automatisierung war ebenso ein relevantes Stichwort dieser Revolution, denn ablauforganisatorische Prozesse wurden nicht nur neu entwickelt und eingeführt, sondern auch durch neue Techniken auf der Grundlage des Fließbands optimiert (http: / / www.gevestor.de/ details/ die-entdeckung-der-elektrizitat-wahrend-der-zweitenindustriellen-revolution-674384.htm). Während der zweiten industriellen Revolution gelang es der deutschen Industrie, eine führende wirtschaftliche Rolle im Welthandel einzunehmen. Die Industriezentren wurden in Deutschland immer größer und ökonomisch dominanter. Dadurch kam es auch zu einer rasch wachsenden Bevölkerung, die zwischen 1871 und 1910 von 41 auf 65 Millionen anstieg. Des Weiteren wurde der Umbruch von einer Agrarhin zu einer Industriegesellschaft immer deutlicher. Ende des 19. Jahrhunderts hatte der sekundäre industrielle Sektor den primären landwirtschaftlichen Wirtschaftssektor zurückgedrängt. Auf die Textil-, Eisen- und Stahlproduktion als Leitsektoren der industriellen Entwicklung folgten nun die Chemie- und Elektroindustrie, mit der Deutschland endgültig vom Nachzügler zum Vorreiter der Industrialisierung in Europa wurde. Unternehmen wie Siemens, AEG, Bosch und Bayer wurden in dieser Zeit der Hochindustrialisierung gegründet und entwickelten sich bis heute zu multinationalen Unternehmen. Für die Entwicklungen in Deutschland war und ist die amerikanische Automobilindustrie von großer Bedeutung. Erinnert sei an das von Henry Ford entwickelte „Model Ford-T“, das für die erste industrielle Fließbandproduktion im Automobilbereich Vorbild war. Vorreiter der sogenannten Assembly Lines, die zur Produktion des Ford T eingesetzt wurden, waren jedoch die Disassembly Lines. Diese wurden um das Jahr 1870 in den Schlachthöfen von Cincinnati eingesetzt, um dort die geschlachteten Tiere von einem Arbeiter zum nächsten zu transportieren. In der gleichen Weise fuhren die Autos mithilfe des Fließbands an den Produktionsarbeitern vorbei, wo jeder an seinem Arbeitsplatz nur noch eine oder wenige Arbeitstätigkeiten ausführte. Durch diese effizientere, wissenschaftliche Fertigungsmethode konnte die Arbeitszeit für einen Ford-T von über zwölf Stunden auf etwa 90 Minuten reduziert werden. Der Verkaufspreis des Modells T wurde dank der Arbeitsteilung, der Technisierung und der Erfahrungskurve von ca. 870 Dollar auf ca. 270 Dollar reduziert. Zur ökonomischen Motivation der Mitarbeiter wurde auch der Tageslohn auf 2 und später sogar auf 5 Dollar erhöht - mit der negativen Auswirkung, dass die Produktivität um 400 Prozent gesteigert werden konnte, um dafür bis zu 75 Prozent der Beschäftigten einzusparen. Dementsprechend konnte sich ein Ford-Arbeiter mit vier Monatslöhnen ein solches (Volkswagen-)Fahrzeug finanzieren. Schnell verbreitete sich die neue Technologie in der Automobilindustrie in der ganzen Welt. In Europa wurde die Technik als Erstes von Citroën übernommen (https: / / www.welt.de/ print/ wams/ vermischtes/ article13412755/ Henry-Ford-und-sein-Fliessband.html? wtrid=crossdevice.welt.desktop.vwo.article-spliturl&betaredirect=true). Mit dem Modell T, das 16 Mio.-fach hergestellt wurde, setzen multinationale Unternehmen immer mehr auf die Massenproduktion und den Massenabsatz, dies gilt z. B. auch für die Erfindung der Glühbirne, des Verbrennungsmotors und des Generators, die zukunftsweisend waren (http: / / www.gevestor.de/ details/ die-entdeckung-der-elektrizitat-wahrend-der-zweiten-industriellen-revolution-674384.html). Mit der Zeit kam es zu einem gesellschaftlichen Umdenken durch immer mehr Gewerkschaften, und die Fabrikarbeiter wurden besser entlohnt. Der Wunsch nach mehr Wohlstand wurde in den USA immer größer und konnte aufgrund der industriellen Massenproduktion und der dadurch kostengünstigeren Herstellung der Produkte erfüllt werden. Diese Entwicklungen führten somit auch zu einer bürgerlichen Revolution, durch welche die Sozialdemokratie entstand. <?page no="79"?> 80 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit 1.5.3 Die dritte industrielle Revolution Die dritte industrielle Revolution, auch als erste „Digitale Revolution“ bezeichnet, startete Anfang der 1960er-Jahre. Eine Zeitverzögerung in der technischen Entwicklung trat aufgrund der beiden Weltkriege auf. Während dieser Zeit befand sich Deutschland in einer starken wirtschaftlichen Situation. In den 1950er-Jahren war es zum Wirtschaftswunder in Deutschland gekommen. Getrieben wurde diese Revolution von der ersten Entwicklung der Computer von IBM und Siemens und vor allem durch die ersten digitalen und frei programmierbaren Steuerungen und Werkzeugmaschinen. Dadurch wurde das Fundament für die gesamte heutige Automatisierungspyramide und für die modernen Prozessleitsysteme gelegt. Ausgehend davon, dass in dieser Zeit viele Märkte gesättigt sowie die meisten Grundbedürfnisse befriedigt waren, rückte bei den Käufern der Anspruch an Individualismus und Qualität in den Vordergrund. Dies führte zu einer variantenreicheren Serienproduktion bis hin zu Mass Customization. Getrieben durch die Informations- und Kommunikationstechnologien sowie die enorme Ausbreitung des Internets in den 1990er Jahren kam es zu bedeutenden Produktivitätssprüngen und einer weltweiten Verfügbarkeit von Wissen. Zudem stieg die Verschuldung in der Bevölkerung an, da die Menschen begonnen hatten, über ihre Verhältnisse zu leben. Im Zuge der dritten industriellen Revolution gewannen der Dienstleistungssektor und der Allfinanzsektor immer mehr an Bedeutung auf Kosten einer Weiterentwicklung der Industrialisierung. In Frankreich, England und den USA bestätigte sich dieser Trend besonders. Heute versuchen diese Länder, eine Reindustrialisierung zu starten. Deutschland war es gelungen, seinen Industrieanteil seit der Wiedervereinigung zu behalten. Ausschlaggebend waren Neuheiten aus dem landwirtschaftlichen und Pharmasektor, wie künstliche Düngemittel oder die Mähmaschinen, die auf den Markt kamen (http: / / www.lernhelfer.de). Die Strukturen in Deutschland passten aus der damaligen Sicht nicht zu einer fortgeschrittenen Dienstleistungsgesellschaft. Deshalb wurde Deutschland früher oft als „kranker Mann“ Europas betitelt. 1.5.4 Industrie 4.0 - die vierte industrielle Revolution Im letzten Abschnitt lernen Sie die Idee und die Vision der Industrie 4.0 sowie deren terminologische Grundlagen kennen. Sie werden erfahren, was sich hinter vertikaler und horizontaler Integration verbirgt, und Sie können entscheiden, ob es sich bei der Industrie 4.0 um eine Evolution oder eine Revolution handelt. Der Terminus „Industrie 4.0“ wurde 2011 von einer Arbeitsgruppe der Forschungsunion Wirtschaft und Wissenschaft in den öffentlichen Diskurs eingeführt. Geprägt wurde dieser Begriff insbesondere von den Leitern der Forschungsgruppe, Prof. Dr. Henning Kagermann, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Wahlster sowie Prof. Dr. Wolf-Dieter Lukas. Industrie 4.0 ist jedoch nicht plötzlich entstanden, sie folgt den durch die ersten drei Revolutionen verursachten Technologiesprüngen. Besonders nach der dritten industriellen Revolution konnte die Produktion und Fertigung bereits hochgradig automatisiert werden. Nun wurde durch die Einführung des Internets der Dinge und Dienste in die Fabrik die sogenannte vierte industrielle Revolution ausgerufen. Im Kern geht es um die Digitalisierung der industriellen Produktion. Maschinen, Produkte, Werkstücke und Menschen werden durch die sogenannten cyber-physischen Systeme im Bereich der industriellen Produktion miteinander vernetzt (vgl. Broy, 2010; Otto & Osterle, 2016; Roth, 2016). <?page no="80"?> 1.5 Industrielle Revolutionen als Globalisierungstreiber ab dem 17. Jahrhundert 81 Nicht nur in Deutschland wurde das Potenzial von Industrie 4.0 erkannt. Auch andere große Industrieunternehmen haben den Trend zur Nutzung des Internets der Dinge und Dienste in der industriellen Produktion erkannt. Besonders die Konkurrenten aus Asien und den USA arbeiten an entsprechenden Standards und Lösungen, was dazu führt, dass der globale Wettbewerb in der Produktionstechnik stetig zunimmt. Nennenswert ist insbesondere das Industrial Internet Consortium, eine Vereinigung, die im Frühjahr 2014 in den USA gegründet wurde. 1.5.5 Terminologische Grundlagen Für die Industrie 4.0 gibt es bisher keine eindeutige Definition. Im Folgenden werden verschiedene Definitionen für das Begriffsverständnis dargelegt. Eine der am häufigsten sowie umfangreichsten in der Literatur verwendeten Definitionen liefert die Plattform Industrie 4.0. Die Plattform besteht aus mehreren deutschen Industrieverbänden (Bitkom, VDMA und ZVEI), dabei übernehmen Bundeswirtschafts- und Bundesforschungsministerium die Leitung. Der Begriff Industrie 4.0 steht laut dieser Plattform „… für die vierte industrielle Revolution, einer neuen Stufe der Organisation und Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette über den Lebenszyklus von Produkten. Dieser Zyklus orientiert sich an den zunehmend individualisierten Kundenwünschen und erstreckt sich von der Idee, dem Auftrag, über die Entwicklung und Fertigung, die Auslieferung eines Produkts an den Endkunden bis hin zum Recycling, einschließlich der damit verbundenen Dienstleistungen. Basis ist die Verfügbarkeit aller relevanten Informationen in Echtzeit durch Vernetzung aller an der Wertschöpfungskette beteiligten Instanzen sowie die Fähigkeit, aus den Daten zu jedem Zeitpunkt einen optimalen Wertschöpfungsfluss abzuleiten. Durch die Verbindung von Menschen, Objekten und Systemen entstehen dynamische, echtzeitoptimierte und selbst organisierende, unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke, die sich nach unterschiedlichen Kriterien wie […] Kosten, Verfügbarkeit und Ressourcenverbrauch optimieren lassen“ (Plattform Industrie 4.0, 2014). Im ersten Teil dieser umfangreichen Definition geht es um die Funktion der Industrie 4.0. Es wird betont, dass die Industrie 4.0 und deren Technologien Einfluss auf die gesamte Wertschöpfungskette multinationaler Unternehmen haben. Vor allem für die Logistikbranche erweisen sich die Industrie- 4.0-Technologien als nützlich. Neben der Beschaffungsseite ist Industrie 4.0 ebenso auf der Absatzseite immer stärker vorhanden. Hier bietet sich ein konkretes Beispiel an, das Sportunternehmen Adidas. „Futurecraft 3D ist der Prototyp unserer langfristigen Vision. Wir haben eine besondere Kombination aus Material und Prozess gefunden, die es uns erlaubt, völlig neue Wege zu gehen. Durch den Einsatz von 3D-Druck können wir erstklassige Laufschuhe herstellen und dabei die individuellen Performance-Daten des Läufers nutzen. Durch diese besondere Verknüpfung entstehen wirklich maßgeschneiderte Lauferlebnisse für jeden Athleten“ (Eric Liedtke, Mitglied des Vorstands der Adidas Gruppe, verantwortlich für Global Brands). Dieses Konzept erweist sich besonders für die Logistikbranche als nützlich. Zum einen kommt es zur Einsparung von Logistikkosten, aufgrund der individuellen Bestellungen kommt es zu dem individuellen Verkauf. Dies macht das Vorhandensein eines Verkaufslagers unnötig und bringt eine neue Verkaufsstrategie hervor. Somit wird aus der Definition deutlich, dass auch kurzfristige kundenindividuelle Produkte nach industriellem Maßstab hergestellt werden können, was wiederum Auswirkungen auf das Geschäftsmodell eines Industriebetriebs haben kann. Der zweite, eher technisch ausgerichtete Teil der Definition, thematisiert die Struktur sowie den Prozess von Industrie 4.0. Es wird unterstrichen, dass die Vernetzung aller an der Wertschöpfung <?page no="81"?> 82 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit beteiligten Akteure ausschlaggebend für die ständige Verfügbarkeit von Informationen ist. Durch den Erhalt von Daten in Echtzeit ist eine Optimierung hinsichtlich der Kosten und/ oder des Ressourcenverbrauchs möglich. Eine deutlich knappere Definition wird vom Arbeitskreis Industrie 4.0 verwendet: „Industrie 4.0 meint im Kern die technische Integration von CPS [cyber-physischen Systemen] in die Produktion und die Logistik sowie die Anwendung des Internets der Dinge und Dienste in industriellen Prozessen - einschließlich der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Wertschöpfung, die Geschäftsmodelle sowie die nachgelagerten Dienstleistungen und die Arbeitsorganisation“ (Kagermann et al., 2013, S. 18). Im weiteren Verlauf wird die umfängliche Definition der Plattform 4.0 als Grundlage verwendet. „Fast alle erfolgreichen Start-ups bauen digitale Plattformen. Die Plattformen sich schieben sich zwischen Hersteller und Kunden und schalten dabei alte Mittelsmänner aus. Ein gutes Beispiel: Streaming-Dienste wie Spotify, die sich auf Kosten von Plattenläden zwischen Musiker und Hörer gemogelt haben (Schwochow & Ramge, 2016, S. 208). 1.5.6 Vertikale und horizontale Integration Die Konzepte und Szenarien zu Industrie 4.0 wurden entwickelt, um Deutschlands Industrie zukunftsfest zu machen. Es ist essenziell, dass es zu einer Verschmelzung der physischen Produktion mit der Informations- und Kommunikationstechnologie kommt. Diese Verschmelzung erfolgt auf zwei Ebenen: vertikal und horizontal. Abb. 1.10: Vertikale Integration im Rahmen von Industrie 4.0 (IW Consult, https: / / vbw-agenda.de/ downloads/ positionen/ 140313-i-dienstleistungspotenziale_industrie-4.0_final.pdf, S. 8) <?page no="82"?> 1.5 Industrielle Revolutionen als Globalisierungstreiber ab dem 17. Jahrhundert 83 Die erste Ebene, die vertikale Integration, findet innerhalb des Unternehmens statt. Sie beinhaltet die Verknüpfung verschiedener IT-Systeme auf den unterschiedlichen Hierarchieebenen eines Produktionssystems. Die Maschinen können nun drahtlos über die sog. Cyber Physical Systems (CPS) in Echtzeit miteinander kommunizieren (M2M-Kommunikation). Die Kommunikation kann einerseits durch RFID-Chips zum bearbeitenden Werkstück stattfinden und andererseits auch zum Beschäftigten, der die Maschinen bedient und überwacht (z. B. durch Datenbrillen). Entscheidend ist, dass durch die vertikale Integration die Produktion flexibler und schneller auf die einzelnen Kundenwünsche reagieren kann. Das führt dazu, dass Produkte auch in sehr kleinen Losgrößen rentabel produziert werden können (bis hin zur Losgröße 1). Ebenso lässt sich über die direkte Kommunikation der einzelnen Maschinen der Ressourcen- und Energieverbrauch optimieren (https: / / vbwagenda.de/ downloads/ positionen/ 140313-i-dienstleistungspotenziale_industrie-4.0_final.pdf, S. 8). Unter der horizontalen Integration versteht man die Einbindung der Systeme von Kunden, Lieferanten, verteilten Unternehmensstandtorten sowie externen Dienstleistern und Produzenten weltweit, zwischen denen ein Material-, Energie- und Informationsfluss verläuft, und zwar in einer eigenen vertikalen Systemlandschaft. Dadurch wird in dem entstandenen Wertschöpfungsnetzwerk ein in Echtzeit synchronisierter Austausch von internen und externen Unternehmensdaten möglich. Aufgrund der entnommenen Daten ist es dem Steuerungs- und Planungssystem nun möglich, die eigenen Produktionsprozesse zeitoptimiert zu koordinieren und in Echtzeit auf spezielle Anforderungen auszuführen. Abb. 1.11: Horizontale Integration im Rahmen von Industrie 4.0 (IW Consult, https: / / vbw-agenda.de/ downloads/ positionen/ 140313-i-dienstleistungspotenziale_industrie-4.0_final.pdf, S. 9) Durch das Zusammenspiel einer vertikalen und horizontalen Vernetzung ergeben sich Vorteile in der Produktivität und eine hohe Flexibilität für multinationale Unternehmen. Das führt dazu, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gesteigert wird. <?page no="83"?> 84 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit 1.5.7 Revolution oder Evolution? Industrie 4.0 ist ein langfristiges Vorhaben, diese in den betriebswirtschaftlichen Alltag und in die Produktion zu bringen. Dies wird nur durch einen schrittweisen Prozess ermöglicht (acatech, 2013, S. 23). Mittlerweile wird in der Literatur kontrovers diskutiert ob, die unter „Industrie 4.0“ erwartete Entwicklung revolutionär oder doch eher evolutionär sei. Eine Revolution ist immer durch schnelle und tiefgreifende Strukturumbrüche kennzeichnet. In vielen Ausführungen wird auf die tiefgreifenden Strukturumbrüche bezüglich der Arbeit und der Beschäftigung verwiesen (Schwab 2016). Andere verweisen auf den Zeitbedarf, den man benötige, um die Roboter und computerintegrierten Fertigungsanlagen (CIM) in die Produktion zu integrieren, die im Zuge der dritten industriellen Revolution eingeführt wurden. Das Konzept des Computer Integrated Manufacturings (CIM) verfolgte das Ziel transparenter Produktionsabläufe. Dabei standen Produktionsgeschwindigkeit, Flexibilität, Qualität und Zuverlässigkeit im Zentrum der Umsetzung. Schwab (2016) zweifelt den Neuigkeitswert der technischen Konzepte von Industrie 4.0 an. Er argumentiert, dass die festgelegten Ziele der Industrie 4.0 die gleichen Anforderungen darstellen, die bereits in den 1980er-Jahren realisiert werden sollten. „Was unter der Bezeichnung ‚cyber-physische Systeme‘ propagiert wird, ist zunächst nichts anderes als die Fortführung dessen, was seit den 1970er-Jahren als digitale Prozesssteuerung intensiv betrieben wird. Neu ist hier lediglich die mit Erweiterung des Adressraums gegebene Möglichkeit, über das Internet der Dinge Daten zwischen sehr vielen digital gesteuerten Prozessen selbsttätig austauschen zu können, was Möglichkeiten der Reorganisation von Wertschöpfung erweitert (aber auch Risiken erhöht)“ (Schwab 2016). Fasst man die Studien zusammen, ist sich die Mehrheit der Experten jedoch einig, dass Industrie 4.0 mehr als nur eine Neuauflage des CIM-Gedankens darstellt. Auch wenn die Ziele übereinstimmen, sollen diese auf einem anderen Weg und mit neuen Konzepten erreicht werden (acatech, 2013, S. 102). Auch der aktuelle Entwicklungsstand der Technologien ermöglicht es im Gegensatz zu früher, grundlegende Konzepte gezielt zu realisieren. Wirft man einen Blick auf die früheren technologischen Revolutionen, lässt sich feststellen, dass diese zunächst wenig revolutionäre Züge aufzeigten, sie liefen langsam und prozesshaft ab. Die meisten Experten sind sich in einem Punkt einig: Die längerfristigen Auswirkungen der vierten industriellen Revolution werden revolutionär sein, die Ausbreitung wird jedoch evolutionär verlaufen. Belegen kann man das mit einem Zitat des Präsidenten der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, Professor Kagermann: „Industrie 4.0 ist in der Art, wie es eingeführt wird, evolutionär. Schließlich können wir ja morgen nicht die Fabriken abreißen und alles ganz anders machen. Aber der Impact wird gewaltig sein, der ist revolutionär“ (acatech, 2013, S. 48). 1.5.8 Die Vision Industrie 4.0 Zurzeit ist es noch nicht möglich, eine genaue Aussage bezüglich der Auswirkungen von Industrie 4.0 zu treffen. Dennoch hat sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung bereits Ziele gesetzt: „Das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 zielt darauf ab, die deutsche Industrie in die Lage zu versetzen, für die Zukunft der Produktion gerüstet zu sein. Sie ist gekennzeichnet durch eine starke Individualisierung der Produkte unter den Bedingungen einer hoch flexibilisierten (Großserien- )Produktion. Kunden und Geschäftspartner sind direkt in Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse eingebunden.“ (https: / / www.bmbf.de/ de/ zukunftsprojekt-industrie-4-0-848.html) <?page no="84"?> 1.5 Industrielle Revolutionen als Globalisierungstreiber ab dem 17. Jahrhundert 85 Auch die Akteure der Plattform 4.0 haben sich das Ziel gesetzt, „das Zukunftsprojekt der Bundesregierung zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes Deutschland umzusetzen“ (https: / / www.bmbf.de/ files/ Umsetzungsempfehlungen_Industrie4_0.pdf, S. 19). Neben der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sollen durch die Entwicklung von Industrie 4.0 auch globale sowie nationale Herausforderungen bewältigt werden und bestehende IT-geschützte Prozesse optimiert werden. Viele Experten und Studien kommen zu dem Schluss, dass Deutschland als „Fabrikausrüster der Welt“ die beste Chance hat, im Vergleich zu anderen Ländern die Potenziale der vierten industriellen Revolution zu erschließen. Dass Deutschland in Zukunft gut aufgestellt ist, meint auch Gunther Reinhart, Institutsleiter des Instituts für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) der Technischen Universität München: „Deutschland beherrscht die komplexen automatisierten Systeme besser und sicherer als Unternehmen aus anderen Ländern.“ Die Besonderheit der Industrie 4.0 im Vergleich zu den vergangenen Revolutionen, ist die Tatsache, dass diese vorhergesagt wird. Die Auslöser der ersten drei Revolutionen wurden nachträglich festgestellt. Diese Tatsache ist der Grund dafür, dass heutzutage eine Menge an Industrie-4.0-Zukunftsszenarien bereits beschrieben/ entwickelt wurden. Fest steht bisher: Soll in Zukunft eine dynamische Gestaltung der Geschäfts- und Engineering-Prozesse ermöglicht werden, muss Industrie 4.0 vorangetrieben werden. Konkret bedeutet das, dass die Möglichkeiten der Produktion an Marktentwicklungen anzupassen sind. Die Produktion kann flexibler und dynamischer auf Stromausfälle oder Lieferverzögerungen reagieren. Durch den zunehmenden Komplexitätsgrad und die ansteigende Vernetzung werden mehrere Lieferantennetzwerke entstehen. Auch individuelle Kundenwünsche sowie kurzfristige Änderungswünsche werden durch die Industrie 4.0 ermöglicht. Selbst die Produktion von Kleinstmengen (Losgröße 1) kann rentabel werden. Aufgrund der individuellen Produkte kommt es zu einer Abwendung der Fertiglagerproduktion. Die flexiblere Produktion ermöglicht die Fokussierung auf „Production on Demand“, was zu einer Verbesserung der Reaktionsgeschwindigkeit der multinationalen Unternehmen führt. Durch das Wegfallen von Mindest-Losgrößen können Lagerbestände reduziert oder sogar ganz abgeschafft werden. Maschinen geben ihren aktuellen Status durch. Mithilfe von Sensoren kann die Maschine feststellen, ob sie Nachschub oder Wartung benötigt, und sogar eigenständig die Ersatzteile bestellen. Das geschieht alles frühzeitig, bevor es zu Engpässen oder Produktionsausfällen kommt. Die Chancen von Industrie 4.0 sind enorm. Neben der Erhöhung der Qualität und der Vielfalt der Produkte kann es zu einem Produktivitätszuwachs von 30 Prozent kommen. Gleichzeitig sind die Zeiträume von der Entwicklung bis zu Produktion kürzer. Dadurch wird Industrie 4.0 für den Industriestandort Deutschland einen entscheidenden Beitrag sowohl für den Erhalt als auch für die Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit leisten. Die Umsetzung von Industrie 4.0 ist aber auch mit Hürden verbunden. Zum einen stellen Produktivitätszuwächse durch optimierte kurze Prozesse die technische Seite vor Herausforderungen. Die Anpassung der Arbeitsplätze an den Menschen ist die soziale Seite der Herausforderung. „Es werden Menschen benötigt, die in diesem kurzen Prozess nicht nur Experten sind, sondern entlang dieses Prozesses in der Lage sind, alle Prozessschritte zu beherrschen, und wir brauchen Maschinen, die die Menschen dabei unterstützen“ (Ferdinand Hasse, Leiter der Support Unit Manufacturing Solutions - Phoenix Contact GmbH). Andererseits ist die Klärung von wichtigen Fragen, beispielsweise bezüglich einheitlicher Standards oder der IT-Sicherheit - wegen Hacker-Attacken - dringend erforderlich. <?page no="85"?> 86 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit Zusammenfassung Industrie 4.0 umfasst die Vernetzung aller menschlichen und maschinellen Akteure über die komplette Wertschöpfungskette sowie die Digitalisierung und Echtzeitauswertung aller hierfür relevanten Informationen, mit dem Ziel, die Prozesse der Wertschöpfung transparenter und effizienter zu gestalten, um mit intelligenten Produkten und Dienstleistungen den Kundennutzen zu optimieren. Wir legen hier den Schwerpunkt der Definition auf die Vernetzung von Wertschöpfungsketten und die sich daraus ergebende Chance, den Kundennutzen zu steigern. Im Abschlussbericht der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) vom April 2013 wird der Begriff definiert als „… technische Integration von CPS in die Produktion und die Logistik sowie die Anwendung des Internets der Dinge und Dienste in industriellen Prozessen - einschließlich der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Wertschöpfung, die Geschäftsmodelle sowie die nachgelagerten Dienstleistungen und die Arbeitsorganisation“ (Kagermann et al., 2013, S. 8). Diese Definition nennt erste technologische Komponenten und geht in der Zielstellung weiter als die reine Steigerung des Kundennutzens. Als CPS werden cyber-physische Systeme beschrieben, die mithilfe von Sensoren physikalische Daten erfassen, vernetzen und steuerbar machen. Das Internet der Dinge und Dienste ermöglicht die Verknüpfung von physischen Objekten mit dem Internet. Im Kern beschreiben beide Definitionen die gleiche Thematik. Der Begriff Industrie 4.0 diskutiert Chancen der immer weiter steigenden Verschmelzung der physischen und virtuellen Welt. Zu den neuen Technologien zählen beispielsweise Big Data, Ubiquitous Computing oder Clouds, die völlig neue Prozessschritte ermöglichen. Es soll eine vollständige, unternehmensübergreifende Vernetzung sowie Verbindung von Objekten, Menschen und Systemen der kompletten Wertschöpfungskette über den gesamten Lebenszyklus von Produkten realisiert werden. Um dies zu erreichen, ist es von großer Bedeutung, eine vertikale sowie horizontale Vernetzung der Systemlandschaften zu realisieren. Die vertikale Integration beschreibt die komplette Integration innerhalb des Unternehmens, die horizontale die unternehmensübergreifende Vernetzung beispielsweise mit dem Lieferanten oder Kunden. Industrie 4.0 stellt eine Weiterentwicklung bereits bestehender Konzepte, wie dem Lean- oder Supply Chain Management, dar. Das Revolutionäre besteht im Zusammenwachsen der Technologien zu einer Lösung (Roth, 2016, S. 6 f.). Die Smart Factory, zu Deutsch die intelligente Fabrik, ist ein elementarer Bestandteil von Industrie 4.0. Das Internet der Dinge und Dienste ermöglicht die Kommunikation und Vernetzung zwischen Menschen, Maschinen und Materialien. In einer solchen Fabrik würden sich beispielsweise Maschinen je nach Bedarf automatisiert anpassen oder selbstständig Ersatzteile ordern. Die Fabrik ist weniger störanfällig und kann erhebliche Effizienzsteigerungen realisieren. So ist es möglich, kundenindividuelle Produkte bis hin zu Unikaten zu produzieren. Die Smart Factory ist nicht isoliert zu betrachten. Sie ist ein Element einer intelligenten Infrastruktur. Dazu gehören intelligente Produkte, intelligente Logistiklösungen und intelligente Gebäude. Übung 1.15 Schildern Sie die technische internationale Entwicklung von Industrie 1.0 bis 4.0. Übung 1.16 Warum ist Industrie 4.0 für multinationale Unternehmen zukünftig so essenziell? <?page no="86"?> Bearbeitungshinweise zu den Übungen 87 Schlussbetrachtung Nach der Einführung und Historie folgt die Theorie. Die Ursprünge der Internationalisierung sind schon im vorchristlichen Alten Orient, Indien, China und im alten Ägypten zu finden. Wer hätte das gedacht? Dachten wir nicht, wir wären die „Schmiedemeister der Globalisierung“? Die Ursachen für die Globalisierung im wirtschaftlichen Gebiet sind vielfältig. Als wichtige treibende Kräfte der Globalisierung können die folgenden Punkte betrachtet werden: eine zunehmende Liberalisierung der Märkte. - Kooperationstendenzen in Form von Abkommen zwischen Staaten steigen. - Es ist ein Trend zu mehr Freihandelsabkommen, Zollunionen, gemeinsamen Märkten, Wirtschaftsunionen und politischen Unionen zu erkennen (mal schauen, ob das anhält). - Ehemalige Planwirtschaften öffnen sich mehr als früher. - Neue Wettbewerber (südamerikanische und asiatische Schwellenländer) treten auf dem Weltmarkt auf. - Der technologische Fortschritt ist enorm. - Einschneidende politische Umwälzungen (bspw. Ende des Eisernen Vorhangs) machen den Weg für eine freie, weltumspannende Wirtschaftstätigkeit frei. Sie haben die Erklärungsansätze für den Außenhandel kennengelernt und kennen die wichtigsten Internationalisierungsstrategien und -theorien von multinationalen Unternehmen. Nach der Darstellung der Wertkette von Porter folgte ein Praxisbeispiel aus der Textilindustrie. Die Textilindustrie war eine der ersten Branchen, die mehr und mehr im Ausland produzieren ließen. Globalisierung, Internationalisierung, Protektionismus, Freihandel: Wie es in der Welt weitergeht, ist spannend. Einerseits gibt es Tendenzen zum Protektionismus, andererseits wird Freihandel propagiert. Wir würden den Ausblick wagen, dass sich die Globalisierung nicht stoppen lassen wird. Andererseits kann man die Auswirkungen der Corona-Krise noch nicht absehen. Jedoch sind Prognosen immer unsicher; was wir besser können, ist die Vergangenheit zu analysieren. Bearbeitungshinweise zu den Übungen Abschnitt 1.1 1.1. Multinationale Unternehmen sind Unternehmen, die mindestens in zwei Ländern einkaufen, produzieren und/ oder ihre Ware verkaufen. 1.2. Seit mindestens 8.000 - 10.000 Jahren wird internationaler Handel von Unternehmen betrieben. Mit dem internationalen Handel erwarb man Rohstoffe, Produkte, Sklaven usw., die man im eigenen Land nicht oder nur sehr teuer bekommen konnte. <?page no="87"?> 88 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit 1.3. Unter Globalisierung versteht man die gesamte Vernetzung von Unternehmen und Ländern weltweit durch informative, kommunikative, technische, politische und ökonomische Prozesse untereinander. 1.4. Anhand der Umsätze, der Vernetzungen von Unternehmen untereinander, des Rohstoff-, Energie-, Arbeitskräfte- und Warenaustausches, der internationalen Handelsverträge, der Schifffahrt, der Eisenbahnverknüpfungen, der Flugzeugverbindungen, der Wanderungsquoten von Bevölkerungsgruppen usw. kann Internationalisierung und Globalisierung messbar gemacht werden. 1.5. Absoluter Kostenvorteil im Sinne von Adam Smith: Ein Unternehmen kauft in dem Land - Freihandel zwischen den Staaten vorausgesetzt -, in dem die Produkte, Rohstoffe und die menschliche Arbeitskraft aufgrund der internationalen Arbeitsteilung am billigsten sind. Relativer oder komparativer Kostenvorteil: Der englische Nationalökonom David Ricardo hat nachgewiesen, dass der internationale Tauschhandel zur Wohlfahrtssteigerung der Länder beiträgt. Auch wenn man nur die relativen Kostenvorteile von Produktionskosten der entsprechenden Güter zueinander in Vergleich setzt. 1.6. Heckscher (1949) und Ohlin (1933) erläuterten Aussagen über die Wirkung internationalen Handels auf die Faktorpreise getauschter Güter, wonach sich Unterschiede in den Faktorpreisrelationen vermindern und über die Zeit vollständig ausgleichen. 1.7. Vernon betrachtet mit seinem Ansatz nur Direktinvestitionen, was zumindest im Widerspruch zum Heckscher/ Ohlin-Theorem steht, sofern es sich um kapitalintensive Güter handelt. Abschnitt 1.2 1.8. Auswahlkriterien <?page no="88"?> Bearbeitungshinweise zu den Übungen 89 1.9. Für die erfolgreiche Umsetzung einer Global-Sourcing-Strategie müssen seitens der beauftragenden Unternehmen einige Grundvoraussetzungen erfüllt werden, darunter die folgenden:  Das Unternehmen sollte eine gewisse Mindestgröße vorweisen, um nötige Marktforschungs- und Implementierungsaktivitäten vor Ort finanziell bewältigen sowie die nötige datentechnische Infrastruktur über Ländergrenzen hinweg auf- oder ausbauen zu können.  Zudem sind die Kosten durch Reisen und die nötige Reisezeit ungleich höher, als wenn ein lokales oder regionales Unternehmen beauftragt würde.  Das Unternehmen sollte Erfahrungen in der internationalen Beschaffungsorganisation haben und über Mitarbeiter verfügen, die internationaler Verkehrssprachen mächtig sind.  Für das Global Sourcing kommen fast nur Beschaffungsobjekte mit einem hohen Beschaffungsvolumen infrage, da sonst Einsparungen durch (hohe) Transport- und Logistikkosten überkompensiert werden.  Das Unternehmen muss mit deutlich längeren Lieferzeiten rechnen als bei regionaler Beschaffung oder Produktion.  Es ist sinnvoll, mit einer Vielzahl von Lieferanten langfristige Verträge zu vereinbaren, um sich so Rabatte zu sichern, die sonst nur bei der Strategie „wenige Lieferanten - hohe Mengenrabatte“ zu erzielen wären. 1.10. Länderrisiken und Lieferantenrisiken Abschnitt 3 Übung 1.11.  Design und Produktentwicklung  Order  Verkaufsphase  Einkauf  Produktionsprozess  Ausgangslogistik Übung 1.12. In der Bekleidungsindustrie sind die entscheidenden Kriterien bzw. Wettbewerbspotenziale:  die Qualität, zu der produziert werden kann;  der Preis, zu dem produziert werden kann; er wirkt sich direkt auf den Beschaffungspreis aus, zu dem der Handel kauft;  die Kapazität des Lieferanten/ der Manufaktur;  die Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Lieferanten/ der Manufaktur, die Lieferleistung (Pünktlichkeit, Lead Time und Flexibilität);  die Produktionsqualität (dazu zählen u. a. die Produktionsgeschwindigkeit und die Qualität der Produktionsprozesse) sowie  Standortfaktoren, wie Zölle, Tarife, Infrastruktur, politische Rahmenbedingungen etc. <?page no="89"?> 90 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit Übung 1.13. Als die drei entscheidenden Kostentreiber gelten:  laufende Qualitätskontrollen in der Produktion und im Warenausgang des Zulieferers,  Transportkosten,  Supply-Chain-Kosten. Als weitere Kostenkategorien, die bei der Bewertung von Beschaffungskosten zu berücksichtigen sind, gelten:  Logistikkosten,  Kosten, die durch die Interaktion mit lokalen und staatlichen Behörden sowie durch bürokratische Hürden entstehen,  Kosten von Steuern,  Währungsschwankungen. Übung 1.14. <?page no="90"?> Bearbeitungshinweise zu den Übungen 91 Abschnitt 1.5 Übung 1.15 Übung 1.16 Weil alle Unternehmen und Branchen sich weltweit noch stärker digitalisieren müssen, wollen sie international wettbewerbsfähig bleiben. <?page no="91"?> 92 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit Literatur Abecassis-Moedas, C. (2006). Integrating design and retail in the clothing value chain: An empirical study of the organisation of design. 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Wiesbaden: Gabler. <?page no="95"?> 96 1 Grundlagen und Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit Weltbank (Hrsg.). (2014). How we Classify Countries. Verfügbar am 19.07.17 unter http: / / data.worldbank.org/ about/ country-classifications. Wildemann, H. (2006). Global Sourcing - Erfolgsversprechende Strategieableitung. In Th. Blecker & H. G. Gemünden (Hrsg.), Wertschöpfungsnetzwerke. Festschrift für Bernd Kaluza. Berlin: ESV. Zentes, J., Swoboda, B. & Morschett, D. (2004). Internationales Wertschöpfungsmanagement. München: Vahlen. Zentes, J., Swoboda, B. & Foscht, Th. (2012). Handelsmanagement. München: Vahlen. <?page no="96"?> 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen von Prof. Dr. Wilhelm Schmeisser und Prof. Dr. Irene Rath „Multis“ oder multinationale Organisationen gibt es in der heutigen Welt immer mehr. Als klassische „Multis“ werden in der Regel Siemens, Coca Cola, Unilever, Zara u. ä . Unternehmen bezeichnet. Um als multinationales Unternehmen zu gelten, muss das Unternehmen nicht nur länderübergreifend, sondern in sehr vielen Ländern der Erde tätig sein. Wie solche Unternehmen organisiert werden können, wird in diesem Beitrag aufgezeigt. Multinationale Organisationen erfordern eine Zusammenarbeit in internationalen Teams. Solche Unternehmen arbeiten beispielsweise in 40 oder sogar 60 Ländern der Erde, und daher ist zu lösen, wie eine solche Zusammenarbeit gelingen kann. In Abschnitt 2.1 werden die grundsätzlichen Herausforderungen, die an solche Teams gestellt werden, aufgezeigt. In Abschnitt 2.2 geht es um Modelle und Grundlagen internationaler Teams. Abschnitt 2.3 geht auf die Interkulturalität ein. Abschnitt 2.4 zeigt den Zusammenhang zwischen Teams und Interkulturalität. Der letzte Abschnitt dieses Kapitel zeigt auf, wie die Organisation multinationaler Unternehmen in der Praxis aussehen kann. 2.1 Interkulturelle Teams als Erfolgspotenzial und Herausforderung für Unternehmen Lernziele Nach Bearbeitung dieses Abschnitts haben Sie verstanden:  Um als multinationales Unternehmen erfolgreich zu sein, muss man Märkte sowohl global als auch lokal adäquat bedienen können.  Interkulturelle Teams sind sowohl für globale als auch lokale Erfolge multinationaler Unternehmen enorm entscheidend, und zwar besonders im Forschungs- und Entwicklungsbereich innovativer Geschäftsmodelle sowie im Marketingbereich.  Zur Führung interkultureller Teams gibt es keinen universellen Organisationsansatz, sondern vier Organisationsansätze, die sich komplementär ergänzen können. Sie sollten alle vier Organisationsansätze mit ihren Prämissen kennen, und deren komplementäre Organisationsansätze in multinationalen Unternehmen anwenden können. Die Welt unterliegt einem permanenten Wandel. Gab es im Jahr 1993 noch ein weltweites Exporthandelsvolumen von circa 3.684 Milliarden US-Dollar, hat sich dieses binnen zehn Jahren auf 18.301 Milliarden US-Dollar verfünffacht (WTO, 2014, S. 24; Minarsch, 2016). Ursache dafür ist die vielzitierte Globalisierung, die für „eine weltweite Verflechtung der Unternehmensaktivitäten“ (Rothlauf, 2006, S. 3) steht und als Megatrend zur zentralen Herausforderung des 21. Jahrhunderts avanciert. Denn mit der Globalisierung findet nicht nur eine weltweite wirtschaftliche, sondern in gleicher Weise eine technische, kulturelle, politische und ökonomische Verflechtung statt, die die ganze Welt verändert (Eickelpasch & Rademacher, 2004, S. 57 f.). Dies schlägt sich auch in der enormen Anzahl an international tätigen Unternehmen nieder, die sich bereits im Jahr 2008 auf weltweit circa 82.100 transnationale Unternehmen mit über 800.000 Tochterfirmen belief. <?page no="97"?> 98 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Die Globalisierung und die damit verbundene Internationalisierung hat die deutsche Wirtschaft ebenfalls stark verändert. Die Importquote Deutschlands für Waren und Dienstleistungen hat sich seit dem Jahr 1991 mit 39,1 Prozent (2015) fast verdoppelt, während bei der Exportquote mit 46,9 Prozent (2015) sogar eine Verdoppelung zu verzeichnen ist. Produkte und Dienstleistungen werden demzufolge weltweit gehandelt und verkauft, was wiederum neue Herausforderungen für die Unternehmen, besonders im Marketing, im Forschungs- und Entwicklungsbereich und im Produktionsbereich, birgt. Abnehmer und Kunden in verschiedenen Ländern und Kulturen haben unterschiedliche Ansprüche an das Unternehmen und dessen Produkte. Infolgedessen müssen sich die Unternehmen zunehmend bewusstwerden, dass sie Mitarbeiter brauchen, die diese unterschiedlichen Kundenanforderungen kennen und verstehen. Passende Arbeitskräfte müssen die Unternehmen heute nicht mehr nur auf dem landeseigenen Arbeitsmarkt suchen, denn mit der Globalisierung hat sich auch dieser über die nationalen Grenzen ausgedehnt. Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Finaccord haben im Jahr 2013 bereits 50,53 Millionen Menschen außerhalb ihres Heimatlandes gearbeitet und studiert (Finaccord, 2014, S. 16). In Anbetracht der Tatsache, dass die lokalen Grenzen des Arbeitsmarktes aufgebrochen werden, gewinnt nicht nur die Globalisierung, sondern auch die Lokalisierung zunehmend an Bedeutung. Nach Bartlett und Ghoshal gibt es für internationale Unternehmen sowohl den Druck der globalen Integration als auch die Notwendigkeit zur lokalen Anpassung. Die globale Integration geht dabei im Wesentlichen auf Standardisierungserfordernisse ein und steht für eine weltweite Unternehmensstrategie. Die Notwendigkeit lokaler Anpassung hingegen passt die Unternehmensstrategie an die Bedürfnisse des jeweiligen Gastlandes an, um so Differenzierungsvorteile zu generieren. Je nachdem, wie stark die internationalen Unternehmen auf Globalisierungs- und Lokalisierungserfordernisse eingehen, ergeben sich vier Strategien für internationale Geschäftstätigkeiten, wie in Abb. 2.1 dargestellt (Bartlett & Ghoshal, 1990, S. 82 ff.). Abb. 2.1: Internationalisierungsstrategien nach Bartlett und Ghoshal (in Anlehnung an Hutzschenreuter, 2015, S. 397) <?page no="98"?> 2.1 Interkulturelle Teams als Erfolgspotenzial und Herausforderung für Unternehmen 99 Die Globale Strategie steht für globale Effizienz, wobei die Strategien beziehungsweise Ziele zentralisiert und mit Ausrichtung auf den Weltmarkt entwickelt werden. Bei der Internationalen Strategie ist das Ziel, unternehmensinternes Wissen weltweit zu nutzen, indem die Strategien des Heimatlandes auf die anderen Länder übertragen werden - meist zu Beginn einer Internationalisierung. Die Multinationale Strategie stellt sich hingegen auf die unterschiedlichen nationalen Bedingungen und Erfordernisse ein, um so einen internationalen Unternehmenserfolg erzielen zu können. Die Transnationale Strategie hingegen versucht alle drei bereits genannten Strategien zu verbinden, um sowohl die lokale Anpassung als auch die globale Effizienz und die weltweite Lernfähigkeit ausnutzen zu können (Bartlett & Ghoshal, 1990, S. 29 ff.). Gerade bei der Multinationalen Strategie und der Transnationalen Strategie ist es folglich für die Unternehmen wichtig, Mitarbeiter aus verschiedenen Kulturen und Ländern zu beschäftigen, die die lokale Strategie mit der globalen Unternehmensstrategie verknüpfen können. Mit der Globalisierung geht jedoch gleichermaßen eine Entwicklung von neuen Arbeitsformen - sogenannte New Work Formate - einher, die mehr denn je auf Kollaboration und Teamarbeit setzen. Folglich werden auch interkulturelle Teams immer interessanter für die Unternehmen, wie schon Snow, Snell, Davison und Hambrick (1996, S. 66) in ihrer Studie konkludieren: „Transnational teams are at the heart of the globalization process“. Darüber hinaus werden viele Organisationseinheiten, wie beispielsweise Teams, Arbeitsgruppen oder Projektgruppen, in der Arbeitswelt interkulturell zusammengesetzt (Podsiadlowski, 2002, S. 16). Diese interkulturelle Teamarbeit bietet für internationale Unternehmen viele Vorteile aufgrund der unterschiedlichen kulturellen Hintergründe und Wissensgebiete der einzelnen Teammitglieder. Andererseits ist eine interkulturelle Teamarbeit mit verschiedenen Nationalitäten und Kulturen nicht immer einfach umzusetzen. Schnell kommt es dazu, dass in diesen Teams (Watson, Kumar & Michaelsen, 1993, S. 595 f.; Minarsch, 2016; Schmeisser, Reisser, Rolf & Popp, 2014) kulturelle Machtkämpfe ausgetragen werden, es zu Missverständnissen kommt oder das Team aufgrund von unterschiedlichen Perspektiven Effektivitätsverluste zu verzeichnen hat (Köppel, 2007, S. 78 ff.). Govindarajan und Gupta zeigen in ihrer Studie auf, dass in einem Unternehmen nur 18,0 Prozent der 70 untersuchten globalen Teams sehr erfolgreich zusammenarbeiten, während ein Drittel der Teams an ihrer Aufgabe scheitern (Govindarajan & Gupta, 2001, S. 63). Ebenso berichten die Medien täglich von gescheiterten Merger and Acquisitions (M&A), wie beispielsweise Chrysler-Daimler Benz oder Reebok-Adidas, die oftmals in zu großen kulturellen Unterschieden und einem defizitären kulturellen Integrationsmanagement begründet liegen (Syre, 2006, 5. September). Angesichts der weltweiten Entwicklungen hin zur interkulturellen Teamarbeit stellt sich die Frage, auf welche Weise interkulturelle Teams in internationalen Unternehmen effektiv und effizient organisatorisch eingesetzt werden können. Durch die vier Organisationsansätze ergibt sich ein multikontextuales Verständnis, das ergänzt durch praktische Handlungsempfehlungen den Unternehmen bei dem Umgang und dem Einsatz mit interkulturellen Teams eine Hilfestellung bietet. Im weiteren Verlauf werden folgende Thesen geprüft: These 1 Die Unternehmen müssen aufgrund der Einsatzmöglichkeit von interkulturellen Teams eine Makeor-Buy-Entscheidung treffen. These 2 Interkulturelle Teams bedürfen einer teamspezifischen interkulturellen Kommunikation und Führung, um erfolgreich zu sein. <?page no="99"?> 100 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen These 3 In interkulturellen Teams treten spezifische Konflikte auf, deren Lösung organisatorische und kulturspezifische Mechanismen verlangen. These 4 Die Leistung interkultureller Teams lässt sich durch eine adäquate Unternehmenskultur positiv beeinflussen. Zusammenfassung In diesem Abschnitt haben Sie gelernt, dass interkulturelle Teams - gerade unter dem Gesichtspunkt einer sich wandelnden Welt - entscheidend zum Erfolg bzw. Misserfolg eines Unternehmens beitragen können. Multinationale Unternehmen stehen vor dem Dilemma der globalen Integration oder der Notwendigkeit zur lokalen Anpassung. Bartlett und Ghoshal (1990) unterscheiden vier Internationalisierungsstrategien: Globale, Transnationale, Internationale oder Multinationale Strategie. 2.2 Grundlegende Termini und Modelle interkultureller Teamarbeit Lernziele Nach Bearbeitung dieses Abschnitts haben Sie ein Grundverständnis von den grundlegenden Modellen zur interkulturellen Teamarbeit in multinationalen Organisationen. Sie haben abzuschätzen und zu begründen gelernt, was in solchen Teams von überragender Bedeutung ist. Kultur Die Erläuterung und terminologische Eingrenzung des Phänomens Kultur ist bereits „seit langer Zeit Gegenstand verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen“ (Kutschker & Schmid, 2011, S. 671), wie beispielsweise der Psychologie, der Anthropologie oder der Soziologie. In der Management- und Betriebswirtschaftslehre hingegen wurde Kultur lange Zeit nicht als ernsthafter Einfluss auf Mitarbeiter angesehen. Einfluss von Kultur in Unternehmen Erst seit dem Aufkommen des Grundlagenproblems im Management zwischen Universalismus und Kulturismus in den 1960er-Jahren stellt sich auch für Unternehmen, insbesondere internationale Unternehmen, die Frage, wie sich Kultur auf dieselbigen auswirkt. Die Universalisten schließen mit der Culture-free-These den Einfluss von kulturellen Bedingungen auf Unternehmen und deren Management weitestgehend aus. Im Gegensatz dazu gehen die Kulturisten mit der Culture-bound- These davon aus, dass die kulturellen Einflüsse beim Management eines Unternehmens zwingend zu berücksichtigen sind, um organisationsspezifisch die bestmögliche Lösung zu finden (Kutschker & Schmid, 2011, S. 807). <?page no="100"?> 2.2 Grundlegende Termini und Modelle interkultureller Teamarbeit 101 Da keine dieser Thesen generell anwendbar ist, wird entsprechend durch das Management eine Entscheidung für die jeweilige Auffassungsrichtung getroffen (Welge & Holtbrügge, 1998, S. 45). Die Culture-bound-These wird vorzugsweise bei der Betrachtung von Makrovariablen, wie z. B. bei technischen Größen, herangezogen, wohingegen die Culture-free-These bei der Analyse von Mikrovariablen, wie z. B. bei Motivationsprozessen, zum Einsatz kommt (Hüfner, 2003, S. 79). Im Zusammenhang mit dieser Argumentationsgrundlage stellt sich die Frage, was Kultur überhaupt impliziert. Ursprünglich lässt sich der Terminus Kultur auf das lateinische Wort cultura (zu Deutsch: Bearbeitung, Pflege, Anbau) zurückführen, was darauf hindeutet, dass Kultur etwas von Menschen selbst Erschaffenes ist und sich nur durch Pflege weiterentwickeln kann. Eine rein etymologische Herleitung ist in diesem Fall jedoch nicht ausreichend. Es ist deshalb schwierig, eine einheitliche Terminologie herauszustellen, wie Kroeber und Kluckhohn (1963) mit über 160 sehr differierenden Kulturdefinitionen unter Beweis stellen. Für den Bereich der Betriebswirtschafts- und Managementlehre haben Kutschker und Schmid dennoch eine terminologische Grundlage geschaffen, die sich als Synthese der bekannten Definitionen erweist: Kultur ist die Gesamtheit der Grundannahmen, Werte, Normen, Einstellungen und Überzeugungen einer sozialen Einheit, die sich in einer Vielzahl von Verhaltensweisen und Artefakten ausdrückt und sich als Antwort auf die vielfältigen Anforderungen, die an diese soziale Einheit gestellt werden, im Laufe der Zeit herausgebildet hat (Kutschker & Schmid, 2011, S. 674). „In meiner Zeit bei IBM habe ich gelernt, dass Kultur das Wichtigste ist“ (Louis V. Gerstner Jr.) (Marcouse et al., 2015, S. 107). Kulturmerkmale Zur genaueren Kulturcharakterisierung bietet sich eine Betrachtung von unterschiedlichen Merkmalen an. Ebenen von Kultur Eine Merkmalsspezifizierung liefert Osgood (1951), bei dem Kultur durch zwei Ebenen abgebildet werden kann: die „Concepta-“ und die „Percepta-Ebene“. Die Concepta-Ebene bezieht sich auf kulturelle Phänomene, die nicht direkt beobachtbar und wahrnehmbar sind. Diese mentale Kulturebene beinhaltet das tiefliegende Fundament der Kultur, also beispielsweise Einstellungen, Werte und Normen. Die Percepta-Ebene hingegen steht für die beobachtbaren und wahrnehmbaren Phänomene von Kultur. Dazu zählt die materielle Kultur, wie Gegenstände oder Artefakte, und die soziale Kultur, wie Sprache oder Verhaltensweisen. Eine bildliche Analogie stellt der Eisberg dar, wobei die Percepta-Ebene als klar erkennbare Spitze des Eisberges bezeichnet werden kann, während die Concepta-Ebene den größten Teil des Eisberges widerspiegelt, die sich unter der Wasseroberfläche einer direkten Beobachtung entzieht (ebd., S. 209 ff.). Wandelbarkeit von Kultur Ein statischer Charakter ist bei Kultur vergeblich zu suchen. In der Vergangenheit entstanden, passt sie sich jedoch der Gegenwart und Zukunft an, wodurch ihr eine gewisse Wandlungsfähigkeit zugesprochen werden kann (Keller, 1982, S. 118). Für diese dynamische Anpassung besteht eine Notwendigkeit, die in gegenwärtigen Umständen und Trends begründet liegt, um den Ansprüchen der Menschen genügen zu können. Gerade im Themenbereich Arbeit kann diese kulturelle Anpassungsfähigkeit, die den Wandel von einer Arbeitsorientierung zu einer Freizeitorientierung zugelassen hat (Opaschowski, 1988, S. 32 ff.), beobachtet werden. <?page no="101"?> 102 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Erlernbarkeit von Kultur Jeder Mensch wird in eine primäre Kultur hineingeboren und eignet sich im Zuge seines Sozialisationsprozesses eine eigene Kultur an. Dieser Prozess wird auch Enkulturation genannt und erlaubt es, sich in seiner Kultur zurechtzufinden und zu wissen, was in dieser richtig und falsch ist. Allerdings stoßen die Menschen an Grenzen der kulturellen Erlernbarkeit, wenn sie sich eine zweite oder dritte Kultur aneignen wollen. Zwar können sie versuchen, diese Kultur zu verstehen und sich ihr anzupassen, jedoch wird dieser Akkulturationsprozess aufgrund der eigenen Primärkultur nie vollständig funktionieren, da sich die grundlegenden Handlungsmuster nie komplett ändern lassen (Kumbruck & Derbroven, 2015, S. 104). Abb. 2.2 zeigt diesbezüglich, dass Kultur klar von der Persönlichkeit und der allgemeinen menschlichen Natur abzugrenzen ist. Die menschliche Natur wird universell von allen Individuen durch ihre Gene ererbt und bildet dabei die Basis, analog zum Betriebssystem eines Computers. Die Persönlichkeit besteht hingegen aus individuellen und einzigartigen Kombinationen an Merkmalen, die teilweise vererbt und teilweise durch den Einfluss der Kultur und der persönlichen Erfahrungen erlernt sind. Abb. 2.2: Drei Ebenen der Verhaltensprägung nach Hofstede (in Anlehnung an Hofstede & Hofstede, 2011, S. 5) Handlungsbeeinflussende Kulturwirkung In ergänzender Betrachtung ist Kultur in erster Linie das Produkt von menschlichen Handlungen, da sie erst durch diese entsteht. Allerdings wird auch der Mensch in seinen Handlungen von bereits bestehender und geschaffener Kultur beeinflusst (Clarke, Jefferson & Roberts, 1979, S. 42). An dieser Stelle kann von einer wechselseitigen Beeinflussung der zuvor beschriebenen Concepta- und Percepta-Ebene gesprochen werden, die dergestalt ist, dass Kultur gleichzeitig einen „Einfluss- oder auch Restriktionsfaktor für Handlungen“ (Kutschker & Schmid, 2011, S. 676) darstellt. Kollektivitätscharakter von Kultur Jedes Individuum hat seine eigene Persönlichkeit und unterscheidet sich somit von anderen Individuen seiner Kultur, dennoch „bestehen Ähnlichkeiten zwischen den Persönlichkeitsstrukturen der Mitglieder gleicher Kultur[en]“ (Kammel & Teichelmann, 1994, S. 35). Die jeweilige Kultur gibt den Menschen gewisse Standards vor, an die sie sich halten und an denen sie sich orientieren können, <?page no="102"?> 2.2 Grundlegende Termini und Modelle interkultureller Teamarbeit 103 wie beispielsweise Fühl-, Denk- oder Handlungsmuster (Götz & Bleher, 2006, S. 13). Hofstede spricht an dieser Stelle von Kultur als „kollektive Programmierung des Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von Menschen von einer anderen unterscheidet“ (Hofstede & Hofstede, 2011, S. 4). Die Wortwahl Programmierung verdeutlicht, dass es für die Individuen sogar einen Druck gibt, dieser kollektiven Kultur zu folgen, um Mitglied einer spezifischen Gruppe zu sein. „Culture is for a group what personality is for an individual“ (Laurent, 1991, S. 1). Trotzdem ist jeder Mensch nicht nur Mitglied einer, sondern vieler verschiedener Kulturen. Quellen für diese einzelnen Kulturen können beispielsweise Erziehung, Familie, Nationalität, Geschlecht oder das Unternehmen, in welchem sich der Arbeitsplatz befindet, sein (Usunier & Walliser, 1993, S. 30). Aufgrund der verschiedenen Merkmale von Kultur kann konstatiert werden, dass Kultur viele Funktionen besitzt, wobei die Orientierungsfunktion als wichtigste herausgehoben werden muss. Demzufolge gibt Kultur etwas vor, an das sich gehalten werden kann - sie legt gewisse Regeln fest, zeigt, was gut und böse ist, und hilft, sich in der Welt zurechtzufinden. Kulturelemente Der Aufbau einer Kultur und ihrer Merkmale lässt sich durch das Kulturzwiebelmodell von Hofstede darstellen (Hofstede & Hofstede, 2011, S. 8 ff.). Demnach offenbart sich eine Kultur durch Symbole, Helden, Rituale und Werte, wie in Abb. 2.3 dargestellt. Abb. 2.3: Kulturzwiebelmodell nach Hofstede (in Anlehnung an Hofstede & Hofstede, 2011, S. 8) Die dabei gewählte Form einer Zwiebel für das Kulturmodell skizziert bereits den Aufbau einer Kultur. Um die darunterliegenden Schichten zu verstehen, ist eine Kultur von außen nach innen zu begreifen. Die Praktiken mit ihren Bestandteilen Symbole, Helden und Rituale sind sichtbar und klar zu erfassen, genau wie bei der bereits vorgestellten Percepta-Ebene. Doch um sie zu verstehen, bedarf es eines weiteren Vordringens bis hin zu den Werten, die nicht sichtbar sind und mit der Concepta-Ebene verglichen werden können. Der erste Eindruck einer Kultur wird bei Hofstede durch die äußerste und sichtbarste Schicht der Symbole gewonnen. „Symbole sind Worte, Gesten, Bilder oder Objekte, die eine bestimmte Bedeutung haben, welche nur von denjenigen als solche erkannt wird, die der gleichen Kultur angehören“ (Hofstede & Hofstede, 2011, S. 8). Mögliche Symbole können beispielsweise Sprache, Architektur, <?page no="103"?> 104 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Kunst oder Kleidung sein, die durch kulturfremde Individuen wahrgenommen und als Realität erfasst werden (Blom & Meier, 2004, S. 41). Die zweite Schicht des Modells bilden die Helden als Verbindung zwischen Symbolen und Ritualen. „Helden sind Personen, tot oder lebend, echt oder fiktiv, die Eigenschaften besitzen, die in einer Kultur hoch angesehen sind“ (Hofstede & Hofstede, 2011, S. 9). Die in der jeweiligen Kultur lebenden Menschen nehmen oft auf ihre Helden Bezug, ohne dass Außenstehende die Anspielungen verstehen können. Die dritte und letzte Schicht der sichtbaren Praktiken bilden die Rituale, die „kollektive Tätigkeiten [repräsentieren], die für das Erreichen der angestrebten Ziele eigentlich überflüssig sind, innerhalb einer Kultur aber als sozial notwendig gelten: sie werden daher um ihrer selbst willen ausgeübt“ (ebd.). Solche Rituale können beispielsweise nationale Feiertage oder Karnevalsumzüge sein. Die tiefste Ebene der Kultur bilden die Werte, die für eine „allgemeine Neigung [stehen], bestimmte Umstände anderen vorzuziehen. Werte sind Gefühle mit einer Orientierung zum Plus- oder zum Minuspol hin“ (ebd.). Somit sind Werte der grundlegende Kern einer Kultur, der auch von den eigenen Mitgliedern der Kultur nur sehr schwer erfasst oder gar sprachlich ausgedrückt werden kann. Sie bestimmen, was die Menschen als gut oder schlecht empfinden, und drücken sich beispielsweise auch in religiösen Einstellungen aus. Kulturdimensionen von Hofstedes empirischer Studie Hofstedes umfangreiche Studie und aufgrund seiner unterschiedlichen Herangehensweisen im Umgang mit Fragestellungen zur Kultur wird im Folgenden das empirische Modell von Hofstede ausführlich behandelt. Abb. 2.4: Kulturdimensionen nach Hofstede (in Anlehnung an die Ausführungen von Hofstede, Hofstede & Minkov, 2010) <?page no="104"?> 2.2 Grundlegende Termini und Modelle interkultureller Teamarbeit 105 Hofstede befragte in den 1960er- und 1970er-Jahren über 116.000 Mitarbeiter des Unternehmens IBM in über 70 Ländern per Fragebogen zu dem Thema Kulturdimensionen. Nach Kutschker und Schmid zielte Hofstede darauf ab, „Dimensionen herauszuarbeiten, mit denen man Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Ländern darstellen kann“. Als Ergebnis der Faktor- und Varianzanalyse fand Hofstede vier Dimensionen heraus, die 49 Prozent der Gesamtvarianz und somit einen Großteil der kulturellen Unterschiede erklären. Aufgrund der Ergebnisse späterer Studien fügte Hofstede dem Modell zwei weitere Dimensionen hinzu (Huber, Kornmann & Köksecen, 2016, S. 27), weshalb hier von sechs Dimensionen ausgegangen wird, die auch in Abb. 2.4 dargestellt sind. Machtdistanz Die erste Kulturdimension ist die Machtdistanz, die das Ausmaß beschreibt, „bis zu welchem die weniger mächtigen Mitglieder von Institutionen bzw. Organisationen eines Landes erwarten und akzeptieren, dass Macht ungleich verteilt ist“ (Hofstede & Hofstede, 2011, S. 57 f.). Konkret geht es um die Frage, inwiefern die Mitglieder von verschiedenen Kulturen einen gewissen Machtunterschied tolerieren, wie Tab. 2.1 mit Beispielen aufzeigt. So können in Ländern mit hoher Machtdistanz (z. B. Mexiko) viele Hierarchiestufen, Statussymbole und eine zentrale Entscheidungsfindung in Unternehmen beobachtet werden. Die meisten europäischen Länder hingegen weisen eine geringe Machtdistanz auf, was sich auch in der Einbeziehung der Mitarbeiter in Unternehmen zeigt (Kutschker & Schmid, 2011, S. 720 ff.). Tab. 2.1: Beispiele unterschiedlicher Wertehaltung in Bezug auf Machtdistanz (in Anlehnung an Weidmann, 1995, S. 45) Gesellschaften mit niedriger Machtdistanz Gesellschaften mit hoher Machtdistanz  Mitbestimmung  Gleiche Rechte für alle  Tendenz zur Delegation von Aufgaben und Verantwortung  Kreative, erkenntnisbildende Lernmethoden  Eltern werden eher wie Partner behandelt  Machtgebrauch/ Machteinsatz muss legitimiert sein (Wahlen, Kompetenz)  Autokratie  Mächtige genießen Privilegien  Tendenz zur Zentralisation von Entscheidungen und Verantwortung  Reproduzierende Lernmethoden  Eltern werden als Respektsperson behandelt  Macht geht vor Recht, Macht ist vererbbar; stützt sich z. T. auf Gruppen- oder Familienclans Unsicherheitsvermeidung Die zweite Dimension wird als Unsicherheitsvermeidung bezeichnet. Für Hofstede zeigt diese den „Grad, bis zu dem die Mitglieder einer Kultur sich durch uneindeutige oder unbekannte Situationen bedroht fühlen“ (Hofstede & Hofstede, 2011, S. 220). Tab. 2.2 verdeutlicht in diesem Zusammenhang, dass eine Kultur mit starker Unsicherheitsvermeidung (z. B. Japan) versucht, die Zukunft unter Kontrolle zu halten und Konflikte zu vermeiden, indem sie viele Regeln, Gesetze und Vorschriften erlässt. Kulturen mit schwacher Unsicherheitsvermeidung (wie Irland oder Schweden) legen hingegen mehr Wert auf verschiedene Meinungen und Toleranz gegenüber fremden Kulturen, sodass in Unternehmen auch mehr Innovationen entstehen können (Rothlauf, 2006, S. 32). <?page no="105"?> 106 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Tab. 2.2: Beispiele unterschiedlicher Wertehaltung in Bezug auf Unsicherheitsvermeidung (in Anlehnung an Weidmann, 1995, S. 49) Gesellschaften mit schwacher Unsicherheitsvermeidung Gesellschaften mit starker Unsicherheitsvermeidung  Internationalismus, Offenheit für „Fremdes“  Toleranz, Meinungsvielfalt  Innovationsbereitschaft  Flexible Organisation und Arbeitsgestaltung  „Was nicht verboten ist, ist erlaubt“  Abweichungen von der Norm sind interessant  Nationalismus, Xenophobie 1  Dogmatismus  Widerstand gegen Veränderung  Formalisierung und Standardisierung  „Was nicht erlaubt ist, ist verboten“  Abweichungen von der Norm sind gefährlich Individualismus versus Kollektivismus Die dritte Dimension bezeichnet die Spannung zwischen Individualismus und Kollektivismus. In individualistischen Gesellschaften (z. B. USA) sind die Beziehungen zwischen den Menschen unabhängiger Natur. Ebenso tragen die Individuen jener Gesellschaften nur Verantwortung für sich selbst und enge Familienangehörige. In der Arbeitswelt wird der Arbeitsaufgabe und der Selbstverwirklichung eine höhere Bedeutung beigemessen als der Beziehung zu den Kollegen. In einer kollektivistisch geprägten Kultur (bspw. Pakistan) spielt hingegen die Eigenschaft Loyalität eine große Rolle. Eine starke Orientierung an der eigenen Gruppe und die Fürsorge für andere Personen in der gleichen Gruppe (bspw. Großfamilie oder Arbeitsteam) stehen an dieser Stelle im Fokus, wie die Gegenüberstellung von weiteren Wertehaltungen in Tab. 2.3 herausstellt (Emrich, 2014, S. 39). Tab. 2.3: Beispiele unterschiedlicher Wertehaltung in Bezug auf Kollektivismus und Individualismus (in Anlehnung an Weidmann, 1995, S. 46) Kollektivistische Gesellschaften Individualistische Gesellschaften  Identität durch Gruppen- und Firmenzugehörigkeit  Politische Macht wird von Interessengruppen ausgeübt  Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung ist moralisch fundiert (z. T. lebenslange Beschäftigung/ Betriebstreue)  „Lernen“ wird nur auf die Jugend bezogen  Harmonie, Respekt, Scham  Fremdbestimmung  Identität durch berufliche, gesellschaftliche Einbindung  Politische Macht wird von Wählern ausgeübt  Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung ist zweckbezogen und vertraglich fundiert (Arbeitsmarkt)  Permanente Weiterbildung  Schuldgefühle  Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung 1 Xenophobie bedeutet Fremdenfeindlichkeit und Dogmatismus bezeichnet ein unkritisches bzw. starres Festhalten an Meinungen oder Anschauungen. <?page no="106"?> 2.2 Grundlegende Termini und Modelle interkultureller Teamarbeit 107 Maskulinität versus Femininität Durch die vierte Dimension werden Gesellschaften nach ihrer Maskulinität bzw. Femininität unterschieden. Ist eine Kultur eher maskulin (wie Japan), so bedeutet dies, dass jene Gesellschaft viel Wert auf ein selbstbewusstes Auftreten legt. Es geht dabei meist um materielle und harte Werte, wie Ehrgeiz, Karriereorientierung und ein hohes Einkommen. In feministisch orientierten Kulturen (wie Schweden) geht es eher um die Lebensqualität an sich, wie Tab. 2.4 mit einigen Beispielen herausstellt. Die Menschen dieser Kultur nehmen mehr Rücksicht aufeinander und sind bescheiden, wodurch es vorrangig zu Kompromissen und Kooperationen kommt (Rothlauf, 2006, S. 31 f.). Tab. 2.4: Beispiele unterschiedlicher Wertehaltung in Bezug auf Maskulinität und Femininität (in Anlehnung an Weidmann, 1995, S. 48) Feminine Gesellschaften Maskuline Gesellschaften  Prinzip: Solidarität  Wohlfahrtsstaat als Ideal  Intuition  Anpassungsbereitschaft  „Arbeiten, um zu leben“  Bescheidenheit  Prinzip: Konkurrenz  Leistungsgesellschaft als Ideal  Aggression  Durchsetzungsvermögen  „Leben, um zu arbeiten“  Stolz Langzeitorientierung versus Kurzzeitorientierung Die fünfte Dimension betrachtet die langfristige bzw. kurzfristige Orientierung von Kulturen, wie Tab. 2.5 durch einige Beispiele verdeutlicht. Eine kurzfristig orientierte Gesellschaft (wie Kanada) zeichnet sich durch Merkmale wie Respekt vor der Tradition und Wahrung des Gesichts aus. Langfristig orientierte Länder (wie China) werden eher durch Beharrlichkeit, Respekt vor Rangordnungen, langfristigen Unternehmensstrategien und einer hohen Investitionstätigkeit charakterisiert. Tab. 2.5: Beispiele unterschiedlicher Wertehaltung in Bezug auf Langzeit- und Kurzzeitorientierung (in Anlehnung an Weidmann, 1995, S. 50) Gesellschaften mit Kurzzeitorientierung Gesellschaften mit Langzeitorientierung  Ungeduld, kurzfristige Erfolge  Normativismus 2  Tendenz zur absoluten Wahrheit  Eigene Ziele dominieren, Abneigung gegen Fremdbestimmung  Bewahrung von Traditionen  Ausdauer, langfristige Zielverfolgung  Pragmatismus  Viele „Wahrheiten“ (Abhängig von Zeit, Ort, Gegebenheit)  Bereitschaft, sich einem kollektiven Zweck unterzuordnen  Pragmatische Anpassung von Traditionen 2 Während der Normativismus die Vernunft vor die Theorie stellt, ist dies beim Pragmatismus umgekehrt und Handeln wird vor die Vernunft gestellt. <?page no="107"?> 108 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Gesellschaften mit Kurzzeitorientierung Gesellschaften mit Langzeitorientierung  Hohe Investitionen für schnelle Entwicklung (Verschuldung)  Haushalten zur Zukunftssicherung (Sparen) Beherrschung versus Nachgiebigkeit In Ergänzung zur fünften Dimension übernahm Hofstede von Minkov die bislang letzte und sechste Dimension, die ein Spektrum zwischen Beherrschung und Nachgiebigkeit aufspannt. Demnach streben Gesellschaften, die einen nachgiebigen Charakter aufweisen (wie z. B. die USA) danach, ihr Leben frei zu gestalten, Spaß an Freizeitaktivitäten zu haben und ihre eigenen Wünsche und Gefühle zu erfüllen. Gesellschaften mit großer Beherrschung (z. B. China) schränken sich hingegen stark ein, indem Spaß, Genuss oder freie Sexualität als verpönt gelten (Hofstede, Hofstede & Minkov, 2010, S. 277 ff.). Kritische Betrachtung der Kulturdimensionen von Hofstede Neben dem vorgestellten Modell von Hofstede gibt es weitere Studien, die andere Dimensionen für einen Landeskulturvergleich identifizieren (Trompenaars & Hampden-Turner, 2012). So bezieht sich beispielsweise Hall in seinen Kulturdimensionen auf unterschiedliche Aspekte der Kommunikation innerhalb von Kulturen. Für ihn hat Kultur vier verschiedene Dimensionen. Die erste Dimension Kontextorientierung verweist auf die Mindestmenge an Information, welche gebraucht wird, damit der Empfänger die Botschaft versteht. Die zweite Dimension Raumorientierung sagt aus, welche Privatsphäre und welches Territorium eine Kultur benötigt, um sich wohlzufühlen. Die dritte Dimension Zeitorientierung veranschaulicht eine Tendenz zu linearen Zeitabschnitten (monochrone Zeitauffassung) oder eine Annahme von verschwimmenden Zeitfenstern (polychrone Zeitauffassung). Mit der vierten Dimension Informationsgeschwindigkeit verweist Hall auf die unterschiedliche Geschwindigkeit, mit welcher Informationen in der Kommunikation codiert und decodiert werden (Hall, 1990, S. 3 ff.) Hofstede wird kritisch die Prägung seiner Studie durch die westliche Kultur und eine mangelnde Trennschärfe zwischen den Dimensionen vorgehalten. Jedoch bringen Kutschker und Schmid (2011) auch die Bedeutsamkeit der Studie zum Ausdruck. Hofstede erreichte mit seiner Studie einen großen Stichprobenumfang, welcher so nie durch andere Studien erreicht werden konnte. Auch die Tatsache, dass kaum eine Studie so oft zitiert und als Basis für weitere Arbeiten und Untersuchungen herangezogen wurde, zeugt von ihrem großen Einfluss (ebd., S. 731 ff.) Übung 2.1 Definieren Sie den Fachbegriff Kultur. Übung 2.2 Warum ist die empirische Studie von Hofstede bis heute so bedeutsam? Übung 2.3 Erläutern Sie die Kulturdimensionen von Hofstede. <?page no="108"?> 2.3 Interkulturalität 109 2.3 Interkulturalität Um Kulturen getrennt voneinander vergleichen zu können, gilt es zu wissen, was Kultur prägt. In den meisten Situationen treffen zwei oder mehrere Kulturen direkt aufeinander und es entstehen sogenannte kulturelle Überschneidungssituationen, die nur durch einen interkulturellen Hintergrund verstanden werden können. 2.3.1 Kulturelle Überschneidungssituationen Kulturelle Überschneidungssituationen entstehen, wenn Menschen aus zwei unterschiedlichen Kulturen aufeinandertreffen und sich eine Situation ergibt, „in der sie nicht allein aus einem kulturspezifischen Orientierungssystem heraus agieren können, sondern es mit zwei unterschiedlichen Orientierungssystemen zu tun haben, die mehr oder weniger deutlich wahrgenommen werden können“ (Thomas, 2005, S. 44). Die Eigenheit liegt darin begründet, dass beide Individuen in der Situation aufgrund ihres eigenkulturellen Orientierungssystems handeln, sich dessen aber keineswegs bewusst sind. Sie wähnen sich im Recht, das Richtige zu tun und werten das Verhalten des Gegenübers als falsch, da sie dessen kulturelles Orientierungssystem zunächst weder erkennen noch verstehen können. Wie Abb. 2.5 zeigt, müssen sich das vertraute Eigene und das ungewisse Fremde erst annähern, um einen Raum „der Nichteindeutigkeit, Vagheit und Neuartigkeit, der bedrohlich, aber auch anregend wirken kann“ (Thomas, 2005, S. 46), zu überwinden. Denn nur so kann das Fremde für das Eigene an Bedeutsamkeit gewinnen und eine gewisse Wechselwirkung entstehen, damit Kultur und Interkulturalität erfahrbar werden: „Kultur erfährt man immer über den Kontrast des Fremden mit dem Eigenen. Unsere eigene Welt kommt durch Eingrenzung von Vertrautem und Ausgrenzung von Fremden überhaupt erst zustande; man wird sich dem Eigenen, der eigenen Kultur, genauso bewusst wie dem Fremden“ (Brandenburger, 1995, S. 32 f.). Abb. 2.5: Dynamik kultureller Überschneidungssituationen (in Anlehnung an Thomas, 2005, S. 46) Daraus ergeben sich drei Anforderungen an die Bewältigung kultureller Überschneidungssituationen, um gemeinsam interkulturelle Synergieeffekte erzielen und etwas Neues kreieren zu können. Zunächst ist ein Kennenlernen des eigenkulturellen Orientierungssystems vonnöten. Im Zuge <?page no="109"?> 110 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen dessen gilt es vor allem, das eigene Denken, Verhalten und Wahrnehmen zu reflektieren und zu verstehen. Darüber hinaus besteht die Notwendigkeit, dass als zweite Anforderung auch das fremdkulturelle Orientierungssystem verstanden und anerkannt wird. Als dritte und schwierigste Anforderung bedarf es dann einer Abstimmung von dem Fremden mit dem Eigenen, was einen Perspektivenwechsel und eine Distanz zum Gewohnten mit sich bringt (Thomas, 2005, S. 49 ff.). Die Verhaltensregulationen unterscheiden sich in der Praxis jedoch stark voneinander, wie Bochner (1982) in Forschungen zum Thema Dynamik in kulturellen Überschneidungssituationen herausstellt. Je nach eigenem kulturellen Orientierungssystem und eigenen Erfahrungen kommt eines von vier Verhaltenskonzepten zum Tragen: Dominanzkonzept, Assimilationskonzept, Divergenzkonzept oder Synthesekonzept. Bei dem Dominanzkonzept wird ein Anpassungsdruck auf den Partner ausgeübt und die eigene Kultur der Fremden als überlegen angesehen. Im Zuge des Assimilationskonzepts findet das Gegenteil statt und eine Kultur unterwirft sich der anderen, indem sie deren Normen und Werte freiwillig übernimmt. Kommt das Divergenzkonzept zum Tragen, so werden beide Kulturen als bedeutsam angesehen, wobei die Werte und Normen so gegensätzlich sind, dass ständig zwischen dem eigen- und fremdkulturellen Orientierungssystem geschwankt wird und große Verunsicherungen entstehen. Nur wenn das Synthesekonzept als Verhalten beider Kulturen zum Vorschein kommt, kann es gelingen, ein gemeinsames kulturelles Orientierungssystem mit neuen Normen und Werten hervorzubringen und das Interkulturelle aufblühen zu lassen (Thomas, 2005, S. 47 f.). 2.3.2 Terminologische Grundlagen von Interkulturalität Der Terminus Interkulturalität resultiert aus kulturellen Überschneidungssituationen, die keine terminologische Eingrenzung begründen. Diese kann jedoch durch die lateinische Ableitung erfolgen. Demnach setzt sich Interkulturalität aus dem bereits erörterten Terminus cultura (zu Deutsch: Anbau, Bearbeitung, Pflege) und dem Begriff inter (zu Deutsch: zwischen) zusammen. Diese zwischenkulturelle Bedeutung deckt sich mit den Herleitungen aus der kulturellen Überschneidungssituation und deutet gleichzeitig auf eine Interaktion oder einen Prozess zwischen zwei oder mehreren Kulturen hin (Broszinsky-Schwabe, 2011a, S. 86). Eine ähnliche Auffassung vertritt auch die UNESCO, die in ihrem Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen. Interkulturalität wie folgt definiert: „,Interkulturalität‘ bezieht sich auf die Existenz verschiedener Kulturen und die gleichberechtigte Interaktion zwischen ihnen sowie die Möglichkeit, durch den Dialog und die gegenseitige Achtung gemeinsame kulturelle Ausdrucksformen zu schaffen“ (U- NESCO, 2005, Art. 4 Nr. 8). Neben der Bezeichnung interkulturell findet sich in der Literatur eine Vielfalt ähnlicher Termini, wie die deutschen Bezeichnungen multikulturell und transkulturell oder die englischen Bezeichnungen cross-cultural, intercultural, multicultural, diversity und teilweise auch transnational (Schneider & Hirt, 2007, S. 44). Jeder dieser Begriffe hat eine ganz eigene Bedeutung und lässt sich dadurch von den anderen abgrenzen. Für ein angemessenes und erfolgreiches Aufeinandertreffen mehrerer Kulturen bedarf es einer interkulturellen (Handlungs-)Kompetenz aller Beteiligten als notwendige Voraussetzung. Thomas definiert den Begriff wie folgt: Interkulturelle Kompetenz zeigt sich in der Fähigkeit, kulturelle Bedingungen und Einflussfaktoren im Wahrnehmen, Urteilen, Empfinden und Handeln bei sich selbst und bei anderen Personen zu erfassen, zu respektieren, zu würdigen und produktiv zu nutzen im Sinne einer wechselseitigen Anpassung, von Toleranz gegenüber Inkompatibilitäten und einer Entwicklung hin zu synergieträchtigen Formen der Zusammenarbeit, des Zusammenlebens und handlungswirk- <?page no="110"?> 2.3 Interkulturalität 111 samer Orientierungsmuster in Bezug auf Weltinterpretation und Weltgestaltung (Thomas, 2003, S. 143). Dabei ist die interkulturelle Kompetenz der Bezugsfaktor für fachliche, strategische, soziale und individuelle Kompetenzen, wie Abb. 2.6 verdeutlicht. Abb. 2.6: Modell der interkulturellen Kompetenz nach Bolten (in Anlehnung an Bolten, 2006, S. 65) Nach Gertsen (1990) lässt sich die interkulturelle Kompetenz in drei Dimensionen aufteilen, die der Übersicht in Tab. 2.6 zu entnehmen sind. Die affektive Dimension bezieht sich auf die Bewusstseinsebene. Es geht vor allem darum, sensibel für kulturelle Situationen zu sein, diese zu durchschauen und „eventuell auftretende Probleme als kulturbedingt zu erkennen“ (Pernet, 2005, S. 14). Entscheidend dabei ist beispielsweise eine Vorurteilsfreiheit und Toleranz gegenüber anderen Kulturen. Bei der kognitiven Dimension geht es um interkulturelles Wissen, welches das Wissen über Unterschiede, Problempotenziale, aber auch Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen, durch welche die Komplexität einer Kultur verstanden werden kann, umfasst. Die verhaltensbezogene Dimension bezieht sich auf die interkulturelle Handlungskompetenz, die es erlaubt, in interkulturellen Situationen effektiv zu handeln und Konflikte zu umgehen. Das Auftreten ist an dieser Stelle durch eine Handlungssicherheit und eine gute Kommunikationsfähigkeit geprägt (Gertsen, 1990, S. 346). <?page no="111"?> 112 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Tab. 2.6: Dimensionen der interkulturellen Kompetenz nach Gertsen (in Anlehnung an Bolten, 2006, S. 63) Affektive Dimension Kognitive Dimension Verhaltensbezogene Dimension  Ambiguitätstoleranz  Frustrationstoleranz  Fähigkeit zur Stressbewältigung und Komplexitätsreduktion  Selbstvertrauen  Empathie, Rollendistanz  Vorurteilsfreiheit, Offenheit, Toleranz  Geringer Ethnozentrismus  Akzeptanz/ Respekt gegenüber anderen Kulturen  Interkulturelle Lernbereitschaft  Verständnis des Kulturphänomens in Bezug auf Wahrnehmung, Denken, Einstellungen sowie Verhaltens- und Handlungsweisen  Verständnis fremdkultureller Handlungszusammenhänge  Verständnis eigenkultureller Handlungszusammenhänge  Verständnis der Kulturunterschiede der Interaktionspartner  Verständnis der Besonderheiten interkultureller Kommunikationsprozesse  Metakommunikationsfähigkeit  Kommunikationswille und bereitschaft i. S. der initiierenden Praxis der Teilmerkmale der affektiven Dimension  Kommunikationsfähigkeit  Soziale Kompetenz (Beziehungen und Vertrauen zu fremdkulturellen Interaktionspartnern aufbauen können) 2.4 Teams und Interkulturalität In Unternehmen sind Situationen, die eine interkulturelle Kompetenz erfordern, oftmals in Verhandlungen mit Geschäftspartnern oder beim Kontakt mit Kunden vorzufinden, wobei Interkulturalität bei der Zusammenarbeit in Teams die wohl prägnanteste Rolle einnimmt. 2.4.1 Terminologische Grundlagen von Teams In der Literatur findet sich, wie bei dem Begriff Kultur, keine einheitliche Terminologie von Team. Vielmehr existiert eine Diskussion darüber, ob ein Unterschied zwischen einer Gruppe und einem Team besteht. So wird eine Gruppe meist nach der Definition von Rosenstiel abgegrenzt, wonach eine Gruppe eine „Mehrzahl von Personen in direkter Interaktion, über eine längere Zeitspanne, bei Rollendifferenzierung und gemeinsamen Normen, verbunden durch ein Wir-Gefühl“ (Rosenstiel, 1992, S. 261) ist. Der Teambegriff geht über die Merkmale einer Gruppe hinaus, indem ein Team im Gegensatz zu einer Gruppe ein gemeinsames Ziel bzw. eine gemeinsame Aufgabe verfolgt. Katzenbach und Smith stellen darüber hinaus fest, dass Teams einen kooperativen Arbeitsstil besitzen und sich die Fähigkeiten der Teammitglieder ergänzen (Katzenbach & Smith, 1993, S. 68 ff.). Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Bezeichnung Team die Merkmale einer Gruppe miteinschließt, weshalb die Feststellung „jedes Team ist auch eine Gruppe, aber nicht jede Gruppe ist ein Team“ (Frech, 1996, S. 296) zutreffend ist. <?page no="112"?> 2.4 Teams und Interkulturalität 113 2.4.2 Entwicklungsstadien von Teams Ein erfolgreiches Team ist allerdings nicht sofort nach der Zusammenstellung gegeben. Vielmehr muss sich dieses Team erst selbst finden und dafür Entwicklungsphasen durchlaufen, um wirklich effektiv zu arbeiten. Tuckman (1965) hat diese Entwicklungsphasen in seinem Teambildungsmodell zusammengefasst. Demnach gibt es fünf Phasen, die in Abb. 2.7 dargestellt sind. Abb. 2.7: Phasenmodell der Teamentwicklung nach Tuckman (in Anlehnung an Brodbeck, 2007, S. 429) Die Forming-Phase kann auch als Entstehungsphase bezeichnet werden. Die Teammitglieder orientieren sich und lernen sich untereinander kennen. Gegenseitige Erwartungen und Eigenschaften sowie die Teamaufgabe sind noch nicht erkennbar, weshalb eine große Unsicherheit herrscht. Dieser ist durch viel Kommunikation, Information und Feedback zu begegnen, weshalb der Teamleiter in dieser Phase besonders gefordert ist (Rowold, 2015, S. 35). In der Storming-Phase kommt es häufig zu Konfrontationen und Konflikten. Die Teammitglieder klären ihre Teamziele und die Beziehungen untereinander. Sie testen ihre Grenzen aus und beharren auf ihren Meinungen. Wenn die Konflikte nicht gelöst werden können, leidet die Teamaufgabe darunter. Der Teamleiter fungiert als Streitschlichter, hat sich aber auch gleichzeitig in seiner Führungsrolle zu behaupten. Mit dem Überwinden von Konflikten und der damit einhergehenden Bildung eines Wirgefühls wird die Norming-Phase erreicht, in der die Teammitglieder ihre Rollen finden und sich mit dem Team identifizieren. Zwischen den Teammitgliedern entwickeln sich Beziehungen, sodass die Kohäsion steigt und gemeinsame Regeln sowie Normen festgelegt werden. Der Teamleiter fungiert dabei als Motivator und Aufgabenkoordinator. In der darauffolgenden Performing-Phase treten die einzelnen Teammitglieder in den Hintergrund und es kommt zur Höchstleistung des Teams. Aus diesem Grund wird diese Phase auch als Arbeits- oder Wachstumsphase bezeichnet. Durch eine funktionale Gruppenstruktur, eine hohe Motivation und die Fokussierung auf die Arbeitsbewältigung ist die Arbeitseffizienz in dieser Phase am größten. Der Teamleiter unterstützt sein Team durch Koordinations- und Delegationstätigkeiten, erinnert aber auch an die gemeinsame Vision. Nachdem die gemeinsame Aufgabe abgeschlossen ist, löst sich das Team in der Adjourning-Phase auf, wobei die Teammitglieder neuen Aufgaben nachgehen und der Teamleiter für einen klaren Abschluss und die Erledigung von Formalitäten sorgt (Schneider & Hirt, 2007, S. 278). 2.4.3 Terminologische Grundlagen von interkulturellen Teams Teamarbeit wird in Unternehmen eingesetzt, um Fehler von Individuen zu mindern bzw. zu verhindern und mithilfe von unterschiedlichen Kompetenzen der Teammitglieder bessere Ergebnisse zu erzielen (Merten, 2011, S. 106). Für die Generierung dieses synergetischen Potenzials durch Teamarbeit kommen interkulturelle Teams zum Einsatz. Die Gründe für diesen Einsatz sind vielfältig. So <?page no="113"?> 114 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen können beispielsweise Spezialisten für ein Fachgebiet aus verschiedenen Ländern kommen, zwei Unternehmen gehen eine Fusion ein oder das Unternehmen beschäftigt Mitarbeiter mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen. Unter einem konkludierenden Gesichtspunkt betrachtet, kann ein interkulturelles Team als Arbeitsgruppe aus Mitgliedern mit verschiedenen kulturellen Orientierungssystemen verstanden werden. Im engeren Sinne wird von interkulturellen Teams allerdings nur dann gesprochen, „wenn mehr als zwei Kulturen vertreten sind und fast jedes Teammitglied einer unterschiedlichen Kultur angehört“ (Fleischmann, 2014, S. 88). Ein interkulturelles Team ist jedoch deutlich von sogenannten Token Teams und bikulturellen Teams abzugrenzen. Während bei einem Token Team nur ein Mitglied einen anderen kulturellen Hintergrund als die restlichen Teammitglieder hat, bestehen bikulturelle Teams aus zwei Kulturen mit etwa gleicher Anzahl an Mitgliedern. Alle Teams, die mehr als drei verschiedene Kulturen beinhalten, werden hingegen als interkulturell bezeichnet. Zusammenfassung Gerade in Leitungsbeziehungen und Organisationsstrukturen multinationaler Unternehmen ist die interkulturelle Teamarbeit nicht mehr wegzudenken, will man in den Abteilungen Forschung und Entwicklung aber auch im Marketing in multinationalen Unternehmen erfolgreich sein. Unternehmen sind deshalb darauf orientiert, internationale Teams auf verschiedenen Organisationsebenen zusammenzustellen. Darauf, dass es bei der interkulturellen Teambildung unterschiedlichste Probleme gibt, hat die Studie von Hofstede bereits Ende der 1960er-Jahre hingewiesen; und wie Interkulturalität gelebt werden kann, ist immer noch ein strittiges Thema. 2.5 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven Nach Bearbeitung dieses Abschnitts haben Sie ein Grundverständnis von interkulturellen Teams aus den verschiedenen organisationsspezifischen Perspektiven. 2.5.1 Zur Notwendigkeit von vier organisationstheoretischen Perspektiven Eine Vielzahl von Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Fachbereichen vertritt die Ansicht, die einzig wahre, universelle Perspektive in Bezug auf ihr Themengebiet zu besitzen, und baut deshalb eine ablehnende Haltung gegenüber anderen Ansichten auf. Jedoch kann keiner von ihnen die absolute Richtigkeit seiner Aussagen zweifelsohne beweisen. Es wurde bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine einheitliche Weltformel gefunden, die alle Phänomene von Unternehmen beschreiben kann. In der Organisationsforschung gibt es eine Vielzahl von Denkschulen, die mit ihren Annahmen und Konzepten völlig verschiedene Ansichten hinsichtlich der Funktion und Kontrollierbarkeit der <?page no="114"?> 2.5 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven 115 Organisation vertreten. Obwohl alle Denkrichtungen wissenschaftlich fundiert sind, grenzen sie sich dennoch voneinander ab. Bolman und Deal (2008) bündeln das Potenzial der verschiedenen Denkrichtungen, um ein umfassendes Bezugssystem mit vier Perspektiven respektive Ansätze für das Management in Organisationen zu beschreiben. Dabei stützen sie sich weitestgehend auf Erkenntnisse der Sozialwissenschaften und der Betriebswirtschaft. Daraus resultiert ein Four-Frame-Modell, das eine Multiperspektivität zulässt, indem es die Tatsache anerkennt, dass jede Perspektive ein eigenes richtiges Bild der Realität beansprucht. Durch die Verbindung von struktureller, politischer, symbolischer und personeller Perspektive können Organisationen ganzheitlich verstanden werden. Der Ansatz von Bolman und Deal (ebd.) wird von Schmeisser et al. (2014) als Rahmen für die Organisations- und Managementanalyse weiterentwickelt. Durch das Verknüpfen unterschiedlicher Denkschulen kann es zur Entwicklung integrativer und interdisziplinärer Lösungen kommen, die sich nicht nur auf ein starres Lösungsmuster beziehen. Hinzu kommt, dass mithilfe dieses multikontextualen Rahmens verschiedene Organisationsziele untersucht werden, die „unterschiedlichste Kausalitätserkenntnisse zur Organisation heraus[stellen], die wiederum als Grundlage zur Organisationsgestaltung dienen können“ (Schmeisser et al., 2014, S. 46). Abb. 2.8 zeigt auf, dass keine Perspektive für sich steht, sondern sich alle Ansätze ergänzen und nur gemeinsam ein umfassendes Organisationsbild ergeben. Abb. 2.8: Multikontextuale Perspektiven (in Anlehnung an Schmeisser et al., 2014, S. 48) <?page no="115"?> 116 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen 2.5.2 Strukturelle Perspektive: Die Organisation als Maschine Der strukturelle Ansatz gilt als notwendige Voraussetzung für eine instrumentelle Organisationsgestaltung aller anderen Organisationsansätze. Im Mittelpunkt dieses Ansatzes stehen die Aufgaben und Informationen durch die Organisation, die mithilfe einer sinnvollen und zweckmäßigen Wahl der Primär- und Sekundärorganisation gesichert werden. Der Vorstand legt dazu eine hierarchische Grundstruktur fest, die auch als Primär- oder Aufbauorganisation bezeichnet wird. Diese Struktur regelt vor allem die „Aufgabenverteilung ab der zweiten Hierarchieebene des Unternehmens“ (unterhalb des Vorstands bzw. der Geschäftsführung) und richtet sich primär an den Gliederungskriterien Funktionen (Beschaffung, Produktion, Absatz) und Objekte (Produkte, Regionen oder Kunden/ Kundengruppen) aus. Durch die Sekundär- oder Ablauforganisation werden die Über- und Unterordnungsverhältnisse der Organisationsmitglieder und Organisationseinheiten herausgearbeitet, indem „hierarchieergänzende und hierarchieübergreifende Organisationsstrukturen“ (Schulte-Zurhausen, 2014, S. 306) zum Einsatz kommen. Die Bildung einer Ablauforganisation kann beispielweise durch das Stabsprinzip, das Matrixprinzip, das Ausgliederungsprinzip oder das Arbeitsgruppenprinzip erfolgen. Die Primär- und Sekundärorganisation sind so zu gestalten, dass „alle Aufgaben/ Informationen/ Kommunikationsströme wie Zahnräder einer mechanischen Uhr“ ineinandergreifen. Der Erfolg wird an „der Erfüllung der Unternehmensaufgabe (Sachziel) und an den Unternehmenszielen der Technizität, Produktivität, Wirtschaftlichkeit und Rentabilität (Formalziele)“ (Schmeisser, Clermont & Krimphove, 2000, S. 6) gemessen. Darüber hinaus gilt es, einige begrenzende Variablen bzw. Organisationsprämissen zu beachten, die in Abb. 2.9 in verkürzter Version dargestellt sind. Abb. 2.9: Organisationsprämissen des strukturellen Ansatzes (in Anlehnung an Schmeisser et al., 2014, S. 49 f.) Umgesetzt wird der strukturelle Ansatz bereits seit mindestens 130 Jahren, da er auf dem Scientific Management von Ford und Taylor aufbaut. Ford und Taylor haben in den Jahren von 1911 bis 1914 durch eine Funktionsmeisterorganisation/ Matrixorganisation als Primärorganisation und eine optimierte Ablauforganisation mittels Fließband viele Erfolge vorweisen können, da sie unbewusst die Gesetzmäßigkeiten der Erfahrungskurve verwirklichten. Die zweckmäßige Implementierung von <?page no="116"?> 2.5 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven 117 einer Aufbau- und Ablauforganisation führte schließlich zu einer hohen Produktivität, Wirtschaftlichkeit, Rentabilität und auch der Kostenführerschaft nach Porter in der Automobilbranche, die später z. B. bei VW und Toyota wiederholt worden sind (Taylor, 1911; dazu auch Schmeisser et al., 2014, S. 27 f.). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kommt der strukturelle Ansatz vor allem dann zum Einsatz, wenn es um Make-or-Buy-Entscheidungen geht. Ob ein Unternehmen eher auf Selbstherstellung oder (internationalen) Fremdbezug der Produkte/ Dienstleistungen setzt, hängt maßgeblich davon ab, ob Primär- und Sekundärorganisation hinreichend geregelt sind und reibungslos ineinandergreifen. Denn funktioniert dies nicht, kann das Unternehmen die Aufgabe nicht effizient lösen und sieht sich gezwungen, den Auftrag entweder abzulehnen oder an ein anderes Unternehmen outzusourcen (Schmeisser et al., 2014, S. 26). Outsourcen bezeichnet das Ausgliedern von bestimmten Unternehmensbereichen, Produkten oder Dienstleistungen. Der strukturelle Ansatz liefert die Grundlage für alle folgenden Perspektiven und ist als Ausgangspunkt für weitergehende Betrachtungen anzusehen. Nur dann können „weitere Organisationsansätze alleine oder additiv berücksichtigt werden (Schmeisser et al., 2014, S. 45 f.). 2.5.3 Verhaltenswissenschaftliche Perspektive: Die Organisation als soziales System Der verhaltenswissenschaftliche Ansatz setzt an den Defiziten des strukturellen Ansatzes an, denn „trotz aller rationaler Mittel, Instrumente und Methoden kann eine Organisation nicht wunschgemäß funktionieren, wenn der Mensch als bedürftiges und kreatives Wesen nicht betrachtet wird“ (Schmeisser et al., 2000, S. 6). Durch die Hawthorne-Experimente in den Jahren von 1927 bis 1932, die vor allem von Mayo, Roethlisberger und Dickson durchgeführt wurden, konnte die Alleingültigkeit des Scientific Management von Ford widerlegt werden. Die Experimente zeigten, dass die Rahmenbedingungen für die Produktivität der Mitarbeiter eine entscheidende Rolle spielten. Denn trotz Veränderung bzw. Verschlechterung der Arbeitsbedingungen stieg die Arbeitsleistung an, da die Mitarbeiter durch Vorgesetzte und Forscher besondere Aufmerksamkeit erhielten (Hawthorne-Effekt). Ebenso sind informelle soziale Netzwerke und Freundschaften ein Faktor, durch welchen die Arbeitsleistung beeinflusst wird. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Organisation nicht mehr als Maschine, sondern vielmehr als ein soziales und produktives System verstanden, das den strukturellen Organisationsansatz inkludiert (Mayo, 1945, und Roethlisberger & Dickson, 1961). Der verhaltenswissenschaftliche Ansatz stellt im Rahmen dieses sozialen Systems das (internationale) Verhalten, das Handeln und die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt seiner Analysen. Deshalb erfolgt eine Konzentration auf die Beziehungen zwischen Mitarbeitern, Organisationseinheiten (z. B. Gruppen) und der Gesamtorganisation. Mitarbeiter können durch ihre Kreativität die Effektivität der Organisation steigern, jedoch durch Verweigerung auch hemmen. Mithilfe einer angemessenen Kommunikation, Führung und Einbeziehung der Mitarbeiter kann bei diesen ein Selbstlern- und Selbstentwicklungsprozess einsetzen, aus dem dann ein organisationales Lernen und eine größere Innovationsfähigkeit resultieren (Schmeisser, Clermont & Krimphove, 2001, S. 13 f.). Einer der wichtigsten Faktoren für die Umsetzung des Ansatzes in multinationalen Unternehmen ist eine fähige internationale Führungskraft. Sie hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter und ihre Bedürfnisse im Arbeitsalltag berücksichtigt werden. Ein situationsspezifischer Führungsstil, klare Kommunikationsrichtlinien, Konfliktlösungen und die Unterstützung von Team- und Personalentwicklung müssen dabei Anwendung finden. <?page no="117"?> 118 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Die zur weiteren Eingrenzung des verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes zu beachtenden Organisationsprämissen werden in Abb. 2.10 dargestellt. Abb. 2.10: Organisationsprämissen des verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes (in Anlehnung an Schmeisser et al., 2014, S. 51) Der situative/ kontingenztheoretische Ansatz als Teilperspektive des verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes vereint diesen mit dem strukturellen Ansatz. Für einen Organisationserfolg mit größtmöglicher Effizienz und Effektivität benötigt es einen Fit von Struktur- und Situationsvariablen einer Organisation, weshalb Organisationsstruktur und Kontextsituation (z. B. Arbeitsbedingungen) eine konfliktfreie Kompatibilität aufweisen sollen (Scherm & Pietsch, 2007, S. 40 f.). Deshalb ist eine strukturelle Organisationsentwicklung immer durch eine verhaltenswissenschaftliche-arbeitspsychologische Organisationsentwicklung zu begleiten (Schmeisser et al., 2014, S. 46). 2.5.4 Politisch-rechtliche Perspektive: Die Organisation als politische Arena Die politisch-rechtliche Perspektive geht von „begrenzt rationalen Akteuren aus, die über begrenztes Wissen, begrenzte Informationsverarbeitungskapazitäten und eine eingeschränkte Moral verfügen“ (Schmeisser et al., 2014, S. 53). Dieses Menschenbild gilt für alle Organisationsmitglieder, die gemeinsam ein Unternehmen als „Koalition von Individuen“ (Cyert & March, 1963, S. 27) bilden. Mitglieder einer spezifischen Koalition sind alle Personen, die die Unternehmung als Mittel zur Zielerreichung sehen und ein gemeinsames Interesse an ihr haben (Schmeisser et al., 2001, S. 8). Neben den internen Koalitionsmitgliedern (z. B. Mitarbeiter, Führungskräfte und die Unternehmensleitung) werden auch externe Koalitionspartner registriert, die nicht im Unternehmen arbeiten, aber ein Interesse am Unternehmen haben (z. B. Kunden, Lieferanten, Banken, der Staat oder die Öffentlichkeit). Da die verschiedenen Koalitionen und Individuen unterschiedliche Ansichten und Interessen verfolgen, wird in der politisch-rechtlichen Perspektive nicht von einer Zielkongruenz aller Beteiligten ausgegangen. Vielmehr existieren Individual-, Gruppen- und Organisationsziele, die sich konträr gegenüberstehen oder auch überschneiden können. Diese Zielvielfalt führt dazu, dass eine Veränderbarkeit der primären Organisationsziele vorhanden ist, die durch die verschiedenen Koalitionen in Aushandlungsprozessen immer wieder neu festgelegt werden. Dabei kommt es im Wesentlichen darauf an, wie viel Macht die jeweilige Koalition besitzt und wie sie diese einsetzt, um unternehmerische Organisationsziele zu verändern (Schmeisser et al., 2000, S. 9). <?page no="118"?> 2.5 Interkulturelle Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven 119 Ein rechtlich-institutioneller Unternehmensrahmen und weitere rechtliche Regelungen (z. B. die Europäische Aktiengesellschaft oder das Betriebsverfassungsgesetz) geben den Aushandlungs-, Abstimmungs- und Koordinationsprozessen eine Ordnung. So werden sowohl das Direktionsrecht des Vorstands als auch die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Mitarbeiter und weiterer Interessengruppen gesichert. Abb. 2.11 zeigt die beschränkenden Organisationsprämissen des Ansatzes noch einmal auf. Abb. 2.11: Organisationsprämissen des politisch-rechtlichen Ansatzes (in Anlehnung an Schmeisser et al., 2014, S. 55) Trotz der rechtlichen Rahmenbedingungen, wie beispielsweise Gesetze und Richtlinien, sind Konflikte in der politisch-rechtlichen Perspektive als normal anzusehen. So gilt die Unternehmung in diesem Zusammenhang auch als „politische Arena der Ziel- und Strategiefindung“ (Schmeisser et al., 2014, S. 55). Die unterschiedlichen Koalitionen befinden sich in einem ständigen Aushandlungsprozess, beispielsweise über Budgetallokationen oder neue Arbeitsplätze, in welchem durch die verschiedenen Ziele und Strategien zwangsweise auch Konflikte entstehen. Diese Konflikte können und sollen nicht „psychologisch harmonisch“ (ebd.) gelöst werden, da sie „ein gesunder Indikator für Dynamik, Wachstum und Innovation einer Organisation“ sind. Konflikte dürfen zwar nicht vollständig gelöst werden, lassen aber sogenannte Quasi-Lösungen (Cyert & March, 1963, S. 117 f.) zu. Diese zeitlich begrenzten Quasi-Lösungen, wie beispielsweise Tarifverträge oder (internationale) Unternehmenssatzungen, gelten als förderlich und bringen das Unternehmen voran, indem sich dadurch neue Koalitionsgruppen angesprochen fühlen und gemeinsame Lösungen erarbeitet werden. Kommunikationsstrategien, Konfliktlösungsmechanismen und rechtliche Regelungen stehen bei diesem Ansatz im Vordergrund und geben den anderen drei Perspektiven einen gewissen Rahmen. 2.5.5 Symbolische Perspektive: Die Organisation als Theater Die symbolische Perspektive wird vor allem durch die Ansichten von Mead und Goffman geprägt, wonach der Mensch ein soziales und symbolisches Wesen ist, das „durch Sprache, Kultur, Ethik, Riten, Rituale, Bräuche geprägt ist“ (Schmeisser et al., 2000, S. 11). Die Organisationsmitglieder können das organisatorische Geschehen nicht rational begreifen, sondern sehen sich oftmals mehrdeutigen oder unverständlichen Situationen, Strategien oder Zielen <?page no="119"?> 120 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen ausgesetzt. Um diese Ereignisse für sich begreiflich zu machen, sprechen die Organisationsmitglieder ihnen bestimmte Bedeutungen und Interpretationen in Form von Symbolen zu. Als Ergebnis entsteht eine Unternehmenskultur, die durch die organisationsinternen Ereignisse und deren Bedeutungen herangewachsen ist. Ableitend aus den in Abb. 2.12 zusammengefassten Prämissen, stärkt die Unternehmenskultur das Gemeinschaftsgefühl der Mitglieder, kann jedoch auch als erklärendes Hilfsmodell der Aufbauorganisation angesehen werden. „Die Aufbauorganisation dient maßgeblich dem Hierarchieprinzip, damit der Vorstand bzw. die Geschäftsführung ihren Willen konfliktfrei im Unternehmen durchsetzen kann“ (Schmeisser et al., 2014, S. 26 f.). Darüber hinaus unterstützt die Unternehmenskultur die Vorgesetzten mithilfe verschiedener Riten oder Symbole (z. B. Kleidung oder Firmenautos) darin, ihre Macht zu demonstrieren und ihr Direktionsrecht durchzusetzen (ebd.). Abb. 2.12: Organisationsprämissen des symbolischen Ansatzes (in Anlehnung an Schmeisser et al., 2014, S. 57) Gerade bei Changemanagement-Situationen wird der Einbezug der Unternehmenskultur oftmals vergeblich gesucht, wie beispielsweise im Rahmen von Unternehmensfusionen oder innovationsgetriebenen Struktur- und Prozesswechseln bei internationalen Unternehmen. Solche strukturellen Veränderungen fordern jedoch gleichzeitig auch einen Wechsel der Unternehmenskultur, sodass die Mitarbeiter sich den neuen Anforderungen anpassen können. Damit die Mitarbeiter jedoch keinen Widerstand gegen das Changemanagement und den Wandel ausüben, bedarf es eines Verständnisses für deren Kulturen und die gesamte Unternehmenskultur, um neue Werte, Richtlinien und Normen etablieren zu können, mit denen alle Beteiligten zurechtkommen (Schmeisser et al., 2001, S. 17). Wird die Unternehmenskultur verändert, so zieht dies auch eine strukturelle Änderung der Aufbau- und Ablauforganisation nach sich, die somit einen neuen Raum für Innovationen gibt. Demzufolge kann mithilfe einer neuen oder veränderten Unternehmenskultur Personalentwicklung zur Organisationsentwicklung werden und den gesamten Organisationserfolg beeinflussen (Schmeisser et al., 2014, S. 57). Zusammenfassend lässt sich die symbolisch-kulturelle Perspektive auch mit einem „Theater von Visionen und Mythen“ (ebd., S. 56) vergleichen, wobei Innovationen und Veränderungen auch neue Skripte für die Mitarbeiter vorgeben, die ihre Rollen und das benötigte Bühnenbild neu erkunden und erlernen. Daher sind alle Organisationsmitglieder, vergleichbar mit einer Gruppe von Theaterspielern, angehalten, sich Veränderungen anzupassen und gemeinsame Regeln für das Zusammenspiel zu finden. <?page no="120"?> 2.6 Interkulturelle Teams aus einer strukturellen Perspektive 121 Übung 2.4 Welche Organisationsansätze respektive Organisationsperspektiven kennen Sie? Übung 2.5 Welche Prämissen kann man jedem Organisationsansatz zuordnen? 2.6 Interkulturelle Teams aus einer strukturellen Perspektive Bei der Betrachtung organisatorischer Fragestellungen aus einer strukturellen Perspektive geht es für Unternehmen um die Frage einer adäquaten Primär- und Sekundärorganisation für die Erreichung möglichst hoher Rentabilitäts-, Wirtschaftlichkeits- und Produktivitätsziele (Schmeisser et al., 2000, S. 4 ff.). 2.6.1 Primärorganisation Die Grundlage für den Einsatz interkultureller Teams bildet die Primärorganisation, denn durch die Aufgabenanalyse und die anschließende Aufgabensynthese wird die hierarchische Grundstruktur der Unternehmung festgelegt, wie Abb. 2.13 verdeutlicht (Töpfer, 2007, S. 1184 ff.). Abb. 2.13: Aufgabenanalyse und Aufgabensynthese (in Anlehnung an Bleicher, 1991, S. 49) Im Zuge dessen zerlegt die Aufgabenanalyse die Gesamtaufgabe der Organisation in Teilaufgaben und ordnet diesen in der Aufgabensynthese wiederum Stellen zu, welche sich zu Abteilungen zusammenfassen lassen (Kosiol, 1976, S. 42 ff.). Eine Stelle ist „die kleinste organisatorische Einheit im Unternehmen, die gestaltet werden muss“ (Heise, 2009, S. 45), und der sowohl ein spezifischer Aufgabenkomplex als auch Aufgabenträger zugeordnet werden können. Die so gebildeten Stellen werden anschließend zu Abteilungen zusammengefasst und hierarchisch verknüpft (Schulte-Zurhausen, 2014, S. 263). Um die Gesamtaufgabe der Organisation zu analysieren und die Teilaufgaben anschließend Stellen zuzuordnen, führt Kosiol fünf Organisationsprinzipien an, die in sachliche und formale Kriterien <?page no="121"?> 122 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen unterteilt werden (Kosiol, 1976, S. 49). An dieser Stelle empfiehlt Kosiol den Unternehmen, ihre Organisation jeweils nach einem Prinzip zu zentralisieren und nach den anderen Prinzipien zu dezentralisieren, um eine klare Organisationsstruktur zu entwickeln. Das erste sachliche Organisationsprinzip ist die Verrichtung, die auch als Funktion oder Aufgabe bezeichnet werden kann (Schmeisser et al., 2014, S. 64). Dabei wird die Aufgabenanalyse nach funktionalen Kriterien durchgeführt und anschließend werden die „Organisationseinheiten der zweiten Hierarchieebene nach Funktionen gebildet“ (Schulte-Zurhausen, 2014, S. 264). Diese Funktionsbereiche können leistungsorientierter Natur (z. B. Forschung und Entwicklung, Produktion, Vertrieb) oder ressourcenorientierter Natur (z. B. Personal- oder Finanzwirtschaft) sein. Insgesamt ergibt sich daraus eine „Primärorganisation der funktionalen Organisationsstruktur“ (Schmeisser et al., 2014, S. 64). Das zweite sachliche Organisationsprinzip ist das Objekt, nach welchem die Organisation gegliedert wird. Diese objektbezogene Gliederung erlaubt den Unternehmen einen besseren Überblick und eine bessere Erfolgszuweisung, da die hierarchische Bildung nach Produkten, Sparten, Regionen, Kunden oder Geschäftsfeldern erfolgt. Durch dieses Objektprinzip entsteht eine sogenannte Produktorganisation, die auch als Sparten- oder Geschäftsfeldorganisation bezeichnet wird. Funktionsorientierte und objektorientierte Gliederungskriterien können jedoch auch gleichzeitig zum Einsatz kommen, woraus eine Matrixorganisation (zwei Gliederungskriterien) oder eine Tensororganisation (drei Gliederungskriterien) resultiert. Das dritte Organisationsprinzip ist formal und stellt die Phase in den Mittelpunkt. Als Phase gilt an dieser Stelle der Managementprozess mit seinen Funktionen Planung, Organisation, Personaleinsatz, Führung und Kontrolle. Diese Phase wird nicht wie bei den anderen Prinzipien aufgeteilt, sondern bleibt als ganzer Prozess erhalten und wird einheitlich abgewickelt. So führt das Verrichtungsprinzip zur Projektorganisation als Aufbauorganisation. Als viertes Organisationsprinzip ist der Rang zu nennen, der für die „Hierarchie in der Aufbauorganisation“ steht. Beim Rangkriterium geht es um die Aufteilung der Aufgaben in Ausführungs- und Entscheidungsaufgaben und darum, weshalb dieses Prinzip als formales gilt. Das fünfte Organisationsprinzip bezieht sich schließlich auf die Zweckmäßigkeit. Dadurch werden primäre und sekundäre Zwecke im Unternehmen unterschieden. Primäre Zwecke sind Kernaufgaben, die immer in der Leistungssphäre des Unternehmens (z. B. Beschaffung, Produktion, Absatz) zu finden sind und beim Betriebszweck als Einzelkosten verrechnet werden. Sekundäre Aufgaben (z. B. Verwaltungsaufgaben) unterstützen hingegen die primären Aufgaben, sind aber selbst nicht produktiv (Schmeisser et al., 2014, S. 64 f.) und werden als Gemeinkosten verrechnet. Interkulturelle Teams können bei allen genannten Formen der Primärorganisation zum Einsatz kommen, unabhängig davon, nach welchem Kriterium das Unternehmen seine Organisation zentralisiert. Dabei sticht jedoch das Organisationsprinzip Phase hervor, das zu einer Projektorganisation führt. Diese Projektorganisation legt eine Teamarbeit nahe, da es sich bei Projekten um erstmalige, komplexe, neuartige, zeitlich klar begrenzte Aufgaben handelt, die ein „funktions- und ressourcenübergreifendes Know-how“ benötigen und als internationale Einzelarbeit nicht zu bewältigen sind. Darüber hinaus spielt die Primärorganisation bei interkultureller Teamarbeit eine große Rolle, wenn es um die Thematik der Stellenbildung geht. Diese entscheidet durch Zuordnung von benötigten Kompetenzen zu spezifischen Aufgaben, welches Mitarbeiterprofil sich für eine Stelle ergibt. Da einer Stelle anschließend eine passende Person zugeordnet wird, die auch Mitglied eines interkulturellen Teams sein kann, bildet sie die Grundlage für die Besetzungsmöglichkeiten dieser Teams. <?page no="122"?> 2.6 Interkulturelle Teams aus einer strukturellen Perspektive 123 2.6.2 Sekundärorganisation Auf Grundlage der Primärstruktur erweitert die Sekundärstruktur diese „um zusätzliche, für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zentrale Gesichtspunkte“ (Schulte-Zurhausen, 2014, S. 306), wobei die Primärorganisation überlagert wird, ohne dass es zu einer Ersetzung ihrer Struktur kommt. Die Sekundärorganisation hilft mit ihren Gestaltungsmaßnahmen die Schnittstellenproblematiken der Primärorganisation zu lösen und auf Innovationsprozesse spezifisch einzugehen. Dabei unterliegt die Sekundärorganisation den fünf Organisationsprinzipien der Primärstruktur. Diese werden, wie in Abb. 2.14 dargestellt, durch drei zusätzliche Organisationsprinzipien ergänzt, die beschreiben, wie die Aufgaben zu bewältigen sind. Das zeitliche Organisationsprinzip regelt dabei die zeitliche Abfolge der einzelnen Arbeitselemente. Dazu gehören sowohl Anfangs- und Endzeiten als auch die Dauer der Arbeitsgänge. Nach diesen zeitlichen Aspekten werden auch die „zeitlichen, personalen und sachlichen Abhängigkeiten zwischen den Arbeitsgängen gestaltet“ (Schmeisser et al., 2014, S. 65). Darüber hinaus bezieht sich das räumliche Organisationsprinzip auf die lokale Anordnung und Zuordnung der Arbeitsplätze, sodass Lauf- und Transportwege verringert und die Durchlaufzeiten optimiert werden. Das ergänzende personale Organisationsprinzip sorgt für eine Zuordnung von Eignungsprofilen zu den erforderlichen Kompetenzprofilen der Stellen. Die Ablauf- und Aufbauorganisation verknüpft sich dann durch eine für die Besetzung der Stelle angedachte Person mit dem Personalmanagement (Kosiol, 1976, S. 81 ff.). Abb. 2.14: Arbeitsanalyse und Arbeitssynthese (in Anlehnung an Bleicher, 1991, S. 49) Durch die ergänzenden Aspekte der Sekundärorganisation erweitert sich somit die Primärorganisation zu einer mehrdimensionalen Organisationsstruktur. So können sich je nach Fokus verschiedene Formen der Sekundärorganisation ergeben, wie in Tab. 2.7 dargestellt. Geht es beispielsweise darum, schnell und flexibel auf internationale Kundenbedürfnisse einzugehen, so eignet sich das Kundenmanagement als Sekundärorganisation. Sollen hingegen komplexe und innovative Probleme gelöst werden, liegt das Projektmanagement nahe. <?page no="123"?> 124 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Tab. 2.7: Formen der Sekundärorganisation (in Anlehnung an Schulte-Zurhausen, 2014, S. 307) Ergänzender Aspekt Sekundärorganisation Produktorientierte Koordination → Produktmanagement Kundenorientierte Koordination → Kundenmanagement Funktionsorientierte Koordination → Funktionsmanagement Prozessorientierte Koordination → Prozessmanagement Strategische Planung → Strategische Geschäftseinheiten Komplexe und innovative Pobleme → Projektmanagement Diese sekundären Organisationsstrukturen können mithilfe von vier unterschiedlichen Prinzipien gebildet werden. Eine Methode ist das Stabsprinzip, bei welchem „die Leitungsstellen der Primärorganisation um Stabstellen“ (Schulte-Zurhausen, 2014, S. 308) zu einer Stablinienorganisation ergänzt werden. Diese Ergänzung ist vor allem für Koordinationsaufgaben sinnvoll, „die eine intensive Informationssammlung und -verarbeitung erfordern“ (ebd.). Begründet liegt dies in der Hauptaufgabe einer Stabsstelle, die sich in entscheidungsvorbereitenden Aktivitäten für die Leitungsstelle widerspiegelt. Dadurch kann die Leitungsstelle quantitativ und qualitativ entlastet werden und ihre Entscheidungen mit einer höheren Qualität fällen. Im Gegensatz dazu kommt das Matrixprinzip vor allem zum Tragen, „wenn eine Problemstellung die gleichzeitige Behandlung aus unterschiedlichen Richtungen und von unterschiedlichen Standpunkten aus erfordert“(ebd., S. 311). Dabei ergeben sich in der Sekundärorganisation internationale Matrixschnittstellen, die bei komplexen Problemen eine Zusammenarbeit unterschiedlicher Dimensionen kontrollieren und deren Kommunikation sowie Koordination sicherstellen. Im Zuge dessen kann sich eine Matrixstruktur auch ergeben, wenn „einer Stabstelle [sic] fachlich beschränkte Weisungsrechte eingeräumt sind“ (ebd., S. 313). Einen anderen Ansatz liefert das Ausgliederungsprinzip, welches neu gebildeten Organisationseinheiten die Koordination erleichtert, indem es „problemrelevante Komponenten aus der Primärorganisation ausgliedert“ (ebd.). Diese ausgegliederten Organisationseinheiten sind autonom und bekommen dann alle notwendigen Ressourcen und Kompetenzen zugeteilt. Anwendung findet dieses Prinzip vor allem im Bereich der Forschung und Entwicklung, in welcher die Organisationseinheiten für die Entwicklung und Umsetzung von Innovationen und Ideen verantwortlich sind. Organisationseinheiten als Zentralabteilungen, die der geschäftsbereichsübergreifenden Steuerung des Unternehmens dienen, bilden den zweiten wesentlichen Anwendungsbereich. Das letzte Prinzip ist das Arbeitsgruppenprinzip. Bei Anwendung dieses Prinzips werden hierarchieübergreifende Arbeitsgruppen gebildet, denen Entscheidungsbefugnisse übertragen werden, um eine Aufgabe möglichst effizient zu lösen. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe kommen dabei aus unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens und haben so unterschiedliche Perspektiven, unterschiedliches Wissen und unterschiedliche Ansichten, die sie zur Lösung des Problems einbringen. Teams „haben ihren Anwendungsschwerpunkt als befristete Organisationseinheiten in der Sekundärorganisation“ (Krüger, 2011, S. 209) gemäß dem vorgestellten Arbeitsgruppenprinzip. Bei dem Einsatz von Teams als Sekundärstruktur werden die Teammitglieder von ihrer Stammfunktion losgebunden und die hierarchischen Beziehungen werden innerhalb des Teams aufgehoben. Dadurch kann das Unternehmen Teams zur einzelfallspezifischen und flexiblen Strukturierung von Organisa- <?page no="124"?> 2.6 Interkulturelle Teams aus einer strukturellen Perspektive 125 tionseinheiten einsetzen. Abhängig vom zu fokussierenden Aspekt kann ein Team beispielsweise im Rahmen eines Produktmanagements oder Projektmanagements sinnvoll sein. 2.6.3 Zur Aufgabe als Auslöser für den Einsatz von Teamarbeit Der Einsatz von Teams als Sekundärorganisation steht in Abhängigkeit der zu bewältigenden Aufgabe. Da Teams als sekundäre Organisationsstruktur fungieren, werden sie, wie bereits kurz angesprochen, nicht für Routineprozesse, sondern für Innovationsprozesse eingesetzt, die in Tab. 2.8 gegenübergestellt werden. Tab. 2.8: Merkmale von Routineprozessen und Innovationsprozessen (in Anlehnung an Schulte-Zurhausen, 2014, S. 307) Routineprozesse Innovationsprozesse  Geringe Unsicherheit über Aktivitäten und Prozessergebnisse; hohe Planbarkeit  Zeitbedarf weitgehend bekannt  Feste Aufgabenzuweisung; hohe Austauschbarkeit der Personen  Klare Zielvorstellungen  Determinierte, optimierte Prozessabwicklung; festgelegte Entscheidungsregeln  Hohe Unsicherheiten über Aktivitäten und Prozessergebnisse; geringe Planbarkeit  zeitbedarf nicht exakt abschätzbar; häufiger Zeitdruck  Kaum Methoden verfügbar  Hohe Spezialisierung und geringe Austauschbarkeit der Personen; individuelle Leistungbeiträge  Häufig alternative Zielvorstellungen  Eher zufallsbestimmte Prozessabwicklung; fallbezogene Entscheidungen Erfordern Innovationsprozesse eine hierarchieübergreifende Zusammenarbeit von Spezialisten mit unterschiedlichen Perspektiven, Methoden und Wissen, so kann es zum Einsatz von Teams kommen, welche sich in ihren Fähigkeiten gegenseitig ergänzen und die Aufgabe in Selbstabstimmung lösen. Zur Problematik der Besetzung interkultureller Teams Im Zuge der Stellenbildung in der Primärorganisation und der personalen Synthese in der Sekundärorganisation stellt sich für Unternehmen nicht nur die Frage nach dem Einsatz interkultureller Teams, sondern auch nach deren optimaler Besetzung, um möglichst gute Unternehmensergebnisse zu erreichen. Größe von Teams Ein Fokus bei der Besetzung von (interkulturellen) Teams liegt auf der Teamgröße. Die Anzahl der Teammitglieder ist ausschlaggebend für eine erfolgreiche Zusammenarbeit (Grunwald, 1996, S. 742 f.). Im Zuge dessen sollte ein Team „groß genug sein, um eine produktive Vielfalt von Erfahrungen, Wissen und Fertigkeiten zu repräsentieren; es sollte aber auch klein genug sein, um rein praktisch den Austausch von Informationen und Argumenten zwischen allen Beteiligten reibungslos zu ermöglichen“ (Krüger, 2009, S. 29). Eine optimale Anzahl von Teammitgliedern wird in der Literatur ausgiebig diskutiert, wobei die meisten Autoren eine kleine Anzahl für sinnvoll erachten <?page no="125"?> 126 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen (Forsyth, 2010, S. 3). So gibt Saurwein basierend auf einer Literaturanalyse eine optimale Teamgröße von drei bis fünfzehn Mitgliedern an (Saurwein, 1996, S. 99). Auch Grunwald liegt mit seiner Analyse in dieser Spanne und definiert sieben Mitglieder als Optimum (Grunwald, 1996, S. 744). Im Idealfall sind gerade Mitgliederzahlen zu umgehen, um Pattsituationen bei Entscheidungen und Aufspaltungen in gleichstarke Untergruppen zu vermeiden. Zudem sind zur Bestimmung der optimalen Teamgröße jedoch immer aufgaben- und situationsspezifische Variablen zu berücksichtigen. Zusammensetzung des Teams Ein weiterer relevanter Einflussfaktor auf den Unternehmens- und Teamerfolg stellt die Zusammensetzung des Teams dar. Aus struktureller Perspektive geht es dabei um die Frage, ob homogene Teams bessere Leistungen erbringen als heterogene Teams. Diesbezüglich existieren verschiedene und zum Teil konträre Studien, die im Folgenden nur exemplarisch aufgezeigt werden. Thomas kommt in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass homogene Teams aufgrund einer geringeren kulturellen Distanz bessere Leistungen erbringen als heterogene Teams. Cox, Lobel und McLeod (1991) hingegen postulieren einen positiven Zusammenhang zwischen heterogenen Teams und deren Leistung, da die dazugehörigen Gruppen einen höheren Grad an Kooperation aufweisen, sofern die Mitglieder aus kollektivistischen Kulturen kommen. Eine Erklärung für diese widersprüchlichen Ergebnisse der genannten Studien liefern Watson, Kumar und Michaelsen (1993), indem sie in ihrer Untersuchung einen neuen Zusammenhang zwischen Teamheterogenität und Teamleistung aufzeigen. So offenbart sich zu Beginn der Teamarbeit eine wirkungsvollere Zusammenarbeit in homogenen Teams. Nach einigen Wochen werden diese jedoch von heterogenen Teams aufgrund einer größeren Perspektivenvielfalt und mehr Lösungsvorschlägen in ihrer Leistung übertroffen (Watson et al., 1993, S. 595 f.). Stahl, Maznevski, Voigt und Jonsen (2010) bleiben hingegen eher neutral und schreiben heterogenen Teams sowohl eine negative Wirkung in Bezug auf vermehrte Aufgabenkonflikte und geringe soziale Integration als auch eine positive Wirkung in Bezug auf Kreativität und Zufriedenheit zu. Ein weiterer entscheidender Faktor in diesem Zusammenhang ist die Anzahl der Teammitglieder mit unterschiedlicher Kultur. Weißbach, Schülken und Hüttig (2007) schließen aus ihren Befragungen, dass „je höher die Anzahl von Teammitgliedern unterschiedlicher kultureller Herkunft ist, desto eher ist die Gruppe darauf angewiesen, sich auf Leistungsziele und die Mittel zur Zielerreichung zu einigen“ (ebd., S. 44), die eine höhere aufgabenbezogene Produktivität zum Resultat haben. Earley und Mosakowski (2000) können dies durch ihre Untersuchungen bestätigen, da ihre Ergebnisse zeigen, dass sehr heterogene und sehr homogene Teams die Leistung mäßiger heterogener Teams auf lange Sicht übertreffen, wodurch sich ein U-förmiger Verlauf zwischen kultureller Teamheterogenität und der Teamleistung ergibt. Gründe für die unterschiedlichen Ergebnisse der Studien sind vor allem die Art der Studienteilnehmer, die Messung der kulturellen Unterschiede und die Messung der Leistungskriterien. Beispielsweise fokussiert die Studie von Cox et al. (1991) auf kooperatives Verhalten von Studierenden im Team anhand des Diversitätskriteriums Ethnizität, wohingegen Earley und Mosakowski (2000) die Teamleistung von Mitarbeitern multinationaler Unternehmen mit unterschiedlichen Nationalitäten untersuchten. 2.6.4 Konsequenzen für den Einsatz interkultureller Teams Interkulturelle Teamarbeit von Unternehmen kann unabhängig von der Primärorganisationsstruktur als ergänzende Organisationseinheit der Sekundärorganisation eingesetzt werden. Einen empirischen Beleg für die Wirksamkeit von Teamarbeit gibt es bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, dennoch erscheint Teamarbeit in der Praxis vor allem bei komplexen Innovationsprozessen und aufgaben als sinnvoll (z. B. bei Apple, Nokia, Airbus), wenn die Teamgröße gering gehalten wird. <?page no="126"?> 2.7 Interkulturelle Teams aus einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive 127 Da interkulturelle Teams nur in spezifischen situations- und aufgabenabhängigen Bereichen eingesetzt werden können und die Leistung einer solchen Teamarbeit umstritten ist, kann folglich auch nicht von der in These 1 formulierten Annahme ausgegangen werden, dass Unternehmen aufgrund der Einsatzmöglichkeit von interkulturellen Teams eine Make-Entscheidung anstatt eine Buy-Entscheidung treffen. Zwar bieten interkulturelle Teams durch ihre flexible Einsetzbarkeit und ihre vielfältigen Perspektiven diverse Vorteile, jedoch hängt eine solche Make-or-Buy-Entscheidung von einer Vielzahl weiterer Faktoren ab, wie beispielweise den entstehenden Kosten, der verfügbaren Kapazität, der Konkurrenz, der Aufgabe und der Kontrollnotwendigkeit. 2.7 Interkulturelle Teams aus einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive Die zuvor erwähnten Studien kommen zu dem Schluss, dass die Leistung interkultureller Teams und deren Erfolg sehr kritisch betrachtet werden müssen. Allerdings zeigen sie auch, dass die Teamleistung von vielen Einflussfaktoren abhängt, die meist einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive zuzuordnen sind, wie beispielsweise Kommunikation, persönliche Beziehungen oder Führung. Deshalb gilt es an dieser Stelle, die verhaltenswissenschaftliche Dynamik bei der interkulturellen Teamarbeit aufzudecken und zu analysieren, um herauszufinden, was ein erfolgreiches interkulturelles Team ausmacht. 2.7.1 Entwicklungsprozess interkultureller Teams In diesem Zusammenhang ist zu konstatieren, dass der Entwicklungsprozess eines interkulturellen Teams in fünf Phasen (Abb. 2.15) erfolgt. 2.7.1.1 Entwicklungsprozess nach DiStefano und Maznevski Erfolgreiche interkulturelle Teams durchlaufen jedoch drei weitere Schritte, welche parallel zu der normalen Teamentwicklung stattfinden und die Voraussetzung für eine gute Teamleistung bilden. DiStefano und Maznevski (2000) nennen diese drei Schritte Mapping, Bridging und Integrating, wie in Abb. 2.15 dargestellt. Abb. 2.15: Entwicklungsschritte leistungsstarker interkultureller Teams nach DiStefano und Maznevski (in Anlehnung an DiStefano & Maznevski, 2000, S. 49) Der erste Schritt eines leistungsstarken interkulturellen Teams ist demnach das Mapping. Dabei geht es vorrangig darum, dass alle Teammitglieder die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen ihnen verstehen. Dieses Verständnis können die Teammitglieder erreichen, indem sie identifizieren, <?page no="127"?> 128 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen welche Kulturunterschiede wirklich einen Unterschied machen, da diese nicht immer offensichtlich sind (z. B. unterschiedliche Lernstile). Diese Differenzen sind dann am besten anhand von bestimmten Skalen oder Dimensionen direkt zu vergleichen. Im Zuge dessen können beispielsweise die Kulturdimensionen von Hofstede helfen, die Verschiedenartigkeit der Teammitglieder zu erkennen, um daraus mögliche Probleme und Potenziale abzuleiten (DiStefano & Maznevski, 2000, S. 48 ff.). Im zweiten Schritt erfolgt dann das Bridging, bei dem eine effektive Kommunikation im Fokus steht. Im Rahmen dieser Kommunikation gilt es, die Unterschiede zwischen den Teammitgliedern zu berücksichtigen und gemeinsame Kommunikationsmuster zu entwickeln, damit alle Perspektiven und Ideen in die Aufgabenbewältigung mit einfließen. Ein Verständnis für andere Ansichten und Kulturen bringt aber noch keine guten Teamleistungen hervor. Deshalb werden Mapping und Bridging durch den dritten Schritt des Integrating ergänzt. Integrating sorgt dafür, dass Verständnis und Kommunikation zu produktiven Ergebnissen führen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass sich alle Teammitglieder aktiv an der Teamaufgabe beteiligen, Uneinigkeiten gelöst und neue Teamperspektiven eingenommen werden, die alle Arten von Ideen als mögliche Lösung ansehen. 2.7.1.2 Entwicklungsprozess nach Zeutschel Auch Zeutschel geht davon aus, dass ein interkulturelles Team nicht nur die fünf Phasen des Teamentwicklungsmodells durchläuft, sondern darüber hinaus vier eigene Interaktionskategorien vorweist, wie Abb. 2.16 verdeutlicht. Abb. 2.16: Entwicklungsstufen eines interkulturellen Teams nach Zeutschel (in Anlehnung an Zeutschel, 2003, S. 263) <?page no="128"?> 2.7 Interkulturelle Teams aus einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive 129 Diese vier Kategorien sind als Entwicklungsstufen eines effektiven interkulturellen Teams zu sehen und bauen systematisch aufeinander auf. Für eine innovative Zusammenarbeit des Teams ist das Durchlaufen aller vier Stufen eine notwendige Voraussetzung. Ein Überspringen von Stufen ist dabei nicht möglich, dennoch sind Stufenrückschritte „als bewusste Korrektur beim Scheitern auf einer höheren Stufe“ (Zeutschel, 2003, S. 264) oder „als resignierte Rückfälle im Zuge von Alltagsroutine“ (ebd.) denkbar. Im Zuge dessen erkennen die Teammitglieder auf der ersten Stufe der Dominanz/ Anpassung kulturelle Unterschiede als tatsächlich existent an, reagieren darauf allerdings entweder mit bestimmendem oder nachgiebigem Verhalten. Beispielsweise kann die Dominanz einer Kultur als Vorgabe für eine gemeinsame Arbeitssprache, und Pünktlichkeitsnormen entweder durch den Druck einer Kultur einseitig vorgegeben werden oder wechselseitig in Abstimmungsprozessen für spezifische Teilbereiche festgelegt werden. Durch eine bewusste wechselseitige Dominanz und Anpassung kann das Team die Stärken und Potenziale der verschiedenen Kulturen erkennen und die Stufe der Koaktion erreichen. Diese Stufe ist besonders kritisch zu sehen, da die Teams in kulturellen Subgruppen getrennte Aufgaben erledigen, die ihren Stärken entsprechen. Die Teammitglieder haben auf dieser Stufe die Aufgabe, zu erkennen, welchen Beitrag die kulturellen Stärken für die Teamaufgaben leisten. Am besten geschieht dies, indem die Teammitglieder ergänzende Aufgaben übernehmen, die zeitlich begrenzt sind. Haben die Teammitglieder den Nutzen aller Kulturen erkannt, so kann das Team zur dritten Stufe der Integration gelangen. Bei der Integration werden durch die Kombination der verschiedenen kulturellen Elemente gemeinsame Handlungsmuster geschaffen, die allen Teammitgliedern ein identifizierendes Wirgefühl und Sicherheit geben. Mithilfe dieser gemeinsamen Handlungsmuster können interkulturelle Teams im abschließenden Schritt der Innovation ein Vertrauen aufbauen, das die Teammitglieder dazu veranlasst, eine eigene Teamkultur mit eigenen Handlungsmustern zu entwickeln, die „über alle beteiligten kulturspezifischen Repertoires hinausgehen und für dieses Team spezifisch sind“ (Zeutschel, 2003, S. 266). Die vorgestellten Modelle von DiStefano und Maznevski sowie von Zeutschel verdeutlichen, dass es viele erfolgskritische Prozesse gibt, die ein erfolgreiches interkulturelles Team ausmachen. Diese Entwicklungsprozesse können aus verhaltenswissenschaftlicher Perspektive vor allem durch Kommunikations- und Führungsaspekte gehemmt, aber auch unterstützt werden, wie eine genauere Betrachtung des Kommunikationsprozesses verdeutlicht. Übung 2.6 Wie groß sollten Teams idealerweise sein? Übung 2.7 Nennen Sie zwei verhaltenswissenschaftliche internationale Teamkonzepte. 2.7.2 Kommunikation in interkulturellen Teams Um die Kommunikationsaspekte eines Teams betrachten zu können, ist die etymologische Herleitung des Wortes Kommunikation ein hilfreicher Schritt. So lässt sich Kommunikation auf das lateinische Wort communicare (zu Deutsch: mitteilen oder besprechen) zurückführen, wobei sich mitteilen im Kommunikationsprozess nicht nur auf konkrete Informationen, sondern auch auf Emotionen, Appelle oder Meinungen bezieht. Aus diesem Grund lässt sich Kommunikation auch als ein „Prozess der Vermittlung von Bedeutung“ spezifizieren. <?page no="129"?> 130 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen 2.7.2.1 Kommunikationsmodell Der Kommunikationsprozess kann durch ein einfaches Kommunikationsmodell dargestellt werden, wie Abb. 2.17 verdeutlicht. Abb. 2.17: Kommunikationsprozess (in Anlehnung an Hodgetts & Luthans, 2000, S. 197) Im Rahmen dieses Prozesses wird eine vom Sender verschlüsselte Nachricht mittels eines Mediums an den Empfänger, der diese Nachricht wiederum entschlüsselt, übertragen. Der entscheidende Punkt dabei ist, wie der Empfänger die Nachricht wahrnimmt und interpretiert, denn eine erfolgreiche Kommunikation entsteht erst dann, wenn der „Empfänger die Botschaft so versteht, wie sie der Sender gemeint hat“ (Blom & Meier, 2004, S. 74). Durch den anschließenden Rückkopplungsprozess kann der Sender an den Reaktionen des Empfängers erkennen, ob die vermittelte Nachricht im beabsichtigten Sinne aufgenommen wurde (Schmeisser et al., 2014, S. 53 f.). Treffen unterschiedliche Kulturen im Kommunikationsprozess aufeinander, so ergeben sich vermehrt Probleme, die auf kulturspezifische Codes und differierende Kommunikationsverhalten zurückzuführen sind. Jede Kultur sendet und empfängt die Nachricht im Kommunikationsprozess „auf Basis des eigenkulturellen Wissens“, ohne die fremdkulturellen Kommunikationseigenheiten zu beachten. Dadurch werden die Nachrichten oftmals verzerrt oder falsch verstanden und es kommt zu interkulturellen Missverständnissen und Konflikten (Broszinsky-Schwabe, 2011b, S. 21). 2.7.2.2 Vier Seiten einer Nachricht Diese Missverständnisse und Konflikte können sich dabei sowohl auf die Inhaltsebene als auch auf die Beziehungsebene der Kommunikation beziehen. Während die Inhaltsebene die reinen Sachinformationen beinhaltet, regelt die Beziehungsebene die sozialen Verhältnisse, indem sie Hinweise enthält, wie die Kommunikationspartner zueinanderstehen. Kommunikationsstörungen können dabei auf beiden Ebenen entstehen, aber auch gelöst werden (Schulz von Thun, 1996, S. 26 f.; dazu auch Watzlawick, Beavin & Jackson, 2007, S. 53 ff.). Darüber hinaus enthält eine Nachricht nicht nur Inhalts- und Beziehungsaspekte, sondern schließt eine Selbstoffenbarung sowie einen Appell des Senders mit ein. Indem der Sender eine Nachricht übermitteilt, richtet er einen Appell an den Empfänger, um eine Reaktion bei diesem hervorzurufen und sein Ziel zu erreichen. Gleichzeitig sagt die Nachricht auch immer etwas über den Sender aus, da dieser durch die Art und Weise der Kommunikation eine Vielzahl an Informationen von sich preisgibt. Diese vier in Abb. 2.18 dargestellten Ebenen werden auch als vier Seiten einer Nachricht bezeichnet, die in jeder Art von Kommunikation, egal, ob zwischen Kulturen oder innerhalb einer Kultur, vorhanden sind. <?page no="130"?> 2.7 Interkulturelle Teams aus einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive 131 Abb. 2.18: Vier Seiten einer Nachricht (in Anlehnung an Schulz von Thun, 1996, S. 30) 2.7.2.3 Kommunikationsregeln Über die vier Ebenen einer Nachricht hinaus gibt es im Kommunikationsprozess spezifische Kommunikationsregeln, die für alle Arten von Kommunikation gültig sind und von Watzlawick et al. (2007) in fünf Axiomen der Kommunikation zusammengefasst werden (ebd., S. 50 ff.). Das erste Axiom bezieht sich auf die Unmöglichkeit, nicht zu kommunizieren. Jede Kommunikation, egal ob Worte, Schweigen oder Weggehen, umfasst Verhalten. Genau so wie Personen sich „nicht nicht verhalten“ können, können sie auch „nicht nicht kommunizieren“. Ergänzend dazu schreibt das zweite Axiom jeder Kommunikation eine Inhalts- und eine Beziehungsebene zu, die zuvor bereits erläutert wurden. Das dritte Axiom versteht Kommunikation darüber hinaus immer gleichzeitig als Ursache und Wirkung, denn „die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt“ (ebd., S. 61). Zusätzlich geht das vierte Axiom von der Tatsache aus, dass jede Kommunikation eine digitale und analoge Seite hat. Der digitalen Seite liegt eine logische Syntax zugrunde, die sich meist auf die Inhaltsebene beschränkt. Die Beziehungsebene und im Hintergrund verborgene Analogien werden hingegen nur analog vermittelt (ebd., S. 61 ff.). Das fünfte Axiom konstatiert Kommunikation schließlich entweder als symmetrische oder komplementäre Interaktion. Symmetrische Kommunikationsabläufe ergeben sich durch Beziehungen der Kommunikationspartner, die auf Gleichheit beruhen. Hingegen sind komplementäre Kommunikationsabläufe durch Beziehungen gekennzeichnet, die auf Unterschiedlichkeit basieren. Diese fünf Axiome sind im interkulturellen Kontext als besonders wichtig zu erachten, da sie ungeahnte Quellen für Missverständnisse enthalten. So haben unterschiedliche Kulturen verschiedene Analogien nach dem vierten Axiom. Der Vergleich einer europäischen Weltkarte mit einer australischen Weltkarte verdeutlicht, dass die Welt um 180 Grad verschoben dargestellt wird und Begrifflichkeiten wie oben oder unten in diesem Kontext bereits sehr verschieden gedeutet werden können (Schneider & Hirt, 2007, S. 268). Ebenso bietet das erste Axiom Konfliktpotenzial, denn Schweigen gilt in einigen Kulturen als bloße Zurückhaltung, während dies in anderen Kulturen als aktives Kommunikationsinstrument angesehen wird (Walch, 2007, S. 171). Das dritte Axiom kommt bei der interkulturellen Kommunikation deutlich zum Tragen. Haben die Kommunikationspartner unterschiedliche Interpretationsmuster und kulturspezifische Codes beim Senden und Empfangen von <?page no="131"?> 132 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Nachrichten, so lassen sich Auslöser für Missverständnisse kaum nachvollziehen und Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge nur auf einer Metaebene betrachten (Schneider & Hirt, 2007, S. 268). 2.7.2.4 Kommunikationsarten Die größten Konfliktpotenziale interkultureller Kommunikation liegen allerdings in den Kommunikationsarten begründet (Blom & Meier 2004, S. 80). Eine Übersicht der verschiedenen Kommunikationsarten bietet Abb. 2.19. Abb. 2.19: Kommunikationsarten mit beispielhaften Kommunikationsinstrumenten (in Anlehnung an Blom & Meier, 2004, S. 80 sowie die Ausführungen von Knapp, 2003, S. 114-118 und Schmeisser et al., 2014, S. 55- 57) 2.7.3 Führung interkultureller Teams Um diese herausfordernden Kommunikationsaspekte bei der interkulturellen Teamarbeit beachten zu können, ist der interkulturelle Kommunikationsprozess durch eine Führungskraft zu unterstützen und zu leiten (Haug, 2003, S. 120 ff.). Darüber hinaus verlangt die Führung von interkulturellen Teams die Berücksichtigung weiterer Besonderheiten, die meist auf unterschiedlichen Ausprägungen bestimmter Kulturdimensionen beruhen und im Folgenden genauer erläutert werden. 2.7.3.1 Einstellung von interkulturellen Teammitgliedern gegenüber Teamarbeit Als erste Besonderheit hat die Führungskraft des interkulturellen Teams (ab jetzt Teamleiter genannt) die verschiedenen Einstellungen der interkulturellen Teammitglieder gegenüber Teamarbeit einzuschätzen und zu verstehen. So stellen Kirkman und Shapiro (2001) fest, dass die Kulturdimensionen Machtdistanz und Kollektivität die Einstellung der Kulturen gegenüber Teamarbeit beeinflussen. Besonders Mitarbeiter mit einer ausgeprägten Individualismus-Dimension zeigen Wider- <?page no="132"?> 2.7 Interkulturelle Teams aus einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive 133 stand gegen Teamarbeit, wohingegen Mitarbeiter mit einer hohen Machtdistanz-Dimension nicht in Teams arbeiten wollen, die einem Selbstmanagement unterliegen. Auch die bereits erwähnte Studie von Cox et al. (1991) belegt, dass individualistisch geprägte Mitarbeiter weniger kooperatives Verhalten in interkulturellen Teams zeigen als kollektivistisch geprägte Mitarbeiter. Darüber hinaus untersuchten Gibson und Zellmer-Bruhn (2001) in einer Studie, welche Metaphern (Militär, Sport, Familie, Gemeinschaft, Kollegialität) die Kulturen der Teamarbeit zuschreiben. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass kulturelle Dimensionen einen Einfluss auf die Metaphernauswahl für Teamarbeit nehmen, da individualistische Gesellschaften beispielsweise eher Sport oder Vereinigung als Metapher wählen, was den individualistischen Charakter von Teamarbeit unterstreicht. Barmeyer und Davoine (2006) untersuchen in einer Studie die unterschiedliche Wahrnehmung interkultureller Teamarbeit von deutschen und französischen Teammitgliedern. Im Zuge dessen konnte festgestellt werden, dass deutsche Teammitglieder ein Team als eine Gemeinschaft ansehen, in der alle Teammitglieder mit gleichem Einsatz und gleicher Intensität auf gemeinsame Teamziele hinarbeiten. Französische Teammitglieder sehen ein Team hingegen eher als Gruppe von Individuen an, die zwar ihren individuellen Beitrag leisten, jedoch nicht fest in das Team eingebunden sind und keine Gesamtverantwortung tragen. Diese Ergebnisse lassen sich auch der Kulturdimension Machtdistanz von Hofstede zuordnen. Während Franzosen eine sehr hohe Machtdistanz besitzen, die ein starkes Hierarchiedenken mit sich bringt, zeichnen sich Deutsche durch eine geringe Machtdistanz aus, die eine Gleichberechtigung von Leistungen und Meinungen zur Folge hat (Barmeyer & Davoine, 2006, S. 36 f.). Die erwähnten Einstellungen der verschiedenen Kulturen gegenüber Teamarbeit müssen daher in interkulturellen Teams vom Teamleiter wahrgenommen werden. Die Hauptaufgabe des Teamleiters besteht dann darin, diese verschiedenen Einstellungen in Einklang zu bringen und eine positive Haltung aller Teammitglieder gegenüber der Teamarbeit zu erzeugen. Dies kann erreicht werden, indem der Teamleiter als Führungskraft überzeugt. 2.7.3.2 Führungsstile in interkulturellen Teams Die interkulturellen Teammitglieder haben jedoch nicht nur kulturspezifische Einstellungen gegenüber Teamarbeit, sondern auch ihre eigenen Vorstellungen vom Begriff Führung. So zeigt beispielsweise die bereits erwähnte Studie von Barmeyer und Davoine auf, dass Franzosen den Teamleiter als Verantwortlichen ansehen, der dem Team die Richtung aufzeigt, es kontrolliert, betreut und motiviert. Die Verantwortung bleibt in diesem Fall immer beim Teamleiter, obwohl Aufgaben delegiert werden. Die Deutschen sehen den Teamleiter hingegen eher in der Rolle eines strukturierenden Moderators, der den Teamzusammenhalt fördert, Feedback gibt und den Prozess lenkt, sich dabei aber im Hintergrund hält. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass jede Kultur eine andere Führungspersönlichkeit und einen anderen Führungsstil erwartet, insbesondere wenn die Teammitglieder nur die eigenkulturelle Führungsweise kennen. Grundsätzlich reicht das Spektrum der Führungsstile von autoritär (Anweisung durch die Führungskraft) bis autonom bzw. partizipativ (selbstständige Entscheidungen und Verantwortung der Mitarbeiter), wie Abb. 2.20 veranschaulicht. <?page no="133"?> 134 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Abb. 2.20: Spektrum der Führungsstile nach Tannenbaum und Schmidt (in Anlehnung an Meier & Schindler, 1995, S. 175) Empirisch bewiesen ist jedoch, dass „die Effizienz des Führungsstiles stark von den kulturell geprägten Partizipationserwartungen der Mitarbeiter abhängig ist“ (Blom & Meier, 2004, S. 227). Je größer „die subjektiv empfundene Diskrepanz zwischen den Partizipationserwartungen der Mitarbeiter und dem Führungsstil des Vorgesetzten“ (ebd.) ist, desto mehr sinken Mitarbeiterzufriedenheit, Motivation, Leistungsbereitschaft und es entstehen Konflikte (Thomas & Stumpf, 2003, S. 83). Kulturen mit hohen Partizipationserwartungen haben meist eine geringe Ausprägung in der Dimension Machtdistanz (ebd., S. 81). So bevorzugen die Amerikaner eher einen partizipativen und die Inder einen autoritären Führungsstil (Keller, 1987, Sp. 1287 f.). Smith und Noakes (1996) zeigen darüber hinaus, dass sich ein partizipativer Führungsstil in individualistischen Kulturen effektiver erweist als in kollektivistischen Kulturen. Weitere Forschungen belegen zudem, dass unsicherheitsvermeidende Kulturen eindeutig und klar geführt werden müssen, beispielsweise durch formale Regeln (Smith & Noakes, 1996, S. 482) und das Festhalten an Autoritäten oder Experten. Je nach erwarteter Partizipation sollen die Teammitglieder auch in Zielsetzungsentscheidungen einbezogen werden, insbesondere wenn die Teammitglieder aus Kulturen mit niedriger Machtdistanz und Kollektivismus kommen (Thomas & Stumpf, 2003, S. 81). Empirische Befunde für die Zuordnung von Führungspräferenzen zu Kulturen und Nationen dürfen jedoch nie generalisiert werden, da jeder Mitarbeiter eigene Erfahrungen mit Führung hat und deshalb nicht pauschal einer Kultur zugeordnet werden kann (ebd., S. 84 f.). Demzufolge ist es möglich, dass ein Inder, der bereits große internationale Arbeitserfahrung hat, auch einen partizipativen Führungsstil präferiert, da er dessen Vorzüge kennengelernt hat. Führungspräferenzen anhand von Kulturdimensionen und Nationen sind demnach immer nur als richtungsweisend anzusehen, ermöglichen dem Teamleiter jedoch eine grobe Einordnung der Teammitgliedererwartungen. 2.7.3.3 Motivation und Anreize von interkulturellen Teams Kulturelle Präferenzen können auch im Zuge der Motivation und Anreize der Teammitglieder eine grobe Richtung aufzeigen. Teammitglieder aus kollektivistischen Kulturen bevorzugen Anreize, die sich auf das komplette Team beziehen, denn Leistung gilt als Erfolg des Teams und nicht des Einzel- <?page no="134"?> 2.8 Interkulturelle Teams aus einer politisch-rechtlichen Perspektive 135 nen. Soziale Wertschätzungsbedürfnisse sind in kollektivistischen Kulturen hoch ausgeprägt, weshalb diese eine nicht leistungsbezogene Bewertung (z. B. soziale Umgänglichkeit) und Motivation (z. B. Zugehörigkeit zu einem speziellen Team) bevorzugen. Individualistische Kulturen sehen hingegen individuelle Karrieren und persönliche Anreize als wichtiger an, weshalb Menschen dieser Kulturen eher nach der individuellen Leistung beurteilt werden wollen und durch individuelle Karrierewege motiviert werden können. In Kulturen mit hoher Unsicherheitsvermeidung wirken beispielsweise Arbeitsplatzgarantien als Anreize. Kulturen mit niedriger Unsicherheitsvermeidung hingegen sind leichter durch extrinsische Anreize zu motivieren, wie beispielsweise ein variables, leistungsabhängiges monetäres Vergütungssystem (Müller & Gelbrich, 2015, S. 543; dazu auch Blom & Meier, 2004, S. 226). Der größte Motivations- und Anreizunterschied besteht jedoch zwischen maskulinen und femininen Kulturen. Maskuline Kulturen lassen sich vor allem durch materialistische Werte wie Gehalt und Statussymbole motivieren. In femininen Kulturen gelten hingegen flexible Arbeitszeiten, anspruchsvolle Arbeitsaufgaben oder Sozialleistungen als motivierend (Müller & Gelbrich, 2015, S. 543; dazu auch Blom & Meier, 2004, S. 226 und Thomas & Stumpf, 2003, S. 81). 2.7.4 Konsequenzen für den Einsatz interkultureller Teams Anhand der vorhergehenden Ausführungen wird deutlich, dass ein interkulturelles Team aus verhaltenswissenschaftlicher Perspektive den Teamentwicklungsprozess Mapping, Bridging und Integrating nach DiStefano und Maznevski zu durchlaufen beziehungsweise die Stufe Innovation im Teamentwicklungsmodell von Zeutschel zu erreichen hat, um erfolgreich zusammenarbeiten zu können. Dieser Entwicklungsprozess hin zu einem erfolgreichen interkulturellen Team ist dabei vom Teamleiter durchzuführen, indem dieser die Teammitglieder dabei unterstützt, ihre kulturellen Unterschiede zu identifizieren und den Nutzen daraus zu erkennen. Schlussfolgernd kann vorläufig von der in These 2 formulierten Annahme ausgegangen werden, dass interkulturelle Teams einer teamspezifischen interkulturellen Kommunikation und Führung bedürfen, um erfolgreich zu sein. 2.8 Interkulturelle Teams aus einer politisch-rechtlichen Perspektive Da bei der Betrachtung interkultureller Teamarbeit aus einer strukturellen und einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive bereits einige Konfliktfelder zur Sprache gekommen sind, gilt es, diese nun aus einer politisch-rechtlichen Perspektive zu analysieren. 2.8.1 Konfliktauslöser in interkulturellen Teams Um einen Konflikt deutlich von einem Streit oder einem Disput abgrenzen zu können, ist eine terminologische Eingrenzung des Begriffs Konflikt vonnöten, der diesen als eine Interaktion zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisationen usw.) [ansieht], wobei wenigstens ein Aktor eine Differenz bzw. Unvereinbarkeiten im Wahrnehmen und im Denken bzw. Vorstellen und im Fühlen und im Wollen mit dem anderen Aktor (den anderen Aktoren) in der Art erlebt, dass beim Verwirklichen dessen, was der Aktor denkt, fühlt oder will, eine Beeinträchtigung durch einen anderen Aktor (die anderen Aktoren) erfolgt (Glasl, 2010, S. 17). <?page no="135"?> 136 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Durch diese Begriffsbestimmung wird deutlich, dass ein Konflikt zwar eine wechselseitige Abhängigkeit der beteiligten Personen im Sinne einer Interaktion bedarf, jedoch bereits durch die Wahrnehmung einer Person entstehen kann, ohne dass die andere Person bzw. andere Personen einen Konflikt für sich feststellen. Darüber hinaus kann der eine Auslöser für einen Konflikt in der Praxis nur sehr schwer festgestellt werden, da es sich meist nicht um eine konkrete Konfliktursache handelt, sondern ein ganzes Ursachennetz existiert. Während Teamarbeit durch Konflikte bezüglich Themen wie Rollenverteilung, Macht und Abhängigkeiten geprägt ist, finden sich im Rahmen interkultureller Teamarbeit aufgrund kultureller Differenzen der Teammitglieder mehr potenzielle Konfliktauslöser. 2.8.1.1 Missverständnisse So kommt es in interkulturellen Teams oft zu interkulturellen Missverständnissen, die sich auf die verschiedenen Ebenen der Kommunikation beziehen. Im Zuge dessen können interkulturelle Missverständnisse bereits durch unterschiedliche Denkmuster entstehen. Beispielsweise praktizieren kollektivistische Kulturen eher eine intuitive Denkweise, während individualistische Kulturen ein analytisches Denken präferieren. Darüber hinaus kann eine kulturspezifische Wahrnehmung Unstimmigkeiten hervorrufen, wenn beispielsweise Europäer ein Familienfest in Afrika als laut wahrnehmen, während die Einheimischen es als normal bezeichnen. Des Weiteren können Missverständnisse aber auch durch unterschiedliche (Körper-)Sprachen und Interaktionen entstehen. Die durch unterschiedliche Wahrnehmungen, Denkmuster, Sprachen und Interaktionen entstandenen interkulturellen Missverständnisse lassen sich in drei wesentliche Kategorien einteilen, auf die im Folgenden näher eingegangen wird (Sievert, 2014, S. 28). Die erste Kategorie interkultureller Missverständnisse bezieht sich auf die Erwartungsverletzung, die entsteht, wenn das Verhalten eines Akteurs vom erwarteten bzw. typischen Verhalten abweicht. Dies bringt eine erhöhte Aufmerksamkeit und Beobachtung des Akteurs mit sich, dessen abweichendes Verhalten und Eigenschaften entweder negativ oder positiv beurteilt werden, wobei eine positive Erwartungsverletzung zu einer verbesserten Kommunikation und eine negative Erwartungsverletzung zu einer schlechteren Kommunikation im Team führt. Darüber hinaus ergeben sich durch negative Erwartungsverletzungen auch Hindernisse in der Informationsweitergabe und Verschlechterungen der sozialen Beziehungen, die in Konsequenz zu einer Verschärfung von Konfliktsituationen beitragen können und das Team an seiner Aufgabenerfüllung hindern. Des Weiteren können interkulturelle Missverständnisse auch durch Probleme in der Decodierung von Nachrichten im Kommunikationsprozess entstehen (Köppel, 2007, S. 83 f.). Nämlich wie übermittelt im Kommunikationsprozess ein Sender eine durch sein eigenkulturelles Orientierungssystem verschlüsselte Nachricht mittels eines Mediums an den Empfänger, welcher die Nachricht wiederum mithilfe seines kulturellen Orientierungssystems interpretiert bzw. decodiert (Blom & Meier, 2004, S. 73 ff.). Im Rahmen der Entschlüsselung durch den Empfänger schreibt dieser der Nachricht eine bestimmte Bedeutung zu, die „nicht eine Wahrnehmung realer Gegebenheiten“, sondern vielmehr die Konstruktion einer sozialen Umwelt darstellt. Diese Bedeutungszuschreibung kann dabei eine ganz andere sein, als der Sender intendiert hat, wodurch es zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen kommt. Vor allem im interkulturellen Kontext tauchen solche Decodierungsprobleme häufig auf, da die Kommunikation durch große kulturelle Unterschiede und differierende Codes zunehmend belastet wird oder ganz scheitert, wenn beispielsweise ein Empfänger die gesendete Nachricht aufgrund seiner kulturellen Selektion erst gar nicht wahrnimmt. Diese Kommunikationsproblematik beeinträchtigt darüber hinaus den Austausch von Informationen und folglich auch die Aufgabenbewältigung sowie die Zusammenarbeit in interkulturellen Teams, sodass es zu verspäteten Aufgabenerledigungen oder Fehlleistungen kommt. Selbst wenn Missverständnisse aufgrund unter- <?page no="136"?> 2.8 Interkulturelle Teams aus einer politisch-rechtlichen Perspektive 137 schiedlicher kulturspezifischer Codes erkannt werden, können diese zu erheblichen Zeit- und Energieeinbußen führen sowie die Teamleistung mindern. Neben Erwartungsverletzungen und Decodierungsproblemen gibt es eine dritte Kategorie von interkulturellen Missverständnissen, die sich auf die Attributionstheorie zurückführen lässt, welche sich der Ursachenzuschreibung zwischenmenschlicher Ereignisse (beispielsweise Verhalten) zuwendet. Im Zuge dessen stellt der Handlungspartner für sich eine Kausalität zwischen einem Ereignis und dessen Ursache her, wobei die Ursachenerkenntnis Auswirkungen auf seine Reaktionen hat (Fincham & Hewstone, 2002, S. 216). Begleitet wird diese Zuschreibung durch externe und interne Attributionen (Köppel, 2007, S. 87). Bei einer externen Attribution schreibt der Beobachter die Verhaltensursache der externen Situation zu (wie beispielsweise Zufall, Glück oder Aufgabenschwierigkeit), wohingegen der Beobachter die Verhaltensursache bei einer internen Attribution in der handelnden Person (wie beispielsweise Fähigkeiten oder Anstrengung) verankert sieht. Während des Attributionsprozesses erfolgt die Ursachenzuschreibung meist nach dem fundamentalen Attributionsfehler, welcher ein negatives Verhalten des Handlungspartners eher in dessen Person (intern) verankert sieht, ein eigenes negatives Verhalten jedoch der Situation (extern) zuschreibt. Im Rahmen einer Teamarbeit wird dieser Fehler als ultimativer Attributionsfehler bezeichnet, da negatives Verhalten bei Mitgliedern des eigenen Teams (Ingroup) intern und negatives Verhalten anderer Personen (Outgroup) extern attribuiert wird, wobei es sich bei positivem Verhalten umgekehrt verhält (Gudykunst & Kim, 1992, S. 139). Kommt es zu einer interkulturellen Teamarbeit, äußert sich der ultimative Attributionsfehler, indem die Teammitglieder kulturelle Unterschiede nicht als solche erkennen und sie stattdessen als individuelle Defizite oder Inkompetenz des Teampartners bezeichnen. In jedem Fall führen solche Attributionsfehler zu Erschwernissen oder Unterbrechungen des Interaktionsprozesses, da Verhaltensursachen der Eigenschaft einer Person zugeschrieben werden, ohne dass dabei das Verhalten richtig interpretiert wird (Köppel, 2007, S. 88). Auch wirken sich die Fehlattributionen negativ auf das Teamklima, die Teamzufriedenheit, die persönlichen Beziehungen, den Teamzusammenhalt und im schlimmsten Fall auf die Aufgabenerledigung aus. Diverse Studien konnten in diesem Zusammenhang feststellen, dass es kulturelle Unterschiede in Bezug auf die Häufigkeit von Fehlattributionen gibt, da individualistische Kulturen beispielsweise viel häufiger zu diesen Attributionsfehlern neigen als kollektivistische Kulturen (Gudykunst & Kim, 1992, S. 138). 2.8.1.2 Ethnozentrismus Ein Konfliktauslöser bei interkultureller Teamarbeit kann darüber hinaus auch Ethnozentrismus sein, der „zu einer Verstärkung der bisher erläuterten interkulturellen Konflikte [durch] De- und Encodierungsprobleme sowie Fehlattributionen“ (Köppel, 2007, S. 93) führt. Ethnozentrismus steht dabei für eine Beurteilung fremder Verhaltensweisen aufgrund des eigenkulturellen Orientierungs- und Sozialsystems. Dies sorgt dafür, dass die Mitglieder einer gemeinsamen Kultur gleiche Standards und Werte als richtig empfinden und diese nicht infrage stellen. Durch diese Standards und Werte entsteht ein Referenzrahmen für die Kulturmitglieder, der ihnen hilft, sich zu orientieren und Situationen sowie Verhalten in richtig und falsch einzuteilen. Daher ist ein gewisses Maß an Ethnozentrismus für alle Individuen eine ,notwendige Grundlage für Denken und Handeln‘, wobei ein zu hohes Maß an Ethnozentrismus Dysfunktionalitäten zur Folge hat. So kommt es bei interkultureller Teamarbeit dazu, dass die Teammitglieder anderskulturelle Teammitglieder aufgrund ihrer eigenen Standards beurteilen, anstatt Verständnis für differierende Ansichten zu zeigen. Vielmehr erkennen sie Unterschiede zum eigenkulturellen Referenzrahmen, werten oder lehnen die fremden Verhaltensweisen jedoch ab, wenn die Differenzen zu groß sind. Im Falle hoch ethnozentrischer Teammitglieder kann dies eine Ablehnung von Zusammenarbeit mit <?page no="137"?> 138 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen anderskulturellen Teammitgliedern, eine eingeschränkte Informationsweitergabe, einen sinkenden Teamzusammenhalt oder eine Bildung von Subgruppen nach sich ziehen. 2.8.1.3 Stereotype Als letzter Konfliktauslöser bei interkultureller Teamarbeit werden die Stereotype angeführt, die „Vorstellungen über typische Eigenschaften einer Personengruppe“ terminieren. Dabei sind Stereotype strenggenommen wertneutral, werden aber für gewöhnlich als Vorurteile aufgefasst, die den Vorstellungen eine negative Konnotation zuweisen. Die Nutzung von Stereotypen beruht vor allem darauf, dass sich Menschen die komplexe Umwelt verständlich machen wollen. Im Rahmen dessen entsteht die Tendenz, Verhalten, Ereignisse und Lebewesen in bestimmte Kategorien und Schemata einzuteilen, um die Realität zu strukturieren (Stephan, 1989, S. 40 f.). Des Weiteren erfolgt die Informationsaufnahme sehr selektiv, indem die Informationsfilterung nur bereits bekannte Merkmale erfasst (Bodenhausen & Wyer, 1985, S. 280). Die Anwendung von Stereotypen vereinfacht diese Komplexitätsreduktion, dient als Orientierungsfunktion, macht Menschen handlungsfähig und erhöht deren Selbstwertschutz in interkulturellen Überschneidungssituationen, auch wenn dies fehlerhafte Wahrnehmungen und Kognitionen mit sich bringt (Schmid, 2001, S. 12 f.). Bei der Begegnung mit fremden Kulturen werden stereotype Denkweisen automatisch aktiviert, aber gleichzeitig durch die verbreitete Meinung der moralischen Verwerflichkeit versucht zu unterdrücken (Devine, 1989, S. 6). Allein durch das Vorhandensein dieser Stereotype können Schuldgefühle oder Selbstkritik bei Mitgliedern interkultureller Teams ausgelöst werden. Darüber hinaus fühlen sich stereotypisierte Teammitglieder oftmals nicht als Individuum wahrgenommen oder in ihrer kulturellen Auffassung verstanden, wodurch es zu Bildungen von Subgruppen, zum Einbruch der Teamleistung oder sogar zu Mitgliederfluktuation kommen kann. Im schlimmsten Fall schlägt Stereotypisierung in Diskriminierung um, die vorliegt, „wenn Individuen oder Gruppen von Menschen die Gleichbehandlung vorenthalten wird, die sie wünschen“ (Allport, 1954, S. 51). Während einer interkulturellen Teamarbeit kann dies beispielweise dazu führen, dass Teammitglieder vom Informationsfluss, von Ressourcen oder dem Team ausgeschlossen werden. Eine typische Stereotype ist, Russen trinken gerne… Und hier die Antort: „Alkohol ist wirklich gern gesehen auf unseren Tischen. Aber: Wir haben gute Gründe dafür! Denn bei uns wird stets auf etwas getrunken: Auf die Gesundheit, die Liebe oder die Freundschaft. Und weil jemand Geburtstag hat. Oder der internationale Tag des Kosmonauten ist. Genug Anlässe hat man ja. Aber eigentlich trinken wir den Schnaps nicht aus Wassergläsern - Pinnchen reichen uns auch“ (Star, V. 28.03.2017). 2.8.2 Konfliktarten und deren Auswirkungen Durch interkulturelle Missverständnisse, Ethnozentrismus und Stereotype können im Rahmen interkultureller Teamarbeit verschiedene Konflikte ausgelöst werden, welche sich hinsichtlich ihrer Konfliktbasis unterscheiden lassen. In der Literatur findet sich unter anderem die Trennung zwischen Aufgaben- und Beziehungskonflikten. Während Aufgabenkonflikte Inhalte wie Aufgabenziele, Ressourcenverteilung, Vorgehensweisen oder die Bewertung und Interpretation von Fakten thematisieren, beschäftigen sich Beziehungskonflikte mit persönlichen Werten, Stilen, Geschmäcken und Präferenzen. Darüber hinaus identifiziert Jehn (1997) in ihrer Studie eine prozessbedingte Konfliktart (Prozesskonflikt), die die Art der Aufgabenbewältigung in den Mittelpunkt stellt, wie beispielsweise die Zuordnung von Verantwortlichkeiten und die Delegation von Aufgaben. <?page no="138"?> 2.8 Interkulturelle Teams aus einer politisch-rechtlichen Perspektive 139 Die Auswirkungen von Aufgaben- und Beziehungskonflikten auf interkulturelle Teamarbeit werden in der Literatur ausgiebig diskutiert, sodass eine Vielzahl von Studien zu dieser Thematik existiert (Puck, 2009, S. 60 f.). In Bezug auf die Effekte von Beziehungskonflikten liegen übereinstimmende Studienergebnisse in der Gestalt vor, dass sich diese Art von Konflikten immer negativ auf die Teamleistung auswirkt (Dreu & Weingart, 2003, S. 741). Da die Teammitglieder viel Zeit und Energie damit verbringen, die persönlichen Beziehungen zu klären, anstatt sich der Teamaufgabe zu widmen, wird der Aufgabenlösungsprozess gehemmt, die Teamzufriedenheit sinkt und die Teamleistung verschlechtert sich (Jehn, 1997, S. 530). Allerdings konnten Earley und Mosakowski auch feststellen, dass Beziehungskonflikte eher in Teams mit wenigen verschiedenen Kulturen vorkommen als in Teams mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Kulturen (Earley & Mosakowski, 2000, S. 45). Dieser Tatbestand liegt darin begründet, dass gering kulturdiverse Teams vermehrt zur Bildung von Subgruppen sowie einer verlangsamten Entwicklung einer Teamidentität und eines gemeinsamen Teamsprachstils neigen (ebd.). Aufgrund der unterschiedlichen kulturspezifischen Werte und Ansichten kommt es in interkulturellen Teams ebenfalls zu vermehrten Aufgabenkonflikten als in Teams ohne kulturelle Vielfalt (Elron, 1997, S. 404). Diese Aufgabenkonflikte reduzieren zwar grundsätzlich, ebenso wie die Beziehungskonflikte, die Teamleistung, die Teamzufriedenheit und die soziale Integration der Teammitglieder, können aber auch positive Wirkungen nach sich ziehen. Vor allem im Zuge hochkomplexer Teamaufgaben können interkulturelle Teams durch Aufgabenkonflikte kreativere und innovativere Lösungen generieren, insofern sie diese konstruktiv lösen, die Teammitglieder offen bzw. kooperativ sind und ein hohes Maß an Vertrauen im Team existiert. Da die Aufgaben- und Beziehungskonflikte miteinander zusammenhängen, sind diejenigen interkulturellen Teams am effizientesten, die zwar Aufgabenkonflikte, jedoch keine Beziehungskonflikte in ihrem Team akzeptieren. 2.8.3 Verhaltensweisen in Konfliktsituationen In der Praxis lässt sich ein kulturspezifischer Umgang mit den erläuterten Konflikten identifizieren, wodurch es zu einer verlangsamten Konfliktlösung oder sogar einer Konflikteskalation kommen kann. So gilt ein spezifischer Konfliktumgang in der einen Kultur als wünschenswert, in der anderen jedoch als inakzeptabel (Ohbuchi & Takahashi, 1994, S. 1346), da das Konfliktkonstrukt in jeder Kultur anders aufgefasst wird. Eine konflikthafte Situation in Japan kann von Amerikanern beispielsweise als problemlos bezeichnet werden. Diese unterschiedlichen kulturellen Auffassungen von Konflikten lassen sich größtenteils durch die verschiedenen Ausprägungen der Kulturdimensionen, insbesondere Femininität/ Maskulinität und Individualismus/ Kollektivismus, erklären. Maskuline Kulturen versuchen beispielsweise Konflikte auszufechten, während feminine Kulturen eine kooperative Konfliktlösung durch Kompromisse und Vereinbarungen anstreben (Weidmann, 1995, S. 48). Im Umgang mit Konflikten spielt jedoch die Kulturdimension Individualität versus Kollektivität eine noch entscheidendere Rolle, da in individualistischen Kulturen die Aufgabe und in kollektivistischen Kulturen die Beziehung als relevant erachtet wird (ebd., S. 46). Deshalb versuchen kollektivistische Kulturen (z. B. China, Thailand und Japan) Konflikte zu vermeiden, um die Harmonie zu den Teampartnern zu bewahren. Konflikte werden dabei von kollektivistischen Teammitgliedern als bedrohliches Problem mit zerstörender Wirkung empfunden, das die Beziehung zu den Teammitgliedern gefährdet (Rathje, 2004, S. 115). Dementsprechend versuchen kollektivistische Teammitglieder, einen Konsens zu erreichen, und drücken ihre konträre Meinung nie direkt aus, sondern fordern beispielsweise den Teampartner mehrmals auf, seine Meinung zu wiederholen. In individualistischen Kulturen (wie Deutschland und den USA) werden Konflikte hingegen offen und direkt ausgetragen, da sie als konstruktives Mittel zur Problemlösung gelten. Aufgrund der Tatsache, dass individualistische Teammitglieder im Konflikt hauptsächlich auf die Problemlösung fokussiert sind, werden zur <?page no="139"?> 140 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Überzeugung von Teampartnern weniger emotionale, sondern vorwiegend rationale Argumente vorgebracht. Wie in Abb. 2.21 dargestellt, lassen sich die genannten kulturellen Umgangsformen mit Konflikten auch in das Konflikttypenmodell von Thomas (1976) einordnen, welches fünf mögliche Verhaltensweisen in Konfliktsituationen aufzeigt. Demnach reagieren Individuen je nach Orientierung an den eigenen und/ oder fremden Interessen in Konflikten entweder mit Vermeidungs-, Durchsetzungs-, Nachgabe-, Kompromiss- oder Konsensstrategien. Abb. 2.21: Konflikttypen nach Thomas (in Anlehnung an Thomas, 1976, S. 900) Empirische Studien belegen allerdings, dass kooperative und konsensorientierte Verhaltensweisen in Konflikten im Rahmen einer Teamarbeit innovationsförderlicher sind als vermeidende, durchsetzende und nachgebende Verhaltensweisen (Gobeli, Koenig & Bechinger, 1998, S. 423). 2.8.4 Lösungs- und Quasilösungsstrategien für Konflikte Damit interkulturelle Teams effektiv und effizient arbeiten können, ist in der Praxis eine Lösung bzw. Quasilösung der Konflikte essenzielle Voraussetzung, um nicht zu viel Zeit und Energie zu verlieren (Dreu & Weingart, 2003, S. 748). Die politisch-rechtliche Perspektive beschränkt mit ihrer siebten Prämisse die Möglichkeiten der Konfliktlösung zwar auf rechtliche Quasilösungen, jedoch werden auch verhaltenswissenschaftliche Konfliktlösungen aufgezeigt, da je nach Art des Konflikts und der Situation eine andere Herangehensweise sinnvoll sein kann . 2.8.4.1 Konfliktlösungsmechanismen nach Glasl Glasl schlägt deshalb Konfliktlösungsmechanismen vor, die sich nach der jeweiligen Eskalationsstufe des Konflikts ausrichten. Tab. 2.9 zeigt die einzelnen Eskalationsstufen mit ihren jeweiligen Merkmalen auf, wobei eine Dreiteilung der Konfliktlösungen in Win-Win-, Win-Lose- und Lose-Lose- Szenarien zu erkennen ist (Glasl, 2010, S. 234). <?page no="140"?> 2.8 Interkulturelle Teams aus einer politisch-rechtlichen Perspektive 141 Tab. 2.9: Eskalationsstufen nach Glasl (in Anlehnung an Klötzel, 2015) Ebene Stufe Merkmale Mögliche Lösung I 1. Verhärtung Spannungen/ gelegentliche Auseinandersetzungen Win-Win Eigenständig lösbar; beide Parteien können dabei gewinnen 2. Polarisierung und Debatte Auseinandersetzungen eskalieren zu einem Streit Versuche, andere von der eigenen Meinung zu überzeugen 3. Taten statt Worte Verbale Kommunikation wird reduziert Keine Empathie für andere II 4. Sorge um Image und Koalition Es geht nicht mehr um die Sache, sondern um Gewinne Verbündete werden gesucht Win-Lose Nur mit Hilfe lösbar; nur eine Partei gewinnt 5. Gesichtsverlust Demütigung des Gegners 6. Drohstrategien Drohungen werden ausgesprochen Eigene Macht soll veranschaulicht werden III 7. Begrenzte Vernichtungsschläge Es wird versucht, dem Gegner empfindlichen Schaden zuzufügen Eigener begrenzter Schaden wird in Kauf genommen Lose-Lose Nicht lösbar; beide Parteien verlieren 8. Zersplitterung Gegner soll zerstört werden 9. Gemeinsam in den Abgrund Eigene Vernichtung bei Zerstörung des Gegners wird in Kauf genommen Wie in Abb. 2.22 dargestellt, führt Glasl aufgrund der spezifischen Merkmale der Eskalationsstufen sechs verschiedene Konfliktlösungsmechanismen an, die zwar nicht immer eine gewinnbringende Lösung für beide Konfliktparteien bereithalten, aber eine möglichst effiziente und konfliktreduzierende Lösung anstreben (Glasl, 2010, S. 396 ff.). Demnach sind Konflikte auf den ersten drei Eskalationsstufen (Verhärtung, Polarisierung und Debatte und Taten statt Worte) idealerweise durch die beteiligten Personen selbst oder mithilfe eines Moderators zu lösen, da in dieser Phase der Konflikt noch für alle beteiligten Personen zu gewinnen ist. So fördert ein Moderator lediglich die Selbstklärung und hilft die Beziehungen zwischen allen Beteiligten zu verbessern (Glasl, 2010, S. 396 f.). Mit Fortschreiten der dritten bis zur fünften Eskalationsstufe (Taten statt Worte, Sorge um Image bzw. Koalition und Gesichtsverlust) kann der Konflikt nur noch mithilfe außenstehender Personen (wie dem Teamleiter) durch Prozessbegleitung gelöst werden, da die beteiligten Personen nicht mehr miteinander reden und sich der Konflikt von der Sachauf die Beziehungsebene verlagert hat. Durch eine Prozessbegleitung wird den beteiligten Partnern nützliches Wissen vermittelt, um Konflikte in Zukunft selbst lösen zu können (ebd., S. 398). <?page no="141"?> 142 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Abb. 2.22: Konfliktlösungsmechanismen für die Eskalationsstufen nach Glasl (in Anlehnung an Glasl, 2010, S. 397) Diese Prozessbegleitung kann auf den Stufen vier bis sechs (Sorge um Image bzw. Koalition, Gesichtsverlust und Drohstrategien) durch sozio-therapeutische Elemente ergänzt werden, die vor allem die Gefühle und unbewussten Blockaden der Beteiligten in den Fokus stellen. Hat sich der Konflikt bereits auf der fünften bis siebten Stufe (Gesichtsverlust, Drohstrategien und begrenzte Vernichtungsschläge) verhärtet, ist der Konfliktprozess nicht mehr nur zu begleiten. Es gilt vor allem, die Konfliktursachen durch Mediation aufzudecken und einen Kompromiss zwischen den Beteiligten auszuhandeln. Gelangt die Mediation an ihre Grenzen, kann auf der sechsten bis achten Stufe (Drohstrategien, begrenzte Vernichtungsschläge und Zersplitterung) ein Schiedsverfahren bzw. Gerichtsverfahren eingesetzt werden. Im Zuge dessen wird der Konflikt durch Fakten und Tatsachen von einem neutralen (Schieds-)Gericht gelöst, dessen Entscheidungen die beteiligten Personen dann akzeptieren. Bei hoch eskalierten Konflikten auf den Stufen sieben bis neun (begrenzte Vernichtungsschläge, Zersplitterung und gemeinsam in den Abgrund) hilft dann allerdings nur noch ein direkter Machteingriff von außen, der eine weitere Eskalation verhindert und Maßnahmen gegen den Willen der Beteiligten durchsetzt. 2.8.4.2 Rechtlich-politische Konfliktlösungsmechanismen Neben Moderation, Mediation, Prozessbegleitung, Schiedsverfahren und Machteingriff können in interkulturellen Teams auch rechtlich-politische Konfliktlösungsmechanismen eingesetzt werden, die als Quasilösungen Regeln für den Umgang mit unterschiedlichen Ansichten und Konfliktsituationen vorgeben (Cyert & March, 1963, S. 117 f.). Auf Landesebene kann durch Antidiskriminierungsgesetze, wie zum Beispiel das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in Deutschland (AGG), bereits eine Grundlage für den Umgang in Unternehmen <?page no="142"?> 2.8 Interkulturelle Teams aus einer politisch-rechtlichen Perspektive 143 und damit auch in interkulturellen Teams gelegt werden (§§ 6-18 AGG). Das AGG in Deutschland regelt, dass beispielsweise eine Benachteiligung aufgrund der ethnischen Herkunft oder der Weltanschauung gesetzlich nicht toleriert wird und rechtliche Konsequenzen bei einem Verstoß nach sich zieht (§ 1 AGG; Verstöße gegen das AGG werden straf- und arbeitsrechtlich verfolgt). Damit erfahren unterschiedliche kulturelle Ansichten in interkultureller Teamarbeit und in anderen interkulturellen Unternehmenssituationen einen ersten Schutz, der durch weitere Maßnahmen der Unternehmen ausgebaut werden kann. An dieser Stelle sind besonders Unternehmensrichtlinien und Code of Conducts (zu Deutsch: Verhaltenskodizes) herauszustellen, welche den Mitarbeitern Verhaltensregeln vorgeben (Dietzfelbinger, 2015, S. 116). So werden Mitarbeiter bei BASF durch den dortigen Verhaltenskodex beispielsweise dazu aufgefordert, einen persönlichen Interessenkonflikt dem Vorgesetzten zu melden (BASF, 2017, S. 15), während der Code of Conduct bei Beiersdorf einen sachorientierten und nicht durch kulturelle Haltung beeinflussten Umgang mit Konflikten präferiert (Beiersdorf, 2017, S. 13). Die Einhaltung der Verhaltensregeln wird dabei von den Vorgesetzten überwacht und jeder Mitarbeiter kann Verstöße melden, die dann rechtlich geprüft und gesetzlich oder disziplinarisch geahndet werden. Ebenso können Unternehmen durch ein breit angelegtes Diversity Management kulturelle Vielfalt fördern und zu einem festen Bestandteil des Unternehmens werden lassen, wodurch kulturabneigende Haltungen und Verhaltensweisen eine Verringerung erfahren. 2.8.5 Konsequenzen für den Einsatz interkultureller Teams Es kann konstatiert werden, dass Missverständnisse, Ethnozentrismus und Stereotypisierung interkulturelle Aufgaben- und Beziehungskonflikte auslösen können, die zu einer Bildung von Subgruppen, Kommunikationsverschlechterungen und Leistungseinbußen in interkulturellen Teams führen. Die Umgangsformen und Verhaltensweisen in solchen interkulturellen Konflikten unterscheiden sich dabei je nach kulturellem Hintergrund der Teammitglieder und der Eskalationsstufe des Konflikts. Konflikte können aber auch positive Effekte, wie beispielsweise die Schärfung des Problembewusstseins der Beteiligten, das Erhalten von Teamgrenzen und den Aufbruch von festgefahrenen Strukturen, haben, wenn ihnen durch ein kooperatives Konfliktmanagement und angepasste Konfliktlösungsmechanismen begegnet wird. Unterstützend wirkt dabei der Teamleiter, der mithilfe von Führungs-, Beteiligungssowie Kommunikationsmitteln den konstruktiven Charakter von Konflikten betont und für die Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien, Regeln und Vereinbarungen sorgt, die viele Konflikte bereits in ihrem Ursprung an einer Entstehung hindern. Folglich kann von der in These 3 formulierten Annahme ausgegangen werden, dass in interkulturellen Teams spezifische Konflikte auftreten, deren Lösung situations- und kulturspezifische Mechanismen verlangt. Übung 2.8 Welche Verhaltensweisen in Konfliktsituationen kennen Sie? Übung 2.9 Welche Konfliktlösungsmechanismen nach Glasl kennen Sie? 2.8.6 Unternehmenskultur Terminologische Grundlagen von Unternehmenskultur Um den Einfluss von Unternehmenskultur auf die unternehmerischen Aktivitäten und den Unternehmenserfolg begreifen zu können, hilft eine terminologische Eingrenzung des Begriffs Unternehmenskultur, die als „Gesamtheit der Grundannahmen, Werte, Normen, Einstellungen und Überzeu- <?page no="143"?> 144 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen gungen einer Unternehmung [verstanden wird], die sich in einer Vielzahl von Verhaltensweisen und Artefakten ausdrückt und sich als Antwort auf die vielfältigen Anforderungen, die an multinationale Unternehmungen gestellt werden, im Laufe der Zeit herausgebildet hat“(Kutschker & Schmid, 2011, S. 686). Im Zuge dieser Begriffsbestimmung zeigt sich eine große Deckungsgleichheit mit der terminologischen Eingrenzung des Konstrukts Kultur. 2.8.7 Einfluss der Unternehmenskultur auf interkulturelle Teams Die Unternehmenskultur beeinflusst jedoch nicht nur den allgemeinen Unternehmenserfolg, sondern besitzt auch direkte Auswirkungen auf die Leistung von interkulturellen Teams. Dabei sind vor allem die Auffassungen der Unternehmenskultur bezüglich Interkulturalität und Offenheit von großer Bedeutung. Da die Akzeptanz von Fremdkulturen mit der Unternehmenskultur variiert, werden auch die Einstellungen der interkulturellen Teammitglieder gegenüber ihren fremdkulturellen Teamkollegen beeinflusst. Demnach hilft eine offene und interkulturelle Unternehmenskultur dabei, die Teammitglieder auf interkulturelle Begegnungen und unterschiedliche Ansichten vorzubereiten. Polzer, Milton und Swann (2001) sowie Ely und Thomas (2001) zeigen auf, „dass sich kulturelle Diversität nur positiv auf den Teamerfolg und besonders auf die Kreativität im Team auswirkt, wenn sie im Unternehmen offen thematisiert, wertgeschätzt und akzeptiert wird“ (Fleischmann, 2014, S. 185). Auch Mathieu, Gilson und Ruddy (2006) weisen nach, dass sich ein offenes Unternehmensklima (als Bestandteil der Unternehmenskultur) positiv auf die Teamprozesse auswirken kann, wenn dadurch eine offene Kommunikation und Kooperation innerhalb und zwischen den Teams entsteht. Gleichzeitig wird durch eine offene Kommunikation und Kooperation auch eine diversitätsfördernde Unternehmenskultur entwickelt, die individuelle kulturelle Unterschiede der Mitarbeiter berücksichtigt und als Leistungspotenzial begreift (Watrinet, 2008, S. 114). In Ergänzung zu einer Unternehmenskultur, die Fehler zulässt und als Lernchancen sieht, kann daraus eine Vertrauenskultur entstehen, die im Besonderen die interkulturelle Teamarbeit positiv beeinflusst, indem sie eine vertraute Teamatmosphäre schafft, in der alle Meinungen als konstruktiv angesehen werden. Weiterhin sensibilisiert eine interkulturelle und offene Unternehmenskultur die Teammitglieder dahingehend, Veränderungen und wechselnde Rahmenbedingungen wahrzunehmen, wodurch die Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft der interkulturellen Teams steigen, was wiederum zu besseren Teamleistungen führt (Bauschke, 2014, S. 17). Andererseits können interkulturelle Teams jedoch auch die Unternehmenskultur beeinflussen, indem die Teammitglieder im Rahmen der Teamarbeit neue Erfahrungen machen, die ihre Werte und Einstellungen verändern. Die damit einhergehende Veränderung von Werten und Einstellungen fließt wiederum in die Unternehmenskultur mit ein, indem die Teammitglieder beispielsweise ihre Arbeitsweise ändern oder andere Mitarbeiter von ihrer neuen Einstellung überzeugen. 2.8.8 Konsequenzen für den Einsatz interkultureller Teams Aus den vorangegangenen Ausführungen kann gefolgert werden, dass bei Veränderungsprozessen in Unternehmen neben strukturellen und strategischen Maßnahmen die Unternehmenskultur als kritischer Faktor zu beachten ist. Eine starke Unternehmenskultur (hoher Verankerungsgrad und hohes Übereinstimmungsausmaß), die systemkompatibel ist, kann die Umsetzung von Unternehmensentwicklungen durch diverse Funktionen, wie beispielsweise Koordination, Motivation und Integration, unterstützen und somit die Interessen der Mitarbeiter mit den Interessen des Unternehmens in Einklang bringen, um damit auch den Unternehmenserfolg zu beeinflussen. <?page no="144"?> 2.8 Interkulturelle Teams aus einer politisch-rechtlichen Perspektive 145 Diese katalysatorischen Wirkungen gelten auch für interkulturelle Teams. Demnach sensibilisiert eine starke, offene und interkulturelle Unternehmenskultur die Mitglieder interkultureller Teams für wechselnde Rahmenbedingungen, schafft eine Vertrauenskultur und fördert die Kreativität, wodurch sich auch die Prozesse und Leistungen in den interkulturellen Teams verbessern. Folglich kann von der in These 4 formulierten Annahme ausgegangen werden, dass sich die Leistung interkultureller Teams von der Unternehmenskultur positiv beeinflussen lässt. Kultur ist wichtig Die 5 Dimensionen von Kultur sind in jeder Unternehmenskultur unterschiedlich stark ausgeprägt. Ist die Führungskraft gut kennt sie die Kulturen in den verschiedenen Teilen ihrer Organisation und auch in den verschiedenen Teilen der Welt. Gute Führungskräfte passen ihren Führungsstil entsprechend an. In asiatischen Niederlassungen werden bspw. kollektive Ansätze gewählt (Marcouse et al., 2015, S. 108). Peter Druckers Zitat betont die Wichtigkeit der Kultur: „Die Kultur verspeist die Strategie zum Frühstück“ (Marcouse et al., 2015, S. 109). Zusammenfassung Wie interkulturelle Teams gebildet werden können, lässt sich wohl am besten aus unterschiedlichen Organisationstheorien (Ansätzen) bzw. -perspektiven erläutern, da es nicht „ die Theorie“ dafür gibt. Der strukturelle Organisationsansatz ist der grundsätzlichste Ansatz und muss, wie im Exkurs zu den formalen Organisationsstrukturen bei internationalen Unternehmen behandelt, unbedingt berücksichtigt werden, ob als Struktur oder als Prozessorganisation. Alle weiteren Organisationsansätze sind komplementär zum strukturellen Organisationsansatz zu betrachten, und man kann je nach Organisationsproblem auf den einen oder anderen weiteren Organisationsansatz verzichten. Bildung interkultureller Teams aus verhaltenswissenschaftlicher Organisationsperspektive: Der Mensch will in einer formalen Organisationsstruktur wie ein Mensch behandelt werden. Gerade in interkulturellen Teams prallen anerzogene Werte und Verhaltensweisen aufeinander, die erkannt, analysiert und gesteuert werden müssen, will das multinationale Unternehmen in seinen wirtschaftlichen Aktivitäten und dem Verkauf von Produkten erfolgreich sein. Gerade der Kommunikation und der Führung in interkulturellen Teams kommen hier Schlüsselrollen zu. Politisch-rechtlicher Organisationsansatz zur Bildung politisch formaler und rechtlicher Rahmenbedingungen für die internationale Unternehmung: Bereits der römische Gelehrte Cicero wies vor 2000 Jahren darauf hin, dass alle Organisationsregeln und Gesetze von Menschen gemacht werden, und keine kulturelle Religion „naturgemäß“ oder „göttlich“ bestimmen kann, was gut und schlecht in Organisationen ist. Schließlich ist jede Religion von Menschen erdacht und nicht von Gott gegeben. Die Organisation und die interkulturellen Teams entwickeln eigene Regeln der Zusammenarbeit bzw. richten sich an staatlichen Gesetzen aus, z. B. Betriebsverfassungsgesetz, Mitbestimmungsgesetz, Einführung der Frauenquote, Diskriminierungsverbot etc. Symbolischer Organisationsansatz zur Bildung von interkulturellen Teams: Die Mehrheit der Mitarbeiter brauchen Märchen, Mythen, Sagen, Religion(en), Rituale, um mit un- <?page no="145"?> 146 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen verständlichen Aufgaben, Situationen, Unsicherheiten und Risiken in multinationalen Unternehmungen und in verschiedenen Ländern zurechtzukommen. Unternehmenskulturen in formalen Organisationsstrukturen helfen hier den Mitarbeitern, Orientierung zu bekommen und Rückschläge in der Arbeitswelt besser zu verkraften bzw. einen Organisationswandel aufgrund von internationalen Zusammenschlüssen von Unternehmen besser zu verstehen. 2.9 Strukturelle Organisationsstrukturen in multinationalen Unternehmen Nach Bearbeitung dieses Abschnitts haben Sie ein Grundverständnis dafür, wie die Organisation eines multinationalen Unternehmens gestaltet werden könnte. Sie haben abzuschätzen gelernt, welche Faktoren hierbei eine große Rolle spielen. Eine Organisation wird bestimmt durch die Art und Weise, wie die Aufgaben, die zum Funktionieren des Unternehmens im Inland und im Ausland erforderlich sind, auf die einzelnen Stellen und Niederlassungen verteilt sind. Hintergrund ist ein kostenrechnerischer, unternehmerischer Ansatz und ein finanzorientierter Eigentümeransatz. 1) Zum kostenrechnerischen Ansatz: Jede Organisationsstelle, Niederlassung usw. ist kostenrechnerisch auch eine Kostenstelle. Das heißt, das Management fragt danach, wie diese Kostenstellenfunktion produktiv gelöst wird bzw. wie viel Kosten verursacht werden und welche „Erträge“ durch diese Auslandsstelle(n) erzielt werden. 2) Zur finanzorientierten Perspektive der Aktionäre bzw. Eigentümer: Wie viel Kapital benötigt eine Auslandsniederlassung und mit welchem Free Cash Flow kann gerechtet werden bzw. wann werden die Auslandsinvestitionen über die Organisation wieder eingespielt? Dabei wird folgende Risikofrage mitschwingen: Kann unter ausländischer Staatsführung der Niederlassung das Eigentum der Unternehmung z. B. auch verstaatlicht werden oder das organisatorische Durchgriffsrecht der Unternehmensführung behindert werden? 3) Grundsätzlich stehen internationale Organisationsstrukturen im Fokus des Interesses, wenn Unternehmenswachstum eines Unternehmens besonders durch internationale Aktivitäten möglich ist. Folgende Fragen müssen dabei u. a. gelöst werden:  Will das Unternehmen seine Produktions- und Marketingaktivitäten 1: 1 ins Ausland übertragen?  Hat die Unternehmensleitung eine oder mehrere Strategien für das multinationale Unternehmen, die dann in entsprechende Organisationsstrukturen und Organisationsprozesse überführt werden können?  Hat das Unternehmen genügend qualifiziertes Personal (Expatriates), das den organisatorischen Notwendigkeiten des Unternehmens entspricht, um alle Organisationsstellen zu besetzen?  Soll eine kapitalmarktorientierte Managerkontrolle der Landesniederlassungen im Sinne eines Shareholder-Value-Ansatzes erfolgen?  Wie können interne Schnittstellenprobleme zwischen der Muttergesellschaft und den Töchterunternehmen, aber auch zwischen der Forschungs- und Entwicklungsabteilung im In- und Ausland mit den Produktions- und Marketingabteilungen gelöst werden? <?page no="146"?> 2.9 Strukturelle Organisationsstrukturen in multinationalen Unternehmen 147  Wie kann ein sozialpsychologisches Modell der Commitment-Förderung in multinationalen Unternehmen verankert werden? Dieses Modell besagt, dass die Beteiligung der Betroffenen in organisatorischen Stellen an den strategischen internationalen Entscheidungen der Unternehmung erfolgt, damit die Implementierung der Programme durch Manager und Mitarbeiter gefördert wird. Den Strukturen nationaler und internationaler Unternehmen wird seit den 1970er-Jahren in der Organisationsforschung in der deutschen Betriebswirtschaft starke Beachtung geschenkt (Kutschker & Schmid, 2011, S. 475 ff. und Schmeisser et al., 2014). Organisationsstrukturen beschreiben die Weisungs- und Kommunikationsstrukturen in multinationalen Unternehmen zwischen den Managementebenen, die formalen Produktions- und Marketingzusammenhänge zwischen der Mutter- und den Tochterunternehmen in den verschiedenen Ländern sowie die internen und externen Verrechnungszusammenhänge, um den kostenrechnerischen und finanzwirtschaftlichen Notwendigkeiten gerecht zu werden. Die formalen internationalen Organisationsstrukturen bilden damit das Gerüst einer multinationalen Unternehmung ab. Formale Organisationsstrukturen können bis hinunter auf die individuellen Akteure festgelegt werden, um deren Effizienz kostenrechnerischer und finanzwirtschaftlicher Art zu beurteilen.  Formale Organisationstrukturen werden oft nach folgenden Kriterien beurteilt, um auf ihre Effizienz zu schließen:  Arbeitsteilung: Die Arbeitsteilung wird als strukturelles Grundprinzip betrachtet, denn je mehr Mengenteilung, Spezialisierung (Artenteilung) und Professionalisierung durch Bildung hochqualifizierter Stellen und damit Einsatz von Spezialisten erfolgt, desto höher wird die Produktivität. Oder anders ausgedrückt: Je größer die Arbeitsteilung, d. h. die Aufgliederung der zu erreichenden betrieblichen Ziele auf die Aktivitäten und deren Verteilung auf die Organisationsmitglieder (Sichtbar im Organigramm der multinationalen Unternehmung), desto höher ist die zu erwartende Produktivität.  Koordination : Je höher die Arbeitsteilung, desto höher ist der Abstimmungsbedarf in arbeitsteiligen Prozessen durch Manager, Teams, Automatisierung sowie durch Strategien und Programme.  Leitungsbeziehungen: Äußere Form des Gefüges organisatorischer Einheiten: Strukturelle Lenkungssysteme wie Stablinienorganisation, Teams, Geschäftsführungen der Auslandsniederlassungen etc.  Delegation: Zuordnung von Aufgaben, Verantwortlichkeiten, Entscheidungsbefugnissen (= Kompetenzen) auf verschiedenen Ebenen und Stellen im In- und Ausland der Unternehmung.  Standardisierung: Festlegung einheitlicher technischer Vorgaben im Rahmen der Arbeitsteilung zur besseren Aufgabenwahrnehmung bei der Erzielung und Erstellung unternehmerischer Geschäftsfelder und Produkte, um die Produktivität zu erhöhen und eine bessere kostenrechnerische Wirtschaftlichkeit zu erzielen. In der Praxis findet man eine Vielzahl von strukturellen Alternativen, mit denen multinationale Unternehmen versuchen, auf die an sie herangetragenen politisch-rechtlichen, kulturellen und ökonomischen externen Umweltbedingungen und internen Anforderungen ihrer Anteilseigner, Manager und technologisch-produktionstechnischen, absatzwirtschaftlichen und verwaltungsmäßigen internen Anforderungen zu reagieren. Folgt man Kutschker und Schmid (2011, S. 475 ff.), dann werden zur Bildung internationaler Organisationsstrukturen meist zwei Kriterien herangezogen: 1) Die organisatorische Stellung des Auslandsgeschäfts im Vergleich zum Inlandsgeschäft der Unternehmung. 2) Die Art der Spezialisierung , die die Organisationsstruktur bestimmt. <?page no="147"?> 148 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Charakterisiert man diese beiden Kriterien genauer, wie die organisatorische Stellung des Auslandsgeschäfts, muss eine weitere Differenzierung vorgenommen werden: (zu 1) ob das Auslandsgeschäft vom Inlandsgeschäft organisatorisch getrennt wird oder ob das Auslandsgeschäft mit dem Inlandsgeschäft vereinigt und zusammengefasst wird. Wird das Auslandsgeschäft der Tochterunternehmen vom Inlandsgeschäft der Muttergesellschaft organisatorisch separiert bzw. abgespaltet, dann wird von segregierten bzw. differenzierten Organisationseinheiten oder Strukturen gesprochen. Wird dagegen das Auslandsgeschäft mit dem Inlandsgeschäft organisatorisch zusammengefasst, spricht man von integrierten Strukturen . Die „integrierten Organisationsstrukturmodelle“ werden auch als „globale Organisationsstrukturmodelle“ bezeichnet. Was jedoch als „global“ im Folgenden bezeichnet wird, ist in Anlehnung an Bartlett und Goshal (1989) zu verstehen. Globale Unternehmen sind nach Bartlett und Goshal auch internationale, multinationale und transnationale Unternehmen. (zu 2): Die Art der Spezialisierung ist wie bei nationalen Unternehmensstrukturen (Schmeisser et al., 2014, S. 120 ff.) eine Gliederung nach  Funktionen (bzw. Aufgaben, Verrichtungen oder Handlungen, wie beschaffen, produzieren, verkaufen, verwalten);  Geschäftsbereichen und Produkten ( bzw. Sachziele, wie beim VW-Konzern, Porsche, Audi etc.);  Regionen (bzw. Kontinente, Länder oder Märkte wie USA-Geschäft, China-Geschäft, Europa, Afrika, Frankreich, Spanien, Deutschland oder Märkte für Sportwagen, für Geschäftswagen etc.);  Kunden (für Diesel, Verbrennungsmotoren, Elektroautos etc. bis zum Verkaufspreis von 10 000, 20 000, 30 000, 50 000, 100 000 Euro) Es lässt sich analog sprechen von entweder  einer funktionalen Organisationsstruktur,  einer Geschäftsbereichsorganisationsstruktur angelehnt an ein strategisches Management mit unterschiedlichen Strategien,  einer Regionalorganisationsstruktur wie bei General Motors oder VW oder  einer Key-Account-Organisationsstruktur mit Deutscher Post, Bundeswehr oder Geschäftskunden als gut zahlende Klientelen. Kombiniert man Organisationsstrukturen zwei-, drei- oder mehrmals, spricht man von Matrixbzw. Tensorstrukturen. Abb. 2.23 gibt eine Übersicht über die Grundformen internationaler Organisationsstrukturen (Kutschker & Schmid, 2011, S. 491). Existiert eine ausländische erste Tochtergesellschaft, so erhält der Geschäftsführer (beispielsweise als „Expatriate“) eine Leitungsbeziehung (Leitungsspanne) mit einem relativ großen Entscheidungsspielraum. Die Muttergesellschaft will beobachten, wie sich der Absatz ihrer Produkte und die Umsätze im Ausland entwickeln und ob irgendwann sogar Produktionsverlagerungen mit entsprechenden Investitionen anstehen. Aufgrund der geringen Bedeutung des bisherigen Auslandsgeschäfts kann eine kostspielige Anpassung der unspezifischen Organisationsstruktur unterbleiben und eine Aufblähung von Personal- und Sachkosten vermieden werden. <?page no="148"?> 2.10 Unspezifische Organisationsstrukturen multinationaler Unternehmen 149 Abb. 2.23: Übersicht über die Organisationsstrukturen (Kutschker & Schmid, 2011, S. 496) 2.10 Unspezifische Organisationsstrukturen multinationaler Unternehmen Gerade am Anfang der Internationalisierung von Unternehmen schlagen sich diese Aktivitäten im Ausland weder in der Strategie noch in der Organisation nieder. In Unternehmen werden eher zufällig erste Exporte getätigt und man erkennt, dass man sich mit dem Land bzw. den Ländern, in die man exportiert, genauer auseinandersetzen muss. Solange diese Auslandsengagements nur eine geringe Bedeutung haben, führen sie zu keiner nennenswerten Veränderung in der Gesamtorganisationsstruktur der Unternehmung. Erst wenn der Auslandsumsatz vom Gesamtumsatz relevante Größen von ca. 10 Prozent und mehr erreicht, sollte über andere Organisationsstrukturen nachgedacht werden, aufgrund von Zöllen, Wechselkursrisiken, Rohstoffen, Personalkosten, Materialkosten, Logistikkosten und protektionistischen Tendenzen von Regierungen. Diese Tatbestände verlangen in der Regel, Teile der Produktion ins Ausland zu verlegen und internationale Strategien etc. zu entwickeln, wie beispielsweise  Zielmarktstrategien, die den Zusammenhang von Marktpräsenz z. B. in Europa darlegen,  Marktselektionsstrategien z. B. für Großbritannien, Frankreich, Italien und  Marktsegmentierungsstrategien für länderübergreifende Zielgruppen, z. B. Sportwagen, SUVs wie Audi, BMW oder Mercedes, die international und integral ein Angehen erfordern. <?page no="149"?> 150 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen 2.11 Segregierte Organisationsstrukturen internationaler und multinationaler Unternehmen Segregierte Organisationsstrukturen zeichnen sich dadurch aus, dass das Auslandsgeschäft und das Inlandsgeschäft organisatorisch voneinander abgespalten werden bzw. das Charakteristikum des Organisationsmodells „Internationale Divisionen“ ist die Dichotomie von Inlandsgeschäft und Auslandsgeschäft auf der ersten Hierarchieebene unterhalb des Vorstands bzw. der Geschäftsleitung der Mutterunternehmung. Internationale Divisionen werden vor allem unter folgenden Bedingungen gewählt: 1) Das Auslandsgeschäft hat eine so große Bedeutung erlangt, dass es mit unspezifischen Organisationsstrukturen nicht mehr zu steuern, zu koordinieren und kostenrechnerisch zu kontrollieren ist. 2) Das Auslandsgeschäft ist geografisch weit gestreut und auf viele Tochtergesellschaften verteilt. In Abb. 2.24 werden Grundmodelle segregierter Organisationsstrukturen vorgestellt. Fall 1: Segregierte Organisation bei Funktionalgliederung des Inlandsgeschäfts Fall 2: Segregierte Organisation bei Geschäftsbereichs-/ Produktglieder und des Inlandsgeschäfts Fall 3: Segregierte Organisation bei Regionalgliederung des Inlandsgeschäfts Abb. 2.24: Grundmodelle segregierter Organisationsstrukturen (eigene Darstellung in Anlehnung an Kutschker & Schmid, 2011, S. 502) <?page no="150"?> 2.12 Integrierte Organisationsstrukturen multinationaler Unternehmen 151 2.12 Integrierte Organisationsstrukturen multinationaler Unternehmen Integrierte internationale Funktionalstrukturen werden dann gewählt, wenn in multinationalen Unternehmen weltweit relativ einheitliche Produkte und Technologien vertrieben werden, wie bei Airbus, Apple, BMW, und wenn eine weltweit hohe Neigung zur technischen Standardisierung und Programmierung im Unternehmen vorliegt. In dieser Organisationsform erhalten die Funktionalressorts weltweite Verantwortung (Kutschker & Schmid, 2011, S. 507). Abb. 2.25: Grundmuster der integrierten Funktionalstruktur (Abbildung aus Kutschker & Schmid, 2011, S. 507) Wird die Organisationsform der integrierten Geschäftsbereichs-/ Produktstruktur gewählt, erhalten die Manager der Geschäfts- und Produktbereiche weltweite Linienverantwortung. Somit sind diese Manager im In- und Ausland für die entsprechenden Geschäftsbzw. Produktbereiche verantwortlich. Abb. 2.26: Grundmuster der integrierten Geschäftsbereichs-/ Produktstruktur (Abbildung aus Kutschker & Schmid, 2011, S. 512) Die Organisationsform der integrierten Regionalstrukturen beinhaltet, dass unterschiedliche Produkte, Geschäftsbereiche und Funktionen unter einem Dach implementiert werden. Dieses Modell wird gewählt, wenn  ein relativ hoher Umfang an internationalen Tätigkeiten anfällt und im Ausland eine Produktionsstätte errichtet wird (und nicht nur eine Niederlassung),  die Notwendigkeit zu einer starken länderbzw. regionalspezifischen Anpassung vorhanden ist und  zudem die Verhandlungen mit den ausländischen Behörden, Verbänden und Regierungsstellen eine zentrale Rolle für den Geschäftserfolg darlegen (Kutschker & Schmid, 2011, S. 519). <?page no="151"?> 152 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Abb. 2.27: Grundmuster der integrierten Regionalstruktur (Abbildung aus Kutschker & Schmid, 2011, S. 519) Mehrdimensionale integrierte Strukturen werden von Unternehmen mit zunehmender Internationalisierung gewählt, da die integrierten Funktional-, Geschäftsbereichs-, Produkt-, Regional und Key-Account-Strukturen in diesem Fall entscheidende Nachteile aufweisen. Wenn zwei Kritierien zur Organisationsgliederung ausgewählt werden, wird von einer Matrixstruktur gesprochen. Eine Tensorstruktur ergibt sich, wenn drei Kriterien simultan berücksichtigt werden. Abb. 2.28: Beispiel Basisvariante: Internationale Matrixorganisation (Pausenberger, 1992, S. 1061; Abbildung aus Siedenbiedel, 2008, S. 225) <?page no="152"?> 2.12 Integrierte Organisationsstrukturen multinationaler Unternehmen 153 Abb. 2.29: Tensororganisation (Kutschker & Schmid, 2011, S. 532; Abbildung aus Siedenbiedel, 2008, S. 227) Abb. 2.30: Intra- und interorganisationale Netzwerkstrukturen (Abbildung aus Kutschker & Schmid, 2011, S. 546) <?page no="153"?> 154 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Interorganisationale Netzwerke unterhalten auf langfristiger Basis Beziehungen zwischen zwei oder mehreren unabhängigen und selbstständigen Firmen. In der Regel geben unabhängige und rechtlich selbstständige Unternehmen einen Teil ihrer Unabhängigkeit und Selbstständigkeit auf, um mit anderen Unternehmen zu kooperieren. Netzwerke entstehen dabei durch eine partielle Ausgliederung betrieblicher Funktionen und durch eine partielle Integration externer Faktoren (Kutschker, 2011, S. 538). Laut Kutschker sind intraorganisationale Netzwerkstrukturen in der Praxis bisher nur ansatzweise verwirklicht (Kutschker & Schmid, 2011, S. 546). Übung 2.10 Welche vier Grundformen des strukturellen Ansatzes werden für internationale Unternehmen unterschieden? Finden Sie je ein Beispiel-Unternehmen für so eine Organisationsstruktur. Zusammenfassung Der strukturelle Organisationsansatz ist der entscheidende und grundsätzliche Theorieansatz für jede Unternehmung. Welche Organisationsstrukturen daraus abgeleitet werden können, hängt von der Technologie und vom Produktprogramm der multinationalen Unternehmung ab. Inwiefern man psychologische, politisch-rechtliche oder kulturelle Aspekte neben den strukturellen Aspekten bei Unternehmensorganisationen zusätzlich berücksichtigen will und muss, hängt von den internen und externen Problemen ab, denen sich das multinationale Unternehmen ausgesetzt sieht. Schlussbetrachtung Zum Abschluss dieses Kapitels folgt eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen Inhalte. Gestartet sind wir mit einer Erklärung, warum interkulturelle Teams in multinationalen Organisationen so wichtig sind. Sie sind es deshalb, da sie über den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens entscheiden können. Dem folgten die Grundlagen der Interkulturalität in Bezug auf Teams. Multinationale Unternehmen müssen sich auf die unterschiedlichen Kulturen einlassen und multinational aufgestellt sein. Im dritten Abschnitt wurden die interkulturellen Teams aus vier organisationstheoretischen Perspektiven betrachtet: - Die Organisation als Maschine (strukturelle Perspektive) - Die Organisation als soziales System (verhaltenswissenschaftliche Perspektive) - Die Organisation als politische Arena (politisch-rechtliche Perspektive) - Die Organisation als Theater (symbolische Perspektive) Dieser Abschnitt schloss mit der Erläuterung der Konsequenzen für den Einsatz internationaler Teams. Das Kapitel endet mit der Darstellung, wie Organisationsstrukturen in multinationalen Unternehmen aussehen und aussehen können. <?page no="154"?> Bearbeitungshinweise zu den Übungen 155 Bearbeitungshinweise zu den Übungen Abschnitt 2 Übung 2.1 Der Aufbau einer Kultur und ihrer Merkmale lässt sich durch das Kulturzwiebelmodell von Hofstede darstellen. Demnach offenbart sich eine Kultur durch Symbole, Helden, Rituale und Werte, wie in der Abbildung dargestellt. Kulturzwiebelmodell nach Hofstede Die dabei gewählte Form einer Zwiebel für das Kulturmodell skizziert bereits den Aufbau einer Kultur. Um die darunterliegenden Schichten zu verstehen, ist eine Kultur von außen nach innen zu begreifen. Die Praktiken mit ihren Bestandteilen Symbole, Helden und Rituale sind sichtbar und klar zu erfassen, genau wie bei der bereits vorgestellten Percepta-Ebene. Doch um sie zu verstehen, bedarf es eines weiteren Vordringens bis hin zu den Werten, die nicht sichtbar sind und mit der Concepta- Ebene verglichen werden können. Der erste Eindruck einer Kultur wird bei Hofstede durch die äußerste und sichtbarste Schicht der Symbole gewonnen. „Symbole sind Worte, Gesten, Bilder oder Objekte, die eine bestimmte Bedeutung haben, welche nur von denjenigen als solche erkannt wird, die der gleichen Kultur angehören.“ Mögliche Symbole können beispielsweise Sprache, Architektur, Kunst oder Kleidung sein, die durch kulturfremde Individuen wahrgenommen und als Realität erfasst werden. Die zweite Schicht des Modells bilden die Helden als Verbindung zwischen Symbolen und Ritualen. „Helden sind Personen, tot oder lebend, echt oder fiktiv, die Eigenschaften besitzen, die in einer Kultur hoch angesehen sind.“ Die in der jeweiligen Kultur lebenden Menschen nehmen oft auf ihre Helden Bezug, ohne dass Außenstehende die Anspielungen verstehen können. <?page no="155"?> 156 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Die dritte und letzte Schicht der sichtbaren Praktiken bilden die Rituale, die „kollektive Tätigkeiten [repräsentieren], die für das Erreichen der angestrebten Ziele eigentlich überflüssig sind, innerhalb einer Kultur aber als sozial notwendig gelten: Sie werden daher um ihrer selbst willen ausgeübt“. Solche Rituale können beispielsweise nationale Feiertage oder Karnevalsumzüge sein. Die tiefste Ebene der Kultur bilden die Werte, die für eine „allgemeine Neigung [stehen], bestimmte Umstände anderen vorzuziehen. Werte sind Gefühle mit einer Orientierung zum Plus- oder zum Minuspol hin“. Somit sind Werte der grundlegende Kern einer Kultur, der auch von den eigenen Mitgliedern der Kultur nur sehr schwer erfasst oder gar sprachlich ausgedrückt werden kann. Sie bestimmen, was die Menschen als gut oder schlecht empfinden und drücken sich beispielsweise auch in religiösen Einstellungen aus. Übung 2.2 Bis heute ist eine derartige Studie nie wieder erreicht worden. Sie gilt deshalb als die Vorzeigestudie überhaupt. Übung 2.3 Folgende Kulturdimensionen lassen sich unterscheiden: <?page no="156"?> Bearbeitungshinweise zu den Übungen 157 Abschnitt 3 Übung 2.4 Übung 2.5 <?page no="157"?> 158 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Organisationsprämissen des strukturellen Ansatzes Organisationsprämissen des verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes Organisationsprämissen des politisch-rechtlichen Ansatzes Organisationsprämissen des symbolischen Ansatzes <?page no="158"?> Bearbeitungshinweise zu den Übungen 159 Übung 2.6 Die Anzahl der Teammitglieder ist ausschlaggebend für eine erfolgreiche Zusammenarbeit (Grunwald, 1996, S. 742 f.). Im Zuge dessen sollte ein Team „groß genug sein, um eine produktive Vielfalt von Erfahrungen, Wissen und Fertigkeiten zu repräsentieren; es sollte aber auch klein genug sein, um rein praktisch den Austausch von Informationen und Argumenten zwischen allen Beteiligten reibungslos zu ermöglichen“ (Krüger, 2009, S. 29). Eine optimale Anzahl von Teammitgliedern wird in der Literatur ausgiebig diskutiert, wobei die meisten Autoren eine kleine Anzahl für sinnvoll erachten (Forsyth, 2010, S. 3). So gibt Saurwein basierend auf einer Literaturanalyse eine optimale Teamgröße von drei bis fünfzehn Mitgliedern an (Saurwein, 1996, S. 99). Auch Grunwald liegt mit seiner Analyse in dieser Spanne und definiert sieben Mitglieder als Optimum (Grunwald, 1996, S. 744). Im Idealfall sind gerade Mitgliederzahlen zu umgehen, um Pattsituationen bei Entscheidungen und Aufspaltungen in gleichstarke Untergruppen zu vermeiden. Zudem sind zur Bestimmung der optimalen Teamgröße jedoch immer aufgaben- und situationsspezifische Variablen zu berücksichtigen. Übung 2.7 (1) Entwicklungsprozess nach DiStefano und Maznevski Erfolgreiche interkulturelle Teams durchlaufen drei Schritte, welche parallel zu der normalen Teamentwicklung stattfinden und die Voraussetzung für eine gute Teamleistung bilden. DiStefano und Maznevski nennen diese drei Schritte Mapping, Bridging und Integrating. Entwicklungsschritte leistungsstarker interkultureller Teams (2) Zeutschel geht davon aus, dass ein interkulturelles Team fünf Phasen der Teamentwicklung durchlaufen muss, und darüber hinaus vier eigene Interaktionskategorien vorweisen muss. Siehe dazu die Abbildung. <?page no="159"?> 160 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Entwicklungsstufen eines interkulturellen Teams nach Zeutschel Übung 2.8 Konflikttypen nach Thomas Wie in der obigen Abbildung dargestellt, lassen sich die genannten kulturellen Umgangsformen mit Konflikten auch in das Konflikttypenmodell von Thomas einordnen, welches fünf mögliche Ver- <?page no="160"?> Bearbeitungshinweise zu den Übungen 161 haltensweisen in Konfliktsituationen aufzeigt. Demnach reagieren Individuen je nach Orientierung an den eigenen und/ oder fremden Interessen in Konflikten entweder mit Vermeidungs-, Durchsetzungs-, Nachgabe-, Kompromiss- oder Konsensstrategien. Übung 2.9 Wie in der folgenden Abbildung dargestellt, führt Glasl aufgrund der spezifischen Merkmale der Eskalationsstufen sechs verschiedene Konfliktlösungsmechanismen an, die zwar nicht immer eine gewinnbringende Lösung für beide Konfliktparteien bereithalten, aber eine möglichst effiziente und konfliktreduzierende Lösung anstreben. Konfliktlösungsmechanismen für die Eskalationsstufen nach Glasl Demnach sind Konflikte auf den ersten drei Eskalationsstufen (Verhärtung, Polarisierung und Debatte und Taten statt Worte) idealerweise durch die beteiligten Personen selbst oder mithilfe eines Moderators zu lösen, da in dieser Phase der Konflikt noch für alle beteiligten Personen zu gewinnen ist. So fördert ein Moderator lediglich die Selbstklärung und hilft, die Beziehungen zwischen allen Beteiligten zu verbessern. Mit Fortschreiten der dritten bis zur fünften Eskalationsstufe (Taten statt Worte, Sorge um Image bzw. Koalition und Gesichtsverlust) kann der Konflikt nur noch mithilfe außenstehender Personen (wie dem Teamleiter) durch Prozessbegleitung gelöst werden, da die beteiligten Personen nicht mehr miteinander reden und sich der Konflikt von der Sachauf die Beziehungsebene verlagert hat. Durch eine Prozessbegleitung wird den beteiligten Partnern nützliches Wissen vermittelt, um Konflikte in Zukunft selbst lösen zu können. Diese Prozessbegleitung kann auf den Stufen vier bis sechs (Sorge um Image bzw. Koalition, Gesichtsverlust und Drohstrategien) durch sozio-therapeutische Elemente ergänzt werden, die vor allem die Gefühle und unbewussten Blockaden der Beteiligten in den Fokus stellen. <?page no="161"?> 162 2 Organisationstheoretische Perspektiven in multinationalen Unternehmen Hat sich der Konflikt bereits auf der fünften bis zur siebten Stufe (Gesichtsverlust, Drohstrategien und begrenzte Vernichtungsschläge) verhärtet, ist der Konfliktprozess nicht mehr nur zu begleiten. Es gilt vor allem, die Konfliktursachen durch Mediation aufzudecken und einen Kompromiss zwischen den Beteiligten auszuhandeln. Gelangt die Mediation an ihre Grenzen, kann auf der sechsten bis zur achten Stufe (Drohstrategien, begrenzte Vernichtungsschläge und Zersplitterung) ein Schiedsverfahren bzw. Gerichtsverfahren eingesetzt werden. Dabei wird der Konflikt durch Fakten und Tatsachen von einem neutralen (Schieds-)Gericht gelöst, dessen Entscheidungen die beteiligten Personen dann akzeptieren. Bei hoch eskalierten Konflikten auf den Stufen sieben bis neun (begrenzte Vernichtungsschläge, Zersplitterung und gemeinsam in den Abgrund) hilft dann allerdings nur noch ein direkter Machteingriff von außen, der eine weitere Eskalation verhindert und Maßnahmen gegen den Willen der Beteiligten durchsetzt. Abschnitt 4 Übung 2.10 Es lassen sich  die funktionale Organisationsstruktur,  die Geschäftsbereichsorganisationsstruktur,  die Regionalorganisationsstruktur und  die Key-Account-Organisationsstruktur unterscheiden. Beispiele recherchieren Sie bitte im Netz. Literatur Allport, G. W. (1954). The Nature of Prejudice. Reading, MA: Addison-Wesley. Barmeyer, C. I. & Davoine, E. (2006). Interkulturelle Zusammenarbeit und Führung in internationalen Teams: Das Beispiel Deutschland-Frankreich. Zeitschrift Führung + Organisation, 75(1), 35- 39. Bartlett, C. A. & Ghoshal, S. (1990). Internationale Unternehmensführung: Innovation, globale Effizienz differenziertes Marketing. 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Was versteht man unter der Entsendungsrichtlinie der EU, über die in Europa strittig diskutiert wird? Welche Theorien stehen dahinter? Solche und ähnliche spannende Fragen werden in diesem Kapitel behandelt. Wir starten mit dem Gliederungspunkt 1, indem geht es um die Internationalisierung von Unternehmen als Herausforderung des Personalmanagements. In Absatz 2 werden die klassischen Internationalisierungsstrategien vorgestellt. Absatz 3 stellt das EPRG-Modell von Permutter vor. Der Absatz 4 zeigt die Rahmenbedingungen des internationalen Personalmanagements auf. Im nächsten Absatz werden die unterschiedlichen Formen der grenzüberschreitenden Tätigkeit von Mitarbeitern aufgezeigt. Im Absatz 6 werden Daten und Fakten zur Entsendung innerhalb der EU dargestellt. Das Kapitel schließt mit Outsourcing und Offshoring im Personalmanagement ab. 3.1 Internationalisierung von Unternehmen als Herausforderung für das Personalmanagement Lernziele Sie haben ein grundsätzliches Verständnis für ein Internationales Personalmanagement und verstehen, warum Globalisierung heute ein ständiger Umgangsbegriff ist. Die fortschreitende Globalisierung der Wirtschaft hat für viele Unternehmen zunehmend Geschäftsaktivitäten im Ausland und eine Internationalisierung der Unternehmensstrukturen zur Folge. Struktur, Strategie und Kultur eines Unternehmens wirken sich auf alle Bereiche im Unternehmen und somit auch auf das Personalmanagement aus. Internationale Märkte sind gekennzeichnet durch erhöhte Konkurrenz zwischen den Unternehmen weltweit. Daraus wächst der Druck auf die Unternehmen, konkurrenzfähig zu bleiben. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens sind die Kompetenzen der Mitarbeiter, die das sogenannte internationale Humankapital im Unternehmen bilden. Neben der fachlichen Qualifikation, werden Methoden-, Verhaltens- und interkulturelle Kompetenzen immer relevanter (Schuhmacher, 2014, S. 207). Durch diesen strukturellen Wandel und den strategischen Nutzen durch Mitarbeiter haben das internationale Personalmanagement und das internationale Recruiting in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen (Jung, 2011, S. 863) Besonderer Bestandteil ist dabei die Auswahl von Mitarbeitern für Auslandseinsätze und die Beschaffung von internationalem Personal aus dem Ausland. Bevor jedoch eine Auswahl getroffen werden kann, benötigt das Unternehmen erst einmal möglichst hoch qualifizierte Bewerber. Aus der Studie „Recruiting Trend 2015“ geht hervor, dass eine Vielzahl der deutschen Top-1.000- Unternehmen Probleme bei der Stellenbesetzung sieht. Prognostiziert wird, dass 34,1 % der <?page no="171"?> 172 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements Vakanzen schwer und 5 % aus Mangel an Kandidaten gar nicht besetzt werden können (CHRIS, 2016, S. 8). Gründe dafür werden im demografischen Wandel und in einem Fachkräftemangel in Deutschland gesehen (Lorenz, 2015, S. 1), beispielsweise bei den MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) (Hesse, Gero, 2015, S. 514), gesehen. Um diesem Mangel zu begegnen, stehen grundsätzlich zwei Wege zur Verfügung. Die Entwicklung von Mitarbeitern für einen Auslandsaufenthalt und/ oder die Rekrutierung neuer Mitarbeiter wird in einer länderübergreifenden Studie untersucht („global sourcing“ oder global recruiting) (Berthel/ Becker, 2013, S. 759) welche Mitarbeiter mit welchem Potenzial gesucht werden. Wegen fehlender Fachkräfte in Deutschland versucht man den personellen Bedarf im Unternehmen im Ausland zu decken. Dieser „War for Talents“ (Holtbrügge, 2015, S. 5), der Kampf um die Besten, bedeutet demnach für die Unternehmen einen Bedarf an wirkungsvollen mittels internationalen Rekrutierungswegen und -prozess entstehen häufig Probleme und Hemmnisse. Bereits bei der Personalbeschaffung auf nationaler Ebene, können hohe Kosten für die Rekrutierung neuer Mitarbeiter anfallen. Bei internationaler Rekrutierung sind ein hohes Risiko sowie ein erhöhter Zeit- und Kostenaufwand (z.B. durch die räumliche Distanz) ausschlaggebende Faktoren, über die Form des Bewerbungsverfahrens nachzudenken. Die anfallenden Aufwendungen sind für eine Einstellung sicherlich vertretbar und tragen zum Erfolg des Unternehmens bei, wenn durch eine erfolgreiche Auswahl ein geeigneter Bewerber(in) eingestellt wurde. Fehlentscheidungen in der Personalauswahl verursachen grundsätzlich Kosten, die keinen Mehrwert für das Unternehmen aufweisen und ggf. erneut aufgebracht werden müssen (Lorenz, 2015, S. 2). Übung 3.1 Suchen Sie mindestens sechs Argumente, die die Notwendigkeit eines Internationalen Personalmanagements notwendig machen. Definition Internationales Personalmanagement : Personalmanagement in multinationalen Unternehmen, das im interkulturellen Umfeld tätig wird, um dem Unternehmen dafür die angemessenen Mitarbeiter(-innen) zuzuführen, damit das Unternehmen betriebswirtschaftlich erfolgreich ist und wird. Übung 3.2 Nennen sie mindestens fünf der größten Unternehmen der Welt. Übung 3.3 Definieren und grenzen Sie nationales und internationales Personalmanagement voneinander ab. Zusammenfassung Die Globalisierung der Wirtschaft schreitet voran. Viele Unternehmen sind mittlerweile grenzüberschreitend tätig und dieses hat Auswirkungen auf die Struktur, Strategie und Kultur des jeweiligen Unternehmens. Der Wettbewerb auf internationalen Märkten nimmt zu und ein wesentlicher Erfolgsfaktor, um im internationalen Umfeld erfolgreich zu sein und zu bleiben sind die Kompetenzen der Mitarbeiter, die das internationale Humankapital eines Unternehmens bilden. Die Herausforderung, die Unternehmen zu bewältigen haben, ist das richtige Personal an den richten Stellen, zu den kalkulierten Personalkosten zu haben. <?page no="172"?> 3.2 Internationalisierungsstrategien und Internationales Personalmanagement 173 3.2 Internationalisierungsstrategien und Internationales Personalmanagement Lernziele  Sie haben ein grundsätzliches Verständnis für die Personaltheorien und Personalstrategien im internationalen Personalmanagement.  Sie können die Begriffe Personaltheorien und Personalstrategien verstehen und erläutern.  Die Begriffe Scientific Management, finanzorientierte Personaltheorie, Ethnozentrische Strategie etc. können Sie einordnen und zuordnen. Personaltheorien Personaltheorien lassen sich unterschiedlich systematisieren und typisieren. Hier werden die international bekanntesten Theorien vorgestellt. Die älteste Theorie ist die pragmatischste, angloamerikanische Managementtheorie bzw. die Scientific Management-Theorie von Ford und Taylor (oder Human Ressource Management), die eine enge Verknüpfung mit der Organisationstheorie (Strukturellen Organisationsansatz) von Taylor eingegangen ist. Scientific Management als Vorläufer eines Funktionsorientierten Personalmanagements stellt die unterschiedlichsten Funktionen des Personalmanagements wie Personalsuche, Personalbeschaffung, Personaleinsatz, Personalentlohnung, Personalentwicklung, Personalführung usw. in den Vordergrund. Taylors Ansatz des Scientific Managements sucht den „besten Arbeiter“ heraus, der die höchste Produktivität erbringt, um dadurch die geringsten Personalkosten zu erzielen. Taylors System des Scientific Managements ist auch ein Versuch eine „gerechten“ Leistungsentlohnung zumindest im Produktionsbereich zu bekommen. In modifizierten Grundzügen und Überlegungen bildet das Scientific Management immer noch die Basis z.B. des deutschen Tarifsystems im Metall- und Automobilbereich und in allen internationalen Tarifsystemen. Die Feuerprobe hat das Taylorsystem oder Scientific System durch die erfolgreiche Anwendung in den Automobilwerken von Ford mit den Fließbändern 1911-1914 erfahren. Seit über 100 Jahren ist es das Vorbild für alle Automobilhersteller in der Welt. Es ist auch das Vorbild mit Modifikationen für alle anderen Branchen in der Welt, wie für McDonalds, Ikea, Aldi usw. Prämissen sind dabei, dass der Mensch ein homo oeconomicus ist, und nur durch Geld bzw. durch Akkord- und Prämienarbeit zu motivieren ist. Das Management führt Organisationsanalysen bzw. Systemanalysen durch, um die Produktivität der Arbeit und des Unternehmens zu steigern sowie die Qualität des Produktes zu verbessern. Das Management sorgt für eine gute Anlernphase bei hoher Arbeitsteilung in der Produktion oder für eine gute Ausbildung, um (Personal-) Kosten zu sparen und die internationale Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zu verbessern. Modern würden Managementtheoretiker sagen, bei Ford wurde die Erfahrungskurve bestätigt (die besagt, dass bei einer Verdoppelung der Produktion potenziell die Kosten um 20-30 Prozent gesenkt werden können.) Und mit der Erfahrungskurve hat Ford, unbewusst strategisch, aber erfolgreich Porters generische Strategie der Kostenführerschaft realisiert, und nur dadurch konnte er das Modell T sehr günstig zu weniger als 800 Dollar anbieten (die meisten Autos hatten damals mehr als 5000 Dollar gekostet). Ford konnte dadurch mehr als 16.000.000 Autos produzieren und verkaufen. Ford hat damit den Massenmarkt für Autos geschaffen, seinen Marktanteil national und international über 50 % gesteigert und den Cashflow seiner Unternehmung extrem erhöht. Darum wurde dieses Erfolgsmodell nicht nur von allen Unternehmen in der Welt kopiert, General Motors, Volkswagen und Toyota waren die besten „Schüler“, sondern auch in anderen Branchen angewandt wie bei McDonalds, IKEA oder Aldi. Eine zweite Theorie ist die verhaltenswissenschaftliche oder arbeitspsychologische internationale Personaltheorie. Prämissen sind: Der Mensch ist ein soziales Wesen und möchte nicht wie im <?page no="173"?> 174 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements Scientific Management als „Rädchen in der Maschine Unternehmen“ behandelt werden. Der Mensch möchte in der Arbeit motiviert werden und sich als soziales Wesen unter seinen Kollegen/ innen aufgenommen und gleichberechtigt im internationalen Business behandelt fühlen. Nach Schmeisser / Andresen/ Kaiser (2014, S. 27 f.) geht es dem Unternehmen gut, wenn es den Mitarbeitern gut geht und umgekehrt. Werden die Mitarbeiter in der internationalen Unternehmung schlecht behandelt, dann geht es über die Zeit auch dem Unternehmen wirtschaftlich schlecht. Gerade die kulturelle, verhaltenswissenschaftliche Komponente ist in den einzelnen Niederlassungen der internationalen Unternehmung entscheidend zu beachten und diversitätsmäßig zu managen. Die dritte internationale finanzorientierte Personaltheorie (Schmeisser / Andresen / Kaiser, 2014, S. 19 ff.) bezieht sich auf das Rechnungswesen bzw. Controlling, mit den Prämissen, dass das internationale Unternehmen (1) Rechenschaft über ihr wirtschaftliches Handeln in den Niederlassungen und im gesamten Unternehmen ablegen muss. (2) Insbesondere über die Personalkosten muss eine finanzorientierte Personaltheorie im Rahmen eines Personalcontrollings informieren, um evtl. weitere Instrumente einzusetzen, um die wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Niederlassungen und des gesamten Konzerns zu gewährleisten. Weitere Personalinstrumente sind neben einem Personalcontrolling, ein Entgeltsystem, eine Humankapitalberechnung, eine Berliner Balanced Scoreanalyse usw. Eine vierte internationale Personaltheorie, die eigentlich eine volkswirtschaftliche Theorie ist, ist die Arbeitsmarkttheorie oder auch Personalökonomie genannt. Sie beschäftigt sich mit Arbeitsmarktsegmenten wie durch gezielte Maßnahmen Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt zurückgeführt werden können, Hartz IV, ist dabei seit Jahren in Deutschland das große Stichwort. 3.3 EPRG-Modell von Perlmutter Das EPRG-Modell gehört zu den grundsätzlichen Modellen des internationalen (Personal-) Managements von Perlmutter, H. V., 1969. Perlmutter kritisiert, dass in der Literatur der Grad der Multinationalität von Unternehmen fast immer mit „objektiven“ Maßgrößen bestimmt wird, wie mit Strukturvariablen (Anzahl der ausländischen Niederlassungen, Beteiligungsverhältnisse, Organisationsstruktur, Nationalität des Topmanagements usw.) und mit betriebswirtschaftlichen Leistungskriterien wie Gewinn, Cashflow, Umsatz und Kapitaleinsatz im Ausland, Anzahl ausländischer Mitarbeiter, Personalkosten usw.). Neben diesen „objektiven“, betriebswirtschaftlichen Maßgrößen spielt nach Perlmutters Meinung die Einstellung des Topmanagements eine dominierende Rolle für die Messung der Multinationalität von Unternehmen. Die Einstellungen des Managements spiegeln sich in dem Führungskonzept eines Unternehmens wider. Zur Internationalen Ausrichtung des Personalmanagements greifen Unternehmen deshalb gerne auf vier Ansätze des EPRG Modells zurück, die im Folgenden erläutert werden (Tab. 3,1). Tab. 3.1: Das E.P.R.G.-Modell von Perlmutter Aspekte der Unternehmung ethnozentrisch polyzentrisch regiozentrisch geozentrisch Organisations- Komplexität Komplex im Heimatland, einfach bei den Tochtergesellschaften unterschiedlich und voneinander unabhängig hohe gegenseitige Abhängigkeit auf regionaler Ebene zunehmende Komplexität und weltweit eine hohe gegenseitige Abhängigkeit <?page no="174"?> 3.3 EPRG-Modell von Perlmutter 175 Autorität von Entscheidungen stark auf Muttergesellschaft konzentriert gering von Seiten der Muttergesellschaft große Regionale Headquarters und/ oder Zusammenarbeiten weltweite Zusammenarbeit zwischen der Muttergesellschaft und den Tochtergesellschaften Auswertung und Kontrolle Standards des Heimatlandes werden auf Leistungs- und Personalbeurteiligungen angewendet lokale Bestimmungen regionale Bestimmungen universale und lokale Standards Anreizsysteme und Sanktionen hoch bei der Muttergesellschaft, Gering bei Tochtergesellschaft sehr unterschiedlich, Tochtergesellschaften enthalten Belohnungen unterschiedlicher Höhe Belohnung für das Erreichen regionaler Vorgaben Verantwortung internationaler und lokaler Führungskräfte für das Erreichen intentionaler und lokaler Zielvorgaben Kommunikation und Informationsfluß hohe Anzahl von Aufträgen, Weisungen und Ratschlägen an die Tochtergesellschaft gering (mit der Muttergesellschaft und den Tochtergesellschaften) geringe mit der Muttergesellschaft, u.U. hoch mit den regionalen Headquarters und hoch zwischen den einzelnen Ländern beide Wege sowohl mit der Muttergesellschaft als auch zwischen den Tochtergesellschaften geografische Identifikation Nationalität der Muttergesellschaft Nationalität des Gastlandes regionales Unternehmen weltweites Unternehmen unter Wahrung nationaler Interessen fortlaufende Managementaufgaben (Personalrekrutierung, -auswahl, -controlling, -entwicklung) Mitarbeiter der Muttergesellschaft werden für weltweite Schlüsselpositionen ausgebildet Mitarbeiter des Gastlandes werden für Schlüsselpositionen im eigenen Land ausgebildet regionale Mitarbeiter werden für Schlüsselpositionen in der ganzen Region ausgebildet die besten Mitarbeiter auf der ganzen Welt werden für weltweite Schlüsselpositionen ausgebildet Quelle: in Anlehnung an Perlmutter, 1979 Das ethnozentrische Führungskonzept ist eine stammlandorientierte Steuerung und Koordination der Unternehmenstätigkeiten. Demnach werden die in der Muttergesellschaft verankerte Unternehmenspolitik, -strategien und -strukturen, sowie Konzepte und Managementansätze als für alle Tochtergesellschaften adaptierbar angesehen und daher in einheitlicher und zentralistischer Weise auf diese übertragen. Entscheidungen werden generell in der Unternehmenszentrale getroffen. Diese sind von den Tochterunternehmen im Ausland zu übernehmen. Die Niederlassungen im In- und Ausland verfügen lediglich über begrenzte Autonomie. Es werden Mitarbeiter, Expatriates, zu entsendende Mitarbeiter aus der Muttergesellschaft zu den Tochterunternehmen als Führungskräfte <?page no="175"?> 176 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements präferiert, da angenommen wird, dass sie fähiger und zuverlässiger sind als solche aus den Gastländern, da sie nicht die gleichen Denkmuster besitzen können. Insbesondere Unternehmen, die mit ihrer internationalen Geschäftstätigkeit beginnen und Globalisierungssowie Lokalisierungsvorteile nur im geringen Maße ausschöpfen, verfolgen die ethnozentrische Strategie (z.B. Toyota, Nissan, McDonalds, VW (Treffer 2016, S. 12; Mauer 2013, S. 8-10). Abb. 3.1: Geozentrischer Ansatz nach Perlmutter. Quelle: in Anlehnung an Mauer, 2013, S. 8ff. In Abgrenzung zum ethnozentrischen Ansatz, werden die Tochtergesellschaften bei der polyzentrischen Orientierung als eigenständige nationale Einheiten angesehen, die über ein höheres Maß an Autonomie verfügen. Das polyzentrische Führungskonzept geht davon aus, dass sich die Kulturen in den verschiedenen Ländern so unterscheiden, dass sie nur schwer von ausländischen Mitarbeitern / Führungskräften verstanden werden können. Deshalb sollte man das Management im Gastland mit eigenen Mitarbeitern/ Führungskräften („Native, orginal inhabitant“) besetzen, eine Philosophie die die Briten aus ihrer Jahrhunderte langen Kolonialzeit kennen und kannten. Nur in der obersten Führungsebene der Auslandsniederlassung musste mindestens ein Vertreter der Muttergesellschaft vertreten sein, als Verbindungsglied zur Muttergesellschaft. Das ausländische Management in der Niederlassung sollte man weitgehend alleine entscheiden lassen, solange sie die Zielsetzungen der Muttergesellschaft erfüllen. Diese Form des Führungskonzeptes findet man typisch bei britischen Muttergesellschaften, die auf die Tradition des Britischen Empire setzen, denn wie sonst konnten Sie als Briten in 50 Ländern ein Drittel der Welt beherrschen. So wird eine Dezentralisierung angestrebt, was sich beispielsweise in der Besetzung von Führungspositionen durch lokale Manager und durch die Rekrutierung beziehungsweise Personalausbildung einheimischer Mitarbeiter widerspiegelt. Verfolgen Unternehmen eine polyzentrische Strategie, so adaptieren sie nationale Gegebenheiten und kulturelle Unterschiede. Verschiedene Denkansätze in den Mutter- und Tochtergesellschaften werden akzeptiert (Treffer 2016, S. 12-13; Mauer 2013, S. 9-11). <?page no="176"?> 3.3 EPRG-Modell von Perlmutter 177 Abb. 3.2: Polyzentrischer Ansatz nach Perlmutter. Quelle: in Anlehnung an Mauer, 2013, S. 10f. Bei dem geozentrischen Führungsansatz wird „ein einheitliches Konzept unter Mitwirkung und Kooperation aller beteiligten Unternehmensteile“ (Mauer 2013, S. 8) weltweit angestrebt. Somit stehen in- und ausländische Organisationseinheiten auf Augenhöhe und unabhängig von strukturellen Hierarchien sollen die verfügbaren Ressourcen und Fähigkeiten optimal ergänzt und ausgeschöpft werden. So erfolgt sowohl der Einsatz bewährter Managementansätze als auch die internationale Rekrutierung von Fach- und Führungspersonal unabhängig von ihrer Herkunft und ihrer Nationalität (Treffer 2016, S. 13; Mauer 2013, S. 13-14). Es kommt über alle Ländergrenzen hinweg zu weltweiten Synergieeffekten. Nokia hat diesen Führungsansatz als bekanntestes Unternehmen praktiziert. Es musste dies schon allein darum tun, weil Finnland nicht genug potenzielle Mitarbeiter hatte. Nokia verlor seine technische Führungsrolle, als es mit der technischen Entwicklung für seine Smartphones im internationalen Innovationswettbewerb nicht mehr mithalten konnte. Abb. 3.3: Geozentrischer Ansatz nach Perlmutter. Quelle: in Anlehnung an Mauer, 2013, S. 10f., Fischlmayr, Kopecek, 2015, S 7f. <?page no="177"?> 178 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements „The firm’s subsidiaries are (..) neither satellites nor independent city states, but parts of a whole whose focus is on worldwide objectives as well as local objectives, each part making its unique contribution with its unique competence“(Perlmutter 1969, S. 13). Der regiozentrische (auch multi-ethnozentrische) Ansatz differenziert nach regionalen Gegebenheiten. Er beinhaltet Bestandteile des ethnozentrischen aber auch des polyzentrischen Ansatzes und bezieht sich auf weitestgehend homogene Ländergruppen. Damit findet dieser Ansatz insbesondere für Unternehmen Anwendung, die in unterschiedlichen Regionen, Kontinenten oder in unterschiedlichen kulturellen Gebieten tätig werden (Treffer 2016, S. 13; Mauer 2013, S. 9 und S. 12). Beim regiozentrischen Ansatz stehen neben einem internationalen Headquarter daher auf einer nachgeordneten Ebene regionale Headquarters für bestimmte Regionen geographisch zur Verfügung oder aufgrund religiös ethnologischer Komponenten wie Israel“ (Mauer 2013, S. 12). Beim regiozentrischen Führungskonzept erfolgt eine Rekrutierung von Führungskräften aus Ländern der gleichen Region (z.B. Mitteleuropa). Als Beispiel wählen Heenan und Perlmutter (1979) den europäischen Markt aus (z.B. Opel als 100%-Tochter von General Motors, die Auflagen von der Muttergesellschaft bekam, nur in Mitteleuropa Autos zu bauen und verkaufen zu dürfen. Dies ist ein Grund unter vielen, warum Opel 2017 an Peugeot/ PSA verkauft wurde. Von einem europäischen Produktionsstandort (Opel Rüsselsheim bei Frankfurt am Main) aus kann das Unternehmen viele unterschiedliche Märkte in Europa beliefern. Eine regionale Werbekampagne oder ein Design oder eine Markennamensfindung für ein Auto kann besser durch italienische, französische, belgische, britische und deutsche Manager auf „europäische Gemeinsamkeiten“ überprüft werden. Führungskandidaten, die eine Schlüsselrolle in ihren Heimatländern übernehmen sollen, können und müssen in der europäischen Mutterzentrale Erfahrungen sammeln, um eine stärke „eurozentrische“ Sicht zu entwickeln. Auch wenn ein Verständnis der vier Führungsansätze wichtig für das strategische Personalmanagement international tätiger Unternehmen ist, treten Unternehmen in der Praxis nicht als ausschließlich ethno-, poly-, regio- oder geozentrisch orientiert auf. Es handelt sich bei den vier strategischen, personalwirtschaftlichen Ansätzen um ein idealtypisches Konzept, wobei fließende Übergänge und verschiedene Kombinationen möglich sind (Treffer 2016, S. 14). EPRG Modell: ethnozentrisch Orientierung am Stammland polyzentrisch Orientierung an nationalen Gegebenheiten und kulturellen Unterschieden regiozentrisch Orientierung an regionalen Gegebenheiten geozentrisch Orientierung am Weltmarkt, globale Orientierung Übung 3.4 Erläutern Sie mit eigenen Worten, weshalb die Internationalisierung und Globalisierung ein Internationales Personalmanagement mit Personalstrategien und Personaltheorien erfordert Übung 3.5 Beschreiben Sie ausführlich das EPRG-Modell von Perlmutter mit eigenen Worten. <?page no="178"?> 3.4 Rahmenbedingungen des Internationalen Personalmanagements 179 Zusammenfassung Personaltheorien, wie das Scientific Management, die verhaltenswissenschaftliche Personaltheorie und die finanzorientierte Personaltheorie geben den Theoretiker aber auch den Praktiker einen Orientierungsrahmen. Personalstrategien helfen zu verstehen warum multinationale Unternehmen handeln wie sie handeln, z.B. entsprechend dem ethnozentrischen Strategieansatz bei VW oder Toyota. 3.4 Rahmenbedingungen des Internationalen Personalmanagements Lernziele  Sie haben ein grundsätzliches Verständnis für die Rahmenbedingen des internationalen Personalmanagements.  Sie wissen um die Komplexität des internationalen Arbeitsmarktes.  Sie kennen die Grundlagen und Begrifflichkeiten der internalen Personalbeschaffung. 3.4.1 Arbeitsmarkt Ob es einen Arbeitsmarkt im volkswirtschaftlichen Sinne für internationale Mitarbeiter gibt ist strittig. Zumindest gibt es diese theoretische Denkvorstellung in der Volkswirtschaft und die Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erstellt Arbeitsmarktsegmente von Berufen und Qualifikationen, die von internationalen Unternehmen gesucht werden. Internationale Unternehmen gehen heute bei der Suche nach internationalem Personal pragmatisch vor, und zwar wie bei der nationalen Personalsuche und mit Hilfe des Internets: Um neues Personal zu suchen und zu finden, stehen den Unternehmen eine Vielzahl von Wegen und Instrumenten zur Verfügung. Die Entscheidung, welcher Weg für das Unternehmen der richtige ist, hängt neben der allgemeinen internationalen Stellenbesetzungspolitik (Festing et al. 2011, S. 233) bzw. -strategie auch vom Zeit- und Kostenaufwand ab. Ziel ist eine „ausgewogene, zugleich kostenorientierte Personalbeschaffung" (Bröckermann, 2016, S. 49). Weitere Faktoren, die den Beschaffungsweg entscheidend beeinflussen, sind die Situation am Arbeitsmarkt, die Bedeutung der Position und die geforderten Qualifikationen (Bartscher/ Huber, 2007, S. 93; Olfert, 2015, S. 130). Für die Suche nach geeigneten Bewerbern zur Besetzung einer freien Stelle findet eine Unterteilung in zwei Personalbeschaffungsmärkte statt. Der interne Arbeitsmarkt bezieht sich auf die Mitarbeiter des Unternehmens, während auf dem externen Arbeitsmarkt die Bewerber außerhalb des Unternehmens zu finden sind (Bröckermann. 2016, S. 49). Die Literatur geht im Rahmen von internationaler Rekrutierung vornehmlich auf den Suchprozess von geeigneten Kandidaten für eine Auslandstätigkeit und die auftretenden Probleme einer Auslandsentsendung ein. Hierbei wird die Identifizierung von internen Mitarbeitern behandelt. Am internen und externen Arbeitsmarkt kann es jedoch an qualifizierten Fach- und Führungskräften mangeln. Um also intern auswählen zu können, müssen entsendungsfähige und -willige Mitarbeiter erst einmal am Arbeitsmarkt ausfindig gemacht werden (Festing et al., 2011, S. 238-240). Wichtig dabei ist beispielsweise das Beherrschen mindestens der Unternehmenssprache, die in multinationalen <?page no="179"?> 180 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements Unternehmen häufig Englisch ist. Wenn jedoch langfristig Mitarbeiter für einen Auslandseinsatz beispielsweise in der Türkei oder China gesucht werden, ist neben der Unternehmens- und Landessprache des Unternehmenssitzes auch die Landessprache des Entsendungsortes entscheidend. Außerdem ist das Problem der Kettenversetzung zu berücksichtigen. Werden interne Mitarbeiter versetzt oder versandt, verschiebt dies lediglich den quantitativen Personalbedarf und lässt an anderer Stelle erneut eine Vakanz offen. Diese bedarfsverschiebende Versetzung muss schließlich durch eine externe Einstellung gedeckt werden (Jung, 2010, S. 901). Aus diesen Gründen liegt der Schwerpunkt bei der Suche nach internationalen Mitarbeitern bei der externen Personalbeschaffung. Da dies jedoch nur ein Teilaspekt ist und für eine erfolgreiche Rekrutierung alle Teilprozess bedeutsam sind, werden interne Wege der Personalbeschaffung der Vollständigkeit halber mitberücksichtigt. 3.4.2 Interne Wege der Personalbeschaffung Bei der innerbetrieblichen Personalbeschaffung wird das erforderliche Personal aus dem Kreis der bereits tätigen Mitarbeiter des Unternehmens rekrutiert (Jung, 2010, S. 900). Im internationalen Kontext werden vornehmlich Expatriates zur Besetzung internationaler Stellen gesucht. Grundsätzlich können am internen Arbeitsmarkt zwei Fälle unterschieden werden: die Beschaffung mit und ohne Änderung bestehender Arbeitsverhältnisse. Das Unternehmen hat bei einer plötzlichen oder nur kurzzeitigen Unterdeckung die Möglichkeit, den Bedarf durch Mehrarbeit in Form von Überstunden, Änderung der betriebsüblichen Arbeitszeit, Urlaubsverschiebung oder Mehrleistung zu befriedigen. Es erfolgt dadurch keine Änderung der bestehenden Arbeitsverhältnisse. Mehrarbeit beschreibt die vorrübergehende Verlängerung der vertraglichen Arbeitszeit (Hutzschenreuter, 2015, S. 287; Jung, 2010, S. 900; Bertelsmann, 2002, S. 162) International ist dieser Aspekt jedoch nicht von Bedeutung. Ein dauerhafter und langfristiger Bedarf kann anstatt durch Neueinstellungen auch mittels Versetzung gedeckt werden. Nach § 95 Abs. 3 BetrVG ist eine Versetzung die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Laut § 106 GewO wird die Versetzung nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB durch Weisung, Änderungskündigungen oder einvernehmlich durch Änderungsverträge umgesetzt. Mit Hilfe innerbetrieblicher Stellenausschreibungen werden Mitarbeiter auf eine vakante Stelle aufmerksam gemacht werden. Damit wird die Grundlage für eine einvernehmliche Versetzung in die Wege geleitet. In der Praxis findet eine interne Ausschreibung nach dem Willen des Betriebsrates häufig vor einer externen Ausschreibung statt. Um die potenziellen Bewerber zu erreichen, wird die Stelle klassisch über Printmedien in Firmenzeitschriften, Werkszeitungen, Intranet, Rundschreiben und Aushängen am schwarzen Brett veröffentlicht (Bertelsmann, 2002, S. 167). Anforderungen wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz an eine innerbetriebliche Stellenausschreibung sind dabei die gleichen wie bei der Suche am externen Personalmarkt. Neben allen wichtigen Informationen (Stellenbeschreibung, Kurzbeschreibung der Tätigkeit, Abteilung, Arbeitszeit, Erforderliche Qualifikationen, Tarifgruppe/ Vergütung) (Jung, 2011, S. 161) für den Bewerber und die Bewerberin, müssen Auswahlrichtlinien, die Mitbestimmung des Betriebsrates und eine eventuelle Betriebsvereinbarung beachtet werden (Jung, 2011, S. 161; Olfert, 2015, S. 133). Der/ die geeignete Mitarbeiter/ in muss sich nach der so genannten AIDA-Formel (Attention, Interest, Desire and Action) (Scholz, 2014, S. 148- 150) als geeignet erweisen. Die Anzeige soll die Aufmerksamkeit des Bewerbers gewinnen, sein Interesse wecken, den Wunsch zur Bewerbung erzeugen und ihn tatsächlich zur Bewerbung bringen, wie auch bei der externen Ausschreibung. International kann die Hemmschwelle zur aktiven <?page no="180"?> 3.4 Rahmenbedingungen des Internationalen Personalmanagements 181 Bewerbung höher als national sein (Bertelsmann 2002, S. 168; Festing et al., 2011, S. 238-240, Jung 2011, S. 161). Bei einer vorrübergehenden Versetzung in internationalen Unternehmen, die Entsendung genannt wird, werden Mitarbeiter, als sog. Expatriates, an einen ausländischen Standort des Unternehmens geschickt und sind dort im Auslandseinsatz tätig. Obwohl externe Beschaffungsquellen zur Verfügung stehen, werden Mitarbeiter für Auslandseinsätze überwiegend intern rekrutiert. Für eine Entsendung interner Mitarbeiter, insbesondere auf Führungspositionen, spricht die Minimierung von Auswahlrisiken, Sicherung bereits geleisteter Investitionen, der Wissenstransfer sowie Personal- und Organisationsentwicklung (Festing et al., 2011, S. 233 und 241f.; Hutzschenreuter, 2015, S. 287). Zur Sicherung des Erfolgs einer Auslandsentsendung ist neben der Qualifikation besonders auch die Versetzungsbereitschaft des Mitarbeiters von Bedeutung. Diese unterliegt extrinsischen und intrinsischen Faktoren. Darunter zählen finanzielle und materielle Anreize, Besonderheiten des Gastlandes, wie die politische Situation und wahrgenommene Sicherheit im Land und der Arbeitsstelle, kulturelle Unterschiede und die familiäre Situation. Zum Teil können einige der Faktoren vom Unternehmen gesteuert werden (Festing et al., 2011, S. 238-240). 3.4.3 Externe Wege der Personalbeschaffung Externe Beschaffungswege beziehen sich auf die Personalsuche außerhalb des Unternehmens. Zwar gibt es viele Aspekte, die für eine interne Suche nach Personal sprechen, doch ist sie nicht immer möglich oder erscheint ungeeignet, wenn beispielsweise nicht genügend Potential im Unternehmen zu finden ist (Olfert, 2015, S. 137) Wie bereits erwähnt zieht eine interne Besetzung üblicherweise eine weitere offene Stelle nach sich, wonach der quantitative Personalbedarf im Unternehmen insgesamt nicht ausschließlich durch interne Personalsuche gedeckt werden können. International bedeutet in diesem Fall die Akquisition neuer Mitarbeiter aus einem anderen Land als dem Hauptsitz des Unternehmens bzw. eine landesunabhängige Suche. Gründe für eine internationale externe Suche nach Personal sind spezielle Fach- oder Persönlichkeitsmerkmale von Arbeitskräften und eine höhere Chance, dass der Mitarbeiter zur Landes- und Unternehmenskultur passt. Der so genannte Cultural Fit wird vor allem dann gesehen, wenn ausländische Arbeitskräfte an dem entsprechenden Auslandsstandort eingesetzt werden (Pepels, 2002, S. 22). Die externe Personalbeschaffung kann in aktive und passive Wege unterteilt werden. Zur Unterstützung sowohl aktiver als auch passiver Personalbeschaffung können Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt werden. Diese dienen neben der Personalauch der Imagewerbung und können beispielsweise Filmwerbung, ein Tag der offenen Tür oder Messeaktivitäten im Ausland sein (Jung, 2011, S. 151). Passive externe Personalsuche Bei der passiven Personalbeschaffung gehen nur wenige Maßnahmen vom Unternehmen selbst aus. Zu diesen zählen die öffentliche oder private Arbeitsvermittlung, Initiativbewerbungen, die Bewerberkartei, Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträge (Olfert, 2015, S. 137-150; Jung, 2011, S. 143- 145). In Deutschland hat die Bundesagentur für Arbeit (BfA) und ihre Einrichtungen unter anderem die Aufgabe und das Recht zur Arbeitsvermittlung. Die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) ist dabei insbesondere für die Vermittlung von Führungskräften, Künstlern und die Auslandsvermittlung mit Arbeitsmarkzulassung ausländischer Arbeitnehmer zuständig. Des Weiteren bietet die Bundesagentur für Arbeit eine Jobbörse (Seit 2003 ist die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit <?page no="181"?> 182 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements online verfügbar unter „Arbeitsagentur.de“) In einer Bewerberkartei können beispielsweise nicht berücksichtigte, jedoch zukünftig interessante Bewerber gesammelt werden, so dass bei Bedarf schnell und kostengünstig auf sie zugegriffen werden kann (Laick, 2012, S. 87; Jung, 2011, S. 144). Die Arbeitnehmerüberlassung ist im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt und bedeutet nach § 1 AÜG eine vorübergehende Überlassung im Rahmen wirtschaftlicher Tätigkeiten und steht unter Erlaubnispflicht. Zwischen dem Leiharbeiter, Verleiher und Entleiher entsteht ein Dreiecksverhältnis. Besondere Vorsicht ist nach § 15 und § 15 a AÜG bei ausländischen Arbeitnehmern geboten, die eine Arbeitsgenehmigung benötigen. Die Beschäftigung von Zeit- oder Leiharbeitnehmern kann das Risiko von Fehlbesetzungen verringern und ein kurzzeitiger Bedarf, ohne anschließende Probleme bei der Trennung vom Arbeitnehmer, kann gedeckt werden (Jung, 2011, S. 144-145). Bei einem Werkvertrag (§ 631 BGB) wird ein Unternehmen beauftragt, eine bestimmte Aufgabe durch Einsatz eigener Mitarbeiter in einer bestimmten Zeit zu übernehmen. Anders als bei der Arbeitnehmerüberlassung wird hier nicht die Arbeitszeit geschuldet, sondern eine definierte Dienstleistung bzw. ein Werk. In der Praxis kann die Abgrenzung durchaus schwierig sein. Es ist im Einzelfall unter Berücksichtigung von Kosten und Kapazitäten eine „make-or-buy“-Entscheidung zu treffen (Jung, 2011, S. 145). Werkverträge wurden in 2020 in Verbindung mit der Firma Tönnies in Rheda-Wiedenbrück ‚heiß‘ diskutiert. Aktive externe Personalsuche Bei angespannter Arbeitsmarktlage z.B. durch Fachkräftemangel, einem dringenden und größeren Bedarf an Arbeitskräften kommt die aktive Personalsuche auf dem externen Arbeitsmarkt verstärkt zum Einsatz. Dies gilt insbesondere für Positionen mit strategischer Bedeutung oder besonderen Qualifikationen, die langfristig besetzt werden sollen. Zur aktiven Personalbeschaffung zählen der Einsatz von Personalberatern, Headhunter, die Anwerbung über Betriebsangehörige oder Mitarbeiterempfehlungsprogramme, Stellenausschreibungen, Aushänge, Plakate, das Radio sowie das College Recruiting bzw. Hochschulmarketing und der Einsatz neuer Kommunikationsmittel wie das Internet. Insbesondere für Stellen höherer Hierarchieebenen im Unternehmen kommen Personalberater zum Einsatz. Personalberater verfügen über einen großen Erfahrungsschatz, wodurch das Risiko von Fehlbesetzungen minimiert werden kann. Internationales Headhunting ist eine übliche Methode, um das hohe Besetzungsrisiko, insbesondere bei Führungskräften und bei Mitarbeitern für Auslandseinsätze, zu minimieren. Das Outsourcing an Personalberater ist im internationalen Kontext neben externem Fachwissen durch eine verbesserte Service-Qualität, die Möglichkeit Kosten zu reduzieren sowie Ressourcenschonung im Personalmanagement attraktiv. Externe Dienstleister unterstützen nicht nur bei der Suche nach geeignetem Personal, sondern übernehmen auch einen Teil der Personalauswahl (Festing et al., 2011, S. 234-236) Stellenanzeigen werden in Printmedien, abhängig von der zu erreichenden Zielgruppe, in regionalen oder überregionalen Tages- und Wochenzeitungen wie auch Fachzeitschriften zur spezifischen Ansprache potentieller Bewerber veröffentlicht. Weitere nicht digitale Medien sind Informationsbroschüren und Plakate (Becker/ Bertel, 2013, S. 327). Die Wahl des Mediums bestimmt dabei die anfallenden Kosten. Der Anzeigetermin ist strategisch zu wählen. Er kann aufgrund von Kündigungsfristen, Semesterferien und Urlaubszeiten Einfluss auf die Erreichbarkeit der potentiellen Bewerber nehmen. Neben den Anforderungen an eine Stellenausschreibung, die im Zusammenhang mit der internen Ausschreibung beschrieben wurden, sind weitere Regeln zur Gestaltung zu beachten. Die Anzeige sollte <?page no="182"?> 3.4 Rahmenbedingungen des Internationalen Personalmanagements 183 mit dem Firmenimage übereinstimmen sowie an die zu erreichende Zielgruppe angepasst sein. Gegenstand von Aufbau, Struktur und Inhalt sind üblicherweise die folgenden Kernpunkte (Jung, 2011, S. 146-148): Wir sind: Informationen zum Unternehmen (entfällt intern meist) Wir haben: Informationen zur vakanten Stelle (Aufgabenbeschreibung) Wir suchen: Anforderungsmerkmale (Berufserfahrung und Fähigkeiten) Wir bieten: Informationen zu Leistungen (Sozialleistungen, Vergütung) Wir bitten um: geforderte Bewerbungsunterlagen Eine langfristig angelegte Maßnahme zur Personalbedarfsdeckung ist das Hochschulmarketing oder auch „Campus Recruiting“ oder „College Recruiting“. Der Kontakt zu Berufs-, Fach- und Hochschulen stellt in Zeiten des einsetzenden Fachkräftemangels eine Chance dar, diesem entgegenzuwirken und qualifiziertes Personal frühzeitig an das Unternehmen zu binden. Um dem zunehmenden Fachkräftemangel entgegen zu wirken, suchen sich viele Unternehmen frühzeitig Werkstudenten. Die Unternehmen haben dann schon mal die Möglichkeit, die potenziellen zukünftigen Mitarbeiter zu testen und fachspezifisch zu schulen, um diese Werkstudenten dann nach Abschluss ihres Studiums passgenau an den geeigneten vakanten Positionen einzusetzen. Vor- und Nachteile der Beschaffungswege Obwohl die interne Personalsuche besonders bei der Entsendung favorisiert wird, gibt es gute Gründe, die für eine externe Einstellung sprechen. Ebenso gibt es zwischen Ländern Unterschiede in der Häufigkeit der Nutzung von Rekrutierungsquellen. Vergleicht man z.B. die USA mit China, ist in den USA eine höhere Präferenz zu externer Suche zu erkennen (Festing et al., 2011, S. 237)., Die Vorteile interner Beschaffung sind in Summe die Nachteile der externen Personalbeschaffung und umgekehrt. In der folgenden Tabelle 1 sind diese zusammenfassend gegenübergestellt. Unter Berücksichtigung der entsprechenden Rahmenbedingungen müssen sie in jedem Einzelfall neu abgewogen werden. Tab. 3.2: Mögliche Vor- und Nachteile externer Personalgewinnung Interne Personalbeschaffung Externe Personalbeschaffung Vorteile • Transparente Personalpolitik • Gesteigerte Arbeitgeberattraktivität, Mitarbeiterbindung und Motivation durch Entwicklungsmöglichkeiten • Entwicklung internationaler Managementfähigkeiten (Festing et al., 2011, S. 242) • Einstiegsmöglichkeiten für Nachwuchskräfte werden frei • Geringere Stellenbesetzungszeit und -aufwand • Mobilitätserhöhung der Arbeitnehmer • Personalbedarf wird direkt gedeckt • Auswahlmöglichkeiten aus Vielzahl von Bewerbern • Möglichkeit bereits vorhandene spezielle Qualifikationen (Sprache, kulturelle Kenntnisse) zu nutzen - Vermeidung von Fortbildungskosten • Anerkennung extern eingestellter Mitarbeiter und Führungskräfte • Geringere Gefahr von Betriebsblindheit durch neue Impulse von außen <?page no="183"?> 184 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements • Erhalt und Transfer von unternehmensspezifischem Wissen • Erleichterte Einarbeitung durch Betriebskenntnisse • Minimierung des Risikos von Fehlbesetzung durch Kenntnis und Erfahrungen des Mitarbeiters • geringere Beschaffungs- und Einarbeitungskosten • Keine vorhandenen Abhängigkeiten im Unternehmen Nachteile • Begrenzte Auswahlmöglichkeit • Beförderungsautomatik → Nachlassen der Kreativität, Qualität und Motivation • Möglichkeit der Betriebsblindheit • Neid und Rivalitäten zwischen Kollegen • Subjektive Beurteilung der Bewerber • Ehemalige Kollegen werden nicht als Vorgesetzte akzeptiert • Sachentscheidungen können durch starke persönliche Bindungen beeinflusst werden • Stagnation des Unternehmens/ Hemmung einer fortschrittlichen Entwicklung • Enttäuschung, Frustration und Demotivation bei Ablehnung • ggf. hohe Fortbildungskosten • Geringe Veränderungsbereitschaft und Anpassungsfähigkeit an den neuen Arbeitsraum, Unternehmens-, Landes- und Teamkultur • Nur Verlagerung des quantitativen Bedarfs • Hohe Beschaffungskosten (eventuell langwieriger Prozess) • Mögliche Fluktuations- und Frustrationsförderung • Negative Auswirkungen auf das Betriebsklima • Keine Unternehmenskenntnis (mehr Einarbeitungs- und Integrationsaufwand) • Risikoerhöhung von Fehlbesetzung • Eventuell höheres Einkommen als bei internen Mitarbeitern • Größerer Zeitaufwand Quelle: in Anlehnung an Jung, 2011, S. 152; Olfert, 2015, S. 131 und 137 3.4.4 Besonderheiten bei internationaler Personalsuche im Vergleich zur nationalen Personalsuche Generell treffen die Probleme der nationalen Personalsuche auch auf die internationale Personalsuche zu. Sie haben jedoch mehr Bedeutung und nehmen ein größeres Ausmaß an. Es müssen mehr Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren berücksichtigt werden, wodurch fortdauernde und neue Herausforderungen noch komplexer sind (Festing et al., 2011, S. 214). Insbesondere der Aspekt der Kommunikation stellt das Unternehmen in der internationalen Personalsuche vor große Herausforderungen. Bereits auf nationaler Ebene kann die gezielte und effiziente Bewerberansprache ein Problem darstellen. Bei aktiver internationaler Rekrutierung sind zusätzlich größere Distanzen zwischen suchendem Unternehmen und potenziellem Bewerber zu berücksichtigen. Dabei ist es schwieriger, Informationen über vakante Stellen zu verbreiten. Hier sind klassische Printmedien von Nachteil, da sie in der Regel eine geringe Reichweite und eine Beschränkung des Informationsgehalts aufweisen. Die länderübergreifende Veröffentlichung auf klassischen Wegen ist mit hohem Aufwand sowie hohen Kosten für die Veröffentlichung an mehreren Orten bei den- <?page no="184"?> 3.4 Rahmenbedingungen des Internationalen Personalmanagements 185 noch limitierter Verbreitung verbunden. Die Kommunikationsgeschwindigkeit über Printmedien ist besonders bei weiten Entfernungen gering und eine direkte Kommunikation nicht möglich. Hinzu kommen mögliche Auswirkungen auf die Aktualität von Anzeigen und die daraus resultierende Reaktionszeit. Durch die Verzögerung können potentiell interessante Bewerbungen möglicherweise zu spät beim Unternehmen eingehen. Die Ansprache und Attraktion schwer rekrutierbarer Fachkräfte auf internationaler Ebene ist stark beeinflusst durch den Bekanntheitsgrad und das Image des Unternehmens. Die nationale Attraktivität und Bekanntheit eines deutschen Unternehmens kann im Allgemeinen nicht auf den internationalen Arbeitsmarkt übertragen werden. Im internationalen Kontext ist die Fähigkeit des Unternehmens, eine starke Arbeitgebermarke aufzubauen, für den Erfolg bei der Personalgewinnung von besonderer Bedeutung. Das internationale Employer Branding, um auf sich aufmerksam zu machen und sich gegen globale Konkurrenten durchzusetzen, ist wie internationales Personalmanagement insgesamt komplexer. Die Bemühungen auf diesem Gebiet können hohe Kosten verursachen, wenn eine große Zielgruppe erreicht werden soll (Dannhäuser, 2015, S. 6). Bei der Umsetzung ist darauf zu achten, wie und in welchem Umfang eine länderspezifische Anpassung oder Vereinheitlichung der Positionierung erfolgen sollte. Eine globale Konsistenz der Arbeitgeberbotschaft kann dabei den Wiedererkennungswert fördern sowie Glaubwürdigkeit und Authentizität transportieren (Laick, 2012, S. 88-92; Dannhäuser, 2015, S. 6). Unternehmen müssen unterschiedliche lokale Kulturen berücksichtigen und dennoch eine Effizienz durch Standardisierung aufrechterhalten. Bei der Anpassung von Stellenausschreibungen an kulturelle Gegebenheiten am ausländischen Arbeitsmarkt, treten Besonderheiten auf, die dem Unternehmen am Anfang der Internationalisierung zunächst noch unbekannt sind. Zu diesen zählen beispielsweise das Bewerbungsprocedere, schwer vergleichbare Bildungsabschlüsse, Vergütungserwartungen, die Arbeitsmarktsituation, die Verbreitung der Medien zur Rekrutierung, die Kultur und Sprache im Allgemeinen und andere rechtliche Bedingungen (Berthel/ Becker, 2013, S. 775). Ein systematisches Vorgehen in der internationalen Personalsuche zur Bewältigung der Schwierigkeiten ist unter anderem durch Segmentierung mit Hilfe von geografischen Kriterien möglich. Headhunter und internationale Personalberater können hierbei das Unternehmen unterstützen (Berthel/ Becker, 2013, S. 775). Probleme können außerdem aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse entstehen, obwohl die Kommunikationssprache in multinationalen Unternehmen vornehmlich Englisch ist. Dies trifft sowohl auf potenzielle Mitarbeiter aus dem Ausland wie auch auf die deutsche Personalabteilung zu. Eine Möglichkeit, wie einigen der beschriebenen Herausforderungen begegnet werden kann, wird im Folgenden ausgeführt. Übung 3.6 Diskutieren Sie die Vor- und Nachteile der externen und internen Personalgewinnung für einen Global Player, wie bspw. Siemens. 3.4.5 E-Recruiting respektive die Rolle des Internets Große Distanzen, neue Technologien und die Dominanz des Internets im wirtschaftlichen wie auch privaten Bereich nehmen großen Einfluss auf das internationale Personalmanagement. Durch die Anpassung an die daraus resultierenden neuen Anforderungen an die Personalsuche und Personalauswahl sind digitale Verfahren und Instrumente zum heutigen Standard des Recruiting geworden. <?page no="185"?> 186 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements Als schneller und effizienter Kommunikationsweg ist das Internet ein Treiber der Internationalisierung (Gelbrich/ Müller, 2011, S. 538) und bietet sich besonders in internationalen Unternehmen zur Personalsuche an (Dannhäuser, 2015, S. 8). Es ist somit das wichtigste Medium zur Umsetzung eines weltweiten Recruitings (Schmeisser et al., 2002, S. 93 ). Im folgenden Abschnitt wird erklärt, was unter E-Recruiting verstanden wird und wie und warum sich das Recruiting in den letzten Jahren immer mehr in Richtung des Internets verschoben hat. Außerdem betrachtet der folgende Abschnitt die Gründe und die Bedeutung des E-Recruitings besonders für die internationale Personalsuche und stellt eingesetzte Instrumente zur Mitarbeitersuche vor. Terminologische Grundlagen des E-Recruiting E-Recruiting ist eine Abkürzung für die Bezeichnung Electronic Recruiting und stammt aus dem Englischen. Übersetzt bedeutet es so viel wie elektronisches Rekrutierung, Anwerbung, Mitarbeitereinstellung (Kopleck, 2013, S. 263, 643) bzw. Personalbeschaffung. Unter E-Recruiting wird die Personalbeschaffung mit der Unterstützung durch den Einsatz von elektronischen Hilfsmitteln über das Internet verstanden (Schmeisser/ Krimphove, 2010, S. 222). Eine enge Auslegung des Begriffes, wie sie in englischer Literatur üblich ist, liefern Berthel und Becker (2013). Sie erklären E-Recruiting als „[…] ein[en] Ausdruck für die Unterstützung der Personalbeschaffung und teilweise auch für die Personal(vor)auswahl durch den Einsatz informationstechnisch unterstützender Verfahren, computergestützter Instrumente sowie verschiedener Social- Media-Tools“ (Berthel/ Becker, 2013, S. 329). Entwicklung und heutiger Stand des E-Recruiting Mitte der 90er Jahre, als die Nutzung und Verbreitung des Internets begann, fand das E-Recruiting Einzug in die Personalarbeit und seine Bedeutung wuchs deutlich (Scholz, 2014, S. 156). Das Internet förderte auch das Wachstum eines internationalen Marktes und die weltweite Ausdehnung der Geschäftstätigkeiten von Unternehmen. Wie bereits erläutert, weiten Unternehmen daher die Suche nach Mitarbeitern auch auf internationaler Ebene aus. Dafür bietet das Internet eine schnelle und kostengünstige Alternative zu Printmedien (Holtbrügge, 2015, S. 117). Die zunehmende Internetaffinität hat auch Einfluss auf das Suchverhalten der Bewerber genommen. So werden mehr Unternehmenswebseiten und Online-Stellenbörsen zur Suche nach Jobangeboten genutzt. Klassische Medien, wie Zeitungen, nehmen dagegen in der Bedeutung ab (Schmeisser/ Krimphove, 2010, S. 222). Besonders jüngere Menschen, „Generation Y“ oder auch „Digital Natives“ genannt, haben die Bedeutung und Verbreitung des E-Recruiting vorangetrieben und werden dies auch in Zukunft tun. Sie nutzen Social Communities und das Internet seit ihrer Kindheit. Diese Medien nehmen in ihrem gesamten Leben einen großen Stellenwert ein (Dannhäuser, 2015, S. 16). Unternehmen passen ihre Strategien zur Personalsuche und -auswahl dem Interneteinfluss an und so fokussiert sich das Recruiting immer mehr auf Online-Recruiting-Kanäle. Auf diese Entwicklung folgend ist auch die Anzahl der Online-Jobbörsen am Markt mit dem weiteren Fortschritt des E- Recruiting stark gewachsen (Olfert, 2015, S. 146, 154). Die Form der eingehenden Bewerbungen in den Unternehmen zeigt ebenso die starke Entwicklung des E-Recruiting. Diese werden immer häufiger per E-Mail, über Jobbörsen und eigene Bewerbungsportale mit Online-Formularen im Internet eingereicht (Schmeisser/ Krimphove, 2010, S. 222)- Einige Unternehmen akzeptieren bereits nur noch ausschließlich elektronisch eingereichte Bewerbungen. <?page no="186"?> 3.4 Rahmenbedingungen des Internationalen Personalmanagements 187 Für Unternehmen ist es selbstverständlich geworden, den Rekrutierungsprozess im Internet durchzuführen. Online-Stellenanzeigen und elektronische Bewerbungen stellen hierbei einen Standard dar. Bedeutung und Chancen des E-Recruiting für internationale Personalsuche Damit Unternehmen im internationalen Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter mithalten können, zeigt die Nutzung von schnellen Rekrutierungsinstrumenten wie dem E-Recruiting ihre Bedeutung. Die Studie Recruiting Trends 2015 vom Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) der Universitäten Bamberg und Frankfurt am Main mit Monster Deutschland führte eine empirische Untersuchung der Top-1.000-Unternehmen Deutschlands durch. Demnach wurden im Jahr 2014 90,4% der Vakanzen auf einer eigenen Unternehmenswebseite veröffentlicht. Gleich dahinter folgten Online Stellenbörsen mit 70,1%. Social-Media-Kanäle machten einen Anteil von 28,1 % aus. Damit zeigte dieser Kanal mit 8,3 Prozentpunkten zum Vorjahr den größten Zuwachs. Obwohl mehr Vakanzen auf Unternehmenswebseiten veröffentlicht werden, ist der Anteil generierter Einstellungen mit 37,3 % identisch zu denen von Internet-Stellenbörsen (CHRIS, 2016, S. 8 f). Aus der hohen Einstellquote lässt sich eine hohe Akzeptanz der Bewerber für internetbasierte Verfahren in der Rekrutierung ableiten. Die folgend erläuterten Chancen durch ein Electronic Recruiting gewinnen in der internationalen Personalsuche noch mehr an Gewicht. Durch das E-Recruiting können signifikant Kosten eingespart werden. Bereits eine überregionale Stellenanzeige in traditionellen Printmedien kann zu erheblichen Ausgaben führen, die schnell zu einer fünfstelligen Summe heranwachsen (Konradt/ Sarges, 2003, S. 28). Wenn man dies auf unterschiedliche Länder und mehrere Zeitungen überträgt, stellt man fest, dass eine internationale Stellenschaltung in Printmedien zu Summen führen kann, die für ein Unternehmen schwer tragbar sind. Dagegen fallen bei einer Einstellung auf Online-Jobbörsen je nach Anbieter für die Unternehmen Kosten von ca. 500 bis 1500 Euro an. Die Bundesagentur für Arbeit bietet diesen Service sogar kostenlos an. Ein weiterer positiver Aspekt ist die Verführbarkeit der Anzeige. Online sind die Anzeigen über einen längeren Zeitraum, im Schnitt vier Wochen, zu sehen (Bröckermann, 2016, S. 55). Eine Tageszeitung wird dagegen nur einmal gedruckt und verkauft. Unterstützend können anfallende Kosten der Bearbeitungszeiten von Bewerbungen durch Bewerbermanagementsysteme reduziert werden. Durch spezielle Eingabemasken stehen hier relevante Informationen bereits in standardisierter Form zur Verfügung. Die Eingabe erfolgt durch den Bewerber selbst, wobei auch E-Mail oder Papierbewerbungen dem System nachträglich hinzugefügt werden können. Die Systeme und eine zentrale Speicherung der Bewerbungen machen diese jederzeit von jedem Ort abrufbar und stehen zur Auswahl bereit. Weitere Vorteile sind das Management von Suchaufträgen, die Organisation von Bewerbungsgesprächen, effektives Reporting und standardisierte Korrespondenzen (Schmeisser/ Krimphove, 2010, S. 222; Laick, 2012, S. 90-91). Online-Stellenanzeigen sind nicht nur eine längere Zeit verfügbar, das Internet macht es auch möglich, darauf 24 Stunden an 7 Tagen der Woche von jedem beliebigen Ort der Welt zuzugreifen. Dies kommt besonders der internationalen Personalsuche zugute. Denn so können örtliche und auch zeitliche Differenzen durch Zeitverschiebungen ausgeglichen werden. Voraussetzung dafür ist allerdings ein Breitbandzugang und ein Gerät mit Internetzugang und das Wissen um den Umgang damit (Konradt/ Sarges, 2003, S. 27; Jung, 2011, S. 149; Laick,2012, S. 91). Dadurch kann die Erreichbarkeit von potenziellen Mitarbeitern signifikant erhöht und neue Zielgruppen erreicht werden, was insgesamt zu einer höheren Bewerberanzahl führt. Ein größerer Bewerberpool kann die Chancen einer erfolgreichen Auswahl erhöhen. <?page no="187"?> 188 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements Ein weiterer positiver Aspekt ist die kostengünstige Unternehmenspräsentation und der große Umfang an stellenbezogenen Informationen. Dabei reichen die Möglichkeiten von einfachen Texten bis hin zu Fotos und multimedialen Darstellungen wie Imagevideos und virtuellen Rundgängen durch das Unternehmen (Scholz, 2014, S. 156). Dadurch ist bereits eine gezieltere und schnelle Vorauswahl durch den Bewerber selbst möglich, was den späteren Auswahlprozess vereinfacht. Durch die Veröffentlichung der Stellengesuche im Internet wird der Markt weitestgehend transparent für die Bewerber. Sie können mit wenig Aufwand den Markt überblicken, auch wenn sie nicht direkt auf Stellensuche sind. Bei Bedarf erleichtern Such- und Navigationsfunktionen das Finden geeigneter Angebote deutlich. Für Unternehmen kann diese Transparenz allerdings auch Nachteile haben. Zusammen mit dem wachsenden Wettbewerb um Personal steigt auch die Gefahr höherer Abwanderung. Zunehmend stehen die veröffentlichten Informationen über das Unternehmen auch den Konkurrenten zur Verfügung (Konradt/ Sarges, 2003, S. 25-27). Die Bewerber sehen insgesamt im E-Recruiting und einer Online-Bewerbung die Chance, mit wenig Aufwand schneller erfolgreich und bei Bedarf anonym eine passende Stelle zu erhalten (Konradt/ Sarges, 2003, S. 3). Die Bewerbungen können beliebig oft, ohne zusätzliche Kosten, verschickt werden. Bei den Chancen durch die Anwendung von E-Recruiting im internationalen Kontext muss aber auch der Datenschutz berücksichtigt werden. Online-Bewerbungen gehen einher mit dem elektronischen Umgang und der Verwaltung von personellen Daten. Es muss daher besonders Wert auf die technische Sicherheit gelegt werden (Dix/ Witrahm, 2001, S. 444; Konrad/ Sarges, 2003, S. 27-28). Es besteht zwar die Möglichkeit der Beschränkung von Zugangsrechten, doch diese hat wiederum negative Effekte wie höheren Aufwand für das Unternehmen und die potentiellen Bewerber zur Folge. 3.4.6 E-Recruiting-Kanäle Die vorausgegangenen Abschnitte haben gezeigt, dass das Internet im internationalen Recruiting einen großen Stellenwert einnimmt. Als wichtigste Wege des E-Recruiting zählen Online-Jobbörsen und firmeneigene Human-Resources-Webseiten. Zusätzliche Kommunikationswege, die zur Bewerberansprache genutzt werden, sind Social Media Netzwerke und Mobile Recruiting (Schmeisser / Krimphove, 2010, S. 222). Der folgende Abschnitt betrachtet diese Instrumente und ihre Anwendung genauer. Weitere Instrumente des E-Recruiting, auf die in diesem Heft jedoch nicht weiter vertiefend eingegangen wird, sind Newsgroups, die wie Diskussionsforen funktionieren, virtuelle Recruiting-Messen, Online-Karrieretage und Recruiting-Games, d.h. Spiele zur Orientierung und Selbstselektion im Internet mit relevanten Inhalten zur Position und dem Unternehmen, wodurch eine intensivere Kommunikation mit Interessenten vor der eigentlichen Bewerbung möglich ist. Als Form des Self- Assessment können sie auch der Personalauswahl zugeordnet werden (Bröckermann, 2016, S. 55). Online-Jobbörse Die Verlagerung der Personalsuche ins Internet hat eine große Anzahl an Anbietern von Online- Jobbörsen hervorgebracht. Diese haben heute einen starken Stellenwert bei der Arbeitsplatzsuche (Olfert, 2015, S. 154). Neben branchenübergreifenden Plattformen haben sich auch spezialisierte Plattformen z.B. für bestimmte Branchen (Scholz, 2014, S. 158), wie „Jobvector“ für Naturwissenschaftler, Mediziner und Ingenieure, herausgebildet. Zu den führenden deutschen (kommerziellen) Online-Jobbörsen zählen Monster, StepStone und Jobscout24, Jobware und Stellenanzeige.de (Beck, 2011, S. 1). Monster ist darunter die Bekannteste. Die <?page no="188"?> 3.4 Rahmenbedingungen des Internationalen Personalmanagements 189 weltweit meistbesuchte Online-Jobbörse ist Indeed. Nicht-kommerzielle Anbieter sind Online-Tages- und Wochenzeitungen und die Bundesagentur für Arbeit. Sie ist mit etwa 500.000 Stellenangeboten die größte Jobbörse im deutschsprachigen Raum und bietet den Vorteil der kostenlosen Stellenveröffentlichung sowie der Suche in der Bewerberdatenbank (Laick, 2012, S. 92). Online-Jobbörsen treten als zweiseitige Märkte auf. Bewerber und Unternehmen können sowohl als Suchende als auch als Anbieter agieren. Einerseits haben Bewerber die Möglichkeit ihre Arbeitskraft anzubieten, indem sie Bewerberprofile einstellen, und gleichzeitig können sie Arbeitsplätze nachfragen. Unternehmen bieten dagegen mit Stellenanzeigen ihre Arbeitsplätze an und können gleichzeitig die Datenbanken nach geeigneten Bewerberprofilen durchsuchen. Sie müssen für diese Dienste zahlen, wogegen Bewerber die Plattformen und Angebote in der Regel kostenlos nutzen können. Online-Jobbörsen entwickeln sich tendenziell mehr und mehr zu umfassenden Dienstleistungsangeboten mit integrierten Tools zur Suche und Auswahl von Bewerbern, wie einem Online- Assessment-Center und einem automatischen Bewerberabgleich (Scholz 2014, S. 158). Unternehmenseigene Human-Ressource-Websites Neben Jobbörsen nutzen die meisten Unternehmen ihre firmeneigenen Webseiten, um elektronische Stellenanzeigen zu veröffentlichen. Ebenso dient das Intranet für interne Stellenausschreibungen als Informationsmedium (Bertelsmann, 2002, S. 167). Die eigene Homepage wird auch als Basis-Instrument bezeichnet, wogegen Online-Jobbörsen als Standardinstrument gelten. Wie bei Printmedien sollten bei Online Stellenanzeigen, Human-Ressource-Webseiten und anderen Kanälen die Marketingmethoden „AIDA“-Formel und „CUBE“-Methode (Content, Usability, Branding and Emotion) beachtet werden. Usability (die Handhabung) macht den Erfolg einer Personalhomepage aus. Eine nicht intuitive Gestaltung und Handhabung der Webseite, auf der sich potenzielle Bewerber nicht zurechtfinden, kann dazu führen, dass diese Bewerber verloren gehen (Scholz, 2014, S. 148-150, 156- 157). Um potenzielle Mitarbeiter für sich zu gewinnen, kann sich das Unternehmen über das Internet ausführlich selbst präsentieren und die Bewerber gezielt ansprechen (Olfert, 2015, S. 146). Die Technologie der Unternehmenswebseite unterstützt dazu den Aufbau einer internationalen Arbeitgebermarke, indem sowohl Standardisierung und globale Konsistenz der Botschaft sowie flexible, lokale und kulturelle Anpassung der Webseite möglich sind. Ernst & Young hat beispielsweise seine Karrierewebseiten zentral und global entwickelt. Das Design, der Inhalt und die strategischen Botschaften sind vereinheitlicht, bieten aber trotzdem länderspezifische Anpassungsmöglichkeiten. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen können von einer umfangreichen Unternehmenspräsentation der Corporate Identity (Olfert, 2015, S. 44) profitieren: „Die Corporate Identity repräsentiert die Unternehmensidentität, indem sie das Selbstverständnis des Unternehmens darstellt“ und weiteren Informationen zu Karrierechancen oder Aufgabenbereichen potentieller Mitarbeiter profitieren. Chancen bietet dabei ein positiver und authentischer Transfer der Unternehmensatmosphäre). So können sich auch Alleinstellungsmerkmale herausbilden (Scholz, 2014, S. 157-158). Um möglichst viele Bewerber zu erreichen, ist es wichtig, dass die Homepage auch über Suchmaschinen zu finden und einer eindeutigen, leicht zu identifizierenden Webadresse zuzuordnen ist (Bröckermann, 2016, S. 52-55). Social Media Der Begriff Social Media stammt aus dem Englischen und bedeutet ins Deutsche übersetzt „soziale oder gemeinschaftliche Medien“. In diesem Abschnitt wird hauptsächlich auf Social Networks eingegangen, da diese neben anderen Anwendungen des Web 2.0, wie Wikis, Social News und Blogs, am ehesten zur Personalbeschaffung eingesetzt werden. Das Merkmal vom Web 2.0 sind vor allem <?page no="189"?> 190 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements nutzergenerierte Inhalte im Internet. In Social Networks oder auch Online Communities können Nutzer ein Profil erstellen und mit anderen Mitgliedern in Kontakt treten (Dannhäuser, 2015, S. V- VI). Sie dienen hauptsächlich als Kommunikations- und Informationsplattform. Der Fokus beim Social Media Recruiting ist meist eher langfristig angelegt und dient dabei der Unternehmenspräsentation sowie dem Aufbau und der Pflege von Beziehungen zu aussichtsreichen Kandidaten. Dazu werden Plattformen wie Facebook, Twitter, Google+ und spezielle Business Communities wie LinkedIn und Xing genutzt. Mitglieder können dort Profile erstellen, alle bewerbungsrelevanten Informationen, wie Lebensläufe, hinterlegen und Verknüpfungen zu anderen Mitgliedern erstellen. Unternehmen haben danach die Möglichkeit, gezielt nach potentiellen Kandidaten zu suchen und diese anzusprechen. Außerdem bieten Business Communities die Möglichkeit, Stellenanzeigen zu veröffentlichen und zu verbreiten, worauf Mitglieder dann zugreifen können. Ebenso nutzen Headhunter Social Networks, um Kandidaten zu entdecken (Rosenberger, 2014, S. 303-304). Neben dem demografischen Wandel und einem Fachkräftemangel ist Social Media als drittwichtigster Trend in der Personalbeschaffung erkannt worden (CHRIS, 2016, S. 7). Der Kanal wird verstärkt bei den Unternehmen eingesetzt, um u.a. frühzeitig Talente zu entdecken und langfristig an sich zu binden. In einer Studie der BITKOM im Oktober 2013 zum Thema Soziale Netzwerke wurde festgestellt, dass 78 % der Internetnutzer in sozialen Netzwerken angemeldet sind und 67 % diese auch aktiv nutzen. Insgesamt ist ein Zuwachs der aktiven Nutzung erkennbar, wobei vor allem bei den Nutzern der Generation 50plus ein starker Anstieg in den letzten Jahren auf 55 % zu verzeichnen ist. Am häufigsten werden Soziale Netzwerke jedoch weiterhin von den unter 30-jährigen genutzt. Die „Generation Y und Z“, eine wichtige Zielgruppe in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels, ist häufig täglich in Social Media-Kanälen unterwegs. Diese nutzt sie abgesehen von Business Networks wie Xing und LinkedIn zwar primär für die private Kommunikation, aber doch auch regelmäßig zur Stellensuche (Indeed, 2014, S. 1). Kommunikationskanäle wie Telefon und E-Mail verlieren bei den unter 30-jährigen hingegen immer mehr an Bedeutung und Gruppenkommunikationen, wie sie beispielsweise über Facebook möglich sind, nehmen zu. Die Nutzung von Social Media-Kanälen kann demnach durchaus interessant im „War for Talents“ sein (Dannhäuser, 2015, S. VI-VII). Als besonderer Vorteil in der internationalen Personalsuche über Business-Netzwerke wird die Möglichkeit gesehen, sich ein besseres Bild über einen Kandidaten zu machen, als es allein über den Lebenslauf bei klassischen Bewerbungen der Fall wäre. So kann besser über den Cultural Fit des Kandidaten geurteilt werden (Rosenberger, 2014, S. 303-304). Obwohl die klassischen Kommunikationsmedien durch die intensive Social Media Nutzung Jüngerer verdrängt werden, ist eine persönliche und klassische Kommunikation über Printmedien nicht für jede Zielgruppe ersetzbar (Rosenberger, 2014" S. 303-304). Der Einsatz von Social Media ist daher nur als ergänzendes Instrument zu sehen, denn es sind längst nicht alle potentiellen Bewerber auf sozialen Netzwerken aktiv. Mobile Recruiting Eine weitere Form des E-Recruiting ist das Mobile Recruiting. Für den Begriff sind allerdings unterschiedliche Definitionen zu finden. Letztlich wurde Recruiting durch Mobile Media gefördert, und zwar, weil das Mobile Recruiting auf den Einsatz mobiler Zugangstechnologien im Rahmen der Bewerberansprache und Rekrutierungsaktionen setzt. Des Weiteren wird Mobile Recruiting insoweit eingegrenzt, dass es nicht bei dem reinen Aufruf einer Stellenanzeige über das Smartphone oder Tablet beginnt, sondern erst bei einer optimierten Darstellung von Firmenwebseiten, Jobbörsen und Stellenanzeigen für mobile Endgeräte und bis hin zu Recruiting-Apps (Dannhäuser, 2015, S. 17). Mit insgesamt 63 % der Bevölkerung werden Smartphones in Deutschland von allen Altersgruppen, <?page no="190"?> 3.4 Rahmenbedingungen des Internationalen Personalmanagements 191 wenn auch in unterschiedlicher Intensität, zunehmend z.B. zum Surfen im Internet sowie zum Senden und Lesen von E-Mails und WhatsApp-Mitteilungen genutzt (Weicksel, 2015). Weltweit nutzten 2015 rund 1,86 Mrd. Menschen ein Smartphone und die Prognosen sind steigend (Statista, 2015). Es ist davon auszugehen, dass die weltweit eingesetzten Smartphones und Tablets klassische PCs in ihrer Anzahl in Zukunft übersteigen werden. Bereits heute gibt es in manchen Haushalten keine stationären PCs mehr (Furkel, 2015, S. 4). Eine Studie von Indeed zeigt einen Anstieg der Stellensuchen, die mobil mit Smartphone oder Tablet getätigt werden, von 33 % im Jahre 2013 auf 45 % in 2014 (Indeed, 2014, S. 1). Durch Verbreitung von Smartphones und das veränderte Nutzerverhalten der Menschen rückt das Mobile Recruiting immer mehr in den Fokus des E-Recruiting. Nicht zuletzt sind Mobilgeräte, ebenso wie Social Communities, ein Teil des Lebensgefühls besonders der jüngeren Zielgruppe. Mobile Recruiting kann die Reichweite der Bewerberansprache erweitern und auch neue Zielgruppen ansprechen, die hauptsächlich das Mobiltelefon nutzen, um im Internet aktiv zu sein. Auch Bewerber, die nicht aktiv nach einer Stelle suchen, können z.B. durch Push-Benachrichtigungen (Brülke, o.J: Push-Benachrichtigungen sind kurze Informationen, die direkt auf das Smartphone- Display (durch z.B. App) gesandt werden, ohne eine gezielte Abfrage oder Starten der Anwendung durch den Nutzer auf das Unternehmen und Stellen aufmerksam gemacht werden). Wichtig für den Erfolg ist eine mobile Optimierung der Stellenanzeige oder Webseite. Eine Lösung dafür ist ein sogenanntes „Responsive Design“, was sich automatisch an verschiedene Endgeräte und Bildschirmgrößen anpasst, wie es beispielsweise das Unternehmen Globus nutzt. Dazu sind auch der Inhalt und die Länge der Texte, eine übersichtliche Menüführung und kompatible Bilder entscheidend, um ein positives Bild bei den potentiellen Bewerbern zu hinterlassen (Bröckermann, 2016, S. 52-55). Im Mobil Recruiting stehen den Unternehmen verschiedene Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme und Übermittlung von Informationen an die potentiellen Bewerber zur Verfügung. Wie bereits erwähnt, kann die Unternehmenswebseite, Online-Stellenanzeigen und Jobbörsen auf dem Smartphone angesehen werden. Laut der Studie „Recruiting Trends 2015“ geben 44,1 % der größten Unternehmen Deutschlands im Jahr 2014 an, ihre Unternehmenswebseite mobil optimiert zu haben, was einen Anstieg um 19,8 % zum Vorjahr ausmacht. Bei Online-Stellenanzeigen sind es trotz eines Zuwachses von 9,2 % lediglich 30,8 % (CHRIS, 2016, S. 9). Ein anderes Anwendungsbeispiel ist der Versand von Newslettern mit Informationen zum Unternehmen sowie neuen Angeboten per SMS. Auch Job-Apps wie von Jobscout24, Stepstone und Jobware sind am Markt verfügbar. Diese Apps haben häufig sogar ein größeres Serviceangebot als die herkömmlichen Online-Stellenmärkte. Der Service reicht von Benachrichtigungen bei neu eingetroffenen Stellenangeboten bis zu standortgebundener Jobsuche und dem automatischen Speichern bereits angesehener Anzeigen (Furkel, 2012, S. 2 ff.). Außerdem besteht bereits die technische Möglichkeit, den kompletten Bewerbungsprozess mobil durchzuführen, was schon von Unternehmen wie der Allianz genutzt wird. Es gibt vielfältige Lösungen für die Umsetzung. Diese sind z.B. ein mobil optimiertes Bewerbungsformular mit Übernahme von Daten aus sozialen Business-Netzwerken, die Bewerbung mit kurzem Anschreiben und einem Link zum Xing/ LinkedIn-Profil oder auch die Möglichkeit, die vorher gespeicherte Bewerbung mit Lebenslauf aus der Dropbox oder einem vorher angelegten Bewerberprofil hochzuladen. Häufig ist in der Realität aber ein Wechsel des Mediums zum PC (Desktop, Laptop oder Notebook) erforderlich, was wiederum in Zukunft zu einem Verlust von Bewerbern ohne PC führen kann. Ob sich der Weg der Mobil-Bewerbung durchsetzen wird, ist jedoch noch umstritten. Unternehmen sehen hier einen Trend, doch die Akzeptanz der Bewerber, die Bewerbung ausnahmslos über das Smartphone zu verschicken, ist noch gering (Furkel, 2015, S. 4-6). Dieses wird sich jedoch aus Autorensicht schnell ändern. <?page no="191"?> 192 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements Home-Arbeitsplätze gewannen in 2020 während der Corona-Pandemie deutlich an Bedeutung. Durch den Zwang, zuhause zu arbeiten, etablierte sich dieses Modell ziemlich gut und wurde von einigen Unternehmen zumindest teilweise beibehalten. Als größter Vorteil für die Mitarbeiter im Homeoffice wurde die bessere Balance zwischen Arbeit, Freizeit und Familie genannt. Für die Unternehmen ergibt sich ein großer Vorteil durch eine deutliche Einsparung in Bezug auf die Büroräume. 3.4.7 Arbeitsrecht Sie müssen im Arbeitsrecht aus deutscher Perspektive mehrere Ebenen unterscheiden:  Individuelles Arbeitsrecht: Hier wird der individuelle Arbeitsvertrag des Mitarbeiters nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt (§ 611 ff. BGB).  Kollektives Arbeitsrecht: Hier runter fällt das Betriebsverfassungsgesetz, das Mitbestimmungsgesetz, das Montanmitbestimmungsgesetz, das Tarifgesetzbuch, Mutterschutzgesetz, Datenschutzgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz usw.  Europäisches Arbeitsrecht: Jeder hat das Recht sich in der europäischen Union frei zu bewegen z.B. seine Schulausbildung oder sein Studium zu betreiben, überall zu arbeiten, zu wohnen und muss überall im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes behandelt werden.  Sozialrecht (Arbeitslosenversicherung, Schwerbehindertengesetz, usw.)  Ansonsten gelten die Gesetze des entsprechenden Landes (z.B. Chinas, Polens, Bulgariens), wohin der Mitarbeiter entsendet wird (z.B. Arbeitslosenversicherung, Unfallversicherung, Krankenversicherung, Rentenversicherung usw. insofern diese Versicherungen im Entsendungsland existieren). Die Gleichbehandlung von Bewerbern bei der Personalsuche und der Personalauswahl ist besonders im internationalen Kontext relevant. Das Ziel des Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist nach § 1 AGG Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Jede mittelbare oder unmittelbare Benachteiligung kann zu rechtlichen Konsequenzen für das Unternehmen führen. Diese Aspekte müssen bei allen Stellenausschreibungen und im Auswahlverfahren beachtet werden. Ausnahmen stellen nach § 8 AGG jene Ausschreibungen dar, die wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit eine bestimmte Eigenschaft zwingend voraussetzen (Olfert, 2015, S. 133). Unternehmen in Deutschland müssen außerdem die Mitbestimmung des Betriebsrates beachten. Im Grundsatz ist das Unternehmen frei in der Wahl des Personalbeschaffungsweges. Nach § 93 BetrVG kann der Betriebsrat allerdings die innerbetriebliche Ausschreibung einer freien Stelle generell für alle oder nur bestimmte Tätigkeiten verlangen. Dies gilt nicht für leitende Angestellte nach § 5 BetrVG. Nach § 99 Abs.1 muss der Arbeitgeber vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung die Zustimmung des Betriebsrates einholen. Er kann diese nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG verweigern. Gründe können die Nichtbeachtung von Mindestanforderungen bei der Ausschreibung, ein Verstoß gegen das AGG oder gegen Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG und unterschiedliche Anforderungen an inner- und außerbetriebliche Bewerber sein (Olfert, 2015, S. 185; Jung 2011, S. 185). Im internationalen Kontext kommen bei der Beschäftigung von Arbeitskräften aus dem Ausland weitere Aspekte hinzu (wenn Mitarbeiter für eine Niederlassung im Ausland aus dem entsprechen- <?page no="192"?> 3.4 Rahmenbedingungen des Internationalen Personalmanagements 193 den Land gesucht werden, spielt dies keine Rolle), die zu Beschränkungen und Problemen bei der Einstellung führen. Der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt und die Frage einer Aufenthalts-, Arbeits- oder Beschäftigungserlaubnis sind abhängig vom Ursprungsland. EU-Staatsangehörige und Schweizer Bürger (Durch das „Freizügigkeitsabkommen EU-Schweiz“) dürfen in einem EU-Staat ihrer Wahl ohne weitere Arbeitserlaubnis eine Arbeit aufnehmen. Das Unternehmen muss demnach keine zusätzlichen Einschränkungen oder Regelungen beachten. Kroatische Bürger bilden hier eine Ausnahme (Europäischer Berufsausweis - EPC (2016)). Für Nicht-EU-Bürger gelten nach § 41 Abs. 1 AufenthV aus bestimmten Staaten Erleichterungen bezüglich Visa, Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Der Erhalt eines „Aufenthaltstitels zum Zweck der Erwerbstätigkeit“ nach §§ 18-21 Aufenthaltsgesetz hängt dabei von der Qualifikation des Beantragenden ab. Bei Bewerbern aus sog. „Drittstaaten“ ist also Vorsicht geboten (BiBB, 2014)) 3.4.8 Arbeitskultur Arbeitskultur ist, wie in einem Unternehmen und in einem Land gearbeitet wird. Wir vermeiden den Begriff „Arbeitskultur“, weil sein Inhalt unklar ist und weil man sich daran im internationalen Kontext gewöhnt hat, diesen Begriff immer dann zu benutzen, wenn man nicht klar auszusprechen vermag, was man eigentlich damit meint, ohne rassistische oder andere Vorurteile zu pflegen. Beobachtet man die Arbeitsverhältnisse in unterschiedlichen Ländern, so lässt sich die Arbeitskultur im „Atmosphärischen“ der Arbeit am besten charakterisieren, d.h. die Arbeitsverhältnisse aktualisieren die Gefühle, Erinnerungen, Begleitvorstellungen, Denkinhalte, Erwartungen und Aktionsbereitschaften der Mitarbeiter in ihrer jeweiligen Länderkultur. Man kann die Arbeitskultur pro Land qualitativ beschreiben und durch eine Rangskala von 1 (trifft voll zu) und 6 (trifft gar nicht zu) durch folgende Faktoren bewerten:  Im Betrieb herrscht ein hoher Teamgeist: man hilft sich gegenseitig bei der Lösung von arbeitsbezogenen, aber auch privaten Problemen.  Die Arbeitszeitgestaltung passt zur individuellen Arbeitszeit und zur privaten Zeitplanung.  Die Mitarbeiter werden an Entscheidungen beteiligt und über besonders wichtige Sachverhalte informiert.  Zwischen Mitarbeitern untereinander aber auch seitens der Führungskräfte herrscht ein freundlicher Umgangston.  Kann der Mitarbeiter folgendes Statement abgeben: Ich fühle mich wohl im Betrieb und arbeite gern auch einmal länger, wenn es die Auftragslage erfordert.  Die Mitarbeiter haben eigene Entscheidungsspielräume in ihrer Arbeit, innerhalb derer sie eigenverantwortlich tätig sind.  Man darf auch mal einen Fehler machen, ohne Angst vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen (Abmahnung, Entlassung usw.) haben zu müssen.  Fehler ausdrücklich erlaubt und auch erwünscht, denn nur wer Fehler macht, kann daraus lernen.  Der Mitarbeiter kann auch über persönliche Probleme mit seinen Kollegen und den Ausbildern sprechen.  Der Arbeitsplatz und die Arbeitsgeräte entsprechen voll meinen Vorstellungen.  Das Entgelt entspricht voll meinen Vorstellungen. <?page no="193"?> 194 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements 3.4.9 Exkurs: Europäisches Arbeits- und Sozialrecht Das europäische Arbeits- und Sozialrecht unterteilt sich in das primäre und sekundäre Gemeinschaftsrecht. Zwar ist die Sozialpolitik Angelegenheit der Mitgliedsstaaten, jedoch sind bei Entsendungen innerhalb der EU die Rechtsvorschriften des EU-Rechts zu berücksichtigen. Gemäß § 30 Abs. 2 SGB I ist das Unionsrecht vorrangig vor dem nationalen Recht zu beachten (Schulte 2013, S. 226). Zusammenfassend zielen das primäre und sekundäre Gemeinschaftsrecht auf eine Harmonisierung der europaweiten Lebens- und Arbeitsbedingungen, auf sozial gerechte Arbeitsbedingungen, auf Gesundheitsschutz sowie Arbeitssicherheit und auf Gleichbehandlung sowie die Bekämpfung von Diskriminierung ab (Oechsler/ Paul 2015, S. 88). Primäres Gemeinschaftsrecht Das primäre Gemeinschaftsrecht wird im Wesentlichen durch die Gründungsverträge (v.a. EU-Vertrag, Vertrag über die Arbeitsweise der EU, Charta der Grundrechte der EU) konstituiert. Ursprünglich als Wirtschaftsgemeinschaft geplant, wurde in der Europäischen Gemeinschaft eine Arbeits- und Sozialpolitik nicht berücksichtigt. Überlegungen zum sozialen Schutz und der Optimierung von Lebens- und Arbeitsverhältnissen sowie der beruflichen Bildung wurden erst im Rahmen des Abschlusses der Einheitlichen Europäischen Akte berücksichtigt (Oechsler/ Paul 2015, S. 88). „Zwar sind die Mitgliedsstaaten weiterhin zuständig für ihre nationale Gesetzgebung, doch sind sie durch die Verpflichtung richtlinienkonformer Gesetzgebung im Bereich des harmonisierten Rechts gebunden“ (Oechsler/ Paul 2015, S. 88). Sekundäres Gemeinschaftsrecht Das sekundäre Gemeinschaftsrecht ist das abgeleitete, also das nach Maßgabe der Gründungsverträge erlassene Recht der Gemeinschaftsorgane. Folgende Instrumente können zur Regelung auf europäischer Ebene herangezogen werden:  Verordnungen wirken in den Mitgliedsstaaten unmittelbar und sind rechtsverbindlich (z.B. die Verordnung 1612/ 68 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer).  Richtlinien sind das Hauptinstrument im EG-Arbeitsrecht. Sie wirken zweistufig: Zunächst sind die Mitgliedsstaaten lediglich zur Umsetzung in nationales Recht verpflichtet. Nach Ablauf der Umsetzungsfrist wird die Richtlinie maßgebend für den Inhalt des umsetzenden Rechts.  Entscheidungen sind gegenüber dem Adressaten in allen ihren Bestandteilen rechtsverbindlich.  Empfehlungen und Stellungnahmen haben keine Rechtsverbindlichkeit (Oechsler/ Paul 2015, S. 88; Schiek 2007, S. 90-99). 3.4.10 Geltender Rechtsrahmen für Entsendungen in der EU Der Anspruch auf Freizügigkeit und das Recht auf Arbeiten in einem anderen Mitgliedsstaat aller EU-Bürger wurde bereits zu Beginn der Europäischen Gemeinschaft in den Verträgen festgehalten. Diese Koordinierungsregeln „beruhen auf dem Grundsatz der Anwendung von jeweils nur einer Gesetzgebung auf einmal, wenn die Berufstätigkeit in einem oder mehreren Mitgliedsstaaten ausgeübt wird“ (Cremer 2011, S. 7). Mit dem Ziel der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung unter Anwendung des Gastlandprinzips, findet für Personen, die sich innerhalb der EU bewegen, das <?page no="194"?> 3.4 Rahmenbedingungen des Internationalen Personalmanagements 195 Sozialversicherungssystem von nur einem Mitgliedsstaat Anwendung. Grundsätzlich fällt die Person unter die Gesetzgebung des Mitgliedsstaates, in dem sie ihre Berufstätigkeit als Arbeitnehmer oder auch als Selbständiger ausübt (Cremer 2011, S. 7). Für die Entsendung innerhalb der EU gelten die in Artikel 12 der Verordnung 883/ 2004 geregelten Sonderregelungen: (12.1) Eine Person, die in einem Mitgliedsstaat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedsstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit vierundzwanzig Monate nicht überschreitet und diese Person nicht an eine andere Person ablöst. (12.2) Eine Person, die gewöhnlich in einem Mitgliedsstaat eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt und die eine ähnliche Tätigkeit ein einem anderen Mitgliedsstaat ausübt, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Tätigkeit vierundzwanzig Monate nicht überschreitet (Verordnung 883/ 2004, Art.12). 3.4.11 EU-Entsenderichtlinie von 1996 In der Richtlinie 96/ 71/ EG aus dem Jahr 1996 sind Vorschriften festgelegt, die die für entsandte Arbeitnehmer geltenden Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen verbindlich regeln. Inhalt der Richtlinie ist, „dass sich in einen anderen Mitgliedsstaat entsandte Arbeitnehmer gesetzlich auf eine Reihe von zentralen Rechten berufen können, die in dem Aufnahmemitgliedstaat, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, gelten“ (Europäische Kommission 2016, http: / / europa.eu/ rapid/ press-release_MEMO -16-467_de.htm). Die in dem Aufnahmemitgliedstaat geltenden Rechte, finden auf die entsandten Arbeitnehmer Anwendung, auch wenn sie weiterhin bei dem entsendenden Unternehmen beschäftigt sind. Weiterhin finden allgemein verbindliche Tarifverträge der Sozialpartner Anwendung für das Baugewerbe und weitere Branchen, falls sich die Mitgliedstaaten dafür entscheiden. Folgend sind die Mindestbedingungen, die für entsandte Arbeitnehmer anzuwenden sind, dargelegt:  Mindestlohnsätze  Höchstarbeitszeiten  Bezahlter Mindestjahresurlaub  Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften durch Leiharbeitsunternehmen  Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz  Gleichbehandlung von Männern und Frauen (EU-Entsenderichtlinie) Den Mitgliedsstaaten steht es frei, die Arbeitsbedingungen für die entsandten Arbeitnehmer günstiger zu gestalten (Europäische Kommission 2016, http: / / europa.eu/ rapid/ press-release_MEMO-16- 467_de.htm). Entsendearten gemäß EU-Entsenderichtlinie Gemäß EU-Entsenderichtlinie werden in Artikel 1 Abs. 3a-c drei Maßnahmen zur länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen innerhalb der EU unterschieden. Die in der Richtlinie <?page no="195"?> 196 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements genannten Entsendungen unterteilen sich in die normale Entsendung, die innerbetriebliche Entsendung und die Entsendung über Leiharbeitsfirmen. So liegt eine Entsendung vor, wenn Unternehmen  einen Arbeitnehmer in ihrem Namen und unter ihrer Leitung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Rahmen eines Vertrags entsenden, der zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem in diesem Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger geschlossen wurde, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht, oder  einen Arbeitnehmer in eine Niederlassung oder ein der Unternehmensgruppe angehörendes Unternehmen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht, oder  als Leiharbeitsunternehmen oder als einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellendes Unternehmen einen Arbeitnehmer in ein verwendendes Unternehmen entsenden, das seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder dort seine Tätigkeit ausübt, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitsunternehmen oder dem einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht (RL 96/ 71/ EG Artikel 1 Abs. 3 a-c). Problematiken der Entsendearten gemäß EU-Entsenderichtlinie Die normale Entsendung, als „Entsendungsart im traditionellen Sinne der Untervergabe von Sonderaufträgen an ein ausländisches Unternehmen“ (Cremers 2011, S. 30-31), ist die unproblematischste Form, bei der in der Regel hoch qualifizierte und dotierte Arbeitnehmer in einen anderen Mitgliedsstaat entsandt werden. Bei der innerbetrieblichen Entsendung wird allerdings von Tochtergesellschaften berichtet, die zur Umgehung von Arbeitsnormen und weiteren Auflagen gegründet werden. Beide Formen der Entsendung werden lediglich in Fällen problematisch, in denen der Unterlieferant beziehungsweise die ausländische Tochtergesellschaft ausschließlich billige Arbeitskräfte anzubieten hat. Bei der Entsendung von einem Land mit niedrigen Sozialversicherungskosten in ein Land mit normalen Sozialversicherungskosten belaufen sich die Kostenvorteile auf 25-30 Prozent. Darüber hinaus können Kostenvorteile generiert werden, wenn auf entsandte Arbeitnehmer lediglich Mindestlöhne und -bedingungen angewandt werden und sie nicht entsprechend ihrer Fertigkeiten beziehungsweise Qualifikationen oder wie die regulären Arbeitskräfte im Gastland vergütet werden. Bei der Inanspruchnahme von Leiharbeitsfirmen in grenzüberschreitenden Tätigkeiten treten die häufigsten Probleme auf. Das Verbot von Leiharbeitsfirmen, was zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Entsenderichtlinie, noch in mehreren Mitgliedstaaten im Bausektor galt, wurde in den 1990er Jahren in den meisten Ländern aufgehoben. Dadurch kam es zu einem gravierenden Anstieg des Sektors der Leiharbeitsfirmen (Cremers 2011, S. 30-31). Übung 3.7 Recherchieren Sie mit Hilfe des Internets, ob es aktuell einen Fachkräftemangel gibt. Übung 3.8 Zeigen Sie auf, welche Ebenen es im Arbeitsrecht aus deutscher Perspektive gibt. <?page no="196"?> 3.5 Formen der grenzüberschreitenden Tätigkeit von Mitarbeitern 197 Zusammenfassung Es ist strittig, ob es einen Arbeitsmarkt im volkswirtschaftlichen Sinne für internationale Mitarbeiter gibt. In diesem Abschnitt wird aufgezeigt, wie eine internationale Suche nach Arbeitskräften gestaltet werden kann. Es wird unterschieden zwischen internen und externen Wegen der Personalbeschaffung und die jeweiligen Vor- und Nachteile werden aufgezeigt. Personal wird zunehmend mit Hilfe des Internets rekrutiert. Die unterschiedlichen Kulturgegebenheiten und die Gesetzgebung sind zu berücksichtigen. 3.5 Formen der grenzüberschreitenden Tätigkeit von Mitarbeitern Lernziele Sie haben ein grundsätzliches Verständnis für die unterschiedlichen Formen der grenzüberschreitenden Tätigkeiten von Mitarbeitern und können diese voneinander abgrenzen. Traditionelle Auslandsentsendungen Mitarbeiter, die auch Expatriates genannt werden, werden von den fachlichen Vorgesetzten vorgeschlagen, die Auslandsaktivitäten in ihrem Bereich in der Tochterniederlassung aufzubauen, weiter zu entwickeln und Mitarbeiter vor Ort anzulernen. Traditionelle Entsendungen können 3-6 Wochen, mittelfristig bis zwei Jahre und langfristig bis 5 Jahre betragen. Sollte der Mitarbeiter für immer in der Tochterniederlassung bleiben wollen, so muss er in die Tochterniederlassung übertreten. Selbst-initiierte Auslandsaufenthalte Mitarbeiter sind mehr ihren eigenen Karrieren verbunden und nicht mehr dem Unternehmen. Wird eine Stelle in einer Tochtergesellschaft ausgeschrieben, bewerben sie sich darum, auch wenn sie nicht von ihren Chefs und der Personalabteilung als Expatriates vorgesehen sind. Für sie ist ein Auslandsaufenthalt persönlich dienlich und karrieretechnisch sinnvoll, deshalb planen sie den Auslandsaufenthalt aus eigener Initiative und bewerben sich auf Positionen im Ausland, auch in fremden Unternehmen. Inpatriates Inpatriates sind Expatriates von Tochterunternehmen, d.h. beschäftigte ausländische Mitarbeiter werden von der Tochterniederlassung in die Muttergesellschaft entsandt oder sie werden in eine andere Niederlassung entsandt und beschäftigt. International Commuters International Commuters sind internationale Pendler zwischen Muttergesellschaft und Tochterniederlassungen oder nur zwischen Tochtergesellschaften zwecks Sonderaufgaben, die immer wieder anfallen, z.B. die Informationssysteme und die Computer zu aktualisieren, zu überprüfen, zu reparieren usw. International Frequent Travellers Sie sind Expatriates, die gleichzeitig als internationale Vielflieger bezeichnet werden können, z.B. <?page no="197"?> 198 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements Mechaniker / Monteure, die immer wieder zu verschiedenen Erdölförderinseln in der Nordsee fliegen, um Probleme an der Hydraulik und Mechanik zu reparieren und generell zu lösen. Virtuelle Expatriates Fachkräfte z.B. auch Ärzte und Lehrer in Australien, Astronautenbetreuung von der Mutterbasis, die mit Hilfe von Skype fachliche Hilfe geben können, da deren Verschickung nicht möglich oder zu teuer wäre, und das Problem derart akut ist, dass der fachliche Rat nur noch zeitlich über Skype möglich ist. Sonstige traditionell entsandte Mitarbeiter 90-95 % traditionell entsandter Mitarbeiter, die z.B. auf Baustellen oder Schiffen eingesetzt werden, stammen aus Entwicklungsländern wie Pakistan, Indonesien, Philippinen. Diese Mitarbeiter haben keine Ausbildung und können billig beschäftigt werden. Nur die oberen Führungskräfte gehören zu den privilegierten Expatriates im weiteren Sinne, die von den internationalen Unternehmen normal bezahlt und beschäftigt werden. Eine Auslandstätigkeit bedingt einer umfassenden Vorbereitung, um die zukünftigen Delegierten die notwendigen Qualifikationen zu vermitteln und eventuelle diagnostiziere Defizite ausgleichen zu können (Holtbrügge, 2015, S. 332-333). Methoden der Vorbereitung auf Auslandstätigkeiten: erfahrungsbezogen - Übungen mit - Fallstudien Kunstkulturen - Rollenspiele - Mitarbeit in inter- - Kontrast-Kultur-Training nationalen Teams landesspezifisch landesübergreifend - Cultural-self-awareness- landeskundliche Training Informationen - Sechs-Dimensionen- cultural assimilator-Training Modell von Hofstede intellektuell Abb. 3.4: Methoden der Vorbereitung auf Auslandstätigkeiten (in Anlehnung an Holtbrügge, 2015, S. 333 und Gudykunst & Hammer, 1983, S. 126) Beispiel SAP führt seit vielen Jahren virtuelle Auslandsentsendungen durch. SAP gilt als drittgrößtes Software-Unternehmen der Welt mit ca. 36.600 Mitarbeitern in mehr als 50 Ländern der Erde. SAP- Produkte werden weltweit von mehr als 33.200 Kunden eingesetzt. In der Abteilung „System Landscape Optimization“ sind ca. 80 hoch qualifizierte Software-Experten beschäftigt, von denen die meisten als virtuelle Entsandte tätig sind. Ihre Hauptaufgaben sind ferngesteuerte Systemimplementierung und -wartung bei ausländischen Kunden. Solche Einsätze können bis zu einem Jahr dauern. Die permanente Präsenz der Experten vor Ort wäre zu teuer. Zudem sind viele dieser Experten in mehreren Projekten tätig (Ohr et al., 2007, Holtbrügge & Welge,2015, S. 338, http,: / / www.sap.com.). <?page no="198"?> 3.5 Formen der grenzüberschreitenden Tätigkeit von Mitarbeitern 199 Intellektuell-landesspezifische Vorbereitungen beinhalten eine kurze Einführung oder Auffrischung in die jeweilige Landessprache und allgemeine Informationen über das Gastland. In Cultural Assimilator trainings werden die Teilnehmer mit landestypischen interkulturellen Problemsituationen kontrastiert und müssen sich für ein bestimmtes Verhalten oder eine bestimmte Interaktion entscheiden. Solche Cultural assimilator trainings wurden bspw. für Indonesien, China, Russland, Korea und die USA entwickelt. Self-awareness-Modelle gehen davon aus, dass für das Verständnis fremder Kulturen zunächst die Kenntnis der eigenen Kultur (Werte, Stereotype, Verhaltensweisen etc.) bekannt sein müssen. Hierzu wird bspw. das Verhalten der Teilnehmer in Rollenspielen aufgezeichnet und anschließend in der Gruppe diskutiert (Holtbrügge & Welge, 2015, S. 333-334). Übung 3.9 Überlegen Sie, wie eine Vorbereitung auf eine Auslandstätigkeit vorgenommen werden könnte. Beispiel Vorbereitungsseminare für ins Ausland gesandte Mitarbeiter bietet bspw. die Carl Duisberg Gesellschaft (CDG) an sieben verschiedenen Standorten in Deutschland (Berlin, Frankfurt, Hannover, Köln, München, Radolfzell am Bodensee und Saabrücken) an. Die CDG wurde 1949 gegründet und ist eine gemeinnützige Organisation für internationale berufliche Weiterbildung und Personalentwicklung. Getragen wird sie von ca. 750 Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen. Angeboten werden u.a. Sprachreisen, Sprachkurse für den Beruf, Auslandspraktika, interkulturelle Trainings und landeskundliche Informationsveranstaltungen, sowie Reintegrationsprogramme für Auslandsrückkehrer (Holtbrügge & Welge, 2015, S. 336 und https: / / www.carl-duisberg-firmentraining.de/ training/ sprachkurse/ pruefungsvorbereitung/ Übung 3.10 Grenzen Sie Expatriates, Inpatriates, International Commuters, International Frequent Travellers und virtuelle Expatriates voneinander ab. Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurden unterschiedliche Formen der grenzüberschreitenden Tätigkeit vorgestellt. Eine Auslandstätigkeit bedingt eine spezielle Vorbereitung, die im Unternehmen oder auch von einem externen Dienstleister angeboten werden kann. <?page no="199"?> 200 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements 3.6 Daten und Fakten zur Entsendung innerhalb der EU Lernziele  Sie haben ein grundsätzliches Verständnis für die Daten und Fakten zur Entsendung innerhalb der EU.  Sie können die Chancen und Risiken bei Mitarbeiterentsendungen einordnen. Im Jahr 2015 wurden innerhalb der EU circa zwei Millionen Arbeitnehmer in einen anderen Mitgliedstaat entsandt. Die Zahl der entsandten Arbeitnehmer ist zwischen 2010 und 2015 um 41,3 Prozent gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem Wachstum von sieben Prozent. Während der prozentuale Anteil der entsandten Mitarbeiter an der Gesamtbeschäftigung mit durchschnittlich 0,9 Prozent gering bleibt, ist die Dichte entsandter Arbeitnehmer in einigen Sektoren jedoch besonders hoch (Europäische Kommission 2017; European Commission 2016, S. 12). So sind 43,7 Prozent aller entsandten Arbeitnehmer aus dem Baugewerbe. Auf die verarbeitende Industrie fallen 21,8 Prozent und in der Bildung sowie dem Gesundheits- und Sozialwesen beträgt der Prozentsatz 13,5 Prozent. 10,3 Prozent der Entsendungen sind aus dem Bereich der Unternehmensdienstleistungen. Besonders hoch ist die Dichte der Beschäftigung entsandter Arbeitnehmer in Deutschland, Frankreich und Belgien. Insgesamt werden in diesen drei Mitgliedsstaaten circa 50 Prozent aller entsandten Arbeitnehmer beschäftigt. Aus Polen, Deutschland und Frankreich werden die meisten Arbeitnehmer entsandt. Die durchschnittliche Entsendedauer von Arbeitnehmer, die eine Dienstleistung in einem anderen EU-Land erbringen, liegt bei vier Monaten (European Commission 2016a). Im Jahr 2012 veröffentlichte das Forschungsinstitut ISMERI im Auftrag der Europäischen Kommission eine Studie, die Aspekte, welche die Entsendung zwischen den Mitgliedstaaten begünstigen oder beeinflussen, herausstellt. Den Ergebnissen dieser Studie zufolge gehören die geographische Nähe zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten und die Lohnunterschiede zu den zentralen begünstigenden Faktoren für die Mitarbeiterentsendung (Hassel/ Wagner 2015, S. 42-43). Die folgenden Abschnitte umfassen Daten und Fakten zur Mitarbeiterentsendung am Beispiel von Deutschland und Polen. Da der Bausektor in einigen Bereichen Besonderheiten aufweist und da die meisten Entsendungen auf diesen Sektor fallen, wird im zweiten Teil dieses Kapitels der Fokus auf der grenzüberschreitenden Mitarbeiterentsendung im Bausektor in Deutschland liegen. 3.6.1 Mitarbeiterentsendung am Beispiel von Deutschland und Polen Im Jahr 2015 wurden in Deutschland 418.908 entsandte Arbeitnehmer beschäftigt. Damit lag Deutschland hinsichtlich der im Inland aufgenommenen Arbeitnehmer deutlich vor Frankreich (177.674) und Belgien (156.556). Auf der anderen Seite stehen die ins Ausland entsandten Arbeitnehmer. Hier steht Polen im europäischen Vergleich mit 463.174 entsandten Arbeitnehmer eindeutig an der Spitze, gefolgt von Deutschland mit 240.862 und von Frankreich mit 139.040 entsandten Mitarbeitern (European Commission 2015, S. 9 und 16). <?page no="200"?> 3.6 Daten und Fakten zur Entsendung innerhalb der EU 201 3.6.2 Entsendung polnischer Arbeitnehmer ins EU-Ausland Mit einer Gesamtzahl von 463.174 Arbeitnehmern, die im Jahr 2015 aus Polen in das EU-Ausland entsandt wurden, entfallen von allen in der EU entsandten Mitarbeitern 22,6 Prozent auf polnische Mitarbeiter (European Commission 2015, S. 16). Die folgende Grafik zeigt, dass die Anzahl der aus Polen entsandten Arbeitnehmer in dem Zeitraum von 2010 bis 2015 kontinuierlich gestiegen ist. Abb. 3.5: Entsandte polnische Staatsangehörige (2010-2015) in Tsd. Quelle: In Anlehnung an: European Commission o.J. Im Jahr 2010 lag die Zahl entsandter Arbeitnehmer noch unter 300.000, 2014 wurden erstmals über 400.000 Mitarbeiter aus Polen entsandt. Im Jahr 2015 wurden die meisten Mitarbeiter aus Polen nach Deutschland (52,1 Prozent) entsandt, gefolgt von Frankreich (11,9 Prozent) und Belgien (10 Prozent). 36,2 Prozent der entsandten Mitarbeiter waren im Jahr 2015 im Bausektor beschäftigt und 19,6 Prozent entfielen auf das Transportwesen (European Commission o.J.). Entsendung aus dem EU-Ausland nach Polen Zwischen 2010 und 2015 ist die Zahl der nach Polen entsandten Arbeitnehmer um 39 Prozent gestiegen. Während im Jahr 2010 in Polen noch 12.877 entsandte Mitarbeiter beschäftigt wurden, lag die Zahl im Jahr 2015 bereits bei 17.897, was im Vergleich zum Vorjahr einem Wachstum von 23,2 Prozent entspricht. Allerdings liegt Polen hinsichtlich der Beschäftigung entsandter Arbeitnehmer im europäischen Vergleich relativ weit hinten (European Commission 2015, S. 23). Die meisten nach Polen entsandten Arbeitnehmer kamen im Jahr 2015 aus Deutschland (33,2 Prozent), gefolgt von Frankreich (16,3 Prozent) und Spanien (13,1 Prozent). 47,6 Prozent der nach Polen entsandten Arbeitnehmer waren im industriellen Gewerbe beschäftigt und 20,5 Prozent im Bausektor (European Commission o.J.). Entsendung deutscher Arbeitnehmer in das EU-Ausland Im Jahr 2015 entfielen mit insgesamt 240.862 Entsendungen 11,8 Prozent aller Entsendung innerhalb der EU auf Entsendung aus Deutschland in das EU-Ausland (European Commission 2015, S. 16). Von den 240.862 aus Deutschland entsandten Arbeitnehmern wurden im Jahr 2015 insgesamt 14,5 Prozent nach Österreich, 12,7 Prozent in die Niederlande, 9,6 Prozent nach Frankreich und 7,6 Prozent nach Belgien entsandt (Die Bundesregierung 2017c). Über die Hauptbranchen, in denen aus Deutschland entsandte Arbeitnehmer beschäftigt werden, liegen auf der Seite der Europäischen Kommission keine Daten vor. <?page no="201"?> 202 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements Entsendung aus dem EU-Ausland nach Deutschland Die Zahl der nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer ist zwischen 2010 und 2015 kontinuierlich gestiegen. Während im Jahr 2010 noch 250.054 Mitarbeiter aus dem europäischen Ausland nach Deutschland entsandt wurden, lag die Zahl im Jahr 2015 bei 418.908. Im Vergleich zu den nach Deutschland entsandten Arbeitnehmern in 2014 - hier lag die Zahl bei 414.220 - entspricht dies einem Wachstum von 1,1 Prozent. Im Zeitraum von 2010 bis 2015 ist die Anzahl der nach Deutschland Entsandten insgesamt um 67,5 Prozent angestiegen (European Commission 2015, S. 23). Die Hauptherkunftsländer der Arbeitnehmer, die nach Deutschland entsandt werden, sind Polen, Slowenien, Slowakei, Ungarn, Österreich, Kroatien und Rumänien. Im Jahr 2014 wurden circa 50 Prozent aller nach Deutschland entsandten Mitarbeiter von polnischen Unternehmen entsandt, im Jahr 2015 waren es noch 31,7 Prozent. Damit bildet Polen weiterhin die Spitze, was die Zahl entsandter Arbeitnehmer nach Deutschland betrifft. Dass in den vergangenen Jahren auch die Zahl der Entsendungen aus Ungarn, der Slowakei und Rumänien nach Deutschland zugenommen haben, zeigt, dass neben der geographischen Nähe zu einem Land vor allem das vorhandene Lohngefälle ein Treiber für Entsendungen nach Deutschland ist (Wagner o.J., S. 1). Die meisten der nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer sind mit 44,5 Prozent im Baugewerbe tätig, gefolgt von der Industrie mit 25,4 Prozent (European Commission o.J.). 3.7 Outsourcing und Offshoring des Personalmanagements Lernziele  Sie haben ein grundsätzliches Verständnis für Outsourcing und Offshoring und können diese Begrifflichkeiten im internationalen Personalmanagement einordnen. Genau wie in anderen Unternehmensfunktionen sollte auch im Personalwesen darüber nachgedacht werden, ob alle Aufgaben selbst ausgeführt werden oder ob externe Anbieter hinzugezogen werden (Holtbrügge, 2015, S. 67). Neben dem Outsourcing bestimmter Personalfunktionen an externe Dienstleistungen wie die Lohn- und Entgeltabrechnung im Inland, weil die Kompetenz fehlt und diese extern billiger erstellt werden kann, ist in vielen internationalen Unternehmen zu beobachten, dass diese Personalfunktionen ins Ausland auf Tochterunternehmen verlagert werden z.B. nach Irland, China oder Indien, und zwar wegen niedrigerer Personalkosten bei der Abrechnungserstellung. Hinzukommt, dass aufgrund des Zeitunterschiedes die Aufgaben über Nacht erledigt werden können. Das Personalmanagement vor Ort kann sich dafür auf strategische Aufgaben konzentrieren. Kritische Verlagerungen des Personalmanagements, der Personalbeschaffung, Personalentgeltmanagements usw. z.B. nach Zypern, Singapur, Fürstentum Monaco, Indien usw. für Schiffskreuzfahrten nach Norwegen, Grönland, Mittel- und Südamerika usw., um Indonesier, Philippiner zu beschäftigen, die bis zu ca. 90 % des Personalbestands einer Schiffsbesatzung ausmachen sind kritisch zu betrachten. Ähnlich kritisch müssen die Erstellung bzw. der Bau von Fußballstadion in Katar gesehen werden, wenn auf Indern, Bangalen usw. zurückgegriffen wird, und diesen der Ausweis abgenommen wird, sie schlecht versorgt werden, kein Entgelt bekommen und wie Sklaven behandelt werden. Eine Verlagerung ins Ausland hat typische Vor- und Nachteile, die in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt sind. <?page no="202"?> 3.7 Outsourcing und Offshoring des Personalmanagements 203 Vorteile Nachteile - Konzentration auf Kernkompetenzen - Versuch, fixe Kosten variabler zu gestalten - Erhöhung der Leistungsqualität durch Spezialisierung - Vermeidung von Auslastungsschwankungen - Erhöhung der Flexibilität - Gewährleistung innovativer Leistungen durch Marktorientierung - Übertragung von Risiken - Hohe Transaktionskosten - Gefahr gegenseitiger Überschneidungen von Angeboten (vor allem bei der Auslagerung von Aufgaben an mehrere Unternehmungen) - Die Akzeptanz bei Mitarbeitern und Betriebsrat ist häufige gering - Abhängigkeit bei spezifischen Leistungen - Know-How-Verlust-Gefahr Tab. 3.3: Vor- und Nachteile des Outsourcing von Personalaufgaben (in Anlehnung an Holtbrügge, 2015, S. 67 Beispiel Ein Beispiel einer Unternehmung, die bereits seit längerer Zeit Teile ihrer Personalbeschaffung und -entwicklung ausgelagert hat, ist die Microsoft Deutschland GmbH. Der wichtigste Grund für das Outsourcing der administrativen Bearbeitung aller Bewerbungen an hr Factory GmbH war die Reduzierung der durchschnittlichen Durchlaufzeit auf weniger als zehn Tage. Dadurch gelangte die Unternehmung in die Lage, geeignete Kandidaten sehr schnell zu identifizieren und Wettbewerbsvorteile auf dem Personalbeschaffungsmarkt zu realisieren. Die hr Factory GmbH wickelt darüber hinaus die gesamte Personalentwicklung der Unternehmung ab. Dazu zählen die Kommunikation mit den Teilnehmern (Einladungen, Anreisebeschreibungen, u.a.), die Buchung passender Veranstaltungsorte sowie das Briefing der Trainer und die Rechnungsprüfung. Die Vorteile des Outsourcing dieser Personalaufgaben sieht Microsoft Deutschland vor allem in der Möglichkeit, sich auf die strategischen Aspekte des Personalmanagements zu konzentrieren sowie die Qualität der Personalbeschaffung und -entwicklung zu verbessern. Darüber hinaus konnte die Unternehmung dadurch die Fixkosten in ihrer Personalabteilung reduzieren und die Flexibilität bei schwankender Nachfrage erhöhen (Ambros 2002 in Holtbrügge, 2015, S. 69). Neben dem Outsourcing an externe Dienstleister ist auch das Offshoring (Verlagerung von Personalaufgaben ins Ausland) bei vielen Unternehmen zu beobachten. Typische Aufgaben, die ins Ausland verlagert werden, sind die Lohn- und Gehaltabrechnung und die Personalbetreuung (Holtbrügge, 2015, S. 69) Übung 3.13 : Grenzen Sie Offshoring und Outshoring des Personalmanagements gegeneinander ab und finden Sie jeweils Beispiele. „SAP hat 2004 damit begonnen, administrative Personalaufgaben in ein Shared Service Center nach Prag zu verlagern. Dieses übernimmt für ca. 70 Landesgesellschaften Prozesse aus den Bereichen Entgeltgestaltung, Personalbeschaffung und internationale Mitarbeitertransfers (Hotbrügge, 2015, S. 70). Outsourcing bedeutet die Auslagerung bestimmter Unternehmenstätigkeiten an Fremdunternehmen, z.B. Reinigungs-, Wach-, Kantinendienste (Kutscher, 2011; S. 10269. Kutscher & Schmid definieren Offshoring als die Bezeichnung für länderübergreifendes Outsourcing (2011, S. 1453). <?page no="203"?> 204 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements Offshoring bedeutet die Verlagerung betrieblicher Aktivitäten ins Ausland. Farshoring bedeutet in die Verlagerung ins entfernte Ausland. Unter Nearshoring wird die Verlagerung in nahe Länder, häufig osteuropäische Länder, verstanden. Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurde auf das Out- und Offshoring des Personalmanagements eingegangen. Die typischen Vor- und Nachteile des Outsourcings wurden vorgestellt. Schlussbetrachtung Das Kapitel startet mit einer Einführung in die Thematik „Personalrecruiting“. Im Abschnitt 1 wird herausgestellt, welche Herausforderungen die Internalisierung von Unternehmen beinhaltet. Im nächsten Abschnitt werden die klassischen Personaltheorien und das EPRG-Modell von Perlmutter vorgestellt. Bei diesem E.P.R.G.-Modell steht - E. für ethnozentrisch (Heimatlandbezogen oder anders ausgedrückt: Orientierung am Stammland), - P. für polyzentrisch (Orientierung an nationalen Gegebenheiten und kulturellen Unterschieden), - R. für regiozentrisch (Orientierung an regionalen Gegebenheiten) und - G. für geozentrisch (Orientierung am Weltmarkt, globale Orientierung). Der dritte Abschnitt zeigt die Rahmenbedingungen des internationalen Personalmanagements auf und erläutert die verschiedenen Wege der internationalen Personalbeschaffung. Zudem werden neuere Recruitingwege diskutiert. Es erfolgt ein Einblick in die deutsche, europäische und internationale Gesetzgebung. Zudem wird auf die Arbeitskultur eingegangen. Im Abschnitt 4 werden die gängigen Formen der grenzüberschreitenden Tätigkeit von Mitarbeitern vorgestellt. Im Abschnitt 5 erhalten Sie interessante Daten und Fakten zur Entsendung innerhalb der EU mit den Schwerpunkten auf die EU und auf Polen. Das Kapitel schließt mit einer Einführung in das Out- und Offshoring im Personalwesen. Lösungshinweise zu den Übungen im Text Übung 3.1 Fortschreitende Globalisierung, gesättigte Märkte im Heimatland, zunehmende Geschäftstätigkeiten im Ausland, erhöhte weltweite Konkurrenz, Knappheit der Fachkräfte <?page no="204"?> Lösungshinweise zu den Übungen im Text 205 Übung 3.2 Apple, Microsoft, Amazon, Facebook, ExxonMobil, Johnson & Johnson, Alibaba, General Elektric (Stand 2020) Übung 3.3 Internationales Personalmanagement: Personalmanagement in multinationalen Unternehmen, das im interkulturellen Umfeld tätig wird, um dem Unternehmen dafür die angemessenen Mitarbeiter(innen) zuzuführen, damit das Unternehmen betriebswirtschaftlich erfolgreich ist und wird Nationales Personalmanagement: Personalmanagement im Inland Internationales Personalmanagement: länderübergreifendes Personalmanagement, also mindestens in zwei Ländern der Erde Übung 3.4 Internationalität erfordert grundsätzlich internationales Management, Theorien und Strategien, da die nationalen Strategien, Theorien und auch das nationale Management nicht weit genug greifen. Im internationalen Umfeld ist mehr zu beachten als im nationalen Umfeld, wie unterschiedliche Werte, Kulturen, Normen, unterschiedliche Währungen, Markteintritts- und -austrittsbarrieren etc. Übung 3.5 Das EPRG-Modell wird als grundsätzliches Modell des internationalen (Personal-)Managements von Perlmutter, H. V., 1969 angesehen. Interne Personalbeschaffung Externe Personalbeschaffung Vorteile • Transparente Personalpolitik • Gesteigerte Arbeitgeberattraktivität, Mitarbeiterbindung und Motivation durch Entwicklungsmöglichkeiten • Entwicklung internationaler Managementfähigkeiten (Festing et al., 2011, S. 242) • Einstiegsmöglichkeiten für Nachwuchskräfte werden frei • Geringere Stellenbesetzungszeit und -aufwand • Mobilitätserhöhung der Arbeitnehmer • Erhalt und Transfer von unternehmensspezifischem Wissen • Erleichterte Einarbeitung durch Betriebskenntnisse • Minimierung des Risikos von Fehlbesetzung durch Kenntnis und Erfahrungen des Mitarbeiters • geringere Beschaffungs- und Einarbeitungskosten • Personalbedarf wird direkt gedeckt • Auswahlmöglichkeiten aus Vielzahl von Bewerbern • Möglichkeit bereits vorhandene spezielle Qualifikationen (Sprache, kulturelle Kenntnisse) zu nutzen - Vermeidung von Fortbildungskosten • Anerkennung extern eingestellter Mitarbeiter und Führungskräfte • Geringere Gefahr von Betriebsblindheit durch neue Impulse von außen • Keine vorhandenen Abhängigkeiten im Unternehmen <?page no="205"?> 206 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements Nachteile • Begrenzte Auswahlmöglichkeit • Beförderungsautomatik → Nachlassen der Kreativität, Qualität und Motivation • Möglichkeit der Betriebsblindheit • Neid und Rivalitäten zwischen Kollegen • Subjektive Beurteilung der Bewerber • Ehemalige Kollegen werden nicht als Vorgesetzte akzeptiert • Sachentscheidungen können durch starke persönliche Bindungen beeinflusst werden • Stagnation des Unternehmens/ Hemmung einer fortschrittlichen Entwicklung • Enttäuschung, Frustration und Demotivation bei Ablehnung • ggf. hohe Fortbildungskosten • Geringe Veränderungsbereitschaft und Anpassungsfähigkeit an den neuen Arbeitsraum, Unternehmens-, Landes- und Teamkultur • Nur Verlagerung des quantitativen Bedarfs • Hohe Beschaffungskosten (eventuell langwieriger Prozess) • Mögliche Fluktuations- und Frustrationsförderung • Negative Auswirkungen auf das Betriebsklima • Keine Unternehmenskenntnis (mehr Einarbeitungs- und Integrationsaufwand) • Risikoerhöhung von Fehlbesetzung • Eventuell höheres Einkommen als bei internen Mitarbeitern • Größerer Zeitaufwand Es ist ein Konzept zur qualitativen Betrachtung der Personalstrategien von internationalen Unternehmungen. EPRG steht für E: ethozentrische Orientierung P: polyzentrische Orientierung R: regiozentrische Orientierung G: geozentrische Orientierung Übung 3.6 Vor- und Nachteile der externen und internen Personalgewinnung für einen Global Player wie Siemens. Die Interne Personalgewinnung hat für große und länderübergreifend tätige Unternehmen einen hohen Wert, da die Rekrutierung im eigenen Unternehmen einfacher ist, als Mitarbeiter bspw. in 40 Ländern der Erde zu rekrutieren. Quelle: in Anlehnung an Jung, 2011, S. 152; Olfert, 2015, S. 131 und 137 Übung 3.7 Die Experten sind sich nicht einig, einige reden schon seit längerer Zeit von einem Fachkräftemangel, andere führen auf, dass es nur Engpässe in einigen Branchen geben würde. Ein deutliches Indiz eines Fachkräftemangels wären steigende Löhne, nach den volkswirtschaftlichen „Gesetz von Angebot und Nachfrage“. <?page no="206"?> Lösungshinweise zu den Übungen im Text 207 Übung 3.8 Im Arbeitsrecht aus deutscher Perspektive wird zwischen mehreren Ebenen unterscheiden: [1] Individuelles Arbeitsrecht: Hier wird der individuelle Arbeitsvertrag des Mitarbeiters nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt (§ 611 ff. BGB). [2] Kollektives Arbeitsrecht: Hier runter fällt das Betriebsverfassungsgesetz, das Mitbestimmungsgesetz, das Montanmitbestimmungsgesetz, das Tarifgesetzbuch, Mutterschutzgesetz, Datenschutzgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz usw. [3] Europäisches Arbeitsrecht: Jeder hat das Recht sich in der europäischen Union frei zu bewegen z.B. seine Schulausbildung oder sein Studium zu betreiben, überall zu arbeiten, zu wohnen und muss überall im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes behandelt werden. <?page no="207"?> 208 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements [4] Sozialrecht (Arbeitslosenversicherung, Schwerbehindertengesetz, usw.) [5] Ansonsten gelten die Gesetze des entsprechenden Landes (z.B. Chinas, Polens, Bulgariens), wohin der Mitarbeiter entsendet wird (z.B. Arbeitslosenversicherung, Unfallversicherung, Krankenversicherung, Rentenversicherung usw. insofern diese Versicherungen im Entsendungsland existieren) Übung 3.9 Methoden der Vorbereitung auf Auslandstätigkeiten: erfahrungsbezogen - Übungen mit - Fallstudien - Kunstkulturen - Rollenspiele - Mitarbeit in inter- - Kontrast-Kultur-Training nationalen Teams landesspezifisch landesübergreifend - Cultural-self-awareness- - Landeskundliche - Training Informationen - Sechs-Dimensionen- cultural assimilator Training Modell von Hofstede intellektuell Übung 3.10 Abgrenzung Expatriates, Inpatriates, International Commuters, International Frequent Travellers und virtuelle Expatriates Mitarbeiter, die auch Expatriates genannt werden, werden von den fachlichen Vorgesetzten vorgeschlagen, die Auslandsaktivitäten in ihrem Bereich in der Tochterniederlassung aufzubauen, weiter zu entwickeln und Mitarbeiter vor Ort anzulernen. Traditionelle Entsendungen können 3-6 Wochen, mittelfristig bis zwei Jahre und langfristig bis 5 Jahre betragen. Sollte der Mitarbeiter für immer in der Tochterniederlassung bleiben wollen, so muss er in die Tochterniederlassung übertreten. Inpatriates Inpatriates sind Expatriates von Tochterunternehmen, d.h. beschäftige ausländische Mitarbeiter werden von der Tochterniederlasssung in die Muttergesellschaft entsandt oder sie werden in eine andere Niederlassung entsandt und beschäftigt. International Commuters International Commuters sind internationale Pendler zwischen Muttergesellschaft und Tochterniederlassungen oder nur zwischen Tochtergesellschaften zwecks Sonderaufgaben, die immer wieder anfallen, z.B. die Informationssysteme und die Computer zu aktualisieren, zu überprüfen, zu reparieren usw. International Frequent Travellers Sie sind Expatriates, die gleichzeitig als internationale Vielflieger bezeichnet werden können, z.B. Mechaniker / Monteure, die immer wieder zu verschiedenen Erdölförderinseln in der Nordsee fliegen, um Probleme der Hydraulik und Mechanik zu reparieren und generell zu lösen. <?page no="208"?> Lösungshinweise zu den Übungen im Text 209 Virtuelle Expatriates Fachkräfte, z.B. auch Ärzte und Lehrer in Australien, Astronautenbetreuung von der Mutterbasis, die mit Hilfe von Skype fachliche Hilfe geben können, da deren Verschickung nicht möglich oder zu teuer wäre und das Problem derart akut ist, dass der fachliche Rat nur noch zeitlich über Skype möglich ist. Übung 3.11 Den Mindestlohn gibt es in Deutschland seit 1.1.2015. Ab 1.1.2021 beträgt der Mindestlohn 9,50 € pro Stunde. Ab dem 1.7.2021 beträgt er 9,60 € pro Stunde, ab dem 1.1.2022 9,82 € und ab dem 1.7.2022 10,45 € Stunde. <?page no="209"?> 210 3 Grundlagen, Theorien und Strategien des Internationalen Personalmanagements Übung 3.12 Offshoring und Outsourcing sind in vielerlei Hinsicht vergleichbar, jedoch gibt es einige wichtige Unterschiede. „Outsourcing bezieht sich auf den Erwerb bestimmter Dienstleistungen oder Produkte von einem Drittunternehmen, im Wesentlichen so etwas wie Buchhaltungsdienstleistungen oder Herstellung eines bestimmten Inputs für ein anderes Unternehmen. While many think outsourcing refers to using a service provider in another (usually cheaper) country that is not necessarily the case. Während viele denken, Outsourcing bezieht sich auf die Verwendung eines Dienstleisters in einem anderen (in der Regel billigeren) Land, das ist nicht unbedingt der Fall. Outsourcing can be done to a company that is located anywhere, the location isn't important. Outsourcing kann an ein Unternehmen erfolgen, das sich irgendwo befindet, der Standort ist nicht wichtig.“ https: / / translate.google.de/ translate? hl=de&sl=en&u=http: / / www.businessdictionary.com/ article/ 1090/ offshoring-vs-outsourcing-d1412/ &prev=search Die wichtigsten Auslagerungsgründe sind Kosten, Spezialisierung und Flexibilität. „Offshoring bezieht sich auf den Erwerb von Dienstleistungen oder Produkten aus einem anderen Land und ist oft, was Nachrichtenartikel wirklich beziehen, wenn sie Outsourcing diskutieren. While much offshoring involves outsourcing production to another company it can also refer to simply relocation certain aspects of a business to another country. Während viel Offshoring beinhaltet, die Produktion an ein anderes Unternehmen auszulagern, kann es sich auch darauf beziehen, bestimmte Aspekte eines Unternehmens einfach in ein anderes Land zu verlagern. The services and products are all still provided in the same country, but they are now in another country. Die Dienste und Produkte werden immer noch im selben Land angeboten, befinden sich aber jetzt in einem anderen Land. For example, when a car manufacturer in the US opens a factory in Thailand to make certain parts they are offshoring, as everything is still happening within the same company. Zum Beispiel, wenn ein Autohersteller in den USA eine Fabrik in Thailand eröffnet, um bestimmte Teile zu offshoring zu machen, da alles noch immer innerhalb desselben Unternehmens geschieht. „https: / / translate.google.de/ translate? hl=de&sl=en&u=http: / / www.businessdictionary.com/ article/ 1090/ offshoring-vs-outsourcing-d1412/ &prev=search Die wichtigsten Gründe für Offshoring sind auch Kosten, Steuern und Zölle sowie Kontrollen. „Bei der Entscheidung zwischen Offshoring oder Outsourcing müssen viele Faktoren berücksichtigt werden, und die ‚richtige‘ Entscheidung wird von Unternehmen zu Unternehmen variieren. Ultimately there can be significant cost savings or specialization benefits from both offshoring and outsourcing, which is what drives many companies to choose these routes. Letztendlich kann es erhebliche Kosteneinsparungen oder Spezialisierungsvorteile sowohl beim Offshoring als auch beim Outsourcing geben, was viele Unternehmen dazu bewegt, diese Routen zu wählen. Often it's worth consulting with experts in everything from process management to tax to ensure the best decision possible is made. Oft lohnt es sich, mit Experten von der Prozesssteuerung bis zur Steuer zu beraten, um die bestmögliche Entscheidung zu treffen. Often what seems like a great outsourcing or offshoring arrangement can have many hidden costs, reducing the benefit. Oft scheint eine große Outsourcing- oder Offshoring-Vereinbarung viele versteckte Kosten zu haben, die den Nutzen reduzieren. Many companies who have mismanaged outsourcing or offshoring have later reversed the decision, making for a very costly error over time. Viele Unternehmen, die Outsourcing oder Offshoring schlecht gemanagt haben, haben später die Entscheidung rückgängig gemacht, was im Laufe der Zeit zu einem sehr kostspieligen Fehler wurde.“ https: / / translate.google.de/ translate? hl=de&sl =en&u=http: / / www.businessdictionary.com/ article/ 1090/ offshoring-vs-outsourcing-d1412/ &prev= search <?page no="210"?> Literaturverzeichnis 211 Literaturverzeichnis Bartscher, T. & Huber, A. (2007). Praktische Personalwirtschaft. Eine praxisorientierte Einführung (2., vollst. überarb. Auflage). Wiesbaden: Gabler GWV. Beck, C. (2011). Analyse von Jobbörsen im Internet 2011. Fachhochschule Koblenz. On-line verfügbar am 06.04.2018 unter http: / / de.statista.com/ statistik/ studie/ id/ 6519/ dokument/ Bertelsmann, G. (2002). Interne Personalbeschaffungswege. In R. Bröckermann & W. Pepels (Hg.): Handbuch Recruitment. Die neuen Wege moderner Personalakquisition. Planung, Beschaffungswege, Auswahlverfahren. Beiträge aus Forschung und Praxis. 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Mitarbeiter kommen irgendwann aus dem Ausland zurück und müssen reintegriert werden, was nicht immer problemlos abläuft. Hiermit befasst sich Absatz 5. 4.1 Bedeutung und Ziele von Auslandseinsätzen Lernziele Sie können die Begriffe internationale Personalauswahl, Assessmentcenter, Interkulturelles Training, internationale Weiterbildung, Begleitung internationaler Entsandter in den Ländern vor Ort, Wiedereingliederung der Entsandten in die Muttergesellschaft nach dem Auslandsaufenthalt einordnen. Versteht man unter ökonomischer Internationalisierung den zunehmenden Anteil grenzüberschreitender Wirtschaftstätigkeiten von multinationalen Unternehmen in den Bereichen Handel, Finanzen, Dienstleistungen, Technologie und Logistik, so versteht man weshalb Unternehmen neben der Organisation, der rechtlichen Gestaltung, der finanziellen Beteiligungen und der „Klammer“ internationales Personalmanagement durch Expatriates eine große Bedeutung zuschreiben. Es bestehen häufig mehrere Gründe für eine Entsendung gleichzeitig. Sie bestimmen im erheblichen Maße die unternehmerischen und persönlichen Erwartungen, die das Mutterunternehmen oder Tochterunternehmen sowie die Mitarbeiter/ Innen an deren Rolle als Entsandter im Ausland haben. Schließt man diese Überlegungen an das EPRG-Modell von Perlmuttter an, so lassen sich pro Strategie folgende Erwartungen und Rollen daraus folgern: Koordinations- und Kontrollfunktion : Auslandsentsandte, insbesondere in ethnozentrisch geführten Unternehmen, können als Personalcontroller in der Organisation wirken, in der der Entsandte eine direkte Kontrollfunktion innehat, und damit die Umsetzung der Strategie in den Strukturen und Prozessen seitens der Tochterunternehmung sicherstellt. Gerade amerikanische, chinesische, deutsche, japanische und französische Unternehmen nutzen diese Form von Kontrolle, um die Dominanz und Machtposition der Entsandten zu unterstreichen. Sozialisierungsfunktion: Internationale Entsendungen helfen das Wissen von Sprache, politischen und kulturellen Werten von Ländern und Tochterunternehmen zu lernen und zu vertiefen. Kompetenzen im Controlling, im Marketing und im Handel, in der Produktion und in der Logistik sich anzueignen und an andere Mitarbeiter weiterzugeben, um spätere potenzielle, internationale Führungsfunktion im Unternehmen zu übernehmen. <?page no="225"?> 226 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Bildung von Netzwerken: Expatriates tragen zur freundschaftlichen Pflege, Kontakte und Kommunikation zwischen Mitarbeitern der Muttergesellschaft und der Tochterunternehmen bei. Man erhofft sich, dass Netzwerke international entstehen, auf die man bei Gelegenheit zurückgreifen kann, insbesondere wenn der Expatriate zurückgekehrt ist, und z.B. im Mutterunternehmen Kontaktstelle bzw. Person für bestimmte Länder ist. Boundary spanner: Expatriates tragen Informationen aus den intra- und extraorganisatorischen Bereichen der multinationalen Unternehmung zusammen und bilden somit „Botschafter oder ähnliche Vertreter“ ihres Unternehmens im jeweiligen Land. Soziale Events können dem Unternehmen helfen sich über politische Entwicklungen im Land rechtzeitig zu informieren und ein Wissen über den lokalen Markt zu sammeln und wie Reputation für das eigene Unternehmen platziert werden kann. Wissenstransfer und Sprachvermittler: Viele multinationale Unternehmen wie Airbus, BASF, Siemens usw. entwickeln eine unternehmenseigene, standardisierte Unternehmenssprache, die in den meisten Fällen Englisch ist. In Spanien, Mittelamerika und Südamerika kann dies auch Spanisch sein, ebenso in Portugal, Kongo, Mosambik und Brasilien ist auch Portugiesisch denkbar. Dennoch bleiben sprachliche Barrieren als Teil der Zusammenarbeit in internationalen Unternehmen oft bestehen. Übung 4.1 Welche Rollen, Erwartungen und Funktionen ergeben sich nach EPRG-Modell von Perlmutter bei Auslandsentsendungen? Zusammenfassung In diesem Absatz wurde die Bedeutung von Auslandseinsätzen aufgezeigt. Lt. Perlmutter gibt es verschiedenen Erwartungen und Rollen für einen Einsatz im Ausland, die erläutert wurden. 4.2 Auswahl von Mitarbeitern Lernziele In den folgenden Abschnitten werden die Ziele der Personalauswahl sowie die zur Verfügung stehenden und praktisch eingesetzten Verfahren und Methoden erläutert. Welche (spezifischen) Probleme bei einer internationalen Personalauswahl entstehen können und welche Möglichkeiten bestehen, um diese zu verringern, wird ebenfalls aufgezeigt. 4.2.1 Internationale Personalauswahl Durch eine erfolgreiche internationale Personalsuche ist ein Pool an potenziellen Mitarbeitern entstanden. Aus diesem muss im nächsten Schritt ein(e) geeignete(r) Bewerber/ in ausgewählt werden, um die vakante Stelle zu besetzen. Dieser Prozess wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Dazu zählen (Mondy/ Mondy, 2014, S. 158-160):  der Bewerberpool  andere HR-Funktionen  rechtliche Rahmenbedingungen  die zur Verfügung stehende Zeit, um eine Auswahl zu treffen <?page no="226"?> 4.2 Auswahl von Mitarbeitern 227  der Organisationstyp  die Hierarchieebene der zu besetzenden Position  und der Unternehmensfit. In den folgenden Abschnitten werden die Ziele der Personalauswahl sowie die zur Verfügung stehenden und praktisch eingesetzten Verfahren und Methoden erläutert. Einordnung und Ziele der Personalauswahl Die internationale Personalauswahl ist Teil des internationalen Rekrutierungsprozesses und schließt, wie die nationale Personalauswahl, unmittelbar an die Personalsuche an. Ridders definiert dazu folgende Aufgaben: „In Auswahlverfahren wird […] geprüft, ob die Qualifikationen des Bewerbers mit den Anforderungsprofilen übereinstimmen, und es sollen zukünftige Leistungen des Bewerbers prognostiziert werden."(Ridder, 2015, S. 99) Die Auswahl beabsichtigt demnach die Selektion der am besten passenden Bewerber. Nach der Personalauswahl folgen die Schritte Personaleinstellung und Einarbeitung, (auch „Onboarding“ genannt) (Schmeisser et al , 2013, S. 69f.). Bedeutung von Personalauswahl Die effektive und effiziente Personalauswahl nimmt einen großen Stellenwert im Beschaffungsprozess und im gesamten Unternehmen ein. Individuell auf das Unternehmen angepasste Diagnoseverfahren können entscheidende Wettbewerbsvorteile generieren (Berthel/ Becker, 2013, S. 354) So kann auch das Risiko von Fehlentscheidungen gemindert und das Unternehmen mit den benötigten Mitarbeitern versorgt werden. Die Entlassung von einmal eingestelltem Personal ist häufig mit Komplikationen verbunden (Jung, 2011, S. 153). Fehlentscheidungen bei der Auswahl können dem Unternehmen erheblich Schaden zufügen. Es können, wie in Tabelle 4.1 dargestellt, zwei Arten von Entscheidungsfehlern unterschieden werden. Tab. 4.1: Unterscheidung von Entscheidungsfehlern Eignung des Bewerbers Entscheidung angenommen abgelehnt objektiv geeignet richtige Entscheidung fälschlicherweise abgelehnt (β-Fehler) objektiv ungeeignet fälschlicherweise angenommen (α-Fehler) richtige Entscheidung Quelle: in Anlehnung an Berthel/ Becker, 2013, S. 367; Scholz, 2014, S. 18; Krüger, 2002, S. 195 Die Einstellungen von nicht geeigneten Bewerbern sind Fehler erster Art (Alpha-Fehler) (Krüger, 2002, S. 195). Sie können erhebliche negative Effekte nach sich ziehen. Wenn ein systematischer Fehler im Auswahlprozess, -verfahren oder in den Auswahlinstrumenten vorliegt, kann dieser alle nachfolgenden Auswahlprozesse beeinflussen (Berthel/ Becker, 2013, S. 367). Bis zur richtigen Besetzung der Position verringert sich in den meisten Fällen die Produktivität in der betroffenen Funktion. Nach Angaben deutscher Unternehmen können Kosten für Personalfehleinstellungen in der Höhe von bis zu 50.000 € entstehen (Krüger, 2002, S. 195; Lorenz, 2015, S. 2f.) In der nachfolgenden Tabelle (Tab. 4.2) werden die möglichen Kosten bei Fehlentscheidungen zusammenfassend dargestellt. <?page no="227"?> 228 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Tab. 4.2: Mögliche Kosten bei Fehlentscheidungen Anwerbungskosten - Stellenanzeige/ Personalberater - Auswahlverfahren (Arbeitszeit des Bewerbermanagements, der Führungskräfte) - Sachkosten (Bewerbungskosten der Kandidaten, Eignungsdiagnosen, Informationsmaterial) Einarbeitungskosten - Direkte Personalkosten (unbefriedigendes und verringertes Leistungsverhalten im Vergleich zum geeigneten Bewerber) - Ausbildung, Qualifizierung und Schulung/ Trainee-Programme - Indirekte Personalkosten (Zeit des Vorgesetzten/ Kollegen/ Betreuer) Überarbeitungskosten - Produktivitätsminderung, bis ein Nachfolger gefunden ist - Unsicherheit bei Kunden/ Mitarbeitern/ Kollegen - Störung des Betriebsklimas Trennungskosten - Abfindung/ Gerichtskosten (gilt nur nach Probezeit) - Personal- und Sachkosten für den Entlassungsvorgang Quelle: in Anlehnung an Obermann, 2013, S. 44; Krüger, 2002, S. 195; Lorenz, 201), S. 2f. Fehler der zweiten Art Beta-Fehler) treten auf, wenn eigentlich passende Bewerber dennoch als ungeeignet angesehen und abgesagt werden. Wenn letztendlich ein geeigneter Bewerber selektiert wurde, ist dieser Fehler wenig problematisch für das Unternehmen. Übung 4.2 Erklären Sie Alpha- und Beta-Fehler im Personaleinstellungsverfahren. 4.2.2 Voraussetzungen und Anforderungen zur Personalauswahl Die Analyse der Anforderungen an den Bewerber und die Festlegung eines Anforderungsprofils ist die Basis für die Entscheidung und Entwicklung des Auswahlinstruments. Somit bildet dieser Schritt die Voraussetzung für eine effektive Auswahl. Eine erfolgreiche Entscheidung wird maßgeblich von der Qualität des Anforderungsprofils bestimmt. Lorenz führt an, dass ein auswahlunterstützendes Anforderungsprofil „alle beim gesuchten Mitarbeiter gewünschten Qualifikationen möglichst detailliert […] beschreibt“ (und zwar „die fachliche Qualifikation, die Verhaltenskompetenzen und persönlichkeitsbezogene Aspekte“ (Lorenz, 2015, S. 8f.). Anhand dieses Maßstabs kann anschließend eine Auswahl der Instrumente zur Bewerberbeurteilung erfolgen. Die Anforderungen der Position können aus der Stellenbeschreibung abgeleitet und durch Befragung von Vorgesetzten und Stelleninhabern ergänzt werden (Verfürth (2002), S. 261). Dies liefert neben dem Stellenplan und Stellenbesetzungsplan auch wichtige Informationen zur Struktur und Arbeitsweise des Teams und der Abteilung fasst die Methoden, die zur Anforderungsanalyse herangezogen werden können, in einer Übersicht zusammen. Bei internationalen Führungskräften ist grenzüberschreitendes, interkulturelles Denken und Agieren Grundbestandteil der Arbeit. Der unternehmerische Erfolg ist von der Fähigkeit abhängig, Themen im „internationalen Kontext unter Einbeziehung unterschiedlicher Sichtweisen“ (Heymann/ Schuster (1998), S. 88) zu betrachten. Heymann und Schuster (1998) geben im Rahmen persönlichkeitsbezogener Kriterien Lernbereitschaft, kulturelle Anpassungs- und Integrationsfähigkeit, Überzeugungskraft, Kommunikationsfähigkeit, Toleranz, Initiative, Flexibilität, Mobilität, Teamfähigkeit <?page no="228"?> 4.2 Auswahl von Mitarbeitern 229 und Belastbarkeit als typische Anforderungen an. Tätigkeitsbezogene Anforderungen umfassen das Fachwissen, die Erfahrung sowie Fremdsprachenkenntnisse (Heymann/ Schuster, 1998, S. 89-90). 4.2.3 Personalauswahlprozess Wie in der Abb. 4.1 (Personalauswahlkette) dargestellt umfasst der Prozess der Auswahl mehrere Schritte, die jedoch nicht alle in der Praxis zur Anwendung kommen oder notwendig sind (Schmeisser et al., 2013, S. 70). Abb. 4.1: Personalauswahlkette. Quelle: in Anlehnung an Berthel/ Becker, 2013, S. 350 Auf Grundlage des Anforderungsprofils folgt typischerweise im zweiten Schritt eine erste Vorauswahl. Dazu werden bei fast allen Stellenbesetzungen die Bewerbungsunterlagen analysiert, bewertet und mit dem Anforderungsprofil abgeglichen. Eine Vorselektion basiert auf dem Prinzip der Negativselektion, bei der „[A]alle Bewerber, die für die Position als nicht geeignet erachtet werden“ (eine Absage erhalten). Die Selektion erfolgt anhand von definierten Kennzahlen und Kriterien, den sogenannten „Killer-Kriterien“ (Nicolai, 2006, S. 101: Zu erfüllende Grundbedingungen (Abschlussnote, Altersgrenze, etc.). Die Qualität der Vorauswahl bestimmt nach Krüger damit auch die Qualität des weiteren Auswahlprozesses. Außerdem bietet sie neben dem Anforderungsprofil Grundlage für die Konzeption der weiteren Auswahlinstrumente (Krüger, 2002, S. 195). Die anschließend genutzten Auswahlinstrumente werden im weiteren Verlauf genauer betrachtet. Dabei unterscheidet man zwischen klassische und digitale Verfahren über das Internet. Zum Ende oder während des Auswahlprozesses erfolgt eine Bewertung der in den vorherigen Schritten gesammelten Informationen. Daran wird schlussendlich die konkrete Auswahlentscheidung vollzogen. 4.2.4 Rechtliche Aspekte zur Auswahl von Personal Bei der Auswahl von Bewerbern und der dabei durchgeführten Beobachtung und Bewertung wird ein Eingriff in die Persönlichkeitssphäre der Kandidaten vorgenommen. Unterschiedliche rechtliche Regelungen kommen zum Einsatz, um die Persönlichkeitsrechte zu schützen. Aus dem Art. 1. Abs. 1 GG leitet sich ab, dass in die Intimsphäre einer Persönlichkeit nicht eingegriffen werden darf. Insbesondere psychologische Tests können das informelle Selbstbestimmungsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG verletzen. Eine Einwilligungserklärung (durch freie Selbstbestimmung) der Bewerber, besonders zu eignungsdiagnostischen Tests, ist erforderlich für ein unproblematisches Eindringen in das Persönlichkeitsrecht (Lorenz, 2015, S. 45-50)- Gemäß § 32 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur für Zwecke des Beschäftigungsverhältnis- Zusammenhang zur Personalbeschaffung Vorselektion evtl. in verschiedenen Phasen Instrumenteneinsatz <?page no="229"?> 230 4 Prozess des internationalen Personalmanagements ses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Dies gilt nur wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Die Aufbewahrung von Daten eingestellter Bewerber ist durch Aufnahme der Informationen in die Personalakte zulässig. Welchen Zeitraum Daten abgelehnter Bewerber über die Ablehnung hinaus gespeichert werden dürfen, z.B. aus befürchteten Rechtsstreitigkeiten, ist umstritten (Greßlin, 2015, S. 117). Zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz Wie oben erläutert, muss der Arbeitgeber Gleichbehandlung der Bewerber während des gesamten Bewerbungsverfahrens wahren. Bei der Auswahl von Personal ist daher eine Diskriminierung gemäß § 12 AGG zu verhindern (Wien/ Franzke (2014, S. 25). Das Gesetz wirkt sich auch auf die Zulässigkeit von Fragen in Einstellgesprächen oder Assessment-Centern aus. Dies wird im folgenden Abschnitt genauer erläutert. Im Falle einer Benachteiligung und Ablehnung aus den im § 1 AGG genannten Gründen, hat der Bewerber nach § 15 AGG drei Monate Zeit rechtliche Schritte einzuleiten, um Schadensersatzansprüche gegen das Unternehmen geltend zu machen (Lorenz, 2015, S. 5). Nach § 22 AGG liegt die Beweislast bei berechtigter Vermutung einer Benachteiligung beim Arbeitgeber. In den USA klagen jährlich rund 80.000 Mitarbeiter und Bewerber aus Diskriminierungsgründen. Besondere Erfolgswahrscheinlichkeit besteht bei Klagen gegen Unternehmen, die lediglich unstrukturierte Vorstellungsgespräche durchführen (Obermann, 2015, S. 51-53). Dies markiert einen weiteren relevanten Aspekt der Wahl des richtigen Auswahlinstruments. Der Aspekt der Chancengleichheit ist insbesondere im internationalen Recruiting zu berücksichtigen, kann jedoch ein Problem darstellen. Durch unterschiedliche Gesetzgebungen in verschiedenen Ländern ist für multinationale Unternehmen keine standardisierte Lösung möglich. Kenntnisse in den jeweiligen Gesetzeslagen sind folglich Voraussetzung. „Letztlich kann der Gesetzgeber aber nur den Rahmen der Auswahl gestalten und dadurch versuchen, Gerechtigkeit und Chancengleichheit herzustellen. Welche psychologischen und zum großen Teil unbewussten Prozesse bei Auswahlentscheidungen ablaufen, bleibt den Gesetzen vorenthalten.“ (Festing et al., 2011, S. 271f.). Übung 4.3 Recherchieren Sie die Ziele des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, gemäß Abschnitt 1, Allgemeiner Teil, § 1 (AGG). Mitbestimmungsrecht Durch das Betriebsverfassungsgericht ist die Unternehmensleitung zur Aufstellung von Betriebsvereinbarungen mit dem Gesamtbetriebsrat verpflichtet (Jung, 2011, S. 154; Berthel/ Becker, 2013, S. 368). Auswahlrichtlinien können bei mehr als 500 Beschäftigten vom Betriebsrat gefordert werden und bedürfen in jedem Fall nach § 95 Abs. 1 BetrVG der Zustimmung. Das Aufstellen allgemeiner Beurteilungsgrundsätzen und der Personalfragebogen sind nach § 94 Abs. 1 und 2 mitbestimmungsbzw. zustimmungspflichtig. Auch bei der Personal(beschaffungs)planung nach § 92 BetrVG und in Bezug auf die Auswahlentscheidung und Einstellung nach § 99 BetrVG hat der Betriebsrat ein Beteiligungsrecht (Jung, 2011, S. 185; Berthel/ Becker, 2013, S. 368). Rechtliche Regelungen zu ausgewählten Instrumenten Das Vorstellungsgespräch unterliegt speziellen Regelungen, die in drei Kategorien gegliedert werden können. Die erste betrifft die Offenbarungspflicht, der sowohl Arbeitgeber als auch Bewerber unterliegen. Der Bewerber hat die Pflicht, Aspekte und Umstände von sich aus anzusprechen, die <?page no="230"?> 4.2 Auswahl von Mitarbeitern 231 ihn an der beruflichen Leistungserbringung hindern. Als zweites ist das Fragerecht des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Dieses ist durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht begrenzt. Fragen müssen in unmittelbarem Bezug zur Stelle stehen. Auf zulässige Fragen muss der Bewerber wahrheitsgemäß antworten. Drittens werden verbotene Fragen gestellt, kann der Bewerber dies verweigern bzw. „lügen (Notlüge)“ Stellt der Arbeitgeber unzulässige Fragen zu privaten oder intimen Aspekten, beispielsweise zu Vermögensverhältnissen, zum Alter, Familienstand, Kindern oder sexueller Orientierung (Lorenz, 2015, S. 5), darf der Bewerber die Antwort verweigern oder falsch beantworten („Lügerecht“). Bei einer Verletzung der Offenbarungspflicht oder einer unwahren Beantwortung zulässiger Fragen hat der Arbeitgeber nach § 123 BGB das Recht auf Anfechtung des Arbeitsvertrages, wodurch dieser nichtig wäre (Berthel/ Becker, 2013, S. 367-371; Wien/ Franzke, 2014, S. 17-20). Ein Bewerber hat nach §§ 662, 670 BGB grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz der entstandenen Kosten (Fahrt-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten) im Zusammenhang mit einem Bewerbungsgespräch. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber bei der Einladung explizit darauf hinweist, dass Bewerbungskosten nicht erstattet werden (Wien/ Franzke, 2014; S. 21-25; Olfert, 2015, S. 173). Des Weiteren hat ein Bewerber, der sich in einem Dauerarbeitsverhältnis mit baldiger Beendigung befindet, Anspruch auf Beurlaubung zur Stellensuche bei seinem aktuellen Arbeitgeber. Mit Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers legt der Arbeitgeber den Zeitpunkt der Beurlaubung, für einen angemessenen Zeitraum, fest. Er hat außerdem die Pflicht, die Vergütung fortzuzahlen. Die Länge der Lohnfortzahlung ist abhängig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses (Olfert, 2015, S. 173f.). Psychologische Tests sind nur bei unmittelbarem Bezug zu den anforderungsspezifischen Persönlichkeitsmerkmalen der Stelle rechtlich zulässig. Eine umfassende Aufklärung der Bewerber über den oder die Tests und die Zustimmung des Bewerbers ist unerlässlich. Für Assessment-Center gelten die rechtlichen Regelungen von Vorstellungsgesprächen und psychologischen Tests (Berthel/ Becker, 2013, S. 370). Normen zur Personalauswahl Aufgrund einer geringen Prognosevalidität vieler Auswahlverfahren (Holtbrügge, 2015, S. 133) und um in der Personalauswahl eine höhere Transparenz und Qualität zu erzielen, wurde 2002 von dem Deutschen Institut für Normierung (DIN) die DIN 33430 veröffentlicht. Sie formuliert Anforderungen an Verfahren und deren Einsatz bei berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen. Die Norm soll Personalauswahlprozesse durch Standardisierung optimieren. Dazu werden Anforderungen an die diagnostisch tätigen Personen sowie Verfahren gestellt. Verfahren, die bei der Auswahl zum Einsatz kommen, sollen dabei nachweislich einen Bezug zu den Anforderungen der Stelle haben. Zu diesen Verfahren zählen Eignungsinterviews, Arbeitsproben, Tests und Assessment-Center. Außerdem werden Hilfen und Empfehlungen zur Planung, Vorbereitung und Auswahl von eignungsdiagnostischen Instrumenten sowie zur Interpretation der Ergebnisse gegeben. Die deutsche Norm ist dabei allerdings nur als Handlungsempfehlung auf freiwilliger Basis umzusetzen und ist somit keine Rechtsnorm. Im Rechtsstreit kann die Eignungsbeurteilung nach den Anforderungen der DIN-Norm positiv für das Unternehmen wirken. Zusätzlich erhält der Bewerber durch die Norm Informationen über die Standards des Auswahlprozesses, was sich positiv im Sinne des Personalmarketings auswirken kann (Kerstin/ Püttner, 2006, S. 846-855). Abgeleitet aus der DIN 33430 wurde 2011 erstmals ein internationaler Standard die ISO- Norm 10667 mit dem Titel: „Assessment service delivery - Procedures and methods to assess people in work and organizational settings“ formuliert. Die Normen der DIN 33430 werden durch die Norm ISO- 10667 weiter ergänzt. Des Weiteren werden spezifische Methoden und Verfahren zur Einschätzung von Bewerbern beschrieben (Lorenz, 2015, S. 4f.). <?page no="231"?> 232 4 Prozess des internationalen Personalmanagements 4.2.5 Klassische Auswahlinstrumente und ihre Anwendung im internationalen Kontext Zum Zeitpunkt der Auswahl sind nicht alle Informationen über den Bewerber verfügbar (Schmeisser et al., 2013, S. 70). Der Einsatz verschiedenster Instrumente vermag Angaben zu angeforderten Qualifikationen und persönliche Eigenschaften zu generieren sowie Aufschluss über nicht bekannte Informationen und zukünftige Leistung zu geben. Um Personal auszuwählen steht eine Vielzahl von Instrumenten zur Verfügung, die abhängig von Anforderungen der zu besetzenden Stelle, den finanziellen und personellen Ressourcen sowie anderen Faktoren eingesetzt werden. Die Instrumente unterscheiden sich auch durch die Rekrutierungsquelle der Bewerber. Intern stehen bereits Daten und Informationen zur Verfügung, die bei einem externen Bewerber erst überprüft werden müssen (Jung, 2011, S. 154). Bei der Entscheidung, welches Personalauswahlinstrument eine hohe Qualität aufweist, um relevante Eigenschaften und Fähigkeiten zu messen, sollten auch die Gütekriterien berücksichtigt werden. Welches Auswahlinstrument im internationalen Kontext besonders geeignet ist, bleibt in der Literatur umstritten. Einige Autoren unterscheiden nicht zwischen nationalem und internationalem Einsatz der Auswahlverfahren, andere wiederum heben Assessment-Center und Persönlichkeitstests mit spezifisch internationaler Ausrichtung hervor (Festing et al., 2011, S. 267). Die in der Praxis am weitest verbreiteten Instrumente sind die Sichtung und Analyse von Bewerbungsunterlagen, Vorstellungsgespräche, Testverfahren und Assessment-Center. Andere Methoden im Einsatz sind graphologische und medizinische Gutachten, biografische Fragebögen, Referenzen anderer Arbeitgeber und Arbeitsproben. Wie alle Verfahren differieren diese in ihrer internationalen Verbreitung und Anwendung in verschiedenen Ländern (Berthel/ Becker, 2013, S. 354f. und 777f.). In Deutschland ist die Analyse der Bewerbungsunterlagen und Vorstellungsgespräche seit geraumer Zeit von größtem Belang. Ärztliche Eignungsuntersuchungen bilden häufig den Abschluss eines Verfahrens und können insbesondere bei Auslandstätigkeiten mit extremen klimatischen Bedingungen angebracht sein. Um zu prüfen, ob der Bewerber neben seinem Verhalten und den fachlichen Kenntnissen auch gesundheitlich geeignet ist, sind die genauen Stellenanforderungen, wie z.B. Schwindelfreiheit, Tropentauglichkeit für den Arzt Voraussetzung (Nicolai, 2006, S. 99, 101). Im Zuge der Corona-Krise in 2020 wurden Online-Einstellungsgespräche (z.B. über Zoom, Mircosoft Teams etc. salonfähig. Schriftliche Bewerbungsunterlagen Im Rahmen der Vorauswahl stellen Bewerbungsunterlagen in vielen Ländern den ersten Kontakt des Unternehmens mit dem Bewerber dar. Eine geringe Rolle spielt die Analyse und Bewertung der Bewerbungsunterlagen in Ländern wie Schweden oder Griechenland (Nicolai, 2006, S. 777). Aus den eingereichten Unterlagen (Bewerbungsschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse, Zertifikate, ggf. Führungszeugnis, amtsärztliche Bescheinigungen, Referenzen und firmeninterne Fragebögen) können Basisinformationen über den Bewerber entnommen werden, die drei wesentliche Funktionen erfüllen (Berthel/ Becker, 2013, S. 357).  Negativselektion  Erste Qualifikationsbeurteilung  Informationen als Grundlage für weitere Verfahren (z.B. Erkennen von offenen Fragen für ein Vorstellungsgespräch) Das Bewerbungsschreiben wird auf äußere Form analysiert und liefert Informationen über die Beweggründe der Bewerber sowie über Ausdrucksgewandtheit und Wortschatz. Lebensläufe werden <?page no="232"?> 4.2 Auswahl von Mitarbeitern 233 durch die sogenannte Zeitfolgenanalyse auf Vollständigkeit überprüft und geben sowohl Auskunft über Karrieremuster als auch weitere Erfahrungen, Interessen, ehrenamtliche Tätigkeiten sowie Sprach- EDV- und Fachkenntnisse. Andere Analysetechniken dabei sind die Entwicklungsanalyse und Branchen-/ Firmenanalyse (Berthel/ Becker, 2013, S. 357). International kann es bei der Vergleichbarkeit von Bewerbungsunterlagen zu Problemen kommen. Besonders Schul- und Studienleistungen differieren und auch Arbeitszeugnisse sind nicht in jedem Land üblich und unterliegen nicht denselben Voraussetzungen eines wohlwollenden Zeugnisses (Urteil des BAG vom 23.06.1960, 5 AZR 560/ 58) wie in Deutschland (Heymut/ Schuster, 1998, S. 95). Einstellungsgespräche Mit dem Verständnis der Analyse von Bewerbungsunterlagen als Vorauswahlinstrument ist das Vorstellungsgespräch, oder auch Interview, weltweit die am häufigsten eingesetzte Methode zur Personalauswahl (Berthel/ Becker, 2013 S. 777). Das Einstellgespräch stellt häufig den ersten und manchmal auch einzigen persönlichen Kontakt zum Bewerber dar. Es dient dabei zum Informationsaustausch, wobei sich das Unternehmen selbst präsentieren und dem Bewerber weitere Informationen zur Stelle liefern kann. Im „War for Talents“ ist es umso wichtiger geworden, einen positiven Eindruck zu hinterlassen (Scholz, 2014, S. 479). Ziele sind auch die Beurteilung des Eignungspotentials des Bewerbers bezüglich Soft Skills und Hardfacts, die Klärung von Motivation und Erwartungen sowie offener Fragen der Bewerbung (Berthel/ Becker, 2013, S. 359, Olfert, 2015, S. 174). Das Vorstellungsgespräch kann, je nach Strukturierung und Anzahl der beteiligten Personen, unterschiedliche Formen annehmen. Je strukturierter das Interview erfolgt, desto eher sind die Ergebnisse im Anschluss der Gespräche vergleichbar. Bei einem vollständig strukturierten Bewerbungsgespräch werden jedem Bewerber die gleichen Fragen in der gleichen Reihenfolge mit demselben Wortlaut gestellt. Der Vergleichbarkeit, geringem Aufwand und geringen Kosten stehen Nachteile eines starren und unflexiblen Gespräches gegenüber. Bei einem unstrukturierten Interview wird im Vorhinein keine Planung des Gespräches vorgenommen, wodurch Fragen zu beliebigen Themen frei gestellt und formuliert werden können. Der Mischform des teilstrukturierten Interviews liegt ein Leitfaden mit zu klärenden Fragen zugrunde. Die Reihenfolge und auch weitere Gesprächsinhalte sind dabei frei und flexibel gestaltbar (Berthel/ Becker, 2013, S. 359 Holtbrügge, 2015, S. 125). Ein Problem von Interviews sind Beobachtungs- und Beurteilungsfehler durch subjektive Empfindungen des Interviewers. Bei einem höheren Freiheitsgrad des Interviews nimmt die Gefahr dieser Probleme zu (Holtbrügge, 2015, S. 126). Häufig auftretende Phänomene, die die Objektivität beeinträchtigen sind in Tabelle 4.3 dargestellt. Tab. 4.3: Häufige Beobachtungs- und Beurteilungsprobleme in Interviews Phänomen Inhalt Halo-Effekt Eine einzelne positive oder negative Eigenschaft beeinflusst oder überstrahlt die Beurteilung anderer Persönlichkeitseigenschaften Ähnlichkeitsphänomen Bessere Bewertung eines Bewerbers, der Ähnlichkeiten in der Herkunft und im Verhalten des Beobachters aufweist Kontrast-Effekt Ein Bewerber wird an dem unmittelbar davor bewerteten Bewerber gemessen, was die Bewertung beeinflusst Primacy-Effekt Die ersten Informationen (erster Eindruck) bleibt besonders gut im Gedächtnis der Beobachter und kann den Gesamteindruck beeinflussen, indem weitere Informationen an die erste geknüpft werden. <?page no="233"?> 234 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Quelle: in Anlehnung an Holtbrügge, 2015, S. 126 Übung 4.4 Recherchieren Sie, was genau unter einem Halo-Effekt zu verstehen ist. Vorstellungsgespräche können in Einzel-, Zweier- und Gruppeninterviews differenziert werden. Das Einzelgespräch wird in der Regel von einem Vertreter der Personalabteilung oder vom Vorgesetzten durchgeführt. Bei einem Zweierinterview führen beispielsweise diese beiden Vertreter das Gespräch gemeinsam und bei einem Gruppeninterview können mehrere Interviewer und Bewerber gleichzeitig teilnehmen (Olfert, 2015, S. 175). Die Vorbereitung des Vorstellungsgesprächs ist für eine erfolgreiche Durchführung von hoher Bedeutung. Neben der Analyse der Bewerbungsunterlagen und der Einladung der Bewerber muss die Entscheidung für eine Gesprächsform, wie oben beschrieben, vorgenommen werden. Anschließend werden Fragen erstellt und der Ablauf sorgfältig organisiert (Olfert, 2015, S. 174). Das Interview wird üblicherweise in sieben Phasen gegliedert (Jung, 2011, S. 170f.):  Phase 1: Begrüßung des Bewerbers  Phase 2: Fragen zu und Beschreibung der persönlichen Situation  Phase 3: Erörterung des Bildungsgangs  Phase 4: Besprechung des beruflichen Werdegangs und Entwicklung  Phase 5: Informationen zum Unternehmen und die Position  Phase 6: Vertragsverhandlungen  Phase 7: Gesprächsabschluss ggf. Informationen zum weiteren Bewerbungsprozess Es bleibt nicht immer bei einem einzigen Gespräch. In Abhängigkeit der Position können auch Zweit- oder Drittgespräche folgen (Holtbrügge, 2015, S. 125). Testverfahren Der Einsatz von Eignungstests in der Personalauswahl bezweckt, weitere Informationen zu den Bewerbern zu liefern, um eine Fehlentscheidung zu vermindern. Die hauptsächlich psychologischen Tests sind „solche diagnostischen Verfahren, bei denen Verhaltensweisen bzw. Persönlichkeitsmerkmale von Personen unter standardisierten Bedingungen erfasst werden“ (Berthel/ Becker, 2013, S. 363). Die Qualität der Testverfahren wird anhand von Gütekriterien bestimmt. Jung (2011) fordert dazu drei Mindestanforderungen an die Tests. Die getestete Person muss ihr typisches Verhalten zeigen können, das Verfahren sollte erprobt, geeicht und zuverlässig messend sein und die erzielten Ergebnisse müssen das Verhalten der Person in der Zukunft abbilden (Jung, 2011, S. 172). International ist der Gebrauch von Testverfahren sehr unterschiedlich ausgeprägt. Im Gegensatz zu Deutschland und Japan sind Tests in Ländern wie Schweden und Neuseeland durchaus von Bedeutung (Berthel/ Becker, 2013, S. 777). Über die Klassifizierung von Eignungstests bezüglich inhaltlicher oder formaler Aspekte gibt es in der Literatur unterschiedliche Meinungen. Hier gilt die Unterscheidung in Anlehnung an Olfert (2015) und Jung (2011). Demnach werden grundsätzlich zwei Arten unterschieden. Diese sind zum einen Persönlichkeitstest und zum anderen Fähigkeitstests. Persönlichkeitstests sollen bestimmte Persönlichkeits- und Verhaltensmerkmale oder -strukturen sowie ihre Ausprägungen aufdecken. Ihre praktische Bedeutung bei der Auswahl von Bewerbern Realnormierte Messung Unterschiedliche Bewertung von Bewerbern in Abhängigkeit der Gruppe. In einer „schwachen“ Gruppe kann er als stark und in einer „stärkeren“ Gruppe als durchschnittlich eingestuft werden. <?page no="234"?> 4.2 Auswahl von Mitarbeitern 235 wird eher gering eingeschätzt. Sie sind sehr kosten- und zeitintensiv, durch den Bedarf eines Psychologen zur Interpretation der Ergebnisse (Olfert, 2015, S. 179). Darüber hinaus mangelt es den Tests und damit den Ergebnissen an Arbeitsplatzrelevanz (Berthel/ Becker, 2013, S. 366). Zu den Persönlichkeitstests zählen Projektive Tests, wie der Rohrschach-Test (Tintenklecks), Farbtests oder auch der Thematic Apperception-Test (TAT). Bei diesen Tests sollen die Probanden Ideen, Phantasien und Wünsche auf Reize, wie Portraitfotos im TAT, projizieren, die dann wiederum gedeutet und interpretiert werden. Projektive Tests sind rechtlich durch den Eingriff in die Intimsphäre und damit in das Persönlichkeitsrecht mit Vorsicht zu sehen (Berthel/ Becker, 2013, S. 365). Psychometrische Tests zählen ebenfalls zu den Persönlichkeitstests. Mit Hilfe von Fragebögen sollen Persönlichkeitseigenschaften der Bewerber erfasst und mit im Vorhinein festgelegten typischen Werten von Personen verglichen werden. International existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Tests. Hinweis Ein gebräuchliches Verfahren ist das NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI), welches auf dem „Big Five-Modell“ (Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit) basiert (Holtbrügge, 2015, S. 129). Fähigkeitstests untersuchen die Intelligenz und Leistungsfähigkeit der Bewerber. Allgemeine Leistungstests werden eingesetzt um die Aufmerksamkeit, Belastbarkeit und Konzentration der Kandidaten zu ermitteln. Bekannt ist hier der Aufmerksamkeits-Belastungstest (d2), bei dem unter Beachtung von Geschwindigkeit und Genauigkeit aus einer großen Anzahl ähnlicher Buchstaben bestimmte herausgestrichen werden müssen. Positionsspezifischer können spezielle Leistungstests wie der Berufs-Eignung-Test (BET) eingesetzt werden. Getestet werden hier sensorische Merkmale, motorische Funktionen, technisches Verständnis sowie Rechtschreib- und Rechenkenntnisse (Lorenz, 2015, S. 118; Olfert, 2015, S. 180). Intelligenztests basieren auf dem Konstrukt von allgemeiner Intelligenz, welche die „Begabung zum Denken“ (Olfert, 2015, S. 180) beschreibt. Damit eingeschlossen sind Faktoren wie sprachliches Verständnis, Kombinations-, Abstraktions- und Vorstellungsfähigkeit, rechnerisches Denkvermögen und räumliches Denken. Dabei kommt beispielswese der „Bochumer Matrizen Test“ zum Einsatz, der auch als computergestützte Version sowie als Verfahren zum internationalen Einsatz vorhanden ist (Lorenz, 2015, S. 119). Assessment-Center Da die gängige Kombination aus der Analyse von Bewerbungsunterlagen mit einem einfachen Einstellinterview den Ansprüchen vieler Unternehmen an die Personalauswahl nicht gerecht wird, setzen sie „auf ein aufwendiges eignungsdiagnostisches Verfahren, das Assessment-Center (AC).“(Klement, 2007, S. 2). Als Multimodales Instrument zur Eignungsdiagnostik ist es kein einzelnes Verfahren, sondern vereint und kombiniert verschiedene Instrumente, um vordergründig überfachliche Fähigkeiten zu beurteilen (Obermann, 2013, S. 1). Mit der Wahl eines passenden Auswahlinstrumentes sollen Probleme wie subjektive Beurteilung, geringe Vorhersagekraft über beruflichen Erfolg und fehlende Vergleichbarkeit umgangen werden (Stelzer-Rothe, 2002, S. 246). Dabei wird die Zusammenstellung von Übungen und Aufgaben in einem AC, im Gegensatz zum Vorstellungsgespräch, als Arbeitsprobe wahrgenommen. Die Einschätzung und Akzeptanz von Assessment-Centern (ACn) fällt in der Literatur und Praxis sehr konträr aus. Als Gründe werden insbesondere der hohe Aufwand und die höchsten Kosten der Präsenzbzw. Inhouse-Assessments im Vergleich zu anderen Auswahlverfahren aufgeführt. In diesem Absatz werden das Assessment-Center, seine Inhalte, Anwendung und Merkmale ausführlich dargestellt. Außerdem werden weitere Formen, insbesondere im internationalen und interkulturellen Einsatz, vorgestellt. <?page no="235"?> 236 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Präsenz-Assessment-Center Der Begriff Assessment-Center (AC) leitet sich aus dem englischen Wort „to assess“ ab, was bewerten, beurteilen, einschätzen bedeutet, während „Center“ mit Mittelpunkt oder im Zentrum übersetzt werden kann. Wörtlich übersetzt ergibt sich daraus die Bezeichnung Beurteilungs-, Bewertung,- Einschätzungszentrum (Stelzer-Rothe, 2002, S. 246). Der Begriff „Center“ wird ebenso mit der Kombination vieler Methoden zusammengebracht (Obermann, 2013, S. 3). Für Assessment-Center existieren eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffsdefinitionen, mit differierenden Aufgaben und Inhalten. In der Praxis sind Assessment-Center ebenfalls von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich, wenn sie an die spezifischen Anforderungen und Kapazitäten angepasst werden. Die nachfolgenden Definitionen beziehen sich daher vor allem auf das grundlegende Verfahren. Definition „Assessment-Center sind multiple diagnostische Verfahren, welche systematisch Verhaltensleistungen bzw. Verhaltensdefizite von Personen erfassen. Hierbei schätzen mehrere Beobachter gleichzeitig für einen oder mehrere Teilnehmer seine/ ihre Leistungen nach festgelegten Regeln in Bezug auf vorab definierte Anforderungsdimensionen ein.“ (Kleinmann, 2013, S .2). Eine andere Formulierung liefert Obermann (2013), der ein Assessment-Center aufzeigt als  „ein einbis dreitägiges Seminar  mit acht bis zwölf Mitarbeitern oder Bewerbern,  die von Führungskräften und Personalfachleuten  in Rollenübungen und Fallstudien  beobachtet und beurteilt werden.  Diese Rollenübungen und Fallstudien  sind charakteristisch für  bestehende oder zukünftige  Arbeitssituationen und Aufgabenfelder“ (Obermann, 2013, S. 2). Mit Assessment-Centern sollen gegenüber anderen Verfahren vor allem überfachliche Fähigkeiten wie Teamfähigkeit, strategisches Denken, Motivationsfähigkeit, Lernfähigkeit oder Flexibilität gemessen werden. Dabei ist es klassisch als Gruppen-AC konzipiert und wird in dieser Form am häufigsten eingesetzt (Schuhmacher, 2014, S. 67). Obwohl das eignungsdiagnostische Verfahren zur Potentialeinschätzung (Ridders, 2015, S. 108) unterschiedlich ausgestaltet sein kann, zeichnet es sich im Grundsatz durch die nachfolgend beschriebenen Prinzipien und Merkmale aus. Diese Charakteristika und Prinzipien von Assessment-Centern sind zu verfolgen, um durch den Einsatz des Verfahrens ein verlässliches Urteil zu fällen (hierzu und im Folgenden: Obermann, 2013, S. 3f.; Nicolai, 2006, S. 97f.; Berthel/ Becker, 2013, S. 294f,; Bröckermann, 2016, S. 104). Das Prinzip der Simulation bezieht sich auf den Einsatz von situativen Übungen, den Simulationen. In Übungen mit hohem inhaltlichem Bezug zur späteren Tätigkeit sollen Teilnehmer nicht theoretisch, sondern praktisch handeln, wie es in einer Arbeitsprobe üblich ist. Das dadurch beobachtbare Verhalten bietet dann die Grundlage zur Eignungsprognose. Ein wesentliches Merkmal ist demnach nicht Eigenschaftsorientierung, sondern eine Verhaltensorientierung, bei denen die tätigkeitsspezifischen Anforderungen in Kriterien übersetzt werden müssen. <?page no="236"?> 4.2 Auswahl von Mitarbeitern 237 Das Prinzip der Methodenvielfalt oder auch Multimodalität soll sicherstellen, dass die Kriterien aus dem Anforderungsprofil beobachtet werden können. Dazu werden die einzelnen Anforderungskriterien in unterschiedlichen und unabhängigen Einzelübungen mehrfach beobachtet. Die möglichen Messfehler einzelner Übungen sollen durch die Kombination ausgeglichen werden, um im Ergebnis zu zuverlässigen Aussagen zu führen. Das Prinzip der Anforderungsanalyse soll sicherstellen, dass die gewählten Übungen auf das vorher ermittelte Anforderungsprofil der Zielposition abgestimmt sind. Auf der Basis der ermittelten Verhaltensweisen und Eigenschaften werden Aufgaben sowie Simulationen konstruiert. Durch das Prinzip der Mehrfachbeobachtung soll die Objektivität des Verfahrens gesichert werden. Nicht nur die Anzahl der Beobachter, auch Assessoren genannt, ist dabei von Bedeutung. Positiv ist auch die Beurteilung aus verschiedenen Perspektiven. Häufig zum Einsatz kommen dabei Führungskräfte des Unternehmens, die die Unternehmenskultur und Zielforderungen kennen. Des Weiteren können externe Beobachter (AC-Profis) oder Fachleute, Psychologen und erfahrene Personaler an Assessment-Centern teilnehmen. Wichtig zur Fehlervermeidung ist ein Training der Assessoren. Bei der Durchführung des Verfahrens sollte jeder Beobachter mit den Übungen, Zielen sowie dem Ablauf vertraut sein und wissen, welche Eigenschaften und Fähigkeiten, mit welchem Instrument gemessen werden soll. Außerdem wird Wert auf eine Trennung der Beobachtung und Beurteilung gelegt, um eine vorzeitige Urteilsbildung zu vermeiden. Als letztes Charakteristikum kommt das Prinzip der Transparenz zum Einsatz. Die Teilnehmer erhalten zu Beginn des ACs ausführliche Informationen über Ablauf, Inhalte, den Prozess, den Zweck des Verfahrens und die Anforderungskriterien sowie Verhaltensweisen, die beobachtet werden. Außerdem wird jedem Bewerber am Ende eines AC in einem individuellen Feedback-Gespräch seine Einschätzung anhand der einzelnen Übungen und jeweiligen Anforderungen erläutert. Anhand der Stärken und Schwächen kann der Kandidat verstehen, ob sein Verhalten tatsächlich zum Unternehmen und der Zielposition passt. Durch die Transparenz soll die Akzeptanz der Beurteilung und des gesamten Verfahrens gewährleistet werden (Nicolai, 2006, S. 97f.; Berthel/ Becker, 2013, S. 295; Obermann, 2013, S. 3f.; Bröckermann, 2016, S. 104). Entwicklung, Akzeptanz und Verbreitung von Assessment-Centern Bereits in der Antike und im 17. Jahrhundert sind Nachweise für diagnostische Auswahlverfahren zu finden. Die ersten Vorläufer heutiger Assessment-Center finden sich 1927 bei der deutschen Heerespsychologie zur Auswahl von Offizieren der Reichswehr in der Weimarer Republik. Diese erstmals eingesetzte ganzheitlich angelegte Prüfung musste von jedem Offiziersanwärter bis zum Zweiten Weltkrieg durchlaufen werden. Ziel war es, das Auswahlverfahren deutscher Offiziere zu verbessern und von Status und sozialer Herkunft unabhängig zu gestalten, sodass die Auswahl nach tatsächlichen Fähigkeiten stattfand, und nicht nach Adelsherkunft. Außerdem war mit der Beschränkung der Heeresgröße durch den Versailler Vertrag eine treffende Auswahl wichtiger geworden. Im Auftrag des Reichsministeriums gründete Johann Baptist Rieffert 1920 ein psychologisches Forschungszentrum an der Universität Berlin. Rieffert sah die Notwendigkeit den Menschen als Ganzheit zu betrachten und formulierte 1922 in Anlehnung an die Ganzheits- und Gestaltpsychologen (z.B. Kurt Lewin 1890-1947) ein Verfahren. Seine Position fasste sein Nachfolger im Amt, Max Simoneit (Simoneit, 1933, S. 44, zitiert nach Obermann, 2013, S. 13: „Eine isolierte Messung und Bewertung einzelner, durch Berufsanalyse bestimmter seelischer Fähigkeiten ist zwecklos; erst die Lagerung der isoliert gedachten seelischen Fähigkeiten innerhalb der seelischen Gesamtveranlagung lässt Schlüsse auf zukünftige Verhaltensweisen zu; daher ist die Ablösung des psychotechnischen durch das charakterologische Arbeitsprinzip notwendig, dabei Psychotechnik als Leistungsmaßmethode, Charakterologie als Lehre von der gesamten seelisch-körperlichen Veranlagung einschließlich der Werteinstellungen verstanden.“ (Obermann, 2013, S. 12-22). Die charakterologische Prüf- <?page no="237"?> 238 4 Prozess des internationalen Personalmanagements methode sah dem Assessment-Center des 21. Jahrhunderts sehr ähnlich. Gruppendiskussionen, damals „Rundgespräch“ genannt, und auch Geistes-, Lebenslauf- und Handlungsanalyse waren Bestandteile der Offiziersauswahl. Das Verfahren dauerte üblicherweise 3 Tage, an denen zwei Gruppen mit je vier Teilnehmern von einem Auswahlgremium beurteilt wurden. Auch die Hauptmerkmale Methodenvielfalt, Prüfung von Gruppen durch mehrere Beurteiler und situative Übungen waren bereits vertreten (Obermann Consulting GmbH, 2012, 4. Absatz). Durch den Erfolg bei der deutschen Offiziersauswahl übernahm England das Verfahren und setzte es 1942 zur Auswahl von Flugzeugpiloten und im Militär ein. Das britische Verfahren ist somit die Weiterentwicklung der deutschen Methode. Anschließend verbreitete sich das Verfahren in die anderen Länder des Commonwealth. Ein weiterer wichtiger Name im Zusammenhang mit der Assessment-Center Entwicklung ist Henry Murray, der in den 30er Jahren amerikanischer Direktor der psychologischen Klinik in Harvard war. Er entwickelte u.a. den Projektiven Test zur Leistungsmotivation (TAT) und lieferte andere Beiträge für das Assessment-Center wie den Ansatz des Mehraugenprinzips (Obermann, 2013, S. 16). In den USA wurden die Testverfahren 1942 auch zur Auswahl von Geheimdienstagenten übernommen. In dem Buch „Assessment of Men“, aus dem Jahre 1948, wurde das Auswahlverfahren des „Office of Strategic Service“ (OSS) im Detail beschrieben. In den 50er Jahren begannen die ersten Einsätze des Assessment-Centers im wirtschaftlichen Bereich. Dough Bray übertrug die Idee aus „Assessment of Men“ auf die 1956 gestartete Studie „Management Progress Study“ (MPS) der American Telephone & Telegraph Company (AT&T). Es sollte die Entwicklung von Fertigkeiten und Kompetenzen analysiert und Faktoren, die den Berufserfolg bestimmten, herausgefunden werden. Durch die prognostischen Erfolge wurden die anfangs geheimen Ergebnisse schließlich zur Führungskräfteauswahl angewendet (Obermann, 2013, S. 17-18). Von da an verbreitete sich das Verfahren weiter in den USA und wurde in den 70er Jahren wieder in deutschen Unternehmen eingesetzt. Der „Arbeitskreis Assessment Center, Führungskräfte-Auswahl und -Entwicklung“ schloss sich aus mehreren deutschen Wirtschaftsunternehmen zusammen (Ridder, 2015, S. 108). Im Jahr 2012 lag in Deutschland mit 47% aller Assessment-Center-Einsätze die häufigste Anwendung im Bereich der Personalauswahl, insbesondere bei externen Bewerbern. Laut einer Befragung des Arbeitskreis AC 2012 nutzen 27 der DAX 30 die Assessment-Center Methode. Mit zunehmender Beschäftigungsanzahl steigt die Nutzung von Assessment-Centern. Aber auch bei mittelgroßen Unternehmen ist die Nutzung von 19,5% in 2001 auf 55,8% in 2012 gestiegen (Obermann et al., 2012, S. 590-605). Kleine Unternehmen verfügen meist nicht über die geforderten Ressourcen, monetär, personell sowie zeitlich, die für die Entwicklung und Durchführung eines ACs notwendig sind (Scholz, 2014, S. 186). Die Anzahl der Unternehmen, die AC anwenden kann jedoch durchaus höher liegen, da der Name Assessment-Center zunehmend individuellen und unternehmensinternen Bezeichnungen wie z.B. Auswahlverfahren, Leistungsprüfstand Personal, Personalentwicklungsseminar oder Mitarbeiterentwicklungsprogramm abweicht. Als Grund dafür wird die Angstprävention vor dem Begriff Assessment-Center genannt, da es als härtestes Auswahlverfahren gilt (Klement, 2007, S. 2-4; Obermann et al., 2012, S. 590-605). Großbritannien ist das Land mit der am weitesten verbreiteten AC Anwendung. Hier liegen weitreichende Qualitätsnormen für den AC-Einsatz allgemein und für Spezialformen wie das Online- Assessment vor. In den anderen Ländern Europas findet man unterschiedlich Verbreitungen, Akzeptanz und angewandte Tests. Auch außerhalb Europas sind AC weit verbreitet. Neben der USA, Kanada und Südamerika hat das AC in Afrika, China, Indien, zahlreichen Ländern in Asien, Indone- <?page no="238"?> 4.2 Auswahl von Mitarbeitern 239 sien und Japan an Stellenwert zugenommen. Die Anwendungsformen sind im Grunde ähnlich, doch lassen sich durch kulturelle Unterschiede Abweichungen zum europäischen Verfahren feststellen. So steht in China ein Feedback im Anschluss an ein Assessment-Center im Widerspruch zum kulturellen Konzept der Harmonie und ist daher selten zu finden (Jung, 2010, S. 918). Anwendungsbereiche Neben der hier fokussierten Betrachtung des Einsatzes von Assessment-Centern zur Auswahl von Bewerbern findet die Technik auch in vielen weiteren Bereichen der Personalentwicklung Anwendung (Obermann, 2013; S. 4-10). Das AC dient in erster Linie dazu, interpersonelle Fähigkeiten, administrative Fähigkeiten, Leistungsmotivation und arbeitsrelevante Persönlichkeitsdispositionen zu erfassen und zu untersuchen (Jung, 2010, S. 918). Die daraus entstehenden Einsatzgebiete umfassen  die genannte Auswahl interner und externer Bewerber,  die Potentialfeststellung für Führungsaufgaben,  die Förderung von Führungs- und Nachwuchskräften,  ein Feedback für Führungskräfte,  die generelle Ermittlung des Entwicklungs-, Aus- und Weiterbildungsbedarfs oder Trainingsbedarfs im Sinne der Personalentwicklung und Laufbahnplanung (Ridders, 2015, S. 108; Obermann, 2013, S. 5). Außerdem können AC in Situationen der Berufsberatung, beruflichen Rehabilitation, Teamentwicklung, Forschung und Arbeitsplatzgestaltung zum Einsatz kommen (Lorenz, 2015, S. 132f.). Den jeweiligen Zweck entsprechend ergeben sich in der Praxis auch unterschiedliche Bezeichnungen des AC als Auswahl-AC, Potential-, Beurteilungsseminar (Nicolai, 2006, S. 88), Development Center oder auch Entwicklungs-AC. Aufgrund der hohen Aufwendungen wurden AC besonders zur Auswahl von Führungskräften und Managementpositionen eingesetzt. Die Nutzung hat sich jedoch in der Praxis in den letzten Jahren geändert und AC sind für viele unterschiedliche Zielgruppen entwickelt worden, bei denen überfachliche Eigenschaften Gewicht haben. So gewinnt das Assessment-Center-Verfahren auch bei der Auswahl von Fachkräften ohne Führungsverantwortung, wie Vertriebsmitarbeiter, Verkäufer, Polizisten und Servicepersonal an Bedeutung. Dabei werden inhaltliche Schwerpunkte eher auf zwischenmenschlichen Beziehungen, Werthaltung und Kundenverhalten gelegt (Stock-Homburg, 2013, S. 181; Obermann, 2013, S. 5f.) Außerdem werden Assessment-Center bei Projektleitern, Existenzgründern, Nachwuchsführungskräften, Nachwuchskräften, wie Trainees oder Auszubildende, und für Beamte eingesetzt (Klement, 2007, S. 2f.). Ablauf von Assessment-Centern Mitte der 90er Jahre wurden erstmals Qualitätsstandards der Assessment-Center-Technik vom Arbeitskreis Assessment Center e.V. festgelegt und abgedruckt. Die Ziele der 2004 überarbeiteten und veröffentlichten Version der Standards sind (Arbeitskreis Assessment Center e.V., 2004, S. 1):  eine zeitgemäße Grundlage für die sachgemäße AC-Praxis zu schaffen,  die Güte von Angeboten für die betriebliche Praxis prüfen und damit unqualifizierte Angebote erkennen zu können,  Transparenz und Klarheit für die Entscheider und Anwender/ Praktiker zu ermöglichen,  die Akzeptanz der Assessment-Center Methode weiter zu steigern. <?page no="239"?> 240 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Abb. 4.2: Die Standards des Arbeitskreis Assessment Center e.V. als Prozesskette. Quelle: in Anlehnung an Neubauer/ Höft, 2006, S. 78 9. Evaluation Regelmäßige Güteprüfungen und Qualitätskontrollen stellen sicher, dass die mit dem AC angestrebten Ziele auch nachhaltig erreicht werden. 8. Feedback und Folgemaßnahmen Jeder AC-Teilnehmer hat das Recht auf individuelles Feedback, um so das Ergebnis nachvollziehen und daraus lernen zu können. Nach dem AC sind konkrete Folgemaßnahmen abzuleiten und umzusetzen 7. Vorbereitung und Durchführung Eine gute Planung und Moderation des ACs gewährleisten einen transparenten und zielführenden Ablauf des Verfahrens. 6. Vorauswahl und Vorbereitung der potenziellen Teilnehmer Systematische Vorauswahl und offene Vorinformation sind die Grundlage für den wirtschaftlichen und persönlichen Erfolg im AC. 5. Beobachterauswahl und -vorbereitung Gut vorbereitete Beobachter, die das Unternehmen angemessen repräsentieren, sind am besten geeignet, fundierte und treffsichere Entscheidungen zu treffen. 4. Beobachtung und Bewertung Grundlage für die Eignungsdiagnose ist eine systematische Verhaltensbeobachtung. 3. Übungskonstruktion Ein Assessment Center besteht aus Arbeitssimulationen 2. Arbeits- und Anforderungsanalyse Eignungsbeurteilung lässt sich nur mit einer exakten Analyse der konkreten Anforderungen sinnvoll gestalten. 1. Auftragsklärung und Vernetzung Vor der Entwicklung und Durchführung eines AC sind die Ziele und die Rahmenbedingungen des Auftrages sowie die Konsequenzen für die Teilnehmer verbindlich zu klären und zu kommunizieren. <?page no="240"?> 4.2 Auswahl von Mitarbeitern 241 Die insgesamt neun Standards orientieren sich formal an dem Prozess der AC-Konstruktion und - Durchführung in der Praxis. Sie werden in Anlehnung an Neubauer und Höft (2006) als Prozesskette dargestellt. Die neun Standards können grundsätzlich zu drei Hauptphasen zusammengefasst werden: die Vorbereitungsphase, die Durchführungsphase und die Abschlussphase (Stelzer-Rothe, 2002, S. 248-249) Bereits 1981 gliederte Jeserich, wie in Tab. 4.4 dargestellt, den Ablauf eines Assessment-Centers in fünfzehn Teilaufgaben. Tab. 4.4: Ablauf eines Assessment-Centers Vorbereitungsphase Durchführungsphase Abschlussphase 1. Festlegung der Ziele und Zielgruppe 6. Training der Beobachter 11. Abstimmung der Auswertung 2. Auswahl der Beobachter 7. Empfang der Teilnehmer, Zeit und Ablauf des Programms erläutern 12. Anfertigung der Gutachten, Empfehlung von Fördermaßnahmen 3. Definition des Anforderungsprofils ggf. mit Beobachtern 8. Bearbeiten der Übungen und Unterlagen durch Teilnehmer 13. Endabstimmung, Endauswahl 4. Zusammenstellen der Übungen mit Bezug zu Anforderungen 9. Beobachtung der Leistungen durch Beobachter 14. Teilnehmer über Ergebnisse informieren 5. Information der Teilnehmer, organisatorische Vorbereitung (z.B. Raum und Hotelbuchung, Pinnwände) 10. Auswertung der Beobachtung 15. Vereinbarung von Förder-/ Entwicklungsmaßnahmen (findet nur bei internen AC statt) Quelle: in Anlehnung an Jeserich, 1981, S. 35 In der Vorbereitungsphase sollen die Grundlagen für das AC geschaffen werden. Je genauer ein Assessment-Center im Vorhinein geplant ist, desto geringer sind die Risiken von Durchführungsproblemen und Zielverfehlungen. Wie beschrieben ist die Erhebung der Anforderungen für eine Stelle (nicht nur bei einem AC) von essenzieller Bedeutung. Die Anforderungsanalyse ist sowohl eine Stärke des AC und ist gleichzeitig verantwortlich für die dessen Qualität. Obermann (2013) betont daher: „Auch bei einem noch so detaillierten und mit Aufwand konstruierten AC wird die Güte der Aussagen daher nie höher sein können als die Genauigkeit, mit der eine Anforderungsanalyse durchgeführt wurde.“ ( Schermuly/ Nachtwei, 2010, S. 17). Die spezifischen Anforderungen und Eigenschaften aus dem Anforderungsprofil eines „idealtypischen Kandidaten“ (Schermuly/ Nachtwei 2010, S. 17; Ridders, 2015, S. 109). werden in einer Skala gewichtet, um die Bewerber im AC daran zu bewerten. Auf Grundlage des Anforderungsprofils werden Übungen ausgewählt und konzipiert. Als Vorbereitung für realitätsnahe Übungen werden erfolgskritische Ereignisse erfasst und Bestsowie Schlechtlösungen unter Einbindung von Mitarbeitern formuliert. Zusätzlich zu den in beschriebenen Punkten sind die rechtlichen und ethischen <?page no="241"?> 242 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Rahmenbedingungen beim Einsatz und der Konzeption eines ACs zu berücksichtigen (Obermann, 2013, S. 45-54; Ridders, 2015, S. 109f.). Die Durchführungsphase ist die praktische Umsetzung und stellt somit die eigentliche Beobachtung der Kandidaten dar. Vorab sollten die Assessoren eine Beobachterschulung erhalten und so auf ihre Beobachterrolle, die AC-Ziele und die spezifischen Übungen vorbereitet werden. Beobachter mit den Anforderungen vertraut zu machen, wird als zweitwichtigstes Qualitätskriterium, nach der Entwicklung des Anforderungsprofils, gewertet (Schermuly/ Nachtwei, 2010, S. 17). Beteiligte Personengruppen in einem Assessment-Center sind die Kandidaten bzw. Bewerber oder Teilnehmer, eine entsprechende Anzahl an Beobachtern, ggf. Rollenspieler und Moderatoren. Letztere sollen einen reibungslosen Ablauf der Übungen gewährleisten und beeinflussen die Atmosphäre. Ebenso leiten sie die Einführungsphase und geben, wie die Beobachter, Rückmeldungen an die Teilnehmer (; Obermann, 2013, S. 221-234: Bröckermann, 2016, S. 106) Nachfolgend ist beispielhaft der Verlauf eines eintägigen Assessment-Centers aufgeführt. Tab. 4.5: Beispiel: Zeitplan - eintägiges AC Uhrzeit Thema 09: 00- 09: 30 Begrüßung und Einführung und Fragen zum Ablauf 09: 30 - 10: 30 Verteilung und Durchführung von Test 10: 30 - 11: 30 Selbstpräsentation 11: 30 - 11.45 Pause (Beobachterkonferenz) 11: 45 - 12.15 Führerlose Gruppendiskussion (Einteilung in zwei Gruppen) 12: 15 - 13: 15 Mittagspause (Beobachterkonferenz) 13: 15 - 14: 00 Postkorb-Übung 14: 00 - 14.15 Kaffeepause (Beobachterkonferenz) 14: 15 - 15: 00 Rollenübung je zwei Teilnehmer 15: 00 - 15: 15 Pause (Beobachterkonferenz) 15: 15 - 15: 45 Interview 15: 45 - 16: 00 Pause (Beobachterkonferenz) 16: 00 - 17: 00 Auswertung in Gesamtbeobachterkonferenz 17: 00 - 18: 00 Feedbackgespräch Quelle: in Anlehnung an Obermann, 2013, S. 233 Das AC beginnt üblicherweise mit einer Begrüßung und Einführung in den Ablauf des ACs, gefolgt von einer Vorstellungsrunde der Kandidaten. Anschließend erfolgt die Bearbeitung der ausgewählten Übungen, die den Kernbereich des ACs bilden. Nach jeder Übung sollte Zeit zur Bewertung und Auswertung der Beobachtungen für die Assessoren eingeplant sein. Diese Zeit kann den Kandidaten gleichzeitig als Vorbereitungszeit für Einzelarbeiten dienen (Bröckermann, 2016, S. 105-107). Die genaue Konzeption eines ACs ergibt sich aus den Zielen, Anforderungen und Kapazitäten für das Assessment-Center, die in der Vorbereitungsphase ermittelt wurden. In Abhängigkeit von der Anzahl der Teilnehmer und Beobachter bzw. des Netto-Zeitbedarfs für die ausgewählten Übungen, können AC einen oder mehrere Tage dauern. Anschließend werden die einzelnen Übungen über den Tagesablauf verteilt. Die Konstruktion von Einzel-AC ist dabei weniger komplex als bei Grup- <?page no="242"?> 4.2 Auswahl von Mitarbeitern 243 pen-ACn. Bei diesen werden aus Effizienzgründen die Vorbereitung und Präsentation der Ergebnisse von Einzel- und Gruppensituationen zeitversetzt terminiert. Dadurch ergibt sich ein differenzierter, individueller Zeitplan für jeden Beobachter und jeden Teilnehmer (Lorenz, 2015, S. 134). Der Ablauf folgt dabei meist dem gleichen Prinzip. Kommunikationsfähigkeit 1 2 3 4 5 6 7 Anmerkungen/ Notizen Schafft eine positive Diskussionsatmosphäre Bringt sich mit eigenen Beiträgen aktiv in die Diskussion ein Hört den Gesprächspartnern aufmerksam zu Stellt offene Fragen, fragt nach Überzeugt andere von seinen/ ihren Ideen und Vorschlägen Bezieht andere ein, verhält sich wertschätzend Gesamtwert der Dimension: Abb. 4.3: Kompetenzdimension Kommunikationsfähigkeit. Quelle: in Anlehnung an Lorenz, 2015, S. 136 Den Abschluss eines Assessment-Centers bilden die Auswertung der Beobachtungen für jeden Bewerber und die Erarbeitung eines Gesamturteils. Die Kompetenzdimensionen wurden jeweils nach den Übungen von den Beobachtern, wie beispielhaft in Abb. 4.3: Kompetenzdimension Kommunikationsfähigkeit dargestellt, anhand von sogenannten Verhaltensankern bewertet. Die Einzelbewertungen der Beobachter werden nach jeder Übung zusammengefasst und anschließend, wie in Abb. 4.4: Auswertungsmatrix beispielhaft dargestellt, in vorbereiteten Bewertungsbögen dokumentiert. Daraus entsteht ein Ergebnisprofil, womit die Ergebnisse der einzelnen Teilnehmer mit den stellenbezogenen Anforderungen verglichen werden können und Stärken sowie Entwicklungspotenziale aufgedeckt werden (Lorenz, 2015, S. 135). Assessment-Center vom: Rückmeldung am: Teilnehmer: Unterschrift: Beobachter/ Feedback-Geber: Unterschrift: Merkmal Übung 1 Übung 2 Übung 3 Übung 4 Übung 5 Übung 6 Übung 7 Übung 8 Übung 9 Übung 10 Mittelwert Methodenkompetenz M1 M2 M3 <?page no="243"?> 244 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Soziale Kompetenz M4 M5 M6 Persönlichkeitskompetenz M7 M8 M9 Reflexionsfähigkeit M10 M11 M12 Sonstige allgemeine Beobachtungen und Einschätzungen: Kommentare des Teilnehmers: Abb. 4.4: Auswertungsmatrix. Quelle: in Anlehnung an Schuhmacher, 2014, S. 146 Wie in den AC-Standards gefordert, erhalten die Kandidaten überwiegend direkt im Anschluss an das AC eine ausführliche Rückmeldung der Ergebnisse, zunehmend schriftlich und mündlich, in einem individuellen Feedback-Gespräch. Dies dient bei einem Auswahl-AC der Akzeptanz des Verfahrens und kann durch das Aufzeigen von Stärken und Schwächen nützlich für die Zukunft der Bewerber sein (Obermann, 2013, S. 250). Ein Feedback kann jedoch kritisch gesehen werden, da das Feedback immer vom Unternehmen und den Beobachtern abhängig ist (Scholz 2014, S. 186). Auch Beobachter erhalten ggf. ein Feedback zu ihrer Einschätzung. Um die Eignung und den Erfolg eines AC zu überprüfen, fordern die AC-Standards die regelmäßige Evaluation durch Güteprüfung und Qualitätskontrolle. Auf dieser Grundlage können ggf. Anpassungen und Änderungen des Beobachtungs- und Bewertungsprozess durchgeführt werden, um das AC für die Zukunft zu verbessen (Obermann, 2013, S. 270-273). Tests und Übungen im AC Es steht ein breites Spektrum erprobter und bewährter Einzelkomponenten zur Konzeption eines ACs zur Verfügung. Durch deren Einsatz soll ein möglichst umfassendes Bild aller relevanten Merkmale eines Bewerbers für die spätere Tätigkeit gebildet werden (Stock-Homburg, 2013, S. 181). Die Zusammensetzung der Komponenten hängt im Einzelfall von den Bedürfnissen des Unternehmens und der Position ab. In Tabelle 4.6 ist beispielhaft eine Anforderungs-Verfahrens-Matrix abgebildet. Auf diese Weise können die Übungen und die damit beobachtbaren Merkmale übersichtlich dargestellt werden. <?page no="244"?> 4.2 Auswahl von Mitarbeitern 245 Tab. 4.6: Anforderungs-Verfahrens-Matrix Anforderung Verfahren Kurzpräsentation Interview Gruppendiskussion Postkorb Rollenspiel Fallstudie Führungsverhalten Logisches Denken Praktisch-variables Problemlösen Initiative und Leistungsverhalten Ausdrucksfähigkeit Soziale Kompetenz Interkulturelle Kompetenzen Quelle: in Anlehnung an Höft/ Funke, 2006, S. 168 Für AC-Übungen können Cluster nach unterschiedlichen Kriterien gebildet werden. Jung (2010) teilt diese in vier Gruppen nach Art der Interaktion mit anderen Teilnehmern ein. Diese vier Kategorien sind: „Einzelkämpfer“ (Postkorbübung), „Jeder gegen jeden“ (Führerlose Gruppendiskussion), „Einer gegen den anderen“ (Rollenspiel) und „Einer gegen alle“ (Präsentation) (Jung, 2010, S. 918). Weiterhin können die Gruppen „alle miteinander“ (Konstruktionsübungen) und „weitere gebräuchliche Übungen“ (Interviews, Fallstudien) gebildet werden. Eine andere Einteilung nehmen Eisele und Doyé (2010) vor. Das sog. multimodale Verfahren setzt sich hiernach aus mehreren situativen ungebundenen und gebundenen Übungen zusammen (Eisele/ Doyé, 2010, S. 145). Die zwei Kategorien, simulationsorientierte und eigenschaftsorientierte Übungen, ergänzt Obermann (2013) als dritte Kategorie mit biografisch orientierten Übungen. Sie sollen sich gegenseitig ergänzen und somit die Vorteile der Multimodalität sicherstellen. Eine vollständige Aufzählung aller Übungen, die in der Literatur zu finden sind, würde aufgrund ihrer Vielzahl den Rahmen dieses Abschnitts sprengen. Deshalb werden lediglich im Folgenden einige typische Verfahren, die wiederkehrend in Assessment-Centern zum Einsatz kommen, dargestellt. Postkorb Diese situative Übung ist ein klassischer Bestandteil von ACn und in der Praxis sehr beliebt. Gründe dafür sind einerseits die hohe Augenscheinvalidität andererseits die Flexibilität der Übung. Sie stellt demnach eher einen formalen Rahmen dar, in dem die Inhalte positionsspezifisch gestaltet werden können (Obermann, 2013, S. 131). Ziele der Postkorb-Übung können die Beurteilung der Planungs-, Entscheidungs-, Organisations-, Delegationsfähigkeit, Stressverhalten und Flexibilität der Teilnehmer sein (Eisele/ Doyé, 2010, S. 146). Zu Beginn der Übung erhalten die Teilnehmer, neben relevanten Rahmenbedingungen wie Instruktionen und Organigrammen, realistische Schriftstücke (Obermann, 2013, S. 135: Informationsquelle der Schriftstücke sind interne Mitteilungen, Geschäftsberichte, Statistiken, Budgetplanungen, Briefe, Telefonnotizen, Rundschreiben, Zeitungsausschnitte, Artikel, Rechnungen, Einladungen/ Termine und Angebote), angelehnt an einen Posteingangskorb. Diese müssen in einer begrenzten Zeit, z.B. aufgrund einer anstehenden Dienstreise, bearbeitet, sortiert, <?page no="245"?> 246 4 Prozess des internationalen Personalmanagements priorisiert und ggf. delegiert werden. Während der Bearbeitung können Störungen eingebaut werden, wie Anrufe oder zusätzliche Meldungen. Die Lösungen können entweder schriftlich oder mündlich in Kombination mit einem Interview formuliert werden (Obermann, 2013, S. 131-135). Gruppendiskussion Mit dieser situativen Übung sollen soziale Kompetenzen, das Gruppen-, Kommunikations- und Diskussionsverhalten sowie Führungsfähigkeiten analysiert werden. Weiter können Zielorientierung, Belastbarkeit, Durchsetzungsvermögen, Kontaktfähigkeit und Engagement beobachtet werden. Ausdauer Gruppendiskussionen sind international beliebt und finden auf allen Kontinenten im Rahmen des ACs Anwendung. Die Anzahl der Teilnehmer sollte angelehnt an die betriebliche Praxis festgelegt werden. Es können unterschiedliche Variationen der Übung zum Einsatz kommen. Diese sind Gruppendiskussionen (Nicolai, 2006, S. 93):  mit/ ohne Rollenvergabe  mit/ ohne Diskussionsleiter  mit Rollenspielern  mit hohem/ niedrigen Wettbewerbscharakter  in Kombination mit anderen Übungen wie Präsentationen oder Fallstudien  mit/ ohne Interventionen Die Themen für Gruppendiskussionen können unternehmensspezifisch gestaltet werden und demzufolge vielfältige Schwerpunkte einnehmen. Als Beispiel können Interkulturelle Diskussionen oder die Bearbeitung der Struktur für eine Mitarbeiter-/ Kundenbeziehung genannt werden. Klassiker sind u.a. Übungen wie „Seenot“ oder „Wüstencrash“ (Schuhmacher, 2004, S. 180; Obermann, 2013, S. 108- 118). Rollenspiel In Rollenspielen können besonders kommunikative Fähigkeiten, wie Kundenorientierung Verhandlungsgeschick und Mitarbeiterführung, in Interaktion mit Anderen beobachtet werden. Rollenspiele finden als Simulationen von Eins-Zu-Eins-Gesprächssituationen, wie Verhandlungssituationen, kritische Vorgesetzten-Mitarbeiter-Gespräche oder Verkaufssituationen, statt. Die Teilnehmer erhalten vorab schriftlich Informationen zu den geltenden Rahmenbedingungen und die Position bzw. Rolle, die sie verkörpern sollen. Als Gesprächspartner dient dabei entweder eine neutrale Person oder ein Beobachter (Eisele/ Doyé, 2010, S. 147; Schuhmacher, 2014, S. 177). Präsentation Präsentationen sind neben Postkorb-Übungen und Gruppendiskussionen in deutschen ACn am beliebtesten. Ziel ist es, Erkenntnisse über die organisatorisch-analytischen und rhetorischen Fähigkeiten, also Souveränität, Kommunikations- und Überzeugungsfähigkeit der Teilnehmer zu erhalten. Grundsätzlich kann eine Präsentation ad hoc oder mit Vorbereitungszeit erfolgen, die üblicherweise maximal 30 Minuten beträgt. Kerninhalt der Übung ist die Aufbereitung, Strukturierung und Vorstellung im Plenum eines bestimmten Themas oder Materials. Für den Präsentationsinhalt steht dabei eine Vielzahl unterschiedlicher Themen zur Verfügung, wie beispielsweise Selbstpräsentation, Vorstellung der letzten Projektarbeit, spontane Verkaufsgespräche, Präsentationen in Englisch oder einer anderen positionsrelevanten Sprache, Verteidigung der Analyse eines Business Cases oder Zusammenfassung von Testmaterial (Eisele/ Doyé, 2010, S. 146; Obermann, 2013, S. 120f.; Schuhmacher, 2014, S. 167f.). <?page no="246"?> 4.2 Auswahl von Mitarbeitern 247 Ähnlich einer Präsentation, jedoch mit inhaltlicher Betonung, komplexerem Sachverhalt und ggf. fachlichen Aspekten, kann ein Vortrag erfolgen. Die Vorbereitungszeit ist dementsprechend höher und erfolgt meist eigenständig während der Pausen eines ACs. Zusätzlich kann eine schriftliche Darlegung der Ergebnisse in einem Handout verlangt werden, um die Fähigkeit, einen komplexen Sachverhalt knapp darzulegen, zu überprüfen (Schuhmacher, 2014, S. 169). Fallstudien Fallstudien sollen den Berufsalltag von Führungskräften nachahmen. Dazu werden komplexe, aber überschaubare Situationen abgebildet, die individuell und eigenständig während der Pausenzeiten zwischen den Übungen bearbeitet werden. Die Ergebnisse werden anschließend in einer Präsentation vorgestellt. Ziel ist die Beurteilung des Auffassungsvermögens, Komplexitätsreduktion, Entscheidungsfähigkeit, Priorisierung, Ergebnisorientierung und das analytische Denken und Vorgehen. Darüber hinaus bietet es die Möglichkeit, fachliches Wissen zu testen (Eisele/ Doyé, 2010, S. 147; Schuhmacher, 2014, S. 171-173). Abb. 4.5 stellt ein Beispiel für einen Kurzfall dar. Kurzfall: B Betriebsleiter Sie sind ein Betriebsleiter in einem Produktionswerk. Als Sie in die Fräserei kommen, fliegt auf einmal ein Knäuel dreckige Putzwolle von hinten knapp an Ihrem Kopf vorbei. Sie drehen sich sofort um, können aber nicht feststellen, wer das Knäuel geworfen hat. Alle Mitarbeiter arbeiten und nehmen keinerlei Notiz von Ihnen. Wie verhalten Sie sich? Stellen Sie Ihre Vorgehensweise dar und erläutern Sie diese. Abb. 4.5: Beispiel für einen Kurzfall. Quelle: in Anlehnung an Schuhmacher, 2014, S. 173 Kurzfälle stellen zumeist alltäglicher Führungssituationen dar. Die Teilnehmer sollen die Situation bewerten, Entscheidungen treffen und diese anschließend begründen (Schuhmacher, 2014, S. 172f.). Interview Mithilfe eines Interviews soll der bisher gewonnene Eindruck eines Kandidaten ergänzt werden und nicht direkt beobachtbare Informationen zur sozialen Einstellung, Motivation, zu Interessen, Erwartungen, Werten und auch fachliche Informationen aufdecken (Olfert, 2015, S. 182). Ein AC-Interview kann dem Vorstellungsgespräch ähneln und ebenso strukturiert, teilstrukturiert oder unstrukturiert erfolgen. Die nachfolgend beschriebenen Vor- und Nachteile der Verfahren gelten entsprechend. Neben der Strukturiertheit sind in der Literatur andere Unterscheidungsformen und Interviewmethoden zu finden. Obermann differenziert zwischen Biografie-orientierten Interviews (BI) und situativer Fragetechnik (SI) (Obermann, 2013, S. 160-163). Des Weiteren beschreibt Schuhmacher (2014) eine Gesprächssituation mit einem benannten, für alle AC-Teilnehmer identischen, Beobachter. Es werden emotionale oder auch unangenehme Fragen gestellt, zu denen die Teilnehmer Stellung beziehen sollen, wie etwa einem Mobbing-Vorwurf. Hierbei beträgt die Interviewdauer lediglich bis zu drei Minuten und das Antwortverhalten wird von den anderen Beobachtern erfasst. Dabei besteht die Intention darin, emotionale Stabilität, Ausdrucksvermögen, Konflikt-, Identifikations- und Überzeugungsfähigkeit sowie die Fähigkeit zur Komplexitätsreduktion zu beobachten (Schuhmacher, 2014, S. 174-177). Persönlichkeitstests, Fähigkeitstests und Biografische Fragebögen Psychologische Testverfahren, wie Intelligenztests, Leistungstests und Persönlichkeitsfragebögen, können ebenso Bestandteil von Assessment-Centern sein. <?page no="247"?> 248 4 Prozess des internationalen Personalmanagements „Testverfahren - ‚signs‘ - sollen also situationsübergreifende, grundlegende psychologische Dimensionen messen, Arbeitsproben ‚samples‘ interessieren sich dagegen nur für Situation und die Tatsache ihrer adäquaten Bewältigung durch die Bewerber Mitarbeiter.“ (Obermann, 2013, S. 137). Tests zeichnen sich, im Vergleich zu situativen Übungen, durch eine hohe Auswertungsobjektivität aus. Ihr Nachteil liegt dabei in der Distanz zu den tatsächlichen positionsspezifischen Aufgaben und Tätigkeiten. Mit der Erstellung biografischer Fragebögen oder Biografie-orientierten Interviews soll auf das zukünftige Verhalten geschlossen werden. Das Grundverständnis dabei ist, dass vergangenheitsbezogene Ereignisse und Erfahrungen, also real erlebtes Verhalten, der Beste Indikator für zukünftige Verhaltensweisen ist (Obermann, 2013, S. 162f.). Nutzen von Assessment-Centern Die Anwendung von Assessment-Centern hat für Unternehmen, Teilnehmer und Beobachter Vorteile in mehrerlei Hinsicht. Ein positiv hervorzuhebender Aspekt des ACs ist die Methodenvielfalt (Ridders, 2015, S. 112f.). Es werden unterschiedliche Aufgabentypen verwendet. Dadurch können gleiche Fähigkeitsmerkmale mehrfach erfasst und zukünftige Anforderungen umfassend abgebildet werden. Die Bewerber haben die Möglichkeit sich ganzheitlich zu präsentieren und Stärken und Schwächen auszugleichen. Ergänzend sind mehrere geschulte Beobachter anwesend, die jeden Probanden mindestens einmal beobachten. Die Beobachtung wird dabei von der Urteilsfindung getrennt, die am Ende des Verfahrens stattfindet. Demzufolge wird eine einseitige subjektive Einschätzung reduziert, die Aussagekraft erhöht und das Risiko von Fehlentscheidungen gesenkt (Schuhmacher, 2014, S. 123; Ridders, 2015, S. 112f.). Darüber hinaus sprechen der systematische Ablauf und die Möglichkeit mehrere Bewerber gleichzeitig zu beurteilen für den Einsatz von Assessment-Centern. So ist eine direkte Vergleichbarkeit der Teilnehmer gewährleistet, was die Auswahlentscheidung erleichtert (Nicolai, 2006, S. 96-97; Scholz, 2014 S. 184). Außerdem werden Teilnehmer in verschiedenen Situationen und im Umgang mit anderen erlebt. Das Verhalten im Team und in der Zusammenarbeit kann in anderen Auswahlverfahren nicht abgebildet werden (Schuhmacher, 2014, S. 119-123). Ein grundlegender Nutzen von ACs ist der stärkere Anforderungs- und Realitätsbezug im Vergleich zu anderen Auswahlinstrumenten. Der Fokus liegt auf direkt beobachtbare Verhaltensmerkmale der zukünftigen Tätigkeit. In Test und Simulationen von realitätsnahen, tätigkeitsspezifischen Anforderungen und Situationen werden so relevante Informationen gesammelt, die Aussagen über die Eignung zulassen (Scholz, 2014, S. 184: Ridders, 2015, S. 112 f.; Lorenz, 2015, S. 132). Durch eine qualitativ gute Auswahl werden Fehlentscheidungen verringert und im internationalen Kontext sehr hohe Folgekosten einer Fehlbesetzung vermieden. Bei der Vorselektion wird durch eine intensivere Analyse des Anforderungsprofils nach objektiven Kriterien selektiert, wodurch Entscheidungen nachvollziehbar werden (Nicolai, 2006, S. 98). Der Umfang an Übungen, die Dauer des AC und eine spezifische Anpassung an das Unternehmen schränken die Trainierbarkeit von Sozialverhalten ein. Schauspieler können im Laufe eines AC entdeckt werden (Nicolai, 2006, S. 96). Schuhmacher (2014) ist der Auffassung: „Nur die Teilnehmer, deren Verhalten authentisch ist, halten den Anforderungen des Assessment-Centers stand.“ (Schuhmacher, 2014, S. 116). Der Bewerber erhält einen Einblick in die Anforderungen und Erwartungen sowie in das Unternehmen und kann daher frühzeitig selbst feststellen, ob er zu dem Unternehmen passt (Nicolai, 2006, S. 96; Schuhmacher, 2014, S. 124; Lorenz, 2015, S. 132). Durch ein ausführliches Feedback werden Entscheidungen nachvollziehbar gemacht. Wenn das AC für einen Bewerber nicht erfolgreich war, kann er dennoch positiven Nutzen daraus ziehen. Die Erkenntnisse über Stärken und Schwächen <?page no="248"?> 4.2 Auswahl von Mitarbeitern 249 kann der Teilnehmer zur eigenen Entwicklung nutzen. Durch das Aufeinandertreffen von mehreren Teilnehmern und Beobachtern aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen besteht die Möglichkeit für beide Parteien Netzwerke für die Zukunft aufzubauen. Dies sind Gründe, warum Assessment-Center als Auswahlverfahren und die daraus folgende Entscheidung eine hohe Akzeptanz haben (Sarges, 2001, S. 18). Darüber hinaus fördert ein AC die Entwicklung von Beobachtern und damit Feedback-, Beurteilungskompetenzen und das eigene Führungsverhalten (Schuhmacher, 2014, S. 125-126). Assessment-Center gelten durch eine objektive Bewertung, Standardisierung, und Transparenz mit begründeter Entscheidung als faires Verfahren (Schuhmacher, 2014, S. 124; Ridders, 2015, S. 112f.). Um Diskriminierung in der Personalauswahl (Diversity Management) zu vermeiden werden ACs durch den kombinierten Einsatz verschiedener Verfahren ebenfalls positiv hervorgehoben (Frintrup/ Flubacher, 2014, S. 59). Risiken von Assessment-Centern Assessment-Center bringen viele nützliche Eigenschaften mit. Sie bergen jedoch ebenso Risiken, die nicht außer Acht gelassen werden sollten. Der hohe zeitliche und finanzielle Aufwand für Vorbereitung, Durchführung und Abschluss, der für diese Auswahlmethode eingesetzt werden muss, wird als häufigster Nachteil genannt (Nicolai, 2006, S. 98). Der Bedarf an mehreren Beobachtern und Teilnehmern, die alle an einem Ort für einen längeren Zeitraum zusammentreffen müssen, hat hohe Personal- und Reisekosten zur Folge. Damit haben im internationalen Umfeld vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, die international nach Personal suchen wollen oder müssen, einen Nachteil. Sie verfügen nicht über ausreichend finanzielle und zeitliche Ressourcen, um sich den Einsatz eines AC leisten zu können (Scholz, 2014, S. 186). Zudem ist trotz mehrerer Beobachter nicht gewährleistet, dass keine Wahrnehmungsverzerrungen und Bildung von Stereotypen in Interviews auftreten. Ridders stellt die Frage, ob es nicht lediglich zu einer Addition subjektiver Bewertungen kommt. Auch wenn dies nicht der Fall ist, kann die Auswahlentscheidung am Ende doch wieder die eines einzelnen sein. Führungskräfte höherer Hierarchien oder Gruppendruck lenken ggf. die Urteilfindung in eine bestimmte Richtung (Ridders, 2015, S. 111f.). Von Nachteil ist auch das Erfassen des Verhaltens unter Laborbedingungen, die die Aussagekraft der Ergebnisse über die tatsächliche Praxis in Frage stellt. Darüber hinaus wird das Verhalten sowie interagierende Prozesse lediglich anhand von Skalen und durch Einstufungsmethoden erhoben, was die Beurteilung beeinflussen kann (Scholz 2014, S. 186). Weiterhin befasst sich viel Kritik mit der Gefahr, dass ein guter Selbstdarsteller oder Schauspieler positiver beurteilt wird. Dieser Aspekt kann jedoch auch eine schnelle Auffassungsgabe, Flexibilität, Anpassungs- und Einfühlungsfähigkeit zeigen (Nicolai, 2006, S. 98; Schuhmacher, 2014, S. 116). Nachteilig ist ebenfalls, dass trotz der längeren Dauer eines AC lediglich eine Momentaufnahme der Leistungen und Verhaltensweisen der Teilnehmer berücksichtigt werden kann. Lerneffekte und Entwicklungen sind nicht abzubilden. Die Ergebnisse können darüber hinaus durch den Druck, der auf den Teilnehmern lastet, verzerrt sein. Ständige Beobachtung, Leistungsdruck, Vergleiche und Konkurrenz mit den anderen Teilnehmern können Stressreaktionen erzeugen, die nicht dem normalen Verhalten der Bewerber entsprechen (Nicolai, 2006, S. 98) Ein weiteres Risiko ergibt sich aus dem Anforderungsbezug, der zuvor als Vorteil bezeichnet wurde. Problematisch ist dabei, dass die Übungen jeweils firmenspezifisch angepasst und entwickelt werden und demzufolge nicht standardisiert sind. Dadurch fehlt häufig der Bezug unter den einzelnen Übungen. Außerdem kann die Eingliederung in den Kontext des Unternehmens dabei ggf. verloren gehen. Die Qualitätsstandards und damit die Treffsicherheit können so verloren gehen, was in jedem <?page no="249"?> 250 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Einzelfall die Frage der Güte neu aufbringt (Nicolai, 2006, S. 98; Scholz, 2014, S. 186; Ridders, 2015, S. 112f.). „Auch wenn der Möglichkeit nach die prognostische Validität von ACn zufriedenstellend hoch ist, so ist sie im Einzelfall doch stark von der Sorgfalt bei der Entwicklung und Durch- ührung des betreffenden ACs abhängig.“ (Sarges, 2001, S. 18). Weitere Assessment-Formen Neben Gruppen-ACs existieren weitere Variationen, die auf den beschriebenen AC-Elementen basieren. Je nach Zielsetzung und Teilnehmeranzahl ergeben sich somit unterschiedliche Schwerpunkte (Obermann, 2013, S. 361-420; Schuhmacher, 2014, S. 67). Varianten sind beispielsweise Einzel-Assessment, Development Center, Lernpotential-AC, dynamische Assessment-Center/ Planspiel-AC, Real-Life-Assessment, Management-Audits, Team-Assessment-Center, Evaluations-Assessment-Center, Potential-AC, interkulturelle und internationale AC sowie Online-Assessment- Center (Schuhmacher, 2014, S. 67-73) Wie bei den Testverfahren bereits erläutert, würde eine detaillierte Beschreibung aller Weiterentwicklungen den Rahmen dieses Abschnitts sprengen. Daher werden an dieser Stelle die Varianten Einzel-Assessment-Center als Sonderform des Gruppen-AC sowie internationale und interkulturelle AC, aufgrund ihrer Relevanz für die internationale Personalauswahl, erläutert. Einzel-Assessment-Center (EAC) Das Einzel-Assessment-Center mit nur einem Kandidaten wird häufig bei der Auswahl von Führungskräften des Mittel- und Top-Managements aus Diskretionsgründen eingesetzt. Darüber hinaus können sie Einsatz in der Karriereberatung finden. Häufig werden EAC durch externe Spezialisten durchgeführt. Neben dem Aspekt der größeren Vertraulichkeit bei internen Kandidaten findet ein EAC bei Ja-Nein-Entscheidungen für die letzten Kandidaten einer externen Besetzung, nach dem Interview, statt. Die Dauer eines Einzel-AC beträgt für gewöhnlich einen Tag, an dem fünf bis acht Managementsimulationen und Interviews stattfinden. Das Übungsspektrum umfasst Einzelübungen und Rollenspiele, jedoch keine Gruppenübungen. Gruppenspezifische Verhaltensweisen, wie Team- oder Durchsetzungsfähigkeit, können daher nicht beobachtet und beurteilt werden. Durchführungs- und Beobachteraufwand sowie die geringe Distanz zum Teilnehmer stellen ebenfalls Nachteile des EAC dar. Es lässt sich allerdings einfacher und kurzfristiger organisieren und bietet den Vorteil einer kürzeren Abwesenheit des Kandidaten vom Arbeitsplatz. Außerdem ermöglicht ein Einzel-AC mehr Flexibilität im Ablauf, eine exaktere Aufgabenspezifikation und ist ideal für mittelständische Unternehmen, die einem Gruppen-AC aus verschiedenen Gründen skeptisch gegenüber stehen (Nicolai, 2006, S. 90; Obermann, 2013, S. 361-365; Schuhmacher, 2014, S. 67). Interkulturelle und Internationale Assessment-Center Die zunehmende Internationalisierung von Unternehmen, wirkt sich auf die Personalauswahl im Sinne wachsender Anforderungen aus. Die länderübergreifende Suche nach Führungskräften und Mitarbeitern hat auch in Assessment-Centern den Fokus auf internationale und interkulturelle Aspekte gelenkt. Ein Ziel ist es, die Prognose für Auslandsbesetzungen zu verbessern. Es werden spezifische Übungen und Verfahren konstruiert, um den eignungsdiagnostischen Anforderungen sowie neuen Aufgabenfeldern gerecht zu werden. In der Vorbereitung ist die Analyse der kulturellen Konstellationen der Teilnehmer und Beobachter, die in einem AC für internationale und multikulturelle Anwendung auftreten werden, von Belang (Schuhmacher, 2014, S. 211) Nach Obermann (2013) lassen sich im interkulturellen Kontext drei Varianten von Assessments nach ihrem Anwendungsgebiet unterscheiden (Obermann, 2013, S. 405-407). In der ersten Form, AC für Expatriates, werden einzelne, lokale Mitarbeiter im Hinblick auf die Eignung für eine Auslandsendsendung in einer konkreten Zielregion überprüft. Das AC wird üblicher- <?page no="250"?> 4.2 Auswahl von Mitarbeitern 251 weise als EAC durchgeführt. Hierbei sind allgemeine interkulturelle Fähigkeiten und die Passung des Mitarbeiters zur speziellen Zielkultur sowie Rahmenbedingungen entscheidend. Interkulturelle Kompetenzen werden als „Fähigkeiten verstanden, soziale Kompetenzen auch im Umgang mit Vertretern fremder Kulturen, z.B. in einem internationalen Team, zu beweisen“ (Festing et al., 2011, S. 268f.). Weitere Aspekte für den Erfolg einer Entsendung sind fachliche Fähigkeiten, die Motivation des Expatriates und insbesondere das familiäre Umfeld der Mitarbeiter. An diesem Punkt scheitert eine nicht unerhebliche Anzahl von Entsendungen. Schuhmacher (2014) hebt die Anwendung von Assessment-Centern im Rahmen von Entsendungen positiv hervor, um die hohen Risiken beherrschbar zu machen und weist hierbei auf einen Nachholbedarf hin (Schuhmacher, 2014, S. 213. Bei Interkulturellen ACn geht es vornehmlich um die Überprüfung von grundsätzlichen interkulturellen Kompetenzen und die Frage, ob später Führungspositionen außerhalb des Heimatlandes übernommen werden können. Dies findet innerhalb eines klassischen AC zur Auswahl oder Potentialanalyse für Nachwuchs- oder Führungskräften statt, der um zusätzliche Aufgaben mit interkulturellen Anforderungskriterien ergänzt wird. Durch den Mangel an einem konkreten Kontext, anders als bei dem AC für Expatriates, erscheint die Definition für Anforderungskriterien durchaus komplizierter. Als erfolgskritische Verhaltensweisen werden die Kompetenzen Ambiguitätstoleranz, Verhaltensflexibilität, Zielorientierung, Kontaktfreudigkeit, Einfühlungsvermögen, Polyzentrismus und Metakommunikative Kompetenzen erachtet. Zur Messung kommen Verhaltenssimulationen und situative Interviews zum Einsatz. Dabei ist darauf zu achten, differierende Kulturen und die Kriterien für interkulturelle Aspekte eindeutig und mehrfach abzubilden. Um eine Konzentration auf spezifische Kulturen und ggf. Vorteile für Kandidaten mit Vorlieben zu dieser Kultur zu vermeiden, ist die Abbildung einer europäischen oder erfundenen fremden Kultur durch die Übungen von Vorteil (Obermann, 2013, S. 413-417: Schuhmacher, 2014, S. 208f.). Internationale AC haben besonders in Europa Bedeutung und sind „AC mit Teilnehmern und Beobachtern unterschiedlicher Sprache und Kulturen“ (Obermann, 2013, S. 418). Sie kommen bei der Besetzung einer konkreten Stelle oder der Ermittlung von Entwicklungspotenzial für ein internationales Förderprogramm zum Einsatz. In Form von Development Centern oder Potentialanalysen finden AC besonders in internationalen, vor allem europäischen Unternehmen Anwendung. Die Sprache ist zumeist Englisch, äquivalent zur Arbeitssprache im Unternehmen. Herausforderungen entstehen durch eine einheitliche Gestaltung der Beurteilungskriterien für Teilnehmer aus unterschiedlichen Wertesystemen mit unterschiedlicher kultureller Herkunft und Muttersprache. Diese sind entweder auf die Leistungs- und Verhaltensstandards des Stammhauses oder auf eine einheitliche Kultur (Corporate Culture) (üblicherweise die amerikanische Business-Kultur) ausgerichtet. Außerdem ist auf eine Übereinstimmung im Sprachverständnis zu achten, sodass ggf. unterschiedliche Sprachkenntnisse keinen zu großen Einfluss auf das Ergebnis haben. Um Problemen entgegenzuwirken, soll die kulturelle Vielfalt der Kandidaten ebenfalls bei der Zusammensetzung der Beobachter berücksichtigt werden und dem Prinzip der Diversität folgen. Eine ausdrückliche Beurteilung interkultureller Aspekte fließt nicht mit in die Beurteilung eines internationalen ACs ein (Obermann, 2013, S. 406 f., 418; Schuhmacher, 2014, S. 208-210). Ein Beispiel für ein internationales AC ist das Auswahlverfahren von Fachkräften und Hochschulabsolventen bei der EU. Seit 2010 finden AC für verschiedene Zielgruppen und ohne explizite Einbindung interkultureller Aspekte statt. Die Sprache ist hierbei die Nichtmuttersprache (Englisch, Deutsch, Französisch) der jeweiligen Teilnehmer (Obermann, 2013, S. 418). <?page no="251"?> 252 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Grundsätzlich verlaufen internationale und interkulturelle AC wie nationale AC. Die Bewertung und Beobachtung der Teilnehmer erfolgen durch geschulte Beobachter, ggf. mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund. Hier ist darauf zu achten, dass sich die Bewerber über positiv und negativ zu bewertendes Verhalten einig sind (Festing et al., 2011, S. 270). Charakteristisch bleibt weiterhin der multimodale Einsatz von Aufgaben. Generell sind dafür alle Übungen denkbar, die auch im nationalen Verfahren zur Anwendung kommen. In diesem Fall muss bei der Konstruktion der Übungen, der Zusammenstellung und dem Feedback auf kulturelle Unterschiede der teilnehmenden Personen eingegangen werden (Schuhmacher, 2014, S. 212). Vergleich Assessment-Center und Einstellungsgespräch an ausgewählten Gütekriterien Die Qualität von eignungsdiagnostischen Verfahren zur Bewerberauswahl ist entscheidend für den Erfolg der Auswahl. Es muss daher beurteilt werden, ob die Methoden und Instrumente diejenigen Bewerber identifizieren, die den Anforderungen der Position entsprechen. Für Assessment-Center und Einstellgespräche wurden mehrfach Studien durchgeführt, um die allgemeine Güte der Verfahren zu überprüfen. Der neunte Standard der AC-Standards führt dazu an: „Regelmäßige Güteprüfungen und Qualitätskontrollen stellen sicher, dass die mit dem AC angestrebten Ziele auch nachhaltig erreicht werden.“ Neben den so genannten klassischen Gütekriterien wie Validität, Reliabilität und Objektivität der empirischen Sozialforschung (Klimecki/ Gmür, 2005, S. 229f.) beeinflussen weitere Nebengütekriterien (Weber et al., 2005, S. 137; Obermann, 2013, S. 337; Kupka et al., 2007, S. 407: Zu den Nebengütekriterien zählen Normierung, Benutzerfreundlichkeit, Unverfälschbarkeit, Fairness, Nützlichkeit, Ökonomie/ Testökonomie und Teilnehmerakzeptanz, die Entscheidung. Im Folgenden wird kurz erläutert, was unter den Gütekriterien verstanden wird und ein Vergleich zwischen Assessment-Centern und Einstellungsgesprächen gezogen. Objektivität Von Objektivität spricht man, wenn die Durchführung, Auswertung und Interpretation des Beurteilungsverfahrens sowie der Ergebnisse unabhängig von den Untersuchenden bzw. Beurteilenden oder Interpretierenden sind. Es müssen somit die gleichen Ergebnisse entstehen, auch wenn andere Personen das Verfahren durchführen, auswerten oder interpretieren. Anhand der drei Aufgaben werden drei Objektivitätsdimensionen unterschieden. In der Literatur wird die Objektivität ebenso als „Interrater-Reliabilität“ bezeichnet (Klimecki/ Gmür, 2005, S. 229). Sowohl in Vorstellungsgesprächen wie auch Assessment-Centern findet die Beurteilung der Kandidaten durch Menschen statt, was subjektive Beobachtungs- und Beurteilungsfehler nicht ausschließt. Unstrukturierte Interviews sind anfälliger für diese Probleme und werden im Vergleich zu strukturierten Interviews als weniger objektiv eingeschätzt. Neben einem höheren Grad der Strukturierung und Standardisierung wirkt sich der Einsatz mehrerer Beurteiler positiv auf die Objektivität aus (Holtbrügge 2015, S. 126). Bei Assessment-Centern findet die Beurteilung der Kandidaten durch mehrere Beobachter gleichzeitig statt. Damit liegt die Beurteilungsmacht nicht bei einer einzelnen Person. Außerdem ist die Beobachtung von der Auswertung und Interpretation getrennt durchzuführen. Die hohe Objektivität wird als Vorteil von Assessment-Centern angesehen (Schuhmacher, 2014, S. 124). Reliabilität Reliabilität bezeichnet die Zuverlässigkeit bzw. die Messgenauigkeit, mit der ein diagnostisches Verfahren ein Merkmal erfasst. Ob dieses Merkmal erfasst werden sollte ist dabei nicht relevant (Stelzer- Rothe, 2001, S. 256). Die Reliabilität ist die Voraussetzung für die Gültigkeit bzw. Validität von <?page no="252"?> 4.2 Auswahl von Mitarbeitern 253 Prognoseaussagen (Obermann, 2013, S. 286). Ein Aspekt dabei ist die Stabilität der Aussagen im Zeitverlauf. Ob die Ergebnisse in einer zweiten späteren Messung („Test-Retest-Reliabilität“) oder einer parallelen Messung („Paralleltest-Reliabilität“) übereinstimmen ist somit Voraussetzung für die Gültigkeit oder auch Validität der beruflichen Erfolgsprognose (Eisele/ Doyé, 2010, S. 149f.). Unstrukturierte Auswahlgespräche weisen eine geringe Reliabilität auf. Unterschiedliche Fragen im Interview führen zu unterschiedlichen Interpretationen und Entscheidungen. Die Retest-Reliabilität strukturierter Interviews ist durch bessere Vergleichsmöglichkeiten höher (Stelzer-Rothe, 2002, S. 241f.). Die Zuverlässigkeit eines Auswahl-Assessment-Center wird höher als bei Einstellinterviews eingeschätzt. Dies ist auf die Mehrfachmessung von Kompetenzen und Persönlichkeitseigenschaften sowie die Mehrfachbeurteilung zurückzuführen. Dabei ist die Gesamtreliabilität von Assessment- Centern abhängig von der Reliabilität der einzelnen Übungen (Obermann, 2013, 290f.) Validität Die Validität gibt den „Grad der Genauigkeit [an], mit dem ein Verfahren das misst, was es zu Messen vorgibt.“ (Stelzer- Rothe, 2001, S. 256). Wie bereits erwähnt bedingen Reliabilität und Objektivität die Validität eines Verfahrens. Es ist das wichtigste Kriterium der klassischen Testtheorie (Höft, 2006, S. 762) Die wichtigsten Ausprägungen der Validität von ACn sind Inhalts-, Konstrukt- und prädiktive Validität (Für eine Übersicht weiterer Ausprägungen der Validität von AC siehe Anhang, Tabelle A 2,). Unter dem Begriff Inhaltsvalidität oder Augenscheinvalidität versteht man, wie gut die einzelnen Übungen eines Verfahrens die späteren Aufgaben des Mitarbeiters widerspiegeln. Ein Verfahren wird als konstrukt-valide angesehen, wenn das Messinstrument exakt die im Vorhinein definierten Konstrukte oder Merkmale misst, die es messen soll. Bei der Ermittlung der prädiktiven Validität wird der Zusammenhang der erzielten Prognosewerte mit dem tatsächlich eingetretenen beruflichen Erfolg ermittelt (Berthel/ Becker, 2013, S. 264; Obermann, 2013, S. 292) Ausgedrückt wird die Validität durch den Korrelationskoeffizienten. Ein Koeffizient von r = 1 bedeutet, dass das Auswahlinstrument die spätere Leistung korrekt vorhersagen kann. Dieser Wert wurde noch bei keinem Instrument nachgewiesen. Eine gute prognostische Validität, im Vergleich zu anderen Verfahren, wird bei r = 0,41 erreicht (Schuhmacher, 2014, S. 24f.). Die Validität von Einstellinterviews ist, wie auch schon die Reliabilität und Objektivität, in Abhängigkeit der spezifischen Form zu betrachten. Durch die höhere Vergleichbarkeit der Bewerber in strukturierten und standardisierten Einstellungsgesprächen haben diese eine höhere Prognosevalidität (Holtbrügge, 2015, S. 125-126). Verschiedene Analysen können hier signifikant höhere Validitäts-Koeffizienten in stark strukturierten Interviews gegenüber unstrukturierten nachweisen. Die Validität des Verfahrens kann durch eine Gestaltung mit größerem Anforderungsbezug oder mittels Mehrfachinterviews und mehrerer Interviewer erhöht werden (Stelzer-Rothe, 2002, S. 257; Schuler/ Markus, 2006, S. 212). In Assessment-Centern ist die Validität abhängig von den eingesetzten Übungen und Tests. Es werden Validitäten zwischen r=0,25 bis r=0,78 angegeben (Schuhmacher, 2014, S. 24). Bei korrektem Einsatz kann die Assessment-Center-Methode durch die Methodenvielfalt, mehrere Beobachter, hohe Systematik und standardisierte Beobachtungsinstrumente hohe Validitätswerte erreichen. In einer Studie des Arbeitskreises AC aus dem Jahr 2001 beurteilten 60,8 % der befragten Unternehmen die inhaltliche Validität und 48,8 % die Konstruktvalidität als zufriedenstellend. Immerhin schätzten 42,4 % die prädiktive Validität zufriedenstellend ein. Das Kriterium wurde jedoch von 2,2 % mit nicht zufriedenstellend bewertet (Arbeitskreis Assessment Center e.V., 2001) In mehreren Studien (Holtbrügge, 2015, S. 133) wurde für das AC-Verfahren trotzdem die höchste Prognosevalidität nachgewiesen (Holtbrügge, 2015, S. 132). Andere Studien stehen hingegen im Widerspruch dazu. Durch die meist unternehmensspezifische Entwicklung von ACn stellt sich die Frage nach der Objektivität, <?page no="253"?> 254 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Zuverlässigkeit und Gültigkeit bei jedem einzelnen AC aufs Neue. Obermann (2013) sieht Gründe für die unterschiedlichen Ergebnisse im Umfang der Standardisierung der jeweiligen Beobachtungssysteme sowie in der Zusammensetzung, Verschiedenartigkeit und Anzahl der einzelnen Aufgaben (Obermann, 2013, S. 318-337). Dabei kann der Anspruch an ein AC von der Wirklichkeit stark abweichen. Kriterien zur Qualitätssicherung und vereinbarte AC-Standards werden teilweise nicht eingehalten, wodurch erhebliche Qualitätsmängel entstehen (Schermuly/ Nachtwei, (2010, S. 16f.). Außerdem gibt es Unterschiede, an welchen Kriterien Berufserfolg in den Studien gemessen wird. Ansatzpunkte sind die Hierarchieebene, Verantwortung, Beförderung und Vorgesetztenbeurteilung. Dadurch sind die Ergebnisse schwer zu vergleichen. Schuhmacher (2014) führt zusammenfassend an: „Es kommt immer auf die Professionalität an, mit der die Methoden ausgeführt werden. Professionalität ist abzusichern, ansonsten scheidet jede Methode aus“ (Schuhmacher, 2014, S. 24). Ökonomie Definition Die Testökonomie oder Wirtschaftlichkeit beschreibt den Nutzen im Verhältnis zu den entstehenden Kosten. Damit ist sie letztendlich das ausschlaggebende Kriterium bei der Entscheidung für oder gegen ein Auswahlinstrument. In Abb. 4.6 ist das Aufwand-Nutzen-Verhältnis von Auswahlverfahren dargestellt. Abb. 4.6: Aufwand-Nutzen-Verhältnis von Auswahlverfahren. Quelle: in Anlehnung an Schuhmacher, 2014, S. 23 Die Abbildung zeigt allerdings, dass der Nutzen weitestgehend linear mit dem eingebrachten Aufwand steigt. Assessment-Center weisen bei professioneller Durchführung und Entwicklung eine <?page no="254"?> 4.2 Auswahl von Mitarbeitern 255 hohe Qualität auf. Durch AC ist es möglich, mit Hilfe unterschiedlicher und praxisnaher Übungen das Verhalten der Bewerber erfassen (Olfert, 2015, S. 182). Die Methode gilt jedoch als kostenintensives und aufwendiges Auswahlverfahren. Pro Teilnehmer fallen durchschnittlich 400 bis 2000 Euro an (Schermuly/ Nachtwei, 2010, S. 16). Diese entstehen durch die Vielzahl an Auswahlinstrumenten, Raummieten, geschulten Beobachtern, Moderatoren (Stelzer-Rothe, 2002, S. 246) und den zeitlichen Durchführungsaufwand (Obermann, 2013, S. 341-360: Eine detaillierte Aufstellung der Kosten sowie Verfahren zur schrittweisen Nutzenbeurteilung und -berechnung auf Euro-Basis liefert Obermann im Buch „Assessment Center“) Nach Schuhmacher (2014) sollte aus ökonomischer Sicht die Methode gewählt werden, „die mit minimalem Aufwand die höchste Aussagekraft entfalten kann.“ (Schuhmacher, 2014, S. 24). Aus wirtschaftlicher Sicht ist das AC daher nicht immer sinnvoll. Klassische Bewerbungsgespräche binden weniger Personal und sind weniger zeit- und kostenintensiv (Scholz, 2014, S. 184). Sie können ebenso wie AC valide Ergebnisse liefern, benötigen dafür aber deutlich weniger Personal und Zeit. Kostentreiber ist jedoch nicht allein der Auswahlprozess. Neben den Aufwendungen, die bis zur Einstellungsentscheidung anfallen, müssen ebenso Kosten und Schäden durch Fehlbesetzungen berücksichtigt werden (Obermann, 2013, S. 341 f.; Schuhmacher, 2014, S. 121). Daher ist die Wahl für eine Methode vom spezifischen Fall der zu besetzenden Stelle abhängig. Bei zentralen oder wichtigen Funktionen (z.B. Führungspositionen) mit hohem Risiko lohnt sich ein höherer Aufwand durch umfangreiche und ganzheitliche Verfahren, wie dem AC (Schuhmacher, 2014, S. 27). Dies gilt nicht für schlecht konstruierte AC, die sich nicht an den Anforderungen orientieren, sondern auf einfache und ökonomische Konstruktion richten. Dadurch ist die Validität eingeschränkt und es kommt zu Fehlaussagen. Ein strukturiertes Einstellinterview trifft in diesem Fall validere Aussagen (Obermann, 2013, S. 54f.). Wie in der Abb. 4.6 (Aufwand-Nutzen-Verhältnis von Auswahlverfahren) dargestellt, sind Qualitätskriterien nur mit hohem Aufwand zu erfüllen, „der sich aber lohnt: Denn nur dann werden die Verantwortlichen die besten Mitarbeiter am richtigen Ort im Unternehmen platzieren können.“ (Schermuly/ Nachtwei 2010, S. 17). Dem ist entgegenzusetzen, dass nicht immer ein AC und der höchste Aufwand und größte Sicherheit notwendig ist, um einen geeigneten Bewerber auszuwählen. Für niedrigere Positionen oder z.B. bei der Auswahl von Kellnern oder Kassierern können Assessment-Center zwar eingesetzt werden, sind aber aus ökonomischer Sicht nicht sinnvoll. Hier ist eine Auswahl mit Hilfe von Interviews und ggf. einem Probearbeitstag wirtschaftlicher. Schuhmacher (2014) fasst zusammen: „Das Assessment Center ist kein Allheilmittel. Der Einsatz muss anforderungsorientiert und dosiert erfolgen.“ (Schuhmacher, 2014, S. 215). 4.2.6 Schwierigkeiten klassischer Methoden im internationalen Kontext Der Einsatz von klassischen Methoden zur Personalauswahl ist durch Probleme in unterschiedlichen Bereichen geprägt. Wird Personal (erfolgreich) auf internationaler Ebene gesucht, steigt die Anzahl der eingehenden Bewerbungen beim Unternehmen durch die Ansprache einer größeren Zielgruppe meist deutlich. Dieser Anstieg ist zwar einerseits erwünscht, da die Wahrscheinlichkeit eines qualifizierten Bewerbers steigt, andererseits bedeutet ein größerer Bewerberpool einen erhöhten personellen und zeitlichen Aufwand zur Bearbeitung der Bewerbungsunterlagen. Dazu kommt der Aufwand für die Organisation der Durchführung weiterer Auswahlmethoden. Als Beobachter für internationale AC und Interviewer bei Einstellungsgesprächen werden vorwiegend Führungskräfte aus <?page no="255"?> 256 4 Prozess des internationalen Personalmanagements höheren Hierarchieebenen einbezogen. Diese müssen mit den Bewerbern, die aus unterschiedlichen Regionen der Welt kommen, an einem Ort zusammengebracht werden (Obermann, 2013, S. 406). In Assessment-Centern ist der Koordinationsaufwand noch größer, da mehrere Beobachter und Bewerber gleichzeitig anwesend sein müssen. Durch Reisezeiten und -kosten der Bewerber sowie Mitarbeiter bzw. Führungskräfte und Personalaufwendungen für Mitarbeiter des Personalmanagements fallen hohe Kosten an (Jung, 2010, S. 918). Infolgedessen wird bereits ein entsprechend hoher Teil des festgelegten Budgets der Personalauswahl für die organisatorische Vorbereitung aufgewendet. Um Kosten zu sparen, können weniger Bewerber zu einem persönlichen Kennenlernen eingeladen werden. Allerdings steigt dadurch die Gefahr, gut geeignete Kandidaten allein anhand von Bewerbungsunterlagen auszusortieren. Hierbei ist das Risiko der Fehleinschätzung durch die intransparente Vergleichbarkeit von Qualifikationen und Abschlüssen zwischen verschiedenen Ländern gegeben (Berthel/ Becker, 2013, S. 775). Bewerbungsunterlagen sind demgemäß bei einer internationalen Gegenüberstellung wenig aussagekräftig. Problematisch wird es also dann, wenn ein Unternehmen aus Kostengründen an der Konzeption von Auswahlinstrumenten spart, keine ausreichende Anforderungsanalyse durchführt und beispielweise auf Standardtests ohne Anforderungsbezug im AC oder unstrukturierte Interviews setzt. Das Risiko von Fehlentscheidungen nimmt demzufolge zu. Weitere Herausforderungen entstehen durch kulturelle Unterschiede der Bewerber untereinander und zum Unternehmen. Die Einstellung von Mitarbeitern, um interkulturelle Kompetenzen zu erweitern, stellt eine besondere Herausforderung an die internationale Personalauswahl dar. Um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu wahren, müssen Auswahlverfahren kulturübergreifend standardisiert gestaltet und gleichzeitig kulturspezifisch angepasst sein. Das Verfahren für alle Bewerber fair zu gestalten ist durch die unterschiedlichen kulturellen und sprachlichen Hintergründe komplex. Sprachliche Problemfelder sind dabei unterschiedliche Belegung und Deutung von Begrifflichkeiten sowie Unterschiede in nonverbaler Kommunikation (Gestik, Mimik und Distanzverhalten). Zusätzlich beeinflussen unterschiedliche Erwartungshaltungen die Deutung des Verhaltens und von Reaktionen (Schuhmacher, 2014, S. 208-211). Lösungen der genannten Probleme sind situations- und unternehmensabhängig. Lösungsansätze müssen demnach im Einzelfall analysiert und gestaltet werden. Als mögliche Hilfe können bei der Auswahl und bereits bei der internationalen Suche nach Mitarbeitern externe Dienstleister in Anspruch genommen werden. Headhunter und Personalberater haben fundierte Kenntnisse und Erfahrungen mit einschlägigen (kulturellen) Besonderheiten und Unterschieden. Sie können so einen Teil des Personalbeschaffungsprozesses übernehmen und dem Unternehmen bereits vorselektierte Bewerber präsentieren. Führt das Unternehmen die Auswahl selbst durch, ist es möglich die Vorselektion zu verbessern, um die hohen anfallenden Kosten zu beschränken (Obermann, 2013, S. 209). Mit Hilfe von Verfahren, die validere Ergebnisse liefern als Bewerbungsunterlagen, werden Fehlentscheidungen minimiert. In der Folge durchlaufen weniger, zu diesem Zeitpunkt jedoch noch potenziell geeignete Bewerber, kostspielige persönliche Auswahlverfahren. Ein weiterer Ansatz ist die Änderung des Mediums und die Automatisierung der Auswahlmethoden, um die Effizienz zu steigern. Diese beiden Lösungsansätze werden im folgenden Unterabsätzen vertiefend dargestellt. 4.2.7 Kritische Würdigung von Assessment-Centern als Auswahlinstrument Mit dem Einsatz von Assessment-Centern in der Personalauswahl sind zweifellos viel Aufwand und folglich hohe Kosten für das Unternehmen verbunden. Inwieweit sich ein AC dagegen durch den Nutzen rechtfertigen lässt, kann kritisch gesehen werden. Die Kosten werden häufig als Argument <?page no="256"?> 4.2 Auswahl von Mitarbeitern 257 gegen den Einsatz von AC angeführt. An dieser Stelle sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Durchführung von Assessment-Centern bei gleicher Teilnehmerzahl und in Bezug auf Personalstunden sogar kostengünstiger sein kann als Interviews mit Erst- und Zweitgespräch. Werden die Gesamtkosten betrachtet, kommen ergänzend Entwicklungskosten und Kosten für Beobachtertrainings hinzu (Obermann, 2013, S. 344). Bei Interviews, die mit der gleichen Professionalität wie AC geführt werden, fallen allerdings ebenfalls hohe Vorbereitungs-, Durchführungs- und Nachbereitungszeiten an. Diese sind dann mit denen von Einzel-ACn vergleichbar (Schuhmacher, 2014, S. 121). Der folgende Abschnitt diskutiert Aspekte des Nutzens eines AC aus unterschiedlichen Perspektiven und zeigt Grenzen des Verfahrens auf. 4.2.8 Probleme rechtlicher Hintergründe zu Datenschutz und Ethik Die Personalauswahl bei Unternehmen wird in der Fachliteratur fortwährend kritisch betrachtet. Der Flugzeugabsturz der Tochtergesellschaft von Lufthansa (Germanwings) im Jahr 2015 führte dazu, dass das Thema in den Nachrichten und von Menschen unterschiedlicher Fachrichtungen diskutiert wurde. Der psychisch kranke Co-Pilot verursachte das Unglück und brachte die Maschine vorsätzlich zum Absturz. Obwohl die Lufthansa bei der Auswahl ihrer Piloten auf aufwendige AC setzt, besteht das Risiko, dass das psychologische Problem des Bewerbers nicht erkannt wird. In der ersten Auswahl zu Beginn des Berufslebens der Lufthansapiloten, finden ein psychologischer Teil und ärztliche Eignungsuntersuchungen statt. Die jährliche folgende Flugtauglichkeitsprüfung beinhaltet weiterhin ärztliche Gespräche, aber keine psychologischen Tests (ZEIT ONLINE, GmbH 2015). Ärztliche Einstellungsuntersuchungen sind in Deutschland Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers. Ärzte müssen von der Schweigepflicht entbunden werden, wenn sie das Ergebnis an den Arbeitgeber übermitteln. Einzelne Untersuchungsbefunde gelten als nicht notwendig zur Eignungsbeurteilung durch den Arbeitgeber (Die Ärztekammer Berlin, 2008, S. 1: Die ärztliche Schweigepflicht ist sowohl im Strafgesetzbuch (§ 203 StGB) als auch in den Berufsordnungen der Landesärztekammern (§ 9 BO) geregelt). Des Weiteren sind nach § 32 Abs. 1 BDSG erhobene Daten im AC und der Personalauswahl generell strengen Regelungen zum Datenschutz unterlegen. Die französische Flugunfallbehörde untersuchte das Unglück und brachte folgende Aspekte zur Änderung des Auswahlprozesses mit ein. Zum einen die Lockerung der rechtlichen Regelungen, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet ist, und die Einbeziehung von persönlichen Ärzten bei der Flugtauglichkeitsauswahl. Des Weiteren soll der psychologische Zustand der Piloten jährlich und nur durch offizielle Stellen überprüft werden (Deutsche Welle, 2016). Diese Befunde führen zu der Frage, ob die ethischen Aspekte zum Schutz der Öffentlichkeit (Betroffenenschutz) oder die rechtlichen Regelungen zum Datenschutz mehr gewichtet werden sollten. Zusammenfassend lässt sich anhand der Ereignisse feststellen, dass Assessment-Center nicht alles lösen und nicht in die Zukunft oder die tatsächliche Psyche von Menschen blicken können. Zusammenfassung In diesem Absatz wurden die Zeile der Personalauswahl und die zur Verfügung stehenden Verfahren und Methoden der klassischen Personalauswahl erläutert. Zudem wurde auf die Probleme der internationalen Personalauswahl eingegangen und auf mögliche Lösungsvorschläge eingegangen. <?page no="257"?> 258 4 Prozess des internationalen Personalmanagements 4.3 Interkulturelles Training Lernziele  Sie haben ein grundsätzliches Verständnis für die Notwendigkeit interkultureller Trainings und kennen die Bedeutsamkeit der familiären Stabilität  Sie wissen, dass eine gewisse Vorbereitung für einen Auslandseinsatz unerlässlich ist. 4.3.1 Grundsätzliches zum Interkulturellen Training Die interkulturelle Kompetenz bildet eine weitere Grundlage für die Auswahl von Kriterien bei Entsandten und hat einen entscheidenden Stellenwert, um die Anschauung der Individuen in einem fremden Land zu verstehen (Wirth, 1992, S. 173). Dabei lässt sich die interkulturelle Kompetenz in drei Dimensionen unterscheiden. Erstens werden die affektiven, zweitens die kognitiven und drittens die psychomotorischen Lernziele widergespiegelt. Die affektive Dimension beinhaltet alle Einstellungen der Entsandten, mit dem Ziel sich für andere Kulturen zu interessieren und diese auch zu akzeptieren. Die Bereitschaft sich in interkulturellen Teams einzufügen ist ein typisches Beispiel der affektiven Dimension. Die kognitive Dimension ist durch die Erkennung und das Verständnis von Kulturunterschieden geprägt. Hierbei wird das neu Erlernte auf neue Bereiche angewandt. Das Erlernen von Fremdsprachen gehört z.B. zu dieser Dimension. Die dritte Dimension bezieht psychische Vorgänge ein, mit dem Zweck körperliche Bewegungsabläufe zu koordinieren. Das Erlernen einer fremden EDV-Tastatur fällt ebenso unter dieses Lernziel (Blom/ Meier, 2004, S. 201). Kühlmann & Stahl (1998) beleuchten die Aspekte der interkulturellen Kompetenz aus einer anderen Perspektive heraus. Dies wurde anhand einer Studie von diesen analysiert, indem mehr als 300 deutsche Fach- und Führungskräfte bezüglich der kritischen Ereignisse nach den Merkmalen der interkulturellen Handlungskompetenz befragt wurden. Als Ergebnis wurden insgesamt sieben Persönlichkeitsmerkmale herausgearbeitet, die eine Person bezüglich der interkulturellen Handlungskompetenz aufweisen sollte. Zu den Merkmalserfolgen zählen die Ambiguitätstoleranz, die Zielorientierung, die Kontaktbereitschaft, das Einfühlungsvermögen, die Verhaltensflexibilität, der Polyzentrismus (auch Unvoreingenommenheit) und die metakommunikative Kompetenz (auch Kommunikationssteuerung). Die oben genannten Merkmale werden als notwendige Voraussetzungen in Betracht gezogen und Anforderungen bezüglich der Aufgaben, Unternehmen und Einsatzland werden fest mit diesen gekoppelt (Kühlmann/ Stahl, 1998, S. 216 ff.). 4.3.2 Familiäre Stabilität Neben dem Auswahlkriterium der interkulturellen Kompetenz bei der Auswahl von Entsendungskandidaten sollte auch der familiären Situation eine große Beachtung geschenkt werden. Die mitreisenden Familienangehörigen spielen eine wichtige Rolle im Prozess der Auslandsentsendung. Diese können sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf den Entsandten und den Auslandseinsatz haben, da ein starker Zusammenhang zwischen der Entsendung und der Familienmitglieder herrscht. So unterstreicht eine Studie von Deloitte (2008) die Problematik der Hauptgründe für vorzeitige Auslandsabbrüche. Hierbei bestätigte sich, dass für 72% der Befragten die Integration der begleitende Familienangehörige als Grund für Abbrüche der Entsendung mit Nachdruck verleihen (Deloitte, 2008, S. 27). <?page no="258"?> 4.3 Interkulturelles Training 259 An dieser Stelle ist auf Groß (1994) zu verweisen, der sich im Hinblick auf die Partnerschaft folgendermaßen äußert: „Eine stabile Ehe erleichtert den Auslandseinsatz, indem sie den ruhenden Pol in einem fremden Umfeld darstellt und Geborgenheit und Vertrautheit vermittelt“ (Groß, 1994, S. 177). Im Gegensatz dazu führt eine bereits belastete Ehe zu Einschränkungen bezüglich der gegenseitigen partnerschaftlichen Beziehungen und somit erschwert sie auch den Auslandsaufenthalt für beide Parteien. Kammel & Teichelmann (1994) betonen, dass eine positive Einstellung des Entsandten und der Familienangehörigen zur Entsendung und zum Auslandsaufenthalt ein nicht zu unterschätzendes Kriterium darstellt. Im Zuge dessen ist es für die Begleitperson ebenfalls von Vorteil, diese in die Auswahlgespräche einzubinden. Außerdem thematisieren die Autoren, dass eine „Schnupperreise“ durchaus sinnvoll erscheint, um eine Enttäuschung in dem Entsendungsland zu vermeiden. Mit dieser Gelegenheit können die Entsandten und deren Familienmitglieder einen Einblick über zahlreiche Aspekte, die mit einer Entsendung zusammenhängen, gewinnen (Kammel/ Teichelmann, 1994, S. 77). Eine Vielzahl von Studien hat sich mit der familiären Begleitung des Entsandten beschäftigt. Dabei bestätigte sich, dass die Unzufriedenheit der Familienangehörigen einen negativen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Entsandten ausüben kann. Aufgrund der ungenügenden kulturellen Anpassung des Partners, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die Motivation des Entsandten sinkt. Des Weiteren kann eine Auslandsentsendung einen Bruch der Karriere der Begleitpartner verursachen (Schneider/ Hirt, 2007, S. 257). Um diese Herausforderungen minimal zu halten, bedarf es einer systematischen Planung während der Auswahlphase des Expatriates. Schon in der Rekrutierungs- und Auswahlphase ist eine Auswahl von geeigneten Mitarbeitern vorzunehmen, die für eine bestmögliche Übereinstimmung im Hinblick auf die Kriterien wie die technischen und sozialen Ziele infrage kommen. Übung 4.5 Erläutern Sie, inwieweit eine familiäre Stabilität Einfluss auf die Entsendung eines Mitarbeiters ausübt. 4.3.3 Vorbereitung auf den Auslandseinsatz Ein entscheidender Einfluss auf einen erfolgreichen Auslandseinsatz beginnt mit der Vorbereitungsphase und stellt zugleich den umfangreichsten Prozess dar. Die Vorbereitungsphase sollte unverzüglich nach der Auswahl der zu entsendenden Kandidaten erfolgen. Kammel & Teichelmann (1994) konstatieren, dass die Mitarbeiter über die aktuellen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Informationen des Gastlandes regelmäßig sensibilisiert werden müssen (Kammel/ Teichelmann, 1994, S. 84). Da viele Anforderungen an den Expatriate und dessen Familie gestellt werden, sollte die Vorbereitung auf den Auslandseinsatz frühzeitig beginnen. Diesbezüglich wird seitens des Institutes für interkulturelles Personalmanagement eine ideale Vorbereitungszeit von sechs Monaten vorgeschlagen. Doch in der Praxis wird dies von den meisten deutschen Unternehmen mit einer Vorbereitungsphase von zwei bis vier Monaten praktiziert (Bittner/ Bernhard, 1994, S. 179 f.). Vorbereitungsmaßnahmen In der Literatur werden verschiedenste Verfahren zur Vorbereitung des Expatriates auf den Auslandseinsatz vorgestellt. Zum einen gehört es zur Aufgabe der Unternehmen, den Mitarbeiter auf den Auslandseinsatz bestmöglich vorzubereiten. Zum anderen sind Mitarbeiter für die Vorbereitung selbst zuständig. <?page no="259"?> 260 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Marburger berichtet von einer sogenannten Erkundungsreise des Entsandten und seiner Familie ins Ausland durch das Unternehmen, bevor ein Vertragsabschluss zustande kommt. Solch eine Reise kann sowohl Vorteile für das Unternehmen als auch für den Entsandten mitbringen. Dadurch verschafft sich der Entsandte einen Überblick, kann Netzwerke aufbauen und für sich entscheiden, ob ein Auslandseinsatz nach wie vor in Frage kommt. Somit kann einerseits rechtzeitig das Risiko eines Auslandsabbruchs und andererseits unnötig entstandene Kosten minimiert werden. Weiterhin gibt es eine Vielzahl von Anforderungen, die der Expatriate vorbereiten muss. Hierbei wird der fachlichen Vorbereitung durch den Mitarbeiter ein besonderes Gewicht gelegt (Marburger, 2009, S. 13 ff.). Als typische Vorbereitungsmaßnahmen geben Blom & Meier (2004) u.a. die informationsorientierte Vorbereitung, die interkulturelle Vorbereitung sowie die fachliche und sprachliche Vorbereitung, die in folgenden Unterabsätzen näher erläutert werden. Informationsorientierte Vorbereitung In der Phase der informationsorientierten Vorbereitung stehen Aspekte der politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten des Gastlandes im Vordergrund. Hierbei besteht der Nutzen darin, dass der Mitarbeiter durch Eigeninitiative jegliche länderspezifische Informationen sammelt und diese kennenlernt. Die Informationen werden bei Bedarf an den Expatriate zur Verfügung gestellt (Nicolai, 2014, S. 400). In diesem Zusammenhang kann es sich auch als sehr vorteilhaft ergeben, mit den ehemaligen Expatriates in die Kommunikation zu treten. Der wesentliche Nutzen liegt somit darin, sich in einem gegenseitigen Austausch über den Auslandseinsatz, wertvolle Ideen, Auskünfte und Fakten aus Sicht des ehemaligen Expatriates zu bekommen. Somit kann sich der zu Entsandte mit hilfreichen Informationen bezüglich der zu geltenden sozialen Regeln und weiteren innerbetrieblichen Gegebenheiten besser auf die Auslandsentsendung vorbereiten (Blom/ Meier, 2004, S. 173). Die Ergebnisse der Studie der Marketing Corporation AG (1999), indem deutsche Unternehmen mit 324 deutschen Führungskräften in 46 Ländern befragt wurden, zeigen, dass 85% der befragten Unternehmen durch unzureichende Vorbereitungsmaßnahmen ihre Mitarbeiter ins Ausland schicken. Diese unzureichende Vorbereitung wurde von vielen Unternehmen durch geringen Zeitmangel, durch die unzureichenden interkulturellen Kompetenzen, über die die Mitarbeiter verfügen und durch mangelnde Führungserfahrung begründet. In diesem Zusammenhang müssen vielfältige Faktoren berücksichtigt werden. Diese Studie vermittelt, wie wichtig es ist, eine intensive Zeit für vorbereitungsmaßnahmen des Expatriates und dessen Familie zu planen, um dem Entsendungserfolg einen Schritt näher zu kommen. Interkulturelle Vorbereitung Wie auch in der Phase der Personalauswahl spielt die interkulturelle Kompetenz des Mitarbeiters in der Vorbereitungsphase eine große Bedeutung. Bei der Auslandsentsendung des Expatriates wird der interkulturellen Kompetenz eher eine untergeordnete Rolle beigemessen, d.h. es wird vielmehr auf die Fachkompetenz statt der interkulturellen Kompetenz geschaut. Im Ausland kann dies jedoch Probleme mit sich bringen. Außerdem kann es dazu kommen, dass die interkulturelle Zusammenarbeit in den Teams nicht funktioniert, da der Expatriate nicht in der Lage ist, mit anderen Menschen unterschiedlicher Kulturen erfolgreich und angemessen zu interagieren. Für den Auslandseinsatz gibt es eine Vielzahl von Methoden, um die interkulturelle Kompetenz des Mitarbeiters zu trainieren. Neben den im vorherigen Abschnitt erwähnten Vorbereitungsmaßnahmen, gibt es weitere Trainingsmethoden zur interkulturellen Kompetenz, die eingesetzt werden müssen, um den oben beschriebenen Problematiken entgegenzuwirken. Demnach unterscheiden Blom & Meier (2004) drei Trainingskonzepte. Diese lauten Informations-, Simulations- und Interaktionskonzept. Wie die Bezeichnung hervorhebt, geht es im Informationstraining um die Beschaffung von Informationen über das Gastland sowie um neue Arbeits- und Lebensumstände. Das <?page no="260"?> 4.3 Interkulturelles Training 261 Simulationstraining beinhaltet das Ziel, möglichst realitätsnahes Wiedergeben von Geschehnissen zu praktizieren und im Anschluss innerhalb der Gruppe darüber zu diskutieren. Dabei soll der zukünftige Expatriate mithilfe von Rollenspielen bezüglich eigener und fremder Kulturen sensibilisiert werden. In der Phase des Interaktionstrainings finden gegenüber dem Simulationstraining keine Simulationen statt, sondern eine Realität. Hierbei arbeitet der Expatriate mit echten Kontakten aus dem Ausland. Dem Simulationskonzept ähnlich, soll in dieser Phase der Expatriate die Kulturunterschiede kennenlernen und verstehen. Eine mögliche Trainingsmethode stellt das sogenannte Culture-Assimilator-Training dar, mit dem Ziel, eine unverständliche Situation unter Berücksichtigung der jeweiligen fremden Kultur möglichst logisch zu interpretieren. Inhaltlich geht es hierbei um eine landestypische interkulturelle Problemsituation, bei dem der Expatriate die Problemsituation durch vorgegebene Verhaltensmöglichkeiten entscheiden und gegebenenfalls argumentativ untermauern muss (Blom/ Meier, 2004, S. 199 f.). Grundsätzlich ist es essenziell, dass die Trainingskonzepte in maßgeschneiderter Anwendung auf die Bedürfnisse der Expatriates in einem professionellen Einsatz angepasst werden. Demnach können sich mit großer Wahrscheinlichkeit erkennbare Erfolge herauskristallisieren. Im Großen und Ganzen ist der Einsatz der interkulturellen Trainings- und Lernkonzepte hilfreich, um ein besseres Verständnis anderer Kulturen zu ermöglichen und zu verstehen. Es ist jedoch erwähnenswert, dass solche Trainingsmethoden unterschiedlich effektiv sind und keine Garantie dafür bieten, dass alles reibungslos und ohne Probleme in der interkulturellen Zusammenarbeit im Ausland vonstattengeht (Friedrich, 1997, S. 307). Fachliche und sprachliche Vorbereitung Weitere wichtige Aspekte in der Vorbereitung von Auslandseinsätzen bestehen in den fachlichen und sprachlichen Vorbereitungen. Die fachliche Vorbereitung findet bei jedem Auslandseinsatz individuell statt. Daher gibt es in der Literatur keine explizite Beschreibung des Prozesses. Jedoch kann gesagt werden, dass die fachliche Vorbereitung aufgabenspezifische Inhalte integriert. Hierzu wird dem Expatriate mehr Verantwortung bezüglich seiner Aufgaben im Ausland zugeschrieben. Bevor der Expatriate ins Ausland entsandt wird, sollten die Fachkenntnisse aufgefrischt werden. Zudem kann eine Besprechung der vor Ort geforderten Fachexpertise sinnvoll erscheinen. Neben den fachlichen Kenntnissen spielen die sprachlichen Kenntnisse und dessen Vorbereitung eine zentrale Rolle. Für den Auslandseinsatz ist die Kommunikation in englischer Sprache eine ausschlaggebende Grundvoraussetzung. Auch kann die Landessprache des Einsatzlandes zusätzlich entscheidend sein, sodass hier sowohl für den Expatriate als auch dessen Familie eine sprachliche Förderung bspw. durch Sprachkurse angeboten wird. Die Familienmitglieder sollten hierbei zeitnah in die Sprachkurse involviert werden, um die Landessprache des Einsatzlandes zu erlernen (Festing et al., 2011, S. 330 f.) und auch während der Aufenthaltsphase im Ausland die Sprachkompetenz weiter ausbauen (Mauer, 2013, S. 96). Dies ist von grundlegender Bedeutung, da die Familienmitglieder stärker mit der sozialen Umwelt interagieren als der Expatriate selbst und dementsprechend nicht immer die englische Sprache vorausgesetzt werden kann. Somit ergibt sich mit dem Erlernen der Landessprache für die Familienmitglieder eine vereinfachte kulturelle Anpassung an die Umwelt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Einsatz von Sprachkursen einerseits als eine hilfreiche Methode zur Vorbereitung des Auslandseinsatzes dient und andererseits die Basis für einen erfolgreichen Einsatz darstellt (Festing et al., 2011, S. 330 f.). Vertragsgestaltung Im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Auslandseinsatzes kommt der Vertragsgestaltung eine hohe Bedeutung zu. Bevor der Expatriate ins Ausland entsandt wird, muss in gegenseitigem <?page no="261"?> 262 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Einvernehmen ein Vertrag abgeschlossen werden. Diese bildet daher die Grundlage zwischen dem Entsandten und dem Unternehmen und ist für all die nächsten Auslandsprozesse relevant. Unter der Berücksichtigung der Vertragsgestaltung hebt die DGFP drei Grundsätze hervor: eine adäquate Entlohnung; ein Ausgleich zusätzlicher Kosten und Belastungen; Schaffung einer sozialen Sicherheit (DGFP e.V., 1995, S. 39). Es gibt verschiedene Vertragsmodelle, die je nach Einsatz geregelt werden. Jedoch werden im Folgenden die gängigen Arten der Vertragsgestaltung, zum einen das Einvertragsmodell und zum anderen das Zweivertragsmodell und deren Besonderheiten der Vertragsgestaltung bei internationalen Auslandseinsätzen, hervorgehoben. Einvertragsmodell Das in der Praxis überwiegend vorkommende Einvertragsmodell stellt die einfachste Vertragsgestaltung dar, welches zwischen dem Expatriate und dem Arbeitgeber abgeschlossen wird. Die Besonderheit bei dieser Art der Vertragsgestaltung liegt darin, dass der Arbeitsvertrag im Inland während des Auslandseinsatzes weiterhin bestehen bleibt, jedoch findet eine Vertragsanpassung statt. Diesbezüglich bleibt der Expatriate weiterhin Arbeitnehmer des entsendenden Unternehmens und muss seine Rechte und Pflichten, die im Arbeitsvertrag festgelegt sind, einhalten. Das Modell kommt grundsätzlich für kurzfristige Auslandseinsätze mit einer Dauer von bis zu zwei Jahren zum Einsatz (DGFP e.V., 2010, S. 77). Eine Möglichkeit zur Vertragsanpassung bei dem Einvertragsmodell kann durch einen zusätzlichen Vertrag, welcher als Ergänzungsvertrag bezeichnet wird, abgeschlossen werden. Der Ergänzungsvertrag beinhaltet alle relevanten Regelungen, wie bspw. die Gehaltsregelung und die Dauer der Tätigkeit, die im Ausland ausgeübt werden soll. Diese Vertragsgestaltung wird überwiegend für Auslandseinsätze in Bezug auf Projektarbeiten bzw. zur Nachwuchskräfteförderung herangezogen (Schmeisser/ Krimphove, 2010, S. 135 f.). Zweivertragsmodell Anders als beim Einvertragsmodell erfährt das Zweivertragsmodell eine erweiterte Konstellation. Resultierend daraus, werden die Tätigkeiten weiterhin über einen befristeten Auslandseinsatz im Ausland ausgeübt, der Expatriate wird jedoch überwiegend im Gastland integriert und verrichtet seine Aufgaben nach den im Ausland gewünschten Anweisungen. Die ausschlaggebende Regelung hierbei besteht in dem ruhenden Arbeitsvertrag mit dem Heimatland. Allerdings können die vorab geregelten Leistungen bezüglich der betrieblichen Altersvorsorge unabhängig, vom ruhenden Arbeitsvertrag, weiter bestehen. Eine Besonderheit liegt hierbei bei dem Abschluss eines Lokalarbeitsvertrages mit dem Gastland. Zusätzlich zum Lokalarbeitsvertrag wird mit der Heimatgesellschaft eine Vereinbarung zur Versetzung abgeschlossen. Die Versetzungsvereinbarung wird zusätzlich zum bestehenden Arbeitsvertrag und dem Lokalarbeitsvertrag abgeschlossen. In dem Lokalarbeitsvertrag, welche zwischen dem Expatriate und dem Gastland zustande kommt, befinden sich typische Regelungen in Bezug auf das Arbeitsverhältnis. Beispiele hierfür sind die auszuübenden Tätigkeiten, die Dauer des Auslandseinsatzes und die Arbeitszeit. Durch die Versetzungsvereinbarung besteht eine Beziehung zum Heimatland mit dem Arbeitgeber im Heimatland, dem Arbeitgeber im Gastland und dem Expatriate. Demnach ist der Expatriate in die Arbeitsprozesse des Gastlandes stark eingebunden. Inhaltlich beinhaltet die Versetzungsvereinbarung den Vermerk der Rückkehrgarantie in das Heimatland nach der Beendigung des Einsatzes im Ausland. Dies stellt für den Expatriate eine wichtige Basis dar, da dieser somit die Sicherheit bekommt, nach der Rückkehr seinen eigentlichen Arbeitsvertrag fortzusetzen. <?page no="262"?> 4.3 Interkulturelles Training 263 4.3.4 Einsatz und Betreuung des Expatriates Einen weiteren wichtigen Aspekt stellt die Phase der Betreuung während der Entsendung dar. Die Betreuungsphase muss eine Vielzahl an Thematiken einbeziehen und kann entweder zu einem positiven oder im schlimmsten Fall zum negativen Resultat führen. Ein Erfolg hängt allerdings davon ab, welche Maßnahmen für die Betreuung des Expatriates sowie dessen Familienangehörige eingesetzt werden. Maßgeblich gehört es zur Aufgabe der Betreuung des Expatriates, einerseits das Beziehungsgeflecht stetig aufrechtzuerhalten, indem der Entsandte das Gefühl bekommt, weiterhin ein Teil des Stammhausmitarbeiters zu sein (Perlitz, 2004, S. 418). Andererseits soll die Integration des Expatriates in das Unternehmen im Gastland unterstützt werden. In diesem Prozess gibt es viele Herausforderungen, die entstehen können. Zahlreiche Faktoren spielen diesbezüglich eine entscheidende Rolle, mit denen der Expatriate bestmöglich umgehen muss. Darüber hinaus können sich Problematiken darin ergeben, dass der Expatriate sowie die mitreisenden Familienangehörigen gegebenenfalls Schwierigkeiten haben, sich an das neue berufliche sowie soziale Umfeld anzupassen. Weiterhin können Belastungen durch Stress entstehen, vor allem in der Phase der Eingewöhnung im Ausland. Um diese Herausforderungen zu minimieren, gehört es zur Aufgabe im Betreuungsprozess den Expatriate sowie dessen Familie durch geeignete Maßnahmen zu unterstützen (Mauer, 2013, S. 32). Im weiteren Verlauf werden dementsprechend Möglichkeiten zur Betreuung geschildert, die für den Erfolg des Auslandseinsatzes relevant sind. Onboarding-Prozess im Ausland Mithilfe eines Onboarding-Prozesses sollen die Mitarbeiter in den betrieblichen Leistungsprozess eingeführt werden, mit dem Ziel, jegliche Aktivitäten durchzuführen, die dem Unternehmen durch personelle Kapazitäten eine Profitabilität verspricht (Berthel/ Becker, 2013, S. 320). Der Onboarding- Prozess setzt sich grundsätzlich aus drei Phasen der Vorbereitung, Orientierung und Integration zusammen. Diese erstreckt sich über einen Zeitraum von Beginn der Vertragsunterzeichnung bis hin zum frühesten Ende der vereinbarten Probezeit. Im weiteren Verlauf sollen die oben aufgeführten Phasen eines Onboarding-Prozesses beschrieben, sowie die Aufgaben, die sich für die Beteiligten herausstellen, benannt werden. Onboarding kann mit An-Bord-Nehmen übersetzt werden. Somit geht es um die Eingliederung der Mitarbeiter in das Unternehmen oder am Arbeitsplatz Die Vorbereitungsphase des Onboarding-Prozesses beginnt mit der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages und dem ersten Arbeitstag. Hierzu werden zahlreiche Maßnahmen im Unternehmen des Einsatzlandes ergriffen, die es einerseits ermöglichen, dem Expatriate den Einstieg in das Unternehmen zu erleichtern und andererseits ein Image der Professionalität des Unternehmens zu erzeugen. Im Hinblick auf die Maßnahmen, sollte der Kontakt mit dem Expatriate möglichst aufrechtgehalten werden. Dabei ist es wichtig, nach Unterzeichnung des Arbeitsvertrages den Entsandten möglichst nützliche Informationen bezüglich der Unternehmensphilosophie sowie den zuständigen Kontaktpersonen mitzuteilen. Außerdem ist es extrem vorteilhaft, zuvor einen konkreten Einarbeitungsplan zu erstellen, die aufschlussreichen Informationen zum geplanten Ablauf geben, wodurch auch der Expatriate das Gefühl der Sicherheit und Klarheit bekommt (Lohaus/ Habermann, 2015, S. 127). In der Vorbereitungsphase könnte außerdem die Bestimmung eines persönlichen Mentors zu einem positiven Effekt führen (Bube, 2015, S. 3). Die Orientierungsphase stellt die zweite Phase des Onboarding-Prozesses dar und schließt den Zeitraum von dem Arbeitsbeginn bis zu dem dritten Monat im Unternehmen ein. Hierbei soll der <?page no="263"?> 264 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Expatriate in die Auf- und Ablauforganisation des Unternehmens eingebunden werden, diese verstehen und lernen und sich in seine neue Rolle und seine neuen Aufgaben eingliedern. Dabei werden in der Literatur seitens der Unternehmen zum einen die Aufgaben, die sich an dem ersten Arbeitstag und zum anderen jene Aufgaben, die sich in der ersten Arbeitswoche bemerkbar machen, unterschieden. Aufgaben, die am ersten Arbeitstag vorgenommen werden sollten, beinhalten Maßnahmen, wie die Begrüßung und das Führen eines Einführungsgespräches. Das Gespräch sollte möglichst durch die zuständige Person im Einsatzland des Expatriates stattfinden und eine detaillierte Zusammenfassung über das Gastunternehmen beinhalten. Dabei sollte der Expatriate in Bezug auf die Arbeitsweisen, Führungsgrundsätze, Entwicklungen sowie einen Überblick über die konzeptionellen Feedback-Gesprächstermine bekommen. Auch ist es unerlässlich das zukünftige Tätigkeitsfeld des Expatriates zu betrachten. In der ersten Arbeitswoche übernimmt der Expatriate erste positionsbezogene Aufgaben. Die Integrationsphase des Onboarding-Prozesses durchläuft der Mitarbeiter von dem dritten bis sechsten, maximal jedoch zwölften Monat. In diesem Zeitraum werden durch das Unternehmen integrationsfördernde Maßnahmen implementiert. Diese reichen von der Mitarbeit in Arbeitsgruppen und Projekten, Fortbildungsangebote, bis hin zu Angeboten, die den beruflichen Netzwerken dienen. Weiterhin soll der Expatriate in dieser Phase motiviert werden, zum einen das Wissen zu vertiefen und zum anderen die Eigeninitiative zu stärken. Darüber hinaus sollte die Zeitspanne durch Maßnahmen, wie das Einbinden von Fortbildungsangeboten und Trainings sowie regelmäßigen Feedbackgesprächen unterstützt werden, um die Integration des Expatriates in das Unternehmen zu erleichtern. Hierzu unterstreichen Lohaus & Habermann (2015) die Relevanz eines Gespräches mit dem Mitarbeiter, welches in jedem Fall nach der Integrationsphase stattfinden sollte. Somit soll das Ziel des Gespräches darin liegen, dem Mitarbeiter das Gefühl zu geben, dass er ab diesem Zeitpunkt in vollem Umfang selbstständig für die Erledigung seiner Aufgaben und somit der Arbeitsleistung die volle Verantwortung trägt (Lohaus/ Habermann, 2015, S. 142). Übung 4.6 Beschreiben Sie den Onboarding-Prozess beim Auslandseinsatz. Betreuung durch den aufnehmenden Unternehmensbereich Eine intensive Betreuung während der Entsendung ins Ausland ist sowohl durch das Stammunternehmen als auch durch die Tochtergesellschaft bzw. dem Gastland unabdingbar. Zunächst werden nachfolgend die Betreuungsmaßnahmen während der Entsendungszeit vorgestellt. In der Literatur hat sich bei der Integration in die ausländische Gesellschaft der Einsatz von Paten oder Mentoren als eine optimale Betreuung herausgestellt. Durch die Betreuung eines Paten im Gastland erfährt der Expatriate vor Ort jegliche Unterstützung bei auftretenden Fragen und Problemen rund um den Arbeitsplatz. Der Expatriate wird zugleich mit formellen und informellen Strukturen und Prozessen im Unternehmen vertraut gemacht. Auch bei der Anpassung an die fremde Kultur steht der Pate dem Expatriate beiseite und bietet Unterstützung sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich. Durch die Organisation verschiedener internationaler Veranstaltungen, wird es dem Expatriate ermöglicht, Kontakte zu knüpfen, damit dieser auch Kontakte im privaten Bereich besitzt. Familienangehörige, die den Expatriate ins Ausland begleiten, müssen sich ebenfalls an zahlreichen Gegebenheiten anpassen. Doch auch hier unterstützt der Pate bspw. bei der Arbeitssuche des Partners, bei der Suche nach Freizeitmöglichkeiten und der Kontaktaufnahme zu anderen Familien. Der Pate versteht sich als eine Führungskraft, der den Expatriate und dessen Familie bestmöglich betreut, damit diese sich während der Entsendungszeit wohlfühlen (Nicolai, 2014, S. 402). <?page no="264"?> 4.3 Interkulturelles Training 265 Weiterhin thematisiert Mauer (2013) den sogenannten Relocation-Service, bei dem der Expatriate über diese Dienstleistungen unterschiedlichste Hilfestellungen bekommt und sich von Anfang an mit voller Energie auf seine Aufgaben konzentrieren kann. Mit einer Auslandsentsendung sind vor allem zahleiche organisatorische Fragen zu klären, die durchaus mit Herausforderungen verbunden sind. Die Suche nach einer Wohnung gehört zu den Herausforderungen, welches in einem fremden Land meist nicht leichtfällt. Durch die Inanspruchnahme des Service wird der Expatriate und dessen Familie diesbezüglich unterstützt. Auch Themen rund um die ärztliche Versorgung, Einkaufsmöglichkeiten, Recherchen und Vorschläge von Schulen und Kindergärten sowie bis hin zu Freizeitmöglichkeiten werden dem Expatriate und den Familienangehörigen nahegelegt (Mauer, 2013, S. 33). Darüber hinaus fügt Geiger (2011) hinzu, dass ein regelmäßiger Austausch des Expatriates mit der Stammgesellschaft wichtig und empfehlenswert ist, um die festgelegten Ziele während der Entsendung umzusetzen (Geiger, 2011, S. 79). Mit der Betreuung durch das Gastland ergeben sich für die professionelle Integration des Expatriates drei grundsätzliche Ziele: die fachliche Integration, die soziale Integration und die wertorientierte Integration. Bei der fachlichen Integration werden dem Expatriate jegliche Arbeitsaufgaben zugewiesen (Lohaus/ Habermann, 2015, S. 15). unter der Berücksichtigung seiner erforderlichen Kenntnisse und der bereits vorhandenen Fähigkeiten, die im Einklang mit den Unternehmenszielen stehen (Brenner, 2014, S. 7). Die soziale Integration dient dazu, soziale Kontakte zu knüpfen und das Ziel zu verfolgen, dem entsandten Mitarbeiter das Wir-Gefühl zu vermitteln, womit ein Wohlfühleffekt bei diesem gewährleistet werden soll (Lohaus/ Habermann, 2015, S. 15). Die werteorientierte Integration stellt die dritte Ebene dar und beschäftigt sich mit der Corporate Identity des Unternehmens, in der die vorgegebenen Ziele und Werte gelebt werden. In diesem Sinne stellt diese Ebene einen mittelbis langfristigen Prozess dar, wodurch der Mitarbeiter erst nach einer bestimmten Zeit beurteilen kann, ob die Ziele und Werte des Unternehmens tatsächlich mit den eigenen Vorstellungen übereinstimmen (Brenner, 2014, S. 8). Betreuung durch den entsendenden Bereich Auch bezüglich der Betreuung in der Stammgesellschaft steht ein Pate zur Seite, der trotz der Entfernung regelmäßigen Kontakt bereits von Beginn der Entsendung bis zur Reintegration im Stammunternehmen zum Expatriate herstellt. Er hat die Aufgabe, alle aktuellen Entwicklungen und Informationen, wie die Zusendung der internen Firmenzeitung oder allgemeine Rundschreiben dem Entsandten mitzuteilen. Das Ziel des regelmäßigen Austausches sollte darin bestehen, dass der Expatriate nicht das Gefühl bekommt völlig isoliert zu sein, da er für einen Zeitraum nicht mehr in der Stammgesellschaft tätig ist. Die Betreuung durch einen Paten ist auch in der Hinsicht vorteilhaft, da dieser bei dem Rückkehrprozess des Expatriates miteingebunden ist. In der Praxis könnte dieser Schritt jedoch enorme Probleme bereiten. Daher soll der Pate die Reintegration bestmöglich unterstützen (Nicolai, 2014, S. 402). Diesbezüglich sollte die Organisation der Reintegration in die Heimatgesellschaft frühzeitig stattfinden und auf keinen Fall vernachlässigt werden. Perlitz (2004) fasst zusammen, dass die Zurverfügungstellung eines Mentors im Heimatunternehmen große Vorteile bringt. Zum einen geht er davon aus, dass mit Hilfe dessen die Qualität der Betreuung verbessert wird und zum anderen unter Berücksichtigung der Weiterbildungsmöglichkeiten sowohl für den Mitarbeiter als auch für das Unternehmen große Vorteile entstehen. Diesbezüglich sollten die Expatriates ebenfalls Einladungen zu Weiterbildungsveranstaltungen in der Heimatgesellschaft erhalten. Auch bieten sich Andenken, wie Geburtstagskarten oder Weihnachtskarten als nützliche Gesten an, um dem Expatriate die Wertschätzung zu zeigen (Perlitz, 2004, S. 418). <?page no="265"?> 266 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Zusammenfassung Hier wurden die Grundlagen interkultureller Trainings aufgezeigt. Eine große Bedeutung bei einem Auslandseinsatz spielen die familiäre Stabilität, eine gute Vorbereitung auf den Einsatz und ein kulturelles Training. Der Vertragsgestaltung kommt bei der Auslandsentsendung eine hohe Bedeutung zu. Unterschieden wird i.d.R. zwischen einem Einvertrags- und Zweivertragsmodell. Wenn die Mitarbeiter im Ausland tätig sind, sollten sie und auch ihre Familienangehörigen vor Ort betreut werden. 4.4 Einsatz Lernziele  Sie haben ein grundsätzliches Verständnis für die die unterschiedlichen Arten internationaler Auslandseinsätze  Sie haben einen ersten Eindruck über den klassischen Entsendungsprozess gewinnen können. 4.4.1 Arten internationaler Auslandseinsätze Im Bereich des internationalen Personaleinsatzes gibt es verschiedene Formen des internationalen Auslandseinsatzes, die zum Erfolg oder Misserfolg führen können. Der Begriff Entsendung wird als Oberbegriff für den internationalen Mitarbeitereinsatz definiert. Diese Entsendung kann von einer kurzfristigen Dienstreise bis zu einem mehrjährigen Auslandseinsatz stattfinden. Grundsätzlich liegt eine Entsendung vor, wenn sich ein Mitarbeiter ins Ausland begibt, um dort seine Beschäftigung auszuüben (www.ihk-berlin.de, 2017). Hier wird ein(e) Mitarbeiter / in, der/ die eine Auslandstätigkeit ausübt, als Expatriate, Entsandter oder einfach als entsandter Mitarbeiter bezeichnet. Kurzzeit-Entsendung - Short Term Assignment Von einem Short Term Assignment spricht man, wenn der Mitarbeiter für einen Zeitraum von weniger als einem Jahr im Ausland tätig ist. Vorteil dieser Art von Entsendung sind die geringen Kosten und Probleme, die bei der Eingliederung im Gastland stattfinden, da die Familien im Heimatland bleiben und dadurch die Entsendung vereinfacht wird. Bei dieser Art der Entsendung handelt es sich um Projekte, die im Ausland von qualifizierten Mitarbeitern betreut werden müssen. Das ständige Reisen ist der Grund dafür, dass eher jüngere Mitarbeiter hierzu bereit sind. Ausschlaggebend für das Antreten der kurzen Auslandstätigkeiten ist häufig der Gewinn der vielen Erfahrungen (www.pwc.com, 2012). <?page no="266"?> 4.4 Einsatz 267 Langzeit-Entsendung - Long Term Assignment Bei einer Long Term Assignment ist ein Zeitraum von mehr als einem Jahr definiert, da bei dieser Art von Entsendung der Wohnsitz und der Arbeitsplatz ins Ausland verlegt werden müssen. Die Mitarbeiter werden als Führungspositionen und Repräsentanten des Unternehmens ins Ausland geschickt (Fischermayr/ Kopecek, 2012, S. 28). Die Langzeit-Entsendung ist die mit der Assoziation der klassischen Auslandsentsendung, wobei die Funktionen des Mitarbeiters im Ausland klar definiert sind (Festing et al., 2011, S. 242). Vielflieger Bei einem Vielflieger werden mehrere aufeinanderfolgende Dienstreisen mit verschiedenen Zielen im Ausland bezeichnet (Otten et al., 2007, S. 176). Die Art von Dienstreisen können mehrere Tage bis hin zu mehreren Wochen andauern. Trotz des hohen Stresspegels und Zeitverlustes besteht für diese Art höchste Bereitschaft (Fischermayr/ Kopecek, 2012, S. 28). Aufgrund des Pendelns zwischen verschiedenen Ländern ist für die Mitarbeiter mit Familien kein Wohnortwechsel notwendig. Übung 4.7 Beschreiben Sie die Arten des internationalen Auslandseinsatzes und grenzen Sie diese gegeneinander ab. Die Auslandstätigkeit hat für die Mitarbeiter als auch für die Unternehmen Vor- und Nachteile, die zu Erfolg bzw. Misserfolg führen können. Zum Auslandseinsatz aus Sicht des Unternehmens Die Motive und Ziele der Auslandstätigkeit der Mitarbeiter für das Unternehmen sind vor allem der Know-how-Transfer, sowohl vom Mutterunternehmen zum Tochterunternehmen im Ausland als auch umgekehrt. Die typischen Entsendungsziele des Heimatunternehmens sind der Transfer der Unternehmenskultur und Technologietransfer in ausländische Niederlassungen. Desweitern gehören zu der Motivation zum einen die Entwicklung eines globalen Bewusstseins und die damit verbundene internationale Denkweise der entsandten Mitarbeiter. Zum anderen die Implementierung einer einheitlichen Führungskonzeption im Unternehmen, sowie die Ausbildung des Führungspersonals im Zielland. Jedoch gibt es auch Nachteile für die Mitarbeiterentsendung für ein Unternehmen. Die Unternehmen haben durch die Entsendung der Mitarbeiter enorm hohe Kosten, die durch die Entsendung und Weiterbildungen bzw. Trainings entstehen. Der entsandte Mitarbeiter wird auf die Auslandstätigkeit vorbereitet, jedoch sieht es in der Praxis meist anders aus, sodass eine gewisse Unsicherheit der erstrebten Ziele eine sehr große Rolle spielt. Aufgrund der veränderten Bedingungen im Ausland kann es zum Verlust des Mitarbeiters an andere Unternehmen führen und dessen Leistungsvermögen auf Dauer beschädigen (Mauer, 2013, S. 1ff.). Hinweis Die unternehmerischen Ziele lassen sich in vier Typen der Auslandsentsendung unterteilen: „Wachhund, Trouble Shooting“ Entsandte dieser Kategorie konzentrieren sich auf Kontroll- und Steuerungszwecke. Entsendungen des Stammhauses auf Schlüsselpositionen in Auslandsniederlassungen gehören dem Typ des „Wachhundes“ an. <?page no="267"?> 268 4 Prozess des internationalen Personalmanagements „Senior-Management, High-Flyer“ stellen primär die Steuerungsaktivität als auch Personalentwicklung da, wobei die Entsendung zur Steuerung und Kontrolle der Gesamtorganisation dient und ihre individuellen Kompetenzen vertiefen soll. Ein typisches Beispiel ist die Entsendung von Stammhausmitgliedern, denen die Fähigkeit zur Erreichung einer hohen hierarchischen Position zugeschrieben wird. „Entwicklungs-/ Nachwuchsförderung“ Der Fokus liegt auf der Personalentwicklung und nicht auf der Kontroll- und Steuerungsfunktion. Routinemäßige Entsendungen von Nachwuchsführungskräften dienen dazu Erfahrungen zu sammeln. „Isolation, Abstellgleis“ Hierbei liegt der Fokus weder auf Steuerung noch auf der Personalentwicklung. Der Auslandseinsatz dieser Kategorie wird unternehmensintern als Bestrafung oder Abschiebung aufgrund mangelnder Kompetenzen angesehen (Mayrhofer, 2005, S. 5f.). Zum Auslandseinsatz aus der Sicht des Mitarbeiters A uch aus der Mitarbeitersicht hat die Entsendung positive wie auch negative Aspekte. Durch die Auslandstätigkeit kann man eine Verbesserung der Berufschancen im jetzigen oder künftigen Unternehmen erzielen. Dies führt zu einer Steigerung der Karrierechancen und zur Erhöhung der Qualifikationen. Die Mitarbeiter, die ins Ausland entsendet werden, haben die Möglichkeit eine neue Kultur kennenzulernen. Dadurch werden sie zu weltoffeneren Menschen, dass sie nicht nur unternehmerisch prägt, sondern auch persönlich. Ein wichtiges Motiv der Mitarbeiter ist nicht nur „das Neue“, sondern möglicherweise auch ein höheres Gehalt, das zu Erhöhung des Lebensstils beiträgt. Zu den Nachteilen des Auslandeinsatzes gehört der Faktor Familie, da es ungewiss ist, wie sie mit der neuen Lebenssituation zurechtkommen und nicht nur der Partner, sondern auch die Kinder sich an das neue Leben gewöhnen und einleben müssen. Zudem kommen die medizinischen und gesundheitlichen Bedingungen hinzu, die in jedem Land anders sind. Zusätzlich kommt die Angst vor den unbekannten Arbeits- und Lebensbedingungen hinzu, da die Mitarbeiter einen sicheren Arbeitsplatz für eine unsichere Zukunft aufgeben. Nach der Auslandstätigkeit ist die Wiedereingliederung in das Mutterunternehmen für manche Mitarbeiter sehr schwer bis zu kaum möglich (Mauer, 2013, S. 3f.), da sie sich an die andere Kultur und Lebensbedingungen angepasst haben. Kammel & Teichelmann (1994) unterscheiden sechs Motivationstypen, die je nach Anreizintensität gegenüberstehen und bei den einzelnen Mitarbeitern auch in Kombination auftreten können.  Legionär - Dieser Motivationstyp ist durch finanzielle Aspekte und die Erlangung von mehr Selbstständigkeit und Verantwortung gekennzeichnet.  Karrieregeist - Hierbei handelt es sich aus der Mitarbeiterperspektive um den Aufstieg im Unternehmen. Monetäre Aspekte spielen hier keine wesentliche Rolle.  Abenteurer - Neue Aufgaben, der Wille nach neuen Herausforderungen wie auch die Begeisterung für fremde Kulturen zeichnen den „Abenteurer“ aus.  Neugierige - Der Neugierige zeigt Interesse am Kennenlernen fremder Kulturen und Menschen. Hierbei handelt es sich allerdings um kurzfristige Aufenthalte.  Flüchtling - Faktoren wie berufliche Misserfolge, private Probleme oder die berufliche Unzufriedenheit können sich der Suche nach einer Lösung widmen. <?page no="268"?> 4.4 Einsatz 269  Global Player - Dieser Motivationstyp kann sich durch mehrere und länger andauernde Aufenthalte im Ausland auf eine Internationalität beziehen, welches durch ein kosmopolitisches Denken und Handeln geprägt ist (Kammel/ Teichelmann, 1994, S. 66 f.). Übung 4.8 Erläutern Sie die Ziele des Auslandseinsatzes aus Sicht des Unternehmens. 4.4.2 Zum Entsendungsprozess Der Entsendungsprozess eines Mitarbeiters in ein ausländisches Tochterunternehmen kann in vier Phasen unterteilt werden:  Auswahlphase  Vorbereitungsphase  Einsatzphase  Wiedereingliederungsphase (Holtbrügge/ Welge, 2015, S. 329). Im Folgenden werden die vier Phasen des Entsendungsprozesses in weitere Abschnitte unterteilt, um einen detaillierten Überblick des Prozesses zu erlangen. In jeder Phase lassen sich Faktoren finden, die zum Erfolg oder Misserfolg einer Auslandsentsendung beitragen können (Müller, 2010, S. 33 ). Dieser Entscheidungsprozess ist die Grundlage für einen erfolgreichen Einsatz im Ausland (Blom/ Meier, 2004, S. 171f.). 4.4.2.1 Zur Auswahlphase Die Auswahl von Mitarbeitern für international tätige Unternehmen und die damit verbundene Entscheidung für einen geeigneten Kandidaten sind wichtige Faktoren, die zum Erfolg oder Misserfolg einer Auslandstätigkeit beitragen können. Für die Beschaffung der Mitarbeiter auf internationaler Ebene können interne sowie externe Kandidaten gewählt werden. Für den Rekrutierungsprozess - die Suche und das Finden von geeigneten Kandidaten ( Weber et al., 1998, S. 103) - können verschiedene Beschaffungsmethoden gewählt werden. Bei international tätigen Unternehmen ist die Personalsuche viel komplexer als die Suche für nationale Unternehmen, da verschiedene Faktoren die Suche und die Auswahl erschweren. 4.4.2.2 Stellenanforderung Wie bereits erwähnt, gibt es vier verschiedene Wertorientierung, um die Stellenbesetzungspolitik und Führungskonzeption eines multinationalen Unternehmens aufzuzeigen, die durch das Konzept von Perlmutter begründet werden. Die Stellenbesetzungsstrategie kann ethnozentrisch, polyzentrisch, geozentrisch oder regiozentrisch ausgerichtet werden. Bei der Stellenanforderung ist es wichtig, die Position so exakt wie möglich zu definieren, um den geeignetsten Kandidaten/ in zu rekrutieren. Die präzise Ausarbeitung der Fachkenntnisse des Bewerbers und die Anforderung an die Führungsqualifikationen sind erforderlich. <?page no="269"?> 270 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Zur Person des Bewerbers werden die Voraussetzungen in persönliche und soziale Eigenschaften unterteilt. Die kulturspezifischen Eigenschaften sind Bestandteile der sozialen Eigenschaften und für einen Auslandseinsatz ein wichtiger Aspekt. Grundsätzlich unterscheiden sich die internationalen Stellenanforderungen vom nationalen kaum. Bei internationalen Ausschreibungen wird die Stellenanforderung breiter gefächert als die im Heimatland, die oft von einer hohen Arbeitsteilung und Spezialisierung der Aufgaben beschrieben sind (Mauer, 2013, S. 23f.). Zu den weiteren Anforderungen gehören die Führungskompetenzen, da bei einer Auslandstätigkeit fast immer Führungsaufgaben anfallen, wenn auch für ein kleines Team. Zu den persönlichen Bereichen der Anforderungen sind die sozialen bzw. interkulturellen Kompetenzen relevante Faktoren, da eine gewisse Stabilität der Persönlichkeit für den Auslandseinsatz unerlässlich ist. Die entsandten Mitarbeiter müssen in ihrer Führungsposition mit neuen Aufgaben umgehen können. Um diese zu bewältigen ist Durchsetzungsvermögen gefragt. Zu den personenbezogenen Anforderungen gehören nicht nur die sprachlichen Kenntnisse, sondern auch kulturelle, technische und wirtschaftliche Fachkenntnisse, da der Mitarbeiter, der mit verschiedenen Menschen zusammenarbeiten wird, muss eine gewisse Akzeptanz gegenüber der Kultur und den Menschen vorweisen (Mauer, 2013, S. 23ff.). Einige Schlüsselqualifikationen für den internationalen Manager, wurden bei einer Befragung von Banam und Oates (Mauer, 2013, S. 25), ermittelt:  Strategisches Bewusstsein  Anpassungsfähigkeit an neue Situationen  Sensibilität für andere Kulturen  Teamfähigkeit in internationalen Teams  Sprachkenntnisse  Internationales Verhandlungsgeschick Diese Faktoren sind wichtige Aspekte, die bei dem Personaleinsatz eine große Rolle spielen. Für den Auslandseinsatz sind die besonderen Merkmale die Person selbst („Self-Oriented Dimension“), sein Verhältnis zu anderen („Others-Oriented Dimension“) und die Wahrnehmung und Interpretation kulturspezifischer Erlebnisse („Perceptual Dimension“) von großer Bedeutung (Scherm, 1995, S. 305). 4.4.3 Interne versus externe Bewerber Es können sich für die Vakanz im Ausland nicht nur externe Kandidaten bewerben, sondern auch interne Mitarbeiter. Auch hier gibt es Vor- und Nachteile, sowohl für den internen als auch externen Kandidaten. Die Vorteile des internen Kandidaten sind die des unternehmerischen Know-hows und die spezifischen Fachkenntnisse, die zum Transport des kulturellen Umfelds des Unternehmens und der unternehmerischen Leitlinien und Werte ins Ausland dienen (Mauer, 2013, S. 27). Vorteilhafter ist es, sich für einen internen Bewerber für die Auslandstätigkeit zu entscheiden, da sie meist schon einige Jahre im Unternehmen Erfahrungen sammeln konnten, sodass sie die Unternehmenskultur im Ausland ausleben können. Sollten jedoch keine geeigneten Kandidaten für die Position zu finden sein, werden externe Bewerber rekrutiert. Die externen Kandidaten haben die Vorteile, dass sie häufig schon Auslandserfahrung sammeln konnten, größere kulturelle und Sprachkenntnisse in Bezug auf das Ausland aufweisen können und von bisherigen Wettbewerbern kommen, sodass sie über entsprechendes Branchen-Know-how verfügen. Die Nachteile des externen Kandidaten sind vor allem die Führungsvorgaben des heimischen <?page no="270"?> 4.4 Einsatz 271 Unternehmens in der kurzen Zeit zu erlernen, dass kaum möglich ist und außerdem höhere Gehaltskosten verursachen. Vorbereitungsphase Die Vorbereitungsphase ist eine wichtige Phase der Entsendung von Mitarbeitern, sowohl aus der Sicht des Entsendenden, des aufnehmenden Unternehmens im Ausland und des Mitarbeiters. In dieser Phase werden die Grundelemente für einen erfolgreichen Auslandseinsatz gestellt. Zu den Vorbereitungsmaßnahmen zählt die Vermittlung von Informationen über das Gastland, wozu die geografischen, wirtschaftlichen und politischen Informationen gehören, die dem Mitarbeiter helfen sollen, sich auf seinen Einsatz vorzubereiten (Mauer, 2013, S. 93 ). Organisatorische Vorbereitung Die organisatorische Vorbereitung verantwortet der Personalbereich im Heimatland und hat die Aufgabe, den entsandten Mitarbeiter auf die Auslandstätigkeit mit relevanten Informationen zu versorgen. Der Informationsaustauch kann z.B. durch ein Gespräch zwischen den verantworteten Personalbereichen und den Mitarbeitern geführt werden und dient der Erläuterung aller Aspekte und Fragen rund um den Auslandseinsatz. Zudem kommen die Themen der zu erwartenden Umwelt, Arbeits- und Lebensbedingungen hinzu. Außerdem werden die Ziele der Entsendung, die Dauer, die Funktionen während und nach dem Auslandseinsatz und die Kostenverteilung expliziert erklärt (Düfler/ Jostingmeier, 2008, S. 537f.). Die sprachlichen und interkulturellen Vorbereitungen sollten rechtzeitig beginnen und während der Auslandstätigkeit weitergeführt werden. Die Mitarbeiter sollten sich vor dem Einsatz einer ärztlichen Untersuchung unterziehen, da im Ausland oftmals andere klimatische Bedingungen herrschen und diese sich auf den Körper auswirken können. Zu den organisatorischen Vorbereitungen kommen z.B. Aspekte hinzu, wie der Umzug, die Eröffnung eines neuen Bankkontos im Ausland und die Suche nach neuen Schulen für die Kinder. Der Mitarbeiter und seine Familie müssen die Chancen und Risiken einer Auslandstätigkeit in Betracht ziehen und sich neuen Lebenssituationen im Ausland anpassen. Informationsvermittlung Um den Mitarbeiter und seine Familie so gut wie möglich auf die Auslandstätigkeit vorzubereiten, sind länderspezifische Informationsmappen, die auch Basisinformationen über das relevante Tochterunternehmen enthalten sollten, hilfreich. Zu den Informationsvermittlungen sollten Einblicke der Behörden- und Rechtsstruktur des Einsatzlandes erläutert werden. Zur praxisbezogenen Informationsvermittlung dienen Mitarbeiter, die bereits Erfahrung als Expatriate sammeln konnten. Die Expatriates können ihre Eindrücke und Erfahrung sowie Verbesserungsvorschläge zur Vorbereitung der Auslandstätigkeit beitragen. Look-and-See-Trip Um ein Bild vor Ort und den dort herrschenden Bedingungen bestmöglich zu erlangen, kann ein Besuch in das Gastland sinnvoll sein. Der Besuch in das Tochterunternehmen im Ausland kann der entsandte Mitarbeiter als Urlaubsvertreter eines Kollegen eingesetzt werden, sodass die komplette Einbeziehung in das Unternehmen erfolgt. Je besser die Vorbereitung ist, umso erfolgreicher wird <?page no="271"?> 272 4 Prozess des internationalen Personalmanagements ein Look-and-See-Trip (Mauer, 2013, S. 96). Außerdem kann durch den Besuch die Einstellung gegenüber einer neuen Kultur positiv beeinflusst werden (Götz/ Bleher, 2006, S. 44f.). Arbeitsvertraglichen Vorbereitung Je nach Form und Dauer der Entsendung muss der Arbeitsvertrag des Mitarbeiters an die Bedingungen im Ausland angepasst oder ein neuer Arbeitsvertrag erstellt werden. Bei Auslandseinsätzen gibt es eine Menge von Besonderheiten, die zum einen in „Entsendungsrichtlinen“ und zum anderen in Verträgen geregelt werden. Bei der vertraglichen Reglung für den Auslandseinsatz gibt es keine einfache Lösung. Die Kandidaten erwarten bei der Vergütung immaterielle Belastungen, dass durch eine angemessene Vergütung ausgeglichen wird. Es müssen Entscheidungen zu den Aspekten der Form des Vertragsverhältnisses zwischen Unternehmung und Mitarbeiter und wer die Vertragsparteien sind getroffen werden.  Bei der Form einer Dienstreise besteht der Arbeitsvertrag mit dem Mutterunternehmen weiter, jedoch mit Ausnahmen von zusätzlichen Reglungen.  Bei einer Versetzung wird der Arbeitsvertrag mit dem Mutterunternehmen mit einem befristeten Arbeitsvertrag des Tochterunternehmens erweitert.  Bei einem Übertritt wird der Arbeitsvertrag mit dem Mutterunternehmen durch einen Auflösungsvertrag beendet und ein neuer unbefristeter Arbeitsvertrag mit dem Tochterunternehmen wird geschlossen (Holtbrügge/ Welge, 2015, S. 339). Frühzeitige Beendung der Auslandstätigkeit Eine gute Vorbereitungsphase ist mit dem Erfolg einer Auslandsentsendung verbunden. Ist dies nicht gewährleistet, kann die Auslandtätigkeit aufgrund von unbefriedigender Leistung und Anpassungsschwierigkeiten an die fremde Kultur und Umgebung frühzeitig abgebrochen werden. Weitere Gründe für einen vorzeitigen Abbruch der Auslandstätigkeit könnten die mangelnde Anpassungsfähigkeit des Ehepartners, die Belastung für die ganze Familie und die mangelnde Fähigkeit, mit der größeren Verantwortung im Ausland fertig zu werden (Weber et al., 1998, S. 130). Die Folge wären hohe anfallende Kosten und die nur schwer bemessenen Verluste, wie der geschädigte Ruf des Unternehmens oder entgangene Geschäfte (Weber et al., 1998, S. 167). Ein Abbruch einer Auslandstätigkeit schätzt Harvey (1983) auf die durchschnittlichen Kosten pro Abbruch für das Mutterunternehmen, auf das Dreifache des Jahresgehaltes im Heimatland plus die Versetzungskosten an (Harvey, 1983, S. 71ff.). 4.4.4 Einflussfaktoren auf den Erfolg eines Auslandseinsatzes Um eine bestmögliche Entsendung zu gewährleisten und einem vorzeitigen Abbruch der Entsendung entgegenzuwirken, ist es enorm wichtig, im Vorfeld eine genaue Prüfung des zu entsendenden Kandidaten vorzunehmen. Verschiedene Erfolgsfaktoren, die mit einer Auslandsentsendung verbunden sind, konnte Stahl (1998) identifizieren, indem er eine Darstellung der Determinanten des Entsendungserfolges illustrierte, um die Komplexität einer Entsendung zu verdeutlichen. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick der Einflussfaktoren auf den Entsendungserfolg. <?page no="272"?> 4.4 Einsatz 273 Abb. 4.7: Determinanten des Entsendungserfolges. Quelle: in Anlehnung an Stahl, 1998, S. 129 Wie in der Abbildung illustriert, stellt die Person ein fundamentales Kriterium dar. In diesem Fall steht der Arbeitnehmer selbst für den Erfolg einer Entsendung ins Ausland im Vordergrund. Dabei ist es für den Entsandten unabdingbar, ausreichende Sprachkenntnisse zu besitzen, um im Gastland reibungslos kommunizieren zu können. Zu den weiteren Kriterien gehören einerseits die Selbstständigkeit des Expatriates und andererseits die interkulturelle Kompetenz. Unter diesem Aspekt fallen u.a. die Kommunikations- und Teamfähigkeit, Empathie und Anpassungsfähigkeit an das jeweilige Entsendungsland. Außerdem ist es für den Entsandten vor der Entsendung von Vorteil, mehrjährige Berufserfahrung im Stammhaus zu sammeln, da dieser dann besser mit der Unternehmenspolitik vertraut ist (Welge/ Holtbrügge, 2006, S. 227). Die Position des Mitarbeiters im Stammhaus sowie die organisatorischen Kriterien gehören ebenfalls zu den Erfolgsfaktoren. In diesem Zusammenhang haben sich einerseits das technische Knowhow des Expatriates als auch Führungs- und Organisationskompetenzen als wichtig erwiesen (Perlitz, 2004, S. 411). Weiterhin muss der Entsandte eine eindeutige Rolle übernehmen und darf nicht im Spannungsfeld zwischen Stammland und Gastlandunternehmen stehen. Darüber hinaus betont Stahl (2005) den regelmäßigen Kontakt zu Bezugspersonen nicht zu unterschätzen und ihre Interessen zu berücksichtigen (Stahl, 2005, S. 294). Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor der Beachtung finden muss, ist die Gastlandumwelt, welche durchaus mit der Zufriedenheit des Expatriates verbunden ist. Unter den entscheidenden Kriterien fällt die kulturelle Distanz zum Heimatland, die Sprache, der Führungsstil als auch die Freizeitmöglichkeiten, die den Erfolg beeinflussen. Die Familie des Entsandten bestimmt ebenfalls den Erfolg einer Auslandsentsendung in erheblichem Maße. Es kann durchaus dazu kommen, dass der Partner des Expatriates größeren Belastungen ausgesetzt ist als der Expatriate selbst. Aus diesem Grund ist eine Anpassungsfähigkeit des Partners von hoher Bedeutung, um private Probleme zu verringern, damit der Auslandseinsatz für den Entsandten mit Erfolg zu bewältigen sein kann (Stahl, 1998, S. 241). Bei der Entsendungsgestaltung spielen die Such- und Auswahlkriterien sowie eine gute Vorbereitung auf den erfolgreichen Auslandseinsatz und eine dementsprechend professionelle Betreuung während der Entsendung eine wesentliche Rolle. Neben diesen Faktoren sind eindeutige und verständliche Richtlinien unverzichtbar, um das Gefühl der Diskriminierung bei den Expatriates <?page no="273"?> 274 4 Prozess des internationalen Personalmanagements auszuschließen. Schließlich ist die Motivation der Entsandten für den Erfolg maßgeblich (Stahl, 1998, S. 241). Letztlich ist die Familie für den Entsandten ein wichtiger Teil im Ausland. Oftmals wird der Expatriate durch den Partner bzw. der Familie ins Ausland begleitet. Dementsprechend ist die Zufriedenheit der Begleitpersonen enorm wichtig, um den Expatriate nicht zu demotivieren. Außerdem wird empfohlen, dass die Begleitperson möglichst eine adäquate Beschäftigung im Ausland findet, um Probleme in Bezug auf soziale Beziehungen mit Einheimischen zu vermeiden (Rothlauf, 2012, S. 339). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass mit einer Entsendung umfassende Facetten zu berücksichtigen sind, die mit unterschiedlicher Gewichtung auf den Expatriate einwirken. Für einen Entsendungserfolg ist es essenziell, die vorgestellten internen und externen Faktoren zu berücksichtigen. Infolgedessen ist eine intensive Planung und Koordination des Auslandseinsatzes für den Entsandten unabdingbar. 4.4.5 Einsatzphase Wenn die Entscheidung für den passenden Kandidaten gefallen ist, ist das Unternehmen während der Einsatzphase verpflichtet dem Mitarbeiter beizustehen, um keinen vorzeitigen Abbruch des Auslandseinsatzes zu verursachen. Die Betreuung ist ein kontinuierlicher Prozess, der vor dem Auslandseinsatz beginnt und nach einer erfolgreichen Wiedereingliederung endet (Wirth, 2013, S. 172). Die Kandidaten sollten mit dem Phänomen des Kulturschocks vertraut gemacht werden. 4.4.6 Verlauf des Kulturschocks - Phasen nach Oberg Die Auseinandersetzung mit einer fremden Kultur kann als Kulturschock bezeichnet werden, wobei bei der Anpassung verschiedene Phasen durchlaufen werden. Der Kulturschock sind Merkmale wie z.B. das Durcheinander und die Konfusion einer Person. Zudem beschreibt es eine psychische Reaktion gegenüber etwas Neuem und Unbekanntem. Das Modell von Oberg (1960) (Oberg, 1960, S. 107f. ) erläutert die Anpassung in vier Phasen. Die erste Phase wird mit Vorfreude und Neugier beschrieben, die dann in einen Kulturschock übergehen und mit der Anpassung der Kultur enden. Durch die Auseinandersetzung mit der neuen Kultur kann sich eine Erlebniskurve - die U-Kurve - zu einer W-Kurve entwickeln. Phase - Honeymoon Die erste Phase wird als Honeymoon bezeichnet, da zu Beginn mit voller Hoffnung und Freunde die Auslandstätigkeit angetreten wird. Der Expatriate blendet die negativen Eindrücke aus und wird nur von den positiven Eindrücken überwältigt. Die Eindrücke des Gastlandes werden aus der Touristensicht gesehen und der Kontakt zu den Einheimischen sehr oberflächlich gehalten (Wirth, 2013, S. 174). Die Phase kann von einigen Tagen bis zu paar Wochen andauern. Der Auslandseinsatz wird mit Begeisterung charakterisiert. Phase - Kulturschock Die Phase des Kulturschocks (Crisis) beginnt, wenn die Honeymoon-Phase vorbei ist und die Realität anders aussieht. Die Phase beschreibt die Einstellung der Expatriate als feindlich und aggressiv gegenüber dem Gastland. Diese abwertende Haltung gegenüber dem Gastland entwickelt sich durch die Anpassungsschwierigkeiten des entsandten Mitarbeiters. Es entstehen im Gastland Probleme <?page no="274"?> 4.4 Einsatz 275 jeglicher Art, die im Heimatland keine große Bedeutung hatten, wie Schul- und Sprachprobleme und Familienprobleme, die einen zur Verzweiflung bringen können. So werden auch nur die negativen Aspekte der fremden Kultur wahrgenommen und Anschluss zur Gleichgesinnten mit gleicher Nationalität und gleichen Problemen gesucht. Die Unterschiede in der Sprache, den Werten und Symbolen zwischen der eigenen und der fremden Kultur werden realisiert. Hinweis Die entstehenden Schwierigkeiten wandeln sich zu Aggressionen und Ablehnung um. Das Bewusstwerden kultureller Unterschiede löst Frustration, Angst, Heimweh, Isolation und Verzweiflung aus. Der Zustand wird sich erst verbessern, wenn der entsandte Mitarbeiter die Sprache sprechen kann und sich dadurch besser mit den Einheimischen verständigen kann (Wirth, 2013, S. 174). Phase - Erholung In der Phase der Erholung (Recovery) ist der Kulturschock zunächst überwunden und der Expatriate hat eine positive Einstellung zum Gastland. Anstatt nur die negativen Aspekte der Kultur hervorzuheben, wird sich langsam an die fremde Kultur integriert. Dabei hat man die „grundlegende kulturspezifische Verhaltungsmuster erworben“ (Kühlmann, 1995, S. 10). Dennoch braucht es eine gewisse Zeit bis sich der Entsandte im Gastland zu rechtfindet. In dieser Phase lernt man die Kultur zu mögen und zu genießen. In der Anfangsphase ist es für einen entsandten Mitarbeiter sehr schwer, da er durch das fremde Essen und die fremde Kultur die eigene Kultur noch mehr zu schätzen und vermissen weiß. Sobald die physischen Probleme zu den seelischen dazukommen, wodurch Schwierigkeiten in der Kommunikation auftreten, löst es Frustration und Enttäuschung aus. Phase - Anpassung Die letzte Phase ist die Anpassung (Adjustment) an die fremde Kultur. Durch die wachsenden Sprachkenntnisse kann sich der Expatriate besser mit den Einheimischen verständigen, sodass die Kommunikation erheblich einfacher ist. Infolge der Anpassung und des Annehmens der fremden Kultur findet nach dem Tief wieder ein Hoch statt (Mochtarova, 2000, S. 16). Demzufolge ist die Isolation geschäftlich als auch privat vorbei, sodass sich in der neuen Kultur zurechtgefunden wird und sich der Mitarbeiter integrieren kann. Sobald sich die Einstellung des Entsandten gegenüber der fremden Kultur geändert hat, wird die Anpassung eindeutig einfacher und die Verzweiflung an kleinen Problemen werden nicht mehr gravierende Folgen haben. Nach einer gewissen Zeit hat man sich an die Voraber auch Nachteile des Gastlandes gewöhnt. Dementsprechend fühlt man sich nicht mehr fremd und hat das Gefühl der Zugehörigkeit. Der Entsandte entwickelt eine Akzeptanz und ein Verständnis für die fremden Denk- und Handlungsweisen der Kultur (Geiger, 2015, S. 52). 4.4.7 W-Kurven-Modell Die Grundlage für das von Gullahorn & Gullahorn 1963 (Gullahorn/ Gullahorn, 1963) entwickelt W- Kurven-Modell, ist die U-Kurve von Oberg (1960). Das W-Kurven-Modell wird, wie in Abb. 4.8 ersichtlich, mit der Rückkehr in die Heimat erweitert, sodass die U-Kurve nicht mehr beinhaltet ist. Der Expatriate erlebt nach der Rückkehr erneut einen Kulturschock, diesmal ausgelöst durch die eigene Kultur. Man spricht von einem „umgekehrten Kulturschock“ (Wirth, 2013, S. 206). Sowohl <?page no="275"?> 276 4 Prozess des internationalen Personalmanagements die Uaber auch die W-Kurvenmodelle beschreiben sehr anschaulich die emotionalen Hoch- und Tiefpunkte während eines Auslandsaufenthalts. Jedoch lassen sie sich nicht auf jede Auslandserfahrung beziehen (AFS Intercultural Programs, 2013), da jeder Mensch ein Individuum ist und auf die Situationen anders reagieren kann. Abb. 4.8: In Anlehnung an das W-Kurven-Modell nach Gullahorn und Gullahorn (1963). 4.4.8 Betreuung des Mitarbeiters im Ausland Die ausführliche Vorbereitungsphase auf die Auslandstätigkeit kann bei Expatriate trotzdem zu einem Kulturschock führen, sodass die Betreuung im Ausland ein wichtiger Punkt ist. Die Expatriates brauchen die kontinuierliche Betreuung sowohl zum Mutterunternehmen als auch die Integration in das Gastland. Diese Betreuung ist auch ein wichtiger Faktor für den Erfolg oder Misserfolg einer Auslandstätigkeit. Der Expatriate hat nach der Ankunft im Gastland mit verschiedenen Herausforderungen zu kämpfen, wie die Eingewöhnung in das neue Umfeld, der Aufbau eines sozialen Umfelds, die Lösung von Aufgabenstellungen im privaten und beruflichen Bereich und die Bewältigung von Stresssituationen bei der Eingewöhnung in das Gastland (Mauer, 2013, S. 32). In der Forschung und Praxis ist die Betreuung der Expatriate bislang ein wenig beachteter Bereich, obwohl dem Mitarbeiter erst während des Aufenthaltes die Bedeutung und Wirkung der fremden Kultur richtig bewusst wird (Brandenburger, 1995, S. 94). Dabei stehen dem Expatriate nicht nur die Betreuung der Personalabteilung im Gastland zur Verfügung, sondern auch weiterhin des Stammhauses (Brittner/ Reisch, 1994, S. 217). Die Betreuung und die Verbundenheit zum Mutterunternehmen sorgt dafür, dass der entsandte Mitarbeiter eine höhere Wertschätzung und Loyalität gegenüber dem Unternehmen aufzeigt (Breitschuh/ Wöller, 2007, S. 107). Nach Schröder ist die Betreuung im Ausland ein wichtiger Aspekt des Auslandseinsatzes, um berufliche Schwierigkeiten und psychische Belastungen zu mindern bzw. zu verhindern (Schröder, 1995, S. 148). Zur Unterstützung des Entsandten wird ein Erfahrener und mit dem lokalen Umfeld vertrauten Managers im Ausland empfohlen, der die Integration sowohl im Tochterunternehmen als auch in der Umwelt erleichtern soll (Pawlik, 2000, S. 58). Ein weiterer Punkt zur Betreuung ist der sogenannte Mentor, meist ein Vorgesetzter im Mutterunternehmen, der von der Anfangsphase zur Entsendung bis hin zur Rückkehr sich um diesen Expatriate kümmert. Somit kann das Risiko, dass sich der entsandte Mitarbeiter im Gastland vollständig hilflos fühlt, reduziert werden. Der Vorteil besteht darin, dass sich durch die Betreuung nicht die nur Informationslage des entsandten Mitarbeiters verbessert, sondern auch der Informationsaustausch von Tochterunternehmen zu den Schnittstellen in andere Tochterunternehmen und dem Mutterunternehmen. Zudem bietet der Mentor ergänzend zu der Beurteilung durch den Vorgesetzten im Gastland eine laufende Kontrolle der Auslandstätigkeit (Scherm, 1999, S. 204). Beginn der Entsendung 1. Kulturschock Rückkehr 2. Kulturschock Wiedereingliederung Zufriedenheit des Entsandten Zeit <?page no="276"?> 4.4 Einsatz 277 Hinweis „Während des Auslandseinsatzes ist es für den Mitarbeiter wichtig, stets das Gefühl zu haben, weiterhin dem Entsendungsunternehmen anzugehören. Die Personalabteilung muss daher großen Wert darauf legen, regelmäßig Kontakt zu den Mitarbeitern zu halten“ (Hentze/ Kammel, 2000, S. 504). Daher ist es wichtig bzw. hilfreich, den Expatriaten regelmäßig mit Informationen zu versorgen, wie z.B. Firmenzeitschriften, Geschäftsberichte, Nachrichten über personelle und organisatorische Veränderungen (Horsch, 1995, S. 103). Für mitentsandte Familienmitglieder wie der Ehepartner ist es wichtig, dass sie versuchen, ihrem Beruf im Ausland nachzugehen. Da sich dies als äußerst schwierig gestaltet, enthalten in den meisten Fällen die Ehepartner einen parallelen Anstellungsvertrag, um diese Probleme im Ausland von Anfang an zu verhindern (Mauer, 2013, S. 34). Der Expatriate muss trotz der Betreuung vor Ort auch eine gewisse Eigeninitiative zeigen. Hierbei ist es wichtig, im Unternehmen auf die gewissen Verhaltensregeln oder Einstellungen der ausländischen Kollegen und Vorgesetzten zu achten. Desweiteren kommt der Faktor des Neids von den ausländischen Mitarbeitern gegenüber dem entsandten Mitarbeiter hinzu, da dieser meistens ein höheres Gehalt bekommt. Daher sollten die Gehälter zwischen dem Expatriate und der lokalen Führungskräfte keine großen Abweichungen haben (Perlitz, 1997, S. 232). Die Besonderheit bei der Versetzung ins Ausland ist es, dass zu einer guten Betreuung des entsandten Mitarbeiters und seiner Familie auch Maßnahmen der Personalabteilung gehören, die bis in den privaten Bereich hineinreichen (Wirth, 1992, S. 202). Leistungsbeurteilung während der Auslandstätigkeit Die Leistungsbeurteilung kommt in jedem Land der Welt zum Einsatz, jedoch unterscheiden sich deren Funktion und Gestaltung je nach Kultur. So muss gewährleistet werden, dass die Leistungsbeurteilung in verschiedenen Ländern ein gleiches standardisiertes Beurteilungsverfahren durchlaufen kann. Dies führt zu einer fairen Regelung und einer fairen Beurteilung des Entsandten. Demzufolge muss eine internationale Leistungsbeurteilung eingeführt werden, die als Orientierungsgrundlage dienen soll (Weber et al., 1998, S. 190f.) . Definition „Personalbeurteilung [...] als die geplante, formalisierte und standardisierte Bewertung von Organisationsmitgliedern im Hinblick auf bestimmte Kriterien durch von der Organisation dazu explizit beauftragte Personen auf der Basis sozialer Wahrnehmungsprozesse im Arbeitsalltag.“ (Domsch/ Gerpott, 1992, S. 1631f.) Leistungsbeurteilung auf nationaler und internationaler Ebene Im Folgenden sollen die Aspekte der Unterschiedlichkeit der Leistungsbeurteilung auf nationaler und internationaler Ebene erläutert werden. Nach Harvay (1997) gibt es einige Faktoren, die zu berücksichtigen sind:  Unterschiedlichkeit der Mitarbeiter in einem international tätigen Unternehmen: Die Mitarbeitergruppe, Tochterunternehmen oder Mutterunternehmen, werden durch unterschiedliche Verträge, Kompensationspakte oder Karrieremöglichkeiten gezeichnet. Hierbei sind zwei unterschiedliche Kulturen der Beurteiler und Mitarbeiter zu berücksichtigen, da unterschiedliche Normen und Werte mit einfließen. <?page no="277"?> 278 4 Prozess des internationalen Personalmanagements  Vielfalt externer Umwelteinflüsse: Hierzu kommen Wirtschaftssysteme wie z.B. Inflationsrate, Arbeitslosigkeit oder Zinssätze hinzu, die nicht im Einflussbereich des eingesandten Mitarbeiters liegen. Der Mitarbeiter muss sich an die landeskulturellen Einflussfaktoren anpassen, sodass sich seine Leistungen positiv oder negativ beeinflussen lassen.  Unterschiede in Unternehmensstrategie, -struktur, -kultur: Die internationalen Geschäftstätigkeiten werden mit einer anderen Strategie geprägt als die nationalen. Dies führt dazu, dass die strategischen Ziele des Tochterunternehmens anders sind als das Mutterunternehmen. Durch unterschiedliche Ausmaße an der Zentralisierung oder durch kulturelle Einflüsse finden mögliche Unterschiede in den Entscheidungen statt.  Mangelnde Vergleichbarkeit der Daten: Die Vergleichbarkeit der Leistungen der Expatriate eines Unternehmens setzt einen einheitlichen Standard voraus, die kaum gegeben sind. Einige Faktoren, wie z.B. Importtarife, die die Preislisten verzerren lassen, können eine objektive Bewertung zur Leistung des Tochterunternehmens problematisch wirken (Garland, 1986, S. 184).  Zeit, Kosten, geographische Distanz: Die internationale Leistungsbeurteilung ist zum einen zeitaufwendiger und zum anderen kostspieliger, da mehr Faktoren die Leistung beeinflussen, wobei sich durch die geographische Distanz die Erfassung zwischen dem Beurteiler und dem Mitarbeiter als schwierig gestaltet. So muss z.B. die Anpassungsphase in die Leistungsbeurteilung mit einfließen (Weber et al., 1998, S. 184). Modell der internationalen Leistungsbeurteilung Das Modell der internationalen Leistungsbeurteilung verfolgt nicht nur das Ziel die Leistung der entsandten Mitarbeiter zu erfassen, sondern auch die Berücksichtigung der Personalentwicklungsziele (Weber et al., 1998, S. 185). Demzufolge strebt man mit der Personalbeurteilung zwei Ziele an. Die Ziele sind die Motivation durch gezielte immaterielle und materielle Belohnung für positives Leistungsverhalten zu steigern, sowohl als auch die Entwicklung des Mitarbeiters durch gezielte Schulungen und Weiterbildungen zu fördern (Hilb, 2011, S. 77). So werden die Schwächen des Mitarbeiters analysiert, um gezielte personalwirtschaftliche Maßnahmen zu treffen. Die Leistungsbeurteilung ermöglicht einen Vergleich von international tätigen Mitarbeitern. So können die Veränderungen in der Leistung des entsandten Mitarbeiters verdeutlicht werden. Zur Verfügung stehen quantitative und qualitative Kriterien zur Leistungsbewertung. Bei den quantitativen Kriterien sind schwere Mess- und Zurechnungsprobleme zu erwarten. Mit den qualitativen Kriterien soll die Fairness im Bewertungsprozess erhöht werden und die Einflussfaktoren international tätiger Mitarbeiter mit einbezogen werden (Weber et al., 1998, S. 185ff. ). Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurde beschrieben, wie ein Auslandseinsatz typischerweise vonstattengeht. Zudem wurde auf die unterschiedlichen Arten internationaler Auslandseinsätze eingegangen. Es erfolgte bspw. eine Unterscheidung in Short Term- und Long Term Assignment. Zudem wurde auf den Auslandseinsatz aus Unternehmer- und Mitarbeitersicht eingegangen. Bei einem Auslandseinsatz kann es zu einem Kulturschock kommen. Daher ist die Betreuung des Mitarbeiters im Ausland sehr wichtig. Auf die Probleme Leistungsbeurteilung in einem fremden Land wurde eingegangen und ein mögliches Modell zur internationalen Leistungsbeurteilung vorgestellt. <?page no="278"?> 4.5 Reintegration 279 4.5 Reintegration Lernziele  Sie haben ein grundsätzliches Verständnis für die Wiedereingliederungsproblematik nach einem Auslandseinsatz.  Sie kennen die Arten der Reintegrationsprobleme und wissen um die Erfolgsfaktoren einer Auslandsentsendung.  Sie verstehen die Maßnahmen zur Unterstützung der Reintegration. Definition Die Wiedereingliederung wird im Zusammenhang von Auslandsentsendung als ein Prozess der Wiedereingewöhnung von Mitarbeiter in ihr Land bezeichnet (Hurn, 1999, S. 224). Synonyme für die Wiedereingliederung sind Reintegration, Reentry, Rückgliederung und Rückführung (Rothlauf, 2009, S. 321). Hinweis „Wenn zu erwarten ist, dass nach einem längeren Aufenthalt im Ausland die Rückkehr in das Heimatland, die Anpassung an die hiesigen Arbeits- und Lebensbedingungen zum Problem werden können, wird ein Reintegrationstraining in das Land, kurz vor der Ausreise oder im Heimatland kurz nach der Einreise zur Erleichterung der Wiedereingliederung in das Berufs- und Arbeitsleben und zur Eingewöhnung in die eigentliche vertrauten aber inzwischen fremd geworden heimischen Lebensverhältnisse eine nützliche Anpassungshilfe sein“ (Thomas, 1997, S. 124). Der Reintegrationsprozess erweist sich als eine schwierige Aufgabe der Auslandsentsendung, da der Entsandte nach seiner Rückkehr erneut eine Anpassungsphase durchlaufen muss, diesmal in seinem eigenen Heimatland. So berichten Rückkehrer, dass die Integration ins Gastland nicht so schwer war wie die Reintegration in der Heimat (With, 1992, S. 205). „The problems in going over, I expected; the real problems - the ones I didn’t expect - were all in coming back! “, da die Expatriates ihre Einstellung teilweise so verändert haben, dass der Kontakt zu der Heimat einen erneuten „Kulturschock“ auslöst. Die Reintegration beinhaltet alle Wiederanpassungsprozesse des Expatriates an das Heimatland im beruflichen, aber auch im privaten und soziokulturellen Bereich (Ladwig/ Loose, 2000, S. 366). Um sich nach der Beendigung der Auslandstätigkeit erfolgreich im Heimatland wiedereinzugliedern durchläuft der Entsandte einen Reintegrationsprozess (Ladwig/ Loose, 2000, S. 366). 4.5.1 Verlauf der Wiedereingliederung nach Fritz Der Entsandte muss nach seiner Rückkehr aus dem Gastland verschiedene Phasen durchlaufen. Der Verlauf der Wiedereingliederung lässt sich nach Fritz (1982) in drei Phasen unterteilen (Fritz, 1982, S. 39ff.). <?page no="279"?> 280 4 Prozess des internationalen Personalmanagements  Antizipation: Noch während der Rückkehr entwickelt der Entsandte Erwartungen im Heimatland über private und berufliche Situationen. In dieser Phase ist die zukünftige Rolle im Unternehmen noch ungewiss, sodass die tatsächliche Wiedereingliederung das Ausmaß der Reintegrationsproblematik aufzeigt, wodurch die Antizipationen unzutreffend sein können. Während des Auslandseinsatzes findet die antizipierte Anpassung statt, in der der Entsandte Erwartungen der Reintegration, seiner neuen Funktion und der Interaktion bildet (Knocke, 2017, S. 38).  Akkommodation: Die Unterschiede zwischen dem im Ausland erfolgreichen und dem im Heimatland notwendigen Verhalten nimmt der Rückkehrer wahr, wodurch es zu einem „umgekehrten Kulturschock“ (Gullahorn/ Gullahorn, 1963) kommt. Hierbei erlebt er wieder die Unverständlichkeit und Anpassungsschwierigkeiten, sodass eine aggressive Stimmung die Phase dominiert.  Adaption: Nach einigen Monaten der Rückkehr erlebt der Expatriate eine Identifizierung mit der Heimat. Der Expatriate fängt an, sich in seiner eigenen Heimat zu integrieren. 4.5.2 Drei-Phasen-Modell des Rückkehrprozesses nach Hirsch Hirsch entwickelt ein Drei-Phasen-Modell auf der Basis einer Vielzahl von Erfahrungen aus Rückkehrern. Das Modell besteht aus drei Phasen: Naive Integration, Reintegrationsschock, Echte Integration (Hirsch, 2003, S. 423ff). Die erste Phase wird als „ Naive Integration “ beschrieben. Die wird durch die Begeisterung wieder in seiner Heimat zu sein beschrieben und die Einstellung des Rückkehrers sich in das Heimatland wieder einzugliedern. Die Offenheit und Bereitschaft des Rückkehrers sich an das Heimatland anzupassen, wird als oberflächliche Integration beschrieben und kann bis zu einigen Wochen andauern (Knocke, 2017, S. 39). Der „Reintegrationsschock“ wird als zweite Phase beschrieben und ist mit der Akkommodationsphase von Fritz vergleichbar, des sogenannten „umgekehrten Kulturschocks“, wobei in der Phase die Wiedereingliederungsprobleme wieder zur Belastung werden und dies zu einer aggressiven Haltung übergeht. Das wachsende Unverständnis von Kollegen und das Desinteresse an der Auslandserfahrung trägt zur Stimmung bei. Der ehemalige Expatriate fühlt sich somit als Außenseiter und verstärkt seine ablehnende Haltung gegenüber seinen Kollegen und sein Umfeld. Es besteht die Möglichkeit für den Rückkehrer einen erneuten Auslandseinsatz zu tätigen, wobei in den meisten Fällen zur letzten Phase übergegangen wird (Hirsch, 1996, S. 291). In der letzten Phase, die „Echte Integration“ , erlebt der Rückkehrer einen Wandel seines Verhaltensmusters, wobei der Expatriate gelernt hat sich im neuen Umfeld wieder zurechtzufinden und seine Erwartungen dementsprechend anzupassen. Dies hat zur Folge, dass der Rückkehrer wieder an Selbstvertrauen gewinnt und sich den Schwierigkeiten stellt. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass der Expatriate in die Phase des Kulturschocks zurückfällt. Dies wird durch Schwierigkeiten im beruflichen Umfeld ausgelöst, was Bilder und Erfahrungen aus dem Ausland in den Vordergrund rücken lässt und zu Unzufriedenheit der Situation im Heimatland auslöst (Hirsch, 2003, S. 424 ). In diesem Zusammenhang lassen sich die Schritte der Reintegration nach Hirsch (2003) in drei Phasen darstellen: Abb. 4.9: Prozessmodell der Reintegration nach Hirsch (2003). Quelle: in Anlehnung an Weber et al., 1998, S. 191 <?page no="280"?> 4.5 Reintegration 281 4.5.3 Arten der Reintegration Die Reintegration in das Heimatland hängt von vielen individuellen Einflussfaktoren ab, wie die private, berufliche und soziokulturelle Sicht. Die private Reintegration beinhaltet die Wiedereingliederung in ein soziales Netz, die Wiederaufnahme alter Beziehungen und das Knüpfen von neuen Kontakten (Bittner/ Reisch, 1994, S. 226). Die Umstellung der Statusveränderung und ein Verlust des Lebensstandards sind bewusste Aspekte mit dem der Expatriate umgehen muss. Bei soziokultureller Reintegration liegt der Schwerpunkt darin sich an die kulturellen heimischen Verhältnisse wieder zu gewöhnen. Durch die Auslandstätigkeit haben sich Werte und Normen für den Rückkehrer verschoben, sodass die heimischen Werte und Verhaltensmuster zunächst fremd erscheinen. Bei der beruflichen Reintegration hat der Rückkehrer mit den Aspekten der Karriereerwartungen, seiner Dequalifizierung und den entwicklungsfördernden Anschlussaufgaben zu kämpfen (Scharbert, 2015, S. 12ff.). Die Arten der Reintegration zeigen auf, dass es zu verschiedenen Problemen der Reintegration kommen kann. Es werden die beruflichen, organisationalen und sozialen Reintegrationsprobleme erläutert. Berufliche Probleme Die Mitarbeiter, die sich für eine Auslandstätigkeit entscheiden, haben die Hoffnung nach Rückkehr auf einen Karrieresprung (With, 1992, S. 206). Unternehmen versprechen keine explizierte Position nach der Beendigung des Auslandsaufenthaltes und garantieren den Karrieresprung i.d.R. auch nicht (Kollmann, 2016, S. 20). In der GMAC Umfrage von Jahr 2004 gaben 68% der befragten Unternehmen an, dem Entsandten keine Rückkehrpositionsversprechen abzugeben (Dowling et al., 2008, S. 188). Demzufolge haben die Rückkehrer Angst, keine angemessene Stelle wie die Auslandsposition zu finden (Fritz, 1984, S. 121). So kann im Vorfeld der Entsendung eine versprochene Stelle in Zukunft nicht mehr vorhanden sein. Dies hat zu Folge, dass eine gewisse Unzufriedenheit der Rückkehrer entsteht, da die Erwartungen nach der Auslandstätigkeit nicht erfüllt worden sind. Je höher der Entsandten in der Hierarchie stand, desto schwieriger wird es eine angemessene Position zu finden (Kollmann, 2016, S. 20 ff.). Durch organisatorische Veränderungen wie Outsourcing, Downsizing oder Fusionen, stehen für Rückkehrer eventuell weniger attraktive Positionen zur Verfügung (Kühlmann, 2004, S. 95). Außerdem kann der Expatriate durch den Aufenthalt im Ausland gewisse Kenntnisse verlernt haben, wie z.B. den Verlust des Know-hows im technischen Bereich, in dem die Kenntnisse schnell alt werden (Bittner/ Reisch, 1994, S. 227), wobei bei der Rückkehr des Expatriates er den Anforderungen nicht gewachsen sein kann (Kühlmann, 2004, S. 95). Dies führt zwangsläufig zur Enttäuschung des Expatriates, da seine Erwartungen nach der Rückkehr nicht erfüllt werden. Übung 4.9 Welche klassischen beruflichen Probleme können bei einer Reintegration nach einem Auslandseinsatz auftreten? Organisationale Reintegrationsprobleme Zudem kommen die organisationalen Reintegrationsprobleme hinzu, die die Wiedereingliederung im Unternehmen erschweren. Die Expatriates haben vom Unternehmen in Bezug zur ihrer Rückkehr <?page no="281"?> 282 4 Prozess des internationalen Personalmanagements keine spezifischen Informationen bekommen, das führt dazu, dass sie im Ungewissen über ihre Rückkehrposition sind. Die Umgewöhnung des andersartigen Lebensstandards fällt den Expatriate schwer, da im Ausland die finanzielle Lage oft lukrativer ist als im Inland (Kollmann, 2016, S. 219). Außerdem haben die Expatriates im Ausland i.d.R. niedrige Lebenshaltungskosten und materielle Zusatzleistungen wie einen Firmenwagen oder eine Wohnung, die ihnen zur Verfügung gestellt werden (Black et al., 1992 S. 239f.). Soziale Reintegrationsprobleme Die Probleme der sozialen Reintegration sind vor allem die Wiedereingliederung im sozialen Umfeld, die Wiederaufnahme alter Beziehungen und die Knüpfung neuer Kontakte. Die soziale Reintegration führt zu einem „Entfremdungsgefühl“, das oft verharmlost wird, da der Rückkehrer in ein nicht mehr bekanntes Umfeld zurückkehrt. Zumeist haben sich nicht nur die Umstände nach der Rückkehr geändert, sondern auch unbewusst der Entsandte. Der Erfolg der Auslandstätigkeit ist abhängig von der Familie. So ist auch der Erfolg einer Reintegration des Entsandten abhängig von der Wiedereingliederung in die Familie (Kollmann, 2016, S. 22 ). Die familiären Probleme, die bei der Auslandstätigkeit eine Rolle spielten, werden auch im Heimatland zu einem Problem. Die Komplikationen der Wiedereingliederung können die Leistung des Mitarbeiters erheblich beeinflussen und eine Unzufriedenheit auslösen (z.B. eine Scheidung). Auswirkung ungenügender Reintegration Die Auswirkungen einer ungenügenden Wiedereingliederung in das Unternehmen sind für den Rückkehrer als auch für das Unternehmen gravierend. Wird der Rückkehrer vor und während der Reintegrationsphase mangelhaft betreut, wird die Bereitschaft einen erneuten Auslandseinsatz zu tätigen gering. Die schlechten Erfahrungen werden an die Arbeitskollegen übermittelt und lösen eine Abneigung eines Auslandseinsatzes aus. Da die gewünschte Position für Rückkehrer zunächst in weiter Ferne bleibt, wird eine geringfügigere Tätigkeit ausgeübt. Durch die schwierige Situation für beide Parteien schrecken Unternehmen nicht davor zurück, einem Rückkehrer einen Aufhebungsvertrag mit einer entsprechenden Abfindung anzubieten (Dülfinger/ Jöstingmeirer, 2008, S. 540f.). Die ungenügende Reintegration eines entsandten Mitarbeiters mit neu erworben kulturellen und fachlichen Wissen, hat die Folge, dass der Rückkehrer das Unternehmen i.d.R. verlässt. Dies führt zu einer erheblichen Fehlinvestition, da viele Maßnahmen getroffen wurden, um den Erfolg des Auslandseinsatzes zu garantieren. „Ein Mitarbeiter, der sich unter schwierigen Bedingungen im Ausland bewähren konnte, besitzt Kenntnisse und Fähigkeiten, die in Zeiten der zunehmenden Globalisierung der Wirtschaft immer wertvoller werden. Hierzu gehören z.B. Aufgeschlossenheit gegenüber ungewohnten Arbeits- und Lebensstilen, größere Selbstständigkeit im Denken und Handeln sowie Verhandlungsfähigkeit in einer oder mehreren Fremdsprachen“ (Kühlmann/ Stahl, 1995, S. 189). So verlässt ein Mitarbeiter mit all dem erlernten Wissen im beruflichen als auch im privaten Bereich das Unternehmen, wobei dieser z.B. als Mentor für andere Mitarbeiter zur Verfügung stehen hätte können. Eine Studie der GMAC (Global Relocation Services, 2002) ergab von 150 befragten Unternehmen, dass 26% der Rückkehrer nach mindestens zwei Jahren den Arbeitgeber verlassen bzw. gewechselt haben. Die Rückkehrer haben im Ausland Erfahrung sammeln können, wobei das Wissen der Auslandstätigkeit vom Unternehmen nicht ausreichend genutzt wurde. <?page no="282"?> 4.5 Reintegration 283 Übung 4.10 Beschreiben Sie die klassischen Auswirkungen einer ungenügenden Reintegration mit eigenen Worten. Erfolgsfaktoren Reintegration einer Auslandsentsendung Nach den Reintegrationsproblemen des Rückkehrers und ihren Folgen für das Unternehmen ist die Wiedereingliederung ein kaum zu vernachlässigendes Problem. Angesichts der Tatsache, dass ein Auslandseinsatz mit viel Aufwand betrieben wurde, der zudem noch sehr kostenaufwendig ist, sollte ein verstärktes Interesse bestehen, die Leistung der Entsandten und deren Beitrag zum Gesamtunternehmenserfolg unbedingt zu definieren (Harris et al., 2005, S. 274). Um die Erfolgsfaktoren zu bestimmen, muss der Anpassungserfolg untersucht werden. Die Frage, was unter dem Erfolg einer Entsendung zu verstehen ist, bleibt in internationalen Unternehmen oft offen (Eckert, 2010, S. 36). Zudem stellt die Anerkennung der gesammelten Erfahrungen von Mitarbeitern im Ausland einen Schlüsselfaktor dar, der die Leistungsbereitschaft und die Zufriedenheit aller Mitarbeiter/ innen beeinflusst (Grote, 2015, S. 81). Der Rückkehrer muss eine gewisse Eigeninitiative und Eigenverantwortung für die Wiedereingliederung erbringen. Der kontinuierliche Kontakt zu den Arbeitskollegen im Mutterunternehmen ist ein wichtiger Faktor für die Reintegrationsphase des Rückkehrers. „Die Experten erwarten zunehmend Bedarf an professioneller Unterstützung vor, während und nach Auslandseinsätzen [...] bei der Entsendung von Expatriates [...]“ (Wunderer/ Dick, 2000, S. 109). Der Reintegrationsprozess begleitet den Entsandten von Beginn an, während des Auslandseinsatzes bis hin zur Rückkehr. Während der Auslandstätigkeit sollte das Unternehmen rechtzeitig die zukünftige Rückkehrposition dem Expatriate mitteilen , wobei die Erwartungshaltung des Expatriates nach der Beendigung des Auslandseinsatzes sich negativ oder positiv auf seine Reintegration auswirken kann. Werden seine Erwartungen an die Rückkehr nicht erfüllt, so kann eine negative Haltung ausgelöst werden und so die Reintegration erschweren. Außerdem ist ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Reintegration das Mentorensystem (Mauer, 2013, S. 34), das den Rückkehrer einen gewissen Halt und Verständnis gegenüber seiner Situation aufbringen kann. Empfehlungen für die Wiedereingliederungsphase Die Betreuung während des Auslandseinsatzes finden die Expatriates nicht allzu relevant wie eine intensivere Unterstützung während der Wiedereingliederungsphase, die zu den Aufgaben der Personalabteilung zählt. Ein weiter Teil des Aufgabenbereiches ist das Wahrnehmen von Informations-, Koordinations- und Administrationsaufgaben sowie die Unterstützung der Wiedereingliederung im Unternehmen (Dorris, 1999, S. 78). Hilfreich wären frühzeitige Wiedereingliederungsgespräche, die den Entsandten auf die Rückkehr vorbereiten. Außerdem können „Karrieregespräche“ vor der Entsendung realistische Erwartungen an die Rückkehr schaffen. So sollten z.B. Faktoren wie die Entsendungsdauer, der spezifische Aufgabenbereich, die zusätzlichen Entwicklungsmaßnahmen vor Ort und welche Position nach der Auslandstätigkeit angestrebt werden können erörtert werden. <?page no="283"?> 284 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Ein wichtiger Aspekt für die Wiedereingliederungsphase ist die des Informationsaustausches, der während des Auslandseinsatzes eine Rolle spielt. Informationen über die politische und kulturelle Lage im Heimatland als auch Informationen über neue Aspekte z.B. neue Technologien, Personalveränderungen und Umstrukturierungen im Unternehmen, sollten dargelegt werden. Die Auslandsentsendung sollte sinnvoll in die berufliche Laufbahn des Entsandten eingebaut werden, sodass zwischen der Tätigkeit im Ausland und nach der Rückkehr ein Zusammenhang erkennbar ist (Dorris, 1999, S. 79f. ) Das neu erlernte Wissen im Unternehmen einzubringen, löst bei den entsandten Mitarbeitern eine gewisse Wertschätzung seiner Auslandstätigkeit aus, die sich positiv auf seine Reintegration auswirkt. Die Wiedereingliederung oder auch Reintegration eines Expatriates umfasst die letzte Phase und wird in der Literatur und in der Praxis als die schwierigste Aufgabe der Auslandsentsendung beschrieben. Viele Unternehmen gehen mit dieser Thematik sehr stiefmütterlich um, weshalb dieses Thema zu zahlreichen Problemen führt. Black et al. (1992) verdeutlichen dies mit folgendem Beleg: „Repatriation is perhaps the least carefully considered aspect of global assignments“ (Festing et al., 2011, S. 340). Dabei wird seitens der Unternehmen unterschätzt, dass auch die Reintegration ein Neuanfang darstellt. Festing et al. (2011) verdeutlichen mit der Unterschätzungsproblematik, dass sich mit der Rückkehr in die Heimatgesellschaft traumatische Erlebnisse entwickeln können, „die teilweise heftigere Auswirkungen mit sich bringen als zuvor die Anpassungsprobleme im Ausland“ (Festing et al., 2011, S. 340). Kammel und Teichelmann (1994) assoziieren mit der Reintegration eine Phase, die „unter Umständen zu erheblichen Orientierungsproblemen und oft auch zur Frustration“ führen (Kammel/ Teichelmann, 1994, S. 100). Im äußersten Fall betont Stahl (1998) die Kündigung seitens des Entsandten, bei einem nichtzufriedenstellenden Positionsangebot (Stahl, 1998, S. 251). Diese Aussagen heben die Problematik hervor, dass der Expatriate wie in der Anfangsphase der Auslandsentsendung, erneut mit einer kulturellen Anpassungsphase konfrontiert wird. Ein Konzept zur Reintegrationsanpassung wurde seitens Black et al. im Jahre 1992 entwickelt, welche die Wiederanpassung von Expatriates im Folgenden demonstriert und in der Literatur eine hohe Bedeutung besitzt. Abb. 4.10: Modell der Wiederanpassung nach Black et al. Quelle: Black/ Gregersen/ Mendenhall, 1992a, S. 745. <?page no="284"?> 4.5 Reintegration 285 Dabei besteht die Anpassung aus unterschiedlichen Dimensionen. Die erste Dimension orientiert sich an der Anpassung an den beruflichen Bereich, gefolgt von der Anpassung an die sozialen Interaktionen und letztendlich aus der Anpassung an den kulturellen Bereich. Diese drei Dimensionen stellen eine entscheidende Grundlage dar, da diese durch zwei Bestimmungsgrößen, nämlich durch „vor der Rückkehr“ und „nach der Rückkehr“ beeinflusst werden. Diese beiden Kategorien der Bestimmungsgrößen werden in vier Variablen unterteilt, die durch vielfältige Kriterien charakterisiert werden. Im Zuge dessen wird der Anpassungsprozess des Entsandten durch die individuelle, berufliche, organisatorische und nicht-arbeitsbezogene Variable beeinflusst. Bezüglich der individuellen Faktoren berücksichtigen die Autoren vor der Rückkehr die Dauer des Auslandsaufenthaltes und die Veränderungen im Stammhaus sowie nach der Rückkehr die Wiederanpassung des Entsandten und das Kontrollbedürfnis. Die berufliche Variable konzentriert sich vor der Rückkehr durch die Unabhängigkeit der Tätigkeit und nach der Rückkehr durch die Rollenklarheit und -konflikte. Die organisatorische Variable beinhaltet Faktoren wie den Kommunikationsaustausch sowie die Betreuung durch einen Mentor. Reintegrationsseminare und Reintegrationsprogramme gehören zu den Faktoren nach der Rückkehr. Die Variable, die das außerberufliche Umfeld abbildet, wird vor der Rückkehr durch Einflussfaktoren wie die kulturelle Distanz und nach der Rückkehr durch den sozialen Status sowie die Anpassung des Partners charakterisiert (Black/ Gregersen/ Mendenhall, 1992a, S. 744 ff.). Ferner stellen Black et al. (1992) fest, dass sich Expatriates bereits vor ihrer Rückkehr mit der Beendigung des Auslandseinsatzes beschäftigen und sich mit der Fragestellung auseinandersetzen, welche Herausforderungen nach Ankunft in das Stammland in Bezug auf die Arbeit und das Privatleben auf sie zukommen. In diesem Zusammenhang wird die Kategorie „vor der Rückkehr“ als ein entscheidendes Einflusskriterium auf die Wiederanpassung dargestellt. Für die Förderung des Wiederanpassungsprozesses des Expatriates gilt die Kategorie „nach der Rückkehr“ als entscheidendes Kriterium (Ebd. S. 742 ff.). Zusammenfassend lassen sich die Herausforderungen in den drei bestehenden Hauptbereichen konzentrieren. Die berufliche, soziale und kulturelle Kategorie sollte stets seitens der Unternehmen bezüglich der Wiedereingliederung der Expatriates unterstützt werden. Letztendlich ist es von enormer Bedeutung, keine Kategorie zu vernachlässigen, d.h. sich im besten Fall mit allen gleichwertig zu befassen. Wiedereingliederung aus Mitarbeiterperspektive Im Rahmen der privaten Wiedereingliederung kommt es oft zu unterschiedlichen Problemen, womit einerseits der Mitarbeiter und andererseits das Unternehmen konfrontiert werden. In der Literatur kommt die Hauptproblematik der Identifikation mit der neuen Arbeitsstelle zum Ausdruck. Dülfer & Jöstingmeier (2008) betonen einerseits die beruflichen und andererseits die privaten Faktoren, die bezüglich der Integration des Mitarbeiters oft Schwierigkeiten verursachen. Der Expatriate und seine Familie müssen erneut die Phasen durchlaufen, die am Beginn des Auslandsaufenthaltes obligatorisch waren (Dülfer/ Jöstingmeier, 2008, S. 544). Festing et al. (2011) verstehen hierzu unter den beruflichen Faktoren die fehlende Arbeitsplatzsicherheit bzw. die Bereitstellung einer angemessenen Stelle, in der die gewonnenen Kenntnisse eingesetzt werden können. Diesbezüglich führt dies unter Umständen zu einem Abstieg des Mitarbeiters bezüglich der Position, da dieser möglicherweise im Ausland mehr Verantwortung und Führungskompetenzen zugetragen bekommt. Die Schlüsselpositionen genießen im Gastland überwiegend eine umfassende Aufgabenstellung, die im Stammunternehmen nur in den Zuständigkeitsbereich des Vorstands fällt. Dies bedeutet, dass jede andere Aufgabe eine Rotation zur Spezialisierung signalisiert. Somit führen die Erwartungen zu Enttäuschungen und damit lässt sich eine geringe Wertschätzung erworbener Fähigkeiten in Verbindung bringen (Festing et al., 2011, S. 342 f.). In Anlehnung an Festing et al. (2011) beschreiben Dülfer <?page no="285"?> 286 4 Prozess des internationalen Personalmanagements & Jöstingmeier (2008) die Rückkehr in das Stammland als eine totale Veränderung aufgrund des oben beschriebenen Statusverlustes (Dülfer/ Jöstingmeier, 2008, S. 545). Eine Verschlechterung resultiert auch auf organisatorischer Ebene. Dies begründet sich darin, dass die Kompetenz für die Durchführung von Entscheidungshandlungen genau festgelegt und begrenzt ist. Auf diese Weise entsteht ein Gefühl der eingeschränkten Handlungsfähigkeit, welches eine Demotivation bei dem Mitarbeiter auslösen kann. Weiterhin ist der Expatriate auch mit anderen Interaktionspartnern vernetzt, während im Gastland als Gesprächspartner die obersten Entscheidungsträger auserwählt sind, werden im Stammland Sachbearbeiter von Kunden als Interaktionspartner herangezogen (Zinger, 2002, S. 53). Des Weiteren entstehen weitere Herausforderungen aufgrund der Unzufriedenheit der Familie nach der Rückkehr ins Stammland. Die Ehefrau muss sich nun im Stammland alleine um den Haushalt kümmern, während im Ausland häufig Hauspersonal zur Verfügung gestellt wurde. Somit kommen einige ruckartige Veränderungen auf, mit der einerseits der Expatriate aufgrund seiner Beschränkung der Leistungsfähigkeit und andererseits die Familie mit den schockartigen Veränderungen umgehen müssen. Auch monetäre Probleme können entstehen, wenn bspw. die Entlohnung weiterhin auf gleicher Höhe gehalten wird. Diese Problematik tritt dadurch auf, da die Auslandszulage entfällt und somit eine Senkung des Bruttoverdienstes stattfindet (Dülfer/ Jöstingmeier, 2008, S. 545). Nach Studienergebnissen von Deloitte (2008) geht hervor, dass die Hauptgründe für eine gescheiterte Auslandsentsendung durch Integrationsschwierigkeiten aufgrund kultureller Unterschiede hervorgerufen werden. Infolgedessen bestätigt sich die dritte These mit dieser Studie und den geschilderten Herausforderungen, dass sich der Prozess der Auslandsentsendung problematisch darstellt. Die Wichtigkeit der Wiedereingliederung wird bereits von vielen Unternehmen erkannt, jedoch sind diese nicht in ausreichendem Maße der Herausforderungen gewachsen. Für eine erfolgsversprechende Entsendung ist es daher seitens der Unternehmen essenziell, den Wiedereingliederungsprozess aktiv zu gestalten und sich bereits vor der Entsendung damit auseinanderzusetzen (Deloitte, 2008, S. 35 f). 4.5.4 Wiedereingliederung aus Unternehmensperspektive Aus Sicht des Unternehmens bringt auch die Reintegration des Mitarbeiters einige Schwierigkeiten mit sich. Herausforderungen aus dem Blickwinkel des Unternehmens lassen sich in mehreren Bereichen untergliedern. Diese umfassen nach Kammel & Teichelmann (1994) die zeitliche, quantitative und qualitative Deckungsungleichheit bezüglich der Rückkehr des Mitarbeiters und der Verfügbarkeit einer angemessenen Position im Stammunternehmen zu finden. Eine zeitliche Deckungsungleichheit kann auftreten, wenn ein im Voraus ungeplanter längerer Aufenthalt des Mitarbeiters im Ausland vonnöten ist oder sich eine Versetzung des bisherigen Stelleninhabers im Stammunternehmen hinausschiebt. Demgegenüber tritt die quantitative Deckungsungleichheit dann auf, wenn eine den Fähigkeiten des Mitarbeiters adäquate Stelle zur Verfügung steht, jedoch interne Mitarbeiter im Stammunternehmen eine große Nachfrage und Interesse an dieser Stelle haben (Kammel/ Teichelmann, 1994, S. 101). Falls die Besetzung durch einen Inlandsbeschäftigten stattfindet, kann es dazu führen, dass es zu differenzierenden Erwartungen zwischen dem Entsandten und dem Unternehmen in Anbetracht des Einkommens, Verantwortungsbereiches und der Aufgabenzuweisung kommt. Dementsprechend kann es in der oben beschriebenen Konstellation durchaus vorkommen, dass der zurückgekehrte Mitarbeiter auf eine Warteposition gesetzt wird (Dülfer/ Jöstingmeier, 2008, S. 546). Unter der Voraussetzung, dass keine adäquate Stelle für den zurückkehrenden Mitarbeiter aufgrund von personellen Umgestaltungsmaßnahmen offeriert werden kann, tritt die qualitative Deckungsungleichheit auf (Kammel/ Teichelmann, 1994, S. 102). Zudem kann es vorkommen, dass die Inlandsbeschäftigten während des Entsendungszeitraumes im Unternehmen eine Beförderung bekommen <?page no="286"?> 4.5 Reintegration 287 und somit gegenüber dem Expatriate eine Hierarchiestufe höhergestellt sind. Mit dieser Gegebenheit stellt sich der Expatriate äußerst unzufrieden und es herrschen Spannungen zwischen den Mitarbeitern, wodurch auch das Betriebsklima negativ beeinflusst wird (Dülfer/ Jöstingmeier, 2008, S. 546). Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich die Reintegration des Expatriates nicht nur auf die berufliche Kategorie konzentriert. Eine entscheidende Rolle spielen auch die Faktoren, die sich auf den sozialen und privaten Bereich einordnen lassen. So sollen auch die subjektiven Wahrnehmungen verstärkt berücksichtigt werden, da diese einen entscheidenden Einfluss auf all die interne Kommunikation und des Betriebsklimas aufweisen. Kennzeichnend dafür ist eine gründliche Betreuung und Bindung des Expatriates und der mitreisenden Familienmitglieder vor, während und nach der Rückkehr in das Stammunternehmen, um für beide Seiten einen Profit zu erreichen. Außerdem kann eine ständige offene Kommunikation zwischen dem Stammunternehmen und dem Expatriate während der gesamten Dauer eventuelle Unannehmlichkeiten nach der Rückkehr vorbeugen. 4.5.5 Maßnahmen zur Unterstützung der Reintegration des Expatriates Um die Reintegration so erfolgreich wie möglich zu gestalten bzw. zu fördern, können seitens des Unternehmens verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. In der Forschungsliteratur werden diesbezüglich verschiedene Methoden für das Personalmanagement beschrieben. Im Folgenden werden die bedeutsamsten Maßnahmen vorgestellt. Realistische Karriereplanung Eine wichtige Maßnahme zur Betreuung der Reintegration stellt u.a. die Karriereplanung dar. Die hier resultierenden Probleme entstehen, wenn sich der Expatriate im Gastunternehmen weitreichende Fähigkeiten und Kompetenzen angeeignet hat, die so im Stammunternehmen nach der Rückkehr keine Berücksichtigung finden. Dies führt bei dem Expatriate somit zu einer hohen Unzufriedenheit und Frustration. Um diesen Herausforderungen entgegenzuwirken, ist es seitens des Stammunternehmens unerlässlich, eine gezielte Vorbereitung für den Expatriate zu planen und gegebenenfalls diverse Vertragsangebote anzubieten (Feldman, 1991, S. 173). Hinsichtlich der Erwartungen der Expatriates bezüglich ihrer Karriereplanung und der angebotenen Position nach ihrer Rückkehr bestehen größtenteils Diskrepanzen. In diesem Falle ist es erforderlich, dass das Personalmanagement im Stammunternehmen ausreichend Zeit für die Karriereentwicklung investiert und vor der geplanten Rückkehr eine adäquate Anschlussposition zur Verfügung stellt (DGFP e.V., 2010, S. 153). In diesem Zusammenhang weist Perlitz (2004) darauf hin, dass es in der Praxis häufig zu Schwierigkeiten kommt, eine adäquate Reentry-Position bereitzustellen. Dieser Problematik wird durch die Umsetzung von Maßnahmen wie die Verlängerung des Auslandseinsatzes oder durch das Anbieten von Auffangstellen begegnet (Perlitz, 2004, S. 420). Hierzu sollten dem Expatriate bereits vor der Auslandsentsendung seitens des Stammunternehmens keine falschen Versprechungen bezüglich der Karriereentwicklung zugesichert werden, die nach der Rückkehr nicht durchführbar sind. Damit keine Diskrepanzen entstehen, sollte grundsätzlich vor der Entsendung ein umfassendes Gespräch mit dem zu entsendenden Kandidaten stattfinden und mögliche Herausforderungen bezüglich des Rückkehrprozesses geschildert werden, um realistische Erwartungen zu gewährleisten (DGFP e.V., 2010, S. 153). Im Rahmen der Karriereentwicklung ist eine frühzeitige berufliche Laufbahnplanung bezüglich des Positionsaustausches sowohl für das Unternehmen als auch für den Mitarbeiter gewinnbringend. Demgemäß kann der Expatriate durch diese Maßnahme mit auftretenden Herausforderungen besser umgehen und diese erfolgreich bewältigen. Auch die <?page no="287"?> 288 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Reintegration des Mitarbeiters in das Unternehmen kann somit erleichtert werden und die Bindung an das Unternehmen kann gestärkt werden (Fritz, 1982, S. 188). So unterstreicht eine Studie von Deloitte (2008) diese Problematik. Darin wird die Maßgeblichkeit einer erfolgreichen Karriereplanung zum Thema Rückkehrposition des Expatriates verdeutlicht. Die oben beschriebene Unzufriedenheit mit der Rückkehrposition zählt hierbei mit 78% zu den Hauptgründen für eine Kündigung seitens des Expatriates, wobei 200 Experten im gehobenen deutschen Mittelstand befragt wurden. Ebenfalls konnte ermittelt werden, dass 58% des erworbenen Wissens nicht im Unternehmen angewandt werden kann (Deloitte, 2008, S. 22). Vertragliche Rückkehrgarantie - Reentry Garantie Eine weitere effiziente Maßnahme zum Wiedereingliederungsprozess stellt die Rückkehrgarantie oder auch Wiedereingliederungszusage bzw. Reentry-Garantie dar, welches dem Expatriate bereits vor seiner Auslandsreise zugesichert wird. Durch die Zusage einer Reentry-Garantie steigt auch die Begeisterung der Mitarbeiter einen Auslandseinsatz zu tätigen, da somit eine gewisse Sicherheit herrscht, nach der Rückkehr weiterhin den Job zu behalten. Dementsprechend wird dem Expatriate mitunter zugesichert, dass er nach seiner Rückkehr in die bisherige Hierarchieebene eingeordnet wird (Perlitz, 2004, S. 404) Schmeisser (2008) unterscheidet in Bezug auf die Rückkehrgarantie drei unterschiedliche Optionen, die dem Expatriate angeboten werden können. Zum einen kann der Arbeitgeber dem Expatriate eine Garantie versprechen, dass dieser nach seiner Rückkehr in das Stammunternehmen eine vergleichbare Position mit seiner bisherigen Tätigkeit erhält, wobei auch das Einkommen und die Funktion korrespondieren. Die zweite Option basiert auf die Zusage einer Rückkehrgarantie, indem vorerst keine bestimmte Position angeboten wird, die gesammelten Erfahrungen im Hinblick auf den Auslandseinsatz jedoch in Betracht gezogen werden. Die dritte Alternative zeichnet sich dadurch aus, dass dem Expatriate seitens des Arbeitgebers eine konkrete und verbindliche Zusage einer Position garantiert wird. Jedoch findet diese Alternative in der Praxis sehr selten Anwendung, da personelle und organisatorische Veränderungen auftreten können und längerfristige Prognosen die Reintegrationszusage beeinträchtigen bzw. erschweren können (Schmeisser, 2008, S. 259). In diesem Zusammenhang akzentuieren Kammel & Teichelmann (1994) die Schwierigkeiten hinsichtlich einer konkreten Positionszusage. Ein solches Versprechen bereitet mögliche Probleme für das Personalmanagement, da die präzise Positionszusage möglicherweise dem Rückkehrer so nicht angeboten werden kann. Dies begründet sich darin, dass zum Zeitpunkt der Rückkehrer die versprochene Position nicht mehr zu besetzen ist. Als Folge dessen entstehen Enttäuschungen und Unzufriedenheit bei den zurückgekehrten Mitarbeitern (Kammel/ Teichelmann, 1994, S. 103). Grundsätzlich sollten die Maßnahmen frühzeitig geplant werden, um einen Erfolg bei der Reintegration zu erzielen. Hierbei ist es von elementarer Bedeutung, dass die im Stammunternehmen verantwortlichen Personen den festgesetzten Zeitpunkt der Reintegration des Expatriates vor Augen haben, um im Voraus die Position planen zu können. Um Probleme, die mit der Reintegration des Expatriates auftreten zu verringern, sollte der Auslandseinsatz für Führungskräfte ein festes Element für die berufliche Entwicklung sein (Perlitz, 2004, S. 421). Reintegrationsseminare Reintegrationsseminare stellen eine weitere Maßnahme zur Beseitigung der Reintegrationsschwierigkeiten sowohl für den Expatriate als auch für seine Familienangehörigen dar. Dabei verfolgen derartige Seminare facettenreiche Zielsetzungen. Die Ziele sollen einerseits darin liegen, die Erfahrungen und Eindrücke der Entsandten untereinander auszutauschen und im Anschluss mit der Fachabteilung auszuwerten (Kammel/ Teichelmann, 1994, S. 104 f.) Außerdem weist Hirsch (2003) darauf <?page no="288"?> 4.5 Reintegration 289 hin, dass solche Reintegrationsseminare dabei helfen sollen, alle Veränderungen sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich zu reflektieren und sich gezielt mit den Veränderungen auseinanderzusetzen. Um den besten Nutzen aus den Seminaren zu erzielen, ist es von zentraler Bedeutung, die Durchführung der Lernprozesse an den Bedürfnissen, Erfahrungen und Interessen der Rückkehrer auszurichten (Hirsch, 2003, S. 425 ff.). Während der Wiedereingliederungsphase von Rückkehrern im Stammunternehmen sollten stattfindende Reintegrationsseminare folgende Aspekte berücksichtigen (Nery-Kjerfve/ McLean, 2012, S. 625): 1. Interkulturelles Training 2. Praktisches Training 3. Technisches Training Im Rahmen des interkulturellen Trainings werden unterstützende Hilfestellungen gegeben, wodurch der Rückkehrer den eventuell auftretenden Rückkehrschock möglichst effektiv bewältigt. Das praktische Training soll dazu dienen, die Informationsdefizite des Rückkehrers zu schließen. Darüber hinaus werden eventuell eingetretene Veränderungen während der Abwesenheit des Expatriates kommuniziert. Im Zusammenhang mit dem technischen Training werden Weiterentwicklungen hinsichtlich technischer Veränderungen und Fortschritte im Stammunternehmen bekanntgegeben. In Anlehnung an die oben beschriebenen Hauptaspekte der Reintegrationsseminare sind Kammel & Teichelmann (1994) der Überzeugung, dass ein weiterer Aspekt bezüglich der Faktoren, die eine Unzufriedenheit auslösen können, als ein fester Bestandteil zu behandeln ist. Daraus sollen die Rückkehrer den Nutzen des Auslandseinsatzes aus der Perspektive der gewonnenen Erfahrungen vor Augen führen, um daraus die Erkenntnis der persönlichen Weiterentwicklung abzuleiten. Im Ergebnis liegt es an dem eigenverantwortlichen Handeln des Expatriates, auftretende Probleme zu lösen und insbesondere mit diesen kompetent umzugehen (Kammel/ Teichelmann, 1994, S. 104). In der Literatur wird festgehalten, dass die Teilnahme der mitgereisten Partner eine sehr förderliche und vorteilhafte Unterstützung darstellt. Die Partner sind ebenfalls eingeladen, ihre Erfahrungen bezüglich der im Ausland aufgetretenen Schwierigkeiten zu erörtern und im Anschluss über mögliche Lösungen mit den Teilnehmenden zu diskutieren. Dabei hat Volkswagen ein Seminarkonzept entwickelt, welches in erster Hinsicht die emotionalen Faktoren des Rückkehrers berücksichtigt. Das Konzept beinhaltet Sachverhalte wie den Erfahrungsaustausch, Informationen über Veränderungen im Steuer- und Sozialversicherungsangelegenheiten sowie Einzel- und Gruppenübungen. Ferner soll anhand von Rollenspielen die interkulturelle Handlungskompetenz der Rückkehrer intensiviert werden (Hirsch, 2003, S. 427). Die Umsetzung eines Reintegrationsseminars sollte nicht gleich im Anschluss nach der Rückkehr erfolgen. Es empfiehlt sich eine Dauer von frühestens ein paar Wochen einzuhalten, um dem Expatriate und seiner Familie die Möglichkeit zu geben, sich gezielt über die Schwierigkeiten im Ausland vergegenwärtigen zu können. Auch wird davon ausgegangen, dass erst nach der Rückkehr in das Heimatland mögliche Schwierigkeiten in Bezug auf die Reintegration auftreten und sich bemerkbar machen. Resultierend daraus, stellen Reintegrationsseminare hilfreiche Maßnahmen dar, um die Schwierigkeiten der Rückkehrer untereinander zu diskutieren, zu erkennen und gezielt zu analysieren (Kammel/ Teichelmann, 1994, S. 104 f.). In Anbetracht der Schwierigkeiten bezüglich der Reintegration, sind Black et al. (1992) der Auffassung, dass Reintegrationsseminare vor der Auslandsentsendung eine unterstützende Maßnahme repräsentieren, damit mögliche Wiedereingliederungsschwierigkeiten nach der Rückkehr gar nicht bzw. in geringem Maße auftreten. Neben der Vermittlung von allgemeinen Auskünften über den Auslandseinsatz, umfassen diese Sensibilisierungsseminare auch Informationen über den Kulturschock sowie über <?page no="289"?> 290 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Reintegrationsschwierigkeiten, um den Expatriate bestmöglich über eventuelle Herausforderungen zu informieren (Black/ Gregersen/ Medenhall, 1992a, S. 746). Zusammenfassung In diesem Absatz wurde der Reintegrationsprozess mit seinen Problemen und Chancen aufgezeigt. Hierbei sind eine realistische Karriereplanung, ‚offene Worte‘, Reintegrationsseminare und eine vertragliche Rückkehrgarantie empfehlenswert. Schlussbetrachtung Was haben Sie gelernt? Die Betreuung von Expatriates vor, während und nach dem Auslandsaufenthalt muss durch mehrere Maßnahmen der Personalabteilung gewährleistet werden. Somit muss eine Reihe von Maßnahmen im Rahmen einer Auslandsentsendung eingesetzt werden. Dabei ist es Aufgabe der Personalabteilung, durch etwaige Informationssowie Koordinierungsaufgaben den Expatriate zu unterstützen. Einerseits soll das Unternehmen gewinnbringende Maßnahmen einsetzen, andererseits liegt es auch in der Verantwortung des Expatriates zur erfolgreichen Entsendung beizutragen. Dabei stehen vielfältige Möglichkeiten, wie das Erwerben von Sprachkenntnissen oder eine Erwartung einer realistischen Rückkehrposition im Vorfeld. Die Erwartungshaltung einer realistischen Rückkehrposition kann durch Karrieregespräche unterstützt werden. Gestartet sind wir mit der Bedeutung und den Zielen von Auslandseinsätzen. Im zweiten Absatz haben wir uns der Auswahl von Mitarbeitern gewidmet. Der dritte Absatz beinhaltet interkulturelle Trainings, hier geht es darum, einen Auslandseinsatz vorzubereiten und was dabei zu beachten ist. Familiäre Stabilität ist beispielsweise ein großer Erfolgsfaktor eines Auslandseinsatzes. Im vierten Absatz wird aufgezeigt, wie ein Auslandseinsatz i. d. R. abläuft. Der klassische Entsendungsprozess mit den einzelnen Prozessstufen wird beschrieben. Ein Kulturschock kann nicht nur bei der Entsendung eines Mitarbeiters ins Ausland, sondern auch bei der Reintegration auftreten. Die klassischen Probleme der Wiedereingliederung werden aufgezeigt und analysiert. Lösungshinweise zu den Übungen im Text Übung 4.1 Koordinations- und Kontrollfunktion : Auslandsentsandte, insbesondere in ethnozentrisch geführten Unternehmen, können als Personalcontroller in der Organisation wirken, in der der Entsandte eine direkte Kontrollfunktion innehat, und damit die Umsetzung der Strategie in den Strukturen und Prozessen seitens der Tochterunternehmung sicherstellt. Gerade amerikanische, chinesische, deutsche, japanische und französische Unternehmen nutzen diese Form von Kontrolle, um die Dominanz und Machtposition der Entsandten zu unterstreichen. Sozialisierungsfunktion: Internationale Entsendungen helfen das Wissen von Sprache, politischen und kulturellen Werten von Ländern und Tochterunternehmen zu lernen und zu vertiefen. Kompetenzen im Controlling, im Marketing und im Handel, in der Produktion und in der Logistik <?page no="290"?> 4.5 Reintegration 291 sich anzueignen und an andere Mitarbeiter weiterzugeben, um spätere potenzielle, internationale Führungsfunktion im Unternehmen zu übernehmen. Bildung von Netzwerken: Expatriates tragen zur freundschaftlichen Pflege, Kontakte und Kommunikation zwischen Mitarbeitern der Muttergesellschaft und der Tochterunternehmen bei. Man erhofft sich, dass Netzwerke international entstehen, auf die man bei Gelegenheit zurückgreifen kann, insbesondere wenn der Expatriate zurückgekehrt ist, und z.B. im Mutterunternehmen Kontaktstelle bzw. Person für bestimmte Länder ist. Boundary spanner: Expatriates tragen Informationen aus den intra- und extraorganisatorischen Bereichen der multinationalen Unternehmung zusammen und bilden somit „Boschafter oder ähnliche Vertreter“ ihres Unternehmens im jeweiligen Land. Soziale Events können dem Unternehmen helfen sich über politische Entwicklungen im Land rechtzeitig zu informieren und ein Wissen über den lokalen Markt zu sammeln und wie Reputation für das eigene Unternehmen platziert werden kann. Wissenstransfer und Sprachvermittler: Viele multinationale Unternehmen wie Airbus, BASF, Siemens usw. entwickeln eine unternehmenseigene, standardisierte Unternehmenssprache, die in den meisten Fällen Englisch ist. In Spanien, Mittelamerika und Südamerika kann dies auch Spanisch sein, ebenso in Portugal, Kongo, Mosambik und Brasilien ist auch Portugiesisch denkbar. Dennoch bleiben sprachliche Barrieren als Teil der Zusammenarbeit in internationalen Unternehmen oft bestehen. Übung 4.2 Die effektive und effiziente Personalauswahl nimmt einen großen Stellenwert im Beschaffungsprozess und im gesamten Unternehmen ein. Individuell auf das Unternehmen angepasste Diagnoseverfahren können entscheidende Wettbewerbsvorteile generieren (Berthel/ Becker, 2013, S. 354) So kann auch das Risiko von Fehlentscheidungen gemindert und das Unternehmen mit den benötigten Mitarbeitern versorgt werden. Die Entlassung von einmal eingestelltem Personal ist häufig mit Komplikationen verbunden (Jung, 2011, S. 153). Fehlentscheidungen bei der Auswahl können dem Unternehmen erheblich Schaden zufügen. Es können, wie in Tabelle 4.7 dargestellt, zwei Arten von Entscheidungsfehlern unterschieden werden. Tab. 4.7: Unterscheidung von Entscheidungsfehlern Eignung des Bewerbers Entscheidung angenommen abgelehnt objektiv geeignet richtige Entscheidung fälschlicherweise abgelehnt (β-Fehler) objektiv ungeeignet fälschlicherweise angenommen (α-Fehler) richtige Entscheidung Quelle: in Anlehnung an Berthel/ Becker, 2013, S. 367; Scholz, 2014, S. 18; Krüger, 2002, S. 195 Übung 4.3 AGG Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: § 1 Ziel des Gesetzes <?page no="291"?> 292 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. (https: / / www.gesetze-im-internet.de/ agg/ BJNR189710006.html) Übung 4.4 „Halo-Effekt, halo = Heiligenschein, systematischer Fehler der Personenbeurteilung (Urteilsfehler), bei dem ein einzelnes Merkmal einer Person so dominant wirkt, dass andere Merkmale in der Beurteilung dieser Person sehr stark in den Hintergrund gedrängt bzw. gar nicht mehr berücksichtigt werden. Darüber hinaus wird ausgehend von dem gewählten Merkmal auf weitere Eigenschaften der Person geschlossen, ohne dass hierfür eine objektive Grundlage vorliegen muss. Ausgangspunkt für den Halo-Effekt sind vor allem markante Merkmale der zu beurteilenden Person (z.B. physische Attraktivität, Behinderung, außergewöhnliche Leistungen). Der Effekt der physischen Attraktivität ist besonders häufig belegt worden. Personen, die gut aussehen, werden demzufolge meist auch als intelligent, gesellig oder dominant beurteilt. Das Auftreten des Halo-Effektes wird gefördert, wenn das Urteil besonders schnell gefällt wird.“ http: / / www.spektrum.de/ lexikon/ psychologie/ halo-effekt/ 6232) Übung 4.5 Die mitreisenden Familienangehörigen spielen eine wichtige Rolle im Prozess der Auslandsentsendung. Diese können sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf den Entsandten und den Auslandseinsatz haben, da ein starker Zusammenhang zwischen der Entsendung und der Familienmitglieder herrscht. An dieser Stelle ist auf Groß (1994) zu verweisen, der sich im Hinblick auf die Partnerschaft folgendermaßen äußert: „Eine stabile Ehe erleichtert den Auslandseinsatz, indem sie den ruhenden Pol in einem fremden Umfeld darstellt und Geborgenheit und Vertrautheit vermittelt“ (Groß, 1994, S. 177). Im Gegensatz dazu führt eine bereits belastete Ehe zu Einschränkungen bezüglich der gegenseitigen partnerschaftlichen Beziehungen und somit erschwert sie auch den Auslandsaufenthalt für beide Parteien. Kammel & Teichelmann (1994) betonen, dass eine positive Einstellung des Entsandten und der Familienangehörigen zur Entsendung und zum Auslandsaufenthalt ein nicht zu unterschätzendes Kriterium darstellt. Im Zuge dessen ist es für die Begleitperson ebenfalls von Vorteil, diese in die Auswahlgespräche einzubinden. Außerdem thematisieren die Autoren, dass eine „Schnupperreise“ durchaus sinnvoll erscheint, um eine Enttäuschung in dem Entsendungsland zu vermeiden. Mit dieser Gelegenheit können die Entsandten und deren Familienmitglieder einen Einblick über zahlreiche Aspekte, die mit einer Entsendung zusammenhängen, gewinnen (Kammel/ Teichelmann, 1994, S. 77). Eine Vielzahl von Studien hat sich mit der familiären Begleitung des Entsandten beschäftigt. Dabei bestätigte sich, dass die Unzufriedenheit der Familienangehörigen einen negativen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Entsandten ausüben kann. Aufgrund der ungenügenden kulturellen Anpassung des Partners, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die Motivation des Entsandten sinkt. Des Weiteren kann eine Auslandsentsendung einen Bruch der Karriere der Begleitpartner verursachen (Schneider/ Hirt, 2007, S. 257). Um diese Herausforderungen minimal zu halten, bedarf es einer systematischen Planung während der Auswahlphase des Expatriates. Schon in der Rekrutierungs- und Auswahlphase ist eine Auswahl von geeigneten Mitarbeitern vorzunehmen, die für eine bestmögliche Übereinstimmung im Hinblick auf die Kriterien wie die technischen und sozialen Ziele infrage kommen. <?page no="292"?> 4.5 Reintegration 293 Übung 4.6 Mithilfe eines Onboarding-Prozesses sollen die Mitarbeiter in den betrieblichen Leistungsprozess eingeführt werden, mit dem Ziel jegliche Aktivitäten durchzuführen, die dem Unternehmen durch personelle Kapazitäten eine Profitabilität verspricht (Berthel/ Becker, 2013, S. 320). Der Onboarding- Prozess setzt sich grundsätzlich aus drei Phasen der Vorbereitung, Orientierung und Integration zusammen. Diese erstreckt sich über einen Zeitraum von Beginn der Vertragsunterzeichnung bis hin zum frühesten Ende der vereinbarten Probezeit. Im weiteren Verlauf sollen die oben aufgeführten Phasen eines Onboarding-Prozesses beschrieben, sowie die Aufgaben, die sich für die Beteiligten herausstellen, benannt werden. Die Vorbereitungsphase des Onboarding-Prozesses beginnt mit der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages und dem ersten Arbeitstag. Hierzu werden zahlreiche Maßnahmen im Unternehmen des Einsatzlandes ergriffen, die es einerseits ermöglichen, dem Expatriate den Einstieg in das Unternehmen zu erleichtern und andererseits ein Image der Professionalität des Unternehmens zu erzeugen. Im Hinblick auf die Maßnahmen, sollte der Kontakt mit dem Expatriate möglichst aufrechtgehalten werden. Dabei ist es wichtig, nach Unterzeichnung des Arbeitsvertrages den Entsandten möglichst nützliche Informationen bezüglich der Unternehmensphilosophie sowie den zuständigen Kontaktpersonen mitzuteilen. Außerdem ist es extrem vorteilhaft, zuvor einen konkreten Einarbeitungsplan zu erstellen, die aufschlussreichen Informationen zum geplanten Ablauf geben, wodurch auch der Expatriate das Gefühl der Sicherheit und Klarheit bekommt (Lohaus/ Habermann, 2015, S. 127). In der Vorbereitungsphase könnte außerdem die Bestimmung eines persönlichen Mentors zu einem positiven Effekt führen (Bube, 2015, S. 3). Die Orientierungsphase stellt die zweite Phase des Onboarding-Prozesses dar und schließt den Zeitraum von dem Arbeitsbeginn bis zu dem dritten Monat im Unternehmen ein. Hierbei soll der Expatriate in die Auf- und Ablauforganisation des Unternehmens eingebunden werden, diese verstehen und lernen und sich in seine neue Rolle und seine neuen Aufgaben eingliedern. Dabei werden in der Literatur seitens der Unternehmen zum einen die Aufgaben, die sich an dem ersten Arbeitstag und zum anderen jene Aufgaben, die sich in der ersten Arbeitswoche bemerkbar machen, unterschieden. Aufgaben, die am ersten Arbeitstag vorgenommen werden sollten, beinhalten Maßnahmen, wie die Begrüßung und das Führen eines Einführungsgespräches. Das Gespräch sollte möglichst durch die zuständige Person im Einsatzland des Expatriates stattfinden und eine detaillierte Zusammenfassung über das Gastunternehmen beinhalten. Dabei sollte der Expatriate in Bezug auf die Arbeitsweisen, Führungsgrundsätze, Entwicklungen sowie einen Überblick über die konzeptionellen Feedback-Gesprächstermine bekommen. Auch ist es unerlässlich das zukünftige Tätigkeitsfeld des Expatriates zu betrachten. In der ersten Arbeitswoche übernimmt der Expatriate erste positionsbezogene Aufgaben. Die Integrationsphase des Onboarding-Prozesses durchläuft der Mitarbeiter von dem dritten bis sechsten, maximal jedoch zwölften Monat. In diesem Zeitraum werden durch das Unternehmen integrationsfördernde Maßnahmen implementiert. Diese reichen von der Mitarbeit in Arbeitsgruppen und Projekten, Fortbildungsangebote, bis hin zu Angeboten, die den beruflichen Netzwerken dienen. Weiterhin soll der Expatriate in dieser Phase motiviert werden, zum einen das Wissen zu vertiefen und zum anderen die Eigeninitiative zu stärken. Darüber hinaus sollte die Zeitspanne durch Maßnahmen, wie das Einbinden von Fortbildungsangeboten und Trainings sowie regelmäßigen Feedbackgesprächen unterstützt werden, um die Integration des Expatriates in das Unternehmen zu erleichtern. Hierzu unterstreichen Lohaus & Habermann (2015) die Relevanz eines Gespräches mit dem Mitarbeiter, welches in jedem Fall nach der Integrationsphase stattfinden sollte. Somit soll das Ziel des Gespräches darin liegen, dem Mitarbeiter das Gefühl zu geben, dass er ab diesem Zeitpunkt in vollem Umfang selbstständig für die Erledigung seiner Aufgaben und somit der Arbeitsleistung die volle Verantwortung trägt (Lohaus/ Habermann, 2015, S. 142). <?page no="293"?> 294 4 Prozess des internationalen Personalmanagements Übung 4.7 Arten internationaler Auslandseinsätze Der Begriff Entsendung wird als Oberbegriff für den internationalen Mitarbeitereinsatz definiert. Diese Entsendung kann von einer kurzfristigen Dienstreise bis zu einem mehrjährigen Auslandseinsatz stattfinden. Grundsätzlich liegt eine Entsendung vor, wenn sich ein Mitarbeiter ins Ausland begibt, um dort seine Beschäftigung auszuüben (www.ihk-berlin.de, 2017). Hier wird ein(e) Mitarbeiter / in, der/ die eine Auslandstätigkeit ausübt, als Expatriate, Entsandter oder einfach als entsandter Mitarbeiter bezeichnet. Kurzzeit-Entsendung - Short Term Assignment Bei einer Short Term Assignment spricht man, wenn der Mitarbeiter für einen Zeitraum von weniger als einem Jahr im Ausland tätig ist. Vorteil dieser Art von Entsendung sind die geringen Kosten und Probleme, die bei der Eingliederung im Gastland stattfinden, da die Familien im Heimatland bleiben und dadurch die Entsendung vereinfacht wird. Bei dieser Art der Entsendung handelt es sich um Projekte, die im Ausland von qualifizierten Mitarbeitern betreut werden müssen. Das ständige Reisen ist der Grund dafür, dass eher jüngere Mitarbeiter hierzu bereit sind. Ausschlaggebend für das Antreten der kurzen Auslandstätigkeiten ist häufig der Gewinn der vielen Erfahrungen (www.pwc.com, 2012). Langzeit-Entsendung - Long Term Assignment Bei einer Long Term Assignment ist ein Zeitraum von mehr als einem Jahr definiert, da bei dieser Art von Entsendung der Wohnsitz und der Arbeitsplatz ins Ausland verlegt werden müssen. Die Mitarbeiter werden als Führungspositionen und Repräsentanten des Unternehmens ins Ausland geschickt (Fischermayr/ Kopecek, 2012, S. 28). Die Langzeit-Entsendung ist die mit der Assoziation der klassischen Auslandsentsendung, wobei die Funktionen des Mitarbeiters im Ausland klar definiert sind (Festing et al., 2011, S. 242). Vielflieger Bei einem Vielflieger werden mehrere aufeinanderfolgende Dienstreisen mit verschiedenen Zielen im Ausland bezeichnet (Otten et al., 2007, S. 176). Die Art von Dienstreisen können mehrere Tage bis hin zu mehreren Wochen andauern. Trotz des hohen Stresspegels und Zeitverlustes besteht für diese Art höchste Bereitschaft (Fischermayr/ Kopecek, 2012, S. 28). Aufgrund des Pendelns zwischen verschiedenen Ländern ist für die Mitarbeiter mit Familien kein Wohnortwechsel notwendig. Übung 4.8 Auslandseinsatz aus Sicht des Unternehmens: Die Motive und Ziele der Auslandstätigkeit der Mitarbeiter für das Unternehmen sind vor allem der Know-how-Transfer, sowohl vom Mutterunternehmen zum Tochterunternehmen im Ausland als auch umgekehrt. Die typischen Entsendungsziele des Heimatunternehmens sind der Transfer der Unternehmenskultur und Technologietransfer in ausländische Niederlassungen. Desweitern gehören zu der Motivation zum einen die Entwicklung eines globalen Bewusstseins und die damit verbundene internationale Denkweise der entsandten Mitarbeiter. Zum anderen die <?page no="294"?> 4.5 Reintegration 295 Implementierung einer einheitlichen Führungskonzeption im Unternehmen, sowie die Ausbildung des Führungspersonals im Zielland. Jedoch gibt es auch Nachteile für die Mitarbeiterentsendung für ein Unternehmen. Die Unternehmen haben durch die Entsendung der Mitarbeiter enorm hohe Kosten, die durch die Entsendung und Weiterbildungen bzw. Trainings entstehen. Der entsandte Mitarbeiter wird auf die Auslandstätigkeit vorbereitet, jedoch sieht es in der Praxis meist anders aus, sodass eine gewisse Unsicherheit der erstrebten Ziele eine sehr große Rolle spielt. Aufgrund der veränderten Bedingungen im Ausland kann es zum Verlust des Mitarbeiters an andere Unternehmen führen und dessen Leistungsvermögen auf Dauer beschädigen (Mauer, 2013, S. 1ff.). Zu den unternehmerischen Zielen lassen sich in vier Typen der Auslandsentsendung unterscheiden (Mayrhofer, 2005, S. 5f.).  „Wachhund, Trouble Shooting“ entsandte dieser Kategorie konzentrieren sich auf Kontroll- und Steuerungszwecke. Entsendungen des Stammhauses auf Schlüsselpositionen in Auslandsniederlassungen gehören dem Typ des „Wachhundes“ an.  „Senior-Management, High-Flyer“ stellen primär die Steuerungsaktivität als auch Personalentwicklung da, wobei die Entsendung zur Steuerung und Kontrolle der Gesamtorganisation dient und ihre individuellen Kompetenzen vertiefen soll. Ein typisches Beispiel ist die Entsendung von Stammhausmitgliedern, denen die Fähigkeit zur Erreichung einer hohen hierarchischen Position zugeschrieben wird.  „Entwicklungs-/ Nachwuchsförderung“ Der Fokus liegt auf der Personalentwicklung und nicht auf der Kontroll- und Steuerungsfunktion. Routinemäßige Entsendungen von Nachwuchsführungskräften dienen dazu Erfahrungen zu sammeln.  „Isolation, Abstellgleis“ Hierbei liegt der Fokus weder auf Steuerung noch auf der Personalentwicklung. Der Auslandseinsatz dieser Kategorie wird unternehmensintern als Bestrafung oder Abschiebung aufgrund mangelnder Kompetenzen angesehen. Übung 4.9 Klassische berufliche Probleme bei einer Reintegration nach einem Auslandseinsatz: Die Mitarbeiter, die sich für eine Auslandstätigkeit entscheiden, haben die Hoffnung nach Rückkehr auf einen Karrieresprung (With, 1992, S. 206). Unternehmen versprechen keine explizierte Position nach der Beendigung des Auslandsaufenthaltes und garantieren den Karrieresprung auch nicht (Kollmann, 2016, S. 20). In der GMAC Umfrage von Jahr 2004 gaben 68% der befragten Unternehmen an, dem Entsandten keine Rückkehrpositionsversprechen abzugeben (Dowling et al., 2008, S. 188). Demzufolge haben die Rückkehrer Angst, keine angemessene Stelle wie die Auslandsposition zu finden (Fritz, 1984, S. 121). So kann im Vorfeld der Entsendung eine versprochene Stelle in Zukunft nicht mehr vorhanden sein. Dies hat zu Folge, dass eine gewisse Unzufriedenheit der Rückkehrer entsteht, da die Erwartungen nach der Auslandstätigkeit nicht erfüllt worden sind. Je höher der Entsandten in der Hierarchie stand, desto schwieriger wird es eine angemessene Position zu finden (Kollmann, 2016, S. 20ff.). Durch organisatorische Veränderungen wie Outsourcing, Downsizing oder Fusionen, stehen für Rückkehrer weniger attraktive Positionen zur Verfügung (Kühlmann, 2004, S. 95). Außerdem kann der Expatriate durch den Aufenthalt im Ausland gewisse Kenntnisse verlernt haben, wie z.B. den Verlust des Know-hows im technischen Bereich, in dem die Kenntnisse schnell alt werden (Bittner/ Reisch, 1994, S. 227), wobei bei der Rückkehr des Expatriates er den Anforderungen <?page no="295"?> 296 4 Prozess des internationalen Personalmanagements nicht gewachsen sein kann (Kühlmann, 2004, S. 95). Dies führt zwangsläufig zur Enttäuschung des Expatriates, da seine Erwartungen nach der Rückkehr nicht erfüllt werden. Übung 4.10 Die Auswirkungen einer ungenügenden Wiedereingliederung in das Unternehmen sind für den Rückkehrer als auch für das Unternehmen gravierend. Wird der Rückkehrer vor und während der Reintegrationsphase mangelhaft betreut, wird die Bereitschaft einen erneuten Auslandseinsatz zu tätigen gering. Die schlechten Erfahrungen werden an die Arbeitskollegen übermittelt und lösen eine Abneigung eines Auslandseinsatzes aus. Da die gewünschte Position für Rückkehrer zunächst in weiter Ferne bleibt, wird eine geringfügigere Tätigkeit ausgeübt. Durch die schwierige Situation für beide Parteien, schrecken Unternehmen nicht davor zurück, einem Rückkehrer einen Aufhebungsvertrag mit einer entsprechenden Abfindung anzubieten (Dülfinger/ Jöstingmeirer, 2008, S. 540f.). Die ungenügende Reintegration eines entsandten Mitarbeiters mit neu erworben kulturellen und fachlichen Wissen, hat die Folge, dass der Rückkehrer das Unternehmen verlässt. Dies führt zu einer erheblichen Fehlinvestition, da viele Maßnahmen getroffen wurden, um den Erfolg des Auslandseinsatzes zu garantieren. „Ein Mitarbeiter, der sich unter schwierigen Bedingungen im Ausland bewähren konnte, besitzt Kenntnisse und Fähigkeiten, die in Zeiten der zunehmenden Globalisierung der Wirtschaft immer wertvoller werden. Hierzu gehören z.B. Aufgeschlossenheit gegenüber ungewohnten Arbeits- und Lebensstilen, größere Selbstständigkeit im Denken und Handeln sowie Verhandlungsfähigkeit in einer oder mehreren Fremdsprachen“ (Kühlmann/ Stahl, 1995, S. 189). So verlässt ein Mitarbeiter mit all dem erlernten Wissen im beruflichen als auch im privaten Bereich das Unternehmen, wobei dieser z.B. als Mentor für andere Mitarbeiter zur Verfügung stehen hätte können. Eine Studie der GMAC (Global Relocation Services, 2002) ergab von 150 befragten Unternehmen, dass 26% der Rückkehrer nach mindestens zwei Jahren den Arbeitgeber verlassen bzw. gewechselt haben. Die Rückkehrer haben im Ausland Erfahrung sammeln können, wobei das Wissen der Auslandstätigkeit vom Unternehmen nicht ausreichend genutzt wurde. Literaturverzeichnis Adams, Susan (2012): The Innovation That Could Make Most Job Interviews Obsolete. Forbes. Online verfügbar unter http: / / www.forbes.com/ sites/ susanadams/ 2012/ 08/ 28/ the-innovation-that-couldmake-most-job-interviews-obsolete/ #9883ce42a19c, zuletzt aktualisiert am 28.08.2012, zuletzt geprüft am 25.05.2016. Arbeitskreis Assessment Center e.V. (2004): Standards der Assessment Center Technik. Unter Mitarbeit von Jürgen Böhme, Reinhard Diesner, Ralph Glodek, Stefan Höft, Elmar Lammerskitten, Rainer Neubauer, Christof Obermann, Renate von Rüden. Hamburg, 06.2004. Arbeitskreis Assessment Center e.V. (2001): AC-Studie 2001. Online verfügbar unter http: / / www.arbeitskreis-ac.de/ index.php/ projekte/ studien/ ac-studie-2001, zuletzt geprüft am 07.05.2016. Arbeitskreis Assessment Center e.V. (Hg.) 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Um sich auf einen Auslandsaufenthalt vorzubereiten, finden Sie in diesem Kapitel nützliche Hinweise. Wir starten mit dem Kapitel mit der Motivation zur Auslandsentsendung in unterschiedlichen Kulturen. Abschnitt 2 erläutert die Besonderheiten der Entgeltfindung im internationalen Kontext. Im Abschnitt 3 finden Sie einen Entgeltvergleich zwischen Japan und Südafrika. Das Kapitel schließt mit einem Absatz zum internationalen Steuerrecht in Bezug auf Auslandsaufenthalte. 5.1 Motivation in unterschiedlichen Kulturen Lernziele  Sie haben ein grundsätzliches Verständnis zum Konzept interkultureller Handlungsfelder als Motivation in unterschiedlichen Kulturen.  Sie können die Begriffe Interkulturalität, Global Mindset, Cultural Ingelligence, Intercultural sensistivity etc. einordnen. 5.1.1 Zum Konzept interkultureller beruflicher Handlungsfelder als Motivation in unterschiedlichen Kulturen In diesem Abschnitt wird das Konzept interkultureller beruflicher Handlungsfelder und Motivation ausgeführt. Hierzu wird zunächst die Terminologie der Interkulturalität untersucht. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse wird im Anschluss auf das interkulturelle berufliche Handlungsfeld der Auslandsentsendung eingegangen. 5.1.2 Zur Ein- und Abgrenzung von Interkulturalität Die Bezeichnung interkulturell ist abzugrenzen von den zum Teil analog verwendeten Begriffen „multikulturell“ und „cross-cultural“. Letztere sind der Sichtweise des Multikulturalismus und des Kulturvergleichs zuzuordnen und betonen die Kontraste von zwei oder mehreren Kulturen (Knapp, 1998, S. 13). Hierbei wird ein Nebeneinander von Kulturen beschrieben, die keinen wechselseitigen Einfluss aufeinander haben (Dietrich, 2000, S. 28). So weisen multikulturelle Personen Merkmale mehrerer Kulturen auf, jedoch nicht zwingend auch interkulturelle Kompetenzen (Bolten, 2001b, S. 37). Im Gegensatz hierzu befasst sich die interkulturelle Forschung mit der Interaktion (Wierlacher & Bogner, 2003, S. 260) und der Bezugnahme verschiedener Kulturen aufeinander (Dietrich, 2000, <?page no="305"?> 306 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung S. 29). Hierbei werden sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede berücksichtigt und das Prinzip der Gleichberechtigung der Kulturen zugrunde gelegt. Lustig und Koester definieren Interkulturalität folgendermaßen: Definition 5.1 “The term intercultural […] denotes the presence of at least two individuals who are culturally different from each other on such important attributes as their value orientations, preferred communication codes, role expectations, and perceived rules of social relationships” (Lustig & Koester, 1999, S. 60). Hierbei beschreiben sie die Ausprägungen von Interkulturalität durch ein Kontinuum, das in Bezug auf die Werte, Normen und Erwartungen der Individuen die Gegenpole „wenige Unterschiede“ (intrakulturell) und „deutliche Unterschiede“ (interkulturell) aufweist. Gemäß dem Modell ist das Extremum der Interkulturalität Gegenstand der Untersuchung und fokussiert folglich ein hohes Maß an kulturellen Unterschieden zwischen den Individuen, die sich im Zuge ihrer Interaktion manifestieren. Übung 5.1 Grenzen Sie interkulturell, multikulturell und cross-cultural voneinander ab. 5.1.3 Zum interkulturellen Handlungsfeld der Auslandsentsendung Die theoretischen Grundlagen der Interkulturalität gilt es im Folgenden auf die Unternehmenspraxis anzuwenden. Interkulturelle berufliche Handlungsfelder und Motivation ergeben sich beispielsweise aus  internationalen Projektteams,  Kontakten mit ausländischen Lieferanten oder Kunden,  Kooperationen mit ausländischen Werken,  internationalen Belegschaftsstrukturen am inländischen Standort oder  Zusammenschlüssen mit ausländischen Niederlassungen (Bernhard, 2002, S. 194). Zwar steht der Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland hoher finanzieller und organisatorischer Aufwand entgegen, dennoch ist sie aus der Praxis international tätiger Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Bereits im Jahr 2000 betrug die Anzahl der auslandsentsendeten Mitarbeiter deutscher Unternehmen laut Schätzungen der Global People Origin Datenbank des Development Research Centers der Universität Sussex rund 3,4 Millionen Personen (Dumont & Lemaître, 2005, S. 56). Eine Studie zur globalen Auslandsentsendung aus dem Jahr 2014 von Finaccord ergab eine Gesamtanzahl von 50,5 Millionen Expatriates weltweit mit einem geschätzten Anstieg auf 56,8 Millionen (Das entspricht 0,77% der Gesamtbevölkerung) für das Jahr 2014. Laut den Ergebnissen beträgt die jährliche Wachstumsrate von Auslandsentsendungen rund drei Prozent (Finaccord, 2014, S. 14). Bei Auslandsentsendungen werden Mitarbeiter von einem Unternehmen oder einer Organisation ins Ausland delegiert und für eine begrenzte Zeitdauer vor Ort angesiedelt (Kreutzer & Roth, 2006, S. 129). Zur Zielgruppe einer Auslandsentsendung gehören insbesondere „Fach- und Führungskräfte mittlerer Hierarchiestufen, die in der Regel wichtige Schlüsselpositionen in den ausländischen Gesellschaften besetzen“ (Treffer, 2017, 64). Zwar kommt es vereinzelt auch zum Auslandseinsatz für <?page no="306"?> 5.1 Motivation in unterschiedlichen Kulturen 307 zeitlich begrenzte und niedrigqualifizierte Tätigkeiten, aber zumeist werden hierfür aus Kostengründen Angehörige des Gastlands bevorzugt. Wissenstransfer beim Auslandseinsatz Ein Hauptgrund für Auslandsentsendungen ist die Wissensübertragung auf die Belegschaft von Tochtergesellschaften, insbesondere während deren Aufbauphase. Hierbei gilt es den Fach- und Führungskräften zunächst Kenntnisse in Bezug auf Produkte, Qualitätsstandards, Management und Prozesse zu vermitteln, um darauf aufbauend die Implementierung sowohl von Managementkonzepten als auch von technischen Anwendungen zu gewährleisten (Reiche & Harzing, 2011, S. 195). Auf langfristige Sicht soll hierbei, durch Wissensmanagement und die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter der Niederlassung, die Anwesenheit des Expatriates für die betrieblichen Abläufe vor Ort entbehrlich gemacht werden. Doch auch umgekehrt ist der Wissenstransfer von Mitgliedern der Fremdkultur auf das Stammhaus in vielen Bereichen erforderlich, sodass ein Auslandsentsendeter die Informationsgewinnung über die Zielkultur unterstützen kann. Dies gilt insbesondere für kulturspezifische Marktkenntnisse, deren Relevanz im Folgenden anhand einiger Beispiele dargestellt wird. Hinsichtlich der Produktanpassung gilt es sowohl ästhetische als auch funktionale kulturspezifische Aspekte zu beachten. In ästhetischer Hinsicht kommt dem Einsatz verschiedener Farben und Symbole zur Identifikation von Marken und Differenzierung von Produkten besondere kulturspezifische Bedeutung zu (Thieme, 2000, S. 276). So vermittelt Purpurrot in Südamerika negative Assoziationen, da es dort die Farbe der Trauer ist. Gleiches gilt für die Farbe Weiß in Japan und die Farbe Blau im Iran. Während die Farbe Grün in vielen Ländern als Farbe der Hoffnung gilt, steht sie in Malaysia für Krankheit (Thieme, 2000, S. 276f). Auch hinsichtlich funktionaler Produkteigenschaften ist eine Ausrichtung am spezifischen Verbraucherkontext notwendig. So ließen sich japanische High-Tech-Toiletten in arabischen Kulturen nicht verkaufen, weil sie mit der rechten Hand bedient werden. Ähnliche Toiletten mit einer Bedienungsvorrichtung an der linken Seite fanden jedoch hohen Anklang in den arabischen Kulturen, da dort die linke Seite als unrein gilt (Albaum et al, 2001, S. 100). Auch in Bezug auf Markennamen sind viele Unternehmen aufgrund sprachlicher Barrieren zu Anpassungen an jeweilige Ländermärkte gezwungen. So müssen vor der Übertragung bestehender Markennamen deren Bedeutung und Aussprache geprüft werden (Emrich, 2007, S. 223). Abbildung 1 zeigt Produkte mit geschäftsschädigenden Namen auf. Produkt: Name Hersteller Bedeutung auf dem ausländischen Markt Seife: Le Sancy Unilever „Tod über Dich“ in einigen asiatischen Dialekten Autohaus: Servitekar Goodyear „rostiges Auto“ in Japan Pinto Ford „winziges männliches Genital“ in Brasilien Automodell: Nova Chevrolet „läuft nicht“ im spanischsprachigen Raum Abb. 5.1: Internationaler Einsatz bestehender Markennamen (Emrich, 2007, S. 223) <?page no="307"?> 308 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Zuletzt sind auch im Hinblick auf die Werbegestaltung kulturelle Besonderheiten zu berücksichtigen, damit sich der Betrachter mit den Inhalten identifizieren kann. Folgende Faktoren sind hierbei besonders relevant: Symbole, Rollenverteilung von Mann und Frau, Sitten und Religionen, Humor und rechtliche Beschränkungen (Sabel, 2010, S. 90f). So zeigt sich die Bedeutung des beidseitigen Wissenstransfers zwischen Expatriate und Angehörigen der Fremdkultur insbesondere während der Aufbauphase der Tochtergesellschaft. Koordination und Kontrolle ausländischer Tochtergesellschaften Mit dem Wissenstransfer steht auch das Ziel der Koordination und der Kontrolle der Belegschaft in der ausländischen Niederlassung in Verbindung. Hierbei wird die Annahme zugrunde gelegt, dass Mitarbeiter von Tochtergesellschaften ihrem Arbeitgeber tendenziell weniger loyal verbunden sind, da sie in der Regel die Unternehmensphilosophie und -kultur der Muttergesellschaft nie kennengelernt haben. Insbesondere für Niederlassungen in Nationen mit hoher kultureller Distanz erweisen sich sogenannte Koordinationsentsendungen als bedeutend. Übung 5.2 Recherchieren Sie im Internet, was unter einer hohen kulturellen Distanz verstanden wird. Dabei besteht die Aufgabe des Auslandsentsendeten darin, Regeln, Strukturen und Kulturaspekte der Muttergesellschaft vor Ort zu vermitteln, zu koordinieren und zu kontrollieren. Zudem soll zwischen Stamm- und Tochterunternehmen ein effizienter Informationsfluss, durch die Etablierung adäquater Kommunikationsstrukturen, gewährleistet werden. Hierbei sind dem Entsandten seine bereits vorhandenen Beziehungsnetzwerke zum Stammunternehmen von Nutzen (Vgl Groenewald & Stein, 2012, S. 11). Kompensation fehlender Fach- und Führungskräfte Ein weiteres zentrales Ziel für Auslandsentsendungen ergibt sich aus einem lokalen Mangel an qualifizierten Fach- und Führungskräften für die Tochtergesellschaften, der die kurzfristige Besetzung von Vakanzen durch Stammhausmitarbeiter erforderlich macht. So werden zur qualitativen und quantitativen Deckung des Personalbedarfs Mitarbeiter entsandt, die über die erforderlichen Qualifikationen und Erfahrungen verfügen. Dieses Ziel ist insbesondere bei Niederlassungen in Entwicklungsländern von Relevanz (Holtbrügge & Welge, 2010, S. 323). Internationale Personalentwicklung Ein langfristig ausgelegtes Entsendungsziel ist die internationale Qualifizierung von Fach- und Führungskräften. In diesem Fall liegt der Fokus auf den internationalen Erfahrungen und Kompetenzen, die die Auslandsentsendeten durch den Umgang mit fremden Kulturen erlangen und die sie auf zukünftige Aufgaben im internationalen Kontext vorbereiten (Reiche & Harzing, 2011, S. 197). So besteht dieses Entsendungsziel in einer „internationalen Sozialisierung und Sensibilisierung der Mitarbeiter“ und einem daraus resultierenden „international erfahrenen Mitarbeiterstamm“ (Treffer, 2017, S. 116). Organisationsentwicklung Die Organisationsentwicklung ist mit der Personalentwicklung eng verknüpft und zielt mit dem Konzept der Auslandsentsendung auf die Implementierung einer kosmopolitischen Unternehmenskultur ab. Die Entsandten sollen Verständnis und Toleranz unter den Kulturen fördern und eine länderübergreifende Kultur kreieren (Festing et al., 2011, S. 217). <?page no="308"?> 5.1 Motivation in unterschiedlichen Kulturen 309 Hierbei soll letztlich das Potenzial des Unternehmens ausgeschöpft und die Konkurrenzfähigkeit auf dem internationalen Markt gestärkt werden. Zu dieser übergeordneten Zielsetzung tragen auch die anderen bereits genannten Entsendungsziele aus Unternehmenssicht in gewissem Maße bei. Vorteile durch kulturelle Diversität Ebenfalls zur Organisationsentwicklung und zu weiteren Vorteilen kann die Bildung internationaler Teams bei der Tochteraber auch der Stammgesellschaft beitragen. Hierfür müssen die kulturell bedingten Stärken der Gruppenmitglieder als Ressourcen erkannt und eingesetzt werden (Barmeyer, 2002, S. 38). So dürfen „weder Koordinations- und Integrationsprobleme noch interkulturelle Missverständnisse und Abgrenzungstendenzen die […] Zusammenarbeit behindern“ (Podsiadlowski, 2002, S. 255) vielmehr solle laut Gebert eine gemeinsame Identität geschaffen werden. Die möglichen Vorteile interkultureller Gruppen sind in der folgenden Abb. 5.2 dargestellt und erläutert. Vorteile Erläuterung Kreativität Mitarbeiter unterschiedlicher kultureller Prägung entwickeln sehr verschiedenartige Ideen und erweitern somit die Trefferwahrscheinlichkeit für eine neuartige Lösung Entscheidungsqualität Heterogene Gruppen berücksichtigen in ihren Entscheidungen mehr und vielfältigere Gesichtspunkte und analysieren die Entscheidungsalternativen intensiver Organisationsflexibilität Der Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlicher kultureller Herkunft fördert das Experimentieren mit vielfältigen Formen der Aufgabenerfüllung. Die Anpassungsfähigkeit der Organisation gegenüber sich ändernden Bedingungen steigt. Kundennähe Ausländische Mitarbeiter tragen dazu bei, dass Dienstleistungen und Produkte gemäß den Marktbedingungen und Konsumgewohnheiten in ihren Herkunftsländern entwickelt und vertrieben werden. Personalimage Die kulturelle Heterogenität der Mitarbeiterschaft in allen Funktionsbereichen und auf allen Hierarchieebenen fördert den Eindruck in der Öffentlichkeit, dass die Leistung und nicht die Herkunft für die Bewertung des Mitarbeiters entscheidend ist. Organisationen mit diesem Image sind für talentierte und motivierte Arbeitssuchende auch über die Landesgrenzen hinaus attraktive Arbeitgeber. Abb. 5.2: Potenzielle Vorteile kultureller Diversität (Kühlmann & Stahl, 2006, S. 686) Zwischenfazit Kultur ist ein vielschichtiges Phänomen, dessen Elemente sich nur begrenzt wahrnehmen lassen und die sowohl das Handeln als auch das Denken und die Wahrnehmung von Individuen implizit und explizit prägen. Daher ist jede Lebenssituation, auch im Kontext des Arbeitslebens, durch kulturspezifische Gegebenheiten beeinflusst. <?page no="309"?> 310 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Interkulturelle Handlungsfelder umfassen jegliche Form der Interaktion zwischen zwei Personen deren Werte, Normen und Erwartungen deutliche Unterschiede aufweisen. Das in der aktuellen Unternehmenspraxis überaus beliebte Konzept der Auslandsentsendung bildet somit ein interkulturelles Handlungsfeld, das einer Vielzahl an Zielsetzungen dient. Die Entsendungsziele aus Unternehmenssicht unterscheiden sich zwar hinsichtlich ihrer strategischen Ausrichtung, werden in der Praxis aber selten isoliert voneinander, sondern in der Regel als Bündel von Zielen verfolgt, wobei die unternehmensspezifische Priorisierung von branchen- und gastlandsabhängigen Faktoren beeinflusst wird (Festing et al. 2011, S. 242; Groenewald & Stein 2012, S. 11). Seit längerem lässt sich eine Verschiebung der Prioritäten von Kontrollmotiven und der Kompensation fehlender Fach- und Führungskräfte hin zu internationaler Personal- und Organisationsentwicklung beobachten (Holtbrügge & Welge, 2010, S. 323). So kann man mit der Zielsetzung der individuellen Mitarbeiterentwicklung zumindest eine explizite Gemeinsamkeit der unternehmerseitigen Entsendungsziele mit denen des Mitarbeiters konstatieren (Dennoch ist nach wie vor die Kompensation fehlender Fach- und Führungskräfte mit 54% der primäre Entsendungsgrund aus Unternehmenssicht (Douiyssi & Aldred, 2016, S. 37). Im Rahmen einer Auslandsentsendung gilt es für den Arbeitgeber zahlreichen Herausforderungen zu begegnen, die insbesondere die Kernziele der Förderung einer effizienten Integration und Reintegration umfassen. Somit ist der Umgang des Auslandsentsendeten mit kulturellen Unterschieden und daraus resultierenden Anforderungen essentiell für den Erfolg der Auslandsentsendung. Ungeachtet der zahlreichen Unterstützungsmöglichkeiten im Laufe des Entsendungsprozesses ergibt sich daraus die größte Relevanz für eine anforderungsgerechte Personalauswahl im Hinblick auf die Auslandsposition, die zum Ende der Thesis detailliert beleuchtet wird. 5.1.4 Zum Erfolg interkultureller Tätigkeiten Interkulturelle Forschungsansätze beschreiben den Erfolg der Interaktion von Mitgliedern unterschiedlicher Kulturen und dessen Einflussfaktoren. Hierbei existieren grundsätzlich zwei unterschiedliche Ansätze, die interkulturelle Kontakte zum einen im Hinblick auf mögliche Probleme und Erfolgshindernisse und zum anderen bezüglich möglicher Chancen und Ressourcengewinnung untersuchen. Die defizitorientierte Darstellung dient hierbei dem Ziel, durch eine möglichst effektive Anpassung Probleme und Konflikte zu verhindern. Ressourcenorientierte Darstellungen hingegen fokussieren positive Auswirkungen wie Lernprozesse, Wachstum und Entwicklung infolge der interkulturellen Kontakte und sehen diese als Bereicherung an. Auf langfristige Sicht kann der Kontakt mit anderen Kulturen zu einem Wandel im Leben einer Person führen. Erfolgen Veränderungen im Umfeld eines Individuums, die „Umorientierungen im Erleben und Verhalten“ erfordern, so spricht man von Transitionen (nach dieser Definition lassen sich Auslandsentsendungen und auch die Rückkehr im Anschluss an ebendiese als Transitionen bezeichnen). In der nachfolgenden Tabelle (Abb. 5.3) werden die beiden beschriebenen Forschungsansätze hinsichtlich ihrer Zielsetzung, ihres Fokus und ihrer Sichtweise auf Transitionen gegenübergestellt. <?page no="310"?> 5.1 Motivation in unterschiedlichen Kulturen 311 problemorientierte Ansätze ressourcenorientierte Ansätze Fokus aus Transitionen resultierende Probleme in Transitionen vorhandene Ressourcen, Bewältigungsmöglichkeiten Zielsetzung Vermeidung von Problemen und Scheitern Ermöglichung von Lernen und Wachstum Interpretation der Transition als Bedrohung, Gefahr als Chance, Herausforderung, Entwicklungsmöglichkeit Abb. 5.3: Problemorientierte und ressourcenorientierte Ansätze interkultureller Forschung (Prechtl, 2008, S. 25) Im folgenden Abschnitt wird erläutert, wie Erfolgskriterien interkultureller Tätigkeiten definiert werden, welche Einflussfaktoren es für die Anpassung und den Erfolg gibt und welche Rolle den interkulturellen Kompetenzen in diesem Kontext beizumessen ist. Zur Beantwortung dieser Fragen ist eine klare Abgrenzung der Prädiktoren und Kriterien von Erfolg in interkulturellen Situationen notwendig. In der Forschung kam es zu unterschiedlichen Definitionen und Interpretationen einzelner Faktoren (so wurden beispielsweise Kommunikationsfähigkeiten bei Gelbrich (2004) als Prädiktor und bei Tucker et al. (2004) als Kriterium interkulturellen Erfolgs angesehen. und in einigen Studien wurden Faktoren gleichermaßen als Prädiktoren und Kriterien angesehen. Zu den Erfolgskriterien interkultureller Tätigkeiten Interkulturelle Kompetenzen lassen sich als eine von mehreren Prädiktorvariablen definieren, die die Vorhersage des Kriteriums, Erfolg in interkulturellen Situationen, ermöglichen. Der Erfolg gilt somit als Kriterium, lässt sich jedoch je nach Zielsetzung unterschiedlich operationalisieren. Es besteht ein Konsens dahingehend, dass es einer multidimensionalen Messung interkulturellen Erfolgs bedarf und die Untersuchung einzelner Faktoren unzureichend ist. Das Erfolgskriterium von Auslandsentsendungen wurde als Ergebnis einer Metaanalyse von Bhaskar-Shrinivas et al. als sechsteiliges Konzept definiert und beinhaltet die Teilkriterien (Bhaskar- Shrinivas et al. 2005, S. 211f.):  work adjustment,  interaction adjustment,  general adjustment (die generelle Anpassung lässt sich in zwei Aspekte unterteilen: a) Psychological adjustment: Das Wohlbefinden, b) Sociocultural adjustment: Das Zurechtkommen im Alltag und mit der Kultur (Ward & Kennedy, 1999, S. 670).  job satisfaction,  withdrawal cognitions und  performance (die Autoren unterscheiden drei Facetten von Performanz: a) Task performance: Die erfolgreiche Ausführung der Arbeitsaufgaben, b) Relationship performance: Der Aufbau stabiler Beziehungen zu Gastlandangehörigen im Arbeitskontext, c) Overall performance: Die allgemeine Produktivität der Person, die Unternehmensziele zu erreichen (Bhaskar-Shrinivas et al. 2005, S. 257f.). In Anlehnung an Prechtl werden die aus der Metaanalyse hervorgehenden Erfolgskriterien in leicht abgeänderter Form nachfolgend beschrieben. <?page no="311"?> 312 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Zur Performanz Als wichtigstes Erfolgsmaß der Arbeitsanpassung zählt die Effektivität eines Mitarbeiters und somit die Erreichung der vorgegebenen Arbeitsziele. Die Bewertung erfolgt stets unter Berücksichtigung des Beitrags zu den Organisationszielen. So lässt sich die Effektivität von Auslandsentsendungen beschreiben als das Ausmaß, in dem die Tätigkeit relevant für die organisationale Zielerreichung ist. Hierfür ist die Anpassung des Mitarbeiters an die Gastorganisation und die Arbeitskultur notwendig. Zu den interpersonalen Beziehungen Ein weiteres Erfolgskriterium ist der Aufbau interpersonaler Beziehungen zu Einheimischen. Im Arbeitskontext sind hiermit Bindungen zu Kollegen und Vorgesetzten gemeint, die die Anpassung des Mitarbeiters und dessen Akzeptanz durch die Mitglieder der Gastkultur widerspiegeln (Cushner & Brislin, 1996, S. 71). Doch auch private Kontakte und deren Güte und Häufigkeit gelten als Erfolgskriterium. Zum Commitment Die emotionale Bindung und die Identifikation mit dem Unternehmen spielen eine große Rolle bei Auslandsentsendungen. So wird, sowohl im Hinblick auf das Gastunternehmen während der Entsendephase als auch bezüglich des Stammhauses vor und nach der Entsendung ein hohes Commitment des Mitarbeiters verlangt (Prechtl, 2008, S. 22). Zur Abbruchsintention Ebenfalls erfolgsrelevant sind die Abbruchsintention oder Gedanken an einen Abbruch des Auslandsaufenthalts. Hierbei hat der Mitarbeiter den (offenkundigen oder geheimen) Wunsch, das Gastunternehmen frühzeitig zu verlassen und in sein Heimatland zurückzukehren (Shaffer & Harrison, 1998, S. 562). Der Abbruchwunsch kann darüber hinaus auch auf den Arbeitgeber oder den Beruf bezogen sein (Birdseye & Hill, 1995, S. 790). Das Gegenteil des Abbruchwunsches bildet der Bleibewunsch (Stahl & Caligiuri, 2005, S. 605) Zur Zufriedenheit Die Zufriedenheit eines Expatriates wird teilweise synonym zu dessen Anpassung verwendet. Die Zufriedenheit lässt sich sowohl im Arbeitskontext als auch in Bezug auf die generellen Lebensbedingungen erfassen (Li & Tse, 1998, S. 138). Zur Erfassung der Erfolgskriterien Die einzelnen Erfolgskriterien korrelieren zum Teil signifikant, sodass keinesfalls von unabhängigen Variablen gesprochen werden kann. So korrelieren Arbeits- und Lebenszufriedenheit, interaction adjustment sowie commitment eines Mitarbeiters negativ mit dessen Abbruchwunsch (Shaffer& Harrison, 1998; Li & Tse, 1998, Black & Stephens, 1989). Anpassung lässt sich als Grundlage für Zufriedenheit ansehen. Derzeit lässt sich in der empirischen Forschung keine Rangordnung der Kriterien nachweisen, sodass diese keiner unterschiedlichen Gewichtung unterzogen werden. Das Kriterium interkultureller Erfolg umfasst somit mehrere gleichberechtigte Dimensionen, die es einzeln zu erfassen gilt. Eine objektive Messung der genannten Kriterien gestaltet sich problematisch. So kann es zu subjektiven Diskrepanzen in der Einschätzung kommen, die eine Erfassung aus verschiedenen Perspektiven erforderlich machen. Eine Möglichkeit der Bewertung der Erfolgskriterien besteht in einer Nachbefragung im Anschluss an Auslandsentsendungen, beispielsweise durch die Kombination von <?page no="312"?> 5.1 Motivation in unterschiedlichen Kulturen 313 Selbst- und Fremdeinschätzung, was den Vorteil des Einbezugs verschiedener Perspektiven mit sich bringt. Hinsichtlich der Selbsteinschätzung hat Prechtl in Anlehnung an englischsprachige Erfassungsmethoden interkulturellen Erfolgs ein teilstrukturiertes Interview zur Erfassung verschiedener Erfolgsfacetten entwickelt (Prechtl, 2008, S. 119). Der Aufbau des Interviewleitfadens ist in Abb. 5.4 dargestellt. Erfolgsfacette Einzel-Item Berufliche Anpassung und Performanz Performanz Effektivität der Aufgabenerfüllung Anpassung an Arbeit Anpassung an den Arbeitsstil Anpassung an die Organisation Anpassung an die Organisationskultur Aufgabenerfüllung gem. lokaler Standards Aufgabenerfüllung gem. lokaler Standards Commitment zur Gast- und Heimatorganisation Kommunikation mit Heimatorganisation Güte der Kommunikation mit Heimatorgan. Commitment Commitment zu beiden Organisationen Präferenz für eine Organisation Heimatvs. Gastlandkultur Zufriedenheit Zufriedenheit mit interkultureller Tätigkeit Zufriedenheit mit interkultureller Tätigkeit Zufriedenheit mit dem Leben im Gastland Zufriedenheit mit dem Leben im Gastland Abbruchswunsch Wunsch/ Gedanken an Abbruch Wunsch/ Gedanken an Abbruch Interpersonale Beziehungen Interpersonale Kontakte im Berufsumfeld Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten Interpersonale Kontakte im Privatleben Güte und Häufigkeit privater Kontakte Abb. 5.4: Aufbau eines Interviewleitfadens zur Nachbefragung von Expatriates (Prechtl, 2008, S. 121f.) In der Literatur wird von einer begrenzten Genauigkeit und Validität bei Selbsteinschätzungen aufgrund sozialer Erwünschtheit und Positivverzerrungen berichtet. Daher bietet es sich an, zusätzlich Fremdeinschätzungen von Vorgesetzten des Stammhauses und insbesondere von Vorgesetzten aus dem Gastland zu berücksichtigen, um kulturspezifische Erfolgsfaktoren zu erfassen (Prechtl, 2008, S. 121). Aus dem Interviewleitfaden für die Selbstbewertung nach Prechtl lässt sich ein Instrument zur Fremdbeurteilung ableiten. Bei der Befragung von Vorgesetzten des Gastlandes gestaltet sich die mündliche Befragung aufgrund von Verständnis- und Koordinationsproblemen schwierig, sodass alternativ ein standardisierter Fragebogen in relevanten Verkehrssprachen verwendet werden kann (hierbei kann aufgrund des reduzierten Informationsstands des Beurteilenden auch eine Reduzierung der Fragen erfolgen, denn der Vorgesetzte kann meist weder die private Anpassung noch den Abbruchwunsch des Mitarbeiters beurteilen). Hinsichtlich der Fremdbeurteilung bietet sich der Einbezug mehrerer Personen, wie Kollegen, Vorgesetzten, Unterstellten oder Kunden an. Hierbei sollte die Wahl der Beurteilenden nicht vom Expatriate beeinflusst werden. <?page no="313"?> 314 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Eine mögliche Problematik bei der Anwendung eines standardisierten Fragebogens besteht in der mangelnden Kulturadäquatheit der Fragen. Unter Umständen werden derartige Beurteilungen je nach Kulturkreis als ungewöhnlich wahrgenommen und negative Aussagen vermieden (Deller, 2000, S. 97). Die gleichen Bedenken lassen sich im Hinblick auf das ergänzende Erfolgsmaß der Leistungsbeurteilung anmerken. Eine mögliche Lösung kann hierbei die Vorgabe von Vergleichen mit anderen Personen bieten (Deller, 2000, S. 98). Zu den Einflussfaktoren und Prädiktoren interkulturellen Erfolgs Die interkulturellen Forschungsansätze lassen sich auf eine weitere Weise kategorisieren, da sie das Anpassungsgeschehen und den Erfolg interkultureller Kontakte und Transitionen durch unterschiedliche Prädiktoren und Einflussfaktoren erklären, die einerseits im Individuum liegen und andererseits situativ bestimmt sein können. Zu den personalen Ansätzen interkultureller Forschung Die interkulturellen Forschungsansätze mit personenbezogenem Fokus sehen das Individuum als erfolgsentscheidenden Faktor des Anpassungsgeschehens an. Daraus ergeben sich individuelle Anforderungen an Personen in interkulturellen Interaktionen. Mendenhall et al gruppieren die personenbezogenen Erfolgsprädiktoren in Faktoren, die sich auf die Ausrichtung des Individuums auf sich selbst (self-orientation), auf andere Personen (others-orientation) und auf seine Wahrnehmung (perceptual orientation) beziehen (Mendenhall et al., 1987, S. 333). Prechtl geht hierbei einen Schritt weiter und kategorisiert die individuellen Anforderungen des Anpassungsgeschehens nach zugrundeliegenden Ansätzen des personalistischen Forschungsgebiets in:  Eigenschaftsansätze,  Biographische Ansätze,  Ansätze mit dem Fokus auf fachlicher Qualifikation,  Ansätze mit dem Fokus auf Einstellungen und Erwartungen und  Ansätze mit dem Fokus auf sozialen Fähigkeiten. Die Ansätze werden im Folgenden dargestellt und kritisch betrachtet. Eigenschaftsansätze Der Eigenschaftsansatz geht von einzelnen, stabilen Persönlichkeitsmerkmalen aus, die das interkulturelle Anpassungsgeschehen und die Akzeptanz von resultierenden Nachteilen begünstigen (Gertsen, 1990, S. 343). Das Verhalten erfolge angesichts des Vorhandenseins dieser Eigenschaften stets effektiv und angemessen, unabhängig von Einsatzland und Tätigkeit (Kim, 2001, S. 17). Hinsichtlich der Bestimmung von Persönlichkeitsfaktoren hat sich insbesondere das Modell der Big Five durchgesetzt, dessen Gültigkeit über verschiedene Kulturen hinweg durch mehrere Studien postuliert wurde und die folgenden Eigenschaften beinhaltet:  Offenheit für Erfahrungen,  Gewissenhaftigkeit,  Extraversion,  Verträglichkeit und  Neurotizismus (McCrae & Costa, 1987; Schuler & Barthelme, 1995; Caligiuri, 2000a). Im Rahmen interkultureller Tätigkeiten wird darüber hinaus der Faktor Selbstvertrauen aufgeführt (alternativ lassen sich auch Ausschlusskriterien bestimmen: Stahl zufolge eignen sich beispielsweise <?page no="314"?> 5.1 Motivation in unterschiedlichen Kulturen 315 Individuen mit ausgeprägter psychischer Labilität, Rigidität, sozialer Gehemmtheit und Ethnozentrismus nicht für einen Auslandseinsatz (Stahl, 1998, S. 228) Die Big Five-Dimensionen weisen für einzelne Facetten der Auslandsanpassung und des Auslandserfolgs eine empirische Vorhersagekraft auf. So belegt Caligiuri die Vorhersagekraft der Merkmale Extraversion und Verträglichkeit für den Abbruchwunsch von Auslandsentsandten sowie die Prognosekraft von Leistung durch den Faktor Gewissenhaftigkeit, was durch Deller bestätigt wird (Deller, 2000, S. 102). Auch eine positive Korrelation von Offenheit und eine negative Korrelation von Neurotizismus mit Anpassung kann nachgewiesen werden, ebenso wie eine positive Korrelation von emotionaler Stabilität und Arbeitsanpassung. Mithilfe einer Metaanalyse der Arbeitsleistung von Expatriates wurde die prädiktive Validität aller Merkmale, bis auf die der Offenheit nachgewiesen. In einer Metaanalyse verschiedener Anpassungsaspekte wurde auch die Prognosekraft des Faktors Selbstbewusstsein erwiesen (Hechanova et al, 2003, S. 217). Des Weiteren sage Selbstvertrauen nach Gelbrich interkulturellen Erfolg voraus (Gelbrich, 2004, S. 183). Insgesamt sind Persönlichkeitsfaktoren für die Erklärung von Verhalten in interkulturellen Transitionen durchaus hilfreiche und verlässliche Faktoren, jedoch können sie interkulturellen Erfolg nicht ohne Berücksichtigung weiterer Faktoren erklären. Zudem erscheint die postulierte Allgemeingültigkeit der benötigten Eigenschaften zu vereinfacht, angesichts der Akzeptanzunterschiede bestimmter Verhaltensweisen in unterschiedlichen Kulturen. Biografische Ansätze Eine weitere Perspektive bilden biografische Ansätze, die bisherige Erfahrungen einer Person als wesentlichen Prädiktor für die Erklärung von interkulturellem Erfolg ansehen. Im Kontext der interkulturellen Interaktionen und Transitionen kristallisieren sich insbesondere zwei biographisch relevante Faktoren heraus: die bisherigen Auslandserfahrungen und die Fremdsprachenkenntnisse einer Person (einen weiteren biografisch relevanten Faktor kann der Familienstand bei Expatriates darstellen, wenn die Ausreise in Begleitung erfolgt (Prechtl, 2008, S. 137). Es lässt sich beispielweise annehmen, dass das Erfahren von kulturellen Unterschieden dazu führt, dass die auslandsentsandte Person die an sie gestellten Erwartungen besser vorhersagen kann und ihre potenziellen Kompetenzen für die Interaktion im interkulturellen Kontext steigen. Die Hypothese wurde in der Empirie von einigen Studien belegt, während andere zu gegenteiligen Ergebnissen führten und dadurch kein schlüssiges Bild geschaffen werden kann. So konnte durch manche Untersuchungen eine positive Korrelation zwischen bisherigem Auslandsaufenthalt und Leistung sowie Arbeitsanpassung nachgewiesen werden. Kealey hingegen entdeckt keine signifikante Korrelation zwischen internationalen Erfahrungen und höherer beruflicher Effektivität. Auch Cui und Awa können keinen Zusammenhang zur Leistung und kulturellen Anpassung ermitteln. Während die Metaanalyse von Bhaskar-Shrinivas et al. positive, wenn auch minimale, Zusammenhänge der Auslandserfahrung mit dem insgesamt eingeschätzten Erfolg ergibt, zeigt sich in der Meta-Analyse von Mol et al. kein Zusammenhang mit dem Arbeitserfolg. Somit scheint es zunächst nicht möglich, einheitliche Aussagen über die Wirkungsweise des biographischen Faktors der Auslandserfahrung zu treffen. Eine mögliche Erklärung hierfür ist die erfolgte Verallgemeinerung in den Studien ohne jegliche Qualitätsbeurteilung des Aufenthalts. Kim fordert eine Erfassung der Motivation der Person für das Aufsuchen interkultureller Situationen (Kim, 2001, S. 5) und Selmer und Leung weisen einen Zusammenhang der Motivation mit der Anpassung im Ausland nach. Ihren Untersuchungen zufolge korreliert die Verfolgung von Karrierezielen bei der <?page no="315"?> 316 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Auslandsentsendung mit soziokultureller und allgemeiner Anpassung (Selmer & Leung, 2003, S. 250). Hinsichtlich der Sprachkenntnisse der Landessprache als biographischen Faktor, ergeben Metaanalysen eine signifikante Korrelation mit der Arbeitsleistung, ebenso wie mit der Anpassung an die Lebensumstände und an die Interaktionen im Gastland. Auch Masgoret weist Zusammenhänge der soziokulturellen Anpassung und der Anzahl an gesprochenen Sprachen nach. Ansätze mit dem Fokus auf fachlicher Qualifikation In einer Umfrage unter Personalmanagern zu den Anforderungen an Entsandte wurden in 95% der Antworten fachbezogene Qualifikationen genannt (Wirth, 1998, S. 3). Hierbei wird -fälschlicherweiseangenommen, dass dieselben Kompetenzen zu Erfolg im Ausland führen, wie die im Inland. Jedoch sind die fachlichen Qualifikationen dennoch von Bedeutung und werden von Expatriates als ein Erfolgsfaktor von Entsendungen benannt. Insbesondere internationalen fachlichen Kompetenzen sollte hierbei Bedeutung zugemessen werden, wie beispielweise den Kenntnissen der eingesetzten Technologien und Standards, des Rechts und der wichtigsten Fachbegriffe im jeweiligen Gastland. Ansätze mit dem Fokus auf Einstellungen und Erwartungen Weitere interkulturelle Forschungsansätze befassen sich mit dem Einfluss von individuellen Einstellungen und Erwartungen im Hinblick auf interkulturellen Erfolg. So reagiere jede Person unterschiedlich auf kulturelle Stimuli und weise eine andersartige Einstellung zu ebendiesen auf. In diesem Rahmen wirken auch Stereotypien und Vorurteile auf die Erwartungen der Person ein. Hierbei wird die Wahrnehmung selektiert und „die Aufmerksamkeit auf bestimmte Klassen von Informationen […] und von anderen weggerichtet“, (Mendenhall et al., 1995, S. 475). Dadurch können neue Informationen nicht wahrgenommen und das Verstehen anderer Kulturen erschwert werden. Andererseits können Stereotypien die Erfassung fremder Kulturen auch erleichtern. So konstatieren Mendenhall et al., dass im interkulturellen Kontext zunächst die Generalisierung nötig sei, um die Kultur zu verstehen, diese jedoch verworfen werden müsse, sobald sie sich als unzutreffend herausstellt. Dies erfordere viel Mühe und Übung (Mendenhall et al., 1995, S. 475). Gemäß dem Stufenmodell der subjektiven Deutung von Kulturunterschieden nach Bennett, bewegt sich die individuelle Weltsicht auf einem Kontinuum zwischen den beiden Gegenpolen Ethnozentrismus und Ethnorelativismus. Während auf der Stufe des Ethnozentrismus die Annahme vorherrscht, die Weltsicht der eigenen Kultur sei die einzig wirkliche, wird beim Ethnorelativismus davon ausgegangen, dass Kulturen nur in Relation zu anderen Kulturen vollständig erfasst werden können. Zwischen den beiden Extrema liegen die Abstufungen der Akzeptanz von kulturellen Unterschieden. In starker Verbindung zu den Einstellungen stehen die individuellen Erwartungen. Diese beziehen sich auf das Leben in der anderen Kultur und mögliche Probleme und Schwierigkeiten. Hier gilt es realistische Erwartungen zu entwickeln. Hinsichtlich des Einflusses von realistischen Erwartungen auf die Anpassung konnte ein empirischer Zusammenhang bewiesen werden. Zu hohe Erwartungen erweisen sich hingegen häufig als Abbruchsgrund einer Auslandsentsendung. Ebenfalls kann ein signifikanter empirischer Zusammenhang zwischen einer positiven Einstellung zur Integration von ethnischen Gruppen und verschiedenen Erfolgskriterien des Auslandsaufenthalts, wie beispielsweise der Identifikation mit der Arbeitsgruppe, konstatiert werden. Die ethnorelativistische Einstellung korreliert zudem negativ mit einem vorzeitigen Abbruch des Auslandsaufenthalts (Stierle et al., 2002, S. 212). Auch bezüglich der Anpassungsschwierigkeiten, des Akkulturationsstresses und dem interkulturellen Verstehen, erscheinen Einstellungen als verlässlicher Prä- <?page no="316"?> 5.1 Motivation in unterschiedlichen Kulturen 317 diktor (Kealey, 1989, S. 411). Für die Arbeit in interkulturellen Teams wurde der positive Zusammenhang kooperativer und kollektiver Einstellungen nachgewiesen (Podsiadlowski, 2002, S. 83). Einstellungen haben zudem einen Einfluss auf das Kommunikationsverhalten einer Person. Gertsen schreibt Einstellungen hinsichtlich der Beeinflussung der Kommunikation eine erhebliche Bedeutung für Erfolgsmaße zu. Ansätze mit dem Fokus auf Verhaltensweisen Einige Studien fokussieren ähnlich wie Gertsen insbesondere die expliziten Verhaltensweisen einer Person. Hierbei werden interpersonale Fähigkeiten, (In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff der relationalen Kompetenzen verwendet, um die Abhängigkeit und Wechselwirkung des Verhaltens vom Interaktionspartner zu verdeutlichen. Spitzberg & Cupach, 1989, S. 64) als wichtigster Erfolgsfaktor für Auslandseinsätze erachtet, insbesondere, wenn diese einen hohen Kommunikationsanteil implizieren. Erfolgskritische Verhaltensweisen in interkulturellen Tätigkeiten sind nach Stahl  Frustrationstoleranz/ Ambiguitätstoleranz,  Empathie/ Einfühlungsvermögen,  Selbstreflexion/ Haltung,  Rollenflexibilität und  Kommunikationsfähigkeit (Stahl, 1998, S. 117). Interkulturelle Kommunikationsfähigkeiten beinhalten sowohl die Elemente der Kommunikationsbewusstheit und der Kommunikationsfertigkeiten. Zu der Bewusstheit der Kommunikation zählen die Erfassung der allgemeinen Wirkungsweisen von Kommunikationsprozessen und das Wissen um die kulturelle Prägung des eigenen kommunikativen Stils. Die Kommunikationsfertigkeiten ermöglichen die Identifikation von unterschiedlichen Kommunikationsstilen und die Vermeidung und Aufklärung von Missverständnissen. Empirisch wurde eine signifikante Vorhersagekraft für einen Kulturschock anhand der Ausprägung von Rollenflexibilität und Empathie ermittelt. Zudem konnten soziale Verhaltensweisen als eine der aussagekräftigsten Prädiktoren interkultureller Effektivität nachgewiesen werden. Nach Black korrelieren Flexibilität und Gesprächsbereitschaft mit dem Entsendeerfolg (Black et al, 1992, S. 67). In einer weiteren Studie bestätigt Gelbrich ebenfalls die Vorhersagekraft von Kommunikationsfähigkeiten. So lassen sich folglich deutliche Zusammenhänge zwischen Verhaltensweisen und dem Auslandserfolg erkennen, sodass diese zum Teil bei der Vorhersage von Arbeitsleistung den Persönlichkeitsmerkmalen vorgezogen werden (Cui & Awa, 1992, S. 317). Die Operationalisierung der Verhaltensweisen gestaltet sich unproblematisch, da die Interaktionspartner diese explizit beobachten können (Furnham & Bochner, 1982, S. 189). Zu den situativen Ansätzen interkultureller Forschung Auch wenn viele personalistische Ansätze interkulturellen Erfolgs durch empirische Befunde bestätigt werden konnten, betonen einige Autoren den zusätzlichen Erklärungswert situativer Faktoren. So wirken sich situative Einflussfaktoren auf den Verlauf und den Erfolg der interkulturellen Tätigkeit aus. Diese können  im Umfeld der Person,  im Umfeld der Organisation und Entsendungsgestaltung und  in den Kontextfaktoren vor Ort liegen und werden im Folgenden vorgestellt. <?page no="317"?> 318 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Situative Faktoren im persönlichen Umfeld Die Bedeutung stabiler Familienverhältnisse für eine erfolgreiche Auslandsentsendung wird häufig von der Arbeitgeberseite unterschätzt. Die Expatriates selbst erachten die Familienstabilität hingegen als wichtigsten Faktor für den Aufenthalt und nennen gleichzeitig die Sorge um die Familie mit 38% als häufigsten Grund für die Ablehnung eines solchen (Hechanova et al., 2003, S. 220). Der Partner und die Familie stellen eine bedeutende Ressource von Unterstützung und Halt dar und werden von Stierle et al. sogar als das Fundament eines Auslandsaufenthalts angesehen (Hierbei sei zu erwähnen, dass auch eine Anpassung der Mitreisenden an die fremde Kultur erforderlich ist. Zur vertiefenden Darstellung der Anpassung von Ehepartnern siehe Ali et al, 2003). So ergaben empirische Studien einen negativen Zusammenhang der wahrgenommenen Unterstützung durch die Familie mit einem vorzeitigen Abbruch des Auslandsaufenthalts und einen positiven Zusammenhang mit der interkulturellen Anpassung. Auch weitere Studien ergeben, dass die Familienstabilität und -anpassung sich erfolgskritisch auf den Auslandsaufenthalt auswirken. Hierbei kommt der Anpassungsfähigkeit des Ehepartners eine besondere Bedeutung zu, da sie mit der Anpassung des Entsendeten selbst korreliert. Situative Faktoren im Ausland Die situativen Einflussfaktoren auf den Erfolg interkultureller Tätigkeiten lassen sich hinsichtlich dreier Aspekte untersuchen, die im Folgenden dargestellt werden. Dauer des Aufenthalts Die Anforderungen an einen Expatriate variieren mit der Dauer seines geplanten Aufenthalts im Gastland. Bei einer kurzfristigen Aufenthaltsdauer werden Fehler und eine geringe Anpassung tendenziell toleriert, während bei einem langfristigen Aufenthalt ein hoher Grad der Anpassung und Integration gefordert wird. Gleichzeitig erweist sich die Dauer des Aufenthalts auch als signifikanter Einflussfaktor auf eine erfolgreiche Anpassung und mehrere ihrer Facetten. Die Entwicklung der Anpassungsfacetten im Zeitverlauf weist nach Eckert et al. unterschiedliche Verläufe auf. So verläuft die soziokulturelle Anpassung in einer U-Kurve zur Zeitachse, während die Arbeitsleistung annähernd in linearem Zusammenhang zur Dauer des Aufenthalts steht (Eckert et al., 2004, S. 641). Lebensbedingungen Einen weiteren erfolgskritischen Faktor stellen die Lebensbedingungen des Gastlandes dar. Hierbei sind Gegebenheiten wie das Klima, die Luft- und Umweltverschmutzung, die medizinische Versorgung, die Infrastruktur, das Bildungssystem, die Freizeitmöglichkeiten und die Verfügbarkeit von Produkten von Bedeutung für den Entsandten und seine mitreisenden Familienangehörigen. Zudem ist es relevant, in welchem Maße er seinen gewohnten Lebensstil im Gastland durch die Vergütung halten oder verbessern kann (Selmer et al., 2003, S. 64). Soziale Unterstützung Neben der Unterstützung des Entsandten durch die Familie wirken sich auch andere Formen privater sozialer Unterstützung positiv auf den Entsendungserfolg aus. Hierzu gehören Interaktionen und Freizeitkontakte mit Mitgliedern der Zielkultur, die die generelle Anpassung und Zufriedenheit (Torbiörn, 1982, S. 114) verstärken. Auch die Unterstützung durch Kollegen und Führungskräfte ist von hoher Bedeutung. Hierbei spielt nicht der Umfang, sondern die Qualität der interpersonellen Kontakte eine entscheidende Rolle. Die Qualität der Beziehung führt zu einer Verringerung der Einsamkeitsempfindungen, welche wiederum mit positiven Auswirkungen auf die Gesamtzufriedenheit einhergeht. <?page no="318"?> 5.1 Motivation in unterschiedlichen Kulturen 319 Die soziale Unterstützung steht in positivem Zusammenhang zur affektiven Anpassung (Eckert et al., 2004, S. 642) und führt zu einer geringeren Unsicherheit des Entsandten (Hechanova et al., 2003, S. 231). Situative Faktoren im organisatorischen Umfeld Die situativen Faktoren im organisatorischen Umfeld lassen sich unter zwei verschiedenen Aspekten betrachten, die im Folgenden vorgestellt werden. Aufgaben und Tätigkeiten Hinsichtlich der Zuteilung von Aufgaben und Tätigkeiten im Ausland muss nach Black et al. dem Unterscheidungsgrad zur bisherigen Tätigkeit, der role novelty, besondere Beachtung zukommen (Black et al., 1991, S. 297). Des Weiteren wirken sich die Rollenklarheit und der Einbezug des Expatriates in diesbezügliche Entscheidungen auf seine berufliche Anpassung aus. Auch das Ausmaß an interkulturellen Interaktionen (Tung, 1981, S. 73) und des fachlichen Fokus beeinflusst die Arbeits- und die generelle Anpassung des Entsandten an die fremde Kultur (Stahl & Caligiuri, 2005, S. 611). Kulturelle Distanz Ein weiterer situativer Faktor im organisatorischen Umfeld ist die kulturelle Distanz des Gastlandes zum Herkunftsland. Ein möglicher Indikator für die kulturelle Distanz zwischen zwei Ländern ergibt sich aus der Berechnung nach der City-Block-Methode (Waxin, 2004, S. 63). Hierbei wird die Differenz der Werte „society practice“ beider Länder auf allen Kulturdimensionen ermittelt und aufaddiert (Die erwähnten Berechnungswerte lassen sich der aktuellen GLOBE Studie entnehmen). Eine durch den Entsandten erlebte kulturelle Distanz steht in signifikanten negativen Zusammenhang zur Arbeitsleistung im Ausland (Masgoret, 2006, S. 315). Bei einem hohen Grad an kultureller Distanz kommt es vermehrt zu Anpassungsschwierigkeiten und zu einem stärker ausgeprägten Kulturschock (Palthe, 2004, S. 45; Kim, 2001, S. 145) Die Erschwerung der Anpassung erfolgt hierbei nicht in gleichem Maße für die beteiligten Landesangehörigen. Eine Anpassung an entwickelte Länder erweist sich beispielsweise tendenziell als einfacher (Allerdings konnten Stening und Hammer eine geringe Varianz im Anpassungsgrad der Mitglieder einer Kultur über verschiedene Zielkulturen hinweg beobachten. Das relativiert die Bedeutung der kulturellen Distanz und rückt den Einfluss der Herkunftskultur auf die Anpassungsfähigkeit ihrer Mitglieder in den Fokus (Stening & Hammer, 1992, S. 84). Zum Kontingenzansatz interkultureller Forschung Würdigt man den situativen Ansatz in seiner Gesamtheit, so sprechen die Ergebnisse für eine notwendige Berücksichtigung der situativen Faktoren bei der Personalauswahl für interkulturelle Tätigkeiten. Da die situativen Bedingungen in jeder Entsendungssituation derart unterschiedlich geprägt sind, dürfen die personalen Einflussfaktoren nicht ungeachtet dieser Einflüsse betrachtet werden. So erreichen Tung zufolge die Unternehmen eine geringere Misserfolgsrate bei der internationalen Personalauswahl, die eine Vielzahl an unterschiedlichen Kriterien für ihre Entscheidung heranziehen. Daher wurde ein Kontingenzansatz entwickelt, demzufolge der Fokus der Personalauswahl in Abhängigkeit von den Kontextfaktoren entweder auf den personalistischen oder den situativen Faktoren liegt, in jedem Fall aber beide Faktorengruppen berücksichtigt werden. <?page no="319"?> 320 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Auch weitere Autoren schließen sich den interaktionistischen Annahmen an, sodass Stahl einen Paradigmenwechsel der interkulturellen Forschung wahrnimmt. Grundlage der interaktionistischen Annahmen ist die geringe Konsistenz individuellen Verhaltens über verschiedene Situationen hinweg. In der Persönlichkeitspsychologie bilden Situationen das Produkt der Interaktion von Person und Umwelt. So geht dieser Ansatz nicht von einem Nebeneinander von Persönlichkeit und situativen Bedingungen, sondern von einer Interaktion der Faktoren aus. Das Verhalten einer Person wirke auf die Situation ein, konstruiere sie in gewissem Maße (Spitzberg & Cupach, 1989, S. 147), während die Aktion wiederum bei der Person selbst Veränderungen hervorrufe. So können Anpassung und effektive Arbeit weder alleinig von personalistischen noch von situativen Faktoren vorhergesagt werden. Folglich empfiehlt sich eine Berücksichtigung beider Ansätze in ihrem interaktiven Verhältnis. Nichtsdestotrotz existieren nach wie vor zahlreiche Untersuchungen, die sich auf einen der beiden früheren Ansätze stützen (Prechtl, 2008, S. 41). In diesem Abschnitt werden mit Hinblick auf die eignungsdiagnostische Fragestellung insbesondere personenbezogene Prädiktoren interkulturellen Erfolgs fokussiert, wie Abb. 5.5 verdeutlicht. Es sei jedoch explizit darauf hingewiesen, dass für andere Forschungsgebiete, insbesondere für die Planung von Unterstützungsmaßnahmen für Auslandsentsendungen, der Kontingenzansatz interkultureller Forschung anzuwenden ist. Abb. 5.5: Prädiktoren und Kriterien interkulturellen Erfolgs (eigene Darstellung) Zu den interkulturellen Kompetenzen als Erfolgsprädiktor interkultureller Tätigkeiten Interkulturelle Tätigkeiten bieten Einschätzungsmöglichkeiten individueller interkultureller Kompetenzen. So kann anhand konkreter Performanz eine Bewertung interkultureller Kompetenzen hinsichtlich der Erfolgskriterien Effektivität und Angemessenheit und Zufriedenheit erfolgen. Unter angemessener Interaktion wird ein Verhalten verstanden, das kontextspezifische Erwartungen erfüllt und keine bestehenden Regeln verletzt (Lustig & Spitzberg, 1993, S. 154). Die Evaluationsmaßstäbe sind folglich kontext- und kulturabhängig. Dementsprechend wird Angemessenheit vor dem Hintergrund der konkreten Interaktion und aus den beteiligten Kulturperspektiven bewertet (Ting-Toomey, 1999, S. 263). Die Effektivität gibt den Grad der individuellen und tätigkeitsbezogenen Zielerreichung des Mitarbeiters an (Anmerkung: Der Terminus der Effektivität wurde bereits im Zusammenhang mit dem Erfolgskriterium Work Adjustment ausgeführt). Individuelle Verhaltensweisen und Kompetenzen - Interkulturelle Kompetenzen, - Aufgabenspezifische Kompetenzen Performanz Interpersonale Beziehungen Commitment Abbruchsintention Zufriedenheit <?page no="320"?> 5.1 Motivation in unterschiedlichen Kulturen 321 Das Kriterium der Zufriedenheit wird individuell durch die interagierenden Personen bewertet. Die Zufriedenheit wird von den Einstellungen und Bedürfnissen des Individuums bestimmt und hängt davon ab, inwiefern die Interaktion diesen gerecht wird (Es wird konstatiert, dass es zwischen den Kriterien Effektivität und Angemessenheit trotz ihrer Interdependenzen zu Zielkonflikten kommen kann. Denn eine starke Betonung von Angemessenheit kann zu verringerter Effektivität führen oder umgekehrt, was auch als ethisches Dilemma bezeichnet wird (Neuberger, 2002, S. 178). In Abb. 5.6 wird das Verständnis der Kriterien aufgezeigt. Personenmerkmal proximale Kriterien distale Kriterien Interkulturelle Kompetenzen Bewertung der Performanz im situativen Kontext (AC) • effektiv • angemessen • zufrieden Rückschlüsse auf individuelle Kompetenzausprägung Bewertung des interkulturellen Erfolgs während/ nach dem Auslandsaufenthalt • Arbeitserfolg • Anpassung im Gastland • Zufriedenheit Prädiktor situative Performanz Erfolgskriterium Abb. 5.6: Proximale und distale Bewertungskriterien interkulturellen Erfolgs (Prechtl, 2008, S. 134.) Angemessenheit, Effektivität und Zufriedenheit lassen sich kurzfristig erheben und daher als proximale Bewertungsaspekte bezeichnen. Distale Kriterien hingegen werden zu einem späteren Zeitpunkt erhoben und gelten als die eigentlichen Erfolgskriterien interkultureller Tätigkeiten (Neuberger, 2002, S. 183). Effektivität kann somit gleichzeitig einen Bewertungsaspekt der interkulturellen Interaktion im Sinne der kurzfristigen Zielerreichung und ein Erfolgskriterium langfristiger Leistung darstellen. Die Zufriedenheit lässt sich ebenfalls sowohl proximal als auch distal bewerten und bezieht sich entweder auf die konkrete Interaktion oder auf den Zeitraum des Auslandsaufenthalts (wobei hier auch private Einflussfaktoren berücksichtigt werden). Im Folgenden wird der Terminus der interkulturellen Kompetenzen analysiert und hinsichtlich verschiedener Forschungsansätze untersucht, um im Anschluss der Möglichkeiten Operationalisierungen des Prädiktors vorzustellen. Zu den terminologischen Grundlagen interkultureller Kompetenzen Unter dem Kompetenzbegriff wird ein konstitutives individuelles Personenmerkmal (Schuler & Barthelme, 1995, S. 77) verstanden, das die Voraussetzung dafür bildet, „ein Ziel zu formulieren und zu erreichen bzw. eine Handlung auszuführen, sofern die außerhalb des Individuums liegenden Gegebenheiten dies zulassen“, (Kaiser, 1982, S. 2). Somit stellt Kompetenz das individuelle Potenzial bei der Bewältigung von Situationen dar, das situativ (und intra-individuell) variieren kann. Kompetenz ist hierbei, im Gegensatz zur Performanz, nicht explizit beobachtbar (Prechtl, 2008, S. 47). Interkulturelle Kompetenzen haben nach Prechtl spezifische Charakteristika, die in Abb. 5.7 dargestellt und beschrieben sind. <?page no="321"?> 322 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Merkmale interkultureller Kompetenz Beschreibung Individuelles Verhaltenspotenzial Ermittlung des interkulturellen Verhaltenspotenzials einer Person Kontextbezug Erfassung der Interaktion in kulturellen Überschneidungssituation Bewertung aufgrund der Performanz Interkulturelle Kompetenzen selbst können nicht beobachtet werden, nur Performanz Effektivität Interkulturell kompetentes Verhalten ist effektiv Angemessenheit Interkulturell kompetentes Verhalten ist dem situativen Kontext angemessen Abb. 5.7: Charakteristika interkultureller Kompetenzen (Prechtl, 2008, S. 48) So lassen sich interkulturelle Kompetenzen als „das Potenzial einer Person“ beschreiben, das notwendig ist, „um in kulturellen Überschneidungssituationen erfolgreich zu interagieren. […] Die Person wählt ein als angemessen geltendes Verhalten, wodurch für alle Interaktionspartner ein Maximum an positiven Konsequenzen erreicht werden kann. Auf das Potenzial wird aus der Performanz geschlossen“ (Prechtl, 2008, S. 47). Interkulturelle Kompetenzen lassen sich im Hinblick auf verschiedene Aspekte untersuchen. So wird zwischen der affektiven, kognitiven und konativen Dimension interkultureller Kompetenzen unterschieden. Affektive Ansätze der interkulturellen Kompetenzforschung Die affektive Dimension interkultureller Kompetenzen bezeichnet die psychologische und emotionale Perspektive, die die Bereitschaft zum Umgang mit fremden Kulturen steuert (Gudykunst et al., 1977, S. 416). So gilt es die eigenen Emotionen zu kontrollieren und zu akzeptieren. Hiermit in enger Verbindung stehen auch motivationale Komponenten, die die Auswahl und Steuerung von Verhalten beeinflussen. Die Entscheidung hängt hierbei von erwarteten Folgen des jeweiligen Verhaltens ab (Müller & Gelbrich 2001, S. 251). Interkulturelle Motivation umfasst die psychologischen Prozesse, die ein Individuum dazu bringen, interkulturelle Situationen einzugehen und zu bewältigen. So verbinden Mitarbeiter mit hoher interkultureller Motivation positive Erwartungen mit kulturellen Überschneidungssituationen. Als Konsequenz dieses Affekts können sich positive Stereotype und Verhaltenstendenzen bilden (Gudykunst et al., 1977, S. 416). Kognitive Ansätze der interkulturellen Kompetenzforschung Die kognitive Dimension interkultureller Kompetenz bezeichnet die Informationsaufnahme und -verarbeitung hinsichtlich kultureller Erkenntnisse. Hierbei sind sowohl Informationen über Kultur und Kultureinflüsse generell als auch kulturspezifische Informationen, wie informelle Richtlinien zu Verhaltensweisen, von Relevanz (Brislin & Yoshida, 1994, S. 6). Ferner gilt es ein Grundverständnis über Systemzusammenhänge verschiedener Kulturen zu entwickeln und deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu analysieren (Kulturspezifisches Wissen weist einen signifikanten Einfluss auf generelles Kulturverständnis auf. Als stärkster Prädiktor des Kulturverstehens wurde jedoch geringer Ethnozentrismus (affektive Dimension) identifiziert. Collier, 1989, S. 127f.). Konative Ansätze der interkulturellen Kompetenzforschung Die konative Dimension interkultureller Kompetenzen fokussiert explizite verhaltensbezogene Aspekte. So garantiere weder Kulturwissen noch emotionale Beteiligung eine Umsetzung in adäquates <?page no="322"?> 5.1 Motivation in unterschiedlichen Kulturen 323 interkulturelles Verhalten. Konkrete Verhaltensweisen und -fähigkeiten seien zentral für kulturelle Anpassung, während affektive und kognitive Elemente zwar anerkannt, deren „Qualität als Verhaltensprädiktoren jedoch angezweifelt“ werden. So erlangt das tatsächlich gezeigte Verhalten durch den expliziten Nachweis von Kompetenzen eine höhere Bedeutung als die beiden anderen Dimensionen. Modelle interkultureller Kompetenz In den letzten Jahrzehnten hat sich die Systematisierung interkultureller Kompetenzen zu einem mehrdimensionalen und mehrfaktoriellen Konzept entwickelt, das die drei vorgestellten Dimensionen vereint. Doch nicht alle Modelle orientieren sich an dieser Kategorisierung. Im Folgenden wird die mögliche Systematisierung. Weitere mögliche Systematisierungen von Modellen interkultureller Kompetenz sind die Anwendungszweckbezogene Klassifikation nach Spitzberg & Changnon (2009) und die „Konstruktbezogene Klassifikation“ nach Leung, Ang & Tan (2014). Die vorliegende Klassifikation nach Bolten orientiert sich an einer zunehmenden Komplexität der Interkulturalität. Interkulturelle Kompetenzen werden in Struktur-, Prozess- und Listenmodellen vorgestellt, um im Anschluss das „Intercultural Competence Assessment“ Modell vorzustellen. Strukturmodelle Ausgehend von den drei Dimensionen interkultureller Kompetenzen haben sich in den letzten Jahren Strukturmodelle etabliert, in denen Teilkonstrukte identifiziert und den Dimensionen zugeordnet werden. Ein Beispiel hierfür ist das Strukturmodell nach Müller und Gelbrich, das interkulturelle Kompetenzen unter Zuordnung der drei Dimensionen abbildet (Abb. 5.8). Abb. 5.8: Strukturmodell interkultureller Kompetenz (Müller & Gelbrich, 2001, S. 252) <?page no="323"?> 324 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Bei der Systematik der Strukturmodelle erweist sich die Überschneidung und Interdependenz der psychischen Aspekte als problematisch, die sich zudem teilweise mehreren Dimensionen zuordnen lassen. Zudem unterscheiden sich nicht nur die Zuordnungen verschiedener Autoren, sondern auch die Betrachtung innerhalb einzelner Schriften weist Inkonsistenzen auf. Eine konfirmatorische Faktorenanalyse des dargestellten Strukturmodells konnte die Zuordnung nicht replizieren. Als Konsequenz wird für eine Verwendung einzelner Kompetenzaspekte ohne Zuordnung zu den Dimensionen plädiert (Gelbrich, 2004, S. 263). Prozessmodelle In der Praxis lässt sich also ein wechselseitiges Verhältnis zwischen kognitiven, affektiven und konativen Kompetenzen beobachten, das die Trennung der einzelnen Dimensionen erschwert. Bolten beschreibt interkulturelle Kompetenz daher „nicht als Synthese, sondern als synergetisches Produkt des permanenten Wechselspiels der genannten Teilkompetenzen“. So etabliert er das Konstrukt des Prozessmodells (Bolten 2007, S. 25). Abb. 5.9 zeigt exemplarisch ein Prozessmodell interkultureller Kompetenzen nach Deardorff auf. Abb. 5.9: Prozessmodell interkultureller Kompetenz (Deardorff, 2006, S. 21) In Prozessmodellen wird nicht nur das Interdependenzverhältnis der einzelnen Komponenten, sondern auch deren Gebundenheit an Situationen und Umwelteinflüsse verdeutlicht. So werden Komplexität interkultureller Handlungen und deren Abhängigkeit von dynamischen Prozessen betont (Wobei das Erfolgskriterium meist nur ein- oder zweidimensional erfasst wurde Listenmodelle Der Zweck einer Modellanwendung von interkulturellen Kompetenzen liegt in der theoretischen Erschließung der Personalauswahl für einen Auslandsaufenthalt. Die Anwendung eines Prozessmodells erscheint insbesondere zur Gestaltung von Unterstützungsmaßnahmen vor und während der Auslandsentsendung relevant, jedoch weniger für die Eignungsdiagnostik. Auch von einem Strukturmodell wird angesichts wissenschaftlicher Widersprüche abgesehen. Eine Vielzahl an Autoren bedient sich der pragmatischen Methode der Auflistung von Teilkomponenten interkultureller Kompetenzen. <?page no="324"?> 5.1 Motivation in unterschiedlichen Kulturen 325 In Abb. 5.10 werden Ergebnisse empirischer Untersuchungen zu den Teilkomponenten interkultureller Kompetenzen im Hinblick auf bestätigte Prädiktoren interkulturellen Erfolgs dargestellt (Wobei das Erfolgskriterium meist nur ein- oder zweidimensional erfasst wurde (Siehe Spalte Erfolgsmaße). Forscher Erfolgsmaße/ -kriterien Ergebnisse zur Erfolgswirkung der Teilkomponenten Cleveland, Mangone, Adams (1960) Effektivität Empathie als Prädiktor bestätigt Hammer, Gudykunst, Wiseman (1978) Effektivität Kommunikationskompetenz als Prädiktor bestätigt Ruben, Kealey (1979) Effektivität, Anpassung Offenheit als Prädiktor bestätigt Hawes, Kealey (1981) Effektivität, Anpassung Flexibilität und Kommunikationskompetenz als Prädiktor bestätigt Abe, Wiseman (1983) Effektivität Empathie und Verhaltensflexibilität als Prädiktoren bestätigt Imahori, Lanigan (1989) Effektivität, Angemessenheit Empathie, Offenheit, Flexibilität, Kommunikationskompetenz bestätigt Cui, Awa (1992) Effektivität, Anpassung Empathie, Flexibilität und Kommunikationskompetenz als Prädiktoren bestätigt Arthur, Bennett (1995) Effektivität Empathie, Flexibilität und Kommunikationskompetenz als Prädiktoren bestätigt Chen, Starosta (1996) Effektivität, Angemessenheit Offenheit, Flexibilität, Kommunikationskompetenz bestätigt Lievens, Harris (2003) Effektivität Offenheit als Prädiktor bestätigt Graf (2004) Effektivität, Angemessenheit Offenheit als Prädiktor bestätigt Gelbrich (2004) Effektivität, Anpassung, Zufriedenheit Empathie, Offenheit, Kommunikationskompetenz als Prädiktoren bestätigt Mol, Van der Molen (2006) Effektivität Offenheit, Flexibilität und Kommunikationskompetenz als Prädiktoren bestätigt Shaffer, Harrison, Gregersen (2006) Effektivität, Anpassung, Abbruchswunsch Flexibilität und Offenheit als Prädiktoren bestätigt Abb. 5.10: Prädiktorwirkung der Teilkomponenten interkultureller Kompetenzen (Mertesacker, 2010, S. 342- 344) Bei einigen Listenmodellen überschneiden sich jedoch einzelne Teilkomponente als Resultat oberflächlicher Recherche und fehlender empirischer Ableitung. Bei der Anwendung eines Listenmodells ist daher auf dessen definitorische Abgrenzung und konzeptionelle Klarheit zu achten. Zum INCA Modell Das INCA (Intercultural Competence Assessment) Modell bietet angesichts der dargestellten empirisch bestätigten Prädiktoren eine adäquate Zusammenstellung an Dimensionen interkultureller Kompetenzen. Das Modell entspringt einem länderübergreifenden interdisziplinären Projekt und <?page no="325"?> 326 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung bietet ein Konzept interkultureller Kompetenzen, das eine Beschreibung von sechs Teildimensionen sowie damit verbundene Performanzaspekte umfasst (INCA, 2004, S. 3). Es wird, wie zuvor ausgeführt, davon ausgegangen, dass jede Teilkomponente Korrelate auf der kognitiven, emotionalen und behavioristischen Dimension aufweist. Die Dimensionen des INCA Modells beschreiben die Anforderungen an Mitarbeiter in kulturellen Überschneidungssituationen und werden im Folgenden vorgestellt. Ambiguitätstoleranz Kulturelle Überschneidungssituationen bergen Widersprüche und Mehrdeutigkeiten in sich. Diese Andersartigkeit kann bei der Erfüllung vorgegebener Aufgaben als hinderlich und stressauslösend wahrgenommen werden. Der Expatriate befindet sich in einem „dual loyalty“ Dilemma und versucht den Erwartungen des Stammhauses bei begrenzten Realisierungsmöglichkeiten gerecht zu werden (Mendenhall et al., 1995, S. 46). Hierbei gilt es mit negativen Gefühlen wie Unsicherheit und Überforderung umzugehen. Unter Ambiguitätstoleranz versteht man die Fähigkeit, Unklarheiten und Mehrdeutigkeiten im interkulturellen Kontakt auszuhalten und konstruktiv damit umzugehen. Hierfür ist eine Wahrnehmung der Unterschiede und Berücksichtigung der Komplexität erforderlich. (Eine geringe Ambiguitätstoleranz zeigt sich in Versuchen zur Strukturierung und Vereinfachung. Gering kompetente Expatriates blenden Teilaspekte der interkulturellen Situation aus und entwerfen Schwarz-Weiß-Lösungen. Hatzer & Layes, 2003, S. 141). Verhaltensflexibilität Innerhalb einer spezifischen Kultur ist die Akzeptanz von Verhaltensweisen grundsätzlich sehr eingeschränkt, sodass nur eine geringe Spannbreite von Verhalten als angemessen angesehen wird. In der Interaktion mit anderskulturellen Partnern ist die Anpassung der gewohnten Verhaltensweisen an die Regeln und Erwartungen des Gegenübers erforderlich (Ali et al., 2003, S. 567). Interkulturelle Verhaltensflexibilität umfasst die Erweiterung und adaptive Anwendung von Verhaltensweisen. Hierzu werden aus einem breiten Repertoire Verhaltensweisen ausgewählt, die der spezifischen Situation und dem fremdkulturellen Interaktionspartner angemessen sind. Respekt/ Offenheit Kulturelle Überschneidungssituationen bedingen eine Konfrontation mit fremdkulturellen Werten und Normen, die den eigenen widersprechen können. Hierfür ist eine wertungsfreie und akzeptierende Grundhaltung gegenüber anderen Personen und Kulturen erforderlich (Chen & Starosta, 1998, S. 68). Eine Reflexion über die Kulturbedingtheit des eigenen Handelns und eine kritische Auseinandersetzung mit eigenkulturellen Grundannahmen ist hierbei förderlich. Respekt beinhaltet einen offenen und wertschätzenden Umgang mit Angehörigen anderer Kulturen. Respekt bezieht sich auf die Akzeptanz und Toleranz anderskultureller Wertsysteme, auch wenn diese den eigenen widersprechen (Prechtl. 2008, S. 59). Empathie Im Zuge interkultureller Interaktionen gilt es zu berücksichtigen, dass fremdkulturelle Personen identische Situationen unterschiedlich wahrnehmen und interpretieren. So gewinnt das Einfühlungsvermögen in Bezug auf kulturelle Denk- und Handlungsweisen an Bedeutung. Hierbei gilt es unter Umständen auch andere Ausdrucksweisen von Emotionen zu erfassen und zu deuten (Kühlmann & Stahl, 1998, S. 217). <?page no="326"?> 5.1 Motivation in unterschiedlichen Kulturen 327 Unter Empathie wird die Fähigkeit verstanden, sich in fremdkulturelle Personen und deren Motive, Denkweisen und Gefühle hineinversetzen zu können. Wissenserwerb Um Botschaften fremdkultureller Interaktionspartner zu verstehen, ist es erforderlich dessen Orientierungssystem und Verhaltensrepertoire zu kennen. So gilt es Wissen über fremdkulturelle Normen und Werte erwerben zu wollen und zu können (Brislin & Yoshida, 1994, S .6). Hierbei müssen über kulturelle Artefakte hinaus zugrundeliegende Prämissen erkannt werden (Gertsen, 1990, S. 356). Zudem ist die Kenntnis der Bedeutung spezifischer Ereignisse und der Erwartungshaltung hinsichtlich der kulturellen Anpassung von Bedeutung (Harvey et al., 2002, S. 495). Der Wissenserwerb beschreibt die Fähigkeit und Verhaltenstendenz, aus wahrgenommenen Interaktionen Wissen über andere Kulturen zu generieren. Er umfasst sowohl sowohl den Erwerb von Wissen über kulturspezifische Verhaltensweisen als auch über die zugrundeliegenden impliziten Annahmen. Kommunikationsbewusstheit Die Absicht und die Botschaft hinter einer Aussage muss im Hinblick auf das kulturelle Bezugssystem des Sprechers gedeutet werden. In kulturellen Überschneidungssituationen kommt es jedoch häufig zu Missverständnissen und der Zuschreibung negativer Eigenschaften (Von Helmolt, 1994, S. 118). Interkulturelle Kommunikationsbewusstheit beschreibt die Wahrnehmung von und den Umgang mit unterschiedlichen kulturellen Konventionen und deren Auswirkungen auf den Gesprächsverlauf. Hierbei gilt es Kommunikationsunterschiede zu erkennen und potenzielle Missverständnisse zu klären. Zur Ein- und Abgrenzung interkultureller Kompetenzen Hinsichtlich internationaler Tätigkeiten lassen sich in der Literatur vielzählige Anforderungen finden, die Ähnlichkeiten mit interkultureller Kompetenz aufweisen. So werden im Folgenden die wesentlichen Abgrenzungsmerkmale vorgestellt, um das Begriffsbild weiter zu schärfen. Abgrenzung interkultureller Kompetenzen von ähnlichen Konstrukten Die Abb. 5.11 zeigt mit interkultureller Kompetenz verwandte Konstrukte auf, die im folgenden Abschnitt charakterisiert werden. Intercultural Effectiveness Adaptive Personality Intercultural Sensitivity Cultural Intelligence Global Mindset Cui, Awa (1992) Kim (2001) Chen, Starosta (1998) Earley, Mosakowski (2004) Gupta, Govindarajan (2002) Prädiktor für interkulturelle Anpassung Ressourcen zur interkulturellen Anpassung motivationale Aspekte interkultureller Tätigkeiten kognitive Fähigkeit, unbekanntes Verhalten zu interpretieren Offenheit und Diversitätsbewusstsein Abb. 5.11: Der interkulturellen Kompetenz verwandte Konstrukte (Prechtl, 2008, S. 60) <?page no="327"?> 328 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Cross-Cultural Adaption und Adjustment lassen sich weitestgehend synonym verwenden, wobei letzteres insbesondere im US-amerikanischen Raum Verwendung findet. Cross-Cultural Adaption lässt sich als „komplexer, dynamischer und evolutionärer Prozess eines Individuums“ beschreiben, den er „im Hinblick auf eine neue und ungewohnte Umwelt“ durchläuft (Kim, 2001, S. 24). Hierbei gilt Adaption als die Anpassungsfähigkeit, während die Gastkultur den Bewertungsrahmen vorgibt. Folgt man diesem Verständnis, würde interkulturelle Kompetenz stets zur optimalen Anpassung an die fremde Kultur führen. Folglich ließe sich eine Hierarchie zwischen den Kulturen, mit einer dominierenden Gastkultur (sog. „kultureller Chauvinismus“) erkennen (Furnham & Bochner, 1982, S. 342). Eine solche Anpassung stellt nur eine von vielen Möglichkeiten zum interkulturellen Umgang dar (Schroll-Machl & Novy, 2000, S. 38). So beinhaltet der Terminus interkultureller Kompetenzen eine „ergebnisoffene Sichtweise“, nach der verschiedene Strategien in kulturellen Überschneidungssituationen als kompetent angesehen werden (Prechtl, 2008, S. 145). Eine andere Definition liegt dem Begriff der interkulturellen Sensibilität (Intercultural Sensitivity) zugrunde. Diese wird als positiver „Drive“ bezeichnet, der den Wunsch beinhaltet, sich mit Kulturunterschieden auseinander zu setzen (Chen & Starosta, 1998, S. 231). So erinnert das Konzept an den motivationalen Aspekt interkultureller Kompetenz, der als deren Voraussetzung angesehen wird. Einige Autoren fokussieren den Aspekt der interkulturellen Kommunikationskompetenz und argumentieren, dass „im Kern aller interkulturellen Kontakte die interpersonale Kommunikation zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen“ stehe (Knapp, 1995, S. 11). Hierbei geht es um die kompetente Interaktion hinsichtlich „sprachlicher Formen symbolischen Handelns“ (Knapp & Knapp- Potthoff, 1990, S. 66), die somit eine Akzentuierung des Konzepts interkultureller Kompetenzen bietet. Ein anderes Konstrukt ist das der kulturellen Intelligenz, das als „natürliche Fähigkeit eines Außenseiters“ beschrieben wird, „unbekanntes und mehrdeutiges Verhalten einer Person zu interpretieren und sogar zu spiegeln, in einer Weise, in der es die Bekannten und Kollegen der Person tun würden“(Earley & Mosakowski, 2004, S. 139). Weiterhin wird kulturelle Intelligenz als die kognitive Fähigkeit beschrieben, neue Interaktionsarten schnell zu lernen und zwischen kulturellen Kontexten zu wechseln. Neben den kognitiven Aspekten werden dem Konzept, entgegen der Intelligenzforschung, auch affektive und behaviorale Aspekte zugeordnet (Earley & Mosakowski, 2004, S. 143). Dementsprechend ist die Verwendung des Begriffs der kulturellen Intelligenz von Verzerrungen geprägt, die die wissenschaftliche Intelligenz-Facette fast gänzlich ausklammern und daher als „pseudowissenschaftlich“ kritisiert werden (Schuler, 2002b, S. 138). Das Konzept des Global Mindsets wird als Struktur von Wissen beschrieben, die die Sammlung und Interpretation neuer Informationen steuert und von Offenheit und Diversitätsbewusstsein geprägt ist (Gupta & Govindarajan, 2002, S. 120). Im Unterschied zur interkulturellen Kompetenz wird dieser Begriff nicht nur für Personen, sondern auch für die Beschreibung von Organisationen und Organisationskulturen verwendet. So lässt sich festhalten, dass die neueren Begriffe keinen Zusatznutzen darstellen. Zur Abgrenzung interkultureller Kompetenzen von Self-Monitoring In der interkulturellen Interaktion wird neben der Kenntnis um die gewünschten Verhaltensweisen auch die Fähigkeit der entsprechenden Verhaltenssteuerung benötigt. Es lässt sich hierbei zwischen dem Ziel der Belohnung durch die Interaktionspartner (akquisitives Self-Monitoring) und dem Ziel der Vermeidung von Missbilligung (protektives Self-Monitoring) unterscheiden (Laux & Renner, 2002, S. 137). Hierzu kontrolliert das Individuum seine Selbstdarstellung zu Anpassungszwecken, was in unterschiedlichem Maße geschehen kann, (Snyder & Gangestad, 2000, S. 530), Self-Monitoring umfasst die Sensibilität für die Anzeichen von Angemessenheit (Mendenhall & Wiley, 1994, S. <?page no="328"?> 5.1 Motivation in unterschiedlichen Kulturen 329 609). Selbstreflexion und -regulation im Falle aufkommender und unangebrachter Emotionen (Matsumoto et al., 2001, S. 485). Je nach Anforderungen und Komplexität der Tätigkeit kann eine starke Variabilität des Self-Monitorings nötig sein (Caligiuri & Day, 2000, S. 158). Die Bedeutung von Self-Monitoring konnte für verschiedene Anpassungsmaße bestätigt werden. So lässt ein hoher Grad an Self-Monitoring einen signifikanten Zusammenhang zur generellen Anpassung, nicht aber zur beruflichen Anpassung erkennen. Auch im Hinblick auf fremdbewertete Leistung und auf selbstbewertete Anpassung wurden positive Zusammenhänge mit Self-Monitoring nachgewiesen (Harrison et al., 1996, S. 174). Das Self-Monitoring lässt sich somit als weiterer Erfolgsprädiktor interkultureller Tätigkeiten ansehen. Zum Verhältnis interkultureller und sozialer Kompetenzen Ähnlich dem interkulturell kompetenten Verhalten gilt es auch bei sozialer Kompetenz einen Kompromiss zwischen individueller Zielerreichung und situativer Anpassung zu erreichen. Hierzu erfordert es in beiden Fällen „Perspektivenübernahme, Wertepluralismus, Handlungsflexibilität und Konfliktfähigkeiten“, (Prechtl, 2008, S. 156). Es wird betont, dass soziale Kompetenzen zwar hilfreich für interkulturelle Interaktionen seien, jedoch nicht ausreichen, um Kommunikationsbarrieren und interkulturelle Missverständnisse zu überwinden (Triandis, 1972, S. 347). Es lassen sich verschiedene Vermutungen zum Zusammenhang beider Kompetenzarten aufstellen: Eine mögliche Interpretation interkultureller Interaktion ist ihre Einordnung als Spezialfall der sozialen Kompetenzen. So gebe es auch intrakulturelle Minoritäten, deren Besonderheiten es in der Interaktion durch spezifische Kompetenzen zu berücksichtigen gelte (Gudykunst, 1994, S. 27). Einige Autoren vermuten daher die Notwendigkeit derselben Kompetenzen und Prozesse im interwie im intrakulturellen Kontakt. Auch Bolten sieht lediglich die zusätzliche Anforderung von Transferleistung im interkulturellen Handlungskontext (Bolten, 2001b, S. 58). Andere Autoren sehen interkulturelle Kompetenz hingegen als Erweiterung der sozialen Kompetenz. Es bestehe in kulturellen Überschneidungssituationen kein Konsens über Normen und Regeln, wie im intrakulturellen Kontext. So seien Interaktionen von Unsicherheit und Missverständnissen geprägt, die weitere Kompetenzen erforderlich machen (Knapp, 1999, S. 10). Im Hinblick auf den Zusammenhang sozialer und interkultureller Kompetenzen gibt es somit keine eindeutigen empirischen Befunde. Während nach Eder interkulturelle Kompetenzen abhängig von sozialen Kompetenzen sind, (Eder, 1996, S. 412) finden Graf & Harland nur geringe Korrelationen beider Fähigkeiten, woraus sie schließen, dass es sich um unabhängige Konstrukte handelt (Graf & Harland, 2005, S. 51f). So lässt sich weder theoretisch noch praktisch eine Einordnung der Kompetenzarten vornehmen, sodass bei Relevanz sozialer Kompetenzen für die Auslandspositionen zu einer Erhebung beider Konstrukte geraten wird. Zusammenfassung Die Erfolgskriterien von Auslandsentsendungen lassen sich anhand der Ergebnisse der Metaanalyse von Bhaskar-Shrinivas klar definieren, bergen jedoch in Ihrer Erfassungsmethode der Nachbefragung das Risiko subjektiver Verzerrung. So gehen mit der Selbsteinschätzung potenzielle Positivverzerrungen und Falschangaben aufgrund sozialer Erwünschtheit einher, während bei der Fremdeinschätzung nicht alle Kriterien bewertet werden können und Verzerrungen aufgrund mangelnder kulturadäquater Ausrichtung der Fragen auftreten können. Den Verzerrungsproblematiken gilt es daher durch entsprechend fundierte Formulierungs- und Fragetechniken entgegen zu wirken. <?page no="329"?> 330 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Interkultureller Erfolg und erfolgreiches Anpassungsgeschehen werden anhand unterschiedlicher Prädiktoren und Einflussfaktoren erklärt, die sich den personalen, situativen und kontingenztheoretischen Forschungsparadigmen zuordnen lassen. So bietet die konkrete Performanz eines Bewerbers Einschätzungsmöglichkeiten seines zukünftigen interkulturellen Erfolgs. Diesbezüglich wird dargestellt, welche Verhaltensweisen als Erfolgsprädiktoren in der empirischen Forschung identifiziert wurden und auf dieser Basis das sechsdimensionale INCA Modell interkultureller Kompetenzen ausgewählt. Das Modell bietet durch eine klare Definition der Teilkomponenten interkultureller Kompetenzen eine Auflistung der Erfolgsprädiktoren interkulturellen Erfolgs, die es im Rahmen der Eignungsdiagnostik für Auslandsentsendungen zu erfassen gilt. 5.2 Internationale Entgeltfindung Lernziele  Sie haben ein grundsätzliches Verständnis für den Prozess der internationalen Entgeltfindung.  Sie können die Begriffe wie Direktentgelt, Stammlandmodell, Nettovergleichsrechnung, Kaufkraftausgleich im internationalen Kontext einordnen. Die bestmögliche Formierung der Gesamtvergütung für Mitarbeiter auf nationaler sowie internationaler Ebene kann unternehmensindividuell gestaltet werden. Die fortschreitende Globalisierung und der damit verbundene Wegfall von Handelsgrenzen führen aufgrund eines international zunehmenden Wettbewerbs zu einem erhöhten Konkurrenzdruck. Daraus ergibt sich ein Personaleinsatz über die Grenzen hinaus. Unternehmen beschäftigen Mitarbeiter, die verschiedenen Kulturkreisen angehören. Demzufolge ist der Bereich der internationalen Personalwirtschaft mit der Herausforderung konfrontiert, ein einheitliches, gerechtes Entgeltsystem in einem multinationalen Unternehmen zu gestalten. Das Prinzip jeden Entgelts ist die Forderung nach Gerechtigkeit zwischen Leistung und Entgelt zwischen den Mitarbeitern im Inland und im Ausland und somit ein zentrales Thema in jedem multinationalen Unternehmen. Entgeltgerechtigkeit bedeutet Leistung und Lohn/ Gehalt haben zueinander in einem angemessenen Verhältnis zu stehen. Da es bisher in keinem internationalen Unternehmen gelungen ist, ein ausgewogenes Entgeltmanagementsystem zu entwickeln, schon allein wegen der unterschiedlichen, internationalen steuerlichen Gesetzgebungen, sozialer Gesetze weltweit, der unterschiedlichen Lebenssituationen der Mitarbeiter/ innen in Entwicklungsländern oder in westlichen Ländern, fällt die Einlösung eines ausgewogenen Entgeltmanagementsystems objektiv betrachtet schwer. <?page no="330"?> 5.2 Internationale Entgeltfindung 331 Tab. 5.1: Formen der Entgeltgerechtigkeit Prinzip Merkmal 1. Anforderungsgerechtigkeit • Basis bildet die Arbeitsbewertung → Arbeitsentgelte werden nach dem Schwierigkeitsgrad der Arbeit gestaffelt • Ausgestaltung der anforderungsgerechten Entlohnung ist die Funktionsbewertung • Mit der Funktionsbewertung wird eine Stelle / Funktion mit den ihr zugeordneten Aufgaben beurteilt → daraus ergibt sich ein Funktionswert, der die Grundlage für die funktionelle Lohnbestimmung ist 2. Leistungsgerechtigkeit • Voraussetzung: Zielvereinbarung • Qualität vs. Quantität • Spezifische Leistung der Mitarbeiter steht im Focus unabhängig von den Anforderungen an die Stelle 3. Marktgerechtigkeit • es herrschen konjunkturelle und saisonale Schwankungen, aber auch regionale Unterschiede → Arbeitsentgelt sollte sich nach dem gegenwärtigen Marktwert der verwertenden Arbeitsvermögen richten 4. Sozialgerechtigkeit • Entgeltdifferenzierung nach: - Lebensalter/ Dienstalter - Familienstand - Weihnachtsgeld/ Urlaubsgeld - Lohnfortzahlung im Krankheitsfall - Behördengänge, Hochzeit - Lohnzulagen (Feiertagsarbeit, Überstunden) 5. Qualifikationsgerechtigkeit • Entgelthöhe ist abhängig vom Kenntnis-/ Wissenstand der Mitarbeiter, auch wenn der höhere Grad an Qualifikation nicht permanent gefordert ist 6. Kompetenzgerechtigkeit • 360° Grad Beurteilung • Mitarbeiter als der Differenzierungsfaktor 7. Grundsatz der Gleichbehandlung • Art. 3GG analog § 611a BGB • → schreibt eine Gleichbehandlung von Männern und Frauen vor Quelle: in Anlehnung an Jung (2011), S. 563 ff. Um den erwähnten Prinzipien der Gehaltsgerechtigkeit zu entsprechen, setzt sich das Entgelt in der Regel aus mehreren Entgeltbestandteilen zusammen (= Entgeltsystem). 5.2.1 Entgeltbegriff Der Begriff Entgelt beinhaltet aufgrund eines vertraglich begründeten Arbeitsverhältnisses, alle materiellen Gegenleistungen, die ein Mitarbeiter für seine geleistete Arbeit gegenüber dem Arbeitgeber erhält (Berthel/ Becker (2013), S. 573). <?page no="331"?> 332 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Abb. 5.12: Bestandteile des Entgelts. Quelle: in Anlehnung an Becker/ Berthel (2013), S. 574. Das Entgelt setzt sich aus dem Direktentgelt, der Erfolgsbeteiligung und der gesetzlichen, tariflichen und freiwilligen Sozialleistung zusammen (siehe Abb. 5.12). 5.2.2 Direktentgelt Zu den üblichen Formen des Direktentgeltes gehören der Zeitlohn, der Akkordlohn und Prämienlohn (Jung (2010), S. 971 ff.). Die Entgeltdifferenzierung erfolgt hierbei anforderungsaber auch leistungsorientiert. Tab. 5.2: Lohnformen Direktentgelt Zeitlohn Leistungslohn reiner Zeitlohn Zeitlohn mit Leistungszuschlag Akkordlohn Prämienlohn Hier wird die im Betrieb verbrachte Zeit vergütet → unabhängig von der tatsächlich erbrachten Leistung Dient dem Unternehmen zum Anreiz der Mitarbeiter → zusätzliche Leistungszuschläge zum Grundlohn Echter Leistungslohn → Höhe des Entgelts ist von der tatsächlichen Arbeitsleistung abhängig Besteht aus a) Leistungsunabhängiger Teil = Grundlohn b) Leistungsabhängiger Teil = Prämie Quelle: in Anlehnung an Jung (2010), S. 971 ff. Entgelt Direktentgelt Erfolgsbeteiligung Sozialleistungen Klassische Entgeltformen  Zeitlohn  Akkordlohn  Prämienlohn Weitere Entgeltformen  Provision  Tantieme  Pensumlohn Gesetzliche Sozialleistung  Arbeitslosen-, Renten-, Kranken-, Unfallversicherung Tarifliche Sozialleistungen, Freiwillige Sozialleistungen  z.B. betriebliche Altersversorgung, Urlaubsgeld, Sonder-zahlungen(Weihnachtsgeld), Übernahme von Fahrtkosten <?page no="332"?> 5.2 Internationale Entgeltfindung 333 5.2.3 Erfolgsbeteiligung Die Erfolgsbeteiligung ist eine freiwillige Sondervergütung des Unternehmens für Mitarbeiter auf erfolgsorientierter Basis, gemessen am Unternehmenserfolg, nach einem vorher festgelegten Bemessungsgrundsatz zusätzlich zur vereinbarten Vergütung. Tab. 5.3: Formen der Erfolgsbeteiligung: Leistungsbeteiligung Ertragsbeteiligung Gewinnbeteiligung Werteentwicklungsbeteiligung Vorschriftsleistung ist erreicht oder überschritten direkter Bezug zum Unternehmensertrag Bilanzgewinnbeteiligung Anreiz für Führungskräfte → Entscheidungsverhalten am Wert des Unternehmens auszurichten Quelle: in Anlehnung an Jung (2010), S. 984 ff., Gutmann/ Bolder (2012), S. 138 ff. 5.2.4 Sozialleistungen Zu den Sozialleistungen gehören die gesetzliche, die tarifliche und die freiwillige Sozialleistung (Jung (2010), S. 979). Tab. 5.4: Formen der Sozialleistung gesetzliche Sozialleistung tarifliche Sozialleistung freiwillige Sozialleistung • Sozialversicherungsbeiträge • Höhe nicht vom Unternehmen beeinflussbar • Kündigungsschutz • Rentenbeihilfe • Arbeitszeit- und Arbeitsbedingungen • Zusatzleitung auf freiwilliger Basis • beruhen auf Einzelverträgen • bspw. Firmenwagen zur Privatnutzung Quelle: in Anlehnung an Jung (2010), S. 979 5.2.5 Ausrichtung von Entgeltsystemen Entgeltsysteme werden in „Leistungsorientierte und Erfolgsorientierte Entgeltsysteme“ differenziert (Berthel/ Becker (2013), S. 590). Bei dem Leistungsorientierten Entgeltsystem steht die Leistung des Mitarbeiters im Fokus, hierbei wird das Entgelt an seine persönlich erbrachte Leistung geknüpft. Gemessen wird die Leistung anhand einer Leistungsbeurteilung. Augenmerk liegt dabei auf dem nach Plan vereinbarten Ziel, um eine Kennzahl zur Messung für die persönliche Leistung zu haben. Bei dem Erfolgsorientierten Entgeltsystem werden die Mitarbeiter am Erfolg der entsprechenden Einheit, in welcher sie arbeiten, beteiligt. 5.2.6 Anforderungen an Entgeltsysteme Um anderem Zielen wie verbessertes Arbeitgeberimage, Führungs- und Markterfolg sowie geringe Fluktuation und Absentismus der Mitarbeiter in der Abteilung gewährleisten zu können, sollten folgende Anforderungen an ein Entgeltsystem mit erfüllt sein. <?page no="333"?> 334 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Qualität/ Qualifikation Tab. 5.5: Qualitätsanforderungen Qualifikationsgerechtes Entgelt: Höhere Anforderungen - höherer Lohn • Abschaffung des Einheitslohns • → Mindestvorgaben durch Tarifverträge, Kollektiv- oder Gesamtarbeitsverträge • Unternehmen sind dazu aufgefordert sich feinere Abstufungen zurecht zulegen Anreiz zu höherer Qualifikation/ Personalentwicklung • Je präziser die Abstufung desto vorteilhafter ist das Angebot zu betriebsamer Personalentwicklung • Nachteil: je mehr Abstufungen es gibt, desto schwieriger ist die Einordnung der Mitarbeiter  Gefahr vor Manipulation Leistung muss sich lohnen: Variable Entgeltkomponente • Angemessene Vergütung von Leistung und Einsatzbereitschaft um Leistungszurückhaltung/ Demotivation zu verhindern • Einsatz von für den Mitarbeiter nachvollziehbaren Leistungsbeurteilungen Quelle: in Anlehnung an Ulmer (2013), S. 23 ff. Effizienz Tab. 5.6: Effizienzanforderungen Berücksichtigung des Unternehmenserfolgs im variablen Entgeltanteil • Definieren der variablen Entgeltkomponente im Zusammenhang zum Unternehmenserfolg Nachvollziehbare Standortbestimmung bzw. von sinnvollen Vorgesetzten-Mitarbeitergesprächen • Bessere Thematisierung von Führungsgesprächen • Vorteilhaftere Konkretisierung der Anforderungsaspekte des Betätigungsfeldes • Ziel: praktikablere Auseinandersetzungen von Vorgesetzten und Mitabeitern Lenkungseffekte, Verhaltenssteuerung → Prozessorientierung • determinieren von Verhaltensattributen wie Kundenorientierung, Teamverhalten und Kommunikationsverhalten •  wichtig dabei sind die Festlegung von Beurteilungskriterien Anhebung der Produktivität/ Effizienz der Abteilung/ Niederlassung/ Organisation um x % • Sicherung des Unternehmens durch Wirtschaftlichkeit • Anreize für Mitarbeiter Quelle: in Anlehnung an Ulmer (2013), S. 23 ff. Weitere Hilfestellungen Tab. 5.7: Weitere Hilfestellungen Unterstützung der Kader → Personalführung, Organisationsentwicklung • Stärken und Schwächen von Mitarbeitern erkennen <?page no="334"?> 5.2 Internationale Entgeltfindung 335 Unterstützung der Administration → Tarif-/ Lohnrunden • Hilfeleistung bei Jahreslohnrunden und persönlichen Gehaltsfragen • mit Hilfe von Simulationsberechnungen, die die Auswirkungen auf den Gewinn der Unternehmung bei einer entsprechenden Lohnsumme aufzeigen • → somit können Entscheidungsprozesse vernünftig gesteuert werden Partizipativ • Zur Begünstigung der Akzeptanz von Entgeltsystemen sollten die Mitarbeiter, als auch der Betriebsrat, bei dem Entwurf des Vorhabens und der Durchführung mit einbezogen werden Quelle: in Anlehnung an Ulmer (2013), S. 23 ff. 5.2.7 Modelle internationaler Entgeltpolitik In der Literatur werden drei Grundmodelle internationaler Vergütungspolitik unterschieden. Hierzu zählen das stammlandorientierte, das gastlandorientierte und das geozentrische Vergütungsmodell, die im Folgenden näher erläutert werden. Zum stammlandorientierten Ansatz Bei dem stammlandorientierten Ansatz wird die Entgeltpolitik durch jene Vergütungsmodalitäten bestimmt, welche von der Unternehmenszentrale vorgegeben werden. Die Gestaltung der Vergütungspakete erfolgt demnach in Abhängigkeit der vorgegebenen stammlandorientierten Kriterien. Hierzu zählen u.a. (Festing (2011), S. 384):  Höhe des erfolgsabhängigen Entgeltanteils auf den verschiedenen Hierarchiestufen  Bestimmungen der Entgelterhöhungen in Abhängigkeit von der Dauer der Betriebszugehörigkeit  Einfluss der individuellen Leistungsbeurteilungen  Breite einzelner Lohn- und Gehaltsstufen. In der nachfolgenden Tabelle sind die Vor- und Nachteile des stammlandorientierten Ansatzes gegenübergestellt (Festing (2011), S. 384.): Tab. 5.8: Vor- und Nachteile des stammlandorientierten Ansatzes Vorteile Nachteile • Transparente Entgeltpolitik aufgrund verbindlicher Richtlinien für wesentliche Bereiche der Gehaltsfindung • Die Anbindung des Gehalts des Expatriates an das Gehaltssystem des Mutterkonzerns bleibt erhalten • Vereinfachte Wiedereingliederung nach Entsendung • Vernachlässigung von notwendigen und landesspezifischen Aspekten der Entgeltpolitik • Mögliche Demotivation lokaler Mitarbeiter, da entsendete Mitarbeiter eine höhere Vergütung erhalten • Lokale Regelungen werden u.U. nicht genügend berücksichtigt Quelle: in Anlehnung an Festing (2011), S. 384. Durch die einheitlichen und verbindlichen Richtlinien bei der Gehaltsfindung wird sichergestellt, dass im gesamten nationalen und/ oder multinationalen Unternehmen eine einheitliche und stammlandorientierte Unternehmenskultur vorherrscht (Festing (2011), S. 384): <?page no="335"?> 336 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Zum entsendungslandorientierten Ansatz Bei der Gestaltung der Entgeltpolitik berücksichtigt der entsendungslandorientierte Ansatz die landesspezifischen Vergütungsmodalitäten des Entsendungslandes und verzichtet demnach auf länderübergreifende Regelungen (Festing (2011), S. 384). Somit sind die Gehälter innerhalb einer Organisationseinheit vergleichbar, jedoch losgelöst vom Stammhaus oder anderen Tochtergesellschaften. Die nachfolgende Tabelle liefert einen Überblick über die Vor- und Nachteile des entsendungslandorientierten Ansatzes. Tab. 5.9: Vor- und Nachteile des entsendungslandorientierten Ansatzes Vorteile Nachteile • Verhinderung der Demotivation der lokalen Mitarbeiter innerhalb einer Organisationseinheit aufgrund hoher Gehaltsunterschiede • Geringer Verwaltungsaufwand • Kein transparentes Entgeltsystem für Mitarbeiter in Tochtergesellschaften • Geringe Mobilitätsförderung international tätiger Mitarbeiter • Hohe Gehaltsunterschiede zu anderen internationalen Standorten Quelle: in Anlehnung an Festing (2011), S. 384. Zur geozentrischen Entgeltpolitik Der geozentrische Ansatz verzichtet bei der Gestaltung des Entgeltsystems auf die Standards des Stammlandes und berücksichtigt auch nicht die landesspezifischen Besonderheiten. Stattdessen wird eine internationale Entgeltpolitik entwickelt, die Kriterien aus beiden Umfeldern in die Gestaltung mit einfließen lässt. Das neu entwickelte Konzept ist weltweit verbindlich und soll das Erreichen der strategischen Unternehmensziele unterstützen (Festing (2011), S. 385). Die wesentlichen Vorteile sind in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt: Tab. 5.10: Vor- und Nachteile der geozentrischen Entgeltpolitik Vorteile Nachteile • Meist „Fit“ zwischen Unternehmensstrategie und entgeltpolitischer Ausrichtung • Weitgehend weltweiter vergleichbarer Gehälter • Förderung von Auslandsentsendungen • Erhöhte internationale Mobilität der Mitarbeiter • Entwicklung und Gestaltung des Entgeltsystems ist sehr kostenintensiv und zeitaufwendig Quelle: in Anlehnung an Festing (2011), S. 385. In der internationalen Entgeltpolitik sind die dargestellten Ansätze in reiner Form selten vorhanden. Aus Kostengründen und/ oder lokalen Restriktionen haben sich Mischformen der Modelle internationaler Entgeltpolitik herausgebildet. Übung 5.3 Erklären Sie das stammlandorientierte, das gastlandorientierte und das geozentrische Vergütungsmodell und grenzen Sie diese gegeneinander ab. <?page no="336"?> 5.2 Internationale Entgeltfindung 337 5.2.8 Vergütung international tätiger Mitarbeiter Im nachfolgenden Abschnitt werden die Bestimmungsfaktoren, Bestandteile und Berechnungsmöglichkeiten des Gehalts von Expatriates erläutert, die bei der Gestaltung internationaler Vergütungspakete zum Tragen kommen können. Die nachfolgenden Kriterien beziehen sich nur auf „klassische Auslandsentsendungen“, also jene, die einen Zeitraum von einem bis fünf Jahre aufweisen. Bestimmungsfaktoren der Gehaltsfindung Auf nationaler und internationaler Ebene sind die Bestimmungsfaktoren für die Gestaltung des Inlandsgehaltes gleich. Die Höhe wird durch den Wert der Stelle, den Marktwert und die individuelle Mitarbeiterleistung bestimmt. Die nachfolgende Tabelle liefert eine Übersicht über die einzelnen Kriterien und ihre dazugehörige Bestimmungsfaktoren für die Gehaltsfindung auf nationaler Ebene. Tab. 5.11: Bestimmungsfaktoren auf nationaler Ebene Kriterium Bestimmungsfaktor Marktwert Gehaltsvergleich Stellenwert Stellenbewertung Individuelle Mitarbeiterleistung Leistungsbeurteilung Quelle: in Anlehnung an Festing (2011), S. 387. Bei der Gestaltung von Vergütungspaketen für Expatriates ist es darüber hinaus wichtig, dass dem Mitarbeiter keine finanziellen Nachteile durch die Entsendung entstehen. Aus diesem Grund müssen auch die nachfolgend genannten Kriterien bei der Bestimmung der Vergütungshöhe berücksichtigt werden: Tab. 5.12: Zusätzliche Bestimmungsfaktoren auf internationaler Ebene Kriterium Bestimmungsfaktor Lebenshaltungskostenniveau Kaufkraftausgleich Vergleichsgehalt Nettovergleichsrechnung (Balance Sheet Approach) Lebensqualität Festlegung Auslandszulage Quelle: in Anlehnung an Festing (2011), S. 387. Um den Zusammenhang der Bestimmungsfaktoren zu verdeutlichen, liefert die nachfolgende Abbildung eine Übersicht der Gehaltsfindung für entsandte Mitarbeiter. Nettovergleichsrechnung Das Gehalt der entsandten Mitarbeiter wird in vielen multinationalen Unternehmen mit Hilfe der Nettovergleichsrechnung ermittelt. In erster Linie soll verhindert werden, dass die Expatriates finanzielle Verluste erleiden. Aus diesem Grund wird versucht ein Gleichgewicht zwischen dem bisherigen Gehalt und den Bezügen, die der Mitarbeiter während seiner Entsendung erhält, herzustellen. Die Nettovergleichsrechnung wird auch Balance Sheet Approach genannt. Die nachfolgende <?page no="337"?> 338 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Abbildung liefert eine Übersicht über die einzelnen Bestandteile der Nettovergleichsrechnung (Mayrhofer (1996) in Festing (2011), S. 388): Abb. 5.13: Bestimmungsfaktoren der Gehaltsfindung. Quelle: in Anlehnung an Wirth (1996) in Festing (2011), S. 388. Bei der Nettovergleichsrechnung wird zunächst das bisherige Bruttogehalt des Expatriates in seine einzelnen Bestandteile zerlegt (Holtbrügge (2010), S. 337 ff):  Der Betrag der Einkommenssteuer und der Sozialversicherung setzt sich aus den Steuerzahlungen und dem Arbeitnehmeranteil der Sozialversicherungsabgaben zusammen.  Unter dem Oberbegriff Wohnen werden die wichtigsten Kosten zusammengefasst, die mit dem Hauptwohnsitz des Mitarbeiters verbunden sind.  Die Höhe des Güter- und Dienstleistungsbetrages setzt sich aus den Ausgaben für Nahrungsmittel, Haushaltseinrichtungen, Kleidung, medizinische Versorgung usw. zusammen.  Unter dem Begriff der Sparrate werden Beiträge zur Bildung von Ersparnissen, Beiträge zur privaten Altersversorgung, Investitionen und Ausgaben für die Erziehung der Kinder und ähnliche Ausgaben zusammengefasst. Marktwert Gehaltsvergleich Leistung Leistungsbeurteilung Stellenwert Stellenbewertung Inlandsgehalt Expatriate Gehalt Lebenshaltungskostenniveau Berechnung Kaufkraftausgleich Vergleichsgehalt Nettovergleichsrechnung Lebensqualität Festlegung Auslandszulage <?page no="338"?> 5.2 Internationale Entgeltfindung 339 Kaufkraftausgleich § 7 Abs. 1 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) besagt, dass wenn die Kaufkraft im Gastland nicht der Kaufkraft im Heimatland entspricht, ist der Unterschied durch Zu- oder Abschläge auszugleichen. Bei Mietzuschüssen und Auslandskindergeldzuschlägen wird kein Kaufkraftausgleich vorgenommen (§ 7 Abs. 1 BbesG). Der Kaufkraftvergleich bildet somit die Basis für die Nettovergleichsrechnung. Er soll gewährleisten, dass Mitarbeiter in vergleichbaren Positionen gleichgestellt sind und ihren gewohnten Lebensstandard halten können. Mit Hilfe der vom statistischen Bundesamt zu veröffentlichenden Teuerungsziffer, wird der Prozentsatz, um den die Lebenshaltungskosten im Gastland höher oder niedriger sind ermittelt (§ 7 Abs. 2 BbesG). Grundlage hierfür ist ein Warenkorb, der sich aus dem Verbrauchsverhalten eines repräsentativen Haushalts aus Deutschland abgeleitet. Zusätzlich zum Warenkorb werden noch besondere Versorgungsmöglichkeiten (Luftgepäck, Speditionen), Pauschalen für langlebige Gebrauchsgüter (Kleidung, Möbel) und Pauschalen für bestimmte Dienstleistungen (Ärzte, Urlaubsreisen) mit einbezogen. Der Kaufkraftzuschlag bezieht sich auf 60 Prozent der Inlandsdienstbezüge und die vollen Auslandsdienstbezüge (§ 7 Abs. 3 BbesG). Formel 1: Berechnung für den Kaufkraftausgleich (Grundbetrag + Auslandszuschlag) x Prozentsatz Kaufkraftausgleich x 60% Die folgende Tabelle 5.13 gibt einen kurzen Vergleich der Lebenshaltungskosten und der Kaufkraftausgleichszulagen. Tab. 5.13: Vergleich der Lebenshaltungskosten und Kaufkraftausgleichszulagen Stadt Staat Lebenshaltungskosten Teuerungsziffer des statistischen Bundesamtes Kaufkraftzuschlag in % Tokyo Japan 108,2 23 30 Rio De Janeiro Brasilien 69,54 10 10 New York USA 88,81 4 5 Berlin Deutschland 100,00 0 0 Paris Frankreich 115,00 7 10 Hongkong China 87,63 4 5 Genf Schweiz 165,11 23 25 Pjöngjang Korea 100,48 12 15 Nairobi Kenia 61,51 5 5 Dublin Irland 122,34 3 5 Quelle: in Anlehnung an Bundesbesoldungsgesetz (2014), Statistisches Bundesamt (2014), Länderdaten (2014) . Probleme bestehen dann, sobald Mitarbeiter aus einem Hochlohnland in ein Niedriglohnland entsandt werden. Analog den Berechnungsaufstellungen des Kaufkraftausgleiches, hätten hier die <?page no="339"?> 340 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Mitarbeiter mit Einbußen ihres Gehaltes zu rechnen. Da dies auf wenig Akzeptanz trifft, wird hier oft von der üblichen Entgeltpolitik abgewichen (Festing (2011) S. 395). Auslandszulagen Die Auslandszulagen sollen die Entsendungsbereitschaft des Mitarbeiters durch finanzielle Anreize fördern und gleichzeitig einen Ausgleich für veränderte Lebens- und Arbeitsbedingungen gewährleisten (Holtbrügge (2010), S. 335). In der Literatur und in der Praxis wird zwischen der Mobilitätszulage und der Erschwerniszulage unterschieden.  Die Mobilitätszulage kann als einmalige Zahlung zu Beginn des Auslandseinsatzes oder als monatlicher Betrag gewährt werden. Die Höhe diese Zulage beträgt bei der monatlichen Zahlung je nach Unternehmen zwischen 5 bis 10% des Nettogehalts.  Die Erschwerniszulage wird zusätzlich zur Mobilitätszulage gewährt und beträgt zwischen 5 und 40% des Nettogehalts (Söllner (2008), S. 395). Die Höhe der Zulage wird durch landesspezifische Faktoren beeinflusst und von jedem Unternehmen selbständig festgelegt (Festing (2011), S. 396) Berücksichtigt werden u.a. Belastung durch Umweltbedingungen, Einschränkungen der Lebensqualität, kulturell bedingte Isolation und Sicherheitsrisiken. Die nachfolgende Tabelle liefert einen Überblick hinsichtlich der Entsendungsländer und die Höhe der Auslandszuschläge (Schmeisser (2010), S. 24). Tab. 5.14: Länderklassifikationen zur Bestimmung von Auslandszulagen Kennzeichen der Ländergruppe Beispiele Auslandszulage (in % des Grundgehalts) A: keine Erschwernis EU- Länder, USA 0 B: geringste Erschwernis Australien, Südafrika, Singapur 5 C: sehr geringe Erschwernis Chile, Türkei, Tunesien 10 D: geringe Erschwernis Argentinien, Malaysia, Marokko 15 E: mittlere Erschwernis Ägypten, Brasilien, Thailand 20 F: mittelgroße Erschwernis GUS, Indien (Städte), Japan, Republik Kongo 25 G: große Erschwernis China (Stadt), Kasachstan, Libyen 30 H: sehr große Erschwernis Iran, Kolumbien, Nigeria, Usbekistan 35 I: höchste Erschwernis China (Provinz), Bangladesch, Indien (Provinz), Mozambique 40 Quelle: Holtbrügge/ Welge (2010), S. 335. Zusatzleistungen Mit den Zusatzleistungen werden Mehraufwendungen des entsandten Mitarbeiters erstattet, die durch die Auslandstätigkeit entstehen (Festing (2011), S. 397). Relevante Zusatzleistungen im Rahmen eines Auslandsaufenthaltes sind Umzugskostenzuschüsse, Mietkostenzuschüsse, Zuschläge für die Kindererziehung sowie zusätzliche Leistungen, die im Nachfolgenden näher beschrieben werden (Festing (2011), S. 397 ff., Holtbrügge (2010), S. 336): <?page no="340"?> 5.2 Internationale Entgeltfindung 341  Der Umzugskostenzuschuss beinhaltet die Reisekosten für den Expatriate und seine Familie sowie Umzugskosten für das Mobiliar oder eine Einrichtungspauschale, wenn der entsandte Mitarbeiter seinen Haushalt im Heimatland zurücklässt.  Der Mietkostenzuschuss wird dem entsandten Mitarbeiter gezahlt, damit dieser in der Lage ist, den Lebensstandard seines Heimatlandes beizubehalten. Dieser Zuschuss wird gewährt, um dem Mitarbeiter Mehrkosten zu erstatten, die ihn im Ausland bezüglich seiner Unterkunft belasten. Zur Berechnung des Mietkostenzuschusses wird in der Praxis oft ein bestimmter Prozentsatz des Nettogehaltes zu Grunde gelegt. Der Mietkostenzuschuss kann im Einzelfall auch umgangen werden. Besitzt das Unternehmen im Entsendungsland Wohnungen, so können diese dem Mitarbeiter zur Verfügung gestellt werden.  Einen weiteren zentralen Bestandteil der internationalen Entgeltpolitik bilden die Zuschläge für die Ausbildung der Kinder. Diese Zuschläge werden u.a. für Schulgeld, Sprachunterricht, Büchergeld und Unterrichtsmaterialien, Einschreibungskosten an der Universität und ähnliches bezahlt. Die Betreuungskosten im Kindergarten werden im Regelfall nur bis zu dem Betrag übernommen, der die anfallenden Kosten im Heimatland übersteigt.  Darüber hinaus können von dem Arbeitgeber weitere zusätzliche Leistungen übernommen werden, die im Wesentlichen die Kosten für Heimflüge, für einen Dienstwagen, für Hausangestellte, für Sprachkurse, für ärztliche Untersuchungen, für Steuerberatungen etc. abdecken. Der Umfang der zusätzlichen Leistungen wird vom Unternehmen selbst festgelegt und erfolgt in Abhängigkeit vom Gastland. Besteuerung Grundsätzlich gilt es zu klären, ob das Einkommen im Heimatland oder im Gastland versteuert werden muss. Dies wird in Abhängigkeit der Ansässigkeit des Expatriates und der Dauer der Entsendung entschieden. In Bezug auf die Besteuerung des Einkommens kommen zwei Prinzipien in Betracht:  Das Wohnsitzprinzip richtet sich die Besteuerung des Einkommens nach dem Land, in dem der Expatriate ansässig ist.  Das Quellenprinzip besagt, dass die Besteuerung sich nach dem Einsatzland richtet. Werden im Unternehmen beide Prinzipien verfolgt, so können u.U. Einkommenssteuern im Heimatland sowie im Gastland anfallen. Um die Doppelbesteuerung zu vermeiden hat die BRD mit über 80 Ländern ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen. Dieses Abkommen besagt, dass die Einkommenssteuer in dem Land abgeführt wird, in dem der Mitarbeiter tätig ist. In diesem Fall verzichtet das Heimatland auf die Besteuerung (Festing (2011), S. 400). Liegt kein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Entsendungsland vor, so kann dies zur Doppelbesteuerung führen. Um diesen finanziellen Nachteil auszugleichen verfolgen multinationale Unternehmen die nachfolgend genannten Prinzipien:  Beim Steuerausgleich zahlt der entsandte Mitarbeiter die gleichen Steuern, die fällig wären, wenn er nicht entsandt worden wäre. Hierfür zieht das Unternehmen von dem Gehalt des Expatriates einen Betrag ab, welcher der Einkommenssteuerlast im Heimatland entsprechen würde. Gleichfalls übernimmt er alle zusätzlichen Steuern im Gastland. Bei diesem Prinzip sind die Transparenz sowie die Vergleichbarkeit für alle Expatriates besonders positiv hervorzuheben (Festing (2011), S. 401).  Bei dem Prinzip des Steuerschutzes wird der Mitarbeiter vor der zusätzlichen Steuerbelastung geschützt, indem der entsandte Mitarbeiter den gleichen Betrag an Einkommenssteuer zahlt, den er im Heimatland zahlen würde. Bei einer steuerlichen Mehrbelastung übernimmt somit das <?page no="341"?> 342 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Unternehmen die Differenz. Liegt hingegen eine steuerliche Minderbelastung vor, so verbleiben jene Steuervorteile beim entsandten Mitarbeiter. Für Expatriates ist dieses Prinzip dann vorteilhaft, wenn sie in Länder mit niedrigen Steuersätzen entsandt werden. In diesem Fall können die Unternehmen jedoch keine Ersparnisvorteile nutzen (Festing (2011), S. 401). Übung 5.4 Erklären Sie das Wohnsitzprinzip und das Quellenprinzip. Sozialversicherungsleistungen Bei der Bestimmung der Entgelthöhe ist die Prüfung der Versicherungspflicht in der deutschen Sozialversicherung (gesetzliche Kranken-, Unfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) eine wichtige Aufgabe multinationaler Unternehmen. Vorab ist zu erwähnen, dass Expatriates grundsätzlich im deutschen Sozialversicherungssystem versichert bleiben möchten, denn die Entsendung würde gleichzeitig eine beitragslose Zeit darstellen und dadurch entstehen dem Entsendeten wesentliche Nachteile, insbesondere bei der Altersversorgung. Die Sozialversicherungspflicht wird in Abhängigkeit vom Vorhandensein eines Sozialversicherungsabkommens zur Vermeidung von Doppelversicherungen oder der Entsendung innerhalb der EU ermittelt. In diesem Zusammenhang unterscheidet die Literatur vier verschiedene Fälle:  Zur Bestimmung der Sozialversicherungspflicht gilt in Deutschland das Territorialprinzip. Das bedeutet, der Wohnort ist für die Gewährung der Sozialleistungen maßgebend. Existiert zwischen dem Stammland und dem Gastland kein Sozialversicherungsabkommen, so können Mitarbeiter während ihrer Entsendung nur im Heimatland versichert bleiben, wenn sie im Rahmen eines weiterbestehenden inländischen Beschäftigungsverhältnisses ins Ausland entsendet werden und die Entsendung zeitlich befristet ist (§ 4 SGB IV). Dieses Prinzip wird auch Ausstrahlung genannt.  Besteht zwischen dem Heimatland und dem Gastland ein Sozialversicherungsabkommen, so unterliegen Expatriates nicht der ausländischen, sondern der deutschen Sozialversicherungspflicht. Die nachfolgende Tabelle liefert eine Übersicht der Staaten, mit denen Deutschland ein bilaterales Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat. Allerdings ist zu beachten, dass die bilateralen Abkommen nicht alle Bereiche der Sozialversicherungsleistungen abdecken (Festing (2011), S. 404). Tab. 5.15: Sozialversicherungsabkommen 2013 Drittstaaten Australien Bosnien und Herzegowina Brasilien Chile China Indien Israel Japan Kanada Korea Marokko Mazedonien Montenegro Quebec Serbien Türkei Tunesien USA Quelle: in Anlehnung an Bouabba (2014), S. 80.  Wird der Mitarbeiter innerhalb der Europäischen Union beziehungsweise innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes entsandt, so bleibt die Sozialversicherungspflicht des entsandten <?page no="342"?> 5.3 Entgeltvergleich eines Expatriates bei Versendung auf internationaler Ebene in Japan und Südafrika 343 Mitarbeiters im Heimatland während des Auslandsaufenthalts weiterbestehen (Gemäß der EU- Verordnung EWG-VO 883/ 2004).  Bei einer Entsendung in ein vertragsloses Ausland kommt es im Regelfall zu einer doppelten Beitragszahlung. In diesem Fall müssen individuelle Vereinbarungen mit den Sozialversicherungsträgern getroffen werden, um einerseits die doppelte Betragszahlung zu vermeiden, aber die inländische Sozialversicherungspflicht weiter aufrechtzuerhalten (Laudahn (2008), S. 84). 5.3 Entgeltvergleich eines Expatriates bei Versendung auf internationaler Ebene in Japan und Südafrika Tab. 5.16: Vergleich der Einkommen in Form einer Nettovergleichsrechnung bei Entsendung nach Japan und Südafrika Gehaltsbestandteile Japan 146,14 JPY Südafrika 14,19 ZAR Bruttogehalt im Heimatland -Einkommensteuern -Sozialabgaben -Wohnkosten (15%) 125.000 Euro -35.000 Euro -15.000 Euro -18.750 Euro 125.000 Euro -35.000 Euro -15.000 Euro -18.750 Euro Nettoeinkommen Stammland: 56.250 Euro - Sparrate (35 %) 19690 Euro 19690 Euro Konsumeinkommen Euro 5.342.878 JPY Euro 518786 ZAR +/ - Kaufkraftausgleich + Auslandszulage + Sparrate (35%) + Wohnkosten 1.602.863 JPY 1.335.720 JPY 1.870.007 JPY 4.384.200 JPY 25.939 ZAR 25.939 ZAR 279365 ZAR 170280 ZAR Nettoeinkommen im Gastland 14.535.698 JPY 99.464 Euro 1.020.309 ZAR 71.903 Euro +Sozialabgaben (Gastland und Stammland) + Steuern (Gastland) 2.192.100 JPY 11.151.865 JPY 212.850 ZAR 607.377 ZAR Soll-Bruttogehalt im Gastland 27.879.663 JPY (=190.774 Euro) 1.840.535 ZAR (= 129.706 Euro) Quelle: Berechnung in Anlehnung an Holtbrügge/ Welge (2010), S. 338. Bestimmung der Entgelthöhe bei einer Entsendung nach Japan Die Gehaltsbestimmung wurde mit Hilfe der Nettovergleichsrechnung durchgeführt, mit dem Ziel, dass der entsandte Mitarbeiter durch die Entsendung keine finanziellen Verluste erleidet. Ausgangspunkt für die Berechnung ist das Vergleichsbruttogehalt (Jahresgehalt) eines inländischen Mitarbeiters. Von diesem Bruttogehalt wird zunächst die jährliche Steuerbelastung abgezogen, wobei die Höhe der Steuern mit Hilfe der Lohnsteuertabelle und unter Berücksichtigung des <?page no="343"?> 344 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Werbungskostenpauschalbetrages ermittelt wird. Weiterhin werden die Eigenanteile an den Sozialabgaben sowie an den Wohnkosten abgezogen. Für den Wohnkostenanteil wird eine Pauschale von 15% des Bruttogehaltes angesetzt. Von dem errechneten Nettoeinkommen im Heimatland wird nun die Sparrate in Höhe von 35% abgezogen. Der ermittelte Wert ist das Konsumeinkommen (spendable income), also das verfügbare Einkommen, das dem Mitarbeiter für seinen täglichen Lebensunterhalt im Heimatland zur Verfügung steht. Für die Berechnung des Nettoeinkommens im Gastland werden zum Konsumeinkommen der Kaufkraftausgleich, die Auslandszulage, die Sparrate sowie der Eigenanteil an den Wohnkosten hinzuaddiert. Für die Berechnung des Kaufkraftausgleiches bildet das Konsumeinkommen die Grundlage, fiktiv mit 25% angesetzt. Die Höhe des Auslandszuschlages legen multinationale Unternehmen eigenständig fest und orientieren sich hierbei an der Erschwernisklassifikation des Entsendungslands (siehe Tabelle 14) sowie an erschwerten Bedingungen für den entsendeten Mitarbeiter aufgrund starker Kulturunterschiede, klimatischen Extrembedingungen, starken Umweltbelastungen und weitere Belastungen. Die Mietkosten in Japan sind sehr hoch, aus diesem Grund wurde für die Höhe der Wohnkosten ein monatlicher Betrag von 2500 Euro angesetzt. Zum Nettoeinkommen im Gastland werden die Sozialabgaben und die Steuerbelastung hinzuaddiert. Der Wert der Sozialabgaben im Heimatland und im Gastland ist deckungsgleich, weil der Mitarbeiter aufgrund des geschlossenen Sozialversicherungsabkommens zwischen der BRD und Japan von der lokalen Sozialversicherungspflicht befreit ist. Für die Berechnung der Steuern wurde ein Steuersatz in Höhe von 40% angesetzt, da das jährliche Einkommen über 18.000.000 JPY liegt (http: / / www.finanzen.net/ devisen/ euro-suedafrikanischer_rand-kurs) Das Ergebnis dieser Berechnung ist das Bruttojahreseinkommen, das der Mitarbeiter im Ausland erhält. Um den Mitarbeiter vor starken Wechselkursschwankungen zu schützen, stehen multinationalen Unternehmen zwei Möglichkeiten zur Verfügung, wobei das Wahlrecht beim Expatriate liegt:  Der Mitarbeiter kann wählen, in welcher Währung das Gehalt ausgezahlt werden soll.  Das Gehalt kann in verschiedene Währungen gesplittet werden. Sollten im Heimatland laufende Zahlung anfallen, so ist die Split-Pay-Methode eine gute Wahl. Für die Ermittlung der Gehaltshöhe nach Rückkehr des Mitarbeiters sowie für die Berechnung der Pensionsrückstellungen ist es wichtig, das bisherige Inlandsgehalt mit seinen fiktiven Bezügen als Schattengehalt weiterzuschreiben. Darüber hinaus muss das Schattengehalt an regelmäßige Gehaltserhöhungen und Einnahme höherwertiger Positionen angepasst werden (Festing (2011), S. 392) Bestimmung der Entgelthöhe bei einer Entsendung nach Südafrika Bei einer Entsendung nach Südafrika beträgt die Gehaltssteigerung nur ungefähr 4000 Euro, daher müssen Unternehmen in solchen Fällen weitere materielle und immaterielle Anreize schaffen, um die Auslandsentsendung für den Expatriate attraktiver zu gestalten:  Unternehmen haben die Möglichkeit dem Expatriate unentgeltlich oder zu vergünstigten Konditionen Sach- und Dienstleistungen freiwillig zur Verfügung zu stellen. Dies können u.a. Produkte des Unternehmens, ein Dienstwagen, der auch privat genutzt werden darf sowie vergünstigte Essen-, Freizeit-, Sport- und Gesundheitsangebote sein. Diese Art der Zuwendung wird Fringe Benefit genannt (Laws (2008), S. 56).  Des Weiteren können dem Expatriate Aufwendungen und Belastungen, die aufgrund der Entsendung entstehen durch zusätzliche Leistungen ausgeglichen werden. In Betracht kommen Spesen für den Umzug bzw. für die Einlagerung des Mobiliars, regelmäßige Heimreisen oder die Bereitstellung von Dienstpersonal. <?page no="344"?> 5.3 Entgeltvergleich eines Expatriates bei Versendung auf internationaler Ebene in Japan und Südafrika 345  Einen weiteren finanziellen Anreiz stellen die Ausbildungszulagen für die Kinder des Expatriates dar. Sie ermöglichen den Kindern eine Ausbildung, die dem Heimatland entspricht. Die Ausbildungszulagen werden für Schulgebühren, Büchergeld, Internatskosten oder Reisekosten gewährt. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, dass das Bruttogehalt des Expatriates im Heimatland höher ist als das Bruttogehalt im Ausland. In diesem Fall haben multinationale Unternehmen die Möglichkeit, diesen Differenzbetrag durch die Expatriation Allowance auszugleichen. Der Differenzbetrag wird dem Mitarbeiter in den meisten Fällen ausgezahlt (DGFP (1995), S. 82 ff.). Für zukünftige Expatriates bietet die Transparenz solcher Klassifikationen dennoch wenig Anreiz. Vordergründig muss in Betracht gezogen werden, dass die zusätzlichen materiellen als auch immateriellen Aufwendungen durch den Auslandseinsatz ausgeglichen werden müssen. Darüber hinaus sollten für besonders kritische soziale Situationen, d.h. für außerordentliche klimatische Belastungen Ausgleiche gezahlt werden. Die Zusammensetzung solcher Ausgleichszahlungen müssen dem Angestellten gegenüber möglichst plausibel in den einzelnen Phasen dargestellt werden. Klare, einleuchtende und durchschaubare Entsendungsrichtlinien tragen zur Akzeptanz des Systems bei. Bestandteile von Entsendungsrichtlinien könnten dabei sein: In der Auswahlphase:  Neben den nötigen verhaltensbedingten Qualifikationen, den interkulturellen Kompetenzen und den tätigkeitsbezogenen Kriterien sind auch die persönlichen Faktoren als wichtige Auswahlkriterien für die Entsendung in Länder mit beispielsweise nachteiligen Lebensbedingungen und kulturellen Unterschieden (Holtbrügge/ Welge (2010), S. 325) mit einzubeziehen. Grundlage für die Auswahl eines Expatriates sind die entsprechenden Anforderungen, die mit Übernahme einer Führungsposition im Gastland verbunden sind. Mit beispielsweise der festgelegten Durchführung von Eignungstests und Trainings sollte es Unternehmen leichter fallen, entsprechend geeignete Mitarbeiter zu identifizieren, aber auch den Mitarbeitern die Möglichkeit geben sich ein wenig auf ihre zukünftige Position vorzubereiten zu können. In der Vorbereitungsphase:  Es ist nicht ungewöhnlich, dass auch familiäre Bindungen einen immensen Einfluss auf die Entsendung haben. Wichtig ist es hierbei dieses Umfeld mit einzubeziehen. Im Falle der Umsiedelung der ganzen Familie, wäre zum Beispiel Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche/ Schuleinrichtungssuche für den Partner/ Kinder in jedem Fall hilfreich. Auch sollten angebotene Sprachschulungen und länderspezifische Vorbereitungsmaßnahmen nicht nur Anwendung bei dem Expatriates haben, sondern auch dessen Angehörige sollten daran teilnehmen dürfen.  Solange die Einstellung des (Ehe-)Partners zum Auslandaufenthalt positiv ist, ist die Gefahr eines eventuellen Abbruchs seitens des Expatriates und somit des Verlustes von Kosten und Knowhow relativ gering. In der Einsatzphase:  Expatriates müssen aufgrund der neuen Umstände oftmals mit höheren physischen und psychischen Belastungen kämpfen, Dies ist auf klimatische Veränderungen, Kommunikationsbarrieren und neue Anforderungen zurückzuführen. Eine Unterstützung in Form von einer „Patenfunktion“ vor Ort, um unzureichenden Betreuungen bei Auslandseinsätzen entgegenzuwirken wäre hierbei t zusätzlich vorstellbar. Der entsandte Mitarbeiter bekommt hier beispielsweise für ihren/ seine Einstiegszeit, über einen festgelegten Zeitraum garantierte Unterstützung von einem Muttersprachler für berufliche, aber auch private Anliegen zugesichert. <?page no="345"?> 346 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung  Auch könnte seine wöchentliche Arbeitszeit in den ersten Wochen reduziert werden, um ihm genug Raum zu schaffen, sich mit den kulturellen Eindrücken auseinanderzusetzen und die Anpassung vor Ort so einfach wie nur möglich zu gestalten. In der Reintegrationsphase:  Eine rechtzeitige Reintegrationsplanung sollte systematisch in das Programm der Entsendung mit aufgenommen werden. Infolge der Entsendung müssen sich Expatriates nach der Entsendung mit der Kulturschockphase im „eigenen Land“ auseinandersetzen. Nach ihrer Rückkehr müssen sie dagegen ankämpfen, nicht in die „Kontra-Kultur-Schockphase“ zu rutschen (Holtbrügge/ Welge (2010), S. 342). Es liegt hierbei im Ermessen des Unternehmens entsprechende Maßnahmen für eine erfolgreiche Repatriierung vorzunehmen. Geeignete Maßnahmen hierbei wären hierbei rechtzeitig geführte Personalgespräche, um den Expatriate auf die Rückkehr vorzubereiten. Langfristig gesehen sollte hierbei aus unserer Sicht schon vor der Entsendung mit begonnen werden. Der entsandte Mitarbeiter muss sich darauf einstellen können, dass er bei seiner Rückkehr vorübergehend auf Alternativstellen gesetzt wird, die eventuell nicht der Position entsprechen, welche er vorher im Ausland belegt hat. Auch zusätzliche vertraglich vereinbarte Regelungen über den Fortbestand der Beschäftigung wären hierbei einerseits aus Arbeitgebersicht, aber auch für den Arbeitnehmersicht hilfreich. Der Arbeitnehmer hätte eine Garantie auf Weiterbeschäftigung und der Arbeitgeber könnte ein vorzeitiges Ausscheiden vermeiden. Mit der Formalisierung der individuell festgelegten Entsendungsrichtlinien erreicht das Unternehmen nicht nur das Ziel der Transparenz, sondern auch das eines gerechten und kontrollierbaren internationalen Entgeltmanagementsystems. Es ist jederzeit flexibel an örtliche, räumliche sowie politische Bedingungen/ Veränderungen anpassbar. Gewährleistet wird dies durch den Einsatz der Nettovergleichsrechnung zwischen Inland und Ausland. Für ein effizientes, transparentes, gerechtes und kontrollierbares „Internationales Entgeltmanagementsystem ist es essentiell, dass die internationale Entgeltpolitik im Einklang mit der Unternehmenspolitik und der gesamten Personalpolitik steht. Zusammenfassung In diesem Abschnitt haben wir die Begrifflichkeiten zur internationalen Entgeltfindung geklärt und erläutert. Es wurde auf die Besonderheiten der Entlohnung im internationalen Kontext eingegangen. Die üblichen Modelle der internationalen Entgeltfindung wurden vorgestellt. Der Vergleich der Einkommen in Form einer Nettovergleichsrechnung bei der Entsendung nach Japan und Südafrika hat ergeben, dass bei einer Entsendung nach Japan eine erhebliche Gehaltssteigerung für den Expatriate möglich wäre. Bei einer Entsendung nach Südafrika würde jedoch lediglich eine geringe Gehaltssteigerung anfallen, daher sollten Unternehmen in solchen Fällen weitere materielle und immaterielle Anreize schaffen, um Auslandsentsendung für den Expatriate attraktiver zu gestalten. Grundsätzlich ist zu erwähnen, dass für ein effizientes, transparentes, gerechtes und kontrollierbares „Internationales Entgeltmanagementsystem es essenziell ist, dass die internationale Entgeltpolitik im Einklang mit der Unternehmenspolitik und der gesamten Personalpolitik steht. <?page no="346"?> 5.4 Internationales Steuerrecht 347 5.4 Internationales Steuerrecht Im Bereich des Steuerrechts werden bei einer Entsendung ins Ausland sowohl das entsendende Unternehmen als auch der Mitarbeiter mit dem nationalen Steuerrecht und dem Steuerrecht im Entsendungsland konfrontiert. Dabei tritt neben den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Problemstellungen die Frage auf, ob der Arbeitnehmer, der für seinen Arbeitgeber im Ausland tätig wird, weiterhin im Inland Einkommenssteuerpflichtig oder aber im jeweiligen Einsatzland steuerpflichtig ist. Der Fokus dieses Abschnitts liegt bei der Einkommenssteuerpflicht im Inland. Darauffolgend wird die Thematik der Doppelbesteuerungsabkommen thematisiert, mit der die Bundesrepublik ein Abkommen abgeschlossen hat. Das deutsche Steuerrecht unterscheidet grundsätzlich zwischen der unbeschränkten und der beschränkten Steuerpflicht, die im nachfolgenden erläutert werden. Da das Steuersystem eine enorme Bandbreite an Vielschichtigkeit erfährt und eine detaillierte Betrachtungsweise der Rechtsvorschriften den Rahmen dieses Abschnitts sprengen würde, findet eine Berücksichtigung dessen nicht statt. Daher werden im nachfolgenden Abschnitt die grundsätzlich allgemeinen Besteuerungsverfahren wiedergegeben, bevor die Problematik der Doppelbesteuerungssystematik reflektiert wird. 5.4.1 Unbeschränkte Einkommenssteuerpflicht Gemäß § 1 Abs. 1 EStG unterliegen der unbeschränkten Einkommenssteuerpflicht alle natürlichen Personen, die ihren Wohnsitz im Sinne des § 8 AO oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt entsprechend § 9 AO in Deutschland haben. Entscheidend ist demzufolge der Ort, an dem der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat. Voraussetzungen der unbeschränkten Einkommenssteuerpflicht Für die unbeschränkte Steuerpflicht sind der Wohnsitz und der gewöhnliche Aufenthalt ausschlaggebende Faktoren. Gemäß § 8 AO befindet sich der Wohnsitz dort, wo die Person die Wohnung innehat, die darauf schließen lässt, dass derjenige die Wohnung behalten und benutzen wird. In diesem Sinne bedeutet das Wort „Innehaben“, dass die Person über die Wohnung tatsächlich verfügen kann und diese nicht lediglich vorübergehend benutzt (BFH v. 19.03.1977 - I R 69/ 96). Die Nutzung der Wohnung zu lediglich vorübergehenden Zwecken über einen Zeitraum von weniger als sechs Monaten begründet keine Gültigkeit und somit keinen Wohnsitz im Sinne der (Abgabenordnung) AO. Die Bewertung des Innehabens ist in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten entscheidend (Grotherr/ Herfort/ Strunk, 2010, S. 32) Ausschlaggebend für das Innehaben der Wohnung sind weiterhin die objektiven, äußeren und wirtschaftlichen Merkmale (Jacobs et al., 2016, S. 1318). Eine Kündigung, Auflösung oder eine nicht nur kurzfristige Vermietung der eigenen Wohnung sind Anhaltspunkte für die Auflösung der inländischen Wohnung (Heuser/ Heidenreich/ Fritz, 2011, S. 135). Der gewöhnliche Aufenthalt wiederum ist geregelt in § 9 Satz 1 AO und besagt, dass eine Person seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort hat, wo diese Person sich unter Umständen aufhält. Dabei muss erkennbar sein, dass die Person an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 9 Satz 1 AO). Dies kommt gemäß § 9 Satz 2 AO zur Geltung, indem sich eine Person zeitlich zusammenhängend länger als sechs Monate an einem Ort aufhält (Mauer, 2013, S. 135, Rn. 632). In den Fällen, bei denen der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs- oder ähnlichen Zwecken genutzt wird und nicht länger als ein Jahr dauert, gilt § 9 Satz 2 AO nicht (§ 9 Satz 3 AO). Ferner kann der Sachverhalt des gewöhnlichen Aufenthaltes unter der Voraussetzung mehrerer kurzfristig aufeinanderfolgender Inlandsaufenthalte, die sachlich miteinander verbunden sind, bei <?page no="347"?> 348 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung einer von weniger als sechs Monate dauernden Anwesenheit verwirklicht werden. Dabei ist zu beachten, dass der Steuerpflichtige einen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt im Inland beabsichtigt (Mauer, 2013, S. 135, Rn. 632). Des Weiteren ist der gewöhnliche Aufenthalt von dem Wohnsitz darin zu unterscheiden, dass die jeweilige Person ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort nur an einem Ort innehaben kann. Somit darf der Steuerpflichtige sich nicht gleichzeitig an mehreren Orten aufhalten (AEAO zu § 9 Rn. 1 Nr. 3). Folgen der unbeschränkten Einkommenssteuerpflicht Die zentrale Folge der unbeschränkten Einkommenssteuerpflicht begründet sich aus der Besteuerung des Steuerpflichtigen nach dem Welteinkommensprinzip. Dies hat zur Folge, dass nach § 2 Abs. 1 EStG der Steuerpflichtige mit allen in- und ausländischen Einkünften der Einkommenssteuer unterliegt und darüber hinaus auch Anspruch auf Vergünstigungen hat. Dabei ermöglicht die unbeschränkte Steuerpflicht bspw. die Anwendung des Splittingtarifs, die Option des Abzuges von Sonderausgaben sowie die Möglichkeit des Abzuges von außergewöhnlichen Belastungen. Grundsätzlich erfolgt die Erhebung der Steuer durch das Verfahren der Veranlagung (Heuser/ Heidenreich/ Fritz, 2011, S. 136) Im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht sind die in- und ausländischen Einkünfte in Deutschland zu versteuern. Erhebt andererseits auch ein anderer ausländischer Staat Steuern, redet man von Doppelbesteuerung (Djanani/ Brähler, 2008, S. 15). Übung 5.5 Was bedeutet Welteinkommensprinzip? 5.4.2 Beschränkte Einkommenssteuerpflicht In Deutschland endet die unbeschränkte Einkommenssteuerpflicht in dem Zeitpunkt, in der die natürliche Person ihren Wohnsitz im Inland aufgibt und diesen ins Ausland verlegt. Demgemäß werden in den folgenden Unterkapiteln die Anforderungen und Folgen der beschränkten Steuerpflicht thematisiert. 5.4.2.1 Voraussetzungen der beschränkten Einkommenssteuerpflicht Die Voraussetzungen der beschränkten Steuerpflicht gelten für natürliche Personen, die in Deutschland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben und nach § 49 EStG einkommenssteuerpflichtig sind, soweit sie inländische Einkünfte erzielen (Djanani/ Brähler, 2008, S. 13). Darüber hinaus orientieren sich die Einkünfte nach § 49 EStG gemäß der beschränkten Steuerpflicht mit einigen Einschränkungen an die sieben Einkunftsarten im Sinne des 2 Abs. 1 EStG. Die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sind im § 19 EStG geregelt. Hier werden demnach alle Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen sowie andere Bezüge und Vorteile für die Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst erfasst. Diese Einkünfte erfassen demnach die Leistungen aus einem aktiven Arbeitsverhältnis. Hinzu kommen Wartegelder, Ruhegelder, Witwen- und Waisengelder und andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen. Hierbei werden somit alle Leistungen aus dem früheren Dienstverhältnis erfasst (§ 19 EStG) 5.4.2.2 Folgen der beschränkten Steuerpflicht Im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG unterliegen inländische Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit der beschränkten Einkommenssteuerpflicht: Dies sind im Inland ausgeübte oder verwertete <?page no="348"?> 5.4 Internationales Steuerrecht 349 Tätigkeiten, Vergütungen aus einer inländischen öffentlichen Kasse, die aus einem gegenwärtigen oder früheren Dienstverhältnis geleistet wurden, Vergütungen für eine Tätigkeit als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied einer Gesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland, Entschädigungen für die Auflösung eines Dienstverhältnisses (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Anders als bei der unbeschränkten Steuerpflicht, bleiben den beschränkt Steuerpflichtigen die Vergünstigungen wie die Berücksichtigung des Splittingtarifs für Ehegatten, der außergewöhnlichen Belastungen sowie der Abzug von tatsächlichen Sonderausgaben verwehrt. Im Rahmen der Nichtgewährung der Anwendung des Splittingtarifes, ist anzumerken, dass beschränkt Steuerpflichtige ihre Einkünfte nach der Grundtabelle versteuern müssen (Fey, 2017, Rn. 21), Die Einkommenssteuer gilt somit durch den Lohnsteuerabzug als abgegolten (Fey, 2017, Rn. 21, § 50 Abs. 2 EStG). 5.4.3 Internationales Doppelbesteuerungsabkommen Im Rahmen des Auslandseinsatzes von Steuerinländern wird im weiteren Verlauf ausschließlich die unbeschränkte Steuerpflicht des Arbeitnehmers in den Vordergrund gestellt. Da die unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer mit ihren in- und ausländischen Einkünften der deutschen Einkommenssteuer unterliegen (Welteinkommensprinzip), führt dies zu einer sogenannten Doppelbesteuerung, bei dem der Steuerpflichtige für den gleichen Zeitraum und den gleichen Steuergegenstand von zwei Staaten zur Besteuerung der Vergütung herangezogen wird. In diesem Zusammenhang kommt es darauf an, ob im Entsendeland des Expatriates ein sogenanntes Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland besteht. Um die Doppelbesteuerung zu vermeiden, hat Deutschland mit einer Vielzahl von Ländern Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Für den Abschluss des Doppelbesteuerungsabkommens bildet das Musterabkommen der OECD-MA die Grundlage (Mauer, 2013, S. 318), die grundsätzlich vereinbart, dass das Besteuerungsrecht dem Staat zukommt, in dem der Expatriate seine Tätigkeit ausübt. Im Gegenzug erfolgt in Deutschland eine Freistellung der Einkommenssteuer (IHK Berlin, 2017, S. 9). Neben den Prinzipien des Wohnsitzlandprinzips und des Welteinkommensprinzip, die für die Regelung des Doppelbesteuerungsabkommens relevant sind, gehören weiterhin das Quellenland- und das Territorialprinzip dazu, die allerdings für Nicht-Inländer gelten. Das Quellenlandprinzip besagt, dass das Einkommen des unbeschränkt Steuerpflichtigen in dem Land versteuert werden muss, aus dem der Steuerpflichtige das Einkommen bezieht. Im Gegenzug besagt das Territorialprinzip, dass eine Doppelbesteuerung dann erfolgt, wenn der Steuerpflichtige mit dem Einkommen, das in dem Gebiet des jeweiligen Staates erwirtschaftet wurde, veranlagt wird (Heuser/ Heidenreich/ Fritz, 2011, S. 139 f.). Unter der Voraussetzung, dass neben dem Wohnsitzstaat auch der Tätigkeitsstaat den Expatriate darauf auffordert, seine Steuern zu zahlen, kann es zu einer doppelten Steuerbelastung kommen. Zur Vermeidung der doppelten Steuerbelastung bei grenzüberschreitender Tätigkeit wurden dementsprechend zahlreiche Maßnahmen festgelegt, die gemäß § 2 AO den innerstaatlichen Regelungen vorgeben. Im Nachfolgenden werden jedoch zwei Hauptmethoden vorgestellt, die für die Vermeidung bzw. der Minderung der Doppelbesteuerung angewandt werden. Ersteres ist die sogenannte Anrechnungsmethode, die im § 34c EStG verankert ist. Hierbei wird die ausländische Steuer auf die deutsche Steuerschuld angerechnet (Huber, 2007, S. 100). Bei der Anrechnung ist zu beachten, dass die Höhe der ausländischen Steuer auf die Höhe der ausländischen Einkünfte entfallenden deutschen Einkommenssteuer beschränkt ist. Daraus ergibt sich, dass ein Anrechnungshöchstbetrag zu ermitteln ist, der sich durch die Veranlagung der auf die ausländischen Einkünfte ergebenden deutschen Einkommenssteuer in Relation der ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte ergibt. Im Endeffekt bedeutet diese Anwendung für den Steuerpflichtigen eine Reduzierung der zu bezahlenden Steuer um den jeweiligen Betrag (§ 34c Abs. 1 Satz 2 EStG). <?page no="349"?> 350 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Eine weitere Alternative bei Vorliegen eines Doppelbesteuerungsabkommens ist die sogenannte Freistellungsmethode, die in Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA festgehalten ist. In diesem Fall erfolgt die Besteuerung der Einkünfte in dem Staat, in welchem die Einkünfte erwirtschaftet wurden. Daraus ergibt sich für den Steuerpflichtigen, dass dieser mit seinen ausländischen Einkünften im Ansässigkeitsstaat, d.h. von der inländischen Besteuerung steuerfrei gestellt wird (Huber, 2007, S. 100). Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die ausländischen steuerfreien Einkünfte bei der Bemessung des Steuersatzes gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG dem Progressionsvorbehalt berücksichtigt werden und somit bei der Ermittlung des Steuersatzes in die Bemessungsgrundlage miteinbezogen werden. Dies kann problematisch werden, wenn im Abkommen nicht geregelt ist, dass für den Arbeitnehmer kein entsprechender Progressionsvorbehalt ausdrücklich vorgesehen ist (Vogel/ Lehner/ Dürrschmidt, 2015, Rn. 44). Unter der Voraussetzung, dass ein Arbeitnehmer nur eine zeitweise bestehende unbeschränkte Einkommenssteuerpflicht aufweist, sind die ausländischen Einkünfte, die im Veranlagungszeitraum nicht der deutschen Einkommenssteuer unterlegen haben, ebenfalls in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen (§ 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG). Übung 5.6 Erklären Sie das Wohnsitzlandprinzip. Die 183-Tage-Regelung Bezüglich der Zuweisung der Besteuerung des Doppelbesteuerungsabkommens bei unselbstständiger Arbeit gilt der Grundsatz gemäß dem Musterabkommen des Art 15 Abs. 1 OECD-MA, in dem das Arbeitsortprinzip gilt. Das bedeutet, dass alle Vergütungen, wie Löhne, Gehälter und ähnliche Vergütungen in dem Staat versteuert werden, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird und bei dem sich der Arbeitnehmer zur Ausübung der Tätigkeit physisch aufhält (Heuser/ Heidenreich/ Fritz, 2011, S. 165). Eine wichtige Ausnahme des Arbeitsortprinzips stellt jedoch die 183-Tage-Regelung dar. Diese Regelung hat zur Folge, dass die Einkünfte abweichend von dem Grundsatz in den Doppelbesteuerungsabkommen nicht im Tätigkeitsort, sondern im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers besteuert werden, wenn:  der Arbeitnehmer im Tätigkeitsstaat im Ausland nicht länger als 183 Tage im Jahr verweilt und  die Vergütung von oder für einen Arbeitgeber gezahlt wird, der nicht im Tätigkeitsstaat ansässig ist, und  dass die Vergütungen auch nicht von einer Betriebsstätte getragen werden, die der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat hat (Schmeisser, 2010, S. 143 f.). Unter der Voraussetzung, dass alle drei Kriterien gleichzeitig vorliegen, unterliegen die Einkünfte, die mit der Auslandstätigkeit erzielt wurden, der deutschen Besteuerung. Sofern nicht alle der oben genannten Voraussetzungen zusammen vorliegen, steht das Besteuerungsrecht dem Tätigkeitsstaat zu, in dem der Arbeitnehmer die unselbstständige Arbeit ausübt. Bei der Berechnung der 183 Tage sind der An- und Abreisetag sowie alle Aufenthaltstage zu berücksichtigen. Dabei ist die physische Anwesenheit ein entscheidender Faktor. Die Dauer der Tätigkeit ist in diesem Fall unmaßgeblich. Auch zählt zu der Erfassung die zeitanteilige Anwesenheit, die der Expatriate in dem Staat verbringt. Darüber hinaus werden bei der Ermittlung die Aufenthaltstage bezogen auf die Urlaubstage miteinkalkuliert, auch wenn dies unmittelbar vor bzw. nach der Tätigkeit im Ausland verläuft (IHK Berlin, 2017, S. 10). <?page no="350"?> 5.4 Internationales Steuerrecht 351 Sozialversicherungsrechtliche Bedingungen Nachdem die arbeitsrechtlichen und steuerlichen Aspekte der Auslandsentsendung des Expatriates im Ausland vorgestellt wurden, folgen im weiteren Verlauf die sozialversicherungsrechtlichen Kriterien. Im Rahmen des deutschen Sozialversicherungsrechts wird zunächst die Frage gestellt, ob für den Expatriate während der Entsendung weiterhin der bestehende soziale Schutz in Deutschland erhalten bleibt (Schmeisser, 2010, S. 144) und unter welchen Voraussetzungen dieser zustande kommt. Weiterhin treten einige Besonderheiten auf, die bei der Überprüfung bezüglich der sozialen Absicherung berücksichtigt werden müssen. Dabei ist die soziale Absicherung des Expatriates seitens des deutschen Unternehmens entweder durch zwischenstaatliche Abkommen oder durch die Ausstrahlung sichergestellt, (Marburger, 2009, S. 22) die dazu führt, dass der Expatriate nach inländischen Vorschriften versichert wird. Territorialitätsprinzip In der Sozialversicherung gilt das sogenannte Territorialitätsprinzip. Dieses Prinzip besagt, dass die Regelungen des Sozialversicherungsrechts in dem Staat liegen, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist. Daraus ergibt sich, dass sozialversicherungsrechtliche Regelungen „auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt [sind].“ (Mauer, 2013, S. 215). Nach § 3 SGB IV gilt die Versicherungspflicht für alle Arbeitnehmer in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, die im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs, in dem Fall in Deutschland, beschäftigt sind (§ 3 SGB IV). Ausstrahlung Das Vorliegen einer Ausstrahlung ist im § 4 SGB IV geregelt und bezeichnet einen Tatbestand, dass Beschäftigungsverhältnisse der Expatriates auch dann sozialversicherungspflichtig nach den deutschen Vorschriften über die Sozialversicherung bleiben, wenn sie im Ausland praktiziert werden, unter der Voraussetzung, dass:  es sich um eine Entsendung handelt,  im Rahmen eines im Inland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses handelt, und  dass die Dauer der Beschäftigung im Ausland im Voraus zeitlich begrenzt ist (IHK Berlin, 2017, S. 5). Unter der erstgenannten Voraussetzung, nämlich der Entsendung ins Ausland wird verstanden, dass sich der Expatriate von seinem Beschäftigungsort in Deutschland ins Ausland anhand einer Weisung seines Arbeitgebers begibt, um dort die Beschäftigung für den inländischen Arbeitgeber zu praktizieren. Die zweite Voraussetzung, die als ein Beschäftigungsverhältnis im Inland definiert wird, regelt, dass eine vertragliche Bindung des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber im Inland bestehen muss, damit eine Entsendung vorliegt. In diesem Zusammenhang muss das Beschäftigungsverhältnis des Expatriates weiterhin beim inländischen Arbeitgeber fortbestehen. Die dritte Voraussetzung für die Sozialversicherungspflicht in Deutschland kennzeichnet sich dadurch, dass im Voraus der Entsendung eine zeitliche Begrenzung vorliegen muss. Eine zeitliche Höchstdauer existiert gesetzlich jedoch nicht, d.h. die Befristung der Entsendung kann sich durchaus über mehrere Jahre erstrecken. Wichtig ist jedoch, dass nach dem Auslandsaufenthalt eine Gewährleistung existiert, dass der Expatriate weiterhin beim entsendenden inländischen Arbeitgeber beschäftigt wird (Marburger, 2009, S. 24-30). Eine Ausstrahlung gilt als beendet nach Ablauf der Auslandstätigkeit. Unter der Annahme, dass die Voraussetzungen der Ausstrahlung entfallen oder abgeändert werden, wie eine Umwandlung einer befristeten in einen unbefristeten Auslandseinsatz, gilt die Ausstrahlung ebenfalls als beendet. <?page no="351"?> 352 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Leistungsansprüche im Ausland Im Folgenden stehen die Leistungsansprüche entsandter Arbeitnehmer im Vordergrund. Dabei werden die Rubriken vorgestellt, welche Leistungsansprüche gegen wen zustellen sind und in welchem Umfang diese beansprucht werden können. Im Zuge dessen ist zu unterscheiden zwischen den einzelnen Versicherungszweigen. Zu beachten ist außerdem, dass Leistungen beim ausländischen Versicherungsträger geltend gemacht werden, wenn entweder eine entsprechende Versicherung besteht oder der Träger bezüglich der Leistungsaushilfe für die deutsche Sozialversicherung tätig wird (Mauer, 2013, S. 291). Leistungsansprüche gegen die Krankenversicherung Gemäß § 17 Abs. 1 SGB V geht hervor, dass der entsandte Arbeitnehmer vollen Anspruch auf Leistungen gegenüber dem Arbeitgeber hat, die ihm nach den deutschen Vorschriften zustehen. Das gleiche gilt auch für mitreisende Familienangehörige gemäß § 19 SGB V. In Bezug auf die Leistungsaushilfe ist es für den Entsandten ratsam, diese eventuell nicht zu beanspruchen, da diese sich negativ auswirken können. Der Nachteil kann dann entstehen, wenn der ausländische Versicherungsträger die Leistungen nach den dort geltenden Bestimmungen durchführt. Dies kann dazu führen, dass es zu Selbstbeteiligungen kommen kann. Geprägt ist die deutsche Krankenversicherung von Sachleistungen (Mauer, 2013, S. 291 f.), bei dem die entstandenen Kosten von der Krankenkasse in Höhe von der im Inland entstehenden Aufwendungen ersetzt werden müssen (Schmeisser, 2008, S. 278). Falls die im Ausland in Anspruch genommene Leistung günstiger ist, werden die tatsächlich entstandenen Kosten dem Arbeitgeber erstattet. Anderenfalls, d.h. bei Übersteigen der Beanspruchung der Leistung im Ausland gegenüber den Kosten im Inland, erhält der Arbeitgeber somit den inländischen Satz. Ferner ist der Arbeitnehmer dazu verpflichtet, detaillierte Rechnungen nachzuweisen, um einen Rückzahlungsanspruch der entstandenen Kosten zu erhalten (Heuser/ Heidenreich/ Fritz, 2011, S. 109). Der Entsandte hat die Möglichkeit eine sogenannte Anwartschaftsversicherung laufen zu lassen, wenn dieser vor Antritt seiner Auslandstätigkeit freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert war. Dies hat zur Folge, dass der Leistungsanspruch für die Zeit der Auslandsentsendung im Stammland ruht und der Versicherungsschutz aufrecht erhalten bleibt. Dabei ist es von besonderer Bedeutung, dass der Entsandte sicherstellt, dass keine familienversicherten Angehörige in Deutschland verbleiben. Außerdem darf dieser im Ausland nur unter beruflichen Bedingungen tätig sein (Technische Krankenkasse, 2017, S. 9). Leistungsansprüche gegen die Pflegeversicherung Auch im Rahmen der ins Ausland entsandten Arbeitnehmer gilt der Grundsatz „Pflegeversicherung folgt der Krankenversicherung“ (Technische Krankenkasse, 2017, S. 9). Hierbei besitzt das Gesagte zu den Grundsätzen der Krankenversicherung ebenfalls seine Gültigkeit für die Pflegeversicherung. Jedoch ist zu beachten, dass dem Arbeitgeber im Bereich der Pflegeversicherung keine Leistungspflicht obliegt. Aufgrund dessen besteht die Möglichkeit den Anspruch der Leistung des ausländischen Versicherungsträgers über die Leistungsaushilfe zu erbringen. Dies hat in der Praxis dagegen wenige Auswirkungen, da schon vorab das Zurückkehren des Pflegebedürftigen in den Entsendestaat erfolgen wird (Mauer, 2013, S. 293). Leistungsansprüche gegen die Unfallversicherung Bei Berufskrankheiten oder Arbeitsunfällen, die im Ausland vorkommen, werden dem Arbeitnehmer die selbstbeschafften Leistungen durch die Unfallversicherungsträger erstattet. Als Besonderheit ist hier von Bedeutung, dass durch die Inanspruchnahme der Leistungsaushilfe seitens der ausländischen Versicherungsträger dieser speziell für Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle zuständig <?page no="352"?> 5.4 Internationales Steuerrecht 353 ist. Falls es im Ausland diesbezüglich keine Zuständigkeit gibt, kann der Krankenversicherungsträger für die Leistungen in Anspruch genommen werden. Die Kostenrückerstattung kann bei dem inländischen Versicherungsträger angefordert werden, die zunächst mit ein Kontrollmechanismus einhergeht. Falls festgestellt wird, dass keine Berufskrankheit bzw. kein Arbeitsunfall vorliegt, ist der Prozess zu Händen der verantwortlichen Krankenversicherungsträger zu übergeben. Dieser negative Bescheid der Unfallversicherung sollte dem Rückerstattungsantrag beigefügt werden (Heuser/ Heidenreich/ Fritz, 2011, S. 113). Leistungsansprüche gegen die Arbeitslosenversicherung Im Rahmen der Arbeitslosenversicherung werden grundsätzlich die Leistungen vom Staat entrichtet, in dem der Arbeitnehmer zuletzt tätig war. Im Falle, dass der Arbeitslose in das Ausland innerhalb der EU einreist, um dort nach einer Tätigkeit zu suchen, kann das deutsche Arbeitsförderungsrecht in Anspruch genommen werden. Jedoch gibt es hier einige Voraussetzungen, d.h., dass der Arbeitnehmer nur Anspruch auf deutsches Arbeitslosengeld für die Dauer von höchstens drei Monaten hat. Jedoch ist eine Erhöhung bis zu sechs Monaten zugelassen (Bundesagentur für Arbeit, 2017, S. 20). Weiterhin ist es zwingend vorausgesetzt, dass der Arbeitslose sich bei der für ihn zuständigen lokalen Arbeitsagentur wieder zur Vermittlung meldet, damit der Anspruch nicht verloren geht (Mauer, 2013, S. 291 f.). Leistungsansprüche gegen die Rentenversicherung Die Rentenversicherung ist ein sehr wichtiger Versicherungszweig, der möglichst während des Auslandseinsatzes fortbestehen sollte, damit keine Versicherungslücken im Rentenverlauf zustande kommen. Der Entsandte hat den Anspruch, eine Rentenversicherungspflicht durchzusetzen. Um dies bewirken zu können, muss einerseits der Entsandte im Ausland eine zeitlich begrenzte Tätigkeit ausüben und andererseits muss die Rentenversicherungspflicht im Inland angefordert werden (Schmeisser, 2008, S. 278). Anders als in den oben vorgestellten Versicherungszweigen, ist in der Rentenversicherung eine Leistungsaushilfe ausgeschlossen. Über die Rentenangelegenheiten ist dementsprechend ausschließlich der deutsche Rentenversicherungsträger zuständig und bestimmt somit auch über die Höhe der zu zahlenden Rente. In den vereinbarten Abkommen zwischen Deutschland und den einzelnen Ländern sind der Umfang sowie die Voraussetzungen ausländischer Versicherungszeiten geregelt. Demnach gelten die Voraussetzungen für Ansprüche bezüglich der Versicherungszeiten in dem Abkommen, die bei der deutschen Rente herangezogen werden (Heuser/ Heidenreich/ Fritz, 2011, S. 114 f.) Zusammenfassung Das internationale Steuerrecht wurde in Bezug auf eine Auslandsentsendung erläutert. Hierbei wurde insbesondere auf die unbeschränkte und beschränkte Einkommenssteuerpflicht und Doppelbesteuerungsabkommen eingegangen. Interessant ist die 183-Tage-Regelung in Verbindung mit anfallenden Steuern. Schlussbetrachtung Wir sind gestartet mit der Motivation in unterschiedlichen Kulturen. In diesem Kontext wurde auf das interkulturelle Handlungsfeld der Auslandentsendung eingegangen. Interkulturelle Forschungsansätze wurden vorgestellt. <?page no="353"?> 354 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung Der zweite Absatz beschäftigt sich mit der internationalen Entgeltfindung. Hierbei geht es darum, gute Entgeltmodelle zu identifizieren, die Mitarbeiter motivieren, im Ausland tätig zu werden. Das Kapitel schließt mit ersten Einblicken in das internationale Steuerrecht. Lösungshinweise zu den Übungen im Text Übung 5.1 Die Bezeichnung interkulturell ist abzugrenzen von den zum Teil analog verwendeten Begriffen „multikulturell“ und „cross-cultural“. Letztere sind der Sichtweise des Multikulturalismus und des Kulturvergleichs zuzuordnen und betonen die Kontraste von zwei oder mehreren Kulturen (Knapp, 1998, S. 13). Hierbei wird ein Nebeneinander von Kulturen beschrieben, die keinen wechselseitigen Einfluss aufeinander haben (Dietrich, 2000, S. 28). So weisen multikulturelle Personen Merkmale mehrerer Kulturen auf, jedoch nicht zwingend auch interkulturelle Kompetenzen (Bolten, 2001b, S. 37). Übung 5.2: Kulturelle Distanz Ein weiterer situativer Faktor im organisatorischen Umfeld ist die kulturelle Distanz des Gastlandes zum Herkunftsland. Ein möglicher Indikator für die kulturelle Distanz zwischen zwei Ländern ergibt sich aus der Berechnung nach der City-Block-Methode (Waxin, 2004, S. 63). Hierbei wird die Differenz der Werte „society practice“ beider Länder auf allen Kulturdimensionen ermittelt und aufaddiert (Die erwähnten Berechnungswerte lassen sich der aktuellen GLOBE Studie entnehmen). Eine durch den Entsandten erlebte kulturelle Distanz steht in signifikanten negativen Zusammenhang zur Arbeitsleistung im Ausland (Masgoret, 2006, S. 315). Bei einem hohen Grad an kultureller Distanz kommt es vermehrt zu Anpassungsschwierigkeiten und zu einem stärker ausgeprägten Kulturschock (Palthe, 2004, S. 45; Kim, 2001, S. 145). Die Erschwerung der Anpassung erfolgt hierbei nicht in gleichem Maße für die beteiligten Landesangehörigen. Eine Anpassung an entwickelte Länder erweist sich beispielsweise tendenziell als einfacher (Allerdings konnten Stening und Hammer eine geringe Varianz im Anpassungsgrad der Mitglieder einer Kultur über verschiedene Zielkulturen hinweg beobachten. Das relativiert die Bedeutung der kulturellen Distanz und rückt den Einfluss der Herkunftskultur auf die Anpassungsfähigkeit ihrer Mitglieder in den Fokus (Stening & Hammer, 1992, S. 84). Übung 5.3 Bei dem stammlandorientierten Ansatz wird die Entgeltpolitik durch jene Vergütungsmodalitäten bestimmt, welche von der Unternehmenszentrale vorgegeben werden. Die Gestaltung der Vergütungspakete erfolgt demnach in Abhängigkeit der vorgegebenen stammlandorientierten Kriterien. Hierzu zählen u.a. (Festing (2011), S. 384):  Höhe des erfolgsabhängigen Entgeltanteils auf den verschiedenen Hierarchiestufen  Bestimmungen der Entgelterhöhungen in Abhängigkeit von der Dauer der Betriebszugehörigkeit  Einfluss der individuellen Leistungsbeurteilungen  Breite einzelner Lohn- und Gehaltsstufen. <?page no="354"?> Lösungshinweise zu den Übungen im Text 355 Tab. 5.17: Vor- und Nachteile des stammlandorientierten Ansatzes Vorteile Nachteile • Transparente Entgeltpolitik aufgrund verbindlicher Richtlinien für wesentliche Bereiche der Gehaltsfindung • Die Anbindung des Gehalts des Expatriates an das Gehaltssystem des Mutterkonzerns bleibt erhalten • Vereinfachte Wiedereingliederung nach Entsendung • Vernachlässigung von notwendigen und landesspezifischen Aspekten der Entgeltpolitik • Mögliche Demotivation lokaler Mitarbeiter, da entsendete Mitarbeiter eine höhere Vergütung erhalten • Lokale Regelungen werden u.U. nicht genügend berücksichtigt Quelle: in Anlehnung an Festing (2011), S. 384. Durch die einhtlichen und verbindlichen Richtlinien bei der Gehaltsfindung wird sichergestellt, dass im gesamten nationalen und/ oder multinationalen Unternehmen eine einheitliche und stammlandorientierte Unternehmenskultur vorherrscht (Festing (2011), S. 384): Bei der Gestaltung der Entgeltpolitik berücksichtigt der entsendungslandorientierte Ansatz die landesspezifischen Vergütungsmodalitäten des Entsendungslandes und verzichtet demnach auf länderübergreifende Regelungen (Festing (2011), S. 384). Somit sind die Gehälter innerhalb einer Organisationseinheit vergleichbar, jedoch losgelöst vom Stammhaus oder anderen Tochtergesellschaften. Tab. 5.18: Vor- und Nachteile des entsendungslandorientierten Ansatzes Vorteile Nachteile • Verhinderung der Demotivation der lokalen Mitarbeiter innerhalb einer Organisationseinheit aufgrund hoher Gehaltsunterschiede • Geringer Verwaltungsaufwand • Kein transparentes Entgeltsystem für Mitarbeiter in Tochtergesellschaften • Geringe Mobilitätsförderung international tätiger Mitarbeiter • Hohe Gehaltsunterschiede zu anderen internationalen Standorten Quelle: in Anlehnung an Festing (2011), S. 384. Der geozentrische Ansatz verzichtet bei der Gestaltung des Entgeltsystems auf die Standards des Stammlandes und berücksichtigt auch nicht die landesspezifischen Besonderheiten. Stattdessen wird eine internationale Entgeltpolitik entwickelt, die Kriterien aus beiden Umfeldern in die Gestaltung mit einfließen lässt. Das neu entwickelte Konzept ist weltweit verbindlich und soll das Erreichen der strategischen Unternehmensziele unterstützen (Festing (2011), S. 385). Tab. 5.19: Vor- und Nachteile der geozentrischen Entgeltpolitik Vorteile Nachteile • Meist „Fit“ zwischen Unternehmensstrategie und entgeltpolitischer Ausrichtung • Weitgehend weltweiter vergleichbarer Gehälter • Förderung von Auslandsentsendungen • Entwicklung und Gestaltung des Entgeltsystems ist sehr kostenintensiv und zeitaufwendig <?page no="355"?> 356 5 Aufgaben des Internationalen Personalmanagements - Motivation und Vergütung • Erhöhte internationale Mobilität der Mitarbeiter Quelle: in Anlehnung an Festing (2011), S. 385. In der internationalen Entgeltpolitik sind die dargestellten Ansätze in reiner Form selten vorhanden. Aus Kostengründen und/ oder lokalen Restriktionen haben sich Mischformen der Modelle internationaler Entgeltpolitik herausgebildet. Übung 5.4  Das Wohnsitzprinzip richtet sich die Besteuerung des Einkommens nach dem Land, in dem der Expatriate ansässig ist.  Das Quellenprinzip besagt, dass die Besteuerung sich nach dem Einsatzland richtet. Übung 5.5: Welteinkommensprinzip Vereinfacht ausgedrückt besagt dieses, dass jeder, der seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in einem Land hat, seine gesamten in der Welt erzielten Einkünfte auch in diesem Land versteuern muss (https: / / www.rechnungswesen-verstehen.de/ steuern/ welteinkommensprinzip.php). Übung 5.6: Wohnsitzlandprinzip Wohnsitzlandprinzip: Eine Person ist in dem Staat steuerpflichtig, in dem sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (https: / / www.bundesfinanzministerium.de/ Content/ DE/ Glossareintraege/ D/ 004_Doppelbesteuerungsabkommen.html? view=renderHelp). Literaturverzeichnis Acevedo, C.; Ebinger, A.; Gaumann, R. (2004). Geiz ist in - Konzepterstellung und Durchführung von Assessment Centern in Zeiten knapper Ressourcen. Deutscher AssessmentCenter-Kongress 2004, Dokumentation 9. Ackerschott, H., Gantner, N. & Schmitt, G. (2016). Eignungsdiagnostik: Qualifizierte Personalentscheidungen nach DIN 33430. Berlin: Beuth. 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Hier geht es um zugewanderte Arbeitskräfte aus dem Ausland und die Frage, inwiefern diese die Auswirkungen des demografischen Wandels auffangen können. 6.1 Personalmanagement in Europa - internationales Personalmanagement Lernziele  Nach der Lektüre dieses Abschnitts haben Sie ein Verständnis für die Grundbegriffe des internationalen Personalmanagements.  Sie können die Fachtermini der Internationalisierung der Märkte und von Unternehmen einordnen. Der Wegfall von Handels-, Kapital- und Arbeitsbarrieren, politische und wirtschaftliche Integrationsbestrebungen sowie technologische Entwicklungen führen zu einer zunehmenden Globalisierung von Wirtschaftsbeziehungen. Der Prozess der Globalisierung steht für die „zunehmende Verflechtung der […] Wirtschaft und […] effizienzorientierte Restrukturierung von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft“ (Gelbrich & Müller, 2011, S. 537). Unternehmen zielen mit einer wachsenden Internationalisierung auf höhere Gewinnchancen sowie Absatzsteigerung in ausländischen Märkten und das Generieren von Wettbewerbsvorteilen ab. Darüber hinaus erhoffen sie sich durch internationale Verflechtungen einen Technologie- und Know-how-Transfer (Schmeisser & Krimphove, 2010, S. 1 und 296). Neben allen weiteren Bereichen der Unternehmen wirkt sich die Internationalisierung auch auf das Personalmanagement aus. Das Personalmanagement ist „der Humankapitalschlüssel zum langfristigen Wettbewerbserfolg des internationalen Unternehmens“ (Schmeisser & Krimphove, 2010, S. 2) und nimmt damit als Treiber einer internationalen Unternehmensführung eine bedeutende Schlüsselfunktion ein (ebd.). Im Rahmen der Internationalisierung steht das Personalmanagement vor der Herausforderung, die personalwirtschaftlichen Aktivitäten international zu steuern und kulturelle sowie politische, wirtschaftliche und soziale Hürden zu bewältigen (ebd.; Oechsler & Paul, 2015, S. 126). Das internationale Personalmanagement erfüllt im Kern die gleichen Aufgaben wie das Personalmanagement auf nationaler Ebene, unterscheidet sich jedoch hinsichtlich der Komplexität und <?page no="371"?> 372 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen des Anpassungsbedarfs an neue Gegebenheiten (Festing, Dowling, Weber & Engle, 2011, S. 5; Schmeisser & Krimphove, 2010, S. 2). In diesem Abschnitt wird das internationale Personalmanagement dargelegt und insbesondere vom nationalen Personalmanagement abgegrenzt. Des Weiteren werden die Auswirkungen der zunehmenden Globalisierung auf die Unternehmen und ihre Wettbewerbsfähigkeit und in diesem Zusammenhang die Treiber und Barrieren der Mitarbeiterentsendung im Kontext der Internationalisierung des Personalmanagements erörtert. 6.1.1 Grundbegriffe des Personalmanagements Um in einem ersten Schritt das internationale Personalmanagement genauer zu beleuchten, ist es zunächst erforderlich, das Personalmanagement im Allgemeinen zu definieren. In der Literatur werden die Begriffe Personalmanagement, Personalwirtschaft oder auch Human Resource Management häufig synonym verwendet, so auch hier. „Das Personalmanagement umfasst diejenigen Funktionen einer Organisation, die das Ziel haben, Humanressourcen bereitzustellen und zielorientiert einzusetzen“ (Festing et al., 2011, S. 13). Zudem stehen beim Personalmanagement die Führung, Leitung und Steuerung des Personals im Fokus und personalpolitische Maßnahmen des Personalmanagements orientieren sich an der übergeordneten Unternehmenspolitik. Die Personalpolitik wird somit als strategische Ausrichtung des Unternehmens betrachtet und „umfasst alle Grundsätze und Entscheidungen, die sich auf die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Vorgesetzten und Mitarbeitern, zwischen Mitarbeitern untereinander und zwischen den Mitarbeitern und ihrer Arbeit beziehen“ (Olfert, 2015, S. 43). Personalrekrutierung und -auswahl, Personalentwicklung, Personalentlohnung sowie Personalführung stellen die Kernfunktionen des Personalmanagements dar. Instrumente wie die Personalplanung, das Performance Management oder das Talent Management dienen zur Unterstützung der Hauptaufgaben des Personalmanagements (Festing et al., 2011, S. 13). 6.1.2 Abgrenzung internationales Personalmanagement Das internationale Personalmanagement umfasst zwar die gleichen Funktionen wie das nationale Personalmanagement, weist jedoch durch das Agieren in unterschiedlichen Ländern, das Berücksichtigen verschiedener Rahmenbedingungen und die Beschäftigung internationaler Mitarbeiter eine weit größere Komplexität auf (Festing et al., 2011, S. 15). Die folgenden Aspekte grenzen das internationale vom nationalen Personalmanagement ab und verdeutlichen die Komplexität des Personalmanagements auf internationaler Ebene:  Größeres Ausmaß der Personalmanagementaktivitäten, wie z.B. Auslandsentsendungen und administrative Dienste für entsandte Mitarbeiter;  Notwendigkeit einer globalen Perspektive, um die Gleichbehandlung bei der Beschäftigung von Mitarbeitern mit unterschiedlichen Nationalitäten zu gewährleisten;  stärkere Berücksichtigung der Privatsphäre der Mitarbeiter durch einen verstärkten unmittelbaren Kontakt zu Familienangehörigen und deren erforderliche Berücksichtigung;  Veränderung der Gewichtung der personalwirtschaftlichen Tätigkeiten in verschiedenen Phasen der Internationalisierung;  höhere Risiken von Fehlschlägen auf internationaler Ebene aufgrund von folgenreicheren finanziellen und menschlichen Konsequenzen;  Vielzahl an externen Einflussfaktoren, wie z.B. kulturelle Umwelt, Industriezweig oder Größe des Heimatmarkts (Festing et al., 2011, S. 18-26). <?page no="372"?> 6.1 Personalmanagement in Europa - internationales Personalmanagement 373 6.1.3 Internationalisierung der Märkte Aspekte wie ausländische Direktinvestitionen und der internationale Handel verdeutlichen die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft und damit der Märkte (Festing et al., 2011, S. 6). Die deutsche Wirtschaft ist durch eine steigende internationale Ausrichtung der Unternehmen gekennzeichnet, da sie sehr exportorientiert und gleichzeitig aufgrund der Rohstoffarmut vor allem im Energiebereich auf Importe angewiesen ist. So sind in den vergangenen Jahren durch die zunehmende Globalisierung sowohl die Einals auch die Ausfuhrzahlen stetig gestiegen. Neben einem Anstieg des internationalen Handels ist auch die Internationalisierung der Produktionsprozesse eine Folge der Globalisierung. Zu einem Anstieg grenzüberschreitender Warenströme auf allen Produktionsstufen führen insbesondere globale Wertschöpfungsketten bei der Herstellung komplexer technischer Produkte (Schmeisser & Krimphove, 2010, S. 296; Statistisches Bundesamt, 2017, S. 5). Abb. 6.1 zeigt die Entwicklung des deutschen Außenhandels im Zeitraum von 2000 bis 2015. Abb. 6.1: Kennzahlen des deutschen Außenhandels von 2000 bis 2015 (in Anlehnung an Statistisches Bundesamt, 2017, S. 6) Die Entwicklung des deutschen Außenhandels ist seit dem Jahr 2000 durch ein deutliches Wachstum gekennzeichnet. Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise führte 2009 jedoch auch in deutschen Handelsgeschäften zu einem signifikanten Abschwung, von dem sich die deutsche Wirtschaft erst 2011 erholen konnte. In diesem Jahr überstiegen die Ein- und Ausfuhren zum ersten Mal wieder das Vorkrisenniveau. Zwischen 2005 und 2015 stiegen die deutschen Ausfuhren um 52 Prozent und die Einfuhren um 51 Prozent. Trotz des Einbruchs im Jahr 2009 stieg auch die Außenhandelsbilanz stark an. Im Jahr 2013 wurde der Handelsbilanzüberschuss aus dem Jahr 2007 wieder annähernd erreicht. Im gesamten Zeitraum von 2005 bis 2015 verzeichnete die Außenhandelsbilanz einen Anstieg von 54 Prozent. Der Handelsbilanzüberschuss erreichte im Jahr 2015 einen Wert von 244 Milliarden Euro (Statistisches Bundesamt, 2017, S. 6-7). Die zunehmende internationale Ausrichtung und damit der Anstieg an Exportsowie Importgeschäften führten ebenso zu einem Anstieg grenzüberschreitender Aktivitäten wie steigenden Direktinvestitionen im Ausland. Daraus ergeben sich auch Anforderungen an das internationale Personalmanagement, beispielsweise im Kontext der Mitarbeiterentsendung (Festing et al., 2011, S. 6 und 7). Wie aus Abb. 6.2 hervorgeht, haben sich im Zeitraum von 1999 bis 2012 die deutschen Direktinvestitionen im Ausland ungefähr verdreifacht. <?page no="373"?> 374 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen Abb. 6.2: Deutsche Direktinvestitionen im Ausland von 1990 bis 2012 (in Anlehnung an BMF, 2014) Im Jahr 2012 entfielen circa 33 Prozent der deutschen Direktinvestitionen auf die Länder der Europäischen Wirtschaftsunion und rund 28 Prozent auf sonstige europäische Länder. Des Weiteren wurden circa 20 Prozent der Direktinvestitionen in den USA und circa 17 Prozent in den Schwellen- und Entwicklungsländern getätigt. Der Bestand deutscher Direktinvestitionen im Ausland erreichte im Jahr 2012 einen Wert von rund 1 200 Milliarden Euro. Im Zeitraum von 1999 bis 2012 verdreifachten sich die Direktinvestitionen in den Ländern der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWU-Länder). In den USA stieg der Bestand um das Zweifache. Ein besonders starker Anstieg ist bei den Direktinvestitionen in den Schwellen- und Entwicklungsländern zu verzeichnen. Hier erhöhte sich der Bestand auf mehr als das Vierfache. Circa ein Drittel der deutschen Direktinvestitionen entfällt auf den Wirtschaftszweig „Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“, gefolgt vom „Verarbeitenden Gewerbe“ mit einem Anteil von circa 30 Prozent (BMF, 2014). Im Zusammenhang mit der Zunahme der ausländischen Direktinvestitionen ist auch die Anzahl der im Ausland beschäftigten Personen kontinuierlich gestiegen. Mehr als die Hälfte der 2012 rund 6,5 Millionen Beschäftigten entfielen auf Europa, etwa 22 Prozent auf die EWU-Länder und circa 20 Prozent auf Amerika (BMF, 2014). Übung 6.1 Recherchieren Sie im Internet, was unter einer Direktinvestition zu verstehen ist und wie hoch die deutschen Direktinvestitionen im Ausland aktuell sind. 6.1.4 Internationalisierung von Unternehmen Da sich die Internationalisierung sowohl auf das gesamte Unternehmen als auch auf einzelne Geschäftsfunktionen auswirken kann, schließt sie den reinen Export von Gütern und Leistungen (internationalen Handel) genauso ein wie Direktinvestitionen. Somit kann die Internationalisierung von Unternehmen, wie in Abb. 6.3 dargestellt, je nach Art und Ausmaß in verschiedene Internationalisierungsgrade eingestuft werden (Becker & Ulrich, 2011, S. 57). <?page no="374"?> 6.1 Personalmanagement in Europa - internationales Personalmanagement 375 Abb. 6.3: Anforderung an das internationale Personalmanagement (in Anlehnung an Oechsler & Paul, 2011, S. 128) Inwieweit die Komplexität des Personalmanagements im Rahmen einer internationalen Unternehmenstätigkeit steigt, hängt vom Internationalisierungsgrad des jeweiligen Unternehmens ab. Demnach steigen die Anforderungen an das Personalmanagement und damit die Komplexität der personalwirtschaftlichen Kernfunktionen mit zunehmendem Internationalisierungsgrad (Oechsler & Paul, 2015, S. 127). Eine internationale Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit und damit verbunden das international orientierte Personalmanagement erhöhen einerseits die Möglichkeiten zur Bedarfsdeckung von qualifiziertem Personal, verstärken aber anderseits den Wettbewerb um die besten Mitarbeiter weltweit (Jung, 2017, S. 870). Im Rahmen der Internationalisierung von Unternehmen und des Personalmanagements steigen die Bedeutung grenzüberschreitender Tätigkeiten und in diesem Zusammenhang auch die Anzahl von Auslandsentsendungen (Festing et al., 2011, S. 19). Daher werden im folgenden Abschnitt die Treiber und Barrieren der Mitarbeiterentsendung dargelegt. 6.1.5 Treiber und Barrieren der Mitarbeiterentsendung Die Treiber und Barrieren der Mitarbeiterentsendung weisen eine Reihe an Einfluss nehmenden Faktoren mit wirtschaftlichen, sozialen und regulatorischen Charakteristika auf. Die wirtschaftlichen Faktoren spielen insbesondere als Treiber der Mitarbeiterentsendung eine entscheidende Rolle. Regulatorische und soziale Aspekte stehen hingegen vorwiegend im Zusammenhang mit Barrieren. Bei der Darlegung der Treiber und Barrieren der Mitarbeiterentsendung erfolgt eine Unterscheidung in die Aufnahme- und die Entsendeperspektive (European Commission, 2011, S. 28). Werden Mitarbeiter in andere EU-Mitgliedstaaten entsandt, so können neue Märkte erschlossen und Umsätze auch außerhalb des eigenen Mitgliedstaats generiert werden. Außerdem werden der internationale Fokus von Unternehmen und der Aufbau von Geschäftsnetzwerken gefördert. Zudem können eigene Arbeitskräfte eingesetzt werden, was eine bessere Kontrolle der ausgeführten Arbeiten <?page no="375"?> 376 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen ermöglicht. Im Kontext sozialer Aspekte stehen neben der Möglichkeit, Arbeitskräfte zu geringeren Arbeitskosten als im aufnehmenden Land anzubieten, der Erfahrungszuwachs und das Lernen als Folge der Arbeit im Ausland. Regulatorische Treiber liegen in einem relativ einfachen administrativen Verfahren für Unternehmen im Entsendungsland (European Commission, 2011, S. 28). Wirtschaftliche Treiber aus der Aufnahmeperspektive sind insbesondere wettbewerbsfähigere Preise für ausländische Dienstleister durch geringere Lohn- und Arbeitskosten, eine flexible Kapazität und saisonale Nachfrage sowie die Auslagerung von Kosten. Durch die Beschäftigung entsandter Arbeitnehmer können Unternehmen außerdem einem Arbeitskräftemangel im Aufnahmestaat entgegenwirken, insbesondere in Zeiten wirtschaftlichen Wachstums (European Commission, 2011, S. 28). Auf der anderen Seite stehen Barrieren für Unternehmen, die Arbeitnehmer ins EU-Ausland entsenden. Sie müssen Arbeitsbedingungen anwenden, die in allgemein verbindlichen Tarifabkommen geregelt sind, auch wenn sie über den Kern des Schutzes der Arbeitnehmer hinausgehen. Weitere Barrieren aus der Entsendeperspektive sind neben der Zurückhaltung von Mitarbeitern, geografisch mobil zu sein, die sprachlichen und kulturellen Barrieren. Der administrative Aufwand im Zusammenhang mit der Entsendung von Arbeitnehmern, die Komplexität des gesetzlichen Rahmens, der die Entsendung regelt, und unterschiedliche Modalitäten für die Mitarbeiterentsendung in den verschiedenen Mitgliedstaaten stellen weitere Hindernisse im Rahmen der Mitarbeiterentsendung dar (European Commission, 2011, S. 28). Aus der Aufnahmeperspektive ergeben sich auch einige wirtschaftliche, soziale und regulatorische Barrieren. Im wirtschaftlichen Kontext steht die Angst vor der Konkurrenz für lokale Marktteilnehmer. Das negative Image der Entsendung aufgrund illegaler Beschäftigung oder der Beschäftigung unter Mindeststandards stellt neben Kommunikations- und Sprachbarrieren eine soziale Hürde für die Mitarbeiterentsendung aus der Aufnahmeperspektive dar. Regulatorische Hindernisse liegen in Schutzmaßnahmen in bestimmten Sektoren und der Verfügbarkeit weiterer Mechanismen zur Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte (European Commission, 2011, S. 28). Übung 6.2 Nennen und erklären Sie die üblichen Treiber und Barrieren einer Auslandsentsendung. Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurde eine Abgrenzung zwischen nationalem und internationalem Personalmanagement vorgenommen. Weiterhin sind wir auf die Internationalisierung der Märkte und die Internationalisierung von Unternehmen eingegangen. Der Abschnitt schloss mit den Treibern und Barrieren der Mitarbeiterentsendung. 6.2 Personalplanung in Deutschland und als Beispiel für Europa bei multinationalen Unternehmen Lernziele  Wenn Sie diesen Abschnitt durchgearbeitet haben, haben Sie ein grundsätzliches Verständnis von der Personalplanung in Unternehmen unabhängig von Größe, Branche oder Internationalität.  Zudem wissen Sie um die aktuellen Herausforderungen in Bezug auf die Personalplanung bei multinationalen Unternehmen. <?page no="376"?> 6.2 Personalplanung in Deutschland und als Beispiel für Europa bei multinationalen Unternehmen 377 Personalplanung ist eine wesentliche Aufgabe in jedem Unternehmen, unabhängig von dessen Größe, Branche oder Internationalität. Denn Unternehmen können nur dann wirtschaftlich arbeiten, wenn die richtige Anzahl von Mitarbeitern mit den benötigten Skills und Kompetenzen gegenwärtig und in Zukunft vorhanden und einsetzbar ist. Doch aufgrund der jahrelang niedrigen Geburtenraten in Industrieländern, besonders in Europa, besteht die Gefahr, dass qualifiziertes Personal in deutschen Unternehmen, ebenso wie in den anderen hoch entwickelten Industrieländern, knapp wird. Theoretischer Ausgangspunkt der vorliegenden Analyse ist, dass bereits 2017 den deutschen Unternehmen 723 317 Arbeitnehmer gefehlt haben. Hieraus ergibt sich die Frage: Was müssen Unternehmen bei der Personalplanung in Hinblick auf den demografischen Wandel beachten und welche unterstützenden Maßnahmen könnte die Politik in Bezug auf die Zuwanderung ergreifen? In diesem Abschnitt wird darauf eingegangen, welche Möglichkeiten deutsche internationale Unternehmen haben, um trotz des demografischen Wandels ihren Fachkräftebedarf effizient zu decken. Dabei kann der Staat die Unternehmen mit sinnvollen Gesetzen zur Migration zusätzlich unterstützen. 6.2.1 Methodik der Personalplanung Gründe für auftretende personelle Besetzungsprobleme können, neben dem demografischen Wandel, noch folgende sein:  Fehler bei der Organisation der Personalsuche,  zu geringe Bekanntheit des Arbeitgebers,  zu geringe Attraktivität des Arbeitgebers oder der Branche (oder gegebenenfalls sogar ein schlechter Ruf),  unattraktive Arbeitsbedingungen und  regionaler oder qualifikatorischer Mismatch. Die Bundesagentur für Arbeit gab an, dass 2016 in 19 Berufsgruppen ein Fachkräftemangel erkennbar gewesen sei, u.a. bei Lokführern, Energietechnikern, Mechatronikern, Softwareentwicklern und Altenpflegern. Zur selben Zeit gab es zwar 2,69 Millionen Arbeitslose in Deutschland, aber nicht jeder Arbeitslose ist für jede Arbeitsstelle geeignet. Gründe dafür sind:  keine oder keine geeignete Ausbildung,  gesundheitliche Beeinträchtigung oder  mangelnde Bereitschaft zu einem örtlichen Umzug. Inzwischen bieten die Jobagenturen jedoch deutlich mehr Programme für Menschen an, die eine Ausbildung nachholen möchten. Die ersten Folgen des demografischen Wandels sind also bereits spürbar und werden sich in den nächsten Jahren noch stärker bemerkbar machen. Ein geeigneter Indikator, um die allgemeine Entwicklung zu verfolgen, ist das Erwerbspersonenpotenzial. Das Erwerbspersonenpotenzial ist das zur Verfügung stehende Arbeitskräfteangebot und besteht aus den Erwerbstätigen, den Arbeitslosen bzw. Erwerbslosen und der geschätzten stillen Reserve. Unter stiller Reserve sind folgende Personen zusammengefasst:  Arbeitslose, die nicht registriert sind oder die Arbeitssuche vorübergehend/ entmutigt aufgegeben haben,  Personen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen oder in den Warteschleifen des Bildungs- und Ausbildungssystems und <?page no="377"?> 378 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen  Personen, die vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind. Im Jahr 2014 lag das Erwerbspersonen potenzial in Deutschland bei 45,91 Millionen Menschen. Abb. 6.4 zeigt mehrere mögliche Szenarien für die Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials. Abb. 6.4: Erwerbspersonenpotenzial bis 2060 (Fuchs, Söhnlein & Weber, 2017)  Szenario 1: Von 2015 bis 2030 würde, bei alleiniger Berücksichtigung des demografischen Effekts und ohne jegliche Wanderung, das Erwerbspersonenpotenzial um 6 Millionen Personen abnehmen und von 2030 bis 2060 noch einmal um 12 Millionen Personen. Dieses Szenario ist jedoch unrealistisch und kann daher unberücksichtigt bleiben.  Szenario 2: Die Erwerbsbeteiligung von älteren Arbeitnehmern und von Frauen würde zunehmen und das durch den demografischen Wandel verursachte Sinken des Erwerbspersonenpotenzials etwas abschwächen. In diesem Fall würde das Erwerbspersonenpotenzial von 2015 bis 2030 um 3,8 Millionen Personen abnehmen und von 2030 bis 2060 noch einmal um 11,4 Millionen Personen.  Szenario 3: Dieses Szenario prognostiziert, zusätzlich zur steigenden Erwerbsbeteiligung von älteren Arbeitnehmern und von Frauen, einen jährlichen positiven Wanderungssaldo von 200 000 Personen, der die Abnahme des Erwerbspersonenpotenzials weiter verringert. Bei diesem Szenario würde das Erwerbspersonenpotenzial von 2015 bis 2030 um 1,4 Millionen Personen abnehmen und von 2030 bis 2060 noch einmal um 5,5 Millionen Personen. Laut diesen Prognosen lässt sich für 2060 bestenfalls mit einem Erwerbspersonenpotenzial von 38,9 Millionen Personen rechnen (Fuchs, Söhnlein & Weber (IAB), 2017). Aber nicht nur die Unternehmen und deren Personalplanung werden künftig vom demografischen Wandel betroffen sein, die Politik wird ebenfalls gefragt sein. Dem sinkenden Erwerbspersonenpotenzial wird zukünftig eine wachsende Anzahl an Rentnern gegenüberstehen. Da auf die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer (zwischen 1954 und 1969), nach dem Pillenknick geburtenschwache Jahrgänge folgen, wird in naher Zukunft die Zahl der Rentner sprunghaft ansteigen. Prognosen des Statistischen Bundesamtes ergeben, dass 2030 in Deutschland 19,2 Millionen Menschen leben werden, die über 67 Jahre alt sind. 13,8 Millionen werden jünger als 20 Jahre alt sein <?page no="378"?> 6.2 Personalplanung in Deutschland und als Beispiel für Europa bei multinationalen Unternehmen 379 und daher teilweise noch nicht in Vollzeit arbeiten, sondern sich in der Schul- oder Berufsausbildung befinden. 2060 wird es laut Prognose 20,6 Millionen Menschen geben, die älter als 67 Jahre alt sind, und 10,9 Millionen Menschen, die jünger als 20 Jahre alt sind (Statistisches Bundesamt DESTATIS, n.d.). Um auf das sinkende Erwerbspersonenpotenzial und das damit schrumpfende Angebot an Arbeitskräften bestmöglich zu reagieren, müssen sowohl Politiker als auch die Unternehmen selbst zeitnahe Gegenmaßnahmen einleiten. Es gibt verschiedene mögliche Lösungsansätze, dem demografischen Wandel entgegenzuwirken. Die skandinavischen Länder haben mit den gleichen Problemen wie Deutschland zu kämpfen und haben hier eine Vorreiterposition. Dort fangen junge Leute früher an zu arbeiten, Frauen arbeiten häufiger als in Deutschland und die Bevölkerung geht später in Rente. Dies sorgt für eine höhere Erwerbsbeteiligung als in Deutschland (Börsch-Supan, 2015, S. 268). 6.2.2 Zur engeren Personalplanung Hier wird die Personalplanung kurz vorgestellt. Da dieses Thema äußerst komplex ist, kann allerdings nur ein grober Überblick gegeben werden. Zur Einordnung der einzelnen empfohlenen Handlungsfelder für Unternehmen genügt dieser kurze Überblick. Personalplanung ist ein wichtiger Bestandteil der Unternehmensplanung und eine bedeutsame Aufgabe der Personalabteilung. Dementsprechend lässt sich der zeitliche Rahmen der Personalplanung genau wie die Unternehmensplanung in operative, taktische und strategische Planungszeiträume unterteilen. Definition Die strategische Personalplanung befasst sich mit langfristigen Personalanforderungen (mehrere Jahre im Voraus), um den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens sicherzustellen. Vor allem in Hinblick auf den demografischen Wandel bedarf es einer langfristigen Planung. Die Personalplanung beinhaltet zahlreiche Kernaufgaben, von denen die folgenden besonders wichtig sind, um auf den demografischen Wandel zu reagieren: - Personalbestandsplanung, - Personalbedarfsplanung, - Personalbeschaffungsplanung, - Personaleinsatzplanung, - Personalentwicklungsplanung, - Personalfreisetzungsplanung und - Personalkostenplanung. Die strategische Personalplanung ist erfolgreich, wenn das Personalportfolio (unter Berücksichtigung der Kosten und Risiken, z.B. aufgrund des Alters der Mitarbeiter) hinsichtlich seiner Quantität und Qualität geeignet ist, die strategischen Unternehmensziele zu erreichen. Externe Faktoren, die von der Konkurrenz, der Politik oder den Kunden bestimmt werden, müssen bei der Planung ebenfalls berücksichtigt werden. Die Personalbestandsentwicklung und der Personalbedarf müssen quantitativ und qualitativ übereinstimmen. Daher müssen ggf. drohende Personalüber- oder -unterdeckungen von der Personalabteilung analysiert und vermieden werden (Perlitz & Schrank, 2013, S. 1 ff. und 687 ff.). <?page no="379"?> 380 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen Da die kleinen und mittleren Unternehmen die Auswirkungen des demografischen Wandels zuerst zu spüren bekommen, wird die strategische Personalplanung hier exemplarisch für kleine und mittlere Unternehmen vorgestellt. Abb. 6.5 veranschaulicht, wie dieser Prozess aussehen kann. Abb. 6.5: Prozess der strategischen Personalplanung (in Anlehnung an Rump, Kreis & Schmoll, 2017) In der Vorbereitungsphase sind die unterschiedlichsten Aufgaben zu lösen, wie beispielsweise die Klärung der Zuständigkeiten, die Entscheidung für eine passende Planungsmethode, die Auswahl eines dazu passenden Computerprogramms, die Sicherstellung der Datenerfassung, die Feststellung der strategischen Unternehmensziele und das Festlegen eines Planungshorizonts. Um sich einen ersten Überblick zu verschaffen, empfiehlt es sich als Nächstes, Jobfamilien (eine Art Stellencluster) zu bilden. Dafür werden Tätigkeiten mit ähnlichen Aufgaben und Anforderungen zu homogenen Gruppen zusammengefasst. Die Einteilung erfolgt unabhängig von der Hierarchiestufe, aber unter Berücksichtigung der Einarbeitungszeit und des Qualifikationsniveaus. Dabei können Stellenausschreibungen zu Hilfe genommen werden, da Qualifikationen und Kompetenzen gruppiert werden sollen, nicht einzelne Stelleninhaber. Theoretisch sollten sich die Stelleninhaber gegenseitig ersetzen können. Jobfamilien (beispielsweise Supply Chain) können in Unterfamilien (beispielsweise Logistik) und schließlich in Jobfelder (beispielsweise Transport) unterteilt werden. Im nächsten Schritt wird eine Personalbestandsanalyse durchgeführt. Dafür wird der Personalbestand zum Planungsbeginn ermittelt. Es werden alle Mitarbeiter mit ihren Personalstammdaten erfasst und Zu- und Abgänge eingetragen. Der so ermittelte Personalbestand wird dabei in die zuvor gebildeten Jobfamilien eingeteilt. Durch Einsatz entsprechender Hilfsmittel können dann Renteneintrittsalter, Fluktuationsquote etc. ermittelt werden. Darauf erfolgt die Personalbedarfsanalyse, in der der zukünftige Personalbestand ermittelt wird, der nötig ist, um die Unternehmensziele zu erreichen. Während dieses Prozesses müssen das unternehmerische Umfeld und die internen Einflussfaktoren erfasst und analysiert werden, um den zukünftigen Bedarf besser einschätzen zu können. Dabei wird unterschieden zwischen der zum Erreichen der zukünftigen Unternehmensziele benötigen Gesamtpersonalzahl (Bruttopersonalbedarf) und der dafür zusätzlich erforderlichen Anzahl von Mitarbeitern, die neu eingestellt werden müssen (Nettopersonalbedarf). Danach werden die Abweichungen zwischen Personalbedarf und -bestand ermittelt und, in der Regel mithilfe von Computerprogrammen, zusätzlich visualisiert. Um Personalstrukturen, -beziehungen, -interdependenzen und -bewegungen innerhalb eines Unternehmens zu berücksichtigen, können Simulationsmodelle benutzt werden. Durch Ermittlung der Differenz zwischen Personalbedarf und -bestand ergeben sich Über- oder Unterdeckungen für die einzelnen Jobfamilien, auf die die Personalabteilung dann reagieren muss. <?page no="380"?> 6.2 Personalplanung in Deutschland und als Beispiel für Europa bei multinationalen Unternehmen 381 Daraus lassen sich Handlungsfelder und Maßnahmen erschließen und der Personalplan aufstellen. In dieser Phase werden unter anderem Personalbeschaffungsmaßnahmen (Ausbildungsangebote, Einstellungen), Transfers, Qualifikationen oder Beendigungen von Arbeitsverhältnissen erwogen. Dabei muss jedes Unternehmen individuelle Lösungen finden. In der strategischen Personalplanung wird dabei i.d.R. nur mit Jobfamilien gearbeitet. Einzelne Mitarbeiter werden erst in der operativen Phase betrachtet. Eine besondere Herausforderung der zukünftigen Personalplanung wird es sein, die altersbedingt ausscheidenden Arbeitnehmer durch Nachwuchskräfte zu ersetzen. Um ein nachhaltiges Wissensmanagement sicherzustellen, muss dabei darauf geachtet werden, dass das vorhandene Fachwissen nicht aus dem Unternehmen abwandert. Denn es wird sich zukünftig nicht nur das Arbeitskräfteangebot verringern, sondern spezifische Qualifikationen und Wissen werden ebenso knapper werden. Daher wird die Personalplanung zukünftig mit steigenden Herausforderungen konfrontiert werden (Gischer & Spengler, 2008, S. 69). Im Jahr 2015 gab es 3 469 039 Unternehmen in Deutschland. Davon beschäftigten 89,75 Prozent der Unternehmen bis zu neun sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, 8,09 Prozent der Unternehmen beschäftigten 10-49 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, 1,75 Prozent beschäftigten 50-249 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, 0,41 Prozent der deutschen Unternehmen beschäftigten über 250 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Diese Zahlen lieferte das statistische Unternehmensregister, welches im Oktober 2016 ausgewertet wurde. Alle 3 469 039 Unternehmen sind auf ihre Mitarbeiter angewiesen, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, und spüren zum Teil schon die Folgen des demografischen Wandels oder werden ihn zumindest in den nächsten Jahren spüren. Der folgende Abschnitt beschreibt die derzeitige und die prognostizierte Entwicklung der deutschen Bevölkerung ausführlicher. Das Statistische Bundesamt veröffentlicht regelmäßig objektive, unabhängige und qualitativ hochwertige amtliche Statistiken. Bei Betrachtung der Prognosen zur deutschen Bevölkerung lässt sich in Abb. 6.6 eindeutig eine Abnahme der Bevölkerung und damit gleichermaßen des Erwerbspersonenpotenzials erkennen. Abb. 6.6: Prognose der Einwohnerzahl Deutschlands von 2016 bis 2060 (in Millionen) (in Anlehnung an Statistisches Bundesamt DESTATIS, n.d.) Doch es wird in den nächsten Jahren nicht nur ein Bevölkerungsrückgang, sondern zusätzlich eine Überalterung erwartet. Diese demografischen Entwicklungen werden von unterschiedlichen Faktoren bestimmt. Die bedeutendsten sind dabei die Fertilitätsrate, die Lebenserwartung und das Wanderungssaldo. Daraus ergibt sich die betriebswirtschaftliche Frage, wie deutsche Unternehmen auf den prognostizierten Rückgang des Erwerbspotenzials reagieren und ob sie überhaupt mit einem Rückgang des Erwerbspotenzials rechnen. <?page no="381"?> 382 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen Prognostizierte demografische Entwicklung in Deutschland Fertilitätsrate Definition Die Fertilitätsrate oder zusammengefasste Geburtenziffer definiert das Statistische Bundesamt folgendermaßen: „die zusammengefasste Geburtenziffer eines Kalenderjahres [...] ist ein altersstandardisiertes Maß für die Geburtenhäufigkeit der Frauen, die im betrachteten Kalenderjahr im Alter von 15 bis 49 Jahren waren. Die Kennzahl setzt sich aus den altersspezifischen Geburtenziffern für jedes einzelne Altersjahr der Frauen zwischen 15 bis 49 Jahren zusammen. Die zusammengefasste Geburtenziffer der Kalenderjahre bezieht sich demzufolge auf eine hypothetische Kohorte, die aus Frauen von 35 aufeinander folgenden Jahrgängen besteht“ (Statistisches Bundesamt DESTATIS, 2017b, S. 155). Die Kinderzahl der realen Kohorte wäre zwar zuverlässiger, da sie die tatsächlichen Geburten eines Jahrgangs widerspiegeln würde, doch diese lässt sich erst nach Abschluss der fertilen Phase berechnen. Tab. 6.1 zeigt, dass die zusammengefasste Geburtenziffer in Deutschland in den letzten Jahren sogar angestiegen ist. Dies lässt sich wahrscheinlich zumindest teilweise zurückführen auf das 2007 eingeführte Elterngeld und den 2013 zusätzlich eingeführten Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder zwischen ein und drei Jahren (für ältere Kinder gab es bereits davor einen Rechtsanspruch). Tab. 6.1: Zusammengefasste Geburtenziffer: Entwicklung der Fertilitätsrate in Deutschland von 2004 bis 2015 (in Anlehnung an Statistisches Bundesamt DESTATIS, 2017b) Jahr 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Geburtenziffer 1,36 1,34 1,33 1,37 1,38 1,36 1,39 1,39 1,41 1,42 1,48 1,50 Um ein Sinken der Bevölkerung zu verhindern, ist jedoch mindestens eine zusammengefasste Geburtenziffer von 2,1 Kindern pro Frau erforderlich; diese wurde zuletzt 1970 erreicht. Daher führt die gegenwärtige Geburtenziffer von 1,5 zu einer sinkenden Bevölkerung. Die Gründe für die geringe Geburtenziffer sind unterschiedlich. Die klassische Partnerschaft als Familienmodell mit gemischtgeschlechtlichen Ehepartnern, die in einem gemeinsamen Haushalt leben, hat in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen und dies beeinflusst ebenfalls die Anzahl der Kinder. Außerdem hat die Mehrheit der in Lebensgemeinschaften (64 Prozent) lebenden und der alleinerziehenden Eltern (68 Prozent) heutzutage nur ein Kind. Frauen sind heutzutage sozial immer unabhängiger von Männern und erlangen zunehmend eine höhere Bildung als früher. Allgemein lässt sich sagen, dass Akademikerinnen weniger Kinder bekommen als geringer qualifizierte Frauen, allerdings ist dieser Trend in den letzten Jahren leicht zurückgegangen. 2016 hat eine Befragung zur Kinderlosigkeit bei 45bis 54-jährigen Frauen stattgefunden, bei der sich ergab, dass von den Frauen mit niedrigem Bildungsniveau 16 Prozent keine Kinder geboren hatten, bei den Frauen mit hohem Bildungsniveau, wie Akademikerinnen, dagegen 24 Prozent. Die geringere Fertilitätsrate gut ausgebildeter Frauen beruht insbesondere auf der Schwierigkeit, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Frauen mit einem hohen Bildungsgrad haben häufig viel in ihre Bildung investiert, möchten diese weiterhin nutzen und nicht auf eine Berufstätigkeit verzichten. Wenn diese Frauen zwischen Familie und Beruf wählen müssen, <?page no="382"?> 6.2 Personalplanung in Deutschland und als Beispiel für Europa bei multinationalen Unternehmen 383 entscheiden sie sich häufiger als Frauen mit einem niedrigen Bildungsniveau für den Beruf. Zusätzlich bekommen Akademikerinnen ihr erstes Kind häufig später als Frauen mit niedriger Bildung. Dadurch verkürzt sich ihre fertile Lebensphase und sie werden insgesamt weniger Kinder bekommen. Diese Frauen bleiben dann später teilweise ungewollt kinderlos oder haben Schwierigkeiten, einen passenden Lebenspartner zu finden, oder sie haben sich schlicht an ein Leben ohne Kinder gewöhnt und sind nicht mehr bereit, für ein Kind Kompromisse einzugehen (Rosenstil, Molt & Rüttinger, 1977, S. 269 sowie diverse Artikel über „Frauenpower“ in: Die Zeit in den Jahren 2016 und 2017). Lebenserwartung Neben der zuvor beschriebenen Fertilitätsrate hat auch die steigende Lebenserwartung einen Einfluss auf den demografischen Wandel. Seit über 100 Jahren steigt die Lebenserwartung kontinuierlich an. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die steigende Lebenserwartung durch die Abnahme der Säuglingssterblichkeit geprägt, in den 1960ern durch die abnehmende Sterblichkeit der älteren Bevölkerung. Diese und der jüngste Anstieg der Lebenserwartung gehen auf den stetigen medizinischen Fortschritt und die Verbesserung der Lebensbedingungen zurück. Zusätzlich ist zu erwarten, dass sich die unterschiedlichen Lebenserwartungen von Männern und Frauen angleichen werden. Abb. 6.7 stellt diesen Trend noch einmal grafisch dar und verdeutlicht, dass nur in der Gruppe der über 65-Jährigen mit einem Anstieg der Personenzahl zu rechnen ist und dass die Personenzahl der restlichen Altersgruppen, ebenso wie die Gesamtbevölkerung, sinken wird. Im Jahre 2050 wird folglich eine Gesamtbevölkerung von 68,8 Millionen Deutschen zu erwarten sein. Abb. 6.7: Prognostizierte Entwicklung der Altersstruktur in Deutschland von 2010 bis 2050 (in Millionen Einwohner) (in Anlehnung an Statista, n.d.) Wanderungssaldo Als Drittes wird die Bevölkerungsentwicklung Deutschlands vom Wanderungssaldo geprägt. Hier interessiert dabei nur der Außenwanderungssaldo. Definition Der Außenwanderungssaldo ist die Differenz zwischen der Zuwanderung nach Deutschland und der Abwanderung aus Deutschland (Statistisches Bundesamt Destatis, n.d.). <?page no="383"?> 384 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen In diesem Bereich sind Prognosen schwerer zu treffen, wie insbesondere das Jahr 2015 gezeigt hat. Bisher ist das Statistische Bundesamt bei Prognosen mit einer schwächeren Zuwanderung von einem Wanderungssaldo von 100 000 Personen ausgegangen und bei Prognosen mit einer stärkeren Zuwanderung von einem Wanderungssaldo von 200 000 Personen. Das Statistische Bundesamt kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Aussagen dazu machen, ob die insbesondere seit 2015 stark angestiegene Zuwanderung die demografischen Trends nachhaltig beeinflussen wird. Es ist jedoch sicher, dass sie die Größe und Struktur der aktuellen deutschen Bevölkerung zumindest vorübergehend verändert hat. Das Statistische Bundesamt hat eine aktualisierte Prognose des Außenwanderungssaldos unter Berücksichtigung der jüngsten Zuwanderung veröffentlicht. Tab. 6.2 zeigt einen Auszug daraus. Tab. 6.2: Korrigierte Prognose des Außenwanderungssaldos (in Anlehnung an Statistisches Bundesamt DESTATIS, n.d.) Jahr Saldo der Außenwanderung (in Personen) 2016 750 000 2017 500 000 2018 400 000 2019 300 000 2020 250 000 2021 bis 2060 200 000 Übung 6.3 Erklären Sie, was unter einem Außenwanderungssaldo zu verstehen ist. Bei Betrachtung der Einflussfaktoren der demografischen Entwicklung wird klar, dass die deutsche Bevölkerung trotz der jüngsten Zuwanderung schrumpfen und überaltern wird und dass dieser Prozess schon begonnen hat. Abb. 6.8 zeigt eine Bevölkerungspyramide aus dem Jahr 2017, Abb. 6.9 eine Prognose für das Jahr 2030 und Abb. 6.10 eine Prognose für das Jahr 2060. In den Abbildungen 6.9 und 6.10 wurde jeweils in hellgrau die Bevölkerungspyramide des Jahres 2017 skizziert. Diese Prognosen können nur vorhersehbare Trends berücksichtigen; und vor allem Einflussfaktoren wie die Zuwanderung lassen sich nicht langfristig planen und nur schwer kontrollieren. Übung 6.4 Was ist mit der Aussage gemeint: „Die Bevölkerungspyramide steht Kopf“? <?page no="384"?> 6.2 Personalplanung in Deutschland und als Beispiel für Europa bei multinationalen Unternehmen 385 Abb. 6.8: Bevölkerungspyramide für das Jahr 2017 (Statistisches Bundesamt DESTATIS, 2015) Abb. 6.9: Prognostizierte Bevölkerungspyramide für das Jahr 2030 (Statistisches Bundesamt DESTATIS, 2015) <?page no="385"?> 386 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen Abb. 6.10: Prognostizierte Bevölkerungspyramide für das Jahr 2060 (Statistisches Bundesamt DESTATIS, 2015) Folgen der demografischen Entwicklung für deutsche Unternehmen Der demografische Wandel stellt die deutschen Unternehmen vor diverse strukturelle Herausforderungen. Sie müssen ihre Personalplanung dem demografischen Wandel anpassen und vermeiden, dass dieser zu einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Unternehmen führt. Gleichzeitig entwickelt sich unsere Gesellschaft durch die Digitalisierung und Globalisierung von einer Industriegesellschaft weiter zu einer innovativen Wissensgesellschaft. Dadurch werden die Aufgaben für die Arbeitnehmer immer komplexer, sodass mehr hoch qualifizierte Arbeitnehmer und gut ausgebildete Facharbeiter mit einer schnellen Auffassungsgabe benötigt werden. Deshalb müssen die Unternehmen die Qualifikationen ihrer älteren Arbeitnehmer weiter fördern. Bereits seit 2005 hat sich die Alterszusammensetzung der Arbeitnehmer in den Unternehmen merklich verändert und wird sich noch weiter verändern. Zum Teil verwechseln Unternehmen, die die Weiterentwicklung ihrer Arbeitnehmer versäumt haben, die Weiterbildungslücke ihrer Arbeitnehmer jedoch mit einem Fachkräftemangel. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland bei der Bildung und Weiterbildung seiner Erwerbspersonen (Erwerbstätigen und Erwerbslosen) unter dem Durchschnitt. In Deutschland hatten 2014 nur 8 Prozent der Erwerbspersonen in den vier Wochen vor der Datenerfassung durch die Arbeitskräfteerhebung (die in Deutschland in den Mikrozensus integriert ist) an einer formalen oder nicht formalen Aus- oder Weiterbildung teilgenommen, der EU-Durchschnitt lag bei rund 11 Prozent, Spitzenreiter waren die Dänen mit 32 Prozent. Eine vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) in Auftrag gegebene Studie untersucht die Fachkräfteverknappung aus Unternehmenssicht. Eine dazugehörige Studie des Instituts <?page no="386"?> 6.2 Personalplanung in Deutschland und als Beispiel für Europa bei multinationalen Unternehmen 387 für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt, dass die Time-to-Fill, die Zeit von der Personalbedarfsmeldung bis zur Besetzung einer Stelle, deutlich angestiegen ist. Dafür wurden 76 875 Stellenbesetzungen von 2000 bis 2013 beobachtet. Obwohl die Besetzungsdauer schwankt, lässt sich in diesem Zeitraum ein Anstieg von durchschnittlich 72,5 Tagen auf durchschnittlich 92 Tage feststellen. Dieser Anstieg zeigt, dass es inzwischen tatsächlich schwieriger geworden ist, Arbeitnehmer zu rekrutieren. Der Anteil der Unternehmen, die von Schwierigkeiten bei der Besetzung von Fachkräftestellen ausgehen, stieg ebenfalls von 10 Prozent im Jahre 2004 auf 30 Prozent im Jahr 2014. Es wird nicht nur immer schwieriger, neue Arbeitnehmer zu rekrutieren, der Altersdurchschnitt der Mitarbeiter verändert sich ebenfalls. Das Statistische Bundesamt (DESTATIS) teilte 2017 mit, dass 2015 das durchschnittliche Alter der Erwerbstätigen bei 43,4 Jahren lag. In den letzten 25 Jahren ist es um 4,6 Jahre angestiegen und wird noch weiter steigen. 1991 betrug das Durchschnittsalter dagegen nur 38,8 Jahre (Statistisches Bundesamt DESTATIS, 2017c). Um die Auswirkungen des ansteigenden Durchschnittsalters besser zu erfassen, lässt sich die Studie der Krankenkasse DAK (DAK Gesundheit, 2017) heranziehen, die die Arbeitsunfähigkeit von rund 2,6 Millionen Mitgliedern im Jahr 2016 nach Altersgruppen untersucht hat. Diese zeigt, dass sich sehr junge Arbeitnehmer (15-24 Jahre) am häufigsten arbeitsunfähig melden. Die jüngsten Arbeitnehmer haben zum einen ein höheres Unfall- und Verletzungsrisiko aufgrund der aktiveren Freizeitgestaltung, zum anderen lassen sie sich bereits für geringfügige Erkrankungen arbeitsunfähig schreiben. Die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitsfälle schwankt ab 25 Jahren bis zum Renteneintritt nur in geringem Maße. Die durchschnittliche Dauer einer Erkrankung steigt mit dem Alter kontinuierlich an. Die durchschnittliche Ausfallzeit pro Krankmeldung liegt bei den 15bis 19-jährigen Versicherten bei 5,5 Tagen und steigt bei den über 60-jährigen auf 22,2 Tage an. Mit höherem Alter steigt ebenfalls die Gefahr der Langzeitarbeitsunfähigkeit von mehr als sechs Wochen Dauer an, da langwierige chronische Erkrankungen, z.B. des Rückens, häufiger auftreten. Ein weiteres wichtiges Merkmal für Unternehmen ist die Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter. Alter und berufliche Leistungsfähigkeit müssen dabei getrennt betrachtet werden. Zwar sinkt die körperliche Leistung mit zunehmendem Alter, aber dafür haben ältere Arbeitnehmer andere Stärken, wie z.B. ihre Erfahrung. Dadurch können sie schnell und intuitiv richtige Entscheidungen treffen, was in der modernen Arbeitswelt eine wichtige Fähigkeit ist. Arbeitsgestaltung, Weiterbildung, Training und Gesundheit sind für die individuelle Leistungsfähigkeit bedeutender als das Lebensalter. Jeder Arbeitnehmer altert zu einem anderen Zeitpunkt und in jeder Lebensphase kann das Unternehmen mit gezielten Personal- und Gesundheitsmaßnahmen reagieren. Die höhere Lebenserwartung als Teil des demografischen Wandels ist für die deutschen Unternehmen sogar ein Vorteil, denn bisher und in naher Zukunft schrumpft die Zahl der Konsumenten nicht im gleichen Maße wie die Zahl der Arbeitnehmer und bedroht somit nicht den Absatzmarkt. Die genannten Entwicklungen treten meist regional unterschiedlich und zeitlich versetzt auf; bisher sind die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) stärker betroffen als große Konzerne. Diese genannten Faktoren hängen oft zusammen. Obwohl die überwiegende Mehrheit aller Fachkräfte in Deutschland in KMUs arbeitet, sind diese in der Regel vom Fachkräftemangel stärker betroffen als große Konzerne. Das hat mehrere Gründe: Zum einen sind kleinere Unternehmen arbeitssuchenden Personen häufig weniger bekannt als große Konzerne. Zum anderen können sie sich meist keine gut ausgebildete und spezialisierte Personalabteilung und keine aufwendigen überregionalen Stellenausschreibungen leisten. Außerdem sind sie häufig in weniger beliebten Regionen angesiedelt. Besondere Probleme treten in ländlichen Regionen auf: Besonders für junge und gut ausgebildete Menschen sind Städte attraktiver, weil dort das Angebot an Arbeitsplätzen, Einkaufsmöglichkeiten und Kultur-, Freizeit- und Bildungseinrichtungen sowie die ärztliche Versorgung besser sind als auf dem Lande. Durch den Wegzug von erheblichen Teilen dieser Bevölkerungsgruppen überaltert die <?page no="387"?> 388 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen Bevölkerung in den ländlichen Gebieten noch stärker und die Geburtenraten nehmen weiter ab. Die verbleibende Bevölkerung hat ein geringes durchschnittliches Haushaltseinkommen und damit eine geringere Kaufkraft, wodurch die Nachfrage nach Gütern weiter abnimmt und weitere Unternehmen abwandern. Am stärksten betroffen von dieser Entwicklung sind die ländlichen Gebiete der neuen Bundesländer, so zum Beispiel die Stadt Suhl in Thüringen mit einer Bevölkerungsabnahme von circa 31 Prozent (seit 1990). Bisher sind noch nicht alle Branchen vom Fachkräfteengpass betroffen. Besonders stark betroffen sind bisher einerseits die sogenannten MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) und andererseits die Medizin und die Pflege. Vom Fachkräfteengpass der MINT-Berufe sind vor allem die Ingenieure betroffen. Die Position des Elektroingenieurs scheint teilweise z.B. nur als Einstiegsposition zu Karrierebeginn genutzt zu werden, ab Mitte 30 verlassen viele Ingenieure diese Position bereits. Naturwissenschaftliche Berufe scheinen hingegen derzeit noch genug Nachwuchskräfte anzuziehen. In Gesundheits- und Pflegeberufen, wie Krankenschwester und Hebamme, liegt bereits heute ein Fachkräftemangel vor. Trotz relativ niedrigem Gehaltsniveau wird das Personal in diesen Berufen stark beansprucht; und aufgrund der speziellen Tätigkeiten ist ausgebildetes Fachpersonal nur sehr bedingt ersetzbar. Handlungsfelder für deutsche Unternehmen Deutsche Unternehmen sind den demografischen Veränderungen nicht machtlos ausgesetzt. Es gibt zahlreiche Handlungsfelder, die den Betrieben die Möglichkeit eröffnen, auf die Gegebenheiten des demografischen Wandels zu reagieren. Einbinden älterer Arbeitnehmer Der demografische Wandel verlangt von den deutschen Unternehmen eine angepasste Personalplanung, die den Alterungsprozess der Arbeitnehmer berücksichtigt. Dabei sollten vor allem ältere Arbeitnehmer so lange, wie es möglich und sinnvoll ist, in den Unternehmen gehalten werden. Dadurch, dass in Deutschland jahrelang der Trend bestand, ältere Arbeitnehmer unbegründet oder aus Kostengründen verfrüht in Rente zu schicken, fehlt es vielen Unternehmen oft an Erfahrung im Umgang mit älteren Arbeitnehmern. Dabei ist es wichtig, zwischen den aktuell über 60-jährigen und zukünftig älteren Arbeitnehmern zu differenzieren, da ihre Werte, Einstellungen und Kompetenzen unterschiedlich sind. Den Generationen gemein ist jedoch, dass eine Wertschätzung ihrer Arbeit sie signifikant motiviert. Dies kann, vor allem bei höher qualifizierten Arbeitnehmern, durch Coaching oder Mentorenprogramme für jüngere Kollegen geschehen, da die Programme oft weniger anstrengend sind als die alltäglichen Aufgaben. Eine andere Möglichkeit des Wissenstransfers stellt die Zusammenstellung von altersgemischten Arbeitsteams dar. Dabei sollten die Unternehmen nicht unüberlegt und willkürlich neue Teams zusammenstellen, sondern die Teams gut vorbereiten und kontinuierlich begleiten. Dabei ist es wichtig, Vorurteile gegen die jeweils andere Altersgruppe abzubauen und Altersdiskriminierung von Anfang an zu unterbinden. Häufig werden diese Vorurteile gerade in den altersgemischten Teams abgebaut, da jüngere Arbeitnehmer von der Erfahrung ihrer älteren Kollegen profitieren, sich ihr Wissen im direkten Kontakt leichter aneignen und dieses nach dem Ausscheiden der Älteren im Unternehmen erhalten bleibt. Durch die Zusammenarbeit lernen jüngere Kollegen ihre älteren Kollegen häufig ebenfalls mehr zu schätzen. Außerdem werden ältere Arbeitnehmer zukünftig immer relevanter für die Unternehmen, da Arbeitnehmer immer schwerer zu rekrutieren sind. Jüngere Arbeitnehmer hingegen bringen neue Ideen und neues Wissen in ein Unternehmen und können ihren dienstälteren Kollegen Aufgaben abnehmen, die diesen Probleme bereiten. Trotz der vielen Vorteile haben altersgemischte Teams aber ebenso Nachteile: Ältere und jüngere Arbeitnehmer befinden sich <?page no="388"?> 6.2 Personalplanung in Deutschland und als Beispiel für Europa bei multinationalen Unternehmen 389 in unterschiedlichen Lebensphasen und haben dadurch zwangsläufig unterschiedliche Werte, Ziele und Interessen. Außerdem haben die verschiedenen Altersklassen unterschiedliche Arbeitsweisen und -tempi. Wenn dann das gegenseitige Verständnis fehlt, zum Beispiel dafür, dass ältere Mitarbeiter einige Aufgaben nicht mehr so schnell ausführen können wie junge Kollegen, kann es zu Konflikten innerhalb der Teams kommen, andererseits können ja auch ältere Mitarbeiter aufgrund ihrer Erfahrung Arbeiten evtl. schneller ausführen als die Nachwuchskräfte. Die Vorteile altersgemischter Teams überwiegen allerdings und bieten die beste Möglichkeit, Wissen, Erfahrung und Fähigkeiten verschiedener Altersklassen zu kombinieren, um komplexe Aufgaben innovativ zu lösen. Allgemein ist es empfehlenswert, dass sich Unternehmen mit den individuellen Lebensentwürfen ihrer Mitarbeiter und deren Übergängen von der Erwerbsin die Nacherwerbsphase befassen. Dafür sind ebenso flexible Arbeitszeitmodelle geeignet, die sich den Bedürfnissen des Arbeitnehmers und seiner Gesundheit anpassen, wie Lebenszeitkonten oder Altersteilzeit. Effiziente Gesundheitsvorsorge Eine weitere Möglichkeit, Arbeitnehmer und ihr Wissen möglichst lange im Unternehmen zu halten, sind Präventionsmaßnahmen und gezielte Gesundheitsförderung. Dabei gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten: zum Beispiel die Mitgliedschaften in einem Fitnessstudio zu bezahlen, ein hauseigenes Fitnessstudio zur Verfügung zu stellen oder Kurse zur Entspannung, für Rückengymnastik oder über Stressmanagement anzubieten. Gesundes Essen in der Kantine und ergonomische Arbeitsplätze können einen zusätzlichen Beitrag zur Gesundheit der Mitarbeiter und zur Vermeidung von chronischen Krankheiten leisten. Dadurch können die Mitarbeiter effizient arbeiten. Durch diese Investitionen kann es außerdem gelingen, die krankheitsbedingten Fehlzeiten zu reduzieren und als Arbeitgeber attraktiver aufzutreten. Dadurch entsteht ein Anreiz für potenzielle Arbeitnehmer, sich im Unternehmen zu bewerben. Häufig werden diese Maßnahmen gebündelt im betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) integriert. Definition Eine der gängigsten Definitionen des BGM stammt von E. Wienemann (2002): Betriebliches Gesundheitsmanagement ist die bewusste Steuerung und Integration aller betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Beschäftigten. Die Ziele des BGM übersteigen damit die bloße Gesundheitsvorsorge: Durch Reorganisation von Managementprozessen und -strukturen soll erreicht werden, dass gesunde Mitarbeiter in gesunden Unternehmen arbeiten. Die Gesundheitsförderung sowie das Wohlbefinden der Mitarbeiter sollen u.a. durch zusätzliche Investitionen in bestehende Strukturen gefördert werden. Dazu gehören ferner noch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Bewältigung des demografischen Wandels, die Zukunftssicherung von Mitarbeitern und die Förderung des Betriebsklimas (Kiesche, 2013, S. 19). Die Entwicklung zu einer Wissensgesellschaft wirkt sich dahingehend positiv auf die Gesundheit der Belegschaft aus, dass in dieser die Gesundheit im Allgemeinen, abgesehen vom übermäßigen Sitzen, weniger belastet wird als in der vorangegangenen Industriegesellschaft. Steigerung der Arbeitgeberattraktivität Während bisher die Unternehmen ihre zukünftigen Mitarbeiter häufig aus einer großen Menge von Bewerbern auswählen konnten, werden sich in Zukunft viele Bewerber aussuchen können, bei <?page no="389"?> 390 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen welchem Unternehmen sie arbeiten wollen. Daher wird dann u.a. die Arbeitgeberattraktivität entscheidend dafür sein, dass es einem Unternehmen trotz drohendem Fachkräftemangel gelingt, sich von den Wettbewerbern abzuheben, um genügend geeignete Arbeitnehmer einzustellen und langfristig an sich zu binden. Dabei haben es Unternehmen mit bekanntem Namen leichter. Eine Strategie, sich positiv von der Konkurrenz abzuheben, ist die Arbeitgebermarkenbildung. Diese ist besonders für unbekannte Unternehmen zu empfehlen. Sie funktioniert ähnlich wie eine gewöhnliche Markenbildung: Es ist ebenfalls ein strategischer Prozess, in dem eine Arbeitgebermarke erst gebildet, aufgebaut, positioniert und danach kontinuierlich gestärkt werden muss. Dabei präsentiert sich das Unternehmen mit seiner personellen Marketingstrategie am Arbeitsmarkt so, wie es von möglichen Bewerbern und Mitarbeitern wahrgenommen werden möchte. Die dadurch entstehende Markenidentität mit personalpolitischen Aspekten wirkt im Idealfall gleichzeitig als Filter, um geeignete Arbeitnehmer vorzuselektieren. Daher ist es wichtig, dass sich das Unternehmen realistisch darstellt, um nicht unerfüllbare Erwartungen zu wecken (Esch, 2014, S. 151). Die Kommunikation mit den potenziellen Arbeitnehmern erfolgt dann entsprechend der Zielgruppe. Die breite Masse wird am besten mit Werbung erreicht, doch damit hinterlässt ein Unternehmen selten einen bleibenden Eindruck. Letzterer wird beispielsweise mit einem Praktikum erzielt, wobei jedoch nur mit einer begrenzten Anzahl an Personen in Kontakt getreten werden kann. Die Kommunikationskanäle müssen ebenfalls angepasst werden: Während früher eine große Anzahl an geeigneten Kandidaten über Stellenanzeigen in Zeitungen erreicht wurde, sind es heute eher ältere Arbeitnehmer, die diese Möglichkeit wahrnehmen. Jüngere Arbeitnehmer hingegen nutzen Online- Jobbörsen oder Business Networks, wie beispielsweise Xing oder LinkedIn. Der Erfolg der personellen Marketingstrategie lässt sich zum Teil in den Rankings von Arbeitgeberbewertungsportalen wie Kununu messen. Diese Arbeitgeberbewertungsportale geben jedoch keine differenzierte Auskunft, denn in den unterschiedlichen Portalen führen unterschiedliche Unternehmen die Rankings an; und kleine Unternehmen werden dabei kaum erfasst. Steigerung der Erwerbsbeteiligung Obwohl es einerseits bereits einen Fachkräfteengpass gibt, gab es 2016 andererseits 2,69 Millionen Arbeitslose. Es ist zwar teilweise mühsam, diese Personen wieder zu aktivieren, aber mit ihnen lässt sich vor allem die Einfacharbeit in Unternehmen abdecken. Knapp die Hälfte der Arbeitslosen verfügt über keinen Berufsabschluss. Für sie ist Training-on-the-Job mit einfachen, gering entlohnten Tätigkeiten (oftmals in Form von Zeitarbeit oder in befristeten Arbeitsverhältnissen) auf niedrigschwelligen Arbeitsplätzen geeignet, um einen (Wieder-)Einstieg in die Arbeitswelt zu bekommen. Alternativ können sie von den Unternehmen in einem ersten Schritt individuell qualifiziert und später durch Personalentwicklungsmaßnahmen unterstützt werden. Entscheidend für den Erfolg der Eingliederung ist zusätzlich die Eigenmotivation oder die Lerndistanz der neuen Mitarbeiter. Teilweise werden entsprechende Programme zusätzlich gefördert, zum Beispiel durch die Bundesagentur für Arbeit oder von den lokalen Jobcentern. Eine weitere Möglichkeit ist, ungelernte Nachwuchskräfte über soziale Projekte zu gewinnen oder zu qualifizieren. Die Berliner Stadtreinigung (BSR) z.B. rekrutiert ebenfalls schwer vermittelbare junge Erwachsene aus sozialen Projekten, denen sie so eine Chance auf einen Arbeitsvertrag bietet und zugleich mit den jungen Nachwuchskräften ihren Altersdurchschnitt senkt. Zusätzlich stellen insbesondere Frauen ein weiteres, ungenutztes Arbeitskräftepotenzial dar. Im Jahr 2016 war die Frauenerwerbsquote mit 62,0 Prozent deutlich geringer als die der Männer mit 70,4 Prozent. Die Teilzeitquote ist bei Frauen mit 47,1 Prozent deutlich höher als bei Männern, wo sie bei 10,8 Prozent liegt. Gerade in den stark betroffenen Gesundheits- und Pflegeberufen, in denen über drei Viertel der Angestellten weiblich sind und in etwa die Hälfte nur in Teilzeit arbeitet, ist die <?page no="390"?> 6.2 Personalplanung in Deutschland und als Beispiel für Europa bei multinationalen Unternehmen 391 Ausweitung der Arbeitszeit eine der wichtigsten Maßnahmen zur Vermeidung des Fachkräftemangels. Im Jahre 2016 waren branchenübergreifend 1 349 000 Frauen unterbeschäftigt, das heißt, sie streben eine Ausdehnung der Wochenarbeitszeit an. Insbesondere Frauen im Alter zwischen 40 und 49 Jahren, die nach einer Erziehungspause wieder beruflich eingestiegen sind, wünschen sich längere Arbeitszeiten. Bisher gibt es in Deutschland zwar unter gewissen Voraussetzungen ein Recht auf Teilzeitarbeit (geregelt in § 8 des TzBfG), aber kein Rückkehrrecht zur Vollzeitarbeit. Dieses soll sich jedoch zumindest in einigen Branchen laut neuer Bundesregierung bald ändern (Stand April 2018). Diese unfreiwillige Unterbeschäftigung verstärkt den Fachkräfteengpass zusätzlich. Stattdessen sollten Unternehmen Frauen nach der Erziehungspause nicht unterschätzen. Den Frauen sollte der Weg zurück ins Erwerbsleben erleichtert und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht werden, da viele dieser Frauen hoch qualifiziertes Personal darstellen. Im Jahre 2016 hat das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie gemeinsam mit dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration den Unternehmenswettbewerb „Erfolgreich.Familienfreundlich“ ausgetragen. Dort wurden die familienfreundlichsten Unternehmen Bayerns ausgezeichnet. Als besonders geeignet, Frauen einen reibungslosen Wiedereinstieg zu ermöglichen, haben sich dabei folgende Maßnahmen gezeigt:  Wenn es gewünscht wird, können Mitarbeiterinnen während der Elternzeit die Verbindung zum Unternehmensalltag beibehalten, zum Beispiel durch die Teilnahme an Fortbildungen und Meetings.  Falls es möglich ist, sollten Unternehmen nicht nur flexible Arbeitszeiten, sondern zusätzlich flexible Arbeitsorte anbieten und auf feste Wochenarbeitszeiten verzichten.  Um Frauen den Wiedereinstieg zu erleichtern, könnte beispielsweise eine Kinderbetreuung durch betriebseigene Betreuungsplätze angeboten werden, es gestattet werden, Mitarbeiterkinder in Ausnahmefällen mit in das Unternehmen zu bringen, ergänzende Kinderbetreuung am Wochenende oder zusätzliche Kinderferienprogramme angeboten werden. Diese Maßnahmen erleichtern Frauen den Wiedereinstieg zusätzlich emotional. Allen Maßnahmen gemein ist, dass sie sich an die individuellen Bedürfnisse von Unternehmen und Mitarbeiterinnen anpassen und nicht pauschal und unüberlegt eingesetzt werden sollten. Für Unternehmen sollten diese Maßnahmen eine Überlegung wert sein, da sie auf die Ausschöpfung dieser bisher häufig unvollständig genutzten Erwerbspotenziale abzielen (Herrfurth & Schmeisser, 2014, S. 1 ff.). Die wahrscheinlich wichtigste Zielgruppe für Unternehmen, um Nachwuchskräfte zu rekrutieren, sind jedoch Jugendliche. Zur Fachkräftesicherung ist daher das duale Ausbildungssystem essenziell für internationale Unternehmen. Nachdem jahrelang weniger duale Ausbildungsplätze angeboten wurden, als es Bewerber gab, hat sich die Situation seit 2008 gewandelt. Inzwischen bleiben viele Ausbildungsplätze unbesetzt. Im Jahre 2016 gab es 22 928 offene Ausbildungsplätze. Da es dennoch Jugendliche gibt, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, ist davon auszugehen, dass trotz des Fachkräfteengpasses unzureichend qualifizierte Ausbildungsbewerber nicht eingestellt werden oder dass es ein regionales Mismatch gibt. Die Tatsache, dass es für Unternehmen zunehmend schwieriger wird, offene Ausbildungsplätze zu besetzen, hat noch weitere Ursachen:  Zum einen stehen durch den demografischen Wandel weniger Jugendliche dem Ausbildungsmarkt potenziell zur Verfügung, weshalb die einzelnen Unternehmen zukünftig noch stärker um geeignete Bewerber konkurrieren werden.  Zum anderen haben Jugendliche teilweise falsche Vorstellungen von bestimmten Berufen und die Präferenz für eine akademische Ausbildung steigt. Den Trend zur Akademisierung bestätigt der Berufsbildungsbericht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) von 2015. Die duale Ausbildung und die Ausbildung an einer <?page no="391"?> 392 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen Hochschule stehen zunehmend im Wettbewerb. Die Politik unterstützt zwar prinzipiell die Akademisierung, aber dennoch hat die Stärkung der dualen Berufsausbildung hohe politische Priorität. Die Politik rät den Unternehmen, die berufliche Ausbildung attraktiver zu gestalten und Studienabbrecher gezielt anzuwerben. In Deutschland bricht mehr als jeder Vierte sein Bachelorstudium ab. Diesen jungen Menschen sollten die Unternehmen unbedingt eine Chance geben und die bereits erreichten Qualifizierungen anerkennen. Zum Vorteil der Unternehmen selbst sollten diese den Erwerb eines berufsqualifizierenden Abschlusses in möglichst kurzer Zeit unterstützen. Dennoch ist es entscheidend, darauf zu achten, dass die Studienabbrecher genügend betriebliche Praxiserfahrung sammeln. Neben den steigenden Schwierigkeiten, geeignete Auszubildende zu finden, nimmt die zukünftige Verwertbarkeit und Aktualität der Berufsausbildungen kontinuierlich ab. Die Produkt-, Prozess- und Innovationszyklen werden sich noch weiter verkürzen, die Komplexität der Technologien wird weiterhin zunehmen und der Innovationsdruck steigen. Diese Entwicklungen erfordern Fach- und Spezialistenwissen, erschweren aber gleichzeitig die Qualifizierung von Fachkräften und lassen berufliche Qualifikationen schneller veralten. Auszubildende werden dadurch zu Flexibilität erzogen. Andererseits sind sie deswegen häufiger bereit, das Unternehmen für ein besseres Angebot zu wechseln. Berufsschulen, Hochschulen und die ausbildenden Unternehmen müssen besonders für die Digitalisierung gerüstet sein, damit die Nachwuchskräfte am Ende ihrer Ausbildung den Anforderungen der modernen Arbeitswelt genügen können und das Gelernte nicht bereits unmittelbar nach Abschluss der Ausbildung veraltet ist. Die Digitalisierung und der Einsatz ausländischer Fachkräfte bieten den Unternehmen zusätzliche Lösungsmöglichkeiten für die Herausforderungen des demografischen Wandels. Beispiel Praxisbeispiel für Diversität von der ING-DiBa AG Ein geeignetes Praxisbeispiel, wie deutsche Unternehmen angemessen auf den demografischen Wandel reagieren, bietet die Bank ING-DiBa AG. Ein Hauptanliegen ist dabei die Diversität, damit die Lebensphasen und verschiedenen Altersgruppen der Mitarbeiter mit denen der Kunden korrespondieren. Ein weiteres Ziel ist, sich von den alten Stereotypen zu lösen. Die Bank versucht dabei gezielt, Vorurteile unter den verschiedenen Altersklassen abzubauen. Einerseits will sie junge Arbeitnehmer nicht bevorzugt einstellen, zum anderen sollten sich ältere Arbeitnehmer nicht auf ihren Privilegien ausruhen und auf die jungen Kollegen herabschauen. Dabei setzt die ING-DiBa AG auf altersgemischte Teams, um von den jeweiligen Vorteilen zu profitieren und dem Kunden auf Augenhöhe begegnen zu können. Dazu gehört es, Respekt für die unterschiedlichen Herangehensweisen der Kollegen zu entwickeln und sich gegenseitig zu unterstützen. Außerdem sollen ältere Mitarbeiter dazu bereit sein, gegebenenfalls wieder eine Stufe auf der Hierarchieleiter hinunterzusteigen und dies nicht als einen persönlichen Angriff, sondern eher als eine Entlastung zu empfinden. Ein weiterer Punkt ist die betriebliche Gesundheitsvorsorge, die dazu beitragen soll, die Arbeitnehmer möglichst lange und gesund im Unternehmen zu halten. Ergänzend dazu wird Altersteilzeit individuell eingesetzt. Bei der ING-DiBa AG ist, ähnlich wie in anderen Unternehmen, das Durchschnittsalter in den letzten Jahren von 36 auf 39 Jahre gestiegen. Dafür hat die Bank sich in ihren Zielvereinbarungen verpflichtet, ihre lebens- und familienbewusste Führung weiter zu fördern. Dies soll unter anderem auf unternehmenseigenen Seminaren den Managern bewusstgemacht werden. Im Fokus steht dabei vor allem die Zielgruppe 50+. Eine konkrete Maßnahme für diese Zielgruppe ist das Programm Ausbildung 50+, das älteren potenziellen Arbeitnehmern einen beruflichen Neueinstieg oder einen Wiedereinstieg ermöglichen soll. Dieses Programm wurde mit dem Sonderpreis <?page no="392"?> 6.3 Digitalisierung als Ausgleich des demografischen Wandels 393 Förderung älterer Menschen des Arbeitgeberwettbewerbs Deutschlands beste Arbeitgeber gewürdigt. Weitere Maßnahmen für die älteren Mitarbeiter (über 50 Jahre) sind die Teilnahmemöglichkeit an altersunabhängigen Weiterbildungsmaßnahmen, flexible Arbeitszeitmodelle und das Gesundheitsprogramm DiBa FIT. Die Initiative DiBa FIT unterhält Programme zur Prävention und Früherkennung von Gesundheitsbelastungen. Der Gesundheitsschutz ist somit ein Teil der Unternehmenskultur und war sogar Teil des zum 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Zukunftsvertrags zwischen der Bank und der Gewerkschaft ver.di. Darin wurden die Aufrechterhaltung der Gesundheit und die damit verbundene nachhaltige Arbeitsfähigkeit zu einer beidseitigen Verpflichtung erklärt. Schlüsselrollen haben dabei die Prävention und Handhabung von körperlichen und mentalen Gesundheitsbelastungen. Ergänzend wird kontinuierlich bei allen Mitarbeitern geprüft, welche Personalentwicklungsinstrumente die einzelnen Mitarbeiter am sinnvollsten fördern und wie ihre Erfahrung am besten eingesetzt werden kann. Während die ING-DiBa AG mit Diversität auf den Fachkräfteengpass reagiert, untersucht das folgende Kapitel, ob Unternehmen durch technologische Entwicklungen weniger Arbeitskräfte benötigen. Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurden der Fachbegriff der Personalplanung näher erläutert und die Besonderheiten gerade im internationalen Umfeld vorgestellt. Durch den demografischen Wandel werden die Unternehmen vor neue Herausforderungen gestellt. Um dem Fachkräfteengpass entgegenzuwirken, der bereits jetzt schon in einigen Branchen herrscht, müssen Unternehmen neue Wege beschreiten, wie z.B. die Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber, bessere Wiedereinstiegsmöglichkeiten für Frauen nach der Kindererziehungszeit, altersgemischte Teams etc. 6.3 Digitalisierung als Ausgleich des demografischen Wandels Lernziele Nach Durcharbeiten dieses Abschnitts haben Sie ein grundsätzliches Verständnis der Digitalisierung erworben und Sie wissen um die Möglichkeiten der Digitalisierung als Ausgleich des demografischen Wandels am Arbeitsmarkt. In diesem Abschnitt betrachten wir, inwieweit die zunehmende Digitalisierung den deutschen Unternehmen eine Möglichkeit bietet, auf den demografischen Wandel zu reagieren. Die Digitalisierung scheint eine geeignete Möglichkeit zu bieten, den Folgen des demografischen Wandels entgegenzuwirken. Ob das wirklich so ist, wird in diesem Abschnitt untersucht. Seit einigen Jahren sind die Begriffe Digitalisierung und Industrie 4.0 immer öfter zu hören und werden ebenso wie die Silver Society als Megatrends unserer Zeit gehandelt. Industrie 4.0 ist eine Folge der Digitalisierung und bezeichnet die vierte industrielle Revolution. <?page no="393"?> 394 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen Unter Digitalisierung werden verschiedene Veränderungen zusammengefasst, die sich aus den Möglichkeiten der Informationstechnologie ergeben, ohne dass jedoch eine allgemein akzeptierte Definition besteht. Das Unternehmen Deloitte erklärt Digitalisierung als „eine Überführung von analogen in digitale Daten […] Digitalisierung bedeutet die Veränderung von Geschäftsmodellen durch die Verbesserung von Geschäftsprozessen aufgrund der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechniken“ (Deloitte, 2013, S. 8). Übung 6.5 Erklären Sie die Begriffe Silver Society und Best Ager. Daraus ergibt sich für die Personalplanung bereits jetzt und in Zukunft noch verstärkt die Aufgabe, Arbeitnehmer entsprechend ihren menschlichen Fähigkeiten wie Kreativität, Einfühlungsvermögen und Motorik wirtschaftlich am sinnvollsten einzusetzen. Bezüglich der Veränderungen, die Digitalisierung in der Arbeitswelt auslöst, gibt es die unterschiedlichsten Prognosen (Schmeisser, Kaziula, Ortmeier & Spiger, 2018, S. 199 ff.). Auf der einen Seite tauchen in den Medien immer wieder Artikel darüber auf, dass durch die Digitalisierung die Hälfte der deutschen Arbeitsplätze in 20 Jahren durch Roboter ersetzt werden könnte. Dabei soll es nicht nur Berufe wie Postboten, Taxi- und Lkw-Fahrer treffen, die durch Drohnen, Roboter oder selbstfahrende Autos ersetzt werden, sondern ebenfalls Hochqualifizierte wie Professoren, Ärzte oder Anwälte. Denn laut FOCUS-MONEY-Redakteur Jens Masuhr werden, anders als in den vorangegangenen technischen Umbrüchen, mit der Industrie 4.0 keine neuen Arbeitsplätze geschaffen, sondern nur die vorhandenen effizienter gestaltet und technisch unterstützt (Schmeisser et al., 2018, S. 122 ff. und 204 ff.). Derartige Meldungen, die über eine äußerst hohe Anzahl von zukünftig nicht mehr benötigten Arbeitskräften berichten, lassen sich größtenteils auf eine Oxford-Studie von Frey und Osborne aus dem Jahre 2013 zurückführen (Masuhr, 2017). Diese gingen von einer in den USA erstellten Auflistung von Tätigkeitsbeschreibungen für 702 Berufe aus und diskutierten auf einem Workshop mit zehn Robotik- und Computerfachleuten darüber, welche Berufe in Zukunft noch existieren würden. Dabei kam allerdings nur in 70 Fällen eine Einigung zustande. Anschließend erstellten Frey und Osborne dann zu jedem der 702 Berufe eine Aufstellung, wie hoch jeweils der Anteil an Kreativität, sozialer Kompetenz, Fingerfertigkeit und Routinetätigkeit ist. Für die 70 Berufe, bei denen sich die Experten einig waren, bestimmten sie dann eine mathematische Funktion dieser Anteile, die die von den Experten bestimmten Vorhersagen für das Entfallen beziehungsweise das Weiterbestehen dieser Berufe annähernd richtig wiedergab. Eine Anwendung der Funktion auf die für die übrigen 632 Berufe ermittelten Verteilungen ergab dann die Wahrscheinlichkeiten dafür, dass diese Berufe zukünftig ebenfalls entfallen werden. Frey selbst hält die Aufregung um die hundertfach zitierte Studie inzwischen selbst für übertrieben. Auf der anderen Seite gehen viele Experten, u.a. Gunther Kegel, Präsident des Verbands der Elektrotechnik (VDE), davon aus, dass auf längere Sicht keine Arbeitsplätze verloren gehen werden. Er ist der Überzeugung, dass nur vorübergehend mehr Stellen wegfallen, als neue durch die Digitalisierung entstehen. Mittelfristig hingegen werden durch rund um die Digitalisierung benötigte Dienstleistungen mehr neue Arbeitsplätze entstehen, als vorher weggefallen sind. Ralph Appel, Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), nimmt zusätzlich an, dass es durch die Digitalisierung zu Rückverlagerungen von Arbeitsplätzen und Produktionsstätten nach Deutschland kommt (Schmeisser et al., 2018, S. 246 ff.). Die Expertenmeinungen widersprechen sich also in der Beantwortung der Frage, ob sich die Digitalisierung substitutiv oder komplementär auf die Zahl der Arbeitsplätze auswirken wird. Deshalb lohnt sich eine Analyse, wie sich der Arbeitsmarkt und damit die Personalplanung der Unternehmen <?page no="394"?> 6.3 Digitalisierung als Ausgleich des demografischen Wandels 395 in den nächsten Jahren durch die Digitalisierung verändern werden. Hierbei geht es darum, ob die Unternehmen durch die zunehmende Digitalisierung eine adäquate Möglichkeit erhalten, auf den demografischen Wandel zu reagieren. Daher wird zunächst der derzeitige Stand der Digitalisierung aufgezeigt, dann die Substituierbarkeit der Berufe dargestellt, danach weitere Folgen der Digitalisierung aufgezeigt und abschließend Handlungsfelder für die Unternehmen vorgestellt. 6.3.1 Voranschreiten der Digitalisierung Der Gebrauch von Computern hat in den vergangenen Jahren nicht nur im Privatleben stark zugenommen, sondern ebenfalls in der Arbeitswelt. Immer mehr Beschäftigte arbeiten an einem Computer und seit der Corona-Krise 2020 sogar im Home-Office. Die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound) hat von 1991 bis 2010 insgesamt 87 884 Beschäftigte in verschiedenen europäischen Ländern bezüglich des Computereinsatzes an ihrem Arbeitsplatz befragt. 1991 nutzten 46 Prozent der Beschäftigten einen Computer, 2000 waren es 56 Prozent und 2010 waren es schließlich 68 Prozent. Des Weiteren wurde nach der Intensität der Computernutzung gefragt. Es wurde dabei unterschieden zwischen Basisnutzern, die maximal die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit einem Computer arbeiteten, und Intensivnutzern, die mindestens drei Viertel ihrer Arbeitszeit mit einem Computer arbeiteten. Es ergab sich, dass von 1991 bis 2010 der Anteil der Basisnutzer von 32 Prozent auf 38 Prozent angestiegen ist und der Anteil der Intensivnutzer von 14 Prozent auf knapp 30 Prozent. Diese Entwicklung dürfte sich weiter fortsetzen (Schmeisser et al., 2018, S. 199 ff.). Im März 2016 veröffentlichte Bitkom Research, das auf Marktforschungsprojekte zum Thema Informations- und Telekommunikationstechnik spezialisiert ist, die Ergebnisse einer Umfrage zum Thema „Computer-Arbeitsplätze und Mobilgeräte als Ergänzung zu stationären Computern“. Dafür wurden 1 108 Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder und IT-Leiter aus allen Branchen mit einer Unternehmensgröße ab 20 Mitarbeitern befragt. Demnach arbeiten inzwischen 44 Prozent der Mitarbeiter an einem Computer-Arbeitsplatz (in etwa vergleichbar mit den Intensivnutzern aus der Eurofound-Befragung) und 32 Prozent arbeiten sogar mit einem Mobilgerät mit Internetzugang, wie Smartphone oder Tablet-PC. Diese Entwicklung ermöglicht zusätzlich ein mobiles Arbeiten von unterwegs oder aus dem Home-Office (Schmeisser et al., 2018, S. 218 ff.). Erwartungsgemäß hängt die Computernutzung jedoch maßgeblich vom Wirtschaftszweig und vom Bildungsgrad ab. Das Statistische Bundesamt hat von Februar bis Juli 2016 mit einer Onlineumfrage in Deutschland (nach Wirtschaftszweigen getrennt) den Anteil der Personen ermittelt, die für berufliche Zwecke einen Computer mit Internetzugang nutzen. Die Umfrage hat ergeben, dass im Informations- und Kommunikationssektor 91 Prozent der Beschäftigten Internet am Arbeitsplatz nutzen, im Gastgewerbe hingegen nur 25 Prozent (Schmeisser et al., 2018, S. 218 ff.). Durch die Digitalisierung werden Computer immer wichtiger für die tägliche Arbeit. Dadurch verändern sich die Anforderungen an die Arbeitnehmer. Das Karrierenetzwerk LinkedIn hat zusammen mit Bitkom Research im Januar 2017 eine Studie dazu durchgeführt. In dieser wurden 305 Personalverantwortliche und Vorstände von deutschen Unternehmen ab 50 Mitarbeitern nach den wichtigsten Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter heute und in 10 Jahren befragt. Danach werden allgemein Soft Skills gegenüber Hard Skills an Bedeutung gewinnen. Die geforderten Hard Skills verändern sich kaum: Datenanalyse und -interpretation ist derzeit die gefragteste Fähigkeit und wird in den nächsten 10 Jahren wahrscheinlich auf den zweiten Platz zurückfallen (von 88 auf 91 Prozent). Wissensmanagement steht heute auf dem zweiten Platz und wird in 10 Jahren das wichtigste Hard Skill sein (von 82 auf 92 Prozent). Projektmanagement ist heute und in Zukunft die drittwichtigste Qualifikation (74 Prozent). An Wichtigkeit gewinnen werden Unternehmensführung (von 50 auf 73 Prozent), allgemeine Digitalkompetenz (von 53 auf 69 Prozent) sowie Programmierkenntnisse (von 32 auf 48 <?page no="395"?> 396 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen Prozent). Die angeforderten Soft Skills werden sich hingegen signifikant verändern: Während heute Kritikfähigkeit (76 Prozent), Entscheidungsstärke (74 Prozent) und Verhandlungsführung (73 Prozent) als die wichtigsten sozialen Kompetenzen gelten, werden in zehn Jahren wahrscheinlich funktionsübergreifende Kompetenzen (82 Prozent), Verhandlungsführung (79 Prozent) und Mitarbeiterführung (76 Prozent) für die Personalverantwortlichen am wichtigsten sein. Die größten Zuwächse sind bei funktionsübergreifenden Kompetenzen (von 67 auf 82 Prozent) und interkulturellen Kompetenzen (von 67 auf 75 Prozent) zu erwarten (Schmeisser et al., 2018, S. 199 ff.). Zusammenfassend lässt sich vermuten, dass Manager ihre Mitarbeiter für den digitalen Wandel motivieren wollen. Da Entscheidungsfähigkeit, Unternehmergeist, Präsentieren und öffentliches Sprechen sowie Kreativität der Mitarbeiter für Führungskräfte zunehmend an Bedeutung verlieren, ist ferner zu vermuten, dass die Führungskräfte ihnen in Zukunft bevorzugt weniger Mitspracherechte und Verantwortung bei unternehmerischen Entscheidungen zugestehen möchten. Ferner erzeugt die Digitalisierung bei einigen Arbeitnehmern die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Bei anderen führt die Forderung nach ständiger Erreichbarkeit zu Mehrbelastung. 6.3.2 Folgen der Digitalisierung für deutsche Unternehmen In den kommenden Jahren wird sich der Arbeitsmarkt stark verändern. Während einerseits das Arbeits(kräfte)angebot wegen der Überalterung der Gesellschaft abnimmt, werden gleichzeitig Arbeitnehmer durch Computer und computergesteuerte Maschinen ersetzt. Bisher sind lediglich 100 000 Beschäftigte vollständig substituierbar, aber da die Digitalisierung der Arbeitswelt noch nicht abgeschlossen ist, ist anzunehmen, dass die Zahl weiter ansteigen wird (Schmeisser et al., 2018, S. 199 ff.). Außerdem ist zu erwarten, dass durch die Digitalisierung die Arbeitsproduktivität weiter steigen wird, sodass zukünftig dieselbe Menge von Produkten von weniger Arbeitnehmern erzeugt werden kann, was ebenfalls zu einer Verringerung der Arbeits(kräfte)nachfrage führen könnte. Andererseits kann die Digitalisierung ältere Arbeitnehmer unterstützen, möglichst lange leistungsfähig zu bleiben. Dabei können ungesunde Tätigkeiten, wie Heben und Tragen, von Maschinen ausgeführt werden, automatische Einstellungen können Körpermaße und Qualifikationsprofile der individuellen Arbeitnehmer speichern und Informationssysteme können die kognitiven Fähigkeiten unterstützen. Abgesehen von der Änderung der Gesamtzahl der Arbeitskräfte wird die Digitalisierung außerdem noch zu einer strukturellen Verlagerung der Arbeitsnachfrage zwischen verschiedenen Branchen, Qualifikationsanforderungen und Regionen führen. Die durch die Substituierbarkeit gefährdeten Regionen (wie zum Beispiel das Saarland) und Branchen (wie zum Beispiel das produzierende Gewerbe) drohen deshalb in ihrer Bedeutung von der zügig voranschreitenden Entwicklung verdrängt zu werden. Es ist daher zu erwarten, dass der Arbeitsmarkt noch schnelllebiger werden wird und von den Arbeitnehmern noch mehr Flexibilität verlangt werden wird. Für die Veränderungsprozesse, die mit der Digitalisierung einhergehen, werden Arbeitnehmer benötigt, die die Digitalisierung implementieren und weiterverbreiten. Daher wird die Nachfrage nach Experten rund um die Digitalisierung weiter steigen. Helfer und Arbeitnehmer, die in Berufen mit einem geringen Anforderungsniveau arbeiten, sind stärker gefährdet, ihre Anstellung zu verlieren. Da häufiger einkommensschwache Arbeitnehmer durch die Digitalisierung substituiert werden könnten und dadurch ebenfalls eher freigesetzt werden dürften, wird es die Aufgabe der Politik sein, diese in einem sozialen Netz aufzufangen und mit Umschulungen beziehungsweise Weiterbildungsmaßnahmen bestmöglich zu fördern und zu unterstützen. Es ist aber anzunehmen, dass das Mismatch der gesuchten und gebotenen Qualifikationen nur temporär bestehen wird. <?page no="396"?> 6.3 Digitalisierung als Ausgleich des demografischen Wandels 397 Die Digitalisierung wird den Fachkräftemangel wahrscheinlich frühestens in fünf bis zehn Jahren bedeutend reduzieren können, was noch vor dem beruflichen Ausscheiden der Babyboomer ist. Bisher können deutsche Unternehmen nur vereinzelt aufgrund der Digitalisierung komplette Arbeitsplätze einsparen. Ferner waren 2015 überhaupt nur 100 000 Beschäftigte vollständig ersetzbar; und das vor allem in Berufen auf dem Anforderungsniveau von Fachkräften und Helfern. Zusätzlich wird in anderen Branchen der Bedarf an Arbeitskräften zeitgleich steigen. Außerdem ist zu erwarten, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis die technisch substituierbaren Tätigkeiten wirklich von Maschinen statt von Menschen ausgeführt werden können. Es ist ferner abzuwarten, inwieweit die Bundesregierung die Digitalisierung tatsächlich vorantreibt. Die Digitalisierung wird daher die Folgen des demografischen Wandels in einigen Branchen oder Gebieten geringfügig abmildern, aber gleichzeitig, beispielsweise in Berufen mit einem hohen Anforderungsniveau, zu einer Steigerung der Arbeitsnachfrage führen. 6.3.3 Substituierbarkeitspotenzial Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat 2015 die Studie Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt - Substituierbarkeitspotenziale von Berufen in Deutschland von Dengler und Matthes veröffentlicht. Das Besondere an dieser Studie ist, dass sie nicht nur einfach die Daten aus den USA auf Deutschland überträgt. Das ist sinnvoll, da das Bildungssystem und der Arbeitsmarkt in Deutschland anders sind als in den USA, was zu unterschiedlichen Automatisierungswahrscheinlichkeiten führt. Unter Substituierbarkeitspotenzial verstehen die Autoren der Studie dabei den gegenwärtigen Anteil der Kernanforderungen von Berufen, der durch Computer oder Maschinen ausgeführt werden könnte. Dabei wird bei den Kernanforderungen aber weder die Wichtigkeit noch der Anteil an der täglichen Arbeitszeit gewichtet. Insgesamt werden ca. 3 900 Einzelberufe analysiert. Dengler und Matthes wollten in ihrer Studie zunächst einmal nur den Status quo erfassen und haben daher, anders als Frey und Osborn in der Oxford-Studie, nicht die zukünftige Automatisierungswahrscheinlichkeit einzelner Tätigkeiten untersucht. Dengler und Matthes (2015) unterscheiden dabei zwischen Routinetätigkeiten und Nicht-Routinetätigkeiten, wobei Routinetätigkeiten eher durch Computer oder Maschinen ersetzt werden können als Nicht-Routinetätigkeiten. Diese Unterscheidung wandten Autor, Levy und Murnane bereits 2003 an. Sie beschrieben Routinetätigkeiten als Tätigkeiten, die von Maschinen ausgeführt werden können, wenn sie vorprogrammierte Regeln befolgen. Beispiel für Routinetätigkeiten sind die Temperaturüberwachung in der Stahlproduktion und die Montage von Auto-Windschutzscheiben an Fließbändern, also monotone Tätigkeiten. Nicht-Routinetätigkeiten hingegen sind Tätigkeiten, für die es nicht möglich ist, einheitliche Regeln aufzustellen, sie zu programmieren oder von einem Computer ausführen zu lassen. Zu den Nicht-Routinetätigkeiten zählen außerdem Tätigkeiten, die visuelle Kontrolle und vielfältige motorische Fertigkeiten verlangen, wie zum Beispiel die Arbeit eines Hausmeisters (Autor, Levy & Murnane, 2013). Einige Tätigkeiten, die Autor, Levy und Murnane (2003) als nicht substituierbare Nicht-Routinetätigkeiten aufführen, dürften bereits heute oder in der Zukunft durch Maschinen oder Computer ersetzt werden können, wie zum Beispiel das autonome Fahren eines Autos durch den Stadtverkehr und das Entziffern von Handschriften. Die Substituierung von Arbeitskräften hat ferner bereits in der (ersten) industriellen Revolution begonnen und nicht erst mit der Industrie 4.0. Dengler, Matthes und Paulus hatten 2014 die Ergebnisse einer Untersuchung veröffentlicht, in der sie die Tätigkeitskomposition für alle (ca. 3 900) in Deutschland registrierten Berufe berechnet haben. Dabei sind sie von den Angaben in der Expertendatenbank BERUFENET der Bundesagentur für Arbeit ausgegangen, die zu jedem Beruf die dafür erforderlichen Kernanforderungen auflistet. Jede <?page no="397"?> 398 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen dieser ca. 8 000 Kernanforderungen haben sie dann, nach dem Vorbild von Autor, Levy und Murnane (2013), einem der folgenden fünf Anforderungstypen zugeordnet:  analytische Nicht-Routinetätigkeiten,  interaktive Nicht-Routinetätigkeiten,  kognitive Routinetätigkeiten,  manuelle Routinetätigkeiten und  manuelle Nicht-Routinetätigkeiten. Ausgehend von diesen Untersuchungen haben Dengler und Matthes 2015 ihre eingangs erwähnte Folgeuntersuchung durchgeführt. Das Substituierbarkeitspotenzial ist als Verhältnis der Anzahl der Routineanforderungen zur Gesamtzahl der Anforderungen eines Berufs definiert. Anschließend wurden die verschiedenen Berufe unterteilt in solche mit  geringem Substituierbarkeitspotenzial, falls dieses ≤ 30 Prozent war,  mittlerem Substituierbarkeitspotenzial, falls dieses zwischen 30 Prozent und 70 Prozent lag,  hohem Substituierbarkeitspotenzial, falls dieses ≥ 70 Prozent war. Übung 6.6 Definieren Sie Substituierbarkeitspotenzial in Verbindung mit der Digitalisierung. Substituierbarkeitspotenzial nach Berufssegment und Region Ausgehend von ihren Ergebnissen für die Einzelberufe und für die Berufsgruppen, die sie nach der Klassifikation der Berufe der Bundesagentur für Arbeit gruppiert haben, haben Dengler und Matthes (2015) dann die Substituierbarkeitspotenziale für die verschiedenen Berufssegmente berechnet und veröffentlicht. Dafür wurden die Werte der zugehörigen Einzelberufe jeweils mit der Anzahl der in ihnen beschäftigten Personen gewichtet. Abb. 6.11 zeigt, wie groß das Substituierbarkeitspotenzial der einzelnen Berufssegmente ist. Der Punkt zeigt das durchschnittliche Substituierbarkeitspotenzial für das jeweilige Berufssegment, während die Linie den Bereich zwischen dem minimalen und dem maximalen Substituierbarkeitspotenzial der zugehörigen Einzelberufe angibt. Wie zu erwarten, bieten vor allem Fertigungsberufe ein hohes Substituierbarkeitspotenzial. Überraschender ist, dass ebenso Berufe in der Unternehmensführung und -organisation im Mittel zu fast 50 Prozent substituierbar sind. Dies liegt daran, dass es in diesem Segment mindestens einen Beruf gibt, nämlich den des Korrektors, dessen Tätigkeiten bereits heute vollständig durch Computer ersetzt werden könnte. Unerwartet ist ebenfalls, dass Reinigungs- und Sicherheitsberufe ein geringes Substituierbarkeitspotenzial aufweisen. Das kommt daher, dass trotz Technik wie Staubsaugrobotern oder Überwachungskameras diese Berufe einen hohen Anteil an Nicht-Routinetätigkeiten beinhalten. Das geringste Substituierbarkeitspotenzial besitzen soziale oder kulturelle Dienstleistungsberufe. Dazu gehören viele Berufe, in denen Kinder erzogen oder unterrichtet werden. Diese Berufe haben einen hohen Anteil an analytischen und interaktiven Nicht-Routinetätigkeiten. <?page no="398"?> 6.3 Digitalisierung als Ausgleich des demografischen Wandels 399 Abb. 6.11: Minimale bis maximale Substituierbarkeitspotenziale einzelner Berufsgruppen (inklusive Gruppendurchschnitt) (in Anlehnung an Dengler & Matthes, 2015) Abb. 6.12: Die deutschen Bundesländer eingeteilt nach Betroffenheit durch ein hohes Substituierbarkeitspotenzial und Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe (Buch, Dengler & Matthes, 2016, S. 3) <?page no="399"?> 400 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen Aus den unterschiedlichen Substituierbarkeitspotenzialen der verschiedenen Berufssegmente ergeben sich zusätzlich unterschiedliche Substituierbarkeitspotenziale für die einzelnen Bundesländer. Bundesländer mit einem hohen Anteil Beschäftigter im verarbeitenden Gewerbe, zum Beispiel in der chemischen Industrie, dem Maschinen- und dem Anlagenbau, weisen häufig ebenfalls einen hohen Anteil an Beschäftigten mit hohem Substituierbarkeitspotenzial auf. Daher schwankt, wie Abb. 6.12 zeigt, der Anteil der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer mit hohem Substituierbarkeitspotenzial beträchtlich zwischen 8 Prozent in Berlin und über 20 Prozent im Saarland. Das Saarland, Baden-Württemberg und Thüringen sind die Bundesländer mit dem höchsten Anteil an Beschäftigten, bei denen über 70 Prozent der Tätigkeiten ihres Berufes durch Computer oder Maschinen erledigt werden könnten. Im Saarland arbeiten im Bundesvergleich prozentual überdurchschnittlich viele Arbeitnehmer in Fertigungsberufen oder in fertigungstechnischen Berufen. Diese beiden Berufssegmente weisen mit 73 Prozent und 64 Prozent die höchsten Anteile an Tätigkeiten auf, die bereits heute von Computern oder computergesteuerten Maschinen ausgeführt werden könnten. Berlin hingegen hat einen vergleichsweise geringen Anteil an Beschäftigten mit hohem Substituierbarkeitspotenzial. Das kommt daher, dass in keinem anderen Bundesland prozentual so viele Personen in sozialen oder kulturellen Dienstleistungsberufen arbeiten wie in Berlin und dass dort gleichzeitig unterdurchschnittlich wenige Beschäftigte in Fertigungsberufen oder fertigungstechnischen Berufen tätig sind. Die einzelnen Bundesländer stehen daher vor unterschiedlichen Herausforderungen und müssen analysieren, in welchen Berufssegmenten welche Berufe substituierbar sind. Darüber hinaus variiert das Substituierbarkeitspotenzial natürlich noch innerhalb der einzelnen Bundesländer zwischen den verschiedenen Regionen. Substituierbarkeitspotenzial nach Anforderungsniveau Ob ein Beruf ein geringes oder ein hohes Substituierbarkeitspotenzial hat, hängt, wie in Abb. 6.13 grafisch dargestellt, neben dem Berufssegment zusätzlich noch vom Anforderungsniveau ab. Das höchste Substituierbarkeitspotenzial weisen Helfer- und Fachkraftberufe mit ca. je 45 Prozent auf. Spezialisten, d.h. Arbeitnehmer mit Meister- oder Technikerausbildung, Fachschul- oder Bachelorabschluss, sind einem ca. 30-prozentigen Risiko ausgesetzt, ersetzt zu werden. Experten, d.h. Arbeitnehmer, die mindestens über ein vierjähriges abgeschlossenes Hochschulstudium verfügen, haben mit 19 Prozent das geringste Risiko, substituiert zu werden. Abb. 6.13: Substituierbarkeitspotenziale nach Anforderungsniveau (in Anlehnung an Dengler & Matthes, 2015, S. 13) <?page no="400"?> 6.3 Digitalisierung als Ausgleich des demografischen Wandels 401 Dass Fachkräfte nicht besser als Helfer davor geschützt sind, durch die Digitalisierung ersetzt zu werden, erklärt sich daraus, dass ihre Tätigkeiten sich zum Teil einfacher programmieren lassen als die von Helfern, die häufig Nicht-Routinetätigkeiten ausführen, wie zum Beispiel in der Pflege das Austeilen von Essen oder das Füttern von Patienten. Diese Tätigkeiten lassen sich nicht so einfach durch Maschinen ersetzen wie zum Beispiel Bestellprozesse oder andere Arbeiten am Computer. Bei den medizinischen Gesundheitsberufen sind beispielsweise etwa 20 Prozent der Helfer-Tätigkeiten (z.B. Krankenpflegehelfer), 37 Prozent der Fachkraft-Tätigkeiten (z.B. EEG-Assistent), 10 Prozent der Spezialisten-Tätigkeiten (z.B. Funkstellenleiter in einer Rettungsleitstelle) und 7 Prozent der Experten-Tätigkeiten (z.B. Regulatory-Affairs-Manager) durch Computer oder Maschinen ersetzbar. Da dieses Segment jedoch personell unterbesetzt ist, könnte die Digitalisierung hier zu einer Entlastung für das unterbesetzte Personal und für die personalsuchenden Unternehmen führen. Außer bei Fachkräften weisen die medizinischen Gesundheitsberufe nur ein geringes Substituierbarkeitspotenzial auf. Bei detaillierter Betrachtung der Berufe in der Unternehmensführung und organisation, bei denen das Substituierbarkeitspotenzial überraschend hoch ausfiel, ergeben sich ebenfalls starke Schwankungen zwischen den einzelnen Anforderungsniveaus: Circa 60 Prozent der Helfer-Tätigkeiten (z.B. Datenerfasser), 59 Prozent der Fachkraft-Tätigkeiten (z.B. Projektassistent), 27 Prozent der Spezialisten-Tätigkeiten (z.B. Parlamentsstenograf) und 20 Prozent der Experten-Tätigkeiten (z.B. Energiemanager) sind durch Computer oder Maschinen ersetzbar. Im Segment Unternehmensführung und -organisation kommt es stark auf das Anforderungsniveau an, ob ein Beruf ein mittleres Substituierbarkeitspotenzial (Helfer und Fachkräfte) oder geringes Substituierbarkeitspotenzial (Spezialisten und Experten) hat. Eine andere Verteilung des Substituierbarkeitspotenzials über die unterschiedlichen Anforderungsniveaus bieten die Sicherheitsberufe: Bei diesen Berufen sind in etwa 28 Prozent der Helfer-Tätigkeiten (z.B. Spielhallenaufsicht), aber nur 6 Prozent der Fachkraft-Tätigkeiten (z.B. Fachangestellter für Bäderbetriebe), 20 Prozent der Spezialisten-Tätigkeiten (z.B. Servicetechniker für Alarmanlagen) und 13 Prozent der Experten-Tätigkeiten (z.B. Betriebsleiter im Strafvollzugsdienst) durch Computer oder Maschinen ersetzbar. Insgesamt haben alle Sicherheitsberufe ein geringes Substituierbarkeitspotenzial von unter 30 Prozent. Vor allem im Justizvollzug oder bei polizeilichen Ermittlungen wird der Mensch wahrscheinlich noch lange unersetzbar bleiben. Substituierbarkeitspotenzial nach Geschlecht Weil es noch heute Branchen und Bereiche gibt, in denen überwiegend Frauen beziehungsweise Männer beschäftigt sind, haben Frauen und Männer ein unterschiedlich hohes Substituierbarkeitspotenzial. Daher lässt sich ein Trend dahingehend feststellen, dass „typische“ Frauenberufe, wie zum Beispiel soziale Berufe in der Pflege oder mit Kindern, weniger einfach durch Maschinen und Computer ersetzbar sind als zum Beispiel „typische“ Männerberufe in der industriellen Produktion. Außerdem werden, laut einer Studie des Instituts für Weltwirtschaft, durch die Digitalisierung menschliche Fähigkeiten (wie Sozialkompetenzen) wichtiger, die von Maschinen (zumindest noch) nicht substituiert werden können. Daraus ergibt sich für Frauen eine Chance. Allerdings werden Frauen gleichzeitig häufiger diskriminiert und sind noch immer unterrepräsentiert in Experten- und Führungspositionen sowie in naturwissenschaftlichen und IT-Berufen, die weniger bedroht sind (Sorgner, Bode & Krieger-Boden, 2017). <?page no="401"?> 402 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen Substituierbarkeitspotenzial in Deutschland Als Letztes errechneten Dengler und Matthes (2015), wie viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Berufen mit einem geringen, einem mittleren und einem hohen Substituierbarkeitspotenzial arbeiten. Circa 11,8 Millionen Beschäftigte (40 Prozent) waren 2015 in Berufen mit einem niedrigen Substituierbarkeitspotenzial tätig. Davon hatten 2,4 Millionen (8 Prozent) einen Beruf, in dem bisher keine Tätigkeiten von Computern oder Maschinen übernommen werden können, wie zum Beispiel bei Friseuren oder Dirigenten. In einem Beruf mit einem mittleren Substituierbarkeitspotenzial arbeiteten 2015 circa 13,2 Millionen Beschäftigte (45 Prozent). Dagegen hatten circa 4,4 Millionen Beschäftigte (15 Prozent) 2015 ein hohes Substituierbarkeitspotenzial. Explizit bedeutet dies, dass in 15 Prozent der Berufe über 70 Prozent der berufstypischen zu erledigenden Aufgaben bereits 2015 von Computern oder computergesteuerten Maschinen hätten übernommen werden können. Nur circa 100 000 Beschäftigte (0,4 Prozent) arbeiteten in einem Beruf mit einem Substituierbarkeitspotenzial von 100 Prozent. Bei diesen 100 000 Arbeitsplätzen hätten bereits alle Tätigkeiten von Computern oder Maschinen übernommen werden können. Von den insgesamt 3 900 untersuchten Berufen waren 20 Berufe vollkommen durch Computer oder computergesteuerte Maschinen substituierbar. Zu diesen Berufen gehören Aufbereitungsmechaniker für Steinkohle, Verfahrensmechaniker der Hütten- und Halbzeugindustrie und Korrektoren. Dennoch benötigen die Abläufe, die vollständig automatisiert werden können, weiterhin menschliche Überwachung und Steuerung, um den Überblick zu behalten und um eingreifen zu können, wenn es zu unvorhergesehenen Zwischenfällen kommt. Wartungs- und Reparaturarbeiten müssen ebenfalls größtenteils von Menschen übernommen werden. Außerdem ist zu beachten, dass die angegebenen Zahlen nur das technisch mögliche Substituierbarkeitspotenzial betreffen. Dieses Potenzial muss aber in der Realität nicht automatisch zu einem entsprechenden massenhaften Stellenabbau führen. Zum einen bedeutet die Anschaffung von Maschinen immer eine große Investition, die sich kleine Unternehmen nicht unbedingt leisten können. Zum anderen haben Gesetze, Politiker, individuelle Arbeitsverträge, Arbeitnehmervertretungen und letztendlich die Gesellschaft als Ganzes ebenfalls Einfluss auf die zukünftige Entwicklung. Bei der Abschätzung der gesellschaftlichen Folgen sollte bedacht werden, dass 2017 bereits 723 317 Arbeitsplätze nicht besetzt werden konnten und die Substituierbarkeit von Personal daher eine Entlastung für die deutschen Unternehmen darstellen kann. Gleichzeitig schreitet der technische Fortschritt weiter voran und es wird in Zukunft möglich sein, noch weitere Tätigkeiten zu substituieren. Dengler und Matthes (2015) beschreiben in ihrer Studie das Steuern von Lkws und Pkws als bisherige Nicht-Routinetätigkeiten, die zukünftig wahrscheinlich zu Routinetätigkeiten werden, obwohl damals autonom fahrende Lkws und Pkws noch als unmöglich galten. Bereits im März 2017 hat der Bundestag das bestehende Straßenverkehrsgesetz geändert und erlaubt nun selbst in Serienfahrzeugen den Einbau technischer Systeme, die die Steuerung des Autos auf öffentlichen Straßen zumindest zeitweise übernehmen. Seit Oktober 2017 setzt die Deutsche Bahn in Bad Birnbach auch den ersten in Deutschland autonom fahrenden Bus ein. Des Weiteren schätzen Experten des Weltverkehrsforums, dass im Jahr 2030 nur noch rund 30 bis 50 Prozent der Lkw-Fahrer benötigt werden. Derzeit gibt es ca. 500 000 Berufskraftfahrer in Deutschland. Gleichzeitig waren bereits 2016 knapp 16 000 Stellen für Berufskraftfahrer unbesetzt und in den nächsten 15 Jahren werden circa zwei Drittel der heutigen Fahrer in Rente gehen. 6.3.4 Steigende Produktivität Aufgrund der Digitalisierung ist es nicht nur möglich, Personal vereinzelt durch Computer oder computergesteuerte Maschinen zu ersetzen, sondern die Mitarbeiter können darüber hinaus wesentlich effizienter arbeiten. Durch den digitalen Fortschritt werden also weniger Arbeitnehmer für <?page no="402"?> 6.3 Digitalisierung als Ausgleich des demografischen Wandels 403 dieselbe Produktionsmenge benötigt. Wenn alle anderen Bedingungen gleichbleiben, führt dies zu sinkenden Preisen für die Konsumenten. Eine Möglichkeit ist, dass die Konsumenten mit einer elastischen Nachfrage reagieren, sie also mehr konsumieren, sodass die Preissenkungen im Endeffekt zu einem Beschäftigungswachstum führen könnten (Buch, Dengler & Matthes, 2016, S. 7). Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Konsumenten unelastisch reagieren, ihre Nachfrage also nicht steigern, und dass dadurch weniger Arbeitnehmer benötigt werden (Appelbaum & Schettkat, 1995). Es bleibt abzuwarten, ob es zu Preissenkungen kommt und wie die Konsumenten darauf reagieren werden. 6.3.5 Umstrukturierung der Arbeitskräfte Aufgrund der Digitalisierung müssen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zukünftig auf einen sektoralen Strukturwandel einstellen. Während in den Fertigungsberufen mit einem Rückgang des Personalbedarfs gerechnet wird, wird 2030 die Zahl der benötigten Manager und leitenden Personen gleichzeitig um 170 000 steigen. Es werden außerdem zusätzlich neue Berufe entstehen. In der Unternehmensdienstleistung werden Prognosen zufolge bis 2030 ebenfalls 750 000 neue Arbeitsplätze entstehen. China und Indien werden beim Aufbau einer industriellen Hochtechnologie weiter voranschreiten und Spezialisten für technische Dienstleistungen benötigen. Bei den Finanzdienstleistungen ist ebenfalls ein wachsender Arbeitskräftebedarf zu erwarten: Da sich Prognosen zufolge die deutsche Wirtschaft weiter vom Produzenten zum Investor entwickeln wird (ähnlich wie Großbritannien während der Deindustrialisierung), werden wachsende Finanzbeteiligungen deutscher Industrieunternehmen im Ausland erwartet. Zusätzlich werden für das wachsendende Privatvermögen weitere Finanzdienstleister benötigt werden. Die Anforderungsstruktur der Berufe wird sich in Zukunft ebenfalls ändern. Durch die Digitalisierung können bei einfachen Tätigkeiten Arbeitskräfte eingespart werden, während mehr Experten für komplexe Tätigkeiten benötigt werden. Daher werden Helfer- und Fachkräftetätigkeiten häufiger von Computern oder computergestützten Maschinen übernommen werden; andererseits werden aber zusätzlich mehr gut ausgebildete Spezialisten nachgefragt werden. Die Anzahl der Beschäftigten in Deutschland wird sich weniger drastisch verändern als die Umstrukturierung zwischen den Branchen, den Berufen und den Anforderungsniveaus ausfallen wird. Wolter et al. veröffentlichten 2016 einen Forschungsbericht für das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), in dem sie Szenarien verglichen, nach denen sich die deutsche Wirtschaft und der deutsche Arbeitsmarkt durch die Digitalisierung verändern könnten. Dabei wird angenommen, dass die Digitalisierung vorangetrieben wird durch eine Erhöhung der Ausrüstungs- und Bauinvestitionen, durch eine Änderung der Kosten- und Gewinnstrukturen und der Berufsfeldstruktur sowie durch eine steigende Nachfrage nach neuen Gütern und Dienstleistungen. Wolter et al. schätzen, dass bis 2025 durch die Digitalisierung 30 000 Arbeitsplätze wegfallen und außerdem 1,5 Millionen Arbeitsplätze umgeschichtet werden. Abb. 6.14 zeigt die erwarteten Veränderungen. Wolter et al. (2016) prognostizieren, dass die von Dengler und Matthes (2015) bereits festgestellte Substituierbarkeit des produzierenden Gewerbes tatsächlich realisiert werden wird. Eine steigende Anzahl von Arbeitsplätzen erwarten sie hingegen für technisch-naturwissenschaftliche Berufe, Sozialberufe, lehrende Berufe sowie für Sicherheits- und Wachberufe. Die Zunahme der Beschäftigtenzahl in den medien- und geisteswissenschaftlichen Berufen wird aufgrund der Nachfrage nach Luxusartikeln und der allgemeinen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung prognostiziert. <?page no="403"?> 404 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen Abb. 6.14: Prozentuale Abweichung der Zahl von Erwerbstätigen nach Berufshauptfeldern aufgrund der Digitalisierung (Wolter et al., 2016, S. 57) 6.3.6 Handlungsfelder für deutsche Unternehmen Vorrangig sollten die deutschen Unternehmen ihre Geschäftsmodelle überprüfen, um nicht den Anschluss an die technische und gesellschaftliche Entwicklung zu verlieren, wie es beispielsweise bei Kodak geschehen ist. Beispiel Der einstige Foto-Pionier hatte bereits 1975 die erste Digitalkamera erfunden, war aber nicht bereit zu größeren Investitionen in diesem Bereich oder gar zu entsprechenden Umstrukturierungen. Daher verpasste Kodak seine Chance und musste 2012 Insolvenz anmelden. Dieses Beispiel zeigt, dass es, vor allem in der schnelllebigen Welt der Digitalisierung, erforderlich ist, regelmäßig die zukünftigen Märkte zu analysieren, neue Geschäftsmodelle zu definieren und das Unternehmen immer wieder an die geänderten Rahmenbedingungen anzupassen. Diese Neuausrichtungen verlangen nach individuellen personellen Anpassungen. Wenn ein Unternehmen aufgrund der Digitalisierung an einigen Stellen Arbeitsplätze abbauen muss und an anderen Stellen neues Personal benötigt, sollte es zunächst prüfen, ob es nicht möglich ist, Mitarbeiter umzuschulen oder weiterzubilden, bevor es wertvolle Mitarbeiter entlässt und für andere Stellen neues Personal suchen muss. Außerdem sollte in Erwägung gezogen werden, weiblichen Arbeitnehmern auf Wunsch die Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit zu erleichtern, da Frauen häufig über eine ausgeprägte Empathie oder ähnliche soziale Fähigkeiten verfügen, die von Maschinen nicht ersetzt werden können. Da Arbeitnehmer, die eine neue Anstellung suchen, ebenfalls im digitalen Zeitalter angekommen sind, ist inzwischen beim Recruiting die moderne Kommunikationstechnik nicht mehr wegzudenken. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wies in einem 2016 veröffentlichten Ratgeber für Unternehmer darauf hin, dass inzwischen 65 Prozent der Arbeitssuchenden auf Social-Media-Plattformen nach einem potenziellen Arbeitgeber suchen. Es ist daher ratsam, dort ebenfalls präsent zu <?page no="404"?> 6.4 Zugewanderte Arbeitskräfte als Ausgleich des demografischen Wandels 405 sein. In den Karrierenetzwerken LinkedIn und Xing ist es möglich, direkt geeignete Bewerber anzuschreiben. Die Diakonie Deutschland hat versuchsweise sogar eine WhatsApp-Kampagne gestartet, um speziell junge Bewerber anzusprechen. Mit Social Media Recruiting wird eine breite Masse an Usern erreicht. Daher nutzen Unternehmen inzwischen immer häufiger Instagram, Snapchat, Twitter und Facebook zum Rekrutieren neuer Mitarbeiter. Wenn Unternehmen vor allem junge Berufsanfänger ansprechen möchten, ist es optimal, dass in einigen dieser Netzwerke überwiegend junge Menschen angemeldet sind. Digitales Recruiting kann also die Personalplanung erleichtern. Außerdem können intelligente Personalplanungssysteme die Personalabteilungen zusätzlich entlasten. Um die vorhandene Belegschaft bestmöglich auf die Digitalisierung einzustellen, ist es wichtig, insbesondere die Führungskräfte auf die neuen Arbeitsstrukturen vorzubereiten. Daher empfiehlt es sich, dass die Personalabteilung nach geeigneten Weiterbildungen für diesen Personenkreis sucht. Außerdem ist es wichtig, dass die Manager ihren Mitarbeitern die Veränderung und den Wandel vorleben und dadurch eine Veränderungsbereitschaft in ihren Abteilungen oder Teams fördern. Besonders für ältere Arbeitnehmer empfehlen sich die Teilnahme an Inhouse-Trainings und der Besuch von Fachkonferenzen oder Workshops. Diese Maßnahmen lohnen sich aber nur, wenn die Digitalisierung im technischen, organisatorischen und kulturellen Umfeld des Unternehmens bereits umgesetzt ist und unterstützt wird. Eine nicht zu unterschätzende Möglichkeit, die neue Technik in den Arbeitsalltag einzubauen und dort zu verankern, besteht darin, die Mitarbeiter im Austausch untereinander oder im Selbststudium die neuen Verfahren bzw. die neuen Maschinen intuitiv ausprobieren zu lassen. Ein Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass sich dabei ein direkter Unternehmensbezug ergibt. Eine 2016 mit 9 600 Beschäftigten durchgeführte Befragung des DGB-Index Gute Arbeit hat ergänzend gezeigt, dass die Chancen für eine erfolgreiche Implementierung neuer digitaler Techniken umso größer sind, je stärker der Einfluss der Mitarbeiter bei deren Einführung war (DGB, n.d.). Da durch die Digitalisierung nicht so viele Arbeitsplätze substituierbar sind wie häufig angenommen, untersucht der nächste Abschnitt, inwiefern Migranten den deutschen Arbeitsmarkt entlasten können. Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurde auf das Voranschreiten der Digitalisierung eingegangen und die Frage, welche Folgen sich hieraus für Unternehmen ergeben. Das Substituierbarkeitspotenzial wurde erläutert, mögliche Handlungsfelder für deutsche Unternehmen wurden aufgezeigt. 6.4 Zugewanderte Arbeitskräfte als Ausgleich des demografischen Wandels Lernziele Wenn Sie diesen Abschnitt absolviert haben, besitzen Sie ein grundsätzliches Verständnis für die Zuwanderungen der letzten Jahre mit ihren Chancen und Risiken. Eine weitere Möglichkeit, dem demografischen Wandel entgegenzuwirken und Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen, könnte die Zuwanderung sein. Als 2015 die Migration von Geflüchteten nach Deutschland stark anstieg, löste sie eine gesellschaftliche Debatte aus. <?page no="405"?> 406 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen Anfangs verkündeten die deutschen Medien, dass Migranten aus Drittstaaten eher eine Chance für den Arbeitsmarkt darstellten. So war z.B. in der Süddeutschen Zeitung zu lesen, dass Flüchtlinge ein ungenutztes Potenzial bilden, um Personallücken bei den Unternehmen zu schließen, da diese häufig die benötigten beruflichen und sozialen Kompetenzen mitbringen würden (Stocker, 2015). Nach etwas mehr als zwei Jahren verbreitete sich jedoch Ernüchterung. Die Welt veröffentlichte im Januar 2017 einen Artikel, in dem sie exemplarisch über die Baufirma PG Günter Papenburg berichtete. Das Unternehmen wollte 70 Migranten ausbilden, aber ein Jahr später hatte nur einer von ihnen eine Ausbildung begonnen. Obwohl die Zahl der Flüchtlinge ansteigt, hatte zur Zeit des Welt-Artikels nicht einmal jeder sechste Migrant einen Arbeitsplatz (Gassmann, 2017). Ein Grund dafür, so Gassmann, sei neben bürokratischen Hürden, dass es vielen Migranten an ausreichenden Deutschkenntnissen und beruflicher Bildung fehle. Es ergibt sich die Frage, ob dieser Pessimismus gerechtfertigt ist oder die jüngste Zuwanderungswelle nach Deutschland den heimischen Arbeitsmarkt doch entlasten kann. Es gibt jedoch neben der Fluchtmigration zwei weitere wichtige Formen der Migration, die aufgrund der Geschehnisse der letzten Jahre in den Medien in den Hintergrund geraten sind: 1. EU-Binnenmigration und 2. die Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte aus Drittstaaten. Beide könnten ebenfalls Lösungen für den Fachkräftemangel sein. Wie Lee bereits 1982 erkannt hat, können Migranten bezüglich ihres Motivs für die Migration in zwei Gruppen eingeteilt werden:  Entweder verlassen sie ihr Herkunftsland, weil wirtschaftliche, politische oder soziale Faktoren, wie zum Beispiel Kriege, sie dazu drängen, oder  sie werden von der wirtschaftlichen, politischen oder sozialen Situation ihres Ziellandes angezogen. Diese Pushbzw. Pull-Faktoren lassen sich jedoch nicht immer klar trennen. Oft kommt es zu einer gegenseitigen Verstärkung (Lee, 1982). Zuwanderer lassen sich nach ihren Qualifikationen in drei Kategorien unterteilen:  unqualifizierte,  qualifizierte und  selbstständige Personen. Diese Einteilungen sind nicht immer einheitlich, ermöglichen aber einen groben Überblick. Als unqualifiziert gilt, wer nur über eine geringe (Schul-)Bildung verfügt und nur als ungelernter Arbeiter oder Hilfskraft arbeiten kann. Als qualifiziert wird eingestuft, wer mindestens einen höheren Schulabschluss oder eine Ausbildung absolviert hat. Anderen Definitionen nach muss ein akademischer Abschluss oder eine mehrjährige Berufserfahrung vorliegen. Eine Untergruppe davon bilden hoch qualifizierte Einwanderer, wie z.B. erfahrene Manager oder technische Spezialisten. Selbstständige werden unabhängig von ihrer (Schul-)Bildung betrachtet. 6.4.1 Fluchtmigration Die erste zu untersuchende Gruppe besteht aus Migranten aus Drittstaaten. Diese Menschen wurden mehrheitlich durch Push-Faktoren wie Krieg und Armut aus ihren Herkunftsländern vertrieben und sind als Geflüchtete nach Deutschland gekommen. <?page no="406"?> 6.4 Zugewanderte Arbeitskräfte als Ausgleich des demografischen Wandels 407 Demografische Merkmale der Geflüchteten Von Januar 2015 bis einschließlich November 2017 haben 1 349 065 Asylsuchende einen Asyl-Erstantrag in Deutschland gestellt. Hierbei handelt es sich um die Zahl der Asylsuchenden, die ihren ersten formellen Antrag in Deutschland gestellten haben, nicht um die Zahl der tatsächlich Eingereisten. 2016 haben mit 722 370 die meisten Flüchtlinge ihren Erstantrag gestellt. In den Jahren 2017 und 2016 kamen die meisten Antragsteller aus Syrien. Im Jahr 2017 waren Iraker am zweitstärksten vertreten und Afghanen auf Rang 3. Im Vorjahr 2016 waren Rang zwei und drei vertauscht (Oltmer, 2017, S. 223). Abb. 6.15: Altersaufbau der Schutzsuchenden in Deutschland zum 31.12.2016 - Verteilung bezogen auf je 100 000 Personen (Statistisches Bundesamt DESTATIS, 2017b) <?page no="407"?> 408 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen Abb. 6.15 zeigt den Altersaufbau und die Geschlechterverteilung der Antragsteller und zusätzlich den Aufbau der deutschen und der ausländischen Bevölkerung, die schon länger in Deutschland lebt. Dabei wird deutlich, dass es überproportional viele männliche Asylsuchende gibt, vor allem in der Altersgruppe der 18bis 30-Ja ̈ hrigen. Mit 76,4 Prozent sind die Mehrheit der Asylsuchenden zwischen 15 und 64 Jahren alt und somit im erwerbsfähigen Alter. Doch die Asylsuchenden haben unterschiedlich gute Bleibeperspektiven. Eine gute Bleibeperspektive haben Asylantragsteller, die aus einem Herkunftsland mit einer Schutzquote von über 50 Prozent kommen. Diese liegt vor, wenn über 50 Prozent der Asylanträge genehmigt wurden. 2017 waren das zum Beispiel Eritrea, Irak, Iran, Syrien und Somalia. Diese Länder werden halbjährlich neu bestimmt. Wenn ein Asylantrag genehmigt wurde, erhält der Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis für ein bis drei Jahre (je nach Schutzform). Nach drei oder fünf Jahren kann eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn alle nötigen Voraussetzungen erfüllt sind. Neben den Bleibeperspektiven ist die Bleibeabsicht ebenfalls relevant. 2015 gaben 85 Prozent der befragten Asylsuchenden an, dass sie für immer in Deutschland bleiben wollten. Afghanen und Iraker wollten dies überdurchschnittlich häufig und Syrer waren am unentschlossensten. Für Asylsuchende mit guten Bleibeperspektiven und dauerhaften Bleibeabsichten sind Integrations- und Fördermaßnahmen besonders wichtig. Bildungsniveau der Geflüchteten Das Bildungsniveau der Asylsuchenden aus den Top-10-Herkunftsländern ist je nach Herkunftsland unterschiedlich hoch. Die volljährigen Asylerstantragsteller aus den zehn Hauptherkunftsländern setzten sich folgendermaßen zusammen: 35,7 Prozent Syrer, 15,2 Prozent Afghanen, 12,6 Prozent Iraker, 4,8 Prozent Iraner, 3,2 Prozent Eritreer, 2,8 Prozent Pakistani, 2,1 Prozent Nigerianer, 1,9 Prozent Albaner, 1,5 Prozent Somalier und 1,1 Prozent Russen (dazu 19,1 Prozent aus sonstigen Ländern). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) veröffentlichte im April 2017 eine Analyse von Neske über das Qualifikationsniveau und die Berufstätigkeit der volljährigen Asylerstantragsteller (Neske, 2017). Dabei wurde gefragt, welche Schulform besucht wurde, der erreichte Abschluss blieb jedoch unberücksichtigt. Daher ist es möglich, dass die Befragten ihre schulische beziehungsweise universitäre Ausbildung zwar begonnen, aber (noch) gar nicht abgeschlossen haben. Es ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass die Zahlen der sozialen Komponenten aus freiwilligen Selbstauskünften stammen. Sie wurden direkt durch BAMF-Mitarbeiter während der Antragstellung mit Unterstützung eines Dolmetschers erfragt. Die Möglichkeit von strategischen Antworten und somit überhöhter Selbstdarstellung der Schulbildung und des zuletzt im Herkunftsland ausgeübten Berufs können daher nicht ausgeschlossen werden. Die Zahlen sollen einen ersten Einblick geben, denn es gibt keine verpflichtenden Statistiken. Etwa drei Viertel der Asylerstantragsteller haben Angaben zu Schulbildung und Beruf gemacht. Es ist daher denkbar, dass das eine Viertel der Asylerstantragsteller, das keine Angaben gemacht hat, unterdurchschnittlich qualifiziert ist. Dies könnte die Statistik bezüglich der Schulbildung und Berufserfahrung zusätzlich verzerren. Ein weiteres Problem, das die Erfassung der Qualifikation zusätzlich erschwert, ist, dass die Herkunftsländer der Asylerstantragsteller ein anderes Schul- und Berufsbildungssystem haben als Deutschland. Brücker, Rother und Schupp (2017) vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung geben außerdem zu bedenken, dass die Qualität der Bildungssysteme sehr unterschiedlich ist. So ist ein Jahr Schule in einem Kriegs- oder Krisengebiet nicht mit einem Jahr Schule in Deutschland vergleichbar. Abb. 6.16 zeigt die Ergebnisse der 43 234 volljährigen Asylerstantragsteller, die im ersten Halbjahr 2017 Angaben zu ihrer schulischen Qualifikation gemacht haben. Das BAMF gab an, dass 15,6 <?page no="408"?> 6.4 Zugewanderte Arbeitskräfte als Ausgleich des demografischen Wandels 409 Prozent der Antragsteller laut Selbstauskunft als höchste Bildungseinrichtung eine Hochschule besucht haben. 19,5 Prozent nannten als höchste besuchte Bildungseinrichtung das Gymnasium, 34,1 Prozent die Mittelschule (in etwa Haupt- oder Realschulniveau in Deutschland) und 19,2 Prozent die Grundschule. 11,6 Prozent aller Asylerstantragsteller haben keinerlei formelle Schulbildung genossen. Die weiblichen Asylantragsteller haben allgemein ein geringeres Schulbildungsniveau als die männlichen Asylantragsteller. Abb. 6.16: Höchste besuchte Bildungseinrichtung der volljährigen Asylerstantragsteller aus allen und den Top- 10-Herkunftsländern im ersten Halbjahr 2017 (in Prozent) (in Anlehnung an Neske, 2017) Übung 6.7 Zeigen Sie die häufigsten Fluchtursachen und das Bildungsniveau der Asylsuchenden in Deutschland auf. Anmerkung: Nichtantworten bleiben unberücksichtigt Im Vergleich zu den Antragstellern aus anderen Herkunftsländern waren 2016 iranische und syrische Antragsteller, die zusammen ca. 40 Prozent der Antragsteller ausmachten, überdurchschnittlich gut gebildet. Dennoch hat ihre schulische Qualifikation im Vergleich zum Vorjahr (2015) abgenommen: 4,3 Prozent weniger Iraner und 6,1 Prozent weniger Syrer haben eine Hochschule besucht. Charbonneau von UNICEF gibt an, dass die syrischen Schüler immer mehr Unterrichtsstoff verpassen und der schulische Wiedereinstieg umso schwerer wird, je länger die Konfliktsituation im Heimatland anhält. Erwachsene aus Somalia und Afghanistan haben vergleichsweise die geringste Schulbildung. In Ländern wie Afghanistan, in denen schon seit Jahrzehnten politische bzw. religiöse Konflikte herrschen, ist der Zugang zum Bildungssystem stark eingeschränkt (Charbonneau & Götzke, 2016). Im Jahre 2016 wurde eine gemeinsame repräsentative IAB-BAMF-SOEP-Befragung gestartet, die die Analyse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vertiefen soll. Für diese Längsschnittstudie, die 2017 und 2018 fortgesetzt wurde, wurden 2016 ca. 4 500 Geflüchtete befragt, die zwischen dem <?page no="409"?> 410 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen 01.01.2013 und dem 31.01.2016 nach Deutschland gekommen sind. Die befragten Personen waren bei ihrer Antragstellung volljährig und wurden durch eine Zufallsstichprobe aus dem Ausländerzentralregister bestimmt; sie konnten ihre Teilnahme ablehnen. Aus der IAB-BAMF-SOEP-Befragung ergibt sich ein etwas höheres Bildungsniveau der Geflüchteten als aus der vorausgegangenen Untersuchung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Außerdem wurden in der IAB-BAMF- SOEP-Befragung die Geflüchteten zusätzlich nach ihrem Schulabschluss gefragt, während das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nur nach den besuchten Schulen gefragt hat. Dabei gaben 22 Prozent der Befragten an, einen Mittelschulabschluss (entsprechend einem deutschen Haupt- oder Realschulabschluss) erreicht zu haben, 32 Prozent gaben an, einen Abschluss an einer weiterführenden Schule erlangt zu haben (Fachhochschul- oder Hochschulreife), und 3 Prozent gaben an, einen sonstigen Abschluss zu haben. In Deutschland dagegen waren 3,6 Prozent aller über 15-Jährigen 2015 noch in einer schulischen Ausbildung, 62 Prozent hatten einen Haupt- oder Realschulabschluss und 30 Prozent eine Fachschul- oder Hochschulreife. Über die Gründe für den hohen Anteil der Geflüchteten mit Fachschul- oder Hochschulreife kann nur spekuliert werden. Einerseits könnte er darauf zurückzuführen sein, dass die Angabe der Abschlüsse auf einer freiwilligen, nicht überprüften Selbstauskunft beruht. Andererseits hat der Wirtschaftswissenschaftler Borjas bereits 1987 darauf hingewiesen, dass Geflüchtete nicht das durchschnittliche Bildungsniveau ihrer Herkunftsländer repräsentieren, da die Kosten für die Flucht nach Europa häufig für eine Selektion der Migranten sorgen. Außerdem hat Bildung im Laufe der Zeit immer mehr an Bedeutung gewonnen und der Altersdurchschnitt der Asylerstantragsteller liegt deutlich unter dem der deutschen Bevölkerung. In Deutschland hat die jüngere Bevölkerung statistisch gesehen ebenfalls eine höhere Schulbildung als die ältere: Während ca. 50 Prozent der 20bis 24-jährigen Deutschen über eine Fach- oder Hochschulreife verfügen, sind es bei den 65- Jährigen nur 16 Prozent. Aber selbst, wenn die Angaben der Geflüchteten zu ihrer Schulbildung korrekt sind, ist diese allein noch kein Garant für eine zügige Arbeitsmarktintegration, denn es kommt außerdem noch auf die beruflichen Qualifikationen an. Während 13 Prozent der über 18-jährigen Geflüchteten einen Universitäts- oder Fachhochschulabschluss besitzen (im Vergleich zu 21 Prozent der Deutschen), haben nur 6 Prozent eine betriebliche Ausbildung durchlaufen oder eine berufsbildende Schule abgeschlossen (im Vergleich zu 59 Prozent der Deutschen). Dies liegt zum einen an den Konflikten in den Herkunftsländern, zum anderen daran, dass in vielen Ländern zertifizierte Ausbildungsabschlüsse, wie sie in Deutschland üblich sind, nicht die Regel sind. Stattdessen lernen Arbeitnehmer in anderen Ländern häufig durch (informelle) On-the-Job-Trainings. Dennoch gaben 73 Prozent der 18bis 65ja ̈ hrigen Befragten an, in ihrem Herkunftsland Berufserfahrung gesammelt zu haben (81 Prozent der Männer und 50 Prozent der Frauen). Durchschnittlich haben die Geflüchteten 6,4 Jahre Berufserfahrung. Von ihnen waren 30 Prozent in ihrem Herkunftsland als Arbeiter tätig, 25 Prozent als Angestellte ohne Führungsposition, 13 Prozent als Angestellte mit Führungsposition und 25 Prozent waren selbstständig. Übung 6.8 Welchen Einfluss haben Kriege und Unruhe auf das Bildungsniveau eines Landes? Chancen für Geflüchtete auf dem deutschen Arbeitsmarkt Aufgrund mangelnder Schulbildung (insgesamt hat ein Drittel der volljährigen Antragsteller aus dem Jahr 2016 keine Schule oder höchstens eine Grundschule besucht) und fehlender formaler Berufsabschlüsse ist für Geflüchtete der Eintritt in den deutschen Arbeitsmarkt schwierig. Ein weiteres Hindernis für eine zügige Arbeitsmarktintegration sind mangelnde Sprachkenntnisse, da sich <?page no="410"?> 6.4 Zugewanderte Arbeitskräfte als Ausgleich des demografischen Wandels 411 die Geflüchteten auf den Zuzug nach Deutschland nicht so gut vorbereiten konnten wie beispielsweise Arbeitsmigranten. 90 Prozent der Geflüchteten hatten vor ihrer Einreise nach Deutschland keinerlei Kenntnisse der deutschen Sprache, während ihre Englischkenntnisse häufig besser sind: 29 Prozent können Englisch gut oder sehr gut lesen und 24 Prozent Englisch gut oder sehr gut schreiben. 12 Prozent der Geflüchteten haben jedoch keinerlei oder nur geringe Lese- und Schreibkompetenzen (sie können weder in ihrer Muttersprache oder ihrer offiziellen Landessprache noch in einer Fremdsprache richtig lesen oder schreiben). Für die letzte Gruppe wird es umso schwieriger werden, Deutsch zu lernen. Die Sprachkenntnisse verbessern sich, je länger die Geflüchteten in Deutschland leben. Selbst von den Flüchtlingen, die seit weniger als zwei Jahren in Deutschland leben, schätzen 18 Prozent ihre Deutschkenntnisse als gut oder sehr gut ein, 35 Prozent als mittel und 47 Prozent als gering oder schlechter. Von Geflüchteten, die bereits über zwei Jahre in Deutschland leben, stufen 32 Prozent ihre Deutschkenntnisse als gut oder sehr gut ein, 37 Prozent als mittel und 31 Prozent als gering oder schlechter. Da deutsche Sprachkenntnisse meist eine Voraussetzung für einen Arbeitsplatz sind, nehmen Flüchtlinge in der Regel zunächst einmal an Integrations- und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teil und stehen somit faktisch dem Arbeitsmarkt noch nicht oder höchstens eingeschränkt zur Verfügung. Die deutschen Gesetze stellen eine weitere Hürde dar: In den ersten drei Monaten dürfen Geflüchtete überhaupt nicht arbeiten und danach zunächst nur eingeschränkt. Das Anforderungsniveau der von den geflüchteten Arbeitssuchenden derzeit angestrebten Tätigkeiten ist bisher ebenfalls niedrig. Die Bundesagentur für Arbeit hat dazu für 2016 folgende Zahlen veröffentlicht: 58 Prozent suchten eine Helfertätigkeit, 13 Prozent eine Fachkrafttätigkeit, 1 Prozent eine Spezialistentätigkeit, 4 Prozent eine Expertentätigkeit und 24 Prozent machten keine Angaben. Dabei bewarben sie sich vor allem als Reinigungskräfte, Lagerarbeiter, Logistikangestellte, Küchenhilfen, Verkäufer, Bürokräfte und Sekretariatsangestellte (Bundesagentur für Arbeit, 2018). Während diese Tätigkeiten für einen Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt tatsächlich geeignet erscheinen, besteht der Fachkräfteengpass hingegen vor allem in technischen Berufen und in der Pflege. Die Arbeitslosenquote Asylsuchender lag im Oktober 2017 bei 42,8 Prozent. Statistiken über die Arbeitslosenquote von Geflüchteten sind jedoch wenig aussagekräftig, da Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen oder an Sprach- und Integrationskursen offiziell nicht als arbeitslos eingestuft werden. Die Beschäftigungsquote aller geflüchteten Menschen aus Drittstaaten lag im Oktober 2017 bei 24 Prozent (inklusive der ausschließlich geringfügig Beschäftigten). Für ganz Deutschland lag die Beschäftigungsquote dagegen bei ca. 67 Prozent. Die hohe Arbeitslosenquote geflüchteter Menschen zeigt, dass sich deren Integration in den Arbeitsmarkt bisher schwierig gestaltet. Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung zeigt jedoch, dass 31 Prozent der Asylsuchenden, die vor 2014 einreisten, und 22 Prozent derjenigen, die 2014 einreisten, inzwischen arbeiten. Dagegen arbeiten nur 14 Prozent der Asylsuchenden, die von 2015 bis Anfang 2016 nach Deutschland gekommen sind. Die europäische Arbeitskräfteerhebung (EU-AKE) von 2014 hat untersucht, wie lange es durchschnittlich dauert, bis Geflüchtete sich in den Arbeitsmarkt ihres EU-Aufnahmelands integriert haben (Europäische Kommission & OECD, 2016). Dabei stammt ein großer Teil der Daten aus skandinavischen Ländern, deren Rechtsordnung eine differenzierte Untersuchung der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten über eine längere Zeit ermöglicht. Das Ergebnis ist, dass es bis zu 20 Jahren dauert, bis Geflüchtete die Beschäftigungsquote der einheimischen Bevölkerung erreicht haben. Nach fünf Jahren haben durchschnittlich 27 Prozent der Geflüchteten eine Anstellung, nach zehn Jahren 56 Prozent, nach fünfzehn Jahren knapp über 60 Prozent und erst nach 20 Jahren haben <?page no="411"?> 412 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen 65 Prozent aller Geflüchteten eine Anstellung in ihrem Aufnahmeland gefunden. Dies verdeutlicht, wie lange die Arbeitsmarktintegration in Deutschland noch dauern könnte. Außerdem sind deutsche Unternehmen bisher nicht ernsthaft daran interessiert, Flüchtlinge zu rekrutieren. Im Herbst 2016 haben das Staufenbiel Institut und Kienbaum 297 Personalverantwortliche befragt, ob sie den Flüchtlingszustrom als Chance zur Gewinnung von qualifizierten Nachwuchskräften sehen. 40 Prozent gaben an, dass die Geflüchteten für ihre Unternehmen nicht geeignet seien, 25 Prozent würden Flüchtlinge rekrutieren, wenn die bürokratischen Rahmenbedingungen besser wären, 19 Prozent befürworten vereinzelt ihre Rekrutierung, 15 Prozent wollen zukünftig Geflüchtete rekrutieren und nur 1 Prozent setzt gezielt auf die Rekrutierung von Zuwanderern. Es wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen, wie gut die Integration der Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt gelingt. Momentan jedoch stehen ihre Chancen noch nicht allzu gut, obwohl eine gelungene Arbeitsmarktintegration zumindest die Deckung des Fachkräftebedarfs und des Bedarfs an Helfern unterstützen würde. Im Nachfolgenden werden die politischen Maßnahmen für eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration aufgezeigt. Da die Arbeitsmarktintegration noch immer sehr zögerlich geschieht, hat die Bundesregierung einige Vorschriften geändert und schließlich 2016 das Integrationsgesetz erlassen. Der erste Schritt zur Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt ist ein möglichst früher Integrationskurs, da Deutschkenntnisse die Chancen auf eine Einstellung signifikant erhöhen. Das neue Integrationsgesetz erweitert die Integrationskurse, die die deutsche Sprache und (im Orientierungskurs) deutschen Werte vermitteln. Die Kurse sind häufig verpflichtend aufgrund einer Eingliederungsvereinbarung oder wenn sich Asylsuchende nach Meinung der Ausländerbehörde nicht ausreichend auf Deutsch verständigen können. Der Orientierungskurs besteht inzwischen aus 100 Unterrichtstunden (vorher aus 60), der Sprachkurs besteht unverändert aus 600 Unterrichtstunden. Dabei wurden die Bundesmittel für die Integrationskurse von 244 Millionen Euro im Jahr 2015 auf 610 Millionen Euro im Jahr 2017 aufgestockt. Bereits 2012 trat das Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen in Kraft. Dadurch haben Arbeitssuchende das Recht, dass überprüft wird, ob ihr Abschluss aus dem Heimatland gleichwertig ist mit dem Abschluss eines deutschen Referenzberufs. Die Bescheinigung der Gleichwertigkeit eines im Ausland erworbenen Berufsabschlusses erleichtert die Arbeitsmarktintegration. Zusätzlich wurde 2014 die Wartezeit für den Arbeitsmarktzugang von Asylbewerbern von neun auf drei Monate verkürzt. Darüber hinaus wurde 2016 in nahezu allen Agenturbezirken der Bundesagentur für Arbeit der Arbeitsmarktzugang für Asylbewerber dadurch erheblich erleichtert, dass die Vorrangprüfung bei der Vermittlung von Asylbewerbern (außer aus sicheren Herkunftsstaaten) und Geduldeten für drei Jahre ausgesetzt wurde. Bei dieser Vorrangprüfung musste zuerst geprüft werden, ob es deutsche Arbeitssuchende gibt, die ebenfalls für die Stelle geeignet sind. Um Unternehmen und Geflüchteten die Planungsunsicherheit zu nehmen, erhalten Auszubildende inzwischen eine Duldung für die Zeit ihrer Ausbildung. Wer nach Abschluss der Ausbildung im Aufnahmeland bleibt, erhält ein weiteres Aufenthaltsrecht für zwei Jahre. Darüber hinaus soll das bis 2020 laufende Arbeitsmarktprogramm Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (FIM) Geflüchtete an den deutschen Arbeitsmarkt heranführen. Dafür wurden und werden noch 100 000 einfache Arbeitsstellen geschaffen, die einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten, wie beispielsweise die Essensausgabe in einer Flüchtlingsunterkunft oder die Pflege von Grünanlagen. Die Teilnahme kann freiwillig oder gegebenenfalls sogar verpflichtend sein. Die Integrationsmaßnahmen belaufen sich auf bis zu 30 Stunden pro Woche und dauern maximal sechs Monate. Die Teilnahme wird mit 0,80 Euro pro Stunde vergütet. Hauptziel ist dabei, dass die Teilnehmer erste <?page no="412"?> 6.4 Zugewanderte Arbeitskräfte als Ausgleich des demografischen Wandels 413 Eindrücke von der Arbeit in Deutschland bekommen und beschäftigt sind. Im Idealfall verbessern die Geflüchteten nebenbei noch ihre Deutschkenntnisse. Der deutsche Staat bemüht sich bereits, die Geflüchteten auf den hiesigen Arbeitsmarkt vorzubereiten und ihnen den Zugang zu erleichtern. Aber nach wie vor scheinen viele Unternehmen dem neuen Arbeitskräftepotenzial kritisch gegenüberzustehen. Die Erfahrungen der anderen EU-Länder haben gezeigt, dass die Arbeitsmarktintegration Jahrzehnte dauern kann. Darüber hinaus scheint ein Großteil der Geflüchteten nur für einfache Tätigkeitsfelder geeignet zu sein, da ihr Qualifikationsniveau häufig nicht dem auf dem Arbeitsmarkt benötigten Fachkräfteniveau entspricht. Ein Drittel der Erwachsenen wird als unqualifiziert eingestuft, da sie maximal die Grundschule besucht haben. 6.4.2 Migranten aus Südosteuropa Eine weitere Gruppe von Zuwanderern bilden die Arbeitsmigranten, die aus Südosteuropa nach Deutschland kommen, um hier einer geregelten Tätigkeit nachzugehen. Diese Personen werden durch Pull-Faktoren von Ländern wie Deutschland angezogen. Die guten Verdienstmöglichkeiten, die Konjunktur und die (soziale) Sicherheit in Deutschland wirken anziehend auf sie. Gleichzeitig wirkt die wirtschaftliche Lage in den Heimatländern meist verstärkend als Push-Faktor. Im ersten Halbjahr 2017 lag die Nettozuwanderung aus anderen EU-Staaten bei 136 882 Personen. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2016 ist die Nettozuwanderung um ca. 15 Prozent zurückgegangen. Die meisten Unionsbürger, die zugezogen sind, kommen aus Rumänien, Polen und Bulgarien. Etwa drei Viertel der EU-Zuwanderer stammen aus den EU-8-Staaten, den EU-2-Staaten und Kroatien. Aus nord- oder mitteleuropäischen Ländern ziehen deutlich weniger Menschen nach Deutschland als aus Ost- oder Südeuropa. Insgesamt hielten sich am 30.06.2017 ca. 800 000 Polen (das entspricht etwa 2 Prozent der polnischen Gesamtbevölkerung), 600 000 Italiener und ca. 575 000 Rumänen in Deutschland auf. Circa 90 Prozent der Neuzuwanderer aus den EU-Staaten sind im erwerbsfähigen Alter zwischen 16 und 64 Jahren. Dieser Trend ist für die südosteuropäischen Herkunftsländer verheerend. Von der rumänischen Bevölkerung leben geschätzte 10 Prozent dauerhaft im Ausland. Viele der gut Ausgebildeten wandern in westliche Länder aus. Die Gründe für die Abwanderung aus diesen Ländern ähneln sich häufig:  geringe Löhne,  hohe (Jugend-)Arbeitslosigkeit,  zu geringe Investitionen des Staates und  Vetternwirtschaft bewirken, dass Osteuropäer ihr Land verlassen. Südeuropäer werden häufig von den Finanz- und Wirtschaftskrisen der letzten Jahre veranlasst, fortzuziehen. Die EU-Erweiterungen und der Wegfall der Übergangsbestimmungen bezüglich der Freizügigkeit in der EU haben die Migration zusätzlich begünstigt. Außerdem ist die Wirtschaft in Deutschland stark, was die Migrationsbewegung ebenfalls fördert. Besonders einfach haben es Krankenschwestern, Altenpfleger und Ärzte. Diese werden in den westlichen EU-Ländern gebraucht, es gibt inzwischen sogar teilweise Anwerbeabkommen mit der deutschen Regierung. Während eine Krankenschwester in Polen im Schichtdienst durchschnittlich 400 € verdient, sind es in Deutschland ohne Zuschläge für Nachtschichten oder Sonntagsdienst 1 950 €. Da die Rücküberweisungen der aus den Balkanländern kommenden Arbeitsmigranten schätzungsweise 20 bis 50 Prozent ihres gesamten Bruttoinlandsprodukts ausmachen, sind die südosteuropäischen Herkunftsländer bisher von diesem Trend noch vergleichsweise wenig beunruhigt. <?page no="413"?> 414 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen Viele Osteuropäer sind außerdem nur nach Deutschland entsandt. Dabei bleibt der Arbeitnehmer in seinem Herkunftsland angestellt und zahlt dort seine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Dieses Instrument wurde vor allem genutzt, weil es in Deutschland noch bis Juni 2015 letzte Beschränkungen der Freizügigkeit für Arbeitskräfte aus Osteuropa gab. Ein für die Entsendefirmen interessanter Nebeneffekt war, dass sich dadurch, nach dem Heimatlandprinzip, die Bezahlung der entsendeten Arbeitnehmer an den Standards der Herkunftsländer orientierte (falls nicht in Deutschland für die entsprechende Branche ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag bestand). Seit 2015 gilt allerdings offiziell für alle Entsandten der deutsche Mindestlohn. Zusätzlich gibt es das Arbeitnehmer- Entsendegesetz, das einen fairen Wettbewerb und Mindeststandards für Arbeitsbedingungen sicherstellen soll. Die Lage der EU-Beitrittskandidaten ist noch verheerender, denn von dort wandern noch mehr Qualifizierte ab: So sind beispielsweise seit 1990 ca. 45 Prozent der Hochschulabsolventen aus Albanien ins Ausland gegangen und sogar 65 Prozent der promovierten Albaner. Serbien hat in den letzten 20 Jahren mindestens 300 000 frisch ausgebildete junge Menschen an die westlichen Länder verloren, davon ca. 40 000 Hochschulabsolventen, was den Staat wahrscheinlich 12 Mrd. Euro gekostet hat. 6.4.2.1 Arbeitsmarktteilhabe und Bildungsstruktur Im Oktober 2017 lag in Deutschland die Beschäftigungsquote der Bürger aus den neuen osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten bei ca. 51 Prozent und die Arbeitslosenquote bei ca. 8 Prozent. Bei den Bürgern aus den GIPS-Staaten (Griechenland, Italien, Portugal, Spanien) lag die Beschäftigungsquote zeitgleich bei ca. 50 Prozent und die Arbeitslosenquote bei ca. 9 Prozent. Die SGB-II-Hilfequote betrug für beide Personengruppen jeweils ca. 12 Prozent. Jedoch gibt es zwischen den Migrantengruppen aus den einzelnen osteuropäischen Ländern große Unterschiede: Während Bulgaren übermäßig häufig Sozialleistungen in Deutschland beanspruchen (31 Prozent), ist der Anteil der Sozialleistungsempfänger unter den Ungarn mit ca. 5 Prozent sogar kleiner als der der Deutschen (ca. 7 Prozent). Alle drei Quoten der in Deutschland wohnenden Unionsbürger aus den osteuropäischen EU-Staaten und aus den GIPS-Staaten liegen zwischen denen der Deutschen und denen aller Ausländer insgesamt. Tendenziell lässt sich aber feststellen, dass die Beschäftigungsquote der Unionsbürger aus den osteuropäischen EU-Staaten steigt. Dennoch ist der Anteil der bulgarischen und rumänischen Aufstocker mit ca. 43 Prozent der Erwerbstätigen signifikant hoch (Stand August 2017). Von allen Ausländern insgesamt benötigen dagegen nur ca. 25 Prozent der Erwerbstätigen staatliche Zusatzleistungen. Ebenso hat eine Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung Ende 2015 ergeben, dass viele Südosteuropäer in prekären Anstellungsverhältnissen arbeiten und die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten weiter steigt. Ihre Beschäftigung erfolgt dabei überdurchschnittlich häufig in Minijobs oder als Saisonarbeiter. Insgesamt ist die Teilhabe am Arbeitsmarkt bei den Südosteuropäern höher als bei den Geflüchteten, liegt aber dennoch unter dem Niveau der deutschen Bevölkerung. Im Allgemeinen sind Migranten aus südosteuropäischen Herkunftsländern jung und relativ gut ausgebildet, sodass sie auf dem deutschen Arbeitsmarkt bessere Chancen haben als nicht europäische Migranten. Das kann unter anderem daran liegen, dass sie sich besser auf die Migration vorbereiten konnten. Noch heute leben viele gering qualifizierte südosteuropäische Migranten in Deutschland, die vor Jahrzehnten gezielt für einfache Tätigkeiten angeworben wurden. Um die Bildungsstruktur der Südosteuropäer mit der der Deutschen zu vergleichen, haben Burkert und Kislat, die für das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung arbeiten, den Mikrozensus von 2014 ausgewertet und die Personen im erwerbsfähigen Alter (zwischen 25 und 64 Jahren) betrachtet. Dabei haben die Autorinnen die Neuzuwanderer, die zwischen 2007 und 2013 aus den GIPS- Staaten und Osteuropa zugewandert sind, getrennt betrachtet. Abb. 6.17 veranschaulicht die Ergebnisse. <?page no="414"?> 6.4 Zugewanderte Arbeitskräfte als Ausgleich des demografischen Wandels 415 Abb. 6.17: Bildungsstrukturen im Vergleich (in Anlehnung an Burkert & Kislat, 2017) Ihre Untersuchungen ergaben, dass die Zuwanderer aus den GIPS-Staaten besser ausgebildet sind als die osteuropäischen Zuwanderer. Es ist weiterhin zu bedenken, dass die bloße Existenz eines Abschlusses nicht automatisch etwas über dessen Qualität aussagt. Außerdem haben Burkert und Kislat ermittelt, wie viel Prozent der Zuwanderer einer ausbildungsadäquaten Beschäftigung nachgehen. Deutsche Arbeitnehmer waren 2014 zu 76 Prozent ausbildungsadäquat beschäftigt, GIPS- Staatsangehörige sogar zu 77 Prozent, Osteuropäer jedoch nur zu 57 Prozent. Die Zuwanderer aus den GIPS-Staaten sind also nicht nur besser ausgebildet, sondern sie besetzen außerdem ausbildungsadäquatere Positionen als die Osteuropäer. Im Jahr 2016 haben 58 Prozent der EU-8-Staatsangehörigen, 70 Prozent der Rumänen und Bulgaren und 33 Prozent der Kroaten im Niedriglohnsektor gearbeitet. Ferner arbeiten über 400 000 Osteuropäer in Deutschland in der Altenpflege. Die Altenpflege ist ebenso wie Logistik, Bau, Schifffahrt und Schlachtbetriebe besonders auf ausländische Fachkräfte angewiesen, um ihren Personalbedarf zu decken (Burkert & Kislat, 2017, S. 141 ff.). 6.4.2.2 Gesetzliche Regelung Die P [A1] ersonenfreizügigkeit für Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten ist im Freizügigkeitsgesetz/ EU und der Freizügigkeitsrichtlinie geregelt. Diese Bestimmungen verbieten jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Ein Arbeitgeber darf beispielsweise keine Deutschkenntnisse verlangen, wenn diese offensichtlich nicht notwendig sind. Ferner dürfen Unionsbürger, ohne dass dafür eine spezielle Arbeitserlaubnis erforderlich ist, ihren Arbeitsplatz innerhalb der EU frei wählen. Unter normalen Umständen dürfen sich Unionsbürger zur Arbeitssuche aber nur sechs Monate in einem anderen EU-Mitgliedstaat aufhalten. Länger darf nur bleiben, wer weiterhin sucht und wenn eine Arbeitsaufnahme realistisch scheint. Die EU-Mitgliedstaaten sind jedoch nicht verpflichtet, ausländischen Unionsbürgern innerhalb der ersten drei Monate der Arbeitssuche oder während einer länger andauernden Suchphase steuerfinanzierte Sozialleistungen zu zahlen. 6.4.3 Qualifizierte Zuwanderung Die meisten Geflüchteten und viele der EU-Binnenmigranten scheinen für Tätigkeiten mit einem hohen Anforderungsniveau nicht optimal geeignet zu sein. Andererseits handelt es sich bei der Aufnahme von Geflüchteten um eine humanitäre Pflicht, die im Völkerrecht fixiert ist, sodass hier keinerlei Selektion der Zuwanderung nach ihrem Bildungsgrad möglich ist. Aber Deutschland benötigt eine gesteuerte Zuwanderung, um geeignete Arbeitnehmer für sich zu gewinnen und somit dem <?page no="415"?> 416 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen demografischen Wandel entgegenzuwirken. Daher wurden für qualifizierte Fachkräfte in den letzten Jahren, vor allem seit 2012, bereits mehrere Möglichkeiten geschaffen, einen Aufenthaltstitel zu erhalten, um in Deutschland zu arbeiten. Eine Zuwanderung für eine unqualifizierte oder gering qualifizierte Beschäftigung wird dagegen maximal befristet (meist auf sechs Monate) zugelassen. Visa zur Arbeitssuche sollen es qualifizierten Arbeitskräften ermöglichen, eine Anstellung in Deutschland zu finden. Dafür gibt es verschiedene Visa-Arten: Ausländische Absolventen deutscher Hochschulen erhalten ein auf 18 Monate befristetes Visum, um in Deutschland eine Anstellung zu finden. Wenn sie zwei Jahre in einer dem Studium angemessenen Anstellung gearbeitet haben, erhalten sie sogar eine permanente Niederlassungserlaubnis. Als Voraussetzung für ein sechsmonatiges Visum zur Arbeitsplatzsuche müssen Arbeitssuchende einen Hochschulabschluss vorweisen können und in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt in Deutschland selbst zu finanzieren. Wenn die Suche der Hochschulabsolventen erfolgreich war und sie eine Anstellung haben, können sie dann unter Umständen eine Blaue Karte EU beantragen. Seit 2012 soll die Blaue Karte EU-Akademikern aus Drittstaaten einen unbürokratischen und einfachen Weg zum Zuzug nach Deutschland bieten. Die Blaue Karte EU ist das europäische Pendant zur amerikanischen Greencard. Sie beinhaltet sowohl eine Aufenthaltsals auch eine Arbeitsgenehmigung für maximal vier Jahre. Die Antragsteller müssen im Wesentlichen nur zwei Bedingungen erfüllen: Sie müssen über ein abgeschlossenes Hochschulstudium verfügen und einen Arbeitsvertrag über ein Bruttojahresgehalt von mindestens 52 000 € (dies entspricht dem 1,5-Fachen des Brutto-Durchschnittsgehalts in Deutschland) abgeschlossen haben. In den sogenannten Mangelberufen (Naturwissenschaftler, Mathematiker, Ingenieure, Ärzte und IT-Fachkra ̈ fte) reicht ein Gehalt von 40 560 € brutto aus. Außerdem wird keine Vorrangprüfung durchgeführt, es müssen jedoch die gleichen Arbeitsbedingungen wie für Deutsche gelten (z. B. Höhe des Gehalts und Arbeitszeitregelungen). Durch diese relativ unkomplizierten Bedingungen ist die Blaue Karte EU für junge Berufseinsteiger ebenfalls attraktiv. Nach einer 33-monatigen Tätigkeit (mit guten Deutschkenntnissen bereits nach 21 Monaten) können die Inhaber einer Blauen Karte EU eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erhalten. Ergänzend soll das Willkommensportal Make it in Germany die Vorzüge eines Lebens in Deutschland aufzeigen und die Einwanderungswilligen ausführlich beraten. Dabei informiert diese Internetseite über das Leben und Arbeiten in Deutschland, darüber, welche Fachkräfte besonders gefragt sind und welche Visamöglichkeiten es gibt. Außerdem bietet sie eine Jobbörse an. Junge Menschen, die an einer Ausbildung oder einem Studium in Deutschland interessiert sind, sollen ebenfalls angesprochen werden. Die Internetseite wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und der Bundesagentur für Arbeit erstellt, in der Hoffnung, die Fachkräftesicherung proaktiv zu unterstützen. Weitere Möglichkeiten für die gezielte Beseitigung eines Fachkräfteengpasses sind bilaterale Regierungsvereinbarungen. Beispielweise existiert seit 2013 eine Vereinbarung zwischen Deutschland und den Philippinen über Gesundheitspersonal, welche die Rekrutierung und Anstellung von philippinischem Pflegepersonal in Deutschland vereinfacht. Gleichzeitig wurde ein ethisches Verhalten bei der Anwerbung der ausländischen Pflegekräfte, die Gleichbehandlung von philippinischem und deutschem Gesundheitspersonal und eine gemeinsame Personalentwicklung vereinbart. Obwohl die Zahl der Fachkräfte und Hochqualifizierten, die nach Deutschland kommen, sich seit 2009 verdoppelt hat, ist sie noch immer zu gering, um den demografischen Wandel auszugleichen. Das Ausländerzentralregister hat 2016 ca. 1,3 Millionen Zuzüge ausländischer Staatsangehöriger (einschließlich Geflüchteter) registriert. Davon kommen in etwa die Hälfte, 673 217 Personen, aus Nicht-EU-Staaten. Von diesen Drittstaatsangehörigen erhielten 7,6 Prozent eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit (gerade einmal ca. 1 Prozent erhielt die Blaue Karte EU) und 8,3 <?page no="416"?> 6.4 Zugewanderte Arbeitskräfte als Ausgleich des demografischen Wandels 417 Prozent zu Studienzwecken oder aus einem anderen Ausbildungszweck. Die meisten Arbeitsmigranten kamen aus Bosnien-Herzegowina, Serbien, den Vereinigten Staaten, Indien, Kosovo und China. In etwa zwei Drittel der eingereisten Drittstaatsangehörigen waren Geflüchtete. Die niedrigen Zahlen qualifizierter Einwanderer belegen, dass trotz der Bemühungen der letzten Jahre noch Optimierungsbedarf bei der Rekrutierung ausländischer Fachkräfte besteht. Die Regelung der Zuwanderung erscheint teilweise noch immer kompliziert. Da Deutschland bei der Rekrutierung qualifizierter Arbeitnehmer mit den anderen europäischen Ländern konkurriert, die dieselbe demografische Entwicklung haben, muss die Anwerbung offensiver durchgeführt werden. Bei der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen ergeben sich häufig noch immer bürokratische Schwierigkeiten. Diese führen unter Umständen dazu, dass eigentlich dringend benötigte Fachkräfte aufgrund eines ausländischen Abschlusses nur eine Helfertätigkeit ausführen. Diese Probleme sind sehr bedauerlich, denn die Übernahme ausgebildeter Fachkräfte ist die wichtigste und vielversprechendste Form der Migration. Es ist äußerst wichtig, zu erkennen, dass Deutschland auf qualifizierte Zuwanderung angewiesen ist und sich dementsprechend positionieren muss. Viele Experten fordern daher eine Neuregelung der qualifizierten Zuwanderung oder gar ein eigenes Einwanderungsgesetz. Denn obwohl Deutschland über eine äußerst liberale Regelung für die Zuwanderung verfügt, ist die Zahl hoch qualifizierter Zuwanderer nach wie vor äußerst gering. Es gibt verschiedene Ansätze, die gesteuerte Zuwanderung zu organisieren. Die wichtigsten sollen im Folgenden kurz beschrieben werden. Grundsätzlich lassen sich zwei unterschiedliche Systeme der Zuwanderungssteuerung unterscheiden: angebots- und nachfrageorientierte Arbeitsmigrationssysteme. Einige Länder, wie z.B. Kanada, haben ein angebotsorientiertes System etabliert. Dieses System beurteilt einen Zuwanderungswilligen danach, was er dem Arbeitsmarkt des Aufnahmelands zu bieten hat. Es zielt nicht darauf ab, kurzfristig momentane Engpässe zu beseitigen, sondern versucht, langfristig ein qualifiziertes Humankapital aufzubauen. Das deutsche System der Zuwanderungssteuerung ist hingegen im Wesentlichen ein nachfrageorientiertes Arbeitsmigrationssystem, das sich nach der aktuellen Nachfrage nach Arbeitskräften richtet. Das kann z.B. dadurch erfolgen, dass eine Liste von Mangelberufen verwendet wird oder dass die Zuwanderer als Einzelpersonen von ihren zukünftigen Arbeitgebern vorgeschlagen werden. In der Realität nähern sich die beiden Ansätze aber immer mehr an. Geis, Nintcheu und Vogel (2016) empfehlen eine bedarfsgerechte Zuwanderung nach dem Drei-Säulen-Prinzip:  Dabei besteht die erste Säule aus qualifizierten Zuwanderern, die ein Arbeitsplatzangebot haben. Vorrangiges Ziel ist es, die Arbeitsplätze zu besetzen, für die sich keine deutschen Arbeitnehmer finden. Für die erste Säule sollten die meisten Zuwanderer angeworben werden.  Die zweite Säule bilden qualifizierte Zuwanderer, die gute Chancen auf einen Arbeitsplatz haben.  Die dritte Säule besteht aus jungen Erwachsenen, die in Deutschland bedarfsmäßig ausgebildet werden. Dieses Prinzip ist ein Beispiel für ein kombiniertes angebots- und nachfrageorientiertes Arbeitsmigrationssystem. Immer häufiger wird für Deutschland ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild gefordert. Die SPD sprach sich ebenfalls für ein Punktesystem aus. Die Politikwissenschaftler Hunger und Krannich (2018) untersuchten weltweit solche Systeme, mit denen der potenzielle Nutzen von Einwanderungswilligen für das gewünschte Zielland bewertet wird. Für Sprachkenntnisse, berufliche Qualifikation, Berufserfahrung, Alter etc. werden dabei, je nach Bedarf des Arbeitsmarkts, Punkte verteilt. Erreichen die kumulierten Punkte einen gewissen Wert, dürfen die Einwanderungswilligen bis zu einem festgelegten Kontingent zuziehen. Während früher in Kanada Arbeitsplatzzusagen bei der <?page no="417"?> 418 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen Auswahl der Einwanderer keine Rolle spielten, bringt allein ihre Existenz beim aktuellen Express- Entry-Verfahren schon die Hälfte der insgesamt erreichbaren Punkte. Der Grund für diese Änderung ist darin zu suchen, dass vorher die Gefahr bestand, dass die Zugezogenen keinen Arbeitsplatz fanden oder dauerhaft unterhalb ihres Qualifikationsniveaus arbeiteten. Neuseeland verfügt über ein ähnliches System, vergibt aber zusätzlich noch Extrapunkte für Qualifikationen oder Berufserfahrung in einem Mangelberuf. Ein Vorteil von Punktesystemen ist, dass sie die Einwanderungsregelungen vereinheitlichen und damit vereinfachen. In Deutschland gibt es beispielsweise derzeit ca. 40 verschiedene Regelungen zu diesem Thema (Stand März 2018). Außerdem sind solche Systeme für Einwanderungswillige und Unternehmen transparent und ermöglichen eine schnelle und realistische Abschätzung der Einwanderungsmöglichkeit. Ihr größter Vorteil ist jedoch ihre Flexibilität: Ohne Gesetzesänderungen kann je nach Bedarf die Mindestpunktzahl herauf- oder heruntergesetzt und die Zuordnung von Extrapunkten für Mangelberufe geändert werden. Ein ähnliches System hat Baden-Württemberg im Oktober 2016 in Form des punktebasierten Modellprojekts für ausländische Fachkräfte (PuMa) gestartet. Dieses Pilotprojekt richtet sich explizit nicht an Arbeitnehmer aus Mangelberufen und ist vorerst auf drei Jahre und 3 000 Fachkräfte begrenzt. Interessierte müssen 100 Punkte für ihre Integrationsfähigkeit erreichen und ihren Berufsabschluss anerkennen lassen. Dann gelangen sie in einen Bewerberpool. Sobald ein deutscher Arbeitgeber ein konkretes Arbeitsplatzangebot macht, können die Bewerber einreisen. Der Senior Manager und Fachanwalt für Migrationsrecht Marius Tollenaere empfiehlt, den privilegierten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt auszuweiten. Mit Australien, Israel, Japan, Kanada, Neuseeland, der Republik Korea und den USA hat Deutschland aufgrund von wirtschaftlicher oder politischer Zusammenarbeit zwischenstaatliche Abkommen. Die Bürger dieser Staaten können ohne Visum einreisen, vor Ort einen Arbeitsplatz suchen und bei Erfolg den Aufenthaltstitel zum Verbleib und zur Arbeitsaufnahme vor Ort in Deutschland beantragen. Ende 2015 wurde den Staatsbürgern des Westbalkans der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt ebenfalls erleichtert, was erklärt, warum viele der Arbeitsmigranten aus diesen Ländern kommen. Diese müssen keine Akademiker sein, benötigen aber in Deutschland einen Arbeitsplatz. Würde diese Sonderregelung auf nordafrikanische Staaten ausgedehnt, würden wahrscheinlich weniger Menschen als Asylbewerber einreisen und die Zuwanderung ließe sich besser steuern. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sehr viele Ideen zur Zuwanderungsregelung gibt. Ihnen allen ist gemein, dass sie eine bedarfsgerechte Zuwanderung anstreben, die transparent geregelt ist und die besonders für Fachkräfte attraktiv ist, um den Fachkräftemangel zu decken. Ein erster Schritt wäre es, wenn Deutschland sein jetziges System weiter vereinfachen würde. Dies würde jedoch wahrscheinlich nicht mehr Fachkräfte anziehen, sondern nur deren Zuzug erleichtern, da Gesetze nicht zu den klassischen Pull-Faktoren nach Lee zählen, sondern (nach Herzberg, 1966) zu den Hygienefaktoren. Diese Faktoren müssen vorhanden sein, damit potentielle Zuwanderer keine unbewusste Aversion gegenüber Deutschland oder ihrem neuen Arbeitsplatz empfinden. Da der demografische Wandel in einem Großteil der westlichen Länder das inländische Fachkräfteangebot schrumpfen lässt, konkurriert Deutschland mit Ländern wie Großbritannien, Norwegen und der Schweiz um hoch qualifizierte Zuwanderer. Damit potenzielle Arbeitnehmer nicht in andere Länder immigrieren, ist es wichtig, als attraktives Land wahrgenommen zu werden. Deshalb muss sich Deutschland als Land präsentieren, das offen für Einwanderer ist. Andererseits zählen bereits jetzt die guten Verdienstmöglichkeiten in Deutschland und eine florierende Wirtschaft zu den Pull- Faktoren des deutschen Arbeitsmarktes. <?page no="418"?> 6.4 Zugewanderte Arbeitskräfte als Ausgleich des demografischen Wandels 419 6.4.4 Beitrag der Migration zur Fachkräftesicherung Allgemein ist der Arbeitsmarktzugang für Einheimische einfacher als für Migranten. Nachteilig für alle zugezogenen Migranten ist, dass durch die Migration ein wichtiger Teil ihres Humankapitals verloren geht. Sowohl ihre Muttersprache als auch ihre erworbenen Schul- und Berufsabschlüsse sind in ihren Zielländern weniger wert als in ihren Herkunftsländern. Häufig müssen sie daher im Zielland zusätzliche Sprachkurse besuchen. Aufgrund von Problemen bei der rechtlichen und faktischen Anerkennung von Abschlüssen kann es erforderlich sein, weitere Abschlüsse zu erwerben. Wenn Abschlüsse nicht anerkannt werden, schadet dies allen Beteiligten: Die Herkunftsländer haben das Humankapital der Abgewanderten (zumindest vorübergehend) verloren, während es die deutsche Wirtschaft ebenfalls nicht voll nutzen kann. Die Migranten müssen dann unter ihrem Qualifikationsniveau arbeiten und können nicht ihr komplettes Potenzial einsetzen. Die Hauptleidtragenden sind dabei die Migranten, die so nicht qualifiziert werden. Die vorliegende Betrachtung hat gezeigt, dass die berufliche Qualifikation von Geflüchteten in der Regel unter dem Durchschnitt der Deutschen liegt, tendenziell ebenfalls unter dem der Südosteuropäer. Gründe hierfür können sein, dass sich ihre Heimatländer wirtschaftlich schon länger in einer Krise befinden oder dass dort schon länger Krieg herrscht. Außerdem ist in vielen Ländern eine formale Berufsausbildung nicht üblich, sodass bei vielen Geflüchteten die praktischen Fertigkeiten und Kenntnisse oft umfangreicher sind, als das (formale) Bildungsniveau vermuten lässt. Außerdem haben Geflüchtete in der Regel nicht schon vor der Einreise nach Deutschland die deutsche Sprache gelernt, im Gegensatz zu EU-Migranten, die gezielt in Deutschland arbeiten wollen. Die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Wie Erfahrungen anderer EU-Länder zeigen, dauert es bis zu 20 Jahre, bis Geflüchtete auf dem Arbeitsmarkt dieselben Beschäftigungsquoten erreichen wie Einheimische. Daher ist abzusehen, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis diese Gruppe der Zugezogenen den demografischen Wandel entlasten kann. Es ist nicht abzusehen, ob einige der Geflüchteten nach einer Ausbildung in Deutschland wieder in ihre Heimatländer zurückkehren. Ein weiteres Problem der Arbeitsmarktintegration ist, dass bisher Arbeitgeber aus unterschiedlichen Gründen noch nicht wirklich daran interessiert sind, Geflüchtete einzustellen. Zusätzlich gibt es weitere rechtliche und institutionelle Hürden. Deswegen ist weiterhin der Staat gefragt, um die Prozesse zu beschleunigen. Wichtige Schwerpunkte, um die Arbeitsmarktintegration möglichst zu beschleunigen, sind die Dauer der Asylverfahren, die Sprachförderung, der Zugang zu Schul- und Berufsbildung und die Arbeitsvermittlung. Bisher ist es am wahrscheinlichsten, dass die Mehrheit der Geflüchteten über Helfertätigkeiten in den Arbeitsmarkt eintreten wird. Südosteuropäer scheinen dagegen besser geeignet zu sein, den Fachkräftemangel auszugleichen. Allerdings verläuft die Arbeitsmarktintegration der Südosteuropäer unterschiedlich erfolgreich: Bulgaren beispielsweise weisen die schlechtesten Beschäftigungsquoten auf, während 2013 bereits 76 000 Polen in Deutschland in der Pflege arbeiteten und dort einen sehr wichtigen Beitrag leisteten. Vor allem osteuropäische Zuwanderer arbeiten häufig unter ihrem Qualifikationsniveau, nur knapp über die Hälfte von ihnen arbeitet ausbildungsadäquat. Momentan ist Deutschland das beliebteste Ziel von EU-Binnenwanderungen, jedoch ist die Nachhaltigkeit dieser Zuzüge nicht garantiert. Es ist möglich, dass viele Migranten in ihre Herkunftsländer zurückziehen, wenn die GIPS-Staaten die Finanz- und Wirtschaftskrisen überwinden oder sich die wirtschaftliche Lage in den osteuropäischen Ländern verbessert. Außerdem sind die meisten anderen europäischen Länder ebenfalls vom demografischen Wandel betroffen, was die Konkurrenz um junge und gut ausgebildete Europäer weiter erhöhen könnte. Am besten geeignet, um den Fachkräfteengpass zu beseitigen, sind qualifizierte Zuwanderer aus <?page no="419"?> 420 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen außereuropäischen Ländern, z.B. mit der Blauen Karte EU. Bisher nutzen zu wenige ausländische Fachkräfte diese Möglichkeit. So sind 2016 nur 6 732 Zuwanderer mit der Blauen Karte EU zugezogen, während Deutschland 2016 bereits durchschnittlich 655 490 Arbeitskräfte jährlich gefehlt haben. Ähnlich effiziente Möglichkeiten wie die Blaue Karte EU bieten bilaterale Vereinbarungen für gewisse Branchen, wie z.B. die Pflege. Abschließend ist festzuhalten, dass ausländische Arbeitskräfte den deutschen Arbeitsmarkt entlasten könnten, wenn Deutschland eine bedarfsgerechte Zuwanderung steuern würde. Allerdings mangelt es bisher noch an qualifizierten und hoch qualifizierten Migranten. Inwieweit Geflüchtete den demografischen Wandel ausgleichen können, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen. Einige Südosteuropäer entlasten den Arbeitsmarkt bereits jetzt (vor allem in der Pflege), während andere (hauptsächlich aus Bulgarien) das deutsche Sozialsystem zusätzlich belasten. 6.4.5 Handlungsfelder für deutsche Unternehmen Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es sich für deutsche Unternehmen empfiehlt, ausländisches Personal in Betracht zu ziehen oder dieses sogar selbst aus dem Ausland zu rekrutieren. Dabei ist es wichtig, die Gesetzeslage zu beachten und Personal aus Drittstaaten nicht ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu beschäftigen, da dies zu hohen Geldstrafen für das Unternehmen führen kann. Der gesetzlich vorgeschriebene Versicherungsschutz und der Lohnsteuerabzug müssen ebenfalls sichergestellt werden. Wenn ein zukünftiger Arbeitnehmer zur Arbeitsaufnahme nach Deutschland zieht, sollte sich das Unternehmen möglichst früh um den Aufenthaltstitel und das Visum kümmern. Dabei kann die Wartezeit sinnvoll genutzt werden: Zum einen kann der zukünftige Arbeitnehmer in der Zwischenzeit (falls nötig) anfangen, Deutsch zu lernen, und, wenn nötig, seine eigene Familie auf den Umzug vorbereiten. Zum anderen kann das heimische Team bereits auf den neuen Mitarbeiter und seinen kulturellen Hintergrund vorbereitet werden. Dies wird vor allem dann nötig sein, wenn die Bürosprache von Deutsch auf Englisch gewechselt werden muss. Dabei muss jedoch von vornherein geklärt werden, ob ein Sprachwechsel für die Kollegen vor Ort überhaupt möglich ist. Dieses Vorgehen erleichtert die Integration des neuen Mitarbeiters. Zusätzlich kann ein Mentorenprogramm die Integration des neuen Mitarbeiters vereinfachen und beschleunigen. Der Mentor sollte sorgfältig ausgewählt werden und bezüglich seiner Persönlichkeit und seiner Sprachkenntnisse für die Aufgabe geeignet sein. Mentor und Mentee sollten dabei auf derselben Hierarchiestufe stehen. Für besonders wichtige neue Mitarbeiter sollte ein Relocationservice in Betracht gezogen werden, der den neuen Mitarbeiter zusätzlich unterstützt. Ferner können Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen nötig sein, da ein neuer ausländischer Mitarbeiter möglicherweise vorher mit anderen technischen Systemen gearbeitet hat oder vor sonstigen Herausforderungen steht. Solche Schwierigkeiten sollten aufgedeckt und behoben werden, um zu vermeiden, dass der neue Mitarbeiter wieder frustriert abwandert. Dabei ist zu beachten, dass einige Ausländer in ihrer Heimat dazu erzogen wurden, Probleme nicht direkt anzusprechen. Zusammenfassung In diesem Abschnitt haben wir betrachtet, inwieweit zugewanderte Arbeitskräfte als Ausgleich des demografischen Wandels dienen können. Hierbei wurde auf die Fluchtmigration, die demografischen Merkmale der Geflüchteten und das Bildungsniveau der Geflüchteten eingegangen. Sie können nun die Chancen für Geflüchtete auf dem deutschen Arbeitsmarkt beurteilen. Zusätzlich wurde noch auf die Migranten aus Südeuropa eingegangen. <?page no="420"?> 6.4 Zugewanderte Arbeitskräfte als Ausgleich des demografischen Wandels 421 Schlussbetrachtung In diesem Kapitel wurde auf das internationale Personalmanagement und insbesondere auf die internationale Personalplanung eingegangen. Hierbei erfolgte eine kritische Betrachtung des demografischen Wandels und der Flüchtlings- und Zuwanderungsströme. Es kristallisiert sich heraus, dass einerseits der demografische Wandel das Erwerbspersonenpotenzial in Deutschland schrumpfen lässt, während andererseits aufgrund der höheren Lebenserwartung die Bevölkerungszahl und damit der Konsum nicht im gleichen Maße abnehmen wird. Dadurch wird sich der schon jetzt punktuell spürbare Fachkräfteengpass merklich ausbreiten und Personal zu einer knappen Ressource werden, um welche die Unternehmen zukünftig konkurrieren werden. Um trotzdem Mitarbeiter in der benötigten Qualität und Quantität einstellen zu können, wird daher eine bedarfsgerechte strategische Personalplanung unerlässlich sein. Wenn in den 2030er-Jahren die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, wird dies die Situation deutlich verschärfen. Unternehmen sollten diese altersbedingte Fluktuation analysieren und in ihrer Personalplanung berücksichtigen, um rechtzeitig vorsorgen zu können. Dies kann am besten durch frühzeitige und umfangreiche Ausbildungsangebote für junge Menschen bzw. durch Neueinstellungen oder Umschulungen geschehen. Bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter werden die Unternehmen ihre Zielgruppe erweitern und die entsprechenden Social-Media-Kanäle nutzen müssen. In Nachfolgeprozessen sollte die Einarbeitungszeit großzügig mit eingeplant und so das intern vorhandene Expertenwissen rechtzeitig transferiert werden. Hierfür eignen sich beispielsweise altersgemischte Teams und Mentorenprogramme. Diese Maßnahmen können zusätzlich sicherstellen, dass nicht übermäßig viele Mitarbeiter gleichzeitig das Unternehmen verlassen. Außerdem können die älteren Arbeitnehmer dadurch entlastet und möglichst lange im Unternehmen gehalten werden. Für ältere Arbeitnehmer kann zusätzlich das betriebliche Gesundheitsmanagement überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Allgemein wird Mitarbeiterbindung zunehmend an Bedeutung gewinnen. Dabei ist es wichtig, auf die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeiter einzugehen. Dies könnte beispielsweise durch Kinderbetreuungsplätze oder flexible Arbeitszeiten geschehen. Häufig wird angenommen, dass die Angebotsverknappung auf dem Arbeitsmarkt durch die Digitalisierung ausgeglichen wird. Jedoch vertritt die Mehrheit der Experten die Ansicht, dass die Digitalisierung nicht so viele Arbeitskräfte freisetzen wird, wie altersbedingt ausscheiden werden. Am häufigsten werden Arbeitsplätze von Helfern und Fachkräften entfallen, während zusätzliche Spezialisten und Manager gebraucht werden. Bevor Unternehmen Mitarbeiter entlassen, sollten sie prüfen, ob diese nicht in anderen Unternehmensbereichen eingesetzt werden können und womöglich nur eine Umschulung oder Weiterbildung erforderlich ist. Branchenspezifische Unterschiede gibt es ebenfalls: Während in Fertigungsberufen mit einem Stellenabbau zu rechnen ist, werden im Unternehmensdienstleistungssektor zusätzliche Arbeitnehmer benötigt. Es wird folglich zu gravierenden Umstrukturierungen kommen, aber nur zu einem geringen Stellenabbau. Für die Unternehmen wird es wichtig sein, Personal mit benötigten Kompetenzen zu beschäftigen. An Bedeutung gewinnen werden dabei soziale Kompetenzen und insbesondere Führungskompetenzen, die beide von Computern schwer zu ersetzen sind, sowie Kenntnisse der neuesten Technologien. Da insbesondere kurzfristig mit Mismatches zu rechnen ist, ist es wichtig, dass der Staat den Übergang für weniger gut ausgebildete Personen abfedert und sie bei ihrer Weiterbildung unterstützt. Als weitere Möglichkeit, die negativen Folgen des demografischen Wandels zu minimieren, sollten zusätzlich die Auswirkungen der Migration berücksichtigt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Migration die Probleme des demografischen Wandels nicht vollständig lösen kann. <?page no="421"?> 422 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen Die einzelnen Migrantengruppen haben unterschiedlich große Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt und müssen daher differenziert betrachtet werden: Bei den meisten in den letzten drei Jahren zugezogenen Ausländern handelt es sich um Geflüchtete aus Drittstaaten. Deren Ausbildungsstand ist jedoch überwiegend nicht ausreichend, um den Fachkräfteengpass bedeutend zu mildern; sie eignen sich daher eher für Hilfstätigkeiten. Ein Drittel der Geflüchteten verfügt über keine formelle Schulbildung oder hat lediglich eine Grundschule besucht. Allgemein konnten sich Geflüchtete nur ungenügend auf den deutschen Arbeitsmarkt vorbereiten. Mangelnde Deutschkenntnisse und bürokratische Hürden verlangsamen die Arbeitsmarktintegration zusätzlich. Erfahrungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten haben gezeigt, dass es bis zu 20 Jahre dauern kann, bis Geflüchtete dieselbe Erwerbsquote erreichen wie Einheimische. Daher ist davon auszugehen, dass Geflüchtete das Sozialsystem zunächst zusätzlich belasten werden, bis sie dazu in der Lage sein werden, sich mit Sozialabgaben an dessen Finanzierung zu beteiligen. Deshalb sollte in der Aufnahme dieser Migrantengruppe eher eine humanitäre Pflicht gesehen werden als ein Beitrag zur Fachkräftesicherung. Eine geeignetere Gruppe bilden die Südosteuropäer, wobei innerhalb dieser Gruppe große Unterschiede zu erkennen sind. Aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrisen sind insbesondere aus Südeuropa viele qualifizierte Arbeitsmigranten nach Deutschland gekommen. Diese Personengruppe kann die Folgen des demografischen Wandels abmildern, jedoch ist zu erwarten, dass sie, sobald sich die Wirtschaft in ihren Heimatländern wieder erholt hat, dorthin zurückkehren oder Deutschland wieder verlassen werden, falls sich die Lage der deutschen Wirtschaft verschlechtern sollte. Osteuropäer, insbesondere Polen, leisten tendenziell einen wertvollen Beitrag dazu, den Pflegenotstand zu bekämpfen. Jedoch arbeiten Osteuropäer häufig unter ihrem Ausbildungsniveau, wodurch wertvolles Humankapital nur unvollständig genutzt wird. Am wertvollsten für den deutschen Arbeitsmarkt sind qualifizierte Arbeitsmigranten, die aus Drittstaaten zum Arbeiten nach Deutschland kommen. Sie werden dabei umso wichtiger für den deutschen Arbeitsmarkt, je weiter der demografische Wandel voranschreitet. Um diesen Personenkreis besteht ein globaler Wettbewerb, daher ist die Anzahl der qualifizierten Arbeitsmigranten, die jährlich nach Deutschland kommen, noch zu gering, um den demografischen Wandel auszugleichen. Daher steht die deutsche Bundesregierung vor der Herausforderung, mehr qualifizierte Arbeitskräfte für den deutschen Arbeitsmarkt anzuwerben. Bei der Einstellung ausländischer Mitarbeiter ist es für Unternehmen wichtig, die einschlägigen deutschen Gesetze und Regelungen zu kennen und einzuhalten. Falls ein ausländischer Mitarbeiter zum Arbeitsantritt nach Deutschland kommt, sollte bereits vor seiner Ankunft möglichst viel vorbereitet worden sein, um eine reibungslose Integration zu gewährleisten. Wenn eine größere Anzahl ausländischer Arbeitnehmer eingestellt wird, kann es nötig werden, Englisch als Unternehmenssprache einzuführen. Darauf müssten wiederum die heimischen Arbeitnehmer vorbereitet werden. Darüber hinaus kann ebenfalls ein Mentorenprogramm die Integration in das Unternehmen beschleunigen und zusätzlich das gegenseitige Verständnis fördern. Letztendlich ist es kaum möglich, seriöse Prognosen abzugeben. Es darf jedoch angenommen werden, dass der demografische Wandel die deutschen Unternehmen (und damit speziell deren Personalabteilungen) vor Probleme stellen wird. Es ist zu vermuten, dass die Digitalisierung bei deren Lösung nur eine untergeordnete Rolle spielen wird. Wichtiger werden die Migration und damit insbesondere die Ausbildung und Integration der Geflüchteten. Es bleibt abzuwarten, wie gut dies realisiert werden kann. Daher sollte Deutschland sich zusätzlich aktiv um qualifizierte Arbeitsmigranten bemühen und die jetzt gültigen Gesetze und Regelungen noch weiter nachbessern. Zusätzlich sollten sich deutsche Unternehmen ebenfalls um weibliches Erwerbspersonenpotenzial bemühen. Denn nach wie vor gibt es unzählige Frauen, die unfreiwillig in Teilzeit arbeiten, obwohl sie gerne (wieder) in Vollzeit arbeiten würden. <?page no="422"?> Bearbeitungshinweise zu den Übungen im Text 423 Bearbeitungshinweise zu den Übungen im Text Abschnitt 6.1 Übung 6.1 Direktinvestition : Kapitalanlagen eines Unternehmens im Ausland zur Gründung von oder zur Beteiligung mit unternehmerischer Verantwortung an Unternehmen, Produktionsstätten oder Niederlassungen (Duden Wirtschaft, 2016). Zur aktuellen Höhe der deutschen Direktinvestitionen im Ausland recherchieren Sie bitte im Internet. Übung 6.2 Die Treiber und Barrieren der Mitarbeiterentsendung weisen eine Reihe an Einfluss nehmenden Faktoren mit wirtschaftlichen, sozialen und regulatorischen Charakteristika auf. Die wirtschaftlichen Faktoren spielen insbesondere als Treiber der Mitarbeiterentsendung eine entscheidende Rolle. Regulatorische und soziale Aspekte stehen hingegen vorwiegend im Zusammenhang mit Barrieren. Bei der Darlegung der Treiber und Barrieren der Mitarbeiterentsendung erfolgt eine Unterscheidung in die Aufnahme- und die Entsendeperspektive (European Commission, 2011, S. 28). Werden Mitarbeiter in andere EU-Mitgliedstaaten entsandt, so können neue Märkte erschlossen und Umsätze auch außerhalb des eigenen Mitgliedstaats generiert werden. Außerdem werden der internationale Fokus von Unternehmen und der Aufbau von Geschäftsnetzwerken gefördert. Zudem können eigene Arbeitskräfte eingesetzt werden, was eine bessere Kontrolle der ausgeführten Arbeiten ermöglicht. Im Kontext sozialer Aspekte stehen neben der Möglichkeit, Arbeitskräfte zu geringeren Arbeitskosten als im aufnehmenden Land anzubieten, der Erfahrungszuwachs und das Lernen als Folge der Arbeit im Ausland. Regulatorische Treiber liegen in einem relativ einfachen administrativen Verfahren für Unternehmen im Entsendungsland (European Commission, 2011, S. 28). Wirtschaftliche Treiber aus der Aufnahmeperspektive sind insbesondere wettbewerbsfähigere Preise für ausländische Dienstleister durch geringere Lohn- und Arbeitskosten, eine flexible Kapazität und saisonale Nachfrage sowie die Auslagerung von Kosten. Durch die Beschäftigung entsandter Arbeitnehmer können Unternehmen außerdem einem Arbeitskräftemangel im Aufnahmestaat entgegenwirken, insbesondere in Zeiten wirtschaftlichen Wachstums (European Commission, 2011, S. 28). Auf der anderen Seite stehen Barrieren für Unternehmen, die Arbeitnehmer ins EU-Ausland entsenden. Sie müssen Arbeitsbedingungen anwenden, die in allgemein verbindlichen Tarifabkommen geregelt sind, auch wenn sie über den Kern des Schutzes der Arbeitnehmer hinausgehen. Weitere Barrieren aus der Entsendeperspektive sind neben der Zurückhaltung von Mitarbeitern, geografisch mobil zu sein, die sprachlichen und kulturellen Barrieren. Der administrative Aufwand im Zusammenhang mit der Entsendung von Arbeitnehmern, die Komplexität des gesetzlichen Rahmens, der die Entsendung regelt, und unterschiedliche Modalitäten für die Mitarbeiterentsendung in den verschiedenen Mitgliedstaaten stellen weitere Hindernisse im Rahmen der Mitarbeiterentsendung dar (European Commission, 2011, S. 28). Aus der Aufnahmeperspektive ergeben sich auch einige wirtschaftliche, soziale und regulatorische Barrieren. Im wirtschaftlichen Kontext steht die Angst vor der Konkurrenz für lokale Marktteilnehmer. Das negative Image der Entsendung aufgrund illegaler Beschäftigung oder der Beschäftigung unter Mindeststandards stellt neben Kommunikations- und Sprachbarrieren eine soziale Hürde für die Mitarbeiterentsendung aus der Aufnahmeperspektive dar. Regulatorische Hindernisse liegen in Schutzmaßnahmen in bestimmten Sektoren und der Verfügbarkeit weiterer Mechanismen zur Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte (European Commission, 2011, S. 28). <?page no="423"?> 424 6 Internationales Personalmanagement in unterschiedlichen europäischen Kulturbereichen Abschnitt 6.2 Übung 6.3 Der Außenwanderungssaldo ist die Differenz zwischen der Zuwanderung nach Deutschland und der Abwanderung aus Deutschland. Übung 6.4 Die Bevölkerungspyramide in Deutschland steht Kopf Bisher spielt die Alterung der Bevölkerung und ihre Auswirkungen auf die Rente im Bundestagswahlkampf keine Rolle. Das Thema bleibt aber brandaktuell. Denn seit 2003 schrumpft die Anzahl der Deutschen jährlich um etwa 100 000 - während die Weltbevölkerung bis 2050 auf rund neun Milliarden Menschen ansteigt. Höhere Sterbeals Geburten- und Zuwanderungszahlen sowie eine verlängerte Lebenserwartung dürften die Anzahl der Menschen mit 80 Jahren oder älter in den kommenden 40 Jahren in Deutschland um das Zweieinhalbfache steigern. Dann werden nahezu 15 Prozent der Bevölkerung älter als 80 sein (Schnitzler (FwDienste), n.d.). Abschnitt 6.3 Übung 6.5 Silver Society und Best Ager: Megatrend Silver Society Die Lebenserwartung steigt auf der ganzen Welt: Wir alle werden nicht nur älter, sondern altern auch anders - und wir werden später alt. Zum Älterwerden gesellt sich das „Downaging“, das Heraustreten aus traditionellen Altersrollen derer, die man einst als „Senioren“ bezeichnete. Statt sich in den Ruhestand zu begeben, nehmen ältere Menschen selbstverständlich in Form von Ehrenamt, Erwerbsleben oder einem Universitätsstudium am Gesellschaftsleben teil (Zukunftsinstitut, n.d. b). „Best Ager“ fühlen sich jung, sind bei weitem keine Senioren, grenzen sich aber von den „jungen Erwachsenen“ ab. Diese Zielgruppe hat eine hohe Kaufkraft und ist damit für viele Unternehmen attraktiv. Doch im Marketing und Verkauf begehen die Unternehmen noch immer viele Fehler und enttäuschen die Best Ager (Etrillard, n.d.). Übung 6.6 Unter Substituierbarkeitspotenzial wird der gegenwärtige Anteil der Kernanforderungen von Berufen verstanden, der durch Computer oder Maschinen ausgeführt werden könnte. Abschnitt 6.4 Übung 6.7 Die häufigsten Fluchtursachen sind Krieg und Armut. Das Bildungsniveau der Asylsuchenden aus den Top-10-Herkunftsländern ist je nach Herkunftsland unterschiedlich hoch. Die volljährigen Asylerstantragsteller aus den zehn Hauptherkunftsländern setzten sich folgendermaßen zusammen: 35,7 Prozent Syrer, 15,2 Prozent Afghanen, 12,6 Prozent Iraker, 4,8 Prozent Iraner, 3,2 Prozent Eritreer, 2,8 Prozent Pakistani, 2,1 Prozent Nigerianer, 1,9 Prozent Albaner, 1,5 Prozent Somalier und 1,1 Prozent Russen (dazu 19,1 Prozent aus sonstigen Ländern). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) veröffentlichte im April 2017 eine Analyse von Neske über das Qualifikationsniveau und die Berufstätigkeit der volljährigen Asylerstantragsteller. Dabei wurde gefragt, welche Schulform besucht wurde, der erreichte Abschluss blieb jedoch <?page no="424"?> Lösungshinweise zu den Übungen im Text 425 unberücksichtigt. Daher ist es möglich, dass die Befragten ihre schulische beziehungsweise universitäre Ausbildung zwar begonnen, aber (noch) gar nicht abgeschlossen haben. Es ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass die Zahlen der sozialen Komponenten aus freiwilligen Selbstauskünften stammen. Sie wurden direkt durch BAMF-Mitarbeiter während der Antragstellung mit Unterstützung eines Dolmetschers erfragt. Die Möglichkeit von strategischen Antworten und somit überhöhter Selbstdarstellung der Schulbildung und des zuletzt im Herkunftsland ausgeübten Berufs können daher nicht ausgeschlossen werden. Die Zahlen sollen einen ersten Einblick geben, denn es gibt keine verpflichtenden Statistiken. Etwa drei Viertel der Asylerstantragsteller haben Angaben zu Schulbildung und Beruf gemacht. Es ist daher denkbar, dass das eine Viertel der Asylerstantragsteller, das keine Angaben gemacht hat, unterdurchschnittlich qualifiziert ist. Dies könnte die Statistik bezüglich der Schulbildung und Berufserfahrung zusätzlich verzerren. Ein weiteres Problem, das die Erfassung der Qualifikation zusätzlich erschwert, ist, dass die Herkunftsländer der Asylerstantragsteller ein anderes Schul- und Berufsbildungssystem haben als Deutschland. Brücker vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gibt außerdem zu bedenken, dass die Qualität der Bildungssysteme sehr unterschiedlich ist. So ist ein Jahr Schule in einem Kriegs- oder Krisengebiet nicht mit einem Jahr Schule in Deutschland vergleichbar. Das BAMF gab an, dass 15,5 Prozent der Antragsteller laut Selbstauskunft als höchste Bildungseinrichtung eine Hochschule besucht haben. 21,5 Prozent nannten als höchste besuchte Bildungseinrichtung das Gymnasium, 31,1 Prozent die Mittelschule (in etwa Haupt- oder Realschulniveau in Deutschland) und 20,5 Prozent die Grundschule. 11,3 Prozent aller Asylerstantragsteller haben keinerlei formelle Schulbildung genossen. Die weiblichen Asylantragsteller haben allgemein ein geringeres Schulbildungsniveau als die männlichen Asylantragsteller. Darüber hinaus scheint ein Großteil der Geflüchteten nur für einfache Tätigkeitsfelder geeignet zu sein, da ihr Qualifikationsniveau häufig nicht dem auf dem Arbeitsmarkt benötigten Fachkräfteniveau entspricht. Ein Drittel der Erwachsenen wird als unqualifiziert eingestuft, da sie maximal die Grundschule besucht haben. Übung 6.8 Kriege und Unruhen haben einen großen Einfluss auf das Bildungsniveau . Charbonneau von UNICEF gibt an, dass die syrischen Schüler immer mehr Unterrichtsstoff verpassen und der schulische Wiedereinstieg umso schwerer wird, je länger die Konfliktsituation im Heimatland anhält. Erwachsene aus Somalia und Afghanistan haben vergleichsweise die geringste Schulbildung. In Ländern wie Afghanistan, in denen schon seit Jahrzehnten politische bzw. religiöse Konflikte herrschen, ist der Zugang zum Bildungssystem stark eingeschränkt. Literaturverzeichnis Appelbaum, E. & Schettkat, R. (1995). Employment and productivity in industrialized economies. International Labor Review 134(4-5) (Special Issue), S. 605-623. Autor, D., Levy, F. & Murnane, R. (2003). The skill content of recent technological change: an empirical exploration. Quarterly Journal of Economics 116(4). Becker, W. & Ulrich, P. (2011). Internationalisierung mittelständischer Familienunternehmen - Gründe, Erscheinungsformen, Fallstudien. In F. Kreuper und H. 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Megatrend Silver Society. https: / / www.zukunftsinstitut.de/ dossier/ megatrend-silver-society/ 8 <?page no="430"?> Teil 3: Dienstleistungsmanagement <?page no="432"?> 7 Internationales Dienstleistungsmanagement von Prof. Dr. Wilhelm Schmeisser und Prof. Dr. Irene Rath In diesem Kapitel lernen Sie die Grundlagen des internationalen Dienstleistungsmanagements kennen. Wir starten mit den Rahmenbedingungen der Internationalisierung von Dienstleistungen. Im zweiten Absatz setzen wir uns mit der Internationalisierungsmotivation allgemein und im Besonderen bei Dienstleistungen auseinander. Der dritte Absatz zeigt auf, wie eine internationale Marktauswahl vonstattengehen kann. Im vierten Absatz werden Sie mit den Markteintritts- und -austrittsbarrieren vertraut gemacht. Das Kapitel schließt mit einem Absatz zu Wettbewerbsstrategien internationaler Dienstleister. 7.1 Rahmenbedingungen der Internationalisierung von Dienstleistungen Lernziele Sie kennen die Rahmenbedingungen der Internationalisierung und sollten mindestens zehn internationale Dienstleistungen benennen können, welche Unternehmen in welchen Branchen diese betreiben, welche Geschäftsmodelle dahinterstehen, warum diese in der Kritik stehen und welche technischen Entwicklungen diese ermöglichen. Bei den Rahmenbedingungen der Internationalisierung von Dienstleistungen geht es darum zu klären, warum Dienstleistungen, die ja eher von einer hohen Standortgebundenheit geprägt sind (wer fliegt schon für einen neuen Haarschnitt nach Paris? ) international angeboten werden sollen. Die Welt ist im Wandel und der größte Teil unserer Bevölkerung ist heute besser ausgebildet als jemals zuvor. Englisch wird bspw. häufig bereits ab der ersten Klasse gelehrt und im Kindergarten gibt es erste Englisch-Einführungskurse. Von daher ändern sich die Rahmenbedingungen gerade in Bezug auf die Internationalisierung von Dienstleistungen. Porter sieht die Ursache für die zunehmende Relevanz von internationalen Dienstleistungen in den folgenden Faktoren:  Ähnlichkeit der Dienstleistungsbedürfnisse: Die Kunden erwarten im 21. Jahrhundert unabhängig vom geografischen Aufenthaltsort zunehmend vergleichbare Dienste.  Mobilie, informierte Kunden und Dienstleister : Die Kunden sind heute aufgrund der neuen Informationstechnologien, günstiger internationaler Verkehrsverbindungen und sinkenden Sprachbarrieren besser informiert und sind daher eher geneigt, sich internationale Dienste zu beschaffen. Auch Dienstleister können Auslandsaufträge leichter wahrnehmen.  Economies of Scale bzw. Economies of Scope : Durch die Internationalisierung haben Dienstleister die Möglichkeit, Größendegressionen zu erzielen und somit Kosten einzusparen.  Große Qualitäts-, Kosten- und Leistungsunterschiede : Da es in den einzelnen Ländern große Qualitäts-, Kosten- und Leistungsunterschiede gibt, wird der internationale Handel befeuert. <?page no="433"?> 434 7 Internationales Dienstleistungsmanagement  Staatliche Deregulierungen können Marktexpansionen fördern. Bspw. wird davon ausgegangen, dass die Deregulierung in den USA zu einer Marktexpansion im Bereich Flugverkehr, Banken und Telekomunikation geführt hat. Neue Anbieter und neue Wettbewerbsformen sind entstanden, die häufig zu stärkerem Wettbewerb aber auch zu höherer Produktivität führten (Haller, 2017, S. 435). Jedoch gibt es auch einzelbetriebliche Gründe zur Ausweitung der internationalen Geschäftstätigkeit von Unternehmen:  Erschließung neuer Märkte  Internationalisierung bestehender Kunden  Internationalisierung von Wettbewerbern  Imageverbesserung gegenüber Kunden  Internationale Spezialisierung  Ausnutzen von Größeneffekten  Politische und gesellschaftliche Veränderungen  Risikostreuung  Gewinnüberlegungen (Köhler, 1991; zitiert nach Haller, 2017, S. 437) Im Folgenden stellen wir Ihnen einige typische Dienstleistungsbranchen, die international tätig sind, vor. Zudem zeigen wir Kritikpunkte auf, die durch die Medien bekannt wurden.  Bank- und Börsenmanagement ist eine internationale Dienstleistung, die über 800 Jahre (in Venedig und Florenz) und in Deutschland in den letzten Jahrzehnten sehr stark von der Deutschen Bank betrieben worden ist. Durch das Internet hat das ehemalige DAX-Unternehmen Wirecard das Geschäftsmodell der Deutschen Bank teilweise übernommen. Kritik an Wirecard ist im Jahr 2019 aufgekommen, dass es im bargeldlosen Zahlungsverkehr Steuermodelle von Ernst & Young, Deloitte, KPMG oder PwC für Großkonzerne verwirklicht hat, dass diese Unternehmen unter 1% Steuern bezahlen müssen, und dass durch Wirecard Geldwäsche erfolgt sei. Im Jahr 2020 wurde der Wirecard-Skandal in die breite Öffentlichkeit getragen.  Internationale Steuer- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (Ernst& Young, Deloitte, KPMG, PwC) beraten internationale Konzerne und Länder in Steuern, Steuermodelle, Strategien und deren internationale Implementierung in Steueroasen.  Internationale Brief- und Paketdienste wie DHL .  Internationale Telefon- und Internetdienstleistungen wie Vodafone und Telekom und demnächst mit Hilfe von 5G, um Elektroautos fahrerlos im Verkehr zu leiten oder Forschungs- und Entwicklungsprojekte und Produktionssysteme zu steuern und zu kontrollieren.  Internationale Navigationssysteme wie GPS oder Galileo, um Anwender im Verkehr, bei Wanderungen usw. zu steuern und zu kontrollieren.  Fernseh-, Kino- und Netflix-Branche, um Zuschauer weltweit als Konsumenten zu gewinnen.  Logistikunternehmen wie Amazon oder Alibaba, um Kunden mit allen Gütern zu beliefern, vom Buch über den Kühlschrank bis zum Auto. Amazon konnte in der Corona-Pandemie besonders gut punkten.  Bahnbranche, wie die Deutsche Bahn oder die Metronom (privater Anbieter) , um Kunden von A nach B zu fahren. <?page no="434"?> 7.1 Rahmenbedingungen der Internationalisierung von Dienstleistungen 435  Taxidienste, normale Taxis, UBER, MOIA etc ., um Menschen innerstädtisch von A nach B zu fahren.  Daten sind der Rohstoff der Zukunft, und weil die Menge von Daten im Zeitalter der Digitalisierung geradezu explodiert, wird Künstliche Intelligenz (KI) immer wichtiger, um die Fülle von Informationen (im Entwicklungsbereich, im Produktionsbereich, im Straßenverkehr, im Gesundheitsbereich usw.) systematisch verarbeiten zu können.  Internationaler Schifffahrt- und Touristiksektor mit Unternehmen wie die AIDA, Phoenix, Hurtigruten usw., um die Kunden rund um die Welt zu bringen. Die Kreuzfahrten stehen wegen Ihrer Umweltverschmutzung stark in der Kritik. Die ersten Schiffe sind und werden bereits klimafreundlicher. In der Corona-Pandemie mussten die Kreuzfahrtunternehmen jedoch ziemlich ‚viele Federn‘ lassen.  Internationale Hotels, Gaststättengewerbe und Systemgastronomie wie Kempinski, Block House oder McDonald, Burger King etc.  Internationaler Flugverkehr wie Lufthansa , ThailandAir usw. Die Luftfahrtbranche hat auch sehr unter der Corona-Pandemie zu leiden.  Internationale Modebranche wie Coco Chanel, Zara oder H&M.  Internationaler Währungs- und Börsenhandel wie Europa/ Stoxx Europa 50, USA/ Nasdaq, Kanada/ S&P TSX, England S&P UK, Frankreich / / CAC 40 usw. So, nun haben Sie ein erstes Verständnis von internationalen Dienstleistungen und wissen, dass Ihnen diese tagtäglich begegnen. Nachfolgend erhalten Sie eine Definition, was sich hinter dem Fachbegriff ‚Geschäftsmodell‘ verbirgt. Diese Definition erhalten Sie, weil in einem Geschäftsmodell abgebildet wird, wie das Unternehmen logisch aufgebaut ist und wie ein Kundenmehrwert generiert und wie die Gewinne erwirtschaftet werden sollen. Definition Ein Geschäftsmodell ist eine formale Abbildung aller systemrelevanter Kosten- und (internationaler) Werttreiber sowie des Nutzenversprechens einer Dienstleistung zur Analyse und Gestaltung der unternehmerischen Absicht in einer Branche (Osterwalder et al., 2005, S. 3; Schmeisser, Kaziulia, Ortmeier & Spiger, 2018, S. 142 ff.). Start-up-Gründer möchten eine Antwort auf die Frage: Wie wird Geld verdient? Auf der Suche nach einem passenden Geschäftsmodell hilft das „Business Model Canvas“. Alexander Osterwalder hat dieses Werkzeug im Zuge seiner Dissertation in der Schweiz entwickelt. Dieses Werkzeug nutzen weltweit Gründer und auch gestandene Manager, um eine gemeinsame Sprache in Bezug auf Visualisierung, Bewertung und Veränderung von Geschäftsmodellen zu finden (Schwochow & Ramge, 2016, S. 58). In die Abb. 7.1 werden die verschiedenen Punkte ergänzt.  Bei Key Partner (Schlüsselpartner) sollen bspw. alle Ressourcen und externe Zulieferer engetragen werden, auf die das Unternehmen oder Start-up angewiesen ist.  Bei Key Activities wird gefragt: Welche Aktivitäten sind erforderlich, damit das Unternehmen ein Produkt oder einen Service anbieten kann? <?page no="435"?> 436 7 Internationales Dienstleistungsmanagement  Key Ressourcen sind die Schlüsselressourcen, somit die Ressourcen, die zwingend notwendig sind und die (technische) Infrastruktur, um ein Produkt oder ein Dienstleistung anbieten zu können.  Bei Services (manche nennen es auch Werteversprechen) geht es darum, dass es für jedes Kundensegment ein Werteversprechen, also ein auf die Bedürfnisse abgestimmte/ s Produkt oder Dienstleistung, welches Kundennutzen stiftet, gibt.  Bei Relationships (Kundenbeziehungen) wird die Frage beantwortet, wie soll das Unternehmen mit dem Kunden interagieren? In welcher Community? Persönliche Betreuung? Oder digital automatisiert?  In Channels (Kanäle) geht es darum, wie mit den Kunden kommuniziert wird. Wie sehen die Kundenkontaktpunkte aus und wie wird das Werteversprechen an den Kunden geliefert.  Cost Centres (Kostenstruktur) In diesem Feld soll die übergeordnete Finanzplanung eingetragen werden.  Revenue Streams (Einnahmequelle): Welche der Kunden sind bereit, für welche Dienstleistung/ Produkte wie viel zu bezahlen? Zudem sollen die unterschiedlichen Bezahlmodelle wie Kaufen versus Leasen, Flatrates, Einzelabrechnung in diesem Feld etc. eingetragen werden.  Clients (Kundensegemente): Hier werden alle Personen oder Organisationen eingetragen, die das Unternehmen mit seinen Dienstleistungen oder Produkten erreichen möchte (Schwochow & Ramge, 2016, S. 58 f.). Abb. 7.1: Zum Business Model Canvas (Osterwalder et al., 2005, S. 3) Übung 7.1 Beschreiben und erläutern Sie das Geschäftsmodell von Wirecard nach eigener Internetsuche. Grenzen Sie das Geschäftsmodell von Wirecard von der Deutschen Bank ab. Übung 7.2 Wie unterscheidet sich das Geschäftsmodell Netflix von Kino oder Fernsehen? <?page no="436"?> 7.2 Internationalisierungsmotivation (allgemein und im Besonderen bei Dienstleistungen) 437 Bevor wir nun in die Thematik einsteigen, hier erst einmal eine Definition, damit Sie wissen, was internationale Dienstleistungen überhaupt sind. Definition: Internationale Dienstleistungen Internationale Dienstleistungen sind immaterielle Güter, die entweder sofort in Anspruch genommen und verbraucht werden müssen, da sie nicht lagerungsfähig sind (Telefonat, Internet, Kinofilm), oder zumindest eine Zeitlang aufbewahrt werden können, um sie zu einem bestimmten Termin im Handel einzusetzen (Optionen, Futures, Swap-Geschäfte etc. (Quelle: Kutscher & Schmid, 2011, S. 133 ff.; Schmeisser, 2010, S. 141 ff.). International werden die Dienstleistungen in dem Moment, in dem sie länderübergreifend, also in mindestens zwei Volkswirtschaften der Erde eingesetzt werden. Zusammenfassung In diesem Absatz wurden Sie mit dem Begriff der internationalen Dienstleistungen und den Rahmenbedingungen der Internationalisierung von Dienstleistungen vertraut gemacht. Zudem wurden Ihnen verschiedene internationale Dienstleistungen vorgestellt. Weiterhin erhielten Sie eine Definition von Geschäftsmodellen und ein Geschäftsmodell-Beispiel. 7.2 Internationalisierungsmotivation (allgemein und im Besonderen bei Dienstleistungen) Lernziele In diesem Absatz lernen Sie die Gründe kennen, warum Unternehmen und besonders Dienstleistungsunternehmen international tätig werden. Sie lernen die Typologisierungen internationaler Dienstleister kennen, kennen die Abgrenzung zwischen Internationalisierung und Globalisierung, wissen um die Bedeutung von Zielen, Strategien und Maßnahmen der Internationalisierung und erhalten eine Einführung in die gängigen Wettbewerbsstrategien. Seit den 1980er Jahren ist eine zunehmende Dynamisierung im internationalen Dienstleistungswettbewerb zu beobachten. Diese Globalisierung des Wettbewerbs im Dienstleistungssektor zeichnet sich durch die integrative Abstimmung von Unternehmensaktivitäten aus, mit dem Ziel, sich gegenüber anderen globalen Wettbewerbern zu profilieren. In diesem Absatz geht es darum, warum Dienstleister international tätig werden. Häufige Motivationsarten, international tätig zu werden sind, dass Unternehmen wachsen möchten, ihr Risiko streuen (durch bspw. neue Standorte im Ausland), ihr Image verbessern, indem sie bspw. zu einer globalen Marke werden, ihre Marktanteile erhalten, Standortvorteile (bspw. durch niedrigere Mieten und Löhne im Ausland) erschließen möchten u.a. Hinweis Als Gründe für zunehmende internationale Dienstleistungen lassen sich mit Porter (1991, S. 274 ff.) und Swoboda und Foscht (2005, S. 43 ff.) nennen: <?page no="437"?> 438 7 Internationales Dienstleistungsmanagement  Liberalisierung des Dienstleistungshandels weltweit (Peters & Weiermair, 2005, S. 347),  Effizienzvorteile wie Economies of Scale and Scope bei Massendienstleistungen,  Zunahme des internationalen Dienstleistungshandels durch verstärkten internationalen Warenhandel im Gaststättenbereich bei McDonalds und Burger King, aufgrund der komplementären Beziehung zwischen Sachgütern und Dienstleistungen,  Größere Mobilität der Mitarbeiter durch Entsendungsrichtlinien in der EU bei Bauarbeitern und in der Logistik (z.B. durch Personenfreizügigkeitsabkommen innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten).  Vereinfachte Informationsflüsse und Kommunikationsmöglichkeiten mit entfernten Kunden durch das Internet und verbesserte Transportmöglichkeiten durch Technologiefortschritte („Global Sourcing“). Aus der Vielzahl von Gründen und Motiven zur internationalen Ausrichtung sind hauptsächlich betriebswirtschaftlich relevante Zielsetzungen bei der Marktsuche, Markterweiterung und Marktauswahl von internationalen Dienstleistungsangeboten ausschlaggebend. Bereits im Jahre 2006 betrug der Export an Dienstleistungen durch deutsche Unternehmen ca. 170 Mrd. USD. Dagegen belief sich der Import im Jahr 2006 auf ca. 220 Mrd. USD). Das entspricht einen Anteil von 6,1 % am weltweiten Export von Dienstleistungen und einen Anteil von 8,3 % am weltweiten Import (World Trade Organization, 2007, S. 14). Im Jahr 2017 betrug der Exportanteil an Dienstleistungen bereits knapp 300 Mrd. USD und der Importanteil ca. 320 Mrd. USD (Volkswirtschaftliche Bedeutung Dienstleistungsbranche (Statista, 2019). 7.2.1 Typologisierung internationaler Dienstleistungen Die Merkmale nationaler Dienstleistungen lassen sich grundsätzlich auf internationale Dienstleistungen übertragen. Von daher lassen sich die Klassifikationen mit länderübergreifenden Fragestellungen verbinden. In der nachfolgenden Abbildung werden unterschiedliche Parameter des internationalen Servicemanagements in einer matrixgestützen Differenzierung betrachtet. Hierdurch entsteht eine Typologie. Zu den einzelnen Feldern lassen sich dann Normstrategien zuordnen. Das bedeutet, dass für bestimmte Dienstleistungen bestimmte Strategien eher mehr oder eher weniger geeignet sind. Zunächst werden die Leistungen anhand von Intangibilitätsniveau und Interaktionsaktivität unterschieden. Hier können drei Cluster identifiziert werden. Das erste Cluster , in dem beide Dimensionen schwach ausgeprägt sind, enthält Dienstleistungen wie Filme, Bücher oder Musik . Der Export ist hier die geeignete Art der Marktbearbeitung, jedoch nicht nur der physische, sondern auch der digitale Export. Hierzu gehört bspw. auch das Downloaden von Plattformen, die national und auch international sein können. Im zweiten Cluster mit mittlerer Ausprägung werden Services wie Fast-Food-Anbieter oder Fluggesellschaften eingeordnet. In diesem Bereich bieten sich Marktbearbeitungsformen wie Franchising oder Joint Ventures an. Das dritte Cluster mit hoher Ausprägung enthält Services wie Unternehmensberatungen, Werbeagenturen, Versicherung und Banken . Als internationale Marktbearbeitungsform bietet sich hier die Gründung einer Niederlassung im Ausland oder die Akquisition an. In der folgenden Abbildung wird die Typologisierung internationaler Services bildlich dargestellt: <?page no="438"?> 7.2 Internationalisierungsmotivation (allgemein und im Besonderen bei Dienstleistungen) 439 Abb. 7.2: Typologisierung internationaler Dienstleistungen anhand Intangibilität und Interaktivität (Vandermerwe & Chacwick, 1989; zitiert nach Haller, 2017, S. 438) Im zweiten Ansatz „Sampson/ Snape-Box“ (Sampson & Snape, 1985) werden Anbieter und Kunden hinsichtlich ihrer Mobilität klassifiziert. Es entsteht eine Matrix mit vier Dienstleistungstypen: Typ 4 (Across-the-Border Trade): Hier sind alle Leistungen einzuordnen, bei denen sowohl Kunde als auch Anbieter immobil sind. Daher müssen sie Hilfsmittel bedienen, um die Distanz bei der Dienstleistungserstellung zu überbrücken. Dienstleister diesen Typus sind bspw. Systemadministration von EDV-Systemen per Internet oder Auktionshäuser wie E-Bay. Hier ist mit hohem Wachstum zu rechnen, da es völlig egal ist, wo sich Verkäufer und Käufer aufhalten. Typ 2 (Foreign-Earnings Trade): In diesem Quadranten ist der Anbieter mobil und der Kunde immobil. Die Dienstleistungen werden im Heimatland des Kunden angeboten. Hierunter können international tätige Unternehmensberatungsgesellschaften und auch deutsche Sprachschulen im Ausland fallen. Typ 3 (Domestic-Establishment Trade): Der Kunde ist mobil und der Anbieter ist immobil. Hier werden Leistungen im Inland für ausländische Kunden erstellt. Hierunter fallen bspw. Oktoberfestbesuche ausländischer Touristen oder die Wartung eines norwegischen Schiffes in einer deutschen Werft. Typ 1 (Third-Country Trade): Der Anbieter und auch der Nachfrager sind mobil und die Leistungserstellung findet in einem Drittland statt. Hierzu gehören bspw. internationale Kongresse, an denen Wissenschaftler der ganzen Welt teilnehmen und auch Ferien-Clubs eines englischen Anbieters auf den Kanarischen Inseln. Der größte Teil der internationalen Services fällt in den 2. Quadranten (Foreign-Earnings Trade). Diese können wiederum in zwei Formen eingeteilt werden. Einmal in die Anbieter, deren Leistungen eine hohe Interaktivität und Intangibilität aufweisen (Bsp. Consulting) und Anbieter, deren Leistungen eher geringe Interaktivität und Intangibilität aufweisen, wie bspw. Fast-Food-Anbieter. Die Leistungen mit der hohen Interaktivität und Intangibilität (Bsp. Consulting) sollten individuell ausgestaltet sein und die Internationalisierung sollte über Kooperationen mit Kapitaleinsatz im Zielland fokussiert werden. <?page no="439"?> 440 7 Internationales Dienstleistungsmanagement Bei den anderen Anbietern (geringe Interaktivität und geringe Intangibiltität, Bsp. Fastfood) sind Standardisierung und vertragliche Kooperation (bspw. Franchaising) die geeigneteren Internationalisierungsformen. Auch die kulturellen Unterschiede müssen beachtet werden. Wenn Dienstleistungen im Inland für ausländische Kunden erstellt werden, ist i.d.R. nur eine geringfügige Veränderung notwendig. Die Strategie des heimischen Marketings bleibt im Wesentlichen bestehen, das Angebot wird nur dem neuen Zielmarkt entsprechend angepasst. Der Quadrant (Across-the-Border Trade) entspricht eher dem Sachgütermarketing. Hier wird es in der Regel auch globale Services geben, die in allen Ländern der Welt gleich sind. Der Quadrant (Third-Country Trade) verlangt eine besondere Konzentration in Bezug auf die Standortwahl (Kantsperger, Kunz & Meyer, 2004, S. 118 ff.) Abb. 7.3: Typologisierung internationaler Dienstleistungen anhand der Mobilität (in Anlehnung an Riddle, 1986; Stauss, 1995; zitiert nach Literatur120. Im Folgenden beschränkt sich die Typologisierung auf nachfragestandort-basierten Dienstleistungen auf Basis konstitutiver Dienstleistungsmerkmale: Definition Interaktionsintensität: Hier wird eine hohe Interaktionsintensität des Anbieters der Dienstleistung determiniert: z.B. im Consulting durch einen hohen Anteil des zeitlichen Kontakts während der Leistungserstellung, hohen Kundenkontakt durch Rückfragen, starke, kundenindividuelle Anpassung des Leistungsangebotes bei internationalen Steuerfragen usw. Intangibilitätsgrad: Wenn bei internationalen Dienstleistungen der Anteil tangibler Elemente wächst, z.B. bei internationalen Marketingkonzeptionen in der Strategieberatung, nimmt die internationale Dienstleistung zu. Spezifität des Faktoreinsatzes: Darunter ist das Ausmaß kulturspezifischen und länderbezogenen Know-hows und Expertenwissens für die internationale Dienstleistungserstellung gemeint: z.B. stehen religiöse oder klimabedingte Aspekte der internationalen Dienstleistung <?page no="440"?> 7.2 Internationalisierungsmotivation (allgemein und im Besonderen bei Dienstleistungen) 441 entgegen. Beispiele sind bei der Systemgastronomie, Hotels, Fluggesellschaften oder bei der Autovermietung zu finden (Weigel & Hadwich, 2019, S. 1 ff.) . Abb. 7.4 zeigt das Stufenmodell des Auslandsengagements. Je mehr Aktivität im Ausland erfolgt desto mehr Kapitaleinsatz und desto mehr Managementleistung sind erforderlich. Abb. 7.4: Stufenmodell des Auslandsengagements 7.2.2 Internationalisierung versus Globalisierung Sowohl der Begriff Internationalisierung als auch der der Globalisierung wird häufig benutzt. Die Abgrenzung der Internationalisierung zur Globalisierung besteht darin, dass bei der Internationalisierung die länderspezifischen Besonderheiten mit einbezogen werden, dagegen findet bei der Globalisierung eine Generalisierung für alle Ländermärkte statt. Mit der Globalisierung von Unternehmensaktivitäten geht einher, dass Unternehmen grenzübergreifend tätig sind. Dies ist ökonomisch sinnvoll, denn jenseits der eigenen Ländergrenzen kann weiterer Umsatz und Cashflow generiert werden. Demnach kann Internationalisierung als Aufnahme oder Ausdehnung von grenzüberschreitenden Unternehmensaktivitäten definiert werden. Übung 7.3 Grenzen Sie Internationalisierung und Globalisierung gegeneinander ab. 7.2.3 Bedeutung von Zielen, Strategien und operativen Maßnahmen der Internationalisierung Durch die Erschließung globaler Märkte haben Unternehmen immer mehr Möglichkeiten, ihre Strategien und Aktivitäten international auszuweiten. Damit verbunden sind neue Herausforderungen z.B. was die Ressourcennutzung, Wertschöpfungsketten, Auswahl der Dienstleistungen und der Auswahl von Produktionsstandorten angeht. Hinweis Unternehmen schaffen Werte und dabei werden Ressourcen verbraucht. Am Ende kommt im Erfolgsfall Gewinn dabei heraus. Das Modell der Wertkette (oder auch Wertschöpfungskette genannt) wird benutzt, um die Ansammlung von Tätigkeiten in einem Unternehmen systematisch <?page no="441"?> 442 7 Internationales Dienstleistungsmanagement zu erfassen. Wertkettenanalysen helfen, Prozesse zu optimieren und Wettbewerbsvorteile zu schärfen. Die Wertkette geht zurück auf den Harvard-Professor Michael E. Porter, der dieses Konzept 1985 eingeführt hat (Schwochow & Ramge, 2016, S. 56). Die Internationalisierung eines Unternehmens ist eine Entwicklung, die maßgeblich von dessen Zielen, Strategien, Geschäftsmodellen der internationalen Dienstleistungen und den Gegebenheiten sowie Veränderungen in dessen Umfeld geprägt ist. In der Literatur werden Internationalisierungsziele anhand verschiedenster Faktoren definiert. Im Folgenden wird in ökonomische und nicht-ökonomische Faktoren unterschieden. Des Weiteren in ressourcenorientierten, marktorientierten und produktionsorientierten Zielen differenziert und zuletzt in offensive und defensive Internationalisierungsziele. Exkurs Geschäftsmodelle können bei internationalen Dienstleistungen unterteilt werden in: (1) Produktorientierte Modelle, zum Beispiel bei der Reparatur, bei Wartungsverträgen bei Autos, Schiffen, Flugzeugen usw. (2) Systemlösungsorientierte Modelle, zum Beispiel bei Produkt-Leistungs-Bündeln aus mehreren Produkten/ Dienstleistungen einer Anbietergemeinschaft z.B. Leasing eines Autos, Flugzeuges mit Finanzierungsvertrag, Versicherungs- und Wartungsvertrag usw. (3) Wertschöpfungsorientierte Modelle, z.B. Betreibermodell mit Dienstleistung bei der Autoproduktion bei BMW in England, wann und wo werden die nächsten Arbeitsschritte und Montageschritte in England oder in Europa getätigt, wie oft werden die einzelnen Teile über die Grenzen hin und her geschickt, um Kosten zu sparen, wie entsteht aus mehreren Wertschöpfungsstufen der Mini-Rover. Dazu benötigt das Unternehmen spezifische Untersuchungsschwerpunkte, um relevante sowie aussagekräftige Leistungen zur Immaterialität und Individualität des Wertschöpfungsprozesses zu identifizieren. (4) Dienstleistungsorientierte Modelle im engeren Sinne, zum Beispiel, Beratung/ von Softwarelösungen zum Managen der Geschäftsprozesse bei Cloud-Lösungen bei SAP, beim Internet 5 G in der Produktion und Logistik für Industrieunternehmen bei VW etc. (Weigel & Hadwich, 2019, S. 16). Sowohl die Generierung von zusätzlichen Umsätzen, Gewinnen, Cashflows als Ausgleich von wirtschaftlichen Schwankungen im Inland können als ökonomische Ziele von internationalen Unternehmen beschrieben werden. Sicherungs- und wachstumsorientierte Ziele des Unternehmens können durch den Verlust von inländischen Umsatz- und Marktanteilen entstehen und durch internationale Dienstleistungen von Unternehmensberatern das Wahrnehmen eines zunehmenden Wachstums und die damit einhergehende Umsatzsteigerung auf einen ausländischen Markt kompensiert werden. Nicht-ökonomische Ziele der Internationalisierung können darin bestehen, den Marktbereich und die Reputation des Unternehmens über die Landesgrenze hinaus zu steigern, wie z.B. für IKEA in Indien auszuweiten. Übung 7.4 Grenzen Sie ökonomische und nicht-ökonomische Ziele voneinander ab und finden Sie hierzu drei Beispiele. <?page no="442"?> 7.2 Internationalisierungsmotivation (allgemein und im Besonderen bei Dienstleistungen) 443 Hinweis Defensive Internationalisierungsziele werden verfolgt, wenn ein Unternehmen durch Auslandsaktivitäten versucht, seine instabile Marktstellung auszugleichen oder aber seinen Konkurrenten nachstrebt, um konkurrenzfähig zu bleiben (z.B. Lidl folgt Aldi und umgekehrt). Offensive Ziele hingegen werden von Unternehmen verfolgt, die versuchen durch internationale Tätigkeiten den Produktlebenszyklus ihres Angebots zu verlängern, die Erfahrungskurve zu durchlaufen und/ oder ihr Portfolio zu erweitern, zu kürzen oder zu verändern (z.B. Automobilhersteller, die bspw. ein Modell, das in Europa nicht mehr gut läuft, noch in Mexico anbieten (VW-Käfer). Hat ein Unternehmen das Ziel, sich mit preiswerten Rohstoffen oder kostengünstigen Arbeitskräften zu versorgen, so stellt dies ein ressourcenorientiertes Ziel dar. Können Leistungen im Ausland günstiger in Anspruch genommen werden und stellt dies die Motivation eines Unternehmens zur Internationalisierung dar, so handelt es sich um ein produktionsorientiertes Ziel . Möchte ein Unternehmen neue und profitable Kunden gewinnen, so handelt es sich um ein absatzorientiertes Ziel. 7.2.4 Wettbewerbsstrategien Eine Wettbewerbsstrategie besteht im Wesentlichen aus einer Unternehmensausrichtung, die auch in Ziele unterteilt werden kann. Außerdem besteht eine Strategie aus Maßnahmen, die es ermöglichen, diese Ziele zu erreichen. Definition Porter definiert den Begriff Wettbewerbsstrategie folgendermaßen: „Wettbewerbsstrategie ist das Streben, sich als Unternehmen innerhalb der Branche, dem eigentlichen Schauplatz des Wettbewerbs, günstig zu platzieren“ (Porter, 2014, S. 25). Um sich im Wettbewerb behaupten zu können ist es wichtig, dass ein Unternehmen sich Ziele setzt und somit eine Ausrichtung bekommt. Das Unternehmen sollte es durch seine Wettbewerbsstrategie schaffen, seine eigene Wettbewerbsposition gegenüber seinen Konkurrenten zu verbessern und langfristig gesehen rentabel in seiner Branche zu agieren. Hierbei helfen ein internationales Dienstleistungsmanagement und ökonomische Gesetze, wie der Produkt-/ Dienstleistungslebenszyklus, das Gesetz der Massenproduktion, die Erfahrungskurve usw. Durch eine klare Unternehmensausrichtung, z.B. eine umfassende Kostenführerschaft, können alle Mitarbeiter an einem Strang ziehen (siehe Abbildung oben). Kostenführerschaft bedeutet alle Abteilungen und Bereiche des internationalen Unternehmens orientieren sich an dem Produktlebenszyklus ihres/ ihrer Produkte und sparen Kosten ein, Damit durchlaufen sie im Portfolio die Quadranten Question-Mark, Stars und Cash-Cows, d.h. sie realisieren die Erfahrungskurve, die bei einer Verdoppelung der Produktionsmenge eine Senkung der Produktionskosten von 10-30 % realisieren kann. Werden diese Kostensenkungen in niedrigere Preise an den Kunden weitergegeben, so drängt man Konkurrenten aus den Markt und erhöht damit seine internationale Wettbewerbsfähigkeit. Wird die Strategie übergreifend im Unternehmen kommuniziert, kann verhindert werden, dass unterschiedliche Unternehmensbereiche in verschiedenen Richtungen streben. <?page no="443"?> 444 7 Internationales Dienstleistungsmanagement Abb. 7.5: Zum Zusammenhang von Lebenszylus, Portfoliomethode und Erfahrungskurve (in Anlehnung an Bea & Haas, 2015, S. 274 ff.; Müller-Stewens & Lechner, 2005, S. 290 und Schmeisser et al., 2015, S. 257) Übung 7.5 Welche Ziele kennen Sie im Rahmen der Internationalisierung? Die Bedeutung von Wettbewerbsstrategien besteht folglich vor allem darin, sich durch gemeinsames Agieren im Wettbewerb zu behaupten. Dies wird durch ständige Beobachtung (Monitoring ) und Analyse des Wettbewerbs, z.B. durch ein internationales Dienstleistungsmanagement von Wirtschaftsprüfungsunternehmen, Banken, Wirtschaftsinstituten, internationale Industrie- und Handelskammers, Unternehmensberatern usw., möglich. Idealerweise werden somit internationale Trends bereits dann erkannt, bevor Konkurrenten diese erkennen. Dadurch kann eine Strategie bereits angepasst werden, bevor es die Konkurrenz tut. Erst durch die vollständige Formulierung einer Strategie ist eine Unternehmung fähig, sich gegen die fünf bzw. sieben internationalen Wettbewerbskräfte in einer Branche nach Porter durchzusetzen oder gegebenenfalls durch gezielte Maßnahmen zu versuchen, das Kräftegleichgewicht in einer Branche zum eigenen Vorteil zu beeinflussen, d.h. eine neue Erfahrungskurve für die Dienstleistung und neue Strategie zu realisieren. Zusammenfassung In diesem Absatz wurden Sie mit den gängigen Internationalisierungsmotivationen im Allgemeinen und im Besonderen vertraut gemacht. Es kann beispielsweise zwischen ökonomischen und nicht-ökonomischen, sicherungs- und wachstumsorientierten, defensiven und offensiven, ressourcenorientierten, produktionsorientierten und absatzorientieren Internationalisierungszielen unterschieden werden. Weiterhin wurde eine Abgrenzung zwischen Internationalisierung und Globalisierung vorgenommen. Zudem wurde auf Wettbewerbsstrategien eingegangen und der Fachbegriff der Wettbewerbsstrategie definiert. <?page no="444"?> 7.3 Internationale Marktauswahl (für DL) 445 7.3 Internationale Marktauswahl (für DL) Lernziele Sie lernen, mit welchen Herausforderungen es verbunden ist, eine internationale Marktauswahl für eine Dienstleistung in einem fremden Land zu treffen. Hierfür eine Strategie oder Geschäftsmodell zu entwickeln ist ein Grundproblem eines jeden Unternehmens. Bei der internationalen Marktauswahl geht es darum, konkrete Länder auszuwählen, in der der Dienstleister tätig werden möchte. Welche Länder eignen sich besonders für eine Marktausweitung der angebotenen Dienstleistung? Die Entscheidung orientiert sich an dem Marktpotential und den Wettbewerbsgegebenheiten. Die Rahmenbedingungen sind hier wichtig. Zudem spielt die Kulturabhängigkeit häufig eine große Rolle, z.B. Schweinefleisch lässt sich nicht in arabischen Ländern verkaufen. Spielt die Kultur und der Glaube eine große Rolle, sollte die Marktausweitung zunächst eher in kulturell ähnlich geprägten Ländern angestrebt werden. Im 21. Jahrhundert in Zeiten des Internets und des Satelliten-TV wird von vielen Dienstleistern erwartet, dass sie international tätig sind, gerade im Bereich der investiven Services. Denn insbesondere in diesem Bereich sind viele Kunden weltweit tätig und erwarten daher von ihren Dienstleistern auch länderübergreifend ihre Services, wie Beratungsleistungen, Marktforschungsberichte, Kommunikationskonzepte oder Rechtsbehelfsbelehrungen u. ä., um diese Dinge anzubieten (Haller, 2017, S. 439 f.). Hinweis Es werden drei Formen der internationalen Marktauswahl für Dienstleister identifiziert: [1] „Die „Suche nach neuen Märkten“-Modus [2] Der „Dem Kunden folgen“-Modus [3] Der „Elektronisches Marketing“-Modus“ (Grönross, 1999; zitiert nach Haller, 2017, S. 440) Diese Modi schließen sich nicht gegenseitig aus, sie sind eher komplementär einzuschätzen. Wenn Dienstleistungskunden international tätig werden, folgen die Dienstleistungsanbieter bspw. und suchen in dem anderen Land nach neuen Märkten. Oder das Internet wird bewusst eingesetzt, um Zugang zu internationalen Märkten zu erhalten. Wenn Dienstleister international tätig werden, müssen sie einen Weg finden, um den Markt im Ausland zu bearbeiten. Häufig muss ein Teil der Dienstleistung lokal erstellt werden. Dies kann beispielsweise so aussehen, dass der jeweilige Postdienst des Landes den lokalen Teil, z.B. die Auslieferung, übernimmt, wie es häufig im Internethandel geschieht. Da Dienstleistungen eine hohe Standortgebundenheit haben, kann nicht jede Dienstleistung im Back Office des Heimatlandes erstellt werden. Hinweis Im internationalen Dienstleistungsmanagement werden fünf wesentliche Formen des Markteintritts, d. h. die Art und Weise, wie in einem anderen Land Präsenz aufgebaut wird und an die Kunden herantreten wird, unterschieden:  direkter Export  Systemexport <?page no="445"?> 446 7 Internationales Dienstleistungsmanagement  direkter Eintritt  indirekter Eintritt  elektronisches Marketing (Haller, 2017, S. 439 f.) Im B-to-B-Bereich, bei den investiven Diensten, findet häufig der direkte Export statt. Bei dieser Form der Marktbearbeitung schicken die Unternehmen ihre Mitarbeiter ins Ausland, um zu beraten oder Wartungsaufträge wahrzunehmen. Die Gefahr hierbei ist, dass Fehler sich unmittelbar auswirken und kein systematischer Verbesserungs- oder Lernprozess deutlich wird. Wird die Form des Systemexports gewählt, bedeutet das, dass zwei oder mehrere Firmen einen gemeinsamen Serviceexport vornehmen. Hierbei ergänzen sich ihre Leistungen. Ein Beispiel für Systemexport ist, wenn ein Anlagenbauer schlüsselfertige Systeme ins Ausland liefert und die Dienstleistungen wie Wartung, Reinigung, Ausbildung der Mitarbeiter und Sicherheitsservices erbringen andere Unternehmen. Im B-to-B-Bereich wird am häufigsten der Systemexport bei der Expansion von Dienstleistungen gewählt. Beim direkten Eintritt bietet eine lokale Niederlassung die Dienstleistung an und dieses muss vom ersten Tag an fehlerfrei vonstattengehen. Die Serviceanbieter müssen von einem Tag auf dem anderen mit der gesamten Bandbreite von Problemen mit dem Personal, der schnellen und fehlerfreien Produktion und eines anderen Kundenverhalten klarkommen. Lernzeit gibt es i.d.R. nicht. Hinzu kommt, dass Dienstleistungsbranchen häufig staatlich reguliert sind und die ausländischen Anbieter sich manchmal gegenüber den inländischen Mitbewerbern benachteiligt fühlen. Diesem Problem kann mit der Akquirierung lokaler Anbieter begegnet werden, wie es bspw. im Bankensektor geschieht. Ein Joint Venture ist natürlich immer eine Option des direkten Markteintritts. In diesem Fall wird ein Partner vor Ort gesucht und bspw. eine Tochtergesellschaft gegründet, die die Dienstleistung im Zielland anbietet und auch verkauft. Beim indirekten Eintritt werden Teil-Risiken der Expansion auf andere übertragen. Bspw. wird im Zielland eine permanente Vertretung aufgebaut, ohne selbst das operative Management zu übernehmen. Unternehmensberatungen vergeben z.B. Lizenzen , das Konzept und den Namen der Muttergesellschaft übernehmen zu dürfen an lokale Unternehmen. Franchising ist häufig im Hotel- und Gaststättengewerbe üblich. Das Risiko wird geteilt, da der lokale Serviceanbieter das Kapital für den Betrieb aufzubringen hat und das operative Management übernimmt. Somit ist der indirekte Markteintritt für Dienstleistungsanbieter i.d.R. weniger risikoreich als der direkte. Jedoch wird auch auf Gewinnchancen und die vollständige Kontrolle seitens des Expandierenden verzichtet. Elektronisches Marketing wird immer beliebter. Der Vorteil ist, dass Kundendaten und auch Verbraucherverhalten relativ einfach gewonnen und ausgewertet werden kann. Facebook, Ebay und Amazon sind eindrucksvolle Beispiele für die Internalisierung mittels der elektronischen Medien. Ihnen gelang es, ihr Konzept in viele Länder der Erde zu übertragen. TV-Shops sind ein anderes Beispiel für elektronisches Marketing. Der Vorteil des elektronischen Marketings als Markteintrittsstrategie ist der, dass der Dienstleister an keine physische, lokale Präsenz gebunden ist. Die Dienstleistungen können von vielen Orten überall auf der Welt angeboten und aktualisiert werden. Jedoch sollten Sprach- und Kulturbarrieren beachtet werden. Nachteilig ist jedoch, dass Dienstleister mit dieser Strategie i.d.R. Partnerunternehmen benötigen, die einen Teil der Dienstleistungsprozesse übernehmen und abwickeln, bspw. die Logistik und Zahlungsprozesse, wodurch Abhängigkeiten geschaffen werden (Haller, 2017, S. 441 f.). <?page no="446"?> 7.3 Internationale Marktauswahl (für DL) 447 Im Allgemeinen bilden die Abnehmer/ Kunden von internationalen Dienstleistungen jedoch keine/ n homogene Einheit bzw. Markt, sondern sie unterscheiden sich u.a. hinsichtlich ihrer Bedürfnisse, Präferenzen z.B. bei Kreuzfahrtschiffen oder den Transport mit Containerschiffen und der ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel. Der Absatzmarkt wird hier nicht als undifferenzierte Einheit betrachtet, sondern als ein Gebilde, das aus einzelnen Gruppierungen von Abnehmern (Clustern, Segmenten) besteht, die sich hinsichtlich bestimmter nachfragerelevanter Merkmale unterscheiden und auf die Marketing-Aktivitäten segmentspezifisch ausgerichtet werden können. Porter geht noch zwei Schritte weiter, und zwar einmal im Sinne einer Strukturanalyse in der er fünf Wettbewerbskräfte in einer Branche (Markt ) unterscheidet. Dabei hilft die Analyse die Attraktivität eines Marktes (Branche) zu verstehen und zu erkennen. Zum zweiten erweitert Porter seine Wettbewerbskräfteanalyse einer Branche mit dem Diamant-Ansatz. Mit dem Diamant-Ansatz dehnt Porter seine Überlegungen von Wettbewerbsvorteilen in einer Branche auf Nationen (Ländern) aus. Indem durch die Strukturanalyse detaillierte Informationen über ein internationales Unternehmen, seine Dienstleistung und dessen Umfeld aufbereitet werden, stellt dies eine Vorstufe zur Strategiefindung und der Wertschöpfungskette dar. Das operative Umfeld bezieht sich auf technische, soziale, ökonomische und ökologische Faktoren. Ein Markt/ eine Branche und deren Struktur sind maßgebliche Wettbewerbskräfte, die auf ein Unternehmen einwirken. Dabei besteht zum einen die Gefahr des Markteintritts neuer Anbieter , die als Konkurrenten eine Bedrohung für ein Dienstleistungsunternehmen in der Branche darstellen. Außerdem wird der Wettbewerb durch die Lieferanten und deren Verhandlungsstärke entlang der internationalen Wertschöpfungskette bestimmt, z.B. bei Containerschiffen, inwiefern die Ladung sachgerecht in die Container verpackt, per LKW oder Eisenbahn zum Kunden gebracht und/ oder beim Entladen des Schiffes weiter transportiert werden kann, ohne den Container zu öffnen. Ein weiterer Faktor ist die Verhandlungsmacht der Abnehmer und der Druck, der durch potenzielle Ersatzprodukte und/ oder weitere Dienstleistungen erzeugt wird. All diese Wettbewerbsfaktoren wirken sich auf die fünf Kräfte, den Wettbewerb der Unternehmen innerhalb einer Branche aus (z.B. es gibt viele Reedereien, die die Containerlogistik beherrschen). Es gilt nicht nur diese Wettbewerbskräfte einer Branche bzw. eines Marktes zu erkennen, sondern auch zu analysieren, auf welchen Grundlagen diese agieren (Porter, 1999, S. 34 ff.). Zusammengefasst stellen diese Wettbewerbskräfte die Intensität des Wettbewerbs innerhalb einer Branche und das daraus abzuleitende Erfolgspotenzial eines Dienstleistungsunternehmens dar. Die Strukturanalyse nach Porter ist eine allgemeine Systematisierungsvorlage. Um jedoch den Spezifikationen einer internationalen Branche gerecht zu werden, muss als zweiter Schritt noch der Diamant-Ansatz von Porter herangezogen werden. Michael Porter geht davon aus, dass einzelne Länder bzw. Nationen „natürliche“ Wettbewerbsvorteile aufweisen, und zwar wegen ihrer gegebenen Rohstoffe wie Eisen, Gold oder wegen billiger Arbeitskräfte wie in Indien, Äthiopien, Ukraine usw. In seinem Buch „The Competitive Advantage of Nations“ (Porter, 1990) vertritt Porter seine komparativen, internationalen Wettbewerbsvorteile einer Nation in Verbindung mit seinen früheren Büchern Wettbewerbsvorteile und Wettbewerbsstrategien (Porter, 1980; 1985). <?page no="447"?> 448 7 Internationales Dienstleistungsmanagement Abb. 7.6: Die fünf Wettbewerbskräfte einer Branche nach Porter ( Porter, 1990, S. 39 ff.) Beispiel Dabei werden Porters Überlegungen von empirischen Beobachtungen aus den USA, Deutschland, Italien, Dänemark, Schweden, der Schweiz, Großbritannien, Japan, Korea und Singapur geleitet, dass viele weltweit erfolgreiche Unternehmen ein und derselben Branche aus dem gleichen Land stammen, z.B. Google, Apple oder Burger King und McDonalds aus den USA oder Deutsche Bank, BMW, Puma und Adidas aus Deutschland usw. Übung 7.6 Nennen Sie die fünf Wettbewerbskräfte einer Branche nach Porter. Für Porter haben nicht alle internationalen Unternehmen einer Nation die gleichen Wettbewerbsvorteile, sondern sie sind branchenspezifisch ausgeprägt. Wettbewerbsvorteile einer Nation sind Vorteile, die es einer Nation und damit einer internationalen Unternehmung ermöglichen innerhalb einer bestimmten Branche weltweit wettbewerbsfähig zu sein. Er betont ausdrücklich kritisch, dass man nicht von der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes sprechen sollte, da es letztlich nur konkurrenzfähige Branchen bzw. Unternehmen, z.B. Ryan Air und Lufthansa oder Boeing und Airbus in diesen internationalen Dienstleistungssektoren geben könne. Porter betrachtet bei seinem Erklärungsansatz der Internationalisierung nicht die Länderebene, sondern die Branchenebene. Übung 7.7 Was versteht man unter einer internationalen Wertkette? Bitte zeigen Sie dies anhand eines Beispiels auf. Porter geht es beim Diamant-Modell um den Ursprung der Internationalisierung. Dabei spielt die Wettbewerbsfähigkeit von internationalen Branchen und Unternehmen eine wesentliche Rolle. Je besser das Zusammenspiel der sechs Diamant-Faktoren einer internationalen Unternehmung in einer Branche funktioniert, umso wahrscheinlicher ist es, dass Unternehmen wie bspw. Ikea in dieser Wettbewerb in der Branche Bedrohung durch Markteintritt neuer Wettbewerber Verhandlungsstärke Abnehmer Bedrohung durch Ersatz produkte Verhandlungsstärke Lieferanten <?page no="448"?> 7.4 Markteintritts- und -austrittsbarrieren 449 Branche im Hinblick auf Exporte und Direktinvestitionen auch im anderen Land, z.B. in Indien, auch international wettbewerbsfähig sind. Porter unterscheidet, ausgehend von seinen grundlegenden Büchern Wettbewerbsvorteile und Wettbewerbsstrategien, im internationalen Kontext folgende Kerneinflussfaktoren: (Diamant- Faktoren): (1) Faktorbedingungen, (2) Nachfragebedingungen, (3) verwandte und unterstützende Branchen, z.B. im Automobilbereich Zulieferer wie Bosch und Continental (4) Unternehmensstrategie, Struktur und Wettbewerb. Ergänzend sind noch Faktoren wie (5) die Rolle des Staates bei der Gesetzgebung sowie (6) der Zufall innerhalb der politischen Ausrichtung im Land zu nennen. Hauptaussage des Diamant-Ansatzes von Porter: Porter geht es um den Ursprung der Internationalisierung. Dabei spielt die Wettbewerbsfähigkeit von internationalen Branchen und Unternehmen eine wesentliche Rolle. Je besser das Zusammenspiel der sechs Diamant-Faktoren einer internationalen Unternehmung in einer Branche funktioniert, umso wahrscheinlicher ist es, dass Unternehmen, in dieser Branche im Hinblick auf Exporte und Direktinvestitionen im anderen Land, z.B. in Indien, auch international wettbewerbsfähig sind. Es geht darum, herauszukristallisieren, warum einzelne Länder in bestimmten Branchen erfolgreicher sind als andere. Zusammenfassung In diesem Absatz wurde vorgestellt, wie eine internationale Marktauswahl für eine Dienstleistung in einem fremden Land zu treffen ist. Hier wurde insbesondere auf die fünf Wettbewerbskräfte einer Branche und auf den Diamant-Ansatz von Porter eingegangen. 7.4 Markteintritts- und -austrittsbarrieren Lernziele Sie lernen und verstehen, dass Markteintritts- und Marktaustrittsbarrieren sich mehr oder weniger entsprechen. Wenn Sie Millionen oder sogar Milliarden Euros in einen internationalen Markt wie Indien durch Produkte und Informationen für bspw. Ikea investieren, gehen Ihnen diese Investitionen i.d.R. verloren, wenn Sie diesen Markt wieder aufgeben sollten. Sie lernen die Markteintritts- und -austrittsbarrieren an praktischen Beispielen und speziell am indischen Einzelhandelsmarkt kennen. <?page no="449"?> 450 7 Internationales Dienstleistungsmanagement Treten neue Wettbewerber in eine Branche ein, so besteht neben der Veränderung der aktuellen Wettbewerbsstrukturen auch eine Bedrohung darin, dass sich die Absatz- und Produktionsmöglichkeiten verändern. Die Kapazitäten werden gesteigert und dadurch der Wettbewerb intensiviert, denn diese Ausweitung bewirkt ein Sinken der Preise und des Ertrages, den ein Unternehmen erzielen kann. Auch die Kosten eines Unternehmens können durch neue Marktteilnehmer erhöht werden. Da es bei der Übernahme eines bereits bestehenden Unternehmens durch ein branchenfremdes Unternehmen, meist das Ziel ist, die Marktstrukturen zu verändern, wird auch dies wie der Markteintritt eines neuen Unternehmens bewertet. Sobald die Eintrittsbarrieren in einer Branche sehr hoch sind und die Unternehmen in der Branche ihre Marktstellung halten können, ist das Risiko eines Eintritts von neuen Unternehmen eher gering, denn der Markt ist nicht besonders attraktiv. 7.4.1 Markteintrittsbarrieren Kurzer Überblick Markteintritts- und -austrittsbarrieren Das größte Risiko im internationalen Dienstleistungsmanagement ist alles zu verlieren. Es kann zu Enteignungen, Beschlagnahme und Verstaatlichungen etc. kommen, und je größer die Entfernungen zwischen den verschiedenen Ländern sind, desto schwieriger wird es i.d.R., Geschäfte zu betreiben. Typische Markeintrittsbarrieren sind Zölle, unterschiedliche Sprachen, Währungen und Werte. Neben den Eintrittsbarrieren spielen jedoch auch die Marktaustrittsbarrieren eine große Rolle und diese sollten schon vor dem Markteintritt mitgedacht werden. Denn je höher die Kosten des Marktaustritts, desto weniger lohnt sich der Markteintritt. Ein Marktaustritt kann durch die Veränderungen der Rahmenbedingen (Kriege, Krisen etc.) notwendig werden. Eventuell müssen die Mitarbeiter in dem Krisenland noch am gleichen Tag ausgeflogen werden, da ansonsten ihr Leben in Gefahr wäre. Der Rückzug aus dem bestehenden Auslandsengagement wird erschwert. Daher werden die Marktaustrittskosten häufig als „sunk costs“ bezeichnet. Typische sunk cost-Beispiele sind - Standortgebundene Investitionskosten, - Abfindungen von Mitarbeitern, zu erbringende Service- und Garantieleistungen, - Verlust bestehender Geschäftsverbindungen. Definition Sunk costs (versunkene Kosten) sind die Kosten, die bereits angefallen sind und nicht (bspw. durch den Verkauf) wieder rückgängig gemacht werden können. Diese Kosten sollten bei der Entscheidung, ob ein Projekt weitergeführt werden soll oder nicht, nicht mit in die Bewertung einfließen. Diese Kosten sind „verloren“ (sunk costs, n.d.). Erzielung von Skaleneffekten Laut Porter sind Skaleneffekte zu erwarten, wenn das „Absinken der Stückkosten einer Dienstleistung bei steigender absoluter Ausbringungsleistung pro Periode“ entsteht (Porter, 1999, S. 37 ff.). <?page no="450"?> 7.4 Markteintritts- und -austrittsbarrieren 451 Ebenfalls bezieht sich diese Aussage auf das Absinken der Stückkosten bei der Verdoppelung des Absatzes eines Produktes bezogen auf die jeweilige Periode. Die absinkenden Stückkosten sind das Ergebnis einer steigenden Produktionsmenge. Skaleneffekte können dann in nahezu jedem Unternehmensbereich generiert werden. Sind, um Skaleneffekte zu erzielen zu können, bei Markteintritt sehr hohe Investitionen zu tätigen, so birgt dies ein hohes Risiko und wirkt abschreckend auf potenzielle neue Wettbewerber. Definition „Als ein Skaleneffekt (engl. economies of scale) wird in der Produktionstheorie das Verhältnis der Produktionsmenge zur Menge der genutzten Produktionsfaktoren bestimmt. Der auch als „Größenvorteil“ oder „Größenkostenersparnis“ bekannte Skaleneffekt beschreibt den Umstand, wenn mit einer Intensivierung der Produktionsfaktoren auch die Produktionsmenge steigt. Idealerweise sinken die Produktions- und Selbstkosten bei steigender Produktionsmenge. Abhängig vom Verhältnis zwischen Input und Output wird von drei Arten von Skaleneffekten gesprochen: konstant, negativ und positiv.“ (http: / / www.betriebswirtschaft-lernen.net/ erklaerung/ skaleneffekte/ , Aufruf 14.10.2019) Positive Skaleneffekte im Einzelhandel (klassische Dienstleister) liegen dann vor, wenn die Fixkosten unterproportional ansteigen, z.B. aufgrund der Massenproduktion und dies z.B. durch die Spezialisierung von Mitarbeitern, dem Einsatz von kostengünstigen Maschinen, dem unterproportionale Anstieg der Lagerhaltung oder Mengenrabatten beim Einkauf der Produkte, erzielt werden (Demmler, 1992, S. 295; Lingenfelder, 1996, S. 186 ff.). Beispiel Bspw. sind in Indien dazu einige der Haupttrends zu erkennen bei Zusammenschlüssen von Unternehmen, bei der freiwilligen Bildung von Unternehmensketten und zentralgesteuerten Franchisesystemen. Einige der großen Hersteller haben starke Markennamen und weitreichende Distributionsnetzwerke entwickelt, mit denen sie gemeinsam mehr als eine Million Einzelhandelsfilialen betreiben. Daraus entstanden potenzielle Skaleneffekte für große Einzelhändler. Doch die Anzahl derer, die diese Skaleneffekte ausnutzen können, ist noch immer begrenzt. Produktdifferenzierung Durch außergewöhnliche Werbemaßnahmen oder durch die eigene Gründung in einer Branche, sowie durch ein besonderes Produkt und/ oder eine spezielle Serviceleistung, kann ein Unternehmen eine Differenzierung von anderen Unternehmen in einer Branche erzielen. Damit kann es ein Unternehmen schaffen, um sich so von der Konkurrenz abzuheben, dass beim Kunden eine Präferenz entsteht, und das Produkt und deren Dienstleistung sich durch Vergleichbarkeit mit den Produkten und Dienstleistungen anderer Unternehmen abgrenzt. Es entstehen Kundenbindung und -loyalität. Dies kann insbesondere durch ein langes Bestehen eines Unternehmens in einer Branche erzielt werden und senkt somit die Eintrittsbarrieren. Im modernen Dienstleistungsunternehmen wie dem Einzelhandel geht es vor allem darum, den Kunden einen Erlebniseinkauf zu bieten, den dieser immer wieder in Anspruch nehmen möchte. Doch ein wirkliches Erlebnis bei den Kunden auszulösen ist gar nicht so einfach und noch schwieriger wird dies im internationalen Kontext. <?page no="451"?> 452 7 Internationales Dienstleistungsmanagement Hinweis Besonders in Indien, wo sich der Einzelhandel gerade rasant entwickelt, gilt es das Konzept Erlebniskauf ernst zu nehmen. nämlich durch entsprechende Werbestrategien. Schon einige der Global Player im Einzelhandel haben den indischen Markt für sich entdeckt und somit hat sich die Wettbewerbssituation und die Notwendigkeit der Differenzierung verschärft. Die Auswahl ist groß und die Bandbreite der Orte und Marken, mit denen der indische Konsument konfrontiert wird, haben sich extrem durch ein Dienstleistungsmanagement gesteigert. Trotzdem sind diese Produkte derzeit aufgrund fehlender Markenwerbung recht austauschbar für den Kunden. Der indische Konsument hat damit begonnen, Einzelhändler anhand von verschiedenen Attributen zu vergleichen und möchte, dass seine Erwartungen erfüllt oder sogar übererfüllt werden. In der Zukunft könnte eines der ausschlaggebenden Argumente eines Kunden bei der Kaufentscheidung also das internationale Ladenbild sein. Durch die Öffnung des indischen Einzelhandels haben verschiedene Einzelhandelsformate bereits im Markt Fuß gefasst. Die meisten davon sind Lebensmittelgeschäfte. Um die Konsumenten zu gewinnen und dauerhaft an sich zu binden, ist es notwendig differenzierte Dienstleistungskonzepte zu entwickeln (Saraswat, Mammen, Jayesh & Tewari, 2010, S. 25 ff.). Umstellungskosten Umstellungskosten bei Dienstleistungen fallen einmalig an, wenn ein Abnehmer, zum Produkt eines anderen Lieferanten wechselt. Alle Kosten die sowohl mit der Beendigung der bisherigen Geschäftsbeziehung als auch mit Aufbau der neuen Lieferanten anfallen sind Umstellungskosten. Dies können z.B. Mitarbeiterschulungen oder Systemanpassungen an die Gegebenheiten des neuen Lieferanten sein. Sobald hohe Umstellungskosten anfallen, müssen die Leistung oder der Preisvorteil beim neuen Lieferanten deutliche Vorteile für den Abnehmer gewährleisten, andernfalls ist es nicht wirtschaftlich für einen Abnehmer sich von seinem bisherigen Lieferanten zu trennen (Porter, 1999, S. 41). Beispiel Jedes Einzelhandelsunternehmen stellt bspw. für den Konsumenten einen potenziellen Lieferanten dar. Umstellungskosten bestehen in diesem Fall aus Informationskosten, Wegekosten und einem eventuell höheren Zeitaufwand. Die eher geringen Umstellungskosten im Einzelhandel sind eines der Kriterien, die dazu führen, dass die Konsumenten auf dem indischen Einzelhandelsmarkt eine geringe Loyalität zu Unternehmen aufweisen. Da in Indien über 14 Millionen Einzelhandelsgeschäfte im Möbelbereich, bestehen, können 1000 Bürger auf ca. zehn Einzelhandelsgeschäfte zurückgreifen (IMF, 2019; BEF, Retail India, 2017, S. 3 f.; Jary, Schneide, Wileman, Markenpower, 1999, S. 86). Die vielen Filialen tragen zu geringen Umstellungskosten für die indischen Konsumenten bei. Kapitalbedarf Um in eine Branche einzusteigen sind häufig große Investitionen und damit einhergehend ein hoher Kapitalbedarf notwendig. Dieser wird für Marketing, F&E, Mitarbeiterschulungen und weiter Maßnahmen benötigt. Diese Investitionen schaffen hohe Einstiegsbarrieren in eine Branche, insbesondere dann, wenn das Kapital in eher risikobehaftete Investitionen wie immaterielle Vermögenswerte, z.B. Mitarbeiterschulung. Marketing und Weiterentwicklung der Produkte investiert werden muss. Häufig ist es jedoch unabdingbar, diese Investitionen zu tätigen, wenn Skaleneffekte über die Zeit erzielt werden sollen (Porter, 1999, S. 44). <?page no="452"?> 7.4 Markteintritts- und -austrittsbarrieren 453 Die wahrscheinlich höchsten Eintrittskosten sind mit einem Markteintritt durch die Akquisition eines Unternehmens verbunden. Doch garantiert dies auch einen etablierten Namen und bereits bestehende Marktanteile. Die Höhe des Kapitalbedarfs ist abhängig von den jeweiligen Marktanteilen, die ein akquiriertes Unternehmen aufweist (Pietersen & Schrahe, 2004, S. 237 f.). Beispiel So kaufte z.B. die Future Group in Indien Lebensmittelunternehmen in weniger als fünf Jahren auf, um sich das Filialnetz, den Marktanteil und die etablierten Namen zu sichern und für sich zu nutzen (The Economic Times, 2016) Eine weitere Möglichkeit eine Branche zu erschließen ist es organisches Wachstum zu erzielen, in dem zuerst Testfilialen eröffnet werden und dann versucht wird dieses Konzept auch auf andere Filialen zu übertragen. Statt direkt zu Beginn große Summen zu investieren, sind hier eher zum Ausbau des Filialnetzes und für Marketingaktivitäten vermehrt Kosten zu entrichten. Wie hoch diese Investitionen sind, hängt davon ab, welche Strategie und welches Betriebsformat gewählt werden. Beispiel Auch hier lässt sich die Future Group in Indien mit ihrem Plan günstige Textilien anzubieten, nennen. Derzeit haben sie bereits 300 erfolgreiche Filialen eröffnet und planen weitere 80 Eröffnungen in Kürze. Damit strebt die Future Group einen Umsatz von ca. 155 Mio. $ an. Geplant ist auch die Ausweitung des Filialnetzes in weitere Teile Indiens, die aktuell noch nicht ins Visier genommen wurden (Pietersen & Schrahe, 2004, S. 239). Eine andere weitere Strategie den Kapitalbedarf niedrig zu halten ist das Joint Venture. Dabei teilen sich die beiden Partner bspw. die zu tätigenden Investitionen. Wichtig ist allerdings, dass sie sich einig sind, was die Expansionspläne in z.B. Indien angeht (Pietersen & Schrahe, 2004, S. 239). Beispiel Um bspw. den indischen Einzelhandel zu erschließen, bildeten 2006 Lee Cooper und Pantaloon Retail (Indien) ein Joint Venture. Die beiden Unternehmen schlossen sich insbesondere für die Bereiche Brand-Management, Franchising, Groß- und Einzelhandel zusammen. Unter Franchising versteht man, ein Geschäftsmodell des vertikalen Marketings, das mit samt dessen Markennamen, F&E und Marketingservice, gegen eine Gebühr in Anspruch genommen werden kann, jedoch nicht strategisch und operativ nicht selbstständig durchgeführt werden kann, ohne den Franchising-Geber zu fragen. Beispiel Ein erfolgreiches Franchise-Beispiel in Indien ist der Schuheinzelhändler Bata. Dieses Beispiel zeigt, dass der Kapitalbedarf stark von der Strategie abhängt, die genutzt werden kann, um in eine Branche erfolgreich einzutreten (Kearney, 2016; Kearney, 2017). Größenunabhängige Kostenvorteile Durch das dauerhafte Bestehen eines internationalen Unternehmens am Markt erzielen diese etablierten Unternehmen Kostenvorteile gegenüber neuen Unternehmen, da die fixen Kosten auf eine größere Anzahl von Produkten und/ oder Dienstleistungen umgelegt werden können (Gesetz der Massenproduktion). <?page no="453"?> 454 7 Internationales Dienstleistungsmanagement Definition „Das Gesetz der Massenproduktion besagt: Je höher die Kapazitätsauslastung und die Ausbringungsmenge zur Herstellung von Massengütern ist, desto geringer werden die fixen Kosten (Kosten, die unabhängig von der Herstellungsmenge immer anfallen, z. B. Miete, Gehälter, Versicherungen) pro Stück und umso niedriger werden damit die gesamten Stückkosten sein.“ (Bundeszentrale für politische Bildung, 2019) Insbesondere bei komplexen Arbeitsvorgängen im Dienstleistungsmanagement ist die Kostendegression ein wichtiger Faktor zur Effizienzsteigerung. Ein weiterer Faktor ist der Zugang zu preiswerten Rohstoffen bzw. Inputs. Meist haben Unternehmen, die schon länger in einer Branche agieren, bereits preiswerte Beschaffungsquellen eruiert und können somit auch ihre zukünftigen Inputs zu guten Konditionen absichern. Kostenvorteile gegenüber den Wettbewerbern der Branche können außerdem durch unternehmenseigene, preiswerte Produktgestaltung erzielt werden. Wurden erst einmal Produkttechnologien, Know-how oder spezifische Merkmale an Produkten entwickelt, so gilt es diese durch den gewerblichen Rechtsschutz zu schützen, um den Kostenvorteil nachhaltig aufrecht erhalten zu können (Porter, 1999, S. 42). Das Analysieren von Umsätzen und von Trends durch erfahrene Mitarbeiter in der Unternehmensleitung ist ein bedeutender Faktor um langfristig erfolgreich im Dienstleistungssektor zu agieren. Ist ein Unternehmen diversifiziert aufgestellt, so können die einzelnen Unternehmensbereiche auf die bereits aufgebauten Strukturen vertrauen, was zusätzliche Investitionen vermeidet und dazu führt, dass bestehende Kapazitäten besser ausgelastet werden können (Porter, 1999, S. 42 ff.). Beispiel 7.1 So hat Ikea seit 2014 seine Beschaffungsmengen in Indien verdoppelt, um sich diesem Markt immer mehr anzunähern und sich einen Eintritt auch auf der Einzelhandelsseite Stück für Stück weiter zu erobern (Quartz India, 2016, https: / / qz.com/ 755892/ ikea-india-first-store-construction/ (Stand: 9.06.2017). Einzelhandelsunternehmen, die bereits am Mark bestehen, verfügen meist auch über gute Standorte . Dies führt dazu, dass geeignete Standorte von Konsumenten stark frequentiert werden, aber für neue Einzelhändler nicht mehr zur Verfügung stehen. Die aufwendige Standortsuche und damit verbundenen Kosten, erschweren es neuen Marktteilnehmern in die Branche einzutreten (Porter, 1999, S. 42 ff.). Berücksichtigt man den Boom im Immobilienhandel und die steigenden Kosten für Immobilien, sind hohe Investitionen in Standorte notwendig. Beispiel 7.2 Indien hat bspw. schon ein sehr hohes Mietniveau und dazu sind die Mieten in den letzten Jahren um ca. 50% gestiegen. Besonders in stark frequentierten Lagen sind die Mieten hoch und freie Standorte für Ladengeschäfte kaum mehr zu finden. Gleichzeitig sind auch hohe Investitionen, um eine effiziente Logistik- und Beschaffungsinfrastruktur zu erzielen, notwendig (Pradhan, 2012, S. 57 f.; Deloitte, 2013, S. 16). <?page no="454"?> 7.4 Markteintritts- und -austrittsbarrieren 455 Der Ausgestaltung der Einzelhandelsfunktion mit dem Ziel daraus Wettbewerbsvorteile zu generieren, kann nicht durch Patente geschützt werden und derartige Bemühungen werden deshalb häufig imitiert. Eine Imitation dieser Kostenvorteile ist meist nur dann möglich, wenn sich die Optimierungen auf das Ladenbild oder die Logistik bezieht. Handelt es sich jedoch um einen nicht sichtbaren Prozess im Unternehmen so kann dies zu einem dauerhaften Vorteil werden. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Supply Chain gelegt werden, da diese enorme Einsparungspotentiale bietet (Fensky, 2004, S. 344 ff.). 7.4.2 Staatliche Politik Durch verschiedene Anforderungen des Staates, wie zum Beispiel: Kontrollen, Umwelt-, Sicherheits- und Effizienzvorschriften, wird der Markteintritt für neue Unternehmen erschwert. Diese Anforderungen erhöhen meist den Kapitalaufwand und bergen somit auch eine Barriere. Der Markteintritt kann durch staatliche Auflagen sogar komplett verhindert werden, wenn es sich um Lizenzbestimmungen oder Zugangsbeschränkungen zu essentiellen Ressourcen handelt (Porter, 1999, S. 45). Eine vollständige Erläuterung aller staatlichen Regelungen, die Einfluss auf Dienstleistungen haben können, ist in diesem Rahmen nicht möglich. Es können nur einzelne bedeutsame Aspekte hervorgehoben, die für den Markteintritt potentieller Konkurrenten von Bedeutung sind. Beispiel 7.3 Was den indischen Einzelhandel angeht, sind insbesondere die staatlichen Regulierungen in Bezug auf ausländische Direktinvestitionen, von Bedeutung. Im November 2011 kündigte Indiens Zentralregierung Einzelhandelsreformen für den Marken-Einzelhandel und den Multi- Marken-Einzelhandel an. Diese Marktreformen ebneten den Weg für Wettbewerber in den Markt, und zwar aus dem mit Multi-Marken-Segment wie Walmart, Carrefour und Tesco sowie einzelne Marken-Einzelhändler wie Nike und Apple (The Economist, 2008). Da diese Reform sehr umstritten war, wurde sie für kurze Zeit auf Eis gelegt und nicht sofort umgesetzt (The Wall Street Journal, 2011). 2012 wurden 100%ige Direktinvestitionen im Marken-Einzelhandel und 51%ige Investitionen im Multi-Marken-Einzelhandel zugelassen. Seit 2015 können Einzelhandelsunternehmen ihre Produkte online, ohne jegliches staatliche Einverständnis, verkaufen. Auch die Beschaffungsnormen haben sich entspannt (Knight Frank Research, 2015, S. 11). Durch diese Entwicklung haben viele Textil-Einzelhändler den Schritt nach Indien gewagt, dazu zählen Aeropostale, Gap und Topshop. Topshop nutzte zum Beispiel einen E-Commerce Auftritt in Kooperation mit einem indischen Unternehmen, während H&M als erstes internationales Bekleidungsgeschäft mit einer 100%igen Direktinvestition, das Geschäft im indischen Markt aufnahm (Kearney, 2016, S. 7). Es bestehen in verschiedenen Teilen des Landes weiterhin unterschiedliche gesetzliche Regelungen. So erlauben es manche Regionen ausländischen Einzelhändler wie Walmart Niederlassungen zu eröffnen, während andere Regionen es nicht erlauben. Normen und Vorschriften können vor allem im Lebensmitteleinzelhandel, der großen Wert auf strikte Regelungen legt, einen erfolgreichen und schnellen Markteintritt verhindern. Dadurch können sich bereits bestehende Unternehmen auf den Markteintritt vorbereiten und sich mit Vergeltungsmaßnahmen gegen neue Wettbewerber wappnen (CIOL, 2012). <?page no="455"?> 456 7 Internationales Dienstleistungsmanagement Hinweis Wenn Einfluss auf den Staat genommen werden soll, wird häufig der Begriff Public Affairs (PA) genutzt. Mit PA wird versucht, Entscheidungsprozesse zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft strategisch zu beeinflussen ( Althaus, 2005, S. 2). Public Affairs Agenturen bieten bspw. klassische Politikkommunikation, Politikberatung und Corporates Social Responisibility (CSR) als Kernkompetenzen an. 7.4.3 Zu erwartende Reaktionen der Wettbewerber Weitere Markteintrittsbarrieren sind die Reaktionen, die von bereits am Markt bestehenden Unternehmen zu erwarten sind, um den Eintritt eines neuen Anbieters zu verhindern. Sobald es sein kann, dass Wettbewerber mit Vergeltungsmaßnahmen reagieren, erscheint der Markteintritt als risikoreich. Ein Indiz dafür kann sein, dass gegen bereits früher eintretende Unternehmen harte Vergeltungsmaßnahmen ergriffen wurden. Dies ist möglich, sobald die etablierten Unternehmen über überschüssige Liquidität, ausgeschöpfte Kreditlinien, unausgelastete Produktionskapazitäten oder eine starke Position gegenüber den Kunden verfügen. Außerdem besteht eine hohe Chance als neuer Wettbewerber mit Vergeltungsmaßnahmen bestraft zu werden, wenn es sich um einen Markt handelt, indem hohe illiquide Aktiva getätigt werden müssen. Da die Marktaustrittsbarrieren, dann sehr hoch sind, werden die etablierten Unternehmen am Markt alles versuchen, um weitere Unternehmen vor dem Markteintritt zu stoppen. In Branchen, in denen nur wenig Marktwachstum vorherrscht, gelten die gleichen Risiken. Denn ein Markteintritt eines neuen Unternehmens würde immer auf Kosten des Marktanteils der bereits bestehenden Unternehmen gehen (Porter, 1999, S. 45). Hinweis Was Indien angeht, bestehen die stärksten Reaktionen in Bezug auf die Wettbewerber in der Politik, die der Staat bezüglich ausländischer Direktinvestitionen betreibt. Es besteht die Angst, dass durch Markteintritt neuer ausländischer Wettbewerber auf dem Markt indische Geschäfte schließen müssen und somit ein massiver Arbeitsplatzverlust erzeugt wird. Wenn große Handelsketten wie Walmart in den Markt drängen, so stellen diese Personal ein, jedoch kann am Beispiel von den USA beobachtet werden, dass Walmart eher sparsam Personal einstellt. Dies würde bedeuten, dass viele Millionen Arbeitsplätze zerstört und nur wenige neue geschaffen werden. Definition 7.1 „Unter einer Direktinvestition wird eine grenzüberschreitende Investition verstanden, durch die ein dauerhafter Einfluss auf eine ausländische Unternehmung ausgeübt werden soll („Kontrollmotiv“) (Kutscher & Schmid, 2011, S. 1439). Ein weiteres Risiko besteht darin, dass große Handelsketten ihre Waren direkt beim Lieferanten beschaffen. Somit wird zum einen der „Mittelmann“ überflüssig, zum anderen haben große Unternehmen aber auch die Möglichkeit, Druck auf die Lieferanten auszuüben und deren Preise zu drücken. Um jedoch die lokale Wirtschaft zu unterstützen, sind kleine Einzelhändler von großer <?page no="456"?> 7.4 Markteintritts- und -austrittsbarrieren 457 Bedeutung. Diese beschaffen ihre Waren meist in der direkten Umgebung, was für lokale Lieferanten essentiell ist. Große Einzelhändler beschaffen häufig in anderen Regionen (The Telegraph, 2011). Beispiel 7.4 Ein Einzelhandelsgigant wie Walmart hätte also die Chance, die Preise zu senken und somit Konkurrenten aus dem Markt zu drängen. Sobald dieser erst mal eine monopolistische Marktposition einnehmen würde, könnte er die Preise wieder erhöhen. Da die lokalen Einzelhändler über zu wenig Kapital verfügen, haben sie selbst nicht die Mittel, um Vergeltungsmaßnahmen gegen solche starken Wettbewerber anzuwenden. Diese können lediglich versuchen, Barrieren für neue Wettbewerber zu schaffen, indem sie sich mit lokalen Lieferanten zusammenschließen. Jedoch bleibt dann immer noch das Risiko, dass die neuen Wettbewerber auf andere Lieferanten zurückgreifen, bestehen. Deshalb sind bestehende Einzelhändler auf die Regulierung von neuen Einzelhändlern durch staatliche Reformen angewiesen. Auf der anderen Seite gilt es zu berücksichtigen, dass der Einzelhandel eine kapitalintensive Branche ist und hohe Investitionen in Indien nötig sind, um die Infrastruktur so zu gestalten, dass der gesamte Markt wachsen kann. Dafür sind ausländische Investitionen notwendig. Experten vermuten, dass kleine lokale Einzelhändler neben den großen Einzelhandelsformaten weiterhin bestehen können (The Economic Times, 2006). Zwischenfazit der Eintrittsbarrieren am Beispiel Indien Die Barrieren, um bspw. in den indischen Einzelhandelsmarkt einzutreten, scheinen weniger ausgeprägt zu sein. Insbesondere für ausländische Unternehmen sinken die Barrieren und machen so den Markteintritt einfacher. Obwohl immer noch staatliche Regulierungen diesbezüglich bestehen und diese in verschiedenen Landesteilen in Indien unterschiedlich ausgeprägt sind, wurden diese in den letzten Jahren zu Gunsten von neuen Wettbewerbern, insbesondere derer aus dem Ausland, verändert. Besonders die Differenzierung spielt auf dem indischen Einzelhandelsmarkt eine wichtige Rolle. Da dieser rasant wächst, werden die Kunden immer anspruchsvoller und möchten, dass ihre Bedürfnisse gestillt werden. Da der Differenzierungsgrad des Einzelhandels aber noch begrenzt ist, stellt dies keine maßgebliche Eintrittsbarriere dar. Auch die Umstellungskosten sind durch ein zu viel an Filialen zu vernachlässigen. Auch wenn Kapitalkosten, die bei einem Markteintritt anfallen eher gering sind, so sind auf Dauer erhoffte Skaleneffekte von großer Bedeutung. Diese sind aber eher schwer zu erzielen und Unternehmen versuchen durch Zusammenschlüsse ihre Rentabilität zu verbessern. Bis auf die staatlichen Regulierungen und die Möglichkeit, dass diese wieder zunehmend protektionistisch verändert werden könnten, bestehen eher geringe Eintrittsbarrieren auf dem indischen Einzelhandelsmarkt. Dem geringen Markteintrittsrisiko steht vor allem auch eine ausgeprägte Attraktivität durch stetiges Wachstum gegenüber, was die geringen Risiken relativiert und Unternehmen weiterhin motivieren wird, in den indischen Markt einzutreten. <?page no="457"?> 458 7 Internationales Dienstleistungsmanagement 7.5 Bedrohung durch Ersatzprodukte Ersatzprodukte können identifiziert werden, indem man nach branchenfremden Produkten und Dienstleistungen sucht, die dieselbe Leistung besitzen wie das der eigenen Branche. Auch Produkte oder Dienstleistungen, die eine weitere oder eine geringere Funktion erfüllen, zählen zu den bedrohlichen Ersatzprodukten. Sobald es ein Produkt aus einer anderen Branche gibt, das brancheneigene Produkt substituieren kann, nimmt das Ertragspotential ab. Je besser das Preis-/ Leistungsverhältnis des Substitutionsproduktes ist, desto begrenzter sind die Gewinne in der Branche (Porter, 1999, S. 56 ff.). Außerdem wirken sich Substitutionsprodukte negativ auf die Nachfrage einer Branche und die Nachfrage eines Einzelunternehmens aus, da ein gewisser Anteil der Nachfrage in eine andere Branche abwandert. Die Dienlichkeit eines Ersatzproduktes liegt eindeutig im Auge des Betrachters, da jeder Nutzer ein Produkt anders verwendet und bewertet (Porter, 1999, S. 56 ff.). Neben dem Ersetzen an sich, sind vier weitere Möglichkeiten zu berücksichtigen, die ebenfalls eine Art Substitution darstellen. Die erste Möglichkeit ist der vollständige Verzicht auf ein Produkt. Des Weiteren gibt es die Option der Reduktion des für die Funktionserfüllung notwendigen Nutzungsgrades eines Produktes, indem es effizienter eingesetzt wird. Auch können gebrauchte Produkte erworben werden und der Kauf eines neuen Produktes einer Branche somit ersetzt werden. Die letzte Möglichkeit besteht in der Rückwärtsintegration. In Branchen in denen keine direkte Bedrohung durch Ersatzprodukte oder Dienstleistungen bestehen, können jedoch die Produkte der Abnehmer miteinander konkurrieren, was eine nachgelagerte Substitutionsgefahr darstellt. Definition Rückwärtsintegration: „Übernahme einer oder mehrere Fertigungsstufen(n), die bisher von einem Zulieferer durchgeführt wurde(n)“ (Rückwärtsintegration, 2020). 7.5.1 Verhandlungsstärke der Lieferanten Ob eine Branche gewinnbringend ist oder nicht wird maßgeblich von der Machtposition eines Unternehmens gegenüber den Lieferanten beeinflusst. Die Macht der Lieferanten definiert sich vor allem über ihre indirekte Einflussnahme auf die Erhöhung der Preise und darin die Qualitätsstandards der Produkte und Dienstleistungen zu verändern sowie die Belieferung einzustellen. Diese Faktoren sind genau die umgekehrte Variante zu den Möglichkeiten wie die Abnehmer ihre Machtposition ausüben können (Porter, 1999, S. 61 f.). Der Lieferant nimmt eine starke Machtposition gegenüber dem Abnehmer ein, sobald der von ihm gelieferte Input einen markanten Anteil am späteren Output des Abnehmers ausmacht oder dieser Input einen Einfluss auf die Qualität des späteren Endproduktes hat. Wenn der Abnehmer außerdem keine Möglichkeit zur Lagerhaltung hat, verschlechtert sich seine Position gegenüber dem Lieferanten noch mal um ein Weiteres und es besteht eine hohe Abhängigkeit vom Lieferanten (Porter, 1999, S. 62). Beispiel Einzelhandel bedeutet bspw., Waren an Konsumenten zu verkaufen, dafür ist die Lieferung von Konsumgütern äußerst wichtig. Ein großer Trend in der Einzelhandelsbranche ist die Minimierung von Lagerbeständen zu Gunsten der Kostenstruktur. Manche Produkte weisen eine relativ kurze Lagerdauer auf, insbesondere sind davon Lebensmittel betroffen. Auch in dieser Hinsicht <?page no="458"?> 7.5 Bedrohung durch Ersatzprodukte 459 ist eine regelmäßige Belieferung mit Waren für die Einzelhandelsbranche relevant (Saxena, 2005, S. 479 ff.). Die Abnehmer haben eine gute Verhandlungsposition gegenüber den Zulieferern, sobald zwischen diesen ein starker Wettbewerb besteht. Außerdem bietet dies für die Abnehmer ein großes Angebot an Möglichkeiten für die Beschaffung von Substitutionsprodukten (Porter, 1999, S. 62). Beispiele Indien importierte bspw. im Jahr 2015 insgesamt Konsumgüter wie Textilien, Papierprodukte, Schuhe und Kopfbedeckungen, Holzprodukte, tierische Produkte und Gemüse, Kunst und Antiquitäten und Lebensmittel, im Wert von 33,9 Milliarden US-Dollar (OEC, 2015). Während dies aktuell nur ca. 5% des gesamten Einzelhandels ausmacht, wird erwartet, dass sich dieser Anteil um mehr als 50% steigert. Internationale Einzelhändler wie Tesco oder Walmart betreiben schon lange globales Sourcing. Doch sind nun auch indische Einzelhandelsketten dabei, ihre Beschaffung auch außerhalb der Landesgrenzen zu erweitern, um größere Gewinne erzielen zu können und ihren Konsumenten den besten Preis zu bieten. Aktuell versuchen Big Bazaar, Ebony, Shoppers’ Stop, Westside und sogar Subhiksha global zu den günstigsten Preisen einzukaufen. Der Einzelhändler Pantaloon, der Future Group, hat damit begonnen Einkaufsbüros in Hongkong und China aufzubauen. Dies sind die ersten Übersee-Aktivitäten eines inländischen Einzelhändlers. Indien versucht nun einfach ebenfalls die besten Preise zu erzielen. Dabei sind wichtige Produktkategorien, die global beschafft werden, Dekorartikel, Kleidung, Accessoires, Möbel und Elektronik. Doch kleine, lokale Unternehmen tun sich noch immer schwer damit, Artikel wie Kleidung international zu beschaffen, denn es herrschen komplizierte Zollvorschriften. Doch wird vermutet, dass mit dem Wachstum von inländischen Einzelhandelsunternehmen auch der Anteil an global beschafften Artikeln zunehmen wird. Durch Global Sourcing erhoffen sich diese Unternehmen neben Skaleneffekten auch die Möglichkeit sich durch diese Produkte strategisch zu differenzieren (Indian Supply Chain Magazine, 2016). Um vom Global Sourcing unabhängig zu bleiben, versuchen manche Unternehmen zwei bis drei Hauptlieferanten zu gewinnen und diese dann auch zu verpflichten. Somit kann die Lieferbereitschaft und -fähigkeit gesichert werden. Werden jedoch geringe Auftragsmengen vereinbart, kann sich dies in schlechteren Konditionen widerspiegeln (Hansen, 1990, S. 488). Benötigt ein Abnehmer ein differenziertes Produkt von seinem Zulieferer so stärkt dies die Verhandlungsposition des Lieferanten, denn es ist nicht so einfach möglich den Lieferanten zu wechseln. Undifferenzierte Produkte jedoch bieten den Abnehmern die Möglichkeit, die Preise zu drücken und Lieferanten gegeneinander auszuspielen (Porter, 2014, S. 61 ff.). Der Einzelhandel stellt im Prinzip eine Art Zwischenhändler dar. Produkte werden von Großhändlern bezogen und an Konsumenten weiterverkauft. Dabei sind alle Differenzierungen, die der Konsument als Vorteil ansieht, von großer Bedeutung für den Einzelhändler. Spielen die verschiedenen Modifikationen der Produkte der Anbieter für den Endverbraucher keine Rolle, so sind sie auch für den Einzelhändler unwichtig. Weisen Produkte für die Konsumenten wahrnehmbare Vorteile auf, so können die Einzelhändler diese Produkte nicht beliebig substituieren, ohne dass das Risiko besteht die Kunden zu verlieren. Durch die extreme Sättigung der Konsumgüterindustrie verlieren die Absatzprogramme zunehmend an Attraktivität. Im Einzelhandel besteht bei den meisten Produktsegmenten eine so geringe Differenzierung, dass diese für den Konsumenten nicht erkennbar ist. Dies stärkt die Verhandlungsposition des Einzelhandels gegenüber dessen Zulieferern (Bruhn, 1997, S. 10 ff.). <?page no="459"?> 460 7 Internationales Dienstleistungsmanagement Die Machtposition eines Lieferanten oder eines Unternehmens wird durch das Anfallen von Umstellungskosten beim Wechsel zu einem anderen Vertragspartner geschwächt (Porter, 1999, S. 62). Sowohl Lieferanten als auch Unternehmen müssen beim Wechsel des Vertragspartners Umstellungskosten tragen. In welchem Umfang diese anfallen ist maßgeblich vom bisherigen Ausmaß der Zusammenarbeit der beiden Parteien abhängig. Meist fallen Kosten im Zusammenhang mit der Suche von neuen Vertragspartnern und für Qualitätstest an. Der Zulieferer ist mit Kosten, die im Zusammenhang mit der Anpassung des Produktdesigns stehen, konfrontiert. Auch können Kosten für notwendige Investitionen in Produktionskapazitäten entstehen. Es können Abschreibungen für den Einzelhändler anfallen, wenn dieser zuvor Investitionen in die reibungslose und qualitativ hochwertige Zusammenarbeit mit dem Lieferanten geleistet hat. Diese Investitionen sind mit Beendigung der Zusammenarbeit wertlos. Auch können Aufwendungen für Funktionen entstehen, die der ehemalige Vertragspartner übernommen hat und welche vom zukünftigen Lieferanten nicht übernommen werden (Porter, 1999, S. 172 ff.; S. 29 f.). Die Umstellungskosten sind in dieser Konstellation eher niedrig. Die meisten Lieferanten und Einzelhandelsunternehmen werden dadurch nicht vom Wechsel des Vertragspartners abgehalten. Die Kosten für Anpassungen und die Informationssuche, die mit einer Umstellung in Verbindung stehen sind insbesondere für kleine- und mittelständische Unternehmen eine Belastung. Für große Unternehmen amortisieren sich diese Kosten durch höhere Umsätze schneller. Bestehen im Markt viele kleine Lieferanten so können die Einzelhandelsunternehmen ihre Machtposition ganz klar zu ihren Gunsten und zu den Gunsten für günstige Konditionen ausspielen. Sobald aber nur wenige große Lieferanten einer Branche mit vielen entzweiten Unternehmen gegenübersteht, so haben die Lieferanten eindeutig mehr Macht (Bruhn, 1997, S. 18 ff.). Große internationale Markenhersteller, investierten schon lange hohe Summen in ihre Marken, in F&E, Produkte, etc. Da Konsumenten nach den Markenartikeln verlangten, nahmen diese dem Einzelhandel gegenüber eine starke Verhandlungsposition ein und bestimmten somit ihre Verkaufskonditionen. Heute gibt es auch Einzelhändler die stark konzentriert sind. Beispiel Oft gibt es Spitzenhändler, die bis zu 50% einer Branche dominieren. Selbst sehr beliebten Marken gelingt es nicht diesen Einzelhändlern ihre Konditionen zu diktieren (So boykottierten zum Beispiel im März 2017 großflächig Händler im indischen Bundesstaat Tamil Nadu die Produkte der Marke Coca-Cola und Pepsi, da diese angeblich deren Wasserreserven geplündert haben sollen (Spohr, 2017). Bedeutung des Auftragsvolumens für Lieferanten Beliefert ein Lieferant mehrere Branchen so ist er weitestgehend von den Nachfrageentwicklungen der Abnehmer innerhalb einer Branche abgeschirmt. In diesem Falle werden Abnehmer die Situation zur Erreichung ihrer eigenen Ziele nutzen. Ist die Abnehmerbranche für den Lieferanten von Bedeutung, so wird dieser versuchen, eine enge Zusammenarbeit aufzubauen. Sie werden versuchen das Wachstum der Abnehmerbranche durch gute Preiskonditionen, gemeinsames Marketing und F&E zu unterstützen (Porter, 1999, S. 62). Sowohl Einzelhändler als auch Großhändler, welche mit Konsumgütern und Lebensmitteln handeln, sind Abnehmer der Industrie. Großhändler sind meist Versorger der Einzelhändler und somit nicht direkt von dieser Branche und deren Entwicklungen abhängig (Saxena, 2005, S. 479 ff.). <?page no="460"?> 7.5 Bedrohung durch Ersatzprodukte 461 Abb. 7.7: Indischer Großhandels- und Einzelhandelsumsatz in Millionen US-Dollar, *ab 2013 Prognosen ( Statista Research, 2008 (Stand: 15.05.2017). Wie in Abbildung 7.7 ersichtlich, wird prognostiziert, dass bspw. der indische Einzelhandel im Jahr 2018 ein Umsatzvolumen von 619.435 $ erzielt. Das Umsatzvolumen des Großhandels liegt bei 536.290 $. Die Konsumgüterhersteller sind sehr stark von den Einzelhändlern abhängig, denn deren Einkaufsmengen bestimmen maßgeblich den Umsatz der Konsumgüterhersteller. Für diese sind die Einzelhändler auch deshalb von so großer Bedeutung, da ihnen andere Großabnehmer fehlen. Je lokaler ein Konsumgüterhersteller aufgestellt ist, desto abhängiger ist er auch von den Abnehmern ( Magnus, 2007, S. 11 f.) . Gefahr der Vorwärtsintegration im Vergleich zur Gefahr der Rückwärtsintegration durch Unternehmen der Branche Kann die Lieferantengruppe glaubwürdig damit drohen eine Vorwärtsintegration vorzunehmen und ist dies wahrscheinlicher, als dass sich die Abnehmer durch Rückwärtsintegration unabhängig von den Lieferanten machen, so können die Forderungen der Abnehmer bessere Einkaufsbedingungen zu erhalten, eingeschränkt werden. Stellt sich dieses Szenario genau umgekehrt dar, so können die Abnehmer Forderungen bezüglich der Einkaufskonditionen zu ihren Gunsten durchsetzen (Porter, 1999, S. 62). Da sowohl Konsumartikelhersteller als auch Einzelhändler ihren Wertschöpfungsanteil zunehmend ausbauen wollen, gibt es bei beiden Unternehmensarten Tendenzen dazu, dass sich die eigentlichen Funktionen der Unternehmen vertikalisieren und ausweiten. Somit überwinden diese die klassische Wertschöpfungskette (Bruhn, 1997, S. 158 f.). Um die Abhängigkeit von den Konsumgüterherstellern zu senken, gibt es Einzelhandelsunternehmen, die Teile ihres Sortimentes selbst herstellen lassen. Dies wird meist über einen Auftragshersteller durchgeführt. Die Option, dass ein Einzelhändler sein komplettes Sortiment selbst produziert, ist allerdings eher gering und nur bei einem sehr schmalen und spezifizierten Sortiment denkbar. $258.470 $250.435 $288.447 $320.724 $353.098 $369.820 $420.951 $433.822 $466.020 $499.779 $536.290 $298.928 $295.066 $331.773 $372.204 $404.426 $424.557 $483.565 $499.278 $537.549 $577.023 $619.435 0 $ 100.000 $ 200.000 $ 300.000 $ 400.000 $ 500.000 $ 600.000 $ 700.000 $ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Datenreihen1 Datenreihen2 <?page no="461"?> 462 7 Internationales Dienstleistungsmanagement Beispiel Findet eine Vorwärtsintegration eines Großhandelsunternehmens statt, so bedeutet dies, dass ein Konsumartikelhersteller die Einzelhandelsfunktion in seinen eigenen Wertschöpfungsprozess übernimmt. Dies wird sehr häufig in der Textilindustrie angewandt. Ein bekanntes Beispiel dafür ist Inditex mit Marken wie Zara, Bershka und Pull& Bear (Koch, 2006, S. 131). Daraus lässt sich erkennen, dass sowohl Einzelhändler, als auch dem Großhandel die Option zur Ausweitung ihrer Wertschöpfungsaktivitäten zur Verfügung steht. Aus dieser Option lässt sich doch keine Stärkung der Machtposition gegenüber dem jeweils anderen Part erzielen. Einfluss der Arbeitskräfte Neben den Produkten und Dienstleistungen, die von Unternehmen geliefert werden, sind auch Arbeitnehmer als Lieferanten der Arbeitskraft von hoher Bedeutung. Oft nehmen diese eine starke Verhandlungsposition ein, da sie gewerkschaftlich organisiert sind. Wie stark die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer ausgeprägt ist, wird zum Einem vom Organisationsgrad der Arbeitnehmer und zum anderen von der Anzahl qualifizierter Arbeitskräfte, bestimmt. Die Konditionen, die ausgehandelt werden, haben einen großen Einfluss auf die Attraktivität der Branche (Porter, 1999, S. 62 f.). Auch wenn die Gewerkschaften in Indien untereinander kaum miteinander verbunden sind, so haben sie durch die Verbindung zu Parteien in Indien einen großen Einfluss. Somit gibt es auch keine allgemeingültigen Tarifverträge und Regularien, da diese meist unternehmensspezifisch verhandelt werden. In Indien herrscht ein enormer Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, wenn auch jährlich ca. 12 Mio. neue Arbeitskräfte ihre Fähigkeiten anbieten, so sind diese meist gering qualifiziert. Auch die Effizienz der Arbeitskräfte in Indien ist gering (Im Vergleich dazu: China belegt Platz 37) Im Global Competitiveness Report von 2015/ 2016 belegt Indien Platz 103 (World Economic Forum, 2015). Dies treibt die Gehälter insbesondere für Mitarbeiter mit guten Qualifikationen in die Höhe (Labour Bureau, 2012). So sollen die Löhne in Indien im Jahr 2016 um ca. 10,3% gestiegen sein, was dem Durchschnittswert der letzten fünf Jahr von 10% entspricht. Eine ähnliche Entwicklung der Lohnsteigerungen wird auch in den nächsten Jahren erwartet (Aon Hewitt India, 2017). Die Abbildung 4.2 zeigt die Entwicklung der Reallöhne in Indien von 2007 bis 2012. Der Reallohn stellt das Bruttomonatsgehalt bereinigt um die Inflationsrate dar. Da Anpassungen der Arbeitgeber hinsichtlich der Gehälter meist auch deshalb vorgenommen werden, um die Inflation auszugleichen, pendelt sich der Anstieg des Reallohns im Jahr 2012 bei ca. 1% ein. Abb. 7.8: Entwicklung der Reallöhne in Indien 2007 bis 2012 (gegenüber dem Vorjahr) (ILO, 2018) 5,7% 10,7% 6,9% 4,6% 4,2% 1,0% 0,0% 2,0% 4,0% 6,0% 8,0% 10,0% 12,0% 2007 2008 2009 2010 2011 2012 <?page no="462"?> 7.5 Bedrohung durch Ersatzprodukte 463 Besonders für das weitere Wachstum in Indien sind qualifizierte Arbeitskräfte von hoher Bedeutung. Da im Dienstleistungssektor und vor allem im Einzelhandel die Ressource Mensch sehr wichtig ist und diese auch langfristig gesehen nicht komplett durch technischen Einsatz ersetzt werden kann, sind Arbeitskräfte ein wichtiger Lieferant der Dienstleistungs- und Einzelhandelsbranche (Deloitte, 2013, S. 16). 7.5.2 Marktaustrittsbarrieren Austrittsbarrieren sind emotionale, ökonomische oder strategische Motive, die ein Unternehmen dazu bringen auch dann noch in einer Branche zu bleiben, wenn sie dort eigentlich keine positiven Ergebnisse mehr erzielen können. Ist ein Unternehmen dazu gezwungen in einer Branche zu bleiben, so ergreift dieses oft radikale Maßnahmen. Daraus resultiert, dass sich die Branche destabilisiert und der Wettbewerb steigt (Porter, 2014, S. 53 f.). Eine Austrittsbarriere können hoch spezialisierte Aktiva sein. Diese können nur Unternehmen in einer Branche oder an einem bestimmten Ort nutzen und sind deshalb für Investoren uninteressant. Diese zu liquidieren ist deshalb meist nicht lukrativ. Auch Konventionalstrafen für langfristige Verträge, der Ausgleich von Gewährleistungsansprüchen, Sozialpläne und Umsiedlungskosten können beim Austritt zu Fixkosten führen. Es kann also passieren, dass eine Fortführung unter Berücksichtigung all dieser Barrieren wirtschaftlicher ist als der Marktaustritt. Rein rationale Entscheidungen eine Unternehmung zu beenden, können durch emotionale Gründe wie persönliche Anhaftung von Managern oder Eigentümern, Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Arbeitnehmern, negative Auswirkungen auf die Karriere oder Stolz, aufgehalten werden. Auch staatliche Beschränkungen können die Beendigung einer Unternehmensaktivität verhindern (Porter, 2014, S. 53 f.; S. 333 ff.). Hinweis Der überwiegende Anteil der Aktiva im Einzelhandel ist aufgrund der branchenübergreifenden Nutzbarkeit auch leicht abzuschaffen. Lediglich die Geschäftsausstattung ist nur branchenintern brauchbar. Durch den Aufschwung des indischen Einzelhandels sollte auch genügend vorhandenes Interesse da sein und somit die Liquidation einfach verlaufen. Trotzdem fallen meist hohe Abschläge bei der Veräußerung an. Staatliche Eingriffe, die den Marktaustritt eines Unternehmens verhindern sind eher selten (Herold, 1992, S. 113 ff.). Beispiel Wenn auch nur als Großhändler, so wagte Carrefour den Schritt auf den indischen Markt und beschloss bereits kurze Zeit später, diese Aktivitäten wiedereinzustellen. Der Austrittsplan von Carrefour erstreckte sich über ca. ein halbes Jahr, denn es wurde ein reibungsloser Austritt aus dem Markt angestrebt (The Times of India, 2014). Somit können die Marktaustrittsbarrieren in Indien als sehr gering eingestuft werden. Zwischenfazit des Wettbewerbs Die Rivalität auf dem indischen Einzelhandel wird durch relativ geringe Eintrittsbarrieren, die steigende Rivalität durch das starke Branchenwachstum und die Zunahme an organisiertem <?page no="463"?> 464 7 Internationales Dienstleistungsmanagement Einzelhandel geprägt. Das Angebot konzentriert sich hauptsächlich auf Großstädte, doch trotzdem ist der Markt dort noch nicht übersättigt. Von großer Bedeutung ist es für Unternehmen, eine starke Marke aufzubauen und sich somit dem Preiswettbewerb zu entziehen. Auf den Marktaustritt von unrentablen Unternehmen wird in manchen Fällen aufgrund komplexer Informationslage oder emotionaler Bindung verzichtet. Jedoch gibt es auch Beispiele, die einen erfolgreichen Marktaustritt verkörpern. Der Grad der Rivalität auf dem indischen Markt ist aufgrund der stark heterogenen Struktur und der Marktteilnehmer, die aktuell erst auf den Markt drängen, als mittelmäßig einzustufen. 7.5.3 Fazit der Strukturanalyse nach Porter im Einzelhandel in Indien Der indische Einzelhandel zeichnet sich insbesondere durch den sehr schnellen Wandel aus, der sich dort aktuell vollzieht. Dieser Wandel ist vor allem durch die Veränderung der indischen Konsumenten selbst, geprägt. Der Markt weist eine hohe Attraktivität aus. Besonders die positive wirtschaftliche Lage und die immer weniger ausgeprägten Eintrittsbarrieren, welche durch den Staat begünstigt werden, sind wichtige Merkmale. Sinkenden Eintrittsbarrieren durch staatliche Regulierungen, der geringe Differenzierungsgrad der bestehenden Unternehmen und zu vernachlässigende Umstellungskosten machen den indischen Einzelhandelsmarkt zu einem attraktiven Ziel. Jedoch sind Skaleneffekte auf dem indischen Markt nur sehr schwer zu erzielen. Zu vernachlässigen ist die Gefahr der Substitution des Einzelhandels durch eine andere Dienstleistung aufgrund mangelnder Alternativen. Da insbesondere in der Zukunft qualifizierte Mitarbeiter von großer Bedeutung sein werden, haben diese auch relativ viel Macht in ihrer Position als Lieferant der Arbeitskraft. Das Verhältnis zwischen Lieferanten von Konsumgütern und ihren Abnehmer kann als relativ ausgeglichen bezeichnet werden, denn hier besteht eine gegenseitige Abhängigkeit. Um der Abnehmerstärke Stand zu halten ist es für Unternehmen essentiell, einen gewissen Differenzierungsgrad zu erzielen. Loyalität und Kundenbindung helfen so den Unternehmen, der Verhandlungsmacht der Abnehmer auf dem indischen Einzelhandelsmarkt entgegen zu wirken. Übung 7.8 Nennen Sie mindestens vier Beispiele für Umstellungskosten. Übung 7.9 Definieren Sie Skaleneffekte. Zusammenfassung In diesem Absatz erhielten Sie einen Überblick über die klassischen Marktein- und -austrittsbarrieren im internationalen Dienstleistungsmanagement. Verdeutlicht wurde dieses am Beispiel eines Markteintritts von Einzelhändlern in Indien. <?page no="464"?> 7.6 Wettbewerbsstrategien internationaler Dienstleistungsunternehmen 465 7.6 Wettbewerbsstrategien internationaler Dienstleistungsunternehmen Lernziele Sie erhalten hier einen Überblick über internationale Wettbewerbsstrategien generell und nach Porter, die auch für internationale Dienstleistungsunternehmen gelten. Um eine Strategie erfolgreich umzusetzen, muss man die wichtigsten eigenen internen und externen Wertschöpfungsprozesse ermitteln und kritisch zwecks Verbesserungen analysieren, und die Verknüpfungen auch international nachvollziehen. Dabei sollen die Schnittstellen mit Kunden, Zulieferern und externen internationalen Dienstleistern nicht außer Acht gelassen werden. Dies dient dazu, sich einen Überblick über die Funktionsweise des international agierenden Unternehmens zu verschaffen (Porter, 2014, S. 63 ff.). Eine Wertschöpfungskette kann in verschiedene Aktivitäten untergliedert werden. Primäre Aktivitäten stehen in direkter Verbindung zur Herstellung, dem Verkauf oder der Weitergabe des Produktes im Rahmen einer Handelskette. Diese einzelnen betrieblichen Funktionen können, um dem Unternehmen noch detailliertere Auskünfte zu geben, weiter in Eingangslogistik, produktive (Teil-) Operationen, Ausgangslogistik, Marketing, Vertrieb und Kundendienst untergliedert werden. Unterstützende Aktivitäten sind vor allem dafür da, um die Funktionsfähigkeit von primären Aktivitäten langfristig zu gewährleisten. Diese stellen die (organisatorische) Unternehmensinfrastruktur, die Personalwirtschaft, Technologieentwicklung durch angewandte Forschung und die Beschaffung dar und sind oft sehr eng mit den primären Aktivitäten und dem internationalen Dienstleistungsmanagement zur Risikoerfassung verknüpft. Möchte man die Wirksamkeit von Wettbewerbsstrategien und deren Umsetzung in der Branche und den Wertschöpfungsketten wertmäßig beurteilen, kann dies an den Kennzahlen der Produktivität, an der Wirtschaftlichkeit und am Return on Investment bzw. den Kapitalumschlag und der Umsatzrentabilität festgemacht werden. Die Kennzahlen sind in ihrer Wertaktivität von der jeweiligen Branche abhängig. Im internationalen Einzelhandel sind die Differenzen der Eingangsbeschaffung und Logistik mit der Ausgangslogistik von hoher Bedeutung. Um dies praktisch umzusetzen, ist es häufig notwendig, die Wertaktivitäten der Wertschöpfungskette noch einmal oder mehrmals weiter zu untergliedern, sodass noch detailliertere Informationen über die jeweiligen Prozessschritte ermittelt werden können. Häufig orientiert sich diese Analyse an der Produktaufgliederung, den Auftragsfluss und den internationalen Informationen, die das Dienstleistungsmanagement liefern. 7.6.1 Drei generische Wettbewerbsstrategien nach Porter Kostenführerschaft Nach der Analyse des Unternehmens, der Wertschöpfungskette und der Branche erfolgt auf dieser Basis die Strategiefindung. Da jedes Unternehmen sehr unterschiedlichen Anforderungen in der eigenen Branche weltweit gegenübersteht, können nur grobe Strategietypen erstellt werden. Die drei Strategietypen nach Porter stellen somit eine Verallgemeinerung dar, die als Leitfäden genutzt werden können (Porter, 1999, S. 71 ff.) Porter differenziert dabei nach strategischen Zielobjekt und strategischen Vorteil. <?page no="465"?> 466 7 Internationales Dienstleistungsmanagement Abb. 7.9: Generische Wettbewerbsstrategien (nach Porter, 1999, S. 71 ff.) Beispiel Verfolgt man die Strategie der umfassenden Kostenführerschaft, ist es das Ziel einen Kostenvorteil für den Verbraucher gegenüber der Konkurrenz zu schaffen, und zwar mit Hilfe der Erfahrungskurve. Unter diesem Aspekt sollen jedoch die Qualität des Angebotes und des Service nicht leiden, denn sonst könnten die Kunden/ Verbraucher zur Konkurrenz abwandern, was wiederum die Umsatz- und Ertragschancen des eigenen Unternehmens schmälert. Erst mittels eines umfassenden internationalen Informationssystems von unterschiedlichen Dienstleistungsunternehmen kann diese Gefahr verringert werden. Typische Beispielunternehmen hierfür, die diese Strategie verfolgen, sind Aldi, Ikea und Ryan Air. Der Kostenvorteil wird generell durch große Umsatz- und Produktionsvolumina erzielt, die damit die Erfahrungskurve ermöglichen, und zwar mit ihren Teilaspekten wie das Gesetz der Massenproduktion, Lernkurven und Skaleneffekte usw. Des Weiteren stellt die Kostenführerschaft des Unternehmens gegenüber Wettbewerber eine Strategie dar, die selbst dann noch Cashflow, Gewinne und ein hoher Return on Investment erzielt, wenn die anderen Konkurrenten versuchen, die Preise zu unterbieten und wegen Verlusten aus dem Markt auszuscheiden versuchen. Auch gegenüber der Macht der Lieferanten kann sich ein Unternehmen schützen, da es als effizientester Anbieter am Markt die Abnehmervolumina und Preise mehr oder weniger diktieren kann. Der Druck in der Branche durch Substitute und Ersatzprodukte werden oft durch die absoluten Kostenvorteile der Erfahrungskurve eingedämmt. Zur weiteren Charakterisierung der Strategie der Kostenführerschaft werden im Folgenden weitere Anforderungen diskutiert. Beispiel Ein wichtiges Mittel die Kostenführerschaft erfolgreich umzusetzen, ist eine geeignete Produktionsanlage, z.B. die Flugzeugflotte bei Ryan Air. Um diese obigen Voraussetzungen erfüllen zu können sind hohe Investitionssummen notwendig, die viel Kapital erfordern und Personal. Besonders die Beschaffungs- und Absatzprozesse müssen durch Informationen permanent verbessert werden. Bezüglich der organisatorischen Anforderungen ist der Hauptfokus auf die Kostenstruktur zu setzen und diese ständig zu kontrollieren, erst dadurch kann die Erfahrungskurve realisiert werden. Sowohl Differenzierung umfassende Kostenführerschaft Konzentration auf Schwerpunkte <?page no="466"?> 7.6 Wettbewerbsstrategien internationaler Dienstleistungsunternehmen 467 die variablen, fixen und Gemeinkosten müssen besonders kontrolliert und immer wieder angepasst werden. Porter beschreibt zwei Maßnahmen, um eine Umsetzung der Strategie Kostenführerschaft zu verwirklichen. Zum einen die Kontrolle der Kostenantriebskräfte in der Branche und zum anderen die Umstrukturierung der Wertschöpfungskette durch ein Controlling, das auf ein internationales Dienstleistungsmanagement beruht. Folgende Größen tragen zur Kostenstruktur bei und sollen einer ständigen Kontrolle unterzogen werden: Betriebsgröße, Auswirkungen der Kapazitätsauslastung, interne und externe Verknüpfungen von Wertaktivitäten, Integration und Desintegration von Wertschöpfungsprozessen, Lernen und Produktivität der Mitarbeiter, Beteiligung der Mitarbeiter, Standortwahl weltweit usw. Doch muss auch auf die Risiken der Kostenführerschaft hingewiesen werden. Die Kostenführerschaft ist nur dann aufrechtzuerhalten, wenn die Annahmen gleichbleibendes Geschäftsmodell und gleicher Technologie gegeben sind. Der neue Standard im Internet 5G bringt für industrielle Anwendungen, für selbstfahrende Autos oder komplexe Logistik-Anforderungen wie im Hamburger Hafen, dass sich Produkte, Dienstleistungen oder deren Kombination ändern. Für die Erfahrungskurve bedeutet dies, dass sie für das internationale Dienstleistungsmanagement neu kreiert und entwickelt werden muss, will diese Dienstleistung international wettbewerbsfähig sein. Differenzierung Verfolgt ein Unternehmen die Differenzierungsstrategie , so wird ihr Produkt und/ oder Dienstleistung weltweit und branchenweit angeboten, so dass aus der Sicht des Käufers er einen nicht monetären Vorteil hat und der einzigartig gegenüber der Konkurrenz ist. Der Ansatzpunkt bei dieser Wettbewerbsstrategie ist also vielmehr das Produkt und/ oder die Dienstleistung, statt der Preis (Hungenberg, 2014, S. 134). Beispiele Das strategische Ziel ist es, Präferenzen bei den Kunden durch eine außerordentliche Leistung zu schaffen (z.B. Deloitte, Apple, Porsche, McKinsey). Durch eine außerordentliche Leistung kann ein höherer Preis generiert werden. Ein Paradebeispiel für ein Unternehmen, das die Differenzierungsstrategie verfolgt, ist Apple durch eine Kombination aus Produkt, Marketing/ Serviceleistung/ Markenidentität und internationalen Dienstleistungsmanagement in Form von Clouds, Apps, Streamer-Programme und Internet. Werden diese Differenzierungsmöglichkeiten kombiniert, so entsteht ein noch größerer Wettbewerbsvorteil. Der Preis, der am Markt verlangt werden kann, richtet sich maßgeblich nach der Präferenz des Kunden, d.h. was der Kunde dafür bereit ist zu bezahlen. Die Abgrenzung von der Konkurrenz bei der Differenzierungsstrategie erfolgt also maßgeblich über die Kundenbindung und die Kundenloyalität. Da das Produkt und/ oder die internationale Dienstleistung durch ihre Einzigartigkeit besticht, liegt hierin eine weitere Sicherheit, um sich vor potenziellen neuen Wettbewerbern zu schützen, denn es erhöht die Markteintrittsbarrieren in die Branche. Aufgrund der Tatsache, dass die Gewinnmarge in diesem Bereich relativ hoch ist, haben die Lieferanten verhältnismäßig geringe Macht. Durch die Einzigartigkeit und den besonderen Mehrwert des Produktes und/ oder der Dienstleistung (z.B. Container-Schifffahrt und Kreuzfahrtschiffe), ist die Dienstleistung weniger preisempfindlich als eine internationale Dienstleistung, die einer Kostenführerschaft. Es gibt keine wirk- <?page no="467"?> 468 7 Internationales Dienstleistungsmanagement lichen alternativen Dienstleistungen und somit ist auch die Marktmacht der Abnehmer eingeschränkt. Die Anforderung der Strategie an das Unternehmen liegt vor allem darin, sich eine Unique Selling Präposition der internationalen Dienstleistung auszudenken. Dafür sind Grundlagenforschung, Produktentwicklung und die Vermarktung der Produkte und Dienstleistungen notwendig. Andere Faktoren wie ein guter Ruf und Qualität lassen sich nur über ein dauerhaftes Bestehen am Markt und damit eine Tradition (z.B. Logistik mit Container am Hamburger Hafen) herstellen. Dies senkt immens den Wettbewerbsdruck, der in anderen Branchen durch potenzielle neue Anbieter entsteht. Falls mit dem Produkt und der Dienstleistung durch die Digitalisierung hohe Serviceleistungen und Produktivität in der Containerlogistik im Hamburger Hafen in Verbindung stehen, ist es von hoher Bedeutung eng mit Beschaffungs- und Vertriebskanälen im internationalen Handel zusammenzuarbeiten. Hinsichtlich der üblichen organisatorischen Anforderungen achtet ein Unternehmen, das eine Differenzierungsstrategie verfolgt, besonders darauf, dass sich die Abteilungen Forschung und Entwicklung, Produktentwicklung und Marketing untereinander abstimmen. Dabei ist der Maßstab hier nicht immer rein monetär und quantitativ zu setzen, sondern dies gilt ebenso für hochqualifizierte Mitarbeiter (Porter, 1999, S. 78). Bei der Umsetzung der Strategie gilt es einmal den Kunden genau zu identifizieren und zu analysieren. Nur somit kann für eine internationale Dienstleistung eine bestimmte Differenzierungsstrategie ausgewählt und verfolgt werden. Im Folgenden werden die Schritte erläutert, um zu einer Differenzierungsstrategie zu gelangen: Acht Schritte einer Differenzierungsstrategie: [1] Ermittlung des neuen internationalen Käufers [2] Ermittlung der Wertkette des Käufers und Ansatzpunkte für eine mögliche Einflussnahme. [3] Ermittlung der Rangfolge der Kaufkriterien des Abnehmers für die Dienstleistung [4] Ermittlung der Quellen der Differenzierung in der Wertkette. [5] Ermittlung der Kosten der Differenzierungsquellen. [6] Zusammensetzung der Wertaktivitäten [7] Überprüfung der Strategie auf internationale Nachhaltigkeit [8] Externe Kostenkontrolle bei Wertaktivitäten, die direkt mit der Differenzierung in Verbindung stehen. Auch die Differenzierungsstrategie birgt Risiken. Wird der höhere Preis für den Kunden nicht mehr durch den außerordentlichen Nutzen gerechtfertigt, so verlieren diese ihre Loyalitätshaltung gegenüber dem Produkt und/ oder der Dienstleistung. Außerdem besteht das Risiko, dass die Zielgruppe gegenüber der Dienstleistung generell preissensibler wird und deshalb nicht mehr bereit ist, einen höheren Preis für ein substituierbares Produkt und/ oder Dienstleistung auszugeben. Auch die Möglichkeit der Imitation durch Wettbewerber stellt ein Risiko der Differenzierungsstrategie dar. Generiert der Wettbewerber dasselbe/ dieselben Merkmale oder ein neues oder verbessertes Differenzierungsmerkmal, so ist die Gefahr der Abwanderung des Kunden zur Konkurrenz groß (in Anlehnung an Porter, 1999, S. 84 ff.). <?page no="468"?> 7.6 Wettbewerbsstrategien internationaler Dienstleistungsunternehmen 469 Da sich die Bedürfnisse der Konsumenten ständig ändern, kann es passieren, dass der Differenzierungsvorteil durch neue Apps oder Funktionen verloren geht oder aber erst gar nicht durch den Kunden richtig erkannt wird (z.B. bei jeder neuen Handygeneration alle zwei Jahre). Konzentration auf Schwerpunkte im Sinne der Kostenführerschaft oder der Differenzierung Bei der Konzentration der Strategie auf Schwerpunkte stellt das strategische Zielobjekt ein bestimmtes Segment oder eine Nische dar (z.B. bei Ryan Air das Billigsegment für Fluggäste). Es gibt hier keine Abgrenzung des Marktes. Ein Kugelgrill stellt ein Beispiel für die Konzentration auf einen Schwerpunkt dar. Das ausgewählte Segment soll mit der Spezialisierung effizienter bedient werden, als es die Konkurrenten, die in der gesamten Branche tätig sind, tun. Dabei kann diese Strategie durch Kostenführerschaft bei Aldi oder Differenzierung in einem Baumarkt oder aus einer Kombination aus beiden Strategien erfolgen. Durch die Beschränkung auf ein Segment ist auch der Absatz beschränkt. Die genauen Anforderungen an die Strategie können aus den Anforderungen an die bereits oben genannten Strategien und deren jeweiligen Ausprägungen in der Konzentrationsstrategie abgeleitet werden. 7.6.2 Generelle Wettbewerbsstrategien internationaler Dienstleistungsunternehmen Neben Porters Ansatz werden die generellen Wettbewerbsstrategien im Dienstleistungssektor häufig dahingehend unterschieden, ob die Dienstleister ihre Dienste in den unterschiedlichen Ländern in standardisierter oder differenzierter Form anbieten. Es geht darum, ob die Dienstleister ihre Dienste weltweit einheitlich (standardisiert) oder diese entsprechend der unterschiedlichen kulturellen und länderspezifischen Besonderheiten (differenziert) an das jeweilige Land angepasst, anbieten. Preiswerter ist die weltweit standardisierte Version, da hier internationale Lern- und Ausstrahlungseffekte genutzt und interne Prozesse rationalisiert werden können. Bei der Standardisierung wird ein einheitliches Dienstleistungsimage wahrgenommen. Standardisierung ist häufig mit Zentralisierung und mangelnder Flexibilität verbunden. Innovative Ideen in den einzelnen Ländern werden nicht umgesetzt. Die Vor- und Nachteile der Standardisierung sind die gegenteiligen Vor- und Nachteile der Differenzierung. Bei beiden Strategien handelt es sich eigentlich um Extrempositionen, die nur selten in der Reinform auftreten. Der folgende allgemeine Leitspruch gilt häufig: „So viel Standardisierung wie möglich und so viel Differenzierung wie nötig“ (Meffert & Bolz, 2001; zitiert nach Haller, 2017, S. 443). Zudem gibt es Dienstleistungen, die eher „culture-free“ (z.B. Kreditkartenservices) oder „culture bond“ (z.B. Beratungsleistungen) sind. Es wird unter Berücksichtigung der vorgenannten Punkte der optimale Standardisierungsgrad bzw. Differenzierungsgrad gesucht, damit nationale Gemeinsamkeiten genutzt und gleichzeitig eine länderspezifische Differenzierung angeboten werden können. <?page no="469"?> 470 7 Internationales Dienstleistungsmanagement Die Marktbearbeitungsstrategie bei internationalen Dienstleistungen ist häufig eng mit Markteintrittsstrategie verbunden. Eine vollständige Kontrolle besteht nur bei einem direkten Markteintritt, z.B. über ein eigenes Niederlassungsnetz. Franchisenehmer sind i.d.R. auch relativ gut zu kontrollieren, da die strategischen Entscheidungen der Weisungsbefugnis des Franchisegebers unterliegen. Eigenaufbau und Fremdbeteiligung meinen, dass die Einflussnahme unterschiedlich hoch ist. Bei der Mulitplikationsstrategie baut der Dienstleister selbst ein Filial-/ Niederlassungsnetz in einem anderen Land auf. Zudem verfolgt er die Standardisierungsstrategie. Diese klassische globale Servicestrategie verfolgt bspw. McDonald’s. I.d.R. gibt es keine länderspezifischen Anpassungen, d.h. der BigMac ist eigentlich in jedem Land gleich. Vorteile dieser Strategie sind die Ausnutzung von Potenzialen, besonders Skaleneffekten und eines einheitlichen Dienstleistungs- und Markenkonzeptes. Die Abläufe sind i.d.R. weltweit gleich und es existieren globale Qualitätsstandards. Wenn der Interaktionsgrad jedoch sehr hoch ist, ist es schwierig, dieses Konzept umzusetzen. Von daher kann die Multiplikationsstrategie nur bei solchen Diensten eingesetzt werden, in denen der Kunde nicht so stark in den Erstellungsprozess einbezogen ist und die Dienstleistung weitgehend unabhängig vom Kunden produziert wird (Haller, 2017, S. 443 f.). Beispiel Als Erfolgsgeschichte für die Nutzung dieser Strategie gilt McDonald’s. Die Produkte und auch die Erstellungsprozesse sind weltweit standardisiert. Festgelegte Zutaten dürfen nur von der Zentrale eingehen, deren Verarbeitung wird beim jeweiligen Lieferanten überwacht. McDonald’s Küchenmaschinen sind so genormt, so dass die Bratdauer der Bulette gleich hoch ist. Auch der Tomatenketchup-Spender liefert weltweit den gleichen Geschmack in fünf identisch großen Klecksen. Jedoch gibt es aufgrund der kulturellen Essgewohnheiten einige Ausnahmen. In Japan wird der „Teriyaki Burger“, in Indien ein vegetarisches und in Israel ein koscheres Menü angeboten (Haller, 2017, S. 444). Hinweis Multiplikationsstrategie (Bsp. McDonalds, i.d.R. ohne kulturspezifische Anpassungen) McDonald‘s hat es vorgemacht: Die Handelswelt kann mit Filialen erobert werden. Konsum und Produktion sind global. Geschmack in China und Argentinien ist im 21. Jahrhundert kaum mehr unterschiedlich. Big Macs, schwedische Möbel, Apple etc. mögen fast alle Menschen auf der Erde. McDonalds hat weltweit 35.737 Restaurants, Ikea hat weltweit 389 Märkte und Apple hat weltweit 477 Stores (Schwochow & Ramge, 2016, S. 134). Beispiel Als Misserfolg bei dem Einsatz Multiplikationsstrategie gilt der Versanddienstleister UPS. Dieser hatte es beim Markteintritt in den neunziger Jahren in Europa versäumt, sich ausreichend an nationale Gegebenheiten anzupassen (Haller, 2017, S. 444). UPS ist jedoch heute auch in Deutschland erfolgreich. Die Anpassungsstrategie , die von vielen Dienstleistern verfolgt wird, zeichnet sich durch ein universelles Nutzenversprechen aus, wobei die Leistung jedoch weitgehend an lokale Gegebenheiten angepasst wird. Das globale Konzept-Know-how wird hierbei mit dem lokalen Markt-Know-how kombiniert. Anpassungen werden bspw. bei den Umgangsformen, der Marke, der Preisbildung, der Standortpolitik oder bei einzelnen Komponenten der Dienstleistung vorgenommen. Die länderspezifische Anpassung erfordert mehr Engagement vor Ort und ist somit aufwändiger als die Multiplikationsstrategie (Haller, 2017, S. 444). <?page no="470"?> 7.6 Wettbewerbsstrategien internationaler Dienstleistungsunternehmen 471 Beispiel Als Beispiele für die Strategie gelten große Handelskonzerne. Gerade im Lebensmittelbereich ist eine Anpassung an die kulturellen Essgewohnheiten notwendig. Carrefour, Metro, Tesco und Aldi passen daher bei der Internationalisierung ihrer Konzepte die einzelnen Artikel an das jeweilige Land an (Haller, 2017, S. 444). Die Verschmelzungsstrategie zeichnet sich durch Fremdbeteiligung und Standardisierung aus. Üblicherweise tritt der Dienstleister in einen oder mehreren fremden Märkten über Akquisition ein. Somit hat der Dienstleister danach mehrere Unternehmen mit unterschiedlichen Namen und unterschiedlichen Dienstleistungskonzepten in verschiedenen Ländern. Um Synergieeffekte zu heben, werden diese unterschiedlichen Unternehmen anschließend zu einer Marke und einem Konzept verschmolzen. Vorteile des Markteintritts über M&A (Mergers & Acquititions) sind, dass im Ausland schnell Ressourcen aufgebaut werden und Marktanteile erworben werden können. Die Servicekonzepte, die einzelnen Leistungen und i.d.R. auch die Marken müssen jedoch vereinheitlicht werden. Diese Strategie eignet sich in Branchen mit einer Kernleistung, die wenig kulturabhängig sind. Andererseits ist der Zugang zu diesen Branchen jedoch mit einem enormen Aufwand verbunden und eventuell staatlich reguliert (Haller, 2017, S. 444 f.). Beispiel Beispiele für die Verschmelzungsstrategie sind die Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone und der Kauf von KKK Privatkundenbank durch die Citybank, sowie die Verschmelzung der Deutschen Post AG mit Deutsche Post EURO EXPRESS, Danzas und DHL zu der weltweiten Marke DHL (Haller, 2017, S. 445). Die Portfoliostrategie zeichnet sich dadurch aus, dass das Mutterunternehmen in verschiedenen Ländern Dienstleister akquiriert und diese unabhängig vom Mutterunternehmen weiterführt. Vorteile dieser Strategie sind, dass über die Akquisition schnell Ressourcen aufgebaut werden können und die Zielgruppenansprache länder- und kulturspezifisch erfolgen kann. Nachteilig ist, dass nur wenige Synergien, z.B. in der EDV, genutzt werden können und i.d.R. hohe Kosten anfallen. Von daher wird das internationale Unternehmen bemüht sein, so weit wie es geht Standardisierungen vorzunehmen. In den letzten Jahren herrscht verstärkt der Trend zur Standardisierung. Globale Marken haben eine hohe Ausstrahlungskraft und es ergeben sich Synergieeffekte. Dieser Trend wird sich lt. Haller wahrscheinlich noch verstärken. Einige Branchen sind per se global (globally born), wie z.B. der Kreditkartenservice, und bedürfen daher sowieso wenig Differenzierung (Haller, 2017, S. 445). Andere Dienstleister leben gerade von der fremdländischen Andersartigkeit und würden durch eine Adaption nur verlieren, wie z.B. chinesische Heiler, Dependenzen amerikanischer Business Schools oder das Hofbräuhaus in den USA. Der USP dieser Dienstleister besteht hier gerade durch die Andersartigkeit. Für eine Standardisierung spricht das „No-Frills“-Konzept, welches dafürsteht, überflüssiges wegzulassen. So setzen Ryanair und die Hotelkette IBIS bspw. gezielt auf die Erbringung ihrer Kernleistungen. Der Vorteil hier ist, dass Kernleistungen i.d.R. global sind, so dass auf die kulturellen Besonderheiten des Landes keine Rücksicht genommen werden muss (Haller, 2017, S. 445 f.). Die Abb. 7.10 zeigt die zuvor erläuterten Strategien in einer Matrix. <?page no="471"?> 472 7 Internationales Dienstleistungsmanagement Abb. 7.10: Formen der Internationalisierung von Dienstleistungen (Bruhn & Hadwich, 2005; zitiert nach Haller, 2017, S. 443) 7.6.3 Sequentiell-hybride Strategie Durch die schnellen Entwicklungen auf den heutigen Märkten, insbesondere was die Technologiebranche angeht, ist es nicht mehr möglich, den genauen Handlungsempfehlungen der Strategietypen nach Porter zu folgen. Da das Marktgeschehen von Industrie 4.0, Künstlicher Intelligenz, autonomes Autofahren, Logistiksystemen usw., sich ständig ändert, muss sich die Strategie an den Entwicklungen orientieren und die Strategie dementsprechend anpassen, und damit muss das Unternehmen einen ständigen Strategiewechsel vornehmen. Übung 7.10 Welche internationalen Wettbewerbsstrategien kennen Sie? Übung 7.11 Erläutern Sie die acht Schritte einer Differenzierungsstrategie nach Porter. Zusammenfassung In diesem Absatz erhielten Sie einen Überblick über die Wettbewerbsstrategien internationaler Dienstleistungsunternehmen. Es wurden die drei generischen Wettbewerbsstrategien nach Porter, die generellen Wettbewerbsstrategien und die sequentiell-hybride Strategie vorgestellt. Schlussbetrachtung Sie haben es geschafft. Aber was genau waren denn die Inhalte dieses Kapitels? Hier noch einmal eine kurze Zusammenfassung. Wir starteten mit den Rahmenbedingungen der Internationalisierung. Im zweiten Abschnitt wurde erläutert, welche Motivation Dienstleistungsunternehmen haben, im Ausland tätig zu werden. Im dritten Abschnitt wurde aufgezeigt, wie eine internationale Marktauswahl erfolgen kann, also auf welchen Märkten und wie soll ich als Dienstleistungsanbieter tätig werden. Im nächsten Abschnitt wurde erläutert, dass nicht nur <?page no="472"?> Lösungshinweise zu den Übungen im Text 473 die Markteintrittsbarrieren, sondern auch die Marktaustrittsbarrieren vor dem Markteintritt betrachtet werden sollten. Im fünften und letzten Abschnitt wurden die klassischen Internationalisierungsstrategien vorgestellt. Bearbeitungshinweise zu den Übungen Übung 7.1 Wirecard hat in Teilen das Geschäftsmodell der Deutschen Bank übernommen, aber das Unternehmen wickelt nur den bargeldlosen Verkehr von internationalen Unternehmen ab. Hinzu kommt, das Wirecard dabei Steuerberatung und evtl. illegal „Steuerwäsche“ (https: / / t3n.de/ news/ wirecard-illegale-leerverkaeufe-und-marktmanipulationen-1157441/ , Aufruf: 27.12.2019) mit durchführt, und zwar in Zusammenarbeit mit internationalen Steuer- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften z.B. über Singapur und London. Unter diesem Link finden Sie einen Artikel zu Wirecard und der Deutschen Bank; https: / / orange.handelsblatt.com/ artikel/ 48229 (zuletzt besucht am 10.03.2020). Übung 7.2 Netflix bietet seine Filme nicht über Kino oder Fernsehen an, versucht aber dem Kino und dem Fernsehen absolute Konkurrenz zu machen. Übung 7.3 Die Abgrenzung der Internationalisierung zur Globalisierung besteht darin, dass bei der Internationalisierung die länderspezifischen Besonderheiten mit einbezogen werden, dagegen findet bei der Globalisierung eine Generalisierung für alle Ländermärkte statt. Mit der Globalisierung von Unternehmensaktivitäten geht einher, das Unternehmen grenzübergreifend tätig sind. Dies ist ökonomisch sinnvoll, denn jenseits der eigenen Ländergrenzen kann weiterer Umsatz und Cashflow generiert werden. Demnach kann Internationalisierung als Aufnahme oder Ausdehnung von grenzüberschreitenden Unternehmensaktivitäten definiert werden. Übung 7.4 Ökonomische Ziele sind Umsatzsteigerung, Marktanteile erhöhen und Cashflow verbessern; Nicht-ökonomische Ziele sind die Reputation international zu verbessern, nachhaltige und ökologische Produkte zu entwickeln, und zwar in der Forschung sowie ökologisches und keimfreies Wasser anzubieten. Übung 7.5 Im Rahmen der Internationalisierung sollen die folgenden Ziele realisiert werden: … den Lebenszyklus der Dienstleistung zu durchlaufen und damit die Quadranten der Portfoliomatrix, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Als ein Nebeneffekt realisiert man damit gleichzeitig die Erfahrungskurve. Gibt man durch Preissenkungen die realisierten Kostensenkungen der Erfahrungskurve an die internationalen Kunden weiter, werden Konkurrenten aus den internationalen Märkten verdrängt. <?page no="473"?> 474 7 Internationales Dienstleistungsmanagement Übung 7.6 Die fünf Wettbewerbskräfte nach Porter: Das Diamant-Modell baut auf die fünf Wettbewerbskräfte nach Porter auf. Übung 7.7 Internationale Wertketten und damit internationale Logistik liegen dann vor, wenn Güter- und Dienstleistungsströme über nationale Grenzen hinweg stattfinden. Wenn also Teile für ein Auto international geordert werden, also aus Irland, der Türkei, Ungarn, USA usw., um das Auto in Deutschland zu montieren. Übung 7.8 Umstellungskosten bei Dienstleistungen fallen einmalig an, wenn ein Abnehmer zum Produkt eines anderen Lieferanten wechselt. Alle Kosten die sowohl mit der Beendigung der bisherigen Geschäftsbeziehung als auch mit Aufbau der neuen zum Lieferanten anfallen Kosten sind Umstellungskosten. Beispiele für Umstellungskosten sind:  Mitarbeiterschulungen  Systemanpassungen an die Gegebenheiten des neuen Lieferanten  Informationskosten  Wegekosten  Zeitkosten (durch einen höheren Zeitaufwand) Übung 7.9 Als ein Skaleneffekt (engl. economies of scale) wird in der Produktionstheorie das Verhältnis der Produktionsmenge zur Menge der genutzten Produktionsfaktoren bestimmt. Der auch als „Größen- Wettbewerb in der Branche Bedrohung durch Markteintritt neuer Wettbewerber Verhandlungsstärke Abnehmer Bedrohung durch Ersatz produkte Verhandlungsstärke Lieferanten <?page no="474"?> Lösungshinweise zu den Übungen im Text 475 vorteil“ oder „Größenkostenersparnis“ bekannte Skaleneffekt beschreibt den Umstand, wenn mit einer Intensivierung der Produktionsfaktoren auch die Produktionsmenge steigt. Idealerweise sinken die Produktions- und Selbstkosten bei steigender Produktionsmenge. Abhängig vom Verhältnis zwischen Input und Output wird von drei Arten von Skaleneffekten gesprochen: konstant, negativ und positiv. Übung 7.10 Internationalen Wettbewerbsstrategien:  Differenzierung  Kostenführerschaft  Konzentration auf Schwerpunkte  Multiplikationsstrategie  Anpassungsstrategie  Verschmelzungsstrategie  Portfoliostrategie  Sequentiell-hybride Strategie Nähere Informationen zu den einzelnen Strategien finden Sie im Abschnitt 6 dieses Kapitels. Übung 7.11 Acht Schritte einer Differenzierungsstrategie (1) Ermittlung des neuen internationalen Käufers (2) Ermittlung der Wertkette des Käufers und Ansatzpunkte für eine mögliche Einflussnahme. (3) Ermittlung der Rangfolge der Kaufkriterien des Abnehmers für die Dienstleistung (4) Ermittlung der Quellen der Differenzierung in der Wertkette. (5) Ermittlung der Kosten der Differenzierungsquellen. (6) Zusammensetzung der Wertaktivitäten (7) Überprüfung der Strategie auf internationale Nachhaltigkeit (8) Externe Kostenkontrolle bei Wertaktivitäten, die direkt mit der Differenzierung in Verbindung stehen. <?page no="475"?> Literaturverzeichnis Althaus, M. (2005). Public Affairs und Public Relations - Ungleiche Schwestern. DIPAPERS 03: Wissenschaftliche Studien und Positionen zur Praxis in Politikmanagement, Politischer Kommunikation und Interessensrepräsentation, S. 2. 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Verfügbar am 09.09.2020 unter https: / / www.wto.org/ english/ res_e/ booksp_e/ anrep_e/ world_trade_report07_e.pdf <?page no="478"?> 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen von Ivana Simic und Wilhelm Schmeisser Lernziele Neue Geschäftsmodelle, Innovation und die Digitalisierung bestimmen die internationalen Dienstleistungen in der Zukunft. Dienstleistungen sind nicht mehr nur regional, sie werden zunehmend auch international und digital nachgefragt. In diesem Kontext stellt sich häufig die Frage, wann in einem Markt eingetreten werden soll. Soll man der erste sein, oder ist es besser als zweiter oder gar als dritter in den Markt einzutreten? Das Internet verändert die Welt. Die Geschwindigkeit nimmt rasante an Schnelligkeit zu. Eigentlich kann man heute nur noch der erste Markteintreter sein. In der Old Economy reichte es manchmal noch, der dritte Markteintreter zu sein. Das ist heute passé. „Forschung und Entwicklung sowie Innovation [und Digitalisierung...] bilden die Säulen der Wettbewerbsfähigkeit, Existenzsicherheit und finanziellen Erfolgswirksamkeit jedes Unternehmens“ (Schmeisser, 2013: 18). Neben vorwiegend inkrementellen Produktund/ oder Prozessdigitalisierungen im Sinne optimierender Innovationen stellt auch die Entwicklung gänzlich neuer Geschäftsmodelle sowie die Erschließung entsprechender Märkte die dritte Säule einer innovativen Unternehmung dar (vgl. Piller und Splettstößer, 2016: 1). Infolgedessen gewinnt die systematische Erschließung neuer Märkte für immer mehr Unternehmen an Bedeutung. Von erfolgswirksamer Relevanz ist in diesem Kontext auch die Wahl einer passenden Markteintrittsstrategie (vgl. Porter 1982: 54). Die aus der Markteintrittsstrategie abgeleitete Markteintrittsplanung fußt dabei auf mehreren Dimensionen (vgl. u.a. Remmerbach, 1988: 13; Gutberlet, 2012: 8). Entscheidend sind nicht nur die Selektion eines konkreten Zielmarktes (wo? ) und die Festlegung einer spezifischen Markteintrittsform (wie? ). Auch die Wahl des vielversprechendsten Markteintrittszeitpunktes (wann? ) und somit die Entscheidung für eine bestimmte Timing-Strategie sind von maßgeblicher Relevanz (vgl. Oelsnitz, 1996, 181ff.). Unternehmen haben dabei grundsätzlich die Wahl zwischen der sog. „First-Mover-Strategie“ oder „Follower-Strategie“. Simplifiziert ist der First Mover dabei das Unternehmen, welches als Erstes einen neuen Markt betritt (vgl. z.B. Robinson und Fornell, 1985: 305; Lieberman und Montgomery, 1988: 51; Remmerbach, 1988: 54f.; Kalyanaram et al., 1995: 212; Min et al., 2006: 19). Im Gegensatz dazu betreten die sog. „Follower“ bzw. Folgeunternehmen den Markt erst mit einem entsprechenden zeitlichen Verzug nach dem First Mover (vgl. Schnaars, 1986: 27ff.). In der entsprechenden Fachliteratur erfährt die Zeitdimension der Markteintrittsplanung besondere Beachtung. Die Auseinandersetzungen basieren dabei i.d.R. auf der Annahme, dass unterschiedliche Zeitpunkte des Markteintritts auch unterschiedliche Unternehmenserfolgschancen implizieren. Im Allgemeinen nimmt eine Majorität der Autor/ innen dabei an, … <?page no="479"?> 480 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen … je früher ein Unternehmen einen Markt betritt, desto größer seien seine Erfolgschancen auf diesem Markt (vgl. u.a. Clement et al., 1998; Szymanski et al., 1995). Damit gewinnt seit dem Ende der 1970er Jahre das Finden des optimalen Markteintrittszeitpunktes sowohl im Rahmen der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung (vgl. Busch, 2005: 2), als auch in der Praxis (vgl. Boulding und Christen, 2003: 371) zunehmend an Bedeutung. In Konsequenz dessen, entwickeln sich das Markteintrittstiming im Allgemeinen sowie das First-Mover-Konzept im Speziellen zu bedeutenden Themen der wirtschaftswissenschaftlichen Disziplin des „Strategischen Managements“ und des internationalen Dienstleistungsmanagements (vgl. Lieberman und Montgomery, 1998: 1114). Sie erfreuen sich bis heute einer beachtlichen Berücksichtigung im wirtschaftswissenschaftlichen Diskurs (vgl. Gutberlet, 2012: 1). Die Diskussion über die Vorteilhaftigkeit bzw. Erfolgswirkung verschiedener Markteintrittszeitpunkte mit digitalen bzw. internetbasierten Geschäftsmodellen erfährt auch in der Internetökonomie Aufmerksamkeit (vgl. Specht, 2001: 1; Frawley und Fahy, 2006: 273f.). Der Internetökonomie, die die Kommunikation, Interaktion und Transaktion in einem digitalen und globalen Umfeld ermöglicht (vgl. Kollmann und Kirchgeorg, 2018) und damit als Sphäre gelten kann, in der digitale Geschäftsmodelle vorwiegend „stattfinden“, wird dabei eine entscheidende wirtschaftliche Bedeutung beigemessen (vgl. Haertsch, 2000: 31; Zerdick et al., 2001: 15; vgl. EFI- Expertenkommission Forschung und Innovation, 2016: 60ff.). Technologisch einst als Militärtechnologie der USA innoviert (vgl. Meisner, 2004: 11f.), avanciert das Internet im Laufe der letzten Jahre bzw. nunmehr Jahrzehnte zum bedeutendsten Treiber der Transition von der Industriehin zur Informationsgesellschaft (vgl. Gutberlet, 2012: 2). In der Spitze der Interneteuphorie bzw. während der Entstehung der sog. „Dotcom-Blase“ kam es zu unzähligen Unternehmensgründungen auf den Internetmärkten von 1997 bis 2000, stets unter der Prämisse, dass der Erste eines Marktes auch (langfristig) der Erfolgreichste sein würde (vgl. Nicolai zit. n. Halberstadt, 2014: V). Doch als die Euphorie sukzessive schwand und es im Jahre 2000 zum sog. „Dotcom Crash“, dem Platzen der Dotcom Blase kam, erfuhr die bis dahin weitverbreitete Überzeugung, dass First Mover auf Internetmärkten a priori langfristige Wettbewerbsvorteile realisieren, eine entscheidende Relativierung (vgl. Specht, 2001: 2; Frawley und Fahy, 2006: 274, Lieberman, 2007: 3). Da eine Vielzahl der First Mover damals scheiterte, breitete sich bei zahlreichen Autor/ innen infolgedessen eine merkliche Skepsis aus. Autoren, wie Michael Porter (2001: 68), schrieben gar vom „Mythos der First Mover“ oder führten gar die gänzliche Entstehung bzw. das Platzen der Dotcom- Blase zu großen Teilen auf den „Irrglauben“ an First-Mover-Vorteile zurück. Fortan wurde der First- Mover-Status in der einschlägigen Literatur deutlich kritischer diskutiert. Zeitgleich zeichnet sich jedoch ab, dass jene Themen und insbesondere die nähere Beleuchtung von First Movern internetbasierter Geschäftsmodelle, auch für die zunehmend heranwachsende Entrepreneurship- Forschung von maßgeblicher Relevanz sein werden, denn … … „Innovative Geschäftsmodelle der digitalen Wirtschaft, die auf software- und internetbasierten Technologien […] aufbauen, werden derzeit insbesondere von jungen Unternehmen aufgegriffen […].“ (EFI, 2016: 62) Die Ausstattung mit erfolgskritischen Ressourcen gestalte sich bei entsprechenden Start-Ups tendenziell bescheidener (vgl. Nicolai zitiert nach Halberstadt, 2014: V), was sich infolgedessen für viele First Mover digitaler bzw. internetbasierter Geschäftsmodelle als schwieriger bzw. problematisch erweisen könnte. <?page no="480"?> 481 Wie weiter oben bereits kurz thematisiert, widmet sich die (wirtschaftswissenschaftliche) Forschung bereits seit einigen Jahrzehnten der Auseinandersetzung mit dem First-Mover-Konzept. Umso erstaunlicher erscheint es, dass es zum First-Mover-Konzept für digitale Geschäftsmodelle auf Internetmärkten bisher nur vergleichsweise wenige Publikationen gibt (vgl. Halberstadt, 2014: 6). Ferner kommt hinzu, dass die existierenden Untersuchungen zu keinen einheitlichen bzw. eher stark divergierenden Forschungserkenntnissen kommen. Motiviert durch diesen quantitativen Mangel an adäquaten Forschungserkenntnissen und die durchaus beachtliche Divergenz der existierenden Erkenntnisse, widmet sich dieses Heft der genaueren Beleuchtung der Herausforderungen, mit denen sich First Mover digitaler Geschäftsmodelle konfrontiert sehen. Die einschlägigen bisherigen Auseinandersetzungen bzw. Untersuchungen erfolgten indessen sehr separiert voneinander. Bedingt durch die häufig starke Konzentration auf einzelne Untersuchungsvariablen (vgl. Clement et al., 1998: 218), ergibt sich ein eher fragmentiertes Bild an Forschungserkenntnissen, an gesamtheitlicheren Betrachtungen scheint es zu mangeln. Im Rahmen dieses Kapitels soll untersucht werden, welche der allgemeinen, oft zitierten First-Mover-Vor- und -Nachteile sich für First Mover digitaler bzw. internetbasierter Geschäftsmodelle als problematisch erweisen. Das heißt, es wird im Speziellen untersucht welche und warum einige allgemeine Vorteile nur noch bedingt bis gar nicht mehr realisierbar sind bzw. einige der allgemeinen Nachteile für die betrachteten First Mover im erfolgskritischen, verstärkten Maße bei internationalen Dienstleistungen auftreten. Des Weiteren soll ergründet werden, wie die veränderten Wettbewerbsbedingungen im Internet einerseits und die Spezifika digitaler Güter andererseits, dabei die Argumentationsführung für die Entstehungsmechanismen der Vor- und Nachteile beeinflussen. Das erste Teilziel ist es, in Form einer Kurzexplikation der existierenden Forschungs-erkenntnisse ein Grundverständnis für das First-Mover-Konzept im Generellen und die allgemeinen First-Mover- Vor- und -Nachteile im Speziellen zu schaffen. Nach dem eine ordentliche wissenschaftliche Ausgangsbasis für den weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung gewährleistet ist, beschreibt das zweite Teilziel die Schaffung einer Synthese der einschlägigen Literatur bzw. Forschungserkenntnisse. Im Rahmen der Synthese der ausgewählten Forschungserkenntnisse und fußend auf einer Kategorisierung wird sich offenbaren, welche der betrachteten Vorbzw. Nachteile sich für First Mover digitaler Geschäftsmodelle als problematisch erweisen. Deshalb hat der dritte Teil es sich zum Ziel gesetzt, im Zuge einer Feinanalyse konkret darzulegen warum die betroffenen Vorbzw. Nachteile für First Mover digitaler Geschäftsmodelle im besonderen Maße erfolgskritisch sind respektive ihre Problematik determinieren. Die Kurzvorstellung ausgewählter Beispiele soll die Ausführungen des dritten Teils abrunden und der Komplementierung der Problematik dienen. Da sich eines der dominierenden Probleme der First-Mover-Forschung auf das Fehlen einer einheitlichen bzw. allgemein akzeptierten Begriffsdefinition für „First Mover“ zurückführen lässt, werden im nächsten Abschnitt verschiedenen Definitionsansätzen und der genaueren begrifflichen Abgrenzung beschrieben. Kommt es in vergleichsweise vielen Publikationen zur unmittelbaren synonymen Verwendung der Begriffe „First Mover“ und „Early Mover“ (vgl. Lieberman, 2007: 14), berücksichtig der nächste Abschnitt 8.1 mehrere, differenziertere Abgrenzungsmöglichkeiten. Zur Konkretisierung des First-Mover-Verständnisses werden in komprimierter Form weiterführende Untersuchungsvariablen dargelegt, welche über eine ausschließlich nummerische Bestimmung der Markteintrittsreihenfolge hinausgehen. Sind mit Abschnitt 8.1 die definitorischen Grundlagen hervorgebracht, widmet sich Abschnitt 8.2 der theoretischen Auseinandersetzung mit dem First-Mover-Konzept. Da das First-Mover-Konzept keine eigene, zusammenhängende Theorie darstellt, wird zunächst überprüft, ob und inwiefern spieltheoretische Modellierungen einen Beitrag zur theoretischen First-Mover-Forschung leisten können. In Ermangelung theoretischer Überlegungen zum First-Mover-Konzept selbst, wird anschließend ferner das Verknüpfungspotenzial zum Erklärungsansatz des Resource-based View ergründet, nachdem dieser kurz vorgestellt wurde. 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen <?page no="481"?> 482 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen Um die Beantwortung der Forschungsfrage zu ermöglichen und das erste Teilziel zu erreichen, folgt in Abschnitt 8.3 eine kurze Aufarbeitung der allgemeinen First-Mover-Forschung. Die Ausführungen dieses Absatzes sollen sichern, dass ein hinreichendes Verständnis für das First-Mover-Konzept und die allgemeinen First-Mover-Vor- und -Nachteile geschaffen wird. Komprimiert ausgedrückt untersucht der Absatz, welche der allgemeinen, oft zitierten First-Mover- Vor- und -Nachteile sich für First Mover digitaler Geschäftsmodelle als problematisch erweisen. Daraus resultierend bedarf es der Explikation des Begriffs „digitales Geschäftsmodell“ im Rahmen internationaler Dienstleistungen. Mit Abschnitt 8.4.1 wird der Versuch unternommen, eine solche zu tätigen. Darüber hinaus stehen die weiteren Abschnitte im Zeichen der veränderten Rahmenbedingungen des digitalen, internetbasierten Umfelds. Abschnitt 8.4.2 umfasst dabei eine knappe, zweckmäßige Ausführung zur Definition und den Charakteristika der Internetökonomie, welche i. w. S. als Sphäre verstanden werden, in welcher die digitalen Geschäftsmodelle stattfinden. Eine genauere Darlegung erfahren hingegen die veränderten Wettbewerbsbedingungen im Internet (Abschnitt 8.4.3) und die Spezifika digitaler Güter (Abschnitt 8.4.4), da anzunehmen ist, dass diese der entscheidende Trigger für veränderte Generierungsmöglichkeiten von First-Mover-Vorbzw. Nachteilen sind. Folglich könnten sie i. w. S. als Determinanten der Problematik von First Movern digitaler Geschäftsmodelle verstanden werden. Der anschließende Abschnitt 8.5 stellt den Kern dar. Es dient der finalen Beantwortung der Forschungsfrage bzw. der Erreichung des zweiten sowie dritten Teilziels. Das Resultat eines umfassenden Studiums und der Kategorisierung der einschlägigen Literatur bzw. Forschungserkenntnisse zu spezifischen First-Mover-Vor- und -Nachteilen bei digitalen Geschäftsmodellen finden sich in Abschnitt 8.5.1 wieder. Basierend auf den Ergebnissen der vorhergehenden Synthese werden jene Vor- und Nachteile identifizieren, die als „problematisch“ gelten. In Abschnitt 8.5.2 folgt deren Feinanalyse. In Abschnitt 8.6 erfolgt die Kurzvorstellung ausgewählter Beispiele. Diese sollen die Ausführungen des Abschnitts 8.5 beispielgebend abrunden und der Komplementierung der Problematik dienen. Die Schlussbetrachtung umfasst neben der Zusammenfassung der Ergebnisse auch einen Ausblick, welcher auf interessante Weiterforschungsmöglichkeiten bzw. -bedarfe neuer Dienstleistungen verweist. 8.1 Begriffsdefinition und Bestimmung des First Mover Lernziel In diesem Abschnitt lernen Sie First Mover zu definieren und zu bestimmen. Es geht darum, wann ein länderübergreifender Markteintritt für Produkte und Dienstleistungen getätigt wird, also um eine internationale Handlung. Einführend soll deshalb zunächst geklärt werden, wie die eindeutige Bestimmung bzw. Identifizierung einer Markteintrittsreihenfolge erfolgen kann (vgl. Berger, 2005: 29). Zwei Faktoren erschweren dabei die eindeutige Bestimmung dieser maßgeblich: Einerseits die uneinheitliche Definition und Auslegung des Begriffs „First Mover“ und andererseits inkongruente Festlegungen der Eintrittsreihenfolge in Abhängigkeit zur Marktabgrenzung (vgl. ebd.: 29). <?page no="482"?> 8.1 Begriffsdefinition und Bestimmung des First Mover 483 8.1.1 Begriffliche Abgrenzung des First Mover bei Dienstleistungen Bereits die einführende Auseinandersetzung mit der entsprechenden Fachliteratur offenbart, dass der First-Mover-Begriff nicht eindeutig definiert ist. Die fehlende eindeutige Definition und die uneinheitliche Interpretation bzw. Auslegung des Begriffs „First Mover“ kann zur Ergebnisverzerrung führen und eine mangelnde Vergleichbarkeit der Studienergebnisse bedingen (vgl. Hidding und Williams, 2003: 2; Lieberman, 2007: 13; Halberstadt, 2014: 13). Die beiden bedeutsamen Autoren Lieberman und Montgomery (1988: 50) verweisen bereits 1988 auf das bestehende Definitionsproblem: „Perhaps the most fundamental problem with the concept of `first mover` is that of definition.“ Aber auch die Sichtung der jüngeren Literatur lässt schnell erkennen, dass die Begriffsproblematik weiterhin Bestand hat (vgl. Halberstadt, 2014: 13), da es auch heute in der entsprechenden Literatur noch keine allgemein akzeptierte Begriffsdefinition gibt, vielmehr werden verschiedenste Definitionsvorschläge diskutiert (vgl. Berger, 2005: 29). Daraus resultiert an dieser Stelle die unumgängliche Notwendigkeit nach einer begrifflich exakten Abgrenzung und der damit verbunden Präzisierung des zugrunde gelegten First-Mover-Verständnisses (vgl. Halberstadt, 2014: 13). Nur zwei Jahre nachdem Lieberman und Montgomery 1988 auf das First-Mover-Definitionsproblem hingewiesen haben, versuchten sie sich 1990 selbst an einer eher generellen Begriffsdefinition. Definition 8.1 Hierbei bestimmen sie den First Mover als „[…] the first to produce a new product, the first to use a new process, or the first to enter a new market.“ (Lieberman und Montgomery, 1990: 3). Entscheidend im Rahmen der meisten Definitionsversuche ist die Bestimmung des Zeitpunktes, ab dem ein (potenzieller) First Mover als solcher tituliert werden kann. Lieberman und Montgomery (1988) diskutieren in ihrer Veröffentlichung daher die Frage, ob bei der Festlegung dieses Zeitpunktes einzig die Markteinführung oder gegebenenfalls schon der Markteinführung vorgelagerte Aktivitäten ausschlaggebend sind (vgl. Lieberman und Montgomery, 1988: 51). Definition 8.2 Außerdem sind es Golder und Tellis, die ihrerseits implizit darauf hinweisen, dass im Zuge einer Begriffsdefinition durchaus zwischen einer markt- und produktorientierten Betrachtung differenziert werden kann. In diesem Kontext definieren sie: „Product pioneer is the first firm to develop a working model or sample in a new product category” und “Market pioneer is the first firm to sell in a new product category” (Golder und Tellis, 1993: 159). In Anlehnung an ihre eigene Definition führen Golder und Tellis weiter aus, dass ihre „definition of "market pioneer" is consistent with that of "pioneer" or "first mover" in other studies“ (vgl. ebd.). Denn im überwiegenden Teil aller Untersuchungen basiert die Definition des First Mover auf dem Markteintrittszeitpunkt des jeweiligen Unternehmens und folglich auf einer markt- und nicht produktorientierten Perspektive. <?page no="483"?> 484 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen Definition 8.3 Als First Mover gilt im Allgemeinen vereinfacht das Unternehmen, welches als Erstes in einen neuen Markt eintritt (vgl. Robinson und Fornell, 1985: 305; Lieberman und Montgomery, 1988: 51; Remmerbach, 1988: 54f.; Kalyanaram et al., 1995: 212; Min et al., 2006: 19). Mit Bezug auf die beiden wesentlichen Bestandteile der Definition, sprich den Markteintritt (1) in einen neuen Markt (2), macht Remmerbach (1988: 56) auf zwei Details aufmerksam. Zum einen gibt er zu bedenken, dass der Eintritt des First Movers in einen neuen Markt im engen Sinne gar nicht erfolgen kann, da erst der Markteintrittszeitpunkt des First Movers den eigentlichen Entstehungszeitpunkt des (neuen) Marktes darstellt. Zum anderen definiert er, dass ein solcher Markteintritt erst dann angenommen werden kann, wenn das betroffene Unternehmen auf einem gänzlich neuen Absatzmarkt tätig wird, auf welchem es vorher noch nie tätig gewesen ist (vgl. Remmerbach, 1988: 8). Übung 8.1 Erklären Sie, was unter einem First Mover zu verstehen ist. 8.1.2 Zur Erkennung des First-Mover-Status Auch im Rahmen der Bestimmung der Markteintrittsreihenfolge und damit der Zuordnung des First- Mover-Status lässt sich in der Literatur keine wirkliche Homogenität der Auslegungen erkennen (vgl. Gutberlet, 2012: 10). Im engeren Sinne ist lediglich jenes Unternehmen als First Mover zu bezeichnen, das den untersuchten Markt als Erstes betreten hat (vgl. Szymanski et al., 1995: 30). Hierbei ist der Marktentstehungszeitpunkt identisch mit dem Markteintrittszeitpunkt des First Movers. Hinweis Doch nicht in allen Untersuchungen wird der First-Mover-Begriff so streng ausgelegt. Teilweise werden auch sog. „Early Mover“, sprich früh bzw. unmittelbar folgende Unternehmen ebenfalls als First Mover verstanden (vgl. Robinson und Fornell, 1985: 309; Lieberman, 2007: 14). Erkennbar wird dies an der regelmäßig synonymen Verwendung beider Begriffe (vgl. Lieberman, 2007: 14). Um einem oder gar mehreren Unternehmen den Status des First Mover zuzusprechen, muss dafür zunächst die Markteintrittsreihenfolge eindeutig identifiziert werden. Um die Eintrittsreihenfolge mehrerer Unternehmen in einen Markt abzubilden, erweist sich das Rangziffernkonzept als dienliche Möglichkeit (Berger, 2005: 30). Dabei wird dem in einen Markt zuerst eingetretenen Unternehmen die Rangziffer eins (1) zugeordnet, dem darauffolgendem Unternehmen die Rangziffer zwei (2), usw. Entsprechend erfolgt die Erfassung der Markteintrittsreihenfolge in diesem Falle rein numerisch. In Bezug auf die Begriffsdefinition bildeten sich über die Jahre hinweg zusätzliche Kriterien heraus, welche seitens des First Movers erfüllt sein sollten um als ein solcher zu gelten. Parallel zu dieser Entwicklung wurden auch für die Bestimmung des First-Mover-Status gemäß der Markteintrittsreihenfolge zusätzliche Untersuchungsvariablen entwickelt, welche über das bloße Rangziffernkonzept und damit über die rein numerische Abgrenzung hinausgehen. Mit der Erarbeitung der weiterführenden Untersuchungsvariablen wurde vorrangig auf die Berücksichtigung des Faktors Zeit gezielt. Infolgedessen werden sowohl die Markteintrittsgeschwindigkeit 3 3 time to market <?page no="484"?> 8.1 Begriffsdefinition und Bestimmung des First Mover 485 als auch die Marktteilnahmezeit (vgl. Brown und Lattin, 1994: 1361ff.) als weitere Variablen zur Festlegung des First-Mover-Status verwendet und somit als zusätzliche Untersuchungsparameter in entsprechenden Studien integriert 4 . Andere Erhebungen umfassen darüber hinaus beispielsweise auch die Dauer der Pioneer-Lead- Time 5 als Variable (vgl. Huff und Robinson, 1994: 1369ff.; Urban et al., 1986). Dabei wird die Annahme, dass eine tendenziell längere Pioneer-Lead-Time zu Vorteilen für den First Mover führen kann, durchaus von mehreren Autor/ innen geteilt (vgl. Schmalensee, 1982; Robinson und Fornell, 1985; Huff und Robinson, 1994). Halberstadt (2014: 17) verweist außerdem darauf, dass sowohl die Lebensdauer des betrachteten Marktes als auch die Anbieteranzahl entscheidend zur Relativierung des First-Mover-Status führen können, insofern dieser nach dem Rangziffernkonzept bzw. der absoluten Markteintrittsgeschwindigkeit bestimmt wurde. Daher empfiehlt sich, im Rahmen der Interpretation der entsprechenden Untersuchungsergebnisse stets eine Relativierung der absoluten Werte dieser beiden Parameter. Einige Autor/ innen, darunter u.a. Durand und Coeurderoy (2001) und Lieberman (2007), sprechen daher nicht nur ausschließlich dem Unternehmen mit der Rangziffer eins, sondern auch früh folgenden Unternehmen, sog. Early Movern, die Chance zu First-Mover-Vorteilen zu generieren (vgl. auch Vanderwerf und Mahon, 1997: 1514). Damit erlangen in einigen ausgewählten empirischen Erhebungen auch Folgeunternehmen den Status des First Movers (vgl. z.B. Lieberman, 2007: 16). Übung 8.2 Kann nur ein Unternehmen ein First Mover sein? Bitte begründen Sie Ihre Aussage. Beispiel Als bekanntes Beispiel dient oft das Unternehmen eBay, da eBay kein First Mover i.e.S. war, aber zu einem der umgehend folgenden Unternehmen gehörte (vgl. Hidding und Williams, 2003: 2). Pauschale Regeln zur Differenzierung zwischen First Movern und Early Movern bzw. Folgern sind nur sehr bedingt bzw. eher gar nicht möglich. Allem voran unter Berücksichtigung der relativierenden Wirkung der beiden o.g. Faktoren: Lebensdauer des betrachteten Marktes und Anbieteranzahl. Dennoch greifen einige Autor/ innen wie Mascarenhas (1997) auf allgemeine Abgrenzungsansätze zurück. Mascarenhas stützt seine Definition dabei auf das Rangziffernkonzept bzw. die rein numerische Erfassung der Eintrittsreihenfolge. In diesem Zusammenhang deklariert er die Unternehmen mit der Rangziffer zwei (2) und drei (3) zu frühen und alle anderen, später eintretenden Unternehmen, zu späten Folgeunternehmen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich neben dem Rangziffernkonzept im Laufe der Jahre weiterführende Untersuchungsvariablen etablierten, die darüber hinaus die Einbeziehung des Faktors Zeit sicherstellen sollten. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass unter Berücksichtigung der o.g. Untersuchungsvariablen, die Bestimmung des First Movers nunmehr auf eine zeitrelativierte Markteintrittsreihenfolge zurückzuführen ist. 4 Insofern der Markteintrittszeitpunkt des First Movers und des darauffolgenden Unternehmens zeitlich sehr nah beieinander liegen, so kann unter Umständen durchaus angenommen werden, dass beide Unternehmen sehr ähnliche bzw. stark vergleichbare Voraussetzungen haben (vgl. dazu u.a. Halberstadt, 2014: 16). 5 Häufig synonym auch als Monopolmarktzeit beschrieben. <?page no="485"?> 486 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen 8.1.3 Einfluss der Marktabgrenzung Neben den unterschiedlichen Definitionen des Begriffs First Mover stellt auch die inhomogene Marktabgrenzung einen entscheidenden Grund für unterschiedlich bestimmte Markteintrittsreihenfolgen dar (vgl. Berger, 2005: 30). Dabei beeinflusst die Marktabgrenzung die Erlangung des First- Mover-Status nicht unerheblich. Je enger nämlich ein Markt abgegrenzt wird, umso mehr separierter Märkte werden betrachtet und umso mehr Unternehmen haben die Chancen als First Mover zu gelten (vgl. u.a. Robinson et al., 1992: 3ff.; Kalyanaram et al., 1995: 231). Im Rahmen einer räumlichen Marktabgrenzung könnte z.B. zwischen regionalen, nationalen (vgl. Kühlmann und Weber, 1997: 237) und internationalen Märkten unterschieden werden. Diesem Abgrenzungsansatz kommt im Falle internetbasierter Geschäftsmodelle jedoch eher eine sekundäre Bedeutung zu, daher erscheint die Verwendung eines sachlichen Abgrenzungsansatzes deutlich sinnvoller. Im Zusammenhang einer sachlichen Abgrenzung ist ein Markt erst dann als neu zu definieren, wenn er der Vermarktung bzw. Kommerzialisierung einer neuen Dienstleistung beziehungsweise eines neuen Produktes dient (vgl. Robinson und Fornell, 1985: 305; Schnaars, 1994: 14). Hier wird nicht auf vordergründig auf klassische Produkte und Dienstleistungen fokussiert, vielmehr gilt das primäre Augenmerk den digitalen, internetbasierten Geschäftsmodellen. Abgeleitet aus den Charakteristika der Internetökonomie, die im Rahmen des Abschnitts 8.4.2 genauer dargelegt werden, sollten daher für eine potenzielle Marktabgrenzung eher die „Substitutionsmöglichkeit der Nachfrager“ und die „Angebotsähnlichkeit“ die beiden ausschlaggebenden Bestimmungsfaktoren sein (vgl. Halberstadt, 2014: 14). In diesem Falle beruht die Bestimmung des betrachteten Marktes primär auf substitutionshomogenen Angeboten (vgl. Woratschek, 1998: 695). Demnach ist beispielsweise die kundensubjektive Neuartigkeitswahrnehmung bzw. funktionelle Austauschbarkeit des konkreten Angebotes viel eher von Bedeutung als die tatsächliche Neuartigkeit einer bestimmten Technologie (vgl. Halberstadt, 2014: 14). Auch Abell offeriert mit seinem dreidimensionalen Erfassungsmodell eine weitere Möglichkeit zur Marktabgrenzung. Dabei empfiehlt er in seinem Bezugsrahmen die Abgrenzung der Geschäftsfelder auf Basis der drei Dimensionen (vgl. dazu Abell, 1980: 14ff.): - Kunden-/ Abnehmergruppe (customer group dimension) - Kundenfunktion/ Funktionserfüllung (customer function dimension) verwendete Technologie (technological dimension). Auch an dieser Stelle herrscht in der entsprechenden Literatur keine Einigkeit und Einheitlichkeit über die diversen Marktabgrenzungsansätze. Dies ist jedoch in Anbetracht der jeweils spezifischen Wettbewerbsprozesse und -situationen (vgl. Minderlein, 1989: 32; Helfat und Lieberman, 2002: 727) durchaus erklärlich. Demzufolge scheint es nachvollziehbar, dass je nach spezifischem Untersuchungsvorhaben individuelle Marktabgrenzungsansätze gewählt werden. Aufgrund der vielzähligen Abgrenzungsansätze und in Anbetracht der Bedeutung der Marktabgrenzung für den First-Mover-Status sei mit diesem Kapitel 8 hinreichend darauf verwiesen, dass der Aspekt der Marktabgrenzung im Rahmen der Interpretation von Untersuchungsergebnissen stets Berücksichtigung finden sollte. <?page no="486"?> 8.1 Begriffsdefinition und Bestimmung des First Mover 487 Exkurs zur historischen Entwicklung der First-Mover-Forschun g Die ersten Ausarbeitungen zu pot. First-Mover-Vorteilen lassen sich auf die 1930er Jahre zurückdatieren, wo sie sich einer initialen Beachtung in der volkswirtschaftlichen Literatur erfreuten (vgl. Halberstadt, 2014: 32). Den Autoren Kopel und Löffler (2008: 145) zufolge war der deutsche Ökonom Heinrich Freiherr von Stackelberg im Jahre 1934 der Erste, der im Zuge seines Models demonstrieren konnte, dass die „Erstentscheider“ eines Marktes (respektive die First Mover) in Gegenüberstellung zu den „Entscheidungsfolgern“ im Vorteil sind und somit die Möglichkeit haben höhere Gewinne einzunehmen. Auch innerhalb der darauffolgenden Jahre widmeten sich andere Autor/ innen diesem Thema und trugen damit zur Weiterentwicklung des First-Mover-Ansatzes bei (s. dafür u.a. die Ausarbeitungen von Borden, 1944 und Nicholls, 1951). In der gegenwärtigen Literatur herrscht weitestgehend Übereinstimmung darüber, dass es Bain im Jahre 1956 war, welcher die erste extensive empirische Studie zum Markteintritt publizierte (vgl. u.a. Schnaars, 1994: 34; Busch, 2005: 57; Halberstadt, 2014: 32). Im Rahmen dieser weist er First-Mover-Vorteile und deren Wirken als Markteintrittsbarriere für Folgeunternehmen nach (vgl. Bain, 1956: 181ff.). Die ersten marketingorientierten empirischen First-Mover-Forschung, wurden den 1970er Jahren erarbeitet (vgl. Vidal, 1993: 139; Frawley und Fahy, 2006: 275), wenngleich sich jene Arbeiten anfänglich nur mit ausgewählten Aspekten des First-Mover-Ansatzes befassten. Konzeptionell fundiertere Ausarbeitungen folgten erst in den 1980er Jahren (vgl. Busch, 2005: 57), insbesondere von Lieberman und Montgomery, als auch von Kerin und seinen Kollegen. Auch in den aktuellen Publikationen erfolgt ein regelmäßiger Rückgriff auf die Erkenntnisse jener initialen First-Mover-Forschung und folglich werden diese einschlägigen Überlegungen immer noch häufig zitiert. Außerdem ist im Laufe der 1980er Jahre eine spannende, kongruente Entwicklung zu beobachten, denn so wie sich das „Strategische Management“ sukzessive als eigene wissenschaftliche Disziplin etabliert, so erfuhr auch die First-Mover-Debatte eine zunehmende Fundierung (vgl. Patterson, 1993: 1). Eine weitere interessante Kongruenz ließ sich auch während des sog. „Dotcom-Booms“ beobachten. Zeitgleich zur Bildung der sog. „Dotcom-Blase“ verzeichnete auch die First-Mover-Literatur eine beachtliche quantitative Zunahme an Publikationen. Allerdings ist der qualitative Mehrwert vieler Veröffentlichungen jener Zeit heutzutage durchaus umstritten. Es ist davon auszugehen, dass einige Autor/ innen schlichtweg dem damaligen Trend folgten und das Bestehen von First-Mover-Vorteilen nahezu leichtfertig validierten, ohne dass ihre Begründungen respektive Beweisführungen wissenschaftlich hinreichend fundiert waren (vgl. Bolton, 2007: 9ff.; Halberstadt, 2014: 32). Auch in den darauffolgenden Jahren gewann das First- Mover-Konzept zunehmend an Popularität. Im Zuge dessen wurden überwiegend die Vorteile eines frühen Eintritts in einen Markt betont, wenngleich die Erkenntnisse und Strömungen in der First-Mover-Forschung teilweise extrem divergieren. Die jüngste First-Mover-Forschung ist in gewisser Weise durch eine grundsätzliche Relativierung gekennzeichnet. Wurden im Rahmen der bisherigen Ausarbeitungen größtenteils lediglich First Mover und Folger miteinander verglichen (vgl. Fischer et al., 2007: 539), so dehnen aktuelle Untersuchungen das „enge“ First-Mover-Konzept zu einer Diskussion um die (zeitrelativierten) Markteintrittsreihenfolge aus (vgl. Gutberlet, 2012: 16). <?page no="487"?> 488 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen Exkurs: Vorstellung der relevantesten Strömungen der First-Mover-Forschung Markteintrittsreihenfolgeeffekte werden in vielzähligen, empirischen und theoretischen Auseinandersetzungen diskutiert (vgl. Boulding und Christen, 2003: 373). Doch in dem breiten Spektrum an Antworten auf diese Frage sucht man sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis vergebens nach Einigkeit. Dabei widmet sich eine merkliche Mehrheit der Veröffentlichungen dem First-Mover-Konzept sowie der Verifizierung der dazugehörigen Vorteile. Die Meinungen über die Existenz von Vorteilen für den First Mover unterscheiden sich in der First-Mover-Forschung nicht unerheblich. Ganz im Gegenteil, sie divergieren zum Teil sehr stark. Die Standpunkte der einzelnen Autor/ innen sowie die dazugehörigen Titel ihrer Publikationen erstrecken sich daher von: Satz 8.1 „[…] important competitive weapon […]“ (s. Flood et al., 1997: 291), „The Half-Truth of First- Mover Advantage” (s. Suarez und Lanzolla, 2002: 1) bis zu „First to market, First to fail […]? ” (s. Tellis und Golder, 1996: 1). Im Rahmen eines umfangreichen und differenzierten Studiums der bestehenden Erkenntnisse der First-Mover-Forschung kristallisiert sich heraus, dass diese im Groben drei grundsätzliche Strömungen aufweist. Ein beachtlicher Teil der Autor/ innen spricht sich klar für die Existenz und den maßgeblichen Einfluss von First-Mover-Vorteilen aus. Im Rahmen ihrer Untersuchungen verifizieren sie die wettbewerbliche Vorteilhaftigkeit für das Unternehmen, welches als erstes in einen Markt eingetreten ist. Dieser Strömung können beispielsweise folgende ausgewählte Publikationen zugeordnet werden: Satz 8.2 Bond und Lean (1977), Robinson und Fornell (1985), Urban et al. (1986), Robinson (1988), Mascarenhas (1992) und Robinson/ Min (2002). Diese und viele weitere, insbesondere empirische Ausarbeitungen, konnten die Existenz von First-Mover-Vorteilen aufzeigen, weswegen zeitweilig sogar von einem grundsätzlichen First- Mover-Phänomen berichtet wurde (vgl. Golder und Tellis, 1993: 158ff.). Mit Beginn der zweiten Hälfte der 1980er Jahre formte sich allmählich eine zweite Strömung, in deren Rahmen eher den First Movern Nachteile respektive den Folgern Vorteile zugesprochen wurden. Infolgedessen gelingt es einerseits durch Lambkins und Days (1989) Analyse der langfristigen Erfolgschancen von Folgern theoretisch und andererseits mittels der Untersuchungen von (u.a.) Golder und Tellis (1993& 1996) empirisch, Vorteile für Folger zu verifizieren. Darüber hinaus positionieren sich auch Shankar et al. (1998) ebenso wie Boulding und Christen (2003) im Rahmen der jeweiligen Position gegen die Existenz von Vorteilen für das First-Mover-Unternehmen. Zur besseren Einordung und Vergleichbarkeit sei an dieser Stelle angeführt, dass in den dazugehörigen Untersuchungen der First-Mover-Begriff größerenteils im engen Sinne verstanden wird. Die jüngste First-Mover-Literatur hingegen ist durch eine Relativierung des engen First-Mover-Verständnisses geprägt. Im Zuge dessen entwickelte sich auch sukzessive eine dritte Strömung, deren Autor/ innen den Begriff des First Mover im weiten Sinne einführen und einsetzen. Demnach bekräftigen sie die grundsätzlichen Vorteile eines frühen Markteintritts und erweitern dadurch die traditionelle First-Mover-Diskussion. In dieser wurden primär die absolut Ersteintretenden eines Marktes und weiter undifferenziert alle weiteren Folger einander gegenübergestellt (vgl. Fischer et al., 2007: 539). Fortan gewann, im Rahmen der Untersuchungen, <?page no="488"?> 8.2 Theoretische Auseinandersetzung mit dem First-Mover-Konzept 489 daher die „zeitrelativierte“ Markteintrittsreihenfolge zunehmend an wissenschaftlicher Relevanz. Als ausgewählte, exemplarische Repräsentanten dieser Strömungen könnten die folgenden Autoren samt ihrer betroffenen Veröffentlichungen dienen: Satz 8.3 Kalyanaram und Urban (1992: 246f.), Pan et al. (1999: 97ff.), Coeurderoy und Durand (2004: 589) und Fischer et al. (2007: 535ff.). Ihnen ist gemein, dass sie alle dem frühen Eintritt in einen Markt eine gewisse Vorteilhaftigkeit beimessen. Sie sind daher der Überzeugung, dass ein Unternehmen nicht zwingend das Erste Unternehmen am Markt sein muss, um ausschlaggebende Wettbewerbsvorteile zu generieren, sehr wohl aber zu einem der ersten gehören sollte (vgl. ebd.) Auch die Autoren Coeurderoy und Durand (2004: 589) sprechen sich für eine „Auflockerung“ des restriktiven First-Mover-Verständnisses aus und prägen in diesem Kontext die Begrifflichkeit des „Early-Mover Advantages“. Satz 8.4 Komprimiert ist festzuhalten, dass grob drei Strömungen innerhalb der First-Mover-Forschung identifiziert werden können. Während eine Gruppe von Autoren den First Movern klare (Wettbewerbs-) Vorteile beimisst, sprechen sich andere gegen die Existenz von First-Mover-Vorteilen aus und belegen teilweise sogar das Vorliegen von Folger-Vorteilen bzw. First-Mover- Nachteilen. Eine jüngere, dritte Strömung dehnt das enge First-Mover-Verständnis aus und unterstreicht die Vorteile eines frühen Markteintritts. Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurde eine Begriffsdefinition und Bestimmung des Begriff First Mover insbesondere bei Dienstleistungen vorgenommen. Hierzu wurde aufgeführt, wie ein First Mover zu erkennen ist und wie ein Marktabgrenzung erfolgen kann. Zudem wurde die historische Entwicklung der First-Mover-Forschung als Exkurs vorgestellt. Die relevanten Strömungen der First-Mover-Forschung runden den Abschnitt ab. Aufgabe 8.1 Welche Marktabgrenzung empfiehlt Abell? Aufgabe 8.2 Recherchieren Sie im Internet nach drei Unternehmen, die als First Mover bezeichnet werden. 8.2 Theoretische Auseinandersetzung mit dem First-Mover- Konzept Lernziele In diesem Abschnitt erhalten sie einen theoretischen Überblick über das First-Mover-Konzept. Sie erkennen, inwieweit spieltheoretische Modelle bei der Entscheidung, wenn in einen Markt eingetreten werden soll, als Entscheidungshilfe dienen können. Zudem lernen sie den Resource-based View und das VRIO-Framework kennen. <?page no="489"?> 490 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen Die First-Mover-Forschung ist primär empirisch geprägt, an rein theoretischen Auseinandersetzungen zu allgemeinen First-Mover-Vor- und -Nachteilen mangelt es. Ferner sei angeführt, dass spieltheoretische Erklärungsansätze den Großteil der vorliegenden theoretischen Überlegungen ausmachen. 8.2.1 Spieltheoretische Modelle Dabei kommt es im Rahmen von spieltheoretischen Modellen zur Analyse des wettbewerblichen Verhaltens der jeweiligen „Spieler“ anhand unterschiedlicher Strategien (vgl. Berger, 2005: 22). Die Spieltheorie gilt dabei als formallogisch konstruiert und beruht auf der Prämisse eines rationalen Verhaltens aller „Spieler“ (vgl. Camerer, 1991: 137). Bereits 1985 und 1987 leistet Esther Gal-Or einen der bedeutendsten Beiträge zur (spiel) theoretischen First-Mover-Diskussion. Im Zuge ihrer Ausarbeitung kommt sie zu dem Schluss, dass First Mover aufgrund ihres Markteintrittszeitpunktes nicht a priori Wettbewerbsvorteile verwirklichen. Dies sei, Gal-Or nach, nur durch gewisse Aktions-Reaktions-Verläufe realisierbar. Darüber hinaus konstatiert sie, dass auch Folgeunternehmen durchaus die Möglichkeit haben entsprechende Wettbewerbsvorteile zu generieren. Welcher der „Spieler“ letztlich entscheidende (Wettbewerbs-)Vorteile verwirklicht, basiere dabei auf dem Verlauf der sog. Reaktionsfunktion. Darüber hinaus konkludiert Gal-Or im Rahmen ihrer zweiten Veröffentlichung, dass selbst Taktiken der Verschleierung oder bewussten Verwirrung des First Movers lediglich zur minimalen oder gar keiner Konfusion des Folgeunternehmens führen. Begründet sieht sie das durch die Möglichkeit der Folgeunternehmen, aus den tatsächlichen „Spielzügen“ und Aktionen der First Mover die exakten Informationen über den Status des Marktes abzuleiten. Damit spricht sie den Folgeunternehmen gar die Möglichkeit zu, aus den Fehlern des First Movers zu lernen (vgl. Gal-Or, 1987: 288f.). Auch andere Forscher/ innen erarbeiten weitere spieltheoretische Modelle. Neben Gal-Or seien beispielsweise Guasch und Weiss angeführt, welche mittels ihres Zwei-Firmen-Modells ergründen, ob und inwiefern ein Folgeunternehmen qualifiziertere Mitarbeiter/ innen akquirieren kann als der First Mover (vgl. Guasch und Weiss, 1980: 452ff.). Selbst Wissenschaftler, die primär die empirische First- Mover-Forschung bereichern, versuchen sich ebenfalls an spieltheoretischen Überlegungen bzw. Modellen. So auch Lieberman (1987: 441ff.), der mittels seines spieltheoretischen Modells den Einfluss von Lernkurveneffekten auf das wettbewerbliche Verhalten eines Unternehmens abzubilden vermag. Die spieltheoretische Forschung ist dabei primär durch die Untersuchung spezifischer Wettbewerbssituationen mittels mathematischer Modelle gekennzeichnet. Ob und wenn ja, inwiefern solche mathematischen Betrachtungen den Stand der First-Mover-Diskussion bereichern, wird in der einschlägigen Literatur kritisch diskutiert (vgl. z.B. Bresser, 1998: 236f.). Des Weiteren trifft der spieltheoretische Ansatz in entsprechender Literatur häufig auf Kritik und wird im Zuge dessen als fragmentiertes Sammelwerk signifiziert. Dabei wird im besonderen Maße die enorme Konzentration auf nur einzelne Komponenten des Untersuchungsgegenstandes beanstandet (vgl. ebd.: 238f.; Camerer, 1991: 149f.). Wie diese kritischen Betrachtungen bereits vermuten lassen, sind eine starke Fragmentierung und eine Akkumulation von isolierten, situationsspezifischen Untersuchungsmodellen kennzeichnend für den spieltheoretischen Erklärungsansatz (vgl. Minderlein, 1993: 195f.). Nicht nur die ausgeprägte Fragmentierung führt zur Kritik am spieltheoretischen Erklärungsansatz. In der entsprechenden Diskussion werden darüber hinaus weitere Kritikpunkte angeführt. Sydow (1992: 171) z.B. führt exemplarisch die unzureichende Einbeziehung von Macht- und Einflussverhältnissen zwischen den Unternehmen an. <?page no="490"?> 8.2 Theoretische Auseinandersetzung mit dem First-Mover-Konzept 491 Wie eingangs angeführt, beruht der spieltheoretische Ansatz auf der Prämisse des rationalen Verhaltens aller Spieler. Mehrere Autor/ innen sensibilisieren jedoch dafür, dass eine vollumfängliche Rationalität der Unternehmen in der Realität nicht gewährleistet ist (vgl. Camerer, 1991: 138ff.; Knyphausen-Aufseß, 1995: 71f.). Ferner wird im Rahmen der Spieltheorie das Bestehen eines Gleichgewichtszustandes angenommen (vgl. Camerer, 1991: 142ff.; Bresser, 1998: 237). Busch (2005: 81) bemängelt in diesem Zusammenhang, dass alleinig diese isolierte Untersuchungsvariable berücksichtigt wird, während die übrige Umwelt vollständig unberücksichtigt bleibt (vgl. Busch, 2005: 81). Es ist in der Tat jedoch allzu kritisch zu hinterfragen, ob der, in den untersuchten Wettbewerbssituationen postulierte, Gleichgewichtszustand in facto realistisch ist. Sind es doch gerade die existierenden Disparitäten und Asymmetrien, welche die Entstehung von First-Mover-Vorteilen initiieren. Unabhängig von den oben aufgeführten Kritikpunkten sprechen Hoffmeister und von Borcke (2017: 33ff.) spieltheoretischen Modellierungen insbesondere für digitale Geschäftsmodelle eine durchaus nennenswerte Bedeutung zu. Sie geben zu bedenken, dass durch die neuen technischen Möglichkeiten nunmehr auch durchaus komplexe Einzelentscheidungen mathematisch optimierbar werden (vgl. ebd.). In ihren Ausführungen fehlt jedoch der Bezug zum First-Mover-Konzept. Respektive der Untersuchung der Vorteilhaftigkeit verschiedener Markteintrittszeitpunkte. Infolgedessen erkennen auch sie, dass sich der Einsatz von spieltheoretischen Modellierungen eher für die Entwicklung neuer digitaler Produkte und Geschäftsmodelle eignet (vgl. Hoffmeister und von Borcke, 2017: 35). Entsprechend ist ihre Sensibilisierung für die Tatsache, dass die neuen technischen Möglichkeiten nunmehr die Simulation sehr differenzierter, komplexer Einzelentscheidungen ermöglichen durchaus interessant, relativiert jedoch in keiner Weise die oben angeführten prinzipiellen Kritikpunkte. Es lässt sich konkludieren, dass aufgrund der aufgezeigten Kritik die Bedeutsamkeit des spieltheoretischen Erklärungsansatzes für die allgemeine First-Mover-Forschung durchaus beschränkt ist. Anlässlich des Fehlens einer „eigenen“, geschlossenen First-Mover-Theorie empfehlen Lieberman und Montgomery (1998: 1111f.) eine Verknüpfung der Erkenntnisse aus der empirischen First-Mover-Forschung mit dem Resource-based View. Sie nehmen ein hohes Synergiepotenzial an. 8.2.2 Resource-based View Im Rahmen dieses Abschnitts werden die entscheidendsten Verknüpfungspunkte zwischen dem Resource-based View (RBV) und dem First-Mover-Konzept herausgearbeitet. Dafür bedarf es jedoch zunächst einer kurzen Skizzierung der wesentlichsten Bestandteile des RBV. Bedingt des formal limitierten Rahmens dieser Ausarbeitung, wird auf eine ausführliche Vorstellung nebst Kritik am RBV und Weiterentwicklungsstufen eines solchen verzichtet und auf anderweitige, extensive Publikationen verwiesen. Kurzbeschreibung des RBV Im Rahmen des strategischen Managements bildet die Untersuchung und Analyse des Ursprungs und der Entstehung von Wettbewerbsvorteilen eines der intensivsten Forschungsgebiete (vgl. Barney, 1991: 99). Dabei kann der RBV als theoretischer Erklärungsansatz verstanden werden, welcher hinterfragt, wie Unternehmen der Aufbau und effektive Schutz von Wettbewerbsvorteilen gelingen kann (vgl. Eisenhardt und Martin, 2000: 1105f.). Nach Bresser (1998: 305) entwickelt sich mit dem RBV ein neuer, alternativer Erklärungsansatz im Vergleich zu den bisherigen klassischen, allen voran industrieökonomischen Konzepten. Infolgedessen erfährt das Spektrum an Erklärungs- <?page no="491"?> 492 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen ansätzen des RBV eine entscheidende Erweiterung. Fortan gelingt es nämlich auch nachhaltige Profitabilitätsunterschiede zwischen Unternehmen, welche nicht auf differierenden Marktgegebenheiten beruhen, zu erklären (vgl. Peteraf, 1993: 186). Im Gegensatz zum sog. Market-based View (MBV) bildet beim RBV die (unternehmens-) interne Sichtweise den Schwerpunkt der Argumentation. Es war allem voran die zunehmende Kritik an der Prämisse der Homogenität des MBV, welche die intensivere Untersuchung von Unterschieden in der Performance und Wettbewerbsposition von Unternehmen vorantrieb (vgl. Halberstadt, 2014: 47). Als Begründerin des RBV gilt Edith Penrose (vgl. Schmeisser, 2013: 44). Penrose veröffentlicht bereits 1959 eine der ersten Publikationen zu den Fundamenten des RBV. In dieser führt sie das Wachstum eines Unternehmens auf die (unternehmens-)interne Ressourcenausstattung zurück. Hierbei definiert Penrose Unternehmen als eine Zusammenstellung von verschiedenen Ressourcen, denen im Verlauf der Unternehmensentwicklung unterschiedliche Funktionen zukommen (vgl. Penrose, 1959: 24f.). Die Generierung von Wettbewerbsvorteilen basiert laut Penrose derweil auf der Schaffung neuer Ressourcenkombinationen (vgl. ebd.: 85). Im weiteren Entwicklungsverlauf wurde der RBV insbesondere durch die Arbeit von Wernerfelt (1984) geprägt (vgl. Bürki, 1996: 71; Busch, 2005: 94), weil ihm die Ergänzung industrieökonomischer Darlegungen um eine ressourcenbasierte Perspektive gelingt (vgl. Bresser, 1998: 305). Wernefelt (1984: 171) definiert seinerseits, es handele sich bei Produkten und Ressourcen um „[…] two sides of the same coin“. Viele Wissenschaftler/ innen schlossen sich Wernerfelts Darlegungen an. Infolgedessen etablierte sich der RBV zeitnah als alternativer Erklärungsansatz zum MBV. In der Konsequenz ist der RBV, anders als der MBV, nicht nur von einem bzw. wenigen Autoren/ innen geprägt. Es ist eher festzuhalten, dass die einschlägige Literatur durch eine Menge an unterschiedlich weit entwickelten Konzepten gekennzeichnet ist (vgl. Busch, 2005: 94). Dies hat zur Folge, dass unter dem Oberbegriff des RBV all die Forschungsströme zusammengefasst werden, die die Unterschiede in der Wettbewerbsposition und Performance verschiedener Unternehmen auf die Existenz bzw. die Erfolgswirkung individueller, unternehmensspezifischer Ressourcen bzw. Ressourcenkombinationen zurückführen (vgl. Bresser, 1998: 305). Das breite Spektrum an Ausarbeitungen zum Thema RBV erklärt gegebenenfalls auch das Fehlen einer allgemeinakzeptierten Begriffsdefinition „Ressource“ sowie. die Defizite in der Differenzierung zu den Begriffen „Fähigkeit“ und „Kompetenz“. Für die entsprechende Literatur ist vielmehr eine beachtliche Definitionsvielfalt charakteristisch (vgl. Amit und Schoemaker, 1993: 39f.; Collis und Montgomery, 1995: 119). Definition 8.4 Den Begriff der „Ressource“ definiert z. B. Wernerfelt (1984: 172) folgendermaßen „[…] anything which could be thought of as a strength or weakness of a given firm. More formally, a firm’s resources at a given time could be defined as those (tangible and intangible) assets which are tied semipermanently to the firm.” Merklich öfter findet hingegen Barneys Definition Verwendung. Barney (1991: 101) definiert Ressourcen dabei als „[…] all assets, capabilities, organizational processes, firm attributes, information, knowledge, etc. controlled by a firm that enable the firm to conceive of and implement strategies that improve its efficiency and effectiveness“. <?page no="492"?> 8.2 Theoretische Auseinandersetzung mit dem First-Mover-Konzept 493 Die Herausforderung rundum die eindeutige Unterscheidung bzw. trennscharfe Abgrenzung zwischen Ressource, Kompetenz und Fähigkeit in der Realität bzw. in empirischen Untersuchungen, wird als häufiges Argument für die Mannigfaltigkeit an verwendeten Definitionen angeführt (vgl. Busch, 2005: 95). Jedoch herrscht bei allen Anhängern des RBV Einigkeit darüber, dass der Unternehmenserfolg maßgeblich auf den unternehmensspezifischen bzw. -individuellen Ressourcen (-ausstattungen) eines Unternehmens basiert (vgl. Williamson, 1979: 233ff.; Rumelt, 1987: 143f.; Miller und Shamsie, 1996: 540). Demnach liegt dem RBV eine „inside-out“-Perspektive zu Grunde, während eine „outside-in“- Perspektive prägend für den MBV ist (vgl. Porter, 1991: 108; Rasche, 1994: 4; Bürki, 1996: 47f.; Teece et al., 1997: 528). Die Heterogenität von Ressourcen und deren Immobilität sind die beiden fundamentalen Grundannahmen des RBV (vgl. Knyphausen-Aufseß, 1995: 84; Bürki, 1996: 74f.; Barney, 1997: 142). Als ausschlaggebender Grund für die Ressourcenheterogenität gilt dabei die asymmetrische Allokation von Ressourcen im Unternehmen (vgl. Barney, 1991: 103; Rasche und Wolfrum, 1993: 502), welche wiederum z.B. von Bürki (1996: 75) auf die Ineffizienz der Faktormärkte zurückgeführt wird. Als ein Grund für die Immobilität von Ressourcen, könnten i. w. S. ihre Entstehungs- und Entwicklungsprozesse genannt werden, da solche ihre (Im-) Mobilität determinieren. Vornehmlich entwickeln sich solche immateriellen Ressourcen, welchen eine besondere Kritik und Erfolgswirkung zukommt, erst im Laufe der Zeit in einem Unternehmen. Deshalb wird angenommen, sie seien immobil und nicht oder nur bedingt handelbar (vgl. Bresser, 1998: 306). Der RBV beschäftigt sich primär mit der Auflösung der Frage, welche Ressourcen bzw. Ressourcenkombinationen Unternehmen die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen ermöglichen (vgl. Haertsch, 2000: 91; Busch, 2005: 95). Welche entscheidende Bedeutung dabei den unternehmensspezifischen und -individuellen Ressourcen als Voraussetzung für solche Wettbewerbsvorteile zukommt, bekräftigt Barney wie folgt: „[…] a value creating strategy not simultaneously being implemented by any current or potential competitors and when these other firms are unable to duplicate the benefits of this strategy. “ (Barney, 1991: 102). In Anknüpfung an seine Publikation aus dem Jahr 1991 konzipiert Barney 1997 den sog. VRIO-Framework. Dieser ermöglicht die Analyse des Unterschieds zwischen Ressourcen, die keine Wettbewerbsvorteile bedingen oder gar zu einem Wettbewerbsnachteil führen können und solchen Ressourcen, die nachhaltige Wettbewerbsvorteile herbeiführen können. Barneys VRIO-Framework zufolge müssen erfolgskritische Ressourcen wertvoll bzw. nützlich ( v aluable), selten ( r are) sowie unnachahmlich ( i nimitable) sein und so in die interne Organisation eines Unternehmens integriert ( o rganized) sein, dass sie ihr gesamtes Ressourcenpotenzial entfalten können. Nur Ressourcen, die all diesen vier Kriterien entsprechen, führen Barney nach zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil (vgl. Barney, 1997: 145). Ist eine Ressource wertvoll respektive nützlich, so ist sie „ v aluable“. Bresser (1998: 306) nach zu urteilen, tragen solche Ressourcen zur (Weiter-) Entwicklung des Unternehmens und dessen Effizienzund/ oder Effektivitätssteigerung bei. Außerdem sollte die entsprechende Ressource sowohl zum Zeitpunkt der Betrachtung als auch in Zukunft selten respektive knapp ( r are) sein. Die Unnachahmlichkeit der Ressource stellte ein weiteres maßgebliches Kriterium des VRIO-Framework dar. Dabei gilt, die betrachtete Ressource sollte im Idealfall einzigartig bzw. nicht imitierbar sein ( i nimitable). In der einschlägigen Literatur wird an dieser Stelle auf den Einfluss von Imitations- <?page no="493"?> 494 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen barrieren verwiesen (vgl. Barney, 1991: 107ff.; Rasche, 1994: 69; Barney, 1997: 145ff.). Zu den drei wesentlichsten Barrieren zählen dabei: die „ Kausale Ambiguität “ (vgl. z.B. Barney, 1991: 107ff.; Peteraf, 1993: 182ff.; Rasche, 1994: 75ff.; Collis und Montgomery, 1995: 122 und andere), die „ Historizität der Unternehmung “ (vgl. z.B. Barney, 1991: 106ff.; Bürki, 1996: 141f..; Rasche, 1994: 70f.; zu Knyphausen-Aufseß, 1995: 84f. und andere) sowie die „ Soziale Komplexität “ (vgl. z. B. Barney, 1991: 109f.; Rasche, 1994: 73; zu Knyphausen-Aufseß, 1995: 84f. und andere). Im Rahmen dieser Kurzbeschreibung des RBV wird an dieser Stelle auf eine detaillierte Beschreibung der Imitationsbarrieren verzichtet und auf die zitierte Literatur verwiesen. Barney (1997: 145ff.) nach, können nachhaltige Wettbewerbsvorteile jedoch erst dann final generiert werden, wenn die interne Unternehmensbzw. Organisationsstruktur so gestaltet ist, dass sie die vollumfängliche Realisierung des gesamten Ressourcenpotenzials ermöglicht (vgl. Bürki, 1996: 157; Barney, 1997: 171ff.). Übung 8.3: Erklären Sie RBV. Zusammenführung mit dem First-Mover-Konzept Neben den beiden bedeutsamen Autoren Lieberman und Montgomery unternehmen auch viele weitere Autor/ innen den Versuch, zwischen dem First-Mover-Konzept sowie dem RBV eine Verknüpfung zu schaffen (vgl. dazu z.B. Busch, 2005, Gutberlet, 2012). Bereits im Jahr 1984 entwickelt Wernerfelt (1984: 172) eine initiale Verknüpfung zwischen dem First-Mover-Konzept und dem RBV, in dessen Kontext er den Ausdruck der „resource-position-barriers“ prägt (vgl. ebd.). Wernerfelt nach resultieren derartige „resource-position-barriers“ in einer tendenziell besseren Wettbewerbsposition für den ersten Ressourcenbesitzer im Vergleich nachkommenden Ressourcenbesitzern. Wernerfelt begründet dies mit der Tatsache, dass die betrachteten Ressourcenbarrieren als Basis für den Aufbau von (allg.) Marktzutrittsbarrieren dienen können (vgl. ebd.: 173). Eine intensivere Auseinandersetzung mit der allg. First-Mover-Diskussion offenbart, dass diese primär von einer ausgeprägten Marktorientierung bzw. -perspektive gekennzeichnet ist. Im besonderen Maße spiegelt sich dies in der Argumentation von First-Mover-Vorteilen respektive First-Mover- Erfolgen wider, welche durchgängig über Effekte des temporären Monopols des First Movers und/ oder dessen Möglichkeit zum Aufbau von Markteintrittsbarrieren begründet werden. Konträr dazu fußt die Begründung für First-Mover-Vorteile bzw. -Erfolge aus der ressourcenorientierten Sicht heraus immer auf der Kritikalität bzw. Erfolgswirkung unternehmensspezifischer Ressourcen gemäß des VRIO-Framework. Lieberman und Montgomery (1998) erkennen bereits frühzeitig ein hohes Synergiepotenzial zwischen dem First-Mover-Konzept und dem RBV, welches i.w.S. als „Win-Win-Situation“ bezeichnet werden könnte. Einerseits gelingt es, fußend auf der ressourcenorientierten Perspektive des RBV, das First-Mover-Konzept weiter theoretisch zu fundieren, andererseits könnte die extensive empirische First-Mover-Forschung zur Relativierung des Mangels an empirischen Befundenden des RBV beitragen (vgl. Lieberman und Montgomery, 1998: 1112ff.). Begünstigt durch den komparablen Argumentationsaufbau beider Forschungsströme, würden im Falle einer Verknüpfung beide maßgeblich bereichert (vgl. Busch, 2005: 103). Im Zuge eines solchen Verknüpfungsversuches bilden sich im Wesentlichen folgende zwei Fragen heraus:  Unter welchen Voraussetzungen macht ein früher Markteintritt die Akkumulation überlegener bzw. erfolgskritischer Ressourcen möglich? <?page no="494"?> 8.2 Theoretische Auseinandersetzung mit dem First-Mover-Konzept 495  Ob und inwiefern die initiale Ressourcenausstattung des First Movers den Zeitpunkt desoptimalen Markteintritts beeinflusst? Der zweiten Frage widmen sich auch Lieberman und Montgomery im besonderen Maße (vgl. Lieberman und Montgomery, 1998: 1112). In ihrem Artikel gelten alle materiellen sowie immateriellen Assets als „Ressource“. Folglich impliziert ihre Definition von Ressource auch die spezifischen Kompetenzen und Fähigkeiten der Mitarbeiter (vgl. ebd.). In Bezug auf die erste Frage lässt sich schlussfolgern, dass in der einschlägigen Literatur durchaus der Meinung gefolgt wird, ein früher Markteintrittszeitpunkt biete verbesserte Möglichkeiten der Akkumulation erfolgskritischer Ressourcen (vgl. Busch, 2005: 103f.). Begründet wird dies durch den jeweiligen Markteintrittszeitpunkt des First Movers, da dieser es ihnen erlaubt, ausschlaggebende Ressourcen frühzeitig zu besetzen oder zu entwickeln und infolgedessen im Vergleich zu potentiellen folgenden Unternehmen Wettbewerbsvorteile zu generieren. Indessen wird der RBV auch für Erklärungen von ausbleibenden First-Mover-Erfolgen bzw. Follower-Erfolgen herangezogen. Hierbei geht man davon aus, dass die First Mover auf die „falschen“ Ressourcen setzten, sprich ihnen die Identifikation, Besetzung, Entwicklung und Akkumulation der ausschlaggebenden bzw. (erfolgs-) kritischen Ressourcen nicht gelungen ist (vgl. Frawley und Fahy, 2006: 289). Begünstigt wird solch eine Entwicklung auch durch eine fortwährende Markt- und Technologieunsicherheit. Jene Unsicherheit erschwert es den Unternehmen und besonders den First Movern, einzuschätzen, welche Ressourcen bzw. Ressourcenkombinationen nachhaltig nutzstiftend sind. Entsprechend häufig bauen Unternehmen Ressourcen auf, deren Erfolgswirkung sich durch die anschließende dynamische Markt- und Technologieentwicklung stark relativiert oder gar in Gänze ausbleibt. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass für den First Mover nicht nur die Ressourcenausstattung zum Zeitpunkt des eigenen Markteintritts sowie die anschließende Ressourcenentwicklung entscheidend sind. Eher empfiehlt es sich, die eigene Ressourcenausstattung fortwährend in Relation zu jener später folgender Markteintrittskandidaten zu setzen (Lieberman und Montgomery, 1998: 1113). Die Entscheidung für den optimalen Markteintrittszeitpunkt wird zum Untersuchungsgegenstand der zweiten Frage. Die Position, die initiale Ressourcenausstattung eines Unternehmens hätte Auswirkung auf die Wahl seiner Timing-Strategie, ist im Rahmen der empirischen First-Mover-Diskussion durchaus weit verbreitet (vgl. ebd.). Hinweis Einen weiteren Aspekt zum Zusammenhang zwischen der Ressourcenausstattung eines Unternehmens und seiner gewählten Timing-Strategie führen abermals Lieberman und Montgomery aus: Dabei stellen sie fest, dass die Unternehmen, die im Bereich der Forschung und Entwicklung mit entsprechend überlegeneren Ressourcen und Kompetenzen ausgestattet sind, eher First-Mover-Vorteile generieren konnten. Ließ sich die Ressourcenüberlegenheit eines Unternehmens eher im Marketing verorten, so präferierten jene Unternehmen tendenziell spätere Zeitpunkte des Markteintritts (vgl. ebd.). Ausgehend von dieser Beobachtung kann durchaus davon ausgegangen werden, dass viele Unternehmen ihre Entscheidung für eine Timing-Strategie und damit die Wahl ihres Markteintrittszeitpunktes nicht völlig frei bzw. bedingungslos tätigen können. Mangelt es in einem Unternehmen an Ressourcen und/ oder Kompetenzen für die Entwicklung neuer, innovativer Produkte oder Geschäftsmodelle, wird jenes unvermeidlich eine Folgerbzw. Imitationsstrategie wählen (müssen). An dieser Stelle sei jedoch mit Nachdruck darauf verwiesen, dass First Mover neben ihrer potenziellen <?page no="495"?> 496 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen Ressourcenüberlegenheit im Bereich Forschung und Entwicklung ebenfalls über ausgeprägte Kommerzialisierungsbzw. Vermarktungskompetenzen verfügen müssen. Schlussfolgernd kann festgehalten werden, dass zwischen den beiden Forschungsströmen des First- Mover-Konzepts und des Erklärungsansatzes des RBV ein hohes Synergiepotenzial erkannt werden konnte. Vielmehr noch offenbart eine Verknüpfung beider Ansätze sogar ein konkretes „Win-Win- Potenzial“. Einerseits glückt i.w.S. die stärkere theoretische Fundierung des First-Mover-Konzepts durch den RBV. Andererseits kann, mittels der umfänglichen empirischen First-Mover-Forschung, die Kritik, dem RBV mangele es an empirischen Erkenntnissen, entscheidend relativiert werden. Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurde eine theoretische Einordung des First-Mover-Konzeptes vorgenommen. Gestartet sind wir mit der spieltheoretischen Sichtweise. Das Resourced Bases Management wurde vorgestellt und mit dem First-Mover-Konzept zusammengeführt. Aufgabe 8.3: Was wird unter eine Ressource verstanden? 8.3 First-Mover-Konzept und allgemeine First-Mover-Vor- und -Nachteile Lernziele Sie erlernen sie allgemeinen First-Mover-Vor- und -Nachteile in diesem Abschnitt kennen und können eine erste Einordnung vornehmen. Schwerpunkt ist hier die Auseinandersetzung der internationalen Dienstleistung mit der Problematik, mit der sich First Mover digitaler Geschäftsmodelle konfrontiert sehen. Es soll deshalb untersucht werden, welche üblicherweise mit dem „klassischen“ First-Mover-Konzept konnotierten Mechanismen von Vor- und Nachteilen für First Mover digitaler Geschäftsmodelle keine oder nur noch eine äußerst bedingte Erfolgswirkung erzielen. Um diese Untersuchung adäquat tätigen zu können, soll jedoch zunächst ein grundlegendes Verständnis für das First-Mover-Konzept als solches geschaffen werden. Dies ist an dieser Stelle nachhaltig sinnvoll, um die Forschungserkenntnisse, welche in den nachfolgenden Abschnitten angeführt werden, besser einordnen zu können. Einen kurzen Exkurs zur historischen Entwicklung der First-Mover-Forschung sowie die Vorstellung ihrer relevantesten Forschungsströme entnehmen Sie dem Anhang. Das First-Mover-Konzept beruht grundsätzlich auf der Annahme, dass unterschiedliche Markteintrittszeitpunkte durchaus unterschiedliche Unternehmenserfolgschancen implizieren. Daher ist eine gänzlich isolierte Betrachtung von First Movern und ihrem Markteintrittszeitpunkt nur bedingt zielführend, viel eher sollte abstrahiert untersucht werden, welchen potenziellen Einfluss die Markteintrittsreihenfolge bzw. im Speziellen der niedrige Rang in einer solchen auf den Unternehmenserfolg haben. Damit erfährt eine isolierte Betrachtung von First Movern i.w.S. eine prinzipielle Relativierung, da First Mover und ihre Erfolgschancen stets in Relation zu Folgeunternehmen und deren Markteintrittsbedingungen sowie Erfolgschancen untersucht werden sollten. <?page no="496"?> 8.3 First-Mover-Konzept und allgemeine First-Mover-Vor- und -Nachteile 497 Für die Untersuchung des potenziellen Wirkungszusammenhangs zwischen der Markteintrittsreihenfolge und dem Unternehmenserfolg, eignet sich eine Kontrastierung der Erfolgsaussichten eines frühen und späten Markteintritts (vgl. Berger, 2005: 32). In solch einem Falle kommt es zur Analyse der sog. Reihenfolgeneffekte. Jene Mechanismen, die zur Reihenfolgeneffektentstehung führen, sind indessen durchaus komplex. Eine systematische Darstellung eben dieser Mechanismen gelingt Kerin et al. mit ihrem „Conceptual Framework“ (vgl. Kerin et al, 1992: 39). Hinweis In diesem Zusammenhang wird bei der Untersuchung von First-Mover-Vorteilen häufig zwischen angebotsbezogenen sowie nachfragebezogenen Erklärungsmodellen differenziert (vgl. ebd., Billerbeck, 2003: 30). Dabei sind angebotsbezogene First-Mover-Vorteile primär auf den Aufbzw. Ausbau von Markteintrittsbarrieren zurückzuführen (vgl. Billerbeck, 2003: 30ff.). Die Schaffung von Barrieren und die damit einhergehende Erschwerung des Marktzutritts für Folgeunternehmen werden in der Literatur hauptsächlich auf die Realisierung von Kostenvorteilen sowie die frühzeitige Besetzung erfolgskritischer, knapper Ressourcen zurückgeführt (vgl. ebd.). Anders gestaltet sich die Erklärung nachfragebezogener First-Mover-Vorteile, in welcher nunmehr Vorteile durch Differenzierungsmöglichkeiten und Wahrnehmung des Kunden die Basis für die Argumentation bilden (Busch, 2005: 39). Im Fokus derartiger Auseinandersetzungen steht daher der Auf- und Ausbau nachfrageseitiger Markteintrittsbarrieren (vgl. Specht, 2001: 109), deren Entstehungsmechanismen überwiegend auf Präferenz, Einstellung, Wahrnehmung und/ oder dem Lernverhalten der Kunden basieren (vgl. Berger, 2005: 42). In der einschlägigen Literatur werden in der Mehrzahl der Veröffentlichungen dem First Mover Vorteile zuerkannt. Allerdings gibt es auch einige Untersuchungen, in deren Rahmen die Existenz von nennenswerten First-Mover-Nachteilen belegt wird (vgl. z.B. Golder und Tellis, 1993: 161; Clement et al., 1998: 209ff.). Folglich sensibilisieren u.a. Suarez und Lanzolla dafür, dass der First-Mover-Status zwar Vorteile mit sich bringen kann, dies jedoch nicht kategorisch tut (vgl. Suarez und Lanzolla, 2005: 122). Lieberman und Montgomery (1988: 53f.) betonen ebenfalls nachdrücklich: “[…] one of the first lessons of the first mover literature is that pioneering carries both advantages and disadvantages.” Satz 8.5 Die Entstehung von First-Mover-Nachteilen wird in der Literatur primär auf drei übergeordnete Faktoren zurückgeführt: (1) kostenseitige und (2) risikobezogene Faktoren sowie (3) die Trägheit des First Movers (vgl. Lieberman und Montgomery, 1988: 47ff., Kerin et al., 1992: 47; Golder und Tellis, 1993: 161f.; Clement et al., 209ff.; Boulding und Christen, 2003: 20f.; Busch, 2005: 48f.). Insofern es Folgeunternehmen gelingt, Free-Rider-Effekte zu nutzen, können sie, im Gegensatz zu First Movern, hohe Marktaufbaukosten umgehen. Ferner zählen tendenziell höhere Forschungs- und Entwicklungskosten zu den kostenseitigen First-Mover-Nachteilen. Außerdem minimieren Folgeunternehmen signifikant ihr Risiko, da sie die Auflösung sämtlicher Ungewissheiten in Bezug auf die allgemeine Marktentwicklung sowie unklarerer Entwicklungen im Hinblick auf Kundenbedürfnisse und Technologieveränderungen abwarten können und erst bei entsprechend positiven <?page no="497"?> 498 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen Entwicklungen ihren Markteintritt vollziehen. Darüber hinaus wird häufig eine potenzielle Trägheit des First Movers bei Anpassungen auf veränderte Marktgegebenheiten als Nachteil angeführt, da Folgeunternehmen aus dieser Trägheit sowie etwaigen anderen Fehlern des First Movers lernen und sich zeitlich früher anpassen können. Übung 8.4 Auf welchen übergeordneten Faktoren wird die Entstehung von First-Mover-Nachteilen primär zurückgeführt? Zusammenfassung Als Ergebnis eines umfassenden und tiefgreifenden Studiums der entsprechenden Literatur bzw. Forschungserkenntnisse und als Zusammenfassung wird die nachfolgende Abbildung dienen. Diese umfasst die am häufigsten identifizierten bzw. zitierten potenziellen First-Mover- Vor- und -Nachteile einer branchenunspezifischen bzw. allgemeinen Betrachtung. Abb. 8.1: Allgemeine First-Mover-Vor- und -Nachteile in Anlehnung an Clement et al. (1998: 207.), Busch (2005: 28ff.), Shang und Wu (2012: 3ff.), Halberstadt (2014: 20ff) u. v. a. Aufgabe 8.4 Führen Sie die First-Mover-Vor- und -Nachteile auf. <?page no="498"?> 8.4 Digitale Geschäftsmodelle und die Internet-Wirtschaft 499 8.4 Digitale Geschäftsmodelle und die Internet-Wirtschaft Lernziele Im vierten Abschnitt dieses Kapitels lernen Sie den Begriff des Geschäftsmodells kennen und können eine Abgrenzung zwischen digitalen und klassischen Geschäftsmodellen vornehmen. Zudem können Sie Internet-Wirtschaft und Internetökonomie definieren, kennen deren Charakteristika und können diese im Kontext einsortieren. Zudem erkennen Sie, dass internationale Dienstleistungen in der Internet-Wirtschaft eine große Rolle spielen. Nun wird untersucht, mit welchen besonderen Herausforderungen sich First Mover digitaler Geschäftsmodelle konfrontiert sehen. Doch was genau versteht man unter einem digitalen Geschäftsmodell? Durch welche Charakteristika zeichnet sich ein solches aus und wo finden die hier betrachteten digitalen Geschäftsmodelle statt? Welche Definition der „Internetökonomie“ ist vor diesem Hintergrund passend und welche Besonderheiten ergeben sich in Bezug auf veränderte Wettbewerbsbedingungen sowie die Eigenschaften digitaler Güter. Hier wird der Versuch unternommen, Antworten auf die oben angeführten Fragen zu geben, um einerseits auf die Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes einzugehen und andererseits die Trigger für potenziell veränderte Entstehungsmechanismen für First-Mover-Vorbzw. -Nachteile bei digitalen Geschäftsmodellen zu identifizieren. 8.4.1 Abgrenzung des Begriffs „digitales Geschäftsmodell Analog zum Begriff des „First Mover“ erweist sich auch die Definition des „digitalen Geschäftsmodells“ als nicht triviales Unterfangen. Bereits für den Begriff des „Geschäftsmodells“ mangelt es an einer eindeutigen und allgemein akzeptierten Definition (vgl. Schulz, 2017). Vor dem Hintergrund des beschränkten formalen Rahmens und dem Fokus der Untersuchung, wird auf eine detaillierte Diskussion des Begriffs des Geschäftsmodells verzichtet, da ein solches als integraler Bestandteil implizit hinreichende Berücksichtigung in der Diskussion um den Begriff des digitalen Geschäftsmodells unten erfährt. Hoffmeister (2015: 36f.) zufolge können digitale Geschäftsmodelle als „wiederholende Transaktionen zwischen zwei digitalen Systemen“ verstanden werden. Genauer definiert er, es handele sich dabei um den wiederholenden „Austausch von einer Leistung und einer Gegenleistung, die zwischen einem nachfragenden und einem anbietenden System nach exakten Regeln über eine definierte technische Schnittstelle hinweg abläuft.“ (vgl. ebd.). Da die Abwicklung bzw. der Austausch der Leistungen und der (finanziellen) Gegenleistungen über eine klar definierte, technische Schnittstelle abläuft, betont Hoffmeisters Definition im Besonderen den Aspekt, dass digitale Geschäftsmodelle vollständig ohne operative Beteiligung von Personen verwirklicht werden können. Grassmann und sein Team von der Universität St. Gallen versuchen sich an einer näheren Begriffseinordnung, im Rahmen welcher sie folgende vier Formen der Wertkettendigitalisierung herausarbeiten (vgl. Grassmann und Sutter, 2016: 17ff.): <?page no="499"?> 500 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen  E-Business - Darstellung existierender Produkte und Prozesse in elektronischer (digitaler) Form mit vorteilhafter Auswirkung auf Qualität, Zeit und Kosten.  internetbasierte Wertversprechen - Verbindung von kunden- und internationaler Dienstleistungsorientierung von Geschäftsprozessen, Services und Produkten und digitalen Technologien.  intelligente Wertketten - effiziente, dezentrale, flexible Kernprozesssteuerung interorganisationaler Prozesse bei einem unveränderten bzw. invariablen Produkt.  digitales Geschäftsmodell - eine auf intelligenten Wertketten basierende Integration eines internetbasierten Wertversprechens. Abb. 8.2: Vier Formen der Digitalisierung in der Wertkette. Quelle: in Anlehnung an Grassmann und Sutter (2016: 23) Andere Autoren versuchen sich nicht an einer eindeutigen Begriffsdefinition, sondern führen relevante Charakteristika an, die der Annäherung an den Begriff dienlich sein sollen. So sind laut Jaekel (2015: 7ff.) die nachfolgenden drei Aspekte im besonderen Maße kennzeichnend für digitale Geschäftsmodelle: die Fokussierung auf Daten und Informationen, die digitale Transformation, speziell des Leistungsbzw. Wertversprechens (Dienstleistungen und Produkte) und der daraus potenziell resultierenden Modifikation der Ertragsmechanik des Geschäftsmodells (Einnahmen und Kostenstruktur) sowie vernetzte, skalierbare Plattformen als Bestandteil von Ökosystemen als technologische Basis. <?page no="500"?> 8.4 Digitale Geschäftsmodelle und die Internet-Wirtschaft 501 Ableitend aus den Charakteristika digitaler Geschäftsmodelle nach Jaekel ist deutlich zu erkennen, welche maßgebliche Relevanz für digitale Geschäftsmodelle er den Informations- und Kommunikationstechnologien beimisst. Übung 8.5 Welche Aspekte sind nach Jaekel (2015: 7ff) kennzeichnend für digitale Geschäftsmodelle? Scheuch (2015: 3) wählt in seiner Definition, welche maßgeblich auf die Geschäftsmodelldefinition von Bieger und Reinhold (2013: 13ff.) zurückzuführen ist, den Bezug zu einem „klassischen“ Geschäftsmodell. Dabei definiert er ein digitales Geschäftsmodell als „besondere Ausprägung“ eines klassischen Geschäftsmodells (vgl. 2015: 3). Die Eigenart der digitalen Geschäftsmodelle führt er primär auf die vollständige Dependenz des Anbieters von der Informationstechnologie sowie auf die Besonderheit des Mehrwerts des Kunden zurück, welcher nunmehr ein digitales und daher virtuelles Produkt bzw. Dienstleistung bekommt (vgl. ebd.). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es weder in der Theorie noch in der Praxis für den Begriff des „digitalen Geschäftsmodells“ eine eindeutige Definition gibt (vgl. Schulz, 2017). Darüber hinaus mangelt es auch an einem einheitlichen (Begriffs-) Verständnis (vgl. ebd.). Definition 8.5 Als Quintessenz aller hier vorgestellten Definitionen wird das „digitale Geschäftsmodell“ wie folgt definiert: „Ein digitales Geschäftsmodell ist ein Geschäftsmodell in dessen Mitte der Austausch des internetbasierten Leistungsbzw. Wertversprechens des Anbieters an den Nachfrager steht. Internetbasierte Leistungs- und Wertversprechen umfassen dabei digitale Güter, soll heißen digitale Produkte und Dienstleistungen, für deren Bereitstellung durch den Anbieter, den Transfer zum Nachfrager und die Nutzung durch den Nachfrager eine adäquate Informationstechnologie unabdingbar ist“ (vgl. Schmeisser u.a. 2018: 103 ff.). An dieser Stelle sei außerdem darauf verwiesen, dass die trennscharfe und überschneidungsfreie Unterscheidung bzw. Abgrenzung zwischen den Begriffen des digitalen und des internetbasierten Geschäftsmodells in der Literatur nicht nachhaltig gegeben zu sein scheint. Eher ist eine häufig synonyme Verwendung der Begriffe zu erkennen (vgl. dazu exemplarisch EFI, 2016: 62). Daher wird auch von einer synonymen Verwendung beider Begriffe gefolgt, weshalb fortan oft von „internetbasierten Geschäftsmodellen“ gesprochen wird. 8.4.2 Definition der Internet-Wirtschaft und ihre Charakteristika Hinweis „Die Internetökonomie verändert zunehmend die traditionellen, wirtschaftlichen Strukturen, indem sie tradiertes ökonomisches Grundlagenwissen verändert und neue Arten von Wirkungszusammenhängen etabliert.“ (Wirtz, 2001: 18). Bevor die Charakteristika der Internet-Wirtschaft beleuchtet werden, soll in einem ersten Schritt zunächst eine genauere Definition des Begriffs Internetökonomie/ Internet-Wirtschaft“ erfolgen. In der entsprechenden Literatur werden, analog zum Begriff des First Movers, durchaus mannigfaltige Definitionsvorschläge diskutiert. Stellt man indessen die verschiedenen Definitionen einander <?page no="501"?> 502 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen gegenüber, ist zu erkennen, dass diese nicht im besonderen Maße differieren, weswegen im Folgenden auf eine genauere Explikation der Definitionen verzichtet wird. Definition 8.6 Im weiteren Verlauf wird von der Definition von Wirtz (2001: 23) ausgegangen. Wirtz definiert: „Die Internetökonomie ist eine im Wesentlichen digital basierte Ökonomie, welche die computerbasierte Vernetzung nutzt, um Kommunikation, Interaktion und Transaktion in einem globalen Rahmen zu ermöglichen.“ Ferner benennt Wirtz (2001: 23) die Digitalität, Vernetzung und Globalität als die drei bedeutendsten Charakteristika der Internetökonomie. Dabei wird das Charakteristikum „Digitalität“ durch die Digitalisierung bzw. die dahinterliegende technologische Innovation ermöglicht (vgl. ebd.). Die Folgen der Digitalisierung sind dabei u.a. die kontinuierlichen Entbzw. Dematerialisierung, sowie die zunehmende Virtualisierung von Wertschöpfungsprozessen. Letztere wirken sich wiederum auf Produktivität, Flexibilität und Geschwindigkeit wirtschaftlicher Aktivitäten aus (vgl. Gutberlet, 2012: 60). Als ein weiteres hervorstechendes Merkmal der Internetökonomie definiert Wirtz (2001: 23) die Vernetzung. Sie macht eine umfängliche Arbeitsteilung möglich und erleichtert Unternehmen den Zugang zu relevanten Informationen, womit sie eine Steigerung der Effizienz fördert (vgl. Picot, 2001: 23). Demnach kann das Internet als globaler Informationsmarktplatz verstanden werden (vgl. Schneider und Schnetkamp, 2000: 26), dessen relevantestes Wirtschaftsgut die Information an sich ist (vgl. Wirtz, 2001: 03). Folglich bildet der Informationsaustausch das Wesensmerkmal der Internetökonomie. Eine intensivierte Digitalisierung und zunehmende Vernetzung begünstigen „die Globalität“ und damit das dritt benannte Charakteristikum nach Wirtz (2001: 23f.). Resultierend daraus verlieren die beiden Parameter Ort und Zeit für internetbasierte Geschäftsmodelle und digitale Güter extrem an Bedeutung. Betrachtete Informationsgüter können i.d.R. unabhängig von den beiden Parametern Ort und Zeit bereitgestellt werden (vgl. Busch, 2005: 119f.). Damit muss sich nach Porter (2001: 66) ein potenziell zu erschließender Markt nicht nur auf die regionale Ebene beschränken, stattdessen kann vielmehr von internationalen Möglichkeiten ausgegangen werden. Ist die Globalität einerseits ein Charakteristikum der Internetökonomie, so repräsentiert sie außerdem eine der spezifischen Wettbewerbsbedingungen im Internet, welche im Nachfolgenden etwas genauer erläutert werden. 8.4.3 Wettbewerbsbedingungen im Internet Die oben beschriebenen Besonderheiten der Internetökonomie verändern die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen des Wettbewerbs im Internet. Wobei die Geschwindigkeit, Transparenz, Globalität sowie die erschwerte Branchen- und Marktabgrenzung als Merkmale besonderer Bedeutung diese Veränderung begünstigen. Geschwindigkeit Dass allem voran der Geschwindigkeit eine besondere Bedeutung in der Internetökonomie zukommt, bestätigt u.a. auch Gutberlet (2012: 61). Ausdruck findet die Bedeutung der Geschwindigkeit <?page no="502"?> 8.4 Digitale Geschäftsmodelle und die Internet-Wirtschaft 503 insbesondere in den tendenziell immer kürzer werdenden Zeitspannen bis zur Etablierung eines Unternehmens bzw. dessen Geschäftsmodells im Internet. Laut Eberhart (2000: 43) hatten Unternehmen der „Old Economy“ meist mehrere Jahrzehnte Zeit ihre Etablierung auf einem Markt sicherzustellen, so müssen es Unternehmen der „New Economy“ meistern, sich vergleichbare Marktanteile binnen von ein bis zwei Jahren zu sichern. Hinweis Zurückzuführen ist die Veränderungsgeschwindigkeit im Internet primär auf eine einfache und rasche Informationsbzw. Wissensdiffusion. Folglich eruiert auch Welfens (2011: 319), dass eine durchaus respektable Innovationsdynamik im digitalen Sektor zu beobachten ist. Diese charakteristische Geschwindigkeit lässt sich nicht nur im Rahmen der Entwicklung von Innovationen beobachten, sondern ist gleichermaßen auch bei der Umsetzung solcher feststellbar (vgl. Halberstadt, 2014: 62). Betroffen davon sind nach Halberstadt (vgl. ebd.) technische oder Softwareinnovationen, genauso wie innovative Geschäftsmodelle. Bereits existierende Angebote bzw. deren technische Grundlage werden darauffolgend entsprechend angepasst. Folglich entstehen dynamische Adaptationsprozesse, die sich durchaus auf Veränderungen von Märkten und Veränderung innerhalb der Märkte auswirken (vgl. zu diesem Aspekt Halberstadt, 2014: 62). „Die Dynamik der Veränderungen im Unternehmensumfeld in der Internetökonomie ist […] so groß, dass man nicht mehr von einem evolutorischen Fortschreiten der technologischen Entwicklung sprechen kann, sondern davon ausgehen muss, dass Innovationen von revolutionärer Tragweite in immer kürzeren und zunehmend diskontinuierlichen Abständen auftreten.“ (s. Wirtz, 2001: 171). Satz 8.6 Der Wettbewerb wird dahingehend von der steigenden Dynamik beeinflusst, als dass Marktentwicklungsprognosen nur noch vage getroffen werden können. Eine tendenziell steigende Entwicklungsunsicherheit beeinträchtigt langfristige Planungen (vgl. Meffert, 2000: 717f.). Da es primär die immense Geschwindigkeit ist, die den Wettbewerb im Internet auszeichnet, kommt der zeitlichen Dimension der Markteintrittsplanung und damit dem Finden des optimalen Markteintrittstimings eine noch entscheidendere Rolle zu. Verknüpft man diese Entwicklung mit dem RBV und einer ressourcenbasierten Perspektive auf das Unternehmen, so muss festgehalten werden, dass es aufgrund der entscheidend zunehmenden Markt- und Wettbewerbsdynamik den Unternehmen frühzeitig gelingen muss, die Verfügbarkeit erfolgskritischer Ressourcen sicherzustellen. Die Zeitspanne, in der solche Ressourcen identifiziert, erworben bzw. aufgebaut und/ oder bei Bedarf angepasst werden müssen, verkürzt sich durch die Veränderungsgeschwindigkeit im Internet dabei nicht unerheblich. Übung 8.6 Worauf ist die Veränderungsgeschwindigkeit im Internet primär zurückzuführen? <?page no="503"?> 504 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen Globalität Wie oben hervorgehoben, ist im Rahmen des Angebots digitaler Güter im Internet dem Parameter „Ort“ keine maßgebliche Bedeutung mehr zuzusprechen, weshalb geografischen Restriktionen im Internet ein Bedeutungsverlust zugesprochen wird (vgl. Halberstadt, 2014: 60f.). Prominente Literatur wie zum Beispiel Friedmans (2007) Buch „Die Welt ist flach - Eine kurze Geschichte des 21. Jahrhunderts“ führt weitere Argumentationen an, die diese Sichtweise ebenfalls untermauern. Unternehmen ist es aufgrund der Eigenschaften des Internets im Prinzip möglich, standortunabhängig zu agieren. Betrachtet man den stationären Wettbewerb, so offenbart sich sowohl in Punkto Produktion als auch im Hinblick auf den Vertrieb eine ausgeprägte Ortsgebundenheit, die im Internet nahezu in Gänze entfällt. First Mover internetbasierter Geschäftsmodelle sollten daher stets berücksichtigen, dass, bedingt durch die globale, flächendeckende Verfügbarkeit des Internets, der Wettbewerb sich theoretisch per se international gestalten könnte und potenzielle Folgeunternehmen nicht immer zwingend nationale Konkurrenzunternehmen sind. Die Tatsache, dass das Internet nicht nur die lokale, sondern theoretisch auch die globale Markterschließung ermöglicht, führt nach Busch (2005: 129ff.) zu einem tendenziell stärkeren Wettbewerb. Auch die starke Relativierung klassischer Handelsbarrieren durch das Internet, bekräftigt diese Annahmen. Einerseits können die Angebote deutlich leichter auch international platziert werden, andererseits sind sie mit deutlich geringeren Transaktionskosten verbunden. Ferner gestaltet sich die Suche nach und die Zusammenarbeit mit potenziellen Kooperationspartnern und Lieferanten entscheidend einfacher (vgl. Halberstadt, 2014: 60f.). Transparenz Auch die wesentliche Steigerung der Transparenz sollte sich als weiteres, kennzeichnendes Merkmal der Internetökonomie herausstellen. Die technologische Innovation des Internets und der daraus resultierend vereinfachte Zugang zu Informationen bringen im Vergleich zur sog. „Old Economy“ eine deutlich ausgeprägtere Markt- und Wettbewerbstransparenz hervor (vgl. ebd.). Die Steigerung einer solchen darüber hinaus auch den Abbau von Informationsasymmetrien. Im Internet können sich Kunden/ innen i.d.R. ohne unmittelbare räumliche Einschränkungen über verschiedene Angebote informieren und solche mit vergleichsweise marginalem Aufwand miteinander vergleichen (vgl. Wirtz, 2001: 153f.). Infolgedessen sinken im Allgemeinen die Such- und Wechselkosten wesentlich, was wiederum eine Steigerung des Wettbewerbsdrucks potenziert, da die Unternehmen nunmehr angehalten sind kompetitive Angebote zu lukrativen Preisen bereit zu stellen (vgl. ebd.; Busch, 2005: 127). Besonders kritisch für First Mover gestaltete sich auch die zunehmend mühelosere Möglichkeit der Wettbewerberbeobachtung. Halberstadt (2014: 62) nach zu urteilen führt diese Transparenzsteigerung dazu, dass vor allem die Struktur des Angebotes samt Preisgestaltung sowie das entsprechende Angebotsumfeld mühelos beobachtbar werden. Für die First Mover heißt das, dass auch potenzielle Nachahmer einen relativ einfachen und frühzeitigen Zugang zu imitationsrelevanten Informationen haben. Resümierend lässt sich deshalb ein tendenziell gesteigerter Wettbewerbsdruck erkennen, da die erhebliche Steigerung der Markt- und Wettbewerbstransparenz die Chancen und Möglichkeiten zum Aufbau von Markteintrittsbarrieren bei digitalen Geschäftsmodellen im Internet bedeutend verschlechtert (vgl. Porter, 2001: 68). <?page no="504"?> 8.4 Digitale Geschäftsmodelle und die Internet-Wirtschaft 505 Erschwerte Branchen- und Marktabgrenzung Korrelierend zur Etablierung der Internet-Wirtschaft/ -ökonomie lässt sich eine interessante Entwicklung beobachten, die den Verlust eindeutig definierbarer Branchengrenzen umschreibt (vgl. Bettis und Hitt, 1995: 13; Schubert et al., 2001: 46f.). Im Internet können Unternehmen fortan branchenübergreifende Angebote zur Verfügung stellen. Dies hat zur Folge, dass Branchen nicht mehr in Gänze eindeutig voneinander abgegrenzt werden können, sondern sogar zunehmend miteinander verschmelzen. Auch die einschlägige Literatur widmet diesem Konvergenzaspekt genauere Aufmerksamkeit (vgl. Hutzschenreuter, 2000: 21). Auch in Bezug auf die Marktabgrenzung lässt sich eine ähnliche Entwicklung beobachten. Neue, innovative Geschäftsmodelle bedingen oft die Schaffung neuer (Teil-)Märkte oder die Verschmelzung mehrere Märkte zu einem einzigen. Von welcher Relevanz demnach die Marktabgrenzung im Kontext von First-Mover-Untersuchungen ist, wurde deshalb im Abschnitt 8.1.3 elaboriert. Die Auflösung etablierter, traditioneller Branchensowie Marktgrenzen erhöht dabei tendenziell die Bedrohung für First Mover, da diese sich potenziell mit mehr Konkurrenzunternehmen bzw. deren Substitutionsangeboten (vgl. Halberstadt, 2014: 62) konfrontiert sehen. Die intensivierte Wettbewerbssituation für First Mover digitaler Geschäftsmodelle im Internet ist nicht nur auf „normale“ Folgeunternehmen zurückzuführen, sondern entsteht auch durch alternative, indirekte Mitbewerber in Gestalt sogenannter Intermediäre (vgl. Taylor und Terhune, 2001: 111). Intermediäre substituieren dabei meistens lediglich einzelne Prozesse bzw. Schritte einer Wertschöpfungskette und machen solche marktfähig, womit sie sich infolgedessen als integraler Bestandteil der Wertschöpfungskette etablieren (vgl. Warmser, 2001: 56f.). Alles in allem sind es  die extreme Geschwindigkeit bzw. Veränderungsdynamik,  die prinzipielle Globalität des Internets,  die wesentlich höhere Markt- und Wettbewerbstransparenz,  sowie die tendenziell erschwerte Branchen- und Marktabgrenzung, die im besonderen Maße zu abweichenden Wettbewerbsbedingungen im Internet führen und somit die Voraussetzungen für die Schaffung von First-Mover-Vorteilen maßgeblich verändern. Neben den Charakteristika der Internetökonomie ändern auch die Eigenschaften digitaler Güter die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten zur Generierung von First-Mover-Vor- und -Nachteilen, weswegen sie im anschließenden Abschnitt etwas genauer dargestellt werden. 8.4.4 Spezifika digitaler Güter bzw. internationaler Dienstleistungen Das relevanteste Wirtschaftsgut der Internetökonomie sind Informationen (vgl. Wirtz, 2001: 3). Abstrahierend lässt sich deshalb festhalten, dass alle hier betrachteten digitalen Geschäftsmodelle auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht werden können, denn im Grunde basieren diese Internetangebote stets auf dem Sammeln, Bearbeiten und/ oder dem Anbieten bzw. Austauschen von Informationen (vgl. Halberstadt, 2014: 63). Jene Güter bzw. Dienstleistungen, deren Transferierung <?page no="505"?> 506 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen und Handel exhaustiv über das Internet realisierbar sind, werden mehrheitlich als „digitale Informationsgüter“ bezeichnet (vgl. u.a. Heindl, 2004: 104ff.; Wu et al., 2008: 611ff.). Alternativ findet in anderen Ausarbeitungen auch der Begriff „digitale Güter“ häufig seine Verwendung (vgl. dazu u.a. Clement und Schreiber, 2016). Eine genauere Betrachtung der entsprechenden Literatur offenbart, dass diese beiden Begriffe durchaus synonym verwendet werden (vgl. Halberstadt, 2014: 63), weshalb sie auch im Kontext als synonym verwendbar definiert werden. Da jedoch die eher allgemeinere Bezeichnung „digitales Gut“ auch den Terminus des „Informationsgutes“ durchaus subsumieren dürfte, wird primär die Bezeichnung „digitales Gut/ Dienstleistung“ im Folgenden ihre Verwendung finden. Unabhängig davon, dass „digitales Gut“ als Hyperonym gilt, ist es durchaus möglich und auch sinnvoll im Nachfolgenden zwischen „digitalen Geschäftsmodellen“ und „digitalen Produkten/ Dienstleistungen“ zu unterscheiden (vgl. Clement und Schreiber, 2016: 25). Zur Illustration umfasst die nachfolgende Abbildung einige ausgewählte Beispiele an digitalen Gütern/ Dienstleistungen. Abb. 8.3: Ausgewählte Beispiele digitaler Güter. Quelle: in Anlehnung an Clement und Schreiber (2016: 26) In welchen Aspekten digitale Güter dabei im Speziellen von physischen Gütern differieren, wird im Folgenden komprimiert dargestellt. Eine strukturierte Abbildung fasst abschließend die wesentlichsten Unterschiede zusammen. Die nachfolgende Darlegung orientiert sich dabei vorrangig an Clement und Schreiber (2016: 24ff.) an. Als elementares und vermutlich relevantestes Merkmal digitaler Güter sei ihre Immaterialität genannt. Im Vergleich zu „klassischen“ Gütern haptischer bzw. physischer Form, deren Wahrnehmung für Menschen mit sämtlichen Sinnesorganen möglich ist, sind digitale Güter substanzbzw. körperlos. Infolgedessen ist ihre Wahrnehmung ausschließlich audiovisuell möglich. Daher begrenzt sich das potenzielle Format digitaler Güter auf (Bewegt-)Bilder bzw. Text und/ oder Ton (vgl. auch Kollmann, 2007: 36; Wirtz, 2009: 618). Bedingt durch die Immaterialität digitaler Güter ist auch ihre Vervielfältigung bzw. Reproduktion erheblich einfacher und schneller realisierbar (vgl. Halberstadt, 2014: 65). In der Konsequenz sinken der Reproduktionsaufwand und dementsprechend auch die Kostenintensität der Reproduktion im wesentlichen Maße. Dies bedingt, dass geringe Grenz- und Marginalkosten kennzeichnend für digi- <?page no="506"?> 8.4 Digitale Geschäftsmodelle und die Internet-Wirtschaft 507 tale Güter sind. Typischerweise ist die erstmalige bzw. initiale Schaffung eines digitalen Gutes verhältnismäßig kostenintensiv. Jede weitere, zusätzliche Nutzung oder Kopie eines solchen verursacht jedoch nur geringfügige oder gar keine Kosten (vgl. Wu und Chen, 2008: 157.). Die entscheidend einfachere Vervielfältigung bzw. Reproduktion eines digitalen Gutes, die u.U. mit einem Mausklick oder gar völlig automatisiert erfolgen kann, wirkt sich nachhaltig positiv auf die Güterverfügbarkeit aus. Klassische Produktionsengpässe bzw. Kapazitäts-/ Auslastungsprobleme sind nur zwei beispielhafte Einflussvariablen, welche nunmehr keine direkte negative Auswirkung auf die Verfügbarkeit haben können. Wie im vorherigen Abschnitt knapp skizziert, findet man im Internet durchaus spezifische bzw. zum stationären Markt abweichende Wettbewerbsbedingungen vor. Erinnert sei an dieser Stelle an die unglaublich hohe Markt- und Wettbewerbstransparenz im Internet. Vergleichsportale und Suchmaschinen ermöglichen eine beachtliche Vereinfachung und Beschleunigung der Angebotsfindung und des Angebotsvergleichs. Aus Sicht der Kundenperspektive sind digitale Güter daher mit einem überschaubaren Suchaufwand sowie entsprechend niedrigen Suchkosten verbunden (vgl. Clement und Schreiber, 2016: 112). Neben bezeichnend niedrigen Grenz- und Suchkosten verursachen „rein“ digitale Güter pro Stück auch deutlich geringere oder gar vernachlässigbare Lagerungs- und Transportkosten. Bedingt durch die Immaterialität, sprich Körper- und Substanzlosigkeit digitaler Güter/ Dienstleistungen, benötigt es im Rahmen solcher Geschäftsmodelle keiner „klassischen“ Lagerräumlichkeiten und/ oder Transportmittel, einzig ein Internetzugang sowie eine entsprechend technisch ermöglichende Infrastruktur müssen existent sein. Auch exorbitant geringe Transportrespektive Übermittlungszeiten sind charakteristisch für digitale Güter (vgl. zu diesem Aspekt Halberstadt, 2014: 63). Lagerungskosten bleiben i.d.R. nicht in Gänze aus, begrenzen sich allem voran aber auf Kosten für die Speicherung von Daten, wie z.B. die Mietkosten für Datenserver oder Cloud-Speicher. Bezeichnend für digitale Güter ist darüber hinaus auch ihre Variabilität bzw. die Möglichkeit der vergleichsweise einfachen Produktdifferenzierung (vgl. Clement und Schreiber, 2016: 182). Gegenüber physischen bzw. haptischen Gütern können digitale Güter aufgrund ihres Formats kostengünstiger und einfacher in ihren einzelnen Elementen verändert werden. Unternehmen ist es daher mit deutlich reduziertem Aufwand möglich, verschiedenartige Angebotsvarianten zu entwickeln und anzubieten (vgl. ebd.). Eine weitere Eigenschaft digitaler Güter lässt sich aus dem Aspekt der Abnutzung ableiten. Denn prinzipiell ist kein digitales Gut für den Einweg-Gebrauch bestimmt, da auch eine mehrfache oder wiederholte Verwendung solcher i.d.R. zu keiner nennenswerten Abnutzung oder Qualitätsminderung führt. Differierend gestaltet sich dieser Aspekt bei materiellen Gütern, deren wiederholter Gebrauch oder deren Teilen ihren Wertverlust induzieren. Konträr dazu führt die intensivierte oder mehrfache Inanspruchnahme digitaler Güter zu keinem Wertverlust (vgl. Krcmar, 2010: 21). Mehr noch nehmen Clement und Schreiber (2016: 27) eher an, dass die mehrfache Nutzung oder das Teilen eines digitalen Gutes gar eher zu seinem Wertgewinn beiträgt. Im Gegensatz zu einem klassischen haptischen eignet sich ein digitales Gut, unter rein technischen Gesichtspunkten, sehr wohl auch für den mehrfachen Besitz bzw. die zeitgleiche Nutzung durch mehrere User und/ oder Kunden, ohne dass dies einen umgehenden Wertverlust zur Folge hat (vgl. ebd. und Pietsch et al., 1998: 23). Die hohe Abhängigkeit von Komplementärgütern stellt ein weiteres Spezifikum digitaler Güter dar. Ein digitales Gut kann seinen Mehrwert erst dann bieten, wenn es nutzstiftend gebraucht werden kann. Beispielsweise stiftet eine (Anwendungs-)Software zunächst keinen erkennbaren Kundennutzen, erst die dazu kompatible Hardware ermöglicht die Generierung eines solchen (vgl. Clement und Schreiber, 2016: 27). <?page no="507"?> 508 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen Darüber hinaus sind spezifische rechtliche Rahmenbedingungen kennzeichnend für digitale Güter. Die oben aufgeführten Charakteristika digitaler Güter erleichtern potenziell die rechtswidrige, unbefugte Weitergabe oder Vervielfältigung solcher. In diesem Kontext kommt daher patent- und urheberrechtlichen Gesichtspunkten, sowie dem Schutz geistigen Eigentums eine wesentliche Relevanz zu, welche sich jedoch komplizierter gestaltete als bei physischen Gütern (vgl. Krcmar, 2010: 21f.). Mit der Akkumulation und Bearbeitung größerer Informations- und Datenmengen werden neben patent- und urheberrechtlichen Faktoren auch datenschutzrechtliche Aspekte zunehmend entscheidend (vgl. Halberstadt, 2014: 67). Hinweis Wie anfangs bereits angekündigt, soll mittels der nachfolgenden Abbildung eine Zusammenfassung über die wesentlichsten Spezifika digitaler Güter/ Dienstleistungen geschaffen werden. Abb. 8.4: Spezifika digitaler Güter/ Dienstleistungen. Quelle: in Anlehnung an Clement und Schreiber (2016: 28 ) Durch veränderte Rahmenbedingungen des Wettbewerbs im Internet einerseits und die Charakteristika digitaler Güter/ Dienstleistungen andererseits, sind für die Generierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile womöglich andere Einflussgrößen ausschlaggebend. Im Rahmen des folgenden Abschnitts soll deshalb unter anderem untersucht werden, ob und wenn ja, inwieweit diese beiden Faktoren die „allgemeinen“ First-Mover-Vor- und -Nachteile bzw. deren Entstehungsmechanismen relativieren. Zusammenfassung In diesem Abschnitt erhielten Sie eine Einführung in digitale Geschäftsmodelle und in die Internet-Wirtschaft. Hierfür erfolgte eine Abgrenzung des Begriffs „digitales Geschäftsmodell“ vom klassischen Geschäftsmodell sowie eine Definition des Fachbegriffs „Internet-Wirtschaft“. Zudem wurden die Charakteristika der Internet-Wirtschaft aufgeführt. Weiterhin wurden die Wettbewerbsbedingungen im Internet vorgestellt. <?page no="508"?> 8.5 Problematische First-Mover-Vor- und -Nachteile bei digitalen Geschäftsmodellen 509 Aufgabe 8.5 Grenzen Sie das klassische Geschäftsmodell vom digitalen Geschäftsmodell ab. Aufgabe 8.6 Definieren Sie Internetökonomie. 8.5 Problematische First-Mover-Vor- und -Nachteile bei digitalen Geschäftsmodellen Lernziele Dieser Abschnitt führt Sie in die problematischen First-Mover-Vor- und -Nachteile in Bezug auf digitale Geschäftsmodelle ein. Sie erkennen die Unterschiede zwischen der Old Economy und der New Economy. Zudem können Sie die Fachbegriffe Follow-the-Free-Strategie“ sowie „Pioneer-Lead-times“ definieren und einordnen. In der Literatur rund um das First-Mover-Konzept wurde bisher kaum zwischen branchenspezifischen First-Mover-Vorbzw. -Nachteilen differenziert (vgl. Halberstadt, 2014: 84). Dabei geht beispielsweise Halberstadt davon aus, dass es sehr wohl „spezifische Internet-First-Mover-Vor- und -Nachteile“ gibt (vgl. ebd.). Da die First-Mover-Forschung bislang jedoch größtenteils in der „Old Economy“ stattfand, kam es eher zu einer branchenübergreifenden Betrachtung. Infolgedessen sind die prominenten und in der Literatur überwiegend angeführten First-Mover-Vor- und -Nachteile eher allgemein beschrieben und ihre Entstehungsmechanismen fußen mehrheitlich auf den Prämissen der „Old Economy“. Im folgenden Abschnitt soll deshalb kritisch untersucht werden, ob und inwieweit die in Abschnitt 8.3 dargestellten allgemeinen Vor- und Nachteile auch für First Mover digitaler, internetbasierter Geschäftsmodelle greifen. In Anlehnung an die in Abschnitt 8.4.1 getroffene Definition eines digitalen Geschäftsmodells stehen lediglich rein internetbasierte Geschäftsmodelle im Fokus der Auswertung. 8.5.1 Synthese und Kategorisierung der einschlägigen Forschungserkenntnisse Im Mittelpunkt dieser Ausarbeitung steht die genauere Auseinandersetzung mit den First-Mover- Vor- und -Nachteilen, die, bedingt durch veränderte Wettbewerbsbedingungen im Internet und getriggert durch die Eigenschaften digitaler Güter und Dienstleistungen, sich als problematisch für First Mover rein internetbasierter Geschäftsmodelle erweisen. Um solche zu identifizieren, bedurfte es zunächst eines umfassenden Studiums aller bisherigen passenden Forschungserkenntnisse zu diesem Thema. Erst eine genauere Analyse der gesamten Literatur kann offenbaren, welcher Kategorie die allgemeinen First-Mover-Vor- und -Nachteile für internetbasierte Geschäftsmodelle zuzuordnen sind. Dafür werden folgende Kategorien bestimmt: <?page no="509"?> 510 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen Abb. 8.5: Kategorien zur Einordnung der Forschungserkenntnisse Im Folgenden wird deshalb wie folgt verfahren: Zunächst erfolgt in einem ersten Schritt die Synthese des umfassend getätigten Studiums der Literatur bzw. Forschungserkenntnisse zu allen potenziellen First-Mover-Vor- und -Nachteilen bei internetbasierten Geschäftsmodellen. Das Resultat dieser Synthese bildet die nachfolgende tabellarische Zusammenfassung der wesentlichsten Erkenntnisse. Als Quintessenz aus dieser Literatursynthese wird in einem zweiten Schritt in Form einer kategorisierenden Abbildung aufgezeigt, wie sich die konkreten Vor- und Nachteile für First Mover von digitalen, rein internetbasierten Geschäftsmodellen gestalten. Jene First-Mover-Vorbzw. -Nachteile die im Zuge der Kategorisierung der Kategorie 3 (drei) zugeordnet wurden, gelten als diejenigen, die für First Mover von internetbasierten Geschäftsmodellen als problematisch einzustufen sind. Im Vergleich zu First Movern der „Old Economy“ bleibt es den hier betrachteten First Movern also verwehrt, benannte Vorteile zu generieren bzw. die daraus resultierenden Wettbewerbsvorteile zu realisieren. Für die in Kategorie 3 verankerten Nachteile bedeutet dies, dass diese in verstärkter Form auftreten. Folglich determinieren genau diese ausbleibenden Vorteile bzw. verstärkten Nachteile die „Problematik der First Mover digitaler, internetbasierter Geschäftsmodelle“, weshalb sie im nächsten Gliederungsabschnitt im Rahmen einer „Feinanalyse“ genauer beleuchtet werden. <?page no="510"?> 8.5 Problematische First-Mover-Vor- und -Nachteile bei digitalen Geschäftsmodellen 511 <?page no="511"?> 512 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen <?page no="512"?> 8.5 Problematische First-Mover-Vor- und -Nachteile bei digitalen Geschäftsmodellen 513 <?page no="513"?> 514 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen <?page no="514"?> 8.5 Problematische First-Mover-Vor- und -Nachteile bei digitalen Geschäftsmodellen 515 Als Gesamtergebnis ergibt sich folgende Übersicht: Abb. 8.6: Kategorisiertes Ergebnis der Synthese der Forschungserkenntnisse Wie oben bereits angeführt, sollen im Folgenden die Vor- und Nachteile der Kategorie 3 (drei) genauer beleuchtet werden. Im Zuge dessen wird herausgearbeitet, weshalb sich im Generellen, getriggert durch das „digitale Umfeld“, in welchem die internetbasierten Geschäftsmodelle stattfinden bzw. im Speziellen durch veränderte Wettbewerbsbedingungen im Internet und die Charakteristika digitaler Güter jene Vor- und Nachteile als problematisch erweisen. <?page no="515"?> 516 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen 8.5.2 Feinanalyse der problematischen First-Mover-Vor- und -Nachteile Wie auch in der allgemeinen First-Mover-Diskussion geht ein nennenswerter Teil der Autor/ innen davon aus, dass auch First Mover internetbasierter Geschäftsmodelle durchaus (Wettbewerbs-)Vorteile gegenüber ihren Folgern generieren können (vgl. z.B. Busch, 2005: 155ff., Lieberman, 2007: 7ff., Halberstadt, 2014: 84ff.). Damit widerlegen sie, zumindest teilweise, Porters These, bei First-Mover-Vorteilen „im Internet“ handele es sich grundsätzlich um eine Illusion (Porter, 2001 zitiert nach Busch, 2005: 155ff.). Doch bereits die Synthese der Forschungserkenntnisse in Abschnitt 8.5.1 ließ erahnen, dass Porters Skepsis nicht vollkommen unbegründet ist. Jene konkreten Vorteile bzw. deren Entstehungsmechanismen, die sich für First Mover internetbasierter Geschäftsmodelle als nicht mehr realisierbar erweisen, sollen deshalb im Nachfolgenden genauer analysiert werden. In Anlehnung an die Ausarbeitungen und die Abbildung 8.1 erfolgt analog die Unterscheidung zwischen angebots- und nachfragebezogenen First-Mover-Vorteilen. Angebotsbezogene First-Mover-Vorteile Im Gegensatz zu nachfragebezogenen Vorteilen mangelt es eher an spezifischen Auseinandersetzungen mit angebotsbezogenen First-Mover-Vorteilen für internetbasierte Geschäftsmodelle (vgl. hierzu Busch, 2005: 160). Im Rahmen der Synthese der bisherigen Erkenntnisse in Abschnitt 8.5.1 offenbarte sich, dass sich im Bereich der Technologieführerschaft allem voran die Ausnutzung von Erfahrungskurveneffekten sowie der fehlende Patentschutz für First Mover internetbasierter Geschäftsmodelle als problematisch erweisen. In Bezug auf die Besetzung knapper Ressourcen hingegen sind es insbesondere der frühzeitige Zugriff auf Inputfaktoren sowie die Möglichkeit der Preisgestaltung, die sich als nicht mehr realisierbare angebotsbezogene Vorteile für First Mover erweisen. Deshalb werden diese vier vermeintlichen Vorteile im Nachfolgenden etwas genauer betrachtet. Erfahrungskurveneffekte Hinweis Erfahrungskurveneffekten in Bezug auf internetbasierte Geschäftsmodelle wird in der Literatur keine wesentliche Relevanz zuerkannt (vgl. Busch, 2005: 156; Halberstadt, 2014: 91). Porter (2001: 69) resümiert kritisch, dass entsprechender Erfahrungskurveneffekte nur eine äußerst beschränkte Erfolgswirkung zugesprochen werden kann. Auch Busch kommt im Rahmen ihrer Forschung zum Ergebnis, dass keine Erfahrungskurveneffekte realisiert werden konnten (vgl. Busch, 2005: 259). First Mover haben zwar durchaus die Chance, frühzeitig Erfahrungen zu sammeln, z.B. in Bezug auf den Einsatz bestimmter Technologien, die Gestaltung und Modifikation des Onlineauftritts oder die Transaktionsabwicklung (vgl. Halberstadt, 2014: 91). Diese Erfahrungsvorsprünge sind zeitlich jedoch äußerst limitiert, da sie (im Internet) von Folgeunternehmen gut beobachtet werden können. Zurückzuführen ist dies vordergründig auf die beachtlich hohe (Markt-)Transparenz (vgl. Busch, 2005: 259) des Internets. Potenzielle Folger haben daher äußerst günstige Beobachtungs-, Auswertungs- und ihrerseits Adaptationsmöglichkeiten, was zur Folge hat, dass die gesammelten Erfahrungswerte keinen nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen darstellen (vgl. Porter, 2001: 69). <?page no="516"?> 8.5 Problematische First-Mover-Vor- und -Nachteile bei digitalen Geschäftsmodellen 517 Darüber hinaus wird in der Literatur kritisch darauf verwiesen, dass entsprechende Erfahrungsvorteile nur dann gescheit genutzt werden können, wenn sich das Marktumfeld nicht ständig verändert, sprich es durch eine adäquate Beständigkeit charakterisiert ist. Im Internet ist indessen gerade diese Beständigkeit nicht garantiert. Satz 8.7 So resümiert auch Busch (2005: 259) für ihre untersuchten Unternehmen, das „alle […] ihre Technologie ständig verändern und erweiterten sowie an neue Entwicklungen […] anpassen mussten.“. Vielmehr sind permanente Adaptationen des Mediums „Internet“ und seines Umfelds zu verzeichnen (vgl. Kerin et al., 1992: 45; Szymanski et al., 1995: 27ff.). Kerin et. al. (1992: 45) kommen im Rahmen ihrer Untersuchung gar zur Schlussfolgerung, dass die Beziehung zwischen dem Grad technologischer Veränderung und den aus Erfahrungskurveneffekten resultierenden Kostenvorteilen des First Movers invers ist. Zusammenfassend ist deshalb festzuhalten, dass tendenziell kurze Alleinstellungszeiten der First Mover (Busch, 2005: 259), die extreme Markttransparenz sowie die fehlende Beständigkeit des Internets das Bestehen erfahrungskurvenbedingter First-Mover-Vorteile eingehend relativieren. Erfahrungskurveneffekte potenzieren für internetbasierte Geschäftsmodelle keine nachhaltigen Wettbewerbsvorteile, weshalb sie für die First Mover als Vorteile faktisch nicht mehr existent sind und sich in der Kategorie 3 wiederfinden. Patentschutz Eine innovative Idee des First Movers stellt erst dann einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil dar, wenn seine Innovation durch ein Patent geschützt oder schwer imitierbar ist (Halberstadt, 2014: 97). Im Rahmen seiner Untersuchungen attestiert Lieberman (2007: 5ff.) Patenten bei internetbasierten Geschäftsmodellen eine eher bescheidene Schutzwirkung. Auch Busch (2005: 157) schlussfolgert: „Die Geschäftsmodelle hinter den meisten Internet-Angeboten sind leicht zu imitieren.“ Im Rahmen ihrer eigenen empirischen Untersuchungen kommt sie sogar zu dem Ergebnis: „Alle Geschäftsmodelle […] wurden innerhalb kürzester Zeit von Folgern imitiert. Aufgrund des deutschen Patentrechts konnte keine Unternehmung ein Patent anmelden.“ (s. ebd.: 259). Neben den geringen (Patent-)Schutzmöglichkeiten begünstigt auch die vergleichsweise hohe Transparenz die Nachahmungsmöglichkeit eines internetbasierten Geschäftsmodells, welche als sehr imitationsanfällig einzustufen sind. So können bspw. schon minimale Anpassungen des Quellcodes zu einem augenscheinlich modifizierten Geschäftsmodell führen, welches letztendlich jedoch das identische Wertbzw. Leistungsversprechen offeriert. Veränderte Bedienungsoberflächen und abgeänderte Designs bzw. leicht modifizierte Prozessschrittreihenfolgen erschweren es maßgeblich bzw. verhindern es dem First Mover gänzlich, die rechtswidrige Aneignung seines geistigen Eigentums durch das imitierende Unternehmen nachzuweisen (vgl. zu diesem Aspekt Specht, 2001: 97f.). Beispiel 8.1 Als Inbegriff des Imitationsrisikos könnte in diesem Zusammenhang das Unternehmen „Rocket Internet GmbH“ dienen. Das deutsche Unternehmen ist für die (systematische) Imitation bzw. <?page no="517"?> 518 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen Nachahmung internationaler Geschäftsideen und -modelle bekannt (vgl. Winter, 2012: 74ff.). Diese Tatsache verdeutlicht, wie hoch die (Imitations-)Problematik von Fist Movern digitaler bzw. internetbasierter Geschäftsmodelle ist. Doch sogar patentierte Innovationen sind nicht gänzlich geschützt und werden häufig durch das sog. „inventing around“ in ihren Hauptfunktionen von Konkurrenzunternehmen imitiert und rufen entsprechend keine First-Mover-Vorteile hervor (vgl. Gilbert und Newbery, 1982: 514ff.; Lieberman und Montgomery, 1988: 43; Lambkin, 1992: 8). Abschließend ist festzuhalten, dass der Imitationsschutz internetbasierter Geschäftsmodelle praktisch unmöglich ist (Halberstadt, 2014: 97). Auch die Wirkung von Patenten beim Aufbau von First-Mover-Vorteilen kann als enttäuschend eingeschätzt werden (vgl. Busch, 2005: 260), da die hohe Transparenz sowie die sich daraus ergebenden Möglichkeiten zur Imitation den Aufbau von Markteintrittsbarrieren unterbinden. Weiterführend ist kritisch zu überprüfen, inwiefern selbst bestehende Patente zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen führen, sind enorme Veränderungsgeschwindigkeiten bezüglich des Technologie- und Marktumfeldes nicht geradewegs kennzeichnend für das Internet. Inputfaktoren Lieberman (2007: 6f.) zufolge kommt der Besetzung knapper Ressourcen im Internet in Gänze nur eine verhältnismäßig bescheidene Bedeutung zu. Insbesondere materielle Inputfaktoren sind für internetbasierte Geschäftsmodelle praktisch irrelevant (vgl. ebd.). Der Bedeutungsverlust solcher materiellen Inputfaktoren ist in erster Linie durch die Charakteristika digitaler Güter zu erklären. Im Speziellen ist dies durch die merklich zunehmende Dematerialisierung der Wertschöpfungsketten zu begründen (Kreutzer und Land, 2015: 10ff.). Bezugnehmend auf den Erklärungsansatz des RBV kann derartigen Ressourcen keine wesentliche Relevanz mehr beigemessen werden. Notwendigerweise rücken fortan immer mehr immaterielle Inputfaktoren in den Mittelpunkt einer ressourcenorientierten Auseinandersetzung, da einzig sie die Kriterien des „VRIO-Framework“ (vgl. Barney, 1997: 145) erfüllen. Picot und Neuburger (2002: 69f.) nach zu urteilen, nehmen die Faktoren Wissen, Informationsbesitz und Kompetenz an Bedeutsamkeit zu und arrivieren, im Sinne des RBV, zu elementar wichtigen Ressourcen. In diesem Kontext wurde deshalb die zeitige Rekrutierung qualifizierter Arbeitnehmer von mehreren Forscher/ innen als essenzieller Erfolgsfaktor eruiert (vgl. u.a. Busch, 2005: 158). First Mover sollen ihren Zeitvorsprung dazu nutzen, Arbeitnehmer mit erfolgskritischem Wissen und besonderen Kompetenzen zu rekrutieren (vgl. z.B. Nonaka und Takeuchi, 1995: 6; Collis und Montgomery, 1997: 29; Busch, 2005: 157f.; Halberstadt, 2014: 24). Hinweis Doch nicht nur die Akquise, sondern auch die (langfristige) Bindung solcher Arbeitnehmer ist von erfolgskritischer Bedeutung. Nebst der Tatsache, dass all jene betrachteten immateriellen Ressourcen durch eine gewisse Exklusivität charakterisiert sein sollten, ist auch deren ausreichend lange Bindung an das Unternehmen von maßgeblicher Relevanz. Bedingt durch die tendenziell steigende (Mitarbeiter-)Mobilität offenbaren sich solche Ressourcen jedoch oft als problematisch (vgl. u.a. Busch, 2005: 158; Lieberman, 2007: 5ff.). <?page no="518"?> 8.5 Problematische First-Mover-Vor- und -Nachteile bei digitalen Geschäftsmodellen 519 Während sich also der Zugang zu gut qualifizierten Humanressourcen als eher problematisch erweist und von befragten Unternehmen als „große Herausforderung“ beschrieben wird (Busch, 2005: 260), wurde in vielen der Untersuchungen der Zugang zu Finanzressourcen respektive die Kapitalbeschaffung als eher problemlos eingestuft. Vor dem Hintergrund des Fokus dieser Ausarbeitung folgt daher keine genauere Analyse dieses Aspektes. Resümierend ist zu erfassen, dass die Möglichkeit der frühzeitigen Besetzung materieller Inputfaktor ihre Bedeutung gänzlich verliert. Im Betrachtungsfokus finden sich nunmehr immaterielle Ressourcen wie Daten, Informationen, Wissen und Kompetenzenprimär in Form qualifizierter Arbeitnehmerwieder. Doch ist es erneut die hohe Transparenz des Internets sowie die tendenziell steigende Mitarbeitermobilität, die dazu führen, dass entsprechende Ressourcen nicht langfristig gebunden werden können und daher die Entstehung nachhaltiger (Wettbewerbs-)Vorteile verhindern. Halberstadt (2014: 93) konkludiert deshalb, die frühzeitige Besetzung von Inputfaktoren sei „kein internetspezifischer First-Mover-Vorteil.“. Preisgestaltung Hinweis Auch First Mover internetbasierter Geschäftsmodelle haben die Gunst, als Erste den Preis für ihr Produkt respektive ihre Dienstleistung festlegen zu können. Doch allein die Gunst der weitestgehenden „unabhängigen“ Preisgestaltung zu haben, begründet keineswegs a priori den Aufbau einer Markteintrittsbarriere oder gar einen direkten Vorteil. In welchem Umfang dem First Mover durch die Preisgestaltung Vorteile in Aussicht stehen, hängt indessen von diversen Faktoren, allem voran der gewählten Preisstrategie, ab (vgl. Halberstadt, 2014: 96). Durch die weite Verbreitung der „Follow-the-Free-Strategie“ ist es durchaus umstritten, inwieweit es First Movern glückt, durch ihre Preissetzung Markteintrittsbarrieren aufzubauen (vgl. Busch, 2005: 160). Vereinfacht gesagt, offerieren Anbieter im Rahmen der „Follow-the-Free-Strategie“ ihr Angebot anfänglich kostenlos (vgl. Picot und Neuburger, 2001: 35 f.; Specht, 2001: 77; Zerdick et al., 2001: 191ff.; Halberstadt, 2014: 96). Für First Mover internetbasierter Geschäftsmodelle kann es zum einen wichtig sein, möglichst schnelle viele Kunden/ innen zu akquirieren, um jene frühzeitig an sein Angebot zu gewöhnen oder beim Vorliegen von Netzwerkeffekte, schnellstmöglich die kritische, notwendige Kundenmasse aufzubauen (vgl. ebd.). In diesem Kontext erhoffen sich First Mover eine intensivierte Bindung des Kunden respektive die Bildung eines sog. „Lock-in-Effekts“ (vgl. u.a. Clement et al., 1998: 83; Shapiro und Varian; 1999: 11ff.). Häufig sind es (kleine) Start-Up-Unternehmen, welche innovative Geschäftsmodelle entwickeln und sich als First Mover auf dem neuen Markt beweisen müssen. Eben diese verfügen häufig über eher bescheidene Kapitaldecken. Für jene ist es u. U. von überlebenswichtiger Relevanz, möglichst schnell Erlöse einzunehmen, wieso sie ihre Angebote nicht unendlich lange kostenlos bereitstellen können (vgl. Oelsnitz, 1998: 28). Im weitesten Sinne könnte eine niedrige Preissetzung auch als Markteintrittsbarriere für Folgeunternehmen dienen, insofern die potenziellen Konkurrenten einen Eintritt in diesen Markt als nicht rentabel erachten (vgl. Liu, 2010: 429). Infolgedessen können sie sich auch für eine andere Preisstrategie, und zwar die der Abschöpfung entscheiden. Jene entfaltet ihre Wirkung besonders während der Pioneer-Lead-Time, da es in diesem Zeitraum keine direkten Vergleichsmöglichkeiten für den Preis gibt. Erst mit Eintritt eines Folgers in den Markt können die Kunden durch eine Vielzahl an Vergleichsportalen etc. (s. zu diesem Aspekt <?page no="519"?> 520 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen auch Wirtz, 2001: 153f.) im Internet noch einfacher die Preise gegenüberstellen. Dabei ist Finkelstein (2002: 40) zufolge eine Tendenz zu den günstigeren Angeboten zu erkennen. Daraus ergibt sich, dass die Dauer der Pioneer-Lead-Time für die Schaffung eines direkten Umsatzvorteiles maßgeblich relevant ist. Vor dem Hintergrund, dass die Pioneer-Lead-Times insb. im Internet zunehmend kürzer sind (vgl. Halberstadt, 2014: 214), sind auch die aus einer Abschöpfungsstrategie potenzieller folgenden (Umsatz-)Vorteile für First Mover internetbasierter Geschäftsmodelle eher fraglich. Busch (2005: 262) führt als Resultat ihrer empirischen Untersuchungen darüber hinaus an: „Die […] kurze Alleinstellungsphase reicht für den Aufbau von Kundenloyalität und Wechselkosten nicht aus“ (s. ebd.). Übung 8.7: Erklären Sie die Follow-the-Free-Strategie. Übung 8.8: Was bedeutet der Pioneer-Lead-Time? Entsprechend sind es die weite Verbreitung der „Follow-the-Free-Strategie“ sowie tendenziell knappere „Pioneer-Lead-Times“ (vgl. Agarwal und Gort, 2001), die den Aufbau (langfristiger) Wettbewerbsbzw. First-Mover-Vorteile vermeiden. Wenngleich die Gelegenheit, als Erster die Preise eines Marktes bestimmen zu können, in der Literatur teilweise sehr wohl vorteilhaft konnotiert ist, konnte sie in keiner der ausgewählten empirischen Überprüfungen einen wahrhaftigen, praktischen First-Mover-Vorteil begründen. Nachfragebezogene First-Mover-Vorteile Im Vergleich zur Wirkung von angebotsbezogenen First-Mover-Vorteilen wurde die Erfolgswirkung nachfragebezogener Vorteile sowie deren Entstehungsmechanismen für internetbasierte Geschäftsmodelle in der einschlägigen Literatur deutlich intensiver untersucht bzw. diskutiert (vgl. z.B. Shapiro und Varian, 1999: 183ff.; Porter, 2001: 68f.; Zerdick et al., 2001: 155ff.; Lieberman, 2007: 7ff.; Halberstadt, 2014: 84ff.; u.v.a.) Im Rahmen der Synthese der bisherigen Erkenntnisse in Abschnitt 8.5.1 offenbarte sich, dass allem voran die Aufhebung von (Qualitäts-)Unsicherheiten sowie die Schaffung von Wechselkosten keine wirklich realisierbaren nachfragebezogenen Vorteile für First Mover internetbasierter Geschäftsmodelle darstellen, weshalb sie im Nachfolgenden etwas genauer betrachtet werden sollen. Qualitätsunsicherheiten Bedingt durch ihren Markteintrittszeitpunkt haben First Mover ferner die Möglichkeit, frühzeitig (Qualitäts-)Unsicherheiten seitens der Kunden aufzuheben. Entsprechend wird an ausgewählten Stellen der Literatur auch auf die Möglichkeit verwiesen, durch vertrauensbildende Maßnahmen First-Mover-Vorteile zu generieren (vgl. Halberstadt, 2014: 85). Kunden können eine Majorität der Entstehungsprozesse digitaler Güter ex ante nur beschränkt bis gar nicht bewerten respektive verstehen (vgl. Ludes und Schütte, 1997: 56 zit. n. Halberstadt, 2014: 85f.). Auch wenn zahlreiche internetbasierte Geschäftsmodelle, insbesondere im Bereich des E-Commerce, auf haptischen bzw. reellen Produkten basieren, so impliziert der ausschließlich virtuelle Verkaufsprozess durchaus einige Unsicherheiten für den Kunden (vgl. Fritz, 2004: 234). Transaktionen, die über das Internet ablaufen, werden häufig als unsicherer konnotiert, da es i.d.R. einen zeitlichen Verzug zwischen der Bezahlung und dem Erhalt eines Produktes bzw. einer Dienstleistung gibt. Ein weiteres Kriterium ist die vorherige Qualitätskontrolle, welche im Allgemeinen ex ante nicht möglich ist. Entsprechend besteht grundsätzlich das Risiko, einer ausbleibenden, ver- <?page no="520"?> 8.5 Problematische First-Mover-Vor- und -Nachteile bei digitalen Geschäftsmodellen 521 späteten oder mangelhaften Lieferung. Doch rein internetbasierte Geschäftsmodelle bzw. ihre rein virtuellen Transaktionsabwicklungen beinhalten auch unter anderen Gesichtspunkten weitere Unsicherheiten und Risiken für die Kunden. Als populäre Beispiele dienen häufig der sichere Umgang mit sensiblen Daten, wie z.B. Kreditkartendetails, sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen (internationaler) digitaler, sprich alleinig über das Internet geschlossener Verträge. Bedingt durch den Markteintrittszeitpunkt der First Mover könnte nun argumentiert werden, dass jene im Vergleich zu später in den Markt eintretenden Folgeunternehmen, früher die Gelegenheit haben, ihre Glaubbzw. Vertrauenswürdigkeit unter Beweis zu stellen und folglich frühzeitig die Loyalität ihrer Kunden zu sichern. Dabei wird davon ausgegangen, dass die (erlebten) positiven bzw. erwartungskonformen Erfahrungen das Transaktionsrisiko der Kunden senken (vgl. Lieberman, 2007: 7) und sie an den First Mover binden. Im Idealfall spricht dieser auch anderen potenziellen Kunden gegenüber eine Weiterempfehlung aus (vgl. Amit und Zott, 2001: 506; Tan und Thoen, 2001: 66ff.). In der Literatur ging man nun lange davon aus, dass das Vorliegen solcher positiven Erfahrungen für den First Mover die Auflösung der (Qualitäts-)Unsicherheiten bedeuten könnte, während Folgeunternehmen mit identischem Geschäftsmodell für den Kunden nach wie vor mit Risiken und Unsicherheiten verbunden sind (Busch, 2005: 163). Diesbezüglich deduziert Lieberman (2007: 5ff.), dass First Mover die Möglichkeit haben, ihre günstige Wettbewerbsposition zu untermauern, insofern es ihnen glückt, die ersten Kunden nachhaltig an sich und das Angebot zu binden, ehe selbige ein Konkurrenzangebot testen. Mittlerweile haben wiederum auch Folgeunternehmen vielzählige, von ihrem Markteintrittszeitpunkt losgelöste Möglichkeiten, ihre Vertrauensbzw. Glaubwürdigkeit zu bekunden. Eine Möglichkeit, die auch zunehmend genutzt wird, ist z.B. die Zahlungsabwicklung über bekannte, externe Dienstleister bzw. Drittanbieter wie z.B. PayPal oder Klarna. Mit unabhängigen Tests, Gütesiegeln und Zertifikaten für ihre Angebote und Prozesse haben Folger eine weitere markteintrittszeitpunktunabhängige Option, das Vertrauen der Kunden in sie bzw. ihre Geschäftsmodelle zu inkrementieren (vgl. Halberstadt, 2014: 86). Ferner haben Erstkunden im Internet oftmals die Gelegenheit, von anderen Kundenerfahrungen in Form von Rezensionen, Bewertungen und Ratings zu profitieren, wodurch sich ihr initiales Risiko reduziert (vgl. Backhouse et al., 2005: 88f.; 2008; Kim und Benbasat, 2010: 121f.). Diese Möglichkeiten der Folgeunternehmen machen den potenziellen Vorteil des First Movers durch den Anbau von (Qualitäts-)Unsicherheiten obsolet. Ein weiterer zu berücksichtigender Faktor ist auch die tendenziell verkürzte „Pioneer-Lead-Time“, welche so viele Vorteilsmechanismen relativiert bzw. deren Wirken verhindert. So auch im Falle des Abbaus von (Qualitäts-)Unsicherheiten, da den First Movern nur noch ein verkürztes Zeitintervall bleibt, um diesen Vorteil zu etablieren. Zu diesem Ergebnis kommt auch Busch im Rahmen ihrer empirischen Untersuchung: „Während ihrer kurzen Alleinstellungszeit hatten die Pioniere nicht die Möglichkeit, Qualitätsunsicherheiten zu beseitigen und dadurch Vorteile gegenüber ihren Folgern zu generieren.“ (s. Busch, 2005: 265). Entsprechend sind es die verkürzte Pioneer-Lead-Time sowie die markteintrittszeitpunktunabhängigen Optionen der Folger, welche die Generierung dieses Vorteils nachhaltig erschweren, wenn nicht sogar verhindern. <?page no="521"?> 522 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen Wechselkostenschaffung Im Rahmen der First-Mover-Diskussion wird oftmals die langfristige Kundenbindung durch die Schaffung von sog. Wechselkosten als einer der wesentlichsten (nachfragebezogenen) First-Mover- Vorteile genannt. Für abnehmerseitige Wechselkosten bzgl. internetbasierter Geschäftsmodelle werden dabei primär Gewöhnungsbzw. Lerneffekte (vgl. Lieberman, 2007: 7) sowie der sukzessive Aufbau der Kundenbeziehung angeführt (vgl. Halberstadt, 2014: 85). Haben Kunden bereits initial den Umgang bzw. die Handhabung eines digitalen Angebots erlernt, so müssten sie sich im Falle eines Anbieterwechsels wieder umstellen bzw. erneut in die jeweilige Handhabung einfinden (vgl. Barney, 1997: 114). Konkret bedeutet dies, dass sich Anwender durchaus an den Aufbau und die Gestaltung einer Internetseite und ihre Bedienbarkeit, z.B. in Bezug auf Abwicklung des Bestell- und Zahlungsvorgangs, gewöhnen können. Im Falle eines Anbieterwechsels verursachen genau derartige Gewöhnungseffekte die Entstehung nochmaliger Umstellungsbzw. Lernkosten (vgl. Eisenmann, 2006: 1185 f.). In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass Kunden neue Anpassungs- und Lernprozesse scheuen und resultierend daraus Lock-In-Effekte beim Angebot des First Movers entstehen (vgl. Busch, 2005: 162). In dieser Hinsicht überlassen die Kunden über die Zeit der Nutzung dem First Mover auch zunehmend viele Informationen, wie z.B. Bankverbindungen oder Bestellhistorien - eine Art Informationsinvestition, welche u.U. im Rahmen eines Anbieterwechsels verloren gingen (vgl. Sprecht: 2001: 128f.). Die ausgesprochen hohe Transparenz im Internet kollidiert mit dem Wechselkostenaufbau bzw. wirkt diesem entgegen. Aus diesem Grund affirmieren zahlreiche Autor/ innen, unter anderem auch Porter (2001: 70f.), dass die (technischen) Potenziale des Internets eher zu einer Reduktion der Wechselkosten führen, da sich Angebotsbzw. im Speziellen Preisvergleiche sowie potenzielle Anbieterwechsel für die Kunden tendenziell einfacher gestalteten (vgl. Halberstadt, 2014: 85f.). Entsprechend können existierende Unsicherheiten fortan nicht mehr als gewichtiges Argument für die außerordentliche Wichtigkeit von Wechselkosten dienen. Ferner ist die Nutzung eines internetbasierten Geschäftsmodells in den seltensten Fällen mit außerordentlichen bzw. hohen Anfangsinvestitionen verbunden, was der Schaffung von Wechselkosten ebenfalls entgegenwirkt (vgl. Busch, 2005: 265). Auch die bezeichnende Ähnlichkeit der Angebote vereinfacht einen potenziellen Anbieterwechsel nachhaltig (vgl. ebd.). Entsprechend lässt sich mit Porters (2001: 71) Zitat konkludieren: „On the Internet, buyers can often switch suppliers with just a few mouse clicks […]“ Eine weitere, in der einschlägigen Literatur jedoch durchaus umstrittene Möglichkeit für die Generierung eines First-Mover-Vorteils über die Schaffung von Wechselkosten ist der nachhaltige Aufbau einer Kundenbeziehung. So bestätigen beispielsweise Liang und Chen (2009) im Rahmen ihrer Untersuchungen, dass die Qualität des Internetauftritts bzw. die Internetpräsenz eines Unternehmens in Bezug auf Service-, System- und Informationselemente ein durchaus bedeutender Einflussfaktor auf die Bindung des Kunden an das Unternehmen sein kann. Ein tendenzieller „informationoverload“ im Internet (Busch, 2005: 163) sowie eine hohe Dichte an ähnlichen Konkurrenzangeboten lassen es jedoch eher fraglich erscheinen, ob es dem First Mover gelingt, während seiner tendenziell verkürzten Pioneer-Lead-Time bereits eine nachhaltige Kundenbindung aufzubauen. Ferner haben First Mover die Möglichkeit, die Kunden durch vertragliche Regelungen an sich und ihr Angebot zu binden. In diesem Falle entstünden den Kunden bei einem Anbieterwechsel oder bei Nichtnutzung des Angebots direkte, bestimmbare Wechselkosten. Als populäre Beispiele dienen häufig Punkte-, Bonus- und Treue-Systeme/ -Programme, welche für die Kunden nur dann lukrativ <?page no="522"?> 8.5 Problematische First-Mover-Vor- und -Nachteile bei digitalen Geschäftsmodellen 523 sind, wenn sie sich für einen Anbieter entscheiden, welcher an das jeweilige System bzw. Programm angeschlossen ist. Doch bereits für den Laien ist es nicht schwer erkennbar, dass heutzutage auch später in den Markt eintretende Folgeunternehmen, ebenso gute Implementierungsmöglichkeiten und Maßnahmen der Kundenbindung ergreifen können, indem sie sich etwa an bereits erprobte Punkte-, Bonus- und Treue-Systeme/ Programme anschließen (vgl. Halberstadt, 2014: 86f.). Untermauernd liegen auch empirische Befunde darüber vor, dass der Aufbau von Wechselkosten über Treue-Programme nicht erfolgreich vollzogen werden konnte (vgl. Busch, 2005: 265). Außerdem soll an dieser Stelle nochmals nachhaltig für die Tatsache sensibilisiert werden, dass ein Lock-In-Effekt zu Gunsten des First Movers nur so lange bestehen bleibt, bis es keinem Folgeunternehmen gelingt, einen Mehrwert anzubieten, welcher höher ist als die potenziellen Wechselkosten (vgl. Porter, 1999: 41). Resümierend betrachtet, sind es alleinig vertragliche Verpflichtungen bzw. Bindungen, die im Falle eines Anbieterwechsels direkte und nennenswerte Wechselkosten für den Kunden verursachen. Nur sie wirken effektiv innerhalb eines begrenzten zeitlichen Intervalls und machen den Wechsel zu einem konkurrierenden Folgeunternehmen eher unwahrscheinlich. In dieser Hinsicht scheint es jedoch äußert fragwürdig, ob es First Movern internetbasierter Geschäftsmodelle in jener frühen Phase bereits gelingt, für den Kunden bindende Verträge zu positionieren. Es sei außerdem daran erinnert, dass es für die meisten First Mover internetbasierter Geschäftsmodellen von existenzieller Bedeutung ist, so schnell wie möglich eine kritische Kundenmasse aufzubauen, weshalb sich in dieser Konsequenz die „Follow-the-Free“-Strategie und kundenfreundlichere Erlös- und Vertragsmodelle einer breiten Popularität erfreuen. First-Mover-Nachteile „In fact, industries with a fast pace of market evolution and technological evolution find first mover advantages are highly vulnerable and tenuous.” (Liang et al., 2009: 146) Transferiert man diese Erkenntnis von Liang et al. auf die betrachteten Märkte der Internetökonomie, welche sich ebenso schnell entwickeln wie die Technologien, auf welchen sie basieren (vgl. Coffman und Odlyzko, 2001: 40), so können First-Mover-Vorteile nicht im Geringsten als gewiss gelten. Auch wenn Finkelstein (2002: 40) im Jahre 2002 davon ausgeht, dass „There is huge uncertainty surrounding the Internet, and the strategies that will win.“, scheint dieses Zitat auch unter heutigen Gesichtspunkten aktueller denn je. Die Wahl eines frühen Markteintrittszeitpunktes in einen Internetmarkt ist daher durchaus an einige Ungewissheiten gekoppelt (vgl. Rangan und Adner, 2001: 44). Satz 8.8 Kostenabhängige Nachteile (Free-Rider-Effekte) Auch in der Internetökonomie entstehen First Movern kostenseitige Nachteile durch Free-Rider-Effekte von Folgeunternehmen (Busch, 2005: 166). Lieberman (2007: 10) zufolge betrifft dies <?page no="523"?> 524 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen vor allem die hohen Ausgaben, die seitens des First Movers im Rahmen des Marktaufbaus erbracht werden. Hohe Marktaufbaukosten Ungeachtet der Tatsache, dass die Basisfunktionalitäten des Internets in den vergangenen Jahren oder gar Jahrzehnten keine erheblichen Veränderungen bzw. radikalen Weiterentwicklungen erfuhren, implizieren innovative (internetbasierte) Geschäftsmodelle für die Kunden weiterhin gewisse Lerneffekte sowie Unsicherheiten. Um die Auflösung der daraus hervorgehenden Akzeptanzprobleme zu bewerkstelligen, bedarf es für die initiale Kundengewinnung, d.h. Gewinnung erster Kunden/ innen, vorwiegend hoher Investitionen durch den First Mover (Halberstadt, 2014: 99). Auch Specht (2001: 143) konstatiert, dass Folgeunternehmen aus dem bis dahin schon existierenden Verständnis für die Geschäftsidee respektive das Geschäftsmodell profitieren. Entsprechend nutznießen die Folger aus der allgemeinen Verbreitung der Geschäftsidee bzw. ihrer Sinnhaftigkeit und ihres Mehrwerts. Busch führt ihrerseits konkreter aus, dass sich auch das anfängliche Misstrauen der Kunden hinsichtlich der Zweckmäßigkeit und Sicherheit zum späteren Markteintrittszeitpunkt von Folger-Unternehmen i. d. R. verringert hatte (vgl. Busch, 2005: 166). Die physische bzw. körperliche Abwesenheit der anbietenden Unternehmen erschwert in gewisser Weise den Markenaufbau, wobei bspw. „starke“ Marken durchaus zur Steigerung des Kundenvertrauens beitragen können (vgl. Porter, 2001: 69; Fritz, 2004: 234). Aus diesem Grund werden die Kosten für den Aufbau und die Erschließung eines Marktes für internetbasierte Geschäftsmodelle als außerordentlich hoch bewertet (vgl. Nikolaeva, 2007: 562). In der Konsequenz bedeutet dies, dass First Movern internetbasierter Geschäftsmodelle gegenüber ihrem Folgern diesbezüglich ein beträchtlicher Kostennachteil entsteht. Als ein Ergebnis ihrer Untersuchung gibt Busch (2005: 267) an: „Keiner der untersuchten Pioniere konnte sich gegen Free-Rider-Effekte wirkungsvoll schützen.“ Um jedoch weitere, fundierte Rückschlüsse zu diesem Thema ziehen zu können, mangelt es an dieser Stelle leider an ausreichend vielen wissenschaftlichen Befunden darüber, ob und wie sich First Mover internetbasierter Geschäftsmodelle effektiv gegen die Ausnutzung der Free-Rider-Effekte durch dem Folger schützen können. Risikoabhängige Nachteile First Movern können nicht nur durch frühzeitig notwendige Investitionen kostenseitige Nachteile entstehen, auch durch die sukzessive Auflösung von Markt- und Technologieungewissheiten nach ihrem Markteintrittszeitpunkt können ihnen, gegenüber ihren Folgern, Nachteile entstehen, welche in der einschlägigen Literatur unter dem Obergriff „risikoabhängige bzw. bezogene“ Nachteile subsumiert werden. Wie die Synthese der ausgewählten Forschungserkenntnisse in Abbildung 8.6 verrät, betrifft dies für First Mover internetbasierter Geschäftsmodelle insbesondere die Auflösung von Ungewissheiten bezüglich der Marktentwicklung, weshalb dieser Nachteil im nachfolgenden Abschnitt etwas genauer beleuchtet wird. Auflösung von Ungewissheiten bezüglich der Marktentwicklung Die zu ihrem Zeitpunkt des Markteintritts noch ungewisse Marktsituation und anschließende Entwicklung stellt für First Mover internetbasierter Geschäftsmodelle sehr wohl ein relevantes Problem dar. Bei der Erfindung und Etablierung des Internets selbst handelte es sich damals um eine radikale Innovation. Im frühen Stadium des Internets gab es keine Gewissheit darüber, wie sich die Akzeptanz und Entwicklung der Internetnutzung langfristig gestalten würden. Wenngleich sich das Inter- <?page no="524"?> 8.5 Problematische First-Mover-Vor- und -Nachteile bei digitalen Geschäftsmodellen 525 net mit über vier Milliarden Nutzern einer weltweiten Verbreitung jetzt erfreuen darf (vgl. Global Digital Report zit. n. Bouwman, 2018), sehen sich die First Mover dennoch mit Ungewissheit bzgl. der Akzeptanz ihres Leistungs-/ Wertversprechens bzw. Geschäftsmodells seitens des Kunden sowie der weiteren konkreten Marktentwicklung konfrontiert. Allem voran die kundenseitigen Erwartungen an die Datensicherheit bzw. -schutz sowie die Zuverlässigkeit der Transaktionen können entscheidende Akzeptanzbarrieren darstellen. Wie hoch die daraus resultierende potenzielle Gefahr der Fehlentscheidung bzw. des Scheiterns ist, resümiert auch Lieberman (2007: 10) wie folgt: „Many Internet entrants discovered that the market spaces that they hoped to develop were not economically attractive.“ Bedingt durch ihren Markteintrittszeitpunkt ist es für First Mover ungemein schwerer, die Attraktivität des anvisierten Marktes einzuschätzen. Folglich agierten zahlreiche First Mover nach ihrem Markteintritt in einem wirtschaftlich noch unattraktiven Markt, da sich ihre anvisierten Marktsegmente nicht so entwickelten, wie in ihren Businessplänen angenommen bzw. prognostiziert (Busch, 2005: 167). Folgeunternehmen haben dahingehend jedoch einfach die Möglichkeit, die weitere Marktentwicklung abzuwarten (vgl. Lieberman, 2007: 11). Dieser Aspekt wird durch die extreme (Markt-) Transparenz im Internet nachhaltig begünstigt. Dies hat in der Tat zur Folge, dass einige potenzielle Folgeunternehmen ihren Markteintritt verschieben oder dieser gar ganz ausbleibt (Busch, 2005: 258). In diesen Fällen profitiert der Folger, ermöglich durch die hohe Transparenz, von den Erfahrungen und bereits getätigten Investitionen des First Movers. Doch die Ungewissheit über die Entwicklung des Marktes betrifft nicht nur potenzielle folgenden Konkurrenzunternehmen, auch die Kunden/ innen neigen partiell dazu, eine abwartende Haltung einzunehmen und zu beobachten, ob und wie sich jenes Angebot bewährt. Dieser Aspekt erschwert die initiale Kundengewinnung seitens des First Movers (vgl. Srinivasan et al., 2004: 43; Varadarajan et al., 2008: 299) . Trägheit des First Mover Eine Vielzahl der Technologien entwickelt sich schneller, als Märkte für sie entstehen könnten (vgl. Christensen, 1997). Dies ist primär darauf zurückzuführen, dass für die meisten innovativen Technologien zunächst des Aufbaues eines umfassenden Endanwenderverständnisses und -wissens bedarf (vgl. Hoffmeister und von Borcke, 2017: 172). Das bedeutet, dass die Zielgruppen zunächst auf die neue Technologie aufmerksam gemacht werden müssen, um sich in einem zweiten Schritt an das neue Angebot (Geschäftsmodell) zu gewöhnen und den Mehrwert eines solchen zu verstehen. Da in diesem Zusammenhang eher hohe Initialkosten und vergleichsweise geringe variable Kosten kennzeichnend für digitale Technologien im Generellen und Plattformen im Speziellen sind (vgl. ebd.), ist es den meisten First Movern möglich, eine offensive Wachstumsstrategie zu verfolgen, welche nicht zuletzt häufig durch die „Follow-the-free“-Preisstrategie ergänzt wird (vgl. Busch, 2005: 160). Infolgedessen sind die betrachteten Märkte durch ein beachtlich schnelles Marktwachstum gekennzeichnet, welches eine sukzessive Angebotserweiterung der First Mover zur Folge haben dürfte. Dieser potenzielle Vorteil entwickelt sich jedoch für viele First Mover zum Nachteil (vgl. Hoffmeister und von Borcke, 2017: 172). Dies ist darauf zurückzuführen, dass die meisten Technologien, auf denen die Leistungsbzw. Wertversprechen der First Mover technisch basieren, überwiegend keinen linearen Weiterentwicklungen folgen, sondern eher durch schwer absehbare Technologiesprünge charakterisiert sind (vgl. Wirtz, 2001: 23). Vornehmlich im Entwicklungsbereich bzw. in Bezug auf Programmiersprachen mangelt es an Kontinuität und es kommt regelmäßig zur Anwendung neuer Frameworks. Auch in Bezug auf die benötigte Hardware sind ähnliche Entwicklungsverläufe <?page no="525"?> 526 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen erkennbar, denn auch die Weiterentwicklung im Bereich der Hardware ist durch Technologiesprünge gekennzeichnet, welche effizientere und oftmals kostengünstigere Lösungen erlauben (vgl. Hoffmeister und von Borcke, 2017: 172). So wie für potenzielle Folgeunternehmen auch, bedeutet dies für First Mover, dass sie ihre Angebote nicht kontinuierlich weiterentwickeln können, sondern die Notwendigkeit besteht, (regelmäßig) neue Angebote zu schaffen. An dieser Stelle kommt es häufig zur sog. „Trägheit 6 “ (vgl. Busch, 2005: 168ff.) oder „sunk cost fallacy“ (vgl. Windscheid, 2017) der First Mover. Dabei wird angenommen, dass begründet durch die hohen Anfangsinvestitionen und die kostenintensive Marktbzw. Zielgruppenerschließung, das Management auch bei zunächst ernüchternden Geschäftsentwicklungen an der bis dato verfolgten Strategie festhält (vgl. Busch, 2005: 168 ff.). Wurden beispielsweise bereits hohe Investitionen im Rahmen des Technologieaufbaus getätigt, so will der First Mover jene nicht sofort wieder aufgeben müssen. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Präsenz einer „Follow-the-free“-Preisstrategie, da unter diesen Umständen im Extremfall nur wenige bis keine Erlöse im betroffenen Zeitraum eingenommen wurden, welche die hohen, getätigten Investitionen hätten amortisieren können. Infolgedessen wird davon ausgegangen, dass das Management des First-Mover-Unternehmens zögert, bevor es die benötigte Änderungsbzw. Anpassungsbereitschaft entwickelt, welche weitere Ausgaben bzw. Investitionen impliziert (vgl. ebd.). Satz 8.9 Dabei entsteht ein kurzes, oft jedoch erfolgskritisches Zeitintervall, das potenzielle Folger nutzen können, um ein angepasstes bzw. verbessertes Angebot, fußend auf einer optimierten Technologie, zu entwickeln. Hoffmeister und von Borcke (2017: 173) bezeichnen dieses Zeitintervall als sog. „Technologie-Zeit-Lücke“. Wie erfolgskritisch diese Lücke bzw. die Trägheit des First Movers sein kann, untermauert auch Busch (2005: 268) im Rahmen ihrer empirischen Studie: „Die erfolglosen Unternehmen dagegen hielten an ihrer Strategie und Positionierung fest, da sie ihre Investitionen in Technologie und Marktentwicklung nicht aufgeben wollten.“ Damit detektiert sie bei den von ihr untersuchten First Movern „eindeutige Merkmale der Trägheit“ (vgl. Busch, 2005: 268f.). Diese Trägheit können die potenziellen Folgeunternehmen zum Nachteil der First Mover ausnutzen und ihre Geschäftsmodelle am Markt etablieren. Begünstigt wird ihr Markteintritt durch ein bereits vorhandenes, durch den First Mover aufgebautes Endanwenderwissen, sodass ihre Vorlaufzeit bis zur Skalierung tendenziell kürzer sein dürfte (vgl. Hoffmeister und von Borcke, 2017: 173). Wie erfolgreich Google die Trägheit der First Mover bzw. die „Technologie-Zeit-Lücke“ der bis dato existierenden Suchmaschinenanbieter ausnutzen konnte, soll in Abschnitt 8.6.2 als eins der ausgewählten Beispiele etwas genauer dargelegt werden. Lerneffekte und verkürzte Pioneer-Lead-Time Durch die überaus guten Beobachtungs- und Analysemöglichkeiten im Internet haben Folgeunternehmen mannigfaltige Möglichkeiten, aus den Fehlern bzw. Erfahrungen der First Mover zu lernen. So sind eine Fehleinschätzung bezüglich der Zielgruppe oder (expost betrachtet) die Entscheidung für ineffiziente Marketingmaßnahmen nur zwei Beispiele, die es den Folgern erlauben, aus den 6 In der Literatur wird teilweise auch synonym die Bezeichnung „incumbent inertia“ verwendet (vgl. Busch, 2005: 168ff.). <?page no="526"?> 8.5 Problematische First-Mover-Vor- und -Nachteile bei digitalen Geschäftsmodellen 527 Fehlern der First Mover zu lernen, was sich als Nachteil für solche verstehen lässt. Die Wirkung der Lerneffekte sollte an dieser Stelle keineswegs unterschätzt werden, da sie über alle Unternehmensbereiche und -entscheidungen hinweg greifen. Die daraus resultierenden Nachteile für den First Mover erstrecken sich ebenfalls über alle Aspekte von Kostenüber Zeithin zu Imagenachteilen. Ermöglicht wird dies durch die hohe Markt- und Wettbewerbstransparenz sowie rasche Informationsbzw. Wissensdiffusion, welche neben der zunehmenden Dematerialisierung der Wertschöpfungskette die Charakteristika der Internetökonomie darstellen. Entsprechend diffundieren auch Informationen über (neue) Geschäftsmodelle im Internet außerordentlich schnell (vgl. Nicolaeva, 2007: 562). Im Vergleich zum stationären Wettbewerb bzw. zu stationären Märkten werden Folgeunternehmen infolgedessen schneller auf die Geschäftsideen und -modelle der First Mover aufmerksam und können solche außerdem tendenziell leichter kopieren bzw. imitieren (vgl. Halberstadt, 2014: 99). Porter (2001: 70) geht daher davon aus, dass die Chancen des Aufbaus von Markteintrittsbarrieren durch First Mover im Internet allzu bescheiden sind. Bedingt durch diese Tatsache erhöht sich das Risiko der First Mover, sich bereits nach einer kurzen Periode mit einer steigenden Anzahl an Konkurrenten konfrontiert sehen zu müssen. Die Zeitspanne, in welcher das First-Mover-Unternehmen alleine am Markt agiert, die sog. Pioneer-Lead-Time, sollte demnach laut Halberstadt (2014: 100) auf Märkten der Internet-Wirtschaft erkennbar kürzer sein. Zusammenfassung Zusammenfassend ist außerdem festzuhalten, dass die veränderten Rahmenbedingungen des Wettbewerbs im Internet die Entstehungsmechanismen von First-Mover-Vor- und -Nachteilen weitreichend beeinflussen. Resümierend ist zu erkennen, dass es primär die hohe Markt- und Wettbewerbstransparenz ist, welche die Argumentationen für die Entstehungsmechanismen der einzelnen Vorbzw. Nachteile radikal relativiert bzw. die Generierung solcher nachhaltig erschwert oder gar verhindert. Ferner begünstigt diese kennzeichnend hohe Transparenz in Kombination mit der Ermangelung von adäquaten (Patent-)Schutzmöglichkeiten des geistigen Eigentums die Imitationsmöglichkeiten durch Folgeunternehmen. Es entsteht eine Kausalbzw. Wirkungskette, welche die Problematik der First Mover internetbasierter Geschäftsmodelle nahezu symptomatisch beschreibt. Abb. 8.7: Kausalkette zur Problematik von First Movern digitaler Geschäftsmodelle <?page no="527"?> 528 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen Die abgebildete Kausalität verdeutlicht gut, dass leichtere Imitationsmöglichkeiten ein zentrales, wenn nicht sogar das Problem von First Movern internetbasierter Geschäftsmodelle darstellen. Wie genau Folger die außerordentlich guten Beobachtungs- und Imitationschance im Internet nutzen können, verdeutlichen auch die nachfolgenden Beispiele. Aufgabe 8.7 Erklären Sie den Lock-In-Effekt. 8.6 Ausgewählte Beispiele Lernziele Im sechsten und letzten Abschnitt erfolgt eine Kurzvorstellung von MySpace, Facebook und Google. Anhand dieser ausgewählten Beispiele können Sie die First-Mover-Problematik besser verstehen und einordnen. Die folgende Kurzvorstellung zweier ausgewählter Beispiele soll die Ausführungen des vorangegangenen Abschnitts 5 beispielgebend abrunden und der Komplementierung des Problematikverständnisses dienen. 8.6.1 MySpace und Facebook Facebook zählt unweigerlich zu einem der bekanntesten Unternehmen des 21. Jahrhunderts. Dabei war Facebook kein First Mover im engeren Sinne, in der einschlägigen Literatur wird daher MySpace als der eigentliche First Mover benannt (vgl. Hoffmeister und von Borcke, 2017: 173). Doch wie es bereits der Titel dieser Ausarbeitung „Zur Problematik von First Movern digitaler Geschäftsmodelle“ vermuten lässt, gelang es Facebook dennoch, MySpace in einer fulminanten Geschwindigkeit in allen Aspekten des Markterfolges zu überholen, wenngleich MySpace seinerzeit eins der am schnellsten wachsenden (sozialen) Netzwerke des Internets war und bereits 2006 über 100 Million aktive Nutzer zählte (vgl. Sellers, 2006). Beachtlicherweise genügten Facebook weniger als drei Jahre, um 2009 MySpace dennoch im Hinblick auf die Entwicklung der Mitgliederzahlen zu überholen. Mit über einer Milliarde Nutzern war Facebook im Jahre 2014 damit mehr als drei Mal so groß wie MySpace, welches zu diesem Zeitpunkt (März 2020) nur knapp 300 Millionen Mitglieder zählte (vgl. zu diesen Zahlen Hoffmeister und von Borcke, 2017: 173). In diesem Kontext profitierte Facebook entscheidend von der nunmehr überholten Technologie, auf welcher MySpace basierte. Ferner fehlte es dem Top-Management von MySpace an der, ex-post betrachtet, erfolgskritischen Bereitschaft und Entschlossenheit, die Plattform an die neuen technischen Möglichkeiten sowie Nutzererwartungen anzupassen (vgl. ebd.). In der Entwicklung der zugrundeliegenden Technologie zeichnete sich zu dieser Zeit eine deutlichere Tendenz zugunsten der sog. „Mashup-Technologie“ 7 ab (vgl. Alby, 2008: 142ff.). Mittels dieser Technologie wurde es zunehmend müheloser, unterschiedliche Tools und/ oder Plattformen zusammenzuführen bzw. ihre Konnektivität zu gewährleisten. Damit gelang Facebook, welches auf genau 7 Die sog. „Mashup-Technologie“ beschreibt dabei simplifiziert die Generierung neuer (Medien-) Inhalte durch die nahtlose (Re-)Kombination bereits existierender Inhalte (vgl. dazu und für weitere Details Alby, 2008: 142ff.). <?page no="528"?> 8.6 Ausgewählte Beispiele 529 diese Technologie setzte, die entscheidende Simplifizierung der Integration externer Inhalte in die persönliche Seite. Auch die „User-Interfaces“ respektive Benutzeroberflächen gestalteten sich in Bezug auf Optik und Gebrauchstauglichkeit deutlich ansprechender als beim First Mover MySpace. Infolgedessen war die Nutzung von MySpace in Relation zu Facebook für die Benutzer tendenziell diffiziler, da sie eines durchaus fundierten technischen Verständnisses bedurfte (vgl. Hoffmeister und von Borcke, 2017: 173). Ein Blick auf MySpace-Seiten jener Zeit lässt vermuten, welche (technische) Affinität und Mühe es gebraucht hat, seine eigene Seite einzurichten (vgl. ebd.). Die mangelnde Adaptionsbereitschaft vonseiten MySpace mag ggf. darauf zurückzuführen sein, dass der Medienkonzern „News Corporation“ MySpace im Juli 2005 für 580 Millionen US-Dollar kaufte (vgl. Siklos, 2005). Denn im Jahre 2006 (August) folgte darauf eine Kooperation mit Google, welche eine Integration der Google-Suche als auch von „Google AdSense“ in MySpace vorsah (vgl. Rau, 2007: 256). Im Rahmen dieser Kooperation erhielt MySpace zwischen den Jahren 2007 und 2010 dafür mind. 900 Millionen US-Dollar (vgl. ebd.). Es ist anzunehmen, dass resultierend daraus die Adaptionsbereitschaft eher gering war und das Top-Management an der bestehenden Technologie festhielt. Damit stellt der Fall MySpace repräsentativ eines der Paradebeispiele für den Nachteil „ Trägheit des First Movers “ sowie die erfolgskritischen Auswirkungen der „Technologie-Zeit- Lücke“ dar. 8.6.2 Google Darüber hinaus offenbart auch die Erfolgsgeschichte von Google, dass Folgeunternehmen sehr wohl aus den Fehlern der First Movers profitieren können. Während der Zeit, in der die ersten Webverzeichnisse, wie zum Beispiel jenes von Yahoo, entstanden, war es nur für eine geringe Anzahl von Webseiten möglich, diese im Rahmen einer redaktionellen Clusterung in bestimmte Kategorien einzugliedern. Es bestanden Kategorien für die Bereiche News, Freizeit, Sport und Ähnliches (vgl. Hoffmeister und von Borcke, 2017: 173). Mit der rasant schnell steigenden Anzahl an Webseiten im World Wide Web genügten die oben beschriebenen Webverzeichnisse bzw. deren Vorgehensweise der themenorientierten Clusterung nicht mehr. Aus diesem Grund positionierten sich fortan die ersten „Suchmaschinen“ wie z.B. Lycos, Fireball, Altavista und Excite. Im Zuge dessen wurden die Webseiten des World Wide Web unter Einsatz eines sog. „WebCrawlers“ automatisch durchsucht und kategorisiert. Der Endanwender gab dafür den Begriff im Suchfeld der Webseite ein, woraufhin ihm entsprechende Ergebnisse angezeigt wurden. Eine genauere Analyse dieser Vorgehensweise offenbart, dass die initiale Logik also darauf beruhte, ausschließlich die Webseiten selbst nach den spezifischen Begriffen zu durchsuchen. Jene wurden dann im Anschluss gemäß der Worthäufigkeit bzw. Inhaltsgestaltung der analysierten Webseiten im Suchergebnis der Suchmaschine aufgeführt (vgl. Hoffmeister und von Borcke, 2017: 174). Im Grunde waren solche Suchmaschinen auf Basis der sog. „Web-Crawler“ lediglich eine Übertragung eines aus Bibliotheken bereits bekannten Modells auf das Internet. Abstrahiert handelte es sich dabei um das internetbasierte Analog einer sog. Volltextsuche in elektronischen Verzeichnissen (vgl. ebd.). Doch mit der Zeit, kristallisierte sich zunehmend ein Problem heraus, das auf der fehlenden Qualitätskontrolle der Webseiten im Internet beruhte. Anders als nämlich im Falle der Bibliotheken konnten die Inhalte einer Webseite nicht systematisch überprüft bzw. kontrolliert werden (vgl. ebd.). Mit der einstigen Technologie und der damaligen Vorgehensweise der Suchmaschinen konnten diese inhaltlichen Relevanzprobleme und Qualitätsdefizite nicht adäquat gelöst werden. Google profitierte an dieser Stelle maßgeblich aus der „Technologie-Zeit-Lücke“ der anderen Suchmaschinen- <?page no="529"?> 530 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen anbieter und etablierte eine neue Logik, welche nunmehr eine Relevanzeinschätzung berücksichtigte (vgl. Vise und Malseed, 2006: 83ff.). Ferner konnte Google konkret aus den Umsetzungsschwierigkeiten der bis dato marktführenden Anbieter Excite und Altavista lernen und sich diesen Lerneffekt zunutze machen (vgl. Hoffmeister und von Borcke, 2017: 174). Anstatt lediglich die Webseiten als solche systematisch nach wesentlichen Schlagwörtern zu durchsuchen, entwickelte Google ein Vorgehen, welches in die Bewertung der Relevanz darüber hinaus einbezog, wie viele sonstige Webseiten den gesuchten Begriff adressieren und als Quelle auf andere Webseiten zu diesem Thema referenzieren. Im Laufe der Zeit entwickelte sich daraus ein zunehmend komplexerer Algorithmus (vgl. ebd.), welcher andere Suchergebnisse hervorbrachte, die von den Endanwendern als subjektiv passender bzw. besser bewertet wurden (vgl. Hoffmeister und von Borcke, 2017: 175). Bedingt durch dieses neu entwickelte Vorgehen war es Webseitenbetreibern fortan nicht mehr möglich, einzig durch die inhaltliche Ausgestaltung ihrer Seite die Suchergebnisse zu beeinflussen. Mit dieser innovativen Weiterentwicklung bzw. Optimierung der Suchmaschinen konnten die konkurrierenden Unternehmen technisch nicht mithalten (vgl. Vise und Malseed, 2006: 83ff.). Den vor Google bereits existierenden Anbietern war auch ein weiterer, wenn auch über die Unternehmen gestreuter, First-Mover-Nachteil gemein. Sie alle hatten vor dem Markteintritt von Google bereits nennenswerte Summen in den Marktaufbau und die Schaffung eines Endanwenderverständnisses investiert. Denn zum Zeitpunkt seines Markteintritts profitierte Google entscheidend davon, dass die First Mover bereits ein weitreichendes Endanwenderwissen und -verständnis für Suchmaschinen aufgebaut hatten. Ferner erfreute sich Google zum Zeitpunkt seines Markteintritts der Tatsache, dass der Suchmaschinenmarkt zum Betrachtungszeitpunkt wohl unter den bestehenden Anbietern verteilt war, jedoch das Kundenpotenzial noch nicht gänzlich ausgeschöpft war (vgl. ebd.). Damit repräsentiert das Beispiel von Google, in welchem Maße Lerneffekte bzw. die Ausnutzung der „Technologie-Zeit-Lücke“ durch den Folger und i.w.S. die sukzessive Auflösung von Ungewissheiten bezüglich der Marktentwicklung zum Nachteil des First Movers wirken können. Außerdem beschreibt dieses Beispiel auch einen weiteren (kostenbezogenen) First-Mover-Nachteil, nämlich die Marktaufbaukosten und die (kostenintensive) Schaffung eines Endanwenderverständnisses durch die First Mover, aus welchen der Folger zum Zeitpunkt seines Markteintritts einfach Nutzen ziehen kann. Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurden Ihnen praktische Beispiele vorgestellt. Sie lernten MySpace, Facebook und Google bezüglich des First-Mover-Aspektes kennen. Aufgabe 8.8 Was ist das Besondere an Google in Bezug auf First Mover? Schlussbetrachtung Die folgende Schlussbetrachtung umfasst neben der Zusammenfassung der Ergebnisse auch einen komprimierten Ausblick, welcher auf interessante Weiterforschungsmöglichkeiten bzw. -bedarfe hinweist. Gestartet wird mit der Zusammenfassung . <?page no="530"?> 8.6 Ausgewählte Beispiele 531 Während in der einführenden und populären Managementliteratur vorwiegend die Vorteilhaftigkeit des frühen Markteintritts hervorgehoben wird, konnte hier aufgezeigt werden, dass die einschlägigen, existierenden Forschungserkenntnisse durchaus divergierend sind und First- Mover-Vorteile nicht im Geringsten als gewiss gelten können. Darüber hinaus wurde identifiziert, dass ein durchaus diskrepantes First-Mover-(Begriffs-)Verständnis einer der ausschlaggebenden Gründe für die teilweise extreme Divergenz der Forschungserkenntnisse ist. Die Abwesenheit einer allgemein akzeptierten Begriffsdefinition sowie die uneinheitliche Auslegung des Begriffes verursachen oftmals Ergebnisverzerrung bzw. begründen häufig die mangelnde Vergleichbarkeit der Forschungserkenntnisse (vgl. Hidding und Williams, 2003: 2; Lieberman, 2007: 13; Halberstadt, 2014: 13). Im Laufe der Zeit wurden für die Bestimmung der Markteintrittsreihenfolge weiterführende Untersuchungsvariablen bzw. „Kriterienkataloge“ entwickelt, welche primär auf eine stärkere Berücksichtigung des Faktors Zeit abzielten. Folglich muss die Bestimmung der Markteintrittsreihenfolge nicht mehr auf einer ausschließlich numerischen Erfassung beruhen. Für das Beimessen des First-Mover-Status rückt nunmehr eine zeitrelativierte Markteintrittsreihenfolge in den Mittelpunkt der Betrachtung. Im Zuge der Analyse der Forschungserkenntnisse zum First-Mover-Konzept wird ferner erkannt, dass die bisherige Forschung primär empirisch erfolgte, an fundierten theoretischen Überlegungen mangelt es. Als Resultat aus dem Studium der existierenden Literatur lässt sich festhalten, dass keinesfalls von einer eigenständigen First-Mover-Theorie die Rede sein kann. Eher prägen viele einzelne spieltheoretische Modelle das Bild der theoretischen First-Mover- Forschung (vgl. auch Busch, 2005: 78f.) Begründet durch das Fehlen einer eigenen First-Mover- Theorie erschien die Verknüpfung des First-Mover-Konzepts mit einem bedeutsamen-Erklärungsansatz des Strategischen Managements - dem Resource-based View - nachhaltig sinnvoll (vgl. Lieberman und Montgomery, 1998: 1111f.). Die Verifizierung des Verknüpfungspotenzials brachte hervor, dass eine dahingehende Verknüpfung beider Ansätze ein durchaus nennenswertes Win-Winbzw. Synergiepotenzial in sich birgt. Um die Forschungsfrage beantworten zu können und die Erreichung des ersten Teilziels zu ermöglichen, folgte in Abschnitt 8.3 eine kurze Aufarbeitung der „allgemeinen“ bzw. branchenunspezifischen First-Mover-Forschung. Die Ausführungen dieses Abschnitts waren notwendig, um ein hinreichendes Verständnis für das First-Mover-Konzept im Rahmen internationaler Dienstleistungen und die allgemeinen First-Mover-Vor- und -Nachteile zu schaffen. Als Resultat eines ausführlichen Studiums bestehender Forschungserkenntnisse zu (allgemeinen) First- Mover-Vor- und -Nachteilen entsteht Abbildung 8.1, welche in einer verdichteten Übersicht alle potenziellen First-Mover-Vor- und -Nachteile auflistet. Nun hatte es die vorliegende Ausarbeitung zum Ziel, sich im besonderen Maße mit den problematischen Vor- und Nachteilen für First Mover digitaler Geschäftsmodelle zu befassen. Um in diesem Zusammenhang eine trennscharfe Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes zu gewährleisten, bedurfte es einer zweckmäßigen Explikation des Begriffs „digitales Geschäftsmodell“. Die sollte sich als nicht triviales Unterfangen herausstellen, wurde doch erkannt, dass es bereits für den Begriff des Geschäftsmodelles an Eindeutigkeit und Einheitlichkeit mangelt. Als Resultat der Gegenüberstellung verschiedener Definitionsansätze wurde für den Zweck eine eigene Definition erarbeitet. Ferner wurde eine knappe Argumentation geliefert, warum einer synonymen Verwendung der Begriffe digitales und internetbasiertes Geschäftsmodell gefolgt wird. Die darauffolgende genauere Beleuchtung der veränderten Rahmenbedingungen des digitalen, internetbasierten Umfelds, in dem die digitalen Geschäftsmodelle „stattfinden“, brachte mehrere entscheidende Erkenntnisse hervor. So wurde erkannt, dass besondere Bedeutung den veränderten Wettbewerbsbedingungen im Internet beigemessen werden muss. Neben einer <?page no="531"?> 532 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen prinzipiellen Internationalität bzw. Globalität und einer zunehmend erschwerten Branchen- und Marktabgrenzung, sind es primär die extrem hohe Markt- und Wettbewerbstransparenz sowie die rasche und einfache Informationsbzw. Wissensdiffusion , die eine hohe (Veränderungs-)Geschwindigkeit begünstigen und damit nicht nur die Wettbewerbsbedingungen im Internet, sondern auch die Generierungsmöglichkeiten von First-Mover-Vor- und -Nachteilen entscheidend verändern. Neben den spezifischen Wettbewerbsbedingungen im Internet beeinflussen auch die Spezifika digitaler Güter, sprich digitaler Produkte und Dienstleistungen, die potenzielle Entstehung von First-Mover-Vor- und -Nachteilen. Resümierend aus den Darlegungen des Abschnitts 8.4.4 kann unstrittig die Immaterialität als entscheidendes Charakteristikum genannt werden. Sie initiiert den zunehmenden Bedeutungsverlust der beiden Parameter Ort und Zeit, da die Produkte bzw. Dienstleistungen der digitalen Geschäftsmodelle (digitale Güter) weitestgehend losgelöst von diesen beiden Parametern produziert, gehandelt sowie konsumiert werden können. Mit diesem Abschnitt wurde erkannt und dargelegt, dass sich Rahmenbedingungen für First Mover digitaler Geschäftsmodelle verändern. Der anschließende Abschnitt ergründete darüber hinaus, wie sich die Generierungsmöglichkeiten der Vorbzw. Nachteile ganz konkret verändern. Die Synthese der bestehenden Forschungserkenntnisse und die darauf beruhende Kategorisierung der einzelnen Vor- und Nachteile ermöglichen damit die Beantwortung der Forschungsfrage. Als „problematisch“ gelten nun mehr jene Vorteile, die für First Mover digitaler bzw. internetbasierter Geschäftsmodelle nur noch äußerst bedingt bzw. gar nicht mehr realisierbar sind. Analog dazu gelten indessen jene Nachteile als „problematisch“, die in einem erfolgskritischen, verstärkten Maße auftreten. Zu den betroffenen Vor- und Nachteilen zählen: Abb. 8.8: Problematische Vor- und Nachteile für First Mover digitaler Geschäftsmodelle Auf eine erneute detaillierte Darlegung, warum gerade diese Vor- und Nachteile als „problematisch“ einzustufen sind, wird an dieser Stelle vor dem Hintergrund des zusammenfassenden <?page no="532"?> 8.6 Ausgewählte Beispiele 533 Charakters dieser Schlussbetrachtung verzichtet. Verwiesen sei dafür auf die getätigte Feinanalyse in Abschnitt 8.5.2. Im Rahmen dieser Schlussbetrachtung soll vielmehr die Quintessenz der Feinanalyse expliziert werden. Wie in der Einleitung angenommen, konnte im Rahmen der Feinanalyse belegt werden, dass die veränderten Wettbewerbsbedingungen im Internet und die Spezifika digitaler Güter die entscheidenden Trigger für veränderte Generierungsmöglichkeiten von First-Mover-Vor- und -Nachteilen darstellen. Die quantitativ häufigste Nennung sowie den qualitativ weitreichendsten Einfluss hat dabei die extrem hohe Markt- und Wettbewerbstransparenz . Ihr ist in diesem Hinblick eine primäre Bedeutung beizumessen, da sie die Argumentationsführung für die betroffenen Vorbzw. Nachteile radikal relativiert. In Kombination mit dem Fehlen von adäquaten (Patent-) Schutzmöglichkeiten des geistigen Eigentums, begünstigt die hohe Transparenz maßgeblich die Imitationsmöglichkeiten durch Folgeunternehmen 8 . Die leichteren Imitationsmöglichkeiten ermöglichen es Folgern vergleichsweise schnell, nach dem First Mover in den betrachteten Markt einzutreten. Die Konsequenz ist tendenziell verkürzte „Pioneer- Lead-Times“. Die Verkürzung der Zeitspanne, in der die First Mover anbieterseitig allein am Markt agieren, impliziert weniger Zeit für den Auf- und Ausbau von Markteintrittsbarrieren. Dies wiederum wirkt der Entstehung der meisten First-Mover-Vorteile entgegen bzw. verstärkt die First-Mover-Nachteile. Diese identifizierte und hier beschriebene Kausalkette (vgl. dazu auch Abbildung 5.7) beschreibt die offenbar symptomatische Problematik von First Mover digitaler Geschäftsmodelle. Die hohe Transparenz und die daraus und den Eigenschaften digitaler Güter resultierenden leichteren Imitationsmöglichkeiten können daher im weitesten Sinne als Determinanten genau dieser Problematik verstanden werden. Satz 8.10 Die anschließenden Kurzvorstellungen der ausgewählten Beispiele MySpace und Google runden die Erkenntnisse aus der Feinanalyse ab. Das Beispiel von MySpace verdeutlicht exemplarisch, wie bei digitalen Geschäftsmodellen im besonderen Maße der Nachteil der Trägheit des First Movers durch Folger ausgenutzt werden kann und wie weitreichend die Folgen der „Technologie-Zeit-Lücke“ dabei sein können. Das Exempel eines überaus erfolgreichen Folgeunternehmens liefert Google. Im Zuge der Vorstellung des zweiten Beispiels wird aufgezeigt, in welchem auschlaggebenden Maße Lerneffekte durch den Folger und die sukzessive Auflösung von Ungewissheiten bezüglich der Marktentwicklung zum Nachteil des First Movers wirken können. Ferner demonstriert das Beispiel von Google wie hohe Marktaufbaukosten und Investitionen für die Schaffung eines Endanwenderverständnisses durch die First Mover, vom Folger zum Zeitpunkt seines Markteintritts ausgenutzt werden können Als Ausblick ist zu erwähnen, dass ein interessanter Anknüpfungspunkt für weitere Forschungen in diesem Bereich sich die Frage stellt, ob es ausgewählte First-Mover-Vor- und -Nachteile gibt, die speziell respektive alleinig für digitale bzw. internetbasierte Geschäftsmodelle (neu-)identifiziert werden können. Die Auflistung der üblicherweise konnotierten First- Mover-Vor- und -Nachteile müsste dann um entsprechende ergänzt werden. Ein weiterer Aspekt, welcher fortan eine angemessenere Berücksichtigung finden sollte, ist die genauere Untersuchung erfolgloser bzw. schnell gescheiterter First Mover. Busch (2005: 166) vermag dies darauf zurückzuführen, dass Daten erfolgloser Unternehmen ex-post nur schwer zugänglich sind. Erschwert sei eine entsprechende Untersuchung außerdem durch teilweise 8 z.B. die Existenz der Rocket Internet GmbH, welche sich mit der systematischen Imitation von Geschäftsmodellen beschäftigt (vgl. Winter, 2012: 74ff.), bestärkt jene Erkenntnis. <?page no="533"?> 534 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen verzerrte Wahrnehmungen, da später erfolgreichen Unternehmen häufig fälschlicherweise der First-Mover-Status beigemessen wird, diese Unternehmen de facto aber nur frühe Folger waren. Eine Analyse genau dieser gescheiterten First Mover wäre jedoch im besonderen Maße lehrreich, da sie ggf. weitere Determinanten der Problematik von First Movern digitaler Geschäftsmodelle offenbaren würde. Daraus schlussfolgernd könnten u.U. Maßnahmen identifiziert werden, mit denen sich First Mover gegen die erfolgskritische, verstärkte Auswirkung der Nachteile schützen können oder Möglichkeiten identifizieren, drohende wegfallende Vorteile dennoch zu generieren. Als weitere Erkenntnis dieser und anderer Arbeiten ist festzuhalten, dass es zum First-Mover- Konzept für digitale Geschäftsmodelle bisher nur bemerkenswert wenige Publikationen gibt (vgl. Halberstadt, 2014: 6). An dieser Stelle sei jedoch berücksichtigt, dass besonders die innovativen digitalen Geschäftsmodelle relativ jung sind. Infolgedessen sollte aus dem quantitativen Mangel an Veröffentlichungen keineswegs auf eine geringe oder gar fehlende Relevanz geschlossen werden. Vielmehr wird eine Vielzahl der Untersuchungen ex-post getätigt, da nachhaltige Wettbewerbsvorteile bzw. der langfristige Erfolg eines Unternehmens häufig erst am Ende des Lebenszyklus eines Produkts respektive eines Geschäftsmodells ermittelbar sind. Soll heißen, dass einschlägige Entwicklungen auf den betrachteten Märkten, die eine genauere Auseinandersetzung mit den Erfolgschancen oder Problemen erst ermöglichen würden, häufig erst bedeutend später sukzessive feststellbar werden. Es ist anzunehmen, dass die quantitative Ermangelung an Veröffentlichungen zu First Movern digitaler Geschäftsmodelle zum Teil auf diese Tatsache zurückzuführen ist. Ungeachtet dessen, besteht ein unstrittiger Bedarf an einer intensiven (Weiter-) Forschung im Bereich des First-Mover-Konzepts in Bezug auf digitale Geschäftsmodelle. Dieser Ausblick sei außerdem dafür genutzt, um exemplarisch nur auf einen Aspekt zu verweisen, der verdeutlicht, wie sinnvoll ja gar unabdingbar zukünftig weitere wissenschaftliche Auseinandersetzungen und Untersuchungen in diesem Bereich sind. Die Expertenkommission Forschung und Innovation identifiziert für Deutschland einen beachtlichen Aufholbedarf in Bezug auf die Schaffung innovativer internetbasierter Geschäftsmodelle (EFI, 2016: 62ff.). Ihrer Meinung nach hätte es die Politik in Deutschland über längere Zeit versäumt, gute Rahmenbedingungen für neue internetbasierte Geschäftsmodelle zu schaffen. Nichtsdestotrotz konkludieren die Experten: „Die Expertenkommission ist zuversichtlich, dass der Aufhol- und Anpassungsprozess, den Deutschland durchlaufen muss, gelingen kann. Die Herausforderungen sind zwar nicht zu unterschätzen. Aber gerade Deutschland hat Grund, optimistisch an diese Aufgaben heranzugehen, wurde doch schon in den 1980er Jahren eine Digitalisierungswelle gemeistert“ (vgl. ebd.). Entsprechend ist davon auszugehen, dass in Deutschland zukünftig zunehmend mehr Unternehmen systematisch mit neuen Geschäftsmodellen neue Märkte erschließen werden. Entsprechen hätte auch die zunehmend heranwachsende Entrepreneurship-Forschung einen nennenswerten Bedarf respektive großes Interesse an einer umfassenden Weiterforschung in diesem Bereich. Folglich wird auch in Zukunft das First-Mover-Konzept für digitale Geschäftsmodelle keineswegs an Relevanz und Aktualität verlieren. <?page no="534"?> Lösungshinweise zu den Übungen im Text 535 Lösungshinweise zu den Übungen im Text Übung 8.1 Als First Mover gilt im Allgemeinen vereinfacht das Unternehmen, welches als Erstes in einen neuen Markt eintritt. First Mover als „[…] the first to produce a new product, the first to use a new process, or the first to enter a new marketLieberman und Montgomery, 1990: 3). Übung 8.2 In nicht allen Untersuchungen wird der First-Mover-Begriff so streng ausgelegt, dass nur ein Unternehmen der First Mover sein kann. Teilweise werden auch sog. „Early Mover“, sprich früh bzw. unmittelbar folgende Unternehmen ebenfalls als First Mover verstanden (vgl. Robinson und Fornell, 1985: 309; Lieberman, 2007: 14). Übung 8.3 Ressourcenorientierung/ Ressourcentheorie: RBV kann als theoretischer Erklärungsansatz verstanden werden, welcher hinterfragt, wie Unternehmen der Aufbau und effektive Schutz von Wettbewerbsvorteilen gelingen kann (vgl. Eisenhardt und Martin, 2000: 1105f.). Nach Bresser (1998: 305) entwickelt sich mit dem RBV ein neuer, alternativer Erklärungsansatz im Vergleich zu den bisherigen klassischen, allen voran industrieökonomischen Konzepten. Infolgedessen erfährt das Spektrum an Erklärungsansätzen des RBV eine entscheidende Erweiterung. Fortan gelingt es nämlich auch nachhaltige Profitabilitätsunterschiede zwischen Unternehmen, welche nicht auf differierenden Marktgegebenheiten beruhen, zu erklären (vgl. Peteraf, 1993: 186). Übung 8.4 Die Entstehung von First-Mover-Nachteilen wird in der Literatur primär auf drei übergeordnete Faktoren zurückgeführt: (1) kostenseitige und (2) risikobezogene Faktoren sowie (3) die Trägheit des First Movers. Übung 8.5 Nach Jaekel (2015: 7ff.) sind die nachfolgenden drei Aspekte im besonderen Maße kennzeichnend für digitale Geschäftsmodelle: die Fokussierung auf Daten und Informationen, die digitale Transformation, speziell des Leistungsbzw. Wertversprechens (Dienstleistungen und Produkte) und der daraus potenziell resultierenden Modifikation der Ertragsmechanik des Geschäftsmodells (Einnahmen und Kostenstruktur) sowie vernetzte, skalierbare Plattformen als Bestandteil von Ökosystemen als technologische Basis. Übung 8.6 Die Veränderungsgeschwindigkeit im Internet ist primär auf eine einfache und rasche Informationsbzw. Wissensdiffusion zurückzuführen. <?page no="535"?> 536 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen Übung 8.7 Vereinfacht gesagt, offerieren Anbieter im Rahmen der „Follow-the-Free-Strategie“ ihr Angebot anfänglich kostenlos (vgl. Picot und Neuburger, 2001: 35 f.; Specht, 2001: 77; Zerdick et al., 2001: 191ff.; Halberstadt, 2014: 96). „Im Wesentlichen geht es bei der Free-Strategie um die kostenfreie Verteilung von Produkten mit dem Ziel, einen sog. Netzeffekt zu erzeugen , um rasch eine kritische Masse an Kunden zu erreichen. Man erhofft sich von dieser Strategie auch eine erhöhte Kundenbindung bzw. einen sog. Lock-in-Effekt. Den kostenlosen Varianten eines Produktes folgen dann meist neue oder leistungsfähigere kostenpflichtige Versionen oder es wird versucht durch Komplementärleistungen Einnahmen zu erzielen.“ (https: / / www.marktpraxis.com/ blog/ follow-the-free-preisstrategie / Aufruf 9.3.2020) Übung 8.8 Die Pioneer-Lead-Time wird häufig synonym auch als Monopolmarktzeit beschrieben. Lösungen zu den Aufgaben im Text Aufgabe 8.1 Abell offeriert mit seinem dreidimensionalen Erfassungsmodell eine weitere Möglichkeit zur Marktabgrenzung. Dabei empfiehlt er in seinem Bezugsrahmen die Abgrenzung der Geschäftsfelder auf Basis der drei Dimensionen (vgl. dazu Abell, 1980: 14ff.): - Kunden-/ Abnehmergruppe (customer group dimension) - Kundenfunktion/ Funktionserfüllung (customer function dimension) verwendete Technologie (technological dimension). Aufgabe 8.2 Drei First-Mover-Beispiele: - Sony mit der Entwicklung des tragbaren Sony WALKMAN - Bosch mit der Einführung des Antiblockiersystems (ABS) in der Automobilindustrie - Die Pampers machten Procter & Gamble zum First Mover im Segment der Kleinstkind-Hygiene Aufgabe 8.3 Den Begriff der „Ressource“ definiert z. B. Wernerfelt (1984: 172) folgendermaßen „[…] anything which could be thought of as a strength or weakness of a given firm. More formally, a firm’s resources at a given time could be defined as those (tangible and intangible) assets which are tied semipermanently to the firm.” Merklich öfter findet hingegen Barneys Definition Verwendung. Barney (1991: 101) definiert Ressourcen dabei als „[…] all assets, capabilities, organizational processes, firm attributes, information, knowledge, etc. controlled by a firm that enable the firm to conceive of and implement strategies that improve its efficiency and effectiveness. “ <?page no="536"?> Lösungshinweise zu den Übungen im Text 537 Aufgabe 8.4 Aufgabe 8.5 Scheuch (2015: 3) wählt in seiner Definition, welche maßgeblich auf die Geschäftsmodelldefinition von Bieger und Reinhold (2013: 13ff.) zurückzuführen ist, den Bezug zu einem „klassischen“ Geschäftsmodell. Dabei definiert er ein digitales Geschäftsmodell als „besondere Ausprägung“ eines klassischen Geschäftsmodells (vgl. 2015: 3). Die Eigenart der digitalen Geschäftsmodelle führt er primär auf die vollständige Dependenz des Anbieters von der Informationstechnologie sowie auf die Besonderheit des Mehrwerts des Kunden zurück, welcher nunmehr ein digitales und daher virtuelles Produkt bzw. Dienstleistung bekommt (vgl. ebd.). Aufgabe 8.6 Wirtz definiert: „Die Internetökonomie ist eine im Wesentlichen digital basierte Ökonomie, welche die computerbasierte Vernetzung nutzt, um Kommunikation, Interaktion und Transaktion in einem globalen Rahmen zu ermöglichen.“ Aufgabe 8.7 „Unter dem Lock-in-Effekt versteht man in der Betriebswirtschaft eine Art Abhängigkeitsverhältnis von einem Kunden zu einem Anbieter. Der Lock-in-Effekt, auch Anbindeeffekt, beschreibt dabei die Tatsache, dass ein Wechsel des Kunden zu einem anderen Anbieter durch hohe Wechselkosten unwirtschaftlich ist. Der Kunde ist also an seinen jetzigen Anbieter "gebunden", da ein Wechsel nur dann sinnvoll ist, wenn der neu entstandene Nutzen durch den Wechsel größer oder zumindest gleich groß als die Kosten des Wechsels ist. Für einen Anbieter ist ein Lock-in grundsätzlich etwas Positives, da er so einen Kunden an sich binden kann. Eine Kunde hingegen kann einen Lock-in negativ empfinden, vor allem dann, wenn er mit dem aktuellen Produkt oder Dienst nicht zufrieden ist und wechseln möchte.“ (http: / / www.wirtschaftslehre.de/ lock-in-effekt.html, Aufruf 10.03.2020) Aufgabe 8.8 Google entwickelte ein Vorgehen, welches in die Bewertung der Relevanz darüber hinaus einbezog, wie viele sonstige Webseiten den gesuchten Begriff adressieren und als Quelle auf andere Webseiten zu diesem Thema referenzieren. Im Laufe der Zeit entwickelte sich daraus ein zunehmend kom- <?page no="537"?> 538 8 Trends und Entwicklungspotenziale der Internalisierung von Dienstleistungen plexerer Algorithmus (vgl. ebd.), welcher andere Suchergebnisse hervorbrachte, die von den Endanwendern als subjektiv passender bzw. besser bewertet wurden (vgl. Hoffmeister und von Borcke, 2017: 175). Bedingt durch dieses neu entwickelte Vorgehen war es Webseitenbetreibern fortan nicht mehr möglich, einzig durch die inhaltliche Ausgestaltung ihrer Seite die Suchergebnisse zu beeinflussen. Mit dieser innovativen Weiterentwicklung bzw. Optimierung der Suchmaschinen konnten die konkurrierenden Unternehmen technisch nicht mithalten (vgl. Vise und Malseed, 2006: 83ff.). Den vor Google bereits existierenden Anbietern war auch ein weiterer, wenn auch über die Unternehmen gestreuter First-Mover-Nachteil gemein. Sie alle hatten vor dem Markteintritt von Google bereits nennenswerte Summen in den Marktaufbau und die Schaffung eines Endanwenderverständnisses investiert. Denn zum Zeitpunkt seines Markteintritts profitierte Google entscheidend davon, dass die First Mover bereits ein weitreichendes Endanwenderwissen und -verständnis für Suchmaschinen aufgebaut hatten. Ferner erfreute sich Google zum Zeitpunkt seines Markteintritts der Tatsache, dass der Suchmaschinenmarkt zum Betrachtungszeitpunkt wohl unter den bestehenden Anbietern verteilt war, jedoch das Kundenpotenzial noch nicht gänzlich ausgeschöpft war (vgl. ebd.). Damit repräsentiert das Beispiel von Google, in welchem Maße Lerneffekte bzw. die Ausnutzung der „Technologie-Zeit-Lücke“ durch den Folger und i.w.S. die sukzessive Auflösung von Ungewissheiten bezüglich der Marktentwicklung zum Nachteil des First Movers wirken können. Außerdem beschreibt dieses Beispiel auch einen weiteren (kostenbezogenen) First-Mover-Nachteil, nämlich die Marktaufbaukosten und die (kostenintensive) Schaffung eines Endanwenderverständnisses durch die First Mover, aus welchen der Folger zum Zeitpunkt seines Markteintritts einfach Nutzen ziehen kann. Literaturverzeichnis Abell, D. (1980): Defining the Business: The Starting Point of Strategic Planning. Englewood Cliffs: Prentice-Hall. Agarwal, R./ Gort, M. 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Zwei Methoden aus der betrieblichen Kostenrechnung, der Erfolgsrechnung, stehen bei der Ermittlung des Cashflows Pate. Die „direkte“ Ermittlungsmethode geht von den liquiditätswirksamen Umsätzen aus (auch als bare Umsätze bezeichnet): Cashflow = bare Erträge (bare Umsätze, Mieteinnahmen usw.) bare Aufwendungen (Materialaufwendungen, Personalaufwendungen usw.) Die indirekte Methode berücksichtigt den Gewinn, die Abschreibungen und die liquiditätsunwirksamen Umsätze (Investitionen vom Unternehmen in die Produktion und Logistik ins Unternehmen). Cashflow= Gewinn + unbare Aufwendungen - unbare Erträge So einfach die theoretische Konzeption ist, so kompliziert erweist sich die Ermittlung der Werte in internationalen Konzernholdingunternehmen. Die Praxis bedient sich der indirekten Methode, wobei der Gewinn um ausgewählte liquiditätswirksame Elemente verändert wird. Trotz Meinungsverschiedenheiten sind es vier Grundelemente, deren Zuordnung zum Cashflow unumstritten sind:  Bilanzgewinn ohne Erfolgsvortrag (minus Gewinn-, plus Verlustvortrag),  Nettozunahme der Rücklagen (plus Rücklagenzuführung minus Rücklagenauflösung)  Nettozunahme der langfristigen Rückstellungen (plus Zuführung minus Auflösung)  Abschreibungen auf Sachanlagen und Wertberichtigungen auf das Umlaufvermögen. Aussagen zum Cashflow Der Cashflow kann in doppelter Hinsicht interpretiert werden: Er stellt einmal die erfolgte Innenfinanzierung des Zeitraums dar, zum anderen wird im Cashflow auch die Ertragskraft der internationalen Konzernunternehmung gesehen, also eine entsprechende Berichtigung des um fingierte Aufwendungen manipulierten Gewinns. <?page no="551"?> 552 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Bestandteile des Cash Management Liquide Mittel gelten als Vermögensteile eines Unternehmens, da sie ohne zeitliche Verzögerung und ohne Aufwand als Zahlungsmittel eingesetzt werden können, auch Barliquidität genannt. Hierunter fallen auch Fremdwährungsbestände, Bankguthaben und im weitesten Sinne auch freie Kreditlinien. 9.2 Cash Management System / e-Banking Das Cash-Management im Konzernverbund dient primär  der Gewährleistung und Sicherung jederzeitiger Zahlungsfähigkeit,  der Minimierung der Kosten der Finanztransaktionen (Transfers),  der Optimierung/ Sicherung von Fremdwährungspositionen  der Maximierung der Geldanlageerlöse,  der Minimierung der Kreditkosten. Es wird normalerweise vom Finanzbereich der Konzernmuttergesellschaft gehandhabt. Die im Begriff Cash Management verkörperte Strategie hat das finanztechnische Instrumentarium verändert. Es sind Cash Management Systeme (CMS) entstanden. In ihnen verwirklicht sich wesentlich das Electronic Banking im Firmenkundengeschäft der Banken. Ganz allgemein gilt: CMS = „elektronisches Kommunikationsmittel zwischen einer Bank und ihren Firmenkunden zur Übertragung und Weiterverarbeitung von Finanzdaten.“ (Wirtschaftslexikon24.com 2015, http: / / www.wirtschaftslexikon24.com/ d/ cash-management-system/ cash-management-system.htm Abruf 20.04.16) Solche Systeme dienen der Finanz-Information, -Disposition/ -Transaktion des Bankkunden im Inland und Ausland. Je nach Rolle der Bank bei der Ausgestaltung des CMS bilden die EDV-Anlagen des Kunden entweder direkt eine „Quasi-Verlängerung“ des EDV-Systems der Bank oder die Verbindung geht über einen zwischengeschalteten unabhängigen Computer. Der befindet sich z.B. in einer Inhouse Bank des Kunden und nimmt alle Informationen auf und verteilt diese im Konzern gemäß der festgelegten Informations-Architektur. Sie kann als eine Tochtergesellschaft organisiert sein. Das Dienstleistungsangebot von Kreditinstituten für ein (Konzern-)CMS umfasst insbesondere folgende Aktivitäten: Balance Reporting, Pooling, Netting und Money Transfer: Balance Reporting = (tagesaktuelle) Information über valutarische Kontostände Netting = konzerninternen Verrechnung von Forderungen/ Verbindlichkeiten Pooling = Konzentration aller freien Mittel auf einem zentralen Konto <?page no="552"?> 9.2 Cash Management System / e-Banking 553 Money Transfer = Information über elektronischen Zahlungsverfügungen (Konten, Zahlungsart, Währung) (vgl. Wirtschaftslexikon24.com). Quelle: http: / / www.wirtschaftslexikon24.com/ d/ cash-management-system/ cash-management-system.htm, Abruf 20.4.2016 Das nachfolgende Beispiel, nämlich das aktuelle Leistungsangebot einer IT-Firma, führt die typischen Komponenten auf, die dazu dienen,“… um sämtliche Workflows möglichst automatisiert und webbasiert abzuwickeln“:  Liquiditätsplanung (Plan-Daten und -Zahlungen, Cash Forecast usw.)  Rationalisierung der Konten-Strukturen (Zusammenfassung, Eliminierung usw.)  Payment Factory (Import, Konvertierung und Export von Zahlungsverkehrsdateien)  Elektronische Unterschriften / Übertragung an Banken (über EBICS, sFTP oder SWIFT)  Benachrichtigung (Überschreiten von Limiten, Eintreffen bestimmter Umsätze)  Cash Pooling (effektive oder fiktive Konzentration von Liquidität) (Vgl. https: / / www.tembit.de/ bereiche/ financial-software/ tembanking/ cash-management/ Abruf 24.04.2016) Erklärung der Abkürzungen (kurzgefasst) EBICS = „Electronic Banking Internet Communication Standard“: Software-Format für Datenaustausch zwischen Banken und Geschäftskunden über das Internet (vgl. https: / / www.zentraler-kreditausschuss.de/ ebicsverfahren / Abruf 24.04.2016) sFTP = Secure File Transfer / spezielle Art von Senden und Empfangen von Dateien sowie zur Übertragung von Verzeichnislisten / Protokollen (vgl. https[A2][A3]: / / de.wikipedia.org/ wiki/ File_Transfer_Protocol / Abruf 24.04.2016) SWIFT = Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication: Nachrichtenaustausch zwischen Banken mittels eines speziellen Telekommunikationsnetzes (vgl. http: / / www.iban.de/ swift-code.html / Abruf 24.04.2016) Bei der Systemausgestaltung findet man unterschiedliche Grade der Zentralisation. Sie resultieren aus solchen Faktoren wie  die Anzahl der eingebundenen Konzernunternehmen,  die Anzahl der Banken,  die Vorstufen, über die die Verdichtung der Daten erfolgt,  der Grad der Zentralisierung der Liquiditätsplanung und -steuerung, der bei Einführung des CMS schon existiert. Die mit solchen Systemen mögliche Verarbeitung sehr großer Mengen primärer Daten verbessert die Liquiditätsplanung im Rahmen eines weitgefassten Cash-Managements, denn Teilpläne der einzelnen Unternehmen müssen nicht mehr abgestimmt und zusammengefasst werden. Grundsätzlich ist einer CMS-Variante der Vorzug zu geben, die stark zentralisierend arbeitet, da hier eine Konzentration auf wenige Einheiten stattfindet und zugleich größere Geldvolumina gebündelt werden können. Die Möglichkeiten, alle Tochtergesellschaften in alle Module eines CMS einzubeziehen werden ggf. durch gesetzliche Vorschriften begrenzt. Das kann Konzerntöchter in Ländern betreffen, deren Währungen nicht freikonvertierbar sind oder die Kapitalausfuhrbeschränkungen unterliegen. Aus solchen und anderen Gründen werden in der Praxis Mischformen der verschie- <?page no="553"?> 554 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen denen Verfahren und Techniken gebildet (vgl. Sollanek, A.: Cash-Management-Systeme, Düsseldorf 2005, S. 75/ 76). Die CMS sind eine Antwort der Banken auf eine neue Herausforderung. Schon seit längerem treten die Treasury- oder Cash-Management-Abteilungen großer (Nichtbank-)Konzerne wie Siemens als selbständige Akteure am Geld- und Kapitalmarkt auf. Mit der weitverbreiteten Installation von Netting- und Pooling-Systemen verloren die Banken Geschäftsanteile auf verschiedenen Feldern (Einlagen, Kredite). Es verschieben sich dabei die Chancen. „Im Cash Management von Großunternehmen werden die Banken zunehmend in eine reine Abwicklungsfunktion gedrängt. Damit gewinnt die effiziente Abwicklung des Zahlungsverkehrs an Bedeutung...“ (Riedl, G.: Der bankbetriebliche Zahlungsverkehr, Berlin Heidelberg 2002, S. 339). Die Situation ist aus Sicht der Banken auch dadurch gekennzeichnet, das die Großkonzerne darüber entscheiden, wieviel Banken sie in welchen Ländern einbeziehen. Anders gesagt: Eine Bank kann im Ergebnis der immer komplexeren Ausgestaltung eines CMS einen Konzern als Kunden verlieren. Dieser Veränderungsprozess hat neue Organisationsformen insbesondere in Großunternehmen entstehen lassen, denen die Banken als Partner im CMS gerecht werden müssen. Inhouse Bank als wichtiger Systembaustein Vorbemerkungen: Die seit langem vorzufindenden Bemühungen in großen Industrieunternehmen, die insgesamt in allen zugehörigen Gesellschaften verfügbare Liquidität in einem Pool zu konzentrieren und zentral „zu verwalten“, erforderten zwangsläufig bankähnliches Handeln. Ähnlich wirkten sich Aktivitäten zur Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten (Netting, früher auch „Industrie-Clearing“ genannt) aus. Mit der Computerisierung der Wirtschaft und dem Internet wurden solche Entwicklungen immer schneller und problemloser umsetzbar. “Netting and cash pooling are established liquidity management techniques used by many multinational corporations around the world. More recently, technology change, in particular, means that more companies can operate in-house banks, enabling them to perform these core activities more efficiently and giving treasurers more visibility and control over group cash and risk exposures.” (vgl. Netting, Pooling & In-House Banking: Best Practices, http: / / www.afponline.org/ pub/ res/ news/ Netting,_Pooling_In-House_Banking_Best_Practices.html / Abruf 22.04.2016) Diese Anwendungsgebiete von e-Banking außerhalb der (institutionalisierten) Banken brachten die Organisationsform der virtuellen Inhouse Bank hervor. Gegenüber der frühen Entstehungszeit existiert heute unter diesem Begriff ein sehr komplexes System von zentralisierten Finanzaktivitäten, vor allem in großen international operierenden Gesellschaften. Der Begriff Inhouse Bank wird hinsichtlich der wesentlichen Merkmale / Aufgaben weitgehend einheitlich beschrieben. <?page no="554"?> 9.2 Cash Management System / e-Banking 555 Definition / Kurzbeschreibung der Kategorie Inhouse Bank Beschreibung 1 „Aus Sicht der Konzerngesellschaften agiert die Inhouse Bank als virtuelle Hausbank mit vollständigem Serviceangebot: Ausführung von weltweitem Zahlungsverkehr, Übernahme der Finanzierungsfunktion, Beschaffung respektive optimale Anlage von Liquidität, automatisierte Abwicklung des konzerninternen Verrechnungsverkehrs, Kontraktpartner bei allen Risikopositionen sowie zentrales Kompetenzzentrum in allen finanzwirtschaftlichen Angelegenheiten. Alle Aktivitäten werden auf internen Konten gebucht, die Kommunikation erfolgt mittels elektronischer Kontoauszüge.“ (Der Treasurer, Dezember 2008/ Januar 2009 Siemens Financial Services. https: / / finance.siemens.com/ financialservices/ ger/ sitecollectiondocuments/ pdf/ inhouse_bank_sfs_in_beilage_treasurer.pdf / Abruf 20.04.2016) Abb. 9.1: Aufgaben einer Inhouse Bank. Quelle: Siemens Financial Services GmbH, Der Treasurer, a.a.O. Beschreibung 2 „Unter einer In-house Bank verstehen wir ein konzernweit einheitliches Regelwerk an standardisierten Prozessen , das eine zentrale Steuerung und Kontrolle aller finanzwirtschaftlichen Risiken ermöglicht. Organisatorisch tritt die In-house Bank als zentrales Service- und Kompetenzzentrum in Erscheinung - finanzwirtschaftlich als Kontraktpartner für alle Transaktionen.“ (In-house Bank-System finavigate, Siemens Financial Services GmbH, 2008, S. 5. http: / / finance.siemens.de/ financialservices/ ger/ sitecollectiondocuments/ pdf/ treasury_solutions_produktbroschuere_finavigate.pdf / Abruf 27.04.2016) <?page no="555"?> 556 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Abb. 9.2: In-House Bank: Die Verbindung zwischen zwei Welten. Quelle: Siemens Financial Services, In-House Bank-System finavigate, a.a.O. S. 4 Beschreibung 3 T. Schräder, T./ Haß, S. (PricewaterhouseCoopers AG) Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) charakterisieren die Inhouse Bank wie folgt: „Mit der Zwischenschaltung der In-house-Bank als Finanzintermediär lassen sich Liquiditätsspitzen in der Unternehmensgruppe ausgleichen und Kosteneinsparpotenziale realisieren. Nicht zu vernachlässigen ist die höhere Transparenz hinsichtlich der Finanzen und Finanzrisiken der Unternehmensgruppe. Die In-house-Bank bildet somit das Bindeglied zwischen den Konzerngesellschaften und dem Finanzmarkt und steht als zentraler Ansprechpartner für die Banken und den Kapitalmarkt bereit…“ (Sie tritt) „…. häufig als Arrangeur von Cash Pools auf und stellt damit ein weiteres Werkzeug für die Liquiditätssteuerung und die Finanzierung der Konzerngesellschaften bereit. Ihre Wirkung entfaltet sie zudem im Zahlungsverkehr als Clearingstelle. Durch die zentrale Verrechnung der internen Forderungen und Verbindlichkeiten der Konzerngesellschaften mit der In-house-Bank lassen sich Bankgebühren einsparen ... Die letzte Ausbaustufe der In-house-Bank stellt die Übernahme der zentralen externen Zahlungen („payment on behalf of“) dar. Übernimmt die In-house-Bank die Funktion einer Payment Factory, lässt sich der externe Zahlungsverkehr standardisierter abbilden. Die Grundidee ist dabei, dass sämtliche Ausgangszahlungen der Unternehmensgruppe über Bankkonten der In-house-Bank abgebildet werden … Voraussetzung für das Verrechnen interner Forderungen und Verbindlichkeiten der Konzerngesellschaften sowie das zentrale Zahlen ist die Verfügbarkeit von Verrechnungskonten bei der In-house-Bank. Diese Konten werden zentral verwaltet und bei den Konzerngesellschaften lokal als Verrechnungskonto für interne Forderungen und Verbindlichkeiten geführt … <?page no="556"?> 9.2 Cash Management System / e-Banking 557 … heutzutage (erfolgt) in der Regel die Nutzung eines einzigen Verrechnungskontos pro Konzerngesellschaft in der jeweiligen Bilanzwährung.“ (Börsen-Zeitung vom 12.07.2014, Nummer 131, Seite B4 https: / / www.boersen-zeitung.de/ ajax/ bzpro_artikel.php? objt_id=2014131805&anzeige=1&subm=sonderbeilagen&li=312&divname=contentarea_artikel / Abruf 29.04.2016) Exemplarische Darstellungen der Funktionsweise einer Inhouse Bank bei SAP Deutschland SE & Co.KG BEISPIEL 1 Ablauf des internen Zahlungsprozesses zwischen Konzerntöchtern Wie eine Inhouse Bank konzerninterne Finanzprozesse ablaufen lässt, zeigt exemplarisch das Software-Unternehmen SAP Deutschland SE & Co. KG anhand seiner SAP In-House Cash Software (sie organisiert nicht nur internes Zahlen, sondern auch zentrales Zahlen, lokales Zahlen und den zentralen Geldeingang). Abb. 9.3: Management der konzerninternen Finanzprozesse. Quelle: SAP Deutschland SE & Co. KG SAPIn-House- Cash / http: / / help.sap.com/ saphelp_erp60_sp/ helpdata/ de/ 34/ 239739f4e38a2ce10000000a11402f/ content.htm / Abruf 22.04.2016 Das SAP In-House Cash Center verkörpert die interne virtuelle Bank und führt für die Tochtergesellschaften interne Kontokorrentkonten. Über diese Konten erfolgen Zahlungen zwischen den Töchtern. Center und Töchter nutzen dazu das Zahlprogramm der Finanzabteilung der Konzernmutter. Erläuterung: Ein (automatisches) Zahlungsprogramm hat grundsätzlich folgende Funktionen: - Automatische Selektion der zu zahlenden Posten bzw. der Ausnahmen (z.B. gesperrte Posten) - Erstellung der Zahlungslisten und Protokolle / Zahlungsbelege / Zahlungsträger (Formulare) positiven Saldo. Veränderungen bewirkt nur der konzernexterne Zahlungsverkehr. - Kontoauszüge von der Hausbank der Zentrale/ des Konzerns gehen über die Finanzabteilung an das In-House Cash Center. Diese erstellten Auszüge über die neuen Kontostände für die angeschlossenen Gesellschaften. Das Center kann durch Zusammenfassung der Kontosalden <?page no="557"?> 558 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen und der vorläufig gebuchten Umsätze, die unter „Limitvorbehalt“ stehen, einen Finanzstatus (zwecks Information der Zentrale u/ o Analyse der Geldbewegung) erstellen. (vgl. http: / / help.sap.com/ saphelp_erp60_sp/ helpdata/ de/ 34/ 239739f4e38a2ce10000000a11402f/ content.htm / Abruf 22.04.2016) BEISPIEL 2: Bankkreisübergreifendes bzw. lokales Zahlen im international tätigen Konzern Abb. 9.4: Schema einer internationalen Zahlungsstruktur. Quelle: SAP Deutschland SE & Co. KG SAPIn-HouseCash / http: / / help.sap.com/ saphelp_erp60_sp/ helpdata/ de/ 34/ 239739f4e38a2ce10000000a11402f/ content.htm / Abruf 22.04.2016 Die obige Abbildung demonstriert beispielhaft, wie die internationalen Zahlungen strukturiert und mitlokalen Zahlungen verknüpft werden können. SAP gibt dazu folgende Erklärung: „Zwei Gesellschaften haben SAPIn-HouseCash im Einsatz und fungieren jeweils als interne Bank für eine bestimmte Anzahl von Tochtergesellschaften. Sie fungieren außerdem gegenseitig als Clearing-Partner. Die Tochtergesellschaften 3 und 4 führen in ihrer Funktion als Clearing-Partner das lokale Zahlen für andere Tochtergesellschaften durch.“ (SAP Deutschland SE & Co. KG / SAPIn-HouseCash, a.a.O.) In dem o.g. Artikel in der Börsenzeitung vom 12.07. vertreten die Autoren auch die Auffassung, dass sich die Funktion des Treasury bei Existenz einer Inhouse Bank in dieser verwirklicht. <?page no="558"?> 9.2 Cash Management System / e-Banking 559 Wichtige Funktionen einer Inhouse Bank (in Anlehnung an das In-House Bank-System „finavigate“ von Siemens) 1. Bankkontenmanagement Mittels e-Banking kann vollständige Transparenz über alle Bankkonten und Kontenbewegungen bei den vom Konzern genutzten Banken erreicht werden. Elektronische Kontoauszüge für erfasste Konten werden automatisch importiert, von weltweit allen Bankkonten des Konzerns, auch in unterschiedlichen Formaten. Dezentrale Aufgaben - Erfassung der Konten durch die Tochtergesellschaften (TG) Dezentrale Vorteile - Kein eigenes e-banking - System benötigt einheitlichen Prozess - Nur eine Schnittstelle für interne und externe Konten Zentrale Aufgaben - In-house Bank, Service für Tochtergesellschaften - Strategiefestlegung - Cash-Pools aufsetzen Zentrale Vorteile - Weltweite, vollständige Übersicht aller Konten des Konzerns - Real-time Liquiditätsstatus mit vollständigen Kontoinformationen - Steuerung der Bankenpolitik Tab. 9.1: Aufgaben / Vorteile elektronischer Bankkontenführung (In-House Bank-System finavigate, Siemens Financial Services, 2008, S. 8) Die Tochtergesellschaften sind für Erfassung/ Verwaltung ihrer Bankkonten dezentral verantwortlich, einschließlich Hinterlegung der Unterschriftsberechtigten und Archivierung kontorelevanter Dokumente und bestätigen Richtigkeit und Vollständigkeit periodisch. Dieses kann pro Konto vorgenommen werden. Die Software erlaubt es, Fragen zentral zu überprüfen, wie  Welche Konten befinden sich nicht in einem Cash-Pool, obwohl dies möglich wäre?  Sind noch Unterschriftsberechtigungen für Personen in Kraft, die das Unternehmen bereits verlassen haben?  Wie viele Konten hat eine Tochtergesellschaft?  Wie viele Bankkonten existieren bei einer (bestimmten) Geschäftsbank? Die Liquiditätssituation einzelner Gesellschaften und des Gesamtkonzerns kann jederzeit abgefragt werden. Die Übersicht kann nach Bereichen/ Divisionen, Währungen, Finanzinstitute und Konten untergliedert werden. In die Saldenermittlung der Konten gehen auch die täglichen elektronischen Avis- Informationen (in Form von SWIFT MT 942) ein (vgl. In-House Bank-System finavigate, S. 7-9). Definition / Erklärung: „Das Bankavis gibt dem Lieferanten die gewünschte Sicherheit, dass er bei Vorlage der den Versand der Ware nachweisenden Dokumente ... Zahlung erhält, aus der Sicht des Käufers stellt es eine <?page no="559"?> 560 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen bestätigte Anweisung zur Auszahlung … an den Gläubiger dar.“ Finanzlexikon Online, Frankfurt a.M. (http: / / www.finanzlexikon-online.de/ bankavis.html / Abfrage 25.05.2016) SWIFT MT 942: “The formal name for this report format is ‘MT942 Interim Transaction Report’, an international format used as digital equivalent of the official paper account statement” (Rabobank Niederlande). https: / / www.rabobank.com/ nl/ images/ FormaatbeschrijvingMT942.pdf / Abruf 25.05.2016) = “…interim account statement at various times throughout the day. You will have detailed, precise and structured information on all transactions and entries booked on the account in a format which is uniform, standardized, and valid worldwide … only for incoming or outgoing transactions, or for both ... In addition, you can state the minimum amount of the transactions about which you would like to receive information”. MT ist das Kürzel für message type (UniCredit / https: / / www.unicreditgroup.eu/ en.html https: / / www.gtb.unicredit.eu/ global-transaction-banking/ products-solutions/ Information-services/ mt-94042 / Abruf 25.05.2016). Die praktische Handhabung erfolgt beispielsweise in Gestalt der SAP-Software ERP (Enterprise- Ressource-Planning) durch die Standardfunktion Elektronischer Kontoauszug. Mittels dieser erfolgt die automatische Abstimmung und Buchung der täglichen Kontoauszüge der Banken in der Buchhaltung (Kreditoren und Debitoren). 9.3 Cash- und Liquiditätsmanagement Die Inhouse Bank verbindet innere und äußere Liquidität und macht die komplette Financial Supply Chain transparent. Es werden alle für das Cash- und Liquiditätsmanagement wichtigen Informationen geliefert, so dass eine aktive Steuerung der Liquidität möglich wird. Eine Inhouse Bank handhabt dabei vor allem folgende Instrumente:  automatisierte Disposition  Cash Concentration  Liquiditätsübersichten / Finanzstatus (Vgl. In-House Bank-System finavigate, S. 10) Zum Inhalt des Stichworts Liquiditätsmanagement (in der Literatur auch Finanzmanagement genannt) findet sich bei der Commerzbank AG Frankfurt folgende Aussage: „Liquiditätsmanagement beinhaltet folgende wesentliche Aspekte: 1. Kontinuierlicher Überblick über Zahlungsströme und professionelle Abwicklung des Zahlungsverkehrs. 2. Zinsbringende und flexible Anlage von freier Liquidität. 3. Flexibler Ausgleich von kurzfristigem Finanzierungsbedarf. Hier gilt die Regel: Bei freier Liquidität Reserven bilden und bei Engpässen Reserven auflösen oder den Kreditrahmen nutzen.“ <?page no="560"?> 9.3 Cash- und Liquiditätsmanagement 561 (https: / / www.commerzbank.de/ portal/ de/ geschaeftskunden/ beratung-und-branchen/ beratung-1/ liquiditaetsmanagement/ liquiditaetsmanagement.html / Abruf 19.05.2016) Kernstück ist die (unterjährige) Finanzplanung für ein Jahr, Quartal oder Monat, um für den gewählten Zeitraum (wahrscheinlich) anfallende Überschüsse oder Fehlbeträge zu bestimmen. Dazu werden alle durch Verträge gesicherten Zahlungseingänge und -ausgänge zusammengefasst und gegeneinander aufgerechnet (saldiert). Die Berechnung erfolgt nach folgendem Muster: Summe Einnahmen ./ . Ausgaben/ nicht verschiebbar ./ . Ausgaben/ verschiebbar = Überdeckung/ Unterdeckung Überdeckung/ Unterdeckung (kumuliert) Bankenlimit Kreditspielraum Tab. 9.2: Liquiditätsrechnung/ Schema. Quelle: Klepzig, H.-J., Working-Capital und Cash Flow, Wiesbaden 2010, S. 154 Abb. 9.5: Bestandteile und Ziele des Liquiditätsmanagement. Quelle: Cash Management und Liquiditätsplanung mit SAP CM und SAP LP, LiNKiT Consulting, Köln/ Berlin, September 2014 www.linkit-consulting.de/ de/ linkit/ veroeffentlichungen/ download / Abruf 01.06.2016 Beginnend bei der mittelfristigen Sicherung der Liquidität muss ein Unternehmen bei seiner Planung auf Daten zurückgreifen, die nur die zukünftig zu erwartenden neuen Forderungen und Verbindlichkeiten „stellvertretend“ abbilden. Diese Basis für eine Vorhersage der zukünftigen Ein- und Auszahlungen / Cash Forecasting ist weniger belastbar zu leisten. „Zu diesem Zweck ... (muss man) ... auf zahlungsrelevante Geschäftsvorfälle zurückgreifen ... beispielsweise vom Vertrieb auf … Kundenaufträge und dem Beschaffungsbereich … Bestellungen. <?page no="561"?> 562 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Durch Integration der Daten können kurzfristige Liquiditätsprognosen erstellt werden, die Hinweise auf potenzielle Liquiditätsdefizite oder -überschüsse geben.“ (Grob, H. L., Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik. / http: / / www.enzyklopaedie-der-wirtschaftsinformatik.de/ lexikon/ informationssysteme/ Betriebswirtschaftlich-administrative-Informationssysteme/ Finanz--und-Rechnungswesen--Informationssysteme-im / Abfrage 24.05.2016 Beim Management der Forderungen und Verbindlichkeiten sollte der Unternehmensführung immer bewusst sein, dass langfristig vor allem von den Produkten und Marketingaktivitäten die Zahlungsfähigkeit gesichert wird. Dabei müssen aber Finanzentscheidungen grundsätzlich so getroffen werden, dass keine Möglichkeiten zur Verbesserung der Liquidität verschenkt werden. In der Finanzsphäre eines Unternehmens wird u.a. wie folgt Einfluss auf die Höhe und den Zeitpunkt von Zahlungseingängen und -ausgängen genommen: Forderungsmanagement keine falsche Großzügigkeit bei Kreditgewährung, konsequenter Forderungseinzug bei säumigen Kunden (Zahlungserinnerung, Mahnung, ggf. Strafzinsen, schlechtere Zahlungskonditionen in der Zukunft), - Kreditlimits und Bonitätsprüfung, Versicherung des Kreditausfall-Risikos (bei Berücksichtigung der Kosten in der Preiskalkulation), Factor-Einschaltung (Factoring). Verbindlichkeitsmanagement - Zahlung erst bei Fälligkeit, vorfristig auch nicht bei früherer Lieferung, - Zahlungsstopp bei Reklamation (zur Ware oder Rechnung), - Skonto immer nutzen, ggf. aus Skonto Rabatt machen, - Sammelrechnungen und feste Zahlungstermine vereinbaren (z.B. immer per 15. des Monats zahlen), öftere Überprüfung der Angemessenheit (aus Kunden- und Marktsicht) der Zahlungsbedingung. Wichtig ist auch, dass die Kredite gemäß Zahlungsbedingungen, die eine Firma ihren Kunden einräumt, nicht längere Laufzeiten (als gewichteter Durchschnitt) beinhalten als die von den Lieferanten der Firma gewährten (vgl. Klepzig, 2010, S. 148-153). Cash-Management kann auch als kurzfristige Finanzdisposition und als ein Instrument der Liquiditätssteuerung charakterisiert werden. - „Steuerung der täglichen Gelddisposition eines Unternehmens. Als Instrument der Finanzplanung ist das Cash Management kurzfristig mit einem Planungshorizont von wenigen Tagen ausgerichtet und plant die Liquidität für die unmittelbar bevorstehenden Tage anhand der verfügbaren Informationen über ein- und ausgehende Zahlungsströme auf den verschiedenen, zu disponierenden Konten.“ (Breuer, W., Gabler Wirtschaftslexikon / http: / / wirtschaftslexikon.gabler.de/ Definition/ cashmanagement.html / Abruf 20.05.2016) Hier geht es nicht nur um die exakte, tageskonkrete Finanzsituation, die mittels elektronischer Hard- und Software schnell und genau ausgewiesen wird. Das erfolgt als täglicher Liquiditätsstatus durch Gegenüberstellung von verfügbaren Zahlungsmitteln und Zahlungsverpflichtungen für den jeweiligen Tag (vgl. Stiller, G. Wirtschaftslexikon24 http: / / www.wirtschaftslexikon24.com/ d/ liquiditaetsstatus/ liquiditaetsstatus.htm / Abruf 20.05.2016) <?page no="562"?> 9.3 Cash- und Liquiditätsmanagement 563 Es geht bei angespannter Liquidität vielmehr dann auch um Antworten auf folgende Fragen: - Woher kann ganz kurzfristig zusätzliche Liquidität beschafft werden? - Welche Verpflichtungen können mit Verspätung erfüllt werden? Dabei ist zu beachten, dass Ausgaben wie Abgaben und Steuern an den Staat sowie Krankenkassenbeiträge termingemäß gezahlt werden müssen. Wir kommen noch einmal auf die zwei oben genannten spezifischen Instrumente, die man auch als Hauptaufgaben einer In-House Bank auf dem Gebiet des Cash- und Liquiditätsmanagements bezeichnen könnte, zurück: Automatisierte Disposition Die automatisierte Disposition über die am jeweiligen Tag bzw. in ein, zwei Tagen verfügbare Liquidität basiert bei Anwendung einer entsprechenden Software vor allem auf elektronischen Kontoauszügen und Avisen . Avise, wenn sie sich auf Geldflüsse beziehen, sind Ankündigungen von Zahlungen in naher Zukunft. Der Schuldner gibt diese Information gewöhnlich über seine Bank an seinen Gläubiger, sie kann Bestandteil eines elektronischen Zahlungsauftrages sein (siehe auch Becker, B., EANCOM im Bankensektor, Coorganisation 3/ 97, Köln / https: / / www.gs1-germany.de/ internet/ common/ files/ magazin/ 31997/ c397_32.pdf / Abruf 30.05.2016) Abb. 9.6: Ablauf der Finanzdisposition. Quelle: Möhrlen, R., Kokot, F. SAP R/ 3 - Kompendium, Markt und Technik Verlag 2000 Elektronische Kontoauszüge, die online abgeholt oder vereinbarungsgemäß zugesandt werden, sind durch die Behörden als Buchungsbelege anerkannt und können bei Nutzung entsprechender Software direkt in der Kreditoren- und Debitorenbuchhaltung eines Unternehmens verarbeitet werden. Der Kontenstand kann im Verlauf eines Tages durch Meldungen zu verschiedenen Uhrzeiten weiter aktualisiert werden. BEISPIEL Ausschnitt aus dem Dokument der Zürcher Kantonalbank, überschrieben mit „Kontoreporting MT940 und MT942“ (November 2013), das den Umgang mit elektronischen Kontoauszügen beispielhaft beschreibt. Zahlungen (Schecks, Überweisungen, …) <?page no="563"?> 564 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Quelle: Kontoreporting MT940 und MT942, Zürcher Kantonalbank, Zürich, Schweiz / https: / / www.zkb.ch/ media/ dok/ efinance/ kontoreporting-fk.pdf / Abruf 31.05.2016 9.4 Cash Concentration bzw. Cash Pooling (Da wir auf die Cash Pooling-Problematik im Weiteren noch gründlich eingehen wollen, sollen an dieser Stelle nur die wesentlichen Charakteristika umrissen werden.) Cash Concentration versteht man auch als Cash Pooling . Es bedeutet grundsätzlich: Innerhalb eines Konzerns stellen die Untergesellschaften ihre Liquidität (auf Bankkonten) über Darlehensvergaben der Obergesellschaft zur Verfügung, die darüber zentral disponiert. Das heißt: - Sie weist die Tilgung von Verbindlichkeiten an. - Sie veranlagt freie Mittel. - Sie beschafft fehlende Mittel. (Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, http: / / wirtschaftslexikon.gabler.de/ Definition/ cash-pooling.html / Abruf 02.05.2016) Unternehmensinterne Quellen der Liquidität stellen vor allem die Bankguthaben und Kredite dar, die z.B. von einer zur Unternehmensgruppe gehörenden Finanzierungsgesellschaft vergeben werden. Sie können aus Mitteln des Pools oder aus z.B. Bankkrediten stammen. Unternehmensexterne Quellen der Liquidität kommen primär aus Banken (Kredite) oder vom Kapitalmarkt (Anleihen). Pooling stellt die unverzichtbare Voraussetzung für eine effiziente Steuerung der Liquidität speziell großer Unternehmen dar. Die für Pooling verfügbare Software bildet die notwendigen Poolstrukturen ab, insbesondere die externen Bankkonten und die internen Verrechnungskonten: Die auf externen Bankkonten vorhandene Liquidität aller Glieder des Unternehmens wird auf (Pool-) Zielkonten ( Masterkonten ) ganz oder teilweise konzentriert. Diese befinden sich bei den Banken, die für das Unternehmen die Geldtransfers in oder aus der Umwelt vermitteln. <?page no="564"?> 9.4 Cash Concentration bzw. Cash Pooling 565 Unternehmensintern bekommen die Tochtergesellschaften(konzerninterne) Verrechnungskonten ( Accounts payable Intercompany , Intercompany Accounts ). Auf diesen werden alle in Geld ausgedrückten Ergebnisse der Aktivitäten erfasst, die zwischen der Inhouse-Bank (deren „Regie“ gewöhnlich bei der o.g. Finanzierungsgesellschaft liegt) und den zum Konzern gehörenden Gesellschaften ablaufen. Abb.9.7: Schema des Cash Pooling in einer Inhouse Bank. Quelle: Siemens Financial Services, In-House Bank-System finavigate, a.a.O. S. 11 Das betrifft insbesondere die Salden des (konzerninternen) Netting von Forderungen und Verbindlichkeiten aus Geschäften zwischen den Tochtergesellschaften und die konzernexternen Aus- und Einzahlungen. Zum Aufbau, der Strukturierung des Cash Pool wird z.B. in der schon angeführten Beschreibung des Inhouse Bank-Systems von Siemens, genannt „finavigate“, folgendes gesagt: „finavigate bildet Cash-Pool-Strukturen sowohl Ihrer externen Bankkonten als auch internen Verrechnungskonten ab. Idealerweise wird die externe Liquidität vollständig auf Pool-Zielkonten der zentralen Treasury gebündelt, der Saldo der gepoolten Bankkonten den Gesellschaften über korrespondierende interne Konten verrechnet. Das Cash-Management ist zentralisiert. Das Hinterlegen der Cash-Pool-Stammdaten geschieht unter Beachtung von mehreren Aspekten: Konzernbzw. Treasury-Struktur, Single-Bank- oder Multi-Bank-Lösung, Länderspezifika, Zinskonditionen und Pooling Art - Notional Pooling oder Zerobalancing. Bei Bedarf werden Cash-Pools miteinander vernetzt und bankübergreifende Clearing-Überträge berechnet, gebucht und initiiert“ (In-house Bank-System finavigate … a.a.O., S. 10-11). <?page no="565"?> 566 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen 9.5 Zahlungsverkehr / Payment Factory Bis vor einigen Jahren war es in großen Gesellschaften i.d.R. üblich, dass die Tochterunternehmen über ihre Bankverbindungen und die Zweckbestimmung sowie Anzahl der Bankkonten selbständig entschieden. Das hatte Intransparenz über die Finanzlage des Konzerns, die potenziellen Risiken, die Kosten der Beschaffung von Liquidität und des Zahlungsverkehrs usw. zur Folge. Verschiedene Electronic Banking Systeme kamen zur Anwendung. Eine Payment Factory schafft hier (i.d.R. als Funktion einer Inhouse-Bank) Abhilfe. Was ist das Wesentliche einer solchen Implementierung? Auf der Basis elektronischer Lösungen erfolgt eine Zentralisierung des gesamten Zahlungsverkehrs. Die Europäische Zentralbank definiert wie folgt: „In short, a Payment Factory is the centralisation of the payments process within an organisation.” (ECB SEPA Statistics - February 2014 / http: / / www.sepaforcorporates.com/ single-europayments-area/ what-is-a-payment-factory-defintion / Abruf 07.06.2016). „Dabei handelt es sich um die zentrale Organisation sämtlicher Zahlungsvorgänge für die an das Cash-Management angeschlossenen Unternehmen, wodurch die optimale Koordination aller Zahlungsvorgänge ermöglicht wird“ (Sollanek, A. Cash Management Systeme, edition der Hans-Böckler-Stiftung 139, Düsseldorf 2005, S. 75). Die Bank PNB PARIBAS / Paris legt sich wie folgt fest: “Advisory, sales and implementation support on bank account structure, system integration, bank connectivity, reporting, smooth and secure execution of all corporates’ payments. All these elements together could be labelled as a Payment Factory.” “As a Payment Factory is a concept and not a product, a Payment Factory will differ from corporate to corporate.” (https: / / cashmanagement.bnpparibas.com/ our-solutions/ solution/ payment-factory / Abruf 10.10.2016) Ganz allgemein kann man diese Einrichtung wie folgt darstellen: Abb. 9.8: The Third Stage Payment Factory the Cashflow Management Centre. Quelle: Cash Treasury Management File / CTMfile J&W Associates / https: / / ctmfile.com/ assets/ ugc/ images/ CashflowMngmCentre.png / Abruf 25.04.2016 <?page no="566"?> 9.5 Zahlungsverkehr / Payment Factory 567 Die Zentralisation aller Zahlungen in einem Unternehmen tritt in unterschiedlichen Ausprägungen auf, z.B. in suboptimalen Formen, was die Art und Weise der zentralisierten Zahlungen betrifft usw. aber auch bezüglich von Lösungen, die nicht als „Factory“ in Erscheinung treten: „The complication and confusion arises, when we start to speak about what is centralised, and where and how the centralisation occurs. For example, some definitions refer to the centralisation of external payments only, other models refer to all payments within an organisation. Some implement the payment factory process within a Shared Service Centre (SSC), others may centralise the payment process within the organisations Treasury department.” (https: / / ctmfile.com/ assets/ ugc/ images/ CashflowMngmCentre.png / Abruf 25.04.2016) Wenn es um die Einrichtung einer anspruchsvollen Payment Factory geht, muss eine Vielzahl von Problemen gelöst werden. Das betrifft vor allem folgende Sachverhalte: [1] Welche Länder sollen bearbeitet werden (angesichts rechtlicher Regelungen, steuerlicher Vorschriften, Länderrisiken, Sprachen, Zeitzonen usw.)? [2] (Mit) welche Banken sollen unsere Partner sein (angesichts der bearbeiteten Länder/ des Grades der Abdeckung, notwendiger Rahmenverträge zur Zusammenarbeit, landestypischer Besonderheiten bei Banken)? [3] Welche Techniken sollen zur Anwendung kommen (bei Zahlungsformaten, wie IDOC oder SEPA XML/ SEPA pain001, Kontoauszugsformaten, wie MT90, CAMT, technischen Systemen, wie ERP, TMS, E-Banking, bei der Art der Kommunikation mit der Bank, wie SWIFT, EBICS, H2H, letzteres im Sinne von „Computer zu Computer“)? [4] Welche Tochtergesellschaften sollen teilnehmen (angesichts Ressourcen bei Finanzen, Personal/ Know-how, angesichts Volumen und Spezifik des operativen Geschäfts)? (Vgl. Winkler, M., Michaelis, M. Aufbau einer Payment Factory, Wien 2014, S. 6 http: / / www.financetrainer.com/ fileadmin/ inhalte/ AFS14_PRAE/ B1_SLG.pdf / Abruf 07.06.2016) Erklärungen: IDOC „IDoc (for intermediate document) is a standard data structure for electronic data interchange (EDI) between application programs written for the popular SAP business system or between an SAP application and an external program.” (http: / / searchsap.techtarget.com/ definition/ IDoc / Abruf 08.06.2016) SEPA XML „Das neue SEPA-Datenformat basiert auf dem ISO Standard 20022. Es wurde für den Interbanken-Zahlungsverkehr verpflichtend eingeführt. Für den Austausch zwischen Kunde und Kreditinstitut wird das neue XML-basierte Format zwar empfohlen, ist aber keine Pflicht. Vorteile im Überblick: - Mehrere Konten und/ oder Ausführungstermine in einer Nachricht/ Datei möglich - Spezielle Zahlungsarten (z.B. Lohn/ Gehalt) darstellbar - Investitionssicherheit durch Ausrichtung an den internationalen (ISO 20022) und europäischen Vorgaben (EPC). <?page no="567"?> 568 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Zusammen mit dem Kommunikationsverfahren EBICS (Electronic Banking Internet Communication Standard) wird die im nationalen deutschen Zahlungsverkehr bewährte Multibankfähigkeit auf den europäischen Zahlungsverkehr ausgeweitet.“ (https: / / www.sparkasse-rheine.de/ firmenkunden/ internationales_geschaeft/ sepa_uebersicht/ 3-XML-Format.pdf / Abruf 08.06.2016) SEPA pain001 „Eine SEPA-Überweisung (SEPA Credit Transfer) ist ein Zahlungsverkehrsinstrument für inländische und für grenzüberschreitende Zahlungsverkehrstransaktionen, die zwischen den SEPA Teilnehmerländern (d.h. innerhalb des so genannten SEPA Raum) abgewickelt werden. Die elektronische Beauftragung von SEPA-Überweisungsdateien erfolgt durch den Kunden an sein Kreditinstitut, derzeit im SEPA XML PAIN.001.003.03 Format. Der Nachrichtentyp SEPA Credit Transfer Initiation wird über die Auftragsart SEPA SCT übertragen. Die SEPA-Überweisung fasst die Vorgaben bereits bestehender europäischer Vereinbarungen zur Abwicklung grenzüberschreitender Überweisungen zu einem einheitlichen europaweiten Standardverfahren - welches im SEPA Regelwerk „SEPA Credit Transfer Scheme Rulebook“ definiert ist - zusammen.“ (Hettwer UnternehmensBeratung GmbH, Bremen, SEPA-Überweisungsverfahren - SEPA Credit Transfer, http: / / www.hettwer-beratung.de/ sepa-spezialwissen/ sepa-%C3%BCberweisungsct/ Abruf / 24.06.2016) ISO 20022-Standard „ISO 20022-Migration: Das Eurosystem hatte als Anbieter der TARGET2-Gemeinschaftsplattform unter Beteiligung der Nutzergemeinschaft entschieden, die derzeit für den Zahlungsverkehr in TARGET2 verwendeten SWIFTNet-FIN-Nachrichten (sogenannte MTs) durch sog. MX- Nachrichten zu ersetzen. Hierbei handelt es sich um Nachrichten im XML-Format, wie sie heute beispielsweise bereits für SEPA und TARGET2-Securities (T2S) eingesetzt werden. Zum Austausch dieser Nachrichten mit der TARGET2-Gemeinschaftsplattform wird weiterhin ausschließlich das SWIFT-Netzwerk verwendet. Mit dieser strategischen Entscheidung soll die TARGET2-Gemeinschaftsplattform auf eine zukunftssichere Technologie umgestellt werden.“ (http: / / www.bundesbank.de/ Navigation/ DE/ Aufgaben/ Unbarer_Zahlungsverkehr/ TAR- GET2/ ISO_20022_Migration/ iso_20022_migration.html / Abfrage 09.06.2016) CAMT „Abkürzung für Cash Management Nachrichten - Man unterscheidet folgende camt-Nachrichten: + camt.052: für untertägige Kontoauszugsinformationen + camt.053: die gebuchten Kontoauszugsinformationen des Tages + camt.054: dient zur detaillierten Anzeige von Sammelbuchungen. Bislang standen dem Kunden ausschließlich das MT940 und MT942-Format zur Verfügung. Für den Abruf der camt-Nachrichten benötigt der Kunde eine camt-fähige Software“ (camt / http: / / www.camt.eu / Abfrage 09.06.2016). „SEPA CAMT-Nachrichten haben den Vorteil, dass die relevanten Informationen vollständig und erheblich besser strukturiert aufgenommen und transportiert werden können“ … als das bei den korrespondierenden SWIFT MT Nachrichten der Fall ist.“ <?page no="568"?> 9.5 Zahlungsverkehr / Payment Factory 569 http: / / www.hettwer-beratung.de/ sepa-spezialwissen/ sepa-technische-anforderungen/ camtformat-xml-nachrichtentypen/ http: / / www.hettwer-beratung.de/ sepa-spezialwissen/ sepa-technische-anforderungen/ camtformat-xml-nachrichtentypen/ Abfrage 09.06.2016) ERP „Ein Enterprise-Resource-Planning-System (ERP-System) unterstützt sämtliche in einem Unternehmen ablaufenden Geschäftsprozesse. Es enthält Module für die Bereiche Beschaffung, Produktion, Vertrieb, Anlagenwirtschaft, Personalwesen, Finanz- und Rechnungswesen usw., die über eine gemeinsame Datenbasis miteinander verbunden sind.“ (http: / / wirtschaftslexikon.gabler.de/ Definition/ enterprise-resource-planning-system.html / Abfrage 09.06.20169 TMS Travel Management System “Das Travel Management System (TMS) verfolgt ... einen integrierten Schutzansatz an den unterschiedlichsten Stellen des Systems, um die Sicherheit (von) Daten zu gewährleisten. TMS nutzt gebräuchliche und allgemein als sicher anerkannte Internet-Technologien zur elektronischen Geschäftsabwicklung. Sensible Daten werden nur über eine verschlüsselte Verbindung übertragen (Vertraulichkeit).“ (http: / / www.bva.bund.de/ SharedDocs/ Downloads/ DE/ DLZ/ Informationsschriften/ TMS/ publikationen/ tms_leitfaden_fuer_sicherheit_und_technik.pdf? __blob=publicationFile / Abruf 09.06.2016) EBICS Der Electronic Banking Internet Communication Standard (kurz: EBICS) bezeichnet einen neuen, in Deutschland multibankfähigen Standard für die Übertragung von Zahlungsverkehrsdaten über das Internet. H2H host-to-host (H2H) connectivity / multi-banking support using host-to-host connectivity (https: / / www.gtnews.com/ articles/ multi-banking-presenting-the-case-for-h2h/ Abfrage 09.06.2016) “Host to Host is an automated, two-way data transfer service for high volume online banking usage. The service gives you direct access to Business Online from various business applications, 24 hours a day … Host to Host requires a leased line and installation of Standard Bank's licensed software, CONNECT: Direct. Your Business Online consultant will evaluate your mainframe systems for suitability before installing the software.” (Standard Bank South Africa / http: / / www.businessonline.standard.co.za/ business_solutions/ cash_management/ host_to_host.jsp / Abruf 14.06.2016) <?page no="569"?> 570 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Was wollen vor allem Großunternehmen durch die Installation einer Payment Factory erreichen?  Erhöhte Effizienz des Zahlungsverkehrs und eine bessere Kontrolle dieser Prozesse (Auditing unter Einschluss der Compliance-Anforderungen)  höhere Transparenz bei der Liquidität und den diversen Cash-Positionen  Optimierung des Kontenabgleichs innerhalb des Enterprise Resource Planning- (ERP-) Systems bzw. des Treasury-Management-Systems (TMS)  wesentliche Verringerung der Zahl der Konten und Optimierung der Zahl der Bankverbindungen  umfassende und differenzierte Autorisierung des Zuganges zu Finanzdaten des ERP- / TMS- Systems (einschließlich von Anweisungs- und Signaturberechtigung)  optimierte automatische Zahlungsprozesse über die gesamte Prozesskette (als End-to-End- Prozess / E2E). (Vgl. Deutsche Bank: Global Transaction Banking, Der erfolgreiche Aufbau einer Payment Factory, 2014, S. 4 / http: / / cib.db.com/ docs/ Deutsche-Bank-Global-Transaction-Banking-WhitePaper-Payment-Factory.pdf / Abruf 07.06.2016) Die heutzutage verfügbaren IT-Lösungen erlauben es, Zahlungsprozesse als End-to-End -Prozesse auszugestalten. Dem liegt die erprobte Logik des Supply Chain Management (SCM) zugrunde (Aufbau und Verwaltung integrierter Logistikketten für Material- und Informationsflüsse). Das E2E- Prinzip führt sowohl bei Beschaffung / Procurement als auch im Absatz / Sale zu höherer Effizienz. Auf das Cash Management bezogen, findet es vor allem im Management von Forderungen und Verbindlichkeiten und der Liquidität 1. Grades Anwendung. Aus der Sicht der Aufgaben einer Payment Factory geht es vor allem um die Steuerung der ausgehenden Zahlungen auf der Basis der Informationen über Waren- und Rechnungseingang und Zahlungsbedingungen. Allgemein formuliert, kann ein E2E-Ablauf als eine Prozessorganisation beschrieben werden, die sicherstellt, dass alle Abläufe in einem Geschäftsprozess bestmöglich zusammenpassen und-arbeiten, optimiert und koordiniert sind. Es geht um das Erfüllen der Kundenbedürfnisse. Im Zahlungsprozess stehen Datenübertragungen im Zentrum der Aktivitäten. Es werden standardisierte Zahlungsdateien im Rahmen des Enterprise Resource Planning-System (ERPS) bzw. Treasury- Management-System (TMS) des Unternehmens automatisiert an Banken übergeben, ohne dass Inkompatibilität vorkommt (vgl. Deutsche Bank: Global Transaction Banking, Der erfolgreiche Aufbau einer Payment Factory, a.a.O.). Dabei steht die pünktliche und vollständige Zahlung in der erforderlichen Währung auf das vom Kreditor angegebene Konto im Fokus. „… in einem stark zentralisierten, organisch gewachsenen Unternehmen gibt es in der Regel ein größeres Einsparpotenzial, wenn die Konzernmutter den gesamten Zahlungsverkehr der Tochtergesellschaften zentral initiiert und aus der Konzernzentrale steuert.“ Deutsche Bank Cash Management: Vom Cash Pool zur Payment Factory https: / / www.deutsche-bank.de/ pfb/ data/ docs/ Cash_Management.pdf / Abruf 13.06.2016 <?page no="570"?> 9.5 Zahlungsverkehr / Payment Factory 571 Die Implantation einer Payment Factory bietet vor allem bei Großunternehmen die große Chance, Mehrwert in Bezug auf Liquidität, Kosten und Compliance zu erzielen. Abb. 9.9: Mehrwert, den eine Payment Factory erzielen kann. Quelle: Winkler, M., Michaelis, M. Aufbau einer Payment Factory, Wien 2014, S. 4 Zahlung http: / / www.financetrainer.com/ fileadmin/ inhalte/ AFS14_PRAE/ B1_SLG.pdf / Abruf 07.06.2016 Beispiele für Payment Factory Lösungen: Die Tembit Software GmbH Berlin definiert eine Payment Factory (gestaltet durch die von ihr angebotene Software) wie folgt: Payment Factory BEISPIEL 1 Die sogenannte tembanking Payment Factory beinhaltet elektronische Lösungen für folgende Aktivitäten beim Zahlungsverkehr:  Übernahme von Zahlungsverkehrsdateien (z.B. aus SAP)  Zahlungserfassung mit Stammdatenverwaltung (Auftraggeber, Empfänger, Verwendungszweck)  Übersicht zu anstehenden Zahlungen und deren Bearbeitungsstatus  Unterschrift bei Zahlungen  Zuordnung von Zahlungen zu Unterschriftsberechtigten (Mandanten)  Konvertierung von Zahlungsformaten (SAP in SEPA oder SWIFT usw.)  Übertragung der Dateien zu den Banken (mittels EBICS, sFTP, SWIFT), Ausweis von Übertragungsprotokollen  Übertragung von Kontoinformationen (MT940, MT942, SEPA camt.052, camt.053)  Übertragung von internationalen Kontoauszügen  Verwaltung von Kontovollmachten (vgl. Tembit Software GmbH Berlin / https: / / www.tembit.de/ bereiche/ financial-software/ tembanking/ payment-factory/ / Abruf 24.04.2016) <?page no="571"?> 572 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Erklärung : MT940, MT942 SWIFT-Standard-Kontoauszug am Ende des Tages (MT940) oder periodische Auszüge während des Tages (MT942) die Kombination beider Auszugsvarianten ist möglich (vgl. https: / / www.creditsuisse.com/ media/ production/ pb/ docs/ unternehmen/ kmugrossunternehmen/ mt940-942-de.pdf Abruf 24.04.2016) SEPA camt.052, camt.053 Cash-Management-Nachricht im Single Euro Payments Area, camt.052 beinhaltet den Abruf von untertägigen Kontoumsätzen, camt.053 beinhaltet gebuchte Kontoauszüge (vgl. http: / / wiki.windata-banking.de/ index.php? title=Camt_%3D_Cash-Management-Nachricht / Abruf 24.04.2016) Payment Factory BEISPIEL 2 Das US-Unternehmen Sun Gard, Dienstleister für Software und Technologie und eines der größten in der Welt in dieser Branche, stellt seine Payment Factory u.a. am Beispiel des biopharmazeutischen Unternehmens UCB (Brüssel) vor, das in Euro bilanziert. Dieses unterhält geschäftliche Aktivitäten in ca. 40 Ländern und macht mehrere Milliarden US-Dollar Umsatz in diversen Währungen. Die Unternehmensorganisation muss dieser Tatsache der „Währungsvielfalt“ Rechnung tragen. “UCB recognized that maintaining payment teams in each country was not cost-effective, so they made the decision to outsource the payments process to a business process management company … UCB made the decision to harmonize its payment processes, technology and formats by implementing a payment factory.“ UCB entschied sich für “SunGard’s AvantGard Payments solution (Trax)” als Bank Communication Modul (BCM). “As a result, UCB has been able to achieve smarter operations around their payments processes.” Die Einrichtung einer Payment Factory verbesserte z. B. die traditionelle Lage bei der „Bewirtschaftung“ von Devisen wie folgt: Durch die Benutzung eines sogenannten “Payments on behalf of …“-Modells müssen Geschäftseinheiten (Töchter) nicht länger Fremdwährungskonten unterhalten, im Konzern gibt es je Währung nur noch ein Konto (bei der Inhouse Bank), von diesem werden für alle Konzernmitglieder die benötigten Zahlungen geleistet, die empfangende Einheit wird informiert, in wessen Auftrag gezahlt wird (nämlich der Gesellschaft, an die die Rechnung gegangen war), lassen sich Zahlungen in einer bestimmten Währung, die für erbrachte Lieferungen und Leistungen diverser Tochtergesellschaften in unterschiedlichen Ländern von Kunden geleistet werden, direkt zu einer ausgewählten Gesellschaft lenken und dort konzentrieren. Die Folge ist, dass es bei den Geschäftseinheiten des Konzerns -je Währung nur noch ein Konto geben muss. <?page no="572"?> 9.5 Zahlungsverkehr / Payment Factory 573 “SunGard’s AvantGard Payments solution (Trax)” SOLUTION BENEFITS:  reduced resource requirements  lower banking fees  decreased IT costs  improved visibility and control  managed SWIFT connectivity  eliminated manual processing  reduced transactional costs  harmonized and optimized payment flows  minimized risk of fraud  achieved SEPA readiness Dumont, G., Senior Director, Group Treasury Operations: UCB ACHIEVES SMARTER OPERA- TIONS BY CENTRALIZING AND HARMONIZING THE PAYMENTS PROCESS WITH A PAYMENT FACTORY, Case StudyUCB 2013, https: / / www.sungard.com/ -/ media/ fs/ corporate-liquidity/ resources/ case-studies/ Payments/ UCB-Centralizes-Payments-Case-Study.pdf? sfdcCampaignId=701W00000009i2s&la=en / Abruf 25.04.2016 Abb. 9.10: AvantGard Trax payment factory solution. Quelle: Dumont, a.a.O. Kommunikationswege mit Cash Management Banken Betrachten wir jetzt noch einmal die Art und Weise der Kommunikation eines (Nichtbank-)Konzerns (mit Inhouse Bank, Pooling, Payment Factory) mit Banken, also beispielsweise die möglichen Kommunikationskanäle (oder Transportprotokolle) EBICS bzw. SWIFT. ERSTENS: Die Banken empfehlen ihren Firmenkunden das System nach EBICS , den Electronic- Banking-Internet-Communication-Standard . Der EBIC-Standard wurde vom Zentralen Kreditausschuss (ZKA; heute Die Deutsche Kreditwirtschaft) entwickelt und 2006 in das internationale DFÜ-Abkommen integriert. Ab 2008 besteht eine <?page no="573"?> 574 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Verpflichtung für Kreditinstitute, dieses System zu unterstützen. Es besitzt insbesondere für den Zahlungsverkehr in der Eurozone große Bedeutung. Mit EBICS kann eine Firma auf der Basis eines Internetanschlusses arbeiten, es entfallen der Supportaufwand und die Kosten eines ISDN-Anschlusses (Integrated Services Digital Network). EBICS ist ein internetbasiertes Protokoll für Finanztransaktionen, das die Kommunikation zwischen Firmenkunden und Banken standardisiert. Die Auftragsdaten werden doppelt verschlüsselt - mit symmetrischen und asymmetrischen kryptografischen Verfahren. Bei EBICS werden Störungen durch Selbstheilung behoben, d. h. die Daten werden automatisch umgeleitet. Leitungen auf der Erde (terrestrisch) können durch Funknetze oder Satelliten (extraterrestrische Systeme) ersetzt werden. E- BICS kann als Variante der globalen Bankkommunikation alternativ zu einer SWIFT-Verbindung benutzt werden. EBICS gestattet "Verteilte Elektronischen Unterschriften" (VEU). Solche können standortunabhängig gegeben werden: Mittels Internet kann von jedem Ort der Welt aus elektronisch signiert werden, nachdem zuvor von anderen Orten Zahlungsaufträge an die Bank gegeben wurden. BEISPIEL Neuinstallation von EBICS Signature auf einem PC / Grundsätzliches: „Die (Kunden-)Lizenzdatei kann zusammen mit dem Installationssatz von EBICS Signature dem Kunden zur Verfügung gestellt werden. Die Installation wird nun über die Datei Setup.exe ausgeführt. Ein Assistent leitet Sie durch den Installationsprozess. Ein Update von EBICS Signature auf eine höhere Version kann wie bei einer Neuinstallation ebenfalls über die Datei Setup.exe durchgeführt werden.“ Abb. 9.11: Installations-Start für EBICS Signature. Quelle: Star Finanz-Software Entwicklung und Vertriebs GmbH Hamburg 2014, ebics signature, Kundenleitfaden, S. 21 / https: / / www.sparkasse-heidelberg.de/ pdf/ sfirm/ Kundenleitfaden_EBICS_Signature.pdf / Abruf 15.06.2016 Beachte: Die internationale elektronische Datenkommunikation mittels EBICS ist bislang aber nur innerhalb der Eurozone (SEPA) praktisch existent. ZWEITENS bietet sich alternative das SWIFT -System der Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication an, das schon seit Jahrzehnten die Arbeitsbeziehungen der Banken untereinander über SWIFTNet FIN vermittelt. Der Zugang erfolgt dabei für Nichtbanken über SWIFTNet <?page no="574"?> 9.5 Zahlungsverkehr / Payment Factory 575 for Corporates . Auf diesem Weg können Firmenkunden speziell beim Zahlungsverkehr mit den von ihnen genutzten Banken kommunizieren. Das erfolgt in einer einheitlichen Sprache und in einem Netzwerk mit einheitlichen Standards. Es sind Banken in allen Ländern damit erreichbar. Die Danske Bank gibt beispielsweise folgende Kurzfassung der Merkmale: "Each bank has its own connectivity and security solutions. Consequently, you as a customer have to manage multiple international communication channels. With SWIFT for Corporates, you will have only one point of entry to all banks around the world. Security is part of the channel so additional signing or encryption is not required by Danske Bank … Through the SWIFT network, you can send payment instructions and receive reports from different banks in different countries … The usage of SWIFTNet FileAct needs to be integrated in your business system. Besides being a member of MA-CUG or SCORE you must have a Business Online/ eBanking agreement with Danske Bank in order to benefit from using the channel.” (Danske Bank A/ S Kopenhagen 2016 SWIFTNet FileAct / http: / / www.danskebank.com/ enuk/ ci/ products-services/ transaction-services/ online-services/ integration-services/ channelsandsecurity/ pages/ swiftnet-fileact.aspx / Abruf 15.06.2016) Die Vorteile von SWIFT werden wie folgt gesehen: Bankenübergreifender Datenaustausch mit allen Ländern in einem Netzwerk, das mit höchsten Sicherheits- und Verfügbarkeitsstandards arbeitet, insbesondere:  Proprietäre (spezielle und geschützte, nicht allen offenstehende) Länderstandards und individuellen Electronic-Banking-Produkte spielen keine Rolle, weil dieselbe Infrastruktur mit unterschiedlichen Banken weltweit zur Anwendung kommt,  Austausch von Nachrichten zum Zahlungsverkehr über ein gesichertes, vertrauenswürdiges Netzwerk auf der Basis von standardisierten Internet-Protokollen (IP).  Kostenreduzierung im Controlling, bei administrativen Prozessen usw. Optimierung der Steuerung der Zahlungsprozesse durch automatisierten, standardisierten und zentralen Datenaustausch. Weitere Dienste stehen zur Verfügung, so im Devisenhandel (FX) oder bei Geldmarktgeschäften (Money Market). (vgl. UniCredit Bank Austria AG, Wien, Bank Austria 2009, SWIFTNet for Corporates, www.bankaustria.at/ files/ Folder_SwiftNet_Corp.PDF / Abruf 13.06.2016) Jeder SWIFT-Teilnehmer erhält eine eigene Identitäts-Nummer. Bei den Banken ist das bekanntlich der BIC / Bank Identifier Code, für die (Nichtbank-)Unternehmen aus der Industrie usw. wurde ein Business Entity Identifier / BEI eingeführt. Er muss über die (Partner-)Bank bei SWIFT beantragt werden. Formen des Anschlusses an SWIFT Um sich an das SWIFT-System technisch anzuschließen, gibt es drei Wege: Erstens: Ein Unternehmen, das eine BEI-Nummer besitzt, kann die komplexe Installation und Administration einer eigenen SWIFT-Infrastruktur , wie sie die Banken besitzen, verwirklichen. Das bedeutet, beträchtliche Kosten fallen für Hard- und Software an, sowie für spezielles Personal (Operating, Service), außerdem fallen regelmäßige Lizenz- und Servicegebühren an. I.d.R. wird diese Ausstattung von einem Industrieunternehmen für das effiziente Funktionieren einer Payment Factory <?page no="575"?> 576 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen (im Rahmen einer Inhouse Bank) nicht benötigt. Ein Unternehmen wird sich also häufig zwischen den Diensten eines (SWIFT-) Service-Büros (SSB) oder Kommunikation auf Basis von SWIFT Alliance Lite2 entscheiden. Zweitens: Es wird ein Vertrag mit einem von SWIFT autorisierten Intermediär vom Typ SWIFT- Service Büro / SSB abgeschlossen. Dessen Angebot kann grundsätzlich wie folgt umrissen werden: Solche Intermediäre übernehmen für Industrieunternehmen usw. Dienste bei der Kommunikation mit Banken in aller Welt via SWIFT-System. Es werden  Zahlungs- und Cash-Management-Prozesse standardisiert und vereinfacht,  aus vielen Einzelverbindungen zu Banken wird ein Kommunikationskanal,  die Anschaffungsbzw. Lizenzierungskosten für spezielle SWIFT-Hardware und -Software sind somit gespart,  Sicherheits- und Betriebskontinuitätsregeln des SWIFT-Systems sowie Software-Aktualisierungen in die Verantwortung des Dienstleisters gelegt,  insbesondere Anweisungen für Gutschriften, Lastschriften und internationale Überweisungen an die ca. 9.000 Finanzinstitute des SWIFT-Verbunds weitergeleitet,  Zahlungsanweisungen in beliebigem Format entgegengenommen und in den Standard umgewandelt, den die Bank erwartet,  von allen Banken können (auf Wunsch) Kontosalden im Tagesverlauf / am Ende des Geschäftstages abgefragt werden, in das bevorzugte Format gebracht und an das eigene Finanzbuchhaltungssystem weitergeleitet werden. (OpenText GXS GmbH, http: / / www.gxs-gmbh.de/ produkte/ elektronische-rechnungen-undzahlungen/ swift-service-bureau/ Abruf 17.06.2016) Drittens : Einen Zutritt zum SWIFT-System kann man aber auch unter dem Begriff SWIFT „ Alliance Lite“ organisieren. Das ist eine von der SWIFT-Organisation entwickelte „schlanke“, internetbasierte Lösung, die eine direkte Kommunikation mit SWIFT ohne (technische) Vermittler ermöglicht und keine spezielle komplexe Infrastruktur im Unternehmen benötigt. “Alliance Lite2 is a highly secure and reliable cloud-based solution to connect to the SWIFT network and enables you to send and receive all types of SWIFT messages and files” (SWIFT for Corporates, https: / / corporates.swift.com/ en/ alliance-lite-2-0 / Abruf 17.06.2016). Das Unternehmen braucht nur eine eigene Komponente (Server, Netzwerk) und die von SWIFT zur Verfügung gestellte Zugangssoftware (einen von SWIFT zur Verfügung gestellter Sicherheits-Stick zur Autorisierung). Diese Anforderungen sind aber im Vergleich zur „klassischen“ SWIFT-Infrastruktur viel geringer. Die technische Anbindung wird über das Internet per VPN (Virtual Private Network) hergestellt. D.h., über das Internet wird ein sicher verschlüsselter "Datentunnel" eingerichtet, durch den ein direkter IP-Zugriff auf die Geräte im jeweils anderen Netzwerk möglich wird. Dort sind dann sämtliche IPbasierten Dienste wie E-Mail-Server, Datenbanken und Dateiserver uneingeschränkt verfügbar. Eine Standleitung über einen dedizierten/ gesonderten Telekommunikationsanbieter entfällt (vgl. KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Berlin 2015, Riehle, R.: Die Einführung von SWIFT im Unternehmen - welche Anbindung an SWIFT ist die richtige? (https: / / home.kpmg.com/ de/ de/ home/ themen/ 2015/ 11/ swift-im-unternehmen.html / Abruf 15.06.2016)) <?page no="576"?> 9.5 Zahlungsverkehr / Payment Factory 577 Abb. 9.12: Anschluss an das SWIFT-Network (3 Varianten). Quelle: Cash Management und Datenaustausch optimieren SWIFT-Lösungen für Geschäftskunden / www.postfi nance.ch/ swift und w w w.swift.com/ corporates. 2013 / https: / / www.postfinance.ch/ binp/ postfinance/ public/ dam.QX0AW2hL3354eTrzrSvpjV8ZfDOKtIahaGPONeVAj94.spool/ content/ dam/ pf/ de/ doc/ prod/ pay/ swift/ swift_fs_de.pdf / Abruf 17.06.2016 Unternehmen, die die SWIFT-Technik für die Übertragung von Finanzdaten nutzen wollen, müssen sich weiterhin entscheiden, ob sie direkt mit SWIFT einen Vertrag über die Durchführung des internationalen Zahlungsverkehrs abschließen oder alternativ mit einer Geschäftsbank (oder mehreren Banken) ihrer Wahl. 1. Wenn Verträge mit Banken präferiert werden, entsteht ein „System“, das MA-CUG (Member Administered Closed User Group) genannt wird. Die jeweilige Vertragsbank fungiert als Systemadministrator für die Teilnahme am weltweiten SWIFT-Netz an. Bei Bedarf kann ein Unternehmen Mitglied diverser MA-CUGs (von verschiedenen Banken) werden. Abb. 9.13: MA-CUG. Quelle: UniCredit Bank Austria AG, Wien, Bank Austria 2009, SWIFTNet for Corporates, www.bankaustria.at/ files/ Folder_SwiftNet_Corp.PDF / Abruf 13.06.2016) 2. Wenn dagegen das „System“ SCORE (Standardised CORporate Environment) bei SWIFT als Systemadministrator gewählt wird, ist nur eine vertragliche Regelung (Registrierung) erforderlich, um die Kommunikation mit allen an SWIFT teilnehmenden Finanzinstituten zu ermöglichen (vgl. Raiffeisen Bank International AG Wien, SWIFT for Corporates / http: / / www.rbinternational.com/ eBusiness/ 01_template1/ 826124957350877869-826099713680572860_ 826100724340066587-826563696506742842-NA-1-NA-4.html / Abruf 20.06.2016) <?page no="577"?> 578 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Abb. 9.14: SCORE. Quelle: UniCredit Bank Austria AG, Wien, Bank Austria 2009, SWIFTNet for Corporates, www.bankaustria.at/ files/ Folder_SwiftNet_Corp.PDF / Abruf 13.06.2016) Die in beiden Systemen benutzen Produktlösungen heißen FIN und File Act. Bei MA-CUG bedeuten sie: FIN (Financial Network) arbeitet mit strikten Formaten für den Datenverkehr, für den Einzelversand, speziell bei großen Beträgen: MT940 Kontoauszugsinformation MT942 tagesaktuelle Buchungsinformationen MT101 Request for transfer / Zahlungsauftrag FileAct (für den Sammelversand / Massenzahlungen, Dokumentenversand, es können auch nationale Zahlungsverkehrsformate verwendet werden bzw. ganz spezielle / proprietäre, auf die man sich vorher geeinigt hat usw. (Vgl. Bank Austria, SWIFTNet for Corporates, www.bankaustria.at/ files/ Folder_SwiftNet_Corp. PDF / Abruf 13.06.2016) SWIFT-Drittbanklösung Abb. 9.15: Formate von Zahlungsdatenträgern. Quelle: Bank Austria , Cash Management, Ortner, A., SEPA, Der Europäische Zahlungsverkehr, 2013 https: / / www.bankaustria.at/ files/ 5_SEPA-XMLdas_neue_Format_im_Zahlungsverkehr.pdf / Abruf 28.06.2016 <?page no="578"?> 9.6 Auswahl von Banken 579 Parallel zu den neuen Möglichkeiten für Unternehmen, in das Swift-Kommunikationssystem der Banken einzutreten, propagieren Banken eine Lösung für die Zusammenarbeit mit zwei Banken, die arbeitsteilig kooperieren und dadurch den direkten Anschluss einer Nichtbank an Swift ersetzen. Die PostFinance AG hält für Geschäftskunden (ohne SWIFT-Anschluss) eine solche Drittbanklösung wie folgt bereit: Vorausgesetzt, es existiert ein Konto bei der o.g. Bank (mit angemessenem Guthaben), können von dieser vom Kunden an seine (Haus-)Bank angewiesene Zahlungen an eine dritte Bank geleitet werden, und dazu werden täglich entsprechende Kontoauszüge ausgetauscht Dieses System wird von der PostFinance AG als „vereinfachtes Cash Management“ bezeichnet, was vielleicht etwas hochgegriffen ist. Abb. 9.16: Schema einer „SWIFT-Drittbanklösung“. Quelle: PostFinance AG, Factsheet SWIFT-Lösungen für Geschäftskunden 06/ 2013, https: / / www.postfinance.ch/ binp/ postfinance/ public/ dam.QX0AW2hL3354eTrzrSvpjV8ZfDOKtIahaGPONeVAj94.spool/ content/ dam/ pf/ de/ doc/ prod/ pay/ swift/ swift_fs_de.pdf / Abruf 17.06.2016 9.6 Auswahl von Banken Im Verlauf der Einrichtung eines Inhouse-Bank-Systems mit Cash Pools und einer Payment Factory findet gewöhnlich auch eine Reduzierung der Zahl der Konten und der Banken, mit denen Geschäftsbeziehungen bestehen, statt. Die bisher genutzten Banken in aller Welt werden auf ihre Eignung als Partner in den neu strukturierten Finanzprozessen logischerweise evaluiert. Die ausgewählten kann man als Cash-Management-Banken bezeichnen. Mit diesen zusammen streben internationale Unternehmen, die in vielen Märkten mit unterschiedlichen Währungen und finanzpolitischen Regelungen tätig sind, eine bessere Beherrschbarkeit der Prozesse (durch Konzentration und strukturelle Optimierung) an sowie Kosten-Optimierung und -reduzierung. Banken werden primär daran gemessen, wie sie als Fremdkapitalgeber genutzt werden können (was die Liquidität direkt beeinflusst) bzw. die externen Zahlungsprozesse schnell und sicher (auch in Anbetracht interner und externer krimineller Eingriffe) vermitteln (was sich indirekt auf die Liquiditätslage auswirkt). Eine zentrale Auswahl der Banken und Steuerung der Bankbeziehungen erlaubt einen höheren Grad der Standardisierung und Automatisierung der Prozesse und Kontrollen. Die inzwischen verfügbaren Systeme für die Kommunikation (z.B. SWIFT Net, EBICS) und die angewandten Produktlösungen / Zahlungsverkehrs-Dateiformate (bei SWIFT bspw. FIN, FileAct, bei EBICS z.B. MT 101/ <?page no="579"?> 580 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Zahlungsauftrag, camt053/ Kontoauszug, pain.001/ ) reduzieren die Transaktionskosten und steigern die Sicherheit: Merkmale der neuen Qualität sind vor allem  positive Bearbeitungsroutine und Fehlerfreiheit durch Wegfall zahlloser bilateraler Lösungen und Ablösung manueller Bearbeitungsschritte,  bessere Transparenz der Prozessschritte mittels Automatisierung, klarer Regelungen und zwingender Beachtung von festgelegten Verantwortlichkeiten bei Zahlungsauslösung und -verfolgung,  korrekte und kostengünstige Beachtung der Compliance-Regeln auf dem Gebiet des Zahlungsverkehrs, vor allem hinsichtlich a) Korruptionsvermeidung und -verfolgung usw. gemäß Liste der EU / Common Foreign and Security Policy (CFSP-Liste) b) Embargokontrolle des US-Finanzministeriums (Exportkontrollbehörde des US-Finanzministeriums / US Office of Foreign Assets Control/ OFAC ). Die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit einer Bank durch ein Unternehmen der Realwirtschaft sollte anhand erprobter Kriterien erfolgen. Es handelt sich gewöhnlich um eine langfristig wirksame Entscheidung. Wenn es um die Eignung der Bank für ein internationales Cash Pooling (inklusive internationalen Zahlungsverkehr) geht, bringt eine irgendwann wünschenswerte Neuorientierung auf eine andere Bank viele Probleme (einschließlich Kosten) mit sich. Beim Bankkunden müssen Arbeitsabläufe und -ordnungen sowie Verantwortlichkeiten geändert werden, es werden Mitarbeiterschulungen zu den Spezifika der Kommunikation mit einer neuen Cash Management Bank notwendig. Die technischen Abläufe, d.h. vorallem der Austausch von Daten auf Basis von Zahlungsdatenträgern / Datenträgerformaten müssen von Anfang an möglichst reibungslos gelingen, damit es nicht zur zeitweiligen „technischen Zahlungsunfähigkeit“ kommt. Es wird zwischen zwischen Cash-Management-Banken und sonstigen Banken unterschieden, bei Konzentration auf wenige Cash-Management-Banken (wegen der Prozesseffizienz in Verbindung mit der Struktur der Bankkonten) und Diversifizierung bei den sonstigen Bankpartnern (wegen der Risikostreuung und der Vergrößerung des Gesamtlimits für Kredite). Sonstige Banken werden i.d.R. anhand folgender Merkmale ausgewählt: 1. Bonität, Standing und Image 2. Größe (Geschäftsvolumen) 3. zu erlangendes Kreditvolumen (Kreditrahmen) 4. Leistungsspektrum (Kredit-, Anlage-, Zahlungsverkehrsleistungen usw.) 5. Präsenz der Bank „in der Fläche“ 6. Finanzierungsbeziehungen (z.B. über den Kapitalmarkt in Gestalt von Konsortialkrediten, Factoringfinanzierung usw.) Die Auswahl von Cash-Management-Banken sollte weniger routinemäßig ablaufen. Hier muss eine an den spezifischen Bedürfnissen der Gesellschaft orientierte Anforderungsliste <?page no="580"?> 9.7 Ausgestaltung der Zusammenarbeit von Gesellschaften und Banken beim Cash-Pooling 581 die Grundlage für Verhandlungen bilden. Die Besonderheiten beginnen schon bei der Beachtung der bezüglich der Auswahlkriterien? 1. Art der für die Kommunikation angebotenen technischen Lösungen, wie Konnektivität („Schnittstellenproblematik“), Common Gateway Interface (CGI / ist Standard für Datenaustausch zwischen Webserver und dritter Software), Electronic Bank Account Management (eBAM / Technologie für den Austausch von Finanzdienstleistungen/ -nachrichten gemäß SWIFT bzw. ISO Standard 20022), Transaction Workflow Innovation Standards Team (TWIST / Initiative zur Einführung elektronischer Bankgebühren-Rechnungen), 2. deutlich erkennbare Kompetenz des Teams der Bank, das das Cash-Management-System implementiert, 3. Präsenz / Grad der geografischen Abdeckung der gewünschten Ländermärkte durch die Bank, 4. erkennbar hoher Stellenwert der Kundenbeziehung für die Bank (z.B. Bereitschaft zur Begleitung in einen neuen Markt mit Filiale oder Tochtergesellschaft), 5. Finanzkraft, Rating usw. der Bank, 6. gute Möglichkeit der schnellen Kontaktierung der Ansprechpartner in der Bank, 7. gute Kenntnisse der ländermartspezifischen Regulatorien, 8. transparente und marktgerechte Preisbildung, 9. leistungsfähiges Netz von Korrespondenzbanken. (Vgl. Polster, B.: Handbuch Cash Pooling: Betriebswirtschaftliche, rechtliche und steuerliche Aspekte in Österreich und Deutschland, Abschnitt 3.2.4. Bankenpolitik, Linde Verlag GmbH Wien 2016, S. 58-60 / https: / / books.google.de/ books? id=BBU0CwAAQBAJ&pg=PA30&lpg=PA30&dq=Barbara+Polster+Bankenpolitik&source=bl&ots=iiQS90SVUO&sig=Aohoafef3gE_iyyVgyglY24VoRs&hl =de&sa=X&ved=0ahUKEwix2MPklsrNAhWhAMAKHQIZA1MQ6AEILjAD#v=onepage&q=Barbara%20Polster%20Bankenpolitik&f=false / Abruf 28.06.2016) Internationales Pooling / Multy Currency Pooling Die beiden o.g. Begriffe sind „verwandt“, aber nicht inhaltlich gleich. International sind beim Pooling erstens länderübergreifende Vorgänge, die in ein und derselben Währung ablaufen. So etwas findet bislang nur in der Eurozone statt. Hier kann notionales Pooling zur Anwendung kommen, alternativ aber auch für den gesamten Prozess ausschließlich physisches Pooling. Zweitens kann Pooling unter Einbeziehung mehrerer Währungen und Länder erfolgen. Das ist ebenfalls ein internationaler Vorgang, aber in der Spezifik der rechnerischen Zusammenführung diverser Währungen (Multicurrency Pooling / Cross-Currency Notional Pooling). 9.7 Ausgestaltung der Zusammenarbeit von Gesellschaften und Banken beim Cash-Pooling Für die Architektur eines Cash- Pool wurden zwei entgegengesetzte, grundsätzliche Denkbzw. Strukturmodelle entwickelt. Bei RIEDL (2002) erhielten sie die Bezeichnungen One (Global) Bank- Ansatz und Overlay Bank-Ansatz . Sie gelten nicht nur für länder- oder währungsübergreifendes Pooling sondern auch für länder- und währungsgebundenes Vorgehen. Die nachfolgenden beiden Modelle haben aber internationalen Charakter. <?page no="581"?> 582 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Der One-Bank-Ansatz (One Bank Solution) Abb. 9.17: Strukturvariante des One Bank-Ansatzes. Quelle: Riedl, G., Der bankbetriebliche Zahlungsverkehr, Heidelberg 2002, S. 342 Dieses Modell des One Bank-Ansatzes unterstellt, dass es möglich sein muss, mit nur einer Bank, wenn sie nur groß genug ist, ein weltweites Pooling zu installieren. Die „Global Bank“ arbeitet für sämtliche Konzernunternehmen (Konzernmutter und Töchter) als Partner bei Konten und Zahlungsverkehr. Im Idealfall hat diese (Groß-) Bank in allen gewünschten Ländern Tochtergesellschaften / ggfs. auch Filialen bis hinunter zur lokalen Ebene. Dieses Strukturmodell beinhaltet ein einheitliches Electronic Banking System, das in „real time“ arbeitet (Echtzeitdarstellung). Es wird auch als automatisches Pooling bezeichnet, weil die Bank für alle beteiligten Gesellschaften auf Basis abgeschlossener Verträge die vereinbarten Poolingtransaktionen immer dann durchführt, wenn die Voraussetzungen für Überweisungen gegeben sind. Dieses technisch und dispositionsmäßig einheitliche zentralistische System liefert Informationen und verwirklicht Disposition und Kontrolle. Den spürbaren Rationalisierungs- und Effizienzeffekten steht ein hoher Grad der Abhängigkeit von der Bank an der Spitze gegenüber (vgl. Riedl a.a.O.). Die Vorstellung, mit einer Bank weltweit ein globales Cash Pooling aufzuziehen, wird heute von der Fachwelt als wenig realistisch eingeschätzt: „One world, one bank? Not really - the single global bank concept has fallen out of favor and not just due to presentday concerns … has proved to be an unrealistic goal for practical, as well as risk reasons.” (Hillman, S.: Global Cash Management Banking in Risky Times, in: International Treasurer / May 2009) Beispielsweise sprechen folgende Gründe gegen ein solches globales Konzept:  Regularien - in China, Korea, Indien, Japan usw. ist eine einheimische Bank zum Zahlen der Steuern unerlässlich,  Risiken - die finanziellen Risiken sprechen für Geschäftsbeziehungen mit mehr als einer Bank,  Spezifika - Stärken / Vorteile von Banken werden bei der Auswahl beachtet, gemessen an lokalen, regionalen Zielen der eigenen Gesellschaft. <?page no="582"?> 9.7 Ausgestaltung der Zusammenarbeit von Gesellschaften und Banken beim Cash-Pooling 583 Wöhe/ Bilstein u.a. verweisen zusätzlich auf das Problem der Größe: „Wird für den gesamten Cash Pool ausschließlich eine Bank ausgewählt und alle beteiligten Konten dorthin transferiert, entfällt der zusätzliche Settlement-Tag und die Transaktionen sind günstiger. Dies ist jedoch nur eine theoretische Annahme, da keine Bank in so vielen Ländern vertreten ist, dass insbesondere für multinationale Konzerne ein One Bank Approach möglich ist.“ (Wöhe, G./ Bilstein, J./ Ernst, D./ Häcker, J.: Grundzüge der Unternehmensfinanzierung München 2013, S. 393, http: / / elibrary.vahlen.de/ 10.15358/ 9783800645831-232.pdf? page=1 / Abruf 01.09.2016) Bezogen auf ein konkretes Land bedeutet dieses Herangehen, dass man als Nichtbank nur mit einer Bank zusammenarbeitet. Dabei sind i.d.R. Filialen und Tochtergesellschaften involviert. Grundsätzlich kann unterstellt werden, dass physisches Pooling hier machbar ist. Der Overlay-Bank-Ansatz Abb. 9.18: Strukturvariante des Overlay Bank-Ansatzes. Quelle: Riedl, G., a.a.O. Das Modell des Overlay Bank-Ansatzes beinhaltet eine „heterogene Infrastruktur“: Die auf lokaler Ebene tätigen Konzernunternehmen arbeiten weiterhin mit unterschiedlichen lokalen Banken speziell bei Ein- und Auszahlungen auf einem normalen Kontokorrent zusammen. Dabei können Gelder auf unterschiedlichen Wegen übertragen, werden, auch ein electronic Banking kann spezifisch gestaltet sein. Überschüssige Liquidität fließt real (physisch) auf ein Poolkonto einer nationalen Cash-Management-Bank. Anders gesagt: je nach Situation wird die auf den Konten vorhandenen Liquiditäten in einem Landespool physisch/ real zusammengefasst, letztendlich werden alle Kontenbestände in dem Spitzeninstitut Landesgrenzen überschreitend notional (virtuell / fiktiv) konzentriert (vgl. Riedl, G.: Der bankbetriebliche Zahlungsverkehr, Heidelberg 2002, Abschnitt 9.3.2.1 Selektion von Zahlungsverkehrsbanken im Rahmen des Euro Cash Pooling, S. 341- 343. https: / / www.amazon.de/ Bankbetriebliche-Zahlungsverkehr-Infrastruktur-Innovationen-Zahlungsverkehrsabwicklung/ dp/ 3790814520#reader_3790814520 / Abruf 01.07.2016) Diese oben widergespiegelte Auffassung von einer Overlay-Struktur orientiert sich eindeutig an der Eurozone (siehe die Namen der Bankenstandorte). Die nachfolgende Beschreibung ist dagegen allgemeingültiger. Es „… können sogenannte „Overlay“-Strukturen als Dach über bestehende Kontenstrukturen zum Einsatz kommen. Eine „Overlay“-Struktur bietet den Vorteil, dass die bestehenden Bankkonten bzw. nationalen Cash <?page no="583"?> 584 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Pooling nicht geändert werden müssen und dennoch überschüssige Liquidität physisch von den Konten abgeführt werden kann. Vereinfacht bedeutet dies, dass durch die begleitende Bank (Pooling Bank) in den entsprechenden Ländern ein Bankkonto eröffnet wird, über die ein Liquiditätsausgleich in einem nationalen Cash Pool erfolgt. Nunmehr kann die Pooling Bank über die überschüssige Liquidität verfügen und die Bestände dann zum Beispiel in Hauptwährungen überführen und/ oder Geschäfte zu Geldanlage tätigen.“ (Liedtke, A., Möglichkeiten zur Ausgestaltung eines grenzüberschreitenden Cash Pooling, 2014, https: / / home.kpmg.com/ de/ de/ home/ themen/ 2014/ 10/ ausgestaltung-cash-poolings.html / Abfrage 08.08.2016) 9.8 Cash Management, spez. CASH POOLING Tochtergesellschaften einer (in Darstellung nicht genannten Mutter-Bank). Sie fungieren als Cash- Management Banken. Dort erfolgt (z.B. wöchentlich) die Konzentration der Liquidität (im Ergebnis von Einzahlungen minus Auszahlungen) der im Lande tätigen Gesellschaften/ Filialen des (Industrie-)Konzerns auf dem Konto bei jeweils ihrer lokalen Bank. Das müssen diese Gesellschaften veranlassen, hier gibt es keinen Automatismus. Die verschiedenen lokalen Banken kooperieren vielfach nicht (wie Mutter- und Tochtergesellschaften) mit einer Cash-Management Bank (in der Abbildung „Network Bank“ genannt). Der Kontogläubiger kann z.B. mittels einer SWIFT-Nachricht eine Überweisung auslösen oder durch eine manuell getätigte Überweisung oder auf Basis einer jederzeit widerrufbaren Autorisierung der entsprechenden lokalen Bank, regelmäßig das betreffende Konto leeren lassen. Darauf baut ein virtuelles Pooling auf, weil jetzt international operiert (informiert) wird und beliebige Konvertierungen und Transfers nicht sinnvoll oder erlaubt sind. In der Zentrale der Corporation werden dann die drei Salden in eine festgelegte Währung, wie USD, umgerechnet, so dass die fiktive Liqidität konsolidiert feststeht (siehe die nachfolgende Literaturangabe / Internetadresse.) Abb. 9.19: Bank Overlay Structure. Quelle: Continuing professional education / CPE / National Association of State Board / USA http: / / www.accountingtools.com/ bank-overlay-structure / Abruf 08.07.2016 <?page no="584"?> 9.8 Cash Management, spez. CASH POOLING 585 Wovon hängt die Struktur der Konten / Banken ab? (Boyce, S., The Treasurer March 2014, https: / / www.treasurers.org/ pros-pooling / Abruf 12.07.2016) FALLBEISPIEL Cash Pooling „Internationale Liquiditätssteuerung mit Cash Pooling Cash Pooling als modernes Instrument des Cash Managements ermöglicht Konzernen eine Zentralisierung des Liquiditätsmanagements sowie eine Optimierung des Zinsergebnisses … Für Poolkonten wird monatlich eine fiktive Zinsabrechnung erstellt. Die Ergebnisse der sogenannten Schattenrechnung können als Grundlage für Ihre interne Zinsverteilung herangezogen werden. Die Implementierung eines Cash Pools und die Wahl des Poolingverfahrens setzen eine positive Analyse der rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen voraus. Cash Pooling Zero Balancing Im Rahmen des Zero Balancing (ZB) findet eine physische Konzentration der Liquidität auf einem bei der RBI geführten Master Account statt. Alle Salden der Poolkonten werden dabei täglich valutagerecht auf das Master Account übertragen. Verzinst und disponiert wird ausschließlich der Gruppensaldo, der sich nach dem Pooling auf dem Master Account befindet. Cash Pooling Zinskompensation Bei der Zinskompensation (Notional Pooling) werden die valutarischen Salden auf den eingebundenen Poolkonten täglich rein rechnerisch - zum Zwecke der Zinsoptimierung - kompensiert. Es finden keine physischen Poolingüberträge statt. Die Poolgesellschaften können somit autonom über ihre Konten verfügen. Verzinst wird der errechnete Gruppensaldo. Optional ist eine Zinsverteilung durch die RBI möglich. Cross-border Target Balancing Cross-border Target Balancing (CBTB) begleitet Ihr Unternehmen über die Grenzen hinaus und erlaubt effektives, bankenübergreifendes Pooling mit ausgewählten Raiffeisen Netzwerkbanken in CEE und westeuropäischen Partnerbanken auf Basis von SWIFT Nachrichten (MT940, MT942, MT101 und MT103). Ihre konzernweite Liquidität wird bei gleichzeitiger Optimierung des Zinsergebnisses auf das Master Account in der RBI gepoolt. Cross-border Zero Balancing Cross-border Zero Balancing (CBZB) ist eine Poolingmethode, die ein effektives grenzüberschreitendes und bankenübergreifendes Cash Pooling mit Originalvaluta ermöglicht. Ihre konzernweite Liquidität wird bei gleichzeitiger Optimierung des Zinsergebnisses valutagerecht in der RBI konzentriert. CBZB wird mit ausgewählten Raiffeisen Netzwerkbanken in CEE sowie westeuropäischen Partnerbanken angeboten. <?page no="585"?> 586 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Cross-border Margenpooling Das Cross-border Margenpooling (CBMP) ermöglicht sowohl eine grenzals auch eine währungsübergreifende Zinsoptimierung. Da die Berechnung auf fiktiver Basis erfolgt, stellt das CBMP vor allem in Ländern, in denen die rechtlichen Rahmenbedingungen ein effektives Pooling nicht erlauben, eine attraktive Alternative zum physischen Pooling dar. Aufgrund der starken Präsenz der RBI und der Raiffeisen Netzwerkbanken in Mittel- und Osteuropa wird das CBMP für die gesamte CEE-Region angeboten. Cross-currency Notional Pooling Das Cross-currency Notional Pooling (CCNP) ermöglicht eine währungsübergreifende Zinsoptimierung. Im Vergleich zur klassischen Zinskompensation, die ausschließlich währungsrein funktioniert, können beim CCNP RBI-Konten in unterschiedlichen Währungen eingebunden werden. Die Berücksichtigung der verschiedenen Zinssätze erfolgt mittels F/ X Swaps. Internationale Liquiditätsinformation Diese online-Informationsplattform bietet einen Überblick über die konzernweite Liquidität - sowohl in Lokalwährung als auch in einer Basiswährung. Da es sich um ein reines Informationstool handelt, finden keine grenzüberschreitenden Transfers statt … Raiffeisen-Netzwerk in CEE (Zentral- und Ost-Europa): In CEE decken ihre Tochterbanken de facto die gesamte Region ab: 14,9 Millionen Kunden werden in knapp 2.700 Geschäftsstellen im Kommerz- und Privatkundengeschäft sowie Investment Banking betreut. (https: / / www.rbinternational.com/ eBusiness/ 01_template1/ 826124957350877869-826099713680572860- 826563632619103703-NA-1-NA.html https: / / www.rbinternational.com/ eBusiness/ 01_template1/ 826124957350877869-826099762804261394- 827314370177336113-NA-1-NA.html https: / / www.rbinternational.com/ eBusiness/ 01_template1/ 826124957350877869-826099278278263040- 827272844554340379-NA-1-NA.html / Abrufe 14.07.2016) Fallbeispiel Cash-MANAGEMENT-Lösung SAP-ERP SAP ERP „SAP ERP ist das Hauptprodukt des deutschen Software-Unternehmens SAP SE, das es seit 1993 vertreibt. ERP steht für Enterprise-Ressource-Planning oder Unternehmens-Informationssystem, womit alle geschäftsrelevanten Bereiche eines Unternehmens im Zusammenhang betrachtet werden können.“ Gabler Wirtschaftslexikon, http: / / wirtschaftslexikon.gabler.de/ Definition/ enterprise-resource-planning-system.html <?page no="586"?> 9.9 Wesen, Erscheinungsformen usw. von Cash Pooling 587 Enterprise-Resource-Planning-System „Ein Enterprise-Resource-Planning-System (ERP-System) unterstützt sämtliche in einem Unternehmen ablaufenden Geschäftsprozesse. Es enthält Module für die Bereiche Beschaffung, Produktion, Vertrieb, Anlagenwirtschaft, Personalwesen, Finanz- und Rechnungswesen usw., die über eine gemeinsame Datenbasis miteinander verbunden sind.“ Abb. 9. 20: Reporting / Disposition. Quelle: SYMQ Finance Solutions - Cash Management http: / / www.hanseorga-group.com/ fileadmin/ websites/ symq/ DE/ Broschueren/ SymQ_Cash_Management_DE.pdf / Abfrage 24.05.2016 9.9 Wesen, Erscheinungsformen usw. von Cash Pooling In diesem Abschnitt werden behandelt: 1. Cash Pooling prinzipiell 2. Cash Concentration 3. National Pooling 4. Global Cash Pooling + Internationales Cash Pooling Grundsätzliches zum Cash Pooling - Wesen, Erscheinungsformen Zur Kategorie Cash Pooling findet man nicht nur eine Erklärung in der Literatur. Bei Werdenich, M. heißt es dazu wörtlich: Unter Cash-Pooling - kurz Pooling - versteht man die Zusammenführung der vorhandenen liquiden Mittel auf wenige, idealerweise nur ein Zielkonto, das Master-Account. Cash-Pooling, zu deutsch die zentrale Kassenhaltung, ist wohl das bekannteste und am meisten umworbene Cash-Management-Instrument zur Effizienzsteigerung und „Automatisierung“ in der Disposition. <?page no="587"?> 588 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen (Werdenich, M., Modernes cash-Management, München 2008, S. 109, https: / / books.google.de/ books? id=ahiFkZIM0XQC&pg=PA116&lpg=PA116&dq=effektives+pooling+%2B+multicurrency&source=bl&ots=cWAXv-SsHm&sig= E6tWAalxqc3iMYc1pzaVjyiIz MI&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwie_8PAtuHPAhXFI8AKHUhrC20Q6AEIHjAA#v=onepage&q= effektives%20pooling%20%2B%20multicurrency&f=false / Abruf 17.10.2016) Buchser, M. definiert wie folgt: „In der Praxis hat sich als Form des Cash Managements … die Zentralisierung der Barmittel an einer Stelle, das Cash Pooling, etabliert. Auf dem Master Account der herrschenden Gesellschaft oder der für die gesamte Konzernfinanzierung zuständigen Treasury-Gesellschaft (Pool Leader) werden die flüssigen Mittel der am Pool beteiligten Konzerngesellschaften zusammengeführt. Jede Teilnehmergesellschaft, welche auf ihrem Konto einen Liquiditätsüberschuss hat, überweist diesen auf das Konto des Pool Leaders. Die sich im Minus befindenden Teilnehmergesellschaften erhalten vom Master Account die erforderlichen Mittel, um ihre Konti auszugleichen.“ (M. Buchser, Liquiditätsbewirtschaftung im Cash Pool - aktuelle Hürden und Hindernisse im schweizerischen Privat und Steuerrecht. http: / / www.zcgroup.org/ sites/ default/ files/ feltoltesek/ publikationen/ Liquidaetsbewirtschaftung_im_cashpool.pdf / Abruf 03.08.2016) Den Ausgangspunkt für die Erklärung des Phänomens liefern die angestrebten grundlegenden Effekte. Wir können aber auch die strukturell-organisatorischen Merkmale in den Blick nehmen und uns damit ein stärker differenziertes Bild zu erarbeiten. - Was kann man mit Pooling erreichen? - Welche Vorzüge bietet ein solches Vorgehen? Bei Werdenich findet sich folgende, den Sachverhalt in stark verkürzenden Aussagen: Cash-Relevanz:  Konzentration der Liquidität → bessere Disposition  Zinsersparnis (Modernes Cash-Management, München 2008, S. 109, https: / / books.google.de/ books? id=ahiFkZIM0XQC&pg =PA116&lpg=PA116&dq=effektives+pooling+%2B+multicurrency&source= bl&ots=cWAXv-SsHm&sig= E6tWAalxqc3iMYc1pzaVjyiIzMI&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwie_8PAtuHPAhXFI8AKHUhrC20Q6AEIHjAA#v=onepage&q=effektives%20pooling%20%2B%20multicurrency&f=false / Abruf 18.10.2016) Die o.g. möglichen positiven Effekte kann man auch als Chancen bezeichnen, ihnen stehen Risiken gegenüber. SOLLANEK schreibt dazu (s. Abb. 9.21): Abb. 9.21: Chancen und Risiken von Cash Pooling kurzgefasst. Quelle: Sollanek, A.: Cash-Management-Systeme, Düsseldorf 2005, S. 89 http: / / www.boeckler.de/ pdf/ p_edition_hbs_139.pdf / Abfrage 03.06.2016 <?page no="588"?> 9.9 Wesen, Erscheinungsformen usw. von Cash Pooling 589  Die in einem Verbund von Gesellschaften verfügbaren flüssigen Mittel werden sichtbar und können für Investitionen oder zur Deckung des kurzfristigen, operativen Finanzbedarfs verwendet werden.  Das zwecks Cash Pooling installierte System von Konten und Übertragungsinstrumenten macht es einfach und schnell möglich, die gesammelten Mittel zu „bedürftigen“ Mitgliedsgesellschaften zu transferieren, die sie brauchen.  Die Transaktionskosten verringern sich, weil weniger externe Geldzu- und -abflüsse stattfinden und bei fremden Währungen nur der Nettobetrag ggfs. getauscht werden muss.  Die Konzentration (prinzipiell) aller liquiden Mittel erleichtert das Abschätzen des langfristig zentral anlegbaren Betrages („Bodensatz“): mit der Höhe steigt der erzielbare Ertrag.  Es verbessert sich das Ergebnis aus Soll- und Habenzinsen bei den Banken: wenn insgesamt im Konzern ein Liquiditätsüberschuss existiert, gibt es nur Habenzins-Einnahmen. Damit wird vermieden, dass Gesellschaften mit momentan angespannter Liquiditätslage Schulden bei der Bank hoch verzinsen müssen.  Wenn der Konzern die Liquidität intern einmal nicht aussteuern kann und von der Bank ein Darlehen benötigt, agiert er mit höherer Markt-/ Verhandlungsmacht und bekommt bessere Konditionen. Eine automatisierte Pooling-Abwicklung erfolgt „valutagleich“ und vermeidet damit Floatzeiten zugunsten von Banken (vgl. insbesondere Buchser, a.a.O. S. 2-3.). Die o.g. möglichen positiven Effekte kann man auch als Chancen bezeichnen, ihnen stehen Risiken gegenüber, auf die im Weiteren noch näher eingegangen werden wird. Abb. 9.22: Chancen und Risiken von Cash Pooling kurzgefasst. Quelle: Sollanek, A.: Cash-Management-Systeme, Düsseldorf 2005, S. 89 Eine Cash Pooling Organisation besteht minimal aus zwei Konten und aus mindestens zwei Ebenen. Bei den am Pool beteiligten Konten werden zwei Arten unterschieden, es existieren Poolkonten (Unterkonten) / Pool Accounts und Hauptkonten / Master Accounts . Jede Poolingstruktur weist nur ein Master Account auf, das die Guthaben und Verbindlichkeiten des jeweiligen Kontenpools zusammenfasst. Unternehmen können mehrere Cash Pools betreiben, geordnet z.B. nach Währungen. Eine große Poolingorganisation kann in verschiedene Suborganisationen (Poolingkreise) eingeteilt sein, die jeweils aus Unterkonten und einem übergeordneten Konto bestehen über denen dann ein Masterkonto als Spitze der Hierarchie fungiert. Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht diese Begriffe: <?page no="589"?> 590 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Abb. 9.23: Poolingstruktur. Quelle: Polster (Hrsg), Handbuch Cash Pooling (2016), S. 4, Reading Sample Erklärung Wir betrachten eine Poolingstruktur mit zwei Poolingkreisen. Konto 1 fungiert als Master- Konto für alle anderen Konten des Schemas, die als Poolkonten bezeichnet sind. Nummer 5 und Nummer 6 werden in einem Zwischenschritt schon auf Poolkonto 3 konsolidiert. Eine solche zumindest zweistufige Poolingorganisation lehnt sich i.d.R. an die Organistionsstruktur des Unternehmens, des Konzerns an (vgl. Polster, a.a.O., S. 5). Es gibt eine Vielzahl von schematischen Darstellungen des prinzipiellen Wesens eines Cash Pools - siehe dazu das folgende Beispiel: Abb. 9.24: Idealtypische Cash Pooling-Struktur. Quelle: Barthold, B.M. http: / / www.accountingundcontrolling.ch/ finance/ rechtliche-und-steuerliche-aspekte-des-cash-pooling / Abruf 16.04.2016 Eine Gesellschaft/ Company entscheidet anhand ihrer spezifischen Bedingungen, welche der prinzipiellen Cash Pooling-Lösungen sie anwendet. Diese Spezifika zeigen sich vor allem wie folgt: <?page no="590"?> 9.9 Wesen, Erscheinungsformen usw. von Cash Pooling 591  Struktur der Gesellschaft und der zugehörigen Unternehmen/ Subsidiaries (geographische Ansiedelung/ Standorte, Standorte von Fremdwährungskonten),  Unternehmenskultur (Grad der Zentralisation, Autonomie bei Finanzentscheidungen),  Staatliche Regulierungen und Zwänge (Steuern, speziell Steuerabzug/ -einbehaltung, Verbote bezüglich Cash Pooling). (Boyce, S.: Having the right bank account structure in place could save your company money and mitigate risks. The Treasurer March 2014 https: / / www.treasurers.org/ pros-pooling / Abruf 12.07.2016)  Außerdem spielen die Anforderungen von Bankenseite (siehe One Bank Approach oder Overlay Structure) eine Rolle. Bei der Systematisierung des Cash Pooling werden in der Literatur unterschiedliche Begriffe angewendet. Wöhe, Bilstein, Ernst, Häcker systematisieren mit den Begriffen Art bzw. Variante (des Cash Pooling): Arten Varianten Cash Concentration Domestic Pooling Notional Pooling Cross Border Pooling (siehe auch Wöhe, G. u.a. 2013, S. 395, 397) Rieder unterscheidet dagegen zwischen den Pooling- Methoden (Cash Concentration, Notional Pooling) und Pooling- Arten . Letztere ergeben sich aus Merkmalen der in das Verfahren einbezogenen Konten. Als Merkmale benennt er Kontoinhaber, kontoführende Bank, Kontowährung und Sitz- Land (-Staat) der betreffenden Bank. Daraus resultieren  das unternehmensübergreifende CP (bei Konten unterschiedlicher Inhaber)  das bankübergreifende CP (bei Teilnahme mehrerer Banken)  das währungsübergreifende CP (bei verschiedenen Währungen)  das länderübergreifende CP (bei Beteiligung von Banken mit Sitz in verschiedenen Ländern / Cross Border Pooling) (Vgl. Riedel, W., Cash Pooling, Kapitel II: Methoden und Werkzeuge, Wien 2004, S. 46) Damit wird in der Fachliteratur das Systematisierungsmerkmal „Pooling-Art“ mit unterschiedlichem Inhalt benutzt. Prager, Simek, Waxenecker subsummieren Cash Concentration und Notional Pooling unter der Überschrift Methoden des CP (vgl. Polster / Hrsg./ Handbuch Cash Pooling, 2. Kapitel, Wien 2016, S. 7) Die Besonderheiten des Pooling-Prozesses zeigen sich (in den Banken) auch in den folgenden banktechnischen Begriffen (vgl. Polster (Hrsg.) Handbuch Cash Pooling, 2016, S. 5-7 https: / / www.amazon.de/ Handbuch-Cash-Pooling-Betriebswirtschaftliche-steuerliche/ dp/ 3714302859#reader_3714302859 / Abruf 06.10.2016) Liste ausgewählter banktechnischer Kategorien (zum Cash Pooling)  Pooling-Tag: Tag / Datum, wofür zwecks Pooling der Valuta-Saldo ermittelt wird, kann mit dem Verarbeitungs-Tag identisch sein <?page no="591"?> 592 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen  Verarbeitungs-Tag: Tag der Durchführung / Abwicklung des Pooling  Valuta-Saldo: auch valutarischer Saldo genannt, ist Ergebnis der Addition aller Umsätze mit Wertstellung/ Valuta für einen bestimmten Tag auf einem Konto an diesem Tag  Fortgeschriebener Valuta-Saldo (zum Pooling-Stichtag): beinhaltet neben dem Saldo für den Stichtag auch Salden (Umsätze) davorliegenden Tagen  Rückwirkendes Pooling: Pooling-Tag liegt vor dem Tag der Verarbeitung, für diesen Tag zeigt der Kontoauszug die Poolingbuchung an  End-of-day-Pooling: der Poolingübertrag bildet die letzte Kontobewegung des Tages (vor dem Kontoabschluss, Pooling = Tag = Verarbeitungs-Tag  Intra-day-Pooling: es erfolgen sogenannte untertägige Kontoinformationen, rechtzeitig vor den cut-off-Zeiten der Bank (= Grenze der Einreichungszeit einer Bank, bis zu dieser Zeit werden Zahlungsaufträge noch am selben Tag ausgeführt)  Pooling-Zeitraum: englisch „valuta range“, die Daten geben Auskunft darüber, welche Zeitspanne (rückwirkend oder im Voraus) das Pooling umfasst, ausgehend vom Verarbeitungstag werden für alle Tage des Zeitraums die Salden übertragen  Sweeping: Abfluss/ Ausgang/ Abschöpfung von einem Pool-Konto (zum Master-Konto) bei einem Haben-Saldo  Topping: Zufluss/ Eingang/ Eindeckung in ein Pool-Konto (vom Master-Konto) bei einem Soll- Saldo  Pooling-Übertrag: Transaktion am Verarbeitungstag, entweder Sweeping oder Topping  Zielsaldo/ Sockelbetrag/ Target Balance: Betrag, der bei Abschöpfung auf dem Pool-Konto verbleiben soll oder der bei Eindeckung wieder erreicht werden soll  Settlement-Line: festgelegte Größe für den Fortgeschriebenen Valuta-Saldo, je nach Festlegung löst eine Überschreitung ein Sweeping aus oder eine Unterschreitung ein Topping  Maximum-/ Minimum-Line: Synonyme für den Saldo, dessen Über- oder Unterschreitung das Pooling bewirkt  Poolingwährung: Hier gibt es keine einheitliche Haltung in der Fachliteratur und Praxis. Polster, B. schreibt: „In der Regel wird empfohlen, den Kontenpool währungsrein zu gestalten. Pro Währung sollte idealerweise eine eigene Poolingstruktur aufgesetzt werden. Währungsübergreifende, effektive Poolinglösungen sind technisch zwar möglich, aus Effizienz- und Kostengründen wird aber davon abgeraten“ (Polster, B., a.a.O. S. 7). Ganz anders die DANSKE BANK (DK): “Danske Bank offers you full visibility and control of liquidity across companies, borders and currencies with only one multicurrency account. Only one account“ (Danske Bank https: / / www.danskebank.com/ en-uk/ ci/ Products-Services/ Trans action-Services/ cashmanagement/ Liquidity-Management/ Pages/ Multicurrency-Solutions. aspx / Abruf 17.10.2016) Die Raiffeisen Bank International bietet dagegen das Cross Currency Pooling nur für das Notional Pooling an. <?page no="592"?> 9.10 Arten (Methoden) des Cash Pooling 593 9.10 A rten (Methoden) des Cash Pooling Cash Concentration Cash Concentration (oder Cash Sweeping), auf deutsch physisches Cash, Pooling (PCP)oder effektives bzw. reales Cash Pooling genannt, bedeutet in der Regel, dass täglich die Haben-Stände auf den Konten der Poolteilnehmer auf einen Master Account übertragen werden und von dort Soll-Stände ausgeglichen werden, soweit Liquidität verfügbar ist. Die Verbesserung der Liquidität ist das primäre Ziel. Das nachfolgende Schema (einschließlich Zahlenbeispiel) demonstriert die Interaktion und die Effekte eines Cash Pool: Abb. 9.25: Effektives Pooling - Beispiel für Ablauf und Effekt. Quelle: Polster, B., Handbuch Cash Pooling, Wien 2016, S. 7, https: / / books.google.de/ books? id=BBU0CwAAQBAJ&pg=PA30&lpg=PA30&dq=Barbara+Polster+Bankenpolitik&source=bl&ots=iiQS90SVUO&sig=Aohoafef3gE_iyyVgyglY24VoRs&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwix2MPklsrNAhWhAMAKHQIZA1MQ6AEILjAD#v=onepage&q=Barbara%20Polster%20Bankenpolitik&f=false / Abruf 28.06.2016 Polster benennt speziell für das effektive Pooling zwei (ökonomische) Ziele: Optimierung erstens des Ergebnisses bei Zinsen und zweitens des Liquiditätsmanagements (durch Zentralisierung der entsprechenden Planungs- und Steuerungsprozesse). Die Optimierung beinhaltet <?page no="593"?> 594 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen (Polster,B., a.a.O. S. 7-8) Zur Ausgestaltung stehen wieder zwei Verfahren zur Verfügung, die grundsätzlich folgendes beinhalten:  Das Zero Balancing: Die Soll- und Habensalden der Poolkonten werden täglich auf Null gestellt;  Das Target Balancing: Die teilnehmenden Gesellschaften behalten einen definierter (Sockel-)Betrag. Notional Cash Pooling NCP wird auch als fiktives oder virtuelles Cash Pooling bzw. Margen-CP bezeichnet: Hier werden die (positiven) Salden nicht real auf das Master Account übertragen, sondern es wird zum Stand informiert, auf allen in das Verfahren einbezogenen Salden ändert sich nichts. Die Verzinsung / Ermittlung des Zinsbetrages erfolgt aber anhand des beim Pool Leader als Information sich ergebenden Gesamtsaldos. Die Verbesserung der Zinserträge steht im Vordergrund. Betreffs der Bankpolitik schreibt M. Buchser: „Erforderlich ist, dass sämtliche Teilnehmergesellschaften ihre Konti bei derselben Bank führen. Aus den Saldi sämtlicher Konten wird täglich ein fiktiver Nettosaldo für den Konzern ermittelt, auf dem sich der Zins berechnen lässt.“ (Buchser, M.: Liquiditätsbewirtschaftung im Cash Pool - aktuelle Hürden und Hindernisse im CH Privat- und Steuerrecht, Steuer Revue 4/ 2011, Seite 4, http: / / www.zcgroup.org/ sites/ default/ files/ feltoltesek/ publikationen/ Liquidaetsbewirtschaftung_im_cashpool.pdf / Abruf 03.08.2016) Für die Schweiz konstantiert der o.g. Autor, dass es in der Praxis zu Entwicklungen beim Notional Pooling in Richtung des Zero Balancing kommt. Am Pool teilnehmende Gesellschaften stellen der Poolbank ihre Kontokorrent Habensaldi als Sicherheiten für die Sollsaldi anderer Teilnehmer zur Verfügung, dazu nutzen sie das Mittel der Verpfändung oder es werden Abreden mit der Bank getroffen, die eine Verrechnung zwischen Konzerngesellschaften erlauben (sog. Konzernverrechnungsklausel), die Gesellschaft, die diese Sicherheit einräumt, kann damit nicht mehr über ihre Liquidität verfügen (vgl. Buchser a.a.O.). Fiktives Cash Pooling ist nicht in allen Staaten erlaubt, z. B. nicht in den USA (vgl. LawMedia AG, Kloten / http: / / www.cash-pooling.ch/ cash-pool-arten / Abruf 13.08.2016). Das hybride Cash Pooling Dieses stellt eine Mischform von effektivem und virtuellem Pooling dar. Die vorrangige Zielstellung besteht darin, angesichts verschiedener Währungen im Konzern Kosten zu reduzieren, <?page no="594"?> 9.11 Juristische Aspekte: AG, GmbH, Cash Pool Master 595 die durch Kurssicherungsund/ oder Umtauschmaßnahmen normalerweise (nämlich bei effektivem Pooling) entstehen. Dabei werden von den auf EUR lautenden Konten die Salden real transferiert, während Salden auf Konten in anderen Währungen nur als Information (virtuelles) konzentriert werden (siehe Overlay-Struktur). Weitergehende Informationen hierzu unter https: / / books.google.de/ books? id=P1A9CwAAQBAJ&pg=PT94&lpg=PT94&dq=externe+Liquidit%C3%A4t&source=bl&ots=cxZynXQUpP&sig=JwVwEZ3IITpHo7mLt-ptnJB3R4o&hl= de&sa=X&ved=0ahUKEwjLyPvA5YjNAhXkDMAKHdSkDwIQ6AEISzAH#v=onepage&q&f=false Varianten des Cash Pooling Domestic CP Cross Border Pooling Abb. 9.26: Multy Currency Notional Cash Pool Structure. Quelle: Boyce, S., The Treasurer March 2014, https: / / www.treasurers.org/ pros-pooling / Abruf 12.07.2016, 9.11 Juristische Aspekte: AG, GmbH, Cash Pool Master Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) 2009 war Cash Pooling durch die Rechtsprechung in Deutschland erheblich behindert. Inzwischen kann man die Haltung des Gesetzgebers in dieser Frage so charakterisieren: Cash Pooling ist für die Unternehmen grundsätzlich wirtschaftlich nützlich, das gilt nicht nur für Muttergesellschaften (als Obergesellschaften) von Konzernen, sondern i.d.R. auch für Tochtergesellschaften (als Untergesellschaften). Das Cash Pooling finanziert in zwei Richtungen: Erstens wird der Obergesellschaft durch sogenannte aufsteigende Darlehen (upstream loans) kurzfristige Liquidität von den Untergesellschaften zur Verfügung gestellt, zweitens kehrt sich <?page no="595"?> 596 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen in Gestalt von absteigenden Darlehen (downstream loans) der Zahlungsstrom um, wenn Untergesellschaften Finanzierung benötigen. Obwohl bei großen Konzernen der Umfang von solchen Finanztransaktionen mit dem kleiner oder mittelgroßer Banken vergleichbar ist, fordert der Gesetzgeber keine Banklizenz: „Als Kreditinstitut gelten …nicht: …Unternehmen, die Bankgeschäfte ausschließlich mit ihrem Mutterunternehmen oder ihren Tochter- oder Schwesterunternehmen betreiben“ (Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz - KWG) § 2 Ausnahmen, Ziffer 7). Cash Pool Master Die erfolgreiche Führung des Subsystems Cash Pooling durch den Cash Pool Master, auch als Cash Pool Management bezeichnet, umfa sst grundsätzlich folgende Aktivitäten:  Entwicklung, Bereitstellung, Unterhaltung der Infrastruktur eines Cash Pool  Durchführung der Transaktionen zwischen den am Pool Beteiligten  Vereinbarung der Konditionen (bzw. Fortschreibung gemäß aktuellem „Fremdvergleich“) intern im Pool  Aushandel der Konditionen extern mit der Bank  Erfüllung von Berichtspflichten (z.B. betr. Änderung der Zinssätze) gegenüber Poolmitgliedern aber auch gegenüber der Bank  Abschluss und Pflege von bilateralen oder multilateralen Verträgen mit den Mitgliedern  Vorbereitung der Aufnahme neuer Mitglieder oder des Austritts von Mitgliedern  Planung und Bereitstellung der Liquidität auf der Basis der Planung der einzelnen Mitglieder / Liquiditätsprognose  Risikomanagement für den Konzern, soweit es die für das Pooling relevanten Risiken betrifft (vgl. Polster, B. (Hrsg): Handbuch Cash Pooling (2016) S. 214/ 215). Betrachten wir Cash Pooling näher: Es bedeutet die automatische Zusammenführung von Liquiditätsüberschüssen bzw. Liquiditätsbedarfe aus verschiedenen Bankkonten der einbezogener Konzernunternehmen auf einem zentralen Konto (Master Konto). Die Übertragung erfolgt in der Regel täglich mit sofortiger Zinswirkung (Wertstellung taggleich mit dem Zahlungseingang / valutarisch). Das geschieht mit Hilfe eines Kreditinstitutes, das als Dienstleister fungiert (vgl. Billek, 2009, S. 5). Die Muttergesellschaft oder eine Konzerngesellschaft (sogenannte konzerneigene Finanzierungsgesellschaft) trägt die Verantwortung für das Master Kontos, die Buchhaltung macht die Bank. Es gilt der Grundsatz: Ein Liquiditätsdefizit eines am Cash Pool beteiligten Konzernunternehmens wird von den gemeinsamen liquiden Mitteln des Master Kontos ausgeglichen bevor auf die konzernexterne Maßnahme z.B. konzernexterne Kreditaufnahme zurückgegriffen wird (vgl. Hormuth, 1997, S. 56; vgl. Eilenberger, 1987, S. 80; Theisen, 2000, S. 455). Die Liquiditätsüberschüsse der Konzerngesellschaft werden vom Cash Pool-Führer auf dem Master Konto / Bankkonto angelegt, dieser gewährt auch die Darlehen an liquiditätsbedürftige Konzerngesellschaften (vgl. Wendland, 2009, S. 225). Die grundsätzlichen Strukturen eines Cash Pooling-Systems sehen wie folgt aus: Die Vorteile des Instrumentes Pooling zeigen sich vor allem wie folgt:  Durch diese zentrale Kassenhaltung soll verhindert werden, dass Liquiditätsbedarf (Sollsalden) <?page no="596"?> 9.11 Juristische Aspekte: AG, GmbH, Cash Pool Master 597 einer Konzerngesellschaft mit Fremdmitteln zu höheren Sollzinsen gedeckt werden, während Überschüsse (Habensalden) einer anderen Konzerngesellschaft mit niedrigeren Habenzinsen angelegt werden. Dadurch lässt sich die Differenz zwischen den Soll- und Habenzinssatz einsparen (vgl. Hormuth, 1997, S. 56f.). Als Folge werden die Kreditkosten durch Cash Pooling als Mittel der konzerninternen Finanzierung günstiger gestaltet, weil Fremdfinanzierung vermieden oder eingeschränkt wird.  Soweit es um Geldanlage geht, stehen dem Cash Pool-Führer größere, weil gesammelte Geldvolumina zur Verfügung, was zu Vorteilen bei den Zinsen und sonstigen Konditionen führt.  Die zentrale Zusammenfassung aller Reserven der einbezogenen Konzerngesellschaften ermöglicht auch einen niedrigeren, zentral vorgehaltenen Kassenbestand. Daher kann der überschüssige Betrag längerfristig angelegt werden und die Gesellschaften können von höheren Renditen profitieren. Auf diese Weise werden die Zinsopportunitätskosten reduziert (vgl. Hormuth, 1997, S. 84f.).  Pooling führt durch die Verrechnung der Liquiditätsüberschüsse und -defizite ferner zu einer Verkürzung der Konzern-Bilanz. Das kann große Summen betreffen. „Grundlage dieser Konsolidierung ist die in § 303 Abs. 1 HGB vorgeschriebene Eliminierung der sich im Rahmen des Cash Pooling ergebenden konzerninternen Forderungen und Verbindlichkeiten in der Konzernbilanz.“ Die Bilanzverkürzung führt wiederum zu einer Verbesserung wichtiger Kennzahlen der Bilanzanalyse, wie der Eigenkapitalquote. Zudem hat die mit dem Cash Pooling einhergehende Reduzierung der Anzahl an Kreditlinien auf Kontokorrentkonten der Tochtergesellschaften in Kombination mit einer möglichen Verringerung des Umfangs der Sicherheitenbestellung durch die Muttergesellschaft positive Auswirkungen auf das Konzern-Rating.“ (Lampe, F.: Cash Pooling als Instrument des konzernweiten Liquiditätsmanagements der GmbH vor dem Hintergrund des MoMiG, Abschnitt 2.2.2.2, München, GRIN Verlag 2008, http: / / www.grin.com/ de/ e-book/ 120249/ cash-pooling-als-instrument-des-konzernweiten-liquiditaetsmanagements-der / Abruf 12.04.2016 Die Bilanzverkürzung verbessert Kennzahlen der Bilanzanalyse, wie die Erhöhung der Eigenkapitalquote, und verringert die Fremdkapitalquote.  In größeren Konzernen existieren Beziehungen zu vielen Banken. Mit dem Pooling kann nicht nur die Zahl der Konten, sondern auch der Bankverbindungen verkleinert werden, was dieses Netzwerk übersichtlicher und damit besser steuerbar macht.  Wenn alle am Pool beteiligten Unternehmen einen Haftungsverbund bilden, steigert das normalerweise die Sicherheit und erleichtert die Beschaffung von Fremdmitteln. Erklärung Zum Haftungsverbund der deutschen Sparkassen-Finanzgruppe heißt es: „Der Verbund dient der Sicherung der Solvenz und Liquidität der angeschlossenen Institute und leistet Hilfe, wenn drohende oder bereits bestehende wirtschaftliche Schwierigkeiten auftreten. Diese Hilfe kann erfolgen durch die Zufuhr von Eigenmitteln, die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder verzinslichen Schuldversprechen, die Erfüllung von Ansprüchen Dritter.“ (Finanz-Lexikon, https: / / www.finanz-lexikon.de/ haftungsverbund_2930.html / Abruf 12.04.2016, PaySol GmbH & Co. KG Payment Solutions, Dresden) <?page no="597"?> 598 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Zu Nachteilen des Pooling wird in der Fachliteratur vor allem folgendes gesagt:  Gesellschaften, die an die Obergesellschaft Gelder abführen, besitzen einen schuldrechtlichen Rückgewähranspruch gegen diese. Eine Konzernmutter kann aber auch in Insolvenzgefahr geraten, das Ausfallrisiko ist nicht auszuschließen.  Darüber hinaus können die Untergesellschaften nicht ihre Anlage auf mehrere Unternehmen aufteilen und so ihr Ausfallrisiko für die gesamte Summe verringern 28 . Gerade beim Zero-Balancing wird die gesamte Liquidität an die Obergesellschaft abgeführt, so dass die Untergesellschaft immer darauf angewiesen ist von dieser wieder Liquidität zu erhalten.  Bei Zahlungsschwierigkeiten in der Obergesellschaft sind die Untergesellschaften involviert, wenn es einen Haftungsverbund gibt (lt. Rahmenvertrag mit der Bank sich zur gesamtschuldnerischen Haftung gezwungen)  In einem solchen Fall gibt es aber auch keine Liquidität mehr von der Obergesellschaft. Das Cash Pooling substituiert normalerweise bei den Untergesellschaften eigene, direkte Bankverbindungen weitgehend. Bei Ausfall der Kredite von der Konzernmutter sind dann andere Kreditgeber kaum zu finden.  Wenn ein gemeinsamer Finanzpool nicht wirksam kontrolliert wird, kann es zur Verschleierung von Missständen und Fehlentwicklungen bei einzelnen Mitgliedern kommen. Die direkte Kontrolle seitens der finanzierenden Bank endet i.d.R. bei der kreditaufnehmenden Obergesellschaft, die den Pool führt. Wenn Zinsen im Pool für zu- und abfließende Gelder willkürlich festgelegt und Skaleneffekte usw. nicht fair verteilt werden, geht das zu Lasten der Untergesellschaften (vgl. Kreienkamp Abschnitt III, 2009, a.a.O.). Implementierung eines Cash Pooling Wenn in einem Konzern ein Cash Pool eingerichtet werden soll, sind vor allem folgende Fragen zu beantworten: Wird a) eine Bank als Poolbetreiber gewählt oder macht das b) die Konzernmutter?  Fall a): welche Bank?  Fall b): an welcher Stelle (Bereich usw.) soll die Verantwortung für den Pool liegen bei welcher Bank wird das Masterkonto eingerichtet? - Welche Unternehmen werden einbezogen? - Effektives oder fiktives Pooling? - Pooling nach Währungen? - Einheitliche oder differenzierte Behandlung der Untergesellschaften hinsichtlich verbleibender Liquidität, eigener Bankkontakte usw.? - Soll gemeinschaftliche Haftung praktiziert werden, wenn ein Poolmitglied in Zahlungsschwierigkeiten kommt? Backhaus, D. (10.8.2015): FINANCE-Ratgeber: Cash Pooling richtig aufsetzen. http: / / www.financemagazin.de/ geld-liquiditaet/ cash-management/ finance-ratgeber-cash-pooling-richtig-aufsetzen- 1355299 / Abruf07.04.2016 Je mehr Banken, desto schwerer das Cash Pooling Beim Aufsetzen einer Cash-Pooling-Struktur entscheiden sich die meisten Unternehmen für ein physisches „Zero Balancing“. In diesem Fall werden alle an den Pool angeschlossenen Konten am Abend auf null gestellt. Überflüssiges Cash wird automatisch abgezogen und auf ein so genanntes Masterkonto transferiert. Konten, die im Minus sind, erhalten von dort aus Gutschriften. Alternativ <?page no="598"?> 9.11 Juristische Aspekte: AG, GmbH, Cash Pool Master 599 können Unternehmen auch gewisse Tagesendsalden definieren, die auf einzelnen Konten verbleiben sollen („Target Balancing“). Damit ist Cash Pooling nichts anderes als ein automatisiertes, unternehmensinternes Darlehen auf Tagesbasis - was bereits einige rechtliche Spannungsfelder erahnen lässt. Doch auch technisch ist diese Struktur anspruchsvoll und erfordert diverse Schnittstellen. Dies erzeugt eine Reihe von Problemen. Eine der größten Widrigkeiten ist, dass viele Banken keine Konten von Wettbewerbern in ihre Pooling-Strukturen einbauen wollen. Für Treasurer bedeutet das: Sie müssen Cash manuell hin und her schieben und gegebenenfalls verschiedene Masterkonten parallel unterhalten. Das ist lästig und aufwändig. Dennoch tun dies manche Treasurer mit Blick auf das Kontrahentenrisiko ohnehin - das gesamte Cash bei einer Bank zu parken ist spätestens seit der Finanzkrise keine Option mehr. Der französische Baukonzern Vinci etwa unterhält alleine in Europa aus diesen zwei Gründen zehn Masterkonten bei zehn verschiedenen Banken. Hürden beim grenzüberschreitenden Cash Pooling Wenn Unternehmen jenseits von Europa einen grenzüberschreitenden Cash Pool aufbauen wollen, wird es richtig kompliziert. So ist der grenzüberschreitende, automatisierte Transfer von Liquidität in einigen Ländern gar nicht erlaubt. Experten sprechen dann von Trapped Cash. Das gilt etwa für Indien und Brasilien, während das ehemals hochregulierte China in Bezug auf Cash Pooling immer liberaler wird. Im Allgemeinen nehmen viele Schwellenländer in Asien und Lateinamerika, zum Teil aber auch in Osteuropa, Einschränkungen im Rahmen von Kapitalverkehrskontrollen vor. Ohne entsprechende Genehmigungen von lokalen Behörden geht hier oft nichts. In vielen Ländern machen zudem hohe Quellensteuern unternehmensinterne Darlehen unrentabel. In diesen Regionen müssen Treasurer daher mit ihren Banken sehr individuelle Lösungen finden - oder auch die strategische Entscheidung treffen, dass der Aufwand den Nutzen nicht lohnt. Selbst ein Großkonzern wie das Darmstädter Dax-Unternehmen Merck sieht sich daher beim Thema Cash Pooling noch nicht am Ziel. Ein Cash Pool ist zwar vorhanden, aber einige Tochtergesellschaften in wichtigen Ländern sind außen vor. Cash Pooling im Ausland: Staaten achten auf faire Konditionen Die rechtliche Dimension ist die vielleicht die heikelste beim Thema Cash Pooling. Auch hier macht jedes Land andere Vorgaben, was die Einhaltung der Regeln nicht gerade vereinfacht. Eine Vorschrift, die viele Länder im Grundsatz teilen, ist dagegen das „Arms Length“-Prinzip. Mit anderen Worten: Zinsen, Kreditlimits und Sicherheiten, die der Konzern im Rahmen des Cash-Pooling-Vertrags festlegt, müssen sich an den Konditionen orientieren, die auch Banken verlangen würden - andernfalls sind sie anfechtbar. Für die kreditgebende Tochtergesellschaft ist das eine gute Nachricht, bietet es ihr doch zusätzliche Sicherheit, dass die Konditionen des Cash Pooling nicht so ausgestaltet werden, dass der Mutterkonzern auf diesem Wege nicht nur Cash, sondern auch Gewinne absaugt. Aus Sicht des Gesamtkonzerns beraubt diese Vorschrift den Cash Pool aber einen Teil seiner Attraktivität - die günstigere Finanzierung auf Konzernebene. Mit so genanntem „Notional Pooling“ können Unternehmen diese Vorschriften umgehen: In diesem Fall transferiert die Bank das Geld nicht physisch, sondern führt Kontosalden nur fiktiv zusammen. So optimiert die Treasury-Abteilung die konzernweiten Zinszahlungen und kann im Falle eines Zusammenführens verschiedener Währungen auch Wechselkursrisiken ausschalten. Die anderen Vorteile entfallen jedoch, da das Cash nicht zentralisiert wird. Dafür wird Notional Pooling nicht als unternehmensinternes Darlehen gewertet. Viele Unternehmen nutzen daher auch Mischformen aus physischem und Notional Pooling. <?page no="599"?> 600 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Im Falle einer Insolvenz drohen Haftungsrisiken In Deutschland gilt das „Arms Length“-Prinzip beim Cash Pooling seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2001, das im Zusammenhang mit der Pleite der Bremer Vulkan-Werft gefällt wurde. Die Schweiz hat diese Praxis kürzlich noch einmal verschärft als Folge der 2002 in die Pleite geschlitterten Swissair-Gruppe. Unternehmen sollten diese Vorschriften ernst nehmen. Insbesondere in kriselnden Konzernen droht deutschen CFOs und Managern der Tochtergesellschaften andernfalls die persönliche Haftung. Wenn sie davon ausgehen, dass ihr Unternehmen das in den Cash Pool eingezahlte Geld nicht zurückbekommt, das im Falle einer Insolvenz nachrangig bedient würde, müssen sie den Vertrag kündigen. Das ist der Grund, weshalb beispielsweise der Immobilienkonzern IVG während der heißen Phase der Sanierung im Sommer 2013 den Cash Pool als „rechtliche Vorsichtsmaßnahme“ abgeschaltet hatte. Deutschland ist in diesen Belangen besonders streng. Gerade Manager deutscher Tochtergesellschaften, die Teil internationaler Cash Pools sind, stellt dies oft vor Probleme: Sie müssen in den Vertragsverhandlungen auf viel weitergehende Informations- und Kündigungsrechte über die finanzielle Lage der Mutter pochen als etwa ihre holländischen und britischen Kollegen. Umgekehrt sollten auch deutsche Konzern-CFOs die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Manager ihrer lokalen Tochtergesellschaften berücksichtigen. All diese Punkte zeigen: Ein Cash-Pooling-Projekt ist nie ganz erledigt und erfordert ein hohes Maß an Professionalität. Aber die Vorteile sind so enorm, dass CFOs und Treasurer ab einer gewissen Unternehmensgröße kaum mehr um den Aufbau eines Cash Pools herumkommen. Exkurs - Balance Reporting Die erfolgreiche Durchführung des Cash Pooling ist stark von der Zusammenarbeit mit den Kreditinstituten, den Pooling-Dienstleistung-Anbieter abhängig. Diese Art der Kooperation wird als Balance Reporting bezeichnet (vgl. Schmeisser u. a., 2012, S. 235). Balance Reporting ist ein Baustein eines von Kreditinstituten angebotenen Cash Management Systems. Hierunter wird ein elektronischer Kontoauszug verstanden, der eine Informationsfunktion hat. Die vergangenheitsbezogenen und zukunftsbezogenen Informationen lassen sich über sämtliche, weltweit geführte Konten der Konzerngesellschaften abrufen und zur Prognose und Planung sowie Disposition verwenden (vgl. Perridon/ Steiner/ Rathgeber, 2012, S. 156f.). Dadurch wird eine optimale Datenbasis für das Cash Management erstellt, besonders für die Disposition zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit sowie die Gestaltung der Zahlungsströme wie die Ermittlung der Buchsalden sowie Valutasalden von Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge. Informationen über Fälligkeiten, Tilgungstand, Restschulden von Kontokorrentkonten, Darlehens- und Termingeld-Konten sowie kurzfristige Geldanlage- und Geldaufnahmegeschäfte können ebenfalls durch diese Dienstleistung vom Kreditinstitut mitgeteilt werden. Allerdings sind die Kosten eines solchen Verarbeitungs- und Informationssystems nicht zu vernachlässigen und müssen im Kosten-Nutzen-Verhältnis betrachtet werden (vgl. Schmeisser u. a., 2012, S. 240). Cash Pooling kann in folgenden wesentlichen Formen erscheinen (Schmeisser, a.a.O., S. 236ff; vgl. Rieder, 2004, S. 46; vgl. Hormuth, 1997, S. 60):  Effektives Cash Pooling wird auch als physisches Pooling oder Cash Concentration genannt. Diese Cash Pooling-Form führt zu Überträgen zwischen den Konten.  Fiktives Cash Pooling (auch als virtuelles Pooling oder Notional Cash Pooling bezeichnet). Bei diesem werden Valutasalden der real existierenden Einzelkonten nur virtuell aufgerechnet, also keine Liquiditätsübertragung. Nur der Gesamtsaldo wird verzinst. <?page no="600"?> 9.11 Juristische Aspekte: AG, GmbH, Cash Pool Master 601  Grenzüberschreitendes Cash Pooling: Bei international tätigen Konzernen besteht die Komplexität des Cash Pooling wegen des Vorliegens der Liquidität in verschiedenen Fremdwährungen. In diesem Fall findet entweder die Methode des physischen oder fiktiven Pooling seine Anwendung. Zur Realisierung des internationalen Cash Pooling handelt es sich im Einzelnen um mögliche Arten von Pooling: Single Currency Pooling und Multi Currency Pooling. Grundstruktur des Pooling Die Poolingstruktur besteht aus mindesten zwei oder mehrere Einzelkonten (Ursprungkonten) der Konzerngesellschaften. Es ergibt sich dabei genau einen Master Konto oder Hauptkonto bei dem Cash Pool-Führer und mindestens ein abgebendes Konto. Ein aufnehmendes und ein abgebendes Konto ergeben eine Teilstruktur des Pooling, den so genannter Poolingkreis. Die Begriffe „abgebend“ und „aufnehmend“ werden nicht als tatsächlichen Liquiditätsabfluss und Liquiditätszufluss zwischen den Konten bezeichnet, sondern es handelt sich ausschließlich um den unmittelbaren hierarchischen Zusammenhang der einbezogenen Konten. Die Anzahl der möglichen Poolingkreise wird von der Organisationsstruktur des Konzerns und seiner Konzerngesellschaften bestimmt. Vorteile von solchen Poolingkreisen finden sich in der Anwendung bei der Konzerngesellschaft mit mehreren Niederlassungen oder bei einem grenzübergreifenden Konzern (vgl. Rieder, 2004, S. 47). Anhand der unterlegenden Abbildung 9.27 wird die Grundstruktur eines Pooling veranschaulicht. Abb. 9.27: Grundstruktur eines Pooling - Poolingkreise. Quelle: In Anlehnung an Rieder, 2004, S. 67. Effektives Cash Pooling (physisches Cash Pooling) Das effektive Cash Pooling, auch physisches Cash Pooling oder Cash Concentration genannt, ist die in der Praxis am meisten verwendete Pooling-Form. Bei dem Verfahren werden alle Valutasalden der Ursprungkonten - die am Pooling teilnehmen - physisch auf das Master Konto transferiert. Bei einem positiven Saldo einer Konzerngesellschaft lässt sich der Betrag zu Gunsten des Master Kontos abschöpfen. Bei einem Soll-Saldo wird der Betrag zu Lasten des Master Kontos ausgeglichen (Schmeisser, a.a.O., S. 236ff; vgl. Rieder, 2004, S. 46; vgl. Hormuth, 1997, S. 60). Die Salden werden automatisch zu einem bestimmten Zeitpunkt, in der Regel bankarbeitstäglich durch die Bank konsolidiert bzw. gutgeschrieben. Sofern das Master Konto nach dem konzern- Muttergesellschaft Master Konto Konzerngesellschaft A (Konto A) abgebend + aufnehmend Niederlassung 1 abgebendes Konto Konzerngesellschaft B (Konto B) abgebend Niederlassung 2 abgebendes Konto Poolingkreise <?page no="601"?> 602 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen internen Liquiditätsausgleich einen Haben-Saldo aufweist, wird die überschüssige Liquidität angelegt bzw. wird gegebenenfalls genau der Betrag des Soll-Saldos z.B. durch Kreditaufnahme gedeckt. Anders ausgedrückt: Weist ein Unterkonto einen positiven Saldo auf, so gibt das entsprechende Poolmitglied ein „aufsteigendes Darlehen“ („upstream-loan“) in den Cash-Pool. Erfolgt hingegen die Glattstellung des Unterkontos zu Lasten des bei der Betreibergesellschaft / Konzernmutter geführten Zielkontos, so wird der am Cash-Pool beteiligten Gesellschaft ein „absteigendes Darlehen“ („downstream-loan“) ausgereicht. Auf diese Weise ist es für den Konzern möglich, bessere Übersicht über die Liquiditätssituation zu erhalten, Zinsaufwendung zu reduzieren bzw. die Kreditkosten des Konzerns im Rahmen zu halten und dadurch die Rentabilität des Konzerns zu steigern (vgl. Jauch, 2007, 17ff; vgl. Hormuth, 1997, S. 58). Bei dem banktäglich stattfindenden Liquiditätsausgleich wird zwischen dem sogenannten „Zero- Balancing“ und dem „Target- oder Conditional Balancing“ differenziert: Während bei dem in der Praxis üblichen „Zero-Balancing“ sämtliche Unterkonten auf einen Saldo von „Null“ gesetzt werden, werden die Konten beim „Conditional Balancing“ nur bis zu einem bestimmten Betrag ausgeglichen. Weist das Unterkonto einen positiven Saldo auf, so speist das am Verfahren beteiligte Unternehmen durch ein sogenanntes „aufsteigendes Darlehen“ bzw. ein „upstream-loan“ den Cash-Pool. Erfolgt hingegen die Glattstellung des Unterkontos zu Lasten des bei der Betreibergesellschaft geführten Zielkontos, so wird der am Cash-Pool beteiligten Gesellschaft ein sogenanntes „absteigendes Darlehen“ bzw. „down-stream-loan“ gewährt (zur Kategorisierung als Darlehen gleich eingehend unter IV.). Es gibt jedoch einige Schwierigkeiten beim effektiven Cash Pooling. Ein automatischer Liquiditätsausgleich zwischen den Konten ist in der Regel nicht realisierbar, sobald mehre verschiedene Kreditinstitute in das Pooling einbezogen sind. Zumindest in größeren Konzernen lassen sich die Zahlungsverkehrskonten nicht auf ein Kreditinstitut beschränken. Der Ausgleich ist somit manuell vorzunehmen (vgl. Hormuth, 1997, S. 58ff.). Sämtliche Konten müssen bei einem Kreditinstitut durchgeführt werden. Dadurch besteht die Gefahr der starken Abhängigkeit von dem Dienstleistungsanbieter. Eine Ausnahme besteht, wenn Verträge für die Verpflichtung des Einzugs der anderen Bankkonten in eigenen Cash Pool zwischen den Kreditinstituten abgeschlossen sind. Allerdings ist diese Verhandlung mit Kosten verbunden (vgl. Jauch, 2007, 27). Wenn eine sehr kurzfristige Änderung am eingerichteten Pool aus Konzernsicht vorgenommen werden muss, können die nicht-berücksichtigten Änderungswünsche seitens der Bank ein weiterer Nachteil des physischen Cash Pooling werden. Es gibt zwei Möglichkeiten zur Durchführung dieses physischen Cash Pooling (vgl. Jauch, 2007, 17ff; vgl. Hormuth, 1997, S. 58):  Zero Balancing : Alle Ursprungkonten werden dabei automatisch auf Saldo Null gestellt bzw. vollständige Beträge der Ursprungskonten werden auf das Master Konto übertragen. Und davon je nach Bedarf werden sie an die Konzerngesellschaften umverteilt bzw. am Kapitalmarkt angelegt. Dabei können sich möglicherweise devisen- und steuerrechtliche Beschränkungen bei dem länderübergreifenden Einsatz ergeben.  Target Balancing : Es handelt sich hierbei ebenfalls um eine automatische Liquiditätsübertragung. Allerdings kann der Mindestumfang der zu übertragenden Valutasalden festgelegt werden. Trotz Pooling hat diese Art die weiterhin verfügbare Liquidität der Tochtergesellschaften als Vorteil gegenüber dem Zero Balancing. <?page no="602"?> 9.11 Juristische Aspekte: AG, GmbH, Cash Pool Master 603 Folgend wird der Ablauf sowie die finanzielle Wirkung des effektiven Cash Pooling mit Zero Balancing Verfahren anhand eines Beispiels verdeutlicht. Beispielunternehmen Ein Konzern besteht aus der Muttergesellschaft Y und drei Konzerngesellschaften A, B sowie C und betreibt das effektive Cash Pooling mit dem Zero (vgl. Jauch, 2007, S. 21ff.). Situation vor dem Pooling Vor Durchführung des Pooling müssen genaue Rechte und Pflichten der einzelnen Gesellschaften geregelt werden. Dafür wird ein Vertrag zwischen den drei beteiligten Konzerngesellschaften abgeschlossen. Danach wird ein Kreditinstitut ausgewählt, das eine Pooling-Dienstleistung anbietet. Dabei sollen alle Konten der Konzerngesellschaften bei dem gleichen Kreditinstitut geführt werden. Die Konzerngesellschaften A, B weisen am Ende des Werktages einen negativen Saldo in Höhe von 55 Tsd. Euro bzw. 135 Tsd. Euro auf. Die Gesellschaft C hat positiven Saldo in Höhe von 100 Tsd. Euro. Der Haben-Saldo wird mit 4,5 % p.a. verzinst und der negative Saldo mit Sollzinssatz in Höhe von 8 %. Die Salden sind in Tabelle 9.10 zusammengefasst. Es ergibt sich eine gesamte Zinsbelastung für den Konzern ohne Pooling in Höhe von 10,7 Tsd. Euro. Kontostand Zinssatz in % Konzerngesellschaft A - 55.000,00 € 8% Konzerngesellschaft B - 135.000,00 € 8% Konzerngesellschaft C 100.000,00 € 4,5% Gesamte Zinsbelastung für den Konzern - 10.700,00 € hochgerechnet (ceteris paribus) p.a. Tab. 9.3: Zinsberechnung vor Cash Pooling. Quelle: in Anlehnung an Jauch, 2007, S. 23. Abb. 9.28: Konzernweiter Ausgleich-Zustand vor Pooling. Quelle: in Anlehnung an Jauch, 2007, S. 24f. Abbildung 9.28 zeigt keine veränderten Stände, bevor Pooling durchgeführt wird. Das Master Konto bleibt ohne Veränderung mit dem Stand von 0 Euro. <?page no="603"?> 604 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Situation nach dem Cash Pooling (vgl. Jauch, 2007, 24f) : Die vollständigen Salden werden im Rahmen des Zero Balancing auf das Master Konto von Muttergesellschaft Y übertragen. Ein negativer Saldo wird über dieses Master Konto ausgeglichen. Nach der Durchführung des Pooling sind die Soll-Salden der Gesellschaften A und B gedeckt. Und die Muttergesellschaft Y weist einen negativen Saldo in Höhe von 90 Tsd. Euro (Abb. 9. 29). Abb. 9.29: Konzernweiter Ausgleich-Zustand nach Pooling. Quelle: in Anlehnung an Jauch, 2007, S. 24f Der Zinsaufwand nach Pooling wird in folgender Tabelle 9.12 berechnet. Kontostand Zinssatz in % Muttergesellschaft Y - 90.000,00 € 8% Konzerngesellschaft A - € 0% Konzerngesellschaft B - € 0% Konzerngesellschaft C - € 0% Gesamte Zinsbelastung für den Konzern - 7.200,00 € hochgerechnet (ceteris paribus) p.a. Tab. 9.4: Zinsberechnung nach Pooling. Quelle: in Anlehnung an Jauch, 2007, S. 24f Durch die Bündelung der liquiden Mittel nach dem Cash Pooling ist es deutlich geworden, dass ein Betrag in Höhe von 90 Tsd. Euro auf dem Master Konto durch eine Kreditaufnahme gedeckt werden muss. Zur Folge entsteht eine Zinsbelastung des Konzerns von 7,2 Tsd. Euro. Im Vergleich zum Zinsaufwand vor Cash Pooling werden die Zinskosten um die 3,5 Tsd. Euro pro Jahr eingespart. Durch diese enorme Minimierung der Zinsaufwendungen lässt sich die Rentabilität des Konzerns steigern. 9.12 Fiktives Cash Pooling (Notional oder auch virtuelles Cash Pooling) Eine Alternative zum effektiven Cash Pooling ist das fiktive Cash Pooling, bei diesem keine reelle Liquiditätsübertragung erfolgt. Alle liquiden Mittel der Ursprungskonten der Konzerngesellschaften bleiben unverändert bestehen. Es wird lediglich Habenbzw. Soll-Zinsen auf den von allen Salden der Ursprungkonten kalkulatorisch zusammengeführten Master Konto-Saldo errechnet. Dabei 100.000,- 55.000,- 135.000,- <?page no="604"?> 9.12 Fiktives Cash Pooling (Notional oder auch virtuelles Cash Pooling) 605 handelt es sich um ein Zinskompensationsverfahren, das als eine Dienstleistung von den Kreditinstituten angeboten wird (vgl. Hormuth, 1997, S. 59). Fiktives Cash Pooling hat nicht das Ziel der zentralen Bündelung der konzernweiten Liquidität, sondern sein Ziel ist es, die verbesserten konzernweiten Zinskonditionen bzw. die besseren Gesamt- Zinsmargen des Konzerns zu erreichen. Dadurch wird der positive Effekt der Überwachung und Steuerung von Liquiditätssituation des Konzerns entfallen. Des Weiteren wird die Auswahl der Kreditinstitute, die virtuellen Service anbieten, begrenzt. Mögliche regulatorische Länderrestriktionen bzw. rechtliche und steuerliche Beschränkungen bei der Anwendung in einigen Staaten ist ein weiterer Nachteil des fiktiven Pooling (vgl. Jauch, 2007, S. 28; vgl. Bodemer/ Disch, 2014, S. 87). Jedoch hat das Verfahren folgende Vorteile (vgl. Wendland, 2009, S. 36; vgl. Bodemer/ Disch, 2014, S. 87):  das Bonitätsrisiko der Konzerngesellschaften durch andere beteiligte Gesellschaft wird nicht übernommen.  Die Bilanz wird verlängert, da keine Salden transferiert werden. Folglich ist eine Verbesserung der Bilanzkennzahlen durch Bilanzverkürzung auf Konzernebene nicht möglich. Das fiktive Pooling lässt sich in zwei Ausgestaltungen unterscheiden (vgl. Werdenich, 2008, S. 112ff.):  Zinskompensationsmodell : Bei diesem Modell werden die Konzerngesellschaften nicht an den günstigeren Zinskonditionen beteiligt. Die Zinsen lassen sich auf den einzelnen Ursprungkonten der Gesellschaften unmittelbar belasten bzw. gutschreiben. Nur bei dem Cash Pool Führer erfolgt der Vorteilsausgleich in Form eines Zinsausgleichs.  Zinsoptimierungsmodell : Einzelne am Pool einbezogenen Konzerngesellschaften werden unmittelbar an den günstigeren Zinskonditionen beteiligt. Die auf Basis des fiktiv errechneten Masterkonto-Salden Zinsergebnisse werden auf die einzelnen Ursprungkonten belastet bzw. gutgeschrieben. Diese Art des Pooling eignet sich vor allem ausschließlich bei internationalen Konzernen, die häufig ihren gesamten ausländischen Zahlungsverkehr weltweit nur über ein Kreditinstitut abwickeln. Durch dieses Kreditinstitut werden die Salden der Fremdwährungskonten in die Basiswährung umgerechnet (Cross Currency Pooling im Rahmen eines fiktiven Pooling). Darüber hinaus ist eine Anwendung des physischen Pooling in den Standorten dieser Konzerngesellschaften wegen Meldebestimmungen oder devisenrechtliche Beschränkung nicht zugelassen bzw. eingeschränkt (vgl. Jauch, 2007, S. 28; vgl. Schmeisser u. a., 2012, S. 236; vgl. Bodemer/ Disch, 2014, S. 87). Aufgrund der Tatsache, dass es beim virtuellen Cash- Pooling zu keiner tatsächlichen Liquiditätsverschiebung kommt, haben die Änderungen des MoMiG und die verschiedenen Rechtsprechungen zur Kapitalaufbringung bzw. Kapitalerhaltung in der GmbH keine unmittelbare Auswirkung auf das unechte Cash-Pooling. Ein wesentlicher Vorteil des fiktiven Pooling - verbesserte Zinskonditionen bzw. Zinsmargen des Konzerns - wird im unterliegenden Beispiel verdeutlicht. Beipielunternehmen (vgl. Bodemer/ Disch, 2014, S. 87ff; Jauch, 2007, S. 30f): Der international tätige Konzern X hat drei Tochtergesellschaften in Russland, Rumänien und Bulgarien. Die Muttergesellschaft mit Sitz in Deutschland übernimmt die Führung des Master Kontos für den Cash Pool bei der K-Bank. Alle Konten der Konzerngesellschaften werden durch die K-Bank in dem jeweiligen Land geführt. Aufgrund der nationalen Beschränkungen darf das physische Cash Pooling in Russland, Rumänien und Bulgarien nicht durchgeführt werden. <?page no="605"?> 606 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Angenommen: Anwendung des fiktiven Pooling ist möglich. Der Konzern betreibt deswegen das fiktive Cash Pooling. Entsprechende Tochtergesellschaften im Ausland führen das Konto bei K-Bank als Euro Konto bzw. die Salden wurden in Euro umgerechnet. Die Haben-Salden werden mit dem Zinssatz in Höhe von 6 % verzinst und Soll-Salden mit Zinssatz von 10 %. In Tabelle 9.14 wird die wöchentliche Zinsberechnung (Basis: 50 Wochen p.a.) ohne Pooling (ohne Zinskompensation) der Konzerngesellschaften X dargestellt. Nach einer Woche weist der Konzern die gesamte Zinsbelastung in Höhe von 20 Euro, hochgerechnet im Jahr 1 Tsd. Euro, auf. Situation ohne Pooling (ohne Zinskompensation): Kontostand Zinssatz in % Wochenzins (Basis: 50 Wochen p.a.) Gesellschaft A 100.000 € 6% 120 € Gesellschaft B - 50.000 € 10% - 100 € Gesellschaft C - 20.000 € 10% - 40 € Gesamte Zinsbelastung/ Zinsgutschrift für den Konzern hochgerechnet (ceteris paribus) p.a. - 1.000 € Tab. 9.5: Zinsberechnung des Konzerns X - ohne Pooling. Quelle: in Anlehnung an Bodemer/ Disch, 2014, S. 87ff; Jauch, 2007, S. 30f Situation mit dem fiktiven Pooling (mit Zinskompensation): Kontostand Zinssatz in % Wochenzins (Basis: 50 Wochen p.a.) Gesellschaft A 100.000 € 6% 120 € Gesellschaft B - 50.000 € 10% - 100 € Gesellschaft C - 20.000 € 10% - 40 € Gesamte Zinsbelastung/ Zinsgutschrift für den Konzern hochgerechnet (ceteris paribus) p.a. 1.800 € Tab. 9.6: Zinsberechnung des Konzerns X - mit fiktivem Pooling. Quelle: In Anlehnung an Bodemer/ Disch, 2014, S. 87ff; Jauch, 2007, S. 30f Mit dem fiktiven Cash Pooling (Tabelle 9.15) lassen sich die Zinsen nicht mehr auf die einzelnen Ursprungkonten der Gesellschaften berechnen, sondern auf dem fiktiven Master Konto verrechnen. Der gesamte Saldo des fiktiven Master Kontos vom Konzern X beträgt 30 Tsd. Euro. Darauf wird mit Haben-Zinssatz von 6 % verrechnet. Folglich ergibt sich daraus statt einer Zinsbelastung ein Gesamt- Zinsertrag für den Konzern in Höhe von 1,8 Tsd. Euro im Jahr. Ein Betrag von 2,8 Tsd. Euro im Jahr wird auf Master Konto gutgeschrieben. <?page no="606"?> 9.14 Grenzüberschreitendes Cash Pooling 607 9.13 Grenzüberschreitendes Cash Pooling Es handelt sich um die einige mögliche Art des Cash Pooling im Rahmen der grenzüberschreitenden Konzernfinanzierung wie z.B. Single Currency Pooling und Multi Currency Pooling.  Single Currency Pooling : Wenn die liquiden Mittel des Konzerns in unterschiedlichen Währungen vorliegen, werden die Kosten durch das Umwechseln fremder Währung aufgrund des Bestehens der Differenz zwischen Geld- und Briefkurs verursacht. Zur Vermeidung dieser Kosten lässt das Single Currency Pooling sich innerhalb eines Währungskreises durchführen. Dieses Pooling hat die Aufgabe, die Liquiditätsbestände der im Fremdwährungsland angesiedelten Konzerngesellschaften auszugleichen. Darüber hinaus wird dadurch der gesamte Zahlungsverkehr in der betreffenden Währung konzernübergreifendend abgewickelt. Zum Beispiel ist das Cash Pooling in US-Dollar durchzuführen. Hier werden alle Forderungen von den mit US-Dollar bezahlten Kunden an konzernverbundenen Gesellschaften in Dollar gezahlt und auf den Ursprungkonten der begünstigten Gesellschaft gutgeschrieben. Ein nicht notwendiges Umwechseln der Währung ist der Vorteil dabei. Dieses Pool wird analog zum bereits erwähnten Cash Pooling fortlaufend verwaltet. Nur bei konzerninternem Bedarf ist ein Umwechseln der Fremdwährung vorzunehmen. Beispiele sind der Fall der Drohung von Abwertung der Währung oder Fall der nichtzudeckenden Liquiditätsdefizite in einem anderen Währungsraum (vgl. Eijk, 1996, S. 18f; Richtsfeld, 1994, S. 183 zit. nach Hormuth, 1997, S. 60).  Multi Currency Pooling: hat große Bedeutung für einen multinationalen Großkonzern. Hierbei geht es um die grenz- und währungsüberschreitende Zusammenfassung der konzernweiten verfügbaren Liquidität. Die Liquiditätsüberschüsse werden dabei wie gewöhnt, unabhängig von Währung und Ort, an Zentrale übertragen und die Liquiditätsdefizite ausgeglichen. Die verbleibende Liquidität lässt sich in Hauptwährung (sogenannte Konzernwährung) umrechnen und dort anlegen. Die Durchführung in dieser Form des Cash Pooling ist mit landesspezifischen Restriktionen und hohem technischen Aufwand verbunden (vgl. Boettger, 1995, S. 103f; vgl. Hormuth, 1998, S. 61f.). Des Weiteren ist eine Liquiditätsübertragung im Pool mit gleicher Valuta in einigen Staaten nicht realisierbar (vgl. Eistert, 1994, S. 31). Dies verursacht die Zinsverluste. Dadurch ist eine Anwendung dieser Art des Cash Pooling im Vergleich zum anderen Erscheinungsformen unwirtschaftlich (vgl. Richtsfeld, 1994, S. 185 zit. nach Hormuth, 1997, S. 62). 9.14 Rechtliche Grundlagen des konzernweiten Cash Pooling Juristische Aspekte: AG, GmbH, Cash Pool Master Cash Pooling ist ein wesentlicher Bestandteil von Cash-Management Systemen. Dieses Instrument wird vor allem für große, international agierende Konzerne immer bedeutsamer angesichts der Leistungsfähigkeit der mit der elektronischen Datenverarbeitung in Berührung stehenden Techniken und der globalen Konfiguration von Wertschöpfungsketten. Außerdem haben sich mit der Einführung des Euro die Kosten der Liquiditätssteuerung für Unternehmen im Euroraum erheblich reduziert. Das Pooling erschließt also neue Potenziale für die Finanzierung und Kostenreduzierung in einem Unternehmensverbund. Weitere Effekt, wie Offenlegung der Finanzlage der Mitglieder und Steuerung über Zuteilungsmechanismen sind bedeutsam. In der Regel geht die Initiative zur Einrichtung eines Cash Pool von einer Mutter-/ Obergesellschaft aus. Wenn diese dafür eigens eine Betreibergesellschaft gründet, für die heute oftmals die Bezeichnung Inhouse-Bank benutzt wird, ändert das nichts Wesentliches an der Ausgangslage (vgl. Kreienkamp, D., 2009, Einleitung). <?page no="607"?> 608 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Grundsätzlich gilt für Kapitalgesellschaften: In einer Aktiengesellschaft muss eine solche Entwicklung unter der Kontrolle des Aufsichtsrates ablaufen. „Der Aufsichtsrat kann vom Vorstand jederzeit einen Bericht verlangen über Angelegenheiten der Gesellschaft, über ihre rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen sowie über geschäftliche Vorgänge bei diesen Unternehmen, die auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluss sein können.“ (§ 90 AktG, Absatz (3) http: / / www.aktien-gesetz.de/ Abruf 07.04.2016) In einer GmbH hat die Geschäftsführung gemäß Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG, 2008) verstärkt die Darlehensvergabe im Konzern durch Früherkennung von (Insolvenz-)Gefahr und Bestellung von Sicherheiten unter Kontrolle zu halten. Ein Geschäftsführer haftet weitgehender seit der Änderung des GmbH-Gesetzes persönlich materiell. „Ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko für Geschäftsführer entsteht durch das MoMiG auch bei der konzerninternen Kreditvergabe. Zwar erlaubt das neue GmbH-Gesetz ausdrücklich die Finanzierung durch so genanntes Cash-Pooling. Überschüssiges Geld einer Tochterfirma darf dabei der Muttergesellschaft geliehen werden … Gibt der Geschäftsführer der Tochterfirma der Muttergesellschaft Geld, muss er aber deren Kreditwürdigkeit im Auge behalten. Läuft die Konzernmutter Gefahr, insolvent zu werden, muss er rechtzeitig die Rückzahlung des Darlehens verlangen.“ (Salvenmoser, C., Handelsblatt 15.07.2009. http: / / www.handelsblatt.com/ unternehmen/ mittelstand/ gmbh-schaerfere-haftung-fuer-geschaeftsfuehrer/ 3220100.html - Abruf 06.04.2016) Seit längerem wird zwischen Fachleuten darüber diskutiert, welche prinzipiellen Regeln bei der Installation eines Cash Pool eingehalten werden sollten, um für die teilnehmenden Gesellschaften die Risiken zu minimieren. Hier ein Beispiel für in der Fachliteratur zu findende Empfehlungen: (Pentz, A.: Cash-Pooling im Konzern, Düsseldorf 2005, S. 62) Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) 2009 war Cash Pooling durch die Rechtsprechung in Deutschland erheblich <?page no="608"?> 9.14 Rechtliche Grundlagen des konzernweiten Cash Pooling 609 behindert. Inzwischen kann man die Haltung des Gesetzgebers in dieser Frage so charakterisieren: Cash Pooling ist für die Unternehmen grundsätzlich wirtschaftlich nützlich, das gilt nicht nur für Muttergesellschaften (als Obergesellschaften) von Konzernen, sondern i.d.R. auch für Tochtergesellschaften (als Untergesellschaften). Das Cash Pooling finanziert in zwei Richtungen:  Erstens wird der Obergesellschaft durch sogenannte aufsteigende Darlehen (upstream loans) kurzfristige Liquidität von den Untergesellschaften zur Verfügung gestellt,  zweitens kehrt sich in Gestalt von absteigenden Darlehen (downstream loans) der Zahlungsstrom um, wenn Untergesellschaften Finanzierung benötigen. Obwohl bei großen Konzernen der Umfang von solchen Finanztransaktionen mit dem kleiner oder mittelgroßer Banken vergleichbar ist, fordert der Gesetzgeber keine Banklizenz: „Als Kreditinstitut gelten … nicht: … Unternehmen, die Bankgeschäfte ausschließlich mit ihrem Mutterunternehmen oder ihren Tochter- oder Schwesterunternehmen betreiben; …“ (Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz - KWG) § 2 Ausnahmen, Ziffer 7). Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen dabei aber immer beachtet werden, wenn der angestrebte Erfolg mit dem Pooling erreicht werden soll. Ein Cash Pooling System wird in der Regel durch die Konzern-Muttergesellschaft eingeführt. Ihre Tochtergesellschaften werden berechtigt bzw. verpflichtet, Finanztransaktionen zu Gunsten oder zu Lasten eines Kontos durchzuführen, das die Muttergesellschaft selber besitzt. Aufgrund der damit entstehenden Schuldnerbzw. Gläubigerpositionen ergeben sich, wie wir schon gesehen haben, bei sachgemäßem ökonomischem Handeln für den Konzern positive Resultate. Gleichzeitig können unerwünschte Ergebnisse eintreten, wenn (nachträglich) bestimmte Handlungen als gesetzlich verboten qualifiziert werden. Ein wichtiger Tatbestand betrifft verdeckte Gewinnausschüttung wegen Verwendung überhöhter Zinssätze, was zu nachträglichen Veränderungen bei der Berechnung der Körperschaftssteuer gemäß Körperschaftssteuer-Gesetz (KStG) führt. Weitere ökonomischen Risiken können sich beim Pooling gegenwärtig vor allem auch aus dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen ( MoMiG ), dem Außensteuer-Gesetz ( AStG ), dem Abgeltungssteuer-Gesetz ( seit 2009, davor sprach man von Kapitalertragsteuer oder Zinsabschlagssteuer) und dem OECD-Projekt „Base Erosion and Profit Shifting“ (BEPS - auf Deutsch etwa Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung: es geht um Regeln für die Gestaltung von Zinsen innerhalb eines Konzerns als Verrechnungspreise) ergeben. Die diesbezügliche Risikoeliminierung verlangt deshalb grundsätzlich folgendes:  vor einer Einführung des Pooling muss ein sorgfältig gestalteter Vertrag (Rahmenvertrag, vertragliche Absprache) mit allen Partnern geschlossen werden,  insbesondere durch die Leitung muss dann permanent dafür Sorge getragen werden, dass die Handhabung des Pooling jederzeit die aktuellen gesetzlichen Vorschriften beachtet. Rechtliche Einordnung „Vermögensverschiebungen im Rahmen des Cash Poolings sind nach ganz h.M. Darlehen i.S.v. § 488 BGB (BGHZ 166, 8 Rn. 12 m.w.N.; a.A. KarstenSchmidt DB 2009, 1971, 1974: „Geschäftsbesorgung”; Ulmer ZHR 169 (2005) 1, 4 f. „UnregelmäßigeVerwahrung”). Kreditgewährungen vom Quellkonto an das Masteraccount sind „upstreamloans“, Gewährungen von Liquidität von Zentralkonto auf ein Quellkonto sind „downstreamloans“, ständige Verrechnun- <?page no="609"?> 610 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen gen erfolgen im Kontokorrent (§ 355 HGB, vgl. Altmeppen, NZG 2010, 361, 362). Die Bank erhält den Auftrag, Liquiditätsverlagerungen vorzunehmen, erhält hierfür ein Entgelt, verlangt meist Sicherheiten für den Kontokorrentsaldo.“ (Quelle: Polley, N. (3. Juli 2014): Herausforderung der Konzerninnenfinanzierung: Das Cash Pooling im Spiegel von Rechtsprechung und Literatur. 10. Rheinische Gesellschaftsrechtskonferenz. Abgerufen am 26.2.2021 unter https: / / www.bilanzrecht.uni-koeln.de/ fileadmin/ sites/ gesellschaftsrechtbilanzrecht/ IfG/ Herausforderung_der_Konzerninnenfinanzierung-1.pptx.pdf) Bei der Planung und Durchführung eines Cash Pooling im Rahmen des internationalen Cash Managements stehen in der Regel die betriebswirtschaftlichen Überlegungen im Vordergrund. Trotzdem sind die rechtlichen Rahmenbedingungen ein wichtiger Bestandteil für ein gelungenes Cash Pooling. Das betrifft speziell das echte Cash Pooling. Das Cash Pooling System lässt sich in der Regel durch die Muttergesellschaft einführen. Ihre Tochtergesellschaften werden dabei veranlasst, Finanztransaktionen zu Gunsten oder zu Lasten eines Kontos durchzuführen, das die Muttergesellschaft selber besitzt. Aufgrund dieser Konstellation können sich sowohl wirtschaftliche, gesellschaftliche als auch strafrechtliche Konsequenzen ergeben. Eine wirtschaftliche Schieflage innerhalb eines Cash Pooling kann zu negativen Auswirkungen des gesamten Konzerns sowie rechtlichen Gefahren für einzelne am Pool teilgenommenen Konzerngesellschaften führen. Diese Risiken können sich durch eine sorgfältige vertragliche Gestaltung der rechtlichen Beziehungen bzw. Zahlungsströme zwischen den am Cash Pooling beteiligten Parteien eingrenzen lassen. Im Folgenden werden Rechtsgrundlagen dargestellt. Dabei sollen zum einen die vertragsrechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten und zum anderen die Rechtsgrundlagen der Zahlungsströme aufgezeigt werden. Rahmenvertrag zwischen dem Cash Pool-Führer und den teilnehmenden Konzerngesellschaften: Bei Einführung eines Cash Pooling wird ein Rahmenvertrag zwischen dem Cash Pool Führer (in der Regel ist Muttergesellschaft) und den Cash Pool Gesellschaften abgeschlossen. Somit entstehen die vertraglichen Beziehungen über die Aufnahme und Vergabe von Darlehen zwischen Muttergesellschaft und den einzelnen Konzerngesellschaften im Sinne von § 488 BGB (vgl. Hormuth, 1998, S. 102). Die Zahlungsströme bzw. der Liquiditätsausgleich innerhalb des Konzerns werden in diesem Sinne als Gelddarlehen eingeordnet. Die am Pool beteiligten Konzerngesellschaften sind dadurch verpflichtet ihre Liquiditätsüberschüsse auf das Master Konto vom Cash Pool Führer zu übertragen. Gleichzeitig wird der Liquiditätsbedarf einer beteiligten Konzerngesellschaft vom Cash Pool Führer gedeckt, da er verpflichtet ist, diese benötigte Liquidität zu Verfügung zu stellen (vgl. Schneider, 1998, § 25 Rz. 11). Laut § 488 Absatz 1 BGB verpflichtet sich der Darlehensgeber beim Gelddarlehensvertrag, dem Darlehensnehmer die liquiden Mittel in vereinbarter Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist auch für Rückerstattung und Zinszahlung verpflichtet. Die Zinssätze und der Zeitpunkt für Rückerstattung entweder lassen sie sich vertraglich regeln oder werden bei einer Kündigungsfrist vereinbart. Eine Kündigungsfrist von drei Monaten ist im § 488 Absatz 3 Satz 2 BGB vorgesehen. Sie kann jedoch vertraglich abdingen lassen (vgl. Zerwas, 2004, S. 244). Der Rahmenvertrag beinhaltet die Regeln für alle wesentlichen Rechte und Pflichten der beiden Vertragspartner. Insbesondere zählt hierzu (vgl. Hormuth, 1998, 103; vgl. Zerwas, 2004, S. 244f):  Zeitpunkt der erstmaligen Einzahlung von teilnehmenden Gesellschaften in den Cash Pooling, Valutierung und Währungsfragen.  Vereinbarte Kreditlinien für die am Cash Pool teilnehmenden Gesellschaften <?page no="610"?> 9.15 Geschäftsführer im Rahmen eines Cash-Pooling im Konzern 611  Regelung der Soll- und Habenzinssätze  Absicherung der Einlagen bei einer finanziellen Cash Pool-Krise  Vereinbarter Entgelt für die Erbringung der Cash Pooling-Dienstleitung  Mindestlaufzeit des Rahmenvertrags und Kündigungsfristen von Darlehen  Rechtswahlvereinbarung und Gerichtsstand Der Liquiditätsbedarf einer teilnehmenden Gesellschaft wird entweder vom Master Konto auf Unterkonten der Gesellschaft gutgeschrieben oder die Gesellschaft bucht selber ab. Diese konzernweiten Zahlungsströme erfolgen auf der Grundlage einer Kontokorrentabrede im Sinne des § 355 HGB (vgl. Hormuth, 1998, 103). Vertragliche Vereinbarungen zwischen den am Pool teilnehmenden Konzerngesellschaften und Kreditinstituten Zur Durchführung eines Cash Pooling ist ein Abschluss eines Rahmenvertrags zwischen einem oder mehreren Kreditinstituten und dem Cash Pool Führer sowie Cash Pool Mitglieder erforderlich. Dieser Rahmenvertrag stellt eine entgeltliche Geschäftsbesorgung im Sinne von § 675 BGB dar. Hierbei enthält der Rahmenvertrag regelmäßig einen Girovertrag und das Kreditinstitut hat dabei die Aufgaben, die im Rahmen des Cash Pooling zu erfüllen sind, alle Umsätze im Auftrag des am Cash Pool teilnehmenden Gesellschaften geschäftstäglich auszubuchen und auf das Master Konto zu übertragen (vgl. Faßbender, 2004, S. 41). In den Rahmenverträgen finden sich viele Bestimmungen wie z.B. Zinssätze, Kündigungsmodalitäten, Abbuchungsintervalle sowie die entstehenden Kosten, technischer Ablauf und die bestehende Kreditlinie, etc. Darüber hinaus ergibt sich auch eine Reihe von vertraglichen Nebenpflichten des Kreditinstituts etwa Warn-, Beratungs- und Auskunftspflichten (vgl. Zahrte, 2010, S. 85). Häufig wird in dieser Rahmenvereinbarung vorgesehen, dass die gesamtschuldnerische Haftung für Negativsalden auf dem Master Konto von den am Cash Pool teilnehmenden Konzernunternehmen übernommen wird (vgl. Bodemer/ Disch, 2014, S. 87ff; Jauch, 2007, S. 30f.) 9.15 Geschäftsführer im Rahmen eines Cash-Pooling im Konzern Finanz- und Risikomanagement von Geschäftsführern Das Thema „Cash Pool“ ist sicherlich allen Geschäftsführern bekannt, wird aber häufig unterschätzt. Cash-Pooling Systeme begründen ein nicht zu unterschätzendes Pflichtenprogramm für die Leitungsorgane der beteiligten Gesellschaften. Die damit verbundenen Haftungsrisiken sind beachtlich. Die in der Praxis wohl am häufigsten vorkommende Form des Cash Pools ist der so genannte physische Cash Pool. Beim physischen Cash-Pooling findet tatsächlich täglich ein Liquiditätsausgleich der teilnehmenden Konzerngesellschaften (Poolgesellschaften) über das Zielkonto einer Konzerngesellschaft (Poolführerin/ Muttergesellschaft) statt. Auf das Zielkonto der Poolführerin fließen positive Salden der Poolgesellschaften; negative Salden der Poolgesellschaften werden von dem Zielkonto ausgeglichen. Rechtlich handelt es sich um eine konzerninterne Darlehensvergabe. Als Geschäftsführer oder Leitungsorgan einer Gesellschaft, die an einem Cash-Pooling beteiligt ist, sollten Sie insbesondere folgende Dinge wissen und beachten: <?page no="611"?> 612 9 Grundlegende Überlegungen, Aspekte, Modelle und Elemente von Cash-Management-Systemen Bei der Darlehensvergabe im Rahmen des physischen Cash-Pooling kann es leicht zu verbotenen Rückzahlungen des Stammkapitals kommen, für welche die Leitungsorgane der auszahlenden Poolgesellschaft persönlich haften können. Einfügung aus MoMiG zu §30 GmbHG Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 des Aktiengesetzes) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind. Dies gilt entsprechend bei der Gewährung von Sicherheiten im Rahmen des Cash-Pooling, insbesondere auch bei einem rein virtuellen Cash-Pooling, bei dem tatsächlich kein Liquiditätstransfer erfolgt, sondern die Kontensalden der Poolgesellschaften lediglich zusammengefasst werden und die Grundlage für die Verzinsung bei der das Cash-Pooling betreibenden Bank bilden. Um solchen und anderen Verstößen vorzubeugen, sind die Leitungsorgane der Poolgesellschaften verpflichtet, ein Frühwarnsystem einzurichten, das ihnen ermöglicht, sich ständig über die Bonitätslage des Konzerns zu informieren und bei Bedarf zu reagieren. Ein solches Frühwarnsystem muss bereits in der Vertragsdokumentation zum Cash-Pooling System verankert sein. Besondere Bedeutung hat das Frühwarnsystem auch im Hinblick auf die Prüfung einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit der Poolgesellschaft und einer damit verbundenen Insolvenzantragspflicht ihrer Leitungsorgane. Da Forderungen der Poolgesellschaft gegen die Poolführerin nicht als liquide Mittel, sondern als Darlehen einzuordnen sind, kommt es entscheidend auf deren Werthaltigkeit an. Diese lässt sich nur anhand der Konzernliquiditätslage ermitteln. Für den Geschäftsführer einer an einem Cash Pool teilnehmenden Gesellschaft heißt das, er muss die Liquiditätslage im Konzern im Auge behalten und - in rechtlicher Hinsicht - auch die Möglichkeit haben, die insoweit maßgeblichen Informationen zu erhalten. Werden Sicherheiten zu Gunsten der den Cash Pool betreibenden Bank oder der Muttergesellschaft bestellt, ist neben einem Frühwarnsystem dafür zu sorgen, dass eine Limitation Language in den entsprechenden Verträgen aufgenommen wird. Limitation Language in diesem Sinne heißt, dass vertraglich dafür Sorge getragen werden muss, dass eine Verwertung der Sicherheiten nur zulässig ist, solange die Verwertung nicht zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder zur Beeinträchtigung des Stammkapitals führt. Anderenfalls besteht ein erhebliches Haftungsrisiko der Leitungsorgane, insbesondere im Verwertungsfall. Im Falle der Insolvenz einer Poolgesellschaft kann deren Insolvenzverwalter Rückführungen von Darlehen an die Poolführerin, die im letzten Jahr vor dem Insolvenzeröffnungsantrag erfolgten, anfechten. Der Rückgewähranspruch ist auf den Höchstbetrag begrenzt, den die Poolführerin der Poolgesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt gewährt hat. <?page no="612"?> Literaturverzeichnis 613 Literaturverzeichnis Aktiengesetz, § 90 Absatz (3) http: / / www.aktien-gesetz.de/ Backhaus, D.: FINANCE-Ratgeber: Cash Pooling richtig aufsetzen http: / / www.finance-magazin.de/ geld-liquiditaet/ cash-management/ finance-ratgeber-cash-pooling-richtig-aufsetzen- 1355299/ - Abruf 07.04.2016 Bank Austria, Cash Management, Ortner, A., SEPA, Der Europäische Zahlungsverkehr, 2013 https: / / www.bankaustria.at/ files/ 5_SEPA-XML-das_neue_Format_im_Zahlungsverkehr.pdf / Abruf 28.06.2016 Bank Austria, SWIFTNet for Corporates, www.bankaustria.at/ files/ Folder_SwiftNet_Corp.PDF / Abruf 13.06.2016 Barthold, B.M. http: / / www.accountingundcontrolling.ch/ finance/ rechtliche-und-steuerliche-aspekte-des-cash-pooling/ - Abruf 16.04.2016 Becker, B., EANCOM im Bankensektor, Coorganisation 3/ 97, Köln / https: / / www.gs1-germany.de/ internet/ common/ files/ magazin/ 31997/ c397_32.pdf / Abruf 30.05.2016 Börsen-Zeitung vom 12.07.2014, Nummer 131, Seite B 4 https: / / www.boersen-zeitung.de/ ajax/ bzpro_artikel.php? objt_id=2014131805&anzeige=1&subm=sonderbeilagen&li=312&divname=contentarea_artikel - Abruf 29.04.2016 Boyce, S.: Having the right bank account structure in place could save your company money and mitigate risks. 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Wir könnten ihm erklären, dass darunter die wirtschaftliche Betätigung eines Unternehmens im In- und Ausland gemeint sei, um ihm anschließend von unseren Errungenschaften vorzuschwärmen: vom weltumspannenden Handel und der Globalisierung, vom Internet und den Sozialen Netzen. Er würde sich das alles aufmerksam anhören, würde milde lächeln, um dann zu einer Erklärung anzuheben. „Das ist nicht besonders spannend“, würde er sagen, „das alles hatten wir schon vor über 800 Jahren. Natürlich auf etwas kleinerem Niveau, aber im Prinzip haben wir nichts anderes gemacht als ihr heute. Firmengründungen im Ausland? Das hatten wir auch: in England, Flandern, Schweden, Frankreich, Russland und Norwegen. Technischer Fortschritt? Unser Schiffstyp, die Hansekogge, war eine Revolution im Schiffbau. Netzwerke? Mein Gott, ein gutes Netzwerk war damals die Grundausstattung eines erfolgreichen Fernkaufmanns. Güter aus Ostasien? Auch wir kannten Pfeffer, Nelken und Muskat. Die wurden doch nicht vor der Haustüre angebaut, die kamen schon damals von der anderen Seite der Welt, von den Molukken. Bereits vor 1200 Jahren wurden Bernstein und Sklaven von der Ostseeküste quer durch das Reich Karls des Großen nach Ägypten gebracht. Und Luxuswaren aus Arabien kamen zu uns in den Norden. Sicher, sicher, die heutigen Warenmengen sind nicht mit unserem zu vergleichen und schneller als damals geht es wohl auch. Da kann nur der Teufel seine Finger im Spiel haben. Allerdings scheint mir eure Geschäftssprache ein Rückschritt zu sein. Ihr sprecht in den Kontoren eine Sprache, die niemand im Privatleben spricht, die viele nicht verstehen, es ist die Sprache der englischen Inseln. Wir dagegen hatten Mittelniederdeutsch als Umgangs- und Geschäftssprache, wir verstanden uns alle. Unser Sprachraum reichte von den holländischen Inseln bis nach Livland, von Breslau bis Stockholm. Nur die Russen, die Engländer sowie die Skandinavier abseits der großen Städte sprachen anders.“ So ein Angeber, würden wir denken, der neidet uns nur unseren Fortschritt. Allerdings könnte es ja sein, jetzt nur rein theoretisch, dass da zumindest ein Quäntchen Wahrheit in dem kurzen Statement des hansischen Fernkaufmanns liegt. Manche Leute behaupten ja, dass man aus der Geschichte lernen kann. Vielleicht wäre es wert, sich einmal schlau zu machen … 10.1 Vor 1150: Die Hansen vor der Hanse Offensichtlich gehört es zur menschlichen Grundausstattung, sich jene Güter zu besorgen, die im eigenen Umfeld nicht zu haben sind. Sei es, weil diese Waren lebensnotwendig sind (z.B. Getreide), weil man sie als Grundstoff für ein Fertigprodukt braucht (Wolle, Hanf, Erz) oder weil sie den Status des Trägers erhöhen (Gold, Pelze, seltene Gewürze). Im nordeuropäischen Kulturraum betrieben zunächst die Friesen, die Engländer und die Skandinavier einen Fernhandel zu See im Gegensatz zu den niederdeutschen Händlern, die meist auf der <?page no="617"?> 618 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player Straße unterwegs waren. Die Dänen, Schweden und Norweger nannten sich nur dann Wikinger, wenn sie in ihren schnellen Langbooten auf Raubfahrt, auf eine fara i viking, gingen. Waren sie als Händler unterwegs, bedienten sie sich anderer Seefahrzeuge. Ihr Schiffstyp war der Knorr, ein breites Schiff mit hohem Freibord, mit dem auch Vieh transportieren werden konnte. Mit solchen Schiffen brachten z.B. die Norweger im 11. Jahrhundert ihre Kühe und Schafe nach Island und Grönland. Die seefahrenden Händler trafen auf den Ufermärkten in Flussmündungen und geschützten Buchten auf die landfahrenden Kaufleute des Römischen Reichs, um Waren zu tauschen. Ein aufgerichtetes Kreuz signalisierte, dass auf dem Markt Friedenspflicht herrschte. Die den Ufermarkt ansegelnden Schiffe mussten ebenfalls ein Kreuz im Topp führen, um ihre friedliche Absicht anzuzeigen. Für diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten wollten, war der Ufermarkt mit einem Marktgericht ausgestattet. Unter dem Schutz des Marktherrn wechselten die Güter den Besitzer und beide Handelspartner, der seefahrende wie auch der landfahrende Kaufmann, machten sich nach dem Tauschhandel - hoffentlich zufrieden - mit den erworbenen Waren auf den Weg nach Hause. Ganz so problemlos, wie es sich hier liest, waren die Zeiten vor ungefähr eintausend Jahren leider nicht. Der Kaufmann, der mit seinen Waren über Land oder See zog, sah sich verschiedensten Gefährdungen ausgesetzt, weshalb er berechtigt war, ein Schwert zu tragen. Betrachtet man die Anfeindungen, denen sich der Händler stellen musste, wird man eher von einem Abenteurer sprechen können als von einem penibel planenden Kaufmann, der sich im Kontor über seinen Kassenbestand beugt. Nicht umsonst nannte sich die Gruppe der englischen Fernkaufleute noch Jahrhunderte später „Merchant Adventurers“. Wie diese Gefährdungen konkret ausgesehen haben, hat Carsten Jahnke zusammengestellt: Der Kaufmann muss „dafür Sorge tragen“ schreibt er, „(…) dass er weiß, wo er Ware verkaufen bzw. kaufen kann, dass er bei Einkauf der Ware nicht betrogen wird, dass er die Qualität und die Menge der Ware genau kennt. Er muss auch dafür sorgen, dass er auf seinem Weg nicht überfallen wird „und vor allem dafür, dass er auf dem fremden Markt überhaupt Handel treiben darf, dass man ihm dort die Waren nicht einfach wegnimmt, ihn mit hohen Zöllen und Abgaben belegt oder ihn betrügt“ (Jahnke 2014, S. 21). Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass zur damaligen Zeit jeder Fremde misstrauisch beäugt wurde, wenn man ihn nicht gar als Freiwild verfolgte. So waren die schwedischen Händler verpflichtet, in Konstantinopel ihre Waffen vor dem Betreten der Stadt abzulegen, sie durften nur durch ein bestimmtes Tor hereinkommen. Ihre Aufenthaltsdauer war beschränkt und es durften sich nicht mehr als 50 Skandinavier gleichzeitig in der Stadt aufhalten. In London wurden den Kaufleuten im 13. Jahrhundert bestimmte Hôstelliers zugewiesen, bei denen sie wohnten und die sie beaufsichtigten. Nach 30 Tagen hatten die Händler London wieder zu verlassen, und zwar unabhängig davon, ob sie ihre Geschäfte abgeschlossen hatten oder nicht (Jahnke 2014, S. 26). Wo Waren transportiert werden, sind Freibeuter nicht weit. Zum Beispiel Piraten, die es auf Schiff und Ladung abgesehen haben, aber nicht nur sie. Wie gefährlich das Ansteuern eines Ufermarktes für einen Seefahrer noch im 11. Jahrhundert war, lässt uns heute erschaudern. Strandete ein Schiff durch Sturm oder schlechte Navigation an der Küste, gingen nicht nur das Wrack und die Waren, sondern auch die darauf befindlichen Menschen (jetzt Sklaven) in das Eigentum des Strandbesitzers über, meist eines weltlichen oder kirchlichen Fürsten. Allerdings waren die landfahrenden Kaufleute nicht bessergestellt, denn sie konnten von wilden Tieren und von Räubern bedroht werden. Wegelagerer waren nicht nur Banditen und Raubritter, <?page no="618"?> 10.2 Von 1150 bis 1350: Hansen, Gilden und Kontore 619 sondern auch Zöllner oder Steuereintreiber, die Abgaben für den Durchzug durch das Territorium ihres Herrschers forderten (Wegzoll, Brückenzoll). Warum in aller Welt, werden wir uns heute fragen, setzten sich die damaligen Fernkaufleute einer solchen Gefährdung aus? Ja, warum wohl: Wegen des Geldes! Denn je schwieriger die Bedingungen waren, desto höher fiel der Gewinn aus. Es müssen schon mutige und draufgängerische Gesellen gewesen sein, die sich mit Schwert und Armbrust auf die Reise machten. Jedoch sagte ihnen ihr kaufmännisches Verständnis, dass sich die Unwägbarkeiten verringern ließen, selbst wenn es zur Folge hatte, sich mit seinen Konkurrenten verbünden zu müssen. Deshalb schlossen sie sich zu Schwertbrüderschaften zusammen, indem sie sich durch einen heiligen Eid zu gegenseitiger Treue und Hilfeleistung verpflichteten. Eine solche Reisegruppe wurde im Althochdeutschen „hansa“ genannt, was man mit „streitbare Schar“ übersetzen kann (Jahnke, 2014, S. 27). Im Mittelniederdeutschen war jedes Mitglied dieser Fahrgemeinschaft ein „Hanse“, es war der freiwillige Zusammenschluss von Fernkaufleuten und keine städtische Institution, was der Hanseforschung lange Zeit verborgen blieb, weil sie ihr Forschungsobjekt aus einer staatsrechtlichen und nicht aus einer wirtschaftsgeschichtlichen Sicht betrachtete. „Nicht die Städte machten ihre Bürger zu Hansekaufleuten“, schreibt Stephan Selzer, „sondern hansische Kaufleute machten ihren Heimatort zur Hansestadt“ (Selzer 2010, S, 58). Während des gesamten Mittelalters bezeichnete sich übrigens keine Stadt als „Hansestadt“, dies ist ein Begriff der Neuzeit. Ein solcher Zusammenschluss hatte das Ziel, möglichst viele Reisende zusammen zu bekommen, um die Streitmacht/ Handelsmacht zu vergrößern. Aus diesem Grund konnten es sich die Hansen rein zeitlich nicht leisten, nur auf Händler aus der gleichen Stadt zu warten. Vielmehr war jeder niederdeutsch sprechende Kaufmann willkommen, der dasselbe Ziel hatte, einen ehrlichen Eindruck machte, furchtlos war und gut mit Schwert und Armbrust umgehen konnte. Dass es solche Reisegruppen bereits im 8. Jahrhundert gegeben hat, wissen wir aus Berichten von Geistlichen. 10.2 Von 1150 bis 1350: Hansen, Gilden und Kontore Die Fernreise einer Fahrgemeinschaft war dann erfolgreich, wenn man Räuber in die Flucht geschlagen hatte, am Ziel zum Markt zugelassen worden war, einen Abnehmer für die mitgeführten Waren gefunden hatte, auch einen guten Gewinn gemacht und nicht allzu sehr vom Marktherrn geschröpft worden war. In diesem Falle bot es sich an, im laufenden oder dem kommenden Jahr noch einmal eine solche Fahrt zu unternehmen. Und selbstverständlich verbündete man sich wieder mit den gleichen Weggenossen, vorausgesetzt, man war gut miteinander ausgekommen. Mit der Zeit dürften sich aus diesen wiederkehrenden Reisen ein Verfahren herausgebildet haben, um das Procedere vor Beginn der Fahrt zu vereinfachen. Man wählte einen Ältermann zum Anführer, der bereits mehrere Reisen mitgemacht hatte und damit über eine gewisse Erfahrung verfügte, und bekräftigte den Zusammenhalt durch gemeinsames Essen und Trinken. Der Mönch Alperts von Metz bekam im Jahre 1120 einen Einblick in die Versammlung der Fernhändler aus dem Ort Tiel, er beschrieb sie als „harte und ungezügelte Männer“ (zitiert in: Selzer 2010, S. 26). Hart dürften sie wohl gewesen sein, die Fernkaufleute. Ob sie jedoch ungezügelt waren, sei dahingestellt, denn es dauerte nicht lange, da traten diese Gemeinschaften als Gilden mit festgelegten Regeln, einem Vorstand, einer gemeinsamen Kasse und rituellen Festen mit eigenem Tafelgeschirr auf. <?page no="619"?> 620 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player Vermutlich trafen sich die Fernhändler, die aus unterschiedlichen Städten anreisten, an einem Punkt, ab dem die Gefährlichkeit der Reise zunahm, wie z.B. die Fernhändler in Tiel an der Rheinmündung und die Russlandfahrer an der Mündung der Neva (dem heutigen St. Petersburg). Schriftlich belegt ist die Lübecker Gilde „de meyne kopmans by de Travene“ (die allgemeinen Kaufleute von der Trave) von 1147, die der Kölner Englandfahrer (vor 1176), der Kölner Dänemarkfahrer (1246 erwähnt, jedoch sicherlich älter), der Soester Schleswigfahrer (1291 belegt), der Lübecker Malmöfahrer (1329), der Schonenfahrer (1365) und der Bergenfahrer (1380). Die Versammlung der Soester „Sleyswiker broderschap“ wurde im Winter abgehalten, wenn sich die Mitglieder von den Fahrten ausruhten. Außerdem trafen sich diejenigen hansebrodere, die nicht auf Reisen waren, zu Versammlung an Ostern, am 4. Juli und zu St. Michael am 29. September. Für den Handel in fremden Ländern waren Zulassungen und Vergünstigungen der dortigen Herrscher notwendig. Das waren die so genannten „Privilegien“. Es konnten zum Beispiel Schutzbriefe des Landesherrn für die unbeschwerte Durchreise des fremden Kaufmanns durch sein Herrschaftsgebiet sein - die häufig jedoch das Papier nicht wert waren. Es konnte aber auch ein Privileg sein, dass den Kaufmann vom Stapelzwang befreite und den freien Zugang zum Markt ermöglichte. Weitergehende Privilegien waren: die Reduzierung oder Befreiung von Abgaben und Zöllen, die Versammlungsfreiheit, die Niederlassungsfreiheit, die Genehmigung zur Benutzung städtischer Einrichtungen (Kaianlage, Kran, Waage) zu ortsüblichen Konditionen, der Erwerb von Grundstücken im Ausland, die Genehmigung zur Errichtung einer Kirche, die eigenständige Gerichtsbarkeit bei Streitigkeiten innerhalb der Fahrtgemeinschaft, die Befreiung vom Strandrecht, wodurch der Strandbesitzer bei einem Schiffsunfall keinen Zugriff mehr auf das Schiff, die Ladung und die Besatzung hatte, die Befreiung von der „Sippenhaft“, wodurch ein unbeteiligter Kaufmann nicht für die Verfehlungen eines anderen aus der gleichen Stadt einstehen musste. Natürlich war man bestrebt, diese Vergünstigungen zu erwerben, ohne den fremden Kaufleuten die gleichen Rechte im Heimatland zuzugestehen - man wollte sich ja nicht die ausländische Konkurrenz ins eigene Haus holen. Schließlich war der Liberalismus noch nicht erfunden, das dauerte noch ein paar Jahrhunderte; von solchen Ideen, wie sie die englischen Freihändler pflegten, ganz zu schweigen. Es gelang der späteren Städtehanse, Verträge auf Gegenseitigkeit lange zu verhindern, bis Hamburg den englischen Tuchhändlern, den „Merchant Adventurers“, im Jahre 1567 ebenfalls Privilegien in der Stadt einräumen musste. Ein reisender Fernkaufmann war immer daran interessiert, Privilegien zu erhalten, die über die aktuelle Reise hinausgingen, weil sie ihm die Arbeit des stets wiederkehrenden Aushandelns von Zulassungen ersparten, weil dies die Kosten reduzierte und den Gewinn erhöhte. Was aber hatte der Landesherr davon, Fremden den Zugang zu seinem Herrschaftsgebiet zu erleichtern? Erst einmal musste er die Versorgung der Bevölkerung irgendwie sicherstellen, wenn seinen eigenen Kaufleuten die Kontakte zu den ausländischen Produzenten fehlten. Was also lag näher, als sich der Hansen zu bedienen. Auch könnten ihn die Luxuswaren gelockt haben, ganz sicher aber war er an der monetären Gegenleistung für ein eingeräumtes Privileg interessiert. Denn diese Vergünstigungen waren <?page no="620"?> 10.2 Von 1150 bis 1350: Hansen, Gilden und Kontore 621 nicht umsonst und nicht billig zu bekommen. Ein Fernhändler aus Flandern zum Beispiel zahlte für einen Geleitbrief des englischen Königs Heinrich III. 400 Mark, was damals eine ungeheure Summe war (Selzer 2010, S. 29). So etwas konnte ein durchschnittlicher Fernhändler kaum aufbringen. Doch wenn man ohnehin als Gruppe reiste, wäre es dann nicht möglich, Privilegien für die gesamte Fahrtgemeinschaft - oder besser noch - für alle zukünftigen, in diesem Herrschaftsbereich handelnden Kaufleuten zu erwerben und sich die Kosten zu teilen? Dass genau so vorgegangen wurde, zeigt der Vertrag, den niederdeutsche Kaufleute mit dem Fürsten von Smolensk im Jahre 1229 aushandelten. Die Händler wurden zu dieser Zeit noch nach ihren Herkunftsstädten benannt, sie stammten aus Gotland, Lübeck, Soest, Münster, Groningen, Dortmund, Bremen und Riga. Fünfzig Jahre später war man schon ein Stück weitergekommen, denn in England wurden nicht mehr die einzelnen Städte aufgezählt, aus denen die Fernreisenden kamen, jetzt erwirkte man Privilegien pauschal für die „Kaufleute der Hanse aus Deutschland“. Mit der Gräfin von Flandern verhandelte die „Gemeinschaft der Kaufleute des Römischen Reichs“ über Privilegien, was nahezu alle Händler in Mitteleuropa einschloss. Betrachtet man die Privilegien aus heutiger Sicht, so ist man geneigt, sie als eine Art mittelalterlichen Ablasshandels einzustufen, mit dem wir in unseren modernen Zeiten glücklicherweise nichts mehr zu tun haben. Doch da sollten wir uns nicht täuschen. Wenn zum Beispiel die Stadt Antwerpen die hansischen Kaufleute mit weitreichenden Privilegien von Brügge wegzulocken versuchte, wo ist da der Unterschied zu Gemeinden, die heutzutage um Industrieanlagen konkurrieren? Da wird eine Infrastruktur für Großbetriebe gebaut (Straßen, Bahnanbindung, Kaianlagen), es wird die Abgabenlast verringert (Gewerbesteuerbefreiung), eine Sonderwirtschaftszone oder ein Freihafen eingerichtet (Befreiung von Zöllen) und kostenlosen Strom für energieintensive Unternehmen bereitgestellt. Privilegien also, soweit das Auge reicht! Was es eigentlich nicht geben dürfte, wenn man die Vision der „Freien Marktwirtschaft“ ernst nimmt. 10.2.1 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen In der Zeit vom ausgehenden 12. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts fand eine Entwicklung statt, die zwar in Italien begann, dann aber auf den Rest Europas übergriff. Sie war so gravierend, dass geradezu von einer Handelsrevolution in Anlehnung an die industrielle Revolution gesprochen werden kann. Zu einer solchen Veränderung kam es in den norddeutschen Ländern durch das Zusammenwirken mehrerer Faktoren. Der wichtigste war das enorme Bevölkerungswachstum des 12. und 13. Jahrhunderts, hervorgerufen durch diverse Verbesserungen in der Landwirtschaft (Rodung der Urwälder, Dreifelderwirtschaft, neuartige Pflügetechnik, intensivere Düngung), durch neue Techniken in der Fischerei und Fortschritte im Bergbau. Wie Selzer ausführt, kann um die Jahrtausendwende von einer geschätzten Bevölkerung in Deutschland und Skandinavien von vier Millionen Menschen ausgegangen werden. Im Jahre 1340 dürfte die Zahl auf 12 Millionen angestiegen sein und sich somit verdreifacht haben, was hohe Ansprüche an die Versorgung stellte (Selzer 2010, S. 17). An zweiter Stelle ist die Christianisierung des europäischen Ostens zu nennen. Bereits im 11. Jahrhundert waren die Skandinavier recht unblutig von ihrem heidnischen Glauben abgebracht worden, weil ihre Herrscher zum Christentum wechselten und ihre Untertanen damit automatisch zu Christen wurden. Das verlief bei den slawischen Stämmen anders, weil es dort kein König- oder Fürstentum gab, sondern kleinteilige Herrschaftsgebiete mit einer Vielzahl an Häuptlingen. Um sich nicht mit den verschiedenen Stämmen herumschlagen zu müssen, rief die katholische Kirche zu Kreuzzügen gegen die ungläubigen Slawen auf (Magdeburger Kirche 1107/ 08, Wendekreuzzug 1147). Die <?page no="621"?> 622 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player norddeutschen Fürsten und die Ritterorden fielen in Holstein, Mecklenburg, Brandenburg, Pommern und Preußen ein und „christianisierten“ slawisches Territorium mit Schwert und Armbrust. Die Dänen, die auch etwas von dem Kuchen abbekommen wollten, brachten im Jahre 1168 Rügen unter ihre Herrschaft, 1219 eroberten sie Estland. Die im Osten bereits vorhandenen Handelszentren der Slawen bekamen eine neue Rechtsform, sie wurden zu Städten. Einen solchen Status erhielten unter anderem Lübeck - das ehemalige slawische Liubice -, Wismar, Rostock, Stralsund, Danzig, Kolberg und Reval. Hatte es um 1200 in den Ostseeländern nur ca. 40 Ansiedlungen mit einem stadtähnlichen Charakter gegeben, so waren es um 1300 bereits knapp 250 und um das Jahr 1400 über 370 Städte (Fritze/ Krause 2007, S. 11). In diesem Zusammenhang muss auch die Siedlungsbewegung von West nach Ost berücksichtigt werden, denn die Städte entstanden nicht nur durch den Rechtsakt der neuen Herrscher, sondern mehr noch durch den Zuzug von Menschen. Insbesondere Westfalen, Friesen und Niedersachsen zogen aus ihren dicht bevölkerten Gebieten nach Osten. Die Kaufleute ließen sich in den Städten nieder, sie brachten Kapital und Know-how mit. Von dieser Boom-Phase profitierten nicht nur die neu gegründeten Städte in den Ostländern, sondern auch die hoch entwickelten Zentren in Flandern, am Niederrhein und in Westfalen, für die sich neue Absatzmärkte erschlossen. Ein weiterer Push-Faktor für den Handel in Nordeuropa war die Festigung der katholischen Kirche und ihrer Rituale. Die Kirchen und Klöster benötigten nicht nur riesige Mengen an Bienenwachs für das ewige Licht, die Gläubigen mussten auch mit Fastenspeise versorgt werden, denn an mehr als 100 Tagen im Jahr durften sie kein Fleisch, aber Fisch essen (nach anderen Berechnungen: an bis zu 200 Tagen). Diese Produkte gab es in Russland und in Skandinavien in großen Mengen. An dieser Stelle ist es sinnvoll, noch einmal auf die Privilegien zurückzukommen. Wie bereits ausgeführt worden ist, wurden Vergünstigungen für die „Kaufleute der Hanse aus Deutschland“ bzw. die „Gemeinschaft der Kaufleute des Römischen Reichs“ abgeschlossen, also für einen Personenkreis, der weder den Hansen, die aktuell um die Privilegien nachsuchten, noch den Privilegien-Gebern bekannt war. Und hier stellt sich die Frage, warum die Hansen so etwas taten? Warum investierten sie Zeit und Geld für Leute, mit denen sie weder verwandt noch verschwägert, auch nicht freundschaftlich verbunden waren, die sie nicht einmal kannten und die möglicherweise zu Konkurrenten wurden? Ganz einfach: Weil der Kuchen, der verteilt werden konnte, so groß war, dass jeder etwas abbekam. Ganz so altruistisch war die Einstellung der Hansen dann aber doch nicht, schließlich handelten sie als Kaufleute. Vielmehr waren sie von der Überlegung geleitet, dass jede zusätzlich in das Privileg aufgenommene Fahrtgemeinschaft ihre eigene Marktmacht vergrößerte - und damit wäre wohl bei den Verhandlungen etwas mehr herauszuschlagen. Wie sie letztendlich diese Marktmacht einsetzen, darüber wird noch zu berichten sein. 10.2.2 Die Fahrtgebiete der Hansen Die westlichen und nördlichen Hafenstädte waren relativ einfach zu erreichen, denn London, Lynn und Boston in England, sowie Amsterdam, Antwerpen und Brügge lagen am Meer bzw. an Flüssen. Die zu einer Gilde zusammengeschlossenen Hansen aus Köln lieferten zum Beispiel schon recht früh Wein rheinabwärts nach London. Ob sie auf eigenen Schiffen den englischen Kanal überquerten, ist nicht bekannt, vermutlich bedienten sie sich friesischer Schiffseigner, die sich auf diesem Meer auskannten. In der ersten Zeit des hansischen Fernhandels war der Schiffsherr zugleich auch Händler, er gehörte der Gilde der Kaufleute an. Im Laufe des 13. Jahrhunderts entwickelte sich eine Arbeitsteilung zwischen Kaufmann und Frachtführer, letzterer wurde nun Mitglied der Schiffergesellschaft. Einen <?page no="622"?> 10.2 Von 1150 bis 1350: Hansen, Gilden und Kontore 623 Sonderweg beschritt Bremen (de koopman tho bremen), in dieser Gilde blieben die Kaufleute, Schiffer und Bootleute vereinigt. Eine recht rührige Gilde bildeten die Hansen aus Dortmund und die Soester Schleswigfahrer. Letztere brachten ihre Waren zum Meer, luden sie auf seegängige Schiffe und segelten an der Nordseeküste entlang bis zur Elbmündung. Hier war jedoch eine Schwierigkeit zu überwinden, denn um zu den Kunden in der Ostsee zu kommen, hätten die Schiffe Jütland umrunden müssen. Doch es wagten sich wohl nur wenige mit ihren damals recht kleinen Schiffen in das stürmische Skagerrak zwischen Norwegen und Dänemark. Das war allerdings auch nicht notwendig, denn es gab zwei Alternativen: Die eine war, die Elbe hochzusegeln und die Waren über die 70 km lange Landstraße per Wagen von Hamburg nach Lübeck zu transportieren. Einfacher ging es, die Eider flussaufwärts zu rudern oder zu treideln, dann weiter auf der Treene bis nach Hollingstedt, wo ortsansässige Bauern die Güter auf Ochsenwagen umpackten und zum 17 km entfernten Meeresarm Schlei brachten. Dass nicht der alte Handelsplatz Heithabu, sondern Schleswig das Ziel des Transports war, liegt daran, dass bereits im Jahre 1050 der Markt von Haithabu auf die Nordseite der Schlei nach Schleswig, dem Sitz der dänischen Könige und des Bischofs, verlagert worden war. In Schleswig konnten die Fernhändler ihre Waren wieder auf Schiffe umladen, jetzt lag die Ostsee frei vor ihnen. Äußerst schwierig, aber auch attraktiv durch den hohen Gewinn, war die Reise nach Russland. Allerdings segelten die Seefahrer von Schleswig oder später von Lübeck aus nicht auf dem kürzesten Weg über das offene Meer, vielmehr orientierten sie sich an Landmarken, was damit zu tun hat, dass es noch keinen Kompass gab. Irgendwann musste dann doch zur schwedischen Seite hinübergewechselt werden, und zwar an der schmalsten Stelle. Als nächste Anlaufstelle diente die Insel Gotland als wichtige Zwischenstation an der schwedischen Ostküste. Hier befand sich „nicht nur der letzte Zipfel der ‚zivilisierten‘, d.h. katholischen Welt“, schreibt Carsten Jahnke, „sondern von hier aus führte auch der kürzeste Weg über das offene Meer gen Osten“ (Jahnke 2014, S. 135). Schwierig war die Reise von Gotland in den Finnischen Meerbusen hinein, weil sich die Schiffer und Steuerleute dort nicht an Landmarken orientieren konnten. Deshalb segelten sie nur bei Nacht und guter Sicht los, den Weg wies ihnen der Polarstern, was „Nachtsprung“ genannt wurde. War der Finnische Meerbusen durchsegelt und die Küste erreicht, lag noch eine 400 Kilometer lange Strecke bis nach Nowgorod vor den Fernreisenden. Sie versammelten sich auf der Insel Kotlin, heute Kronstadt, wo sie die Waren auf kleinere Schiffe umluden, um sie über den Fluss Neva in den Lagodasee zu bringen. Von dort transportierte man die Güter auf dem Landweg an den Volchov-Stromschnellen vorbei, packte sie wieder auf Schiffe, und fuhr ins Fürstentum Novgorod. Dies war der „Sommerfahrplan“ jener Hansen, die mit Russland handelten. Aber es gab noch den „Winterfahrplan“, und der war einfacher, wenn man einmal von der Kälte absieht. Die Kaufleute luden ihre Waren im estländischen Dorpat oder in Riga vom Schiff auf Schlitten um und brachten sie über die zugefrorenen Flüsse und Seen nach Novgorod. Allerdings reisten nicht die gleichen Kaufleute sowohl im Sommer als auch im Winter nach Russland, es gab getrennte Gruppen: die „Sommerfahrer“ und die „Winterfahrer“. Die Sommerfahrer blieben den ganzen Sommer über in Novgorod. Schließlich, vor dem Einsetzen des Frostes, schlossen sie ihr Kontor zu, deponierten den Schlüssel in einem nahegelegenen Kloster und nahmen die Kasse mit nach Gotland, wo sie in der Marienkirche verwahrt wurde. Die Winterfahrer ihrerseits holten die Kasse zu Beginn der Reise in Gotland ab, warteten in Dorpat oder Riga, bis die Flüsse zugefroren waren und ließen sich in Novgorod am Kloster den Schlüssel geben. Sie verbrachten den gesamten Winter im St. Peterhof. <?page no="623"?> 624 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player 10.2.3 Die Kontore Die Kontore waren unabhängige Niederlassungen der Gilden im Ausland, sie hatten nichts mit den Städten im Heimatland zu tun, förderten ihrerseits jedoch die Entwicklung zur „Gesamthanse“. In Anlehnung an Probst/ Rüling werden als Joint Ventures „allgemein alle Formen kooperativer Arrangements zwischen zwei oder mehr selbständigen Unternehmen bezeichnet …, die zur Gründung einer dritten, von ihren Eltern losgelösten Einheit führen“ (Probst/ Rüling 1999, S. 6) Insofern kann man die hansischen Kontore im Ausland mit gutem Gewissen als mittelalterliche Joint Ventures bezeichnen, die zwar von selbständigen Kaufleuten gegründet worden waren, sich jedoch mit der Zeit von ihren Gründungsvätern emanzipierten. Auf den ersten Blick befremdlich ist, dass sich die Gilden in den Heimatstädten nach dem Fahrziel der Fernkaufleute bildeten (Schleswigfahrer, Englandfahrer, Gilde der Gotland bereisenden Deutschen), in den Kontoren jedoch nach Herkunft der Kaufleute organisiert waren. Das hatte gute Gründe und war in der Historie verankert, denn die frühen Hansen nahmen jeden auf, der ihre Streitmacht auf Reisen vergrößerte, am Ziel besann man sich dann wieder auf seine Herkunft. Als Kontor ist einerseits ein räumliches Areal zu verstehen, andererseits auch die Gesamtheit der im jeweiligen Land erwirkten juristischen Privilegien. Wollten hansische Fernkaufleute diese Vergünstigungen nutzen, mussten sie vor Ort einen Eid schwören, sich dem Stapelzwang unterwerfen, ihre Waren im Kontor deponieren, dort wohnen (außer in Brügge), sich an die geltenden Regeln halten und eine Abgabe zum Betrieb des Kontors leisten, den sogenannten „Schoss“ (Jahnke 2014, S. 134). Das brachte zwar Einschränkungen und Kosten mit sich, die Privilegien waren aber so attraktiv, dass es sich für den einzelnen Kaufmann rechnete. Außerdem bedeutete die Lagerung im Kontor einen Schutz der Waren, denn wo hätte der Kaufmann seine Güter, die oftmals sein gesamtes Vermögen darstellten, sonst sicher über längere Zeit unterbringen können. Im Kontor traf man sich einmal in der Woche, um Probleme zu besprechen und Erfahrungen auszutauschen. Meist fand die sogenannte Morgensprache am Sonntag statt, in London allerdings „mytwekens“. Über die Inhalte der Versammlungen wissen wir kaum etwas (wie auch nicht von den Mitgliedsversammlungen der Gilden), weil strenges Stillschweigen vereinbart worden war. Wer dagegen verstieß, wurde von den zukünftigen Versammlungen ausgeschlossen. Hauptkontore gab es in Nowgorod, Visby, London, Brügge und Bergen, daneben kleinere in Pskov, Polosk, Kaunas, Tönsberg, Oslo, Boston, Lynn, Bourgneuf und La Rochelle. Auf die Organisation der Hauptkontore soll im Folgenden näher eingegangen werden. Der Staven auf Gotland Wie bereits erwähnt, fungierte Gotland als Zwischenstation auf dem Weg ins Fürstentum Nowgorod, wobei sich neben den einheimischen, also den gutnischen Kaufleuten, zwei weitere Gruppen herausgebildet hatten: die sesshaften deutschen Kaufleute in der Stadt Visby und die durchreisenden Fernhändler. Die sesshaften Kaufleute genossen ein hohes Ansehen, sie stellten im 13. Jahrhundert die Hälfte des Rates, ihre Beschlüsse verfassten sie auf Deutsch und Schwedisch. Die „Gotland bereisenden Kaufleute“ besaßen bereits im Jahre 1253 ein eigenes Gebäude auf der Insel, den Staven. Sie hatten einen Ältermann gewählt, die Marienkirche erbaut und verfügten über <?page no="624"?> 10.2 Von 1150 bis 1350: Hansen, Gilden und Kontore 625 ein Vertragsarchiv und ein eigenes Siegel. Hauptsächlich waren es Kaufleute aus Lübeck, Dortmund und Soest, die den Staven nutzten. Das Kontor hatte neben der Erhaltung der Privilegien die Aufgabe, den Seeweg in der östlichen Ostsee zu sichern. Wegen seiner günstigen Lage scheint das Visbyer Kontor zusätzlich die Oberhoheit über den St. Peterhof gehabt zu haben. Darüber hinaus entwickelte der Staven das Seerecht der Hanse, das „Gotlansche Water Recht“, das bis in die Neuzeit wirkte (Ellmers 2018, S. 182). Allerdings war diese hervorgehobene Position nicht unumstritten. Insbesondere die aufstrebende Stadt Lübeck empfand den Staven als lästige Konkurrenz. Ab 1294 zogen Lübeck und die anderen wendischen Städte (Wismar, Rostock, Stralsund) die Vorrechte Visbys in Zweifel und im Jahre 1298 konnten sie die anderen Gotland bereisenden Deutschen davon überzeugen, das Siegel des Stavens einzuziehen, „damit mit diesem nicht Unliebsames besiegelt würde“ (zitiert in: Jahnke 2014, S. 141). 1299 wurde Visby auch die Oberhoheit über das Nowgoroder Kontor entzogen, was allerdings nicht heißt, dass damit sämtlich Handelstätigkeit eingestellt worden wäre. Noch im Jahre 1350 scheint der Staven im Betrieb gewesen zu sein. Der St. Peterhof in Novgorod Niederdeutsche Fernhändler aus Gotland scheinen sich recht früh mit ihren gutnischen Kollegen auf die gefährliche Reise ins Fürstentum Nowgorod gemacht zu haben. Im Jahre 1191/ 92 wird ein „deutscher Hof“ in der Stadt Nowgorod urkundlich erwähnt, er scheint der Vorgänger des Hansekontors gewesen zu sein. Die Gotländer hatten gleich nebenan einen eigenen, älteren Hof (Selzer 2010, S. 42). Im Jahre 1205/ 07 erwarben die von den „gotischen Ufern“ ostwärts reisenden Kaufleute am rechten Ufer des Flusses Wolchow ein Areal auf einem Höhenrücken. Sie umzäunten das Grundstück mit einer Palisade, bauten Blockhütten als Unterkünfte für die Kaufleute und errichteten die Kirche St. Peter, nach der das Kontor seinen Namen erhielt. Es war übrigens von hoher Wichtigkeit für die Kaufleute, dass die Kirche aus Stein gebaut war, denn dort konnten sie wegen der permanenten Brandgefahr - insbesondere im Winter - ihre Waren sicher lagern. Allerdings besagte eine der vielen Regeln des Hofs, dass niemand seine Güter auf den Altar stapeln durfte. Neben dem Ältermann und den Beisitzern gab es im Kontor einen Priester, einen Wäger und einen Warenprüfer. Nowgorod war, wie später Bergen, eine Domäne der Nachwuchskaufleute, die dort ihre ersten Erfahrungen sammeln sollten, weil sich das Handelsgeschehen eher übersichtlich gestaltete. Nicht so einfach war hingegen der Umgang miteinander, besonders zur Winterzeit, wenn 150 bis 200 junge Männer den gesamten Winter über im Peterhof kaserniert waren. Aus diesem Grunde hatte man sich ein strenges Regelwerk gegeben, auf dessen Einhaltung der Ältermann aufmerksam achtete. Abgeurteilt wurde nach dem gotländischen Recht. Zunächst dominierten gutnische und über Lübeck anreisende Kaufleute den Peterhof, später wurde er hauptsächlich von jenen aus Livland besucht. Nachdem Visby die Oberaufsicht über den Peterhof entzogen worden war, wollte Lübeck dieses Vakuum füllen, doch es lag zu weit entfernt, so dass die Verantwortung mit der Zeit auf die Städte Reval, Riga und Dorpat überging. Der Stalhof in London Die Kölner Fernhändlergilde, die bereits im 12. Jahrhundert mit Wein nach London handelte, hatte die stärkste Stellung der fremden Gilden in England, während andere niederdeutsche Fernhändler erst später in Erscheinung traten. So zum Beispiel die Lübecker, die zu Beginn des 13. Jahrhunderts von den an Dänemark verliehenen Privilegien profitierten, weil ihre Stadt von 1201 bis 1226/ 27 unter dänischer Herrschaft stand. Offensichtlich traten die Lübecker Fernhändler in London im Gegensatz <?page no="625"?> 626 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player zu den „wirklichen“ Dänen so zahlreich auf, dass die dänische Gildehalle mit der Zeit als „Halle der Hanse der Deutschen“ firmierte. Im Jahre 1234 hatten sich die Kölner mit den anderen Niederdeutschen und den Lübeckern, die nun keine Dänen mehr waren, verbündet, als die Londoner Verwaltung darauf bestand, dass sich die deutschen Fernkaufleute als Gegenleistung für ihre Privilegien am Neubau, dem Unterhalt und der Bewachung der Londoner Stadtmauer beteiligen sollten. Unter diesem Druck entstand eine gemeinsame Gilde der Deutschen mit einem eigenen Quartier, das von der Themse, der Thames-Street, der Cosins Lane und der All Hallows Lane begrenzt und „Stalhof“ genannt wurde. Dort hatten sie einen Anleger an der Themse sowie einen eigenen Schwerlastkran. Im Gegensatz zu den anderen Kontoren gab es im Stalhof zwar eine Kapelle, für den Gottesdienst mussten die Kaufleute jedoch die Londoner Pfarrkirche All Hallows the Great besuchen. Die meisten im Stalhof wohnenden Händler kamen aus Köln, sie machten auch die größten Umsätze. Ein Unterschied zu den anderen Kontoren war, dass im Stalhof neben dem deutschen Ältermann auch ein englischer den Kaufleuten vorstand, der dem König zur Bestätigung vorgeschlagen werden musste. Meist war er selbst ein Kaufmann und bekleidete in der Londoner Verwaltung ein hohes Amt (Jahnke 2014, S. 142). Zusätzlich hatte der Stalhof einen festangestellten Beamten sowie mehrere Angestellte. Die tyskebrygge (Deutsche Brücke) in Bergen Die niederdeutschen Fernkaufleute kamen wohl erstmals zu Beginn des 13. Jahrhunderts als „Sommerfahrer“ nach Norwegen. Sie erwirkten in den 1240er Jahren einige Privilegien, die es ihnen schließlich erlaubten, auch im Winter an der norwegischen Küste zu bleiben („Wintersitzer“). Das brachte den Vorteil mit sich, dass sie den Stockfisch vor Ort zu günstigen Preisen einkaufen konnten, bevor die lästige Konkurrenz aus England auftauchte. Die Zahl der hansischen Kaufleute stieg bis zu den 1280er Jahren stark an, was zu Streitigkeiten zwischen ihnen und den norwegischen Kaufleuten führte. Daraufhin räumte der König den Hansen ein Niederlassungsrecht von Südnorwegen bis Bergen ein. In Bergen erwarben die Fernkaufleute an der Nordseite des Hafens einen Komplex, der zeitweise bis zu 30 Höfe umfasste und „tyskebryggen“ (Die deutsche Brücke) genannt wurde. Es gab Speicher, Schreibstuben, Schlaf- und Aufenthaltsräume. Die zuständige Kirche war die Marienkirche direkt hinter der brygge, sie blieb bis 1766 im Besitz Lübecks. Noch bis zum Jahre 1870 wurde dort in deutscher Sprache gepredigt. Im Areal der brygge lebten und arbeiteten bis zu 2000 Kaufgesellen - die meisten aus Hamburg und Lübeck -, die auf dem wenig differenzierten Markt ihre ersten Kenntnisse erwerben sollten. Es war eine raue Kaufmannsgesellschaft, die den Winter in Bergen verbrachte. Berüchtigt waren die „Bergener Spiele“, Initiationsriten, denen sich die neu hinzugekommenen Gesellen unterziehen mussten. Mutproben waren unter anderem das Hängen im Räucherkamin und das Schwimmen in eiskaltem Wasser. Da konnte es schon mal passieren, dass „der hals und rugge knakede, ock nese und munt blodede“ (zitiert in: Reich/ Pagel 1981, S. 240). Wo so viel Jungvolk unter sich war, brauchte es ein strenges Reglement. In der stark frequentierten Zeit standen sechs Älterleute und 18 Beisitzer der tyskebrygge vor, später kam ein Sekretär hinzu. Es gab strenge Regeln für den Feuerschutz (trotzdem brannte es mehrmals), für die Wachverteilung und zur Vermeidung von Prügeleien. Im Gegensatz zu Nowgorod, wo anfänglich gutnisches Recht galt, konnten sich die Ältermänner in Bergen auf Lübecker Recht berufen. <?page no="626"?> 10.2 Von 1150 bis 1350: Hansen, Gilden und Kontore 627 Das Kontor in Brügge War Bergen eher dem kaufmännischen Nachwuchs überlassen, so erforderte der Handelsplatz Brügge in Flandern einen gestandenen Kaufmann wegen des vielfältigen Warenangebots und der Konkurrenz aus Oberdeutschland, aus England, aus Italien und aus Spanien. Brügge war im 13. Jahrhundert die Kapitalhauptstadt Nordeuropas und das Zentrum des mittelalterlichen Tuch-, Gewürz-, Südfrucht- und Weinhandels (Jahnke 2014, S. 148). Weil so viele ausländische Fernhändler in Brügge ihre Geschäfte betrieben, konnten sich die Osterlinge, d.h. die Kaufleute aus dem Gebiet östlich von Flandern, keine herausragende Stellung erkämpfen, es wurde ihnen nicht einmal ein Hof zugestanden. Hansische Kaufleute, die kein eigenes Haus in Brügge besaßen, mussten sich bei Hôstelliers einquartieren, die als Warenvermittler fungierten und auf die Einhaltung der Regeln der Stadt achteten. Die Hansen trafen sich bis 1442 im Refektorium des Brügger Karmeliterklosters, danach in einem Haus in der Stadt, welches die Gilde erworben hatte. Im Jahre 1478 baute das Kontor ein recht ansehnliches Haus am späteren Oosterlingenplein für ihre Bedürfnisse um, es wurde mit einem Sitzungssaal, mit Diensträumen für die Beamten, einem Archiv und einigen Gästezimmern ausgestattet. Am Oosterlingenplein trafen sich die niederdeutschen Fernkaufleute, manchmal bis zu 600 Personen, um sich auszutauschen und ihre Probleme zu besprechen. In der Mehrzahl waren es Händler aus Westfalen, für die Flandern nicht weit entfernt war, und die in Krisensituationen häufig andere Interessen verfolgten als z.B. die Kaufleute aus den Seestädten oder den preußischen Gebieten. Wegen der unterschiedlichen Interessen, wie sie in einem solch riesigen Herkunftsgebiet nicht ausbleiben konnten, kam es in den 1350er Jahren zu einem Eklat innerhalb des Kontors, der intern nicht mehr zu lösen war. Die Älterleute wandten sich an die gemenen Städte, die Herkunftsstädte der Kaufleute, mit der Bitte um Streitschlichtung. 1356 reisten deren Ratsendeboten an und gaben dem Brügger Kontor eine Ordnung, die später auch von den anderen Kontoren übernommen wurde. Nach dieser Regelung wurden die Kaufleute nach regionalen Kriterien entsprechend ihrer Herkunft eingeteilt. Es gab das wendisch-sächsische, das westfälisch-preußische und das livländisch-gotländische Drittel mit jeweils eigenen Ältermännern und Beisitzern, die über anstehende Probleme berieten. Damit wurde sichergestellt, dass einzelne Drittel nicht überstimmt werden konnten, wenn von diesen nur wenige Kaufleute anwesend waren. Allerdings begab sich das Brügger Kontor damit in eine Abhängigkeit von den Städten, was es bisher tunlichst vermieden hatte. Trotz seiner hohen Bedeutung war der Handelsplatz Brügge rein geografisch gesehen gefährdet. Die Lage am Fluss Swin, der immer wieder versandete, erforderte es, die Waren von den seegängigen Schiffen auf andere Transportmittel umzuladen, was Zusatzkosten verursachte. Die schonischen Messen Die Messen auf der Halbinsel Schonen an der schwedischen Küste zwischen Malmö und Trelleborg können juristisch als ein Kontor angesehen werden, weil es Privilegien zu verwalten gab, jedoch bestand dort kein ständiges Areal und kein Gebäude der Gilden wie an den anderen Standorten, weil der Markt nur Heringsfangsaison besucht wurde. Die Messen nahmen ihren Betrieb immer dann auf, wenn die dänischen und schwedischen Fischer den im Öresund gefangenen Hering in Skanör und Falsterbo anlandeten. Das war besonders für die Lübecker Kaufleute günstig, weil sich dieser Markt fast vor ihrer Haustüre ausbreitete und das für die Konservierung benötigte Salz sozusagen in ihrem Hinterhof, in Lüneburg, gewonnen wurde. Da die Märkte außerdem im Schnittpunkt zwischen der Ost- und der Nordsee lagen, wurden sie von <?page no="627"?> 628 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player skandinavischen, englischen und holländischen Kaufleuten besucht, wobei neben eingesalzenen Heringen auch Wachs und Pelze aus Novgorod sowie Tuche aus Flandern den Besitzer wechselten. Wegen des großen Finanzbedarfs der dänischen Könige erhielten die hansischen Städte im 14. Jahrhundert weitreichende Privilegien. Sie erwarben ausgedehnte Grundstücke und errichteten für die Zeit der Messen Miniaturstädte. Es gab „Kapellen und Klosterzellen, Friedhöfe, Amtshäuser der Vögte, Schlachtereien, Bäckereien, Tavernen und Hurenhäuser und zahllose Verarbeitungsplätze für Hering und Buden der Kaufleute“ (Jahnke 2014, S. 159). Als Gegenleistung kassierten die dänischen Könige Zölle und andere Abgaben. 10.2.4 Die Schiffe der Hanse Das Erstarken der Seehanse, also der Hansischen Seestädte, wird mit einem besonderen Schiffstyp - der Kogge - in Verbindung gebracht, bei der unterschiedliche Schiffbautechniken kombiniert wurden. Dadurch ließen sich Schiffe mit größeren Transportkapazitäten bauen. Allerdings ist es nicht so, dass die Schiffe immerwährend größer wurden, vielmehr stand der Schiffbau in ursächlichem Zusammenhang zum Warenaufkommen. Während der ökonomischen Revolution vom 12. zum 13. Jahrhundert baute man die Schiffe immer größer, im 14. Jahrhundert wurden sie wegen der Stagnation des Handels wieder kleiner. Warentransporte zur See gab es bereits vor der Hansekogge. Während sich die karolingischen Händler mit ihren Ochsengespannen den Weg durch die Urwälder Germaniens bahnten, transportierten die Friesen, die Slawen und die Skandinavier ihre Güter zur See, wobei sie sich unterschiedlicher Schiffstypen bedienten. Das friesische Schiff war kraweel-geplankt, also mit stumpf gegeneinanderstoßenden Planken versehen. Es hatte einen platten Boden, damit das Fahrzeug, das in den flachen Gewässern Hollands bei Ebbe auf dem Meeresgrund aufsaß, nicht zur Seite fiel. Ganz anders sah das skandinavische Frachtschiff aus, das seine Konstruktionsmerkmale von den Langschiffen der Wikinger ableitete. Weil es in der Ostsee nur geringe Gezeitenunterschiede gibt, sich also kaum trockenfallendes Wattenmeer vor der Küste ausdehnt, und die Fjorde Norwegens zwar eng, aber tief sind, baute man dort ein gerundetes Unterwasserschiff in Klinkerbauweise mit überlappenden, aneinander genagelten Plankengängen. Der Nachteil der Klinkerbauweise war jedoch, dass der Bau größenmäßig begrenzt war, weil ein klinkergebautes Schiff in sich nicht starr und demzufolge nie ganz dicht ist. Foerster erklärt dieses Phänomen wie folgt: „Dies führte dazu, dass das Schiff gerade in seinen Plankenverbindungen stark arbeitete, wodurch die Nagelverbindungen an Stabilität verloren und die Kalfaterung regelrecht aufgerieben wurde. Die Schiffe segelten sich ‚weich’. Wasser konnte zunehmend eindringen, die Ladung verderben oder im schlimmsten Fall zum Untergang führen“ (Foerster 2009, S. 46). Um dem Mangel der Klinkerbauweise abzuhelfen, kombinierte man ab dem 14. Jahrhundert die beiden Bautechniken miteinander. Die Kogge bekam einen kraweelgeplankten, eher flachen Schiffsboden, während die Seitenwände in Klinkerbauwrise ausgeführt wurden. So auch bei der „Bremer Kogge“ von 1380. Sie hat eine Länge von 23 m, eine Breite von knapp 8 m, besitzt eine Verdrängung von 80 Tonnen und steht heute im Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven. Durch die Erhöhung der Seitenwände wurde die Ladekapazität der Koggen mit der Zeit so weit vergrößert, dass sie ein Fassungsvermögen von bis zu 220 Tonnen erreichten. Als Baumaterial verwendete man wahlweise Kiefern- oder Eichenholz. Gesegelt wurde die Kogge mit einem Rahsegel am einzigen Mast. Das Segel hatte man aus roten und weißen Segeltuchstreifen zusammengenäht, entsprechend den Farben der Hanse. Bei Fahrversuchen auf Nachbauten wurde bei einer Windgeschwindigkeit von 4 Beaufort = 5,5 Knoten erreicht, bei 7 Beaufort = 7 Knoten. Die maximale Geschwindigkeit betrug 8,1 Knoten, was nicht wenig ist, wenn <?page no="628"?> 10.2 Von 1150 bis 1350: Hansen, Gilden und Kontore 629 man bedenkt, dass Frachtschiffe mit Motor noch in den 1950/ 60er Jahren selten über 12 Knoten hinauskamen. Die hier aufgeführten Geschwindigkeiten sind allerdings kein Maßstab für die Dauer einer Reise, denn die Koggen waren stark von der Windrichtung abhängig. Da sie nur vor dem Wind laufen konnten und das Kreuzen mit nur einem Segel, trotz der beachtlichen Mannschaftsstärke von 10-18 Mann, recht mühsam war, dürfte die durchschnittliche Fahrtgeschwindigkeit nicht mehr als 2,4 Knoten betragen haben. Wie wir aus Berichten wissen, lagen im Konvoi fahrende Flotten teilweise 14 Tage untätig auf dem Meer, bis endlich der Wind drehte. Unter diesen Umständen ist es verständlich, dass für eine Reise von Hamburg nach Flandern und zurück 7 Wochen angesetzt wurden, von Hamburg nach Gotland und zurück knapp 3 Monate. Theoretisch gesehen hätte man dennoch sieben Reisen im Jahr nach Flandern machen können und vier Reisen nach Gotland. Allerdings nur theoretisch! Denn tatsächlich betrug die Fahrsaison nur 260 Tage im Jahr, weil die hansische Schifffahrt vom 11. November (St. Martini) bis zum 22. Februar (St. Petri Stuhlfeier) jeden Jahres ruhen musste. Das dürfte mit dem Eisgang an den Küsten und auf den Flüssen zu tun gehabt haben, doch auch wenn die Gewässer bereits früher eisfrei waren, verbot die Hanse ein Auslaufen vor St. Petri. Dadurch erzwang sie gleichartige Geschäftsbedingungen für ihre Mitglieder und verhinderte, dass einzelne Schiffer zeitiger aufbrachen, um einen Wettbewerbsvorteil im Abladehafen zu erreichen. Zusätzlich reduzierten lange Liegezeiten in den Häfen die Anzahl der Reisen. Die Waren mussten erst einmal von Bord geschafft werden, der Kaufmann einen Käufer finden und die neue Ladung, wenn sie denn schon da war, musste zum Schiff gebracht und gestaut werden. Zusätzlich blieb ein vorsichtiger Schiffer so lange im Hafen liegen, bis sich genügend Schiffe für eine Konvoi-Fahrt gesammelt hatten, wenn Angriffe von Kaper oder Seeräubern zu befürchten waren. Wegen dieser Einschränkungen konnte sich ein Kaufmann glücklich schätzen, wenn er pro Jahr - 2-3 Reisen in der Flandernfahrt, - 2 Reisen in der Englandfahrt, - 2 Reisen in der Norwegenfahrt und - 1 Reise nach Nowgorod machte. Der Schiffbau blieb mit der Entwicklung der Kogge in der ursprünglichen Form nicht stehen. Im 13. Jahrhundert setzte sich das Heckruder gegenüber dem Seitenruder durch, was die Steuereigenschaften erhöhte. Zum Ende des 14. Jahrhunderts wurden die Koggen größer, die Schiffseiten höher, wodurch eine Ladekapazität bis zu 320 Tonnen erreicht werden konnte. Man baute Kastelle über das Achterdeck und schließlich auch über das Vordeck, was eine bessere Verteidigungsposition bei Piratenangriffen erlaubte und gleichzeitig der Besatzung einen gewissen Schutz bei Regen und Sturm unter den Kastellen ermöglichte. In dieser Zeit verdrängte die leistungsfähigere Holk die Kogge, letztere blieb jedoch noch bis ungefähr 1500 in Betrieb. Den größten Umbruch brachte im 15. Jahrhundert die Erhöhung der Mastenanzahl. Vom Einmaster ging man zu Zwei- und schließlich zu Dreimastern über, was sowohl die Manövrierfähigkeit verbesserte als auch die Schiffsgeschwindigkeit erhöhte. „Diese bahnbrechenden Veränderungen“, schreibt Foerster, „hatten eine erhebliche Leistungssteigerung der Schiffe zur Folge und leiteten das Zeitalter der Entdeckungen an den Küsten Amerikas, Afrikas und Asiens ein“ (Foerster 2009, S. 54). <?page no="629"?> 630 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player 10.2.5 Die Waren der Hanse Wachs und Pelze Wie bereits beschrieben, ließ sich mit Wachs und Pelzen aus dem Fürstentum Nowgorod gutes Geld verdienen. Das Wachs wurde von den Kirchen und Klöstern für die Kerzen nachgefragt, mit Pelzen behängten sich Könige wie auch weltliche und kirchliche Fürsten, um ihre Macht und ihren Wohlstand herauszukehren. Das war nicht nur im Mittelalter so, sondern noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als sich Napoleon Bonaparte in einem schweren Hermelinmantel malen ließ. Waren es zunächst die Russen, Slawen und Skandinavier, die mit Wachs aus den Weiten Russlands handelten, hatten die Hansen spätestens ab 1300 infolge ihrer größeren Kapitalkraft die anderen Händler vom Markt verdrängt. Sie bemühten sich um einen hohen Standard in der Wachsproduktion, indem sie ab 1333 im Novgoroder St. Peterhof einen Wachsprüfer beschäftigten. Pelze stellten einen ungeheuren Wert als Schiffsladung dar. Als im Jahre 1406 englische Kaper drei hansische Schiffe aufbrachten, hatten diese fast 400.000 Pelze an Bord. Die jährliche Gesamtmenge des Pelzimports dürfte zu dieser Zeit 1,5 Millionen Stück betragen haben. Holz und Getreide, Flachs, Hanf und Wolle Aus Skandinavien kam das weichere Nadelholz, das härtere und damit wertvollere Eichenholz dagegen aus dem Hinterland Preußens. Die in den Wäldern geschlagenen Stämme wurden auf den Flüssen zu den Häfen geflößt, gesägt und anschließend als Halbfertigprodukte auf Seeschiffe geladen. Von dort brachte man das Holz nach England und in die flämischen Städte. Wie Carsten Jahnke schreibt, dürften die meisten Kathedralen Englands und Flanderns sowie die meisten Schiffe dieser Zeit aus dem Holz gebaut worden sein, das einmal über die Ostsee transportiert worden war (Jahnke 2014, S. 65). Hanf und Flachs baute man in Russland und Polen an, die Abnehmer saßen in Flandern (Leinenproduktion) und in England (Hanfverarbeitung). Das war ein profitables Geschäft für die hansischen Fernkaufleute. Leinenfasern hatten eine hohe Reißfestigkeit, man verarbeitete sie für Bett- und Haushaltswäsche. Hanffasern benötigten die Schiffbauer für Segeltuch, Taue und Seile, im Gegenzug lieferte England Schafwolle, welche die Hansen in die Zentren der Textilproduktion nach Flandern brachte. Die Fastenspeise des Mittelalters: Hering und Stockfisch Auf die Rolle des Herings auf den schonischen Messen wurde bereits hingewiesen. Doch der Hering alleine genügte nicht, man brauchte auch Salz, um ihn zu konservieren. Dieses Produkt lieferte über Jahrhunderte die Saline von Lüneburg, was der Stadt einen erheblichen Reichtum bescherte. Mit der Zeit konnte Lüneburg jedoch den steigenden Bedarf nicht mehr befriedigen, so dass jetzt Meersalz von der Baie de Bourgneuf an der Westküste Frankreichs zu den schonischen Messen gebracht werden musste. Zeitweise war die Hälfte der hansischen Flotte in der Baienfahrt beschäftigt, wegen des hohen Werts der Ladung wurden die Schiffe allerdings häufig von Seeräubern und Kaper aufgebracht. Im Gegensatz zum Hering musste Dorsch nicht eingesalzen werden, um ihn zu konservieren. Ihm wurde in Nordnorwegen durch Gefriertrocknung auf Gestellen (Stöcken) die Feuchtigkeit entzogen, was ihn sehr lange haltbar machte. Die Fischer brachten ihren Stockfisch zum Stapel von Bergen, wo er auf Koggen umgeladen und über die Nordsee nach England verschifft wurde. Eigentlich hätten auch englische Händler von diesem Warentransport profitieren können, doch die <?page no="630"?> 10.2 Von 1150 bis 1350: Hansen, Gilden und Kontore 631 Macht der Hanse war so groß, dass sie die englische Konkurrenz vom Markt drängte. Die Hansen kauften nämlich in Bergen von norwegischen Fischern nicht nur den Stockfisch, sie verkauften ihnen im Gegenzug auch dringend benötigte Waren. Und nicht nur das: Die Händler schwatzten den Fischern mehr Waren auf, als sie für deren Fisch gezahlt hatten, sie gewährten also Kredit. Das bedeutete, dass die Fischer im nächsten Jahr gezwungen waren, mit ihrem Kreditgeber Geschäfte zu machen, selbst wenn andere Händler - z.B. englische - mehr für den Stockfisch gezahlt hätten. Dadurch behielten die Hansen die Fischer in einem immerwährenden Abhängigkeitsverhältnis, es war eine Art verkapptes Truck-System. War für die hansischen Fernkaufleute die Reise zu den Auslandskontoren an sich schon ein gutes Geschäft, so ließ sich der Gewinn noch steigern, wenn man mehrere Zielhäfen miteinander verband. Man konnte zum Beispiel Getreide von Preußen nach Bergen bringen, dafür Stockfisch einkaufen und diesen nach London liefern. Dort kaufte man Wolle und brachte sie nach Brügge. In Flandern erwarb man hochwertige Tuche, die sich in den Seestädten der Hanse gut absetzen ließen. Und dann brauchte man nur wieder Getreide laden, nach Norwegen liefern usw., usw., usw. Wein und Bier Wein war im Norden ein Luxusartikel. Den Wein aus süddeutschen Anbaugebieten transportierten die Erzeuger nach Köln, dem „Weinhaus der Hanse“ (Jahnke 2014, S. 88), von wo er weiter nach England verschifft wurde, sofern nicht die Kölner den Wein selbst tranken, und das war nicht wenig. Bier war im Mittelalter nicht nur ein Genussmittel, sondern in viel größerem Maße ein Lebensmittel. Bier tranken alle, auch Kinder, besonders das Braunbier mit seinem geringen Alkoholgehalt. Da Wasser in den Städten wegen der Verunreinigungen nicht als trinkbar angesehen wurde, bot sich Bier häufig die einzige Alternative an, denn es war durch den Gärprozess weniger mit Keimen belastet. Es wird geschätzt, dass im Mittelalter der durchschnittliche Bierkonsum zwischen 500 und 1000 Liter pro Person und Jahr lag. Insbesondere die Seestädte der Hanse brauten Bier. Hamburg exportierte sein gehopftes Bier überwiegend nach Holland, die Ostseestädte Lübeck, Rostock und Wismar versorgten Skandinavien, Livland und teilweise Nowgorod damit. 10.2.6 Das Netzwerk der hansischen Fernkaufleute Bis weit ins 13. Jahrhundert hinein begleiteten die Hansen ihren Waren persönlich, denn man hatte nicht zu schreiben gelernt, was eine mündliche Abwicklung und damit die Anwesenheit des Warenbesitzers erforderte. Mit Feder und Pergament umgehen konnten bis ins Hochmittelalter nur Priester und Mönche, und die achteten streng darauf, dass ihr Alleinstellungsmerkmal erhalten blieb. Natürlich hätte man einen Geistlichen mit auf die Reise nehmen können, doch warum sollte man die Kosten für sein Gehalt, die Unterbringung und die Verpflegung aufbringen, was den Gewinn schmälerte? Um dem Missstand der Schriftlosigkeit abzuhelfen, gründete Lübeck im Jahre 1256 neben der vorhandenen Domschule die erste Ratsschule, auf die auch die Söhne der Kaufleute gingen. Geschrieben wurde auf Latein, weil das Mittelniederdeutsch noch keine Schriftlichkeit kannte. Die Schreibkenntnisse brachten einen völlig neuen Typ des Kaufmanns hervor, denn wer schreiben kann, vergrößert sein Handelsvolumen, weil er die Waren nun nicht mehr selbst begleiten muss. Er konnte seine Güter, versehen mit einem Begleitbrief, zu den Kontoren schicken, wo sie von einem Vertrauten entgegengenommen wurden. Diese Vertrauten waren keine Bediensteten, sondern vor <?page no="631"?> 632 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player Ort ansässige, honorige Hansekaufleute mit profunden Kenntnissen des Marktes, welche die Waren mit der gleichen Sorgfalt verkauften, als wären es ihre eigenen. Für den erwirtschafteten Ertrag kaufte der im Ausland ansässige Kaufmann seinerseits Waren und schickte sie in die Heimatstadt seines Geschäftspartners, der die Güter mit einem guten Gewinn zu verkaufen trachtete. Für diese Tätigkeit auf fremde Rechnung wurde im hansischen Wirtschaftsraum keine Maklergebühr fällig, wie es bei den italienischen Kaufleuten durchaus üblich war. Die ausländischen Partner in diesem Geschäft auf Gegenseitigkeit waren meist die ausgewanderten Söhne des Kaufmanns, seine Verwandten oder andere, freundschaftlich verbundene Händler. Damit war der ortsfeste Kaufmann in der Lange, die Geschäfte von zu Hause aus zu disponieren und Güter gleichzeitig zum Beispiel nach Brügge, London und Bergen zu schicken, was sein Handelsvolumen erheblich vergrößerte. Nun war es allerdings nicht so, dass der in der Heimatstadt lebende Kaufmann feist und zufrieden dem Wachsen seines Kapitals zuschaute. „Risikobewusstsein und Risikofurcht“, schreibt Stefan Selzer, „Abenteuer und Angst waren die Pole kaufmännischen Agierens. Ein erfolgreiches Geschäft war abhängig von den Preisen, den Transportkosten, der zu Land und mehr noch auf See unberechenbaren Transportdauer, den Quantitäten der Güter, den Kosten der Lagerung, dem Informationszufluss und den Aktivitäten der Mitbewerber“ (Selzer 2014, S. 97). Trotz dieser Widrigkeiten, die das Geschäftsleben so mit sich bringt, ergab sich durch die ganzjährige Anwesenheit des Kaufmanns in seiner Heimatstadt ein weiterer Vorteil, der nicht zu gering veranschlagt werden sollte. Der bestand darin, dass er jetzt ein (unbezahltes) Amt im Rat der Stadt einnehmen konnte, was sich sicherlich positiv auf den Geschäftserfolg auswirkte. Den im Rat sitzenden Kaufleuten gelang es dadurch, ihre eigenen Interessen zu denen der Allgemeinheit zu machen, was den ersten Schritt zu einer Gesamthanse der Städte bedeutete. Die Unruhen in den Städten zu Beginn des 15. Jahrhundert rührten nicht selten aus dem Umstand, dass sich deren Regierung zu stark an den Handelsinteressen seiner Ratsmitglieder orientierte. Ein nicht unbedenkliches Zeichen dieser Verquickung ist z.B. heute noch in Hamburg zu besichtigen: Dort ist die Börse der Kaufleute direkt an das Rathaus angebaut. Die Schriftlichkeit der Kaufleute brachte jedoch noch einen anderen Vorteil mit sich. Um die richtigen Entscheidungen zu treffen, benötigte ein Händler möglichst viele Informationen über den Absatzmarkt: Welche Güter werden zu welchen Preisen nachgefragt, wie stark ist die Konkurrenz, welche Rückfracht ist zu erhalten, wo treten Probleme mit Behörden/ Herrschern/ einheimischen Kaufleuten auf? In den Zeiten der Schriftlosigkeit waren die Fernkaufleute auf ihren persönlichen Augenschein angewiesen, ganz sicher bekamen sie auch mündliche Informationen, wenn sie sich in den Kontoren aufhielten. Dies änderte sich nun gravierend, man kann geradezu von einer Informationsflut im Hanseraum sprechen. Selbst wenn sich nicht viel im Laufe der Jahrhunderte erhalten hat, muss davon ausgegangen werden, dass ein reger Schriftverkehr zwischen dem ortsfesten Kaufmann und seinen Gewährsleuten in den ausländischen Kontoren einsetzte. Und nicht nur das: Durch die Organisation in den Gilden und durch die Mitgliedschaft im Rat bekam der einzelne Kaufmann eine Vielzahl an zusätzlichen Informationen, die er als Einzelperson kaum erhalten hätte. Man kann davon ausgehen, dass bereits im 14. Jahrhundert ein umfangreiches Netzwerk zwischen den Heimatstädten, den Kontoren und den Absatzmärkten bestand. Träger dieses Netzwerkes waren die Kaufleute in den Heimatstädten selbst, die Ältermänner in den Kontoren und die Vertrauten in den anderen Hansestädten. Aufgebaut und mit Informationen versorgt wurde dieses Netzwerk durch die Gilden und durch Söhne und Verwandte des Kaufmanns, die sich in anderen Hansestädten niedergelassen hatten, wie dies aus Soest und Dortmund bezeugt ist, von wo aus Handeltreibende nach Preußen, Visby und Livland ausgewandert waren. Aber es müssen nicht nur verwandtschaftliche Beziehungen gewesen sein, die dieses Netzwerk mit Informationen bestückten. Wenn die <?page no="632"?> 10.3 Von 1350 bis 1500: Von der Kaufmannshanse zur Städtehanse 633 Nachwuchskaufleute über Monate in den Kontoren lebten, dürften sich Freundschaften entwickelt haben, die auch zum Wohle des Handels genutzt werden konnten. So z.B. in der Schwarzenhäupterbruderschaft der jungen Kaufgesellen in Reval, zwischen denen nachweislich längerfristige Handelskontakte entstanden, evtl. zu vergleichen mit den studentischen Verbindungen, bei denen die Kontakte auch heutzutage vielfach über das Studium hinaus erhalten bleiben (Jahnke 2014, S. 112). 10.3 Von 1350 bis 1500: Von der Kaufmannshanse zur Städtehanse Durch die Brille eines Kaufmanns betrachtet, lebten und handelten die Hansen im 13. Jahrhundert nahezu im Paradies. Die Bevölkerung nahm zu, die Städte entwickelten sich zu Machtzentren, die ihre fürstlichen und kirchlichen Herrscher abgeschüttelt hatten, die Kaufkraft stieg und damit auch der Bedarf an Waren. Die Kontore hatten weitreichende Privilegien erworben, die unliebsame nichthansische Konkurrenz, insbesondere die Friesen, konnten in Schach gehalten werden. Zwar stellten der englische König und die Stadt Brügge die erworbenen Privilegien immer wieder in Frage, doch das ließ sich durch gemeinsame Aktionen abwenden, über die noch zu sprechen sein wird. Nach Ansicht der Hansen hätte dieser Zustand bis an Ende aller Tage weitergehen können, doch so funktioniert die Welt leider nicht. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts stieß die bäuerliche Produktion trotz der eingeführten Neuerungen in der Landwirtschaft an ihre Grenzen. Eine Ertragsteigerung war kaum noch möglich, die immer noch zunehmende Bevölkerung konnte nicht mehr ernährt werden. Gleichzeitig brachte eine Klimaverschlechterung weniger landwirtschaftliche Erträge, wodurch es in den Wintern 1315-17 zu schweren Hungersnöten kam. Das war jedoch nichts gegen die Pest, die Europa von 1348 bis in die 1370er Jahre in immer wiederkehrenden Schüben heimsuchte und der ein Drittel der Bevölkerung zum Opfer fiel. Der Verlust dieser Arbeitskräfte führte zu einer „spätmittelalterlichen Agrarkrise“, wie sie von den Historikern bezeichnet wird. Es wurden weniger Lebensmittel produziert und die zum Kauf angebotenen Waren konnten nicht abgesetzt werden, weil die Händler oder die Abnehmer verstorben waren. Das hansische Netzwerk bekam große Löcher, Produktion und Nachfrage gingen auf das Niveau des 12. Jahrhunderts zurück. Der Kuchen, der jetzt zu verteilen war, wurde kleiner, was einen starken Konkurrenzkampf entfachte. Was macht ein Kaufmann, wenn die Gewinne wegbrechen? Er ruft nach dem Staat als Beschützer der Handelsinteressen. Im Falle der Fernkaufleute musste er nicht einmal besonders laut rufen, denn seine Kollegen saßen ja bereits im Rat der Stadt. In Städten mit einem hohen produzierenden Anteil mussten die kaufmännischen Ratsmitglieder die Sitze zwar mit den Zünften der Handwerker teilen, doch in den Seestädten dominierten die Kaufleute den Rat so stark, dass sie ihre Handelsinteressen mit den städtischen Interessen gleichsetzen konnten. Bereits zum Ende des 13. Jahrhunderts hatten die Städte damit begonnen, eine eigenständige Machtpolitik zu betreiben, um das Vakuum zu füllen, das der Niedergang des Kaisertums hinterlassen hatte. Um die Handelswege sicher zu machen und als Schutz gegen Angriffe von außen, schlossen sie untereinander Verträge, die nicht nur die Landwege, sondern auch die Seewege einbezogen. So verpflichteten sich Lübeck, Visby und Riga im Jahre 1282, den Handelsverkehr „zwischen dem Öresund und Nowgorod bzw. auf der ganzen Ostsee und in deren Häfen“ zu schützen (zitiert in: Hammel- Kiesow 2014, S. 56). Das war durchaus im Sinne der Fernhandelskaufleute, denn sichere Straßen und Seewege bedeuteten einen ungestörten Warenverkehr. Zudem hatten sie nun die geballte Macht jener Städte hinter sich, aus denen die Kaufleute stammten, was den Erwerb und Erhalt von Privilegien erleichterte. <?page no="633"?> 634 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player Auf der anderen Seite dürften sich die Auslandskontore wohl nur mit zusammengebissenen Zähnen unter den Schutz der Städte gestellt haben, denn jetzt konnten sie nicht mehr nach rein kaufmännischem Gutdünken frei entscheiden. Nun sprachen die Städte mit, und deren Sichtweise hatte das politische Umfeld zu berücksichtigen. Allerdings darf man die Unabhängigkeit der Kaufleute nicht allzu wörtlich nehmen, auch wenn das immer wieder betont wird. Bis auf Robin Hood war niemand wirklich frei im Mittelalter. Die Bauern unterlagen den Frondiensten für die Adligen, die Handwerker dem Zwang ihrer Zünfte, die Kaufleute dem der Gilden. Die geschriebenen und insbesondere die ungeschriebenen Zwänge der Bruderschaften regierten nicht nur in den geschäftlichen Bereich hinein, sondern auch weit in den privaten. Alles geschah unter den wachsamen Augen der Gildemitglieder: die Taufe, die Hochzeit, die Beerdigung, das Totengedenken. Die Religionsausübung zum Beispiel war keine Privatsache, sie war eine öffentliche Angelegenheit. Schließlich betete man gemeinsam für gute Geschäfte und eine erfolgreiche Handelsreise. Zeigte ein Mitglied „Unlust“ und blieb dem sonntäglichen Kirchgang oder der Trauerfeier für ein verstorbenes Gildemitglied fern, konnte er mit einem Bußgeld belegt werden. Diese umfassende Kontrolle blieb nicht auf die Heimatstadt beschränkt, denn auch in den Kontoren wurde der Fernkaufmann von den anderen Mitgliedern aufmerksamen beobachtet. Carsten Jahnke erklärt dieses System: „Unter den täglich zu versendenden Informationen eines Kaufmannes waren nicht nur politische und wirtschaftliche Meldungen, sondern ein Kaufmann überwachte und beschrieb auch täglich das Verhalten und Agieren seiner Kollegen“ (Jahnke 2014, S. 108). Durch diesen psychologischen Druck war es nur schwer möglich, sich jenseits der allgemeinen Norm zu bewegen. Und die Norm war der gute Ruf und die Ehrlichkeit eines hansischen Kaufmanns. Er durfte nicht der Völlerei oder der Trunksucht frönen, sonst wurde er weder in die Gilde noch in den Kontoren aufgenommen. Das hatte durchaus seine Funktion, denn welche Organisation wollte ein Schlitzohr oder einen Nichtsnutz in den eigenen Reihen haben, dem nicht zu trauen war und der den Ruf der Gemeinschaft schädigte. Entsprechend legte z.B. die Ripen- und Dänemarkfahrergilde zu Stade um 1350 in ihren Statuten fest, dass sie die „Reinheit der Kaufmannschaft zu halten [wolle], damit sie kein schlechtes Gerücht haben in ihrer Kaufmannschaft vor anderen Kaufleuten“ (zitiert in: Ellmers 2018, S. 127). Ein guter Ruf war das Kapital eines Fernkaufmanns, weil kein Lieferant seine Waren in die Obhut von jemand gab, der nicht einer Gilde angehörte. „Daher war es nicht vorrangig tugendhaft, sondern ökonomisch rational, sein Bestes in einem Geschäft auf Gegenseitigkeit zu geben. Denn der aus dem Kontakt zu allen Händlern des Netzwerkes zu erwartende ökonomische Gewinn war deutlich höher als ein kurzfristiger Profit durch betrügerisches Handeln“ (Selzer 2010, S. 101). Dieser Zwang, der den kaufmännischen Eigennutz weitgehend einschränkte, wurde in späteren Zeiten als ein quasi in den Genen hinterlegtes Verhalten des „hanseatischen Kaufmanns“, des ehrbaren Maklers, umgedeutet. Während der Warenhandel im 12., 13. und dem ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts expandierte und die niederdeutschen Fernkaufleute gute Geschäfte machten, waren ebendiese Kaufleute und die von ihnen mit ins Boot geholten Städte während des nächsten Jahrhunderts fast ausschließlich damit beschäftigt, die erworbenen Privilegien zu verteidigen (wenn es sein musste, auch mit Gewalt), nicht-hansischen Kaufleuten der Zugang zu ihrem Handelsbereich massiv zu verwehren und Abweichler in den eignen Reihen aufzugreifen und abzuurteilen. Die Hanse hatte ihren Machtbereich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts von Holland bis Russland und nördlich der Linie Breslau- Braunschweig-Köln bis Skandinavien ausgedehnt - und überdehnt. Dieses riesige Handelsgeflecht ließ sich bei stagnierendem Umsatz und sinkenden Gewinnen langfristig nicht mehr aufrechterhalten. Der Egoismus einzelner Kaufleute und auch der Städte fraß sich immer stärker in die ohnehin nicht sehr ausgeprägten Strukturen der Hanse. Doch noch war es nicht so weit. <?page no="634"?> 10.3 Von 1350 bis 1500: Von der Kaufmannshanse zur Städtehanse 635 10.3.1 Die Hansetage In jener Zeit, in der die Fernkaufleute ihre Waren noch selbst auf der Reise begleitet hatten, bezeichneten sie sich nicht als „Hansen“. Ihnen genügte der Begriff des menen kopmans, also des allgemeinen Kaufmanns, um ihre Zusammengehörigkeit auszudrücken. Von den ausländischen Herrschern wurden sie mercatores imperii romani (Kaufleute des römischen Reichs) genannt. Unter den veränderten Bedingungen des 14. Jahrhunderts musste jedoch ein Begriff gefunden werden, der sowohl die Kaufleute als auch ihre Städte gleichermaßen einschloss - und das war die dudesche hense (Deutsche Hanse). Die ausländischen Landesherren konnten jedoch nicht verstehen, was sich hinter diesem abstrakten Begriff verbarg, weil die dudesche hense keine hierarchische Organisationsform, keinen Vorsitzenden, kein Siegel, keine Kasse und kein Mitgliederverzeichnis, ja nicht einmal eigene Schiffe vorweisen konnte. Es war auch zu vertrackt: Da musste der englische König mit „Krämern“ - also Kaufleuten - verhandeln, weil deren Landesherren zwar de jure dafür zuständig gewesen wären, de facto aber zu den Verhandlungen nicht eingeladen worden waren (z.B. für Hamburg die Grafen von Schauenburg). Als englische Unterhändler einmal wissen wollten, welche in der Deutschen Hanse zusammengeschlossenen Städte in den Genuss der englischen Privilegien kommen sollten, brachten sie Lübeck, die Wortführerin der Städte, in arge Verlegenheit. Ihr Dilemma war kaum aufzulösen: Im Prinzip wollten alle niederdeutschen Fernkaufleute die Vorteile der Hanse nutzen, sollten jedoch die Kosten einer gemeinsamen Aktion aufgeteilt werden, erklärten immer wieder Städte, dass sie seit Menschengedenken keine der Privilegien genutzt hatten und folglich auch nicht Mitglied der Hanse sein könnten. Allerdings stand hinter der scheinbaren Unfähigkeit, die Mitgliedstädte gegenüber ausländischen Machthabern dezidiert zu benennen, eine durchaus nachvollziehbare Strategie, denn diese offene Organisation lebte ja davon, dass jeder jederzeit ein- und austreten konnte. Eine Festlegung wäre kontraproduktiv gewesen, sie hätte die Zahl der Privilegiennutzer festgeschrieben. Ende des 15. Jahrhundert verglichen die englischen Unterhändler die hansische Taktik, die Zahl ihrer Mitglieder verdeckt zu halten, mit einem Krokodil: „So wie man von diesem Tier nur den Kopf und nicht den unter Wasser liegenden Körper zu sehen bekäme, suche auch die Hanse ihr wahres Aussehen zu tarnen“ (zitiert in: Selzer 2010, S. 36). Heute wissen wir, dass ungefähr 200 Städte Mitglieder der Hanse gewesen sein mussten. Einige ständig, wie die Seestädte, andere nur sporadisch bzw. einmalig, wie es sich gerade aus der Handelstätigkeit ihrer Fernkaufleute ergab. Dass die dudesche hense dennoch kein zahnloser Tiger war, sondern ein durchaus ernstzunehmender Gegner, erlebt der Graf von Flandern in den Jahren 1358- 60. Nach Klagen der Kaufleute über die ungerechte Behandlung auf dem Markt in Brügge, verhängten die Städte unter Führung Lübecks bei der ersten gemeinsamen Tagfahrt im Jahre 1358, dem ersten Hansetag, ein Handelsembargo gegen Flandern, immerhin gegen die größte Wirtschaftsregion nördlich der Alpen. Der hierfür benutzte Begriff der steden van der dudeschen Hense war dabei ein Konstrukt der corporate identity, wie wir heute sagen würden, weil er einen Gruppendruck nach innen erzeugte und gleichzeitig dem Gegner die geballte Handelsmacht vorführte. Dieser Begriff wurde fortan von den Städten bei politisch-diplomatischen Verhandlungen verwendet, ohne dass sie sich dezidiert als Hansestädte verstanden. Dennoch konnten die ausländischen Geschäftspartner lange Zeit nichts mit dieser Bezeichnung anfangen. Im westlichen Europa waren die hansischen Kaufleute weiterhin die Osterlinge, weil sie aus dem Osten des eigenen Herrschaftsgebiets kamen (und das konnte bereits in Ostfriesland beginnen), in Skandinavien bezeichnete man sie als die hensebrodere (Hansebrüder). <?page no="635"?> 636 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player Fernab der Hansetage hatte für die eigenen Kaufleute „die Hanse“ als Organisation keine besondere Bedeutung. Sie orientierten sich weiterhin an ihrem Netzwerk, den Kontoren sowie an ihren Kunden und Lieferanten. Doch die ausländischen Gesandten taten sich weiterhin schwer mit der „abstrakten, unsichtbaren Institution Hanse“ (Selzer 2010, S. 66). Als der englische König im Jahre 1449 wieder einmal wissen wollte, wer oder was die Hanse ist, konnten die Ratsendeboten nur eine Negativ-Definition liefern, die in etwa so lautete: „Die Deutsche Hanse ist keine Gesellschaft, sie ist auch keine feste Einrichtung, da sie … weder dem weltlichen noch dem kirchlichen Recht entspricht, noch gemeinsame Angelegenheiten, noch eine gemeinsame Kasse, ein gemeinsames Siegel, einen gemeinsamen Syndikus, gemeinsame Angestellte, noch eigene Verhandlungspositionen besitzt. Die Hanse ist ein fest gefügtes Bündnis aus vielen Marktstädten, Städten und Einrichtungen, die Verbindungen zu Wasser und zu Lande zu ihrem Wohle unterhalten, um Piraten, Räuber und andere Gefahren zu Lande und zu Wasser abzuwehren, so dass ihre Kaufleute und deren Waren nicht geschädigt würden“ (Hansisches Urkundenbuch, Bd. 9, Nr. 584; zusammengefasst von Jahnke 2014, S. 127). Ob diese Definition für den englischen König wie auch für die Gesandten anderer Länder hilfreich war, ist zu bezweifeln, da das Denken der damaligen Zeit eher von streng hierarchischen Strukturen der Über- und Unterordnung nach dem Römischen Recht geprägt war. Allerdings hatten die Städte das hansische Prinzip sehr wohl verstanden. Sie fühlten sich der Hanse nur dann zugehörig, wenn es ihren eigenen Interessen diente. Anders ausgedrückt: „Hanse war nur dann, wenn man es wollte“ (Jahnke 2014, S. 119). Man könnte diese Organisationsform auch als eine „Koalition der Willigen“ bezeichnen, wenn der Begriff nicht in einem anderen, modernen Zusammenhang missbraucht worden wäre. Das Beratungsgremium der Städtehanse war die Tagfahrt, später „Hansetag“ genannt, in dem allerdings keine Fernkaufleute vertreten waren, sondern Ratsherren, die so genannten Ratsendeboten, die allerdings immer Kaufleute sein mussten. Man könnte einen solchen Hansetag als elitären Debattierclub, als eine Art mittelalterlichen G20-Gipfel bezeichnen, wenn hinter den Teilnehmern nicht die geballte Handelsmacht Nordeuropas gestanden hätte. Einberufen wurde eine Tagfahrt immer dann, wenn sich Handelshemmnisse auftaten, die nicht im Verbund einzelner Städte geregelt werden konnten. Lübeck, das ab 1418 regelmäßig den Vorsitz führte, lud die Quartierstädte ein, diese informierten die Mittelstädte und die wiederum die Hinterstädte und die zugewandten Orte. Die Teilnahme an einem Hansetag war freiwillig, die einzelnen Städte kamen nur zu jenen Treffen, deren Sitzungsthema sie interessierte. Was betraf zum Beispiel eine kleine Stadt in Westfalen die Sperrung der Durchfahrt im Öresund, wenn seine Kaufleute nur auf dem Landweg mit Brügge handelten? Andere Städte blieben dem Hansetag fern, weil ihnen das Verhandlungsthema zu brisant war oder weil möglicherweise Entscheidungen getroffen wurden, die den wirtschaftlichen und politischen Interessen der Stadt zuwiderliefen. Zwar war die ungestörte Durchfahrt durch den Sund - um bei diesem Beispiel zu bleiben - für die holländischen und die preußischen Städte aus wirtschaftlicher Sicht lebenswichtig, während sich Lübeck und Hamburg in dieser Frage meist uninteressiert gaben. Denn ein vorsichtiger Kaufmann, der Schiff und Ladung in Krisenzeiten nicht an Kaper verlieren wollte, transportierte seine Güter auf dem Landweg zwischen Lübeck und Hamburg, woran beide Städte gut verdienten. Insofern kann man bei den Teilnehmern eines Hansetags eher von einer „Koalition der Betroffenen“ sprechen. Es gab allerdings auch Städte, die hansische Privilegien nutzten, für die das angesetzte Thema sehr wohl interessant gewesen wäre, die jedoch die Kosten für die Reise und die Übernachtung/ Verpflegung des Ratsendeboten scheuten. Sie vertrauten darauf, dass die Mittelstädte die Sache schon <?page no="636"?> 10.3 Von 1350 bis 1500: Von der Kaufmannshanse zur Städtehanse 637 richten werden. Aus diesem Grunde reisten auf keinem der Hansetage die Ratsendeboten aller Städte an. Nun könnte man einwenden, dass der Kämmerer einer Stadt schon recht knausrig gewesen sein muss, dass er seinen Ratsmitgliedern die Reise nach Lübeck versagte. Doch es ist zu bedenken, dass ein Hansetag nicht auf einen Tag beschränkt blieb. Meist dauerten das Treffen mehrere Tage oder gar Wochen, der längste Hansetag ging erst nach 33 Tagen zu Ende. Recht gut besucht war der erste Hansetag von 1358 mit 37 vertretenen Städten. Dagegen schickten in den meisten Fällen nur 10-20 Städte ihre Ratsendeboten zu den jährlich stattfindenden Tagfahrten. Lübecker Ratsendeboten erschienen auf allen Hansetagen, meist waren auch die Vertreter von Hamburg, Wismar, Rostock und Stralsund anwesend. Dagegen beschickten Münster und Hildesheim nur einen Hansetag, Lüneburg war nie dabei. Ein Hansetag war nicht nur ein Diskussions- und Entscheidungsgremium, er glänzte auch als gesellschaftliches Ereignis. Die Ratsendeboten zogen mit der ihnen angemessenen Würde ins erste Obergeschoss im Rathaus zu Lübeck ein und besetzten die ihnen zugewiesenen Plätze. Die Positionierung der Abgeordneten links und rechts des Lübecker Rats war wichtig und nicht unumstritten, zeigte sie doch an, welchen Stellenwert die jeweilige Stadt innehatte. Zum Eklat kam es auf dem Hansetag von 1418, weil die Hamburger Ratsendeboten näher als die Bremer bei den Wortführern, den Lübeckern, saßen. Heutzutage könnten wir ein solch mittelalterliches Imponiergehabe mit einem Lächeln abtun - wenn wir davon frei wären, was wir leider nicht sind. Als im 19. Jahrhundert der Reichskanzler Otto von Bismarck bei einer Konferenz als ranghöchster Repräsentant an einem runden Tisch Platz nehmen musste, geriet der Gastgeber in peinliche Verlegenheit, weil dem Kanzler üblicherweise die Stirnseite des Tisches gebührte. Bismarck entspannte die Situation mit dem denkwürdigen Satz: „Wo ich sitze, ist immer oben.“ Aber auch das 21. Jahrhundert pflegt solche Eitelkeiten. Bei einer internationalen Konferenz ließ Präsident Erdoğan die Maschinen der angereisten Teilnehmer auf dem Istanbuler Flughafen der Größe nach aufstellen. Ganz vorne stand die Air Force One des amerikanischen Präsidenten, als letzte in der Reihe parkte die zweimotorige Propellermaschine Moldawiens. Da wusste jeder, wo er in der Rangfolge stand. Eine Tagfahrt war keine parlamentarische Veranstaltung, bei der Mehrheitsbeschlüsse gefasst wurden, es galt das Einstimmigkeitsprinzip. Das bedeutete, dass diejenigen Städte, die vom Thema stark betroffen waren, für ihre Sache werben mussten. Entwickelte sich die Diskussion in eine Richtung, die vom Rat einer Stadt nicht gutgeheißen werden konnte, gab es für ihren mit einem eng begrenzten Mandat ausgestatteten Ratsendeboten nur zwei Möglichkeiten: Er konnte den Hansetag entweder stillschweigend verlassen, vielleicht auch unter Protest, oder er beteiligte sich nicht mehr an der Diskussion und nahm den Rezess ad referendum (zur Berichterstattung) mit nach Hause. Letzteres bedeutete keine stillschweigende Zustimmung, denn ein nach dem Hansetag veröffentlichter Rezess, d.h. die Zusammenfassung der erzielten Beschlüsse, mussten in den Städten vor dem Rat und der Gemeindeversammlung in den Burspraken erst noch verlesen und gebilligt, also ratifiziert werden. War dies nicht der Fall, so hatte das zunächst keine Auswirkungen für die Stadt, jedoch wurde erwartet, dass sich das Gemeinwesen neutral verhielt, also die Beschlüsse des Hansetags nicht unterlief. Wie Hammel-Kiesow ausführt, wurden im Mittelalter keine Beschlüsse nach Stimmenzählung gefällt. „Ein Zählen der Stimmen war weder zugelassen noch erforderlich… Nicht zahlenmäßige Einstimmigkeit, sondern unwidersprochene Eintracht bildete das Fundament sowohl der städtischen als auch der hansischen Verfassung“ (Hammel-Kiesow 2014, S. 72). Die Zustimmung der Städte zu den Rezessen der Hansetage war dann besonders groß, wenn sie Fragen des Handels-, Schifffahrts- und Privatrecht betrafen. Sie fiel dagegen deutlich dürftiger aus, wenn die Beratungen politische Beschlüsse zum Inhalt hatten. <?page no="637"?> 638 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player Die auf den Hansetagen getroffenen Entscheidungen verkündeten auch die Ältermänner in den Außenstellen bei der Morgensprache, der wöchentlichen Zusammenkunft der anwesenden Kaufleute. Eine Ablehnung der Rezesse durch die Kontore war nicht vorgesehen. 10.3.2 Der Kampf um den Erhalt der Privilegien Schaut man sich die Themen der Tagfahrten an, so stand überwiegend die Verletzung von gewährten Privilegien im Vordergrund, meist durch die Staaten Flandern und Dänemark. Betrachtet man die Rezesse, dann waren die hansischen Fernkaufleute immer die ‚Guten’, die Geschädigten, und die ausländischen Städte und Herrscher die ‚Bösen’, die Vertragsbrüchigen. Doch ganz so einfach war die Sache nicht, denn wer konnte es dem nach Gewinn strebenden Kaufmann verdenken, wenn er seine Geschäfte immer mal wieder, eigentlich nur ein bisschen, über die Grenzen der Privilegien hinaus ausdehnte? So z.B. in den 1150er Jahren, als sich die „Gotland bereisenden Deutschen“ auf der Insel breitgemacht hatten, den Handel dominierten und es zu blutigen Zusammenstößen mit den einheimischen, den gutnischen Händlern, kam. Oder in London, wo die niederdeutschen Fernkaufleute weitreichende Privilegien genossen, jedoch die damit einhergehende Verpflichtung zum Erhalt und der Verteidigung des Bishopsgates an der Londoner Stadtmauer ‚vergaßen’. Oder in Bergen, wo die Kaufleute entgegen den Abmachungen das gesamte Jahr im Land blieben, im Winter einen Kleinhandel betrieben und die norwegischen Händler unterboten. Sie trieben auch nördlich von Bergen und mit Island Handel, obwohl genau das nach den Privilegien ausdrücklich verboten war. Kollektiven Betrug verübten 15 Lübecker Kaufleute im Jahre 1271 in Boston, als sie falsch deklarierte Waren verkauften und erwischt wurden. Die vom englischen König gewährten Privilegien ließen sich nur dadurch erhalten, dass das Kontor eine Sühne von 200 Pfund leistete (Ellmers 2018, S. 161). Natürlich konnten auch die Privilegiengeber die ‚Bösen’ sein, die ihre Zusagen einseitig einschränkten, weil sie von ihren eigenen Kaufleuten unter Druck gesetzt wurden oder weil sie Geld brauchten und deshalb unberechtigterweise Zölle und Abgaben erhoben. Oder einfach deshalb, weil ihnen die Hanse zu mächtig geworden war. Hier galt es aus Sicht der Städte, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, und dafür waren die Tagfahrten da. Dabei zeigte es sich, dass die Hanse eine durchaus schlagkräftige Organisation sein konnte, wenn ihre Mitglieder es wollten. Allerdings war sie bei kriegerischen Auseinandersetzungen nicht auf Landgewinne aus wie die weltlichen und kirchlichen Fürsten, ihr reichte die Wahrung der eigenen Handelsfreiheiten. Der Kampf um die Privilegien wurde meist auf See ausgefochten, jedoch war der Krieg nur die ultima ratio, denn ein Krieg bedeutete immense Kosten und man wusste nie, wie er ausging. Der Lübecker Bürgermeister Hanns Castorp brachte die Einstellung der Kaufleute in einem Satz auf den Punkt, als er sagte: „Es ist einfach, ein Kriegsbanner zu hissen, es ist aber teuer, es wieder abzunehmen“ (zitiert in: Jahnke 2014, S. 126). Doch bevor die Hanse wirklich in den Krieg zog (nur einmal), gab es andere, kostengünstigere Methoden, den Gegner zur Einkehr zu bewegen. Wichtiges Kampfmittel war der Boykott, also die Handelssperre, dann die Kaperfahrt und erst zum Schluss die bewaffnete Auseinandersetzung mit Söldnern und Kriegsgerät. Der Boykott Wollte man einen ausländischen Herrscher gefügig machen, sprach man ein Embargo aus und verbot jeglichen Handel mit dessen Land. Das klappte nicht immer, aber es funktionierte dann besonders gut, wenn der ausländische Herrscher auf die Warenlieferung der Hansekaufleute dringend angewiesen war und andere, nicht-hansische Händler nicht einspringen konnten. Da die hansischen <?page no="638"?> 10.3 Von 1350 bis 1500: Von der Kaufmannshanse zur Städtehanse 639 Seestädte, insbesondere Lübeck und die wendischen Städte, als „Scharnier“ zwischen dem Nord- und Ostseehandel fungierten, konnten sie im Falle eines Boykotts leicht den Ost/ West-Handel in Nordeuropa blockieren. Das war zum Beispiel beim Wachsimport nach England der Fall, in dem die niederdeutschen Fernkaufleute als einzige Lieferanten auftraten, also eine Monopolstellung innehatten. 1309/ 10 schränkten die Wachsimporteure ihre Lieferung nach England aus Gründen, die wir nicht kennen, um fast 90% ein. Die Folge davon war, dass die Kirchen ihr ewiges Licht nicht mehr dauerhaft brennen lassen konnten. Die Situation eskalierte, der König klagte die hansischen Kaufleute des Hochverrats an. Zu ähnlichen, allerdings häufigeren, Streitigkeiten kam es mit der Stadt Brügge. Die Fernhändler beschwerten sich immer wieder, dass sie von den städtischen Beamten an der Ratswaage übervorteilt wurden und dass sie zu hohe Gebühren bezahlten, was schließlich zu einer Reaktion des Kontors führte. Die hansischen Importeure, die Wachs nach England gebracht hatten, konnten als Monopolisten agieren, da niemand anderes diesen begehrten Rohstoff lieferte. Das war jedoch im Streit mit Brügge nicht möglich, weil dort auch Kaufleute aus England, Spanien, Italien und Oberdeutschland am Handel beteiligten waren. Doch die Niederdeutschen konnten immerhin versuchen, ein Kartell zu bilden, also eine Gruppe, die sich einvernehmlich über Preise und Absatzmenge abspricht. Allerdings wollte man nur in den seltensten Fällen die gesamte Grafschaft Flandern treffen, meist nur die Stadt Brügge. Die Hansen verlegten ihr Kontor im Jahre 1280 nach Aardenburg, wo man weitreichende Privilegien des Grafen von Flandern erhalten hatte, der ebenfalls im Streit mit Brügge lag. Der ‚Ausflug’ nach Aardenburg währte jedoch nicht lange. Zwei Jahre später zogen die Hansen wieder zum Haupthandelsplatz Brügge zurück, nachdem ihnen eine eigene Waage zugestanden und ihre Privilegien bestätigt worden waren. Dies war nicht der einzige Auszug der niederdeutschen Kaufleute aus der Handelsmetropole. Zu einem besonders heftigen Streit kam es im Jahre 1358, als nicht nur die Stadt Brügge, sondern die gesamte Grafschaft wegen „mengherleye unrecht unde beswarnisse, de deme menen kopmane van Alemanien van der Dudeschen hense ghescheen is in Vlandern“ mit einem Bann belegt wurde (zitiert in: Selzer 2010, S. 51). Dieses Mal konnten die Hansen nicht nach Aardenburg umziehen, da die Stadt in der Grafschaft Flandern lag. Deshalb wechselte man nach Dordrecht in die Grafschaft Seeland und verbot den Handel mit Flandern, den Zwischenhandel mit anderen Kaufleuten und bestimmte, dass die Schifffahrt für die niederdeutschen Händler an der Mündung der Maas enden musste. Natürlich rief eine so weitgehende Handelseinschränkung immer Abenteurer aus den eigenen Reihen auf den Plan, die das Kartell unterlaufen und auf dem leergefegten Absatzmarkt hohe Gewinne zu erzielen versuchten. Dem galt es vorzubeugen! Die nach Flandern reisenden Kaufleute versicherten sich deshalb der Städte, um Zugriff auf das Eigentum des Boykottbrechers zu bekommen. Das hatte allerdings zur Folge, dass die Städte nicht nur bei diesem, sondern auch bei zukünftigen Handelskonflikten mitreden wollten, weshalb das Treffen von 1358 als erste Tagfahrt bezeichnet wird, auch wenn es nicht als solches geplant war. Dazu schreibt Stefan Selzer: „Zugespitzt kann man formulieren, dass … die Flandernblockade von einer unter mehreren Kaufleutegenossenschaften, nämlich derjenigen der Niederdeutschen in Brügge, initiiert worden war, aber 1360 von der Hanse beendet wurde“ (Selzer 2010, S. 51). Die Blockade entwickelte sich zu einem großen Erfolg für die Kaufleute. Wegen der schlechten Ernte im Jahre 1359 war Flandern auf den Import von Getreide für seine große Bevölkerung angewiesen - doch die Niederdeutschen lieferten nichts mehr. Sie nahmen im Gegenzug auch kein Tuch ab, was zu einem Produktionsrückgang und wohl auch zu Entlassungen von Webern führte. Im Sommer 1359 reisten flandrische Unterhändler nach Lübeck und leisteten Schadenersatz für die entstandenen <?page no="639"?> 640 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player Verluste der Kaufleute. Sie bestätigten nicht nur deren Privilegien, sondern weiteten sie aus, worauf das Kontor wieder zurück nach Brügge zog. Aufgrund dieser Erfahrungen änderte die flämische Stadt ihre Strategie. Als die hansischen Fernkaufleute im Jahre 1378 erneut Brügge verlassen wollten, reagierte der Rat der Stadt schnell. Die Kaufleute wurden eingekerkert, die Waren beschlagnahmt - damit hatte es sich erledigt mit der Revolte. Trotzdem konnte der Brügger Rat nicht verhindern, dass das Kontor 10 Jahre später erneut der Stadt den Rücken kehrte. Erst 1392 kamen die Hansekaufleute wieder nach Flandern zurück, nachdem die Grafschaft zur Sühneleistung und zum Schadenersatz bereit war. Die letzte Handelssperre der Niederdeutschen gegen Flandern dauerte von 1451 bis 1457, wobei das Kontor diesmal nach Deventer und Utrecht umzog. Danach kam es zu keinem Boykott mehr, da die Hanse nicht mehr stark genug war, ihn durchzusetzen und weil Brügge durch die Versandung ihrer seeseitigen Zufahrt ohnehin an Bedeutung verloren hatte. Flandern war nicht das einzige Land, mit dem die Hanse im Streit lag. Im Jahre 1284 kam es zu Problemen mit Norwegen und jenen Hansen, die zwischen England und Bergen Handel trieben und sich „Englandfahrer“ nannten. Es waren nicht die Wachstransporteure, von denen bereits berichtet wurde, sondern solche, die wahrscheinlich mit Stockfisch handelten. Der norwegische König hatte dem Drängen seiner eigenen Kaufleute nachgegeben, die Privilegien der Hansen zu beschneiden, dabei aber nicht bedacht, dass seine Position wegen der Ernteausfälle im Sommer viel zu schwach für einen Handelsstreit war. Andererseits konnten die hansischen Englandfahrer eine Handelssperre gegen Norwegen nicht alleine durchsetzen, weshalb sie sich an die Ostseestädte wandten. Diese solidarisierten sich mit den Englandfahrern und stellten ihre Getreidelieferungen nach Norwegen ein, was dort zu einer Hungersnot führte. Danach wurden die Privilegien durch den norwegischen König nicht nur bestätigt, sondern ausgeweitet. Selbstjustiz: Die mafiösen Strukturen der Hanse Waren sich die niederdeutschen Kaufleute im Handelsboykott einig, führte das meist zum Erfolg. Jedoch musste man bei jedem Handelsembargo immer mit solchen Zeitgenossen rechnen, die sich von einem außerordentlichen Gewinn magisch angezogen fühlten. Denn wenn niemand Getreide nach Flandern oder nach Norwegen brachte, dann müsste es doch möglich sein, bei Nacht und Nebel mit einer vollen Ladung loszufahren, um im Ankunftshafen den Preis selbst bestimmen zu können. Natürlich war das der Gemeinschaft bekannt, weshalb sie schwere Leibesstrafen für das Unterlaufen des Boykotts androhten. Diese Erfahrung musste ein Rigafahrer machen, der die Entscheidung der Gotländischen Gemeinschaft missachtete und einen mit einer Handelssperre belegten Hafen in Livland anlaufen wollte. Die anderen Gildemitglieder verfolgten den Blockadebrecher, enterten das Schiff, töteten den Schiffer und den Steuermann und brachten die Kogge wieder zurück nach Gotland. Damit war der Gerechtigkeit genüge getan (Selzer 2010, S. 39). Was aber sollte man machen, wenn der Übeltäter nicht zu fassen war? Hier kamen die Städte ins Spiel. Sie garantierten, dass auf das Eigentum und die Immobilie der unbotmäßigen Kaufleute in ihrer Heimatstadt zugegriffen werden konnten. Ein solcher Fall war der des Johann von Thunen, dem kaufmännischen Vertreter des Deutschen Ordens in Brügge. Er hatte vor der Blockade von 1358 offensichtlich über Insiderwissen verfügt und schnell noch flandrische Tuche zu einem billigen Preis erworben. Die Älterleute des Kontors warfen ihn ins Gefängnis und bedrohten ihn mit schweren Leibesstrafen, von denen er sich nur dadurch freikaufen konnte, dass er sein gesamtes Eigentum übergab. Ein ähnlich gelagerter, aber schwierigerer Fall, war der des Kaufmanns Tidemann Nanning. Dieser Händler hatte entgegen dem Verbot im Jahre 1358 mit Brügge gehandelt, war aber von seiner Heimatstadt Bremen weder daran gehindert noch bei der Rückkehr bestraft worden. Da man Nanning <?page no="640"?> 10.3 Von 1350 bis 1500: Von der Kaufmannshanse zur Städtehanse 641 bei der Aktion nicht erwischen konnte, richtete sich der gesamthansische Zorn gegen alle Kaufleute in Bremen. Die Stadt wurde verhanst, was bedeutete, dass kein Bremer Fernhändler mehr die Privilegien der Hanse nutzen konnte, und zwar nicht nur in Brügge, sondern auch in allen anderen hansischen Kontoren. Das war eine überaus harte Strafe, die die Existenz der Bremer Kaufleute bedrohte, weil sie jetzt ihre Waren nur noch zu ungünstigeren Bedingungen im Ausland absetzen konnten - wenn ihnen der Zugang zu den Märkten überhaupt gestattet worden war. Im August 1358 lenkte der Bremer Rat ein. Nanning wurde festgesetzt, sein Eigentum eingezogen, es verfiel zu zwei Drittel an die Gemeinschaft der niederdeutschen Kaufleute und zu einem Drittel an Bremen. Danach nahmen die Kontore die Bremer Kaufleute wieder auf, allerdings zu schlechteren Bedingungen als zuvor. Neben Bremen war es auch Köln, das die Macht der Hanse zu spüren bekam. Als die Stadt in den 1470er Jahren das auf dem Hansetag beschlossenen Vorgehen nicht akzeptierte und weiter mit England handelte, schloss man Köln 1472 aus der Gemeinschaft des Kontors aus. Erst gegen eine größere Strafzahlung wurde es der verhansten Stadt in den Jahren 1476/ 77 wieder gestattet, die Privilegien zu nutzen. Kaper! Kaper! Eine Kaperfahrt stellte im engeren Sinne keinen Krieg dar. Sie war der staatlich genehmigte Seeraub durch hochgerüstete Kriegsschiffe gegen die Handelsschiffe des Gegners. So stellte zum Beispiel der Herzog von Burgund im Handelskrieg zwischen der Hanse und den Niederlanden (1438-1441) die Genehmigung für die Besatzungen jener Schiffe aus, „welche von Rotterdam aus auf Kaperei gegen die Angehörigen der sechs wendischen Städte und des Herzogs von Holstein auslaufen wollen, die Beute frei untereinander zu teilen“ (zitiert in: Fritze/ Krause 2007, S. 128). Wie bereits erläutert, umspannte der hansische Handel ein für damalige Zeiten riesiges Netz von Russland über Skandinavien, England und Niederdeutschland bis nach Belgien und die französische Atlantikküste mit einer Vielzahl von Städten sowie weltlichen und kirchlichen Fürsten, von denen jeder seine eigenen Interessen und Befindlichkeiten hatte, die berücksichtigt werden mussten. Aber auch in den Städten der Hanse gab es divergierenden Anschauungen, die nicht selten zu Konflikten führten. So zum Beispiel in den 1440er Jahren, als die Stadt London darauf drängte, dass ihren Händlern die gleichen Rechte auf dem Kontinent eingeräumt werden sollten, wie sie die hansischen Kaufleute im Stalhof hatten. Die Kölner, die einen umfangreichen Handel mit England betrieben, wären wohl dazu bereit gewesen, doch der Londoner Rat wollte lieber Privilegien in den preußischen Hafenstädten erwerben, von wo er Holz importierte. Das wiederum behagte den Preußen nicht. Warum sollten sie den Londonern Freiheiten einräumen, wo ihre Schiffe doch überwiegend nach Hull segelten? Außerdem interessierten die preußischen Städte nicht, was Köln mit London auszuhandeln gedachte, da sie ohnehin nur wenige Handelskontakte mit dem Rheinland pflegten. Als die Sache überhaupt nicht vorwärtsging, kaperten die Engländer im Mai 1449 einen hansischen Konvoi im englischen Kanal. Der Verlust an Schiffen und Waren traf jedoch überwiegend die Lübecker, wodurch ein weiterer Akteur in die Auseinandersetzung involviert war. In den 1450er Jahren eskalierte der Streit durch verstärkte Kaperfahrten der Engländer, worauf sich insbesondere das geschädigte Lübeck für eine machtvolle Reaktion aussprach. Da die anderen Städte jedoch wenig geneigt waren, sich auf einen Streit mit England einzulassen, zog sich die Sache in die Länge. Schließlich stellte sich eine wendisch-preußische Städtekoalition den Engländern entgegen, dem sich auf einem Hansetag nach längerer Diskussion die meisten anderen Städte anschlossen. Ein Handelsembargo alleine schien allerdings nicht ausreichend zu sein. Man verständigte sich zusätzlich darauf, ebenfalls einen Kaperkrieg zu führen. Zwischen 1469 und 1474 kreuzten hansische und <?page no="641"?> 642 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player englische Kaper im Ärmelkanal und den angrenzenden Seegebieten und brachten dem Feind wechselseitig erhebliche Verluste bei. Köln, das sich von den Streitigkeiten zwischen England, Lübeck und den preußischen Seestädten nicht berührt fühlte, ignorierte den Beschluss des Hansetags und handelte weiterhin mit London. Die logische Folge war, dass die Stadt im Jahre 1471 verhanst wurde. Wahrscheinlich hatten die Kölner das einkalkuliert, denn sie bemühten sich, mit dem englischen König eigene Privilegien auszuhandeln. Da hatten sie jedoch aufs falsche Pferd gesetzt: Der König verständigte sich 1474 mit den wendischen und den preußischen Städten auf einen Friedensvertrag mit äußerst günstigen Privilegien für die am Kaperkrieg beteiligten Städte. „Die Kölner“, schreibt Carsten Jahnke, „die an dieser Auseinandersetzung die allergeringsten Interessen besessen hatten, standen zum Schluss als die großen Verlierer da und mussten 1475/ 76 beim Hansetag unter schmählichen Bedingungen um die Wiederaufnahme in die Hanse nachsuchen“ (Jahnke 2014, S. 192). Das Kapern von Handelsschiffen scheint auf den ersten Blick das perpetuum mobile der Kriegsführung zu sein. Ein Kaper kostet kein Geld, weil sich die Besatzung aus der Beute selbst finanziert, schädigt den Gegner und im Falle einer Kampfhandlung kommen keine Söhne der Stadt zu Tode. Doch ganz so einfach lag die Sache nicht, denn wenn die Schiffe des Kaperbriefgebers allzu blauäugig daherkamen, hatten die Freibeuter keine Skrupel, auch sie aufzubringen. Das war ärgerlich, doch ein noch größeres Problem entstand, wenn der Krieg beendet und ein Friedensvertrag geschlossen worden war. Denn Kaperkapitäne waren Kriegsunternehmer auf eigene Rechnung und ein Friedensschluss entzogen ihnen die Geschäftsbasis. Damit ging es ihnen wie später Mansfeld im 30-jährigen Krieg mit der Folge, dass nach dem Westfälischen Frieden marodierende Söldnerheere durch Deutschland zogen. Die Kaper zogen jedoch nicht über Land, sie setzten ihre Tätigkeit zur See auf die gleiche Weise wie zuvor fort, jetzt allerdings als Piraten, also gesetzlose Gesellen. Im Gegensatz zu den Landsöldnern, die sich an den Bauern gütlich tun konnten, hatten die Piraten ein immerwährendes Verpflegungsproblem. Was nützte die schönste Beute an Pelzen, wertvollen Tuchballen oder Kupferbarren, die man nicht essen konnte. Sie brauchten Stützpunkte an Land, um die erbeuteten Waren gegen Güter des täglichen Lebens zu tauschen. Diese Rückzugsbereiche fanden sie in der Ostsee an der zerklüfteten Küste von Rügen und auf Gotland, in der Nordsee bei den ostfriesischen Häuptlingen. Die Abnehmer der Beute waren nicht nur die ortsansässigen Kleinfürsten, die sich außerdem von den Piraten für die Duldung bezahlen ließen, Käufer des Diebesguts waren unter anderem von den günstigen Preisen angelockte Hansekaufleute, die damit zu Hehlern wurden. Den Ratsherren der hansischen Städte war sehr wohl bewusst, dass man das Piratenunwesen nicht durch eine einmalige Aktion zur See lösen konnte, so spektakulär das auch bis in die heutige Zeit nachwirkt (Klaus Störtebecker). Man musste das Grundübel an der Wurzel packen, also an Land. Im Jahre 1398 eroberte der Deutsche Orden die Insel Gotland und tötete mehrere hundert Seeräuber. Einige jedoch konnte sich mit ihren Schiffen absetzen, unter anderem Klaus Störtebecker und Goedeke Michels. Sie fanden Unterschlupf bei den ostfriesischen Häuptlingen und betrieben ihre Geschäfte jetzt im Englischen Kanal und in der Deutschen Bucht zwischen Helgoland und der Weser- / Elbmündung. Für die Hansestädte waren die Verhandlungen mit den ostfriesischen Kleinfürsten ein mühsames Geschäft. Unter dem Druck der bewaffneten Macht gelobten die Häuptlinge zwar, nie wieder Seeräuber bei sich aufzunehmen, doch kaum waren die von den Städten ausgeschickten Kriegsschiffe auf See, machten sich die Piraten erneut an der Küste breit. Das lag auch daran, dass sich die Hansestädte untereinander nicht über die richtige Vorgehensweise einigen konnten. Bremen zum Beispiel hielt nichts von einem bewaffneten Kampf. Die Stadt setzte eher auf Schutzgeldzahlungen an <?page no="642"?> 10.3 Von 1350 bis 1500: Von der Kaufmannshanse zur Städtehanse 643 den Häuptling Edo Wiemken, damit die eigene Handelsflotte ungehindert aus der Weser in die Nordsee segeln konnte. Im Jahre 1400 wurden sich die Seestädte auf einer Tagfahrt einig. Sie segelten mit einem Geschwader von 11 Kriegsschiffen mit 980 Kriegsknechten nach Friesland, töteten die dort operierenden Seeräuber, brannten die Burgen und Schlösser der Häuptlinge nieder und zwangen diese, zu ihrem früher gegebenen Wort zu stehen. Seekrieg Einen Seekrieg führte man im Mittelalter nicht so, wie wir uns das heutzutage vorstellen und wie ihn die Filmindustrie in ihren Historienschinken präsentiert. Da segelten keine verfeindeten Flotten auf kurze Distanz aneinander vorbei und feuerten aus allen Rohren in der Hoffnung, den Gegner manövrierunfähig zu machen, die Takelage in Brand zu schießen, oder - noch besser - die Pulverkammer zu treffen. Zunächst einmal gab es vor dem 14. Jahrhundert überhaupt keine Schiffsgeschütze, und als es sie gab, reichten sie nicht weit und waren wenig zielgenau. Aus diesen Gründen hat man sich einen Seekrieg zur damaligen Zeit eher als Truppentransport zum Absetzen von Soldaten/ Söldnern im feindlichen Gebiet oder als einen Enterkampf zwischen zwei Schiffen, ausgetragen mit Pfeil und Bogen, Armbrust, Enterbeil und Bootshaken vorzustellen. Wie schon darauf hingewiesen, stellte eine bewaffnete Auseinandersetzung die ultima ratio für einen Kaufmann dar, denn sie kostete viel Geld und der Ausgang war unsicher. Eher bemühte man sich, den Erhalt der Privilegien mit einer ordentlichen Geldzahlung zu unterfüttern und meistens klappte das auch. Eine nicht zu unterschätzende Bedrohung für die Hanse stellte das machtvolle Königreich Dänemark dar. Zum einen dadurch, dass es an die Grenze des hansischen Wirkungsbereichs heranreichte, zum anderen, weil der dänische König in der Lage war, den Seeverkehr zwischen der Nord- und Ostsee im Nadelöhr von Helsingör und dem damals dänischen Helsingborg zu behindern oder die schonischen Messen zu schließen. Hier galt es vorsichtig zu taktieren, doch manchmal reichte nicht einmal das. In der Mitte des 14. Jahrhunderts kam es zu einem ernsten Konflikt zwischen der Hanse und seinem nördlichen Nachbarn. Der König, der das Land ruiniert hatte, war vom Adel vertrieben worden und das dänische Schonen hatte sich unter die Schutzherrschaft Schwedens begeben. Waldemar IV. „Atterdag“, der Sohn des vertriebenen Königs, stabilisierte um 1340 die Lage und holte Schonen mit Gewalt ins dänische Reich zurück. Das war bisher eine rein nordische Angelegenheit gewesen, doch im Jahre 1360 forderte König Waldemar von den wendischen Städten 4.000 Mark, damit er ihre Privilegien auf den Messen bestätigte. Das war eine Menge Geld, immerhin bekam man für diesen Betrag fast 40.000 Armbrustpfeile. Doch wenn man dafür das Recht erhielt, ungehindert den Öresund zu passieren und auf den schonischen Messen zu handeln, dann war das schon eine Überlegung wert. 1361 wurden sich die Seestädte einig, die geforderte Summe zu zahlen, doch dann beging Waldemar den Fehler, Gotland zu überfallen und Visby zu erobern. Jetzt schwenkten die Städte um. Sie verhängten ein Handelsembargo gegen Dänemark und Schonen, erhoben eine Sondersteuer zur Finanzierung der Kriegsführung, rüsteten eine Flotte aus und suchten Verbündete unter den dänischen Fürsten, die Waldemar feindlich gesonnen waren. Im Sommer 1362 zog die Hanse in den Krieg gegen Dänemark. Sie landeten zunächst bei Kopenhagen und plünderten die Stadt und das Schloss als Rache für die Einnahme Visbys. Danach belagerten sie Helsingborg von See aus, konnten die Festung jedoch nicht einnehmen. In seiner Ungeduld machte der Befehlshaber, der Lübecker Bürgermeister Johann Wittenborg, einen strategischen Fehler. Er ließ die Flotte mit einer kleinen Besatzung zurück und versuchte, die Burg von Land aus zu <?page no="643"?> 644 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player erobern. Die dänische Flotte erkannte ihre Chance und kaperte die hansischen Schiffe. Da Wittenborg keine Rückzugsmöglichkeit mehr hatte, war er gezwungen, einen recht ungünstigen Waffenstillstand auszuhandeln, um die Überlebenden des Kriegszuges zurück nach Hause zu bringen. Johann Wittenborg brauchte sich allerdings nicht wie die römischen Feldherrn nach einer verlorenen Schlacht ins Schwert zu stürzen, das besorgte der Lübecker Rat für ihn: Er wurde auf dem Markt von Lübeck öffentlich hingerichtet. Die Hanse musste den Waffenstillstand teuer bezahlen, der darüber hinaus von Dänemark immer wieder verlängert wurde, ohne dass es zu einem Friedensvertrag kam. Zwar waren die wendischen Städte während dieser Zeit nahezu frei von Repressalien, doch die preußischen und die holländischen Städte, die überhaupt nicht am Krieg beteiligt waren, litten erheblich, weil die Dänen immer wieder ihre Schiffe bei der Sunddurchfahrt kaperten. Lübeck und die wendischen Städte hielten sich wegen der vorhergegangenen Niederlage deutlich zurück, doch die Holländer und die Preußen betrieben ab Sommer 1367 einen erneuten Waffengang. Sie luden im November zu einem Treffen nach Köln ein, insgesamt 57 hansische Städte folgten der Einladung. Lübeck und die wendischen Städte waren ebenfalls gekommen, sie traten - wenn auch widerwillig - dem Bündnis, das später „Kölner Konföderation“ genannt wurde (obwohl Köln sowie die westfälischen, niedersächsischen und rheinischen Städte fehlten), bei. Neben den Hansestädten stimmten auch die Städte Hollands und Seelands für diese Entscheidung, obwohl sie nicht Mitglieder der Hanse waren. Die Kriegsflotte, die sich am 2. April 1368 nach Dänemark auf den Weg machte, umfasste 21 Koggen, 22 Schniggen (kleinere Schiffe) und 2000 Mann Landungstruppen. Am 2. Mai verwüsteten die Verbündeten Kopenhagen, am 16. Juni eroberten sie das Kopenhagener Schloss und kurz darauf Helsingör, im Juli waren Schonen und die dänischen Inseln besetzt. Wieder konnte die starke Festung von Helsingborg nicht erstürmt werden, weshalb sich die hansische Koalition auf eine Belagerung über den Winter einrichtete. Helsingborg hielt den Angriffen jedoch länger als erwartet stand, bis die Besatzung endlich im September 1369 aufgab. Im Mai 1370 musste Dänemark in Stralsund einem Friedensvertrag zustimmen, in dem es die freie Sunddurchfahrt und den Besuch der schonischen Messen garantierte, sowie die Festungen am Öresund und deren Einkünfte für 15 Jahre an die Hanse verpfändete. 10.4 Von 1500 bis 1600: Die Welt wird größer - und unübersichtlicher Der Streit mit Norwegen, Flandern und den anderen Ländern blieb nicht auf das 13. und 14. Jahrhundert beschränkt. Vom ausgehenden 14. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts verhängten die Hansen immer häufiger ein Handelsembargo und einen Kaperkrieg gegen einen autonomen Staat, um die früher gewährten Privilegien durchzusetzen: - Von 1388 bis 1392 war der Handel mit England, Flandern und Nowgorod unterbrochen, - 1426 bis 1435 führte die Hanse einen Handelskrieg gegen Dänemark, - 1438 bis 1441 gegen Holland, - 1451 bis 1457 gegen Flandern, - 1469 bis 1474 gegen England, - 1509 bis 1512 gegen Dänemark und Holland, <?page no="644"?> 10.4 Von 1500 bis 1600: Die Welt wird größer - und unübersichtlicher 645 - 1522 bis 1524 gegen Dänemark und - 1534 bis 1536 gegen Dänemark und Schweden. Die zunehmenden Auseinandersetzungen sind ein Indiz dafür, dass es für die Hanse immer schwerer wurde, ihre Interessen durchzusetzen. Zwar konnten sie zu Beginn des 15. Jahrhunderts die Privilegien bestätigt bekommen, doch im Laufe der Zeit war ihnen nur noch selten ein Erfolg beschieden. Das hat weniger mit dem diplomatischen Geschick der hansischen Städte zu tun, als mit den sich ändernden machtpolitischen und gesellschaftlichen Bedingungen in Nordeuropa, die zu einer Schwächung der Position der Kontore führte. Lange Zeit hatte es die Hanse unter dem Vorsitz von Lübeck verstanden, die Rivalitäten zwischen dem dänischen Adel und dem König auszunutzen, doch im Jahre 1397 vereinigte der dänische König in der Kalmarer Union sein Land mit Schweden und Norwegen, was zu einer starken Position gegenüber der Hanse führte. Diese Konsolidierung der Macht erlaubte es ihm jetzt, seine - zwar noch schwache - Kaufmannschaft zu fördern, um sich aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Hanse zu befreien. Im Jahre 1441 vergab Dänemark Privilegien an die schärfsten Konkurrenten der Hanse, die Holländer. Zu diesem Zeitpunkt waren holländische und englische Schiffe bis in die Ostsee vorgedrungen, welches über Jahrhunderte hinweg ein „hansisches Meer“ gewesen war. Damit kehrte sich der Kriegserfolg der Hanse gegenüber König Waldemar IV. „Atterdag" ins Gegenteil. Ehemals waren die Schonischen Messen nicht nur ein Herings- und Salzhandelsplatz gewesen, hier trafen sich die nordeuropäischen Kaufleute, um mit Gütern aller Art zu handeln. Nachdem die Hanse die holländische und englische Konkurrenz erfolgreich von den Messen vertrieben hatte, fingen diese nicht nur an, mit eigenen Schiffen Hering in der Nordsee zu fangen, sondern segelten auch an den Schonischen Messen vorbei direkt zu den Holz- und Getreideproduzenten in der Ostsee. Zum Ende des 15. Jahrhunderts hatten die Holländer die Hanse im Ostseehandel überflügelt. Da ihnen der Zugang zu den hansischen Häfen versperrt war, liefen sie kleinere Orte (sogenannte Klipphäfen) an der Küste an, wo sie auf preußische Gutsbesitzer trafen, die mit ihrem Getreide einen lukrativen „Eigen-Exporthandel“ (Jahnke) unter Umgehung des hansischen Zwischenhandels betrieben. Im Jahre 1386 gründete das Königreich Polen eine Union mit Litauen, wodurch die preußischen Städte in den polnischen Machtbereich gerieten. Auch in England ging der König nach jahrzehntelangen internen Streitigkeiten als Sieger hervor, was das Kontor recht schnell zu spüren bekam, denn die Engländer deckten ihren hohen Bedarf an Schiffsholz immer häufiger über den Direkthandel. Davon profitierte insbesondere Danzig mit seinem holzreichen Hinterland und dem Flusssystem, auf dem die Baumstämme bis zum Meer geflößt werden konnten. Im Zuge der beidseitigen Handelsbeziehungen vergab die Stadt nun auch ihr Privileg an englische Kaufleute, sich in ihren Mauern niederzulassen. Ausgang des 14. Jahrhunderts gerieten die Grafschaften Flandern, Seeland, Brabant und Holland in den burgundischen Herrschaftsbereich, wodurch die holländischen Kaufleute einen starken fürstlichen Rückhalt bekamen. Jetzt konnte das Hansekontor in Brügge der Stadt nicht mehr damit drohen, von Flandern nach Seeland umzuziehen, weil beide Provinzen im selben Herrschaftsbereich lagen. Gleichzeitig machten sich die Folgen der mehrmaligen Abwanderung des Kontors aus Brügge bemerkbar: Wegen der häufigen Abwesenheit der hansischen Kaufleute war es den Oberdeutschen - insbesondere den Nürnbergern - gelungen, sich dauerhaft in der Stadt festzusetzen. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Nachdem der englische König verfügt hatte, dass der Wollhandel von England nach Brügge nur noch gegen Barzahlung in Gold erlaubt war, brach die Tuchproduktion in Flandern und damit der Handel in den 1440er Jahren nahezu zusammen. <?page no="645"?> 646 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player Die Probleme der Hanse blieben nicht auf das Ausland beschränkt. In dem Maße, in dem sich die Macht der Fürsten in Norddeutschland gefestigt hatte, griffen sie nach den reichen Städten in ihrem Herrschaftsgebiet. So zum Beispiel die Unterwerfung der Doppelstadt Berlin-Cölln durch den brandenburgischen Kurfürsten, der im Jahre 1442 den demonstrativen Austritt der Stadt aus der Hanse erzwang (der faktisch aber erst viel später vollzogen wurde). „In den Augen der Territorialfürsten des 15. Jahrhunderts“, schreibt Carsten Jahnke, „konnten ihre Städte keine eigenständige Außenpolitik führen, auch nicht in Fragen des Handels. Sie hatten sich den Interessen des Fürsten und all seiner Untertanen zu beugen“ (Jahnke 2014, S. 186). Was der niederdeutschen Hanse weiter zusetzte, war die Änderung der Warenströme. Im Handel mit Russland dominierte nicht mehr Lübeck das Geschehen, jetzt zogen Reval und Riga immer mehr Güter an sich. Zusätzlich drangen die oberdeutschen Kaufleute seit der Mitte des 15. Jahrhunderts vermehrt in den östlichen Wirtschaftsraum vor. Ihre Handelsroute führte auf dem Landweg über Breslau und Leipzig nach Danzig und Stettin, sie lagen damit außerhalb des Herrschaftsbereichs der Hanse. Wo Gewinner, da auch Verlierer - und das war in zunehmendem Maße Lübeck. Die Stadt lag zu weit von der Direktroute durch die Ostsee entfernt, außerdem hatte das Hinterland Lübecks zu wenig Warenaufkommen und eine schlechte flussseitige Verkehrsanbindung. All diese Veränderungen gingen an den hansischen Auslandskontoren nicht vorbei, denn wo weniger Warenaustausch stattfand, reduzierte es auch deren Macht. Obwohl der Warenhandel in Nordeuropa insgesamt gesehen zunahm, waren es häufig die von ihren Herrschern geförderten heimischen Kaufleute, die davon profitierten und denen die Privilegien der Hanse ein Dorn im Auge waren. Konsequenterweise erklärte der schwedische König Gustav I. Wasa im Jahre 1533 die Lübecker Privilegien in seinem Reich für erloschen. Zwar waren die hansischen Kontore vom Rückgang des Handels in unterschiedlicher Weise betroffen, doch ihre machtvolle Zeit schmolz in den folgenden Jahrzehnten unwiderruflich dahin. 10.4.1 Der Niedergang der Kontore Der Staven auf Gotland Über den Niedergang des Stavens wurde bereits berichtet. Es war jedoch nicht alleine die Stadt Lübeck, die den lästigen Konkurrenten ausschaltete, auch die technische Entwicklung in der Seeschifffahrt machte Gotland als Zwischenstation überflüssig. Weil die Schiffe größer und damit stabiler gebaut und mit einer schwimmenden Magnetnadel ausgerüstet worden waren, nahmen die Schiffer nun den direkten Weg durch die Ostsee bis zum Finnischen Meerbusen ohne einen Zwischenstopp in Visby. Andere, die immer noch ihren Kurs auf Gotland absetzten, nahmen die Insel nur als Orientierungspunkt und wendeten sich von da an ostwärts, ohne an Land zu gehen. Visby lag damit am Rande der Handelsrouten, ein Schicksal, das Lübeck 200 Jahre später ebenfalls ereilen sollte. <?page no="646"?> 10.4 Von 1500 bis 1600: Die Welt wird größer - und unübersichtlicher 647 Der St. Peterhof in Nowgorod Fast 300 Jahre hatte der Peterhof über die Geschäfte der Hansen in Nowgorod gewacht, doch dann wurde sein Ende von gleich zwei Veränderungen eingeläutet. Zum einen verlagerte sich der Wachs- und Pelzhandel in andere Regionen, zum anderen geriet das Fürstentum Nowgorod im Jahre 1478 unter die Herrschaft der Moskauer Zaren. Diese schlossen 1494 das Kontor und nahmen die noch anwesenden Kaufleute gefangen. Erst im Jahre 1497 erhielten sie wieder ihre Freiheit. Zwanzig Jahre später startete man den Versuch, das Kontor wieder zu beleben, doch da hatte sich der Pelzhandel bereits nach Leipzig verlagert und befand sich damit außerhalb des Einflussbereichs der Hanse. Darüber hinaus wagten ab 1553 englische und holländische Kapitäne die Reise über die Nordkaproute nach Russland, um die begehrten Pelze direkt bei den Fallenstellern des Nordens zu kaufen. Der Stalhof in London Ende des 15. Jahrhunderts wurden von England Bestrebungen laut, die Privilegien des Kontors abzuschaffen, doch dann einigte sich die Hanse mit König Heinrich VIII. noch einmal darauf, den Stalhof zu erhalten. Da der Handel mit England allerdings zurückging, schloss Königin Elisabeth I. das Kontor am 13. Januar 1598, indem sie die Privilegien für ungültig erklärte. Beim großen Londoner Stadtbrand im Jahre 1666 wurde auch der Stalhof vernichtet, das Areal blieb jedoch weiterhin im Besitz der Hanse. Deren Rechtsnachfolger Hamburg, Lübeck und Bremen verkauften das Gelände im Jahre 1853 an die Stadt London, die auf dem Grundstück die U-Bahn-Station „Cannon Street“ baute. Die tyskebrygge in Bergen Zum Ende des 15. Jahrhunderts ging auch der Umschlag über das Bergener Kontor zurück. Englische und holländische Händler drängten in den norwegischen Markt, die hansische Kaufleute fuhren jetzt vermehrt nach Nordnorwegen und Island, um dort Stockfisch einzukaufen. Die Höfe in Bergen wechselten Stück für Stück in norwegischen und holländischen Besitz. Bis 1754 hielt die Hanse die brygge aufrecht, im Jahre 1774 übernahm das norwegische Kontor die restlichen Höfe. Wegen der Besetzung Norwegens durch die deutsche Wehrmacht im Jahre 1940 wurde die tyskebrygge nach dem Zweiten Weltkrieg aus gegebenem Anlass in brygge umbenannt. Immer wieder hat es im hansischen Kontor in Bergen gebrannt, das letzte Mal am 4. Juli 1955. Die Gebäude wurden wiederaufgebaut, sie umfassen heute 12 Höfe und sind ein faszinierendes Beispiel eines rekonstruierten mittelalterlichen Kaufmannslebens. Wer auf den alten Fotos den bis unter die Decke gestapelten Stockfisch betrachtet, wird ermessen, wie es auf der tyskebrygge in ihren besten Zeiten gestunken haben muss. <?page no="647"?> 648 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player Das Kontor zu Brügge Die hansischen Kaufleute in Flandern hatten während der häufigen Auszüge des Kontors aus Brügge Kontakte nach Antwerpen aufgebaut, wohin sie mit attraktiven Privilegien gelockt worden waren. Viele setzten auch dann ihre Waren in Antwerpen ab, als die Hanse wieder nach Brügge zurückgezogen war. Das Kontor reagierte darauf mit Repressalien, doch schließlich, mit einem Jahrhundert Verzögerung, siedelte es im Jahre 1546 ebenfalls nach Antwerpen über. Man errichtete dort ein großes Gebäude mit 150 Kammern, 26 Kellern und 24 Packhäusern, nannte sich jedoch immer noch das „Brügger Kontor“, jetzt mit Sitz in Antwerpen. Jedoch waren die Kaufleute zu dieser Zeit nicht mehr gewillt, in einem Hof wie in London, Bergen oder Nowgorod kaserniert zu werden, denn sie lebten recht gut mit ihren Familien zwischen der einheimischen Bevölkerung. Um das Kontor zu beleben, forderte die Hanse die Kaufleute auf, in ihre Heimatstädte zurückzukehren und die Geschäfte einem im Kontor ansässigen Handelsdiener zu überlassen. Mehrere der wichtigsten Kaufleute verzichteten daraufhin auf die Privilegien und wickelten ihre Geschäfte außerhalb des Kontors ab. Wegen der geringen Akzeptanz verfiel das Gebäude mit der Zeit. Die Stadt Köln, die für die Verwaltung zuständig war, löste schließlich die juristische Funktion des Kontors auf, indem sie das Archiv nach Köln überführte, behielt aber das Gebäude. Später wurde es als Theater, Hospital und Kaserne genutzt, 1863 verkauften Hamburg und Lübeck es an die Stadt Antwerpen. Am 9. Dezember 1893 brannte es bis auf die Grundmauern nieder. Die schonischen Messen Wie schon beschrieben, verloren die Schonischen Messen ihre Funktion als allumfassender Messeplatz, nachdem die Hanse die ausländischen Konkurrenten vertrieben hatten. Wegen der fehlenden Vielfalt an Waren reduzierte sich das Angebot jetzt nur noch auf Hering und Salz. Doch auch dieser Handel war gefährdet, weil der Hering immer häufiger ausblieb. Wie Carsten Jahnke errechnet hat, landeten im 14. Jahrhundert jedes Jahr ungefähr 40.000 Fischer ihren Hering in Skanör und Falsterbo an, im Jahre 1530 jedoch kamen nur 7.500 Fischer und zum Ende des Jahrhunderts zählte man gerade noch eine Handvoll. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts erklärte König Christian IV. die schonischen Privilegien der Hanse für ungültig, in den Städten regte das offensichtlich niemand auf. Die Stadt Lübeck „schickte bis 1674 noch jedes Jahr einen Vogt nach Schonen, um nachzusehen, ob der Hering noch da sei, aber ihm folgte kein Kaufmann mehr nach“ (Jahnke 2014, S. 161). Die Attraktivität der Kontore ließ nicht zuletzt deshalb nach, weil sich das, was sie ihren Mitgliedern zu bieten hatten, inzwischen auch in den „frühmodernen Staaten“ (Selzer 2010, S. 115) etabliert hatte: Ein staatliches Gewaltmonopol, anerkannte Rechtsprechung und damit eine gewisse Rechtsicherheit für ausländische Händler. Ungeachtet dessen trieben die hansischen Kaufleute aber weiterhin Handel und nutzten die Privilegien, wo sie noch bestanden. Und hier zeigten sich die Vorzüge des Bündnisses trotz seines geringen Organisationsgrads: Seit 1418 hatte sich die Hanse für einheitliche Warengrößen eingesetzt, für die Normierung des Handels- und Gewerberechts, des Schiffs-, See-, Gesellschafts- und des ehelichen Güterrechts (Hammel-Kiesow 2014, S. 74). Auch die Entwicklung des Hamburger Schiffsrechts von 1614 ist auf diese Bemühungen zurückzuführen. Damit war die Hanse - allen politischen Rückschlägen zum Trotz - immer noch <?page no="648"?> 10.4 Von 1500 bis 1600: Die Welt wird größer - und unübersichtlicher 649 ein Geschäftsmodell, das die Arbeit für alle Beteiligten erleichterte, weil es die Transaktionskosten, also die Marktzugangskosten, für den einzelnen Kaufmann reduzierte. 10.4.2 Gesellschaftliche Umbrüche Auch wenn es zunächst recht weit hergeholt erscheint, so hatten doch der Mönch aus Wittenberg - der Luther -, der genuesische Kapitän Christoph Columbus und die portugiesischen Weltumsegler einen großen Anteil am Niedergang der Hanse im 16. und 17. Jahrhundert. Die von Luther zwar nicht beabsichtigte, jedoch ausgelöste Glaubensspaltung, führte zu einer Entfremdung innerhalb der Hanse. Die norddeutschen Städte begeisterten sich für die protestantischen Ideen, während z.B. Köln und Münster im päpstlich-katholischen Raum verblieben. Das führte zu merklichen Spannungen innerhalb der Organisation, die sich im 17. Jahrhundert durch den 30-jährigen Krieg verstärkten. Was aber hatte die Hanse mit den portugiesischen Schiffskapitänen und mit Christoph Columbus zu tun? Sehr viel, denn mit der Erforschung des Seewegs nach Indien um die Südspitze Afrikas herum stieg Lissabon zu einem wichtigen Handelsplatz für Gewürze auf. Und die Entdeckung eines riesigen Landes westlich von Europa führte zu einer Orientierung insbesondere der Spanier, der Engländer und der Niederländer in diese Richtung. Neben Lissabon wurde Sevilla in Spanien ein wichtiger Handelshafen und im Jahre 1584 wurde mit Virginia die erste englische Kolonie in Nordamerika gegründet, wovon London profitierte. Das veränderte noch einmal die Absatzwege: Antwerpen, Amsterdam und später London als vorgeschobene „Außenposten“ Europas zogen den Nordeuropa-Handel an sich. Dagegen lagen die hansischen Seestädte, insbesondere die an der Ostsee, zu weit vom Atlantik entfernt und verloren an Bedeutung. Immerhin gelang es Hamburg, sich als Endpunkt des Transatlantikhandels zu empfehlen. Zwar nicht als „Tor zur Welt“, doch immerhin als Einfallstor Englands zu den Märkten auf dem Kontinent. Auch Danzig profitierte von den neuen Handelswegen, weil jetzt mehr denn je Eichenholz für den Schiffbau in den Niederlanden und in England gefragt war. Die Geschäftspraxis der Hanse erscheint uns heutzutage etwas merkwürdig. Es kauft der Fernkaufmann A also auf die Vermutung eines guten Geschäfts hin Güter, bei dem er zwar den Lieferanten kennt, aber nicht den Abnehmer. Dann schickt er die Waren zu den Auslandskontoren zur Zwischenlagerung, wo sie ein Händler B für ihn zu verkaufen versucht. Dieser wiederum kauft für den Umsatzerlös seinerseits Güter und schickt sie zu Kaufmann A in der Hoffnung, dass dieser sie mit gutem Gewinn an den Mann bringen möge. Seltsamerweise funktionierte dieses Geschäft über Jahrhunderte hinweg recht gut, die Holländer und die Engländer zeigten jedoch, dass man mit Erfolg Handel treiben konnte, wenn man den Zwischenhandel ausschaltete. Sie fuhren zum Beispiel auf dem direkten Weg von Amsterdam nach Danzig und verbanden so den Verbraucher direkt mit dem Erzeuger. Das brachte zwar höhere Risiken mit sich, schlug sich aber als Gewinn in den Büchern nieder. Und es erzeugte Begehrlichkeiten bei hansischen Kaufleuten, ihre Geschäfte vermehrt auf eigene Rechnung ohne Nutzung der Kontore und ihrer Privilegien zu betreiben. <?page no="649"?> 650 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player Wegen dieser Entwicklung und auch, weil die Privilegien der Kontore im 16. und 17. Jahrhundert immer weniger Wert waren, betrachteten sich viele Städte als der Hanse nicht mehr zugehörig. Das war insbesondere dann der Fall, wenn die Kosten für den Besuch einer Tagfahrt verteilt werden sollten. Auf der anderen Seite wollte die Hanse mit solchen Städten nichts mehr zu tun haben, die unter die Herrschaft eines Fürsten geraten waren und deren Verschwiegenheit über die Beschlüsse der Tagfahrten und Morgensprachen nicht mehr sichergestellt werden konnte. Im Jahre 1518 versuchten die Ratsendeboten auf dem Hansetag in Lübeck eine Neuordnung der Hansewelt und teilten die Städte in drei Klassen ein: 1. in Vorstädte, denen es erlaubt war, die Privilegien zu nutzen und ihre Ratsendeboten zu den Hansetagen zu schicken. 2. in Mittelstädte, denen zwar die Nutzung der Privilegien gestattet war, die jedoch die Hansetage nicht besuchen durften, weil nicht sicher war, ob sie die Verhandlungen vor ihrem Landesherrn geheim halten konnten (Stettin, Uelzen, Lippstadt, Stavoren, Unna, Bielefeld und andere). 3. in Städte, die vollständig unter der Herrschaft ihres Fürsten standen, wodurch eine eigene städtische Meinungsbildung nicht mehr möglich schien. Insgesamt wurden 31 Städte sowohl vom Besuch der Hansetage als auch von der Nutzung der Privilegien ausgeschlossen (unter anderem Berlin, Stendal, Salzwedel, Halberstadt, Quedlinburg und Breslau). Das änderte jedoch nichts daran, dass die Privilegien in dem Maße unattraktiv wurden, wie die ausländischen Herrscher immer weniger bereit waren, sie zu verlängern. So erklärte zum Beispiel die dänische Verhandlungsführerin zu Beginn der 16. Jahrhunderts, „die Hanse solle endlich mit dem Gebrabbel von den alten Privilegien aufhören! “ (zitiert in: Jahnke 2014, S. 207). Doch nicht nur Herrscher, sondern auch Händler wollten sich vom Diktat der Kontore befreien. Die Hamburger Kaufleute, die ihren Geschäftsbetrieb nach Amsterdam verlegt hatten, schrieben im Jahre 1530, „dass sie [durch die Hanse] nicht besser gestellt seien als andere Händler und deshalb die hansischen Privilegien nicht mehr bräuchten“ (Selzer 2010, S. 116). 10.5 Nach 1600: Blutverlust Die Hanse war eine Handelsvereinigung. So wie heute suchte auch damals der Kaufmann nach den günstigsten Transportmöglichkeiten und lukrativen Absatzmärkten. Dieses boten ihm die Kontore durch die ausgehandelten Privilegien. Doch als die Privilegiengeber (Könige, Fürsten) diese Handelsvorteile so weit einschränkten, dass sie keine Wettbewerbsvorteile mehr boten, schauten sich die Kaufleute nach anderen Alternativen um. Nicht so flexibel waren dagegen die Städte und die Auslandskontore, die am Prinzip der althergebrachten Fahrtgemeinschaft mit befristeter Aufenthaltsdauer im Ausland festhielten (Hammel-Kiesow 2014, S. 105). Zwar zog um 1470 die europäische Wirtschaft wieder an, doch die Hansekaufleute waren nicht mehr diejenigen, die ausschließlich davon profitierten. Gute Geschäfte machten jetzt auch andere. Das lag weniger daran, dass sich die Hansekaufleute nicht auf die neue Zeit einstellen konnten, vielmehr verkehrte sich das bisher erfolgreiche Konzept des Netzwerks ins Gegenteil. Mit der Veränderung <?page no="650"?> 10.5 Nach 1600: Blutverlust 651 der Warenströme wäre es geboten gewesen, den Geschäftsbereich über ganz Europa und evtl. bis in die überseeischen Gebiete auszudehnen, doch dem stand das grundlegende Konzept, das auf Verwandtschafts- und Freundschaftsbeziehungen ausgerichtet war, entgegen. Dadurch konnten die Hansekaufleute ihre Geschäfte nur in Einzelfällen über den niederdeutschen Sprachraum hinaus erweitern. Außerdem drängten oberdeutsche und italienische Unternehmen auf den Markt, die bedeutend kapitalstärker waren. Bisher hatte der hansische Handel auf Gegenseitigkeit funktioniert nach dem Motto: Verkaufst du meine Ware, verkaufe ich deine Ware. Hierfür brauchte man keine doppelte Buchführung, kein Bankwesen und keine Kapitalressourcen, was der mittelalterlichen Geldknappheit entgegenkam. Doch zum Ende des 15. und immer schneller im 16. Jahrhundert, löste sich das hansische Geschäftsmodell zunehmend auf. Es war die Stadt Köln, in der die hansische Gilde nur eine von vielen war, sowie Danzig, die den Stapelzwang umgingen und mit holländischen und englischen Kaufleuten direkt handelten. Natürlich blieb dieses Verhalten der Hanse nicht verborgen, die Ratsendeboten waren ja nicht blöde. Es gab dringenden Gesprächsbedarf, der sich darin ausdrückte, dass zwischen 1554 und 1567 insgesamt 14 Hansetage abgehalten wurden, während es in den Jahren von 1535 bis 1552 nur drei Tagfahrten gewesen waren. Im Jahre 1557 gab sich die Hanse eine fest definierte organisatorische und juristische Struktur, wie sie zuvor nicht bestanden hatte, und die Stefan Selzer als „eine Neugeburt unter frühneuzeitlichen Vorzeichen und damit das Ende der mittelalterlichen Hanse“ bezeichnet (Selzer 2010, S. 118). Es wurden regelmäßige Finanzbeiträge vereinbart (die auf fünf Jahre im Voraus zu zahlen waren), die Aufteilung der Hansewelt in vier Quartiere mit den großen Vorstädten Braunschweig, Lübeck, Danzig und Köln, sowie die Einstellung eines mit der Geschäftsführung und Rechtsberatung betrauten Syndikus. Im Jahre 1557 unterzeichneten 63 Städte die neue Reglung, das „Konföderationsnotel“. Die Hanse hatte damit den Schritt zu einer vollständigen Organisation mit einem schriftlich fixierten Statut, einer Mitgliedsliste, einer Kasse (in die allerdings kaum etwas eingezahlt wurde), einem Geschäftsführer, eigenen Angestellten in den Kontoren und einer eigenen Verhandlungsposition gemacht. Damit hätte eigentlich alles für die Zukunft gerichtet sein müssen - war es aber nicht. Insbesondere die Verpflichtung, Mitgliedsbeiträge für eine Leistung zu zahlen, die bisher frei war, stieß vielen Städten sauer auf. Entsprechend häuften sich die Austrittsschreiben. So erklärte zum Beispiel die Stadt Bocholt im Jahre 1577 ihren Austritt damit, dass sie von der Hanse „gar keinen Vorteil, statt dessen aber große Beschwer und Schaden“ erfahren habe (zitiert in: Jahnke 2014, S. 203). Als das „Konfoderationsnotel“ zehn Jahre später erneuert werden musste, verblieben von den ehemals 63 Städten nur noch ein gutes Duzend, die den Vertrag unterzeichneten, in der Mehrzahl waren es die Seestädte. 1612 richtete die Hanse eine Bundeskasse anstelle der bisherigen Kasse ein, doch mit ihr war ebenfalls kein Staat zu machen, weil in sie nur die Beiträge der verbliebenen Kontore flossen. Die Austritte der Städte aus der Hanse waren nicht nur in den Geldleistungen begründet, sie hatten auch mit der politischen Entwicklung zu tun. 1558 hatte der russische Zar Iwan IV. Dorpat und Narva erobert, 1661 unterwarf sich Reval dem König von Schweden. Im Laufe des 30-jährigen Krieges gerieten auch Stade, Wismar und Stralsund unter schwedische Herrschaft. Mitten im 30-jährigen Krieg, auf der Tagfahrt von 1629, beauftragten die anwesenden Ratsendeboten die Städte Lübeck, Hamburg und Bremen mit der Wahrnehmung der Belange der Hanse. Hamel- <?page no="651"?> 652 10 Die Hanse, ein mittelalterlicher Global Player Kiesow sieht darin in Anlehnung an H. Duchhardt eine „Liquidierung der Gemeinschaft“, deren Tragweite den damaligen Zeitgenossen wohl nicht klar gewesen sein dürfte (Hamel-Kiesow 2014, S. 117). Totgeglaubte leben länger Nach dem Westfälischen Frieden wollte die Gemeinschaft in den Jahren 1651, 1657 und 1662 erneut Hansetage abhalten, die jedoch mangels Interesse nicht stattfanden. Als 1666 der Stalhof in London abgebrannt war und man über den Neuaufbau beraten musste, wurde 1669 ein weiterer Hansetag anberaumt, doch auch dieses Mal stieß die Einladung auf wenig Begeisterung. Die Stadt Wismar erklärte in ihrem Absageschreiben, dass von der Hanse „mehr Schatten als Substanz“ übrig sei und dass sie von den Privilegien ihres schwedischen Landesherrn mehr Vorteile hätte (Jahnke 2014, S. 206). Immerhin wurde der Hansetag eröffnet, es erschienen die Städte Hamburg, Lübeck, Bremen, Danzig, Braunschweig und Köln. Andere hatten Vollmachten geschickt (Rostock, Osnabrück, Hildesheim), der Rest blieb den Beratungen fern. Der Hansetag wurde wie üblich abgehalten, er war der letzte, ein weiterer fand nicht statt. Die Vereinigung der niederdeutschen Fernkaufleute hatte den Beginn ihrer Gemeinschaft weder mit einer Gründungsurkunde dokumentiert, noch verabschiedete sie sich mit einem Auflösungsakt. „Die Hanse schlief so“, schreibt Carsten Jahnke, „wie viele andere mittelalterliche Institutionen auch, einfach ein, da sich die Grundvoraussetzungen für ihre Existenz geändert hatten“ (Jahnke 2014, S. 206). Das bedeutete allerdings nicht, dass ab sofort jegliche Handelstätigkeit der niederdeutschen Kaufleute eingestellt worden wäre. Die meisten trieben weiterhin Handel, allerdings eher im regionalen Bereich und nicht unter dem Etikett des Hansekaufmanns. Andere gründeten Kompanien und strukturierten ihr Geschäft in ähnlicher Weise wie die Oberdeutschen und die italienischen Kaufleute. Die Gilden bestanden weiterhin und die Seestädte Hamburg, Bremen und Lübeck hatten fast 200 Jahre lang damit zu tun, die Reste der Kontore abzuwickeln. Nicht vergessen werden sollen die gemeinsamen hansischen Konsulate im Ausland, die bis 1866 auf 132 angestiegen waren. Die Vertretung der drei Seestädte in Berlin hörte sogar erst im Jahre 1920 auf zu bestehen. Auch heutzutage finden sich Reste des ehemaligen hansischen Gildewesens in den Seestädten: das Treffen der Lübecker Kaufleute im Schabbelhaus, die Schaffermahlzeit in Bremen und die „Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg“. Aus wirtschaftspolitischer Sicht hatte die Hanse im 16. Jahrhundert den Konkurrenzkampf gegen die oberdeutschen Städte verloren. Man kann es aber auch anders sehen: Vergleicht man die Sozialstruktur der Stadt Lübeck mit dem Zentrum der oberdeutschen Kaufleute, so ist zu erkennen, „dass im spätmittelalterlichen Lübeck eine umfangreichere und breiter gelagerte Oberschicht lebte, während das oberdeutsche Augsburg eine außerordentliche Vermögenskonzentration auf einen sehr kleinen Personenkreis aufwies“ (Selzer 2010, S. 103). Und das ist doch, aus sozialgeschichtlicher Sicht betrachtet, kein schlechtes Ergebnis kaufmännischen Wirtschaftens! 10.6 Schlussbetrachtung Könnte man den fiktiven hansischen Fernkaufmann noch einmal zu Wort kommen lassen, würde er vor dem versammelten Auditorium wahrscheinlich die folgende Erklärung abgeben: <?page no="652"?> 10.6 Schlussbetrachtung 653 „Ja, zum Schluss lief es wirklich nicht mehr gut mit der Hanse, das darf nicht verschwiegen werden. Aber das lag nicht an uns Kaufleuten, wir machten immer noch Geschäfte. Nun gut, nicht alle konnten sich den neuen Bedingungen anpassen. Das war der harte Kern, der zusammen mit den Städten und den Kontoren immer nur auf die Einhaltung der Verträge mit den Herrschern pochte. Den Kontoren darf man das nicht übelnehmen, die hatten ja keine andere Daseinsberechtigung als die Privilegien, aber die Städte hätten schon etwas weitsichtiger sein können. Andere Kaufleute waren flexibler, die bildeten ihren Ein-Mann-Betrieb in eine Gesellschaft um. Zum Beispiel die Carstens-van- Brooke-Gesellschaft aus Lübeck, die Faktoreien Amsterdam, Antwerpen, Nürnberg und Danzig betrieb. Die handelte mit Bier, Tauwerk, Eisen, Fisch, Getreide, Leder und Pelzen, die kauften Waren im gesamten norddeutschen Raum und brachten sie nach Amsterdam und nach Lissabon. Von dort kamen ihre Schiffe mit Pfeffer, Kakao und Zucker wieder zurück. So etwas machten natürlich nicht alle Fernkaufleute, eigentlich nur diejenigen, die sich auf die neue Zeit einstellen konnten. Aber die machten richtig gute Geschäfte.“ „Trotzdem“, würden wir Menschen des 21. Jahrhunderts einwenden, „hatte sich das hansische System irgendwann überlebt.“ „Ja, die Zeiten waren andere geworden, das hat uns kräftig zugesetzt. - Aber jetzt eine Gegenfrage: Wie lange gibt es schon einen kapitalistischen Warenhandel? “ „Mal überlegen: ungefähr 200 Jahre.“ „Die Hanse hatte 500 Jahre Bestand. Wollen doch mal sehen, ob euer Wirtschaftssystem auch so lange funktioniert.“ <?page no="653"?> Literaturverzeichnis 654 Literaturverzeichnis Ellmers, Detlev; Die Hanse der deutschen Kaufleute und ausgewählte Beiträge zur Geschichte der Seefahrt, in: Hammel-Kiesow, Rolf/ Henn, Volker (Hg.), Wismar 2018 Foerster, Thomas; Schiffe der Hanse, Rostock 2009 Friedland, Klaus; Mensch und Seefahrt in der Hansezeit, Wien 1995 Fritze, Konrad/ Krause, Günter; Seekriege der Hanse. Das erste Kapitel deutscher Seekriegsgeschichte, Berlin 2007 Groth, Carsten; Hanse und Recht. Eine Forschungsgeschichte, Berlin 2016 Hammel-Kiesow, Rolf; Die Hanse, 5. Auflage, München 2014 Jahnke, Carsten; Die Hanse, Stuttgart 2014 Probst, Gilbert/ Rüling, Charles-Clemens; Joint Ventures und Joint Venture-Management. In: Schaumburg, Harald; Internationale Joint Ventures; Stuttgart 1999 Reich, Konrad/ Pagel, Martin; Himmelsbesen über weißen Hunden, Berlin 1981 Selzer, Stephan; Die mittelalterliche Hanse, Darmstadt 2010 Sternfeld, Felicia (Hg.); Katalog des Europäischen Hansemuseums, Lübeck 2016 Vogel, Walter; Geschichte der deutschen Seeschifffahrt, 1. Band, Von der Urzeit bis zum Ende des XV. Jahrhunderts, Berlin 1915 Winter, Heinrich; Das Hanseschiff im ausgehenden 15. Jahrhundert: die letzte Hansekogge, Bielefeld 1978 <?page no="654"?> Glossar Ähnlichkeitsphänomen (Beobachtungs-/ Beurteilungsproblem) Bessere Bewertung eines Bewerbers, der Ähnlichkeiten in der Herkunft und im Verhalten des Beobachters aufweist Alpha-Fehler Einstellungen nicht geeigneter Bewerber Ältermann Vorsteher einer Gilde. Ambiguitätstoleranz Unter Ambiguitätstoleranz versteht man die Fähigkeit, Unklarheiten und Mehrdeutigkeiten im interkulturellen Kontakt auszuhalten und konstruktiv damit umzugehen. Angemessenheit Interkulturell kompetentes Verhalten ist dem situativen Kontext angemessen Arbeitsrecht Das Arbeitsrecht beschäftigt sich mit individuellem (Arbeitsverträgen), kollektivem (Betriebsverfassungsgesetz, Tarifrecht usw.) und europäischem Arbeitsrecht (Arbeitsrichtlinien etc.). Assessment-Center Assessment-Center sind multiple diagnostische Verfahren, welche systematisch Verhaltensleistungen bzw. Verhaltensdefizite von Personen erfassen. Hierbei schätzen mehrere Beobachter gleichzeitig für einen oder mehrere Teilnehmer seine/ ihre Leistungen nach festgelegten Regeln in Bezug auf vorab definierte Anforderungsdimensionen ein. Auslandsniederlassung „Geschäftliche Institution des Unternehmens in einem Gastland.“ (Siedenbiedel, 2008, S. 295) Außenwanderungssaldo Der Außenwanderungssaldo ist die Differenz zwischen der Zuwanderung nach Deutschland und der Abwanderung aus Deutschland (Statistisches Bundesamt DESTATIS, n.d.). Beta-Fehler Eigentlich passende Bewerber werden als ungeeignet angesehen und abgesagt. Betriebliches Gesundheitsmanagement Betriebliches Gesundheitsmanagement ist die bewusste Steuerung und Integration aller betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Beschäftigten. Die Ziele des BGM übersteigen damit die bloße Gesundheitsvorsorge: Durch Reorganisation von Managementprozessen und -strukturen soll erreicht werden, dass gesunde Mitarbeiter in gesunden Unternehmen arbeiten. Die Gesundheitsförderung sowie das Wohlbefinden der Mitarbeiter sollen u.a. durch zusätzliche Investitionen in bestehende Strukturen gefördert werden. Dazu gehören ferner noch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Bewältigung des demografischen Wandels, die Zukunftssicherung von Mitarbeitern und die Förderung des Betriebsklimas (Kiesche, 2013, S. 19). <?page no="655"?> 656 Glossar Bewertung aufgrund der Performanz Interkulturelle Kompetenzen selbst können nicht beobachtet werden, nur Performanz Dezentralisierung „Verlagerung der Entscheidungsbefugnisse auf mittlere und untere Managementebenen; im Falle grenzüberschreitender einzelwirtschaftlicher Aktivitäten geht es insbesondere um die Übertragung von Kompetenzen auf die ausländischen Unternehmenseinheiten“ Siedenbiedel, 2008, S. 299) Direktinvestition Unter einer Direktinvestition wird eine grenzüberschreitende Investition verstanden, durch die ein dauerhafter Einfluss auf ein ausländisches Unternehmen ausgeübt werden soll („Kontrollmotiv“) (Kutscher & Schmid, 2011, S. 1439). Dual loyalty Zweifache (doppelte) Loyalität zum Stammhaus und Entsendungsunternehmen Effektivität Maß der Zielerreichung (Die richtigen Dinge tun.) Effizienz Verhältnis Input zu Output (Die Dinge richtig tun.) Empathie Unter Empathie wird die Fähigkeit verstanden, sich in fremdkulturelle Personen und deren Motive, Denkweisen und Gefühle hineinversetzen zu können. Entgelt Alle materiellen Gegenleistungen, die ein Mitarbeiter für seine geleistete Arbeit gegenüber dem Arbeitgeber erhält. Entwicklungs-/ Nachwuchsförderung Der Fokus liegt auf der Personalentwicklung und nicht auf der Kontroll- und Steuerungsfunktion. Routinemäßige Entsendungen von Nachwuchsführungskräften dienen dazu Erfahrungen zu sammeln. EPRG-Modell Perlmutter unterscheidet in seinem Modell im Hinblick auf die Einstellung von Managern in multinationalen Unternehmen zunächst einen ethnozentrischen (heimatlandorientierten), einen polyzentrischen (gastland-orientierten) und einen geozentrischen (weltoffenen) Führungsansatz. Später führte er noch den regiozentrischen Führungsansatz hinzu. Erfolgsorientiertes Entgeltsystem Bei dem Erfolgsorientierten Entgeltsystem werden die Mitarbeiter am Erfolg der entsprechenden Einheit, in welcher sie arbeiten, beteiligt Erschwerniszulage Die Erschwerniszulage wird zusätzlich zur Mobilitätszulage gewährt und beträgt zwischen 5 und 40% des Nettogehalts (Söllner (2008), S. 395). Die Höhe der Zulage wird durch landesspezifische Faktoren beeinflusst und von jedem Unternehmen selbständig festgelegt (Festing (2011), S. 396) Berücksichtigt werden u.a. Belastung durch Umweltbedingungen, Einschränkungen der Lebensqualität, kulturell bedingte Isolation und Sicherheitsrisiken Erwerbspersonenpotenzial Das Erwerbspersonenpotenzial ist das zur Verfügung stehende Arbeitskräfteangebot und besteht aus den Erwerbstätigen, den <?page no="656"?> Glossar 657 Arbeitslosen beziehungsweise den Erwerbslosen und der geschätzten stillen Reserve. EU-2-Staaten Rumänien und Bulgarien EU-8-Staaten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakische Republik, Slowenien, Tschechien und Ungarn Expatriate Internationale tätige Fachkräfte, sie leben ohne Einbürgerung für eine bestimmte Zeit (häufig ein bis drei Jahre) in einem fremden Land. Oft sind Expatriates Arbeitnehmer, die für eine bestimmte Zeit in eine ausländische Niederlassung entsandt werden. Fertilitätsrate zusammengefasste Geburtenziffer First Mover Der erste, der in den Markt eintritt. FIT Übereinstimmungszustand Gastland „Staat, der ein ausländisches Aktionsgebiet der Unternehmung darstellt.“ Siedenbiedel, 2008, S. 301) Geschäftsmodell Ein Geschäftsmodell ist eine formale Abbildung aller systemrelevanter Kosten- und (internationaler) Werttreiber sowie des Nutzenversprechens einer Dienstleistung zur Analyse und Gestaltung der unternehmerischen Absicht in einer Branche. Gesetz der Massenproduktion Das „Gesetz der Massenproduktion“ besagt: Je höher die Kapazitätsauslastung und die Ausbringungsmenge zur Herstellung von Massengütern ist, desto geringer werden die fixen Kosten (Kosten, die unabhängig von der Herstellungsmenge immer anfallen, z. B. Miete, Gehälter, Versicherungen) pro Stück und umso niedriger werden damit die gesamten Stückkosten“ (Bundeszentrale für politische Bildung, 2019). Global Player Unternehmen, die weltweit tätig sind. Globale Strukturen „Weltweite Ausrichtung der betrieblichen Organisationsmaßnahmen; Aufhebung der Trennung von Inland und Ausland aus organisatorischen Gründen.“ Siedenbiedel, 2008, S. 301) Globalisierung „Supranationale Ausdehnung von Märkten und Schaffung ordnungspolitischer Rahmenbedingungen zur Förderung der grenzüberschreitenden Allokation wirtschaftlicher Leistungen.“ Siedenbiedel, 2008, S. 301) Gruppe Mehrzahl von Personen, in indirekter Interaktion, über eine längere Zeitspanne, bei Rollendifferenzierung und gemeinsamen Normen, verbunden durch ein Wir-Gefühl (Rosenstiel, 1992, S. 261). Halo-Effekt halo = Heiligenschein, systematischer Fehler der Personenbeurteilung (Urteilsfehler), bei dem ein einzelnes Merkmal einer Person so dominant wirkt, dass andere Merkmale in der <?page no="657"?> 658 Glossar Beurteilung dieser Person sehr stark in den Hintergrund gedrängt bzw. gar nicht mehr berücksichtigt werden. Humanvermögen Summe der Fähigkeiten, Fertigkeiten und Motivation der Mitarbeiter Individuelles Verhaltenspotenzial Ermittlung des interkulturellen Verhaltenspotenzials einer Person Intangibilitätsgrad Wenn bei internationalen Dienstleistungen der Anteil tangibler Elemente wächst, z.B. bei internationalen Marketingkonzeptionen in der Strategieberatung, nimmt die internationale Dienstleistung zu. Interaktionsintensität Hier wird eine hohe Interaktionsintensität des Anbieters der Dienstleistung determiniert: z.B. im Consulting durch einen hohen Anteil des zeitlichen Kontakts während der Leistungserstellung, hohen Kundenkontakt durch Rückfragen, starke, kundenindividuelle Anpassung des Leistungsangebotes bei internationalen Steuerfragen usw. Interkulturelle Kommunikationsbewusstheit Interkulturelle Kommunikationsbewusstheit beschreibt die Wahrnehmung von und den Umgang mit unterschiedlichen kulturellen Konventionen und deren Auswirkungen auf den Gesprächsverlauf. Hierbei gilt es Kommunikationsunterschiede zu erkennen und potenzielle Missverständnisse zu klären. Interkulturelle Kompetenz „Fähigkeit des Individuums, kulturübergrifend tätig zu sein.“ (Siedenbiedel, 2008, S. 303) Interkulturelle Verhaltensflexibilität Interkulturelle Verhaltensflexibilität umfasst die Erweiterung und adaptive Anwendung von Verhaltensweisen. Internationale Dienstleistungen sind immaterielle Güter, die entweder sofort in Anspruch genommen und verbraucht werden müssen, da sie nicht lagerungsfähig sind (Telefonat, Internet, Kinofilm), oder zumindest eine Zeitlang aufbewahrt werden können, um sie zu einem bestimmten Termin im Handel einzusetzen (Optionen, Futures, Swap-Geschäfte. International werden die Dienstleistungen in dem Moment, in dem sie länderübergreifen, also in mindestens zwei Volkswirtschaften der Erde eingesetzt werden. Internationale Personalentwicklung Länderübergreifende Personalentwicklung Internationalisierung „Summer der einzelwirtschaftlichen Operationen, die Ländergrenzen überschreiten.“ Siedenbiedel, 2008, S. 303) I nternetökonomie Wirtz definiert: „Die Internetökonomie ist eine im Wesentlichen digital basierte Ökonomie, welche die computerbasierte Vernetzung nutzt, um Kommunikation, Interaktion und Transaktion in einem globalen Rahmen zu ermöglichen.“ Isolation, Abstellgleis Hierbei liegt der Fokus weder auf Steuerung noch auf der Personalentwicklung. Der Auslandseinsatz dieser Kategorie wird <?page no="658"?> Glossar 659 unternehmensintern als Bestrafung oder Abschiebung aufgrund mangelnder Kompetenzen angesehen. Joint Venture „Eigenständige Unternehmung, welche von mindestens zwei selbständigen Partnerunternehmen gegründet und betrieben wird“ (Siedenbiedel, 2008, S. 304) Kaper/ Freibeuter Seeräuber, die mit staatlicher Genehmigung (Kaperbrief) feindliche Handelsschiffe bzw. neutrale Schiffe mit für den Feind bestimmten Waren aufbringen, die Güter beschlagnahmen oder die Schiffe zerstören können. Im modernen Seekrieg auch „Hilfskreuzer“ genannt. Kompetenz Besondere Fähigkeit eines Menschen Kontextbezug Erfassung der Interaktion in kulturellen Überschneidungssituation Kontrast-Effekt (Beobachtungs-/ Beurteilungsproblem) Ein Bewerber wird an dem unmittelbar davor bewerteten Bewerber gemessen, was die Bewertung beeinflusst Kultur Kultur ist die Gesamtheit der Grundannahmen, Werte, Normen, Einstellungen und Überzeugungen einer sozialen Einheit, die sich in einer Vielzahl von Verhaltensweisen und Artefakten ausdrückt und sich als Antwort auf die vielfältigen Anforderungen, die an diese soziale Einheit gestellt werden, im Laufe der Zeit herausgebildet hat (Kutschker & Schmid, 2011, S. 674) Kulturelle Distanz i.d.R. länderbzw. regionalspezifische Unterschiede in Rassenzugehörigkeit, Konfession, Sprache und sozialen Normen, welche Entscheidungen und Interaktionen von Akteuren beeinflussen (Gabler Wirtschaftslexikon) Lang Term Assignment Langzeit-Entsendung Leistungsorientiertes Entgeltsystem Bei dem Leistungsorientierten Entgeltsystem steht die Leistung des Mitarbeiters im Fokus, hierbei wird das Entgelt an seine persönlich erbrachte Leistung geknüpft. Gemessen wird die Leistung anhand einer Leistungsbeurteilung. Augenmerk liegt dabei auf dem nach Plan vereinbarten Ziel, um eine Kennzahl zur Messung für die persönliche Leistung zu haben. LinkedIn Webbasiertes soziales Netzwerk zur Pflege bestehender Geschäftskontakte und zum Knüpfen von neuen geschäftlichen Verbindungen Mashup-Technologie Die „Mashup-Technologie“ beschreibt dabei simplifiziert die Generierung neuer (Medien-) Inhalte durch die nahtlose (Re-) Kombination bereits existierender Inhalte. Matrixorganisation Zweidimensionale Strukturierung des Unternehmens oder eines seiner Subsysteme (Siedenbiedel, 2008, S. 307) Merchant Adventurers Englisch: Tuchhändlervereinigung. <?page no="659"?> 660 Glossar Mergers & Acquisitions (M&A) Mit M&A werden alle Vorgänge im Zusammenhang mit dem Kauf und der Vorschmelzung von Unternehmen oder von Unternehmensteilen bezeichnet. (Mergers & Acquisitions, n.d.) Mittelniederdeutsch Umgangs- und Handelssprache in Nordeuropa des Mittelalters, die sich von der altniederdeutschen Sprache ableitete. Sie breitete sich im Hanseraum vom Westphalen und Niedersachsen über Holstein, Pommern, Brandenburg, Preußen bis ins Baltikum und an die skandinavische Küste aus. Mobilitätszulage Die Mobilitätszulage kann als einmalige Zahlung zu Beginn des Auslandseinsatzes oder als monatlicher Betrag gewährt werden. Die Höhe diese Zulage beträgt bei der monatlichen Zahlung je nach Unternehmen zwischen 5 bis 10% des Nettogehalts. Motivation Leistungsbereitschaft der Organisationsmitglieder (Siedenbiedel, 2008, S. 307) Motivationstyp Abenteurer Abenteurer - Neue Aufgaben, der Wille nach neuen Herausforderungen wie auch die Begeisterung für fremde Kulturen zeichnen den „Abenteurer“ aus. Motivationstyp Flüchtling Flüchtling - Faktoren wie berufliche Misserfolge, private Probleme oder die berufliche Unzufriedenheit können der Suche nach einer Lösung zu widmen. Motivationstyp Global Player Global Player - Dieser Motivationstyp kann sich durch mehrere und länger andauernde Aufenthalte im Ausland auf eine Internationalität beziehen, welches durch ein kosmopolitisches Denken und Handeln geprägt ist Motivationstyp Karrieregeist Karrieregeist - Hierbei handelt es sich aus der Mitarbeiterperspektive um den Aufstieg im Unternehmen. Monetäre Aspekte spielen hier keine wesentliche Rolle. Motivationstyp Legionär Legionär - Dieser Motivationstyp ist durch finanzielle Aspekte und die Erlangung von mehr Selbstständigkeit und Verantwortung gekennzeichnet. Motivationstyp Neugierige Neugierige - Der Neugierige zeigt Interesse am Kennenlernen fremder Kulturen und Menschen. Hierbei handelt es sich allerdings um kurzfristige Aufenthalte Nachhaltigkeit Ökologische Zielkategorie, die auf den schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen gerichtet ist (Siedenbiedel, 2008, S. 308) Onboarding „an Bord nehmen“ eines neuen Mitarbeiters, Eingliederung der Mitarbeiter in das Unternehmen oder an den Arbeitsplatz perpetuum mobile Etwas (meist eine Maschine) das, einmal in Gang gesetzt, sich immerwährend selbst antreibt, ohne dass eine Energieleistung von außen nötig wäre. <?page no="660"?> Glossar 661 Personalbeurteilung als die geplante, formalisierte und standardisierte Bewertung von Organisationsmitgliedern im Hinblick auf bestimmte Kriterien durch von der Organisation dazu explizit beauftragte Personen auf der Basis sozialer Wahrnehmungsprozesse im Arbeitsalltag. Personalentwicklung „Gesamtheit mitarbeiterbezogener Förderungsmaßnahmen des Unternehmens, die insbesondere die Integration gezielter Trainingsmaßnahmenmit individueller Karriereplanung umfasst.“ (Siedenbiedel, 2008, S. 309) Personalmanagement Das Personalmanagement umfasst diejenigen Funktionen einer Organisation, die das Ziel haben, Humanressourcen bereitzustellen und zielorientiert einzusetzen. Pioneer-Lead-Time Die Pioneer-Lead-Time wird häufig synonym auch als Monopolmarktzeit beschrieben. Polyzentrische Struktur Dezentralisierte Anordnung von Entscheidungsbefugnissen in Organisationen über Ländergrenzen hinweg. (Siedenbiedel, 2008, S. 309) Primacy-Effekt (Beobachtungs-/ Beurteilungsproblem) Die ersten Informationen (erster Eindruck) bleibt besonders gut im Gedächtnis der Beobachter und kann den Gesamteindruck beeinflussen, indem weitere Informationen an die erste geknüpft werden. Produktivität Outputmenge ./ . Inputmenge (Siedenbiedel, 2008, S. 309) Quellenlandprinzip Eine Person ist in dem Staat steuerpflichtig, aus dem das Einkommen stammt. Realnormierte Messung (Beobachtungs-/ Beurteilungsproblem) Unterschiedliche Bewertung von Bewerbern in Abhängigkeit der Gruppe. In einer „schwachen“ Gruppe kann er als stark und in einer „stärkeren“ Gruppe als durchschnittlich eingestuft werden. Reentry Garantie vertragliche Rückkehrgarantie Relocationservice Dienstleistungsangebot für Menschen, die das Heimatland bspw. für eine bestimmte Zeit verlassen und sich an einem neuen Arbeitsplatz und -ort eingewöhnen müssen, z.B. Hilfe beim Umzug und Orientierung am neuen Arbeitsort Respekt Respekt beinhaltet einen offenen und wertschätzenden Umgang mit Angehörigen anderer Kulturen. Respekt bezieht sich auf die Akzeptanz und Toleranz anderskultureller Wertsysteme, auch wenn diese den eigenen widersprechen (Prechtl. 2008, S. 59). Role novelty Neue Rolle Rückwärtsintegration „Übernahme einer oder mehrerer Fertigungsstufe(n), die bisher von einem Zulieferer durchgeführt wurde(n).“ (Rückwärtsintegration, 2020) <?page no="661"?> 662 Glossar Schwarzenhäupterbruderschaft Die Vereinigung der unverheirateten, auswärtigen Kaufgesellen in Reval, die sich in der Stadt etablieren wollten. Senior-Management, High-Flyer „Senior-Management, High-Flyer“ stellen primär die Steuerungsaktivität als auch Personalentwicklung da, wobei die Entsendung zur Steuerung und Kontrolle der Gesamtorganisation dient und ihre individuellen Kompetenzen vertiefen soll. Ein typisches Beispiel ist die Entsendung von Stammhausmitgliedern, denen die Fähigkeit zur Erreichung einer hohen hierarchischen Position zugeschrieben wird. SGB-II-Hilfequote SGB-II-Hilfequoten geben an, wie groß der Anteil von hilfebedürftigen Personen an einer bestimmten Bevölkerungsgruppe ist, die nach dem SGB II leistungsberechtigt sind. Zudem zeigen sie, in welchem Umfang deren Bedarfsgemeinschaften einer bestimmten Familienbzw. Lebensform zugeordnet sind. Sie verdeutlichen, wie stark eine Bevölkerungsgruppe oder eine Familienbzw. Lebensform von Hilfebedürftigkeit betroffen ist, und sind Ausgangspunkt einer Analyse der räumlichen und soziodemografischen Verteilung von Hilfebedürftigkeit (Bundesagentur für Arbeit, 2016). Short Term Assignment Kurzzeit-Entsendung Skaleneffekt Als ein Skaleneffekt (engl. economies of scale) wird in der Produktionstheorie das Verhältnis der Produktionsmenge zur Menge der genutzten Produktionsfaktoren bestimmt. Der auch als „Größenvorteil“ oder „Größenkostenersparnis“ bekannte Skaleneffekt beschreibt den Umstand, wenn mit einer Intensivierung der Produktionsfaktoren auch die Produktionsmenge steigt. Idealerweise sinken die Produktions- und Selbstkosten bei steigender Produktionsmenge. Abhängig vom Verhältnis zwischen Input und Output wird von drei Arten von Skaleneffekten gesprochen: konstant, negativ und positiv“ (Skaleneffekt, n.d.). Spezifität des Faktoreinsatzes Darunter ist das Ausmaß kulturspezifischen und länderbezogenen Know-hows und Expertenwissens für die internationale Dienstleistungserstellung gemeint: z.B. stehen religiöse oder klimabedingte Aspekte der internationalen Dienstleistung entgegen. Beispiele sind bei der Systemgastronomie, Hotels, Fluggesellschaften oder bei der Autovermietung zu finden. Stapelzwang Die Pflicht eines Händlers, seine an einem mit dem Stapelrecht versehenem Ort zum Kauf anzubieten. Stelle Kleinste organisatorische Einheit Stereotype Vorstellungen über typische Eigenschaften einer Personengruppe. Strategische Allianzen „vertragsbasierte Zusammenarbeit rechtlich selbständiger Partnerunternehmen“ (Siedenbiedel, 2008, S. 312) <?page no="662"?> Glossar 663 Substituierbarkeitspotenzial der gegenwärtige Anteil der Kernanforderungen von Berufen, der durch Computer oder Maschinen ausgeführt werden könnte Sunk costs Sunk costs sind die Kosten, die bereits angefallen sind und nicht (bspw. durch den Verkauf) wieder rückgängig gemacht werden können. Diese Kosten sollten bei der Entscheidung, ob ein Projekt weitergeführt werden soll oder nicht, nicht mit in die Bewertung einfließen. Taylorismus „Bezeichnung für die von F.W. Taylor begründete Lehre des Scientific Management (1911); als kennzeichnend für dieses Konzept wissenschaftlicher Betriebsführung gilt die Realisierung extremer Arbeitsteilung in den betrieblichen Prozessen.“ (Siedenbiedel, 2008, S. 312) Team Ein Team verfolgt im Gegensatz zu einer Gruppe ein gemeinsames Ziel bzw. eine gemeinsame Aufgabe. Häufig haben Teams einen kooperativen Arbeitsstil und die Fähigkeiten der Teammitglieder ergänzen sich vielfach. Technologie-Zeit-Lücke Die Lücke, die auftritt in Unternehmen zwischen der forschungsmäßigen Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen und der innovativen Umsetzung im Markt. Territorialitätsprinzip Der Steuerpflichtige wird nur mit dem Einkommen veranlagt, das er auf dem Territorium des betreffenden Staates erwirtschaftet hat. Time to market Markteintrittsgeschwindigkeit/ Marktteilnahmezeit Umstellungskosten bei Dienstleistungen Umstellungskosten bei Dienstleistungen fallen einmalig an, wenn ein Abnehmer, zum Produkt eines anderen Lieferanten wechselt. Alle Kosten die sowohl mit der Beendigung der bisherigen Geschäftsbeziehung als auch mit Aufbau der neuen zum Lieferanten anfallen Kosten sind Umstellungskosten. Unternehmenskultur Gesamtheit der Grundannahmen, Werte, Normen, Einstellungen und Überzeugungen einer Unternehmung oder Organisation. Vogt Ein Beamter des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Wachhund, Trouble Shooting Entsandte dieser Kategorie konzentrieren sich auf Kontroll- und Steuerungszwecke. Entsendungen des Stammhauses auf Schlüsselpositionen in Auslandsniederlassungen gehören dem Typ des „Wachhundes“ an. Wäger Ein von einer Stadt oder einem Kontor eingesetzter Wiegemeister. Welteinkommensprinzip Vereinfacht ausgedrückt besagt dieses, dass jeder, der seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in einem Land hat, seine gesamten in der Welt erzielten Einkünfte auch <?page no="663"?> 664 Glossar in diesem Land versteuern muss. (https: / / www.rechnungswesen-verstehen.de/ steuern/ welteinkommensprinzip.php) Wettbewerbsstrategie „Wettbewerbsstrategie ist das Streben, sich als Unternehmen innerhalb der Branche, dem eigentlichen Schauplatz des Wettbewerbs, günstig zu platzieren“ (Porter, 2014, S. 25). Wiedereingliederung Reintegration, Re-entry, Rückgliederung und Rückführung Wissenserwerb Der Wissenserwerb beschreibt die Fähigkeit und Verhaltenstendenz, aus wahrgenommenen Interaktionen Wissen über andere Kulturen zu generieren. Er umfasst sowohl den Erwerb von Wissen über kulturspezifische Verhaltensweisen als auch über die zugrundeliegenden impliziten Annahmen Wohnsitzlandprinzip Eine Person ist in dem Staat steuerpflichtig, in dem sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Zentralisierung Entscheidungsbefugnisse sind konzentriert in der Unternehmensspitze (Siedenbiedel, 2008, S. 315) <?page no="664"?> Über die Autorinnen und Autoren Prof. Dr. Dr.s.c. Gerfried Hannemann ist emeritierter Professor für Betriebswirtschaftslehre der Hochschule Anhalt und Lehrbeauftragter an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Prof. Dr. Irene E. Rath ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre und Internationales Management an der Euro-FH und lehrte u.a. an der Universität Hamburg und verschiedenen privaten Hochschulen. Dr. phil. Jürgen Rath ist gelernter Seemann mit Kapitänspatent, Diplom-Betriebswirt, Diplom- Soziologe und hat im Fachbereich Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Hamburg promoviert. Er schreibt Fachbücher zu den Themen „Seefahrt, Hafen und Küste“. Prof. em. Dr. habil. Wilhelm Schmeisser lehrte bis 2017 Allgemeine BWL, Internationales Personalmanagement, Personalmanagement und Organisation, Innovationsmanagement, Finanzierung und Investition an der HTW Berlin. Ivana Simic ist freie wissenschaftliche Mitarbeiterin und studierte mit Abschluss Master of Arts mit den Schwerpunkten Innovation und Marketing an der HTW Berlin. <?page no="666"?> Stichwortverzeichnis Across-the-Border-Trade 439, 440 Außenhandel 30, 34, 35, 36, 46, 87 Bank- und Börsenmanagement 434 Bedrohung durch Ersatzprodukte 458 Branchen- und Marktabgrenzung 502, 505, 532 BtoB-Bereich 446 Business Model Canvas 435, 436 Channels 436 Clients 436 Cluster 438 Corporate Social Responsibility 56, 61, 62 Cost Centres 436 culture bond 469 culture-free 469 Demestic-Establisment Trade 439 Diamant-Ansatz 447, 449 Differenzierung 438, 451, 452, 457, 459, 467, 468, 469, 471, 475 Differenzierungsstrategie 467, 468, 472, 475 digitale Geschäftsmodelle 531 direkter Eintritt 446 direkter Export 445 Direktinvestition 455, 456 Direktinvestitionen 449, 455, 456 eBay 485 E-Business 500 Economies of Scale 433, 438 Economies of Scope 433 Effizienz 462 Effizienzvorteile 438 Eintrittsbarrieren 450, 451, 457, 463, 464 Einzelhandel 451, 452, 453, 454, 455, 457, 458, 459, 460, 463, 464, 465, 477 Einzelhandelsfunktion 455, 462 Einzelhändler 451, 452, 454, 455, 456, 457, 459, 460, 461, 462 Elektronisches Marketing 446 Erfahrungskurve 443, 444, 466, 467 Erfolgschancen 480, 488, 496, 534 Erlebniskauf 452 Ersatzprodukte 447, 458, 466 Exportanteil 438 Facebook 528, 530 First-Mover-Strategie 479 Fixkosten 451, 463 Follower-Strategie 479 Foreign-Earnings Trade 439 Forschungserkenntnisse 481, 482, 496, 498, 509, 510, 516, 524, 531, 532 Franchising 438, 446, 453 Führungsstil 117, 133, 134 Gefahr des Markteintritts neuer Anbieter 447 Geschäftsmodell 434, 435, 436, 437, 445, 453, 467, 482, 499, 500, 501, 508, 509, 517, 521, 524, 525, 531, 537 Geschäftsmodelle 479, 480, 481, 482, 486, 491, 495, 496, 499, 500, 501, 502, 503, 504, 505, 507, 508, 509, 510, 515, 516, 517, 518, 519, 520, 521, 522, 523, 524, 526, 527, 528, 531, 532, 533, 534, 535, 537 Gewerkschaften 462 Global Sourcing 47, 50, 53, 54, 55, 57, 58, 61, 62, 89 Globalisierung 27, 28, 31, 88 Globalität 502, 505, 532 <?page no="667"?> 668 Stichwortverzeichnis Google 526, 529, 530, 533, 537, 538 Grenz- und Suchkosten 507 Größeneffekten 434 Großhandel 462 Ikea 448, 449, 454, 466, 470 Imageverbesserung 434 Immaterialität 506, 507, 532 Indien 442, 447, 449, 451, 452, 453, 454, 455, 456, 457, 459, 462, 463, 464, 470 indische Einzelhandel 461, 464 Industrie 4.0 84, 85, 86 Innovation 27, 479, 480, 502, 504, 517, 524, 534 Integration, horizontale 82, 83 Interkulturalität 109, 110, 112, 114, 144, 154 internationale Dienstleistung 434, 440, 467, 468 internationale Dienstleistungen 437 internationale Einzelhändler 459 Internationale Steuer- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften 434 internationale Dienstleistungsorientierung 500 Internationalisierung 433, 434, 437, 439, 441, 442, 443, 444, 448, 449, 471, 472, 473, 477 Internationalisierungsstrategie 34, 37, 46, 87 Internetökonomie 480, 482, 486, 499, 501, 502, 503, 504, 505, 509, 523, 527, 537 Internetwirtschaft 501, 505, 508, 527 Joint Venture 446, 453 Kapitalbedarf 452, 453 Key Activities 435 Key Partner 435 Key Ressourcen 436 klassisches Geschäftsmodell 501, 537 Kommunikationsmodell 130 Konsumartikelhersteller 461, 462 Kostenführerschaft 443, 465, 466, 467, 469, 475 Kostentreiber 72, 76, 90 Kostenvorteile 453, 454, 455, 466 Künstliche Intelligenz 435 Länderrisiken 58, 89 Leistungsrisiken 57, 58 Lerneffekte 522, 524, 527, 530, 533, 538 Liberalisierung 438 Lieferanten 447, 452, 456, 457, 458, 459, 460, 461, 462, 464, 466, 467, 470, 474 Lieferantenrisiken 59 Lock-In-Effekt 523, 528 Logistik 438, 442, 446, 454, 455, 465, 467, 468 Low-Cost-Country-Sourcing 57, 76 Machtposition 458, 460, 462 Marke 437, 460, 464, 470, 471 Markenidentität 467 Marktanteil 453 Marktaufbaukosten 497, 530, 533, 538 Marktaustrittsbarrieren 449, 450, 456, 463 Markteinführung 483 Markteintrittsplanung 479, 503 Markteintrittsstrategie 479 Markteintrittszeitpunkt 483, 484, 485, 495, 496, 520, 521, 524, 525 Marktentwicklung 497, 524, 525, 526, 530, 533, 538 Marktteilnahmezeit 485 Marktteilnehmer 450, 464 McDonald‘s 470 Monitoring 444 Mulitplikationssstrategie 470 Multinational Organizations 27 MySpace 528, 529, 533 Nachhaltigkeit 61, 62 Nicht-ökonomische Ziele 442 <?page no="668"?> Stichwortverzeichnis 669 Offshoring 52 ökonomische Ziele 442 Organisation als Maschine 116, 154 Organisation als politische Arena 118, 154 Organisation als soziales System 117, 154 Organisation als Theater 119, 154 Organisationsstruktur 114, 116, 124, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 154 Outsourcing 48, 49, 52, 53, 69 Patentschutz 516 Pioneer-Lead-Time 485, 519, 520, 521, 522, 527, 536 Porter 433, 437, 442, 443, 444, 447, 448, 449, 450, 452, 454, 455, 456, 458, 459, 460, 461, 462, 463, 464, 465, 466, 467, 468, 469, 472, 474, 477 Portfoliostrategie 471, 475 Preisgestaltung 504, 516, 519 Primär- und Sekundärorganisation 121 Primäre Aktivitäten 465 Primärorganisation 116, 122, 123, 124 Primärorganisationsstruktur 126 Produktdifferenzierung 451 Produktionsfaktoren 451, 474 Prozessdigitalisierungen 479 Public Affairs 456, 476 Qualitätsunsicherheiten 521 RBV 491, 492, 493, 494, 495, 496, 503, 518, 535 Reallöhne 462 Relationships 436 Resource-based View 481, 491, 531 Ressource 492, 493, 495, 496, 536 Ressourcenausstattung 492, 495 Revolution dritte industrielle 80 erste industrielle 77 zweite industrielle 79 Risikostreuung 434 Rückwärtsintegration 458, 461 Ryan Air 466 Sekundärorganisation 116, 117, 123, 124, 125, 126 Services 436, 438, 439, 445 Skaleneffekte 450, 451, 452, 457, 464, 466 Sortiment 461 Spezialisierung 434, 451, 469 spieltheoretische Modelle 490 staatliche Deregulierung 434 Standardisierung 440, 469, 471 Start-up-Gründer 435 Start-Ups 480 Strategie 440, 443, 444, 445, 446, 453, 465, 466, 467, 468, 469, 470, 471, 472, 475 Substitution 458, 464 sunk costs 450 Supply Chain Management 40, 47, 49, 68, 86 Synthese 481, 482, 510, 516, 520, 524, 532 Systemexport 445, 446 Tarifverträge 462 Teamarbeit 113, 122, 125, 126, 132, 133, 136, 137, 144 interkulturelle 114, 126, 137, 139, 143, 144 Teams, interkulturelle 113, 114, 121, 122, 127, 129, 135, 139, 140, 142, 144, 145, 154, 159 Technologie-Zeit-Lücke 526, 529, 530, 533, 538 Tesco 455, 459, 471 Testfilialen 453 Textilindustrie 462 Third-country-Trade 439, 440 time to market 484 Trägheit 497, 498, 526, 529, 533, 535 Typologisierung 438, 439, 440 Umsatzvolumen 461 <?page no="669"?> 670 Stichwortverzeichnis Umstellungskosten 452, 457, 460, 464, 474 Unique Selling Präposition 468 Unnachahmlichkeit 493 Unternehmenskultur 120, 143, 144, 145 Unternehmensumfeld 503 unterstützende Aktivitäten 465 Verhandlungsmacht 447, 462, 464 ~ der Abnehmer 447, 464 Verhandlungsposition 459, 460, 462 Verhandlungsstärke 447, 458 Vertikalisierung 44, 66, 67, 68 Vorwärtsintegration 461, 462 VRIO-Framework 493 Wechselkosten 504, 520, 522, 523, 537 Wertkette 441, 468, 475 Wertketten 500 Wertkettenanalyse 442 Wertschöpfungsanteil 461 Wertschöpfungskette 62, 64, 66, 67, 441, 447, 461, 465, 467 Wettbewerb 503, 504, 527 Wettbewerber 450, 451, 455, 456, 457, 466, 468 Wettbewerbsbedingungen 481, 482, 499, 502, 505, 507, 508, 509, 515, 531, 533 Wettbewerbskräfte 444, 447, 448, 449, 474 ~ in einer Branche 444, 447 Wettbewerbsstrategie 443, 444, 467 Wettbewerbsstrukturen 450 Wettbewerbsvorteile 480, 489, 490, 493, 494, 495, 508, 510, 517, 534 Win-Win-Situation 494 Wirecard 434, 436, 473 <?page no="670"?> ISBN 978-3-7398-3032-2 www.uvk.de Im Zeitalter der Globalisierung wird das Internationale Management für multinational agierende Unternehmen immer wichtiger. Aktuelle Herausforderungen sind insbesondere die internationalen Dienstleistungen, das internationale Personalmanagement und das internationale Financial Management. Diese drei hochrelevanten Managementbereiche bilden das Grundgerüst dieses Buches: Die Unternehmen müssen - was den Dienstleistungsbereich angeht - vor allem den internationalen Zahlungsverkehr der Banken und Versicherungen für sich optimieren. Darüber hinaus wird die Nutzung des Internets sowohl unternehmensintern als auch -extern diffiziler. Im Buch werden zudem die Themen global agierender Medien- und IT- Unternehmen sowie internationaler Beratungsfirmen behandelt. Das Personalmanagement entwickelt sich gerade in Europa aktuell zum strategischen Engpassfaktor. Neben den qualifikatorischen Herausforderungen von Industrie 4.0 und Künstlicher Intelligenz kommt nun noch die ohnehin schwierige Aufgabe hinzu, generell ausreichend viele Fachkräfte zu gewinnen. Doch Technik, Werkstoffe und Personal müssen auch finanziert werden und auch strategische Investitionen sind für globale Unternehmen kostenintensiv und überlebenswichtig. So rücken Cash Management-Systeme mit internationalem Cash Pooling immer mehr in den Fokus. Prof. Dr. habil. Wilhelm Schmeisser ist Professor für Finanzierung und Investition, Unternehmensführung, insbesondere für Finanzorientierte und Internationale Personalwirtschaft sowie Technologiemanagement und Innovationserfolgsrechnung, Controlling und den Berliner Balanced Scorecard Ansatz. Prof. Dr. Irene Rath ist Studiengangsdekanin für die Studiengänge International Business Administration (B.A.) und Dienstleistungs- und Customer Experience Management (B.A.) sowie Professorin für Betriebswirtschaftslehre und Internationales Management an der Euro-FH Hamburg.