Guide für Businesstrainer
Methodisch-didaktische Grundlagen, die auch in der Zukunft Bestand haben
0712
2021
978-3-7398-8049-5
978-3-7398-3049-0
UVK Verlag
Agathe Maria Gandaa
Personalentwickler, Trainer und Coachs werden von einer wahren Flut an Trends überspült und viele fragen sich, was bleibt eigentlich von der traditionellen Wissensvermittlung? In einer Arbeitswelt, die uns durch Globalisierung und Digitalisierung keine Konstante mehr bietet, und die exponentielle Zunahme an Wissen uns chronisch überfordert, sollen Seminare und Trainings Orientierung geben.
Dieses Buch möchte Businesstrainern eine stabile Basis vermitteln, um so den Wellenritt auf den Trends der Zeit zu erleichtern, so dass sie mit den richtigen Techniken und etwas Mut und mit Freude die Geschwindigkeit des stetigen Wandels erleben können. Durch das Formulieren klarer Lernziele und die didaktische Reduktion werden Freiräume geschaffen, in denen Teilnehmer sich als erwachsene Menschen mit dem Lernstoff auseinandersetzen und so echte Orientierung gewinnen.
Neben einem fundierten Überblick über Didaktik, Methodik, Formate und neuste Erkenntnisse aus der Lernforschung bietet das Buch einen Ausblick auf das Training der Zukunft und macht heutigen Trainern Mut, dass ihre Kompetenzen auch dann noch gefragt sein werden.
<?page no="0"?> Agathe Gandaa Guide für Businesstrainer Methodisch-didaktische Grundlagen, die auch in der Zukunft Bestand haben <?page no="1"?> Guide für Businesstrainer <?page no="3"?> Agathe Gandaa Guide für Businesstrainer Methodisch-didaktische Grundlagen, die auch in der Zukunft Bestand haben UVK Verlag · München <?page no="4"?> Dieses Buch ist in Kooperation mit Barbara Beyersdorf entstanden. Sie hat maßgeblich alle Traineraus- und -weiterbildungen mit der Autorin zusammen entwickelt und hat sie im Schreibprozess unterstützt. Ohne ihre fortwährende Ermutigung hätte dieses Buch nicht geschrieben werden können. Umschlagmotiv: © iStockphoto · fizkes Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. 1. Auflage 2021 © UVK Verlag 2021 - ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-7398-3049-0 (Print) ISBN 978-3-7398-8049-5 (ePDF) <?page no="5"?> Für meine wundervolle Tochter und meinen unvergleichlichen Mann, die mir ein geborgenes Zuhause und die notwendige Freiheit zum Schreiben schenken . <?page no="7"?> Vorwort Seit ungefähr 25 Jahren bewege ich mich in der Aus- und Weiterbildung und seit ungefähr 15 Jahren gebe ich diese Leidenschaft (oft zusammen mit meiner Geschäftspartnerin Barbara Beyersdorf) an Nachwuchstrainer 1 in Form von Train-the-Trainer-Seminaren weiter. Dabei erlebe ich nicht nur einen rasanten Wandel in den Unternehmensstrukturen, in denen ich mich als freie Trainerin bewege, sondern auch in den Methoden, Medien und Trainingsformaten. Gleichzeitig hat die Lernforschung seit den Bestsellern von Vera Birkenbihl erstaunliche Erkenntnisse zu Tage gefördert und wer heute noch ausschließlich mit dem guten alten Modell der rechten und linken Gehirnhälfte arbeitet, hat einiges verpasst. Diese Entwicklung lässt mein Trainerinnenherz höherschlagen, denn ich bin Trainerin aus Leidenschaft und ausgesprochen wissbegierig und experimentierfreudig. Zusammen mit meiner Kollegin probiere ich regelmäßig neue Methoden und Medien aus - vom Training mit Improvisationstheater über Lego Serious Play, unterschiedliche Online-Plattformen, Drehen von Lehrvideos - wir machen den Praxistest. Dabei haben wir bei der Auswahl immer einen Blick auf die Bedürfnisse und konkreten Lernziele unserer Teilnehmenden. Dies geschieht nicht nur weil wir uns im tiefen Herzen der Didaktik als Bezugswissenschaft verpflichtet fühlen, sondern auch weil diese Tests verschiedener Methoden unter anspruchsvollen Bedingungen stattfinden. Unsere Kunden sind Wirtschaftsunternehmen, die sehr genau beurteilen, ob ein Training nun was bringt oder einfach nur „Spielerei“ ist. In den Trainerausbildungen und beim Schreiben dieses Buchs treibt mich der Anspruch, eine gute Basis dafür zu legen, was Lehrende heute wissen und können müssen. Welches Grundhandwerkszeug brauchen sie? Noch ein Grundlagenwerk? Wenn ich mir meine eigenen Regale voller Methodensammlungen, didaktischer Grundlagenwerke und Trainingsleitfäden ansehe, kommen mir selbst fast Zweifel, ob ich diesem Reigen noch ein weiteres Werk hinzufügen darf. Die Herausforderung ist groß, denn didaktische Grundlagenwerke gibt es zuhauf. Was dieses Buch zusätzlich vermittelt, ist 1. ein grundsätzliches Verständnis davon, wie Erwachsene überhaupt lernen und die dazugehörigen aktuellen Erkenntnisse der Neurowissenschaften - also, wie vermitteln Sie Wissen heute? 2. ein zeitgemäßes Rollenverständnis. Was macht also die Rolle des Trainers aus und wie grenzt sie sich zu anderen Professionen ab. Welche besonderen Kompetenzen brauchen Businesstrainer heute? 1 Natürlich möchte ich alle Geschlechter ansprechen und bitte um Verständnis, dass ich mich der Einfachheit halber gegen das „Gendern“ entschieden habe. Als Kommunikationstrainerin weiß ich, dass Sprache Bewusstsein erzeugt, und dementsprechend ist mir diese Entscheidung schwergefallen. <?page no="8"?> 8 Vorwort 3. einen Überblick und eine Grundstruktur über bewährte und neue Methoden und Medien - damit Sie diese einordnen können und diese in Bezug auf den Einsatz in Ihren Trainings didaktisch prüfen können. 4. einen konkreten Leitfaden zur Trainingsentwicklung von der Bedarfsanalyse bis zur Ablaufplanung; 5. einen Fokus auf das Businessumfeld, indem Inhalte oft unter einem enormen Zeitdruck vermittelt werden müssen und der Wandel die einzige Konstante ist - damit Sie Ihre Kunden verstehen und bedarfsgerechte Konzepte erstellen können; 6. eine erste Orientierung für selbständige Businesstrainer auf dem Markt und damit die Antwort auf drängende Fragen wie: „Wie gestalte ich ein Trainingsprofil? “ und „An was kann ich mich bei der Preisgestaltung orientieren? “ Surfen in der VUCA-Welt Globalisierung, Digitalisierung, New Work und Generation Z - sie alle stellen stetig neue Herausforderungen. Das Akronym VUCA (volatility ‚Volatilität‘ (Unbeständigkeit), uncertainty (Unsicherheit), complexity (Komplexität) und ambiguity (Mehrdeutigkeit) beschreibt die Rahmenbedingungen in heutigen Unternehmen. Wie oft war ich selbst schon enttäuscht, wenn ich etwas Neues kennengelernt hatte, was versprach meine Arbeit von Grund auf zu revolutionieren und zu transformieren. Kaum habe ich das YouTube-Video über digitale Lehrinnovationen gesehen, schon gibt es die dort gefeierte App nicht mehr, die empfohlene Lernplattform ist nicht kompatibel mit den Systemen meiner Kunden oder der Anbieter ist aufgrund von Lücken im Datenschutz in Verruf gekommen. Der Anspruch dieses Buchs kann also nicht sein, konkrete technische Innovationen und Trends im Detail darzustellen. Vielmehr geht es darum, ein praxisnahes, fundiertes Grundlagenwerk für Lehrende zu schreiben, das ihnen einen Grundgerüst in einer sich schnell wandelnden Lern- und Lehrwelt gibt. Vielleicht ist dieses Grundwissen am besten mit dem flexiblen Stand eines Wellenreiters zu vergleichen. Natürlich könnte man sich voller Panik ans Brett klammern, wenn die VUCA-Wellen ungewohnt hochschlagen, doch mit den richtigen Techniken und etwas Mut ist es möglich aufzustehen, auf den Wellen zu balancieren und mit viel Spaß die Geschwindigkeit des stetigen Wandels zu erleben. Und dass man zwischendurch auch mal vom Brett fällt, gehört zum Sport, denn die neue Welt mit ihren Anforderungen bietet nicht mehr so viel Sicherheit, und wir brauchen mehr denn je die Fähigkeit des Wiederaufstehens nach einem Scheitern. Riesenaufträge, die eben noch die nächsten 5 Jahre sichern sollten, brechen von einem Augenblick auf den anderen weg: Projekt gecancelt, Unternehmen umstrukturiert, neues Mindset angesagt. Wiederaufstehen ist aber auch im kleinen Alltagsgeschäft stetig <?page no="9"?> notwendig. Eine Methode, die bisher „immer lief“ und die alle Teilnehmenden toll fanden, wird plötzlich von der Gruppe als vollkommen unpassend bewertet und abgelehnt. Die Teilnehmenden der medien- und eventüberfrachtete Generation Y kennen und wissen schon alles. Der Dozent fällt überrascht von seinem Brett und schluckt das salzige Wasser der Teilnehmerkritik. Wer sich nun elegant und beweglich zeigt, wiederaufsteigt und Alternativen anbietet gewinnt. Wer sich salzwasserspuckend an sein Brett klammert und die Gruppe zu überreden versucht, wird wahrscheinlich nicht mehr viel Spaß am Wellenritt dieser Veranstaltung erleben. Ein Buch als Begleiter in der (digitalen) Revolution Der Blick auf die Teilnehmenden führt mich auch auf den geheimen Wunsch, den ich mit diesem Buch verfolge: es soll ein Begleiter durch die Revolution für Trainer heute und in der Zukunft sein. Wie komme ich auf die Idee? In den letzten Jahren höre ich bei Vorträgen und lese in der Fachpresse immer wieder, dass wir uns in der Zeit der digitalen Revolution befinden - mit unvorhersehbaren Folgen für die Wirtschaft, das gesellschaftliche Zusammenleben und die Kommunikation. Wir werden täglich mit Informationen überschüttet und die Aufgabe, das Wichtige und Wahre von weniger Relevantem oder gar Falschem zu unterscheiden, überfordert uns. Manche mögen mutig und neugierig voranschreiten und jedes Angebot was sich (digital) bietet ergreifen, andere schrecken zurück oder warten erst einmal ab, wie sich das alles so entwickelt. Businesstrainer werden herbeigerufen, wenn es Mitarbeitern an Orientierung und Mut zur Veränderung fehlt. Sie sollen das zu Komplexe nachvollziehbar machen, Wege aus der Überforderung aufzeigen. Das erfordert neben dem vorausgesetzten Fachwissen für ihr Trainingsgebiet auch Mut, sich mit Neuem zu befassen. Gleichzeitig sollten sie Neues auch bewerten und einordnen können und nicht jedem Trend hinterherrennen. Dabei will dieses Buch Sie unterstützen. Mit „Revolution“ verbindet sich für mich gleichzeitig die Idee, dass neue Organisationsformen eine große Chance für das Lernen bedeuten. Vielleicht haben Sie den Film „Die stille Revolution“ 2 gesehen? Oder kennen Sie das Buch von Frederic Laloux „Reinventing Organizations“ 3 . Beide beschreiben den mutigen und erfolgreichen Wandel von Unternehmen bei dem Mitarbeiter nicht mehr einfache Erfüllungsgehilfen eines Managements sind, sondern achtsame Gestalter ihrer Arbeitswelt. In Buch 2 Der Film „Die stille Revolution“ aus dem Jahr 2016 erzählt die Geschichte der Unternehmers Bodo Schäfer, der im gleichnamigen Buch 2014 seinen Weg zur Unternehmensführung mit Sinn und Menschlichkeit beschreibt. 3 Das Buch von Frederic Laloux „Reinventing Organizations“, das 2014 erschienen ist, versteht sich als ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Vorwort 9 <?page no="10"?> 10 Vorwort und Film kommen zahlreiche Zukunftsdenker zu Wort, die beschreiben, wie sinnstiftende Formen der Zusammenarbeit aussehen können. In uns und in den Herzen vieler unserer Kunden wecken diese Grundgedanken eine tiefe Sehnsucht, die sich in vielen kleinen Veränderungen der Zusammenarbeit zeigen. Wir haben Changeworkshops moderiert, in deren Folge Controllingtools einfach abgeschaltet wurden, in denen sich Führungskräfte entschlossen haben, ihren Mitarbeitern kein Feedback mehr zu geben, sondern sie in einer Haltung der echten Neugier einfach zu fragen und von ihnen zu lernen. Die Strukturen unserer Arbeitswelt sind in einem radikalen Wandel begriffen - es gibt sie, die stille Revolution der vielen, die nicht mehr bereit sind, „Dienst nach Vorschrift“ zu machen, die den Sinn suchen, nachfragen, mitgestalten wollen. Gleichzeitig gibt es noch die alte Welt mit Hierarchien, Grabenkämpfen und Tauziehen um die Vorherrschaft - nicht nur in den Riegen der Führungskräfte. Auch viele Mitarbeiter wünschen sich klare Anweisungen und Sicherheit. In diesem Feld bewegen sich Weiterbildner, und bisweilen mag es Ihnen wie ein Minenfeld erscheinen, denn ein falscher Schritt und das Trainingskonzept wird in der Luft zerrissen - da es in das jeweilige Mindset einfach nicht hineinpasst oder zu einem so großen internen Konflikt führt, dass die gesamte Weiterbildungsmaßnahme erst einmal vertagt werden muss. In der Vorbereitung auf dieses Buch haben meine Kollegin Barbara Beyersdorf und ich uns nicht nur auf unsere eigenen Erfahrungen verlassen, sondern unser gesamtes Netzwerk genutzt. Menschen aus Weiterbildungsinstitutionen, Wirtschaft und Wissenschaft haben uns in Gesprächen und Interviews Rede und Antwort gestanden. Experten aus unterschiedlichsten Bereichen haben uns wichtige Hinweise gegeben, so dass dieses Buch nicht nur die Perspektive von Trainerinnen spiegelt, sondern unterschiedlichste Perspektiven wie die der Personalentwicklung, des Qualitätsmanagements und der Führung einbeziehen. Wir möchten nicht versäumen, uns hier von ganzen Herzen bei unseren Gesprächspartner*innen zu bedanken. Ohne Sie/ Euch hätte ich dieses Buch nicht schreiben können: Anca Milos, Psychologin und Leiterin der Personalentwicklung Verbund Katholischer Kliniken Düsseldorf gGmbH Dr. Andy Fluck, e2act, selbstständiger Vertriebstrainer, www.e2act.de Anja Mende, Fachabteilungsreferentin für Weiterbildung und Entwicklung, ARAG SE Antje Krüger, Bereichsleiterin für Weiterbildung beim Institut für internationale Kommunikation IIK Düsseldorf Dr. Antje Weber, Qualitätsmanagerin Alanus Hochschule Bernadette Wilhelm und Tommy Meinerz, Geschäftsführer Omnivent Veranstaltungstechnik und Online-Shop, www.omnivent-media.shop <?page no="11"?> Felix Eichhorn M.A., Studienleiter für politische und kulturelle Bildung, Fortbildung, evangelisches Erwachsenenbildungswerk Professor Dr. Gerrit Brösel, FernUniversität in Hagen, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftsprüfung Isolde Fischer, systemischer Coach und Improvisationsschauspielerin www.drama-light.de Judith Stohr, Diplom-Pädagogin und Trainerin, www.justcommunication.de Marita Malitte, Lehrtrainerin und Lehrcoach, www.marita-malitte.de Manuel Hetzinger, Referent beim Erzbistum Köln, Abteilung Bildung und Dialog Referat Erwachsenen- und Familienbildung Dr. Michael Lindner, Dozent, Trainer und Berater im Bereich digitales Lernen, www.metaundbeta.com Nadine Koster, Bildungsreferentin der Paritätischen Akademie NRW, www.paritaetische-akademie-nrw.de Renate Biebrach, Theologin, Lehrtrainerin und Lehrcoach, NLP in Kaiserswerth Ronny Bornkast, Leitung Zentrale Kundenberatung und Vertrieb/ Servicecenter PK, Stadtreinigung Hamburg Rudolf Binder, Trainer, systemischer Coach und Berater, agiler Prozessbegleiter, www.binder-training.de Silke Mockenhaupt Vertriebsleitung VR Bank Sonja Schönauer, Kommunikationstrainerin ASC GmbH Stefanie Löw, Diplom Pädagogin, systemischer Coach, Facilitator Stephan Schönauer, Fachabteilungsreferent für Innovationen und Entwicklung, ARAG SE Sven Langner, Diplom-Psychologe und Produktmanager Leadership und Softskills, Führungskräfteentwicklung bei der GenoAkademie Timo Tautges, Inhaber Tautges_Marketing, www.tautges-marketing.de Tom Andreas, Lehrtrainer und Lehrcoach im eigenen Institut, www.tomandreas.de Ute Grießl, Diplompädagogin, Lehrtrainerin und Lehrcoach, Ute-Griessl- Institut Ursula Fetzer, Kommunikationstrainerin, www.fetzer-seminare.de Hinweise zum Buch So ein dicker Wälzer - muss ich denn alles lesen? werden Sie sich vielleicht erschreckt fragen. Natürlich würde ich mich wahnsinnig freuen und sehr wertgeschätzt fühlen, wenn Sie das ganze Buch chronologisch vom Anfang bis zum Ende lesen. Ich Vorwort 11 <?page no="12"?> 12 Vorwort unterstelle Ihnen auch, dass Sie das wahnsinnig gerne tun würden, da Sie als Lehrender von Natur aus sehr wissbegierig sind. Aber gleichzeitig ist das Trainingsgeschäft doch sehr aufreibend und oft bleibt zu wenig Zeit für den Fachliteraturgenuss. Wenn die Zeit drängt und Sie einfach nur schnelle Antworten suchen, habe ich deshalb hier einige Tipps für Sie: Tipp für Trendsetter: Falls Sie auf der Suche nach Trends in der neuen Arbeitswelt sind und sich dafür interessieren, was sich für Trainer heute verändert hat empfehle ich Ihnen, nach diesem Icon Ausschau zu halten. Tipp für Schnelllerner: Wenn Sie das Buch nutzen möchten, um schnell und unauffällig mögliche Wissenslücken zu schließen, empfehle ich Ihnen den Kompetenzcheck in Kapitel 3.8. Testen Sie anhand der Fragen Ihre Trainerkompetenzbereiche. Zur Auswertung gibt es direkt die Verweise auf die entsprechenden Kapitel. Tipp für Umsetzer: Sie haben ein konkretes Trainingsprojekt und möchten das Buch für die Vorbereitung Ihrer Veranstaltung nutzen? Steigen Sie am besten bei Kapitel 8 ein und lassen Sie sich in 5 Schritten bis zur fertigen Ablaufplanung in Kapitel 12 von mir begleiten. Keine Angst: Sie müssen die dazwischenliegenden Kapitel nicht alle lesen - Sie suchen sich dort nur die passenden Methoden, Medien und Materialien für die Umsetzung aus. Tipp für Nachschlager: Sie haben ganz konkrete Fragen, die Sie mit diesem Buch klären möchten? Falls Sie im Inhaltsverzeichnis nicht gleich fündig werden, empfehle ich Ihnen das Stichwortverzeichnis am Ende des Buchs. Tipp für Marktchecker: Informieren Sie sich in Kapitel 1 über neue Trainingstrends und lesen Sie im Kapitel 15, wie Sie ein Trainerprofil gestalten und Preise kalkulieren. <?page no="13"?> Inhalt Vorwort...........................................................................................................7 1 Willkommen in der VUKA-Welt .................................................. 19 1.1 Eine kurze Beschreibung der Herausforderungen der VUKA-Welt ...19 1.2 So vieles zu lernen - Beste Zeiten - nicht nur für Führungskräfte- Trainer ................................................................................................................21 1.2.1 digital ..................................................................................................................21 1.2.2 agil .......................................................................................................................22 1.2.3 global...................................................................................................................23 2 Trainerrolle - wer bin ich und wenn ja, wie viele? ................... 25 2.1 Begriffsabgrenzung .........................................................................................26 2.2 Der (Business)-Trainer ...................................................................................27 3 Trainerkompetenzen - was ein Businesstrainer heute können muss ........................................................................................... 29 3.1 Didaktisch methodische Kompetenz ..........................................................30 3.2 Fachkompetenz.................................................................................................30 3.3 Feldkompetenz..................................................................................................32 3.4 Präsentationskompetenz ................................................................................33 3.5 Digitale Kompetenz .........................................................................................35 3.6 Sozialkompetenz ..............................................................................................37 3.7 Selbstkompetenz ..............................................................................................38 3.8 Kompetenzcheck: Testen Sie Ihre Trainerkompetenz............................39 3.9 Zusammenfassung: Wo lernt man was? ....................................................51 4 Teilnehmerspektrum - alles so schön bunt hier! ...................... 54 4.1 Teilnehmermotivation - Grundlagen.........................................................55 4.2 Besonderheiten bei der Lernmotivation von Erwachsenen ..................56 4.3 Teilnehmermotivation - Einfluss der Organisation vor dem Training.59 4.4 Umgang mit unterschiedlichen Teilnehmertypen ..................................63 4.5 Praxistipp Motivation vor, beim und nach dem Training! ....................66 5 Die Gruppe - mehr als die Summe der Teilnehmenden .......... 71 5.1 Das Training als Teamentwicklungsprozess ............................................72 <?page no="14"?> 14 Inhalt 5.2 Die vier Faktoren der TZI in Balance ......................................................... 78 6 Handwerkszeug für die Gruppensteuerung und Inter_ventionen in schwierigen Situationen.............................. 81 6.1 Themenzentrierung durch Fragen .............................................................. 81 6.2 Teilnehmerbeiträgen aktiv Gehör schenken ............................................ 85 6.3 Fokussteuerung durch Visualisierung ....................................................... 86 6.4 Verantwortung und Rollen klären .............................................................. 87 6.5 Störungen als hilfreiche Hinweise ansprechen ....................................... 88 6.6 Spielregeln vorschlagen ................................................................................. 89 6.7 Nutzen Sie den Raum ..................................................................................... 92 6.8 Verbale „Entgiftung“ in schwierigen Situationen ................................... 94 6.9 Wenn das Lernziel gefährdet ist, Zwickmühlen formulieren! ............. 95 7 Was ist und wie geht eigentlich Lernen? .................................... 97 7.1 Stufen der Kompetenzentwicklung ............................................................ 97 7.2 VAKOG - sinnlich lernen ........................................................................... 102 7.3 Wie Wahrnehmungsfilter das Lernen beeinflussen ............................. 103 7.4 Medien und Materialien gehirngerecht gestalten ................................. 106 7.5 Der Mythos der Lerntypen ......................................................................... 108 7.6 An das Wissensnetz anknüpfen ................................................................ 109 7.7 Plastizität des Gehirns.................................................................................. 110 7.8 Trainingsmythen über die linke und rechte Gehirnhälfte.................. 111 7.9 Die Macht der Gewohnheit oder die Tücken des Hebbschen Gesetzes ........................................................................................................... 112 7.10 Wie Sie Ihr Wissen wirksam weitergeben -didaktische Prinzipien.. 114 8 In 5 Schritten Trainings konzipieren ........................................ 117 8.1 Auftragsklärung, Bedarfsanalyse und Reflexion................................... 118 8.2 Der Weg zum Training beginnt beim Ziel! ............................................ 123 8.2.1 Richt-, Grob- und Feinlernziele ................................................................. 127 8.2.2 Lernzielbereiche und Lernzielkontrollen ................................................ 128 8.2.3 Taxonomie....................................................................................................... 131 9 Methoden ........................................................................................ 135 9.1 Kleiner Exkurs: Methodentrend Gamification....................................... 137 <?page no="15"?> Inhalt 15 9.2 Methoden zur Lernzielkontrolle ................................................................138 9.2.1 Multiplie-Choice-Aufgaben - Spaß, Spannung - Spiel .......................139 9.2.2 Mit offenen Fragen und Aufgaben den Austausch fördern ................141 9.2.3 Praxisübungen ................................................................................................147 9.2.4 Rollenspiele - Wie Sie im Softskill Training Praxistransfer sichern ..148 9.3 Transfermethode Projektarbeit ..................................................................154 9.4 Methoden zur Fokussierung........................................................................157 9.4.1 Sprung ins kalte Praxiswasser ....................................................................157 9.4.2 Experimente mit „Ach so! “-Effekt .............................................................158 9.4.3 Storytelling ......................................................................................................160 9.5 Methoden zur Wissensvermittlung...........................................................164 9.5.1 Vortrag, Präsentation und Lehrgespräch - Wissen vermitteln und überzeugen ......................................................................................................164 9.5.2 Methoden zur aktiven Wissensaneignung in Gruppen .......................167 9.5.3 Methoden zur Wissensaneignung - Einzelarbeit ..................................168 9.6 Moderation - die Gruppe erleben und gemeinsam Themen erarbeiten .........................................................................................................172 9.6.1 Themenspeicher .............................................................................................173 9.6.2 Blitzlicht ...........................................................................................................174 9.6.3 Kartenabfrage .................................................................................................175 9.6.4 Mehrpunkt-Frage ...........................................................................................177 9.6.5 Zurufabfrage ...................................................................................................178 9.6.6 Ein-Punkt-Frage .............................................................................................179 9.6.7 Soziometrie ......................................................................................................180 9.6.8 Extra: Der Moderationszyklus ....................................................................181 9.6.9 Klassische Moderationsmethoden digital ................................................183 9.6.10 Moderation heute...........................................................................................184 9.7 Methoden für den Anfang ...........................................................................187 9.7.1 Erwartungsabfrage ........................................................................................187 9.7.2 Agenda..............................................................................................................189 9.7.3 Methoden zum Kennenlernen ....................................................................189 <?page no="16"?> 16 Inhalt 9.8 Die Gruppe in Bewegung bringen - Auflockerung nach der Mittagspause ................................................................................................ 193 9.10 Aktivierung und Gruppenerleben im digitalen Raum ...................... 195 9.10.1 Post-It Übungen .......................................................................................... 195 9.10.2 Kamera an/ aus............................................................................................. 196 9.10.3 Sag es mit einem Bild ................................................................................ 196 9.10.4 Schreibtisch und Raum nutzen ............................................................... 197 9.11 Methoden, die das Ende gestalten .......................................................... 197 9.11.1 Rückblick auf die Agenda......................................................................... 198 9.11.2 Feedback im Abgleich mit der Erwartungsabfrage............................ 198 9.11.3 Transfermethoden ...................................................................................... 198 9.11.4 Warmer Rücken .......................................................................................... 200 9.12 Das Training on the Job (ToJ) ................................................................. 201 9.12.1 Vor dem ToJ ................................................................................................. 202 9.12.2 Warm-up....................................................................................................... 202 9.12.3 In der Beobachtungsphase ....................................................................... 203 9.12.4 In der Reflexionsphase .............................................................................. 204 9.12.5 Reporting nach dem Training on the Job ............................................. 206 9.13 Wechsel der Sozialformen........................................................................ 207 9.13.1 Einzelarbeit .................................................................................................. 207 9.13.2 Partnerarbeit ................................................................................................ 208 9.13.4 Gruppenarbeit ................................................................................................ 210 9.13.5 Chancen und Ziele von Partner- und Gruppenarbeit: ......................... 211 9.13.6 Ideen zur Partner- und Gruppenbildung................................................. 211 9.13.7 Partner- und Gruppenarbeit online .......................................................... 213 10 Visualisieren mit Medien ............................................................. 215 10.1 Foliengestaltung............................................................................................. 216 10.2 Einsatz der Metaplanwand (Pinnwand)................................................... 218 10.3 Einsatz des Whiteboardss............................................................................ 219 10.4 Einsatz des Flipcharts ................................................................................... 219 10.5 Visualisieren mit Tablet oder Dokumentenkamera ............................. 221 <?page no="17"?> Inhalt 17 10.6 Die Moderationsschrift.................................................................................221 10.7 Das Zeichnen von Symbolen, Rahmen und Textcontainern ..............224 11 Materialien im Training ............................................................... 225 11.1 Moderationsmarker .......................................................................................226 11.2 Buntstifte..........................................................................................................226 11.3 Moderationskarten ........................................................................................227 11.4 Wichtige Kleinigkeiten.................................................................................227 12 Ablaufplanung ............................................................................... 231 12.1 Der Trainingsleitfaden .................................................................................232 12.2 Die einzelnen Abschnitte und Spalten des Trainingsleitfadens im Detail: ................................................................................................................235 12.3 Warum sich der Aufwand lohnt ................................................................236 13 Virtuelle und reale Trainingsräume - wo und wann wir heute lernen.................................................................................... 239 13.1 Gemeinsam Zeit verbringen - Synchrones Lernen ..............................239 13.2 Zusammen in Zeit und Raum: Das Präsenztraining .............................240 13.3 Gemeinsam im digitalen Raum - synchrones Online-Training ........241 13.3.1 Besonderheiten der Online-Didaktik........................................................242 13.3.2 Technische Möglichkeiten und deren Nutzen........................................245 13.3.3 Erste Hilfe bei technischen Problemen ....................................................246 13.4 Training jederzeit und überall: Asynchrones Lernen ..........................248 13.5 Blended Learning und hybrides Lernen...................................................251 14 Dokumentation von Trainingsergebnissen .............................. 252 15 Extra: Als Trainer auf dem freien Markt .................................. 253 15.1 Das Trainerprofil online und offline.........................................................253 15.2 Preiskalkulation..............................................................................................258 16 Anhang ............................................................................................ 261 16.1 Kurze Checkliste zur schnellen Trainingsvorbereitung: .....................261 16.2 Taxonomien für den psychomotorischen und affektiven Bereich....261 16.3 Beispiel für eine Erwartungsabfrage vorab per Fragebogen ..............262 Stichwortverzeichnis............................................................................... 265 <?page no="19"?> 1 Willkommen in der VUKA-Welt Während ich diese Zeilen schreibe, überschlagen sich die Neuigkeiten in den Medien. Heute ist der 16. März 2020. Die rasante Ausbreitung des Coronavirus führt zu unvergleichlichen Veränderungen in der gesamten Wirtschaft. Nicht nur einzelne Branchen sind berührt, sondern JEDER spürt die Auswirkungen. Die VUKA-Welt zeigt sich in ihren schillerndsten Farben, die vor einer Woche in Deutschland noch jeder für undenkbar gehalten hätte. Von einem Tag auf den anderen wurden sämtliche Trainingsmaßnahmen für die nächsten 6 Wochen abgesagt und ich sitze im Homeoffice und überlege, wie ich mein Leben und meine Arbeit neu organisiere. Mit mir tun das 80 Millionen Menschen, jeder auf seine Weise: Willkommen in der VUKA-Welt. 4 1.1 Eine kurze Beschreibung der Herausforderungen der VUKA-Welt VUKA (im englischen Sprachraum VUCA) ist ein Akronym, welches die Herausforderungen der heutigen Arbeitswelt beschreibt. Es setzt sich aus den vier Begriffen Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität zusammen. Was diese konkret bedeuten erläutere ich im Folgenden anhand des Beispiels der Corona-Pandemie: Volatilität bezeichnet den Schwankungsbereich in einem zeitlichen Verlauf, zum Beispiel bei Aktien. Im Unternehmen zeigt sich dies durch enorme Produkt- und Trendzyklen. Zu Beginn der Pandemie sind Trainingsmaßnahmen von heute auf morgen auf ein Minimum reduziert, während in der Lebensmittelbranche verzweifelt Aushilfen gesucht werden, da sowohl die Lieferketten als auch die Märkte selbst unter höchster Belastung arbeiten. Die Produktion von Desinfektionsmitteln, Schutzmasken und Equipment für die Intensivmedizin boomt, während die beiden Autobauer VW und Daimler einen Großteil ihrer Produktion in Europa in den nächsten Wochen aussetzen. Unsicherheit bezieht sich auf die Unvorhersagbarkeit von Ereignissen. Kurseinbrüche, politische Entscheidungen, die direkten Einfluss auf die Logistik, Vertragsgestaltung oder Akquisemöglichkeiten eines Unternehmens haben, sind nicht planbar. Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Eine Pandemie wie Corona war bislang undenkbar. Regierungen weltweit arbeiten mit Hochdruck daran, Entscheidungen zu treffen, um Maßnahmen für die Bevölkerung zu ermöglichen, damit eine „Grundsicherheit“ erhalten bleiben kann. Alles worauf sich die arbeitende Bevölkerung bis gestern noch verlassen 4 Nachtrag: Genau ein Jahr später, am 16. März 2021, blicke ich dankbar auf ein überraschend erfolgreiches Jahr zurück, das wir unter anderem durch die Konzeption und Durchführung von Online-Trainer-Ausbildungen auf unterschiedlichsten Plattformen gemeistert haben. <?page no="20"?> 20 1 Willkommen in der VUKA-Welt konnte ist heute außer Kraft getreten. Arbeitende Menschen werden, soweit es möglich ist, ins Homeoffice „verbannt“ und müssen schnelle Lösungen für ihre Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen finden. Die wirtschaftlichen Folgen der Krise sind nicht absehbar. Komplexität beschreibt die immer umfassenderen Informationen, die verknüpft werden müssen. Globalisierte Märkte und Finanzströme erlauben kein einfaches Ursache-Wirkung-Denken. Jede Entscheidung kann ungeplante Auswirkungen haben. Gerade ruft mich meine Geschäftspartnerin an. Sie steht an der Pforte eines Automobilzulieferers - geplant waren zwei Tage Moderationstraining mit Fach- und Führungskräften. Während wir telefonieren, wartet sie auf eine Entscheidung: Soll die Schulung stattfinden oder nicht? Es gibt viele Fragen zu klären: Welche Vorgaben gibt es von der Regierung? Welche Anweisungen gibt es von der Werksleitung? Welche gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt es über das Infektionsrisiko und unter welchen Vorgaben wäre eine Durchführung möglich? Wie ist die Stimmung bei den eingeladenen Teilnehmenden? Wer trägt die entstandenen Kosten? Kann überhaupt jemand (und wenn ja, wer? ) die Verantwortung für mögliche Folgen tragen, falls es bei der Schulung zu einer Virenübertragung kommt? Ambiguität bezeichnet die fehlende Eindeutigkeit. Viele Informationen sind zu mehrdeutig, wodurch es zu Fehlinterpretationen und falschen Handlungen kommen kann. „Und was heißt das jetzt? “ ist eine typische Frage, die Mitarbeiter sich stellen, wenn sie eine Mail der Unternehmensleitung lesen. Gerade Kommunikationssituationen weisen eine enorme Deutungsvielfalt auf, die durch die Zunahme von elektronischer Kommunikation via Online- Meetings und Mails weiter zunimmt. Beim Beispiel der Coronakrise fragen Mitarbeiter: Was genau heißt soziale Distanz? Wie nahe dürfen wir uns bei der Zusammenarbeit noch kommen? Was genau bedeutet das Einhalten von Hygienemaßnahmen? Was über das Waschen der Hände hinaus ist noch zu beachten? Droht mir Gefahr, wenn ich Flächen anfasse, die zuvor ein Kollege angefasst hat? Wir planen jetzt für die nächsten zwei Wochen - was ist danach? Wie lange wird die Krise dauern? Ich gebe zu: Das Beispiel Corona ist ein extremes, und die meisten Changeprozesse laufen in kleinerem Rahmen und mit weniger Auswirkungen ab. Hier einige Beispiele, welche Auswirkungen die VUKA-Welt außerhalb der Pandemie zeigt: Karrieren sind nicht mehr so planbar, da sich Berufsbilder und Funktionen im Unternehmen zu schnell verändern und Arbeitnehmer darauf sehr flexibel reagieren müssen. Fach- und Führungskräfte bewegen sich heute auf einem Arbeitsmarkt, der viele Angebote offeriert und sie aktiv umwirbt. Hochqualifizierte Fachkräfte können sich aussuchen, ob sie in New York, Rio oder Tokio arbeiten möchten, und Arbeitgeber führen einen „War for Talents“. <?page no="21"?> 1.2 So vieles zu lernen - beste Zeiten - nicht nur für Führungskräfte-Trainer 21 Arbeitnehmer stellen Beruf und Karriere nicht mehr ausschließlich in den Mittelpunkt ihrer Lebensplanung. Das fordert von Arbeitgebern, dass sie Familienzeiten überbrücken müssen - was früher bei Fach- und Führungskräften undenkbar war. Unternehmen haben eine kürzere Lebensdauer. Den sicheren Job gibt es heute nur noch bedingt. In der VUKA-Welt kann der Bigplayer von heute schon morgen von einem kleinen Startup rechts überholt werden. 1.2 So vieles zu lernen - beste Zeiten - nicht nur für Führungskräfte-Trainer Der Wandel der Arbeitswelt erzeugt neue Bedürfnisse, und neue Trainingsthemenfelder schießen wie Pilze aus dem Boden. Drei Begriffe werden jedem Businesstrainer begegnen, egal mit welchem Thema er eigentlich unterwegs ist: digital, agil und global. Aus ihnen ergibt sich gleichzeitig ein unglaubliches Themenspektrum für Trainings, was das folgende Schaubild anhand von einigen Beispielen zeigt: Abbildung 1: Beispiele für neue Trainingsthemen digital Mitarbeiter arbeiten weltweit zusammen an Projekten. Sie arbeiten von zu Hause aus und fordern größtmögliche Flexibilität. Wer heute als Trainer Digitalisierungsprozesse unterstützen kann und Mitarbeiter in digitalen Arbeitsweisen fit macht, schwimmt mitten im Trend. Neben den IT-Themen, die trainiert werden müssen, sind auch Softskills erforderlich, wie z.B. Selbst- und Zeitmanagement im Homeoffice, Moderation von Online-Meetings oder digital IT-Training Selbstmanagement im Homeoffice Moderation von Online-Meetings agil Projekte steuern mit agilen Methoden wie Scrum oder Kanban effektive Retrospektiven durchführen agiles Mindset global englischsprachige Verträge verstehen und verhandeln interkulturelle Kompetenz Sozialversicherung von Expatriots <?page no="22"?> 22 1 Willkommen in der VUKA-Welt Führung digitaler Teams. Denn die digitale Arbeitswelt hat noch eine andere Seite: Nach dem morgendlichen Check der sozialen Netzwerke beginne ich die Arbeit im Homeoffice. Kurz ein Blick in die E-Mails, da fällt mir auf: Schon wieder Freitag? Wo ist nur schon wieder die Woche hin? Die Todo-Liste ist noch so lang. Und gleich beginnt das Online-Meeting. Das dauert bestimmt wieder ewig und danach bin ich so gestresst, dass ich eigentlich direkt ins Wochenende gehen könnte, das weiß ich jetzt schon. Immer und überall erreichbar zu sein und alle Kanäle zu bedienen, erzeugt Stress. Die Folge sind oft eine fehlende Fokussierung und wenig Produktivität bei gleichzeitiger Gefahr des Burnouts. Wir rasen durch die Datenautobahnen, konsumieren und produzieren Content - und manchmal entsteht in all diesem Trubel ein großes Gefühl der Leere. Echter Fortschritt erfordert jedoch nicht nur das Fortschreiten, sondern auch das Innehalten und Reflektieren. Nur wer sein Tun bewusst wahrnimmt, reflektiert und seine Reflexionen in sein zukünftiges Handeln einfließen lässt, kommt wirklich voran. Digitales Arbeiten überflutet uns mit visuellen Reizen, und auch wenn wir unsere Kollegen online treffen, kann dies nicht das gemeinsame Erleben in einem Raum ersetzen. Mit seinen zu Recht umstrittenen Bestsellern „Digitale Demenz“, „Smartphone-Epidemie“ und „Cyberkrank! “ befeuerte der Gehirnforscher Manfred Spitzer eine breite gesellschaftliche Diskussion über die möglichen körperlichen, geistigen und seelischen Risiken und Nebenwirkungen, der ungebremsten Digitalisierung - nicht nur bei Kindern. 5 So stellt man in der Unternehmenswelt neben dem Digitalisierungstrend einen Trend zur Achtsamkeit und Entschleunigung fest. Trainings zum Thema Stressmanagement, Entspannung oder Yoga stehen seit Jahren hoch im Kurs und zeugen vom steigenden Bedürfnis, das Hier und Jetzt wahrzunehmen und bewusst zu handeln statt zu hetzen. Der Digitalisierungstrend öffnet also auch nicht-digitalen Trainingsthemen Türen. Ganz nebenbei eröffnet er zahllose neue Wege, wie Wissen und Können vermittelt werden können. Doch dazu mehr im Kapitel 13 zum Thema digitale Trainingsräume. agil Einer meiner Auftraggeber - Sven Langner von der GenoAkademie prophezeite mir beim Interview „goldene Zeiten“: Gerade beim Thema Führungskräftetraining herrsche enormer Bedarf. Führung muss vollkommen neu gedacht werden. Das Geheimnis des Erfolgs vieler Global Player war früher eine eindeutige Hierarchie mit einer Arbeitsteilung: Oben wird gedacht und 5 Professor Dr. Manfred Spitzer ist ein deutscher Neurowissenschaftler und Psychiater, der durch seine zahlreichen Medienauftritte einen hohen Bekanntheitsgrad hat. Seine Auftritte und Bücher sind in Fachkreisen hochumstritten und werden von vielen als polemisch und einseitig kritisiert. <?page no="23"?> 1.2 So vieles zu lernen - beste Zeiten - nicht nur für Führungskräfte-Trainer 23 unten wird gemacht. In der VUKA-Welt führen diese Organisationsformen dazu, dass Entscheidungen nicht in erforderlichem Tempo und erforderlicher Güte getroffen werden können. Anfragen aus der Basis gehen nach oben und dort entsteht ein Stau. Die betroffenen Mitarbeiter hängen in Warteschleifen, was neben der Handlungsunfähigkeit auch zusätzlich Unzufriedenheit erzeugt. Verkrustete Hierarchien und lange Entscheidungswege funktionieren nur, wenn jeder seinen Platz kennt und akzeptiert und wenn wir viel Zeit haben. Agiles Management erfordert nicht nur eine Überarbeitung des Organigramms, sondern vor allem eine neue Haltung - das vielbeschworene agile Mindset. Führungskräfte müssen den Einschätzungen ihrer Mitarbeiter vertrauen und ihnen genügend Entscheidungsspielraum gewähren, damit diese die notwendige Flexibilität und Schnelligkeit an den Tag legen können, um auf unerwartete Anforderungen zu reagieren. Während es im traditionellen Management eine klare Trennung zwischen Entscheidung, Planung und Ausführung gibt, sind agile Methoden demokratischer. Im besten Fall fließen die Erfahrungen der Mitarbeiter nicht nur in Entscheidungsprozesse mit ein, sondern einzelne Entscheidungen werden im Team selbst getroffen und umgesetzt. „Es wird nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird“ sagte ein alter Kollege von mir früher immer, wenn aus dem Management Veränderungen angekündigt wurden. In Zeiten des fortlaufenden Wandel ist jedoch die Haltung „Abwarten und Tee trinken“ nicht zielführend. Traditionell sind wir gewohnt, dass wir im professionellen Umfeld nicht über Gefühle sprechen. Doch Agilität bedeutet auch die ständigen Veränderungen um uns herum nicht einfach auszusitzen, sondern die daraus entstehenden Gefühle - positive wie negative - konstruktiv miteinzubringen, um selbst ein Teil der Veränderung zu werden und Prozesse mitzugestalten. Agiles Arbeiten erfordert eine offene Kommunikation. Bedenken und innere Widerstände müssen offen ausgesprochen werden, damit konstruktive Lösungen gefunden werden können. Für Trainer heißt dies: Moderation ist die Grundfertigkeit der Stunde 6 . Egal welches Thema ich trainiere, es muss gleichzeitig ein offener Diskurs zum Thema angeregt werden. Menschen zu ermutigen, offen ihre Bedenken und Gefühle zu äußern und dies konstruktiv in einen Lernprozess mit einzubeziehen, ist mehr gefordert denn je. global Egal wie gut die Übersetzungsprogramme sind und zukünftig werden: Um internationale Arbeitsbeziehungen zu pflegen, ist Sprachkompetenz von enormem Vorteil. Sprachtrainings sind also gefragt wie nie, und auch zahl- 6 Vergleiche Kapitel 9.6 Moderation <?page no="24"?> 24 1 Willkommen in der VUKA-Welt lose Apps, die das Blaue vom Himmel versprechen, können die Kommunikation mit einem echten Trainer nicht ersetzen. Auch wenn der in der neuen Welt nicht unbedingt vor Ort sitzt, sondern digital zugeschaltet wird. Und Kommunikation bedeutet ja auch noch so viel mehr als die reine Aneinanderreihung von Worten. Da gibt es ja noch diese Kulturunterschiede ... Vor Jahren führte ich selbst einmal ein Kommunikationstraining in einem Düsseldorfer Unternehmen durch, in dem ca. 30% der Belegschaft aus Japan kam. Da alle Teilnehmenden in Deutschland lebten und arbeiteten und das Training in deutscher Sprache durchgeführt wurde, machte ich mir darüber keine weiteren Gedanken. Spätestens nach dem ersten Rollenspiel mit Feedback spürte ich, dass ich mir wohl Gedanken hätte machen müssen. Eine Seminarteilnehmerin nahm mich in der Pause beiseite und meinte fast entschuldigend „Es liegt nicht an Ihnen, aber das mit dem Feedback ist etwas schwierig, das ist hier nicht so üblich.“ Ich fühlte mich mit meiner deutschen Direktheit wie ein Elefant im Porzellanladen. <?page no="25"?> 2 Trainerrolle - wer bin ich und wenn ja, wie viele? 7 In den letzten Jahren hat sich das Bild des Lehrenden von Grund auf verändert. Traurig könnten wir uns in die Zeiten zurücksehnen, in denen wir noch „Autoritätspersonen“ waren und man voller Respekt zu uns aufsah. Und ganz ehrlich, manchmal würde man sich doch ein wenig davon zurückwünschen, wenn Seminarteilnehmende offensichtlich genervt die Augen verdrehen, ohne die Spur eines schlechten Gewissens WhatsApp-Nachrichten texten oder einfach lautstark anderer Meinung sind. War das früher nicht alles besser? Die 68er-Generation wehrte sich erfolgreich gegen den „Muff von 1000 Jahren“ 8 , der an den Universitäten herrschte, und auch in der Arbeitswelt entstand Ende der 1960er Jahre ein breiter Widerstand gegen Bevormundung und Belehrung von oben. Angestellte und Arbeiter wünschten sich mehr Beteiligung an Planungsvorhaben und wurden in den Folgejahren immer mehr von den Betroffenen zu Beteiligten. Heute ist es Konsens, dass erwachsene Menschen ihre Erfahrungen und ihr Wissen aktiv in ein Training mit einbringen, und trotzdem herrscht natürlich immer noch die Erwartung, dass die Leitung auch Fachexperte ist. Aus diesen Erwartungen ergeben sich die zwei Rollen, die jeder Businesstrainer heute beherrschen muss: 1. Die Rolle des Referenten , der als Fachexperte alle aktuellen Trends seines Themas beherrscht, spannend präsentiert und anhand von passenden Fallbeispielen vermittelt. 2. Die Rolle des Moderators , der sozial kompetent die Gruppe steuert, darauf achtet, dass jeder sich einbringt, und simultan die Ideen und Arbeitsergebnisse der Gruppe visualisiert. Bei meinen Gesprächen mit Weiterbildungsexperten antworteten diese auf die Frage nach den Trainern, zu denen sie selbst gerne in Trainings gehen, sinngemäß: Experten, die nahbar sind, die Augenhöhe vermitteln, die Kommunikationsräume für die Teilnehmenden schaffen. Dies bedeutet im Selbstverständnis als Trainer heute, dass wir nicht mehr in erster Linie als Referenten gefragt sind. Trainer sind heute gefragt als Unterstützer von Lernprozessen, bei denen die Teilnehmenden sich selbstverständlich aus verschiedenen Quellen informieren. Die Rolle des Trainers besteht dann stärker darin, die Lernprozesse zu unterstützen, Einschätzungen zu konkreten Fragen zu geben und auf Fragen der Umsetzung einzugehen. In der Didaktik ist dafür die Metapher des „Instructional Scaffolding“ entwi- 7 Wer bin ich - und wenn ja, wie viele? ist der Titel eines im Jahr 2007 veröffentlichten Sachbuchs des Philosophen Richard David Precht. 8 „Unter den Talaren - Muff von 1000 Jahren“ war der Text eines Transparents, das 1967 an der Uni Hamburg enthüllt wurde. Es gilt bis heute als eine wesentliche Kernbotschaft der deutschen Studentenbewegung. <?page no="26"?> 26 2 Trainerrolle - wer bin ich und wenn ja, wie viele? ckelt worden. 9 Wie bei einem Gerüst (scaffold) unterstützen die Lehrenden die Lernenden dabei, neue Fähigkeiten und neues Wissen zu entwickeln. 2.1 Begriffsabgrenzung Moderator, Referent, Trainer oder Coach sind nur vier Bezeichnungen, wie sich Menschen selbst in ihrer Rolle als Lehrende bezeichnen. Dementsprechend herrscht auch bei Kunden eine Begriffskonfusion, und ich wurde schon als Trainerin, Coach, Moderatorin und Referentin engagiert, wobei Erwartungen an die Bezeichnung keineswegs eindeutig waren. Darum lassen Sie uns erst einmal etwas Struktur ins Begriff-Wirrwarr bringen. Abbildung 2: Begriffsabgrenzung Keiner dieser Begriffe ist wirklich geschützt oder wird eindeutig verwendet - Sie können also theoretisch frei wählen, wie Sie sich nennen. Um am Markt jedoch ernst genommen zu werden, sollten Sie das, was Sie tun. auch korrekt benennen und Ihre Befähigung auch über eine Zertifizierung nachweisen können. 9 Eine wichtige Inspirationsquelle der „Theory of Scaffolding“ war der russische Psychologe Lev Vygotsky. Businesstrainer / in Dozent/ in Referent/ in Coach Supervisor / in Berater/ in Speaker/ in Mediator/ in Organisationsentwickler / in Moderator / in <?page no="27"?> 2.2 Der (Business)-Trainer 27 2.2 Der (Business)-Trainer Ich habe für dieses Buch den Begriff des Trainers, genauer des Businesstrainers gewählt. Vielleicht zeigt sich darin meine Vorliebe für Bewegung und, dass ich neben Erziehungswissenschaft, Soziologie und Kriminologie auch Sportwissenschaften studiert habe. Die Idee, dass man durch Training nicht nur körperliche, sondern auch geistige Veränderungen bewirken kann, gefällt mir. Regelmäßiges Training schafft neue Gewohnheiten, stärkt in unserem Gehirn entsprechend Synapsenverbindungen und erleichtert und beschleunigt Handlungen, die zu Beginn noch unbequem und fremd erschienen. Routinen entstehen und erleichtern unser Leben. Gerade im Business werden Menschen ständig Veränderungen abverlangt. „Schon wieder eine neue Version der Systemanwendung? “, „Jetzt soll ich plötzlich Präsentationen für unsere neue Zielgruppe halten? “ oder „Ach ja, wir sprechen bei den Teams- Meetings ab sofort Englisch, ähm, yes ...“. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die verschiedenen Berufsbezeichnungen. Sie bezieht sich dabei nur aufs Businessumfeld und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Berufsbezeichnung und Format Tätigkeit, Methoden s owie Haltung / Autorität Trainer - Training Gibt ein Lernziel vor und unterstützt Teilnehmende systematisch dabei neue Verhaltensweisen auf- und auszubauen. Das Besondere hierbei ist die Methode der Übung und des Feedbacks. Typische Methoden: Übung mit anschließendem Feedback Gängige Veranstaltungsform: Training Dozent oder Referent - Seminar Vermittelt Wissen, ist Experte für ein Thema, beantwortet Fragen - ist Autorität in Fachfragen Typische Methoden: Vortrag / Präsentation und Lehrgespräch Coach - Coaching Gibt selbst keine Ziele vor und macht klassischerweise keine Lösungsvorschläge. Unterstützt seine Klienten dabei selbst Lösungen zu erarbeiten. Typische Methode: Systemisches Fragen Gängige Veranstaltungsformen: Einzelcoaching oder Teamcoaching Berater - Beratung Als Fachexperte gibt er Informationen weiter und macht konkrete Lösungsvorschläge Typische Methoden: Problemanalyse und Definition von Maßnahmen Gängige Veranstaltungsform: Beratungsgespräch <?page no="28"?> 28 2 Trainerrolle - wer bin ich und wenn ja, wie viele? Organisationsentwickler - Maßnahmen zur Organisationsentwicklung OE Begleitet ein Unternehmen durch einen Veränderungsprozess, ermöglicht den Betroffenen Teilhabe und unterstützt den Kommunikationsprozess im Wandel. Typische Methoden: Beratung und Moderation Gängige Veranstaltungsform: Workshop (z.B. Zukunftskonferenz) Speaker - Keynote z.B. bei Tagung Gibt sein Wissen als Redner an (Groß)gruppen in Form von unterhaltsamen Vorträgen weiter, die das Publikum informieren, unterhalten und inspirieren. Typische Methoden: Vortrag und Storytelling Moderator 10 - Workshop Führt das Wissen einer Gruppe zusammen, macht Meinungen und Stimmungen in der Gruppe sichtbar und verhilft jedem zu Wort. Typische Moderationsmethoden: Zurufabfrage, Kartenfrage, Punktabfragen Mediator - Mediation Ist „allparteilicher Dritter“ der bei einem Konflikt die Beteiligten außergerichtlich strukturiert zu einer gemeinsamen Vereinbarung führt Typische Methoden: Kommunikationsmethoden, wie das aktive Zuhören und Ich-Botschaften, sowie Moderationsmethoden wie das Brainstorming. Supervisor - Supervision Begleitet Einzelne oder Teams und unterstützt diese im Gespräch bei der Reflexion und Verbesserung ihres professionellen Handelns. Supervision wird vor allem im medizinischen, psychologischen, sozialen, pädagogischen und therapeutischen Bereich genutzt. Neben der Intervision (einer kollegialen Beratung) ist sie auch für Businesstrainer ein geeignetes Instrument eigene Veranstaltungen zu reflektieren und unterstützt den Prozess der Professionalisierung enorm. Typische Methoden: Psychologische Methoden und Vereinbarung von Zielen und Erfolgskontrollen 10 Neben dem Workshopmoderator gibt es auch den Moderator, der das Publikum durch ein Programm einer großen Veranstaltung führt, und den Moderator, der auf der Bühne eine Podiumsdiskussion leitet - eine genauere Definition des Begriffs Moderation finden Sie in Kapitel 9.6. <?page no="29"?> 3 Trainerkompetenzen - was ein Businesstrainer heute können muss Businesstrainer sind wahre Tausendsassa. Sie sind nicht nur schlaue Fachexperten, die etwas zu sagen haben. Nein, sie sind perfekte freundliche Gastgeber, die aber auch stimm- und wortgewaltig die wildesten Teilnehmergruppen bändigen. Nebenbei überraschen sie immer wieder mit Methoden, die nicht nur interessant, sondern auch äußerst lehrreich sind. Ganz unvermutet liegt unsichtbar für die Teilnehmenden hinter diesem ganzen „Hokuspokus“ ein gut durchdachtes Konzept, das absichert, dass zuvor formulierten Lernziele auch tatsächlich erreicht werden können. Um uns dieser geballten Kompetenz anzunähern, lassen Sie uns die einzelnen Kompetenzbereiche einmal genauer betrachten: Das Schaubild teilt die Businesstrainerkompetenz in 7 Kompetenzbereiche auf. Die jeweils gleichfarbigen Kompetenzen zeigen dabei eine „Wesensverwandtschaft“, worauf ich in der Beschreibung der einzelnen Bereiche noch einmal näher eingehe. Abbildung 3: Kompetenzen des Businesstrainers Kompetenzen didaktischmethodische Kompetenz Fachkompetenz Feldkompetenz Präsentationskompetenz digitale Kompetenz Sozialkompetenz Selbstkompetenz <?page no="30"?> 30 3 Trainerkompetenzen - was ein Businesstrainer heute können muss 3.1 Didaktisch methodische Kompetenz Der Trainer bereitet Inhalte zielgruppengerecht auf, passt die Stoffmenge an die zu Verfügung stehende Zeit an, formuliert klar überprüfbare Lernziele und ermöglicht deren Erreichen durch den Einsatz passender Methoden . Die Didaktik als Wissenschaft 11 , die sich mit dem Lernen und Lehren beschäftigt, bezieht sich in erster Linie auf Lerninhalte sowie auf Prinzipien 12 , Lehr- und Lernmodelle. Der deutsche Erziehungswissenschaftler Wolfgang Klafki unterscheidet zwischen der Didaktik als „theoretische Wissenschaft“ und der Methodik. Hier geht es um die Methoden, die der Businesstrainer wählt. Wird der Wissensstoff zum Beispiel als Vortrag oder als interaktives Lehrgespräch vermittelt. Außerdem spielen die Sozialformen eine Rolle, arbeitet der Trainer mit der Gesamtgruppe, also im Plenum, oder gibt es Einzel- oder Gruppenarbeiten. Insgesamt beachtet der Trainer dabei die Aufmerksamkeitskurve und rhythmisiert das Lernen so, dass die Lernenden durch den Wechsel von Methoden und Sozialformen ihre Konzentration aufrechterhalten können. Lehrinhalte, Methoden und Sozialformen stellt der Trainer zu einem Gesamtplan zusammen - dem Trainingsleitfaden. Dieser wird von manchen Bildungsanbietern und Unternehmen zusammen mit ausformulierten Lernzielen zur Qualitätssicherung angefordert. 13 3.2 Fachkompetenz Der Trainer ist Fachexperte für die Themen, die er trainiert. Um didaktisch, methodisch zu starten ist natürlich Fachwissen erforderlich - schließlich sollte ich wissen, über was ich spreche. Idealerweise kann ich das, was ich lehre, mit fundierten Zahlen, Daten und Fakten belegen. Unternehmen erwarten, dass Trainer Fachexperten für das Trainingsthema sind und sowohl die Forschungsergebnisse der Bezugswissenschaften als auch die aktuellen Trends ihres Fachs kennen. Nehmen wir zur Verdeutlichung ein Beispiel: Beim Thema Zeitmanagement und Selbstorganisation wäre sicher unter anderem die Chronobiologie eine 11 Neben Didaktik und Methodik wird in der Erwachsenenbildung auch häufig von Andragogik (Wissenschaft, die sich mit der lebenslangen Bildung von Erwachsenen befasst) - in Abgrenzung zu Pädagogik (Erziehungswissenschaft) gesprochen. 12 Didaktische Prinzipien siehe Kapitel 7.10. 13 So haben Versicherungsvermittler eine Pflicht sich weiterzubilden, Trainings werden aber nur anerkannt, wenn sie den Anforderungen der europäischen Versicherungsvertriebsrichtlinie entsprechen, was u.a. eine detaillierte Ablaufplanung plus didaktisch korrekt formulierter Lernziele beinhaltet. <?page no="31"?> 3.2 Fachkompetenz 31 Bezugswissenschaft. Diese gibt Aufschluss über die Leistungsfähigkeit im Verlauf des Tages, abhängig vom persönlichen Chronotyp (Frühaufsteher - Lerche oder Langschläfer - Eule). Zudem wäre es sehr verwunderlich, wenn ein Zeitmanagementtrainer, gefragt nach dem neusten Bestseller von Lothar J. Seiwert 14 , erwidern würde: Wer ist das? Von einem Trainer erwarten Teilnehmende, dass er die aktuelle Fachliteratur und die Experten dieses Themas kennt. Inzwischen passiert es mir auch oft, dass ich nach „Topspeakern“ gefragt werde, deren Vorträge via YouTube ein Millionenpublikum erreichen. Diese Beiträge sind zwar zum Teil sehr wenig wissenschaftlich, nichtsdestotrotz zeigen sie Trends, die sich in meinem Fachgebiet abzeichnen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Natürlich kenne ich auch nicht jeden Trainer oder YouTuber, der je über mein Fachgebiet gesprochen hat, und auch ich antworte häufig auf die Frage „kennen Sie ...“ mit „nein“. Wobei ich mir im Anschluss immer fleißig die erfragten Namen notiere und nachträglich recherchiere. Nach meiner Recherche entscheide ich dann, ob ich mir diesen Namen auf jeden Fall merken sollte. Auch mit anderen Trends, wie Apps und Softwarelösungen aus meinem Fachgebiet beschäftige ich mich regelmäßig. Mindestens einmal die Woche überfliege ich zumindest die aktuellen Newsletter und natürlich besuche ich selbst regelmäßig Messen und Weiterbildungen zu meinen Themen. Das ermöglicht mir, auf die Vorlieben meiner Teilnehmenden einzugehen und Empfehlungen auszusprechen. Als Fachexperte ist es mein Anspruch, differenziert Vorteile und Grenzen von Ansätzen und Methoden meines Fachgebiets darstellen zu können. Walk what you talk Zu einer glaubhaften Fachkompetenz gehört auch, dass ich von dem, was ich vermittle, überzeugt bin - mehr noch, dass ich es lebe und selbst anwende. Ein befreundeter Trainer erzählte mir einmal, dass er früher Zeitmanagement-Seminare angeboten hätte. Er ist ein schlauer Kopf und konnte problemlos alle Modelle vermitteln. Sein Problem war nur, dass er mit seinem eigenen Zeitmanagement während des Seminars überhaupt nicht klarkam. Mal vergaß er die Pause, ein andermal überzog er die Seminarzeit mehr als eine halbe Stunde. Als er schließlich zu einem Seminar sogar zu spät erschien, traf er endlich die Entscheidung: Das ist einfach nicht mein Thema. 14 Gilt als der „deutsche Papst des Zeitmanagements“ <?page no="32"?> 32 3 Trainerkompetenzen - was ein Businesstrainer heute können muss Das erklärt auch, warum der berühmte „Bauchladen“ an Themen, den manche Trainer anbieten kaum glaubhaft funktionieren kann: Nur wer sich spezialisiert kann die erwartete Fachkompetenz mitbringen und auf dem aktuellen Stand halten. Und: wer als Trainer neben Reiki 15 , auch Websiteerstellung und Vertriebstraining anbietet hat (zumindest in meinen Augen) auch ein Glaubwürdigkeitsproblem. 3.3 Feldkompetenz Der Businesstrainer ist idealerweise vertraut mit den Rollen, der Kultur, der Organisationsform und Arbeitsweise seiner Teilnehmenden. Oft sind Fachkompetenz und Feldkompetenz ganz selbstverständlich zusammen vorhanden. Dabei geht es weitestgehend um die Erfahrung im Arbeitsfeld der Teilnehmenden. Wenn ich also selbst als Führungskraft in einer Bank gearbeitet habe, verstehe ich Problemstellungen dieser Position sehr viel besser als ein Trainer, der Berufserfahrungen als Mediengestalter mitbringt. Der Schluss, dass ich jeden Job erst einmal selbst gemacht haben muss, um Andere zu trainieren, wäre aber grundlegend falsch. Denn es ist … 1. …oft von großem Vorteil, nicht Teil des Systems zu sein, in dem ich trainier. So fällt es mir leichter, die nötige Distanz zu wahren und eine Metaperspektive einzunehmen. 2. ...äußerst inspirierend für Unternehmen und Teilnehmende, wenn ein Trainer, die in anderen Branchen oder in einem anderen Tätigkeitsfeld gesammelten Erfahrungen als „frischen Wind“ miteinbringt. „Also brauche ich jetzt Felderfahrung oder nicht? “ werden Sie sich fragen. Als Antwort möchte ich Ihnen eine kleine Geschichte weitererzählen, die ich von einer Teilnehmerin einer Trainerweiterbildung gehört habe: Zwei Teilnehmende tuscheln und kichern. Außer dem Trainer wissen alle warum. Es geht um die außergewöhnlichen smaragdgrünen Gesundheitsschuhe, die er trägt. Der Trainer schaut fragend in die Runde und alle schweigen diszipliniert. Er scheint ja nett zu sein und die Teilnehmerrunde ist bereit sich einzulassen - auch wenn der Stuhlkreis mit der gestalteten Mitte (einige bunte Seidenstoffe sind um eine Vase mit Feldblumen arrangiert) beim Eintritt für Irritation gesorgt hat. Das wird sich sicher gleich klären und es geht ja um Stressmanagement, da versteht es sich, dass die Atmosphäre anders ist als bei einer PowerPoint-Schulung. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde und der Klärung des Tagesablaufs lädt der Trainer die Gruppe ein, sich in 15 Reiki ist ein Konzept, nach dem Auflegen der Hände und Symbolarbeit Einfluss auf die Gesundheit eines so behandelten Individuums genommen wird. Bitte fragen Sie mich nicht mehr - hier bin ich keine Expertin; -). <?page no="33"?> 3.4 Präsentationskompetenz 33 Zweierteams gegenseitig den Rücken abzuklopfen und empfiehlt diese Übung doch auch in den Arbeitsalltag zu integrieren und sich gegenseitig mal was Gutes zu tun. Einzelne Gesichter erstarren und eine Teilnehmerin sagt: „Also tut mir leid, aber ich möchte das nicht - weder hier und noch viel weniger im Büro“. An dieser Stelle ein Dank an alle Teilnehmenden, die Worte für das Unaussprechliche finden: Mit unseren Trainings sähen wir Ideen und pflanzen zarte Sprösslinge für neue Verhaltensweisen in das Arbeitsfeld unserer Teilnehmenden. Dafür sollten wir das Feld und seine Bodenbeschaffenheit kennen. Feldkompetenz bedeutet, dass ich das Arbeitsumfeld meiner Teilnehmenden kenne. Ich muss nicht wissen, was bei meinem Teilnehmenden oben rechts in der Schublade des Schreibtischs liegt, aber eine Vorstellung davon haben, wie sein Arbeitsumfeld aussieht, welchen Ausbildungshintergrund er hat, wie sein Tagesablauf aussieht und welche Regeln (auch die ungeschriebenen) es im Umgang miteinander gibt. Verstehen Sie mich nicht falsch: Training bedeutet immer auch, einen Schritt aus der eigenen Komfortzone herauszutreten. Oft gilt es den Einwand „Das geht bei uns nicht“ zu entkräften und mit Teilnehmenden gemeinsam zu erforschen, wie das eben doch bei ihnen gehen könnte. Erfahrene Personalentwickler fragen bei externen Trainern oft auch nach, inwieweit diese Branchenkenntnisse haben, ob sie bereits in diesem oder einem ähnlichen Bereich Trainings durchgeführt haben oder sie vielleicht sogar schon einmal selbst eine der Teilnehmenden ähnliche Tätigkeit ausgeübt haben. Dahinter steht im Grunde die Sorge, ob wir Teilnehmende in ihrer Kultur und ihren Gewohnheiten abholen können und ob wir ihre Sprache sprechen. Übrigens: Der Trainer aus der kleinen Geschichte war normalerweise in einem Familienbildungswerk aktiv. Die Führungskraft eines Servicecenters hatte die Empfehlung von einem Freund, der bei dem Trainer ein Wochenendseminar für Paare besucht hatte. Das Unternehmensumfeld war dem Trainer neu und ich beneide ihn nicht um den Aufwand, den er betreiben musste, um seine Angebote auch in diesem Feld erfolgreich zu platzieren. 3.4 Präsentationskompetenz Der Trainer spricht selbstbewusst und frei vor Gruppen und setzt zur Unterstützung gekonnt unterschiedliche Medien und Materialien ein. Hektisch versucht der Trainer die Präsentation zu starten, doch es gibt technische Probleme und auch der 10 Minuten später erscheinende Facilityservice bekommt die Verbindung zwischen Tablet und Beamer nicht ans Laufen. Die Teilnehmenden sind hin- und hergerissen zwischen Mitgefühl und Ungeduld. „Vielleicht können Sie uns die Präsentation einfach im Anschluss schicken und wir fangen so an“, schlägt einer vor. Mit Hilfe des etwas schief stehenden Flipcharts und einem schlecht schreibenden Stift versucht der <?page no="34"?> 34 3 Trainerkompetenzen - was ein Businesstrainer heute können muss Referent seinen gestammelten Vortrag zu unterstützen, indem er unleserlich aufs Flipchart krakelt. Ein Horrorszenario nicht nur für den Trainer. Oft sind es schon viel kleinere Pannen, ein Erröten oder ein Versprecher, die kritisch im Feedbackbogen von Teilnehmenden bewertet werden. Wer jetzt denkt, dass Präsentationskompetenz sich nur im perfekt ausgestatteten Seminarraum zeigen kann, der irrt. Bei einer meiner Trainerausbildungen lernte ich einen Trainer kennen, der bei einem weltweit bekannten Schnellimbiss Schulungen für das Frittieren der perfekten Pommes durchführte. Diese Schulungen fanden oft einfach in der Großküche oder im Pausenraum der Mitarbeiter statt, und er erzählte grinsend, dass ihm im Grunde ein alter Karton und ein Filzstift reiche, um seine Ausführungen zu visualisieren. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Die Investition in eine gute Ausstattung lohnt sich auf jeden Fall und Ihre Präsentationskompetenz zeigt sich auch darin, dass Sie einen gutschreibenden Flipchartmarker dabeihaben. Doch neben dem gekonnten Umgang mit den Medien und dem Material zeigt sich diese Kompetenz vor allem darin, wie reaktionsfähig Sie sind, wenn Sie plötzlich improvisieren müssen. Der Businesstrainer unterscheidet sich vom Fachexperten bei einem Vortrag dadurch, dass er sein Wissen anschaulich auf unterschiedlichsten Weg präsentieren kann. Er beherrscht das Storytelling, spricht frei und lebendig und beherrscht die Technik - egal ob digital oder analog. Mit passenden einprägsamen Bildern visualisiert er seinen Lernstoff klar und verständlich und bleibt auch bei technischen Pannen souverän und findet Alternativlösungen. Rampensau mit Lampenfieber? „In jedem Trainer steckt doch auch eine kleine Rampensau.“ Sagte einmal eine befreundete Trainerin im Vertrauen zu mir. Was sie damit meinte, war der positive Adrenalinstoß, den das Sprechen vor Publikum erzeugt. Damit ist die Basis einer guten Präsentationskompetenz gelegt - wenn es mir Freude bereitet, mich selbst und mein Thema zu präsentieren, ist eine wichtige Hürde genommen. Falls die Freude beim Sprechen vor Gruppen eher Lampenfieber gleicht - lassen Sie sich nicht beirren. Deuten Sie dies positiv: Sie nehmen Ihre Teilnehmenden ernst und möchten diese gut unterhalten. Im positiven Sinne sorgt das Lampenfieber dafür, dass Sie sich gut vorbereiten und die Tragweite ihrer Handlungen abwägen. Für den Umgang mit Lampenfieber ist es zunächst wichtig, die mit der Anspannung einhergehenden Veränderungen positiv wahrzunehmen und als sinnvoll und förderlich zu akzeptieren. Also verurteilen Sie sich nicht, wenn Sie erröten oder zu Beginn einer Präsentation Ihr Herz schlagen spüren, sondern deuten sie dies als ein Zeichen dafür, dass das, was Sie tun, Ihnen wichtig ist. Mir selbst hilft folgender Satz der positiven Deutung: Lampenfieber ist ein Zeichen des Respekts gegenüber der Aufgabe und den Teilnehmenden. <?page no="35"?> 3.5 Digitale Kompetenz 35 Übrigens führt die häufige Konfrontation mit der Situation automatisch dazu, dass Sie die Situation als weniger furchteinflößend wahrnehmen. Trotzdem kenne ich kaum einen Trainer, der vor einem als schwierig empfundenen Training nicht nervös wäre. Vor der gemeinsamen Moderation eines wichtigen Workshops fragte ich meine Kollegin beim Frühstück im Hotel: „und hast Du gut geschlafen? “ Sie antwortete: „Ich habe im Bett gelegen und habe zu mir selbst gesagt: Ruhen ist auch gut.“ Nein, es ist natürlich vor einem Training nicht notwendig, sich schlaflos zu wälzen, und guter Schlaf ist eine wunderbare Vorbereitung auf einen harten Arbeitstag. ABER: Machen Sie sich nicht noch zusätzlich verrückt, wenn Sie eine schlaflose Nacht vor einem wichtigen Termin verbringen - Sie werden danach umso besser schlafen. 3.5 Digitale Kompetenz Die digitale Kompetenz des Trainers zeigt sich in seiner Erfahrung im Umgang und der Gestaltung von digitalen Lernangeboten sowie in seinem Mut, neue Formen des Lehrens und Lernens im digitalen Raum zu erproben . Mit der Präsentationskompetenz verbindet die digitale Kompetenz, die Fähigkeit des freien Sprechens, die Auswahl passender Visualisierungen und eine technische Affinität. Doch die digitale Kompetenz geht weit darüber hinaus, da sich beim Lehren im digitalen Raum die Kommunikationsmöglichkeiten mit den Teilnehmenden grundsätzlich verändern. Aus der Gruppe werden Einzelteilnehmende, die den Trainingsbeitrag am Rechner konsumieren und sich deutlich weniger mit anderen Teilnehmenden und dem Trainer verbunden fühlen. Ein Gruppengefühl entsteht erst, wenn gezielt geeignete Methoden eingesetzt werden. Zudem ist vom Trainer hier ein gerüttelt Maß der Entertainmentfähigkeit eines YouTubers gefragt, denn der gute alte Fachvortrag wirkt am Bildschirm einfach ermüdend. Die digitale Lehre erfordert Mut, da sie eine unerwartete Fülle an Fehlerquellen birgt, die durch den einzelnen Trainer kaum beherrschbar ist. Was gestern noch problemlos klappte, funktioniert heute nach dem Update nicht mehr. Schwache Internetverbindungen, Ausfälle und unterschiedliche Endgeräte von Teilnehmenden sind nur einige der möglichen Herausforderungen, die ein E-Training mit sich bringt. Deshalb gehört zur digitalen Trainerkompetenz unbedingt auch eine positive Fehlerkultur, bei der Fehler als Lernchancen erkannt werden. Wer eine schlechte Tonübertragung gleich als Versagen interpretiert und mit Schnappatmung reagiert, kann nur schwer im digitalen Raum bestehen. Mancher wird sich jetzt fragen: „Müssen wir als Trainer heute denn alles digital machen? “ Reicht es nicht aus, dass wir im Office einen Rechner stehen haben, im Internet recherchieren können und unsere Kunden per Mail kontaktieren? <?page no="36"?> 36 3 Trainerkompetenzen - was ein Businesstrainer heute können muss In den letzten 20 Jahren ist der Einsatz von E-Learning 16 aus der Weiterbildungspraxis von Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Nach einem Medienhype zur Jahrtausendwende, bei dem das E-Learning als die einzig wahre Zukunft des Lernens dargestellt wurde, folgte eine eher nüchterne Analyse in den Folgejahren, in denen geprüft wurde, für welche Themenbereiche und in welchem Umfang digitale Lernunterstützung Sinn ergibt. Viele Trainer konnten bis ins Jahr 2020 ihre Formate gänzlich ohne digitales Angebot vermarkten. Neben einer prinzipiellen Skepsis und einer Betonung der (nicht zu verleugnenden) Nachteile von digitalen Angeboten spielte bei der Flut der Angebote sicher auch eine gewisse Überforderung eine Rolle. Meine Interviewpartnerin Antje Weber (freie Beraterin und Qualitätsmanagerin der Alanus Hochschule) sagte sinngemäß kurz vor Ausbruch der Coronakrise: Deutschland befindet sich in Bezug auf das digitale Lehren und Lernen noch im Dornröschenschlaf. Covid 19 und die damit einhergehenden radikalen Einschränkungen von Präsenzveranstaltungen hat viele Trainer schlagartig wachgeküsst. Plötzlich ist allen klar, dass die fortschreitende Digitalisierung auch uns Trainer vor neue Herausforderungen stellt. In Zeiten der Krise erweist sich der Einsatz von digitalen Lernformaten als einzig gangbarer Weg für Unternehmen. Gleichzeitig ist die Krise eine Art „Generalprobe", bei der sich viele Unternehmen fragen, was bewährt sich gerade? Die Erkenntnis, dass Online-Kurse für Unternehmen oft einfacher und kostengünstiger zu realisieren sind als Präsenzseminare - ganz abgesehen vom ökologischen Aspekt, der vor allem ins Gewicht fällt, wenn Teilnehmende lange Reisewege zurücklegen müssen, war schon zuvor da. In der Krise jedoch zeigt sich, dass es durchaus Trainer gibt, die ihre Strahlkraft auch im digitalen Raum nicht verlieren. Sie schaffen es, Lernen im Homeoffice zu ermöglichen, selbst bei „Softskill“-Themen, die digital als schwierig zu vermitteln galten. Neben einem gewissen technischen Know-how und Verständnis benötigen Trainer vor allem Wissen und Erfahrung damit, wie Lernprozesse digital ablaufen und wie sie diese didaktisch sinnvoll steuern können. Nur wer sich mit neuen Lerntechnologien und -methoden befasst und Praxiserfahrungen mit verschiedenen Möglichkeiten des digitalen Lernens sowie mit der Web- Kommunikation (zum Beispiel in Chats, Foren, Blogs) mitbringt, kann die Möglichkeiten des digitalen Lehrens voll ausschöpfen. Dazu gehört auch die Entwicklung moderner Lehrmaterialien und -medien (wie Lernvideos, Webbased Trainings oder digitale Abfragen). Da digitale Medien auf die meisten Nutzer sehr viel schneller ermüdend wirken und die Gefahr der Ablenkung des Lernenden sehr viel höher ist, muss der Trainer seine Lerninhalte didaktisch und methodisch aufwändiger auf- 16 Der Begriff E-Learning wird hier als Sammelbegriff genutzt, der alle Formen des Lernens, die das Internet nutzen, umfasst. Eine genauere Differenzierung finden Sie in Kapitel 13. <?page no="37"?> 3.6 Sozialkompetenz 37 bereiten, damit diese den Lernenden tatsächlich erreichen. Neben einer guten sprachlichen Ausdrucksfähigkeit sind grundlegende Fähigkeiten in der Gestaltung digitaler Lernumgebungen hilfreich, da Missverständnisse mit der räumlichen Trennung von Sender und Empfänger eines Lerninhaltes signifikant zunehmen. 17 Sowohl für Trainer als auch für Lernende ist es von Vorteil, wenn Trainer eine hohe Flexibilität bei der Gestaltung von Lernumgebungen und -medien mitbringen. Denn mit jedem Fortschritt der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie steigen auch die didaktisch-methodischen Möglichkeiten. Was zum Fazit führt: Ohne digitale Kompetenz tun sich Businesstrainer heute und in der Zukunft schwer, ihr Angebot krisenfest zu platzieren. 3.6 Sozialkompetenz Die Sozialkompetenz des Trainers zeigt sich darin, dass er nicht nur mit einzelnen Teilnehmenden im positiven Austausch ist, sondern auch darin, dass er den gesamten Gruppenprozess beim Training stimmig steuert und auch in schwierigen Situationen die richtige Haltung und die passenden Worte findet . Ein guter Trainer bringt das Selbstverständnis eines Gastgebers mit. 18 Er geht offen und freundlich mit Menschen um, ist tolerant gegenüber Eigenarten, hört aufmerksam zu und gibt seinen Teilnehmenden das Gefühl wertvoll und willkommen zu sein. Dass diese Kompetenz nicht rein formaler Natur ist, die mit einem Herzlich-Willkommen-Plakat und der namentlichen Ansprache der Teilnehmenden zu lösen ist, sondern immer wieder eine Herausforderung darstellt, zeigt folgende Geschichte: Ein Kollege von mir besuchte vor Jahren eine Weiterbildung im Bereich Personalentwicklung. Diese wurde von der IHK zertifiziert und dauerte in Abendkursen mehrere Monate. Der Unterrichtsstoff war sehr gut strukturiert und umfassend und er schwärmte von der fachlichen Kompetenz der Leitung und der Teilnehmergruppe, die sich aus Young Professionals der unterschiedlichsten Branchen zusammensetzte und den thematischen Austausch hochspannend machte. Die kleine Teilnehmergruppe wuchs mit der Zeit zusammen und nach einigen Wochen schlug ein Teilnehmer vor: „sollen wir nicht Du statt Sie sagen? “. Die Teilnehmenden waren sich schnell einig und alle Blicke richteten sich auf die Leitung des Kurses. Diese schwieg - auch als mein Kollege sich ein Herz fasste und fragte: „Möchten Sie auch von uns mit Du angesprochen werden? “ Nach einer peinlichen Stille fuhr die Trainerin mit dem Unterrichts- 17 Vgl. dazu Fussell, Susan R. / Benimoff, Nicholas I. 1995 „Social and Cognitive Processes in Interpersonal Communication: Implications for Advanced Telecommunications Technologies.“ In: Human Factors 37(2): 228-250. 18 Die Metapher des guten Gastgebers findet man bei Manuela Dollinger: Wissen wirksam weitergeben. 2003, S. 16. <?page no="38"?> 38 3 Trainerkompetenzen - was ein Businesstrainer heute können muss stoff fort, als wäre niemals etwas gefragt worden. Die Teilnehmenden sahen sich gegenseitig verblüfft und etwas verärgert an. Die Trainerin, die alle fachlichen Fragen zu vollster Zufriedenheit beantwortet hatte, die ihre Inhalte klar strukturierte und präsentierte, sorgte mit ihrem zwischenmenschlichen Verhalten für eine fortlaufende Irritation, obwohl sie ja eigentlich „nichts“ getan hatte - sie hatte lediglich nicht auf eine Frage geantwortet, die außerhalb des fachlichen Austauschs gestellt wurde. Mein Kollege war zuerst verunsichert und überlegte sich, ob er der Trainerin wohl „zu nahegetreten“ sei. Später verwandelte sich diese Unsicherheit jedoch eher in Unmut darüber, dass er nicht einfach eine kurze Antwort erhalten hat, wie „ja, gerne“ oder „bitte entschuldigen Sie, ich fühle mich mit dem ‚Sie‘ wohler.“ Ich bin sicher, er verfolgte mit seiner Frage die positive Intention, die Trainerin nicht „auszuschließen“. Das Beispiel zeigt, wie ungeschickte soziale Interaktionen Irritation schaffen und die Lernatmosphäre stören. Sozialkompetenz ist keine Show Sozialkompetenz bedeutet mehr als „zu wissen was sich gehört“, wie man sich verhält und was man in so einer Situation sagt. Ob wir wollen oder nicht, wir haben uns selbst als Menschen immer ganz dabei, und wenn wir uns zu sehr hinter einer professionellen Rolle verstecken, wirkt unsere Kommunikation nicht authentisch. Ich spreche hier gerne von einer Handpuppenkommunikation, da auf mich viele professionelle Kommunikationssituationen so wirken, als ob gar nicht die Person selbst sprechen würde, sondern als hätte sie eine Handpuppe dabei, die für sie sagt, was man eben in so einer Situation sagt. Sicher zeigen wir in einer professionellen Situation nie unser gesamtes Selbst und wir passen unsere Verhaltensweise dem Umfeld an, so dass wir situationsgerecht reagieren, doch Sozialkompetenz bedeutet auch immer, dass man Sie als Menschen hinter Ihren Worten erkennen kann, dass Sie in einen echten Austausch mit Ihren Teilnehmenden treten und nicht nur so tun, als fänden Sie deren Beiträge interessant. Und damit kommen wir zur Selbstkompetenz. 3.7 Selbstkompetenz Nichts ändert sich, bis du dich selbst änderst, und dann ändert sich alles … Bodo Janssen (Die stille Revolution) Selbstkompetenz als Businesstrainer heißt, dass ich mir meiner selbst bewusst bin und gut mit meinen Ressourcen haushalte. Grundlage dafür ist eine positive Grundhaltung mir selbst und meiner Aufgabe gegenüber. Dass die Selbstkompetenz hier als Letzte aufgeführt wird, ist keineswegs ein Zeichen dafür, dass sie zu vernachlässigen wäre. Im Gegenteil: Jeder der sich zeigt erhält Feedback, wird kritisiert und hinterfragt. Schon allein deshalb ist <?page no="39"?> 3.8 Kompetenzcheck: Testen Sie Ihre Trainerkompetenz 39 Selbstkompetenz notwendig, um gesund als Businesstrainer arbeiten zu können. Für all jene Trainer, die sich im Bereich der sogenannten Softskills bewegen, ist sie darüber hinaus die Kernkompetenz. Bei meinen Train-the-Trainer-Seminaren bearbeite ich die Trainerkompetenzen immer mit Karten. Auf 7 Überschriftenkarten stehen die Trainerkompetenzen und auf 49 Einzelkärtchen stehen Beispiele, wie sich diese Kompetenzen zeigen. Die Teilnehmenden haben nun die Aufgabe, die 49 Einzelkärtchen den jeweiligen Überschriften zuzuordnen. Zum Beispiel soll die Karte kennt aktuelle Fachliteratur der Überschrift Fachkompetenz zugeordnet werden. Schwierigkeiten ergeben sich oft aus der Unterscheidung der Sozialkompetenz und der Selbstkompetenz. Was soll das sein: „Selbstkompetenz“? Recht einleuchtend ist noch, dass es hier um die eigene Selbstorganisation und das eigene Zeitmanagement geht. Ich sollte mich selbst also so organisieren können, dass ich pünktlich zum Seminar erscheine und alle Materialien dabeihabe. Was das Thema aber etwas komplexer macht ist, dass es genauso um Kommunikationsprozesse gehen kann: Nehmen wir das Beispiel Feedback. Sozialkompetenz zeigt sich, wenn der Trainer Teilnehmenden bei einer Übung angemessen Feedback gibt. Selbstkompetenz zeigt sich darin, wie er selbst mit dem Feedback, das er von den Teilnehmenden erhält, umgeht. Was heißt das? Es bedeutet, dass ich als Businesstrainer fähig und bereit bin, Verbesserungspotentiale zu erkennen und so weit wie möglich umzusetzen, aber auch selbstbewusst genug bin, um mich von destruktiven Rückmeldungen innerlich distanzieren zu können. Während die Sozialkompetenz also etwas über unsere Kommunikationsprozesse nach außen aussagt, geht es bei der Selbstkompetenz um unsere inneren Kommunikationsprozesse. Der Psychologe Friedemann Schulz von Thun spricht hier vom inneren Team 19 als Abbildung dessen, dass wir keineswegs immer eindeutige Meinungen und Antworten auf die Herausforderungen und Fragen unserer Umwelt haben, sondern unterschiedliche Anteile in uns durchaus im inneren Widerstreit liegen. Diese Prozesse positiv und konstruktiv anzunehmen, bedeutet Selbstkompetenz und ist die wichtigste Voraussetzung für eine Sozialkompetenz, mit der wir sowohl unserer professionellen Aufgabe als auch uns selbst und unseren Teilnehmenden als Menschen gerecht werden. 3.8 Kompetenzcheck: Testen Sie Ihre Trainerkompetenz Im Folgenden können Sie Ihre persönliche Trainerkompetenz überprüfen. Erschrecken Sie nicht, wenn Sie auf unbekannte Fachbegriffe stoßen und zum Beispiel bei Begriffen wie didaktische Reduktion oder Evaluation nur Bahnhof verstehen. Freuen Sie sich, dass Ihnen das hier beim Test und nicht beim 19 Friedemann Schulz von Thun „Miteinander reden“, Band 3: „Das Innere Team und situationsgerechte Kommunikation“ 1998. <?page no="40"?> 40 3 Trainerkompetenzen - was ein Businesstrainer heute können muss Gespräch mit einem Personalentwickler oder einem Teilnehmenden mit entsprechendem Hintergrund passiert. Alle Begriffe stehen im Stichwortverzeichnis und werden in diesem Buch in den entsprechenden Kapiteln erklärt. Lesen Sie die Aussagen 1-44 sorgfältig durch und kreuzen Sie an: 1 - Trifft überhaupt nicht zu 2 - Trifft etwas zu 3 - Trifft eher zu 4 - Trifft vollkommen zu Didaktisch-methodische Kompetenz Meine Themen bereite ich zielgruppengerecht auf. 1 2 3 4 Die Stoffmenge passe ich durch eine didaktische Reduktion an. 1 2 3 4 Den Lernstoff bereite ich so auf, dass er interessant und leicht verständlich ist. 1 2 3 4 Ich formuliere klare Lernziele und entwickle daraus einen strukturierten Trainingsleitfaden, indem sich unterschiedliche Methoden und Sozialformen abwechseln. 1 2 3 4 Durch Methoden der Lernzielkontrolle sichere ich ab, dass die Inhalte von meinen Teilnehmenden verstanden wurden. 1 2 3 4 Die Motivation meiner Teilnehmenden fördere ich durch Methoden der Aktivierung. 1 2 3 4 Den Einsatz des Gelernten fördere ich durch passende Übungen und Transfermethoden. 1 2 3 4 Ich kenne unterschiedliche Feedback- und Evaluationsmethoden und setze diese ein, um meine Trainings fortwährend zu überprüfen und zu verbessern. 1 2 3 4 Fachkompetenz Mein Thema beherrsche ich und es gibt nur sehr selten einen Teilnehmenden, der „mir das Wasser reichen kann“. 1 2 3 4 Ich kann leicht einen Bezug zwischen meinem Fachthema und der Lebens- und Arbeitswelt meiner Teilnehmenden herstellen. 1 2 3 4 Gerne begebe ich mich mit anderen Experten in den aktiven Austausch und besuche entsprechende Veranstaltungen wie Vorträge, Messen oder Weiterbildungen. 1 2 3 4 <?page no="41"?> 3.8 Kompetenzcheck: Testen Sie Ihre Trainerkompetenz 41 Ich kenne die Fachbegriffe und kann sie einem Laien in einfachen Worten und anhand von Beispielen lebendig erläutern. 1 2 3 4 Was ich sage kann ich mit Forschungsergebnissen aus den Bezugswissenschaften meines Trainingsthemas belegen und meinen Teilnehmenden aktuelle Quellenangaben nennen. 1 2 3 4 Auch wenn mich jemand nachts um 3 Uhr wecken würde, könnte ich aus dem Stehgreif mindestens eine halbe Stunde über mein Fachgebiet referieren. 1 2 3 4 Wenn ich auf eine eigene Wissenslücke bei meinem Fachthema stoße, beschäftigt mich das stark und ich versuche diese durch Recherche zu schließen. 1 2 3 4 Bei den Unterlagen, die ich meinen Teilnehmenden zu Verfügung stelle, lege ich Wert auf fachliche Richtigkeit und Aktualität. 1 2 3 4 Feldkompetenz Ich habe eine recht gute Vorstellung von dem, wie der Arbeitsalltag meiner Teilnehmenden aussieht. 1 2 3 4 Es fällt mir leicht die passenden Worte für meine Teilnehmergruppe zu finden und ich verstehe deren arbeitsspezifische Fachworte und Abkürzungen meistens. 1 2 3 4 Es fällt mir nicht schwer für meine Fachinhalte praxistaugliche Beispiele für den Teilnehmerkreis zu finden, so dass diese direkt die Relevanz für Ihren Alltag erkennen. 1 2 3 4 Ich kleide mich dem Umfeld entsprechend und fühle mich dabei keineswegs „verkleidet“. 1 2 3 4 Ich habe im weitesten Sinne Branchenerfahrung und kenne die grundlegenden Herausforderungen und Gepflogenheiten der Unternehmen in denen ich mich als Businesstrainer bewege. 1 2 3 4 Wenn ich ein Unternehmen noch nicht kenne, ist es für mich selbstverständlich, dass ich mich vorab so weit wie möglich informiere. Am besten direkt vor Ort und dort nicht nur beim Auftraggeber, sondern auch gerne im Rahmen einer Hospitation bei meiner Zielgruppe. 1 2 3 4 Ich habe ein sehr gutes Gespür dafür, welche Übungen und Formate ich einsetzen kann, ohne auf größere Widerstände zu stoßen. 1 2 3 4 Ich weiß, auf was meine Teilnehmenden besonders achten und kenne ihre Vorlieben, sei es beim Thema Handout oder bei der Pausenverpflegung. 1 2 3 4 <?page no="42"?> 42 3 Trainerkompetenzen - was ein Businesstrainer heute können muss Präsentationskompetenz HDMI, VGA, Thunderbolt und Co. sind für mich kein Kauderwelsch und selbstverständlich habe ich immer einen Adapter dabei, wenn ich einen anderen Beamer als meinen eigenen einsetzen möchte. 1 2 3 4 Natürlich teste ich die Technik vor Seminarbeginn und plane dafür ausreichend Zeit ein, um mögliche Pannen vorab zu beheben, und wenn die digitale Präsentation trotzdem mal nicht läuft, kann ich auch mit Moderationsmarker und Flipchart professionell performen. 1 2 3 4 Meine Präsentationen sind nie ein „betreutes Lesen“ und meine Visualisierungen unterstützen das was ich sage. 1 2 3 4 Egal ob digital oder analog - alle Teilnehmenden können lesen, was ich geschrieben habe - auch ohne Opernglas und „Hieroglyphenkenntnis“. 1 2 3 4 Ich wähle Bilder und Materialien, die Neugier bei meinen Teilnehmenden erzeugen, mein Thema greifbar machen und/ oder emotional positiv aufladen. 1 2 3 4 Während meines Vortrages stehe ich, und zwar so, dass jeder Teilnehmende die Präsentation und mich gut sehen kann. Ich habe Blickkontakt mit meinen Teilnehmenden, statt gemeinsam mit Ihnen die Präsentation anzusehen. 1 2 3 4 Ich bin mir meiner Wirkung bewusst, da ich immer mal wieder mit Videofeedback arbeite und weiß, wie ich am besten vor Gruppen stehe und meine Gestik einsetze. 1 2 3 4 Meine Sprechweise wirkt dynamisch. Ich setze Pausen ein, nutze die bildhafte Sprache und ich weiß, wie ich meine Stimme auch in Stresssituationen positiv beeinflussen kann. 1 2 3 4 Digitale Kompetenz Ich habe Erfahrung mit synchronen und asynchronen Lernangeboten und ich weiß auch, welche Vor- und Nachteile sie mit sich bringen. 1 2 3 4 Ich weiß, was ich dazu beitragen kann, dass meine Teilnehmenden bei einem Training via Videokonferenz dabeibleiben und nicht gedanklich abschweifen oder gar abschalten. 1 2 3 4 Durch regelmäßige Übungen und Lernzielkontrollen stelle ich beim E-Learning den Lernerfolg sicher. 1 2 3 4 Nuggets sind für mich nicht nur paniertes Hühnchenfleisch, sondern auch kleine digitale Lehrangebote, die ich meinen Kunden gerne offeriere. 1 2 3 4 <?page no="43"?> 3.8 Kompetenzcheck: Testen Sie Ihre Trainerkompetenz 43 Wenn Teilnehmende technische Probleme beim E-Learning haben, habe ich zumindest die Standardlösungen parat oder kann technische Hilfestellungen organisieren. 1 2 3 4 Ich schaffe es gut - auch wenn ich alleine vor einer Kamera stehe oder vor meinem Bildschirm sitze - lebendig zu sprechen und meine Teilnehmenden auch emotional abzuholen. 1 2 3 4 Klar weiß ich, auf was ich achten muss in Bezug auf Kameraposition, Beleuchtung, Hintergrund und Tontechnik. 1 2 3 4 Die methodischen und didaktischen Besonderheiten des digitalen Lernens sind mir vertraut und ich habe Erfahrung mit digitalen Möglichkeiten der Vor- und Nachbereitung von Trainings wie Online-Befragungen und Feedbacktools. 1 2 3 4 Sozialkompetenz Ich kann nachvollziehen, wenn sich Teilnehmende meinem Trainingsstil oder meinem Trainingsthema gegenüber zurückhaltend oder kritisch zeigen und gehe trotzdem freundlich mit ihnen in den Austausch. 1 2 3 4 Ich arbeite gerne mit Menschen und mag den überwiegenden Teil meiner Teilnehmenden. Durch ihre Beiträge fühle ich mich bereichert. Wenn es Seitengespräche gibt, oder insgesamt Unruhe im Raum entsteht ist auch das ein wichtiger Beitrag für mich und ich gehe darauf ein. 1 2 3 4 Smalltalk fällt mir leicht. Beim Austausch mit meinen Teilnehmenden in den Pausen oder beim gemeinsamen Essen fühle ich mich wohl und bin ein interessierter Zuhörer. 1 2 3 4 Ich merke mir die Namen meiner Teilnehmenden und spreche sie (bei einer Gruppengröße bis 15 Personen) auch namentlich an. 1 2 3 4 Ich fühle mich dafür verantwortlich eine gute Lernatmosphäre zu schaffen und das Herzlich willkommen steht nicht nur auf einem Begrüßungsplakat, sondern ich empfinde es auch. 1 2 3 4 Ein Teilnehmender gähnt laut und zieht die Aufmerksamkeit der Gruppe von mir auf sich. Ich spreche ihn freundlich an und finde ggf. eine niedrigschwellige Lösung (z.B. Fenster öffnen für mehr Sauerstoff, Ankündigung einer Pause oder Methodenwechsel). 1 2 3 4 Bei einer Übung bricht ein Teilnehmender in Tränen aus. Ich reagiere empathisch auf die emotionale Reaktion, ohne den Gruppenprozess aus den Augen zu verlieren. 1 2 3 4 Es fällt mir leicht, Teilnehmende zu Übungen zu motivieren, die sie aus ihrer Komfortzone bringen. 1 2 3 4 <?page no="44"?> 44 3 Trainerkompetenzen - was ein Businesstrainer heute können muss Selbstkompetenz Die meiste Zeit bei meinen Veranstaltungen steckt in der Vorbereitung. Ich plane dafür bewusst genug Zeit ein und bin sorgfältig, ohne mich zu sehr in Details zu verlieren. 1 2 3 4 Ich bin immer vor meinen Teilnehmenden am Veranstaltungsort, um alles vorzubereiten. 1 2 3 4 Negatives Feedback meiner Teilnehmenden kann ich annehmen. Ich prüfe gewissenhaft, was ich gegebenenfalls konstruktiv verändern kann. 1 2 3 4 Ich kenne meine Grenzen und weiß, dass ich es nicht jedem recht machen kann. 1 2 3 4 Es fällt mir leicht mich selbst zu motivieren und auch nach der Mittagspause, wenn ich mich nach Ruhe sehne, schaffe ich es ein gutes Energieniveau zu halten. 1 2 3 4 Gerade, wenn ein Training anstrengend ist, achte ich darauf, dass ich in den Pausen und am Feierabend etwas tue, was mir gut tut. 1 2 3 4 Eine gesunde Lebensweise mit gutem Essen und ausreichend Bewegung ist mir wichtig. 1 2 3 4 Wenn ein Training schlecht gelaufen ist und ich danach erschöpft oder niedergeschlagen bin, habe ich Strategien, um gut für mich zu sorgen. 1 2 3 4 Testauswertung Addieren sie die Punkte je Bereich. Kompetenzbereich Punktanzahl 1. didaktisch-methodische Kompetenz 2. Fachkompetenz 3. Feldkompetenz 4. Präsentationskompetenz 5. digitale Trainerkompetenz 6. Sozialkompetenz 7. Selbstkompetenz Wenn Sie richtig gerechnet haben, steht in jedem Feld eine Zahl zwischen 8 und 32 Punkten. Prüfen Sie nun unten, in welchem Kompetenzbereichen Sie im „grünen“ Bereich sind: <?page no="45"?> 3.8 Kompetenzcheck: Testen Sie Ihre Trainerkompetenz 45 1 2 3 4 5 6 7 24-32 17-23 8-16 Was? ! Nicht alles grün? Erst einmal alles gut: Trainer sind auch Menschen und dürfen durchaus Ecken und Kanten haben. Sicher punkten Sie schon jetzt in einzelnen Bereichen gut. Mein Tipp: Beweisens Sie als Lehrender Lernmotivation und stellen Sie sich der Herausforderung! Hier einige Hinweise, was Sie konkret tun können: Handlungsfeld 1: Didaktisch-methodische Kompetenz Sie sind didaktisch im gelben oder roten Bereich? Hier geht es ums „Trainer- Handwerk. Alles was Sie als Businesstrainer über Didaktik und Methodik wissen sollten, finden Sie hier im Buch ab Kapitel 8. Außerdem finden Sie praktische Planungshilfen in Kapitel 12, mit denen Sie Ihr Training sofort didaktisch-methodisch verbessern können. Wenn Sie das Thema grundsätzlich und in einer Lerngruppe angehen möchten, müssen Sie nicht unbedingt an der Universität einen Studiengang für Erwachsenenbildung absolvieren (wobei das für die Perfektionisten unter Ihnen sicher die Ideallösung ist). Schnellere Lösungen bieten kompakte Trainerausbildungen, die sich mit dem Formulieren von Lernzielen, dem Trainingsdesign und den Methoden befassen. Handlungsfeld 2: Fachkompetenz Bevor Sie sich Sorgen machen, lassen Sie uns einmal kurz Ihre Rolle prüfen. Sind Sie als Fachtrainer unterwegs - oder moderieren Sie Veranstaltungen, bei denen Ihre Teilnehmenden die wirklichen Experten sind? Wenn Zweites zutrifft, können Sie sich entspannen, denn zu viel Fachwissen würde Ihre Moderationsfähigkeit eher mindern. Lesen Sie entspannt Kapitel 9.6 Moderation und holen Sie sich Anregungen, wie Sie das Wissen Ihrer Teilnehmenden noch besser nutzbar machen können. Wenn Sie als Fachreferent engagiert sind und Ihre Ampel steht auf gelb oder gar rot, dann sollten Sie alarmiert sein. Zu Recht erwarten Teilnehmende von einem Trainer einen deutlichen fachlichen Vorsprung. Da Selbstvorwürfe und Panikattacken niemanden weiter bringen, analysieren Sie die Situation: An was liegt es? Wurden Sie für ein Thema beauftragt, das sie gar nicht wirklich interessiert? Treffen Sie eine klare Entscheidung, ob Sie wirklich der Richtige für das Thema sind und wenn Sie diese Frage mit ja beantworten, dann ist jetzt Fleiß gefragt. Informieren Sie sich. Wählen Sie dabei ruhig erst eine niedrigschwellige Form aus: Wenn es Ihnen schwerfällt, sperrige Fachartikel zu lesen, dann besuchen Sie doch selbst erst einmal eine Weiterbildung, gehen Sie zu Netzwerktreffen, Messen oder Vorträgen. Doch lassen Sie es nicht dabei bewenden. Wer lehrt, muss selbst bereit sein zum fortlaufenden Lernen, und ein gutes fundiertes Fachwissen ist Ehrensache für einen Businesstrainer! <?page no="46"?> 46 3 Trainerkompetenzen - was ein Businesstrainer heute können muss Handlungsfeld 3: Feldkompetenz Es fehlt Ihnen an Feldkompetenz? Ein Trainerkollege gab mir als junger Trainerin einmal den Tipp, bevor du in ein Training gehst, musst du immer erst Stallgeruch angenommen haben. Er meinte damit, dass ich mich an dem Ort aufhalten soll, wo meine Teilnehmenden arbeiten. Oft findet die Auftragsklärung direkt im Unternehmen statt. Gehen Sie mit offenen Sinnen durch die Räumlichkeiten und seien Sie ruhig neugierig und fragen Sie nach. Wenn Sie Ihrem Auftraggeber signalisieren, dass es Ihnen darum geht, das Training möglichst teilnehmerorientiert zu gestalten, sind viele sogar bereit, Sie durch die Räume zu führen und Ihnen die Arbeitsplätze der Teilnehmenden zu zeigen. Ich persönlich vereinbare vor meinen Kommunikationstrainings oft Hospitationen zur Bedarfsermittlung. Das heißt, ich begleite einige Teilnehmende einfach für 1-2 Stunden bei ihrer Arbeit, frage nach und mache mir Notizen. Ich sage dazu immer, dass es mir dabei darum geht, erst einmal zu verstehen, was die Anforderungen sind, bevor ich anfange zu lehren. Bei meinen Hospitationen sammle ich Fallbeispiele. So kann ich meine Trainingssequenzen und Übungen ganz praxisnah gestalten. Manchmal ist es nicht möglich oder wäre schlicht ein zu großer Aufwand für einen zu kleinen Auftrag. Dann ist das Minimum, dass Sie sich bewusst machen, welche Übereinstimmungen es zwischen Ihnen und Ihren Teilnehmenden gibt. Welche Erfahrungen teilen Sie? Lassen Sie sich ein wenig mehr Zeit zu Beginn, Ihren Teilnehmenden bei der Erwartungsabfrage zuzuhören und nachzufragen. Und noch ein kleiner Trick zum Thema Outfit: Wählen Sie im Zweifelsfall lieber die etwas förmlichere Variante. Das Jackett auszuziehen oder die Ärmel hochzukrempeln oder die Krawatte abzulegen ist sehr viel einfacher als die Kluft zu überwinden, die sich zwischen Ihrem legeren Look und der Businesskleidung der Teilnehmenden auftut. Handlungsfeld 4: Präsentationskompetenz Seien Sie nicht betrübt, wenn Sie hier (noch) nicht glänzende Ergebnisse haben. Übung (und Feedback) machen hier den Meister! Ein Trainer muss nicht unbedingt ein perfekter Entertainer sein. Schaffen Sie sich eine fundierte Basis in Bezug auf die eigene Präsentationskompetenz. Ein erster Schritt ist das Wissen, wie es geht (Kapitel 9.5.1 und Kapitel10). Dann geht es zur Übung: Diese kann auch im stillen Kämmerlein zuhause beginnen. Filmen Sie sich selbst beim Vortrag. So prüfen Sie, wie Ihre Teilnehmenden Sie wahrnehmen. Keine Angst: Es ist normal, beim Ansehen entsetzt zu sein: Sie sind selbst Ihr kritischster Feedbackgeber und niemand findet Ihre Performance so schrecklich wie Sie selbst. Notieren Sie sich einfach 1 bis 3 Punkte, die Sie konkret verändern möchten, und auch mindestens eine Sache, die Sie unbedingt beibehalten möchten. Wenn Sie diese Übung regelmäßig durchführen, ist der Erfolg garantiert! In meinen Train-the-Trainer-Kursen erlebe ich immer wieder, dass meine Teilnehmende in Bezug auf die Präsentationskompetenz die schnellsten Erfolgserlebnisse haben und sich bereits nach einem einzigen Videofeedback grundlegende Verbesserungen zeigen. <?page no="47"?> 3.8 Kompetenzcheck: Testen Sie Ihre Trainerkompetenz 47 Wenn Sie sich hier mehr gönnen möchten: Besuchen Sie doch einfach das Präsentationsseminar eines Kollegen. Achten Sie dabei auf jeden Fall darauf, dass Videofeedback eingeplant ist. Hapert es an Ihrer Medienkompetenz? Natürlich sind bestimmte Vorlieben bei Medien durchaus erlaubt. Wenn Sie also sagen, dass Folienvorträge Sie einfach stressen, dann spezialisieren Sie sich ruhig auf die Gestaltung von Flipcharts und nutzen Sie Metaplanwände und alternative Präsentationsmaterialien und Medien (Kapitel 10). Aber vermeiden Sie die Technik nicht einfach gänzlich, sondern bauen Sie immer wieder kleine Sequenzen ein. Damit Sie für die Vorbereitung genug Zeit haben und vor der Gruppe nur noch aufs Knöpfchen drücken müssen, planen Sie zum Beispiel einen Kurzfilm oder ein Bild zum Einstieg oder nach der Mittagspause ein. Lassen Sie sich dabei ruhig, wenn möglich, vom Facilityservice vor Ort helfen. Die sind normalerweise schon „Kummer gewohnt“ mit wenig technikaffinen Trainern. UND: Falls der Film dann doch nicht läuft, planen sie direkt eine Alternativmethode ein. Lassen Sie sich nicht frustrieren, sondern probieren Sie es immer wieder. Falls Sie bisher nur elektronisch präsentieren, nehmen Sie auf jeden Fall Alternativen der Wissensvermittlung mit in Ihr Repertoire auf. Nichts ist ermüdender als eine PowerPoint Präsentation, die länger als 20 Minuten dauert. Auch das Nutzen nicht digitaler Medien ist technisch erlernbar und ein Flipchart zu nutzen setzt keine künstlerischen Fähigkeiten oder eine Note 1 in Schönschrift voraus - siehe Kapitel 10.5. Und ein letzter Tipp: Verstecken Sie sich nicht hinter Ihren Präsentationen, sondern gehen Sie in echten Kontakt mit Ihren Teilnehmenden. Wenden Sie sich dem Auditorium zu, sprechen Sie natürlich und sehen Sie die Teilnehmenden an - ansonsten könnten die sich Ihre Folien auch allein durchlesen! Handlungsfeld 5: Digitale Kompetenz Wenn Sie nun denken, Sie müssten angesichts Ihres Testergebnisses erst einmal einen Train the E-Trainer-Kurs buchen oder endlich ein Tool kaufen, atmen Sie zuerst einmal durch und entspannen Sie sich. Ja, das Thema ist wichtig, aber geben Sie nicht vorschnell viel Geld für Trainings und Tools aus, sondern sammeln Sie erst einmal Erfahrung, um zu verstehen, was Sie eigentlich genau brauchen. Dazu drei Ideen: 1. Nutzen Sie die Angebote für kostenfreie Online-Trainings - Sie finden diese immer wieder auf den diversen Social Media und Businessportalen. Melden Sie sich zu einem an und WICHTIG: Notieren Sie sich, was Ihnen daran gefällt und was Sie eher nervt. Fragen Sie sich, wie ein von Ihnen moderiertes Online-Training gestaltet sein müsste, welches Ihnen und Ihren Teilnehmenden Freude bereitet. Meist sind der Preis für ein kostenfreies Online-Training Ihre Daten und Sie erhalten im Anschluss Newsletter und kostenpflichtige Angebote. Also suchen Sie sich einen Anbieter aus, der Ihnen sympathisch ist und wählen Sie Inhalte, die Sie wirklich interessieren (und natürlich können Sie sich normalerweise aus einem Verteiler wieder austragen, wenn Sie sich im Nachhinein doch zugespamt fühlen). <?page no="48"?> 48 3 Trainerkompetenzen - was ein Businesstrainer heute können muss Falls der Anbieter den gleichen Inhalt anbietet wie Sie selbst, ist es natürlich Ehrensache, dass Sie keine Inhalte übernehmen - das wäre sogenannter „Content-Klau“. Falls Sie einen Ansatz oder ein Modell toll finden, gehen Sie also nach dem Seminar in so einem Fall auf den Anbieter zu und gehen Sie transparent in den Austausch. Vielleicht ist er sogar einverstanden, seine Ideen zu teilen, wenn Sie ihn als Quelle nennen. Falls Sie den Anbieter persönlich kennen und er ein Kollege ist, fragen Sie ihn zuvor, ob es für ihn ok ist, dass Sie sich anmelden. Viele Trainer stresst es, wenn sie auf der Teilnehmerliste Kollegennamen finden, und es kann zu Missstimmungen führen, wenn es zuvor kein Gespräch gab. Neben der Erfahrung mit dem synchronen Online-Lernen können Sie auch niedrigschwellig Erfahrungen sammeln mit dem asynchronen Online-Lernen - also, wenn Sie nicht direkt zeitgleich mit dem Trainer und den anderen Teilnehmenden an einem Seminar teilnehmen, sondern sich einen Inhalt herunterladen, ganz zu der Zeit, wie es Ihnen gerade passt. Der gängigste und zuerst einfachste Weg ist hier ein Videoportal wie YouTube. Oft gibt es einen Kollegen, der hier bereits einen Inhalt eingestellt hat und Sie können sich inspirieren lassen, wie andere Ihre Lehrinhalte aufbereiten. 2. Erstellen Sie doch kostenfrei auf einer der zahlreichen Lernplattformen ein Seminar. Verheddern Sie sich gedanklich nicht im Gestrüpp der vielen Angebote, sondern überlegen Sie, welches Portal Ihre Zielgruppe am ehesten nutzen würde. Achten Sie nur darauf, dass es wirklich einer der großen und bekannten Anbieter ist und dass Ihnen keine Kosten entstehen. Oft finden Sie Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Tipps, wie Sie Ihre Inhalte umsetzen. Sie haben dafür alle Zeit der Welt und müssen Ihren Kurs auch nicht zwangsweise fertigstellen, aber Sie lernen dabei ganz nebenbei, wie ein Online-Kurs erstellt wird. Sie lernen verschiedene Rollen als Seminardesigner Ihres Trainings kennen, und beim Einsprechen von Texten und bei Videoaufzeichnungen lernen Sie sich selbst als Trainer noch einmal von einer ganz anderen Seite kennen. Im Kern geht es bei diesem Tipp darum, ein Grundverständnis zu entwickeln und Möglichkeiten und Grenzen dieser Vermittlungsmethode praktisch kennenzulernen. 3. Fangen Sie an, verstärkt digitale Kommunikationswege zu nutzen. Nutzen Sie digitale Angebote anstatt des normalen Telefons, nehmen Sie an Videokonferenzen teil oder laden Sie selbst zu einer ein. Das muss nicht gleich ein wichtiger Kunde sein, das können im ersten Schritt auch Freunde oder nette Kollegen sein. Vielleicht haben Sie auch Freude an Online-Spielen, bei denen man gleichzeitig via Chat kommuniziert. Notieren Sie sich, was Sie aus diesen Erfahrungen im Rahmen von Trainings nutzen können. Die Tipps dienen vor allem dazu, ins Tun zu kommen und erste Ideen und Fragen zu entwickeln. Halten Sie Ihre Erfahrungen auf jeden Fall schriftlich fest und systematisieren Sie diese im Anschluss. <?page no="49"?> 3.8 Kompetenzcheck: Testen Sie Ihre Trainerkompetenz 49 Was gefällt mir als Teilnehmendem gut? Was nervt mich als Teilnehmenden? Was gelingt mir als Trainer schon gut? Wozu brauche ich als Trainer noch Unterstützung? Entscheiden Sie auf dieser Basis dann, was der nächste logische Schritt für Sie ist: Möchten Sie selbst eine Lernplattform nutzen oder Angebote platzieren, wissen aber noch nicht, welchen Anbieter Sie nutzen sollen - vielleicht ist dann eine Beratung von einem Experten der nächste Schritt. Wenn Sie Ihr digitales Angebot stärker individuell gestalten möchten, dann könnte ein Autorentool für E-Learning der nächste Schritt sein. Oder Sie wünschen sich Unterstützung bei der methodisch-didaktischen Umsetzung, dann ist ein E-Learning Train-the-Trainer-Kurs vielleicht die beste Wahl. Oder fällt es mir einfach schwer, Lerninhalte sympathisch und leicht vor der Kamera zu präsentieren, um mehr Menschlichkeit in die Digitalformate zu bringen? Dann ist vielleicht ein Videocoaching oder -training der richtige Weg. Handlungsfeld 6: Sozialkompetenz Wenn es Ihnen laut Test an der Sozialkompetenz fehlt, dann prüfen Sie nochmal sorgfältig Ihre Antworten in diesem Bereich. Wenn Sie zum Beispiel beim Test festgestellt haben sollten, dass Sie eigentlich nicht gerne mit Menschen arbeiten, dann hätten Sie ein prinzipielles Problem mit dem Trainerberuf und ich würde Ihnen raten, Ihre Entscheidung zu überdenken - Ihnen selbst und Ihren Teilnehmenden zuliebe. Ein Trainer hat eine dem Menschen zugewandte und freundliche Grundhaltung - Punkt! Klar gibt es je nach Tagesform und Teilnehmerkreis manchmal Schwankungen, aber Sie sollten als absolutes Minimum zumindest während der Veranstaltung eine positive Haltung für sich einnehmen können. Vielleicht stellen Sie bei der Reflexion Ihres Ergebnisses auch fest, dass es darauf zurückzuführen ist, dass Sie von Haus aus eher ein zurückhaltender Mensch sind. Dann ist das kein k.o.-Kriterium für eine Trainerkarriere. Ich arbeite mit einem äußerst erfolgreichen Trainer zusammen, der von sich selbst sagt, er sei halt introvertiert und er vermeide Gespräche in den Pausen, da sie ihn ehrlich stressen und er zwischendurch seine Ruhe brauche. Es gibt sie, die stilleren Trainer, die, von denen die Teilnehmenden nach der Veranstaltung nicht hinter vorgehaltener Hand sagen „der hört sich auch gerne reden“. Ja, wenn Sie zu je- <?page no="50"?> 50 3 Trainerkompetenzen - was ein Businesstrainer heute können muss nen gehören, dann bedeutet es sicher manchmal etwas mehr Überwindung für Sie, aber das Training ist deshalb nicht automatisch schlechter. Wir haben also eine prinzipielle Haltung und die sollte idealerweise den Menschen freundlich zugewandt sein, eine Komponente der Persönlichkeit, bin ich eher intro- oder extrovertiert und last but not least als drittes Ihr Verhaltensrepertoire. Und das ist erlernbar. Hier geht es u.a. darum, Teilnehmende namentlich anzusprechen und Irritationen stimmig zu verbalisieren. Zur Steuerung von Gruppen finden Sie zahlreiche Hinweise in Kapitel 6 und vielleicht möchten Sie ja auch einfach mal das Übungsfeld eines Trainings nutzen. Es gibt immer mal wieder Train-the-Trainer-Angebote zum Umgang mit „schwierigen Teilnehmenden“ und das Üben und der Austausch mit anderen ist hier äußerst hilfreich. Handlungsfeld 7: Selbstkompetenz Wenn Sie im Punkt Selbstkompetenz weniger Punkte haben, möchte ich Ihnen zuerst mein ehrliches Mitgefühl aussprechen, und das meine ich keineswegs ironisch! Man könnte auch sagen: Willkommen im Club. Wir Trainer sorgen für alle und manchmal vergessen wir dabei uns selbst. Doch jetzt einmal Hand aufs Herz: Bei wem möchten Sie lieber ein Seminar besuchen: Bei einem abgehetzten, gestressten Trainer oder bei einem, der gesund, selbstbewusst und erholt wirkt? Das Letzte, was in Ihrer Absicht liegen sollte, ist es, Mitleid zu erregen. Wir Menschen - und damit auch unsere Teilnehmenden - sind von Natur aus mitfühlend und wenn sie den ganzen Tag jemanden erleben, dem es nicht so gut geht und der sich enorm angestrengt fühlt - dann strengt das die Teilnehmenden auch an. Wenn Sie möchten, dass es Ihren Teilnehmenden gut geht, dann sorgen Sie zuallererst immer dafür, dass es Ihnen selbst gut geht, und holen Sie sich dafür jede Unterstützung, die Sie brauchen. Manchmal ist ein Personal Coaching der richtige Weg, der Sie in Bezug auf Ihre Selbstorganisation oder Lebensweise unterstützt. Ein anderer Weg ist eine Supervision, in der Sie mit einem erfahrenen Supervisor und einer Gruppe Gleichgesinnter Ihre Herausforderungen besprechen und reflektieren. Daneben gibt es eine Vielzahl von Ausbildungen, bei denen es im Endeffekt um Ihre Persönlichkeitsentwicklung geht (diese verbessern dann ganz nebenbei auch die soziale Kompetenz): z.B. Ausbildungen im Bereich Systemischer Ansatz, Transaktionsanalyse, themenzentrierte Interaktion oder NLP 20 . Aber Achtung, gehen Sie hier nicht zum erstbesten Guru um die Ecke, sondern recherchieren Sie gründlich. 20 Neurolinguistisches Programmieren <?page no="51"?> 3.9 Zusammenfassung: Wo lernt man was? 51 3.9 Zusammenfassung: Wo lernt man was? „Das was Sie da machen - wo lernt man das? “ fragt eine Teilnehmerin, während ich gerade ein Kommunikationsmodell ans Flipchart zeichne. Diese Frage lässt sich gar nicht so einfach beantworten, denn was genau ist gemeint? Geht es um die gekonnte Visualisierung und Präsentation? Hier wäre die Antwort: Teilnahme an Visualisierungskursen, Videofeedbacks im Rahmen von Präsentationstrainings. Geht es um die Anleitung der Gruppe? Hier wäre die Antwort: jahrelange Erfahrung und ein wirklich gutes Moderationstraining. Meint sie den Gesamtaufbau der Veranstaltung? Der findet seine Ursprünge in der Vorlesung Didaktik in der Erwachsenenbildung während meines Studiums der Sozial- und Verhaltenswissenschaften. Oder geht es um den Inhalt, den ich vermittle? Den hatte ich in diesem Fall bei einer Weiterbildung im Bereich Transaktionsanalyse erlernt und durch Fachliteratur vertieft. Businesstrainer bringen oft ein ganzes Potpourri an Aus- und Weiterbildungen mit, die sie zu dem befähigen, was sie tun, und selbstständige Trainer werden manchmal vor ihrer Beauftragung auch gebeten ein Trainerprofil 21 und Zertifikate bei der Personalentwicklung einzureichen, um ihre Qualifikation sicherzustellen. Trainer, die neben ihrem Fachwissen auch eine Trainerausbildung vorweisen können, sind dabei im Vorteil. Doch wer anfängt, Trainerausbildungen zu suchen, findet sich in einem Meer von Anbietern, und die Inhalte sind oft überraschend anders, als das was man eigentlich erwarten würde. Ich selbst habe zum Beispiel eine Trainerausbildung gemacht, die insgesamt über zwei Jahre ging und bei der niemals das Wort Didaktik fiel. In vielen Ausbildungen bleibt das „Handwerk“ vollkommen außen vor. Es geht um die Kommunikation und um die eigene Haltung. Ich persönlich habe in der Ausbildung sehr viel über mich selbst gelernt, über meine Bedürfnisse, meine Fähigkeiten und meine Grenzen, aber nicht, wie ich mit einem Moderationsmarker leserlich an ein Flipchart schreibe. Um es mit den Trainerkompetenzen auszudrücken: Diese Ausbildung trug sehr viel zu meiner Selbst- und Sozialkompetenz bei, vermittelte mir jedoch keinerlei Methoden- oder Präsentationskompetenz. Um Ihnen eine Odyssee zu ersparen, hier ein Überblick, welche Aus- und Weiterbildungen Sie in Bezug auf welche Kompetenzen voranbringen. 21 Vgl. Kapitel 15.1 <?page no="52"?> 52 3 Trainerkompetenzen - was ein Businesstrainer heute können muss Kompetenzbereich Wege sich selbst weiterzubilden didaktisch-methodische Kompetenz Fachzeitschriften, Bücher und Artikel zum Thema Erwachsenenbildung Trainerausbildung, bei der die didaktisch-methodische Kompetenz explizit im Vordergrund steht und der Trainer idealerweise einen sozialwissenschaftlichen oder pädagogischen Studienhintergrund mitbringt Studiengang Erwachsenenbildung an der Universität oder Vorlesungen zum Thema Didaktik und Methodik der Erwachsenenbildung - Vorlesungen gibt es teilweise auch als Mooc 22 Zum Thema Methoden gibt es zahlreiche Methodensammlungen sowohl in Buchformat als auch online und es gibt ein großes Seminarangebot für einzelne Methoden Wenn Sie nur neue Methoden kennenlernen möchten, empfehlen sich Bildungsmessen, Trainerkongresse oder Trainerslams Fachkompetenz Lesen von Fachzeitschriften und Fachbüchern Besuch von Fachmessen Berufsbegleitende Aus- und Weiterbildungen, z.B. an der IHK (berufsbegleitendes) Studium Feldkompetenz Hospitationen 23 Branchenstammtische und alle Veranstaltungen, in denen sich Ihre Zielgruppe beruflich tummelt. Als freier Trainer haben Sie hier zusätzlich noch die Chance Neuaufträge zu akquirieren Und wenn Sie es wirklich wissen wollen und bereit sind zu investieren: Machen Sie ein Praktikum Präsentationskompetenz Regelmäßige Übung mit Videofeedback Präsentationsseminare Kurse zur Erstellung von digitalen Präsentationen (z.B.: PowerPoint oder Keynote) Visualisierungskurse Digitale Kompetenz Individuelle Beratung Ausbildung zum Online-Trainer 22 massive open online course - Vorlesungen, die online verfügbar sind. 23 Vgl. Kapitel 8.1. <?page no="53"?> 3.9 Zusammenfassung: Wo lernt man was? 53 Sozialkompetenz Kommunikationstraining und -coaching Trainerausbildung mit Schwerpunkt Kommunikation mit Teilnehmenden und Gruppenprozesse steuern Moderationstraining Selbstkompetenz Personal Coaching Supervision und Intervision Ausbildungen, die auf die Persönlichkeitsentwicklung zielen, wie zum Beispiel Transaktionsanalyse, systemisches Denken, NLP oder Themenzentrierte Interaktion <?page no="54"?> 4 Teilnehmerspektrum - alles so schön bunt hier! Ich sitze auf meinem Stuhl und 12 neugierige Augenpaare sehen mich an. Ich lasse meinen Blick über die Gesichter schweifen, lächle und sage: „Herzlich willkommen bei unserem Training zum Thema ...“ Da sind sie - meine Teilnehmenden: Männer und Frauen der Generation X, Y und Z. Die Namensliste, die Gesichter und Akzente lassen darauf schließen, dass ihre Wurzeln auf mindestens 3 verschiedene Kontinente zurückreichen. Einer hat ein Handicap, da muss ich mir bei den geplanten Methoden noch etwas einfallen lassen, das wird nicht so ohne weiteres möglich sein. Alles so schön bunt hier - dabei haben wir erst die Oberfläche betrachtet. Welche Charaktere sich hinter den Gesichtern verbergen, wird sich heute im Laufe des Tages zeigen und ich bin immer wieder überrascht, wie sehr ich mich mit dem ersten Eindruck doch getäuscht habe. Trainer des 21. Jahrhunderts müssen offen für neue Erfahrungen und neugierig auf Menschen sein. In meinen Seminaren treffe ich immer seltener, auf sogenannte homogene Gruppen 24 . Auch wenn homogene Gruppen, auf den ersten Blick harmonischer arbeiten und auch leichter zu steuern sind, zeigt meine Erfahrung: Umso bunter die Truppe, umso größer und unerwarteter sind oft die Lernergebnisse. Deshalb freue ich mich sehr über die Entwicklung, auch wenn sie uns als Trainer herausfordert. Denn unsere Aufgabe ist es, ein gemeinsames Grundverständnis von einem Thema zu erzeugen und gleichzeitig eine Atmosphäre zu schaffen, bei der sich die einzelnen Teilnehmenden mit ihren vielfältigen Erfahrungen offen einbringen und nicht nur miteinander sondern auch voneinander lernen können. Das bedeutet, dass wir als Trainer eine Haltung des echten Interesses mitbringen und vorleben müssen. Wir müssen Raum schaffen für einen konstruktiven Austausch, ohne den roten Faden zu verlieren, um die Teilnehmenden gemeinsam zum Lernziel zu begleiten. Das Großartige ist: Wir selbst lernen stetig mit. Wir erfahren zum Beispiel die unterschiedlichsten Gründe, warum es bestimmte Vorbehalte gegen unser Thema geben kann, bekommen Einblicke in überraschende Anwendungsfelder und verstehen, was unterschiedlichste Menschen didaktisch und methodisch brauchen, um das von uns anvisierte Lernziel zu erreichen. Wenn wir also das breite Spektrum unserer Teilnehmergruppen ausschöpfen, lernen wir auf vielfältigste Weise und verbessern unser eigenes Verständnis von unserem Thema und gleichzeitig auch unsere Lehre. 24 Wir unterscheiden homogene Gruppen und heterogene Gruppen. Homogen ist eine Gruppe, bei der sich die Teilnehmenden in vielen Merkmalen, wie z.B. Alter, Geschlecht, Bildung und Herkunft gleichen oder ähnlich sind. Heterogen sind Gruppen, bei denen diese Merkmale sich eher unterscheiden. Vgl. auch Kapitel 5. <?page no="55"?> 4.1 Teilnehmermotivation ‒ Grundlagen 55 Kleiner Exkurs: Diskriminierungsfreie Sprache Früher galt es, bestimmte Themen wie Politik einfach „außen vor“ zu halten, um unnötige Diskussionen zu vermeiden. Heute werden wir von Seminarteilnehmer*innen angesprochen, wenn wir vergessen zu gendern oder in unseren Fallbeispielen nur deutsche Namen verwenden. 25 Mein Tipp: Seien Sie nicht gekränkt, wenn Sie auf „Fehler“ hingewiesen werden, sondern zeigen Sie sich offen und bemüht. Als Leitung erwartet man von Ihnen „vorbildliches Verhalten“. Internationale Schwestern und Brüder von Max Mustermann sind übrigens unter anderem: Maria Bianchi, Jane Doe, Zhang San, Jan Kowalski oder Kofi Baffoe. 4.1 Teilnehmermotivation ‒ Grundlagen Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert Motivation als "Zustand einer Person, der sie dazu veranlasst, eine bestimmte Handlungsalternative auszuwählen, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen und der dafür sorgt, dass diese Person ihr Verhalten hinsichtlich Richtung und Intensität beibehält." 26 Unter Lernmotivation verstehen wir also im engeren Sinn den Zustand einer Person, der vom Wunsch getragen ist, sich bestimmte Inhalte oder Fertigkeiten anzueignen. Ziel dabei ist es neue bisher noch nicht mögliche Handlungsalternativen wählen zu können. In meinen Train-the-Trainer-Seminaren werde ich oft gefragt, wie man denn Teilnehmende motivieren könne. Meine spaßige Antwort dazu ist eine selbstgebastelte Tablettenschachtel Motivation akut ‒ bei andauernden Zuständen der Lustlosigkeit und Antriebsschwäche. Wie so viele Trainer wünschte ich, dass es dieses Medikament tatsächlich gäbe, doch die Wahrheit ist: Motivation bringen ihre Teilnehmenden mit oder auch nicht. Die gute Nachricht: Sie können einiges tun, um die Motivation Ihrer Teilnehmenden zu fördern und nicht selten entdecken Unmotivierte in einem didaktisch gut aufbereiteten Training plötzlich Aspekte, die sie wirklich bewegen und rekapitulieren in der Evaluation überrascht: Das hätte ich gar nicht gedacht. Das Thema ist ja doch hochspannend ‒ ich bin so froh, dass ich dabei war! Motivation vor, während und nach dem Training Für externe Trainer ist die Situation vor und nach dem Training oft eine große Unbekannte. Sie haben einen Trainingsauftrag und wissen nicht, mit 25 Im konservativen Umfeld kann Ihnen auch genau das Gegenteil passieren: Sie erhalten Kritik, gerade weil Sie gendern. 26 vgl. Gabler Wirtschaftslexikon Band 4, 2018 <?page no="56"?> 56 4 Teilnehmerspektrum - alles so schön bunt hier! welcher Vorinformation und Haltung die Teilnehmenden erscheinen werden. Auch der Transfer des Erlernten liegt nur zu einem kleinen Teil in ihrer Hand. Da die Teilnehmenden, nach dem Training zurück in der Organisation, keinen Kontakt mehr mit Ihnen haben. Wir werden uns im Folgenden darum auf die Motivation beim Training konzentrieren, da dies Ihr größter Einflussbereich ist. 27 Abbildung 4: Motivation vor, während und nach dem Training 4.2 Besonderheiten bei der Lernmotivation von Erwachsenen Erwachsene sind lernfähig, aber unbelehrbar. Dieser Satz bringt es auf den Punkt. Erwachsene sind fähig Neues zu lernen, sie sind aber nicht mehr „beschulbar“ wie Kinder. Sie bringen oft weniger Frustrationstoleranz und natürliche Neugier mit und brauchen einen handfesten Grund, warum sie etwas Neues lernen. Erwachsene möchten Sinn für ihr Tun erkennen und ihre Welt selbst mitgestalten. Hier wird der Unterschied zwischen der Lernmotivation von Erwachsenen und dem Belehren von Kindern ganz besonders deutlich: Wir können Erwachsenen nur bedingt vorschreiben, jetzt lernen wir X, einfach nur weil das jetzt dran ist, ihr werdet schon merken, dass ihr das braucht. Besser noch: Wenn ihr Euch weigert, gibt es eine schlechte Note bzw. wenn ihr jetzt schön brav aufpasst, dann gibt es danach Schokolade. (Offengestanden ist diese Form auch bei modernen Schulpädagogen nicht mehr angesagt.) 28 In Bezug auf das Businesstraining entsteht die Motivation also bereits vor 27 Möglichkeiten zur Unterstützung vor und nach dem Training finden Sie in Kapitel 4.4 Praxistipp Motivation 28 vgl. Unterscheidung von intrinsischer und extrinsischer Motivation, S. 57 •stark beeinflusst von Organisation und Führung Motivation vor dem Training •stark beeinflusst von Trainer/ in Lernmotivation im Training •stark beeinflusst von Organisation und Führung Moitivation zum Transfer <?page no="57"?> 4.2 Besonderheiten bei der Lernmotivation von Erwachsenen 57 einem Training, wenn die Gründe und der Nutzen von Veränderungen kommuniziert werden. Das heißt, dass es z.B. vor einem Softwaretraining erst einmal zu klären gilt, ob wirklich alle Mitarbeiter, die Einführung der neuen Software nachvollziehen können und verstehen, warum sie diese ab sofort nutzen sollen, obwohl das Handling so viel umständlicher ist als früher. Ist dies nicht geschehen, wird der Trainer sich auf eine Diskussion darüber im Training einlassen müssen. Zusammengefasst lässt sich feststellen erwachsene Lernende brauchen: Einen nachvollziehbaren Grund, warum sie etwas Neues lernen sollen Einen logischen Anschluss an das, was sie bereits wissen Einen Austausch auf Augenhöhe beim Training Einen konkreten Nutzen (im Arbeitsleben) Grundbedürfnisse Unser Verhalten ist durch unsere grundlegenden Bedürfnisse beeinflusst. Wir steuern dabei immer entweder: Hin zu der Erfüllung der Bedürfnisse oder Weg von Situationen, bei denen wir Mangelsituationen in Bezug auf unsere Bedürfnisse erleben. Besonders bedeutsam sind dabei folgende vier Grundbedürfnisse 29 : 1. Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit 2. Das Bedürfnis nach Autonomie 3. Das Bedürfnis nach Anerkennung 4. Das Bedürfnis nach Freude Wenn wir als Trainer die Grundbedürfnisse unserer Teilnehmenden beim Training beachten, schaffen wir eine positive Rahmensituation für die Lernmotivation. Wir motivieren dadurch nicht aktiv, sondern ermöglichen nur, dass unsere Teilnehmenden ihre Motivation positiv entfalten können. Was dies in Bezug auf die Trainingssituation bedeutet, zeigt die folgende Tabelle: Das motiviert Teilnehmende Das demotiviert Teilnehmende in Bezug auf Zugehörigkeit ● wenn sie Zeit haben sich gegenseitig kennenzulernen ● wenn ein angeregter Austausch mit der Gruppe möglich ist ● wenn sie sich ignoriert oder ausgegrenzt fühlen ● wenn keine Zeit für den Austausch mit anderen ist 29 Vgl. Klaus Grawe „Neuropsychotherapie" 2004. Die Bezeichnungen der Bedürfnisse wurden in Bezug auf das Businesstraining zum Teil angepasst. <?page no="58"?> 58 4 Teilnehmerspektrum - alles so schön bunt hier! ● wenn sie sich als Teil der Gruppe aktiv erleben (zum Beispiel bei Übungen) ● wenn ihr Fehlen im Zweifelsfall gar nicht bemerkt werden würde in Bezug auf Autonomie ● wenn sie selbst Vorschläge einbringen können, und die Veranstaltung so mitgestalten ● wenn sie selbst keinen Einfluss nehmen können, und sich fremdgesteuert fühlen in Bezug auf Anerkennung ● wenn sie vom Trainer und den anderen Teilnehmenden wahrgenommen werden und wertschätzendes Feedback erhalten ● wenn sie eigene Erfahrungen einbringen ● wenn ihre Einwände ernst genommen werden ● wenn ihre Beiträge vom Trainer visualisiert werden ● wenn sie sich bloßgestellt fühlen oder irgendeine Form von Gesichtsverlust erleiden. ● wenn ihre Beiträge nicht erwünscht sind, ignoriert oder nicht gewürdigt werden ● wenn ihre Vorschläge oder ihre Kritik argumentativ niedergeschlagen wird in Bezug auf Freude ● wenn Medien hochwertig und Materialien interessant gestaltet sind ● wenn das Training im positiven Sinne spannend und erlebnisreich ist und gemeinsam gelacht wird ● wenn sie ein ansprechendes komfortables Lernumfeld haben. (z.B. bequeme Stühle und leckere Pausenverpflegung) ● wenn das Lernumfeld Unlust erzeugt: unbequeme Stühle, schlechte Luft, unangenehme Temperatur, kein Tageslicht, fehlende oder lieblose Versorgung ● wenn die Materialien speckig und die Medien veraltet sind ● wenn das Training keine Überraschungen bietet und sie sich langweilen Intrinsische und extrinsische Motivation Die Motivationsforschung unterscheidet zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Intrinsisch ist jene Motivation, bei der ihre Teilnehmenden Sinn und Freude beim Lernen empfinden und aus eigenem Antrieb eine Veränderung ihres Verhaltens anstreben. Extrinsisch motiviert sind sie, wenn sie ihr Verhalten nur deshalb ändern, da sie ansonsten Sanktionen befürchten oder man sie mit Belohnungen gelockt hat. Die Forschung zeigt, dass starke extrinsische Motivation teilweise sogar die intrinsische Motivation verringert. Androhung von Sanktionen führt demnach zu Widerstand und Dienst nach Vorschrift. Selbst übermäßige Belohnung kann weniger Freude beim Tun erzeugen. 30 So zeigen Kinder weniger Freude beim Malen, wenn sie dafür Belohnungen erhalten, und es gibt deutliche Hinweise dafür, dass Gehaltserhöhungen nicht automatisch zu einer Erhöhung der Arbeitsmotivation beitragen. 30 Man bezeichnet dies auch als Korrumpierungseffekt vgl. Bruno S. Frey: Markt und Motivation. Wie ökonomische Anreize die (Arbeits-) Moral verdrängen. 1997 <?page no="59"?> 4.3 Teilnehmermotivation ‒ Einfluss der Organisation vor dem Training 59 Trainertipp Vermeiden Sie im Training den übertriebenen Einsatz von Belohnungen und Sanktion, z.B.: - Geben Sie echtes wertschätzendes Feedback und verfallen Sie nicht in Lobhudelei. - Treffen Sie klare Absprachen auf Augenhöhe, wenn Teilnehmende sich nicht an Regeln halten, statt mit Konsequenzen zu drohen. Ansonsten gefährden Sie die intrinsische Motivation der Teilnehmenden. Festhalten können wir, dass Teilnehmende vor einem Businesstraining idealerweise intrinsisch motiviert sind. Das bedeutet: 1. Sie haben ein echtes Anliegen und möchten durch das Training ihre eigene Situation verbessern. Sie sind interessiert am Thema und das Training eröffnet Ihnen neue erstrebenswerte Möglichkeiten (intrinsische hinzu -Motivation) 2. Sie haben ein Problem, das sie bisher trotz aller Anstrengungen nicht allein lösen konnten. Das Training hilft Ihnen im weitesten Sinne leidvolle Erfahrungen bei der Arbeit zu vermeiden (intrinsische weg-von-Motivation) Daneben gibt es Teilnehmende, die ein Training ohne wirkliches Interesse für das Thema besuchen. Die Teilnahme ist eine reine Anpassungsleistung, um z.B. eine notwendige Qualifikation nachzuweisen oder um Sanktionen zu vermeiden. Hier spricht man von extrinsischer Motivation, die keine gute Grundlage für das Lernen bietet. Hier gilt es über den Tellerrand des Trainings zu blicken. Welchen Einfluss hat die Gesamtorganisation und wie kann ich als Trainer mit diesen Grundvoraussetzungen, die vor dem Training gesetzt werden, umgehen? 4.3 Teilnehmermotivation ‒ Einfluss der Organisation vor dem Training Der Einstieg in ein Training wird maßgeblich davon beeinflusst, mit welcher Grundhaltung Teilnehmende in einem Training ankommen. Eine besondere Rolle spielt dabei, wer aus der Organisation das Training mit welcher Intention beauftragt hat. Wenn Auftraggeber und Teilnehmender nicht eine Person sind, spielt auch das Verhältnis der beiden zueinander und die Kommunikationsprozesse, die vorab stattgefunden haben, eine wichtige Rolle. <?page no="60"?> 60 4 Teilnehmerspektrum - alles so schön bunt hier! Abbildung 5: Einfluss der Organisation auf Lernmotivation Um dies zu verdeutlichen hier ein Praxisbeispiel, wie es uns in vielen Veranstaltungen begegnet: Drei Teilnehmende aus unterschiedlichen Unternehmen treffen sich vor dem Seminarraum beim Begrüßungskaffee. In zehn Minuten soll der erste Teil des Seminars „Neu als Führungskraft“ beginnen. Peter Seit eineinhalb Jahren arbeitet Peter als Führungskraft in der Buchhaltung und wurde zu seiner Überraschung von seinem Vorgesetzten zu diesem Seminar angemeldet. Dieser meinte, es werde Zeit, dass Peter „endlich einmal richtig führen lerne“. Peter selbst ist von seinen Fähigkeiten als Führungskraft überzeugt und empfindet die Aktion seines Vorgesetzten als Affront. Statt des Seminars würde er sehr viel lieber zurück an seinen Arbeitsplatz gehen, wo es einiges Dringendes zu erledigen gilt, was jetzt einfach liegen bleibt. Somit hat Peter keinerlei intrinsische Motivation in Bezug auf das Training. Er ist nur hier, um den Ärger zu vermeiden, den seine Weigerung verursachen würde. Dieter Dieter wurde von seinem Unternehmen im Rahmen eines Förderungsprogramms für junge Führungskräfte zur Veranstaltung angemeldet. Dazu hatte •Wer beauftragt das Training? •In welcher Beziehung stehen Auftraggeber und Teilnehmende? •Welcher Grund und welcher Nutzen werden den Teilnehmenden vorab vermittelt? Motivation vor dem Training •Mit welcher Grundhaltung kommen Teilnehmende beim Training an? •Wie stärkt und ermöglicht der Trainer intrinische Motivation? Motivation im Training <?page no="61"?> 4.3 Teilnehmermotivation ‒ Einfluss der Organisation vor dem Training 61 er sich im Rahmen eines internen Developmentcenters qualifiziert. Er ist glücklich und stolz, es geschafft zu haben und freut sich auf die Weiterbildung. Als Führungskraft hat er noch keine Erfahrung. Er soll aber zeitnah eine kleine Abteilung übernehmen und möchte sich gerne beim Seminar darauf vorbereiten. Konkret fragt er sich, wie er sich seinem neuen Team vorstellen und wie er die ersten Einzelgespräche gestalten soll. Silke Unsere dritte Teilnehmerin, Silke, arbeitet seit einem halben Jahr als Teamleiterin in einem Servicebereich. Ihr Vorgänger hatte nach einem Jahr mit einem Burnout gekündigt. Auch Silke steht enorm unter Druck, da ihr Team nicht die Performance zeigt, die das Unternehmen erwartet. Im Unternehmen hat sie wenig Unterstützung und all ihre Anstrengungen, die Arbeitsprozesse zu optimieren, das Team zu motivieren, Anreize zu schaffen bzw. die Mitarbeiter durch kritische Feedbackgespräche zur Mehrleistung zu bewegen, brachten bisher nicht den gewünschten Erfolg. Das von ihrer Führungskraft empfohlene Seminar hat Silke akzeptiert und sich selbst angemeldet - aber eigentlich ist sie überzeugt, dass die Ziele für ihr Team einfach zu hochgesteckt sind. Das Beispiel von Peter, Dieter und Silke verdeutlicht, dass Lernmotivation nicht plötzlich im Training, sondern bereits am Arbeitsplatz entsteht. Welche Probleme sollen das Training lösen? Wer gibt den Trainingsauftrag und was verspricht sich derjenige davon? Meist sind Auftraggebende und Teilnehmende nicht eine Person. Das muss per se nicht schlecht sein. Findet zuvor ein Gespräch zwischen Auftraggebendem und Teilnehmenden statt, bei dem Erwartungen geklärt werden, kann durchaus eine positive Voraussetzung für die Lernmotivation bestehen. Auch wenn die Weiterbildung aus Sicht des Teilnehmenden ein Entgegenkommen ist oder gar eine Gratifikation darstellt (wie bei Dieter) hat dies positive Effekte. Doch bei vielen Businesstrainings erscheinen Teilnehmende wie Peter, die sich nicht freiwillig angemeldet haben, sondern von Ihrer Führungskraft geschickt wurden. Sie besuchen also eine Pflichtveranstaltung, zu der sie nicht intrinsisch motiviert sind. Oft ist es die Führungskraft, die selbst gar nicht teilnimmt aber die Probleme beim Mitarbeiter erkennt oder einen möglichen Nutzen für die Abteilung anstrebt. Der geschickte Mitarbeiter hat nicht selten andere Ideen, wie Nutzen generiert oder Probleme gelöst werden könnten. Nicht selten haben diese Ideen rein gar nichts mit dem zu tun, was Sie als Trainer leisten können. <?page no="62"?> 62 4 Teilnehmerspektrum - alles so schön bunt hier! Wenn wir über den Tellerrand des Trainings blicken und das Gesamtsystem der Organisation betrachten, führt dies zu einer systemischen Unterteilung von Teilnehmertypen 31 : Die Besucher Sie haben nicht wirklich am Trainingsthema Interesse. Sie wurden geschickt oder nutzen das Training bestenfalls als eine kurze „Auszeit“ - oft fühlen Sie sich aber auch gestört, da das Training „echte Arbeit“ verhindert. Auf die Frage nach ihren Erwartungen antworten sie oft so etwas wie: Ich bin gespannt, was sie mir hier noch beibringen möchten Keine Ahnung, ich lasse mich mal überraschen Dass wir pünktlich Schluss machen, weil ich danach direkt noch einen Anschlusstermin habe. Dass es nicht so öde wird wie unser letztes Seminar. Gleichzeitig gibt es vom Auftraggeber des Trainings die Erwartung, dass der Trainer die Teilnehmenden inhaltlich motivieren soll. Der Trainer soll den Besuchern schmackhaft machen, was die Organisation selbst nicht geschafft hat. Peter ist ein typischer „Besucher“. Wie alle Besucher weiß er eigentlich gar nicht, was er bei einem Seminar oder Training soll, er wurde geschickt. Das Thema interessiert ihn nicht wirklich - er hat weder ein eigenes Anliegen noch gibt es ein Problem, das er mit dem Training zu lösen hofft. Manchmal gibt es auch Besucher, die sich freiwillig angemeldet haben, z.B.: „Ich darf jedes Jahr an einer Weiterbildung teilnehmen und diese hatte ich noch nicht. Ich lasse mich mal überraschen, und zwei Tage nicht arbeiten ist doch auch mal schön.“ Die Erwartung an den Trainer ist hier „angenehmes Entertainment“. Das Training soll einigermaßen unterhaltsam und der Lernstoff nur „leichte Kost“ sein - viel wichtiger ist es, in der Gruppe eine gute Zeit zu haben und die Pausen und das Mittagessen zu genießen! Die echten Kunden Sie kommen freiwillig und bringen echte Probleme und Anliegen mit, die sie mit ihrer Hilfe bearbeiten möchten. Sie sind motiviert und bringen oft auch eine gewisse Frustrationstoleranz mit, wenn der Lernweg zwischendurch steinig wird. 31 Diese Einteilung nahm ursprünglich Steve de Shazer für Klienten bei der Kurzzeittherapie vor. Gunther Schmidt und andere übertrugen das Konzept auf die Arbeit mit Gruppen vgl. Steve de Shazer: Der Dreh, 14. Auflage 2018 <?page no="63"?> 4.4 Umgang mit unterschiedlichen Teilnehmertypen 63 Dieter ist so ein echter Kunde und motiviert, beim Seminar Neues zu lernen. Er hat ein konkretes Anliegen, da er sich mit Hilfe des Seminars auf die ersten Zusammentreffen mit seinem neuen Team vorbereiten möchte. Wenn Sie nun denken: Oh ja, ich wünsche mir nur echte Kunden bei meinen Seminaren, seien Sie gewarnt. Die echten Kunden können sehr fordernd sein. Manchmal werden sie Sie auch in den Pausen kaum einmal entspannt durchatmen lassen, sondern weiter mit Fragen und Anliegen löchern. Wenn Sie als Leitung nicht ihren Erwartungen gerecht werden, droht je nach Temperament die Meuterei oder ansonsten zumindest eine sehr kritische Bewertung beim Feedback: „Trainer ging nicht wirklich auf die Fragen der Teilnehmenden ein“. Die Sich-Beklagenden Sich Beklagende haben zwar echte Probleme und Anliegen, welche jedoch nicht im Training gelöst werden können. Oft haben sie wenig Motivation und Frustrationstoleranz, da sie glauben, dass Andere das Problem lösen müssen. Silkes Ausgangssituation lädt zum sich beklagen ein: Sie hat doch schon so viel versucht und nichts davon brachte Erfolg. Empathische Trainer unternehmen zum Teil auch über ihren Auftrag hinaus enorme Anstrengungen, Ihnen zu helfen. Doch weder das Abstempeln als Jammerlappen noch konkrete Hilfsangebote sind die Lösung für die Trainingssituation. Der Trainer ist in einer Zwickmühle: Wenn er zu viel Energie im Kontakt mit Sich-Beklagende steckt, erreicht er sein Lernziel nicht. Doch ignoriert er sie oder fordert er sie gar auf, sich mit ihren Einwänden zurückzuhalten, kann dies die gesamte Gruppe gegen ihn aufbringen. 4.4 Umgang mit unterschiedlichen Teilnehmertypen Teilnehmertypen als veränderbare Verhaltensmuster Die Gefahr bei Typisierungen besteht immer darin, dass man Typen mit Menschen verwechselt. Im Grunde sind Typen aber nur Verhaltensmuster, die ein Mensch in einer bestimmten Situation zeigt. Genauer betrachtet, kann jeder Teilnehmende in verschiedenen Phasen einer Veranstaltung Besucher, Sich-Beklagender oder auch echter Kunde werden. Peter könnte durch eine gute Auftragsklärung mit dem Trainer zum echten Kunden werden. Vielleicht erkennt er, dass er in der Veranstaltung auch Erkenntnisse gewinnen kann, um mit seinem Vorgesetzten eine wertschätzende Kommunikation auf Augenhöhe zu fördern. Oder ihm wird bewusst, dass er die beim Seminar am Arbeitsplatz liegengebliebenen Aufgaben, hätte auch delegieren können und er freut sich über diese Erkenntnis, die er in Zukunft umsetzen möchte. Natürlich könnte er auch zum Kläger werden, wenn er sich im Laufe der Veranstaltung darauf versteift, dass es doch eigentlich sein Vorgesetzter <?page no="64"?> 64 4 Teilnehmerspektrum - alles so schön bunt hier! sein sollte, der hier teilnehmen müsste. Genauso könnte Dieter zum Besucher werden, wenn sein Anliegen nicht zu seiner Zufriedenheit bearbeitet wird und er hier seine Zeit verschwendet. Silke könnte überrascht feststellen, dass sie ihre Mitarbeitergespräche in Zukunft ganz anders führen möchte und dass ihr Zeit- und Selbstmanagement sich deutlich verbessern lässt. Dann wäre sie echte Kundin. Unser Ziel als Trainer ist es, alle Teilnehmenden zu Verhaltensmustern von echten Kunden einzuladen! Ich spreche hier von einer Einladung, da wir natürlich keine Fernsteuerung für die Verhaltensmuster unserer Teilnehmenden haben. Unsere Einladung besteht darin, dass wir Teilnehmende dabei unterstützen, echten Sinn und persönlichen Nutzen in den Lerninhalten zu entdecken. Wir ermutigen Sie eigene Handlungsspielräume zu erkennen und zu nutzen. Seien Sie darauf gefasst, dass sich in jeder Veranstaltung jeder Teilnehmertyp zeigen kann, und bereiten Sie sich dementsprechend vor: Nehmen Sie sich zu Beginn Zeit die Erwartungen Ihrer Teilnehmenden abzufragen. Für alle Teilnehmertypen ist es wichtig zu Beginn zu klären, welche Anliegen und Probleme in Ihrer Veranstaltung konkret bearbeitet werden können. Gleichen Sie die Erwartungen mit den Inhalten und Lernzielen der Veranstaltung ab und zeigen Sie sich bei den Wünschen der Teilnehmenden insofern flexibel, dass Sie ggf. Ihre Schwerpunkte anders setzen. Ein Themenspeicher hilft beim Visualisieren dessen, was im Training umsetzbar ist und was im Anschluss außerhalb geklärt werden muss. Die folgende Tabelle fasst die Muster noch einmal zusammen und gibt Ihnen konkrete Anregungen, wie Sie bei der Erwartungsabfrage Muster unterbrechen können: So gehen Sie mit den Verhaltensmustern um: Das Besuchermuster Lernmotivation Empfehlung an Sie als Leitung Teilnehmender hat weder ein Anliegen noch ein Problem, das er mit Hilfe des Trainings lösen möchte. Im besten Fall kommt er mit der Haltung: „ Mal sehen, ich lasse mich überraschen, vielleicht ist es ja doch ganz interessant.“ Gehen sie davon aus, dass Besucher natürlich Anliegen und Probleme haben, die hier gelöst werden können, und dass ihnen dies nur noch nicht bewusst ist. Um diese herauszukitzeln und somit ins Bewusstsein des Teilnehmenden zu bringen, fragen Sie ihn: • „Wenn sich nach der Veranstaltung wider Erwarten herausstellen würde, dass es sich doch für <?page no="65"?> 4.4 Umgang mit unterschiedlichen Teilnehmertypen 65 Keine intrinsische Motivation Sie gelohnt hat hier zu sein, an was würden Sie das merken? “ • „Wer würde das außer Ihnen vielleicht noch merken und an was konkret? “ • „Was müsste hier in der Veranstaltung passieren, damit dies ermöglicht wird? “ Wichtig: Visualisieren Sie die Ergebnisse der Erwartungsabfrage und gleichen sie diese mit der Agenda ab - so wird transparent, unter welchem Gesichtspunkt die Veranstaltung doch interessant werden kann. Achten Sie bei der Veranstaltung darauf, an passender Stelle immer wieder auf die entsprechenden Erwartungen (Anliegen und Probleme), die nun bearbeitet werden können, hinzuweisen. Nehmen Sie dabei auch kritische Stimmen nicht persönlich und stempeln Sie Teilnehmende nicht direkt als Störenfriede oder Nörgler ab. Würdigen Sie eher, dass diese trotzdem gekommen sind und dem Training eine Chance geben. Das Sich-Beklagende-Muster Lernmotivation Empfehlung an Sie als Leitung Teilnehmender hat mindestens ein Problem, wofür es jedoch bei ihrem Training keine Lösung gibt. Oft schiebt er die Verantwortung für die Lösung auf Andere: Den Trainer, die Führungskraft, das Unternehmen, die Gesellschaft. Sich Beklagende sind frustriert und haben wenig bis keine Motivation, selbst etwas zur Veränderung beizutragen. Zeigen Sie sich wertschätzend und würdigen Sie jeden Versuch, den der Beklagende bisher unternommen hat, Probleme zu lösen. Gehen Sie davon aus, dass der sich Beklagende aus gutem Grund wenig Eigeninitiative und Motivation zeigt, da er bereits viele negative Erfahrungen gemacht hat. Dabei ist es wichtig, dass Sie sich nicht zu sehr mitreißen lassen und neben Mitgefühl auch klar Ihren Auftrag darstellen. Klären Sie mit den Teilnehmenden, wer die richtigen Ansprechpartner für ihre Anliegen sind und treffen Sie klare Absprachen, welcher Teilnehmende die offenen Punkte zeitnah nach dem Training adressiert. Methodisch eignet sich dazu ein Themenspeicher, in dem Sie die Punkte sammeln (lassen), die nicht im Training, sondern im Anschluss geklärt werden können. Das echte Kundenmuster Lernmotivation Empfehlung an Sie als Leitung Teilnehmender hat Anliegen und Probleme, die genau zum Trainingsauftrag passen. Gerade wenn Sie mehrere echte Kunden im Training haben, ist Zeitmanagement gefragt. Sammeln Sie zu Beginn die konkreten Anliegen und haken sie diese nach und nach im Training ab. <?page no="66"?> 66 4 Teilnehmerspektrum - alles so schön bunt hier! Er ist intrinsisch motiviert und fällt oft durch aktive Mitarbeit und Fragen auf. Versprechen Sie zu Beginn nicht zu viel, sondern zeigen Sie auf, was Sie für realistisch möglich halten. Geben Sie Tipps und Hinweise, wie die Teilnehmenden ihre individuellen Anliegen noch weiter bearbeiten können z.B.: interessante Links zu den Themen, Bücher für die weitere Lektüre, Fachartikel, Online-Kurse oder andere Weiterbildungen 4.5 Praxistipp Motivation vor, beim und nach dem Training! 1. Nehmen Sie bei Inhouse-Trainings Auftraggeber und Führungskräfte mit ins Boot Klären Sie mit den Auftraggebern, wie die Teilnehmenden vor der Veranstaltung über den Sinn und Nutzen informiert werden und wie das Training intern vor- und nachbereitet wird. Wenn ich hierzu bei meiner Auftragsklärung Fragen stelle, erlebe ich nicht selten ein Überraschungsmoment. Oft lässt sich dahinter der Wunsch erahnen, das ganze lästige Thema doch jetzt an den Trainer delegiert zu haben und aus der Nummer raus zu sein. Doch beim Gespräch wird immer schnell klar, dass die Motivation zur Umsetzung natürlich auch von der Führungskraft unterstützt werden muss. Bringen Sie aktiv Ideen ein, auch wenn Sie fürchten, Ihren Auftraggeber damit zu „nerven“. Wenn er die Lernziele ernst nimmt, wird er Ihnen dankbar sein für Ihre Unterstützung. Hier einige Ideen, die die Motivation vor dem Training verbessern und den Transfer sichern: Ideal ist, wenn die Führungskraft oder die Personalabteilung vor und nach dem Seminar ein kurzes Entwicklungsgespräch mit Teilnehmenden führt. •Information über Ziel und Nutzen des Trainings •Individuelle Entwicklungsgespräche mit Vereinbarung von Lernzielen Motivation vor dem Training •Typgerechtes Abholen der Teilnehmenden zu Beginn •Abwechslungsreiches Arbeiten mit Praxisbezug •Sichern von Motivationsfaktoren •Vorbereitung des Transfers Motivation im Training •Reflexionsgespräche •Konkrete Umsetzungsaufgaben •Beseitigen von Hindernissen •Austausch und Lernpartnerschaften Motivation nach dem Training <?page no="67"?> 4.5 Praxistipp Motivation vor, beim und nach dem Training! 67 Dabei werden vor dem Training die persönlichen Lernziele besprochen und nach dem Training geklärt, inwieweit diese erreicht werden konnten und welche weiteren Schritte ggf. notwendig sind. Motivationsfördernd hat sich auch eine Minipräsentation der Teilnehmenden für die Führungskraft im Anschluss an das Training erwiesen. Dazu stelle ich den Teilnehmenden gerne meine Flipcharts oder eine PowerPoint Präsentation zur Verfügung anhand derer sie das Seminar noch einmal rekapitulieren. Nach der Präsentation sollte Zeit eingeplant werden konkrete Umsetzungsschritte zu besprechen. Laden Sie Führungskräfte der Teilnehmenden ein, selbst am Training teilzunehmen, und zwar nicht als Beobachter, sondern als echte Teilnehmende. Dies hebt den Stellenwert der Veranstaltung und für die Führungskraft ist es im Anschluss viel leichter, das Team bei der Umsetzung zu unterstützen. Falls die Führungskraft nicht teilnehmen möchte oder dies aus anderen Gründen nicht möglich ist, hilft es oft, dass sie zumindest zu Beginn und am Ende der Veranstaltung dabei ist. So können Teilnehmerfragen nach dem Nutzen und Voraussetzungen für den Transfer direkt mit ihr geklärt werden. Organisieren Sie Lernpartnerschaften. Die Teilnehmenden vereinbaren einen (oder mehrere Termine), an denen sie sich nach dem Training treffen, um sich gegenseitig von ihren Lernfortschritten zu berichten und sich zu unterstützen. Aufgabe der Organisation ist es, die Teilnehmenden für diese Treffen von ihren sonstigen Aufgaben freizustellen. Bieten Sie Trainings on the Job an, bei denen Sie die einzelnen Teilnehmenden im Anschluss am Arbeitsplatz besuchen und Sie diese konkret bei der Umsetzung unterstützen und bei möglichen Problemen frühzeitig intervenieren. 32 2. Nutzen Sie die Macht der Spiegelneuronen! „Nur wer selbst brennt, kann Feuer in anderen entfachen.“ Augustinus Nutzen Sie die Macht der Spiegelneuronen. Motivation ist ansteckend. Wenn Sie sich selbst für Ihr Thema begeistern, können sich Ihre Teilnehmenden dem kaum entziehen. Bleiben Sie dabei immer wertschätzend und auf Augenhöhe gegenüber Menschen, die Ihre Begeisterung nicht teilen können. Sie sollen andere nicht überreden, sondern einfach nur zeigen, dass ihr Thema Freude bereitet. Gerade bei Themen, die Sie selbst schwierig finden, ist dieser Selbstmotivationsgedanke wichtig: Überlegen Sie sich vor einem Training, welche Aspekte des Themas für Sie besonders interessant, überraschend oder bereichernd sind. Steigen Sie mit diesen Gedanken ins Training ein. 32 Vgl. Kapitel 10.11 Training in the Job <?page no="68"?> 68 4 Teilnehmerspektrum - alles so schön bunt hier! 3. Praxisbezug sichern Sichern Sie, dass Ihre Teilnehmenden jederzeit den Praxisbezug für sich herstellen können. Arbeiten Sie z.B. mit „echten“ Praxisfällen statt mit 0815-Fällen aus dem Lehrbuch. Das heißt, dass Sie z.B. bei einem Kommunikationsseminar das aktive Zuhören nicht einfach mit Geschichten aus dem Alltag üben, sondern konkret an einer Situation, bei der die Teilnehmenden das aktive Zuhören im Arbeitsalltag brauchen. Bei einem Seminar zum Thema Arbeitsrecht präsentieren sie nicht nur die gesetzlichen Vorgaben, sondern nutzen Fälle, bei denen es für die Teilnehmenden im Anschluss wichtig ist, die gesetzlichen Anforderungen umzusetzen. Dazu ist eine gute Vorbereitung notwendig bei der Sie recherchieren, welche herausfordernden Situationen im Arbeitsalltag in Bezug auf das Thema auftreten. Für mich selbst hat sich dabei die Hospitation am Arbeitsplatz vor einem Training bewährt. Wenn möglich besuche ich den Arbeitsplatz eines oder mehrerer Teilnehmenden einige Zeit vor dem Training, beobachte diese bei der Arbeit und stelle neugierig Fragen. Wenn dies nicht möglich ist, setze ich auch gerne Online-Abfragen ein und befrage die Teilnehmenden selbst, bei welchen Praxisproblemen sie sich Unterstützung von mir wünschen, und lasse mir diese möglichst ausführlich schildern. 4. Motivationsfaktoren durch eine Erwartungsabfrage bewusst machen 33 Als Leitung können Sie Motivation unterstützen, indem Sie die Teilnehmenden zu Beginn des Trainings fragen, 1. was Ihnen das Training im besten Fall ermöglicht und 2. welche Probleme das Training lösen soll. Dies kann z.B. im Rahmen einer Erwartungsabfrage zu Beginn geschehen. Lassen Sie die Teilnehmenden allein oder zu zweit Kärtchen schreiben und diese der Gruppe präsentieren. Wenn die Teilnehmenden sich damit schwertun („ich habe gar kein Anliegen oder Problem“), dann stellen Sie die Fragen hypothetisch: 1. „Wenn es ein Problem gäbe, welches dieses Training lösen könnte, was wäre das ggf.? “ 2. „Wenn Ihnen dieses Training einen Nutzen in Ihrem Arbeitsalltag bringen könnte, welcher wäre das ggf.? “ Die Antworten sollten während des Trainings sichtbar bleiben oder immer mal wieder gemeinsam betrachtet werden, so dass ein direkter Transfer des Lernstoffs auf die Anliegen der Teilnehmenden möglich ist. 33 Vgl. Tabelle in Kapitel 4.3 <?page no="69"?> 4.5 Praxistipp Motivation vor, beim und nach dem Training! 69 5. Gestalten Sie Ihre Veranstaltung abwechslungsreich und handlungsorientiert Das Wort Motivation ist auf das lateinische Verb movere (bewegen, antreiben) zurückzuführen. Selbst der wissbegierigste Teilnehmende verliert seine Motivation, wenn Sie ihn einen Tag lang nur mit Wissensstoff berieseln. Das heißt nicht, dass Sie ihren Vortrag regelmäßig mit sinnfreien Spielchen zur Auflockerung unterbrechen sollen, sondern dass Sie Ihren Teilnehmenden die Gelegenheit geben sich selbst sinnvoll einzubringen. Wechseln Sie regelmäßig die Methode und Sozialform und ermöglichen Sie den Teilnehmenden selbst aktiv zu werden. Nur wer selbst etwas tut kann Selbstwirksamkeit erleben. Deshalb planen Sie Austausch bei Partnerarbeiten, Gruppenarbeiten und im Plenum ein und geben Sie Ihren Teilnehmenden dabei auch angemessenen Spielraum eigene Ideen zu entwickeln, so dass sich diese das Thema zu eigen machen können. 6. Von Anfang an herausfordernde Aufgaben stellen Planen Sie direkt von Beginn an Aufgaben und Übungen ein, um Ihre Teilnehmenden nicht in eine bequeme Konsumentenhaltung zu versetzen. Ansonsten baut sich leicht ein Widerstand gegen Übungen auf. Gerade wenn Teilnehmende stark in der Besucherhaltung verharren ist es wichtig, dass Sie im Training frühzeitig Aufgaben stellen, die ein Problembewusstsein schaffen und eine realistische Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten fördern. Wenn z.B. Teilnehmende bei einer Vertriebsschulung sagen, ich habe keine Probleme bei der Einwandbehandlung, steigen Sie doch einfach mal direkt mit einem Rollenspiel ein. Kündigen Sie die Übung so an, dass es bei einem Training auf Expertenniveau darum geht, noch die letzten kleinen Stellschrauben zu finden an denen es vielleicht noch Optimierungsbedarf gibt. 34 Persönliche Erfolgserlebnisse haben einen nicht zu unterschätzenden Motivationseffekt. Doch sowohl Unterforderung als auch Überforderung schaffen Demotivation. Ihre Aufgaben an Ihre Teilnehmenden sollten also so gestaltet sein, dass sie ihnen etwas „zumuten“. Wenn Übungen einfach mit links erledigt werden, dann erzeugen sie eher Langeweile. Wenn Sie jedoch beim Training merken, dass Ihre Teilnehmenden von einer Aufgabe überfordert sind und keine Erfolgserlebnisse haben, dann passen sie die Herausforderung an, indem Sie Hilfestellungen oder ggf. mehr Zeit geben. Die Teilnehmenden sollten dabei auf keinen Fall das Gefühl bekommen, „versagt zu haben“. Ideal ist, wenn die Teilnehmenden im Trainingsverlauf immer mehr Erfolgserlebnisse verzeichnen können ‒ also das Erleben haben: es lohnt sich, ich werde immer besser. 34 Vgl. Dunning-Kruger-Effekt, Kapitel 7.1 <?page no="70"?> 70 4 Teilnehmerspektrum - alles so schön bunt hier! Abbildung 6: Niveau der Aufgabenstellung im Seminarverlauf Zu Beginn "leichte Überforderung", um eine realistische Selbsteinschätzung und Problembewusstsein zu schaffen Am Ende fordernde Aufgaben, die Erfolgserlebnisse schaffen und zum Transfer ermutigen <?page no="71"?> 5 Die Gruppe - mehr als die Summe der Teilnehmenden 35 Von einer Gruppe spricht man sozialpsychologisch bei einer Zusammenkunft von mindestens drei Personen. Wenn Sie kein Personal-Trainer im Fitnessbereich sind oder sich auf das Training on the Job 36 spezialisiert haben, arbeiten Sie als Trainer normalerweise mit Gruppen. Man unterscheidet zwischen homogenen und heterogenen Gruppen. Homogen ist eine Gruppe, wenn sich bei den Teilnehmenden viele Gemeinsamkeiten erkennen lassen (Alter, Geschlecht, Ausbildung, Herkunft, ...). Heterogene Gruppen haben oft ein höheres Konfliktpotenzial, bringen aber vielfältige Erfahrungen und Perspektiven ein, die das Lernen bereichern und vertiefen. 37 Sie gelten im Allgemeinen als leistungsfähiger. Voraussetzung dafür, dass dieses Potential zum Tragen kommt, ist die zugewandte Haltung des Trainers und eine exzellente Moderationsfähigkeit. Während sich Inhalt, Medien und Methoden akribisch vorbereiten lassen, zeigt sich die Gruppe in ihrer Dynamik immer wieder als eine Wundertüte, die sich erst im Laufe der Veranstaltung öffnet. Mal von allgemeiner Zurückhaltung geprägt, mal lebendig und voller Austauschbedürfnis und manchmal auch explosiv ‒ so fordert jede Gruppe die Leitung neu. Dass die Gruppe mehr ist als die Summe der Individuen, zeigt folgendes Gedankenexperiment: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit einem guten Bekannten im Zug in einem kleinen Einzelabteil. Sie sind ins Gespräch vertieft, als die Tür aufgeht und eine weitere Person hereinkommt. Wie verändert sich die Stimmung und Dynamik im Abteil, wenn die Person ... ... ein gemeinsamer Freund ist? ... Ihr Nachbar ist? ... Ihr Chef ist? ... ein alter Schulfreund Ihres Bekannten ist? ... ein naher Verwandter ist? …ein Kollege Ihres Bekannten ist? Und vor allem, wie verändern Sie selbst als Individuum sich ‒ sind sie immer der Gleiche ‒ egal wer reinkommt? Sie werden feststellen, dass, auch wenn Sie natürlich der gleiche Mensch bleiben, sich einige Unterschiede zeigen. Nicht nur Ihre Befindlichkeit wird 35 Das Aristoteles-Zitat Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile wurde 1939 vom Psychologen Lewin auf die Gruppe übertragen. Er nutze in diesem Zusammenhang erstmals den Begriff Gruppendynamik. 36 Vgl. Kapitel 9.12 Das Training on the Job 37 Vgl. Kapitel 4 Das Teilnehmerspektrum ‒ alles so schön bunt hier <?page no="72"?> 72 5 Die Gruppe - mehr als die Summe der Teilnehmenden sich verändern, sondern auch Ihr Verhalten. Sie werden mehr oder weniger sprechen und andere Geschichten erzählen. Sie sind der gleiche Mensch, aber je nach Gruppensituation mehr oder weniger selbstbewusst, lauter oder leiser, mal spontaner und lustiger und mal ernster und zurückhaltender. Im Moment, in dem eine Gruppe entsteht, treffen unterschiedliche Charaktere und Lebenswelten aufeinander. Sie stimmen sich mit ihrem Verhalten nicht mehr nur auf ein Gegenüber ein, sondern finden blitzschnell eine Strategie, wie Sie stimmig auf verschiedene Lebenswelten reagieren und dabei auch noch irgendwie authentisch bleiben. In der Businesswelt kennen Sie das, dass sich die Kommunikation schlagartig verändert, wenn der Chef zur Tür reinkommt oder jemand von einer anderen Abteilung den Raum betritt. Dies geschieht auch im Seminarraum. Auch wenn alle Beteiligten sich kennen, sind Sie als Trainer derjenige, der die Gruppe „neu aufmischt“ und damit die Stimmung und Dynamik verändert. 5.1 Das Training als Teamentwicklungsprozess "Wir finden zusammen auf Basis von Gemeinsamkeiten und Wachsen auf Basis von Unterschieden." Virginia Satir In Gruppentrainings erfahren die Teilnehmenden nicht nur als Einzelpersonen von einem Trainer Neues, sondern sie lernen im Team miteinander und voneinander. Ein Team unterscheidet sich von einer Gruppe durch folgende 3 Merkmale: 1. Das Team hat eine gemeinsame Aufgabe. 2. Es gibt eine gemeinsame Verantwortung für das Arbeitsergebnis. 3. Die Teammitglieder tragen aktiv zur Zielerreichung bei. Idealerweise wird aus der Gruppe im Trainingsverlauf ein Team, also eine Gruppe von Personen, die eine gemeinsame Aufgabe haben, ein Ziel erreichen wollen und die dafür gemeinsam Verantwortung übernehmen. Das bedeutet, dass die Teilnehmenden nicht in einer passiven Konsumentenhaltung abwarten können, was das Training ihnen so bringt. Einem, der zu einem Seminar geschickt wurde, ist dies nicht unbedingt bewusst und eine entsprechende Erwartungshaltung des Trainers erzeugt ggf. sogar starken Widerstand. Ein Seminar durchläuft also einen „Teambuildingprozess“, den der Trainer maßgeblich mitgestaltet. Wenn dieser gelingt, bringt jeder Einzelne seine individuellen Qualitäten nutzbringend in den Lernprozess ein. Die Teilnehmenden unterstützen sich gegenseitig und schöpfen Energie aus der Gruppendynamik. Manchmal entsteht so im Training ein regelrechter Lern- <?page no="73"?> 5.1 Das Training als Teamentwicklungsprozess 73 Flow 38 , bei dem die Teilnehmenden die gesteckten Lernziele bei weitem übertreffen. Gerade in mehrtägigen Veranstaltungen ist dies immer wieder zu erleben. Die so entstandenen Teams werden im Anschluss zu Netzwerken, die oft auch Jahre nach der Veranstaltung noch Bestand haben. Zugehörigkeit und Autonomie ermöglichen Um zu verstehen, was ich als Trainer zu einer erfolgreichen Teamentwicklung beitragen kann, müssen wir uns wieder mit den Grundbedürfnissen des Menschen beschäftigen 39 . Das Verhalten des Individuums wird in Gruppensituationen unter anderem von zwei schwer zu vereinbarenden Grundbedürfnissen gesteuert: Dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit auf der einen Seite und dem Bedürfnis nach Autonomie auf der anderen. In der Businesswelt ist der Ausschluss aus Gruppen als krankmachendes Mobbing bekannt und gefürchtet. Doch auch wenn Individuen kompromissbereit sind, um dazuzugehören, möchten sie doch nicht vollkommen dem Willen der Gruppe oder einer Leitung unterworfen sein, sondern eigenen Gestaltungsfreiraum wahren. Der Ausprägungsgrad des jeweiligen Grundbedürfnisses ist individuell. Manchmal trifft man auf Teilnehmende, denen es anscheinend egal ist, was die Gruppe von Ihnen hält und die gar nicht versuchen Teil zu werden. In anderen Situationen ist es schwierig aus Teilnehmenden eine eigene Meinung herauszukitzeln, da sie sich anscheinend immer der Allgemeinheit anschließen. Traineraufgabe ist es beiden Bedürfnissen ‒ sowohl dem nach Zugehörigkeit als auch dem der Autonomie Raum zu geben, denn nur so kann die Gruppe als Team ihr volles Potenzial entfalten. Konkret lässt sich dies anhand des Modells der Teamphasen zeigen. In dem Modell, das auch als Teamuhr bekannt ist, beschreibt der US-amerikanische Psychologe Bruce Tuckman bereits 1965 die vier Phasen, die den idealtypischen Verlauf eines Gruppenprozesses abbilden. 40 Später wurde diesem Modell eine fünfte Phase hinzugefügt. Bevor Sie mit allzu viel Enthusiasmus nach den Phasen zu suchen beginnen, bedenken Sie: Es handelt sich dabei nur um ein Modell und nicht jede Gruppe durchläuft jede Phase gleichermaßen. 41 Dennoch hilft es Ihnen als Trainer die Phasen zu erkennen und Ihr Verhalten den Bedürfnissen der Gruppe gemäß anzupassen und Ihre Methoden auf die Phasen abzustimmen. 38 Als Flow bezeichnet man den mentalen Zustand des völlig in einer Sache Aufgehens, so dass diese wie von selbst geschieht. vgl. Mihaly Csikszentmihalyi Flow. Das Geheimnis des Glücks 39 Vgl. Kapitel 4.2 Teilnehmermotivation, Absatz Grundbedürfnisse 40 Bruce W. Tuckman, Mary Ann Jensen: Stages of small-group development revisited. In: Group and Organization Studies. 2, 4, Dez 1977, S. 419-426. 41 Gerade bei kurzen Veranstaltungen wird oft nicht jede Phase durchlaufen. Bei längeren Seminaren ab 1-2 Tagen werden auch einzelne Phasen mehrfach durchlaufen das liegt daran, dass sich mit jeder neuen Aufgabe, die gestellt wird, ein neuer kleiner „Teambuildingprozess“ ergeben kann. <?page no="74"?> 74 5 Die Gruppe - mehr als die Summe der Teilnehmenden Abbildung 7: Teamphasenmodell nach Tuckman 1. Forming - Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Sicherheit zu Beginn des Trainings "Es besteht kein Zweifel, dass wir gesellige Wesen sind; nur in Gesellschaft anderer fühlen wir uns erfüllt ... In vielen verschiedenen menschlichen Gesellschaften ... ist die schlimmste Strafe der Gemeinschaft der Ausschluss." Mihaly Csikszentmihalyi 42 Wir suchen in der Gruppe nach sozialem Rückhalt, und wünschen uns bestätigt und gemocht zu werden. Gerade zu Beginn eines Seminars verhalten sich deshalb die meisten Teilnehmenden eher zurückhaltend und höflich. Bruce Tuckman bezeichnet diese Phase der Teamentwicklung als Orientierungsphase (forming). Sie ist gleichzusetzen mit der Entstehungsphase des Teams. Sie beginnt schon vor Seminarstart, wenn die Teilnehmenden den Raum betreten und auf Trainer und andere Teilnehmende treffen. Noch besteht kein Vertrauensverhältnis und die Teilnehmenden sind eher abwartend. Vielleicht unterhalten sich Einzelne, die sich bereits kennen. Teilnehmende, die noch niemanden kennen, sind oft eher still, beschäftigen sich noch mit ihrem Mobiltelefon oder beginnen eine höfliche Konversation. Alle Personen im Raum befinden sich noch in einem „Suchmodus“: Bin ich hier richtig? Wer sind die Anderen? Wo ist mein Platz? Wer hat die Leitung? Wie sieht der Raum aus? Gibt es bereits sichtbare Informationen über Ablauf und Inhalt der Veranstaltung? 42 Mihaly Csikszentmihalyi Der Konflikt zwischen Alleinsein und Geselligkeit. In: „Flow; Das Geheimnis des Glücks“ 2004, S. 218 1. Forming 2. Storming 3. Norming 4. Performing 5. Adjourning <?page no="75"?> 5.1 Das Training als Teamentwicklungsprozess 75 Gerade wenn die Teilnehmenden sich gegenseitig noch nicht kennen ist der Trainer der zentrale Bezugspunkt, an dem sich die Teilnehmenden mit Ihrem Verhalten orientieren. Wie verhält er sich? Sitzt er entspannt lächelnd auf seinem Stuhl? Geht er auf die einzelnen Teilnehmenden zu und stellt sich vor? Ist er noch hektisch bei den letzten Vorbereitungen vor dem Start? Hat er den Raum einladend gestaltet? Sorgen Sie dafür, dass Ihre Teilnehmenden schnell Sicherheit und Orientierung in der Gruppe gewinnen. Das heißt, dass Sie als Trainer in dieser Phase eine klare Führungsverantwortung haben. Sie klären den organisatorischen Rahmen, machen verbindliche Vorgaben und treffen klare Aussagen ‒ das Ganze natürlich in einem freundlichen und wertschätzenden Ton: Seien Sie ein guter Gastgeber und Vorbild für das Verhalten im Training. Gehen Sie freundlich, interessiert und offen auf die Teilnehmenden zu. Online-Trainings machen hier keine Ausnahme - auch hier sollten Teilnehmende namentlich begrüßt werden! Planen Sie nach der offiziellen Begrüßung Zeit für das Kennenlernen und eine Erwartungsabfrage ein. Geben Sie Sicherheit, indem Sie zu Beginn über die Seminarziele, Inhalte und den zeitlichen Ablauf informieren. Laden Sie Teilnehmende dazu ein, sich einzubringen und Fehler als Lernchancen zu erkennen. Wenn das Training als Präsenzformat stattfindet: Bereiten Sie den Raum vor, so dass alle, die hereinkommen, sofort wissen: Hier bin ich richtig. Dabei hilft z.B. ein Begrüßungsplakat mit dem Seminartitel. Sorgen Sie für gute Raumverhältnisse: Sind Licht und Luft angenehm? Wie wäre es mit leiser Musik vor dem Start? Wirkt der Raum zu steril oder sollte noch etwas aufgeräumt werden? Stehen die Stühle richtig? Probieren Sie vorab die Plätze der Teilnehmenden aus. Kann man von überall gut sehen? 2. Storming - Das Bedürfnis nach Autonomie bricht sich Bahn Wenn die Einstiegsphase gut gelungen ist, werden Ihre Teilnehmenden sich trauen im Training auch Ecken und Kanten zu zeigen. Die zweite Phase, die auch Konfrontationsphase genannt wird, entscheidet darüber; ob die Individuen ihr ganzes Potential einbringen. Insofern ist sie unverzichtbar für einen gelungen Teambuildingprozess. Haben Sie also auch als harmoniebedürftiger Trainer keine Angst vor dem Storming! Dass Teilnehmende jetzt laut Meinungen und Gefühle aussprechen, die nicht dem Gruppenkonsens entsprechen ist ein gutes Zeichen. Manchmal verläuft diese Phase auch fast lautlos und Sie bemerken nur, dass die Teilnehmenden sich gegenseitig genauer beobachten und dass in der Gruppe Vergleiche angestellt werden wodurch <?page no="76"?> 76 5 Die Gruppe - mehr als die Summe der Teilnehmenden sich die Orientierung weg von Ihnen als Trainer hin zum gesamten Team bewegt. Die Einzelnen finden dabei ihre Position in der Gruppe und gewinnen Sicherheit. In dieser Phase ist oft Ihre Moderationsfähigkeit gefragt. Unterdrücken Sie aufkommende Spannungen, die in der Gruppe entstehen nicht zu schnell, sondern geben Sie nur Hilfestellungen, indem Sie aktiv zuhören ohne Partei für einzelne Teilnehmende zu ergreifen: Fokussieren Sie das gemeinsame Lernziel und vermitteln Sie auch in schwierigen Situationen Ihre Gewissheit, dass es die Gruppe (gerade aufgrund ihrer Vielfalt) gemeinsam erreichen kann. Schlagen Sie bei Bedarf Verhaltensregeln vor und visualisieren Sie diese mit Einverständnis der Gruppe. Wenn gegen die Regeln im Anschluss verstoßen wird, erinnern Sie freundlich mit einem Fingerzeig auf Ihre Visualisierung daran. Halten Sie sich in der Stormingphase mit allzu komplexen anspruchsvollen Themen und Aufgaben etwas zurück, damit Teilnehmende, die mit Ihrer Positionsfindung in der Gruppe beschäftigt sind nicht inhaltlich den Anschluss verlieren. Nutzen Sie kurze Partner- und Gruppenarbeiten mit immer wieder wechselnden Konstellationen zum Austausch von Erfahrungen und Ideen, so dass sich keine festen Grüppchen bilden, sondern jeder mit jedem arbeitet. Achten Sie darauf, dass Ihre Aufgaben klar und einfach formuliert sind. Auch wenn es anstrengend wird, bedenken Sie, dass Stormingphasen in jeder Gruppe stattfinden und nichts mit Ihnen als Trainer zu tun haben. 3. Norming - Ein neuer Gruppenkonsens ermöglicht Zugehörigkeit und Autonomie. "Wenn sich Gegensätze ergänzen, ist alles harmonisch" Lao Tse In der folgenden Phase des Formings, auch Kooperationsphase genannt, entsteht ein Wir-Gefühl. Ideen und Gedanken werden offen ausgetauscht. Es herrscht ein harmonisches Klima. Die Teilnehmenden vertrauen einander und sind auch bereit heiklere Anliegen und Probleme im Seminar zu bearbeiten. In dieser Phase hat das Team eine solide Arbeitsplattform gefunden und baut diese weiter aus. Das Team braucht nun deutlich weniger Führung von Ihnen als Trainer. Sie können nun anspruchsvollere Aufgaben stellen, die die Teilnehmenden autonom in Gruppen bearbeiten. In Verhaltenstrainings können in dieser Phase z.B. Rollenspiele eingesetzt werden. Schützen Sie die Gruppe bei Ihrer Arbeit vor Störungen von außen. Verspätet hereinschneiende Teilnehmende oder neugierige Führungskräfte, <?page no="77"?> 5.1 Das Training als Teamentwicklungsprozess 77 die mal vorbeischauen wollten, sollten Sie also im Zweifelsfall freundlich vor die Tür begleiten, da ansonsten der Teamfindungsprozess im Zweifelsfall in frühere Phasen zurückfällt. 4. Performing - Das Team entfaltet sein volles Potenzial In der vierten Phase, auch Wachstumsphase genannt, ist aus der Gruppe endgültig ein Team geworden. Nun fließt die gesamte Teamenergie in die Aufgabenbewältigung und Spitzenleistungen sind möglich. Die Gruppe weiß nun über die Potentiale der Einzelnen und schöpft diese voll aus. Ich selbst erkenne diese Phase oft daran, wenn ich den Beiträgen meiner Teilnehmenden gebannt folge und selbst neue Verknüpfungen und Aspekte in Themen entdecke, die ich glaubte, schon vollkommen durchdrungen zu haben. Auch, wenn Sie als Leitung jetzt die Zügel der Führung deutlich lockerer halten können, heißt das nicht, dass Sie laisser-faire die Gruppe der Selbstorganisation überlassen. Nutzen Sie das Leistungshoch für anspruchsvolle Aufgaben. Dabei können Sie nun auch außergewöhnliche Trainingspfade mit hohem Selbstorganisationsniveau beschreiten. 5. Adjourning ‒ Das Team löst sich auf „Tut mir leid, aber ich muss los, mein Zug fährt gleich.“ Der Teilnehmer wirkt ein wenig verlegen mit seiner Jacke unterm Arm an der Tür stehend. Der Trainer blickt erschreckt auf die Uhr ‒ stimmt, der Teilnehmer hatte ja gesagt, dass er 10 Minuten früher losmüsse. Spätestens in solch einer Situation wird uns als Trainern klar, dass es wichtig ist für das Ende einer Veranstaltung genügend Zeit einzuplanen. Rein sachlich geht es in der letzten Phase des Teamprozesses darum, die inhaltliche Arbeit zu beenden und die Ergebnisse zu sichern. Emotional mischen sich jedoch gerade bei längeren Veranstaltungen Gefühle der Wehmut in Bezug auf die Trennung mit Vorfreude auf das Neue. Für Gruppen, die nur kurze Zeit zusammen verbracht haben oder die auch außerhalb des Seminars zusammenarbeiten, ist der Abschied sehr viel einfacher. Doch gerade Trainingsgruppen die z.B. zusammen eine längere gemeinsame Ausbildung gemacht haben, brauchen am Ende Zeit, um den persönlichen Abschied zu gestalten. Auch wenn es schwerfällt und Ihnen das Herz beim Abschied blutet: In der letzten Phase ist wieder Ihre klare Führung gefragt: Fassen Sie die wichtigsten Arbeitsergebnisse zusammen. Nutzen Sie Transfermethoden, wie das Lerntagebuch, Lernpartnerschaften oder den Brief an mich selbst. 39 Bedanken Sie sich bei der Gruppe für die Zusammenarbeit und würdigen Sie deren Leistung. <?page no="78"?> 78 5 Die Gruppe - mehr als die Summe der Teilnehmenden Jeder Teilnehmende sollte noch einmal zu Wort zu kommen. Geben Sie den Teilnehmenden Zeit Ihnen persönlich Feedback zu geben. Sorgen Sie bei längeren Veranstaltungen dafür, dass Zeit ist den Abschied feierlich zu gestalten und setzen Sie dazu Methoden ein, die die einzelnen Teilnehmenden würdigen und bestärken, wie z.B. der warme Rücken. 43 Planen Sie genug Zeit ein, damit Sie pünktlich Schluss machen können. Sichern Sie so weit wie möglich ab, dass der Gruppenprozess gemeinsam beendet werden kann und die Teilnehmenden nicht einzeln nach und nach verschwinden. 5.2 Die vier Faktoren der TZI in Balance Die themenzentrierte Interaktion, kurz TZI 44 , benennt vier Faktoren, die es zu beachten gilt, um einen Gruppenprozess produktiv zu gestalten. Das bedeutet im Trainingskontext, dass der Trainer als Leitung, folgende Faktoren in Balance halten muss 45 : 1. ES - Das Trainingsthema (Inhalte und Lernziel) 2. ICH - Das Individuum (Jede teilnehmende Person - auch der Trainermit ihren jeweiligen Kompetenzen, Anliegen, Gefühlen und mit ihrer Biografie) 3. WIR - Die Gruppendynamik (die Beziehungen und der Austausch zwischen allen Beteiligten) 4. Globe - Die Rahmenbedingungen (der Trainingsauftrag, der Einfluss und die Regeln der Organisation, die Bedingungen am Ort des Trainings und die Transferbedingungen am Arbeitsplatz) 43 Vgl. Kapitel 9.11 Methoden, die das Ende gestalten 44 Die TZI - Themenzentrierte Interaktion TZI ist ein von Ruth C. Cohn aus der Psychoanalyse und der Humanistischen Psychologie entwickeltes professionelles Handlungskonzept, das auf effektives Lernen und Arbeiten in Gruppen abzielt. vgl. Broschüre des Ruth Cohn Institute for TCI-international 2015 45 Ruth Cohn bezeichnet die vier Faktoren lediglich als ES, ICH, WIR und GLOBE. Für ein einfacheres Verständnis wird hier ein direkter Transfer zur Trainingssituation vorgenommen. <?page no="79"?> 5.2 Die vier Faktoren der TZI in Balance 79 Alle vier Elemente sind für einen lebendigen, gelingenden Lernprozess gleich wichtig. Aufgabe des Trainers ist es, alle vier Faktoren in der Planung zu berücksichtigen, während des Trainings im Auge zu behalten und wenn notwendig neue Balance herzustellen. Das bedeutet, dass der Trainer neben der Sacharbeit auch die Anliegen und Kompetenzen des einzelnen Teilnehmenden, den Gruppenprozess und die Rahmenbedingungen beachtet und, wenn nötig, thematisiert. Für die Planung bedeutet dies, dass das Training in verschiedene Sequenzen unterteilt sein muss, um den einzelnen Faktoren Raum zu geben. Bei einem Vortrag des Trainers steht z.B. das Trainingsthema im Mittelpunkt und idealerweise konzentrieren sich alle Teilnehmenden nun auf diesen Aspekt. Bei einer Einzelarbeit der Teilnehmenden und der anschließenden Besprechung der Ergebnisse ändert sich der Fokus auf das Individuum , das nun schildert, was das Thema für es persönlich bedeutet und welche Erfahrungen es damit verbindet. Eine anschließende Diskussion im Plenum oder eine Übung macht die Gruppendynamik erlebbar. Bei einer Transferaufgabe wird der Fokus auf die Umsetzbarkeit in den Rahmenbedingungen des Unternehmens geprüft. Doch Vorsicht, eine schematische Betrachtung reicht nicht aus: Genauer betrachtet fällt auf, dass trotz des Fokus, den der‒- Trainer mit seiner Planung setzt, jede Sequenz in sich auch alle vier Faktoren beinhaltet, so ist das Individuum auch während eines Vortrags durchaus aktiv vorhanden, überträgt das Gehörte auf die eigene Situation, stellt ggf. Fragen und „stört“ so den Fokus auf das Trainingsthema. Es geht also um eine flexible Balance, die sich immer wieder verändert. Wie bei einem Mobile sind die einzelnen Faktoren jederzeit alle vier da, aber immer wieder zeigt sich in der Bewegung ein anderer Faktor stärker. Dies ist vom Trainer nur zum Teil steuerbar, da jeder Faktor sich auch von sich aus Raum nehmen kann. Der Trainer plant bei seinem Vortrag, dass der Fokus auf dem Thema liegt, doch der Fokus verändert sich schnell, wenn ... <?page no="80"?> 80 5 Die Gruppe - mehr als die Summe der Teilnehmenden .. viele Seitengespräche stattfinden. ... lauter Baustellenlärm stört ... ein Teilnehmer fortwährend Fragen stellt. Dann ist es die Aufgabe des Trainers, auf diese „Störungen“ hinzuweisen. Wenn diese nicht thematisiert werden und einer der vier Faktoren zu viel oder zu wenig Beachtung findet, kann es schnell zu einer schwierigen Trainingssituation kommen. Deshalb gilt es für den Trainer Fokusveränderungen sensibel wahrzunehmen und sie ggf. zu thematisieren. Denn sie sind wichtige Hinweise und zeigen z.B. an, dass die Aufmerksamkeit zu lange nur dem Trainingsthema galt, ohne dass die Anliegen der einzelnen Individuen berücksichtigt wurden. es zu wenig Möglichkeit zur Interaktion in der Gruppe gibt. das Trainingsthema, die Agenda oder das Lernziel unklar sind. die Teilnehmenden überwiegend mit Konflikten beschäftigt sind und darüber das eigentliche Trainingsthema in den Hintergrund tritt. die Teilnehmenden die Trainingsinhalte nicht auf die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit übertragen können. die Rahmenbedingungen im Trainingsraum für die Teilnehmenden belastend sind und die Konzentration auf das Thema erschweren (unbequeme Stühle, schlechte Medienqualität, unangenehme Temperatur ...) Traineraufgabe ist es nun, den Gruppenprozess zu leiten und nicht der Spontandynamik zu überlassen. Es gilt das Trainingsthema und den Zeitplan nicht aus den Augen zu verlieren und trotzdem wertschätzend auf die Bedürfnisse des Einzelnen und der Gruppe zu reagieren. Gleichzeitig erfordert das Steuern der Gruppe auch eine starke Selbststeuerung: Der Trainer muss abwägen, welche der eigenen Empfindungen, Gefühlen und Gedanken gegenüber der Gruppe oder Einzelnen geäußert werden sollen - oder welche der eigenen Ideen förderlich oder hemmend auf den Prozess und die Aufgabenbearbeitung wirken. <?page no="81"?> 6 Handwerkszeug für die Gruppensteuerung und Interventionen in schwierigen Situationen Auch die beste Planung reicht nicht aus, um den vier Faktoren jederzeit gerecht zu werden. In jeder Veranstaltung entwickelt sich eine Eigendynamik, die es erfordert, dass Sie als Trainer sensibel und achtsam den Prozess begleiten und spontan über Möglichkeiten der Intervention verfügen, um Einzelne oder die gesamte Gruppe wieder aufs richtige Gleis zurückzuführen. Dabei haben sich folgende Herangehensweisen bewährt: 6.1 Themenzentrierung durch Fragen Ihre Aufgabe als Trainer ist es, den Fokus immer wieder konstruktiv auf das Thema zu lenken und die Teilnehmenden zum Mitdenken und zur Mitarbeit zu aktivieren, denn ... Lernen erfordert eigenständiges Denken. 46 Fragen haben eine nicht zu unterschätzende Wirkung, der sich der menschliche Geist nur schwer entziehen kann. Somit haben Fragen einen hohen Nutzen für das Lernen. Sie fördern sowohl den inneren Aufmerksamkeitsprozess als auch die Mitteilungsbereitschaft Ihrer Teilnehmenden. Gleichzeitig steuern Sie mit Fragen den Fokus der gesamten Gruppe und stärken somit Ihre Position als Leitung, da Sie der Arbeit der Gruppe immer wieder die richtige Richtung weisen. Fragen als Stilmittel bei Vorträgen und Präsentationen Selbst bei einem Vortrag, bei dem Sie keine direkte Beteiligung Ihrer Teilnehmenden erwarten, haben Fragen eine aktivierende Wirkung auf den Geist Ihrer Zuhörenden und regen zum Mitdenken an. Erklären und erläutern Sie also bei Vorträgen nicht einfach Ihr Thema, sondern streuen Sie interessante Fragen ein, die den Geist und die Denkprozesse Ihrer Teilnehmenden anregen. Sie können Fragen zum Einstieg in ein Thema nutzen: „Warum spielt … überhaupt eine Rolle? “ „Was verursacht überhaupt ...? “ „Wie kommt es dazu, dass ...? “ „Was sagt die Forschung zu ...? “ Oder Sie nutzen Fragen, um Zustimmung zu erzeugen oder Überleitungen zu gestalten: „Das ist doch erstaunlich, oder? “ 46 Dieser Ausspruch stammt von meiner Kollegin Barbara Beyersdorf. <?page no="82"?> 82 6 Handwerkszeug und Interventionen „Wir haben also festgestellt, dass ... aber wie kommt es dazu? “ „Was ist die Schlussfolgerung daraus? “ Auch wenn die Teilnehmenden die Fragen nicht unbedingt beantworten können bzw. Sie als Trainer nicht unbedingt eine Antwort auf sie erwarten, sollten Sie sie so stellen, dass Teilnehmende durchaus etwas antworten könnten. Also machen Sie kurze Pausen nach Fragen. Das steigert die Spannung und den Fokus. Und wenn jemand spontan antwortet, nehmen Sie die Antwort wertschätzend in Ihren Vortrag mit auf. Zum Beispiel: „Danke, das ist ein interessanter Aspekt, den Sie da nennen! Es ist folgendermaßen ...“ Offene Fragen im Lehrgespräch Natürlich sollten Sie Fragen nicht nur als Stilmittel nutzen! Offene Fragen laden zum Teilen von Erfahrungen und Meinungen ein und machen eine Veranstaltung erst richtig lebendig. Im Lehrgespräch mit Ihren Teilnehmenden stellen Sie offene Fragen, um ein Thema zu eröffnen und immer dann, wenn Sie an Erfahrungen Ihrer Teilnehmenden anknüpfen möchten: „Welche Erfahrungen haben Sie mit ...? “ „Was denken Sie warum dieses Thema wichtig ist in Bezug auf ...? “ „Welche Assoziationen haben Sie spontan mit ...? “ „Was war Ihr erster Gedanke, als Sie ... auf der Agenda gelesen haben? “ „Wie oft / wie viele ... was schätzen Sie? “ „Welche Unterschiede gibt es zwischen ... was denken Sie? “ Fragen als Lernzielkontrolle und Transfersicherung Wenn Sie einen Lernabschnitt abschließen, können Sie mit Fragen absichern, dass die gesetzten Lernziele auch tatsächlich erreicht wurden. Außerdem können Sie mit Fragen den Transfer der Lerninhalte auf den Arbeitsalltag sichern: „Fassen wir noch einmal zusammen: Welche Faktoren sind wichtig für ...? “ „Welche aufeinanderfolgenden Schritte sind also für X erforderlich? “ „In welchen Situationen ist X bei Ihrer Arbeit hilfreich? “ "Wenn ich in drei Wochen bei Ihnen vorbeikommen würde, was würden Sie mir berichten, wo hätten Sie X wahrscheinlich angewandt? “ Umgang mit falschen Antworten Wenn Sie eine Frage zur Lernzielkontrolle oder Transfersicherung stellen, gibt es natürlich immer richtige und falsche Antworten. Nun könnte man auf falsche Antworten natürlich mit „nein, das ist falsch“ reagieren. Rein sachlich sorgt eine solche Antwort für schnelle Klarheit. Erfahrungsgemäß steigern solche Trainerreaktionen aber nicht die Lernfreude und allgemeine Beteiligung, da es viele Menschen gibt, die Peinlichkeit fürchten. <?page no="83"?> 6.1 Themenzentrierung durch Fragen 83 Aus Fehlern wird man klug, drum ist einer nicht genug. 47 Bedenken Sie: Aus falschen Antworten gibt es sehr viel zu lernen und in dieser Hinsicht ist jede Antwort willkommen! Was Sie als Trainer lernen können ist, dass ... ... Sie Ihren Input didaktisch noch besser aufbereiten sollten. Doch darüber im Seminar zu sinnieren ist ein schlechter Zeitpunkt. Nutzen Sie die Erkenntnis für die Teilnehmenden direkt, indem Sie die falsche Antwort noch einmal für eine Zusammenfassung oder Richtigstellung nutzen: „Ich höre, da waren meine Ausführungen noch nicht ausreichend aufschlussreich, schauen wir uns das Schaubild noch einmal genauer an ...“. ... Ihre Frage nicht konkret oder verständlich genug formuliert war: „Ich höre an Ihrer Antwort, dass ich meine Frage nicht klar genug formuliert habe. Ich konkretisiere: ...? “ Was die Teilnehmenden lernen können Eine falsche Antwort ist immer eine Lernchance für die gesamte Gruppe und deshalb sollten wir als Trainer den Falschantwortenden positiv würdigen. Dessen Unwissen ist ja gleichsam eine Dienstleistung für die gesamte Gruppe. Bewährt hat sich: 1. Den Fehler als dankenswerten Anlass für eine Erläuterung nutzen „Super, dass Sie das sagen, das ist nämlich ein ganz weit verbreitetes Missverständnis / eine ganz häufige Ursache für Fehler, und ich bin froh, dass wir das an dieser Stelle nochmal klären.“ 2. Den Fehler für eine Abgrenzung nutzen „Ah genau, das wäre die richtige Antwort, wenn ...“ 3. Die Beteiligung würdigen und zum Weiterdenken auffordern „Ja, das könnte man denken, ich möchte aber noch auf etwas anderes hinaus.“ 47 Ausspruch von Ingrid Steeger in ihrer Rolle als Nummerngirl bei der Fernsehshow Klimbim „Tut mir leid, Herr Müller, das war die falsche Antwort. Da haben Sie wohl nicht richtig aufgepasst. Möchte sich jemand anders versuchen? “ <?page no="84"?> 84 6 Handwerkszeug und Interventionen 4. Die richtige Richtung wertschätzen und zum Weiterdenken auffordern „Das ist schon ganz nahe dran“ (die gesamte Gruppe einschließend: ) „Denken Sie noch einmal weiter.“ Geschlossene Fragen als kurze Rückversicherung Geschlossene Fragen nutzen Sie, um sich kurz abzusichern, wenn Sie ein Thema abschließen möchten oder um sich ein schnelles okay für eine Vorgehensweise einzuholen. „Haben Sie dazu noch Fragen? “ „Sind Sie damit einverstanden? “ „Ist das in Ordnung für Sie? “ Natürlich zielt die so eingesetzte geschlossene Frage auf ein schnelles Weiterkommen, da sie vordergründig nur ein Ja oder Nein zulässt. Gleichzeitig lässt sie den Teilnehmenden ein Vetorecht und damit Gestaltungsmöglichkeit. In diesem Sinne dürfen Teilnehmende natürlich auf geschlossene ja/ nein-Fragen antworten und Sie in Ihrem Impuls des Weitermachens aufhalten. Bei Einwänden nachfragen Wenn Teilnehmende Ihre Aussagen mit ihren eigenen Erfahrungen und Vorstellungen abgleichen, bleibt es nicht aus, dass sie nicht jede Ihrer Aussagen für nachvollziehbar und richtig halten. Wenn diese inneren Prozesse ausgesprochen werden, sagen Teilnehmende manchmal so etwas wie: „Das stimmt so aber nicht (immer).“ „Das haben wir aber bisher vollkommen anders gehandhabt und das hat immer gut funktioniert.“ „Eine schöne Theorie. Das funktioniert bei uns aber nicht.“ Diese oft als Killerphrasen diffamierten Beiträge sind meist nur ein Zeichen dafür, dass dem Teilnehmenden noch Informationen fehlen, um die Inhalte für sich einzuordnen. Fangen Sie jetzt ja nicht an, sich zu rechtfertigen, sondern fragen Sie doch erst einmal nach: „Was genau meinen Sie? “ „Wie haben Sie es bisher genau gemacht? “ „Was an der bisherigen Vorgehensweise empfinden Sie als Vorteil? “ „Wo genau sehen Sie die Schwierigkeiten bei der Umsetzung? “ Bei Einwänden, die auf Sie sehr subjektiv wirken, beziehen Sie die Gruppe mit ein: „Wie sehen das die anderen? “ „Welche Erfahrungen haben Sie? Ist das bei Ihnen genauso? “ Oft müssen Sie dann gar nicht mehr viel erklären, sondern der Einwand klärt sich im Austausch mit der Gruppe. <?page no="85"?> 6.2 Teilnehmerbeiträgen aktiv Gehör schenken 85 Tipps für das Formulieren von Fragen Formulieren Sie Ihre Fragen einfach und stellen Sie immer nur eine Frage auf einmal, um einen klaren Fokus zu setzen. Halten Sie ruhig auch mal längere Pausen aus, so dass Ihre Teilnehmenden nach Ihrer Frage Zeit haben, über eine mögliche Antwort nachzudenken und diese zu formulieren. 6.2 Teilnehmerbeiträgen aktiv Gehör schenken Auch wenn Sie ein begnadeter Redner sind: Teilnehmende möchten mit ihren Beiträgen mehr sein als nur Stichwortgeber für den Trainervortrag. Sie möchten sich selbst einbringen, wahrgenommen werden und die Veranstaltung so selbst mitgestalten. Damit dies gelingt, sollten Sie sich als Trainer mit Ihren Geschichten und Meinungen zurückhalten und aktiv zuhören. Grundlagen des aktiven Zuhörens 48 Es geht beim aktiven Zuhören darum, zu verstehen, wie etwas gemeint ist. Wer aktiv zuhört, erfasst die Interessen des Gegenübers, ohne sie zu bewerten. Das Aktive beim Zuhören zeigt sich dadurch, dass Sie zugewandt sind und mit Blickkontakt und durch Ihre Mimik und Gestik Ihre Aufmerksamkeit zeigen. Darüber hinaus „paraphrasieren“ Sie das Verstandene, indem Sie knapp in eigenen Worten wiedergeben, was bei Ihnen angekommen ist. Auch das was zwischen den Zeilen mitschwingt, wie der emotionale Gehalt einer Aussage kann gespiegelt werden. Wichtig ist es dabei, die Haltung eines Fragenden einzunehmen - die Deutungshoheit des Gesagten bleibt natürlich beim Sender der Botschaft. 49 Typische Satzanfänge, die aktives Zuhören zum Ausdruck bringen: 48 Das aktive Zuhören geht ursprünglich auf den US-amerikanischen Psychologen und Psychotherapeuten Carl Rogers zurück, der es erstmals als Werkzeug für die Gesprächspsychotherapie beschrieben hat. Vgl. Carl R. Rogers: Die nicht-direktive Beratung. Counseling and Psychotherapy 1985 49 Die Bezeichnung von Sender und Empfänger stammt aus dem Kommunikationsmodell von Shannon und Weaver. Dabei ist im Kommunikationsprozess der Sender der Sprechende und der Empfänger der Hörende also in diesem Fall der aktiv zuhörende Trainer. „Ah ja, da erinnern Sie mich daran, dass ich Ihnen noch gar nicht von MEINEN Trainererfahrungen damals 1985 erzählt habe ...“ <?page no="86"?> 86 6 Handwerkszeug und Interventionen „Verstehe ich Sie richtig, es geht Ihnen um ...“ „Ihnen ist wichtig, dass …“ „Sie wünschen sich ...“ „Sie befürchten jetzt, dass …“ „Sie sind skeptisch, ob ...“ „Es irritiert Sie, dass …“ „Sie ärgern sich über ...“ „Sie sind noch unentschieden, ob Sie ...“ „Sie würden sich freuen, wenn ...“ „Ich höre heraus, dass ...“ Aktives Zuhören hilft Ihnen Äußerungen von Teilnehmenden besser zu verstehen. Gleichzeitig befriedigt das aktive Zuhören bei Teilnehmenden das Grundbedürfnis nach Akzeptanz. Als Leitung signalisieren Sie Interesse und den Willen wirklich verstehen zu wollen. Damit sind Sie als aktiv zuhörender Trainer Vorbild der gesamten Gruppe und sorgen für eine positive Gesprächsatmosphäre. Doch aktives Zuhören ist mehr als eine Technik und rein mechanisch angewandt zeigt es schnell seine Tücken. Wenn es nicht stimmig mit der eigenen inneren Verfassung, mit der Beziehung zum Sprecher und zum Umfeld ist, verkümmert es zu einem mechanischen Nachplappern. 50 Hören Sie auf das, was die andere Person ausdrücken möchte, auf das was sie braucht, was ihr wichtig ist und was sie fühlt. Wenn aktives Zuhören gelingt, ermöglicht es Ihnen: den inneren Zustand eines Teilnehmenden, dessen Bedürfnisse und Interessen zu erfahren Missverständnissen vorzubeugen und ggf. gleich zu beseitigen eine Atmosphäre der gegenseitigen Wertschätzung zu schaffen angespannte Situationen zu entschärfen aufgebrachte Teilnehmende zu beruhigen 6.3 Fokussteuerung durch Visualisierung Reden ist als Trainer Silber - Zeigen ist Gold! Sprechen Sie nicht nur mit dem Mund, sondern nutzen Sie die vielfältigen Möglichkeiten der Visualisierung, um Ihre Aussagen zu verdeutlichen oder 50 Vgl. Friedemann Schulz von Thun „miteinander reden“ <?page no="87"?> 6.4 Verantwortung und Rollen klären 87 emotionale Situationen zu versachlichen. Sie steuern damit den Fokus der Gruppe, wie mit kaum einer anderen Methode. Hier einige Beispiele, wie Sie die Visualisierung zur Gruppensteuerung einsetzen können: Nutzen Sie Medien. Gut gestaltete Flipcharts, PowerPoint-Folien und Anschauungsmaterial helfen das Thema auch visuell im Mittelpunkt zu halten. Setzen Sie dabei nicht nur auf Schrift, sondern vor allem auf passende Bilder, da diese schneller aufgefasst werden und emotional eine stärkere Wirkung entfalten. Ein kurzer Fingerzeig auf die Agenda macht allen blitzschnell bewusst, um was es gerade geht, wenn die Orientierung zwischendurch gebraucht wird. Halten Sie als Trainer prinzipiell einen Moderationsmarker griffbereit und sichern Sie, dass Sie ein Flipchart oder ein Whiteboard haben, auf das Sie für alle Teilnehmende sichtbar schreiben oder zeichnen. Wenn Sie die Aufmerksamkeit Ihrer Teilnehmenden verstärken möchten, wirkt es Wunder, das gesprochene Wort synchron in Schrift und Bild zu bringen. Gerade beim Zeichnen fiebern die Teilnehmenden mit, wie es Ihnen gelingt, etwas auf das Papier zu bringen. Wenn es unterschiedliche Meinungen in der Gruppe zu einem Thema gibt, dann legen sie zum Beispiel zwei Moderationskarten auf den Boden und lassen Sie anhand derer die unterschiedlichen Standpunkte erläutern. Dies ist ein geschickter Schachzug, da Sie die Teilnehmenden damit enorm entlasten. Sie versachlichen die Diskussion, da alle jetzt auf die Karten zeigen. Last but not least: Als Trainer sind Sie selbst die erste und wichtigste Visualisierung des Themas. Seien Sie sichtbar und beweglich, stehen Sie auf, wenn Sie präsentieren, und nehmen Sie Blickkontakt zu Ihren Teilnehmenden auf. Nutzen Sie Ihre Mimik und Gestik, um das gesprochene Wort zu unterstützen, und zeigen Sie auf den Medien, über was Sie gerade sprechen. 51 Dies gilt natürlich auch für das Online-Training! 6.4 Verantwortung und Rollen klären Sie tragen als Trainer eine hohe Verantwortung. Sie bereiten die Veranstaltung so vor, dass es den Teilnehmenden möglich ist, das Lernziel zu erreichen. Wäre der Trainer nun vollkommen allein mit der Aufgabe des Ausbalancierens der vier Faktoren 52 und müsste seismografisch jede Störung bemerken und ausgleichend auf sie einwirken, wäre er schon sehr gefordert. Gut, dass es die Gruppe gibt! Hilfreich erweist es sich, wenn alle Beteiligten zur Mitbestimmung und Mitverantwortung eingeladen werden und dazu aufgefordert sind, jederzeit Störungen anzusprechen. 51 Mehr dazu, wie Sie im Präsenztraining den Raum nutzen und wann Sie sich auch einmal setzen sollten, finden Sie in Kapitel 6.7. 52 Vgl. Die vier Faktoren der TZI Kapitel 5.2. <?page no="88"?> 88 6 Handwerkszeug und Interventionen Das kann zum Beispiel folgendermaßen aussehen, dass Sie zu Beginn die Teilnehmenden einladen, jederzeit Störungen und Irritationen anzusprechen. Visualisieren Sie dies als Vereinbarung und erläutern Sie, dass es Ihnen wichtig ist, dass alle Teilnehmenden auch mit Verantwortung für ihren persönlichen Lernerfolg tragen. Wer während des Workshops Themen nicht anspricht, sollte sich am Ende nicht beschweren, dass sie nicht bearbeitet wurden. Das darf natürlich nicht so wirken, als würden Sie Verantwortung abwälzen. Deshalb machen Sie auch Ihre Rolle klar und diese ist, dass Sie alles so aufbereitet haben und den Prozess so begleiten, dass es den Teilnehmenden möglich ist, das Lernziel zu erreichen. 6.5 Störungen als hilfreiche Hinweise ansprechen Trainertipp: Sprechen Sie nicht von Störungen und weisen Sie niemals jemanden darauf hin, dass er oder sie störe! Und an alle Kenner der Feedbackregeln: Nein, es macht es meist nicht besser, wenn man sage, nicht die Person, sondern ihr Verhalten würde stören oder wenn alles wunderbar in eine „Ich-Botschaft“ gepackt wird. Feedback an Einzelpersonen in einer Gruppensituation verursacht negative Gefühle, Rechtfertigungsimpulse und wird als Schuldzuweisung verstanden. Sprechen Sie besser von Irritationen und fragen Sie neugierig nach, z.B.: „Im Moment gibt es viele Seitengespräche, das irritiert mich. Vielleicht können Sie mir helfen, um was geht es? “ Zeigen Sie sich positiv interessiert. Solche Irritationen sind Chancen für Sie als Trainer. Die Teilnehmenden haben normalerweise einen Tipp zur Verbesserung der Veranstaltung. Mal ist es der Wunsch, das Fenster zu öffnen, mal ist es eine inhaltliche Frage oder nicht laut ausgesprochener Zweifel, die Sie nun klären können. In diesem Sinne: Gehen Sie freundlich auf Teilnehmende zu, die Sie irritieren und lassen Sie sich überraschen, welche wichtigen Hinweise Sie von ihnen erhalten. Oft lösen sich vermeintliche „Störungen“ dabei auch direkt auf. Ein Klassiker für mich sind Teilnehmende, die anscheinend demonstrativ die Arme verschränken und die Stirn runzeln und so Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Hier hilft meist ein einfaches Ansprechen: „Sie runzeln die Stirn? “ Wichtig ist, dass Sie hier versuchen, nur das Verhalten zu spiegeln, ohne eine persönliche Wertung einzubringen und auch keine Rechtfertigung fordern (also nicht: „Warum schauen sie mich so demonstrativ kritisch an? “) Meist antworten Teilnehmende dann so etwas wie, ich habe gerade überlegt, wie <?page no="89"?> 6.6 Spielregeln vorschlagen 89 das bei Beispiel XY aussieht, oder mich blendet die Sonne gerade etwas oder das war mir gar nicht bewusst; ich höre einfach nur ganz konzentriert zu. Bleiben Sie auch dann wertschätzend und interessiert, wenn Sie den Eindruck haben, dass ein Teilnehmender jetzt doch wirklich störe und es jetzt doch gewiss auch die gesamte Gruppe stören müsse. Leider zeigt die Erfahrung, dass die Gruppe im Zweifelsfall immer die Reihe dicht macht - sich also mit dem vermeintlichen Störenfried solidarisiert, sobald der Trainer sich nicht mehr wertschätzend auf Augenhöhe bewegt. Das heißt nicht, dass Sie sich „alles gefallen lassen müssen“, sondern dass Sie konsequent lösungsorientiert bleiben. Vergreift sich also ein Teilnehmender im Ton und wirft Ihnen vielleicht vor: „Sie haben doch keine Ahnung. Diese Veranstaltung ist doch reine Zeitverschwendung.“ Dann fragen Sie neugierig nach: „Was genau müsste denn hier passieren, damit Sie das Gefühl haben, dass Sie Ihre Zeit nutzbringend investieren? “ Geben Sie sich nicht mit der ersten Antwort zufrieden, sondern fragen Sie weiter: „Was genau ...? " „Wie genau ...? “ Doch was tun, wenn Sie einen Teilnehmenden wirklich nicht mögen oder er Sie nervt? Im Alltag gehen wir manchen Menschen einfach aus dem Weg. Bei einem Training ist dies nicht möglich und ich empfehle Ihnen hier genau das Gegenteil zu tun. Suchen Sie bewusst Kontakt mit dem „Störenfried“. Stellen Sie sich in der Kaffeepause zu ihm und beginnen Sie einen Smalltalk. Sehen Sie es sportlich und machen Sie es sich zur Aufgabe, mindestens eine Sache zu finden, die Sie an ihm mögen. Manchmal reicht es schon eine Gemeinsamkeit zu finden (z.B. hat auch Kinder, kommt auch aus Hessen, hat auch einen Gemüsegarten …), um die Person positiver wahrzunehmen. 6.6 Spielregeln vorschlagen Spielregeln zu Beginn Vielleicht gibt es bestimmte Verhaltensweisen, die Sie selbst zur Weißglut bringen: zum Beispiel, wenn Teilnehmende ständig auf ihr Mobiltelefon sehen, oder wenn Teilnehmende ständig die Pausenzeiten überziehen. Vielleicht haben Sie aber auch ein Seminar, bei dem es Ihnen sehr wichtig ist, dass Vertraulichkeit gewahrt wird, so dass Teilnehmende sich sicher sein können, dass das, was im Raum besprochen wird, nicht weitergetratscht wird. Wenn das so ist, dann schlagen Sie der Gruppe zu Beginn Regeln vor. Da das Wort „Regeln“ eher Widerstand erzeugt, empfiehlt sich eine Formulierung wie: „Für unsere Zusammenarbeit würde ich gerne mit Ihnen vereinbaren, dass ... Sind Sie damit einverstanden? “ <?page no="90"?> 90 6 Handwerkszeug und Interventionen Ich ergänze dazu oft das Plakat, das ich schon für die Klärung der Verantwortung und Rollen genutzt habe. 53 Eine andere Möglichkeit ist es, die Regeln auf Moderationskarten zu schreiben und gut sichtbar an die Wand zu hängen. Natürlich sind Regeln keine „Einbahnstraße“ und auch Teilnehmende dürfen Vorschläge machen und Karten schreiben. Folgende Seminarregeln haben sich z.B. bewährt: Vereinbarte Zeiten einhalten Handy/ Laptop nur in den Pausen nutzen Alle Beiträge werden vertraulich behandelt Wichtig: Seien Sie sparsam mit Vorgaben und holen Sie sich immer das Einverständnis der Teilnehmenden ein. Manchmal können Teilnehmende sich auf bestimmte Regeln nicht einlassen, z.B., auf „Handyverbote“, wenn sie telefonisch erreichbar sein müssen. Klären Sie dies freundlich, partnerschaftlich und lösungsorientiert. Ihre Teilnehmenden sind Erwachsene und möchten nicht erzogen oder bevormundet werden. Dementsprechend nehme ich Regeln wie „Wir gehen respektvoll miteinander um“ nur auf, wenn diese von Teilnehmenden vorgeschlagen werden und die Gruppe dem zustimmt. Eine solche Regel ist auch deshalb wenig geeignet, da sie nicht konkret genug formuliert ist und zu viel Interpretationsspielraum lässt. Spielregeln im Verlauf des Trainings 54 In der Teamentwicklung ist es die Stormingphase, die Sie als Trainer mit dem Vorschlagen von Regeln unterstützen können. Aber auch andere Faktoren, wie das Naturell einzelner Teilnehmenden, können immer mal wieder dafür sorgen, dass Sie als Trainer die Gruppe mit Regeln unterstützen müssen. Hier haben sich folgende Regeln bewährt: §1 Es spricht immer nur eine Person ... ...Wenn mehrere Personen sprechen, einigen wir uns auf eine Reihenfolge. Gerade in spannenden Diskussionen passiert es schnell, dass Menschen einander ins Wort fallen. Dies führt auf der einen Seite dazu, dass sensiblere Gemüter sich zu wenig respektiert fühlen und erschwert gleichzeitig das Zuhören und Verstehen. Spätestens wenn Sie als Trainer Beiträge visuell festhalten möchten (z.B. bei einer Zurufabfrage) entsteht Stress. Schreiten Sie ein: „Ok, ich merke es wird gerade schwierig, allen Beiträgen zu folgen, deshalb schlage ich vor, es spricht immer nur eine Person zu einer Zeit.“ 53 vgl. Kapitel 6.4 54 Die hier aufgeführten Regeln sind aus den sogenannten Hilfsregeln der themenzentrierten Interaktion abgeleitet. <?page no="91"?> 6.6 Spielregeln vorschlagen 91 §2 Fassen Sie sich kurz! (Zwei-Minuten Regel) ...Nicht alles ist für alle interessant und so kommt jeder zu Wort. Manchmal neigen einzelne Teilnehmende zu sehr ausschweifenden Beiträgen. Wenn Sie bei der Veranstaltung merken, dass Teilnehmende Schwierigkeiten haben zu Wort zu kommen, da Einzelne allein das Feld bespielen, schlagen Sie diese Regeln vor. Achten Sie dabei darauf, dass sich „Vielredner“ dadurch nicht gemaßregelt fühlen und argumentieren Sie im Sinne der Sacharbeit. „Mit Blick auf die Uhr und das große Interesse am Thema schlage ich vor, dass wir die Zwei-Minuten Regel einführen, damit alle zu Wort kommen. Ich werde Redebeiträge, die länger als zwei Minuten sind unterbrechen. Ist das für Sie in Ordnung? “ Wenn Sie als Trainer bereits im Vorfeld wissen, dass Sie Vielredner in der Gruppe erwarten und eine gruppendynamische Veranstaltung geplant ist, können Sie diese Regel auch direkt zu Beginn vorschlagen und ankündigen, dass Sie in Ihrer Rolle als Dienstleister der Gruppe längere Beiträge unterbrechen werden, um den Arbeitsprozess voranzubringen. §3 Fehler und Fragen erwünscht ... Fehler dürfen gemacht werden und Fragen müssen gestellt werden. Perfektionismus und Angst vor Fehlern sind die größten Feinde von Seminarmethoden, bei denen es um Kreativität oder das Üben einer neuen Fähigkeit geht. Manchmal sind es einzelne Teilnehmende, die sich vor Peinlichkeit winden. Manchmal ist es die gesamte fehlerfeindliche Organisation, die in der Perfektionismusfalle sitzt. Dies kann so weit gehen, dass Fragen nur hinter vorgehaltener Hand oder gar nicht gestellt werden, da man sich damit ja als „unwissend“ outen könnte. Die Angst vor einem Fehler oder einer unangenehmen Reaktion des Plenums darf auf keinen Fall dazu führen, dass ein vielleicht wichtiger Gedanke oder eine Frage nicht geäußert wird und verloren geht. Hier ist es die Aufgabe des Trainers, Mut zu Fehlern und Fragen zu vermitteln. Ich tue das gerne humorvoll, indem ich beim Schreiben der Regel auf eine Karte extra einen Fehler einbaue. Oder ich behaupte mit Augenzwinkern, ich hätte einzelne Teilnehmende bereits vor Beginn instruiert, so zu tun als wären sie „unwissende Anfänger“. Wenn es zwischendurch Fragen gäbe, über die man sich wundern könne, dann läge es nur an dieser Instruktion. Es bliebe aber natürlich streng geheim, wer diejenigen seien, die ich instruiert hätte. 55 An Regeln erinnern Manchmal werden Regeln im Eifer des Gefechtes einfach vergessen, dann ist es Ihre Aufgabe, an diese zu erinnern - und zwar ohne erhobenen Zeigefinger. 55 Diese Vorgehensweise habe ich von meinem Lehrtrainer Gunther Schmidt übernommen. <?page no="92"?> 92 6 Handwerkszeug und Interventionen Hier zwei Beispiele: „Wir haben uns auf die Regel: Es spricht immer nur eine Person geeinigt.“ (Trainer zeigt auf die visualisierte Regel.) „Mir fällt auf, dass es gerade zu zahlreichen Unterbrechungen kommt.“ „Entschuldigung, Herr Z.“ (Trainer zeigt auf die Fasse-Dich-kurz-Regel) „Ich erlaube mir einmal zu unterbrechen, ich glaube, Ihr Punkt wurde verstanden und mich interessiert, was die anderen zu diesem Thema beitragen möchten.“ Wichtig ist, dass Regeln gemeinsame Übereinkünfte sind und kein Mittel, um die Gruppe autoritär zu disziplinieren. Die Aufgabe des Trainers ist nur: Störungen ansprechen Regeln vorschlagen und visualisieren Bei Überschreitungen erinnern 6.7 Nutzen Sie den Raum Nutzen Sie bewusst den Raum, um die Gruppe zu steuern und bestimmte Methoden und Kommunikationsformen zu unterstützen. In meinen Kommunikationstrainings und Train-the-Trainer-Ausbildungen arbeite ich grundsätzlich ohne Tische in einem halboffenen Stuhlkreis. Für mich hat es sich dabei bewährt, mich an unterschiedlichen Stellen im Raum zu platzieren, je nachdem, welche Methoden ich nutze und welche Form von Austausch ich mir wünsche: Dazu ist für mich der Seminarraum gedanklich in 4 Felder aufgeteilt: Feld 1 nutze ich für meinen Trainerinput, also für die Methoden Vortrag und Präsentation. Hier bin ich Referentin. Das Feld weist die größte Distanz zur Gruppe auf und ich habe trotzdem alle Teilnehmenden gleichzeitig im Blick. Hier erzeuge ich durch Visualisierung Konzentration auf das Thema. Mit der TZI gesprochen liegt der Fokus hier beim ES, also dem Thema. Feld 2 nutze ich aktiv für die Moderation und das Lehrgespräch. Durch die Bewegung in der Mitte des Raums kommt es zu einer stärkeren Aktivierung der Teilnehmenden bei gleichzeitig starker Fokuslenkung. Ich bewege mich in diesen Phasen zwischen Feld 1 und 3. So erläutere ich und visualisiere auf Feld 1, und wenn ich Beteiligung wünsche, bewege ich mich bewusst in Feld 2 auf die Gruppe zu. Im Gespräch mit einzelnen Teilnehmenden wende ich <?page no="93"?> 6.7 Nutzen Sie den Raum 93 mich diesen direkt zu. Dabei ist es wichtig, auf den Abstand zu achten, damit Sie nicht von oben herab sprechen oder zu sehr die Hoheitsgebiete des Einzelnen betreten. (Wenn sich im Stuhlkreis keine kleinen Tischchen oder Ablageflächen befinden, verhindert dies auch, dass ich bei der Moderation in Handtaschen oder Kaffeetassen trete.) Feld 3 ist mein Teilnehmerstuhl am äußeren Ende des Stuhlkreises: Hier nehme ich Platz, wenn ich Teilnehmende ermuntern möchte, sich persönlich mitzuteilen. Ich sitze im Stuhlkreis, bin Teil der Gruppe und fördere dadurch die Reflexion und den offenen Austausch. Mit der TZI gesprochen liegt hier der Fokus auf dem ICH. Sowohl meine Teilnehmenden als auch ich können hier ungezwungen ins Plaudern kommen. Aber dieser Stuhl ist natürlich auch dafür da, dass ich aus der Teilnehmendenperspektive Präsentationen meiner Teilnehmenden verfolge. Wenn diese zum Beispiel die Ergebnisse einer Gruppen- oder Einzelarbeit präsentieren. Von hier aus kann ich auch schnell aufstehen und assistieren, wenn zum Beispiel ein Stift gebraucht wird, der Flipchart ungünstig steht oder das Anpinnen an die Metaplanwand nicht gelingen will. Der Vorteil des Stuhls ist, dass dieser flexibel ist. Je nachdem wie viel Distanz und Leitung Sie sich wünschen können Sie ihn mal weiter nach vorne oder mehr in den Kreis stellen. Feld 3A Wenn ich bei bestimmten Übungen auf jeden Fall einen guten Blick auf die Medien haben möchte oder wenn ich mich noch mehr in die Gruppe begeben möchte, dann bitte ich auch einmal Teilnehmende, mir zwischen ihren Stühlen Platz zu machen. Diesen Platz nutze ich manchmal auch zur Versachlichung schwieriger Situationen, wenn ich den Eindruck habe, dass ich in meiner Rolle als Trainerin ein sehr ungeliebtes Thema repräsentiere. Die Emotionen eines Teilnehmenden oder einer Gruppe richten sich dann gegen meine Rolle als eine „Obrigkeit“, die sie gegen ihren Willen von einem Thema überzeugen will, gegen das es zu kämpfen gilt. Ich blicke aus der gleichen Perspektive wie meine Teilnehmenden auf die Medien, die das Thema repräsentieren und spreche Schulter an Schulter von Mensch zu Mensch. Dies fördert meiner Erfahrung nach enorm die Bereitschaft gemeinsam eine Lösung zu finden. Feld 4 befindet sich vorne außerhalb des Kreises und ist für mich quasi eine Metaposition 56 . Ich sehe die Teilnehmenden und die Medien - ohne Referent oder Teil der Gruppe zu sein. Hier stehe ich manchmal, wenn es darum geht Vorgehensweisen und Rahmenbedingungen zu prüfen und ggf. passend umzustellen. Wenn zum Beispiel der Zeitplan aus dem Ruder läuft und umgestellt werden muss, oder die Methode sich als doch nicht so passend erweist. 56 Die Metaposition ist eine Beobachtungsposition. Die Situation wird so betrachtet, als würde man sie als Unbeteiligter von außen betrachten. <?page no="94"?> 94 6 Handwerkszeug und Interventionen 6.8 Verbale „Entgiftung“ in schwierigen Situationen Schwierige Situationen werden oft durch ungeschickte Formulierungen oder im ersten Aufbrausen einer Emotion erzeugt. Ein falsches Wort erzeugt eine Sackgasse, aus der Sie nicht mehr so leicht herauskommen, wenn Sie bestimmte Teile der Teilnehmeraussagen nicht entschärfen. In diesen Situationen hilft es, wenn Sie Angriffe überhören und die Aussage des Sprechers konstruktiv übersetzen. Hier einige Übersetzungsbeispiele: Das sagt der Teilnehmer Mögliche Entgiftung des Trainers Beim Kaffee vor Seminarbeginn: Sie sind jetzt schon der dritte Trainer, der uns hier zu dem Thema schult, was wollen Sie uns denn noch beibringen. Cool, dann sind wir ja heute in der Expertenrunde. Erzählen Sie mal, was haben Sie denn bei den letzten Trainings gemacht? Beim morgendlichen Betreten des Raums mit Blick auf den Stuhlkreis: Für Tische hat es wohl nicht gereicht! Morgenkreis im Kindergarten oder was wird das? Mein Schreibtisch quillt über vor Arbeit und das hier ist doch reine Zeitverschwendung! Erst mal - Guten Morgen. Das klingt nach viel Stress. Ich freue mich natürlich, dass sie trotzdem hier sind! Was mussten Sie denn liegen lassen für die Veranstaltung heute? Beim Anblick der Moderationsmaterialien: Oh nein, so eine Veranstaltung ist das. Wenn das wieder so ein Psychoscheiß mit Kärtchen schreiben ist, dann bin ich raus. Ich höre raus, dass Sie schlechte Erfahrungen mit der Kartenmethode gemacht haben? Das macht mich neugierig - erzählen Sie mal! Beim Blick auf die Agenda : Sie sollten sich wirklich noch mal Gedanken über Ihr Seminar machen, das hat ja gar keine Struktur. Sie haben Fragen zum Aufbau der Agenda? Ihnen erschließt sich der rote Faden noch nicht? Bei einer Präsentation des Trainers: Das haben wir noch nie so gemacht und ganz ehrlich, das funktioniert bei uns niemals. Sie haben damit bisher keine Erfahrung und Sie sind skeptisch, ob das in Ihrem Unternehmen umsetzbar ist? Da merkt man, dass Sie keine Praxiserfahrung haben - das ist doch alles nur graue Theorie. Sie möchten gerne aus Ihrer Erfahrung berichten. Das finde ich super - schießen Sie los, dann können wir direkt den Praxistransfer machen! Sagen Sie mal, sind Sie überhaupt qualifiziert? Stimmt, über Qualifizierungen und Vorerfahrungen haben wir noch gar nicht gesprochene. Da war die Vorstellungsrunde vorhin vielleicht etwas zu knapp, sollen wir nochmal kurz eine Runde machen? Ich bin natürlich auch neugierig! <?page no="95"?> 6.9 Wenn das Lernziel gefährdet ist, Zwickmühlen formulieren! 95 Das halte ich alles für sehr fragwürdig. Ist das überhaupt intern abgestimmt mit unserer Personalabteilung und dem Betriebsrat? Sie fragen nach den internen Absprachen - das ist eine gute Frage. Meine Auftraggeberin ist Frau ... Was halten Sie davon, sie in der Pause kurz anzurufen, um das zu klären? 6.9 Wenn das Lernziel gefährdet ist, Zwickmühlen formulieren! Die nun folgende Intervention, des Formulierens von Zwickmühlen, ist immer dann hilfreich, wenn die Bedürfnisse der Teilnehmenden mit Ihrem Trainingsauftrag kollidieren und so das Lernziel gefährdet ist. Während des Trainings ergeben sich in dieser Hinsicht für den Trainer immer wieder Dilemmata 57 : Einerseits würden Sie gerne noch mehr auf Nachfragen von Teilnehmenden eingehen, andererseits merken Sie, dass Sie zu weit vom Thema abschweifen und das Lernziel dann gefährdet ist. Einerseits verstehen Sie den Widerstand Ihrer Teilnehmenden gegen bestimmte Inhalte, andererseits lautet Ihr Trainingsauftrag, genau diese Inhalte zu vermitteln. Einerseits wissen Sie, dass eine Übung genau die richtige Methode ist, um das Lernziel zu erreichen, andererseits wollen Sie Ihre Teilnehmenden, die sich lustlos zeigen, auch nicht verärgern. Diese Reihe ließe sich endlos verlängern, und man könnte fortwährend klagen, ja man kann es einfach nicht allen recht machen ... Hier bewährt es sich Zwickmühlen offen anzusprechen und so die Gruppe in den eigenen Gedankenprozess miteinzubeziehen. 58 Lassen Sie mich dies anhand eines Beispiels erläutern: Während eines Vortrags entsteht plötzlich Unruhe. Die Trainerin Frau E. hält inne und schaut fragend in die Runde. Teilnehmer Herr F. spricht laut aus, was gerade schon in Seitengesprächen leise anklang: "Das ist doch graue Theorie - Bei uns funktioniert das nicht, weil ...“ Andere Teilnehmende stimmen Herrn F. zu und es entsteht ungeplant eine angeregte Gruppendiskussion. Trainerin Frau E. bittet um Geduld, da die im Vortrag 57 Der Begriff Dilemma stammt aus dem altgriechischen und bezeichnet eine Situation, die zwei Möglichkeiten der Entscheidung bietet, die jedoch beide unerwünschte Auswirkungen mit sich bringen - Im Deutschen spricht man von einer Zwickmühle. 58 Das Formulieren von Zwickmühlen ist eine Intervention, die ich bei meinem Lehrtrainer Gunther Schmidt kennengelernt habe. <?page no="96"?> 96 6 Handwerkszeug und Interventionen vermittelten Inhalte Grundlage für die nachfolgende Übung sind, bei der der Praxistransfer erprobt werden soll. Damit versucht sie den Fokus weiter auf das Thema zu lenken, doch die Diskussion hält an und es ist klar, dass die Gruppe zu diesem Zeitpunkt nicht bereit ist, ihrer Empfehlung zu folgen. Sie ist in einer Zwickmühle. Möglichkeit A: Sie übergeht die Einwände und entscheidet sich dafür, ihren Trainingsplan in die Tat umzusetzen. Dann ist es wahrscheinlich, dass die Teilnehmenden verärgert sind und dem Vortrag nicht mehr aufmerksam folgen. Möglichkeit B: Sie geht auf die Einwände ein, verliert kostbare Zeit und muss die nachfolgende Übung streichen und es gibt keine Transfersicherung und Lernzielkontrolle. Bleibt dieser innere Widerstreit verborgen und sie entscheidet sich für das eine oder das andere, sind in beiden Fällen negative Auswirkungen auf das Lernziel zu erwarten. Bewährt hat sich jedoch, die Zwickmühle zu formulieren und die Gruppe in den Entscheidungsprozess einzubeziehen: „Jetzt bin ich in einer Zwickmühle. Einerseits höre ich, dass an dieser Stelle wirklich Diskussionsbedarf besteht, und ich kann das sehr gut verstehen.“ (Pause) „Andererseits sind die Inhalte, die ich jetzt vermittle, grundlegende Voraussetzung, um danach bei einer Übung zu prüfen, ob und wie sie die Inhalte umsetzen können.“ Die Formulierung einerseits und andererseits ist hier sehr wichtig. Sie können auch Formulierungen wählen, wie: auf der einen Seite würde ich jetzt sehr gerne ..., eine Seite von mir / auf der anderen Seite / eine andere Seite von mir. Wer stattdessen sagt „ich verstehe Sie, aber ...“, wirkt weniger glaubwürdig. Genauso verhält es sich mit der Pause. Wenn die Zwickmühle ohne Punkt und Komma dargestellt wird, hat sie keine emotionale Glaubwürdigkeit. An dieser Stelle lässt die Trainerin der Gruppe kurz Zeit, um selbst über die Zwickmühle nachzudenken oder Vorschläge zu formulieren. Diese Worte sind als sogenannte Ich-Botschaft formuliert und laden die Teilnehmenden zu einem Perspektivwechsel ein. Empathische Teilnehmende schlagen an dieser Stelle oft vor, den Kurs wie geplant ablaufen zu lassen. Wobei das gar nicht das Ziel der Intervention ist. Es geht darum, Transparenz zu schaffen. Die Trainerin zeigt Wahlmöglichkeiten mit den entsprechenden Auswirkungen auf. <?page no="97"?> 7 Was ist und wie geht eigentlich Lernen? Lernen ist eine dauerhafte Verhaltensänderung in Auseinandersetzung mit der Umwelt bzw. als Reaktion auf die Umwelt. Die Verhaltensänderung ist im Gegensatz zu den inneren Prozessen des Lernens überprüfbar. Es gibt also einen Zustand mit Verhalten A vor dem Lernprozess, und es gibt einen Zustand mit Verhalten B nach dem Lernprozess. Verhalten A und Verhalten B unterscheiden sich signifikant. Die Verhaltensänderung kann sich auf die Motorik, die Emotion und die Kognition beziehen. Nehmen wir das Beispiel eines Fahrschülers. Gelernt wird das motorische Verhalten wie das Lenken, die Betätigung der Pedale und der Schaltung, das kognitive Verhalten wie die Kenntnis der Verkehrsregeln, und das emotionale Verhalten wie zum Beispiel das Überwinden der Angst bei der Beschleunigung auf der Autobahnauffahrt. Dabei lassen sich Motorik, Kognition und Emotion nicht wirklich trennen. So spielen für das Gas geben auf dem Beschleunigungsstreifen sowohl motorische, emotionale als auch kognitive Prozesse eine Rolle. Für einen Fahranfänger der seit wenigen Wochen den Führerschein hat sind diese verschiedenen Anforderungen meist sehr bewusst und ein innerer Dialog könnte so aussehen: „Hilfe, jetzt blinken, wie schnell bin ich? Kurzer Blick auf den Tacho, dann in den Außenspiegel, Schulterblick und jetzt Gas geben, ...“ Nach ein paar Jahren wird die gleiche Situation nur noch als ein kurzer Moment der Konzentration wahrgenommen. Nicht alle Teile des Lernprozesses werden bewusst gesteuert - gerade der emotionale Bereich entzieht sich oft der bewussten Einflussnahme von außen - hat aber auf die Verhaltensänderung einen großen Einfluss. So wird jemand der dauerhaften Angst beim Autofahren empfindet, das Fahren wahrscheinlich irgendwann vermeiden - also trotz Fahrstunden keine dauerhafte Verhaltensänderung zeigen. 7.1 Stufen der Kompetenzentwicklung Das Beispiel zeigt, dass wir beim Lernen und der entsprechenden Verhaltensänderung unterschiedliche Stufen der Kompetenzentwicklung durchlaufen. <?page no="98"?> 98 7 Was ist und wie geht eigentlich Lernen? Abbildung 8: Kompetenzstufenmodell 59 Unbewusste Inkompetenz Kein Bewusstsein über Problem und eigene Defizite Wer noch nie selbst Auto gefahren ist, hat wenig Anreiz gehabt zu verstehen, welche Verhaltensweisen in welcher Reihenfolge auf dem Beschleunigungsstreifen notwendig sind. Mit der Situation konfrontiert würde die Person sich intuitiv falsch verhalten. Trotzdem neigen Menschen auf dieser Kompetenzstufe ganz oft dazu, die eigenen Fähigkeiten zu überschätzen. Man spricht hier vom Dunning-Kruger-Effekt. Bewusste Inkompetenz Bewusstsein über eigene Defizite und deren Auswirkungen, aber keine Fähigkeit zur eigenständigen Lösung. Der Fahranfänger, der zum ersten Mal zusammen mit dem Fahrlehrer auf die Autobahn fährt, benötigt dessen Unterstützung zur Bewältigung der Situation. Er erkennt das Problem und ist hochmotiviert, es zu lösen. Bewusste Kompetenz Verhalten ist bewusst und erfordert Konzentration Der Führerscheinneuling weiß, auf was er achten muss bei der Auffahrt auf die Autobahn. Es erfordert hohe Konzentration. Dabei zerlegt er das komplexe Vorgehen in Teilschritte, um es bewusst auszuführen. Unbewusste Kompetenz Viel praktische Erfahrung. Verhalten ist automatisiert und kann jederzeit abgerufen werden. Bei normalen Verkehrsaufkommen zeigt der geübte Fahrer das Verhalten ohne höhere Konzentration. Interessant dabei: Er kann diese Fähigkeit, da sie ihm nicht mehr bewusst ist, nicht ohne weiteres vermitteln, er kann also nicht erklären, was er genau tut. Mit unbewusster Kompetenz handelt er zwar intuitiv richtig, kann sein Handeln aber nicht mehr analysieren. 59 Der genaue Ursprung des Modells ist strittig und es wird oft Abraham Maslow zugeschrieben. Erstmals veröffentlicht wurde es als „the four levels of teaching“ vom Managementtrainer Martin M.Broadwell: Broadwell, Martin M. (20 February 1969) “Teaching for learning (XVI)” unbewusste Inkompetenz bewusste Inkompetenz bewusste Kompetenz unbewusste Kompoetenz <?page no="99"?> 7.1 Stufen der Kompetenzentwicklung 99 Der Dunning-Kruger-Effekt und wie Sie mit ihm umgehen Die Sozialpsychologen David Dunning und Justin Kruger bemerkten bei Studien, dass Unwissenheit oft zu mehr Selbstvertrauen führt als Wissen. So überschätzen Menschen ihre Fähigkeiten oft und erkennen auch nicht die überlegenen Fähigkeiten von anderen. Wer inkompetent ist, merkt dies also oft erst, wenn er versucht etwas selbst zu tun. Erst dann wird die Komplexität einer Handlung begreifbar. Für die Methodenwahl im Businesstraining bedeutet dies, dass wir manchmal zuerst Methoden wählen müssen, die den Teilnehmenden die eigene Inkompetenz bewusst machen. So zeigt der erst einmal logisch erscheinende Aufbau 1. Erklären, 2. Zeigen und 3. Anwenden in der Praxis oft seine Tücken, wie das folgende Beispiel aus einem Vertriebstraining zeigt: 1. Erklären: Der Trainer präsentiert und erklärt die Phasen des Verkaufsgesprächs. 2. Zeigen : Er macht eine Demo - führt den Ablauf mit einem Teilnehmenden vor. 3. Anwenden: Er leitet eine Übung an und fordert die Teilnehmenden auf, den Ablauf selbst in Partnerarbeit durchzuspielen. <?page no="100"?> 100 7 Was ist und wie geht eigentlich Lernen? Wenn Sie Teilnehmende haben, die ihre eigenen Fähigkeiten aufgrund des Dunning-Kruger-Effekts überschätzen, sollten Sie stattdessen vorab einen kurzen Sprung ins kalte Praxiswasser 60 unternehmen. Bei unserem Beispiel könnte das so aussehen: 1. Sprung ins kalte Praxiswasser Der Trainer fordert die Gruppe auf, den Einstieg in ein Verkaufsgespräch in Kleingruppen durchzuspielen und fragt im Anschluss die Erfahrungen ab. 2. Erklären: Der Trainer präsentiert und erklärt die Phasen des Verkaufsgesprächs. Die Teilnehmenden vergleichen ihre eigene Vorgehensweise mit der vom Trainer vorgeschlagenen. 3. Zeigen : Der Trainer macht eine Demo - führt den Ablauf mit einem Teilnehmenden vor. Die Teilnehmenden sind aufmerksam und nehmen kleine Unterschiede zur eigenen Vorgehenswiese genau wahr. 60 Als Methode zur Fokussierung finden Sie diese Vorgehensweise in Kapitel 9.4.1 <?page no="101"?> 7.1 Stufen der Kompetenzentwicklung 101 4. Anwenden: Der Trainer leitet eine Übung an und fordert die Teilnehmenden auf, den Ablauf selbst in Partnerarbeit durchzuspielen. Die Teilnehmenden erleben einen „vorher-nachher“-Effekt und verbuchen diesen als Erfolgserlebnis. Bevor Sie eine Lösung servieren, geben Sie Ihren Teilnehmenden die Möglichkeit, selbstgesteuert eine Lösung zu finden. So erklimmen die Teilnehmenden die erste Stufe des Lernens: von der unbewussten Inkompetenz zur bewussten Inkompetenz. Überspringen Sie diese Stufe, fehlt es an Lernmotivation und beim Anwenden entsteht Frust, der sich im Zweifelsfall gegen Sie richtet. In unserem Beispiel tut der Trainer dies mit einer kurzen Kleingruppenarbeit. Also lassen Sie die Teilnehmenden zuerst etwas ausprobieren: Stellen Sie eine kleine Aufgabe, die die Teilnehmenden lösen sollen. Antworten erhalten die Teilnehmenden im Anschluss bei Ihrer Präsentation Das weckt Neugier und Sie erhalten ganz nebenbei wichtige Anknüpfungspunkte im Wissensnetz Ihrer Teilnehmenden 61 . Die Möglichkeiten sind mannigfaltig; so können Teilnehmende im Softwaretraining eine Information im Programm finden oder im Präsentationstraining einmal vor die Gruppe treten und eine Begrüßung und einen Einstiegssatz formulieren. Gehen Sie dabei sehr wertschätzend mit den Beiträgen der Teilnehmenden um. Es geht auf keinen Fall darum, Teilnehmende zu beschämen oder gefügig zu machen, sondern sie kurz im geschützten Raum die Probleme erleben zu lassen, die es im Arbeitsleben zu vermeiden gilt. Die Teilnehmenden springen direkt in Level 2 und sind motiviert, die erkannten Probleme zu lösen. Frühzeitiges Problemerleben unterstützt eine realistische Selbsteinschätzung steigert die Lernmotivation macht die Expertise des Trainers sichtbar 61 Vgl. Kapitel 7.6 <?page no="102"?> 102 7 Was ist und wie geht eigentlich Lernen? 7.2 VAKOG - sinnlich lernen „Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war“ John Locke Betrachten wir das Lernen rein körperlich, sind die Eingangstore des Wissens in unseren Organismus unsere Sinne. Durch sie nehmen wir die Welt wahr. Wir … V isuell ... sehen einen Apfel - rotbackig und glänzend, A uditiv hören das Knacken beim Hineinbeißen, K inästhetisch fühlen die glatte Oberfläche und die Kühle der Frucht, O lfaktorisch riechen den Duft und G ustatorisch schmecken das süß-saure Aroma. Wenn viele Sinne beim Lernen angesprochen werden, werden Informationen besser abgespeichert. In dieser Hinsicht unterscheidet sich das Erwachsenen- Lernen kaum vom kindlichen Lernen. Sinnliche Störfaktoren beim Lernen Sinnesreize spielen aber auch noch in anderer Hinsicht eine Rolle beim Lernprozess. Denn unerwünschte sinnliche Wahrnehmungen können auch ablenken und beim Lernen stören. Der unangenehme Geruch des neuen Teppichs im Seminarraum, die Baustellengeräusche, die kaputte flackernde Lampe, der abgestandene lauwarme Kaffee und die unbequemen Stühle rauben Aufnahmekapazität. Sie stehen mit Ihrem Lehrangebot in Konkurrenz und Ihre Aufgabe als Trainer ist es, diese so weit wie möglich zu beseitigen. V A K O G <?page no="103"?> 7.3 Wie Wahrnehmungsfilter das Lernen beeinflussen 103 Reisen Sie frühzeitig an und prüfen Sie Lernumgebung kritisch. Scheuen Sie sich nicht, den Facilityservice zu stressen oder einen anderen Raum anzufordern, wenn die Störfaktoren das Lernen behindern. In Online-Seminaren bitten Sie Ihre Teilnehmenden, sich das Umfeld lernfreundlich zu gestalten und gut für sich zu sorgen (Getränke, bequeme Sitzgelegenheit…). Reagieren Sie direkt, wenn Teilnehmende sich über Störfaktoren beschweren und nehmen Sie Hilfe in Anspruch. Trainertipp: Nutzen Sie unterschiedliche Sinneskanäle für Ihre Lehre. Bei Online-Seminaren fordern Sie Ihre Teilnehmenden dazu auf, alle Möglichkeiten des digitalen Raums für sich zu nutzen (Bild, Ton, Chat). Schalten Sie Störfaktoren so weit als möglich aus! 7.3 Wie Wahrnehmungsfilter das Lernen beeinflussen Wer nun denkt, es gelte nur viele Sinneseindrücke zu schaffen, der sei gewarnt: Wir verfügen nur über eine überschaubare Aufnahmekapazität. Im Laufe eines Tages prasseln unendlich viele Sinnesreize auf uns ein. Die wenigsten davon werden uns bewusst. Vieles filtern wir bereits direkt aus. Die wenigsten Reize hinterlassen bleibende Spuren in unserem Gedächtnis. Da Lernen als dauerhafte Verhaltensänderung definiert ist, müssen Informationen im Langzeitgedächtnis gespeichert werden. Um dorthin zu gelangen, müssen sie einige Hürden überwinden. In jedem Augenblick empfangen unsere Sinne ca. 11 Millionen Bits an Informationen 62 . Doch diese Flut an Informationen zu verarbeiten würde unseren Geist und unseren Organismus natürlich überfordern, darum filtert unser Nervensystem davon nur ca. 200 Bits, die bewusst gleichzeitig wahrgenommen werden können, aus. Der Thalamus in unserem Zwischenhirn wird auch das Tor des Bewusstseins genannt. Informationen aus unserem Körper und den Sinnesorganen werden dorthin geleitet. Hier wird entschieden, welche so wichtig sind, dass sie an die Großhirnrinde weitergeleitet und bewusst werden sollen. Diese 200 Bits sind das, was nach dem Filtern übrigbleibt, nach dem Löschen von all den Dingen, die zu diesem Zeitpunkt „nicht wichtig“ sind. Wir unterscheiden zwischen verschiedenen Gedächtnisformen, die physiologisch in unterschiedlichen Hirnregionen verortet werden und deren Dauer stark variiert: 62 Zimmermann, Manfred (1986), „Neurophysiology of Sensory Systems",Fundamentals of Sensory Physiology, Springer Berlin Heidelberg <?page no="104"?> 104 7 Was ist und wie geht eigentlich Lernen? Abbildung 9: Gedächtnisbereiche mit jeweiliger Speicherdauer 63 Lerninhalte müssen also zuerst bewusst wahrgenommen werden und anschließend noch für wichtig genug befunden werden, damit sie im Langzeitgedächtnis abgespeichert werden. Ablenkungen und Unwesentliches ausblenden Wenn wir z.B. am Schreibtisch sitzen und arbeiten, nehmen wir unseren Körper nur eingeschränkt wahr. Wir blenden Umgebungsgeräusche und Gerüche aus und nehmen visuell nur das gerade bearbeitete Schriftstück wahr. Ganz deutlich ist unsere Fähigkeit, Unerwünschtes auszufiltern, beim sogenannten „Partyeffekt“. Wir sind fähig, aus einer Geräuschkulisse ein einzelnes Geräusch herauszuhören, nur weil wir gerade auf dessen Inhalt neugierig sind. Die laute Musik, die Stimmen der anderen Partygäste und das Gläserklirren blenden wir einfach aus. Darüber hinaus wird unsere Wahrnehmung auch von kulturellen und sozialen Mustern geprägt. Die fünf Sinne eines Menschen, der auf einer Almhütte in Tirol lebt, beispielsweise liefern mit Sicherheit ganz andere Informationen als die eines Großstadtbewohners. Während der eine wahrscheinlich verschiedene Vogelstimmen unterscheiden kann, identifiziert ein anderer genau dasselbe akustische Phänomen als belanglose Naturgeräusche. Aufgrund von persönlichen Erfahrungen priorisieren wir bestimmte Kategorien von Informationen, während wir andere eher vernachlässigen oder vielleicht überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen. Das Interessante entdecken Aber nicht nur dieser neurologische Filter bestimmt, welche Informationen Sie wahrnehmen, auch unsere Interessen wirken als Wahrnehmungsfilter. Es ist das bekannte Phänomen, dass wir plötzlich überall das entdecken, was uns gerade beschäftigt: Die werdenden Eltern sehen Kinderwagen, vor dem 63 Angelehnt an das Mehr-Speicher-Modell der Psychologen Richard C. Atkinson und Richard M. Shiffrin, nachzulesen u.a. bei David G. Myers: Psychologie. Springer, 2014, Ultrakurzzeitgedächtnis oder sensorisches Gedächtnis •1- 2 Sekunden Arbeitsgedächtnis oder Kurzzeitgedächtnis •Sekunden bis wenigen Minuten Langzeitgedächtnis •bis lebenslang <?page no="105"?> 7.3 Wie Wahrnehmungsfilter das Lernen beeinflussen 105 Autokauf sehen wir überall das Modell, das wir gerade Probe gefahren sind, und nach dem Wochenendseminar über Heilkräuter wachsen diese plötzlich an jeder Böschung. Das eigene Weltbild bestätigen Auch Informationen, die unser Weltbild bestätigen, nehmen wir viel stärker wahr als jene, die unserem Weltbild widersprechen. Wir werden sofort aufmerksamer, wenn wir etwas wahrnehmen, was unsere Meinung bestätigt und schalten geistig ab, wenn etwas nicht unserer Meinung entspricht. So fühlen sich z.B. Befürworter als auch die Gegner einer politischen Partei ständig bestätigt. Als Filter wirken auch sogenannte Grundeinstellungen oder Glaubenssätze. Wer denkt: „Die heutige Jugend ist disziplinlos und verwöhnt“, nimmt eine Gruppe Jugendlicher anders wahr als jemand, der annimmt: „Noch nie musste die Jugend so viele Herausforderungen gleichzeitig meistern wie heute“. Ein Schüler mit der Grundeinstellung: „Ich war schon immer ein Glückspilz“ nimmt seine Prüfer beim mündlichen Abitur anders wahr als ein anderer, der glaubt: „Alle Lehrer hassen mich“. Wir bewerten immer Ich muss nicht wissen was es ist, um zu wissen, wie ich es finde - wir bewerten immer. Eine schnelle Bewertung der Situation war für den Menschen Jahrtausende überlebenswichtig. Wer schnell Gefahren erkannte und mit Flucht oder Kampf reagierte, überlebte. Der Aufgeschlossene, der die Schlange erst genauer in Augenschein nahm und ihr eine Chance gab, sich vielleicht doch als harmlos zu erweisen, gab seine Gene selten weiter. Wir und unsere Teilnehmenden stammen von jenen ab, die direkt flohen, wenn es im Unterholz raschelte oder mit der Machete auf alles einschlugen, was gefährlich sein könnte. Ob wir es mögen oder nicht - das Vor-Urteil liegt uns in den Genen. Selbstverständlich zeigen Teilnehmende im Businesstraining ihre Vorurteile weniger drastisch und zum Glück fliehen sie nur in Seitengespräche oder meckern, statt mit Macheten auf uns einzuschlagen. Abwertung von Inhalten und Methoden Ein Mitarbeiter, der von seinen Führungskräften auf ein Seminar zum Thema „Kundenorientierung“ geschickt wurde, sich selbst aber nicht als Dienstleister versteht und kundenorientierte Kommunikation spontan als Selbsterniedrigung und Untergraben seiner Position empfindet, wird dem Lerninhalt sehr kritisch gegenüberstehen. Auch Lehrmethoden werden entsprechend von Teilnehmenden „gefiltert“ wahrgenommen: Ein Teilnehmender, der schlechte Erfahrungen in einem früheren Seminar mit Rollenspielen gemacht hat, hält diese Methode vielleicht für ein nutzloses Bloßstellen des Einzelnen vor der Gruppe. <?page no="106"?> 106 7 Was ist und wie geht eigentlich Lernen? Umgang mit Filtern und Bewertungen in der Erwachsenenbildung Für Erwachsenenbildner bedeutet dies, dass Sie sich rückversichern müssen, wie ihre Teilnehmenden ihre Angebote verstehen und welche Teile Ihrer Botschaften herausgefiltert wurden. Sie sich vor und bei der Vermittlung von Inhalten und dem Einsatz von Methoden mit Vor-Urteilen auseinandersetzen. Wissensvermittlung muss also immer in Form eines Austauschs zwischen vermittelnder Person und Teilnehmenden stattfinden. Beim Lernen geht es nicht nur um das Begreifen, sondern auch das Neubewerten eines Lernstoffs im Austausch mit dem Trainer und der Gruppe. Praktische Umsetzung findet dies im Einsatz von Moderationsmethoden 64 : Trainertipp: Geben Sie Ihren Teilnehmenden von Anfang an die Möglichkeit, Stellung zu beziehen und sich auszutauschen. 7.4 Medien und Materialien gehirngerecht gestalten Unterschiedliche Ansätze und kognitive Theorien beschäftigen sich damit, wie Lernstoff möglichst gut verarbeitet werden kann 65 . Dabei wird dem Arbeitsgedächtnis eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Dieses ist quasi ein Flaschenhals, der auf dem Weg zum Langzeitgedächtnis durchdrungen werden muss - die Kapazität ist begrenzt und darf nicht überlastet werden. Es beinhaltet zwei voneinander unabhängige, auditive und visuelle Komponenten zur kurzfristigen Speicherung von Information: 1. Den räumlich visuellen Notizblock zur Speicherung von Bildern und Schemata und 2. Die phonologische Schleife zur Verarbeitung von Sprach- und Textinformationen. Trainer erleichtern Teilnehmenden demnach das Lernen, wenn diese ihre Aufmerksamkeit auf die relevanten Informationen richten und diese mit beiden Speichern kombiniert aufnehmen können. Um die Kapazität nicht zu überlasten, sollten leicht aufnehmbare gut strukturierte Darstellungen gewählt werden, die nicht zu textlastig sind. 64 Vgl. Kapitel 9.6 65 U.a. Chandler/ Sweller 1991, Paas/ Van Merriënboer 1994 Cognitive Load Theory, Pavio Duale Kodierungstheorie 1986. <?page no="107"?> 7.4 Medien und Materialien gehirngerecht gestalten 107 Sensorisches Gedächtnis Abbildung 10: Arbeitsgedächtnis Bei der Gestaltung von Präsentationsmedien gilt: Am besten abgespeichert werden können Bilder bzw. Schemata zusammen mit gesprochenem Wort - also eine Kombination von visuellem Kanal und auditiven Kanal. Man spricht hier auch vom Prinzip der simultanen Darstellung. Das Vorlesen von Textfolien bei Präsentationen führt durch eine Doppelbelegung der phonologischen Schleife zu einer schnellen Überlastung des Arbeitsspeichers. Kombinieren Sie bei ihren Präsentationen gesprochenes Wort mit passenden Bildern und Diagrammen oder Schemata. Trainertipp: Vermeiden Sie betreutes Lesen! Händigen Sie Ihren Teilnehmenden lieber anschließend ein Handout zum Nachlesen aus, so dass diese sich bei Bedarf noch einmal in Ruhe mit dem Text auseinandersetzen können. Bei der Auswahl von Bildern und Medien sollten Sie immer den didaktischen Nutzen prüfen. Unpassende Bilder können die Aufnahme eines Lernstoffes sogar erschweren! Der Arbeitsspeicher ist dann mit der Verarbeitung von irrelevanten Informationen beschäftigt, was die Lernleistung beeinträchtigt. Man spricht hier vom extrinsiv cognitiv load - der Verarbeitungskapazität, die benötigt wird, um die Information überhaupt zu dechiffrieren, bevor es Langzeitgedächtnis phonologische Schleife räumlichvisueller Notizblock <?page no="108"?> 108 7 Was ist und wie geht eigentlich Lernen? zum intrinsiv cognitiv load kommt - der Kapazität, die benötigt wird, um den Lernstoff inhaltlich zu verstehen. An folgenden Prinzipien können Sie sich bei der Gestaltung von Handouts und Arbeitsblättern orientieren: Das Prinzip der dualen Kodierung : Kombinieren Sie Bild und Text. Grafiken mit Text sind zur Veranschaulichung von Beziehungen besonders lernwirksam. Das Prinzip der räumlichen Nähe : Räumlich benachbarte Darstellung textueller und bildlicher Informationen können besser verarbeitet werden als getrennte Präsentation von Texten und Bildern. Platzieren Sie also zusammengehörende Texte und Grafiken nahe beieinander. Ausreichende Schriftgröße und gute Kontraste: Das Entziffern der Schrift darf keine unnötigen Lernkapazitäten binden. Einfache, nachvollziehbare Formulierungen: Wer einen Satz dreimal lesen muss, um ihn zu verstehen, verliert schnell die Lust am Lesen. Vermeiden von langem Fließtext: Die Aufbereitung von Texten in klare Abschnitte mit Überschriften, der Einsatz von Textcontainern, Hervorhebungen und Aufzählungen mit Markierungsikonen, erleichtert das Erfassen von Texten enorm. 7.5 Der Mythos der Lerntypen Traditionell unterscheidet man unterschiedliche Lerntypen gemäß den Vorlieben beim Lernen. Zum Beispiel: Der Auditive Lerntyp Lernt vorwiegend über das Hören und Sprechen Bevorzugt Vortrag, Gruppenarbeit und Moderation. Der Visuelle Lerntyp Bevorzugt (Schau-) Bilder Liebt anschauliche Flipcharts und Präsentationen. Achtet und schätzt liebevolle Details bei der Aufbereitung des Lernstoffs. der Kinästhetische Lerntyp Möchte den Lernstoff be greifen und probiert gerne aus Freut sich über Anschauungsmaterial und macht gerne Übungen. <?page no="109"?> 7.6 An das Wissensnetz anknüpfen 109 Neben dieser Einteilung findet man in der Fachliteratur noch über 70 weitere Kategorisierungen von Lerntypen. Doch in der Praxis trifft man diese Lerntypen nicht in Reinkultur an. Mehr noch: Die Einteilung ist rein wissenschaftlich nicht haltbar. Die Lernforscher Hal Pashler, Mark McDaniel, Doug Rohrer und Robert Bjork haben 2008 eine Vielzahl an Studien untersucht, welche die Wirksamkeit der Einteilung in Lerntypen untersuchten. 66 Das Ergebnis ist ernüchternd, denn die Unterscheidung in verschiedene Lerntypen war entweder methodisch nicht haltbar oder die Forscher konnten keinen Nutzen von typgerechtem Lernen feststellen. Die Ergebnisse aus der Lernforschung zeigten, dass es keine besseren Lerneffekte gibt, wenn die Lernenden je nach „Lerntypus“ optimierte Lernmaterialien bekamen. Je nach Situation und den Inhalten, die vermittelt werden sollen, war dagegen die Nutzung verschiedener Sinne effektiver. Ähnlich wie bei der Ernährung bewährt sich die Einseitigkeit nicht. Sie versorgen Ihre Teilnehmenden am besten mit einer gesunden Mischkost. Schon Pestalozzi stellte Ende des 18. Jahrhunderts fest, dass Lernen dann optimal abläuft, wenn mö g lichst viele Sinne angesprochen werden. Ihr Material-, Medien- und Methodenmix sollte möglichst viel Sinne und unterschiedliche Lernstrategien bedienen. Unser Gehirn liebt Abwechslung und es sind die Vielseitigkeit und der Wechsel, die das Lernen unterstützen. Diese Vielfalt unterstützt die mannigfaltigen Verknüpfungen im Wissensnetz der Teilnehmenden. Trainertipp: Analysieren Sie keine Lerntypen, sondern setzen Sie auf Abwechslung bei Ihrer Methoden- und Medienauswahl! 7.6 An das Wissensnetz anknüpfen Während ein Kleinkind zum Begreifen dessen, was ein „Apfel“ ist, tatsächlich viele Äpfel anfassen und probieren muss, reicht einem Erwachsenen das Betrachten eines Bildes oder das Hören oder Lesen des Begriffs Apfel, um seine Erfahrungen abzurufen. Erwachsene verfügen also über Wissen, dem sie aktuelle Erfahrungen einfach zuordnen können. Hier haben Erwachsene also einen Vorteil. 66 Pashler, H., McDaniel, M., Rohrer, D. & Bjork, R. (2008): Learning Styles: Concepts and Evidence. In: Psychological Science in the Public <?page no="110"?> 110 7 Was ist und wie geht eigentlich Lernen? Der Erwachsene liest das Wort Apfel, kann dazu direkt ein Bild entwickeln und kann Wissen und persönliche Erfahrungen dazu abrufen. Dabei zeigt sich ein äußerst differenziertes Wissensnetz . Der Apfel kann einer Kategorie Obst zugeordnet werden, verschiedene Sorten und Reifegrade können unterschieden werden Dies ist ein Lernvorteil, da wir als Erwachsene direkt an unserem Wissensnetz anknüpfen können. So können wir ohne Weiteres einem einfachen Fachvortrag folgen und finden schnell Anknüpfungspunkte, wenn es um unterschiedlichste Themenbereiche geht wie den Aufbau des Apfels (Schale, Kerngehäuse ...) oder den Apfel als Nahrungsmittel bei Diäten (Kalorien, Einfluss des Apfelgenusses auf den Blutzuckerspiegel ...) Diese Einbettung neuer Informationen in das eigene Vorwissen ist typisch für den Lernprozess von Erwachsenen. Je ausgeprägter das Vorwissen ist, desto einfacher und schneller kann neuer Lernstoff beurteilt und eingeordnet werden. In der Trainingspraxis bedeutet dies, dass wir Anknüpfungspunkte für den Lernstoff finden müssen, an denen unsere Teilnehmenden das neue Wissen andocken können. Dazu ist es wichtig, Vorerfahrungen abzufragen 67 und Erfahrungsaustausch einzuplanen. Erwachsene brauchen Zeit, um neues Wissen in ihrem Wissensnetz einzuordnen. Trainertipp: Knüpfen Sie bewusst an das Vorwissen Ihrer Teilnehmenden an. 7.7 Plastizität des Gehirns Im Gehirn zeigt sich unser Wissensnetz substanziell über die 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen), die sich über Synapsen miteinander verbinden und große komplexe Netzwerke bilden. Jeden Tag verlieren wir 80.000 Nervenzellen. Doch was die neuere Forschung zeigt ist, dass gleichzeitig auch neue Nervenzellen und neue Vernetzungen gebildet werden. Bekannt wurde eine Studie, nach der Londoner Taxifahrer über deutlich mehr graue Zellen und Synapsenverbindungen im Hippocampus verfügen - dem Gehirnareal, dem unter anderem eine Spezialisierung auf räumliche Orientierung zugeschrieben wird. Wie es dazu kommt? Um eine Zulassung zu erhalten, müssen diese sich rund 25.000 Straßennamen und 20.000 Sehenswürdigkeiten merken. 68 Hier zeigt sich die Plastizität unseres Gehirns. Diese ist die Eigenschaft einzelner Synapsen, Nervenzellen und ganzer Gehirnareale sich in Abhängigkeit ihrer Nutzung zu verändern. So reagiert das menschliche Gehirn lebens- 67 Vgl. Kapitel 9.7.1 Erwartungsabfrage 68 Katherine Woollett, Eleanor A. Maguire Acquiring „the Knowledge“ of Londons Layout Drives Structural Brain Changes 2011 <?page no="111"?> 7.8 Trainingsmythen über die linke und rechte Gehirnhälfte 111 lang auf Veränderungen der Umgebung, um sich diesen anzupassen. Plastizität ist damit die Grundlage aller Lernprozesse. 69 Organisch findet das Lernen an den Synapsen statt und bewirkt, dass Impulse effizienter von einer Nervenzelle zur nächsten weitergegeben werden. 70 Bildhaft gesprochen wird aus einem kleinen Trampelpfad bei starker Nutzung eine schnelle Autobahn. Für das Lernen bedeutet dies, dass Informationen schnell und selbstverständlich abgerufen werden können. Wenn wir bestimmte Teile des Netzwerks nicht mehr nutzen, werden diese sukzessive abgebaut. Unser Gehirn organisiert sich also ständig nach dem Prinzip „Use it or lose it“ neu. Das heißt konkret, wenn wir Fähigkeiten nicht nutzen, verlieren wir sie mit der Zeit - wir vergessen. Trainertipp: Um Neuerlerntes zu festigen sind Wiederholungen erforderlich. Wichtigster Punkt hier ist hier die zeitnahe Umsetzung des Erlernten im Arbeitsalltag. 7.8 Trainingsmythen über die linke und rechte Gehirnhälfte Wie oft haben Sie schon gehört, dass wir zwei verschiedene Gehirnhälften haben, die auf unterschiedliche Leistungen spezialisiert sind? Das sogenannte Hemisphären-Modell, nach dem die linke Gehirnhälfte rational, analytisch und logisch denkt und die rechte ganzheitlich, kreativ und emotional arbeitet, wurde in den 1960er Jahren populär und hat tatsächlich einen wissenschaftlichen Kern. Die Grundidee findet sich bereits im späten 19. Jahrhundert als Hirnkartierung. Man unterteilte dabei das Gehirn in Regionen, denen unterschiedliche Funktionen zugewiesen wurden. Hinweise gaben dabei u.a. Verletzungen des Gehirns, die zu dem Verlust von Fähigkeiten führten. Den Beleg dafür, dass die linke und rechte Gehirnhälfte unterschiedliche Funktionen haben, gab es durch die ersten Operationen bei Epilepsiepatienten um 1960, bei denen die Verbindung zwischen den Gehirnhälften, der sogenannte Corpus Callossum durchtrennt wurde. Bei Experimenten zeigten die Patienten danach Defizite beim Erkennen von Wörtern und Bildern, jeweils auf welcher Gesichtsseite diese präsentiert wurden. Dieses Diskonnektionssyndrom beschrieb der US-amerikanische Neurobiologe Roger Sperry erstmals 1961. 71 69 Erstmals beschrieben wurden diese Prozesse von Donald O. Hebb 1949. The Organization of Behavior: A Neuropsychological Theory. Bildgebende Verfahren der Neurowissenschaft haben seine Annahmen inzwischen deutlich belegt. 70 Man spricht auch von Langzeitpotenzierung (kurz LTP) 71 Für seine Split-Brain-Experimente wurde Roger Sperry 1981 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Roger Sperry Problems outstanding in the evolution of Brain Function. Cambridge 1964. <?page no="112"?> 112 7 Was ist und wie geht eigentlich Lernen? Heute wissen wir, dass eine einfache Gehirnkarte, die unser Hirn in unterschiedliche Regionen unterteilt, ein vorschneller Schluss ist. Inzwischen zeigt sich, dass unser Gehirn als ganzheitliches Netzwerk arbeitet und die Informationsverarbeitung nicht auf einzelne Regionen reduzierbar ist. So zeigen Untersuchungen mittels Magnetresonanztomographie MRT, dass sowohl beim Sprechen als auch beim Hören von Sprache nicht nur die Sprachzentren der linken Hemisphäre, sondern auch weite Bereiche der rechten Gehirnhälfte aktiv sind. Kreatives Denken und analytisches Problemlösen lassen sich demnach erst im Zusammenspiel zwischen vielen verschiedenen Hirnregionen rechts und links entfalten. Dennoch entwickelte sich ein Mythos und zeigt sich in Seminaren mit Übungen, bei denen wir unsere Gehirnhälften besser verbinden sollen. Oder es gibt Tipps, wo der Text und wo das Bild bei Präsentationen platziert werden sollen, damit die Gehirnhälften optimal angesprochen werden. Und natürlich wurde das Modell auch genutzt, um eine weitere Lerntypenunterscheidung vorzunehmen: Je nachdem, welche Gehirnhälfte besonders beim Menschen dominiere, wäre er eher analytischer Kopfmensch und müsse mit Fakten gefüttert werden, oder kreativer Emotionsmensch und reagiere demnach eher auf Bilder. Das Ganze gipfelt in dubiosen Testverfahren, die genau diese Hirnhälften-Dominanz aufdecken sollen. Wissenschaftlich ist nichts davon haltbar. Deshalb sollten wir als Trainer diesen Mythos nicht weiter in die Welt tragen. Trainertipp: Verzichten Sie auf die Weiterverbreitung des Rechts-Links- Mythos! Nutzen Sie dennoch sowohl rationale als auch emotionale Kompetenten in Ihrem Training. So können eindrucksvolle Bilder mit statistischen Zahlen oder emotionales Storytelling mit Faktenwissen verbunden werden. 7.9 Die Macht der Gewohnheit oder die Tücken des Hebbschen Gesetzes Zellen, die miteinander feuern, vernetzen sich, und vernetzte Zellen feuern wieder miteinander. Donald O. Hebb 72 Das Wissensnetz, das so oft hilfreich zum Anknüpfen von neuen Informationen ist, kann manchmal auch zu einem echten Lern-Hemmer werden. Und dies ist eine wichtige Besonderheit des Erwachsenenlernens. Erwachsene haben starke Gewohnheiten, welche sich neurologisch durch starke Synapsen- 72 Diese von Donald O. Hebb formulierte Regel ging als das Hebbsche Gesetz in die Neurowissenschaften ein. <?page no="113"?> 7.9 Die Macht der Gewohnheit oder die Tücken des Hebbschen Gesetzes 113 verbindungen zeigen. Im Volksmund spricht man in diesem Zusammenhang manchmal auch vom inneren Schweinehund. Wenn Sie eine Gewohnheit verändern wollen, müssen Sie den Schweinehund überwinden. Neurologisch heißt das, dass sich neue Synapsenverbindungen stärken und alte nach und nach zurückbilden. Es geht also nicht nur darum, etwas Neues zu lernen, sondern auch darum, etwas Altes zu verlernen. Außenreize, die mit alten Gewohnheiten in Verbindung stehen, wirken dabei wie unerwünschte Einladungen. Wenn wir zum Beispiel zu unserem Morgenkaffee immer eine Zigarette rauchen und wollen uns das Rauchen abgewöhnen, ist schon der morgendliche Kaffeeduft aus der Küche eine Einladung zum Rauchen, der wir widerstehen müssen. Zudem gibt die alte Gewohnheit Sicherheit und ermöglicht eine souveräne Wirkung nach außen: Ein kleines Experiment: Stellen Sie sich vor, Sie sind Tänzer und tanzen seit Jahren zu einem Musikstück eine bestimmte Choreografie. Allein der Klang der Musik lädt ihren gesamten Organismus zur Bewegung ein. Sie kennen genau die Schrittfolge und verbinden mit jedem Takt einen Bewegungsreiz. Nun lernen Sie bei einem Training neue Bewegungsabläufe zur bekannten Musik. Zurück auf der Bühne läuft die Musik und Sie sollen die neuen Bewegungen vor den Augen des Publikums zeigen. Das alte Bewegungsmuster ist in Fleisch und Blut übergegangen und ist ganz einfach fehlerfrei durchzuführen. Wagen Sie das Risiko und die Mühen der Veränderung? Nicht anders geht es Teilnehmenden, die nach einem Training in den Arbeitsalltag zurückkommen. Vielleicht haben Sie 10-Finger-Schreiben gelernt - aber mit den gewohnten 2-Finger-System sind Sie viel schneller und fühlen sich sicherer (vor allem, wenn vielleicht noch ein Kunde anwesend ist oder die Kollegen mit im Raum sind). Vielleicht haben Sie gelernt, wie Sie Ihren Mitarbeitern Feedback geben sollen. Weder Sie noch Ihre Mitarbeiter sind eine solche Kommunikation gewohnt und es fühlt sich so unecht an, die neuen Formulierungen zu nutzen. Da fällt es leicht, die Umsetzung auf einen anderen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Im schlechtesten Fall ist der Alltag unserer Teilnehmenden eine einzige Einladung zu alten Verhaltensmustern. Bei einer Verhaltensänderung müssen neben dem Verhalten auch das Arbeitsumfeld und die bestehenden Einladungen zu altem Verhalten betrachtet werden. Bewährt hat sich dabei die Integration der zukünftigen Einladungen in den Lernprozess. Fragen Sie Ihre Teilnehmenden, nicht nur welche Gründe für, sondern auch welche Gründe gegen eine Veränderung sprechen; welche (unerwünschten) Auswirkungen das Zeigen des neuen Verhaltens wahrscheinlich hat; wen das neue Verhalten vielleicht irritieren wird; <?page no="114"?> 114 7 Was ist und wie geht eigentlich Lernen? in welchen Situationen es Ihnen vielleicht besonders schwer fallen könnte. Dabei sollten auch anfängliche Misserfolge oder auch eine Hemmung, das neue Verhalten zu zeigen, integriert werden. Ich mache dazu oft zu Beginn des Trainings ein kleines Experiment mit den Teilnehmenden: „Überkreuzen Sie vor dem Körper die Arme. Überprüfen Sie, welcher Ihrer Arme jetzt oben liegt - der rechte oder der linke Arm? Überkreuzen Sie nun noch einmal neu: Legen Sie nun den anderen Arm nach oben. Wie fühlt sich das an? “ Oft erhalte ich dann die Antworten ungewohnt, komisch oder falsch. Ich bitte die Teilnehmenden, sich dann umzusehen, ob es denn von außen auch so komisch oder falsch aussieht. Diese Übung erläutere ich dann im Anschluss: „Genau wie bei dieser Übung wird es Ihnen auch gehen, wenn Sie hier im Training neue Verhaltensweisen erproben oder wenn Sie diese im Anschluss im Arbeitsalltag integrieren möchten. Es fühlt sich erst einmal ungewohnt, komisch oder falsch an. Mit jeder Wiederholung wird es Ihnen normaler erscheinen.“ Trainertipp: Bereiten Sie Ihre Teilnehmenden vor: Integrieren Sie mögliche unerwünschte Auswirkungen des neuen Verhaltens in Training, so dass Ihre Teilnehmenden auf „Einladungen zum alten Verhalten“ vorbereitet sind. 7.10 Wie Sie Ihr Wissen wirksam weitergeben - didaktische Prinzipien Die meisten Menschen sind bereit zu lernen, aber nur die wenigsten, sich belehren zu lassen. Winston Churchill Wolfgang Sanders benennt 6 grundlegende didaktische Prinzipien 73 , an denen Sie sich bei der Vorbereitung, Durchführung und Evaluation Ihrer Veranstaltungen orientieren können. Diese stehen in direkter Verbindung zu 73 Wolfgang Sander: Politik entdecken - Freiheit leben (2001) <?page no="115"?> 7.10 Wie Sie Ihr Wissen wirksam weitergeben - didaktische Prinzipien 115 den Ausführungen in Bezug auf die Teilnehmermotivation (Kapitel 4.1) und den neurologischen Grundlagen des Lernens, die in den letzten Kapiteln erläutert wurden. 1. Adressatenorientierung Wählen Sie Ihre Lerninhalte und Methoden gemäß den Erfahrungen und Interessen Ihrer Teilnehmenden aus. Ihre Wissensvermittlung knüpft idealerweise direkt am Vorwissen und den Voreinstellungen Ihrer Teilnehmenden an. Dieses erste didaktische Prinzip entspricht dem Anknüpfen an das Wissensnetz. Praktisch verlangt es eine gute Auftragsklärung und eine sorgfältige Erwartungsabfrage. 2. Exemplarisches Lernen Arbeiten Sie mit Beispielen! Diese sollten so ausgewählt sein, dass die Teilnehmenden das Wissen auf andere Situationen und Kontexte übertragen können. Das erleichtert das Anknüpfen ans Wissensnetz. Sie verbinden neuen Wissensstoff mit dem persönlichen Erleben. Zudem sprechen Sie mit Beispielen viele Sinnesrepräsentationen an. Eine gut erzählte Beispielgeschichte lädt die Teilnehmenden zum Miterleben ein, sie erzeugt Bilder und Gefühle und erleichtert den Einstieg in theoretische Modelle auf der Metaebene. 3. Problemorientierung Wählen Sie Ihre Lernaufgaben so aus, dass der Problemgehalt erkennbar ist. In Bezug auf Lernmotivation haben wir in Kapitel 4.1 festgehalten, dass Teilnehmende einen nachvollziehbaren Grund brauchen, warum sie etwas Neues lernen sollen. Ein Problem zu lösen oder zu vermeiden ist meiner Erfahrung nach einer der stärksten Motivatoren, die Sie Teilnehmenden bieten können. Nachvollziehbare Probleme helfen zusätzlich den Dunning-Kruger- Effekt zu vermeiden. Sie führen direkt auf die Stufe der bewussten Inkompetenz 74 . 4. Kontroversität Fragestellungen sollten so ausgewählt und strukturiert werden, dass eine implizite kontroverse Struktur erkennbar werden kann. Geben Sie Ihren Teilnehmenden Diskussionsstoff. Was spricht für, was gegen eine bestimmte Vorgehensweise? Wie könnte man ein Problem noch lösen? Sie lernen die Wahrnehmungsfilter 75 Ihrer Teilnehmenden kennen, und die Gruppe kann unterschiedliche Bewertungen abwägen. Der offene Austausch verschiedener Standpunkte entspricht dem Lernen auf Augenhöhe. Teilnehmende fühlen sich weniger belehrt. So sind Sie als Trainer Lernbegleiter und nicht un- 74 Vgl. Kapitel 7.1 75 Vgl. Kapitel 7.3 <?page no="116"?> 116 7 Was ist und wie geht eigentlich Lernen? nahbarer Fachexperte. Gleichzeitig berücksichtigen Sie das Hebbsche Gesetz (Kapitel 7.9) und thematisieren Einladungen in Verhaltensmuster, die ansonsten den Lerntransfer im Anschluss ggf. verhindern würden. 5. Handlungsorientierung Wissensinhalte werden in Lernsituationen so thematisiert, dass die Lernenden vielfältige Gelegenheiten zu einem aktiv-handelnden Umgang mit ihnen haben. Geben Sie Ihren Teilnehmenden die Möglichkeit, Dinge auszuprobieren. Schöpfen Sie im Methodenpool aus dem Vollen und bauen Sie Methoden zur Lernzielkontrolle und zur Fokussierung ein. Nutzen Sie Moderationsmethoden und Auflockerungen, so dass Ihre Teilnehmenden nicht zum Passiv- Konsumieren, sondern zum aktiven Ausprobieren, Üben und Diskutieren eingeladen sind. 76 6. Wissenschaftsorientierung Hier ist Ihre Fachkompetenz 77 gefragt, denn das angebotene Wissen und der methodische Umgang mit ihm soll vor dem Hintergrund der jeweiligen Bezugswissenschaft verantwortbar sein. Damit ist gemeint, dass Ihre Lehre Hand und Fuß haben soll. Fragen von Teilnehmenden wie: Können Sie das belegen? oder Wer sagt das (außer Ihnen)? sollten Sie leicht beantworten können. Belegen Sie Ihre Aussagen mit aktuellen wissenschaftlichen Studienergebnissen und liefern Sie auch bei Nachfrage die Quellen derselben. Abbildung 11: Didaktische Prinzipien nach Sanders 76 Vgl. Kapitel 9 77 Vgl. Kapitel 3.2 Adressatenorientierung Exemplarisches Lernen Problemorientierung Kontroversität Handlungsorientierung Wissenschaftsorientierung <?page no="117"?> 8 In 5 Schritten Trainings konzipieren Nun geht es zur praktischen Umsetzung: Das folgende Schaubild zeigt, wie ein Training Schritt für Schritt konzipiert werden kann. Abbildung 12: Trainings konzipieren 1. A und O einer guten Konzeption ist Klarheit über die Wünsche des Auftraggebers und der Teilnehmenden. Gleichzeitig schwingen bei jedem neuen Auftrag Fragen der Selbstreflexion mit: „Kann und will ich diesen Auftrag übernehmen? “ Vertiefende und ergänzende Informationen finden Sie in Kapitel 8.1. 2. Bei einer Urlaubsreise steht für Sie wahrscheinlich das Reiseziel fest, bevor sie beginnen die Koffer zu packen. Genauso verhält es sich bei der Trainingskonzeption. Bevor Sie über Inhalte und Methoden nachdenken, sollte das Lernziel klar formuliert sein. Dazu formulieren Sie zuerst ein Groblernziel für die Gesamtveranstaltung und anschließend Feinlernziele, die in den einzelnen Etappen erreicht werden sollen. Wie das genau funktioniert, erfahren Sie in Kapitel 8.2. 3. Damit ein Training wirksam wird, planen Sie als nächsten Schritt Methoden, mit denen Sie das Erreichen der Lernziele bereits während der Veranstaltung überprüfen. Das sind die Teile der Veranstaltung, in denen Ihre Teilnehmenden aktiv sind, z.B. die Übungen, bei denen Teilnehmende den Lernstoff praktisch anwenden. Eine hilfreiche Sammlung von Methoden zur Lernzielkontrollen bietet Ihnen Kapitel 9.2. 4. Und endlich ist es so weit - es geht um den Wissensstoff. Sie überlegen, welche Inhalte Sie den Teilnehmenden zu Verfügung stellen müssen, damit diese ihre Lernziele erreichen können. Wenn Sie also z.B. eine Übung als Lernzielkontrolle geplant haben, sind es die Informationen, die die Teilnehmenden brauchen, um die Übung erfolgreich zu absolvieren. Dass dieser Schritt erst jetzt erfolgt, ist außerordentlich wichtig. Immer wieder erlebe ich Businesstrainings, bei denen zu früh und zu lange über die Inhalte nachgedacht wurde und dann leider keine Zeit für die praktische Umsetzung und die Diskussion des Lernstoffs bleibt. Das Lernziel bleibt 1. Auftragsklärung 2. Formulieren von Lernzielen 3. Methoden zur Lernzielkontrolle wählen 4. Lerninhalte und Vermittlungsmethoden auswählen 5. Trainings- Leitfaden erstellen <?page no="118"?> 118 8 In 5 Schritten Trainings konzipieren so auf der Strecke und weder Teilnehmende noch Leitung können im Anschluss sagen, was genau erreicht wurde. Ein typisches Feedback ist bei solchen Veranstaltungen: „... das war jetzt sehr viel, das muss ich erstmal verdauen und dann sehen, ob ich das anwenden kann ...“. Welche Methoden Sie nutzen können, um Ihre Teilnehmenden auf Ihren Wissensstoff neugierig zu machen und Inhalte zu vermitteln, erfahren Sie in Kapitel 9.4 und 9.5. Und wenn Sie darüber hinaus noch erfahren möchten, wie sie Ihr Wissen wirksam visualisieren, dann finden Sie Anregungen in Kapitel 10. 5. Jetzt wird es Zeit, die Gesamtstruktur zu planen. Wie beim guten alten Stundenplan in der Schule dient sie als übersichtlicher Zeitplan, der Ihnen auf einen Blick verrät, wann Sie welchen Stoff wie bearbeiten und welche Medien und Materialien Sie dazu benötigen. Kapitel 12 gibt Ihnen einen tieferen Einblick in die Geheimnisse der Ablaufplanung und die Gestaltung des Trainingsleitfadens. Außerdem finden Sie in Kapitel 9.7 ff bewährte Methoden für den Gesamtrahmen ihrer Veranstaltung. 8.1 Auftragsklärung, Bedarfsanalyse und Reflexion Bei der Planung eines Trainings müssen unterschiedliche Aspekte bedacht werden. Um ein umfassendes Verständnis zu gewinnen, empfiehlt es sich zu Beginn drei Perspektiven unter die Lupe zu nehmen: 1. Ihre Perspektive als Leitung - Reflexion 2. die Perspektive des Auftraggebers - Auftragsklärung 3. die Perspektive der Teilnehmenden - Bedarfsanalyse Die erste Klärung des Auftrags findet meist telefonisch oder per Mail statt, wenn ein Unternehmen ein Angebot für ein Training anfordert. Oft werden bereits zu Beginn Rahmendaten, wie das Thema, die Zielgruppe, die Gruppengröße und wann das Training stattfinden soll, benannt. Wenn ein Angebot schriftlich angefordert wird, greife ich meist direkt zum Hörer, um mich für die Anfrage zu bedanken und noch fehlende Daten für das Angebot zu erfragen (telefonisch kläre ich als Selbstständige an dieser Stelle bereits den Tagessatz) 78 . Idealerweise findet danach ein persönliches Gespräch mit dem Auftraggeber und eine Hospitation im Unternehmen statt, bei der Sie die Perspektive der Teilnehmenden erkunden. Dabei besuche ich nach Absprache einige der Teilnehmenden an ihrem Arbeitsplatz und verschaffe mir einen Eindruck vom Arbeitsumfeld, den Aufgaben und den Teilnehmenden. Dabei geht es mir einerseits darum, ein Gefühl für die Stimmung (insgesamt und dem Training gegenüber) zu gewinnen, andererseits führe ich eine informelle Be- 78 In Kapitel 15.2 finden Sie Hinweise zur Kalkulation von Tagessätzen und das Erstellen von Angeboten. <?page no="119"?> 8.1 Auftragsklärung, Bedarfsanalyse und Reflexion 119 darfsanalyse durch. Wenn eine Bedarfsanalyse vor Ort nicht möglich ist, nutze ich eine Online-Abfrage. Den Prozess der Auftragsklärung und Bedarfsanalyse begleitet auch immer ein Reflexionsprozess. Dieser ist genauso wichtig, wie die Befragung des Auftraggebenden und der Teilnehmenden. Wenn Sie zu Beginn ein komisches Gefühl haben oder Ihnen etwas nicht stimmig erscheint, ist das ein wichtiger Hinweis, den Sie nicht ignorieren sollten. Folgende Fragen - angelehnt an die TZI 79 helfen Ihnen bei der Erkundung Ihrer eigenen Perspektive: 1. Meine Perspektive als Leitung - Reflexionsfragen: ES-Thema Wie fit bin ich im Thema? Welche relevanten Inhalte muss ich mir selbst noch erarbeiten? Wie ist meine Stimmung in Bezug auf das Thema? Für was kann ich mich begeistern / für was brenne ich? Reicht meine Motivation aus, um auch andere vom Thema zu begeistern? Habe ich bereits Trainingsleitfäden, Seminarunterlagen zu diesem oder ähnlichen Themen, die ich nutzen könnte? Welche einprägsamen Geschichten, Bilder und Beispiele könnte ich nutzen, um den Inhalt anschaulich zu machen? Was sind Kernfragen, mit denen ich die Aufmerksamkeit meiner Teilnehmenden lenken möchte? Wieviel Zeit habe ich für die Vorbereitung der Maßnahme? ICH Wie sehe ich meine Rolle? (Trainer, Coach, Berater, Moderator, Mediator, Supervisor …) Was motiviert mich darüber hinaus (intrinsisch - extrinsisch)? Welchen Nutzen ziehe ich aus der Maßnahme (finanziell, ideell…)? Welche Kosten entstehen mir - auf was muss ich ggf. verzichten? Warum bin ich der „Richtige“ für den Auftrag? Was sind meine persönlichen Ziele in Bezug auf die Maßnahme? Was sind meine persönlichen Grenzen in Bezug auf den Auftrag? Welcher Kontakt besteht bisher zum Auftraggebenden/ zu den Teilnehmenden? Worauf bin ich neugierig? Worauf freue ich mich? 79 TZI Themenzentrierte Interaktion - vgl. Kapitel 5.2 <?page no="120"?> 120 8 In 5 Schritten Trainings konzipieren GLOBE Sind die Rahmenbedingungen klar und kann ich gut in diesem Rahmen arbeiten? Reicht die Zeit aus? Verlaufen die Auftragsverhandlungen transparent und fair? Was weiß ich über die Produkte und Leistungen meines Auftraggebers? Was halte ich von den Produkten und Leistungen? Wie stehe ich zum Unternehmen / Auftraggeber? Welche Vorbehalte habe ich ggf.? Was reizt mich an genau diesem Auftraggeber? Steht bereits fest, in welchen Räumen das Training stattfindet? Wenn ja: Kenne ich mich dort aus? Sind die Räume meiner Meinung nach geeignet für das Training? Wenn nein: Wie sieht ein ideales Umfeld für dieses Training meiner Meinung nach aus? Bei Online-Trainings: Auf welcher Plattform findet das Training statt? Fühle ich mich dort sicher? Wer ist Host bzw. wer unterstützt mich technisch bei der Umsetzung? Wie oder mit wem kann ich ggf. vorab üben, mich dort souverän zu bewegen? WIR Kenne ich die Gruppe? Gibt es die Möglichkeit vorab, Teilnehmende persönlich kennenzulernen? Passe ich zur Zielgruppe? Welche Gemeinsamkeiten haben wir? Welche Vorbehalte habe ich ggf. gegenüber den Teilnehmenden? Welche Vorbehalte gibt es ggf. mir gegenüber? Welche Verhaltensweisen und welche Grundstimmung erwarte ich? Wie kann ich die Gruppe am besten abholen? Wie sorge ich für Auflockerung und Kommunikation in der Gruppe? Welche teambildenden Elemente kann ich mir im Training vorstellen? 2. Perspektive des Auftraggebenden - mögliche Fragen an Auftragsgebende zur Klärung: Wie soll der Veranstaltungstitel lauten / das Thema benannt werden? Was ist das Ziel der Maßnahme? Was sollen die Teilnehmenden danach können? Was sollen sie wissen? Von was sollen sie überzeugt sein? Was muss inhaltlich auf jeden Fall behandelt werden, was kann ggf. nur oberflächlich behandelt oder weggelassen werden? Wie viele Teilnehmende sind dabei? Sind Sie als Auftraggebender bei der Veranstaltung dabei? Sprechen Sie eventuell Begrüßungsworte? Kennen die Teilnehmenden sich? Wenn ja, in welcher Beziehung stehen sie zueinander? (Hierarchie, Sympathie, Du/ Sie, Konkurrenz, …) <?page no="121"?> 8.1 Auftragsklärung, Bedarfsanalyse und Reflexion 121 Welche Vorkenntnisse haben die Teilnehmenden zum Thema? Gab es bereits Schulungen - wie kamen diese ggf. bei den Teilnehmenden an? Welche Einstellung haben die Teilnehmenden zu dem Thema? Welche Vorbehalte gibt es? Soll es einen Reader, Arbeitsblätter und / oder ein Fotoprotokoll geben? In welcher Form werden die Unterlagen verteilt (digital / Papier)? Wie sehen Sie meine Rolle? Was erwarten Sie von mir? Warum haben Sie sich gerade für mich entschieden? Woran würden Sie nach dem Training festmachen, dass die Veranstaltung ein Erfolg war? Wie, von wem und wann werden die Teilnehmenden über die Veranstaltung informiert? Haben die Teilnehmenden sich die Maßnahme gewünscht oder wurde diese „verordnet“? Soll es am Ende Feedback geben und wenn ja in welcher Form (Evaluationsbogen, Blitzlicht …)? Was soll bei der Evaluation abgefragt werden: Transfer in den Arbeitsalltag, Zusammenarbeit mit der Gruppe, Trainerleistung …? Welchen Stellenwert haben das Thema und die Veranstaltung im Unternehmen? Welche Schlagworte und Fachbegriffe werden im Unternehmen mit dem Thema / der Maßnahme verknüpft? Wer engagiert sich in der Organisation für die Durchführung der Maßnahme? Wer sieht die Maßnahme eher kritisch? Wie sehen Vorstand/ Geschäftsleitung, Führungskräfte, Betriebsrat das Thema/ die Maßnahme? Wer sichert im Unternehmen den Transfer der Lerninhalte? Sind Trainings on the Job, Gespräche mit Führungskräften oder Lernteams geplant? Welche organisatorischen Voraussetzungen stehen gegen den Lerntransfer (Zeitdruck, gegensätzliche Interessen, Prioritäten ...) Wie finden sich die Unternehmenswerte in der Maßnahme wieder? Welchen Nutzen hat das Unternehmen kurz-, mittel- und langfristig von der Maßnahme? Welche (positiven und negativen) Auswirkungen kann die Maßnahme noch auf die Gesamtorganisation haben? Bei Online-Trainings: Welche Plattform soll genutzt werden? Welche Interaktionsmöglichkeiten bietet die Plattform? Welche externen Tools dürfen eingesetzt werden? <?page no="122"?> 122 8 In 5 Schritten Trainings konzipieren Gibt es technische Unterstützung? Kennen alle Teilnehmenden die Plattform? Falls die Plattform vom Unternehmen betrieben wird: Mit wem kann ich die Technik vorab testen? Bei Präsenzveranstaltungen: Findet die Maßnahme inhouse oder extern statt? Wie sichern wir bei einer Inhouseveranstaltungen ab, dass keine Störungen durch Kollegen, Führungskräfte, Kunden etc. entstehen und die Teilnehmenden nicht zwischendurch an den Arbeitsplatz gehen und dort tatsächlich oder gedanklich „hängen bleiben“? Welcher Raum/ welche Räume stehen für die Maßnahme zu Verfügung? Gibt es Ausweichmöglichkeiten für Gruppen-/ Einzelarbeiten (Sitzgruppen im Foyer …)? Welche Anordnung von Stühlen und Tischen ist möglich? Gibt es die Möglichkeit, Tische aus dem Raum zu entfernen? Welche Medien stehen mir zur Verfügung (Flipchart, Metaplanwand, Beamer …)? Wie attraktiv ist der Veranstaltungsort für die Teilnehmenden? Gibt es im Umfeld Möglichkeiten, die didaktisch genutzt werden können (Wald, Bibliothek, Museum …)? Wenn ja - ist der Auftraggeber damit einverstanden (Versicherungsfragen)? Wo halten sich die Teilnehmenden während der Pausen auf? Welche Form der Verpflegung ist geplant - Begrüßungskaffee, Kaffeepausen, Mittagspause …? Gibt es ein Abendprogramm? Welche Freizeitaktivitäten sind möglich? Wer unterstützt mich als Leitung vor Ort (beim Umbau, Auf- und Abbau, technischen Pannen/ Fragen …)? Gibt es offenes WLan? Wie ist der Mobilfunkempfang? Welche Medien gibt es vor Ort? Kann ich den Raum zuvor in Augenschein nehmen? Wann kann ich den Raum vorbereiten? 3. Teilnehmerperspektive - mögliche Fragen zur Bedarfsanalyse: Wie interessant / relevant ist das Thema für Sie? Welche Probleme können Sie ggf. durch das Training lösen oder vermeiden? Haben Sie schon einmal an einem Training zu diesem Thema teilgenommen? <?page no="123"?> 8.2 Der Weg zum Training beginnt beim Ziel! 123 Welche Vorkenntnisse haben Sie ansonsten? Welche Inhalte / Methoden wünschen Sie sich konkret? Woran würden Sie für sich nach der Maßnahme festmachen, dass das Training sich für Sie gelohnt hat? Welchen Grad an Vertraulichkeit wünschen Sie sich, um sich bei der Maßnahme auf das Thema einzulassen (z.B. alles, was hier im Raum von Teilnehmenden gesagt wird, bleibt im Raum …)? Welche Erwartungen haben Sie an mich als Leitung? 8.2 Der Weg zum Training beginnt beim Ziel! Ich erinnere mich an eine Situation, in der ein junger, sehr engagierter Kollege mir erzählte, dass er im Moment eine Schulung durchführe, bei der er den Teilnehmenden über 200 PowerPoint-Folien an einem Tag vermitteln müsse. Es gäbe keine Zeit für Übung und Austausch und er sei am Abend vollkommen erschöpft und wisse nicht, wie lange seine Stimme das noch mitmache. Als ich ihn fragte, was denn das Lernziel seiner Veranstaltung sei, antwortete er mir verdutzt: „Sag ich doch - ich muss die 200 Folien vermitteln.“ Dieses Beispiel zeigt ein häufig auftretendes Missverständnis. Das Vermitteln von Lerninhalten ist nicht das Lernziel. Mag sein, dass es sich in unserer Schulzeit bewährt hat, den Lernstoff aus dem Lehrbuch möglichst detailreich zu pauken, um die Klassenarbeit erfolgreich zu meistern. Wer also gut im Auswendiglernen war, hatte in vielen Fächern klare Vorteile. Diese Form des Lernens wird zu Recht auch als „Bulimie-Lernen“ verspottet. Nachdem man sich möglichst viel reingestopft hat, soll auf Kommando alles wieder raus. Danach wird es nicht mehr gebraucht und darf vergessen werden. Dies kann nicht der Anspruch eines Businesstrainings sein, bei dem Teilnehmende die Trainingsinhalte anschließend in ihrem Arbeitsumfeld umsetzen sollen. Das gilt sowohl für Trainings, die spezifische Fähigkeiten (Kommunikation, Management, IT-Fähigkeiten, …) vermitteln, als auch für Trainings mit einem stärkeren Fokus auf Wissen (Datenschutz, Sicherheit, …). Auch Wissen muss im Arbeitsumfeld umgesetzt werden. Wenn die Teilnehmenden eines Trainings beispielsweise alle Neuerungen des Datenschutzes auswendig wiedergeben können, aber ihr Wissen nicht im Beruf anwenden, dann war das Training umsonst. So viel zu den 200 Folien, die vermittelt werden müssen. Was ist also das Lernziel? Das Lernziel ist das erwünschte Verhalten, das Teilnehmende nach einem Training zeigen. <?page no="124"?> 124 8 In 5 Schritten Trainings konzipieren Es geht um Handlungskompetenz, also die Bereitschaft und Befähigung sich in beruflichen Situationen sachgerecht und verantwortungsvoll zu verhalten. 80 Wir rollen das Training bei der Planung also von hinten auf, während Teilnehmende beim Training sich zuerst mit den Inhalten befassen, diese dann üben und danach ein neues Verhalten zeigen, überlegen wir uns bei der Planung zuerst, welches neue Verhalten wir konkret ermöglichen möchten. Wichtig ist, dass wir dieses Verhalten bereits im Training erzeugen können. Man spricht hier von einer Lernzielkontrolle. Abbildung 13: Trainingsplanung Ein Beispiel Nehmen wir an, Sie schulen Servicekräfte, die unterstützt von einer neuen Software einen Beratungsprozess durchführen sollen. Das Lernziel ist nicht , dass die Teilnehmenden jeden Menüpunkt des Softwareprogramms aufzählen oder die 27 verschiedenen Wege durchs Programm beschreiben, oder dass sie die Leitlinien des Unternehmens bezüglich Beratungsqualität auswendig können. Nein, Ihr Lernziel ist: Die Teilnehmenden setzen die Software im Beratungsgespräch für das Unternehmen sinnstiftend ein. 81 Das Lernziel gibt eine klare Orientierung über das, was im Training passieren muss. Idealerweise ist so, dass wir das Erreichen des Lernziels bereits beim Training schrittweise überprüfen. Wir inszenieren also beim Training 80 Die Kultusministerkonferenz definiert Handlungskompetenz 2007 als „die Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht, durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten“ 81 Verzichten Sie bei der Formulierung auf die Worte „können“ und „wissen“. Beschreiben sie das Verhalten so, dass es beobachtbar/ prüfbar ist. Formulieren eines Lernziels Auswahl einer geeigneten Lernzielkontrolle Auswahl der Lehrinhalte <?page no="125"?> 8.2 Der Weg zum Training beginnt beim Ziel! 125 Situationen, bei denen die Teilnehmenden das Zielverhalten bereits zeigen können. Es gilt also Sequenzen einzuplanen, die als Lernzielkontrolle dienen. Im Training wechseln sich also Wissensvermittlung und Lernzielkontrolle fortwährend ab. Bei diesem Wechsel zwischen Wissensvermittlung und Aktivierung der Teilnehmenden spricht man auch von Rhythmisierung. Abbildung 14: Rhythmisierung der Wissensvermittlung und Lernzielkontrollen Konkret bei unserem Beispiel brauchen wir also idealerweise Übungen, bei der die Teilnehmenden die Software in unterschiedlichen typischen Beratungssituationen einsetzen. Wir schaffen idealerweise einen Raum, in dem Teilnehmende mit dem Programm arbeiten und in dem alle Fehler passieren dürfen, die es im Echtbetrieb zu vermeiden gilt. Um den Bereich der Beratung zu simulieren, könnten wir z.B. Rollenspiele einsetzen, bei denen Teilnehmende sich abwechselnd in die Rolle des Kunden und des Beratenden versetzen und sich gegenseitig Feedback geben. Um die Komplexität zu Beginn zu reduzieren, kann die Bedienung des Programms zuerst separat geübt werden, und erst später werden Rollenspielsequenzen ergänzt. Eine Lernzielkontrolle für das Beherrschen des Programms könnte darin bestehen, dass die Teilnehmenden grundlegenden Funktionen des Programms demonstrieren. Sie könnten etwa zu Beginn in der Software einen Übungskunden anlegen oder einen fiktiven Beratungsprozess. Der Einsatz in einer Beratungssituation baut dann auf diesen grundlegenden Fähigkeiten auf. Das Ziel bestimmt also den Weg. Wenn wir das Ziel kennen, wissen wir sofort, welche Methoden erforderlich sind. Und das Ziel bestimmt den Inhalt. So nehmen wir mit der Zieldefinition eine didaktische Reduktion vor. Das bedeutet, dass wir komplexe Sachverhalte auf die wesentlichen Elemente re- Wissensvermittlung Lernzielkontrolle Wissensvermittlung Lernzielkontrolle Wissensvermittlung <?page no="126"?> 126 8 In 5 Schritten Trainings konzipieren duzieren, die notwendig sind, um sie für unsere Teilnehmenden in der verfügbaren Zeit überschaubar und begreifbar zu machen. Viel Stoff in wenig Zeit In meinen Trainerausbildungen höre ich oft den Einwand: „Hilfe, ich habe so viel Lernstoff und so wenig Zeit, das geht bei mir nicht! “ Atmen Sie erst einmal tief durch. Das Wissen, das Sie vermitteln, kann sicher von den Teilnehmenden bei der Arbeit bei Bedarf abgerufen werden. Damit meine ich, dass Ihre Teilnehmenden nicht alles auswendig wissen müssen, sondern nur wissen müssen, welche praktische Relevanz dieses Wissen hat und wo sie es bei Bedarf finden. Stellen Sie sich vor, Sie würden eine Schulung zu Wikipedia durchführen - hier wäre es ja auch nicht Ziel, alle Inhalte zu vermitteln, sondern den Umgang mit diesem Nachschlagewerk zu üben und die Quellen richtig einzuschätzen. Es geht also darum, den Teilnehmenden im ersten Schritt zu verdeutlichen, dass sie Situationen erkennen, bei denen dieses Wissen bedeutsam ist, und im zweiten Schritt darum, dass sie das Wissen dann selbstständig beschaffen und anwenden können. Nehmen wir ein Beispiel. Sie planen eine Schulung zum Thema Korruption für den Einkauf und Sie haben nur 1,5 Stunden Zeit. Vielleicht erscheint es Ihnen wichtig, die Paragrafen des Ordnungswidrigkeitengesetzes und des Strafgesetzbuchs zu vermitteln, genauer: § 130 Abs. 1 OWiG, § 130 Abs. 3 OWiG, § 9 OWiG, § 29a OWiG, § 7 Abs. 2 StGB, § 11 Abs. 1 StGB, §§ 73 und 73a StGB, § 266 StGB Untreue, § 299 Abs. 1 StGB, § 299 Abs. 2 StGB, § 323 StGB, § 331 StGB Vorteilsnahme und § 333 StGB Vorteilsgewährung. Doch dafür reichen die 1,5 Stunden nicht aus, oder zumindest sind keinerlei Lernzielkontrollen möglich. Wenn Sie jedoch das Lernziel formulieren: Die Teilnehmenden erkennen relevante Situationen im Alltag und verhalten sich ordnungsgemäß, dann könnte die Vorgehensweise zum Beispiel folgende sein: Die Teilnehmenden bearbeiten in Kleingruppen verschiedene Fallbeispiele aus dem Arbeitsalltag. Dabei stehen ihnen die Gesetzestexte zur Verfügung. Sie als Leitung begleiten die Gruppen bei der Bearbeitung und korrigieren, wenn dies notwendig ist. In einem kurzen Rollenspiel stellen die Kleingruppen danach vor, wie sich der Einkauf in der dargestellten Situation richtig verhält. Zwischen den Rollenspielen beantworten Sie Fragen und ergänzen, wenn notwendig. Am Ende geben Sie kurz einen Überblick über die häufigsten Situationen und die korrekte Verhaltensweise. Darüber hinaus stellen Sie den Teilnehmenden eine einseitige Merkliste „Folgende Punkte sind zu beachten“ zu Verfügung und die Teilnehmenden erhalten Links zu den Gesetzestexten. Idealerweise wird ein Ansprechpartner im Unternehmen genannt, der in schwierigen Situationen Auskunft geben kann. <?page no="127"?> 8.2 Der Weg zum Training beginnt beim Ziel! 127 Richt-, Grob- und Feinlernziele Bisher haben wir uns nur Lernziele für eine Gesamtveranstaltung angesehen. In der Didaktik unterscheidet man zwischen Richt-, Grob- und Feinlernzielen. 1. Das Richtlernziel lässt sich am besten als Lernfeld beschreiben. Hier wird das Wissensgebiet angegeben, auf dem Kenntnisse oder Kompetenzen erworben werden sollen. 2. Das Groblernziel formuliert bereits ein Verhalten, das die Teilnehmenden nach dem Training zeigen. Dieses sollte so formuliert sein, dass es überprüfbar ist. Didaktik-Profis formulieren diese bereits bei der Auftragsklärung (Was konkret sollen die Teilnehmenden nach der Veranstaltung wissen und können? ). 3. Die Feinlernziele werden aus dem Groblernzielen abgeleitet und beschreiben die gewünschte Verhaltensänderung durch das Training ganz konkret. Sie strukturieren einzelne Schritte des Trainings, da das Groblernziel meist nicht in einem großen Schritt erreicht werden kann. Idealerweise werden die Feinlernziele bereits durch kleine Lernzielkontrollen im Training überprüft, so dass alle Teilnehmenden am Ende des Trainings das Groblernziel erreicht haben. Hier ein Beispiel aus meinem Trainingsalltag: Veranstaltungstitel: Online-Meetings erfrischend anders Richtlernziel: Die Teilnehmenden erwerben Kompetenzen im Bereich der Leitung von Online-Meetings. Groblernziel: Die Teilnehmenden bereiten Online-Meetings professionell vor und führen diese erfolgreich durch. Feinlernziele: Die Teilnehmenden benennen die Besonderheiten der Online-Kommunikation. Die Teilnehmenden erstellen eine Agenda für ein Online-Meeting. Die Teilnehmenden nutzen mindestens 3 unterschiedliche Interaktionsmöglichkeiten auf der Plattform. Trainertipp: Ein gut formuliertes Feinlernziel beschreibt ein konkretes beobachtbares Verhalten. Damit liefert es bereits eine konkrete Vorstellung für mögliche Lernzielkontrollen - also dafür, welche Arbeitsaufgaben Sie stellen könnten, um dieses Verhalten bereits im Training zu erleben. Man spricht dabei von kompetenzorientierten Lernzielen. <?page no="128"?> 128 8 In 5 Schritten Trainings konzipieren Das Erfolgsgeheimnis dabei liegt in den Verben, die Sie bei der Formulierung verwenden. Diese beschreiben ein beobachtbares Verhalten. Achtung: Der Volksmund sagt, der Teufel liegt im Detail, und genauso ist es hier! Formulieren Sie die Feinlernziele aus dem Beispiel etwas anders, werden sie unklar und die Lernzielkontrolle ist deutlich schwieriger. Bei unserem Beispiel wären schlechte Formulierungen : Die Teilnehmenden kennen die Besonderheiten der Online-Kommunikation. Die Teilnehmenden wissen, wie eine Agenda für ein Online-Meeting aussieht. Die Teilnehmenden können mindestens 3 unterschiedliche Interaktionsmöglichkeiten auf der Plattform nutzen. In der Tabelle in Kapitel 8.2.3 finden Sie Beispiele geeigneter Verben für die Formulierung Ihrer Feinlernziele! Lernzielbereiche und Lernzielkontrollen „Ganzheitliches Lernen findet mit Kopf, Herz und Hand statt.“ Johann Heinrich Pestalozzi Menschen sind keine Roboter. Ich kann ein neues Verhalten nicht einfach programmieren und es erfolgt dann ganz automatisch. Damit ein erwachsener Mensch sein Verhalten verändert, muss er nicht nur über Wissen und Fertigkeiten verfügen, er muss auch eine Überzeugung gewinnen, dass das neue Verhalten Sinn ergibt. Dementsprechend unterscheiden wir Lernziele im kognitiven, affektiven und psychomotorischen Bereich. Auch wenn im Businesstraining kognitiven Lernziele vordergründig die Hauptrolle spielen, funktioniert die Umsetzung nur, wenn auch affektive und psychomotorische Aspekte berücksichtigt werden. Abbildung 15: Zusammenspiel der Lernzielbereiche Kopf kognitiv Herz affektiv Hand psychomotorisch <?page no="129"?> 8.2 Der Weg zum Training beginnt beim Ziel! 129 Trainertipp: Um Ihre Teilnehmenden nicht nur zu belehren, sondern auch zu überzeugen und zu befähigen, sollten Sie deshalb Lernzielkontrollen auswählen, die alle Lernzielbereiche betreffen. Der Begriff Lernzielkontrolle bezeichnet dabei immer eine Methode der Aktivierung der Teilnehmenden. Da Sie die Lernziele als konkretes Verhalten formuliert haben, sollen die Teilnehmenden in diesen Phasen die Gelegenheit haben, Teile des neuen Verhaltens im geschützten Rahmen des Trainings bereits zu erproben. Sie selbst kontrollieren dabei, ob die Gruppe auf dem richtigen Weg ist und haben die Gelegenheit Unklarheiten auszuräumen. Lernzielkontrollen für die einzelnen Lernzielbereiche Kopf (Wissen - kognitiv) Der Kopf steht für den kognitiven Bereich des Lernens. Im Arbeitsleben geht es hier z.B. um das aufgabenspezifische Kennen von Regeln und Begriffen. Aus der eigenen Schulerfahrung kennen wir zahlreiche Lernzielkontrollen aus diesem Bereich des Lernens: Vokabeltests, Mathematikklausuren, das „An-die-Tafel-holen“ oder „Aufgerufen-werden“ (auch ohne vorangegangene Meldung) ist vielen sicher noch unangenehm in Erinnerung. Diese Erfahrungen sollen Sie natürlich nicht wiederaufleben lassen. Ermöglichen Sie „erwachsenengerechten Austausch“ oder wählen Sie erlebnisorientierte Methoden wie ein Quiz. Abbildung 16: Lernzielkontrollen kognitiver Bereich kognitive Lernziele: Wissen, Wahrnehmen, Erkennen, Beurteilen und Begründen Lernzielkontrollen: Quiz, Fallarbeit, Gruppenarbeit mit anschließender Präsentation <?page no="130"?> 130 8 In 5 Schritten Trainings konzipieren Herz (Motivation affektiv) Das Herz steht für die Überzeugung und die Verinnerlichung von Wissen, das dadurch als selbstverständlich angewendet wird. Empfinden Teilnehmende also die Inhalte eines Trainings als langweilig oder erzeugen diese bei ihnen Widerwillen, betrifft dies den affektiven Lernzielbereich. Zum Erreichen eines affektiven Lernziels können Sie Teilnehmende nicht überreden. Hier gilt mehr als in anderen Lernzielbereichen: Erwachsene sind lernfähig, aber unbelehrbar. Nutzen Sie von Anfang an Moderationsmethoden, die es den Teilnehmenden ermöglichen, ihre eigene Stimmung und Meinung zu reflektieren und zu äußern, ohne unter Druck zu geraten. Nehmen Sie dabei Einwände und Vorbehalte ernst. Abbildung 17: Lernzielkontrollen affektiver Bereich Hand (Können - psychomotorisch) Die Hand steht für den psychomotorischen Bereich. Es geht also in erster Linie um manuelle Fertigkeiten. Erweitert kann jede körperliche Tätigkeit, die mit dem Lernziel verbunden ist, damit verknüpft werden. Beispiele für den rein manuellen Bereich sind das Verlegen von Kabeln bei Technikern oder das Anfertigen einer dreidimensionalen Skizze bei Planern im Baubereich. Erweitert haben aber auch Lernziele, wie das Führen eines Verhandlungsgesprächs körperliche Anteile, wie z.B.: In der angemessenen Sprechgeschwindigkeit wohlartikuliert sprechen und eine angemessene Gestik einzusetzen. Deshalb genügt es nicht, nur mit Wissenstests oder Moderationsmethoden Affektive Lernziele: Emotion, Einstellung, Anerkennung oder Wertschätzung. Lernzielkontrollen: Moderationsmethoden zur Abfrage von Stimmungen / Meinungen und moderierter Austausch. <?page no="131"?> 8.2 Der Weg zum Training beginnt beim Ziel! 131 Lernzielkontrollen durchzuführen. Dass Teilnehmende die Phasen des Verhandlungsgesprächs benennen und motiviert sind die vorgestellten Techniken in der Praxis umzusetzen genügt nicht - sie müssen diese ausprobieren und damit kontrollieren, ob sie wirklich für sie umsetzbar sind. Bei der praktischen Übung zeigen sich oft noch Wissenslücken oder Missverständnisse. Häufig kommen hier auch innere Widerstände gegen ein neues Verhalten zur Sprache, die bei der Arbeit auf der „Metaebene“ noch nicht erkennbar waren. Abbildung 18: Lernzielkontrollen psychomotorischer Bereich Keiner dieser Verhaltensbereiche ist von den anderen isoliert zu sehen. Dennoch ist es oft sinnvoll, sie getrennt zu analysieren. In jedem dieser Lernzielbereiche gibt es unterschiedliche Schwierigkeitsstufen, die sich als Taxonomie darstellen lassen. Taxonomie Seit den 50er Jahren arbeitet die Didaktik hier mit einem bewährten Modell von Benjamin Bloom. 82 Dieser ordnete Lernziele gemäß ihres Schwierigkeitsgrads in einem Taxonomie-Modell 83 hierarchisch in Stufen an. So kann das Lernziel dem Kompetenz-Level der Teilnehmenden entsprechend gewählt werden. Die Lehrperson muss also nicht immer mit Stufe 1 beginnen, sondern kann auch bei Stufe 2, 3 oder 4 einsteigen, je nachdem, wieviel Vorwissen und Erfahrung die Gruppe bereits hat. Für jeden Lernzielbereich (kognitiv, affektiv und psychomotorisch) gibt es ein eigenes Stufenmodell, wobei wir uns beim Businesstraining auf den kognitiven Bereich konzentrieren, der wie im vorigen Kapitel erläutert auch affektive und psychomoto- 82 Benjamin Samuel Bloom war ein US-amerikanischer Psychologe, Erziehungswissenschaftler und 1965/ 66 der Präsident der American Educational Research Association. 83 Taxonomie nach Bloom, Englhart, Furst, Hill & Krathwohl (1956) adaptiert durch Anderson & Krathwohl (2001) Im Anhang, Kapitel 16.2 finden Sie ergänzend die Taxonomiebereiche für affektive und psychomotorische Lernziele. Psychomotorische Lernziele betreffen "Bewegungs"fertigkeiten Lernzielkontrollen: praktische Aufgaben <?page no="132"?> 132 8 In 5 Schritten Trainings konzipieren rische Aspekte beinhaltet und somit für die Lernzielformulierung normalerweise ausreicht 84 (Abb. 19). Jede Stufe des Modells baut auf der vorangegangenen Stufe auf und beinhaltet diese. Das bedeutet, dass die Feinlernziele gemäß dem Modell aufeinander aufbauend formuliert werden. Abbildung 19: Lernzieltaxonomie nach Bloom Dabei werden Verben eingesetzt, die das Verhalten der Teilnehmenden bei der Zielerreichung beschreiben. Sollen Teilnehmende zum Beispiel durch ein Seminar befähigt werden, Online-Moderationen durchzuführen (Stufe 6: Erschaffen), könnte ein Lernziel lauten: Die Teilnehmenden leiten in Kleingruppen selbst Online-Interaktionen an. Beim Formulieren der Lernziele helfen die Beispielverben in der folgenden Aufstellung. Das Beispiel zeigt, wie das Lernziel auf den unterschiedlichen Stufen konkret formuliert werden kann. 84 Im Anhang, Kapitel 16.2, finden Sie als Ergänzung auch die Taxonomien für affektive und psychomotorische Ziele. 6. Erschaffen neuer kreativer Kombination 5. Evaluieren: Beurteilen und Prüfen von Ergebnissen 4. Analysieren von Sachverhalten und Problemstellungen auf wesentliche Elemente 3. Anwenden des Wissens bei konkreten Aufgaben und Problemstellungen 2. Verstehen von Zusammenhängen und Erkennen von Bedeutung sowie Treffen von Voraussagen 1. Erinnern von Fakten, Methoden und Theorien <?page no="133"?> 8.2 Der Weg zum Training beginnt beim Ziel! 133 Stufe geeignete Verben zur Lernzielformulierung 6 - Erschaffen entwerfen, entwickeln, definieren, gestalten, kombinieren, konstruieren, lösen, optimieren, organisieren ... Bsp: Die Teilnehmenden entwickeln eine 10-minütige Sequenz einer Online-Moderation mit geeigneten Interaktionsmöglichkeiten zu Ihrem Trainingsthema. 5 - Evaluieren auswerten, beurteilen, bewerten, differenzieren, entscheiden, folgern, gewichten, messen, prüfen, qualifizieren, urteilen, vertreten, werten, widerlegen Bsp.: Die Teilnehmenden werten Moderationssequenzen in Bezug auf die Interaktionsmöglichkeiten aus. 4 - Analysieren ableiten, analysieren, auflösen, beschreiben, einkreisen, gegenüberstellen, gliedern, identifizieren, isolieren, klassifizieren, vergleichen, zuordnen Bsp.: Die Teilnehmenden stellen verschiedene Interaktionsmöglichkeiten gegenüber und ordnen diese unterschiedlichen Phasen und Zielen der Moderation zu. 3 - Anwenden erproben, anwenden, berechnen, bestimmen, durchführen, erstellen, einsetzen, formulieren, lösen, realisieren, übersetzen, darstellen, üben, nutzen Bsp: Die Teilnehmenden üben in Kleingruppen Online-Interaktionen. 2 - Verstehen begründen, beschreiben, deuten, einordnen, erklären, erläutern, interpretieren, präzisieren, schildern, übersetzen, übertragen, umschreiben, unterscheiden, verdeutlichen, vergleichen Bsp.: Die Teilnehmenden erklären, wann welche Interaktionsmöglichkeit sinnvoll ist. 1 - Erinnern angeben, aufschreiben, aufzählen, aufzeichnen, ausführen, (be)nennen, bezeichnen, reproduzieren, vervollständigen, wiedergeben, zeigen Bsp.: Die Teilnehmenden benennen verschieden Interaktionsmöglichkeiten online. <?page no="135"?> 9 Methoden Die Lehrinhalte geben an, WAS vermittelt wird. Die Methoden stehen für das WIE. Um es metaphorisch auszudrücken, wenn die Inhalte die Zutaten Ihres Lehrgerichtes sind, dann sind die Methoden die Zubereitung und das Servieren des fertigen Gerichtes. Genauso wie ein Koch niemals einfach den Einkaufskorb auf den Tisch stellen würde, knallen Sie als Trainer Ihren Teilnehmenden nicht einfach nur die Fachbücher auf den Tisch. Nein, Sie überlegen sich, ... 1. … wie Sie die Lernziele kontrollieren, 2. ... wie Sie den Lernstoff vermitteln, 3. ... wie Sie die Zusammenarbeit der Gruppe steuern, und 4. ... wie Sie den Rahmen der Veranstaltung gestalten. Dabei berücksichtigen Sie bei der Methodenwahl, … wieviel Vorwissen die Gruppe hat, welche Vorlieben / Gewohnheiten Ihre Zielgruppe hat, wieviel Zeit zu Verfügung steht, welches Kompetenzlevel angestrebt wird, in welchem Umfeld die Veranstaltung stattfindet, und in welcher Phase die Veranstaltung sich gerade befindet. Wir unterscheiden also zwischen : 1. Methoden zur Lernzielkontrolle 2. Methoden zur Fokussierung 3. Methoden zur Wissensvermittlung 4. Moderationsmethoden 5. Methoden für einzelne Phasen der Veranstaltung (Anfang, nach der Pause, Ende) Vielleicht fragen Sie sich, warum dieses Kapitel so lang ist und warum so viele Methoden vorgestellt werden. Reicht es nicht, wenn ich mir 1 bis 2 aussuche, die gut zu mir und zu meinem Thema passen und die ich dann einsetze? Während einer längeren Veranstaltung die Aufmerksamkeit hochzuhalten, ist keine leichte Sache. Dem Trainer selbst fällt dies meist leichter, da er die ganze Zeit aktiv ist. Laut einer Studie, durchgeführt an der Universität Harburg, fällt die Aufmerksamkeit von Studierenden in einer Vorlesung bereits nach 15 Minuten rapide ab. 85 85 http: / / cgi.tu-harburg.de/ ~zllwww/ leistungen/ aktivierung/ <?page no="136"?> 136 9 Methoden Abbildung 20: Aufmerksamkeitskurve nach Lloyd Nun können wir davon ausgehen, dass Studierende über eine hohe Lerngewohnheit verfügen. Sie sind in Bezug auf Wissens-Input einiges gewöhnt. Wie sieht das aus bei Menschen, die seit Jahren am Fließband arbeiten oder normalerweise als Verkäufer im Einzelhandel tätig sind? Erwachsene Menschen lernen ständig Neues, doch der natürliche Weg des Lernens im Alltag ist das Tun: Ein Kollege zeigt mir etwas, ich probiere es aus, und wir tauschen uns anschließend über unsere Erfahrungen aus. Dass ich still auf einem Stuhl sitze, fern meines Arbeitsplatzes, und mir theoretische Erörterungen anhöre, ist dagegen eher ungewohnt. Das bedeutet, dass Trainer ihre Veranstaltung rhythmisieren müssen und Input und Austausch sich abwechseln, um das Niveau der Aufmerksamkeit auf einem hohen Niveau zu halten. Abbildung 21: Methodenwechsel Die Grundstruktur der Lehre ist der Wechsel zwischen kurzen Phasen der Wissensvermittlung und Phasen der Aktivierung, die u.a. der Lernzielkontrolle dienen. Grundsätzlich gilt, dass die Aufmerksamkeit in den Phasen der reinen Wissensvermittlung schneller abfällt als in den Phasen, in denen Teilnehmende selbst Inhalte erarbeiten. Während Sie bei Ihrer Zeitplanung also Aufmerksamkeit Zeit Aufmerksamkeit Zeit <?page no="137"?> 9.1 Kleiner Exkurs: Methodentrend Gamification 137 möglichst nur kurze Vortragssequenzen einplanen sollten, können Sie bei Übungssequenzen großzügig mehr Zeit einplanen. Bei der Wahl der Methoden gilt es auch folgendes zu bedenken: Sorgfältig gewählte Methoden und ein überraschend anderes Trainingsdesign vermitteln den Teilnehmenden Wertschätzung. Während das Lernen am Arbeitsplatz die „gewohnte Hausmannskost“ ist (jemand zeigt mir was und ich probiere es danach aus), sollte das Training der „Restaurantbesuch“ und damit etwas Besonderes sein. Ohne geeigneten Methodenmix schmeckt der Lernstoff fade und die Teilnehmenden müssen viel Eigenmotivation und Interesse mitbringen, um zu lernen. Sicher muss man hier zwischen verschiedenen Teilnehmergruppen unterscheiden. „Echte Kunden“, die sich selbst zu einer Veranstaltung angemeldet haben, bringen normalerweise ein viel höheres Eigeninteresse mit als „Besucher“, die gegen ihren Willen vom Arbeitgeber zu einem Seminar geschickt wurden. 86 Bei Letzterem sind sicher mehr aktivierende Methoden und Interessenswecker nötig, was nicht heißt, dass nicht auch interessierte Teilnehmende sich über Abwechslung und gehirngerechte Lernmethoden freuen. 9.1 Kleiner Exkurs: Methodentrend Gamification Gamification beschreibt die Übertragung von Spielelementen in Nicht-Spiel- Kontexte. Gerade im Bereich des Lernens werden spieltypische Elemente integriert, um eine Motivationssteigerung zu erreichen. Gamification steigert ersten Studien zufolge die Frustrationstoleranz, die beim Lernen erforderlich ist. 87 Wenn wir miteinander spielen, scheitern wir ständig und trotzdem sind wir motiviert weiterzuspielen. Gerade in Bezug auf die Lernzielkontrollen 88 und die Fokussierung auf Themen 89 peppt Gamification online wie offline ein Training auf und führt zu einer deutlichen Motivationssteigerung, da bei richtiger Umsetzung Neugier und positive Gefühle forciert werden. Typische einfach umsetzbare Elemente sind: Fortschrittsanzeige - so wird Teilnehmenden im E-Learning z.B. angezeigt, wieviel Prozent des Wissensstoffs sie bereits erarbeitet haben. Rangliste - hier sehen Teilnehmende sich im Vergleich zu anderen, treten also spielerisch in einen Wettbewerb ein. Wer nutzt am häufigsten 86 Vgl. Kapitel 4.3 Teilnehmermotivation - Einfluss der Organisation. 87 Michael Sailer Die Wirkung von Gamification auf Motivation und Leistung - empirische Studien im Kontext manueller Arbeitsprozesse 2016 88 Kapitel 9.2 89 Kapitel 9.4 <?page no="138"?> 138 9 Methoden die Lern-App oder wer hat die meisten Antworten der Lernzielkontrolle richtig beantwortet? Quest - dabei muss eine Aufgabe allein oder im Team in einer bestimmten Zeit bearbeitet werden. Oft bewirkt allein der Zusatz zu einer Aufgabe: Sie haben nur 5 Minuten Zeit einen Motivationsschub. Simulation - Im E-Learning werden häufig bestimmte Situationen simuliert, etwa in Form eines Lernspiels. Die Teilnehmenden lernen durch die spielerische Auseinandersetzung mit einem bestimmten Szenario. Perspektivwechsel - Um komplexe Situationen zu verstehen, hilft es, unterschiedliche Rollen einzunehmen - wie ein Gamer mal Elf und mal Werwolf ist, ist der Seminarteilnehmende mal Controller, mal Vertriebler und mal Kunde. Einsatz von Materialien und Medien - Der Einsatz von Buzzern, dem Mobiltelefon als Controller sowie passende Musikuntermalung schaffen die richtige Atmosphäre. Online ist kahoot.it 90 einer der Pioniere, die das Spiel als Trainingsmethode populär gemacht haben. Offline sind es Methoden wie Lego serious-play 91 , die zu Recht eine hohe Popularität erfahren. 9.2 Methoden zur Lernzielkontrolle Die Methoden der Lernzielkontrolle sind wahre Tausendsassa im Businesstraining: Durch sie erst wird ein Training lebendig - die Teilnehmenden bleiben auch bei längeren Veranstaltungen wach und aufmerksam. Das neuerworbene Wissen bleibt durch die Wiederholung und den Austausch in der Gruppe deutlich besser in Erinnerung. Auch nach Jahren erinnern sich Ihre Teilnehmenden noch an bestimmte Übungen und ihre eigenen Beiträge. Sie als Leitung können die Lernzielerreichung prüfen. Das Teambuilding wird gefördert. Gemäß der Taxonomiestufen können Sie Ihre Lernzielkontrollen hoch- oder niedrigschwellig ansetzen. Um z.B. etwas darüber zu erfahren, ob ihre Teilnehmenden das Wissen tatsächlich verstanden haben, müssen Sie einen Austausch initiieren. Einen Überblick über die geeignete Methodenwahl gemäß der Taxonomiestufen gibt folgende Tabelle. 90 https: / / kahoot.com/ 91 Vgl. Kapitel 9.6.10 Moderation 3D <?page no="139"?> 9.2 Methoden zur Lernzielkontrolle 139 Stufe geeignete Methoden zur Lernzielkontrolle 6 - Erschaffen z.B. Transferaufgaben, Projektarbeit (Kapitel 9.3) 5 - Evaluieren komplexe Fallarbeit oder case study, bei der Teilnehmende Bewertungen vornehmen 4 - Analysieren z.B. gemeinsame Analyse von Rollenspielen (Kapitel 9.2.4) 3 - Anwenden z.B. praktische Übung oder Rollenspiel (Kapitel 9.2.4) 2 - Verstehen z.B. offene Fragen im Plenum oder Murmelrunden, Zuordnungsaufgabe (Memory), Sortierungsaufgabe (Puzzle) oder erweiterte offene Antwortaufgabe (Kurzvortrag, Präsentation, Fallarbeit) Kapitel 9.2.2 1 - Erinnern hochschwellig: z.B. das Reproduzieren von Begriffen und Definition bei Spielen mit offenen Fragen, wie Buzzer me oder Two shock (Kapitel 9.2.2) niedrigschwellig: z.B. Multiple Choice-Fragespiele wie ein Quiz (z.B. Kahoot oder 1,2 oder 3) (Kapitel 9.2.1) Multiple-Choice-Aufgaben - Spaß, Spannung, Spiel Eine sehr niedrigschwellige Herangehensweise sind Multiple-Choice-Aufgaben. Die Teilnehmenden müssen dabei lediglich die richtige Antwortoption wiedererkennen. Durch sie stellen Sie schnell fest, ob die Teilnehmenden aufmerksam sind und das vermittelte Wissen aufgenommen wurde. Bei Multiple-Choice geht es darum, die richtigen Antwortoption auszuwählen. Hier zwei Beispiele für Fragen, die ich bei meinen Trainerausbildungen einsetze: Wie verhalte ich mich, wenn ich moderiere: Ich thematisiere Seitengespräche. Ich werfe Störenfriede nach kurzer Abmahnung raus. Ich ignoriere Seitengespräche und spreche zur Not einfach lauter. Welche Elemente beinhaltet das Modell der themenzentrierten Interaktion? Wir, Sie, Er, Es Trainer, Moderator, Kunde Globe, Wir, Es, Ich Hier einige Beispiele, wie Sie Multiple-Choice-Fragen methodisch einsetzen können: Arbeitsblatt (online) Sie lassen die Teilnehmenden allein oder in Kleingruppen auf Arbeitsblättern die richtigen Antworten ankreuzen. Diese senden Sie Teilnehmenden ent- <?page no="140"?> 140 9 Methoden weder vorab per Mail zu oder verteilen Sie über den Chat (dies ist z.B. bei Zoom möglich). Am Ende findet ein kurzer Austausch statt, welche die richtigen Antworten sind. Kommentarfunktion (online) Beim Online-Training können Sie das Arbeitsblatt auch einfach als Folie einblenden und die Teilnehmenden nutzen die Kommentarfunktion im Screensharing und setzen einen Haken hinter die (ihrer Meinung nach) richtigen Antworten. Zur Auflösung markieren Sie im Anschluss die richtige Antwort mit einem Pfeil vor der Frage. Das sieht dann etwa so aus: Wie verhalte ich mich, wenn ich moderiere: • Ich thematisiere Seitengespräche. • Ich werfe Störenfriede nach kurzer Abmahnung raus. • Ich ignoriere Seitengespräche und spreche zur Not einfach lauter. Welche Elemente beinhaltet das Modell der themenzentrierten Interaktion? • Wir, Sie, Er, Es • Trainer, Moderator, Kunde • Globe, Wir, Es, Ich Multiple-Choice als Quizshow - 2 Möglichkeiten 1. Das Online-Quiz Mehr Spaß kommt in die Wissensabfrage, wenn Sie diese gamifizieren. Viele Online-Plattformen bieten inzwischen Quizformate an - die bekannteste ist derzeit Kahoot. Wer sich auf der Seite Kahoot.com registriert, kann sehr einfach ein Quiz erstellen. Ihre Teilnehmenden können direkt, ohne Registrierung, mit ihrem Smartphone mitspielen. Der Hauptbildschirm des Trainers, auf dem die Fragen und Antwortoptionen zu sehen sind, wird mit den Teilnehmenden geteilt - bei Präsenzseminar via Beamer, in Live-Online-Seminaren durch den geteilten Bildschirm. Die Antwortoptionen erscheinen als Symbole auf den Smartphones der Teilnehmenden. Beim Quiz müssen die Teilnehmenden schnellstmöglich die richtige Antwort antippen. Je nach Spielaffinität hat das Online-Quiz eine echte Sogwirkung und die Teilnehmenden sind hochkonzentriert im Wettbewerbseifer. Das Quiz ist mit Gaming-Musik hinterlegt, bietet einen Countdown und präsentiert Zwischen- und Endergebnisse. Die drei Teilnehmenden, die am schnellsten die meisten richtigen Antworten gegeben haben, stehen am Ende auf dem virtuellen Siegertreppchen und werden mit Konfettiregen gefeiert. Aber Vorsicht: Für das Quiz ist eine gute Internetverbindung erforderlich. <?page no="141"?> 9.2 Methoden zur Lernzielkontrolle 141 Meiner Erfahrung nach gewinnt bei fehlendem WLan an abgelegenen Seminarorten immer der Teilnehmende mit dem besten Mobilfunknetz - beim Online-Quiz entsprechend die Teilnehmenden mit der höchsten Bandbreite. Andere Teilnehmende fliegen fortwährend raus und sind frustriert. 2. Ein, zwei oder drei Wer kennt sie nicht, die Kinderfernseh-Show, bei der Antwortoptionen durch drei Felder auf dem Boden markiert sind. Abgewandelt lässt sich das Spiel online und in Präsenz einfach umsetzen. Sie visualisieren die Frage und die drei Antwortoptionen. Wichtig ist, dass die Teilnehmenden nun die Antwort alle gleichzeitig geben. Zuvor sprechen Sie den magischen Satz: „Eins, zwei oder drei - letzte Zahl vorbei.“ Online bitte ich dazu die richtige Ziffer der Antwort in den Chat zu schreiben, aber erst beim Wort „vorbei“ die Enter-Taste zu betätigen. Alternativ können Sie für dieses Spiel ein Umfrage-Tool wie Menti oder Polleverywhere verwenden. Im Präsenzseminar kann man die Teilnehmenden in kleine Teams einteilen, die die Antwort dann heimlich auf eine Karte schreiben oder vorgefertigte Karten, die sie zuvor ausgeteilt haben, auswählen. Dieser Austausch verbessert sogar das Lernergebnis, da die Teilnehmenden bei unterschiedlichen Auffassungen meist argumentieren und damit automatisch tiefer ins Thema einsteigen. Die Karten werden dann verdeckt abgelegt und gemeinsam beim Wort vorbei sichtbar umgedreht oder hochgehalten. Nach diesem Prinzip können auch andere Quizshows verwendet werden, wie zum Beispiel: Wer wird Millionär? Quizduell oder Wer weiß denn sowas? Mit offenen Fragen und Aufgaben den Austausch fördern Offene Fragen in die Wissensvermittlung einbauen Offene Fragen können in jeden Vortrag und jede Präsentation eingebaut werden. Anstatt sie nur rhetorisch zu nutzen, können sie auch der Anregung von echtem Austausch dienen. Im Präsenzseminar heißt dies, dass Sie nach Ihrer Frage bewusst lange Sprechpausen machen und eventuell auch noch einmal nachhaken „Was meinen Sie? “ Wichtig ist hier eine Haltung des echten Interesses. Auf keinen Fall sollten Ihre Teilnehmenden den Eindruck haben, wieder auf der Schulbank zu sitzen und durch den Lehrer in ihrem Unwissen entlarvt zu werden. Aus diesem Grund sollten die Fragen auch keine offensichtlichen Wissensfragen sein, sondern Transferfragen, die den Lernstoff mit der Arbeit in Verbindung bringen. Gleichzeitig erhöhen Sie dadurch das Interesse der Teilnehmenden. Diese entwickeln während Ihres Vortrags Verknüpfungen zu ihrem Arbeitsleben und tauschen sich über Einsatzbereiche des Wissensstoffs aus. Offene Fragen dienen also nicht nur als Lernzielkontrolle, sie sind auch eine Form des kooperativen Lernens und Sie als Leitung lernen zusammen mit der Gruppe, da auch Sie neue Informationen erhalten. Dadurch dienen offene Fragen, je nachdem, wie sie eingesetzt werden, <?page no="142"?> 142 9 Methoden nicht nur dem Prüfen des Verstehens (Taxonomiestufe 2) sondern auch der Überzeugung vom Thema, sprechen also den affektiven Lernzielbereich an. Dementsprechend sollten offene Fragen anregend und kooperativ formuliert sein. Hier Beispiele aus einem Moderationsseminar: „In welchen Bereichen erleben Sie bei Ihrer täglichen Arbeit Moderationen? “ „Was macht, Ihrer Meinung nach, eine gute Moderation aus? “ „Welche Moderationspannen haben Sie bereits erlebt? “ „Wenn Sie das Gehörte auf Ihren Arbeitsalltag übertragen, welche Regeln sind besonders wichtig für Ihre Moderationen? “ Die Teilnehmenden können jetzt einfach im Plenum antworten. Bei Online- Seminaren können Sie an dieser Stelle auch den Chat nutzen. Stellen Sie eine offene Frage und die Teilnehmenden sollen ihre Antwort in den Chat schreiben. Lassen Sie den Teilnehmenden etwas Zeit, dann lesen Sie die Antworten vor und, falls etwas für Sie nicht nachvollziehbar ist, fragen Sie direkt nach. Prüfungsfragen mit konkurrierenden Gruppen Bei den Prüfungsfragen treten mindestens zwei Gruppen gegeneinander an. Die Gruppen überlegen sich „Prüfungsfragen“, welche die anderen Gruppen beantworten müssen. Sie teilen die Teilnehmenden dazu in 3-5 gleich große Gruppen auf, die sich Namen geben (oder welche bekommen). Jede Gruppe überlegt sich Fragen zu einem vorgegebenen Thema (eine pro Gruppenmitglied) und schreiben diese auf Moderationskarten. Die Fragen sollen interessant und nicht zu einfach sein. In der Zwischenzeit erstellt die Leitung eine Punktetabelle auf einem Flipchart: Eine Zeile pro Runde sowie eine Spalte pro Gruppe. Wenn alle Gruppen ihre Fragen gesammelt und diskutiert haben, geht das eigentliche Spiel los: Aus der ersten Gruppe kommt ein Teilnehmender nach vorne und liest eine Frage vor. Jetzt haben die anderen Gruppen eine Minute Zeit, gruppenintern über eine Antwort zu diskutieren. Die Gruppe, die nach Ablauf der Zeit (oder schon vorher) glaubt die Frage beantworten zu können, ruft lauft „Hier! “ (oder drückt einen Buzzer). Der Fragestellende zeigt dann willkürlich auf eine Person aus der Gruppe, die dann die Frage beantworten muss. Befindet die fragende Gruppe die Antwort für richtig, bekommt die antwortende Gruppe einen Punkt (Strich in der Punkteliste). War die Antwort falsch, darf eine andere Gruppe antworten. Pro Runde darf jede Gruppe nur einmal antworten. Weiß keine Gruppe die richtige Antwort, zeigt die Leitung auf jemanden aus der fragenden Gruppe, die dann die gewünschte Antwort sagt. Dann stim- <?page no="143"?> 9.2 Methoden zur Lernzielkontrolle 143 men die anderen Gruppen darüber ab, ob sie die Frage (und die Antwort natürlich) interessant fanden. Wenn mindestens ein Viertel der Teilnehmenden aus den anderen Gruppen sich für „interessant“ melden, bekommt die fragende Gruppe einen Punkt. Sonst bekommt die fragende Gruppe nichts. 92 Murmelrunde Wenn das Plenum im Präsenzseminar zu groß ist oder die Teilnehmenden sehr zurückhaltend mit Antworten im großen Kreis sind, dann empfehlen sich sogenannte Murmelrunden. Ich erinnere mich an einen Teilnehmenden, der, als ich eine Murmelrunde vorgeschlagen habe, entrüstet entgegnete, also jetzt werde es ihm wirklich zu kindisch. Aber nein, natürlich sind nicht die Murmeln aus Glas gemeint, sondern das leise Sprechen - also das Murmeln. Die Teilnehmenden werden dabei aufgefordert sich kurz leise mit Ihren Sitznachbarn über eine Fragestellung auszutauschen. Entweder Sie arbeiten mit einer festen zeitlichen Begrenzung und stellen einen Timer, der nach 2-5 Minuten ein lautes Signal sendet, oder Sie achten einfach auf den Geräuschpegel. Dieser ändert sich sofort, sobald in der Gruppe nicht mehr über das Thema gemurmelt wird, sondern ein angeregter Austausch über andere Themen stattfindet - dann wird es deutlich lauter. Danach kann ein Austausch über die Erkenntnisse im Plenum stattfinden. Spielerischer Einsatz von offenen Fragen und Kurzreferaten Nach der Mittagspause setze ich gerne aktivierende Lernzielkontrollen ein. Dabei wiederhole ich den Lernstoff in Form von offenen Fragen und lasse die Teilnehmenden entweder einzeln oder in Mannschaften antreten. Hier ist die Gestaltung des Rahmens wichtig. Die Anmoderation muss Spaß vermitteln und kleine Preise wie Süßigkeiten oder Medaillen (ich nutze dazu glitzernde Aufkleber) helfen den Teilnehmenden, die Komfortzone zu verlassen. Der Abfragerei werden der Schrecken und die Langeweile genommen, da der Fokus auf das spielerische Element gerichtet wird. Wer sich auf ein brennendes Streichholz, einen Buzzer oder den Wettbewerb zweier Teams konzentriert, fühlt sich paradoxerweise weniger „vorgeführt“. Alle sind in der gleichen Situation und befreien sich mit herzlichem Lachen vom Stress, der bei einer Wissensabfrage entsteht. Das ist übrigens eine der häufigsten Rückmeldungen, die ich von Außenstehenden an Veranstaltungsorten erhalte: „Ihr Seminar macht anscheinend echt Spaß - wir haben das Lachen gehört.“ Buzzer me Ich nutze gerne Buzzer, also die großen leuchtenden Knöpfe, auf die man mit der ganzen Handfläche draufhaut und die dann dröhnende Geräusche machen. Diese kann man als „Spielware“ oft im Viererset in verschiedenen Far- 92 Idee aus Oliver Klee www.spielereader.org <?page no="144"?> 144 9 Methoden ben und mit unterschiedlichen Geräuschen im Handel erwerben. Die Teilnehmenden arbeiten in Teams, oder jede Person erhält einen eigenen Buzzer. Ich stelle offene Fragen. Die Gruppe oder die Person, die die Antwort weiß, schlägt auf den Buzzer. Natürlich werden Punkte gesammelt und der / die Siegerin erhält am Ende einen kleinen Preis oder eine Medaille. Der Spaß entsteht oft dadurch, dass beim Buzzern nicht mehr wirklich feststellbar ist, wer zuerst gedrückt hat oder ein Buzzer durch zu schwachen Druck nicht anschlägt und der verzweifelte Kandidat mehrmals draufschlägt. Brennendes Interesse Bei windstillem Wetter lasse ich meine Teilnehmenden nach der Mittagspause im Kreis stehend draußen zündeln. Die Teilnehmenden entfachen nacheinander jeweils ein Streichholz und referieren, solange das Streichholz brennt, ein Thema des Vormittags. Oft nutze ich dazu einfach die Agenda. Je nachdem, wie ergiebig die Kurzreflexionen sind, lasse ich die einzelnen Agendapunkte von einem oder mehreren Teilnehmenden besprechen. Da ein Streichholz nur eine kurze Brenndauer hat, ist diese Methode eine schnelle Wiederholung. T(w)o Shock 93 - nicht nur zu Halloween To shock somebody - zu Deutsch jemanden erschrecken funktioniert bei dieser Methode mit zwei Karten. Diese Methode setze ich besonders gerne um die Zeit von Halloween ein. Dabei lasse ich zu Beginn Gruselmusik erklingen und an Halloween gibt es die entsprechenden Gruselsüßigkeiten in Spinnen- oder Skelettform. Auf dem Boden liegen verdeckte Karten - in zwei Farben. Auf einer Karte steht jeweils ein Teilnehmername auf der anderen das Thema eines Kurzreferats. Der Schock besteht darin, dass keiner weiß, zu welchem Thema er gleich ein Referat halten muss. Um zu verhindern, dass jeder nur mit dem eigenen Thema beschäftigt ist, wird jeweils nur eine Namens- und Themenkarte gezogen. Erst nach dem Kurzreferat wird erneut aufgedeckt. Die Methode funktioniert, weil das Szenario so übertrieben ist und das Erschrecken, das bei der Aufforderung zum Vortrag durch die Gruselmusik so überzogen ist, dass der eigentlichen Lernzielkontrolle der Schock genommen wird. Wissens-Memory Im Memoryspiel gibt es immer zwei Karten, die zueinanderpassen. Dieses Prinzip lässt sich leicht spielerisch umsetzen. Auf Ihren Karten ist jetzt nicht jeweils zweimal das gleiche abgebildet, sondern die Teilnehmenden müssen Wissensinhalte passend zusammenführen. Zum Beispiel ist auf einer Karte 93 Diese Methode hat meine Kollegin Barbara Beyersdorf als Schockmemory bei Heidi Reimer kennengelernt Anne TZI <?page no="145"?> 9.2 Methoden zur Lernzielkontrolle 145 ein Bild oder ein Symbol - auf der anderen die korrekte Bezeichnung. Oder auf einer Karte steht ein Überbegriff und auf der anderen ein konkretes Beispiel. Hier als konkretes Beispiel die themenzentrierte Interaktion. Auf dem Boden liegen 8 Karten: ES WIR Agendapunkte Kopfschmerzen ICH GLOBE Kaffeequalität Austausch Die Leitung formuliert die Aufgabe: „Sie arbeiten als Gruppe zusammen. Ordnen Sie die Karten zu passenden Memorypaaren und begründen Sie Ihre Entscheidung. Wichtig - alle arbeiten mit, die Entscheidungen sollten einstimmig sein.“ Sie als Leitung halten sich bei der Lösung der Aufgabe zurück und beobachten stattdessen die Gruppe. Sie hören beim Austausch schnell, ob die Teilnehmenden Lerninhalte verstanden haben und wo noch Verständnislücken sind. Dazu sollte die Aufgabe so gestaltet sein, dass sie nicht zu einfach ist und einzelne Karten durchaus diskutiert werden können. Bei unserem Beispiel ist die Kaffeequalität Bestandteil des GLOBE, gehört also zu den Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit. Natürlich hat schlechter Kaffee aber auch Auswirkung auf das Befinden des Einzelnen also das ICH, auf die Stimmung in der Gruppe, also das WIR gegebenenfalls auch auf die Konzentration auf das Thema, also das ES. Genauso betreffen Kopfschmerzen natürlich in erster Linie die einzelne Person, die betroffen ist, hat aber natürlich auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit in der Gruppe und die Bearbeitung des Themas (WIR und ES). ES WIR ICH GLOBE Agendapunkte Austausch Kopfschmerzen Kaffeequalität Wissenspuzzle Bei komplexeren Kartenzuordnungen spricht man von Wissenspuzzle. Hier ein weiteres Beispiel aus einem meiner Moderationsseminare: Sie sehen hier direkt die „richtige Auflösung“ mit der Anordnung der Karten: Moderator/ in… Wie steht ein/ e … Referent/ in ist inhaltlich unbeteiligt achtet aber darauf, dass alle gehört werden und Beiträge visualisiert werden. zu den Inhalten? arbeitet die Inhalte didaktisch auf und präsentiert diese der Gruppe. <?page no="146"?> 146 9 Methoden bereitet geeignete Methoden vor, die die Arbeit der Gruppe unterstützen. zu den Methoden? nutzt Methoden, um Inhalte zu vermitteln und das Erreichen des Lernziels zu sichern. ist Autorität in Bezug auf Methodenwahl. Hat Verantwortung für Rahmen und Zeit. zur eigenen Autorität und Verantwortung? ist Fachautorität. Hat Verantwortung für Inhalte und deren Vermittlung. Ermöglicht Erreichen des Lernziels. visualisiert von der Gruppe gewünschte Regeln, schlägt bei Bedarf Regeln vor. zu Regeln in der Gruppe? gibt Regeln vor, die die störungsfreie Vermittlung des Lernstoffs fördern. thematisiert Seitengespräche. zu Seitengesprächen? unterbindet Seitengespräche fördert und unterstützt die Gruppe beim Erarbeiten der Ziele. zu den Lernzielen? formuliert Lernziele bereits vor Beginn der Veranstaltung. visualisiert die Ergebnisse simultan. Erstellte ein Fotoprotokoll zur Dokumentation. zur Dokumentation von Ergebnissen? erstellt vorab Skript, indem die Inhalte nachgelesen werden können. Bei dieser Aufgabe geht es um die Unterscheidung der Aufgaben eines Referenten und eines Moderators. Die Fragestellung lautet: Wie steht ein/ e Moderator/ in bzw. ein Referent/ in zu den folgenden Aspekten einer Veranstaltung? Die orange Überschriftenkarten und die mittlere blaue Spalte mit den unterschiedlichen Aspekten lege ich bei der Aufgabenstellung offen auf den Boden, die gelben Karten überreiche ich unsortiert an die Gruppe und bitte sie, diese richtig zuzuordnen. Wenn Sie nicht in einem Stuhlkreis arbeiten, können Sie die Karten auch auf einem Tisch auslegen oder an eine Pinnwand hängen oder Sie erstellen mehrere kleinere Puzzles, die in Partner- oder Kleingruppenarbeit bearbeitet werden und deren Ergebnisse dann im Plenum besprochen werden. Das Kartego-Sortieren Kartego-Sortieren ist ein Wortspiel aus den Worten Karte, dem englischen go, Kategorie und Sortieren. Beim Kartego-Sortieren müssen Karten einfach einer Kategorie zugeordnet werden. Dabei haben 2-3 Gruppen jeweils die gleichen Karten. Die Gruppe, die am schnellsten 2 Stapel sortiert hat, gewinnt. So lasse ich zum Beispiel bei einer Schulung zum Thema Kundenorientierung Karten mit Redewendungen in 2 Stapel sortieren. Stapel 1: kundenorientiert, Stapel 2: nicht kundenorientiert. <?page no="147"?> 9.2 Methoden zur Lernzielkontrolle 147 Die Gruppe, die zuerst fertig ist, darf ihr Ergebnis präsentieren. Bei dieser speziellen Übung setze ich die Lernzielkontrolle übrigens VOR der Vermittlung der Inhalte ein. Ich sehe durch die Übung direkt, an welchen Stellen Unsicherheiten herrschen und welche Inhalte ich im Anschluss noch vertiefend behandeln muss. Wissens-Puzzle, Wissens-Memory und Kartego online Online bereite ich diese drei Formate auf Plattformen wie mural, miro oder padlet vor. Je nachdem, wie geübt die Gruppe im Umgang mit der Plattform ist, teile ich dabei entweder einfach nur den Bildschirm und verschiebe die Karten auf Zuruf oder lasse die Gruppe selbst auf der Plattform arbeiten. Das Morgenmagazin Bei mehrtägigen Veranstaltungen nutzen meine Kollegin Barbara Beyersdorf und ich gerne das Format des Morgenmagazins. Dabei haben die Teilnehmenden morgens 15-30 Minuten Zeit, um eine kurze Sendung „Das Morgenmagazin“ aufzuführen. Dies können sie entweder als Livesendung aufführen, oder die sie drehen einen kurzen Filmbeitrag mit dem Smartphone, der anschließend via Beamer im Plenum gezeigt wird. Wir sind immer wieder überrascht, wie kreativ unsere Teilnehmenden dieses Format umsetzen und mit welchen Ideen sie dabei aufwarten. Ganz nebenbei müssen die Teilnehmenden dabei die Agenda des Vortages abarbeiten und beschäftigen sich so noch einmal intensiv mit den Lerninhalten. Sie als Leitung erfahren, was für die Teilnehmenden besonders eindrücklich war, kontrollieren das Lernziel und haben einen guten aktiven Einstieg in den Tag mit hellwachen Teilnehmenden. Praxisübungen Übung macht den Meister, sagt der Volksmund, und mit der praktischen Übung wird tatsächlich eine meisterschaftlich hohe Latte der Lernzielkontrolle angelegt. Komplexe Übungen und Rollenspiele können das Erreichen des Groblernziels der gesamten Veranstaltung prüfen. So ist z.B. mit dem Abschluss einer Trainerausbildung meist die Durchführung einer eigenen Trainingssequenz verbunden. Diese Trainingssequenz ist gleichsam das Meisterstück, das die Teilnehmenden aus der Ausbildung für sich selbst mitnehmen. Um dies vorzubereiten, bedarf es vorab vieler kleiner Übungssequenzen, die Schritt für Schritt auf das Meisterstück hinarbeiten. Wenn Sie zum Beispiel den Umgang mit einer neuen Kundendatenbank schulen, können Sie ganz kleinteilig Übungen einsetzen. Sie lassen die Teilnehmenden zuerst einen Kunden in der Datenbank suchen. Danach werden „Ich frage gerne für Sie nach.“ „keine Ahnung“ <?page no="148"?> 148 9 Methoden unterschiedlichste Fälle geprobt: ein Namenswechsel durch Verheiratung, eine Adressänderung aufgrund eines Umzugs, der Wechsel von einem in ein anderes Kundensegment etc. Am Ende stellen Sie den Teilnehmenden eine komplexe Meister-Aufgabe - sie müssen zum Beispiel einen Kunden komplett neu anlegen oder eine komplexe Vertragsänderung vornehmen. Idealerweise simuliert das Meisterstück eine reale Anwendungssituation und ist so zugleich eine Lernzielkontrolle des Groblernziels. Rollenspiele - Wie Sie im Softskill Training Praxistransfer sichern Was ist ein Rollenspiel? Beim Rollenspiel im Businesstraining handelt es sich um eine szenische Darstellung, bei dem Teilnehmende den Transfer der Lerninhalte im Berufsalltag erproben. Von Teilnehmenden werden unterschiedliche Rollen eingenommen, zum Beispiel die der Führungskraft und des Mitarbeiters beim Mitarbeitergespräch. Dabei probieren sie aus, wie wirksam sich das Gelernte in einer Praxissituation umsetzen lässt. Wahrnehmungspositionen A, B und C Ein Teilnehmender spielt dabei immer die Hauptrolle A - bei unserem Beispiel spielt er die Führungskraft, die das Gespräch mit dem Mitarbeiter B führt. Die dritte Rolle, die besetzt wird, sind die Beobachter C. Idealerweise erleben Teilnehmende beim Rollenspiel nacheinander alle drei Positionen, um eine umfassende Erfahrung mit einer neuen Kommunikationssituation zu sammeln. Der Wechsel der Perspektive: Wenn es bei der Kommunikationsübung um die Kommunikation von A mit einer Gruppe geht, dann wird die Gruppe zu B und die Leitung übernimmt die Beobachterposition C. Dies ist bei allen Seminaren der Fall, bei denen es um die Leitung von Gruppen geht. Die Teilnehmenden sind hier vor allem in der A und B- Position und sollten nur klar umrissene Beobachtungsaufgaben erhalten, z.B.: Zwei Teilnehmende achten auf Gestik und Mimik von A, zwei andere auf Struktur usw. „Aber bloß keine Rollenspiele“: Vorbehalte von Teilnehmenden Dass man Fahrrad fahren kaum ohne Rad lernen kann, ist nachvollziehbar. Dass aber das Beherrschen neuer Kommunikationssituationen rein theoretisch erlernt werden kann, erscheint vielen Teilnehmenden sehr plausibel. Schließlich können sie ja bereits sprechen und müssen das nicht neu lernen. Nichtsdestotrotz zeigen sich im klassischen Rollenspiel sehr oft die wahren Tücken der Kommunikation, und ein Trainer, der die sogenannten Softskills vermittelt, kann ohne praktische Übung kaum davon ausgehen, dass das <?page no="149"?> 9.2 Methoden zur Lernzielkontrolle 149 Lernziel erreicht wird. Wenn ich zu Beginn meine Teilnehmenden rote Karten schreiben lasse, was in diesem Seminar bloß nicht passieren soll, steht auf den Karten sehr oft Rollenspiel. Dabei mache ich auch immer mal wieder die überraschende gegenteilige Erfahrung. Es gibt auch Gruppen, die ausdrücklich auf Rollenspielen bestehen. Offensichtlich ist es die persönliche Erfahrung der Teilnehmenden, die ihre Einstellung zum Rollenspiel prägt. Deshalb forciere ich diese Diskussion zu Beginn sogar gerne, einfach um die konkreten Befürchtungen, die mit Rollenspielen assoziiert werden, zu erfahren. Oft sind es Erinnerungen an quälend lange Feedback-Runden oder an Kameraaufzeichnungen. Zwischen den Zeilen schwingt oft die Erfahrung der Beschämung mit, und diese gilt es unbedingt zu vermeiden. Hier die wichtigsten Hinweise, wie sie Praxisübungen erfolgreich initiieren - ohne die Befürchtungen kritischer Geister zu bewahrheiten: 3. Nomen est Omen Der Begriff Rollenspiel wird oft negativ assoziiert. Die Teilnehmenden befürchten, dass sie sich theaterspielend „zum Affen machen“ müssten. Sie fürchten die praxisferne pädagogische Methode und fühlen sich herabgesetzt „Wir sind doch nicht im Kindergarten! “. Persönlich benenne ich Rollenspiele nie als Rollenspiel. Nur wenn die Lerngruppe ausdrücklich auf der Durchführung von Rollenspielen besteht, passe ich mich an. Obwohl ich in meinem Studium bereits in den 1990er Jahren gelernt habe, dass dies aus erziehungswissenschaftlicher Sicht die korrekte Bezeichnung ist, bezeichne ich diese Form der Übung als Praxischeck Übung Praxistest Transferübung ABC-Check Das tue ich nicht, um meine Teilnehmenden zum Narren zu halten, sondern ich hebe mit dieser Bezeichnung den Zweck in den Vordergrund: Die Teilnehmenden probieren bei dieser Übung aus, ob sich die Theorie in die Praxis umsetzen lässt. Die Teilnehmenden testen meine Inhalte auf Herz und Nieren und entscheiden dann, ob sie so umsetzbar sind - ansonsten muss ich nachliefern. Diese Umfokussierung ist mir äußerst wichtig. Ich bin nicht die Prüferin, welche die Teilnehmenden kontrolliert, sondern die Teilnehmenden prüfen die Brauchbarkeit der Inhalte. Ich moderiere das dann zum Beispiel folgendermaßen an: „Ich persönlich bin von diesem Konzept sehr überzeugt und habe damit guter Erfahrungen gemacht. Aber darauf kommt es natürlich nicht an. Es geht darum, ob das Konzept für Sie passt. Und deshalb möchte ich, dass Sie es jetzt äußerst kritisch prüfen, und zwar in einem Setting, das möglichst praxisnah ist. Ich dachte da an ein Gespräch mit einem Ihrer Kunden.“ <?page no="150"?> 150 9 Methoden 4. Weniger Stress durch Ausstiegsszenarien oder Kleingruppenbildung Im Plenum arbeite ich im Stuhlkreis. A und B stehen, oder sitzen auf zwei Stühlen; die Cs sitzen im Halbkreis. A sitzt gefühlt meist auf dem „heißen Stuhl“. In dieser Rolle wird der Prüfungsdruck am stärksten empfunden - es gilt also diese Position zu entlasten und zu unterstützen. Gestalten Sie deshalb einfache Ausstiegsszenarien, die das Rollenspiel nicht beenden und gleichzeitig einen Gesichtsverlust verhindern. Ich arbeite dabei gerne mit einem Ball. Diesen Ball hat A in der Hand, und sobald er nicht mehr weiter weiß, wirft A den Ball einem C zu, das dann schnell mit ihm den Stuhl wechselt. Die Übung wird dann genau so fortgeführt, und B hat die Instruktion, einfach weiterzuspielen, als wäre nichts gewesen. Die A Rolle wird dadurch abstrahiert - die gesamte Gruppe ist A und das Bewältigen der Kommunikationsaufgabe wird zur Teamaufgabe. Oft gehe ich bei diesem Setting selbst in die B-Rolle. Das hat den Vorteil, dass ich darauf achte, dass die Rolle angemessen eingenommen wird. 94 Das führt oft zu wildesten Ball- und Stuhlwechseln und die gesamte Gruppe feiert am Ende die erfolgreich bestandene Übung. Rollenspiele in Kleingruppen Eine andere Möglichkeit, den Rahmen niedrigschwellig zu gestalten, ist das Rollenspiel in der Kleingruppe. Die Teilnehmenden arbeiten dabei idealerweise zu dritt in einer Gruppe mit drei Wahrnehumngspositionen. A setzt die neuerlernte Kommunikationsstrategie ein B ist Gesprächspartner (Kunde, Mitarbeiter, Kollege…) C ist Beobachter und trägt gleichzeitig die Verantwortung für das Einhalten des zeitlichen Rahmens. Der zeitliche Rahmen sieht folgendermaßen aus 1. 5 Minuten Rollenspiel 2. 5 Minuten Reflexion und Feedback (zuerst reflektiert A kurz sein Handeln, B gibt Feedback, wie er das Verhalten von A in seiner Rolle wahrgenommen hat und C gibt Feedback zur konkreten Umsetzung des Erlernten, also z.B. wenn es um die drei Schritte der Einwandbehandlung geht, gibt er Feedback, ob die drei Schritte erkennbar waren. 94 Manchmal neigen Teilnehmende in der B-Rolle im Spieleifer dazu, den Bogen zu überspannen. Sie reagieren dann nicht authentisch auf die Beiträge von A, sondern kämpfen um die rhetorische Vorherrschaft. <?page no="151"?> 9.2 Methoden zur Lernzielkontrolle 151 3. Rollenwechsel In dieser Struktur durchlaufen alle drei Teilnehmende die drei Positionen A, B und C innerhalb von 30 Minuten. Bei längeren Seminaren oder komplexeren Aufgaben kann die Zeit auch von 5 auf 7 oder 10 Minuten erhöht werden. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass nach 10 Minuten oft „die Luft raus ist“ und es sich eher empfiehlt, mehrere kurze Durchläufe mit variierenden Aufgaben einzuplanen, eine Kommunikationssituation also in einzelne Sequenzen zu unterteilen. Ein Beispiel: Bei einem Verkaufsseminar könnten bei Runde 1 die Teilnehmenden in 3-Minuten-Sequenzen den Einstieg ins Gespräch üben, zu einem späteren Zeitpunkt wird eine 5-Minuten-Sequenz Bedarfsanalyse und eine 5-Minuten-Sequenz Einwandbehandlung durchgespielt. Die ABC-Arbeit in Kleingruppen setzt eine hohe Selbstmotivation und Disziplin der Teilnehmenden voraus. Deshalb setze ich sie nicht ein, wenn die Teilnehmenden (noch) im Besucher- oder Sich-Beklagenden-Muster sind. 95 5. Klar, einfach und kurz Nichts langweilt und demotiviert Teilnehmende mehr als ausschweifende Vorankündigungen und komplizierte lange Erklärungen einer Übung. Darum bereiten Sie sich so gut vor, dass die Übung in Kürze erklärt ist und die Teilnehmenden bei Unsicherheit sich anhand der zur Verfügung stehenden Medien und Materialien rückversichern können. Im Plenum nutze ich dafür ein Flipchart. Bei Kleingruppenarbeit ein Arbeitsblatt und ggf. Rollenkarten. Welche Informationen sind wichtig: 1. Zeitstruktur 2. Einführung von ABC-Position 3. Kurze Verhaltensinstruktion für B - nicht Schauspielleistung, sondern natürliche, authentische Reaktionen sind gefragt! 4. Konkrete Aufgabe für A 5. Beobachtungskriterien für C Ein Beispiel aus einem Führungsseminar: Informationen auf dem Flipchart (ich bitte die Teilnehmenden, sich diese vor der Kleingruppenarbeit abzufotografieren): Das Jahresgespräch A ist Führungskraft B ist Mitarbeiter C beobachtet die Situation und achtet auf die Zeit 95 Vgl. Kapitel 4.3 Umgang mit unterschiedlichen Teilnehmertypen <?page no="152"?> 152 9 Methoden Aufgabe: A erläutert nach einem kurzen Warmup dem Mitarbeiter die Bedeutung des Jahresgesprächs. Zeitstruktur: 5 Minuten Gespräch 5 Minuten Auswertung (zuerst Reflexion A, dann Feedback von B und C) Danach Rollenwechsel - Jede/ r übernimmt einmal jede Rolle Gesamtdauer 30 Minuten Informationen auf den Rollenkarten A Führungskraft In der Situation: Sie begrüßen B zum Jahresgespräch. Ihr Ziel ist es eine vertrauensvolle Atmosphäre herzustellen und B Ziel und Nutzen des Jahresgespräches zu vermitteln. In der Reflexion: Reflektieren Sie kurz was Ihnen Ihrer Meinung nach gut gelungen ist und was Sie ggf. in Zukunft anders machen würden. B Mitarbeiter/ in In der Situation: Sie wurden zum Jahresgespräch von ihrer Führungskraft eingeladen. Sinn und Ziel dieses Gesprächs sind Ihnen nicht klar. Lassen Sie sich authentisch auf die Situation ein. Konzentrieren Sie sich weniger auf ihre schauspielerische Leistung als auf das, wie Ihre Führungskraft mit Ihnen umgeht und reagieren sie einfach authentisch. Fragen Sie nach, wenn Ihnen etwas unklar erscheint und äußern Sie ruhig auch Bedenken. Beim Feedback: Geben Sie kurz Feedback, wie es Ihnen als Mitarbeiter/ in in der Situation ergangen ist. Was hat Ihnen gefallen? Was hätten Sie darüber hinaus gebraucht / sich gewünscht? C Beobachter/ in - Achten Sie auf die Zeit! - Unterbrechen Sie die Übung nach 5 Minuten - Achten Sie darauf, dass Reflexion und Feedback nach 5 Minuten abgeschlossen sind! Achten Sie bei der Beobachtung auf den Ablauf des Gesprächs: - Begrüßung - Warm up <?page no="153"?> 9.2 Methoden zur Lernzielkontrolle 153 - Klären des Zeitrahmens - Ziel des Jahresgesprächs - Nutzen erläutern Ergänzen Sie nach der Reflexion und dem Feedback von B ggf. Punkte, die Sie für relevant halten. 6. Bloß keine endlosen Auswertungsrunden im Plenum! Fast jeder hat es schon einmal erlebt: Eine Person in der A-Position wird bei einer Übung gefilmt. Danach sehen sich alle den Film in voller Länge noch einmal an. Nach einer kurzen Diskussion, was bei der Filmaufnahme anders wirkte als in „echt“ reflektiert A und alle Bs geben ausführlich Feedback, wobei einzelne Aspekte durchaus kontrovers diskutiert werden. „Also was Gabi gesagt hat kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, ich fand den Blickkontakt vollkommen ausreichend mir ging es eher wie Gesine und ich war auch genervt von der Gestik mit der linken Hand und die Erklärung von Karim …“ Da an diesem Tag insgesamt 10 Sequenzen besprochen werden, gerät der Zeitplan völlig aus den Fugen und die gesamte Gruppe ist am Ende vollkommen erschöpft. Eine viel effektivere Art des Auswertens und Feedbackgebens ist Folgende: Die Beobachtenden (C) schreiben ihr Feedback leserlich auf Karten und Notieren auf der Karte ihre Namen. A bittet nach einer kurzen Selbstreflexion zwei Cs, verbal Feedback zu geben. Zuvor wurden bereits die Feedbackregeln besprochen und die Beobachtenden sind instruiert nur das zu ergänzen, was noch nicht angesprochen wurde. Als Leitung ergänzen Sie das Feedback und sammeln dann alle Karten ein und überreichen sie A. Falls A Fragen zu den Feedbacks auf den Karten hat, kann sie das betreffende C direkt ansprechen, da ja die Namen auf den Karten stehen. Mir gefällt diese Form des Feedbacks sehr gut, da sie schnell geht und trotzdem alle von allen Feedback erhalten. Das Feedback ist so meist viel mehr auf den Punkt und es besteht weniger Gefahr, dass Ressourcen und Verbesserungspotentiale bei der Übung zerredet werden. Whiteboardfeedback online Bei unseren Online-Trainerausbildungen nutzen wir ein Whiteboard, das in drei Bereiche unterteilt ist. 96 Jedes C schreibt drei Karten und ordnet diese den drei Bereichen zu: 1. Das hat mir gefallen 2. Das hat mich irritiert 96 Besonders bewährt hat sich dabei das Padlet (padlet.com), bei dem sich die Inhalte übersichtlich in Spalten anordnen lassen. <?page no="154"?> 154 9 Methoden 3. Mein Tipp für Dich Hier verzichten wir vollkommen auf das mündliche Feedback, schreiben als Trainerinnen auch Karten mit unseren Namen und geben A Zeit das Geschriebene zu lesen. Da alle gemeinsam auf das Whiteboard schreiben, liest A hier das Feedback schon während es geschrieben wird. Im Anschluss kann A Verständnisfragen stellen. Je nach Plattform kann A sich das Feedback direkt herunterladen oder die Leitung versendet es als Dokument oder PDF per Mail oder Chat. Umsetzung online mit Breakout-Rooms oder Spotlightfunktion ABC-Kleingruppen lassen sich online wunderbar in Gruppenräumen, sogenannten Breakout-Rooms realisieren. Sorgen Sie dafür, dass die Teilnehmenden in den Räumen auf die Arbeitsmaterialien, wie Rollenkarten zugreifen können. Bei einigen Plattformen wie Zoom haben Sie als Leitung die Möglichkeit, die Gruppenräume ohne Kamera und Mikrofon zu betreten. Wenn sie dies zuvor ankündigen, kann das eine gute Möglichkeit sein, um zu prüfen, ob die Rollenspiele gut laufen oder die Teilnehmenden ggf. doch noch Unterstützung brauchen. Planen Sie hier bei der ersten Runde etwas mehr Zeit ein, da die Teilnehmenden online etwas mehr Zeit brauchen, um in die Übung reinzukommen und die Kommunikation zu Beginn oft etwas stockend läuft. Außerdem sollten Sie nicht alle drei Positionen direkt nacheinander spielen lassen, sondern die Teilnehmenden kurz zwischendurch wieder in den Hauptraum holen, um mögliche Fragen zu klären. Wenn Sie Rollenspiele zwischen einem A und einem B im Plenum durchführen möchten empfiehlt es sich A und B durch eine Spotlight-Funktion hervorheben, so dass diese für die gesamte Gruppe deutlicher sichtbar sind. Auch hier können Sie A schnell und unkompliziert entlasten, indem Sie die Möglichkeit geben mit einem Codewort oder einem Handzeichen auszusteigen, dann wählen Sie einfach ein neues A aus der Gruppe der beobachtenden Cs und setzen dieses in die Spotlightfunktion - allen Teilnehmenden ist damit direkt ersichtlich, wer dran ist. 9.3 Transfermethode Projektarbeit Ein wichtiger Anspruch an Businesstraining ist, dass das was gelernt werden soll, umsetzbar und relevant ist. Diesen sichern Sie durch die Einführung persönlicher Projekte ab. Die Teilnehmenden formulieren dabei direkt zu Beginn ein spezifisches Anwendungsgebiet, in dem sie das Erlernte umsetzen möchten. Dieses Projekt durchläuft das Training dann wie ein roter Faden. Die Projektarbeit ist so eine Transfermethode, die die Umsetzung in den Arbeitsalltag garantiert und gleichzeitig eine „Meta-Lernzielkontrolle“, denn die Lernzielkontrollen im Training beziehen das Erlernte immer auf die individuellen Projekte. <?page no="155"?> 9.3 Transfermethode Projektarbeit 155 Zwei Beispiele: Trainingsthema schwierige Gesprächssituationen bewältigen Meetingmoderation Projektarbeit TN beschreibt eine bevorstehende Gesprächssituation, auf die er das Erlernte anwenden möchte. TN beschreibt eine spezifische Moderation, bei der er das Erlernte anwenden möchte. Denkbare Übungen zur Lernzielkontrollen im Verlauf des Trainings: 1. Einordnen des eigenen Projekts in Kategorie 2. Argumente für den eigenen Standpunkt formulieren 3. Einwände des Gesprächspartners benennen und behandeln 4. Im Rollenspiel schwierige Gesprächssituation erproben 1. Fragestellungen für die eigene Moderation formulieren 2. Checkliste zur Vorbereitung ausfüllen 3. Geeignete Moderationsmethoden auswählen 4. Moderationsmethode mit eigener Fragestellung erproben Damit die Teilnehmenden Projekte formulieren, die auch wirklich realistisch, umsetzbar und überprüfbar sind, werden diese entlang der sogenannten smart-Kriterien formuliert. Hier der konkrete Ablauf: 1. Sie erläutern das Ziel der Methode. „Dieses Seminar soll Sie befähigen …. Das bedeutet für jede/ n von Ihnen etwas anderes. Um abzusichern, dass das was wir hier tun wirklich für jede/ n von Ihnen praxistauglich ist möchte ich, dass Sie sich zu Beginn eine Situation überlegen, in der Sie in naher Zukunft das, was Sie hier lernen praktisch umsetzen.“ 2. Sie erklären den Teilnehmenden die smart-Kriterien (oft sind diese bereits bekannt): „Diese Situation werden wir uns im Laufe des Seminars immer wieder ansehen und an ihr prüfen, ob das was wir gerade tun auch wirklich zieldienlich und umsetzbar ist. Diese Situation ist Ihr Praxisprojekt. Und ich werde Ihnen jetzt gleich 15 Minuten Zeit geben dieses für sich einmal auszuformulieren. Bewährt haben sich dabei die SMART-Kriterien: “ Sie präsentieren den Teilnehmenden die Kriterien: ● S wie spezifisch - es soll eine ganz konkrete Arbeitssituation sein. ● M wie messbar - überlegen Sie woran sie genau feststellen, dass Sie erfolgreich sind. <?page no="156"?> 156 9 Methoden ● A wie attraktiv - welchen Nutzen haben Sie davon oder was bereitet Ihnen Freude? 97 ● R wie realistisch - welche Kompetenzen oder Ressourcen haben Sie bereits, um das Projekt umzusetzen? ● T wie terminiert - wann genau ist das erfolgreiche Projekt überprüfbar? Hier ein Beispiel aus einem Führungsseminar: ● S : Es geht spezifisch um ein Feedbackgespräch mit Frau K., deren Arbeitsmotivation im Moment sehr zu wünschen übriglässt ● M : Messbar wäre das für mich, wenn ich beim Feedbackgespräch meine Erwartungen klar formuliere und wir eine Vereinbarung für die Umsetzung treffen ● A : Das ist sehr attraktiv für mich, da ich im Moment das Gefühl habe, dass das Klima im Team sehr unter der ungleichen Arbeitsverteilung leidet. ● R : Realistisch ist das, weil ich Frau K. prinzipiell mag und mit der geballten Fachkompetenz hier im Raum sicher Wege finden werde. ● T : Das Gespräch findet nächste Woche am Dienstag statt. 3. Die Teilnehmenden formulieren ihre Projekte in Einzelarbeit - 15 Minuten 4. Jeder Teilnehmende stellt sein Projekt kurz vor (pro Person ca. 3 Minuten). Sie als Leitung geben Hinweise, falls bestimmte Kriterien nicht smart formuliert sind - besonders häufig wird der Fehler gemacht, dass die Zielerreichung am Verhalten anderer festgemacht wird - bei unserem Beispiel: Frau K. verändert ihr Verhalten. Der Fokus soll jedoch darauf liegen, was der Teilnehmende selbst tun kann, um die Verhaltensänderung zu beeinflussen und das ist in unserem Beispiel das klare Formulieren von Erwartungen und das Treffen einer Vereinbarung. Im Trainingsverlauf haben die Teilnehmenden immer wieder die Möglichkeit, die Inhalte auf ihre Projekte zu übertragen, so dass sie sich nach dem Training gut vorbereitet und gerüstet für den Transfer in die Arbeitswelt fühlen. Die Projektarbeit lässt sich nicht bei jedem Trainingsthema gut umsetzen. Sehr gute Erfahrungen habe ich persönlich bei den Themen: Train-the-Trainer, Moderation, Präsentation und Konfliktgespräche. 97 Beim A des Akronyms scheiden sich die Geister: neben attraktiv wird es in verschiedenen Quellen auch akzeptiert oder aktionsorientiert benannt. <?page no="157"?> 9.4 Methoden zur Fokussierung 157 9.4 Methoden zur Fokussierung Voraussetzung für den Erfolg der Wissensvermittlung ist die Lernmotivation der Teilnehmenden. Hier ein paar Methodenideen, wie Sie diese erhöhen: 9.4.1 Sprung ins kalte Praxiswasser Eine Warnung zu Beginn: Diese Vorgehensweise vermittelt Ihren Teilnehmenden oft wenig Erfolgserlebnisse. Sie müssen deshalb sehr darauf achten, dass Sie einen „geschützten“ Raum in Ihrem Training bieten und dass Sie Ihren Teilnehmenden mit großer Wertschätzung entgegentreten. Diese Methode birgt dennoch enormes Motivationspotenzial und Sie vermeiden den Dunning-Kruger-Effekt 98 . Die Teilnehmenden entwickeln dabei sehr schnell ein Problembewusstsein und sind motiviert, ihr Verhalten zu verändern. Vorgehensweise : 1. Konkrete Übungsanleitung 2. Vorweggenommene Lernzielkontrolle (Runde 1: Kurzform) 3. Auswertung der Übung Im Anschluss: 4. Wissensvermittlung 5. Lernzielkontrolle (Runde 2: Langform) 6. Auswertung der Übung nach vermittelten Erfolgskriterien (Betonen der Verbesserung von Runde 1 zu Runde 2) Sie nutzen bei dieser Vorgehensweise eine vorweggenommene Lernzielkontrolle. Der deutsche Philosoph Rolf Sistermann beschreibt dies in seinem Modell der Lernphasen als selbstgesteuerte intuitive Lösung, die einer angeleiteten kontrollierten Problemlösung vorangestellt wird, 99 . Die Teilnehmenden probieren also einfach aus, wie sie eine Aufgabe intuitiv lösen würden, ohne wirklich zu wissen, wie es theoretisch funktioniert. Dabei zeigen sich unterschiedlichste Erfahrungshintergründe, Strategien und Kompetenzen. Auch Sie als Trainer werden in diesen Sequenzen Vorgehensweisen erleben, die Sie überraschen. Steigen Sie z.B. bei einem Vortragstraining mit einem Kurzvortrag ein. Die Teilnehmenden sollen spontan einen 3-Minuten-Vortrag halten. Im Anschluss werten Sie die Übung zusammen mit der Gruppe aus. Dabei sollen 98 Vgl. Kapitel 7.1 99 Rolf Sistermanns beschreibt das Modell für die Heranführung an anspruchsvolle Texte oder Arbeitsmaterialien, vgl. Zeitschrift für Didaktik der Philosophier und Ethik Heft 1/ 2015 <?page no="158"?> 158 9 Methoden nicht die einzelnen Agierenden Feedback erhalten, sondern die Teilnehmenden erarbeiten gemeinsam Kriterien: Was und nicht wer ist mir aufgefallen? ist also die Frage. Die Frage kann auch konkretisiert werden: Was hat mir gut gefallen? / Was sollte eher vermieden werden? oder: Was hat funktioniert? / Was hat nicht funktioniert? Bei Ihrer anschließenden Wissensvermittlung greifen Sie die von den Teilnehmenden benannten Kriterien auf und vermitteln Ihre Erfolgsgeheimnisse. Sie können gewiss sein, dass Sie ein Bewusstsein über die Relevanz Ihrer Inhalte geschaffen haben und die Teilnehmenden sich auch ohne zuvor persönlich Feedback erhalten zu haben wiedererkennen und sich genau auf die für Sie relevanten Themen konzentrieren. Danach ist es Zeit für das Erfolgserlebnis für die Gruppe. Die Teilnehmenden machen die Übung erneut, haben nun mehr Zeit sich vorzubereiten und erhalten persönliches Feedback für ihre Umsetzung. 100 Möglichkeiten zum Sprung ins kalte Praxiswasser: Zurufabfrage „Wie machen Sie es zurzeit? “ oder „Wie könnte eine Lösung aussehen? “ Kurzes Rollenspiel Kleingruppenarbeit anhand eines Arbeitsblattes mit einem Fallbeispiel, das es zu lösen gilt. 9.4.2 Experimente mit „Ach so! “-Effekt Experiment ist ein Begriff, den Teilnehmende normalerwiese mit den Naturwissenschaften verbinden. In der Erwachsenenbildung nutze ich diesen, um die Teilnehmenden ganz praktisch Inhalte erfahren zu lassen. In einem Experiment sollte es eine neue Erkenntnis geben, durch die alte Verhaltensmuster oder Sichtweisen reflektiert und verändert werden. So lade ich zum Beispiel meine Teilnehmenden in meinen Train-the-Trainer- Seminaren beim Thema Lernen zu einem Experiment mit einem Seil, dem Knotentrick 101 , ein. Jede Person erhält ein Seil und ich zeige Schritt für Schritt, wie ich einen Knoten ins Seil mache. Dabei sage ich: Die Qualität unserer Lehre zeigt sich daran, ob bei unseren Teilnehmenden das hängen bleibt, was wir vermitteln - wie bei diesem Seil, da soll nämlich am Ende genau dieser Knoten drin sein. Dabei bediene ich mich eines kleinen Zaubertricks, der bewirkt, dass nur in meinem Seil ein Knoten bleibt, während bei den Teilnehmenden einfach kein Knoten entstehen möchte bzw. vollkommen andere Knoten entstehen. 100 Vgl. Kapitel 8.2.4 Bloß keine endlosen Auswertungsrunden 101 Diesen Seiltrick habe ich von meinem Trainerkollegen Bernd Rademächers gelernt. Er zeigt ihn auch auf seiner Homepage www.rademaechers.eu/ try-it-yourself/ <?page no="159"?> 9.4 Methoden zur Fokussierung 159 Ich zeige den Trick mehrmals, bis die ersten Teilnehmenden eine Idee bekommen, an welcher Stelle ich etwas anders mache als der Rest der Gruppe. Dann erkläre ich meine Vorgehensweise, so dass alle Teilnehmenden das Erfolgserlebnis teilen. Danach leite ich weiter auf meine Wissensinhalte - also in meinem Fallbeispiel: Was sind die Zaubertricks beim Lehren? Eines meiner größten „Ach so“-Erlebnisse als Teilnehmende war in einem kurzen Workshop zum Design Thinking. Die Leitung wies uns an, ein Fluggerät aus einem DIN A4-Blatt zu falten . Das Objekt, welches am weitesten flöge, würde gewinnen. Mit Feuereifer falteten wir alle Papierflieger und es entstanden beeindruckende Exemplare. Wir fachsimpelten darüber, ob schmale oder weite Tragflächen vorteilhaft wären, ob die Spitze spitz oder noch einmal nach hinten gefaltet ein besseres Ergebnis erziele. Dann ging es an den Wettbewerb. Wir stellten uns in eine Reihe und schickten unsere Papierflieger auf die Reise - mit bescheidenem Erfolg. Nun sagte die Trainerin. Ich falte in weniger als 30 Sekunden ein Fluggerät, das weiterfliegt als eure. Sie nahm ein Blatt, zerknüllte es und warf es - mehr als doppelt so weit wie unser bester Papierflieger. Wenn wir die Dinge so tun, wie wir sie schon immer getan haben und nur unsere alten Methoden weiterentwickeln, erzielen wir nicht unbedingt die besten Ergebnisse, erläuterte sie sinngemäß. In Ihrem nun folgenden Vortrag waren wir alle hochaufmerksam und bereit uns von den zündenden Ideen des Design Thinking begeistern zu lassen. Ein recht bekanntes Experiment ist das Bilderraten, auch: der Bayerische Wecker - Dieses wird oft eingesetzt, wenn es um das Thema Fragetechnik geht. Dabei soll durch gezieltes Fragen ein Bild erraten werden. Das kann ein bayerischer Wecker, aber auch jedes andere leicht nachzeichenbare Motiv sein: Ablauf: Person A verlässt den Raum, während die anderen das Bild betrachten und es sich einprägen. Die Gruppe bekommt die Instruktion alle Fragen von Person A genauso zu beantworten, wie sie gestellt sind - also geschlossene Fragen nur mit ja oder nein. Person A kommt herein und erhält die Instruktion, das Motiv zu erfragen und, gemäß der Antworten zu zeichnen. Ich füge an dieser Stelle immer noch den Satz hinzu Alle Fragen sind erlaubt. Bei größeren Gruppen schicke ich mehrere Personen raus, die es nacheinander versuchen. Die Fragezeit begrenze ich auf 2-3 Minuten, so dass das Experiment nicht langatmig wird und Person A nicht zu lange in einer unangenehmen Situation ist. Bei der Auswertung fragen Sie die Gruppe, welche Fragen gestellt wurden und was Person A damit erreicht hat. In den meisten Fällen stellen die Ratenden nur geschlossene Fragen und erhalten dementsprechend zu wenige Informationen, um ein detailliertes Bild zu zeichnen. Die Frage: Was soll ich (genau) zeichnen? wird fast nie gestellt. Danach übertragen Sie die Erfahrung <?page no="160"?> 160 9 Methoden auf die Arbeitswelt, z.B. so geht es uns oft auch im Kundengespräch / Mitarbeitergespräch…. Spontan stellen wir erst einmal geschlossene Fragen. Die Suche nach einem passenden Experiment für das eigene Thema ist oft wie eine Schatzsuche, aber sie lohnt sich enorm. Ihre Teilnehmenden werden aktiv, wach und neugierig. Übrigens lassen sich manche Experimente auch für unterschiedlichste Zwecke einsetzen, also lassen Sie sich ruhig auch von Kollegen inspirieren, die ganz andere Inhalte als Sie selbst vermitteln. Wenn Sie nicht bereit sind sich den Kopf zu zermartern und lieber fertige Lösungen kaufen möchten, bieten spezialisierte Anbieter für erlebnisorientiertes Training oft gute Lösungen 102 . Trainertipp: Entscheidend ist die stimmige Metapher, beziehungswiese Übertragbarkeit des Experiments auf Ihr Thema, ansonsten wirkt das Ganze schnell wie „unnötige Spielerei“. 9.4.3 Storytelling Menschen lieben Geschichten. Schon lange vor der Entstehung der Schrift gaben Menschen ihr Wissen narrativ weiter. Im Gegensatz zu reinen Wissensvermittlung, hat eine gut erzählte Geschichte eine Sogwirkung, der sich die Zuhörenden kaum entziehen können. Ganz nebenbei werden Lebenserfahrungen vermittelt, Denkprozesse eingeleitet, Rollenerwartungen definiert, Verhaltensänderung angeregt, ein Problembewusstsein geschaffen und Problemlösungen aufgezeigt. Dabei durchlaufen gute Geschichten stark vereinfacht folgende Phasen: 1. Kurze Situationsbeschreibung (für die Zuhörer einfach nachvollziehbar) 2. Herausforderung: Der Protagonist hat ein Problem und droht zu scheitern oder scheitert zunächst. (Die Teilnehmenden leiden mit dem Protagonisten) 3. Aktion: Das Problem wird gelöst. (Alle atmen auf oder sind überrascht) Doch nicht alle Geschichten durchlaufen alle Phasen - manchmal bleibt es auch beim Scheitern und die Teilnehmenden sind angehalten gemeinsam an Lösungen zu arbeiten bzw. sind neugierig auf die Lösungen, die der Trainer vorschlägt. Hier 3 Typen von Geschichten mit jeweils einem Beispiel, die sich wunderbar zum thematischen Einstieg eignen: Die Metapher Die Metapher ist eine Geschichte, die auf den ersten Blick nichts mit dem Thema zu tun hat, aber im übertragenen Sinne eine Weisheit enthält, die die Zuhörenden sich entschlüsseln. Da diese Geschichten gerne in der Erwach- 102 Bekannt und bewährt sind z.B. die Tools der Firma Metalog www.metalog.de <?page no="161"?> 9.4 Methoden zur Fokussierung 161 senenbildung eingesetzt werden, gibt es zahlreiche Quellen, aus denen Sie schöpfen können. 103 Ich selbst erzähle in meinen Train-the-Trainer-Seminaren gerne die Geschichte vom großen Clown Grock, wenn es um die Trainerrolle geht: „Kennt jemand von Ihnen den großen Clown Grock? Der Clown Grock gilt als der größte Clown der Weltgeschichte und hat mit seinem Wirken sein Publikum regelmäßig zu Begeisterungsstürmen hingerissen. In seinen Memoiren schreibt er, dass er vor jedem seiner Auftritte durch ein Guckloch im Vorhang in die Manege gelinst hat. Dabei sagte er zu sich selbst: Mein liebes, liebes Publikum. Danke, dass Du so zahlreich erschienen bist. Ich will auch alles tun, um Dich zu erfreuen! “ Nachdem ich die Metapher erzählt habe, lasse ich eine Pause, so dass die Teilnehmenden die Gelegenheit haben, über die Geschichte nachzusinnen. Dann frage ich: „Wir haben jetzt das Thema Trainerrolle auf der Agenda. Was glauben Sie, warum ich Ihnen an dieser Stelle diese Geschichte erzähle? “ Die Teilnehmenden treten jetzt in den Austausch über die Geschichte und überlegen, inwieweit sie sich als Trainer mit dem Clown Grock in seiner Haltung identifizieren. Oft lasse ich sie in einer kurzen Einzelarbeit im Anschluss eigene Metaphern entwickeln - In meiner Trainerrolle bin ich wie … Anhand der Metaphern erarbeiten wir die Haltung eines Trainers in seiner Rolle und die Grenzen der Trainerrolle - denn ist es wirklich … alles, alles was wir tun, um unsere Teilnehmenden zu erfreuen? Das persönliche Erlebnis Hier erzählen Sie eigene Lernerfahrungen, die Sie privat oder in Ihrem Berufsleben gemacht haben. Ein Tipp: Nutzen Sie dabei immer echte Geschichten, die für Sie selbst auch einen emotionalen Gehalt haben, so dass Sie diese auch authentisch und lebendig erzählen können. Das funktioniert besonders gut, wenn Sie in einer guten Beziehung zu Ihren Teilnehmenden stehen, so dass diese sich positiv in Sie einfühlen, also das Erzählte empathisch miterleben. Wenn es um das Thema Alternativen anbieten oder Entscheidungen beschleunigen geht, erzähle ich gerne folgende Geschichte: „Mit meinem Studium der Sozial- und Verhaltenswissenschaften hatte ich in den 1990er Jahren als Berufsanfängerin schlechte Karten. Für mich galt die Devise: Wer nichts wird, wird Wirt - ist auch dieses nicht gelungen, macht man in Versicherungen. Da die Gastronomie wenig Anreiz hatte, landete ich also im Versicherungsaußendienst. Und zu Beginn war ich eine echte Niete. Eigentlich 103 Z.B. die Metaphernkartei von Marco von Münchhausen und Waltraud Trageser und die Erzählbar von Hans Heß <?page no="162"?> 162 9 Methoden sollte ich mindestens 10 Kundentermine pro Woche vereinbaren - das war die Vorgabe. Ich hatte zwar Massen an Kunden, aber ich habe bei denen einfach keine Termine bekommen. Obwohl ich fleißig telefonierte, wollte mich niemand zu sich einladen. Ich habe alles probiert: „Hallo, ich bin ihre neue Firmenkundenbetreuerin, darf ich mal bei Ihnen vorbeikommen? / Ich möchte mich gerne persönlich bei Ihnen vorstellen / ich habe ein interessantes Angebot für Sie, wann passt es am besten bei Ihnen? “. Irgendwann hatte ein alter und sehr viel erfolgreicherer Kollege mit mir Mitleid und sagte: „Agathe das musst Du anders machen. Ruf an und sag: Ich bin nächste Woche am Montag bei Ihnen in der Gegend - wann passt es bei Ihnen besser - vormittags oder nachmittags? “ Obwohl ich den Vorschlag schwachsinnig fand, war ich verzweifelt genug, um es auszuprobieren. Tja - und was soll ich sagen. Nachdem ich 3 Tage erfolglos telefoniert hatte, hatte ich nun nach 1,5 Stunden die Wochenplanung komplett.“ Nach dieser Geschichte gehe ich in einen kurzen Erfahrungsaustausch und schließe dann meinen Wissensinput über das Thema an. Unternehmensgeschichten - über das Scheitern und über Helden der Arbeit Kennen Sie die Geschichte der Firma Kodak, die, nachdem sie jahrzehntelang erfolgreich am Markt war, den Siegeszug der Digitalfotografie verpasste und Insolvenz anmelden musste? Gerade für das Thema Change gibt es zahllose Geschichten von Unternehmen - Erfolgsgeschichten und, wie jene von Kodak, Geschichten vom Scheitern. Natürlich können Sie auch Geschichten von Mitarbeitern erzählen, deren Fehler das Unternehmen viel Geld gekostet haben. Wenn Sie sich für diese Variante entscheiden, achten Sie darauf, dass es keine bekannten „Schuldigen“ gibt und sie keine Abteilung und keine Einzelperson aus den Unternehmen der Anwesenden schlecht aussehen lassen. Eine andere Variante sind Geschichten von Mitarbeitern die Vorbildcharakter haben, da sie z.B. einen schlimmen Fehler vermieden haben. So eine „Heldengeschichte“ erzähle ich gerne zum Thema Datenschutz in der Kundenkommunikation: „Ich habe lange Jahre als festangestellte Trainerin in einem Telekommunikationsunternehmen gearbeitet. Eine Mitarbeiterin des telefonischen Kundenservice erlebte damals Folgendes: Eine Kundin rief an und berichtete sehr glaubhaft und aufgeregt, dass sie am Düsseldorfer Flughafen stände und ihren Ausweis vergessen hätte. Nun wollte sie gerne zuhause bei Ihrem Mann anrufen und diesen bitten, dass er ihr den Ausweis vorbeibringt, sie habe aber die neue Telefonnummer ihres Anschlusses nicht im Kopf. Die Mitarbeiterin sah im System, dass der Anschluss tatsächlich gerade eine neue Nummer bekommen hatte. Ihr erster Impuls war die Hilfsbereitschaft und sie wollte der Kundin direkt die Nummer geben. Doch dann lenkte sie um: „Wissen sie was, ich rufe für Sie an, machen Sie sich keine Sorgen, ich sage Ihrem Mann Bescheid.“ Sie war nicht <?page no="163"?> 9.4 Methoden zur Fokussierung 163 schlecht überrascht als sich bei ihrem Anruf herausstellte, dass die „echte Kundin“ gar nicht am Flughafen war, sondern den Hörer abhob. Nach einem kurzen Gespräch stellte sich heraus, dass die Anruferin eine Bekannte war, die die Familie schon lange belästigte und diese deshalb extra eine neue Rufnummer beantragt hatten, um sich vor ihr zu schützen.“ Nach einem kurzen Erfahrungsaustausch bei dem oft Teilnehmende von ähnlichen Erlebnissen berichten, schließe dann meinen Wissensinput über das Thema Datenschutz an. 9.4.3 Alltagsverständnis, Dr. Google und Fachliteratur „Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein.“ Albert Einstein Vielleicht geht es Ihnen als Businesstrainer auch so - Sie unterrichten Themen, von denen Ihre Teilnehmenden annehmen, dass sie darüber schon sehr, sehr viel wissen. Mit der folgenden Methode erzielen Sie schnell eine Unterscheidung vom Alltagsverständnis der Teilnehmenden und dem was sie als Expertin darüber hinaus zu bieten haben. Dazu teilen Sie die Teilnehmenden in drei Gruppen auf, die jeweils ein Plakat erstellen sollen: Gruppe 1 : Das verstehen wir unter Thema X Gruppe 2 : Das sagt Dr. Google zu Thema X Gruppe 3 : Das finden wir in der Fachliteratur zu Thema X Neben dem Plenum zur Präsentation der Ergebnisse sollte es 3 Gruppentische oder 3 Flipcharts geben, an denen die Gruppen ihre Aufgabe bearbeiten können. Außerdem sollte der Raum über ein offenes W-Lan verfügen. Gruppe 1 darf keine Medien und Materialien verwenden, Gruppe 2 soll mit dem Smartphone Antworten finden und Gruppe 3 erhält von Ihnen ausgewählte Fachliteratur. Für diese Gruppe müssen Sie vorarbeiten, damit sie nicht vollkommen überfordert sind und z.B. die wesentlichen Stellen im Buch markieren. Nach einer Gruppenarbeitsphase von 15-30 Minuten präsentieren die Gruppen nacheinander ihre Ergebnisse. Jede Gruppe hat 5 Minuten Zeit zur Präsentation. Zuerst präsentiert Gruppe 1 ihr Ergebnis, dann Gruppe 2 und zuletzt Gruppe 3. Nach einem kurzen Austausch über die Unterschiede zwischen dem Alltagsverständnis, den Fluten an (Fehl-)Information über das Internet und dem echten Fachwissen schließen Sie direkt mit Ihrem Wissensinput an. <?page no="164"?> 164 9 Methoden 9.5 Methoden zur Wissensvermittlung In den geläufigen Methodensammlungen finden sich neben zahllosen Methoden zur Aktivierung der Gruppe meistens nur sehr wenige Methoden zur Wissensvermittlung. Traditionell wird Wissen durch Vortrag , Präsentation oder Lehrgespräch vermittelt. Daneben gibt es unterschiedliche Möglichkeiten des Selbstlernens oder des Erarbeitens von Wissensstoff in der Gruppe. Nehmen wir zum Beispiel an, wir befinden uns in einem Vertriebstraining und der Lernstoff ist Phasen des Verkaufsgesprächs. Wir können uns viele verschiedene Möglichkeiten vorstellen, wie diese vermittelt oder erarbeitet werden könnten. Die geläufigste Form ist sicher, dass der Trainer der Gruppe die Phasen präsentiert. Oder er entwickelt die Phasen des Verkaufsgesprächs zusammen mit der Gruppe in einem Lehrgespräch. Dabei gibt er Input, steuert und stellt Fragen und visualisiert den Lernstoff parallel - entwickelt z.B. ein Schaubild. Er könnte aber auch die Phasen von Einzelnen oder Kleingruppen erarbeiten lassen, denen er zuvor entsprechende Materialien an die Hand gibt, und die Teilnehmenden präsentieren selbst das Ergebnis. Bei einer solchen Vorgehensweise spricht man vom Learning by Teaching. 9.5.1 Vortrag, Präsentation und Lehrgespräch - Wissen vermitteln und überzeugen Licht aus Spot an - Bei Vortrag und Präsentation steht der Trainer im Rampenlicht. Jetzt ist Performance angesagt. Doch was macht einen guten Vortrag aus? Kurze Präsentationen und Impulsvorträge dienen dem Wissensinput und bringen den Lernstoff interessant und verständlich zu Gehör. Bei der Präsentation werden dazu unterstützend Medien oder Anschauungsmaterial genutzt, die das Gesagte verdeutlichen. 104 Der Einsatz von Präsentationsmedien ist hilfreich. 105 Doch verstecken Sie sich nicht hinter Ihrer Visualisierung. Sie sollte nicht allein im Mittelpunkt stehen. Wenn Sie nicht gerade einen Film zeigen, dient ein Medium immer nur zur Unterstützung Ihres gesprochenen Worts. Sie stehen den Teilnehmenden (nicht dem Medium) zugewandt und halten Blickkontakt. Dabei sollte das Medium sichtbar sein und Sie weder in der Projektion des Beamers noch vor dem Flipchart stehen. Und denken Sie daran: Medien sollten Ihren Vortrag immer nur unterstützen und nicht doppeln - damit verbietet sich das Vorlesen von Folien! Die häufigsten Fehler bei Präsentationen (offline und online) und wie Sie diese vermeiden: 104 Beim reinen Vortrag bringt der Trainer den Lernenden den Lernstoff ohne unterstützende Medien rein verbal nah, was deutlich mehr rhetorisches Geschick erfordert. 105 Vergleiche Kapitel 10 Visualisieren durch Medien <?page no="165"?> 9.5 Methoden zur Wissensvermittlung 165 1. Die Präsentation ist zu lang. Präsentieren Sie möglichst nicht länger als 15 Minuten am Stück, bei Online-Trainings eher kürzer! Setzen Sie bei der Wissensvermittlung durch Präsentationen eher auf mehrere kurzen Einheiten, die sich mit Phasen, bei denen die Teilnehmenden aktiv sind, abwechseln. 2. Die Technik funktioniert nicht. Reisen Sie rechtzeitig an und planen Sie ausreichend Zeit ein. Bauen Sie Ihre Medien auf und testen Sie diese, bevor Ihre Teilnehmenden im Raum sind. Auch ein Plan B ist empfehlenswert - Sie sollten nicht wieder abreisen müssen, nur weil der Beamer irreparabel kaputt ist. Auch bei Online-Trainings sollten Sie für einen Technikcheck vor den Teilnehmenden „im Raum“ sein. 3. Sie stehen im Bild . Auch wenn Sie helle Oberbekleidung tragen, auf der Wand ist die Projektion doch besser lesbar. Gerade bei Folienvorträgen sollten Sie Ihren Standort zuvor ausprobieren und den Medienumbau planen. Wenn Sie z.B. zwischendurch eine Präsentation mit Beamer planen und dieser nicht fest installiert ist, markieren Sie sich zuvor den Standort (z.B. mit Kreppband). Wenn Sie im Online-Training mit Flipchart oder Whiteboard arbeiten, testen Sie vorab, wie sie Ihre Medien platzieren, so dass sowohl Sie als auch das Medium sichtbar sind. 4. Betreutes Lesen. - das ist ein verbreiteter Fehler. Die Folien werden mit Text vollgeschrieben und während des Vortrags vorgelesen. Die Präsentation hätte ich auch zuhause lesen können, dann hätte ich mir das hier gespart hört man es aus der Gruppe flüstern. Wer Textfolien oder ganze Flipcharts vorliest, verärgert nicht nur das Auditorium, sondern stört sogar den Lernprozess. 106 5. Blitzstart. Damit ist gemeint, dass Sie sich bereits auf Folie 3 befinden oder das erste Flipchart schon nach hinten geblättert haben bevor auch die letzten Teilnehmenden gemerkt haben, das es jetzt losgeht. Steigen Sie bewusst mit einer Pause ein, um den Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben, Sie und Ihre Präsentation wahrzunehmen. Lächeln und nicken Sie freundlich in die Runde, bis Sie sich der Aufmerksamkeit aller sicher sind. Wenn Einzelne zu tief ins Gespräch oder in die Nachrichten des Handys versunken sind, hilft meist ein laut ausgesprochenes humorvolles - „Ich persönlich wäre dann so weit.“ 6. Schnelles Sprechen ohne Pause . Klar Sie sind Experte und Ihnen ist bereits alles klar - aber Ihre Teilnehmenden brauchen Zeit, um Ihre Ausführungen zu verarbeiten. 7. Fehlender Blickkontakt. Natürlich ist es bequem, einfach selbst im Stuhlkreis sitzen zu bleiben und gemeinsam mit den Teilnehmenden die Präsentationsmedien zu betrachten. Beim Lehrgespräch passt das auch. Doch wenn Sie präsentieren, sollten Sie vorne stehen, und zwar nicht mit 106 Vergleiche Kapitel 7.4 <?page no="166"?> 166 9 Methoden dem Rücken zur Gruppe. Beim Online-Training haben Sie die Kamera an und sind idealerweise neben der Präsentation als kleines Bild für die Teilnehmenden sichtbar. Dabei blicken Sie freundlich in die Kamera, die ungefähr auf Augenhöhe sein sollte -so fühlen sich Ihre Teilnehmenden wahrgenommen und angesprochen. 8. Ungünstiger Stand. Auch wenn Sie ein lässiger Mensch sind, zumindest beim Start der Präsentation sollten Sie bewusst Haltung einnehmen. Dieses körpersprachliche Signal unterstreicht, dass das, was jetzt kommt wichtig ist. Ihre Füße stehen dazu ungefähr hüftbreit und zeigen in Richtung der Teilnehmendengruppe. Ihre Hände sind ungefähr auf Gürtelhöhe in einer Ruhegeste (bei der Präsentation mit dem Flipchart können Sie einen Moderationsstift in die Hände nehmen ansonsten den Präsenter. Im Online-Training sollten Sie die Hände etwas höher, etwa in Brusthöhe halten, damit sie im Video zu sehen sind. Grundsätzlich gilt: In der Kürze liegt die Würze. Wenn Sie nicht als Vortragsredner gebucht sind, sollten Präsentation und Vortrag möglichst nicht den Hauptteil Ihrer Veranstaltung einnehmen. Gemäß der Aufmerksamkeitskurve sollten Vortrag und Präsentation, je nach Zielgruppe, nicht länger als 10-20 Minuten dauern. Danach ist ein Methodenwechsel erforderlich, um den Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben, das Gehörte aktiv zu verarbeiten. Die Grundstruktur Ihres Vortrags ist kurz gefasst folgende: 1. Ich sage, was ich sagen werde (Einleitung / Thema klar benennen) „Wir beschäftigen uns nun mit Thema X …“ 2. Ich sage es (Hauptteil mit differenzierter Darstellung) „Wir unterscheiden bei Thema X verschiedene Kategorien …“ 3. Ich sage, was ich gesagt habe (Zusammenfassung) „Wir haben jetzt also die 5 Kategorien von Thema X betrachtet.“ Danach erarbeiten die Teilnehmenden das Thema selbst aktiv - idealerweise in Form eine Lernzielkontrolle. Wissensvermittlung ist umso intensiver, je mehr die Grundlagen des Lernens beachtet werden. Eine Vermittlung von Wissensstoff durch einen Vortrag sollte daher immer mit Methoden ergänzt werden, durch die aus Zuhörenden Beteiligte werden. Eine aktivierende Variante ist das Lehrgespräch . Hier sind die Teilnehmenden direkt beim Vortrag angehalten mitzudenken, Fragen zu beantworten und eigene Beiträge wie Fallbeispiele einzubringen. Die Visualisierung der Erkenntnisse erfolgt dabei simultan durch den Trainer. Auf einem Flipchart oder einem Whiteboard werden gemeinsame Erkenntnisse notiert. <?page no="167"?> 9.5 Methoden zur Wissensvermittlung 167 9.5.2 Methoden zur aktiven Wissensaneignung in Gruppen Mit diesen Methoden fordern Sie Ihre Teilnehmenden und bringen Sie in Bewegung. Im Grunde sind diese Methoden gleichzeitig auch vorweggenommene Lernzielkontrollen. Die besten Erfahrungen habe ich dabei mit Gruppen gemacht, die viel Lernmotivation mitbringen. Damit ist indirekt eine Warnung verbunden. Bei Teilnehmenden in Besucherhaltung drohen entweder schwache Arbeitsergebnisse oder sogar Meuterei. Achten Sie darauf, dass die verwendeten Materialien die Teilnehmenden nicht überfordern! Ansonsten kann es Ihnen passieren, dass Sie den gesamten Wissensstoff nach der Übung noch einmal selbst präsentieren und erklären müssen - und das Ganze vor einer Gruppe, die zuvor an Ihrer Aufgabenstellung gescheitert und dementsprechend frustriert ist. Dennoch lohnt sich der Aufwand enorm. Haben Sie einmal gute Selbstlernmaterialien erstellt, können Sie diese immer wieder einsetzen. Ich selbst verfüge über einen großen Fundus, den ich in unterschiedlichen Trainings immer wieder nutze. Das Grundprinzip der Gruppenarbeit ist, dass eine Gruppe sich Inhalte erarbeitet und diese dann im Anschluss im Plenum vorstellt. Wichtig dabei ist, dass jede Gruppe eine andere Aufgabenstellung erhält. So überfordern Sie die einzelnen Gruppen nicht und verhindern unnötige Redundanz beim Vortrag (die nebenbei wertvolle Trainingszeit verschwendet und Langeweile schafft). Achtung: Die aktive Wissensaneignung befreit Sie nicht von Ihrer Verantwortung für die Vermittlung der wichtigen und richtigen Informationen. Beobachten Sie die Gruppen und unterstützen Sie, wenn notwendig, ohne unnötig zu intervenieren. Es ist normal, dass die Gruppe andere Gewichtungen vornimmt und den Stoff nicht so vorträgt, wie Sie selbst das getan hätten. Bei der Präsentation ergänzen Sie fehlende Inhalte und sorgen für eine fehlerfreie Dokumentation. Neben der klassischen Gruppenarbeit (vgl. Kapitel 9.13.4) stelle ich Ihnen im Folgenden zwei weitere bewährte Methoden zur Wissensaneignung in Gruppen vor: Fallarbeit Hier lernen die Teilnehmenden direkt anhand von Praxisbeispielen, die sie lösen. Der Wissensstoff wird anhand von unterschiedlichen Beispielen aus dem Arbeitsalltag erarbeitet. Dabei stehen Ihnen komprimiertes Wissen z.B. in Form von einem Arbeitsblatt zu Verfügung. Sie als Leitung begleiten die Gruppen bei der Bearbeitung und korrigieren, wenn dies notwendig ist. In einer Präsentation oder einem Rollenspiel stellen die Gruppen danach die <?page no="168"?> 168 9 Methoden von ihnen erarbeiteten Ergebnisse vor. Zwischen den Präsentationen der Gruppen beantworten Sie Fragen und ergänzen ggf. Am Ende fassen Sie die wichtigsten Punkte zusammen und visualisieren diese. Online-Variante: Online arbeiten die Gruppen in Breakout-Rooms: Vorab versenden Sie Arbeitsblätter per Chat. Die Gruppen präsentieren ihre Ergebnisse online z.B. auf einem Etherpad 107 . Schatztruhen Sie platzieren in der Mitte des Raums Schatztruhen (Kartonagen mit Deckel oder verschließbare Holzkisten). Jede Schatztruhe enthält einen Wissensbaustein, der im Anschluss zusammengefasst dem Plenum vorgestellt werden soll. Ich nutze diese Methode z.B. zur Vermittlung des Vierfaktorenmodells der Themenzentrierten Interaktion oder das Vierohrenmodell von Friedemann Schulz von Thun. Jede Schatzkiste enthält kurze Texte und Gegenstände, die zum Thema passen. Die Teilnehmenden erarbeiten anhand der Materialien ihr Themengebiet und präsentieren dieses im Anschluss mithilfe der in der Schatztruhe gefundenen Gegenstände. Damit alle Gruppen im Anschluss ein Gesamtbild vor Augen haben arbeite ich mit Überschriftenkarten und klebe mit Kreppband verschiedene Felder ab (z.B. eine Tabelle mit 4 Spalten), die ich zuvor im Raum platziere, so dass die jeweilige Gruppe ihre Ergebnisse direkt in ein Gesamtgefüge einbringt. Am Ende fassen Sie in einem Kurzvortrag die Ergebnisse zusammen, dabei bewegen Sie sich passend im Raum, wandern also von Feld zu Feld. 9.5.3 Methoden zur Wissensaneignung - Einzelarbeit Traditionell findet im Gruppentraining der Wissenserwerb im Plenum statt, da dies absichert, dass alle über ein Level verfügen, auf dem das Lernziel erreicht werden kann. Bei Gruppenarbeiten präsentieren die Gruppen im Anschluss das erworbene Wissen - bei einer Einzelarbeit wird dies schnell zu zeitintensiv und muss gut organisiert werden. Zudem fehlt in der Einzelarbeit das Regulativ der Gruppe, die im Zweifelsfall Missverständnisse ausräumt. Die folgenden Methoden zeigen, wie Sie dennoch erfolgreich Einzelarbeit im Wissenserwerb einsetzen können. Lesen (im und vor dem Training) bildet Wenn Sie Texte in Ihren Trainings verwenden, sollten Sie den Teilnehmenden Zeit geben, diese individuell durchzulesen und im Anschluss zu besprechen. Da Menschen sehr unterschiedlich schnell lesen, ist das stille Lesen in 107 Ein Etherpad ist ein webbasierter Texteditor. Mit einem Etherpad können mehrere Personen gleichzeitig ein Textdokument bearbeiten, wobei alle Änderungen zeitgleich sichtbar werden. <?page no="169"?> 9.5 Methoden zur Wissensvermittlung 169 Einzelarbeit besser als das gemeinsame Lesen in der Gruppe. 108 Nicht alle Inhalte müssen gemeinsam in einem Raum vermittelt werden. Gerade wenn es große Mengen an Wissensstoff zu vermitteln gilt, können die Teilnehmenden auch vorarbeiten und sich selbstorganisiert Wissen aneignen. Bei meinen Trainer- und Führungskräfteseminaren haben die Teilnehmenden oft die Aufgabe sich vor Beginn oder zwischen den Modulen, inhaltlich vorzubereiten. Die Präsenzphase dient dann dem Austausch über den Wissensstoff, der praktischen Übung und dem Transfer. Dazu senden Sie den Teilnehmenden vorab das Skript, das sich diese als Vorbereitung durchlesen sollen. Vielleicht gibt es sogar ein Fachbuch, nachdem Sie vorgehen, welches sich die Teilnehmenden zuvor zu Gemüte führen können. Zu Beginn des Seminars geben Sie den Teilnehmenden dann Zeit, um sich in Partner- oder Gruppenarbeit über die Lerninhalte auszutauschen und Fragen zu notieren welche danach im Plenum behandelt werden. Achtung: Diese Methode ist nicht für jede Zielgruppe geeignet. Überraschend viele Menschen sind das Lesen nicht gewohnt und mit längeren Texten überfordert! 109 Vorbereitungsaufgabe Bei einer anderen Variante, die besonders für heterogene Gruppen aus unterschiedlichen Bereichen oder Unternehmen geeignet ist, bekommen die Teilnehmenden vor Beginn der Veranstaltung eine „Transferaufgabe“. Dazu erhalten die Teilnehmenden vorab ein kurzes Video mit einer Selbstvorstellung meinerseits, einer Präsentation mit Wissensinhalten und einer individuellen Transferaufgabe. Ein Beispiel: Bei Trainerseminaren versende ich ein Video zum Thema Lernziele formulieren. Alle Teilnehmenden habe die Aufgabe eine kurze Präsentation vorzubereiten. 1. Das ist mein Trainingsthema 2. Das ist meine Zielgruppe 3. Das ist ein Lernziel meiner Teilnehmenden 108 Beim lauten Vorlesen von Texten, die gleichzeitig visualisiert werden (durch eine Präsentation oder ein Arbeitsblatt) kommt es zu deiner Doppelbelegung der phonologischen Schleife. Das Gelesene wird also schlechter verarbeitet, als wenn die Teilnehmenden individuell still lesen - vgl. Kapitel 7.4. 109 Laut der Stiftung Lesen können 7,5 Millionen Deutsche trotz Schulbesuchs nur eingeschränkt lesen und schreiben. Über die Hälfte davon sind erwerbstätig und meist im Niedriglohnsektor beschäftigt. Man spricht von ist funktionalen Analphabetismus, d.h., dass es die Betroffene Mühe bereitet längere Texte zu lesen und zu verstehen. <?page no="170"?> 170 9 Methoden Im Seminar steigen wir dann inhaltlich mit den Präsentationen ein. Neben dem Wissenserwerb hat dies zum Vorteil, dass die Teilnehmenden sich direkt besser kennenlernen und in einen fachlichen Austausch einsteigen können. Diese Form des Lernens ist nur geeignet, wenn Sie davon ausgehen können, dass Ihre Teilnehmenden sich freiwillig angemeldet haben oder Sie bereits in einem guten Kontakt zur Gruppe stehen. Ansonsten erzeugen „Hausaufgaben“ schnell Widerwillen und Teilnehmende kommen mit zahlreichen Ausreden unvorbereitet zur Präsenzphase. Asynchrone E-Learningeinheiten 110 E-Learning-Einheiten, bei denen die Teilnehmenden nicht zur selben Zeit die Inhalte bearbeiten, werden als asynchrones E-Learning bezeichnet. Diese können gut für die Vorbereitung eines Trainings eingesetzt werden. Je nach technischer Ausstattung kann das über ein Learning Management System (LMS) des Auftraggebers geschehen. Trainer können aber auch selbst E- Learning Einheiten erstellen. Auch ohne großen Aufwand lassen sich heute Materialien zur Verfügung stellen und die Teilnehmenden können mit digitalen Tools aktiv werden und etwa im Vorfeld eine Mindmap oder eine Textaufgabe bearbeiten. Damit diese Form der Wissensaneignung erfolgreich ist, müssen Sie als Trainer im digitalen Raum erreichbar sein, um ggf. Fragen zu beantworten oder Feedback zu geben. Expertenaustausch auf der Wissensmesse Diese Übung eignet sich dann, wenn Sie Ihren Teilnehmenden verschiedene Varianten eines Oberthemas vermitteln möchten, wie z.B. Arten der Selbstmotivation oder verschiedene Formen von systemischen Fragen. Ideal ist eine große freie Fläche, auf der die Teilnehmenden umherwandeln und sich gegenseitig treffen können. Bei dieser Übung setzt sich jeder Teilnehmende mit je einer Variante auseinander, die er auf einer Wissensmesse als Experte vertritt. Jeder Teilnehmende erhält dazu eine Karte, auf der seine Variante beschrieben ist. Der Ablauf kann folgendermaßen aussehen: Mit einem vorbereiteten Plakat laden Sie die Teilnehmenden zur Wissensmesse ein und erklären die Aufgabenstellung. Jeder Teilnehmende zieht eine Karte und beschäftigt sich 10 Minuten mit ihr. In dieser Zeit stehen Sie zur Beantwortung von Verständnisfragen zur Verfügung. 110 Vgl. Kapitel 13.4 <?page no="171"?> 9.5 Methoden zur Wissensvermittlung 171 Danach beginnt die Messe: Die Teilnehmenden wandeln durch den Raum und stellen sich gegenseitig mit ihren Expertisen vor. Sie suchen sich die Gesprächspartner aus, deren Expertise sie interessant finden und tauschen sich aus. Nach spätestens 5 Minuten sollte der Gesprächspartner gewechselt werden, um weitere Experten kennenzulernen. Ich beschränke die Zeit normalerweise auf 5x5 Minuten - und beende die Messe nach 25 Minuten. Da normalerweise nicht jeder mit jedem gesprochen hat, stelle ich eine Gesamtübersicht als Arbeitsblatt zu Verfügung. Falls alle Teilnehmenden nach der Übung alle Varianten des Oberthemas kennen sollen, ergänzen Sie die Übung durch eine anschließende Präsentation, bei der alle Varianten in einer Gesamttabelle dargestellt werden. Sie können dies auch mit einer Mehrpunkt-Abfrage ergänzen, bei der die Teilnehmenden ihre Lieblingsvarianten, die sie gerne im Arbeitsalltag umsetzen möchten, bepunkten. Gemeinsamer Folienvortrag Vielleicht kennen Sie Powerpoint-Karaoke. Dabei halten Menschen eine Präsentation, die sie nicht kennen. Ähnlich ist es bei dieser Übung. Auch hier präsentieren die Teilnehmenden Folien, die sie nicht selbst erstellt haben - wobei sie hier zuvor Zeit haben, sich auf die Präsentation vorzubereiten. Jeder Teilnehmende bereitet sich inhaltlich auf einen Teil einer Gesamtpräsentation vor, die Sie zuvor erstellt haben. Diese Methode ist ideal geeignet für eine Gruppe von 5-12 Teilnehmende. Dazu nutzen Sie z.B. die Notizseitenfunktion von Powerpoint. Sie schreiben auf die Notizseite, was Sie selbst normalerweise zu dieser Folie sagen würden, und geben ggf. Regieanweisungen, wie z.B.: Fragen Sie das Publikum …, zeigen Sie …, bitten Sie eine/ n Teilnehmer/ in … Die Präsentation muss in Teilabschnitte unterteilt sein, die nicht aufeinander aufbauen, da jeder Teilnehmende unabhängig nur einen Teilabschnitt vorbereitet. Besonders gut eignet sich die Methode für Präsentationsseminare, da die Teilnehmenden so auf unterschiedlichen Ebenen lernen - sie präsentieren selbst, erleben Präsentationen von Anderen und erwerben Faktenwissen zum Thema Präsentieren. Ablauf: Sie teilen die Gesamtpräsentation als Notizseiten einmal im Plenum ausan jeden Teilnehmenden einen Teil. Die Teilnehmenden haben 30 Minuten Zeit sich vorzubereiten. Nach 10 Minuten gehen Sie bei jedem Teilnehmenden <?page no="172"?> 172 9 Methoden einmal kurz vorbei, um ggf. Fragen zu klären. Nach Nach der Vorbereitungszeit präsentieren die Teilnehmenden im fliegenden Wechsel jeweils ihren Teil. 9.6 Moderation - die Gruppe erleben und gemeinsam Themen erarbeiten Die Moderationsmethode entstand in den 1970er Jahren und hat sich seitdem stetig weiterentwickelt. Der Grundgedanke Betroffene zu Beteiligten zu machen hat bis heute nichts an Aktualität eingebüßt. Wenn wir von der Moderationsmethode sprechen, meinen wir eigentlich einen ganzen Methodenpool. Ziel ist es Gruppen bei ihrer Zusammenarbeit zu unterstützen und die Kommunikation zu strukturieren und zu verbessern. Drei Komponenten sind dabei charakteristisch: 1. Eine Grundhaltung der Leitung angelehnt an die themenzentrierte Interaktion TZI 111 , 2. Der Einsatz von spezifischen Methoden (Moderationsmethoden) und 3. Das Verwenden von Arbeits- und Hilfsmitteln zur Visualisierung (Medien und Materialien) Während bei der Präsentation das Wissen vom Trainer zur Gruppe transferiert wird, ist der Weg des Wissens bei der Moderation genau umgekehrt. Das Wissen kommt aus der Gruppe und wird von der Moderation strukturiert und visualisiert. Abbildung 22: Weg des Wissens bei Präsentation (links) und bei Moderation (rechts) Ihre Aufgaben und Ihr Verhalten beim Einsatz von Moderationsmethoden: Sie formulieren interessante und zielführende Fragen. Diese visualisieren Sie und fokussieren damit die Gruppenbeiträge. 111 Vgl. TZI Kapitel 5.2 <?page no="173"?> 9.6 Moderation - die Gruppe erleben und gemeinsam Themen erarbeiten 173 Sie bereiten Medien und Material für die Zusammenarbeit vor und schaffen einen angenehmen Rahmen. Sie sorgen dafür, dass alle sich beteiligen und jeder gehört wird Sie achten auf die Zeit Bei Diskussionen achten Sie darauf, dass die Teilnehmenden beim Thema bleiben Sie visualisieren die Beiträge der Teilnehmenden so, dass sie ansprechend und übersichtlich dargestellt sind Sie erinnern die Gruppe bei Bedarf an Gesprächsregeln Sie hören aktiv zu und fragen nach Sie gliedern die Beiträge und fassen zusammen Sie halten sich mit Ihren Meinungen zurück Sie bewerten die Beiträge von Teilnehmenden nicht Gerade die letzten beiden Punkte sind ausschlaggebend: Moderationsmethoden gelingen nur, wenn Sie die Gruppe nicht als „Besserwisser“ dominieren. Ansonsten demotivieren Sie ihre Teilnehmenden: Wenn das Ergebnis eh klar ist, warum die Fragerei? Setzen Sie Moderationsmethoden nur ein, wenn Sie Ihre Erwartungen an das Ergebnis zurückhalten können. Und das gilt auch, wenn Sie Moderationsmethoden für die Überprüfung von affektiven Lernzielen nutzen. Ich weiß, das kann schwer sein, gerade wenn Sie so gute Argumente hätten. Halten Sie sich trotzdem strikt an die Trennung, sparen Sie Ihre Argumente für die Lehrsequenzen und fangen Sie in Moderationssequenzen nicht an Ihre Meinung zu verteidigen! Sind Sie bereit? Dann finden Sie im Folgenden die wichtigsten Moderationsmethoden. Hinweis: Für die nun folgenden klassischen Moderationsmethoden eignet sich als Raumordnung am besten ein großer Stuhlkreis, bei dem die Materialien (wie Moderationskarten und Stifte für alle greifbar in der Mitte liegen und die Medien wie Flipchart und Metaplanwand für alle Teilnehmenden gut sichtbar sind. 9.6.1 Themenspeicher Oft tun sich bei Diskussionen Themen auf, die nicht auf der Agenda stehen oder nicht direkt bearbeitet werden können. Solche Seitenthemen kosten die gesamte Gruppe Energie und verhindern den Fokus auf das Wesentliche. Werden Nebenthemen jedoch von der Moderation einfach abgebügelt, führt <?page no="174"?> 174 9 Methoden dies oft zu Irritation oder sogar Missmut. Hier befreit Sie der Themenspeicher aus der Zwickmühle: Sie würdigen die Themen ohne sich zu „verzetteln“. Fragen und Themen, die nicht direkt behandelt werden können, werden dort geparkt, um zu einem späteren Zeitpunkt geklärt zu werden. Für den Themenspeicher wird ein entsprechend beschriftetes Plakat (zum Beispiel von einem Flipchartblock) für alle sichtbar im Raum aufgehängt. Wenn während der Zusammenarbeit ein weniger zentrales Thema aufkommt oder ein wichtiges Thema angeschnitten wird, das nicht direkt bearbeitet werden kann, kommt dies in den Themenspeicher. Dazu werden Stichworte auf das Plakat notiert. So wird sichergestellt, dass eine konzentrierte Diskussion möglich bleibt und wichtige Themen nicht vergessen werden. Außerdem ist es für die Teilnehmenden, die das Nebenthema eingebracht haben, ein gutes Gefühl, wenn ihr Beitrag nicht einfach abgeblockt, sondern festgehalten wird. Am Ende der Veranstaltung wird geklärt, was mit den Themen im Themenspeicher passiert. Oft handelt es sich um Fragen oder Themen, die in der Organisation geklärt werden müssen und Sie können diese an die verantwortliche Führungskraft weitergeben oder Teilnehmende erklären sich bereit, die Themen zu klären. 9.6.2 Blitzlicht Das Blitzlicht ist eine schnelle einfache Methode, um für alle den augenblicklichen Stand der Gruppe in Bezug auf eine bestimmte Frage sichtbar zu machen. Zu einer klar und eindeutig formulierten Fragestellung (z.B. „Wie fühle ich mich gerade? “ - „Was geht mir durch den Kopf? “ - „Worauf freue ich mich am meisten? “) äußert sich jeder Teilnehmende mit wenigen Worten. Es gelten die folgenden Regeln (visualisieren): Fasse Dich kurz! Jeder spricht nur über sich und benutzt „ich" statt „man". Es werden möglichst keine Bezüge zu anderen Aussagen getroffen, also nicht „ich schließe mich meinen Vorredner an“ Es gibt keine Diskussion oder Stellungnahme zu den Aussagen anderer Teilnehmenden Anmerkung: In Gruppen, die mit dem Blitzlicht unerfahren sind, kann es hilfreich sein, die Fragestellungen z.B. als Satzanfänge auf Karten zu schreiben (oder anders zu visualisieren) und in der Runde auszulegen. Regel ist hier, mit einem der Anfänge seinen Satz zu beginnen (z.B. „Ich fühle mich ...“, „Ich freue mich auf ...“) <?page no="175"?> 9.6 Moderation - die Gruppe erleben und gemeinsam Themen erarbeiten 175 Tipp zum Blitzlicht online: Da die räumliche Orientierung fehlt und oft nicht klar ist, wer schon gesprochen hat, hilft eine Namensliste, z.B. im Chat, um die Reihenfolge für alle sichtbar und nachvollziehbar zu machen. Blitzlicht mit Bildkarten Eine sehr schöne Variante des Blitzlichts - besonders für Vorstellungsrunden, Stimmungsabfragen oder Feedbackrunden geeignet - ist das Blitzlicht mit Bildkarten. Dazu werden in der Mitte des Stuhlkreises Bildkarten auf dem Boden ausgelegt und die Teilnehmenden werden gebeten sich zuerst ein Bild, das zu Ihrer Antwort passt auszuwählen, z.B.: „Ich möchte gerne mit einer kleinen Abfrage einsteigen und möchte Sie bitten sich ein passendes Bild aus der Mitte auszusuchen, welches Ihre Antwort am besten trifft. Meine Frage lautet: Was war Ihre wichtigste Erkenntnis heute? “ Die Teilnehmenden wählen eine Karte aus. Falls mehrere Teilnehmende sich für eine Karte entscheiden, dürfen sich diese die Karte teilen und geben sie beim Beantworten der Frage einfach untereinander weiter. Nach dem Aussuchen der Karten findet das Blitzlicht im Kreis statt, wobei nacheinander jede Karte gezeigt und kurz erläutert wird. Diese Variante dauert länger als das klassische Blitzlicht, schon allein wegen des Auslegens und des Auswählens der Bilder. Außerdem geben Sie als Leitung auch mehr Zeit die Bilder und die Assoziationen zur Antwort zu erläutern. Die Bilder eröffnen dadurch oft einen tieferen Einblick in Gedanken und Gefühle von Teilnehmenden. Wenn Sie die Bildkarten zu Beginn einer Veranstaltung nutzen können Sie diese auch am Ende nutzen, um einen Rahmen zu setzen, z.B.: Zu Beginn: „Wählen Sie eine Karte aus, welche die Frage beantwortet: Was ist mir heute wichtig? “ Und am Ende: „Das sind die Karten, die Sie heute Morgen ausgewählt hatten zur Fragestellung, was Ihnen heute wichtig ist. Betrachten Sie sie noch einmal - Ich möchte die Runde von heute Morgen wiederholen. Meine Frage lautet jetzt: Was von dem, was Ihnen heute Morgen wichtig war, hat sich erfüllt? “ 9.6.3 Kartenabfrage Die Kartenabfrage ist eine Moderationsmethode, bei der die Moderation das zu lösende Problem als offene Frage formuliert. Es werden Moderationskarten bereitgestellt, auf denen die Teilnehmenden ihre Lösungsvorschläge formulieren. Diese werden an einer großen Pinnwand - der Metaplanwand für <?page no="176"?> 176 9 Methoden alle sichtbar angepinnt. Ziel ist die visualisierte Sammlung von Informationen oder Stellungsnahmen zu einem Thema. Da die Teilnehmenden die Karten unabhängig voneinander gleichzeitig schreiben und jede Karte präsentiert wird, zeigt sich in dieser Methode ganz besonders der demokratische Grundgedanke der Moderation. Die Kartenabfrage wird häufig bei der Erwartungsabfrage oder zum Brainstorming eingesetzt. Ablauf einfache Kartenabfrage (z.B. für Erwartungsabfrage) 1. Die Karten und Stifte für die Teilnehmenden liegen vorbereitet in der Mitte des Stuhlkreises auf dem Boden. 2. Sie visualisieren eine Frage oder einen Satzanfang, der vervollständigt werden soll. Wenn Sie mit mehreren Fragen arbeiten, sollten Sie diese farblich unterscheiden, also z.B. grüne Karten für Frage 1 und gelbe Karten für Frage 2. 3. Erläutern Sie dann die Vorgehensweise und die Regeln für das Beschriften der Karten (siehe Abbildung). Bitten Sie die Teilnehmenden nur Stichworte / Rumpfbotschaften zu notieren und diese im Anschluss zu erläutern. Je nach Ziel und der zu Verfügung stehenden Zeit können Sie die Anzahl der Karten beschränken. (Bei mehr als 16 Teilnehmenden sollten Sie die Anzahl der Karten unbedingt beschränken, bzw. mehrere Moderationswände nutzen! ) 4. Die Teilnehmenden stehen nacheinander auf, pinnen ihre Karten an und erläutern sie kurz. Dabei unterstützen Sie, so dass jede Karte gut sichtbar ist. Außerdem fragen Sie bei Bedarf nach, damit alle verstehen, was mit der Karte gemeint ist. Das Clustern Wenn Sie mit der Kartenabfrage Ideen sammeln, empfiehlt es sich diese im Anschluss zu sortieren - zu clustern. Den Clustern 112 geben Sie dann Überschriften. 1. Die Karten werden thematisch sortiert. Dies können entweder Sie selbst (auf Zuruf der Gruppe) tun, oder Sie bitten Ihre Teilnehmenden die Karten selbst anzuordnen. Wichtig dabei ist, dass immer die Person, welche die Karte geschrieben hat, bestimmen darf, zu welchem Cluster sie zugeordnet werden soll. 2. Die Gruppe formuliert für jedes Cluster eine Überschrift, die Sie auf eine Karte schreiben und zum Cluster hinzuheften (Die Überschriftenkarten 112 Cluster (englisch für Traube, Bündel, Schwarm) steht hier für die inhaltliche Bündelung von Karten. <?page no="177"?> 9.6 Moderation - die Gruppe erleben und gemeinsam Themen erarbeiten 177 sollten dabei durch Farbe oder Form deutlich von den restlichen Karten unterscheidbar sein. Abbildung 23: Cluster mit Überschriften Das Gewichten Wenn Sie über die Kartenabfrage erfahren möchten, welche Themenbereiche die Teilnehmenden als besonders wichtig oder interessant finden, schließen Sie eine Mehrpunkt-Entscheidung an (Vgl. Kapitel Mehrpunkt-Frage 9.6.4) Wichtig ist, dass nicht einzelne Karten, sondern immer ein gesamtes Cluster gewichtet wird und Sie die konkrete Fragestellung visualisieren. Praxistipp: Auf eine Pinnwand passen ca. 60 Karten. Wenn Sie eine Ideensammlung planen, die Sie im Anschluss noch clustern möchten, sind 15-30 Karten ideal. 9.6.4 Mehrpunkt-Frage Der Kartenabfrage schließt sich oft direkt eine Mehrpunkt-Frage an. Diese kann aber auch unabhängig von einer Kartenabfrage eingesetzt werden. Ziel der Mehrpunkt-Frage ist es Entscheidungen zu treffen oder eine Rangliste zu erstellen. Dieses Abstimmungsverfahren eignet sich für alle Situationen, in denen schnell und demokratisch eine Entscheidung zwischen verschiedenen Ideen, Lösungs- oder Themenvorschlägen getroffen werden soll. Es kann also sowohl zum Abschluss als auch zur Einleitung eines Arbeitsschrittes verwendet werden. Ablauf 1. Die Ideen, Lösungs- oder Themenvorschläge stehen untereinander auf einem Flipchart (Es empfiehlt sich, die Vorschläge in Form einer Tabelle untereinander und durch Linien getrennt zu visualisieren, damit die Zuordnung der Klebepunkte eindeutig ist.) 2. Die Moderation verteilt nun an alle Klebepunkte. Zur Anzahl der Klebepunkte: Für die Mehrpunkt-Frage hat es sich bewährt, mindestens drei Klebepunkte pro Person zu verteilen. Es sollten dabei jedoch nicht mehr <?page no="178"?> 178 9 Methoden Punkte als die Hälfte der Anzahl der Wahlmöglichkeiten vergeben werden (also z.B. bei 9 Themen erhält jeder Teilnehmende 4 Klebepunkte) 3. Die Moderation visualisiert nun die Leitfrage, nach der die Entscheidung gefällt werden soll. Welche Punkte sind mir am wichtigsten? Welche Themen lassen sich am einfachsten umsetzen? oder Welche Maßnahmen zeigen die größte Wirkung? 4. Nun erklärt die Moderation das Verfahren: Sie bittet die Teilnehmenden, sich die Vorschläge noch einmal anzuschauen und in Bezug auf die Leitfrage gegeneinander abzuwägen. Sie gibt den Teilnehmenden kurz Zeit ihre Entscheidung innerlich zu treffen und bittet sie dann alle gleichzeitig aufzustehen und ihre Punkte zu kleben 113 . Dabei müssen die Punkte nicht unbedingt an unterschiedliche Vorschläge geklebt werden. Es ist auch möglich, mehrere oder gar alle Punkte an einen Vorschlag zu kleben (Ich entscheide mich eindeutig für diesen Vorschlag! ). 5. Wenn alle Beteiligten ihre Punkte verteilt haben, werden diese für jeden Vorschlag ausgezählt und in einer extra Spalte notiert. 6. Auf einem zweiten Flipchart wird nun die Rangfolge notiert (Welcher Vorschlag hat die meisten Punkte? usw.). Dies ist vor allem dann notwendig, wenn z.B. nur die ersten drei Vorschläge realisiert oder die ersten drei Themen bearbeitet werden sollen. Hinweise zur Durchführung Jeder Teilnehmende verteilt alle Punkte. Ein Zurückhalten oder Weitergeben von Punkten an andere ist nicht möglich. Normalerweise gibt es keine Enthaltungen. Wenn dies ausdrücklich gewünscht wird kann entweder ein Feld: Ich bin unentschlossen oder bei besonders kritischen Entscheidungen ein Weiß-Feld: Ich stimme keinem der genannten Vorschläge zu eingefügt werden 9.6.5 Zurufabfrage Eine Alternative zur Kartenabfrage ist die Zurufabfrage. Hier visualisiert die Moderation die Antworten der Gruppe direkt auf einem Flipchart. Diese Methode erscheint einfach, ist aber sehr herausfordernd, da es wichtig ist, dass die Beiträge kurzgefasst und unverfälscht aufs Papier kommen. Dazu muss 113 Das Verfahren ist nicht anonym, doch durch die Gleichzeitigkeit fühlt sich die Einzelperson weniger beobachtet bei der Punktabgabe. <?page no="179"?> 9.6 Moderation - die Gruppe erleben und gemeinsam Themen erarbeiten 179 die Moderation aufmerksam zuhören und nachfragen: Welchen Stichpunkt soll ich festhalten? Trifft es der Begriff ..., Darf ich das als ... notieren? Außerdem ist es wichtig, dass das Plakat leserlich geschrieben ist. Wer eh mit der eigenen Schrift hadert, sollte sich ggf. Hilfe holen, jemand anderen schreiben lassen und sich auf die Moderation konzentrieren. Zudem ist zu beachten, dass dieser Prozess das Gruppenbild weniger unverfälscht zeigt als die Kartenabfrage. Nicht alle beteiligen sich gleich intensiv und die Teilnehmenden beeinflussen sich und beziehen ihre Beiträge aufeinander. Das Risiko, dass Hierarchie das Ergebnis beeinflusst steigt. Vorteil der Methode ist, dass Sie sich spontan ohne Vorbereitung durchführen lässt - Sie brauchen nur einen Moderationsmarker und ein Flipchart. Die Zurufabfrage ist eine schnelle Möglichkeit der aktiven Beteiligung, mit der Sie Teilnehmende gedanklich auf ein Thema einstimmen können, z.B.: Was fällt Ihnen spontan zu Thema X ein? Welche Schwierigkeiten gibt es bei Thema Y? 9.6.6 Ein-Punkt-Frage Die Ein-Punkt-Frage ist eine der schnellsten Methoden für ein Gruppenbild. Durch sie können Entscheidungen getroffen, ein Meinungsbild zu einem Thema visualisiert oder eine Evaluation erstellt werden. Gerne genutzt wird sie auch zu Beginn eines Trainings, um die Stimmung und Vorerfahrung der Teilnehmenden zu erfragen. Da die Punktabfrage mannigfaltig genutzt werden kann, werden hier 3 unterschiedliche Abläufe dargestellt. Ablauf 1 : Aus mehreren Vorschlägen soll einer ausgewählt werden Die Vorschläge sind in einer Tabelle (nebeneinander oder untereinander) visualisiert. Die Moderation erläutert noch einmal jeden Vorschlag. Unklarheiten werden beseitigt. Die Teilnehmenden erhalten jeweils einen Klebepunkt. Sie werden nun gebeten, für sich eine Entscheidung zu treffen und den Klebepunkt an den Vorschlag zu kleben, den sie favorisieren. Ablauf 2 : Skalenabfragen <?page no="180"?> 180 9 Methoden Die bekannteste Variante ist hier das Stimmungsbarometer. Eine Aussage ist auf einem Plakat visualisiert (z.B. Meine Stimmung heute, Meine Erfahrung mit Thema X, ...) Darunter oder daneben befindet sich ein Strahl mit einem Anfangs- und Endpunkt (z.B.: mies - großartig, keine - viel …). Wenn zwei verschiedene Bewertungen gleichzeitig vorgenommen werden sollen, wird dies in einem Koordinatensystem dargestellt. Die Teilnehmenden erhalten jeweils einen Klebepunkt. Sie werden nun gebeten, für sich eine Entscheidung zu treffen und den Klebepunkt an die ihrer Meinung entsprechenden Stelle auf der Skala zu kleben. Hinweise zur Durchführung Diese Methode ist schnell und einfach durchzuführen, wobei es sich empfiehlt die Plakate vorzubereiten. Wenn keine Klebepunkte zur Verfügung stehen, kann auch ein Kreuz gemacht werden. Im Umgang mit Skalen und Tabellen gibt es oft Verständnisschwierigkeiten. Hier muss man sich für die Erklärung (am besten durch ein Beispiel) Zeit lassen und nachfragen, ob es alle verstanden haben. Bedenken Sie, dass die Anonymität der Stimmabgabe hier nicht gegeben ist. Wenn dies ausdrücklich gewünscht wird, sollte das Medium umgedreht werden und die Teilnehmenden kleben ihre Punkte nacheinander. Achtung: Damit sich die erste Person nicht unfreiwillig outet, kleben Sie zuvor 2 bis 3 Punkte auf das Plakat (nicht festdrücken, so dass sie wieder einfach ablösbar sind). Sie merken sich deren Koordinaten und entfernen die Punkte am Ende wieder bevor Sie das Plakat umdrehen. 9.6.7 Soziometrie Während wir bei der Ein-Punkt-Frage mit Klebepunkten arbeiten, kommt bei der Soziometrie der ganze Mensch zum Einsatz. Dabei nutzen Sie den Raum und lassen die Teilnehmenden sich nach bestimmten Kriterien im Raum aufstellen. Die Soziometrie kann z.B. dem klassischen Kennenlernen dienen: Dann können sich die Teilnehmenden z.B. in einer Reihe aufstellen. Markieren sie auf dem Boden mit zwei Karten Anfang und Ende der Skala. Fragen könnten sein: <?page no="181"?> 9.6 Moderation - die Gruppe erleben und gemeinsam Themen erarbeiten 181 Wie lang war Ihre Anreise heute Morgen? Wie lang sind Sie schon in der Buchhaltung tätig? Sie können aber auch die Wände oder Ecken des Raums nutzen und diesen Bedeutung geben. Dabei ist es wichtig, dass sie die Ecken zuvor eindeutig mit beschrifteten Moderationskarten markieren. Es geht nun um eine Selbsteinschätzung. Wie viel Vorwissen bringen Sie für das heutige Training mit? sehr viel einiges eher wenig keins Eine schöne Variante ist hier auch die Landkarte. Wenn alle Teilnehmenden aus Deutschland kommen, kann diese Variante so umgesetzt werden: Sie legen 4 Karten auf den Boden: „Wenn das Deutschland ist - hier oben ist Hamburg, und hier ungefähr München, hier könnte Köln sein und hier Dresden. Stellen Sie sich einmal auf Ihren Wohnort.“ 9.6.8 Extra: Der Moderationszyklus Im Rahmen von bestimmten Aufträgen geht es manchmal in erster Linie um Moderation eines Prozesses und nicht um Wissensvermittlung - also um einen Workshop, nicht um ein Training. In solch einem Fall ist der Moderationszyklus für die Planung der Veranstaltung hilfreich. Der Moderationszyklus ist das Meta-Prozessmodell der Businessmoderation und dient der Strukturierung von Moderationsprozessen. 114 Das Modell sieht sechs aufeinander aufbauende Arbeitsphasen vor: 114 Der Moderationszyklus - auch Six Steps genannt - wurde von dem deutschen Pädagogen und Moderationsexperten Josef W. Seifert Ende der 1980er Jahre entwickelt. <?page no="182"?> 182 9 Methoden Phasen der Moderation Phase 1 Das Einsteigen dient dazu, die Teilnehmenden ankommen zu lassen, Orientierung zu geben, Ziele zu definieren und alles zu tun, was der Gruppe hilft, arbeitsfähig zu werden. Die Moderation formuliert das Thema und die Zielsetzung der Sitzung. Sie klärt die Rollen und Aufgaben, den Ablauf und den Zeitrahmen. Ggf. werden Regeln für die Zusammenarbeit geklärt. Hilfreiche Methoden sind hier die Agenda, ein Blitzlicht (z.B. eine kurze Vorstellungsrunde), ggf. eine Ein- Punkt-Frage (bei der die Teilnehmenden kurz Stellung zum Thema nehmen) und eine Erwartungsabfrage. Phase 2 In der mit Sammeln bezeichneten zweiten Phase geht es darum, die Themen zusammenzutragen, die zur Bearbeitung anstehen. Dazu eignet sich die klassische Kartenabfrage. Phase 3 Die dritte Phase Auswählen dient der Entscheidungsfindung zur Gewichtung der Themen. Mögliche Fragen dazu sind: Was muss bearbeitet werden? Welche Themen sind aus Sicht der Teilnehmenden besonders wichtig? Wo können am schnellsten Erfolge erzielt werden? Letztlich geht es darum gemeinsam festzulegen, in welcher Reihenfolge vorgegangen werden soll. Hier hat sich als Methode die Mehrpunkt-Frage bewährt. Auch ein Themenspeicher kann hier hilfreich sein. 1. Einsteigen 2. Themen sammeln 3. Themen auswählen 4. Themen bearbeiten 5. Maßnahmen planen 6. Abschließen <?page no="183"?> 9.6 Moderation - die Gruppe erleben und gemeinsam Themen erarbeiten 183 Phase 4 Das Bearbeiten ist die Kernphase des Arbeitsprozesses. Jetzt werden die gesammelten und abgestimmten Themen konkret bearbeitet. Dazu dient in aller Regel die Gruppenarbeit. Die Gruppen bearbeiten selbstorganisiert die ausgewählten Themen, wobei die Moderation zur Unterstützung bereitsteht, falls es Fragen zur Aufgabe oder zum Prozess gibt. Außerdem achtet die Moderation auf die Zeit und gibt ggf. Hinweise oder methodische Unterstützungen. Wichtig ist eine klare Aufgabenstellung, so dass die erzielten Arbeitsergebnisse direkt als Maßnahme in Schritt 5 geplant werden können. Phase 5 In der fünften Phase, dem Planen , präsentieren sich die Arbeitsgruppen gegenseitig ihre Arbeitsergebnisse. Die Gesamtgruppe plant, wie mit den einzelnen Vorschlägen weiter verfahren werden soll, um nachhaltige Ergebnisse zu erhalten. Es entsteht ein tabellarischer Maßnahmenplan für die Umsetzung der Ideen und Entscheidungen. Maßnahme Wer machts? Bis wann? Check? Phase 6 Als letzte Phase ist das Abschließen der Moderation vorgesehen. Diese Phase dient der Bewertung der geleisteten Arbeit, der Reflexion des Gruppenprozesses und der Umsetzungsorientierung sowie letztlich der Verabschiedung der Teilnehmenden. Die Moderation bedankt sich bei den Teilnehmenden und diese geben Feedback zum Prozess. 9.6.9 Klassische Moderationsmethoden digital Viele Online-Plattformen bieten Möglichkeiten, klassische Moderationsmethoden digital umzusetzen. Diese eignen sich nicht nur für Online-Trainings, sondern auch für Präsenzseminare, bei denen z.B. die Gruppengröße oder die räumlichen Voraussetzungen ungünstig für die „Plakatvariante“ sind. Im Präsenzseminar nutzen die Teilnehmenden meist das Smartphone zur Teilnahme. Interessant ist hierbei auch, dass dadurch die Beiträge auch anonymisiert werden können, was die Methoden für manche Teilnehmenden niedrigschwelliger macht. Digitale Methoden sind auch dann eine gute Wahl, wenn ihre Zielgruppe die „bunten Kärtchen“ zu pädagogisch finden. Im Online-Training empfehlen sich neben den Möglichkeiten, die die Online- Plattformen selbst bieten spezielle Tools, die sich auf Moderation spezialisiert haben und unkompliziert integriert werden können. Bewährt haben <?page no="184"?> 184 9 Methoden sich u.a. 115 Mentimeter (www.mentimeter.com) Polleverywhere (www.polleverywhere.com) Padlet (www.padlet.com) Mural (www.mural.co) Miro (www.miro.com) Conceptboard (www.conceptboard.com) 9.6.10 Moderation heute Das Grundprinzip der Moderation, das Betroffene zu Beteiligten macht, die selbstorganisiert mit Hilfe einer Moderation Lösungen erarbeiten findet sich überall in der agilen Welt. Ob bei Scrum, Kanban oder Design Thinking 116 - überall finden sich Ideen der Moderation wieder: Es geht um Selbstverantwortung, das Finden von neuen Ideen und effektive Umsetzbarkeit. Manche Methoden, Prinzipien und Materialien lassen sich sehr gut auch ins Training integrieren. Hier einige Ideen: Standupmeeting statt Endlosdiskussion Fordern Sie Ihre Teilnehmenden auf ihre Diskussionen im Stil des Daily stehend zu führen. Das sorgt dafür, dass Diskussionen konzentrierter und nicht ausschweifend werden. Das Standup sollte direkt vor einem Whiteboard oder einer Metaplanwand stattfinden, auf dem die Erkenntnisse und Ideen parallel visualisiert werden. Post-It und statische Karten statt Flipchartplakate: Es müssen nicht immer die klassischen Moderationsmedien sein. Warum arbeiten Sie in Kleingruppen nicht einfach einmal mit Post-its oder nutzen sogenannte Statics - statisch aufgeladene Folien, die an allen Oberflächen haften. Diese gibt es in allen Größen und sogar als Flipchart. 117 Die Aufmerksamkeit Ihrer Teilnehmenden ist Ihnen gewiss! Kanbanboard als Transfermethode Durch ein Kanbanboard machen Sie die Erkenntnisse aus dem Training als Aufgaben im Arbeitsalltag greifbar. Dazu nutzen Sie eine Tabelle mit 4 Spalten, die Sie auf einer Metaplanwand oder einem Whiteboard visualisiere: 115 Diese Empfehlungen unterliegen der Einschränkung, dass es hier zurzeit eine rasante Entwicklung gibt. 116 Sehr kurzgefasst und vereinfacht sind Scrum und kanban teamorientierte Managementmethoden, Design Thinking eine Methode zur Produktentwicklung. 117 Da sie recht teuer und ökologisch nicht ganz unbedenklich (da aus Plastik) sind, sollten Sie diese nur für besondere Highlights nutzen. <?page no="185"?> 9.6 Moderation - die Gruppe erleben und gemeinsam Themen erarbeiten 185 Ideen Maßnahmen Laufend Erledigt Diese Methode eignet sich besonders, wenn das Training inhouse stattfindet und alle Teilnehmenden zusammenarbeiten und so das Kanbanboard als Team im Anschluss weiternutzen können. Die Teilnehmenden sammeln auf Klebezetteln oder Karten Ihre Umsetzungsideen aus dem Seminar und hängen sie in die Spalte Ideen 118 . Ideen, die direkt umgesetzt werden können, kommen in die Spalte Maßnahmen. Bei den anderen Zetteln überlegen Sie mit der Gruppe, welche Maßnahmen abgeleitet werden könnten oder wie sie umformuliert werden müssen, damit daraus Maßnahmen werden. Diese werden notiert und kommen auch in die Maßnahmen-Spalte. Nun können Prioritäten gesetzt werden, z.B. durch eine Mehrpunkt-Abfrage, und die Teilnehmenden überlegen, was von dem Erlernten sie im Arbeitsalltag umsetzen. Die Teilnehmenden, die sich für diese Themen verantwortlich zeigen möchten, notieren ihren Namen auf den entsprechenden Zettel. Wichtig ist, dass es hier nicht zu einer Überforderung einzelner Personen kommt. Das Kanbanboard begleitet die Gruppe anschließend im Arbeitsalltag und wird z.B. in einem täglichen 5-Minutenmeeting aktualisiert. Neue Gewohnheiten, die aus dem Training umgesetzt werden, kommen in die Laufend- Spalte. „Laufend“ sollte dabei als Spalte für die Aufgaben reserviert sein, die tatsächlich in der Umsetzung sind. Im Arbeitsalltag hat es sich bewährt, dass nicht mehr als zwei Zettel pro Person gleichzeitig in der Laufend- Spalte hängen. Das was tatsächlich umgesetzt wurde, landet in der „Erledigt- Spalte“. Eine der wesentlichen Ideen hinter Kanban ist, Workflows zu visualisieren und Stockungen in der Umsetzung sichtbar zu machen. Für Teams an unterschiedlichen Standorten oder bei Online-Trainings empfiehlt sich ein Online-Board, wie z.B.: Meistertask - (www.meistertask.com) Trello - (www.trello.com) Asana (www.asana.com) Zenkit (www.zenkit.com) Monday (www.monday.com) 118 Vorgehensweise vgl. Kartenabfrage, Kapitel 9.6.3 <?page no="186"?> 186 9 Methoden Moderation 3D Eine der erkenntnisreichsten Weiterbildungen, die ich selbst in den letzten Jahren besucht habe, war ein kurzer Workshop Lego®-Serious-Play. 119 Seither habe ich im Auto immer eine große Kiste Bausteine, die ich sehr gerne bei Moderationen einsetze. Die Methode basiert auf der grundlegenden Idee, dass jeder Gedanke, jedes Thema und jedes Projekt in Form von dreidimensionalen Modellen dargestellt werden kann. Die behandelten Themen werden bei diesen Methoden nicht nur visualisiert, sondern durch das Bauen von metaphorischen Modellen im wahrsten Sinne des Wortes „begreifbar“. So werden in einem moderierten Prozess konkrete Themen- und Problemstellungen spielerisch bearbeitet („Play“). Dabei verbessert die Methode die Kommunikation der Beteiligten, erleichtert das gemeinsame Verständnis des Themas und sichert eine zielführende effektive Bearbeitung („Serious“). Ablauf Idealerweise sitzen die Teilnehmenden bei dieser Methode gemeinsam rund um einen großen Tisch in dessen Mitte ein Berg von unterschiedlichsten Bausteinen liegt. Nach einer kurzen Materialkunde und einem Warmup bitten Sie die Teilnehmenden ihre Stellungsnahmen oder Antworten zu bauen - anstatt diese zu verbalisieren. 1. Bauauftrag: Stellen Sie den Teilnehmenden eine Frage, die einen Bauauftrag enthält, z.B.: Wie erleben Sie die Kommunikation im Team bei der Arbeit? 2. Bauen: Die Teilnehmenden bekommen 5 Minuten Zeit zum Bau ihrer Modelle. Dabei sollen sich alle nur auf das eigene Modell konzentrieren. 3. Teilen: Jetzt wird jedes Modell nacheinander betrachtet. Zuerst fragt die Moderation die Betrachtenden: Was erkennen Sie in diesem Modell? Im Anschluss wird der Bauherr gebeten das Modell zu erläutern. Danach ist Zeit für einem kurzen Austausch in der Gruppe. 4. Dokumentation: Alle Modelle werden fotografiert. 5. Weiterführen: Nun kann auf der Basis des Modells weitergearbeitet werden, z.B.: Was wäre hilfreich für eine bessere Kommunikation im Team? 6. Bauen, Teilen …. Wichtig ist, dass die Teilnehmenden vor Einsatz der Methode eine kurze Einführung erhalten. Diese Einführung kann so aussehen, dass die Teilnehmenden sich kurz mit den Steinen vorstellen oder eine ihrer Rollen im Team visualisieren. Eine seriöse Einführung und hochwertiges Material erhöht die Akzeptanz, da Legosteine ansonsten schnell als zu „spielerisch“ abgetan werden. Außerdem sollte die Durchführung klar strukturiert sein und einem festen Zeitplan mit eher kurzen Bauphasen folgen. 119 Eine praktische Anleitung in die Methode bietet Sean Blair: Serious Work: Meetings und Workshops mit der Lego® Serious Play® Methode moderieren 2019 <?page no="187"?> 9.7 Methoden für den Anfang 187 9.7 Methoden für den Anfang Teilnehmende wünschen sich zu Beginn einer Veranstaltung vor allem Orientierung 120 : Wer und wie ist die Leitung und wer ist ansonsten noch da? Welcher Ablauf ist geplant? Was bringt mir diese Veranstaltung? Auch für die Leitung gibt es zu Beginn Informationsbedarf: Wer sind die Teilnehmenden? Welche Erwartungen haben sie? Wie ist die Stimmung in Bezug auf die Veranstaltung? Methodisch gibt es 3 Kernelemente, die bei keiner Veranstaltung zu Beginn fehlen dürfen: 1. Die Erwartungsabfrage 2. Die Agenda 3. Das Kennenlernen - falls die Gruppenmitglieder sich gegenseitig noch nicht kennen 9.7.1 Erwartungsabfrage Ziel der Erwartungsabfrage ist es, Wünsche, Ziele und Grenzen der Teilnehmenden transparent zu machen und mit der Agenda abzugleichen. Die Dauer der Erwartungsabfrage richtet sich stark nach der Gesamtzeit der Veranstaltung. Bei einem 6-wöchigen Trainingsprogramm darf sie gerne eine Stunde dauern. Bei einem 75-minütigen Online-Training, sollte sie auf keinen Fall mehr als 5-10 Minuten in Anspruch nehmen. Wenn die Erwartungen nicht nur zu Beginn eines Seminars abgefragt werden, sondern am Ende auch noch einmal abgeglichen werden unterstützt dies den Eindruck eines gut durchdachten Gesamtkonzepts. Dazu sollte die Abfrage der Erwartungen nicht nur rein verbal, sondern auch schriftlich festgehalten werden. Dazu eignet sich gut die klassische Kartenabfrage, die Sie je nach Zeit mit 1-4 Feldern durchführen 121 . Ein konkretes Beispiel finden Sie im Trainingsleitfaden in Kapitel 12. Trainertipp: Fragen Sie nicht „Was sind Ihre Erwartungen an dieses Training? “ Das führt zu Allgemeinplätzen wie: etwas Neues lernen, ich lasse mich überraschen oder Anregungen für meine Arbeit. 120 Im Teamprozess sind wir in der sogenannten „Formingphase“ vgl. Kapitel 6.1 121 Online können Sie dies über ein Whiteboard darstellen. <?page no="188"?> 188 9 Methoden Bewährte Fragen für eine Erwartungsabfrage mit der Kartenmethode sind: Woran machen Sie nach dem Training fest, dass es sich gelohnt hat teilzunehmen? Welche konkrete Frage soll dieses Training für Sie beantworten? Was möchten Sie konkret bei Thema xy verbessern? Auch mit diesen Fragen werden Sie unspezifische Antworten nicht ganz vermeiden können, aber Sie regen Ihre Teilnehmenden zum Nachdenken über den persönlichen Nutzen des Trainings an. Und dies ist neben der Abfrage der konkreten Erwartungen eine weitere wichtige Funktion der Erwartungsabfrage. Daneben haben sich paradoxe Fragen bewährt - diese dienen dazu, Teilnehmende mit in Verantwortung zu nehmen: Was möchten Sie hier auf keinen Fall erleben? Da die Frage etwas kniffeliger zu beantworten ist, gebe ich dazu immer Beispiele (zu viel Gruppenarbeiten, Pausenzeit zu kurz …) Diese Fragen machen direkt zu Beginn mögliche Fallstricke für alle sichtbar. Vielleicht antwortet ein Teilnehmender: Zu lange Pausen und ein anderer zu wenig Pause. Oder auf drei Karten steht keine Rollenspiele und Sie haben Rollenspiele geplant. Mein Tipp: Nehmen Sie sich zu Beginn Zeit und schenken Sie den Erwartungen und Wünschen Ihrer Teilnehmenden Gehör. Klären Sie, was möglich ist, und begründen Sie nachvollziehbar, was nicht möglich ist. Sie sparen sich viel Zeit und Energie im späteren Verlauf! Eine weitere paradoxe Frage, mit der ich gerne arbeite, ist: Was könnten Sie persönlich dazu beitragen, dass dieses Training für Sie ein Reinfall wird? Auch hier gebe ich bei der Fragestellung durch Beispiele eine Hilfestellung: Das Lesen von Arbeits-Mails oder Wenn meine Kopfschmerzen nicht bald besser werden. Diese Frage hat oft einen klärenden Charakter, da die Gruppe über Einschränkungen Einzelner informiert wird. Wenn alle wissen, dass eine Teilnehmende nebenbei ein wichtiges Projekt betreut, wird z.B. das Telefonat zwischendurch oder der Blick aufs Mobiltelefon anders bewertet. Gleichzeitig macht es sehr stark die eigene Mitverantwortung für das Erreichen des Lernziels bewusst. Oft äußern Teilnehmende hier Erkenntnisse, wie Wenn ich mich auf Übungen nicht einlasse, wird es sicher ein Reinfall. Eine andere Möglichkeit ist die Abfrage von Erwartungen vorab über einen Fragebogen. Gerade bei Online-Trainings sparen Sie durch diese Methode Zeit beim Training. Nachteil ist, dass nicht alle Teilnehmenden eine Rückmeldung geben und die Schriftform oft zu Missverständnissen führt, die Live schnell ausgeräumt werden könnten. Im Anhang (Kapitel 16.3) finden Sie ein <?page no="189"?> 9.7 Methoden für den Anfang 189 Beispiel für einen Fragebogen für ein Training Schwierige Situationen am Telefon meistern. Wenn Sie mit Fragebögen arbeiten, präsentieren Sie deren Ergebnisse zu Beginn des Trainings kurz und räumen Sie etwas Zeit für einen Austausch ein. 9.7.2 Agenda Die Agenda ist fester Bestandteil jeder Veranstaltung. Der Begriff Agenda kommt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich: „das zu Treibende“ oder „das, was getan werden muss“. Sie ist bereits vor dem Training vorbereitet und wird den Teilnehmenden zu Beginn vorgestellt. Während des Trainings sollte sie sichtbar bleiben (z.B. als Flipchart oder als zuvor ausgeteilter Tagesplan), bzw. immer wieder gezeigt werden, damit alle die Gesamtstruktur des Trainings mitverfolgen können. Wichtig: Die Agenda sollte kurz und überschaubar gehalten sein. Meist wird eine tabellarische Form gewählt. Bestandteile sind Zeiten, Pausen sowie Überschriften der zu behandelnden Themen. Achtung, kein Trainerlatein: Schreiben Sie möglichst nicht die Methoden auf, mit denen Sie arbeiten werden, sondern gliedern Sie die Agenda anhand der Inhalte. Wenn Sie auf der Agenda Methoden wie „Blitzlicht“, „Auflockerungsspiel“ oder „Kartenabfrage“ vermerken, überfordern Sie Ihre Teilnehmenden schnell und lenken vom Wesentlichen ab. Zeitliche Agenda und Themenagenda können auch getrennt voneinander vorgestellt werden. Dies gibt der Leitung die Möglichkeit, die Dauer der Behandlung der einzelnen Themen an die Bedürfnisse der Teilnehmenden anzupassen. Markieren Sie auf der Themenagenda im Verlauf des Trainings immer sichtbar, an welchem Punkt sie sich gerade befinden. 122 9.7.3 Methoden zum Kennenlernen Kennenlernmethoden zu Beginn des Trainings haben viele Funktionen: Sie schaffen eine entspannte Atmosphäre Sie bauen Unsicherheit und Kommunikationsbarrieren ab Sie bringen Auflockerung und Bewegung in die Gruppe Sie fördern die Konzentration durch die aktive Beteiligung 122 Sie können z.B. die Themen abhaken, die bereits behandelt wurden oder Sie schaffen Orientierung mit einem mitwandernden Pfeil (am Flipchart haben sich sogenannte stattys kleine statische Folien oder Post-Its, die man umkleben kann, bewährt. <?page no="190"?> 190 9 Methoden Mein persönlich wichtigster Punkt ist: Sie ermöglichen die namentliche Ansprache Es gibt zwei Extreme in Bezug auf das Kennenlernen in Trainings, die es zu vermeiden gilt: Extrem 1: Die langatmige Vorstellungsrunde Extrem 2: Das peinlich alberne Kennenlernspiel Wer hat es noch nicht erlebt: Person 1 fängt an sich vorzustellen und versteht die Frage nach der beruflichen Position so, dass sie ausführlich den eigenen Lebenslauf in allen Stationen erläutert. Person 2 tut es ihr nach und so fort. Ich persönlich finde solche Vorstellungsrunden immer eher hölzern und langweilig. Zudem kann ich mir erschreckend wenig merken. Oft verpasse ich in der Informationsflut sogar die zu Beginn für mich wichtigste Information -den Namen des sich Vorstellenden. Das andere Extrem ist das alberne spielerische Kennenlernen. Was dabei als albern empfunden wird ist sicher sehr subjektiv und natürlich hat gerade das gemeinsame Lachen zu Beginn eine wichtige Funktion und bringt Leben in die Gruppe. Außerdem bringt es Teilnehmende direkt aus ihrer Komfortzone und das ist im Verlauf wichtig. Auch ich mag spielerische Elemente und schrecke nicht vor absurd anmutenden Auflockerungen zurück. Wichtig ist mir dabei jedoch immer: 1. dass es eine nachvollziehbare logische, das Training voranbringende Begründung gibt 2. dass die Aufgabe interessant ist und die verwendeten Materialien hochwertig sind Mit Schrecken erinnere ich mich an eine eigene Fortbildung, bei der die Leitung die alten Kuscheltiere der Familie in der Mitte des Raums zu einem Berg aufgehäufte und uns bat, uns eines auszusuchen und dieses für sich sprechen zu lassen. Wenn Sie sich für Kennenlernspiele entscheiden, achten Sie darauf, dass das Ergebnis in den weiteren Verlauf der Bildungsveranstaltung integriert wird. Partnerinterview Eine niedrigschwellige Form des Kennenlernens ist das Partnerinterview, bei dem die Teilnehmenden Paare bilden und diese sich gegenseitig nacheinander interviewen. Anschließend stellt jede Person kurz ihren Interviewpartner der Gruppe vor. Dies verhindert sowohl das Licht unter den Scheffel stellen als auch die Selbstbeweihräucherung. Beides sind Phänomene, die gerne bei traditionellen Vorstellungsrunden auftreten. Ablauf: 1. Es werden Paare gebildet. Achten Sie darauf, dass es sich um Paare han- <?page no="191"?> 9.7 Methoden für den Anfang 191 delt, die sich kaum oder gar nicht kennen, indem Sie z.B. die Anweisung geben: Suchen Sie sich eine Person aus, die sie nicht kennen oder alternativ die Person, mit der Sie bisher am wenigsten Kontakt hatten. 2. Die Partner interviewen sich gegenseitig. Sie stellen Fragen zur Person und machen sich Notizen (5 Min. Zeitvorgabe). 3. Die Paare kehren an ihre Plätze im Stuhlkreis zurück. Nun beginnt reihum die Vorstellung. Die Teilnehmenden stellen sich gegenseitig kurz vor (1- 2 Minuten). Dazu tritt ein Partner hinter den Stuhl des Vorzustellenden und beginnt: Das ist Claudia. Sie ist 48 Jahre alt und … Dabei soll nicht der Inhalt des gesamten Interviews wiedergegeben werden, sondern jede Person wählt aus, was ihr bemerkenswert erschien und was die anderen über die vorgestellte Person unbedingt wissen sollten. 4. Vorgestellte Personen dürfen natürlich Fehler korrigieren und ggf. noch kurz etwas ergänzen. Online-Variante: Das Partnerinterview lässt sich auch problemlos in Online-Trainings mithilfe von Breakout-Rooms durchführen. Die Paare, die sich im Anschluss gegenseitig vorstellen, sollten mit der Spotlight-Funktion hervorgehoben werden, so dass sie für die Gesamtgruppe sichtbar sind. Die ackernde Agathe Bei dieser Methode geht es darum, sich die Namen aller Teilnehmenden in kurzer Zeit zu merken. Ich spiele es bei nahezu jeder Präsenzveranstaltung, was einige Kolleginnen dazu brachte, diese Methode nach mir zu benennen. Sie funktioniert nach dem Prinzip des Spiels „ich packe meinen Koffer“. Um allen sichtbar zu machen, wer gerade an der Reihe ist, nutze ich einen Kooshball 123 , der weitergereicht wird. Ablauf: 1. Die Leitung steht auf und fordert die Teilnehmenden auf, sich in einen Kreis zu stellen: Ich brauche Sie jetzt alle einmal im Kreis stehend. 2. Die Leitung erläutert den Nutzen der Übung: Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich persönlich tue mich immer schwer mir Namen zu merken. Da wir heute viel in Bewegung sind, sind auch Namensschilder keine Lösung. Darum lade ich Sie zu einer Memomethode ein, mit der Sie sich garantiert in kürzester Zeit die Namen aller Anwesenden merken können. 3. Die Leitung bittet die Teilnehmenden sich einen Begriff, der zu Ihnen passt zu suchen und der eine Alliteration zum eigenen Namen ist. Sie formuliert Beispiele (die bodenständige Bernadette, der kaffeetrinkende Karim, die musizierende Mara) und stellt sich sogleich selbst mit einer Alliteration vor: Ich bin die ackernde Agathe (meine Großeltern waren Bauern und 123 Vgl. Kapitel 11.4 <?page no="192"?> 192 9 Methoden ich liebe es im Garten zu graben). Danach gibt sie den Ball an die Person neben ihr weiter. 4. Nun geht das Spiel reihum. Die Person, die den Kooshball erhält, wiederholt die Namen der vorherigen und stellt sich selbst vor. Person 2 sagt z.B.: das ist die ackernde Agathe und ich bin der rollende Roland, da ich gerne Fahrrad fahre Person 3 sagt: Das ist die ackernde Agathe, neben mir der rollende Roland und ich bin die … 5. Am Ende sagt die Leitung noch einmal alle Namen: Ich bin die ackernde Agathe und ich freue mich auf das gemeinsame Training mit dem rollenden Roland, der…. Vermeiden Sie zu viel Stress bei dem Spiel - erklären Sie es nicht vorab schon bevor die Teilnehmenden stehen, sondern bauen Sie es Schritt für Schritt beim Tun auf: Aufstehen, Kreis bilden, Alliteration überlegen und starten. Fordern Sie die Gruppe auf, sich gegenseitig zu helfen. Mir selbst fällt die namentliche Ansprache meiner Teilnehmenden nach diesem Spiel viel leichter und auch meine Teilnehmenden sind überrascht, wie gut sie sich im Anschluss die Namen merken können. Variante: Story of my name Bei dieser Variante erzählen die Teilnehmenden kurz eine Geschichte über Ihren Namen, z.B. Herkunft des Namens, Wortbedeutung, Legende des Namenspatrons oder ein Erlebnis, das mit dem eigenen Namen verbunden ist. Diese Variante ist sehr viel persönlicher und dauert etwas länger. Wahrheit oder Lüge Hier noch ein Warmup, das sich auch für Gruppen eignet, die sich bereits kennen. Bei diesem Spiel erfahren die Teilnehmenden überraschende Details, die sie noch nicht übereinander wussten. Jeder Person überlegt sich zwei kurze Geschichten über sich selbst - eine davon sollte wahr sein, die andere gelogen. Die Teilnehmenden erzählen nun nacheinander die beiden Geschichten, ohne preiszugeben, was davon wahr ist und was gelogen ist. Die anderen Teilnehmenden notieren sich, welche Geschichte, sie für wahr halten. Am Ende stimmen die Teilnehmenden per Handzeichen ab, welche Geschichten wahr gewesen sein könnten und die Geschichtenerzählenden, müssen nun Farbe bekennen. In der Online-Variante schreiben die Teilnehmenden ihre 2 Aussagen zu Beginn direkt in den Chat. Dann geht es nach der Reihenfolge der Chatbeiträge. Die Leitung bittet eine Person, den ersten Beitrag zu bewerten - was ist Wahrheit, was ist Lüge. Direkt nach dem Raten, wird die Wahrheit preisgegeben. Dann wird der nächste Chatbeitrag bewertet - jeweils die Person, deren Geschichten gerade bewertet wurde, errät den Wahrheitsgehalt des nächsten Chatbeitrags, bis alle Geheimnisse entlarvt sind. <?page no="193"?> 9.8 Die Gruppe in Bewegung bringen - Auflockerung 193 9.8 Die Gruppe in Bewegung bringen - Auflockerung nach der Mittagspause Es ist schon fast Tradition: Nach der Mittagspause wird gespielt. Manche Teilnehmenden fragen mich schon sorgenvoll auf dem Weg vom Mittagstisch zurück zum Seminarraum: Und jetzt müssen wir bestimmt spielen, oder? Meine Antwort: Nein, müssen wir nicht, können wir aber, wenn wir Lust dazu haben. Auflockerungsspiele bringen nach dem Mittagessen oder in Phasen der Ermüdung einen Aktivitätsschub in die Gruppe, die ansonsten bei einem Vortrag langsam in den Halbschlaf gleiten würde. Doch sie sind nur eine Möglichkeit, Aktivität in eine Gruppe zu bekommen, wie die Vielzahl der Methoden zeigt. Wenn Sie kein Fan von Spielen sind, grämen Sie sich nicht. Sie können auch durch Wechsel der Sozialform, und andere Methoden, wie z.B. Soziometrie Bewegung und Wachheit erzeugen. Oder Sie verordnen nach dem Mittagessen einfach einen kurzen Spaziergang. Wenn Sie - wie ich - gerne spielen, möchte ich Ihnen im Folgenden einige bewährte Grundsätze zum Einsatz von Spielen vermitteln. 1. Neurologischer Beipackzettel Was möchten Sie mit dem Spiel bewirken? Damit ein Auflockerungsspiel nicht als unnötige Spielerei abgetan wird, muss der Sinn vermittelt werden. Geben Sie einen logischen Anreiz durch Anleitungen wie: Sicher wissen Sie, dass Sitzen eine der ungesündesten Körperhaltungen ist … Es ist nachgewiesen, dass körperliche Aktivität nicht nur die Gehirndurchblutung, sondern darüber hinaus sogar die Neubildung von Synapsenverbindungen und Neuronen im Gehirn stimuliert … Bewegung setzt Dopamin und Serotonin frei - beide sind als Glückshormone bekannt und steigern maßgeblich die Kommunikation zwischen unseren grauen Zellen … Und noch ein Tipp: Geben Sie dem Spiel einen anderen Namen. Spielen hat in manchen Zusammenhängen den Ruf, nicht ernsthaft genug zu sein. Wir spielen hier doch nicht! Lösen Sie das Problem, indem Sie das Spiel z.B. einfach Aufgabe oder Übung nennen. 2. Themenbezug Wenn das Spiel einen Bezug zum Thema hat oder in einer Seminarphase sinnvoll eingesetzt wird, ist das die beste Motivation für die Teilnehmenden. Eine kurze Erklärung reicht aus, z.B.: Bei der nächsten Übung ist strategisches Denken und Durchsetzungsvermögen erforderlich - also Kompetenzen, die für Ihren Führungsalltag wichtig sind. <?page no="194"?> 194 9 Methoden Das könnten die einleitenden Worte zum Spiel Alle wechseln die Plätze, die…, bei der eine Person ohne Stuhl in der Mitte steht und einen Stuhl ergattern muss, während andere auf seine Anweisung die Plätze wechseln. 3. Freiwillig mittendrin Die Teilnahme an einer Auflockerung ist immer freiwillig. Wobei Sie das bei der Anleitung nicht direkt als Wahlmöglichkeit aussprechen sollten. Das macht die Überwindung des inneren Schweinehunds für die Teilnehmenden noch schwerer. Vermitteln Sie die Freiwilligkeit indirekt, indem sie nach dem neurologischen Beipackzettel eine Einladung formulieren, die die Teilnehmenden schon direkt ins Setting versetzt, z.B.: Ich möchte Sie einladen, einmal alle aufzustehen und sich in einen Kreis zu stellen. (Wichtig, während Sie sprechen, tun Sie selbst direkt, zu was Sie anweisen - im Beispiel: Sie stehen auf). 4. Erklären Sie nicht vorab das gesamte Spiel, sondern Schritt für Schritt. Wenn alle Teilnehmende im Kreis stehen: Ich habe hier einen Ball, den werfe ich einem Teilnehmende zu - zuvor spreche ich ihn kurz mit dem Namen an. Also so: Johann. Dann werfen Sie den Ball dem Teilnehmende zu. Du wirfst den Ball jetzt weiter an jemand anderen und sagst den Namen der Person. Sie warten kurz ab: Ja, genau so! Jetzt soll jeder den Ball einmal bekommen, dann geht er an mich zurück.“ Während der Ball geworfen wird, sagen Sie, wir versuchen uns die Reihenfolge zu merken und bei der nächsten Runde soll der Ball genau in dieser Reihenfolge wieder geworfen werden. Wenn alle die Spielregeln umsetzen können und der Ball seine Bahn zieht, geben Sie die nächste Anweisung: Hier habe ich ein Glas Wasser, das gebe ich jetzt im Kreis herum. Wir werfen dabei weiter den Ball. Manchmal ist auch ein vorbereitetes Flipchart mit einer Visualisierung hilfreich. Mein Tipp: Üben Sie die Spielanleitung einmal privat bevor Sie ein Spiel das erste Mal professionell einsetzen. Wenn jemand nicht mitspielen möchte, ist das völlig in Ordnung, fragen Sie kurz nach und laden Sie den Teilnehmenden einfach zum Zusehen und ggf. später einsteigen ein. Oder Sie übertragen eine „harmlosere“ Aufgabe, z.B. soll die Person bestimmte Aspekte beobachten oder notieren. Meiner Erfahrung nach ergeben sich Verweigerungen meist aus einer unsicheren oder langatmigen Anmoderation. Und: Ihre eigene Motivation ist die größte Triebfeder - achten Sie darauf, dass Sie selbst den Elan versprühen, den Sie sich von Ihren Teilnehmenden erhoffen! Dazu lohnt es sich eigene Glaubenssätze über Bord zu werfen. Wenn Sie also denken: Mit der Gruppe kann ich das nicht machen, die sind zu alt, zu seriös, zu… lassen Sie sich nicht beirren. Die Erfahrung zeigt: Es lohnt sich, bei jeder Gruppe prinzipiell von Spielbegeisterung auszugehen. Gerade bei Gruppen mit Führungskräften habe ich meine schönsten Spielerfahrungen gesammelt. <?page no="195"?> 9.9 Aktivierung und Gruppenerleben im digitalen Raum 195 Achtung: Körperkontakt und Körpereinsatz Spiele mit Körperkontakt oder Körpereinsatz sind für die Stimmung im Seminar ungemein förderlich, benötigen aber immer eine Vertrauensbasis. Wichtig ist hier, dass der Kontakt im Rahmen des Spiels mit klaren Regeln abläuft und somit „legitimiert“ wird. Achten Sie darauf, dass die Gruppe bereits ein ausreichendes Warmup hatte, bevor Sie ein Spiel mit Körperkontakt anmoderieren. Außerdem sollte niemand aufgrund eines körperlichen Handicaps ausgeschlossen sein. Darunter fällt manchmal auch Kleidung. Eine Frau mit kurzem Rock und hohen Schuhen, empfindet es sicher als peinlich bei einem komplizierten „gordischen Knoten“ mitzuspielen. Haben Sie das sichere Gefühl, dass es in einer Seminargruppe Probleme geben wird, wählen Sie einfach eine andere Übung. 9.9 Aktivierung und Gruppenerleben im digitalen Raum „Geht das denn auch online? “ fragen Kunden und Kollegen oft, wenn wir uns über Trainingsmethoden austauschen. Viele der bereits vorgestellten Methoden sind online und offline durchführbar. Es gibt aber auch welche - die nur im Online-Training eingesetzt werden können. Hier eine kleine Auswahl: 9.9.1 Post-It Übungen Voraussetzung: Alle Teilnehmenden haben die Kamera an und sind in einer Kachelansicht sichtbar. Jede/ r Teilnehmende hat ein Post-it oder ein Stück Papier, mit dem die Kamera abgedeckt werden kann. Nun gibt es unterschiedliche Varianten, am bekanntesten ist: Variante 1 : Wer von Euch …? Alle Teilnehmenden verdecken die Kamera. Die Leitung stellt Fragen, wie: Wer von Euch trägt gerade Schuhe? Wer von Euch hat ein Haustier? Wer von Euch …? Die Teilnehmenden, die zur angesprochenen Gruppe gehören, decken die Kamera ab und winken. Dann werden die Kameras wieder verdeckt und die nächste Frage wird gestellt. Es entsteht schnell ein Gruppenbild, mit dem auch Vorerfahrungen und Meinungen der Gruppe abgefragt werden können. Variante 2 : Ist es richtig, dass …? Nach dem gleichen Schema wie oben kann auch eine Wissensabfrage oder ein Quiz durchgeführt werden, dabei stellt die Leitung Wissensfragen oder <?page no="196"?> 196 9 Methoden die Teilnehmenden überlegen selbst Fragen zum Thema und stellen sie sich gegenseitig. Die Antwort ja, das ist richtig, wird durch die Ratenden mit Abnehmen des Post-ist angezeigt. Das besondere Gruppenbild Eine sehr lustige teambildende Variante ist das besondere Gruppenbild. Alle Teilnehmenden decken die Kamera ab und die Leitung kündigt an, gleich verschiedene Gruppenfotos zu schießen. Dazu gibt sie jeweils Regieanweisungen, z.B.: Beim ersten Bild sind wir alle Mitglieder eines Mafia-Clans. Die Post- Its werden mit dem Kommando 1,2,3 klick gemeinsam abgenommen und alle Teilnehmenden haben eine passende Pose eingenommen. Wenn Sie vorab die Erlaubnis der Teilnehmenden haben, machen sie auch tatsächlich einen Screenshot. Natürlich können Sie der Methode auch einen Themenbezug geben, so könnten z.B. die Teilnehmenden in einem Seminar für Kundenorientierung ihre schlimmsten Kundentypen auf einem Gruppenbild vereinen. Die Post-it-Zettel halten nicht? Wenn Sie häufig Online-Trainings durchführen, nutzen Sie Stattys: Schneiden sie sich ein kleines Stück ab, das sie neben die Kamera heften - Sie können es einfach über die Kamera schieben. Das hält deutlich besser als die handelsüblichen „Klebezettelchen“, die gerne mal abfallen und ständig ausgewechselt werden müssen. Wenn Sie eine externe Kamera nutzen, empfiehlt sich eine in der Mitte gefaltete Moderationskarte, die Sie einfach über die Kamera setzen. Und - es geht natürlich auch ganz ohne Papier - nämlich einfach mit dem kurzzeitigen Aus- und Einschalten der Kamera. 9.9.2 Kamera an/ aus Eine witzige kleine Auflockerung, bei der die Teilnehmenden die Aufgabe haben, ihr Aussehen zu verändern, indem sie irgendetwas um sich drapieren. Auch hier wird die Kachelansicht genutzt. Alle Teilnehmenden schalten die Kamera aus und haben 2-3 Minuten Zeit etwas zu finden, um sich zu dekorieren. Auf Kommando schalten alle gemeinsam wieder die Kamera an und bewundern sich gegenseitig. Diese Übung dient der körperlichen und geistige Auflockerung dem Teambuilding und trägt zu einer guten Stimmung bei. 9.9.3 Sag es mit einem Bild Die Teilnehmenden bekommen eine Fragestellung und sollen diese mit einem Bild beantworten. Das sollen keine Kunstwerke, sondern kleine Skizzen sein, die nicht selbsterklärend sein müssen. Dazu erhalten sie 2-5 Minuten Zeit. Danach zeigt jeder Künstler seine Skizze. Zuerst interpretiert die Gruppe das Bild, danach erläutert der Künstler, was damit dargestellt und ausgedrückt werden sollte. <?page no="197"?> 9.10 Methoden, die das Ende gestalten 197 9.9.4 Schreibtisch und Raum nutzen Auch für diese Übung ist eine Kamera und idealerweise die Kachelansicht aller Teilnehmenden ideal. Die Teilnehmenden werden dabei aufgefordert passende Gegenstände auf ihrem Schreibtisch oder in ihrem Raum zu suchen und in die Kamera zu halten. So kann z.B. nach einem Wissensinput die Frage gestellt werden: Was ist Dein persönlicher Eindruck vom Thema? Oder nach einer Übung: Was hindert Dich im Alltag vielleicht an der Umsetzung? Bzw.: Was unterstützt Dich dabei das Gelernte im Alltag umzusetzen? Alle Teilnehmenden suchen in ihrem Umfeld nach Gegenständen, die ihre Antwort symbolisch repräsentieren und halten diesen in die Kamera. Die Leitung hakt nun bei allen nach. Alle stellen nacheinander Ihre Gegenstände vor und erläutern ihre Assoziationen. Was bringt die Übung? Die Teilnehmenden verändern die Blickrichtung und bewegen sich - das ist für die Augen und den Körper wohltuend, da die Arbeit am Bildschirm bekanntermaßen die Augen ermüdet und eine starre Sitzhaltung zu körperlichen Verspannungen führt. Meinungen, Erkenntnisse und Probleme der Einzelnen werden für die ganze Gruppe sicht- und greifbar , was oft zu einer erstaunlichen Klarheit führt und beim Zuhören und Verstehen hilft. Die Teilnehmenden verbinden den Lerninhalt mit einem alltäglichen Gegenstand in ihrem Wissensnetz. So entsteht ein Lernanker , der auch nach dem Training mit den Trainingsinhalten in Verbindung bleibt. 9.10 Methoden, die das Ende gestalten Das Seminar ist zu Ende - alle Inhalte sind bearbeitet - und was nun? Genauso wie die Anfangssituation sollte auch die Schlusssituation gestaltet sein. Die Veranstaltung braucht einen Rahmen und schön ist - wenn sich Elemente des Einstiegsrahmens auch am Ende wiederfinden. Dies können Sie z.B. durch einen erneuten gemeinsamen Blick auf die Agenda einleiten oder auch dadurch, dass Sie die Ergebnisse der Erwartungsabfrage noch einmal sichtbar machen. Elemente eines geglückten Abschlusses sind: 1. Der Rückblick auf den Seminarverlauf. (z.B. durch Blick auf Agenda) 2. Das Feedback (z.B. durch Abgleich mit der Erwartungsabfrage) 3. Der Blick in die Zukunft - wie werden die Teilnehmende einen Transfer herstellen? (z.B. durch „Brief an mich selbst“) 4. Die Verabschiedung (z.B.: „Warmer Rücken“) <?page no="198"?> 198 9 Methoden 9.10.1 Rückblick auf die Agenda Die Leitung fasst anhand der Agenda die Trainingsinhalte zusammen. Die Teilnehmenden ergänzen ggf. ihre Erinnerungen. Ablauf: 1. Die Leitung stellt sich neben die Agenda, und fasst zusammen: Wir sind jetzt am Ende unseres Trainings und ich möchte mit Ihnen gemeinsam auf unsere Inhalte zurückblicken. Wir sind heute Morgen um 9 Uhr gestartet und haben uns zuerst mit… befasst. Erinnern Sie sich noch an die Übung, die wir im Anschluss gemacht haben? ... 2. Punkt für Punkt werden die Inhalte kurz zusammengefasst und die Teilnehmenden werden angeregt, Ihre Erinnerungen beizutragen. Der Rückblick anhand der Agenda ist eine einfache schnelle Methode, die sich für jede Veranstaltung eignet. Sie können Sie abwandeln, indem Sie aus jedem Themenbereich noch Arbeitsmaterialien zeigen. Eine aufwändigere Methode ist eine Ausstellung. Dazu werden Materialien an den Wänden oder auf einem Tisch platziert und gemeinsam betrachtet. 9.10.2 Feedback im Abgleich mit der Erwartungsabfrage Während der Blick auf die Agenda den vom Trainer geplanten Ablauf wiederholt, hilft der Blick auf die Erwartungsabfrage den Teilnehmenden bei der Reflexion, mit welchen Wünschen sie selbst in die Veranstaltung gekommen sind und was sich schlussendlich davon erfüllt hat. Ablauf: 1. Die Leitung stellt sich neben die Erwartungsabfrage und leitet die Reflexion ein: Zu Beginn des Trainings habt Ihr Eure Erwartungen formuliert und jetzt interessiert mich natürlich, welche davon ihr im Training umsetzen konntet. Erkennt ihr noch, welche Karten von Euch sind? 2. Dann übersetzt die Leitung die Erwartungsabfrage in eine Feedbackfrage z.B.: Heute morgen habe ich Euch gefragt, woran ihr festmacht, dass das Training für Euch ein Erfolg war. Jetzt würde ich gerne wissen, was das Training bereits zu diesem Erfolg beigetragen hat. Die Leitung pinnt die Frage sichtbar als Karte an die Metaplanwand. Wenn es mehrere Fragestellungen gab, werden auch diese übersetzt. Danach bittet die Leitung die Teilnehmenden in Form eines Blitzlichts Stellung zu nehmen, Von mir war die Karte…, was ich bereits als Erfolg vermelden kann… 9.10.3 Transfermethoden Brief an mich selbst Am Ende einer Veranstaltung schreiben alle Teilnehmenden auf, was sie sich als Umsetzung des Erlernten für die Zukunft vornehmen. Diese Vorsätze werden individuell in Form eines kurzen Briefs an sich selbst verfasst. <?page no="199"?> 9.10 Methoden, die das Ende gestalten 199 Ablauf: 1. Die Leitung verteilt Blätter und frankierte Kuverts sowie Stifte an alle Teilnehmenden. 2. Nun schreiben die Teilnehmenden, was sie sich als Erkenntnisse aus dem Training unbedingt merken möchten und was sie sich konkret für die Umsetzung der Trainingsinhalte vornehmen. Dabei sollten Vorhaben fordernd aber nicht überfordernd sein. 124 3. Der fertige Brief wird von allen individuell kuvertiert und an sich selbst adressiert. 4. Die Leitung sammelt alle Briefe ein und versendet sie zu einem vereinbarten Zeitpunkt in der Zukunft. Bewährt haben sich 3-14 Tage. Durchführung online Als Online.Variante schriebt jeder Teilnehmende eine Mail an sich selbst und versendet diese zeitversetzt (funktioniert bei Outlook als „Übermittlung verzögern“ über die Registerkarte Optionen). Vertrag mit mir selbst Eine Variante vom Brief an mich selbst ist der Vertrag mit mir selbst. Dabei sind die ausgeteilten Blätter ähnlich einem Vertrag vorbereitet. Folgende Rubriken können z.B. unter der Überschrift „Vertrag“ aufgeführt sein: Das Datum, freie Spalten für das Eintragen der Absichten, einen Eintrag bezüglich einer Frist und ein Feld für die Unterschrift. Möglich ist auch ein freies Feld für eine „Belohnung“ nach Erfüllung des Vertrages. Auch ist es möglich einen „Zeugen“ zu benennen, der den Vertrag ebenfalls unterschreibt. Nach Ablauf einer bestimmten Frist könnten sich dann Vertragsunterzeichner und Zeuge treffen, um über die Vertragserfüllung zu sprechen und sich gegebenenfalls gegenseitig zu belohnen. Bitten Sie die Teilnehmenden, den Vertrag zuhause nicht in irgendeiner Schublade verschwinden zu lassen, sondern ihn gut sichtbar (z.B. über dem Schreibtisch) aufzuhängen, so dass er immer wieder ins Bewusstsein rückt. Mein erster Schritt Eine schnelle und weniger private Variante des Briefs an mich selbst ist die Methode Mein erster Schritt. Dabei überlegen sich alle Teilnehmenden einen ersten Schritt zur Umsetzung direkt nach dem Training. Jeder schreibt eine Moderationskarte. Abschließend stehen die Teilnehmenden im Kreis, Alle zeigen nacheinander ihre Karten und kündigen in Form eines Blitzlichts ihre ersten Schritte an. 124 Ggf. können hier die SMART-Kriterien eingesetzt werden - vgl. Kapitel 10.3 Projektarbeit <?page no="200"?> 200 9 Methoden Lernpartnerschaften Die Teilnehmenden werden in Paare aufgeteilt und bilden Lernpartnerschaften, die auch nach dem Seminar noch Bestand haben. Die Paare teilen sich gegenseitig am Ende der Veranstaltung bei einer Partnerarbeit ihre Vorhaben mit und verschriftlichen diese. Im Anschluss planen sie einen Austausch, bei dem sie sich gegenseitig zu ihren Umsetzungsfortschritten berichten und ggf. unterstützen. 9.10.4 Warmer Rücken Der Warme Rücken ist ein emotional bewegender Abschluss, bei dem sich die Teilnehmenden in schriftlicher Form gegenseitig Abschiedswünsche und Aussagen mit auf den Weg geben. Er ist besonders gut für längere Veranstaltungen geeignet, bei denen die Teilnehmenden in engen Austausch getreten sind und der Abschluss der Veranstaltung auch mit Wehmut begleitet ist. Ablauf: 1. Leitung und Teilnehmende sitzen in einem Stuhlkreis und jede Person hat ein Klemmbrett mit einem leeren Blatt Papier. 2. Jede Person schreibt ihren Namen oben auf das Blatt. 3. Alle Teilnehmenden geben gemeinsam ihr Blatt im Uhrzeigersinn an die daneben sitzende Person weiter. Diese schreibt einen guten Wunsch oder ein positives Feedback für die Person (deren Name als Überschrift oben steht auf den Zettel. 4. Nach ca. eine Minute wird der Zettel wieder weitergegeben und beschriftet und so weiter. So erhält jeder von jedem Feedback. 5. Das Weitergeben endet, wenn jede Person wieder das Papier mit dem eigenen Namen als Überschrift in der Hand hält. 6. Alle lesen ihr Papier durch und fragen nach, wenn sie etwas nicht lesen können. Varianten Variante 1: mit DIN A-3 Blättern und Kreppband Alle Teilnehmende heften sich gegenseitig mit Kreppband ein DIN A3-Blatt auf den Rücken, gehen durch den Raum und schreiben sich gegenseitig Aussagen und Wünsche, die sie der oder dem anderen mit auf den Weg geben wollen, auf den Rücken. Variante 2: mit Flipcharts Bei Trainerausbildungen oder Teamworkshops nutze ich gerne Flipcharts, die ich entweder auf dem Boden in einem großen Kreis lege oder an die Wand hänge. Diese Plakate bereite ich mit schönen Namensüberschriften und Rahmen vor. <?page no="201"?> 9.11 Das Training on the Job (ToJ) 201 Online-Variante Hier schreiben die Teilnehmenden immer alle gleichzeitig auf ein Whiteboard ihre Wünsche und ihr Feedback für eine Person. Verständnisfragen werden hier immer direkt gestellt und das jeweilige Whiteboard wird vom Feedbacknehmenden z.B. per Screenshot dokumentiert. Danach wird ein Whiteboard für die nächste Person erstellt usw ... 9.11 Das Training on the Job (ToJ) Das Training on-the-job (auf Deutsch: Training am Arbeitsplatz) ist eine Form des Einzeltrainings - vergleichbar mit dem Coaching, wobei hier neuerlernte Vorgehensweisen direkt erprobt werden. Das Training erfolgt am jeweiligen Arbeitsplatz und kann sowohl in der Einarbeitungsphase als auch zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Ziel ist das Vertiefen des bisher Gelernten und ggf. Einbringen weiterer und neuer Aspekte in den jeweiligen Tätigkeitsablauf. Es wird gerne zur Transfersicherung nach einer Gruppenmaßnahme eingesetzt. Als Kommunikationstrainerin begleite ich zum Beispiel Teilnehmende im Anschluss an ein Führungskräfte-, Vertriebs- oder Telefontraining direkt am Arbeitsplatz. Dort erarbeiten wir gemeinsam, wie sie neuerlernte Strategien bei ihrer Arbeit umsetzen können und erweitern bei Bedarf das Wissen individuell. Der Vorteil hier ist, dass die Trainingsinhalte maßgeschneidert auf die einzelnen Teilnehmenden und deren Arbeitsbedingungen sind. Als Trainer on the Job ist es Ihre Aufgabe Ihre Teilnehmenden in ihrem Arbeitsalltag zu unterstützen, indem Sie sie bei der Arbeit beobachten, Ihnen Feedback geben und Anregungen oder Verbesserungsvorschläge formulieren. Im Gegensatz zum reinen Feedback erfolgt ein Training on the Job unbedingt im Dialog! Die Ergebnisse des Trainings werden üblicherweise in einem Trainingsprotokoll festgehalten. Dieses beinhaltet z.B.: Datum und Uhrzeit des Trainings Name des Trainers und des Teilnehmenden Ggf. Ziele aus dem letzten Training Trainingsthemen, Stärken, Verbesserungspotentiale und Lösungsvorschläge 1-3 smarte Ziele bis zum nächsten Training 125 Gerade in Bezug auf das Protokoll ist es wichtig, dass zuvor auf jeden Fall Fragen der Vertraulichkeit geklärt werden. Was wird beim Training doku- 125 Das Formulieren nach den smarten Kriterien wird in Kapitel 9.3 erklärt. <?page no="202"?> 202 9 Methoden mentiert und wer erhält welche Rückmeldungen. Teilnehmende sind oft verunsichert, da sie sich bei der Arbeit „bespitzelt“ fühlen und gerade neue Mitarbeiter im Unternehmen befürchten, dass Fehler direkte disziplinarische Konsequenzen haben könnten. Außerdem muss das Setting genau überlegt werden, denn Sie als Trainer werden auch von Arbeitskollegen, Kunden und Lieferanten, die im Unternehmen unterwegs sind, wahrgenommen. Dies führt immer zu Fragen und im schlechtesten Fall zu unschönen Gerüchten, wie Die Chefin hat jetzt eine Trainerin zu Seite gestellt bekommen - endlich merken sie, dass sie das nicht allein schafft. Deshalb sollte die Maßnahme vorab gut geplant und kommuniziert werden. Im Folgenden wird Schritt für Schritt der Ablauf eines Trainings on the Job aufgezeigt. Die Beschreibung bezieht sich auf meine Erfahrungen als Kommunikationstrainerin. Die Vorgehensweise ist aber auch auf Fachtrainings übertragbar. 9.11.1 Vor dem ToJ Folgende Punkte sollten mit Auftraggebenden vor der Durchführung von Trainings on the Job geklärt werden: Freiwilligkeit der Teilnahme Vertraulichkeit des Trainings Trainingsprotokoll, sonstige Dokumentation und Reporting Datenschutz und Information (falls beim Training z.B. Kundengespräche begleitet werden) Zeitliche Planung Einladung der Teilnehmenden Ziel der Maßnahme aus Sicht der Organisation Festlegen der Aspekte der Arbeit, zu denen Feedback gegeben werden soll 9.11.2 Warm-up Das Warm-up findet in einem separaten Raum als Vier-Augen-Gespräch statt. Hier wird - wie der Name sagt ein positives Klima für die Zusammenarbeit geschaffen. Dazu gehört es, Klarheit und Transparenz zu schaffen. Trainertipp: Setzen Sie sich möglichst gemeinsam im 90-Grad-Winkel an den Tisch, da dies als deutlich entspannter wahrgenommen wird als das frontale Gegenübersitzen. Außerdem können Sie so gemeinsam in relevante Unterlagen blicken. Klären Sie also vorab mit dem Trainee: <?page no="203"?> 9.11 Das Training on the Job (ToJ) 203 Genauen Ablauf des Trainings Mitschreiben in der Beobachtungsphase und die Dokumentation der Ergebnisse im Trainingsprotokoll Fragen des Datenschutzes und der Vertraulichkeit Ziele des Trainings Fragen Sie Ihren Trainee auch, worauf im Training aus seiner Sicht besonders geachtet werden soll. Wenn beim Training andere Personen anwesend sind - wie z.B. Kunden oder Kollegen - sprechen Sie ab, wie Ihre Anwesenheit erklärt wird. Falls es im Vorfeld bereits Trainings on the Job gab, fragen Sie nach: Welche Ziele vereinbart wurden Was gut gelungen ist seitdem Wo es ggf. Schwierigkeiten bei der Umsetzung gab 9.11.3 In der Beobachtungsphase Ein Trainer am Arbeitsplatz irritiert, ja stört im schlechtesten Fall sogar bei der Arbeit. Lassen Sie Ihren Trainee deshalb Regieanweisungen geben in Bezug auf Ihren Platz, Ihr Verhalten und Ihre Rolle. Beim Telefontraining on the Job frage ich Teilnehmende z.B. wo soll ich am besten sitzen? Die Antworten sind unterschiedlich, manche Trainees finden es gut direkt nebeneinander zu sitzen manche schätzen eher Distanz. Auch ob während der Beobachtungsphase bereits Feedback gegeben werden soll, überlasse ich dem Trainee. Gerade wenn noch andere Personen im Raum sind, fürchten manche Trainees, dass andere lauschen und es ist ihnen peinlich, dass ihre „Fehler“ öffentlich besprochen werden könnten. Andere laden Kollegen ein, sich am Austausch zu beteiligen und treten sogar bewusst mit Kollegen ins Gespräch, so dass das ganze Team vom Training on the Job profitiert. Manchmal kann ein Training on the Job zu Irritationen führen, gerade wenn Sie als Trainer bei einem Kunden- oder Mitarbeitergespräch dabei sind. Besprechen Sie dann vorab ihre „offizielle Rolle“ mit dem Trainee und wie Sie sich verhalten sollen. In Vertriebstrainings trete ich manchmal als Kollegin aus dem Innendienst oder neue Mitarbeiterin auf - so dass der Kunde nicht den Eindruck hat, er solle besser mich als Expertin fragen, oder er müsse sich auf eine bestimmte Art verhalten, z.B. um den Vertriebler nicht zu schaden. In solch einem Setting verbietet es sich selbstverständlich direkt Feedback vor dem Kunden zu geben. Falls Ihnen gravierende Beratungsfehler auffallen können Sie diese in eine ergänzende Idee oder eine Frage verpacken. Z.B.: Was mir gerade einfällt, wir hatten doch diesen neuen Tarif, wäre der in diesem Fall vielleicht etwas? So kann der Trainee ohne Gesichtsverlust seinen Fehler „ausbügeln“. <?page no="204"?> 204 9 Methoden Wenn möglich: Schreiben Sie bei der Beobachtungsphase Ihre Beobachtungen auf, ohne schon an Bewertungen zu denken. Als Kommunikationstrainerin notiere ich Zitate. Für das Feedback ist es wichtig, dass diese Mitschriften bewertungsfrei sind, so können Sie transparent arbeiten, dem Trainee ihre Mitschriften zeigen und sogar überlassen. Ein typischer Anfängerfehler ist, dass nur „Fehler“ notiert werden und beim Feedbackgespräch das konkrete positive Feedback fehlt. Falls Sie vereinbart haben, direkt Feedback zu geben achten Sie auf eine Kommunikation auf Augenhöhe. Fragen Sie erst einmal interessiert nach, wenn Ihnen etwas „falsch“ vorkommt, bevor Sie direkt Ratschläge erteilen und wägen Sie gemeinsam mit dem Trainee ab, welche andere Vorgehensweise sich anbieten könnte. Vorteil des direkten Feedbacks beim Training on the Job ist, dass der Trainee, neue Verhaltensweisen direkt ausprobieren kann. So kann zum Beispiel bei einem Telefontraining, zwischen zwei Telefonaten eine Entspannungsübung gemacht werden und direkt beim nächsten Telefonat die Auswirkungen auf die Stimme erprobt werden. 9.11.4 In der Reflexionsphase Wie das Vorgespräch, sollte auch die Reflexionsphase in einem geschützten Raum als Vieraugengespräch stattfinden. Hier ist der 90 Grads-Winkel besonders wichtig, so dass auch der Trainee ihre Mitschriften sehen kann. Oft erschrecken die Trainees „ojeh, habe ich so viel falsch gemacht? “ Dann können Sie beruhigen und erklären, dass es nur um eine Gedächtnisstütze geht und die mitgeschriebenen Beobachtungen keine Bewertungen enthalten, sondern erst gemeinsam reflektiert werden. Selbstanalyse der Trainees Starten Sie mit einer Selbstanalyse des Trainees. Training erfolgt im Dialog! Ihre Trainees wissen erstaunlich viel über sich selbst, über eigene Stärken und über ihre eigenen Schwächen und die selbst genannten Verbesserungsvorschläge können Sie bei Übereinstimmung direkt schriftlich im Trainingsprotokoll festhalten, ohne weiter in dieselbe Kerbe zu schlagen. Alles was Ihr Trainee selbst erkennt brauchen Sie nicht zu feedbacken - das erhöht zusätzlich auch die Akzeptanz des Trainingsergebnisses. Sie unterstützen die Selbstanalyse des Trainees durch Fragen. Je mehr Sie den Trainee in die Selbsterkenntnis führen, umso besser! Hilfreiche Fragen sind Was denken Sie ist Ihnen gut gelungen? Was genau? Was noch? Gab es etwas, womit sie nicht so zufrieden waren? Was würden sie an dieser Stelle ggf. beim nächsten Mal anders machen? <?page no="205"?> 9.11 Das Training on the Job (ToJ) 205 Achtung: Die Selbstanalyse soll auf keinen Fall ein Verhör werden oder den Eindruck von psychologischer Manipulation vermitteln. Dabei hilft eine Haltung voller Wertschätzung und Neugier, so dass ein Teilnehmender Ihnen gerne erklärt, warum er was genau wie getan hat. Beobachtungen beschreiben (ohne Bewertung) Im nächsten Schritt beschreiben Sie Ihre Beobachtungen. Trennen Sie die objektive Beschreibung des Verhaltens bewusst mit der subjektiven Formulierung Ihres Eindrucks. Sie beschränken sich zuerst auf die präzise Wiedergabe von Gesagtem, Gezeigtem, von Aktion und Reaktion. Konzentrieren Sie sich auf die Punkte, die vom Trainee noch nicht selbst erkannt wurden und auf die großen Hebel. Damit meine ich, dass Sie sich überlegen sollten, welche Verhaltensänderung die größte positive Wirkung erzeugen würde. Dabei geht es nicht nur um das Vermeiden von Fehlern sondern auch und vor allem um den Ausbau von Stärken: Was soll der Trainee ggf. noch mehr tun? Hier einige Formulierungsbeispiele für die Wiedergabe von Beobachtungen: Ich habe mir folgendes Zitat notiert… Ich habe beobachtet/ gehört, dass ... Mir ist noch aufgefallen ... Ich habe das so verstanden… Bei mir ist angekommen… Feedback geben Rücken Sie Stärken in den Mittelpunkt, indem Sie diese ausdrücklich positiv bewerten: Das fand ich eine pfiffige Vorgehensweise Das hat mir gut gefallen Das fand ich großartig Halten Sie sich bewusst mit negativen Bewertungen zurück und geben Sie erst dem Trainee die Gelegenheit die Beobachtung zu erläutern. Ich nutze häufig neutrale Bewertungen, wie: Das hat mich überrascht Das hat mich irritiert Oder ich beschreibe neutral die Auswirkungen des Verhaltens: Das hat zur Folge, dass <?page no="206"?> 206 9 Methoden Im Training von social Skills ist oft auch der Perspektivwechsel eine Möglichkeit: Ich als Kunde hätte das nicht verstanden Ich als Mitarbeiter hätte mir gedacht … Strategien erarbeiten Nun gilt es Strategien zur Verbesserung zu erarbeiten. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen Training und Coaching - Als Trainer sind Sie Fachexperte und dürfen durchaus auch selbst Tipps geben und Vorschläge machen. Wenn Ihr Trainee mit Ihnen übereinstimmt, notieren Sie die Ergebnisse ins Trainingsprotokoll. Priorisieren Sie am Ende gemeinsam mit dem Trainee die gesammelten Ideen im Trainingsprotokoll und formulieren sie 1-3 smarte Ziele. 126 Das Trainingsprotokoll belassen Sie (wenn nicht anders vereinbart) beim Trainee. Auch die Mitschriften der Beobachtung verbleiben dort oder werden direkt gemeinsam datenschutzkonform entsorgt. Dies stärkt zum einen die Selbstverantwortung des Trainees und sichert Sie als Trainer in Bezug auf den Datenschutz ab. 9.11.5 Reporting nach dem Training on the Job Führungskräfte wünschen sich nach einem Training on the Job oft eine personenspezifische Rückmeldung über das Verhalten und die Leistung der Teilnehmenden. Dadurch bringen sie Sie als Trainer in einen inneren Konflikt. Für das Training ist eine vertrauensvolle Atmosphäre ideal, bei der Fehler als Lernchancen betrachtet werden - dies widerspricht der Weitergabe von personenspezifischen Bewertungen. Klären Sie deshalb auf jeden Fall schon vorab, wie ein Reporting stattfinden soll. Für mich hat es sich bewährt, dass die Teilnehmenden selbst mit Ihrer Führungskraft persönliche Lernfelder besprechen. Ich selbst gebe darüber hinaus gerne Rückmeldung über allgemeine Beobachtungen, die die Arbeitsorganisation und das Umfeld betreffen - also nicht das Verhalten meines Teilnehmenden selbst. Wenn ich ein ganzes Team begleitet habe, habe ich auch oft Rückmeldungen zu Lernfeldern des gesamten Teams und kann dazu zusammen mit der Führungskraft Maßnahmen ableiten. Falls die Führungskraft unbedingt mit Ihnen eine persönliche Rückmeldung wünscht, können Sie als Kompromiss vorschlagen, dass ein Gespräch zu dritt geführt wird, bei dem der Trainee die Trainingsergebnisse vorstellt und Sie nur fachliche und methodische Informationen ergänzen. Achtung: Hinter dem Wunsch der Rückmeldung des Trainers kann sich ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen dem Mitarbeitenden und der Führungskraft verbergen. 126 Vgl. Kapitel 9.3 smart-Kriterien. <?page no="207"?> 9.12 Wechsel der Sozialformen 207 Hier besteht die Gefahr, dass Sie als Trainer instrumentalisiert werden. Mein Tipp: Klären Sie hier ganz klar Ihre Aufgabe und lehnen Sie im Zweifelsfall den Auftrag ab! 9.12 Wechsel der Sozialformen Der Begriff Sozialform beschreibt in der Didaktik die Kommunikationsstrukturen in einer Veranstaltung, die in der Sitz- und Raumordnung erkennbar sind. Der Pädagoge Hilbert Meyer definiert die Sozialform mit der Frage Wer arbeitet mit wem zusammen? 127 . Wir unterscheiden zwischen vier Sozialformen 1. Einzelarbeit 2. Partnerarbeit 3. Gruppenarbeit 4. Arbeit im Plenum Bei der Planung sind folgende Faktoren bedeutsam: 1. Lernziel (Lernlevel, Taxonomiestufe) 2. Lerninhalt Der Wechsel der Sozialform zwischen Arbeit im Plenum, Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit bringt eine höhere Beteiligung der Teilnehmenden mit sich und dient der Aktivierung und dem tieferen Verstehen des Wissensstoffs. Ganz nebenbei wird nicht nur für die Teilnehmenden, sondern auch für Sie als Trainer das Training interessanter, da Sie sich nicht die ganze Zeit nur selbst sprechen hören, sondern interessante Perspektiven und Fragestellungen in den verschiedene Sozialformen entstehen. Achtung: Auch wenn der Einsatz von Einzelarbeit, Partnerarbeit und Gruppenarbeiten, Verschnaufpausen verschafft, sind sie niemals eine echte Pause für Sie als Leitung. Sie halten sich zwar im Hintergrund, bieten aber Unterstützung an und stehen bei Rückfragen zu Verfügung. 9.12.1 Einzelarbeit Die Einzelarbeit wird eingesetzt für die Aktivierung des Wissens des Einzelnen und für den persönlicher Wissenstransfer. Methoden sind das klassische Arbeitsblatt, die Projektarbeit (Kapitel 9.3 oder auch ein Lerntagebuch, in das die Teilnehmenden ihre persönlichen Er- 127 Hilbert Meyer: Unterrichtsmethoden. Band 1: Theorieband. 10. Auflage 2002. <?page no="208"?> 208 9 Methoden kenntnisse notieren. Online wird die Einzelarbeit als asynchrone Lerneinheit, zur Vor- und Nachbereitung von Präsenzeinheiten genutzt. 128 Ablauf: 1. Formulieren Sie das Thema oder die Frage konkret als Aufgabenstellung. Damit die Teilnehmenden auch während der Arbeit eine Orientierung haben, sollte diese sichtbar visualisiert werden - z.B. auf einem Flipchart oder einem Arbeitsblatt. Wenn die Teilnehmenden die Aufgabe nicht asynchron, sondern gemeinsam bei einer Präsenzveranstaltung bearbeiten ist es wichtig, dass neben der konkreten Aufgabenstellung auch der Zeitrahmen festgelegt ist. 2. Die Teilnehmenden arbeiten im Anschluss allein, konzentriert und halten ihre Arbeitsergebnisse schriftlich fest (z.B. auf einem Flipchart, auf Karten oder auf einem Arbeitsblatt). Der Trainer steht dabei für Fragen bereit und sollte sich ansonsten zurückhalten, um den Arbeitsprozess nicht zu stören. Nur wenn für ihn offensichtlich ist, dass Teilnehmende vollkommen am Thema vorbeiarbeiten, sollte er „sanft“ eingreifen. 3. Die Ergebnisse der Einzelarbeit werden nach dem vereinbarten Zeitrahmen von den Teilnehmenden im Plenum reflektiert und zusammengefasst. Wenn es sich um eine Reflexionsarbeit handelt, kann das Ergebnis auch anonym bleiben - dies wird vorab angekündigt. Achtung: Einzelarbeiten überfordern manche Teilnehmende schnell. Mögliche Missverständnisse der Aufgabenstellungen werden nicht durch den Austausch mit anderen geklärt. Sie müssen deshalb besonders gut vorbereitet und begleitet werden. Teilnehmende sollten immer die Möglichkeit haben, offene Fragen mit der Leitung zu klären, um das Gefühl einer Prüfungssituation zu vermeiden. 9.12.2 Partnerarbeit Die Partnerarbeit ermöglicht niedrigschwellig einen vertrauensvollen Austausch. Deshalb wird sie gerne zu Beginn einer Veranstaltung eingesetzt, um die Kommunikation zwischen den Teilnehmenden zu fördern. Im Gegensatz zur Gruppenarbeit ist sie insofern fordernder, da es keine Rückzugmöglichkeit gibt. Gleichzeitig ist sie im Vergleich zur Gruppenarbeit unkomplizierter, da Gruppenprozesse 129 entfallen. Der Vorteil gegenüber der Einzelarbeit ist, dass eine weitere Perspektive eröffnet wird. Wenn eine Trainingsgruppe sehr klein ist, z.B. 4 oder 5 Teilnehmende, ersetzt die Partnerarbeit oft die Gruppenarbeit. 128 Vgl asynchrones Lernen Kapitel 13.4 129 Vgl Teamphasen nach Tuckman Kapitel 5.1 <?page no="209"?> 9.12 Wechsel der Sozialformen 209 Klassische Formate der Partnerarbeit sind das gegenseitige Interview oder die Lernpartnerschaft. Ablauf: 1. Formulieren Sie das Thema oder die Frage konkret als Aufgabenstellung. Damit die Teilnehmenden auch während der Arbeit eine Orientierung haben, sollte diese sichtbar z.B. auf einem Flipchart oder Arbeitsblättern visualisiert werden. Dabei ist es wichtig, dass neben dem Zeitrahmen auch eine konkrete Ergebnisbeschreibung der Arbeit vorgegeben wird, um verwertbare Arbeitsergebnisse zu erzielen. Gerade wenn Sie online mit Breakoutsessions arbeiten, stellen Sie vor dem Start der Partnerarbeit sicher, dass die Aufgabenstellung auch während der Sessions abrufbar ist. 2. Bilden Sie Paare. In Präsenzseminaren geht das z.B. mit Memorykarten. Wenn Sie mehrere Partnerarbeiten und oder Gruppenarbeiten planen, achten Sie darauf, dass sich immer wieder neue Kombinationen finden, das fördert das Lernen ungemein. 3. Die Teilnehmenden arbeiten im Anschluss zu zweit und halten ihre Arbeitsergebnisse schriftlich fest (z.B. auf einem Flipchart, auf Karten oder auf einem Arbeitsblatt, oder Online auf einem Etherpad). Bei Präsenzseminaren bietet sich als Arbeitsform auch ein „walk and talk“, also ein kleiner Spaziergang zu zweit an. Damit die Aufgabenstellung dabei nicht in Vergessenheit gerät, bitten Sie die Teilnehmenden sich diese mit dem Smartphone abzufotografieren. Klären Sie, dass Sie bei Fragen auf jeden Fall im Raum zur Verfügung stehen und die Teilnehmenden Sie dort bei Bedarf finden. 4. Die Ergebnisse der Partnerarbeit werden nach dem vereinbarten Zeitrahmen von den Paaren im Plenum präsentiert und zusammengefasst. Achtung: Die Qualität der Partnerarbeit hängt sehr vom guten Draht zwischen den zwei Partnern ab. Manchmal gibt es Teilnehmende, die sich nicht mögen, und es wirkt sich fatal aus, wenn sie dazu verurteilt sind, das gesamte Seminar immer wieder zusammenzuarbeiten. Manchmal treffen sich bei der Partnerarbeit ausgerechnet „beste Freunde“, die ganz viele andere Themen zu besprechen haben. Meistens haben sich diese auch schon im Training nebeneinandergesetzt. Ein besonders fieser Fallstrick sind destruktive Lästerteams. Dabei finden sich ausgerechnet die beiden Teilnehmenden, die das Training vollkommen unnötig und Sie als Leitung unfähig finden. Achten Sie auf die Kommunikation zwischen den Teilnehmenden und vermeiden Sie bewusst ungünstige Zusammenstellungen. Arbeiten Sie <?page no="210"?> 210 9 Methoden möglichst nicht mit festen Teams, sondern mischen Sie Paare und Gruppen immer wieder neu. Ideen zur Aufteilung von Paaren und Gruppen finden sich in 9.13.6. 9.12.4 Gruppenarbeit In den Phasen der Gruppenarbeit erarbeiten Teilnehmende in Gruppengrößen zwischen drei und fünf Mitgliedern eine Aufgabenstellung eigenverantwortlich und kooperativ. Meist werden die Arbeitsergebnisse so aufbereitet, dass sie nach Beendigung der Arbeitsphase vor der gesamten Gruppe präsentiert werden können. Die Gruppenarbeit wird zwar vom Trainer vorbereitet, lässt aber den Teilnehmenden eigene Gestaltungsspielräume. In ihrer Binnenstruktur lassen sich Planungsphase, Erarbeitungsphase und Vorbereitungsphase für die Präsentation unterscheiden. Während der Arbeit tritt die Leitung zurück und beschränkt sich auf das Beobachten und Beraten. Gruppenarbeit findet häufig in der Phase der Anwendung von neu Gelerntem statt. In der Regel geht ihr eine erste exemplarische Erarbeitung des neuen Lerngegenstandes voraus. Auch in den Übungs- und Wiederholungsphasen kann Gruppenarbeit sinnvoll sein. Ablauf Der Ablauf entspricht dem der Partnerarbeit, wobei Gruppen etwas mehr Zeit und Raum brauchen. Der Zeitbedarf ist höher, da mehr Einzelmeinungen eingeholt und abgestimmt werden müssen und teilweise gruppendynamische Prozesse, wie die Rollenaufteilung (wer bestimmt, wer schreibt, …) den Arbeitsprozess verlangsamen. Das ist auch der Grund, warum nicht mehr als fünf Teilnehmende in einer Gruppe selbstverantwortlich zusammenarbeiten sollten. Im Vergleich zur Partnerarbeit wird mehr Raum benötigt, da es bei der Gruppenarbeit meist „lauter“ wird und sich die Gruppen ansonsten gegenseitig bei der Arbeit stören. Achtung In Präsenztrainings vergessen die Gruppen oft die Zeit und müssen vom Trainer eingesammelt werden. Achten Sie also darauf, wohin die Gruppen sich zurückziehen und weisen Sie schon vor Ablauf der Arbeitszeit darauf hin, dass diese bald um ist. Ein freundliches: Sie haben noch 5 Minuten reicht meist aus. Das Zeitmanagement fällt Gruppen auch teilweise schwer in Bezug auf die Aufteilung der Zeit zwischen Austausch und Vorbereitung der Präsentation der Ergebnisse. Linsen Sie zwischendurch mal in Gruppenarbeitsräume, ob bereits geschrieben wird und weisen Sie bei Bedarf freundlich darauf hin, dass es Zeit ist die Ergebnisse auch zu Papier zu bringen. Gruppenarbeit ist nicht automatisch eine wertvolle Methode. Schlecht organisiert führt sie gerne mal zum Gegenteil von dem, <?page no="211"?> 9.12 Wechsel der Sozialformen 211 was erreicht werden soll. In ungeübten Gruppen bricht leicht Chaos aus und im schlimmsten Fall droht Meuterei. Während der Trainer gemütlich seinen Latte Macchiato genießt, bereitet die Gruppe die Revolution für die Präsentationsphase vor. So ist mache Leitung schon aus allen Wolken gefallen und konnte sich im Nachhinein gar nicht erklären, wie es „plötzlich“ zu so viel Widerstand kommen konnte. 9.12.5 Chancen und Ziele von Partner- und Gruppenarbeit Bei der Gruppenarbeit helfen Teilnehmende sich gegenseitig. Dabei ist die heterogene Zusammensetzung einer Gruppe ein Vorteil. Hier können die Leistungsstarken zu Teamteachern werden. Die Leistungsschwächeren erhalten Hilfen von anderen Teilnehmenden in einer Art und Weise, wie der Trainer sie ihnen nicht bieten kann. Die Teilnehmenden lernen eigenverantwortlich - sie können innerhalb der Gruppe Aufgaben übernehmen, die ihren Talenten und Interessen besonders entgegenkommen und fühlen sich nicht von der Leitung „unter Druck gesetzt“. Sie erarbeiten sich selbst Wissen, lernen Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und wenden das Gelernte kommunikativ an. So kommt der Gruppenarbeit didaktisch eine Schlüsselbedeutung zu, weil hier „Learning by doing“ stattfindet. Neu erworbene theoretische Kenntnisse werden hier aktiv erarbeitet. Gleichzeitig werden soziale Kontakte geknüpft und gefestigt. Oft entstehen spontane Lernpartnerschaften, die auch über die Trainingszeit hinaus Bestand haben und einzelne Teilnehmende bleiben über soziale Netzwerke in Verbindung. 9.12.6 Ideen zur Partner- und Gruppenbildung Aus der Lernforschung wissen wir: Die Teilnehmenden profitieren davon, wenn sie mit wechselnden Lernpartnern und Gruppen zusammenarbeiten Eine ideale Lerngruppe ist heterogen Wenn Teilnehmende sich selbstgewählt in Lerngruppen begeben, passiert oft genau das Gegenteil: Gleich und gleich gesellt sich gern und bleibt sich im Trainingsverlauf auch treu. Ich muss gestehen, dass mir das als Teilnehmerin vor Jahren selbst passiert ist. Bei einer Ausbildung zusammen mit meiner Kollegin achteten wir beide immer darauf bei allen Partnerarbeiten zusammen zu sein. Auch in der Gruppenarbeit ergab sich schnell eine Routine und immer dieselben Teilnehmenden arbeiteten zusammen. Wir empfanden das als Vorteil, da wir eingespielte Teams waren. Erst als ich ein Modul verpasst hatte und dieses in einer anderen Gruppe nachholen musste, fiel mir auf, dass sich durch den Wechsel der Lernpartner und -gruppen plötzlich ganz neue Perspektiven auftaten. <?page no="212"?> 212 9 Methoden Es lohnt sich also, die Gruppenaufteilung methodisch zu planen. Hier einige Möglichkeiten: 1. Bewusst bestimmen Die unkomplizierteste Gruppenaufteilung ist, dass Sie Teilnehmende, die zusammensitzen, als Gruppe bestimmen. Dabei zeigen Sie direkt auf die Personen, die Sie als Partner oder Gruppe zusammenschließen möchten und benennen sie namentlich: Ich schlage vor, Julian, Kemal und Marie arbeiten zusammen, dann als nächste Gruppe … Teilnehmende, die nebeneinandersitzen und über Seitengespräche schon viel Kontakt haben, können Sie bei Partnerarbeiten unauffällig trennen, indem Sie zur Aufteilung „abzählen“, z.B.: In einer Gruppe von 8 Teilnehmenden zählen Sie auf die Teilnehmenden zeigend 1,2,3,4,1,2,3,4. Die zwei Einser arbeiten zusammen, die beiden Zweier … 2. Mit Einschränkung selbstgewählt Mit wem hatten Sie bisher bei diesem Training am wenigsten Austausch? Oder Wen kennen Sie von den Anwesenden noch nicht bzw. am wenigsten? Oder Suchen Sie sich bewusst einen Partner aus einem anderen Arbeitsbereich. Mit diesen Vorgaben sichern Sie ab, dass sich nicht die immer Gleichen treffen, sondern ein spannender Austausch mit bereichernden Neuerkenntnissen entstehen kann. Memory zur Partnerwahl Memory-Karten eignen sich wunderbar zur Partnerbildung. Zählen Sie vorab die entsprechende Anzahl von Memory-Paaren ab und mischen Sie diese gut durch, damit nicht die nebeneinandersitzenden Teilnehmenden die Paare ziehen. Die Teilnehmenden müssen sich dann gegenseitig finden. Wenn die Gesamtanzahl ungerade ist, also eine Dreiergruppe gebildet werden muss, zeige ich zu Beginn immer eine Einzelkarte und mische diese dann mit den Worten unter: Diese Karte ist der Joker - wer ihn zieht, darf sich ein Paar auswählen, mit dem er zusammenarbeitet. Tipp: Nutzen Sie intelligente Memorys für Erwachsene und nicht die Kinderversion - es gibt großartige Karten von Künstlern oder intelligente Kartensets wie das gemischte Doppel oder die Metamorphosen, die mit Anagrammen arbeiten 130 . Kartenspiel Ein Kartenspiel eignet sich für viele Arten der Gruppenaufteilung. Wenn die Teilnehmerzahl passt und Sie vorab etwas Vorbereitungszeit investieren, brauchen Sie die Karten sogar nur einmal für verschiedene Aufgaben vertei- 130 Herausgeber Süddeutsche SZ Magazin: Gemischtes Doppel und Metamorphosen <?page no="213"?> 9.12 Wechsel der Sozialformen 213 len. Bei einer Teilnehmerzahl von 12 Teilnehmenden habe ich so schon folgende Aufteilung gemacht: Zu Beginn verteilte ich 12 ausgewählte Karten. Die Teilnehmenden führten ein Interview zu zweit und fanden sich dazu mit Hilfe ihrer Bilder, also 2 Buben, 2 Damen, 2 Könige, 2 Asse für Partnerarbeiten. Bei einem Quiz bildeten sie zwei Mannschaften anhand der Farben Schwarz und Rot. Und bei der Gruppenarbeit im ABC-Setting fanden sich jeweils 3 Kreuze, 3 Herzen, 3 Piks und 3 Karos. Aufkleber unter dem Stuhl Für eine Überraschung sorgen Sie, indem Sie vorab oder in eine Pause heimlich unter den Stuhl Post-its kleben, anhand derer die Gruppen aufgeteilt werden. Gerade wenn Sie erreichen möchten, dass bestimmte Personen auf keinen Fall oder unbedingt zusammenarbeiten, können Sie so eine geplante Aufteilung vornehmen, die trotzdem zufällig wirkt. Präparierte Materialien Ich nutze gerne bunte Pappordner für die Seminarmaterialien. Diese sehen schön auf den Tischen oder Stühlen aus und gleichzeitig kann ich sie zur Gruppenaufteilung oder Partnerfindung einsetzen. Die Teilnehmenden finden sich dann einfach nach Ordnerfarbe. Oft präpariere ich sie noch in der Innenseite unauffällig mit kleinen Moderationspunkten, die dann direkt der nächsten Aufteilung dienen. Partnerraten Eine Auflockerungsübung, die gleichzeitig der Partnersuche dient und deshalb besonders gut nach der Mittagspause oder im Nachmittagstief eingesetzt werden kann. Sie befestigen mit Klebestreifen am Rücken eines jeden Teilnehmenden eine Karte mit einem Namen, dabei verwenden Sie nur Namen, die als berühmte Paare bekannt sind - wie Romeo und Julia, Cäsar und Cleopatra, Asterix und Obelix oder Rotkäppchen und der Wolf. Nun müssen sich die Teilnehmenden als Paare finden. Dabei bewegen sie sich im Raum und befragen sich gegenseitig. Die Fragen dürfen immer nur mit ja oder nein beantwortet werden. Bei ungerade Teilnehmeranzahl können Sie auch ein Trio hinzufügen, wie die Neffen von Donald Duck: Tick, Trick und Track. 9.12.7 Partner- und Gruppenarbeit online Die meisten gängigen Plattformen bieten die Möglichkeit von sogenannten Breakout-Rooms. Sie können die Gruppe automatisiert oder frei gewählt in unterschiedliche Kleingruppen oder Paare aufteilen. Achten Sie darauf, dass den Teilnehmenden auch im Gruppenraum noch ihre Arbeitsaufgabe zu Verfügung steht. Als Leitung können Sie die Räume mit oder ohne Kamera betreten und so die Gruppen je nach Aufgabenstellung unauffällig beobachten oder aktiv begleiten. Kündigen Sie dann jedoch immer an, dass Sie zwischendurch in die Räume kommen. <?page no="214"?> 214 9 Methoden Ein großer Vorteil der Gruppenarbeit online ist, dass Sie nicht wie so oft im Präsenzseminaren im Gebäude herumirren, um die Paare oder Gruppen nach Ablauf der Zeit wieder einzusammeln. Die Teilnehmenden erscheinen automatisch nach der von Ihnen bestimmten Zeit wieder in der Hauptsession. Eine Besonderheit bei Gruppenarbeiten online ist, dass die Gruppen manchmal etwas länger brauchen, um in einen Gesprächsfluss zu kommen. Da das gleichzeitige Sprechen zu Überlagerungseffekten führt, entstehen Sprechpausen. Generell gilt, je kleiner eine Gruppe in einer Breakoutsession, desto schneller funktioniert der Austausch. Für den kurzen Austausch oder Impuls sind Dreiergruppen oder Partnerübungen im Breakout-Raum sinnvoll. Für längere Gruppenarbeiten funktionieren auch größere Gruppen von 4 bis 5. Bedenken Sie, dass in Online-Formaten der informelle Austausch in Form von Seiten- und Pausengesprächen fehlt und die Gruppenarbeit deshalb auch eine wichtige soziale Funktion erfüllt. Tipp: Geben Sie ausreichend Zeit und achten Sie auf kleine Gruppengrößen. <?page no="215"?> 10 Visualisieren mit Medien Richtig eingesetzt, erleichtern Visualisierungen das Lernen, da sie neben dem auditiven Sinneskanal (den Ohren) auch den visuellen Kanal (die Augen) ansprechen. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass dies ein besseres Behalten von Information unterstützt. 131 Die vier wichtigsten Formen der Visualisierung sind: 1. Schrift (z.B. bei der Agenda, als Überschriften oder für das Visualisieren von Fachbegriffen, Kernthesen und Zitaten) Selbst wenn Sie ein brillanter Vortragsredner sind, lässt es sich nicht verhindern, dass Teilnehmende zwischendurch eigenen Gedanken nachhängen oder abgelenkt sind. Durch den Blick auf die Überschrift oder auf eine übersichtliche Agenda fällt es leichter, den Faden wieder aufzunehmen. Auch unbekannte Begriffe oder Namen werden leichter erfasst, wenn Sie zusätzlich gelesen werden können. 2. Bilder als Abbildungen, zur Illustration oder zur Erzeugung von Stimmungen (z.B. als Zeichnungen am Flipchart oder Fotos in Präsentationen) Bilder unterstützen die Verankerung des Wissens. Zudem erzeugen Bilder Gefühle und unterstützen dadurch ein Lernen, das weit über das rein kognitive Memorieren hinausreicht. 132 3. Schaubilder zur Visualisierung von Zusammenhängen und Abläufen (z.B. Kommunikationsmodelle, Organigramme, …) Informationen werden durch Grafiken leichter erfassbar. Anhand der Visualisierung von Modellen veranschaulichen Sie komplexe Zusammenhänge bei der Präsentation und unterstützen bei Übungen und deren Auswertung. Tipp: Achten Sie auf eine lesbare Beschriftung und dezente Farben und verzichten Sie auf alles, was die Darstellung überfrachten würde! 4. Symbole werden immer in Kombination mit Schrift genutzt und unterstützen die Strukturierung. Mit einfachen selbstgezeichneten Symbolen lockern Sie Ihre Flipcharts und Folien auf. Wenn Sie diese häufiger verwenden, bringen Sie gleichzeitig auch Orientierung. Für Folienvorträge können Sie auch Piktogramme und Icons nutzen, die neuere Versionen von Präsentationssoftware standardmäßig anbieten. 131 Bekannt ist vor allem die Behaltens- oder Vergessenskurve vom Psychologen Hermann Ebbinghaus, der als Pionier der Gedächtnisforschung gilt. 132 Vgl. Kapitel 7.2 VAKOG - sinnlich lernen <?page no="216"?> 216 10 Visualisieren mit Medien Grundprinzipien der Visualisierung mit Medien 1. Fassen Sie Informationen sinnvoll zusammen: Ein Flipchart oder eine Folie sollte nicht mehr als ein Thema behandeln und neben der Überschrift möglichst nicht mehr als 7 Stichworte oder Rumpfbotschaften enthalten. Die Einzelinformationen sollten durch Textcontainer oder linksbündig durch Nummerierungen oder Aufzählungszeichen gebündelt werden. 2. Nutzen Sie in Präsentationen gut lesbare Schriften in ausreichender Größe und mit gutem Kontrast. Also dunkle Schrift auf hellem Grund. Sobald Ihre Teilnehmenden die Augen zusammenkneifen ist die Schriftgröße auf jeden Fall zu klein. 133 3. Kombinieren Sie Text und Symbole. Der Einsatz von Symbolen lockert auf und verbessert das Verständnis. Aber Achtung: Der ausschließliche Einsatz von Symbolen ohne Schrift ist kontraproduktiv: Kurz abgelenkte Teilnehmende fragen leise in die Runde: Was sollte das jetzt sein? Und beim Betrachten des Fotoprotokolls zwei Wochen später kann sich keiner mehr erinnern, um was es hier ging. 4. Geben Sie Ihren Unterlagen ein Corporate Design, also eine professionelle, einheitliche Gestaltung. Auch wenn jede Folie und jedes Flipchart unterschiedlich gestaltet sein darf, sollte ein Schema erkennbar sein. Wenn die Schriftart, die Farbgebung und das Layout von Seite zu Seite wechseln, entsteht der Eindruck eines Sammelsuriums und nicht eines roten Fadens. 10.1 Foliengestaltung Die im Business gängigste Software für Folienpräsentationen ist sicher Powerpoint von Microsoft. Daneben sind auch Keynote (von Apple) oder Online-Tools wie Prezi 134 oder Google Slides bekannt. Seit einigen Jahren gibt es mit Microsoft Sway ein Programm für visuell ansprechende Präsentationen. Allen gemeinsam ist, dass Sie mit ihrer Hilfe Präsentationen vorbereiten und online oder live via Beamer zeigen können. Egal welches Programm Sie nutzen, können Sie sich an folgenden „Grundregeln“ orientieren: Halten Sie Folien bewusst schlicht und vermeiden Sie die Überladung mit Informationen. Der Folienvortrag ist nicht gleichzeitig selbsterklärendes Handout! 133 Hinweise zur Schriftgröße finden Sie in den folgenden Kapiteln 134 Prezi ist eine Web-Anwendung mit einem eigen Grundkonzept, bei der alle Inhalte auf einer Oberfläche angeordnet und durch Anzoomen angesteuert werden. <?page no="217"?> 10.1 Foliengestaltung 217 Schaffen Sie Struktur! Agenda, Überschriften und Navigationsleisten machen es den Teilnehmenden leichter, sich in der Präsentation zu orientieren. Arbeiten Sie auf jeden Fall mit Vorlagen und erstellen Sie ein einheitliches Design. Gestalten Sie einheitliche Folienvorlagen für Titel, Zwischenüberschriften, Bildfolien und Inhalte. In Powerpoint finden Sie diese Funktion im Folienmaster. Lassen Sie sich ggf. den Folienmaster Ihres Auftraggebers geben. Nutzen Sie überwiegend eine serifenlose Schrift wie Arial, Futura, Verdana oder Calibri und nutzen Sie auf allen Folien nur eine Schriftart. Wenn Sie Ihrer Präsentation einen besonderen Touch geben möchten, können Sie anstelle der üblichen serifenlosen Schriften im Internet viele professionelle Schriftarten finden. 135 Bei der Schriftgröße können Sie sich an folgenden Mindestgrößen orientieren: Folientitel: 30-40 pt Überschriften: 24-28 pt Fließtext: 20 pt Nutzen Sie zur Foliengestaltung wenige und aufeinander abgestimmte Farben und gehen Sie mit Signalfarben sparsam um. Wenn Sie als Externer bei einem Unternehmen arbeiten, überlegen Sie, ob Sie sich an den Unternehmensfarben orientieren. Ein Fettnapf, den Sie auf jeden Fall vermeiden können, sind die Farben des Mitbewerbers. Fotos oder Diagramme wirken in Präsentationen professioneller als sogenannte Cliparts. Eine weitere Möglichkeit sind eigene Illustrationen. Diese sind nicht nur bei Flipcharts nutzbar, sondern geben auch Folienpräsentationen eine eigene Note. Wichtig ist, dass alle Bilder einer Präsentation eine Sprache sprechen - also mixen Sie nicht wild Schwarzweißfotos mit Farbbildern und Cliparts unterschiedlichster Machart. Achten Sie beim Einsatz von Fotos auf Bildrechte. Wenn Sie Lizenzgebühren scheuen, setzen Sie entweder auf selbsterstellte Bilder oder nutzen Sie lizenzfreie Fotos aus Bildarchiven wie pixabay oder unsplash 136 . Auch die Google-Bildersuche eignet sich für die Recherche nach geeigneten Bildern und Grafiken. Dabei sollten Sie auch die Creative Commons-Lizenzen achten. Bei der CC0-Lizenz hat der Fotograf sein Bild so weit freigegeben, dass Sie es kopieren, verändern, öffentlich zeigen und sogar kommerziell nutzen dürfen, ohne um weitere Erlaubnis bitten zu müssen. 135 Eine schnelle Orientierung zu Schriftarten finden Sie hier: linotype.de, 100BesteSchriften.de, www.typekit.com 136 pixabay.com, unsplash.com <?page no="218"?> 218 10 Visualisieren mit Medien 10.2 Einsatz der Metaplanwand (Pinnwand) Die Metaplanwand besticht durch ihre große Fläche. In erster Linie ist sie als Pinnwand für Kartenmoderationen 137 gedacht, sie kann aber auch zur Präsentation oder bei Übungen genutzt werden. Ältere Metaplanwände sehen oft recht mitgenommen aus, da das häufige Pinnen zu bleibenden Lädierungen führt. Eine schnelle Abhilfe schafft hier das Moderationswandpapier, das sofort wieder für einen gepflegten professionellen Eindruck sorgt. Gleichzeitig können Sie auf dem Papier auch Vorstrukturierungen für Moderationen oder Präsentationen vornehmen. Sie zeichnen z.B. ein großformatiges Modell, das Sie bei der Präsentation nach und nach mit vorbereiteten Karten ergänzen oder Sie lassen die Teilnehmenden nach einer Übung ihre erarbeiteten Karten in die vorbereiteten Felder pinnen. Die Auswahl an Karten ist mannigfaltig, es gibt: 138 Rechteckige, ovale und runde Moderationskarten unterschiedlichster Größen Karten in Waben-, Blatt- oder Sprechblasenform Lange Karten und Wolken für Überschriften Selbstklebende Karten, statisch aufgeladene Karten sogenannte Stattys und Karten zum Pinnen Achten Sie beim Einsatz der Metaplanwand darauf, … … visuelle Elemente sparsam zu verwenden! Überfrachten Sie die Pinnwand nicht mit Moderationskarten. Die Karten sollten unbedingt lesbar nebeneinander hängen. … einheitliche Farben und Formen zu verwenden! Informationen bzw. Aussagen, die zu einem Vorgang gehören, sollten stets in der gleichen Form und in der gleichen Farbe dargestellt werden - z.B.: grüne Karten für Ideen und rote Karten für Hürden bei der Umsetzung. … Lesegewohnheiten beim Aufbau zu beachten! Pinnen Sie die Moderationskarten einzeln an die Pinnwand, und zwar von links nach rechts und von oben nach unten. Dies entspricht den Lesegewohnheiten der Teilnehmenden. Die Abstände zwischen den Karten sollten gleichmäßig sein und eine sichtbare Struktur aufweisen (Spalten und Linien oder Cluster). …, dass die Karten leserlich geschrieben sind! Nutzen Sie die Moderationsschrift und geben Sie Ihren Teilnehmenden Hinweise zum Beschriften der Karten (groß und deutlich schreiben, nur Stichworte und nicht mehr als 3 Zeilen). 137 Vgl. Kapitel 9.6.3 Kartenabfrage 138 Tipps für die Auswahl finden Sie in Kapitel 11.3 Moderationskarten <?page no="219"?> 10.4 Einsatz des Flipcharts 219 10.3 Einsatz des Whiteboards In diesem Abschnitt beziehe ich mich mit dem Begriff Whiteboards auf die weißen Tafeln, die mit abwaschbaren Filzstiften (Whiteboardmarkern) beschrieben werden, nicht auf digitale Tools für das Online-Training. Whiteboards haben den Vorteil, dass die Grundlage metallisch ist und sich so mittels Magneten auch andere Notizen oder Skizzen an dem Board befestigen lassen. Durch ihre normalerweise große Fläche lassen sich hier im Gegensatz zum Flipchart auch sehr große komplexe Zusammenhänge visualisieren. Nachteil ist, dass man die Tafel abwischt, sobald sie voll ist - man also nicht wie bei Flipcharts noch mal kurz zurückblättern kann. Das bedeutet auch, dass Zwischenergebnisse auf jeden Fall fotografiert werden müssen. Nutzen Sie, genauso wie bei Metaplankarten und Flipcharts, auch hier die Moderationsschrift (Kapitel 10.6). Durch Textcontainer und den Einsatz von Symbolen schaffen Sie Struktur und sorgen für ein professionelles Erscheinungsbild. Als Trainingsmedien spielen Whiteboards eher eine untergeordnete Rolle. Sie lassen sich gut für Lehrgespräche einsetzen, um Erkenntnisse simultan zu visualisieren. Häufig werden sie auch, genauso wie Magnetleisten, dazu verwendet, Plakate, die sichtbar im Raum bleiben sollen, zu fixieren. Wenn Sie ein Whiteboard in einem Trainingsraum vorfinden, achten Sie unbedingt darauf, dass Sie zum Schreiben keine Permanentmarker verwenden. Ansonsten erleben Sie beim anschließenden Aufräumen eine böse Überraschung, da sich die Farbe nicht einfach abwischen lässt und Lösungsmittel oder hartes Scheuern die empfindliche Oberfläche beschädigen. Wenn es Ihnen doch mal passiert - trösten Sie sich -, kein Trainer, den ich je gefragt hätte, kennt diese Situation nicht. Wenn die Farbe noch nicht zu sehr eingetrocknet ist, funktioniert es manchmal, dass Sie das Malheur einfach mit einem Whiteboardmarker übermalen. Beides lässt sich dann zusammen mit einem trockenen Tuch abwischen 139 . 10.4 Einsatz des Flipcharts Das Flipchart eignet sich besonders für die Arbeit in Gruppen unter 20 Teilnehmenden. Es besteht aus einem Flipchart-Ständer und den Flipchart-Papierbögen (kurz „Flipcharts“ oder unter Erwachsenenbildnern auch „Flips“ genannt). Nachdem Sie einige Jahre vollkommen von Folienvorträgen verdrängt waren und eher ein Schattendasein gefristet hatten, sind sie inzwischen die Stars des Trainingsraums. Mit der Wiederentdeckung der Handschrift und Kalligrafie als Handlettering sind Flipcharts en vogue. 139 Ein Bekannter hat mir einmal genau erklärt, wie das funktioniert - ich erinnere mich jedoch leider nur noch an die Stichworte Farbpigmente, Harz und Trennmittel - die Chemiker/ innen unter Ihnen mögen mir verzeihen. <?page no="220"?> 220 10 Visualisieren mit Medien Einsatzgebiete sind vor allem: Willkommensplakate Anzeigen der Tagesordnung/ Agenda (permanent) Notieren von Schlagworten, Eigennamen und Fachbegriffen während eines Vortrags, Erstellen eines Themenspeichers Festhalten von Diskussionspunkten Skizzen und Schaubilder zum Thema Darstellung von Inhalten in Bild und Wort Die Darstellungen können entweder vorbereitet oder situativ entwickelt werden. Beide Vorgehensweisen haben Vor- und Nachteile: Vorbereitete Flipcharts Vorteil eines gut vorbereiteten Flipcharts ist, dass es Sicherheit gibt. Sie fühlen sich als Leitung gut vorbereitet und müssen sich bei der Gestaltung nicht vor den Teilnehmenden abmühen. Das Flipchart sieht professionell aus und Sie bleiben den Teilnehmenden bei der Präsentation zugewandt. Dadurch sparen Sie wertvolle Trainingszeit. Nachteil von bereits fertigen Flipcharts ist, dass Sie die Teilnehmenden dazu verführen, geistig vorauszueilen. Sie beschäftigen sich womöglich bereits mit Teilen des Flips, die Sie noch gar nicht besprechen. Hier sind Missverständnisse und Sender-Empfänger-Verluste vorprogrammiert. Es empfiehlt sich also, den Teilnehmenden vor dem Erläutern Zeit zu geben, das Flip anzusehen und die Inhalte zu lesen. Situativ gestaltete Flipcharts Der Vorteil von im Seminar gestalteten Flipcharts ist, dass diese Vorgehensweise spannender für die Teilnehmenden ist - sie sehen nicht direkt das Gesamtergebnis, sondern verfolgen den Prozess mit. Idealerweise haben sie sogar mit ihren Beiträgen Einfluss auf die Gestaltung. Manchmal sorgen etwas verunglückte Visualisierungen für Lacher - wenn Sie Humor haben, trägt dies zur Auflockerung und zu einer positiven Lernatmosphäre bei. Damit diese Vorgehensweise professionell wirkt, sollten Sie über Erfahrung mit dem Gestalten von Flipcharts verfügen oder Sie haben genau diese Darstellung zuvor geübt. Das Minimum an Vorbereitung bei einer Visualisierung ist das Vorzeichnen des Flipcharts auf einer DIN A4-Seite. Während oder nach einer Veranstaltung werden Flipcharts oft abfotografiert und im Anschluss chronologisch in eine Präsentation eingefügt. Bei Powerpoint gibt es die ungemein praktische Option, aus der Bildersammlung ein <?page no="221"?> 10.6 Die Moderationsschrift 221 Fotoalbum zu erstellen 140 . So haben sie mit wenig Aufwand eine hochwertige Trainingsdokumentation. Damit das Dokument nicht zu groß wird, empfiehlt es sich, die Bilder zu komprimieren. 141 Im PDF-Format versenden Sie diese dann per Mail als Fotoprotokoll an die Teilnehmenden. 10.5 Visualisieren mit Tablet oder Dokumentenkamera Seit einigen Jahren haben sich Tablets zu professionellen Visualisierungswerkzeugen weiterentwickelt. Am weitesten verbreitet ist derzeit das Apple iPad mit dem Apple Pencil. Damit können Sie Ihre Visualisierungen entweder im Raum via Beamer direkt an die Wand werfen oder das Tablet zum synchronen Visualisieren im Online-Training nutzen. Profis nutzen unterschiedlichste Stiftspitzen, zoomen ins Bild, zeichnen auf mehreren Ebenen und integrieren fremdes Bildmaterial. Zum Zeichen werden neben Procreate auch häufig die Apps Goodnotes, Paper oder ScetchBook genutzt. Leider sind die Anwendungen nicht selbsterklärend und es empfiehlt sich, sich vor dem Einsatz im Seminar die Zeit zu nehmen und den Einsatz zu üben. Einfacher gestaltet sich der Einsatz einer sogenannten Dokumentenkamera, die sich besonders für das Visualisieren im Online-Training eignet. Das Stativ dieser Kamera ist so ausgerichtet, dass Sie direkt Bilder und Texte auf Ihrem Arbeitstisch abfilmen und übertragen können. Zum Visualisieren arbeiten Sie normalerweise mit einem einfachen DIN A3- oder DIN A4-Papier auf das Sie schreiben und zeichnen. Gerade beim synchronen Online-Lernen kann dies ein einfacher Ersatz für die Arbeit am Flipchart sein. Im Präsenzseminar setze ich die Dokumentenkamera nicht ein, da sie mich zu stark an den Tageslichtprojektor erinnert. 10.6 Die Moderationsschrift Wenn Sie Flipcharts, Whiteboards oder auch nur Metaplankarten nutzen, ist das wichtigste Element der Gestaltung die Schrift. Dabei nutzen Sie als Profi nicht Ihre normale Handschrift, sondern die sogenannte Moderationsschrift. Um lesbar zu sein, muss die Schrift ausreichend groß sein, damit auch alle alles lesen können. Bewährt hat sich eine Schrifthöhe von einem Kästchen (bei kariertem Flipchartpapier). Dabei füllt der Buchstabenrumpf das Kästchen voll aus. Die Ober- und Unterlängen der Buchstaben sind etwas höher (etwa 0,3 Kästchenhöhen). Das Nutzen der Kästchenhöhe ist für viele Teilnehmende von Train-the-Trainer-Seminaren die größte Offenbarung. Das 140 Sie finden diese Option unter dem Menüpunkt „Einfügen“ 141 Klicken Sie dazu auf ein Bild der Präsentation und wählen Sie den Menüpunkt Bildformat. <?page no="222"?> 222 10 Visualisieren mit Medien Schriftbild wird kompakter und wirkt professioneller. Toller Zusatznutzen: Wenn mal mehr Text aufs Flipchart soll, kann jede zweite Zeile beschrieben werden, ohne dass es gequetscht aussieht. Abbildung 24: Moderationsschrift Diese Art zu schreiben lässt sich auch gut mit einem Schulheft für die 2. Klasse üben. Um eine Schrift lesbar zu machen, empfiehlt es sich, einfache Druckbuchstaben ohne „Schnörkel“ zu verwenden und Groß- und Kleinbuchstaben zu nutzen. Als Hintergrund dazu: Wenn wir ein Wort einmal gelesen haben, speichert unser Gehirn dieses Wort als Wortbild ab und wir lesen es beim nächsten Mal nicht mehr Buchstabe für Buchstabe. Dafür gibt es links neben unserem Sehzentrum ein kleines Areal. Die Neuronen in diesem Areal fungieren als eine Art visuelles Wörterbuch. 142 Das funktioniert bei einer reinen Großschrift vor allem bei langen Worten nicht so gut. Vergleichen Sie selbst: SATZZUSAMMENHANG - Satzzusammenhang LIEBLINGSGERICHT - Lieblingsgericht HERZENSANGELEGENHEIT - Herzensangelegenheit BANKENKRISE - Bankenkrise Wir unterstützen die Lesbarkeit dadurch, dass wir eng schreiben, das heißt, dass wir die Buchstaben in einem Wort so eng schreiben, dass sie sich idealerweise (fast) berühren und wir zwischen den Wörtern sichtbare Lücken haben. Das klingt erst einmal selbstverständlich, stellt aber dadurch eine Herausforderung dar, dass wir eben nicht unsere normale Handschrift nutzen, sondern die Buchstaben quasi malen. Nicht zuletzt spielt bei der Lesbarkeit ein guter Kontrast eine wichtige Rolle. Dazu benötigt man einen Stift von sehr guter Qualität 143 . Achten Sie darauf, dass Sie vor dem Training auch schreibende Stifte dabeihaben, Flipcharts, die mit halb ausgetrockneten Stiften beschriftet werden, haben zu wenig Kontrast für die Teilnehmenden und wirken sofort unprofessionell. 142 Vgl. Laurie S. Gletzer „Adding Words to the Brain's Visual Dictionary: Novel Word Learning Selectively Sharpens Orthographic Representations in the VWFA“ in The Journal of Neuroscience, 25 March 2015, 35(12) 143 Vgl. Kapitel 11.1 Moderationsmarker <?page no="223"?> 10.6 Die Moderationsschrift 223 Einen guten Kontrast erreichen Sie zusätzlich durch eine dunkle Schriftfarbe und dadurch, dass der Schrifthintergrund immer weiß bleibt - auch wenn das Flipchart koloriert wird! Außerdem empfiehlt sich die Nutzung von reinweißem Papier 144 . Dieses drehen Sie so, dass die unkarierte Seite vorne ist und beschriftet wird. Der Trick dabei: Der Trainer, der direkt vor dem Flip steht sieht die Karos und kann sich beim Schreiben daran orientieren. Für die Teilnehmenden ist dies kaum erkennbar - sie erfreuen sich lediglich der geraden Schrift. Nicht jeder Mensch hat eine elegante Handschrift und in meinen Trainerausbildungen höre ich Teilnehmende oft klagen: „ich kann einfach nicht schönschreiben“, was sich zusammen mit „ich kann nicht zeichnen / malen“ als die häufigsten Hinderungsgründe für die Nutzung des Flipcharts herausstellt. Meiner Erfahrung nach macht hier die Übung die Meisterin, und, auch wenn es zu Beginn etwas länger dauert, konsequent sorgfältig zu schreiben, geht dies nach einiger Zeit ganz leicht von der Hand. Ich beobachte oft, dass Trainer sich nicht ausreichend Zeit nehmen, auf das Flipchart zu schreiben. Die Gedanken sollen möglichst so schnell auf das Papier wie zuhause auf den Einkaufszettel - und wenn wir dies praktizieren, wird auch das Flipchart immer einem flüchtig geschriebenen Einkaufszettel gleichen. Das Geheimnis heißt also vor allem: Nehmen Sie sich Zeit! Bevor Sie zu schreiben beginnen: hier noch ein wichtiger Hinweis zur Stifthaltung. Sie nutzen einen Moderationsmarker mit Keilspitze. Wenn Sie den Stift korrekt halten, schreibt dieser in der gesamten Breite, wenn Sie eine Linie von oben nach unten ziehen und er schreibt schmal, wenn Sie eine Linie von links nach rechts ziehen. Die sorgt für ein schönes Schriftbild. Abbildung 25: Stifthaltung Moderationsmarker 144 Weißes Papier hat u.a. den Vorteil, dass Sie damit Bilder oder Grafiken abpausen können. <?page no="224"?> 224 10 Visualisieren mit Medien 10.7 Das Zeichnen von Symbolen, Rahmen und Textcontainern Symbole Für das Zeichnen von Symbolen bedarf es keiner großen Begabung - zwei wichtige Grundsätze helfen dabei: 1. Verabschieden Sie sich von Ihrem Perfektionismus und allen kritischen Bemerkungen ehemaliger Kunstpädagogen 2. Halten Sie Ihre Zeichnungen so einfach wie möglich Hilfreich ist, das Teilnehmende Ihre Werke normalerweise immer mit gebührendem Abstand betrachten und unser Gehirn einfache Formen sofort vervollständigt. Das bekannteste Beispiel dafür ist wahrscheinlich der Smiley. Noch einfacher zeichnen Sie Menschen mit einem Kreis und einem umgekehrten U … und ohne viel Aufwand wird daraus eine Gruppe. Gruppenarbeit Brainstorming / Idee Pause Mit ein wenig Farbe und einem grauen Stift, mit dem Sie Schattenwirkungen zaubern, entstehen schnell kleine „Kunstwerke“, die Ihre Plakate sofort aufwerten. 145 Textcontainer und Rahmen Kleine Rahmen, sogenannte Textcontainer, wirken auf Flipcharts professioneller als einfache Unterstreichungen. Mit ihnen heben Sie Überschriften hervor oder fassen einzelne Informationen zusammen. Sie finden unter diesem Stichwort in der Bildersuche Ihrer Suchmaschine unzählige Vorlagen. Wichtig dabei ist, dass Sie immer zuerst schreiben und dann erst den Textcontainer zeichnen. Ansonsten ist die Panne vorprogrammiert. Der Textcontainer sieht wunderbar aus, aber der Text ist so kurz, dass zu viel freie Fläche verbleibt oder noch schlimmer: Der Text ist zu lang und muss in den Container hineingequetscht oder über die Begrenzung hinaus geschrieben werden. Trainertipp: Ein Rahmen wertet ein einfaches Flipchart sofort auf. 145 Konkrete Hilfestellungen und Vorlagen finden Sie mannigfach im Internet oder in Fachbüchern, wie dem Flipchart Easy Maker kommunikationsraum.info/ veroeffentlichungen/ <?page no="225"?> 11 Materialien im Training Wer billig kauft, kauft zweimal. Diese alte Handwerkerweisheit gilt auch für Trainingsmaterial. Der Moderationsmarker aus dem Discount hat nicht nur ein weniger schönes Schriftbild, er schreibt auch noch so gut, dass das zweite dahinter hängende Flipchart direkt mitbeschriftet ist. Und diese praktische Abreißhilfe beim Flipchartblock, die sich beim Versuch denselben aufzuhängen direkt vom gesamten Block ablöst und diesen nutzlos macht. Die Erlebnisse mit Schnäppchen könnten das ganze Kapitel füllen. Genauso gibt es unglaublich teure und nicht unbedingt sinnvolle Materialien. Ich erinnere mich z.B. an diese auf jeder Oberfläche haftenden und garantiert wiederablösbaren Klebepads, mit denen ich meine Flipcharts besonders professionell befestigen wollte. Diese lösten nach dem Training nicht nur die Wandfarbe, sondern auch noch etwas vom Putz des frischrenovierten Seminarraums ab. Bei Präsenztrainings sind meine Auftraggeber oft überrascht, mit wie großem Gepäck ich anreise, und man erinnert sich an mich als an die „mit dem großen Koffer“. Inzwischen habe ich mir einen Werkzeug-Trolley zugelegt, in dem ich meine wichtigsten Utensilien immer dabeihabe. Da ist neben dem Basisequipment auch noch Platz für Skripte und Spielmaterialien. Ein Trainerkollege meinte einmal zu mir: „Das wäre mir zu viel Aufwand - ich habe immer nur mein Laptop dabei und normalerweise haben die doch immer einen Moderationskoffer vor Ort.“ Doch genau das ist meine Horrorvorstellung: Ich möchte etwas am Flipchart schreiben und die einzigen zwei Stifte, die im Koffer vor Ort zu finden sind und noch einigermaßen schreiben, sind rot und grün. Bei der Kartenabfrage sind die Karten aller Farben und Formen bunt gemischt und teilweise beschriftet (man kann ja auch die Rückseite nutzen). Die Nadeln liegen irgendwo zwischen den Karten am Kofferboden und eine bohrt sich schmerzhaft unter den Fingernagel beim Versuch sie herauszuklauben. Aber zum Glück finden sich diese wunderbaren großen wolkenförmigen Überschriftenkarten, die an Moderationserfahrungen in den 1980er Jahren erinnern - … ach nö; ich habe meinen Trolley gerne dabei! Bei Trainerausbildungen macht der große Koffer die Teilnehmenden immer sehr neugierig und ich werde gebeten, doch mal zu zeigen, was ich alles dabeihabe. Dieses Geheimnis möchte ich auch für Sie lüften: <?page no="226"?> 226 11 Materialien im Training 11.1 Moderationsmarker Als Trainer nutzen Sie für eine optimale Wirkung einen schwarzen dicken Filzstift mit keilförmiger Spitze. Ihren Teilnehmenden stellen Sie schwarze Marker mit runden Spitzen zu Verfügung, da Untrainierte mit diesen Stiften besser und schneller schreiben. Ein Tipp aus langer Trainererfahrung: Auch wenn es am Seminarort Flipchart-Zubehör, Moderationskoffer und sonstige Ausstattungen gibt, bringen Sie immer Ihren eigenen Stift mit! Nichts ist ärgerlicher und wirkt unprofessioneller als das Schreiben mit einem Stift, der nicht richtig funktioniert. Für die eigene Ausstattung gilt: Sparen Sie nicht an dieser Stelle. Stifte, die halb leer sind, müssen deshalb entweder nachgefüllt oder entsorgt werden. Eine sehr gute Markerqualität bietet die Firma Neuland mit dem Neuland No one. Dieser ist zudem nachfüllbar. Weniger ökologisch aber vergleichsweise haltbar sind die Stifte uniPROCKEY. Letztere sind wasserfest und eignen sich damit auch für die Beschriftung von statischen Folien. Wenn Sie Whiteboards nutzen möchten, sollten Sie auch immer einen guten Whiteboard-Marker mit Keilspitze in Ihrem Moderationskoffer dabeihaben. 11.2 Buntstifte Ergänzend sind Stifte zum Kolorieren und Schattieren in meinem Koffer. Dazu eignen sich besonders extra dicke Marker in hellen Farben. Mit diesen bringen Sie jedes Plakat im Nullkommanix zum Leuchten oder Verleihen beeindruckende Tiefe. Der Stift, der meine Teilnehmende im Einsatz am meisten beeindruckt, ist der dicke graue Schattenstift (Neuland BigOne in der Farbe grau). Ein weiterer Klassiker sind Wachsmalblöcke. Bewährt haben sich hier die Stockmar-Wachsmalblöcke. Mit ihren Kanten lassen sich schnell auch größere Flächen kolorieren. Mit etwas Übung lassen sich durch unterschiedlichen Druck auf die Kante Farbverläufe gestalten, die Bildern und Symbolen eine überraschende Tiefenwirkung geben. Sie sind ökologisch unbedenklich, da aus reinem Bienenwachs und erstaunlich ergiebig (ich kann mich nicht erinnern, schon mal einen aufgebraucht zu haben). Manche Trainer nutzen auch gerne Pastellkreiden und erschaffen damit reine Meisterwerke, die sie mit Haarspray fixieren. Nachdem ich mir damit mehrmals unabsichtlich Farbakzente ins Gesicht und auf helle Kleidung gesetzt habe und diese beim Transport in der Box zerbröselten, habe ich sie aussortiert. Tipp: Entscheiden Sie sich im Training für den Einsatz von Wachs- oder Filzstiften - die Kombination von Beidem wirkt nicht gut. Ausnahme ist das Schattieren mit einem grauen Filzstift und Kolorieren mit Wachsstiften. <?page no="227"?> 11.4 Wichtige Kleinigkeiten 227 11.3 Moderationskarten Ich empfehle Ihnen die traditionellen rechteckigen Moderationskarten zum Pinnen im Format 100 x 200 mm. Eine gute Ergänzung, für Überschriften oder Präsentationen sind Karten im DINA5-Format. Selbstklebende Karten halten oft nicht was sie versprechen, wellen sich oder fallen nach einiger Zeit einfach von der Wand. Außerdem sind sie in der Moderation in ihrer festen Klebeblockform unpraktisch, da sich nicht einfach jeder Teilnehmende eine Karte nehmen kann und Sie eigentlich für jeden Teilnehmenden einen eigenen Block bräuchten. Wenn Sie nicht pinnen möchten, nutzen Sie einfach einen Klebestift und kleben Sie die Karten ans Papier. Auch wenn Schnäppchen in diesem Fall nicht unbedingt eine auffallend schlechtere Qualität haben, kaufen Sie unbedingt immer beim gleichen Hersteller nach. Spätestens an der Metaplanwand werden Sie ansonsten sehen, wie viele Farbschattierungen und Farbfamilien es gibt und dass die Karten sich im Format und in der Papierstärke erkennbar unterscheiden. 11.4 Wichtige Kleinigkeiten Diese Accessoires sollten Sie unbedingt dabeihaben: Presenter für Präsentationen, damit Sie sich souverän frei im Raum bewegen können. Denken Sie auch daran, auf jeden Fall Ersatzbatterien dabeizuhaben. Klebestift (zum Befestigen von Bildern oder Moderationskarten auf dem Flip) Schere (mit ihr kann schnell ein Stück weißes Papier ausgeschnitten werden, um dieses über Fehler zu kleben, Sie können aus Karten Lose für die Gruppenaufteilung schneiden). Ungemein praktisch für das Beheben kleiner Schreibfehler ist auch ein Fläschchen Korrekturflüssigkeit (Tipp- Ex). Bleistift , Spitzer und Radiergummi - damit werden kompliziertere Visualisierungen vorgezeichnet oder Spickzettel auf das Flip geschrieben - Teilnehmende sehen die Notizen nicht und der Trainer, der direkt davorsteht, kann sie unbemerkt nutzen. Durchsichtiges Klebeband lässt Risse auf Plakaten unauffällig verschwinden oder sich lösende Perforierungen reparieren. Kreppband (auch als Malerkrepp aus dem Baumarkt bekannt) eignet sich, um Flips an Wände zu befestigen, ohne dass sich danach der Putz oder die Farbe mitablöst. Zu kleinen Röllchen gefaltet, können Sie damit auch Karten an Flipcharts befestigen. Außerdem können Sie damit Namensschildchen improvisieren oder auf dem Boden Markierungen an- <?page no="228"?> 228 11 Materialien im Training bringen - z.B. wo Sie später den Beamer aufbauen, oder für eine Soziometrie Klebepunkte für Ein- und Mehrpunkt-Fragen. Gummiringe, mit denen Sie Flipcharts unkompliziert transportfähig machen. Mit einem Zirkel lassen sich am Flipchart Kuchendiagramme, runde Textcontainer und ähnliches professionell vorzeichnen. Wenn Sie größere Kreise darstellen möchten, brauchen Sie nicht unbedingt einen Spezialzirkel. Mit einem Stück Schnur oder einem Schlüsselband und einem Nagel schaffen Sie günstigen Ersatz: Schnur auf die richtige Länge bringen (halber Kreisdurchmesser). Auf einer Seite der Schnur wird der Nagel fixiert, auf der anderen der Stift festgeknotet. Nun halten Sie mit einer Hand den Nagel im Kreismittelpunkt fest, mit der anderen führen Sie den Stift an der gestrafften Schnur. Hilfreiche Extras Die extragroßen Lochverstärker und Korrekturpads habe ich im Online-Shop entdeckt und möchte sie nicht mehr missen. Damit lassen sich ausgerissene Flipcharts - bei manchen Aufhängungen ist dieser Schaden nicht zu verhindern - nachhaltig reparieren. Besonders aufwändige Flipcharts, die ich mehrfach einsetzen möchte, präpariere ich sogar schon vorsorglich, um ihre Haltbarkeit zu erhöhen. Mit den praktischen Korrekturpads lassen sich auch größere Patzer überkleben und direkt überschreiben. Der Kooshball . Mit seinen Farben zieht er die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden auf sich und gibt beim Blitzlicht immer eine klare Orientierung, wer gerade dran ist. Bei Auflockerungsspielen ist er mannigfaltig einsetzbar und selbst jene, die Handball und Volleyball in der Schule hassten, stellen fest - er lässt sich leicht fangen und werfen. Nebenbei ist er leicht zu verstauen und lässt sich durch einen Waschgang bei 30 Grad mit Hygienespüler frisch und sauber halten. Memory-Karten und ein Kartenspiel für die schnelle Einteilung in Paare oder Gruppen. Bildkarten, in der Mitte des Raums sichtbar auf dem Boden verteilt, sind eine schöne Möglichkeit, Vorstellungsrunden, Abschlussrunden oder Stimmungsabfragen zu gestalten. Achten Sie darauf, dass die Karten ausreichend groß sind, so dass man auch aus etwas Entfernung gut die Motive erkennen kann. Und für die Stimmung Bluetooth-Lautsprecher machen das Smartphone zur Musikanlage Buzzer für die Teilnehmenden bei Quizshows ( ich gebe zu, dass Sie mich schon wahrlich in Verlegenheit brachten, wenn sie an der Hotelrezeption <?page no="229"?> 11.4 Wichtige Kleinigkeiten 229 beim Abstellen des Koffers plötzlich mit Soundeffekten überraschten). Medaillen. Wenn Sie Gewinner (z.B. nach einem Quiz) ehren möchten, sind Auszeichnungen z.B. in Form von glitzernden Aufklebern oder ähnliches prima. Hilfreiche Apps und Smartphonefunktionen als Ergänzung: Timer. Statt selbst nach 5 Minuten Bescheid zu sagen, dass die Übungszeit vorbei ist, lasse ich lieber den Timer laufen, der mit einem Signal verkündet, dass die Zeit um ist. Kamera. Sie schleppen immer noch die Kamera und das Stativ zur Rhetorikschulung mit? Sie haben einen Fotoapparat für das Fotoprotokoll dabei? Probieren Sie es doch mal mit Ihrem Smartphone. Wenn Sie keine Spielfilmqualität erwarten, geht es damit viel schneller und unkomplizierter. Sorgen Sie für genügend Akkuleistung und Speicherplatz. Wenn Sie Ihr Smartphone intensiv im Training einsetzen, ist eine Powerbank häufig sinnvoll. Je nach Zielgruppe teile ich die Bilder und Filme auch direkt mit Teilnehmenden über die Cloud und spare mir so den Umweg über den heimischen Rechner. Musik-App. Ob mit Spotify oder i-tunes - Sie sind DJ(ane) und erfüllen den Teilnehmenden fast jeden Musikwunsch (meine persönliche Schmerzgrenze sind Schlager). Musik hebt die Stimmung in der Pause und kann Arbeitsphasen leise untermalen. Mit Sound-Apps wie dem Soundboard erzeugen Sie überraschende Geräuscheffekte an passender Stelle, z.B. Applaus nach einer Gruppenpräsentation. Mit der Audio-Aufnahmefunktion können Sie vorab vorbereitete Gespräche abspielen - z.B. Beispielsätze für ein Kommunikationsseminar, die Teilnehmende bei einer Übung analysieren sollen. <?page no="231"?> 12 Ablaufplanung Wenn Sie die Lernziele formuliert und Lernzielkontrollen geplant haben, steht der Planung eines Gesamtablaufs nichts mehr im Weg. Für jedes Feinlernziel planen Sie einen eigenen Abschnitt. Tipp: Arbeiten Sie für eine erste Grobplanung mit einzelnen DIN A5- oder DIN A4-Blättern. Dabei schreiben Sie für jedes Lernziel ein Blatt, auf dem Sie stichwortartig vier Punkte festhalten: 1. Fokussierung: Lernmotivation fördern / Neugier wecken 2. Informieren: Inhalte vermitteln 3. Üben: Lernzielkontrolle 4. ggf. Transfer / Reflexion Unter Punkt 1 Fokussierung notieren Sie, wie Sie die Aufmerksamkeit und Lernmotivation für das folgende Thema gewinnen. Oft reichen dabei ein Satz oder eine Frage, die ein Problem, das es zu lösen gilt, fokussieren: Sicher kennen Sie das auch … Problem … oder Was machen Sie, wenn … Problem …. Sie können aber auch mit einem Experiment, einer selbstgesteuerten Lösung oder einer kleinen Beispielgeschichte einsteigen. Wichtig ist nur: die Teilnehmenden sind im Anschluss „ganz Ohr“ für Ihr Lösungsangebot. Als Punkt 2 halte ich fest, welche Inhalte ich vermitteln muss, damit die Teilnehmenden gut gerüstet in die Lernzielkontrolle ( Punkt 3 ) einsteigen, bzw. was ich nach einer selbstgesteuerten Lösung auf jeden Fall ergänzen muss. Punkt 4 ist jeweils eine Idee, wie ich die Teilnehmenden anrege, das Erlernte direkt in den Arbeitsalltag umzusetzen. Oft fasse ich bei der Feinplanung Transferideen von den einzelnen Lernzielkarten zusammen. Das bedeutet, dass ich erst nach 1-3 Abschnitten eine Transfermethode einplane, die die gesamten Lernziele beinhaltet. Die kleinen Ideen auf den einzelnen Karten nutze ich im Training nur dann, wenn ich mehr Zeit habe, als ich erwartet hatte. 146 Mit diesen Karten haben Sie Ihre Trainingsstruktur kompakt zur Hand und Sie können in der Moderation einfach auf die wesentlichen Informationen zugreifen. Erst wenn Sie einen schlüssigen roten Faden gefunden haben, legen Sie die Reihenfolge in Form des Trainingsleitfadens fest. 146 Vgl. Kapitel 12.3 Zeit und Dauer. <?page no="232"?> 232 12 Ablaufplanung Was jetzt noch fehlt sind Einstieg und Abschluss. Diese Blätter schreiben Sie am Ende. In Kapitel 9.7 und 9.11 finden Sie Ideen zur methodischen Gestaltung dieser Abschnitte. Einstieg Begrüßung und Selbstvorstellung Klärung des Ziels und des Ablaufs (Agenda) Erwartungsabfrage Vorstellungsrunde Abschluss Den Rahmen schließen - Blick zum Anfang (Erwartungsabfrage / Agenda) Zusammenfassung Transfer fördern Begründeter Dank an die Teilnehmenden Feedback / Evaluation Tipp: Wenn Sie die Planungsblätter archivieren, bauen Sie gleichzeitig einen Baukasten auf, den Sie immer wieder einsetzen können, wenn Sie neue Seminare entwickeln. 12.1 Der Trainingsleitfaden Trainerleitfaden, Seminarablaufplan, Verlaufsplanung, Spielplan - es gibt mannigfaltige Bezeichnungen für das, was ich im Folgenden Trainingsleitfaden nenne. Gemeinsam ist allen, dass sie den Veranstaltungsablauf in Kürze strukturiert abbilden. Hier läuft alles zusammen: die Inhalte, die Methoden und die Medien - das Ganze unterlegt mit einem Zeitplan. Dabei werden die Feinlernziele Schritt für Schritt in Abschnitten didaktisch umgesetzt. Üblich ist die tabellarische Darstellung. Hier ein Beispiel aus einem Trainthe-Trainer-Kurs für interne Experten, die Kollegen durch Fachtrainings unterstützen: <?page no="233"?> 12.1 Der Trainingsleitfaden 233 Groblernziel: Die TN bereiten Ihre Fachtrainings anhand eines Trainingsleitfadens vor. Zeit / Dauer Inhalte Methode und Sozialform Medien und Material Einstieg 9: 00 15 1. Begrüßung und kurze Selbstvorstellung 2. Du-/ Sie-Ansprache klären 3. Organisatorisch 4. Thema und Zeitagenda 5. Unsere Zusammenarbeit (Fehlerkultur, Feedback jederzeit erwünscht) Vortrag im Plenum (Stuhlkreis) Flipchart 1-3: Herzlich Willkommen Zeit-Agenda Unsere Zusammenarbeit 9: 15 10 TR und TN 147 sprechen sich namentlich an. „Jetzt kennen Sie mich und ich bin natürlich auch neugierig auf Sie. Als erstes möchte ich gerne Ihren Namen kennen. Damit ich mir den dann auch merken kann, stehen Sie bitte einmal auf ...“ Namensrunde „ackernde Agathe“ Alle TN stehen im Kreis Koosh-Ball 9: 25 30 Erwartungsabfrage: Gelb: Meine Stimmung in Bezug auf das Training Grün: meine Hoffnung (mein persönliches Lernziel) Rot: Was hier nicht passieren darf. „Bevor ich Ihnen jetzt die Agenda zeige, was ich mir inhaltlich für den heutigen Tag überlegt habe, möchte ich natürlich wissen, was Ihnen wichtig ist, dazu habe ich eine Erwartungsabfrage vorbereitet…“ Kartenabfrage 3 Felder TN heften nacheinander Ihre Karten an und erläutern sie. Karten (gelb, grün, rot) für die Teilnehmenden Stifte für die TN Metaplanwand mit 3 Überschriften 147 Die Abkürzungen TR und TN stehen für Trainer und Teilnehmende. <?page no="234"?> 234 12 Ablaufplanung 9: 55 5 Themenagenda Vorstellen der Themenagenda und Abgleich mit Erwartungsabfrage. Plenum, Präsentation Flipchart 4: Themen-Agenda Abschnitt 1 Lernziel: TN formulieren kompetenzorientierte Lernziele für Ihre Trainingsthemen 10: 00 40 Fokussierung und selbstgesteuerte Lösung Trainingsthemen der TN TN benennen ihre Trainingsthemen und erläutern, welche Verhaltensänderung ihr Training bei ihren Teilnehmenden bewirken soll - also Vorbereitung für die kompetenzorientierte Zielformulierung. „Der Trainingsleitfaden soll Sie dabei unterstützen, ihre Trainings effektiv vorzubereiten und umzusetzen. Damit dies gelingt, ist es wichtig, dass Sie für sich erst einmal klären - was genau eigentlich das Ziel Ihrer Fachtrainings ist. Dazu habe ich Ihnen ein Arbeitsblatt vorbereitet, was Sie zuerst 5 Minuten allein ausfüllen. Im nächsten Schritt werden Sie sich zu zweit über Ihr Thema und Ihre Ziele 10 Minuten austauschen und danach fassen wir Ihre Ergebnisse im Plenum einmal zusammen…“ Präsentation der Aufgabe (5 Minuten) Einzelarbeit (5 Minuten) Partnerarbeit (10 Minuten) Tabellarische Zusammenfassung im Plenum (20 Minuten) Flipchart 5: Arbeitsaufgabe Memorykarten zur Partneraufteilung Arbeitsblätter - mein Trainingsthema Metaplanwand mit Tabelle: Name, Thema, Verhaltensänderung der TN Informieren / Inhalte vermitteln Lernzielbereiche und kompetenzorientierte Lernzielformulierung … Präsentation PowerPoint im Plenum Beamer, Laptop Abbildung 26: Beispiel eines Trainingsleitfadens <?page no="235"?> 12.2 Die einzelnen Abschnitte und Spalten des Trainingsleitfadens 235 12.2 Die einzelnen Abschnitte und Spalten des Trainingsleitfadens im Detail Abschnitte Zwecks Übersichtlichkeit ist der Trainingsleitfaden in Abschnitte aufgeteilt. Jeder Abschnitt beinhaltet ein Feinlernziel. Ausnahme sind die Abschnitte Einstieg und Abschluss. Spalte Zeit und Dauer In dieser Spalte halten Sie einerseits die konkrete Uhrzeit und andererseits die Dauer der Sequenz fest, so dass sie sich ggf. einen Timer stellen können. Gerade bei Partner- oder Gruppenarbeiten ist dies empfehlenswert. Oft werde ich bei Trainerausbildungen gefragt, „Aber woher weiß ich denn, wie lange ich dafür brauche? “ Dazu gibt es 4 Antworten Sie spielen die Sequenz innerlich durch und schätzen Sie den Zeitaufwand. Beziehen Sie bei dieser Schätzung immer auch die Interkation mit und zwischen den Teilnehmenden mit ein. Viele Methoden dauern umso länger, je mehr Teilnehmende Sie haben - so ist eine Kartenabfrage mit 7 Teilnehmenden nur halb so lang wie eine mit 14 Teilnehmenden. Sie probieren aus, wie lange Sie brauchen. Gerade bei Präsentationen und Vorträgen funktioniert das wunderbar. Sie proben die Präsentation einmal (sprechen Sie dabei wirklich und überlegen Sie sich nicht nur, was Sie zu welcher Folie sagen würden! ). Rechnen Sie dann noch etwas Puffer für technische Pannen und Zwischenfragen von Teilnehmenden ein. Orientieren Sie sich an den Zeitangaben in Methodensammlungen. Oft finden Sie Zeitangaben, wie lang eine Methode ungefähr dauert. Aber Achtung: Diese Angaben entsprechen den Erfahrungen anderer Trainer! Nutzen Sie Ihre Erfahrung. Wenn Sie regelmäßig mit Trainingsleitfäden arbeiten und diese immer wieder nachbessern, wissen Sie irgendwann, wie lang Sie konkret für eine Methode brauchen. Planen Sie die einzelnen Sequenzen eher großzügig mit ein wenig Puffer. Wenn Sie dann früher als erwartet fertig sind, nutzen Sie die gewonnene Zeit für kleine Vertiefungseinheiten. Die Vertiefung kann entweder zusätzliche Inhaltsvermittlung, eine Transfermethode oder eine zusätzliche Lernzielkontrolle / Übung sein. Ich plane nach jeder Lernzielsequenz eine Vertiefung ein. Diese kann, muss aber nicht durchgeführt werden. Beispiel für eine Vertiefungseinheit: Zeit / Dauer Inhalte Methode und Sozialform Medien und Material 10-30 Minuten Mögliche Vertiefung: Transfer in den Arbeitsalltag: TN tauschen sich in Gruppe Gruppenarbeit an Tischgruppen Flipchart 9: <?page no="236"?> 236 12 Ablaufplanung aus, wie sie das Erlernte konkret im Arbeitsalltag umsetzen und halten Ihre Ideen auf Plakaten fest Gruppenarbeit: Transfer Für jede Gruppe ein Flipchart und Stifte. Abbildung 27: Beispiel für eine Vertiefungseinheit Spalte Inhalte In dieser Spalte benennen Sie das Thema, um das es in dieser Einheit geht. Als Stichpunkte können Sie die wesentlichen Aspekte oder Fragestellungen festhalten. Je nachdem, wie sicher Sie sich fühlen, können Sie darüber hinaus auch Ihre Anmoderation als wörtliche Rede festhalten. Spalte Methode und Sozialform Manchmal werden diese beiden Punkte auch in zwei getrennten Spalten festgehalten - für mich hat es sich bewährt, diese zusammenzufassen. Hier geht es um das WIE des Trainings. Der Trainingsleitfaden gibt dabei einen schnellen Gesamtüberblick über den Wechsel der Methoden und der Sozialform. Achten Sie hier auf die notwendige Abwechslung. So halten Sie die Aufmerksamkeitskurve konstant im oberen Bereich. 148 Spalte Medien und Material Diese Spalte bezeichne ich oft als „Packliste“. Hier steht alles, was Sie bei Ihrer Veranstaltung parat haben sollten. Wenn ich mit Flipcharts arbeite, nummeriere ich sie unauffällig mit Bleistift unten rechts. So finde ich mich schnell zurecht, ohne jedes Mal die gesamte Rolle durchzublättern. 12.3 Warum sich der Aufwand lohnt So viel Aufwand, ist das wirklich nötig? Solche oder ähnliche Fragen höre ich oft bei meinen Train-the-Trainer-Kursen. Die einfache Antwort ist: Ja! Genau damit machen Sie den Unterschied. Sie sind nicht nur ein Experte fürs Thema - nein: Sie sind professioneller Businesstrainer. Verbesserung der Trainingsqualität und des Transfers Fachexperten sind auf den Inhalt konzentriert, sie gliedern ihr Thema logisch und präsentieren es. Ihre Vorgehensweise gleicht oft dem roten Faden eines Sachbuches. Doch als Businesstrainer haben Sie im Regelfall kein interessiertes Fachpublikum, das sich weiterbilden möchte. Ihre Aufgabe ist es, Ihren Teilnehmenden zu helfen Probleme zu lösen und ihre Arbeit weiter zu professionalisieren. Anders als in Studium oder Schule steht der Lernstoff nicht im Mittelpunkt des Interesses, sondern der Transfer auf die Arbeit. 148 Vergleiche Kapitel 9 Abbildung Methodenwechsel <?page no="237"?> 12.3 Warum sich der Aufwand lohnt 237 Dazu ist es erforderlich, Lernziele zu verfolgen, die Relevanz für die Teilnehmenden haben. Mit der didaktisch durchdachten Wahl von Methoden, Sozialformen und Medien und deren regelmäßigen Wechsel erhöhen Sie die Lernbereitschaft und die Wahrscheinlichkeit des Transfers enorm. Professionelle Vorbereitung Mit einem konkreten Zeitplan, der Ihnen die Sicherheit vermittelt, dass Sie alle Lernziele erreichen, sind Sie optimal vorbereitet. Die Grundstruktur des Leitfadens macht es Ihnen leichter, ein stimmiges Konzept zu erstellen. Und wenn das vollbracht ist, sehen Sie in der rechten Spalte alles, was Sie an Materialien und Medien brauchen - haben also eine Packliste. Das hilft Ihnen am Seminartag bei der Organisation Ihrer Materialien im Raum. Sie gehen den Leitfaden durch und sortieren z.B. Ihre Flipcharts in der richtigen Reihenfolge und stellen sich alle Medien und Materialien im Raum so auf, dass Sie sie griffbereit haben. Beim Online-Training organisieren Sie Ihren Desktop und öffnen vorab die Präsentation und die Tools, die Sie nutzen. Außerdem haben Sie alles griffbereit auf dem Schreibtisch liegen, was Sie ansonsten noch brauchen. Sichere Durchführung Hatten Sie schon einmal ein Blackout - mitten in der Durchführung eines Trainings? Oft reicht der Blick auf die Agenda nicht. Die Gruppe verrennt sich in einer Diskussion und Sie fragen sich plötzlich: Wo wollte ich mit dieser Sequenz überhaupt hin - was war das Ziel? Mit dem griffbereiten Trainingsleitfaden wissen Sie sofort. in welche Richtung Sie das Steuer wenden müssen, um wieder auf der Zielgeraden zu sein. Sie sichern ab, dass Sie keine wesentlichen Inhalte vergessen und erfassen auf einen Blick, „was als Nächstes dran ist“ und welche Medien und Materialien Sie brauchen. Reflexion Sicher: Teilnehmende geben oft wertvolle Hinweise beim Feedback. Doch das ersetzt niemals Ihre Reflexion. Die Teilnehmenden beschreiben subjektive Auswirkungen Ihrer Vorgehensweisen, doch Sie sehen schwarz auf weiß in Ihrem Trainingsleitfaden die Ursachen: Wenn also z.B. eine Teilnehmerin bei der Feedbackrunde sagt: „Am Nachmittag fiel es mir schwer, mich zu konzentrieren“, dann machen Sie sich direkt eine Notiz im Trainingsleitfaden und analysieren im Anschluss: Welche Methoden habe ich genutzt? In welcher Sozialform haben wir gearbeitet? Wann fand ein Wechsel zwischen Input und Aktivierung statt? Doch auch dann, wenn Ihre Teilnehmenden nur positives Feedback geben, überprüfen Sie: Lief das Training so, wie es geplant war? Wo habe ich spontan Änderungen vorgenommen? Welche Sequenzen sind gut gelungen? <?page no="238"?> 238 12 Ablaufplanung Was würden ich bei einer weiteren Durchführung ggf. verändern? Anhand des Trainingsleitfadens fällt es Ihnen leicht, Ihre Arbeit zu reflektieren. Schon beim Training können Sie sich Notizen in den Leitfaden machen, die Sie im Anschluss auswerten. Zusammenarbeit im Team Wenn mehrere Trainer zusammen eine Veranstaltung leiten, ist der Trainingsleitfaden besonders wichtig. Wer ist wann dran und für was verantwortlich? Markieren Sie die jeweiligen Bereiche im Leitfaden und unterstützen Sie sich ggf. während des Trainings gegenseitig beim Zeitmanagement. Wenn meine Trainingspartnerin mit dem Zeigefinger auf ihre Armbanduhr tippt, weiß ich immer, jetzt muss ich mich kurzfassen und zum Ende der Sequenz überleiten, damit wir im Zeitplan bleiben. Zudem ermöglicht der Trainingsleitfaden auch, dass ein Training von unterschiedlichen Trainern durchgeführt werden kann. Er erleichtert die Übergabe enorm und im Falle eines Trainerausfalls muss sich der Ersatztrainer nicht mühsam anhand der Arbeitsmaterialien eine eigene Vorgehensweise erarbeiten. Ihre Schatzkammer Trainingsleitfäden sind wertvoll und ich kenne kaum Trainer, die dieses leichten Herzens und ohne finanzielles Interesse weiterreichen. Deshalb: Archivieren Sie Ihre Trainingsleitfäden sorgfältig, sie sind Gold wert! Selbst wenn Sie nie wieder genau dieses Thema trainieren werden, gibt es immer Sequenzen aus dem Training, die Sie für andere Trainings wiederverwenden können. Durch die Aufteilung in Abschnitte können Sie bei der Planung des nächsten Trainings schon direkt auf Abschnitte zurückgreifen. Das spart Ihnen viel Vorbereitungszeit, und durch die notierten Verbesserungspotenziale steigern Sie die Qualität Ihrer Trainings. Ganz nebenbei entdecken Sie dadurch auch Ihren persönlichen Markenkern in Form der Abschnitte, die Sie immer wieder einsetzen. <?page no="239"?> 13 Virtuelle und reale Trainingsräume - wo und wann wir heute lernen Im folgenden Kapitel betrachten wir die Zusammenarbeit zwischen Trainer und Teilnehmenden in Bezug darauf, ob sie sich persönlich treffen und wenn ja, wo. Damit beschäftigen wir uns gleichzeitig auch mit den Möglichkeiten des Online-Lernens. 13.1 Gemeinsam Zeit verbringen - Synchrones Lernen Klassische Trainings- und Weiterbildungsformen stehen heute unter einem stärkeren Rechtfertigungsdruck. Wir leben in einer Welt, in der Informationen und digitale Lernangebote einfach und unkompliziert zugänglich sind. Warum sollte ich mich noch zu einer bestimmten Zeit mit anderen gemeinsam in ein Training (online oder offline) begeben - ich finde doch alle Informationen im Internet? Mithilfe von Tutorials kann ich Wissen jederzeit und unabhängig von meinem Aufenthaltsort abrufen. Ist die Zukunft des Trainers also die eines Lernstoffaufbereiters, der sein Wissen online bereitstellt? Wird der Trainer von Morgen sein Einkommen aus der Werbung, die vor seinen Beiträgen abgespielt wird und den Entgelten von Bezahlplattformen bestreiten? Was bringt uns noch dazu, uns online oder gar offline persönlich zu einer bestimmten Zeit zu begegnen? Das Zauberwort lautet Kommunikation Eine einfache Antwort lautet: Wer sich in ein Training begibt, möchte in Kommunikation treten. Allgemeine Informationen reichen nicht aus oder sind für die Zielgruppe nicht der richtige Weg. Ich möchte Fragen stellen, mich an Diskussionen beteiligen, etwas ausprobieren und Feedback erhalten. Die Stärke einer Begegnung in Echtzeit, im klassischen Training oder digital, ist der direkte Austausch mit dem Trainer und der Teilnehmendengruppe. Dieses unmittelbare Feedback kann kein Lernvideo bieten und auch asynchrone Lernformate ermöglichen nur bedingt Austausch. Also was ist es, was Teilnehmende zu Recht als Mehrwert bei einer Live- Veranstaltung erwarten? Teilnehmenden suchen die Möglichkeit, … eigene Erfahrungen einzubringen Fragen zu stellen mit anderen Teilnehmenden und Ihnen in den Austausch zu gehen das Erlernte praktisch zu erproben und zu üben direkt Feedback und Unterstützung zu erhalten <?page no="240"?> 240 13 Virtuelle und reale Trainingsräume - wo und wann wir heute lernen 13.2 Zusammen in Zeit und Raum: Das Präsenztraining Inhouse, externe und offene Trainings Businesstrainings werden als Inhouseseminare, externe Trainings oder offene Trainings angeboten. Bei einem Inhouseseminar werden Mitarbeitende eines Unternehmens gemeinsam direkt im Unternehmen geschult. Bei einem externen Training begeben sich dieselben an einen anderen Ort. Dies kann einerseits räumlich bedingt sein, da das Unternehmen keinen geeigneten Schulungsraum hat. Andererseits geht es auch oft darum, den Arbeits- und Lernraum zu trennen. Im offenen Training nehmen Mitarbeitende von unterschiedlichen Unternehmen an einem Training bei einem Weiterbildungsanbieter teil. Oft wird diese Form gewählt, wenn nur Einzelne weitergebildet werden sollen. Also wenn das ganze Team telefoniert, wird eher ein Inhouse- Telefonseminar gebucht und wenn nur eine Mitarbeiterin ab sofort telefonieren soll, schickt man diese eher in ein offenes Telefontraining, wo sie zusammen mit Mitarbeitenden aus anderen Unternehmen teilnimmt. Inhouse-Training Externes Training Offenes Training Mitarbeitende werden direkt vor Ort im Unternehmen trainiert. Mitarbeitende begeben sich an einen anderen Veranstaltungsort. Mitarbeitende unterschiedlicher Unternehmen treffen sich gemeinsam bei einer Veranstaltung. Vorteil: Für das Unternehmen finanziell am günstigsten, da keine Reise- und Mietkosten entstehen Nachteil: Die Teilnehmenden sind im Haus und haben oft Abgrenzungsschwierigkeiten zu den normalen Arbeitsprozessen. Nicht selten passiert es, dass sie nach Pausen zu spät zurückkommen, da sie noch eine Mail beantworten oder anderweitig in Arbeitsprozesse eingebunden werden. Im schlimmsten Fall kommen sogar Kollegen oder Führungskräfte ins Seminar und zitieren den Teilnehmenden zurück an den Arbeitsplatz. Vorteil: Die Distanz zum Arbeitsplatz erleichtert den Perspektivwechsel. Störungen durch Kollegen und Kunden sind auf Mails und Anrufe in den Pausen reduziert. Oft bieten externe Räumlichkeiten mehr Komfort. Nachteil: Für das Unternehmen entstehen zusätzliche Kosten, die das Trainerhonorar oft weit übersteigen, vor allem, wenn das Training mit Hotelübernachtung verbunden ist. Gerade Teilnehmende, die einen großen Wert auf Work-Life-Balance legen, empfinden externe Veranstaltungen als Belastung. Vorteil: Da die Teilnehmenden von unterschiedlichen Unternehmen kommen, ist die Gruppe deutlich heterogener und die Teilnehmenden treten so automatisch in ein weiteres Lernfeld. Oft ermöglicht die Trennung von den Kollegen auch eine tiefere Reflexion der eigenen Arbeit. Die Befürchtung, dass meine Kollegen nach dem Training meine Schwächen kennen und gegen mich verwenden könnten, fällt weg. Der Einzelne bereichert die Gruppe mit den Erfahrungen aus seinem Unternehmen und tankt gleichzeitig neue Ideen <?page no="241"?> 13.3 Gemeinsam im digitalen Raum - synchrones Online-Training 241 Sie sind dann z.B. verärgert, da sie für Ihren Arbeitgeber die Kinderbetreuung neu organisieren, das Familientreffen absagen oder auf den Konzertbesuch verzichten müssen. aus anderen Unternehmen. Nachteil: Es kann weniger auf unternehmensspezifische Anliegen eingegangen werden. 13.3 Gemeinsam im digitalen Raum - synchrones Online- Training Von einem synchronen Online-Training sprechen wir, wenn Seminare online und in Echtzeit stattfinden. Die Teilnehmenden treffen sich also von verschiedenen Orten aus zu einer bestimmten Zeit im virtuellen Raum - im Fall einer digitalen Präsenzveranstaltung ist das in der Regel der digitale Raum eines gemeinsam genutzten Videokonferenzprogramms. Viele Trainer schwören darauf, dass echtes Lernen nur gemeinsam in einem echten Raum funktioniert. Gerade wenn es um die sogenannten Softskills geht, scheint vielen der gemeinsame Trainingsraum unersetzlich. Doch ist das wahr? Schließlich kann ich mich auch online in Gruppenarbeiten zusammenfinden, kann via Video kommunizieren, so dass der Kommunikation doch kaum noch Grenzen gesetzt sind, oder? Muss der Trainerstar von morgen also die Kamera lieben? Im E-Learning gibt es verschiedene Möglichkeiten, Lernprozesse zu organisieren. Digitale Lernräume können auch gemeinsam genutzte Lernplattformen, Whiteboards oder Lernmanagementsysteme (LMS) sein. Spätestens aber wenn es um das Thema Austausch und Feedback geht, empfinden viele einen gemeinsamen Raum (der nicht virtuell, sondern gegenwärtig ist) von Vorteil. Gleichzeitig zeigen sich hier aber auch die unterschiedlichen Bedürfnisse, die nicht nur Teilnehmende, sondern auch Trainer beim Lernen und Lehren mitbringen. „Ich brauche etwas zum Anfassen“ brachte es eine Kollegin vor Kurzem auf den Punkt. Sie formulierte damit ihr Bedürfnis. Menschen beim Lernen auch tatsächlich etwas zum Anfassen zu reichen und darüber hinaus auch das Bedürfnis, Nähe und Distanz in einem Raum bewusst zu steuern. In den Jahren 2020/ 21 haben viele Trainer die Erfahrung gemacht, dass Online sehr viel mehr möglich ist, als sie zuvor erahnt hatten. Viele meiner Gesprächspartner erfuhren in diesem Jahr einen erstaunlichen Sinneswandel. Trainer, die mir noch im Februar 2020 erzählten, dass Online-Training einfach nichts für sie sei, waren im Herbst bereits mit kreativen neuen Formaten erfolgreich am Markt. Die Grenzen dessen, was möglich ist, wurden vollkommen neu ausgelotet. Dabei hat sich gezeigt, dass ein synchrones Online- Training - auch im Bereich der Softskills - sehr viel mehr als eine „Notlösung“ in Pandemiezeiten ist. <?page no="242"?> 242 13 Virtuelle und reale Trainingsräume - wo und wann wir heute lernen 13.3.1 Besonderheiten der Online-Didaktik Der Raum im Raum Eine Teilnehmerin sitzt etwas zusammengekauert am Wohnzimmertisch, bei einem anderen Teilnehmer lässt sich ein Homeoffice in einem kleinen Raum direkt unterm Dach erahnen - beim Rest der Gruppe verbirgt der virtuelle Hintergrund den echten Raum oder die Kamera ist gar nicht angeschaltet. Ich bitte Teilnehmende oft Ihre Kamera anzuschalten und auf einen virtuellen Hintergrund zu verzichten, da dies sofort mehr Nähe und Authentizität schafft. Teilnehmende im digitalen Raum haben um sich herum oft vollkommen andere räumliche Voraussetzungen, die Sie als Leitung selbst bei eingeschalteter Kamera nur begrenzt wahrnehmen. Das bedeutet für Sie als Leitung achtsam zu sein und Teilnehmende auch aufzufordern, den zu Verfügung stehenden Raum möglichst lernförderlich zu gestalten. Fordern Sie die Teilnehmenden auf, gut für sich zu sorgen: Sich ein Getränk bereitzustellen, zwischendurch aufzustehen oder die Sitzposition zu verändern. Regen Sie an den Raum in den Pausen zu verlassen - nach Möglichkeit an die frische Luft zu gehen und sich etwas zu bewegen. Da das gleichförmige Starren auf den Bildschirm schnell ermüdet, sind auch Impulse und Übungen, bei denen die Teilnehmenden ihren Blick im echten Raum schweifen lassen, empfehlenswert. Und denken Sie daran auch Ihren eigenen Raum präsentabel zu gestalten. Neben einem aufgeräumten Hintergrund ist es wichtig, dass Sie gut sichtbar sind. Dafür brauchen Sie ausreichend Licht von vorne (z.B. durch eine Ringleuchte, die Sie neben oder hinter Ihrem Rechner aufstellen. Platzieren sie Ihre Kamera auf Augenhöhe, so dass der Eindruck von Blickkontakt entsteht. Oft reicht es dafür, dass Sie Ihren Laptop mit integrierter Kamera einfach auf einen Stapel Bücher legen, so dass Sie Ihre Teilnehmenden nicht „von oben herab“ ansehen. Oft gibt es auch die Möglichkeit, dass Sie die Bildleiste mit den Gesichtern der Teilnehmenden oder Ihre eigene Sprecheransicht direkt oben unter die eingebaute Kamera platzieren, so dass der Blick auf das Bild den Eindruck von Blickkontakt vermittelt. Mit Blickkontakt erleichtern Sie Ihren Teilnehmenden das Zuhören. Sie fühlen sich gesehen und lassen sich weniger schnell ablenken. Nutzen Sie Ihre Kamera - nicht nur um sich selbst zu zeigen - Sie können auch großbeschriftete Karten oder sogar das Flipchart einsetzen, wenn Sie den Raum zuvor richtig vorbereitet haben. Auch das Zeigen von Anschauungsmaterial schafft Abwechslung. Noch wichtiger als der visuelle Auftritt ist die Akustik. Um Nebengeräusche und eine schlechte Raumakustik zu vermeiden, empfiehlt sich der Einsatz von Kopfhörern. <?page no="243"?> 13.3 Gemeinsam im digitalen Raum - synchrones Online-Training 243 Rhythmisierung Die Aufmerksamkeit in Online-Seminaren zu halten ist oft herausfordernder als in Präsenzveranstaltungen. Hier ist die Rhythmisierung, also der Wechsel zwischen Inhaltsvermittlung und Aktivierung sehr wichtig. Auch wenn es derzeit noch keine aktuellen Studien gibt, können wir davon ausgehen, dass die in Kapitel 9 vorgesellte Aufmerksamkeitskurve online noch eine deutlich kürzere Aufmerksamkeitsspanne aufzeigt. Darum fordern Sie Ihre Teilnehmende immer wieder zu kleinen Aktivitäten und Interaktionen auf. In Kapitel 9.10 finden Sie einige Anregungen. Oft reicht es schon die Teilnehmenden aufzufordern zwischendurch etwas in den Chat zu schreiben, einen Gegenstand in die Kamera zu halten oder ein Handzeichen zu geben. Auch das Arbeiten mit handschriftlichen Notizen hilft. In manchen Online-Kursen erhalten Teilnehmende vorab von mir ein Begleitheft, in das sie während der Veranstaltungen immer wieder ihre eigenen Erkenntnisse notieren sollen. Diese kleinen Einzelarbeiten helfen den Teilnehmenden beim direkten Transfer und verbessern die Aufmerksamkeit. Kommunikation und Gruppenerleben Einzelpersonen namentlich ansprechen In der Kommunikation mit einzelnen Teilnehmenden ist oft eine etwas direktivere Vorgehensweise als im Präsenzseminar notwendig. Diese fühlen sich oft weniger angesprochen, da eindeutige körpersprachliche Signale, wie das direkte Zuwenden fehlt. Ein Tipp: Drucken sie sich immer vorab eine Namensliste aus. So verlieren Sie niemanden aus dem Blick. Machen Sie sich Markierungen mit wem Sie bereits im Austausch waren und sprechen Sie Personen, die zurückhaltender sind, direkt namentlich an, um sie zu Beiträgen zu motivieren. Dies ist auch wichtig, da bei Methoden wie dem Blitzlicht, schnell unklar ist, wer noch nicht dran war. Hier sollten Sie als Trainer den Überblick behalten. Rückmeldungen von der Gruppe einfordern Online ist es schwieriger Befindlichkeiten und Reaktionen der Gruppe zu erkennen. Brauchen wir eine Pause? Sind alle damit einverstanden, wenn wir uns hier duzen? Gibt es zu diesem Punkt noch Fragen? Wenn Sie Ihre Teilnehmenden nicht zu einer eindeutigen Rückmeldung auffordern, bleibt diese oft aus oder Einzelne übernehmen die Gruppenkommunikation. Also bitten Sie um eine klare Rückmeldung: Heben Sie bitte jetzt die Hand ... Geben Sie mir einen Daumen nach oben, wenn … oder: Schreiben Sie ok in den Chat … . Unsichtbare Teilnehmende integrieren Vor Kurzem war ich Teilnehmerin in einer Videokonferenz. Wir waren zu viert und ein Teilnehmender hatte keine Kamera - wir anderen sahen uns gegenseitig. Da der Teilnehmende ohne Kamera auch verbal sehr zurückhaltend war, erwischte ich mich dabei, dass ich ihn zwischendurch auch tatsächlich vergaß - aus den Augen aus dem Sinn. Dieses Erlebnis machte mir <?page no="244"?> 244 13 Virtuelle und reale Trainingsräume - wo und wann wir heute lernen wieder einmal bewusst, wie wichtig es ist, dass eine Leitung die gesamte Gruppe im Blick hat und auch diejenigen anspricht, die vielleicht gerade nicht sichtbar sind. Achten Sie darauf, dass Teilnehmende, die aus technischen Gründen weniger Kanäle nutzen können, am Gruppengeschehen beteiligt sind. Im schlechtesten Fall haben Sie Teilnehmende, bei denen weder Bild noch Ton verfügbar sind - und auch diese müssen Sie integrieren z.B.: Frau Hamsa schreiben Sie mir Ihre Antwort in den Chat. In solchen Fällen werden Sie zur Stimme der Teilnehmenden. Sie lesen wertschätzend deren Chatbeiträge vor. Gruppenerleben fördern Sorgen Sie dafür, dass die Teilnehmenden sich als Gruppe erleben und auch miteinander in Kommunikation kommen. Viele wichtigen soziale Komponenten, wie Pausengespräche und all die kleinen verbalen und nonverbalen Signale, die sich Teilnehmende während eines Seminars geben fallen ansonsten weg. Geben Sie diesen Bedürfnissen Raum, indem Sie bei Partner- und Gruppenarbeiten etwas mehr Zeit geben. Übrigens sollten Sie bei Gruppenarbeiten darauf achten, dass Sie die Gruppen eher kleiner halten. Eine schöne Idee ist auch das bewusste Einsetzen des privaten Chats. So können Sie z.B. die Teilnehmenden zu Beginn auffordern ihren Sitznachbarn rechts und links ein kleines Kompliment zu senden. Dazu schreibt jeder Teilnehmende eine private Chatnachricht an die Personen, die er rechts und links neben sich auf der Galerieansicht sieht. Die Wirkung ist verblüffend - Sie sehen in eine Galerie voller lächelnder Menschen. Regeln für die digitale Zusammenarbeit Bitte schalten Sie die Kamera ein - falls Sie die Kamera zwischendurch ausschalten müssen, informieren Sie uns bitte kurz per Chat. Bitte schalten Sie sich auf stumm, wenn Sie nicht gerade einen Beitrag für die Gruppe formulieren. Schalten Sie Ihr Telefon auf lautlos. Schließen Sie alle überflüssigen Programme, so dass Sie nicht von Mails und Kalendererinnerungen abgelenkt werden. Welche Regeln Sie mit Ihren Teilnehmenden vereinbaren, hängt unter anderem davon ab, wie stabil die Datenübertragung läuft. Natürlich vereinfacht es die Kommunikation, wenn alle die Kamera anhaben und die Teilnehmenden sich mündlich zu Wort melden können. Doch selbst bei etablierten Online-Plattformen funktioniert dies nicht immer reibungslos und Teilnehmende müssen die Kamera ausschalten, da sie ansonsten wegen mangelnder Bandbreite aus dem System herauskatapultiert werden und sich immer wieder neu anmelden müssen. Übrigens: Bei Gruppen bis zu 9 Teilnehmenden funktioniert es oft gut, wenn alle das Mikrofon anlassen und so weniger Zeitverzögerungen in der Kommunikation durch An- und Ausschalten des Mikrofons entstehen. Und wenn es nicht klappt: Als Leitung haben Sie normaler- <?page no="245"?> 13.3 Gemeinsam im digitalen Raum - synchrones Online-Training 245 weise die Macht, Teilnehmende schnell auf lautlos zu stellen, sobald störende Nebengeräusche entstehen. Nutzen Sie diese schnell und unkompliziert. Da oft beim Sprechen vergessen wird, das Mikrofon wieder anzustellen, habe ich übrigens eine Moderationskarte mit dem Mikrofonsymbol bereitliegen - diese halte ich bei Bedarf dann kurz in die Kamera. 13.3.2 Technische Möglichkeiten und deren Nutzen Technische Möglichkeiten Nutzen Kamera: Alle Teilnehmenden sehen den Trainer. Mit der Kamera stellen Sie (Blick)kontakt her. Sie haben alle Möglichkeiten, Ihre Worte mit Mimik und Gestik zu untermalen und ihnen dadurch mehr Wirkung zu verleihen. Gerade wenn Ihre Teilnehmenden allein im Homeoffice sitzen, kommt dadurch ganz schnell „Leben in die Bude“. Außerdem eröffnet Ihnen die Kamera auch zahlreiche Visualisierungsmöglichkeiten - Sie zeigen Gegenstände oder Moderationskarten oder nutzen das Flipchart. Kamera: Alle Teilnehmenden sehen sich gegenseitig. Nichts schafft schneller ein Gruppengefühl als Teilnehmende, die sich gegenseitig sehen können. Eine Galerieansicht der gesamten Gruppe eröffnet viele Möglichkeiten der Aktivierung und Interaktion. Unterbrechen Sie Ihre Präsentation regelmäßig durch das Aufheben des Bildschirmteilens, wenn Sie mit den Teilnehmenden in Interaktion gehen, so dass sich diese besser gegenseitig sehen können. Mikrofon: Teilnehmende können sich mündlich beteiligen. Das gesprochene Wort vermittelt deutlich mehr Informationen als die Schriftsprache. Gerade, wenn es um die affektive Lernzielkontrolle geht, ist die Aufforderung zur mündlichen Beteiligung sehr hilfreich. Die Stimmen Ihrer Teilnehmenden bringen Abwechslung in den auditiven Lernkanal und das selbst sprechen hält gleichzeitig wach und aufmerksam. Chat: Sie und die Teilnehmenden können während der gesamten Veranstaltungen Informationen, Fragen und Hinweise im Chat austauschen. Was wäre ein Seminar ohne Seitengespräche oder Zwischenfragen. Der Chat ermöglicht den Teilnehmenden einzelne Personen oder die ganze Gruppe über das zu informieren, was sie gerade bewegt und das, ohne das laufende Programm an unpassender Stelle zu unterbrechen. Gerade bei großen Gruppen, bei denen die direkte Kommunikation nur noch stark eingeschränkt möglich ist. <?page no="246"?> 246 13 Virtuelle und reale Trainingsräume - wo und wann wir heute lernen Bildschirm-Teilen: Trainer (und Teilnehmende) können Ihren Desktop und einzelne Anwendungen auf ihrem Bildschirm mit der Gruppe teilen. Mit der Funktion Bildschirm-Teilen können Sie Präsentationen, Filme oder Bilder mit der Gruppe teilen. Bei vielen Anwendungen können auch die Teilnehmenden ihre Bildschirme teilen. So können zum Beispiel im Training auch die Ergebnisse von Einzel- oder Gruppenarbeiten gezeigt und besprochen werden. Whiteboard: Die Teilnehmenden und die Leitung schrieben zusammen auf eine Oberfläche. Auf dem Whiteboard können alle Teilnehmenden und Sie Beiträge formulieren. So können Moderationsmethoden, wie einfache Kartenabfragen, Ein- und Mehrpunkt-Fragen gestaltet werden. Gruppenräume: Die Teilnehmenden können für Gruppenarbeiten aufgeteilt werden. Gruppenräume oder Breakout-Rooms ermöglichen Ihnen den Wechsel der Sozialform. Die Teilnehmenden haben die Möglichkeit, den Lernstoff intensiv in Partner- und Gruppenarbeit zu besprechen und Arbeitsaufgaben zu lösen. Auch zurückhaltende und online-scheue Teilnehmende öffnen sich hier und schätzen den „privaten“ Austausch ohne großes Auditorium. Umfragen: Der Trainer hat die Möglichkeit, Umfragen zu erstellen, deren Ergebnisse er direkt für die Gruppe sichtbar macht. Durch Multiple-Choice-Umfragen erhalten Sie schnell ein Gruppenbild. Sie lassen sich z.B. unkompliziert einsetzen, um nach einer Gruppenübung in Breakoutsessions zu erfahren, wie die Teilnehmenden die Übung empfunden haben. Virtueller Hintergrund: Die Teilnehmenden und der Trainer können Ihre Umgebung durch ein Bild ersetzen. Mit dem virtuellen Hintergrund haben Sie die Möglichkeit, einen Seminarraum Ihrer Wahl zu schaffen oder Bilder einzublenden, die zum Thema passen. Überlegen sie sich gut, ob Sie einen virtuellen Hintergrund wählen möchten. Dieser schafft oft optische Irritationen, da bei Bewegungen immer wieder kleine Bruchstücke des echten Hintergrunds sichtbar werden. Zudem macht es der virtuelle Hintergrund schwer, Gegenstände zu zeigen. Mit Ihrem natürlichen Hintergrund zeigen Sie mehr von sich selbst, was im positiven Sinne Nähe und Vertrauen schaffen kann (natürlich sollte Ihr Hintergrund professionell und aufgeräumt wirken). 13.3.3 Erste Hilfe bei technischen Problemen Sie sind das erste Mal auf einer Online-Plattform? Planen Sie auf jeden Fall genügend Zeit für ein technisches Onboarding ein. Testen Sie die Funktionen mit Ihren eigenen Endgeräten. Eine Möglichkeit des Testens ist das Einwählen mit mehreren Geräten parallel - so dass Sie auch eine Teilnehmersicht kontrollieren können. Eine andere Möglichkeit ist, sich Testteilnehmende einzuladen, um verschiedene Funktionen auszuprobieren. <?page no="247"?> 13.3 Gemeinsam im digitalen Raum - synchrones Online-Training 247 Hier ein paar Tipps, wenn die Einrichtung des virtuellen Trainingsraums Probleme bereitet: Verlassen Sie die Videokonferenz bzw. schließen Sie den Tab und öffnen Sie den Einladungslink erneut. Überprüfen Sie Ihre Sicherheitseinstellungen: Ist der Audio- und Kamerazugriff erlaubt? Wechseln Sie den Browser - oft geben Plattformen auch eine Empfehlung, welcher Browser am besten geeignet ist. Stellen Sie sicher, dass Ihr Headset richtig eingestellt und eingesteckt ist bzw. versuchen Sie es testweise ohne Headset. Schließen Sie alle anderen Anwendungen auf Ihrem Rechner. Nutzen Sie ein LAN-Kabel oder, wenn das nicht möglich ist, verringern Sie den Abstand zum WLAN-Router. Überprüfen Sie, ob Sie ein mögliches Zugangspasswort falsch eingegeben haben. Umgang mit technischen Pannen in der Veranstaltung: Wenn sich technische Probleme in einer Veranstaltung nicht ad hoc lösen lassen, dann verbeißen Sie sich nicht. Nichts ist nervtötender für Teilnehmende als sich die Erklärung anzuhören, warum die Präsentation jetzt gerade nicht läuft oder warum Sie im Moment den Chat oder das Whiteboard nicht öffnen können. Folgendes hat sich bewährt: Schritt 1: Beschreiben Sie neutral, was gerade ist, z.B.: Ich stelle gerade fest, dass ich während des Teilens des Bildschirms den Chat nicht mehr sehen kann. Schritt 2: Formulieren Sie eine Lösung oder was Sie unternehmen, um das Problem zu lösen, z.B.: Wenn Sie Zwischenfragen haben, schalten Sie bitte einfach das Mikrofon an und fragen Sie direkt, statt in den Chat zu schreiben. Richten Sie Ihren Blick also auf mögliche Alternativen. Sobald Sie in sicht- und hörbaren Stress verfallen, wirken Sie weniger kompetent und noch schlimmer: Sie stecken Ihre Teilnehmenden an, die dann ihrerseits auch gestresst reagieren. Deshalb ist der wichtigste Tipp bei technischen Problemen während der Veranstaltung: Weiteratmen! Versuchen Sie möglichst gelassen zu bleiben und nicht in Panik zu verfallen, wenn bei Ihnen selbst oder Teilnehmenden technische Probleme auftauchen. Als Leitung eines Online-Seminars erwarten Teilnehmende oft von Ihnen, dass Sie sich gleichzeitig auch um alle technischen Probleme kümmern. Schaffen Sie zu Beginn Rollenklarheit und weisen Sie ggf. auch auf einen zusätzlichen technischen Support hin. Wenn Teilnehmende sich zum ersten Mal auf einer Online-Plattform bewegen, planen Sie Zeit für deren technisches Onboarding ein. Testen Sie mit <?page no="248"?> 248 13 Virtuelle und reale Trainingsräume - wo und wann wir heute lernen jedem Teilnehmenden alle Funktionen, die Sie bei dem Training nutzen möchten. Stellen Sie sich im Online-Training auf technische Schwierigkeiten ein. Nach meiner Erfahrung kommt es häufig vor, dass etwas nicht funktioniert. Das können Übertragungsschwierigkeiten sein oder dass Teilnehmende bestimmte Funktionen nicht nutzen können und selbst technische Schwierigkeiten haben. Eine gute Vorbereitung auf die technische Umgebung ist notwendig und es ist gut, wenn Sie technischen Support haben. Es gibt aber bei Online-Trainings immer wieder Schwierigkeiten, die sich nicht schnell lösen lassen. Deshalb ist es wichtig, sich darauf einzustellen und Alternativen an der Hand zu haben, mit denen Sie das Training weiter halten können. 13.4 Training jederzeit und überall: Asynchrones Lernen Findet die Wissensvermittlung durch Lehrende und die Aufnahme des Wissens durch Lernende zeitlich versetzt statt, sprechen wir von asynchronem Lernen. Gerade im Bereich des Fremdsprachenlernens ist das asynchrone Lernen bereits seit Jahrzehnten weit verbreitet. So schickten Sprachschulen bereits in den 1960er Jahren Teilnehmenden im Rahmen von sogenannten Fernlernkursen per Post Tonträger und Arbeitsmaterialien zum Erlernen von Fremdsprachen. Auf die gleiche Weise wurden in Fernstudiengängen erste Formen des Distanzlernens auch ohne digitale Technik organisiert. Heute verstehen wir unter asynchronem Lernen meist Formen des Online- Lernens. Der Klassiker dieser Lernform sind die sogenannten WBTs (Web Based Trainings) . In diesen Formen des asynchronen Lernens werden die Inhalte über das Internet zur Verfügung gestellt und ermöglichen es Lernenden die Materialien flexibel zu nutzen. Asynchrones E-Learning wird oft über Lernmanagementsysteme (LMS) abgewickelt. 149 Diese haben die Aufgabe, Inhalte zur Verfügung zu stellen, Prüfungen und Tests abzuwickeln und Lernfortschritte zu erfassen. Viele WBTs sind zeitliche strukturiert und fordern regelmäßig kleine Aufgaben und Tests von den Teilnehmenden. Diese Organisation der Lernzielkontrollen ist wichtig in asynchronen Settings, denn dadurch bekommen die Kurse für die Lernenden eine verbindlichere Struktur. Dabei werden auch die Lernfortschritte über das System verfolgt („getrackt“). Die Vielfalt der Formate für asynchrones Lernen ist inzwischen sehr groß. Neben den klassischen Lehrvideos können asynchrone Lernangebote auch viele interaktive Bausteine enthalten. Gelegenheit zur aktiven Kommunikation bieten zum Beispiel Diskussionsforen, die einen informellen Austausch ermöglichen. Lernzielkontrollen können auch weitaus 149 Neben unternehmenseigenen Lernmanagementsystemen auf die Sie als Businesstrainer Ihre Inhalte einspielen können, gibt es viele offene Angebote wie Udemy oder Linkedin Learning, auf denen Sie Kurse einstellen und auf denen freie Trainer ihre Angebote vermarkten können. <?page no="249"?> 13.4 Training jederzeit und überall: Asynchrones Lernen 249 differenzierter als durch einfache automatisierte Multiple-Choice-Abfragen gesteuert werden: So können die Teilnehmenden in einem Kurs, mit digitalen Lernkarten arbeiten, wichtige Elemente in Bildern identifizieren oder sogar richtige Szenarien absolvieren, in denen sie in berufsrelevanten Situationen richtige Entscheidungen treffen müssen. Wenn Teilnehmende eigene Arbeitsergebnisse, wie Konzepte hochladen, kann der Lehrenden auch individuelles Feedback geben. Genauso gibt es inzwischen auch Peer-2-Peer Feedback, vor allem in Kursen mit einer sehr hohen Zahl an Teilnehmenden. Vorteile des asynchronen Lernens Ein Unternehmen möchte sicherstellen, dass die gesamte Belegschaft über neue Prozesse oder Regelungen informiert wird. Dabei soll möglichst wenig Trainingszeit und damit Ausfallzeit der Mitarbeiter entstehen. Die Mitarbeiter sollen das Training selbstständig in ihre Arbeitszeit integrieren, so dass die unternehmenseigenen Prozesse möglichst wenig gestört werden. Das asynchrone Format macht es möglich! Doch nicht nur für Unternehmen sondern auch für Lernende bieten asynchrone Formate viele Vorteile. Lernende können die Inhalte, wann und wo sie möchten, nutzen. Dabei steuern sie das Lerntempo selbst und können Lerninhalte, sooft sie möchten, wiederholen, also z.B. das Video mehrfach ansehen oder bestimmte Textpassagen noch einmal lesen. Besonders die zeitliche Flexibilität ist für viele Berufstätige ein Vorteil asynchroner Formate. Anders als bei digitalen Präsenzangeboten können die Inhalte jederzeit abgerufen und gelernt werden. Dadurch lassen sich die Angebote viel einfacher in den Alltag integrieren. Der Zugang über mobile Endgeräte wie Smartphones macht ein Lernen nebenbei möglich. Auch Trainer können von asynchronen Formaten profitieren: Sie können fixe Kurse entwickeln, die dann von einer großen Anzahl von Teilnehmenden genutzt werden können. Darüber hinaus haben Sie mit Hilfe von Plattformen wie LinkedIn, Udemy oder Blink.it die Möglichkeit Kurse zu verkaufen, ohne zeitlich anwesend sein zu müssen. Nachteile asynchroner Formate Asynchrone Formate bringen jedoch auch einige Nachteile mit sich. Die Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden läuft zeitversetzt ab: Wenn bei einer Aufgabe ein Problem auftaucht, kann dieses nicht durch eine direkte Kommunikation mit dem Lehrenden gelöst werden. Der Austausch mit den Lehrenden funktioniert entweder über Lernplattformen oder per Text und Mail. Auch hier ist von Seiten der Lehrenden eine schnelle und genaue Kommunikation gefordert. Dazu kommt der hohe Aufwand bei der Erstellung asynchroner Formate, deren Ausarbeitung sich komplex gestalten kann. So können Sie für die Vorbereitung eines 10-Minuten-Videobeitrags gut einen Tag Vorbereitungszeit rechnen. Besonders herausfordernd ist hier, dass Ihre Inhalte auf den Punkt gebracht und Aufgabenstellungen eindeutig formuliert sein müssen. Gehen Sie davon aus, dass das, was missverstanden <?page no="250"?> 250 13 Virtuelle und reale Trainingsräume - wo und wann wir heute lernen werden kann, auch missverstanden wird! Die fehlende Resonanz in der Kommunikation mit den Teilnehmenden spielt hier eine große Rolle. Lassen Sie Ihre Beiträge auf jeden Fall vorab von Testusern prüfen bevor Sie diese veröffentlichen. Voraussetzungen auf Seite der Teilnehmenden Asynchrones Lernen erfordert von Teilnehmenden neben der entsprechenden technischen Ausstattung eine Grundmotivation und Routine im Lernen. Wer es nicht gewohnt ist, sich Wissensstoff selbständig anzueignen und bei Verständnisschwierigkeiten zu recherchieren, stößt schnell an Grenzen. Das gilt vor allem bei komplexen Themen und wenn die Lerneinheiten selbstständig gewählt werden. Dazu kommt noch das Zeitmanagement: Ohne Termin wird das Lernen schnell vergessen. Nur wer der eigenen Weiterbildung eine hohe Priorität einräumt und diese zeitlich einplant, wird diese auch zielführend verfolgen. Stimmen jedoch die Grundvoraussetzungen (Technik, Motivation und Lerngewohnheit) bieten asynchrone Formate Teilnehmenden die besten Möglichkeiten, sich zeitlich flexibel Wissen anzueignen. Für manche Teilnehmende sind sie sogar besser geeignet als synchrone Formate. Asynchrone Lernformen eignen sich vor allem für Teilnehmende, die … ein hohes Interesse für den Lernstoff mitbringen sich mehr Zeit für die Reflexion und Ausarbeitung von Lerninhalten wünschen und sich in Präsenzveranstaltungen getrieben fühlen die zeitliche Flexibilität brauchen, da sie beruflich oder privat stark eingebunden sind Integration von asynchronen Formaten in den Unternehmensalltag Aus Unternehmenssicht spricht für das asynchrone Training, dass das schnelllebige Umfeld immer mehr Weiterbildung erfordert und gleichzeitig immer weniger Lernzeit zu Verfügung steht. Darum gibt es in den letzten Jahren verstärkt das sogenannte Mikro-Lernen (microlearning) . Dabei wird das Wissen didaktisch in Häppchen, sogenannte Nuggets aufbereitet. Mit dieser Form des Lernens können auch weniger motivierte und lerngewohnte Teilnehmende aktiviert werden. Und es lässt sich leicht routinemäßig in den Arbeitsalltag integrieren. Beispiele sind: Bildschirmschoner, die den Benutzer auffordern, kurze Folgen von einfachen Aufgaben zu lösen Ein kurzes Multiple-Choice-Quiz beim Öffnen einer Anwendung Ein Zitat oder eine Aufgabe des Tages auf der Startseite oder per E-Mail Kurze digitale Lerneinheiten auf dem Smartphone <?page no="251"?> 13.5 Blended Learning und hybrides Lernen 251 Asynchrone Formate unterstützen so Lernprozesse im Unternehmensalltag. Als Learning on Demand, Transferimpulse oder Reflexions- und Wiederholungssequenzen ergänzen sie das Präsenzlernen - und dies ist das Stichwort, des nächsten Kapitels. Blended Learning. 13.5 Blended Learning und hybrides Lernen Das Wort Blend verweist darauf (wie wir das von Kaffee oder Whiskey kennen), dass es sich um eine Mischung unterschiedlicher Sorten (in unserem Fall Lernformate) handelt. Im engeren Sinne ist Blended Learning eine Kombination aus Präsenzlernen und E-Learning. Besonders bewährt hat sich die Ergänzung von Präsenzveranstaltungen durch Online-Kurse. Online lernen die Teilnehmenden asynchron (also selbstgesteuert), während sie im synchronen Präsenzteil Fragen klären, Übungen absolvieren oder den Praxistransfer diskutieren. Häufig werden so die asynchronen Teile zur grundlegenden Information genutzt und die synchronen Lerneinheiten für Feedback und den direkten Austausch eingesetzt. Dadurch werden die Stärken beider Formate kombiniert. Die Grundidee ist, dass sich das Wissen durch die Ergänzung von unterschiedlichen Lernformaten besser verankert. Wenn Sie vor der Entwicklung eigener asynchroner Veranstaltungen zurückschrecken, kann Blended Learning ein erster einfacher Schritt ins asynchrone digitale Lehren sein. Denn Blended Learning-Veranstaltungen lassen sich auch ohne großen technischen Aufwand und Equipment umsetzen: Sie schicken Teilnehmenden zum Beispiel vor einem Präsenzseminar ein kurzes Video mit einer Begrüßung und einer kleinen Vorbereitungsaufgabe oder einen Link zu einer Online-Abfrage. 150 Eine weitere Möglichkeit ist es, Ihren Seminarteilnehmenden eine Transferaufgabe im Präsenzseminar zu stellen deren Ergebnis diese auf eine Online-Plattform hochladen. Eine besondere Form des Blended Learnings die sich im Jahr 2020 rasant verbreitet hat ist das hybride Lernen . Nicht alle Teilnehmende können vor Ort beim Seminar dabei sein, Sie möchten aber dennoch nicht auf das Präsenzformat verzichten? Warum übertragen Sie das Seminargeschehen nicht einfach via Livestream? Hybrides Lernen ermöglicht die Kommunikation und gemeinsame Auseinandersetzung mit Lernstoff zwischen Lernenden vor dem Computer und im Seminarraum. Wenn Sie ein größeres Publikum erreichen möchten, erfordert dies einiges an technischen Aufwand. Es empfiehlt sich auf diesem Fall Unterstützung im Seminarraum zu haben, die sich professionell um Kamera und Ton kümmert. Zudem erfordern die Beiträge der Teilnehmenden, die nicht direkt im Raum sind, eine Moderation. Bei größeren Vorträgen habe ich deshalb zusätzlich zum Technikteam eine Assistenz, die den Chat betreut. 150 Dazu können Sie kostenfreie Portale wie z.B. UmfrageOnline.com oder sur-veymonkey.com nutzen <?page no="252"?> 14 Dokumentation von Trainingsergebnissen Während oder nach einer Veranstaltung werden Flipcharts oft abfotografiert und im Anschluss chronologisch in eine PowerPoint-Präsentation eingefügt. In dieser Form werden sie als Fotoprotokoll versendet 151 . Tipp: Wandeln Sie die Präsentation vor dem Versenden in eine PDF um - dies verkleinert das Datenvolumen und schützt die Dateiformatierung. Falls die Datenmenge dennoch zu groß ist, empfiehlt es sich, diese auf eine Transferplattform 152 hochzuladen und den Teilnehmenden einen Link zum Download zu senden. Fotografieren Sie dazu während der Veranstaltung nacheinander Ihre Medien (Flipcharts, Metaplanwände, etc.). Achten Sie dabei darauf, dass alles leserlich ist, und machen Sie von großen Stellwänden ggf. mehrere Bilder. Wenn Ihre Teilnehmenden einverstanden sind machen Sie auch Bilder von Übungen - diese garantieren, dass Ihr Protokoll danach geöffnet wird. Schließlich sind die Teilnehmenden neugierig, auf welchem Bild sie zu sehen sind. Folgende Punkte können Sie auf dem Fotoprotokoll noch ergänzen: Titel der Veranstaltung Datum Ihren Namen und Ihre Kontaktdaten Themenabschnitte Bei Online-Seminaren versende ich als Dokumentation normalerweise einfach die Präsentation, die ich verwendet habe, als PDF und füge noch Screenshots oder PDFs von den erarbeiteten Ergebnissen (z.B. Whiteboards oder Abfragen) hinzu. 151 Bei Powerpoint gibt es dazu die praktische Funktion Fotoalbum unter dem Menüpunkt Einfügen. 152 Wie z.B. WeTransfer oder TransferNow <?page no="253"?> 15 Extra: Als Trainer auf dem freien Markt Nein, dieser Abschnitt hat nicht direkt etwas mit Didaktik zu tun, und doch sind die Inhalte für freiberufliche Trainer existenziell und sorgen bei meinen Trainerausbildungen immer wieder für reichlich Gesprächsstoff. 15.1 Das Trainerprofil online und offline Achtung Werbung! Ein Trainerprofil ist das Äquivalent zum Lebenslauf bei einer Bewerbung. Freie Trainer, die bei neuen Kunden für sich werben, werden von den Verantwortlichen in der Personalabteilung oft nach ihrem Trainerprofil gefragt. Dieses Kapitel möchte Ihnen einen kurzen Einblick geben, wie Sie ein Trainerprofil aufbauen und auf was Sie achten sollten. Ich empfehle Ihnen zusätzlich auf Entdeckungsreise im Internet zu gehen. Begutachten Sie einfach die Homepages von Kollegen und lassen Sie sich inspirieren, wie diese ihr öffentliches Profil gestaltet haben, und überlegen Sie sich, was Sie gerne so oder ähnlich machen möchten. Bei Freiberuflern findet sich das Trainerprofil normalerweise auf der Homepage unter dem Reiter „über mich“. Sowohl Angestellte als auch Freiberufler nutzen parallel die Möglichkeit, das eigene Profil online auf Business-Portalen 153 vorzustellen. Dort sind die einzugebenden Daten vorstrukturiert. Daneben gibt es zahlreiche Portale für Trainer, auf denen Sie sich teils kostenfrei, teils kostenpflichtig listen lassen können. Gerade teure Angebote sollten jedoch wohlüberlegt werden, da diese keineswegs „Selbstläufer“ sind. Wer erwartet, dass er allein durch solch einen Eintrag Anfragen von neuen Kunden erhält, wird oft enttäuscht. Oft kommt der Kontakt zum Kunden auf einem anderen Weg zustande. Sie lernen sich auf einer Veranstaltung kennen oder der Kunde hat eine Empfehlung erhalten und spricht Sie an. Wenn dann vom Trainerprofil die Rede ist, wird erwartet, dass Sie ein einbis zweiseitiges aussagekräftiges Dokument versenden. Wir unterscheiden beim Trainerprofil also zwischen 1. einem öffentlich sichtbaren Profil im Internet und 2. einem Dokument, das einen bestimmten Adressaten hat Das Trainerprofil ist nicht einfach ein Lebenslauf. Niemanden interessiert, in welchem Jahr Sie Abitur gemacht haben (außer vielleicht Sie sind noch sehr jung und diese Erfahrung liegt noch keine 5 Jahre zurück). Ansonsten 153 Neben dem international am häufigsten genutzten Portal LinkedIn ist in Deutschland Xing weitverbreitet. <?page no="254"?> 254 15 Extra: Als Trainer auf dem freien Markt zählen beim Trainer vor allem seine spezifischen Kenntnisse und seine Erfahrung. Außerdem interessieren sich viele noch dafür, wie, wo und von wem ein Trainer sein Trainerhandwerk gelernt hat und mit welchen Weiterbildungen er sich spezialisiert hat. Was muss rein? Als Trainer werden sie normalerweise engagiert, um ein Problem zu lösen. Das Trainerprofil dient Ihrer Vermarktung, sollte also klar und deutlich Ihre Problemlösekompetenz zeigen. Das tun Sie durch ausgewählte Stationen Ihrer Vita. Glaubwürdigkeit gewinnt dies, wenn Sie konkrete Trainingsprojekte beschreiben. Dabei zeigen Sie exemplarisch auf, wie Sie Herausforderungen anderer Unternehmen durch Trainings gelöst haben. Großartig ist es, wenn Sie dabei auf konkrete Resultate verweisen können, zum Beispiel die Reduktion einer Fehlerquote oder Ähnliches. Sie können dies auch direkt mit Referenzen 154 des jeweiligen Kunden verbinden. Das könnte zum Beispiel so aussehen: Kundenservicetraining des Servicedesks der Quality GmbH im Mai 2020. Geschäftsführer Herr Rombach: „Unsere Mitarbeiter waren sowohl von den Gruppentrainings als auch vom Training on the Job begeistert. Durch die Unterstützung von Herrn Kofi Baffoe hat sich die Servicequalität deutlich verbessert, was unsere letzte Kundenbefragung bestätigt.“ Auch wenn es frustrierend ist: Am meisten Beachtung bei einem Trainerprofil findet erfahrungsgemäß Ihr Foto . Nutzen Sie keinesfalls irgendein Passbild oder altes Bewerbungsbild, sondern achten Sie darauf, dass Sie ein sympathisches professionelle Bild nutzen, welches eine Aussagekraft über Ihr Wirken beinhaltet. Möglichkeiten dazu sind z.B.: o Lassen Sie sich von einem Fotografen bei der Arbeit begleiten. Dazu brauchen Sie ggf. die Zustimmung Ihres Auftraggebers und Ihrer Teilnehmenden. Alternativ können Sie auch für Sie typische Trainingsutensilien mit ins Fotostudio nehmen, zum Beispiel einen Flipchartmarker oder Moderationskarten. o Zeigen Sie sich bei einer Tätigkeit, die Ihr Thema repräsentiert oder Ihre Expertise metaphorisch ausdrückt. Wenn Sie anderen zur Entspannung verhelfen, kann es Sie zum Beispiel im Lotussitz meditierend zeigen, oder wenn es um Selbstorganisation geht an einem wunderbar geordneten Arbeitsplatz, wie Sie eine Kleinigkeit zurechtrücken. Wenn es um das Erreichen eines Ziels geht, kann es Sie auch als Gipfelstürmer auf einem Berg zeigen. o Zeigen Sie sich mit einem Gegenstand (bspw. einem Werkzeug) oder in einem Umfeld (wie in der Produktion), welches das Branchenumfeld 154 Natürlich können Sie die Referenzen auch separat aufführen <?page no="255"?> 15.1 Das Trainerprofil online und offline 255 Ihrer Zielgruppe repräsentiert. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt - natürlich sollte auf dem Bild nicht offensichtlich das Produkt oder der Betrieb des Mitbewerbers sichtbar sein. o Wenn Sie regionale Kunden ansprechen möchten: Wählen Sie ein Bild, das Ihre regionale Verbundenheit zeigt - zum Beispiel vor einem Gebäude, das als Wahrzeichen wiedererkannt wird. Bei aller Kreativität achten Sie unbedingt darauf, dass Ihr Bild hochwertig und professionell ist und auf keinen Fall nach einem Schnappschuss im Urlaub aussieht. Bezüglich Ihrer eigenen Schönheit und Jugend hingegen können Sie sich etwas entspannen. Natürlich sollten Sie präsent und attraktiv wirken, doch vermeiden Sie alles was nach Beautyfilter aussieht. Manche Fotografen neigen vor allem bei Frauen dazu, sie mit wehendem Haar und möglichst sexy abbilden zu wollen - dies lässt Ihre Kompetenzwirkung jedoch direkt auf das Nullniveau absinken. Formulieren Sie eine Kernbotschaft , ein Motto oder ein Leitbild Ihres Trainings . Bringen Sie einfach mit wenigen Worten auf den Punkt, was Sie ausmacht oder welcher Grundgedanke Sie leitet. Vielleicht sind das einfach drei Worte oder ein Zitat. Zur Verdeutlichung, hier ein paar Beispiele: o Kyssla Konz - Prozessmanagement von A-Z o Farzad Frei - Veränderung beginnt im Kopf o Irene Mann - Die Ideenmacherin o Kevin Klein - zielgerichtet, klar, verbindlich o Mia Frey - Konflikte verstehen und wirksam beilegen Nein, dieser Punkt ist kein „must-have“, aber kann Ihren Kunden eine Orientierung geben und hat Wiedererkennungswert. Manche Trainer wählen hier auch Titel wie Deutschlands erfolgreichster/ bester/ bekanntester Trainer. Mich persönlich schreckt das immer eher ab, wenn ich solche Bezeichnungen lese, und wenn ich den Trainer persönlich kenne, dann schäme ich mich auch ein wenig fremd (muss der so angeben? ) ... aber das ist natürlich Geschmackssache und es gibt sicher Kunden, für die genau dieser Satz den Ausschlag gibt, da er ja auch suggeriert, dass man bei der Trainerwahl hier nichts falsch machen kann. Ihre Feldkompetenz zeigen Sie durch den Nachweis von Branchenerfahrungen . Wenn ich zum Beispiel für Versicherungen und Banken arbeite, weise ich immer darauf hin, dass ich selbst zu Beginn meiner Karriere drei Jahre bei einer Versicherung gearbeitet und berufsbegleitend eine dementsprechende Ausbildung absolviert habe. Aber Achtung: Je nachdem in welchem Umfeld Sie arbeiten, sollten Ihre Referenzen vom Mitbewerber möglichst weiter in der Vergangenheit liegen. Schließlich werden Sie auch zum möglichen „Spion“. Wenn Sie also zum Beispiel er- <?page no="256"?> 256 15 Extra: Als Trainer auf dem freien Markt folgreich Design Thinking 155 -Workshops in der Fahrzeugentwicklung für den einen Anbieter durchführen, kann das ein guter Grund für den anderen Anbieter sein, gerade deshalb nicht mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Schaffen Sie durch Zahlen Vertrauen: Wie viele Jahre Trainererfahrung bringen Sie mit? Wie viele Teilnehmende hatten Sie in Ihrer Karriere? Wie viele Trainings haben Sie bereits im angefragten Thema absolviert? Wenn Sie jetzt erschrecken „Oh je. ... ich weiß gar nicht genau, wieviel Teilnehmende ich in den letzten Jahren beglückt habe“, dann behelfen Sie sich mit einer realistischen Schätzung. Seien Sie ehrlich, aber nicht pedantisch, es reicht ein „rund 1000 Teilnehmende“ oder „mehr als 100 Seminare“. Haben Sie auch so einen Ordner, in dem Sie alle Zeugnisse, Zertifikate und Auszeichnungen sammeln? Das ist schon einmal die halbe Miete - wenn nicht, fangen Sie an zu suchen. Nun gilt es nämlich eine Liste anzufertigen mit all den Orden, die Sie sich verdient haben. Bitte lassen Sie sich nicht verleiten, jede halbtägige Veranstaltung, die Sie vor 10 Jahren besucht haben, aufzuführen, sondern suchen Sie das aus, was für Ihren Auftraggeber wirklich bedeutsam ist. Sie können die Liste zum Beispiel folgendermaßen chronologisch anlegen: 2020 zertifizierter Online-Trainer - IHK Dortmund 2018 Moderationsausbildung - Moderatio GmbH Frankfurt 2015 Preisträger - innovativstes Kommunikationstraining - deutscher Trainerkongress Berlin 2015 Zertifizierte Wirtschaftsmediator - BMWA (Bundesverband Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt e.V.) 2007 Ausbildung systemischer Berater - Prof. F. Schröder, Heidelberg Alles was darüber hinaus geht und wofür es ggf. keine „vorzeigbaren Zertifikate“ gibt, die Sie einreichen möchten, können sie z.B. folgendermaßen zusammenfassen: Weiterbildungen im Bereich Transaktionsanalyse und themenzentrierte Interaktion. Unter der Überschrift Teilnehmerstimmen und Referenzen können Sie entweder anonymisiert oder, bei Zustimmung der genannten Personen, Zitate derselben aufführen. Personalisierte Teilnehmerstimmen wirken immer glaubhafter. Wenn Sie gerne Teilnehmerstimmen sammeln möchten, dann fragen Sie doch einfach beim Austeilen Ihrer Feedbackbögen, ob Sie die Zitate nutzen dürfen. Oder Sie fragen einzelne Teilnehmende, ob sie Ihnen im Anschluss eine Mail mit einem kurzen Feedback senden würden, das Sie als Teilnehmerstimme veröffentlichen dürfen. 155 Design Thinking ist ein von Terry Winograd, Larry Leifer und David Kelley entwickelter Ansatz zum Lösen von Problemen und zur Kreation neuer Ideen. <?page no="257"?> 15.1 Das Trainerprofil online und offline 257 Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, Referenzen zu sammeln. Die niedrigschwellige ist, das Unternehmen zu fragen, ob man es als Referenz benennen darf. Bei Zustimmung dürfen Sie den Namen des Unternehmens in einer Liste mitaufführen. Etwas hochschwelliger ist die Frage, ob man das Logo in der Referenzliste (und auf der Homepage) nutzen darf. Hier dauert es je nach Unternehmensgröße oft etwas länger, bis eine Zustimmung erfolgt. Seien Sie nicht gekränkt, wenn diese nicht erfolgt. Dies ist meist keine Entscheidung aufgrund Ihrer Person, sondern eine Grundsatzentscheidung des Unternehmens. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das Sammeln von Referenzen Überwindung kostet. Auch die Kunden tun sich bei allem guten Willen oft schwer, eine Referenz zu schreiben. Einmal wurde ich sogar gefragt: „Können Sie da was vorformulieren? “. Wenn Sie noch keine Referenzen und Teilnehmerstimmen haben, fangen Sie an zu sammeln. Das ist genauso selbstverständlich, wie ein „Zwischenzeugnis“ vom Arbeitgeber zu erfragen. Wenn Sie um Formulierungshilfe gebeten werden, hier ein paar hilfreiche Satzanfänge Herr / Frau ... hat in unserem Haus erfolgreich das Training X/ Y durchgeführt. Die Resonanz der Teilnehmenden war ... Die Maßnahme hat uns bei ... geholfen. Wir haben Herrn/ Frau ... als ... erlebt ... Noch ein letztes Wort: Im Sinne des Datenschutzes sollten Sie auf Nummer sicher gehen. Fragen Sie ausdrücklich nach der Zustimmung, beschreiben Sie genau, für was Sie die Zitate und Referenzen nutzen möchten. Wenn Ihnen Rechtssicherheit in diesem Punkt besonders wichtig ist, lassen Sie sich die Zustimmung mit Unterschrift bestätigen. Und natürlich dürfen Ihre Teilnehmenden und Kunden jederzeit Widerspruch einlegen. Kostproben Ihres Könnens - Gibt es online vielleicht Videos von Ihnen, die zum Thema passen, oder haben Sie anderen Content, wie Fachartikel, der Ihr Können beweist? Dann verweisen Sie auf jeden Fall darauf. Vielleicht sind Sie sogar Autor von Fachartikeln oder eines Fachbuchs. Das sollte auf keinen Fall unerwähnt bleiben. Wichtig: Vergessen Sie nicht, Ihre Kontaktdaten (utzen Sie dazu Kopf- oder Fußzeile) Für das Dokument, das Sie an Interessenten schicken gilt: Es gibt nicht das EINE Trainerprofil. Ihr Trainerprofil online ist für alle gleichermaßen ersichtlich. Doch wenn Sie gebeten werden ein separates Dokument einzureichen, schicken Sie Ihr Trainerprofil nie einfach raus, ohne es zuvor noch einmal zu checken und entsprechend zu überarbeiten. Gerade wenn Sie in unterschiedlichen Branchen tätig sind oder Sie verschiedene Themen trainieren, sollten Sie das Trainerprofil jedes Mal anpassen. Fragen Sie sich: Welches Problem soll ich für den <?page no="258"?> 258 15 Extra: Als Trainer auf dem freien Markt Kunden lösen? Durch welche Erfahrungen mache ich meine Problemlösungskompetenz sichtbar? Was ist für den Kunden ansonsten noch interessant? Was spricht aus seiner Sicht für mich und sollte hier erwähnt werden? Nutzen Sie dabei idealerweise auch Begriffe, die bei der Anfrage an Sie genutzt wurden, so dass der Leser Ihre Erfahrungen nicht erst „übersetzen“ muss. 15.2 Preiskalkulation Einer meiner Lehrtrainer formulierte es einmal folgendermaßen: Wir bieten nicht Seminare an, um Geld zu verdienen, sondern wir benötigen Geld, um weiterhin großartige Seminare anbieten zu können. Es ist wie in vielen anderen freien Berufen - nur sehr wenige Experten verdienen wirklich viel Geld. Kaum ein Thema führt in Trainerausbildungen zu größeren Diskussionen als das Thema Preis. Dabei werden oft die Monatsgehälter von Festangestellten auf Tage heruntergerechnet und mit den Tagessätzen von freiberuflichen Trainern verglichen. Krankenversicherung, Rentenbeiträge und sonstige Kosten, die normalerweise selbstverständlich vom Arbeitgeber mitfinanziert werden, werden geflissentlich übersehen. Ein Trainer, der gute Qualität liefern möchte, muss Zeit zur Vor- und Nachbereitung haben. Zudem braucht er Dienstleister, die ihm das selbstständige Trainieren ermöglichen: Ansonsten beschäftigt er sich nachts und am Wochenende mit der Buchhaltung, der Gestaltung der Homepage, dem Druck von Unterlagen und dem Marketing. Dass dies langfristig nicht zu einer Verbesserung der Qualität führt, dürfte klar sein. Zudem sollte ein Trainer die Anzahl der Trainingstage so planen, dass genug Zeit für Vor- und Nachbereitung bleibt, und die finanzielle Situation sollte es zulassen, dass nicht jedes Training angenommen werden muss. So viel zur Theorie. Auf der anderen Seite steht die freie Marktwirtschaft, und nicht jedes Unternehmen ist bereit, die erforderlichen Preise zu zahlen. Als erste Orientierung können hier die Honorarstudien 156 dienen oder die Empfehlungen der jeweiligen Berufs- und Interessenverbände. Der BDVT 157 formulierte 2020 die Empfehlung, dass für ein Training ohne eigene Akquise und ohne eigene Konzeption ein Tagessatz ab 950 € für Starter und ab 1.100 € für Professionals für ein Training mit Standard-Inhalten berechnet werden. Dazu kommen Konzeption, Vor- und Nachbereitung von Trainings (berechnet mit einem Tagessatz ab 1.500 €). Jeweils zusä t zlich zu berü c ksichtigen 156 Weiterbildungsszene Deutschland 2019 - Honorar- und Gehaltsstudie für Trainer, Berater und Coachs, März 2019 157 Der Berufsverband für Training, Beratung und Coaching www.bdvt.de veröffentlicht seit 2012 Honorarempfehlungen. Anzumerken ist, dass Trainer, die bei öffentlichen Bildungsträgern arbeiten oftmals nur Tagessätze unter 500 € inklusive Vor- und Nachbereitung erhalten. <?page no="259"?> 15.2 Preiskalkulation 259 sind: Mehrwertsteuer, Spesen, Anreise am Vortag, Anreisekosten und Anreisezeiten, Raumkosten, ggf. besondere Trainingsmaterialien, Verpflegung sowie die Kosten fü r Dokumentation. Bei der Zusammenarbeit mit Bildungsanbietern zeigt sich, dass hier die Tagessätze sehr viel geringer ausfallen. Das Schlusslicht bilden hier die Honorare der Volkshochschulen, die selten mehr als 500 € als Tagessatz zahlen. Auch bei den kirchlichen Trägern werden Business Trainings meist nur mit 700-1000 € Tagessatz honoriert. <?page no="261"?> 16 Anhang 16.1 Kurze Checkliste zur schnellen Trainingsvorbereitung Der Trainingsleitfaden oder zumindest ein kurzer Ablaufplan steht Die Teilnehmenden sind eingeladen und allen sind Zeit und Ort (bei Online-Trainings: Zugangsdaten) bekannt. Bei Trainerteams: Die Aufgaben sind klar verteilt. Der Raum ist verfügbar und ggf. gebucht. Die Beziehungen der Teilnehmenden zueinander sind berücksichtigt. Falls Methoden nicht funktionieren, haben Sie Alternativideen Die Medien und das Material sind vorbereitet. Die Agenda ist vorbereitet Ggf. sind Getränke/ Bewirtung bestellt. Sie haben genug Zeit den Raum (oder die Online-Plattform) vorzubereiten Die Technik funktioniert 16.2 Taxonomien für den psychomotorischen und affektiven Bereich Neben der Lernzieltaxonomie im kognitiven Bereich gibt es die affektive und psychomotorische Taxonomie. Auch in diesen Lernbereichen werden aufeinander aufbauende Stufen unterschieden. Während es dabei im psychomotorischen Bereich um das Automatisieren von körperlichen Bewegungsabläufen geht, stehen im affektiven Bereich Motivation und persönliche Gefühle und Bewertungen im Vordergrund. Die affektive Lernzieltaxonomie hat im Businessbereich besonders in Bezug auf die Übernahme von Werten und Leitbildern des Unternehmens Bedeutung. <?page no="262"?> 262 16 Anhang Abbildung 28: Psychomotorische Taxonomie Abbildung 29: Affektive Taxonomie 16.3 Beispiel für eine Erwartungsabfrage vorab per Fragebogen Im geplanten Online-Training werden wir verschiedene Themen bearbeiten und Strategien im Umgang mit schwierigen Gesprächssituationen am Telefon erarbeiten. Damit diese passend, hilfreich und umsetzbar für Sie sind, Naturalisierung intuitives Anwenden Handlungsgliederung - Koordination verschiedener Bewegungsabläufe Präzisierung - Größere Genauigkeit beim Ausführen der Bewegungsabläufe Manipulation - Ausführen bestimmter Bewegungen nach Instruktion Imitation - Nachahmung von beobachteten Bewegungs- und Handlungsabläufen Verinnerlichung - Integration des Werts in die eigene Persönlichkeit Werteordnung - Aufbau eines individuellen Wertesystems, Hierarchisierung eigener Überzeugungen Wertung - Dingen und Handlungen einen (emotionalen) Wert beimessen Wertbeantwortung- Handeln nach erkannten bzw. bekannten Wertevorstellungen Imitation - Erkennen, dass bestimmte Dinge oder Verhaltensweisen von Mitmenschen bewertet werden <?page no="263"?> 16.3 Beispiel für eine Erwartungsabfrage vorab per Fragebogen 263 benötige ich vorab einige Informationen von Ihnen: Umso detaillierter Sie Auskunft geben, umso besser kann die Schulung auf Ihre Situation eingehen und individuelle Strategien für Ihre Situation anbieten. Ihre Antworten werden anonymisiert und nur zum Zwecke der Schulungsvorbereitung genutzt. Bitte antworten Sie spontan und bei offenen Fragen mit Stichworten oder kurzen Sätzen - die Umfrage dauert nicht länger als 10-15 Minuten. Falls Sie Fragen haben oder Hilfe benötigen, zögern Sie bitte nicht, mich direkt zu kontaktieren! Wie viele berufliche Telefonate führen Sie täglich? Wie viel Prozent davon empfinden Sie als herausfordernd? Welches der folgenden Themen erscheint Ihnen besonders relevant für Ihre tägliche Arbeit? (Mehrfachnennungen sind möglich) Der Ton macht die Musik - Stimme und Sprechtechnik am Telefon. Durch Stimme eine positive Stimmung schaffen und Sicherheit vermitteln. Struktur des Telefonates und Standards der modernen Telefonie. Aktive Gesprächsführung leicht gemacht. Aktives Zuhören und Fragetechnik. Klartext aber kundenorientiert - einfache, kundenorientierte Formulierungen als Ausdruck der eigenen Haltung und zur Verbesserung der Kommunikation und Außenwirkung. Umgang mit Stress und schwierige Gesprächssituationen psychologisch geschickt meistern. Welche Eigenschaften/ Verhaltensweisen eines Gesprächspartners empfinden Sie als schwierig? Bitte wählen Sie nur Optionen aus, die Sie bei der Arbeit auch tatsächlich erleben (Kreuzen Sie an! Mehrfachnennungen sind möglich) Arroganz hohe Lautstärke hörbare Verzweiflung Hartnäckigkeit persönliche Angriffe Vielredner Bitte schildern Sie in wenigen Worten eine typische herausfordernde Situation am Telefon aus Ihrem Arbeitsalltag: Was tun Sie bisher im Umgang mit schwierigen Situationen? <?page no="264"?> 264 16 Anhang Welche Fallbeispiele sollen wir in der Schulung besprechen? Was ist Ihnen in Bezug auf die Zusammenarbeit mit mir als Telefontrainerin wichtig? Welche der folgenden Kommunikationsmodelle sind Ihnen bekannt? (Kreuzen Sie an! Mehrfachnennungen sind möglich) Sender-Empfänger-Modell (Shannon Weaver) Eisbergmodell 4-Seiten-Modell (Schulz von Thun) Transaktionsanalyse (Bern) Inselmodell (Birkenbihl) Wann hatten Sie Ihr letztes Telefontraining? <?page no="265"?> Stichwortverzeichnis Ablaufplanung 231 ackernde Agathe Namensspiel Kennenlernen Adressatenorientierung didaktische Prinzipien 115 Agenda 189 agil 21, 22 aktives Zuhören 85 Ambiguität 20 Arbeitsblatt (online) 139 Arbeitsgedächtnis 106 asynchrones Lernen 248 Auflockerung nach der Mittagspause 193 Aufmerksamkeitskurve 136 Auftragsklärung 118 Ausstellung 198 Bedarfsanalyse 118 Berater 27 betreutes Lesen 165 Bezugswissenschaften 30 Bilder 107 Bildkarten 175 Blended Learning 251 Blitzlicht 174 Breakout-Room 154 brennendes Interesse 144 Brief an mich selbst 198 Buntstifte 226 Business-Trainer 27 Buzzer me 143 Clustern 176 Coach 26, 27 Corpus Callossum 111 Design Thinking 184 didaktisch methodische Kompetenz 30 didaktische Prinzipien 114 didaktische Reduktion 125 digital 21 digitale Kompetenz 35 Diskonnektionssyndrom 111 diskriminierungsfreie Sprache 55 Dokumentation von Trainingsergebnissen 252 Dozent 27 Dunning-Kruger-Effekt 99 Einzelarbeit 168, 207 Erwartungsabfrage 187, 262 Exemplarisches Lernen didaktische Prinzipien 115 Experimente 158 Expertenaustausch auf der Wissensmesse 170 externes Training 240 extrinsische Motivation Motivation 58 extrinsiv cognitiv load 107 Fachkompetenz 30 Fallarbeit 167 Feedback im Abgleich mit der Erwartungsabfrage 198 <?page no="266"?> 266 Feinlernziel Lernziel 127 Feldkompetenz 32 Flipcharts 219 Foliengestaltung 216 Fragebogen 262 Fragebogen Erwartungsabfrage 188 Fragen Gruppensteuerung 81 Gamification 137 Gedächtnisformen 103 Gehirnhälften Trainingsmythen 111 gendern 55 Glaubenssätze 105 global 21, 23 Grafiken 108, 215 Groblernziel Lernziel 127 Grundbedürfnisse 73 Bedürfnis 57 Gruppe 71 Gruppenarbeit 210 Gruppenbild 196 Gruppenbildung 211 Gruppendynamik 78 Gruppenerleben im digitalen Raum 195 Gruppensteuerung 81 Handlungskompetenz 124 Handlungsorientierung didaktische Prinzipien 116 Hebbsches Gesetz 112 Hemisphären Modell 111 heterogene Gruppe 71 heterogene Gruppen 54, 169 Hirnregionen 103 homogene Gruppe 71 homogene Gruppen 54 Hospitation 46, 68, 118 hybrides Lernen 251 Ich-Botschaft 96 Inhousetraining 240 innerer Schweinehund 113 Instructional Scaffolding 25 Intrinsische Motivation Motivation 58 intrinsiv cognitiv load 108 Kamera an/ aus 196 Kanban 184 Kanbanboard Kanban 184 Kartego 146 Kartenabfrage 175 Kennenlernen Methoden 189 Kompetenz-Check 39 Kompetenzentwicklung 97 Komplexität 20 Kontroversität didaktische Prinzipien 115 Körperkontakt 195 Lampenfieber 34 Landkarte 181 Langzeitgedächtnis 106 Learning on Demand 251 Stichwortverzeichnis <?page no="267"?> 267 Lehrgespräch 164 Lernen 97 Lernmanagementsysteme (LMS) 248 Lernmotivation 55, 56 Lerntypen 108 Lernziel 123 Lernzielbereiche Lernziel 128 Lernzielkontrollen Lernziel 128 Lesen 168 Materialgestaltung 106 Materialien im Training 225 Mediator 28 Medien 87 Mediengestaltung 106 Mehrpunkt-Frage 177 Metapher 160 Metaplanwand Pinwand 218 Methoden 135 Methodenwechsel 136 Microlearning 250 Mikro-Lernen 250 Moderation 172 Moderation 3D serious play 186 Moderation heute 184 Moderationskarten 227 Moderationsmarker 226 Moderationsmethoden digital 183 Moderationsschrift Schrift 221 Moderationszyklus 181 Moderator 26, 28 Morgenmagazin 147 Motivation 55 Praxistipp 66 Multiple-Choice-Aufgaben 139 Murmelrunde 143 Nervenzellen (Neuronen) 110 Nuggets 250 Offenes Training 240 Online-Abfrage 251 Online-Didaktik 242 Online-Quiz 140 Organisationsentwickler 28 paraphrasieren 85 Partner- und Gruppenarbeit online 213 Partnerarbeit 208 Partnerinterview kennenlernen 190 Partyeffekt 104 phonologische Schleife 106 Plastizität des Gehirns 110 Post-It 184 Post-It Übungen 195 Präsentation 164 Präsentationskompetenz 33 Präsentationsmedien 107 Präsenztraining 240 Praxisübungen 147 Praxisbezug 68 Stichwortverzeichnis <?page no="268"?> 268 Preiskalkulation 258 Prinzip der dualen Kodierung 108 Prinzip der räumlichen Nähe 108 Problemorientierung didaktische Prinzipien 115 Projektarbeit 154 Rahmen 224 Raum 92 räumlich visueller Notizblock 106 Referent 26, 27 Referenzen 256 Reflexion 118 Regeln für die digitale Zusammenarbeit 244 Reporting nach dem ToJ 206 Rhythmisierung 125, 243 Richtlernziel Lernziel 127 Rollen klären 87 Rollenkarten Rollenspiel 152 Rollenspiel 148, 152 Rück-Blick auf die Agenda 198 Sag es mit einem Bild 196 Schatztruhen 168 Schemata 107 Schreibtisch und Raum nutzen 197 schwierige Situationen 81 Störungen 94 Scrum 184 Selbstkompetenz 38 Selbstwirksamkeit 69 Seminar-Designer 48 simultane Darstellung 107 smarte Ziele 206 Sozialformen 207 Sozialkompetenz 37 Soziometrie 180 Speaker 28 Spiegelneuronen 67 Spielregeln Regeln 89 Spotlightfunktion 154 Standup-Meeting 184 statische Karten 184 Störungen 80 schwierige Situationen 88 Story of my name Namensspiel Kennelernen Storytelling 160 Supervisor 28 Symbole 224 Synapsen 110 synchrones Lernen 239 synchrones Online-Training 241 Taxonomie Lernzieltaxonomie 131 Taxonomien für den psychomotorischen und affektiven Bereich 261 Teamentwicklung 72 Teamphasenmodell 74 Teamuhr 73 technische Möglichkeiten Online- Training 245 Stichwortverzeichnis <?page no="269"?> 269 technische Probleme Online- Training 246 Teilnehmermotivation 55 Motivation 59 Teilnehmerspektrum 54 Teilnehmerstimmen 256 Teilnehmertypen 63 Textcontainer 224 Themenspeicher 173 themenzentrierte Interaktion 78 Trainer 27 Trainerkompetenzen 29 Trainerprofil 253 Trainerrolle 25 Training on the Job ToJ 201 Trainingsleitfaden 232 Trainingsmythen 111 Trainingsprotokoll ToJ 201 Trainingsvorbereitung Checkliste 261 Tuckman 73 T(w)o Shock 144 Unsicherheit 19 VAKOG 102 Verhaltensregeln siehe Regeln Vertiefungseinheit 235 Vertrag mit mir selbst 199 vier Faktoren der TZI 78 Visualisieren mit Medien 215 Visualisierung 86 Volatilität 19 Vorbereitungsaufgabe 169 Vortrag 164 VUKA-Welt 19, 20, 21, 23 Wahrheit oder Lüge Kennenlernen 192 Wahrnehmungsfilter 103 Wahrnehmungspositionen Rollenspiel 148 walk and talk 209 Warmer Rücken 200 Web Based Training (WBT) 248 Weg des Wissens 172 Whiteboard 219 Whiteboardfeedback online 153 Wissenschaftsorientierung didaktische Prinzipien 116 Wissens-Memory 144 Wissensnetz 109 Wissens-Puzzle 147 Workshop 181 Ziel Lernziel 123 Zurufabfrage 178 Zwickmühlen formulieren 95 Stichwortverzeichnis <?page no="270"?> Layout Layout ISBN 978-3-7398-3034-6 www.uvk.de ISBN 978-3-7398-3049-0 Personalentwickler, Trainer und Coachs werden von einer wahren Flut an Trends überspült und viele fragen sich, was bleibt eigentlich von der traditionellen Wissensvermittlung? In einer Arbeitswelt, die uns durch Globalisierung und Digitalisierung keine Konstante mehr bietet, und die exponentielle Zunahme an Wissen uns chronisch überfordert, sollen Seminare und Trainings Orientierung geben. Dieses Buch möchte Businesstrainern eine stabile Basis vermitteln, um so den Wellenritt auf den Trends der Zeit zu erleichtern, so dass sie mit den richtigen Techniken und etwas Mut und mit Freude die Geschwindigkeit des stetigen Wandels erleben können. Durch das Formulieren klarer Lernziele und die didaktische Reduktion werden Freiräume geschaffen, in denen Teilnehmer sich als erwachsene Menschen mit dem Lernstoff auseinandersetzen und so echte Orientierung gewinnen. Neben einem fundierten Überblick über Didaktik, Methodik, Formate und neuste Erkenntnisse aus der Lernforschung bietet das Buch einen Ausblick auf das Training der Zukunft und macht heutigen Trainern Mut, dass ihre Kompetenzen auch dann noch gefragt sein werden. Agathe Gandaa ist Trainerin aus Leidenschaft. Bereits in ihrem Studium der Sozial- und Verhaltenswissenschaften in Heidelberg konzipiert und leitet sie die ersten Seminare für Studierende. Nach dem Studium baut sie als Personalentwicklerin und Kommunikationstrainerin den Trainingsbereich eines Telekommunikationsunternehmens auf. Mit der Gründung des KommunikationsRaums in Düsseldorf erfüllt sie sich 2007 den Traum vom eigenen Trainingsunternehmen und unterstützt seither zahlreiche Organisationen aus der Wirtschaft sowie anerkannte Bildungsträger. Schwerpunkte sind Kommunikationstrainings, Maßnahmen zur Organisationsentwicklung und Teambuildings. Als Expertin für Erwachsenenbildung gilt ihr Engagement besonders der Aus- und Weiterbildung von Nachwuchstrainer: innen.
