Work-Life-Balance
Konzepte und Umsetzung im Studium und Berufsalltag
0712
2021
978-3-7398-8048-8
978-3-7398-3048-3
UVK Verlag
Uta Kirschten
Das Berufsleben mit dem Privatleben zur eigenen Zufriedenheit zu vereinbaren, fällt auch heute noch vielen Menschen sehr schwer. Vielfältige Veränderungen der Arbeitswelt, die Zunahme berufsbedingter psychischer Erkrankungen sowie die steigende Entgrenzung zwischen Arbeits- und Privatleben, aber auch veränderte Rollenbilder zwischen Mann und Frau und aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen erschweren die Vereinbarkeit der verschiedenen Lebenswelten erheblich. In diesem Zusammenhang erfährt das Konzept der Work-Life-Balance seit der Jahrtausendwende steigende Aufmerksamkeit.
Gegenstand dieses Buches sind zunächst aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen, denen die heutige Arbeitswelt und die Unternehmen gegenüberstehen, sowie die negativen Auswirkungen einer einseitig dominierenden Arbeitswelt. Weiter werden Konzepte zum Thema Work-Life-Balance vorgestellt sowie Instrumente zur Umsetzung einer Work-Life-Balance in Unternehmen diskutiert. Anhand von Praxisbeispielen werden die Chancen der betrieblichen Umsetzung einer Work-Life-Balance für alle Beteiligten diskutiert.
Das Buch richtet sich sowohl an Berufspraktiker jeden Alters und Führungskräfte als auch an Studierende und Wissenschaftler.
<?page no="0"?> ISBN 978-3-7398-3048-3 www.uvk.de Dr. Uta Kirschten ist Professorin für ABWL, insb. Personalmanagement an der Westsächsischen Hochschule Zwickau. Ihre Fach- und Forschungsschwerpunkte sind Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Privatleben (Work-Life-Balance), Frauen und Führung, Nachhaltiges Personalmanagement, Lebenszyklusorientiertes Personalmanagement, Wissensmanagement sowie Innovation und Personalmanagement. Das Berufsleben mit dem Privatleben zur eigenen Zufriedenheit zu vereinbaren, fällt auch heute noch vielen Menschen sehr schwer. Vielfältige Veränderungen der Arbeitswelt, die Zunahme berufsbedingter psychischer Erkrankungen sowie die steigende Entgrenzung zwischen Arbeits- und Privatleben, aber auch veränderte Rollenbilder zwischen Mann und Frau und aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen erschweren die Vereinbarkeit der verschiedenen Lebenswelten erheblich. In diesem Zusammenhang erfährt das Konzept der Work-Life-Balance seit der Jahrtausendwende steigende Aufmerksamkeit. Gegenstand dieses Buches sind zunächst aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen, denen die heutige Arbeitswelt und die Unternehmen gegenüberstehen, sowie die negativen Auswirkungen einer einseitig dominierenden Arbeitswelt. Weiter werden Konzepte zum Thema Work-Life-Balance vorgestellt sowie Instrumente zur Umsetzung einer Work-Life-Balance in Unternehmen diskutiert. Anhand von Praxisbeispielen werden die Chancen der betrieblichen Umsetzung einer Work-Life-Balance für alle Beteiligten diskutiert. Das Buch richtet sich sowohl an Berufspraktiker jeden Alters und Führungskräfte als auch Studierende und Wissenschaftler. Kirschten Work-Life-Balance 2. A. Uta Kirschten Work-Life- Balance Konzepte und Umsetzung im Studium und Berufsalltag 2. Auflage <?page no="1"?> Work-Life-Balance <?page no="3"?> Uta Kirschten Work-Life-Balance Konzepte und Umsetzung im Studium und Berufsalltag 2., vollständig überarbeitete Auflage UVK Verlag · München <?page no="4"?> 2., vollständig überarbeitete Auflage 2021 1. Auflage 2013 © UVK Verlag 2021 ‒ ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-7398-3048-3 (Print) ISBN 978-3-7398-8048-8 (ePDF) ISBN 978-3-7398-0198-8 (ePub) Umschlagmotiv: iStockphoto AscentXmedia Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. <?page no="5"?> 1 11 1.1 11 1.2 12 1.2.1 13 1.2.2 16 1.2.3 18 1.2.4 24 1.3 26 1.3.1 26 1.3.2 28 1.3.3 29 1.3.4 37 1.3.5 38 2 41 2.1 42 2.1.1 42 2.1.2 64 2.1.3 91 2.2 94 Inhalt Work-Life-Balance: Was ist das? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Work-Life-Balance als interdisziplinäres Thema . . . . . . . Auseinandersetzung mit dem Begriff “Work-Life- Balance” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Life - Lebenswelt - Privatleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Work - Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Balance - Ausgeglichenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition des Begriffs Work-Life-Balance . . . . . . . . . . . . Neue Konzepte und Begrifflichkeiten zum Thema “Work-Life-Balance“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Work-Life-Blending . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Work-Life-Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsetzung der Konzepte Work-Life-Blending und Work-Life-Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Work-Life-Separation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktualität des Konzepts der Work-Life-Balance . . . . . . . Aktuelle gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaftliche Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . Demografischer Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen für ein nachhaltiges Wirtschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veränderungen von Familienstrukturen und Geschlechterrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Digitale Transformation als gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Herausforderung . . . <?page no="6"?> 2.3 96 2.3.1 96 2.3.2 102 2.3.3 104 2.4 108 2.4.1 108 2.4.2 110 2.4.3 122 2.4.4 135 2.4.5 138 2.4.6 154 2.4.7 177 2.5 189 3 191 3.1 196 3.1.1 199 3.1.2 203 3.1.3 206 3.1.4 207 3.1.5 219 3.1.6 223 3.2 238 Marktwirtschaftliche Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . Entwicklung zur Informations- und Wissensgesellschaft Steigende Internationalisierung der Wirtschaft und globale Wertschöpfungsketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steigende Dynamik und Komplexität der Wirtschaft . . . Herausforderungen der Arbeitswelt . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung einer Arbeitswelt 4.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . New Work . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse . . . . . . . . Auswirkungen atypischer Beschäftigungsverhältnisse auf den psychologischen Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wandel der arbeitsorientierten Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . Steigende Qualifikation und Berufstätigkeit von Frauen Einstellungen zu und Umgang mit älteren Mitarbeitern . Steigende Bedeutung des Ausgleichs der verschiedenen Lebenswelten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Risiken der Unvereinbarkeit des Arbeitsmit dem Privatleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten . . . Auswirkungen dauerhafter psychischer Belastungen auf die Fehlzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychische Belastungen während der Coronavirus-Pandemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkungen psychischer Erkrankungen und steigender Fehlzeiten auf Unternehmen, Betroffene und die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stress im Berufsleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitssucht - Workaholismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Burnout . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mangelnde Bindung der Beschäftigten an ihren Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 6 <?page no="7"?> 4 241 4.1 242 4.1.1 242 4.1.2 243 4.1.3 244 4.2 245 4.2.1 245 4.2.2 246 4.2.3 248 4.2.4 249 4.2.5 250 4.3 251 4.3.1 251 4.3.2 253 4.3.3 253 4.3.4 254 4.3.5 256 4.4 258 4.4.1 258 4.4.2 259 5 267 5.1 267 5.2 268 5.3 270 5.4 273 5.5 275 5.6 276 Modelle zur Erklärung der Interaktionen zwischen Berufs- und Privatleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht-Kausale Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Segmentationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kongruenzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Identitätsbzw. integratives Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kausale Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kompensationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spillover-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Instrumentelle Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akkomodationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modell der Ressourcenzehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integrative Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modell von Near, Rice und Hunt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konflikt-Theorie („Vorgänger“ zum Modell der multiplen Rollen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundzüge der Rollentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modelle der multiplen Rollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Work-Family-Conflict-Concept von Frone, Russel und Cooper (1992) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dynamische Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stressmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theorien der Rollengrenzen und Rollenübergänge . . . . . . Zielgruppen einer Work-Life-Balance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zielgruppe Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zielgruppe Familien (inclusive Alleinerziehende) . . . . . . . Zielgruppe ältere Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zielgruppe Generation Y . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zielgruppe Generation Z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zielgruppe Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 7 <?page no="8"?> 6 279 6.1 281 6.1.1 281 6.1.2 295 6.1.3 311 6.1.4 319 6.1.5 328 6.1.6 335 6.2 364 6.2.1 364 6.2.2 370 6.2.3 378 6.3 385 6.3.1 387 6.3.2 388 6.3.3 389 6.3.4 389 6.3.5 390 6.4 392 6.4.1 394 6.4.2 397 6.4.3 403 6.4.4 404 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance . . . . . Arbeitsorientierte Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsortes . . . . Erfahrungen mit Homeoffice während der Coronavirus-Pandemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neue Büroraumkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltung der Arbeitsinhalte und Arbeitsbedingungen . Gruppenorientierte Aufgabengestaltung . . . . . . . . . . . . . . Maßnahmen zur Gestaltung der Arbeitszeit . . . . . . . . . . . Maßnahmen zur Unterstützung von Familien . . . . . . . . . . Kontakthalte- und Wiedereinstiegsprogramme während und nach der Elternzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebliche Unterstützung bei der Kinderbetreuung . . . . Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger . . . . . . . . . . . . . Maßnahmen zur Unterstützung von Frauen . . . . . . . . . . . Entwicklung einer frauen- und familienfreundlichen Unternehmenskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berücksichtigung einer besseren Vereinbarkeit von Berufstätigkeit, Familie und Privatleben bei der Personalbedarfsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berücksichtigung einer besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben bei der Gewinnung von Mitarbeiterinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berücksichtigung einer besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben bei der Personalentwicklung . . . Berücksichtigung einer besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben beim Personaleinsatz . . . . . . . . . Maßnahmen zur Unterstützung von älteren Mitarbeitern Hohes berufliches Engagement und Karriereorientierung Nutzung und Bewahrung des langjährigen Experten- und Erfahrungswissens der älteren Mitarbeitenden . . . . . . . . . Psychische und physische Erschöpfung der älteren Mitarbeiter nach jahrzehntelanger Berufstätigkeit . . . . . . Interesse an zeitlich begrenzten beruflichen Engagements auch nach dem Ausscheiden aus dem Beruf . . . . . . . . . . . Inhalt 8 <?page no="9"?> 6.5 405 6.6 409 6.7 410 6.7.1 412 6.7.2 416 6.8 419 6.9 420 7 427 7.1 427 7.2 427 7.3 428 7.4 429 7.5 435 7.6 437 7.7 438 7.8 439 8 441 8.1 442 8.2 444 8.3 445 9 449 Maßnahmen zur Unterstützung von neu Mitarbeitenden der Generation Y . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maßnahmen zur Unterstützung von Mitarbeitenden der Generation Z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maßnahmen zur Unterstützung von Führungskräften . . Typologie der Work-Life-Balance-Orientierung von männlichen Führungskräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typologie der Work-Life-Balance-Orientierung von weiblichen Führungskräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Serviceorientierte Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesundheitsorientierte Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsetzung von Work-Life-Balance in der Praxis . . . . . . . . . . Projekt „Balance von Familie und Arbeitswelt“ . . . . . . . . Unternehmensprogramm "Erfolgsfaktor Familie“ . . . . . . Unternehmensnetzwerk „Erfolgsfaktor Familie“ . . . . . . . . „Unternehmenswettbewerb 2012“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Audit Beruf und Familie der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freiburger Netzwerk Familienbewusste Unternehmen . . Netzwerk Familienbewusste Unternehmen Bonn / Rhein-Sieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rankings zur Work-Life-Balance von Unternehmen . . . . Wirkungen von Work-Life-Balance Maßnahmen . . . . . . . . . . Wirkungen auf die Individuen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungen auf die Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungen auf die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 9 <?page no="10"?> 491 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 10 <?page no="11"?> 1 Work-Life-Balance: Was ist das? Unser Leben hat sich in den letzten ca. zwanzig Jahren stark verändert. Die rasanten Entwicklungen der digitalen Informations- und Kommunika‐ tionstechnologien vereinfachen ein zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten. Durch Laptop, Tablet, Smartphone und weiterer kleiner digitaler Geräte (engl. Wearables) können wir überall und zu jeder Tages- oder Nachtzeit erreichbar sein, digital kommunizieren sowie Daten und Informationen austauschen. Wir sind mobil und überwinden örtliche Entfernungen dank Internet und stark ausgebauter Verkehrsstrukturen oft mühelos und schnell. Wir sind flexibel und passen uns schnell an neue berufliche und private Anforderungen oder Aufgaben an. Dennoch fällt es vielen Menschen zunehmend schwerer, ihre verschiede‐ nen Lebensbereiche zeitlich und inhaltlich so wahrzunehmen und aufein‐ ander abzustimmen, dass sie zufrieden sind. Stattdessen steigt beispielsweise die Anzahl an Erschöpfungszuständen und psychischen Erkrankungen in der Bevölkerung, die Anzahl der Familien und Kinder sinkt deutlich und viele fühlen sich dauerhaft überlastet. Geschuldet ist diese Entwicklung dem Wandel der Arbeitswelt mit seinen neuen Herausforderungen und Anforderungen, aber auch der Veränderung von gesellschaftlichen Rollenbildern von Mann und Frau, der steigenden Berufstätigkeit von Frauen, der Zunahme von unsicheren Beschäftigungs‐ verhältnissen und gesellschaftlichen Risiken sowie der insgesamt steigen‐ den Dynamik und Komplexität unseres Lebens. Unter dem Begriff Work-Life-Balance hat sich in den letzten ca. dreißig Jahren eine intensive wissenschaftliche und praxisorientierte Diskussion um die Vereinbarkeit zwischen dem Berufs- und dem Privatleben entwickelt mit dem Ziel, durch geeignete Konzepte und verschiedenen Maßnahmen eine höhere individuelle Vereinbarkeit zwischen den Lebensbereichen zu unterstützen und zu fördern. 1.1 Work-Life-Balance als interdisziplinäres Thema Das Thema Work-Life-Balance erfährt seit den 1990er Jahren eine steigende Aufmerksamkeit in Theorie, Forschung und Praxis unterschiedlicher Dis‐ <?page no="12"?> ziplinen (vgl. Collatz/ Gudat 2011, S. 3). Insbesondere beschäftigen sich die Soziologie und die Psychologie mit dem Thema und untersuchen u. a. die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen der Erwerbsarbeit und dem Privatleben. Hierbei interessieren auch die verschiedenen Rollen, die Menschen innerhalb des Erwerbs- und Privatlebens einnehmen sowie mögliche Rollenkonflikte von Personen innerhalb und zwischen den beiden Lebenswelten. (vgl. z.B. Barnett 1998, S. 125; Frone 2003, S. 143; Resch/ Bam‐ berg 2005, S. 172). Die Arbeits- und Organisationspsychologie beschäftigt sich mit den Herausforderungen der Arbeitswelt und ihren Auswirkungen auf die Erwerbstätigen, wobei auch die Vereinbarkeit der Erwerbstätig‐ keit mit dem Privatleben untersucht wird (vgl. Weinert 2004, S. 37). Die Gender-Forschung interessiert insbesondere die Chancengleichheit bzw. bestehende Ungleichheiten zwischen verschiedenen Beschäftigtengruppen und den Belastungen, die sich daraus für die Arbeitswelt aber auch für andere Lebensbereiche ergeben (vgl. z.B. Kortendiek/ Riegraf; / Sabisch 2019; Becker/ Kortendiek 2010). Für die Betriebswirtschaft und insbesondere das Personalmanagement ist das Thema Work-Life-Balance besonders interes‐ sant, da die Unternehmen und Organisationen für eine erfolgreiche Unter‐ nehmenstätigkeit gut qualifizierte, leistungsfähige und engagierte Mitarbei‐ ter benötigen, die zukünftig aufgrund des demografischen Wandels weniger werden, gleichzeitig jedoch neue Anforderungen an die Beschäftigungsver‐ hältnisse und den Ausgleich zwischen verschiedenen Lebenswelten stellen. (vgl. Badura 2004; Kaiser/ Ringlstetter 2010; Rost 2004; Schobert 2007, S. 19; Vedder 2008). 1.2 Auseinandersetzung mit dem Begriff “Work-Life- Balance” Wörtlich übersetzt bedeutet „Work-Life-Balance“ Arbeit - Leben - Gleich‐ gewicht bzw. Ausgeglichenheit (vgl. Michalk/ Nieder 2007, S. 21). Gemeint ist damit ein individuell ausgeglichenes Verhältnis zwischen der heutigen Erwerbsarbeit und dem Privatleben. Das Privatleben umfasst alle nichter‐ werbsorientierten Lebensbereiche, wie z.B. das Familienleben, die Partner‐ schaft und das Freizeitleben. So definiert auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend „Work-Life-Balance“ als eine neue, intelligente Verzahnung von Arbeits- und Privatleben vor dem Hin‐ tergrund einer veränderten und sich dynamisch verändernden Arbeits- 1 Work-Life-Balance: Was ist das? 12 <?page no="13"?> und Lebenswelt.“ (BMFSFJ 2005, S. 4). In einem ersten Verständnis scheint der Begriff „Work-Life-Balance“ sehr treffend eine aktuell weit verbreitete Problematik vieler Menschen zu beschreiben, nämlich die häufig fehlende zeitliche und inhaltliche Ausgeglichenheit zwischen den Anforderungen der Erwerbstätigkeit und den Anforderungen und Wünschen an das Pri‐ vatleben. Bei einer differenzierteren Auseinandersetzung mit dem Begriff „Work-Life-Balance“ wird jedoch die Widersprüchlichkeit dieses Begriffes deutlich, der erklärungsbedürftig ist. So suggeriert die Gegenüberstellung von „Work“ (Erwerbsarbeit) und „Life“ (Privatleben) eine deutliche Abgren‐ zung beider Lebensbereiche voneinander, die in der heutigen facettenrei‐ chen (Arbeits-)Welt häufig gar nicht mehr gegeben ist und der Vielfältigkeit der Wechselwirkungen zwischen Arbeits- und Privatleben sowie auch der Vielfalt des Privatlebens nicht gerecht wird. Wichtig ist daher eine differen‐ ziertere Betrachtung der drei Bestandteile des Begriffs „Work-Life-Balance“, um anschließend auf die wesentlichen Kritikpunkte einzugehen und eine Definition des Begriffs „Work-Life-Balance“ für den weiteren Fortgang der Arbeit zu entwickeln. 1.2.1 Life - Lebenswelt - Privatleben Der Begriff „Life“ kann als „Lebenswelt“ übersetzt werden und umfasst in einem weiten Sinn alles, was im Alltag erlebt, erfahren und erlitten wird und bildet damit die subjektive Realität bzw. den Wirklichkeitsbereich einer Person ab (vgl. Michalk/ Nieder 2007, S. 20). In dieser weiten Fassung kann die Lebenswelt unterschieden werden in die Teilsysteme des Arbeitslebens und des Privatlebens. Das Privatleben lässt sich wiederum unterteilen in die Subsysteme Familienleben, Partnerschaft, Freizeitleben und private (nicht erwerbstätigkeitsorientierte) Arbeitsbereiche (vgl. Abbildung 1). Zum Familienleben gehören alle Aktivitäten und Aufgaben zur Versorgung und Betreuung von Familienmitgliedern (Kinder, Eltern, Angehörige) und das Leben in der Familie bzw. die Zeit, die in und mit der Familie verbracht wird. Partnerschaft umfasst die Zeit und alle Aktivitäten, die privaten partner‐ schaftlichen Beziehungen zwischen Individuen dienen. Die Freizeit steht zur eigenen Verfügung und kann nach individuellen Bedürfnissen gestaltet wer‐ den. Hierzu zählen z.B. alle sportlichen, kulturellen oder sozialen Tätigkeiten und Aktivitäten, die der individuellen Bedürfnisbefriedigung, Regeneration und dem privaten Leben (ohne Haushaltsaufgaben und ohne Erwerbsarbeit) dienen. Private nicht erwerbstätigkeitsorientierte Arbeitsbereiche umfassen 1.2 Auseinandersetzung mit dem Begriff “Work-Life-Balance” 13 <?page no="14"?> alle Tätigkeiten, die zur Aufrechterhaltung des eigenen Haushalts notwen‐ dig sind (wie z.B. Einkaufen, Saubermachen, Reparaturen etc.) sowie weitere soziale, kulturelle oder individuell motivierte Arbeitsbereiche, die eine Person freiwillig übernimmt und als sinnstiftend erlebt (z.B. Übernahme von ehrenamtlichen Tätigkeiten in Vereinen oder sozialen Institutionen, eigene Bildungsaktivitäten, kulturelle Aktivitäten oder Engagement in der Region). Dabei muss die Lebenswelt einer konkreten Person nicht alle Teil‐ systeme umfassen und auch die Ausprägung und Bedeutung der einzelnen Teilsysteme ist individuell unterschiedlich. So ist für einen 25-Jährigen Single, der keine eigene Familie hat, sein Arbeits-, Privat- und Freizeitleben wahrscheinlich besonders wichtig. Demgegenüber konzentriert sich eine erwerbstätige Mutter neben ihrer Berufstätigkeit vermutlich stärker auf ihr Familien- und Freizeitleben. In einem engen Sinn und auch in der Interpretation des Begriffs „Life“ im Konzept der „Work-Life-Balance“ wird die Lebenswelt als Gegenstück zur Arbeitswelt verstanden (vgl. Michalk/ Nieder 2007, S. 20) und beschränkt sich auf alle Tätigkeiten, Erfahrungen und alles Erleben in der erwerbsar‐ beitsfreien Zeit. Diese Gegenüberstellung von Arbeit und Leben resultiert aus dem Ziel der Work-Life-Balance, einen individuell zufrieden stellen‐ den Ausgleich zwischen diesen beiden übergeordneten Lebensbereichen zu erreichen, der zunächst diese Gegenüberstellung notwendig macht. Kritikwürdig daran ist, dass damit (vereinfachend) die Arbeit aus dem Leben ausgeschlossen wird und eine strikte Trennung zwischen der Arbeit und dem (Privat-)Leben angenommen wird (vgl. Frone 2003, S. 144; Resch/ Bamberg 2005, S. 171; Ulich/ Wülser 2005, S. 126). Diese vereinfachte Gegenüberstellung wird der komplexen Realität je‐ doch nicht gerecht. Tatsächlich bilden das Arbeitsleben und das Privatleben Teilsysteme unserer menschlichen Lebenswelt, die sich wiederum in ver‐ schiedene Subsysteme unterteilen lassen, mit jeweils vielfältigen Ausprä‐ gungen und Interdependenzen, die aufeinander wirken und sich gegenseitig positiv und negativ beeinflussen können (vgl. Abbildung 1). Diese differenziertere Unterscheidung der Lebenswelt des Menschen in verschiedene Teilsysteme spiegelt die Vielfältigkeit der menschlichen Lebenswelt sowie die unterschiedlichen Interdependenzen, die zwischen den beiden übergeordneten Lebenswelten Arbeitswelt und Privatleben und den verschiedenen Subsystemen bestehen. 1 Work-Life-Balance: Was ist das? 14 <?page no="15"?> Abbildung 1: Individuelle Lebenswelten des Menschen mit Teilsystemen. Eigene Darstellung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich die individuellen Lebensbereiche in unserer heutigen Welt und Lebensweise häufig nicht mehr klar abgrenzen lassen. Beobachtbar ist eine steigende Entgrenzung zwischen dem Berufs- und Privatleben. So ermöglichen die modernen digitalen Informations- und Kommunikationstechniken in Verbindung mit dem Internet eine ständige Erreichbarkeit und Kommunikation, was immer häufiger dazu führt, dass Arbeitnehmende rund um die Uhr und ortsunabhängig über Laptop, Tab‐ let, Smartphone in Arbeitsbereitschaft stehen und beruflich ansprechbar bleiben, um kurzfristig wichtige berufliche Fragen klären oder Aufgaben bearbeiten zu können. So bleibt das „Arbeits-Smartphone“ oft auch am Abend und am Wochenende eingeschaltet, um für Kollegen und wichtige Fragen erreichbar zu sein oder auch außerhalb der normalen Arbeitszeiten noch berufliche E-Mails abzurufen und zu bearbeiten oder mit Kollegen berufliche Aufgaben zu besprechen. Durch diese ständige Erreichbarkeit und berufliche Ansprechbarkeit, die häufig auch noch spät abends und am Wochenende aufrechterhalten wird, greift das Arbeitsleben immer stärker 1.2 Auseinandersetzung mit dem Begriff “Work-Life-Balance” 15 <?page no="16"?> in die anderen Lebensbereiche ein, was einen Ausgleich der verschiedenen Lebensbereiche zusätzlich erschwert. Andererseits werden während der Ar‐ beitszeit zunehmend auch kurzfristig wichtige private Angelegenheiten (z.B. Telefonanrufe, Behördengänge) erledigt. So werden die Grenzen zwischen den einzelnen Lebensbereichen zunehmend durchlässiger und lösen sich teilweise sogar auf. Hierfür hat sich mittlerweile der Begriff der Entgrenzung zwischen Arbeitsleben und Privatleben etabliert. Darüber hinaus entwickeln und verändern sich die individuellen Lebens‐ welten im persönlichen Zeitverlauf. Angefangen von der Sozialisierung eines Kindes in seinem familiären und sozialen Umfeld über die Schul- und Berufsausbildung, den Einstieg in das Berufsleben und Karrierefortschritte, die Entwicklung sozialer Bindungen durch Partnerschaften oder Heirat, die Gründung einer eigenen Familie, den Wiedereinstieg in den Beruf nach möglichen Erziehungszeiten, einer späteren Karriereorientierung in fortgeschrittenem Alter (z.B. ab 50 Jahren) bis hin zur Planung und Umset‐ zung des altersbedingten Berufsausstieges zum Renteneintrittsalter und das Privatleben im Ruhestand. Dabei sind auch die individuellen sozialen und kulturellen Besonderheiten und Vorlieben des Berufs- und Privatlebens zu berücksichtigen. In den verschiedenen Lebensphasen verändern sich meist auch die Bedeutungen der verschiedenen Lebensbereiche. Daher bedarf es beim Konzept der Work-Life-Balance auch einer Berücksichtigung der verschiedenen Lebensphasen der Personen. 1.2.2 Work - Arbeit Grundsätzlich kann „Work“ übersetzt als Arbeit als zweckmäßige und zielgerichtete menschliche Tätigkeit verstanden werden, die der Existenzsi‐ cherung und der Befriedigung individueller Bedürfnisse dient. Im Kontext des Begriffs „Work-Life-Balance“ beschränkt sich das Begriffsverständnis von „Work“ nur auf die Erwerbsarbeit, die sich auf körperliche und geistige Tätigkeiten des Menschen gegen Entgelt bezieht (vgl. Rürup 1994, S. 35 f.). Dies begründet sich in der Gegenüberstellung von Arbeit und Privatleben, für die ein individuell zufrieden stellender Ausgleich gefunden werden soll. Andere notwendige (z.B. Hausarbeit, Kinderbetreuung und -erziehung, Pflege betreuungsbedürftiger Familienangehöriger) oder individuell wün‐ schenswerte Arbeitsbereiche (z.B. Bildungsarbeit, soziale und ehrenamtliche Arbeiten, Arbeiten in der Freizeit) bleiben in diesem engen Begriffsverständ‐ nis weitgehend unberücksichtigt (vgl. Eby et al. 2005, S. 126). Dies ist inso‐ 1 Work-Life-Balance: Was ist das? 16 <?page no="17"?> fern kritikwürdig, als diese nicht erwerbsorientierten Arbeitsbereiche häu‐ fig mit verantwortlich sind für einen mangelnden Ausgleich zwischen Arbeit und Privatleben sowie auch für intrasowie interpersonelle Rollenkonflikte in den verschiedenen Lebensbereichen (vgl. Michalk/ Nieder 2007, S. 19). Der Umfang nicht erwerbsorientierter Arbeiten bestimmt sich durch die individuelle Ausprägung der verschiedenen Lebensbereiche einer Person. So müssen erwerbstätige Eltern zwingend auch die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder sowie umfangreichere Arbeiten im Haushalt übernehmen. Personen mit pflegebedürftigen Angehörigen müssen sich um die Betreuung und Pflege dieser Familienmitglieder kümmern oder die Betreuung und Pflege durch andere Personen oder Organisationen organisieren. Neben diesen zwangsläufig mit bestimmten Lebensbereichen verbundenen Aufga‐ ben und Arbeiten können Personen auch freiwillig nicht erwerbsorientierte Arbeiten im Privat- oder Freizeitleben übernehmen, wie z.B. soziale oder ehrenamtliche Aufgaben, die als sinnstiftend erlebt werden. Die Vielfalt der Arbeitsbereiche und Arbeitsbelastungen in den verschiedenen Lebensberei‐ chen wird durch den Begriff „Work“ kaum deutlich und bleibt im Konzept der „Work-Life-Balance“ weitgehend unberücksichtigt. Hier wäre es wichtig, die nichterwerbsorientierten Arbeitsbereiche zumindest als Arbeitsbelastungen in den anderen Lebensbereichen mit aufzunehmen. Die enge Begriffsfassung von Arbeit als Erwerbsarbeit ist zurückzuführen auf die zentrale Bedeutung, die der Erwerbsarbeit in unserer Gesellschaft zukommt und die sich nicht nur in der Sicherung der eigenen Existenz begründet, sondern darauf aufbauend und auch darüber hinaus für viele Menschen einen zentralen Wertmaßstab darstellt. So können sich die meis‐ ten Menschen ein Leben ohne Erwerbsarbeit nicht vorstellen. Allerdings führen die veränderten Ansprüche an die Erwerbstätigkeit sowie die stei‐ gende Freizeitorientierung teilweise zu dem Wunsch nach verringerten Wochenarbeitszeiten (vgl. BAuA 2020, S. 38 f.). Zusätzlich wünschen sich viele Menschen eine sinnstiftende Erwerbstätigkeit, mit der sie sich identi‐ fizieren können und die ihnen inhaltliche Gestaltungs- und Entwicklungs‐ spielräume bietet (Balzer/ Balzer 2019). Insofern sind die Anforderungen an die Erwerbsarbeit bei vielen Erwerbstätigen deutlich gestiegen. Ande‐ rerseits haben sich die Arbeitsbedingungen für viele Menschen in den letzten ca. zwanzig Jahren drastisch verändert, wodurch es für immer mehr Arbeitnehmer schwieriger wird, ihre Erwerbsarbeit mit dem Privatleben ein Einklang zu bringen, auszugleichen und für beide Lebensbereiche genug Zeit zu haben. Hierzu gehören nicht nur veränderte Tätigkeiten und Inhalte 1.2 Auseinandersetzung mit dem Begriff “Work-Life-Balance” 17 <?page no="18"?> (hin zu geistig anspruchsvolleren und wissensbezogenen Tätigkeiten), die häufig höherer Qualifikationen der Beschäftigten erfordern, sondern auch veränderte Rahmenbedingungen (z.B. Zunahme zeitlich befristeter Arbeits‐ verträge, steigende Beschäftigungsunsicherheit, höherer Leistungsdruck), neue oder veränderte Arbeitsstrukturen (z.B. Teamarbeit, Projektarbeit), der deutlich gestiegene Einsatz digitaler Arbeitsmittel (insb. digitale Infor‐ mations- und Kommunikationstechnologien), weniger klar abgegrenzte Ar‐ beitszeiten, ausgedehntere räumliche Arbeitsbezüge (national, zunehmend international und global), zunehmendes mobiles Arbeiten und Arbeit im Homeoffice aufgrund der Coronavirus-Pandemie, eine steigende Dynamik der Zusammenarbeit sowie veränderte bzw. auch erweiterte Rollen und Funktionen der Mitarbeitenden. 1.2.3 Balance - Ausgeglichenheit Die Idee der „Work-Life-Balance“ zielt auf einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Lebensbereichen, wobei der Ausgleich zwischen dem er‐ werbsorientierten Arbeitsleben und den individuellen Lebensbereichen des Privatlebens im Vordergrund der Betrachtung steht. Balance bedeutet Ausgeglichenheit zwischen den beiden Bereichen Arbeit (Work) und Privatleben (Life). Gemeint ist damit eine objektive aber auch subjektive zeitliche, örtliche und inhaltliche Ausgeglichenheit zwischen dem erwerbsorientierten Arbeitsleben und den Teilsystemen des Privatle‐ bens, die eine individuell wünschenswerte ausreichende Berücksichtigung und Vereinbarkeit der verschiedenen Lebensbereiche ermöglicht. Dadurch kann die individuelle Zufriedenheit mit verschiedenen Lebensbereichen ge‐ steigert werden, die eine dauerhafte psychische und physische Gesundheit fördert. „Eine Balance oder Vereinbarkeit beider Lebensbereiche (A.d.V.: des Arbeits- und Privatlebens) ist für das Individuum wichtig, um dauerhaft gesund und mit sich und der Umwelt im Einklang zu sein und einen Sinngehalt in seinem Leben erkennen zu können.“ (Michalk/ Nieder 2007, S. 21). Symbolisiert wird diese Ausgeglichenheit häufig mit einer Waage, auf der die beiden Lebensbereiche ausbalanciert werden (vgl. Michalk/ Nieder 2007, S. 21). Dabei ist nicht zwingend von einer gleich verteilten Gewich‐ tung beider Lebensbereiche (50%-50%-Gewichtung) auszugehen, sondern die Balance beider Lebensbereiche ist abhängig von den individuellen zeitlichen, örtlichen und inhaltlichen Prioritäten und wird von jeweils 1 Work-Life-Balance: Was ist das? 18 <?page no="19"?> personenspezifischen Rahmenbedingungen des beruflichen und privaten Umfeldes bestimmt. Bei der Betrachtung einer Balance zwischen Arbeit und Privatleben gehen viele Konzepte von der Annahme aus, dass die Abstimmung der verschie‐ denen Arbeits- und Lebensbereiche zu Konflikten zwischen beruflichen und außerberuflichen Rollen führt. Häufig werden bei diesen Rollenkonf‐ likten nur zwei Richtungen betrachtet: Entweder beeinträchtigt die Arbeit das Privatleben (work-to-family-conflict) oder das Privatleben stört das Berufsleben (family-to-work-conflict) (vgl. Schobert, 2007, S. 20). Dieses bidirektionale Verständnis von Work-Life-Balance ist jedoch nur eine von sieben Beziehungen, die zwischen den verschiedenen Rollen des Arbeits- und Privatlebens bestehen können. In der Fachliteratur werden insgesamt sieben unterschiedliche Rollenbeziehungen zwischen Berufs- und Privatle‐ ben diskutiert, wobei einige Rollenbeziehungen wirkliche Rollenkonflikte darstellen, andere Rollenbeziehungen jedoch eine gegenseitige Stärkung bzw. Ergänzung der verschiedenen Rollen aufzeigen (vgl. Schobert 2007, S. 20): 1.2 Auseinandersetzung mit dem Begriff “Work-Life-Balance” 19 <?page no="20"?> Verschiedene Rollenbeziehungen zwischen Arbeits- und Privatleben Work - Family Conflict Die unterschiedlichen Rollen des Arbeits- und Privatlebens behindern und beeinträchtigen sich gegenseitig bei der Er‐ reichung der jeweiligen mit den Rollen verbundenen Ver‐ pflichtungen. Die Rollenkonflikte können zeitlich, örtlich, verhaltensbezogen oder auch emotional belastend sein. Accomodation Um eine bestimmte Rolle gut erfüllen zu können, wird eine andere Rolle weniger gut erfüllt. Die unterschiedliche Aus‐ übung der jeweiligen Rollen kann sich im jeweiligen Verhal‐ ten zeigen oder auch auf der psychischen Ebene angepasst werden. Work - Family Enrichment Die Übernahme und Ausübung einer (z.B. beruflichen) Rolle wirkt sich positiv auf die Erfüllung einer anderen (z.B. priva‐ ten) Rolle aus. Work - Family Spillover Die Werte, Fähigkeiten, Verhaltensweisen und Gefühle, die mit einer Rolle verbunden sind bzw. in einer Rolle gelebt werden, werden auf eine andere Rolle übertragen und ange‐ wendet. Dies kann sich positiv (Work-Family Enrichment) oder auch negativ (Work-Family-Conflict) auswirken. Work - Family Balance Engagement und Ausgeglichenheit zwischen und Zufrieden‐ heit mit den verschiedenen beruflichen und privaten Rollen einer Person. Dies stärkt das Selbstwertgefühl und reduziert Belastungen der Rollenträger. Die Kompetenzen der jeweili‐ gen Rollen helfen beim Ausgleich. Compensation Bestehende Unzufriedenheiten in und mit einer Rolle werden ausgeglichen durch besonderes Engagement in einer anderen Rolle. Segmentation Verschiedene Rollen werden klar voneinander abgegrenzt, um die Belastungen einzelner Rollen und mögliche negative Auswirkungen auf andere Rollen zu vermeiden sowie die verschiedenen Rollen deutlich voneinander abzugrenzen. Tabelle 1: Verschiedene Rollenbeziehungen zwischen Arbeits- und Privatleben. Quelle: vgl. Schobert 2007, S. 20 f.; Greenhaus/ Singh 2004, S. 689 ff. Eigene Darstellung. Mitte des letzten Jahrhunderts ging die Forschung noch davon aus, dass das Arbeits- und das Privatleben zwei getrennte und voneinander unab‐ hängige Lebensbereiche sind, die sich gegenseitig gar nicht beeinflussen (vgl. Parsons/ Bales 1955). Heute herrscht Konsens darüber, dass die beiden Lebensbereiche Arbeit und Privatleben in vielfältige Weise aufeinander wirken und sich gegenseitig sowohl positiv als auch negativ beeinflussen 1 Work-Life-Balance: Was ist das? 20 <?page no="21"?> können (vgl. Greenhaus/ Singh 2004, S. 687 f.; Clark 2000, S. 349; BMFSFJ 2005a; Czurlok 2007; Collatz/ Gudat 2011 S. 3 ff.; Kaiser/ Ringlstetter 2010). Negative Beeinflussungen verschiedener Rollen können zu psychischer und physischer Überlastung und negativem Stress führen und in gesundheitli‐ chen Beeinträchtigungen oder gar im Burnout Syndrom deutlich werden. Demgegenüber kann eine positive gegenseitige Beeinflussung der verschie‐ denen Rollen in den jeweiligen Lebensbereichen die eigene Motivation, die Leistungsfähigkeit sowie das Selbstwertgefühl steigern und insgesamt eine höhere Lebensqualität bewirken (vgl. Schobert 2007, S. 21). Die Betrachtung der Balance kann sowohl zeitlich, örtlich als auch inhaltlich erfolgen. Balance in zeitlicher Hinsicht: Die Ausgeglichenheit zwischen Erwerbsar‐ beit und Privatleben kann hinsichtlich des Zeitumfangs erfolgen, der für die Lebensbereiche erforderlich ist bzw. zur Verfügung steht. Hier können die individuellen Prioritäten sehr unterschiedlich sein. Einem 25-Jährigen Berufseinsteiger ohne eigene Familie ist vermutlich ein zeitintensives Be‐ rufsleben wichtiger, um sich beruflich zu bewähren, sich in seinem Berufs‐ feld zu etablieren und damit die eigenen Aufstiegs- und Karrierechancen zu verbessern, wohingegen das Privatleben nicht so viel Zeit in Anspruch nehmen muss. Demgegenüber müssen berufstätige Eltern viel stärker auch auf eine zeitliche Ausgeglichenheit und Abstimmung zwischen ihrem Be‐ rufsleben, Privat- und Familienleben achten, um die unterschiedlichen zeitlichen Anforderungen der verschiedenen Lebensbereiche aufeinander abstimmen zu können und somit ausreichend Zeit für ihre Familie zu haben. Dabei ist auch heute noch die zeitliche Abstimmung zwischen den Arbeits‐ zeiten der Berufstätigkeit von Eltern und beispielsweise den Öffnungszeiten von Kindertagesstätten, Schule und Hort ein weit verbreiteter zeitlicher Konfliktbereich. Die zeitliche Balance kann sich aber auch auf verschiedene Zeiträume beziehen: Kurzfristig z.B. auf einen Tag oder eine Woche; längerfristig auf die Gestaltung verschiedener Lebensphasen (z.B. Berufsausbildung, Eintritt in den Beruf, Familiengründung, Karriere, längere Auszeiten vom Beruf, Austritt aus dem Berufsleben), die jeweils unterschiedliche Prioritäten hinsichtlich der Ausgeglichenheit zwischen Arbeits- und Privatleben haben können. Balance in örtlicher Hinsicht: Die örtliche Ausgeglichenheit betrifft die Vereinbarkeit der Anforderungen und individuellen Wünsche zwischen dem Arbeitsort und Arbeitsplatz der Erwerbstätigkeit und den privaten Örtlich‐ keiten. Mögliche örtliche Konflikte entstehen beispielsweise durch die erfor‐ 1.2 Auseinandersetzung mit dem Begriff “Work-Life-Balance” 21 <?page no="22"?> derliche Anwesenheit an einem bestimmten beruflichen Arbeitsplatz beim Arbeitgeber und der erforderlichen Betreuung z.B. kranker Kinder oder pfle‐ gebedürftiger Angehöriger an einem anderen Ort. Viele Menschen wünschen sich mittlerweile jedoch auch eine höhere Flexibilität bei der Wahl ihres Arbeitsortes und Arbeitsplatzes. Mögliche Gründe hierfür bestehen u. a. in der Vermeidung langer Arbeitswege zum Arbeitsplatz beim Arbeitgeber, in der besseren Vereinbarkeit beruflicher und privater Anforderungen sowie in dem individuellen Wunsch nach örtlicher Ungebundenheit auch während der Berufstätigkeit. So gewinnen Konzepte des mobilen Arbeitens zunehmend an Bedeutung und Verbreitung in der Praxis. Die seit dem Jahr 2020 die Welt beherrschende Coronavirus-Pandemie hat u. a. zu einer deutlichen Ausweitung der Arbeit im Homeoffice geführt, um Ansteckungen mit dem Coronavirus durch persönliche Kontaktbeschränkungen zu reduzieren. Standen vor der Coronavirus-Pandemie viele Arbeitgeber einer Arbeit im Homeoffice kritisch gegenüber, so haben die zahlreichen positiven Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice im letzten Jahr dazu geführt, dass sich eine Mehrheit der Arbeitge‐ ber auch zukünftig vorstellen kann, ihren Mitarbeitenden eine ausgedehntere Arbeit im Homeoffice anzubieten. Allerdings hat die Arbeit im Homeoffice während der Coronavirus-Pandemie auch gezeigt, dass vor allem diejenigen, die Kinder oder pflegebedürftige Personen im eigenen Haushalt betreuen müssen, teilweise stark mehrfach belastet und oft auch überlastet waren. So bedarf auch die Arbeit im Homeoffice (ebenso wie die mobile Arbeit) einer sorgfältigen Organisation der Festlegung bestimmter Arbeits- und Freizeiten. Balance in inhaltlicher Hinsicht: Die inhaltliche Ausgeglichenheit bezieht sich auf die inhaltlichen Ansprüche, die jeweils an die beiden Lebensbereiche gestellt werden. Diese müssen jedoch nicht gleichgewichtig sein, sondern können auch ganz unterschiedliche Ausprägungen haben. So reduziert eine Person den inhaltlichen Anspruch ihrer Erwerbstätigkeit lediglich auf den Zweck, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ohne große inhaltliche Ansprüche an die Arbeitsaufgaben zu stellen oder besondere karriereorien‐ tierte Erwartungen in ihrer Erwerbsarbeit zu haben. Demgegenüber stellt die gleiche Person sehr hohe inhaltliche Erwartungen an die Gestaltung ihres Privatlebens, beispielsweise hinsichtlich kultureller oder sozialer Ak‐ tivitäten. Bei anderen Personen kann eine inhaltliche Ausgeglichenheit genau entgegen gesetzte Schwerpunkte aufweisen oder auch ähnliche Schwerpunkte zwischen Berufsleben und Privatleben haben. Wesentliche Kritikpunkte am Begriff und der Symbolik der Balance werden im Folgenden zusammengefasst: 1 Work-Life-Balance: Was ist das? 22 <?page no="23"?> 1. Problematisch ist die Gegenüberstellung und damit der gegenseitige Ausschluss der beiden Lebensbereiche (Erwerbs-)Arbeit und Privat‐ leben. Damit wird unterstellt, dass die Erwerbsarbeit eher der zur Existenzsicherung notwendige Lebensbereich ist, dessen Belastungen durch das individuell sinnstiftende Privatleben ausgeglichen werden soll oder muss. Unberücksichtigt bleiben hierbei die individuellen Prioritäten, die ein erfülltes Leben im Sinne einer „Work-Life-Balance“ durchaus in der zeitlich, räumlich und inhaltlich dominierenden Ver‐ wirklichung einer beruflichen Karriere sehen können. Aber auch der umgekehrte Fall, dass die Erwerbsarbeit eine inhaltliche Bereicherung und ein Ausgleich für ein ansonsten stark dominierendes Familien- oder Privatleben darstellen kann, bleibt hier unbeachtet. 2. Der Begriff der Balance suggeriert ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Lebensbereichen, das es für die individuelle Zufrie‐ denheit gar nicht geben muss. So kann auch eine „ausgeprägte Schieflage“ der beiden Lebensbereiche das persönliche Optimum darstellen. Ausgeglichenheit sollte daher so interpretiert werden, dass es um Möglichkeiten geht, die individuell wünschenswerte Verteilung zwischen den verschiedenen Lebensbereichen zu erreichen. 3. Mehrfache Balance ist notwendig: Bei der hier verfolgten differenzier‐ teren Betrachtung der verschiedenen Lebensbereiche („Work“: erwerbs- und nicht-erwerbsorientierte Arbeitsbereiche) und „Life“ (verschiedene private Lebensbereiche je nach individueller Ausprägung) wird eine mehrfache Balance zwischen den individuell unterschiedlich ausge‐ prägten Lebensbereichen notwendig. Dies erhöht die Komplexität und Schwierigkeit der Ausgeglichenheit einer Person erheblich und stellt weitreichendere Anforderungen an die Möglichkeiten und Mechanis‐ men zur Erreichung einer individuellen Ausgeglichenheit. 4. Einen weiteren Kritikpunkt bildet die enge Begriffsfassung von Ar‐ beit, die nur die Erwerbsarbeit berücksichtigt und weitere private und familiäre Arbeitsbereiche außer Acht lässt, die jedoch häufig verantwortlich sind für eine mangelnde Ausgeglichenheit oder auch unzureichende Vereinbarkeit der verschiedenen Lebensbereiche (vgl. Michalk/ Nieder 2007, S. 21). Die wesentlichen Kritikpunkte am Begriff der Work-Life-Balance werden in der folgenden Tabelle noch einmal zusammengefasst. 1.2 Auseinandersetzung mit dem Begriff “Work-Life-Balance” 23 <?page no="24"?> Wesentliche Kritikpunkt am Begriff der Work-Life-Balance • Mit der Gegenüberstellung von Arbeit und Leben wird die Arbeit aus dem Leben ausgeschlossen (vgl. Frone 2003, S. 144; Resch/ Bamberg 2005, S. 171; Ulich/ Wülser 2005, S. 126) • Unter „Arbeit“ wird vor allem die Erwerbstätigkeit verstanden, wohinge‐ gen andere Formen von Arbeit unberücksichtigt bleiben (vgl. Eby 2005, S. 126) • Der Gegensatz von Erwerbstätigkeit und Privatleben suggeriert, dass die Belastungen des Erwerbslebens durch das Privatleben ausgeglichen werden müssen. Doch auch der umgekehrte Fall ist denkbar. • Die Bedeutung der Balance ist mehrdeutig und damit erklärungsbedürftig (vgl. Guest 2001). 1.2.4 Definition des Begriffs Work-Life-Balance In der Literatur finden sich verschiedene Definitionen des Begriffs Work-Life-Balance, die auch die Entwicklung des Konzeptes und verschie‐ dene Herangehensweisen und Schwerpunkte verdeutlichen. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ver‐ steht unter dem Begriff der Work-Life-Balance folgendes: „Work-Life-Balance bedeutet eine neue, intelligente Verzahnung von Arbeits- und Privatleben vor dem Hintergrund einer veränderten und sich dynamisch verändern‐ den Arbeits- und Lebenswelt. Betriebliche Work-Life-Balance-Maßnahmen zielen darauf ab, erfolgreiche Berufsbiografien unter Rücksichtnahme auf private, soziale, kulturelle und gesundheitliche Erfordernisse zu ermöglichen“ (BMFSFJ 2005a, S. 4) Schmoldt hebt in seiner Definition das Streben der Menschen nach einem sinnerfüllten Leben hervor: „Wenn Menschen eine Balance zwischen dem Arbeitsleben und dem Leben außerhalb der Arbeitswelt anstreben, sei es in der Familie, in einer partnerschaftlichen Beziehung oder für politisches, soziales oder kulturelles Engagement, so geht es ihnen um ein sinnvolles Leben, das nicht alleine durch die Arbeit erfüllt wird.“ (Schmoldt 2004, S. 113). Michalk und Nieder (2007) fassen den Begriff der Work-Life-Balance noch weiter und betrachten ihn ganzheitlich: „Work-Life-Balance heißt: den Menschen ganzheitlich zu betrachten (als Rollen- und Funktionsträger) im beruflichen und privaten Bereich (der Lebens- und Arbeitswelt) und ihm dadurch die Möglichkeit zu geben, lebensphasenspezifisch und individuell für beide Bereiche die anfallenden Verpflichtungen und Interessen erfüllen zu 1 Work-Life-Balance: Was ist das? 24 <?page no="25"?> können, um so dauerhaft gesund, leistungsfähig, motiviert und ausgeglichen zu sein.“ (Michalk/ Nieder 2007, S. 22; Freier 2005, S. 21). Trotz der Kritik am Begriff der Work-Life-Balance wird er aufgrund der Verbreitung in der Literatur auch hier beibehalten, allerdings inhaltlich weiter gefasst. Zugrunde liegt im weiteren folgende Definition von Work-Life-Balance: Eigene Definition der Work-Life-Balance: Work-Life-Balance bedeutet, Menschen dabei zu unterstützen, ihre individuellen und lebensphasenspezifischen Interessen und Verpflichtungen aus unterschiedli‐ chen Rollen und Funktionen in verschiedenen Lebensbereichen so erfüllen und ausleben zu können, dass sie dauerhaft leistungsfähig, leistungsbereit sowie phy‐ sisch und psychisch gesund bleiben und sich wohl fühlen, um so insgesamt ein zufriedenes, sinnerfülltes und ausgeglichenes Leben zu erreichen. Dabei wird die individuelle lebensphasenabhängige Balance von vielfältigen Faktoren beeinflusst. Abbildung 2: Definition des Begriffs Work-Life-Balance Die vielfältigen Einflussfaktoren auf die lebensphasenbezogene Vereinbar‐ keit der individuellen Lebenswelten visualisiert die Abbildung 3. Sicherheit des Arbeitsplatzes Lebensphasenbezogene Vereinbarkeit Sicherheit des Arbeitsplatzes Umfang und Flexibilität der Arbeitszeit Flexibilität des Arbeitsortes Berufliche Aus- und Weiterbildung Berufliche Anforderungen Karriereperspektiven Handlungs- und Gestaltungsspielräume Unternehmenskultur Berufliche Sinnerfüllung Betriebsklima Führungsstil des Vorgesetzten Partnerschaft Privatleben Persönliche Interessen und Ziele Gesundheit Sport Soziale / kulturelle Aktivitäten Ehrenamtliche Aktivitäten Familie Kinder Pflegebedürftige Angehörige Gesellschaftliches Engagement Freunde / Bekannte Kollegen Balance Vereinbarkeit-von- Zeitlichen / inhaltlichen Anforderungen Rollenvielfalt Ressourcen Physische / psychische Belastungen Eigenen Werten Berufsleben Abbildung 3: Einflussfaktoren einer lebensphasenorientierten Work-Life-Balance 1.2 Auseinandersetzung mit dem Begriff “Work-Life-Balance” 25 <?page no="26"?> 1.3 Neue Konzepte und Begrifflichkeiten zum Thema “Work-Life-Balance“ In den letzten Jahren wurden zum Thema Work-Life-Balance neue Konzepte und Begrifflichkeiten entwickelt. Zu denen am häufigsten diskutierten Konzepten gehören das Work-Life-Blending, die Work-Life-Integration und die Work-Life-Separation. 1.3.1 Work-Life-Blending Work-Life-Blending bezeichnet die Vermischung bzw. Verschmelzung des Arbeitslebens mit dem Privatleben. Hierbei werden die definierten Grenzen zwischen der erwerbsmäßigen Arbeit und dem Privatleben aufgehoben. In Absprache mit dem Arbeitgeber können Mitarbeitende zeitlich und örtlich flexibel arbeiten, auch in eigentlichen Arbeitszeiten private Angelegenhei‐ ten erledigen und dafür in eigentlich arbeitsfreien Zeiten (am Morgen oder Abend, am Wochenende, im Urlaub) ihre beruflichen Aufgaben bearbeiten und für berufliche Fragen, Termine und Kollegen erreichbar sein. Das führt u. a. dazu, dass die Arbeitszeit nicht mehr eindeutig von der Freizeit abgegrenzt wird und sich beide Lebensbereiche stark vermischen. (vgl. Illingworth 2004; Kordouni 2017; Scholz 2018; Weibler 2018). Mögliche Arbeitsorte können das Büro beim Arbeitgeber, das Homeoffice, auf Reisen oder auch andere Orte sein. Die Flexibilisierung des Arbeitsortes und der Arbeitszeit ermöglichen eine bessere Vereinbarkeit der individuel‐ len beruflichen mit den privaten Anforderungen und Aufgaben der Beschäf‐ tigten. Vor allem für Familien mit zu betreuenden Kindern oder zu pfle‐ genden Angehörigen ist die örtliche und zeitliche Flexibilität wichtig, um beispielsweise die beruflichen Arbeitsaufgaben mit den Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen, den Schulferien, zu Hause zu betreuenden kranken Kindern oder mit Pflegezeiten von Angehörigen besser vereinbaren zu können. Auch für die innerfamiliäre Organisation der Kinderbetreuung und der Pflegeorganisation von Angehörigen ist eine örtlich und zeitlich flexible Berufstätigkeit wichtig und hilfreich, gerade wenn die Eltern oder ein Elternteil zu unterschiedlichen Tages- oder auch Nachtzeiten arbeiten muss, wie es beispielsweise bei der Schichtarbeit der Fall ist. Aber auch Erwerbstätige ohne Kinder oder eigene Familie schätzen Arbeitsangebote mit einer hohen örtlichen und zeitlichen Arbeitsflexibilität. Ein weiterer Vorteil der örtlichen Flexibilität besteht im Wegfall oder der Verringerung 1 Work-Life-Balance: Was ist das? 26 <?page no="27"?> von Wegezeiten zum Arbeitsplatz beim Arbeitgeber. Ein aktuelles Beispiel für die Notwendigkeit einer örtlichen und zeitlichen Flexibilisierung des Arbeits- und Privatlebens ist die Arbeit vieler Erwerbstätigen im Homeoffice während der Coronavirus-Pandemie seit dem Jahr 2020 aufgrund der not‐ wendigen Kontaktbeschränkungen zur Reduzierung der Ansteckungen mit dem Coronavirus. Die zeitweisen Schließungen von Schulen und Kinderta‐ gesstätten führten dazu, dass viele Eltern ihre Kinder zu Hause betreuen und beschulen (Homeschooling), als auch im Homeoffice arbeiten mussten. Für die Umsetzung eines Work-Life-Blending und der damit verbundenen zeitlichen und örtlichen Flexibilität ist jedoch eine zeitlich umfangreiche Er‐ reichbarkeit der Mitarbeitenden erforderlich, die sich auch auf die eigentlich arbeitsfreien Zeiten erstreckt. Ermöglicht wird dies durch die vielfältigen elektronischen und digitalen Informations- und Kommunikationstechno‐ logien, die uns mittlerweile ständig begleiten, wie zum Beispiel unser Smartphone, das Tablet oder der Laptop sowie der (meist) allgegenwärtige Internetzugang über das WLAN und Hotspots. Eine ständige bzw. zeitlich sehr umfangreiche Erreichbarkeit der Mitarbeitenden auch in ihrer eigent‐ lich arbeitsfreien Zeit führt zu einer Entgrenzung zwischen dem Arbeits- und Privatleben und erhöht die Gefahr einer ständigen Arbeitsbereitschaft der Mitarbeitenden zu Lasten der eigentlich arbeitsfreien Zeit, die ja zur Er‐ holung und Regeneration der Beschäftigten von ihrer Arbeit dient. Mögliche Folgen können steigende Arbeitszeiten, vermehrte Überstunden sowie auf Dauer eine physische und psychische Überlastung der Mitarbeitenden sein. Auch besteht die Gefahr, dass es eigentlich gar keine arbeitsfreien Zeiten mehr für die Beschäftigten gibt, in denen sie sich ausreichend von ihrer Arbeit erholen und abschalten können, so dass das Privatleben eigentlich völlig vom Arbeitsleben vereinnahmt wird. Sind Mitarbeitende ständig im beruflichen „Stand-by-Modus“, so kann sich dies auch nachteilig auf die persönlichen Beziehungen innerhalb der Familie und zu Freunden und auf Partnerschaften auswirken, da ein Teil der persönlichen Aufmerksamkeit immer auf potenzielle Arbeitsanfragen ausgerichtet ist. Auch fällt ein wirk‐ liches Abschalten von den beruflichen Anforderungen und Aufgaben und das zur Ruhe kommen der Beschäftigten zunehmend schwerer, was sich ebenfalls gesundheitlich negativ auswirken kann. Ebenso fehlt bei diesem Konzept eine eindeutige Abgrenzung der Arbeitsorte, so dass auch die private Wohnung der Beschäftigten dauerhaft zum Arbeitsbüro werden kann. (vgl. Scholz 2018; Werle 2016, S. 70 ff.). 1.3 Neue Konzepte und Begrifflichkeiten zum Thema “Work-Life-Balance“ 27 <?page no="28"?> Ob mit dem Ansatz des Work-Life-Blending die gewünschte Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben erreicht werden kann, ohne neue private Probleme oder berufliche Überlastungen zu provozieren, bleibt fraglich und ist letztlich von den persönlichen Gegebenheiten, Bedürfnissen und verfügbaren physischen und psychischen Ressourcen abhängig. 1.3.2 Work-Life-Integration Parallel zu dem Konzept des Work-Life-Blending wurde auch das Konzept der Work-Life-Integration entwickelt. Inhaltlich sind beide Konzepte sehr ähnlich. Bei der Work-Life-Integration werden das Arbeitsleben und das Privatle‐ ben miteinander verbunden, so dass es keine eindeutige Trennung mehr zwischen den beiden Lebensbereichen gibt. So wird das Arbeitsleben in das Privatleben integriert, beispielsweise, wenn jemand zu Hause oder un‐ terwegs, morgens oder abends, am Wochenende oder auf Reisen berufliche Aufgaben bearbeitet. Andererseits wird es auch vom Arbeitgeber akzeptiert, dass ein Arbeitnehmender während seiner Arbeitszeit private Aufgaben erledigt oder seine Arbeit für private Anliegen einige Zeit unterbricht. Voraussetzung sind auch hier geeignete berufliche Aufgabenbereiche, die ein örtlich und zeitlich flexibles Arbeiten zulassen. Das Ziel besteht darin, dass das Arbeitsleben Freiräume für die Belange des Privatlebens bietet, die Beschäftigten dafür jedoch auch bereit sind, berufliche Aufgaben auch in der eigentlich arbeitsfreien Zeit, im Privatleben, zu bearbeiten. So können beispielsweise private Termine während der Arbeitszeit wahrgenommen werden, dafür wird am Abend oder am Wochen‐ ende nochmal an einem beruflichen Projekt gearbeitet oder abends noch ein berufliches Telefonat geführt. Beide Lebensbereiche verschmelzen quasi zu einem Ganzen, wodurch zeitliche und räumliche Konflikte mit den Anforde‐ rungen der verschiedenen Lebensbereiche vermieden bzw. reduziert werden können. Für viele Berufstätige ist es schon heute normal, auch außerhalb der üblichen Arbeitszeiten noch berufliche Aufgaben wahrzunehmen. Voraus‐ setzung für eine Work-Life-Integration ist die Verfügbarkeit und Nutzung der vielfältigen digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien, wie z.B. dem Smartphone oder dem Laptop, auf dem abends und unterwegs noch berufliche Emails oder Anfragen beantwortet werden und der beruf‐ liche Datenaustausch erfolgen kann. Durch eine flexible Verknüpfung des Arbeitslebens mit dem Privatleben können berufliche und private Anforde‐ 1 Work-Life-Balance: Was ist das? 28 <?page no="29"?> rungen besser zeitlich und örtlich aufeinander abgestimmt und miteinander vereinbart werden. Ziel ist es nicht, deutlich mehr zu arbeiten, sondern die Arbeitszeiten sollen zeitlich und räumlich flexibler gestaltbar sein, um alle beruflichen und privaten Anforderungen und Bedürfnisse gut miteinander vereinbaren zu können. (Rassek 2020; Fichtel 2020; Mauritz 2020; Hearn 2017). Diese Integration von Arbeitsleben und Privatleben führt ebenfalls zu einer Entgrenzung der Lebensbereiche, da es keine eindeutige Trennung mehr zwischen dem Arbeits- und Privatleben gibt. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass das Arbeitsleben immer weitere Teile des Privatlebens verein‐ nahmt und Beschäftigte „rund um die Uhr“ für ihre beruflichen Aufgaben ansprechbar sind und nicht wirklich vom Arbeitsleben abschalten und sich erholen können. Ebenso wie das Konzept des Work-Life-Blending kann auch die Work-Life-Integration zu erheblichen negativen gesundheitlichen (physisch und psychisch) sowie soziale Auswirkungen für die Beschäftigten führen. 1.3.3 Umsetzung der Konzepte Work-Life-Blending und Work-Life-Integration Da die Konzepte des Work-Life-Blending und der Work-Life-Integration inhaltlich sehr ähnlich sind, werden im folgenden wesentliche Vorausset‐ zungen und Anforderungen für die Umsetzung beider Konzepte gemeinsam diskutiert sowie abschließend beide Konzepte gemeinsam bewertet. 1.3.3.1 Voraussetzungen für die Umsetzung der Konzepte Work-Life-Blending und Work-Life-Integration Die Konzepte Work-Life-Blending und Work-Life-Integration sind nur für diejenigen Aufgabenbereiche geeignet, die eine örtlich und zeitlich flexible Aufgabenerfüllung erlauben. Dazu gehören häufig Tätigkeiten im kaufmännischen Bereich, Verwaltungstätigkeiten, Planungsaufgaben, Ma‐ nagementtätigkeiten, IT-Aufgaben, ggf. flexibler Außendienst, Projektma‐ nagement, ggf. F+E-Aufgaben und Tätigkeitsfelder im E-Commerce. Davon ausgeschlossen sind alle Tätigkeiten, die entweder auf festgelegten Arbeits‐ plätzen und / oder zu festgeschriebenen Arbeitszeiten (incl. Schichtarbeit) geleistet werden müssen. Das betrifft beispielsweise viele Berufsfelder in Gesundheitsberufen (z.B. im Krankenhaus oder in Pflegeeinrichtungen), Tätigkeiten im Einzelhandel und Servicebereich mit Kundenkontakt und 1.3 Neue Konzepte und Begrifflichkeiten zum Thema “Work-Life-Balance“ 29 <?page no="30"?> festen Öffnungszeiten und Arbeitsorten, aber auch Tätigkeiten, die in di‐ rekter Zusammenarbeit mit (teil-)automatisierten Produktionsanlagen wie beispielsweise in der Automobilproduktion erfolgen. Beide Konzepte setzen ein verändertes Verständnis von Arbeit voraus: Wichtig ist hier nicht mehr die Präsenz am Arbeitsplatz und die Anzahl der Arbeitsstunden, sondern die Erfüllung der Arbeitsaufgabe unabhängig von Ort und Zeit. Arbeitgeber und Vorgesetzte sind hierbei gefordert, ihren Be‐ schäftigten mehr Vertrauen bei der Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben entge‐ gen zu bringen, ohne dass die Mitarbeitenden acht Stunden am Arbeitsplatz präsent sind. Andererseits erfordern diese neuen Konzepte sowohl von den Arbeitgebern als auch von den Beschäftigten einen verantwortungsvollen Umgang mit der zeitlichen und örtlichen Flexibilität sowie zusätzliche Kompetenzen zur Bewältigung der Verschmelzung beider Lebensbereiche. 1.3.3.2 Anforderungen und Kompetenzen zur Umsetzung von Work-Life-Blending und Work-Life-Integration Die Umsetzung eines Work-Life-Blending bzw. einer Work-Life-Integration erfordert von den Arbeitgebern die Entwicklung eines Rahmenkonzepts, das die örtliche und zeitliche Flexibilität der Beschäftigten definiert und auch Grenzen für das Privatleben setzt. Aber auch die Beschäftigten müssen zu‐ sätzliche Kompetenzen erwerben, um die Konzepte des Work-Life-Blending bzw. der Work-Life-Integration erfolgreich und gesundheitsverträglich um‐ setzen zu können. Zu den wichtigsten zusätzlichen Kompetenzen gehören die folgenden: Höhere Eigenverantwortlichkeit der Beschäftigten: Die Integration des Arbeitslebens in das Privatleben erfordert eine höhere Eigenverantwort‐ lichkeit der Beschäftigten für die Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben, ohne dass der Arbeitgeber oder Vorgesetzte jeden Arbeitsschritt kontrolliert. Die Beschäftigten müssen selbst verantwortungsvoll mit den neuen größeren zeitlichen und räumlichen Gestaltungsspielräumen ihrer beruflichen Tätig‐ keit umgehen und selbst dafür Sorge tragen, dass sie ihre Arbeitsaufgaben termingerecht und gut bearbeiten sowie auch den Kontakt zu den Kollegen aufrechterhalten. Umfangreicheres Selbstmanagement: Mit der höheren Eigenverant‐ wortung verbunden ist auch die Notwendigkeit eines guten Selbstmanage‐ ments der Beschäftigten. Sie müssen ihre Arbeitsaufgaben selbst inhaltlich, zeitlich und örtlich strukturieren und individuell abstimmen mit den ver‐ schiedenen beruflichen und privaten Anforderungen. Die zeitliche und 1 Work-Life-Balance: Was ist das? 30 <?page no="31"?> örtliche Flexibilität, die eine höhere Vereinbarkeit der verschiedenen Le‐ benswelten ermöglicht, erfordert gleichzeitig ausgeprägte Organisationsfä‐ higkeiten und ein umfassendes Selbstmanagement, um die verschiedenen beruflichen und privaten Aufgaben und Anforderungen zeitlich und örtlich bedarfsgerecht aufeinander abzustimmen. Digitale Medienkompetenz: Die Verbreitung und Nutzung digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien ist häufig die zentrale Voraussetzung für eine umfangreichere zeitliche und örtliche Flexibilisie‐ rung der Arbeitswelt und die Verbindung der verschiedenen Lebenswelten. Um die Potenziale der digitalen Medien und Technologien ausschöpfen zu können, bedarf es einer großen Aufgeschlossenheit der Mitarbeitenden ge‐ genüber den neuen digitalen Technologien sowie umfangreiche Kompeten‐ zen zur Nutzung der digitalen Technologien. Während die Kommunikation über das Smartphone und Emails (Laptop) mittlerweile selbstverständlich ist, bedarf es auch der Kompetenzentwicklung im Hinblick auf die Kommu‐ nikation über Videokonferenzen, Chaträume, digitale Präsentationen und digitale Veranstaltungen sowie der Nutzung digitaler Cloudtechnologien zum digitalen Informations- und Datenaustausch. Flexibilität: Die verschiedenen Lebenswelten können nur dann anforde‐ rungsgerecht vereinbart werden, wenn alle Beteiligten bereit sind, flexibel auf die jeweiligen beruflichen und privaten Anforderungen und Gegeben‐ heiten zu reagieren und aufeinander abzustimmen. Dazu gehört die Bereit‐ schaft, unvorhergesehene berufliche Aufgaben termingerecht oder auch kurzfristig außerhalb der normalen Arbeitszeiten zu bearbeiten, ebenso wie die Möglichkeit, flexibel auf spontane private Ereignisse (z.B. Kinderkrank‐ heiten, kurzfristige private Termine) reagieren zu dürfen und sich dafür Zeit nehmen zu können. Sowohl die Arbeitgeber als auch die Mitarbeitenden müssen hier eine hohe Flexibilität gewährleisten aber auch selbst lernen, flexibel zu (re-)agieren und diese hohe Flexibilität auch zu akzeptieren. Grenzen setzen: Die Verschmelzung des Arbeitslebens mit dem Privat‐ leben wird nicht immer konfliktfrei erfolgen können. So können sich berufliche und private Termine zeitlich überschneiden, in Stoßzeiten sehr viele berufliche Anforderungen das Privatleben erschweren oder bestimmte berufliche und private Anforderungen trotz allem schwer vereinbar sein. Hier ist es wichtig, dass die Beteiligten, also Arbeitgeber und Arbeitneh‐ mer, auch die Möglichkeit haben, bestimmte Grenzen zu setzen und diese zeitlichen, örtlichen oder auch aufgabenbezogenen Grenzen auch von al‐ len Seiten akzeptiert werden. Dies ist eine Grundvoraussetzung, um die 1.3 Neue Konzepte und Begrifflichkeiten zum Thema “Work-Life-Balance“ 31 <?page no="32"?> Integration der verschiedenen Lebenswelten auch tatsächlich umsetzen zu können und sicherzustellen, dass nicht ein Lebensbereich auf Dauer doch vernachlässigt wird. Gerade die Arbeitgeber sind hier in der Pflicht, Grenzen der beruflichen Erreichbarkeit für ihre Beschäftigten festzulegen, um ein angemessenes Maß an Privatleben und Freizeit sicherzustellen. 1.3.3.3 Bewertung der Konzepte Work-Life-Blending und Work-Life-Integration Die Diskussion der Konzepte Work-Life-Blending und Work-Life-Integra‐ tion umfasst sowohl viele positive Argumente und Vorteile für die Le‐ benswelten der Beschäftigten, aber auch erhebliche Kritikpunkte, die hier vorgestellt werden. Vorteile der Konzepte Die Befürworter der Konzepte des Work-Life-Blending und der Work-Life-Integration werten vor allem die folgenden Aspekte als Vorteile der Konzepte: Höhere örtliche und zeitliche Flexibilität der Beschäftigten: Beide Konzepte bieten eine hohe örtliche und zeitliche Flexiblität der Erfüllung der Arbeitsaufgaben in Abstimmung mit dem Arbeitgeber. Dies entspricht dem Wunsch und Verhalten vieler Beschäftigter nach flexiblen Arbeitsmodellen. So ermittelte eine Befragung des Forschungsinstitutes Yougov im Jahr 2014 von 744 beruftätigen Akademikern, dass ca. 20% der Befragten einen Tag am Wochenende arbeiten und jeder Achte Befragte täglich auch nach dem Feierabend arbeitet. Dabei arbeitet die Hälfte der Befragten freiwillig außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit. (vgl. Haufe Online Redation 2014). Ähnliche Ergebnisse ermittelte die Befragung zum Thema „Verschmelzung von Arbeits- und Privatleben“ von Randstad im Jahr 2015. So führen knapp 70% der Beschäftigten nach Feierabend manchmal berufliche Telefonate oder versenden berufliche E-Mails, wobei von diesen 70% ebenfalls knapp 70% freiwillig in ihrer eigentlich arbeitsfreien Zeit arbeiten. Allerdings geben knapp 30% der Befragten an, dass diese berufliche Ansprechbarkeit außerhalb der eigentlichen Arbeitszeiten von ihnen erwartet wird. Auch im Urlaub sind immernoch knapp 60% der Befragten beruflich ansprechbar, wobei knapp 66% freiwillig beruflich ansprechbar sind, allerdings von knapp 33% der Befragten dies vom Arbeitgeber erwartet wird. (vgl. Randstad 2015). 1 Work-Life-Balance: Was ist das? 32 <?page no="33"?> Abbildung 4: Befragungsergebnisse zum Thema „Verschmelzung von Arbeits- und Privatleben. Quelle: Randstad 2015: Umfrage randstadkorrespondet 3. Quartal 2015 Obs/ Randstad Deutschland. www.presseportal.de/ pm/ 13588/ 315467 5 https: / / cache.pressmailing.net/ content/ 33dbabd2-4e04-404f-93ee-9816dfb5a0d3 / Umfragerandstadkorrespondent_Work-Life-Blending.jpg. Abruf: 25.12.2020. Das aktuelle Randstad Arbeitsbarometer aus dem Jahr 2020 befragte Be‐ schäftigte aus 34 Ländern u. a. nach ihrer Erreichbarkeit nach Feierabend. Hier gaben 60% der Befragten an, dass sie außerhalb ihrer eigentlichen Arbeitszeit Emails und Anrufe beantworten und 44% reagierten sofort auf berufliche Anfragen. Allerdings wird das bei 43% der Befragten auch vom Arbeitgeber erwartet. (vgl. Randstad 2020). Wie die vorgestellten Umfrage‐ ergebnisse zeigen, arbeiten schon viele Beschäftigte auch freiwillig in ihrer Freizeit. Dies scheint den Wunsch aber auch die Akzeptanz einer höheren örtlichen und zeitlichen Flexibilität der Beschäftigten bei der Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben zu bestätigen. Mehr Selbstbestimmung: Viele Beschäftigte schätzen auch die höhere Selbstbestimmung, wann und wo sie ihre Arbeitsaufgaben erfüllen, die durch die Konzepte des Work-Life-Blending und der Work-Life-Integration ermöglicht wird. So müssen Beschäftigte nicht ihre Arbeitszeit im Büro 1.3 Neue Konzepte und Begrifflichkeiten zum Thema “Work-Life-Balance“ 33 <?page no="34"?> „absitzen“, obwohl es gerade nicht so viel zu tun gibt. Stattdessen können die Arbeitszeiten und ggf. auch die Arbeitsorte an aktuelle berufliche Anforde‐ rungen und Arbeitsvolumina angepasst werden. Mit der Selbstbestimmung sind auch größere zeitliche und örtliche Freiräume sowie eigene umfang‐ reichere arbeitsbezogenen Gestaltungsmöglichkeiten der Beschäftigten ver‐ bunden. Dies fördert bei vielen Beschäftigten ihre Arbeitsmotivation sowie ihre Arbeitszufriedenheit. Erleichterte Vereinbarkeit des Arbeitslebens mit dem Privatleben: Die zeitliche und örtliche Flexibilität der Berufstätigkeit ermöglicht eine bessere Vereinbarkeit des Arbeitslebens mit den Anforderungen, Aufga‐ ben und Wünschen des Privatlebens. So können Beschäftigte besser und stressfreier die verschiedenen Anforderungen des Privatlebens (z.B. vorge‐ gebenen Öffnungszeiten von Kindertagesstätten, Ärzten, Behörden) mit den Anforderungen ihrer Berufstätigkeit abstimmen. Dies erleichtert auch die Entscheidung, auch mit einer Familie umfangreich berufstätig zu sein bzw. auch bei einer anspruchsvollen (Voll)zeitätigkeit über die Gründung einer Familie nachzudenken, was vor allem für Frauen auch heute noch ein belastendes Konfliktfeld darstellt. Darüber hinaus können so auch bestehende Fachkräfteengpässe reduziert werden, da bestehende Fachkräf‐ tepotenziale durch die örtliche und zeitliche Flexibilität der Berufstätigkeit stärker ausgeschöpft werden können. Höhere Produktivität der Beschäftigten: Können die Beschäftigten ihre Arbeitszeiten selbstbestimmter auch auf ihre privaten Anforderungen und persönlichen Arbeitsrhythmen abstimmen, so fördert dies auch die Produktivität der Aufgabenbewältigung der Mitarbeitenden. Dadurch kön‐ nen die individuellen besonders leistungsstarken Zeiten für berufliche Aufgaben genutzt werden, ohne sich an vorgegebenen feste Arbeitszeiten halten zu müssen. Andererseits können in Abstimmung mit den privaten Anforderungen und Aufgaben diejenigen Zeiten für berufliche Aufgaben genutzt werden, in denen geringe oder gar keine privaten Anforderungen bestehen. Insgesamt werden die Konzepte des Work-Life-Blending und der Work-Life-Integration oft als zeitgemäße und zukunftsfähige Arbeitsmo‐ delle bewertet, die den Wünschen aber auch Anforderungen der Beschäf‐ tigten nach einer höheren zeitlichen und örtlichen Flexibilität ihrer Be‐ rufstätigkeit entsprechen, gleichzeitig die Vereinbarkeit der verschiedenen Lebenswelten erleichtern sowie die Selbstbestimmung der Beschäftigten 1 Work-Life-Balance: Was ist das? 34 <?page no="35"?> aber auch die Gestaltungsmöglichkeiten der verschiedenen Lebenswelten erhöhen. Kritikpunkte Neben den gerade vorgestellten Vorteilen und positiven Argumenten für den Einsatz von Work-Life-Blending und Work-Life-Integration werden in der Literatur auch viele kritische Argumente diskutiert, die gegen die Um‐ setzung der Konzepte sprechen (vgl. z.B. Scholz 2018). Zu den wesentlichen Kritikpunkten gehören insbesondere die folgenden: Entgrenzung der Lebenswelten: Ein zentraler Kritikpunkt besteht darin, dass die Verschmelzung des Arbeitslebens mit dem Privatleben zu einer Entgrenzung der Lebenswelten führt. Der Preis für die zeitliche und örtliche Flexibilität bei der Bewältigung der beruflichen und privaten An‐ forderungen und Aufgaben sowie der individuellen Zeiteinteilung besteht in einer dauerhaften Arbeitsbereitschaft der Beschäftigten, auch während der eigentlich erwerbsarbeitsfreien Zeiten. Damit wird das Privatleben von dem Berufsleben vereinnahmt mit der Gefahr, im Berufsleben unterzugehen und seine eigenständige Bedeutung zu verlieren. Dies wiederum kann die Unterordnung des Privatlebens unter das Berufsleben fördern, was der Vereinbarkeit beider Lebenswelten widerspricht. Selbstausbeutung durch steigende Arbeitszeiten und Überstun‐ den: Die Dominanz des Berufslebens sowie die ständige Erreichbarkeit fördern steigenden Arbeitszeiten und Überstunden der Beschäftigten, die für die örtliche und zeitliche Flexibilität in Kauf genommen werden. Werden nach Feierabend oder im Urlaub häufig zwischendurch berufliche Aufgaben bearbeitet, so erschwert dies den Überblick und die Erfassung der tatsächlichen Arbeitszeiten mit der Folge, dass Beschäftigte weit mehr arbeiten, als in ihrem Arbeitsvertrag vereinbart und ggf. auch bezahlt wird. Dies kann zu einer Selbstausbeutung der Beschäftigten führen, die den Arbeitgebern zugutekommt, für die Beschäftigten jedoch dauerhaft von Nachteil ist. Gesundheitliche Beeinträchtigungen durch dauerhafte Überlas‐ tung: Mögliche Überstunden und auch die permanente berufliche An‐ sprechbarkeit, also quasi der permanente „berufliche Stand-by-Modus“, ver‐ hindern das Abschalten vom Beruf und die Regeneration der Beschäftigten in ihrer Freizeit. Verbunden mit einem kontinuierlich hohen Arbeitspensum kann dies zu dauerhaftem beruflichen Stress und Überlastung führen. Diese wiederum können - auf Dauer - die physische und psychische Gesundheit 1.3 Neue Konzepte und Begrifflichkeiten zum Thema “Work-Life-Balance“ 35 <?page no="36"?> der Beschäftigten beeinträchtigen (z.B. Schlafstörungen, ständige Orientie‐ rung auf berufliche Aufgaben oder Projekte, zu geringe Regenerationsmög‐ lichkeiten) und bei dauerhafter Überlastung auch zum Arbeitsausfall der Beschäftigten führen. Das Privatleben leidet: Durch die Dominanz des Berufslebens leidet das Privatleben der Beschäftigten, da ein Teil der Aufmerksamkeit immer der Arbeit gewidmet ist. Auch besteht die Gefahr, dass das Privatleben seine eigenständige Bedeutung verliert und dass private Anliegen dem Berufsleben untergeordnet werden. Dies kann zu privaten Konflikten mit Partnern, Freunden, Kindern oder betreuungsbedürftigen Familienange‐ hörigen führen, wodurch die Vereinbarkeit der verschiedenen Lebenswel‐ ten wiederum erschwert wird. Im Extremfall fällt das Privatleben dem Job zum Opfer. (Scholz 2018; Existenzgründer Lexikon: Work-Life-Blending 2020). Arbeitgeber vereinnahmen die Beschäftigten: Je umfangreicher die Erreichbarkeit der Beschäftigten für ihren Arbeitgeber ist und je entgrenzter die verschiedenen Lebenswelten sind, desto mehr besteht die Gefahr, dass alle Lebensbereiche vom Arbeitsleben dominiert werden und die Beschäftigten von ihren Arbeitgebern völlig vereinnahmt werden. Ein eindrückliches Beispiel ist das Unternehmen Google, das von seinen Mitarbeitenden eine 24h-Erreichbarkeit erwartet. Dafür bietet Google seinen Beschäftigten vielfältige kostenfreie Anreize und Angebote, u. a. ein Smartphone, einen Breitbandinternetanschluss, teils Buslinien, die die Mitarbeiter zum Büro und zurückbringen, kostenfreie Verpflegung (vom Frühstück, Mittagessen bis zum Abendessen! ), einen Wäscheservice, 2 T-Shirts pro Woche, Fitnessangebote und noch vieles mehr. Vor allem für junge sehr gut ausgebildete Mitarbeitende ohne eigene Familie sind das attraktive Arbeitsangebote. Allerdings verleiten diese vielen Ange‐ bote die Mitarbeitenden dazu, deutlich mehr als neun Stunden täglich zu arbeiten, da ja eine „Rund-um-Versorgung“ besteht. Andererseits fordert Google eine 24h-Erreichbarkeit von seinen Beschäftigten, stellt nur begrenzt ausreichende Arbeitsplätze zur Verfügung und steht dem Homeoffice eher kritisch gegenüber. (vgl. Frank 2007). Die wesentlichen Vorzüge und Kritikpunkte des Work-Life-Blending und der Work-Life-Integration werden in der folgenden Tabelle noch einmal zusammengefasst. 1 Work-Life-Balance: Was ist das? 36 <?page no="37"?> Work-Life-Blending und Work-Life-Integration Vorteile Nachteile • Mehr Selbstbestimmung größere Autonomie, wann und wo Arbeitsaufgaben bearbeitet werden. • Erleichterte Vereinbarkeit des Arbeitslebens mit dem Privatleben durch örtliche und zeitliche Flexibilität der Bearbei‐ tung der Arbeitsaufgaben • Höhere Produktivität der Be‐ schäftigten aufgrund der Möglichkeit, Ar‐ beitszeiten und -orte in indidi‐ vuell hoch leistungsfähige und ungestörte Zeitabschnitte und Örtlichkeiten zu verlagern. • Entgrenzung der Lebenswelten durch ständige Erreichbarkeit auch in der eigentlichen Freizeit • Selbstausbeutung durch steigende Arbeitszeiten und Überstunden und durch die permanente Arbeitsbereit‐ schaft. • Gesundheitliche Beeinträchti‐ gungen durch dauerhafte Überlas‐ tung aufgrund fehlender Ruhe- und Regenerationszeiten • Das Privatleben leidet durch die ständige latente und dominierende Arbeitsbereitschaft • Arbeitgeber vereinnahmen die Beschäftigten aufgrund der Erwar‐ tung einer ständigen „stand-by-Ar‐ beitsbereitschaft“ zu Lasten des Pri‐ vatlebens. Tabelle 3: Vor- und Nachteile der Konzepte Work-Life-Blending und Work-Life-Inte‐ gration. Eigene Darstellung 1.3.4 Work-Life-Separation Im Gegensatz zu den gerade vorgestellten Konzepten des Work-Life-Blen‐ ding und der Work-Life-Integration vertritt das Konzept der Work-Life-Se‐ paration eine eindeutige Trennung und Abgrenzung zwischen dem Arbeits‐ leben und dem Privatleben. Gefordert werden klare Strukturen und eine eindeutige Abgrenzung von Arbeitszeit und Arbeitsort zum Privatleben und Wochenende (vgl. Existenzgründer Lexikon o.J.: Work-Life-Separation). Gerade die junge Generation Z, die zwischen 1995 und 2009 geboren wurden, legt viel Wert auf eine Trennung zwischen ihrer Arbeitswelt und ihrer privaten Lebenswelt. Für einen geregelten Feierabend und ein arbeitsfreies Wochenende ohne permanente Ansprechbarkeit verzichtet sie auch auf die Flexibilität von Arbeitszeit und Arbeitsort (vgl. Scholz 2018). Geprägt wurde die Einstellung der Generation Z auch durch die sichtbaren Auswirkungen des Work-Life-Blending und der Work-Life-In‐ tegration, die für viele Beschäftigte zu deutlich längeren Arbeitszeiten, einer permanenten beruflichen Ansprechbarkeit, Einschränkungen des Pri‐ 1.3 Neue Konzepte und Begrifflichkeiten zum Thema “Work-Life-Balance“ 37 <?page no="38"?> vatlebens sowie auch zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führten (vgl. Scholz 2018). Wie konsequent sich diese klare Trennung zwischen der Arbeitswelt und dem Privatleben auf Dauer in unserer sehr dynamischen und komplexen Arbeitswelt umsetzen lässt, bleibt abzuwarten. Allerdings begünstigen die aktuelle Arbeitsmarktsituation sowie die zunehmenden Fach- und Führungskraftengpässe die Durchsetzung der Forderung nach einer klaren Work-Life-Separation der begehrten Beschäftigten. 1.3.5 Aktualität des Konzepts der Work-Life-Balance Das Konzept der Work-Life-Balance ist weder veraltet noch unzeitgemäß! Es fordert auch nicht die klare Trennung zwischen dem Arbeits -und Privatleben, sondern bietet ebenfalls vielfältige örtliche und zeitliche Fle‐ xibilisierungsmöglichkeiten. So ist es das Ziel der Work-Life-Balance, die verschiedenen Lebensbereiche unter Berücksichtigung der individuellen Le‐ benssituationen so gut aufeinander abzustimmen, dass die Beschäftigten mit ihrem Beruf und Arbeitsleben zufrieden sind, als auch ein erfülltes und den individuellen Anforderungen und Wünschen entsprechendes Privatleben leben und genießen können. Mit welchen Strategien und Maßnahmen eine Work-Life-Balance auf Seiten der Arbeitgeber sowie der Arbeitnehmenden erreicht werden kann, muss jeweils unternehmensbzw. organisationsbe‐ zogen mit Beteiligung der Mitarbeitenden gestaltet werden. Vielfältige Anregungen und Gestaltungsperspektiven für die Umsetzung einer Work- Life-Balance werden in diesem Buch vorgestellt. Abbildung 5: Work-Life-Balance als Verbindungskonzept. Eigene Darstellung 1 Work-Life-Balance: Was ist das? 38 <?page no="39"?> Insofern ist das Konzept der Work-Life-Balance in keinster Weise veraltet. Im Gegenteil: Es bietet ein hohes Maß an Flexibilität, um die betrieblichen und die individuellen Mitarbeiterwünsche zu berücksichtigen, sei es nach flexiblen Arbeitszeiten und Arbeitsorten oder auch nach klaren Grenzen zwischen der Arbeitswelt und der privaten Welt. Dadurch können in dem Konzept der Work-Life-Balance sowohl Aspekte des Work-Life-Blending, als auch Aspekte der Work-Life-Separation je nach individuellen Wünschen, miteinander verbunden werden. Damit bildet die Work-Life-Balance quasi ein Verbindungskonzept zwischen den Ideen des Work-Life-Blending bzw. der Work-Life-Integration und der Work-Life-Separation mit vielen eigene zielgruppenbezogenen Gestaltungsmöglichkeiten. 1.3 Neue Konzepte und Begrifflichkeiten zum Thema “Work-Life-Balance“ 39 <?page no="41"?> 2 Aktuelle gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Herausforderungen Die Arbeitswelt hat sich in den letzten zwanzig Jahren in mehrfacher Hinsicht stark verändert. Zurück zu führen sind diese Veränderungen auf gesellschaftliche, marktwirtschaftliche, technologische und nachhaltige Entwicklungen, die sowohl unsere Gesellschaft als Ganzes aber auch die Arbeitswelt vor neue Herausforderungen und veränderte Anforderung stellt (vgl. Abbildung 6). Zu den wichtigsten gesellschaftlichen Entwicklungen gehören beispielsweise der demografische Wandel, veränderte Familien‐ strukturen und geschlechtsbezogene Rollenbilder, die Entwicklung zur Wis‐ sensgesellschaft aber auch der Wertewandel. Wesentliche technologische Entwicklungen bestehen in der deutlich steigenden Digitalisierung, der vielfältigen Veränderungen der Informations- und Kommunikationstechno‐ logien und der Entwicklung einer Arbeitswelt 4.0. Gravierende marktwirt‐ schaftliche Entwicklungen bestehen in der zunehmenden Internationalisie‐ rung und den globalen Wertschöpfungsketten, der steigenden Dynamik und Komplexität unserer Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch in den alternden Belegschaften und steigenden Fach- und Führungskräfteengpässen, mit denen die Unternehmen schon jetzt umgehen müssen. Auch der Wandel der arbeitsbezogenen Werte, die Entwicklungen im Bereich der „New Work Ansätze“, aber auch die sich deutlich verändernde Rolle der Frauen in der Arbeitswelt stellen die Unternehmen vor weitere Veränderungen. Die größte gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderung für dieses Jahrhundert ist jedoch die Entwicklung hin zum nachhaltigen Wirtschaften und zu einer Corporate Social Responisbility. Auch sie spiegelt sich u. a. im Wertewandel der Menschen und den schon heute deutlich spürbaren Veränderungen durch den Klimawandel, die Ressourcenerschöpfung und die Umweltverschmutzung wider. <?page no="42"?> Abbildung 6: Aktuelle gesellschaftliche, marktwirtschaftliche, technologische und nachhaltige Entwicklungen in Deutschland. Quelle. Eigene überarbeitete Darstel‐ lung. Die Vielfalt der Veränderungen führen zu vielen neuen Herausforderun‐ gen der Arbeitswelt, die sich auch auf die Möglichkeiten des Ausgleichs zwischen dem Arbeits- und Privatleben auswirken. Hierauf ist auch die intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema „Work-Life-Balance“ in den letzten beiden Jahrzehnten zurückzuführen. Im Folgenden werden ausgewählte wichtige Veränderungen aus den verschiedenen Entwicklungs‐ bereichen ausführlicher vorgestellt. 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 2.1.1 Demografischer Wandel Der demografische Wandel beschreibt die Veränderungen der Bevölke‐ rungszusammensetzung einer Gesellschaft bzw. eines Landes hinsichtlich ihrer Gesamtzahl und ihrer Bevölkerungsstruktur. Als Veränderungen der Bevölkerungsstruktur werden die Anteile verschiedener Altersgruppen, die 2 Aktuelle Herausforderungen 42 <?page no="43"?> Geschlechterverteilung, die Anteile von Inländern und Ausländern und von Zuzügen und Fortzügen sowie der Anzahl der Geburten- und Sterbefälle erfasst und dokumentiert (vgl. BIB 2004, S. 7). Beeinflusst wird die Entwick‐ lung der Bevölkerung vor allem durch die Geburtenhäufigkeit (Fertilität), die Sterblichkeit (Mortalität) und durch die Wanderungsbewegungen (Zuzüge in und Fortzüge aus einem Land, Migration) (vgl. BIB 2004, S. 7 f.). In Deutschland wird in langfristigen Modellrechnungen des Bundes und der Länder die Bevölkerungsentwicklung unter bestimmten Annahmen der Entwicklung der Geburten, der Lebenserwartung und der Wanderun‐ gen kontinuierlich fortgeschrieben und so verschiedene Szenarien für die Entwicklung der deutschen Bevölkerungsanzahl und -struktur vorausbe‐ rechnet. Aktuell dokumentiert das Statistische Bundesamt die Entwicklung der deutschen Bevölkerung bis zum Jahr 2060 in der 14. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, die auf dem Bevölkerungsbestand von 2018 basiert (vgl. Statistisches Bundesamt 2019). Dabei werden insgesamt 30 Varianten mit unterschiedlichen Annahmen zur Geburtenhäufigkeit, der Lebenserwartung und den Wanderungsbewegungen berechnet, um die Bandbreite möglicher Entwicklungen abzuschätzen (vgl. Statistisches Bundesamt 2019, S. 13). Die Varianten 1, 2 und 3 berechnen die Bevölke‐ rungsentwicklung unter den Annahmen einer relativ geringen Veränderung der Geburtenhäufigkeit (von 1,55 Kindern pro Frau auf 1,6 Kinder pro Frau in 2060) und der Lebenserwartung bei Geburt (für Jungen auf 84,4 Jahre, für Mädchen auf 88,1 Jahre) bis zum Jahr 2060. Dabei wird eine sich unterschiedlich stark entwickelnde Nettozuwanderung berücksichtigt (vgl. Statistisches Bundesamt 2019, S. 13). 2.1.1.1 Aktueller Stand der deutschen Bevölkerungsstruktur Zum Jahresende 2019 lebten in Deutschland 83,2 Millionen Menschen, davon waren 42,1 Millionen Frauen und 41,0 Millionen Männer (0,1 Millio‐ nen fehlen berechnungsbedingt). (vgl. Destatis 2020 Pressemitteilung: www .destatis.de/ DE/ Presse/ Pressemitteilungen/ 2020/ 06/ PD20_223_12411.html). Durchschnittlich hat jede Frau im Jahr 2019 1,54 Kinder geboren; diese Geburtenziffer lag im Jahr 2018 noch bei 1,57, d. h., dass im Jahr 2019 9.400 Kinder weniger geboren wurden. Das Durchschnittsalter der Frauen bei ihrem ersten Kind lag im Jahr 2019 bei 30,1 Jahren. (vgl. Destatis Geburten 2020). Die Kinderlosenquote, d. h. der Anteil der kinderlosen Frauen an allen Frauen zwischen 45 und 49 Jahren betrug 21% (vgl. Destatis Pressemitteilung 2019). 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 43 <?page no="44"?> Der demografische Wandel ist in Deutschland schon deutlich sichtbar. Heute ist jede zweite Person (also 50%! ) in Deutschland älter als 45 Jahre und jede fünfte Person (also 20%) ist älter als 66 Jahre (vgl. Destatis Demo‐ grafischer Wandel 2020). Dabei ist die Zuwanderung insbesondere jüngerer Menschen in den letzten Jahren deutlich gestiegen, auch die Geburtenzahlen steigen seit dem Jahr 2012 wieder an. (vgl. ebenda). 2.1.1.2 Veränderungen der Bevölkerungsstruktur und des Altersaufbaus von 1910 bis 2060 Der Altersaufbau der Bevölkerung hat sich von 1910 bis 2018 deutlich verän‐ dert, wie die Abbildung 7 zeigt. Im Jahr 1910 hatte die Bevölkerungsstruktur in Deutschland die Form einer Pyramide. Bei diesem früher typischen pyramidenförmigen Altersaufbau sind die jüngsten Geburtenjahrgänge auch die zahlenmäßig stärksten Geburtenjahrgänge. Mit zunehmendem Alter werden die Jahrgänge aufgrund der hohen Sterblichkeit der Men‐ schen kleiner. Dieser Altersaufbau veränderte sich mit der Entwicklung der industriellen Gesellschaft seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und im 20. Jahrhundert durch das Sinken der Sterblichkeit und dem daraus folgenden Rückgang der Geburtenhäufigkeit. Zusätzliche Veränderungen der Altersstruktur im Jahr 1950 verursachten die beiden Weltkriege, die Spanische Grippe sowie die Weltwirtschaftskrise in den 1920er Jahren. (vgl. Statistisches Bundesamt 2019, S. 19). Der Altersaufbau im Jahr 2018 ist geprägt von der zahlenmäßig größten Generation der Babyboomer (geboren zwischen ca. 1955 bis 1965), die aktuell zwischen Ende 40 und Mitte 60 Jahre alt sind und in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen werden. Die nachfolgenden Geburtenjahrgänge sind zahlenmäßig deutlich kleiner, so dass der Sockel des Altersaufbaus bis zum Jahr 2060 immer schmaler werden wird, sich der Alterungsprozess in Deutschland beschleunigt und sich auch die Anteile der verschiedenen Altersgruppen deutlich verändern werden (vgl. Statistisches Bundesamt 2019, S. 19). Durch den Rückgang potenzieller Mütter könnte diese Entwicklung, selbst bei einer steigenden Geburtenrate, wenn überhaupt nur langfristig aufgehalten werden. Insgesamt hat sich der Altersaufbau in den letzten 150 Jahren von einer Pyramidenform zu einer Urnenform entwickelt. 2 Aktuelle Herausforderungen 44 <?page no="45"?> Abbildung 7: Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland von 1910 bis 2060. Quelle: Statistisches Bundesamt 2019, S. 20. 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 45 <?page no="46"?> 800 600 400 200 0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 0 200 400 600 800 Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland nach demografischen Ereignissen (2018) Alter in Jahren Anzahl in 1.000 Frauen Datenquelle: Statistisches Bundesamt Anzahl in 1.000 Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) Männer Männerüberschuss Frauenüberschuss Geburtentief Neue Länder Geburtentief während der Weltwirtschaftskrise um 1932 Geburtentief Ende des 2. Weltkriegs Zweiter Geburtenrückgang 1965 bis 1975 Geburtentief Neue Länder Geburtentief Ende des 2. Weltkriegs Zweiter Geburtenrückgang 1965 bis 1975 Geburtentief während der Weltwirtschaftskrise um 1932 Babyboom- Generation Babyboom- Generation Abbildung 8: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland nach demografischen Ereignissen. Quelle: BIB 2020: www.bib.bund.de/ Permalink.html? id=10193678. Ab‐ ruf: 04.08.2020 2 Aktuelle Herausforderungen 46 <?page no="47"?> Abbildung 8 zeigt den Einfluss wichtiger demografischer Ereignisse der letzten einhundert Jahre auf den Altersaufbau der Bevölkerung in Deutsch‐ land mit dem Datenstand des Jahres 2018. Gut erkennbar ist das Geburtentief während der Weltwirtschaftskrise um 1932 sowie das Geburtentief zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Sichtbar sind auch die überproportionalen Rückgänge der Jahrgänge der Männer aufgrund der Kriegstoten durch die beiden Weltkriege. Die Generation der Babyboomer wurde Mitte der 1950er bis Mitte der 1960er Jahre geboren und bildet aktuell die zahlenmäßig stärkste Generation in der deutschen Bevölkerung. Die hohe Geburtenrate ist auf das „goldene Zeitalter von Ehe und Familie“ in den 1960er Jahren in Deutschland zurückzuführen (vgl. BIB 2016, S. 11). Ab 1965 gehen die Geburtenzahlen wieder deutlich zurück, so dass die nächste „Generation X“ ( Jahrgänge ca. 1966 - 1975) sehr viel kleiner ausfällt. Ein weiterer deutlicher Geburtenrückgang ist nach der Wiedervereinigung Deutschlands aus der Abbildung 8 abzulesen. Dieser Trend hält bislang an und verstärkt sich teilweise noch in weiteren Geburtenrückgängen. Der Männerüberschuss im jüngeren Lebensalter ergibt sich daraus, dass mehr Jungen als Mädchen geboren werden. Da die Frauen jedoch eine höhere Lebenserwartung als die Männer haben, zeichnet sich insbesondere im hohen Alter ein deutlicher Frauenüberschuss ab. (vgl. BIB, 2016, S. 11.) 2.1.1.3 Bevölkerungsentwicklung zwischen 1950 und 2060 Die Bevölkerung in Deutschland ist von knapp 70 Millionen Menschen im Jahr 1950 auf gut 83 Millionen Menschen im Jahr 2018 stetig gewachsen. Damit ist Deutschland eines der bevölkerungsreichsten Länder in Europa (vgl. Sozialpolitik aktuell o. J.). Wie die Abbildung 9 zeigt, gab es vor allem in den 1950er, 1960er und 1990er Jahren und seit 2011 größere Bevölkerungs‐ zuwächse. Zurückzuführen ist diese positive Bevölkerungsentwicklung auf die ho‐ hen Geburtenraten bis Mitte der 1960er Jahre, auf die steigende Lebenser‐ wartung aufgrund einer guten medizinischen Versorgung und einer gesün‐ deren Lebensweise sowie auf die hohe Zuwanderung (vgl. Sozialpolitik aktuell o. J.). 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 47 <?page no="48"?> 82 260 81 752 82 0 80 Vorausberechnung* ) Bevölkerungsentwicklung in Deutschland 1950 - 2060 in Mio. 69,346 73,147 78,069 78,397 79,753 82,260 81,752 82,0 80,437 79,025 76,757 73,608 70,120 70 80 50 60 30 40 10 20 0 10 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2012 2020 2030 2040 2050 2060 * ) Variante 1-W2 „mittlere“ Bevölkerung Obergrenze: Geburtenhäufigkeit annähernd konstant (1,4 Kinder je Frau), Lebenserwartung Basisannahme (neugeborene Jungen/ Mädchen im Jahr 2060: 85,0/ 89,2 Jahre), Jährl. Wanderungssaldo 200.000 Personen ab 2020. Quellen: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbücher und Pressemeldungen sowie: Bevölkerung Deutschlands bis 2060. Ergebnisse der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung abbVII100 Kommentierung und methodische Hinweise > Seite 2 Abbildung 9: Bevölkerungsentwicklung in Deutschland zwischen 1950 und 2060. Quelle: : Sozialpolitik aktuell o.J.: www.sozialpolitik-aktuell.de/ tl_files/ sozialpolitik-akt uell/ _Politikfelder/ Bevoelkerung/ Datensammlung/ PDF-Dateien/ abbVII100.pdf. Abruf: 02.08.2020 Doch auch die Entwicklung der Zuzüge und Fortzüge beeinflusste die Bevölkerungsentwicklung stark. Nach der deutschen Wiedervereinigung zogen vor allem Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion und den ehemaligen sozialistischen Staaten Europas nach Deutschland. Seit dem Jahr 2002 ging der positive Wanderungssaldo wieder zurück und stieg erst wieder seit 2011 etwas stärker und zwischen 2014 bis 2017 sehr stark um 2,6 Millionen vorwiegend junger Menschen an, die nach Deutschland zogen und so auch zu der steigenden Bevölkerungsanzahl in Höhe von 82,9 Millionen Menschen im Jahr 2018 führten. (vgl. BIB 2016, S. 7 f.). Bei einem weiter positiven Wanderungssaldo von ca. 221.000 Menschen pro Jahr und moderaten Veränderungen der Geburtenhäufigkeit und der Lebenserwartung wird mit einem Anstieg der Bevölkerungszahl auf 83,7 Millionen Menschen bis zum Jahr 2024 und einem anschließenden Rückgang der Bevölkerung bis 2060 um ca. 9 Millionen Menschen auf 74,4 Millionen Menschen in Deutschland gerechnet (vgl. Statistisches Bundesamt 2019; BIB 2016, S. 7). Damit wäre fast wieder der Bevölkerungsstand vom Jahr 1960 erreicht. 2 Aktuelle Herausforderungen 48 <?page no="49"?> Abbildung 10: Natürliche Bevölkerungsentwicklung 1950 bis 2018. Quelle: Demo‐ grafie-Portal: In: https: / / www.demografie-portal.de/ DE/ Fakten/ natuerliche-bevoelker ungsentwicklung.html? nn=676848. Abruf: 31.03.2021 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 49 <?page no="50"?> Abbildung 11: Wanderungen zwischen Deutschland und dem Ausland, 1950 bis 2050. Quelle: Demografie-Portal: https: / / www.demografie-portal.de/ DE/ Fakten/ Bilde r/ gross/ wanderungen-ausland.png? __blob=publicationFile&v=3. Abruf: 31.03.2021 Ohne einen positiven Wanderungssaldo und damit einer Nettozuwanderung würde die deutsche Bevölkerung schon seit den 1970er Jahren schrumpfen (vgl. Abbildung 11). So weist Deutschland seit 1972 mehr Sterbefälle als Geburten auf, was zu einer negativen natürlichen Bevölkerungsbilanz führt. Der dadurch entstehende Bevölkerungsrückgang konnte bislang durch die positive Nettozuwanderung ausgeglichen werden. Wie stark die Bevölkerung tatsächlich schrumpfen wird, hängt also ganz wesentlich von dem Ausmaß der künftigen Zuwanderung ab, wie die drei Varianten in der Abbildung 12 zeigen. 2 Aktuelle Herausforderungen 50 <?page no="51"?> Abbildung 12: Bevölkerungsentwicklung in Deutschland 1950 bis 2060. Quelle: BIB 2019a: www.demografie-portal.de/ SharedDocs/ Informieren/ DE/ ZahlenFakten/ Bevoe lkerungszahl.html. Abruf: 02.08.2020. www.demografie-portal.de/ DE/ Fakten/ Bilder/ g ross/ bevoelkerungszahl.png? __blob=publicationFile&v=3. Abruf: 25.01.2021. Wird auch zukünftig ein hoher Wanderungssaldo bei den Berechnungen angenommen (unter sonst gleichen Annahmen), wird die Bevölkerung bis zum Jahr 2060 auf ca. 83 Millionen Menschen ansteigen. Wird zukünftig ein niedriger Wanderungssaldo angenommen (unter sonst gleichen Annah‐ men), so wird die Bevölkerung im Jahr 2060 nur 74,4 Millionen Menschen betragen, das sind 8,6 Millionen Menschen weniger (vgl. BIB 2019 demogra‐ fie-portal.de: Bevölkerungszahl; Statistisches Bundesamt 2019). Aus diesen Prognosen wird der starke Einfluss des Wanderungssaldos auf die Ent‐ wicklung der Bevölkerung in Deutschland deutlich. Ohne einen positiven Wanderungssaldo und damit eine Nettozuwanderung würde die deutsche Bevölkerung schon seit den 1970er Jahren schrumpfen (vgl. Abbildung 12). In den folgenden Jahrzehnten werden vermutlich vor allem zwei Ent‐ wicklungen einen deutlichen Bevölkerungsrückgang bewirken: 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 51 <?page no="52"?> ▸ Erstens bewirkt die schon seit den 1960er Jahren geringe Geburten‐ rate der Frauen eine stetig sinkende Elterngeneration, so dass in jeder weiteren Generation weniger Kinder geboren werden. Aktuell liegt die Geburtenrate pro Frau bei 1,54 Kindern, wobei die Frauen im Durchschnitt bei der Geburt ihres ersten Kindes 30 Jahre alt sind (vgl. Destatis Geburten 2020). ▸ Zweitens erreicht die Generation der Babyboomer in den nächsten Jahrzehnten ein Lebensalter, in dem die Sterbewahrscheinlichkeit deutlich ansteigt. Dadurch könnte der Anteil der Sterbefälle von aktuell 170.000 Personal auf mehr als 400.000 Personen ansteigen, was wiederum zu einer Verringerung der Bevölkerung führen wird und auch durch eine positive Nettozuwanderung schwer ausgeglichen werden kann. (vgl. demografie-portal.de: Bevölkerungszahl). 2.1.1.4 Zusammengefasste Geburtenziffer Im Folgenden betrachten wir die Entwicklung der Geburten in Deutschland etwas genauer. Die Entwicklung der Geburten im Zeitverlauf wird mit der Kennzahl der „Zusammengefassten Geburtenziffer“ berechnet. Die zusammengefasste Geburtenziffer beschreibt, „wie viele Kinder eine Frau im Laufe ihres Lebens bekäme, wenn ihr Geburtenverhalten so wäre wie das aller Frauen zwischen 15 und 49 Jahren im betrachteten Jahr“ (destatis 2020). Seit Beginn der 1980er Jahre stagniert die zusammengefasste Geburtenziffer in Deutschland bei ungefähr 1,4 Kindern je Frau. Seit ca. 2010 ist die zusammengefasste Geburtenziffer wieder leicht angestiegen: Im Jahr 2015 lag sie bei 1,50 Kindern je Frau und im Jahr 2019 betrug sie 1,54 Kinder je Frau (vgl. destatis 2020). Um den Bevölkerungsbestand konstant zu halten, wäre jedoch eine zusammengefasste Geburtenziffer von 2,1 Kindern je Frau erforderlich. 2 Aktuelle Herausforderungen 52 <?page no="53"?> Abbildung 13: Zusammengefasste Geburtenziffer 1950 bis 2015. Quelle: BIB 2017: Zusammengefasste Geburtenziffer. In: www.demografie-portal.de/ SharedDocs/ D ownloads/ DE/ ZahlenFakten/ pdf/ Zusammengefasste_Geburtenziffer.pdf? __blob=pub licationFile&v=3. Abruf: 08.08.2020. www.demografie-portal.de/ DE/ Fakten/ Bilder/ gross/ zusammengefasste-geburtenziffer.png? __blob=publicationFile&; v=4. Abruf: 25.01.2021. In Westdeutschland und Ostdeutschland haben sich die Geburten seit 1950 teilweise unterschiedlich entwickelt, was auf verschiedene Ursachen zurückzuführen ist. In Westdeutschland stiegen die Geburten seit der Nachkriegszeit bis Mitte der 1960er Jahre auf bis zu 2,5 Geburten je Frau an. Seit Mitte der 1960er Jahre ist die Geburtenziffer auf ca. 1,5 Kinder je Frau gesunken und verharrt bis heute auf diesem Niveau. Wesentliche Einflussfaktoren dieser Entwicklung bestehen in der Verbreitung und Nutzung von Verhütungsmitteln sowie in einem tiefgreifenden Wandel der gesellschaftlichen Werte seit Mitte der 1960er Jahre. Bis Mitte der 1960er Jahre waren Familienstrukturen in Westdeutschland durch eine klare Rollenverteilung innerhalb der Familie geprägt, bei der der Mann i. d. R. das Familieneinkommen erwirtschaftete und die Frau sich um den Haushalt und die Erziehung der Kinder küm‐ merte. Ab Mitte der 1960er Jahre setzte ein gesellschaftlicher Wandel ein, 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 53 <?page no="54"?> der diese traditionelle Familienstruktur und Rollenverteilung hinterfragte, aufbrach und zur Entwicklung neuer Familien- und Lebensformen führte. Auch Gesellschaftsformen veränderten sich: Neben der dominierenden Familie als Gesellschaftsform entwickelten und verbreiteten sich langsam auch andere Formen des Zusammenlebens (z.B. Wohngemeinschaften, Alleinerziehende, Patchworkfamilien). Dieser Wandel wurde auch durch die steigende Berufstätigkeit der Frauen sowie die in den 1970er Jahren gesetzlich verankerte Möglichkeit der alleinigen Entscheidungsfreiheit über die eigene Berufstätigkeit der Frauen begünstigt. Dies hatte zur Folge, dass seit den 1970er Jahren die Anzahl der Eheschließungen sowie die Kinderzahl pro Frau zurückgingen. Demgegenüber stieg der Anteil der Scheidungen an und viele Frauen bekamen ihr erstes Kind erst in höherem Alter. Ebenso nahm der Anteil der kinderlosen Frauen zu. Heute weist Westdeutschland weltweit den höchsten Anteil an kinderlosen Frauen auf (vgl. demografie-portal.de. Zusammengefasste Geburtenziffer). Vor allem hochqualifizierte Frauen haben sich immer öfter gegen Kinder und Fami‐ lie und stattdessen für ihren Beruf und ihre Karriere entschieden, was wesentlich auf die unzureichende Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten zurückzuführen ist (vgl. Demografie-portal.de. Zusammengefasste Geburtenziffer). Auch in Ostdeutschland gingen die Geburten zwischen 1965 und 1975 aufgrund der Verbreitung von Verhütungsmitteln und ab 1972 erlaubten Schwangerschaftsabbrüche deutlich zurück. Aufgrund familienpolitischer Initiativen der DDR, wie z.B. Ehekrediten und Geburtenbeihilfen stiegen die Geburtenzahlen in den folgenden Jahren wieder an. Nach der Wiederverei‐ nigung Deutschlands sank die Geburtenziffer ab Mitte der 1990er Jahre in Ostdeutschland erheblich, was auch auf die vielfältigen Veränderungen und Unsicherheiten sowie die wirtschaftlichen Einschnitte in Ostdeutschland zurückzuführen ist. Seit der Jahrtausendwende steigen die Geburten in Ostdeutschland wieder an und lagen im Jahr 2015 mit 1,52 Geburten je Frau etwas höher als in Westdeutschland mit 1,50 Geburten je Frau. (vgl. Demografie-portal.de. Zusammengefasste Geburtenziffer). Insgesamt sind die dauerhaft niedrigen Geburtenziffern eine wesentliche Ursache für die zunehmende Alterung und die langfristige Schrumpfung der deutschen Bevölkerung. So führen die niedrigen Geburtenziffern zu einem erheblichen Rückgang junger Menschen in Deutschland und einer deutli‐ chen Verschiebung der Altersstrukturen hin zu älteren und hochaltrigen Menschen in Deutschland. Unterstützt wird diese Entwicklung durch das 2 Aktuelle Herausforderungen 54 <?page no="55"?> gute Gesundheitssystem, eine gesündere Lebensweise und eine insgesamt steigende Lebenserwartung der deutschen Bevölkerung. Vor allem der steigende Anteil älterer Menschen stellt die Sozialpolitik in den nächsten Jahrzehnten vor große Herausforderungen, da die zahlenmäßig stärkste Baby-Boomer-Generation in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen wird (vgl. Sozialpolitik aktuell o. J.). 2.1.1.5 Veränderung der Bevölkerung nach Altersgruppen 2018 bis 2060 Wie die Abbildung 14 mit den Daten der 14. Koordinierten Bevölkerungs‐ vorausberechnung zeigt, hat und wird sich die Altersstruktur der deutschen Bevölkerung im Zeitraum von 1970 bis 2060 erheblich verändern. Bevölkerungsentwicklung und Altersstruktur Quelle: Statistisches Bundesamt: Bevölkerung Deutschlands bis 2060, Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Bevölkerung in absoluten Zahlen, Anteile der Altersgruppen in Prozent, 1970 bis 2060 Lizenz: Creative Commons by-nc-nd/ 3.0/ de Bundeszentrale für politische Bildung 2019 | www.bpb.de Abbildung 14: Bevölkerungsentwicklung nach Altersstrukturen von 1970 bis 2060. Quelle: BPB Altersstruktur 2019 Der Anteil der unter 20-Jährigen lag 1970 bei 29,7 %, im Jahr 2017 bei 18,4 % und wird nach den aktuellen Berechnungen bis zum Jahr 2060 auf einem ähnlichen Niveau bei 18,0 % verharren. Demgegenüber wird der Anteil der über 67-Jährigen von 11,1 % im Jahr 1970 bis zum Jahr 2060 vermutlich auf 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 55 <?page no="56"?> 27,4 % ansteigen. Die Altersgruppe der Erwerbstätigen zwischen 20 und 67 Jahren ist von 59,2% im Jahr 1970 auf 62,5% im Jahr 2018 angestiegen und wird bis zum Jahr 2060 vermutlich auf 54,6 % zurückgehen. (vgl. Statistisches Bundesamt 2018; BPB Altersstruktur 2019). Die Anzahl der Hochaltrigen wird sich zukünftig auch stark erhöhen. Betrug der Anteil der Hochaltrigen im Jahr 1970 nur 1,9 % (1,2 Millionen Menschen), so stieg er bis zum Jahr 2017 auf 6,2 % (6,2 Millionen Menschen) der Bevölkerung und wird sich vermutlich bis zum Jahr 2050 auf 12,1 % (9,7 Millionen Menschen) erhöhen, um dann bis zum Jahr 2060 auf 11,3 % (8,8 Millionen Menschen) etwas zurückzugehen (vgl. BPB Altersstruktur 2019). Insgesamt wird mit einem Bevölkerungsanstieg bis zum Jahr 2024 auf 83,7 Millionen Menschen gerechnet, der bis zum Jahr 2060 wieder auf ca. 78,2 Millionen Menschen zurückgehen wird. 2.1.1.6 Erwerbsbevölkerung Nach der internationalen Definition umfasst die Erwerbsbevölkerung alle Menschen im erwerbsfähigen Alter von 15 Jahren bis unter 75 Jahren (vgl. BIB 2019). Seit 1950 ist die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15 -74 Jahre) in Deutschland stetig gewachsen. Im Jahr 2005 erreichte sie ihren Höchststand mit 64 Millionen Erwerbsfähigen. In den folgenden Jahren ging die Erwerbsbevölkerung Demografie bedingt wieder zurück und belief sich im Jahr 2018 auf 62,2 Millionen Menschen (vgl. BIB 2019). Bis zum Jahr 2050 wird mit einem weiteren Rückgang der Erwerbsbevölkerung um 6,1 Millionen Personen auf 56,1 Millionen Menschen gerechnet; diese entspricht der Erwerbsbevölkerung des Jahres 1968. Dieser Rückgang wird sich vermutlich auch bei einer steigenden zukünftigen Zuwanderung nach Deutschland fortsetzen. Neben dem absoluten Rückgang der Erwerbsbevölkerung verschieben sich auch die Anteile der Altersgruppen der Erwerbsbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten, wie die Abbildung 15 zeigt. Besonders gravierend ist der steigende Anteil der Erwerbspersonen im Alter von 60 bis 74 Jahre, ihr Anteil wird voraussichtlich von 22% im Jahr 2018 auf 27% im Jahr 2060 deutlich zunehmen. Auch der Anteil der Erwerbstätigen zwischen 45 und 59 Jahren wird von vermutlich von 31% im Jahr 2018 auf 27% im Jahr 2060 zurückgehen. Die Erwerbsbevölkerung im Alter von 30 bis 44 Jahren nimmt vermutlich nur um 1% von 25% auf 24% bis zum Jahr 2060 ab und die junge Erwerbsbevölkerung im Alter von 15 bis 29 wird wohl bei einem Anteil von 22% an der Erwerbsbevölkerung stagnieren. Dabei ist zu berücksichtigen, 2 Aktuelle Herausforderungen 56 <?page no="57"?> dass die Anzahl der jungen und mittelalten Erwerbsbevölkerung faktisch abnehmen wird, da sich die Gesamtzahl der Erwerbsbevölkerung verringert. Hier müssen also zwei Effekte berücksichtigt werden: Erstens schrumpft die absolute Anzahl der Erwerbsbevölkerung in Deutschland. Zweitens nimmt der Anteil der älteren Erwerbstätigen bis zum Jahr 2030 deutlich zu, d. h. bis der geburtenstarke Baby-Boomer-Jahrgang in den Ruhestand gehen wird. In den darauffolgenden Jahren wird die Erwerbsbevölkerung insgesamt zurückgehen und zeitweise leicht jünger werden (vgl. BIB 2019). Abbildung 15: Erwerbsbevölkerung nach Altersgruppen 1960 bis 2050. Quelle: BIB 2019: www.demografie-portal.de/ SharedDocs/ Informieren/ DE/ ZahlenFakten/ Erw erbsbevoelkerung_Altersgruppen.html. Abruf: 13.09.2020; 25.01.2021. Die prognostizierten Veränderungen der deutschen Bevölkerungen haben vielfältige Auswirkungen auf die Gesellschaft, die Menschen und auch auf die Unternehmen. Gesellschaftliche Auswirkungen Wie die vorangegangene Datenanalyse belegt, befindet sich Deutschland bereits mitten im demografischen Wandel. Heute sind 50% der deutschen Bevölkerung älter 45 Jahre und 20% der deutschen Bevölkerung sind älter als 66 Jahre (vgl. Destatis Demografischer Wandel 2020). Diese starke Zunahme an älteren Menschen resultiert aus dem Altern der heute zahlenmäßig dominierenden mittleren Jahrgänge. Zusätzlich hat sich die Lebenserwartung der deutschen Bevölkerung erhöht, was dazu führt, dass der Anteil der Hochaltrigen, d. h. der über 80-jährigen Menschen 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 57 <?page no="58"?> 1 Die aktiv Versicherten sind solche pflichtversicherten Personen, die ihre Anwart‐ schaften durch das Entrichten von Beiträgen erwerben beziehungsweise für welche Beiträge als entrichtet gelten (Beitragszahler), sowie Personen, die gegenwärtig An‐ rechnungszeiten zurücklegen. Dem stehen die passiv Versicherten gegenüber, die in der Vergangenheit einen Anspruch auf Leistungen erworben haben, aber noch keine Rente beziehen. Dazu zählen insbesondere die latent Versicherten, also die Personen, die weder am Stichtag noch sonst im Berichtsjahr der Statistik einen Beitrag oder eine Ausfallzeit aufweisen. Latent versichert sind überwiegend Personen, die tatsächlich keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung mehr entrichten, zum Beispiel Hausfrauen, Beamte und Selbstständige, die aber früher Beiträge entrichtet haben.“ (demografie-portal.de Altersrentner). im Jahr 2017 bei 5,2 Millionen bzw. 6.2% lag, bis zum Jahr 2050 auf 9,7 Millionen Menschen bzw. 12,1% ansteigen und im Jahr 2060 auf 8,8 Millionen Menschen bzw. 11,3% zurückgehen wird (vgl. BPB Altersstruktur 2019). Die Zahl der Menschen im Alter ab 67 Jahren wird von 19,1% im Jahr 2018 auf 27,4% im Jahr 2060 stark ansteigen. Demgegenüber wird der Anteil der unter 20-Jährigen ähnlich niedrig bleiben (2018: 18,4%, 2060: 18.0%). (vgl. BPB Altersstruktur 2019). Diese Entwicklung der Altersstrukturen bedeutet für unsere Gesellschaft mehrfache große Herausforderungen. Sicherung des Generationenvertrages der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland Besonders betroffen von der Entwicklung der Altersstrukturen ist die ge‐ setzliche Rentenversicherung in Deutschland. Seit 1957 finanziert sich die gesetzliche Rentenversicherung überwiegend durch ein Umlageverfah‐ ren, das auch als Generationenvertrag bezeichnet wird. Die Renten der älte‐ ren Generationen werden durch die erwerbstätigen Generationen finanziert. Dadurch erwerben die aktuell erwerbstätigen Generationen den Anspruch, dass ihre Renten später auch von den dann erwerbstätigen Generationen getragen werden. Da die Rentenversicherung nur wenige Rücklagen bilden kann, müssen relativ zeitgleich die jeweiligen Renteneinnahmen durch die erwerbstätigen Beitragszahler der Höhe der zu leistenden Rentenzah‐ lungen an die Rentner entsprechen. Dabei bestimmt das Verhältnis der Betragszahler zu den Rentenempfängern die finanzielle Tragfähigkeit dieses Umlageverfahrens. (vgl. Demografie-portal Altersrentner). Gerade diese Re‐ lation zwischen Beitragszahlern und Rentenbeziehern hat sich in den letzten sechzig Jahren drastisch verändert, wie die Abbildung 16 zeigt. So trugen im Jahr 1962 sechs aktiv versicherte Erwerbstätige 1 die Rentenzahlungen für einen Altersrentner. Im Jahr 1973 waren es nur noch vier Erwerbstätige, die 2 Aktuelle Herausforderungen 58 <?page no="59"?> die Rentenzahlung eines Rentners finanzierten. Nur noch drei Beitragszahler mussten im Jahr 1992 die Rentenzahlungen eines Rentners tragen und im Jahr 2017 musste die Rentenzahlung für einen Rentner nur noch bei zwei Betragszahlern erbracht werden. (vgl. ebenda). Hierbei muss berücksichtigt werden, dass die Anzahl der Beitragszahler über die Jahre deutlich gestiegen ist. So betrug die Anzahl der Beitragszahler im Jahr 2017 38, 2 Millionen aktiv Versicherte. Zeitgleich ist jedoch auch die Anzahl der Rentenempfänger stark gewachsen, sie betrug im Jahr 2017 18,25 Millionen Altersrentner (vgl. Statista 2020). Wenn die geburtenstarke Generation der Baby-Boomer in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen wird und Renteneinkünfte bezieht, wird sich das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentenbeziehern noch einmal vermindern. Zusätzlich schrumpft auch die zukünftige Anzahl der beitragszahlenden Erwerbsbevölkerung, was die Beitragslast für den einzelnen Beitragszahler deutlich erhöhen wird. Abbildung 16: Verhältnis von Beitragszahlern zu Altersrentnern in der ge‐ setzlichen Krankenversicherung. Quelle: www.demografie-portal.de/ DE/ Fakten/ alt ersrentner-beitragszahler.html. Abbildung: www.demografie-portal.de/ DE/ Fakten/ Bi lder/ altersrentnerbeitragszahler.png; jsessionid=2FD5CF8DE5D6B049D2D152E2A5 D0F57C.intranet661? __blob=normal&v=3. Abruf: 14.08.2020; 25.01.2021. Die Politik arbeitet bereits seit gut zwei Jahrzehnten an verschiedenen Strategien, um das deutsche Rentensystem an die demografischen Entwick‐ lungen anzupassen (z.B. die Einführung des demografischen Faktors Ende der 1990er Jahre unter Bundeskanzler Helmut Kohl, der Nachhaltigkeits‐ 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 59 <?page no="60"?> faktor durch Bundeskanzler Gerhard Schröder) (vgl. Seniorenbedarf.de 2020). Dass unser Rentensystem vor gravierenden Veränderungen steht, wird in den staatlichen Förderprogrammen einer privaten Altersvorsorge („Riester-Rente“) deutlich sowie in der schrittweisen Anhebung des Ren‐ teneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre der aktuellen Regierung unter Kanz‐ lerin Angela Merkel sowie den aktuellen Diskussionen um eine weitere schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters (vgl. Hochstätter 2020; Spiegel-Ausgabe vom 14.08.2020). Neben der deutlich steigenden Anzahl der Rentenempfänger werden sich aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung auch die Dauer der Rentenzahlungen verlängern; beides wird die Situation der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland verschärfen. Hinzukommt als weiteres Problem die bei ca. 1,5 Geburten je Frau stagnierende Gebur‐ tenrate, die zu einer insgesamt schrumpfenden Bevölkerung und damit zu einer geringeren Anzahl an potenziellen Beitragszahlern führt, was die Entwicklung des Rentensystems zusätzlich belastet. Steigender Betreuungs- und Pflegeaufwand Im Jahr 2019 waren in Deutschland 4,13 Millionen Menschen pflegebedürf‐ tig (vgl. Destatis Pflege 2020). Die Entwicklung der Pflegebedürftigen in Deutschland seit dem Jahr 2000 zeigt Abbildung 17. Abbildung 17: Anzahl der Pflegebedürftigen in Deutschland vom Jahr 2000 bis 2019. Quelle: www.demografie-portal.de/ DE/ Fakten/ Bilder/ gross/ pflegebeduerftige.png? __ blob=publicationFile&v=4. Abruf: 25.01.2021. 2 Aktuelle Herausforderungen 60 <?page no="61"?> Die steigende Anzahl der über 65-Jährigen und über 80-Jährigen erfordert zukünftig auch umfangreichere und längerfristige Betreuungs- und Pfle‐ gemaßnahmen sowie eine umfangreichere medizinische Versorgung für diejenigen, die im Alter nicht mehr alleine zurechtkommen oder krank werden. Dies führt u. a. zu steigenden Kosten, die trotz der schon heute stei‐ genden Beiträge zur Pflege- und Krankenversicherung zukünftig durch das Sozialversicherungssystem nur bedingt getragen werden können. Darüber hinaus werden große Belastungen für die Generationen der Erwerbstätigen entstehen, die zu einem wesentlichen Anteil die Betreuung und Pflege ihrer Eltern übernehmen muss, gleichzeitig aber noch im Beruf steht und zum Teil selbst noch betreuungsbedürftige Kinder hat. So betrug der An‐ teil der Pflegebedürftigen, die im Jahr 2019 zu Hause überwiegend von Angehörigen betreut wurden, 56% (vgl. Abbildung 18). Zusätzlich wurden 24% der Pflegebedürftigen wurden zu Hause durch ambulante Pflege- und Betreuungsdienste versorgt. (vgl. Destatis Pflege 2020). Abbildung 18: Pflegebedürftige nach Versorgungsart im Jahr 2019. Quelle: www.demografie-portal.de/ DE/ Fakten/ Bilder/ gross/ pflegebeduerftige-versor gung.png? __blob=publicationFile&v=4 Abruf: 25.01.2021. Für diese sog. Sandwich-Generation werden dadurch soziale, finanzielle und zeitliche Probleme stark zunehmen, die den Ausgleich zwischen den 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 61 <?page no="62"?> verschiedenen Arbeits- und Lebensbereichen erschweren. Hier wird die Relevanz wirksamer Work-Life-Balance-Maßnahmen besonders deutlich. Schrumpfung und Alterung der Erwerbsbevölkerung Im Zuge des demografischen Wandels schrumpft und altert auch das Er‐ werbspersonenpotenzial deutlich. So reduziert sich die Anzahl der Personen im erwerbsfähigen Alter (20-Jährige bis unter 65-Jährige) von 62,2 Millionen Menschen im Jahr 2018 auf vermutlich 56,1 Millionen Erwerbstätige im Jahr 2050 (vgl. BIB 2019: Demografie-porteal.de Erwerbsbevölkerung). Parallel zur Schrumpfung nimmt der Anteil der Jüngeren im Erwerbsalter ab und die Anteile der Mittelalten und Älteren im Erwerbsalter nehmen zu. Dabei sind in den verschiedenen Altersgruppen des Erwerbspersonenpotenzials unterschiedliche Veränderungen absehbar (vgl. Abbildung 15). Für die Unternehmen bedeutet dies, dass der Anteil der älteren Erwerbs‐ tätigen in den Belegschaften zukünftig ansteigen wird. So waren im Jahr 2018 25% der Mitarbeiter zwischen 30 Jahren und 44 Jahren alt, 31% der Mitarbeiter zwischen 45 Jahren und 59 Jahren und 22% der Mitarbeiter zwischen 60 und 74 Jahren alt. Bis zum Jahr 2050 wird sich die Altersstruktur der Erwerbstätigen vermutlich derart verschieben, dass der Anteil der jungen Mitarbeiter zwischen 15 Jahren und 29 Jahren bei 22% stagniert, der Anteil der 30-Jährigen bis 44-Jährigen auf 24% sinkt und auch der Anteil der 45-Jährigen bis 59-Jährigen auf 27% zurückgeht. Demgegenüber wird sich der Anteil der 60-Jährigen bis 74-Jährigen auf 27% erhöhen (vgl. Abbildung 15; vgl. BIB 2019: Demografie-portal: Erwerbsbevölkerung). Die Unternehmen müssen also zukünftig mit insgesamt älteren Beleg‐ schaften genauso leistungs- und wettbewerbsfähig sein, wie heute mit ihren jüngeren Mitarbeitern. Das wird nicht einfach, zumal noch nicht absehbar ist, ob mit einer älter werdenden Belegschaft auch die Kosten für Krankheit und Fehlzeiten ansteigen werden. Zwar werden ältere Mitarbeiter nicht häufiger krank als ihre jüngeren Kollegen, allerdings brauchen die Älteren im Durchschnitt mehr Zeit, bis sie wieder arbeitsfähig sind (vgl. Moschhäu‐ ser 2001, S. 27 f.). Früher wurden ältere Mitarbeiter häufiger weit vor Eintritt in das Rentenalter (65 Jahre) in die Altersteilzeit oder den Vorruhestand geschickt. Heute und in Zukunft werden sich die Unternehmen diese vorzeitige Trennung von älteren Mitarbeitern aufgrund des schrumpfenden Erwerbspersonenpotenzials nicht mehr leisten können. Vielmehr gilt es, die Qualifikationen und Fähigkeiten der älteren Mitarbeitenden weiter zu entwickeln und ihr erfahrungsorientiertes und unternehmensspezifisches 2 Aktuelle Herausforderungen 62 <?page no="63"?> Wissen möglichst lange zu nutzen. Viele Unternehmen unterschätzen im‐ mer noch die Gefahr des Wissensverlustes, die aus dem baldigen (ca. ab 2020) Austritt der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Arbeitsleben für die Unternehmen entstehen können, sofern nicht geeignete Strategien der Wissensbewahrung in den Unternehmen entwickelt und eingesetzt werden (vgl. Kirschten 2010). Für die Unternehmen besteht hier ein großer Handlungsbedarf, um ihre älter werdenden Belegschaften leistungsfähig, gesund und motiviert zu halten (z.B. durch altersgerechter Arbeitsplätze und Aufgabenbereiche, ein betriebliches Gesundheitsmanagement und Qualifikationsangebote). Work- Life-Balance Maßnahmen gewinnen in diesem Zusammenhang stark an Bedeutung, zumal die beruflichen Anforderungen an die Beschäftigten und ihre Arbeitsbelastungen im Beruf zukünftig durch die Verbreitung digitaler Technologien in den Unternehmen noch steigen werden. Darüber hinaus werden die Beschäftigten zukünftiger länger arbeiten müssen, schon heute ist die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre beschlossen. Durch speziell auf ältere Mitarbeiter ausgerichtete Work-Life-Balance-Maß‐ nahmen können die Unternehmen ihren älteren Mitarbeitern auch ihre Wertschätzung ausdrücken, die sich bislang häufig schwerpunktartig auf jüngere Mitarbeiter konzentriert. Steigende Fachkräfteengpässe und Generationenvielfalt Im Zuge des demografischen Wandels werden die jüngeren und gut ausge‐ bildeten Nachwuchskräfte noch rarer. Dies wird den Wettbewerb um gut qualifizierte Fach- und Führungsnachwuchskräfte zusätzlich verschärfen. Hier können unternehmensbzw. berufsbezogene Work-Life-Balance Maß‐ nahmen u. a. geeignete Anreize bieten, um sich im Zuge des Employer Branding als attraktiver Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt zu präsentieren und sich von anderen Arbeitgebern abzuheben sowie die bereits im Unter‐ nehmen beschäftigten Mitarbeitenden stärker an sich als Arbeitgeber zu binden, wofür der Aufbau eines Retentionmanagements im Unternehmen wichtig ist (vgl. DGFP 2014). Als weitere Herausforderung für die Unternehmen werden aufgrund des demografischen Wandels zukünftig vermehrt drei bis vier verschiedene Gene‐ rationen gleichzeitig im Unternehmen arbeiten. Diese Generationenvielfalt bietet Vorteile, z.B. die Nutzung und Ergänzung unterschiedlicher Fähigkeiten, Kompetenzen und Erfahrungen, birgt jedoch auch Schwierigkeiten, die durch das unterschiedliche Selbstverständnis der jeweiligen Generationen und deren 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 63 <?page no="64"?> Abgrenzung voneinander die Zusammenarbeit im Unternehmen erschweren können (vgl. Bruch/ Kunze/ Böhm 2010, S. 44). Auch hier können Work-Life- Balance Maßnahmen helfen, spezifischer auf die verschiedenen Anforderun‐ gen, Präferenzen und Bedürfnisse der jeweiligen Generationen einzugehen und so die Motivation und Leistungsfähigkeit der unterschiedlichen Generationen angehörenden Mitarbeitenden zu erhalten. 2.1.2 Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen für ein nachhaltiges Wirtschaften Angesichts vielfältiger nationaler und internationaler ökologischer (z.B. Kli‐ mawandel, Umweltverschmutzung, CO2-Emissionen, Erschöpfung nicht-re‐ generativer und regenerierbarer Ressourcen), ökonomischer (wirtschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse, komplexe Wertschöpfungsketten, Ressourcensi‐ cherung) und sozialer (z.B. Armut, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, nicht Existenz sicherende Entlohnung, gesundheitsschädliche Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Chancenungleichheit) Probleme und Herausfor‐ derungen sind Unternehmen (und auch Organisationen) zunehmend gefordert, eine gesellschaftliche Verantwortung für die ökologischen, sozialen und öko‐ nomischen Auswirkungen ihres Handelns zu übernehmen. Hierfür haben sich in Theorie und Praxis unterschiedliche Konzepte entwickelt; zu den viel diskutierten Konzepten gehören die Corporate Social Responsiblity, das nachhaltige Wirtschaften und das Nachhaltigkeitsmanagement. Die Konzepte werden im Folgenden näher vorgestellt. 2.1.2.1 Corporate Social Responsibility Vorschläge zu einer gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen im Zusammenhang mit der Begrifflichkeit Corporate Social Responsibility und im Hinblick auf ein nachhaltiges Wirtschaften gibt es schon seit ca. siebzig Jahren. Inhaltlich hat sich das Begriffsverständnis der Corporate Social Responsibility im Zeitverlauf jedoch verändert. Die Publikation „Social Resonsibilities of the Businessmen“ von Bowen im Jahr 1953 gilt als Ursprung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Corporate Social Responsibility in den USA (vgl. Loew/ Rohde 2013). Browen argumentiert, dass Unternehmen eine soziale Verantwortung ha‐ ben, da sie gesellschaftliche Rechte in Anspruch nehmen und daher auch die Erwartungen und Werte der Gesellschaft berücksichtigen müssen (vgl. Loew/ Rohde 2013, S. 8). 2 Aktuelle Herausforderungen 64 <?page no="65"?> In den 1960er Jahren entstand eine intensivere Diskussion zum Thema Corporate Social Responsibility, die verschiedene Sichtweisen und Begriffs‐ abgrenzungen zur CSR hervorbrachte. Beispielsweise wurde zu Beginn der 1960er Jahre noch die Verantwortung der Manager hervorgehoben. Demgegenüber vertrat Davis (1967) die Ansicht, dass die Auswirkungen des gesamten Unternehmens auf die Gesellschaft im Zentrum des Ansatzes stehen sollte (vgl. Loew / Rohde 2013, S. 8; Carroll 1999). In den folgenden Jahrzehnten prägten insbesondere Archie B. Carroll und Sandra Waddock die Diskussion und Forschung zum Thema Corporate Social Responsibility in den USA. Der Schwerpunkt des amerikanischen CSR-Ansatzes bezog sich darauf, „was Unternehmen mit dem erwirtschafteten Gewinn machen und nicht darauf wie sie den Gewinn erwirtschaften“ (Loew/ Rohde 2013, S. 8). Dabei wird das CSR-Verständnis häufig durch vier Ebenen der unter‐ nehmerischen Verantwortung charakterisiert: die ökonomische, die legale, die ethische und die philanthropische Verantwortung (Carroll 1991). Insgesamt wurde im angloamerikanischen Sprachraum unter Corporate Social Responsibility eher ein gesellschaftliches und bürgerschaftliches Engagement verstanden (vgl. Loew/ Rohde 2013, S. 8). Auch wurde der engli‐ sche Begriff „social“ im Deutschen eher mit „sozial“ als mit „gesellschaftlich“ übersetzt. So wurden mit dem Begriff Corporate Social Responsibility lange Zeit nur soziale Anliegen und Forderungen verbunden, jedoch keine umweltorientierten Ansprüche (vgl. Fabisch 2004, S. 30). Zusätzlich hat sich in Deutschland in den 1980er Jahren aus der Umweltschutzorientierung das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung entwickelt. Dies führte dazu, dass mit dem Begriff Corporate Social Responsibility eher ein soziales Engage‐ ment und mit dem Begriff der Nachhaltigkeit eher ein umweltorientiertes Handeln verbunden wurde (vgl. Fabisch 2017, S. 5). In den folgenden Jahren erweiterte sich das inhaltliche Verständnis der Corporate Social Responsiblity: Zusätzlich zu der sozialen bzw. gesell‐ schaftlichen Verantwortung entwickelte sich nun auch die Forderung nach einer ökologischen und ökonomischen Verantwortung der Unternehmen im Konzept der Corporate Social Responsibility. (vgl. Fabisch 2017, S. 5). Wesentlich zur Erweiterung des Begriffsverständnisses der CSR beigetra‐ gen haben in Europa drei Initiativen: Die DIN ISO Norm 26000 von 2010 (letzte Fassung von November 2011), das EU-Grünbuch (vgl. EU-Kommis‐ sion 2001) von 2001 und die EU-Strategie von 2011 bis 2014 für die soziale Verantwortung von Unternehmen (vgl. EU-Kommission 2011). In diesen 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 65 <?page no="66"?> Initiativen wurde neben der sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung explizit auch die Verantwortung für die Umwelt benannt und integriert. DIN ISO 26000 Die DIN ISO 26000 ist die erste Norm zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen (DIN ISO 26000). Diese freiwillige Norm entstand durch eine sechsjährige Zusammenarbeit unterschiedlicher Stakeholdergruppen aus über 40 Organisationen und aus fast 100 Ländern in den Jahren 2004 bis 2010. Sie richtet sich nicht nur an Unternehmen, sondern an alle Organisa‐ tionen, unabhängig von deren Größe, Tätigkeitsfeld, Eigentümerstruktur, der Kultur und dem gesellschaftlichen Kontext und ist damit universell anwendbar (vgl. BMAS 2011, S. 7). Deshalb wird in der DIN ISO 26000 auch der Begriff der Social Responsiblity (SR) verwendet und nicht der Begriff der Corporate Social Responsibility (CSR) (vgl. Loew/ Rohde 2013, S. 7). Die inhaltlichen Kernthemen der DIN ISO 26000 beziehen sich auf die „Organisationsführung, Menschenrechte, Arbeitspraktiken, Umwelt, faire Betriebs- und Geschäftspraktiken, Konsumentenanliegen sowie Einbindung und Entwicklung der Gemeinschaft“ (BMAS 2011, S. 7). Damit bildet diese Norm einen inhaltlich umfassenden und einheitlichen Referenzrahmen zur Auseinandersetzung der Unternehmen mit ihrer gesellschaftlichen Verant‐ wortung und den eigenen Beiträgen zu einer nachhaltigen Entwicklung. Die freiwillige Umsetzung der Norm kann durch die Verknüpfung mit spezifischen Standards und Initiativen ergänzt werden. Beispielsweise kann die DIN IS0 26000 zur Umsetzung der Verpflichtungen im Rahmen der UN Global Compact Initiative genutzt werden oder auch als Orientierung für die Berichterstattung im Rahmen der Global Reporting Initiative (GRI). Gesellschaftliche Verantwortung wird in der Norm definiert als die „Verantwortung einer Organisation für die Auswirkungen ihrer Entscheidungen und Aktivitäten auf die Gesellschaft und die Umwelt durch transparentes und ethisches Verhalten, das ▸ zur nachhaltigen Entwicklung, Gesundheit und Gemeinwohl beiträgt, ▸ die Erwartungen der Anspruchsgruppen berücksichtigt, ▸ anwendbares Recht einhält und im Einklang mit internationalen Ver‐ haltensstandards steht, ▸ in der gesamten Organisation integriert ist und ▸ in ihren Beziehungen gelebt wird“. (DIN ISO 26000). 2 Aktuelle Herausforderungen 66 <?page no="67"?> Damit werden die Intentionen der Norm deutlich: „Jede Organisation soll anerkennen, dass ihre Entscheidungen und Tätigkeiten immer Auswirkungen auf die Gesellschaft und Umwelt haben. Davon ausgehend sollte jede Organisation ihre Aktivitäten so gestalten, dass sie betroffene Interessen berücksichtigt und zu einer nachhaltigen Entwicklung beiträgt. D.h. sie sollte eine Perspektive über eine Generation hinaus entwickeln, die dazu beiträgt, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, den sozialen Zusammenhalt zu stärken und das wirtschaftliche Leistungsvermögen zu fördern, damit auch für kommende Generationen Wohlstand gesichert werden kann.“ (BMAS 2011, S. 11). Grünbuch zu den Europäischen Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen Im Jahr 2001 hat die EU-Kommission das Grünbuch zu den „Europäi‐ schen Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Un‐ ternehmen“ veröffentlicht. Darin definiert die EU-Kommission Corporate Social Responsibility als „ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihrer Tätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit ihren Stakeholdern zu integrie‐ ren“ (Europäische Kommission 2001). Dadurch sollen Unternehmen eine nachhaltige Entwicklung fördern. Als wesentliche unternehmensinterne Handlungsfelder der Corporate Social Responsibility werden in dem Grün‐ buch von 2001 das Humanressourcenmanagement, der Arbeitsschutz, die Anpassung an den Wandel, Umweltauswirkungen und die Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen genannt. Zu den wesentlichen unternehmensexter‐ nen Handlungsfeldern gehören lokale Gemeinschaften, die Geschäftspart‐ ner, die Zulieferer und Verbraucher, die Beachtung der Menschenrechte sowie der globale Umweltschutz. Insgesamt steht dabei die Freiwilligkeit des Unternehmenshandelns im Vordergrund. (vgl. EU-Kommission 2001). EU-Strategie von 2011 bis 2014 für die soziale Verantwortung von Unternehmen Im Zuge der erarbeiteten EU-Strategie von 2011 bis 2014 für die soziale Verantwortung von Unternehmen legte die EU-Kommission im Jahr 2011 in der CSR-Mitteilung eine neue CSR-Definition vor. Danach ist Corporate Social Responsibility die „Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswir‐ kungen auf die Gesellschaft“ (Europäische Kommission 2011, S. 7). 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 67 <?page no="68"?> Die EU-Kommission erläutert dies wie folgt: „Nur wenn die geltenden Rechtsvorschriften und die zwischen Sozialpartnern beste‐ henden Tarifverträge eingehalten werden, kann diese Verantwortung wahrgenom‐ men werden. Damit die Unternehmen ihrer […] [gesellschaftlichen] Verantwortung in vollem Umfang gerecht werden, sollten sie auf ein Verfahren zurückgreifen können, mit dem soziale, ökologische, ethische, Menschenrechts- und Verbraucher‐ belange in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsführung und in ihre Kernstrategie integriert werden. Auf diese Weise ▸ soll die Schaffung gemeinsamer Werte für die Eigentümer/ Aktionäre der Unternehmen sowie die übrigen Stakeholder und die gesamte Gesell‐ schaft optimiert werden; ▸ sollen etwaige negative Auswirkungen aufgezeigt, verhindert und abge‐ federt werden.“ (Europäische Kommission 2011: 7) Diese neue Definition der EU von Corporate Social Responsibility betont nicht nur die Verantwortung der Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft, sondern formuliert ausdrücklich, dass auch die sozialen, ökologischen und ethischen Auswirkungen sowie die Menschenrechts- und Verbraucherbelange beim Unternehmenshandeln mitberücksichtigt werden sollen. Durch die Anwendung geeigneter Verfahren, im Sinne von Mana‐ gementpraktiken (CSR-Management), sollen die Unternehmen mögliche negative Auswirkungen ihres Handelns erkennen und anzeigen, wenn möglich verhindern oder wenigstens abmildern. Dabei müssen natürlich die geltenden Rechtsvorschriften und Tarifverträge eingehalten werden. (vgl. (Institut for Sustainability (o. J.): Definition CSR. www.4sustainability.de/ co rporateresponsibility/ definitionen/ csr.html. Abruf: 19.08.2020). Das aktuelle Verständnis der Corporate Social Responsibility wird in dem folgenden Zitat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales deutlich: 2 Aktuelle Herausforderungen 68 <?page no="69"?> „Unter "Corporate Social Responsibility" oder kurz CSR ist die gesell‐ schaftliche Verantwortung von Unternehmen im Sinne eines nachhalti‐ gen Wirtschaftens zu verstehen. CSR ist die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesell‐ schaft. Dies umfasst soziale, ökologische und ökonomische Aspekte, wie sie etwa in international anerkannten Referenzdokumenten zur Unternehmensverantwortung ausgeführt sind, insbesondere in der ILO-Grundsatzerklärung über Unternehmen und Sozialpolitik, den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen, den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, im UN Global Compact oder in der ISO 26000. Konkret geht es beispielsweise um faire Geschäftspraktiken, mitarbeiterorientierte Personalpolitik, sparsamen Einsatz von natürlichen Ressour‐ cen, Schutz von Klima und Umwelt, ernst gemeintes Engagement vor Ort und Verantwortung auch in der Lieferkette.“ (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2020: Nachhaltigkeit und CSR. In: www.csr-in-deutschland.de/ DE/ Was-ist-CSR/ Grundlagen/ Nachhaltigkeit-u nd-CSR/ csr-grundlagen.html. Abruf: 27.12.2020. Insgesamt zeigt die bisherige Begriffsdiskussion, dass sich das Verständ‐ nis der Corporate Social Responsibility im Zeitverlauf weiterentwickelt hat: Wurde anfangs nur die soziale bzw. gesellschaftliche Verantwortung gefordert, so hat sich das CSR-Verständnis nun erweitert auf die zusätz‐ liche Berücksichtigung von ökologischen und ökonomischen Aspekten des Unternehmenshandelns. Diese inhaltliche Erweiterung entspricht dem Verständnis einer nachhaltigen Entwicklung sowie den daraus abgeleiteten Konzepten eines nachhaltigen Wirtschaftens und eines unternehmerischen Nachhaltigkeitsmanagements. Dies hat dazu geführt, dass sich mittlerweile auch international das Verständnis durchgesetzt hat, dass die Begriffe und Konzepte der Corporate Social Responsibility und der nachhaltigen Entwicklung sowie des betrieb‐ lichen Nachhaltigkeitsmanagements inhaltlich weitgehend gleichzusetzen sind und damit auch gleiche Inhalte umfassen (vgl. Fabisch 2017, S. 5). 2.1.2.2 Nachhaltigkeitsmanagement Das Nachhaltigkeitsmanagement ist aus dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung entstanden. Es ist ein Managementansatz für Unternehmen, um im Rahmen der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen die drei Dimensionen der ökologischen Verträglichkeit, der sozialen Gerechtig‐ keit und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in das unternehmerische Handeln zu integrieren. Die Entwicklungsschritte vom Leitbild einer nach‐ 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 69 <?page no="70"?> haltigen Entwicklung hin zum betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagement werden im folgenden kurz vorgestellt. Prinzip der Nachhaltigkeit Dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung liegt das Prinzip der Nach‐ haltigkeit zugrunde, das ein resourcenökonomisches Handlungsprinzip zur Bewirtschaftung natürlicher regenerativer Ressourcen darstellt, das aus der Forstwirtschaft stammt (vgl. Kirschten 2017, S. 23). Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde von Hanns Carl von Carlowitz geprägt und erstmals in der von ihm verfassten Schrift „Sylvicultura oeconomica“ oder „haußwirtschaftlichen Nachricht und naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht“ in Leipzig im Jahre 1713 veröffentlicht (Carlowitz 1713). Die Nachhaltigkeit als Handlungsprinzip der Ressourcennutzung berücksichtigt die natürliche Regenerationsfähigkeit der Ökosysteme bei der Nutzung und Bewirtschaftung von Ressourcen. So kann eine natürliche Resource dauerhaft Ertrag bringend genutzt werden, ohne dass sie ihre wesentlichen Eigenschaften verliert (vgl. Antes 2014, S. 63 ff.; Pufé 2012, S. 28). Ausgehend von einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung wurde das Prinzip der Nach‐ haltigkeit später auch auf die Nutzung anderer natürlicher Ressourcen und Ökosysteme ausgedehnt. Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung Aus dem Prinzip der Nachhaltigkeit wurde das Leitbild einer nachhalti‐ gen Entwicklung entwickelt. Die Brundlandtkommission hat 1987 den Begriff einer nachhaltigen Entwicklung definiert, der bis heute gültig ist. Unter einer nachhaltigen Entwicklung versteht die Brundtlandkommis‐ sion „eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können“ (vgl. Hauff 1987). Mit diesem Begriffsverständnis sind vier Implikationen bzw. Erkenntnisse verbunden: 1. Bedürfnisorientierung: Bei der Gestaltung nachhaltiger Entwick‐ lungsprozesse geht es um die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. 2. Intergenerative Gerechtigkeit: Es dürfen nicht nur die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generationen berücksichtigt werden, sondern 2 Aktuelle Herausforderungen 70 <?page no="71"?> auch die Bedürfnisbefriedigung zukünftiger Generationen muss be‐ achtet werden. 3. Intragenerative Gerechtigkeit: Die Bedürfnisse der gegenwärtig lebenden Generationen können sehr unterschiedlich sein, je nachdem, ob es sich um die Bedürfnisse der Menschen in reichen Industrielän‐ dern, in Schwellenländern oder in armen wenig entwickelten Ländern handelt. Hier wird ein Ausgleich bei der Bedürfnisbefriedigung aller Menschen angestrebt. 4. Integration verschiedener Dimensionen: Eine nachhaltige Ent‐ wicklung kann nur gelingen, wenn dabei die drei Dimensionen der ökologischen Verträglichkeit, der sozialen Gerechtigkeit und der wirt‐ schaftlichen Leistungsfähigkeit gemeinsam berücksichtigt werden. (vgl. Kirschten 2017, S. 38). Der von der deutschen Bundesregierung berufene Rat für nachhaltige Ent‐ wicklung hat im Jahr 2016 den Begriff der nachhaltigen Entwicklung so formuliert: „Nachhaltige Entwicklung heißt, Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen. Zukunftsfähiges Wirtschaften bedeutet also: Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen.“ (Nachhaltigkeitsrat 2016). Für die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung in der Wirtschaft und in den Unternehmen haben sich im Zeitverlauf vielfältige Konzepte entwickelt. Dazu gehören u. a. das Konzept des nachhaltigen Wirtschaftens und das Konzept des Nachhaltigkeitsmanagements. Nachhaltiges Wirtschaften Ein nachhaltiges Wirtschaften berücksichtigt nicht nur die ökonomi‐ schen Auswirkungen, sondern auch die sozialen, gesellschaftlichen und ökologischen Auswirkungen des wirtschaftlichen Handelns von Akteuren. Hierbei kann es sich um das nachhaltige Handeln von Unternehmen, Organisationen, Institutionen oder Volkswirtschaften handeln. Häufig ge‐ nutzt wird der Begriff des nachhaltigen Wirtschaftens im nationalen bzw. internationalen Kontext (z.B. Länder, Weltwirtschaft). 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 71 <?page no="72"?> Nachhaltigkeitsmanagement Die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung in Unternehmen und Or‐ ganisationen (Behörden, Verbände, NGO´s) erfordert ein Nachhaltigkeits‐ management, das nicht nur die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, sondern gleichberechtigt auch die ökologischen und sozialen Auswirkungen des eigenen Handelns berücksichtigt mit dem Ziel einer wirtschaftlich leistungs‐ fähigen, ökologisch verträglichen und sozial gerechten Unternehmenstätig‐ keit. In Theorie und Praxis haben sich zahlreiche Ansätze und Konzepte zur Umsetzung eines Nachhaltigkeitsmanagements in Unternehmen entwickelt (vgl. z.B. Ackermann/ Müller/ Dickebohm 2013, S. 58 ff.; Meffert/ Kirchge‐ org 1998; Fichtner/ Clausen 1998; Schneidewind 1994; Schaltegger et.al. 2002; Grießhammer 2007; Hentze/ Thies 2012; Olbert-Bock u. a. 2015; Felll‐ ner/ Mayr/ Pirklbauer 2015; Baumast/ Pape 2021). Erinnern wir uns noch einmal an das heutige Verständnis von Corporate Social Responsibility, so wird die inhaltliche Nähe zwischen der Leitidee der Corporate Social Responsibily und dem Konzept des Nachhaltigkeitsmana‐ gements deutlich. Sowohl die Corporate Social Responsibility als auch das betriebliche Nachhaltigkeitsmanagement fordern von den Unternehmen, ökologisch, sozial und ökonomisch verantwortlich zu handeln. Da beide An‐ sätze ein nachhaltiges Unternehmenshandeln (bzw. Organisationshandeln) anstreben, werden sie in der Literatur und auch in der Praxis mittlerweile synonym verwendet (vgl. Loew/ Rohde 2013, S. 11). Den folgenden Ausfüh‐ rungen liegt ebenfalls ein synonymes Verständnis zwischen den Begriffen und Konzepten der Corporate Social Responsibility und des Nachhaltigkeits‐ managements zugrunde. 2 Aktuelle Herausforderungen 72 <?page no="73"?> Abbildung 19: Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens. Quelle: eigene Darstellung, inspiriert von: Fabisch 2017, S. 5. In der angloamerikanischen Literatur werden diese drei Handlungsbereiche der Nachhaltigkeit Ökonomie, Ökologie, Soziales als „Triple P“ bezeichnet, was die Verantwortung gegenüber „people, planet und profit“ bedeutet und auch als „Triple Bottom Line“ bezeichnet wird (vgl. Elkington 1997). Die Handlungsfelder eines verantwortungsvollen Unternehmenshan‐ delns erstrecken sich auf die ökologische Verträglichkeit im Umgang mit der Umwelt, die soziale Gerechtigkeit im Umgang mit den Mitarbeitenden und der Gesellschaft sowie die wirtschaftliche verantwortungsvolle Leistungs‐ fähigkeit im Hinblick auf den Markt. Die Abbildung 19 fasst die Verantwort‐ lichkeiten und Handlungsfelder der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen im Sinne eines betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagements noch einmal zusammen. Handlungsfelder des betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagements Die Handlungsfelder des betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagements um‐ fassen die ökologische Verantwortung, die soziale Gerechtigkeit (unterneh‐ mensintern und unternehmenseextern) sowie die ökonomische Verantwor‐ tung und Leistungsfähigkeit. 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 73 <?page no="74"?> Ökologische Verantwortung Die ökologische Verantwortung der Unternehmen betrifft die ökologische Verträglichkeit ihres Handelns im Hinblick auf die Umwelt. Dazu gehören insbesondere der Ressourceneinsatz, der Klimaschutz, ein umfassendes Re‐ cycling- und Abfallmanagement, die Reduzierung von Emissionen sowie der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energien. Umsetzen können Unternehmen ihre ökologische Verantwortung durch ein umfassendes Umweltmanage‐ ment, das beispielsweise durch die EMAS-Verordnung oder die ISO14000 zertifiziert und durch die Sustainable Balanced Scorecard unterstützt und gemessen werden kann. Auch wenn in Deutschland rechtliche Regelun‐ gen und vielfältige Ansätze zum Umweltmanagement bereits seit den 1970er Jahren entwickelt und vorangetrieben wurden, bieten sich auch heute noch vielfältige Möglichkeiten und Notwendigkeiten, das betriebliche Umweltmanagement zu verbessern. Insbesondere die Reduzierung des Res‐ sourceneinsatzes und Energieverbrauchs sowie die Substitution nicht-rege‐ nerierbarer durch regenerierbare Ressourcen und der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energien, aber auch die Vermeidung und Verminderung von Abfällen und Emissionen, kreislauforientierte Produktionsverfahren und recyclingfähige Produktgestaltungen sind wichtige Handlungsfelder. Die ökologische Verantwortung der Unternehmen wird vor allem durch zwei Aspekte sehr deutlich: Erstens entscheiden die Unternehmen selbst‐ ständig über die von ihnen eingesetzten Ressourcen und Produktionsver‐ fahren bzw. Verfahren der Leistungserstellung. Hier bestehen erhebliche Entscheidungsspielräume, inwieweit vorrangig regenerative Ressourcen eingesetzt werden, unter welchen ökologischen und sozialen Bedingungen die einzusetzenden Rohstoffe und Ressourcen gewonnen wurden (z.B. mit oder ohne Kinderarbeit, unter ökologisch verträglichen Bedingungen oder mit erheblichen Umweltbelastungen etc.) und wie umweltverträglich die Transporte und Logistik gestaltet werden. Der zweite sehr wichtige Gestaltungsbereich der Unternehmen bezieht sich auf die Inhaltstoffe, Kon‐ struktion (z.B. Reparaturfähigkeit von Produkten) und Recyclingfähigkeit der hergestellten Produkte bzw. Dienstleistungen selbst. Die Übernahme einer ökologischen Verantwortung durch die Unterneh‐ men fördert auch ihre Attraktivität als Arbeitgeber, da einem steigenden Anteil der potenziellen und bereits beschäftigten Mitarbeitenden das öko‐ logische Engagement ihres Arbeitgebers wichtig ist und zunehmend auch bei der Wahl des Arbeitgebers berücksichtigt wird. Zusätzlich wünschen sich immer mehr Mitarbeitende bei ihrer Erwerbstätigkeit die Ausübung 2 Aktuelle Herausforderungen 74 <?page no="75"?> sinnstiftender Aufgabenbereiche und Beschäftigungsfelder, so dass auch hier ein ökologisches Engagement des Arbeitgebers ein an Bedeutung gewinnender Faktor bei der Arbeitgeberwahl ist. Zur Umsetzung der ökologischen Verantwortung der Unternehmen eignet sich der Aufbau eines unternehmensinternen Umweltmanage‐ mentsystems. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Konzepten für betrieb‐ liche Umweltmanagementsysteme. Diese Umweltmanagementsysteme sind freiwillige Instrumente eines vorsorgenden Umweltschutzes und dienen zur systematischen Erhebung der Umweltauswirkungen eines Unternehmens sowie zur kontinuierlichen Verbesserung seiner Umweltleistungen, des Umweltmanagements und der Verminderung seiner Umweltauswirkungen. Die ersten Umweltmanagementsysteme entstanden in den 1980er Jahren als Weiterentwicklungen des Qualitätsmanagements und der DIN ISO 9000er Reihe. International durchgesetzt haben sich vor allem zwei Umweltmana‐ gementsysteme, die grundsätzlich und weltweit von Organisationen zur Verbesserung ihrer Umweltleistungen angewendet werden können: Die EMAS-Verordnung der Europäischen Union und die DIN ISO 14001 (vgl. Kirschten 2017, S. 203). Die EMAS-Verordnung der Europäischen Union (Gemeinschafts‐ system für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung) wurde 1993 erstmals veröffentlicht (vgl. EMAS 2020). Die DIN ISO 14001 (Umwelt‐ managementsystem) wurde im Jahr 1996 erstmals von der internationalen Normungsoriginalisation ISO veröffentlicht; mittlerweile gibt es auch weitere spezifischere Normen in der DIN ISO 14000er Reihe. Beide Um‐ weltmanagementsysteme verpflichten zur Einhaltung umweltrelevanter gesetzlicher Vorschriften und beinhalten verbindliche Standards für den Aufbau eines betrieblichen Umweltmanagements. Die Anforderungen der EMAS-Verordnung an ein betriebliches Umweltmanagement sind jedoch umfassender und anspruchsvoller als die der DIN ISO 14001 (u. a. Verpflichtung zur veröffentlichen Umwelterklärung, Sicherstellung der Umweltrechtskonformität der Unternehmen), wobei die Anforderungen der DIN ISO 14001 vollständig in der EMAS-Verordnung enthalten sind. (vgl. BMUB 2014, S. 17) Organisationen, die nach EMAS registriert sind, haben ein standardisier‐ tes Umweltmanagementsystem implementiert und lassen dieses regelmäßig durch unabhängige EMAS-Umweltgutachter überprüfen. Zusätzlich veröf‐ fentlichen sie jährlich eine Umwelterklärung, in der die Organisationen dokumentieren, was sie im Umweltschutz und in ihrem Umweltschutz‐ 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 75 <?page no="76"?> management erreicht haben und in welchen Bereichen noch weiterer Handlungsbedarf besteht. Werden die Organisationen erfolgreich durch die externen EMAS-Umweltgutachter geprüft, erfolgt die Aufnahme der Organisationen in ein öffentliches Register und sie dürfen das EMAS-Logo nutzen. Umweltrelevante Themenbereiche der EMAS-zertifizierten Organi‐ sationen sind u. a. Emissionen, Abfall, Abwasser, Energieverrauch, Biodi‐ versität, wobei die Daten in verbindlichen Kernindikatoren ausgewiesen werden. In der EU gibt es mittlerweile 3.838 EMAS-registrierte Organisa‐ tionen mit rund 12.751 Standorten (September 2020) (vgl. EMAS 2020), in Deutschland waren Ende 2020 1.113 Organisationen mit 2.217 Standorten nach EMAS zertifiziert (vgl. EMAS Statistik 2020). Soziale Verantwortung Die soziale Verantwortung der Unternehmen betrifft die soziale Gerech‐ tigkeit ihres Handelns und einen verantwortungsvollen Umgang mit ihren Mitarbeitenden. Dazu gehören u. a. sozial gerechte Arbeitsbedingungen, existenzsichernde Gehälter, die Vermeidung prekärer Beschäftigungsver‐ hältnisse, die Sicherstellung von Chancengleichheit, Work-Life-Balance Maßnahmen, der Aufbau eines Diversitymanagements und eines Gesund‐ heitsmanagements sowie eine kontinuierliche Personalentwicklung und das Angebot von Karriereperspektiven für die Mitarbeitenden. Darüber hinaus zeigt sich die Übernahme der sozialen Verantwortung der Unter‐ nehmen auch dadurch, dass sie nicht nur unternehmensintern sozial gerechte und verträgliche Arbeitsbedingungen gewährleisten, sondern dass die Unternehmen über die gesamte Wertschöpfungskette auf sozial verträgliche und menschenwürdige Arbeitsbedingungen ihrer Lieferan‐ ten sowie ihrer Kunden (z.B. bei der Herstellung von Vorprodukten) achten. Das gilt vor allem für diejenigen Unternehmen, die arbeitsinten‐ sive Produktionsbereiche aus Kostengründen in Länder verlagern, deren Arbeitskosten deutlich geringer sind, was häufig jedoch mit unsozialen Arbeitsbedingungen verbunden ist. In Deutschland sichern vielfältige Gesetze, Tarifvereinbarungen zwi‐ schen den Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmenden sowie Betriebsvereinbarungen einen umfangreichen Arbeitsschutz und ange‐ messene Arbeitsbedingungen. Dennoch bestehen auch in Deutschland teilweise noch arbeitsbezogene soziale Ungleichheiten, beispielsweise im Bereich der beruflichen und karriereorientierten Chancengleichheit sowie der gleichen Entlohnung zwischen den Geschlechtern, der Ausbreitung 2 Aktuelle Herausforderungen 76 <?page no="77"?> prekärer Beschäftigungsverhältnisse, dem Umgang mit benachteiligten Beschäftigtengruppen und dem Angebot von Entwicklungsmöglichkeiten für die Mitarbeitenden. Daher ist die Übernahme der sozialen Verantwortung der Unternehmen für ihre Mitarbeitenden in mehrfacher Hinsicht wichtig: Sozial verträg‐ liche Arbeitsbedingungen, die Sicherstellung der Chancengleichheit zwi‐ schen den Geschlechtern, das Angebot Existenz sichernder und sozial abgesicherter Beschäftigungsverhältnisse sind Grundvoraussetzungen für die Übernahme der sozialen Verantwortung der Unternehmen für ihre Mitarbeitenden. Die Berücksichtigung und Förderung der Vielfalt der Mit‐ arbeitenden im Unternehmen, das Angebot von Entwicklungsmöglichkeiten für die Mitarbeitenden sowie eine mitarbeiterorientierte Führung steigern die Motivation der Mitarbeitenden für eine engagierte, kompetente und fachlich gute Aufgabenerfüllung. Die soziale Verantwortungsübernahme der Unternehmen zeigt sich auch im Angebot von Maßnahmen zur Verbesse‐ rung der Vereinbarkeit von Berufsleben und Privatleben (Work-Life-Balance Maßnahmen) der Mitarbeitenden. Hier können zielgruppenbezogene Maß‐ nahmen gemeinsam mit den Mitarbeitenden entwickelt werden, um die individuellen Bedarfe der Beschäftigten an konkreten Work-Life-Balance Maßnahmen zu identifizieren und umzusetzen. Das Spektrum möglicher Work-Life-Balance Maßnahmen ist breit und wird im sechsten Kapitel ausführlich behandelt. Auch die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden wird durch sozial verträgliche Arbeitsbedingungen gefördert. Eine hohe Arbeitszufrieden‐ heit der Mitarbeitenden, aber auch attraktive Entwicklungsmöglichkeiten und eine mitarbeiterorientierte Führung sind wichtig, um gerade die hoch qualifizierten Fach- und Führungskräfte, aber auch vielversprechende Talente stärker an das Unternehmen zu binden und so den eigenen Fach‐ kräftebedarf zu sichern. Auch das eigene Arbeitgeberimage (Employer Brand) wird durch sozial verträgliche Arbeitsbedingungen gestärkt. Für die Unternehmen wird ein positives und einzigartiges Arbeitsgeberimage immer wichtiger, um ihre Position auf dem Arbeitsmarkt als attraktiver Arbeitgeber zu stärken und so bei zunehmenden Fach- und Führungs‐ kräfteengpässen ihren aktuellen und zukünftigen Bedarf an Fach- und Führungskräften zu sichern. Die soziale Verantwortung der Unternehmen erstreckt sich auch auf die gesellschaftliche, d. h. unternehmensexternen Ebene. Auch hier kön‐ nen Unternehmen durch vielfältige Maßnahmen ihre soziale Verantwor‐ 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 77 <?page no="78"?> tung zum Ausdruck bringen und umsetzen. Dazu gehören nicht nur Spenden und Sponsoring regionaler gesellschaftlicher und kultureller Institutionen, sondern auch die Unterstützung des Gemeinwohls und ein bürgerschaftliches Engagement. Dies kann u. a. dadurch umgesetzt werden, dass Unternehmen beispielsweise in eine attraktive Infrastruktur, den Ausbau der regionalen Bildungs-, Kultur- und Freizeitangebote sowie in ein gesundheitsverträgliches und für verschiedene Zielgruppen (z.B. Familien, Singles, Ältere) attraktives Arbeits- und Wohnumfeld investie‐ ren, was sich wiederum positiv auf die Beschaffung und Bindung der erforderlichen Arbeitskräfte auswirkt. Doch auch die aktive Beteiligung an der Integration von Flüchtlingen, die Bereitstellung von Qualifizierungs‐ angeboten gerade für gering oder gar nicht qualifizierte Arbeitssuchende und das Angebot von Ausbildungsplätzen können wichtige Maßnahmen für die unternehmensexterne Übernahme sozialer Verantwortung durch die Unternehmen sein. Auch die Förderung sozialer Organisationen und regionaler Wirtschaftsakteure können geeignete soziale Maßnahmen sein, die sowohl der regionalen Wirtschaftsentwicklung und der Stärkung sozialer Institutionen dienen, als auch den eigenen Unternehmensstandort und die Region für potenzielle Mitarbeitende attraktiver machen. (vgl. Fabisch 2017, S. 10 ff.). Die Glaubwürdigkeit der Übernahme einer sozialen Verantwortung durch die Unternehmen erstreckt sich auch auf die Sicherstellung men‐ schenwürdiger und sozial verträglicher Arbeitsbedingungen über die ge‐ samte Wertschöpfungskette der unternehmerischen Leistungserstellung und des Leistungsangebotes. Hier können Unternehmen ihre Lieferanten durch die verbindliche Forderung der Einhaltung von internationalen arbeits- und sozialbezogenen Mindeststandards (z.B. Arbeits- und Sozi‐ alstandards der ILO, ILO 2016) zu einem sozial verträglichen Umgang mit ihren Mitarbeitern bewegen. Internationale Arbeits- und Sozialstan‐ dards fordern u. a. ein Verbot von Kinderarbeit, Versklavung, formale Arbeitsverträge, eine existenzsichernde Entlohnung, die Einhaltung von Arbeitsschutzvorgaben sowie die Möglichkeit zur Interessenvertretung der Beschäftigten (z.B. durch einen Betriebsrat). Wichtig ist hierbei nicht nur die Einforderung der Einhaltung der Arbeits- und Sozialstandards, sondern auch die aktive Unterstützung, Qualifikation und vor allem die eigene Überprüfung von z.B. Lieferanten im Hinblick auf die Gestaltung und Umsetzung der Sozial- und Arbeitsstandards sowie der Einhaltung sozial gerechte und menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Im Folgenden 2 Aktuelle Herausforderungen 78 <?page no="79"?> werden zwei Standards vorgestellt, die die Einhaltung von menschenwür‐ digen Arbeitsbedingungen zum Ziel haben und damit die Übernahme der sozialen Verantwortung der Unternehmen unterstützen: der Social Acountability 8000 Standard und der Standard für Arbeitsschutzmanage‐ ment (OHSAS 18001; DIN ISO 45001). Das Management- und Zertifizierungssystem „Social Accountability 8000 (SA 8000)“ wurde 1998 von der US-Nichtregierungsorganisation Social Accountability International (SAI) entwickelt (SAI o. J.). Es ist eine freiwillige internationale Zertifizierungsnorm mit strengen Standards zur Einhaltung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen und den Rechten von Arbeitnehmenden. Der SA 8000 Standard orientiert sich an der internationalen Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen, den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und an dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes (VN-Kinderrechts‐ konvention). Die Bewertungskriterien des SA 8000 Standards umfassen das Verbot von Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Diskriminierung, die Sicherstellung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen, die Vereinigungs‐ freiheit der Arbeitnehmenden und das Recht auf Tarifverhandlungen, auf die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, auf Beschränkungen der Arbeitszeiten und eine existenzsichernde Entlohnung, auf disziplinarische Maßnahmen und auf Anforderungen an Managementsysteme. Dabei legen die Bewertungsregeln des SA 8000 inhaltliche Mindeststandards fest, die von den Organisationen eingehalten werden müssen. Der Aufbau des SA 8000 Standards ist vergleichbar und kompatibel mit der Umweltmanage‐ ment-Norm DIN ISO 14001, der Qualitätsnorm DIN ISO 9000 sowie mit dem Standard für das Arbeitsschutzmanagement OHSAS 18001. Allerdings weist der SA 8000 Standard die Besonderheit auf, dass systematische Befragungen der Beschäftigten den Zertifizierungsprozess von Beginn an begleiten und auch außerbetriebliche Interessengruppen (z.B. Gewerk‐ schaften, NGO´s) mit in den Zertifizierungsprozess einbezogen werden (SAI o. J.). Vor allem für international und global tätige Unternehmen ist der SA 8000 Standard eine gute Möglichkeit, um arbeitsbezogene Mindeststandards festzulegen und deren Einhaltung zu dokumentieren. Entscheidet sich eine Organisation zur Teilnahme an dem SA 8000 Zertifizierungssystem, so wird die organisationsweite Einhaltung der festgelegten Mindeststandards durch qualifizierte unabhängige Zertifizierungsorganisationen überprüft. Regelmäßig müssen die teilnehmenden Organisationen ein Überwachungs‐ 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 79 <?page no="80"?> audit durchführen, um ihre Fortschritte bei der Umsetzung der vereinbarten menschenwürdigen Arbeitsbedingungen offen zu legen. Mittlerweile haben mehr als 3000 Organisationen in über 60 Ländern den SA 8000 Standard implementiert. Mit der freiwilligen Zertifizierung des SA 8000 Standards können Unternehmen und Organisationen ihre arbeitsbezogenen Risiken reduzieren, ihre Beziehungen zu Lieferanten und Kunden verbessern und glaubwürdige Garantien für die Übernahme ihrer sozialen Verantwortung und die Einhaltung arbeitsbezogener Mindeststandards bieten. (vgl. BMUB 2014, S. 25; SAI 2016, SAI o. J.). Die Occupational Health and Safety Assessment Series (OHSAS 18001) war ein international anerkannter Standard für die Bewertung und die Zertifizierung eines betrieblichen Arbeitsschutzmanagementsystems. Zentrale Ziele des Arbeitsschutzmanagements waren der Schutz der Men‐ schen, die Arbeitssicherheit und die Gesundheitsvorsorge. Mitarbeiter soll‐ ten durch vorbeugende Maßnahmen im Arbeits- und Gesundheitsschutz‐ management befähigt werden, vor dem Eintreten eines Unfalls oder einer Erkrankung notwendige Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Die OHSAS 18001 konnte von jeder Organisation branchenübergreifend eingeführt werden. Hinsichtlich der Ziele, Struktur und Durchführung war die OHSAS 18001 mit den Managementsystem-Normen DIN ISO 9001 und DIN ISO 14001 kompatibel, so dass sie sich gut in die bestehenden Managementsysteme integrieren ließ. (vgl. nqa o. J.) Im Juni 2018 wurde die DIN ISO 45001 zum Arbeitsschutzmanage‐ ment (Managementsystem für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Ar‐ beitsplatz - SGA) veröffentlicht. Sie unterstützt Unternehmen beim Aufbau eines Arbeitsschutzmanagementsystems, integriert auch das betriebliche Gesundheitsmanagement und erleichtert so die Einhaltung rechtlicher Vor‐ gaben zum Arbeitsschutz. Die DIN ISO 45001 löst die OHSAS 18001 ab, die bis 2018 die fehlende ISO-Norm zum Arbeitsschutzmanagement ersetzte. Seit 2018 gibt es nun auch für das Arbeitsschutzmanagement eine eigene DIN ISO-Norm (ISO 45001), die vergleichbar ist mit den Standards für Quali‐ täts-, Umwelt- oder Energiemanagementsysteme. Die DIN ISO45001 ergänzt die bestehenden rechtlichen nationalen und internationalen Vorschriften zum Arbeitsschutz um ein systematisches Arbeitsschutzmanagementsystem (Managementsystem für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz) in der Organisation. Damit sollen sichere und gesunde Arbeitsplätze garan‐ tiert und arbeitsbezogenen Verletzungen und Erkrankungen vorgebeugt werden. Die Einhaltung der Norm kann durch eine Selbstbewertung und 2 Aktuelle Herausforderungen 80 <?page no="81"?> Selbsterklärung der Organisation, durch eine Bestätigung externer Parteien (z.B. Kunden) oder durch eine Zertifizierung durch eine externe Institution nachgewiesen werden. Ausführliche Informationen zur DIN ISO 45001 finden sich in folgenden Quellen. (vgl. Arbeitsschutzmanagement ISO 45001; Arbeitsschutzmanagement.org). Ökonomische Verantwortung Die ökonomische Verantwortung der Unternehmen umfasst eine verant‐ wortungsvolle Unternehmensführung, die Einhaltung gesetzlicher Vorga‐ ben und Rechtsstaatlichkeit (Compliance), die Berücksichtigung der Inter‐ essen interner und externer Anspruchsgruppen, eine existenzsichernde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie nicht nur eine Gewinnorientie‐ rung, sondern auch eine langfristige Wertschöpfungsorientierung, faire Be‐ triebs- und Geschäftspraktiken, die Einhaltung ethischer Mindeststandards sowie internationaler Mindeststandards bei der Leistungserstellung, die Ver‐ antwortungsübernahme über die gesamte Wertschöpfungskette sowie eine umfassende Berichterstattung und die aktive Bekämpfung von Korruption. Um ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen, können sich Unternehmen an der DIN ISO 26000 orientieren. Die DIN ISO 26000 ist ein freiwilliger Standard, der als Leitfaden Empfehlungen für Organisationen gibt, wie sie ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen können. In Deutschland wurde die DIN ISO 26000 im Januar 2011 veröffentlicht. (vgl. DIN ISO 26000 2011). Gesellschaftliche Verantwortung wird in der Norm definiert als die „Verantwortung einer Organisation für die Auswirkungen ihrer Entscheidungen und Aktivitäten auf die Gesellschaft und die Umwelt durch transparentes und ethisches Verhalten, das ▸ zur nachhaltigen Entwicklung, Gesundheit und Gemeinwohl einge‐ schlossen, beiträgt, ▸ die Erwartungen der Anspruchsgruppen berücksichtigt, ▸ anwendbares Recht einhält und im Einklang mit internationalen Ver‐ haltensstandards steht, ▸ in der gesamten Organisation integriert ist und ▸ in ihren Beziehungen gelebt wird“. (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2011). 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 81 <?page no="82"?> Die ISO 26000 hat sieben Grundsätze formuliert, an denen sich die ge‐ sellschaftliche Verantwortung von Organisationen orientierten soll. Die Einhaltung dieser Grundsätze ist die Voraussetzung für eine glaubwürdige Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Verantwortung. Grundsätze der ISO 2600 für die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung durch Organisationen Grundsatz Erläuterung 1. Rechen‐ schaftspflicht Eine Organisation sollte für die Auswirkungen ihrer Ent‐ scheidungen und Aktivitäten auf Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt die Verantwortung übernehmen und nach‐ weisbar Rechenschaft ablegen. 2. Transparenz Eine Organisation sollte insbesondere dann transparent agieren, wenn ihre Entscheidungen und Aktivitäten einen Einfluss auf Gesellschaft oder Umwelt haben. Das umfasst eine glaubwürdige, offene, verständliche Kommunikation und Berichterstattung über Zweck, Art und Standorte der Aktivitäten einer Organisation. 3. Ethisches Verhalten Das Handeln einer Organisation sollte auf den Werten der Ehrlichkeit, der Gerechtigkeit und der Rechtschaffenheit beruhen. 4. Achtung der Interessen von Anspruchs‐ gruppen Eine Organisation sollte ihre (betroffenen) Anspruchs‐ gruppen kennen und deren Interessen respektieren und berücksichtigen. 5. Achtung der Rechtsstaat‐ lichkeit Eine Organisation sollte Recht und Gesetz unbedingt achten und einhalten. 6. Achtung inter‐ nationaler Verhaltens‐ standards Eine Organisation sollte in Übereinstimmung mit inter‐ nationalen Verhaltensstandards handeln. Darunter sind das Völkergewohnheitsrecht, allgemein anerkannte in‐ ternationale Rechtsgrundsätze oder zwischenstaatliche Abkommen, Verträge und Konventionen zu verstehen. Beispiele sind die UN-Menschenrechtskonvention oder die internationalen Arbeitsstandards der ILO. Diese Ver‐ haltensstandards sollten als Orientierung in Situationen dienen, in denen die Organisation, z.B. bei internationa‐ len Aktivitäten, keine angemessenen nationalen Umwelt- und Sozialstandards vorfindet. 2 Aktuelle Herausforderungen 82 <?page no="83"?> 7. Achtung der Menschen‐ rechte Eine Organisation sollte die grundlegenden Menschen‐ rechte, deren Bedeutung und Allgemeingültigkeit an‐ erkennen. Dies sollte unabhängig vom Standort, dem kulturellen Hintergrund oder spezifischen Situationen geschehen. Tabelle 4: Grundsätze der ISO 2600. Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2011): Die DIN ISO 26000 „Leitfaden zur gesellschaftlichen Verant‐ wortung von Organisationen“- Ein Überblick. Berlin 2011, S. 11 f. Inhaltlich empfiehlt die ISO 26000 die Auseinandersetzung mit den fol‐ genden sieben Kernthemen, die die Hauptbereiche der gesellschaftlichen Verantwortung abbilden. Die Kernthemen sind Organisationsführung, Men‐ schenrechte, Arbeitspraktiken, Umwelt, faire Betriebs- und Geschäftsprak‐ tiken, Konsumentenanliegen, und die Einbindung und Entwicklung der Gemeinschaft. Organisationen können durch die Auseinandersetzung mit diesen Kernthemen den Umfang ihrer gesellschaftlichen Verantwortung erkennen und individuelle Schwerpunkte für ihr Handeln setzten. Die Kernthemen weisen inhaltliche Verbindungen und wechselseitige Bezüge zu den anderen Kernthemen auf. Jedes Kernthema beinhaltet nochmals verschiedene Handlungsfelder, um die Auseinandersetzung mit den vielfältigen Inhalten zu strukturieren und wichtige grundlegende Handlungsbereiche aufzuzeigen. Die jeweiligen Handlungsfelder enthal‐ ten neben einer inhaltlichen Beschreibung auch konkrete Handlungser‐ wartungen an die Organisationen für die Umsetzung der gesellschaftlichen Verantwortung. 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 83 <?page no="84"?> Abbildung 20: Sieben Kernthemen der ISO 26000. Eigene Darstellung. Das Kernthema Organisationsführung hat eine besondere Stellung, da eine verantwortungsvolle Organisationsführung nicht nur ein Kernthema für die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung für Organisationen ist, sondern gleichzeitig die zentrale Voraussetzung bildet, um die an‐ deren Kernthemen in der Organisation im Hinblick auf eine gelebte gesellschaftliche Verantwortung zu gestalten, konkrete Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Die Grundsätze der gesellschaftlichen Ver‐ antwortung sowie die Bearbeitung der Kernthemen müssen in die Or‐ ganisationskultur, die Strategieentwicklung, die Entscheidungsfindung und in die Ressourcenbereitstellung der Organisationsführung integriert werden. (vgl. BMAS 2011, S. 15). Hier wird der ganzheitliche Ansatz der DIN ISO 26000 deutlich. Wesentliche Inhalte der verschiedenen Kernthemen werden im Folgenden kurz zusammengefasst (vgl. BMBU 2014; BMAS 2011). 2 Aktuelle Herausforderungen 84 <?page no="85"?> Inhalte der Kernthemen der DIN ISO 26000 Kernthema Wichtige Inhalte Organisations‐ führung Zentrales Kernthema und Ausgangspunkt für die Gestaltung aller anderen Kernthemen. Gesellschaftliche Verantwortung muss integriert werden in die Organisationskultur, die Ent‐ scheidungsfindung, die Strategieentwicklung und Umset‐ zung in konkrete Maßnahmen. Wesentlich sind Werte- und Compliance-Managementsysteme. Menschen‐ rechte Grundlage aller Maßnahmen ist die Achtung der Menschen‐ rechte. Organisationen müssen dafür sorgen, dass die Men‐ schenrechte gewahrt werden und sollten auch selbst Maß‐ nahmen zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte ergreifen, sofern dies möglich ist. Arbeitspraktiken Verbindliche Vorgaben zur Einhaltung von Mindeststan‐ dards zu Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Entlohnung, Diskri‐ minierung am Arbeitsplatz, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Transparenz, Datenschutz und Verantwor‐ tungsübernahme für Arbeitspraktiken. Im Einklang mit Arbeitsnormen von ILO, OECD und Global Compact konzentrieren sich die DIN ISO 26000-Empfeh‐ lungen in diesem Bereich auf die Einhaltung von Mindest‐ bestimmungen zu Zwangsarbeit, Kinderarbeit und Diskri‐ minierung am Arbeitsplatz, Transparenz gegenüber, und Datenschutz für Mitarbeiter, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie Verantwortungsübernahme für Arbeits‐ praktiken in Aufbau- und Ablauforganisation. Umwelt Umweltschutzmaßnahmen dienen dazu, negative Umwelt‐ auswirkungen zu vermeiden bzw. zu reduzieren, Ressourcen effizient zu nutzen aber auch zu schonen und ökologische Grenzen einzuhalten. Mit Hilfe von Umweltmanagementsys‐ temen (z.B. EMAS, ISO 14000) und Umweltmanagementin‐ strumenten können geeignete Maßnahmen identifiziert und umgesetzt werden. Faire Betriebs- und Geschäfts‐ praktiken Voraussetzung: Einhaltung verbindlicher ethischer Verhal‐ tensstandards. Umfasst alle Geschäftsfelder und -prozesse ei‐ ner Organisation. Betreffen u. a. Mitarbeiter, Geschäftspart‐ ner, Wettbewerber, Lieferanten und Kunden. Empfehlungen: Festlegung fairer und gesetzeskonformer Verhaltensgrund‐ sätze. 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 85 <?page no="86"?> Konsumentenanliegen Produkte und Dienstleistungen sollen unternehmensethi‐ sche und ökologische Grundsätze berücksichtigen. Empfeh‐ lungen: Sicherstellung der Produkttransparenz, Gleichbe‐ handlung und Gesundheitsschutz für Kunden, Förderung nachhaltigen Konsums. Einbindung und Entwick‐ lung der Ge‐ meinschaft Erweiterte Verantwortung der Organisation über das Kern‐ geschäft hinaus im Sinne des „Corporate Citizenship“. Emp‐ fehlungen: Förderung von Bildung, Kultur und Gesundheit in der Gemeinschaft, auch aus wirtschaftlichem Eigeninter‐ esse, Beteiligung der Gemeinschaft in Entscheidungsprozes‐ sen mit gesellschaftlichen Auswirkungen. Tabelle 5: Kurze Inhaltsbeschreibung der Kernthemen der DIN ISO 26000. (vgl. BMAS 2011; BMUB 2014). Weitere Initiativen und Handlungsleitfäden zur Übernahme der ökonomi‐ schen Verantwortung sind u. a. der Deutsche Corporate Governance Kodex, der Global Compact der Vereinten Nationen, die Global Reporting Initiative, die Leitsätze der OECD für multinationale Unternehmen sowie der deutsche Nachhaltigkeitskodex. Sie werden im Folgenden kurz vorgestellt. Der Deutsche Corporate Governance Kodex beinhaltet wesentliche gesetzliche Regelungen zur Leitung und Überwachung deutscher börsen‐ notiert Gesellschaften. Er enthält national und international anerkannte Grundsätze, Empfehlungen und Anregungen sowie Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung. Der Kodex bekräftigt die Ver‐ pflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat, sich an die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft zu halten und die Interessen der Aktionäre, der Belegschaft und weiterer mit dem Unternehmen verbundener Anspruchsgruppen zu berücksichtigen, um den Unternehmensbestand zu sichern und eine nach‐ haltige Wertschöpfung des Unternehmens zu sichern. Der Kodex fordert von den Unternehmen nicht nur Legalität, sondern auch ein ethisches und eigenverantwortliches Handeln, im Sinne des Leitbildes des ehrbaren Kauf‐ manns. Das Unternehmen und ihre Organe sollen bei ihrem Handeln die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens wahrnehmen sowie so‐ ziale und ökologische Auswirkungen des Unternehmenshandelns bei ihren Entscheidungen und in ihrem Handeln berücksichtigen. Branchenbezogene oder unternehmensindividuelle Besonderheiten werden im Kodex insofern berücksichtigt, als Unternehmen bei Abweichungen von den Empfehlungen des Kodex diese offenlegen und begründen müssen. (vgl. heidelberg.com 2 Aktuelle Herausforderungen 86 <?page no="87"?> 2019). Am 20. März 2020 wurde im Bundesanzeiger die neue Fassung des Deutschen Corporate Governance Kodex veröffentlicht. Wesentliche Änderungen des neuen Kodex beziehen sich auf neu formulierte Grundsätze, basierend auf den gesetzlichen Bestimmungen, konkretere Anforderungen an die Unabhängigkeit der Vertreter im Aufsichtsrat, die Neufassung von Regeln zur Vorstandsvergütung, den Verzicht auf die Wiedergabe von Gesetzestexten, die Gliederung des Kodex nach den Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat im Hinblick auf die Rechnungslegung sowie auf eine vereinfache Berichterstattung. (vgl. Haufe 02.04.2020: Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) 2020). Der Global Compact der Vereinten Nationen wurde 1999 als freiwil‐ lige Vereinbarung zwischen Unternehmen, Organisationen und den Verein‐ ten Nationen geschlossen. Unternehmen und Organisationen, die daran teilnehmen, verpflichten sich zur Übernahme gesellschaftlicher Verantwor‐ tung, der Beachtung der Menschenrechte, der Sicherstellung gerechter Arbeitsbedingungen, Initiativen zum Umweltschutz und zur Korruptions‐ bekämpfung. (globalcompact.de 2020; globalcomact.org 2021) Durch die Aufstellung eines Wertekataloges und durch lokale, nationale und interna‐ tionale Initiativen soll das gemeinsame Lernen und der Erfahrungsaustausch gefördert werden. Die teilnehmenden Unternehmen und Organisationen verpflichten sich freiwillig zur Ausrichtung ihrer Geschäftspolitik an zehn grundlegenden Nachhaltigkeitsprinzipien, die sie mit geeigneten Initiativen, Projekten, Schulungen und Richtlinien umsetzen. Diese Nachhaltigkeits‐ prinzipien leiten sich ab aus der Allgemeinen Erklärung der Menschen‐ rechte, der Erklärung über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit und ihre Folgemaßnahmen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und den Grundsätzen der Rio-Erklärung über Umwelt und Entwick‐ lung und werden regemäßig überprüft. Die zehn Nachhaltigkeitsprinzipien sind als Gebote formuliert und unterteilen sich in die Themenbereiche Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämp‐ fung. (BMBU 2014, S. 21). Das wichtigste Instrument des Global Compact ist die Fortschrittsmitteilung (COP), die jährlich schriftlich über den Stand der Umsetzung der zehn Nachhaltigkeitsprinzipien informieren soll. Die inhaltliche Qualität und Richtigkeit dieser Mitteilung werden jedoch nicht überprüft. (vgl. BMUB 2014, S. 21). Der Global Compact verfolgt zwei wesentliche Ziele: Zum einen sollen die zehn Prinzipien auf globaler Ebene in unternehmerisches Handeln integriert werden, zum anderen sollen Maß‐ nahmen vorangetrieben werden, welche die allgemeinen Ziele der UN 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 87 <?page no="88"?> unterstützen (z.B. Sustainable Development Goals). Inzwischen hat der Global Compact der Vereinten Nationen weltweit mehr als 10.000 Mitglieder. (vgl. Commerzbank.de 2020.). „Die Leitsätze der OECD für multinationale Unternehmen (kurz OECD-Leitsätze) bilden einen internationalen CSR-Verhaltenskodex. Ge‐ meinsam mit den ILO-Kernarbeitsnormen und dem UN Global Compact gehören die OECD-Leitsätze zu den wichtigsten Instrumenten zur Förde‐ rung einer weltweiten verantwortungsvollen Unternehmensführung. Die Leitsätze sind nicht bindend, allerdings basieren sie auf völkerrechtlich bindenden Übereinkommen von 1976 und werden regelmäßig aktualisiert. (vgl. BMBU 2014, S. 23). Den OECD-Leitsätzen liegen die UN-Menschen‐ rechtscharta, die ILO Kernarbeitsnormen und die Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung zugrunde. Die Leitsätze beinhalten Handlungsempfehlun‐ gen der 34 OECD-Mitgliedsstaaten und acht weiterer Staaten für die dort ansässigen und international tätigen Unternehmen bei Auslandsinvestitio‐ nen sowie für die Zusammenarbeit mit ausländischen Zulieferern und Zulieferketten. Inhaltlich formulieren die Leitlinien Erwartungen an den Umweltschutz, die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften, an die Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen, an die Einhaltung von Umwelt- und Arbeitsstandards, an die Korruptionsbekämpfung und die Sicherstellung der Verbraucherinteressen. (vgl. BMBU 2014, S. 23; OECD.org.de 2011). In jedem teilnehmenden Land muss eine Nationale Kontaktstelle eingerichtet werden, um die Umsetzung der Leitsätze zu fördern, aber auch Beschwerden (z.B. von Arbeitnehmerverbänden, Umweltorganisationen) über Verstöße von Unternehmen gegen die Leitlinien entgegenzunehmen und zu bearbeiten. (BMUB 2014, S. 23; OECD.org 2011; OECD 2011). Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde im Jahr 1997 von der Coalition of Environmentally Responsible Economies (CERES) und dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) in den USA gegründet (vgl. GRI 2020). Die GRI hat gemeinsam mit Anspruchsgruppen, Zielgrup‐ pen und Experten einen umfassenden Berichtsrahmen und Leitfaden für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Organisationen (Unternehmen, Regierungen, Nichtregierungsorganisationen) erarbeitet, die Prinzipien und Indikatoren für die Messung ökologischer, sozialer und ökonomischer Leistungen und der Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die Umwelt und Gesellschaft bereitstellen. U.a. enthält der Leitfaden Anforderungen zu Managementansätzen und Indikatoren in verschiedenen organisationalen 2 Aktuelle Herausforderungen 88 <?page no="89"?> Handlungsfeldern (vgl. GRI 2020, BMUB 2014, S. 19). Der Leitfaden steht der Öffentlichkeit zur Verfügung und wird kontinuierlich verbessert. Er dient dazu, die Nachhaltigkeitsberichterstattung transparenter und vergleichba‐ rer zu gestalten und gleichzeitig die Qualität der Nachhaltigkeitsberichter‐ stattung zu verbessern. Dazu dient auch die Registrierung der nach den GRI-Leitlinien erstellten Berichte sowie das freiwillige Angebot zur forma‐ len Überprüfung der Nachhaltigkeitsberichte durch externe Begutachtung (Prüfstellen). (vgl. GRI 2020; BMUB 2014, S. 19; Lexikon der Nachhaltigkeit (2015). Für ein transparentes Nachhaltigkeitsmanagement von Unternehmen wurde der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) im Jahr 2011 beschlos‐ sen. Entwickelt wurde der Deutsche Nachhaltigkeitskodex vom Rat für Nachhaltige Entwicklung, einem Beratungsgremium der deutschen Bundes‐ regierung,) im Dialog mit Vertretern der Unternehmen, Finanzmärkte und der Zivilgesellschaft. Er dient als Instrument zur Bewertung der Nachhaltig‐ keitsleistungen von Unternehmen und orientiert sich an der DIN ISO 26000, am Global Compact und an den OECD-Leitsätzen. Der DNK unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie und bietet Hilfestellungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. (vgl. Deutscher Nachhaltigkeitskodex 2020). Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex umfasst zwanzig Kriterien, in denen ökologische, soziale und ökonomische Anforderungen beschrieben werden. Zusätzlich ist er in die vier Hauptthemen Strategie, Prozessmanagement, Umwelt und Gesellschaft gegliedert sowie in elf Unterthemen (z.B. Sta‐ keholderengagement, Regeln und Prozesse, Menschenrechte, Korruption, Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen). Um den Deutschen Nachhaltig‐ keitskodex zu erfüllen müssen Unternehmen eine Erklärung zu den zwanzig DNK-Kriterien sowie zu ergänzenden nichtfinanziellen Leistungsindikato‐ ren erarbeiten. (vgl. Deutscher Nachhaltigkeitskodex 2020). Dabei können die Unternehmen selbst entscheiden, wie detailliert sie den Deutschen Nachhaltigkeitskodex umsetzen möchten und ob sie einen entsprechenden Bericht durch einen unabhängigen Experten überprüfen lassen möchten und dafür eine sog. Entsprechungserklärung erhalten. (vgl. BMUB 2014, S. 26). Die Entwicklung des Nachhaltigkeitsmanagements von Unternehmen kann durch eine kontinuierliche DNK-Berichterstattung dokumentiert und überprüft werden. Wesentliche Vorteile des Deutschen Nachhaltigkeitskodex bestehen insbesondere in folgenden Aspekten: 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 89 <?page no="90"?> Vorteile des Deutschen Nachhaltigkeitskodex 1. „Er unterstützt den Aufbau einer Nachhaltigkeitsstrategie und bietet einen Einstieg in die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Regelmäßig zu berichten, macht die Entwicklung des Unternehmens im Zeitverlauf sichtbar. 2. Er gibt Orientierung, wie die CSR-Berichtspflicht sowie der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte praktisch umgesetzt werden kann. 3. Das Büro Deutscher Nachhaltigkeitskodex prüft die DNK-Erklärungen auf formale Vollständigkeit, Anwender erhalten qualifiziertes Feedback. 4. Die allgemein zugängliche DNK-Datenbank erzeugt Sichtbarkeit. Die veröffentlichten Berichte können miteinander verglichen werden. 5. Der DNK ist kostenlos. Das Büro Deutscher Nachhaltigkeitskodex, die DNK-Schulungspartner und DNK-Mentoren unterstützen bei der Bericht‐ erstattung.“ (Quelle: Deutscher Nachhaltigkeitskodex 2020.) Abbildung 21: Vorteile des Deutschen Nachhaltigkeitskodex. Eigene Darstellung. Alle vorgestellten Initiativen und Kodices ermöglichen Unternehmen und Or‐ ganisationen, ihre gesellschaftliche Verantwortung und ihr Nachhaltigkeitsma‐ nagement systematisch aufzubauen, umzusetzen und zu überprüfen. Die Ange‐ bote zur Nachhaltigkeitsberichterstattung stellen einerseits Hilfestellungen für die Unternehmen bzw. Organisationen bei der Erarbeitung und Dokumentation der wesentlichen Tätigkeitsfelder und Auswirkungen auf Natur, Umwelt und Gesellschaft dar. Andererseits informieren veröffentlichte Nachhaltigkeitsbe‐ richte die Anspruchsgruppen der Unternehmen über ihre Ziele, Maßnahmen und Erfolge und ermöglichen so einen akteursübergreifenden Dialog über die Inhalte des Nachhaltigkeitsmanagements in Unternehmen. Bezug des Nachhaltigkeitsmanagements zur Work-Life-Balance Die Implementierung eines Nachhaltigkeitsmanagements in Unternehmen leistet auch positive Beiträge zu einer besseren Vereinbarkeit des Arbeitsle‐ bens mit dem Privatleben. Vor allem durch die systematische Berücksichti‐ gung sozialer Gerechtigkeit, aber auch im Rahmen von Maßnahmen zur ökologischen Verträglichkeit sowie zur ökonomischen Leistungsfähigkeit und Verantwortung im Unternehmen können vielfältige Ansatzpunkte für die Einführung oder auch Intensivierung von Work-Life-Balance-Maßnah‐ men im Unternehmen identifiziert und umgesetzt werden. Insofern ist auch das Nachhaltigkeitsmanagement ein wesentlicher positiver Einflussfaktor zur Verbesserung der Work-Life-Balance der Mitarbeitenden. 2 Aktuelle Herausforderungen 90 <?page no="91"?> 2.1.3 Veränderungen von Familienstrukturen und Geschlechterrollen Die Familienstrukturen und Rollenverteilungen zwischen Mann und Frau haben sich in den letzten Jahrzehnten aufgrund der gesellschaftlichen und wirtschaft‐ lichen Veränderungen sowie neuer Arbeits- und Lebensmodelle erheblich gewandelt. Noch in den 1970er Jahren mussten Ehefrauen ihre Ehemänner um Er‐ laubnis fragen, wenn sie ein Beschäftigungsverhältnis eingehen wollten! Vor‐ herrschend war das Leitbild der „Hausfrauenehe“, in der dem Ehemann die wesentlichen Entscheidungen für das gemeinsame Eheleben und die Familie zustand, wohingegen sich die Aufgaben der Ehefrau auf den Haushalt und die Kindererziehung erstreckte. Eine verheiratete Frau durfte nur dann erwerbstätig sein, wenn sie das mit ihren häuslichen und familiären Pflichten vereinbaren konnte. Im Gegenzug war die auf die eigene Erwerbstätigkeit verzichtende Ehefrau und Mutter besonders schutzwürdig. Erst mit der Eherechtsreform im Jahr 1977 wurde das Leitbild der Hausfrauenehe aus dem Gesetz gestrichen. (vgl. Bundesregierung 2011, BT-Drucksache 17/ 6240, S. 57; Tatarinov 1977). Allerdings ließen sich die Rollenbilder und Rollenerwartungen von Männern und Frauen nicht so leicht verändern. Hierzu bedurfte es massiver Proteste und Interventionen der Frauenbewegung, die sich seit den 1960er Jahren entwickelte und in den folgenden Jahrzehnten etablierte. Die aus heutiger Sicht völlig selbstverständliche auch gesetzlich verankerte Chancengleichheit der Frauen wurde in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts von einigen wenigen Vorreiterinnen hart erkämpft. Damit einher ging auch eine Veränderung der Rollenbilder, Rollenerwartungen und Rollenverteilungen zwischen Mann und Frau, nicht nur hinsichtlich der Erwerbstätigkeit von Frauen, sondern auch im Hinblick auf die Rollenverteilung in der Ehe und Familie. Heute, im 21. Jahrhundert, ist das klassische Familienmodell aus der Mitte des letzten Jahrhunderts mit klarer Rollenteilung zwischen Mann und Frau, in dem der Ehemann erwerbstätig ist und den Unterhalt für die Familie verdient, die Frau für die Familie zuständig ist, d. h. den Haushalt bewältigt und die Kinder betreut und erzieht, eher die Ausnahme als die Regel, obwohl es hier auch heute noch deutliche Unterschiede zwischen Westdeutschland und Ostdeutschland gibt. Dennoch, für die meisten Frauen und Mütter ist es heute selbstverständlich und häufig auch wirtschaftlich notwendig, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen und erwerbstätig zu sein. 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 91 <?page no="92"?> Mit der steigenden Erwerbstätigkeit der Frauen und ihrer auch steigenden Qualifikation, veränderten sich nicht nur die Verteilung der familiären und häuslichen Aufgaben, sondern auch die Familienstrukturen sowie die Be‐ deutung der Frauen im Arbeitsleben und damit auch die zugrundeliegenden Rollenbilder. Berufstätige Frauen haben weder die Zeit noch die Ressourcen, die dominierende Last der Haushaltspflichten und Kindererziehungspflich‐ ten allein zu tragen. Damit entwickelte sich für den Ehemann und Fami‐ lienvater eine steigende Verantwortung zur Übernahme auch häuslicher und familiärer Verpflichtungen. Zusätzlich ermöglichte die Erwerbstätigkeit den Frauen eine größere Unabhängigkeit von ihren (Ehe)Männern, was sich u. a. in der Veränderung der Familienstrukturen spiegelt. Steigende Scheidungsraten, höhere Anteile alleinerziehender Elternteile sowie die zunehmende Verbreitung von sog. „Patchwork-Familien“ waren die Folge. Im Jahr 2018 wurden ungefähr 150.000 Ehen geschieden und in ca. der Hälfte dieser geschiedenen Ehen lebten minderjährige Kinder (vgl. Patchworkfami‐ lien o. J.). Wenn die Mütter oder Väter nach der Trennung einen neuen Partner finden, mit dem sie zusammenleben, entsteht eine sog. Patchworkfamilie. Das bedeutet, dass die Eltern und die Kinder aus ursprünglich unterschiedlichen Familien kommen und nun zusammenleben. Dabei gibt es sehr viele Variatio‐ nen einer Patchworkfamilie. (vgl. Patchworkfamilien o. J.) Diese Entwicklungen veränderten die Rollenbilder von Männern und Frauen erheblich. Im Gegensatz zu der früheren klaren Rollenverteilung zwischen Män‐ nern als Ernährer und Familienoberhaupt und Frauen als Hausfrau und Mutter herrscht mittlerweile eine große Rollenvielfalt für beide Geschlechter. Die traditionelle Rollenverteilung ist einer individuellen Rollenvielfalt gewichen, die für beide Geschlechter von der jeweiligen Lebenssituation abhängt. Daraus ergibt sich beispielsweise für berufstätige Eltern, dass beide Elternteile sowohl ihre beruflichen Rollenerwartungen, aber auch ihre familiären und sonstigen privaten Rollenerwartungen erfüllen müssen. Diese Vielfalt der verschiedenen Rollenerwartungen führt allerdings häufig zu mehrfachen Überlastungen und Überforderungen der Rolleninhaber, da die Erwartungen der unterschiedlichen Rollen zeitbedingt oder auch inhaltlich häufig Konflikte auslösen und sich oft nicht gut vereinbaren lassen. Work-Life-Balance Maßnahmen sind hier außerordentlich wichtig, um die inhaltlichen und zeitlichen Erwartungen der verschiedenen Rollen besser vereinbaren zu können. Ein weiterer beachtenswerter Aspekt besteht in den veränderten Familien‐ strukturen. So wird ein steigender Anteil der Familien erst relativ spät gegrün‐ det, wenn die heute längerdauernde Ausbildung abgeschlossen ist, erste Berufs‐ 2 Aktuelle Herausforderungen 92 <?page no="93"?> erfahrungen gesammelt wurden und damit die materielle Versorgung und der berufliche Einstieg gesichert sind (vgl. Rost 2004, S. 19). Im Jahr 2019 bekamen Frauen ihr erstes Kind erst mit durchschnittlich 30,1 Jahren, die Geburtenrate lag bei 1,54 Kindern pro Frau. (vgl. Destatis Geburten 2020; Destatis Alter der Mütter 2020). Bedenklich ist der hohe Anteil an Frauen, die kinderlos bleiben. Hierbei unterscheiden sich die Anteile der kinderlosen Frauen im Hinblick auf ihren höchsten beruflichen Bildungsabschluss. Während 21% der Frauen mit einem nicht-akademischen beruflichen Bildungsabschluss in Deutschland kinderlos bleiben, liegt der Anteil bei den Frauen mit einem akademischen beruflichen Bildungsabschluss bei 26% im Jahr 2018 (vgl. Destatis 2019). Besonders hoch sind die Anteile kinderloser Frauen in den Stadtstaaten. Der hohe Anteil der kinderlosen Frauen ist u. a. auf die oft unzureichenden Angebote der Arbeitgeber zur Vereinbarung des Berufslebens mit dem Familienleben sowie auf befürchtete Karrierenachteile der zukünftigen Mütter zurückzuführen. 2.1 Gesellschaftliche Herausforderungen 93 <?page no="94"?> 0 15 30 45 1943-1948 (70-75) 1949-1953 (65-69) 1954-1958 (60-64) 1959-1963 (55-59) 1964-1968 (50-54) 1969-1973 (45-49) 1974-1978 (40-44) Geburtsjahrgänge (Alter bei Befragung) 0 Kinder 1 Kind 2 Kinder 3 Kinder 4 und mehr Kinder Frauen der Geburtsjahrgänge 1943 bis 1978 nach Anzahl der Kinder (Stand: 2018) Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) Anteil an allen befragten Frauen mit Angabe zur Kinderzahl in Prozent Datenquelle: Statistisches Bundesamt (Mikrozensus), Berechnungen: BiB Abbildung 22: Frauen der Geburtsjahrgänge 1943 bis 2018 nach Anzahl der Kinder. Quelle: https: / / www.bib.bund.de/ DE/ Fakten/ Fakt/ F26-Kinderzahl-Frauen-Jahrgaenge .html. Abruf: 31.3.2021. Ein wichtiger Grund hierfür ist die schwierige Vereinbarkeit der eigenen beruflichen Entwicklung mit der Gründung einer eigenen Familie. Auch hier könnten Work-Life-Balance-Maßnahmen der Unternehmen helfen, den Menschen wieder mehr Mut für eine Familie mit Kindern zu geben. 2.2 Digitale Transformation als gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Herausforderung Die Digitalisierung ist aktuell der wesentliche Treiber technologischer Ent‐ wicklungen. Sie bewirkt, dass wir uns zu einer digital und global vernetzten 2 Aktuelle Herausforderungen 94 <?page no="95"?> Gesellschaft und Wirtschaft entwickeln. Mittlerweile durchdringt die Digi‐ talisierung viele unserer Lebensbereiche und verändert unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft, die Leistungsprozesse, die Unternehmenstätigkeiten und dadurch auch die Arbeitswelt. Eine Schlüsselfunktion hat hierbei die Entwicklung digitaler Technologien und der Künstlichen Intelligenz. Abbildung 23: Digitale Technologien und Anwendungsbereiche. Quelle: Eigene Dar‐ stellung. Neue digitale Technologien verbunden mit der weltweiten Nutzung des Internets eröffnen vielfältige Möglichkeiten zur Echtzeitvernetzung, Inter‐ aktion und Kommunikation zwischen Menschen, Maschinen und Objekten. So entstehen beispielsweise cyber-physische Produktionssysteme (CPS) in der Industrie, neue Geschäfts- und Arbeitsmodelle auf digitalen Märkten und expandierende digitale Informations- und Kommunikationssysteme. (vgl. Ternés 2018, S. 3 ff.; Creusen/ Gall/ Hackl 2017). Für die Unternehmen bedeutet die Digitalisierung eine Potenzierung der Komplexität, Vielfalt und Schnelligkeit an Veränderungen sowie ganz unterschiedlichen Einflussfaktoren, mit denen die Märkte und die Unter‐ nehmen umgehen müssen. Andererseits versprechen sich die Unternehmen 2.2 Digitale Transformation als gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Heraus‐ forderung 95 <?page no="96"?> Effizienz- und Effektivitätssteigerungen durch die digitale Transformation und den Einsatz digitaler Technologien im Unternehmen, die u. a. aus den folgenden Entwicklungen resultieren können: ▸ Digitale Technologien verkürzen Entwicklungszyklen für Innovationen. ▸ Digitale Technologien verringern Fehlerquoten durch Echtzeitüber‐ wachung. ▸ Digitale Technologien ermöglichen eine schnellere Fehlererkennung und Reparatur von Störungen. ▸ Digitale Technologien steigern die Produktivität durch den Einsatz von cyber-physischen Produktionssystemen und eine höhere Auto‐ matisierung. ▸ Digitale Technologien ermöglichen neue Geschäftsfelder und neue Märkte. ▸ Digitale Technologien ermöglichen neue Formen der Zusammenar‐ beit und Vernetzung. Unternehmen und Organisationen können in dieser sich immer schneller entwickelnden digital vernetzten, hoch komplexen und vielfältigen Umwelt (VUKA-Umwelt) nur überleben, wenn sie sich selbst und ihre Mitarbei‐ tenden weiterentwickeln und für den Einsatz digitaler Technologien die notwendigen Kompetenzen aufbauen. Die Veränderungen der Arbeit durch die Digitalisierung und die Entwicklung hin zu einer Arbeitswelt 4.0 werden im Kapitel 2.4 behandelt. 2.3 Marktwirtschaftliche Herausforderungen 2.3.1 Entwicklung zur Informations- und Wissensgesellschaft Unsere Wirtschaft hat in den letzten rund siebzig Jahren einen deutlichen Strukturwandel hin zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft vollzogen. Die Abbildung 24 zeigt den langfristigen Wandel der Wirtschaftssektoren in Deutschland anhand der Entwicklung der Erwerbstätigen in Deutschland nach Wirtschaftssektoren in Prozent aller Erwerbstätigen. Deutlich wird hier die Veränderung der Struktur der wirtschaftlichen Leistung und Anteile der Wirtschaftssektoren an der Wertschöpfung und Erwerbstätigkeit in Deutschland. 2 Aktuelle Herausforderungen 96 <?page no="97"?> Abbildung 24: Entwicklung der Erwerbstätigen in Deutschland nach Wirtschaftssek‐ toren in % aller Erwerbstätigen. Quelle: https: / / www.teachsam.de/ politik/ Arbeitswelt %20BRD/ strukturwandel/ mmf/ images/ erwerbstaetige%20nach%20sektoren%2019 50%20bis%202014.png. Abruf: 02.04.2021 Im primären Wirtschaftssektor (Agrarwirtschaft), zu dem die Rohstoffge‐ winnung und -verarbeitung, die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft und die Fischerei gehören, waren zu Beginn der 1950er Jahre ungefähr 25% der Erwerbstätigen beschäftigt. Bis zum Jahr 2017 ist die Bedeutung des primären Sektors in Deutschland drastisch gesunken, hier waren im Jahr 2017 nur noch ca. 1% der Erwerbstätigen beschäftigt. Nicht ganz so stark hat sich die Bedeutung des sekundären Sektors in Deutschland verändert, zu dem das produzierende Gewerbe und die industrielle Produktion (In‐ dustrie und Baubewerbe, u. a. chemische Industrie, Nahrungsmittel- und Bekleidungsindustrie, Automobilindustrie und Handwerk) gehören. Hier lag der Anteil der Erwerbstätigen im Jahr 1950 bei 43%, stieg bis zum Jahr 1965 auf fast 50% der Erwerbstätigen und reduzierte sich bis zum Jahr 2017 auf 24% der Erwerbstätigen. Während der primäre und der sekundäre Sektor in seiner wirtschaftlichen Bedeutung im Zeitverlauf schrumpften, stieg die Bedeutung und damit auch der Anteil der Erwerbstätigen im tertiären Sektor im Zeitverlauf deutlich an. Zum tertiären Wirtschaftssektor (Dienstleistungen) gehören u. a. Handelsbetriebe, Banken und Versicherun‐ 2.3 Marktwirtschaftliche Herausforderungen 97 <?page no="98"?> gen, Verkehrsbetriebe und andere Dienstleistungen. Waren im Jahr 1950 nur ca. 35% im tertiären Sektor beschäftigt, stieg ihr Anteil kontinuierlich bis zum Jahr 2017 auf ca. 75% aller Erwerbstätigen in Deutschland. Der Rückgang der Landwirtschaft ist auf die gestiegene Industrialisierung in Deutschland sowie die Globalisierung zurückzuführen. Der Rückgang des Produzierenden Gewerbes ist ebenfalls auf die steigende Globalisierung und internationale Arbeitsteilung zurückzuführen. So wurden viele arbeits‐ intensive Produktionsleistungen in Länder mit niedrigeren Arbeitskosten verlagert. Aber auch die Entwicklung innovativer Automatisierungstechno‐ logien (z.B. Computer, Software, Industrieroboter) sowie die zunehmende Digitalisierung der Produktion bewirkte eine Umstrukturierung der Produk‐ tion und einen sinkenden Anteil an industriellen Arbeitskräften. Demge‐ genüber stieg die Bedeutung des Dienstleistungssektors und die Nachfrage nach Arbeitskräften im tertiären Sektor in den letzten fünfzig Jahren deutlich an (vgl. auch Abbildung 25). Auch hier beeinflusst die steigende Digitalisierung der Wirtschaft die strukturellen Veränderungen. Mit dem Anstieg der Dienstleistungen haben sich auch Berufsfelder und Erwerbs‐ formen verändert und sind neue Berufe entstanden. Während die Bedeu‐ tung klassischer Normalarbeitsverhältnisse (sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung) zurückging, stieg der Anteil an Teilzeitarbeit und atypischen Beschäftigungsformen sowie die Erwerbsbeteiligung von Frauen seit den 1970er Jahren. Aktuell stagniert der Anteil des tertiären Sektors auf einem hohen Beschäftigungsniveau. Wie die steigende Digitalisierung der Wirtschaft aber auch der demografische Wandel die Erwerbsbeteiligung in den verschiedenen Sektoren zukünftig beeinflussen und verändern wird, bleibt abzuwarten. 2 Aktuelle Herausforderungen 98 <?page no="99"?> Abbildung 25: Dienstleistungsbereich wird immer wichtiger. Quelle: Nier, 2019; Abbildung: Statistisches Bundesamt. Eine weitere wichtige Entwicklung vollzieht sich seit den 1990er Jahren in dem Wandel unserer Gesellschaft und Wirtschaft hin zur Informations- und Wissensgesellschaft. Viele Innovationen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien haben unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft stark geprägt und verändert. Vor allem durch die Entwicklung mobiler Informations- und Kommunikationstechnologien (z.B. Internet, Handys, Smartphone, Tablet-PC) sowie die zunehmende Digitalisierung entstand ein umfangreicher Informations- und Kommunikationssektor, auf dem Informationen bereitgestellt und gehandelt werden (vgl. Lehner 2008, S. 5). So gewinnen auch Informationsdienstleistungen zunehmend an Be‐ deutung. Die steigende Wissensorientierung unserer Wirtschaft wird auch daran deutlich, dass sich in den letzten dreißig Jahren viele bedeutsame und stark wissensbasierte Technologien entwickelt haben, wie beispielsweise die Mikro-, Nano- und Lasertechnik, die Gentechnologie sowie die Biotechno‐ logie. Sie alle basieren maßgeblich auf Innovationen und Wissen. 2.3 Marktwirtschaftliche Herausforderungen 99 <?page no="100"?> So ist es nicht verwunderlich, dass sich das Wissen neben Rohstoffen, Arbeit und Kapital als weiterer zentraler Produktionsfaktor etabliert hat. Denn im Zuge der Entwicklung der Informations- und Wissensgesellschaft ist auch die Bedeutung des Wissens für unsere Wirtschaft und Gesellschaft immer größer geworden. Der Anteil der Unternehmen, die wissensintensive Produkte und Dienstleistungen herstellen und anbieten, steigt deutlich. Entsprechend arbeiten auch immer mehr Menschen in wissensintensiven Aufgabenbereichen, wie beispielsweise an der Entwicklung von Informa‐ tions- und Kommunikationstechnologien, von Soft- und Hardware, der Bereitstellung und Verarbeitung von Daten und Informationen sowie in wissensintensiven Dienstleistungsbereichen. Wertschöpfung wird hierbei insbesondere durch die höhere Produktivität der Ressource Wissen erreicht und nur teilweise auch durch eine höhere Beschäftigung (vgl. Drucker 1998, S. 37 ff.). Wissen ist immer an Personen, einen bestimmten inhaltlichen Zusam‐ menhang sowie an konkrete Handlungen gebunden (vgl. Kirschen 2010, S. 252). In den Unternehmen sind die Mitarbeitenden die Träger des erfolgsrelevanten unternehmerischen Wissens. Zwar kann ein Teil der Wissensbestände in organisationales Wissen umgewandelt werden und dem Unternehmen als Ganzes unabhängig von einzelnen Wissensträgern zur Verfügung stehen, dennoch bleibt die Mehrheit des unternehmensspezifi‐ schen Wissens an die Mitarbeiter gebunden. Aufgrund des demografischen Wandels werden in den nächsten Jahren die geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Damit verbunden ist auch die Gefahr, dass ein erheblicher Anteil des unternehmensspezifischen Wissens mit in den Ruhestand gehen wird. Dieser Gefahr des Wissensverlusts sind sich bislang viele Unternehmen noch nicht ausreichend bewusst. Unternehmen müssen hier Strategien entwickeln, um wichtige Wissensträger möglichst lange im Unternehmen zu halten und frühzeitig geeignete Nachfolgeplanungen sowie Maßnahmen einleiten, um personenbezogene Wissensbestände im Unternehmen zu halten und nutzbar zu machen. Work-Life-Balance Maßnahmen können dazu beitragen, dass Mitarbeiter länger und motivierter im Arbeitsleben und in ihrem Unternehmen bleiben und auch ihr Wissen an Kollegen und Nachfolger weitergeben. Zusätzlich können sie die Bereitschaft von im Ruhestand befindlichen Mitarbeitern erhöhen, ihr Wissen und ihre Erfahrungen dem Unternehmen auch über den Ruhestand hinaus für konkrete Projekte oder Probleme zur Verfügung zu stellen, z.B. durch Seniorberatungen. Elementare Voraussetzung hierfür 2 Aktuelle Herausforderungen 100 <?page no="101"?> ist jedoch, dass die älteren Mitarbeiter bereits während ihrer Berufstätigkeit vom Unternehmen eine ausreichende Wertschätzung erfahren haben und auch im höheren Alter (50 +) nicht als weniger leistungsfähig, weniger leis‐ tungswillig und nur eingeschränkt lernbereit wahrgenommen und einge‐ ordnet werden. Bei der bislang noch vorherrschenden Konzentration vieler Unternehmen auf die jüngeren gut ausgebildeten Nachwuchskräfte und der immer noch in der Praxis verbreiteten Tendenz, ältere Mitarbeiter vorzeitig in den Ruhestand zu schicken, ist das ein wichtiger Ansatzpunkt, um über die eigene Unternehmenskultur und die unterschiedliche Wertschätzung der verschiedenen Mitarbeitergenerationen im Unternehmen nachzudenken. Die Entwicklung hin zur Wissensgesellschaft verändert auch die Anforde‐ rungen und Aufgabenbereiche vieler Erwerbstätiger. Neue Berufe entstehen, neue Technologien benötigen veränderte Qualifikationen der Beschäftig‐ ten und die schnelle Veralterung bestimmter Wissensbestände erfordert regelmäßige Lernprozesse und Weiterbildungsmaßnahmen der Mitarbeiter. Unter dem Begriff „lebenslanges Lernen“ wird diese Problematik seit gut zehn Jahren intensiv in der Theorie und Praxis diskutiert (vgl. z.B. Loos 2017; Schönherr/ Tiberius 2014; Hof 2009; Dewe/ Weber 2007). Die von der erwerbsfähigen Bevölkerung geforderte Bereitschaft zum lebenslangen Lernen erstreckt sich nicht nur auf betriebliche Weiterbildungen, die von den Unternehmen finanziert werden, sondern auch auf private Investitionen in zusätzliche Qualifikationen, z.B. durch ein berufsbegleitendes Studium oder privat finanzierte berufsergänzende Weiterbildungen (z.B. Sprachen, Computerkurse etc.). Neben den finanziellen Kosten erfordert ein lebens‐ langes Lernen auch Zeit und bedarf der Abstimmung mit den verschiedenen individuellen Lebensbereichen. Hier können Unternehmen durch geeignete Work-Life-Balance-Maßnahmen ihre Mitarbeiter bei der Vereinbarung von Qualifikationsmaßnahmen mit anderen beruflichen und individuellen Auf‐ gabenbereichen unterstützen. 2.3 Marktwirtschaftliche Herausforderungen 101 <?page no="102"?> 2.3.2 Steigende Internationalisierung der Wirtschaft und globale Wertschöpfungsketten Immer mehr Unternehmen erweitern ihre internationale Geschäftstätigkeit. Die Bandbreite internationaler Unternehmenstätigkeit ist vielfältig, dazu gehören können Exporte in verschiedene Länder, internationale Lieferbe‐ ziehungen, eine internationale Projektzusammenarbeit oder Forschungsko‐ operation, Joint Ventures oder der Aufbau eigener Tochterunternehmen in anderen Ländern. Unterstützt durch eine weltweite Vernetzung über I+K-Technologien, vielfältige, auch schnelle Transport- Logistik- und Rei‐ semöglichkeiten, aber auch durch den Wunsch bzw. die wettbewerbsorien‐ tierte Notwendigkeit zur Erschließung neuer Märkte und zur Rohstoffsiche‐ rung schreitet die Entwicklung hin zu einer globalen Wirtschaft schnell voran. Auch die Wertschöpfungsketten der Unternehmen sind heute meist global aufgebaut. Die Wertschöpfungskette umfasst die Wertsteigerung ausgehend von der Rohstoffgewinnung, über die Weiterverarbeitung zu Vorprodukten und Produkten oder Dienstleistungen, deren Verkauf an Kunden, die Nut‐ zung der Produkte oder Leistungen bis hin zur Wiederverwertung oder zur Entsorgung eines Produktes. Die meisten heute hergestellten Produkte bestehen aus international beschafften Rohstoffen, Vorprodukten und Ar‐ beitsleistungen. Ein Beispiel für globale Wertschöpfungsketten ist die Tex‐ tilindustrie, die sowohl die Rohstoffe als auch die meisten Arbeitsleistungen und Vorprodukte international beschafft und aufgrund der geringen Löhne für die Rohstoffgewinnung und Verarbeitung sowie den oft unsozialen Arbeitsbedingungen in anderen Ländern eine hohe eigene Wertschöpfung erzielt. Aber auch z.B. für die Herstellung von Laptops, Smartphone und anderer technischer Geräte werden viele spezielle Rohstoffe (z.B. bestimmte Metalle, seltene Erden, Kobalt) aus anderen Ländern bezogen, um sie in Deutschland zu hochwertigen Produkten weiterzuverarbeiten. Diese globa‐ len Wertschöpfungsketten verschärfen den internationalen Wettbewerb, schaffen Abhängigkeiten und gleichzeitig auch die Ausnutzung internatio‐ nal sehr unterschiedlicher Arbeitslöhne und Arbeitsbedingungen, um Pro‐ dukte möglichst kostengünstig und damit hoch wertschöpfend herzustellen. Dies kann auch zulasten der einheimischen Arbeitsbedingungen bzw. zur Auslagerung einheimischer Produktionsbereiche und damit zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen. (vgl. z.B. www.dgb-bildungswerk.de/ gute-arbei t/ globale-wertschoepfungsketten. Abruf 10.09.2020). 2 Aktuelle Herausforderungen 102 <?page no="103"?> Um international erfolgreich tätig sein zu können, benötigen die Unter‐ nehmen Mitarbeiter, die neben dem aufgabenbezogenen Fachwissen auch über internationale Kompetenzen verfügen. Dazu gehören u. a. interkultu‐ relle Kenntnisse, Verständnis für andere Kulturen, Sprachkenntnisse aber auch Kompetenzen zur internationalen Zusammenarbeit und Verhandlung. Darüber hinaus erfordert eine internationale Unternehmenstätigkeit mobile und flexible Mitarbeiter, die bereit sind, z.B. als Expatriates für eine gewisse Zeit in einem ausländischen Tochterunternehmen zu arbeiten oder als Impatriates für eine gewisse Zeit im inländischen Mutterunternehmen zu arbeiten. Auch die internationale Zusammenarbeit über Kontinente und damit Zeitgrenzen hinweg erfordert eine neue Flexibilität der Mitarbei‐ ter. Weitere Herausforderungen betreffen z.B. die Führung internationaler Teams und die Entwicklung der Unternehmensstrukturen sowie der Un‐ ternehmenskultur im Hinblick auf eine internationale oder gar globale Unternehmenstätigkeit. Dieser Trend zur internationalen und auch globalen Wirtschaftstätigkeit vieler Unternehmen erhöht für die Mitarbeiter die benötigten Qualifikatio‐ nen und geforderten Anforderungen an ihre Arbeitsaufgaben. Insbesondere wird eine steigende Mobilität und Flexibilität der Mitarbeiter gefordert, sofern sie im Unternehmen „Karriere“ machen und verantwortungsvollere Aufgaben übernehmen möchten. Ein- oder mehrjährige berufliche Aus‐ landsaufenthalte lassen sich jedoch schwer mit den Anforderungen anderer privater Lebensbereiche (z.B. mit einer Familie) vereinbaren und führen häufig zu Interessenskonflikten zwischen der Arbeitswelt und anderen Lebensbereichen. Die für eine internationale Projektzusammenarbeit not‐ wendige zeitliche Flexibilität (aufgrund der Zusammenarbeit in unterschied‐ lichen Zeitzonen z.B. zwischen Deutschland und Amerika, oder China) kollidiert vielleicht mit bestimmten zeitlichen Verpflichtungen anderer Lebensbereiche, z.B. der Betreuung der eigenen Kinder oder pflegebedürfti‐ gen Eltern. Hier können unternehmerische Work-Life-Balance-Maßnahmen helfen, mögliche Konfliktpotenziale zwischen den Anforderungen und In‐ teressen verschiedener Lebensbereiche zu verringern und Problemlösungen zur besseren Vereinbarkeit einer internationalen Berufstätigkeit mit z.B. den Familienpflichten anzubieten. 2.3 Marktwirtschaftliche Herausforderungen 103 <?page no="104"?> 2.3.3 Steigende Dynamik und Komplexität der Wirtschaft Wesentlich vorangetrieben durch die steigende Digitalisierung sind die Dynamik aber auch die Komplexität der Wirtschaft in den letzten zwei Jahrzehnten stark gestiegen. Die Innovationszyklen werden immer kürzer, weil die Märkte in immer kürzerer Zeit neue Produkte und Technologien fordern, aber auch anbieten können. Unternehmen müssen heute in der Lage sein, sich schnell veränderten Kundenwünschen anzupassen, auf Produktentwicklungen von Wettbewerbern umgehend reagieren zu können und mit den neuen, oft digitalen Technologien Schritt halten zu können. Hierbei gilt es, auch die veränderten Wirkungszusammenhänge der Märkte sowie die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und flexiblerer Organisati‐ onsstrukturen zu berücksichtigen, um frühzeitig und kompetent mit den vielfältigen Veränderungen umgehen zu können. Die Globalisierung der Wirtschaft verschärft diese Dynamik und Komplexität noch zusätzlich. Für die Beschreibung der durch die Digitalisierung getriebenen steigen‐ den Dynamik und Komplexität der Wirtschaft mit ihren vielfältigen Verän‐ derungen hat sich in den letzten Jahren der Begriff der VUKA-Welt (englisch VUCA) etabliert. Er ist ein Akronym und steht für ▸ Volatilität bzw. Unbeständigkeit (volatility), ▸ Unsicherheit (uncertainty), ▸ Komplexität (complexity) und ▸ Ambiguität bzw. Mehrdeutigkeit (ambiguity). Ursprünglich wurde der Begriff der VUCA-Welt in den 1990er Jahren am United States Army War College (USAWC) entwickelt zur Beschreibung der multilateralen Welt nach dem Ende des Kalten Krieges (vgl. Johansen 2012). In den folgenden Jahren veränderte sich die Begriffsverwendung hin zur Beschreibung wesentlich durch die zunehmende Digitalisierung getriebener steigender Dynamik und Komplexität der Märkte und Wirtschaft, die von den Unternehmen neue Geschäftsmodelle und flexiblere Unternehmensstra‐ tegien fordern, um mit der stark gestiegenen Unbeständigkeit, Unsicher‐ heit, Komplexität und Mehrdeutigkeit der Wirtschaftswelt umgehen zu können. (vgl. Johansen 2012; Mack/ Khare 2016). Gleichzeitig verändert die VUKA-Welt auch stark die Arbeitswelt mit ihren Arbeitsbedingungen, Aufgabenbereichen und Arbeitsmodellen (vgl. Brandes-Visbeck/ Thielecke 2018, S. 17). 2 Aktuelle Herausforderungen 104 <?page no="105"?> Um eine genauere Vorstellung der VUKA-Welt zu ermöglichen, werden die einzelnen Begrifflichkeiten im Folgenden etwas ausführlicher vorge‐ stellt. ▸ Volatilität bedeutet Unbeständigkeit oder auch eine hohe Schwan‐ kungsbreite. Bezogen auf Veränderungen ist damit gemeint, dass sich Veränderungen in zeitlich deutlich kürzeren Abständen entwickeln und in ihrer inhaltlichen Ausprägung sehr stark und umbruchhaft sein können. Beispielsweise werden schnell fallende oder steigende Aktienkurse als volatil bezeichnet. Im Hinblick auf die Digitalisierung und die Märkte bedeutet Volatilität, dass beispielsweise neue Wettbe‐ werber aus ganz unterschiedlichen Branchen sich sehr schnell am Markt mit neuen Angeboten etablieren können und so das bisherige Marktgefüge verändern können. Ein treffendes Beispiel hierfür ist das Unternehmen Airbnb, das sich seit einigen Jahren als neuer branchenfremder Wettbewerber in der Hotelbranche etabliert hat. Die Unternehmensidee hatte ein arbeitsloser junger Produktdesigner, der für die Dauer einer Designermesse in San Francisco eine Unter‐ kunft suchte. Der Unternehmenswert von Airbnb liegt heute bei mehr als 30 Milliarden US-Dollar. (vgl. Brandes-Visbeck/ Thielecke 2018, S. 18). Dieses Beispiel zeigt, wie schnell und unerwartet neue Wettbewerber bestehende Märkte verändern können und wie stark der Innovationsdruck auf die Märkte und Unternehmen zunimmt. Die digitalen Technologien beschleunigen und verstärken potenzielle Veränderungen noch. ▸ Unsicherheit entsteht aufgrund der hohen Veränderungsdynamik und der unzureichenden Vorhersehbarkeit möglicher neuer Markt‐ entwicklungen. Unternehmen müssen diese Unsicherheiten stärker in ihren Strategieentwicklungen berücksichtigen und insgesamt flexi‐ bler und schneller auf Veränderungen des Marktes reagieren. Hierfür bedarf es auch der Entwicklung flexiblerer Organisationsstrukturen und -abäufe, wie die Entwicklungen von Netzwerkunternehmen und hierarchiearmen Unternehmen zeigen. (vgl. Brandes-Visbeck/ Thiele‐ cke 2018, S. 18f.). ▸ Komplexität bedeutet, dass eine Vielzahl an Faktoren Prozesse und Handlungen beeinflussen und Veränderungen bewirken können. Auch eine einzelne Handlung eines Akteurs kann Auswirkungen auf ganz unterschiedliche Parameter und andere Akteure haben. Die 2.3 Marktwirtschaftliche Herausforderungen 105 <?page no="106"?> Digitalisierung und Vernetzung erhöhen die Komplexität von Hand‐ lungen und deren Auswirkungen noch. Um diese hohe Komplexität beherrschen zu können, bedarf es flexibler Organisationsstrukturen, schnellerer Entscheidungsprozesse aber auch geeigneterer Control‐ linginstrumente in Unternehmen, als dies bislang vor allem in großen Unternehmen der Fall ist. (vgl. Brandes-Visbeck/ Thielecke 2018, S. 19). ▸ Ambiguität bedeutet Mehrdeutigkeit und ergibt sich aus der Vielfalt der (heute meist digitalen) Informationen und Daten, die jeweils je nach Fragestellung, Zielen und nutzenden Akteuren ganz unter‐ schiedliche Aussagen beinhalten können. Es kommt also auf die Interpretation der Daten in Abhängigkeit der eigenen Frage- und Ziel‐ stellung an, aber auch auf die kritische Bewertung der existierenden Informationen und Daten. Auch eindeutige Ursache-Wirkungs-Bezie‐ hungen lassen sich nur noch selten nachverfolgen. Unternehmen benötigen daher eine höhere Fehlertoleranz und kurzfristiger Instru‐ mente zur Überprüfung bestehender Geschäftsmodelle sowie zur Wei‐ terentwicklung der eigenen Unternehmenstätigkeit. Hierbei müssen auch die Arbeitsprozesse flexibler, fehlertoleranter und innovativer gestaltet werden, um mit der Ambiguität gut umgehen zu können. (vgl. Brandes-Visbeck/ Thielecke 2018, S. 20). Insgesamt erfordert das unternehmerische Handeln in der VUKA-Welt viel mehr Selbststeuerung, flexiblere Organisationsstrukturen und -prozesse, fehlertolerante Arbeitsprozesse, eine stärkere Vernetzung ggf. auch mit Konkurrenten sowie ein hohes Maß an Agilität im Sinne schneller und flexibler (Re)aktion auf unternehmensinterne und -externe Veränderungen. Bewältigung der VUKA-Welt: Der Begriff VUKA bietet auch eine Stra‐ tegie zur Bewältigung der unbeständigen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Umwelt an: So kann VUKA auch interpretiert werden als ▸ Vision (vison), ▸ Verstehen (understanding), ▸ Klarheit (clarity) und ▸ Agilität (agility) (vgl. Mack/ Khare 2016). Unterstützt wird diese Dynamik und die VUCA-Welt durch die vielfältigen Entwicklungen der digitalen Technologien und insbesondere der digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien (z.B. Internet, Mobilfunk), 2 Aktuelle Herausforderungen 106 <?page no="107"?> die Informationen in kürzester Zeit weiterleiten, über das Internet einen weltweiten Informationsaustausch ermöglichen und durch die mobilen Kom‐ munikationstechnologien eine zeit- und ortsunabhängige Erreichbarkeit und Aufgabenbearbeitung ermöglichen. Diese schnelle, zeit- und ortsunabhängige Kommunikation erlaubt den Unternehmen eine zeitnahe Informationsbeschaf‐ fung und -weitergabe sowie schnelle Abstimmungen und Entscheidungen. Damit gelingt es ihnen, mit der gestiegenen Markt- und Wettbewerbsdynamik Schritt zu halten. Allerdings haben sich durch den Einzug der Informations- und Kommunikationstechnologien in die Arbeitswelt die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden drastisch verändert. Ständige Erreichbarkeit, Einsatz- und Arbeitsbereitschaft über das Arbeits-Smartphone, das Tablet oder den Laptop ist heute für viele Arbeitnehmer selbstverständlich und wird häufig auch vom Arbeitgeber und den Kollegen erwartet. Der schnelle und welt‐ weite Informationsaustausch sowie die umfangreichen Informationsverarbei‐ tungstechnologien haben zu einer immensen Daten- und Informationsmenge geführt, die von den Beschäftigten täglich bewältigt werden muss. So bestim‐ men die Informations- und Kommunikationstechnologien zunehmend den Arbeitsalltag eines steigenden Anteils an Beschäftigten. Gleichzeitig ist auch in vielen Arbeitsbereichen die Komplexität der Arbeitsinhalte gestiegen, die höhere Anforderungen und Qualifikationen an die Mitarbeiter stellt. Beides führt zu einer steigenden psychischen Arbeitsbelastung für viele Mitarbeiter. Hoher Termin- und Entscheidungsdruck sowie die Bewältigung permanenter Informationsströme können Stress erzeugen und zu Überforderung führen, beides macht auf Dauer krank. Die durch die Informations- und Kommunikations-Technologien mögli‐ che ständige Erreichbarkeit und potenzielle Arbeitsfähigkeit führt auch zu einer steigenden Entgrenzung zwischen der Arbeitswelt und der privaten Lebenswelt. Das bedeutet, dass das Arbeitsleben für viele Erwerbstätige immer stärker in die anderen privaten Lebensbereiche eindringt und eine Abgrenzung zwischen Arbeits- und Privatleben schwieriger wird. Dabei verwischt auch zunehmend die tatsächliche und vermeintliche Möglichkeit der Mitarbeitenden, ihre Erreichbarkeit außerhalb der „offiziellen“ Arbeits‐ zeiten selbst beeinflussen und begrenzen zu können. So wird eine kurze Projektabstimmung per Smartphone am Abend oder die Erarbeitung eines termingebundenen Angebots am Wochenende zunehmend selbstverständ‐ licher. Befürwortet wird diese Entgrenzung der Lebenswelten von dem Konzept des Work-Life-Blending (vgl. Kapitel 1.3.1). 2.3 Marktwirtschaftliche Herausforderungen 107 <?page no="108"?> Dieses verstärkte Eindringen der Arbeitswelt in die privaten Lebensberei‐ che ist ein wichtiger Ansatzpunkt für Work-Life-Balance Maßnahmen, um den Mitarbeitenden Möglichkeiten zur eigenen Abgrenzung und auch zum Ausgleich der individuellen Lebensbereiche anzubieten, und so mögliche psychische und physische Überlastungen zu vermeiden und die Motivation der Mitarbeiter aufrecht zu erhalten. 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 2.4.1 Entwicklung einer Arbeitswelt 4.0 Der Begriff Arbeitswelt 4.0 bezeichnet alle Veränderungen in der Arbeits‐ welt, der Berufe und beruflichen Aufgabenbereiche, die aus der Entwicklung und dem Einsatz digitaler Technologien in der Wirtschaft, den Unternehmen und im Arbeitsleben entstehen (vgl. Kirschten 2019, S. 298). Beispielsweise werden sich durch den Einsatz cyber-physischer Systeme vor allem indus‐ trielle Arbeitsprozesse verändern und die Beschäftigten sehr wahrscheinlich andere Aufgaben übernehmen als dies heute der Fall ist. Die Arbeitsprozesse werden aber auch komplexer und dynamischer durch den Einsatz digitaler Technologien und digitaler Kommunikationswege. Und auch die Aufgaben‐ bereiche und Berufsbilder entwickeln sich weiter im Hinblick auf digitale Anforderungen. Einige neue Berufe gibt es schon, viele andere entwickeln sich weiter und passen sich den neuen digitalen Anforderungen an. Die digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien eröffnen neue Möglichkeiten und Formen der örtlichen und zeitlichen Flexibilität des Arbeitens. Über die bisher bekannten flexiblen Arbeitsformen (wie z.B. Teilzeit, Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit, Homeoffice) entwickeln sich mit der Digitalisierung auch neue Arbeitsformen und Arbeitsmodelle die unter dem Begriff „New Work“ diskutiert werden. Dazu gehören u. a. das mobile Arbeiten, das Click-Working, das Crowd-Working und die Co-Wor‐ king-Spaces, auf die im nächsten Kapitel (Kapitel 2.4.2 New Work) noch genauer eingegangen wird. Gerade für die Vereinbarkeit der verschiedenen Lebenswelten bieten diese neuen, flexiblen Arbeitsmodelle interessante Perspektiven, bergen jedoch auch erhebliche Risiken. Unter dem Begriff „virtuelle Führung“ werden die neuen Anforderun‐ gen aber auch mögliche Ansätze zu einer Führung von Mitarbeitern auf Distanz erarbeitet und diskutiert, die durch die neuen digital unterstützten 2 Aktuelle Herausforderungen 108 <?page no="109"?> Arbeitsformen nicht mehr vor Ort im Büro oder im Unternehmen arbeiten, sondern an ganz verschiedenen Orten und gegebenenfalls auch zu indivi‐ duellen Zeiten arbeiten. So stellt die Digitalisierung auch an die Führung der Mitarbeiter ganz neue Herausforderungen und erfordert den Einsatz bislang wenig genutzter und teils neuer Instrumente und Strategien. Ebenso verän‐ dert die Digitalisierung das Wissensmanagement, beispielsweise durch ganz neue Möglichkeiten der Generierung, Teilung, Vernetzung und Speicherung von individuellem und kollektivem unternehmensrelevanten Wissen, z.B. in virtuellen Clouds. Die Abbildung 26 gibt einen Überblick über die Viel‐ falt möglicher Veränderungen der Arbeitswelt durch den Einsatz digitaler Technologien und Anwendungen. Abbildung 26: Veränderungen der Arbeitswelt durch die Digitalisierung. Quelle: Eigene Darstellung. Auch die Organisations- und Arbeitsstrukturen in den Unternehmen verändern sich durch die vielfältigen Möglichkeiten der digitalen und welt‐ weiten Vernetzung über elektronische Informations- und Kommunikations‐ systeme sowie die Entwicklung neuer digitaler Technologien. Sie entwickeln sich weg von starren Top-Down-Organisationsstrukturen und hin zu stark vernetzten, hierarchiearmen und projektgeprägten Organisationsstruktu‐ ren. Damit reagieren die Unternehmen auf die steigende Dynamik und 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 109 <?page no="110"?> Komplexität der Veränderungen in ihren Märkten und erhöhen ihre eigene Flexibilität. (vgl. z.B. Schmitz 2018). 2.4.2 New Work Unter dem Begriff „New Work“ werden seit einigen Jahren neue, flexi‐ ble Arbeitsmodelle diskutiert, die wesentlich auf den aktuellen digitalen technologischen Entwicklungen basieren, aber eine unterschiedlich starke Bindung an den Arbeitgeber bzw. Auftraggeber aufweisen. Die Ursprünge des Konzeptes einer „New Work“ gehen jedoch auf den Sozialphilosophen Frithjof Bergmann zurück, er in den 1970er und 1980er Jahren ein Manifest der Neuen Arbeit entwickelte. 2.4.2.1 Manifest der „New Work - New Culture“ von Frithjof Bergmann Ursprünglich geprägt wurde der Begriff „New Work“ von dem österrei‐ chisch-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann in den 1970er Jahren. Bergmann war Philosophieprofessor an der Universität Michigan und erlebte dort sowohl die starke Automatisierung der industriellen Fertigung, aber auch den Niedergang der US-amerikanischen Automobil‐ industrie und die daraus folgende Massenarbeitslosigkeit, die durch die Ölkrisen in den 1970er Jahren ausgelöst wurden. Aufbauend auf einem sechsmonatigen Projekt mit den arbeitslos gewordenen Mitarbeitern der US-amerikanischen Automobilindustrie entwickelte Bergmann einen gänz‐ lich neuen Ansatz für eine selbstbestimmte Arbeit, das „Manifest der New Work - New Culture“, und gründete in den 1980er Jahren das Zentrum für New Work (vgl. Brandes-Visbeck/ Thielecke 2018, S. 23 f.; Jobst-Jürgens 2020, S. 9). Bergmann kritisierte das kapitalistische Lohnarbeitssystem sowie die tayloristische industrielle Fertigung als den Menschen auslaugend und krankmachend. Auch hatte er die Vorahnung, dass zukünftige technologi‐ sche Entwicklungen zu einer steigenden Arbeitslosigkeit führen könnten. Aus diesen Überlegungen entwickelte Bergmann sein „Manifest der New Work“ als neues humanistisches Arbeitsmodell, das zunächst als Thesen im Internet veröffentlich wurde und später auch mehrfach publiziert wurde (vgl. Bergmann 2004 / 2017; Bergmann: https: / / newwork-newculture.dev/ w hat/ ). Die zentrale Idee dieses neuen humanistischen Arbeitsmodells ist eine Arbeit, die „ein Mensch wirklich, wirklich will“. Bergmann versteht darunter eine Tätigkeit, die eine Person aus voller Überzeugung, idealerweise als 2 Aktuelle Herausforderungen 110 <?page no="111"?> Berufung ausübt und mit der eine hohe Sinnstiftung verbunden wird. Die zentralen Werte dieser Neuen Arbeit bzw. New Work sind Selbständigkeit, Freiheit und Teihabe an der Gemeinschaft (vgl. Bergmann 2017). Dieses neue Arbeitsmodell kann sich zukünftig in der Arbeitswelt durchsetzen, weil neue disruptive Technologien entwickelt werden, die bislang menschliche Tätigkeiten übernehmen und so für die Beschäftigten neue arbeitsbezogene Freiräume entstehen. Diese neuen arbeitsbezogenen Freiräume können ent‐ weder für sinnstiftende erwerbsorientierte Tätigkeiten eingesetzt werden, oder auch für selbstbestimmte oder gesellschaftlich verantwortungsvolle Aufgaben, die einer Person wichtig sind. Die Vision einer New Work von Bergmann beinhaltet eine Dreiteilung der Arbeit: Ein Drittel entfällt auf Erwerbsarbeit, ein Drittel auf gesellschaftliche Projekte und ein Drittel auf persönliche Projekte. Diese neue Arbeitsgestaltung laugt den Menschen nicht mehr aus und bindet ihn an veraltete Arbeitssysteme, die ihm die Arbeit und die Arbeitsbedingungen vorschreiben, sondern gibt ihm Kraft und Vitalität durch das freiwillige Ausüben sinnvoller und selbst gewoll‐ ter Tätigkeiten, bei denen sich die Menschen auch weiterentwickeln und entfalten können. Zusätzlich beschreibt Bergmann diese neue Arbeit als umwelt- und ressourcenschonend sowie sozial verträglich, weil sie nicht auf Wirtschaftswachstum ausgelegt ist, sondern eine neue sinnstiftende Arbeitskultur verfolgt. „Diese neue Kultur wird viel intelligenter sein (weit weniger verschwenderisch) viel menschlicher (mit wesentlich weniger Armut als heute) und auch fröhlicher (weil viel mehr Menschen eine Arbeit tun, die sie wirklich tun wollen - die im Idealfall sogar ihre Berufung ist)“ (Bergmann 2020). Mit New Work nach Bergmann werden vier Ziele verfolgt: 1. „Linderung und Eliminierung der Armut in allen Ländern. 2. Verringerung der auslaugenden Arbeit unter Zunahme der bewusst‐ seinsfördernden und „wirklich wirklich gewollten“ Arbeit. 3. Die Auflösung der Spaltung zwischen reich und arm, der Eliminierung der Verschwendung unserer Ressourcen und der Zerstörung unseres Klimas sowie das Stoppen der Vernichtung unserer Kultur. 4. Schließlich die Erschaffung einer neuen Kultur, mit anders gestalteten Einrichtungen wie Schulen oder Kindergärten, neuen Werten die zu einer neuen Art der menschlichen Beziehung führen wird. Die neue Kultur wäre intelligenter und weniger verschwenderisch, ja sogar extravagant.“ (Bergmann 2020) 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 111 <?page no="112"?> Aus heutiger Sicht kann Frithjof Bergmanns „Manifest der New Work“ als sehr visionär bezeichnet werden. So hat er bereits in den 1970er und 1980er Jahren ein neues Leitbild einer selbstbestimmten Arbeit entwickelt. Vierzig Jahre später, also heute, werden viele ähnliche Ideen und Ansätze einer stärker selbstbestimmten und flexiblen Arbeitsgestaltung intensiv in der Wissenschaft diskutiert und teils auch schon praktisch erprobt. Einige viel diskutierte neue Arbeitskonzepte werden im Folgenden vorgestellt. 2.4.2.2 Aktuelle New Work Konzepte Mit der Entwicklung der Arbeitswelt 4.0 sind auch neue flexible Arbeits‐ modelle entstanden. Ermöglicht durch die vielfältigen digitalen technolo‐ gischen Entwicklungen, die Globalisierung und die grenzenlose virtuelle Kommunikation über das Internet haben sich seit einigen Jahren unter dem Begriff „New Work“ ganz unterschiedliche neue Arbeitsformen und -modelle entwickelt. Diese neuen Arbeitsformen und -modelle treffen auf den Wunsch einer steigenden Anzahl von Erwerbstätigen, die zunehmend flexiblere und neue Arbeitsmodelle und Arbeitsstrukturen von ihren Ar‐ beitgebern fordern, um ihre verschiedenen Lebenswelten möglichst gut und stressfrei miteinander verbinden zu können. Unter dem Begriff „New Work“ oder „Remote Work“ (vgl. z.B. Karrierebibel 2021; webopedia 2020; sz remote work 2020; Brande-Visbeck/ Thielecke 2018) werden heute ganz unterschiedliche, teils auch schon länger bekannte, teils auch ganz neue, aber vor allem örtlich und zeitlich flexiblere Arbeitsmodelle diskutiert, die Arbeit innovativ verändern und neu gestalten. Dazu gehören u. a. die altbekannte Teilzeitarbeit, Job-Sharing und die Vertrauensarbeitszeit, aber auch neue Ansätze wie z.B. das örtlich und zeitlich mobile Arbeiten, das Crowd-Working, das Click-Working oder das Coworking. Die neuen Arbeitsmodelle werden hier im Hinblick auf die Bindung zum Arbeitgeber in zwei Bereiche unterteilt: Der erste Bereich umfasst neue Arbeitsmodelle, die die örtliche und zeitliche Flexibilität der Arbeit in bestehenden Arbeitsverhältnissen verändert. Der zweite Bereich umfasst neue Arbeitsmodelle, bei denen kein verbindliches Arbeitsverhältnis besteht. Voraussetzung für alle neuen Arbeitsmodelle ist eine leistungsstarke Aus‐ stattung mit digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien am jeweiligen (selbstgewählten) Arbeitsort. 2 Aktuelle Herausforderungen 112 <?page no="113"?> Innovative Arbeitsmodelle Mit vertraglichem Arbeitsverhältnis Ohne vertragliches Arbeitsverhältnis Remote Work: „Fernarbeit“ Dazu gehören je nach Interpretation: Homeoffice: ausschließliche Arbeit von Zuhause aus Alternierende Telearbeit: abwech‐ selnd wird von zu Hause aus oder im Büro beim Arbeitgeber gearbeitet Mobile Telearbeit: Arbeit von unter‐ wegs, z.B. auf Reisen im Zug, Flugzeug oder Auto. Satellitenbüro / Tele Village: Gear‐ beitet wird in Satellitenbüros (z.B. am Stadtrand), die vom Arbeitgeber ange‐ mietet werden. Crowdworking: Freiberufliche Bearbeitung von extern vergebenen Arbeitsaufträgen durch Internetnutzer gegen Honorar. Die Organisation der Auftragseingänge, Auftragsvergabe, Qualitätssicherung und Bezahlung wird über institutiona‐ lisierte Internetplattformen übernom‐ men, die von sog. Crowdworking-Un‐ ternehmen betrieben werden. Clickworking Teilbereich des Crowd-Working, be‐ zeichnet sehr einfache Arbeitsaufträge mit sehr geringer Vergütung Coworking Spaces Geschäftskonzepte, die in größeren Räumlichkeiten (sog. Coworking Spaces) Arbeitsplätze mit einer umfas‐ senden Büroinfrastruktur zeitlich be‐ fristet und entgeltlich für beliebige Nutzer zur Verfügung stellen. Tabelle 6: Innovative Arbeitsmodelle New Work Konzepte in vertraglichen Arbeitsverhältnissen Zu den neuen Arbeitsmodellen in vertraglichen Arbeitsverhältnissen, die die örtliche und zeitliche Flexibilität der Arbeit verändern, gehört insbesondere die Remote Work. Remote Work bedeutet frei übersetzt „Fernarbeit“. Mitarbeiter haben ein vertragliches Arbeitsverhältnis, sind jedoch nicht an ein festes Büro im Unternehmen oder feste Arbeitszeiten gebunden. Stattdessen können sie in Absprache und zu wechselnden Zeiten mit ihrem Vorgesetzten und ihren Kollegen an unterschiedlichen Orten arbeiten. Remote Work wird meist als Oberbegriff für verschiedene Formen der „Fernarbeit“ verstanden. Dazu gehören u. a. die Arbeit im Homeoffice bzw. die Telearbeit, bei der Mitarbeitende in der eigenen Wohnung arbeiten und die alternierende Telearbeit, bei der Mitarbeitende nur an einem oder mehreren Arbeitstagen zu Hause arbeiten und die übrige Arbeitszeit im Büro des Arbeitgebers anwesend sind. Ebenfalls zur Remote Work wird 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 113 <?page no="114"?> das mobile Arbeiten eingeordnet, wobei der Mitarbeitende örtlich und zeitlich flexibel von unterwegs (auf Reisen, im Zug oder Flugzeug) oder an einem selbst gewählten (wechselnden) Arbeitsort arbeitet. Auch die Arbeit in einem Satellitenbüro bzw. in einem Tele Village wird teils zur Remote Work gezählt. Hierbei arbeiten Mitarbeitende in Büros, die vom Arbeitgeber beispielsweise am Stadtrand oder wohnortnah angemietet werden, um z.B. die Anfahrtswege und -zeiten zur Arbeit für die Mitarbeitenden zu reduzieren. Wesentliches Kennzeichen der Remote Work ist die örtliche und zeitliche Flexibilität des Arbeitens, über die der Mitarbeitende (in Absprache mit dem Vorgesetzten und den Kollegen) selbst entscheiden kann. Voraus‐ setzungen für die Nutzung von Remote Work durch die Mitarbeitenden ist die örtliche und ggf. zeitliche Unabhängigkeit des eigenen Aufgabenbereichs von bestimmten Arbeitsmitteln, Produktionsanlagen, Kollegen oder Liefe‐ rantenbzw. Kundenkontakten. Die Vorteile des Remote Working bestehen vor allem darin, dass die Mitarbeitenden z.B. im Homeoffice konzentrierter und damit auch produktiver arbeiten können als im Büro, in dem sie häufiger gestört werden. Allerdings zeigen die Erfahrungen der Arbeit im Homeoffice während der Coronavirus-Pandemie seit dem Jahr 2020, dass nur diejeni‐ gen konzentrierter und produktiver im Homeoffice arbeiten können, die zu Hause einen ruhigen und gut ausgestatteten Arbeitsplatz haben und die nicht zeitgleich ihre Kinder betreuen und „beschulen“ müssen oder andere Familienangehörige betreuen müssen. Andererseits kann die Remote Work aufgrund der örtlichen und zeitlichen Flexibilität die Vereinbarkeit des Berufslebens mit dem Familien- und Privatleben deutlich steigern. So können auch private oder familiäre Verpflichtungen oder Termine flexibel während des Arbeitstages wahrgenommen werden, um anschießend weiter zu arbeiten. Zusätzlich entfällt der An- und Abfahrtsweg zur Arbeitsstätte, der viele Mitarbeitende Zeit und Nerven kostet. Auch die Möglichkeit, den eigenen Arbeitstag beliebig unterbrechen zu können, um beispielsweise kurze Erholungs- und Gesundheitspausen einzulegen, fördert sowohl das Wohlbefinden, die Entspannung, aber auch insgesamt die Gesundheit sowie die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden. Die verschiedenen Vorteile der Remote Work steigern insgesamt die Zufriedenheit der Mitarbeitenden deutlich, was empirische Studien auch bestätigen. Die Vorteile für den Arbeitgeber bestehen insbesondere in der Einsparung von Kosten für Büro‐ räume, Infrastruktur und Energieverbrauch, da sich mehrere Mitarbeitende weniger Arbeitsplätze teilen können, wenn sie nur zeitweise im Büro 2 Aktuelle Herausforderungen 114 <?page no="115"?> arbeiten. Zusätzlich können Kosten für z.B. Infrastruktur und Versorgung der Mitarbeitenden (Kaffeeecken, kostenfreie Getränke, Obst etc.) sowie die Energiekosten (z.B. Stromverbrauch für technische Geräte und Heizung) reduziert werden. Der wesentliche Vorteil für Arbeitgeber dürfte jedoch in der gestiegenen Arbeitsmotivation, Leistungsbereitschaft und tatsächlicher Arbeitsleistung der Mitarbeitenden bestehen, die durch die selbst bestimmte örtliche und zeitliche Flexibilität der Beschäftigten erreicht wird. Neben den vielen Vorteilen müssen aber auch mögliche Nachteile und besondere Anforderungen der Remote Work für die Mitarbeitenden berücksichtigt werden. Wesentliche Nachteile können u. a. in den folgenden Aspekten bestehen: Remote Work erfordert von den Beschäftigten ein hohes Selbstmanage‐ ment, um die täglich oder wöchentlich anstehenden Arbeitsaufgaben und Projekte selbstständig und eigenverantwortlich nach Dringlichkeit und Rele‐ vanz zu strukturieren und zu bearbeiten. Die Mitarbeitenden müssen sich selbst und ihre Arbeit gut organisieren und strukturieren. Hilfreich sind hier‐ bei selbst festgelegte oder mit Kollegen bzw. Vorgesetzten vereinbarte inhalt‐ liche Arbeitsziele und zeitliche Arbeitsergebnisse. Die regelmäßige Kommu‐ nikation mit Kollegen und Vorgesetzten hilft der eigenen Strukturierung des Arbeitstages, z.B. durch kurze tägliche oder wöchentliche online-Teammee‐ tings. Auch müssen sich die Mitarbeitenden für ihre Aufgabenbearbeitung und Zielerreichung überwiegend selbst motivieren, wenn sie z.B. im Homeoffice oder von unterwegs arbeiten. Ebenso wichtig ist ein gutes Zeitmanagement bei der Remote Work. Empirische Studien belegen, dass diejenigen, die im Homeoffice oder von unterwegs arbeiten, häufig deutlich mehr Stunden arbeiten als vertraglich vereinbart, teilweise sogar bis zu sechs Stunden mehr pro Arbeitswoche nach einer Baseler Studie im Vergleich zu denjenigen, die im Büro des Arbeitgebers arbeiten (vgl. Rassek 2020). Hier wird die Gefahr der Entgrenzung zwischen dem Arbeitsleben und dem Privatleben sowie der Dominanz des Arbeitslebens besonders deutlich. So brauchen Mitarbeiter in der Remote Work ein stringentes Zeitmanagement und müssen sich selbst einen detaillierten Überblick über ihre Arbeitszeiten und -stunden verschaf‐ fen. Inwieweit diese Mehrarbeit bei der Remote Work vom Vorgesetzten und Arbeitgeber wahrgenommen wird und sich vielleicht auch in Gehaltser‐ höhungen oder positiven Karriereperspektiven auswirkt ist fraglich. Bisher deuten die Forschungsergebnisse darauf hin, dass die „Unsichtbarkeit“ der Remote Worker, die im Homeoffice oder von unterwegs arbeiten, bei den Vorgesetzten eher dazu führt, dass die Arbeitsleistungen der Mitarbeitenden 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 115 <?page no="116"?> unzureichend wahrgenommen werden und sie dadurch auch keine oder kaum Belohnungen erfahren (vgl. Rassek 2020). Ein weiterer Nachteil der Remote Work besteht in einem möglichen verminderten Informationsfluss sowie einer gewissen Vereinsamung der Beschäftigten, da die persönliche infor‐ melle Kommunikation z.B. im Homeoffice deutlich schwieriger ist als in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers. Dem widerspricht jedoch die umfangreiche Nutzung der digitalen sozialen Medien (z.B. Whatsapp, Instagram, Twitter etc.), über die sich mittlerweile sehr viele Menschen täglich offiziell und informell austauschen. Fest steht, dass die informelle berufsbezogene Kom‐ munikation bei der Remote Work stärker bewusst angeregt werden muss. Zusätzlich fühlen sich viele Remote Worker auf Dauer einsamer und isolierter, da sie alleine „von irgendwo aus“ arbeiten und die regelmäßigen auch persönlichen Begegnungen zu Kollegen, Vorgesetzten, Kunden etc. entfallen. Dies kann sich auch negativ auf die Team- und Projektarbeit der Beschäftigten auswirken. Hier bedarf es der Eigeninitiative der Remote Worker, aber auch der Vereinbarung regelmäßiger Online-Treffen, Online-Besprechungen oder Kontakthaltungen, um eine mögliche soziale Isolation möglichst gering zu halten bzw. ganz zu vermeiden. Die Anzahl der Beschäftigten, die schon in der Remote Work arbeiten, ist in den letzten Jahren weltweit deutlich gestiegen. Dabei wünschen sich nicht nur die jüngeren Beschäftigten, sondern auch viele ältere Mitarbeitende, vermehrt örtlich und zeitlich flexibel zu arbeiten (vgl. Rassek 2020). In Deutschland hat die Remote Work durch die Kontaktbeschränkungen und Lockdowns während der Coronavirus-Pandemie sowie die Forderung, die Beschäftigten in das Homeoffice zu schicken, deutlich zugenommen, um das Infektionsrisiko der Bevölkerung und Beschäftigten zu verringern. Die vielen positiven Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice fördern bei einer steigenden Anzahl der Arbeitgeber die Bereitschaft, ihren Mitarbeitenden auch nach der Coronavirus-Pandemie mehr Homeoffice und Remote Work anzubieten. New Work Konzepte ohne vertragliche Arbeitsverhältnisse Zu den neuen Arbeitsmodellen, die kein festes vertragliches Arbeitsverhält‐ nis beinhalten, gehören u. a. das Crowdworking, das Clickworking und das Coworking. 2 Aktuelle Herausforderungen 116 <?page no="117"?> Crowdworking Ganz allgemein wird mit Crowdworking (übersetzt „Arbeit der Menge“) die freiberufliche Bearbeitung von extern vergebenen Arbeitsaufträgen durch Internetnutzer bezeichnet. Wird die Bearbeitung der Aufträge von den Auftrag‐ gebern bezahlt, spricht man von Paid Crowdworking. Die Auftragnehmer sind nicht fest angestellt, sondern freiberuflich tätig und erhalten für ihre Arbeit i. d. R. ein Honorar. Organisiert wird das Crowdworking über institu‐ tionalisierte Internetplattformen, bei denen sich sowohl die potenziellen Crowdworker als auch die Auftraggeber bewerben bzw. registrieren müssen. Diese Internetplattformen werden von sog. Crowdsourcingunternehmen betrieben, die sowohl die Aufträge von Auftraggebern in sog. Pools annehmen, als auch interessierte Crowdworker registrieren und ggf. deren fachliche Eignung überprüfen sowie die Auftragsvergabe an die Crowdworker, die Abwicklung und Qualitätssicherung der Auftragsbearbeitung, aber auch die Bezahlung der Crowdworker organisieren und abwickeln (vgl. Jahnke/ Prilla 2009, S. 128 ff.; karrierebibel.de 2021a). Häufig werden die zu vergebenden Kundenaufträge vom Crowdworkingunternehmen in kleinere Aufgaben (sog. Mikrotasks) aufgeteilt und dann über die Crowdworkingplattform den Crowd‐ workern im Internet zur Bearbeitung für ein festgesetztes Honorar angeboten. Bei anspruchsvolleren Aufgaben, z.B. im Bereich von Design, größeren Projek‐ ten oder Innovationen, werden die Aufträge häufig auch erst auf der Crowd‐ workingplattform ausgeschrieben und interessierte Crowdworker müssen sich für die Bearbeitung dieser Aufträge bewerben. Die Inhalte der zu bearbeitenden Aufträge oder Projekte können ganz unterschiedlich sein. Häufig werden diejenigen Aufgaben extern vergeben, für die Unternehmen entweder selbst keine ausreichenden Personalressour‐ cen haben, oder die von Computern oder der Künstlichen Intelligenz kaum bzw. nicht kostengünstig bearbeitbar sind. Dazu gehören u. a. Internetre‐ cherchen, die Bearbeitung oder Sortierung von umfangreichen Daten nach bestimmten Kategorien, Online-Umfragen, aber auch die Erstellung oder Bearbeitung von Texten. Neben Aufgaben, die kaum oder kein Fachwis‐ sen erfordern, werden aber auch Aufträge angeboten, die ein hohes und spezifisches Fachwissen erfordern (z.B. bei komplexeren fachspezifischen Projekten). Zu den häufig vergebenen Aufträgen bei Crowdworking gehö‐ ren u. a. die Erstellung von Produktbeschreibungen für Onlineshops oder Kataloge, das Verfassen von Softwarebeschreibungen oder Anleitungen für Videospiele, Übersetzungen von Texten, aber auch die Kategorisierung von Produkten, Webinhalten, Archivdaten, das Taggen von Videos und 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 117 <?page no="118"?> Bildern, das Testen von Internetseiten, Recherchetätigkeiten im Internet sowie Marktforschungsumfragen. (vgl. u. a. Crowdworking 2021). Während das Crowdworking in Deutschland noch wenig verbreitet ist, gibt es international mittlerweile recht viele Internetplattformen, die Crowdworking anbieten und sich teils auch auf bestimmte inhaltliche Auf‐ tragsarbeiten spezialisiert haben. Die Auftraggeber nutzen diese Crowdwor‐ kingplattformen, weil sie entweder selbst nicht die personellen Ressourcen zur Bearbeitung dieser Aufgaben haben oder weil die Auftragsbearbeitung über die Crowdworkingplattfomen kostengünstiger, zeitlich schneller und auch weltweit erfolgen kann. Auch müssen die Auftraggeber kein zusätzli‐ ches Personal fest anstellen, um ihre Arbeitskapazitäten zu erweitern. Für die Crowdworker ist das Crowdworking eine zeitlich und örtlich sehr flexible Arbeitsform. Sie können die Arbeitsaufträge von überall aus und zu einer selbstgewählten Zeit bearbeiten, was die Vereinbarkeit der verschiedenen Lebenswelten deutlich verbessert, allerdings auch zur steigenden Entgrenzung der verschiedenen Lebensbereiche führen kann Allerdings wird das Crowd‐ workung aus mehreren Gründen auch sehr kritisch betrachtet. So sind die Crowdworker freiberuflich tätig, müssen ihr Einkommen selbst versteuern und haben weder eine soziale Absicherung z.B. für Arbeitslosigkeit, Krank‐ heit oder Alter, noch gelten Arbeitsschutzvorschriften für sie. Die Honorare der Crowdworker richten sich nach Umfang und Anforderungsniveau der Arbeitsaufträge. Für einfache Aufgaben bekommen die Crowdworker oft nur 1 Euro bis 3 Euro pro Stunde, für anspruchsvollere Tätigkeiten teils auch 10 Euro (vgl. z.B. Zeit online 31.10.2013; Zeit online 08.05.2016). Meist liegen die Vergütungen jedoch deutlich unter den entsprechenden Mindestgehältern für vergleichbare Tätigkeiten, was zum Vorwurf des Lohndumpings führt (vgl. FAZ 02.07.2016). So eignet sich das Crowdworking meist nur als Nebenverdienst für z.B. nicht Vollzeit Erwerbstätige, Studierende oder Rentner, die sich als „digitale Tagelöhner“ etwas dazu verdienen. Auch besteht die Gefahr, dass flexible internetbasierte Arbeitsformen wie das Crowdworking eine Sharing Economy ohne sozial abgesicherte Arbeitsmärkte fördern. (vgl. Crowdworking 2021; Personalwissen.de). Clickworking Das Clickworking kann als eine besondere Form des Crowdworking eingeord‐ net werden. Auch beim Clickworking vergeben registrierte Auftraggeber über spezielle Crowdsourcingplattformen im Internet Arbeitsaufträge an ebenfalls auf der jeweiligen Crowdsourcing-Internetplattform registrierte freiberufliche 2 Aktuelle Herausforderungen 118 <?page no="119"?> Internetnutzer, die für ihre Arbeit ein vereinbartes Honorar erhalten. Die Besonderheit des Clickworking besteht darin, dass die Arbeitsaufträge meist sehr einfach sind, keine besonderen fachlichen Kenntnisse erfordern und in kurzer Zeit abgearbeitet werden können und als sog. Mikrojobs bezeichnet werden. Allerdings werden diese Mikrojobs meist auch nur gering vergütet. Diejenigen, die diese Aufträge annehmen, werden Clickworker genannt. Ursprünglich hat die NASA den Begriff der Clickworker geprägt. Die NASA beauftragte im Jahr 2000 die nichtwissenschaftliche Öffentlichkeit im Internet, auf bereits bekannten Aufnahmen der Marsoberfläche Krater zu identifizieren und zu klassifizieren. Ziel war es herauszufinden, ob diese Auswertung von „Nicht-Wissenschaftlern“ trotzdem wissenschaftli‐ che Standards erfüllt. Das Projekt wurde seit dem Jahr 2001 auch auf noch nicht katalogisierte Aufnahmen des Mars und anderer Himmelskörper ausgedehnt. Die Clickworker der NASA markierten mit einem Mausklick die sichtbaren Krater auf der Oberfläche der Himmelskörper und bestätigten so die Richtigkeit der wissenschaftlichen Ergebnisse. Für diese Arbeit bekamen die Clickworker kein Geld. (vgl. Dawn Clickworkers 2021). Mittlerweile wird der Begriff Clickworker auch für freiberufliche Crowd‐ worker benutzt. Die Crowdsourcingunternehmen, die die entsprechenden Internetplattformen betreiben, bündeln auch hier den Auftragseingang durch die Auftraggeber und organisieren die Auftragsvergabe an geeignete und registrierte Clickworker. Auch die Qualitätssicherung der Auftragsbearbeitung und die Bezahlung der Clickworker wird von den Crowdsouringunternehmen übernommen (vgl. Jahnke/ Prilla 2009, S. 128 ff.; Karrierebibel. de 2021; click‐ worker.de 2021). Die Verdienstmöglichkeiten der Clickworker sind abhängig von der konkreten Aufgabe, meist jedoch sehr gering und häufig liegen die Stundensätze auch deutlich unter dem Mindestlohnsatz. So verdienen Clickworker häufig nur zwischen 50 Cent und einigen wenigen Euros pro Stunde (vgl. z.B. Zeit online 31.10.2013; Zeit online 08.05.2016). Auch ist die Verfügbarkeit von Aufträgen sowie die Auftragsvergabe sehr ungewiss. Daher eignet sich das Clickworking ebenfalls nur als Nebenverdienst. Auch beim Clickworking haben die Clickworker keinerlei soziale Absicherung und müssen ihre Einnahmen selbst versteuern. (vgl. FAZ 02.07.2016). Die Auswir‐ kungen auf die Work-Life-Balance und die Entgrenzung der persönlichen Lebenswelten sind genauso ambivalent zu bewerten wie beim Crowdworking. 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 119 <?page no="120"?> Coworking Coworking bedeutet übersetzt „Zusammenarbeiten“ oder auch „kollabo‐ rativ Arbeiten“ und ist ein Anglizismus für Geschäftskonzepte, die in größeren Räumlichkeiten (sog. Coworking Spaces) Arbeitsplätze mit einer umfassenden Infrastruktur (u. a. Internetanschluss, WLAN, Telefon Dru‐ cker, Scanner, Beamer, Besprechungsräume, Küche, WC) zeitlich befristet und entgeltlich (z.B. Tages-, Wochen- oder Monatspauschalen) zur Verfü‐ gung stellen. Damit bietet das Coworking Büroräume für eine zeitlich flexible Nutzung an. Genutzt werden die Coworking-Spaces überwiegend von Freiberuflern, Start-ups, digitalen Nomaden bzw. mobil arbeitenden Personen, die kein eigenes Büro haben oder haben möchten. Aber auch Unternehmen können kurzfristig benötigte zusätzliche Bürokapazitäten über die Anmietung von Coworking-Arbeitsplätzen realisieren. In den Coworking Spaces können die Nutzer individuell arbeiten, oder sich auch mit anderen Coworkern austauschen und ggf. auch gemeinsame Projekte iniziieren; auch für eine innovative Zusammenarbeit, die Ent‐ wicklung von Open Innovation oder gemeinsamen Projekten eigenen sich Coworking Spaces (vgl. u. a. Budras 2017; Brandes-Visbeck/ Thielecke 2018). Gerade die Möglichkeit zum Austausch zwischen den Coworkern, die meist lockere Arbeitsatmosphäre, die gute Ausstattung mit Arbeitsmit‐ teln und -technik, die mögliche gegenseitige Inspiration und gemeinsame Ressourcennutzung sowie die flexiblen Nutzungsmöglichkeiten machen die Coworking Spaces für viele Freelancer und digitale Nomaden sehr attraktiv. Einige Coworking Spaces bieten sogar eine Kinderbetreung an (vgl. Coworkingmag 2021: Coworking Spaces mit Kinderbetreung. In: www.coworking.jetzt/ coworking/ coworking-spaces-mit-kinderbetre uung/ #: ~: text=%20Coworking-Spaces%20mit%20Kinderbetreuung%20%201 %20Immer%20mehr,bisher%20in%20Deutschland%20etablierten%20Cowor‐ king-Spaces%20mit…%20More. Abruf: 17.02.2021). Das Coworking zeichnet sich durch die folgenden fünf Grundwerte aus (Coworkingguide.de 2021): 1. Offenheit: Jede(r) ist in im Coworking Space willkommen und kann sich einbringen. 2. Zugänglichkeit: Der Coworking Space ist zeitlich flexibel verfügbar und verkehrstechnisch gut erreichbar. 2 Aktuelle Herausforderungen 120 <?page no="121"?> 3. Kollaboration: Sofern gewünscht können die Coworker auch ge‐ meinsame Projekte entwickeln und daran arbeiten, sich austauschen und Synergien nutzen. 4. Nachhaltigkeit: In den Coworking Spaces können viele Ressourcen (Arbeitsplätze, Besprechungsräume, Büromöbel, technische und digitale Ausstattung, Versorgungseinrichtungen) gemeinsam genutzt werden, was insgesamt einen geringeren Ressourcenverbrauch bewirkt. 5. Gemeinschaft: Das Coworking erzeugt auch ein Gemeinschaftsge‐ fühl, das auch auf ähnlichen Arbeitswerten basieren kann und auch über eine berufliche Zusammenarbeit hinausgehen kann. Gab es weltweit im Jahr 2007 erst 14 Coworking Spaces, so ist ihre Zahl Anfang des Jahres 2021 auf knapp 28.000 Coworking-Spaces rasant ange‐ wachsen (vgl. Coworkingguide.de 2021). Genutzt werden Coworking Spaces weltweit von aktuell rund 450.000 Coworkern, Tendenz steigend (vgl. Coworkingguide.de 2021). Coworking ermöglicht es Freiberuflern, digitalen Nomaden und Startups, zeitlich flexibel Bürokapazitäten und Arbeitsplätze zu nutzen. Dadurch kann die Vereinbarkeit der individuellen Lebenswelten optimiert werden, insbesondere, wenn die Coworking Spaces auch Kinderbetreuungsangebote beinhalten. Allerdings besteht auch beim Coworking die Tendenz der Entgrenzung zwischen den Lebenswelten und bedarf eines guten Selbstma‐ nagements der freiberuflich Tätigen. Wesentliche Aspekte dieser gerade vorgestellten neuen Arbeitsformen der „New Work“ sind sowohl die örtliche als auch die zeitliche Flexibili‐ tät der Arbeit, die die Gestaltungsspielräume für die Vereinbarkeit der verschiedenen Lebenswelten deutlich erhöht, gleichzeitig jedoch auch zu einer steigenden Entgrenzung zwischen den Lebenswelten sowie der Arbeitszeit und der Privatzeit führen kann. Zusätzlich sind gerade die freiberuflichen neuen Arbeitsmodelle kaum geeignet, um den eigenen Lebensunterhalt vollständig zu sichern. Auch liegt hier die Verantwortung der sozialen Absicherung bei den freiberuflich Tätigen selbst. Insofern eignen sich die vorgestellten freiberuflichen neuen Arbeitsmodelle eher als Nebenbeschäftigung. Insgesamt wünschen sich jedoch immer mehr Beschäftigte flexible Ar‐ beitsmodelle. Auch bedingt durch die steigenden Fachkräfteengpässe sind hier die Unternehmen gefordert, sich mit den Wünschen ihrer Mitarbei‐ tenden nach diesen örtlich und zeitlich flexiblen Arbeitsmodellen stärker 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 121 <?page no="122"?> auseinander zu setzen und diese im Unternehmen einzuführen, sofern dies arbeitsorganisatorisch möglich ist. Damit verbunden sind umfangreiche Veränderungsprozesse im Unternehmen, die es zu bewältigen gilt. (vgl. z.B. Bartscher/ Nissen 2019, S. 31 ff.; Bruch/ Block/ Färber 2016). 2.4.3 Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse Seit den 1990er Jahren haben sich die Formen der Beschäftigungsver‐ hältnisse erheblich verändert. Das klassische Normalarbeitsverhältnis im Sinne eines Vollzeitarbeitsverhältnisses ist zwar immer noch weit verbreitet, daneben wächst jedoch die Anzahl atypischer Beschäftigungs‐ verhältnisse, wie z.B. Zeitarbeit oder Minijobs sowie der Anteil prekärer Beschäftigungen. 2.4.3.1 Normalarbeitsverhältnis Ein Normalarbeitsverhältnis ist dadurch gekennzeichnet, dass eine dauerhafte, zeitlich unbefristete und sozial abgesicherte abhängige (d. h. Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmenden an den Arbeitgeber) Voll‐ zeitbeschäftigung (38h bis 40h / Woche) besteht, die eine existenzsichernde Vergütung ermöglicht, dabei aber auch einen arbeits- und sozialrechtli‐ chen Schutz der Beschäftigten gewährleistet, einen Anspruch auf Mit‐ bestimmung beinhaltet und die Arbeit i. d. R. außerhalb des eigenen Haushalts geleistet wird (vgl. Preißing 2010, S. 204 f.). Zu Normalar‐ beitsverhältnissen werden neben Vollzeitbeschäftigungen auch solche Beschäftigungen gezählt, die hinsichtlich ihres Arbeitszeitumfangs (z.B. Teilzeitarbeit mit mehr als 20 Stunden pro Woche) oder ihrer Arbeitszeiten (z.B. variable Arbeitszeiten, Schichtarbeit) in einem gewissen Umfang fle‐ xibilisiert sind (vgl. Preißing 2010, S. 205). Die Arbeitnehmerüberlassung bzw. Zeitarbeit gehört nicht zu den Normalarbeitsverhältnissen. Mit einem Normalarbeitsverhältnis können i. d. R. der eigene Lebensunterhalt und der Lebensunterhalt der eigenen Familie gesichert werden. Die wesentli‐ chen Merkmale eines Normalarbeitsverhältnisses sind in der Abbildung 27 zusammengefasst. 2 Aktuelle Herausforderungen 122 <?page no="123"?> Abbildung 27: Merkmale eines Normalarbeitsverhältnisses. Quelle: Eigene Abbil‐ dung, in Anlehnung an Preißing 2010, S. 205 2.4.3.2 Atypische Beschäftigung Atypische Beschäftigungen umfassen grundsätzlich Dienst-, Werk- oder Zeitarbeitsverträge, die nur eine Teilzeitbeschäftigung bzw. geringfügige Beschäftigung mit bis zu 20 Arbeitsstunden pro Woche begründen und zeitlich befristet sind (vgl. Statistisches Bundesamt 2020). Das statistische Bundesamt erfasst als atypische Beschäftigungen befristete Beschäftigungs‐ verhältnisse, Teilzeitbeschäftigungen, geringfügige Beschäftigungsverhält‐ nisse sowie die Arbeitnehmerüberlassung (umgangssprachlich Zeitarbeit) (vgl. Destatis Atypische Beschäftigung). Nicht dazu gehören Menschen, die eine Ausbildung absolvieren, einen Ferienjob ausüben oder in einem Dienst (wie z.B. einem Freiwilligendienst oder Wehrdienst) arbeiten. Atypische Beschäftigungsverhältnisse erfüllen mindestens eins oder auch mehrere Kriterien des Normalarbeitsverhältnisses nicht. Aufgrund des geringen Einkommens können atypische Beschäftigungsverhältnisse den eigenen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt von Familienangehörigen meist nicht sichern. 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 123 <?page no="124"?> 2 Die Datengrundlage ist der Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes. Er bezieht sich auf die Gruppe der Kernerwerbstätigen von 15 bis 64 Jahren. Nicht berücksichtigt werden hier Personen in der Ausbildung und in verschiedenen Diensten (z.B. Freiwil‐ ligendienst, Grundwehrdienst). In der Wirtschaft sind vor allem folgende Formen atypischer Beschäfti‐ gungsverhältnisse verbreitet (vgl. Preißing 2010, S. 207): ▸ Teilzeitarbeit mit zwanzig oder weniger Arbeitsstunden/ Woche ▸ befristete Beschäftigung ▸ Niedriglohn-Beschäftigung (Midi-Job, 400,- € bis 800,- € pro Monat) ▸ geringfügige Beschäftigung (Mini-Job, bis 400,- € pro Monat) ▸ Zeitarbeit bzw. Arbeitnehmerüberlassung Atypische Beschäftigungen können aufgrund persönlicher Interessen oder Lebenssituationen auch freiwillig gewählt sein. So ist die Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung vor allem bei Frauen weit verbreitet, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können. Genauso kann sie auch dazu die‐ nen, mehr Freizeit zu haben. Möchten Erwerbstätige Berufserfahrungen in unterschiedlichen Unternehmen oder Branchen sammeln, so können sich hierfür auch befristete Beschäftigungsverhältnisse eignen. Insgesamt spie‐ geln atypische Beschäftigungsverhältnisse die Flexibilisierungstendenzen am Arbeitsmarkt wider. So eröffnen atypische Beschäftigungsverhältnisse vor allem Arbeitgebern die Möglichkeit, ihre Belegschaften schnell an sich verändernde Markterfordernisse anzupassen. Andererseits ermöglichen atypische Beschäftigungsverhältnisse auch den Arbeitnehmenden flexiblere Beschäftigungsmöglichkeiten und die bessere Vereinbarung verschiedener Lebensbereiche, sind jedoch oft mit erheblichen Unsicherheiten und einem geringen Einkommen verbunden. Atypische Beschäftigungsverhältnisse sind aber nicht mit prekären Beschäftigungen gleichzusetzen. 2.4.3.3 Entwicklung der atypischen Beschäftigung im Zeitablauf Im Zeitraum von 1991 bis 2019 hat sich der Anteil atypisch Beschäftigter von knapp 13% auf knapp 20% insgesamt deutlich erhöht 2 (vgl. Statistisches Bundesamt 2020, Mikrozensus, Abbildung 28). Der Anteil der Beschäftigten in Normalarbeitsverhältnisse ist vom Jahr 1991 (90%) bis zum Jahr 2005 (66,8%) erheblich zurückgegangen, stieg jedoch seitdem bis zum Jahr 2019 wieder auf rund 90% an. Der Anteil der Selbstständigen ist mit gut 8% im 2 Aktuelle Herausforderungen 124 <?page no="125"?> Jahr 1991 bzw. rund 9% im Jahr 2019 insgesamt recht stabil geblieben, wie die Abbildung 28 zeigt. Abbildung 28: Entwicklung der Kernerwerbstätigen in unterschiedlichen Erwerbsfor‐ men. Eigene Darstellung. Datenquelle: Statistisches Bundesamt 2020, Kernerwerbs‐ tätige in unterschiedlichen Erwerbsformen). Zurückzuführen ist der Anstieg der atypischen Beschäftigungsverhältnisse auf die Reformen zur Förderung der geringfügigen Beschäftigung, der Zeitarbeit sowie des Befristungsrechts seit den 1990er Jahren in Deutschland (vgl. Mückenberger, 2010, Sperber/ Walwei 2015, S. 588; Haller/ Jahn 2014, S. 2; Hohendanner 2010, S. 2). Seit einigen Jahren sind jedoch Bestrebungen zu erkennen, um atypische Beschäftigungsverhältnisse wieder zurückzu‐ drängen. Dazu gehören u. a. Neuregulierungen zur Höchstüberlassungs‐ dauer und Bezahlung bei der Arbeitnehmerüberlassung (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2019, S. 5) und Initiativen zur Einschränkung der Befristung von Arbeitsverträgen (vgl. CDU/ CSU/ SPD 2018, S. 52). Der jüngere Beschäfti‐ gungsaufschwung zeigt auch einen Anstieg der Normalarbeitsverhältnisse (vgl. Sperber/ Walwei 2017) sowie einen Rückgang der atypischen Beschäf‐ 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 125 <?page no="126"?> 3 „Kernerwerbstätige sind Personen im Alter von 15 bis 64 Jahren, die nicht in Bildung oder Ausbildung sind. Die Gruppe der Kernerwerbstätigen befindet sich in einem Lebensabschnitt, in dem Erwerbsarbeit in deutlich stärkerem Maße als Schwerpunkt der Lebensgestaltung gesehen wird, als beispielsweise während der Ausbildung oder im Ruhestand. Sie gilt daher, vor allem im Rahmen der Berichterstattung zur atypischen Beschäftigung, als Bezugsgröße für die Berechnung von Quoten.“ (Statistisches Bun‐ desamt 2020a: Kernerwerbstätige: www.destatis.de/ DE/ Themen/ Arbeit/ Arbeitsmarkt/ Glossar/ kernerwerbstaetige.html. Abruf: 21.08.2020). tigungen (vgl. Größmann/ Günter 2018, S. 159). (vgl. hierzu auch detaillierte Ausführungen von Seils/ Baumann 2019). 2.4.3.4 Aktuelle Situation atypischer Beschäftigungen Im Jahr 2019 waren rund 37,6 Millionen Menschen in unterschiedlichen Erwerbsformen beschäftigt. Davon waren 34,16 Mio. Menschen abhän‐ gig beschäftigt. In Normalarbeitsverhältnissen arbeiteten 26,8 Millionen Menschen, 3,4 Millionen Menschen waren selbständig und 7,3 Millionen Menschen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen erwerbstätig, wie die Abbildung 29 zeigt. 77% 16% 7% Kernerwerbstätige in unterschiedlichen Erwerbsformen im Jahr 2018 in Millionen Normalarbeitnehmende Atypisch Beschäftigte Selbstständige 3,47 Mio. Atypische Beschäftigungen in Mio. insgesamt 7,5 Mio. Teilzeitbeschäftigte bis 20 h 4,64 Mio. 61,86 % Befristet Beschäftigte 2,46 Mio. 32,8 % Geringfügig Beschäftigte ZeitarbeitnehmerInnen 2,04 Mio. 27,2 % 0,93 Mio. 12,4 % 26,21 Mio. 7,50 Mio. Eigene Darstellung. Quelle: Statistisches Bundesamt: Kernerwerbstätige in unterschiedlichen Erwerbsformen, 2020. https: / / www.destatis.de/ DE/ Themen/ Arbeit/ Arbeitsmarkt/ Erwerbstaetigkeit/ Tabellen/ atyp-kernerwerb-erwerbsform-zr.html? view=main[Print]. Abruf: 20.08.2020 3,95 Mio. Frauen 52,66 % 0,69 Mio. Männer 9,2 % 1,25 Mio. Männer 16,6 % 0,52 Mio. Männer 6,9 % 0,61 Mio. Männer 8,13 % 0,31 Mio. Frauen 4,13 % 1,21 Mio. Frauen 16,13 % 1,53 Mio. Frauen 20,4 % Abbildung 29: Kernerwerbstätige in unterschiedlichen Erwerbsformen im Jahr 2019. Quelle: Statistisches Bundesamt 2020. Hinweis: die Angaben zu den Arten atypischer Beschäftigung überscheiden sich teilweise und lassen sich daher nicht aufsummie‐ ren. 3 Eigene Abbildung. 2 Aktuelle Herausforderungen 126 <?page no="127"?> Den höchsten Anteil (4,64 Millionen Menschen bzw. knapp 62%) an den atypischen Beschäftigungen hatten im Jahr 2019 Teilzeitbeschäftigte mit einem Arbeitsumfang bis 20 Stunden pro Woche. Wie die Abbildung 29 zeigt, arbeiten mit knapp 54% überwiegend Frauen in diesen Teilzeitbeschäf‐ tigungsverhältnissen (3,95 Millionen), wohingegen nur ca. 9% bzw. 0,69 Millionen Männer teilzeitbeschäftigt sind. Ebenfalls weit verbreitet waren im Jahr 2019 befristete Beschäftigungsverhältnisse, in ihnen arbeiten 2,34 Millionen Menschen bzw. ca. 32%, wobei ungefähr gleich viele Frauen und Männer befristet beschäftigt waren. Geringfügig beschäftigt waren im Jahr 2019 rund 27,5% bzw. 2,02 Millionen Menschen, auch hier dominiert der Frauenanteil mit rund 20% bzw. 1,51 Millionen Frauen. In Zeitarbeitsver‐ hältnissen waren im Jahr 2019 850.000 Menschen beschäftigt, wobei in der Zeitarbeit fast doppelt so viele Männer als Frauen arbeiten. (vgl. Statistisches Bundesamt 2020: Kernerwerbstätige). Wie viele Frauen und Männer in unterschiedlichen Altersgruppen im Jahr 2017 atypisch beschäftigt waren, zeigt die Abbildung 30. Deutlich sichtbar ist hier, dass Frauen in allen Altersgruppen häufiger atypische Beschäftigungen ausübten als Männer. In den Altersgruppen ab 25 Jahren bis 64 Jahren dominierte der Frauenanteil erheblich. 0 5 10 15 20 25 30 35 15 - 24 Jahre 25 - 34 Jahre 35 - 44 Jahre 45 - 54 Jahre 55 64 Jahre 32,5 27,1 34,1 29,9 30,7 29,6 17,8 22 8 10,2 30,9 22 21,7 18,4 19,9 Atypisch beschäftigte Kernerwebstätige der Gruppe in Prozent aller Kernerwerbstätigen der Gruppe im Jahr 2017 A l t e r s g r u p p e n Atypische Beschäftigung nach Alter und Geschlecht in Prozent im Jahr 2017 Gesamt Männer Frauen Quelle: Seils/ Baumann 2019, S. 4. Sonderauswertung des Statischen Bundesamtes, eigene Berechnungen von Seils und Baumann. Eigene Darstellung von Kirschten. Abbildung 30: Atypische Beschäftigung nach Alter und Geschlecht in Prozent im Jahr 2017. Quelle: Daten aus: Seils/ Baumann 2019, S. 4. Abbildung: Eigene Abbildung. 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 127 <?page no="128"?> Mit rund 36% arbeiteten im Jahr 2017 am häufigsten Personen ohne aner‐ kannte Berufsausbildung in atypischen Beschäftigungen, wie die Abbildung 31 zeigt. Demgegenüber waren 2017 nur rund 21% der Personen mit einer Lehrausbildung oder einem Berufsfachschulabschluss atypisch beschäftigt. Mit nur 3% war der Anteil der Fachhochschulbzw. Hochschulabsolventen an atypisch Beschäftigten am geringsten. Abbildung 31: Atypische Beschäftigung nach beruflicher Bildung und Geschlecht in Prozent der jeweiligen Gruppen. Quelle: Daten aus Seils/ Baumann, 2019, S. 6. Eigene Abbildung. Interessant ist die regionale Verteilung atypischer Beschäftigungen. Wie aus Abbildung 32 deutlich wird, sind atypische Beschäftigungen in Westdeutschland deutlich häufiger verbreitet als in Ostdeutschland. Anfang der 1990er Jahre war der Anteil der atypischen Beschäftigung in West‐ deutschland (mit 13,4%) und in Ostdeutschland (mit 13,3%) fast gleich hoch (vgl. Seils/ Baumann 2019, S. 7). In den folgenden zwei Jahrzehnten stieg der Anteil der atypischen Beschäftigung in Westdeutschland jedoch deutlich stärker an als in Ostdeutschland. Im Jahr 2017 lagen die Anteile der atypi‐ 2 Aktuelle Herausforderungen 128 <?page no="129"?> schen Beschäftigung in den westdeutschen Bundesländern zwischen 19,6% in Bayern und 26,2% in der Hansestadt Bremen. Demgegenüber belaufen sich die Anteile atypischer Beschäftigung in den ostdeutschen Bundesländern zwischen 14,0% in Brandenburg und 17,6% in Mecklenburg-Vorpommern. (vgl. Seils/ Baumann 2019, S. 7). Der deutlich höhere Anteil der atypischen Beschäftigung in den westdeutschen Bundesländern ist wesentlich auf die Zunahme der Erwerbstätigkeit der Frauen in Westdeutschland zurückzu‐ führen, die häufiger atypisch beschäftigt sind (vgl. Seils/ Baumann 2019, S. 7). Abbildung 32: Anteil atypischer Beschäftigung in den Bundesländern Deutschlands in den Jahren 1991 und 2017. Datenquelle: Seils/ Baumann 2019, Appendix, S. 12. Eigene Abbildung. Ein wichtiger Grund für den starken Anstieg atypischer Beschäftigungsfor‐ men ist insbesondere die steigende Dynamik globaler Märkte, die schnel‐ lere Reaktionszeiten auf sich verändernde Marktanforderungen bedingt. Um als Unternehmen wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Produkti‐ onsprozesse, aber auch die Beschäftigten schneller an sich verändernde Anforderungen angepasst werden können, d. h., der Flexibilisierungsbedarf der Unternehmen steigt (vgl. Raeder/ Grote 2001, S. 8). Atypische Beschäf‐ tigungsverhältnisse sind für Unternehmen häufig auch kostengünstiger, nicht nur aufgrund der geringeren Vergütung, sondern auch aufgrund der 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 129 <?page no="130"?> geringeren Schutzrechte wie z.B. Kündigungsschutzrechte. Dadurch können sich Unternehmen in konjunkturell schlechteren Zeiten schneller von ihren Mitarbeitern trennen, als dies bei unbefristeten Normalarbeitsverhältnissen mit umfassenden arbeits- und sozialrechtlichen Schutzrechten möglich wäre. Unternehmen nutzen insbesondere die Arbeitnehmerüberlassung (Zeitarbeit) und die befristete Beschäftigung als Instrumente, um flexibel auf Marktentwicklungen reagieren zu können (vgl. Statistisches Bundesamt 2012). Mit Hilfe atypischer Beschäftigungsverhältnisse soll aber auch eine Flexibilisierung und Deregulierung des Arbeitsmarktes erreicht werden, um schneller mehr Arbeitssuchende wieder in Beschäftigungen zu bringen (vgl. Preißing 2010, S. 197). Die Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse mag für die Un‐ ternehmen und die Wirtschaft auf den ersten Blick positiv sein. Aller‐ dings kann sich dadurch auch eine Segmentierung des Arbeitsmarktes entwickeln, hin zu einer Trennung zwischen dauerhaft Beschäftigten in Normalarbeitsverhältnissen und unregelmäßig Beschäftigten in atypischen Beschäftigungsformen (vgl. Preißing 2010, S. 198). Für die von atypischen Beschäftigungsverhältnissen Betroffenen können sich daraus viele negative berufliche und private Auswirkungen ergeben, wie z.B. unsichere, zeitlich begrenzte Arbeitsverhältnisse mit geringem Entgelt, unzureichender soziale Absicherung und sozialer Stigmatisierung. 2.4.3.5 Prekäre Beschäftigung Von der atypischen Beschäftigung muss die prekäre Beschäftigung abge‐ grenzt werden. Der Begriff „prekär“ kommt aus dem Französischen und bedeutet unsicher, heikel oder bedenklich. In der Arbeitswelt wird der Begriff „prekäre Beschäftigungsverhältnisse“ für diejenigen Beschäftigun‐ gen verwendet, die sozialrechtlich und arbeitsrechtlich nur unzureichend abgesichert sind, meist nur ein geringes, nicht existenzsicherndes Einkom‐ men ermöglichen und daher ein hohes Armutsrisiko aufweisen. Dabei sinkt das Schutz-, Einkommens- und soziale Integrationsniveau der prekär Beschäftigten unter ein Niveau, das in der gegenwärtigen Gesellschaft als Normalstandard angesehen wird (vgl. Dörre 2005, S. 252) Weitere Merkmale prekärer Beschäftigungen können unregelmäßige oder nicht deutlich begrenzte Arbeitszeiten, kaum oder gar keine Durch‐ führung im Unternehmen des Arbeitgebers, keine Weisungsgebundenheit an den Arbeitgeber sowie eine unzureichende Einbindung in die sozialen Sicherungssysteme (Kranken-, Sozial-, und Pflegeversicherung) als auch 2 Aktuelle Herausforderungen 130 <?page no="131"?> nur begrenzte soziale Schutzrechte (z.B. Kündigungsschutz) sein. (vgl. Destatis Atypische Beschäftigung 2020). Prekäre Beschäftigungen können auch mit Sinnverlusten, hoher Planungsunsicherheit und gesellschaftlichen Anerkennungsdefiziten verbunden sein. Grundsätzlich werden alle Beschäf‐ tigungen als prekär bezeichnet, die eins oder mehrere der oben genannten und auch in der Abbildung 33 zusammengestellten Merkmale einer prekären Beschäftigung aufweisen. Dabei steigt der Grad der Prekarisierung eines Beschäftigungsverhältnisses mit der Anzahl der als prekär eingestuften Kriterien (vgl. Preißing 2010, S. 200). Wesentliche Merkmale und mögliche Auswirkungen prekärer Beschäfti‐ gung sind in der Abbildung 33 zusammengefasst. Keine Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber Kein Arbeitsvertrag, sondern Dienst-, Werk- oder Leiharbeitsvertrag Unregelmäßige oder nicht existenzsichernde Vergütung Keine Vollzeittätigkeit Zeitlich befristete Beschäftigung Begrenzte Wirkung gesetzlicher und sozialer Schutzrechte - keine Einbindung in die sozialen Sicherungssysteme Keine klar abgegrenzte und unvorhersehbar schwankende Arbeitszeit Kein oder zu unwesentlichen Teilen betrieblicher Arbeitsort Merkmale eins atypischen Arbeitsverhältnisses Abbildung 33: Merkmale eines atypischen Arbeitsverhältnisses. Quelle: Eigene Abbildung, in Anlehnung an Preißing 2010, S. 207 Neben objektiven Merkmalen einer prekären Beschäftigung sind auch subjektive Aspekte bzw. Erlebensqualitäten sowie gesellschaftliche Konse‐ quenzen aus den Beschäftigungsverhältnissen für den Grad einer prekären Beschäftigung zu berücksichtigen. Sie beeinflussen entscheidend die per‐ sönliche Bewertung der eigenen Arbeits- und Lebenssituation. Brinkmann et al. (2006) haben basierend auf eigenen Forschungsergebnissen fünf 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 131 <?page no="132"?> Dimensionen identifiziert, die eine prekäre Beschäftigung kennzeichnen (vgl. Tabelle 7). Dimension Prekariat 1. reproduktiv-ma‐ teriell Haupterwerbstätigkeit bietet kein existenzsichern‐ des Einkommen und / oder damit keine Teilnahme am kulturellen Leben 2. sozial-kommuni‐ kativ Keine gleichberechtigte Integration in soziale Netz‐ werke am Arbeitsplatz und darüber hinaus; soziale Kreise bleiben aufgrund der ausgeübten Tätigkeit verschlossen; soziale Netze der Familie / Verwandt‐ schaft müssen die Belastungen und Restriktionen der Tätigkeit ausgleichen 3. rechtlich-institu‐ tionell Tendenzieller Ausschluss des Beschäftigten von in‐ stitutionell verankerten sozialen Rechten und Parti‐ zipationschancen wie Tarifrechte, Mitbestimmung, Betriebsvereinbarungen oder gesetzliche Schutz‐ rechte 4. Status und Aner‐ kennung Tätigkeit verhindert gesellschaftliche Anerken‐ nung und / oder ist schlimmstenfalls mit sozialer Missachtung verbunden. 5. Arbeitsinhalt Tätigkeit ist mit dauerhaftem Sinnverlust verbun‐ den oder mit krankhafter Arbeitswut, die zum Ver‐ lust des Privatlebens führen kann. Tabelle 7: Dimensionen prekärer Beschäftigung. Quelle: vgl. Brinkmann et al 2006, S. 18, zitiert nach Preißing 2010, S. 200 Die beruflichen und privaten Auswirkungen prekärer Beschäftigungsver‐ hältnisse können sehr vielfältig sein. Zu möglichen beruflichen Auswir‐ kungen zählen eine geringe Entlohnung, unzureichende Arbeits- und So‐ zialschutzmechanismen, keine oder nur geringe Mitbestimmungsrechte, eine soziale Stigmatisierung im Kollegenkreis, unzureichende berufliche Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten sowie die Unsicherheit hinsichtlich der weiteren Beschäftigung bzw. die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Auch auf das Privatleben wirken sich prekäre Beschäftigungsver‐ hältnisse häufig negativ aus. Aufgrund der hohen Beschäftigungsunsicher‐ heit und des geringen Einkommens ist für viele prekär Beschäftigte eine individuelle längerfristige Planbarkeit der eigenen nächsten Lebensphasen kaum möglich. „Die Unsicherheit des eigenen Erwerbsverlaufs, verbunden 2 Aktuelle Herausforderungen 132 <?page no="133"?> mit geringem Einkommen und auch der Möglichkeit von Arbeitslosigkeit, führt zu einer fehlenden Planbarkeit der Familiengründung, des Wohnungs‐ baus oder einer persönlichen Qualifikationsphase. Die Gefahr der Alters‐ armut aufgrund sinkender, individueller Versorgungsansprüche, wie der Rente, ist groß.“ (Preißing, 2010, s. 198.) Insgesamt weisen prekäre Beschäf‐ tigungsverhältnisse ein hohes berufliches, gesellschaftliches und privates Desintegrationspotenzial auf (Dörre 2005a, S. 6), das im schlimmsten Fall zu einer gesellschaftlichen und beruflichen Ausgrenzung der Betroffenen führen kann (vgl. Castel 2000; Vogel 2003, S. 54). Das Desintegrationspotenzial prekärer Beschäftigungsverhältnisse ver‐ deutlicht auch das Zonenmodell von Castel (vgl. Castel 2000), das von Vogel (vgl. Vogel 2003) weiterentwickelt wurde. Vogel unterscheidet drei Zonen beruflicher Integration bzw. Ausgliederung (vgl. Vogel 2003, S. 54). ▸ die Zone der Integration ▸ die Zone der beruflich-sozialen Gefährdung ▸ die Zone der Ausgliederung Abbildung 34: Zonenmodell der Desintegration. Quelle: eigene Abbildung in Anleh‐ nung an Preißing 2010, S. 202. Die beiden Außenbereiche des Zonenmodells werden durch normale Ar‐ beitsverhältnisse in der Zone der Integration und die Arbeitslosen in der Zone der Ausgliederung bzw. Ausgrenzung abgebildet. Dazwischen 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 133 <?page no="134"?> befindet sich die Zone der Gefährdung, die unterschiedliche unsichere Beschäftigungsverhältnisse mit prekärem Potenzial umfasst. Empirische Untersuchungen belegen, dass die Zone der Integration in den letzten Jahren deutlich geschrumpft ist, wohingegen die Anzahl und Arten unsicherer und prekärer Beschäftigungsverhältnisse erheblich angestiegen sind. Damit verbunden ist die Angst vieler unsicher Beschäftigter, in die Zone der Ausgliederung zu rutschen (vgl. Dörre et al. 2005; Fuchs 2006). Häufig finden sich prekäre Beschäftigungen im Niedriglohnsektor, der als Instrument zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und als möglicher Übergang der Beschäftigten in den ersten Arbeitsmarkt auch politisch gefördert wird, was häufig jedoch nicht gelingt. (vgl. Prekäres Beschäfti‐ gungsverhältnis). Praxisbeispiel: „Niedriglöhner sterben früher“ Unter dieser Überschrift veröffentlichte die IG Metall am 06.01.2012 einen Arti‐ kel, der auf die geringere Lebenserwartung von Geringverdienern aufmerksam macht. So hat die Deutsche Rentenversicherung errechnet, dass sich die Lebenserwar‐ tung von Geringverdienern im Vergleich zu vor zehn Jahren im Durchschnitt um zwei Jahre verkürzt hat. Betrug im Jahr 2001 die Lebenserwartung von Männern im Durchschnitt noch 77,5 Jahre, sank sie im Jahr 2011 auf 75,5 Jahre. In den neuen Bundesländern sank die Lebenserwartung bei Männern sogar um 2,6 Jahre im Vergleich zu 2001. Bedenklich ist diese Entwicklung umso mehr, weil unbefristete Normalarbeits‐ verhältnisse immer seltener werden. Im Gegenzug steigt der Anteil an befris‐ teten Beschäftigungsverhältnissen mit nur geringem Einkommen sowie an prekären Beschäftigungsverhältnissen. Im Jahr 2011 arbeiteten in Deutschland beinahe sieben Millionen Menschen in Minijobs. Die steigende Anzahl an Geringverdienern führt dazu, dass immer mehr Men‐ schen nicht mehr (gut) von ihrem Einkommen leben können, was sich u. a. in geringeren Ausgaben für Vorsorgeleistungen, Gesundheitsleistungen oder auch im eigenen Konsumverhalten äußert. So steigt auch die Anzahl der Erwerbstä‐ tigen, die in zwei oder mehr Minijobs arbeiten, um ihre Existenz zu sichern. Andererseits steigt die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und einer anschließenden Arbeitslosigkeit bzw. einer kaum existenzsichernden, vielleicht auch befristeten Beschäftigung. Auch diese Angst wirkt sich oft gesundheitlich negativ aus. Praxisbeispiel 1: Niedriglohnsektor drückt die Lebenserwartung. Quelle: IG Metall 2012. Eigene Darstellung. 2 Aktuelle Herausforderungen 134 <?page no="135"?> 2.4.4 Auswirkungen atypischer Beschäftigungsverhältnisse auf den psychologischen Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Jedes Arbeitsverhältnis basiert auf einem formaljuristischen Arbeitsvertrag, in dem sich der Arbeitnehmer zur Erbringung der vereinbarten Arbeitsleis‐ tung und der Arbeitgeber zur Zahlung des vereinbarten Entgelts verpflich‐ ten. Damit werden in formaljuristischen Arbeitsverträgen die Rechte, Ver‐ pflichtungen und Interessen der beiden Arbeitsvertragsparteien verbindlich festgelegt und sind gerichtlich durchsetzbar. Über den juristischen Arbeits‐ vertrag hinaus beinhaltet ein Arbeitsverhältnis jedoch auch verschiedene wechselseitige implizite Erwartungen und Leistungen der Vertragsparteien, die als verbindlich betrachtet werden, rechtlich jedoch nicht durchsetzbar sind und als psychologischer Vertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeit‐ geber bezeichnet werden (vgl. Gössing 2005, S. 9). Auf Seiten des Arbeit‐ nehmers gehören dazu seine Motivation sowie die Qualität, Einsatzbereit‐ schaft und tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung. Der Arbeitgeber wiederum verspricht implizit oder explizit z.B. eine gewisse Arbeitsplatzsicherheit, Karriereperspektiven und mögliche Gehaltssteigerungen. Darüber hinaus basieren die gegenseitigen Erwartungen auf gemeinsamen Normen und Werten, auf denen auch der gegenseitige Umgang und die wechselseitige Loyalität basieren. So bindet der psychologische Vertrag als informeller Vertrag die beiden Vertragsparteien auf der emotionalen Ebene (vgl. Huf 2011. S. 28 ff.). Daraus ergeben sich nach Preißing (2010, S. 214) folgende Vorteile: ▸ „Reduktion von Unsicherheiten, die ansonsten auch nach Abschluss des expliziten Arbeitsvertrages bestehen würden, ▸ Festlegung emotionaler Beschäftigungsbeziehungen, ▸ Klärung gegenseitiger Erwartungen, Einstellungen, Werte und Nor‐ men, ▸ sinkender Überwachungs- oder Kontrollaufwand im Unternehmen aufgrund einer funktionierenden Vertrauensbasis der Vertragspar‐ teien und der Erfüllung gegenseitiger Erwartungen, ▸ geeignetes Führungsinstrument zur Mobilisierung intrinsischer Mo‐ tivation.“ (Preißing 2010, S. 214). 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 135 <?page no="136"?> Da der psychologische Vertrag nur implizit besteht und sowohl vom Arbeitnehmer als auch vom Arbeitgeber subjektiv interpretiert wird, be‐ steht einerseits die Gefahr, dass die jeweiligen Erwartungen voneinander abweichen und auch, dass sie sich im Zeitablauf verändern. Wird der psychologische Vertrag verändert oder gar gebrochen, kann das zu gravie‐ renden Veränderungen der Arbeitsmotivation und des Arbeitsverhaltens des Arbeitsnehmers führen, die sich z.B. in einer sinkenden Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber, der Vernachlässigung der Arbeitspflichten sowie einem steigenden Misstrauen und einer zunehmenden Entfremdung gegen‐ über dem Arbeitgeber äußern können und letztlich zur inneren oder gar expliziten Kündigung des Arbeitnehmers führen können (vgl. Gössing 2005, S. 62). Turnley und Feldman ermittelten in einer Studie zu den Auswirkungen des Bruchs des psychologischen Vertrages, dass dieser zu höheren Fluktua‐ tionsraten, sinkender Loyalität, nachlässigem Arbeitsverhalten sowie einer steigenden Anzahl an Arbeitnehmerklagen führen kann (vgl. Turnley/ Feld‐ man 1999, S. 896 ff.). Für ein für beide Seiten gutes Arbeitsverhältnis bedarf es also der Ein‐ haltung beider Verträge: des formaljuristischen Arbeitsvertrages sowie des psychologischen Vertrages. Veränderungen der Arbeitsmarktstrukturen und die steigende Arbeitsfle‐ xibilisierung haben in den letzten Jahrzehnten auch zu einer inhaltlichen Entwicklung bzw. Veränderung des psychologischen Vertrages zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geführt. Der traditionelle psychologische Vertrag beinhaltete im Wesentlichen die Dauerhaftigkeit und Langfristig‐ keit der Arbeitsbeziehung, das heißt der Arbeitgeber versprach Arbeits‐ platzsicherheit und lebenslange Beschäftigung, wofür der Arbeitnehmer seinerseits eine motivierte und engagierte Arbeitsleistung sowie unbedingte Loyalität seinem Arbeitgeber gegenüber anbot (vgl. Preißing 2010, S. 213; Raeder/ Grote 2001, S. 353). Diese Inhalte veränderten sich dahingehend, dass der Arbeitgeber in dem sog. „neuen“ psychologischen Vertrag nicht mehr eine Sicherheit des Arbeitsplatzes oder gar eine lebenslange Beschäf‐ tigungssicherheit, sondern stattdessen den Erhalt der lebenslangen Arbeits‐ marktfähigkeit verspricht. Damit verlagert sich der inhaltliche Schwerpunkt weg vom Unternehmen und hin zu den Arbeitsaufgaben sowie den indivi‐ duellen Leistungen und Entwicklungsmöglichkeiten der Mitarbeiter. Die Mitarbeiter bieten dafür weiterhin eine hohe Leistungsfähigkeit, Motivation und Loyalität an (vgl. Gössing 2005, S. 24 ff.). 2 Aktuelle Herausforderungen 136 <?page no="137"?> Unternehmen Unternehmen Entlohnung Arbeitszeit und -leistung Mitarbeiter Juristischer Vertrag (traditionell und heute) Psychologischer Vertrag (traditionell) Arbeitsplatzsicherheit Loyalität, Motivation, harte Arbeit Mitarbeiter Psychologischer Vertrag (heute) Unternehmen Mitarbeiter Arbeitsmarktfähigkeit Loyalität, Motivation, harte Arbeit Abbildung 35: Inhalte des traditionellen und heutigen psychologischen Vertrages. Quelle: eigene Abbildung Eine differenziertere Gegenüberstellung der Inhalte des alten und neuen psychologischen Vertrages bietet die Tabelle 8. Inhalte des traditionellen psycho‐ logischen Vertrages Inhalte des neuen psychologischen Vertrages • Arbeitsplatzsicherung • Lebenslange Beschäftigung • Gegenseitige Loyalität und Identi‐ fikation • Interner Aufstieg • Spezialisierung • Eigenverantwortung für Beschäfti‐ gung • Interne Entwicklungsmöglichkei‐ ten, den Fähigkeiten entsprechend, • Erweiterung der Fähigkeiten • Eigenverantwortung für Entwick‐ lung und Arbeitsmarktfähigkeit (Employability) • Orientierung an eigenen Fähigkeiten • Zielorientierung und Leistungsori‐ entierung • Flexibilität, also Akzeptanz von Unsicherheit Tabelle 8: Vergleich der Inhalte des alten und neuen psychologischen Vertrages. Quelle: Raeder/ Grote 2001, S. 354. Eigene Darstellung. 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 137 <?page no="138"?> Der neue psychologische Vertrag beinhaltet nicht mehr die Arbeitsplatzsi‐ cherheit, sondern die Beschäftigungs- und Marktfähigkeit des Arbeitneh‐ mers. Dies entspricht der steigenden Bedeutung der Arbeitsmarktfähigkeit im Hinblick auf die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse. Problematisch an diesem neuen psychologischen Vertrag ist jedoch, dass atypische und prekäre Beschäftigungsverhältnisse kaum noch ausreichende finanzielle und zeitliche Möglichkeiten bieten, um die Arbeitsmarktfähigkeit der Mitarbeiter zu sichern. So haben die Unternehmen nur ein geringes Interesse, in die Weiterbildung und Entwicklung atypsich Beschäftigter zu investieren, da der Nutzen für das Unternehmen als gering eingestuft wird. Mitarbeiter in atypischen Beschäftigungen haben häufig keine finan‐ ziellen und zeitlichen Spielräume, um ihre Weiterbildung und -entwicklung eigenverantwortlich zu übernehmen und zu finanzieren. Hinzu kommen noch die psychologischen Belastungen atypischer Beschäftigter, die sich zusätzlich negativ auf die eigene Beschäftigungsfähigkeit auswirken können (vgl. Wieland/ Krajewski 2002). Dies führt dazu, dass der neue psychologische Vertrag bei atypischen Beschäftigungsverhältnissen von Seiten der Unternehmen häufig gebrochen wird, indem die Verantwortung für die eigene Beschäftigungsfähigkeit auf die Mitarbeiter übertragen wird, diese jedoch kaum in der Lage sind, ihre Weiterentwicklung finanziell und zeitlich eigenverantwortlich zu leisten (vgl. Preißing 2010, S. 216; 218). Die steigende Flexibilität der Arbeitsverhältnisse, die Zunahme atypi‐ scher Beschäftigungsverhältnisse und die damit verbundene steigende Unsi‐ cherheit der Beschäftigten führt auch zu einem Anstieg der psychologischen Belastungen und ihrer gesundheitlichen Folgen für die betroffenen Mitar‐ beiter. Hier besteht ein wichtiger Ansatzpunkt für Work-Life-Balance Maß‐ nahmen, um die Belastungen und Unsicherheiten flexibler und atypischer Beschäftigungsverhältnisse zu reduzieren und dadurch mögliche negative gesundheitliche Auswirkungen auf die Mitarbeiter zu vermeiden. 2.4.5 Wandel der arbeitsorientierten Werte In den letzten 60 Jahren haben sich die gesellschaftlichen und auch die arbeitsorientierten Werte der Menschen deutlich verändert (vgl. Scholz 2000, S. 18 ff.). Werte sind kognitive Präferenzstrukturen, die Entscheidungen beeinflussen und das Verhalten steuern (vgl. Scholz 2000, S. 18). Für den einzelnen oder auch eine Gruppe sind Werte etwas Wünschenswertes; 2 Aktuelle Herausforderungen 138 <?page no="139"?> Werte werden durch die Gesellschaft geprägt, in der wir aufwachsen und leben; sie beeinflussen unsere Wahrnehmung und steuern unser Handeln, sie bilden den Orientierungsrahmen unseres Verhaltens und damit auch den Kern unserer Kultur (vgl. Widmaier 1991, S. 12). Die individuellen Wertvor‐ stellungen prägen unsere Bedürfnisse, Motive und Ziele, sie beeinflussen unsere Einstellungen und Interessen und bestimmen unsere Identität (vgl. Klages 1991, S. 53 ff.). Die Politik- und Kommunikationswissenschaftlerin Frau Noelle-Neu‐ mann stellte seit den 1970er Jahren eine abnehmende Bedeutung bürgerli‐ cher Tugenden, wie z.B. Höflichkeit, Sparsamkeit, Sauberkeit und Fleiss fest (vgl. Noelle-Neumann 1995a, S. 23). Daraus entwickelte sich eine gemeinsame Forschung zwischen Frau Noelle-Neumann und dem Betriebs‐ wirtschaftler Herrn Burkhard Strümpel über die deutschen Einstellungen zur Arbeit und zur Freizeit. Wichtige Ergebnisse dieser Untersuchungen belegten eine geringere Gewichtung der Arbeitswerte zu Gunsten von freizeitorientierten Werten (vgl. Tabelle 9). Diese Werteverschiebung hat in den 1990er Jahren deutlich zugenommen, beinahe 70% derjenigen, die unter 30 Jahre alt sind, empfinden die Stunden als die liebsten, in denen sie nicht arbeiten (vgl. Neue-Neumann 1995b, S. 194). Veränderung der arbeits- und freizeitorientierten Werte der Deutschen (vgl. Noelle-Neumann/ Strümpel, 1985, S. 10 f.) 1956 1982 Leben als Aufgabe 59% 43% Leben genießen 28% 36% Tabelle 9: Veränderung der Arbeits- und freizeitorientierten Werte der Deutschen (vgl. Noelle-Neumann/ Strümpel, 1985, S. 10 f.) Bereits 1977 identifizierte der US-amerikanische Politologe Ingelhart einen deutlichen Wandel der Werte, den er als „leise Revolution“ bezeichnete (vgl. Ingelhart 1977, S. 760). Während bei den älteren Menschen pflicht‐ orientierte Werte dominierten, wie z.B. Gehorsam und Disziplin, waren jüngeren Menschen sog. Anpassungswerte wesentlich wichtiger, wie z.B. der Wunsch nach stärkerer Mitbestimmung und Beteiligung sowie nach Selbstverwirklichung (vgl. Ingelhart 1979, S. 760 ff.). Offensichtlich hatten sich die individuellen Werte der Menschen verändert. 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 139 <?page no="140"?> Die Verschiebung konventioneller Normen belegt der Organisations- und Wirtschaftspsychologe Lutz von Rosenstiel (1987). So werden individuelle Werte wie z.B. Disziplin, Unterordnung, Gehorsam, Bescheidenheit, Fleiß, Treue, Enthaltsamkeit, Selbstbeherrschung und Anpassungsbereitschaft weniger wichtig, wohingegen die Freizeitorientierung, Ungebundenheit, Selbstverwirklichung und Eigenständigkeit für die Menschen wichtiger werden. Auch der Soziologe Helmut Klages identifiziert die Werteverschiebung hin zu Werten der Selbstentfaltung. Dabei grenzt Klages die in Abbildung 36 vorgestellten fünf verschiedenen Wertetypen voneinander ab (vgl. Klages 1985, S. 183 ff.). 2 Aktuelle Herausforderungen 140 <?page no="141"?> Wertetypen nach Klages Typ Bezeichnung Beschreibung Anteil (nur Westdeutschland) Typ 1 Ordnungsliebender Konventionalist • Hohe Wertkonstanz • Überwiegend materielle Bedürfnisbefriedigung • Tendenziell autoritäres Verhalten • Wenig Interesse an gesellschaftlichen Belangen • Wenig Interesse an neuen Informationen • Zufrieden mit dem Gegebenen 17% Typ 2 Perspektivloser Resignierter • Richtet sich aus Bequemlichkeit nach Normen • Wünsche sollen mit möglichst wenig Aufwand befriedigt werden • Kaum Übernahme von Pflichten aus eigenem Antrieb 15% Typ 3 Aktiver Realist • Hohe Leistungs- und Verantwortungsbereitschaft • Eigeninitiative, Engagement • Starker Wunsch nach Selbstentfaltung • Wertekombination aus traditionellen Werten (Sicherheitsorientierung, Pflichterfüllung, Sachautorität) und modernen Werten (Selbstverwirklichung, soziales Engagement) 13% Typ 4 Hedonistischer Materialist • Hohe Mobilität und Anpassungsfähigkeit • Aktive Suche nach beruflichen und persönlichen Chancen • Orientierung an Lust- und Erfolgsprinzip • Hohe Bereitschaft zu Veränderungen, wenn dadurch bessere Chancen erwartet werden 18% Typ 5 Nonkonformer Idealist • Starkes Streben nach Selbstentfaltung • Engagement in Bereichen, die seinem Weltbild entsprechen • Abneigung gegenüber Autorität, Sachzwängen aus Effizienzgründen, materiellen Reizen, Vereinnahmungsversuchen 17% Abbildung 36: Wertetypen nach Klages. Quelle: Klages 1985, S. 183 ff. Eigene Abbildung 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 141 <?page no="142"?> Doch welche Ursachen hat der Wertewandel? Zu seiner Erklärung werden in der Literatur verschiedene Ansätze diskutiert, die hier kurz vorgestellt werden (vgl. Stengel 1999, S. 837 ff.; Scholz 2000, S. 20 f.; Jung 2008, S. 839): ▸ Bildungshypothese: Je höher die Bildung von Personen ist, desto wichtiger werden postmaterialistische Werte, die die eigene Auto‐ nomie und Selbstverwirklichung anstreben. Steigt nun der Anteil gut und sehr gut ausgebildeter Menschen einer Gesellschaft (z.B. Deutschland) an, so verschiebt sich insgesamt auch das Wertesystem dieser Gesellschaft. ▸ Altersstrukturhypothese: Während die älteren Mitglieder einer Gesellschaft eher in traditionellen materiellen Werten verhaftet sind, sind für die Jüngeren eher postmaterielle Werte wichtig. Mit dem Aus‐ sterben der älteren Gesellschaftsmitglieder bzw. mit der Verjüngung der Gesellschaft insgesamt verschiebt sich auch das Wertesystem insgesamt hin zu postmateriellen Werten. ▸ Wohlfahrtshypothese / Mangelhypothese: Für die Individuen sind diejenigen Bedürfnisse am wichtigsten, die bislang am wenigsten befriedigt werden konnten. Mit dem Wiederaufbau von Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Befriedigung der physiolo‐ gischen Grund- und Sicherheitsbedürfnisse sowie der materiellen Grundbedürfnisse für die Menschen absoluten Vorrang. Dazu gehör‐ ten Wohnungen, Arbeit, Lebensmittel und grundlegende Konsumgü‐ ter. Mit der Entwicklung der Wirtschaft („Wirtschaftswunder“) stei‐ gerte sich in den 1960er und 1970er Jahren auch das Wohlstandsniveau der Bevölkerung, wodurch weitere materielle Bedürfnisse (z.B. höhe‐ res Einkommen, Konsum, Kleidung, Reisen) zunehmend befriedigt werden konnten. Der Aufbau des Sozialstaates entsprach den sozialen Bedürfnissen der Menschen. Bis dahin kaum befriedigt waren jedoch die individuellen Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung. Die Sätti‐ gung der materiellen (Grund-)Bedürfnisse lenkte die Aufmerksamkeit auf diejenigen Bedürfnisse, die noch nicht befriedigt waren und lösten so einen Wandel zu mehr immateriellen Werten aus. ▸ Sozialisationshypothese: Nach der Sozialisationshypothese wer‐ den die Menschen durch diejenigen Werte geprägt, die sie in ihren frühen Entwicklungsperioden kennenlernen und verinnerlichen und die die Gesellschaft bestimmen, in der sie aufwachsen. Die Nach‐ kriegsgeneration in Deutschland war stark vom Wiederaufbau, dem 2 Aktuelle Herausforderungen 142 <?page no="143"?> beginnenden Wirtschaftswunder und damit der Befriedigung mate‐ rieller Bedürfnisse geprägt. Die nachfolgende Generation wuchs in einer Gesellschaft auf, in der die materiellen Bedürfnisse weitgehend gestillt waren. Hier wurden nun postmaterielle Bedürfnisse wichtiger, durch die diese Generation sozialisiert wurde. Dies erklärt den Wandel seit den 1970er Jahren hin zu postmateriellen Werten. ▸ Defizitwahrnehmungshypothese: Erst, wenn eine Person bestimmte Ziele erreicht hat (z.B. Wohlstand, gut bezahlte Arbeit), wird ihr bewußt, dass andere Ziele bislang gar nicht befriedigt wurden (z.B. Freizeit). Diese bislang unbefriedigten Ziele werden nun als neue Ziele gesetzt. ▸ Nebenwirkungshypothese: Mit dem Anstreben bzw. der Errei‐ chung bestimmter Ziele können Nebenwirkungen verbunden sein. Beispielsweise kann das Ziel eines möglichst hohen materiellen Wohl‐ stands mit einer 60-Stunden-Arbeitswoche, entsprechenden gesund‐ heitlichen Risiken und kaum Freizeit als Nebenwirkungen verbunden sein. Zeigen sich tatsächliche gesundheitliche Beeinträchtigungen (z.B. Herzbeschwerden, Verlust sozialer Kontakte), kann dies zu einer Höhergewichtung der Nebenwirkungen und damit zu einer Verschie‐ bung der Werte führen. ▸ Strukturhypothese: Die persönlichen Werte werden auch durch die Strukturen der Umwelt beeinflusst. Ändern sich diese Strukturen, beispielsweise durch neue Technologien, veränderte Produktionswei‐ sen oder andere Arbeitsbedingungen, so kann das auch zu einer Veränderung der individuellen Werte führen. ▸ Multiplikatorhypothese: Die Veränderung von Werten wird ge‐ tragen von bestimmten Personen, bei denen sich frühzeitig Werte verändern. Gelangen diese Personen in einflussreiche Positionen, so können sie ihre neuen Wertepräferenzen einer Vielzahl an Personen vermitteln und dadurch zu einem gesellschaftsweiten Wertewandel beitragen. Eine Überprüfung der vorgestellten Hypothesen zur Erklärung des Werte‐ wandels bedarf umfangreicher und langjähriger Längsschnittuntersuchun‐ gen, die bislang kaum durchgeführt wurden. Vorhandene Querschnittun‐ tersuchungen (vgl. z.B. Smola/ Sutton 2002; van der Velde/ Feij/ Emmerik 1998) erlauben eine Unterscheidung zwischen Alters- und Kohorteneffek‐ ten, kommen aber bislang zu keinen eindeutigen Ergebnissen. (vgl. Bruch/ Kunze/ Böhm 2010, S. 93). Wahrscheinlich ist, dass mehrere Einflussfaktoren 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 143 <?page no="144"?> den Wandel von Werten beeinflussen, so dass alle Hypothesen einen Beitrag zur Erklärung des Wertewandels leisten, konkrete Wandelprozesse jedoch von den individuellen Gegebenheiten abhängig sind. Um einen konkreteren Einblick in die aktuell vorherrschenden Werte zu ermöglichen, werden im Folgenden die verschiedenen Generationen mit ih‐ ren gesellschaftlichen Prägungen, Alterungsstrukturen, Lebensphasen und ihrem Wertespektrum detaillierter vorgestellt, die derzeit in der deutschen Arbeitswelt präsent sind. Jede Generation wird geprägt durch die in ihrer Zeit bestehenden gesell‐ schaftlichen Werte, Strukturen und Ereignisse, die sie in ihren wesentlichen persönlichen Entwicklungsphasen kennenlernt und verinnerlicht, wodurch sich generationsspezifische Werte, Einstellungen und Identitäten herausbil‐ den (vgl. z.B. Mannheim 1928; Zemke/ Raine/ Filipczack 1999). Unter Generation im Sinne eines historisch-gesellschaftlichen Generati‐ onsbegriffs kann dabei eine Alterskohorte verstanden werden, die in einem bestimmten Zeitraum geboren ist und deren persönliche Entwicklung in Kindheit, Jugend und als junge Erwachsene durch die gleichen sozialen, ge‐ sellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Ereignisse geprägt wur‐ den (vgl. Bruch/ Kunze/ Böhm 2010, S. 92). In der Literatur finden sich verschiedene Ansätze zur Abgrenzung von Generationen seit dem zweiten Weltkrieg, die sich je nach regionalem bzw. nationalem Bezug und ihren spezifischen gesellschaftlichen, wirtschaftli‐ chen und sozialen Hintergründen und Entwicklungen unterscheiden und teils auch unterschiedliche Geburtenzeiträume umfassen. Die Abbildung 37 zeigt wesentliche Merkmale der gesellschaftlichen, beruflichen und privaten Sozialisation sowie wichtige Arbeitswerte der aktuell unterscheidbaren Generationen insbesondere für die deutsche Gesellschaft, die im Folgenden detaillierter vorgestellt werden (vgl. Bruch/ Kunze/ Böhm 2010, S. 97 ff.; Kirschten 2017, S 77 ff.). Die jeweils angegebenen Geburtenzeiträume sind als Orientierungswerte zu verstehen, um eine zeitliche Abgrenzung der verschiedenen Generationen zu ermöglichen. Die Sozialisation und Werte‐ prägung der jeweiligen Generationen erfolgen wesentlich in den ersten beiden Jahrzehnten des Lebens (mit entsprechenden Ausnahmen aufgrund gravierender Ereignisse auch später). Für die jeweiligen Generationen und die angegebenen Generationszeiträume bedeutet dies, dass die Menschen durch die gesellschaftlichen Ereignisse der ihrem Geburtsjahr folgenden ein bis zwei Jahrzehnte wesentlich geprägt wurden. Dies gilt es bei der Diskus‐ sion der Werteprägung der verschiedenen Generationen zu berücksichtigen. 2 Aktuelle Herausforderungen 144 <?page no="145"?> Abbildung 37: Charakteristika und Arbeitswerte verschiedener Generationen. Quelle: Kirschten 2017, S. 77 mit eigenen Ergänzungen 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 145 <?page no="146"?> 2.4.5.1 Generation Silent Die Generation Silent (Geburtenjahrgänge 1936 bis 1949) umfasst Menschen, die in dem Zeitraum von 1936 bis 1949 geboren wurden. Diese Menschen wurden wesentlich durch die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges und die entbehrungsreiche Nachkriegszeit geprägt, sind heute ca. 80 Jahre und älter und schon lange aus dem Arbeitsleben ausgeschieden. Dennoch werden sie hier kurz charakterisiert. Die Mitglieder der Generation Silent wurden in ihrer Kindheit und Jugend stark geprägt durch die Nöte und Entbehrungen der Kriegszeit, zu denen Verlust von Wohnungen, Familienmitgliedern, Flucht, Vertreibung und der Kampf um das Überleben gehörten. Nach Kriegsende im Jahr 1945 erlebten sie den Wiederaufbau Deutschlands, der zunächst ebenfalls sehr entbehrungsreich war. Zu den wesentlichen Charaktereigenschaften dieser Generation gehören Zielstrebigkeit, Pragmatismus, Sparsamkeit, Höflich‐ keit, Gewissenhaftigkeit sowie große Loyalität (vgl. vgl. Oertel 2007; Bruch/ Kunze/ Böhm 2010, S. 98). Die Arbeitswelt war in den 1950er Jahren geprägt vom Taylorismus, einer mechanistischen Sicht auf die Mitarbeiter, strikten Hierarchien und einer hohen Autoritätsprägung (vgl. Bruch/ Kunze/ Böhm 2010, S. 98). Weiter bestand eine klare Trennung zwischen dem Berufs- und Privatleben, wobei die Arbeit vorrangig der Sicherstellung des Lebensunterhalts diente und kaum zur individuellen Selbstverwirklichung. Die Arbeitswelt wurde von Männern beherrscht, Frauen arbeiteten überwiegend in frauenspezifischen Berufen, wie z.B. als Sekretärin, Krankenschwester oder Lehrerin (vgl. Zemke/ Raine/ Filipczack 1999). 2.4.5.2 Die Baby Boomer Generation Die Baby Boomer Generation (Geburtsjahrgänge 1950- 1964) ist aktuell die älteste, gleichzeitig auch die geburtenstärkste Generation der Erwerbstäti‐ gen. Die älteren Jahrgänge (ca. 1950 -1955) sind zwischen 65 Jahren und 70 Jahren alt und damit sehr wahrscheinlich bereits im Ruhestand. Die jüngeren Jahrgänge (ca. 1956 - 1964) sind zwischen 56 Jahren und 65 Jahren alt, beruflich meist gut etabliert und erwarten ihren Ruhestand in den nächsten ca. zehn Jahren. Aufgewachsen ist diese Generation im Wiederaufbau der 1950er Jahre, im Wirtschaftsaufschwung der 1960er, teils auch noch in den ersten Nach‐ kriegskrisen der 1970er Jahre. 2 Aktuelle Herausforderungen 146 <?page no="147"?> Die Zeit des Wirtschaftsaufschwungs war gekennzeichnet durch Voll‐ beschäftigung und gute berufliche und wirtschaftliche Perspektiven. Die persönliche Sicherheit wurde durch den wachsenden Wohlfahrtsstaat ge‐ währleistet. Materiell gut abgesichert konnte sich diese Generation in ihrer Jugend stark an sozialkritischen und postmaterialistischen Werten orientie‐ ren, sie setzte sich ein für gesellschaftliche Veränderungen, mehr Umwelt‐ schutz, Schutz von Minderheiten, gerechtere Vermögensverteilungen und mehr Mitbestimmung. Prägend waren hier die großen Generationskonflikte in den 1960er Jahren („1968er Revolte“). Allerdings lernte diese Generation auch schon die ersten Nachkriegskri‐ sen kennen, zu denen die Ölkrise (Ende der 1970er Jahre und Anfang der 1980er Jahre) sowie die daraus resultierende Wirtschaftsstagnation und die beginnende Massenarbeitslosigkeit zählen. Auch politisch waren die 1970er Jahre mit dem RAF-Terrorismus sehr unruhig. In ihrer Arbeitswelt erfuhren die Mitglieder des Wirtschaftsaufschwungs die Entwicklung der Human Relations Bewegung, die sich stärker an den Be‐ dürfnissen der Mitarbeiter (steigende Partizipation, mehr Mitbestimmung) sowie an humaneren Arbeitsbedingungen orientierte (vgl. Kieser/ Walgen‐ bach 2007). Als geburtenstärkste Generation mussten die Baby Boomer sowohl in der Familie, der Schule und im Beruf lernen, mit Konkurrenzsituationen umzugehen (vgl. Dychtwald 2003, S. 8). Dies förderte ihre Kooperations- und Teamfähigkeit sowie ihre Sozialkompetenz. Gleichzeitig nahm die Bedeutung der Arbeit ab zugunsten einer steigen‐ den Bedeutung für die eigene Entwicklung und die Freizeit. So verlagerte sich auch die Arbeitseinstellung weg vom „Leben, um zu arbeiten“ hin zum „Arbeiten, um im Leben Erfolg zu haben“. Heute sind dieser Generation vor allem Selbstverwirklichung, Sinnstiftung, Partizipation und Anerkennung im Beruf wichtig, also eher postmaterialistische Werte. Materiell gilt diese Generation als weitgehend abgesichert. Die berufliche Leistungsfähigkeit dieser Generation kann schon Ein‐ schränkungen unterliegen. Dennoch haben sie eine hohe Einsatzbereitschaft und auch umfangreiches Erfahrungswissen, was ihre Arbeitsleistung sehr wertvoll macht. Ihre persönliche Lebenssituation ist i. d. R. durch die Vorbe‐ reitung auf den Ruhestand geprägt. 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 147 <?page no="148"?> 2.4.5.3 Die Generation X Die Generation X (Geburtenjahrgänge 1965 - 1979) ist aktuell zwischen 42 Jahren und 56 Jahren alt. Sie ist in einer Zeit aufgewachsen, die zwar durch wirtschaftlichen Wohlstand mit Lohnsteigerungen und Arbeitszeitverkür‐ zungen, aber auch durch eine zunehmende Arbeitslosigkeit gekennzeichnet war. Politisch prägend waren in dieser Zeit der Golfkrieg, das steigende Umweltbewusstsein und die deutsche Wiedervereinigung, gesellschaftlich prägend war die zunehmende Berufstätigkeit beider Eltern sowie steigende Scheidungsraten. (vgl. Oertel 2007). Während die Baby Boomer mehr postmaterialistische Werte verfolgten, streben die Mitglieder der Generation X stärker nach materiellen Werten, wie Karriere, Wohlstand und Sicherheit. Dies resultiert aus der unsicheren Arbeitsmarktlage, der Krise des Wohlfahrtsstaates, der steigenden Globali‐ sierung und der sinkenden Bedeutung formaler Bildungsabschlüsse. (vgl. Klein 2003). Die Arbeitswelt dieser Generation ist geprägt durch Dezentralisierung und Abnahme an Hierarchien, um die Organisations- und Ablaufstrukturen flexibler und effizienter zu gestalten und so der steigenden Marktdynamik besser gerecht werden zu können, aber auch mögliche Krisen besser zu bewältigen. Neue Organisationsformen, wie z.B. die Projektarbeit und teil‐ autonome Arbeitsgruppen werden neben klassischen Organisationsformen zunehmend in den Unternehmen eingesetzt. Die physischen Arbeitsbelas‐ tungen sinken aufgrund des technologischen Wandels, dafür steigen die psychischen und wissensbasierten Anforderungen an die Mitarbeiter. Die schnelle Entwicklung vieler arbeitsbezogener Wissensbestände erfordert zunehmende Lernprozesse der Mitarbeiter in immer kürzeren zeitlichen Ab‐ ständen. Hinzu kommen die vielfältigen Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologien, die in den 1980er Jahren die Arbeitswelt (aber auch die Privatwelt) drastisch veränderten. In immer mehr Arbeitsbe‐ reichen wurden Computer eingesetzt und auch die Auseinandersetzung mit immer neuen Technologien wurde selbstverständlich. Die physische und psychische Leistungsfähigkeit der Generation X ist hoch, sie stehen noch mitten im Berufsleben und vielen ist ihre berufliche Entwicklung und Karriere wichtig, wofür sie auch viel Zeit und Engagement investieren. In den 1980er und 1990er Jahren konnten viele Generationsmit‐ glieder beachtliche Karrieren machen. Krisen, wie die der „New Economy“ machten jedoch deutlich, dass diese Generation auch von wirtschaftlich schlechteren Zeiten und mit Arbeitslosigkeit konfrontiert werden kann. 2 Aktuelle Herausforderungen 148 <?page no="149"?> Die Generation X ist heute zwischen Anfang 42 und 56 Jahren alt. Viele waren im jungen Erwachsenenalter lange unabhängig und ungebunden. Die Entscheidung für Familie und Kinder wurde bei vielen erst spät getroffen. Dies hat nun zur Folge, dass die Erwerbstätigkeit häufig parallel zur Kinder‐ erziehung verläuft, was für viele mit anspruchsvollen und zeitintensiven beruflichen Aufgabenbereichen zu Konflikten zwischen den beruflichen und familiären Anforderungen führt. Zusätzlich müssen mittlerweile teils auch die eigenen pflegebedürftigen Eltern betreut werden. Aufgrund dieser Doppelbelastung der noch Kinderbetreuung und schon Pflege der Eltern wird diese Generation auch als „Scharniergeneration“ bezeichnet (vgl. Lüscher/ Liegler 2003, S. 80). Insgesamt kann die Generation X durch folgende Merkmale charakteri‐ siert werden: Selbstständigkeit, Ehrgeiz, Gleichberechtigung, Rationalität, Pragmatismus, Individualismus und Zuverlässigkeit. 2.4.5.4 Die Generation Y Die Generation Y (Geburtenjahrgänge 1980 bis 1994) ist aktuell zwischen 27 Jahren und 41 Jahren alt und ist im Arbeitsleben meist fest etabliert. Diese Generation hat viele Namen: Dazu gehören Netzkinder (vgl. Oertel 2007), Nexters (Zemke/ Raine/ Filipczack 1999), Generation Y als Abgrenzung zur Generation X im englischsprachigen Raum (vgl. Klaffke/ Parment 2011, S. 5) und Internetgeneration aufgrund der starken Prägung dieser Generation durch die vielfältigen technischen und kommunikationsbezogenen Möglich‐ keiten des Internets (vgl. Bruch/ Kunze/ Böhm 2010, S. 108). Die Generation Y steht heute mitten im Arbeitsleben und wurde vor allem durch die folgenden Ereignisse geprägt: ▸ steigende Globalisierung ▸ rasante technische Entwicklungen, insbesondere vielfältige informa‐ tionskommunikationsorientierte Innovationen ▸ weltweite Verbreitung des Internets ▸ demografischer Wandel ▸ zunehmende Individualisierung der Gesellschaft ▸ politische Entwicklungen (insbesondere deutsche Wiedervereini‐ gung) Die Generation Y ist mit der zunehmenden Globalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft aufgewachsen. Die sich daraus ergebenden Vorteile, wie beispielsweise weltweite Konsumangebote (z.B. Produkte, Informationen, 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 149 <?page no="150"?> Reisen) sowie internationale Beschäftigungsmöglichkeiten werden häufig als selbstverständlich in Anspruch genommen. Allerdings wird die Genera‐ tion Y auch mit den Nachteilen der Globalisierung konfrontiert, wie z.B. dem steigenden weltweiten Verdrängungswettbewerb. Gleichzeitig ist diese Generation in einer weltweit zur Verfügung stehen‐ den informations- und kommunikationsbasierten Technik- und Medienviel‐ falt sozialisiert. Die rasanten und vielfältigen technologischen und insbe‐ sondere informations- und kommunikationsorientierten Innovationen und Entwicklungen der letzten ca. drei Jahrzehnte sowie die weltweite Verbrei‐ tung des Internets und die steigende Digitalisierung haben zu einem selbst‐ verständlichen Umgang mit unterschiedlichsten digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien (I+K-Technologien) und I+K-Geräten (z.B. Handy, Smartphone, iPod, Tablet etc.) als auch zu einer (vermeintlichen) Multitasking-Fähigkeit dieser Generation geführt (vgl. Klaffke/ Parment 2011, S. 9; 56). Auch die jederzeitige Nutzung des Internets zur weltweiten Beschaffung und Verbreitung von Informationen sowie zur Kommunikation ist selbstverständlich (vgl. Parment 2009, S. 41 f.). Damit verbunden ist je‐ doch auch eine permanente Informationsüberflutung, der diese Generation ausgesetzt ist. Gesellschaftlich ist die Internetgeneration geprägt von einem zuneh‐ menden Individualismus, ständiger Kommunikation, hoher Transparenz und vielen beruflichen und privaten Wahlmöglichkeiten (vgl. Parment 2009, S. 39). Auch weist die Generation Y eine ausgeprägte Konsumkultur auf, bei der die Befriedigung individueller Emotionen und ästhetischer Bedürfnisse gegenüber rationalen und funktionalen Kriterien deutlich an Bedeutung gewinnen (vgl. Parment 2009, S. 55 f.). Durch die vielfältigen Wahlmöglichkeiten hat diese Generation hohe Ansprüche an ihr Berufs- und Privatleben entwickelt. Allerdings ist diese Generation auch deutlich an den gesellschaftlichen Entwicklungen interessiert, was z.B. in ihrem ausgeprägten sozialen und ökologischen Engagement zum Ausdruck kommt (vgl. Ferri-Reed 2010, S. 32; Wilton 2008, S. 81; Klaffke 2011, S. 9). Politisch wurde die Internetgeneration in ihrer Jugend von der deutschen Wiedervereinigung geprägt, mit all ihren positiven, aber auch negativen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen für verschiedene Gesellschaftsbereiche und Regionen. Zusätzlich verdeutlichten die Terror‐ anschläge vom 11. September 2001 und die vielen internationalen gewalt‐ tätigen Auseinandersetzungen, die Vielfalt internationaler, kultureller und 2 Aktuelle Herausforderungen 150 <?page no="151"?> religiöser Konfliktpotenziale sowie die Zunahme an internationalem Terro‐ rismus, dass Frieden und Stabilität nicht selbstverständlich sind. Wesentliche Werte der Generation Y sind Kontaktfreudigkeit, Toleranz und Offenheit gegenüber anderen Kulturen, Optimismus, soziales und öko‐ logisches Engagement, technische Aufgeschlossenheit und hohe Leistungs‐ fähigkeit. Allerdings zeichnet sie sich auch aus durch Ungeduld, Egoismus und Skepsis (vgl. Oertel 2007). Die Arbeitswelt der Generation Y ist geprägt von vielen beruflichen Möglichkeiten und Unsicherheiten mit wechselnden, eher kurzfristigen und teils auch schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen. Das Schlagwort der „Generation Praktikum“ ist hierauf zurückzuführen (Stolz 2005). Insgesamt ist die Arbeitssituation und berufliche Entwicklung für diese Generation we‐ sentlich schlechter planbar und mit höherer Unsicherheit behaftet. Zusätz‐ lich steigen die Anforderungen an die Mobilität, Flexibilität und Kreativität der Beschäftigten, die sie in jedem neuen Beschäftigungsverhältnis wieder unter Beweis stellen müssen. Darüber hinaus ist die Arbeitswelt aber auch das private Leben stark geprägt von der Vielfalt der Informations- und Kom‐ munikationstechnologien (Internet, E-Mail, soziale Online-Netzwerke und Soziale Medien). Für sie ist eine ständige orts- und zeitunabhängige berufli‐ che und private Kommunikation selbstverständlich, wobei sich die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben zunehmend auflösen. Auch hat diese Generation gelernt, viele unterschiedliche Aufgaben und technische An‐ wendungen gleichzeitig zu bearbeiten, weshalb sie als „multi-tasking“-fähig bezeichnet wird (vgl. Gursoy/ Maier/ Chi 2008). Auch die häufig international vernetzten und zunehmend dezentralisierten Organisationsstrukturen sind für die Generation Y normal und gehören häufig zum Berufsalltag. Physisch und psychisch ist die Generation Y gut leistungs- und belas‐ tungsfähig. Sie können sich schnell in neue Aufgaben einarbeiten, verfügen häufig über eine sehr gute Ausbildung und hohe kognitive Fähigkeiten sowie eine ausgeprägte Lernbereitschaft. Beruflich sind viele Mitglieder der Ge‐ neration Y fest etabliert und verfügen mittlerweile über ein umfangreiches Erfahrungswissen. Das Privatleben der Generation Y ist vielfältig. Diejenigen, die sich für Kinder und Familie entschieden haben, kennen meist die Zerrissenheit zwischen dem Berufs- und dem Privatleben und schätzen Flexibilität und Work-Life-Balance Maßnahmen ihrer Arbeitgeber. 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 151 <?page no="152"?> 2.4.5.5 Generation Z Die Generation Z (Geburtenjahrgänge 1995 bis 2009) befindet sich mit einem aktuellen Alter von 12 Jahren bis 26 Jahren noch in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen. Während die jüngsten Mitglieder dieser Generation noch in den Kinderschuhen stecken und zur Schule gehen, absolviert der etwas ältere Teil dieser Generation bereits seine Ausbildung bzw. sein Studium und die ältesten Jahrgänge sind vermutlich schon im Berufsleben angekommen und sammeln dort erste Berufserfahrungen. Gesellschaftlich geprägt ist die Generation Z durch die steigende Globali‐ sierung der Wirtschaft, durch Wirtschaftskrisen (z.B. die Bankenkrise), aber auch durch die zunehmend spürbaren Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Welt. Politisch prägte die Generation Z insbesondere die vielfältigen regionalen kriegerischen Auseinandersetzungen und vor allem die zuneh‐ menden Flüchtlingsströme nach Europa. Die Vielfalt der Ereignisse mit ihren ganz unterschiedlichen Auswirkun‐ gen stärken den Wunsch nach Sicherheit und Stabilität. Die Generation Z ist aber auch global orientiert und übernimmt ökologische und soziale Verantwortung, wie sich am Beispiel der „Fridays-for-future-Bewegung“ zeigt, die von der schwedischen Schülerin Greta Thunberg im Jahr 2018 initiiert wurde, sich mittlerweile als weltweiter Protest von überwiegend Schülern, Studierenden und jungen Leuten ausgedehnt hat und umfassende Maßnahmen zum weltweiten Klimaschutz und zur Umsetzung des Pariser Weltklimaabkommens von 2015 fordert. (vgl. Fridays for future: https: / / frid aysforfuture.de; Hurrelmann/ Albrecht 2020). Technologisch ist die Generation Z aufgewachsen und stark geprägt von der Vielfalt digitaler technologischer Entwicklungen und der weltweiten digitalen Vernetzung über das Internet, die eine allgegenwärtige mobile Information und Kommunikation ermöglicht. Auch die Entwicklungen der künstlichen Intelligenz (KI) sind für sie vertraut. Ein Leben ohne Internet und Smartphone ist kaum vorstellbar. Auch das Cloud Computing und die umfassende Vernetzung über elektronische soziale Medien sowie die weitreichende Selbstdarstellung über die sozialen Medien ist für diese Generation typisch und wichtig. Die Mitglieder der Generation Z bekommen meist eine gute Ausbildung. Sie legen Wert auf Individualität, Selbststeue‐ rung, Anerkennung, eine große Flexibilität, aber auch auf ihre Freizeit und ein abgegrenztes Privatleben. Dabei sind sie häufig stark auf sich selbst bezogen. Das spiegelt sich auch in ihren Arbeitswerten, die häufig durch entsprechende Befragungen von Schülern, Studierenden und jungen 2 Aktuelle Herausforderungen 152 <?page no="153"?> Erwachsenen erhoben werden (vgl. Maas 2019, Albert et al. 2019) Die bisher empirisch ermittelten arbeitsbezogenen Werthaltungen der Genera‐ tion Z bestätigen die folgenden Wertetendenzen dieser Generation. An die Arbeitgeber werden hohe Ansprüche hinsichtlich der Arbeitsinhalte (z.B. sinnstiftende Tätigkeiten), den Gestaltungsmöglichkeiten und der Mitsprache bei den Arbeitsinhalten und Arbeitsbedingungen sowie den eigenen Entwicklungsmöglichkeiten gestellt. Neben einem angemessenen Gehalt ist den Mitgliedern der Generation Z auch die berufliche Sicherheit und Stabilität sehr wichtig. Auch wollen sie schon im Bewerbungsprozess wertgeschätzt und indivduell behandelt werden. Demgegenüber ist ihre Karriereorientierung nicht sehr stark ausgeprägt und viele junge Menschen können sich auch vorstellen, nur in Teilzeit zu arbeiten (z.B. auf einer 30-Stunden-Stelle), um mehr Zeit für Freunde und Familie zu haben. Auffällig ist bei der Generation Z, dass sie sich trotz hoher Erwartungen an moderne Arbeitsmodelle und digitale Arbeitsmittel eine klare Abgrenzung zwischen ihrem Berufsleben und ihrem Privatleben wünschen. Sie möchten einen klar geregelten Arbeitstag (von 9.00h bis 17.00h), keine Überstunden machen und nach der Arbeitszeit und am Wochenende nicht ständig für ihren Arbeitgeber erreichbar sein (vgl. z.B. Maas 2019). Sie wünschen sich also eher eine Work-Life-Separation. Bei dieser Diskussion der Werteorien‐ tierung und insbesondere der arbeitsbezogenen Werte der Generation Z muss berücksichtigt werden, dass ihre Mitglieder aktuell zwischen 12 Jahren und 26 Jahren alt sind. So werden sich die Werthaltungen vor allem der jüngeren Mitglieder dieser Generation in den nächsten ca. zehn Jahren teils erst noch entwickeln bzw. konkreter ausprägen. Insofern ist die aktuelle Wertevorstellung noch als vorläufig und nur tendenziell zu werten. (vgl. Krings/ Hurrelmann 2019; Maas 2019; Scholz 2014). 2.4.5.6 Generation Alpha Die Generation Alpha ( Jahrgänge 2010 bis 2025) ist die Nachfolgegeneration der Generation Z. Die ältesten Mitglieder dieser Generation sind gerade elf Jahre alt, viele von ihnen sind bisher noch gar nicht geboren. Da die Generation Alpha noch in den Kinderschuhen steckt, sind bislang keine Aussagen zu ihren Werthaltungen und schon gar nicht zu ihren zukünftigen arbeitsbezogenen Werten möglich. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich nur prognostizieren, dass diese Generation als Digital Natives aufwachsen und wesentlich durch die stark voranschreitende Digitalisierung, die weiteren digitalen und technologischen Entwicklungen, die allgegenwärtige digitale 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 153 <?page no="154"?> Vernetzung und die Entwicklungen der Künstliche Intelligenz geprägt werden wird. So wird für die Generation Alpha die Digitalisierung unserer Wirtschaft und Lebenswelt sowie der Umgang mit digitalen Technologien und Geräten als auch die digitale Vernetzung sehr wahrscheinlich völlig selbstverständlich sein. Aber auch verschiedene gesellschaftliche, politische und ökologische Krisen und Veränderungen (z.B. Flüchtlingsströme, Kli‐ mawandel) werden diese neue Generation prägen und vielleicht zu einer stärkeren Ausprägung von Werten wie Nachhaltigkeit, gesellschaftlicher Verantwortung und individueller Freiheit und Vielfalt führen. (vgl. u. a. Maas 2019). 2.4.6 Steigende Qualifikation und Berufstätigkeit von Frauen „Frauen sind heute besser ausgebildet und beruflich qualifiziert als jemals zuvor - es liegt daher im ureigenen Interesse der Unternehmen, dieses Potenzial auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung so gut wie möglich zu nutzen.“ (BMFSFJ 2011, S. 13). Diese Aussage ist erst recht im Jahr 2021 gültig. 2.4.6.1 Bildung und Qualifikation von Frauen Das Bildungsniveau ist insgesamt in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen, wie die folgende Abbildung 38 zeigt. Dabei gibt es aber deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. In der Geburtenkohorte der heute 60bis 65-Jährigen verfügen Männer über einen höheren allgemeinen Bildungsabschuss als Frauen. Je jünger die Frauen sind, desto höher ist auch ihr allgemeiner Bildungsabschluss. So liegt der Anteil der Frauen mit Hoch‐ schulreife im Jahr 2018 bei den 30bis 35-Jährigen Frauen bei 51%, während er in der gleichen Alternskohorte bei den Männern nur bei 46% liegt. Auch bei der Betrachtung des höchsten beruflichen Bildungsabschlusses zeigt sich, dass 31% der Frauen in der Alterskohorte 30 Jahre bis 35 Jahre im Jahr 2018 einen Hochschulabschluss haben, wohingegen der Anteil der Männer mit Hochschulabschluss in der gleichen Alterskohorte (30 Jahre bis 35 Jahre) bei 28% liegt. (vgl. BMBF 2020, S. 67). 2 Aktuelle Herausforderungen 154 <?page no="155"?> Quelle: BMBF (Hrsg) 2020: Bildung in Deutschland 2020, S. 67 (CC BYSA 3.0 DE) Abbildung 38: Bildungsabschlüsse der Bevölkerung nach Altersgruppen und Ge‐ schlecht im Jahr 2018. Quelle. BMBF, 2020, S. 67). Auch die Daten von 2017 zeigen ein höheres Bildungsniveau beim allgemei‐ nen Schulabschluss. Je jünger die Menschen sind, desto höher ist der Anteil derjenigen, die die allgemeinbildende Schule mit der Fachhochschulreife bzw. der Hochschulreife abschließen. Entsprechend rückläufig ist der Anteil derjenigen, die einen Hauptschulabschluss erwerben. Dabei ist bemerkens‐ wert, dass die Frauen ihre Bildungschancen stärker nutzen als die Männer. So lag der Anteil der Frauen im Alter von 20 Jahren bis 29 Jahren mit einem Fachhochschulabschluss bzw. einem Hochschulabschluss bei 56%, demgegenüber erreichten nur 49% der Männer im Alter von 20 Jahren bis 29 Jahren einen Fachhochschulabschluss bzw. einen Hochschulabschluss im Jahr 2017. 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 155 <?page no="156"?> Abbildung 39: Schulabschluss der Bevölkerung nach Alter und Geschlecht 2017. Quelle: Demografie-portal.de Schulabschluss. Berufliche Bildung Wie die Abbildung 40 zeigt, verliert die Berufsausbildung im Vergleich zum Studium weiter an Bedeutung. Im Jahr 1992 war der Anteil derjenigen Jugendlichen, die eine berufliche Ausbildung begannen, doppelt so hoch die der Anteil derjenigen, die ein Hochschulstudium begannen. Im Jahr 2019 haben sich die Anteile derjeni‐ gen, die eine berufliche Ausbildung beginnen und derjenigen, die ein Hoch‐ schulstudium beginnen, fast angeglichen: So wurden im Jahr 2019 514.000 Ausbildungsverträge abgeschlossen und 508.000 Jugendliche nahmen ein Hochschulstudium auf (vgl. demografie-portal.de Ausbildung-Studium-An‐ fänger). 2 Aktuelle Herausforderungen 156 <?page no="157"?> Abbildung 40: Ausbildungs- und Studienanfänger 1992 bis 2019. Quelle: Demogra‐ fie-portal.de Ausbildung-Studium-Anfänger. Berufliche Bildungsabschlüsse nach Geschlecht Die Verteilung der beruflichen Bildungsabschlüsse nach dem Geschlecht zeigt die folgende Abbildung 41. Während die Anteile zwischen Frauen und Männern bei der Aufnahme einer Berufsausbildung und beim Fachschulab‐ schluss relativ ausgeglichen sind, überwiegt der Anteil der Männer bei den Hochschulabschlüssen (Bachelor, Master, Diplom) und deutlich beim Anteil der abgeschlossenen Promotionen. 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 157 <?page no="158"?> Abbildung 41: Berufliche Bildungsabschlüsse nach Geschlecht. Quelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2019a): Statistisches Jahrbuch 2019, S. 89. TOP 20 der Ausbildungsberufe bei Frauen und Männern Während junge Männer häufiger eine Ausbildung in gewerblich-techni‐ schen Berufen wählen, entscheiden sich junge Frauen häufiger für Dienst‐ leistungsberufe, wie die folgende Abbildung 42 zeigt. (vgl. Statistisches Bundesamt 2020b; demografie-portal: Berufliche Ausbildung). 2 Aktuelle Herausforderungen 158 <?page no="159"?> Abbildung 42: Gewählte Ausbildungsberufe nach Beliebtheit und Geschlecht. Quelle: Demografie-portal (2020): www.demografie-portal.de/ DE/ Fakten/ Bilder/ gross/ berufli che-ausbildung.png? __blob=publicationFile&v=4. Abruf: 12.09.2020. Etwas ausführlicher zeigt folgende Abbildung 43 die Wahl der Ausbildungs‐ berufe nach Beliebtheit und Geschlecht. 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 159 <?page no="160"?> TOP 20 1 Ausbildungsberufe 2 Frauen Anzahl % insgesamt 469 773 100 1 Kaufmann/ Kauffrau für Büromanagement 49 188 10,5 2 Medizinische(r) Fachangestellte(r) 40 620 8,6 3 Zahnmedizinische(r) Fachangestellte(r) 31 539 6,7 4 Industriekaufmann/ -kauffrau 27 822 5,9 5 Kaufmann/ Kauffrau im Einzelhandel 26 385 5,6 6 Verkäufer/ in 19 677 4,2 7 Friseur/ in 14 733 3,1 8 Verwaltungsfachangestellte(r) 13 830 2,9 9 Kaufmann/ Kauffrau im Groß- und Außenhandel 13 515 2,9 10 Hotelfachmann/ -fachfrau 12 141 2,6 11 Steuerfachangestellte(r) 12 069 2,6 12 Bankkaufmann/ -kauffrau 11 655 2,5 13 Fachverkäufer/ in im Lebensmittelhandwerk 9 882 2,1 14 Rechtsanwaltsfachangestellte(r) 6 897 1,5 15 Kaufmann/ Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistung 5 697 1,2 16 Kaufmann/ Kauffrau für Versicherungen und Finanzen 5 517 1,2 17 Tiermedizinische(r) Fachangestellte(r) 5 463 1,2 18 Augenoptiker/ in 5 190 1,1 19 Automobilkaufmann/ -kauffrau 5 007 1,1 20 Sozialversicherungsfachangestellte(r) 4 992 1,1 Übrige Berufe 147 957 31,5 TOP 20 1 Ausbildungsberufe 2 Männer Anzahl % insgesamt 859 191 100 1 Kraftfahrzeugmechatroniker/ in 65 238 7,6 2 Elektroniker/ in 40 860 4,8 3 Industriemechaniker/ in 40 380 4,7 4 Fachinformatiker/ in 36 915 4,3 5 Anlagenmechaniker/ in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik 35 193 4,1 6 Kaufmann/ Kauffrau im Einzelhandel 26 895 3,1 7 Mechatroniker/ in 26 334 3,1 8 Fachkraft für Lagerlogistik 22 338 2,6 9 Elektroniker/ in für Betriebstechnik 21 933 2,6 10 Kaufmann/ Kauffrau im Groß- und Außenhandel 21 336 2,5 11 Industriekaufmann/ -kauffrau 20 343 2,4 12 Zerspanungsmechaniker/ in 18 768 2,2 13 Kaufmann/ Kauffrau für Büromanagement 18 720 2,2 14 Verkäufer/ in 18 396 2,1 15 Tischler/ in 15 606 1,8 16 Metallbauer/ in 15 042 1,8 17 Koch/ Köchin 14 037 1,6 18 Maler/ in und Lackierer/ in 12 033 1,4 19 Bankkaufmann/ -kauffrau 11 064 1,3 20 Gärtner/ in 10 584 1,2 Übrige Berufe 367 176 42,7 1: Hinweis: Aus Datenschutzgründen sind alle Daten (Absolutwerte) jeweils auf ein Vielfaches von 3 gerundet; der Insgesamtwert kann deshalb von der Summe der Einzelwerte abweichen. 2: Gleichlautende Berufe aus verschiedenen Ausbildungsbereichen wurden zusammengefasst. Auslaufende Ausbildungsberufe wurden den Nachfolgeberufen zugeordnet. Abbildung 43: TOP 20 der Ausbildungsberufe von Frauen und Männern. (Quelle: Statistisches Bundesamt (2020c): Auszubildende nach Ausbildungsberufen (TOP 20). www.destatis.de/ DE/ Themen/ Gesellschaft-Umwelt/ Bildung-Forschung-Kultur/ Be rufliche-Bildung/ Tabellen/ liste-azubi-rangliste.html. Abruf: 10.09.2020). 2 Aktuelle Herausforderungen 160 <?page no="161"?> Am beliebtesten waren bei jungen Frauen die Ausbildungsberufe Kauf‐ frau für Büromanagement, medizinische Fachangestellte, zahnmedizinische Fachangestellte, Industriekauffrau und Kauffrau im Einzelhandel, Verkäu‐ ferin und Friseurin. Demgegenüber sind bei den jungen Männern die fol‐ genden Ausbildungsberufe am beliebtesten: Kraftfahrzeugmechatroniker, Elektroniker, Industriemechaniker, Fachinformatiker, Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik und Kaufmann im Einzelhandel. Die Wahl der Ausbildungsberufe beeinflusst die späteren Entwicklung- und Karriereperspektiven und wirkt sich auch auf die Gehaltsperspektiven der Beschäftigten aus. So sind die Entwicklungs- und Gehaltsperspektiven beispielsweise einer Verkäuferin oder Friseurin deutlich geringer als die einer Kauffrau oder eines Fachinformatikers. 2.4.6.2 Erwerbstätigkeit von Frauen Aufgrund einer bis zur Coronavirus-Pandemie seit Anfang 2020 stabilen Konjunktur und der erheblichen Zunahme der Erwerbsbeteiligung insbe‐ sondere von Frauen und älteren Menschen sowie dem Strukturwandel zur Dienstleistungsgesellschaft ist die Anzahl der Erwerbstätigen in Deutsch‐ land bis 2017 deutlich gestiegen, wie die Abbildung 44 zeigt. So waren im Jahr 2017 in Deutschland 39,4 Millionen Menschen im Alter von 20 Jahren bis 64 Jahren erwerbstätig. Dies entspricht einer Erwerbstätigenquote in Höhe von 79%. Demgegenüber lag die Erwerbstätigenquote im Jahr 2007 nur bei 73% (vgl. Statistisches Bundesamt 2018, Arbeitsmarkt auf einen Blick, S 6). Allerdings sind Männer mit einer Erwerbstätigenquote in Höhe von 83% immer noch häufiger erwerbstätig als Frauen (Erwerbstätigenquote: 75%), bezogen auf das Jahr 2017. Vor allem in den mittleren Jahrgängen (30 - 44 Jahre, 55 - 64 Jahre) dominiert die Erwerbstätigkeit der Männer. (vgl. Statistisches Bundesamt 2018b, S 6). 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 161 <?page no="162"?> Abbildung 44: Erwerbstätigenquote der 20bis 64-Jährigen in Deutschland nach Geschlecht. Quelle: Demografie-Portal: https: / / www.demografie-portal.de/ DE/ Fak‐ ten/ erwerbstaetigenquote-alter.html? nn=677112. Abruf: 01.04.2021. Aufgrund der Covid-19-Pandemie hat sich auch in Deutschland die Erwerbstä‐ tigkeit im Jahr 2020 deutlich vermindert, wie die folgende Abbildung 45 zeigt. 2 Aktuelle Herausforderungen 162 <?page no="163"?> Abbildung 45: Erwerbstätigkeit nach Wirtschaftsbereichen im Jahr 2020. Quelle: Destatis-Pressemitteilung 2020, Nr. 312 vom 18. August 2020. www.destatis.de/ DE/ Presse/ Pressemitteilungen/ 2020/ 08/ PD20_312_13321.html. Abruf: 21.09.2020 So waren im zweiten Quartal 2020 44,7 Millionen Menschen in Deutschland erwerbstätig. Im Vergleich zum ersten Quartal 2020 sind das saisonbereinigt 618.000 Menschen bzw. 1,8% Menschen weniger. Im Vergleich zu der Zeit vor den Einschränkungen der Covid-19-Pandemie im vierten Quartal 2019 ging die Anzahl der Erwerbstätigen saisonbereinigt um 634.000 Menschen bzw. 1,4% zurück. Dies ist der stärkste Rückgang seit der Wiedervereinigung Deutschlands. (Vgl. Destatis-Pressemitteilung 2020, Nr. 312). 2.4.6.3 Teilzeiterwerbstätigkeit von Männern und Frauen Im Jahr 2018 arbeiteten rund 2,2 Millionen Männer (ca. 9%) und 8,7 Millionen Frauen ( ca. 50%) in Teilzeit (Demografie-portal Teilzeitarbeit-Gründe). Dabei unterscheiden sich die Gründe für die Teilzeiterwerbstätigkeit bei Frauen und Männern erheblich, wie die Abbildung 46 zeigt. 46% der Frauen arbeiten in Teilzeit, weil sie persönliche oder familiäre Pflichten erfüllen müssen, d. h. weil sie Kinder oder pflegebedürftige Fa‐ milienmitglieder betreuen. Demgegenüber arbeiten nur 10% der Männer aufgrund persönlicher oder familiärer Pflichten in Teilzeit. 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 163 <?page no="164"?> Abbildung 46: Gründe für Teilzeiterwerbstätigkeit im Jahr 2018. Quelle: Demogra‐ fie-portal 2020: www.demografie-portal.de/ DE/ Fakten/ Bilder/ gross/ teilzeitarbeit-gru ende.png? __blob=publicationFile&v=3. Abruf: 13.09.2020. Als weitere Gründe der Teilzeiterwerbstätigkeit nennen Frauen zu 35% sonstige Gründe, zu 9% eine Vollzeittätigkeit nicht gefunden zu haben, 7% sind zusätzlich in einer Aus- und Weiterbildung und 3% können aufgrund von Krankheit, Unfallfolgen oder Behinderung nur in Teilzeit arbeiten. Bei den Männern dominieren als Grund für eine Teilzeitbeschäftigung sonstige Gründe (43%), 26% der Männer nehmen zusätzlich an einer Aus- oder Weiterbildung teil, 14% haben keine Vollzeitbeschäftigung gefunden, und 7% der Männer arbeiten aufgrund von Krankzeit, Unfallfolgen oder Behinderung in Teilzeit (vgl. Abbildung 46). Interessant ist auch die Altersstruktur der Teilzeitbeschäftigten. So arbei‐ ten Männer überwiegend im Alter unter 30 Jahren (z.B. während einer Ausbildung oder eines Studiums) und über 60 Jahren (beim Übergang in den Ruhestand) in Teilzeit. Demgegenüber arbeiten die meisten Frauen in einer Altersspanne von 30 Jahren bis 55 Jahren in Teilzeit, also in der Zeit, in der familienbezogene Aufgaben besonders wichtig sind. Zu vermuten ist, dass immer noch überwiegend die Frauen diese familienbezogenen Aufgaben übernehmen und daher nicht in Vollzeit arbeiten können oder möchten. (Demografie-portal Teilzeitarbeit-Gründe). Bei der Betrachtung der Erwerbstätigkeit von Eltern im Jahr 2018 fällt auf, dass viele Mütter erst wieder eine Beschäftigung aufnehmen, wenn 2 Aktuelle Herausforderungen 164 <?page no="165"?> die Kinder im Kindergartenalter (ca. ab 3 Jahren) sind; so arbeiten 47% der Mütter mit Kindern zwischen drei und fünf Jahren in Teilzeit (vgl. Abbildung 47; Demografie-portal Erwerbstätigenquote-Eltern). Demgegenüber sind die Väter während der gesamten Familienphase zu 83% erwerbstätig und arbeiten zu 75% bis 89% in Vollzeit. Nur 6% der Väter von Kindern im Alter von 0 bis 2 Jahren arbeiten in Teilzeit. Bei älteren Kindern (zwischen 3 Jahren und 17 Jahren) schwankt der Anteil der Teilzeittätigkeit der Väter zwischen 4% und 5%. (vgl. Demografie-portal Erwerbstätigenquote-Eltern). Der Anteil der in Teilzeit arbeitenden Mütter ist demgegenüber deutlich höher. So arbeiten Mütter von Kindern zwischen 0 Jahren und 2 Jahren nur zu 23% in Teilzeit und nur zu 10% in Vollzeit. D.h., dass 67% der Mütter in den ersten beiden Jahren gar nicht arbeiten und sich den Familienaufgaben widmen. Sind die Kinder etwas älter (zwischen 3 Jahren und 14 Jahren), arbeiten die Frauen zwischen 47% und 50% in Teilzeit, nur 18% bis 25% der Mütter arbeiten in dieser Zeit in Vollzeit. Aber auch Mütter von Kindern im Alter von 15 Jahren bis 17 Jahren arbeiten immer noch zu 44% in Teilzeit, nur 30% sind Vollzeit beschäftigt. (vgl. Demografie-portal Erwerbstätigenquote-Eltern). 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 165 <?page no="166"?> Abbildung 47: Erwerbstätigenquote von Eltern im Jahr 2018. Quelle: Demo‐ grafie-portal Erwerbstätigenquote-Eltern. In: www.demografie-portal.de/ DE/ Fakten / Bilder/ gross/ erwerbstaetigenquote-eltern.png? __blob=publicationFile&v=3. Abruf: 31.09.2020. Diese Daten zeigen, dass die Mütter auch im Jahr 2018 noch die Hauptlast der familiären Aufgaben und der Kinderbetreuung übernehmen. Dies macht deutlich, wie wichtig und aktuell Maßnahmen zur Förderung der Vereinbar‐ keit von Beruf und Familie spezielle für Mütter sind! Zwar ist der Anteil der Kinderbetreuung in einer Tageseinrichtung oder Tagespflege in der Zeit von 2006 bis 2019 vor allem bei Kindern zwischen 0 Jahren und 2 Jahren von 14% im Jahr 2006 auf 34% im Jahr 2019 deutlich gestiegen, allerdings reicht das Angebote immer noch nicht aus, um den Bedarf an Kinderbetreuungsmöglichkeiten zu decken. Die Kinderbetreuungsangebote für Kinder zwischen 3 Jahren und 5 Jahren sind im Zeitraum von 2006 bis 2019 nur wenig gestiegen: von 87% im Jahr 2006 auf 93% im Jahr 2019. Auch hier besteht weiterhin ein Bedarf an zusätzlichen Kinderbetreuungsangeboten. (vgl. Demografie-portal Kinderbetreuung). 2 Aktuelle Herausforderungen 166 <?page no="167"?> Abbildung 48: Kinderbetreuung von 2006 bis 2019. Quelle. Demografie-por‐ tal Kinderbetreuung: www.demografie-portal.de/ DE/ Fakten/ Bilder/ gross/ kinderbetre uung.png? __blob=publicationFile&v=3. Abruf: 13.09.2020. Umfangreichere Kinderbetreuungsangebote (vor allem Ganztagesbetreu‐ ungsangebote) und weitere Work-Life-Balance Angebote könnten nicht nur die Mütter entlasten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern, sondern gleichzeitig auch den beruflichen Entwicklungs- und Karrierewünschen der Mütter entgegenkommen und nicht zuletzt auch das Arbeitskräftepotenzial der Mütter bessere ausschöpfen. So wünschten sich im Jahr 2018 rund 4,6 Millionen Menschen im Alter von 15 bis 74 Jahren eine Beschäftigung oder eine Erhöhung ihrer Arbeitszeit (vgl. Demografie-portal ungenutztes Arbeitskräftepotenzial). Die folgende Abbildung 49 zeigt das ungenutzte Arbeitskräftepotenzial, das im Jahr 2018 bei insgesamt 4,6 Millionen Menschen (2,4 Mio. Männer, 2,2 Mio. Frauen) lag. Als „ungenutztes Arbeitskräftepotenzial“ werden alle Personen bezeich‐ net, die eine Beschäftigung aufnehmen möchten oder die mehr arbeiten möchten. Dazu gehören unterbeschäftigte Erwerbstätige, Erwerbslose und die Stille Reserve. Zu der Stillen Reserve werden diejenigen Nichterwerbs‐ tätigen gezählt, die gerne eine Beschäftigung aufnehmen würden, aber dem Arbeitsmarkt aufgrund von persönlichen oder familiären Verpflichtun‐ gen, Krankheit oder Weiterbildung kurzfristig nicht zur Verfügung stehen, 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 167 <?page no="168"?> und diejenigen, die aufgrund geringer oder fehlender Erfolgsaussichten nicht aktiv eine Arbeitsstelle suchen (vgl. Demografie-portal Ungenutztes Arbeitskräftepotenzial). Abbildung 49: Ungenutztes Arbeitskräftepotenzial im Jahr 2018. Quelle: Demogra‐ fie-portal Ungenutztes Arbeitskräftepotenzial: www.demografie-portal.de/ DE/ Fakten/ Bil der/ gross/ ungenutztes-arbeitskraeftepotenzial.png? __blob=publicationFile&v=3. Abruf: 13.09.2020. Viele derjenigen, die gerne mehr arbeiten würden, haben eine Teilzeitbe‐ schäftigung. Zentrales Motiv für den Wunsch nach Mehrarbeit ist ein höheres Einkommen. Aufgrund des demografischen Wandels und des sich zukünftig deutlich verknappenden Angebots an Erwerbsfähigen in Deutsch‐ land, wären geeignete Maßnahmen wichtig, um dieses ungenutzte Potenzial an Arbeitskräften, die auch selbst gerne mehr arbeiten würden, besser zu aktivieren und auszuschöpfen. 2.4.6.4 Gender Pay Gap Frauen verdienen in Deutschland in vielen Berufsfeldern auch heute noch oft noch weniger Geld als Männer. Der unbereinigte Gender Pay Gap, d. h. der allgemeine Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern, betrug 2 Aktuelle Herausforderungen 168 <?page no="169"?> im Jahr 2018 21%. Das durchschnittliche Bruttostundengehalt der Männer lag bei 21,70€, wohingegen Frauen im Durchschnitt nur 17,33€ brutto pro Arbeitsstunde verdienten. (Vgl. Destatis Pressemitteilung 2019a). Abbildung 50: Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen im Jahr 2018. Quelle: Statistisches Bundesamt 2020. In: https: / / www.destatis.de/ DE/ Presse/ Press emitteilungen/ 2020/ 12/ PD20_484_621.html. Abruf: 18.04.2021. Beim Gender Pay Gap wird der unbereinigte und der bereinigte Gender Pay Gap unterschieden. Der unbereinigte Gender Pay Gap misst das durchschnittliche Einkommen der Beschäftigten. Dabei werden auch mög‐ liche schlechtere Zugangschancen von Frauen zu Berufen oder bestimmten Karrierestufen berücksichtigt. Wesentliche Gründe für die Verdienstunter‐ schiede liegen darin, dass Frauen häufiger in Branchen und Berufen arbeiten, die geringere Vergütungen zahlen und dass Frauen seltener in Führungspo‐ sitionen und dafür deutlich häufiger in Teilzeit und Minijobs arbeiten. Demgegenüber ermittelt der alle vier Jahre erhobene bereinigte Gender Pay Gap den Verdienstunterschied zwischen „Männern und Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografen.“ (Desta‐ tis Pressemitteilung 2019a). Bemerkenswert ist beim unbereinigten Gender Pay Gap, dass er in den alten Bundesländern mit 21% deutlich höher ist als in den neuen Bundeslän‐ dern mit nur 7% im Jahr 2018 (vgl. Tabelle 10). Diese auffälligen Differenzen 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 169 <?page no="170"?> sind seit 2006 nachweisbar (Vgl. Destatis Pressemitteilung 2019a). Eine mögliche Erklärung könnten die immer noch deutlich niedrigen Verdienste in den neuen Bundesländern sein, die auch einen geringeren Gender Pay Gap beinhalten sowie eine ausgeprägtere Geschlechtergerechtigkeit bei den Bruttoentgelten pro Arbeitsstunde. Daten basieren auf der EU-weit einheitlichen Arbeitnehmerabgrenzung zur Berechnung des Gender Pay Gap. Quelle: Statistisches Bundesamt 2021. In: https: / / www.destatis.de/ DE/ Presse/ Pressemitteilungen/ 2020/ 12/ PD20_484_621.html. Abruf: 18.04.2021. Eigene Abbildung. 23 22 22 20 19 18 24 24 24 21 20 20 6 7 9 7 7 6 0 5 10 15 20 25 30 2006 2010 2014 2018 2019 2020 Unbereinigter Gender Pay Gap in Deutschland Deutschland Westdeutschland (mit Berlin) Ostdeutschland (ohne Berlin) 2 Aktuelle Herausforderungen 170 <?page no="171"?> Jahr Deutschland Westdeutschland (mit Berlin) Ostdeutschland (ohne Berlin) in % 2006 23 24 6 2010 22 24 7 2014 22 24 9 2018 20 21 7 2019 19 20 7 2020 18 20 6 Daten basieren auf der EU-weit einheitlichen Arbeitnehmerabgrenzung zur Berechnung des Gender Pay Gap. Quelle: Statistisches Bundesamt 2021. In: https: / / www.destatis.de/ DE/ Presse/ Pressemitteilungen/ 2020/ 12/ PD20_484_621.html. Abruf: 18.04.2021. Eigene Darstellung. Tabelle 10: Quelle: Statistisches Bundesamt 2021. In: https: / / www.destatis.de/ DE/ P resse/ Pressemitteilungen/ 2020/ 12/ PD20_484_621.html. Abruf: 18.04.2021. Eigene Abbildung. Am größten sind die Verdienstunterschiede in den Wirtschaftszweigen Kunst, Unterhaltung und Erholung mit 32%, im Bereich freiberuflicher, wissenschaftlicher und technischer Dienstleistungen (31%) und im Bereich der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (28%), wie die Abbildung 50 zeigt (vgl. Statistisches Bundesamt 2018b, S. 43). 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 171 <?page no="172"?> 22 20 31 23 12 14 30 15 28 25 10 6 23 13 4 23 25 1 18 13 31 24 10 14 27 15 23 23 8 5 21 11 2 20 22 8 0 5 10 15 20 25 30 35 Gesamtwirtschaft Erbringung von sonstigen Dienstleistungen Kunst, Unterhaltung und Erholung Gesundheits- und Sozialwesen Erziehung und Unterricht Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen Grundstücks- und Wohnungswesen Erbringung von Finanz- und Versichungsdienstleistungen Information und Kommunikation Gastgewerbe Verkehr und Lagerei Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen Baugewerbe Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseititung von… Energieversorgung Verarbeitendes Gewerbe Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden Gender Pay Gap in % W i r t s c h a f t s z w e i g Unbereinigter Gender Pay Gap nach Wirtschaftszweigen in Deutschland von 2015 und 2020 in % 2020 2015 Quelle: Statistisches Bundesamt 2021: Pressemitteilung 106 vom 09. März 2021. In: https: / / www.destatis.de/ DE/ Presse/ Pressemitteilungen/ 2021/ 03/ PD21_106_621.html; jsessionid=A730E961DA94CAC6F6A698AC323B81C2.live711. Abruf: 18.04.2021 Abbildung 51: Unbereinigter Gender Pay Gap nach Wirtschaftszweigen im Jahr 2015 und 2020. Quelle: Statistisches Bundesamt 2021: Pressemitteilung 106 vom 09. März 2021. In: https: / / www.destatis.de/ DE/ Presse/ Pressemitteilungen/ 2021/ 03 / PD21_106_621.html; jsessionid=A730E961DA94CAC6F6A698AC323B81C2.live711. Abruf: 18.04.2021. 2 Aktuelle Herausforderungen 172 <?page no="173"?> 2.4.6.5 Frauen in Führungspositionen Bis heute sind in Deutschland Frauen in Führungspositionen nur wenig vertreten, obwohl 76% der Frauen zwischen 20 Jahren und 64 Jahren im Jahr 2018 erwerbstätig waren (vgl. Statistisches Bundesamt 2020d: Presse‐ mitteilung Nr. N 010 vom 6. März 2020). Auch noch im Jahr 2018 war nur jede dritte Führungskraft (29,4%) eine Frau obwohl sowohl Deutschland in seinen jeweils amtierenden Bundesregierungen als auch die Europäische Kommission seit mehr als zehn Jahren die Steigerung des Frauenanteils in Führungspositionen fest in ihrer Gleichstellungspolitik verankert haben (vgl. BMFSFJ 2011, S. 30; Körner/ Günther, 2011, S. 434; Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2009, S. 11). Trotzdem hat der Anteil von Frauen in Führungspositionen seit 2012 nur um 0,8% zugenommen. Als Führungspositionen werden die Geschäftsführung, Vorstandsposi‐ tionen und Bereichsleitungen in kleinen, mittleren und großen Unter‐ nehmen bzw. Organisationen sowie leitende Positionen und Aufgaben‐ bereiche mit Führungsaufgaben in Unternehmen und Organisationen bezeichnet. Interessant ist das Alter der weiblichen Führungskräfte, die die Tabelle 11 zeigt. Während die Frauen im Alter von 15 Jahren bis 24 Jahren einen Anteil von knapp 40% an den Führungskräften haben, und auch noch die Frauen im Alter von 25 Jahren bis 34 Jahren mit fast 37% einen hohen Anteil an den Führungskräften aufweisen, sinkt der Anteil der Frauen ab 35 Jahren um fast 10% auf rund 28% und verbleibt auf diesem Niveau bis zum Alter von 64 Jahren. So scheint die Entscheidung für eine Familie und Kinder, die hoch qualifizierte Frauen häufig erst ab einem Alter von 30 bis 35 Jahren treffen, ein wesentlicher Grund für den erheblichen Rückgang des Frauenanteils an den Führungspositionen ab einem Alter von 35 Jahren zu sein. Offensichtlich ist die Entscheidung einer Frau für eine Familie und Kinder bis heute kaum vereinbar mit einer Führungsposition. 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 173 <?page no="174"?> Anteil der Frauen in Führungspositionen (Führungspositionen: Erwerbstätige in der ISCO Haupt‐ gruppe 1. Ergebnis der Arbeitskräfteerhebung.) Alter der Frauen in Jahren von - bis 2018 Anteil in % 2019 Anteil in % 15 bis 24 39,5 38,8 25 bis 34 36,8 34,4 35 bis 44 28,3 29,5 45 bis 54 28,4 30,4 55 bis 64 28,3 27,8 64 bis 74 25,2 28,1 26,8 25 bis 64 29,5 29,4 Tabelle 11: Anteil der Frauen in Führungspositionen im Jahr 2018. Quelle: Statistisches Bundesamt (2020): www.destatis.de/ DE/ Themen/ Arbeit/ Arbeitsmarkt/ Qualitaet-Arbeit/ Dimension-1/ frauen-fuehrungspositionen.html. Abruf: 13.09.2020 + 28.02.2021. Eigene Darstellung. 2.4.6.6 Anteil der Frauen in deutschen Vorständen Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young erhebt regelmäßig den Anteil weiblicher Vorstandsmitglieder in deutschen börsennotierten Unter‐ nehmen. Die derzeit aktuellste Studie ist das „Mixed Leadership Barometer Januar 2020“, in der die Vorstandssituation zum 01. Januar 2020 in den Unternehmen des DAX (30 Unternehmen), MDAX (60 Unternehmen) und des SDAX (70 Unternehmen) analysiert wurden (EY 2020, S. 2). Einige wichtige Ergebnisse dieser Studie werden im Folgenden vorgestellt. 2 Aktuelle Herausforderungen 174 <?page no="175"?> 570 579 595 600 623 641 633 32 31 35 43 50 58 64 602 610 630 643 673 690 697 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Vorstandsmitglieder in deutschen DAX, MDAX und SDAX Unternehmen nach Geschlecht 2014 bis 2020 Vorstand männlich Vorstand weiblich Vorstandsmitglieder insgesamt 5,3% 5,1% 5,6% 6,7% 7,4% 8,8% 9,2% Anteil Frauen im Vorstand in % Anzahl Männer im Vorstand Anzahl Frauen im Vorstand Anzahl Mitglieder im Vorstand Eigene Darstellung. Datenquelle: EY (2020): EY-Mixed-Leadership Barometer 2020, S. 4 Abbildung 52: Vorstandsmitglieder in deutschen DAX, MDAX und SDAX Unternehmen nach Geschlecht, 2014 bis 2020. Eigene Darstellung. Datenquelle: EY 2020, S. 4. Waren im Jahr 2014 von insgesamt 602 Vorstandsmitgliedern nur 32 Frauen mit einem Anteil von 5,3% in den Vorständen der DAX, MDAX und SDAX Unternehmen vertreten, so ist ihre Anzahl im Jahr 2020 auf 64 Frauen bzw. einen Anteil von 9.2 % gestiegen, bei insgesamt 697 Vorstandsmitgliedern im Jahr 2020 (vgl. EY 2020, S. 4). Dabei unterscheidet sich der Frauenanteil im Vorstand der drei DAX-Kategorien deutlich: Während in den DAX-Un‐ ternehmen der Anteil weiblicher Vorstandsmitglieder bei 14,7 % lag, betrug er in MDAX-Unternehmen nur 8,4% und in SDAX-Unternehmen nur 5,6% (vgl. EY 2020, S. 5) (vgl. Abbildung 51). Werden alle DAX, MDAX und SDAX-Unternehmen gemeinsam betrach‐ tet, so gab es in 34% aller Unternehmen mindestens eine Frau im Vorstand, allerdings nur in 6% aller Unternehmen mindestens zwei Frauen im Vor‐ stand. Jedoch besteht in rund zwei von drei Unternehmen (73%) auch im Jahr 2020 der Vorstand noch ausschließlich aus Männern. (vgl. EY 2020, S. 4f.). Sehr unterschiedlich fallen auch die Frauenanteile in den Vorständen verschiedener Branchen aus. Wie Tabelle 12 zeigt, ist der Frauenanteil im Vorstand in der Telekommunikationsbranche mit 16% relativ am höchsten, in der Automobilindustrie (14%), im Bereich Transport und Logistik (13,8%) 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 175 <?page no="176"?> und in der Finanzbranche (13,3%) im Mittelfeld, aber im Bereich der Industrie (6,4%) und in der IT, Software und Technologie-Branche (6,3%) liegt der Frauenanteil im Vorstand nur bei rund 6%. Gar keine Frauen im Vorstand gibt es in der Energiebranche und in der Medienbranche. (vgl. EY 2020, S. 10). Branche Anteil Frauen im Vorstand im Jahr 2020 Telekommunikation 16,0 % Automobilindustrie 14,0 % Transport und Logistik 13,8 % Finanzbranche 13,3 % Konsumgüter 11,9 % Immobilien 9,8 % Handel 8,8 % Rohstoffe 8,8 % Pharma, Biotech und Life Sci‐ ences 7,8 % Industrie 6,4 % IT, Software, Technologie 6,3 % Energieversorger, Energie 0 % Medien 0 % Tabelle 12: Anteil von Frauen in Vorstand nach ausgewählten Branchen im Jahr 2020. Datenquelle: Ey 2020, S. 10. Eigene Darstellung. Aufschlussreich ist auch ein Blick auf die Aufgabenbereiche, die weibliche Vorstandsmitglieder im Jahr 2020 in den Unternehmen verantworteten (vgl. Tabelle 13): Mit 30% übernahmen Frauen am häufigsten operative Vorstand‐ saufgaben bzw. waren für einen operativen Geschäftsbereich zuständig. Jeweils 22% der weiblichen Vorstandsmitglieder übernahmen die Vorstands‐ bereiche Finanzen und Personal. Eine Zentralfunktion verantworteten 16% der weiblichen Vorstandsmitglieder in den Unternehmen. Nur 8% der Frauen im Vorstand hatten die Funktion eines CEOs inne. Das heißt, dass von 160 Unternehmen nur 5 Unternehmen eine Frau als CEO im Jahr 2020 2 Aktuelle Herausforderungen 176 <?page no="177"?> hatte. Dazu gehören die Unternehmen SAP, GRENKE, ThyssenKrupp, DIC Asset, Hamburger Hafen und Logistik. (vgl. EY, 2020, S 9). Am seltensten übernahmen Frauen den Vorstandsbereich der Technischen Leitung in Unternehmen (nur 3%). (vgl. EY 2020, S. 9). Aufgabenbereich (teils mehrere Aufgabenbereiche / Person, daher ist die Summer größer als 100%) Anteil weiblicher Vorstände im jeweiligen Aufgabenbe‐ reich im Jahr 2020 Operative Funktionen 30 % CFO (Chief Financial Officer) Finanzvor‐ stand 22 % Personal 22% Zentralfunktion 16 % CEO (Chief Executive Officer) Geschäftsfüh‐ rung, Vorstandsvorsitzende 8 % COO (Chief Operation Officer) operativer Geschäftsbereich 6 % CTO (Chief Technical Officer) Technische Leitung 3 % Tabelle 13: Übernommene Aufgabenbereiche weiblicher Vorstandsmitglieder im Jahr 2020 in Unternehmen. Datenquelle: EY 2020, S. 9). Eigene Darstellung. Auch wenn der Anteil der weiblichen Vorstandsmitglieder in den letzten sechs Jahren angestiegen ist, so ist der Anteil von Frauen in den deutschen Vorständen immer noch sehr gering. Setzt sich diese Entwicklung fort, so werden im Jahr 2038 erst rund 30% der Vorstandspositionen mit Frauen besetzt sein. Um den Anteil an Frauen in Führungspositionen und Vorstands‐ positionen deutlich zu erhöhen, bedarf es auch umfangreicherer Work-Life- Balance Maßnahmen von Seiten der Unternehmen. Zusätzlich ist aber auch die Entwicklung der Unternehmenskultur wichtig, um die Akzeptanz von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. 2.4.7 Einstellungen zu und Umgang mit älteren Mitarbeitern Der Beteiligung an der Erwerbsarbeit kommt in unserer Gesellschaft eine sehr große individuelle und gesellschaftliche Bedeutung zu. Für den Einzel‐ 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 177 <?page no="178"?> nen dient die Erwerbstätigkeit nicht nur der Sicherung des eigenen Lebens‐ unterhalts, sondern definiert über den ausgeübten Beruf und die berufliche Stellung meist auch das individuelle Selbstverständnis. So ist die Arbeit für die Mehrheit der Bevölkerung ein wesentlicher Teil der eigenen Identität und Selbstverwirklichung. Gesellschaftlich ist die Erwerbstätigkeit wichtig für unsere gesellschaftliche Wohlfahrt und unser Wirtschaftswachstum. (vgl. WZB 2011, S. 97). Daten basieren auf der EU-weit einheitlichen Arbeitnehmerabgrenzung zur Berechnung des Gender Pay Gap. Quelle: Statistisches Bundesamt 2021. In: https: / / www.destatis.de/ DE/ Presse/ Pressemitteilungen/ 2020/ 12/ PD20_484_621.html. Abruf: 18.04.2021. Eigene Abbildung. 23 22 22 20 19 18 24 24 24 21 20 20 6 7 9 7 7 6 0 5 10 15 20 25 30 2006 2010 2014 2018 2019 2020 Unbereinigter Gender Pay Gap in Deutschland von 2006 bis 2020 Deutschland Westdeutschland (mit Berlin) Ostdeutschland (ohne Berlin) Abbildung 53: Erwerbstätigenquoten nach Altersgruppen von 1991 bis 2019 in Prozent der Bevölkerung der jeweiligen Altersgruppe. Datenquelle: Statistisches Bundesamt (2020e): GENESIS-Online Datenbank. Eigene Berechnungen. Eigene Abbildung. Die Erwerbstätigkeit älterer Menschen hat sich in den letzten ca. 30 Jahren drastisch erhöht. Waren im Jahr 1991 nur rund 38% der 55bis 65-Jährigen erwerbstätig, so lag ihr Anteil im Jahr 2019 bei knapp 73% (vgl. Statistisches Bundesamt 2020e Genesis-Online Datenbank). Betrachtet man die Alters‐ gruppe der 60bis 64-Jährigen, so hat sich ihr Anteil an den Erwerbstätigen 2 Aktuelle Herausforderungen 178 <?page no="179"?> von 33% im Jahr 2007 auf 58% im Jahr 2017 gesteigert (Vgl. Statistisches Bundesamt 2018b, S 66). Dabei arbeiteten nur rund 53% der Frauen zwischen 60 und 64 Jahren, wohingegen der Anteil der männlichen Erwerbstätigen im Alter von 60 bis 64 Jahren bei rund 64% lag (vgl. ebenda; vgl. Abbildung 53). Abbildung 54: Erwerbstätigenquote der 60 bis 64 Jährigen in Deutschland in %. Quelle: Statistisches Bundesamt (2018b), Arbeitsmarkt auf einen Blick, S. 66. Je höher die Erwerbstätigen qualifiziert sind, desto länger bleiben sie im Arbeitsleben. So waren im Jahr 2017 noch 71% der Hochqualifizierten im Alter von 60 bis 64 Jahren beschäftigt, während der Anteil der geringer Qualifizierten im gleichen Altersspektrum nur bei 44% lag (vgl. Statistisches Bundesamt 2018b, S. 66). Die stark gestiegene Erwerbstätigkeit der älteren Menschen in Deutsch‐ land ist auf mehrere Ursachen zurückzuführen vgl. Statisches Bundesamt 2018b, S. 66): 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 179 <?page no="180"?> ▸ Die geringere Anzahl jüngerer nachwachsender Erwerbstätiger auf‐ grund des demografischen Wandels führt zu steigenden regionalen und berufsspezifischen Fachkräfteengpässen auf dem Arbeitsmarkt. Die Auswirkungen des demografischen Wandels sind mittlerweile auf dem Arbeitsmarkt und bei den Unternehmen deutlich spürbar. In bestimmten Berufsfeldern (z.B. Ingenieure, Handwerksberufe, Ge‐ sundheitsberufe) und Regionen steigen die Fachkräfteengpässe deut‐ lich an, so dass immer mehr Unternehmen heute wesentlich länger brauchen, um offene Stellen wieder zu besetzen. Dies liegt auch an der sinkenden Anzahl an jungen Erwerbstätigen, die nachwachsen. ▸ Immer mehr Unternehmen bieten ihren älteren Mitarbeitern Anreize, um sie bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter im Unternehmen zu halten und so drohende Fachkräfteengpässe zu vermeiden bzw. zu reduzieren. ▸ Auch die staatlichen Anreize und Möglichkeiten für Erwerbstätige, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, wurden aufgrund des abseh‐ baren demografischen Wandels bereits vor vielen Jahren deutlich reduziert. Dies erschwert ein vorzeitiges Ausscheiden der Erwerbstä‐ tigen aus dem Arbeitsleben ohne erhebliche Einbußen bei der Rente. ▸ In den letzten Jahren konnte Deutschland eine positive Wirtschafts‐ entwicklung verzeichnen, die sich auch positiv auf die Beschäftigung in Deutschland auswirkte, wodurch auch ältere Mitarbeiter länger im Berufsleben verblieben. Auch in den Ländern der Europäischen Union ist die Beschäftigung älterer Erwerbstätiger im Alter von 55 Jahren bis 64 Jahren von rund 35% im Jahr 2007 auf rund 60% im Jahr 2019 deutlich gestiegen (vgl. Statistisches Bun‐ desamt 2018b, S. 68). Nach Schweden mit knapp 68% weist Deutschland mit rund 71% die zweithöchste Beschäftigungsquote bei älteren Erwerbstätigen zwischen 55 Jahren und 64 Jahren im Jahr 2019 auf, wie die Abbildung 54 zeigt. 2 Aktuelle Herausforderungen 180 <?page no="181"?> Abbildung 55: Erwerbstätigenquote der 60bis 64-Jährigen in der EU 2019. Quelle: Eurostat. In: https: / / images.vogel.de/ infodienste/ smimagedata/ 1/ 5/ 2/ 5/ 5/ 9/ 29.jpg. Abruf: 01.04.2021. Dabei lag der Anteil der männlichen Erwerbstätigen im Alter von 60 Jahren bis 64 Jahren mit durchschnittlich 67% im Jahr 2019 in den EU-Ländern deutlich höher als der Anteil der weiblichen älteren Erwerbstätigen, der nur 53% im Jahr 2019 betrug (vgl. Statistisches Bundesamt 2018b, S. 68; Eurostat). Ähnlich wie in Deutschland sind auch in der EU diejenigen älteren Mitarbeiter noch häufiger berufstätig, die einen höheren Bildungs‐ abschluss haben. So lag im Jahr 2017 die Erwerbstätigenquote der älteren Erwerbstätigen zwischen 60 Jahren und 64 Jahren mit einem niedrigen Bildungsabschluss im Durchschnitt in der EU nur bei 31%, der Anteil der älteren Erwerbstätigen mit einem mittleren Bildungsabschluss bei 43% und der Anteil der älteren Erwerbstätigen mit einem hohen Bildungsabschluss bei 59% (vgl. Statistisches Bundesamt 2018b, S. 68). 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 181 <?page no="182"?> 31 43 59 0 10 20 30 40 50 60 70 niedriger Bildungsabschluss mittlerer Bildungsabschluss hoher Bildungsabschluss Erwerbstätigenquote der 60 - 64 Jährigen nach Bildungsabschluss in der EU 2017 in % Erwerbstätigenquote Spalte1 Spalte2 Quelle: Statistisches Bundesamt 2018b, S. 68. Abbildung 56: Erwerbstätigenquote der 60bis 64-Jährigen nach Bildungsabschluss in der EU im Jahr 2017. Quelle: Statistisches Bundesamt 2018b, S. 68. Der Anteil der Erwerbstätigen, die auch nach dem 65. Lebensjahr noch erwerbstätig sind, lag im Jahr 2007 bei 8% und hat sich bis zum Jahr 2019 mit 18% mehr als verdoppelt. Auch hier ist der Anteil der arbeitenden Männer mit 20% deutlich höher als der Anteil der Frauen mit 12%, die im Alter von 65 Jahren bis 69 Jahren im Jahr 2017 noch erwerbstätig waren. (vgl. Statistisches Bundesamt 2018b, S. 70). Der wesentliche Grund für die deutlich gestiegene Erwerbstätigkeit der Menschen zwischen 65 Jahren und 69 Jahren ist die stufenweise Anhebung der Regelaltersgrenze für den Renteneintritt in Deutschland auf 67 Jahre. Aber auch der steigende Anteil der erwerbstätigen Frauen über 65 Jahren ist ein weiterer Grund für den Anstieg der Erwerbstätigkeit ab 65 Jahren. Auch Selbstständige und mithelfende Familienangehörige arbeiten häufig noch länger als bis zu ihrem 65. Lebensjahr, da es für sie keine bindende Regelaltersgrenze in Deutschland gibt. Ihr Anteil an der Erwerbstätigkeit lag im Jahr 2017 bei rund 35% (vgl. Statistisches Bundesamt 2018b, S. 70). Wesentliche Gründe für die Erwerbstätigkeit auch nach dem Renteneintrittsalter bestehen in der Sicherung des Lebensunterhalts, wenn die Rente nicht ausreicht, in dem Fehlen von Nachfolgern gerade bei Selbständigen oder auch in dem Wunsch, weiterhin erwerbstätig zu sein. 2 Aktuelle Herausforderungen 182 <?page no="183"?> 39 8 4 62 18 8 0 10 20 30 40 50 60 70 60 bis unter 65 Jährige 65 bis unter 70 Jährige 65 Jährige und Altere E r w e r b s t ä t i g e n q u o t e Ä l t e r e r i n % Altersgruppe Erwerbstätigenquote Älterer im Jahr 2009 und 2019 in Deutschland in % 2009 2019 Spalte1 Statistisches Bundesamt 2021: https: / / www.destatis.de/ DE/ Themen/ Querschnitt/ Demografischer-Wandel/ Aeltere-Menschen/ erwerbstaetigkeit.html. Abruf: 18.04.2021 Abbildung 57: Erwerbstätigenquote der 65bis 69-Jährigen in Deutschland 2007 und 2017. Quelle: Statistisches Bundesamt, 2018b, S. 71. Auch wenn sich der Anteil der älteren Erwerbstätigen in den letzten rund zehn Jahren deutlich erhöht hat, sind die Beschäftigungschancen älterer Menschen teilweise immer noch deutlich schlechter als die der jüngeren Menschen, so dass viele ältere Erwerbstätige immer noch vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden. Wesentliche Gründe für die schlechteren Beschäftigungschancen Älterer bestehen in folgenden Aspekten: ▸ Starker Anstieg beruflicher Belastungen führt zu vorzeitigen Leis‐ tungseinschränkungen und Krankheiten. ▸ Weiterhin hohe Präferenz jüngerer Nachwuchskräfte im Zuge einer „Jugendzentriertheit“ der Unternehmen. ▸ Unzureichende Wertschätzung der Arbeitsleistungen älterer Mitar‐ beiter. ▸ Vorurteil der geringeren Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit älterer Mitarbeiter. 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 183 <?page no="184"?> Dazu im Einzelnen: Ein steigender Anteil älterer Beschäftigter ist den stark gestiegenen Arbeitsbelastungen ihrer Beschäftigungen nicht mehr vollständig gewach‐ sen, so dass sie aus physischen oder psychischen Gründen nicht bis zum vorgesehenen Renteneintrittsalter arbeiten können. So können die gestie‐ genen Arbeitsbelastungen in vielen Beschäftigungsbereichen auf Dauer zu physischen (z.B. körperlich einseitige Belastungen, die zu Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems führen) und psychischen (z.B. Stress, Burnout, Mobbing etc.) Erkrankungen der Beschäftigten und damit verbundenen längeren oder gar Langzeitarbeitsausfällen führen (vgl. Abschnitt 3.1). Viele Unternehmen wünschen sich immer noch jüngere gut ausgebildete, leistungsfähige und engagierte Erwerbstätige und Nachwuchskräfte als Mit‐ arbeitende. Aufgrund des demografischen Wandels wachsen jedoch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wesentlich weniger jüngere Erwerbstätige nach. Diese „Jugendzentriertheit“ vieler Unternehmen führt zu einer Benachteiligung älterer Mitarbeiter, die ab einem Lebensalter von ungefähr 50 Jahren als (zu) alt, weniger belastbar, gesundheitlich instabiler und daher auch als weniger entwicklungswürdig betrachtet werden. Die Jugendzentriertheit vieler Unternehmen bewirkt eine indirekte und direkte Geringschätzung der älteren Mitarbeiter in den Belegschaften. Dies kann sich beispielsweise in der jeweiligen Unternehmenskultur spiegeln, die „junge, dynamische und innovative Werte“ postuliert, im Führungsver‐ halten der Vorgesetzten zum Ausdruck kommen (z.B. durch seltenere oder gar wegfallende Mitarbeiter- und Entwicklungsgespräche, weniger Ange‐ bote für Weiterbildungen Älterer, diskriminierende Aufgabendelegation, geringere Anerkennung der Leistungen älterer Mitarbeiter etc.) oder auch in einer geringeren Wertschätzung innerhalb der Belegschaft deutlich werden. Diese Geringschätzung fördert die Demotivation der älteren Mitarbeitenden und verringert ihre Arbeitszufriedenheit aber vielleicht auch die Leistungs‐ willigkeit, woraus sich nicht selten der Wunsch nach einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Berufsleben entwickelt kann. Immer noch weit verbreitet ist in den Unternehmen die Annahme, dass ältere Mitarbeiter weniger leistungsfähig und leistungswillig sind. Älteren Mitarbeitern wird häufig unterstellt, dass mit zunehmendem Alter ihre Leistungsfähigkeit und auch ihre Leistungsbereitschaft sinken. Daher sind bislang viele Unternehmen bestrebt, ihre älteren Mitarbeiter möglichst frühzeitig auszugliedern (vgl. BIBB 2005, S. 2). Wissenschaftlich erwiesen ist, dass bestimmte körperliche Funktionen mit steigendem Alter abnehmen, 2 Aktuelle Herausforderungen 184 <?page no="185"?> allerdings bauen sich andere Leistungspotenziale mit zunehmendem Alter erst auf, so dass hier eine differenzierte Betrachtung der altersbezogenen Entwicklung der Leistungsfähigkeit notwendig ist (vgl. u. a. Business-Wis‐ sen 2010). Zusätzlich zwingt der steigende Mangel an Nachwuchskräften die Unternehmen dazu, das Potenzial ihrer älter werdenden Belegschaften stärker auszuschöpfen. Die Diskussion um die Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter ist von zwei Perspektiven geprägt: der Defizitperspektive und der Potenzialperspektive (vgl. Stock-Homburg 2008, S. 593; Stock-Homburg 2019, S. 745 ff.). Die Defizitperspektive geht davon aus, dass die physische und psychi‐ sche Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter (bzw. aller Menschen) sowie auch ihre Leistungsbereitschaft mit zunehmendem Alter abnimmt (vgl. Clemens 2001; Loretto/ White 2006). Daher wird die Beschäftigung älterer Mitarbeiter als weniger effizient und risikoreich eingeschätzt (vgl. Morschhäuser/ Ochs/ Huber 2003, S. 12; 33 f.; Lehr 2000, S. 50). Diese Auffassung kann zu einem diskriminierenden Verhalten älteren Mitarbeitern gegenüber führen, das sich u. a. darin äußern kann, dass: ▸ ältere Personen bei der Personalbeschaffung diskriminiert werden („altersselektive Gestaltung der Personalgewinnung“) ▸ die Arbeitsaufgaben auch in Abhängigkeit des Alters verteilt werden ▸ die Leistung älterer Mitarbeiter weniger anerkannt wird ▸ die älteren Mitarbeiter insgesamt eine geringere Wertschätzung durch Kollegen und Vorgesetzte erfahren ▸ ältere Mitarbeiter bei der Personalentwicklung und Angeboten der Qualifizierung benachteiligt werden ▸ bevorzugt ältere Mitarbeiter freigesetzt werden. So beschäftigen 41% der deutschen Unternehmen keine Mitarbeiter, die älter als 50 Jahre sind! (vgl. Bellmann/ Gewiese/ Leber 2006, S. 1). (vgl. Bangali 2004, S. 21 f.; Behrens 2003, S. 16; Kordey/ Korte 2006, S. 14; Morschhäuser/ Ochs/ Huber 2003, S. 22; Naegele/ Frerichs 2004, Sp. 86 f.; Stock-Homburg 2008, S. 594; Warr/ Birdi 1998; Warr/ Fay 2001) Allerdings widerlegen zahlreiche wissenschaftliche Studien die Defizit‐ perspektive (vgl. Maintz 2003, S. 50). So lässt sich eine eindeutige Leis‐ tungsabnahme mit steigendem Alter wissenschaftlich nicht bestätigen (vgl. Morschhäuser/ Ochs/ Huber 2003, S. 33; Sturman 2003, S. 619). Hier bedarf es differenzierter Analysen der altersbedingten Leistungsentwicklung von Beschäftigten. 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 185 <?page no="186"?> Aus der Widerlegung der Defizithypothese hat sich die Potenzialhypo‐ these entwickelt, die vielfältige Leistungspotenziale bei älteren Mitarbei‐ tern identifiziert. Basierend insbesondere auf gerontologischen Erkenntnis‐ sen sowie einer differenzierten Analyse der altersbedingten physischen, psychischen und sozialen Veränderungen der Leistungsfähigkeit belegen zahlreiche Studien, dass mit zunehmendem Alter kein genereller Leistungs‐ rückgang erfolgt, sondern sich die verschiedenen menschlichen Leistungs‐ potenziale - in Abhängigkeit vielfältiger Einflussfaktoren - unterschiedlich entwickeln. Während bestimmte Leistungspotenziale zurückgehen, entwi‐ ckeln sich andere Leistungspotenziale mit steigendem Alter, so dass sich in gewisser Weise die Struktur der menschlichen Fähigkeiten verändert (vgl. Stock-Homburg 2008, S. 597; Baltes 1996; Staudinger 1996). Zur Erklärung altersbedingter Veränderungen der psychischen Leis‐ tungsfähigkeit wird im Folgenden die Theorie von Horn und Cattell (1966) vorgestellt, die zwischen der fluiden und kristallinen Intelligenz unter‐ scheidet. Diese Unterscheidung zwischen fluider und kristalliner Intelligenz wurde später von Baltes (1990) erweitert und als mechanische (statt fluide) bzw. pragmatische (statt kristalline) Intelligenz bezeichnet. Die fluide Intelligenz umfasst die genetisch determinierten Basispro‐ zesse des Denkens. Sie steuert Wahrnehmungsfunktionen, Unterschei‐ dungs-, Vergleichs- und Klassifizierungsprozesse sowie die Geschwindigkeit und Genauigkeit der Informationsverarbeitung (vgl. Baltes/ Lindenber‐ ger/ Staudinger 1995, S. 53 f.). Insbesondere für das abstrakte Denken, die Verarbeitung neuer Informationen und das Lösen von neuen Problemen ist die fluide Intelligenz entscheidend. Die maximale Kapazität der fluiden Intelligenz wird bereits im 30sten Lebensjahrzehnt erreicht und nimmt mit steigendem Alter ab. Inwieweit sie durch entsprechende Trainings bis ins hohe Alter aufrechterhalten werden kann, ist in der Wissenschaft umstritten (vgl. Ascheron 2007, S. 807), scheint aber in gewissem Umfang möglich. Die kristalline Intelligenz umfasst die verbale Sprachkompetenz, er‐ fahrungsbasiertes Wissen sowie sozial und kulturell vermittelte Fähigkeiten eines Menschen. Dazu gehört auch das Wissen um sich selbst und andere, berufsspezifische Erfahrungen, Selbstreflexion sowie erworbenes Wissen und Strategien zur Lebensbewältigung (vgl. Bruch/ Kunze/ Böhm 2010, S. 60; Stock-Homburg 2008, S. 595). Die kristalline Intelligenz ist stark abhängig von der Sozialisation, den eigenen Erfahrungen und den Anforderungen, die an eine Person gestellt werden. Sie kann bis ins hohe Alter aufrechterhalten werden bzw. sogar noch erweitert werden (vgl. Kanfer/ Ackermann 2000). 2 Aktuelle Herausforderungen 186 <?page no="187"?> Neurobiologisch können sich neue synaptischen Verbindungen bei jun‐ gen Menschen einfacher und schneller entwickeln, wodurch die Verarbei‐ tung neuer Erkenntnisse und Zusammenhänge ermöglicht wird (fluide Intelligenz). Bereits nach der Pubertät beginnen sich die neuronalen Struk‐ turen zu verhärten, so dass bestehende Wissensstrukturen sich schwieriger verändern lassen, hingegen neues Wissen schneller in die bestehenden Wissensbestände eingebaut werden kann und zum Ausbau der individuellen Wissenspotenziale führt (vgl. Schmidt 2006; Bruch/ Kunze/ Böhm 2010, S. 60 f.). Bei der Aufgabenbewältigung ergänzen sich die fluide und die kristalline Intelligenz (vgl. Lindenberger 2000, S. 137). Ältere Menschen können also mögliche reduzierte Wahrnehmungsge‐ schwindigkeiten und eingeschränkte Fähigkeiten, neue Informationen und Erkenntnisse ohne Vorwissen zu verarbeiten (Fähigkeiten der fluiden Intel‐ ligenz), durch Stärken ihrer kristallinen Intelligenz gut kompensieren bzw. überkompensieren. Dies gilt sowohl für das Berufsleben als auch für private Lebensbereiche. Die folgende Abbildung 57 zeigt einen Überblick, welche Fähigkeiten und Kompetenzen sich mit zunehmendem Alter verändern oder auch gleichbleiben. Zusätzlich sind die Veränderungen der Leistungsfähigkeit mit zunehmen‐ dem Alter von verschiedenen Faktoren abhängig, wie viele unterschiedli‐ che wissenschaftliche Untersuchungen belegen. Dazu gehören u. a. (vgl. Klinger/ Stracke/ Müller/ Nerdinger 2016, S. S. 27 ff.): ▸ Art der bisherigen Tätigkeit ▸ Physische und psychische (einseitige) Belastungen durch bisherige Tätigkeiten ▸ Leistungsanforderungen in der Arbeit ▸ Motivation zu und Angebote an Qualifikationen und beruflicher Entwicklung ▸ Private Lebensführung ▸ Sozialisation und Ausbildung ▸ Wertschätzung und Motivation der älteren Mitarbeiter 2.4 Herausforderungen der Arbeitswelt 187 <?page no="188"?> Fachlich Berufserfahrung Berufsbezogenes Fachwissen Expertenwissen Urteilsvermögen Genauigkeit Qualitätsbewußtsein Leistungsorientierung Entscheidungsfähigkeit Psychische Leistungsfähigkeit Ggf. Lern- und Weiterbildungsbereitschaft Risikobereitschaft Physische Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit Ggf. Lern- und Weiterbildungsbereitschaft Methodisch Arbeitstechniken Analysefähigkeiten Problemlösungsstrategien (fachlich, sozial) Systemdenken Kooperationsfähigkeit Kreativität Informationsverhalten Teamfähigkeit Ggf. Flexibilität Reaktionsgeschwindigkeit Geschwindigkeit der Informationsaufnahmen und -verarbeitung Ggf. Flexibilität Sozial Kommunikationsfähigkeit Konfliktfähigkeit Zuverlässigkeit Problembewältigungsfähigkeit Perspektivenwechsel Ggf. Stressresistenz Ggf. Stressresistenz Persönlich Positive Arbeitseinstellung Intrinsische Motivation Selbstbewußtsein Selbstmanagement Emotionale Bindung an den Arbeitgeber Verantwortungsbewußtsein Loyalität gegenüber Arbeitgeber Ausgeglichenheit, Disziplin Fähigkeit, eigene Grenzen realistisch einzuschätzen Konzentrationsfähigkeit Leistungsfähigkeit des Langzeitgedächtnisses Kristalline Intelligenz Leistungsfähigkeit des Kurzzeitgedächtnisses Fluide Intelligenz Steigende Leistungsfähigkeiten und Kompetenzen Gleich bleibende Leistungsfähigkeiten und Kompetenzen Abnehmende Leistungsfähigkeiten und Kompetenzen Altersbedingte Veränderung verschiedener Leistungsfähigkeiten und Kompetenzen von Mitarbeitenden Leistungs- und Kompetenzbereich Abbildung 58: Altersbedingte Veränderung verschiedener Leistungsfähigkeiten und Kompetenzen von Mitarbeitenden. Quelle: vgl. u. a. Stock-Homburg 2019, S. 748. Eigene Abbildung. 2 Aktuelle Herausforderungen 188 <?page no="189"?> Neben der Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit und Leistungswillig‐ keit der älteren Belegschaften stehen viele Unternehmen vor einem weiteren gravierenden Problem: In den nächsten rund 10 Jahren geht ein erheblicher Anteil der heute älteren Mitarbeiter in den Ruhestand - und mit ihnen ihr jahrzehntelanges berufsbezogenes Erfahrungswissen! Gerade die älteren Mitarbeiter verfügen über ein jahrzehntelanges be‐ rufsbezogenes Fach- und Erfahrungswissen. Darüber hinaus haben sie sich in ihrer langjährigen Berufspraxis wertvolles Methodenwissen und Schlüsselqualifikationen erworben, die ihnen bei der Bewältigung von fachbezogenen und auch neuen Problemstellungen, von Konflikten und neuen Anforderungen im Berufsleben helfen. Damit sind gerade die älteren Mitarbeiter außerordentlich wertvolle Wissensträger für die Unternehmen. Werden diese nun wenig wertgeschätzt und vorzeitig in den Ruhestand geschickt, ohne unternehmensspezifische Wissensbestände für das Unter‐ nehmen zu sichern, wie das bislang in vielen Unternehmen praktiziert wird, so verlieren die Unternehmen ggf. umfangreiche und wertvolle Wissens‐ bestände, die ihren wirtschaftlichen Erfolg durchaus gefährden können. Um dieses wertvolle berufs- und unternehmensbezogene Wissen im Unter‐ nehmen zu halten, bedarf es der Entwicklung und Umsetzung geeigneter Wissensbewahrungsstrategien, die gleichzeitig als Wertschätzung der und Leistungsanreiz für die älteren Mitarbeiter dienen können (vgl. Kirschten 2010, S227 ff.). 2.5 Steigende Bedeutung des Ausgleichs der verschiedenen Lebenswelten In unsere Gesellschaft erfährt die Arbeit eine sehr hohe Wertschätzung und viele Menschen identifizieren sich sehr stark mit ihrer Erwerbsarbeit. Das liegt nicht nur daran, dass wir einen Großteil unserer Tageszeit mit (Erwerbs-) Arbeit verbringen, sondern spiegelt auch den hohen gesellschaft‐ lichen Wert und die Anerkennung der Erwerbstätigkeit. Dennoch leben die Menschen nicht mehr nur, um zu arbeiten, sondern arbeiten, um auch gut leben zu können. So haben sich auch in den letzten Jahrzehnten die Ansprüche an die Arbeit, aber auch die Ansprüche an das eigene Privatleben deutlich verändert. Wichtiger werden nicht nur immaterielle Arbeitswerte (wie z.B. Gestaltungsspielräume, Sinnhaftigkeit der Arbeit, Entwicklungs‐ perspektiven, Partizipation), sondern auch größere Handlungsspielräume 2.5 Steigende Bedeutung des Ausgleichs der verschiedenen Lebenswelten 189 <?page no="190"?> und mehr Zeit für die Gestaltung des Privat- und insbesondere des Famili‐ enlebens. Damit gewinnt die Vereinbarkeit des Berufsmit dem Privatleben immer mehr an Bedeutung. Gerade die jüngeren Generationen, wie z.B. die Generation Y, die sich mittlerweile auf dem Arbeitsmarkt etabliert hat und die Generation Z, die noch eher am Beginn ihres Berufslebens steht, legen ganz besonders großen Wert auf eine gute Vereinbarkeit ihrer verschiedenen Lebenswelten. Sie sind zwar sehr leistungsbereit, außerordentlich flexibel und sehr gut ausgebildet, aber sie möchten auch genügend Freiräume und Zeit zur individuellen Gestaltung ihres Privatlebens haben. Viele Menschen, insbesondere Frauen, möchten sich nicht mehr entscheiden müssen zwischen einer beruflichen Karriere und einer Familie, sondern sie möchten beides in ihrem Leben verwirklichen. Dazu bedarf es größerer Gestaltungsspielräume, flexiblerer Arbeitsmodelle sowie ergänzender Unterstützung seitens der Arbeitgeber, um den hohen Anforderungen der Berufstätigkeit gerecht zu werden, aber auch den Anforderungen des Familien- und Privatlebens entsprechen zu können. Angebote für eine verbesserte Work-Life-Balance werden damit ein wich‐ tiges Wettbewerbsargument, wenn es um die Gewinnung (jüngerer) gut qualifizierter Mitarbeitender geht. Viele Unternehmen haben das erkannt und engagieren sich im Themenfeld der Work-Life-Balance. Damit steigern sie ihre Attraktivität als Arbeitgeber und haben auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen, gut qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen bzw. auch zu halten. 2 Aktuelle Herausforderungen 190 <?page no="191"?> 3 Risiken der Unvereinbarkeit des Arbeitsmit dem Privatleben Die veränderten gesellschaftlichen, technologischen, marktwirtschaftlichen und arbeitsbezogenen Rahmenbedingungen und aktuellen Herausforderun‐ gen haben dazu geführt, dass es immer weniger Menschen gelingt, ihr Berufs- und Privatleben zufriedenstellend miteinander zu vereinbaren. Abbildung 59: Befragungsergebnisse zur Entwicklung der wahrgenommenen Ar‐ beitsbelastung in den letzten fünf Jahren. Datenquelle: EY Jobstudie 2019, S. 14. Eigene Abbildung. Die EY Jobstudie 2019 hat eine repräsentative Onlinebefragung zur Zu‐ friedenheit, Motivation und Work-Life-Balance von 1510 Beschäftigten in Deutschland im Jahr 2019 durchgeführt (vgl. EY 2019, S. 2). Vorherige Befragungen fanden in den Jahren 2015 und 2017 statt. Nach der Erhebung aus dem Jahr 2019 haben 39% der Befragten angegeben, dass ihre Arbeits‐ belastung in den letzten fünf Jahren stark gestiegen ist. Im Jahr 2017 betrug der Anteil der sich stark belastet fühlenden Arbeitnehmenden 27% und im Jahr 2015 lag der Anteil bei 17% der Befragten. Und 32% der Befragten in <?page no="192"?> 2019 gaben an, dass ihre Arbeitsbelastung eher zugenommen hat. Werden die beiden Aussagen zusammengenommen, so hatten im Jahr 2019 rund 70% der Befragten den Eindruck, dass ihre Arbeitsbelastung stark bzw. eher zugenommen hat (vgl. Abbildung 58). (vgl. EY Jobstudie 2019, S. 14). Dabei lag der Anteil der Arbeitnehmerinnen, die sich stark belastet fühlten, bei 42% und der Anteil der Arbeitnehmer nur bei 35% im Jahr 2019 (vgl. Abbildung 59). Das Gefühl der stark zugenommenen Arbeitsbelastung hatten genauso viele ostdeutsche wie westdeutsche Befragte. (vgl. EY Job‐ studie 2019, S. 14). Abbildung 60: Befragungsergebnisse zur Entwicklung der wahrgenommenen Ar‐ beitsbelastung in den letzten fünf Jahren nach Geschlecht und Region. Datenquelle: EY Jobstudie 2019, S. 14. Eigene Abbildung. Auf die Frage, ob die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben in den letzten fünf Jahren schwieriger geworden ist, antworten 48% „auf jeden Fall ja“ (23%) bzw. „eher ja“ (25%) (vgl. Abbildung 60). Das heisst, dass für fast jeden zweiten Beschäftigten in den letzten Jahren die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben schwieriger geworden ist. 3 Risiken der Unvereinbarkeit 192 <?page no="193"?> Abbildung 61: Einschätzung der Entwicklung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben in den letzten fünf Jahren. Datenquelle: EY Jobstudie 2019, S. 17. Eigene Abbildung. Dies empfinden annähernd gleich viele Männer (48%) und Frauen (49%). Auf‐ fällig ist, dass mehr Beschäftigte in Ostdeutschland ihre Work-Life-Balance als schwieriger einschätzen (52%) als die Beschäftigten in Westdeutschland (47%) (vgl. Abbildung 61) (vgl. EY Jobstudie 2019, S. 17). 3 Risiken der Unvereinbarkeit 193 <?page no="194"?> Abbildung 62: Einschätzung der Entwicklung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben in den letzten fünf Jahren nach Geschlecht und Region. Datenquelle: EY Jobstudie 2019, S. 17. Eigene Abbildung. Branchenbezogen zeigt die Abbildung 62, dass die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben am schwierigsten in der Gesundheitsbranche und im Ma‐ schinen- und Anlagenbau geworden ist. Bei den Organisationen sind vor allem Beschäftigte in Verbänden und Institutionen von einer unzureichen‐ den Work-Life-Balance betroffen. 3 Risiken der Unvereinbarkeit 194 <?page no="195"?> Abbildung 63: Einschätzung der Entwicklung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben in den letzten fünf Jahren nach Branchen. Datenquelle: EY Jobstudie 2019, S. 18. Eigene Abbildung. Werden die Befragungsergebnisse nach Altersklassen analysiert, so zeigt sich deutlich, dass vor allem die Altersgruppen bis zum 39. Lebensjahr zunehmende Schwierigkeiten haben, ihr Berufsleben mit ihrem Privatleben zu vereinbaren (vgl. Abbildung 63). Das ist genau die Zeit, in der auch die meisten Familiengründungen erfolgen. 3 Risiken der Unvereinbarkeit 195 <?page no="196"?> Abbildung 64: Einschätzung der Entwicklung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben in den letzten fünf Jahren nach Altersgruppen. Datenquelle: EY Jobstudie 2019, S. 18. Eigene Abbildung. Diese gestiegenen Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit des Berufsmit dem Privatleben bergen viele Risiken sowohl für die Individuen, die Unter‐ nehmen aber auch für die Gesellschaft, die im Folgenden vorgestellt werden. 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten In unserer Arbeitswelt sind die beruflichen Anforderungen und Belastun‐ gen stark angestiegen. Während körperliche Belastungen im Arbeitsleben zurückgegangen sind, steigen die psychischen Belastungen deutlich an, wie die folgende Abbildung 64 zeigt. 3 Risiken der Unvereinbarkeit 196 <?page no="197"?> Abbildung 65: Veränderung von Stress und Arbeitsdruck, Beschäftigte nach Arbeits‐ zeit, Geschlecht und Alter im Jahr 2018. Datenquelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), BIBB, BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018; BAuA 2020. Eigene Abbildung. Nicht nur die steigende Aufgabenkomplexität und Flexibilität, sondern auch der zunehmende Zeitdruck, die geforderte hohe Mobilität sowie eine zeitliche und inhaltliche hohe Leistungsbereitschaft, die häufig deutlich über den normalen 8-Stunden-Arbeitstag hinausgeht, erzeugen Belastungen, die zunehmend die Gesundheit der Mitarbeiter beeinträchtigen. So belegen Stu‐ dien einen erheblichen Anstieg insbesondere an psychischen Belastungen und Beanspruchungen der Erwerbstätigen. Konkret danach gefragt, welche psychischen Arbeitsbedingungen Voll‐ zeit erwerbstätige Männer und Frauen am belastendsten empfinden, ergibt sich die folgende Einschätzung der Befragten: Am stärksten belastet fühlen sich beide Geschlechter durch einen starken Termin- und Leistungsdruck, durch Störungen bzw. Unterbrechungen bei der Arbeit, wenn sie sehr schnell arbeiten müssen und wenn bei den Aufgaben die Grenze der eigenen Leistungsfähigkeit erreicht wird. Demgegenüber empfinden die meisten Beschäftigten es nicht als psychisch belastend, wenn sie mit neuen Aufgaben konfrontiert werden oder wenn sie Aufgaben übernehmen müssen, für die 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 197 <?page no="198"?> sie eigentlich nicht ausgebildet sind. (vgl. BIBB / BauA-Erwerbstätigenbe‐ fragung 2018; BAuA 2020, S. 27). Die starke Zunahme psychischer Belastungen und auch Erkrankungen von Erwerbstätigen lässt sich auf bestimmte Arbeitsbedingungen und Ar‐ beitssituationen zurückführen, die arbeitswissenschaftlich gut erforscht und bewiesen sind. Zu den Arbeitsbedingungen, die psychische Belastungen und Erkrankungen potenziell fördern, gehören u. a. epidemiologisch erwie‐ sene Gefährdungsfaktoren, eine hohe Arbeitsintensität, geringere Tätig‐ keitsspielräume, fehlende Gerechtigkeit bzw. Anerkennung und mangelnde soziale Unterstützung (Pfaff/ Zeike 2019, S. 28 ff.). Darüber hinaus fördern aber auch atypische Arbeitszeiten, Störungen, Unterbrechungen und Pau‐ sendefizite bei der Arbeit psychische Belastungen. Zu den relevanten orga‐ nisationswissenschaftlichen Einflussfaktoren auf psychische Belastungen gehören u. a. Führungsdefizite, neue Formen der Arbeit, atypische Beschäf‐ tigungsformen, die Arbeitsplatzunsicherheit und eine mangelnde organisa‐ tionale Resilienz (vgl. Knieps/ Pfaff 2019; Rothe/ Adolph/ Beermann 2017; Corbiere et.al. 2009; Biron/ Gatrell/ Cooper 2010; Cooper 2008). Vor allem die folgenden Kombinationen bestimmter arbeitswissenschaftlicher und orga‐ nisationswissenschaftlicher Faktoren können die Entstehung psychischer Belastungen und Erkrankungen fördern (vgl. BPtK-Studie 2011; Haupt/ Ba‐ cké/ Latza 2016; Rosen 2016; Karasek/ Theorell 1990; Rau/ Morling/ Rösler 2010; Häusser et.at. 2010; Siegrist/ Dragano 2008; Knieps/ Pfaff 2019, S. 28 f.): ▸ Vielzahl an verantwortlichen Aufgaben, die unter Zeitdruck er‐ ledigt werden müssen, wobei das Individuum nur geringen Einfluss auf die Arbeit hat. ▸ Hohe berufliche Anforderungen und viele verantwortliche Auf‐ gaben verbunden mit relativ geringem Gehalt, wenig Anerkennung für die Arbeit, geringer persönlicher Wertschätzung und schlechten Karriereperspektiven. Diese Konstellation findet sich insbesondere bei Beschäftigten des Dienstleistungs- und Pflegebereichs. ▸ Häufige Konfrontation der Mitarbeiter mit unkalkulierbaren und negativen Erlebnissen, beispielsweise Mitarbeiter, die im Kun‐ denservice arbeiten und viele Reklamationen und Kundenbeschwer‐ den bearbeiten. ▸ Hohe Arbeitsplatzunsicherheit. ▸ Hohe berufliche Anforderungen bei einer geringen sozialen Unter‐ stützung. 3 Risiken der Unvereinbarkeit 198 <?page no="199"?> 3.1.1 Auswirkungen dauerhafter psychischer Belastungen auf die Fehlzeiten Die Auswirkungen dauerhafter psychischer Belastungen zeigen sich in einer steigenden Anzahl an physischen, aber auch psychischen Beschwerden. Wesentliche physische Beschwerden können z.B. Kopfschmerzen, Schulter‐ schmerzen, Verspannungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auch Mu‐ sekl-Skelett-Erkrankungen sein (vgl. Lohmann-Haislah/ Morschnäuser/ Sti‐ lijanow 2012 S. 42). Mögliche psychische Beschwerden und Erkrankungen können depressive Störungen, Burnout-Erkrankungen, Panik-Attacken, Zunahme von Suchtverhalten, aber auch steigende Ermüdungserscheinun‐ gen sein. (vgl. Lohmann-Haislah/ Morschnäuser/ Stilijanow 2012 S. 42). Zu‐ sätzlich steigt die Arbeitsunzufriedenheit der Betroffenen, was zu einer geringeren Motivation, einem Leistungsabfall und schlechterer Arbeitser‐ gebnisse bis hin zu längerfristigem Arbeitsausfall führen kann (vgl. Loh‐ mann-Haislah/ Morschnäuser/ Stilijanow 2012 S. 42). Schätzungen zufolge haben „bereits 25 Prozent der erwachsenen Europäer schon einmal unter Depressionen, Schizophrenie, Panikstörungen oder Alkohol- und Drogen‐ abhängigkeit gelitten.“ (Sommer/ Hammer 2010, S. 29). Die mit psychischen Erkrankungen verbundenen Produktionsausfallkos‐ ten werden vom BAuA für das Jahr 2018 auf 13,3 Mrd. Euro geschätzt, der Ausfall an Bruttowertschöpfung auf 22,8 Mrd. Euro für das Jahr 2018. Die Schätzung basiert auf Arbeitsunfähigkeitsdaten von rund 30 Millionen GKV-Mitgliedsjahren. (vgl. BAuA 2020, S. 52; BAuA 2020a, S. 45). Zur Beurteilung der Entwicklung verschiedener Erkrankungen in Deutschland bilden die jährlichen Auswertungen mitgliedsstarker Kran‐ kenkassen zur Entwicklung verschiedener Erkrankungen der bei ihnen versicherten Mitglieder eine wichtige Datenquelle. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass diese Analysen nicht nur berufsbedingte Erkrankungen, son‐ dern alle Erkrankungen ihrer Mitglieder erfassen und auswerten. Dennoch bieten diese Datenauswertungen auch für die Abschätzung der Entwicklung arbeitsbezogener Erkrankungen wichtige Informationen und Tendenzaus‐ sagen. Daher werden im Folgenden beispielhaft aktuelle Daten des Psycho‐ reports der DAK Gesundheit von 2020 (DAK 2020b; DAK 2020c) vorgestellt, um einen Eindruck von der Entwicklung verschiedener Erkrankungen der bei der DAK Versicherten zu erhalten. Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung der Fehltage ausgewählter Erkrankungen der Mitglieder der DAK Gesundheit Krankenkasse im Zeitraum vom Jahr 2000 bis 2018. 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 199 <?page no="200"?> Abbildung 66: Entwicklung der Fehltage für verschiedene Erkrankungen im Zeitraum 2000 bis 2018 in %. Datenquelle: DAK 2019, DAK 2019, S. 11. Eigene Abbildung. Nach dem Psychoreport 2019 und aktuellen Auswertungen aus dem Jahr 2020 der DAK-Gesundheit, bei der 5,6 Millionen Menschen krankenver‐ sichert sind, stiegen in der Zeit vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2018 die Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen insgesamt um 126% an und bis zum Jahr 2019 insgesamt um 137% an (vgl. DAK 2019, S. 11; MedWiss.On‐ line: www.medwiss.de/ 2020/ 09/ 15/ dak-psychoreport-2020-rasanter-anstieg -der-arbeitsausfaelle/ . Abruf: 25.09.2020). Dabei waren Frauen deutlich häu‐ figer von psychischen Erkrankungen betroffen als Männer. So betrugen die Fehltage im Jahr 2019 bei Frauen 328 Tagen je 100 Versicherten, wohingegen Männer „nur“ 203 Fehltage je 100 Versicherten aufwiesen (vgl. ebenda). Auch nahmen die Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen mit steigendem Alter der Versicherten zu (vgl. ebenda). Die Anzahl an Fehltagen erreichte bei psychischen Erkrankungen im Jahr 2019 einen Höchststand von 260 Fehltagen pro 100 Versicherte (vgl. ebenda). Der DAK-Psychoreport ist eine Langzeitstudie, die von dem IGES Institut durchgeführt wird und anonymisierte Daten von mehr als zwei Millionen erwerbstätigen Versicher‐ ten auswertet (vgl. ebenda). Die Fehltage nach Einzeldiagnosen zeigte die folgende Tabelle 14. 3 Risiken der Unvereinbarkeit 200 <?page no="201"?> Ausgewählte Einzeldiagnosen psy‐ chischer Erkrankungen Fehltage je 100 Versicherte Depressionen 105 Anpassungsstörungen 59 Neurotische Störungen 26 Angststörungen 19 Sonstige Diagnonsen 51 Insgesamt 260 Tabelle 14: Anzahl an Fehltagen je 100 Versicherten nach Einzeldiagnosen psychi‐ scher Erkrankungen im Jahr 2019. Datenquelle: vgl. MedWiss.Online 2020: www.med wiss.de/ 2020/ 09/ 15/ dak-psychoreport-2020-rasanter-anstieg-der-arbeitsausfaelle/ . Abruf: 25.09.2020. Eigene Darstellung. Besonders viele Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen wurden im Jahr 2019 in der öffentlichen Verwaltung verzeichnet: Hier wurden 382 Fehl‐ tage je 100 Beschäftigte gezählt, was 47% über dem DAK-Durchschnitt liegt. Ebenfalls stark betroffen waren die Beschäftigten im Gesundheitswesen mit 338 Fehltagen je 100 Beschäftigen und die Branche Verkehr, Lagerei und Kurierdienste mit 249 Fehltagen je 100 Beschäftigten (vgl. MedWiss.Online 2020). Bei den Fehltagen durch psychische Erkrankungen gab es deutliche regionale Unterschiede (vgl. Abbildung 66): Während im Saarland im ver‐ gangenen Jahr 340 Fehltage je 100 Versicherte auf psychische Erkrankungen zurückgingen, wurden in Berlin 303 Fehltage, in Brandenburg 301 Fehltage und in Baden-Württemberg nur 207 Fehltage je 100 Versicherten gezählt. Arbeitsbedingte psychische Belastungen und Erkrankungen können heute deutlich besser und eindeutiger medizinisch identifiziert und dia‐ gnostiziert werden als noch vor einigen Jahrzehnten. Auch die Behand‐ lungsmethoden sind heute wesentlich umfangreicher. Allerdings bedarf es auch heute noch einer größeren Offenheit und Akzeptanz psychischer Belastungen und Erkrankungen in der Gesellschaft und insbesondere im Arbeitsleben sowie durch die Arbeitgeber, um die Betroffenen nicht zu stigmatisieren und frühzeitig psychische Überlastungen und psychische Erkrankungen zu identifizieren und behandeln zu können. 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 201 <?page no="202"?> Abbildung 67: Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen nach Bundesländern im Jahr 2018. Datenquelle: DAK 2019, S. 14. Eigene Abbildung. Der DAK-Vorstandsvorsitzende Andreas Storm wertet die psychischen Erkrankungen nicht nur als große Belastung für die Betroffenen, sondern auch als große Herausforderung für die Wirtschaft und Gesellschaft. Beson‐ ders die Arbeitgeber müssen offener mit psychischen Belastungen ihrer Mitarbeiter umgehen und ihnen im Rahmen des betrieblichen Gesundheits‐ managements Hilfestellungen anbieten. Dabei gibt es umfangreiche Unter‐ stützungsangebote der Krankenkassen, zum Beispiel bei der Versorgung und Wiedereingliederung psychisch belasteter Mitarbeitender. (Vgl. Med‐ Wiss.Online 2020). Bedenklich ist der Umstand, dass die Dunkelziffer an psychischen Belas‐ tungen und Beschwerden weitaus höher ist als die statistisch erfassten Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Störungen. So ergab eine Umfrage bei Beschäftigten der IT-Branche, dass zwar 44,5% der Befragten arbeitsbedingte psychische Probleme angaben, davon jedoch nur 7,4% auch Fehlzeiten aufwiesen (vgl. BKK Gesundheitsreport 2010). D.h., dass die Mehrheit der psychisch Belasteten trotzdem arbeiten geht und sich keiner Behandlung unterzieht, was langfristig zu massiven Beeinträchtigungen und Gesundheitsproblemen der Betroffenen führen kann. 3 Risiken der Unvereinbarkeit 202 <?page no="203"?> 3.1.2 Psychische Belastungen während der Coronavirus-Pandemie Die seit 2020 auch Deutschland beherrschende Coronavirus-Pandemie stellt die Arbeitgeber vor die Herausforderung, geeignete Schutzmaßnahmen zur Reduzierung bzw. Vermeidung der Verbreitung des Coronavirus für ihre Beschäftigten zu ergreifen und trotzdem gute bzw. zumindest angemessene Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Über den Infektionsschutz hinaus stellt sich die Frage, welche zusätzlichen gesundheitlichen Auswirkungen die Coronavirus-Pandemie auf die Beschäftigten haben kann. Dabei inter‐ essieren vor allem mögliche physische und psychische Belastungen der Beschäftigten. Ziel ist es dabei, die Arbeitsbedingungen möglichst belas‐ tungsfrei zu gestalten und dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten mit den aktuellen Herausforderungen möglichst gut umgehen können. Diese Fragen beschäftigen aktuell viele Unternehmen, Institutionen und Wissenschaftler. Zu den wesentlichen psychischen Herausforderungen, mit denen die Beschäftigten in der aktuellen Coronavirus-Pandemie umgehen müssen, gehören insbesondere die folgenden Herausforderungen (vgl. DGUV 2020, S. 2_14): ▸ veränderte Arbeitsorganisation aufgrund einer höheren örtlichen und zeitlichen Flexibilität der Arbeitsabläufe, Arbeitsorganisation und Zusammenarbeit ▸ höhere emotionale Inanspruchnahme aufgrund der Ausnahmesitua‐ tion und veränderten Arbeitsorganisation ▸ schlechtere Abgrenzbarkeit zwischen Arbeits- und Freizeit aufgrund der gestiegenen Arbeit im Homeoffice ▸ neue und veränderte Kommunikations- und Kooperationsmöglich‐ keiten im Arbeitsleben und ggf. geringerer sozialer Austausch mit Kollegen und Kolleginnen ▸ höhere Arbeitsplatzunsicherheit aufgrund von Kurzarbeit oder ggf. Existenzängste aufgrund von Arbeitsplatzverlust ▸ Angst vor eigener Infektion bei der Arbeit Mögliche Reaktionen der Beschäftigten auf diese Herausforderungen (Ängste und Unsicherheiten) können sein (vgl. DGUV 2020, S. 2-14): ▸ körperlich: es treten vermehrt körperliche Beschwerden auf, wie z.B. Kopfschmerzen, Magen-Darm-Probleme, Atembeschwerden, Blut‐ hochdruck, Herzrasen. Die Beschäftigten fühlen sich häufig ausge‐ laugt und müde, auch am Wochenende, bzw. an freien Tagen. 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 203 <?page no="204"?> ▸ kognitiv: Beschäftigte können auch am Feierabend gedanklich nicht abschalten, sie können sich schlechter konzentrieren und machen häufiger Flüchtigkeitsfehler. Sie haben den Eindruck, weniger leisten zu können. ▸ emotional: Die Beschäftigten fühlen sich ständig unter Druck und gehetzt, sie kommen nicht zur Ruhe und können sich schlecht erholen. Sie haben das Gefühl, den Herausforderungen nichts entgegen setzen zu können, sie sind eher gereizt und ungeduldig. ▸ verhaltensbezogen: Die Beschäftigten machen während der Arbeit keine Pausen, sie neigen zu hohem Konsum von Medikamenten, Zigaretten oder Alkohol, ihr Essverhalten hat sich verändert. Zum Umgang der Arbeitgeber mit möglichen Belastungsfaktoren der Be‐ schäftigten während der Coronavirus-Pandemie hat die DGUV eine Check‐ liste erarbeitet und bereitgestellt, in der mögliche Belastungsfaktoren und Gefährdungen der Mitarbeiter dokumentiert sowie entsprechende Verant‐ wortlichkeiten und gegensteuernde Maßnahmen vorgeschlagen bzw. von den Arbeitgebern festgelegt werden können (DGUV 2020, S. 3 ff.). Diese Checkliste und gleichzeitig Handlungsleitfaden umfasst sehr unterschiedli‐ che Belastungsfaktoren, kann aber betriebsbezogen bzw. individuell auch noch ergänzt werden. Welche tatsächlichen Auswirkungen die Coronavirus-Pandemie auf die Gesundheit der Beschäftigten hat (unabhängig von tatsächlichen Infektio‐ nen mit dem Cornavirus), ist aktuell eine sehr interessante Forschungsfrage. Die Umfrage der BKK im Jahr 2020 (BKK 2020) bei ihren Befragten ergab, dass die Coronavirus-Pandemie bei der Mehrheit der Befragten keine Aus‐ wirkungen auf ihre Gesundheit hat. Nur 27,5 % der Befragten gaben negative Auswirkungen durch die Coronavirus-Pandemie auf ihre Gesundheit und ihr Arbeitsleben an. Eine ähnliche Verteilung zeigt sich bei der Frage nach den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die psychische Gesundheit: Hier gaben 26,6 % der Befragten an, dass die Coronavirus-Pan‐ demie einen negativen Einfluss auf ihre psychische Gesundheit und das Arbeitsleben haben. Demgegenüber empfanden knapp 60% der Befragten einen eher positiven Einfluss der Coronavirus-Pandemie auf ihre psychische Gesundheit. (vgl. Knieps 2020, S. 9). Bezogen auf verschiedene Berufsgruppen werden die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die psychische Gesundheit von den folgenden Berufsgruppen am negativsten eingeschätzt: Lebensmittel- und Gastgewe‐ 3 Risiken der Unvereinbarkeit 204 <?page no="205"?> beberufe (31,7%), medizinische und nicht-medizinische Gesundheitsberufe (30,7%), Handelsberufe (29,0%), Unternehmensbezogene Dienstleistungsbe‐ rufe (27,3%), IT und naturwissenschaftliche Dienstleistungsberufe (27,3%) und Verkehr- und Logistikberufe (26,2%), wie die folgende Tabelle 15 zeigt (vgl. Kniep/ Pfaff 2020, S. 73). Berufsgruppe Negative Auswirkungen der Coronavirus Pandemie auf das Arbeitsle‐ ben in % auf die psychische Gesundheit in % Lebensmittel- und Gastgewerbe‐ berufe 43,1 31.7 Soziale und kulturelle Dienstleis‐ tungsberufe 34,4 26,9 Handelsberufe 32,7 29,0 Fertigungstechnische Berufe 32,1 25,3 Medizinische und nicht-medizi‐ nische Gesundheitsberufe 30,3 30,7 Bau- und Ausbauberufe 24,8 23,0 Unternehmensbezogene Dienst‐ leistungsberufe 20,4 27,3 Verkehr- und Logistikberufe 28,2 26,2 Fertigungsberufe 24,4 24,4 Berufe in Unternehmensorgani‐ sation und Handelsorganisation 22,6 23,0 IT und naturwissenschaftliche Dienstleistungsberufe 21,6 27,3 Unternehmensbezogene Dienst‐ leistungsberufe 20,4 27,3 Sonstige Berufe 24,8 25,0 Tabelle 15: Negativer Einfluss der Coronavirus Pandemie auf das Arbeitsleben und die psychische Gesundheit der Befragten nach Berufsgruppen (vgl. Kniep/ Pfaff 2020, S. 73). 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 205 <?page no="206"?> Wie unterschiedlich die Belastungen durch die Coronavirus-Pandemie durch die Beschäftigten wahrgenommen werden, dokumentiert beispiels‐ weise der Artikel im Spiegel vom 14.01.2021 (vgl. Endres et al. 2021). 3.1.3 Auswirkungen psychischer Erkrankungen und steigender Fehlzeiten auf Unternehmen, Betroffene und die Gesellschaft Für die Unternehmen bedeutet die Zunahme an psychischen Erkrankungen nicht nur eingeschränkte Leistungsfähigkeit, Leistungsbereitschaft und Motivationsdefizite, sondern auch längere Ausfallzeiten ihrer Mitarbeiter, wodurch hohe Produktionsausfallkosten sowie zusätzliche Kosten für den Ausgleich der krankheitsbedingten personellen Ausfälle entstehen. Psychisch Erkrankte scheiden häufig vorzeitig aus dem Erwerbsleben aus. So erfolgten im Jahr 2018 43% der Neuberentungen aufgrund von Erwerbs‐ minderung durch psychische Störungen; das durchschnittliche Berentungs‐ alter der Frühberenteten aufgrund psychischer Störungen lag dabei bei 50,5 Jahren, bei orthopädischen Erkrankungen beträgt das Durchschnittsalter 60,5 Jahre (vgl. Hesse 2019, S. 194). Die vorzeitige Berentung hat sowohl für die Betroffenen als auch für die Gesellschaft deutliche Nachteile. Die Betroffenen verlieren durch die vor‐ zeitige Berentung einen erheblichen Anteil ihrer gesellschaftlichen Teilhabe und ihres sozialen Status. Zusätzlich empfinden viele nach der Berentung einen Verlust an Sinnhaftigkeit, eine allgemein geringere Lebenszufrieden‐ heit und häufig nehmen auch weitere gesundheitliche Beschwerden zu (vgl. Hesse et.al. 2019, S. 194). Auch die sozioökonomische Situation ver‐ schlechtert sich durch die vorzeitige Berentung erheblich. So betrug die durchschnittliche Rente aufgrund von Erwerbsminderung im Jahr 2018 nur 735 Euro. Das führt dazu, dass rund 18% der vorzeitig Berenteten wegen Erwerbsminderung zusätzliche staatliche Mindestsicherungsleistungen in Anspruch nehmen mussten (vgl. Märtin/ Zollmann/ Buschmann-Steinhage 2012, S. 62; Hesse et.al 2019, S. 194). Auch gesellschaftlich hat die vorzeitige Berentung große Nachteile: So gehen der Wirtschaft erfahrene Arbeitskräfte verloren, deren Fachwissen häufig nicht in den Unternehmen gebunden ist. Aufgrund des demografi‐ schen Wandels und der daraus resultierenden Fachkräfteengpässe haben die Unternehmen zunehmend Schwierigkeiten, die durch die vorzeitige Berentung nun offenen Stellen nach zu besetzen. Und nicht zuletzt gehen 3 Risiken der Unvereinbarkeit 206 <?page no="207"?> der Gesellschaft wichtige Beitragszahler für die Sozialversicherung vorzeitig verloren. (vgl. Hesse 2019, S. 194). Einen wesentlichen Einflussfaktor für das Risiko, an psychischen Belas‐ tungen zu erkranken, stellt die Bedeutung der Arbeit für den Einzelnen dar und die Möglichkeiten eines Ausgleichs zwischen Berufs- und Privatleben. So erkranken Personen seltener an psychischen Störungen, die ein erfülltes und glückliches Privatleben haben (vgl. BPtK 2011). 3.1.4 Stress im Berufsleben Hohe Arbeitsbelastungen, Unzufriedenheit im Berufsleben oder auch die unzureichende Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben können Stress erzeugen. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Untersuchungen und wissen‐ schaftlichen Veröffentlichungen zu dem komplexen Thema Stress (vgl. z.B. Karasek/ Theorell 1990; Biener 1993; Beehr 1995; Greif 1991; Jex 1998; Laza‐ rus 1999, 2000; Mondy 2008, S. 364; Cooper 2008; Lohmann-Haislah/ Morsch‐ häuser/ Stilijanow 2012; Marschall 2018; Robinson 2018; Knieps/ Pfaff 2020; Stressforschung 2021). Hans Selye gilt als wesentlicher Begründer der Stressforschung. Er prägte den Begriff „Stress“, indem er ihn von der Physik in die Medizin übertrug und bezeichnete damit Zustände der Belastung sowie Prozesse zur Bewältigung dieser Belastungen (vgl. Selye 1974; Staehle 1994, S. 234; Regnet 2003, S. 120). Da berufsbedingter Stress ein interdisziplinäres Forschungsthema ist, das insbesondere von der Organisations- und Personalpsychologie, der Medizin, der klinischen Psychologie und der Arbeitspsychologie untersucht wird, gibt es auch - je nach Untersuchungsgegenstand - recht verschiedene Begriffsabgrenzungen. Einigkeit besteht jedoch hinsichtlich wesentlicher Elemente von Stress (vgl. Weinert 2004, S. 277): ▸ Ursache von Stress sind physische oder psychische Stimuli ▸ Auf diese Stimuli reagiert eine Person ▸ Stress wird von Zwängen und Anforderungen beeinflusst Selye (1974; 1991) definiert Stress als „unspezifische Reaktion des Organismus auf jede an ihn gerichtete Anforderung“ (Selye 1974, S. 2). Dabei wird der Anpassungsprozess des Organismus an innere oder äußere emotionale, körperliche oder geistige Anforderungen als Stress bezeichnet (vgl. Regnet 2003, S. 210). 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 207 <?page no="208"?> Weinert betont in seiner Definition von Stress die Bedeutung der Über‐ lastung. Stress definiert er als „eine adaptive Reaktion auf übermäßige psy‐ chische und/ oder physische Anforderungen der Umwelt. Die Toleranz gegen‐ über diesen Anforderungen ist individuell unterschiedlich.“ (Weinert 2004, S. 278). Auch Stock-Homburg hebt die negative Befindlichkeit hervor, wenn sie in Anlehnung an de Jonge und Dormann (vgl. de Jonge/ Dormann 2008, S. 1359 ff.) Stress beschreibt als eine „negative emotionale Befindlichkeit in Verbindung mit einer erhöhten (Arbeits-)Beanspruchung“ (Stock-Homburg 2008, S. 684; Stock-Homburg 2019, S. 835). Reize, die Stress auslösen, werden als Stressoren bezeichnet, Stress ist demgegenüber der Gesamtprozess der Anpassung. Selye unterscheidet zwischen distress und eustress. ▸ Während distress ein als unangenehm und belastend empfundener Aktivierungszustand ist, ▸ wird eustress als angenehm empfunden und kann stimulierend und motivierend wirken (vgl. Selye 1974). Dabei ist die subjektive Bewertung einer Person in einer konkreten Situation dafür ausschlaggebend, wann ein Reiz bzw. Stressor als belastend (distress auslösend) oder als motivierend (eustress auslösend) wahrgenommen wird. Auch bei objektiv messbaren Reizen bestehen deutliche interindividuelle Unterschiede in der Wahrnehmung und Resistenz von Stressoren (vgl. Regnet 2003, S. 120). So kann laute Musik einmal positiv als stimulierend wahrgenommen werden und in einer anderen Situation als belastend. Auch das Klingeln des Telefons kann in einer entspannten Situation keinerlei Stress auslösen, wohingegen es bei hohem Arbeits- und Zeitdruck als negativ und störend empfunden wird. Im beruflichen Bereich werden überwiegend negativ wirkende Stressoren untersucht. Im Folgenden werden zentrale Entwicklungslinien und Ansätze der Stressforschung vorgestellt. 3.1.4.1 Allgemeines Adaptationssyndrom von Selye Selye hat sich schwerpunktmäßig mit der biologisch-physiologischen Stressforschung beschäftigt. Ihn interessierte insbesondere, „wie das zen‐ trale und periphere Nervensystem sowie vegetativ-endokrine Systeme durch exogene und/ oder endogene Reize aktiviert werden“ (Staehle 1994, S. 234f.). Dabei identifizierte Seyle zwei Anpassungsmechanismen: 3 Risiken der Unvereinbarkeit 208 <?page no="209"?> ▸ Kampf und Flucht als kurzfristige Reaktion und Anpassung, ausgelöst durch die Ausschüttung der Hormone Adrenalin und Noradrenalin. ▸ Das Allgemeine Adaptationssyndrom als langfristige bzw. langsame Reaktion und Anpassung des Individuums sowohl auf der physiolo‐ gischen als auch der psychologischen (motorischen und kognitiven) Ebene. Das von Selye identifizierte Allgemeine Adaptationssyndrom (General Adaptation Syndrome, GAS) wird kurz vorgestellt (vgl. Selye 1974; 1991): Seyle geht davon aus, dass jede Person ein individuell unterschiedliches „Normalmaß“ an Widerstandskraft gegenüber Stressoren hat, weshalb ein Individuum schon stark auf relative kleine oder geringe Stressoren reagiert, wohingegen eine andere Person eine wesentlich höhere Menge an Stresso‐ ren verkraftet. Das Allgemeine Adaptionssyndrom wird ausgelöst, sobald eine Person mit einem Stressor konfrontiert wird. Das Allgemeine Adaptationssyndrom (GAS) besteht aus den drei Phasen Alarmphase, Widerstandsphase und Erschöpfungsphase. Diese Phasen bil‐ den eine Verteidigungsreaktion des Individuums auf bestimmte konkret auftretende bzw. wirkende Stressoren. Der Begriff „Allgemeines Adaptationssyndrom erklärt sich so: „Allge‐ mein“ bedeutet, dass sich die Stressoren auf unterschiedliche physische und psychische Bereiche des Körpers auswirken können. Mit „Adaptation“ drückt Selye aus, dass der Körper Schutzmechanismen aktiviert, die bei dem Umgang mit dem auslösenden Stressor helfen. „Syndrom“ bedeutet, dass die Reaktion aus verschiedenen Teilen bestehen kann, die jedoch gemeinsam wirken. (vgl. Selye 1991; Weinert 2004, S. 278). Das Allgemeine Adaptationssyndrom entwickelt sich in seinen drei Phasen wie folgt (vgl. Weinert 2004, S. 278 f.). ▸ Alarmphase: In der Alarmphase wird ein Individuum mit einem Stressor konfrontiert, was zu einer Anspannung des Individuums führt. Mögliche Reaktionsvarianten sind entweder Kampf oder Flucht. ▸ Widerstandsphase: Das Individuum versucht, dem stressauslösen‐ den Reiz Widerstand zu leisten. Je geringer der Widerstand der Person wird, desto größer wird die Anspannung, Angst und Ermüdung der Person. Die Widerstandskraft kann auch durch das Einwirken mehrerer Stressoren gemindert werden. Gelingt es der Person, den Stressoren ausreichend Widerstand zu leisten und z.B. einen Bericht trotz ständiger Störungen durch Telefonate fertig zu stellen, ist das 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 209 <?page no="210"?> Allgemeine Adaptationssyndrom mit der erfolgreichen Widerstand‐ phase beendet. Schafft es ein Individuum jedoch nicht, dem oder den Stressoren ausreichend Widerstand entgegenzusetzen, oder wirkt ein Stressor über längere Zeit auf die Person ein, so führt das mittelfristig zu einer Erschöpfung, die im Modell durch die Erschöpfungsphase erklärt wird. ▸ In der Erschöpfungsphase kann die Person dem Stressor nicht län‐ ger Widerstand leisten und gibt auf, weil ihre Energie zum Widerstand bzw. zur Anpassung erschöpft bzw. verbraucht ist. Untersuchungen haben belegt, dass jeder Anspannungsphase eine Entspan‐ nungsphase folgen muss, um ein ausgeglichenes Niveau zwischen Ruhe und Erregung zu ermöglichen. Ist keine ausreichende Erholung möglich oder treten in kurzer Zeit weitere Stressoren auf, so steigt das Erregungsniveau insgesamt an. Wirken Stressoren sehr lange, so kann das auch die Leistung des Immunsystems beeinträchtigen oder gar zu Herzinfarkten oder Schlag‐ anfällen führen, wie einschlägige Forschungen belegen (vgl. Weinert 2004, S. 279). Weitere wesentliche Arbeiten der sozialpsychologischen Stressforschung entstanden im Zuge des Social Environment und Mental Health Programm am Institute for Social Research (Michigan Gruppe) (vgl. Staehle 1994, S. 235). Dazu gehören die Arbeiten von French/ Kahn 1962, Kahn et al 1964, IRS-Modell von Katz und Kahn 1978; das Facettenmodell von Beehr und Newman 1978, das Demands-Control-Modell von Karasek (1979), das Modell von Caplan (1987) (Fitmodelle) und Kristof (1996) (vgl. Weinert 2004, S. 279). 3.1.4.2 Person-Umwelt-Fit-Modell Das Person-Umwelt-Fit-Modell wurde von der Gestaltpsychologie von Kurt Lewin und der Interaktionstheorie beeinflusst und auch am Institute for Social Research in Michigan entwickelt. Das Modell charakterisiert eine erfolgreiche individuelle Anpassung durch den Grad der Übereinstimmung der Anforderungen der Umwelt mit den individuellen Möglichkeiten einer Person. Die Studie “Job Demands und Worker Health” von Caplan et al. (Caplan et al. 1975; 1982) ging von den Annahmen des Person-Umwelt-Fit-Modells aus und konnte belegen, „dass eine vom Arbeitenden erlebte Diskrepanz (misfit) zwischen den Merkmalen der Arbeit (Anforderungen, Chancen) und seinen 3 Risiken der Unvereinbarkeit 210 <?page no="211"?> Fähigkeiten und Bedürfnissen psychischen Stress zur Folge hat.“ (Staehle 1994, S. 235). Zur Bewältigung von Stress können zwei Alternativen gewählt wer‐ den (vgl. Nitsch 1981, S. 567 f.): 1. Die Umweltbedingungen und Anforderungen der Aufgaben werden an die individuellen Bewältigungsmöglichkeiten angepasst. 2. Das Individuum passt sich an die gegebenen Anforderungen der Aufgaben und die Umweltbedingungen an. 3.1.4.3 Transaktionales kognitives Stressmodell von Lazarus Lazarus (1966; 1999) betrachtet eine belastende (stressige) Situation als Prozess komplexer Wechselwirkungen zwischen den Anforderungen der Situation und der betroffenen Person. Dabei wird die Stressreaktion weni‐ ger von der objektiven Ausprägung der Situation oder Reize bestimmt (wie frühere Stressmodell angenommen haben), sondern vielmehr durch die subjektive Bewertung der Person, die eine Situation als Belastung oder Überforderung wahrnimmt. Lazarus interessierte sich vor allem für unterschiedliche Möglichkeiten der Reaktion auf Stress (Coping-Strategien). Die vielfältigen Interaktionen, die zwischen einer Person und der Umwelt ablaufen, beschreibt Lazarus als transaktionale Prozesse (vgl. Lazarus 1966). Lazarus nimmt an, dass die Einschätzung einer Situation als belastend (stressig) durch eine Person davon abhängt, welche Bewältigungsstrategien und Kompetenzen dieser Person zur Verfügung stehen. Danach entsteht Stress, wenn eine Person eine Situation als bedrohlich empfindet oder über keine ausreichende Situationskontrolle (misfit zwischen Person und Situation) verfügt. Die Bewertung einer konkreten Situation erfolgt als Prozess, der in der Abbildung 67 dargestellt ist. Besteht keine Situationskontrolle, so entsteht Angst und die Person versucht, die Situation als weniger belastend zu interpretieren bzw. zu bagatellisieren. Verfügt die Person über eine Situationskontrolle und reichen die eigenen Kräfte aus, um der Gefahr zu begegnen, so reagiert die Person mit Angriff bzw. Ärger oder Wut. Besteht eine Situationskontrolle, reichen die vorhandenen Kräfte aber nicht aus, um die Gefahr zu bewältigen, reagiert die Person mit Furcht und Flucht. 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 211 <?page no="212"?> Abbildung 68: Transaktionales kognitives Stressmodell von Lazarus. Quelle: vgl. Lazarus 1991; 1999. Eigene Darstellung: inspiriert von Zapf/ Semmer 2004, S. 1020 und Stock-Homburg 2008, S. 685 Lazarus hat sein Modell im Laufe der Zeit weiterentwickelt; Anfang der 1990er Jahre veröffentlicht Lazarus eine etwas veränderte und differenzierte Betrachtungsweise seines Stressmodells (vgl. Lazarus 1991; 1999). Danach unterscheidet Lazarus drei Bewertungsstufen bzw. -ebenen von Situationen hinsichtlich ihrer Bedrohlichkeit. Da Individuen Situationen und deren Belastungen unterschiedlich bewerten, kann sich auch eine individuell unterschiedliche Bedrohung der Situation ergeben. Bei der primären Bewertung einer Situation oder eines Ereignisses schätzt eine Person ab, ob diese Situation für sie positiv bzw. günstig ist, gar keine Bedeutung hat und damit irrelevant ist oder ob sie als belastend bzw. potenziell gefährlich (stressend) empfunden wird. Erlebt eine Person die 3 Risiken der Unvereinbarkeit 212 <?page no="213"?> Situation als belastend (stressig), dann kann diese Belastung nochmals in drei Abstufungen unterteilt werden: ▸ Einstufung als Herausforderung (challenge), d. h. die Situation ist zwar beanspruchend, bietet aber gleichzeitig positive Perspektiven bzw. Chancen, wenn sie erfolgreich bewältigt wird. ▸ Einstufung als Bedrohung (threat), d. h. die Situation birgt poten‐ ziell negative Konsequenzen. ▸ Einstufung als Schädigung oder Verlust (harm/ loss), d. h. die Situation beinhaltet sicher negative Konsequenzen. Bei der sekundären Bewertung überprüft die Person ihre Ressourcen und Fähigkeiten, um mit der Situation umzugehen. Als Ressourcen werden Kompetenzen, Fähigkeiten oder Erfahrungen der jeweiligen Person und Zugriffsmöglichkeiten auf Kompetenzen und Erfahrungen anderer, z.B. von Kollegen, verstanden (vgl. Miltner 2005, S. 233). Bei der Einschätzung der eigenen Ressourcen unterscheidet Lazarus nochmals zwischen Fähig‐ keiten und Möglichkeiten der Bewältigung. Eine Stressreaktion wird nur dann ausgelöst, wenn die zur Verfügung stehenden Ressourcen als nicht ausreichend eingeschätzt werden. Dann wird eine Bewältigungsstrategie entwickelt, die neben der Situation auch die kognitiven Strukturen und Persönlichkeitseigenschaften der Person berücksichtigt (Coping). Mögliche Bewältigungsstrategien werden von Lazarus in zwei Arten von Strategien unterschieden: in die instrumentelle und die emotionale Bewältigungsstrategie. Bei der instrumentellen Bewältigungsstrategie soll das Problem ge‐ löst werden bzw. die bedrohliche Situation bewältigt werden. Durch aktives Handeln versucht das Individuum, die Quelle der Bedrohung zu identifizie‐ ren und die Bedrohung und den dadurch ausgelösten Stress zu vermindern. Dies kann durch die folgenden drei Coping-Strategien erfolgen (vgl. Lazarus, 1999, S. 77; Stock-Homburg 2008, S. 685 f.): ▸ Problemorientiertes Coping: Darunter versteht man, dass das Indi‐ viduum versucht, durch aktive Informationssuche (z.B. Informationen über Lösungsansätze von anderen Personen), direkte Handlungen oder auch durch Unterlassen von Handlungen Problemsituationen zu überwinden bzw. zu bewältigen oder sich den Gegebenheiten anzupassen. Diese Bewältigungsstrategie bezieht sich auf die Ebene der Situation bzw. des Reizes. 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 213 <?page no="214"?> ▸ Emotionsorientiertes Coping: Das emotionsorientierte Coping wird auch „intrapsychisches Coping“ genannt. Hierbei wird in ers‐ ter Linie versucht, die durch die Situation entstandene emotionale Erregung abzubauen. Dabei kann auch nach sozialer Unterstützung gesucht werden, um z.B. durch die Hilfe von Dritten (z.B. durch Kollegen) die Situation zu bewältigen. ▸ Bewertungsorientiertes Coping: Lazarus verwendet den Begriff „reappraisal“ (Neubewertung) in zwei Zusammenhängen: zum einen bezüglich des Bewertungsprozesses, wie oben erwähnt. Zum anderen ist die Neubewertung einer Stresssituation gleichzeitig eine Coping‐ strategie, wie an folgendem Zitat deutlich wird: „I also used the term cognitive coping to express this idea that coping can influence stress and emotion merely by a reappraisal of the person-environment relationship" (Lazarus, 1999, S. 77). Um die Situation als weniger bedrohlich zu empfinden, bewertet das Individuum diese neu, z.B. durch Gespräche und Einschätzungen anderer Personen. Die betrof‐ fene „gestresste“ Person kann ihr Verhältnis zur Umwelt kognitiv neu bewerten, um so adäquat damit umzugehen. Das Hauptziel beim bewertungsorientierten Coping liegt darin, eine Belastung eher als Herausforderung zu sehen, weil so ein Lebensumstand positiv bewer‐ tet wird und dadurch Ressourcen frei werden, um angemessen zu reagieren. Dies kann nur gelingen, wenn konkrete Problemlösungsan‐ sätze gefunden werden (siehe problemorientiertes Coping). Es müssen also verschiedene Bewältigungsstrategien kombiniert werden. Die zweite Art möglicher Bewältigungsstrategien sind emotionale Bewäl‐ tigungsstrategien. Hierbei erfolgt eine kognitive Neuorientierung der Person, um die als bedrohlich empfundene Situation abzuwerten. Diese Strategie wird dann als eine Art Selbstschutz gewählt, wenn die Person keine andere Möglichkeit hat, um das Problem zu lösen und ihre emotionale Beanspruchung zu senken. Hierbei sind zwei Varianten möglich: ▸ Anwendung von Entspannungstechniken, um sich wenigstens zeitweise nicht mit der bedrohlichen Situation zu beschäftigen; ▸ Verdrängung der Situation bzw. des Problems; die als bedrohlich empfundene Situation wird aus dem Bewusstsein verdrängt. 3 Risiken der Unvereinbarkeit 214 <?page no="215"?> Je nachdem, wie erfolgreich oder nicht erfolgreich ein Vorgehen war, lernt die Person im Zeitverlauf, je nach Situation die „richtigen“ Bewältigungs‐ strategien einzusetzen. In einer dritten Bewertungsstufe erfolgt eine Neubewertung. Hier be‐ wertet die Person den Erfolg der gewählten Bewältigungsstrategie. Konnte die Person erfolgreich mit einer bedrohlichen Situation umgehen, so wird sie in einer ähnlichen Situation die ursprünglich als Bedrohung eingeschätzte Situation vielleicht als Herausforderung einschätzen, die das Individuum bewältigen kann. Wählte die Person bei einer zunächst als Herausforderung eingeschätzten Situation eine nicht erfolgreiche Bewältigungsstrategie, so wird sie eine ähnliche Situation zukünftig vermutlich als Bedrohung wahrnehmen. Diese mögliche Veränderung der Erstbewertung wird als Neubewertung („Reappraisal“) bezeichnet. Anhand des transaktionalen kognitiven Stressmodells von Lazarus lassen sich Hinweise identifizieren, wie z.B. Unternehmen ihre Mitarbeiter in stressigen bzw. bedrohlich wirkenden Situationen unterstützen können. Stock-Homburg nennt in diesem Zusammenhang folgende Ansatzpunkte (vgl. Stock-Homburg 2008, S. 686): ▸ Unterstützung bei dem Erlernen von Selbstmanagementtechniken und Entspannungstechniken zum besseren Umgang mit bedrohlichen Situationen ▸ Coaching und Mentoring besonders belasteter Personen ▸ Förderung eines positiven sozialen Arbeitsklimas im Unternehmen 3.1.4.4 Theorie der Ressourcenerhaltung Die Theorie der Ressourcenerhaltung geht auf Stevan Hobfoll zurück (vgl. Hobfoll 1988, 1998, Hobfoll/ Buchwald 2004). Sie bietet einen umfassenderen Erklärungsansatz von Stress und betont mehr den sozialen Kontext von Stress. Die Theorie geht von der Annahme aus, dass Individuen ihr eigenen Ressourcen schützen und zusätzlich neue Ressourcen aufbauen möchten. Stress ist dabei eine Reaktion auf die Umwelt, bei der Ressourcenverlust droht, tatsächlich Ressourcen verloren gehen oder durch Fehlentscheidun‐ gen zusätzliche Ressourcen nicht aufgebaut werden können. 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 215 <?page no="216"?> 3.1.4.5 Job-Demand-Control-Modell von Karasek Das Anforderungs-Kontroll-Modell wurde von Robert A. Karasek entwi‐ ckelt (Karasek 1979). Es betont die beiden Aspekte der Arbeitsanforderungen und der Entscheidungsspielräume. Nach diesem Modell entsteht Stress, wenn die Arbeitsanforderungen hoch sind und gleichzeitig nur geringe Entscheidungsspielräume bestehen. 3.1.4.6 Job-Demands-Resources Modell Während das transaktionale kognitive Stressmodell speziell den Umgang eines Individuums mit Stress erklärt, identifiziert das Job-Demands-Re‐ sources Modell (vgl. Bakker/ Demerouti 2007) relevante Einflussgrößen, die Stress fördern oder auch helfen, Stress zu vermeiden und die sich auf die Motivation und Leistungsfähigkeit einer Person auswirken. Das Job-Demands-Resources Modell betrachtet insbesondere die beruflichen Anforderungen und beruflichen Ressourcen, die einer Person zur Verfügung stehen (vgl. Demerouti et al. 2001, S. 499). Berufliche Anforderungen ( Job Demands) umfassen physische (z.B. körperlich schwere Arbeiten), psychische (z.B. hoher Arbeitsdruck, Zeit‐ mangel), soziale (z.B. belastendes Arbeitsklima, häufig Kontrolle und Über‐ wachung durch Vorgesetzte) und organisationale (z.B. Organisationsklima, hoher Veränderungsdruck, hohe Flexibilität) arbeitsbedingte Belastungen einer Person. Diese Belastungen sind mit unterschiedlich hohen psychi‐ schen und physischen Kosten für die Person verbunden. Berufliche Ressourcen ( Job Resources) umfassen alle physischen, psychischen, sozialen und organisationsbezogenen Ressourcen, die einer Person im beruflichen Bereich zur Erfüllung der beruflichen Anforderungen zur Verfügung stehen. Je umfangreicher die zur Verfügung stehenden Res‐ sourcen sind, desto besser kann eine Person ihren beruflichen Anforderun‐ gen gerecht werden und desto geringer sind die durch Arbeitsbelastungen entstehenden psychischen und physischen Kosten einer Person. Zu den beruflichen Ressourcen zählen z.B. Unterstützung durch Coaching und Mentoring, gutes Arbeitsklima, Weiterbildungsangebote, Karriereperspek‐ tiven und Möglichkeiten zur Selbstentfaltung der Person. Darüber hinaus beeinflussen zwei psychologische Prozesse die Entwick‐ lung beruflicher Belastungen und der Motivation einer Person: Der Prozess der gesundheitlichen Beeinträchtigung und der Motivationsprozess (vgl. Bakker/ Demerouti, 2007, S. 309 ff.). 3 Risiken der Unvereinbarkeit 216 <?page no="217"?> ▸ Der Prozess der gesundheitlichen Beeinträchtigung: Beschäfti‐ gungen, die sehr monoton sind, wenig Gestaltungsspielraum oder nur geringe eigene Einflussmöglichkeiten gewähren, aber auch dau‐ erhafte hohe berufliche Belastungen führen längerfristig zu einer Er‐ schöpfung der physischen und psychischen Ressourcen einer Person. Dies wiederum kann zu Leistungseinschränkungen und gesundheit‐ lichen Problemen der betroffenen Person führen. ▸ Motivationsprozess: Eine gute Ausstattung mit beruflichen Res‐ sourcen fördert die persönliche intrinsische und extrinsische Motiva‐ tion, was wiederum die Leistungsbereitschaft und das Engagement einer Person steigert. Die Wechselwirkungen zwischen den beruflichen Anforderungen und den verfügbaren Ressourcen beeinflussen die Entstehung und Entwicklung von beruflichen Belastungen, aber auch der Motivation einer Person (vgl. Bakker/ Demerouti, 2007). So können berufliche Ressourcen, die durch hohe berufliche Anforderungen entstehenden Belastungen vermindern. Welche konkreten Ressourcen hierbei besonders wichtig sind, hängt von der kon‐ kreten beruflichen Situation ab. Grundsätzlich wichtig sind z.B. die soziale Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte sowie ein positives Feedback für gute Leistung. Weiter beeinflusst der Grad der Ressourcenausstattung die Motivation und die Leistungsbereitschaft einer Person in Zeiten hoher beruflicher Anforderungen. Das Modell erklärt die Auswirkungen der beruflichen Anforderungen und der beruflichen Ressourcen auf die Motivation und Leistung einer Person sowie ihre Zufriedenheit (vgl. Abbildung 68). Dabei lassen sich zwei Prozesse unterscheiden: der anstrengungsgetriebene Prozess und den motivationsgetriebenen Prozess. Der anstrengungsgetriebene Prozess wird beeinflusst von dem Aus‐ maß der arbeitsbedingten Anforderungen und der Ausstattung einer Person mit beruflichen Ressourcen. Sind die arbeitsbedingten Anforderungen an eine Person sehr hoch, führt dies kurzfristig dazu, dass eine Person ihre Arbeitsleistung und ihr berufliches Engagement steigert. Dauern die hohen arbeitsbedingten Anforderungen über längere Zeit an, so beeinträchtigt das auf Dauer die physische und psychische Leistungsfähigkeit einer Person, was zu einer Leistungsminderung der Person führt. Stehen einer Person nur wenige berufsbezogene Ressourcen zur Verfügung, so beeinträchtigt das längerfristig zusätzlich ihre berufliche Leistungsfähigkeit. 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 217 <?page no="218"?> Der motivationsgetriebene Prozess basiert auf den berufsbezogenen Ressourcen einer Person. Je mehr berufsbezogene Ressourcen einer Person zur Verfügung stehen, desto motivierender wirkt das auf sie und desto höher ist auch ihre Arbeitsleistung. Abbildung 69: Job-Demands-Resources-Model. Eigene Darstellung. In Anlehnung an Bakker/ Demerouti 2007, S. 313. Verschiedene Studien haben die Aussagen des Job Demands-Resource-Mo‐ dells bestätigt (vgl. Bakker/ Demerouti/ Schaufeli 2003, S. 393 ff.; Haka‐ nen/ Bakker/ Schaufeli 2006, S. 495 ff.; Bakker/ Demerouti/ DeBoer/ Schaufeli 2003, S. 341 ff.). So konnte z.B. nachgewiesen werden, dass berufliche Anfor‐ derungen und berufliche Ressourcen zwei unterschiedliche psychologische Prozesse auslösen, die die unternehmerischen Erfolge erheblich beeinflus‐ sen können (vgl. Bakker/ Demerouti/ Taris/ Schaufeli/ Schreurs 2003, S. 16 ff.; Schaufeli/ Bakker 2004, S. 293 ff.; Schaufeli/ Bakker/ Van Rhenen 2009, S. 893 ff.) Wesentliche Ergebnisse bzw. Bestätigungen sind die folgenden: ▸ Bei hohen beruflichen Anforderungen und einer umfangreichen Aus‐ stattung mit beruflichen Ressourcen, sind hohe Belastung aber auch eine hohe Motivation der betroffenen Person wahrscheinlich. 3 Risiken der Unvereinbarkeit 218 <?page no="219"?> ▸ Sind sowohl die beruflichen Anforderungen als auch die Ausstattung mit beruflichen Ressourcen gering, so entsteht zwar keine hohe Belastung der Mitarbeiter, sie werden aber auch nicht sehr motiviert sein. ▸ Bei hohen beruflichen Anforderungen und einer geringen beruflichen Ressourcenausstattung ist eine hohe Belastung der Person zu erwar‐ ten, wobei die Motivation eher gering sein wird. ▸ Im umgekehrten Fall geringer beruflichen Anforderungen und guter Ressourcenausstattung wird die Person kaum berufliche Belastungen erfahren, dafür jedoch hoch motiviert sein. Verallgemeinernd lässt sich aus dem Modell schließen, dass berufliche Belastungen dann entstehen, wenn die Arbeitsanforderungen (längerfristig) sehr hoch und die verfügbaren beruflichen Ressourcen erheblich begrenzt sind. Demgegenüber ist ein hohes berufliches Engagement zu erwarten, wenn die beruflichen Anforderungen zwar hoch sind, die Person jedoch über eine gute berufliche Ressourcenausstattung verfügt. Diese Aussagen bieten gute Ansatzpunkte, um Mitarbeiter im Unternehmen bei dem Umgang mit stark belasteten Arbeitssituationen und daraus resultierendem Stress zu unterstützen. Geeignete Hilfestellungen könnten z.B. in der Förderung eines positiven Organisations- und Arbeitsklimas liegen, in der Unterstützung be‐ troffener Mitarbeiter durch Coaching und Mentoring sowie der Vermittlung von Selbstmanagement- und Entspannungstechniken (vgl. Stock-Homburg 2008, S. 686). 3.1.5 Arbeitssucht - Workaholismus Als Arbeitssucht oder Workaholismus (eng. work = Arbeit, alcoholism = Alkoholismus) wird das Krankheitsbild bezeichnet, zwanghaft arbeiten zu müssen bzw. eine zwanghafte Arbeitsverpflichtung zu empfinden. Die Arbeitssucht ist durch eine perfektionsorientierte Grundhaltung zur eige‐ nen Leistung und Arbeit gekennzeichnet, wobei soziale Kontakte und das Privatleben kaum eine Rolle spielen und die Person eigentlich nur noch für ihre Arbeit lebt (vgl. Rademacher 2017). Erste Auseinandersetzungen mit der Arbeitssucht finden sich im 19. Jahr‐ hundert bei Paul Lafargue (1883), der in seiner Schrift „Das Recht auf Faul‐ heit“ (Lafargue 1883) „die maßlos übertriebene Liebe zur Arbeit, die rasende Arbeitssucht als schlimmstes Übel der damaligen Zeit, als Ursache geistigen 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 219 <?page no="220"?> Verfalls und körperlicher Verunstaltung“ (Kracht 2011) ansah und damit die damalige bürgerliche Arbeitsmoral sowie deren Folgen der Überproduktion kritisierte. In den 1960er Jahren wurden zwanghaft erlebte Arbeitsverpflichtungen von Führungskräften als „Manager-Krankheit“ diskutiert und untersucht (vgl. Stock-Homburg 2008, S. 697). Seitdem beschäftigen sich unterschiedli‐ che Wissenschaftler und Disziplinen mit dem Phänomen der Arbeitssucht. Die Arbeitssucht ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet (vgl. Por‐ ter 1996; Robinson 1997; Spence/ Robbins 1992; Wiessmann 2007, S. 191 f.): ▸ Extrem hoher Stellenwert der Arbeit ▸ Empfundene Zwanghaftigkeit der Arbeit und Arbeitsleistung ▸ Sehr hohe Selbstverpflichtung zur Arbeit ▸ Überdurchschnittliche Arbeitsleistung ▸ Ein Großteil des Selbstvertrauens ist an die Arbeitsleistung gebunden ▸ Kontrollverlust über die Arbeit und Arbeitsleistung Arbeitssucht kann sich in verschiedenen Erscheinungsformen zeigen, je nach Persönlichkeit und Verhaltensweisen der betroffenen Personen (vgl. Bühler/ Schneider 2002, S. 247). Daher werden in der Literatur verschiedene Typologien zur Beschreibung von Arbeitssucht diskutiert (vgl. u. a. Fassel 1994; Machlowitz 1980; Oates 1971; Poppelreuter 1997; Robinson 1998; Spence/ Robbins 1992). Nach der Typologie von Fassel (1994) lassen sich von Arbeitssucht betroffene Mitarbeiter nach folgenden fünf Merkmalen charakterisieren (vgl. Fassel 1994; Stock-Homburg 2008, S. 697 f.): ▸ Arbeitsengagement: Ausmaß, in dem sich eine Person für die Berufstätigkeit einsetzt ▸ Zwanghaftigkeit: Grad, wie sehr sich eine Person innerlich zur Arbeit verpflichtet fühlt ▸ Perfektionismus: Wertschätzung einer fehlerfreien und genauen Aufgabenbearbeitung; Toleranz gegenüber eigenen Arbeitsfehlern und Fehlern von Kollegen bzw. anderen Mitarbeitern ▸ Sichtbarkeit: Grad der externen Wahrnehmbarkeit der hohen Ar‐ beitsleistung einer Person ▸ Konstanz: Regelmäßigkeit eines überdurchschnittlichen Arbeitsein‐ satzes, Unterscheidung zwischen zeitweiser und kontinuierlicher hoher Arbeitsleistung 3 Risiken der Unvereinbarkeit 220 <?page no="221"?> Je nachdem, wie ausgeprägt die einzelnen Merkmale sind, können vier Typen von Arbeitssucht unterschieden werden (vgl. Fassel 1994): ▸ Zwanghafter Arbeitender: Klassische Form der Arbeitssucht. Hauptmerkmale: Perfektion und Zwanghaftigkeit. Die Person hat den Zwang, ständig arbeiten zu müssen, ob am Arbeitsplatz, zu Hause oder im Urlaub. Sie kommt als erste zur Arbeit und geht als letzte (vgl. Fassel 1994, S. 35 f.). ▸ Arbeitender mit plötzlichen Arbeitsanfällen: Die Person leidet an spontanen Arbeitsanfällen, die unregelmäßig auftreten und daher von außen schwer als Arbeitssucht erkennbar sind. Problematisch bei diesem Typ der Arbeitssucht ist die Intensität der Arbeitsanfälle, die zu nächtelanger Schlaflosigkeit oder dem Verlust des Zeitgefühls führen kann (vgl. Fassel 1994, S. 36). ▸ Heimlicher Arbeitender: Dieser Typ der Arbeitssucht verheimlicht seine Arbeit vor anderen Personen und erledigt sie am liebsten, wenn es keiner mitbekommt. Grund dafür ist sein Gefühl, dass er seine Arbeit nicht richtig bzw. ordentlich genug macht (vgl. Fassel 1994, S. 39). ▸ Chronisch Arbeitsunlustiger: Diese Person hat Angst, den Arbeits‐ anforderungen nicht gerecht werden zu können und reagiert auf hohe Arbeitsbelastungen durch Verweigerung der Arbeit. Fassel interpre‐ tiert dies als ebenso arbeitssüchtiges und zwanghaftes Verhalten (vgl. Fassel 1994, S. 42). Die Entwicklung der Arbeitssucht erfolgt nach Fassel (1994, S. 69ff.) in einem schleichenden Prozess, der aus drei Phasen (frühes Stadium, mittleres Stadium, Endstadium) besteht (vgl. Abbildung 69). Im frühen Stadium fühlt sich die Person ständig gehetzt und ist andauernd beschäftigt. Das hat zur Folge, dass die Familie zunehmend vernachlässigt wird. Auch herrschen in dem frühen Stadium ständige Hetze und Geschäftig‐ keit, To-Do-Listen werden erstellt und Urlaub nicht genommen. Dies führt letztlich zur Vernachlässigung der Familie. Als Ursachen nennt Fassel die Überschätzung der eigenen Fähigkeiten sowie die Anpassung an sozial erwünschtes Verhalten (vgl. Fassel 1994, S. 69). In dem mittleren Stadium geht die eigene Handlungsmotivation zurück und körperliche Erschöpfung wird deutlich. Dennoch wird die eigene Krankheit verleugnet und der Betroffene flüchtet sich in andere Süchte. So‐ 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 221 <?page no="222"?> ziale Beziehungen schrumpfen auf ein Minimum, Verpflichtungen werden nur unzureichend erfüllt. Abbildung 70: Phasen der Arbeitssucht. Quelle: vgl. Fassel 1994, S. 69 ff.; Stock-Homburg 2013, S. 797 ff. Eigene Darstellung. Im Endstadium treten schwere körperliche und geistige Beeinträchtigun‐ gen auf. Der Arbeitssüchtige schwankt zwischen intensiver Arbeit und Apathie, kann teilweise auch Blackouts haben. Gekennzeichnet von Emoti‐ onslosigkeit und Depressionen können schwere Erkrankungen folgen. (vgl. Fassel 1994, S. 74). Für Unternehmen bedeuten Arbeitssüchtige, deren Krankheit nicht früh‐ zeitig erkannt und behandelt wird, meist einen langfristigen Ausfall des Mitarbeiters verbunden mit entsprechenden Kosten für die personelle Krankheitsvertretung und mögliche geringere Arbeitsleistungen oder gar fehlerhafte Leistungen. Im schlimmsten Fall kann die Arbeitssucht auch zu einem Burnout führen. 3 Risiken der Unvereinbarkeit 222 <?page no="223"?> 3.1.6 Burnout Das Burnout-Syndrom (engl. to burn out: „ausbrennen“) kann mit „Aus‐ gebrannt-Sein“ übersetzt werden und bedeutet die Entstehung und Ent‐ wicklung einer psychischen Überbeanspruchung aufgrund dauerhafter Überlastung, die am Ende durch hohe körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung sowie einer erheblich eingeschränkten Leistungsfähigkeit ge‐ kennzeichnet ist und alleine häufig nicht mehr bewältigt werden kann. An‐ fangs herrscht häufig ein enthusiastisches Arbeitsengagement, wobei sich in der weiteren Entwicklung des Syndroms Leistungseinbrüche einstellen, die sich bis zur Frustration oder auch völligen Apathie entwickeln können (vgl. Klenke/ Müller 2012, S. 58). Die Symptomatik einer Burnout Erkrankung kann sehr unterschiedlich sein und sich auch mit anderen psychischen Störungsbildern überschneiden, z.B. mit Symptomen der Depression. Burisch identifiziert beispielsweise mehr als 130 Symptome (vgl. Burisch 2006; 2013). Eine Burnout Erkrankung kann mit wenig auffälligen Frühsymptomen beginnen und bis zur völligen Arbeitsunfähigkeit oder sogar bis zum Suizid führen (vgl. Dorsch 2017). Angenommene Ursachen für die Erkrankung an einem Burnout sind u. a. dauerhafter Stress, belastende Arbeitsbedingungen, längerfristige Arbeits‐ überlastungen, aber auch persönliche Dispositionen, wie z.B. Perfektionis‐ mus oder die mangelnde Fähigkeit zur eigenen Abgrenzung (vgl. ebenda). Der Anteil an Beschäftigten, die am Burnout-Syndrom erkranken, ist in den letzten 20 Jahren stark angestiegen. So ist Burnout die häufigste Dia‐ gnose bei arbeitsbedingten psychischen Erkrankungen (vgl. Klenke/ Müller 2012, S. 58). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt beruflich bedingte psychi‐ sche Erkrankungen, zu denen auch berufsbedingter Stress und Burnout gehören, zu einer großen Gefahr des 21. Jahrhunderts (vgl. Potjans/ Kracht 2011, S. 1) und hat Depressionen bereits im Jahr 2010 als Volkskrankheit eingestuft (vgl. WHO-Studie 2010). Mit einer Burnout-Diagnose verzeichnete die AOK im Jahr 2018 durch‐ schnittlich 120,5 Arbeitsunfähigkeitstage je 1000 Mitglieder (vgl. Statista 2019). Das bedeutet eine Verdreifachung der Arbeitsunfähigkeitstage je 1000 Mitglieder im letzten Jahrzehnt bei der AOK. Ebenso ist die Häufigkeit dieser Diagnosegruppe stark angestiegen: wurde im Jahr 2005 noch durchschnitt‐ lich ein Fall je 1000 Mitglieder gezählt, so erhöhte sich die Fallzahl bei der 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 223 <?page no="224"?> AOK bis zum Jahr 2018 auf 5,7 Arbeitsunfähigkeitsfälle je 1000 Mitglieder (vgl. Abbildung 70). Hochgerechnet auf alle gesetzlich krankenversicherten Beschäftigten ergeben sich für 2018 rund 176.000 Burnout Betroffene, die an 3,9 Millionen Tagen krank sind. (vgl. Statista 2019; Radtke 2019). Abbildung 71: Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von Burn-out-Erkrankungen in Deutschland im Zeitraum von 2004 bis 2018. Eigene Abbildung. Quelle: Statista 2019. Datenquelle: https: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 239869/ umfrage/ a rbeitsunfaehigkeitstage-aufgrund-von-burn-out-erkrankungen/ . Abruf: 27.09.2020. Werden die Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von Burnout Erkrankungen nach dem Alter und Geschlecht betrachtet, so zeigen sich deutliche Unter‐ schiede. Frauen weisen im Durchschnitt doppelt so viele Arbeitsunfähig‐ keitstage aufgrund eines Burnouts auf als Männer, wie die untenstehende Abbildung 71 zeigt. Insgesamt waren Frauen knapp 160 Tage wegen Bur‐ nout krankgeschrieben, wohingegen Männer durchschnittlich nur rund 90 Arbeitsunfähigkeitstage wegen einer Burnout Erkrankung aufwiesen (vgl. Radtke 2019). Hinsichtlich des Alters zeigen die Daten, dass die bei der AOK Versicherten mit zunehmendem Alter häufiger an einem Burnout erkranken. (Radtke 2019a). 3 Risiken der Unvereinbarkeit 224 <?page no="225"?> 25,5 47,3 62,1 78,5 87,2 89,5 97,6 99,3 118 165,1 89,6 71,3 98,6 123,7 143,3 154,5 161,2 169,7 182,3 194,2 237,4 159,5 0 50 100 150 200 250 15 -19 Jahre 20 - 24 Jahre 25 - 29 Jahre 30 - 34 Jahre 35 - 39 Jahre 40 - 44 Jahre 45 - 49 Jahre 50 - 54 Jahre 55 - 59 Jahre 60 - 64 Jahre Insgesamt Arbeitsunfähigkeitstage je 1000 AOK-Mitglieder Alter und Geschlecht Durchschnittliche Anzahl Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von Burnout* in Deutschland nach Alter und Geschlecht im Jahr 2018 je 1000 Mitglieder der AOK Männer Frauen *Diagnose Z73: "Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung" Datenquelle: statista 2020: https: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 239675/ umfrage/ arbeitsunfaehigkeitstage-aufgrund-von-burn-out-nach-alter-und-geschlecht/ . Abruf: 28.09.2020 Abbildung 72: Durchschnittliche Anzahl an Arbeitsunfähigkeitstagen aufgrund von Burnout in Deutschland nach Alter und Geschlecht im Jahr 2018 je 1000 AOK-Mitglie‐ der. Eigene Abbildung. Datenquelle: Radtke 2019a; Statista 2020a) Die Ursachen des Burnout-Syndroms liegen häufig in einer dauerhaften Überlastung von Personen, die im Zeitverlauf zu einer psychischen Überbe‐ anspruchung führt, die von dem Betroffenen nicht mehr bewältigt werden kann (vgl. Jaggi 2008; Stock-Homburg 2008, S. 695). Die Behandlung des Burnout-Syndroms dauert häufig sehr lange und ist mit hohen Kosten, langen Fehlzeiten der Betroffenen sowie mit der Notwendigkeit umfang‐ reiche Wiedereingliederungsmaßnahmen der Betroffenen verbunden (vgl. Klenke/ Müller 2012, S. 58). Für die Unternehmen sind damit erhebliche Kosten verbunden. Obwohl das Burnout-Syndrom mittlerweile ein sehr bekanntes und zu‐ nehmend verbreitetes Phänomen ist, hat es bislang nicht den Status einer Krankheit und auch keine eigene Kennzeichnung als Krankheit in der internationalen Klassifikation der Erkrankungen (IDC-10) erhalten. In der Internationalen Klassifikation der Erkrankungen (ICD-10) wird Burnout „Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruch‐ nahme des Gesundheitswesens führen (Z00-Z99)“ eingeordnet (Burn-out Fachinformation 2020; ICD-10 2020: Burnout). In der deutschen Adaptation ICD-10-GM wird Burnout der Kategorie Z73 „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ zugeordnet und als „Ausge‐ branntsein“ gemeinsam mit z.B. dem „Zustand der totalen Erschöpfung“ 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 225 <?page no="226"?> eingeordnet (Burn-out Fachinformation 2020). Somit wird das Burnout-Syn‐ drom bis jetzt nicht als Krankheit, sondern als „Problem(e) mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ (Diagnose Z73) eingestuft und als „akute Belastungsreaktion (ICD-Code F43,0) verschlüsselt (Burn-out Fachinformation 2020; BKK 2011, S. 189). Ausgelöst wird ein Burnout-Syndrom häufig durch lang andauernde berufliche Be- und Überlastung, die Stress verursacht und auf Dauer nicht bewältigt werden kann. Mögliche Folgen reichen von einer reduzierten Leistungsfähigkeit bis hin zu einer langfristigen Arbeitsunfähigkeit. In der EU wurden bereits im Jar 2010 die jährlichen volkswirtschaftlichen Folge‐ kosten aufgrund von Burnout-Erkrankungen von der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz auf ca. 20 Milliarden Euro geschätzt (vgl. Awa et al. 2010, S. 184 ff.). Allein in Deutschland beliefen sich die Kosten psychischer Erschöpfung am Arbeitsplatz auf 6.3 Milliarden Euro (vgl. BKK 2011; Brenner 2011). Der Begriff Burnout entstand in den 1970 Jahren in den USA in Verbin‐ dung mit Betroffenen sozialer Berufe (insbesondere im Gesundheitswesen und in Pflegeberufen). Frühe wissenschaftliche Auseinandersetzungen und Untersuchungen stammen von Freudenberger (1974) und Maslach (1976), die Burnout als Reaktion auf andauernde berufliche Stressoren charakteri‐ sieren (vgl. Maslach/ Schaufeli/ Leiter 2001, S. 398; Maslach/ Goldberg 1998, S. 65). Als besonders Betroffene identifizieren sie Personen, die in sozialen Berufen und mit emotional stark belasteten Menschen arbeiten (vgl. Mas‐ lach/ Leiter 1997). Seit den 1990er Jahren erweiterte sich die Diskussion um das Burnout-Syndrom auch auf andere Berufsgruppen, z.B. auf Leistungs‐ sportler, Politiker und Menschen, die lange Zeit kranke Familienmitglieder pflegen. Mittlerweile erstreckt sich die Burnout-Diskussion auf alle Berufs‐ gruppen, Beschäftigungsverhältnisse und Aufgabenbereiche (Mitarbeiter, Führungskräfte etc.) (vgl. Mondy 2008, S. 368; Stock-Homburg 2008, S. 693; Stock-Homburg 2019, S. 849; Korczak/ Kister/ Huber 2010, S. 20; Kaschka/ Korczak/ Broich 2011, S. 781 ff; Siebecke 2010, S. 20 ff.; Schaufeli 2017; Meyer et al. 2018). Das Burnout-Syndrom wird von Maslach et al. in drei Dimensionen charakterisiert, die in der Abbildung 72 dargestellt sind (vgl. Maslach 1982, S. 29 ff.; Maslach/ Schaufeli/ Leiter 2001, S. 403; Kristensen 2005): 3 Risiken der Unvereinbarkeit 226 <?page no="227"?> 1. Emotionale Erschöpfung (overwhelming exhaustion) aufgrund fehlender physischer und emotionaler Ressourcen (emotional-physi‐ sche Komponente): Die Betroffenen sind (längerfristig) einer sehr starken emotionalen oder physischen Anstrengung bzw. Anspannung ausgesetzt, die bei den Betroffenen Stress auslöst, der aufgrund der Überlastung nicht bewältigt werden kann. (Stress-Dimension des Burnout-Syndroms). Dies führt zu einer überwältigenden Erschöp‐ fung der Betroffenen. Symptome dieser Erschöpfung sind geringe Antriebskraft, das Gefühl der Müdigkeit, Kraftlosigkeit, Schwäche, Niedergeschlagenheit und leichte Reizbarkeit (vgl. Burisch 2006; 2013). 2. Depersonalisierung: Gefühl des Zynismus und einer Distanziertheit (detachment) gegenüber den beruflichen Aufgaben und gegenüber Kollegen (emotional-kognitive Komponente): Die Betroffenen reagie‐ ren mit einer Depersonalisierung, die durch eine Distanziertheit, stei‐ gende Gleichgültigkeit und Zynismus gegenüber ihren beruflichen Aufgaben und anderen Personen (z.B. Kollegen, Kunden, Patienten, Schülern oder Pflegebedürftigen) zum Ausdruck kommt. Dadurch wird die Arbeit auf die sachliche, aufgabenorientierte Ebene redu‐ ziert und Emotionen auf zwischenmenschlicher Ebene (z.B. Anteil‐ nahme, Engagement) werden möglichst vermieden. Auch negative Verhaltensweisen gegenüber anderen Personen können auftreten. Die eigene Unzufriedenheit und das Gefühl, den gestellten Ansprüchen nicht mehr gerecht werden zu können, zeigt sich in einer verminder‐ ten Leistungsfähigkeit der Person. (vgl. Burisch 2006; 2013). 3. Verminderte persönliche Leistungsfähigkeit (kognitive Kompo‐ nente): Gefühl der Wirkungslosigkeit (inefficacy) aufgrund unzurei‐ chender Ressourcen und einer verminderten Leistungsfähigkeit: Auf‐ grund der (zu) hohen quantitativen und qualitativen Anforderungen haben die Betroffenen das Gefühl, den gestellten Ansprüchen nicht mehr gerecht werden zu können und immer zu wenig zu leisten. Dies wird als eigene Ineffizienz, unzureichende Bewältigungsfähigkeit der Anforderungen und daher als eigener Misserfolg erlebt, weshalb auch der Sinn ihrer Arbeit in Frage gestellt werden kann. Insgesamt führt dies zu einer verminderten Leistungsfähigkeit der Person. Nie‐ dergeschlagenheit und Unruhe sind für diese Dimension typische Symptome (vgl. Burisch 2006; 2013). 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 227 <?page no="228"?> Abbildung 73: Symptome des Burnout-Syndroms. Quelle: vgl. Maslach, C. et al. (2001): Job Burnout. In: Anual Review of Psychology 52 (2001); Kristensen, T.S. u. a. (2005): The Copenhagen Burnout Inventory: A new tool for the assessment of burnout. In: Work&Stress 19 (2005), Nr. 3. Eigene Darstellung. Klenke und Müller (2012, S. 60) fassen den typischen Verlauf hin zu einem Burnout in den fünf Stufen Enthusiasmus, Stagnation, Frustration, Apathie und Burnout zusammen (vgl. Abbildung 73). 3 Risiken der Unvereinbarkeit 228 <?page no="229"?> Enthusiasmus Kein Leistungsausfall Einfache und kurzzeitige Behandlungsmöglichkeiten Stagnation Erste Leistungseinbrüche durch Erschöpfung Einfach Behandlung meist noch möglich, ggf. Sozialberatung Frustration Massive Leistungseinbrüche bis hin zu Ausfällen Behandlung wird komplexer und zeitaufwändiger Apathie Massive Leistungseinbrüche bin hin zu Ausfällen Behandlung ist sehr zeitaufwändig und kompliziert Burn-out Totalausfall klinische und meist zeitaufwändige Behandlung Kosten der Behandlung Abnahme der Leistungsfähigkeit Abbildung 74: Entwicklungsstufen zum Burnout. Quelle: Eigene Darstellung in An‐ lehnung an Klenke/ Müller 2012, S. 60. Detaillierter beschreiben Freudenberger und North zwölf Entwicklungs‐ stufen des Burnout-Syndroms, wobei die Reihenfolge der einzelnen Phasen unterschiedlich sein kann (vgl. Freudenberger/ North 1992). 1. Drang, sich selbst und anderen Personen etwas beweisen zu wollen: Die Arbeit wird mit großem Engagement und Ehrgeiz geleistet und eine hohe und sehr gute Arbeitsleistung ist der Person sehr wichtig. Dabei überschätzt man sich selbst und mutet sich zu viel Arbeit zu. Den Kollegen und Vorgesetzten möchte man das eigene hohe Arbeits‐ engagement beweisen, teils entsteht auch ein Konkurrenzkampf mit den Kollegen. 2. Extremes Leistungsstreben, um besonders hohe Erwartungen erfüllen zu können: Geprägt von einem hohen Pflichtgefühl wird noch mehr Energie in die Arbeit investiert, um den eigenen hohen Ansprüchen zu genügen. Man hält sich selbst für unentbehrlich, möchte alles selbst erledigen und kann durch niemanden ersetzt oder unterstützt werden. 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 229 <?page no="230"?> 3. Überarbeitung mit Vernachlässigung persönlicher Bedürfnisse und sozialer Kontakte: Das extreme Leistungsstreben führt zur massiven Überarbeitung der Person. Man opfert sich selbst für die Arbeit auf. Dabei verlieren die Freizeit und die eigenen Bedürfnisse an Bedeutung. So werden oft Familie, Freunde und Hobbys vernachlässigt. Auch das Bedürfnis nach Schlaf, Ruhe und Regeneration wird geringer. Viele Personen erhöhen auch ihren Drogenkonsum (Kaffee, Alkohol, Nikotin, Aufputschmit‐ tel). 4. Überspielen oder Übergehen innerer Probleme und Konflikte: Eigene berufliche oder private Probleme und Konflikte werden zu‐ nehmend ignoriert und verdrängt. Auch die Ansprüche des eigenen Körpers werden ausgeblendet, um hohe Leistungen zu erbringen. Dadurch entstehen erste körperliche Beschwerden, auch nehmen Vergesslichkeit, Unpünktlichkeit und andere Fehlleistungen zu. 5. Zweifel am eigenen Wertesystem sowie an ehemals wichtigen Dingen wie Hobbys und Freunden: Hier entwickelt sich eine Werteverschiebung: Das, was früher wichtig war, z.B. Freunde, Hobby, Familie, eigene Werte oder Grundsätze, verliert zunehmend an Bedeutung. Empathie und Emotionalität gehen stark zurück, dafür steigt die eigene Isolation. Nur die Arbeit zählt. Soziale Beziehungen werden als Belastung wahrgenommen, private und familiäre Beziehungen werden vernachlässigt und dadurch kon‐ fliktreicher. 6. Verleugnung entstehender Probleme, Absinken der Toleranz‐ grenze: Auftretende berufliche und private Probleme sowie Schwierigkeiten werden zunehmend geleugnet und verdrängt. Kollegen werden als faul oder unfähig wahrgenommen. Aggressionen und Zynismus ge‐ genüber Kollegen, Kunden, Familie oder Freunden nehmen zu. Weil die eigenen Leistungen nicht anerkannt werden, geht man ungern zur Arbeit. 7. Rückzug und dabei Meidung sozialer Kontakte bis auf ein Minimum: Personen nehmen ihr berufliches und soziales Umfeld als bedrohlich war und ziehen sich zurück. Soziale Kontakte werden auf ein Mini‐ mum zurückgefahren. Gefühle von Orientierungs- und Hoffnungslo‐ sigkeit nehmen zu. 3 Risiken der Unvereinbarkeit 230 <?page no="231"?> 8. Offensichtliche Verhaltensänderungen, fortschreitendes Ge‐ fühl der Wertlosigkeit, zunehmende Ängstlichkeit: Das Verhalten der Person verändert sich. Aus dem Engagement und Ehrgeiz werden teilnahmslose, ignorante oder auch ängstliche Personen. Weder Kritik noch Zuwendung werden angenommen, stattdessen ziehen sich die Personen emotional weiter in sich zurück. Das Gefühl der Wertlosigkeit wird stärker. 9. Depersonalisierung durch Kontaktverlust zu sich selbst und zu anderen Personen; das Leben verläuft zunehmend funktional und mechanistisch: Die Person entfremdet sich zunehmend von sich selbst und von anderen. Eigene Bedürfnisse werden völlig ignoriert oder nicht mehr wahrgenommen. Die Person funktioniert nur noch. Positive Erleb‐ nisse gibt es kaum noch. 10. Innere Leere und verzweifelte Versuche, diese Gefühle durch Überreaktionen zu überspielen wie beispielsweise durch Se‐ xualität, Essgewohnheiten und Drogen: Es entsteht eine innere Leere, ein Gefühl der Wertlosigkeit, aber auch der Mut- und Kraftlosigkeit. Dies wird versucht durch andere gesteigerte Aktivitäten zu kompensieren, beispielsweise durch ein exzessives Suchtverhalten, durch Sexualität, ständiges Essen oder ähnliches. 11. Depression mit Symptomen wie Gleichgültigkeit, Hoffnungs‐ losigkeit, Erschöpfung und Perspektivlosigkeit: Die Person entwickelt depressive Tendenzen. Gefühle der Hoffnungs‐ losigkeit, Erschöpfung, Ziel- und Perspektivlosigkeit und Gleichgül‐ tigkeit werden stärker. 12. Erste Gedanken an einen Suizid als Ausweg aus dieser Situa‐ tion; akute Gefahr eines mentalen und physischen Zusammen‐ bruchs: Die Person erlebt eine völlige physische und psychische Erschöp‐ fung. Diese kann sich durch physische Beschwerden (z.B. Herz-Kreis‐ lauf-System, Magenbeschwerden), aber auch durch eine völlige geis‐ tige und emotionale Erschöpfung zeigen. Jetzt besteht ein hohes Suizidrisiko. Die Person benötigt spätestens jetzt (besser schon in den früheren Phasen) dringend medizinische Hilfe. 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 231 <?page no="232"?> Diese gerade beschriebenen zwölf Entwicklungsstufen des Burnout-Syn‐ droms nach Freudenberger und North (1992) bilden die wesentlichen Phasen der Entstehung eines Burnout-Syndroms. Die einzelnen Phasen können auch in einer anderen Reihenfolge ablaufen oder einzelne Entwicklungs‐ stufen können auch übersprungen werden. Je eher Personen ihre eigene Arbeitsüberlastung und Persönlichkeitsveränderung erkennen, oder auch andere die Persönlichkeitsveränderung von z.B. Kollegen wahrnehmen, desto eher kann die weitere Entwicklung hin zu einem Burnout aufgehalten werden. Wichtig ist hierbei eine frühzeitige professionelle medizinische Hilfe. Zur Erklärung der Einflussfaktoren auf die Entwicklung eines Burnouts eignet sich u. a. das folgende Modell des Ungleichgewichts zwischen Anforderungen und Ressourcen, das sich an das Job-Demands-Resour‐ ces-Modell von Bakker und Demerouti von 2007 anlehnt (vgl. Abbildung 74). Besteht ein wesentliches Ungleichgewicht zwischen den Anforderungen an eine Person und ihren verfügbaren Ressourcen, so wird das längerfristig zu einer Überlastung und ggf. auch zu einem Burnout führen. Empirisch über‐ prüft und bestätigt wurde das Modell u. a. im Flugzeugbau in Deutschland von Preckel u. a. anhand der Befragung von über 1500 Beschäftigten (vgl. Preckel et al. 2007, S. 91ff.). Um der Entwicklung eines Burnout-Syndroms vorzubeugen bzw. es zu behandeln, sollte insbesondere an der Wieder‐ herstellung des Gleichgewichts zwischen Anforderungen und Ressourcen angesetzt werden, z.B. durch Selbstmanagement, Selbstregulierung und der Vermittlung von Umsetzungskompetenzen. 3 Risiken der Unvereinbarkeit 232 <?page no="233"?> Einflussfaktoren auf die Entwicklung des Burnout-Syndroms und Kompetenzentwicklung zur Vermeidung eines Burnout-Syndroms Berufliche Anforderungen Physisch: • körperliche schwere Arbeiten • Belastende Arbeitsumgebung • Belastende Arbeitszeiten Psychisch: • Hoher Arbeitsdruck • Hoher Zeitdruck • Steigende Komplexität der Arbeit • Digitalisierung der Arbeit Sozial: • Belastendes Arbeitsklima • Häufige Kontrollen Überwachung durch Vorgesetze Organisational: • Hoher Veränderungsdruck • Hohe Flexibilität • unflexible Organisationsstrukturen • Demotivierendes Organisationsklima Persönliche und berufliche Ressourcen Physisch: • Physische Belastbarkeit • Ruhe- und Erholungszeiten • Physische Entlastung durch z.B. Technik, Maschinen Psychisch: • Psychische Belastbarkeit • Mentale Stärke, Resilienz • Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte • Wertschätzung durch Kollegen und Vorgesetze • Erfolgserlebnisse • Anerkennung von Leistungen, Feedback Sozial: • Gestaltungsspielräume (inhaltlich) • Flexible Arbeitsstrukturen (zeitlich, örtlich) • Vertrauen in die Mitarbeitenden • Zugehörigkeit, gutes Betriebsklima • Unterstützungsangebote (z.B. Coaching, Mentoring • Rückhalt durch Freunde und Familie Organisational: • Weiterbildungsmöglichkeiten • Karriereperspektiven • Sicherheit des Arbeitsplatzes • Fehlerfreundlichkeit • Flexible Organisationsstrukturen • Flexible Organisationsstrukturen Erforderliche Kompetenzen • Selbststeuerung und Selbstmanagement • Gestaltungskompetenzen, Partizipation • Resilienz • Abgrenzungsmöglichkeiten Quelle: Bakker, A. (2007): The Job Demands-Ressources Model: state of the art. In Journal of Managerial Psychology, Vol. 23 (2007), S. 309 - 328. Eigene Darstellung. Ungleichgewicht- zwischen- Anforderungen- und-Ressourcen Notwendigkeit- der-Kompetenz‐ entwicklung- Abbildung 75: Einflussfaktoren auf die Entwicklung des Burnout-Syndroms und Kompetenzentwicklung zur Vermeidung eines Burnout-Syndroms. Quelle: Bakker, A. (2007): The Job Demands-Ressources Model: state of the art. In Journal of Managerial Psychology, Vol. 23 (2007), S. 309 - 328. Eigene Darstellung. 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 233 <?page no="234"?> Die Kosten, die den Unternehmen aufgrund psychischer Erkrankungen ihrer Mitarbeitenden entstehen, belaufen sich nicht nur auf die Kosten der Ar‐ beitsunfähigkeitstage aus den Gesundheitsbzw. Krankenstandstatistiken. Da jede Person individuell auf die hohen beruflichen Anforderungen und Belastungen reagiert, entwickeln sich auch die Anzeichen einer psychischen oder auch physischen Überlastung unterschiedlich. So können z.B. auch Ma‐ gen-Darm-Erkrankungen, hoher Blutdruck, Rücken- oder Kopfschmerzen als psychosomatische Krankheitsbilder aus berufsbedingten Überforderun‐ gen resultieren (vgl. Klenke/ Müller 2012, S. 60). Zusätzlich gehen viele Erwerbstätige trotz Krankheit zur Arbeit, obwohl sie nur eingeschränkt leistungsfähig sind. Diese Anwesenheit leistungsverminderter Mitarbeiter am Arbeitsplatz wird als Präsentismus bezeichnet und verursacht ebenfalls hohe Kosten aufgrund einer verminderten Leistungsfähigkeit der eigentlich kranken Mitarbeiter, möglicher fehlerhafter Leistungen sowie möglicher Ansteckungen bislang gesunder Mitarbeitender. Die Gefahren des Präsen‐ tismus bestehen auf Seiten der Beschäftigten darin, ihre Krankheiten nicht auszukurieren und gegebenenfalls zu verschleppen, auf Seiten der Unter‐ nehmen sind die trotz Krankheit am Arbeitsplatz erscheinenden Mitarbeiter nur eingeschränkt leistungsfähig, was zu Fehlentscheidungen und -verhal‐ ten, verminderter Arbeitsleistung und u. U. späteren längeren Ausfallzeiten führen kann. Darüber hinaus besteht bei Infektionskrankheiten auch eine Ansteckungsgefahr für andere Beschäftigte im Unternehmen. Um die Burnout-Gefährdung von Mitarbeitern zu ermitteln, stehen mitt‐ lerweile verschiedene Instrumente zur Verfügung, die allerdings immer unter fachärztlicher Begleitung und Kontrolle angewendet und ausgewer‐ tet werden sollten. Sehr bekannt ist das Maslach-Burnout-Inventar (vgl. Maslach/ Jackson 1986), das die Gefährdung hinsichtlich eines Burnouts mit verschiedenen Indikatoren ermitteln. Tabelle 16 bildet exemplarisch ausge‐ wählte Indikatoren des Maslach-Burnout-Inventars ab. Eine Gefährdung für einen Burnout liegt hierbei bereits vor, wenn die Hälfte der Kriterien mit „manchmal“ beantwortet wird (vgl. Stock-Homburg 2008, S. 696). 3 Risiken der Unvereinbarkeit 234 <?page no="235"?> Auszüge aus dem Maslach Burn-out Inventar zur frühzeitigen Erkennung einer Burn-out-Gefährdung (vgl. Maslach/ Jackson 1986) Bitte bewerten Sie die nach‐ folgenden Aussagen in Bezug auf Ihre eigene Person. Ge‐ ben Sie an, wie häufig die be‐ schriebenen Situationen auf Sie zutreffen. Wie oft haben Sie das Gefühl? nie sehr selten eher selten manchmal eher oft sehr oft Am Ende eines Arbeitstages fühle ich mich verbraucht ○ ○ ○ ○ ○ ○ Ich fühle mich durch meine Arbeit gefühlsmäßig erschöpft ○ ○ ○ ○ ○ ○ Ich fühle mich wieder müde, wenn ich morgens aufstehe und den nächsten Arbeitstag vor mir habe. ○ ○ ○ ○ ○ ○ Meine Begeisterung für meine Arbeit hat abgenom‐ men ○ ○ ○ ○ ○ ○ Ich möchte nur meine Arbeit tun und in Ruhe gelassen werden ○ ○ ○ ○ ○ ○ Ich bin zynischer darüber ge‐ worden, ob ich mit meiner Arbeit irgendeinen Beitrag leiste ○ ○ ○ ○ ○ ○ Tabelle 16: Auszüge aus dem Maslach Burnout Inventar zur frühzeitigen Erkennung einer Burnout-Gefährdung (vgl. Maslach/ Jackson 1986). Aus: Stock-Homburg 2008, S. 696. Eigene Darstellung. Weitere Instrumente zur Diagnose einer Burnout-Gefährdung sind in Ta‐ belle 17 zusammengefasst. 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 235 <?page no="236"?> Ausgewählte Instrumente zur Erfassung psychischer Beanspruchungen Bezeichnung Themenfeld Kategorien Umfang / Ausfüh‐ rungsdauer Besonderheiten MBI Maslach Bur‐ nout Inventory Belastungen am Ar‐ beitsplatz Emotionale Erschöpfung Depersonalisierung Leistungszufriedenheit Zunächst nur für helfende Berufe entwickelt, spätere Versionen: erweitert auf Lehrer (MBI-Educators Survey, für alle Berufe (MBI Gene‐ ral Survey) COPSOQ (dt) Copenhagen Psychosocial Questionnaire Führungsqualität Belastung am Arbeits‐ platz Anforderungen (Arbeit) Einflussmöglichkeiten Soziales Umfeld / Füh‐ rung Unsicherheit / Angst Beschwerden / Belastun‐ gen 25 Skalen 87 Items Ca. 20 Minuten Universalfragebogen für alle Bereiche Deckt viele Themenfelder ab Sehr komplex WAI Work Ability Index Individuelle Leis‐ tungsfähigkeit der Mitarbeiter am Ar‐ beitsplatz Arbeitsfähigkeit Arbeitsplatzanforderun‐ gen Physische Krankheiten Psychische Krankheiten Rollenfunktionen Krankenstand Leistungsreserven 1 Skala 7 Items Ca. 5 Minuten Kurze Erhebungs- und Aus‐ wertungszeit Nicht gestaltungsorientiert SALSA Belastungen am Ar‐ beitsplatz Arbeit und Betrieb 60 Items Ca. 15 Minuten Hohe Anforderungen an Mitarbeiter 3 Risiken der Unvereinbarkeit 236 <?page no="237"?> Salutoneneti‐ sche Subjektive Arbeitsanalyse Subjektive Einschät‐ zungen Privatbereich und Frei‐ zeit Persönliche Einstellun‐ gen Gesundheit und Krank‐ heit Umfangreiche Arbeits‐ platzbelastungsanalyse BISI Bielefelder So‐ zialkapital In‐ dex Soziale Produktivi‐ tätsressourcen im Un‐ ternehmen Netzwerkkapital Führungskapital Wertekapital 4 Skalen 30 Items Ca. 5 Minuten Gut geeignet zur Messung von Führungsqualität und Unternehmenskultur Hohe Anforderungen an Mitarbeiter Trierer Inven‐ tar zum chroni‐ schen Stress Anforderungen Grad der Bedürfnisbe‐ friedigung Soziale Spannungen und Überforderungen Arbeitsüberlastung, soziale Überlastung, Er‐ folgsdruck Unzufriedenheit mit der Arbeit, Überforderung, Mangel an sozialer Aner‐ kennung Tabelle 17: Ausgewählte Instrumente zur Erfassung psychischer Beanspruchungen. Quelle: Burisch 2006; Klenke/ Müller 2012, S. 62; Schulz/ Schlotz/ Becker 2004; Kristensen 2005, S. 192 ff. 3.1 Zunahme psychischer Belastungen und Krankheiten 237 <?page no="238"?> Immer häufiger nutzen Arbeitgeber externe Dienstleister, die über ein „Employee Assistance Programm (EAP) verfügen, um ihre Mitarbeiter bei arbeitsbedingten oder auch privaten Belastungen zu unterstützen (vgl. Klenke/ Müller, 2012, S. 60). Aktuelle Entwicklungen zur Prävention des Burnout-Syndroms finden sich unter anderem bei Koch/ Lehr/ Hillert 2015; Kowarowsky 2017; Strobel 2018; Günther/ Batra 2020. 3.2 Mangelnde Bindung der Beschäftigten an ihren Arbeitgeber Dominierten früher Loyalität und Pflichtbewusstsein als wesentliche Ar‐ beitswerte, so zeichnen sich die jüngeren Generationen Y und Generation Z, zwar durch eine hohe Leistungsfähigkeit und Flexibilität, sehr gute Qualifikationen und hohe Innovativität aus, allerdings sind sie auch sehr an ihren eigenen Vorteilen interessiert und kaum loyal ihren Arbeitgebern gegenüber (vgl. Johnson Controls 2010; Scholz 2014; Maas 2019; Albert et al. 2019; Hurrelmann 2019). Entspricht die Arbeitsstelle nicht mehr den Erwartungen dieser jüngeren Arbeitskräftegenerationen, so wird ein neuer Aufgabenbereich mit attraktiveren Konditionen bei einem anderen Arbeit‐ geber gesucht. Für die Unternehmen bedeutet dies steigende Anstrengungen im Hinblick auf die Entwicklung von Bindungsstrategien ihrer Mitarbeiter. Zusätzlich bewirkt der steigende Mangel an jüngeren, gut ausgebildeten Fach- und Führungskräften im Zuge des demografischen Wandels, dass sich die hoch qualifizierten (Nachwuchs-)Kräfte ihre Arbeitgeber zunehmend gezielt aussuchen können. Entscheidend bei der Wahl des Wunscharbeitge‐ bers sind dabei zwar auch materielle Anreize (z.B. ein angemessenes Gehalt, Sachleistungen, Zusatzleistungen), aber auch interessante und sinnstiftende Aufgabenbereiche, eigene Gestaltungs- und Handlungsspielräume, Karrie‐ reperspektiven, flexible Arbeitsformen sowie Work-Life-Balance Angebote der Unternehmen. Sowohl der Wandel der Arbeitswerte als auch der steigende Wettbewerb um gut qualifizierte Fach- und Führungskräfte zwingt die Unternehmen dazu, sich auf dem Arbeitsmarkt als attraktiver Arbeitgeber deutlich zu positionieren und eine einzigartige Arbeitgebermarke (Employer Brand) zu entwickeln (vgl. Kirschten 2010a, S. 109ff.) sowie geeignete Bindungsstrate‐ gien zu entwickeln, um die gut qualifizierten Mitarbeiter im Unternehmen 3 Risiken der Unvereinbarkeit 238 <?page no="239"?> zu halten (vgl. Thiele 2009, S. 29 ff.) Gelingt dies nicht, so kann das für die Unternehmen gravierende Nachteile haben, zu denen insbesondere die folgenden gehören: ▸ Kosten aufgrund zeitweiser Nichtbesetzung und Nachbesetzung va‐ kanter Stellen ▸ Wissensverluste aufgrund des Weggangs hochqualifizierter Leis‐ tungs- und Wissensträger ▸ Abwanderung von unternehmensrelevanten Wissensbeständen in andere Unternehmen bzw. Organisationen ▸ verminderte Motivation der im Unternehmen verbleibenden Beleg‐ schaft ▸ verminderte Innovationsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit durch fehlende Leistungsträger 3.2 Mangelnde Bindung der Beschäftigten an ihren Arbeitgeber 239 <?page no="241"?> 4 Modelle zur Erklärung der Interaktionen zwischen Berufs- und Privatleben In der Literatur werden sehr unterschiedliche Konzepte und Modelle disku‐ tiert, die die Interaktion zwischen dem Arbeitsleben und dem Privatleben beschreiben. Aufgrund der Aktualität und Bedeutung des Themas Work- Life-Balance sind in den letzten Jahren auch viele neuere Ansätze entwickelt worden. Eine strukturelle Übersicht über die Vielzahl der Modelle bietet Abbildung 75. Ausgewählte Modelle werden anschließend vorgestellt. Modelle zur Interaktion zwischen Berufs- und Privatleben Nicht‐kausale- Modelle Kausale- Modelle Integrative- Modelle Dynamische- Modelle Neuere- Modelle Segmentationsmodell Kongruenzmodell Identitätsbzw. integratives Modell Kompensationsmodell Spillover- Modell Instrumentelle Theorie Akkomodationsmodell Modell der Ressourcenzehrung Modell von Near, Rice und Hunt Modell der multiplen Rollen Job- Demands- Modell Transaktionales Stressmodell (Lazarus) Conservation of Resources (SoR) Theory von Hobfoll Baranetts Fit Model Ökologische Systemtheorie nach Bronfenbrenner Typologie der Work-Family Interaktionen Modell der Rollengrenzen und Rollenübergänge Work-Family Border Theory von Clark Theory of Boundaries and Micro Role Transitions von Ashforth, Reiner und Fugate Rationales Modell und Geschlechterrollenmodell Modell der Work-Family Bereicherung von Greenhaus und Powell Integratives Modell von Voydanoff Rahmenmodell von Schneewind / Kupsch Abbildung 76: Strukturierter Überblick über Modelle zur Interaktion zwischen Beruf und Privatleben. Quelle: eigene Darstellung, Strukturierung vgl. Gloger 2007. <?page no="242"?> 4.1 Nicht-Kausale Modelle Die Unterscheidung zwischen kausalen und nicht-kausalen Modellen wurde von Morf (1989) geprägt und durch Frone (2003) gefestigt. Nicht-kausale Modelle gehen davon aus, dass es keine ursächliche Beziehung zwischen dem Arbeitsleben und dem Privatleben bzw. Familienleben gibt. Dies wird auch dann angenommen, wenn Zusammenhänge zwischen beruflichen und familiären Variablen nachzuweisen sind (vgl. Gloger, 2007, S. 45). Zu den nicht-kausalen Modellen gehören u.a. das Segmentationsmodell, das Kongruenzmodell und das Indentitätsbzw. integrative Modell. 4.1.1 Segmentationsmodell Frühe Arbeiten zum Segmentationsmodell, teils mit unterschiedlichen Be‐ grifflichkeiten, stammen von Dubin (1956; 1976), Staines (1980), Kabanoff (1980) und Near et al. (1980). Das Segmentationsmodell geht von einer grundlegenden Trennung zwischen dem Arbeits- und dem Familienleben aus. Beide Lebenswelten werden als sehr verschieden und funktional, zeitlich und räumlich klar voneinander abgegrenzt angenommen (vgl. Ab‐ bildung 76) (vgl. Parsons/ Bales 1955; Piotrkowski 1979; Evans/ Bartolome 1984; Gloger 2007, S. 45). Diese Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben wird bewusst gezogen und auch aufrecht gehalten, wodurch die beiden Lebensbereiche als voneinander völlig unabhängige Teilbereiche betrachtet werden (vgl. Burke/ Greenglass 1987, S. 274). Auch das Verhalten des Indi‐ viduums kann in beiden Lebensbereichen sehr unterschiedlich sein. Das Familienleben ist geprägt durch Intimität, Gefühle, Vertrautheit, wichtige Beziehungen und Erholung; demgegenüber herrschen im Arbeitsleben An‐ onymität, Wettbewerb und Leistung (vgl. Piotrkowski 1979; Zedeck/ Mosier 1990). Beide Lebensbereiche beeinflussen sich auch nicht (vgl. Lambert 1990). So wirken die Bedingungen, Anforderungen und Ereignisse der Ar‐ beitswelt nur auf die beruflichen Einstellungen und Verhaltensweisen und führen zu Arbeitszufriedenheit oder Arbeitsunzufriedenheit. Auf das Fami‐ lienleben hat dies keinen Einfluss. Das Familienleben wird ausschließlich durch die familiären Bedingungen und Erlebnisse beeinflusst und bewirkt eine Zufriedenheit oder auch Unzufriedenheit mit dem Familienleben, die jedoch keinen Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit hat. 4 Interaktion zwischen Berufs- und Arbeitsleben 242 <?page no="243"?> Arbeitsbedingungen Arbeitszufriedenheit Familienzufriedenheit Bedingungen im Familienleben Zufriedenheit im Privatleben Zufriedenheit im Berufsleben positiv positiv negativ negativ Abbildung 77: Segmentationsmodell. Quelle: Lambert 1990, S. 249, eigene Darstel‐ lung. Diese unnatürliche Grenze zwischen Arbeits- und Familienleben muss be‐ wusst gezogen und aufrechterhalten werden. Diese Annahmen des Segmen‐ tationsmodells lassen sich gut anwenden auf Arbeiter bzw. Erwerbstätige, die häufig in ihren Berufen nicht zufrieden sind und daher eine bewusste Grenze ziehen zwischen ihrem Arbeits- und Familienleben (vgl. Lambert 1990). In anderen Arbeiten wird die Segmentationstheorie als Bewältigungs‐ strategie im Hinblick auf hohe berufliche Belastungen angesehen (vgl. Gloger 2007; Edwards/ Rothbard 2000; Geurts/ Demerouti 2003; Frone 2003). 4.1.2 Kongruenzmodell Kongruenz wird hier verstanden als Ähnlichkeit zwischen dem Arbeits- und dem Familienleben, die auf eine dritte Größe zurückzuführen ist (vgl. Morf 1989; Zedeck 1992). Diese dritte Größe kann ein kultureller oder sozialer Ein‐ fluss, eine generelle Verhaltensweise oder eine Persönlichkeitseigenschaft (z.B. positive oder negative Affektivität) sein (vgl. Abbildung 77) (vgl. Frone/ Russel/ Cooper 1994; Morf 1989, Zedeck 1992). Diese dritte Variable kann sich positiv oder negativ auf die Familien- und Arbeitszufriedenheit auswirken. 4.1 Nicht-Kausale Modelle 243 <?page no="244"?> Private Zufriedenheit Berufliche Zufriedenheit Einflussgröße + + - - Abbildung 78: Kongruenzmodell. Quelle: abgewandelt aus vgl. Gloger 2007, S. 47. Eigene Darstellung. 4.1.3 Identitätsbzw. integratives Modell Bei dem Identitätsbzw. integrativen Modell sind das Beruf- und Familien‐ leben sehr eng miteinander verflochten (vgl. Abbildung 78). Eine getrennte Betrachtung der beruflichen und privaten Rollen ist hier nicht möglich. So können die Erwartungen und Ansprüche, die an eine Person und ihre Rollen gestellt werden, weder eindeutig dem Berufsleben noch dem Privatleben zu‐ geordnet werden. Hier existiert eine hohe Integration zwischen Berufs- und Privatleben, wie sie z.B. in Familienunternehmen bestehen kann, in denen beide Lebensbereiche quasi ineinander integriert sind. Die Zufriedenheit einer Person ergibt sich daher auch aus der Gesamtzufriedenheit der Person mit seinem Berufs- und Familienleben. Private und berufliche Bedingungen + - Private und berufliche Zufriedenheit Abbildung 79: Identitätsbzw. integratives Modell. Quelle: abgewandelt aus Gloger 2007. Eigene Darstellung. 4 Interaktion zwischen Berufs- und Arbeitsleben 244 <?page no="245"?> 4.2 Kausale Modelle Kausale Modelle der Work-Family Forschung unterstellen einen ursächli‐ chen Zusammenhang zwischen den Bedingungen und Ereignissen eines Lebensbereichs auf den bzw. die anderen Lebensbereiche (vgl. Frones 2003). So wirken sich beispielsweise die beruflichen Arbeitsbedingungen und die Arbeitssituation auf das Privatleben aus. Zu den diskutierten kausalen Modellen gehören u. a. das Kompensationsmodell, das Spillover-Modell, die instrumentelle Theorie, die Akkomodationstheorie sowie das Modell der Ressourcenzehrung. 4.2.1 Kompensationsmodell Das Kompensationsmodell (vgl. Thompson/ Bunderson 1997, S. 31 f.) geht von der Annahme aus, dass die Beziehungen zwischen und Erfahrungen mit dem Berufsleben und dem Privatleben gegensätzlich sind. Werden in einem Lebensbereich bestimmte Erwartungen nicht erfüllt oder treten dort Unzufriedenheiten auf, so versucht der Mensch, diese Unzufriedenheiten durch ein stärkeres Engagement im anderen Lebensbereich auszugleichen und damit zu kompensieren (vgl. Abbildung 79) (vgl. Evans/ Bartolome 1984; Zedeck/ Mosier 1990; Gloger 2007, S. 48). Arbeitsbedingungen Unzufriedenheit Unzufriedenheit Bedingungen im Familienleben Hohe private Involviertheit Hohe berufliche Involviertheit Abbildung 80: Kompensationsmodell. Quelle: Lambert 1990, S. 249, eigene Darstel‐ lung. Bestehen beispielsweise Unzufriedenheiten im Berufsleben, so versucht das Individuum diese beruflichen Unzufriedenheiten durch Zufriedenheit im Privatleben auszugleichen. Gleiches gilt auch umgekehrt. Erfüllt das Fa‐ 4.2 Kausale Modelle 245 <?page no="246"?> milienleben nicht die gewünschten Erwartungen, sucht der Mensch beson‐ dere Bedürfnisbefriedigung im Berufsleben. Darüber hinaus kann sich die Kompensation auch auf bestimmte Anforderungen oder Tätigkeitsbereiche erstrecken. Bietet das Berufsleben z.B. keine ausreichenden Herausforde‐ rungen für eine Person, so wird sie diese im Familienleben besonders suchen und versuchen auszuleben. Aber auch mögliche einseitige Tätigkeitsberei‐ che, wie z.B. sehr technische Arbeitsaufgaben oder Arbeitsbereiche ohne größere soziale Kontakte können dazu führen, dass im Privatleben verstärkt Wert gelegt wird auf soziale Interaktionen im gemeinsamen Familienleben und mit Freunden. Die Kompensation kann in verschiedenen Varianten auftreten (vgl. Glo‐ ger 2007, S. 48): ▸ Ergänzende Kompensation: Hierbei wird versucht, wünschens‐ werte Verhaltensweisen, Erfahrungen oder Bedürfnisse, die in einem Lebensbereich nicht erfüllt werden, im anderen Lebensbereich zu erlangen. ▸ Bei der reaktiven Kompensation werden besondere Belastungen z.B. im Berufsleben durch entlastende oder ausgleichende Tätigkeiten im Privatleben ausgeglichen (vgl. Zedeck/ Mosier 1990). ▸ Die Kompensation als „shockabsorber“ bezeichnet den Ausgleich beruflicher Enttäuschungen durch Aktivitäten in der Freizeit (vgl. Crosby 1984). Weiter nimmt das Kompensationsmodell an, dass in denjenigen Lebensbe‐ reich mehr Zeit und Engagement investiert wird, der am ehesten zur eigenen Bedürfnisbefriedigung geeignet ist. Demgegenüber wird dem anderen Le‐ bensbereich tendenziell weniger Aufmerksamkeit gewidmet. Dies wird im Kompensationsmodell als Involviertheit bezeichnet. 4.2.2 Spillover-Modell Das Spillover-Modell (vgl. Staines 1980; Thompson/ Bunderson 2001, S. 29 ff.) nimmt an, dass sich das Arbeitsleben und das Privatleben gegenseitig beein‐ flussen. Insofern bewirkt eine Zufriedenheit in einem Lebensbereich, z.B. im Berufsleben, auch eine steigende Zufriedenheit im anderen Lebensbereich, z.B. im Privatleben. Umgekehrt können sich jedoch auch die in einem Lebensbereich erfahrenen Unzufriedenheiten (z.B. im Berufsleben) auf eine steigende Unzufriedenheit im anderen Lebensbereich (z.B. Familienleben) 4 Interaktion zwischen Berufs- und Arbeitsleben 246 <?page no="247"?> auswirken. Dabei wird sowohl das Privatleben von der Zufriedenheit im Berufsleben beeinflusst als auch das Berufsleben von der Zufriedenheit im Privatleben. So wird angenommen, dass sich ein zufriedenes Berufsle‐ ben auch positiv auf die grundsätzliche Lebenszufriedenheit sowie auf das Familienleben auswirkt. Demgegenüber wirkt auch ein glückliches Familienleben positiv auf die eigene Lebenseinstellung und fördert die Motivation und das Engagement im Berufsleben (vgl. Gloger 2007, S. 50ff.; Kando/ Summers 1971; Mortimer/ Lorence/ Kumka 1986) (vgl. Abbildung 80). Im Gegensatz zum Segmentationsmodell, das eine klare Trennung zwi‐ schen den beiden Lebensbereichen annimmt, postuliert das Spillover-Modell gerade eine Verbindung und entsprechende Wechselwirkungen zwischen beiden Lebensbereichen. Gleichzeitig wird angenommen, dass der Mensch im Berufsleben und im Privatleben die gleichen Rollen übernimmt. Die positive Interpretation dieser Rollenidentität besteht in der Authentizität der Rollen, in einer negativen Interpretation wird der jeweiligen Person eine unzureichende Rollenflexibilität zugeschrieben (vgl. Zaugg 2006, S. 12; Kruse 2009, S. 23). Die Sichtweisen der Beziehungen zwischen dem Berufs- und Privatleben des Spillover-Modells werden von vielen Forschern gestützt, die davon ausgehen, dass die in der jeweils einen Lebenswelt (z.B. Berufswelt) etablier‐ ten Einstellungen, Fähigkeiten, Gefühle, Fertigkeiten und Verhaltensweisen auch auf die andere Lebenswelt (z.B. das Privatleben) übertragen werden und umgekehrt (vgl. Lambert 1990; Gloger 2007, S. 51 f.). In der Literatur werden verschiedene Ausprägungen und Konstruktionen des Spillover-Modells diskutiert (vgl. z.B. Piotrkowsi 1979; Pleck 1995; Edwards/ Rothbard 2000, Lambert 1990). Eine weit verbreitete Differenzie‐ rung im Spillover-Modell bezieht sich auf die direkten und indirekten Auswirkungen des Spillover-Effekts (vgl. Lambert 1990). Direkte Effekte wirken unmittelbar z.B. von dem Berufsleben auf das Privatleben, beispiels‐ weise wenn der hohe Arbeitseinsatz einer Person kaum noch Zeit für das Privatleben lässt. Indirekte Effekte wirken über sog. Mediatoren, das können z.B. Verhaltensweisen oder Einstellungen sein, indirekt auch auf den anderen Lebensbereich. Beispielsweise können in der Berufswelt verinnerlichte Verhaltensweisen oder Erwartungen auch auf die Gestaltung des Privatlebens übertragen werden. 4.2 Kausale Modelle 247 <?page no="248"?> Arbeitsbedingungen Subjektive Reaktion (positiv / negativ) Bedingungen im Familienleben Zufriedenheit im Privatleben Zufriedenheit im Berufsleben Subjektive Reaktion (positiv / negativ) Arbeitsbedingungen Bedingungen im Familienleben Zufriedenheit im Privatleben Zufriedenheit im Berufsleben Direkte Spillover Effekte Indirekte Spillover Effekte Abbildung 81: Direkte und indirekte Spillover-Effekte. Quelle: Lambert 1990, S. 249; eigene Darstellung. 4.2.3 Instrumentelle Theorie Die Instrumentelle Theorie (Instrumental Theory) (vgl. z.B. Evans/ Bartolme 1984) geht von der Annahme aus, dass ein Lebensbereich (z.B. Berufsle‐ ben) als Mittel dient, um wünschenswerte Befriedigungen im anderen Lebensbereich (z.B. Privatleben) zu erreichen. So könnte die Ausbildung zu einem hoch qualifizierten Beruf mit einer anschließenden adäquaten Beschäftigung und einem entsprechend hohen Gehalt dazu dienen, sich im Privatleben z.B. teure Urlaube, Hobbies oder ein Haus leisten zu können. Andererseits könnte die Partnerschaft mit einem einflussreichen Lebens‐ partner die beruflichen Karriereperspektiven verbessern oder die Heirat als implizite Voraussetzung für die Einstellung in exponierten beruflichen Positionen angesehen werden. Trotz (oder gerade wegen) des heutigen Werte- und Lebensformenpluralismus legen Unternehmen zum Teil immer 4 Interaktion zwischen Berufs- und Arbeitsleben 248 <?page no="249"?> noch Wert darauf, dass ihre Mitarbeiter auch ein Familienleben haben, das einen Ausgleich zum Berufsleben bildet und Regenerationsmöglichkeiten für berufliche Belastungen und Frustrationen bietet (vgl. Zaugg 2006, S. 12). Dieser recht pragmatische Ansatz scheint in der Praxis durchaus belegbar und plausibel zu sein. Allerdings wird er der heutigen Rollenvielfalt vieler Menschen nicht gerecht und leistet kaum einen Erklärungsbeitrag zur Vereinbarkeit der verschiedenen Lebenswelten. 4.2.4 Akkomodationstheorie Die Akkomodationstheorie postuliert, dass ein Mensch nicht in beiden Lebensbereichen (Berufs- und Privatleben) gleichermaßen engagiert sein kann. So wird hier angenommen, dass ein Lebensbereich sehr ausgeprägt gelebt wird, was jedoch zu Lasten des anderen Lebensbereichs geht, der nur eingeschränkt gelebt werden kann (vgl. Lambert 1990) (vgl. Abbildung 81). Als Begründung wird hier angeführt, dass es eines eingeschränkten Lebensbereichs bedarf, um im anderen Lebensbereich den Anforderungen und Erwartungen gerecht werden zu können. Dies wird als Prozess der Akkomodation bezeichnet, der auch als „umgekehrte Kausalkette des Kom‐ pensationsprozesses“ (vgl. Gloger 2007, S. 54) interpretiert wird. Während beim Akkomodationsprozess das Engagement in einem Lebensbereich ein eingeschränktes Engagement im anderen Lebensbereich bewirkt, erfolgt bei der Kompensation der gegensätzliche Mechanismus. Hier wird ein Lebensbereich besonders intensiv gelebt, weil der andere Lebensbereich nicht die eigenen Erwartungen und Wünsche erfüllt (vgl. Gloger 2007, S. 54). Am Beispiel berufstätiger Mütter lässt sich der Prozess der Akkomodation anschaulich erklären. Während Frauen ohne Kinder mehrheitlich Vollzeit erwerbstätig sind, reduzieren viele Frauen, die in die Familienphase eintre‐ ten und kleinere Kinder betreuen müssen, ihre Erwerbstätigkeit deutlich und arbeiten für viele Jahre nur noch in Teilzeit (ca. 20 h -30 h). Andererseits entscheiden sich viele gut ausgebildete Frauen entweder immer später für die Familie mit Kindern oder sie verzichten ganz auf eigene Kinder, um ihre berufliche Karriere nicht zu gefährden (vgl. Schwartz 1989; Kanter 1977). 4.2 Kausale Modelle 249 <?page no="250"?> Arbeitsbedingungen Hohe berufliche Involviertheit Geringere berufliche Involviertheit Bedingungen im Familienleben geringere private Involviertheit Hohe Involviertheit im Familienleben Abbildung 82: Akkomodationstheorie. Quelle: eigene Darstellung. 4.2.5 Modell der Ressourcenzehrung Das Modell der Ressourcenzehrung nimmt eine negative Beziehung zwi‐ schen dem Berufs- und dem Privatleben an, die aus den persönlich begrenz‐ ten Ressourcen hinsichtlich Energie, Zeit und Aufmerksamkeit resultiert (vgl. Frone 2003). Fordert der berufliche Lebensbereich einen Großteil der begrenzt verfügbaren menschlichen Ressourcen aufgrund hoher Arbeitsbe‐ lastung oder langer Arbeitszeiten, so verbleiben für den privaten Lebensbe‐ reich nur noch die wenigen übriggebliebenen zeitlichen, energetischen oder aufmerksamkeitsbezogenen Ressourcen. Aufgrund der begrenzten Ressour‐ cen ist die Person abends erschöpft und kann sich nur noch unzureichend z.B. auf die Hausaufgaben der Schulkinder konzentrieren oder hat zu wenig Zeit für andere familiäre Beziehungen und Forderungen. So entsteht die ungleiche Berücksichtigung beider Lebensbereiche ausschließlich aufgrund der begrenzten persönlichen (vor allem kurz- und mittelfristigen) Ressour‐ cen (vgl. Edwards/ Rothbard 2000). Während beim Kompensationsmodell die Bedeutung und das Engagement zwischen den Lebensbereichen verschoben wird, um die eigenen Bedürfnisse zu befrieden, werden beim Ressourcenzeh‐ rungsmodell die persönlich verfügbaren Ressourcen zwischen den Lebens‐ welten verteilt, wobei hier berufliche und private bzw. familiäre Zwänge eine wichtige Rolle spielen. 4 Interaktion zwischen Berufs- und Arbeitsleben 250 <?page no="251"?> Zur Bewertung (Kritik) der nicht-kausalen und kausalen Modelle: Die bisher vorgestellten nicht-kausalen und kausalen Modelle erklären die Verbindungen und Wirkungsmechanismen zwischen dem Berufs- und Pri‐ vatleben vergangenheitsbezogen (Frone 2003; Lambert 1990). Die einzelnen Modelle erklären jeweils nur einzelne Wirkungsmechanismen, weshalb sie die Dynamik der Beziehungen und den Ausgleich zwischen Berufs- und Privatleben nicht in ihrer Komplexität beschreiben und erklären können (vgl. Gloger 2007, S. 55). Auch Vorhersagen lassen sich hier nur begrenzt ableiten. Auffällig ist, dass die einzelnen Erklärungsmuster parallel (gleich‐ zeitig) wirken (vgl. Lambert 1990; Frone 2003), so dass eine integrierende Theorie fehlt, die die jeweiligen Erklärungsansätze verbindet. 4.3 Integrative Modelle Die im Folgenden vorgestellten integrativen Modelle vereinen in ihren Erklärungsmustern mehrere Wirkungsmechanismen zwischen dem Berufs- und Privatleben und sind daher besser geeignet, die Komplexität des Aus‐ gleichs zwischen den verschiedenen Lebenswelten zu erklären. Zu den integrativen Modellen gehören u.a. das Modell von Near, Rice und Hunt, die Konflikt-Theorie, die Rollentheorie, das Modell multipler Rollen sowie das Work-Family-Conflict-Concept von Frone, Russel und Cooper. 4.3.1 Modell von Near, Rice und Hunt Das Modell von Near, Rice und Hunt (1980) integriert die in den nicht-kausa‐ len und kausalen Modellen vorgestellten einzelnen Wirkungsmechanismen (vgl. Abbildung 82). Near, Rice und Hunt unterscheiden jeweils objektive und subjektive Bestandteile des Berufs- und Privatlebens. Als objektive Bestandteile des Berufslebens werden die physischen Arbeitsbedingungen, die Arbeitsauf‐ gaben sowie das Entgelt gefasst. Die subjektiven Komponenten des Berufs‐ lebens sind die Einstellungen und Verhaltensweisen, die aus den objekti‐ ven Arbeitsbedingungen resultieren, wie z.B. die Arbeitsmotivation, die Arbeitszufriedenheit und mögliche Fehlzeiten. Objektive Aspekte des Pri‐ vatlebens bestehen in der Familienstruktur, Partnerstruktur, Wohnsituation etc., wobei die subjektiven Aspekte die aus den objektiven Gegebenheiten abgeleiteten Einstellungen und Verhaltensweisen zur Familiensituation und 4.3 Integrative Modelle 251 <?page no="252"?> Zufriedenheit mit dem Privatleben sind und sich z.B. in der Zufriedenheit und Zeit äußern, die mit der Familie verbracht wird (vgl. Abbildung 82). Objektive strukturelle Bedingungen des Privatlebens Subjektive Reaktionen auf das Privatleben Objektive strukturelle Bedingungen des Berufslebens Subjektive Reaktionen auf das Berufsleben A D B C E F Abbildung 83: Modell von Near, Rice und Hunt. Eigene Darstellung Quelle: Near/ Rice/ Hunt 1980, S. 417. Zwischen dem objektiven und subjektiven Berufs- und Privatleben können sich verschiedene Verbindungen und Wirkungen ergeben, die in der Abbil‐ dung 82 durch die beschrifteten Pfeile verdeutlicht werden. Zwischen den objektiven Bedingungen des und subjektiven Reaktionen auf das Privatleben sowie den objektiven Bedingungen und subjektiven Reaktionen auf das Berufsleben bestehen direkte Verbindungen, symbolisiert durch die Pfeile A und B. Darüber hinaus bestehen zwischen den objektiven Bedingungen des Privatlebens und der Arbeit sowie zwischen den subjektiven Reaktionen auf das Privatleben und das Berufsleben jeweils direkte Wechselwirkungen bzw. Spillover-Effekte (symbolisiert durch die Pfeile C und D). Auch zwischen den objektiven strukturellen Bedingungen des Privatlebens und den subjektiven Reaktionen auf das Berufsleben sowie zwischen den objektiven strukturel‐ len Bedingungen des Berufslebens und den subjektiven Reaktionen auf das Privatleben bestehen Wechselwirkungen bzw. Spillover-Effekte (symbo‐ lisiert durch die Pfeile E und F). Letztlich wirken indirekte Spillover-Effekte von den objektiven strukturellen Bedingungen des Privatlebens auf die subjektiven Reaktionen auf das Privatleben und weiter auf die subjektiven Reaktionen auf das Berufsleben (symbolisiert durch die Pfeile A und D). Auch umgekehrt wirken indirekte Spillover-Effekte von den objektiven strukturellen Bedingungen des Berufslebens auf die subjektiven Reaktionen des Berufslebens und wiederum auf die subjektiven Reaktionen des Privat‐ lebens (symbolisiert durch Pfeile B und D). Hierbei wirken die subjektiven 4 Interaktion zwischen Berufs- und Arbeitsleben 252 <?page no="253"?> Reaktionen des Berufs- und Privatlebens gewissermaßen als Mediatoren, d. h. vermittelnde Instanzen (vgl. Gloger 2007, S. 56). Das Modell von Near, Rice und Hunt verdeutlicht die vielfältigen Wechsel‐ wirkungen zwischen den verschiedenen Bereichen, insbesondere auch die Auswirkungen vom Berufsleben auf das Privatleben und umgekehrt. Dabei belegen unterschiedliche empirische Studien viele der Wirkungsrichtungen (vgl. Campbell/ Converse/ Rodgers 1976 für Pfeil A; Hackman/ Lawler 1971 für Pfeil B; Blau/ Duncan/ Tyree 1967 für Pfeil C; Rice/ Near/ Hunt 1979 für Pfeil D). 4.3.2 Konflikt-Theorie („Vorgänger“ zum Modell der multiplen Rollen) Die Konflikt-Theorie geht von einer Unvereinbarkeit des Berufs- und Privatlebens aus, da sie unterschiedlichen Verhaltensregeln und Normen unterliegen (vgl. Payton-Miyaziki/ Brayfild 1976; Evans/ Bartolome 1984; Greenhaus/ Beutell 1985; Zedeck/ Mosier 1990). Da die persönlich verfügba‐ ren Ressourcen an Zeit und Energie begrenzt sind, können beide Lebensbe‐ reiche nicht gleichermaßen engagiert gelebt werden. So führt ein hohes Engagement im Berufsleben dazu, dass dem Privatleben nur noch weniger Aufmerksamkeit und Engagement gewidmet werden kann. Dies wiederum verursacht Konflikte, die beim Individuum zu Überlastung und Stress führen. Diese Konfliktpotenziale können vermindert werden, indem eine deutliche Trennung zwischen den beiden Lebenswelten erfolgt und auch im Privatleben eine klare Rollentrennung vorgenommen wird (vgl. Zaugg 2006, S. 12). Aufgrund der Trennung der beiden Lebenswelten weist die Konflikt-Theorie Bezüge zur Segmentationstheorie auf. 4.3.3 Grundzüge der Rollentheorie Die Ausführungen basieren auf der Arbeit von Cyprian, Frey und Hack‐ mann (1993). Aus der Perspektive der Rollentheorie ist die Gesellschaft ein Geflecht verschiedener ineinandergreifender Rollen , wodurch ein Rollen‐ system gebildet wird. In der Gesellschaft haben die Individuen verschiedene Positionen, z.B. als Mutter, Kind, Schülerin, Lehrer, Arbeitnehmer, die jeweils bestimmte gesellschaftliche Aufgaben erfüllen, die als Funktionen bezeichnet werden. Durch die Ausübung der Funktion wird eine soziale Rolle erfüllt. Nun hat jedes Mitglied einer Gesellschaft mehrere Rollen inne, d. h. jeder hat einen 4.3 Integrative Modelle 253 <?page no="254"?> sozialen Rollensatz zu bewältigen. Jede Rolle hat eine komplementäre Rolle als Gegenstück mit bestimmten Bezugsgruppen und eigenen Erwartungen, z.B. Lehrer - Schüler, Mutter - Kind. Daher umfasst eine soziale Rolle ein Bündel an Erwartungen, wobei sich der Rollenträger in einem sog. Rollenfeld bewegt. Die Rolle selbst kann als Summe der Erwartungen verschiedener Grup‐ pen oder Personen an den Rollenträger in einer bestimmten Position verstanden werden. Der Rollenträger kann jedoch nicht immer alle an seine Rolle bzw. Position gestellten Erwartungen gerecht werden, wor‐ aus Rollenkonflikte entstehen können. Bei den Rollenkonflikten lassen sich Intra-Rollenkonflikte und Inter-Rollenkonflikte unterscheiden. Ein Intra-Rollenkonflikt besteht, wenn Erwartungen verschiedener Bezugs‐ gruppen an eine Rolle widersprüchlich sind (z.B. Erwartung des Kindes an die Mutter und Erwartung des Partners an die Mutter). Ein Inter-Rollen‐ konflikt liegt vor, wenn eine Person zwei verschiedene Rollen ausfüllt, deren Erwartungen miteinander in Konflikt stehen (Rolle der Mutter und Rolle der Partnerin). (vgl. Cyprian/ Frey/ Heckmann 1993). Aufbauend auf dieser kurzen Einführung in Grundbegriffe der Rollenthe‐ orie werden nun verschiedene Rollenmodelle vorgestellt. 4.3.4 Modelle der multiplen Rollen Modelle der multiplen Rollen bauen auf der Konflikttheorie auf und betonen die Rollenkonflikte, die aufgrund der Anforderungen und Belastungen der beiden Lebensbereiche (Beruf und Privatleben) sowie dem Streben nach einer Balance zwischen ihnen entstehen können. Gelingt das nicht, so kann sog. Rollenstress entstehen. Frühe Vertreter dieses Ansatzes sind Zedeck und Mosier (1990), die diesen Ansatz noch als Konflikttheorie bezeichnen (vgl. Gloger 2007, S. 57). Die Übernahme multipler Rollen in verschiedenen Lebensbereichen kann sich negativ, aber auch positiv auswirken. Negative Auswirkungen der Über‐ nahme multipler Rollen können durch Überlastung in Rollenstress bestehen (vgl. Barnett/ Baruch 1987; Pleck 1995). Mögliche positive Auswirkungen kön‐ nen in direkten oder indirekten positiven Wirkungen auf das Wohlbefinden bestehen oder aber in einer wechselseitigen Pufferung der verschiedenen Rollenanforderungen. Nach Marks (1977) entstehen Rollenkonflikte nicht aus den objektiven Rollenanforderungen, sondern durch eine unterschiedliche Wertung bzw. Gewichtung der verschiedenen Rollen, wobei bestimmte Rollen 4 Interaktion zwischen Berufs- und Arbeitsleben 254 <?page no="255"?> nicht ausreichend ausgefüllt werden können. Erfolgt eine gleichgewichtigere Rollenwertung, so verringern sich auch mögliche Rollenkonflikte. Bei dem Work-Family-Konflikt ist es nicht möglich, die verschiedenen Rollen des Berufslebens und Privatlebens gleich gut zu erfüllen. Werden die beruflichen Rollenanforderungen erfüllt, geht das zu Lasten der Verpflich‐ tungen der privaten Rollenanforderungen (vgl. Edwards/ Rothbard 2000; Burke/ Greenglass 1987; Cooke/ Rousseau 1984; Greenhaus/ Beutell 1985). Die jeweiligen Rollenanforderungen sind entweder in den jeweiligen formalen oder auch personifizierten Erwartungen an bestimmte Rollen von außen festgelegt oder sie können sich auch aus den persönlichen Erwartungen und Werten des jeweiligen Rollenträgers ergeben (vgl. Kahn/ Quinn 1970). Kön‐ nen die Rollenerwartungen nicht erfüllt werden, so entfallen dadurch auch entsprechende intrinsische oder extrinsische Belohnungen. Daraus können zeitliche, verhaltensbezogene oder auch emotional belastende Konflikte für die betroffene Person entstehen (vgl. Schobert 2007, S. 20; Edwards/ Rothbard 2000; Greenhaus/ Beutell 1985). Die Rollenstress-Theorie (Kahn et al 1964) unterscheidet zwischen der Rollenbelastungs- und der Rollenentlastunghypothese. Rollenbelastungshypothese Sie nimmt an, dass die gleichzeitige und gleichgewichtige Erfüllung ver‐ schiedener beruflicher und privater Rollen nur sehr schwer gelingt und daher Stress verursacht. Die Rollenkonflikte resultieren daraus, dass auf‐ grund begrenzter Ressourcen an Zeit und Energie nicht alle Rollenerwar‐ tungen gleich gut erfüllt werden können und es zu Erschöpfungszuständen aufgrund der knappen Ressourcen kommt. Um gravierende Erschöpfungs‐ zustände und Rollenkonflikte zu vermeiden, müssen die bestehenden Res‐ sourcen so auf die verschiedenen Rollen verteilt werden, dass der insgesamt entstehende Rollenstress verkraftet werden kann. Der Rollenkonflikt lässt sich interpretieren als reaktive Kompensation, wobei das Berufsleben so viele Ressourcen verbraucht, dass das Privatleben überwiegend zur Regeneration der persönlichen Ressourcen (z.B. durch Ausruhen, Schlafen, Erholen) dienen muss (vgl. Gloger 2007, S. 58). Zu‐ sätzlich existieren negative Spillover-Effekte, die sich auf Einstellungen, Verhaltensweisen, Fähigkeiten und die eigenen Emotionen beziehen können (vgl. Gloger 2007, S. 58). Bei den Rollenkonflikten lassen sich verschiedene Konfliktarten unter‐ scheiden: der Work-to-Familiy-Konflikt, bei dem berufliche Rollen die 4.3 Integrative Modelle 255 <?page no="256"?> Erfüllung privater Rollen und Anforderungen beeinträchtigen und der Fa‐ mily-to-Work-Konflikt, bei dem private Anforderungen und Rollen, z.B. als Mutter, die Erfüllung beruflicher Rollen und Erwartungen beeinträchtigen. Rollenentlastungshypothese Die Rollenentlastungshypothese (auch positiver Spillover-Effekt genannt) besagt, dass verschiedene Rollen im Berufs- und Privatleben auch positive Effekte und Wechselwirkungen aufeinander haben können. So können durch die Ausübung verschiedener Rollen zusätzliche Ressourcen und Kom‐ petenzen entwickelt werden, die in anderen Rollen und Lebensbereichen eingesetzt werden können (vgl. Marks 1977; Barnett 1998). 4.3.5 Work-Family-Conflict-Concept von Frone, Russel und Cooper (1992) Das Work-Family-Conflict-Concept wurde von Frone, Russel und Cooper entwickelt (Frone/ Russel/ Cooper 1992). Es bildet unterschiedliche Einfluss‐ größen und Auswirkungen von Rollenkonflikten zwischen verschiedenen Rollen im Berufs- und Privatleben in einer dreistufigen Wirkungskette ab (vgl. Abbildung 83). Das Konzept geht von Rollenkonflikten zwischen den verschiedenen Rollen des Berufslebens und des Privatlebens aus. Diese Rollenkonflikte unterscheiden Frone, Russel und Cooper in den Work-Family-Conflict und den Family-Work-Conflict. Der Work-Family-Conflict entsteht, wenn die Anforderungen und Belastungen aus den Rollen im Berufsleben so viele Ressourcen einer Person beanspruchen, dass die Anforderungen der Rollen im Privatleben nicht mehr angemessen erfüllt werden können. Beispielsweise kann eine Person, die beruflich zeitlich und aufgabenbezogen sehr stark beansprucht wird (was sich z.B. durch viele Überstunden, Wochenendarbeit oder Dienstreisen äußern kann) ihren familiären Verpflichtungen zur Betreuung der Kinder oder Pflege von Angehörigen nicht mehr gerecht werden. Der Family-Work-Conflict resultiert daraus, dass Personen aufgrund hoher Rollenanforderungen und -belastungen im Privatleben nur einge‐ schränkt ihren beruflichen Rollenanforderungen gerecht werden können. Beispielsweise können die hohen Anforderungen an die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Familienangehörigen dazu führen, dass berufliche Rollenanforderungen nur eingeschränkt erfüllt werden können 4 Interaktion zwischen Berufs- und Arbeitsleben 256 <?page no="257"?> (z.B. nur als Teilzeiterwerbstätigkeit, striktes Zeitmanagement). Dieser Family-Work-Conflict besteht oft bei weiblichen Führungskräften (vgl. Stock-Homburg 2008, S. 691). Berufliche Belastungen Konflikte zwischen Beruf und Privatleben Private / Familiäre Belastungen Stress im Berufsleben Konflikte zwischen Privatleben und Beruf Stress im Privat- / Familienleben Abbildung 84: Work-Family-Conflict-Konzept von Frone, Russel und Cooper. Quelle: vgl. Frone/ Russel/ Cooper 1992, S. 72. Eigene Darstellung. Relevante Einflussgrößen auf die Konflikte zwischen Beruf und Familie (work-family-conflict) bestehen in hohen beruflichen Belastungen und Beanspruchungen bzw. hoher beruflicher Einbindung. Starke berufliche Belastungen können sich z.B. daraus ergeben, dass einer Person zu wenig Ressourcen (Zeit, Arbeitsmittel) zur Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben zur Verfügung stehen oder dass sie nur geringe Einflussmöglichkeiten auf die Ergebnisse ihrer Aufgaben hat bzw. für Arbeitsergebnisse verantwortlich gemacht wird, die sie gar nicht oder nur unzureichend beeinflussen kann (z.B. Aufnahme und Bearbeitung von Kundenreklamationen). Das Ausmaß des beruflichen Engagements kommt in der Variablen der beruflichen Einbindung zum Ausdruck. Sie kann sich inhaltlich auf den Umfang und die Wichtigkeit der Arbeitsinhalte (z.B. Führungsaufgaben, Entscheidungs‐ befugnisse) sowie auf das zeitliche Ausmaß der Berufstätigkeit (z.B. Anzahl Überstunden, Dienstreisen, Wochenendarbeit) erstrecken. (vgl. Frone/ Rus‐ sel/ Cooper 1992, S. 69). Der Konflikt zwischen Familie und Beruf (family-work-conflict) wird beeinflusst durch hohe familiäre Belastungen und eine starke Einbindung in die Familie. Zu familiären Belastungen zählen beispielsweise Schwierig‐ keiten in der partnerschaftlichen Beziehung, Probleme bei der Kindererzie‐ hung, Schulprobleme der Kinder oder auch die Betreuung pflegebedürftiger (z.B. demenzkranker) Angehöriger. Hohe familiäre Belastungen können 4.3 Integrative Modelle 257 <?page no="258"?> insbesondere die emotionale oder auch energetische Leistungs- und Einsatz‐ fähigkeit einer Person im beruflichen Bereich erheblich beeinträchtigen. Demgegenüber wird unter der familiären Einbindung der zeitliche, arbeits‐ orientierte, finanzielle und inhaltliche Umfang der familiären Verpflichtun‐ gen verstanden. So verringert eine hohe familiäre Einbindung z.B. durch die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen die zeitlichen und kapazitätsmäßigen Möglichkeiten einer Person, Verpflichtungen in beruflichen Rollen wahrzunehmen bzw. gerecht zu werden. (vgl. Frone/ Russel/ Cooper 1992, S. 69 ff.). Die beiden beschriebenen Konfliktarten (work-familiy-conflict und fa‐ mily-work-conflict) wirken sich unterschiedlich auf das persönliche Be‐ finden aus. Ein work-family-conflict verursacht Stress im Privatbzw. Familienleben, weil dort die erwarteten Rollen nicht anforderungsgerecht erfüllt werden können. Demgegenüber erzeugt der family-work-conflict Stress im Berufsleben, weil die beruflichen Rollen nicht adäquat ausgefüllt werden können. Bei beiden Konfliktarten fühlt sich die Person überfordert bzw. hat nur unzureichende Kontrollmöglichkeiten über die verschiedenen Rollenerwartungen und deren Entsprechungen (vgl. Stock-Homburg 2008, S. 692). 4.4 Dynamische Modelle Dynamisch Modelle lassen sich nicht immer eindeutig von den integrativen Modellen abgrenzen. Bei der Abgrenzung dynamischer Modelle wird der Systematik von Frone (2003) und Geurts/ Demerouti (2003) gefolgt. Der Schwerpunkt der dynamischen Modelle liegt auf der Analyse der dynami‐ schen Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Lebensbereichen (insbesondere Berufs- und Familienleben). Dazu gehören u. a. Stressmodelle, die bereits im dritten Kapitel behandelt wurden und daher hier nur kurz angesprochen werden sowie Theorien der Rollengrenzen und Rollenüber‐ gänge, die im Folgenden ausführlicher vorgestellt werden. 4.4.1 Stressmodelle Im Zuge der Stressforschung wurden zahlreiche Stressmodelle entwickelt. Die psychologische Stressforschung unterscheidet drei Perspektiven der Betrachtung von Stress (vgl. Rosenstiel 2003; Gloger 2007, S. 61): 4 Interaktion zwischen Berufs- und Arbeitsleben 258 <?page no="259"?> 1. Stress als Stimulus: Bestimmte Situationen lösen bei einer Person Stress aus, im Sinne des behavioristischen S-R-Modells (Stimulus-Res‐ ponse-Modell). Untersucht werden hierbei die jeweiligen situativen Bedingungen, die Stress auslösen. 2. Stress als Response: in dieser Perspektive wird Stress als spezifische Reaktion einer Person auf bestimmte Situationen oder Anforderungen betrachtet. 3. Stress als Interaktion: Hier werden sowohl die Stress auslösenden Situationen und Bedingungen als auch der Umgang der jeweiligen Person mit diesen stressigen Situationen bzw. Gegebenheiten betrach‐ tet. Das Ausmaß des Stresses hängt hierbei maßgeblich vom Umgang der Person mit den Stress auslösenden Situationen bzw. Gegebenhei‐ ten ab. Zu den bekanntesten Stressmodellen zählen u.a.: ▸ Das Allgemeine Adaptionssyndrom von Selye (1974) ▸ Das ISR-Modell von Katz und Kahn (1978 ▸ Das Facetten-Modell von Beehr und Newman (1978) ▸ Das transaktionale Stressmodell von Lazarus (Lazarus 1999) ▸ Das Demands-Control-Modell von Caplan (1987) und ▸ Die Conservation of Resources Theory von Hobfoll (1988) und Hob‐ foll/ Buchwald (2004). 4.4.2 Theorien der Rollengrenzen und Rollenübergänge Zu den Ansätzen, die sich mit Rollengrenzen und Rollenübergängen be‐ schäftigten, zählen u. a. die Work-Family Border Theory von Clark (2000) und die Theory of Boundaries and Micro Role Transitions von Ashforth, Kreiner und Fugate (2000). Beide werden im Folgenden näher erläutert. 4.4.2.1 Work-Family Border Theory von Clark (2000) Die Work-Family Boarder Theory wurde von Clark entwickelt (vgl. Clark 2000). Grundlage dieser Theorie ist die Feldtheorie von Kurt Lewin. Mit dem psychologischen Feld beschreibt Lewin den Lebensraum einer Person, der alles umfasst, was das menschliche Verhalten beeinflusst und in dem die persönlichen Erfahrungen enthalten sind sowie organisiert und interpretiert werden (vgl. Lewin 1963). Dieser Lebensraum ist individuell ausgestaltet und verfügt über unterschiedliche Bereiche (z.B. Familie, Arbeit, Religion). 4.4 Dynamische Modelle 259 <?page no="260"?> Diese verschiedenen Bereiche sind durch Grenzen voneinander getrennt, wobei die Grenzen unterschiedlich durchlässig sind. (vgl. Lewin 1963) (vgl. Abbildung 84). In Anlehnung an Lewins Feldtheorie konzentriert sich Clark auf die beiden getrennten Lebensräume Beruf und Familie und die Annahme, dass mögliche Interaktionen und Wechselwirkungen zwischen den beiden Bereichen davon abhängen, wie stark bzw. wie durchlässig die Grenzen zwischen diesen Bereichen sind. Die zentrale Idee der Work-Family-Boarder Theorie formuliert Clark so: „People are bordercrossers who make daily transitions between two worlds - the world of work and the world of family.“ (Clark 2000, S. 748). Die wesentlichen Bestandteile dieser Theorie umfassen folgende As‐ pekte: ▸ die beiden Lebensbereiche bzw. Domänen Beruf und Familie ▸ die Grenzen zwischen den beiden Lebensbereichen ▸ die Grenzgänger (border-crossers) zwischen den Lebensbereichen ▸ die Grenzhüter (border-keepers) der beiden Lebensbereiche sowie ▸ weitere wichtige Mitglieder der beiden Lebensbereiche Beruf Familie Permeation / Durchlässigkeit? Einblicke in die Familie, Privatleben Bilder von der Familie Telefonanruf von zu Hause / Ehefrau Beruflicher Anruf eines Kollegen Fertigstellung eines beruflichen Auftrags (Projektbericht) am Wochenende zu Hause Berichte vom Arbeitsleben Borderland Grenzgängerin Grenzhüter Grenzhüter D u r c h l ä s s i g e , f l e x i b l e G r e n z e Abbildung 85: Work-family-border-Theorie nach Clark. Quelle: Vgl. Clark 2000, S. 754. Eigene Darstellung. 4 Interaktion zwischen Berufs- und Arbeitsleben 260 <?page no="261"?> Die beiden Domänen Beruf und Familie sind durch verschiedene Kultu‐ ren geprägt, die jeweils eigene Regeln, Verhaltensweisen, Denkmodelle, Sprachen und Gewohnheiten haben. Auch sind die beiden Domänen be‐ stimmt von jeweils eigenen wertgeschätzten Zielen (valued ends) und wertgeschätzten Mitteln (valued means). Zu den beruflichen Zielen gehören z.B. eine sinnvolle Arbeitsaufgabe auszuführen oder ein ausreichendes Einkommen zu erhalten. Geeignete Mittel zur Erreichung beruflicher Ziele sind z.B. Leistungsfähigkeit oder verantwortliches Handeln. Familiäre Ziele können beispielsweise sein, persönliche Zufriedenheit zu erreichen, private Beziehungen zu pflegen oder für eine Familie zu sorgen (vgl. Gloger 2007, S. 72). Geeignete Mittel zur Erreichung der privaten Ziele sind z.B. Fürsorge und Liebe (vgl. Gloger 2007, S. 72). Der Mensch ist bestrebt, die beiden unterschiedlichen Lebensbereiche zu integrieren, wobei das individuelle Verhaltensspektrum zum Umgang mit den beiden Domänen von Integration bis Segmentation reicht (vgl. Nippert-Eng 1996). Während eine Person beide Domänen klar abgrenzt, strebt eine andere Person nach einer möglichst großen Integration beider Lebensbereiche. Bei einer vollständigen Integra‐ tion wären beide Lebensbereiche identisch, d. h. dass das Berufsleben dem Privatleben entspricht und umgekehrt. Dies könnte z.B. bei einem Künstler der Fall sein, für den seine Kunst „sein Leben ist“ und er gleichzeitig durch Verkauf seiner Kunstwerke seinen Lebensunterhalt verdient. Die Grenzen der Domänen legen die jeweiligen kulturellen Verhaltens‐ weisen und Denkmodelle fest und sind durch physische (z.B. konkreter Arbeitsplatz), zeitliche (z.B. Dauer der Arbeitszeit pro Tag) und psycholo‐ gische (z.B. bestimmte Verhaltensweisen oder Regeln) Kriterien bestimmt. „Borders are lines of demarcation between domains, defining the point at which domain relevant behavior begins or ends.“(Clark 2000, S. 756). Die Grenzen können unterschiedlich durchlässig und flexibel sein, sie können sich aber auch vermischen. Die Durchlässigkeit der Grenzen bestimmt, inwieweit Elemente z.B. des privaten Bereichs in den beruflichen Bereich eindringen können und umgekehrt. Arbeitet eine Mutter beispielsweise zu Hause im Homeoffice und betreut gleichzeitig ihr Kind, so ist hier eine zeitliche und physische Durchlässigkeit gegeben. Eine psychologische Durchlässigkeit wäre z.B. bei einem negativen Spillover-Effekt gegeben (vgl. Gloger 2007, S. 72). Eine Grenze ist flexibel, wenn sie sich je nach Anforderungen der verschiedenen Domänen ausweiten oder aber verengen kann. Beispielsweise ist eine Grenze physisch und zeitlich sehr flexibel, wenn eine Person selbst ihren Arbeitsort und ihre Arbeitszeit festlegen kann. 4.4 Dynamische Modelle 261 <?page no="262"?> Denkt ein Vater während seiner Arbeit an seine Familie und zu Hause an die noch zu erledigenden Arbeitsaufgaben, so besteht eine psychologische Flexibilität der Grenze. Eine Vermischung der Grenzen liegt vor, wenn die Grenzen so durchlässig und flexibel sind, dass sie keiner Domäne mehr eindeutig zugeordnet werden können und statt einer Grenze ein „Grenzland“ besteht, in dem beide Bereiche gelebt werden. Dies könnte der Fall sein, wenn ein Vater zu Hause sein krankes Kind betreut und gleichzeitig ein berufliches Telefonat führt. Die Stärke einer Grenze bestimmt sich durch deren Durchlässigkeit, Flexibilität und Grad der Vermischung. Ähneln sich die beiden Lebensbe‐ reiche, so kann eine schwache Grenze den Ausgleich zwischen Berufs- und Privatleben fördern. Sind beide Domänen jedoch sehr unterschiedlich, so bräuchte eine Work-Family Balance eine stärkere Grenze. Ein weiterer Aspekt der Grenzstärke ist die Richtung der Durchlässigkeit, die zwischen beiden Bereichen unterschiedlich sein kann. Beispielsweise kann eine hohe Durchlässigkeit des Berufslebens in das Privatleben bestehen, wenn z.B. aufgrund beruflicher Anforderungen auch am Wochenende gearbeitet wer‐ den muss. Können familiäre Anliegen jedoch nicht während der Arbeitszeit erledigt werden, so besteht hier aus Richtung des Familienlebens eine starke und undurchlässige Grenze zum Berufsleben. Weisen die beiden Domänen unterschiedlich starke Grenzen auf, so kann eine Work-Family Balance eher erreicht werden, wenn sich eine Person mit dem stark abgegrenzten Lebensbereich identifiziert. (vgl. Gloger 2007, S. 73). Grenzgänger sind Personen, die häufig die Grenze zwischen den beiden Lebensbereichen überschreiten (vgl. Gloger 2007, S. 73). Sie sind in der Lage, die beiden Lebensbereiche, ihre Grenzen sowie auch Brücken zwischen beiden Bereichen zu gestalten und werden daher als proaktiv bezeichnet (vgl. ebenda). Je nach ihrer Identifikation und ihrem Einfluss lassen sich Grenzgänger in sog. Hauptteilnehmer (central participants) und periphere Teilnehmer (peripheral participants) der Berufs- und Arbeitswelt zuordnen (vgl. Clark 2000, S. 761). Die Identifikation und der Einfluss der Hauptteil‐ nehmer resultiert daraus, dass sie die Werte, die jeweiligen Verpflichtungen und die entsprechende Kultur eines Bereichs verinnerlicht haben sowie bereichsspezifische Kompetenzen und Verbindungen zu anderen Hauptteil‐ nehmer aufweisen, was sie dazu befähigt, die jeweilige Domäne und ihre Grenzen zu verändern bzw. auszuweiten. Periphere Teilnehmer haben diese Gestaltungsmöglichkeiten nicht. Personen, die in beiden Bereichen 4 Interaktion zwischen Berufs- und Arbeitsleben 262 <?page no="263"?> Hauptteilnehmer sind, sich also mit beiden Lebensbereichen identifizieren und diese auch beeinflussen können, erreichen leichter einen Ausgleich zwischen dem Berufs- und Privatleben und haben so eine bessere Work-Fa‐ mily Balance (Clark 2000, S. 761). Grenzhüter sind Personen, die die Grenzen der Bereiche und ihre Durchlässigkeit erheblich beeinflussen können. Im Berufsleben sind das z.B. Vorgesetzte, im Privatleben häufig die (Ehe-)Partner. Die Grenzhüter beeinflussen auch stark die Möglichkeiten der Grenzgänger, zwischen den beiden Domänen hin- und herzuwechseln. Aufgrund ihrer eigenen Vorstel‐ lungen, Erwartungen und Erfahrungen verteidigen die Grenzhüter die Be‐ reichsgrenzen stark. Dies erschwert es den Grenzgängern, sich zwischen den beiden Bereichen zu bewegen und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden. Je größer jedoch das Wissen des Grenzhüters um und das Ver‐ ständnis für den jeweils anderen Bereich ist, und je mehr er den Grenzgänger bei der Bewältigung seiner Aufgaben und Verpflichtungen im anderen Bereich unterstützt (hohes Commitment des Grenzhüters gegenüber dem Grenzgänger), desto leichter fällt es den Grenzgängern, sich zwischen bzw. in beiden Bereichen zu bewegen und eine Work-Family-Balance zu errei‐ chen (vgl. Galinsky/ Stein 1990; Repetti 1987; Greenhaus/ Bedian/ Mossholder 1987; Kossek/ Dass/ Demarr 1994). Wie gut Grenzgänger eine Work-Family Balance erreichen können, hängt noch vom Grad der Verschiedenheit beider Bereiche ab sowie von der Stärke der Beziehungen zwischen Grenzgänger und Grenzhüter und von ihrer Kommunikation über die Aufgaben und Anforderungen des jeweils anderen Bereichs ab (vgl. Clark 2000, S. 764). Dazu gehören z.B. Gespräche über aktuelle Arbeitssituationen, Probleme oder Aufgaben im Berufsleben oder über die Ereignisse des Tages von Familienmitgliedern. Je ähnlicher sich beide Lebensbereiche sind und umso größer das Wissen, Verständnis und die Kommunikation zwischen Grenz‐ gänger und Grenzhüter über die Inhalte und Besonderheiten der beiden Bereiche ist, desto eher gelingt es Grenzgängern, beide Lebensbereiche zu vereinbaren und eine Work-Family Balance zu erreichen (vgl. Clark 2000, S. 764). Die Work-Family-Border-Theorie von Clark reduziert zwar die Komple‐ xität der verschiedenen Lebensbereiche auf nur zwei Lebensbereiche (Arbeit und Familie), leistet aber wertvolle Erklärungsbeiträge durch die Model‐ lierung der beiden Domänen sowie der Rollengrenzen, Grenzgänger und Grenzhüter. Eine empirische Überprüfung des Ansatzes ist bislang jedoch noch schwierig (vgl. Geurts/ Demerouti 2003; Gloger 2007, S. 75). 4.4 Dynamische Modelle 263 <?page no="264"?> 4.4.2.2 Theory of Boundaries and Micro Role Transitions von Ashforth, Kreiner und Fugate Der Theory of Boundaries and Micro Role Transitions (Theorie der Rol‐ lengrenzen und Mikro-Rollenübergänge) liegt die Boundary Theorie (vgl. Michaelsen/ Johnson 1997; Nippert-Eng 1996) zugrunde, die davon ausgeht, „dass Menschen physikalische, zeitliche, emotionale, kognitive und/ oder rela‐ tionale Grenzen ziehen und aufrechterhalten, um ihre Umwelt zu vereinfachen und zu ordnen.“ (Gloger 2007, S. 75). Daraus ergeben sich abgegrenzte (Lebens-)Bereiche. Eine ähnliche Konstruktion bietet Kurt Lewin in seiner Feldtheorie. Ashforth, Kreiner und Fugate (2000) untersuchen in ihrer „Theorie of Boundaries and Micro Role Transitions“ insbesondere die Rollenübergänge von Personen im Mikrobereich bzw. täglichen Bereich. Ashforth et al. ver‐ stehen unter Rollenübergängen grenzüberschreitende Aktivitäten, wobei die Rollengrenze dadurch überschritten wird, dass eine Rolle abgelegt (role exit) und eine andere Rolle angenommen (role entry) wird (vgl. Gloger 2007, S. 75). Rollenübergänge, die selten erfolgen (z.B. Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand) werden von Ashforth et al. als „macro transitions“ bezeichnet und werden hier kaum betrachtet. Das Hauptaugenmerk liegt auf Rollenübergängen, die häufig und auch regelmäßig erfolgen, z.B. täglich und als „micro transitions“ bezeichnet werden. Diese kleinen Rollenübergänge können innerhalb des Berufes, zwischen Berufs- und Familienleben oder auch zwischen dem Beruf und anderen Bereichen des Privatlebens auftreten. Wesentliche Konstrukte der Theorie sind die Flexibilität und Durchläs‐ sigkeit der Rollengrenzen sowie die Rollenidentität. Der Prozess der Mikro-Rollenübergänge wird durch die Flexibilität und die Durchlässigkeit der Rollengrenzen beeinflusst. Hat eine Rolle flexi‐ ble Grenzen, so können diese je nach Situation und Anforderungen verän‐ dert werden, also z.B. ausgedehnt oder eingeengt werden. Sind die Grenzen einer Rolle durchlässig, so kann eine Person sich physisch in der einen Rolle befinden, gleichzeitig aber psychologisch oder auch verhaltensorientiert eine andere Rolle annehmen. (vgl. Ashforth et al. 2000, S. 474). Beispielsweise kann eine berufstätige Mutter, die gerade im Büro sitzt und arbeitet (Rolle der Arbeitnehmerin), bei einem Telefongespräch mit ihrer Tochter auch die Mutterrolle einnehmen, indem sie ihre Tochter zur Erledigung ihrer Haus‐ aufgaben ermahnt. Die Flexibilität und Durchlässigkeit der Rollengrenzen können auf die jeweilige Person unterschiedlich wirken. Da die Person je nach Bedarf von einer Rolle zur anderen Rolle wechseln kann, verringern 4 Interaktion zwischen Berufs- und Arbeitsleben 264 <?page no="265"?> sich mögliche Konflikte zwischen den verschiedenen Rollen. Allerdings können diese Rollenübergänge bei den Rolleninhabern oder auch bei Dritten Verwirrung stiften, wenn nicht eindeutig ist, welche Rolle eine Person gerade einnimmt. Die Rollenidentität ist ein weiteres Konstrukt dieser Theorie. Die Rollenidentität ist sozial konstruiert und bestimmt das eigene Selbst in einer Rolle. Die Rollenidentität umfasst die für eine Rolle spezifischen Nor‐ men, Werte, Überzeugungen, zeitlichen Bezüge und Interaktionen, wobei sich nochmals Hauptmerkmale und Nebenmerkmale unterscheiden lassen. Hauptmerkmale eines typischen Managers sind z.B. emotionale Stabilität, Eigenständigkeit, Sachlichkeit und Aggressivität, zu den Nebenmerkmalen zählen Charisma und Intelligenz (Greenhaus/ Beutell 1985). Je stärker sich die Merkmale einer Rollenidentität von den Merkmalen einer anderen Rollenidentität unterscheiden, desto größer ist der Kontrast zwischen ver‐ schiedenen Rollen. Und je größer der Kontrast zwischen verschiedenen Rollen ist, desto schwieriger ist der Rollenübergang für eine Person, d. h. der Wechsel von einer Rolle in eine andere. Die Auseinandersetzung mit den gerade vorgestellten verschiedenen Model‐ len zur Erklärung der Interaktion zwischen dem Beruf- und dem Privatleben dient dazu, das wissenschaftlich konzeptionelle Verständnis für die Vielfalt möglicher Wirkungs- und Erklärungsansätze zwischen den verschiedenen Lebenswelten zu vertiefen. Dadurch soll gleichzeitig das Verständnis für die Breite möglicher Ansatzpunkte, Strategien und Maßnahmen erhöht werden, die in den folgenden Kapiteln für die verschiedenen Zielgruppen einer Work-Life-Balance erarbeitet werden. 4.4 Dynamische Modelle 265 <?page no="267"?> 5 Zielgruppen einer Work-Life-Balance Grundsätzlich ist es für jeden Menschen wichtig, seine verschiedenen Lebenswelten auszubalancieren und eine individuell ausgewogene und zufrieden stellende Work-Life-Balance zu erreichen. Dabei ist es unerheb‐ lich, ob jemand alleine oder in der Partnerschaft lebt, eine Familie hat, pflegebedürftige Angehörige versorgen muss oder mehr Freizeit für sich oder ein zeitintensives Hobby haben möchte. Allerdings sind bestimmte Personenkreise besonders stark von einer Unvereinbarkeit des Arbeitsmit dem Privatleben betroffen. Dazu gehören insbesondere Frauen, Alleinerzie‐ hende, Familien mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen, ältere Mitarbeiter, Führungskräfte und Personen in prekären Beschäftigungsver‐ hältnissen. Diese Personenkreise weisen jeweils besondere Problemkons‐ tellationen auf und benötigen daher eine besondere Unterstützung durch spezifische Maßnahmen und Arrangements, um ihr Arbeits- und Privatleben besser ausgleichen zu können. Daher ist es sinnvoll, spezielle Zielgruppen für die Entwicklung von Work-Life-Balance Konzepten und konkreten Maßnahmen zu bestimmen und individuell anzusprechen Die jeweiligen zielgruppenspezifischen Maßnahmen können und sollten in einem überge‐ ordneten, ganzheitlichen Work-Life-Balance-Konzept integriert werden. 5.1 Zielgruppe Frauen Frauen sind auch heute noch in vielen Bereichen benachteiligt und benöti‐ gen daher immer noch ein hohes Maß an Unterstützung. Obwohl gleich gut und teilweise sogar besser ausgebildet als die Männer, verdienen Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen häufig bis zu 15% weniger als Männer in ver‐ gleichbaren Positionen. Der Aufstieg in Führungspositionen ist für Frauen deutlich schwieriger als für Männer, unabhängig von ihrer Qualifikation! Trotz sich ändernder Rollenbilder und einem steigenden Familienengage‐ ment der Väter leisten in den Familien auch heute noch mehrheitlich die Frauen den Hauptteil der häuslichen und familiären Arbeitsleistungen, der Kinderbetreuung und gegebenenfalls auch der Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger. Insofern sind Frauen aufgrund ihrer verschiedenen Rollen (z.B. Arbeitnehmerin, Mutter, Partnerin, Pflegende, Betreuerin von Hausaufga‐ <?page no="268"?> ben, gerade in Zeiten der Corona-Pandemie, „Haushälterin“, Privatperson) in den unterschiedlichen Lebenswelten oft mehrfach belastet und stehen multiplen Barrieren gegenüber, die einen Ausgleich der verschiedenen Lebenswelten massiv erschweren. Daher benötigen Frauen besondere Un‐ terstützung bei der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben sowie spezifische Work-Lief-Balance-Maßnahmen. 5.2 Zielgruppe Familien (inclusive Alleinerziehende) Familien fällt es häufig besonders schwer, den unterschiedlichen Anforde‐ rungen der verschiedenen Lebensbereiche gerecht zu werden und sie zu vereinbaren. Zu den „Familien“ werden hier alle familiären Konstellationen gezählt, bei denen leibliche oder nicht-leibliche Eltern, Paare oder Alleiner‐ ziehende mit ihren Kindern zusammenleben. Dazu gehören u. a. verheiratete oder unverheiratete (leibliche oder nicht-leibliche) Eltern und Paare, die mit ihren Kindern zusammenleben, Patchwork-Familien und Alleinerziehende. Familien mit Kindern stehen vor dem Problem, die zeitlichen und inhaltli‐ chen Anforderungen des Berufslebens mit der Erziehung und Betreuung der Kinder sowie mit dem gemeinsamen Familienleben zu vereinbaren. Arbeiten beide Elternteile, so lassen sich häufig die geforderten Arbeitszeiten der Berufstätigen nur schwer mit der Kinderbetreuung und den Öffnungszeiten von organisierten Kinderbetreuungseinrichtungen vereinbaren. Besonders betroffen sind davon Beschäftigte, die in Schichtsystemen arbeiten, lange Servicezeiten (z.B. im Einzelhandel, Gastronomie, Hotelgewerbe) abdecken müssen oder häufiger Überstunden leisten. Aber auch ressourcenmäßig sind berufstätige Eltern oft sehr strapaziert, um nach einem anstrengenden Arbeitstag den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden (z.B. Spielen, Erzählen, Hausaufgaben betreuen, Arztbesuche) und den Familienhaushalt zu organisieren (z.B. Einkaufen gehen, Waschen, Essen kochen etc.). Handelt es sich um einen Double Carrier-Familien-Haushalt, d. h., dass beide Elternteile stark karriereorientiert sind, entsprechend anspruchsvolle und mit besonders hohen beruflichen Anforderungen verbundene Beschäf‐ tigungen (z.B. Führungspositionen, Fachexperten, Selbstständige) ausüben und zusätzlich Kinder betreuen, verschärfen sich die zeitlichen und ressour‐ cenorientierten Probleme der Vereinbarkeit verschiedener Lebensbereiche drastisch. Ebenfalls besonders schwierig wird die Vereinbarkeit der ver‐ schiedenen Lebensbereiche, wenn die berufstätigen Eltern beruflich mobil 5 Zielgruppen einer Work-Life-Balance 268 <?page no="269"?> sein müssen (z.B. Dienstreisen, berufliches Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort) und wenig oder gar keine Unterstützung durch das familiäre oder private Umfeld (z.B. Großeltern, Freunde, die bei zeitlichen Engpässen der Kinderbetreuung einspringen können) erfahren. Besonders belastet sind Alleinerziehende mit Kindern, da sie Beruf, Kin‐ der und Privatleben zeitlich und kapazitätsmäßig meist ohne Unterstützung alleine bewältigen und aufeinander abstimmen müssen. Zusätzlich stehen Alleinerziehende immer öfter wirtschaftlichen Problemen gegenüber, da sie häufig teilzeitbeschäftigt sind oder prekäre Beschäftigungsverhältnisse haben. Dadurch sind vor allem Alleinerziehende und ihre Kinder häufig von Armut bedroht. Da im Zuge des demografischen Wandels die Anzahl der Jüngeren bereits heute zurückgeht und demgegenüber die Anzahl der Älteren zunimmt und auch die Lebenserwartung der älteren Menschen steigt, stehen immer mehr Berufstätige vor der Herausforderung, sich um ihre älteren oder pflegebedürftige Eltern oder Angehörigen zu kümmern. „Im Dezember 2017 waren 3,4 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI); die Mehrheit (63%) waren Frauen. 81% der Pflegebedürftigen waren 65 Jahre und älter; 85 Jahre und älter waren 35%. Gut drei Viertel (76% bzw. 2,59 Millionen) der Pflegebedürftigen wurden zu Hause versorgt.“ (Statistisches Bundesamt 2018a, S. 8). Dabei übernehmen die Frauen (z.B. Töchter, Ehepartner, Schwiegertöchter) den überwiegenden Anteil der Pflege der Angehörigen, der nach Aussage des DAK Pflegereports im Jahr 2015 bei 90% lag! (DAK Pflegereport 2015). Für die pflegenden Frauen stellt die Vereinbarung der Pflege von Angehörigen mit einer Erwerbstätigkeit und vielleicht noch einer Familie mit minderjäh‐ rigen Kindern eine extreme körperliche und seelische Belastung dar. Die Herausforderungen der Betreuung und Pflege von Familienangehörigen nehmen insbesondere dadurch zu, dass sich die Lasten der Betreuung auf immer weniger Jüngere verteilt, die Dauer der Betreuung aufgrund der höheren Lebenserwartung ansteigt (und mehrere Jahre dauern kann) und die Betroffenen häufig noch im Berufsleben stehen. Gleichzeitig steigt die Anzahl derjenigen Berufstätigen, die erst in einem mittleren Alter (ca. 30 Jahre bis 40 Jahre) eine Familie gegründet haben und sich daher sowohl um die betreuungspflichtigen Kinder als auch schon um die älter werdenden und ggf. betreuungs- oder pflegebedürftigen eigenen Eltern kümmern müssen. Diese Generation wird als „Sandwich-Generation“ bezeichnet und ist ganz besonders vielfältigen beruflichen und privaten Belastungen ausgesetzt. 5.2 Zielgruppe Familien (inclusive Alleinerziehende) 269 <?page no="270"?> Die Entwicklung und Bereitstellung familienorientierter Work-Life-Ba‐ lance Maßnahmen ist daher gerade für Familien außerordentlich wichtig und kann helfen, zeitliche und ressourcenorientierte Engpässe und Überlas‐ tungen zu vermeiden bzw. zu reduzieren. 5.3 Zielgruppe ältere Mitarbeiter Wer sind eigentlich die „älteren Mitarbeitenden“? Eine genaue Definition gibt es nicht. Im Personalmanagement werden meist Mitarbeitende ab dem 50. Lebensjahr als „ältere Mitarbeitende“ bezeichnet. Teilweise werden auch Mitarbeitende, die sich in der zweiten Lebenshälfte befinden, also ab dem 45. Lebensjahr, als „ältere Mitarbeitende“ bezeichnet. Die OECD vermeidet eine konkrete Altersangabe bei der Abgrenzung älterer Mitarbeitender. „Nach ihrer [OECD] Definition gelten als ältere Arbeitnehmer diejenigen Mitarbeiter, die in der zweiten Hälfte des Berufslebens stehen, das Renten‐ alter noch nicht erreicht haben sowie gesund und leistungsfähig sind.“ (BAuA 2008, S. 9). Demgegenüber ordnet das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung ältere Mitarbeitende in einem Lebensalter von 45 Jahren bis 55 Jahren ein (vgl. ebenda). Unternehmen hingegen werten Beschäftigte ab dem 55. Lebensjahr oft als „ältere Mitarbeitende“. Etwas allgemeiner bzw. grundsätzlicher beschreibt der Wuppertaler Kreis e. V. Bundesverband betriebliche Weiterbildung „ältere Mitarbeitende“: „Mit dem Begriff ›ältere Beschäftigte‹ wird eine Personengruppe bezeichnet, die im Erwerbsleben bzw. auf dem Arbeitsmarkt mit altersbedingten Schwierigkeiten bzw. Risi‐ ken konfrontiert ist, weil entweder tatsächlich oder vermeintlich von einer bestimmten Altersgruppe ab die berufliche Leistungsfähigkeit abnimmt.“ Mit anderen Worten: Als älterer Beschäftigter gilt man irgendwann im Alter zwischen 40 und 60, je nach Definition.“ (BAuA 2008, S. 9). Für die weiteren Ausführungen ordnen wir „ältere Mitarbeitende“ als Menschen ab dem 50. Lebensjahr ein. Beruflich sind ältere Mitarbeitende oft starken beruflichen Belastungen ausgesetzt, die aus den steigenden und häufig auch immer schneller sich verändernden beruflichen Anforderungen sowie hohen Arbeitsbelastungen resultieren. Der wirtschaftliche und wettbewerbsinduzierte Druck vieler Unternehmen führt nicht selten dazu, dass weniger Mitarbeitende ausge‐ dehntere Aufgabenbereiche und höhere Arbeitsanforderungen bewältigen müssen. Zusätzlich steigt die Notwendigkeit, in immer kürzeren Abstän‐ 5 Zielgruppen einer Work-Life-Balance 270 <?page no="271"?> den neue Kenntnisse und Qualifikationen zu erwerben, um die eigene Beschäftigungsfähigkeit aufrecht zu erhalten und ggf. auszubauen. Die Forderung nach einem „lebenslangen Lernen“ ist für viele Erwerbstätige bereits Realität. Gleichzeitig erfahren ältere Mitarbeitende in vielen Unter‐ nehmen keine hohe Wertschätzung, da ihnen mit zunehmendem Alter eine sinkende Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit unterstellt wird. Dies begünstigt eine Demotivation und steigende Arbeitsunzufriedenheit der älteren Mitarbeitenden, die sich selbst anders wahrnehmen und noch lange nicht „zum alten Eisen“ zählen möchten. Auch privat sind ältere Mitarbeiter häufig mehrfach belastet, da auch sie oft noch zu der „Sandwich-Generation“ gehören. Eine steigende An‐ zahl der über 45-Jährigen betreut noch schulpflichtige Kinder, was hohe Anforderungen an den Ausgleich des Berufs- und Familienlebens stellt. Darüber hinaus müssen viele der älteren Mitarbeiter noch pflegebedürftige Familienmitglieder (häufig die Eltern oder nahe Verwandte) betreuen, was über die Dauer der Betreuung an den physischen und psychischen Kräften der jeweils Betroffenen zehrt. Ältere Mitarbeiter stellen aber auch oft hohe Ansprüche an ein erfülltes Privat- und Freizeitleben, das sich in privaten Hobbies, Reisen, eigenen Weiterbildungen und sportlichen Aktivitäten zeigt. So stehen auch oder gerade die älteren Mitarbeitenden ebenfalls vor der Schwierigkeit, ihre verschiedenen Lebenswelten miteinander zu vereinba‐ ren und auszugleichen. Für die Unternehmen sind die älteren Mitarbeiter eine wichtige Ziel‐ gruppe im Rahmen von Work-Life-Balance-Maßnahmen, und zwar aus folgenden Gründen. Im Zuge des demografischen Wandels sinkt der Anteil der jüngeren (potentiellen) Fach- und Führungskräfte, wohingegen der Anteil der älteren Mitarbeiter in den Belegschaften deutlich steigt. Schon heute liegt das Durchschnittsalter vieler Belegschaften bei 45 bzw. 50 Jahren und höher. Un‐ ternehmen sind daher gefordert, schon heute aber insbesondere in Zukunft, mit einer insgesamt älter werdenden Belegschaft genauso leistungs- und innovationsfähig zu bleiben, wie mit den bislang jüngeren Belegschaften. Die immer noch verbreitete Praxis, ihre Mitarbeitenden vorzeitig in die Altersteilzeit oder den Vorruhestand zu schicken, können sich Unternehmen zukünftig nicht mehr leisten. Gerade die älteren Mitarbeiter verfügen über wertvolle berufs- und unternehmensbezogene Fach- und Erfahrungswissensbestände, die für die Unternehmen häufig erfolgsrelevant sind. Insofern gilt es, diesen wertvollen 5.3 Zielgruppe ältere Mitarbeiter 271 <?page no="272"?> Wissensträgern eine gebührende Wertschätzung entgegen zu bringen und sie nicht einfach vorzeitig in den Ruhestand zu schicken. Ältere Mitarbeiter sind den hohen und sich immer schneller verän‐ dernden beruflichen Anforderungen und Belastungen nicht mehr uneinge‐ schränkt gewachsen. Daher brauchen sie geeignete Unterstützung (durch entsprechende Maßnahmen), um ihre physische und psychische Leistungs‐ fähigkeit dauerhaft erhalten zu können. Wie gut ältere Mitarbeiter mit den ständig steigenden beruflichen Anforderungen und Belastungen um‐ gehen können, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Sind Mitarbeiter eher einseitigen beruflichen Belastungen ausgesetzt, so führen diese im Zeitverlauf sehr wahrscheinlich zu gesundheitlichen Einschränkungen bzw. Krankheiten. Bestehen jedoch Möglichkeiten, einseitige Belastungen auszu‐ gleichen (z.B. durch Job-Rotation), oder Phasen hoher Anspannung und Arbeitsbelastung mit Phasen einer entspannteren und geringeren Arbeits‐ belastung abzuwechseln, so kann einer dauerhaften Arbeitsüberlastung älterer Mitarbeiter mit gesundheitlichen Folgen vorgebeugt werden. Auch wenn die physische und psychische Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter mit zunehmendem Alter Schwankungen unterliegt (vgl. Kap. 2.4.7), können diese durch geeignete präventive, berufs- und lebensbegleitende Maßnah‐ men aufgefangen bzw. ausgeglichen werden und die Mitarbeitenden bis zum Renteneintrittsalter und darüber hinaus sehr leistungsfähig sein. Ältere Mitarbeitende möchten nicht „zum alten Eisen“ gehören und aussortiert werden. Viele von ihnen fühlen sich noch gar nicht „älter“ und sind häufig aufgrund einer gesünderen Lebensweise und gesünderer Lebensbedingungen auch noch viel leistungsfähiger als die Generation vor ihnen im gleichen Alter. Darüber hinaus weisen ältere Mitarbeiter meist eine hohe intrinsische Arbeitsmotivation auf, können auch größere Belastungen aufgrund ihrer Erfahrung gut bewältigen, fühlen sich oft stark mit dem Arbeitgeber ver‐ bunden und sind i. d. R. sehr zuverlässig und erfahren. All diese Vorteile der Arbeitsmotivation und Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeitender sollten die Unternehmen und Vorgesetzten viel stärker wertschätzen und dies sowohl individuell als auch organisationskulturell kommunizieren. Zusätzlich kann das Erfahrungswissen der älteren Mitarbeitenden durch eine stärkere Betei‐ ligung an arbeits- und aufgabenbezogenen Entscheidungen im jeweiligen Aufgabenbereich für das Unternehmen genutzt werden, was sowohl eine Wertschätzung der älteren Mitarbeiter bedeutet als auch das individuelle Erfahrungswissen stärker in die Organisation einbindet. 5 Zielgruppen einer Work-Life-Balance 272 <?page no="273"?> Im Zuge einer Work-Life-Balance Strategie müssen Unternehmen ge‐ eignete Maßnahmen entwickeln, um die Leistungsfähigkeit ihrer älteren Mitarbeiter dauerhaft aufrecht zu erhalten und zu steigern. Hierzu not‐ wendig ist ein Gesundheitsmanagement, das die präventive und kurative Gesunderhaltung der Mitarbeiter unterstützt. Gefordert ist aber auch die Personalentwicklung, um den Erhalt aber auch den Ausbau der Qualifikatio‐ nen und Kompetenzen der älteren Mitarbeitenden sicherzustellen. Hierbei kommt dem „lebenslangen Lernen“ eine ganz besonders große Bedeutung zu. Zusätzlich bedarf es geeigneter Anreizinstrumente, um die Motivation und das Engagement der älteren Mitarbeiter aufrecht zu erhalten und zu fördern. Bedeutsam ist hier nicht nur der Einfluss der Unternehmenskultur und der Wertschätzung der älteren Mitarbeiter, sondern auch die Entwick‐ lung geeigneter Karriere- und Entwicklungsperspektiven speziell für ältere Mitarbeiter. 5.4 Zielgruppe Generation Y Im Gegensatz zu den älteren Mitarbeitern, die entweder noch der Generation der Baby-Boomer (1950 - 1964) oder teils schon der Generation X (1965 - 1979) angehören, stellen die Mitglieder der Generation Y, die in dem Zeitraum von 1980 bis 1994 geboren sind (vgl. Parment 2009, S. 15; 22), ganz andere Ansprüche an ihre zukünftigen Arbeitgeber, die auf ihre spezifischen Arbeitswerte zurückzuführen sind. Die Generation Y ist überwiegend sehr gut ausgebildet, verfügt über ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein und eine hohe Leistungsfähigkeit (vgl. Ferri-Reed 2010, S. 32; Lindquist 2008, S. 57). Sie begegnet Herausforderun‐ gen aufgeschlossen und möchte in ihrem Arbeitsleben sinn- und bedeu‐ tungsvolle Leistungen erbringen (vgl. Johnson Controls 2010, S. 19). Sie ist Schnelligkeit und häufige Veränderungen gewohnt und präferiert sie auch im Berufsleben. Aufgrund ihrer technischen Versiertheit und vielfältigen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten hat diese Generation die ausgeprägte Fähigkeit, schnell umfangreiche Informationen zu beschaffen und zu verarbeiten (vgl. Appel/ Michel-Dittgen 2013). Zugute kommt ihr dabei auch die intensive Nutzung ihrer vielfältigen sozialen Netzwerke. Allerdings ist diese Generation auch sehr ungeduldig und egozentrisch. Diese Charakteristika der Generation Y spiegeln sich auch in ihren wesentlichen Arbeitswerten und hohen Ansprüchen an die Erwerbstätig‐ 5.4 Zielgruppe Generation Y 273 <?page no="274"?> keit. Neben einer hohen Leistungsorientierung ist diese Generation stark ergebnisorientiert. Aufgabenbezogene Gestaltungsspielräume, Möglichkei‐ ten der arbeitsbezogenen Partizipation sowie berufliche Entwicklungsmög‐ lichkeiten und interessante Karriereperspektiven sind ihr wichtig (vgl. Kienbaum 2010, S. 1). Sie ist es gewohnt, im Team zu arbeiten, erwartet jedoch eine mitarbeiterorientierte Führung und eine deutliche materielle, aber auch immaterielle Anerkennung ihrer Leistungen. Auch ein attrak‐ tiver Standort und ein kollegiales Arbeitsumfeld sind der Generation Y wichtig. Die Erfahrung, dass viele Beschäftigungsverhältnisse zunehmend unsicher und zeitlich begrenzt sind, hat dazu geführt, dass die Generation Y eine gewisse Illoyalität ihren Arbeitgebern gegenüber entwickelt hat. Da lebenslange Beschäftigungsverhältnisse kaum noch existieren und von den jungen Nachwuchskräften vielfältige Erfahrungen in unterschiedlichen Berufsfeldern erwartet werden, haben sich die beruflichen Präferenzen der Generation Y auf häufiger wechselnde, eher kurzfristige, interessante und herausfordernde Beschäftigungsmöglichkeiten hin entwickelt. Dies hat zur Folge, dass die Mitglieder der Generation Y ihre Arbeitsstellen häufiger wechseln und attraktive - auch internationale - Arbeitsangebot und Kar‐ rierechancen gerne annehmen, ohne sich ihrem aktuellen Arbeitgeber sehr verbunden zu fühlen (vgl. Parment 2009, S. 27; Appel/ Michel-Dittgen 2013). Der Generation Y ist eine ausgeglichene Work-Life-Balance sehr wichtig. Insbesondere bevorzugt sie flexible Arbeitszeiten, um ihre verschiedenen Lebensbereiche besser vereinbaren zu können. Aufgrund ihrer Ergebnisori‐ entierung sind der Generation Y feste Arbeitszeiten nicht so wichtig, im Ge‐ genteil hat sie eine hohe Bereitschaft, auch abends oder am Wochenende zu arbeiten und erreichbar zu sein. Dafür erwartet sie von ihren Arbeitgebern die Bereitschaft und Flexibilität, auch private Angelegenheiten während der offiziellen Arbeitszeiten erledigen zu dürfen. Hier wird die steigende, auch gewollte, Entgrenzung zwischen dem Arbeits- und Privatleben sehr deutlich. Zusätzlich erwartet die Generation Y von ihren Arbeitgebern eine ausgeprägte Familienorientierung, die sich nicht nur durch zeitliche Flexibi‐ lität, sondern auch durch familienorientierte Angebote (z.B. Möglichkeiten der Kinderbetreuung, längere Auszeiten für die Betreuung pflegebedürftiger Familienangehöriger o. ä.) zum Ausdruck kommt. Das Wissen um die Ver‐ knappung jüngerer Nachwuchskräfte aufgrund des demografischen Wan‐ dels stärkt das ausgeprägte Selbstbewusstsein und die Anspruchshaltung der Generation Y zusätzlich. So sind die Arbeitgeber gefordert, entsprechende Work-Life-Balance-Angebote zu entwickeln und bereitzustellen. 5 Zielgruppen einer Work-Life-Balance 274 <?page no="275"?> 5.5 Zielgruppe Generation Z Bis zum Jahr 2021 sind nur die älteren Mitglieder der Generation Z (Gebur‐ tenjahrgänge 1995 bis 2009) im Berufsleben angekommen. Ein größerer Teil von ihnen befindet sich noch im Studium, in der Ausbildung oder noch in der Schule. Die bisherigen empirischen Untersuchungen der Werthaltungen der Generation Z weisen jedoch auf deutlich andere, vor allem arbeitsbezogene Werte dieser noch jungen Generation hin (vgl. Scholz 2014; Maas 2019; Albert 2019). Als Zielgruppe für Arbeitgeber und für Work-Life-Balance Maßnahmen sind vor allem die folgenden arbeitsbezogenen Werthaltungen und Charak‐ teristika wichtig. Die Generation Z ist es gewohnt, beachtet zu werden und Aufmerksamkeit zu bekommen. Dies gilt auch für den Umgang mit ihnen als Bewerber. So erwarten sie eine individuelle Ansprache bei ausgeschriebenen Stellen, einfache, digital unterstütze Bewerbungsmöglichkeiten, schnelle Rückmeldungen auf ihre Bewerbungen und einen respektvollen Umgang während des Bewerbungsprozesses. Die Generation Z wünscht sich Sicher‐ heit und Stabilität, das gilt auch für das Arbeitsleben. So werden unbefristete Beschäftigungen mit gutem Einkommen, klar geregelten Arbeitszeiten und möglichst ohne Überstunden bevorzugt. Da ihnen ihr Privatleben sehr wichtig ist, möchte die Generation Z auch nicht rund um die Uhr für den Arbeitgeber erreichbar sein. Für einen freien Feierabend und ein freies Wochenende verzichtet sie auch gerne auf flexible Arbeitsmodelle und arbeitet auch gerne in Teilzeit. Hier liegt die Präferenz bislang deutlich auf einer Work-Life-Separation. Im Hinblick auf die Arbeitsinhalte und Arbeitsbedingungen bevorzugen Mitglieder der Generation Z inhaltlich anspruchsvolle und sinnstiftende Tätigkeiten mit interessanten Entwick‐ lungsperspektiven. Eine umfangreiche digitale technische Ausstattung ist dabei selbstverständlich. Demgegenüber ist ihre Karriereorientierung nicht so stark ausgeprägt wie bei der Generation Y. Wichtig ist ihnen auch ein gutes Betriebsklima und nette Kollegen, mit denen sie zusammenarbeiten. (vgl. Maas 2019; Albert 2019). Als Zielgruppe für Work-Life-Balance Maßnahmen sind für die Genera‐ tion Z vor allem diejenigen Maßnahmen wichtig, die ihnen dabei helfen, die Arbeitswelt klar von ihren privaten Lebenswelten abzugrenzen. Aber auch Maßnahmen zur Anerkennung ihrer Leistungen und die Vermittlung einer sicheren und stabilen Beschäftigung sind hier wichtig. (vgl. Albert 2019; Krings/ Hurrelmann 2019; Maas 2019; Scholz 2014). 5.5 Zielgruppe Generation Z 275 <?page no="276"?> 5.6 Zielgruppe Führungskräfte Führungskräfte beeinflussen den Erfolg von Unternehmen ganz entschei‐ dend. Ausgestattet mit umfangreichen Entscheidungskompetenzen, beson‐ deren Befugnissen und Führungsaufgaben sind sie verantwortlich für die strategische Entwicklung und operative Leistungsfähigkeit ihres Aufgaben‐ bereichs und denen ihnen unterstellten Mitarbeitenden. Damit verbunden sind außerordentlich hohe psychische und physische Arbeitsbelastungen. Häufig arbeiten Führungskräfte 12 und mehr Stunden pro Tag, zusätzlich noch abends und meist auch am Wochenende, woraus sich nicht selten 80 bis 90 Arbeitsstunden pro Woche ergeben (vgl. Stock-Homburg, 2011, S. 541; 543). Hinzu kommen häufige Dienstreisen, in internationalen Un‐ ternehmen mit entsprechende Zeitverschiebungen durch unterschiedliche Zeitzonen. Diese langen Arbeitszeiten und oft wechselnden Arbeitsbedin‐ gungen führen zu hohen physischen Arbeitsbelastungen. Zusätzlich sind Führungskräfte starken psychischen Belastungen ausgesetzt, die auf häu‐ figen Zeitdruck bei Entscheidungen sowie ihrer hohen inhaltlichen und Ergebnisverantwortung (Arbeitsergebnisse, Kosten etc.) zurückzuführen sind. Während Führungskräfte auf höheren Hierarchieebenen oft noch von ihrem hierarchischen Status und ihrer hierarchischen Anerkennung zehren können, befinden sich Führungskräfte in den mittleren und unteren hierarchischen Ebenen (z.B. auf der Meisterebene) oft in einer sogenann‐ ten „Sandwich-Position“, die eher weniger Anerkennung erfährt. Dabei bekommen diese Führungskräfte von ihren Vorgesetzten (von „oben“) viel Arbeits- und Zeitdruck, den sie an ihre Mitarbeitenden weitergeben müssen, um vorgegebene Arbeitsziele zu erreichen. Häufig erfahren diese Führungs‐ kräfte weder von ihren Vorgesetzten noch von ihren Mitarbeitenden eine besondere Anerkennung, was ihre Position und Aufgabenerfüllung nicht einfacher macht und ihre Arbeitszufriedenheit vermutlich belastet. Eine dauerhafte physische und psychische Arbeitsüberlastung beein‐ trächtigt die Leistungsfähigkeit der Führungskräfte und kann zu fehlerhaf‐ ten Entscheidungen sowie einer geringeren Loyalität dem eigenen Arbeit‐ geber gegenüber führen (vgl. Stock-Homburg 2011, S. 541). Empirische Untersuchungen bestätigen die Zunahme von Arbeitsunfähigkeitsfällen, die auf psychische Erkrankungen zurückzuführen sind und seit 1985 um 80% gestiegen sind (vgl. WIdO 2009). Die konkrete Betroffenheit von Führungskräften durch psychische Erkrankungen wird an folgenden Zahlen deutlich: Ca. 30% der deutschen Führungskräfte leidet unter Arbeitssucht 5 Zielgruppen einer Work-Life-Balance 276 <?page no="277"?> (Workaholismus), ca. 10% der Führungskräfte sind „stark Burnout-gefähr‐ det“ (Stock-Homburg 2011, S. 542; vgl. Stock-Homburg/ Bauer 2008). Hinzu kommt eine steigende Zahl an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Erkranken Führungskräfte aufgrund ihrer dauerhaften Arbeitsüberlas‐ tung, sind damit für das betroffene Unternehmen erhebliche Kosten verbun‐ den, die sich nur teilweise tatsächlich beziffern lassen. Insofern bilden gerade Führungskräfte eine wesentliche Zielgruppe für Work-Life-Balance-Maß‐ nahmen, um ernsthafte und folgenschwere psychische und physische Ar‐ beitsüberlastungen zu vermeiden bzw. bei ersten Anzeichen einer Arbeits‐ überlastung eingreifen zu können. 5.6 Zielgruppe Führungskräfte 277 <?page no="279"?> 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance Ansatzpunkte zur Verbesserung der Work-Life-Balance können und sollten grundsätzlich auf den Ebenen des Individuums, der Gesellschaft und der Unternehmen ansetzen. Die individuelle Ebene umfasst alle Maßnahmen, die der persönlichen Verbesserung der eigenen Work-Life-Balance dienen. Dazu gehören eigene Einstellungen, das Setzen von Prioritäten, Beratungsangebote aber auch aktive individuelle Verhaltensweisen, um die Vereinbarkeit der persönlichen Lebenswelten zu steigern. Auf der gesellschaftlichen und politischen Ebene gilt es die Rahmenbedingungen für eine bessere persönliche Work-Life- Balance zu verbessern. Dazu gehören u. a. der Ausbau der Angebote zur Un‐ terstützung der Familien bei der Betreuung von Kindern und pflegebedürf‐ tigen Angehörigen (finanzielle Unterstützung, Betreuungseinrichtungen, Beratung), dem Ausbau der städtischen Infrastruktur zur Reduzierung von Wegezeiten, aber auch Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit der Geschlechter sowie der Menschen in ihrer Vielfalt schlechthin (im Sinne eines Diversity Konzeptes). Auch die aktuelle Diskussion um eine gesetzliche Verankerung des Rechtes von Arbeitnehmenden auf Homeoffice ist ein wichtiger gesellschaftlicher Aspekt zur Verbesserung der Work- Life-Balance von Beschäftigten. Die Ebene der Unternehmen umfasst alle betrieblichen Maßnahmen, die der Unterstützung bzw. Förderung der Ver‐ einbarkeit zwischen Berufsleben und Privatleben der Mitarbeiter dienen. Im Folgenden konzentriert sich die Diskussion auf die Vielfalt an Maßnahmen zur Verbesserung der Work-Life-Balance der Mitarbeitenden auf der Unter‐ nehmensebene. Unternehmen und Organisationen können eine Vielzahl an Maßnahmen initiieren, um ihren Mitarbeitenden die Vereinbarkeit zwischen dem Ar‐ beits- und Privatleben zu erleichtern. Inhaltlich lassen sich diese Maßnah‐ men sowohl in die im letzten Kapitel vorgestellten Zielgruppen unterteilen sowie zusätzlich in arbeitsorientierte, serviceorientierte und gesundheits‐ orientierte Maßnahmen. Die folgende Abbildung (vgl. Abbildung 85) bietet einen Überblick über die verschiedenen Bereiche und jeweils dazugehörige Maßnahmen. <?page no="280"?> WLB-Maßnahmen Arbeitsplatz Arbeitsbedingungen Arbeitsformen Arbeitsinhalte Arbeitszeit Qualifikation Förderung …. Arbeitsorientierte Maßnahmen Maßnahmen für Familien Maßnahmen für Frauen Maßnahmen für ältere Mitarbeiter Maßnahmen für Generation Y Maßnahmen für Führungskräfte Serviceorientierte Maßnahmen Gesundheitsorientierte Maßnahmen Kontakten Wiedereinstiegsprogramme Kinderbetreuung Infos + Beratung für Pflege von Angehörigen Notfallhilfen Flexible Arbeitsmodelle Serviceleistungen … Fitness-Kurse, Ernährungs- und Suchtberatung, Gesundheitschecks, Selbstmanagementtechniken Wiedereinglie derung in den Arbeitsrozess, Arbeitsumverteilung …. Haushaltsnahe Dienstleistungen (Einkauf, Haushalt, Bügelservice) ….. Flexible Arbeitsmodelle Kinderbetreuung Frauenförderprogramme Frauenspezifische Karrieremodelle Mentoring- Programme … Altersgerechte Arbeitsmodelle, Qualifikationen + Karrieremodelle Management by Knowledge Objectives Altersgemische Teams Tandem Modelle Gesundheitsangebote … Flexible Arbeitsmodelle interessante Aufgabeninhalte, Gestaltungsspielräume, materielle + immaterielle Anreizsysteme Qualifikationen Karriereperspektiven Serviceleistungen … FK-Trainings Flexible Arbeitsmodelle Teilzeitarbeit Elternzeit Gesundheits angebote … Abbildung 86: Überblick über Bereiche und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Work-Life-Balance von Mitarbeitenden. Eigene Darstellung. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 280 <?page no="281"?> 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen Alle Maßnahmen, die die Gestaltung der Arbeitssituation und Arbeitsbedin‐ gungen betreffen, werden als arbeitsorientierte Maßnahmen bezeichnet. Arbeitsorientierte Maßnahmen zur Verbesserung der Work-Life-Balance können sich auf die Gestaltung des Arbeitsplatzes bzw. Arbeitsortes, die Arbeitsinhalte und die Flexibilisierung der Arbeitszeit und/ oder des Arbeits‐ ortes erstrecken. 6.1.1 Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsortes Arbeitnehmer erfüllen ihre vertraglichen Arbeitsleistungen an einem be‐ stimmten Ort, nämlich dem Arbeitsort und an einem bestimmten Arbeits‐ platz innerhalb des Unternehmens. Der Arbeitsplatz umfasst alle Einrich‐ tungen und Mittel, die der Mitarbeiter zur Erfüllung seiner vereinbarten Aufgaben im Unternehmen benötigt. Der Arbeitsort bezeichnet den räum‐ lichen Standort des Arbeitsplatzes. Dieser kann sich einmal innerhalb oder auch außerhalb des Unternehmens befinden, zum anderen jedoch auch im Inland oder Ausland, wenn sich der Arbeitsplatz z.B. in einem ausländischen Tochterunternehmen befindet. (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 167). Die Lage des Arbeitsortes beeinflusst maßgeblich die Möglichkeiten und Grenzen einer Vereinbarung der Arbeitswelt mit den anderen Lebenswelten. 6.1.1.1 Maßnahmen zur Gestaltung des Arbeitsplatzes innerhalb des Unternehmens Trotz steigender Flexibilisierung und Mobilität befinden sich auch heute noch die meisten Arbeitsplätze räumlich innerhalb des Unternehmens, d. h. in den Gebäuden oder auf dem Betriebsgelände des Unternehmens. Dabei lassen sich verschiedene Arten von Arbeitsplätzen unterscheiden, die in Tabelle 18 vorgestellt werden. 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 281 <?page no="282"?> Verschiedene Arten des Arbeitsplatzes Kriterien des Arbeitsplat‐ zes Ausprägung des Arbeitsplatzes Anzahl der Mitarbeiten‐ den / Ar‐ beitsplatz Einzelarbeitsplatz Gruppenarbeitsplatz Räumliche Veränder‐ lichkeit des Arbeitsplat‐ zes Stationärer Arbeitsplatz: Fester, nicht ver‐ änderbarer Arbeits‐ platz, z.B. am Empfang, in der Materialausgabe, im Call-Center Wechselnder Arbeitsplatz: Räumlicher Wech‐ sel des Arbeits‐ platzes gehört zur Arbeitsaufgabe; z.B. Postbote, Haus‐ meister, Anlagensi‐ cherheit Mobiler Arbeitsplatz Kein fester örtli‐ cher Arbeitsplatz. Gearbeitet wird an unterschiedli‐ chen, teils selbst bestimmbaren Ar‐ beitsorten und Ar‐ beitsplätzen. Anordnung des Arbeits‐ platzes in der Fertigung Werkstattfertigung: Räumliche Zusam‐ menfassung gleich‐ artiger Arbeitsver‐ richtungen, dazu benötigter Betriebs‐ mittel und Arbeits‐ plätze, z.B. Dre‐ herei, Fräserei, Stanzerei. Der Standort der Ma‐ schinen und der Arbeitsplätze be‐ stimmt den Ferti‐ gungsablauf. Fließfertigung Anordnung der Ar‐ beitsplätze und Be‐ triebsmittel nach dem Fertigungsab‐ lauf, z.B. an ei‐ nem Fließband. Fließfertigung ist kaum anpassungs‐ fähig, störanfällig, weist i. d. R. mono‐ tone und einseitig physische Arbeits‐ beanspruchungen auf. (Z.B. Arbeits‐ platz am Fließband in der Automobilin‐ dustrie) Gruppenfertigung Kombination aus Werkstatt- und Fließfertigung. Betriebsmittel und Arbeitsplätze werden für be‐ stimmte Phasen des Fertigungsab‐ laufs gruppenori‐ entiert zusam‐ mengefasst Tabelle 18: Verschiedene Arten des Arbeitsplatzes. Eigene Darstellung. Mit der Gestaltung des Arbeitsplatzes werden insbesondere zwei Ziele verfolgt: 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 282 <?page no="283"?> ▸ erstens die bestmögliche Ausführung der Arbeitsaufgaben sowie ▸ zweitens die menschengerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 168). Vor allem den Arbeitswissenschaften (insbesondere die Arbeitsphysiolo‐ gie, die Arbeitspsychologie, die Arbeitssoziologie und die Arbeitsmedizin) untersuchen die Gestaltung des Arbeitsplatzes im Hinblick auf anthropo‐ metrische, physiologische, psychologische, soziologische und medizinische Gegebenheiten und Auswirkungen der Arbeitsplatzgestaltung (vgl. Ber‐ thel/ Becker 2010, S. 512 ff.). Die anthropometrische Arbeitsgestaltung untersucht und analysiert u. a. arbeitsbedingte Bewegungsabläufe, die Eignung der Arbeitsmittel und die Gestaltung des Arbeitsplatzes. Mit ihrer Hilfe kann der Arbeitsplatz optimal auf den Menschen ausgerichtet werden, wobei zum Beispiel das Gesichtsfeld und der Griffbereich des Mitarbeiters sowie die Arbeitsplatz‐ höhe und die Anordnung der Arbeitsmittel (z.B. Schalter, Pedale, Werkzeug) berücksichtigt werden. Der Einfluss des Arbeitsplatzes und der Arbeitsumgebung auf den mensch‐ lichen Körper und daraus resultierende körperliche und geistige Belastungen sowie Ermüdungserscheinungen werden von der physiologischen Arbeits‐ platzgestaltung untersucht. Sie dient dazu, den Wirkungsgrad der menschli‐ chen Arbeit zu verbessern, z.B. durch die Verringerung der auszuübenden bzw. einzusetzenden (Muskel-)Kräfte, durch die Ermittlung notwendiger Erholungs‐ zeiten, durch den Wechsel von Arbeitstätigkeiten und die Analyse der besten Körperhaltungen bei der jeweiligen Arbeit. Darüber hinaus untersucht sie die arbeitsgerechte Gestaltung der Umgebungseinflüsse auf den Arbeitsplatz, zu denen insbesondere die folgenden Faktoren gehören: Das Klima am Arbeitsplatz: Es wird beeinflusst von der Lufttemperatur, der Luftfeuchtigkeit, der Wärmestrahlung und der Luftgeschwindigkeit. Weitere Einflussfaktoren des Klimas auf den Menschen sind die Schwere der körperlichen und geistigen Tätigkeit, die zu tragende Arbeitskleidung sowie die individuelle Konstitution und Kondition des Mitarbeiters. Wichtig ist hierbei eine der Arbeitsbelastung und Konstitution des Mitarbeiters optimal angepasste manuelle oder automatische Regulierung des Klimas durch Kühlung, Heizung, Be- und -entlüftung und Entstaubung. Der Lärm am Arbeitsplatz: Als Lärm werden störende Geräusche am Arbeitsplatz empfunden, die durch die Lautstärke, die Dauer der Lärmein‐ wirkung und die Art des Lärms beeinflusst werden. Da eine dauerhafte 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 283 <?page no="284"?> Lärmbelastung zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen kann, bedarf es Maßnahmen des Lärmschutzes am Arbeitsplatz. Dazu gehören z.B. die Isolation von Lärmquellen, die Absorption von Lärm, die Dämpfung oder Verminderung von Lärmquellen sowie die Vermeidung von Resonanz. Die Beleuchtung am Arbeitsplatz: Die Beleuchtung am Arbeitsplatz beein‐ flusst die Sehleistung des Mitarbeiters. Wichtig ist daher eine ausreichende Beleuchtungsstärke des Arbeitsplatzes, die Vermeidung direkter Blendung, ein ausgewogener Leuchtdichtekontrast im Gesichtsfeld des Mitarbeiters sowie eine natürliche Farbwiedergabe. Mechanische Schwingungen: Sie können verschiedene Beeinträchtigungen des Menschen bewirken. So können sie die Sinneswahrnehmung oder auch die Koordination von Auge und Händen beeinträchtigen, aber auch das Wohl‐ befinden und die Leistungsfähigkeit eines Mitarbeiters reduzieren. Daher sollten mechanische Schwingungen am Arbeitsplatz möglichst vermieden werden. Gefahrstoffe: Gefahrstoffe sind flüssige, feste oder gasförmige Stoffe, die auf den Menschen toxisch oder biologisch beeinflussend wirken. Sofern sie im Produktionsprozess verwendet werden, sollte eine Freisetzung von Gefahrstoffen und daraus resultierende Gesundheitsgefahren für die Mitar‐ beiter unbedingt vermieden werden. Darüber hinaus sollte der Umgang mit und die Verwendung von Gefahrstoffen wenn möglich weitgehend vermieden werden und der Einsatz von nicht gesundheitsgefährdenden alternativen Stoffen geprüft werden. Staub: kann nicht nur eingeatmet werden, sondern auch über die Haut oder über Speisen vom Menschen aufgenommen werden. Daher sollten Staubbelastungen, insbesondere mit biogenen oder toxischen Substanzen, die gesundheitsbeeinträchtigend wirken können, unbedingt am Arbeitsplatz und in der Arbeitsumgebung vermieden werden. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die psychologische Arbeitsplatzgestal‐ tung, deren Ziel es ist, eine angenehme und dadurch leistungsfördernde Arbeitsumwelt zu schaffen. Gestaltungsmöglichkeiten bestehen hierbei zum Beispiel in einer ansprechenden Farbgebung des Arbeitsplatzes und der Ar‐ beitsräumlichkeiten. So wirken warme Farben, wie z.B. rot, orange oder gelb, anregend, wohingegen kalte Farben, wie z.B. blau, grün oder violett, eher beruhigend und distanzierend wirken. Der Einsatz von Musik fördert eine positive Grundstimmung und kann helfen, Stimmungstiefs zu bewältigen. Ausgleichend und anregend wirken auch Pflanzen in den Arbeitsräumen. (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 170). 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 284 <?page no="285"?> Um Unfälle am Arbeitsplatz zu verhindern, ist eine sicherheitstech‐ nische Arbeitsgestaltung sehr wichtig. Diese wird unterstützt durch eine Vielzahl an gesetzlichen Vorschriften zur Arbeitssicherheit und zum Umweltschutz, die von den Gewerbeaufsichtsämtern und den Berufsgenos‐ senschaften kontrolliert werden. Dazu zählen u. a. das Arbeitssicherheitsge‐ setz, die Arbeitsstättenverordnung, das Arbeitszeitgesetz, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, die Gewerbeordnung, das Jugendschutzgesetz, das Mutterschutzgesetz sowie das Schwerbehindertenrecht. 6.1.1.2 Maßnahmen zur Gestaltung des Arbeitsplatzes außerhalb des Unternehmens (Flexibilisierung des Arbeitsplatzes) In den letzten zwei Jahrzehnten ist der Anteil an Arbeitsplätzen gestiegen, der sich außerhalb der Unternehmensräumlichkeiten befindet. Zurückzufüh‐ ren ist dies auf die steigende Verbreitung von Dienstleistungen und neuen wissensbasierter Leistungen, die häufig ortsunabhängig oder auch direkt bei den Kunden erbracht werden können, eine steigende Flexibilisierung und Kun‐ denorientierung der Leistungserstellung, die rasante Entwicklung und Nutzung digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien, die Zunahme der Internationalisierung vieler Unternehmen, aber auch auf die Veränderung von Beschäftigungsverhältnissen (steigender Anteil an freiberuflichen Tätigkeiten), dem Wunsch vieler Beschäftiger nach flexibleren Arbeitsorten sowie die Um‐ setzung von Strategien zur besseren Vereinbarkeit insbesondere von Beruf und Familie. Damit verbunden haben sich auch verschiedene Strategien und Konzepte zur Flexibilisierung des Arbeitsplatzes entwickelt. Diese Strategien zur Flexibilisierung des Arbeitsortes sind wesentliche Bestandteile eines unternehmerischen Work-Life-Balance-Konzeptes, da sie gerade Familien die Vereinbarkeit des Berufsmit dem Familienleben erleichtern, aber auch den Wünschen anderer WLB-Zielgruppen nach einer höheren Flexibilität des Arbeitsortes entgegenkommen. Vieldiskutierte und erprobte Konzepte sind hierbei insbesondere der Heimarbeitsplatz, der Telearbeitsplatz sowie das Homeoffice. Heimarbeitsplatz Bei einem Heimarbeitsplatz erfüllt der Mitarbeiter seine Arbeitsaufgaben in der eigenen Wohnung. Der Heimarbeitnehmer ist eine arbeitnehmerähnliche Person, die über das Heimarbeitsgesetz (HAG) abgesichert ist. Das HAG enthält Vorgaben zum Mindestentgelt, Urlaubsgeld, Feiertagsentgelt, Zuschläge zur Vorsorge und bei Krankheit, einen Heimarbeitszuschlag zur Abgeltung ent‐ 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 285 <?page no="286"?> standener Kosten sowie Kündigungsschutzbestimmungen (vgl. Stopp/ Kirsch‐ ten 2012, S. 170). Arbeiten Heimarbeiter überwiegend für ein Unternehmen, so gelten sie als Angestellte des Unternehmens im Sinne des § 6 BetrVG. Gerade für Arbeitnehmer mit kleineren Kindern oder pflegebedürftigen Familienangehörigen ist die Heimarbeit eine gute und häufig genutzte Möglichkeit, um die eigene Berufstätigkeit besser mit den familiären An‐ forderungen und der Betreuung von Kindern oder Familienangehörigen vereinbaren zu können. Telearbeitsplatz Als Telearbeit werden alle Arbeitsplätze und Arbeitsformen verstanden, die sich außerhalb der Räumlichkeiten des Arbeitgebers befinden und durch moderne digitale Informations- und Kommunikationstechnologien unter‐ stützt werden (vgl. z.B. Olfert 2008, S. 193 f.; Kirschten 2019). Die vielfältigen digitalen Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikati‐ onstechnologien wie z.B. der Telekommunikation (z.B. Handy, Smartphone, Tablet, Laptop, Notebook), der elektronischen Datenverarbeitung (z.B. In‐ ternet, Intranet, WLAN) sowie der interaktiven Nutzung elektronischer Medien (z.B. Web 2.0, Videokonferenzen, Online-Lernplattformen, Clouds zur Datenspeicherung) ermöglichen mittlerweile eine sehr flexible und auch ortsunabhängige Gestaltung und Durchführung der Arbeit. Dies hat zur Entwicklung von Arbeitsplätzen geführt, die sich nicht nur außerhalb des Unternehmens befinden, sondern auch zeitlich, örtlich und technisch flexibel gestaltet werden können (vgl. Abbildung 86). Etabliert haben sich sowohl Arbeitsplätze in der eigenen Wohnung als auch ortsunabhängige, d. h. mobile Arbeitsplätze. Zu den mobilen Arbeitsplätzen gehören u. a. die Kundenbetreuung bzw. Leistungserstellung direkt beim Kunden, Tätigkei‐ ten im Baugewebe mit wechselnden Baustellen, Aufgabenbearbeitung in Coworking-Spaces, aber auch das Arbeiten von Zuhause, unterwegs oder von einem beliebigen Ort aufgrund des Arbeitnehmerwunsches nach mehr örtlicher Flexibilität der beruflichen Tätigkeit. Aufgrund der vielfältigen technologischen Entwicklungen existieren um‐ fangreiche Kommunikationsmöglichkeiten zwischen dem Telearbeitsplatz und dem jeweiligen Arbeitgeber. So können über das Internet und die Installation von Zugängen zum unternehmensinternen Intranet Informatio‐ nen, Unterlagen und Arbeitsergebnisse (z.B. über Emails und gemeinsame Dokumentensysteme) ausgetauscht und in gemeinsamen Datenclouds ge‐ speichert werden. Leistungsfähige digitale Telefon- und Videokonferenz‐ 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 286 <?page no="287"?> systeme ermöglichen die ortsunabhängige gemeinsame Bearbeitung von Arbeitsaufgaben und Projekten zwischen Mitarbeitern. Telearbeitsplätze können in zeitlicher Hinsicht als Vollzeit- oder Teilzeitarbeit oder auch als alternierende Telearbeit gestaltet werden. Alternierende Telearbeit bedeu‐ tet, dass der Mitarbeiter einige Arbeitstage pro Woche zu Hause oder mobil arbeitet und einige Arbeitstage im Büro seines Arbeitgebers arbeitet. Je nach verwendeter Technik lassen sich darüber hinaus online- und offline-Tele‐ arbeitsplätze unterscheiden, je nachdem, ob eine kontinuierliche (online) oder nur zeitweise (offline) elektronische Kommunikationsverbindung zum Unternehmen besteht (vgl. Abbildung 86). Flexibilität von Telearbeitsplätzen hinsichtlich Ort Zeit Technische Unterstützung • Zu Hause • Centerbasierte Telearbeitsbüros • Mobile Telearbeit • Vollzeit • Teilzeit • Alternierend • Online Telearbeit • Offline Telearbeit • Mobile elektronische Kommunikation Abbildung 87: Dimensionen und Ausprägungen der Telearbeit. Eigene Darstellung. Die Telearbeit eignet sich jedoch nur für diejenigen Aufgabenbereiche, die - unterstützt durch die digitalen Informations- und Kommunikationstech‐ nologien - örtlich und inhaltlich flexibel gestaltbar und bearbeitbar sind. Dies gilt insbesondere für viele betriebswirtschaftliche Aufgabenbereiche, deren Schwerpunkte im Bereich von planenden, managementorientierten, organisierenden oder strategischen Tätigkeiten liegen. Aber auch IT-Aufga‐ benbereiche, journalistische sowie viele wissenschaftliche Tätigkeiten, teils auch Lehrtätigkeiten sowie kreative und künstlerische Aufgabenbereiche eignen sich häufig für die Telearbeit. Wie viele berufliche Tätigkeiten auch ortsunabhängig oder zu Hause bearbeitbar sind, belegt die aktuell durch die Coronavirus-Pandemie erzwungene Arbeit im Homeoffice, die 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 287 <?page no="288"?> viele Beschäftigte betrifft. Nicht geeignet für die Telearbeit sind alle dieje‐ nigen Aufgabenbereiche, die an bestimmte betriebliche Arbeitsplätze, an festgelegte Präsenzöffnungszeiten (wie z.B. im Einzelhandel, Kundendienst, Arztpraxen) oder an räumlich fest installierte Produktionsanlagen (z.B. Fließbandtätigkeiten, Werkstatttätigkeiten) gebunden sind. Als wesentliche Formen der Telearbeit lassen sich die Tele-Heimarbeit, Telecenter, on-site Telearbeit und die mobile Telearbeit unterscheiden (vgl. Olfert 2010, S. 193 f.; 2019; Eurofound 2020; Hellert 2014, S. 109 ff.), die im Folgenden näher vorgestellt werden. Tele-Heimarbeit Bei der Tele-Heimarbeit arbeiten Arbeitnehmende in der eigenen Wohnung und sind über elektronische Informations- und Kommunikationstechnologien (i. d. R. Internet) mit den elektronischen I+K-Systemen (z.B. Intranet) des Unternehmens verbunden. Je nach konkreter Ausgestaltung bestehen vielfäl‐ tige Möglichkeiten der Kommunikation und des Datenaustauschs mit den Kollegen im Unternehmen. Die Tele-Heimarbeit kann als Vollzeit- oder auch als Teilzeitbeschäftigung ausgeübt werden. Darüber hinaus kann ein Mitarbei‐ tender entweder ausschließlich zu Hause arbeiten, oder alternierend, d. h., dass der Mitarbeitende z.B. zwei Tage pro Arbeitswoche zu Hause arbeitet und drei Tage pro Arbeitswoche im Unternehmen arbeitet. Die Tele-Heimar‐ beit ist als Arbeitsform recht weit verbreitet. Ihre Vorteile bestehen darin, dass Mitarbeitende häusliche und familiäre Verpflichtungen, wie z.B. die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen im Haushalt eher mit einer Tele-Heimarbeit verbinden bzw. erfüllen können, als wenn ihr Arbeitsplatz örtlich an das Unternehmen gebunden wäre. Darüber hin‐ aus können Arbeitstätigkeiten kurzzeitig unterbrochen werden, um andere z.B. familiäre Verpflichtungen zu erfüllen, und später wieder aufgenommen werden (zeitliche Unterbrechungen, eigene zeitliche Einteilung der Arbeit). Auch die selbstbestimmte flexible Gestaltung der täglichen Arbeitszeiten (in Absprache mit dem Arbeitgeber und ggf. Kollegen) kommt den individuellen Zeitbedürfnissen und möglichen familiären zeitlichen Verpflichtungen (z.B. Kinder in den Kindergarten oder zur Schule bringen, Nachmittagsbetreuung der Kinder, Arzttermine mit pflegebedürftigen Familienmitgliedern) der Be‐ schäftigten entgegen. Nachteile der Tele-Heimarbeit bestehen jedoch darin, dass, trotz vielfältiger Kommunikationsmöglichkeiten mit Kollegen und dem Unternehmen, insgesamt oft ein distanzierterer Austausch und weniger soziale Kontaktmöglichkeiten mit den Kollegen bestehen, was zu einer relativen 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 288 <?page no="289"?> Vereinsamung des Tele-Heimarbeiters führen kann. Darüber hinaus kann die berufliche Identität des Tele-Heimarbeiters sowie seine Verbundenheit zum Arbeitgeber durch die isolierte häusliche Arbeit leiden, weshalb eine alternierende Telearbeit bzw. gelegentliche Arbeitszeiten im Unternehmen empfehlenswert sind. Auch zeigen Befragungen, dass die Beschäftigten in der Tele-Heimarbeit bzw. im Homeoffice deutlich mehr Stunden arbeiten als im Büro bzw. beim Arbeitgeber vor Ort (vgl. BauA 2018a; Wirtschaftswoche 19.07.2016; Lott 2019; FAZ 03.09.2020). Telecenter bzw. centerbasierte Telearbeit Richtet ein Unternehmen oder auch mehrere Unternehmen gemeinsam ein oder mehrere Telearbeitsbüros für mehrere Mitarbeiter außerhalb des eigenen Unternehmens ein, so werden diese als Telecenter und die Arbeit in diesen ausgelagerten Büros als centerbasierte Telearbeit bezeichnet. Diese dezentralen Telearbeitsbüros sind mit allen erforderlichen modernen elek‐ tronischen Informations- und Kommunikationstechnologien ausgestattet, um eine umfassende Zusammenarbeit mit Kollegen, Lieferanten und Kun‐ den sicherzustellen. Gleichzeitig ermöglichen Telecenter ein wohnortnahes Arbeiten für die Mitarbeitenden, aber auch einen sozialen Austausch mit Kollegen im Telecenter. Für Unternehmen sind die Investitionskosten in ein Telecenter meist geringer als für separate Tele-Heimarbeitsplätze oder erweiterte Bürokapazitäten im Unternehmen. Werden Telecenter von einem einzelnen Unternehmen eingerichtet, bezeichnet man sie als Satellitenbüros, beteiligen sich mehrere Unternehmen an einem Telecenter, spricht man von Nachbarschaftsbüros (vgl. Holtbrügge 2018, S. 187). On-site Telearbeit Wird die Telearbeit direkt beim Kunden oder Lieferanten durchgeführt, bezeichnet man das als On-site Telearbeit. Die Kommunikation des Mitarbei‐ ters mit seinem Unternehmen erfolgt über das Telefon, Handy, Smartphone, Laptop, Tablet sowie über mobile Internet- und Intranetzugänge (vgl. Holt‐ brügge, 2018, S. 187). Mobile Telearbeit Hierzu werden alle ortsunabhängigen Arbeiten oder Tätigkeiten an un‐ terschiedlichen Örtlichkeiten sowie Außendiensttätigkeiten verstanden. Auch hier sind die Mitarbeiter über mobile elektronische Informations- und Kommunikationstechnologien (z.B. Smartphone, Internet) mit ihrem Unternehmen verbunden (vgl. Holtbrügge, 2018, S. 187). 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 289 <?page no="290"?> Telearbeit in virtuellen Unternehmen Arbeiten verschiedene Mitarbeiter ggf. mit verschiedenen Qualifikationen an ganz unterschiedlichen Orten bzw. jeweils zu Hause an einem gemeinsamen Auftrag oder Projekt, für dessen Bearbeitung sie sich zu einem Netzwerk oder virtuellem Unternehmen zusammengeschlossen haben, wobei sie moderne elektronische Informations- und Kommunikationstechnologien nutzen, so kann dies als Telearbeit in virtuellen Unternehmen bezeichnet werden. Offshore-Telearbeit Hier wird die Bearbeitung bestimmter Aufgaben oder Projekte (z.B. im Bereich der Softwareentwicklung) an Mitarbeiter in Niedriglohnländern verlagert. Möglich wird dies erst durch die Nutzung moderner digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien. Den geringen Arbeits‐ kosten stehen hier jedoch oft erhebliche kulturelle Unterschiede im Hinblick auf die Zusammenarbeit und das Arbeitsverständnis gegenüber. Auch die Zeitunterschiede in verschiedenen Ländern und Kontinenten können die Zusammenarbeit erschweren. (vgl. Bottel et al. 2016) Die Telearbeit kann sowohl räumlich als auch zeitlich unterschiedlich ausgestaltet werden (vgl. Tabelle 19). Raum- und Zeitdimensionen der Telearbeit Zeit synchron asynchron Raum zentral Arbeitsplatz im Telear‐ beitszentrum mit festen Ar‐ beitszeiten oder als Gleit‐ zeit mit Kernzeiten Arbeitsplatz im Telearbeitszent‐ rum mit flexiblen Arbeitszeiten dezentral Heimarbeit, mobile Telear‐ beit oder on-site Telearbeit mit festen Arbeitszeiten oder als Gleitzeit mit Kern‐ arbeitszeiten Heimarbeit, mobile Telearbeit oder on-site Telearbeit mit freier, flexibler Arbeitszeit. Tabelle 19: Raum- und Zeitdimensionen der Telearbeit. Quelle: vgl. Holtbrügge 2007, S. 154. Eigene Darstellung in Anlehnung an Holtbrügge 2007, S. 154; Holtbrügge 2018, S. 188). Die Telearbeit ist ein sehr wichtiges Instrument, um das Berufsleben mit dem Privatleben besser vereinbaren zu können. Aus Sicht der Mitarbeitenden 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 290 <?page no="291"?> bietet die Telearbeit folgende Vorteile: So ermöglicht die Entkopplung der Arbeit von dem festen Arbeitsplatz im Unternehmen eine größere örtliche und i. d. R. auch zeitliche Flexibilität des Mitarbeiters (vgl. Thiele 2009, S. 86). Dadurch erhöht sich der Handlungsspielraum des Mitarbeiters, um beispielsweise familiäre Verpflichtungen (Betreuung kleinerer Kinder oder pflegebedürftiger Angehöriger) besser mit einer Berufstätigkeit vereinbaren zu können. Sehr wichtig ist hierbei die bei einer Telearbeit eher gegebene zeitliche und räumliche Autonomie, die eine zentrale Voraussetzung für die Vereinbarkeit verschiedener Lebenswelten ist. Gerade für Alleinerzie‐ hende ist diese zeitliche und räumliche Autonomie und Flexibilität häufig entscheidend, um überhaupt eine Berufstätigkeit ausüben zu können. Auch lebensphasenspezifische Mehrfachbelastungen können so leichter bewältigt werden. Zusätzlich reduziert sich der zeitliche und finanzielle Aufwand durch den Wegfall an Fahrten zwischen Arbeits-, Kinderbetreuungs- und Wohnstätte. Nicht zuletzt wünschen sich viele Arbeitnehmer auch eine größere zeitliche und räumliche Autonomie bei ihrer Berufstätigkeit. Allerdings birgt die Telearbeit auch Nachteile und Gefahren. Eine große Gefahr besteht in der unzureichenden Abgrenzung zwischen dem Arbeits- und Privatleben bzw. der Vermischung beider Lebensbereiche, die auch als Entgrenzung zwischen der Arbeitswelt und der privaten Lebenswelt bezeich‐ net wird. Durch die häusliche Berufstätigkeit sind sowohl die beruflichen als auch die privaten Anforderungen und Aufgaben immer präsent. Dies kann zu häufigeren Unterbrechungen der beruflichen Arbeit führen, wenn z.B. die Kinder oder pflegebedürftige Angehörige Aufmerksamkeit wünschen, ver‐ sorgt werden müssen, Arztbesuche anstehen oder anderweitige häusliche Pflichten kurzfristig zu erfüllen sind. Gerade für Kinder ist es oft schwer verständlich, warum Eltern arbeiten müssen, wenn sie doch zu Hause sind. Aus diesem ständigen Wechselspiel bzw. Hin- und Herspringen zwischen den Anforderungen und Aufgaben der verschiedenen Lebensbereiche resul‐ tiert eine dauerhafte Mehrfachbeanspruchung für die Telearbeitenden, die längerfristig physisch und psychisch zu einer Überlastung führen kann. Zusätzlich stören häufige Unterbrechungen der Arbeitstätigkeit die Konzen‐ tration und können die Leistungsfähigkeit der Telearbeitenden beeinträch‐ tigen. Aber auch für die Familienangehörigen (Kinder, Pflegebedürftige) kann die Telearbeit Einschränkungen bedeuten, wenn der Telearbeitende (das arbeitende Familienmitglied) Ruhe, ungestörtes Arbeiten und Rücksicht auf seine häusliche Berufstätigkeit fordert und benötigt. Darüber hinaus besteht die Gefahr einer permanenten Arbeitsbereitschaft des Telearbeit‐ 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 291 <?page no="292"?> nehmers auch weit über den normalen acht Stunden Arbeitstag hinaus. So werden beispielsweise kontinuierlich eingegangene Emails bearbeitet oder Aufgaben, die durch Unterbrechungen tagsüber nicht erledigt werden konnten, abends bearbeitet, wenn die Kinder schlafen. Diese permanente Ar‐ beitsbereitschaft konterkariert jedoch den Ausgleich zwischen Arbeits- und Berufsleben. Weitere nachteilige Auswirkungen der Telearbeit bestehen in den selteneren persönlichen sozialen Kontakten mit den Kollegen und Vor‐ gesetzen, einer daraus resultierenden größeren arbeitsbezogenen Isolation der Telearbeitenden sowie einer möglicherweise geringeren Identifikation mit dem Arbeitgeber. Um tatsächlich eine höhere Vereinbarkeit des Arbeitsmit dem Privatleben durch Telearbeit zu erreichen, ist die Berücksichtigung und Umsetzung folgender Aspekte ausgesprochen wichtig: ▸ Klare Trennung zwischen häuslichen Arbeitszeiten und „Freizeiten“ durch Festlegung konkreter Arbeits- und Freizeiten. ▸ Arbeitszeiten wenn möglich in ruhige und möglichst störungsfreie Tageszeiten legen (z.B. vormittags, wenn Kinder im Kindergarten oder in der Schule sind). ▸ Arbeiten in abgeschlossenen Räumlichkeiten (z.B. eigenes Arbeits‐ zimmer). ▸ Regelmäßige Kontakte mit Kollegen oder Anwesenheiten im Unter‐ nehmen, um einer möglichen sozialen und beruflichen Isolation vorzubeugen (z.B. durch alternierende Telearbeit). ▸ Alternierende Telearbeit oder centerbasierte Telearbeit. Aus Sicht des Unternehmens ergeben sich aus der Telearbeit folgende Vor- und Nachteile: ▸ Vorteilhaft für Unternehmen ist die Möglichkeit, durch Telearbeit Arbeitsplätze in strukturschwachen Gebieten oder auch für beson‐ dere Mitarbeitergruppen, wie z.B. Behinderte, Alleinerziehende, Mit‐ arbeitende mit langen Wegezeiten zum Unternehmen oder Familien mit betreuungsbedürftigen Personen einrichten zu können. Damit können Arbeitgeber den Arbeitswünschen ihrer Mitarbeiter mehr entgegenkommen und ermöglichen gleichzeitig die Übernahme be‐ stimmter Aufgaben. Die höhere Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter mit der Telearbeit führt häufig auch zu einer deutlich höheren Arbeits‐ effizienz der Mitarbeiter (teilweise sogar bis zu 50% höhere Arbeits‐ 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 292 <?page no="293"?> produktivität), zu selteneren Krankmeldungen und einer höheren Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter. ▸ Nachteile von Telearbeitsplätzen sind insofern festzuhalten, als sie neue Anforderungen an die Führung und Kontrolle der Mitarbeiter und ihrer Arbeitsleistung stellen. Statt der bislang weitverbreiteten Anwesenheitskontrolle der Mitarbeiter sind hier eher Instrumente nötig, die auf die Arbeitsergebnisse abstellen, wie z.B. Ziel- und Terminvorgaben für die Fertigstellung bestimmter Aufgaben oder Projekte. Wichtig sind hier auch flexible Instrumente zur Führung der Telemitarbeitenden sowie die Entwicklung einer Vertrauenskul‐ tur in der Zusammenarbeit. Die Einrichtung von Telearbeitsplätzen kann mit höheren Kosten verbunden sein als die Einrichtung von Ar‐ beitsplätzen im Unternehmen (z.B. durch die notwendige technische Ausstattung mit Laptop, Smartphone etc). Andererseits sparen die Unternehmen bei der Einrichtung von Telearbeitsplätzen möglicher‐ weise auch hohe Raummieten für Büroarbeitsplätze im Unternehmen. Die Telearbeit kann auch mit einem höheren organisatorischen und technischen Aufwand verbunden sein, der jedoch mit steigender Verbreitung und Nutzung digitaler Informations- und Kommunika‐ tionstechnologien in den Unternehmen tendenziell wieder zurück gehen wird. Mögliche Leistungseinbußen durch die häufigen Wechsel zwischen Arbeits- und Privatleben bei der Telearbeit können nicht ausgeschlossen werden, werden aber i. d. R. durch die deutlich höhere Arbeitsmotivation und -zufriedenheit und der daraus resultierenden höheren und zeitlich umfangreicheren Leistungsbereitschaft der Mit‐ arbeiter oft mehr als ausgeglichen. Der Gefahr einer sozialen und beruflichen Isolation und ggf. einer geringeren Identifikation mit dem Unternehmen sollte der Arbeitgeber durch regelmäßige Treffen, Besprechungen oder Arbeitszeiten im Unternehmen, z.B. im Rahmen einer alternierenden Telearbeit begegnen. Die Vor- und Nachteile der Telearbeit sind in den folgenden Tabellen zusammengefasst. 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 293 <?page no="294"?> Vor- und Nachteile der Telearbeit für die Mitarbeitenden Vorteile für die Mitarbeitenden Nachteile für die Mitarbeitenden • Höhere zeitliche und räumliche Flexibilität der Mitarbeiter • Höhere individuelle Autonomie und größere eigene Handlungs‐ spielräume durch freie Arbeits‐ platz- und Arbeitszeitgestaltung • Stärkere Berücksichtigung indivi‐ dueller Mitarbeiterbedürfnisse • Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie (work-life-balance) • Möglichkeit der Betreuung von (kranken) Kindern oder Familien‐ angehörigen • Geringerer zeitlicher und finanzi‐ eller Aufwand durch (teilweisen) Wegfall von Fahrten zum / vom Ar‐ beitsplatz (Pendelkosten) • Möglichkeit einer (umfangreiche‐ ren) Erwerbstätigkeit z.B. auch für Alleinerziehende mit kleinen Kin‐ dern • Möglichkeit zur Bewältigung von (zeitlich begrenzten) privaten mit beruflichen Mehrfachbelastungen (z.B. Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger) • Gefahr der sozialen Isolation • Zeitliche Abgrenzungsprobleme zwischen Berufs- und Privatleben • Gefahr einer ständigen Arbeitsbe‐ reitschaft • Gefahr von Doppelbelastungen durch Telearbeit im privaten / häus‐ lichen Bereich • Gefahr einer Entgrenzung zwi‐ schen dem Berufsleben und dem Privatleben • Gefahr der Mehrarbeit der Arbeit‐ nehmenden Tabelle 20: Vor- und Nachteile der Telearbeit für die Mitarbeitenden. Eigene Darstellung. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 294 <?page no="295"?> Vor- und Nachteile der Telearbeit für die Arbeitgeber Vorteile für den Arbeitgeber Nachteile für den Arbeitgeber • Einrichtung von Arbeitsplätzen in strukturschwachen Gebieten oder am Stadtrand • Einrichtung von Arbeitsplätzen für ansonsten benachteiligte Arbeit‐ nehmergruppen (z.B. Behinderte, Alleinerziehende) • Höhere Mitarbeiterproduktivität (bis zu 50%): höhere Arbeitseffizi‐ enz durch konzentriertere Arbeit und bessere Auslastung der techni‐ schen Ressourcen • Weniger Krankmeldungen • Höhere Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden • Datenschutzprobleme • Führungs- und Kontrollprobleme durch die räumliche und zeitliche Distanz • Entwicklung und Einsatz neuer fle‐ xibler Führungs- und Kontrollin‐ strumente für die Zusammenarbeit auf Distanz • Ggf. erhöhter organisatorischer und technischer Aufwand • Arbeitsrechtliche Probleme (z.B. Kontrolle der Arbeitszeit) • Gefahr von Produktivitätsverlus‐ ten der Mitarbeiter durch Isolation im Telearbeitsplatz • Gefahr einer geringeren Identität der Telearbeitsmitarbeiter mit dem Arbeitgeber • Gefahr einer geminderten Leis‐ tungsfähigkeit durch familiäre bzw. private Anforderungen an die Mit‐ arbeitenden während der Telear‐ beitszeit Tabelle 21: Vor- und Nachteile der Telearbeit für die Arbeitgeber. Eigene Darstellung. 6.1.2 Erfahrungen mit Homeoffice während der Coronavirus-Pandemie Umgangssprachlich wird die Telearbeit bzw. Teleheimarbeit auch als Arbeit im Homeoffice bezeichnet. Vor allem in der aktuellen Diskussion und Erforschung der Erfahrungen der Arbeitnehmenden mit ihrer Arbeit von zu Hause aus, während der Coronavirus-Pandemie seit dem Jahr 2020 wird der Begriff Homeoffice verwendet. Daher werden in den folgenden Ausführun‐ gen die Begriffe Teleheimarbeit und Homeoffice synonym verstanden und im Folgenden für die Teleheimarbeit auch hier der Begriff des Homeoffice verwendet. 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 295 <?page no="296"?> 6.1.2.1 Entwicklung und Verbreitung des Coronavirus weltweit und in Deutschland Anfang Dezember 2019 „treten in der chinesischen Stadt Wuhan erste Fälle einer unbekannten Lungenerkrankung auf. Am 31. Dezember 2019 meldet China diese Fälle offiziell der Weltgesundheitsorganisation (WHO).“ (MDR 2020 Die Chronik der Corona-Krise). Anfang Januar melden die chinesischen Behörden, dass die Lungenerkrankung durch ein neuartiges Coronavirus ausgelöst wird. Am 9. Januar wird der erste Todesfall erfasst, der mit dem neuartigen Coronavirus in Verbindung gebracht wird (vgl. ebenda). Im Januar werden die ersten Coronavirus-Infektionen in Thailand, Europa und den USA registriert. In Deutschland wird Ende Januar die erste Coronainfektion in Bayern in einem Unternehmen identifiziert. (vgl. ebenda). Die neue Lungenkrankheit wird von der WHO „Covid-19“ genannt und das neuartige Virus bekommt den Namen „Sars-CoV-2“ (vgl. ebenda). Aufgrund der hohen globalen Mobilität der Wirtschaft und Gesellschaft verbreitet sich das Coronavirus im Februar und März 2020 durch Reisen, Transporte und internationale Zusammenarbeit schnell in vielen Ländern und auf mehreren Kontinenten. In Europa ist anfangs besonders Italien von sehr vielen Coronavirus-Erkrankungen und Todesfällen betroffen, al‐ lerdings steigen auch in anderen europäischen Ländern die Infektionen mit dem Coronavirus ab Ende Februar 2020 schnell an. In Deutschland nehmen ab März 2020 die Coronavirus-Infektionen stark zu. Daraufhin einigen sich die deutsche Bundesregierung und die Bundesländer am 22. März 2020 auf strenge Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen in Deutschland (vgl. ebenda). Dies trifft die Wirtschaft, die Unternehmen und die Arbeitnehmer hart. Durch die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen dürfen viele Ar‐ beitnehmenden nicht mehr zur Arbeit gehen; entweder wird Kurzarbeit vereinbart oder die Mitarbeitenden sollen von zu Hause aus im Homeoffice arbeiten, sofern das ihr Aufgabengebiet zulässt. Bis Mitte Mai 2020 bleiben die strikten Beschränkungen in Deutschland bestehen, anschließend gibt es teilweise wieder Lockerungen der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen, jedoch auch immer wieder hohe Infektionszahlen und daraufhin wieder strengere Kontaktbeschränkungen. Während andere Länder sehr stark unter den Coronaviurs-Infektionen leiden und viele Todesfälle zu beklagen haben, wirken die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen in Deutschland und führen zu einem Rückgang der Coronavirus-Infektionen sowie damit verbundener Todesfälle zwischen März und Juni 2020. Auch das leistungs‐ 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 296 <?page no="297"?> fähige deutsche Gesundheitssystem bewirkt eine gute Bewältigung der Coronavirus-Pandemie in Deutschland. Während die Anzahl der Coronavirus-Infektionen im Juni und Anfang Juli 2020 recht niedrig waren, stiegen die Infektionsfälle seit Anfang Juli 2020 in Deutschland wieder an. Anfang Oktober 2020 lag die Zahl der Coronavirus-Infektionen in Deutschland noch bei rund 300.000 Infektio‐ nen, im Januar 2021 hatten sich schon über 2 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert, und bis Mitte April 2021 stieg die Anzahl der Infizierten auf über 3 Millionen Menschen und die Anzahl der Todesfälle auf knapp 80.000 Menschen in Deutschland (vgl. RKI: https: / / www.rki.de/ DE/ Content/ InfAZ/ N/ Neuartiges_Coronavirus/ Situationsberichte/ Apr_202 1/ 2021-04-17-de.pdf ? __blob=publicationFile. Abruf: 18.04.2021). Zurückzu‐ führen ist diese Entwicklung auf die nur zeitweisen und sehr zögerlichen Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung der Bundesregierung und der Bun‐ desländer. Weltweit haben sich bis Anfang April 2021 über 140 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert und über drei Millionen Menschen sind daran gestorben (vgl. https: / / covid19.who.int/ . Abruf: 18. April 2021). Im Dezember 2020 wurden in Europa die ersten Impfstoffe gegen das Coronavirus zugelassen. Bis Mitte April 2021 wurden 6,6 Prozent der deutschen Bevölkerung vollständig geimpft und 12,6 Prozent der deutschen Bevölkerung einmal geimpft (vgl. RKI (2021): https: / / www.rk i.de/ DE/ Content/ InfAZ/ N/ Neuartiges_Coronavirus/ Situationsberichte/ Jan_202 1/ 2021-01-26-de.pdf? __blob=publicationFile. Abruf: 18.04.2021). Noch sind die verfügbaren Impfstoffe knapp, doch je mehr Menschen geimpft werden, desto größer sind die Chancen, die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen. 6.1.2.2 Auswirkungen der Coronavirus Pandemie auf die Wirtschaft und Arbeitswelt in Deutschland? Die Corona-Pandemie und vor allem die Maßnahmen der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus im Frühjahr des Jahres 2020 (1. Welle der Coronavirus Pandemie) sowie ab Herbst des Jahres 2020 bis vermutlich zum Sommer 2021 (2. + 3. Welle der Coronavirus Pandemie) haben für die Wirtschaft gravierende Auswirkungen. Von den Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen besonders betroffen waren und sind immer noch die Tourismusbranche, der Reiseverkehr, das Gastgewerbe, die Veranstaltungsbranche, die Kultur- und Kreativwirtschaft sowie der Einzelhandel. So gingen der Tourismus und der internationale Reiseverkehr 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 297 <?page no="298"?> (vor allem der Flugverkehr) drastisch zurück. Aber auch Restaurants konn‐ ten nur eingeschränkt öffnen und viele kulturelle Veranstaltungen mussten aufgrund der Kontaktbeschränkungen abgesagt werden. (vgl. Becher 2020). Aber auch die Metall- und Elektroindustrie, der Maschinen- und Fahr‐ zeugbau, die Automobilindustrie, die Stahlindustrie sowie die Hersteller von Vorleistungen (insb. Chemie und Kunststoffe) waren und sind stark von den Einschränkungen betroffen. Sofern die Abstandsregeln in den Betrieben und Produktionsstätten nicht sichergestellt werden konnten, mussten Produkti‐ onsabläufe geändert werden und die Mitarbeitenden ins Homeoffice oder in die Kurzarbeit geschickt werden. Eine längerfristige Kurzarbeit führte für die betroffenen Mitarbeitenden zu erheblichen Einkommenseinschränkun‐ gen. Auch viele internationalen Lieferketten zur Beschaffung notwendiger Vorleistungen wurden beeinträchtigt bzw. unterbrochen. Damit die Mitarbeiter im Homeoffice effizient arbeiten konnten, muss‐ ten ca. 30% der Unternehmen kurzfristig in den Ausbau ihrer digitalen und technischen Kommunikationstechnologien (Hard- und Software) inves‐ tieren (vgl. ZEW Pressemitteilung 06.08.2020). Die Arbeitsfähigkeit und Arbeitsleistung war jedoch vor allem bei denjenigen Erwerbstätigen einge‐ schränkt, die neben der Arbeit im Homeoffice auch noch ihre Kinder zu Hause betreuen und das häusliche Lernen der Kinder (Home-Schooling) aufgrund geschlossener Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen be‐ gleiten mussten. Diese Leistungseinschränkungen galten umso mehr, wenn im Homeoffice kein technisch gut ausgestatteter und ruhiger Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Auch diejenigen, die durch die Kontaktbeschränkun‐ gen pflegebedürftige Angehörige selbst betreuen mussten, konnten nur eingeschränkt im Homeoffice arbeiten. Dennoch waren die meisten Arbeit‐ nehmenden mit der Arbeit im Homeoffice zufrieden (DAK 2020a). Die vielen Krankheitsfälle aber auch die Todesfälle aufgrund der Infizie‐ rung mit dem Coronavirus bei den Erwerbsfähigen in Deutschland verstär‐ ken auch die Verknappung des Arbeitskräfteangebotes und Verschärfung der Fachkräfteengpässe. Zusätzlich leiden viele Unternehmen, vor allem kleine und mittelständische Unternehmen unter den Auswirkungen der Lockdowns, sind in ihrer Existenz bedroht oder mussten sogar schon Insolvenz anmelden. Dies bedeutet sowohl für die Unternehmen als auch die betroffenen Mitarbeitenden eine besondere Härte und den Verlust des eigenen Unternehmens bzw. des eigenen Arbeitsplatzes. Gesamtwirtschaftlich ist ein deutlicher Rückgang der Wirtschaftsleistung und der Investitionen um ca. 6% für das Jahr 2021 zu erwarten. Für die 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 298 <?page no="299"?> Weltwirtschaft werden sogar Rückgänge der Wirtschaftsleistung von 15% geschätzt (vgl. Becher 2020). 6.1.2.3 Erfahrungen von Unternehmen und Beschäftigten im Homeoffice während der Corona-Pandemie Die bisherige Auswertung der Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice während der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen aufgrund der Coro‐ navirus-Pandemie in Deutschland ab März 2020 sind aus wissenschaftlicher Sicht sehr wertvoll, da während des Lockdowns unvorhergesehen und zwangsläufig eine hohe Anzahl an Arbeitnehmenden im Homeoffice arbei‐ ten musste. Erste Studien dokumentieren die Erfahrungen und Einschätzun‐ gen der Arbeit im Homeoffice aus Sicht der Mitarbeitenden und aus Sicht der Unternehmen. Einige Ergebnisse dieser aktuellen Befragungen werden hier kurz vorgestellt. Erfahrungen von Unternehmen mit der Arbeit ihrer Beschäftigten im Homeoffice Viele Unternehmen mussten während des Lockdowns aufgrund der Coro‐ navirus-Pandemie seit März 2020 ihre Mitarbeitenden in das Homeoffice schicken, sofern die Aufgabengebiete dies zuließen. Arbeiteten vor der Coronavirus-Pandemie nur 39% der Mitarbeitenden (teilweise) im Home‐ office, so erhöhte sich der Anteil der Mitarbeitenden im Homeoffice wäh‐ rend der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen (Lockdown) im Frühjahr 2020 in Deutschland auf 61%, wie eine Befragung des IFO-Instituts unter 800 Personalleitenden ergab (vgl. Randstad-ifo-Personalleiterbefragung - 03.08.2020). Im Verarbeitenden Gewerbe stieg der Anteil der im Homeoffice Arbeitenden auf 70% und im auch in Dienstleistungsunternehmen arbeiteten 15% der Mitarbeitenden zumindest teilweise im Homeoffice (vgl. ebenda). Insgesamt schätzen die Personalleiter das theoretisch mögliche Potenzial für die (teilweise) Arbeit ihrer Mitarbeitenden im Homeoffice auf 80% ein, es gibt also noch Entwicklungspotenziale (vgl. ebenda). Ein gegenläufiger Trend zur Arbeit im Homeoffice zeichnet sich in der 2. Welle der Coronavirus-Pan‐ demie ab dem Herbst und Winter 2020 ab: So schickten in der 2. Welle der von der deutschen Bundesregierung erlassenen Kontaktbeschränkungen deutlich weniger Unternehmen ihre Mitarbeitenden ins Homeoffice, obwohl viele Aufgabenbereiche dies zulassen würden und auch viele Beschäftigte gerne im Homeoffice arbeiten würden (vgl. z.B. Bettendorf/ Frost/ Kiesel 2021; Vu/ Meyer 2021; Zeit online 12.01.2021). 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 299 <?page no="300"?> Um die Arbeit im Homeoffice zu ermöglichen und leistungsfähig zu gestalten, musste rund ein Drittel von 1800 Unternehmen kurzfristig in neue digitale Kommunikationstechnologien investieren, wie eine repräsentative Befragung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim bei deutschen Unternehmen der Informationswirtschaft und des Verarbeitenden Gewerbes im Juni 2020 ergab (vgl. ZEW Pressemitteilung 06.08.2020). Die Arbeit im Homeoffice während der Coronavirus-Krise hat den be‐ fragten Unternehmen gezeigt, dass deutlich mehr Tätigkeiten im Homeof‐ fice erledigt werden können als zuvor angenommen. Dies bestätigen vor allem größere Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten sowohl der Informationswirtschaft (83% Zustimmung), aber auch des Verarbeitenden Gewerbes (70% Zustimmung) (vgl. ZEW Pressemitteilung vom 06.08.2020). Aber auch die kleineren Unternehmen beider Branchen bestätigen teilweise diese Erkenntnis. Haben im Verarbeitenden Gewerbe vor der Coronavirus-Pandemie nur 25% der Mitarbeitenden (teilweise) im Homeoffice gearbeitet, so arbeiteten im Sommer des Jahres 2020 rund 50% der Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe im Homeoffice. Zukünftig können sich 37% der Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes vorstellen, dass ihre Mitarbeitenden teilweise im Homeoffice arbeiten. Insgesamt bleibt der Anteil der Arbeit im Homeoffice im Verarbeitenden Gewerbe recht niedrig, da viele Aufgaben nicht für eine Arbeit im Homeoffice geeignet sind. In der Informationswirtschaft, die in dieser Untersuchung Unternehmen der IKT-Branche, Mediendienstleister und wissensintensive Dienstleister umfasst, arbeiteten auch schon vor der Coronavirus-Krise ca. 50% der Mitar‐ beiter teilweise im Homeoffice. Während der 1. Welle der Coronavirus-Krise stieg der Anteil der Mitarbeitenden im Homeoffice auf 74% an, wobei 27% der Mitarbeiter zu 50% bis 100% im Homeoffice arbeiteten. Auch nach der Coronavirus-Krise planen 64% der Unternehmen der Informationswirtschaft das Angebot von Homeoffice für ihre Mitarbeitenden beizubehalten. Diese deutlich höheren Prozentwerte sind auch darauf zurückzuführen, dass sich viele Aufgabenbereiche in der Informationswirtschaft gut für die Arbeit im Homeoffice eignen. (vgl. ZEW 2020). Insgesamt können sich zukünftig 46% der befragten Unterneh‐ men in der Informationswirtschaft und immerhin 30% der befrag‐ ten Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes eine verstärkte Ar‐ beit im Homeoffice vorstellen (vgl. ZEW 2020: Pressemitteilung vom 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 300 <?page no="301"?> 06.08.2020. www.zew.de/ presse/ pressearchiv/ unternehmen-wollen-auch-n ach-der-krise-an-homeoffice-festhalten. Abruf: 11.10.2020). Veränderungen der Arbeitsabläufe Die Coronavirus-Pandemie hat zwangsläufig auch die Digitalisierung der Arbeitsabläufe, der Zusammenarbeit und der Kommunikation in den Unter‐ nehmen stark vorangetrieben. Dabei haben große Unternehmen digitale Technologien häufiger eingesetzt als kleinere Unternehmen. Randstad und das IfO-Institut habe im Verlauf des Jahres 2020 mehrere Personalleiterbe‐ fragungen zu den veränderten Arbeitsabläufen und eingesetzten Kommu‐ nikationsmedien aufgrund der Coronavirus Pandemie durchgeführt. Die Personalleiterbefragung für das 2. Quartal 2020 hat folgendes ergeben: Vermehrt wurden virtuelle Konferenzen durchgeführt (64%) und auch das E-Learning wurde mit 31% häufiger genutzt. Die um 47% vermehrte Arbeit im Homeoffice erforderte eine verstärkte Führung auf Distanz (+36%), auf die sich auch die Führungskräfte ein- und umstellen mussten. Durch die Kontaktbeschränkungen haben auch virtuelle Bewerbungsgespräche um 22% zugenommen, wohingegen Vorort-Meetings um 59% und Dienstreisen um 61% bei den befragten Unternehmen zurückgegangen sind. (Vgl. Rand‐ stad-ifo-Personalleiterbefragung 2020). Auch die Befragung des Münchner Kreises im Rahmen der „Sonderstudie zur Corona-Pandemie der Zukunftsstudie Münchner Kreis XIII.01“ kommt zu ähnlichen Ergebnissen bei der Frage nach organisationalen Verände‐ rungen aufgrund der Coronavirus-Pandemie, wie die folgende Tabelle 22 zeigt. Die meisten Befragten (79%) sind von Veränderungen der internen Kommunikation, wie z.B. dem Einsatz von Webkonferenzen und digitalen Tools betroffen. 35% der Befragung nehmen Veränderungen in der Zusam‐ menarbeit, im Verhalten und im Umgang der Mitarbeiter untereinander wahr. Die Kundenkommunikation hat sich bei 30% der Befragten verändert. In den anderen in der Tabelle 22 aufgeführten Organisationsbereichen werden deutlich weniger Veränderungen wahrgenommen. 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 301 <?page no="302"?> Veränderungen in der eigenen Organisation Nennun‐ gen in % (n = 211) Interne Kommunikation (z.B. Webkonferenzen, digitale Tools) 79% Zusammenarbeit und Verhalten der Mitarbeiter, Umgang mitein‐ ander 35% Kundenkommunikation (z.B. neue Kanäle, intensiverer Austausch über Social Media 30% Finanzen / Controlling (z.B. Einsparungen, Budgetallokation) 17% Betrieb / Abwicklung (z.B. neue interne Prozesse, schnellere Ent‐ scheidungen 10% Management / Führung (z.B. schnellere Entscheidungen) 10% Vertrieb (z.B. neue Distributionskanäle, flexiblere Kundenanspra‐ che) 7% Sonstige 3% Methodik: Im Zeitraum vom 15.4.2020 bis 24.4.2020 wurden 211 Experten aus den Bereichen Digitalisierung, Technolog und KI online befragt. Quelle: Münchner Kreis (2020): Corona-Sonderbefragung. Zu‐ kunftsstudie Münchner Kreis VIII.01., S. 4. Tabelle 22: Veränderungen in der eigenen Organisation. Befragungsergebnisse der Corona-Sonderbefragung des Münchner Kreises 2020. Quelle: Münchner Kreis (2020): Corona-Sonderbefragung. Zukunftsstudie Münchner Kreis VIII.01., S. 4. Ei‐ gene Darstellung. Insgesamt haben viele Unternehmen aus sehr unterschiedlichen Branchen während der Coronavirus-Krise erheblich in die digitale Ausstattung ihrer Unternehmen und insbesondere der Arbeitsbereiche investiert (vgl. DAK 2020a, S. 9). Erfahrungen von Mitarbeitenden im Homeoffice Das Fraunhofer-Institut für angewandte Informationstechnik (FIT) hat im April 2020 eine Umfrage zur Arbeit im Homeoffice „www.fit4homeoffice.de“ begonnen, die immer noch offen für weitere Teilnehmende ist, um die Erfahrungen der Arbeitnehmenden mit dem Homeoffice im Zeitverlauf erfassen und auswerten zu können. Die ersten Ergebnisse wurden Anfang 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 302 <?page no="303"?> Mai 2020 ausgewertet, eine umfassendere Auswertung der Befragungser‐ gebnisse erfolgte Anfang Juli 2020. Bis dahin (Anfang Juli 2020) hatten mehr als 2000 Personen an der Umfrage teilgenommen. Einige zentrale Ergebnisse wurden in der Pressemitteilung vom 7. Juli 2020 veröffentlicht und werden hier vorgestellt (vgl. FIT 2020). Insgesamt ist die Zufriedenheit mit der Arbeit im Homeoffice während der Befragung deutlich gestiegen. Nach der ersten Befragungswoche im April (1.4.2020 - 7.4.2020) mit 500 Befragten waren 79% der Frauen und 85% der Männer mit der Arbeit im Homeoffice zufrieden (vgl. FIT 2020). Die aktuell vorliegende Gesamtauswertung umfasst mehr als 2.000 vollständig ausgefüllten Fragebögen und bestätigt die Zufriedenheit der Arbeitnehm‐ enden mit dem Homeoffice. So ist die Zufriedenheit der Arbeitnehmenden (sowohl der Teammitglieder als auch der Führungskräfte) mit der Arbeit im Homeoffice weiter gestiegen und betrug im Juli 2020 90% (vgl. FIT 2020). Diese hohe Zufriedenheit im Homeoffice erstreckt sich auf alle Branchen und weist nur geringe Unterschiede auf. Besonders zufrieden mit der Arbeit im Homeoffice sind Mitarbeitende der IT-Branche, der Finanzbranche sowie des produzierenden und verarbeitenden Gewerbes. (vgl. FIT 2020). Neben der Zufriedenheit mit der Arbeit im Homeoffice ist auch die indi‐ viduelle Leistung der Mitarbeitenden im Homeoffice gestiegen. Die Team‐ leistung wird zwar auch besser bewertet, allerdings nicht so stark wie die individuelle Leistung. Offensichtlich eignet sich das Homeoffice besser für Einzelaufgaben als für die Teamarbeit. Kritikpunkte der Befragten im Hinblick auf die Teamarbeit lagen bei der ersten Auswertung im April u. a. in der Erreichbarkeit der KollegInnen, in der technischen Ausstattung der Kommunikation sowie in der Vielfalt möglicher digitaler Kommunikations‐ instrumente. Nach der zweiten Auswertung im Juli 2020 scheint die techni‐ sche Ausstattung der digitalen Kommunikation, die die Unternehmen ihren Mitarbeitenden für die Arbeit im Homeoffice bereitstellen, leistungsfähiger geworden zu sein. Auch der Umgang der Mitarbeitenden mit verschiedenen digitalen Kommunikationsinstrumenten ist vertrauter geworden und es gibt mittlerweile anscheinend konkretere Regeln zur virtuellen Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitenden. (vgl. FIT 2020). Zu Beginn der Befragung wurde die Trennung zwischen Berufsleben und Privatleben stärker vermisst als bei der zweiten Auswertung im Juli. Ein wahrscheinlicher Grund kann in den mittlerweile wieder geöffneten Schu‐ len und Kinderbetreuungseinrichtungen liegen, die die Arbeit im Homeof‐ 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 303 <?page no="304"?> fice deutlich erleichtern (vgl. FIT 2020). So hatten vor allem Frauen in der Zeit des Lockdowns, in der auch Schulen und Kinderbetreuungseinrich‐ tungen geschlossen waren, eine vierfache Arbeitsbelastung: Die häusliche Betreuung der Kinder, die Begleitung des schulischen Lernens der Kinder zu Hause, für das sich mittlerweile der Begriff des Home-Schooling etabliert hat, die normale Haus- und Familienarbeit sowie die Berufstätigkeit im Homeoffice. Je schlechter die häuslichen Arbeitsbedingungen waren (z.B. weil es keinen eigenen und ruhigen Arbeitsplatz für ein konzentriertes Arbeiten gab), desto stärker wurden die Belastungen durch die Arbeit im Homeoffice empfunden und auch die Trennung zwischen Berufsleben und Privatleben vermisst. Auf die Frage, „Was fehlt im Homeoffice“, antworteten 85% der Befragten, dass ihnen der persönliche Kontakt fehlt und 66% der Befragten fehlte der fachliche Austausch. Gemeinsame Mittagessen und Kaffeepausen vermiss‐ ten ca. 65% der Befragten und den kreativen Austausch (Kreativ-Sessions) vermissten knapp 60% der Befragten. Der Weg zur Arbeit fehlte immerhin noch 20% der Befragten. (vgl. FIT 2020). Der stellvertretende Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Ange‐ wandte Informationstechnik (FIT), Prof. Dr. Prinz, bewertet die bisherigen Befragungsergebnisse so: „Trotzdem bleibt festzuhalten, dass der Zwang zum Homeoffice deutlich mehr positive Aspekte zeigt als erwartet. Für die Unternehmen gibt es keinen einfachen Weg zurück zu alten Büro-Routinen. Stattdessen müssen flexible Konzepte entwickelt werden, die die Anfor‐ derungen und Wünsche von Arbeitgebern und -nehmern gleichermaßen erfüllen“ (FIT 2020). Zu ähnlichen Ergebnissen wie die FIT-Studie kommt die Sonderanalyse der DAK zur Digitalisierung und Homeoffice in der Corona-Krise (vgl. DAK 2020; DAK 2020a). Die DAK hatte eigentlich ihren Gesundheitsreport 2020 zur Digitalisierung bereits fertig gestellt, aufgrund der aufkommenden Coronavirus-Pandemie jedoch noch eine weitere Befragung zur Erfassung aktueller Daten während der Coronavirus-Pandemie erhoben. Die erste Be‐ fragung fand im Dezember 2019 statt, die zweite Befragung im April und Mai 2020. Die Schnittmenge der in beiden Erhebungen befragten Teilnehmer be‐ trug 5845. Dadurch kann eine „Vorher-Nachher“ Datenanalyse durchgeführt werden, die einen besonderen Erkenntnisgewinn hat und als Sonderanalyse „Digitalisierung und Homeoffice in der Corona-Krise. Sonderanalyse zur Situation in der Arbeitswelt vor und während der Pandemie“ im Juli 2020 veröffentlich wurde (DAK 2020a). 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 304 <?page no="305"?> Die zentralen Ergebnisse dieser vergleichenden Untersuchung werden im Folgenden stichpunktartig vorgestellt. ▸ „Die zunehmende Digitalisierung und das Homeoffice in der Co‐ rona-Krise entlasten Arbeitnehmer. ▸ Jeder zweite bewertet die Arbeit mit Laptop, Smartphone und Video‐ konferenzen als positiv. ▸ Arbeitnehmer, die während der Corona-Krise erstmalig regelmäßig im Homeoffice sitzen, zeigen eine hohe Arbeitszufriedenheit und berichten von guter Work-Life-Balance. ▸ Drei Viertel von ihnen möchten auch nach der Corona-Krise - zumindest teilweise - von zu Hause aus arbeiten. ▸ Die Anzahl derjenigen, die die Digitalisierung als Entlastung wahr‐ nehmen, steigt während der Corona-Krise um 39 Prozent. ▸ Das tägliche Stresserleben geht um 29 Prozent zurück.“ (DAK 2020). Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass viele Arbeitnehmende, aber auch viele Unternehmen und Führungskräfte, mit dem Homeoffice in den letzten Monaten überwiegend positive Erfahrungen gemacht haben und auch im Homeoffice meist eine hohe Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden besteht. Allerdings können mit dem Homeoffice auch negative Effekte insbesondere für die Arbeitnehmenden verbunden sein, auf die hier ausdrücklich hingewiesen wird. Voraussetzung für eine hohe Leistungsfähigkeit im Homeoffice ist ein eigener, technisch angemessen ausgestatteter, ruhiger und ergonomisch anforderungsgerecht gestalteter eigener Arbeitsplatz. So haben die Erfah‐ rungen während des Lockdowns gezeigt, dass gerade diejenigen, die zu Hause keinen eigenen, angemessen ausgestatteten und ruhigen Arbeitsplatz hatten, deutlich unzufriedener mit der Arbeit im Homeoffice waren und ihre Leistungsfähigkeit durch die ungünstigen Bedingungen auch eingeschränkt war. Zusätzlich erhöht sich der Stress, wenn zusätzlich zur Arbeit im Home‐ office zeitgleich Kinder betreut, beschult, die normalen Haushaltsaufgaben und ggf. noch pflegebedürftige Angehörige betreut werden müssen. Das ist eine massive Überforderung für die Betroffenen im Homeoffice. Zusätzlich haben Befragungen ergeben, dass während des Lockdowns die Frauen und Mütter von der Mehrfachbelastung durch Homeoffice, Kinderbetreuung, „Beschulung“ und ggf. Pflege von Angehörigen sowie üblichen Haushalts‐ pflichten deutlich stärker betroffen waren als die Männer und Väter (vgl. Heider-Willms 2020, S. 31 ff.; Siemann 2020, S. 40 f.). 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 305 <?page no="306"?> Aktuelle Studien zeigen, dass viele Arbeitnehmende im Homeoffice deut‐ lich mehr gearbeitet haben als auf ihrem Arbeitsplatz beim Arbeitgeber. Neben einem konzentrierteren Arbeiten zu Hause können mögliche Gründe darin liegen, dass die Mitarbeitenden im Homeoffice einer vermuteten geringeren Leistung entgegenwirken wollen oder bestimmte Aufgaben, die tagsüber aufgrund anderer z.B. familiärer Verpflichtungen nicht erledigt werden konnten, abends noch nachgearbeitet werden. Hier bedarf es einer klaren Regelung zur Begrenzung möglicher Überstunden von Seiten des Ar‐ beitgebers sowie des ausdrücklichen Vertrauens der Vorgesetzten, dass die Mitarbeitenden im Homeoffice grundsätzlich eine gute Leistung erbringen. Andererseits müssen sich auch die Mitarbeitenden selbst im Homeoffice vor einer dauerhaften Überarbeitung durch viele Überstunden durch gezieltes Selbstmanagement und Selbstbegrenzung schützen. Eine weitere Gefahr der Arbeit im Homeoffice besteht in der Entgrenzung der Lebenswelten. Diejenigen, die im Homeoffice arbeiten, müssen Strate‐ gien entwickeln bzw. vermittelt bekommen, wie sie auch im Homeoffice ihr Privatleben vom Arbeitsleben gut abgrenzen können. Dazu gehört auch, dass Arbeitgeber keine 24-Stunden-Erreichbarkeit ihrer Mitarbeitenden im Homeoffice erwarten, sondern dass eindeutige häusliche Arbeits- und Er‐ reichbarkeitszeiten mit den Kollegen und Vorgesetzten vereinbart werden. Die Arbeit im Homeoffice erleichtert zwar gerade für Eltern und Familien die Vereinbarkeit des Familienlebens mit der Berufstätigkeit und ist deshalb ein wichtiges Instrument für eine ausgeglichenere Work-Life-Balance. Dies darf aber nicht zur völligen Entgrenzung zwischen dem Berufsleben und dem Familienbzw. Privatleben führen mit der Gefahr, dass sich das Privatleben dem Berufsleben und den beruflichen Anforderungen völlig unterordnet. Auch zeigen die aktuellen Studien, dass die Mitarbeitenden im Homeoffice soziale Kontakte und Gespräche mit ihren Kollegen und Vorgesetzten vermissen. Hier bedarf es konkreter Instrumente, um soziale Kontaktmög‐ lichkeiten zu den Kollegen und damit auch die emotionale Bindung an den Arbeitgeber zu fördern bzw. auch im Homeoffice aufrecht zu erhalten. 6.1.2.4 Zukunftsperspektiven für die Arbeit im Homeoffice Von großem Interesse ist die Frage, ob die Unternehmen auch nach der Bewältigung der Coronavirus-Pandemie ihren Mitarbeitenden die Arbeit im Homeoffice ermöglichen werden. In der ESET Studie 2020: „Quo Vadis Unternehmen“ wurden von dem Forschungsinstitut Yougoy im Auftrag von ESET zwischen Mai bis Juli 2020 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 306 <?page no="307"?> 522 Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Unternehmensgrößen befragt (405 Privatunternehmen, 76 Institutionen des öffentlichen Dienstes, 29 Non-Profit-Institutionen) (vgl. ESET Studie 2020, S. 5). Auf die Frage: „Werden Sie auch nach der Corona-Krise Ihren Mitarbeitern das Arbeiten im Home-Office ermöglichen? “, antworteten 50% der Befragten „Ja, teilweise“, 28% „Ja, jederzeit“, 16% „Nein“ und 7% machen keine Angabe (vgl. ESET Studie 2020, S. 7). Zusammengefasst sind 78% der Befragten bereit, auch nach der Coronavirus-Krise ihren Mitarbeitern ganz oder teilweise die Arbeit im Homeoffice zu ermöglichen. Auch die Arbeitnehmenden wünschen sich zukünftig mehr Möglichkei‐ ten, im Homeoffice zu arbeiten. So zeigen die Ergebnisse der Befragung von 2045 Mitarbeitern, die im Zeitraum von April bis Juli 2020 ebenfalls im Rahmen der ESET Studie 2020 durchgeführt wurde, dass sich 68% der Befragten auch zukünftig eine Arbeit im Homeoffice wünschen, wie die Tabelle 23 zeigt (vgl. ESET Studie 2020, S. 4). Aussage Nennungen der Befragten in % „Möchten wieder dauerhaft im Büro arbeiten“ 31% „Möchten mindestens einen Tag pro Woche von zu Hause arbeiten“ 29% „Möchten flexibel entscheiden, ob sie von zu Hause oder im Büro arbeiten“ 31% „Möchten lieber dauerhaft von zu Hause arbeiten“ 8% „keine Angabe“ 1% Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung „Veränderungen der Arbeitswelt durch Corona“ (vgl. ESET Studie 2020, S. 4) Tabelle 23: Ergebnisse der ESET Studie 2020 zur Frage, wo Mitarbeitende nach der Coronavirus-Krise arbeiten möchten. Quelle: ESET Studie 2020, S. 4). Eigene Darstellung. Eine Studie des Ifo-Instituts, die auf aktuellen Ifo-Unternehmensbefragun‐ gen und einer Mitgliederbefragung auf LinkedIn basiert, ergab, dass 54% der befragten Unternehmen auch nach der Coronavirus-Pandemie bereit ist, ihre Mitarbeitenden öfter im Homeoffice arbeiten zu lassen (vgl. Zeit 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 307 <?page no="308"?> online 13.07.2020). Mit ein Grund für diese gestiegene Bereitschaft der Un‐ ternehmen, ihre Mitarbeitenden häufiger im Homeoffice arbeiten zu lassen dürften die erheblichen Investitionen in die digitale Infrastruktur und in neue Kommunikationstechnologien sein, die viele Unternehmen durch die Notwendigkeit der Arbeit im Homeoffice während der Coronavirus-Krise aufwenden mussten. Dies hat auch zu einer teilweisen Neuorganisation der Arbeit geführt, die auch nach der Coronavirus-Pandemie noch Bestand haben wird (vgl. ebenda); zumal viele Unternehmen und auch die Mitarbei‐ tenden mit dieser Neuorganisation der Arbeit gute Erfahrungen gemacht haben. Ein weiteres Indiz für die Akzeptanz der Arbeit im Homeoffice sind die doppelt so stark gestiegenen Jobangebote zur Arbeit im Homeoffice, die in der letzten Zeit ausgeschrieben wurden. Dies ergab eine Auswertung der Stellenanzeigen und der Arbeitssuchenden bei LinkedIn (vgl. Zeit online 13.07.2020). Jean-Victor Alipour, Mitautor der Ifo-Studie vermutet, dass sich zukünftig hybride Arbeitsmodelle stärker entwickeln werden, wobei die Mitarbeiten‐ den sowohl am Arbeitsplatz im Unternehmen als auch im Homeoffice arbeiten werden. Eine vollständige Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice scheint demgegenüber wenig wahrscheinlich, da zu Hause doch die sozialen Kontakte zu den Kollegen und Vorgesetzten fehlen und auch der kreative Austausch von Ideen und Wissen in der persönlichen Begegnung besser funktioniert als digital (vgl. Zeit online 13.07.2020). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die Studie des Stuttgarter Fraun‐ hofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und der Deut‐ schen Gesellschaft für Personalführung (DGFP), die 500 Unternehmen befragt haben (vgl. Zeit online 09.07.2020). 42% der befragten Unternehmen möchten die Arbeit im Homeoffice auch nach der Coronavirus-Pandemie ausweiten und ebenfalls 42% der befragten Unternehmen sind im Hinblick auf die zukünftige Ausweitung der Arbeit zu Hause noch unentschlossen. Allerdings möchte kaum ein Unternehmen die Arbeit im Homeoffice zu‐ künftig wieder zurückfahren. (vgl. Zeit online 09.07.2020). Diese Bereitschaft zu mehr Homeoffice resultiert aus den positiven Erfahrungen, die fast 90% der befragten Unternehmen mit der Arbeit ihrer Mitarbeitenden im Homeoffice gemacht haben. Auch sind ähnlich viele befragte Unternehmen der Ansicht, dass sie die Wünsche ihrer Mitarbeitenden nach der Arbeit im Homeoffice zukünftig mehr berücksichtigen müssen (vgl. Zeit online 0907.2020). Die befragten Unternehmen sehen jedoch auch einen Bedarf zur weiteren Strategieentwicklung für die Arbeit im Homeoffice, um mögliche 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 308 <?page no="309"?> Nachteile für die Mitarbeitenden sowie für die Unternehmen zu vermeiden. Notwendig ist u. a. die Entwicklung neuer Strategien zur Vermeidung der Entgrenzung zwischen Arbeits- und Privatleben, neuer Führungsstrategien auf Distanz sowie die Verbesserung des technischen Datenaustauschs und der Datenbearbeitung (z.B. elektronische Signierung von Dokumenten) (vgl. Zeit online 09.07.2020). „New Normal Working Model“ bei Siemens Während der Coronavirus-Krise arbeiteten weltweit rund 130.000 Mitarbei‐ tende bei Siemens im Homeoffice (vgl. Wirtschaftswoche 16.07.2020). „Wir haben gesehen, wie produktiv und effektiv das mobile Arbeiten sein kann. Da haben sich einige Vorurteile in Luft aufgelöst“, bewertet Jochen Wallisch, ein führender Manager im globalen Personalbereich von Siemens, die bisherigen Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice (Wirtschaftswoche 16.07.2020). Aufgrund der guten Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice hat Siemens einen Vorstandsbeschluss gefasst, der es mehr als der Hälfte der Mitarbeitenden weltweit (ca. 140.000 Mitarbeitende) ermöglichen soll, zwei bis drei Tage pro Woche im Homeoffice bzw. mobil zu arbeiten, sofern die Mitarbeitenden dies wünschen und auch die Vorgesetzten zustimmen. Bezeichnet wird dieses neue Konzept zum Homeoffice bzw. zur mobilen Arbeit als „New Normal Working Model“ (vgl. Watzke 16.07.2020). Ohne die abgespaltene Siemens Energy beschäftigt der neue Sie‐ mens-Konzern weltweit 240.000 Mitarbeitende. 140.000 Mitarbeitende, davon rund 45.000 Mitarbeitende in Deutschland, könnten nach dem Vorstandsbeschluss auch nach der Coronavirus-Pandemie zeitweise im Homeoffice arbeiten (vgl. ebenda). Siemens möchte damit auch eine Wei‐ terentwicklung der Unternehmenskultur vorantreiben und sieht auch die Notwendigkeit veränderter Führungsstile, die sich weniger an der Präsenz der Mitarbeitenden im Büro und mehr an den Arbeitsergebnissen orientiert (vgl. ebenda). Zusätzlich möchte der Siemens-Konzern durch das neue Arbeitsmodell auch die Motivation der Mitarbeitenden fördern und „im Wettbewerb um Talente attraktiver werden“ (Watzke 16.07.2020). Nach einer Umfrage im Siemens-Konzern entspricht dies auch dem Wunsch der Mehrheit der weltweit im Siemens-Konzern Beschäftigten, die gerne zwei bis drei Tage pro Woche im Homeoffice bzw. mobil arbeiten würden (vgl. ebenda). Die IG Metall und der Betriebsrat sind grundsätzlich für den Vorschlag einer zeitweisen mobilen Arbeit und Arbeit im Homeoffice offen. Allerdings 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 309 <?page no="310"?> müssen die konkreten Bedingungen der Arbeit im Homeoffice noch mit den Arbeitnehmervertretungen ausgehandelt werden, um mögliche Nachteile für die Beschäftigten zu verhindern. Dazu gehören insbesondere Fragen nach der Gestaltung der Arbeitszeiten, der Einhaltung von Arbeitszeitge‐ setzen und Arbeitsschutzregelungen sowie die Gestaltung des häuslichen Arbeitsplatzes und die zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel (z.B. tech‐ nische Ausstattung). Wichtig ist der Arbeitnehmervertretung, dass eine Selbstausbeutung der Mitarbeitenden im Homeoffice vermieden wird und die Arbeitszeiten und Ansprechbarkeit der Mitarbeitenden im Homeoffice klar vom Privatleben begrenzt werden. Wichtig hierbei ist auch das gegen‐ seitige Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden, wie der Sie‐ mens-Sprecher Herr Martens betont (vgl. Watzke 2020). Bis Mitte Oktober 2020 wird eine gemeinsame Vereinbarung zwischen dem Siemens-Konzern und der Arbeitnehmervertretung angestrebt (vgl. ebenda). Vorschlag zum gesetzlichen Anspruch auf Arbeit im Homeoffice Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat Anfang Oktober 2020 einen Ge‐ setzesentwurf für ein Recht auf Homeoffice vorgelegt, das „Mobile Arbeit Gesetz“. Danach sollen Vollzeitbeschäftigte, deren Aufgabenbereich eine mobile Arbeit bzw. die Arbeit im Homeoffice zulässt, einen gesetzlichen Anspruch auf jährlich 24 Tage Homeoffice bzw. mobile Arbeit erhalten. Für eine Ablehnung des Wunsches von Mitarbeitenden nach Homeoffice bzw. mobiler Arbeit müssten die Arbeitgeber zwingende betriebliche oder organisatorische Gründe nennen bzw. begründen, warum sich eine Tätigkeit nicht für die mobile Arbeit bzw. die Arbeit im Homeoffice eignet. Sie könnten den Wunsch nach mobiler Arbeit dann nicht mehr einfach pauschal ablehnen. (vgl. ARD 04.10.2020; ARD 05.10.2020). Diese 24 Tage pro Jahr versteht Arbeitsminister Heil als Untergrenze. So sollen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch auf mehr Tage mobile Arbeit in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen einigen können (vgl. ARD 04.10.2020; ARD 05.10.2020). Dieser Gesetzesentwurf für einen Rechtsanspruch der Erwerbstätigen auf mobiles Arbeiten und Arbeiten im Homeoffice stößt jedoch bei den Koalitionspartnern der aktuellen deutschen Bundesregierung sowie bei Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden auf erhebliche Kritik. Dabei haben sich die Koalitionsparteien SPD und CDU/ CSU im aktuellen Koalitionsvertrag darauf festgelegt, mobiles Arbeiten zu fördern (Bundesre‐ gierung 2018, S. 41, Zeile 1822 ff.). Wörtlich steht im Koalitionsvertrag: 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 310 <?page no="311"?> "Wir wollen mobile Arbeit fördern und erleichtern. Dazu werden wir einen rechtli‐ chen Rahmen schaffen. Zu diesem gehört auch ein Auskunftsanspruch der Arbeit‐ nehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber über die Entscheidungsgründe der Ablehnung sowie Rechtssicherheit für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber im Umgang mit privat genutzter Firmentechnik. Auch die Tarifpartner sollen Vereinbarungen zu mobiler Arbeit treffen". (Bundesregierung 2018, S. 41, Zeile 1822 ff.). Die Gründe für die Kritik am Gesetzesentwurf für ein Recht auf Home‐ office sind jedoch sehr unterschiedlich. Der Koalitionspartner CDU/ CSU lehnt einen Rechtsanspruch auf Homeoffice mit der Begründung ab, den Unternehmen ihre eigene Entscheidungsfreiheit über das Angebot mobiler Arbeit zu erhalten, die Arbeitnehmerschaft nicht je nach Aufgabenbereich in zwei Lager zu trennen (Homeoffice möglich bzw. unmöglich) und die Unternehmen nicht mit zusätzlichem bürokratischen Aufwand zu belasten. Die FDP lehnt den Gesetzesentwurf auf Homeoffice ab, weil der Aufwand für die Einrichtung eines häuslichen Arbeitsplatzes und Sicherstellung arbeits‐ rechtlicher Vorgaben sowie die konkrete Regelung (einseitiger Rechtsan‐ spruch oder faires Verfahren für alle Beteiligten) im Gesetzesentwurf nicht geklärt seien. Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, sieht keine Notwendigkeit für einen Rechtsanspruch und möchte den Unternehmen die eigene Entscheidungsfreiheit lassen. Demgegenüber lehnen der DGB und die Grünen den Gesetzesentwurf ab, weil er ihnen nicht weit genug geht. Sie fordern einen Rechtsanspruch auf Homeoffice bzw. mobile Arbeit für zwei bis drei Tage pro Woche und nicht nur für einen Tag alle zwei Wochen (ARD 05.10.2020). 6.1.3 Neue Büroraumkonzepte Mit der Verbreitung flexibler Arbeitsortkonzepte (und auch flexibler Ar‐ beitszeitkonzepte) haben sich auch neue Büroraumkonzepte entwickelt. Neue Büroraumkonzepte dienen einerseits dazu, den jeweiligen Arbeitsan‐ forderungen gerecht zu werden, die Kommunikation und Kooperation sowie den Wissensaustausch zwischen den Beschäftigten zu fördern, das Wohl‐ befinden der Mitarbeiter am Arbeitsplatz zu steigern sowie verschiedene Arbeitsformen, wie z.B. Teamarbeit oder Projektarbeit zu unterstützen. Zusätzlich ermöglichen viele Aufgabenbereiche eine orts- und teils auch zeitunabhängige Aufgabenbearbeitung (z.B. im Bereich von IT-Aufgaben, 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 311 <?page no="312"?> im Kunden- und Außendienst, bei Beratern, vielen kaufmännischen Tätig‐ keiten, neuen digitalen Aufgabenbereichen), so dass die Anwesenheit am Arbeitsplatz des Arbeitgebers nicht immer erforderlich, zweckdienlich oder von Seiten der Mitarbeitenden gewünscht ist. Andererseits sind Büroräume für Unternehmen, vor allem in den Innenstädten, mit hohen Kosten verbun‐ den. Wenn ein Teil der Mitarbeitenden zeitweise gar nicht im Büro und ihre Arbeitsplätze frei sind, weil sie mobil oder im Außendienst arbeiten, dann fördert dies auf Unternehmenseite ebenfalls Überlegungen, wie die hohen Bürokosten gesenkt werden können bzw. eventuelle Bürokapazitätserwei‐ terungen vermieden werden können. Auch diese Überlegungen haben zu neuen Büroraumkonzepten geführt. Da auch neue Büroraumkonzepte in Verbindung mit der Flexibilisierung des Arbeitsortes einen Einfluss auf die Work-Life-Balance der Mitarbeitenden haben können, werden ausgewählte neue Büroraumkonzepte, nach einem kurzen Exkurs zu den traditionellen Büroraumkonzepten, im Folgenden vorgestellt. Zu den traditionellen Büroraumkonzepten gehört das Zellenbüro, das Großraumbüro und das Gruppenbüro. Das Zellenbüro, meist für eine oder zwei Personen, ist die traditionelle Büroform, die auch heute noch weit verbreitet ist. Zellenbüros haben meist standardisierte Raummaße und sind i. d. R. durch einen Gang in der Mitte des Gebäudes bzw. Stockwerkes zugänglich. (vgl. Martin 2007, S. 3). Weit verbreitet sind Zellenbüros in öffentlichen Institutionen, aber auch in klei‐ nen und mittelständischen Unternehmen. Vor allem als Einzelbüros haben Zellenbüros eine hohe Arbeitsplatzqualität, da in ihnen ungestört und hoch konzentriert gearbeitet werden kann, zusätzlich kann die Arbeitsumgebung individuell gestaltet werden. Nachteilig ist der hohe Flächenverbrauch und die damit verbunden hohen Bürokosten sowie die eingeschränkte direkte Kommunikation mit den Kollegen, insbesondere bei geschlossenen Bürotüren. Etwas verbessert wird der direkte berufliche Austausch mit den Kollegen durch die „offene Tür“, die den Kollegen die Ansprechbarkeit des Kollegen im Einzelbüro signalisiert. Häufig werden Zellenbüros auch für zwei Personen geplant, um die Büroflächenkosten geringer zu halten und ei‐ nen fachlichen Austausch zwischen Kollegen zu verbessern. Allerdings sind Zweipersonenbüros nicht so beliebt, weil ein konzentriertes Arbeiten durch die zweite Person im Büro aufgrund unterschiedlicher Tätigkeiten vielleicht nur eingeschränkt möglich und auch die individuelle Büroraumgestaltung in Absprache mit beiden Kollegen erfolgen muss (vgl. Martin 2007, S. 3). 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 312 <?page no="313"?> Gut geeignet ist das Zweiraumbüro für Beschäftigte, die das gleiche oder ein sehr ähnliches Aufgabengebiet haben, in dem sie eng zusammenarbeiten und sich so im gemeinsamen Büro gut wechselseitig absprechen können. Auch für das Job-Sharing sind Zweipersonenbüros gut geeignet. Großraumbüro: Um die Nachteile der Zellenbüros zu vermeiden, haben viele vor allem große Unternehmen Großraumbüros eingeführt. In Groß‐ raumbüros werden viele ähnliche Aufgabenbereiche räumlich zusammen‐ gefasst, um Arbeitsprozesse und die Arbeitsorganisation zu vereinfachen und die Zusammenarbeit und direkte Kommunikation zwischen den Aufga‐ benbereichen und Mitarbeitenden zu fördern. Großraumbüros umfassen Räumlichkeiten ab ca. 400 qm und vermeiden bewusst Statussymbole der hierarchischen Organisation (vgl. Martin 2007, S. 5). Gut geeignet sind Großraumbüros auch für die Teamarbeit und Projektarbeit. Die einzel‐ nen Arbeitsplätze sind meist durch Raumteiler oder flexible Trennwände (Stellwände, Regale etc.) voneinander abgegrenzt, um auch eine relativ konzentrierte individuelle Arbeit zu ermöglichen. Auch lassen sich einzelne Arbeitsplätze innerhalb des Großraumbüros recht einfach umgruppieren bzw. neu organisieren. (vgl. Martin, 2007, S. 5). Die Vorteile von Großraum‐ büros bestehen in einer deutlich verbesserten direkten Kommunikation und Zusammenarbeit der Mitarbeitenden aufgrund der räumlichen Nähe. Nach‐ teilig wirken sich jedoch die trotz Raumteilungen recht hohe Lautstärke im Großraumbüro aus, die ein wirklich konzentriertes Arbeiten deutlich einschränkt und auch die Bearbeitung vertraulicher Arbeitsinhalte und Gespräche einschränkt. Auch die Beleuchtung (große Büroräume erfordern häufig eine künstliche Beleuchtung) sowie die nur eingeschränkte Beein‐ flussung der Umgebungseinflüsse kann sich negativ auf das Wohlbefinden und die Konzentration der Beschäftigten auswirken. Häufig werden die abgegrenzten Arbeitsbereiche auch als einengend empfunden (vgl. Martin 2007, S. 5). Gruppenbüro: Teils aufgrund der Nachteile der Großraumbüros haben sich zunehmend Gruppenbüros entwickelt, die mehrere Arbeitsplätze für ca. 3 bis 25 Personen mit ähnlichen Aufgabenbereichen umfassen (vgl. Martin 2007, S. 7). In Gruppenbüros werden die nachteiligen Arbeitsbedingungen und die eingeschränkten Konzentrationsmöglichkeiten von Großraumbüros vermieden, dennoch ist eine schnelle direkte Kommunikation und Zusam‐ menarbeit zwischen den Mitarbeitern sichergestellt. Gerade für Teamarbeit und Projektarbeit sind Gruppenbüros besonders gut geeignet. Trotzdem besteht auch in Gruppenbüros die Gefahr, dass die Mitarbeitenden nur 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 313 <?page no="314"?> eingeschränkt konzentriert arbeiten können, da sie durch Gespräche oder Telefonate von Kollegen gestört werden (vgl. Martin 2007, S. 8). Kombibüros: Vor allem in den skandinavischen Ländern sind soge‐ nannte Kombibüros weit verbreitet. Kombibüros verbinden Einzel- oder Zweierbüros mit einer Multifunktionszone, in der gemeinsame Bespre‐ chungen, Team- oder Projektarbeit erfolgen kann, die jedoch auch mit einem Technikpool, einem Pausenbereich mit Getränkeverfügbarkeit oder einem Archiv kombiniert sein kann (vgl. Martin 2007, S. 9). Meist sind die Einzelbüros von der Multifunktionszone durch (Glas)wände getrennt. Durch diese Bürokombination sollen die Vorteile von Großraumbüros und Zellenbüros miteinander verbunden werden. So können die Beschäftigten in den Einzelbüros ruhig und konzentriert arbeiten, für den kommunikativen Austausch mit Kollegen, eine Pause oder für die Nutzung technischer Geräte ist die Multifunktionszone schnell erreich- und verfügbar. (vgl. Martin 2007, S. 9f.). Um den Anforderungen der steigenden Flexibilisierung der Arbeit und beruflichen Zusammenarbeit gerecht zu werden, haben sich in den letzten ca. 10 bis 15 Jahren neue Büroraumkonzepte entwickelt und in der Arbeitswelt etabliert. Dazu gehören insbesondere die folgenden neuen Büroraumkonzepte und Elemente von neuen Büroraumkonzepten (vgl. u. a. Dark Horse Innovation 2018): Open Space Büro Das Open Space Büro oder auch Multi Space Büro ist eine neue Variante des Großraumbüros. Hier arbeiten die Mitarbeitenden in großen offenen Räumlichkeiten ohne feste Wände meist an gruppierten Arbeitsplätzen (vgl. Rassek 2020). Der Unterschied zum Großraumbüro besteht darin, dass das Open Space Büro verschiedene Arbeits- und Erholungsbereiche umfasst. So gibt es neben offenen Arbeitsplätzen (Einzel- und Gruppenarbeitsplätze) auch abgeschlossene Räume für Besprechungen, Teamarbeit, Telefonate oder Videokonferenzen (Think Tanks). Zusätzlich werden oft auch Loun‐ ges zum Entspannen oder für gemeinsame Besprechungen in entspannter „Wohnzimmer-Atmosphäre“ sowie Kaffeeecken mit Stehtischen oder Sitz‐ gelegenheiten angeboten. Teilweise werden auch Fitnessräume, Räume zur spielerischen Entspannung (z.B. Tischtennisraum, Kickerraum), Ruheräume und außergewöhnliche Arbeitsbereiche (z.B. Hängematten) in das Open Space Büro integriert. (vgl. Rassek 2020). Die Mitarbeitenden können sich jeweils diejenigen Arbeitsplätze selbst aussuchen, die sie für ihre Aufgaben 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 314 <?page no="315"?> gerade benötigen oder sich wünschen. Statt typischer Schreibtische gibt es häufig nur funktionale Ablageflächen für die Arbeitsmittel der Mitarbei‐ tenden (z.B. für den Laptop oder das Tablet etc.). Die digitale Vernetzung (meist über WLAN) erlaubt die Nutzung weiterer Arbeitstechnik (z.B. Drucker, Scanner) und gewährleistet die unternehmensinterne und -externe Kommunikation. Aus Unternehmenssicht soll das Open Space Büro die Kommunikation und die Zusammenarbeit der Mitarbeitenden fördern sowie einen schnelle‐ ren direkten und umfangreicheren Wissensaustausch sowie Problemlösun‐ gen ermöglichen. Auch die Arbeitsprozesse sollen dadurch transparenter werden. Gleichzeitig können die vorhandenen Büroflächen effizienter ge‐ nutzt werden. Aus Sicht der Mitarbeitenden bietet das Open Space Büro unterschiedliche Arbeitsplätze und Arbeitsbereiche an und fördert auch die Zusammenarbeit mit den Kollegen. Nachteilig bewertet werden jedoch u. a. die fehlende Privatsphäre (eigener Schreibtisch, Arbeitsraum) und weitgehend fehlende Möglichkeiten der individuellen Arbeitsgestaltung, die Notwendigkeit, die eigenen Arbeitsmittel immer wieder mit zu nehmen sowie der hohe Lärm‐ pegel durch die offenen Räumlichkeiten. Auch höhere Infektionsmöglich‐ keiten durch die offenen Räumlichkeiten werden kritisiert. (vgl. SBiB-Studie Schweizerische Befragung in Büros von 2010). In Deutschland ist das Open Space Büro bislang noch nicht sehr weit verbreitet. Vor allem große US-amerikanische IT-Unternehmen wie z.B. Google und Microsoft haben das Open Space Büro bei sich eingeführt und positive Erfahrungen damit gemacht (vgl. z.B. Microsoft in München seit 2016). Aber auch Startups oder junge kleinere Unternehmen probieren das Konzept aus. Ein Beispiel für ein Open Space Büro findet sich unter: (vgl. Beispiel eines Open Space Office. Bildquelle: https: / / i.pinimg.com/ originals/ cd/ 15/ 14/ cd151465e0eb87dfd702a 76577adf0bd.jpg. Abruf: 19.01.2021). Desk-Sharing: Das Konzept des Desk-Sharing ist eine Reaktion auf die gestiegene Flexibili‐ sierung des Arbeitsortes. Beim Desk-Sharing teilen sich mehrere Mitarbeiter eine begrenzte Anzahl an anonymen Arbeitsplätzen. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter keinen persönlichen Schreibtisch bzw. Arbeitsplatz mehr haben, sondern sich für die Arbeit im Büro einen anonymen freien Schreibtisch suchen. So stehen beispielsweise für 100 Mitarbeiter nur 80 Schreibtische bzw. Arbeitsplätze am Standort des Unternehmens zur Verfügung (Sharin‐ 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 315 <?page no="316"?> grate: 0,8). Da ein Teil der Mitarbeiter nicht täglich am Unternehmensstand‐ ort (bzw. im Büro) arbeitet, reichen die zahlenmäßig geringeren Arbeits‐ plätze aus. Damit die Mitarbeitenden nicht zu lange nach einem freien Arbeitsplatz im Unternehmen suchen müssen, bietet es sich an, bestimmte Aufgabenbereiche oder Abteilungen räumlich zusammenzufassen (z.B. auf einer Etage). (vgl. Martin 2007, S. 13). Die Unternehmen bzw. Arbeitgeber können durch das Desk-Sharing erhebliche Kosten für die Büroräume (vor allem in Innenstädten) sparen. Zusätzlich werden die vorhandenen Arbeitsplätze besser ausgelastet. Die Mitarbeiter können ihre persönlichen Arbeitsmaterialien in einem kleinen Schreibtisch-Container (Caddy) auf‐ bewahren, der in dafür vorgesehenen Räumen (Caddy-Garage) „geparkt“ werden kann. Die anonyme Arbeitsplatzwahl kann für die Mitarbeitenden vorteilhaft sein, wenn sie beispielsweise an unterschiedlichen Aufgaben und in verschiedenen Arbeitsformen (konzentrierte Einzelarbeit, Teamarbeit, Projektarbeit, Besprechung) zusammenarbeiten und sich jeweils den für die aktuelle Arbeitsform und den Arbeitsinhalt passenden Arbeitsplatz aus‐ wählen. Auch die Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden kann durch die jeweils unterschiedliche Arbeitsplatzwahl (je nach gerade verfügbaren Arbeitsplätzen) gesteigert werden. Nachteilig kann sich die Anonymität des Arbeitsplatzes auf die Bindung des Mitarbeiters an den Arbeitgeber auswirken. Hot Desks bzw. Hot Desking bzw. Desk Sharing 2.0 Auch bei dem Hot Desking bzw. Desk Sharing 2.0 haben die Mitarbeitenden keinen eigenen festen Arbeitsplatz mehr, sondern arbeiten an wechseln‐ den Arbeitsplätzen (i. d. R. Schreibtischarbeitsplätze). Über ein internes Bu‐ chungssystem (Hotelling) können sich die Mitarbeitenden bei Bedarf einen Arbeitsplatz beim Arbeitgeber buchen. Das fördert die Kommunikation und den Austausch zwischen den Kollegen, da je nach Arbeitsplatzsituation immer wieder unterschiedliche Kollegen in einem Bürobereich zusammen‐ arbeiten. Das interne Buchungssystem erleichtert auch die Suche nach einem freien Arbeitsplatz und fördert die flexible Gestaltung und Wahl des Arbeitsortes. Die Arbeitgeber benötigen insgesamt weniger Büroarbeits‐ plätze, können dadurch Ressourcen und Kosten sparen und verbessern die Auslastung der vorhandenen Büroarbeitsplätze. Zusätzlich fördert dies auch insgesamt die unternehmensinterne Kommunikation und den Wis‐ sensaustausch zwischen den Mitarbeitenden. Besonders gut geeignet ist das Desk Sharing 2.0 für junge und kleinere Unternehmen, die noch nicht 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 316 <?page no="317"?> so viele Mitarbeitende beschäftigen. Im Hinblick auf die Aufgabenbereiche eignet sich das Desk Sharing 2.0 vor allem für Mitarbeiter im Kunden- und Außendienst und im Vertrieb, die mehr als 70% ihrer Arbeitszeit nicht im Büro des Arbeitgebers arbeiten, aber auch für Teilzeitmitarbeitenden, die z.B. nur an drei Tagen pro Arbeitswoche im Büro sind (vgl. Brückner 2020). Hotelling und Zoning Hotelling ist eine Weiterentwicklung des Desk Sharing 2.0. Die Mitarbei‐ tenden können sich über ein digitales unternehmensinternes Buchungssys‐ tem genau denjenigen Arbeitsplatz buchen, den sie benötigen, beispiels‐ weise einen „normalen“ Schreibtischarbeitsplatz, einen Besprechungsraum, einen Projektarbeitsraum, einen „Ruhe-Arbeitsplatz“ für konzentriertes Arbeiten oder einen Kommunikationsarbeitsplatz für Telefonate oder Vi‐ deokonferenzen. Zoning bedeutet, dass Mitarbeitende, die in Teams oder Projekten zusammenarbeiten, sich eine gemeinsame „Arbeitszone“ bzw. einen gemeinsamen Arbeitsbereich über das interne digitale Buchungssys‐ tem buchen können. Beim Hotelling und Zoning sparen die Arbeitgeber Bürokapazitäten und damit Kosten und steigern die Auslastung der vorhan‐ denen Arbeitsplätze. Die Mitarbeitenden können sich je nach Bedarf und Arbeitssituation die „richtigen“ Arbeitsplätze im Voraus buchen, was die Flexibilität ihres Arbeitsortes steigert und gleichzeitig sicherstellt, dass sie sich die benötigten Arbeitsplätze reservieren können. Besonders geeignet ist das Hotelling und Zoning für diejenigen Mitarbeitenden, die häufig ihren Arbeitsort wechseln, aber auch für die Zusammenarbeit in Temas und Projekten. (vgl. Brückner 2020). Thinktank Thinktanks sind abgeschlossene und akustisch abgeschirmte Büroräume, in denen Mitarbeitende vertrauliche Besprechungen, Telefonate oder Video‐ konferenzen durchführen können und nicht gestört werden. Wichtig sind diese abgeschlossenen Räumlichkeiten für ein ungestörtes Arbeiten und Besprechungen in ruhiger und vertraulicher Umgebung. (vgl. Brückner 2020). Ein Anschauungsbeispiel für einen Thinktank findet sich unter (Beispiel eines Think Tank. Bildquelle: www.coneon.de/ wp-content/ upload s/ 2017/ 07/ MG_8525_k2.jpg. Abruf: 19.01.2021). 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 317 <?page no="318"?> Touchdown: Touchdowns dienen dazu, einen Arbeitsplatz zu haben, an dem sich die Mitarbeiter auf einen aktuellen Arbeitsstand bzw. Wissensstand bringen können, Emails oder Dateien abrufen und bearbeiten sowie kurzzeitige Ar‐ beiten durchführen können. Konkret können Touchdowns z.B. Stehtische, Besprechungsinseln, Sofa-Lounges oder Cafeteria-Sitzecken sein. Entschei‐ dend ist die digitale Vernetzung und die Möglichkeit kurzfristiger Aufga‐ benbearbeitung. Geeignet sind diese Arbeitsplätze für alle Mitarbeitenden, die häufig außerhalb des Unternehmens und im Homeoffice arbeiten, wie z.B. Kundendienst- und Außendienstmitarbeiter, Mitarbeiter in Teilzeit und im Homeoffice, und die daher im Unternehmen keinen festen Arbeitsplatz haben (vgl. Brückner 2020). Work- und Communication Lounges Work- und Communication Lounges sind Tisch- und Sofalandschaften, die Einzelarbeiten, Teamarbeit, Besprechungen oder auch kurze Ruhephasen in einer entspannten Arbeitsatmosphäre erlauben. Sie sind häufig Teil von Open Space Büros und dienen der entspannten (Zusammen)Arbeit und Kommunikation, der Möglichkeit des Arbeitsplatzwechsels, der eige‐ nen Entspannung oder für eine zwanglose Besprechung mit Kollegen oder dem Projektteam. Ein Beispiel für eine Work- und Communication Lounge findet sich unter (Beispiel einer Work und Communication Lounge. Bildquelle: https: / / blog.mercedes-benz-passion.com/ wp-cb4ef-content/ uplo ads/ 2048_17C583_03.jpg. Abruf: 19.01.2021). Coffee-Corner Nicht fehlen dürfen in neuen Büroraumkonzepten sog. Coffee-Corners, d. h. Tee- und Kaffeeküchen, in denen sich die Mitarbeiter - meist kostenfrei - kalte und warme Getränke zubereiten können. Häufig gibt es auch einen Kühlschrank für eigene und vom Unternehmen bereitgestellte Nahrungs‐ mittel sowie die Möglichkeit, sich kleine Mahlzeiten (Obstteller, Imbiss) zuzubereiten. Moderne Coffee-Corners sind meist gut ausgestattet und umfassen u. a. Tee- und Kaffeemaschinen, Espressomaschinen, Kühlschrank, Mikrowelle, Herd, Mixer sowie ansprechenden Sitzgelegenheiten. Dadurch werden den Mitarbeitenden attraktive Möglichkeiten zur Selbstverpflegung in den Pausen und für zwischendurch, zur entspannten Kommunikation, aber auch zur Erholung und als Rückzugsraum angeboten. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 318 <?page no="319"?> 6.1.4 Gestaltung der Arbeitsinhalte und Arbeitsbedingungen Die Inhalte und die Bedingungen der ausgeübten Tätigkeit beeinflussen maßgeblich die Arbeitszufriedenheit und die Leistungsfähigkeit einer Per‐ son sowie die psychischen und physischen Belastungen, die mit bestimmten Arbeitsinhalten verbunden sein können (vgl. Michalk/ Nieder 2007, S. 86). Die meisten Aufgabenbereiche und ausgeübten Tätigkeiten sind durch Arbeitsteilung und Stellenspezialisierung geprägt. Dies hat den Vorteil, dass die Mitarbeiter ihre spezifischen Arbeitsaufgaben schneller und besser beherrschen, wodurch eine höhere Arbeitsqualität und Arbeitsproduktivität erreicht werden. Allerdings fördert eine hohe Stellenspezialisierung auch die Monotonie der Arbeit und kann zu einseitigen psychischen und phy‐ sischen Belastungen, geringeren sozialen Kommunikations- und Interakti‐ onsmöglichkeiten sowie einer sinkenden Fähigkeit zur Anpassung an sich verändernde Arbeitsinhalte oder -prozesse führen. Je größer Unternehmen sind, desto ausgeprägter ist meist auch die Spezialisierung der einzelnen Stellen und Aufgabenbereiche. Aufgrund der Entwicklung unserer Gesellschaft zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft mit neuen Produktions-, Informations- und Kom‐ munikationstechnologien sowie einem immer schnelleren Wandel der Marktanforderungen sinkt die Bedeutung der Stellenspezialisierung vor allem in komplexeren Aufgabenbereichen. Müssen sich Unternehmen in immer kürzeren Abständen an neue Kundenbedürfnisse und veränderte Marktbedingungen anpassen, indem neue oder veränderte Produkte oder Dienstleistungen nachgefragt werden, neues Wissen bestehende Herstel‐ lungsprozesse verändert oder bestehende Organisationsstrukturen weiter‐ entwickelt werden, so erweist sich eine hohe Spezialisierung eher als hinderlich. Deshalb senken viele Unternehmen den Spezialisierungsgrad ihrer Stellen und fördern stattdessen individuelle und gruppenorientierte Formen der Arbeitsgestaltung, eine stärkere Individualisierung der Arbeit sowie eine höhere Arbeitsflexibilität (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 155 f.). Sinkende Stellenspezialisierung verbunden mit einer hohen Dynamik und Komplexität der Unternehmensentwicklung können jedoch häufig zu physischen und psychischen Arbeitsüberlastungen sowie emotionaler Erschöpfung führen, aus denen eine sinkende Arbeitszufriedenheit oder gesundheitliche Risiken bzw. Beeinträchtigungen der betroffenen Arbeit‐ nehmenden resultieren können. 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 319 <?page no="320"?> Maßnahmen zur Verbesserung der Work-Life-Balance, die an den Ar‐ beitsinhalten und Arbeitsbedingungen ansetzen, bestehen insbesondere in folgenden Bereichen: Motivierende Gestaltung der Arbeitsinhalte: Bei der Gestaltung der Arbeitsinhalte sollten folgende Aspekte berücksich‐ tigt werden, um die Motivation und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiten‐ den zu stärken und dadurch eine dauerhafte qualitativ hochwertige Arbeits‐ leistung sicherzustellen (vgl. Abbildung 90). Dazu gehören insbesondere (vgl. Hackman/ Oldham 1975, S. 161): ▸ Vielfalt der Anforderungen: Die Arbeitsaufgaben sollten unter‐ schiedliche Fähigkeiten und Wissensbestände der Mitarbeiter anspre‐ chen, um Monotonie und einseitige Arbeitsbelastungen zu vermeiden sowie das Fähigkeitspotenzial der Mitarbeitenden auszuschöpfen. ▸ Ganzheitlichkeit der Aufgaben: Wenn Mitarbeiter nur isolierte Teilaufgaben bearbeiten, dann fehlt häufig der übergeordnete Zusam‐ menhang und die Sinnhaftigkeit der eigenen Aufgaben wird oft nicht deutlich. Werden Mitarbeitern hingegen inhaltlich umfangreichere und in sich abgeschlossene Aufgaben(bereiche) übertragen, für die sie verantwortlich sind, so erschließt sich viel eher die Bedeutung der individuellen Aufgaben und ihr Zusammenhang zur übergeordneten Unternehmensleistung. Auch die Wertigkeit der eigenen Aufgaben steigt dadurch. ▸ Bedeutsamkeit der Aufgaben: Mitarbeiter sollten ihre Aufgaben als wichtig und für das Unternehmen bedeutsam einschätzen können. Das steigert nicht nur die Wertigkeit der eigenen Arbeitsleistung, sondern auch die Wertschätzung der einzelnen Person und wirkt sich dadurch positiv auf die Arbeitszufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden aus. ▸ Autonomie der Arbeitsleistung: Die Aufgabenerfüllung sollte in‐ haltliche und zeitliche Gestaltungsspielräume beinhalten, aber auch eigene Entscheidungs- und Kontrollkompetenzen des Mitarbeitenden umfassen. Höhere Gestaltungsspielräume und Entscheidungskompe‐ tenzen steigern den individuellen Handlungsspielraum der Mitarbei‐ tenden und ermöglichen ihnen, auf Problemsituationen oder kurz‐ fristige sehr hohe Belastungen situationsgerecht zu reagieren und dadurch Überlastungen zu mildern bzw. zu vermeiden. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 320 <?page no="321"?> ▸ Rückmeldungen (feedback) nach der Aufgabenerfüllung: Mitarbei‐ tende brauchen zeitnahe Rückmeldungen ihrer Vorgesetzten und ggf. auch Kollegen über die Ergebnisse ihrer Arbeitsleistungen. Wie gut wurden die Aufgaben erfüllt? Wo besteht noch Verbesserungsbedarf ? Vor allem die Anerkennung guter oder sehr guter Leistungen ist außerordentlich wichtig für die individuelle Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit. Aber auch kritische Rückmeldungen bei einer unvollständigen oder fehlerhaften Arbeitsleistung sind wichtig, um Mitarbeitenden die Möglichkeit zum Lernen aus den Fehlern und zur Verbesserung ihrer Arbeitsleistung zu geben. Zusätzlich signalisieren Rückmeldungen auch die Wertschätzung und Aufmerksamkeit dem einzelnen Mitarbeiter gegenüber. Abbildung 88: Kriterien und Auswirkungen einer motivierenden Gestaltung der Arbeitsinhalte. Eigene Abbildung. Quelle: in Anlehnung an Hackman/ Oldham 1975, S. 141; 161 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 321 <?page no="322"?> Erhöhung der Handlungsspielräume von Mitarbeitern Je größer die Einflussmöglichkeiten der Mitarbeitenden auf die Gestaltung der eigenen Arbeitssituation sind, desto eher können physische und psychi‐ sche Belastungen reduziert bzw. vermieden werden (vgl. Michalk/ Nieder 2007, S. 86). Dazu gehört z.B. die Möglichkeit, bestimmte Stressoren aus‐ zuschalten (z.B. Lärm, unangenehme Gerüche, Zugluft, Störungen durch Kollegen oder Telefonanrufe, Termindruck, Arbeitsverdichtung etc.). Bei‐ spielsweise reduzieren Lärmbelastungen erheblich die Konzentrationsfähig‐ keit. Arbeitnehmende, die in der Nähe lauter Produktionsanlagen oder in Großraumbüros arbeiten, sollten die (zeitlich begrenzte) Möglichkeit zum Rückzug in ruhigere Arbeitsräume oder der Abschottung der Lärmquel‐ len (z.B. durch geschlossene Türen oder ruhige Arbeitsbereiche) erhalten. Besonders belastend empfinden viele Arbeitnehmende häufige Störungen des Arbeitsprozesses z.B. durch Kollegen, Telefonanrufe oder Kunden. Die neuen Büroraumkonzepte bieten für die verschiedenen Aufgaben jeweils geeignete Arbeitsplätze an. Abhilfe könnten auch selbst festzulegende „un‐ gestörte Arbeitszeiten“ der Mitarbeiter sein, in denen sie z.B. für ein bis zwei Stunden das Telefon abstellen, die Türe schließen oder Kundenanfragen auf Kollegen umleiten können. Aber auch die Möglichkeit, die zeitliche Bearbei‐ tung unterschiedlicher Aufgaben selbstbestimmt strukturieren zu können, und beispielsweise Aufgaben, die eine hohe Konzentration und Ruhe er‐ fordern, selbstbestimmt in „ruhigen“ Arbeitszeiten erledigen zu können, wirken häufig schon stressreduzierend (vgl. Michalk/ Nieder 2007, S. 86). Große psychische Belastungen resultieren oft aus einem permanenten Ter‐ mindruck, dem die Mitarbeitenden bei ihrer Aufgabenerfüllung unterliegen. Hilfreich wäre hier eine persönliche Einflussnahme bzw. Mitbestimmung bei der Terminplanung, um dadurch zeitlich zu knappe Terminvorgaben zu vermeiden oder mehrere nah beieinander liegende Termine zeitlich besser verteilen zu können. Aber auch die Verdichtung und steigende Komplexität von Arbeitsaufgaben wirken häufig psychisch und physisch belastend. Hier sollten Möglichkeiten geprüft werden, eine quantitative oder auch qualitative Arbeitsüberlastung durch Verteilung von Arbeitsaufgaben auf mehrere Mitarbeiter bzw. zeitweise Unterstützung durch Kollegen zu reduzieren. Insgesamt ist festzuhalten, dass allein das Wissen der Mitarbeiter um ihren Handlungsspielraum und die Möglichkeit der Kontrolle und Beeinflussbarkeit bestimmter Arbeitsbedingungen viele Arbeitssituationen erheblich entspannen können. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 322 <?page no="323"?> Abwechslungsreichere Gestaltung der individuellen Arbeitsinhalte ( Job Rotation) Um die Monotonie immer gleicher oder ähnlicher Aufgaben zu verringern und die individuellen Arbeitsinhalte abwechslungsreicher zu gestalten, eig‐ net sich ein geplanter Wechsel der Arbeitsaufgaben, z.B. durch Job Rotation. Unter Job Rotation wird ein Wechsel des Arbeitsplatzes bzw. der Arbeits‐ aufgaben verstanden, dessen Häufigkeit vom individuellen Arbeitsplatz abhängig ist; möglich sind Wechselrhythmen von wenigen Stunden, Tagen, Wochen bis hin zu Monaten (Stopp/ Kirschten 2012, S. 158). Grundsätzlich erfolgt der Arbeitsplatzwechsel beim Job Rotation planmäßig und umfasst gleiche oder ähnliche Aufgaben. Mittlerweile haben sich aber auch verschie‐ dene Varianten des Job Rotation entwickelt, bei denen der Arbeitsplatz‐ wechsel entweder spontan erfolgt, vom Arbeitgeber oder Vorgesetzten vor‐ gegeben oder vom Mitarbeitenden selbst gewünscht wird. Eine besondere Variante des Job Rotation ist das Springer-Prinzip. Damit der Arbeitsprozess beim Ausfall einzelner Mitarbeitender nicht stockt, werden sog. Springer mehrfach qualifiziert, damit sie bei Bedarf auch andere Arbeitsplätze über‐ nehmen können. (vgl. Berthel/ Becker 2010, S. 446 ff.). Wesentliche Ziele des Job Rotation bestehen darin, einseitige Arbeitsbelastungen und Monotonie zu vermeiden bzw. zu reduzieren und den Mitarbeitenden eine höhere Aufgabenvielfalt sowie die Entwicklung von Mehrfachqualifikationen zu ermöglichen. Die Möglichkeit, verschiedene Aufgaben zu übernehmen und einzelne Aufgabenbereiche häufiger zu wechseln, verringert die Monotonie einzelner Arbeitsaufgaben, fördert die Flexibilität der Mitarbeiter sowie ihre Einsatzfähigkeit im Unternehmen. Damit leistet Job Rotation einen positiven Beitrag zur Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden und einem ausgeglicheneren Arbeitsleben. Wie die untenstehende Tabelle 24 zeigt, überwiegen die Vorteile des Job Rotation mögliche Nachteile deutlich. 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 323 <?page no="324"?> Vor- und Nachteile von Job Rotation als Instrument der Work-Life-Ba‐ lance Vorteile Nachteile • Geringere einseitige Belastungen und weniger Monotonie durch Wechsel verschiedener Arbeitsauf‐ gaben • höhere Flexibilität und Anpas‐ sungsfähigkeit der Mitarbeitenden an neue Aufgaben • Kenntnisse über und mehr Ver‐ ständnis für verschiedene Aufga‐ benbereiche und übergeordnete Arbeitszusammenhänge • höhere Bereitschaft zur Zusam‐ menarbeit • mehr soziale Kontakte, bessere In‐ tegration • Höhere Arbeitszufriedenheit • Höhere Einsatzflexibilität der Mit‐ arbeitenden • Höherer Aufwand für Einarbei‐ tung in weitere Aufgabengebiete • Höherer Aufwand für Arbeits- und Einsatzplanung der Mitarbei‐ tenden • Ggf. Abstimmungsprobleme, län‐ gere Übergabezeiten, Integrati‐ onsprobleme • Mindestanzahl an rotationsfähi‐ gen und -willigen Mitarbeiten‐ den je Aufgabenbereich erforder‐ lich Tabelle 24: Vor- und Nachteile von Job Rotation als Instrument der Work—Life-Ba‐ lance. Quelle: Eigene Darstellung und Tabelle. Unbedingt zu vermeiden ist eine Überlastung der Mitarbeitenden durch zu häufige oder zu vielfältige Wechsel der Arbeitsaufgaben. Beides könnte die positiven Effekte des Job Rotation zunichtemachen und stattdessen Stress und Arbeitsüberlastung mit möglichen physischen und psychischen negativen Folgen für die Gesundheit des jeweiligen Mitarbeiters bewirken. ▸ Erweiterung der quantitativen Arbeitsinhalte (Job Enlargement) Neben dem Wechsel von Arbeitsaufgaben dient auch die quantitative Erweiterung der Arbeitsinhalte einer größeren Arbeitszufriedenheit. Eine quantitative Erweiterung der bisherigen Arbeitsaufgaben um neue, qualitativ ähnliche Aufgaben auf einem ähnlichen Anspruchs‐ niveau wird als Job Enlargement bezeichnet (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 159). Diese horizontale Aufgabenerweiterung kann z.B. die Ergänzung bislang nur ausführender Tätigkeiten um auch planende oder kontrollierende Aufgaben umfassen. Die daraus entstehenden umfangreicheren Aufgabenbereiche erhöhen das Verständnis der Mitarbeitenden für umfangreichere Arbeitszusammenhänge, bieten 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 324 <?page no="325"?> aber auch Möglichkeiten einer größeren Identifikation der Mitarbei‐ tenden mit ihren erweiterten Aufgabenbereichen. Dadurch lassen sich einseitige Belastungen und Monotonie der Arbeit verringern und gleichzeitig die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeitenden steigern. Somit kann auch das Job Enlargement ein sinnvolles und wirksames Instrument zur Förderung eines ausgeglichenen Arbeits‐ lebens und damit ein Ansatzpunkt für eine ausgeglichenere Work- Life-Balance sein. Zu den Vor- und Nachteilen des Job Enlargement zählen insbesondere die folgenden (vgl. Tabelle 25): Vor- und Nachteile des Job Enlargements als Instrument der Work-Life- Balance Vorteile Nachteile • Interessantere und umfangrei‐ chere Aufgaben • Erweiterte Aufgabenbereiche er‐ höhen das Verständnis für um‐ fangreichere Arbeitszusammen‐ hänge • Höhere Identifikation der Mitar‐ beitenden mit ihren erweiterten Aufgabenbereichen • Steigerung der Arbeitsqualität und des Arbeitsengagements • Verminderung der Monotonie durch geringeren Spezialisie‐ rungsgrad • Höheres Arbeitsengagement und höhere Arbeitszufriedenheit • Notwendigkeit ergänzender Qua‐ lifikationen für weitere Aufgaben‐ bereiche • Inhaltlicher und zeitlicher Einar‐ beitungsaufwand • Ggf. Schwierigkeiten bei der Über‐ nahme zusätzlicher Aufgaben und Verantwortlichkeiten • Ggf. Widerstände gegen Über‐ nahme weiterer Aufgabenbereiche aufgrund mangelnder Flexibilität oder Angst vor Veränderungen der Arbeitsaufgaben) Tabelle 25: Vor- und Nachteile des Job Enlargements als Instrument der Work-Life-Ba‐ lance. Quelle: Eigene Zusammenstellung und Darstellung. Qualitative Erweiterung der Arbeitsinhalte / Bereicherung der indi‐ viduellen Arbeitsinhalte ( Job Enrichment) Werden die bestehenden Arbeitsaufgaben um qualitativ höherwertige Auf‐ gaben erweitert, so wird das als Job Enrichment bezeichnet (vgl. Stopp/ Kirschten 2011, S. 159 f.). Hier erfolgt eine vertikale Aufgabenerweiterung, bei der die bestehenden Aufgaben z.B. um inhaltlich anspruchsvollere Ent‐ scheidungsaufgaben oder Kompetenzbereiche strukturell erweitert werden. So kann das Job Enrichment auch zur Qualifizierung der Mitarbeitenden 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 325 <?page no="326"?> im Rahmen der Personalentwicklung sowie zu ihrer Vorbereitung beispiel‐ sweise auf die Übernahme von Führungsaufgaben genutzt werden. Die Übernahme zusätzlicher und inhaltlich anspruchsvollerer Aufgabenberei‐ che sowie die Erweiterung eigener Entscheidungsspielräume fördern das Leistungsspektrum und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden und erweitert ihre Handlungs- und Gestaltungsspielräume. Dies wiederum be‐ wirkt eine höhere Identifikation mit der Arbeit und Sinnerfüllung, was sich auch positiv auf das Engagement der Mitarbeitenden und ihre Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit auswirkt (vgl. Berthel/ Becker 2010, S. 444 ff.). Wesentliche Vor- und Nachteile des Job Enrichments im Hinblick auf eine Work-Life-Balance sind in der Tabelle 26 zusammengestellt. Vor- und Nachteile des Job Enrichments als Instrument der Work-Life- Balance Vorteile Nachteile • Erweitertes und anspruchsvolleres Aufgabenspektrum • Interessantere Aufgaben • Höhere Arbeitszufriedenheit • Entwicklung der Mitarbeitenden • Erweitertes Einsatzspektrum der Mitarbeitenden • Verminderung der Monotonie • Geringerer Spezialisierungsgrad • Qualifikationsaufwand • (zeitlich, Kosten) • Gefahr der Überlastung und Unzu‐ friedenheit bei Überforderung • Ggf. Kompetenzüberschneidungen und -streitigkeiten durch umfang‐ reichere Aufgabenbereiche Tabelle 26: Vor- und Nachteile des Job Enrichments als Instrument der Work-Life-Ba‐ lance. Eigene Darstellung. Vor allem beim Job Enrichment muss darauf geachtet werden, dass der Mit‐ arbeitende durch die Übertragung umfangreicherer und anspruchsvollerer Aufgabenbereiche nicht überfordert oder überlastet wird, um die positive Wirkung auf die Arbeitszufriedenheit nicht zu gefährden. Unterstützung der Mitarbeiter durch geeignete und ausreichende Ressourcen Stehen für die Erfüllung der Arbeitsaufgaben nicht alle notwendigen Res‐ sourcen in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung, so kann dies auch erhebliche psychische und physische Belastungen erzeugen, da die Aufgaben ggf. nicht zufriedenstellend oder erst zeitlich verzögert (durch die Organisation geeigneter Ressourcen) erledigt werden können. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 326 <?page no="327"?> Wesentliche Ressourcen zur Aufgabenerfüllung können beispielsweise in einer aufgabenadäquaten technischen Ausstattung (PC, Laptop, Drucker, Internetanschluss, Smartphone), ausreichendem Bürobedarf und Arbeits‐ materialien sowie ggf. der Abnahme von Routineaufgaben durch Hilfskräfte bzw. Mitarbeitende bestehen. Auch wenn die Ressourcenausstattung der Mitarbeitenden mit Kosten verbunden ist, so können doch durch die Bereit‐ stellung ausreichender Ressourcen zur Aufgabenerfüllung meist wesentlich höhere Folgekosten aufgrund von psychisch oder physisch bedingter Krank‐ heitsausfälle der Mitarbeiter relativ einfach vermieden werden. Soziale Unterstützung von Mitarbeitenden Belastende Arbeitssituationen können durch die soziale Unterstützung von Kollegen oder Vorgesetzten entschärft werden, die z.B. in Problemsituationen oder bei schwer zu lösenden Aufgaben sowie bei kurzfristiger Arbeitsüber‐ lastung ansprechbar sind, an der Lösung von Problemen mit ihrem Wissen mitarbeiten oder flexibel auf kurzfristige hohe Arbeitsbelastungen reagieren und damit schwierige Arbeitssituationen entspannen (vgl. Michalk/ Nieder 2007, S. 86). Schon die emotionale Anteilnahme und psychische Unterstützung von Kollegen und Vorgesetzten können bei Arbeitsüberlastungen entspan‐ nend wirken. Dies gilt insbesondere für die vorgesetzten Führungskräfte, die durch eine sensible und mitarbeiterorientierte Führung einerseits dauerhafte Überlastungen ihrer Mitarbeitenden gar nicht erst entstehen lassen sollten, andererseits kurzfristige hohe Arbeitsbelastungen oder besondere Problemsi‐ tuationen frühzeitig wahrnehmen, ernstnehmen und geeignete Maßnahmen zur Entlastung der betroffenen Mitarbeitenden initiieren. Besonders wichtig sind Formen der sozialen Unterstützung z.B. bei Mob‐ bing oder anderen Formen der psychischen oder physischen Belästigung von Mitarbeitern. Eine hohe Stellenspezialisierung kann zu dauerhaften arbeitsbedingten Unterforderungen führen. Diese arbeitsbedingten Unterforderungen oder auch monotone oder einseitige Tätigkeiten können zu dem Phänomen des Boreout (Langeweile aufgrund inhaltlicher oder auslastungsbezogener Un‐ terforderung im Arbeitsleben) führen und wirken sich längerfristig ähnlich negativ auf die psychische Gesundheit sowie die Arbeitszufriedenheit und Leistungsfähigkeit eines Mitarbeitenden aus wie eine arbeitsbedingte Über‐ lastung. Mitarbeitende, die längerfristig arbeitsbedingt deutlich überlastet sind, sind stark Burnout-gefährdet. 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 327 <?page no="328"?> 6.1.5 Gruppenorientierte Aufgabengestaltung Neben der individuumsorientierten Aufgabengestaltung (vgl. Kap. 6.1.4) kann auch die gruppenorientierte Aufgabengestaltung Beiträge zu einer ausgegli‐ cheneren Arbeitszufriedenheit leisten, womit sie auch ein Instrument im Rah‐ men möglicher Work-Life-Balance-Maßnahmen sein kann. Bei der gruppen‐ orientierten Aufgabengestaltung (Gruppenarbeit, Teamarbeit) wird mehreren Mitarbeitern gemeinsam die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe übertragen. Je nach konkreter Ausgestaltung der Gruppenarbeit und spezifischem Arbeits‐ auftrag können die Gruppenmitglieder selbstständig über die Aufgabenvertei‐ lung und die Art der Aufgabenerfüllung entscheiden. (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 16). Erste Ansätze zur Gruppenarbeit wurden in den 1960er und 1970er Jahren im Rahmen der Human Relations Bewegung zum Beispiel bei Volvo oder Norsk Hydro (vgl. Emery/ Thorsrud 1976; Thorsrud 1976) entwickelt und erprobt. Die Idee der Gruppenarbeit war eine Reaktion auf die Monotonie und Entfremdung der Mitarbeitenden bei stark arbeitsteiliger bzw. spezialisierter Aufgabengestaltung insbesondere bei der Fließbandfertigung. Ziel der Grup‐ penarbeit war es, den Gestaltungsspielraum und die Selbstverantwortung der Mitarbeitenden bei der Aufgabenerledigung zu steigern und dadurch die Arbeit insgesamt humaner zu gestalten sowie die negativen Auswirkungen einer hohen Arbeitsspezialisierung zu vermeiden. Mit diesen ersten Ansätzen der Gruppenarbeit konnten jedoch nur vorübergehende Steigerungen der Arbeits‐ produktivität und der Arbeitszufriedenheit erreicht werden, die aber nicht dauerhaft anhielten. Als wichtiges Erfolgskriterium der Gruppenarbeit stellte sich ihre feste Einbindung in die unternehmerische Organisationsstruktur heraus. Fehlte diese, so beeinträchtigten Widerstände und Lernbarrieren hö‐ herer hierarchischer Instanzen die Erfolge der Gruppenarbeit (vgl. Holtbrügge 2007, S. 144). Dadurch verlor die Gruppenarbeit in den 1980er Jahren wieder an Bedeutung, bis sie durch die Ergebnisse einer Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) von den Forschern Womack, Jones und Roos (1992) zur Arbeitsorganisation in der Automobilindustrie wieder als effiziente Arbeitsform entdeckt wurde. Bei ihrer Untersuchung der Arbeitsorganisation in der Automobilindustrie fanden sie heraus, dass die japanischen Automobil‐ hersteller (z.B. Honda und Toyota) aufgrund ihrer weit verbreiteten Teamarbeit wesentlich produktiver arbeiteten als die amerikanischen und europäischen Automobilhersteller, bei denen es kaum Gruppenarbeit gab (vgl. Womack/ Jones/ Ross 1992). Diese höhere Produktivität japanischer Automobilhersteller wurde auch in amerikanischen und europäischen Tochtergesellschaften nach‐ 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 328 <?page no="329"?> gewiesen, so dass der Erfolg der stark ausgeprägten Gruppenarbeit nicht nur auf die kollektivistische Kultur der japanischen Gesellschaft zurückgeführt werden konnte. Durch diese Forschungsergebnisse erfuhr die Gruppenarbeit zunächst in der amerikanischen und europäischen Automobilindustrie, später auch in vielen anderen produzierenden Branchen wieder eine größere Beach‐ tung und erhebliche Verbreitung. Mit dem Einsatz der Gruppenarbeit sollte nun nicht nur die Monotonie und einseitige Belastung der Arbeit reduziert werden, wie bei den Ansätzen der 1960er und 1970er Jahre, sondern vor allem die Arbeitsproduktivität und die Arbeitsqualität gesteigert werden (vgl. Katzenbach/ Smith 1993). Je nach ihren betrieblichen Schwerpunktzielen, ihrer Personen- oder Pro‐ duktbzw. Prozessorientierung und ihrer Lebensdauer können verschiedene Formen der institutionalisierten Gruppenarbeit unterschieden werden (vgl. Abbildung 91). Abbildung 89: Formen institutionalisierter Gruppenarbeit. Quelle: vgl. Breisig 1990, S. 24. Eigene Darstellung. 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 329 <?page no="330"?> Die verschiedenen Formen der Gruppenarbeit werden im Folgenden kurz vorgestellt. Problemlösungsworkshops Problemlösungsworkshops dienen zur Erarbeitung von Lösungsvorschlä‐ gen für aktuelle betriebliche Probleme oder auch zur Entwicklung von Verbesserungen im Produktions- oder Produktbereich. Als Teilnehmende werden je nach Thema erfahrene Mitarbeitende und Spezialisten zu einem ein- oder auch mehrtägigen Workshop eingeladen, der von einem Moderator geleitet wird. Werkstattzirkel Werkstattzirkel (auch Task Force Group oder teilstrukturierte Problem‐ lösungsgruppe genannt) werden zur Bearbeitung betrieblicher Probleme oder auch zur Entwicklung von Innovationen eingesetzt. Die Mitglieder eines Werkstattzirkels sind Fachleute und erfahrene Mitarbeitende aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen und Hierarchieebenen, die freiwillig einige Stunden während der Arbeitszeit in mehreren Sitzungen an einem vorgegebenen Thema arbeiten. Anschließend wird der Werkstattzirkel wie‐ der aufgelöst, unabhängig vom Ergebnisstand des bearbeiteten Problems. (vgl. Erkelenz 2008, S. 545 f.; Bröckermann 2009, S. 142). Projektgruppen Projektgruppen sind zeitlich begrenzte Arbeitsgruppen, die eine konkrete Problemstellung bearbeiten. Eingesetzt werden Projektgruppen z.B. für die Entwicklung einer Software, für ein Reorganisationsprojekt oder die Ent‐ wicklung und Einführung eines neuen Produktes. Je nach Aufgabenstellung arbeiten in den Projektgruppen Fachleute und Führungskräfte gemeinsam an der konkreten Problemstellung, die sie ggf. im Unternehmen auch umset‐ zen sollen. Die Mitarbeitenden können für die Dauer der Projektgruppe von ihren sonstigen Aufgaben entweder zeitlich ganz oder teilweise freigestellt werden. Bei weniger arbeitsintensiven Projektaufgaben können diese auch zusätzlich zu den eigentlichen Aufgaben bearbeitet werden. Vorschlagsgruppen In Vorschlagsgruppen erarbeiten mehrere Mitarbeitende eines oder mehre‐ rer Arbeitsbereiche Verbesserungsvorschläge. Inhaltlich können sich diese Verbesserungsvorschläge auf Arbeitsprozesse, hergestellte Produkte oder Dienstleistungen oder auch auf die Zusammenarbeit verschiedener Arbeits‐ bereiche beziehen. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 330 <?page no="331"?> Qualitätszirkel Ursprünglich stammen Qualitätszirkel aus Japan und den USA, wo sie insbesondere in Non-Profit-Organisationen (z.B. Krankenhäuser, Schulen) eingesetzt wurden (vgl. Antoni 1990; Bungard 1992). In diesen Zirkeln werden Verbesserungen für Qualitätsprobleme bearbeitet, z.B. Steigerung der Produktqualität, Fehlerminimierung bei Produktionsverfahren oder Verbesserung der Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Arbeits‐ bereichen. Qualitätszirkel bestehen aus ca. sechs bis zwölf Teilnehmenden eines Arbeitsbereiches, die sich regelmäßig und freiwillig während oder nach ihrer Arbeitszeit treffen, um gemeinsam an selbst gewählten und konkreten Qualitätsproblemen zu arbeiten. Gesteuert wird ihre Zusammen‐ arbeit von einem oder zwei geschulten Moderatoren (z.B. einem Meister oder Vorarbeiter). Die Mitglieder der Qualitätszirkel werden auch an der Umsetzung ihrer erarbeiteten Problemlösungen beteiligt. (vgl. Antoni 2009, S. 336; Jung 2008, S. 616 ff.). Lernstatt Der Begriff Lernstatt setzt sich zusammen aus „Lernen“ und „Werkstatt“ und entstand im Zuge der Beschäftigung ausländischer Mitarbeitender in den 1950er und 1960er Jahren und diente ursprünglich dazu, das sprachliche und technische Verständnis der ausländischen Mitarbeitenden zu verbessern (vgl. Bröckermann 2009, S. 141). Später entwickelte sich die Lernstatt zu einer Gruppenarbeitsform, die einem Qualitätszirkel sehr ähnlich ist. In einer Lernstatt treffen sich ca. acht bis zwölf Mitarbeitende eines gemein‐ samen Arbeitsbereichs regelmäßig (ca. einmal pro Woche) über mehrere Monate, um einen selbst gewählten Problembereich zu bearbeiten, Verbes‐ serungsvorschläge zu entwickeln und ggf. auch umzusetzen. Die Mitglieder einer Lernstatt treffen sich freiwillig und während der Arbeitszeit; geleitet wird die Lernstatt häufig von ein bis zwei erfahrenen Mitarbeitenden (vgl. Strasmann 2008, S. 530 f.; Bröckermann 2009, S. 141 f.). OE-Konzepte Konzepte zur Organisationsentwicklung dienen der Umsetzung von Or‐ ganisationsentwicklungs- oder Umstrukturierungsprozessen unter aktiver Beteiligung der betroffenen Mitarbeitenden. Inhaltlich können die OE-Kon‐ zepte je nach konkretem Entwicklungsprozess Informationen, Maßnahmen und Übungen zum Erlernen neuer Arbeitsabläufe oder Produktionsprozesse oder auch veränderter Kommunikations- und Informationsstrukturen um‐ fassen. (vgl. Jäckel 2003, S. 641 ff.) 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 331 <?page no="332"?> Teilautonome Arbeitsgruppen Teilautonome Arbeitsgruppen werden auch als Gruppenbzw. Teamarbeit im engeren Sinne bezeichnet (vgl. Wahren 1994; Antoni 1996, 2009). Ihr Ziel ist es, bestimmte Arbeitsaufgaben selbständig zu bearbeiten, wobei den Mitgliedern der teilautonomen Arbeitsgruppe die Planung, Durchführung und Kontrolle der Arbeitsaufgabe übertragen wird und auch die Verteilung von Teilaufgaben innerhalb der Arbeitsgruppe durch Selbstabstimmung in der Arbeitsgruppe erfolgt. Häufig können sich die Mitglieder auch ihre Arbeitszeit und ihre Pausen aufteilen (vgl. Oechsler 2006, S. 323 f.; Antoni 2009, S. 338). Insgesamt bietet die Gruppenarbeit gegenüber der individuellen Arbeit verschiedene Vorteile (vgl. Rosenstiel 2009, S. 323). So können bei körperli‐ cher Arbeit die verschiedenen Kräfte der Gruppenmitglieder gemeinsam genutzt werden, wodurch Größendegressionseffekte entstehen (nach dem Motto: „gemeinsam sind wir stärker“). Die Zusammenarbeit in der Gruppe reduziert aber auch die Monotonie der Arbeitenden und das Auftreten einseitiger körperlicher Belastungen, die möglicherweise zu Gesundheits‐ beeinträchtigungen führen können. Durch das größere Gesamtwissen der Gruppe und die umfangreicheren Informations- und Kommunikationspro‐ zesse innerhalb der Gruppe können Entscheidungen besser vorbereitet werden und fachlich fundierter getroffen werden; auch bietet die Zusam‐ menarbeit in der Gruppe ein vielfältigeres Problemlösungsspektrum, weil alle Mitglieder ihre Ideen und ihr Wissen in die Gruppenarbeit einbringen können. Ein weiterer Vorteil ist auch die Stressreduktion durch die Arbeit in der Gruppe. Allerdings kann die Gruppenarbeit auch Nachteile haben. Beispielsweise benötigen gemeinsame Entscheidungen in der Gruppe mehr Zeit für die Abstimmung, als wenn eine Person alleine entscheidet. Typisch für Grup‐ penarbeit ist die Herausbildung von Gruppennormen, die einerseits für die Zusammenarbeit in der Gruppe wichtig sind, andererseits aber nicht immer den Zielen der Unternehmensleitung entsprechen. Die Gruppennormen können auch zu einem erheblichen Konformitätsdruck führen. Das heißt, dass sich innerhalb der Gruppe bestimmte Regeln z.B. im Hinblick auf die Arbeitsleistung der Gruppe oder das Verhalten einzelner Gruppenmitglieder etablieren. Werden diese Regeln von einzelnen Gruppenmitgliedern nicht eingehalten, so müssen sie mit negativen Konsequenzen durch die Gruppe rechnen. Ein weiterer Nachteil besteht in der erschwerten Beurteilung individueller Leistungen einzelner Gruppenmitglieder, da der Leistungsbei‐ 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 332 <?page no="333"?> trag einzelner Mitglieder nicht immer eindeutig von der Gruppenleistung abgegrenzt werden kann. In Gruppen besteht auch die Gefahr, dass einzelne Mitglieder die Verantwortung für ihre Arbeit oder Entscheidungen auf die Gruppe als Ganzes abschieben und sich damit individuell nicht mehr so stark als verantwortlich betrachten. Als Risikoschub-Phänomen wird die Tatsache verstanden, dass Mitar‐ beitende in Gruppen häufig bereit sind, risikoreichere Entscheidungen zu treffen, als wenn sie alleine für die Entscheidung verantwortlich wären. In innovativen und kreativen Bereichen können solche risikoreichen Ent‐ scheidungen möglicherweise große Neuheiten bewirken, die auch durchaus erwünscht sind. Demgegenüber verlangen beispielsweise eher sicherheits‐ orientierte Unternehmensbereiche möglichst risikoarme Entscheidungen. Insofern kann sich das Risikoschub-Phänomen je nach Entscheidungsbe‐ reich sowohl positiv als auch negativ auswirken (vgl. Holtbrügge 2007, S. 146 f.). Die Vor- und Nachteile der Gruppenarbeit sind in der folgenden Tabelle 27 noch einmal zusammengefasst. Vor- und Nachteile der Gruppenarbeit Vorteile Nachteile • Größendegressionsvorteile durch Addition der Kräfte • Abbau von einseitigen körperli‐ chen und geistigen Belastungen • Abbau von Monotonie • Bessere Fundierung von Entschei‐ dungen • Vielfalt an Lösungsmöglichkeiten • Stressreduktion bei den Mitarbei‐ tern • Verbesserung der Kommunikati‐ onsmöglichkeiten • Höherer Zeitbedarf für die Ent‐ scheidungsfindung • Konformitätsdruck • Gefahr der Herausbildung von Gruppennormen, die von den Zielen der Unternehmensleitung abweichen • Erschwerte Bewertung der indivi‐ duellen Leistung eines Mitarbei‐ ters • Gefahr der Verantwortungsdiffu‐ sion Risikoschub-Phänomen Tabelle 27: Vor- und Nachteile der Gruppenarbeit. Quelle: vgl. Holtbrügge 2007, S. 147. Eigene Darstellung. Wie erfolgreich die Gruppenarbeit auf die Arbeitsleistung und die Zu‐ friedenheit der Mitarbeitenden wirkt, hängt von verschiedenen internen und externen Einflussfaktoren der konkreten Gruppenarbeit ab. Relevante 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 333 <?page no="334"?> Einflussfaktoren auf die Gruppenarbeit können in unabhängige, intervenie‐ rende und abhängige Variablen unterteilt werden (vgl. Abbildung 92) (vgl. Staehle 1994, S. 266 in Anlehnung an Krech/ Crutchfield/ Ballachey 1962, S. 457). Zu den unabhängigen Variablen zählen die Struktur-Variablen, die Umwelt-Variablen sowie die Aufgaben-Variablen. Bei den Struktur-Variablen beeinflusst z.B. die Größe der Arbeitsgruppe den Erfolg der Zusammen‐ arbeit; je größer die Arbeitsgruppe ist, desto schwieriger wird eine konti‐ nuierliche Kommunikation und Abstimmung zwischen den Mitgliedern. Auch die personelle Zusammensetzung der Arbeitsgruppe spielt eine Rolle. So haben empirische Studien gezeigt, dass heterogen zusammengesetzte Gruppen für kreative und innovative Aufgabenbereiche bzw. Arbeitsphasen gut geeignet sind, da hier durch die Vielfalt der beteiligten Persönlichkeiten viele verschiedene Ideen und Sichtweisen in die Zusammenarbeit einge‐ bracht werden. Steht jedoch die Entscheidungsfindung im Vordergrund, so sind eher homogene Arbeitsgruppen erfolgreicher (vgl. Maznevski 1994; Holtbrügge 2007, S. 147 f.). Zu den Umwelt-Variablen zählen z.B. die funktionale Einbindung der Ar‐ beitsgruppe in die Organisation und ihre Beziehungen zu anderen Arbeits‐ gruppen im Unternehmen. So ist es für das Selbstverständnis einer Arbeits‐ gruppe wichtig, eindeutig in die Unternehmensstruktur integriert zu sein. Aber auch die Form der Einführung von Gruppenarbeit wirkt auf ihre Effizienz. Werden Arbeitsgruppen in neu eingerichteten Werken oder Abteilungen als Arbeitsform eingeführt, so arbeiten sie meist erfolgreich zusammen. Wer‐ den allerdings Individualarbeitsplätze nachträglich in Gruppenarbeitsplätze umgewandelt, so müssen die Arbeitsgruppen häufig mit Widerständen derje‐ nigen umgehen, deren Einfluss- und Machtpotenziale durch die nachträgliche Einführung der Gruppenarbeit sinken. Dies kann sich nachteilig auf die Zusammenarbeit und Ergebnisse der Gruppenarbeit auswirken. Die Aufgaben-Variablen beinhalten Aspekte wie z.B. die Komplexität oder den Schwierigkeitsgrad der Aufgabe als auch mögliche Restriktionen der Gruppenarbeit. So eignet sich die Gruppenarbeit insbesondere für schwierige Aufgabenbereiche mit hoher Komplexität. Allerdings müssen auch bestehende ressourcenorientierte oder zeitliche Restriktionen berück‐ sichtigt werden. Neben den gerade vorgestellten unabhängigen Variablen beeinflussen auch so genannte intervenierende Variablen die Gruppenarbeit (vgl. Ab‐ bildung 92). Beispielsweise ist für die Gruppenarbeit ein kooperativer Füh‐ 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 334 <?page no="335"?> rungsstil wichtig, der die Gruppenmitglieder bei ihren Aufgaben unterstützt und motiviert, die Gruppe koordiniert und lenkt sowie die Kommunikation fördert und die Moderation übernimmt. Aber auch die grundlegende Moti‐ vation und Zufriedenheit der Gruppenmitglieder sowie ein Entgeltsystem, das sowohl individuelle als auch Gruppenarbeitsergebnisse berücksichtigt, beeinflussen die Produktivität der Arbeitsgruppe. Abbildung 90: Einflussfaktoren auf die Effizienz der Gruppenarbeit. Quelle: vgl. Staehle 1994, S. 266, Original von Krech/ Crutchfield/ Ballachey 1962, S. 457. Eigene Darstellung. 6.1.6 Maßnahmen zur Gestaltung der Arbeitszeit Die Arbeitszeit ist die Zeit vom täglichen Arbeitsbeginn bis zum Arbeitsende ohne Ruhepausen (§ 2 Abs. 1 ArbZG). In dieser Zeit hat ein Arbeitnehmender seine vertraglich festgelegten Arbeitsleistungen zu erbringen und erhält dafür sein Entgelt. Bei der Gestaltung der Arbeitszeit müssen die Ziele und Möglichkeiten der Unternehmen, aber auch die Wünsche und Notwendig‐ keiten der Arbeitnehmenden berücksichtigt werden. Im täglichen Leben und insbesondere im Erwerbsleben kommt der Zeit eine sehr große Bedeutung zu. Die Arbeitszeit bestimmt die Dauer der 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 335 <?page no="336"?> Arbeit, sie bildet aber auch die Grenze zwischen Arbeitszeit und Freizeit (vgl. Michalk/ Nieder 2007, S. 88). In der Diskussion um eine bessere Vereinbarkeit der verschiedenen Lebenswelten kommt der Arbeitszeit bzw. der Flexibili‐ sierung der Arbeitszeit somit auch eine herausragende Bedeutung zu. In den letzten Jahrzehnten ist eine zunehmende Flexibilisierung und Individualisierung der Arbeitszeit zu beobachten (vgl. Mückenberger 2006, S. 20 ff.). Diese Entwicklung ist insbesondere auf folgende Gründe zurück‐ zuführen: Erstens: Für die Unternehmen sind flexiblere Arbeitszeiten wichtig, um sich schnell an marktbedingte Veränderungen anpassen zu können und dadurch wettbewerbsfähig zu bleiben. Zusätzlich hat die Entwicklung hin zur Dienstleistungsgesellschaft auch zu einer zeitlichen Ausdehnung der angebotenen Dienstleistungen und damit auch zur Ausdehnung und Flexibi‐ lisierung der Arbeitszeiten geführt. Zu denken ist hierbei an die mittlerweile üblichen längeren Öffnungszeiten des (Lebensmittel-)Einzelhandels (i. d. R. bis 20 h, teils bis 22 h oder gar 24 h), aber auch lange Servicezeiten z.B. für Wissensprodukte und -dienstleistungen, Dienstleistungen im Bereich Ver‐ kehr, Nachrichten oder Gesundheitsversorgung. Zusätzlich fördert und for‐ dert die steigende Internationalisierung vieler Unternehmen einen höheren Flexibilisierungsgrad der Arbeitszeit, um über verschiedene Zeitzonen hin‐ weg effektiv zusammenarbeiten zu können. Die Arbeitszeitflexibilisierung hat zu einem steigenden Anteil an zeitlich befristeten Arbeitsverhältnissen und Minijobs, aber auch an zu stärker flexibilisierten Arbeitsverhältnissen (z.B. Zeitarbeit) und Arbeitszeiten geführt. Die Auswirkungen der Arbeits‐ zeitflexibilisierung auf die Beschäftigten sind dabei sehr unterschiedlich, häufig jedoch verbunden mit einer erhöhten Beschäftigungsunsicherheit und steigenden Arbeitsbelastungen. Zweitens: Ein steigender Anteil der Arbeitnehmer wünscht sich fle‐ xiblere Arbeitszeiten, um die verschiedenen Lebenswelten, insbesondere das Arbeits- und Privatleben, besser vereinbaren zu können. Hier spielt nicht nur die höhere Wertschätzung der Freizeit bei den Menschen eine große Rolle, sondern auch die zeitlichen Erfordernisse, um verschiedene Lebenswelten, wie z.B. das Familienleben mit Kindern, Partnerschaft, die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger oder soziales Engagement mit dem Berufsleben vereinbaren zu können. Insofern bilden Maßnahmen zur Gestaltung und Flexibilisierung der Arbeitszeit einen zentralen Ansatzpunkt zur Verbesserung der Vereinbarkeit der verschiedenen Lebenswelten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 336 <?page no="337"?> flexible Arbeitszeiten in der Literatur zur Work-Life-Balance sehr breit und intensiv diskutiert werden. Im Folgenden werden einige Grundzüge zur Arbeitszeit und wesentliche flexible Arbeitszeitmodelle vorgestellt. 6.1.6.1 Gestaltungsparameter der Arbeitszeit Die Arbeitszeit umfasst drei wesentliche Gestaltungsparameter: die Dauer bzw. Länge der Arbeitszeit, die Lage der Arbeitszeit sowie die Gestaltung der Pausen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 174). Für die Gestaltung flexibler Arbeitszeiten ist darüber hinaus auch die Verteilung der Arbeitszeit wichtig. Die Dauer der Arbeitszeit der zeitliche Umfang, in dem ein Arbeitneh‐ mer seine Arbeitsleistung erbringen muss, z.B. 8h pro Tag. In Deutschland regelt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) die maximale Dauer bzw. Länge der Arbeitszeit. So schreibt der § 3 des ArbZG eine regelmäßige werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden vor. Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen (z.B. bei Bereitschaftsdiensten oder aus anderen Gründen), die jedoch durch einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung geregelt werden müssen (§ 7 ArbZG). Weitere Sonderregelungen sieht das Gesetz für Schwangere (§ 8 MuSchG), für Jugendliche (§§ 8 ff. JArbSchG) und Schwerbehinderte (§ 124 SGB IX) vor. Im Rahmen dieser gesetzlichen Vorgaben wird die individuelle Dauer der Arbeitszeit durch den konkreten Arbeitsvertrag, einen bestehenden Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung festgelegt (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 174 f.). Mit der Lage der Arbeitszeit ist der Zeitrahmen gemeint, in dem die Arbeit geleistet wird (z.B. 8.00 bis 17.00). Unternehmen sind daran interes‐ siert, die Lage der Arbeitszeit so zu gestalten, dass z.B. kapitalintensive Produktionsanlagen möglichst 24 Stunden genutzt werden oder im Zuge einer hohen Dienstleistungsorientierung die Servicezeiten für die Kunden möglichst lang sind (z.B. von 8.00 bis 22.00 oder auch 24h.). So entwickelt sich unsere Gesellschaft und Wirtschaft zu einer „rund-um-die-Uhr-Gesell‐ schaft“ (vgl. Seifert 2005, S. 40), in der ein steigender Anteil an Produkten und Dienstleistungen weit über die normalen Öffnungszeiten bis hin zu 24h am Tag angeboten werden (vgl. Thiele 2009, S. 74 f.). Für die Mitarbeitenden bedeutet dies oft Arbeit in wechselnden Schichten, was einen Ausgleich der verschiedenen Lebenswelten zusätzlich erschwert. Arbeitszeitkonzepte dienen dazu, sowohl die Lage als auch die Dauer der Arbeitszeit zu gestalten unter Berücksichtigung der Interessen der Unternehmen aber auch der Mitarbeitenden. Wird dabei die Arbeitszeit von der Betriebszeit entkoppelt, so kann die Betriebszeit und Nutzung der 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 337 <?page no="338"?> Produktionsanlagen wesentlich länger sein, wobei die individuelle tägliche Arbeitszeit zwar gleichbleibt, jedoch zeitlich unterschiedlich gelagert wird, z.B. durch einen Mehr-Schicht-Betrieb oder die Ausnutzung aller Wochen‐ tage als Arbeitstage (vgl. Olfert 2008, S. 197). Tarifverträge, Betriebsverein‐ barungen oder Weisungen des Arbeitgebers regeln die Lage der Arbeitszeit. Der Betriebsrat hat hier ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, ihre Verteilung auf die Wochentage und über die Pausengestaltung. An Sonntagen und gesetz‐ lichen Feiertagen gilt ein generelles Beschäftigungsverbot (§ 10 ArbZG), das jedoch durch zahlreiche Ausnahmen aufgelockert ist. Pausen während der Arbeit sind wichtig, um Ermüdungszustände abzu‐ bauen, möglichen Ermüdungserscheinungen und -syndrome (z.B. geringere Konzentration oder verminderte Wahrnehmung) vorzubeugen und ein an‐ gemessenes Wachsamkeitsniveau bei Beobachtungs- und Kontrolltätigkei‐ ten sicher zu stellen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 176). Empfehlenswert sind mehrere kürzere Pausen während der Arbeitszeit, da sie die Gesamtleistung steigern und einen höheren Erholungswert haben. Die Verteilung der Arbeitszeit beinhaltet die gleichmäßige oder wech‐ selnde zeitliche Aufteilung der vereinbarten Arbeitszeit auf Tage, Wochen, Monate oder Jahre, wobei die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt abgeleistet werden muss (vgl. Kimpel/ Schütte 2006, S. 53; Thiele 2009, S. 75). Je nach konkreter Ausgestaltung der Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit gibt es eine Vielzahl an Gestaltungsformen der Arbeitszeit. Dabei lassen sich eher starre Arbeitszeiten mit fester Dauer, Lage und Verteilung von eher flexibleren Arbeitszeiten mit wechselnder Dauer, Lage und / oder Verteilung unterscheiden (vgl. Abbildung 93). Waren früher eher starre Arbeitszeiten weit verbreitet und üblich, so stieg der Anteil an flexiblen Arbeitszeitformen in den letzten Jahrzehnten deutlich an. Auslöser für eine steigende Arbeitszeitflexibilisierung können sowohl marktbezogene, unternehmensbezogene, aber auch mitarbeiterbezogene Gründe sein. So kann ein marktbedingter Auftragsrückgang Unternehmen zu einer vorübergehenden Arbeitszeitverkürzung (Kurzarbeit) zwingen; unternehmensinterne Umstrukturierungen können zu flexibleren Teilzeit‐ schichten führen oder lebensphasenspezifische Umstände (Geburt eines Kindes, Wunsch nach Auszeit, Betreuung pflegebedürftiger Familienange‐ höriger) erfordern z.B. eine Verkürzung und Flexibilisierung der bisher starren Arbeitszeit, um die familiären Anforderungen und Wünsche mit 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 338 <?page no="339"?> der Berufstätigkeit vereinbaren zu können. Gerade jüngere Generationen (insbesondere die Generation Y und die Generation Z) wünschen sich nicht nur flexible Arbeitsorte, sondern auch flexible Arbeitszeiten, um ihre ver‐ schiedenen Lebenswelten gut miteinander vereinbaren zu können. Um die Vielfalt der privaten und beruflichen Anforderungen bewältigen zu können, eigenen sich flexible Arbeitszeitmodelle besonders gut. Darüber hinaus steigern flexible Arbeitszeitangebote die Attraktivität der Unternehmen im Wettbewerb um sehr gut qualifizierte Mitarbeiter und Führungskräfte. Ab‐ bildung 93 bietet einen Überblick über die Vielfalt an Arbeitszeitmodellen. Abbildung 91: Vielfalt der Arbeitszeitmodelle. Quelle: verändert aus Michalk/ Nieder 2007, S. 89. Eigene Darstellung. 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 339 <?page no="340"?> Grundsätzlich lassen sich die Arbeitszeitmodelle in traditionelle (eher starre) und moderne (eher flexible) Gestaltungsformen - im Sinne einer höheren Flexibilität der Arbeitszeit - unterscheiden (vgl. Abbildung 94). Abbildung 92: Gestaltungsformen der Arbeitszeit. Eigene Darstellung. Im Folgenden werden die verschiedenen Arbeitszeitmodelle vorgestellt. 6.1.6.2 Traditionelle Gestaltungsformen der Arbeitszeit Zu den traditionellen Arbeitszeitmodellen zählen die Mehrarbeit, die Schichtarbeit und die Kurzarbeit. Mehrarbeit Als Mehrarbeit werden Überstunden bezeichnet, die ein Beschäftigter über seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus leistet. Mehrarbeit kann vom Arbeitgeber angeordnet werden, wenn z.B. die Auftragslage des Unter‐ nehmens stark angestiegen ist oder z.B. bei Saisonarbeit. Sie kann aber auch 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 340 <?page no="341"?> vom Arbeitgeber geduldet werden, wenn der Mitarbeiter sein Arbeitspen‐ sum nicht in der vereinbarten Arbeitszeit bewältigen kann. Auch Sonntags- und Feiertagsarbeit gelten als Mehrarbeit. Die Vorteile der Mehrarbeit bestehen für Unternehmen darin, dass sie ihre Kapazitäten erhöhen und Leistungen steigern können, ohne zusätzliches Personal einzustellen. Für die betroffenen Mitarbeiter bedeutet Mehrarbeit i. d. R. eine deutliche Zu‐ satzbelastung, allerdings ist damit auch ein zusätzliches Einkommen durch die Vergütung der Überstunden bzw. entsprechenden Freizeitausgleich verbunden, der dem Mitarbeiter in bestimmten Lebensphasen durchaus willkommen ist. Schichtarbeit Schichtarbeit bedeutet, dass die Betriebszeit in mehrere Arbeitszeitab‐ schnitte eingeteilt wird, in denen jeweils die gleichen Arbeitsaufgaben erbracht werden, um z.B. die Produktionsanlagen kontinuierlich nutzen zu können oder lange Öffnungs- und Servicezeiten für die Kunden zu gewährleisten. Schichtarbeit kann in unterschiedlichen Formen erfolgen: ▸ Das Einschicht-System: hier ist die regelmäßige tägliche Arbeitszeit länger als die tariflich vereinbarte Arbeitszeit. Durch entsprechende Freischichten wird diese tägliche überlange Arbeitszeit ausgeglichen. ▸ Das Mehrschicht-System unterteilt die tägliche Betriebszeit in meh‐ rere Schichten, wodurch ein Arbeitsplatz je Schicht durch verschie‐ dene Mitarbeiter besetzt ist. ▸ Das Wechselschicht-System beinhaltet einen regelmäßigen tägli‐ chen, wöchentlichen oder monatlichen zeitlichen Wechsel der Ar‐ beitsschichten, bei dem die Mitarbeiter einen festgelegten Wechsel‐ rhythmus haben (z.B. von der Frühschicht in die Spätschicht und anschließend in die Nachtschicht). Für Unternehmen ist die Schichtarbeit vorteilhaft, weil sich hierdurch die Betriebszeit verlängert und kapitalintensive Anlagen besser ausgelastet werden können sowie längere Öffnungs- und Servicezeiten für die Kunden gewährleistet werden können. Für die Mitarbeiter sind Schichtarbeitssys‐ teme in der Regel belastend, insbesondere bei Spät- und Nachtschichten. Je nach Lebenssituation und Umfang der privaten oder familiären Verpflich‐ tungen können Schichtsysteme entweder die Vereinbarkeit verschiedener Lebenswelten zusätzlich belasten, da die meisten Kinderbetreuungseinrich‐ 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 341 <?page no="342"?> tungen ab 18h geschlossen haben und somit eine Vereinbarkeit der Be‐ rufstätigkeit z.B. mit Spät- oder Nachtschichten mit der Kinderbetreuung kaum noch möglich ist. Andererseits können Schichtsysteme für die Work- Life-Balance auch vorteilhaft sein, wenn Eltern z.B. im Frühschichtsystem arbeiten können, wenn ihre Kinder im Kindergarten oder in der Schule sind und nachmittags, wenn die Kinder zu Hause sind, die Arbeitsschicht bereits beendet ist und die Kinderbetreuung so selbst übernommen werden kann. Schichtarbeitssysteme können aber auch die wechselseitige Betreu‐ ung der Kinder oder von pflegebedürftigen Familienangehörigen dadurch ermöglichen, dass die Eltern zu unterschiedlichen Zeiten arbeiten können und dadurch mindestens ein Elternteil für die Betreuung der Kinder oder Familienangehörigen zur Verfügung steht. Allerdings bergen diese Schicht‐ arbeitsmodelle bei gleichzeitiger hoher familiärer Belastung auf Dauer die Gefahr einer erheblichen physischen und psychischen Überlastung der Betroffenen. Kurzarbeit Wird die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zeitlich begrenzt reduziert, spricht man von Kurzarbeit. Diese kann das ganze Unternehmen oder auch nur Unternehmensteile betreffen. Bei der Kurzarbeit werden die Arbeits‐ pflichten sowie das Entgelt entsprechend reduziert (entweder gleichmäßig auf alle Wochentage oder ungleichmäßig auf einzelne Tage oder Zeiträume), der Arbeitsvertrag bleibt jedoch unberührt. Die Einführung der Kurzarbeit bedarf einer Rechtsgrundlage, meist als Betriebsvereinbarung oder Verein‐ barung im Rahmen des geltenden Tarifvertrages. Da Kurzarbeit meist aufgrund externer Nachfragerückgänge oder akuter Unternehmenskrisen angeordnet bzw. vereinbart wird und nicht längerfristig geplant ist, ist ihr Beitrag zu einer größeren Ausgeglichenheit zwischen den verschiedenen Lebenswelten eher gering. Allerdings kann dadurch (vorübergehend) die Arbeitslosigkeit vermieden werden und ggf. die Übernahme umfangreiche‐ rer häuslicher oder privater Pflichten dadurch ermöglicht werden. 6.1.6.3 Flexible Gestaltungsformen der Arbeitszeit Wesentlich umfangreichere Beiträge zur Verbesserung der Work-Life-Ba‐ lance von Mitarbeitern versprechen die flexiblen und daher moderneren Ar‐ beitszeitformen. Dazu gehören insbesondere die Teilzeitarbeit, Job-Sharing, die gleitende Arbeitszeit, die Vertrauensarbeitszeit, die kapazitätsorientierte Arbeitszeit, Arbeitszeitkonten, die Jahresarbeitszeit sowie Sabbaticals. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 342 <?page no="343"?> Teilzeitarbeit Teilzeitarbeit bedeutet, dass ein Arbeitnehmer eine kürzere Arbeitszeit hat als die tariflich vereinbarte Arbeitszeit eines Vollzeitarbeitnehmers, wofür er auch eine geringere Vergütung und entsprechend anteilige Sozialleistungen erhält (§ 2 TzBfG) (vgl. Meinel/ Heyn/ Herms 2015). Der Umfang (die Dauer) der Teilzeitarbeit kann je nach Vereinbarung stark variieren, von wenigen Stunden pro Woche bis fast zur Vollzeitbeschäftigung. Weit verbreitet ist jedoch die Halbtagsbeschäftigung (ca. 20h / Arbeitswoche), die sich entwe‐ der gleichmäßig auf alle Arbeitstage pro Woche erstreckten kann oder nur an einigen Arbeitstagen (z.B. nur an drei Arbeitstagen pro Arbeitswoche) ausgeübt wird. Die Arbeitszeit kann täglich, wöchentlich oder monatlich verkürzt werden. Voraussetzung für eine Teilzeitarbeit ist, dass die Arbeits‐ aufgaben sachlich und zeitlich teilbar sind. Ein Mitarbeitender hat Anspruch auf Teilzeitarbeit, wenn sein Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht und keine betrieblichen Gründe gegen eine Teilzeitarbeit sprechen (§ Abs. 1, 4 TzBfG). Damit haben grundsätzlich auch Führungskräfte und leitende Angestellte einen Anspruch auf eine Teilzeitbeschäftigung. Auch geringfügig Beschäftigte gelten als teilzeitbeschäftigt. Der Betriebsrat hat bei der Vereinbarung der Teilzeitarbeit ein Mitbestimmungsrecht (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 178). Von der Kurzarbeit unterscheidet sich die Teilzeitarbeit durch ihre Frei‐ willigkeit. Die Teilzeitarbeit ermöglicht eine flexible Gestaltung der Dauer, Lage und Verteilung der verkürzten Arbeitszeit, wobei Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihre Interessen aufeinander abstimmen können. In Kombina‐ tion mit anderen flexiblen Arbeits(zeit)modellen, wie z.B. der Vertrauensar‐ beitszeit, der Gleitzeit, Jahresarbeitszeitmodellen oder auch der Telearbeit erweitern sich die Handlungsspielräume insbesondere für die Mitarbeiter deutlich (vgl. Thiele 2009, S. 79). Bei der Teilzeitarbeit lassen sich als Ausgestaltungsmöglichkeiten Grund‐ formen, Altersteilzeit und Job-Sharing unterscheiden. In den Grundformen kann Teilzeitarbeiter entweder mit festen Arbeitszeiten (z.B. 3 Arbeitstage á 8 Stunden oder 5 Arbeitstage á 4 Stunden pro Woche) oder mit flexiblen Arbeitszeiten (z.B. gleitende Arbeitszeit, Jahresarbeitszeit, kapazitätsorien‐ tierte Arbeitszeit) vereinbart werden. Das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt schuf mit den „Hartz II“ Regelungen (aktuelle Überarbeitung als Hartz IV-Rege‐ lungen) einen neuen Niedriglohnsektor, zu dem u. a. Minijobs bis aktuell 450 € und geringfügige Beschäftigungen Privathaushalten bis 450 € gehören, 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 343 <?page no="344"?> die sich grundsätzlich auch für Teilzeitbeschäftigungen eignen (vgl. Olfert 2008, S. 202). Zum gleitenden Übergang in den Ruhestand hat sich die Form der Alters‐ teilzeit entwickelt, die mittlerweile jedoch nicht mehr gesetzlich gefördert wird und daher an Bedeutung abnimmt. Das Job-Sharing als Sonderform der Teilzeit wird unten separat erläutert. Für die Mitarbeitenden ist die Teilzeitarbeit vorteilhaft, weil sie berufstätig sein können und trotzdem in erforderlichem Maße ihren privaten, insbeson‐ dere familiären Verpflichtungen nachkommen können. So ermöglicht eine Teilzeitarbeit oft auch größere zeitliche Gestaltungsspielräume bei der Orga‐ nisation der beruflichen und privaten Verpflichtungen. So ist die Teilzeitarbeit gerade bei Frauen und Müttern mit umfangreichen familiären Aufgaben weit verbreitet. Wesentliche Nachteile der Teilzeitarbeit für die Mitarbeitenden bestehen jedoch einerseits in dem geringeren Entgelt, andererseits in der immer noch vorherrschenden geringeren Anerkennung einer Teilzeitbeschäftigung. Dies wirkt sich häufig auch negativ auf die Karriereperspektiven der Teilzeit‐ beschäftigten aus (vgl. Schönefeld 2006, S. 30 ff.). Für die Unternehmen bestehen die Vorteile einer Teilzeitbeschäftigung ihrer Mitarbeitenden darin, dass diese - vorausgesetzt die Teilzeitbeschäf‐ tigung erfolgt auf Wunsch des Arbeitnehmers - i. d. R. hoch motiviert und stark leistungsbereit sind, was eine hohe Arbeitsproduktivität dieser Teilzeitarbeitnehmer verspricht. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 344 <?page no="345"?> Praxisbeispiel: Flexible Arbeitszeiten Die TLA GmbH ermöglicht Arbeit im Homeoffice, unterstützt seine Beschäf‐ tigten bei der Kinderbetreuung und hilft ihnen damit, Beruf und Familie zu vereinbaren. (vgl. TLA Transport Logistik Agentur GmbH). Unternehmen: TLA Transport Logistik Agentur GmbH Ort: Ursensollen, Bundesland: Bayern Branche: Sonstige (Transport, Logistik) Mitarbeiterzahl: 36 Flexible Arbeitszeiten schaffen mehr Zeit für die Familie Die TLA Transport und Logistik Agentur GmbH ist ein inhabergeführtes Kurier- und Speditionsunternehmen mit 36 Beschäftigten. Im Wettbewerb um quali‐ fizierte Arbeitskräfte setzt der Geschäftsführer der TLA GmbH auf familien‐ freundliche Arbeitsbedingungen. Das Unternehmen bietet flexible Arbeitszeiten an, unterstützt die Beschäftigten bei der Kinderbetreuung und hilft ihnen damit, Beruf und Familie gut zu vereinbaren. Bei dem Speditionsunternehmen müssen Servicezeiten von 7 bis 18 Uhr abge‐ deckt werden. Innerhalb dieses Zeitraums können die Arbeitszeiten individuell gestaltet werden. Jede Abteilung stimmt die Arbeitszeiten unter Berücksichti‐ gung der Bedürfnisse der Beschäftigten selbstständig ab. So können beispiels‐ weise Eltern, die an die Öffnungszeiten einer Kinderbetreuungseinrichtung gebunden sind, morgens mit der Arbeit beginnen, nachdem sie ihre Kinder zur Betreuung gebracht haben. Wenn Beschäftigte kurzfristig ausfallen, weil ihr Kind krank ist oder sie Angehörige pflegen, können Kolleginnen und Kollegen leicht ihre Aufgaben übernehmen. Denn ein Drittel der Beschäftigten ist auch für die Arbeit in anderen Abteilungen qualifiziert. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Kinderbetreuungs- und Pflegeaufgaben können sich auch längerfristig freistellen lassen. Sie können ihre Fehlzeiten später über ein Arbeitszeitkonto ausgleichen. Neben den flexiblen Arbeitszeiten haben die Beschäftigten zudem die Mög‐ lichkeit im Home-Office zu arbeiten. Dadurch schafft die TLA GmbH gute Voraussetzungen, um nach der Elternzeit schnell wieder in den Beruf einzustei‐ gen. Der Geschäftsführer der TLA GmbH ermuntert auch besonders Väter, die Elternzeit zu nutzen. Das Speditionsunternehmen übernimmt darüber hinaus die kompletten Kinderbetreuungskosten und beschenkt Eltern bei der Geburt jedes Kindes. Praxisbeispiel 2: flexible Arbeitszeiten. Quelle: Erfolgsfaktor Familie 2012: Flexi‐ ble Arbeitszeiten. In: www.erfolgsfaktor-familie.de/ default.asp? id=500&d=29. Abruf 30.11.2012 Job-Sharing Job-Sharing (deutsch: Arbeitsplatzteilung) ist eine Sonderform der Teilzeitar‐ beit. Sie stammt aus den USA und wurde in Deutschland in den 1980er Jahren bekannt, wird aber bislang in Deutschland noch nicht sehr häufig eingesetzt. Hierbei teilen sich meist zwei oder auch mehrere Mitarbeitende 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 345 <?page no="346"?> als Gemeinschaft einen Vollzeitarbeitsplatz und ein Gehalt. Ihre Arbeitszeit können sie häufig autonom festlegen. Beim Job-Sharing lassen sich grundsätz‐ lich funktionale und zeitliche Teilungen des Arbeitsplatzes unterscheiden (vgl. Berthel/ Becker 2010, S. 525). Eine funktionale Teilung des Vollzeitarbeitsplatzes bedeutet, dass die Gesamtaufgabe in meist zwei unterschiedliche inhaltliche Aufgabenbereiche geteilt wird. Bei der zeitlichen Teilung des Arbeitsplatzes sind die Arbeitsaufgaben der Job-Sharing-Partner identisch, aufgeteilt wird jedoch die zeitliche Durchführung der Aufgabenerfüllung. Bei der zeitlichen Aufteilung sind sehr unterschiedliche Varianten möglich. Weit verbreitet ist die zeitliche Aufteilung zu gleichen Teilen (50: 50) im Halbtagsrhythmus (z.B. vor‐ mittags und nachmittags). Möglich ist jedoch auch eine ungleiche zeitliche Auf‐ teilung, z.B. 60: 40, eine Aufteilung auf bestimmte Wochenarbeitstage oder auch die Variante, dass sich mehrere Arbeitnehmer mehrere Arbeitsplätze teilen. Beispielsweise können sich fünf Arbeitnehmer vier Arbeitsplätze teilen, wobei jeder Arbeitnehmer einen Tag pro Woche frei hat. Auch bei der funktionalen Teilung können die inhaltliche Struktur und Aufteilung der Aufgabenerfüllung je nach konkretem Job-Sharing-Modell variieren. Grundsätzlich wichtig für eine gute Zusammenarbeit im Job-Sharing sind ein ausgeprägtes Planungs- und Organisationsvermögen sowie eine positive zwischenmenschliche Beziehung zwischen den Job-Sharing-Partnern. Je nach inhaltlicher Aufteilung werden beim Job-Sharing insbesondere die folgenden Varianten unterscheiden: Job-Splitting, Job-Pairing, Job Split Level Sharing und Top Sharing. Job Splitting Das Job Splitting ist eine weit verbreitete Form des Job-Sharing. Hierbei bearbeiten zwei oder mehr Mitarbeiter einen Aufgabenbereich, wobei sie die Dauer und Lage ihrer Arbeitszeiten autonom untereinander aufteilen können. Meist wird ein Vollzeitarbeitsplatz in zwei voneinander unabhängige Teilzeitarbeitsplätze mit identischen Aufgabenprofilen aufgeteilt. Insofern bedarf es auch keiner intensiven Interaktion und Kooperation zwischen den Job-Sharing-Partnern (vgl. Olfert 2010, S. 203). Sie erhalten jeweils unabhän‐ gige Arbeitsverträge, in denen ggf. gegenseitige Vertretung für Ausfallzeiten (z.B. aufgrund von Krankheit oder Urlaub) vereinbart werden können (§ 5 Abs. 1 BschFG). Kündigt ein Job-Sharing-Partner seinen Arbeitsvertrag, bleibt der Arbeitsvertrag des anderen Job-Sharing-Partners davon unberührt bestehen und darf nicht einfach gekündigt werden (vgl. Ricardi 2008, S. 83 f.). Findet der Arbeitgeber keinen Ersatz für den freigewordenen Job-Sha‐ 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 346 <?page no="347"?> ring-Arbeitsplatz, kann er eine Änderungskündigung für den verbliebenen Job-Sharing-Partner aussprechen, um z.B. den Arbeitsplatz wieder vollständig (ganztags) zu besetzen. Mit dieser Änderungskündigung muss das Angebot zur Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses unter anderen Bedingungen verbunden sein. Kann oder möchte der verbliebene Job-Sharing-Partner das neue Beschäftigungsangebot nicht annehmen, besteht die Möglichkeit einer Kündigungsschutzklage (vgl. Brox/ Rüthers/ Henssler 2004, S. 182). Job Pairing Beim Job Pairing tragen die Partner gemeinsam die Verantwortung für einen Aufgabenbereich, müssen sich bei ihrer Aufgabenerfüllung abstimmen und wichtige Entscheidungen gemeinsam tragen (vgl. Olfert 2010, S. 203; Holt‐ brügge 2007, S. 162). Die Verbundenheit bei der Aufgabenerfüllung kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass mit beiden Partnern ein gemeinsamer Arbeitsvertrag abgeschlossen wird, der auch nur gemeinsam gekündigt werden kann. Das Job Pairing eignet sich z.B. zur Verbindung flexibler Arbeitszeiten mit der Personalentwicklung in unterschiedlichen Karrierephasen von Mitarbei‐ tern. So bietet Job Pairing z.B. älteren Mitarbeitern in einer späten Karriere‐ phase die Möglichkeit, ihr umfangreiches Experten- und Erfahrungswissen an jüngere Mitarbeiter weiterzugeben und gleichzeitig von einer Vollzeitbe‐ schäftigung in eine Teilzeitbeschäftigung zu wechseln. Dadurch können die physischen und psychischen Belastungen des Berufslebens reduziert werden sowie im Rahmen einer Verlagerung der persönlichen Schwerpunktinteressen weg von beruflichen Karriereinteressen mehr Zeit zur Intensivierung privater Aktivitäten zu haben oder auch als Vorbereitung auf einen baldigen Ruhestand. Jüngere Mitarbeiter in einer frühen Karrierephase könnten hier gut als Job-Sha‐ ring-Partner eingesetzt werden, da sie über eine hohe Leistungsfähigkeit und aktuelle Qualifikationen über neueste Verfahren und Technologien verfügen, ihnen aber noch das Erfahrungswissen der älteren Mitarbeiter fehlt, das sie durch das Job-Pairing erwerben können. In dieser Konstellation ( Job-Pairing zwischen einem älteren und einem jüngeren Mitarbeiter) bietet das Job-Pairing für beide Partner und das Unternehmen folgende Vorteile (vgl. Berthel/ Becker 2010, S. 530): ▸ Umfangreiche Nutzung der spezifischen Qualifikationen von jünge‐ ren und älteren Mitarbeitern ▸ Initiierung wechselseitiger Lernprozesse zwischen älteren und jünge‐ ren Mitarbeitern 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 347 <?page no="348"?> ▸ Transfer und Bewahrung von Qualifikationen und Wissen zwischen den Mitarbeitern zum Nutzen des Unternehmens ▸ Berücksichtigung der spezifischen Karriereinteressen von jüngeren und älteren Mitarbeitern ▸ Instrument zur besseren Vereinbarung verschiedener Lebensbereiche im Rahmen einer Work-Life-Balance ▸ Möglichkeit zur Übernahme verantwortungsvollerer Aufgabenberei‐ che auch für noch recht unerfahrene jüngere Mitarbeiter in Koopera‐ tion mit erfahrenen älteren Mitarbeitern ▸ Personalentwicklung durch Qualifikationstransfer ▸ Übernahme von Mentoringfunktionen für den jüngeren Mitarbeiter durch den älteren Mitarbeiter Split Level Sharing Das Split Level Sharing ist eine funktionale Variante des Job Sharing, bei der neben der selbstbestimmten Arbeitszeitgestaltung und Absprache mit dem Sharing Partner die Arbeitsaufgaben der Stelle in unterschiedliche Qualifikationen aufgeteilt werden. So könnten sich z.B. eine Kauffrau und eine Juristin einen Arbeitsplatz im Personalmanagement teilen und die je‐ weils spezifischen kaufmännischen (z.B. betriebswirtschaftliche Aufgaben) bzw. juristischen (z.B. Arbeitsrecht) Aufgaben bearbeiten. Eine weitere Möglichkeit bildet die Aufteilung der Arbeitsaufgaben eines Arbeitsplatzes in anspruchsvollere und weniger anspruchsvolle Aufgaben. Hier übernimmt ein Sharing-Partner die anspruchsvolleren Aufgaben und der andere die weniger anspruchsvolleren Aufgaben. Dadurch ermöglicht das Split Level Sharing eine Teilung des Arbeitsplatzes auch für Mitarbeiter mit unter‐ schiedlichen Qualifikationen. Voraussetzung für den Einsatz des Split Level Sharing ist jedoch die Teilbarkeit der Arbeitsaufgaben. Top-Sharing Top-Sharing ist ein Modell der Arbeitsplatzteilung für Führungspositionen. Zwei oder mehr Führungskräfte teilen sich die Arbeitsaufgaben einer Führungsposition, wobei sie gemeinsam die Verantwortung für die Aufga‐ benerfüllung übernehmen und auch gemeinsam wichtige Entscheidungen treffen (z.B. Personalentscheidungen, strategische Entscheidungen oder umfangreichere Investitionen). Julia Kuark und Hans Ulrich Locher haben den Begriff des Top-Sharing 1998 geprägt (vgl. Kuark/ Locher 1999; Kuark 2012). Top-Sharing ist noch eine recht junge Variante des Job Sharing, die noch relativ selten eingesetzt wird, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 348 <?page no="349"?> Diskussionen um die Frage, inwieweit Führungspositionen teilbar sind und die bislang immer noch geringe Akzeptanz des Top-Sharings in den Unternehmen. In der Schweiz gibt es jedoch seit einigen Jahren mehrere Pilotprojekte zum Top-Sharing mit interessanten Ergebnissen (vgl. Kuark 2012). Zur Bewertung des Job-Sharing Die Vorteile des Job Sharing für die Mitarbeiter bestehen insbesondere darin, die Arbeitszeit und Arbeitsdauer individuell gestalten zu können. Die reduzierte Arbeitszeit im Vergleich zu einem Vollzeitarbeitsplatz schafft größere Zeitkontingente für die Verfolgung von Interessen und Zielen in den anderen Lebensbereichen (z.B. mehr Zeit für die Familie, zur Kinderbetreu‐ ung, für Hobbies, Sport oder die Übernahme ehrenamtlicher Aufgaben). Die höhere zeitliche Flexibilität der Arbeitszeit bietet den Vorteil, die verschie‐ denen beruflichen, familiären und privaten Verpflichtungen im Tagesablauf bzw. Wochenrhythmus besser vereinbaren und aufeinander abstimmen zu können. So kann die Berufstätigkeit hier z.B. mit Öffnungszeiten von Kin‐ derbetreuungseinrichtungen, Schulbesuchen, eigenen Betreuungszeiten für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige besser aufeinander abgestimmt und ggf. zeitlich flexibel angepasst werden. Dies entspricht auch den Wünschen von Beschäftigten, die sich häufig eine höhere Flexibilität der Arbeitszeit z.B. durch Job-Sharing-Angebote wünschen. Aber auch für den Arbeitgeber sind Angebote zur Arbeitsplatzteilung vorteilhaft. Die geteilte Besetzung des Arbeitsplatzes ermöglicht Synergie‐ effekte zwischen den Sharing-Partnern, bessere Möglichkeiten der gegen‐ seitigen Vertretung bei Ausfallzeiten (sofern vertraglich vereinbart) sowie eine höhere Kapazität bei hohem Arbeitsanfall. Darüber hinaus gewinnt das Unternehmen das Wissen und die Kompetenz zweier Mitarbeiter. Scheidet ein Job-Sharing-Partner aus dem Arbeitsverhältnis aus, bleibt der Arbeitsplatz immer noch mit dem anderen Partner besetzt bzw. kann über eine Änderungskündigung für den anderen Partner und das Unternehmen schnell besetzt werden. Mögliche Nachteile von Job-Sharing-Angeboten für den Arbeitgeber können in dem höheren Informations- und Kommunikationsaufwand sowie in der Notwendigkeit einer positiven zwischenmenschlichen Beziehung zwischen den Job-Sharing-Partnern bestehen. Auch die Wiederbesetzung eines freigewordenen Job-Sharing-Arbeitsplatzes kann schwierig sein. Zu‐ 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 349 <?page no="350"?> sätzlich sind Job-Sharing-Angebote mit einem höheren Personalaufwand und etwas höheren Personalkosten verbunden. Praxisbeispiel: Job-Sharing bei Fraport AG Branche: Flughafenbetreiber Beschäftigte: 12.363 Hauptsitz: Frankfurt am Main (Hessen) Internet: http: / / www.fraport.de/ Bei dem Flughafenbetreiber Fraport AG wird in vielen Aufgabenbereichen im 24-Stunden-Schichtbetrieb gearbeitet. Trotzdem bestehen seit 1987 unterschied‐ liche flexible Arbeitszeitmodelle für die Mitarbeiter. Neben Teilzeit, Gleitzeit und Telearbeit bietet das Unternehmen auch Job-Sharing-Modelle, Wunschdienst‐ pläne und eine Arbeitszeit-Tauschbörse an. Bei den Job Sharing Angeboten teilen sich i. d. R. zwei Mitarbeiter eine Vollzeitstelle, wobei der Arbeitsablauf und Informationsaustausch über sog. Aufgabenlisten sichergestellt wird, in denen die jeweiligen Bearbeiter ihre bearbeiteten bzw. noch zu bearbeitenden Aufgaben dokumentieren. Auch im Schichtbetrieb ist Job-Sharing bei der Fraport AG möglich. Insgesamt können Mitarbeiter zwischen 50% bis 80% in Teilzeit arbeiten. Mit diesen Teilzeitangebote spricht die Fraport AG auch explizit ihre Führungskräfte an, um sie insbesondere in der Phase der Familiengründung im Unternehmen zu halten, aber auch um für die jüngeren sehr gut qualifizierten Mitarbeiter und Führungskräfte ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Insgesamt legt das Unternehmen bei den Teilzeitangeboten Wert auf individuell angepasste Lösungen, um den Bedürfnissen der Mitarbeiter und den jeweiligen betriebli‐ chen Anforderungen gerecht zu werden. Praxisbeispiel 3: Praxisbeispiel Jobsharing bei Fraport. Quelle: Erfolgsfaktor Familie 2012a: Praxisbeispiel Jobsharing bei Fraport. Gleitende Arbeitszeit Die Gleitende Arbeitszeit gehört zu den frühen Instrumenten der Arbeits‐ zeitflexibilisierung, die bereits in den 1960 Jahren in Deutschland eingesetzt wurde (vgl. Thiele, 2009, S. 76). Hierbei können Mitarbeiter individuell den Beginn und das Ende ihrer täglichen Arbeitszeit innerhalb einer festgelegten Gleitzeit selbst bestimmen. Mittlerweile existieren verschiedene Modelle zur gleitenden Arbeitszeit (vgl. Abbildung 114 bis Abbildung 117). Die Grundstruktur des Instruments der gleitenden Arbeitszeit umfasst folgende Bestandteile: Meist besteht eine Kernarbeitszeit (z.B. 9h bis 15h), in der der Mitarbeitende an seinem Arbeitsplatz anwesend sein muss. Zusätzlich determiniert die Personalmindestbesetzungsstärke sowie ggf. vorgegebenen tägliche Arbeitszeiten (z.B. 6h) die individuelle Gestaltung der eigenen täglichen Arbeitszeit (vgl. Jung 2008, S. 229). Unter diesen Vorgaben 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 350 <?page no="351"?> kann der Mitarbeitende Beginn und Ende seiner täglichen Arbeitszeit jedoch selbst bestimmen. Je nach festgesetzter Rahmenarbeitszeit (z.B. 40h pro Woche) werden die tatsächlich geleisteten Überstunden oder Minusstunden, die sich aus der täglich individuell realisierten Arbeitszeit des Mitarbeiten‐ den im Abgleich mit seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit ergeben, dokumentiert und je nach vereinbarter Abrechnungsperiode wöchentlich, monatlich oder jährlich ausgeglichen (vgl. Stopp/ Kirschten 2012, S. 179). Besteht ein hoher Arbeitsanfall im Unternehmen, kann der Mitarbeitende entsprechende Überstunden leisten, die er z.B. in Zeiten mit geringerem Arbeitsanfall durch Freizeit oder Urlaub wieder abbauen kann. Diese Flexi‐ bilität kommt sowohl dem Unternehmen zugute, weil so zeitlich begrenzte hohe Arbeitsvolumina durch entsprechenden Überstundenaufbau flexibel abgearbeitet werden können und andererseits der Mitarbeiter die Möglich‐ keit hat, sein tägliches Arbeitspensum an weitere Verpflichtungen oder Wünsche anderer Lebensbereiche flexibel anzupassen. Als grundlegende Modelle lassen sich die einfache Gleitzeit, die qualifi‐ zierte Gleitzeit und die Gleitzeit mit Funktionszeiten unterschieden (vgl. z.B. Hellert 2014, S. 86 ff.). Einfache Gleitzeit: Bei der einfachen (oder auch klassischen) Gleitzeit sind die Rahmenzeiten der täglichen Arbeitszeit (frühester Beginn und spätestes Ende) sowie die Kernarbeitszeit, in denen Anwesenheitspflicht besteht, vom Arbeitgeber vorgegeben. Die Dauer der täglichen Arbeitszeit ist also festgelegt, der Mitarbeitende kann aber innerhalb des vorgegebe‐ nen Gleitzeitrahmens Beginn und Ende seiner täglichen Arbeitszeit selbst bestimmen (vgl. Abbildung 95). Abbildung 93: Beispiel einer einfachen Gleitzeit. Eigene Darstellung. 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 351 <?page no="352"?> Qualifizierte Gleitzeit: Die qualifizierte Gleitzeit ist eine Weiterentwick‐ lung der recht starren einfachen Gleitzeit. Hierbei wird die Kernarbeitszeit auf ein Minimum festgelegt oder gar nicht vorgegeben. Allerdings wird eine durchschnittliche wöchentliche, monatliche oder jährliche Arbeitszeit festgelegt. So kann der Mitarbeitende nicht nur Beginn und Ende der tägli‐ chen Arbeitszeit selbst bestimmen, sondern auch die Anzahl der täglichen Arbeitsstunden und die Verteilung der Arbeitszeiten auf die Wochenarbeits‐ tage (vgl. Abbildung 96). Entstehende Zeitguthaben oder Zeitschulden werden auf einem Arbeitszeitkonto erfasst. Abbildung 94: Beispiel einer qualifizierte Gleitzeit. Eigene Darstellung. Gleitzeit mit Funktionszeiten: Auch bei der Gleitzeit mit Funktionszeiten wird keine Kernarbeitszeit vorgegeben. Allerdings werden betriebliche Funktionszeiten vorgegeben, in denen bestimmte Unternehmensbereiche besetzt und damit funktions‐ fähig gehalten werden müssen, z.B. im Bereich der Produktion oder als Öffnungszeiten für Kunden (z.B. 6h bis 19h). Die Mitarbeitenden können hier, unter Berücksichtigung der vorgegebenen Funktionszeiten, in Abspra‐ che mit ihren Kollegen die Lage, Dauer und Verteilung ihrer Arbeitszeit individuell bestimmen (vgl. Abbildung 97). Auch hier werden Zeitguthaben oder Zeitschulden auf einem Arbeitszeitkonto erfasst und verrechnet (vgl. Hellert 2014, S. 87). 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 352 <?page no="353"?> Abbildung 95: Beispiel für Funktionsgleitzeit. Eigene Darstellung. Als Variante der Gleitzeit mit Funktionszeiten kann eine erweiterte Funk‐ tionsgleitzeit vereinbart werden, bei der zusätzlich Gleitzeitspannen (vom frühesten Arbeitsbeginn bis zum spätesten Arbeitsende) festgelegt werden (vgl. Abbildung 98). Abbildung 96: Beispiel für erweiterte Funktionsgleitzeit. Eigene Darstellung. Besonders gut eignet sich die Gleitzeitarbeit für Unternehmens- oder Organisationsbereiche, in denen keine konkreten Produktions-, Service- oder Kundenöffnungszeiten eingehalten werden müssen. Wie die auf dem Arbeitszeitkonto festgehaltenen Zeitguthaben oder Zeitschulden verrechnet werden (z.B. als Freizeitausgleich, Urlaub etc.), wird meist in Betriebsverein‐ barungen festgelegt. In der Praxis weit verbreitet sind Modelle, bei denen ca. 10 Arbeitsstunden pro Monat angesammelt bzw. weniger gearbeitet werden darf (vgl. Berthel/ Becker 2010, S. 52). Vorteile der gleitenden Arbeitszeit bestehen für den Mitarbeitenden darin, dass er seine tägliche Arbeitszeit individuell und flexibler mit den zeitlichen Anforderungen anderer Lebensbereiche (z.B. mit Öffnungszeiten für Kinder‐ 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 353 <?page no="354"?> betreuung, Schule oder Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger und mit sonstigen privaten zeitlichen Verpflichtungen oder Interessen abstimmen kann. Darüber hinaus kann die Arbeitszeit an den eigenen Leistungsrhyth‐ mus angepasst werden, was die Arbeitseffizienz erhöht. Auch können zeitlich längere Arbeitswege zum oder vom Arbeitsplatz z.B. aufgrund von Berufsverkehr und Staus durch die Flexibilität des Arbeitsbeginns und -endes vermieden bzw. reduziert werden. Für den Arbeitgeber ist die Einrichtung von Arbeitsplätzen mit gleitender Arbeitszeit mit folgenden Auswirkungen verbunden: Die Arbeitszeit kann besser an schwankende Arbeitsanfälle (z.B. aufgrund von unterschiedlichen Auftragseingängen oder Saisonprodukten) angepasst werden. In Absprache mit den Mitarbeitenden lassen sich längere Öffnungs- oder Servicezeiten des Unternehmens realisieren, wodurch die Dienstleis‐ tungsorientierung des Unternehmens gesteigert wird. Auch können Kurz‐ fehlzeiten (aufgrund von Arztbesuchen oder Behördengängen) durch die höheren zeitlichen Gestaltungsspielräume der Mitarbeiter reduziert werden. Gleitzeitregelungen erfordern zwar einen zusätzlichen Planungs- und Or‐ ganisationsaufwand sowie auch zusätzliche Kosten für die Einführung und den Betrieb der Gleitzeit, steigern jedoch erheblich die Motivation und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden aufgrund erhöhter eigener Gestal‐ tungsspielräume. Der Gefahr eines bewussten Zeitdenkens und Ansparens an Guthabenstunden (für freie Tage) kann durch entsprechende Regelungen bzw. Vorgaben begegnet werden (vgl. Klimpel/ Schütte, 206, S. 55). 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 354 <?page no="355"?> Praxisbeispiel: Globus SB-Warenhaus Holding GmbH & Co. KG „Beim Globus SB-Warenhaus sind familienfreundliche Arbeitszeiten problem‐ los möglich. Eine Software hilft dabei, die individuellen Arbeitszeitwünsche der Beschäftigten aufeinander abzustimmen.“ (Globus SB-Warenhaus Holding GmbH&Co. KG). Unternehmen: Globus SB-Warenhaus Holding GmbH & Co. KG Ort: St. Wendel, Bundesland: Saarland Branche: Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgütern Mitarbeiterzahl: 14.958 „Auf Knopfdruck werden bei Globus Arbeitszeitwünsche erfüllt“ Eine familienfreundliche Gestaltung der Arbeitszeiten ist für den Einzelhandel aufgrund der langen Öffnungszeiten sehr schwierig. Umso bemerkenswerter sind die Angebote, die Globus seinen Mitarbeitern unterbreitet. Je nach indivi‐ duellem Wunsch können die Mitarbeiter zwischen 15 Stunden und 37,7 Stunden pro Woche arbeiten. Zusätzlich ermöglicht ein eigenes Computerprogramm eine differenzierte Arbeitszeit- und Einsatzplanung, die auch eine Abstimmung mit den Zeit-, Schul- und Arbeitsplänen anderer Familienangehöriger erlaubt. Die Software berücksichtigt individuelle Arbeitszeitwünsche und ermöglicht einen recht großen zeitlichen Planungsvorlauf, d. h. die Mitarbeiter werden frühzeitig über ihre Einsatzpläne informiert. Zusätzlich bietet das Computersystem eine „Gerechtigkeitsoption“, die eine gleichmäßige Verteilung der besonders belieb‐ ten bzw. unbeliebten Arbeitszeiten unter den Mitarbeitern sicherstellt. Im Bereich der Vereinbarkeit des Berufs mit Pflegeaufgaben stellt Globus seinen Mitarbeitern umfangeiche Informationen, Publikationen, Beratungsadressen und bei Bedarf auch Pflegeinstitutionen zum Thema zur Verfügung. Weiter berichtet Globus in seiner Mitarbeiterzeitschrift über Beispiele von Mitarbeitern, denen die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege gut gelungen ist. Praxisbeispiel 4: Globus SB-Warenhaus Holding GmbH & Co. KG. Quelle: vgl. www.e rfolgsfaktor-familie.de/ default.asp? id=368&d=10, Abruf: 30.11.2012 Kapazitätsorientierte Arbeitszeit Die kapazitätsorientierte Arbeitszeit (Kapovaz) ist eine flexible Arbeitszeit auf Abruf je nach Arbeitsanfall (vgl. Hamm 2001, S. 152 ff.). Hierbei bestimmt der Arbeitgeber, wann der Mitarbeitende seine monatlich oder jährlich vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen hat (§ 12 TzBfG). Um eine gewisse Planbarkeit für den Mitarbeitenden zu gewährleisten, muss der Abruf des Mitarbeiters mindestens vier Tage im Voraus erfolgen, ansonsten besteht keine Arbeitspflicht (§ 12 TzBfGII; § BeschFG). Sofern keine besonderen Vereinbarungen über die tägliche Dauer der Arbeitszeit bestehen, muss die Dauer pro Abruf mindestens drei Stunden betragen (vgl. Hamm 2001, S. 153). Um dem Mitarbeitenden trotz der hohen Variabilität seiner Arbeitszeit ein 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 355 <?page no="356"?> kalkulierbares Einkommen zu ermöglichen, muss sich die Entgeltgestaltung an einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit orientierten (vgl. Hamm 2001, S. 153; Klimpel/ Schütte 2006, S. 66). Für den Arbeitgeber ist die flexible Arbeitszeit auf Abruf insbesondere bei schwankenden konjunkturellen oder saisonalen Auftragslagen sowie bei umfangreicherer Projektarbeit vorteilhaft. So wird die Kapovaz häufig eingesetzt im Hotel- und Gaststättengewerbe, im Einzelhandel, in der Bauindustrie oder in der Landwirtschaft. Auch lassen sich hierbei Überstun‐ denzuschläge einsparen (vgl. Klimpel/ Schütte 2006, S. 66). Für die Mitarbeitenden bedeutet die Kapovaz eine große Abhängigkeit vom Arbeitgeber, der über den Abruf der Dauer und Lage der Arbeits‐ zeiten entscheidet. Die vom Mitarbeitenden geforderte hohe Flexibilität hinsichtlich der Arbeitszeiten lässt sich häufig schlecht mit der Erfüllung anderer Anforderungen des Privatlebens (wie z.B. Kinderbetreuung etc.) vereinbaren und erlaubt oft auch nur eine sehr eingeschränkte Planbarkeit des Privatlebens. Daher ist die Kapovaz als Instrument zur Verbesserung der Work-Life-Balance wenig geeignet, wird hier jedoch der Vollständigkeit halber als flexibles Arbeitszeitmodell mit aufgeführt. Vertrauensarbeitszeit Bei der Vertrauensarbeitszeit ist die Dauer der Arbeitszeit (incl. täglichen Höchstarbeitszeiten, Pausen und Ruhezeiten) vertraglich festgelegt, die Lage und Verteilung der Arbeitszeit sind nicht fest vorgegeben (vgl. Hoff 2002, S. 15). Auf eine elektronische oder manuelle Erfassung der Arbeitszeit kann hier verzichtet werden. Im Vordergrund steht das Arbeitsergebnis des Mitarbeiten‐ den, das z.B. über Zielvereinbarungen festgelegt wird, und nicht die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden, wie bei anderen (starren) Arbeitszeitmodellen. Dahinter steht die Idee, dass nicht die Ableistung einer bestimmten Anzahl an Arbeitsstunden wichtig ist, sondern die effiziente und termingerechte Auf‐ gabenerfüllung (vgl. Neuwald/ Thomas 2005, S. 211 ff.). Statt Kontrolle wird hier auf Vertrauen gesetzt (vgl. Klimpel/ Schütte 2006, S. 67). So besteht die Besonderheit der Vertrauensarbeitszeit in der Eigenver‐ antwortlichkeit des Mitarbeitenden für seinen Arbeitszeitausgleich sowie für seine Arbeitsleistungen und Arbeitsergebnisse. Voraussetzungen für eine Vertrauensarbeitszeit sind jedoch entsprechende personelle Strukturen und geeignete Aufgabenbereiche, die zeitliche Freiräume ermöglichen, das Vorhandensein einer Vertrauenskultur im Unternehmen sowie die Bereit‐ schaft des Mitarbeitenden, für die Erfüllung seiner Arbeitsaufgaben selbst 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 356 <?page no="357"?> die Verantwortung zu übernehmen (vgl. Klimpel/ Schütte 2006, S. 67; Stopp/ Kirschten 2012, S. 181). Für die Mitarbeitenden bietet die Vertrauensarbeitszeit sehr große Gestal‐ tungsspielräume im Hinblick auf die Erbringung der vertraglich festgelegten Arbeitszeiten und -aufgaben und ermöglicht so eine hohe Vereinbarkeit der Arbeit mit anderen Lebensbereichen sowie eine oft nötige flexible Anpas‐ sung der Arbeitszeiten an die Anforderungen anderer Lebensbereiche. Die Unternehmen gewinnen durch die Vertrauensarbeitszeit i. d. R. hoch motivierte Mitarbeiter, die sich mit ihrer Arbeit identifizieren und stark leistungsbereit sind. Zusätzlich können die Kosten der wegfallenden Ar‐ beitszeitkontrolle eingespart werden. Kritikwürdig ist die Vertrauensarbeitszeit insofern, als ein hohes Arbeits‐ aufkommen, hoher Leistungsdruck oder auch die eigene Karriereorientie‐ rung häufig dazu führen, dass Mitarbeiter freiwillig mehr arbeiten, als vertraglich vereinbart ist und ihnen guttut. Hierdurch erhöht sich die Gefahr einer dauerhaften Überlastung der Mitarbeiter mit gesundheitlichen und leistungsmindernden Auswirkungen. So sind bei der Vertrauensarbeitszeit insbesondere die Führungskräfte gefordert, ihre Mitarbeitenden vor einer längerfristigen Arbeitsüberlastung zu schützen und ausreichende Personal‐ kapazitäten sicherzustellen (vgl. Klimpel/ Schütte 2006, S. 68). Arbeitszeitkonten Im Rahmen der Arbeitszeitflexibilisierung bilden Arbeitszeitkonten ein zentrales Steuerungsinstrument. Sie dienen der Erfassung der Arbeitszeit, indem sie die Abweichungen zwischen der vertraglich vereinbarten und der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit für einen bestimmten Abrechnungszeit‐ raum dokumentieren und entsprechend Arbeitszeitguthaben oder Arbeits‐ zeitschulden ausweisen. Darüber hinaus spiegeln die Arbeitszeitkonten das individuelle Arbeitszeitverhalten sowie die Auslastung der Beschäftigten. Arbeitszeitkonten sind die Grundvoraussetzung, um flexible Arbeitszeitmo‐ delle (wie z.B. Gleitzeitmodelle, Sabbatical) umsetzen zu können, da erst sie eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit ermöglichen. In der Praxis existieren unterschiedlich Modelle von Arbeitszeitkonten. Je nachdem, ob der Ausgleich der Zeitsalden monatlich, jährlich oder auf die Lebensarbeitszeit bezogen erfolgt, lassen sich Kurzzeitarbeitszeitkon‐ ten, Jahresarbeitszeitkonten und Langzeitarbeitszeitkonten unterscheiden. Bei Kurzzeitarbeitszeitkonten werden die Arbeitszeitsalden monatlich oder jährlich ausgeglichen. Ein monatlicher oder unterjähriger Ausgleich der 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 357 <?page no="358"?> Arbeitszeitsalden eignet sich gut für die Gleitzeit, wohingegen ein jährlicher Ausgleich der tatsächlich geleisteten mit der vertraglich vereinbarten Ar‐ beitszeit häufig bei Teilzeitbeschäftigungen erfolgt (vgl. Thiele 2009, S. 77). Bei Jahresarbeitszeitkonten wird eine bestimmte Arbeitszeit pro Jahr vereinbart, wobei sich die konkreten Arbeitszeiten an dem Arbeitsanfall des Unternehmens aber auch an den Bedürfnissen des Mitarbeitenden ori‐ entieren (vgl. Fauth-Herkner 2001 S. 7). Dies ermöglicht den Mitarbeitenden eine große Flexibilität sowie einen hohen Gestaltungsspielraum bei der Festlegung ihrer Arbeitszeiten und damit auch einen erheblichen Hand‐ lungsspielraum zur Vereinbarkeit der Berufstätigkeit mit Anforderungen anderer Lebensbereiche. So können z.B. Beschäftigte mit schulpflichtigen Kindern während der Schulferien weniger oder gar nicht arbeiten und dafür außerhalb der Schulferien z.B. Vollzeit arbeiten (vgl. Thiele 2009, S. 77). Auf Langzeitkonten oder Lebensarbeitszeitkonten können Mitarbeiter Arbeitszeitguthaben langfristig ansparen. Zusätzlich zu einem Kurzzeit‐ konto oder Jahresarbeitszeitkonto wird hier ein Langzeitkonto eingerichtet, auf dem eine zusätzlich vereinbarte Stundenanzahl gutgeschrieben wird, die ein Mitarbeitender als Arbeitszeitguthaben erarbeitet und nicht über Freizeit ausgleicht. So können schwankende Arbeitsanfälle im Unterneh‐ men berücksichtigt und abgearbeitet werden, die über die vereinbarte Jahresarbeitszeit hinausgehen, gleichzeitig ermöglichen Langzeitkonten bzw. Lebensarbeitszeitkonten den Mitarbeitenden eine flexible Anpassung ihrer Arbeitszeit in unterschiedlichen Lebensphasen. So können Mitarbeiter beispielsweise in frühen Karrierephasen, in denen sie viel arbeiten, deutliche Arbeitszeitguthaben auf ihren Langzeitkonten ansparen, die in späteren Lebens- und Karrierephasen, z.B. nach einer Familiengründung für die Betreuung der Kinder, eine Weiterbildung oder in späteren Lebensphasen für ein Sabbatical, die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger oder am Ende des Berufslebens für einen gleitenden Übergang in den Ruhestand bei gleichbleibendem Gehalt genutzt werden können (vgl. Thiele 2009, S. 77; Nicolai 2006, S. 168 f.; Fauth-Herkner 2001, S. 8). Sabbatical Begrifflich stammt Sabbatical aus dem Alten Testament und steht für das siebente Jahr im Ackerbau, indem der Acker nicht bewirtschaftet wird, damit sich der Boden erholen und regenerieren kann, um später wieder eine gute Ernte zu erbringen (vgl. Klimpel/ Schütte 2006, S. 58; Necati 2004, S. 1). 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 358 <?page no="359"?> Das Personalmanagement hat den Begriff Sabbatical für ein Arbeits‐ zeitmodell übernommen, das einem Mitarbeitenden ermöglicht, für einen längeren Zeitraum als den „normalen“ Urlaub seine berufliche Tätigkeit bzw. ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis ruhen zu lassen und sich eine berufliche Auszeit zu gönnen, um anschließend erholt, motiviert und leistungsbereit die eigene Berufstätigkeit wieder aufzunehmen. Während dieses Langzeiturlaubs, der einige Monate bis zu einem Jahr dauern kann, bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen, sodass der Mitarbeitende nach dem Sabbatical wieder seine Tätigkeit im Unternehmen aufnehmen kann. Wofür der Mitarbeitende die berufliche Auszeit nutzt, kann er selbst bestimmen. Mögliche Motive für ein Sabbatical sind z.B. die Erfüllung privater Wün‐ sche (z.B. eine Weltreise unternehmen, Zeit für die Familie haben), sich weiterzubilden (z.B. durch ein Studium), in Zeiten der Familiengründung mehr Zeit für eigene Familie und die Kinder zu haben, eine ehrenamtliche Tätigkeit für mehrere Monate auszuüben, die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger zu übernehmen oder einfach eine Auszeit von der Berufstätig‐ keit zu nehmen. Häufig wünschen sich Mitarbeiter ein Sabbatical, um sich von einer physisch und psychisch anstrengenden Berufstätigkeit zu erholen oder auch um dem „Arbeitstrott“ für eine Weile zu entfliehen. Ziel dieses Langzeiturlaubs ist es, dass sich der Mitarbeitende von seiner beruflichen Beanspruchung erholen kann und nach einigen Monaten wieder regeneriert, motiviert und leistungsbereit in seine Berufstätigkeit zurückkehrt. Ein Sabbatical bedarf einer längerfristigen Anmeldung bei und Vorbereitung durch den Arbeitgeber, der ja für die Dauer des Langzeiturlaubs eine Vertretung für die Erfüllung der Arbeitsaufgaben planen und beschaffen muss. Für die konkrete Ausgestaltung eines Sabbaticals gibt es verschiedene Modelle bzw. Möglichkeiten, aber auch Restriktionen z.B. im Hinblick auf die Betriebszuge‐ hörigkeit, die Unternehmensgröße aber auch die Unternehmenskultur (vgl. Klimpel/ Schütte 2006, S. 59). Grundsätzlich lassen sich zwei Varianten zum Ansparen der Arbeitszeit für ein Sabbatical unterscheiden: Entweder sammelt der Mitarbeitende auf einem Arbeitszeitkonto über mehrere Jahre Guthaben‐ stunden durch Mehrarbeit im Vergleich zu seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit, was ihm eine Gehaltsfortzahlung während des Sabbaticals ermög‐ licht (vgl. Marsula 2004, S. 1 in Klimpel/ Schütte 2006). Oder der Mitarbeitende arbeitet über einen längeren Zeitraum Vollzeit, bekommt aber nur einen Teil (z.B. 50% oder 75% des Vollzeitentgelts) seines Entgelts ausgezahlt, wobei der nicht ausgezahlte Teil des Entgelts auf einem Arbeitszeitkonto bzw. Gehaltskonto angespart wird und während des späteren Sabbaticals ausgezahlt 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 359 <?page no="360"?> wird (vgl. Prognos 2005, S. 13 in Klimpel/ Schütte 2006). Als dritte Möglichkeit kann auf das Ansparen von Entgeltguthaben gänzlich verzichtet werden, wobei der Mitarbeitende dann auch während seines Sabbaticals kein Gehalt bezieht und sich anderweitig finanzieren muss. Für die Mitarbeitenden ist ein Sabbatical vorteilhaft, weil es eine - sonst kaum oder gar nicht realisierbare - mehrmonatige berufliche Auszeit ermöglicht, um sich von beruflichen Belastungen zu erholen und sich andere private Wünsche oder Anforderungen erfüllen zu können. Da das Beschäftigungsverhältnis bestehen bleibt, kann der Mitarbeitende nach dem Langzeiturlaub erholt, motiviert und leistungsbereit wieder in seine Berufstätigkeit zurückkehren („Auszeit mit Zurück-Garantie“ vgl. Peplinski 2007, S. 250). Die unterschiedlichen Ansparmodelle ermöglichen dabei die Finanzierung bzw. Existenzsicherung des Mitarbeitenden während der Auszeit. Damit bietet ein Sabbatical eine zwar längerfristig zu planende, aber auch mehrmonatige berufliche Auszeit als Work-Life-Balance-Maßnahme, um sich privaten Lebensbereichen stärker widmen zu können und damit einen längerfristigen Ausgleich zur anstrengenden Berufstätigkeit zu haben. Die Unternehmen müssen Sabbatical-Wünsche ihrer Mitarbeiter zwar längerfristig planen und Vertretungen organisieren, sie beugen damit aber möglichen beruflichen Überlastungen mit psychischen und physischen Erkrankungen vor, fördern die Motivation und Bindung der Mitarbeiter, gewinnen nach dem Sabbatical wieder hoch motivierte und leistungsstarke Mitarbeiter und ggf. sogar weiterqualifizierte Mitarbeiter zurück (vgl. Jäger 2006, S. 58). Auch das Arbeitgeberimage gewinnt durch derartige Angebote für potenzielle Mitarbeiter. Die folgenden Tabellen 28 bis 30 geben einen Überblick über die Vor- und Nachteile der Arbeitszeitmodelle aus der Sicht der Mitarbeiter, der Unternehmen und der Gesellschaft. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 360 <?page no="361"?> Vor- und Nachteile der Arbeitszeitmodelle für die Mitarbeitenden Vorteile Nachteile Höhere Zeitsouveränität Höhere Flexibilität bei der Erfüllung beruflicher und privater Anforderungen Bessere Vereinbarkeit des Berufslebens mit anderen Lebensbereichen (Betreuung von Kindern, pflegebedürftigen Angehörigen, privaten Aktivitäten) Höherer Handlungsspielraum bei der Erfüllung beruflicher Arbeitsleistungen und Abstimmung mit privaten Anforderungen Zeitersparnis bei Anfahrtszeiten zur Arbeit durch Vermeidung von Berufsverkehr Vermeidung von Stress durch festen Arbeitsbeginn (bzw. zu spät kommen) Bessere Abstimmung der Arbeitszeiten an persönlichen Biorhythmus (z.B. Tages-, Wochenarbeitszeit) Möglichkeit längerer beruflicher Auszeiten (insb. Bei Sabbatical) Förderung von Weiterbildung Bessere Anpassung der Arbeitszeiten an den Arbeitsanfall Keine unbezahlten Überstunden durch ggf. Zeiterfassung und flexiblen Ausgleich an den Arbeitsanfall Bessere Anpassung der Arbeitszeiten und des Arbeitsumfangs an die Lebenssituation (Lebensphasenorientierung) Verringerung des organisatorischen Aufwandes zur Abstimmung der verschiedenen Lebenswelten Höhere Motivation und Arbeitszufriedenheit Höheres Maß an Selbstbestimmung Senkung beruflicher Belastungen (physisch + psychisch) durch stärker selbstbestimmte Verteilung der Aufgabenerfüllung Aufgabenverteilung „Spill over“ durch steigende Entgrenzung von Arbeitszeit und Privatleben Zwang zur Selbstorganisation Höhere Eigenverantwortlichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung Ggf. Wegfall von Überstundenzuschlägen Ggf. geringere soziale Kontakte zu Arbeitskollegen; Gefahr der sozialen Isolation Arbeitsverdichtung und Zunahme physischer und psychischer Belastungen Ggf. ausgedehntere Bereitschaftszeiten Ggf. eingeschränkte Selbstbestimmung der Arbeitszeiten (z.B. bei Arbeit auf Abruf) Ggf. Entwertung der Freizeit durch Arbeitsbereitschaft Ggf. Konflikte bei Absprache von Arbeitszeiten mit Kollegen (bei Arbeitszeitmodellen, an denen mehrere Mitarbeiter beteiligt sind) Tendenz zu Mehrarbeit durch Eigenverantwortlichkeit Tabelle 28: Vor- und Nachteile der Arbeitszeitmodelle. Quelle: vgl. Berthel/ Becker 2010, S. 522 mit eigenen Ergänzungen. Eigene Darstellung. 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 361 <?page no="362"?> Vor- und Nachteile der Arbeitszeitmodelle für die Unternehmen Vorteile Nachteile Höhere Motivation und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter Größere Leistungsbereitschaft durch mehr Selbstbestimmung und Gestaltungsfreiheit Sinkende Fehlzeiten Geringere Verspätungen Höhere Qualität der Arbeitsleistungen Entwicklung einer höheren Selbstverantwortung für die Arbeitsleistungen und ergebnisse Besseres Arbeitsklima durch höhere Arbeitszufriedenheit Förderung von Teamarbeit Bessere Kapazitätsauslastung und dadurch geringere Produktionskosten Bessere Kapitalnutzung Leichtere Anpassung an neue Produktions- und Dienstleistungskonzepte Verlängerung von Betriebszeiten möglich, dadurch größere Dienstleistungsorientierung Sicherung des Betriebsablaufs Weniger Überstundenzuschläge Geringere Fluktuation Steigende Attraktivität als Arbeitgeber Geringerer Bedarf an Zeitarbeitskräften aufgrund der flexiblen Arbeitszeitmodelle Kosten für Einführung von Arbeitszeitmodellen Zusätzlicher Verwaltungsaufwand (bei Personalmanagement und in der Linie) Kosten der Zeiterfassung Ggf. höhere Personalzusatzkosten Weiterbildungsaufwand für Führungskräfte Ggf. Wegfall bisher unentgeltlich geleisteter Mehrarbeit Risiko des Missbrauchs Ggf. Konfliktpotenziale um Arbeitszeiten Beschriftung für neue Tabelle 29 Tabelle 29: Vor- und Nachteile der Arbeitszeitmodelle für die Unternehmen. Quelle: vgl. Berthel/ Becker 2010, S. 522 mit eigenen Ergänzungen. Eigene Darstellung. Tabelle 29: Vor- und Nachteile der Arbeitszeitmodelle für die Unternehmen. Quelle: vgl. Berthel/ Becker 2010, S. 522 mit eigenen Ergänzungen. Eigene Darstellung. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 362 <?page no="363"?> Vorteile der Arbeitszeitmodelle für die Unternehmen Vorteile Humanisierung der Arbeit Entwicklung neuer flexiblerer und individualisierter Arbeits(zeit)modelle zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und stärkeren Berücksichtigung verschiedener Lebensphasen Abbau von Arbeitslosigkeit Flexibilisierung des Eintritts in das Berufsleben sowie des Austritts aus dem Berufsleben Steigerung der gesellschaftlichen Entwicklung Beschriftung für neue Tabelle 30 Tabelle 30: Vorteile der Arbeitszeitmodelle für die Gesellschaft. Quelle: vgl. Berthel/ Becker 2010, S. 522 mit eigenen Ergänzungen. Eigene Darstellung. Tabelle 30: Vorteile der Arbeitszeitmodelle für die Gesellschaft. Quelle: vgl. Ber‐ thel/ Becker 2010, S. 522 mit eigenen Ergänzungen. Eigene Darstellung. 6.1 Arbeitsorientierte Maßnahmen 363 <?page no="364"?> 6.2 Maßnahmen zur Unterstützung von Familien Um Mitarbeiter und Führungskräfte mit Familien in ihrer Berufstätigkeit und bei der Vereinbarung von Arbeits-, Familien- und Privatleben zu unterstützen sowie auch stärker an das eigene Unternehmen zu binden, eignen sich insbesondere die folgenden Maßnahmen. 6.2.1 Kontakthalte- und Wiedereinstiegsprogramme während und nach der Elternzeit Bekommen Mitarbeitende Kinder, so haben die Eltern Anspruch auf Eltern‐ zeit und seit 2007 auch auf Elterngeld. Mit Elternzeit wird der Zeitraum auf unbezahlte Freistellung von der Arbeit nach der Geburt eines Kindes bezeichnet. Eltern können bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ihres Kindes Elternzeit in Anspruch nehmen. Dabei besteht die Möglichkeit, bis zu 12 Monate der Elternzeit auch noch zwischen dem dritten und achten Geburtstag des Kindes in Anspruch zu nehmen. Die Elternzeit kann entweder nur von einem Elternteil in Anspruch genommen werden, oder zwischen den Elternteilen aufgeteilt werden (vgl. Destatis Elternzeit 2020). Das Elterngeld ersetzt bis zu 67% des Nettoeinkommens und kann seit dem Jahr 2015 in den ersten 14 Lebensmonaten des Kindes in Anspruch genommen werden, anstatt bis dahin nur für die ersten 12 Lebensmonate des Kindes. Dies ermöglicht es den Müttern und Vätern, sich in den ersten 14 Lebensmonaten des Kindes um das Kind zu kümmern und ihre Erwerbstätigkeit zu unterbrechen. (vgl. BMFSFJ 2020). Mit der Einführung des Elterngeldes Plus im Jahr 2015 hat das Bundes‐ ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) die Anreize für Väter zur Inanspruchnahme der Elternzeit erhöht. So erhalten Eltern nicht nur für 12 Monate, sondern für 14 Monate das Elterngeld, wenn sich beide Elternteile mindestens zwei Monate lang gemeinsam um die Betreuung ihres Kindes kümmern (sog. Partnermonate) (vgl. BMFSFJ 04.06.2014). Das hat dazu geführt, dass mehr Väter parallel zur Erziehungszeit der Mutter ebenfalls zwei Monate Erziehungszeit genommen haben (vgl. Abbildung 99). Eine längerfristige Erziehungszeit (über diese zwei Monate hinaus) der Väter ist jedoch immer noch die Ausnahme, wie die folgenden Daten zeigen. So haben nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2019 die Väter durchschnittlich nur 3,1 Monate Elternzeit genommen, während die Frauen durchschnittlich 11,6 Monate in Elternzeit waren (vgl. Statista 2020b). 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 364 <?page no="365"?> Abbildung 97: Durchschnittlicher Bezug von Elterngeld in Deutschland nach Ge‐ schlecht im Jahr 2019. Eigene Darstellung. Quelle: Statista (2020b). Auch die Elternzeitquote, d. h. der Anteil der Mütter und Väter, die sich in der Elternzeit befinden, gemessen an allen Eltern, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, spiegelt die immer noch sehr ungleiche Verteilung der Kinderbetreu‐ ung zwischen den Eltern in den ersten Lebensjahren des Kindes. Wie die Abbildung 100 zeigt, lag die Elternzeitquote der Mütter, die Kinder unter drei Jahren in Elternzeit betreut haben, bei 42,2 %. Demgegenüber haben nur 2,6% der Väter ihre Kinder unter drei Jahren in Elternzeit im Jahr 2019 betreut. Bei den Kindern unter sechs Jahren liegt die Elternzeitquote der Mütter bei 24,5% und die der Männer nur bei 1,6% im Jahr 2019. Im Vergleich zum Jahr 2009 bedeutet dies bei den Vätern eine 100%ige Steigerung (von 0,9% auf 1,6%) (vgl. Statistisches Bundesamt 2020f: Elternzeit). Insgesamt ist der Anteil der Väter, die ihre Kinder in den ersten Lebens‐ jahren im Zuge der Elternzeit betreuen, immer noch verschwindend gering. Das bedeutet auch, dass die Mütter bis heute immer noch die Hauptlast der Kinderbetreuung in den ersten Jahren tragen. 6.2 Maßnahmen zur Unterstützung von Familien 365 <?page no="366"?> Abbildung 98: Anteil der Eltern in Elternzeit an allen erwerbstätigen Eltern im Jahr 2009 und im Jahr 2019 mit Kindern unter 3 Jahren bzw. unter 6 Jahren. Quelle: Statistisches Bundesamt 2020 g Elternzeit, Alter der Kinder. Wesentliche Gründe hierfür sind zum einen die Erwirtschaftung des Fami‐ lieneinkommens, zu dem die Väter auch heute noch oft den größeren Beitrag leisten. Andererseits besteht vor allem seitens der Arbeitgeber auch heute noch eine sehr geringe Akzeptanz von Vätern in Elternzeit. Je nach Dauer der Elternzeit und damit einer kinderbedingten beruf‐ lichen Auszeit bedeutet dies für die Mitarbeitenden häufig einen Karrie‐ renachteil. Zusätzlich kann auch das berufsbezogene Wissen veralten, da sich berufliche Anforderungen und notwendige Qualifikationen heut‐ zutage recht schnell ändern und der spätere Wiederreinstieg in den Beruf mit erheblichen Schwierigkeiten und zusätzlichen Qualifikations‐ anforderungen verbunden sein kann. Daher sollten Kontakte zum Betrieb während der Elternzeit sowie der spätere Wiedereinstieg in den Beruf am besten noch vor der Geburt des Kindes systematisch vom Unternehmen und den jeweiligen Mitarbeitenden geplant werden. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 366 <?page no="367"?> Noch vor dem Antritt der Elternzeit sollte ein erstes Planungsgespräch über die gesetzlichen Regelungen und unternehmerischen Angebote der El‐ ternzeit, Kontakt- und Weiterbildungsangebote, Beschäftigungsmöglichkei‐ ten während der Elternzeit sowie Möglichkeiten des Wiedereinstiegs nach der Elternzeit zwischen dem Unternehmen (bzw. dem Personalmanagement) und den jeweiligen Mitarbeitenden geführt werden (vgl. Klimpel/ Schütte 2006, S. 102). Diese vielfältigen Angebote sind wichtig, um den späteren Wiedereinstieg zu erleichtern und auch die dafür notwendige Qualifika‐ tion des Mitarbeitenden sicherzustellen. Während der Elternzeit sind Kontakte zwischen dem Arbeitgeber und den Mitarbeitenden außerordentlich wichtig. Sie dienen dazu, die Mitarbei‐ tenden „auf dem Laufenden“ zu halten, sie über betriebliche Veränderungen, Neuerungen aber auch über das aktuelle betriebliche Geschehen in ihrem Aufgabenbereich zu informieren (z.B. über die Zusendung eines Newslet‐ ters, der Mitarbeiterzeitschrift oder weiterer Unternehmensinformationen). Auch der Kontakt zu den Kollegen ist wichtig und kann z.B. durch Einladun‐ gen zu Betriebsfesten, Unternehmensveranstaltungen, Geburtstagsrunden, Unternehmensversammlungen oder regelmäßigen Telefonaten und Emails aufrecht gehalten werden. Um die Bindungswirkung dieser Maßnahmen zu den Mitarbeitenden zu erreichen, müssen die Kontakthaltemaßnahmen als Informations- und Kontakt-Angebote verstanden werden und dürfen nicht zu aufdringlich sein. Weitere Angebote während der Elternzeit sind z.B. Weiterbildungen, die der Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der berufsbezogenen Qualifikation dienen (z.B. Einladung zu Schulungen bei der Einführung neuer Computerprogramme, Arbeitsabläufe, fachliche Aktualisierungen). Denkbar sind auch Angebote von Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen sowie kleineren Arbeitsaufträgen, sofern Kinderbetreuungsmöglichkeiten bestehen und der Mitarbeitende in der Elternzeit daran Interesse hat. Dadurch kann die Nähe zur Berufstätigkeit aufrechterhalten werden und die Mitarbeitenden sind zeitnah über aktuelle Entwicklungen des Aufgabenge‐ bietes und des Unternehmens informiert, was einen späteren vollständigen Wiedereinstieg in den Beruf deutlich erleichtert. Vor der Rückkehr an den Arbeitsplatz sollte ein ausführliches Rück‐ kehrgespräch mit den jeweiligen Mitarbeitende geführt werden. Inhalte dieses Rückkehrgesprächs betreffen die Wünsche und Möglichkeiten der zukünftigen Berufstätigkeit und möglicher beruflicher Entwicklungs‐ perspektiven. Dazu gehören z.B. das Aufgabengebiet, der Umfang der 6.2 Maßnahmen zur Unterstützung von Familien 367 <?page no="368"?> Beschäftigung (Vollzeit, Teilzeit), Vereinbarungen über (variable) Arbeits‐ zeiten und -orte (z.B. Homeoffice) sowie weitere Anforderungen seitens des Arbeitgebers aber auch Beschränkungen seitens der Mitarbeitenden. Wichtig ist hierbei, durch individuell abgestimmte und ggf. flexible Ar‐ beitsbedingungen eine gute Vereinbarkeit der Berufstätigkeit mit der neuen Familiensituation für die Mitarbeitenden zu erreichen, und dadurch ihre Leistungsmotivation zu steigern und sie als loyale Mitarbeitende an das Unternehmen zu binden. In der Anfangszeit nach der Rückkehr in den Beruf kann das Angebot eines kompetenten Ansprechpartners für berufliche Fragen und zur „neuen Einarbeitung“ für die rückkehrenden Mitarbeitenden wichtig und hilfreich sein, um ggf. Detailfragen zu klären oder sich besser in neue Abläufe einarbeiten zu können. Hilfreich könnte auch die Gewährung einer Einarbeitungszeit sein, in der zunächst (für eine gewisse Übergangszeit) ein reduzierter Aufgabenbereich bearbeitet bzw. noch nicht das volle Leis‐ tungsspektrum erbracht werden muss. Die beiden folgenden Praxisbeispiele bieten einen Eindruck der Umset‐ zungsmöglichkeiten von Kontakthalteprogrammen für Mitarbeitende in Elternzeit. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 368 <?page no="369"?> Praxisbeispiel: Elternzeitfrühstück der Stadtwerke Heidelberg „Relativ wenig Aufwand, für große Wirkung“, so das Fazit von Sonja Troch, Leiterin Personalentwicklung bei den Stadtwerken Heidelberg. Um Eltern in Elternzeit das Kontakthalten zum Unternehmen zu erleichtern, laden die Stadt‐ werke Heidelberg zwei Mal im Jahr Mütter und Väter mit ihren Kindern zum Elternzeitfrühstück ein. Dabei treffen sich Schwangere und ElternzeitlerInnen bei Kaffee und Snacks zum zwanglosen Austausch, und schauen im Anschluss meist auch in „ihren“ Abteilungen vorbei. „So schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Durch den Austausch der Eltern untereinander wird die Personalabteilung beim Informationsbedarf über Elterngeld, Formalitäten, Fragen zum Wiedereinstieg etc. entlastet. Und die jungen Eltern bekommen durch den Besuch am alten Arbeitsplatz etwas von der Weiterentwicklung des Bereiches wie auch des Unternehmens mit. Zudem wird eine Unternehmenskultur, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglicht, gefördert. „Im Wettbewerb um Fachkräfte ist dies eine Notwendigkeit“, so die Überzeugung von Sonja Troch. „Indem wir Mütter und Väter mit ihren Kindern heute schon im Unternehmen sichtbar werden lassen, bereiten wir den Boden für eine Kultur, in der der Mensch als Ganzes gesehen wird und sowohl als Arbeitskraft, als auch Privatperson respektiert wird.“ Das ‚Bündnis für Familie Heidelberg’ möchte mit dieser Zusammenstellung Unternehmen Impulse und Anregungen bieten. Hat auch Ihr Unternehmen interessante Lösungen, dann freuen wir uns auf Ihre Beispiele. Das Datenblatt ist auf der Bündnis-Website unter www.familie-heidelberg.de zu finden und ergänzt entsprechende Datenblattveröffentlichungen zu Kinder‐ betreuung und Angehörigenpflege unter www.familie-heidelberg.de/ buendnis/ publikationen.“ Praxisbeispiel 5: Elternzeitfrühstück der Stadtwerke Heidelberg. Quelle: Stadtwerke Heidelberg 2020: Elternzeitfrühstück. In: www.familie-heidelberg.de/ unternehmen/ pers onalmarketing/ kontakthalte-und-wiedereinstiegsprogramme/ . Abruf: 04.10.2020. Ein weiteres Praxisbeispiel ist der Servicebereich des Familienbüros der Technischen Universität Berlin. 6.2 Maßnahmen zur Unterstützung von Familien 369 <?page no="370"?> Praxisbeispiel der TU Berlin: Servicebereich Familienbüro Praxisbeispiel 6: Praxisbeispiel: TU Berlin Servicebereich Familienbüro. Quelle: TU Berlin Servicebereich Familienbüro 2020. Einen informativen Leitfaden zum Thema „Früher beruflicher Wiederein‐ stieg von Eltern - Ein Gewinn für Unternehmen und ihre Beschäftigten hat das BMFSFJ herausgegeben (vgl. BMFSFJ 2013: www.bmfsfj.de/ blob/ 93854/ aa9b7460a048177b110b5adb176dc839/ frueher-beruflicher-wiedereinstie g-von-eltern-data.pdf. Abruf: 04.10.2020). 6.2.2 Betriebliche Unterstützung bei der Kinderbetreuung Die Kinderbetreuung während der Arbeitszeit ist für berufstätige Eltern die zentrale Voraussetzung, um überhaupt einen Beruf außerhalb der Familie und der eigenen Wohnung ausüben zu können. Die gesellschaftlichen Familienstrukturen haben sich in den letzten 50 Jahrzehnten in Deutschland deutlich verändert. Größere Familienverbünde, in denen Großeltern, Eltern und Kinder zusammenleben bzw. in räumlicher Nähe leben und sich ge‐ genseitig umfangreich unterstützen können, haben deutlich abgenommen. Geschuldet ist diese Entwicklung der Veränderung von Familienstrukturen hin zu mehr Patchwork-Familien, der Zunahme von Familien mit einem oder zwei Kindern, der steigenden Anzahl Alleinerziehender sowie der eigenstän‐ 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 370 <?page no="371"?> digeren Lebenswünsche und -weisen der verschiedenen Familienmitglieder (größere räumliche und inhaltliche Autonomie der Großeltern), aber auch der veränderten Anforderungen der Berufstätigkeit, die eine steigende Mo‐ bilität, häufigere Arbeitsplatzwechsel bei unterschiedlichen Arbeitgebern sowie eine gestiegene zeitliche und dauerhafte Arbeitsbereitschaft fordern. So leben heute Eltern und Großeltern häufig an unterschiedlichen Orten, Großeltern sind häufig noch berufstätig und damit auch nur eingeschränkt für die Kinderbetreuung verfügbar, und nicht selten möchten auch die Großeltern noch ihr eigenes Leben genießen, anstatt sich umfassend bzw. ausschließlich um ihre Enkel zu kümmern. Auch im Jahr 2021 ist eine flächendeckende Infrastruktur zur Kinderbe‐ treuung und zur Einlösung des rechtlichen Anspruchs auf einen Kinder‐ gartenplatz in Deutschland noch nicht vollständig gegeben. Besonders gravierend ist die Betreuungssituation bei Kindern zwischen 0 und 3 Jahren. Aber auch die Betreuungssituation für Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren sowie die Betreuung von Schulkindern nach der Schule (im Hort) ist in vielen Bundesländern und Städten noch verbesserungsfähig (vgl. Kapitel 2.4.6). Ohne ausreichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten sind die oft sehr gut aus‐ gebildeten Eltern gezwungen, selbst die Betreuung ihrer Kinder zu übernehmen und können daher nicht oder nur mit einer Teilzeitbeschäftigung in die Berufs‐ tätigkeit zurückkehren. Dies bedeutet nicht nur eine gesamtgesellschaftliche Verschwendung von teuer und gut qualifizierten Humanressourcen, sondern stellt auch für die Unternehmen eine zusätzliche Restriktion bei der Beschaffung und Nutzung gut ausgebildeter Fach- und Führungskräfte dar. Insofern liegt die betriebliche Unterstützung bei der Kinderbetreuung von (berufstätigen) Eltern im Eigeninteresse der Unternehmen, um gut qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und auch im Unternehmen zu halten. Gleichzeitig ermöglichen bedarfsgerechte und bezahlbare betriebliche Un‐ terstützungen bei der Kinderbetreuung häufig erst die Berufstätigkeit der Eltern und bilden damit eine zentrale Voraussetzung für einen Ausgleich zwischen dem Berufs-, Familien- und Privatleben. In Anlehnung an Klimpel und Schütte (2006) werden unter der be‐ trieblichen Unterstützung bei der Kinderbetreuung alle sozialpolitischen Maßnahmen verstanden, die eine „außerfamiliäre Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern eigener Betriebsangehöriger initiieren, unterstützen oder organisieren.“ (Klimpel/ Schütte 2006, S. 107). Dabei ist das Spektrum konkreter Angebote bzw. Maßnahmen breit. Dazu gehören beispielsweise (vgl. Klimpel/ Schütte 2006, S. 107): 6.2 Maßnahmen zur Unterstützung von Familien 371 <?page no="372"?> ▸ Betriebseigene Kinderbetreuungseinrichtung ▸ Kinderbetreuungseinrichtungen in Kooperation mit kommunalen oder freien Trägern ▸ Kinderbetreuung in Kooperation mit mehreren Unternehmen ▸ Förderung von Elterninitiativen ▸ Sicherung von Belegplätzen ▸ Einrichtungen zur Kinderbetreuung in besonderen Situationen Mit dem Förderprogramm „Betriebliche Kinderbetreuung“ bietet das Netz‐ werk „Erfolgsfaktor Familie“ Unterstützungen und Hinweise für Unterneh‐ men zur Entwicklung und Umsetzung passender Lösungen zur betrieblichen Kinderbetreuung (vgl. Erfolgsfaktor Familie 2021: Förderprogramm betrieb‐ liche Kinderbetreuung). 6.2.2.1 Betriebseigene Kinderbetreuungseinrichtungen Zur Betreuung von Kindern der eigenen Mitarbeiter können Unternehmen betriebseigene Kinderbetreuungseinrichtungen finanzieren, organisieren und betreiben. Träger der Kinderbetreuungseinrichtung ist das jeweilige Unternehmen, das auch das pädagogische Fachpersonal einstellt, ggf. fach‐ lich unterstützt durch Jugendämter. Organisatorisch sind betriebliche Kin‐ derbetreuungseinrichtungen häufig dem Personalmanagement zugeordnet. Länderspezifische Vorgaben regeln die Anforderungen, die an die Einrich‐ tung und den Betrieb einer Kinderbetreuungseinrichtungen gestellt werden und erteilen die Erlaubnis zum Betrieb einer Kinderbetreuungseinrichtung. (vgl. Klimpel/ Schütte 2006, S. 107; BMFSFJ 2004, S. 21). Wesentliche Vorteile der unternehmenseigenen Einrichtung und Betrei‐ bung von Kinderbetreuungseinrichtungen bestehen darin, dass die Öff‐ nungszeiten der Kinderbetreuung auf die spezifischen Arbeitszeiten der Mitarbeiter ausgerichtet werden können (z.B. im Hinblick auf Schichtdienste z.B. in Krankenhäusern oder längere tägliche Öffnungszeiten z.B. von 6.00h bis 20.00h), ggf. die betriebseigene Kantine auch die Verpflegung der Kindertagesstätte übernimmt, keine zusätzlichen oder nur geringe tägliche Zeiten und Wege für das Hinbringen und Abholen der Kinder zur bzw. aus der Betreuungseinrichtung anfallen sowie bei Krankheiten oder Problemen die Eltern in der Nähe der Kinder sind. Besonders attraktiv könnte hierbei eine kostenlose oder sehr kostengünstige Übernahme der Kinderbetreuung durch das Unternehmen sein. Hierdurch können Unternehmen eine hohe 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 372 <?page no="373"?> Bindungswirkung ihrer Mitarbeiter erreichen und gleichzeitig die Verein‐ barkeit des Berufslebens mit der Kinderbetreuung gezielt fördern. Nachteilig für das Unternehmen sind die Kosten der Einrichtung und des Betriebs der Kinderbetreuung zu werten, die jedoch durch die höhere Zufriedenheit und Bindung ihrer Mitarbeiter mehr als ausgeglichen wird, auch wenn sich das nur selten unmittelbar in konkreten Zahlen messen lässt. Praxisbeispiel Komsa AG: Soziale Verantwortung „Die KOMSA AG wurde 1992 von Gunnar Grosse und drei Mitstreitern in Hartmannsdorf gegründet und zählt heute zu den größten Familienunterneh‐ men Sachsens. KOMSA ist einer der führenden europäischen Distributoren und Dienstleister für moderne Kommunikationstechnik. Die Unternehmensgruppe erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2019/ 20 mit 1.300 Mitarbeitern einen Umsatz von knapp 1,2 Mrd. Euro.“ „KOMSA setzt auf stetige Mitarbeiterförderung und -weiterentwicklung, aktives Mitgestalten sowie eine transparente Unternehmenskultur. Mit der Betriebs‐ kindertagesstätte „Weltenbaum“ unterstützen wir unsere Mitarbeiter, Fami‐ lie und Beruf gut miteinander zu vereinbaren. Mit einem Spendenprogramm fördern wir zudem das soziale Engagement unserer Mitarbeiter und stehen darüber hinaus in engen Partnerschaften mit Bildungsträgern. Zusätzlich profitieren KOMSA-Mitarbeiter von zahlreichen Mitarbeiterleistun‐ gen (z.B. Betriebliche Altersvorsorge, flexible Arbeitszeitmodelle, Sport- und Gesundheitsangebote, Sonderkonditionen). Sozial verantwortlich zu handeln, heißt für uns auch, dass wir kulturelle Vielfalt möglich machen, dass Frauen die gleichen Chancen haben wie Männer und dass wir junge Menschen fördern. Das schreiben wir nicht in einer Quote fest, sondern leben es. In Zahlen ausgedrückt: Bei KOMSA arbeiten 1.300 Mitarbeiter aus 17 Nationen, der Altersdurchschnitt beträgt 38 Jahre. Der Anteil von Frauen liegt bei 48%. Seit 1995 bildete KOMSA 316 Nachwuchskräfte aus.“ Quelle: Komsa AG 2021. In: https: / / komsa.com/ unternehmen/ nachhaltigkeit-so ziales/ . Abruf: 21.01.2021. Praxisbeispiel 7: Soziale Verantwortung bei der Komsa AG. Quelle: Komsa AG 2021. 6.2.2.2 Kinderbetreuungseinrichtungen in Kooperation mit kommunalen oder freien Trägern Können oder wollen Unternehmen nicht eine eigene Kinderbetreuungsein‐ richtung betreiben, so besteht auch die Möglichkeit, sich an der Einrichtung und dem Betrieb einer in kommunaler oder freier Trägerschaft befindlichen Kinderbetreuungseinrichtung finanziell zu beteiligen (z.B. durch die Betei‐ ligung an den Betriebs- oder Personalkosten oder der Verfügungstellung von Immobilien). Dafür erwerben Unternehmen das Recht auf eine bestimmte 6.2 Maßnahmen zur Unterstützung von Familien 373 <?page no="374"?> Anzahl an Betreuungsplätzen für die Kinder der eigenen Mitarbeiter (vgl. Klimpel/ Schütte 2006, S. 108). 6.2.2.3 Kinderbetreuung in Kooperation mit mehreren Unternehmen Für kleinere oder mittlere Unternehmen, die nicht die Kosten für die alleinige Einrichtung und den alleinigen Betrieb einer Kinderbetreuungseinrichtung aufbringen können oder die über nicht so viele Mitarbeiter mit Kinderbetreu‐ ungsbedarf verfügen, bietet sich auch eine Kooperation mit anderen, z.B. räumlich nahen Unternehmen, zum Betrieb einer Kinderbetreuungseinrichtung an. Gemeinsam können die Unternehmen eine eigene Trägerschaft gründen (z.B. als pädagogischer Verein), die die Kinderbetreuungseinrichtung betreibt. Alle kooperierenden Unternehmen beteiligen sich finanziell oder auch personell an der Einrichtung und dem Betrieb der Kinderbetreuungseinrichtung, wodurch die finanzielle Belastung für das einzelne Unternehmen relativ gering bleibt (vgl. Klimpel/ Schütte 2006, S. 108; Janke 2004, S. 122). 6.2.2.4 Förderung von Elterninitiativen Kinderbetreuungseinrichtungen können auch auf Initiative von Eltern entstehen, um einen bislang nicht gedeckten Bedarf an Kinderbetreuung auszugleichen. In der Regel wird ein Verein gegründet, der die Trägerschaft der Kinderbetreuungseinrichtung übernimmt und in dem die Eltern Mitglied sind, deren Kinder hier betreut werden. Unternehmen können sich an sol‐ chen Initiativen entweder als Vereinsmitglied oder in Form von finanziellen, personellen oder sachlichen Zuwendungen (z.B. als Spenden) engagieren. Vorteil für die Unternehmen ist hierbei, dass sie selbst keine eigene Ein‐ richtung gründen müssen, keine langfristigen Investitionen tätigen und Verpflichtungen eingehen müssen und kein entsprechendes pädagogisches Personal beschäftigen müssen, sich aber trotzdem an der Verbesserung der Kinderbetreuungssituation für ihre Mitarbeiter (als Mitglieder des Vereins) beteiligen können (vgl. Klimpel/ Schütte 2006, S. 108 f.). 6.2.2.5 Belegplätze Ist für ein Unternehmen ein hohes Maß an Flexibilität bei der Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen wichtig, z.B. weil seine Mitarbeiter häufiger Aufgabenbereiche und -orte im In- und Ausland wechseln, so bietet sich die Reservierung einer bestimmten Anzahl von Kinderbetreuungsplätzen (Belegplätze) in bestehenden Kinderbetreuungseinrichtungen an, die von den eigenen Mitarbeitern genutzt werden können. Je nach konkreter Ver‐ 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 374 <?page no="375"?> einbarung mit dem Träger werden pro Belegplatz Gebühren (Kosten/ Kin‐ derbetreuungsplatz) erhoben oder andere finanzielle oder sachliche Gegen‐ leistungen vereinbart (vgl. Klimpel/ Schütte 2006, S. 109). 6.2.2.6 Einrichtungen zur Betreuung in besonderen Situationen Kinder zeichnen sich dadurch aus, dass der Normalfall die Ausnahme ist. Sie werden plötzlich krank oder verletzen sich, müssen aus der Kinderbetreuung oder Schule spontan abgeholt werden oder können morgens gar nicht erst hingehen. Für diese Fälle sowie für Betriebsferien von Kinderbetreuungs‐ einrichtungen, Schulferien oder die Nachmittagsbetreuung bedarf es eines Netzes weiterer Betreuungsmöglichkeiten, um die Berufstätigkeit der Eltern abzusichern. Andererseits müssen Situationen abgedeckt werden, in denen die berufstätigen Eltern spontan zusätzliche berufliche Verpflichtungen erfüllen müssen, Termine beim Kunden haben oder auf Dienstreise gehen müssen. Auch hierfür bedarf es zusätzlicher Betreuungsmöglichkeiten. Um die Kinderbetreuung in diesen besonderen Situationen sicherzustel‐ len und ihre Mitarbeiter dadurch erheblich zu entlasten und gleichzeitig ihre Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten, stehen Unternehmen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: ▸ Eltern-Kind-Arbeitszimmer ▸ Hausaufgabenbetreuung ▸ Fahrdienste ▸ Vermittlung spontaner Betreuungsmöglichkeiten / -personen ▸ Ferienangebote Eltern-Kind-Arbeitszimmer Ein Eltern-Kind-Arbeitszimmer dient zur kurzfristigen eigenen Betreuung des Kindes während der Arbeitszeit im Unternehmen. Es ist ein voll ausgestatteter Arbeitsplatz mit Internetanschluss, Computer, Drucker, Telefon etc., kombiniert mit einer Spielecke, Wickelmöglichkeit, Kinderbett und einem Kinderschreib‐ tisch zum Hausaufgabenmachen. So können Kinder aller Altersstufen neben der Arbeit betreut werden. Anlässe können die Überbrückung von geschlossenen Kinderbetreuungseinrichtungen, beispielsweise an Brückentagen vor oder nach Feiertagen, in den Betriebsferien und den Schulferien sein. Zur Betreuung kran‐ ker Kinder eignet sich ein Eltern-Kind-Arbeitszimmer nur in Ausnahmefällen (z.B. Fertigstellung dringender Terminarbeiten) und bei nicht-ansteckenden Krankheiten, da ein ernsthaft erkranktes Kind die volle Aufmerksamkeit und Betreuung zumindest eines Elternteiles braucht und bei Infektionskrankheiten 6.2 Maßnahmen zur Unterstützung von Familien 375 <?page no="376"?> Kollegen und andere Betriebsangehörige auch nicht anstecken soll (vgl. Klimpel/ Schütte 2006, S. 110; DIHK 2004, S. 17) Hausaufgabenbetreuung Können die Hausaufgaben von Schulkindern nicht im Hort betreut wer‐ den oder steht kein Hortplatz zur Verfügung, können Unternehmen zur Entlastung ihrer Mitarbeiter entweder eine betriebsinterne oder externe, arbeitsplatzbzw. wohnortnahe Betreuung der Hausaufgaben bereitstellen. Da die Hausaufgabenbetreuung meist einen Großteil des Nachmittages in Anspruch nimmt, die Eltern und Kinder gleichermaßen beansprucht, stellt eine derartige Dienstleistung eine große Entlastung der Mitarbeiter dar. Dies gilt insbesondere für Berufstätigkeiten mit langen Servicebzw. Öffnungszeiten. Wichtig ist hierbei jedoch eine qualitativ hochwertige Betreuung der Kinder. Fahrdienste Sofern der Hort nicht in der Nähe der Schule ist, kann ein betrieblich organisierter Fahrdienst von der Schule zum Hort die Mitarbeiter entspre‐ chend entlasten. In größeren Unternehmen könnte ein eigener Fahrdienst bereitgestellt werden, in kleineren Unternehmen bzw. bei relativ wenigen Schulkindern bieten sich organisierte Taxifahrten an. Dadurch müssen Eltern nicht ihre Arbeitstätigkeit (z.B. in der Mittagspause) unterbrechen und können sich vollständig entspannen bzw. auf ihre Aufgaben konzen‐ trieren. Denkbar sind auch Fahrdienste zwischen Hort und Arbeitsstätte oder eigener Wohnung, die Zeiten abdecken, zu denen der Hort bzw. andere externe Kinderbetreuungseinrichtungen bereits geschlossen haben, die berufstätigen Eltern jedoch noch arbeiten müssen. Wichtig ist dieser Service insbesondere bei langen Öffnungszeiten oder im Schichtdienst. Vermittlung spontaner Betreuungsmöglichkeiten / -personen Ein Angebot spontaner bzw. kurzfristiger Betreuungsmöglichkeiten ist für Notfallsituationen oder kurzfristige Ausnahmesituationen für berufstätige El‐ tern wichtig, die durch die reguläre Kinderbetreuung nicht abgedeckt werden können. Derartige Ausnahmesituationen können in einer spontanen Erkran‐ kung des Kindes oder kurzfristigem Ausfall der regulären Kinderbetreuung bestehen, aber auch durch kurzfristige beruflich bedingte längere Arbeitszeiten (z.B. durch länger dauernde Besprechungen, terminierte Auftragsarbeiten, kurzfristige Kundenbesuche oder Dienstreisen) ausgelöst werden. Ohne kurz‐ fristige Betreuungsmöglichkeiten geraten die berufstätigen Eltern in einen 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 376 <?page no="377"?> psychologischen Rollenkonflikt, da sie sich spontan zwischen Kinderbetreuung und Berufstätigkeit entscheiden müssen. Entsprechende Angebote entschärfen diesen Rollenkonflikt und ermöglichen die Vereinbarkeit der Anforderungen zwischen Kinderbetreuung und Berufstätigkeit für die Eltern. Ferienangebote Konflikte zwischen Kinderbetreuung und Berufstätigkeit entstehen für berufstätige Eltern regelmäßig in den Schulferien. Während die jüngeren Kinder im Grundschulalter i. d. R. auch in den Ferien den Hort besuchen können, gibt es diese Betreuungsmöglichkeit für ältere Schulkinder (ab der 5. Klasse) nicht mehr. Die in der 5. Klasse ca. 10-jährigen Kinder sind aber eigentlich noch zu klein, um den ganzen Tag alleine zu Hause zu sein. Sofern keine anderen Familienmitglieder oder Externe die Betreuung der Schulkinder übernehmen, geraten die Eltern hier in ein Dilemma, zumal der Jahresurlaub regulär Beschäftigter nur einen Teil der Schulferienzeiten abdeckt. Doch auch der Hort hat mal Betriebsferien oder schließt ebenfalls in den Schulferienzeiten. Insofern sind Ferienangebote, die von Unternehmen für die Kinder ihrer Mitarbeiter angeboten werden, eine sehr wichtige Maßnahme zur Steigerung der Vereinbarkeit zwischen Berufstätigkeit und Kinderbetreuung. Die Angebote können sich z.B. auf eine Kinderbetreuung im Unternehmen oder durch extern Beauftrage beziehen, es können aber auch Ferien- oder Sprachreisen sowie Tagesausflüge für die Kinder der Mitarbeiter angeboten werden. 6.2 Maßnahmen zur Unterstützung von Familien 377 <?page no="378"?> Praxisbeispiel: Brose Fahrzeugteile GmbH & Co. KG „Der Automobilzulieferer Brose hat mit dem „Kids Club“ eine eigene Bildungs- und Betreuungseinrichtung. Hier werden Kinder am Nachmittag, in den Ferien und im Notfall betreut.“ (Brose Fahrzeugteile GmbH&Co.KG). Unternehmen: Brose Fahrzeugteile GmbH & Co. KG Ort: Coburg Bundesland: Bayern Branche: Sonstige (Automobilzulieferindustrie) Mitarbeiterzahl: 6.750 „Von Musicalseminaren bis zum Englischkurs - Mit dem „Kids Club“ bietet Brose seinen Beschäftigten eine Bildungs- und Betreuungseinrichtung“ Der Automobilzulieferer Brose bietet seinen Mitarbeitern unterschiedliche Teilzeitarbeitsmodelle und auch das Arbeiten im Homeoffice an. Auch im Bereich der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege engagiert sich Brose durch eine innerbetriebliche Familienbetreuung, durch Angebote von Pflegekursen und Gesprächskreisen für pflegende Mitarbeiter zum Erfahrungsaustausch. Teils werden die Angebote selbst initiiert, teils erfolgen sie in Kooperation mit anderen Unternehmen bzw. Einrichtungen. Einen besonderen Schwerpunkt legt Brose jedoch auf die Kinderbetreuung. Hier hat das Unternehmen eine „betriebseigene Bildungs- und Betreuungsein‐ richtung“ aufgebaut, den „Kids Club“. Pädagogische Fachleute betreuen die Kinder der Mitarbeiter im Kids Club von 11.30 h bis 18.00 h, in den Schulferien schon ab 7.00 h. Neben einer Hausaufgabenbetreuung bietet der Kids Club viele Freizeitangebote (z.B.: Werken, Sport, Basteln, naturwissenschaftliche Experimente). Die Einrichtung kann auch in Notfällen genutzt werden, wenn die reguläre Betreuung ausfällt. Zusätzlich zu den „normalen“ Betreuungsangeboten gibt es seit 2010 eine Kinder- und Jugendakademie, in der spezielle wechselnde Bildungsangebote für Kinder bestehen. Diese erstrecken sich von Computer oder Sprachen-Seminare bis hin zu Musikprojekten und richten sich an Kinder bzw. Jugendliche von 6 bis 18 Jahren. Zusätzlich werden themenspezifische Eltern‐ abende und gemeinsame Freizeitaktivitäten (z.B. Bogenschießen) angeboten. Praxisbeispiel 8: Brose Fahrzeugteile GmbH & Co. KG. Quelle: vgl. Erfolgsfaktor Familie 2012b Brose Fahrzeugteile GmbH. In: www.erfolgsfaktor-familie.de/ default.a sp? id=368&d=6, Abruf: 30.11.2012 6.2.3 Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger Neben der Betreuung von Kindern stellt die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger eine weitere große Herausforderung für Familien dar. Pflege‐ bedürftig können entweder körperlich oder geistig beeinträchtigte Kinder sein, aber auch (Ehe-)Partner, Eltern oder andere Familienangehörige, die z.B. aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit pflegebedürftig werden so‐ wie ältere Familienangehörige (z.B. die Eltern), die altersbedingt zunehmend 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 378 <?page no="379"?> Pflege benötigen. Gerade der Anteil älterer pflegebedürftiger Menschen wird aufgrund des demografischen Wandels in den nächsten Jahren in Deutschland deutlich steigen. Die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger stellt für alle Familienmit‐ glieder eine große physische und psychische Belastung dar, die sich durch die Ausübung einer Berufstätigkeit noch erheblich verschärft. Die Unter‐ nehmen sind hier gefordert, geeignete Maßnahmen zur Unterstützung ihrer Mitarbeiter zu entwickeln und anzubieten, um diese großen Belastungen ihrer Mitarbeiter zu mildern sowie physische und psychische Überlastungen der Mitarbeiter zu vermeiden. Die unten aufgeführten und erläuterten Maßnahmen gelten grundsätzlich für alle pflegebedürftigen Angehörigen. Aufgrund der besonderen Brisanz des steigenden Anteils älterer Pflegebe‐ dürftiger in den nächsten Jahren wird diese Zielgruppe im Folgenden besonders hervorgehoben. Aufgrund des demografischen Wandels, und insbesondere auch aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung, steigt der Anteil älterer und sehr alter Menschen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten deutlich an. Mehr als zwei Drittel der pflegebedürftigen älteren Menschen wird in der Familie gepflegt (vgl. Statistisches Bundesamt 2005, S. 3; 2018a). Andererseits führt die längere Lebensarbeitszeit (Stand 2020: Renteneintritt ab 67) für viele Berufstätige zu einer Doppelbelastung, wenn sie neben einer Voll- oder Teilzeitbeschäftigung zu Hause pflegebedürftige Angehörige versorgen müssen. Die sog. Sandwich-Generation trifft es besonders hart: zu ihr zählen berufstätige Eltern, deren Kinder noch im schulpflichtigen Alter sind und betreut werden müssen, deren Eltern aber auch schon pflegebedürftig sind und ggf. ebenfalls (im Haushalt) betreut werden müssen. Zusätzliches Gewicht erhält diese Problematik durch den Umstand, dass die Entwicklung und Dauer der Pflegebedürftigkeit im Vorhinein kaum prognostizierbar ist, sich häufig über mehrere Jahre erstreckt und mit erheblichen psychischen und physischen Belastungen der betreuenden Familienangehörigen verbunden ist. Die Schwierigkeiten, die sich aus der Pflegesituation für die berufstätigen Familienmitglieder ergeben können, sind vielfältig und umfassen u. a. (vgl. Klimpel/ Schütte 2006, S. 114 mit eigenen Ergänzungen): 6.2 Maßnahmen zur Unterstützung von Familien 379 <?page no="380"?> ▸ Verminderung der psychischen und physischen Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter aufgrund der Pflegebelastung ▸ Erhöhte Fehlzeiten aufgrund von Notfällen bei der zu pflegenden Person ▸ Geringere Karrierechancen aufgrund der persönlichen Belastung und ggf. geringeren Konzentration und Einsatzbereitschaft im Beruf ▸ (vorrübergehende) Aussetzung oder Beendigung der eigenen Berufs‐ tätigkeit, um einer umfassenden Pflege des Familienangehörigen gerecht zu werden ▸ Hohe finanzielle Einbußen bzw. Belastungen durch wegfallendes Arbeitsentgelt sowie die Pflegekosten ▸ Gefahr von psychischen oder physischen Erkrankungen der pflegen‐ den Person aufgrund langandauernder psychischer und physischer Überlastung Unter dem Begriff „Eldercare“ wird die Betreuung pflegebedürftiger An‐ gehöriger mittlerweile zunehmend in der Literatur diskutiert. Darunter wird ein „ganzheitliches Beratungs- und Pflegekonzept verstanden, das individuell auf die Bedürfnisse des zu betreuenden Menschen abgestimmt ist (Familienservice 2005, o.S.)“ (Klimpel/ Schütte 2006, S. 111). Für die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie stellt die Betreuung pflege‐ bedürftiger Angehöriger eine ganz besondere Herausforderung dar. Durch den steigenden Anteil älterer Menschen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gewinnt die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger auch für die Unternehmen zukünftig erheblich an Bedeutung. Zusätzlich wird für viele Unternehmen wird die Problematik der Betreuung pflege‐ bedürftiger Angehöriger durch die eigenen Mitarbeiter wichtiger, da die Betroffenheit der eigenen Mitarbeiter steigt und sich dadurch ein entspre‐ chendes Problembewusstsein auch bei den Arbeitgebern entwickelt. Geeignete Maßnahmen zur Unterstützung der eigenen Mitarbeiter bei der Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger erstrecken sich insbesondere auf: ▸ Flexible Arbeitszeiten ▸ flexible Arbeitsorte ▸ Information und Beratung ▸ Kurzfristige berufliche Auszeiten zur Organisation einer neu auftre‐ tenden Pflegesituation ▸ Bereitstellung von Serviceleistungen ▸ Finanzielle Unterstützung 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 380 <?page no="381"?> 6.2.3.1 Information und Beratung Mitarbeiter, die zum ersten Mal mit der Situation konfrontiert werden, dass Familienangehörige pflegebedürftig werden, benötigen erst einmal umfangreiche Informationen über Beratungsstellen, medizinische, pflege‐ rische und finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten, Betreuungskonzepte, Leistungen der Pflegeversicherung, eigene pflegerische Schulungen sowie psychologische Beratungsangebote für sich selbst. Die Auseinandersetzung mit dieser neuen Situation und die Informationsbeschaffung sind sehr zeitaufwendig und psychisch belastend. Hier können Unternehmen z.B. im Personalmanagement geeignete Anlaufstellen bzw. Beratungsstellen ein‐ richten, die die betroffenen Mitarbeitenden mit allen nötigen Informationen versorgen und eine erste Beratung für den Umgang mit dieser neuen Situation anbieten. Zusätzlich können Unternehmen themenspezifische Informationsveranstaltungen, Seminare und Schulungen zur Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger entweder selbst anbieten oder vermitteln sowie unternehmensinterne Gesprächskreise für betroffene Mitarbeiter einrichten, in denen Erfahrungen geteilt werden und eine gegenseitige psychologische Unterstützung erfolgt (vgl. Klimpel/ Schütte 2006, S. 112; Erfolgsfaktor Familie 2021a: Vereinbarkeit von Beruf und Pflege). 6.2.3.2 Kurzfristige berufliche Auszeiten zur Organisation einer neu auftretenden Pflegesituation Die Pflegebedürftigkeit von Familienangehörigen kann sich über einen län‐ geren Zeitraum hin entwickeln, was den Familienangehörigen eine gewisse zeitliche Einstellung auf die sich abzeichnende Betreuungssituation erlaubt. Allerdings kann die Pflegebedürftigkeit auch kurzfristig auftreten (z.B. durch einen Sturz mit Knochenbruch, dem eine längere Bettlägerigkeit folgt, von der sich Ältere nur schwer erholen) und konfrontiert Mitarbeitende spontan mit der neuen Betreuungssituation. Gerade hierfür sollten Unter‐ nehmen Möglichkeiten zur kurzfristigen beruflichen Auszeit entwickeln und anbieten, um ihren Mitarbeitern die nötige Zeit und Aufmerksamkeit zu gewähren, sich mit der neuen Betreuungssituation auseinander zu setzen, Informationen zu beschaffen und eine individuell geeignete Betreuungssi‐ tuation für den pflegebedürftigen Familienangehörigen zu organisieren und aufzubauen (vgl. Erfolgsfaktor Familie 2021a: Vereinbarkeit von Beruf und Pflege). 6.2 Maßnahmen zur Unterstützung von Familien 381 <?page no="382"?> 6.2.3.3 Bereitstellung von Serviceleistungen Unternehmen können ihren betroffenen Mitarbeitern konkrete Serviceleis‐ tungen anbieten, die sich z.B. auf die Vermittlung von Betreuungsplätzen (vorzugsweise in der Nähe des Unternehmens oder des Wohnortes), auf die Vermittlung und Organisation von Pflegepersonal, die Erstellung indi‐ vidueller Pflege- und Betreuungspläne sowie auf die Vermittlung geeigneter Pflegeausstattungen (z.B. Betten, Hebelifte, medizinische Pflegeausstattung etc.) und medizinischer Versorgung erstrecken können (vgl. Klimpel/ Schütte 2006, S. 113; Erfolgsfaktor Familie 2021a: Vereinbarkeit von Beruf und Pflege). 6.2.3.4 Finanzielle Unterstützung Die finanzielle Unterstützung durch die seit 1994 bestehende Pflegever‐ sicherung in Deutschland reicht bei weitem nicht aus, um alle Kosten abzudecken, die die Betreuung pflegebedürftiger Menschen verursacht. Dies bedeutet für viele Betroffene, dass sie die nicht durch die Pflegeversiche‐ rung abgedeckten Pflegekosten selbst tragen müssen. Die Pflegekosten umfassen alle Kosten für die medizinische und pflegerische Betreuung der Betroffenen, für medizinische bzw. pflegerische Geräte, Ausstattung und Verbrauchsmaterialien sowie für den pflegegerechten Umbau von Wohnraum. In Zeiten sinkender Renten und steigender Pflegekosten führt dies nicht selten zu einer ausgeprägten Altersarmut der Pflegebedürftigen, aber auch zur Vermögensaufzehrung der Angehörigen. Unternehmen können durch Bereitstellung finanzieller Unterstützung ihre betroffenen Mitarbeitenden deutlich entlasten bzw. finanzielle Not‐ stände der Mitarbeitenden vermeiden. Beispielsweise können Unternehmen ihren Mitarbeitern zinsgünstige Darlehen anbieten bzw. vermitteln, z.B. für einen pflegerechten Umbau der Wohnung oder die Anschaffung von pflegeunterstützenden Geräten (Hebelift, pflegegerechtes Bett etc.). Dar‐ über hinaus könnten Plätze in qualitativ hochwertigen Pflegeeinrichtungen (Seniorenwohnheime, Tagespflegekliniken, Kurzzeitpflegeeinrichtungen) in der Nähe des Arbeitsplatzes reserviert und bei Bedarf für Angehörige eigener Mitarbeiter angemietet werden. Gerade die Reservierung von Plät‐ zen in Kurzzeitpflegeeinrichtungen können Mitarbeiter z.B. bei Dienstreisen erheblich entlasten. Auch eine finanzielle Beteiligung an den laufenden Pflegekosten durch das Unternehmen wäre ein wirksames Instrument zur Motivation, Leistungssteigerung und Bindung der betroffenen Mitarbeiter an das Unternehmen. Darüber hinaus sind auch indirekte Unterstützungen, 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 382 <?page no="383"?> z.B. in Form von Spenden an entsprechende Initiativen, Beratungseinrich‐ tungen oder Betreuungseinrichtungen durch das Unternehmen geeignet, die eigene soziale Verantwortung für die Mitarbeiter, ihre Angehörigen und die Gesellschaft zu betonen. Wichtig bei den unternehmerischen Maßnahmen zur Betreuung pflege‐ bedürftiger Angehöriger sind die Berücksichtigung der individuellen Beson‐ derheiten und eine situationsgerechte Gestaltung der Unterstützung. Nicht unterschätzt werden sollte die entlastende bzw. ausgleichende Funktion der Berufstätigkeit für betroffene Familienangehörige. So wird die Berufs‐ tätigkeit oft als Ausgleich bzw. „Erholung“ von der physisch und psychisch meist mit steigender Dauer zunehmenden Belastung der Betreuung pflege‐ bedürftiger Angehöriger empfunden. Nicht selten werden die physischen und psychischen Belastungen durch die Pflegesituation für die Betroffenen aber auch so anstrengend, dass sie selbst krank werden und eine berufliche Tätigkeit nicht mehr möglich ist. Hilfreich sind hierbei die soziale Unter‐ stützung durch Kollegen, ein gutes Betriebsklima sowie Ansprechpartner oder Gesprächskreise zur Aufarbeitung der eigenen schwierigen Situation (vgl. Bäcker 2004, S. 141; Erfolgsfaktor Familie 2021a: Vereinbarkeit von Beruf und Pflege). 6.2 Maßnahmen zur Unterstützung von Familien 383 <?page no="384"?> Praxisbeispiel Siemens AG: Pilotprojekt zum Thema Demenz „Familienfreundliche Personalpolitik hat bei Siemens lange Tradition. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege baut Siemens mit einem „Elder Care“-Kon‐ zept aus.“ (Siemens AG). Unternehmen: Siemens AG Ort: München, Bundesland: Bayern Branche: Produzierendes Gewerbe Mitarbeiterzahl: 116.100 „Flexible Arbeitsgestaltung, eine kostenfreie Beratungshotline und ein Pilotprojekt zum Thema Demenz: Siemens denkt das Thema Beruf und Pflege ganzheitlich“ Siemens bietet seinen Mitarbeitern schon viele Jahre vielfältige Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf an. Als weiterer Maßnahmenbereich wurde seit 2006 die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege auf- und ausgebaut und auch in der Unternehmenskultur verankert. Hierfür wurde das umfassende strategische Konzept „Elder Care“ entwickelt, das aus den vier Themenbereichen Freistellung. Information und Kommunikation, Beratung und Gesundheit be‐ steht. Wesentliche Grundlage des Konzeptes sind Angebote zur Arbeitszeit- und Arbeitsortflexibilisierung. So können pflegende Mitarbeiter ihre Arbeitszeit re‐ duzieren oder ggf. auch ein Sabbatical nehmen. Im Bereich der Information und Kommunikation nutzt Siemens unterschiedliche Kommunikationsinstrumente (z.B. Plakate, Flyer, Veranstaltungen, Intranet, Sprechstunden, Vorträge), um seine Mitarbeiter über unternehmensinterne Angebote zum Thema Beruf und Pflege zu informieren. Zusätzlich gibt es im Intranet ein eigenes Portal zum Thema „Elder Care“ sowie eine spezielle und kostenlose Elder-Care-Hotline seit 2010 zur Unterstützung von betroffenen Beschäftigten (täglich erreichbar von 7.00 bis 20.00 h). Darüber hinaus schult Siemens auch Betriebsärztinnen, Perso‐ nalverantwortliche und Sozialberatungen als Multiplikatoren zur Entwicklung eines Bewusstseins für die Pflegeproblematik. Führung Zum Thema Demenzerkrankung startete im Herbst 2011 ein Pilotprojekt im Raum Erlangen / Nürnberg. Inhalte des Pilotprojektes sind einerseits die kos‐ tenlose Schulung und Beratung der Mitarbeiter im Hinblick auf die Krankheit und den Umgang mit ihr. Andererseits werden auch betroffene bzw. erkrankte Angehörige in das Projekt einbezogen, indem auch speziell für die Demenzer‐ krankten z.B. Veranstaltungen angeboten werden. Praxisbeispiel 9: Siemens AG 2012: Pilotprojekt zum Thema Demenz. Quelle: vgl. Siemens AG 2012: Pilotprojekt zum Thema Demenz. In: www.erfolgsfaktor-familie.d e/ default.asp? id=368&d=13, Abruf: 30.11.2012 Aber auch mittlere Unternehmen engagieren sich bei der Unterstützung ihrer Mitarbeiter, die Pflegeaufgaben wahrnehmen, wie folgendes Beispiel zeigt. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 384 <?page no="385"?> Praxisbeispiel: Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Rhein‐ land-Pfalz Der MDK Rheinland-Pfalz bietet seinen Beschäftigten, die Angehörige pflegen oder Kinder betreuen, eine breite Palette von Angeboten zur besseren Verein‐ barkeit von Beruf und Familie.“ (T.Brenner). Unternehmen: Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz Ort: Alzey, Bundesland: Rheinland-Pfalz Branche: Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen Mitarbeiterzahl: 445 „Umfassende Unterstützung für Beschäftigte mit Pflegeaufgaben ist selbstverständlich“ Neben Kinderbetreuungsangeboten hat sich der Medizinische Dienst der Kran‐ kenversicherung (MDK) Rheinland Pfalz auf die Unterstützung seiner Mitarbei‐ ter bei der Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und der Pflege von Angehörigen spezialisiert. Seine eigenen Fachkompetenzen kommen dabei auch den eigenen Mitarbeitern zugute, von denen viele pflegebedürftige Angehörige betreuen. Der MDK hat ein Elder Care-Konzept entwickelt und umgesetzt, in dem sieben wesentliche Handlungsfelder integriert sind, die u. a. Serviceleistungen für pflegende Mitarbeiter sowie Modelle zur Gestaltung der Arbeitszeit umfassen. Bei Bedarf können Mitarbeiter kurzfristig ihre Arbeitszeit reduzieren oder von zu Hause aus im Homeoffice arbeiten. Zusätzlich werden verschiedene Teilzeitmodelle sowie Gleitzeitmodelle angeboten. Darüber hinaus bietet der MDK seinen Mitarbeitern themenspezifische Schulungen und ein reichhaltiges Informationsangebot im Intranet und Internet an, u. a. gibt es hier auch einen Pflegenavigator, der Informationen über Pflegedienste und Pflegeeinrichtungen enthält. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich die pflegeorientierten Ange‐ bote explizit auch an die Führungskräfte des Unternehmens richten und von diesen gut angenommen werden. Praxisbeispiel 10: Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz. Quelle: Erfolgsfaktor Familie 2012c: Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz In: www.erfolgsfaktor-familie.de/ default.asp? id=368&d=39, Abruf: 30.11.2012 6.3 Maßnahmen zur Unterstützung von Frauen Aufgrund der häufigen Mehrfachbelastung von Frauen werden hier noch einmal gesondert spezifische Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Berufs-, Familien- und Privatleben von Frauen diskutiert. Frauen sind heute mindestens genauso gut qualifiziert wie Männer, teils noch besser, wie die Noten der Schul- und Hochschulabgängerinnen beweisen. Sie sind genauso leistungsstark und karriereorientiert wie ihre männlichen 6.3 Maßnahmen zur Unterstützung von Frauen 385 <?page no="386"?> Kollegen. Dennoch sind die Karriereperspektiven von Frauen häufig schlechter und ihre Präsenz in hohen Führungspositionen immer noch deutlich niedriger als die der Männer. Entscheiden sich Frauen neben der Karriere auch für die Familie, so bedeutet das für sie meist erhebliche Mehrfachbelastungen im Berufs- und Privatleben. Daher bedarf es gezielter Maßnahmen, die sowohl die Chancengleichheit im Unternehmen sicherstellen, die Frauen gezielt in ihrer beruflichen Entwicklung und Karriereorientierung fördern als auch eine größere Vereinbarkeit des Berufslebens mit dem Familien- und Privatleben ermöglichen und unterstützen. Aufgrund der häufigen Familienorientierung von Frauen lassen sich frauen- und familienorientierte Maßnahmen nicht immer eindeutig trennen. So bestehen zwischen beiden Maßnahmenbereichen vielfältige Wechselwirkungen und auch Überschneidungen. Zu den frauenorientierten Maßnahmen zählen insbesondere die folgen‐ den (vgl. Kirschten 2017, S. 173 ff.; Stock-Homburg 209, 792 ff.): ▸ Entwicklung einer frauen- und familienfreundlichen Unternehmens‐ kultur: ▷ Dazu gehört die Entwicklung der Unternehmenskultur hin zu einem chancengleichen Umgang mit weiblichen Mitarbeitenden und Führungskräften. ▷ Aber auch die Verankerung der Chancengleichheit und Famili‐ enfreundlichkeit in den Werten und Verhaltensweisen des Unter‐ nehmens. ▸ Berücksichtigung einer besseren Vereinbarkeit von Berufstätigkeit, Familie und Privatleben bei der Personalbedarfsplanung: ▷ Dazu gehört z.B. die Entwicklung von Anforderungsprofilen, die die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie unterstützen. ▷ Angebote an flexiblen Arbeitszeit- und Arbeitsortkonzepten. ▸ Berücksichtigung einer besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben bei der Gewinnung von Mitarbeitenden. Dazu gehört z.B. die Sicherstellung von Chancengleichheit im Auswahlprozess der Personalgewinnung. ▸ Berücksichtigung einer besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben bei der Personalentwicklung: ▷ Geschlechtsunabhängige Förderung von Leistungsträgern ▷ Schaffung von Anreizen zur gezielten Förderung weiblicher Mit‐ arbeiterinnen 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 386 <?page no="387"?> ▷ Entwicklung von attraktiven und familienfreundlichen Karriere‐ modellen ▷ Einrichtung von Mentoring-Programmen und Netzwerken für weibliche Mitarbeiter und Führungskräfte ▸ Unterstützung weiblicher Mitarbeiterinnen bei der Entwicklung be‐ ruflicher Perspektiven und karriereorientierter Strategien ▸ Berücksichtigung einer besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben beim Personaleinsatz ▷ Berücksichtigung persönlicher, familiärer und privater Belange von weiblichen Mitarbeiterinnen (z.B. Angebot flexibler Arbeits‐ zeiten und Arbeitsorte, Homeoffice) ▷ Berücksichtigung familiärer Anforderungen und Verpflichtun‐ gen bei der unternehmensinternen Arbeitsorganisation ▷ Chancengleichheit bei der Übertragung von verantwortungsvol‐ len Aufgaben (z.B. Leitung eines Teams oder einer Projektgruppe, Führungspositionen) 6.3.1 Entwicklung einer frauen- und familienfreundlichen Unternehmenskultur Die Unternehmenskultur umfasst vier zentrale Ebenen (vgl. Homburg/ Pfles‐ ser 2000; Stock-Homburg 2008, S. 650; Stock-Homburg 2019, S. 797 ff.): ▸ Werte sind im Unternehmen geteilte Auffassungen, darüber, was wünschenswert ist. ▸ Normen sind die Erwartungen, die an wünschenswerte Verhaltens‐ weisen gestellt werden. ▸ Artefakte sind von außen sichtbare Symbole der Unternehmenskul‐ tur. ▸ Verhaltensweisen sind von außen beobachtbare Handlungen der Mitglieder des Unternehmens. Ziel der Entwicklung einer frauen- und familienfreundlichen Unterneh‐ menskultur sollte einerseits ein chancengleicher Umgang mit weiblichen Mitarbeiterinnen und Führungskräften sein, andererseits aber auch die Verankerung der Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit in den Wer‐ ten, Normen, Artefakten und Verhaltensweisen der Unternehmenskultur beinhalten. Frauen- und familienfreundliche Werte einer solchen Unterneh‐ menskultur könnten z.B. in den Leitlinien des Unternehmens festgeschrie‐ 6.3 Maßnahmen zur Unterstützung von Frauen 387 <?page no="388"?> ben werden, in denen eine Gleichbehandlung und Chancengleichheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verankert werden sowie Toleranz, Re‐ spekt und Unterstützung gegenüber bzw. von Mitarbeitern mit familiären Verpflichtungen als wichtige Unternehmenswerte (vgl. Stock-Homburg 2008, S. 650; Stock-Homburg 2019, S. 798). Normen umfassen wünschens‐ werte Verhaltensstandards, die ein Unternehmen für sich und den Umgang mit seinen Mitarbeitenden festlegt. Frauen- und familienorientierte Normen könnten beispielsweise konkrete Verhaltensvorgaben zum Umgang mit weiblichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterinnen mit Familien umfassen. Dazu gehören könnte u. a. die explizite Förderung von Frauen in ihrer be‐ ruflichen Entwicklung, unabhängig von der Anzahl ihrer Kinder oder ihrer Erziehungszeiten (beruflichen Auszeiten). Frauen- und familienfreundliche Artefakte als sichtbare Symbole der frauen- und familienfreundlichen Unter‐ nehmenskultur könnten z.B. in dem Angebot von Teilzeitarbeitsplätzen auch für Führungskräfte oder in konkreten Förder- und Mentoring-Konzepten für weibliche Mitarbeiter und Führungskräfte bestehen. Konkrete frauen- und familienorientierte Verhaltensweisen{{{ XE " Verhaltensweisen: frauen- und familienorientierte“ }}} des Unternehmens könnten z.B. darin bestehen, dass die Geschäftsleitung bzw. der Vorstand und Aufsichtsrat des Unternehmens annähernd gleichverteilt mit weiblichen und männlichen Führungskräften besetzt ist. Aber auch teilzeitarbeitende Führungskräfte sind ein sichtbarer Ausdruck der Familienorientierung eines Unternehmens (vgl. Stock-Hom‐ burg 2019, S. 797 ff.). 6.3.2 Berücksichtigung einer besseren Vereinbarkeit von Berufstätigkeit, Familie und Privatleben bei der Personalbedarfsplanung In den Bereich der Personalbedarfsplanung fällt u.a. die Entwicklung von Anforderungsprofilen für konkrete Stellen. Eine Frauen- und Familienori‐ entierung könnte in den Anforderungsprofilen dadurch zum Ausdruck kommen, dass bereits in den Anforderungsprofilen für bestimmte Stellen die Vereinbarkeit der Berufstätigkeit mit dem Familien- und Privatleben berücksichtigt wird. Aber auch differenzierte Angebote an flexiblen Arbeits‐ zeit- und Arbeitsplatzkonzepten, die die verschiedenen Lebensphasen der Mitarbeiterinnen berücksichtigen, sind hier wichtige Maßnahmen (vgl. Kap. 6.1). 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 388 <?page no="389"?> 6.3.3 Berücksichtigung einer besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben bei der Gewinnung von Mitarbeiterinnen Bereits bei der Personalwerbung sollte die Sicherstellung der Chancen‐ gleichheit und die Förderung von Frauen im Unternehmen deutlich her‐ vorgehoben werden. Im Zuge des knapper werdenden Angebots an gut qualifizierten jüngeren Fach- und Führungskräften kann sich ein Unterneh‐ men mit einer expliziten und ehrlichen Frauen- und Familienorientierung positiv als Arbeitgeber von anderen Unternehmen abheben und dadurch Vorteile bei der Gewinnung von gut qualifizierten Nachwuchskräften und Mitarbeitenden erreichen. Aber auch im Auswahlprozess der Personalge‐ winnung sollten Kriterien zur Wahrung der Chancengleichheit eingeführt und durchgesetzt werden. 6.3.4 Berücksichtigung einer besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben bei der Personalentwicklung Die Personalentwicklung bietet viele Ansatzpunkte zur Steigerung der Work-Life-Balance für Frauen. Unter anderem bieten sich hier folgende Maßnahmen an: Die Personalentwicklung sollte explizit die Chancengleichheit bei der Förderung von Leistungsträgern wahren und auch kommunizieren. Zu‐ sätzlich bieten sich verschiedene Instrumente an, um die Potenziale der Mitarbeiterinnen gezielt zu fördern. Dabei ist es wichtig, auch die Führungs‐ kräfte zu schulen, um talentierte und leistungsstarke Mitarbeiterinnen zu identifizieren, ihre Potenziale zu erkennen und sie gezielt zu fördern. Ge‐ eignete Führungskräftetrainings sind beispielsweise Awareness-Trainings, die das Bewusstsein für die vielfältigen Bedürfnisse und Verhaltensweisen von männlichen und weiblichen Mitarbeitern schärfen sowie Skill-Buil‐ ding-Trainings, die auf den Erwerb spezifischer Fähigkeiten abzielen (vgl. Stock-Homburg 2008, S. 662). Zusätzlich sollten für die Führungskräfte gezielt Anreize zur Förderung von Frauen geschaffen werden. Ein weiterer sehr wichtiger Bereich bildet die Entwicklung und Einfüh‐ rung von attraktiven, spezifisch auf Frauen ausgerichteten und gleichzei‐ tig potenziell familienfreundlichen Karrieremodellen. Damit müssen sich Frauen nicht für nur einen dominierenden Lebensbereich (entweder Beruf und Karriere oder Familie) entscheiden, wie es heute oft noch der 6.3 Maßnahmen zur Unterstützung von Frauen 389 <?page no="390"?> Fall ist, sondern können selbst über die Gestaltung ihrer Lebensbereiche entscheiden und - je nach persönlichem Wunsch - auch verschiedene Lebensbereiche relativ gleichberechtigt verbinden: Beruf und Karriere und Familie und Privatleben. Wichtig sind hierbei auch Angebote des Unterneh‐ mens, um die Frauen bei der Entwicklung ihrer beruflichen Perspektiven und Strategien zu unterstützen, wie beispielsweise Mentoring-Programme oder die Initiierung von bzw. Informationen über Netzwerke für weibliche Mitarbeiterinnen und Führungskräfte. 6.3.5 Berücksichtigung einer besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben beim Personaleinsatz Neben Arbeitszeit-, Arbeitsort- und Arbeitsplatzmodellen zur Förderung der Work-Life-Balance von Frauen geht es im Bereich des Personaleinsatzes um eine stärkere Berücksichtigung der persönlichen, familiären und privaten Belange der Mitarbeiterinnen. Dabei kommt der Berücksichtigung familiä‐ rer Anforderungen und Verpflichtungen bei der Arbeitsorganisation eine besondere Bedeutung zu. Geeignete Maßnahmen können z.B. Vorgaben des Unternehmens sein, Arbeitsbesprechungen spätestens zum regulären Ende der Arbeitszeit zu beenden und nicht bis in die späten Nachmittagsstunden oder gar Abendstunden hineinzuziehen, damit Frauen bzw. Eltern auch ihren familienorientierten Pflichten (z.B. Abholen der Kinder aus dem Kin‐ dergarten oder Hort) nachkommen können, ohne wichtige Besprechungen vorzeitig abbrechen zu müssen oder zu versäumen. Gleiches gilt z.B. für die Kommunikation zwischen den Kollegen und Vorgesetzten, insbesondere per E-Mail oder Telefon. So sollten frauen- und familienorientierte Unternehmen deutliche Gren‐ zen setzen, bis wann eine berufliche Kommunikation erwartet wird, bzw. ab wann eine berufliche Kommunikation unerwünscht ist, um die Entgren‐ zung zwischen dem Berufsleben und dem Privatleben zu verringern bzw. ganz zu vermeiden. Einige Unternehmen haben hierüber feste Richtlinien verabschiedet, die z.B. eine berufliche Kommunikation zwischen den Mitar‐ beitern wochentags ab 18h und am gesamten Wochenende untersagt. Auch die Festlegung von Zeiten der Nichterreichbarkeit beispielsweise durch Betriebsvereinbarungen ist empfehlenswert, jedoch noch wenig verbreitet. Frauen hilft das bei der Abgrenzung zwischen Berufstätigkeit und Privatle‐ ben deutlich, zumal sie sich nicht genötigt fühlen müssen, abends (nachdem sie vielleicht ihre Kinder ins Bett gebracht haben) nochmal den eigenen 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 390 <?page no="391"?> Email-Account auf neue Nachrichten zu prüfen oder auch am Wochenende das Dienst-Handy dabei zu haben, um auch beruflich erreichbar zu sein und keine beruflichen bzw. karriereorientierten Nachteile zu erleiden. Zusätzlich ist eine explizite Chancengleichheit bei der Übertragung verantwortungs‐ voller Aufgaben (z.B. bei der Leitung eines Teams oder einer Projektgruppe) für die Unterstützung der beruflichen Entwicklung von Frauen wichtig. Diese Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Entwicklung von Frauen leisten insofern einen Beitrag zur verbesserten Work-Life-Balance, als sie Frauen nicht das Gefühl geben, doppelt so gut sein zu müssen und dreifach so viel im Beruf leisten zu müssen, wie ihre männlichen Kollegen. Damit verringern sich die Hürden einer beruflichen Entwicklung und Karriere für Frauen und ihre karriereorientierte Berufstätigkeit lässt noch Raum für parallele Lebensentwürfe, wie z.B. eine Familie zu gründen, ein erfülltes Privatleben zu haben oder privaten Hobbys nachgehen zu können. Praxisbeispiel: Bosch Deutschland „Im Gleichgewicht bleiben“ „Entscheiden Sie sich für beides: Beruf und Privatleben.“ Haben Sie schon einmal ein Smartphone gesehen, das mit leerem Akku funktioniert? Wir auch nicht. Und genauso wenig haben wir jemals Menschen gesehen, die ihr volles Potential entfalten können, wenn nur die Arbeit im Vordergrund steht. Rund um den Globus bringen unsere Kolleginnen und Kollegen tagtäglich Spitzenleistungen. Das geht, weil wir Sie dabei unterstützen, eine gesunde Balance zwischen Iihrem Job und Ihrem Privatleben zu finden. Dazu gehört zum Beispiel Zeit für Ihre Kidner oder für die Pflege Ihrer Eltern. Vielleicht haben Sie auch ein Hobby, das Ihnen am Herzen liegt, planen einen Auslandsaufenthalt oder eine Fortbildung. Zusammen finden wir ganz bestimmt eine Lösung, die zu Ihrem Leben passt. Dazu gehören auch flexible Arbeits(zeit)modelle. Denn wir glauben, dass gute Ideen überall entstehen können. Wichtig ist uns, dass das Ergebnis stimmt. Und dafür schaffen wir die besten Rahmenbedingungen. Ob Jobsharing, Teilzeit, mobile Arbeit - Bosch bietet Ihnen zahlreiche Möglichkeiten, Ihre Arbeit an Ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen. Gleichzeitig möchten wir aber auch innerhalb unseres Unternehmens für einen guten Ausgleich sorgen. In einer Vielzahl von Vereinen und Gruppen können Sie gemeinsam mit Ihren Kollegen von ihren aktuellen Projekten abschalten und Ihrer Leidenschaft nachgehen.“ Zitat von Bosch Deutschland. Aus: https: / / www.bosch.de/ karriere/ warum-bosch/ work-life/ . Abruf: 18.04.2021. Praxisbeispiel 11: Work-Life-Balance bei Bosch. Quelle: Bosch 2021: Work-Life-Balance bei Bosch. In: www.bosch.de/ karriere/ warum-bosch/ work-life/ . Abruf: 18.04.2021. 6.3 Maßnahmen zur Unterstützung von Frauen 391 <?page no="392"?> Für die Unternehmen wirken sich Maßnahmen der Frauenförderung und zur Verbesserung der Work-Life-Balance meist nur positiv aus: Sie gewinnen sehr gut qualifizierte Mitarbeiterinnen, die hoch leistungsorientiert und motiviert sind, da sie als gleichwertig und gleichwichtig geschätzt werden und ihnen noch ermöglicht wird, verschiedene Lebensbereiche zu vereinba‐ ren, und sich nicht für oder gegen bestimmte Lebensbereiche entscheiden zu müssen. Diese Erkenntnis setzt sich bei einem steigenden Anteil der Unternehmen durch. So wirbt beispielsweise Bosch explizit damit, dass sich Frauen nicht zwischen Familie und Karriere entscheiden müssen, sondern bei Bosch beides gleichzeitig verwirklichen können. 6.4 Maßnahmen zur Unterstützung von älteren Mitarbeitern Welche Mitarbeiter zu den älteren Mitarbeitern zählen, ist branchen- und betrachtungsabhängig. Im Sportbereich und der IT-Industrie zählen schon Mitarbeiter ab Mitte 30 als älter. In vielen anderen Branchen werden Mitarbeiter ab 45 Jahren bis 50 Jahren als ältere Mitarbeiter eingestuft. In Anbetracht der Tatsache, dass das derzeitige Renteneintrittsalter bei 67 Jahren liegt, haben diese Mitarbeiter noch ca. 17 bis 22 Arbeitsjahre vor sich. Weit verbreitet sind immer noch Vorurteile gegenüber älteren Mitarbeitern, die von einer deutlich abnehmenden Leistungsfähigkeit und einer nur noch geringen Motivation der älteren Mitarbeiter ausgehen. Natürlich hinterlässt ein jahrzehntelanges Arbeitsleben physische und psychische Spuren bei den Mitarbeitern, die jedoch stark abhängig sind von der konkreten Berufstätigkeit. Allerdings belegen wissenschaftliche Untersuchungen, dass die physische und psychische Leis‐ tungsfähigkeit älterer Mitarbeiter nicht zwangsläufig mit steigendem Alter zurückgeht. Vielmehr verändern sich die Leistungskapazitäten und -potenziale der Mitarbeiter im Zeitverlauf, wie Tabelle 29 zeigt. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 392 <?page no="393"?> Leistungsfähigkeiten zunehmend gleich bleibend abnehmend • Lebens- + Berufser‐ fahrung • betriebsspezifisches Wissen • Urteilsfähigkeit • Zuverlässigkeit • Besonnenheit • Qualitätsbewusstsein • Kommunikationsfä‐ higkeit • Kooperationsfähig‐ keit • Pflichtbewusstsein • Verantwortungsbe‐ wusstsein • positive Arbeitsein‐ stellung • Ausgeglichenheit und Beständigkeit • Angst vor Verände‐ rungen • Leistungsorientie‐ rung • Zielorientierung • Systemdenken • Kreativität • Entscheidungsfähig‐ keit • psychische Ausdauer • Kommunikationsfä‐ higkeit • Kooperationsfähig‐ keit • Konzentrationsfähig‐ keit • körperliche Leis‐ tungsfähigkeit • geistige Beweglich‐ keit • Geschwindigkeit der Informationsauf‐ nahme • Geschwindigkeit der Informationsver‐ arbeitung • Kurzzeitgedächtnis • Risikobereitschaft • Lern- und Weiterbil‐ dungsbereitschaft Tabelle 29: Veränderung der Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern mit zunehmendem Alter. Quelle: Bruggemann 2000; Lehr 2000; INQA 2005. Eigene Darstellung. Nachgewiesen ist jedoch auch, dass die individuelle Leistungsfähigkeit stark abhängig ist von der persönlichen Lebensweise, der bisherigen Ausbildung und Weiterbildungsaktivitäten, von sozio-demografischen Faktoren sowie der individuellen physischen und psychischen Kondition. Insofern sind auch ältere Mitarbeitende heute häufig bis weit über das Rentenalter hinaus als sehr leistungsfähig und auch leistungsbereit einzustufen. (vgl. Deloitte 2018) Im Zuge des demografischen Wandels und der in Zukunft deutlich alternden Belegschaften müssen sich die Unternehmen zukünftig wesent‐ lich intensiver um ihre älteren Mitarbeiter kümmern, sie deutlich mehr wertschätzen und sie motivieren, ihre noch hohen Leistungspotenziale für das Unternehmen einzusetzen. Das hohe Niveau der medizinischen Versorgung und Gesundheitsorien‐ tierung der Menschen in Deutschland hat dazu geführt, dass auch Menschen ab 50 Jahren physisch und psychisch noch sehr leistungsfähig sind, gerne neue Herausforderungen annehmen, sportlich meist noch sehr aktiv sind, 6.4 Maßnahmen zur Unterstützung von älteren Mitarbeitern 393 <?page no="394"?> diverse Hobbies pflegen und sich gerne weiterbilden. Sie selbst sehen sich keineswegs als „Ältere“ oder gar „alte Mitarbeiter“, da sie statistisch noch eine Lebenszeit von ca. 30 Jahren vor sich haben. Diese eigene Wahrneh‐ mung spiegelt sich auch in ihrem meist noch sehr hohen beruflichen Enga‐ gement und ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit. Die Anzahl derjenigen Mitarbeiter, die aufgrund hoher physischer Arbeitsbelastungen ab 50 Jahren gesundheitliche Beeinträchtigungen haben, ist in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen (vgl. z.B. BMFSFJ 2008). Insgesamt sind die ab 50-Jährigen „älteren Mitarbeiter“ als eine meist noch sehr leistungsstarke und zukünftig anteilsmäßig steigende Mitarbeitergruppe zu werten, die über jahrzehntelanges Experten- und Erfahrungswissen verfügen, und damit für die Unternehmen von unschätzbarem Wert sind. Zusätzlich sind gerade ältere Mitarbeiter häufig wesentlich loyaler und stärker mit „ihrem“ Unternehmen verbunden. Da sie noch fast zwanzig weitere Jahre im Berufsleben stehen werden, ist auch für sie eine gute Vereinbarkeit von Berufsleben, Familienleben und Privatleben wichtig, weshalb ältere Mitarbeiter eine eigene wichtige Zielgruppe im Hinblick auf Work-Life-Balance-Maßnahmen bilden. Die Wünsche nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance umfassen bei älteren Mitarbeitenden verschiedene Perspektiven, aus denen sich jeweils spezi‐ fische Ansatzpunkte bzw. Maßnahmen für eine höhere Vereinbarkeit zwischen Berufs- und Privatleben ableiten lassen. Die verschiedenen Perspektiven und Work-Life-Balance-Maßnahmen werden im Folgenden vorgestellt. 6.4.1 Hohes berufliches Engagement und Karriereorientierung Mitarbeiter ab 50 Jahren haben meist schon wesentliche Karriereziele in ihrem Berufsleben erreicht. Das bedeutet aber nicht, dass sie kein Interesse mehr an weiteren beruflichen Karriereperspektiven haben. Im Gegenteil: hohe Führungspositionen (z.B. in der Geschäftsleitung, im Vorstand, Aufsichtsrat oder im gehobenen Management) werden vorrangig mit älteren, erfahrenen Mitarbeitern besetzt, die nicht nur über langjähriges Expertenwissen sondern auch über langjähriges Erfahrungswissen und ein umfangreiches Netzwerk in ihrem Berufsfeld verfügen. Dieses umfangreiche Wissen ist für die Unterneh‐ men außerordentlich wertvoll und sollte deshalb unbedingt gewürdigt und genutzt werden. Gerade sehr verantwortungsvolle Positionen sind häufig mit umfangreichen Arbeitszeiten (auch abends und am Wochenende) sowie mit er‐ heblichen psychischen Stresspotenzialen verbunden. Daher sind Work-Life-Ba‐ lance-Maßnahmen auch für die älteren karriereorientierten Mitarbeitenden sehr 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 394 <?page no="395"?> wichtig. Geeignete Ansatzpunkte für Work-Life-Balance-Maßnahmen in dieser Perspektive liegen insbesondere in folgenden Bereichen Verankerung einer ausdrücklichen Wertschätzung der älteren Mitarbeiter in der Unternehmenskultur. Die immer noch weit verbreitete Konzentration der Wertschätzung überwiegend auf junge gut qualifizierte Mitarbeitende wird der heutigen und sich zukünftig entwickelnden Altersstruktur in vielen deutschen Unternehmen sowie den hohen Leistungsfähigkeiten und Wissensbeständen älterer Mitarbeitender bei weitem nicht gerecht. Auch die häufig geringe Wertschätzung älterer Mitarbeiter als „altes Eisen“ ignoriert deren Leistungsfähigkeit, Leistungsbereitschaft, Wissensbestände sowie hohe Loyalität gegenüber ihren Arbeitgebern. Um das außerordentlich wertvolle Humankapital der älteren Mitarbeiter angemessen zu würdigen und die Mitarbeiter zu motivieren, bedarf es der Verankerung einer hohen Wertschätzung der älteren Mitarbeiter in der Unternehmenskultur (vgl. Tabelle 30). Diese könnte in den verschiedenen Ebenen der Unternehmens‐ kultur beispielsweise so zum Ausdruck kommen: Bestandteile einer altersorientierten Unternehmenskultur Ebenen der Unterneh‐ menskultur Wertschätzungs‐ kultur Kooperations‐ kultur Lernkultur Altersorien‐ tierte Werte Wertschätzung des Wissens / der Er‐ fahrungen älterer Führungskräfte und Mitarbeiter Strategische Veran‐ kerung von Chan‐ cengleichheit für Mitarbeiter aller Altersstufen Integration des in‐ tergenerativen Wissenstransfers in die Unternehmens‐ ziele Betonung der Be‐ deutung einer offe‐ nen Kommunika‐ tion und intensiven Kooperation zwi‐ schen Mitarbeitern verschiedener Al‐ tersstufen in den Unternehmensleit‐ sätzen Formulierung und Publikation einer Vi‐ sion vom „lernenden Unternehmen“ Verankerung der Qualifizierung aller Mitarbeiter in den Unternehmenszie‐ len Integration einer „Fehlerkultur“, die die Angst vor Feh‐ lern nimmt und so ermöglicht, aus Fehlern zu lernen Altersorien‐ tierte Nor‐ men Formulierung von Verhaltensregeln im Umgang mit äl‐ teren Mitarbeitern Verankerung von Zusammenarbeit und Wissensaus‐ tausch zwischen al‐ len Mitarbeitern in Anerkennung von freiwilligen Weiter‐ bildungsaktivitäten in Beurteilungsge‐ sprächen 6.4 Maßnahmen zur Unterstützung von älteren Mitarbeitern 395 <?page no="396"?> Verankerung der Förderung älterer Mitarbeiter in den Zielen der Füh‐ rungskräfte individuellen Ziel‐ vereinbarungen Aufstellung von Verhaltensregeln für die Zusammen‐ arbeit in altersge‐ mischten Teams Vertragliche Ver‐ pflichtung der Mit‐ arbeiter zur regel‐ mäßigen Fortbildung Angebote altersge‐ rechter Weiterbil‐ dungen Altersorien‐ tierte Arte‐ fakte Auszeichnung von Mitarbeitern mit besonderen Ver‐ diensten im Um‐ gang mit älteren Mitarbeitern Gestaltung von Un‐ ternehmensauftrit‐ ten (z.B. Home‐ page) mit Bildern von Mitarbeitern aller Altersgruppen Küren des „alters‐ gemischten Teams des Jahres“ Vorstellung von „Mentoring-Paa‐ ren“ im Intranet oder in der Mitar‐ beiterzeitschrift Veröffentlichung der Weiterbil‐ dungsquoten nach Abteilungen, Un‐ ternehmensberei‐ chen und Altersstu‐ fen der Mitarbeiter im Intranet Ehrung für Mitar‐ beiter, die freiwillig in berufsbegleiten‐ den Kursen oder Studiengängen zu‐ sätzliche Qualifika‐ tionen erworben haben Altersorien‐ tierte Ver‐ haltenswei‐ sen Integration der Kri‐ terien Wissen und Erfahrung in das Beurteilungssys‐ tem Durchführung von „Age Sensiti‐ vity-Trainings“ für Führungskräfte Altersgerechte Kar‐ rieremodelle entwi‐ ckeln und einfüh‐ ren Einrichtung gene‐ rationsübergreifen‐ der Mentoring-Pro‐ gramme Durchführung von Trainings zur Teamentwicklung sowie zur Verbesse‐ rung der individu‐ ellen Teamfähigkeit Freistellung der Mitarbeiter für be‐ rufliche Qualifizie‐ rung Durchführung von altersgerechten Weiterbildungen und Trainings zur Verbesserung der Lernfähigkeit von Mitarbeitern Tabelle 30: Bestandteile einer altersorientierten Unternehmenskultur. Quelle: Leicht abgewandelt und erweitert aus: Stock-Homburg 2008 S. 608. Eigene Darstellung Neben einer altersgerechten Unternehmenskultur ist die Entwicklung und Implementierung altersgerechter Karrieremodelle ein wichtiges Instrument zur Förderung einer besseren Work-Life-Balance. Altersgerechte Karriere‐ modelle könnten in verschiedenen Karrierepfaden, wie beispielsweise in der Führungskarriere, der Fachkarriere, der Projektkarriere oder auch in 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 396 <?page no="397"?> Patchworkkarrieren (z.B. als Quereinsteiger) gezielt Karriereperspektiven für ältere Mitarbeiter anbieten, die spezifisch auf die jeweiligen Leistungs‐ potenziale und -kapazitäten, die persönliche Leistungsbereitschaft und die fachliche Aufgabenvielfalt zugeschnitten werden. So wird eine Überfor‐ derung älterer Mitarbeiter bzw. Führungskräfte in anspruchsvollen und beanspruchenden Aufgabenbereichen vermieden, gleichzeitig jedoch die Motivation und Leistungsbereitschaft durch den individuellen Zuschnitt der Karriereperspektive enorm gefördert. 6.4.2 Nutzung und Bewahrung des langjährigen Experten- und Erfahrungswissens der älteren Mitarbeitenden Ebenso wichtig ist die Anerkennung, Nutzung und Bewahrung des lang‐ jährigen Experten- und Erfahrungswissens der älteren Mitarbeitenden. Im Zusammenhang mit einer höheren Wertschätzung der älteren und erfahre‐ nen Mitarbeitenden sollte auch ihr umfangreiches Wissen hochgeschätzt und explizit anerkannt werden. Um dieses Wissen für das Unternehmen umfangreich nutzen zu können, bieten sich folgende Ansatzpunkte an (vgl. Tabelle 31) (vgl. Kirschten 2010, S. 269 ff.): Spezifische wissensorientierte Anreizsysteme Ein wichtiger Ansatzpunkt zur Förderung der Wissensteilung und Nutzung ist die Entwicklung und der Einsatz von Anreizsystemen, die gezielt die Offenlegung, Verteilung und gegenseitige Nutzung der im Unternehmen vorhandenen Wissensbestände fördern. Dazu gehört auch die ausdrückliche Aufforderung, das eigene Wissen für andere Mitarbeitende offen zu legen aber auch das Wissen anderer Wissensträger für eigene Aufgaben zu nutzen. Auch eine fehlerfreundliche Unternehmenskultur (positive Fehlerkultur) hilft, begangene Fehler offenzulegen und aus ihnen zu lernen. Bei der Gestaltung der Anreizsysteme sollten die spezifischen Bedürfnisse der verschiedenen Wissensträger berücksichtigt werden. Häufig sind nicht nur materielle Anreize, sondern viel eher immaterielle Anreize wirksam, wie z.B. Anerken‐ nung der Wissensteilung, Gestaltungsspielräume zur Generierung neuen Wissens sowie attraktive Karriereperspektiven. Darüber hinaus sollten die Anreize eine Bindungswirkung entfalten, um den Verbleib und die Loyalität der Mitarbeiter im bzw. zum Unternehmen zu stärken. 6.4 Maßnahmen zur Unterstützung von älteren Mitarbeitern 397 <?page no="398"?> Management by Knowledge Objectives Als Erweiterung des Management-by-Objectives-Konzeptes können im Rahmen von gemeinsamen Zielabsprachen oder Zielvereinbarungen zwi‐ schen dem Vorgesetztem und den Mitarbeitern nicht nur bestimmte Leistungsziele vereinbart werden, sondern auch der Erwerb zusätzlicher Qualifikationen, beispielsweise durch entsprechende absolvierte Weiterbil‐ dungsmaßnahmen. Neben der Vereinbarung konkreter wissensorientierter Ziele (z.B. Qualifikationsziele), können auch Ziele der Teilung, Weitergabe und Dokumentation von Wissen vereinbart werden, die je nach vereinbar‐ tem Zielerreichungszeitraum überprüft und ggf. angepasst werden. (vgl. Kirschten 2010, S. 269 f.). Die Vereinbarung konkreter wissensorientierter Ziele dient dazu, die Erwünschtheit der Wissensteilung und gegenseitigen Wissensnutzung zu bekräftigen und überprüfbar durchzusetzen, und zwar unabhängig vom Aufgabengebiet oder Alter der Mitarbeitenden. Förderung unternehmensinterner Netzwerkbildung Unternehmen sollten gezielt die Bildung unternehmensinterner Wissens‐ netzwerke fördern, z.B. durch die Bereitstellung von Räumlichkeiten, Infrastruktur (Computer, Internetzugang, Technologien) sowie zeitlicher Ressourcen (z.B. Treffen während der Arbeitszeit) oder durch Informationen über potenzielle Netzwerkpartner. Wissensbasierte Netzwerke können sich geschäftsbereichsübergreifend oder aufgabenübergreifend entwickeln, wo‐ durch ein intensiver Austausch der bestehenden Wissensbestände sowie die Entwicklung neuen Wissens gefördert wird. Gleichzeitig kann auch ein altersübergreifender Austausch vorhandener Wissensbestände erfolgen, was auch dazu beiträgt, bestehendes individuelles Wissen in kollektives und organisationales Wissen zu transformieren. (vgl. Kirschten 2010, S. 270). Altersgemischte Arbeits- und Projektgruppen Die bewusste Bildung von altersgemischten Arbeits- und Projektgruppen steigert das Selbstwertgefühl der älteren Mitarbeitenden und fördert gleich‐ zeitig die Wissensübertragung von älteren auf jüngere Mitarbeitende im Unternehmen. Hierdurch wird aufgaben- und projektbezogenes Wissen sys‐ tematisch innerhalb des Unternehmens weitergegeben. Zusätzlich erfolgt ein Austausch und eine Anreicherung zwischen aktuellem Fachwissen und langjährigem Erfahrungswissen. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 398 <?page no="399"?> Communities of Practice Communities of Practice sind Wissensgemeinschaften, die sich ursprünglich als informelle Arbeitsgruppen zu bestimmten Wissensgebieten gebildet haben (vgl. Probst/ Raub/ Romhardt 2006, S. 168). Unternehmen können die Bildung solcher Communities of Practice bewusst fördern, z.B. durch Bereitstellung notwendiger Ressourcen, und dadurch die unternehmensin‐ terne Zusammenarbeit sowie den Austausch von Wissen in konkreten Wissensgebieten oder zu konkreten Themenstellungen intensivieren. Auch hier sind altersgemischte Communities of Practice zur Wissensübertragung von älteren auf jüngere Mitarbeiter empfehlenswert. (vgl. Kirschten 2010, S. 270). Story Telling Als Story Telling wird die Weitergabe von komplexem Wissen durch Geschichten verstanden. Dies hat den Vorteil, dass nicht nur das Wissen weitergegeben wird, sondern auch der Kontext, in dem das Wissen steht und das bei einer reinen Wissensvermittlung häufig nicht kommuniziert wird, für komplexe Zusammenhänge jedoch sehr wichtig ist. Besonders gut eignet sich das Story Telling für die Weitergabe von Erfahrungswissen (Learning Histories) sowie für die Weitergabe von Entwicklungen (z.B. von Technologien oder Geschäftsfeldern) oder auch von Ereignissen oder Erfol‐ gen von Persönlichkeiten (z.B. von Unternehmensgründern). Gleichzeitig werden durch das Story Telling organisationale Lernprozesse angeregt (vgl. Kirschen 2010, S. 270). Best Practice Sharing Die allgemein anerkannte bestmögliche Lösung für ein konkretes Problem oder eine bestimmte Aufgabenstellung wird als Best Practice bezeichnet (vgl. Lehner 2008, S. 182). Um die beste Lösung zu identifizieren, muss sie mit anderen Lösungen verglichen werden, z.B. durch ein Benchmarking. Die beste Lösung muss leicht messbar und wiederholt durchführbar sein, um für andere Probleme genutzt werden zu können. Durch die Offenlegung und Weitergabe bester Lösungen (Best Practice Sharing) wird das Wissen über Best Practices im Unternehmen geteilt und kann auch für andere Problem‐ stellungen verwendet werden. So können individuelle Wissensbestände in kollektive und organisationale Wissensbestände überführt werden und da‐ mit unabhängig von einzelnen Mitarbeitern für das Unternehmen bewahrt und genutzt werden. Gerade ältere Mitarbeitende verfügen über viel Fach- 6.4 Maßnahmen zur Unterstützung von älteren Mitarbeitern 399 <?page no="400"?> und Erfahrungswissen, das über Best Practice geteilt, dokumentiert und im Unternehmen bewahrt werden kann. Strategien zur Wissensteilung und Wissensnutzung Strategien zur Wissensbewahrung Spezifische wissensorientierte Anreiz‐ systeme Altersgemischte Personalstruktur Management by Knowledge Objectives Gezielter Aufbau von Netzwerken Förderung unternehmensinterner Netzwerkbildung Tandem-Modelle Altersgemischte Arbeits- und Projekt‐ gruppen Strukturierte Übergabe- und Austritts‐ gespräche Communities of Practice Lessons learned Story Telling Wissenskarten Best Practice Sharing Kooperation mit altersbedingt ausge‐ schiedenen Mitarbeitern Tabelle 31: Strategien zur Wissensteilung, Wissensnutzung und Wissensbewahrung in Unternehmen Quelle: Vgl. Kirschten 2010, S. 269 ff.) Ein weiterer sehr wichtiger Aspekt ist die Bewahrung des Wissens derje‐ nigen Mitarbeiter, die in naher Zukunft das Unternehmen - meist aus Altersgründen, vielleicht aber auch aufgrund eines Arbeitgeberwechsels - verlassen werden. Hier bieten sich folgende Ansatzpunkte an: Altersgemischte Personalstruktur Eine altersgemischte Personalstruktur hat den Vorteil, dass ältere Mitar‐ beitende ihr langjähriges Fach- und Erfahrungswissen an die jüngeren Mitarbeiter weitergeben können. Andererseits können die jüngeren Mitar‐ beiter an die Älteren ihr Wissen über neue Erkenntnisse, Technologien oder Anwendungsprogramme vermitteln. Dieser gegenseitige Wissensaus‐ tausch führt insgesamt zu einer Wissenserweiterung aller Mitarbeiter im Unternehmen. Gezielter Aufbau von Nachfolgern Um das vielfältige Fach- und Erfahrungswissen der älteren Mitarbeitenden für das Unternehmen zu bewahren, ist eine gezielte und frühzeitige Planung sowie der Aufbau eines Nachfolgers sehr wichtig. Ein potenzieller Nachfol‐ 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 400 <?page no="401"?> ger sollte schon einige Zeit vor dem Ausscheiden des älteren Mitarbeiters (ca. ½ Jahr) mit dem älteren Mitarbeiter zusammenarbeiten, um sein Aufga‐ bengebiet kennen zu lernen, von den Erfahrungen des Älteren zu lernen, entsprechende Kompetenzen zu erwerben und sich das aufgabenspezifische Wissen anzueignen. Für den älteren Mitarbeiter kann diese längerfristige Einarbeitung und Übergabe seines Aufgabengebietes und seines Wissens an den jüngeren Kollegen durchaus sinnstiftend und befriedigend sein, da er seine langjährigen Erfahrungen und sein umfangreiches Wissen nutzbringend an den Kollegen weitergeben kann. Damit erfährt das eigene langjährige Fach- und Erfahrungswissen eine große Aufwertung, genauso wie der Prozess der Wissensübertragung selbst. Sempai-kohai-Prinzip / Tandem-Modell Das aus dem Japanischen stammende Sempai-kohai-Prinzip bedeutet eine längerfristige, mehrjährige Zusammenarbeit eines jüngeren mit einem äl‐ teren Kollegen; der Jüngere wird dem Älteren quasi zugeordnet. Ziel ist es, dass der Jüngere von dem Älteren angeleitet wird und lernt. Diese Arbeitsbeziehung kann sich auch auf das Privatleben ausdehnen (z.B. durch gemeinsame Freizeitaktivitäten), um eine gemeinsame Vertrauensbasis zu schaffen und so den Austausch von Wissen zu fördern (vgl. Probst/ Raub/ Romhardt 2006, S. 200). Auf deutsche bzw. europäische Verhältnisse lässt sich das Sempai-kohai- Prinzip gut als Tandem-Modell anwenden, bei dem ebenfalls ein jüngerer einem älteren, bald in den Ruhestand gehendem Kollegen über einen länge‐ ren Zeitraum (z.B. 1 bis 2 Jahre) zugeordnet wird, um sein Aufgabengebiet kennenzulernen, sein Fach- und Erfahrungswissen zu lernen, Kontakte und Geschäftspartner kennenlernt und bewährte Problemlösungsstrategien lernt. Die intensive und mehrjährige Zusammenarbeit fördert den Aus‐ tausch und die Übertragung wichtiger impliziter und expliziter Fach- und Erfahrungswissensbestände von dem älteren auf den jüngeren Kollegen. Erfährt der Ältere eine ausreichende Wertschätzung und Anerkennung seiner Person und seiner Leistungen im Unternehmen, so wird er gerne bereit sein, seine langjährigen Erfahrungen und Wissensbestände an den Jüngeren weiterzugeben (vgl. Kirschten 2010, S. 272 f.). Strukturierte Übergabe- und Austrittsgespräche Um das Wissen ausscheidender Mitarbeiter systematisch zu dokumentieren und für das Unternehmen zu bewahren, eignen sich strukturierte Übergabe- und Austrittsgespräche. Mit Hilfe eines strukturieren Fragebogens sollten 6.4 Maßnahmen zur Unterstützung von älteren Mitarbeitern 401 <?page no="402"?> das aufgabenspezifische Fach- und Erfahrungswissen, bearbeitete Projekte, Kontakte zu Lieferanten, Kunden, Kollegen sowie Dokumentationen und Aufzeichnungen der Wissensbestände abgefragt und mit Hilfe unterschied‐ licher Medien (mündlich, schriftlich, elektronisch, bildlich etc.) erfasst werden. Die Einbindung des zukünftigen Stelleninhabers in die Übergabege‐ spräche ermöglicht eine individuelle Klärung konkreter aufgabenbezogener Fragen zum Arbeitsgebiet, die Weitergabe wichtiger Informationen und Wissensbestände. Für den ausscheidenden Mitarbeiter darf bei einem Über‐ gabegespräch nicht der Eindruck entstehen, dass nur sein Wissen abgefragt und abgeschöpft werden soll, sondern dass seine langjährige Berufstätigkeit im Unternehmen hochgeschätzt wird und die Weitergabe seines Wissens nicht nur für den Nachfolger, sondern auch für das Unternehmen von sehr großem Wert ist. Je entspannter, konstruktiver und offener die Atmosphäre und Gestaltung des Übergabeprozesses ist und je wertschätzender der Über‐ gabeprozess insgesamt gestaltet wird, desto größer wird die Bereitschaft des ausscheidenden Mitarbeiters zu einer konstruktiven Zusammenarbeit sein. (vgl. Kirschten 2010, S. 273). Lessons learned Lessons learned dienen dazu, gemachte Erfahrungen systematisch zu do‐ kumentieren und damit für andere Mitarbeiter und das Unternehmen insgesamt zugänglich zu machen. Die systematische Aufarbeitung und Dokumentation bisheriger Erfahrungen über erfolgreiche oder auch nicht erfolgreiche Problemlösungen, Vorgehensweisen, Prozesse etc. ermöglicht eine detaillierte Aufarbeitung individueller Erfahrungen und gleichzeitig die Zugänglichkeit und Nutzbarmachung dieses Erfahrungswissens für andere Mitarbeiter und Aufgabenbereiche im Unternehmen. Scheiden ältere Mitarbeiter aus dem Unternehmen aus, bleibt dieses dokumentierte Erfah‐ rungswissen trotzdem für das Unternehmen erhalten (vgl. Kirschten 2010, S. 274). Wissenskarten Wissenskarten sind strukturierte Dokumentationen über die Orte und Träger konkreter Wissensbestände im Unternehmen. Je nach konkreter Ausgestaltung dokumentieren sie z.B. Wissensquellen, Wissensstrukturen, die Anwendung konkreter Wissensbestände oder die bisherige Weiterent‐ wicklung von Wissen im Unternehmen. Bei der Erarbeitung dieser Wissens‐ karten können gerade ältere Mitarbeiter wertvolle Informationen z.B. über 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 402 <?page no="403"?> die Weiterentwicklung von Wissen, Wissensbestände und die Wissensorte im Unternehmen liefern. Kooperation mit altersbedingt ausgeschiedenen Mitarbeitern Kooperationen mit altersbedingt ausgeschiedenen Mitarbeitern werden weiter unten vorgestellt. 6.4.3 Psychische und physische Erschöpfung der älteren Mitarbeiter nach jahrzehntelanger Berufstätigkeit Viele Berufstätigkeiten, die über Jahrzehnte ausgeübt werden, verursa‐ chen im Zeitverlauf psychische und physische Erschöpfungszustände bzw. gesundheitliche Beeinträchtigungen. Das gilt insbesondere für kör‐ perlich anstrengende Berufe (z.B. im Handwerk, Baugewerbe, in der industriellen Produktion etc.). Auch wenn die Arbeitsbedingungen heute meist weniger körperlich anstrengend sind und Maschinen oder Roboter im Zuge der Digitalisierung von Arbeits- und Produktionsprozessen viele körperlich schwere oder monotone Arbeiten übernehmen, lassen sich körperliche Erschöpfungen trotz allem nicht ganz vermeiden. Doch auch weniger physisch anstrengende Beschäftigungen können über die Jahr‐ zehnte zu psychischen Belastungen und Erschöpfungszuständen führen. Das gilt u. a. für soziale Berufe, Pflegeberufe oder auch für Lehrer. Nach einem erfüllten und langen Berufsleben möchten viele ältere Menschen auch wieder mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen und mehr Zeit für ihr Privatleben (z.B. für Reisen) oder auch Hobbies haben. Hier verlagern sich häufig die individuellen Prioritäten: das Berufsleben wird relativ weniger wichtig und die Familie und private Aktivitäten werden wichtiger und höher geschätzt. Um diesen Verschiebungen der individuellen Lebens‐ perspektiven gerecht zu werden, sind auch hier Work-Life-Balance-Maß‐ nahmen ausgesprochen wichtig. Ältere Mitarbeiter, die durch ihre jahrzehntelange Berufstätigkeit stark physisch oder psychisch beansprucht wurden und nun erschöpft sind, möchten vielleicht nicht mehr so viel arbeiten oder langsam aus dem Berufs‐ leben ausgleiten. Hier bedarf es anderer Instrumente bzw. Maßnahmen, um die Vereinbarkeit von Berufsleben, Familie und Privatleben für die älteren Mitarbeiter zu verbessern. Dazu gehören insbesondere arbeitsorientierte Maßnahmen, wie z.B. Arbeitszeitmodelle, die den älteren Mitarbeitern eine reduzierte Arbeitszeit (z.B. Teilzeit) ermöglichen, Angebote zum Homeoffice 6.4 Maßnahmen zur Unterstützung von älteren Mitarbeitern 403 <?page no="404"?> oder auch Angebote zu einer Veränderung der Arbeitsinhalte, um ggf. beson‐ ders stressbelastete oder physisch anstrengende Arbeitsinhalte auszulagern und die älteren Mitarbeitenden dadurch zu entlasten (vgl. Kap. 6.1). Praxisbeispiel: Silverline bei der Audi AG Bei der Audi AG in Neckarsulm wurde 2013 das Pilotprojekt „SiIverline“ ins Leben gerufen. Es richtet sich an ältere Mitarbeiter, die den Sportwagen R8 in längeren Intervallzeiten und in kleinen Gruppen fertigen. Rund 50 Mitarbeitern bauen täglich 18 bis 20 Exemplare des Sportwagens zusammen. Die Arbeit in der Silverline hat den Vorteil, dass die Bewegungsabläufe komplexer, dadurch aber auch abwechslungsreicher sind. Die Arbeitsabläufe in der Silverline weisen höhere Intervallzeiten als in der Serienfertigung auf. Auch weist die Produktion mehr Handarbeit als Maschinenausstattung auf. So müssen die Mitarbeiter in 45 Minuten 50 Teile in einer bestimmten Reihenfolge zusammenbauen, wobei sie eine freiere Zeiteinteilung haben, was die physische Beanspruchung und die Stressbelastung reduziert. Besetzt ist diese Produktionsline ausschließlich mit älteren Mitarbeitenden. Der Projektname „Silverline“ leitet sich nicht nur von den älteren Mitarbeitenden sondern auch von den häufig silberfarbenden Autos ab. Quelle: Focus Online 12.11.2013: Audi schätzt Erfahrung Älterer. In: ttps: / / www.focus.de/ finanzen/ karriere/ perspektiven/ demografischer_wan‐ del/ silverline_aid_53044.html. Abruf: 23.01.2021. Praxisbeispiel 12: Silverline bei der Audi AG Für einen gleitenden Übergang in den Ruhestand eigenen sich z.B. Angebote zur Altersteilzeit, die zwar nicht mehr vom Gesetzgeber gefördert werden, jedoch sowohl für die Unternehmen als auch für die älteren Mitarbeitenden immer noch Vorteile bieten (vgl. Kap. 6.1.6). Hier wäre auch eine Vari‐ ante denkbar, dass ältere Mitarbeiter aus ihrem regulären Aufgabengebiet herausgenommen werden und als Experten für besonders anspruchsvolle oder schwierige Projekte eingesetzt werden, in denen ihr Experten- und Erfahrungswissen außerordentlich wichtig ist. Zwischen diesen Projekten könnten kürzere „Auszeiten“ verabredet werden, um genug Zeit zum Erho‐ len zu haben und sich vielleicht auch stärker anderen Lebensbereichen zu widmen. 6.4.4 Interesse an zeitlich begrenzten beruflichen Engagements auch nach dem Ausscheiden aus dem Beruf Nicht alle, die aus dem Berufsleben ausscheiden, verlagern ihre Interes‐ sensschwerpunkte auf die Familie oder andere private Lebensbereiche. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 404 <?page no="405"?> Gerade bei denjenigen Menschen, die in ihrem Berufsleben sehr anspruchs‐ volle oder auch verantwortungsvolle Aufgabenbereiche innehatten (z.B. Führungskräfte, Geschäftsführer, Vorstände, Fachexperten, Spezialisten), dominierte häufig das Berufsleben sehr stark die anderen Lebensbereiche. Gehen diese Personen in den Ruhestand, fällt der Umstellungsprozess auf private und familiäre Lebensbereiche häufig recht schwer. Aber auch andere Ruheständler, die gerne in ihrem Beruf gearbeitet haben, würden vielleicht gerne auch noch im Ruhestand ab und an mal arbeiten, weil sie sich im Ruhestand nicht ausgelastet fühlen oder weil sie ihre Rente aufbessern möchten. Hierfür eignet sich das Instrument der „SeniorBerater“ bzw. Koopera‐ tionen mit Ruheständlern. Haben die ehemaligen Mitarbeiter eine hohe Wertschätzung ihrer Arbeit und ihrer Person im Berufsleben erfahren, so sind viele gerne bereit, ihr umfangreiches Experten- und Erfahrungswissen auch im Ruhestand Unternehmen bzw. Arbeitgebern noch zur Verfügung zu stellen. Für die Unternehmen ist das auch sehr vorteilhaft, weil sie so auf qualitativ hochwertige Experten für ausgewählte Projekte oder in komplexen Problemsituationen zurückgreifen können. Hierbei bieten sich vielfältige Gestaltungsformen einer Zusammenarbeit zwischen im Ruhestand befindlichen Experten und den Unternehmen an. Beispielsweise könnten Ruheständler zeitlich befristet für bestimmte größere Projekte angeworben werden, um umfangreichere organisationale Umstrukturie‐ rungen zu unterstützen oder um in komplexen Problemsituationen mit ihrem langjährigen Experten- und Erfahrungswissen bei der Suche nach Problemlösungen zu helfen. Neben den inhaltlichen Herausforderungen bedeuten diese Beschäftigungsmöglichkeiten für den Ruheständler auch ein zusätzliches Einkommen, das in späteren Zeiten für andere Lebensbereiche (z.B. ausgedehnte Reisen) genutzt werden kann. 6.5 Maßnahmen zur Unterstützung von neu Mitarbeitenden der Generation Y Die Mitglieder der Generation Y stehen mitten im Berufsleben und weisen meist eine mehrjährige Berufserfahrung auf. Wie in den Kapiteln 2.4.5 sowie im Kapitel 5.4 bereit ausführlich vorgestellt, sind sie ausgesprochen anspruchsvoll, was die Arbeitsinhalte aber auch die Arbeitsbedingungen ihrer Berufstätigkeit angeht. Da sie sich aufgrund des steigenden Fach‐ 6.5 Maßnahmen zur Unterstützung von neu Mitarbeitenden der Generation Y 405 <?page no="406"?> kräftemangels und der geringer werdenden jüngeren Nachwuchskräfte ihre Wunscharbeitgeber zunehmend aussuchen können, müssen sich die Unternehmen stärker auf die Anforderungen, Bedürfnisse und Wünsche dieser jüngeren Generation an Mitarbeitern einstellen und entsprechende Angebote machen. Neben hohen Ansprüchen an ihre Arbeitgeber haben die Mitglieder der Generation Y aber auch eine hohe Leistungsbereitschaft, sind meist sehr gut ausgebildet, sehr technik-affin und innovationsorientiert und legen auf die Vereinbarkeit des Berufslebens mit der Familie und dem Privatleben sehr großen Wert. Insofern entfalten differenzierte Angebote für eine ausgeglichene Work-Life-Balance erhebliche Motivations- und Leistungsanreize, binden die Mitglieder der Generation Y aber auch stärker an das Unternehmen. Geeignete Maßnahmen für Mitarbeiter der Generation Y sind u. a. in der Tabelle 32 zusammengefasst.: WLB-Maßnahmen für Mitarbeiter der Generation Y Unternehmenskul‐ tur wichtige Werte: Offenheit, Toleranz, Innovationsfähig‐ keit, Flexibilität, Internationalität u.a. arbeitsorientierte Maßnahmen abwechslungsreiche Arbeitsinhalte mit Gestaltungs- und Handlungsspielräumen flexible Arbeitsortmodelle (Homeoffice, mobiles Arbei‐ ten, relative Unabhängigkeit vom festen Arbeitsort durch I+K-Technologien, insb. Internet flexible Arbeitszeitmodelle (Teilzeit, flexible Arbeitszei‐ ten, Entgrenzung der Arbeit, Freiraum für Privates, Sabbaticals) Anreizsysteme materiell immateriell Sozialleistungen Personalentwick‐ lung Qualifikationsangebote (internationale) Karriereperspektiven Serviceleistungen Haushaltsdienstleistungen, Einkaufsservice Tabelle 32: WLB-Maßnahmen für Mitarbeiter der Generation Y. Eigene Darstellung. Unternehmenskultur Mitglieder der Generation Y fühlen sich eher angesprochen von Unterneh‐ men, deren Unternehmenskultur Werte betont wie z.B. Toleranz, Offenheit, 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 406 <?page no="407"?> Leistungsorientierung, Vielfalt und Innovation sowie Verantwortung für die Gesellschaft und die Umwelt. Arbeitsorientierte Maßnahmen Wichtige Ansatzpunkte für Maßnahmen zur Vereinbarung der Berufstätig‐ keit mit der Familie und dem Privatleben von Mitgliedern der Generation Y bestehen im Bereich der Arbeitsinhalte, der Arbeitsorte sowie der Arbeits‐ zeiten. Hinsichtlich der Arbeitsinhalte legen Mitarbeiter der Generation Y viel Wert auf interessante, anspruchsvolle und sinnstiftende Aufgaben‐ bereiche. Dabei wünschen sie sich auch umfangreiche Gestaltungs- und Handlungsspielräume. Entsprechend sollten Aufgabenbereiche - sofern möglich - in größeren inhaltlichen Zusammenhängen konzipiert werden, so dass einerseits ein ganzheitlicher interessanter Aufgabenbereich entsteht, für den der jeweilige Mitarbeiter oder die Arbeitsgruppe auch selbst ver‐ antwortlich ist, andererseits ausreichende aufgabenbezogene Gestaltungs- und Handlungsspielräume bestehen, um den Mitarbeitern eigene kreative Gestaltungsmöglichkeiten des Aufgabenbereichs gewähren zu können. Dies bedeutet für viele Unternehmen ein erhebliches Umdenken, birgt aber die Chance auf eine Weiterentwicklung der Organisations- und Ablaufstruktu‐ ren mit deutlichen Effizienzverbesserungen. Die modernen und digitalen Informations- und Kommunikationstechno‐ logien erlauben heute in vielen Berufsfeldern und -tätigkeiten eine hohe Un‐ abhängigkeit der Aufgabenerfüllung vom Arbeitsort. So wünschen sich auf viele Mitarbeiter der Generation Y eine flexiblere Arbeitsortgestaltung bzw. eine größere Mobilität bei ihrer Aufgabenerfüllung. Hier sollten Konzepte der flexiblen Arbeitsortgestaltung (z.B. Telearbeit, Homeoffice, mobiles Arbeiten) angeboten werden und idealerweise auch auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter angepasst werden (vgl. Kap. 6.1). Auch hinsichtlich der Arbeitszeit wünschen sich Mitarbeiter der Genera‐ tion Y eine hohe Flexibilität. Dafür sind viele von ihnen auch bereit, abends oder am Wochenende zu arbeiten. Diesem Wunsch sollten Unternehmen mit entsprechenden Angeboten zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung entspre‐ chen, wobei auch hier die Berücksichtigung der individuellen Wünsche und Besonderheiten sowohl des Aufgabenbereichs als auch der Lebenssituation des Mitarbeiters wichtig sind. Anreizsysteme Die hohe Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der Mitarbeiter der Genera‐ tion Y sollte durch geeignete Anreizsysteme gefördert werden (vgl. Abbil‐ 6.5 Maßnahmen zur Unterstützung von neu Mitarbeitenden der Generation Y 407 <?page no="408"?> dung 101). Gefragt sind hier sowohl materielle (z.B. leistungsorientierte Vergütung, betriebliche Sozialleistungen, Erfolgs- und Kapitalbeteiligun‐ gen) als auch immaterielle (z.B. Arbeitsinhalte, Gestaltung von Arbeits‐ platz, -ort und -zeit, Entwicklungsmöglichkeiten) Anreize. Anreize Leistungs-orientierte Vergütung Materielle Anreize Immaterielle Anreize monetär nicht monetär Betriebliche Sozialleistungen Erfolgs- und Kapitalbeteiligung Grundvergütung Sachleistungen, Konsumvorteile Nutzungsgewährungen Beratungs-, Bank, Versicherungsleistungen Zusatzleistungen Arbeitsinhalt Arbeitsplatzgestaltung Arbeitszeitgestaltung Entwicklungsmöglichkeiten Soziale Beziehungen Abbildung 99: Betriebliches Anreizsystem. Quelle: Stopp/ Kirschten 2012, S. 261 Wichtig ist auch eine stärkere Ergebnisorientierung bei der Bewältigung der Arbeitsaufgaben anstatt der noch weit verbreiteten Arbeitszeitorientierung. Mit Hilfe von Zielabsprachen lassen sich konkrete Arbeitsinhalte bzw. -ergebnisse vereinbaren, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums (z.B. innerhalb einer Woche oder eines Monats) erreicht werden sollen. Viel Wert legen Mitarbeiter der Generation Y auch auf Weiterbildungs‐ möglichkeiten. Entsprechende Angebote und Unterstützungsleistungen durch die Unternehmen leisten auch einen Beitrag zur höheren Arbeits‐ zufriedenheit damit auch zu einer verbesserten Work-Life-Balance. Anerkennung und Kritik Für ihre berufliche Zufriedenheit brauchen Mitarbeitende der Generation Y häufige Rückmeldungen über die Güte ihrer Leistungen. Für sehr gute Leistungen erwarten sie auch eine umfangreiche Anerkennung, allerdings können sie auch mit Kritik umgehen, wenn ihre Leistungen nicht den 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 408 <?page no="409"?> Erwartungen der Vorgesetzten entsprechen. Hier gilt es, geeignete und differenzierte Instrumente zur Anerkennung und Kritik von Mitarbeiterleis‐ tungen zu entwickeln und eizusetzen. Serviceleistungen Aufgrund ihrer hohen und zeitlich flexibeln Arbeitsbereitschaft durch Laptop, Smartphone, Internet etc. sind den Mitarbeitenden der Generation Y Serviceleistungen (z.B. Einkaufsservice, Wäschebzw. Bügelservice, Be‐ hördengängen etc.) von Seiten der Unternehmen durchaus willkommen, um ihre recht knappe, aber wertvolle Freizeit nicht mit lästigen Haushalts‐ pflichten oder anderen abgebbaren Pflichten zu vergeuden. Insofern wird ein unternehmensseitiges Angebot an haushaltsnahen oder auch sonstigen Serviceleistungen gerne von den Generation Y-Mitarbeitern in Anspruch genommen (vgl. z.B. Serviceleistungen bei Google). 6.6 Maßnahmen zur Unterstützung von Mitarbeitenden der Generation Z Bislang ist erst ein Teil der Mitglieder der Generation Z im Berufsleben angekommen. Die bisherigen Erfahrungen mit den Werthaltungen und Ar‐ beitseinstellungen der Generation Z weisen darauf hin, dass ihnen vor allem wichtig ist, ihr Arbeitsleben klar von ihrem Privatleben abzugrenzen. Sie wünschen sich eher eine Work-Life-Separation anstatt einer Work-Life-Ba‐ lance. Daher sind für Generation Z vor allem diejenigen Maßnahmen wichtig, die sie bei der deutlichen Abgrenzung ihrer Arbeitswelt von ihren privaten Lebenswelten unterstützen. Dazu gehören beispielsweise klare Vereinbarungen und Absprachen über Arbeitszeiten, Bezahlung von Überstunden und vor allem Zeiten der Nichterreichbarkeit. Ebenso wichtig sind verbindliche und unbefristete Beschäftigungsverhältnisse sowie das Angebot von Teilzeitbeschäftigungen. Im Hinblick auf das Arbeitsklima sind der Generation Z ein angenehmes und freundliches Arbeitsklima sowie nette Kollegen wichtig, mit denen sie gerne zusammenarbeiten. Inhaltlich wünschen sich die Mitglieder der Generation Z anspruchsvolle und sinnstiftende Aufgaben, gerne auch Teamarbeit und Projektarbeit. Für ihre Arbeitsleistungen erwarten sie eine angemessene und durchaus auch kurzfristigere Anerkennung durch ihre Kollegen und Vorgesetzten. Zusam‐ menfassend sind wesentliche Maßnahmen zur Verbesserung der Work-Life- 6.6 Maßnahmen zur Unterstützung von Mitarbeitenden der Generation Z 409 <?page no="410"?> Balance bzw. hier auch der Work-Life-Separation für die Generation Z in der Tabelle 33 zusammengefasst. WLB-Maßnahmen für Mitarbeiter der Generation Z Unternehmens‐ kultur wichtige Werte: Offenheit, Toleranz, Innovationsfähigkeit, Flexibilität, Internationalität, gesellschaftliche Verantwor‐ tung, Nachhaltigkeit u.a. Betriebsklima Freundliches und konstruktives Arbeitsklima, nette Kollegen Arbeitsmodelle Arbeitsmodelle mit verbindlichen Arbeitszeiten und Zeiten der Nichterreichbarkeit. Work-Life-Separation Angebot von Teilzeitmodellen und Sabbaticals ist wichtig arbeitsorien‐ tierte Maßnah‐ men Abwechslungsreiche, sinnstiftende Arbeitsinhalte mit Ge‐ staltungs- und Handlungsspielräumen Umfassende Unterstützung durch digitale Technologien Entwicklungsmöglichkeiten, Partizipation an Entscheidungsprozessen Anerkennung der eigenen Individualität und Arbeitsleis‐ tungen Anreizsysteme Materielle und immaterielle Anreize sind wichtig Personalent‐ wicklung Qualifikationsangebote, Karriereperspektiven Tabelle 33: WLB-Maßnahmen für Mitarbeiter der Generation Z. Eigene Darstellung. 6.7 Maßnahmen zur Unterstützung von Führungskräften Im Hinblick auf mitarbeiterorientierte Maßnahmen zur Verbesserung der Work-Life-Balance sind Führungskräften zweifach betroffen. Erstens gehört es zu ihren Aufgaben als Führungskraft und Vorgesetzter, sich u. a. um die Belange und das Wohlergehen ihrer Mitarbeitenden zu kümmern. Dazu gehört auch eine Sensibilität für psychische und physische Arbeitsüberlastungen der unterstellten Mitarbeitenden, zu viele Überstun‐ den sowie einem mangelnden Ausgleich zwischen der Berufstätigkeit und dem Familien- und Privatleben der Mitarbeitenden. Diese Sensibilität sollte in entsprechenden Führungskräftetrainings (z.B. Sensibilitätstrainings, Awareness-Trainings) deutlich gefördert werden. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 410 <?page no="411"?> Mit der Vergabe von Arbeitsaufträgen, regelmäßigen Mitarbeitergesprä‐ chen, Zielvereinbarungen, Rückkehrgesprächen sowie weiteren Instrumen‐ ten der direkten und indirekten Mitarbeiterführung haben die Vorgesetzten vielfältige Möglichkeiten und Instrumente, die Arbeitsbelastungen ihrer Mitarbeiter zu beeinflussen und bei erkennbaren Überlastungen steuernd einzugreifen. Zusätzlich haben sie häufig die Gestaltungsspielräume, um beispielsweise flexible Arbeitskonzepte zu gestalten und ihren Mitarbeitern anzubieten (z.B. flexible Arbeitszeit- und Arbeitsortmodelle). Auch die Vorbildfunktion von Führungskräften ist nicht zu unterschätzen. So signalisieren Führungskräfte, die selbst auf ihre Work-Life-Balance achten ihren Mitarbeitern, dass sie ebenfalls Spielräume haben, um ihre eigene Work-Life-Balance zu verbessern. Und dass von ihnen nicht erwartet wird, sich ausschließlich und grenzenlos für ihre Berufstätigkeit bzw. ihr Unternehmen zu engagieren. Andersherum wird auch signalisiert, dass private Lebensbereiche respektiert und als wichtig erachtet werden. Zweitens ist auch für Führungskräfte eine ausgeglichene Work-Life- Balance wichtig. Zwar ist der Anteil an Führungskräften, der erhebliche Überstunden macht und bei dem das Berufsleben deutlich dominiert, immer noch sehr hoch, allerdings sind auch andere Tendenzen mittlerweile deut‐ lich erkennbar. So möchte sich ein steigender Anteil an Führungskräften neben einer anspruchsvollen beruflichen Position auch um die eigene Familie und die eigenen Kinder kümmern und auch ein erfülltes Privatleben (z.B. Sport als Hobby und Ausgleich) haben. Die Diskussion um weibliche Führungskräfte zeigt deutlich, dass hier ein großer Bedarf an Work-Life- Balance-Maßnahmen besteht, um die eigene berufliche Karriere mit einem gewünschten Familienleben und ggf. mit eigenen Hobbies vereinbaren zu können. Wichtige Ansatzpunkte liegen hier u. a. in der Entwicklung von flexiblen Arbeitszeit- und Arbeitsortkonzepten zur Erhöhung der Work-Life-Balance. Ein bislang noch sehr kontrovers diskutiertes Thema ist in diesem Zusam‐ menhang die Teilzeitbeschäftigung von Führungskräften. Obwohl es mehrere, auch schon ältere Studien zu diesem Thema gibt (z.B. Strümpel et al. 1988), sind teilzeitarbeitende Führungskräfte in der Praxis noch kaum verbreitet. Zentraler Grund hierfür ist das klassische Rollenbild einer (männlichen) Führungskraft, die immer präsent bzw. ansprechbar ist, lange arbeitet, auch bis spät in den Abend und am Wochenende und damit eigentlich unabkömm‐ lich ist. Natürlich ist eine umfangreiche Erreichbarkeit und Ansprechbarkeit Voraussetzung dafür, dass die zu führenden Mitarbeiter immer einen An‐ 6.7 Maßnahmen zur Unterstützung von Führungskräften 411 <?page no="412"?> sprechpartner für ihre Aufgabenbereiche haben, Entscheidungen zeitnah getroffen werden können und Probleme schnell gelöst werden können. In unserer heutigen digital geprägten Welt ermöglichen die vielfältigen und leistungsfähigen digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien eine ständige orts- und zeitunabhängige Erreichbarkeit. Darüber hinaus lie‐ ßen sich die Anforderungen an die Erreichbarkeit von Führungskräften auch mit teilzeitarbeitenden Führungskräften oder mit Job-Sharing-Modellen gut erfüllen. Die Konzepte gibt es, in der Praxis sind sie jedoch bislang kaum verbreitet. Auch die Vorstellung, dass sich eine (männliche) Führungskraft für einige Monate in Elternzeit begibt und anschließend wieder kommt, passt bislang noch kaum in das Rollenbild einer Führungskraft, schon gar nicht einer männlichen Führungskraft. Diejenigen Führungskräfte, die versuchen dieses Rollenbild zu verändern und z.B. durch Elternzeiten auch ihrer Familie mehr Zeit und Aufmerksamkeit beizumessen, haben häufig noch mit gravierenden Nachteilen und deutlich schlechteren Karriereperspektiven zu kämpfen. Hier bedarf es neuer Vorbilder, die helfen, die tradierten Rollenbilder aufzubrechen und den aktuellen Wünschen und Bedürfnissen der Führungs(-nachwuchs-)kräfte anzupassen. Erst wenige Unternehmen setzen Konzepte für teilzeitarbeitende Führungskräfte um. Für Unternehmen sollten die Führungskräfte als Zielgruppe von Work-Life-Balance-Maßnahmen jedoch außerordentlich hohe Beachtung finden, weil gerade Führungskräfte aufgrund ihrer häufig sehr hohen psy‐ chischen Belastung (Verantwortung, Zeitdruck, Stress, Vielfalt der Aufgaben und Anforderungen) nicht selten physisch und psychisch krank werden und dann ggf. langfristig dem Unternehmen nicht mehr zur Verfügung stehen. 6.7.1 Typologie der Work-Life-Balance-Orientierung von männlichen Führungskräften Stock-Homburg und Bauer (2008) haben die Work-Life-Balance Orientie‐ rung von Führungskräften untersucht und jeweils eine Typologie für männ‐ liche und eine eigene Typologie für weibliche Führungskräfte entwickelt, wobei sie jeweils separate Ansatzpunkte für Work-Life-Balance Maßnah‐ men vorschlagen. Diese Typologie wird im Folgenden vorgestellt. Führungskräfte weisen typische Muster im Umgang mit ihrer Work-Life- Balance auf, wie eine Untersuchung von ca. 300 Führungskräften des oberen Managements in Deutschland ermittelte (vgl. Stock-Homburg/ Bauer 2008). 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 412 <?page no="413"?> Zusätzlich identifizieren Stock-Homburg und Bauer (2008) unterschiedliche Verhaltensmuster zwischen männlichen und weiblichen Führungskräften, die auf multivariaten statistischen Analysen basieren. Die einzelnen Verhal‐ tensmuster werden im Folgenden vorgestellt. Bei den männlichen Führungskräften identifizierten Stock-Homburg und Bauer (2007) folgende Work-Life-Balance Typen: „unterstützter Karriereorientierter“, „immer Erreichbarer“, Isolierter“, „Beziehungsorientierter“ (vgl. Tabelle 34). Work-Life-Balance Typen von männlichen Führungskräften Typ Charakteri‐ sierung der unter‐ stützte Kar‐ riereorien‐ tierte der immer Erreichbare der Isolierte der Bezie‐ hungsorien‐ tierte Arbeits‐ freude sehr hoch hoch eher gering mittel bis hoch Vermi‐ schung Be‐ ruf / Freizeit stark sehr stark nahezu nicht teilweise privater Ausgleich eher begrenzt sehr begrenzt mittel hoch Unterstüt‐ zung durch Familie hoch eher gering gering hoch Unterstüt‐ zung durch Freunde hoch hoch gering hoch Auswirkun‐ gen auf Work-Life- Balance + -- - ++ Tabelle 34: Work-Life-Balance Typen von männlichen Führungskräften. Quelle: Stock-Homburg / Bauer 2008 S. 30. Eigene Darstellung Typ 1: Der Isolierte Für den Typ des „Isolierten“ ist seine Berufstätigkeit und seine Karriere am wichtigsten. Sie bildet seinen zentralen Lebensinhalt und sein Selbstbild ist stark von seinem beruflichen Erfolg abhängig. Demgegenüber sind 6.7 Maßnahmen zur Unterstützung von Führungskräften 413 <?page no="414"?> ihm die Familie oder Partnerschaft nicht so wichtig. Bei beruflichen Problemen bekommt er wenig Unterstützung durch das private Umfeld (Familie, Freunde) und er hat auch wenig private Kontakte. Diese relative private Isoliertheit ist ihm bewusst und erzeugt das Gefühl der Einsam‐ keit. Zunehmend hinterfragt der Isolierte seine dominierende berufliche Orientierung, was zu einer steigenden Unzufriedenheit sowohl mit seiner Berufstätigkeit als auch mit seinem Privatleben führt. Seine geringe soziale Einbindung kann sich auch negativ auf berufliche Interaktionen (z.B. Zusammenarbeit mit Kollegen, Führung von Mitarbeitern) auswirken. Eine Ausgeglichenheit zwischen Berufs- und Privatleben besteht bei dem Isolierten kaum. Geeignete Ansatzpunkte zur Verbesserung seiner Work-Life-Balance bestehen insbesondere im Aufbau sozialer beruflicher, aber auch privater Kontakte: ▸ „neue Dinge im privaten Bereich ausprobieren (z.B. Sportarten, Hob‐ bies), bei denen Gelegenheit besteht, andere Menschen kennenzuler‐ nen, ▸ Anschluss an allgemeine berufliche Netzwerke suchen, ▸ private Netzwerke mit Gleichgesinnten (z.B. Netzwerk alleinerziehen‐ der Väter) eruieren, ▸ alte Freundschaften wieder aufnehmen (z.B. über soziale Medien) und … diese diszipliniert pflegen (z.B. durch Einplanen von Zeitblöcken für soziale Aktivitäten) sowie ▸ an betrieblichen Veranstaltungen (z.B. sportlichen Events) teilneh‐ men, falls diese durch das Unternehmen angeboten werden.“ (Stock-Homburg 2011, S. 547 f.) Typ 2: Der immer Erreichbare Der „immer Erreichbare“ lebt in einer starken Vermischung zwischen Berufs- und Privatleben. Der Beruf ist ihm sehr wichtig, was sich durch ein hohes berufliches Engagement zeigt; er arbeitet viel, auch außerhalb der „normalen“ Arbeitszeiten am Abend und am Wochenende. Allerdings ist ihm auch sein Privatleben und seine Familie wichtig, durch die er auch ausgeprägte soziale Unterstützung erfährt. Die Zeit für private Aktivitäten und seine Familie ist jedoch geprägt von einer jederzeitigen Ansprechbar‐ keit für berufliche Angelegenheiten. Seine Arbeitsorientierung und das eigene Arbeitsverhalten erwartet der „immer Erreichbare“ häufig auch von seinen Kollegen und Mitarbeitern. Gesundheitlich weist dieser Typ häufig 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 414 <?page no="415"?> psychosomatische Beschwerden auf und ist stark gefährdet, an Burnout zu erkranken. Über eine Ausgeglichenheit zwischen Berufs- und Privatleben verfügt der „immer Erreichbare“ nicht bzw. kaum. Geeignete Ansatzpunkte zur Verbesserung der Work-Life-Balance könn‐ ten die folgenden sein: ▸ „für ausreichende Erholung sorgen, ▸ gewisse Grenzen der eigenen beruflichen Erreichbarkeit setzen (d. h. definitive „Offline-Zeiten“ festlegen und kommunizieren), ▸ mentales Abschalten trainieren, ▸ regelmäßige arbeitsfreie Auszeiten für Freunde und Familie einpla‐ nen, ▸ konsequent private Termine wahrnehmen, die nicht durch berufliche Einflüsse überlagert sind (d. h. weder durch Telefonate noch durch Beruf als Dauerthema) sowie ▸ persönliche Freiräume ihrer unterstellten Mitarbeiter respektieren.“ (Stock-Homburg 2011, S. 548). Typ 3: Der konsequent Beziehungsorientierte Auch der Typ des konsequent Beziehungsorientierten weist ein hohes berufliches Engagement und eine starke Arbeitsbelastung auf, was zu einer teilweisen Entgrenzung zwischen Berufs- und Privatleben führt. Im Gegen‐ satz zu den Typen 1 und 2 hält sich der konsequent Beziehungsorientierte jedoch explizite Zeiträume für sein Privatleben und seine Familie frei, in denen es auch keine beruflich bedingten Unterbrechungen gibt. Somit verfügt dieser Typ über eine recht hohe Ausgeglichenheit zwischen seinem Berufs- und Privatleben. Für diesen Typ sind Maßnahmen wichtig, die ihm helfen, die eigene Work- Life-Balance zu stabilisieren und gegebenenfalls auszubauen. Typ 4: Der unterstützte Karriereorientierte Der unterstützte Karriereorientierte hat ein ausgeprägtes berufliches Enga‐ gement und möchte auch Karriere machen. Sein privates soziales Umfeld unterstützt und entlastet ihn stark, so dass er sich voll und ganz seiner Be‐ rufstätigkeit und Karriereorientierung widmen kann und gleichzeitig durch sein Privatleben einen Ausgleich und einen „Stresspuffer“ (Stock-Homburg 2011, S. 549) im Hinblick auf seine beruflichen Belastungen hat. Dadurch verfügt dieser Typ über eine mittlere bis hohe Work-Life-Balance bzw. Ausgeglichenheit zwischen Berufs- und Privatleben. 6.7 Maßnahmen zur Unterstützung von Führungskräften 415 <?page no="416"?> Auch dieser Typ kann seine Work-Life-Balance noch durch folgende Maßnahmen verbessern: ▸ „Ausgleichsmöglichkeiten zur beruflichen Tätigkeit schaffen, ▸ auf eine gewisse Trennung von Arbeit und Privatleben achten (weni‐ ger Arbeiten an Abenden und Wochenenden), ▸ die Unterstützung der Familie und der Freunde wertschätzen und nicht als selbstverständlich hinnehmen, ▸ regelmäßige „Auszeiten“ für sich selbst und für die Partnerin reser‐ vieren sowie ▸ Offenheit und Interesse für Dinge und Probleme zeigen, die die Partnerin und gegebenenfalls die Familie betreffen.“ (Stock-Homburg 2011, S. 549). 6.7.2 Typologie der Work-Life-Balance-Orientierung von weiblichen Führungskräften Da weibliche Führungskräfte anders mit ihren beruflichen und privaten Belastungen umgehen, wurden für sie eigene Work-Life-Balance Typen identifiziert (vgl. Tabelle 35). Diese sind die „Karrierefokussierte“, die „Unabhängige“, die „Beziehungsorientierte“ und die „Familienorientierte“. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 416 <?page no="417"?> Typ Charakteri‐ sierung die Karriere‐ fokussierte die Unab‐ hängige die Bezie‐ hungsorien‐ tierte die Famili‐ enorien‐ tierte Arbeits‐ freude sehr hoch mittel sehr hoch hoch Vermi‐ schung Be‐ ruf / Freizeit stark kaum teilweise sehr stark privater Ausgleich eher gering hoch eher gering hoch Unterstüt‐ zung durch Familie hoch eher gering gering hoch Unterstüt‐ zung durch Freunde hoch hoch gering hoch Auswirkun‐ gen auf Work-Life- Balance + -- - ++ Tabelle 35: Work-Life-Balance Typen von weiblichen Führungskräften. Quelle: Stock-Homburg / Bauer 2008, S. 30. Eigene Darstellung. Typ 1: Die Beziehungsorientierte Die „Beziehungsorientierte“ weist ein hohes berufliches Engagement und entsprechende berufliche Belastungen auf. Daneben sind ihr aber auch private soziale Netzwerke wichtig, die sie ausgiebig nutzt. Sie weist eine hohe Arbeitsfreude und -zufriedenheit auf und verfügt über eine recht gute Ausgeglichenheit zwischen Berufs- und Privatleben. Dieser WLB-Typ benötigt keine Maßnahmen zur Verbesserung der eige‐ nen Work-Life-Balance. Typ 2: Die Karrierefokussierte Wie die Bezeichnung schon andeutet, dominiert bei der „Karrierefokussier‐ ten“ das Berufsleben. Demgegenüber misst sie dem Privatleben und - falls vorhanden - der Familie nur eine geringe Bedeutung bei. Daher leben ca. 50% dieser Führungsfrauen alleine; diejenigen, die in einer festen Partnerschaft leben, haben nur selten Kinder. Soziale Kontakte und das Privatleben werden 6.7 Maßnahmen zur Unterstützung von Führungskräften 417 <?page no="418"?> von der Karrierefokussierten stark vernachlässigt, was häufig zu einer sozialen Isolation führt. Diese Vereinsamung ist einigen Führungsfrauen bewusst und wird ab ca. 40 Jahren oft als Defizit erlebt. Hier besteht kein bzw. kaum ein Ausgleich zwischen Berufs- und Privatleben. Maßnahmen zur Förderung einer Work-Life-Balance sollten an folgenden Punkten ansetzen: ▸ „Darauf achten, Realitätsnähe (im Volksmund: Bodenhaftung) zu be‐ wahren (z.B. durch regelmäßiges Reflektieren des eigenen Verhaltens, unter anderem mit Vertrauten des privaten Umfeldes), ▸ sich vom Druck, selbst privat permanent „funktionieren zu müssen“ lösen, d. h. im privaten Bereich offen persönliche Bedürfnisse und Schwächen artikulieren, ▸ vermeiden, in eine „Frustrationsfalle“ zu geraten, d. h. sich die Bedeu‐ tung des eigenen Wirkens und Erfolge bewusst machen, ▸ Anbindung an berufliche oder soziale Netzwerke suchen sowie ▸ darauf achten, dass sie die zeitlichen Ansprüche an ihr eigenes, teil‐ weise überzogenes Arbeitsengagement nicht auf die direkt geführten Mitarbeiter projizieren.“ (Stock-Homburg 2011, S. 549 f.). Typ 3: Die Familienorientierte Der „Familienorientierten“ ist ihr beruflicher Erfolg auch wichtig, al‐ lerdings arbeitet sie zeitlich nicht so viel wie die anderen weiblichen WLB-Typen. Dafür übernimmt sie umfangreiche familiäre Aufgaben (z.B. Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen) und verfolgt auch andere private Interessen. Das trotz allem hohe Engagement im beruflichen und privaten Bereich führt zu einer Zerrissenheit dieser Führungsfrauen zwischen den beiden dominierenden Lebensbereichen sowie zu einem permanenten schlechten Gewissen, den verschiedenen Lebenswelten nicht gleich gut gerecht werden zu können. Private soziale Kontakte (z.B. Freundschaften) und Aktivitäten werden häufig vernach‐ lässigt. So verfügt die Familienorientierte nicht über eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Geeignete Ansatzpunkte zur Verbesserung der eigenen WLB könnten in folgenden Maßnahmen liegen: 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 418 <?page no="419"?> ▸ „sich ihre Leistungen im beruflichen wie familiären Kontext bewusst machen; d. h. aktiv am Abbau eines permanenten schlechten Gewis‐ sens arbeiten, ▸ regelmäßige Freiräume für persönliche Interessen außerhalb des beruflichen bzw. familiären Bereichs (Hobbies, Sport usw.) schaffen, ▸ regelmäßige Auszeiten mit dem Partner einplanen sowie ▸ die Unterstützung seitens des Unternehmens bzw. des privaten Umfel‐ des annehmen bzw. bei Bedarf konsequent einfordern.“ (Stock-Hom‐ burg 2011, S. 550 f.). Typ 4: die Unabhängige Die „Unabhängige“ ist beruflich stark engagiert und belastet, legt aber auch viel Wert auf ihr Privatleben und soziale Kontakte. Dabei hat sie keine so hohe Arbeitsfreude wie die Karriereorientierte, so dass den priva‐ ten Lebensbereichen eine große Bedeutung zukommt. Häufig leben die Unabhängigen in festen Partnerschaften, meist jedoch ohne Kinder und übernimmt auch wenig familiäre Aufgaben. Im Vergleich zu den anderen Typen der Führungsfrauen ist ihre Work-Life-Balance noch am ehesten ausgeglichen. 6.8 Serviceorientierte Maßnahmen Zu den serviceorientierten Maßnahmen zählen Dienstleistungen, die die Mitarbeiter bei ihren außerberuflichen Aufgaben entlasten. Dazu gehört z.B. eine Essensversorgung im Unternehmen „rund um die Uhr“ vom Frühstück über Mittagessen, Kaffee und Kuchen bis zum Abendbrot. Aber auch andere Dienstleistungen, wie z.B. (Lebensmittel-)Einkauf, Bügelservice und Reinigungsdienstleistungen, Autowaschen, Massagen etc sind bei den Mitarbeitenden beliebt. Diese meist ungeliebten Aufgaben können Unter‐ nehmen als (externe) Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten. Dadurch werden die Mitarbeiter zeitlich entlastet, was einerseits der Konzentration auf die betriebliche Leistungserfüllung zugutekommt und andererseits mehr Zeit für familiäre und private Aktivitäten bzw. Aufgaben ermöglicht. Vor allem größere Unternehmen bieten umfangreichere Serviceleistungen an, beispielhaft sei hier Google zu nennen, aber auch die Komsa AG in Hart‐ mannsdorf bei Chemnitz. 6.8 Serviceorientierte Maßnahmen 419 <?page no="420"?> 6.9 Gesundheitsorientierte Maßnahmen Die neuen Herausforderungen der Berufswelt, die neuen digitalen Tech‐ nologien, die optimierten Arbeitsprozesse und flachere Hierarchien haben zu veränderten Arbeitsbedingungen und neuen Anforderungen an die Mitarbeiter geführt (Stock-Homburg 2008; 2019). Für viele Mitar‐ beitende sind mittlerweile ein Arbeiten unter Termindruck, dauerhaft (zu) hohe Arbeitsbelastungen, Überstunden sowie eine erwartete große persönliche und zeitliche Flexibilität ganz normale Arbeitsbedingungen (vgl. Stock-Homburg 2008, S. 678), die allerdings auf die Dauer krank machen. Die Auswirkungen der physischen und psychischen dauerhaften Überlas‐ tung auf die Mitarbeiter wurden im dritten Kapitel ausführlich vorgestellt. Um ihre Mitarbeiter vor dauerhaften Überlastungen mit entsprechenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen und langen Fehlzeiten im Unterneh‐ men zu schützen, bedarf es nicht nur eines Arbeits- und Gesundheits‐ schutzes, der sich vorrangig auf die physischen Überlastungen durch die Arbeit beziehen, sondern eines umfassenden betrieblichen Gesundheits‐ managements in den Unternehmen. Ein solches Gesundheitsmanagement umfasst die Planung und Umsetzung aller Maßnahmen, die zur langfristigen psychischen und physischen Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitar‐ beiter beitragen (vgl. Meifert/ Kesting 2004, S. 8; Stock-Homburg 2008, S. 678; Stock-Homburg 2019, S. 827 ff.). Ein betriebliches Gesundheitsmanagement erstreckt sich auf die drei Phasen der Prävention, der Intervention und der Rehabilitation (vgl. Tabelle 36) (vgl. Stock-Homburg 2008, S. 702 f.; Stock-Homburg 2019, S. 827 ff.). Die Phase der Prävention umfasst den Zeitraum, bevor Mitarbeiter psychische oder physische Beeinträchtigungen erleiden. Ziel ist es hier, durch vorbeugende Maßnahmen mögliche arbeitsbedingte Beeinträchti‐ gungen von vornherein zu vermeiden. Unternehmen können sich in dieser Phase durch vielfältige Maßnahmen stark für ihre Mitarbeiter engagieren. Die Phase der Intervention umfasst den Zeitraum, in dem Mitarbeiter bereits psychische und physische Beeinträchtigungen erlitten haben und psychologische und oder medizinische Hilfe erfahren. Ziel ist hier, die Mitarbeiter für bestehende Beeinträchtigungen zu sensibilisieren, ihnen professionelle Hilfe zu vermitteln und sie bei ihrem Genesungsprozess zu 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 420 <?page no="421"?> unterstützen. Unternehmen können in dieser Phase schwerpunktmäßig sensibilisierend und unterstützend wirken, die konkrete medizinische Behandlung obliegt jedoch den externen medizinischen Fachleuten. Die Phase der Rehabilitation umfasst den Zeitraum, indem die erkrankten Mitarbeiter wieder stabilisiert und weitgehend gesundet sind und wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert werden können. Wesentliche Ziele bestehen in dieser Phase darin, die Mitarbeiter durch gute oder auch ver‐ änderte Arbeitsbedingungen bei der Wiederherstellung ihres psychischen Gleichgewichts sowie bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess zu unterstützen. Phasen und Ansatzpunkte für ein betriebliches Gesundheitsmanage‐ ment Prävention Intervention Rehabilitation Zeitpunkt Vor Eintritt einer Beeinträchtigung Während der Beein‐ trächtigung Nach Eintritt der Beeinträchtigung Ziele Vorbeugen physi‐ scher und psychi‐ scher Beeinträchti‐ gungen, Förderung der phy‐ sischen und psychi‐ schen Gesundheit Unterstützung der Behandlung physi‐ scher und psychi‐ scher Belastungsfol‐ gen Unterstützung bei der Wiederherstel‐ lung des physischen und psychischen Wohlbefindens Integration Maßnah‐ men Fitness-Kurse, Bewegung, Ernährungs- und Suchtbera‐ tung, Gesundheits‐ checks, Selbstmana‐ gementtechniken, Förderung der Resi‐ lienz der Mitarbei‐ tenden Sensibilisierung der Führungskräfte, Mitarbeiter und der Betroffenen für Be‐ lastungen Arbeitsbezogene Entlastung + Unter‐ stützung Professionelle Hilfe wichtig! Wiedereingliede‐ rung in den Arbeits‐ prozess, Unterstützung, Ent‐ lastungen, Arbeits‐ umverteilung Tabelle 36: Phasen und Ansatzpunkte für ein betriebliches Gesundheitsmanage‐ ment. Quelle: erweitert von Stock-Homburg 2008, S. 703. Eigene Darstellung. Neben den Phasen des betrieblichen Gesundheitsmanagements lassen sich verschiedene Handlungsfelder des betrieblichen Gesundheitsmana‐ gements unterscheiden, in denen das Unternehmen Maßnahmen zur Unter‐ 6.9 Gesundheitsorientierte Maßnahmen 421 <?page no="422"?> stützung der Gesundheit seiner Mitarbeiter initiieren kann (vgl. Abbildung 102). In der Unternehmensebene werden die Rahmenbedingungen für einen möglichst gesundherhaltenden Umgang mit den Mitarbeitern gestaltet. Die soziale Ebene spiegelt die zwischenmenschlichen Kontakte zwischen Füh‐ rungskräften, Mitarbeitern und Kollegen, sowie Unterstützungsmöglichkei‐ ten durch das familiäre Umfeld und Freunde bzw. Bekannte. Die psychische Ebene umfasst Verarbeitungsstrategien und Techniken des Selbstmanage‐ ments, um mit Arbeitsbelastungen gesundheitsverträglich umzugehen. Auf der physischen Ebene stehen dagegen Strategien der Ernährung, Bewegung und des Suchtverhaltens im Vordergrund, um Arbeitsbelastungen dauerhaft standzuhalten. (vgl. Stock-Homburg 2008, S. 704 f.). Betriebliches Gesundheitsmanagement Unternehmensebene Physische Ebene • Unternehmenskultur • Personalentwicklung • Arbeitsgestaltung • Gesundheitsmanagement Soziale Ebene Psychische Ebene • Ernährung • Bewegung • Suchtverhalten • Verarbeitungsstrategien • Selbstmanagement • Führungskräfte • Kollegen • Familiäres Umfeld • Freunde / Bekannte Abbildung 100: Handlungsfelder des betrieblichen Gesundheitsmanagements Wichtige Ansatzpunkte und exemplarische Maßnahmen in den verschiede‐ nen Ebenen und Phasen sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 422 <?page no="423"?> Ansatzpunkte und exemplarische Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements auf der Unternehmensebene Prävention Intervention Rehabilitation Unterneh‐ menskultur Offener und konstruktiver Umgang mit psychischen und physischen Ar‐ beitsbelastungen Explizite Erwünschtheit der Vermei‐ dung psychischer und physischer Belastungen und Beeinträchtigun‐ gen Vorleben eines gesundheitlich ver‐ träglichen Arbeitens Psychische und physische Beein‐ trächtigungen werden nicht als Schwäche gewertet, sondern als ernstzunehmende Probleme, für die entsprechende Lösungsmög‐ lichkeiten gesucht und angeboten werden Personalentwicklung Kontinuierliche Weiterentwicklung von FK und MA durch Maßnahmen der Arbeitsstrukturierung ( Job En‐ largement, Job Enrichment, Job Ro‐ tation Coaching Coaching von Führungskräften und Mitarbeitern Wiedereingliederung von Mitarbei‐ tern, die aufgrund psychischer oder physischer Probleme vorüber‐ gehend aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden sind Arbeitsgestaltung Flexibilisierung der Arbeitsorganisa‐ tion (z.B. Arbeitszeit, Arbeitsort) Unterstützung durch Zusatzleistun‐ gen (räumliche Gestaltung der Ar‐ beitsorganisation, psychologische + medizinische Betreuung Gesundheitsmanagement Gesundheits-Checks, Beratung, Ernährungsprogramme, Sportange‐ bote, Gesundheitszirkel 6.9 Gesundheitsorientierte Maßnahmen 423 <?page no="424"?> Soziale Ebene Prävention Intervention Rehabilitation Führungs‐ kräfte Konstruktives Feedback über Leis‐ tungen (fördert Stressabbau) Anerkennung guter Leistungen Regelmäßige Zielvereinbarungsge‐ spräche, Mentoring-Programme Offene Gespräche über Überlastun‐ gen führen Arbeitsentlastungen schaffen (z.B. durch Umverteilung von Aufgaben) Arbeitsdruck (zeitlich, inhaltlich) entschärfen Mentoring-Programme Entlastende Umstrukturierung der Arbeitsorganisation und Aufgaben‐ bereiche Zeitliche Freiräume schaffen Zusätzliche Erholungszeiten er‐ möglichen Klare Begrenzung der Arbeitszeit Mentoring-Programme Kollegen Teamentwicklung Förderung der Kommunikation Bildung sozialer Netzwerke Arbeitsbezogene Entlastungen durch Kollegen Ansprechen wahrgenommener Überlastungen und deren Auswir‐ kungen Unterstützung durch soziale Netz‐ werke Unterstützung durch soziale Netz‐ werke Entlastung durch Teamarbeit Familiäres Umfeld Familientage Klare Abgrenzung der Arbeitszeit von der Familienzeit Zeit für Familie nehmen Umfassende psychologische und physische Unterstützung Ausgleich und Entspannung durch Familie Klare Abgrenzung von Familienzei‐ ten (z.B. abends, am Wochenende) Freunde / Bekannte Soziale Netzwerke Zeit für Freunde / Bekannte nehmen Hobbies pflegen Psychologische Unterstützung, Ausgleich Zeit für private Aktivitäten mit Freunden/ Bekannten 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 424 <?page no="425"?> Psychische Ebene Prävention Intervention Rehabilitation Verarbei‐ tungsstrate‐ gien Selbstkontrolle (im Umgang mit Ar‐ beitsaufgaben) Arbeitsdruck relativieren Probleme / Belastungen positiv wer‐ ten (Chancen, Lerneffekte) Selbstvertrauen in die eigenen Leis‐ tungen, Optimismus in schwierigen Situationen Förderung der Resilienz der Mitar‐ beitenden Selbst Verantwortung übernehmen für eigenes Arbeitsverhalten Selbstkritik üben Arbeitsbezogenes Selbstvertrauen stärken Zufriedenheit mit eigenen Leistun‐ gen Überzogene Arbeitsanforderungen relativieren Arbeitsbezogene Selbstkontrolle Selbstvertrauen in eigene Leis‐ tungsfähigkeit Zu hohe Arbeitsanforderungen er‐ kennen und Entlastungsmöglich‐ keiten suchen Selbstma‐ nagement Konzeptioneller Arbeitsstil (Festle‐ gen von Zielen, Prioritäten, klare Ta‐ gesplanung, systematisches Arbei‐ ten) Schreibtischorganisation Zeitmanagement, strukturiertes Ar‐ beiten, Berücksichtigung der persön‐ lichen Leistungsfähigkeit im Tages‐ ablauf Identifikation von Schwachstellen im Selbstmanagement Angebote zur Verbesserung des Selbstmanagements Angebote zur Verbesserung des Selbstmanagements 6.9 Gesundheitsorientierte Maßnahmen 425 <?page no="426"?> Physische Ebene Prävention Intervention Rehabilitation Ernährung Ernährungsberatung Vielfältige Essensangebote aus öko‐ logisch kontrolliertem Anbau in der Kantine, Konkrete Beratungsangebote, Kurse für gesunde Ernährung Konkrete / individuelle Ernäh‐ rungsberatungsangebote Bewegung Bewegungs-Checks, Beratungen zum Thema Bewegung, Sportangebote Zuschüsse zu privaten Sportaktivitä‐ ten Regelmäßige Betriebsausflüge Konkrete Beratungs- und Bewe‐ gungsangebote Konkrete Bewegungsangebote Tabelle 37: Ansatzpunkte und exemplarische Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Eigene Darstellung. 6 Maßnahmen zur Umsetzung einer Work-Life-Balance 426 <?page no="427"?> 7 Umsetzung von Work-Life-Balance in der Praxis Mittlerweile gibt es zahlreiche Initiativen und viele praktische Beispiele zur Umsetzung einer größeren Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Einen großen und wichtigen Einflussbereich bilden dabei z.B. Initiativen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, von denen einige sehr bekannte Initia‐ tiven im Folgenden vorgestellt werden. Aber auch weitere Initiativen zur Unterstützung einer Work-Life-Balance werden im folgenden vorgestellt. 7.1 Projekt „Balance von Familie und Arbeitswelt“ Seit 2003 kooperiert das Bundesfamilienministerium mit der Bertelsmann Stiftung in dem gemeinsamen Projekt „Balance von Familie und Ar‐ beitswelt“. Die Kooperation umfasst „praxisorientierte Angebote zur Un‐ terstützung des Mittelstandes bei der Realisierung einer familienbewussten Arbeitswelt, Sensibilisierung der Öffentlichkeit durch Veranstaltungen und Kongresse sowie wissenschaftliche Studien und zahlreiche Publikationen“ (BMFSFJ 2012). 7.2 Unternehmensprogramm "Erfolgsfaktor Familie“ Das Unternehmensprogramm „Erfolgsfaktor Familie“ ist eine gemeinsame Initiative des Bundesfamilienministeriums mit dem DGB, Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft (BDI, BDA, DIHK, ZDH) und großen Stiftungen, die die gemeinsame Verantwortung der Politik und Wirtschaft für die Förde‐ rung einer familienfreundlicheren Arbeitswelt zum Ausdruck bringen soll. Ziel des Programms ist es, „Familienfreundlichkeit zu einem Markenzeichen der deutschen Wirtschaft zu machen“ (BMFSFJ 2012a) und Unternehmen bei der Umsetzung von familienfreundlichen Maßnahmen zu unterstützen. Schwerpunkte des Programms betreffen die Förderung des beruflichen Wiedereinstiegs nach der Elternzeit, die betrieblich unterstützte Kinder‐ betreuung, familienbewusste Arbeitszeiten sowie die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Pflege. (vgl. BMFSFJ 2012a). Die Initiative „familien‐ bewusste Arbeitszeiten“ soll Unternehmen ermutigen, ihren Mitarbeitern <?page no="428"?> vermehrt flexible und familienfreundliche Arbeitszeitmodelle anzubieten und wird vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag sowie dem Bundesfamilienministerium gefördert. Konkrete Angebote betreffen u. a. aktuelle Studien, praxisnahe Leitfäden, übersichtliche Faktenblätter sowie einen Newsletter „Erfolgsfaktor Familie“. Ziel ist es, die Unternehmen bei der Umsetzung einer familienfreundlicheren Personalpolitik zu unterstützen (vgl. BMFSFJ 2012a). 7.3 Unternehmensnetzwerk „Erfolgsfaktor Familie“ Seit 2006 besteht das Unternehmensnetzwerk „Erfolgsfaktor Familie“, das gemeinsam vom Bundesfamilienministerium und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag im Rahmen des Unternehmensprogramms „Er‐ folgsfaktor Familie“ initiiert wurde. Mittlerweile verfügt das Netzwerk bundesweit über 7799 Mitglieder (Stand Januar 2021) und gilt als das zentrale Netzwerk für Unternehmen, die sich für eine familienbewusste Personalpolitik engagieren (vgl. Erfolgsfaktor Familie 2021b: Erfolgsfaktor Familie.de. In: www.erfolgsfaktor-familie.de/ Abruf: 25.01.2021). Das Netz‐ werk umfasst eine Kontakt-, Wissens- und Themenplattform, auf denen Beispiele familienfreundlicher Maßnahmen präsentiert werden, Unterneh‐ men Erfahrungsberichte einstellen können und bei Bedarf Ansprechpartner vermittelt werden. Gesteuert wird das Netzwerk von einem serviceorien‐ tierten Netzwerkbüro. 7 Umsetzung von Work-Life-Balance in der Praxis 428 <?page no="429"?> Abbildung 101: Homepage des Unternehmensnetzwerkes Erfolgsfaktor Fami‐ lie. Quelle: Erfolgsfaktor Familie 2021b: In: www.erfolgsfaktor-familie.de/ Abruf: 25.01.2021. 7.4 „Unternehmenswettbewerb 2012“ Der Unternehmenswettbewerb 2012 wurde am 12. Oktober 2011 vom Bun‐ desfamilienministerium und der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände initiiert. Schirmherrin des Wettbewerbs ist die Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel und als Partner unterstützen die Spitzenverbände BAD, DIHK, ZDH und der DGB den Wettbewerb. Bis zum 9.12.2011 haben sich 530 Unterneh‐ men beworben. Das waren deutlich mehr Unternehmen als bei den früheren Unternehmenswettbewerben in den Jahren 2005 und 2008. Ausgezeichnet werden sollen Unternehmen, die ihren Mitarbeitern innovative Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie anbieten und damit auch Vorbilder für andere Unternehmen bzw. Organisationen sind. Die Jury des Unternehmenswettbewerbs bestand aus Vertretern der Politik, der Spitzen‐ verbände, der Wissenschaft und der Medien. In die Endrunde gelangten 42 Unternehmen, die in kleine (bis 99 Mitarbeiter), mittelgroße (100 bis 1.000 Mitarbeiter) und große Unternehmen (mehr als 1000 Mitarbeiter) klassifiziert wurden. Von diesen 42 Endrundenteilnehmern wurden folgende Unternehmen 7.4 „Unternehmenswettbewerb 2012“ 429 <?page no="430"?> als „die familienfreundlichsten Unternehmen Deutschlands“ ausgewählt (vgl. Tabelle 38). Die Preisverleihung fand am 2. Mai 2012 in Berlin statt: Preisträger des Unternehmenswettbewerbs „Erfolgsfaktor Familie“ 2012 Kategorien Unternehmen als Preisträger Gesamtsieger • Robert Bosch GmbH (Großunternehmen) • Aareon AG (Mittlere Unternehmen) • Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungssozietät Döcker Wigger Lührmann (Kleine Unternehmen) Sonderpreis „Familienbe‐ wusste Arbeits‐ zeiten“ • Globus SB-Warenhaus Holding GmbH & Co KG (Großunternehmen) • GP Grenzach Produktions GmbH (Mittlere Unterneh‐ men) • Bauunternehmen Krieger + Schramm GmbH & Co. KG (Kleine Unternehmen) Sonderpreis „Beruf und Pflege“ • Siemens AG (Großunternehmen) • Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz (Mittlere Unternehmen) Sonderpreis „In‐ novation“ • Brose Fahrzeugteile GmbH & Co KG Tabelle 38: Preisträger des Unternehmenswettbewerbs „Erfolgsfaktor Familie 2012“. Quelle: Erfolgsfaktor Familie 2012d). Eigene Darstellung. Die Preisträger und ihre familienfreundlichen Angebote für die Mitarbeiten‐ den werden im Folgenden vorgestellt. Sie zeigen, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben von den Unternehmen schon vor rund zehn Jahren ernst genommen wurden und seitdem auch nicht an Aktualität verloren haben. 7 Umsetzung von Work-Life-Balance in der Praxis 430 <?page no="431"?> Praxisbeispiel „Familienzeit“ bei der Robert Bosch GmbH „Bei der Robert Bosch GmbH wird der Zeitraum, in dem Beschäftigte Kinder betreuen oder Angehörige pflegen, als so genannte „Familienzeit“ gewürdigt. Die Familienzeit können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch als Karrie‐ rebaustein einbringen.“ (Quelle: Robert Bosch GmbH). Unternehmen: Robert Bosch GmbH Ort: Stuttgart, Bundesland: Baden-Württemberg Branche: Sonstige (Technologie und Dienstleistungen) Mitarbeiterzahl: 119.000 Karriereschub durch die Familie: Die Robert Bosch GmbH fördert eine familienfreundliche Unternehmenskultur Bereits seit Mitte der 1990er Jahre bietet Bosch seinen Mitarbeitern flexible Arbeitszeitmodelle zur Vereinbarung von Beruf und Familie an. Aktuell gibt es „mehrere Hundert Teilzeitmodelle … auf allen Hierarchieebenen“. Ca. 25% der weiblichen Führungskräfte arbeiten bei Bosch in Teilzeit. Mit dem Projekt „MORE“, das 2011 ins Leben gerufen wurde, sollen „Füh‐ rungskräfte als Vorbilder für flexibles und familienfreundliches Arbeiten“ sen‐ sibilisiert und gewonnen werden. Derzeit arbeiten ca. 100 Führungskräfte bei Bosch in Deutschland in Teilzeit oder im Homeoffice, um so ihre Berufstätigkeit mit familiären Verpflichtungen vereinbaren zu können. Zentrales Element der Familienfreundlichkeit ist bei Bosch eine familien‐ freundliche Unternehmenskultur. Diese wird auch an den Karriereper‐ spektiven für Eltern deutlich. So werden Betreuungszeiten für Kinder der pflegebedürftige Familienangehörige als sog. „Familienzeit“ bei der weiteren beruflichen Entwicklung als Karrierebaustein berücksichtigt. Dadurch erfährt die Familienzeit als Lebenserfahrung besondere Wertschätzung, in der die betreuenden Eltern auch zusätzliche Sozialals auch Managementkompetenzen erwerben. Unterstützt werden die Mitarbeiter von Bosch durch verschiedene interne Netzwerke, wie z.B. „papas@bosch“,„women@bosch“ und „family@bosch“, die dem Erfahrungsaustausch und der gegenseitigen Unterstützung der Mitarbeiter dienen. Um die Berufstätigkeit mit Pflegeanforderungen vereinbaren zu können, bietet Bosch seinen Mitarbeitern die Möglichkeit von Teilzeitstellen oder Arbeiten im Homeoffice an, aber auch die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis bis zu drei Jahren ruhen zu lassen. Zusätzlich werden pflegespezifische Beratungsangebote von Bosch in Kooperation mit einschlägigen Dienstleistern angeboten. Praxisbeispiel 13: Robert Bosch GmbH. Quelle: vgl. Erfolgsfaktor Familie 2012e Praxisbeispiel Robert Bosch GmbH. Auf ihrer Homepage im Internet informiert die Robert Bosch GmbH in der Rubrik Beruf und Karriere anschaulich über weitere familienfreundliche Angebote des Unternehmens (vgl. Robert Bosch 2012). 7.4 „Unternehmenswettbewerb 2012“ 431 <?page no="432"?> Praxisbeispiel Ferienprogramme und innovative Betriebsvereinbarun‐ gen zur Arbeitszeit bei der Aareon AG „Durch Ferienprogramme unterstützt die Aareon AG seine Beschäftigten schon seit vielen Jahren bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.“ (Quelle: Aareon AG). Unternehmen: Aareon AG Ort: Mainz, Bundesland: Rheinland-Pfalz Branche: Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen, Grundstücks- und Wohnungswesen Mitarbeiterzahl: 756 Innovative Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit: Bezahlte Freistellung in Sonderfällen Die Aareon AG bietet Informationstechnologien für die Immobilienbranche an. Bereits seit längerer Zeit bietet die Aareon AG im Zuge ihrer familienori‐ entierten Unternehmenskultur ihren Mitarbeitern Modelle zur Teilzeitarbeit und zur Arbeit im Homeoffice an, Kindertagesstättenplätze, Eltern-Kind-Bü‐ ros an unterschiedlichen Standorten sowie Ferienprogramm für Kinder und Familientage. Zusätzlich besteht eine Kooperation zu einem externen Familien‐ service-Dienstleister, den die Mitarbeiter bei Fragen der Pflege, Kinderbetreu‐ ung oder familiären Belastungen in Anspruch nehmen können. Neu ist das Angebot des Unternehmens, Mitarbeiter in familiären Notsituationen (z.B. für einen plötzlich eintretenden familiären Pflegefall oder die Betreuung eines längerfristig erkrankten Kindes) bis zu sechs Wochen bezahlt freizustellen. Die Beschäftigten können die versäumte Arbeitszeit innerhalb von einem Jahr nach dem Ende der Freistellung nacharbeiten. Verankert ist dieses innovative Angebot in einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Der große Vorteil die‐ ses Angebotes besteht darin, dass von Notsituationen betroffene Mitarbeiter kurzfristig eine bezahlte berufliche Auszeit nehmen können, um Zeit für akute familiäre Problemsituationen zu haben. Zusätzlich erfolgt im Unternehmen eine intensive Auseinandersetzung und Kommunikation mit dem Thema Beruf und Pflege, das auch von der Geschäftsleitung intensiv begleitet wird und den Mitarbeitern werden spezifische pflegeorientierte Beratungs- und Hilfsangebote unterbreitet. Erstmals hat sich die Aareon AG im Jahr 2008 an dem Audit „berufundfamilie“ beteiligt und wurde im Jahr 2011 erfolgreich rezertifiziert, insbesondere aufgrund ihres Engagements im Bereich Kinderbetreuung und Pflege. Praxisbeispiel 14: Preisträger Aaeron AG. Quelle: vgl. Erfolgsfaktor Familie 2012f: Preisträger Aaeron AG. 7 Umsetzung von Work-Life-Balance in der Praxis 432 <?page no="433"?> Praxisbeispiel: Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungssozietät Dö‐ cker Wigger Lührmann „Die Mitarbeiterkinder der Kanzlei werden freitags, samstags sowie in den Schulferien in einem Mehrgenerationenhaus betreut. Mit diesem Angebot schließt DWL eine Betreuungslücke und hilft den Beschäftigten, Familie und Beruf gut zu vereinbaren“. (Steuerberatungsu. Wirtschaftsprüfungssozietät Döcker Wigger Lührmann). Unternehmen: Steuerberatungsu. Wirtschaftsprüfungssozietät Döcker Wig‐ ger Lührmann Ort: Rheine, Bundesland: Nordrhein-Westfalen Branche: Erbringung von sonstigen öffentlichen und persönlichen Dienstleis‐ tungen Mitarbeiterzahl: 38 Kinderbetreuung im Notfall und in den Ferien Auch kleine Unternehmen, wie die Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungs‐ sozietät Döcker Wigger Lührmann mit ihren 38 Mitarbeiterinnen, können ihre Mitarbeiter gezielt bei der Vereinbarung ihres Berufs- und Familienlebens un‐ terstützen. Schwerpunkte setzt das Unternehmen dabei auf die Kinderbetreuung und die Pflege. Um die Qualifikation der Mitarbeiter während einer Elternzeit oder Pflegezeit auf dem aktuellen Stand zu halten, bietet die Kanzlei ihren Mitarbeitern Weiter‐ bildungen und Schulungen an. Bei der Kinderbetreuung kooperiert das Unternehmen mit einem Mehrgenera‐ tionenhaus in Rheine in der Nähe des Unternehmensstandortes. Die Kinder der Mitarbeiter können hier kostenlos (die Betreuungskosten werden vom Unternehmen getragen) in den Schulferien sowie an Freitagen und Samstagen von Fachkräften betreut werden. Hinsichtlich der Gestaltung der Arbeitszeit bietet die Kanzlei den Mitarbeitern individuell zugeschnittene Arbeitszeitmodelle an. Diese umfassen die Dauer der Arbeitszeit (von 8 Stunden bis 35 Stunden) sowie auch die Lage der Arbeitszeit, die individuell an die Zeiten der Kinderbetreuung im Kindergarten an die Stundenpläne der Schulkinder angepasst werden können. Weiter stellt die Kanzlei ihren Mitarbeitern Informationsangebote und eine Be‐ ratung zum Thema Beruf und Pflege durch eine eigene Expertin zur Verfügung. Praxisbeispiel 15: Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungssozietät Döcker Wigger Lührmann. Quelle: Erfolgsfaktor Familie 2012g: Praxisbeispiel Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungssozietät Döcker Wigger Lührmann. 7.4 „Unternehmenswettbewerb 2012“ 433 <?page no="434"?> Praxisbeispiel Bauunternehmen Krieger + Schramm GmbH & Co. KG Unternehmen: Bauunternehmen Krieger + Schramm GmbH & Co. KG Ort: Dingelstädt, Bundesland: Thüringen Branche: Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen, Grundstücks- und Wohnungswesen Mitarbeiterzahl: 68 „Vier-Tage-Woche für Baufachleute auf Montage schafft Zeit für die Familie“ Das Leistungsspektrum des Bauunternehmen Krieger + Schramm umfasst die Projektentwicklung sowie die Erstellung von Rohbauten und kompletten schlüs‐ selfertigen Häusern. Seinen 70 Mitarbeitern bietet das Unternehmen auch bei schankender Auftragslage umfangreiche familienorientierte Angebote. Dabei ist die Familienorientierung wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskultur. Familienorientierte Angebote gibt es in folgenden Bereichen: Bei der Kinderbetreuung werden die Mitarbeiter vom Unternehmen finanziell bei den Betreuungskosten unterstützt, auch können die Kinder in Sondersitua‐ tionen mit ins Unternehmen gebracht werden. Nach der Elternzeit bietet das Unternehmen seinen Mitarbeitern einen mehrstu‐ figen Wiedereinstieg mit unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen an. Ein außergewöhnliches Arbeitszeitmodell gibt es für die Baufachleute, die meist auf Montagen, d. h. an örtlich wechselnden Baustellen, arbeiten. Sie haben die Möglichkeit, ihre Vollzeit-Tätigkeit in vier Tagen pro Woche abzuleisten, und gewinnen dadurch z.B. den Freitag als freien Tag. Konkret bedeutet das, dass die Baufachleute vier Tage pro Woche (z.B. von Montag bis Donnerstag) arbeiten und dafür drei Tage (z.B. von Freitag bis Sonntag) Freizeit haben, die sie für ihre Familie oder ihr Privatleben nutzen können. Praxisbeispiel 16: Bauunternehmen Krieger + Schramm GmbH & Co. KG. Quelle: Erfolgsfaktor Familie 2012h: Praxisbeispiel Bauunternehmen Krieger + Schramm GmbH. Mittlerweile (Stand Januar 2021) scheint es diesen Unternehmenswettbe‐ werb im Netzwerk Erfolgsfaktor Familie nicht mehr zu geben. Dafür werden auf den Internetseiten des Netzwerkes Erfolgsfaktor Familie viele Praxisbei‐ spiele von Unternehmen und Institutionen veröffentlicht, die sich besonders für die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeitenden engagieren (vgl. Abbildung 104). Dies unterstreicht nochmals die weiterhin hohe Aktualität des Themas Work-Life-Balance für die Arbeitgeber. 7 Umsetzung von Work-Life-Balance in der Praxis 434 <?page no="435"?> Abbildung 102: Praxisbeispiele zu Work-Life-Balance Maßnahmen von Unterneh‐ men. Quelle: Erfolgsfaktor Familie 2021c. In: www.erfolgsfaktor-familie.de/ zum-nac hmachen-erfahrungen-aus-dem-arbeitsleben.html. Abruf: 25.01.2021. 7.5 Audit Beruf und Familie der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung Die gemeinnützige Hertie-Stiftung initiierte und entwickelte das Audit Beruf und Familie („audit berufundfamilie“). Es ist ein Managementinstru‐ ment, das die familienbewusste Personalpolitik in Unternehmen fördern soll. In dem Audit werden aktuelle personalpolitische Maßnahmen der Unternehmen begutachtet, aber auch Entwicklungspotenziale für die Unter‐ nehmen aufgezeigt und Unterstützung bei der Entwicklung und Umsetzung 7.5 Audit Beruf und Familie der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung 435 <?page no="436"?> familienorientierter Maßnahmen angeboten (vgl. BMFSFJ 2011a.: www.bm fsfj.de/ BMFSFJ/ familie,did=68988.html). Ziel des Audits ist es, Unternehmen für die Einführung familienfreundli‐ cher Maßnahmen zu motivieren und sie bei der Entwicklung individueller Unternehmensmaßnahmen auch zu unterstützen. Für die Durchführung des Audits wurde die berufundfamilie gGhmH gegründet, die vom Bundesfami‐ lienministerium aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert wird (vgl. Homepage der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung. In: www.berufundfa milie.de/ wir-uber-uns/ hertie-stiftung. Abruf: 25.01.2021). Mittlerweile haben sich fast 1.000 Unternehmen, Institutionen und Hoch‐ schulen an dem Audit „BerufundFamilie“ beteiligt. Dazu gehören auch die Bundesregierung mit allen Bundesministerien, dem Bundeskanzleramt, dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, weitere Bundes‐ behörden sowie die Deutsche Bank (vgl. BMFSFJ 2011a: www.bmfsfj.de/ B MFSFJ/ familie,did=68988.html, Mi 25.05.2011). Allein in 2012 wurde 370 Unternehmen, Institutionen und Hochschulen erfolgreich auditiert. Eine Übersicht über alle bislang auditierten Organisationen findet sich unter Beruf und Familie o.J.: www.beruf-und-familie.de/ index.php? c=46. Der „berufundfamilie“-Index wurde vom Forschungszentrum Famili‐ enbewusste Personalpolitik (FFP9) im Auftrag der berufundfamilie gGmbH entwickelt. Es ist ein Instrument, mit dem die Unternehmen die Stärken ihrer familienorientierten Personalpolitik sowie weitere Entwicklungspotenziale identifizieren können (vgl. BMFSFJ 2011a: www.bmfsfj.de/ BMFSFJ/ familie ,did=68988.html Mi 25.05.2011). Der Index misst drei wesentliche Bereiche einer familienorientierten Personalpolitik. Dazu gehören (vgl. www.bmfsfj .de/ BMFSFJ/ familie,did=68988.html, Mi 25.05.2011): ▸ Der Dialog zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten ▸ Konkrete betriebliche Maßnahmen zur Förderung der Familien‐ freundlichkeit bzw. der Vereinbarkeit des Berufsmit dem Familien‐ leben ▸ Die Ausprägung einer familienorientierten Unternehmenskultur Der Prozess der Auditierung des audit „berufundfamilie“ umfasst fol‐ gende drei Schritte (vgl. BMFSFJ 2010a: www.bmfsfj.de/ BMFSFJ/ familie ,did=112636.html, Fr 11.06.2010): 7 Umsetzung von Work-Life-Balance in der Praxis 436 <?page no="437"?> 1. Die bestehenden Rahmenbedingungen im Unternehmen für eine Vereinbarung des Berufsmit dem Familienleben sowie bereits beste‐ hende konkrete Maßnahmen werden von einer Projektgruppe des Unternehmens und dem Auditor erfasst. Wesentliches Instrument hierbei ist ein 21 Fragen umfassender Fragebogen (vgl. www.beruf-u nd-familie.de/ index.php? c=44&cms_det=340). 2. Auditor und Projektgruppe entwickeln verbindliche familienorien‐ tierte Ziele und weitere Maßnahmen zur Förderung der Familien‐ freundlichkeit des Unternehmens (z.B. Maßnahmen zur Unterstüt‐ zung bei der Kinderbetreuung, flexiblere Arbeitszeiten, Maßnahmen zum Wiedereinstieg nach der Elternzeit) 3. Die Zielerreichung wird nach drei Jahren überprüft. Konnten Ziele nicht erreicht werden, gilt es, neue realistische familienorientierte Ziele zu vereinbaren und entsprechende Maßnahmen zu entwickeln. Ein Netzwerk der auditierten Organisationen unterstützt diese bei ihrem Erfahrungsaustausch und bietet Informationen und Unterstützung zu kon‐ kreten familienbezogenen Themenbereichen. Insgesamt ist das Audit „be‐ rufundfamilie“ ein interessantes Instrument zur Förderung einer familien‐ orientierten Personalpolitik in Unternehmen und anderen Organisationen (u. a. auch Hochschulen), wobei die individuelle Situation der jeweiligen Organisation berücksichtigt wird. 7.6 Freiburger Netzwerk Familienbewusste Unternehmen Das Freiburger Netzwerk Familienbewusste Unternehmen ist ein Zusammen‐ schluss von Freiburger Unternehmen, denen die Familienfreundlichkeit wichtig ist (vgl. Netzwerk Familienbewusste Unternehmen 2021). Das Netzwerk för‐ dert den Austausch von Erfahrungen und Problemlösungen zur Umsetzung einer familienfreundlichen Unternehmenspolitik (vgl. Homepage des Freibur‐ ger Netzwerkes familienbewusste Unternehmen. In: www.freiburg.de/ pb/ ,L de/ 227292.html#: ~: text=Im%20Netzwerk%20Familienbewusste%20Unternehme n%20haben%20sich%20Freiburger%20Unternehmen,und%20L%C3%B6sungen% 20f%C3%B6rdern%20anstehende%20Themen%20und%20Interessen%20bearbeit en. Abruf: 25.01.2021). 7.6 Freiburger Netzwerk Familienbewusste Unternehmen 437 <?page no="438"?> 7.7 Netzwerk Familienbewusste Unternehmen Bonn / Rhein-Sieg Das Netzwerk Familienbewusste Unternehmen Bonn / Rhein-Sieg ist im Herbst 2013 aus dem Zusammenschluss des Kompetenzzentrums Frau & Beruf Bonn/ Rhein-Sieg mit vier regionalen Betrieben entstanden (vgl. Netz‐ werk Familienbewusste Unternehmen Bonn/ Rhein-Sieg 2021: Homepage. In: https: / / familienbewussteunternehmen.de/ netzwerk/ . Abruf: 25.01.2021). Zu Beginn des Jahres 2021 umfasst das Netzwerk knapp 90 kleine und mit‐ telständische Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen. Das Ziel des Netzwerkes besteht in der Förderung und Unterstützung familienfreundli‐ cher Unternehmen, um so auch den Wirtschaftsstandort Bonn/ Rhein-Sieg zu stärken (vgl. Netzwerk Familienbewusste Unternehmen Bonn/ Rhein-Sieg 2021: Homepage. In: https: / / familienbewussteunternehmen.de/ netzwerk/ . Abruf: 25.01.2021. Abbildung 103: Homepage des Netzwerkes Familienbewusste Unternehmen Bonn/ Rhein-Sieg. Quelle: Netzwerk Familienbewusste Unternehmen Bonn/ Rhein-Sieg 2021: Homepage. In: https: / / familienbewussteunternehmen.de/ netzwerk/ . Abruf: 25.01.2021. 7 Umsetzung von Work-Life-Balance in der Praxis 438 <?page no="439"?> 7.8 Rankings zur Work-Life-Balance von Unternehmen Neben den vielfältigen existierenden Initiativen und Netzwerken zur Ver‐ besserung der Vereinbarkeit der verschiedenen Lebenswelten gibt es seit einigen Jahren auch Rankings zur Work-Life-Balance von Unternehmen von unterschiedlichen Initiatoren. Beispielsweise erstellt die Unternehmensbe‐ wertungsplattform KUNUNU gemeinsam mit dem Industrieverband Büro und Arbeitswelt e. V. nicht nur Rankings über die besten Arbeitgeber in Deutschland, sondern auch in unregelmäßigen Zeiträumen Rankings über Arbeitgeber mit der besten Work-Life-Balance. Das neueste Ranking wurde im Juli 2020 durchgeführt. Die Ergebnisse zeigt die Abbildung 109. Abbildung 104: KUNUNU Ranking der Arbeitgeber mit der besten Work-Life-Balance. Quelle: KUNUNU 2020: TOP 10 Arbeitgeber mit der besten Work-Life-Balance 2020. Vom 29.07.2020. In: https: / / news.kununu.com/ beste-arbeitgeber-work-life-balance -deutschland-oesterreich-schweiz/ Abruf: 28.01.2021. 7.8 Rankings zur Work-Life-Balance von Unternehmen 439 <?page no="440"?> Aber auch andere Internetportale und Institutionen erstellen Arbeitgeber‐ rankings im Hinblick auf die angebotenen Work-Life-Balance Maßnahmen. Häufig resultieren die Bewertungen aus den Angaben von Mitarbeitenden. So lässt auch Glassdoor als Internetportal für Stellensuche, Arbeitgeber‐ wertungen und weitere arbeitsbezogene Themenstellungen von Nutzern ein Ranking ihrer Arbeitgeber im Hinblick auf das Angebot an Work-Life- Balance Maßnahmen erstellen. Das derzeit aktuellste Ranking ist aus dem Jahre 2019 und findet sich auf der Homepage von Glassdoor. Abbildung 105: Arbeitgeberranking hinsichtlich der Work-Life-Balance Maßnahmen von Unternehmen von Glassdoor. Quelle: Altmann 2019: Welche Unternehmen bie‐ ten die beste Work-Life-Balance in Deutschland. In: Glassdoor: www.glassdoor.de/ bl og/ in-diesen-20-unternehmen-gibts-die-beste-work-life-balance/ Abruf: 25.01.2021. 7 Umsetzung von Work-Life-Balance in der Praxis 440 <?page no="441"?> 8 Wirkungen von Work-Life-Balance Maßnahmen Durch die Umsetzung von Work-Life-Balance Maßnahmen können viel‐ fältige Verbesserungen und Vorteile erreicht werden, die sich nicht nur auf die individuelle Work-Life-Balance positiv auswirken, sondern auch für Unternehmen einen wirtschaftlichen Nutzen stiften als auch für die Gesellschaft insgesamt vorteilhaft sind. Insofern besteht hier eine dreifache „Win-Win-Win-Situation“ (vgl. Collatz/ Gudat 2011, S. 69), die in Abbildung 106 visualisiert wird. Natürlich verursacht die Umsetzung von Work-Life- Balance Maßnahmen auch Kosten, die von allen Beteiligten mit eingeplant und berücksichtigt werden müssen. Work- Life- Balance Konzepte und Maßnahmen Unternehmen Gesellschaft Individuum • Neue verträglichere Lebensentwürfe • Durchsetzung veränderter Rollenbilder • Berücksichtigung individueller Lebensphasen • Geringere physische und psychische Belastungen • Steigende Gesundheit • Qualifikations- und Kompetenzvielfalt • Mehr soziale Kontakte • Steigende soziale Verantwortung • Steigende Wertschöpfung durch Erwerbstätigkeit von gut ausgebildeten Müttern • Nutzung des Humankapitals und individuellen Wissens • Bevölkerungszuwachs durch mehr Familien mit Kindern • Steigende Lebenszufriedenheit • Bessere Gesundheit • Soziale Absicherung durch existenzsichernde Beschäftigungen • Stärkung der gesellschaftlichen Chancengleichheit • Steigende Arbeitszufriedenheit, Leistungsbereitschaft und Motivation • Höhere Mitarbeiterbindung • Geringere Kosten durch Fehlzeiten + Fluktuation • Gewinn an Qualifikations- und Kompetenzvielfalt • Höhere Arbeitgeberattraktivität Abbildung 106: Individuelle, unternehmensbezogene und gesellschaftliche Wirkun‐ gen von Work-Life-Balance Konzepten und Maßnahmen. Eigene Darstellung. <?page no="442"?> 8.1 Wirkungen auf die Individuen Im Zentrum der Auseinandersetzung um eine Verbesserung der Vereinbar‐ keit der verschiedenen Lebenswelten sollte immer das Individuum stehen. So dienen alle Konzepte und Maßnahmen letztlich dazu, für die einzelne Person (ob Mutter, Vater, Mitarbeiter, Tochter, Sohn, Single oder Führungs‐ kraft) eine höhere Vereinbarkeit ihrer individuellen Work-Life-Balance zu erreichen. Gelingt dies, so resultieren daraus für alle Akteure (Individuen, Arbeitgeber, Gesellschaft positive Wirkungen. Betrachten wir jedoch zuerst die positiven individuellen Wirkungen und Nutzen einer verbesserten Work-Life-Balance: Neue verträglichere Lebensentwürfe Eine höhere Vereinbarkeit der verschiedenen Lebensbereiche ermöglicht neue verträglichere Lebensentwürfe für die Beschäftigten. Gerade eine höhere Vereinbarkeit des Berufslebens mit dem Familien- und Privatleben eröffnet vielen Menschen die Möglichkeit, verschiedene Lebensbereiche ähnlich intensiv zu leben. Entscheidungen für oder gegen einen Bereich, wie das heute noch so oft bei Frauen der Fall ist, die sich entweder für die berufliche Karriere oder für die Familie (mit Kindern) entscheiden müssen, wären nicht mehr nötig. Stattdessen könnten insbesondere Frauen bzw. auch Eltern ihre Wünsche nach einer beruflichen Karriere und einer Familie (mit Kindern) verwirklichen. D.h., statt des bisherigen „entweder - oder“ wären viel mehr Perspektiven eines „sowohl - als auch“ möglich (vgl. Collatz/ Gudat 2011, S. 75). Aber auch Väter könnten ihrem zunehmenden Wunsch einer höheren Familienorientierung nachgehen und sich z.B. auch als Teilzeitbeschäftigte bzw. Teilzeit-Führungskräfte sowohl ihrem Beruf als auch ihrer Familie und ihren Kindern intensiv widmen. Daraus würde eine höhere Zufriedenheit mit den individuell gewünschten Lebensbereichen resultieren, die sich positiv auf das eigene Wohlbefinden, die eigene Gesund‐ heit sowie das soziale Umfeld auswirken würden. Doch auch Wünsche und Aktivitäten in anderen privaten Lebensbereichen könnten bei einer höheren Vereinbarkeit intensiver ausgelebt werden (z.B. Reisen, Sport, soziale oder ehrenamtliche Aktivitäten). Etablierung sich verändernder Rollenbilder Die leichtere Vereinbarkeit verschiedener Lebensbereiche könnte auch die Etablierung der sich bereits seit einiger Zeit verändernden geschlecht‐ lichen Rollenbilder unterstützen. So geht die steigende Rollenvielfalt so‐ 8 Wirkungen von Work-Life-Balance Maßnahmen 442 <?page no="443"?> wohl bei Frauen als auch bei Männern bislang oft noch mit erheblichen Benachteiligungen (z.B. im Hinblick auf persönliche Karrieren oder die Anerkennung der übernommenen Rollenvielfalt) als auch mit meist zu hohen physischen und psychischen Belastungen der Individuen einher. Work-Life-Balance-Maßnahmen sind hier ein sehr wichtiger Ansatzpunkt zur Entlastung der Individuen sowie auch zur Anerkennung neuer, viel‐ schichtigerer Rollenbilder. Stärkere Orientierung an individuellen Lebensphasen Work-Life-Balance Maßnahmen können so gestaltet werden, dass sie auch die individuellen Lebensphasen der Beschäftigten stärker berücksichtigen. Existieren beispielsweise in den Unternehmen flexible Arbeitszeit- und Arbeitsplatzkonzepte, die variabel an die jeweilige Lebensphase und persön‐ liche Situation der Mitarbeitenden angepasst werden können, so könnten Arbeitnehmer je nach Lebensphase und Gewichtung ihrer verschiedenen Lebensbereiche diese wesentlich konfliktfreier aufeinander abstimmen und ausleben. Zeiten intensiver beruflicher Arbeit könnten sich mit eher fa‐ milienorientierten Lebenszeiten (z.B. durch die Gründung einer Familie) abwechseln, ohne dass ein Lebensberiech völlig aufgegeben werden muss oder mehrere Lebensbereiche nur mit dauerhaften Überanstrengungen gelebt werden können. Reduzierter Stress und steigende Gesundheit Eine höhere Vereinbarkeit der verschiedenen persönlichen Lebensbereiche reduziert insgesamt die täglichen physischen und psychischen Überlas‐ tungen der Menschen, die aus einem anforderungs- und arbeitsreichen Berufsleben sowie ggf. einem ressourcenzehrenden Familien- oder Privatle‐ ben mit Kinderbetreuungspflichten oder der Versorgung pflegebedürftiger Angehöriger oder auch der Inanspruchnahme durch zeitintensive Hobbies resultieren. Dadurch ließe sich insgesamt der Gesundheitszustand vieler Individuen verbessern, was auch einen wichtigen Beitrag zu einem qualita‐ tiv hochwertigen täglichen Leben sowie einer höheren Lebenserwartung darstellt. Steigerung sozialer Kontakte und Verantwortung Soziale Kontakte und Beziehungen benötigen Zeit und eine gewisse Ausge‐ glichenheit der Individuen. Menschen, die ständig zwischen ihrem Berufs- und Privatleben hin und her hetzen, haben weder Zeit noch Muße für einen intensiveren Auf- und Ausbau sozialer Beziehungen, die jedoch für 8.1 Wirkungen auf die Individuen 443 <?page no="444"?> das Leben in unserer sozialen Gemeinschaft überaus wichtig sind. So könn‐ ten Maßnahmen, die die Vereinbarkeit der verschiedenen Lebensbereiche unterstützten, gleichzeitig auch die Entwicklung sozialer Kontakte, auch außerhalb des engen familiären Umfeldes, fördern. Dies wiederum wäre nicht nur für den Einzelnen bereichernd und in Krisensituationen hilfreich, sondern würde auch den sozialen Zusammenhalt innerhalb unserer Gesell‐ schaft stärken. Qualifikations- und Kompetenzvielfalt durch Rollenvielfalt Erleichterungen zur Übernahme mehrerer und unterschiedlicher Rollen fördern u. a. die Qualifikations- und Kompetenzentwicklung und -vielfalt der Menschen. Engagieren sich beispielsweise Eltern sowohl im Berufsleben als auch in der Kindererziehung, so erwerben sie dadurch jeweils spezifische Qualifikationen und Kompetenzen, die für den jeweils anderen Lebensbe‐ reich ausgesprochen wertvoll sind. Diese gegenseitige Bereicherung und der Erwerb ganz unterschiedlicher Qualifikationen und Kompetenzen wird erst durch eine höhere Vereinbarkeit der verschiedenen Lebensbereiche ermöglicht. 8.2 Wirkungen auf die Unternehmen Die Wirkungen von im Unternehmen implementierten Work-Life-Balance Maßnahmen sind sehr vielfältig, allerdings immer von der individuellen Un‐ ternehmenssituation abhängig. Grundsätzlich lassen sich jedoch folgende positive Auswirkungen, die durch die Einführung von Work-Life-Balance Maßnahmen im Unternehmen erreicht werden können, aufzeigen: Angebote zur besseren Vereinbarkeit der verschiedenen Lebensbereiche werden insbesondere die Arbeitszufriedenheit, aber auch die Leistungsbe‐ reitschaft und Motivation der aktuell beschäftigten Mitarbeiter steigern. Zusätzlich fördern Work-Life-Balance Maßnahmen die Bindung der Mit‐ arbeiter an ihren Arbeitgeber, denen so eine bessere Vereinbarkeit ihrer persönlich wichtigen Lebensbereiche ermöglicht wird. Gar nicht hoch genug kann der Nutzen der psychischen und physischen Entlastung durch Work-Life-Balance Maßnahmen gewertet werden. Die Kosten, die Unternehmen durch eine physische oder psychische Erkrankung dauerhaft überlasteter Mitarbeiter entstehen, sind um ein Vielfaches höher als die Kosten der Einführung von Work-Life-Balance Maßnahmen. 8 Wirkungen von Work-Life-Balance Maßnahmen 444 <?page no="445"?> Zusätzlich fördert beispielsweise die Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements nicht nur die Gesunderhaltung der aufgrund ihrer Rollenvielfalt mehrfach belasteten oder aufgrund einer dauerhaften Arbeitsüberlastung gesundheitlich gefährdeten Mitarbeitenden, sondern unterstützt einen unternehmensweiten gesünderen Umgang der Mitarbei‐ tenden mit sich selbst. Auch die bereits angesprochene Steigerung der Qualifikationsvielfalt aufgrund der zunehmenden Rollenvielfalt der Mitarbeitenden wirkt sich positiv auf die Arbeitsleistungen und die Bewältigung schwieriger Arbeits‐ situationen aus. Auf potenzielle Mitarbeiter wirken Unternehmen, die ihre Mitarbeiter‐ zugewandtheit durch die Implementierung entsprechender Work-Life-Ba‐ lance Maßnahmen dokumentieren, sehr attraktiv. Das gilt insbesondere für Mitglieder der Generation Y und Generation Z, die gerade als sehr gut qualifizierte, aber auch sehr anspruchsvolle potenzielle Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt sind und sich aufgrund der steigenden Fachkräfteengpässe ihre Arbeitgeber schon heute aussuchen können. Hier kann sich ein Unternehmen mit einer glaubhaften Work-Life-Balance Ori‐ entierung und entsprechenden Maßnahmen für seine Mitarbeiter als attrak‐ tiver Arbeitgeber deutlich von anderen Arbeitgebern auf dem Arbeitsmarkt abgrenzen. 8.3 Wirkungen auf die Gesellschaft Auch auf unsere Gesellschaft wirkt sich eine bessere Vereinbarkeit der verschiedenen Lebensbereiche in vielerlei Hinsicht positiv aus. Lassen sich die verschiedenen Lebenswelten besser vereinbaren, können die sehr gut ausgebildeten Frauen mit Kindern auch eher wieder in den Beruf zurückkehren bzw. ohne längere Unterbrechung berufstätig bleiben und dadurch nicht nur die Einkommen der Privathaushalte steigern, sondern auch gesamtwirtschaftlich durch ihre Leistungen eine höhere Wertschöp‐ fung mit erwirtschaften. Zusätzlich wird die Wettbewerbsfähigkeit unserer Gesellschaft gestärkt, wenn wir auch die vielfältigen Potenziale der sehr gut ausgebildeten und qualifizierten Frauen durch verträgliche Beschäftigungs‐ angebote stärker nutzen. In Zeiten der Entwicklung hin zur Wissensgesell‐ schaft und der primären Wertschöpfung durch das Humankapital gewinnt dieser Aspekt stark an Bedeutung. Beispielsweise hat die Prognos AG (2005) 8.3 Wirkungen auf die Gesellschaft 445 <?page no="446"?> eine Zunahme des Bruttoinlandproduktes bis zum Jahr 2020 um 248 Mrd. Euro durch die Einführung von Work-Life-Balance Maßnahmen errechnet (vgl. Prognos AG 2005). Eine höhere Vereinbarkeit der verschiedenen Lebensbereiche könnte aber auch dazu beitragen, dass sich wieder mehr Menschen dazu entschließen, Familien zu gründen und Kinder zu bekommen. Dies könnte der Alterung und Schrumpfung unserer Gesellschaft etwas entgegenwirken und wäre auch gesamtgesellschaftlich eine Bereicherung. Work-Life-Balance Maßnahmen steigern auch die Zufriedenheit der Men‐ schen mit ihrem Leben, was sich wiederum positiv auf die physische und psychische Gesundheit und das Sozialverhalten der Bevölkerung auswirkt. Dadurch können erhebliche Kosten der Gesundheitsversorgung der Gesell‐ schaft eingespart werden. Ein wichtiger Aspekt besteht noch in der gesellschaftlichen Verantwor‐ tung bei der Entwicklung von prekären Beschäftigungsverhältnissen. Im letzten Jahrzehnt hat der Anteil prekärer Beschäftigungen deutlich zuge‐ nommen. Damit einher gehen steigende Unvereinbarkeiten der verschie‐ denen Lebenswelten für die Erwerbstätigen, die aufgrund (zu) geringer Entgelte einen Großteil ihrer Zeit für die Erwirtschaftung ausreichender Einkommen aufbringen müssen. Dies wiederum führt zu gesundheitlichen als auch sozialen negativen gesellschaftlichen Entwicklungen. Die Durch‐ setzung von Maßnahmen, die ein Mindesteinkommen für Erwerbstätige sicherstellen, würden auch einen wesentlichen Beitrag zu einer verbesserten Work-Life-Balance der betroffenen Erwerbstätigen leisten. Ebenso könnten verstärkte Anstrengungen zur Durchsetzung einer ge‐ sellschaftlichen Chancengleichheit die Vereinbarkeit der individuellen Le‐ benswelten stärken. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Vorteile von gesellschaftlichen, aber auch unternehmerischen und individuellen Maßnahmen zur Verbesserung der individuellen Work-Life-Balance deutlich umfangreicher und wertvoller für alle Beteiligten sind als die Kosten, die die Entwicklung und Implemen‐ tierung geeigneter Work-Life-Balance Maßnahmen verursachen. So hat das Thema Work-Life-Balance in den letzten Jahren überhaupt nicht an Bedeutung und Aktualität verloren. Im Gegenteil: Die Vielfalt der Initiativen und Forderungen zur Verbesserung der Work-Life-Balance von Beschäftigten sowie die steigende Anzahl an Rankings, in denen die Work-Life-Balance Maßnahmen von Arbeitgebern öffentlich im Internet 8 Wirkungen von Work-Life-Balance Maßnahmen 446 <?page no="447"?> bewertet werden, weist auf eine deutlich steigende Bedeutung des Themas und der Auseinandersetzung mit Work-Life-Balance hin. Besondere Aktua‐ lität erfährt die Auseinandersetzung mit Work-Life-Balance gerade durch die Coronavirus-Pandemie, die seit Anfang 2020 nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt massiv bedrängt und die zu einem steigenden Anteil an Arbeit im Homeoffice mit positiven, aber auch negativen Auswirkungen für die Beschäftigten geführt hat. In der Vielfalt der Konzepte, die es mittlerweile in der Auseinandersetzung mit dem Thema Work-Life-Balance gibt, sehe ich eher eine Bereicherung als eine Verdrängung der Auseinandersetzung mit der Work-Life-Balance. So bedeutet Work-Life-Balance in seiner Grundaussage, dass jede Person ihren individuellen Ausgleich zwischen ihren verschiedenen Lebenswelten finden muss. Ob das in einem Work-Life-Blending und der damit einher‐ gehenden Entgrenzung bzw. Verschmelzung der verschiedenen Lebensbe‐ reiche besteht, oder in einer klaren Work-Life-Separation, um das eigene Privatleben zu schützen, oder aber in einer Mischung aus Entgrenzung und Abgrenzung, zum Beispiel durch zeitweise Arbeit im Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit, muß jede Person für sich entscheiden. Wichtig ist dabei ein zielgerichtetes Angebot an Work-Life-Balance Maßnahmen der Arbeitgeber an ihre Beschäftigten, damit die Mitarbeitenden die Möglich‐ keit bekommen, ihr eigene Gleichgewicht zwischen ihren verschiedenen Lebenswelten zu finden. 8.3 Wirkungen auf die Gesellschaft 447 <?page no="449"?> 9 Literaturverzeichnis Ackermann, J.; Müller, M.; Dickebohm, N. (2013): Nachhaltigkeit in Unternehmen - Konzepte zur Umsetzung. In: Baumast, A.; Pape, J. (Hrsg.) (2013): Betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement, Stuttgart, 2013, S. 58 - 78. Albert, M.; Hurrelmann, K.; Quenzel, G. u. a. (2019): Jugend 2019. 18. Shell Jugend‐ studie: Eine Generation meldet sich zu Wort. 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Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 43 Accomodation 20 Akkomodationstheorie 249 Alleinerziehende 268 Allgemeines Adaptationssyndrom 209 Allgemeines Adaptationssyndrom von Selye 208 ältere Mitarbeitende 270 ältere Mitarbeiter 394 Leistungsfähigkeit 392 Wertschätzung 395 älteren Mitarbeiter 392 alternden Belegschaften 393 Altersaufbau der Bevölkerung 44 altersgemischte Personalstruktur 400 Altersgruppen des Erwerbspersonenpotenzials 62 Altersstrukturen 58 Altersstrukturhypothese 142 Altersteilzeit 344 Alterung unserer Gesellschaft 446 Ambiguität 106 Anerkennung 408 Anreize immaterielle 408 Anreizsysteme 397, 407 Anteil der älteren Erwerbstätigen 62 Arbeiten mobiles 114 Arbeitsbedingungen 107 Arbeitsbelastung 192 Arbeitsgestaltung sicherheitstechnische 285 Arbeitsinhalte 320, 407 Arbeitskräftepotenzial 167 Arbeitsmarktfähigkeit lebenslang 136 Arbeitsort 281 Arbeitsplatz 281 Arbeitsplatzgestaltung anthropometrische 283 Beleuchtung 284 Gefahrstoffe 284 Klima 283 Lärm: 283 mechanische Schwingungen: 284 physiologische 283 psychologische 284 Staub 284 Arbeitssucht 219, 276 Merkmale 220 Arbeitsteilung 319 Arbeits- und Gesundheitsschutz 420 Arbeits- und Organisationspsychologie 12 Arbeitsunzufriedenheit 199 Arbeitsvertrag formaljuristisch 135 Arbeitswelt 41 Arbeitswelt 4.0 108 Arbeitswerte 238 Arbeitswissenschaften 283 Arbeitszeit 335 Dauer 337 Flexibilisierungsgrad 336 gleitende 350 kapazitätsorientierte 355 <?page no="492"?> Lage 337 Länge 337 Verteilung 338 Vertrauensarbeitszeit 356 Arbeitszeiten flexible 336 Arbeitszeitformen moderne 342 Arbeitszeitkonten 357 Arbeitszeitmodelle 403 traditionelle 340 Arbeitszeitmodelle, Gestaltungsformen 340 Arbeitszufriedenheit 444 Artefakte frauen- und familienfreundliche 388 atypische Beschäftigungen 123 atypische Beschäftigungsverhältnisse 130 atypischen Beschäftigungsverhältnisse 125 atypischer Beschäftigungsverhältnisse Formen 124 atypsich Beschäftigte 138 audit berufundfamilie 435 Ausbildungsberufe 158, 161 Auslandsaufenthalte 103 Austrittsgespräche 401 Autonomie der Arbeitsleistung 320 Awareness-Trainings 389 Baby Boomer Generation 146 Balance 18 inhaltlich 22 Kritik 22 örtlich 21 zeitlich 21 Begriff \„Life\“ 14 Begriff \“Work-Life-Balance\” 12 Begriffs Work-Life-Balance Definition 24 Beschäftigungschancen Älterer 183 Beschäftigungsfähigkeit 138 Best Practice Sharing 399 Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger 378 betriebliches Gesundheitsmanagement 420, 445 Handlungsfelder 421 Betriebswirtschaft 12 Bevölkerung Altersaufbau 47 Bevölkerungsentwicklung 47 Bevölkerungsstruktur 42 Bewältigung der VUKA-Welt 106 Bewältigungsstrategien 213 bewertungsorientiertes Coping 214 Bildungsabschlüsse 157 Bildungshypothese 142 Bildungsniveau 154, 155 Bindung der Mitarbeiter 444 Bindungsstrategien 238 Burnout Begriff 226 Burnout-Erkrankungen 199 Burnout-Syndrom 223 12 Entwicklungsstufen 229 Burn-out-Syndrom drei Dimensionen 226 Büroraumkonzepte 311 Chancengleichheit 91, 389, 391 Clickworker 119 Clickworking 118 Coffee-Corner 318 Communities of Practice 399 Compensation 20 Coping-Strategien 213 Stichwortverzeichnis 492 <?page no="493"?> Coronavirus-Pandemie 203, 295 Corporate Social Responsibility 64 Coworking 120 Coworking Spaces 120 Crowdsourcingunternehmen 117 Crowdworking 117 Defizitperspektive 185 Defizitwahrnehmungshypothese 143 demografischer Wandel 57 demografische Wandel 42 Desintegrationspotenzial 133 Desk-Sharing 315 Desk Sharing 2.0 316 Deutsche Corporate Governance Kodex 86 Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) 89 digitale Informations- und Kommunikationstechniken 15 digitale Technologien 95 Digitalisierung 94 DIN ISO 14001 75 DIN ISO 26000 66, 81 DIN ISO 45001 79, 80 distress 208 Double Carrier-Familien 268 Dunkelziffer psychischer Belastungen 202 Dynamik der Wirtschaft 104 Einfache Gleitzeit 351 Einschicht-System 341 Eldercare 380 Elterngeld 364 Eltern-Kind-Arbeitszimmer 375 Elternzeit 364, 412 Elternzeitquote 365 EMAS-Verordnung der Europäischen Union 75 emotionale Bewältigungsstrategien 214 emotionsorientiertes Coping 214 Employer Brand 238 Employer Branding 63 Entgrenzung 16, 29, 291, 306 Entgrenzung zwischen dem Berufs- und Privatleben 15 Erfahrungswissen 189, 394, 397 Erschöpfungszustände 403 erweiterte Funktionsgleitzeit 353 Erwerbsbevölkerung 56 Erwerbspersonenpotenzial 62 Erwerbstätige über 65 Jahre 182 Erwerbstätigenquote 161 Erwerbstätigkeit 178 Erwerbstätigkeit älterer Menschen 178 eustress 208 Experten- und Erfahrungswissen 405 Expertenwissen 394 Fahrdienste 376 Familienleben 13 Familienmodell klassisch 91 Familienstrukturen 91 family-to-work-conflict 19 family-work-conflict 257 Family-Work-Conflict 256 Fehltage 199 Ferienangebote 377 Flexibilisierung des Arbeitsplatzes 285 Flexibilisierung und Deregulierung des Arbeitsmarktes 130 Flexibilität 197 Flexibilität der Mitarbeiter 103 flexible Arbeitszeitgestaltung 407 flexiblere Arbeitsortgestaltung 407 fluide Intelligenz 186 Stichwortverzeichnis 493 <?page no="494"?> Frauenförderung 392 Freiburger Netzwerk Familienbewusste Unternehmen 437 Freizeit 13 Führungskraft Rollenbild 412 Führungskräfte Teilzeitbeschäftigung 411 Vorbildfunktion 411 weibliche 411 Führungskräftetrainings 389, 410 Führungspositionen Frauen 173 Ganzheitlichkeit der Aufgaben 320 Geburtenrate 52 Geburtenraten 47 Gender-Forschung 12 Gender Pay Gap 168 Generation Alpha 153 Generationenvertrag 58 Generationenvielfalt 63 Generationen Y 238 \„Generation Praktikum\“ 151 Generationsbegriff 144 Generation Silent 146 Generation X 148 Generation Y 149, 273, 405 Generation Z 37, 152, 238, 409 gesellschaftliche Chancengleichheit 446 Gesellschaftliche Herausforderungen 42 gesellschaftliche Verantwortung 64 Gestaltpsychologie 210 Gestaltung des Arbeitsplatzes 282 Gesundheit 443 Gewinnung von Mitarbeiterinnen 389 gleitender Übergang in den Ruhestand 404 Gleitzeit mit Funktionszeiten 352 Global Compact der Vereinten Nationen 87 Global Reporting Initiative (GRI) 88 Grenzgänger 260, 262 Grenzhüter 260, 263 Großraumbüro 313 Gruppenarbeit 328, 332 Handlungsspielräume von Mitarbeitern 322 Hausaufgabenbetreuung 376 Heimarbeitsplatz 285 Hochaltrige 56 Homeoffice 113, 287, 295, 299 Hot Desking 316 Identitätsbzw. integrativen Modell 244 in Coworking-Spaces 286 individuelle Lebensphasen 443 individuelle Lebenswelten 15 Informations- und Kommunikationstechnologien 106 digitale 286 Informations- und Kontakt-Angebote 367 Informations- und Wissensgesellschaft 99 Innovationszyklen 104 instrumentelle Bewältigungsstrategie 213 Instrumentelle Theorie 248 Integrative Modelle 251 Intergenerative Gerechtigkeit 70 Internationale Arbeits- und Sozialstandards 78 internationale Kompetenzen 103 Inter-Rollenkonflikt 254 Stichwortverzeichnis 494 <?page no="495"?> Intervention 420 Intragenerative Gerechtigkeit 71 Intra-Rollenkonflikt 254 intrinsische Arbeitsmotivation 272 ISO 26000 sieben Grundsätze 82 sieben Kernthemen 83 Jahresarbeitszeitkonten 358 Job-Demand-Control-Modell von Karasek 216 Job-Demands-Resources Modell 216 Job Enlargement 324 Job Enrichment 325 Job Pairing 347 Job Rotation 323 Job-Sharing 343, 345 Job-Sharing-Modelle 412 Job Splitting 346 Jugendzentriertheit 184 Kapovaz 355 Karrieremodelle altersgerechte 396 familienfreundliche 389 Kinderbetreuung 166, 370 Kombibüro 314 Kommunikationstechnologien mobile 107 Kompensationsmodell 245 Kompetenzen 30 Kompetenzvielfalt 444 Komplexität 105 Komplexität der Arbeitsinhalte 107 Komplexität der Wirtschaft 104 Konflikte zwischen beruflichen und außerberuflichen Rollen 19 Konflikt-Theorie 253 Kongruenzmodell 243 Kosten psychischer Erschöpfung am Arbeitsplatz 226 kristalline Intelligenz 186 Kritik 408 Kurzarbeit 342 Lage des Arbeitsortes 281 Lazarus 211 lebenslanges Lernen 101 Lebensphasen 16 Lebenswelt 13, 14 Leistungsbereitschaft 444 Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter 185 Leitbild der Hausfrauenehe 91 Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung 65, 70 Leitsätze der OECD für multinationale Unternehmen 88 Lessons learned 402 Lewin, Kurt 210 Manifest der New Work - New Culture 110 Maslach-Burn--out-Inventar 234 Mehrarbeit 340 Mehrschicht-System 341 Mikrojobs 119 Mikro-Rollenübergänge 264 . Mikrotasks 117 Mobile Arbeit Gesetz 310 . mobile Arbeitsplätze 286 Mobilität 103 Modell der Ressourcenzehrung 250 Modell des Ungleichgewichts zwischen Anforderungen und Ressourcen 232 Modelle dynamische 258 kausale 245 nicht-kausale 242 Stichwortverzeichnis 495 <?page no="496"?> Modelle der multiplen Rollen 254 Modell von Near, Rice und Hunt 251 Motivation 444 Multiplikatorhypothese 143 Multi Space Büro 314 multi-tasking 151 nachhaltiges Wirtschaften 71 Nachhaltigkeitsmanagement 69, 72, 73 Nebenwirkungshypothese 143 Netzwerke 398 Netzwerk Familienbewusste Unternehmen Bonn / Rhein-Sieg 438 New Normal Working Model 309 New Work 108, 112 Nicht-kausale Modelle 242 Normalarbeitsverhältnis 122 Normen frauen- und familienorientierte 388 OHSAS 18001 79, 80 ökologische Verantwortung 74 ökonomische Verantwortung 81 Open Space Büro 314 Paid Crowdworking 117 Partnerschaft 13 Patchwork-Familien 268, 370 Personalbedarfsplanung 388 Personaleinsatz 390 Personalentwicklung 389 Personalwerbung 389 Person-Umwelt-Fit-Modell 210 Phase der Intervention 420 Phase der Prävention 420 Phase der Rehabilitation 421 physische und psychische Gesundheit 446 Planungsgespräch 367 Potenzialhypothese 186 Präsentismus 234 Prävention 420 prekäre Beschäftigung 130 prekäre Beschäftigungsverhältnisse 446 prekärer Beschäftigung 131 primären Wirtschaftssektor 97 Private nicht erwerbstätigkeitsorientierte Arbeitsbereiche 13 Privatleben 13 Problemlösungsworkshops 330 problemorientiertes Coping 213 Produktionsausfallkosten 199 Projekt \„Balance von Familie und Arbeitswelt\“. 427 Projektgruppen 330 psychische Belastungen 197 psychische Erkrankungen