Tourism NOW: Dark Tourism
Reisen zu Orten des Leids, des Schreckens und des Todes
0301
2021
978-3-7398-8054-9
978-3-7398-3054-4
UVK Verlag
Albrecht Steinecke
Auschwitz, Verdun und Tschernobyl - solche Schauplätze von Genoziden, Schlachten oder Katastrophen verzeichnen weltweit steigende Besucherzahlen. In seinem neuen Buch beleuchtet Albrecht Steinecke dieses befremdlich erscheinende Phänomen. Er geht dabei unter anderem auf die Geschichte des Dark Tourism ein, stellt unterschiedliche Typen dieser "dunklen" Orte vor und erläutert die Reisemotive - die vom Gedenken bis zur Sensationsgier reichen. Darüber hinaus beschreibt er die ökonomischen Effekte des Erinnerungstourismus und zeigt Wege auf, wie Destinationen auf angemessene Weise mit dem "dunklen" kulturellen Erbe umgehen können. Ein Praxisinterview gibt zudem tiefe Einblicke in dieses Tourismussegment.
<?page no="0"?> ISBN 978-3-7398-3054-4 www.uvk.de »Im Spannungsfeld von öffentlicher Kritik und wachsender Nachfrage - der Dark Tourism ist das populäre Stiefkind des internationalen Tourismusmarktes.« Auschwitz, Verdun und Tschernobyl - solche Schauplätze von Genoziden, Schlachten oder Katastrophen verzeichnen weltweit steigende Besucherzahlen. In seinem neuen Buch beleuchtet Albrecht Steinecke dieses befremdlich erscheinende Phänomen. Er geht dabei unter anderem auf die Geschichte des Dark Tourism ein, stellt unterschiedliche Typen dieser „dunklen“ Orte vor und erläutert die Reisemotive - die vom Gedenken bis zur Sensationsgier reichen. Darüber hinaus beschreibt er die ökonomischen Effekte des Erinnerungstourismus und zeigt Wege auf, wie Destinationen auf angemessene Weise mit dem „dunklen“ kulturellen Erbe umgehen können. Ein Praxisinterview gibt zudem tiefe Einblicke in dieses Tourismussegment. DARK TOURISM Albrecht Steinecke Albrecht Steinecke DARK TOURISM Reisen zu Orten des Leids, des Schreckens und des Todes Mit Experteninterview! 53054_Umschlag_bel.indd Alle Seiten 03.02.2021 12: 50: 43 <?page no="1"?> Albrecht Steinecke Tourism NOW Dark Tourism Reisen zu Orten des Leids, des Schreckens und des Todes 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 1 03.02.2021 11: 50: 02 <?page no="2"?> 53054_Seite_2-3.indd 1 10.12.2020 11: 32: 52 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 2 03.02.2021 11: 50: 07 <?page no="3"?> Albrecht Steinecke Reisen zu Orten des Leids, des Schreckens und des Todes Dark Tourism UVK Verlag • München 53054_Seite_2-3.indd 2 10.12.2020 11: 32: 54 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 3 03.02.2021 11: 50: 11 <?page no="4"?> Nach dem Studium in Kiel und Dublin war Prof. Dr. Dr. h. c. (BSU) Albrecht Steinecke zunächst Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin und der Universität Bielefeld. Zu den weiteren beruflichen Stationen zählten langjährige Tätigkeiten als Geschäftsführer des Europäischen Tourismus Instituts GmbH (Trier) und als Hochschullehrer an der Universität Paderborn. Auf der Grundlage seiner Forschungs- und Beratungserfahrungen hat er zahlreiche (teilweise preisgekrönte) Studienbücher zu aktuellen touristischen Themen verfasst (Destinationsmanagement, Internationaler Tourismus, Filmtourismus, Kreuzfahrttourismus, Tourismus, Parks und Gärten). Umschlagabbildung: © Pe3check · iStock | Verlassenes Riesenrad im Vergnügungspark in Prypjat (Ukraine) - etwa vier Kilometer von Tschernobyl entfernt. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. 1. Auflage 2021 © UVK Verlag 2021 - ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 2702-7821 ISBN 978-3-7398-3054-4 (Print) ISBN 978-3-7398-8054-9 (ePDF) ISBN 978-3-7398-0539-9 (ePub) Nach dem Studium in Kiel und Dublin war Prof. Dr. Dr. h. c. (BSU) Albrecht Steinecke zunächst Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin und der Universität Bielefeld. Zu den weiteren beruflichen Stationen zählten langjährige Tätigkeiten als Geschäftsführer des Europäischen Tourismus Instituts GmbH (Trier) und als Hochschullehrer an der Universität Paderborn. Auf der Grundlage seiner Forschungs- und Beratungserfahrungen hat er zahlreiche (teilweise preisgekrönte) Studienbücher zu aktuellen touristischen Themen verfasst (Destinationsmanagement, Internationaler Tourismus, Filmtourismus, Kreuzfahrttourismus, Tourismus, Parks und Gärten). Umschlagabbildung: © Pe3check · iStock | Verlassenes Riesenrad im Vergnügungspark in Prypjat (Ukraine) - etwa vier Kilometer von Tschernobyl entfernt. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. 1. Auflage 2021 © UVK Verlag 2021 - ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 2702-7821 ISBN 978-3-7398-3054-4 (Print) ISBN 978-3-7398-8054-9 (ePDF) ISBN 978-3-7398-0539-9 (ePub) 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 4 03.02.2021 11: 50: 12 <?page no="5"?> Vorwort „Denn die hier vor uns liegt, die Welt, und uns in süße Träume wiegt, so mannigfach, so wunderschön, so neu - lässt uns nicht Glück, noch Licht, noch Frieden sehen, noch gibt’s vor Schmerzen irgendeine Flucht.“ Matthew Arnold (1867) terben und Tod gehören zu den fundamentalen Gegebenheiten des menschlichen Lebens, die allerdings aus unserer alltäglichen Wahrnehmung weitgehend verdrängt worden sind. Eine Auseinandersetzung mit diesen existenziellen Fragen findet nicht mehr - wie noch vor wenigen Generationen - zuhause im Kreis von Familienangehörigen, Freunden und Nachbarn statt, sondern überwiegend in den anonymen Räumen von Krankenhäusern und Hospizen. Parallel zu dieser gesellschaftlichen und räumlichen Ausgrenzung der Moribunden ist der reale oder fiktive Tod fremder Menschen in den Massenmedien allgegenwärtig - in zahllosen Berichten über Kriegshandlungen, Terroranschläge, Morde etc., aber auch in populären Spielfilmen, TV-Serien und Kriminalromanen. Der Tod als soziales Tabu und zugleich als faszinierendes Thema: In diesem Spannungsfeld ist auch das Nischensegment des internationalen Tourismus zu verorten, das in diesem Band beschrieben wird - der Dark Tourism. Unter dem Begriff werden Reisen zu den Schauplätzen schrecklicher und brutaler Ereignisse zusammengefasst, an denen Menschen verfolgt wurden, leiden mussten bzw. gestorben sind. Das Spektrum reicht von KZ- und Genozid-Gedenkstätten über Schlachtfelder und Regionen, in denen Naturkatastrophen bzw. Nuklearunfälle stattgefunden haben, bis hin zu Friedhöfen und ehemaligen Gefängnissen. Obwohl solche Orte des Schreckens, des Leids und des Todes nicht dem üblichen Klischee einer unbeschwerten Urlaubsatmosphäre entsprechen, ist das touristische Interesse an „dunklen“ Einrichtungen in den vergangenen Jahrzehnten weltweit gestiegen. Einige dieser dissonanten Sehenswürdigkeiten haben sich sogar zu Besuchermagneten entwickelt, die jedes Jahr von Millionen Touristen besichtigt werden - z. B. das „Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau“ in Polen, das „National September 11 Memorial & Museum“ in New York oder das „Peace Memorial Museum“ in Hiroshima. Trotz seiner wachsenden Popularität handelt es sich beim Dark Tourism um eine umstrittene Art des Reisens, da den Touristen häufig makabre Motive wie Sensationslust und Voyeurismus unterstellt werden. Zahlreiche Studien sind jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass die Besucher „dunkler“ Einrichtungen überwiegend seriöse und respektable Gründe haben. Sie wollen selbst einmal am Ort des Geschehens stehen (der ihnen zumeist aus den Medien bekannt ist), dort der Opfer gedenken und sich über die Begebenheit informieren - und bei vielen führt die Konfrontation mit dem Tod Anderer auch zum Nachdenken über die Endlichkeit des eigenen Lebens. Die Tourismuswissenschaft hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zunehmend mit dem Phänomen des Dark Tourism beschäftigt (speziell im angloamerikanischen Raum): So S 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 5 03.02.2021 11: 50: 13 <?page no="6"?> 6 Tourism NOW : Dark Tourism weist die Suchmaschine Google Scholar gegenwärtig ca. 580.000 Einträge zu diesem Begriff aus. Trotz dieser Fülle an wissenschaftlichen Publikationen liegt im deutschsprachigen Bereich gegenwärtig keine Monographie vor, die einen knappen und zugleich umfassenden Überblick über das Thema vermittelt. Ziel des vorliegenden Bandes ist es, den aktuellen Stand der Forschung verständlich und anschaulich darzustellen - u. a. auch durch zahlreiche Beispiele aus der touristischen Praxis (es geht also nicht um einen Beitrag zur akademischen Diskussion über die theoretischkonzeptionellen Grundlagen des Themas). Angesicht der Vielzahl unterschiedlicher Einrichtungen und Angebote, die unter dem Dachbegriff des Dark Tourism zusammengefasst werden, ist eine exemplarische Vorgehensweise erforderlich. Die Darstellung wird sich deshalb auf folgende Typen von „dunklen“ Orten konzentrieren: Stätten des Holocaust und des Völkermords, Schlachtfelder, militärische Einrichtungen und Militärmuseen, Orte von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen, Slums, Townships und Armenviertel, Grabmale und Friedhöfe, ehemalige Gefängnisse, kommerzielle „dunkle“ Besucherangebote. Inhaltliche Schwerpunkte sind dabei jeweils die Zielsetzungen und Narrative der Betreiber, die Merkmale, Motive und Reaktionen der Besucher sowie die Möglichkeiten und Grenzen des touristischen Marketings und Managements. Bei meinen Arbeiten an diesem Buch bin ich auf vielfältige Weise unterstützt worden; dafür möchte ich mich bei allen Beteiligten herzlich bedanken: Prof. Dr. Jörg Skriebeleit (KZ-Gedenkstätte Flossenbürg) hat sich Zeit für ein ausführliches Interview genommen, in dem er über seine langjährigen Erfahrungen in der Gedenkstättenarbeit berichtet. Prof. Dr. Malte Steinbrink (Lehrstuhl für Anthropogeographie, Universität Passau) war so freundlich, den Exkurs zu Slums, Townships und Armenvierteln durchzusehen und konstruktiv zu kommentieren. Dipl.-Ökonom Rainer Berger (UVK Verlag, München) hat sich - wie bei anderen gemeinsamen Buchprojekten - als kreativer, kompetenter und zuverlässiger Ratgeber erwiesen. Mein besonderer Dank gilt jedoch - wieder einmal - meiner Frau Renate. Wir haben auf gemeinsamen Reisen viele „dunkle“ Orte besichtigt und unsere Eindrücke miteinander geteilt. Zuhause hat sie es weitgehend klaglos hingenommen, wenn ich in meinem Arbeitszimmer verschwand, um „eine Zigarre zu rauchen“ (d. h., mehrere Stunden lang ungestört schreiben zu können). Außerdem wurden meine Textentwürfe von ihr - als erster Leserin - formal und inhaltlich korrigiert; für etwaige Fehler bin allein ich verantwortlich. Ich danke ihr von ganzem Herzen für ihre Anregungen und vor allem für ihr großes Verständnis. Überlingen, im o e er 2020 Albrecht Steinecke 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 6 03.02.2021 11: 50: 13 <?page no="7"?> Inhalt Vorwort ........................................................................................................................................................5 1 Dark Tourism - das Stiefkind des internationalen Tourismus? ......................13 1.1 Historische Wurzeln des Dark Tourism ...........................................................................17 1.2 Dark Tourism - ein schillernder Begriff...........................................................................18 1.3 Angebotsspektrum und Schattierungen des Dark Tourism.........................................20 2 Stätten des Holocaust und des Völkermords .........................................................25 2.1 Von Opferorten zu Reisezielen - die Transformation von Relikten der NS-Vergangenheit ........................................29 2.2 Zwischen historischem Interesse und moralischer Verpflichtung - die Motive und Reaktionen der Besucher von NS-Gedenkstätten.........................32 2.3 Aufklärung oder Emotionalisierung - Herausforderungen für das Management und Marketing von NS-Gedenkstätten .........................................................................................................39 3 Über den angemessenen Umgang mit einem „dunklen“ Ort: Erfahrungen eines Praktikers ........................................................................................45 4 Schlachtfelder, militärische Einrichtungen und Militärmuseen ......................51 4.1 Persönliche Trauer und nationaler Heldenkult - die frühen Funktionen von Schlachtfeldern................................................................55 4.2 Der Geschichte verpflichtet - Schlachtfelder und Militäreinrichtungen als Orte der Versöhnung und des Lernens .....................................................................................................................59 4.3 Schlachten als Show und Business - die kommerzielle Nutzung von Kriegsschauplätzen .................................................66 5 Orte von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen ........75 5.1 Gedenken, Solidarität, Patriotismus - die Schauplätze von Terroranschlägen.........................................................................77 5.2 Zerstörung, Resilienz, Musealisierung - die Orte von Naturkatastrophen ....................................................................................86 5.3 Sarkophage, Geisterstädte, Naturparadiese - die Zonen von Nuklearunfällen......................................................................................93 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 7 03.02.2021 11: 50: 13 <?page no="8"?> 8 Tourism NOW : Dark Tourism Exkurs: Slums, Townships und Armenviertel ........................................................................ 103 I Slumtourismus - Armutspornographie oder Völkerverständigung? ................................................. 106 II Gleichgültigkeit, Stolz, Skepsis - die Reaktionen der Bereisten ....................................................................................... 109 III Cui bono? Wirtschaftliche, soziale und symbolische Effekte des Slumtourismus.................. 111 6 Grabmale und Friedhöfe ............................................................................................... 115 6.1 Begräbnisstätten als Sehenswürdigkeiten: Potenziale - Nutzungsarten - Effekte ........................................................................... 118 6.2 Konfrontation mit dem Tod oder Interesse an der Kultur? Erwartungen und Verhaltensweisen von Friedhofstouristen.................................. 126 6.3 Auf ewig unvergessen - der Totenkult um Prominente ..................................................................................... 130 7 Ehemalige Gefängnisse ................................................................................................ 137 7.1 Unterdrückung, Widerstand, Nationalstolz - die politischen Narrative von Haftanstalten ............................................................ 141 7.2 Information, Legitimation, Affirmation - die gesellschaftlichen Funktionen von Gefängnismuseen.................................... 148 7.3 Entertainment, Storytelling, Merchandising - ehemalige Gefängnisse als hyperreale Orte ............................................................. 154 8 Kommerzielle „dunkle“ Besucherangebote ......................................................... 159 8.1 Geister-, Gespenster- und Gruseltouren - die vergnügliche Begegnung mit dem Übersinnlichen.......................................... 161 8.2 Gruselerlebniswelten - das Geschäft mit der Angstlust.................................................................................... 166 8.3 „Dunkle“ Ausstellungen und Museen - zwischen Sensationsgier und Volksaufklärung....................................................... 172 9 Dark Tourism - Fazit und Ausblick ........................................................................... 179 Abbildungs- und Tabellennachweis ........................................................................................... 189 Literaturverzeichnis .......................................................................................................................... 193 Stichwortverzeichnis ........................................................................................................................ 215 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 8 03.02.2021 11: 50: 13 <?page no="9"?> 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 9 03.02.2021 11: 50: 13 <?page no="10"?> TRAUER ANGSTLUST VOYEURISMUS Mehr als 58.000 Namen sind in die Memorial Wall eingemeißelt - und jeder Name erinnert an das Schicksal eines Angehörigen der US-Streitkräfte, der im Vietnamkrieg (1955-1975) gefallen ist bzw. seitdem vermisst wird. Die Wand aus schwarzem, poliertem Granit steht im „Vietnam Veterans Memorial“ in Washington, D. C. und ist ein wichtiger Ort der persönlichen Trauer für Familienangehörige und Veteranen. Mit dem Doppeldecker in die Unterwelt - bereits seit den 1970er-Jahren werden in vielen Städten Geister-, Gespenster- und Gruseltouren veranstaltet (z. B. in der irischen Hauptstadt Dublin). Auf dem Programm dieser Edutainment- Angebote steht der Besuch von Schauplätzen, an denen schreckliche Ereignisse stattgefunden haben (Folter, Hexenverbrennungen etc.). Außerdem werden Orte besichtigt, um die sich finstere Mythen ranken (Friedhöfe, Galgenberge etc.). Ein Wrack als morbide Attraktion - nach der Havarie des Kreuzfahrtschiffes „Costa Concordia“ am 13. Januar 2012 hat sich die italienische Isola del Giglio rasch zu einem Ziel sensationsgieriger Besucher entwickelt. Die Tagesausflügler vom Festland sorgten vor allem bei den Fährlinien und in den örtlichen Restaurants für steigende Umsätze. Nach dem Abtransport des Wracks ging dieser Katastrophentourismus bald wieder zurück. Infografik.indd 1 10.12.2020 11: 32: 47 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 10 03.02.2021 11: 50: 14 <?page no="11"?> GEDENKEN INFORMATION VEREHRUNG Das Grauen lässt sich nur noch erahnen - im „Tuol Sleng Genocide Museum“ in Phnom Penh (Kambodscha) erinnert dieser karge Folterraum an die Qualen der mehr als 14.000 Insassen, die dort während des maoistischen Rote Khmer-Regimes (1975-1979) inhaftiert waren und starben. Ihre Leichen wurden auf den berüchtigten Killing Fields in Massengräbern beigesetzt. Weit mehr als eine letzte Ruhestätte - das monströse Grabmal des populären Komponisten und Sängers Udo Jürgens (1934-2014) auf dem Wiener Zentralfriedhof ist längst zu einer Touristenattraktion und zu einer Pilgerstätte für seine Fans geworden, die an dem marmornen Flügel Blumen, Fotos und persönliche Erinnerungsgegenstände ablegen. Das Interesse an den Gräbern von Prominenten aus Kultur, Politik, Wissenschaft etc. spielt beim Besuch von Friedhöfen generell eine wichtige Rolle. Schreckliche Ereignisse verstehen - dieses zentrale Motiv haben die Besucher vieler „dunkler“ Orte, die an die Verfolgung, das Leid und das Sterben unschuldiger Opfer erinnern. Dazu zählen z. B. die Schauplätze von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen, aber speziell auch die Täter- und Opferorte des Holocaust - z. B. das Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“ in Berlin. Infografik.indd 2 10.12.2020 11: 32: 51 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 11 03.02.2021 11: 50: 14 <?page no="12"?> 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 12 03.02.2021 11: 50: 14 <?page no="13"?> 1 Dark Tourism - das Stiefkind des internationalen Tourismus? „Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen.“ Martin Luther (1524) 1 | Ein weltweit bekanntes Symbol des Leids und des Todes - das Torhaus des ehemaligen deutschen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, in dem mehr als eine Million Menschen ermordet wurden. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich dieser Gedenkort, der im Jahr 1979 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen wurde, mit 2,2 Millionen Besuchern/ Jahr zu einer populären „dunklen“ Sehenswürdigkeit entwickelt. „Traumstrände“, „Ferienparadiese“ und „Wellnessoasen“ - mit solchen Begriffen entwirft die Tourismusbranche gerne das Bild einer scheinbar heilen Urlaubswelt, mit dem sie ihren Kunden eine unbeschwerte und fröhliche Zeit jenseits aller Verpflichtungen, Restriktionen und Belastungen des Alltags verspricht. Sofern sich die Touristen überhaupt für die Kultur ihrer Zielregion interessieren, wird ihr Blick auf besonders beeindruckende Bauwerke und Denkmale gelenkt, die sich vielerorts zu Besuchermagneten entwickelt haben. Doch jenseits dieser schönen Postkarten- und Instagram-Idylle gibt es in vielen Destinationen auch Relikte und Schauplätze, die an „dunkle“ Ereignisse und Phasen in der Geschichte der Menschheit erinnern - von Stätten des Völkermords und historischen Schlachtfeldern über Orte von Naturkatastrophen, Terroranschlägen und Nuklearunfällen bis hin zu ehemaligen Gefängnissen und großen Friedhöfen. Auch diese Orte eines dissonanten kulturellen Erbes stoßen bei Touristen weltweit auf großes Interesse: 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 13 03.02.2021 11: 50: 15 <?page no="14"?> 14 Tourism NOW : Dark Tourism So verzeichnet der Friedhof Père Lachaise in Paris, auf dem zahlreiche bekannte Schriftsteller, Maler, Musiker und Schauspieler ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, jährlich ca. 3,5 Millionen Besucher. Das „USS Arizona Memorial“ auf Hawaii erinnert an den Angriff der japanischen Luftwaffe am 7. Dezember 1941, bei dem 1.777 Besatzungsmitglieder des Schlachtschiffs starben. Über dem versunkenen Rumpf wurde eine Gedenkstätte errichtet, die jährlich von ca. 1,8 Millionen Touristen besichtigt wird. In Deutschland besuchen jedes Jahr 2,5 Millionen Menschen die zahlreichen KZ-Gedenkstätten und Mahnorte für NS-Opfer. Allein für die KZ-Gedenkstätte Dachau gehen Schätzungen von ca. 900.000 Besuchern/ Jahr aus, bei denen es sich zu zwei Dritteln um ausländische Gäste handelt. 2 | Vom Versteck jüdischer Familien vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu einer touristischen Attraktion - seit seiner Eröffnung im Jahr 1960 hat sich das „Anne-Frank-Haus“ in Amsterdam zu einer der beliebtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt entwickelt. Mit 1,2 Millionen Besuchern/ Jahr rangiert es auf dem dritten Platz der Kultureinrichtungen - nach dem „Rijksmuseum“ und dem „Van-Gogh-Museum“. Diese enorme touristische Popularität „dunkler“ Orte ist in doppelter Hinsicht erstaunlich: Einerseits handelt es sich aus Sicht von Destinationsmanagern um beschämende Sehenswürdigkeiten, die nicht zum angestrebten positiven Urlaubsimage passen; deshalb werden sie in der Kommunikationspolitik der Zielgebiete weitgehend ausgeblendet (z. B. auf Websites und in Prospekten). Andererseits stehen die Verantwortlichen solcher „dunkler“ Erinnerungsorte und Gedenkstätten dem Tourismus skeptisch gegenüber, da sie vorrangig politische Bildungs- und Aufklärungsziele verfolgen und eine zunehmende Trivialisierung ihrer Einrichtungen befürchten. Das große und wachsende Interesse an „dunklen“ Orten ist auf mehrere gesellschaftliche und touristische Ursachen zurückzuführen: In den Kulturwissenschaften, aber auch in der Öffentlichkeit hat in den vergangenen Jahrzehnten ein Wandel des Kultur-Begriffs stattgefunden. Neben materiellen und immateriellen Elementen der Hochkultur gelten inzwischen auch alltägliche Verhaltensweisen und Objekte als Bestandteile von „Kultur“ - nicht zuletzt auch Schauplätze und Relikte der „dunklen“ Vergangenheit. Ein Beleg für diesen Perspektivwechsel ist die Aufnahme mehrerer „dunkler“ Stätten in die UNESCO-Welterbeliste. Obwohl damit primär deren kulturelle Bedeutung gewürdigt wird, gehören sie seitdem zum festen Kanon internationaler Sehenswürdigkeiten (vgl. Samida 2017, S. 123-126). 0 200.000 400.000 600.000 800.000 1.000.000 1.200.000 1.400.000 1960 1962 1964 1966 1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 14 03.02.2021 11: 50: 16 <?page no="15"?> Dark Tourism - das Stiefkind des internationalen Tourismus? 15 Ausgewählte Orte des Schreckens, des Leids und des Todes auf der UNESCO- Welterbeliste Insel Gorée - Zentrum des Sklavenhandels vom 15. bis 19. Jahrhundert, Senegal (1978) Festungen und Schlösser der Kolonialzeit in Ghana - darunter Stätten des Sklavenhandels wie Cape Coast Castle und Elmina Castle (1979) Auschwitz-Birkenau - deutsches nationalsozialistisches Konzentrations- und Vernichtungslager, Polen (1979) Peace Memorial (Atombombenkuppel) in Hiroshima, Japan (1996) Pompeji, Hercunaleum und Torre Annunziata, Italien (1997) Robben Island, Südafrika (1999) Nukleares Testgelände auf dem Bikini-Atoll (Marschallinseln) (2010) Australische Strafgefangenenlager (Port Jackson, Sydney, Cockatoo Island, Port Arthur u. a.) (2010) Wrack der RMS „Titanic“, Nordatlantik (2012) Archäologische Stätte Valongo-Kai in Rio de Janeiro - Zentrum des Sklavenhandels im 19. Jahrhundert, Brasilien (2017) Ein weiterer Einflussfaktor waren die Massenmedien: Die Berichte und Fotostrecken über verwunschene und gruselige Lost Places, aber auch populäre Spielfilme und TV- Serien zu „dunklen“ Ereignissen der jüngeren Weltgeschichte haben die öffentliche Aufmerksamkeit zunehmend auf bislang unbekannte Reiseziele gelenkt. In jüngerer Zeit ist dieses mediale Echo noch durch Bilder und Posts auf Instagram erheblich verstärkt worden, wo die User ihre persönlichen Reiseerlebnisse an „dunklen“ Orten massenhaft - und auf teilweise fragwürdige Weise - teilen. Der „Schindler-Tourismus“ in Krakau (Polen) Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war der Stadtteil Kazimierz in Krakau (Polen) ein typisches jüdisches Wohngebiet (Schtetl) mit kleinen Häusern, engen Gassen, Handwerksbetrieben und Läden. Seit der Vertreibung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung durch die nationalsozialistische Besatzungsmacht lebten dort überwiegend Polen. Bis Anfang der 1990er-Jahre war es ein heruntergekommenes Viertel, in das sich kaum einmal ausländische Touristen verirrten. Weltweit bekannt wurde es erst als Location des erfolgreichen Spielfilms „Schindlers Liste“ von Regisseur Steven Spielberg (1993). Er wählte diesen Drehort, weil Kazimierz noch über zahlreiche historische Gebäude verfügte. Der tatsächliche Schauplatz der Handlung - das ehemalige jüdische Ghetto Podgórze - liegt hingegen jenseits der Weichsel; dort waren in der Nachkriegszeit zahlreiche moderne Bauten errichtet worden (vgl. Steinecke 2016, S. 28-29). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 15 03.02.2021 11: 50: 16 <?page no="16"?> 16 Tourism NOW : Dark Tourism Für die Kinobesucher spielt diese historische Ungenauigkeit keine Rolle. Bei den Locations von Spielfilmen muss es sich nicht zwangsläufig um authentische Plätze handeln, sondern sie müssen nur glaubwürdig erscheinen. In der Wahrnehmung der Zuschauer und auch der Touristen gilt Kazimierz nun als Ort dramatischer, schrecklicher und berührender Ereignisse (der Fabrikant Oskar Schindler hatte dort während der Nazizeit mehr als 1.000 jüdische Mitarbeiter vor dem Transport in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gerettet). In Kazimierz löste der Spielfilm einen enormen Besucherboom aus und der Stadtteil entwickelte sich rasch zu einem neojüdischen Quartier. Mit seinen zahlreichen koscheren Restaurants, in denen Klezmer-Kapellen spielen, entspricht er den stereotypen Erwartungen der Urlauber an ein Ghetto, die durch den Film geweckt bzw. verstärkt worden sind. Dieses themenspezifische Angebot wird durch „Jewish“-, „Schindler“- und „Ghetto“-Touren ergänzt. Die lokalen Reiseveranstalter organisieren außerdem Tagestouren in das „Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau“. Inzwischen ist der Besuch von Kazimierz also „eine Reise in ein ‚Yiddishland’, das sich zwischen Künstlichkeit und Nostalgie bewegt“ (Rosenzweig 2015; Bajohr/ Drecoll 2020, S. 17-18). Darüber hinaus hat der expandierende Städtetourismus dafür gesorgt, dass einige „dunkle“ Orte und Angebote (Friedhöfe, Museen, kommerzielle Ghost Tours etc.) in Metropolen wie London, Amsterdam und Rom steigende Besucherbzw. Teilnehmerzahlen verzeichnen. Von dieser Entwicklung haben auch mehrere KZ-Gedenkstätten profitiert, die im direkten Umland urbaner Zentren liegen - z. B. Dachau bei München und Sachsenhausen bei Berlin sowie Theresienstadt bei Prag (vgl. Powell/ Iankova 2016; Powell/ Kennell/ Barton 2018). Außerdem ist es nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ zu einem grundlegenden Transformationsprozess der kommunistischen Staaten im östlichen Mitteleuropa gekommen (Polen, Tschechien, Ukraine etc.). Damit war eine zunehmende Öffnung für den internationalen Tourismus verbunden, an der u. a. auch einige militärische Relikte und KZ-Gedenkstätten in diesen Ländern partizipieren konnten - z. B. das „Führerhauptquartier Wolfsschanze“ bzw. das „Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau“. Schließlich haben sich die Erwartungen und Ansprüche der Touristen in den vergangenen Jahrzehnten geändert. Aufgrund ihrer wachsenden Reiseerfahrung geben sich immer mehr Urlauber nicht mehr mit den standardisierten Freizeit-, Unterhaltungs- und Besichtigungsangeboten des Massenmarktes zufrieden. Stattdessen sind sie auf der Suche nach neuen, ungewöhnlichen Inhalten und Erlebnissen, um sich selbst zu verwirklichen, ihren Horizont zu erweitern und zugleich kulturelles Kapital zu akkumulieren, mit dem sie im heimischen sozialen Umfeld reüssieren können. In dieser touristischen Verhaltensänderung spiegelt sich der wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Wandel vom Fordismus zum Postfordismus bzw. zur Postmoderne wider (vgl. Blom 2000, S. 2). Unter dem Begriff Dark Tourism hat sich die Tourismusforschung seit ca. zwanzig Jahren mit diesem ungewöhnlichen Phänomen des internationalen Reiseverkehrs beschäftigt. Dabei ist deutlich geworden, dass die üblichen Analysekategorien von Angebot und Nachfrage, Marketing und Management nicht ausreichen, um dieses Marktsegment angemessen zu untersuchen. Angesichts der Erfahrungen von Leid, Schrecken und Tod, die mit diesen 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 16 03.02.2021 11: 50: 16 <?page no="17"?> Dark Tourism - das Stiefkind des internationalen Tourismus? 17 Orten verbunden sind, müssen auch die grundlegenden gesellschaftlichen und ethischmoralischen Dimensionen des Themas berücksichtigt werden. Dazu zählen u. a. Fragen wie: Was bewegt Menschen überhaupt dazu, in Freizeit und Urlaub „dunkle“ Orte zu besichtigen? Haben sie fragwürdige Motive wie Voyeurismus und Spektakelsucht oder ernsthafte Gründe wie eine persönliche Empathie für die Opfer oder ein tiefes Interesse an historischen Ereignissen? Wie sieht ein angemessener Umgang mit Stätten aus, an denen Menschen gelitten haben bzw. gestorben sind? Sollten sich die Verantwortlichen auf den Erhalt der authentischen Relikte beschränken oder ist auch eine Musealisierung oder sogar eine Rekonstruktion zu verantworten? Muss sich die Informationsvermittlung auf Daten und Fakten beschränken oder ist auch eine Emotionalisierung von Inhalten zulässig? Wie können „dunkle“ Einrichtungen auf die neuen Kommunikationsansprüche der Digital Natives reagieren? Ist es vertretbar, dass „dunkle“ Einrichtungen auch Shops betreiben, in denen Souvenirs verkauft werden? Wie sollen sie mit dem Erlebnishunger der Besucher umgehen und was ist von der Praxis des Reenactment historischer Ereignisse zu halten? In diesem Studienbuch wird der Versuch unternommen, den wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs über diese Fragen darzustellen. Dazu ist es zunächst erforderlich, die historischen Wurzeln, den Begriff und die Merkmale des Dark Tourism zu erläutern. 1.1 Historische Wurzeln des Dark Tourism Tod und Leid, Katastrophen und Gräueltaten - diese düsteren und schrecklichen Seiten des menschlichen Lebens stoßen nicht erst im 21. Jahrhundert auf ein großes öffentliches Interesse; vielmehr weist das Phänomen des Dark Tourism eine lange Tradition auf (auch wenn es früher nicht so bezeichnet wurde) (vgl. Stone 2006, S. 147): Vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. fanden im römischen Reich spektakuläre Gladiatorenkämpfe und blutige Tierhetzen statt. Die berühmteste Veranstaltungsstätte war das Kolosseum in Rom, das ca. 50.000 Besucher Platz bot. Das monumentale Amphitheater, das inzwischen von mehr als sieben Millionen Touristen/ Jahr besichtigt wird, gilt als eine der ersten „dunklen“ Besucherattraktionen. Im Mittelalter gerieten öffentliche Hinrichtungen vielerorts zu Spektakeln, an denen häufig ein massenhaftes Publikum aus Nah und Fern teilnahm. Häufig wurden sogar spezielle Tribünen errichtet, um den Zuschauern einen guten Blick auf den Richtplatz zu bieten (in Europa gab es diese Art der Bestrafung von Deliquenten zum letzten Mal im Jahr 1939 in Versailles; gegenwärtig wird sie nur noch in Saudi-Arabien, China, Nordkorea sowie im Iran praktiziert). Im 19. Jahrhundert entwickelten sich die Leichenschauhallen in Großstädten wie Paris und Melbourne zu populären „dunklen“ Orten - nicht nur für die einheimische Bevölkerung, sondern zunehmend auch für Touristen. Einen wesentlichen Einfluss hatten dabei zeitgenössische Reisehandbücher, in denen z. B. „La Morgue“ in Paris zu einer Must-See-Attraktion erklärt wurde (innerhalb von 50 Jahren kamen mehr als eine Million Schaulustige) (vgl. May/ Cooke 2008, S. 397; Edmondson 2018). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 17 03.02.2021 11: 50: 16 <?page no="18"?> 18 Tourism NOW : Dark Tourism 3 | Eine makabre Attraktion im Frankreich des 19. Jahrhunderts - die Leichenschauhalle „La Morgue“ nahe der Kathedrale Notre-Dame de Paris. Die öffentliche Zurschaustellung von Leichnamen diente vor allem dazu, die Polizei bei der Identifizierung unbekannter Toter zu unterstützen. Als zu Beginn des amerikanischen Bürgerkriegs im Jahr 1861 die Schlacht am Bull Run in der Nähe von Washington stattfand, machten sich zahlreiche Bürger der Stadt (im wahrsten Sinne des Wortes als „Schlachtenbummler“) an diesem Sommertag mit ihren Droschken auf, um dieses spektakuläre Ereignis aus nächster Nähe beobachten zu können - „ausgerüstet mit Feldstechern und reichlich Proviant in Picknickkörben“ (Samida 2018, S. 268). 1.2 Dark Tourism - ein schillernder Begriff Obwohl es sich beim Dark Tourism also keineswegs um eine ungewöhnlich erscheinende Reiseart der Gegenwart handelt, taucht der Begriff erst Ende der 1990er-Jahre in der englischsprachigen Tourismusforschung auf. Seitdem sind weltweit zahlreiche theoretischkonzeptionelle Überlegungen sowie empirische Untersuchungen zu diesem touristischen Nischensegment publiziert worden; gleichwohl handelt es sich weiterhin um ein „umstrittenes Forschungsfeld“ (Aschauer 2017, S. 379; Lennon/ Foley 2000; Hartmann 2007; Skriebeleit 2020, S. 23-26). Die grundsätzlichen Schwierigkeiten bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit einer „dunklen“ Sehenswürdigkeit bzw. einem „dunklem“ Reiseverhalten beginnen bereits mit der angemessenen Bezeichnung bzw. Definition - also der Abgrenzung von anderen Urlaubsarten. In der Fachliteratur wird eine Reihe konkurrierender Begriffe benutzt (vgl. Hartmann 2012, S. 9-10; Wolf/ Matzner 2012, S. 87): Black Spots, Grief Tourism, Thanatourism, Tragic Tourism, Phoenix Tourism, Atrocity Tourism, Fright Tourism, Morbid Tourism, Dissonant Heritage Tourism. Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich allerdings der eingängige Begriff Dark Tourism durchgesetzt, obwohl er sich bei genauerer Betrachtung als unpräzise erweist - sowohl hinsichtlich der unterschiedlichen Typen „dunkler“ Orte und Einrichtungen als auch der 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 18 03.02.2021 11: 50: 17 <?page no="19"?> Dark Tourism - das Stiefkind des internationalen Tourismus? 19 heterogenen Gründe für einen Besuch. Eine entsprechende deutschsprachige Bezeichnung ist bislang noch nicht gefunden worden (vgl. Samida 2018, S. 280). Dark Tourism Unter dem Dachbegriff Dark Tourism werden alle Reisearten (Tagesausflüge und Übernachtungstourismus) zusammengefasst, bei denen die Touristen Orte des Leids und Schreckens, des Grauens und des Todes besichtigen. Dazu gehören u. a. Stätten des Holocaust und des Völkermords, Schlachtfelder und Militäranlagen, Schauplätze von Naturkatastrophen, Terroranschlägen und Nuklearunfällen, Friedhöfe, ehemalige Gefängnisse, verlassene Orte und städtische Unterwelten, aber auch Slums in Ländern der Dritten Welt sowie kommerzielle „dunkle“ Unterhaltungseinrichtungen (Dark Fun Factories). Das Spektrum der Besuchsmotive reicht von einer persönlichen Trauer und einer Auseinandersetzung mit dem Sterben über ein ethisch-moralisches Pflichtbzw. Schuldgefühl und ein historisches bzw. kulturelles Interesse bis hin zu einer allgemeinen Neugier und Schaulust. „Kein Filmwissenschaftler oder der Besitzer eines DVD-Verleihs würde wohl Filme wie ‚Nacht der lebenden Toten‘ und die ‚Saw-‘ oder ‚Final Destination‘-Reihen auf der einen Seite zusammen mit ‚Apocalypse Now‘, ‚Schindlers Liste‘ und ‚Hotel Ruanda‘ auf der anderen Seite einsortieren, nur weil diese Filme Tod und Gewalt thematisieren.“ Küblböck 2012, S. 116 Generell hat der Terminus Dark Tourism inzwischen eine enorme Popularität erlangt, die sich u. a. in mehr als 300 Millionen Google-Einträgen widerspiegelt. Gleichzeitig stößt er in breiten Teilen der Öffentlichkeit weiterhin auf große Vorbehalte: Zumeist werden damit Reisen zu Schauplätzen von aktuellen Unglücken, Gräueltaten etc. assoziiert, die anscheinend aus voyeuristischen Motiven unternommen werden. Einen derartigen Katastrophentourismus (Disaster Tourism) gab es z. B. im Jahr 2006, als Reiseveranstalter bereits kurz nach dem verheerenden Hurrikan „Katrina“ Bustouren durch die besonders zerstörten Stadtteile von New Orleans organisierten. Eine solche beschränkte Sichtweise wird dem komplexen Thema jedoch nicht gerecht (vgl. Stone/ Sharpley 2008; Stone 2018; Iliev 2020; Newton 2020): Zum einen ist es unzulässig, aus der Anwesenheit von Touristen an „dunklen“ Orten direkte Rückschlüsse auf ihre persönlichen Erwartungen und Reaktionen zu ziehen. So haben Gäste in New Orleans vielleicht aus Sensationslust an der Stadtrundfahrt teilgenommen, möglicherweise hatten sie aber auch ein ernsthaftes Interesse am Schicksal der Opfer - und bei beiden Gruppen ist nicht auszuschließen, dass ihnen dort angesichts der Verwüstungen die Verletzlichkeit des Daseins bewusst geworden ist. Zum anderen sind zahlreiche Fallstudien zu dem übereinstimmenden Ergebnis gekommen, dass bei der Mehrzahl der Besucher „dunkler“ Attraktionen der ernsthafte Wunsch nach einer intensiven Auseinandersetzung mit den schrecklichen Ereignissen besteht. Viele Gäste machen an diesen Erinnerungsorten sogar existenzielle und kathartische Erfahrungen, die einen Einfluss auf ihr weiteres Leben haben. Ein weiterer Grund für die geringe öffentliche Akzeptanz des Begriffs Dark Tourism besteht darin, dass sich nur wenige Besucher „dunkler“ Orte überhaupt als Touristen betrachten 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 19 03.02.2021 11: 50: 17 <?page no="20"?> 20 Tourism NOW : Dark Tourism (geschweige denn als Dark Tourists) - obwohl sie aus wissenschaftlicher Sicht qua definitionem so zu bezeichnen sind (wenn sie Ortsfremde sind, sich nur temporär im Zielgebiet aufhalten und dort keinen Beruf ausüben). Seit Beginn zählen diese mangelnde Reflexionsfähigkeit und der ausgeprägte Wunsch, sich von den anderen Reisenden abzugrenzen, zu den typischen Merkmalen des neuzeitlichen Tourismus und speziell auch des Dark Tourism. So haben sich z. B. die französischen und britischen Familienangehörigen beim Besuch der Soldatenfriedhöfe, auf denen die Gefallenen des Ersten Weltkriegs bestatten waren, immer als Pilger oder Wallfahrer verstanden - und nicht als Touristen, denen fragwürdige Reisemotive unterstellt wurden (vgl. Kolbe 2017, S. 68-69; Vanneste/ Winter 2018, S. 447). Letztlich handelt es sich bei dem Begriff Dark Tourism also um ein akademisches Etikett, das bestimmten Reisearten angeheftet wird, die nicht den gängigen Urlaubsklischees von Entspannung, Spaß und Unterhaltung entsprechen. Offensichtlich ist es erforderlich, diesen unbefriedigenden Terminus zu differenzieren; dazu soll im Weiteren zunächst das breite Spektrum „dunkler“ Attraktionen erläutert werden. 1.3 Angebotsspektrum und Schattierungen des Dark Tourism Das „Kigali Genocide Memorial“ erinnert an den Völkermord in Ruanda, dem im Jahr 1994 mehr als 800.000 Menschen zum Opfer fielen, im „Historisch-Technischen Museum Peenemünde“ (HTM) in Mecklenburg-Vorpommern wird die Entwicklung flüssigkeitsgetriebener Raketen (V 1 und V 2) in den 1930ersowie 1940er-Jahren dargestellt und im Mittelpunkt der kommerziellen Gruselerlebniswelt „Hamburg Dungeon“ steht die „dunkle“ Seite der Stadtgeschichte (Brände, Folter, Pest etc.) - jede dieser Sehenswürdigkeiten vermittelt den Besuchern zwar die Erfahrung des Leids, des Schreckens und des Todes, doch offensichtlich repräsentieren sie zugleich extrem unterschiedliche Schattierungen des „Dunklen“. 4 | Unter dem Dachbegriff des Dark Tourism wird ein breites Spektrum von Orten, Gebäuden und Einrichtungen zusammengefasst, die jeweils mit Schrecken, Leid und Tod verbunden sind. Dabei lassen sich die einzelnen Angebotstypen nicht immer exakt voneinander abgrenzen. Die historischen Schlachtfelder sind z. B. zugleich auch letzte Ruhestätten der gefallenen Soldaten und an den Schauplätzen von Nuklearunfällen erinnern Geisterstädte an das Leben vor dem Desaster. Mit Hilfe folgender Kategorien ist der Versuch unternommen worden, besonders „dunkle“ von „helleren“ Schauplätzen und Einrichtungen abzugrenzen (vgl. Stone 2006, S. 151): Erziehungsorientiert vs. unterhaltungsorientiert: In nationalen Gedenkstätten stehen pädagogisch-aufklärerische Ziele wie Information und Bildung im Mittelpunkt der Arbeit - z. B. auf der Gefängnisinsel Robben Island in der Bucht von Kapstadt (Südafrika), Stätten des Holocaust Angebotsspektrum im Dark Tourism ehemalige Gefängnisse Friedhöfe Schauplätze von Naturkatastrophen, Terroranschlägen und Nuklearunfällen Schlachtfelder/ militärische Einrichtungen Stätten des Völkermordes „dunkle“ Ausstellungen/ Museen kommerzielle Gruselerlebniswelten Slums/ Townships/ Favelas 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 20 03.02.2021 11: 50: 17 <?page no="21"?> Dark Tourism - das Stiefkind des internationalen Tourismus? 21 die zu einem Symbol der politischen Unterdrückung, aber auch des unbeugsamen Freiheitswillens der schwarzen Bevölkerung während der Zeit der Apartheid geworden ist. Ein weitaus weniger „dunkler“ Ort ist hingegen die Gefängnisinsel Alcatraz in der Bucht von San Francisco. Ihre touristische Attraktivität basiert vielmehr auf den zahlreichen spannenden Geschichten, die sich um berüchtigte Insassen ranken, deren brutale Taten, skurrile Eigenschaften bzw. vergebliche Fluchtversuche den Stoff für mehrere Hollywood-Blockbuster geliefert haben. Geschichtszentriert vs. heritagezentriert: Ein weiteres Unterscheidungskriterium ist der Grad der Kommerzialisierung und Anpassung an die Erwartungen der Besucher. So bemühen sich z. B. die zahlreichen KZ-Gedenkstätten in Deutschland und in anderen europäischen Ländern um die mahnende Erinnerung, die sachgerechte (weitgehend emotionsfreie) Aufklärung und den Erhalt der historischen Gebäude für künftige Generationen. In vielen mittelalterlichen Burgen, die touristisch erschlossen sind, werden die Kerker und Verliese hingegen als unheimliche und gruselige Orte präsentiert - z. B. im Rahmen von Geister-, Gespenster- und Gruselführungen. Mit der Inszenierung des Schreckens verfolgen solche „grauen“ Sehenswürdigkeiten vor allem wirtschaftliche Ziele (Tickets, Merchandising-Artikel, gastronomisches Angebot etc.). 5 | „Laterne der Toten“ - so wird der charakteristische Turm des Beinhauses von Douaumont in Verdun genannt, der sich über einem 137 Meter langen Gewölbegang erhebt. Hinter Glasscheiben sind dort die Schädel und Knochen der Abertausenden Gefallenen zu sehen, die nach dem Waffenstillstand auf dem Schlachtfeld gefunden wurden und nicht identifiziert werden konnten. Wahrgenommene Authentizität vs. wahrgenommene Nicht-Authentizität: An authentischen „dunklen“ Orten können Besucher die existenzielle und verstörende Erfahrung einer Begegnung mit dem Sterben und dem Tod machen - wie z. B. in dem Beinhaus von Douaumont in Verdun, in dem die Gebeine von mehr als 130.000 namenlosen deutschen und französischen Opfer des Ersten Weltkriegs aufbewahrt werden. Mit einer weitaus größeren emotionalen Distanz werden die Besucher des „Imperial War Museum“ in London die Trench Experience besichtigen - den Nachbau eines Schützen- 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 21 03.02.2021 11: 50: 17 <?page no="22"?> 22 Tourism NOW : Dark Tourism grabens, in dem schreckliche Atmosphäre des erbarmungslosen Stellungskrieges mit Hilfe von Geräuschen, Gerüchten und Lichteffekten simuliert wird. Am Ort des Geschehens (in situ) vs. an einem anderen Ort (ex situ): Einen eindrucksvollen „dunklen“ Charakter haben auch Gebäude, in denen schreckliche Ereignisse stattgefunden haben - z. B. das „Anne-Frank-Haus“ in Amsterdam, in dem sich die junge Jüdin mehrere Jahre lang mit ihrer Familie vor der Verfolgung durch die Gestapo und die SS verstecken musste. Durch ihr Tagebuch „Het Achterhuis“ hat sie posthum weltweit große Anteilnahme an ihrem Schicksal ausgelöst. Entsprechend groß sind auch die Besucherzahlen der Wanderausstellungen, die von der Anne-Frank-Stiftung in weltweit zahlreichen Ländern gezeigt werden - allerdings ohne den beklemmenden genius loci des Hinterhauses in Amsterdam heraufbeschwören zu können. Zeitlich nahe am Geschehen vs. zeitlich weiter vom Geschehen entfernt: Der Besuch „dunkler“ Stätten der jüngeren Vergangenheit ist für Angehörige, Freunde und Kriegskameraden mit der persönlichen Erinnerung und Trauer um die Verstorbenen verbunden - wie z. B. für die US-amerikanischen Veteranen, die inzwischen zu den Schauplätzen des Vietnamkrieges (1955-1975) reisen. Viel gelassener können Touristen hingegen mit Schlachtfeldern aus der fernen Vergangenheit umgehen - wie dem Schauplatz der Varusschlacht, die im Jahr 9 n. Chr. im Teutoburger Wald zwischen römischen Legionen und einem germanischen Heer stattgefunden hat. Das patriotische Hermannsdenkmal, das im 19. Jahrhundert zur Erinnerung an diesen Kampf in der Nähe von Detmold errichtet wurde, ist inzwischen einfach nur ein populäres Ausflugsziel und in der beliebten WDR-„Sendung mit der Maus“ wurde die Schlacht sogar einmal mit 16.000 „Playmobil“-Figuren nachgestellt. Geringe touristische Infrastruktur vs. umfangreiche touristische Infrastruktur: An wenig erschlossenen „dunklen“ Orten herrscht zumeist eine besonders desolate und morbide Atmosphäre, die den Besuchern einen unmittelbaren Eindruck der früheren Ereignisse vermittelt und entsprechend große Betroffenheit auslöst. Als Beispiel sind die leerstehenden, teilweise verfallenen Operationsräume, Labore und Krankenzimmer der Lungenheilanstalt Beelitz-Heilstätten in Brandenburg zu nennen, die bis vor kurzem als Lost Places galten und allenfalls von Urban Explorers sowie historisch interessierten Ausflüglern erkundet wurden. Inzwischen haben die Verantwortlichen das touristische Potenzial des ehemaligen Klinikgeländes erkannt und einen Teil in eine „hellere“ Erlebniswelt umgestaltet - mit dem „Baum & Zeit - Baumkronenpfad Beelitz-Heilstätten“, einem Aussichtsturm und Bistro sowie regelmäßigen Führungen und Events. Nicht als Besuchereinrichtung geplant vs. als Besuchereinrichtung geplant: Nach schrecklichen Ereignissen wie Amokläufen, Terroranschlägen oder Todesfällen von Prominenten kommt es häufig zu spontanen privaten und öffentlichen Trauerbekundungen. Die Schauplätze werden rasch zu Schreinen, die mit Blumen, Fotos, Kuscheltieren, Kerzen, persönlichen Botschaften etc. geschmückt werden. Nach dem tragischen Tod der britischen Prinzessin Diana am 31. August 1997 in Paris entwickelte sich z. B. der Zaun des Kensington Palace in London, in dem sie gelebt hatte, zu einem solchen besonders „dunklen“ Ort des gemeinsamen Gedenkens. Mit wachsender zeitlicher Distanz sind diese heftigen Emotionen abgeklungen und die Erinnerung an die „Königin der Herzen“ hat „hellere“ und institutionalisierte Formen angenommen - z. B. in Form des „Diana Memorial Playground“ (2000) in den Kensington Gardens sowie des „Diana Memorial Walk“ (2002) und des „Diana Memorial Fountain“ (2004) im Hyde Park (vgl. Sully 2009). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 22 03.02.2021 11: 50: 17 <?page no="23"?> Dark Tourism - das Stiefkind des internationalen Tourismus? 23 6 | Der Zaun des Kensington Palace in London - für kurze Zeit ein Ort der spontanen öffentlichen Trauer um die britische Prinzessin Diana, die im August 1997 bei einem Autounfall in Paris starb. Angesichts dieser unterschiedlichen Schattierungen, aber auch der großen Vielfalt „dunkler“ Orte erweist es sich als unmöglich, generalisierende Aussagen zu den Motiven und Verhaltensweisen der Besucher, aber auch zu den Möglichkeiten und Grenzen eines touristischen Marketings und Managements zu machen. Aus diesem Grund sollen in den nächsten Kapiteln einige Typen von „dunklen“ Sehenswürdigkeiten hinsichtlich folgender Aspekte beschrieben werden: Zielsetzungen und Narrative, Interessenkonflikte unterschiedlicher Interessengruppen (Stakeholder), Bedeutung als touristische Attraktionen, Merkmale, Erwartungen und Reaktionen der Besucher, Herausforderungen im touristischen Marketing und Management. Online-Informationsquellen zum Dark Tourism „International Committee of Memorial Museums in Remembrance of the Victims of Public Crimes“ (ICMEMO) - internationaler Zusammenschluss von Einrichtungen der Memorialkultur (Museen, Gedenkstätten, Dokumentationszentren etc.), der auf seiner Website zahlreiche Tagungsunterlagen und Dokumente publiziert (u. a. die „International Memorial Museums Charter“) www.icmemo.mini.icom.museum „European Holocaust Research Infrastructure“ (EHRI) - Kooperationsprojekt von 24 Forschungseinrichtungen in 15 europäischen Ländern sowie Israel und den USA, mit dem die Archiv- und Forschungsressourcen zur Geschichte des Holocaust dauerhaft vernetzt werden sollen www.portal.ehri-project.eu 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 23 03.02.2021 11: 50: 18 <?page no="24"?> 24 Tourism NOW : Dark Tourism Website des „Institute for Dark Tourism Research“ (IDTR) an der University of Central Lancashire in Preston mit zahlreichen Hinweisen auf die Publikationen und Forschungsprojekte des Institutsdirektors Philip R. Stone zum Thema Dark Tourism www.uclan.ac.uk/ research/ explore/ groups/ institute_for_dark_ tourism_research.php Private Website von Peter Hohenhaus mit Hintergrundinformationen zum Dark Tourism, Beschreibungen von ca. 900 „dunklen“ Reisezielen in 112 Ländern sowie einem „Darkometer“ - einem Ranking der Einrichtungen und Schauplätze hinsichtlich ihren „dunklen“ Charakters www.dark-tourism.com Bibliographien, Forschungsberichte, Online-Informationsquellen, Handbücher zum Dark Tourism Price, R. (2017): Dark Tourism. A Guide to Resources. - In: The Alert Collector, 57/ 2, S. 97-101 Knapper Überblick über ausgewählte Monographien und Sammelbände, Fachzeitschriften und Websites zum „Dark Tourism“ (jeweils mit kurzen Kommentaren) Asquith, W. (2017): Working Bibliography about Dark Tourism. - In: Mémoires en jeu/ Memories at Stake, 29.11. www.memoires-en-jeu.com/ notice/ working-bibliography-about-dark-tourism/ Umfangreiche (allerdings nicht kommentierte) Zusammenstellung von Literaturangaben - gegliedert nach unterschiedlichen Themenbereichen (Genozid-Gedenkstätten, ehemalige Gefängnisse, Slum-Tourismus etc.) Light, D. (2017): Progress in dark tourism and thanatourism research: An uneasy relationship with heritage tourism. - In: Tourism Management, 61, S. 275-301 (DOI: 10.1016/ j.tourman.2017.01.011) Profunder Artikel zum aktuellen Stand der englischsprachigen Forschung (Konzept des „Dark Tourism“, ethisch-moralische Fragen, Interessengruppen und -konflikte, Motive und Verhalten der Besucher, Management und Marketing etc.) Stone, P. R. u. a. (Hrsg.; 2018): The Palgrave Handbook of Dark Tourism Studies, London Umfassender Sammelband zu unterschiedlichen Aspekten des „Dark Tourism“ (historische Entwicklung, Theorieansätze, Verhältnis zu Kultur und Gesellschaft, Erinnerungslandschaften, Erfahrungen der Touristen an „dunklen“ Orten, wirtschaftliche Effekte etc.) Bajohr, F./ Drecoll, A./ Lennon, J. (Hrsg.; 2020): Dark Tourism. Reisen zu Stätten von Krieg, Massengewalt und NS-Verfolgung, Berlin Reader mit 16 Beiträgen von Historikern, Sozial- und Kulturwissenschaftlern sowie Praktikern - speziell zu den Formen der Erinnerungskultur in Holocaust- und Genozid- Gedenkstätten (Europa, Ruanda) sowie in Dokumentationszentren an NS-Täterorten („Führersperrgebiet Obersalzberg“) 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 24 03.02.2021 11: 50: 18 <?page no="25"?> 2 Stätten des Holocaust und des Völkermords „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! “ Schwur der Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald (1945) 7 | „Eine wunderbare Gedenkstätte zum Andenken an die vielen Ermordeten und eine steingewordene Demonstration gegen das verbrecherische Nazi-Regime“ - solche positive Bewertungen finden sich bei TripAdvisor für das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“, das im Jahr 2005 in Berlin eröffnet wurde. Es gilt als eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt. Allein der unter dem Denkmal gelegene „Ort der Information“ verzeichnet jedes Jahr 470.000 Besucher. Als „Filiale der Hölle auf Erden“ hat der niederländische Autor Harry Mulisch das Konzentrationslager Auschwitz in seinem Roman „Die Entdeckung des Himmels“ bezeichnet (vgl. Küblböck 2012, S. 111). Es ist zunächst ein sehr befremdlicher Gedanke, dass dieser schreckliche Ort des massenhaften Sterbens inzwischen jedes Jahr mit 2,2 Millionen Besuchern mehr Gäste verzeichnet als z. B. das Schloss Neuschwanstein - das mit 1,5 Millionen Besuchern zu den populärsten Schlössern in Europa zählt. Dabei ist das „Staatliche Museum Auschwitz Birkenau“ nur eine (allerdings besonders prominente und ikonische) Einrichtung innerhalb einer umfangreichen und vielfältigen NS- Gedenkstättenlandschaft. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind in Deutschland, aber auch in anderen Ländern zahlreiche Mahn- und Lernorte errichtet worden, die an die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden sowie anderer politischer, ethnischer, religiöser und sozialer Gruppen während der Zeit des Nationalsozialismus erinnern; allein in der Bundesrepublik gibt es ca. 300 derartige Gedenkstätten (vgl. Knoch 2018, S. 4; Ward/ Hill 2020, S. 227-239). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 25 03.02.2021 11: 50: 19 <?page no="26"?> 26 Tourism NOW : Dark Tourism 8 | Standorte ausgewählter KZ-Gedenkstätten, Mahnmale, Museen und Ausstellungen in Deutschland und Europa Innerhalb der NS-Gedenkstättenlandschaft lassen sich generell zwei Typen von authentischen Standorten (in situ) unterscheiden - die Opferorte und die Täterorte (vgl. Petermann 2012a, S. 61-62). An den Opferorten wird an das Leiden und Sterben von Menschen erinnert; neben den KZ- Denkstätten in Auschwitz, Dachau, Bergen-Belsen, Flossenbürg etc. gehören dazu auch Außenlager, Haftanstalten und Orte von Vernichtung durch Arbeit, Verfolgung und Massakern - wie z. B.: Goldbacher Stollen, Überlingen - eine von KZ-Häftlingen gebaute unterirdische Anlage, in der Rüstungsbetriebe aus dem nahegelegenen Friedrichshafen untergebracht werden sollten (vgl. Burger 2012), Babyn Jar - eine Schlucht im Stadtgebiet von Kiew (Ukraine), in der bei einer zweitägigen Aktion im Jahr 1941 mehr als 33.000 Juden von der deutschen Sicherheitspolizei und dem Sicherheitsdienst exekutiert wurden, Distomo - ein griechisches Dorf, in dem SS-Angehörige im Sommer 1944 innerhalb weniger Stunden mehr als 200 Einwohner ermordeten, Oradour-sur-Glane - ein französisches Dorf, das im Juni 1944 zum Schauplatz eines Kriegsverbrechens wurde, bei dem Soldaten der Waffen-SS mehr als 600 Bewohner liquidierten und den Ort völlig zerstörten. An den Täterorten wurden die Verbrechen der Nationalsozialisten geplant, organisiert und verwaltet; außerdem dienten diese Orte als Schulungs- und Versammlungsstätten, private Refugien oder Schauplätze repräsentativer Massenveranstaltungen - wie z. B.: „Haus der Wannsee-Konferenz“, Berlin - Schauplatz eines Treffens hochrangiger Vertreter der SS, NSDAP und mehrerer Reichsministerien, bei dem im Jahr 1942 die geplante Deportation und Ermordung der europäischen Juden besprochen wurde, A n t w e r p e n K ö l n N i j m e g e n O l d e n b u r g H a n n o v e r W e i m a r N o r d h a u s e n S t r a s b o u r g N ü r n b e r g M ü n c h e n W i e n W r o c l a w K r a k o w L o d z W a r s z a w a B r e s t L u b l i n G d a n s k H a m b u r g L i n z Frankfurt Amsterdam Berlin Prag Breendonk Vught-Hertogenbosch Westerbork Esterwegen Neuengamme Ravensbrück Bergen- Belsen Sachsenhausen Niederhagen in Wewelsburg Mittelbau-Dora Buchenwald Natzweiler Dachau Flossenbürg Mauthausen Theresienstadt (Terezin) Groß-Rosen Kulmhof (Chelmno) Auschwitz (Oswiecim) Stutthof (Sztutowo) Treblinka Majdanek Belzec Sobibor NIEDERLANDE BELGIEN DEUTSCHLAND ÖSTERREICH TSCHECHIEN POLEN FRANKREICH G e d e n k s t ä t t e n i n K o n z e n t r a t i o n s l a g e r n J ü d i s c h e s M u s e u m / H o l o c a u s t - D e n k m a l / A u s s t e l l u n g z u r N S - G e s c h i c h t e Prag Dachau 1 0 0 0 2 0 0 3 0 0 4 0 0 5 0 0 k m N E W S 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 26 03.02.2021 11: 50: 21 <?page no="27"?> Stätten des Holocaust und des Völkermords 27 „Dokumentation Obersalzberg“ im ehemaligen „Führersperrgebiet Obersalzberg“ bei Berchtesgaden - dem Wohn- und Regierungssitz Adolf Hitlers (vgl. Petermann 2012a; Feiber 2016; Necker 2016; Keller 2020), „Führerhauptquartier Wolfsschanze“ (Polen) - ein militärisches Lagezentrum des Führungsstabes der deutschen Wehrmacht und eines der zahlreichen „Führerhauptquartiere“ im Zweiten Weltkrieg, Wewelsburg, Büren - eine (geplante) „nordische Akademie“ für hohe SS-Führer (vgl. John-Stucke 2012), Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“ am Standort der ehemaligen Zentralen der Gestapo, der SS und des Reichssicherheitshauptamtes im Gebäude Prinz- Albrecht-Straße 8, Berlin (vgl. Nachama 2012), Dokumentationszentrum „Reichsparteitagsgelände“ - Schauplatz der NSDAP-Reichsparteitage 1933-1938, Nürnberg (vgl. Schmidt 2012). Angesichts der historischen Singularität des Holocaust und des Ausmaßes an Unmenschlichkeit, die sich an diesen Erinnerungsorten manifestiert, handelt es sich bei diesen Opfer- und Täterorten nicht um übliche kulturtouristische Einrichtungen wie Museen, Kirchen bzw. Burgen und Schlösser. Dennoch sind verzeichnen sie hohe Besucherzahlen und haben für die Destinationen eine entsprechend große touristische und auch wirtschaftliche Bedeutung. So verzeichnet die NS-Ordensburg Vogelsang in der Eifel - eine ehemalige Schulungsstätte für NSDAP-Nachwuchskräfte - ca. 200.000 Besucher/ Jahr; die regionalwirtschaftlichen Effekte dieser Form des Dark Tourism belaufen sich auf schätzungsweise 0,5- 3,2 Millionen Euro/ Jahr (vgl. Isenberg 2012, S. 83; Mayer 2016, S. 51). Erinnerungsorte des Holocaust Besucher/ Jahr am Ort des Geschehens (in situ) Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau, Auschwitz (Polen) 2.200.000 Anne-Frank-Haus, Amsterdam 1.200.000 KZ-Gedenkstätte Dachau bei München 900.000 Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, Oranienburg bei Berlin 700.000 Gedenkstätte Buchenwald, Weimar 500.000 KZ-Gedenkstätte Mauthausen (Österreich) 250.000 KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen 240.000 KZ-Gedenkstätte Neuengamme bei Hamburg 185.000 Dokumentation Obersalzberg 170.000 KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora (Thüringen) 150.000 Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz, Berlin 117.000 KZ-Gedenkstätte Flossenbürg 91.000 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 27 03.02.2021 11: 50: 21 <?page no="28"?> 28 Tourism NOW : Dark Tourism an anderen Orten (ex situ) Yad Vashem - The World Holocaust Remembrance Center, Jerusalem 1.000.000 Denkmal für die ermordeten Juden Europas - Ort der Information, Berlin 470.000 United States Holocaust Memorial Museum, Washington, D. C. 400.000 1 | Erinnerungsorte des Holocaust: Beispiele und Besucherzahlen In den unterschiedlich hohen Besucherzahlen von KZ-Gedenkstätten spiegeln sich (fatalerweise) die generellen Gesetzmäßigkeiten des Reisemarktes wider. Aufgrund ihres knappen Zeit- und Geldbudgets haben Touristen haben immer einen selektiven Blick. Sie sind auf der Suche nach dem Besonderen, dem Außergewöhnlichen - schlichtweg dem Superlativ. Deshalb gibt es auch unter den „dunklen“ NS-Orten eine ausgeprägte Hierarchie des Schreckens. Während zahlreiche kleinere Einrichtungen wenig öffentliche Beachtung finden, haben sich einige Erinnerungsorte zu internationalen Besuchermagneten entwickelt (vgl. Hartmann 2018, S. 498-500): In Deutschland ist die KZ-Gedenkstätte Dachau der weitaus bekannteste NS-Erinnerungsort; dort finden ca. 36 Prozent aller Gedenkstättenbesuche in Deutschland statt. In Polen stehen die KZ-Gedenkstätten Lublin-Majdanek, Sobibór e e , Treblinka u. a. im „Schatten von Auschwitz“, das mehr als doppelt so viele Besucher aufweist wie alle anderen Erinnerungsorte zusammen (Langebach/ Liever 2017; Hänschen 2020, S. 143-144). Auch in den Niederlanden verzeichnet das „Anne-Frank-Haus“ weitaus mehr Gäste als die KZ-Gedenkstätten Vught, Westerbork und Amersfoort. Online-Informationsquellen zu NS-Gedenkstätten „Gedenkstätten bundesweit - NS-Gedenkstätten und Dokumentationszentren in der Bundesrepublik Deutschland“ - bundesweite Datenbank des „Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW e. V.“ mit Kontaktaktdaten und Links zu zahlreichen Orten der Erinnerung www.ns-gedenkstaetten.de/ gedenkstaetten-bundesweit.html „Datenbank Erinnerungsorte“ - Zusammenstellung von NS-Gedenkstätten, Mahnmalen, Museen etc. in Deutschland zur Geschichte des Nationalsozialismus mit Suchfunktion, interaktiver Karte und Detailinformationen www.bpb.de/ geschichte/ nationalsozialismus/ erinnerungsorte/ „Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus in Deutschland“ - Website mit Links zu unterschiedlichen Arten von NS-Gedenkstätten in den einzelnen Bundesländern www.bildungsserver.de/ -Gedenkstaetten-fuer-die-Opfer-des-Nationalsozialismusin-Deutschland-3817-de.html „Holocaust Memorials. Monuments, Museums and Institutions on Commemoration of Nazi Victims” - internationale Übersicht über Gedenkstätten und Institutionen, die sich mit der Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung beschäftigen www.gedenkstaetten-uebersicht.de 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 28 03.02.2021 11: 50: 21 <?page no="29"?> Stätten des Holocaust und des Völkermords 29 „Verunsichernde Orte. Weiterbildung Gedenkstättenpädagogik“ - Website mit Informationen zu Weiterbildungsmöglichkeiten zu unterschiedlichen Themen der Gedenkstättenarbeit (Selbstverständnis, Zielgruppenorientierung, Konfliktmanagement etc.) www.verunsichernde-orte.de 2.1 Von Opferorten zu Reisezielen - die Transformation von Relikten der NS-Vergangenheit „Eine Sehenswürdigkeit besteht nicht nur, sie ist nicht nur - sie wird gemacht“ (Thurner 2011, S. 3). Dieser Grundsatz gilt nicht nur im Tourismus generell, sondern speziell auch für die NS-Gedenkstätten. Am Ende des Zweiten Weltkriegs handelte es sich um Schauplätze, an denen schreckliche Gräueltaten stattgefunden hatten bzw. organisiert worden waren. Es war jeweils ein langwieriger, mühevoller und konfliktträchtiger Weg, diese Opfer- und Täterorte in Gedenkstätten bzw. Informationszentren umzuwandeln und damit als Mahn-, Erinnerungs- und Lernorte für künftige Generationen zu erhalten (vgl. Marcuse 1990; Kelerstein 2018, S. 7-20; Garbe 2015, S. 76-78 zur unterschiedlichen Erinnerungskultur in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik). In den ersten Nachkriegsjahren fand häufig eine Spurenbeseitigung und Umnutzung der ehemaligen Konzentrationslager statt. Auf dem Gelände des KZ Dachau richtete die USamerikanische Militärverwaltung z. B. zunächst ein Internierungslager für SS-Angehörige und NS-Funktionäre ein. Nach dessen Auflösung übergab sie die Gebäude an den bayerischen Staat, der dort Flüchtlinge und Vertriebene unterbrachte. Mit der Schaffung der Wohnsiedlung „Dachau-Ost“ waren erhebliche bauliche und funktionale Veränderungen verbunden - z. B. der Abriss von Gebäuden sowie der Bau von Gaststätten, Kinos, einer Schule und einem Kindergarten. Kurze Zeit später begann der Kampf um Erinnerung, bei dem sich ehemalige Häftlinge bzw. Häftlingsorganisationen (wie das „Comité International de Dachau“/ CID) für den Erhalt sowie für die Einrichtung einer Gedenkstätte engagierten - gegen den Widerstand der örtlichen Bevölkerung und der politischen Verantwortlichen; diese waren bestrebt, die Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse vergessen zu machen und der Stadt ein „sauberes“ Image zu geben. Erst durch die Mobilisierung einer nationalen und internationalen Öffentlichkeit konnte z. B. in Dachau die Räumung der Wohnsiedlung in den 1950er- Jahren durchgesetzt und der geplante Abriss des ehemaligen Krematoriums verhindert werden. Da die NS-Opfer aus vielen europäischen Ländern kamen und unterschiedlichen ethnischen, religiösen, politischen Gruppen angehörten, wurden konkurrierende Gedenkveranstaltungen durchgeführt und auch spezifische Erinnerungsorte geschaffen. In der KZ- Gedenkstätte Dachau gibt es u. a. eine katholische Kapelle, eine evangelische Kirche, eine jüdische Gedenkstätte, das Karmelkloster „Heilig Blut“ sowie eine russisch-orthodoxe Kapelle. Obwohl sich die europäischen Holocaust-Gedenkstätten jeweils an den historischen Standorten (in situ) befinden, sind für den Bau und Betrieb häufig wesentliche bauliche Modifikationen und auch Rekonstruktionen vorgenommen worden. In Dachau haben die Besucher z. B. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 29 03.02.2021 11: 50: 21 <?page no="30"?> 30 Tourism NOW : Dark Tourism das Gelände in den 1990er-Jahren durch einen neu geschaffenen Mauerdurchbruch betreten. Ihr Blick fiel auf zwei Baracken, die im Jahr 1964 als Nachbauten errichtet wurden. Bei der Besichtigung des Museums betraten sie ein Gebäude, das ursprünglich als Häftlingsbad bzw. -küche diente und später eine Lederfabrik sowie eine Färberei beherbergte. Der Rundgang führte an 30 gegossenen „Fundamenten“ aus den Jahren 1965/ 66 vorbei, die als symbolische Markierung der (nicht fundamentierten) Häftlingsbaracken dienen. „Da war alles sauber und ordentlich. … Das Holz riecht frisch und harzig, über den geräumigen Appellplatz weht ein belebender Wind und diese Baracken wirken fast einladend. Was kann einem da einfallen, man assoziiert eventuell eher Ferienlager als gefoltertes Leben.“ Ruth Krüger, Auschwitz-Überlebende und Schriftstellerin (vgl. Zeller 2015) 9 | Rekonstruktionen in NS-Gedenkstätten eine zulässige Form der Informationsvermittlung oder eine fragwürdige Verfälschung der Geschichte? Diese grundsätzliche Streitfrage hat sich im Jahr 2014 erneut entzündet, nachdem das Eingangstor des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau gestohlen worden war. Die Verantwortlichen der Gedenkstätte lehnten eine Nachbildung aus Gründen der historischen Korrektheit ab. Die Überlebenden und deren Angehörige betrachteten eine Replika hingegen als angemessenes Mittel, den schrecklichen genius loci zu erhalten und der Nachwelt zu vermitteln. Auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin wurde das Tor durch eine Kopie ersetzt. Zwei Jahre später tauchte das Originaltor in Norwegen wieder auf; nach einer Restaurierung wird es nun in dem Museum der Gedenkstätte präsentiert. Angesichts dieser Entwicklung handelt es sich bei den NS-Gedenkstätten inzwischen nicht mehr um authentische Orte, sondern vielmehr um Palimpseste, auf denen sich historische Relikte, nachträglich errichtete Denkmale und Rekonstruktionen sowie neuere museale Inszenierungen überlagern. Dieser Verlust an Authentizität geht jedoch einher mit einem 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 30 03.02.2021 11: 50: 23 <?page no="31"?> Stätten des Holocaust und des Völkermords 31 Gewinn an Wissen über die unterschiedlichen Formen der Memorialisierung und der Rezeption in den vergangenen sieben Jahrzehnten. Mit dem Bau von Informations- und Dokumentationszentren sowie Museen haben die NS- Gedenkstätten in jüngerer Zeit eine zusätzliche Bedeutung als „dunkle“ Sehenswürdigkeiten erlangt. In Dachau wurde z. B. im Jahr 2009 ein neues Besucherzentrum außerhalb des ehemaligen KZ-Geländes eröffnet -mit einer Cafeteria und einer Buchhandlung, die teilweise auch Artikel zur jüdischen Kultur vertreibt. Zuvor war der Eingang zur Gedenkstätte an seinen ursprünglichen Platz am Jourhaus verlegt worden (vgl. Kelerstein 2018, S. 32-40). Mit dem Anstieg der jährlichen Gästezahl von 645.000 (2010) auf mehr als 900.000 hat in Dachau - wie in anderen NS-Gedenkstätten - aber auch ein Wandel der nationalen und demographischen Besucherstruktur stattgefunden (vgl. Hodgkinson 2013, S. 27-29): In den Anfangsjahren kamen überwiegend Überlebende und deren Familienangehörige. Für sie handelte es sich bei den ehemaligen Konzentrationslagern um Stätten der leidvollen persönlichen Erinnerung. Mit wachsender zeitlicher Distanz hat sich inzwischen ein jüdischer Roots Tourism entwickelt, bei dem die jüngeren Nachfahren - allein bzw. mit Verwandten - diese Orte besuchen, um ihre familiären Wurzeln zu erkunden (vgl. Kidron 2013; 2018). Außerdem dienen die Gedenkstätten seit den 1960er-Jahren als Schauplätze öffentlicher Veranstaltungen, an denen zu bestimmten Anlässen der Opfer gedacht wird (z. B. Jahrestag der Befreiung). Später entwickelten sich die Gedenkstätten zu schulischen und außerschulischen Lernorten für Gruppenreisende (Schulklassen, Exkursionen etc.). Nur in einigen Bundesländer (Bayern, Sachsen, Berlin, Brandenburg) sind solche Fahrten in den Lehrplänen von Gymnasien und Realschulen verankert, die Mehrzahl setzt hingegen auf Freiwilligkeit. In der KZ-Gedenkstätte Dachau haben z. B. im Jahr 2018 ca. 90.000 Besucher an 4.300 Bildungsangeboten teilgenommen - dazu zählen geführte Rundgänge, Halbtages- und Tagesseminare sowie Workshops. Mit wachsender zeitlicher Distanz kommt jedoch eine wachsende Zahl von Besuchern, die keine persönlichen bzw. familiären Beziehungen zu den Opfern haben. So verzeichnet die KZ-Gedenkstätte Dachau - neben Gästen aus Deutschland - inzwischen immer mehr Besucher aus ost- und südosteuropäischen, asiatischen, arabischen sowie südamerikanischen Staaten und das durchschnittliche Alter der Individualbesucher liegt bei 38 Jahren (sie sind also lange nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geboren). Diese zunehmende Touristifizierung der KZ-Gedenkstätten ist auch im „Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau“ zu beobachten. Dort stieg der Anteil ausländischer Gäste im Zeitraum 2006-2018 von 65,5 auf 81,2 Prozent. Zu den wichtigsten Herkunftsländern zählen Großbritannien, die USA, Italien, Spanien und Deutschland. Aus Israel kommen hingegen nur ca. drei Prozent der Besucher, obwohl es sich bei der überwiegenden Zahl der Opfer um jüdische Männer, Frauen und Kinder gehandelt hat (vgl. He a o á r á 2015, S. 24; Auschwitz-Birkenau Memorial 2019, S. 25). Doch was bewegt Menschen überhaupt dazu, in ihrer Freizeit bzw. ihrem Urlaub einen Ausflug in eine NS-Gedenkstätte zu machen? Welche Erwartungen haben sie und welche Vorkenntnisse bringen sie mit? Wie reagieren sie auf die erschütternden Informationen, die sie bei dem Besuch der Einrichtungen erhalten? Diese Fragen sollen im folgenden Kapitel beantwortet werden. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 31 03.02.2021 11: 50: 23 <?page no="32"?> 32 Tourism NOW : Dark Tourism 2.2 Zwischen historischem Interesse und moralischer Verpflichtung - die Motive und Reaktionen der Besucher von NS-Gedenkstätten „Auschwitz ist ein Ort, den man gerade als Deutscher einmal in seinem Leben gesehen haben sollte. Man kann viel über diesen Ort lesen, aber es ist einfach etwas anderes, wenn man dann wirklich dort ist“ - mit diesem Eintrag bei TripAdvisor lässt sich die vorrangige Motivation vieler Dark Tourists recht gut verdeutlichen: Sie wollen die historischen Stätten, an denen andere Menschen gelitten haben oder gestorben sind, einmal selbst in Augenschein nehmen (dieser zentrale Beweggrund gilt auch für andere „dunkle“ Orte). Die Bewertungen auf Internetplattformen sind dabei wichtige Informationsquellen, da bislang nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen zu den Erwartungen und Eindrücken der Besucher von Holocaust-Gedenkstätten vorliegen. Dieses Defizit ist nicht zuletzt auf die generellen methodischen Probleme der touristischen Motivforschung zurückzuführen (vgl. Korstanje 2012; Küblböck 2012, S. 117): Zum einen müssen die Befragten in der Lage sein, sich ihre Erfahrungen bewusst zu machen und sie zu artikulieren. Speziell der Besuch von KZ- und Genozid- Gedenkstätten löst häufig fundamentale Emotionen wie Erschütterung, Entsetzen, Mitleid, Schmerz und Trauer aus. Deshalb ist es auch fraglich, ob die Probanden bereit sind, präzise und umfassend über diese besonders intimen Reaktionen zu berichten Zum anderen basieren die Ergebnisse immer auf Selbstauskünften, deren Wahrheitsgehalt vom Interviewer nicht überprüft werden kann. Damit besteht die Gefahr, dass die Besucher in dieser Face-to-Face-Situation nur sozial erwünschte Antworten geben und abweichende Meinungen verschweigen (im Gegensatz zu den anonymen Kommunikationsmöglichkeiten im Internet, in dem zahlreiche rassistische, antisemitische und volksverhetzende Äußerungen von Holocaustleugnern zu finden sind). Angesichts dieser Grenzen der empirischen Tourismusforschung müssen die vorliegenden Resultate von Motivationsstudien also mit einiger Vorsicht betrachtet werden. Übereinstimmend kommen die Studien zu dem Fazit, dass die Motive der Individualbesucher von NS-Gedenkstätten aus einem komplexen Bündel persönlicher Erwartungen bestehen (die Teilnahme an Gruppenreisen bzw. Klassenfahrten hat hingegen einen extrinsischen Zwangscharakter). Das Spektrum reicht von einer allgemeinen touristischen Neugier über ein eher kognitives historisches Interesse bis hin zu einem moralischen Verantwortungsbewusstsein, der Opfer des Holocaust zu gedenken. In einer qualitativen Untersuchung haben US-amerikanische Rucksackreisende z. B. angegeben, dass sie sich gegenüber Verwandten, Freunden und Bekannten verpflichtet gefühlt hätten, im Rahmen einer Reise durch Polen auch das „Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau“ zu besichtigen (vgl. Thurnell-Read 2009, S. 34; auch Selmi/ Tur/ Dornier 2012, S. 322). Eine aufwändige empirische Analyse konnte vier maßgebliche Motivbereiche abgrenzen, die sich - zumindest teilweise - mit den generellen Interessen von Kulturtouristen überschneiden (vgl. Biran/ Poria/ Oran 2010, S. 831): der Wunsch, die authentischen Schauplätze zu besuchen, um die historischen Geschehnisse persönlich nachvollziehen zu können („see to believe it“), das Interesse, mehr Information über den Holocaust zu erhalten und dadurch ein besseres Verständnis zu erlangen („learning and understanding“), 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 32 03.02.2021 11: 50: 23 <?page no="33"?> Stätten des Holocaust und des Völkermords 33 das Bedürfnis, eine weltbekannte „dunkle“ Sehenswürdigkeit zu besichtigen („famous death tourist attraction“), die Sehnsucht von Familienangehörigen, sich mit dem Schicksal ihrer Vorfahren auseinanderzusetzen und deren Leid nachzuempfinden („emotional heritage experience“). Moralisch fragwürdige Erwartungen wie Voyeurismus, Schadenfreude oder ein morbides Interesse am Leiden und Sterben sind hingegen die Ausnahmen - das zeigen Studien, die in einigen NSbzw. Genozid-Gedenkstätten und an anderen „dunklen“ Orten durchgeführt worden sind (vgl. Robinson 2015, S. 219-225; Owens 2016, S. 156-157; Aschauer/ Foidl/ Weichbold 2020, S. 230-231). 10 | NS-Gedenkstätten haben eine wichtige Funktion als Informations- und Lernorte - immerhin beurteilen mehr als 40 Prozent der Besucher der KZ-Gedenkstätte Dachau ihre Kenntnisse des Holocaust mit den Schulnoten „ausreichend“ bis „ungenügend“. Für den Entschluss zum Besuch einer NS-Gedenkstätte sind mehrere Faktoren verantwortlich. Neben dem Schulunterricht spielen Sachbücher, Biographien etc. und Berichte in den Medien, aber vor allem auch Spielfilme, TV-Serien/ -Dokumentationen eine zentrale Rolle. Zu den erfolgreichen Produktionen zählen u. a.: „Das Tagebuch der Anne Frank“ (George Stevens; 1959), „Holocaust - Die Geschichte der Familie Weiss“ (Marvin J. Chomsky; 1978), „Shoa“ (Claude Lanzmann; 1985), „Schindlers Liste“ (Steven Spielberg; 1993), „Das Leben ist schön“ (Roberto Benigni; 1997), „Der Junge im gestreiften Pyjama“ (Mark Herman; 2008). Solche medialen Trigger lenken den Scheinwerfer des öffentlichen Interesses auf einzelne NS-Gedenkstätten und lösen damit (zumindest indirekt) den Wunsch aus, die authentischen „dunklen“ Orte zu besichtigen. Dieser Effekt lässt sich am Beispiel des Anne-Frank- Hauses in Amsterdam verdeutlichen: Mehr als 80 Prozent der befragten Besucher waren durch Filme auf das Museum aufmerksam geworden, und jeder zweite Gast hatte das berühmte „Tagebuch der Anne Frank“ gelesen. In dieser Hinsicht überschneidet sich der Dark Tourism mit den Phänomenen des Literaturtourismus bzw. des Filmtourismus, bei denen es auch um die Besichtigung von Schauplätzen bzw. Drehorten geht (vgl. Busby/ Devereux 2015, S. 33; Steinecke 2016). Schließlich wird die Reise- und Besuchsentscheidung durch logistische Überlegungen beeinflusst - z. B. die Nähe der Einrichtungen zu Großstädten und die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln. 6,4% 24,9% 27,5% 21,4% 16,5% 3,4% sehr gut gut befriedigend ausreichend mangelhaft ungenügend 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 33 03.02.2021 11: 50: 23 <?page no="34"?> 34 Tourism NOW : Dark Tourism Angesichts der großen Zahl von Holocaust-Touristen und des breiten Spektrums an Motiven erweist es sich als schwierig, die persönlichen Erfahrungen der Besucher von NS- Gedenkstätten resümeeartig zusammenzufassen. Befragungen, teilnehmende Beobachtungen und Auswertungen von TripAdvisor-Einträgen haben ergeben, dass sie zum einen tief beeindruckt sind von den Informationen, die sie im Rahmen von Führungen erhalten haben. Zum anderen löst die persönliche Erfahrung des historischen Ortes emotionale Reaktionen wie Schock, Trauer, Verzweiflung und Schuldgefühle aus. Gleichzeitig monieren viele Touristen das unangemessene Betragen anderer Besucher, die dort laut reden, rauchen, Picknick machen, ihre Hunde ausführen etc. (vgl. Reynolds 2011, S. 162; Brown 2015; Ballis 2020, S. 75; Roll 2020, S. 62). Diese diskordanten Reaktionen auf das Grauen kommen in dem Dokumentarfilm „Austerlitz“ (Sergei Loznitsa; 2016) deutlich zum Ausdruck, in dem die widersprüchlichen Verhaltensweisen der Gäste in den KZ-Gedenkstätten Dachau und Sachsenhausen in langen, ruhigen Einstellungen abgebildet werden - sowohl das oberflächliche Sightseeing als auch die spontane Betroffenheit. Generell stellt sich die Frage nach den Wirkungen des Besuchs einer KZ-Gedenkstätte: Führen die Eindrücke und Gefühle bei den Gästen tatsächlich zu einer dauerhaften Bewusstseins- und Verhaltensänderung oder geraten sie (wie andere Urlaubserlebnisse) im Alltag bald wieder in Vergessenheit? Eine Fallstudie in der KZ-Gedenkstätte Dachau ist z. B. zu dem Ergebnis gekommen, dass die Besichtigung bei den Besuchern durchaus mittel- und langfristige Effekte ausgelöst hat - z. B. eine größere Sensibilität hinsichtlich humanistischer Werte wie Gerechtigkeit, Freiheit, Toleranz etc. (vgl. Liyanage/ Coca-Stefaniak/ Powell 2015). Selbst wenn die Gäste zunächst aus Gründen einer allgemeinen Neugier bzw. eines historischen Interesses kommen, machen viele von ihnen an den Orten des Schreckens existenzielle Erfahrungen, durch die sie erschüttert und nachhaltig verändert werden (diese Transformation lässt sich mit der Katharsis in der antiken Tragödie vergleichen). Die Skeptiker verweisen hingegen auf die geringe Aufenthaltsdauer, die sich zumeist auf nur wenige Stunden beläuft. Unter museumsdidaktischen Gesichtspunkten handelt es sich um eine kurzzeitpädagogische Maßnahme, die keine Möglichkeit zu einer intensiven Reflexion bietet. In manchen Fällen wird der Besuch von Holocaust-Gedenkstätten sogar mit der Besichtigung anderer Sehenswürdigkeiten kombiniert - wie in Auschwitz, wo einige Gäste im Rahmen organisierter Tagestouren anschließend zum Salzbergwerk Wieliczka fahren. Damit besteht die Gefahr, dass die Erinnerungen an den besonders „dunklen“ Ort rasch durch „hellere“ Erlebnisse überlagert und nivelliert werden (vgl. Steinbrenner/ Sturm 2017, S. 575; Dalziel 2020, S. 43). „Die sogenannte Erinnerungskultur besteht größtenteils aus Wohlfühlritualen für die Nachkommen der Täter, die sich selbst darin bestätigen, wie vorbildlich sie mit der Geschichte umgehen.“ Broder 2013 Als weiteres Problem erweist sich der große Besucherandrang in stark frequentierten Einrichtungen wie dem „Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau“, der eine intensive Auseinandersetzung mit den schrecklichen Ereignissen und den persönlichen Schicksalen der Opfer erschwert. Während der Hauptsaison ist es nahezu unmöglich, vor Ort überhaupt 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 34 03.02.2021 11: 50: 24 <?page no="35"?> Stätten des Holocaust und des Völkermords 35 eine Eintrittskarte zu bekommen, da diese bereits Monate im Voraus ausgebucht sind. Um die Masse der jährlich mehr als zwei Millionen Gäste organisatorisch bewältigen zu können, sind 328 Guides im Einsatz, die Führungen in 20 Sprachen durchführen (vgl. Smechowski 2019). Das Interesse der Besucher konzentriert sich dabei auf besonders verstörende Exponate wie die Vitrinen mit menschlichen Haaren bzw. Zyklon B-Kartuschen, die aufgrund ihrer ikonenhaften Bedeutung gewissermaßen mit der „Mona Lisa“ im Louvre zu vergleichen sind - als ein „Ort und Augenblick der Begegnung mit dem Allerheiligsten“ (Skriebeleit 2020, S. 29). Zur Vermeidung längerer Warteschlangen dürfen die Touristen dort nur kurz verweilen. 11 | Ein „Disneyland des Todes“ - so hat der Publizist Henryk M. Broder einmal das „Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau“ bezeichnet. Im Mittelpunkt seiner Kritik stehen dabei das hohe Besucheraufkommen und die zunehmende Touristifizierung (nicht zuletzt durch Reiseagenturen), die ein angemessenes Gedenken an das Leid und den Tod der Opfer verhindern. Gute-Laune-Selfies aus dem Konzentrationslager? Für heftige öffentliche Kritik sorgen die zunehmende Gedankenlosigkeit und die mangelnde Sensibilität, die einige Besucher von NS-Denkstätten inzwischen zeigen: Zu empörten Reaktionen kam es, nachdem die US-amerikanische Popsängerin Pink im Juli 2019 anlässlich eines Konzerts in Berlin das „Denkmal für die getöteten Juden Europas“ besichtigt hatte. Um ihren Besuch zu dokumentieren, postete sie bei Instagram ein Foto ihrer beiden Kinder, die durch das weitläufige Stelenfeld laufen. Zu ihrer Verteidigung wies sie darauf hin, dass sie jüdische Vorfahren habe, und sie forderte ihre Fans auf: „Bitte haltet euren Hass und Urteile für euch“ (vgl. Spiegel Online, 15.07.2019). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 35 03.02.2021 11: 50: 24 <?page no="36"?> 36 Tourism NOW : Dark Tourism Im Sommer 2019 löste der Fußballer Rodrigo Salazar vom Bundesligaverein Eintracht Frankfurt Schlagzeilen aus, als er auf seiner Instagram-Story ein Selfie aus der KZ-Gedenkstätte Auschwitz postete (versehen mit einem „+1“ und mehreren Party-Emojis). Es zeigte ihn auf den Schienen, auf denen die Opfer in Viehwaggons der Deutschen Reichsbahn in das Vernichtungslager transportiert wurden (und die längst zu einem universalen Symbol des Grauens geworden sind). Kurze Zeit später löschte er den Eintrag, entschuldigte er sich für sein Verhalten und kündigte an, der Gedenkstätte 1.000 Euro zu spenden (vgl. Jüdische Allgemeine, 13.09.2019). Längst handelt es sich diesen Formen der Selbstdarstellung nicht mehr um Einzelfälle: In den Social Media finden sich zahlreiche Fotos von (zumeist jugendlichen) Besuchern, die auf den Gleisen in Auschwitz balancieren. In einem Tweet hat das „Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau“ darauf hingewiesen, dass es „bessere Orte gibt , um das Laufen auf einem Schwebebalken zu lernen“ und die Besucher aufgefordert, sich respektvoller zu verhalten (vgl. Kienzl 2019). Viel spektakulärer und kritischer war das (umstrittene) Projekt „Yolocaust“ des Autors und Satirikers Shahak Shapira, mit dem er im Jahr 2017 auf diese geschmacklosen Aktivitäten an Holocaust-Gedenkstätten aufmerksam machte. Für seine Website nutzte er Selfies und Fotos von Touristen, die auf den Stelen des „Denkmals für die ermordeten Juden Europas“ ein Picknick veranstalteten oder Yogaübungen machten, und kombinierte sie mit Bildmaterial aus NS-Konzentrationslagern. Wenn die User mit der Maus über seine Bilder fuhren, erschienen Fotos von Massengräbern, Leichenbergen, abgemagerten KZ-Häftlingen etc. und bildeten den Hintergrund für die Schnappschüsse der Urlauber. Innerhalb kurzer Zeit konnte die Website mehr als 2,5 Millionen Besucher verzeichnen. Nachdem sich die zwölf Fotografen bei dem Künstler gemeldet und für ihr Verhalten entschuldigt hatten, wurde die Aktion bereits nach einer Woche wiedereingestellt ( www.yolocaust.de). Allerdings bieten die Social Media den NS-Gedenkstätten auch zahlreiche neue Möglichkeiten, potenzielle Besucher online zu erreichen und informieren: So nutzt z. B. das „Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau“ bereits seit längerem virtuelle Kommunikationskanäle wie Facebook, Twitter, Pinterest, Instagram etc. (vgl. Datan-Grajewski 2020; Groschek 2020, S. 89; Bolan/ Simone-Charteris 2018 zur Rolle der Social Media im Dark Tourism generell). Stätten von Genoziden und Massakern in Asien und Afrika „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ - mit dieser Zeile hat der Lyriker Paul Celan in seiner „Todesfuge“ die Singularität und die Monstrosität des Holocaust eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht. In der Geschichte hat es keine vergleichbare staatlich organisierte und systematisch durchgeführte Form des Völkermords gegeben, dem eine so große Zahl von Menschen zum Opfer fiel. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 36 03.02.2021 11: 50: 24 <?page no="37"?> Stätten des Holocaust und des Völkermords 37 Gleichwohl ist es auch in anderen Ländern zu Genoziden und Massakern gekommen, die dort zum besonders „dunklen“ nationalen Erbe zählen. Dazu zählen u. a. der Völkermord an den Herero und Nama durch deutsche Kolonialtruppen (1904-1908), der Völkermord an den Armeniern und syrischen Christen im Osmanischen Reich (1915- 1917), die Kriegsverbrechen der japanischen Besatzer in der damaligen chinesischen Hauptstadt Nanjing (1937), das Massaker von Srebrenica während des Bosnienkrieges (1995) und der Völkermord an den Jesiden durch den Islamischen Staat (2014) (vgl. Beech 2009; Zheng u. a. 2020). An zwei Beispielen soll die touristische Bedeutung von Gedenkstätten erläutert werden, die in Kambodscha und Ruanda an Massaker und Völkermord erinnern: Das „Tuol Sleng Genocide Museum“ in Phnom Penh gehört zu den vielen Erinnerungsorten in Kambodscha, an denen der Opfer des maoistischen Rote Khmer- Regimes (1975-1979) gedacht wird; es wurde bereits im Jahr 1980 eröffnet. In dem ehemaligen Sicherheitsgefängnis S-21 waren mehr als 14.000 Häftlinge inhaftiert, die nach Verhören und Folterungen ermordet und auf den berüchtigten Killing Fields in Massengräbern beigesetzt wurden. Unter der Schreckensherrschaft der Roten Khmer starben bis zu zwei Millionen Menschen - ca. ein Viertel der gesamten Bevölkerung. Angesichts der Armut des Landes betrachtet die Regierung den Genozid-Tourismus inzwischen als lukrativen Wirtschaftsfaktor; eine Zeit lang gab es sogar Pläne für den Bau eines Rote Khmer-Themenparks. Mit ca. zwei Millionen Besuchern/ Jahr gehören das Museum, aber auch das nahegelegene „Choeung Ek Killing Field“ inzwischen zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt; sie sind beliebte Ziele privater Tuk-Tuk-Touren und organisierter Busausflüge (vgl. Bickford 2009; Libett 2011; Jarvis 2015; Lawther/ Killean/ Dempster 2019, S. 15-21). In Ruanda haben Angehörige der Huthu-Mehrheit im Jahr 1994 innerhalb weniger Monate ca. eine Million Menschen ermordet (überwiegend Mitglieder der Tutsi- Volksgruppe). Unter den zahlreichen Gedenkstätten, die an diese schrecklichen Ereignisse erinnern, kommt dem „Kigali Genocide Memorial“ in der Hauptstadt Kigali eine zentrale Bedeutung zu. Es besteht aus einem Museum und einem Friedhof, auf dem mehr als 250.000 Opfer bestattet worden sind. Seit ihrer Eröffnung im Jahr 2004 hat sich die Anlage zu einer wichtigen Sehenswürdigkeit des Landes entwickelt. Sie verzeichnet jährlich ca. 100.000 Besucher, bei denen es sich überwiegend um ausländische Touristen handelt, und rangiert bei TripAdvisor auf Platz 1 der Aktivitäten in Kigali. Aus Sicht der Gäste wird die Geschichte des Völkermords dort eindrucksvoll vermittelt. Obwohl sie in keiner persönlichen Beziehung zu den Opfern stehen, lösen die Informationen, Exponate und Gräber bei ihnen eine große Betroffenheit aus. Neben der Empathie haben viele Besucher aber auch ein Schuldgefühl, weil die damaligen Gräueltaten nicht von der internationalen Gemeinschaft verhindert worden sind. Darüber hinaus äußern sie die Hoffnung, dass die Menschen in Ruanda künftig friedlich zusammenleben werden (vgl. Sharpley 2012, S. 108-109; Sharpley/ Gahigana 2014, S. 76; Sodaro 2018, S. 84- 110; Friedrich/ Stone/ Rukesha 2018; Scorgie-Porter 2020). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 37 03.02.2021 11: 50: 24 <?page no="38"?> 38 Tourism NOW : Dark Tourism 12 | Den vielen Opfern von Verfolgung, Vertreibung und Ermordung ein Gesicht geben - das „Kigali Genocide Memorial“ ist der zentrale Erinnerungsort für den Völkermord in Ruanda. In den positiven Reaktionen der ausländischen Besucher spiegelt sich das universale Konzept dieser Gedenkstätten wider, bei dessen Erarbeitung und Umsetzung externe Partner eine wichtige Rolle gespielt haben. So ist das „Kigali Genocide Memorial“ mit Unterstützung einer britischen NGO (Non-Governmental Organization) entwickelt worden und das Management des „Choeung Ek Killing Field“ liegt in den Händen eines japanischen Unternehmens. Beide Erinnerungsorte nutzen Ausstellungs- und Vermittlungsformen, die dem globalen Reisepublikum aus anderen „dunklen“ Orten und speziell aus Holocaust-Gedenkstätten vertraut sind. Dazu zählen verstörende Exponate wie Schädel, Gebeine und Kleidungsstücke der Opfer, überdimensionale Steinplatten mit den eingravierten Namen der Toten, große Ausstellungsräume mit Fotos der Getöteten sowie mehrsprachigen Informationstafeln, karge Haft- und Folterzellen etc. Mit dieser Mischung aus Präsentation, Dokumentation und Bildung sind die Einrichtungen keine Stätten des Gedenkens für die Familienangehörigen der Opfer. Vielmehr bieten sie den internationalen Besuchern die Möglichkeit, sich über die historischen Ereignisse zu informieren und vor allem auch einen persönlichen und aktuellen Bezug zu allgemeinen moralischen Fragen wie Gerechtigkeit, Gewalt, Reue etc. herzustellen (vgl. Davis/ Bowring 2011, S. 386-387; Sion 2011, S. 5). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 38 03.02.2021 11: 50: 25 <?page no="39"?> Stätten des Holocaust und des Völkermords 39 2.3 Aufklärung oder Emotionalisierung - Herausforderungen für das Management und Marketing von NS-Gedenkstätten Für einiges Aufsehen sorgte der japanische Künstler Simon Fujiwara, als er im Jahr 2018 im „Kunsthaus Bregenz“ das international bekannte „Anne-Frank-Haus“ im Maßstab 1 : 1 nachbauen ließ. Als Vorlage diente dabei ein Modellbaubogen, der im (Online-)Shop der Gedenkstätte zum Preis für 21,00 Euro angeboten wird. Er ist Teil eines umfangreichen Angebots an Souvenirs, das Bücher in sieben Sprachen, DVDs, Blanko-Tagebücher, Postkarten, Baumwolltaschen etc. umfasst (vgl. McKenzie 2018 zur ambivalenten Rolle von Souvenirs im Dark Tourism generell). Die Installation „Hope House“ war zum einen eine kritische Auseinandersetzung mit der enormen Kommerzialisierung und Trivialisierung dieses Gedenkortes - vor allem angesichts der Tatsache, dass es sich bei dem „Anne-Frank-Haus“ größtenteils um eine Rekonstruktion handelt, da nur wenige Gegenstände aus dem Familienbesitz im Original erhalten geblieben sind. Zum anderen kommentierte Fujiwara aber auch die moralisch fragwürdige Rezeption des tragischen Schicksals von Anne Frank in der Öffentlichkeit und speziell in den Social Media. Zu den Exponaten gehörten u. a. zahlreiche Bilder von prominenten Besuchern sowie eine Reproduktion des blauen Hosenanzugs der US-amerikanischen Popsängerin Beyoncé, den sie bei ihrem Besuch des Museums in Amsterdam getragen hatte; dieses Outfit war weltweit innerhalb von 45 Minuten ausverkauft, nachdem sie ihr Foto bei Instagram gepostet hatte (vgl. Gregori 2018). An diesem Projekt lässt sich das grundsätzliche Dilemma verdeutlichen, vor dem die Verantwortlichen von NS-Gedenkstätten stehen: Sollen sie sich darauf beschränken, die Besucher wissenschaftlich fundiert und sachlich über die schrecklichen historischen Ereignisse zu informieren, oder dürfen sie auch zeitgemäße Marketing-Maßnahmen (Inszenierung, Merchandising etc.) einsetzen, um an das Mitgefühl der Gäste zu appellieren und deren Wunsch nach einer persönlichen Identifikation mit den Opfern zu erfüllen? Auf diese Frage gibt es keine allgemeingültige Antwort; vielmehr sind unterschiedliche nationale Erinnerungspraktiken zu beobachten (vgl. Frew 2018). 13 | Eine ungewöhnliche Art der nationalen Gedenkkultur - bereits durch die spektakuläre Gestaltung der Fassade signalisiert das „Terror Háza“ (Haus des Terrors) in Budapest sein Konzept einer aufwühlenden Geschichtsvermittlung, mit dem die Besucher visuell beeindruckt und gefühlsmäßig berührt werden sollen. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 39 03.02.2021 11: 50: 25 <?page no="40"?> 40 Tourism NOW : Dark Tourism Eine konsequente Strategie der Emotionalisierung und Überwältigung der Besucher verfolgt z. das Terror Háza ( Haus des Terrors in Budapest. Bis 1945 wurde das Gebäude von der rechtsradikalen Partei der „Pfeilkreuzler“ als Parteizentrale genutzt, anschließend hatte dort die kommunistische politische Polizei ihr Hauptquartier. Angesichts der brutalen Verhörmethoden und zahlreichen Hinrichtungen, die in diesem Haus stattgefunden haben, ist d e dresse dráss s ez e r ar zu e e o der er o u u d des Schreckens geworden. Bei der Umwandlung in ein Museum im Jahr 2002 wurde weitgehend auf die Vermittlung exakter geschichtlicher Fakten verzichtet. Stattdessen setzt das Museum auf eindrucksvolle Exponate (u. a. ein blutrot illuminiertes Gewölbe mit mehreren Galgen, ein nachgebauter Gerichtssaal, in dem Filmaufnahmen von Schauprozessen gezeigt werden etc.) sowie audiovisuelle Impressionen (düstere Musik, das endlos erscheinende Verlesen der Namen von Opfern, Wandtapeten mit vielen hundert Porträtbildern etc.) (vgl. ár T a ; Sodaro 2018, S. 68-76). „Der bedrückendste Teil des Museums ist dem Ende dieser unschuldig Verurteilten gewidmet. In der gläsernen Kabine, die sich, merkwürdig langsam und von einem kettenrasselnden Geräusch begleitet, nach unten bewegt, wird plötzlich an der Rückseite ein als solcher vorher gar nicht erkenntlicher Monitor in Betrieb gesetzt, und ein älterer Ungar beginnt mit stockender Stimme von den Hinrichtungen im Morgengrauen zu erzählen. Scheinexekutionen, Folterungen, Abschiede, Hilfeschreie, Erschießungen und Erhängen - der Besucher kann sich der per Untertitel ins Englische übersetzten akribischen Schilderung der letzten Stunden der Delinquenten in dem verschlossenen Aufzug nicht entziehen. Immer tiefer senkt sich die Kabine in den Keller herab … - ehe der Monitor plötzlich ausgeschaltet wird und sich die Aufzugtür öffnet.“ Witzani 2005 Im Gegensatz zu dieser effekthaschenden und erlebnisorientierten Art der Gedenkkultur verstehen sich die deutschen NS-Gedenkstätten traditionell als Orte der persönlichen und öffentlichen Erinnerung, der historischen Forschung und der schulischen bzw. außerschulischen Bildung sowie als Instrumente zur Prävention rechtsextremer Gesinnungen (vgl. Burger/ Ribarek 2015, S. 34). Dabei orientieren sie sich bislang weitgehend an drei Prinzipien, die im Jahr 1976 im „Beutelsbacher Konsens“ formuliert worden sind und seitdem als Richtschnur staatlicher Bildungsträger gelten: das Überwältigungsverbot (Verzicht auf stark emotionalisierende Inszenierungen und Rekonstruktionen), das Kontroversitätsgebot (Verzicht auf dogmatische politische bzw. moralische Inhalte), das Partizipationsideal (Anregung zu einer persönlichen Stellungnahme und zu einem Gegenwartsbezug). Die Erinnerung an das Leid und den Tod der Opfer - dieses generelle Ziel wird in den NS- Gedenkstätten durch eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt; dazu zählen u. a. (vgl. Knoch 2018, S. 2): der Erhalt der baulichen Relikte und anderer materieller Überreste (im Sinne einer Authentizität), die Anlage und die Bewahrung sakraler Orte (Friedhöfe, Grabstätten, Denkmale etc.), 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 40 03.02.2021 11: 50: 25 <?page no="41"?> Stätten des Holocaust und des Völkermords 41 die Betreuung von Überlebenden und deren Angehörigen durch individuelle und kollektive Formen des Gedenkens, die Sammlung von Objekten, Dokumenten und Zeugnissen, die Durchführung von wissenschaftlichen Forschungsarbeiten, die Information der Öffentlichkeit durch Dauerausstellungen, Bildungsangebote, Publikationen und öffentliche Veranstaltungen. Allerdings stellt der Wandel der Besucherstruktur die Verantwortlichen der NS-Gedenkstätten vor neue organisatorische und inhaltliche Herausforderungen. Da immer mehr Gäste keine persönliche Beziehung zu den Opfern bzw. zu den historischen Ereignissen haben, betrachten sie die Gedenkstätten vor allem als „dunkle“ Sehenswürdigkeiten und erwarten eine zeitgemäße touristische Infrastruktur. Lange Zeit entsprachen die Erinnerungsorte aber nicht den Standards anderer Kulturattraktionen; inzwischen verfügen sie jedoch - wie Museen, Burgen und Schlösser - auch über ein gastronomisches Angebot (Bistro, Cafeteria etc.) und einen (Online-)Shop. Umstritten ist hingegen der Verkauf von Souvenirs. Obwohl damit das Bedürfnis der Touristen erfüllt wird, eine tangible Erinnerung an den Besuch zu erwerben, gelten Merchandising-Artikel aus Sicht vieler Verantwortlicher als unvereinbar mit den ethisch-moralischen Zielsetzungen der Gedenkstätten (vgl. Dittrich/ Jacobeit 2005; Kelerstein 2018, S. 34): Zu den wenigen Ausnahmen gehört das niederländische „Herinneringscentrum Kamp Westerbork“ (ein früheres NS-Durchgangslager), das bereits in den 1990er-Jahren im Rahmen einer Corporate Identity-Strategie ein eigenes Logo entwickelt hat, das auf mehreren Artikeln verwendet wird (Kugelschreiber, Schirme, Gedenkmünzen etc.) (vgl. Bitterberg 2005). Allerdings können die Gedenkstätten nur auf ihrem eigenen Gelände die Grenzen des Marketings definieren. Daher kann es im direkten Umfeld durchaus zu einer unkontrollierten Kommerzialisierung und Kitschification kommen - wie z. B. in einem Shop neben der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, dessen Sortiment u. a. Kaffeebecher, Kochbücher, Kosmetika, Zauberwürfel und T-Shirts mit Militärsymbolen umfasst (vgl. Grebenar 2018, S. 89; Green 2019). Darüber hinaus erwartet das internetaffine jüngere Reisepublikum (Digital Natives) aktuelle Formen der Wissensvermittlung - jenseits von Infotafeln, Holzmodellen bzw. rekonstruierten Baracken. Eine Besucherstudie in der KZ-Gedenkstätte Dachau hat z. B. ergeben, dass die Schüler das multimediale Angebot nur mit der Schulnote 2,5 bewerten - deutlich schlechter als die Fotos und Zeichnungen (1,7), die Begriffserklärungen (2,0), die Verständlichkeit (2,0) und die Orientierung (2,1) (vgl. Burger/ Ribarek 2015, S. 41). Vor diesem Hintergrund haben mehrere NS-Gedenkstätten innovative audiovisuelle Medien entwickelt, mit denen die Besucher nicht nur anschaulich informiert, sondern teilweise auch emotional berührt werden sollen (vgl. Hänssler 2017; Ward/ Hill 2020, S. 241-244 zu den erlebnisorientierten Vermittlungsmethoden generell): So bieten mehrere KZ-Gedenkstätten ihren Gästen die Möglichkeit, sich bereits vor bzw. während des Besuchs mit Hilfe von interaktiven Smartphone Applications zu informieren bzw. zu orientieren - z. B. Buchenwald, Mittelbau-Dora und Neuengamme. Neben Basisdaten und Lageplänen enthalten die Apps historische und aktuelle Fotos, Luftaufnahmen, Videos sowie teilweise auch Interviews mit Überlebenden. Darüber 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 41 03.02.2021 11: 50: 25 <?page no="42"?> 42 Tourism NOW : Dark Tourism hinaus regen die KZ-Gedenkstätten Sachsenhausen und Mauthausen ihre Besucher mit Tourenvorschlägen dazu an, auch die früheren Außenlager zu besichtigen. Für die rheinland-pfälzische Gedenkstätte „SS-Sonderlager/ KZ Hinzert“ wurde die „HÖRspur“- App „Lucien“ konzipiert - eine Collage aus Text und Musik. Mit Hilfe dieses begehbaren Hörspiels sollen die Besucher während ihres Rundgangs einen neuartigen Zugang zur Geschichte des Lagers erhalten. Die KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen nutzt die Möglichkeiten der Augmented Reality (Erweiterte Realität), um den Gästen einen Eindruck des Lagers zu vermitteln, von dem nur wenige authentische Relikte erhalten geblieben sind. Auf der Basis von Zeichnungen, Fotos und Aussagen von Zeitzeugen haben sie virtuelle 3D-Modelle der Gebäude entworfen, die von den Usern vor Ort auf einem Tablet-Computer in die Landschaft projektiert werden können; außerdem lassen sich dort zusätzliche Informationen abrufen (vgl. Kirschke/ Wolff 2018 zur Methodik einer virtuellen Rekonstruktion historischer Objekte). „Eine App, die ein Konzentrationslager imaginär wiederaufbaut, quasi als technisches Highlight auf dem sonst so tristen Totenfeld, ist nicht nur - bestenfalls - sinnlos, sondern lenkt auch ab vom Zweck der Gedenkstätte. Und welche neuen Besuchergruppen man mit dem dreidimensionalen virtuellen KZ Bergen - Belsen noch so alles anlocken könnte, will ich mir lieber nicht ausmalen.“ Ambs 2013 Mit wachsender zeitlicher Distanz zu den historischen Ereignissen müssen die NS- Gedenkstätten zunehmend auf die Zeitzeugen des Holocaust verzichten, die auf authentische und deshalb besonders beeindruckende Art über ihre persönlichen Schicksale berichten konnten. Um dieses Wissen zu bewahren, hat die US-amerikanische „USC Shoa Foundation“ lange Gespräche mit Überlebenden geführt und dabei mit sieben Kameras aus unterschiedlichen Perspektiven gefilmt. Dieses Material wurde dazu genutzt, Hologramme zu erzeugen, die auf rechteckigen 3-D-Bildschirmen in Lebensgröße präsentiert werden können. Auf der Basis der ausgiebigen Gesprächsaufzeichnungen sind die Avatare sogar in der Lage, die gängigsten Fragen der Besucher mit Hilfe einer Sprachauswertungssoftware zu beantworten. Zu den Herausforderungen der NS-Gedenkstätten gehört auch der angemessene Umgang mit rechtsradikalen Besuchern. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Aufgabe, die aus der zunehmenden Touristifizierung und Internationalisierung resultiert, sondern aus einem generellen gesellschaftlichen und politischen Umbruch. Bereits in der Vergangenheit sind die Erinnerungsorte immer wieder das Ziel von rechtsradikalen Gruppen gewesen - wie z. B. die KZ-Gedenkstätte Dachau, die im Jahr 2001 mit antisemitischen und antiisraelischen Parolen geschändet worden ist. In jüngerer Zeit haben massive Störungen durch AfD-Besuchergruppen in Einzelfällen zum Abbruch von Führungen, zum Erlass von Hausverboten bzw. zu Strafanzeigen geführt. Den ideologischen Hintergrund bilden dabei provokante Aussagen führender AfD-Politiker wie Alexander Gauland, der den Nationalsozialismus als „Vogelschiss in unserer 1000-jährigen Geschichte“ bezeichnet hat, oder Björn Höcke, von dem die Forderung nach einer „erinnerungspolitische n Wende um 180 Grad“ stammt (vgl. Kagermeier/ Laskus 2019). Angesichts dieser fatalen Entwicklung werden die NS-Gedenkstätten auch künftig eine zentrale Bedeutung für eine fundierte wissenschaftliche und ethische Auseinandersetzung 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 42 03.02.2021 11: 50: 25 <?page no="43"?> Stätten des Holocaust und des Völkermords 43 mit dem schrecklichen Erbe des Nationalsozialismus haben. Der nationale und internationale Tourismusmarkt bietet ihnen dabei die Chance, einem breiten Publikum ihr historisches Wissen sowie ihre moralische und politische Botschaft eines „Nie wieder“ zu vermitteln. Literatur zum NS- und Holocaust-Tourismus Reynolds, D. P. (2018): Postcards from Auschwitz. Holocaust Tourism and the Meaning of Remembrance, New York Umfangreiche Studie zur historischen Entwicklung der Erinnerungskultur und zu aktuellen Formen des Holocaust-Tourismus in früheren Konzentrationslagern (speziell in Polen) sowie in Warschau, Berlin, Jerusalem und Washington, D. C. Langebach, M./ Liever, H. (Hrsg.; 2017): Im Schatten von Auschwitz. Spurensuche in Polen, Belarus und der Ukraine: Begegnen, Erinnern, Lernen, Bonn Eindrucksvoller, reich illustrierter Reader zu Orten des NS-Terrors im östlichen Mitteleuropa - u. a. mit historischen Rückblicken, aktuellen Beschreibungen der Gedenkstätten, Texten zu Opfern und Tätern sowie Beiträgen zur Gedenkstättenpädagogik HTM (Historisch-Technisches Museum Peenemünde) (Hrsg.; 2016): NS-Großanlagen und Tourismus. Chancen und Grenzen der Vermarktung von Orten des Nationalsozialismus, Berlin Sammelband mit konzeptionellen Beiträgen zum Marketing und Management von NS- Täterorten sowie Fallstudien zu einigen NS-Großanlagen (Bunker Valentin in Bremen, „Führerresidenz“ in Posen, Obersalzberg, Peenemünde etc.) 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 43 03.02.2021 11: 50: 25 <?page no="44"?> 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 44 03.02.2021 11: 50: 25 <?page no="45"?> 3 Über den angemessenen Umgang mit einem „dunklen“ Ort: Erfahrungen eines Praktikers „Ich habe von Dachau und Auschwitz gehört, aber noch nie von Flossenbürg.“ Zitat in der Ausstellung der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg 14 | Ein Ort der Ausbeutung, des Leids und des Todes - im KZ Flossenbürg waren zwischen 1938 und 1945 schätzungsweise 100.000 Personen inhaftiert. Sie wurden unter unmenschlichen Bedingungen für Arbeiten in den nahegelegenen Steinbrüchen eingesetzt und später auch in der Rüstungsindustrie. Die Erinnerung an die ca. 30.000 Todesopfer beschränkte sich lange Zeit auf würdig gestaltete Friedhofsanlagen; erst im Jahr 1995 wurde mit dem Aufbau einer Gedenkstätte begonnen. Interview mit Prof. Dr. Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg Herr Prof. Dr. Skriebeleit, Sie leiten die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg seit mehr als 20 Jahren. Welche Veränderungen konnten Sie in diesem Zeitraum bei den Besucherinnen und Besuchern feststellen - z. B. hinsichtlich der Altersstruktur, der Motive und der Reaktionen? KZ-Gedenkstätten gehören in der Bundesrepublik inzwischen zu den etablierten Kultur- und Geschichtsvermittlungseinrichtungen. Fast jeder Schüler besucht heute eine KZ- Gedenkstätte. Damit ist ein Teil der Altersstruktur bereits klar definiert. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 45 03.02.2021 11: 50: 26 <?page no="46"?> 46 Tourism NOW : Dark Tourism In all diesen Einrichtungen liegt der Anteil des erwachsenen Publikums aber bei deutlich über 50 Prozent, was Viele überraschen mag. Die Motive sind dabei sehr unterschiedlich, es geht um politische Bildung, um Wissensaneignung - aber auch um ein touristisches Interesse. Viele kleinere NS-Erinnerungsorte stehen im Schatten von Dachau bzw. Auschwitz, die sich zu international bekannten „dunklen“ Orten entwickelt haben. Dennoch konnte die KZ- Gedenkstätte Flossenbürg - trotz ihrer peripheren Lage - die Besucherzahl in den vergangenen Jahrzehnten deutlich steigern. Worauf führen Sie diesen Erfolg zurück? Die Geschichte der Gedenkstätten an nationalsozialistischen Verbrechensorten ist eine jeweils eigene. Sie hängt natürlich vom Charakter und Umfang der dort begangenen Menschheitsverbrechen ab, mindestens gleichermaßen ist sie aber auch Ausdruck von Symbolwerdungsprozessen und ganz manifesten politischen Entscheidungen. Flossenbürg ist der Prototyp eines „vergessenen“ Konzentrationslagers. Lange herrschte das Bild des „zweiten“ und damit auch vermeintlich unbedeutenderen Konzentrationslagers in Bayern vor. Die Geschichte des KZ Flossenbürg erklärt sich aber nicht aus bayerischer und auch nicht aus alter westdeutscher Perspektive. Um den Lagerkomplex Flossenbürg adäquat einordnen zu können, bedarf es des Blickes nach Sachsen und nach Böhmen, wo sich annähernd 100 Außenlager des KZ Flossenbürg befanden. Nach 1995 fand eine Wiederentdeckung des „Europäischen Erinnerungsortes Flossenbürg“ statt, die natürlich von uns, dem Team der neu institutionalisierten Gedenkstätte, auch aktiv befördert wurde. Dies erklärt auch den rasanten und nachhaltigen Anstieg der Besucherzahl. Während NS-Erinnerungsstätten in anderen Zielgebieten zumeist als beschämende „dunkle“ Orte betrachtet werden, die nicht zum angestrebten positiven Urlaubsimage passen, wirbt der Oberpfälzer Wald auf seiner Website für die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg als Ausflugsziel. Wie ist es zu dieser Einbindung in das Destinationsmanagement gekommen? Ich mag den Begriff der „dunklen Orte“ nicht, er ist mir zu modisch, zu sensationalistisch, zu eng und dabei gleichzeitig zu unscharf. Wir selbst betreiben bewusst keine touristische Werbung, wir werben aber sehr konsequent mit unseren inhaltlichen Angeboten, mit pädagogischen Programmen, Ausstellungen, Vorträgen und anderen Veranstaltungen. Dass wir bei Touristen auch als eine der unbedingt zu besuchenden Einrichtungen in der Region gelten, ist dabei ein willkommener Effekt. Daher haben wir hinsichtlich der Nennung unserer Einrichtung auf diversen Tourismusplattformen keine Einwände, aber wir betreiben das nicht aktiv, sondern werben ausschließlich für unsere inhaltliche Arbeit. Viele Verantwortliche von KZ-Gedenkstätten tun sich schwer damit, ihre Einrichtungen als touristische Sehenswürdigkeiten zu bezeichnen, da sie eine Trivialisierung befürchten. Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um dieser Gefahr zu begegnen? Der „KZ-Tourismus“ ist ein unübersehbares Faktum, allein die exponentiell ansteigenden Besucherzahlen und auch die messbare Besucherstruktur sind dafür klare Indizien. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 46 03.02.2021 11: 50: 26 <?page no="47"?> Über den angemessenen Umgang mit einem „dunklen“ Ort 47 Das bereitet, da haben Sie Recht, manchen Kollegen Unbehagen. Und einigen bereiten die hohen Besucherzahlen enorme praktische Probleme. Das Thema Overtourism kommt auch in unserer Szene an. Dies betrifft vor allem Holocaust-Ikonen wie Auschwitz und Dachau. Und es führt zu ganz manifesten Problemen bei der Besucherlenkung, bei profanen Infrastrukturmaßnahmen wie Parkplätzen und Toiletten, aber, noch gravierender, bei Fragen des Erhalts und der Konservierung von Relikten. Jeder Besucher und jede Besucherin wollen in Auschwitz die ausgestellten Menschenhaare sehen. Tourismustheoretisch haben die Haare von Auschwitz einen Status wie die Mona Lisa im Louvre: Man war nicht dort, wenn man das nicht gesehen hat. Die Masse der Besucher verändert den grundsätzlichen Charakter der Stätten. In Auschwitz denkt man beispielsweise über Besucherbeschränkungen nach, so wie dies in anderen großen Museen auch üblich ist. Davon sind allerdings die meisten deutschen Einrichtungen zum Glück noch weit entfernt. 15 | „Hier haben wir nicht nur die Kleidung verloren, sondern unsere Seele“ - so hat der italienische Künstler und Wissenschaftler Vittore Bocchetta das Häftlingsbad im KZ Flossenbürg beschrieben, in dem er von 1944 bis zur Befreiung durch US-amerikanische Soldaten inhaftiert war. Ausbeutung, Willkür und Schikane bestimmten den Alltag der Häftlinge im KZ Flossenbürg in einem Ausmaß, das sich die nachfolgenden Generationen nicht vorstellen können. Verfügt die Gedenkstättenarbeit überhaupt über die angemessenen didaktischen Mittel, den Besuchern diese schrecklichen Erfahrungen nachvollziehbar zu vermitteln? Nein und ja. Grundsätzlich: Man kann sich das Ausmaß von Entrechtung, Entwürdigung und täglicher (Über-)Lebensangst nicht vorstellen, man kann sich dem nur annähern. Niemand kann die Themen Konzentrationslager oder Deportation reenacten. Auch die immer wieder gestellte Forderung, man möge doch ein bisschen Stacheldraht ausrollen oder eine Baracke wiederaufbauen sind hilflose Wünsche, dem offensichtlich nicht Begreifbaren nahe zu kommen. Wir arbeiten völlig anders. Und deswegen auch ein Ja: Wir verfügen über zahlreiche didaktische Mittel, das Thema Konzentrationslager den Menschen nahe zu bringen. Wir reflektieren dabei stets selbstkritisch und verändern unsere Angebote, auch in methodischer Hinsicht. Seit geraumer Zeit setzen wir verstärkt auf Kommunikation mit den Besucherinnen und Besuchern, versuchen mit ihnen ins Gespräch zu kommen und kommunikative und damit auch partizipative Angebote zu entwickeln. Das ist nicht nur didaktisch anspruchsvoll, sondern auch enorm gegenwartspolitisch und damit gesellschaftsrelevant. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 47 03.02.2021 11: 50: 26 <?page no="48"?> 48 Tourism NOW : Dark Tourism Da KZ-Gedenkstätten zunehmend auf Zeitzeugen verzichten müssen, nutzen einige Einrichtungen inzwischen multimediale Techniken (Avatare, Apps, Augmented Reality etc.), um die Besucher anschaulich zu informieren. Halten Sie diese Praxis für sinnvoll und akzeptabel? Ich selbst bin hinsichtlich einiger digitaler Techniken äußerst skeptisch, nicht aus ideologischen Gründen, sondern aus empirischen. Schon seit 1945 gibt es Versuche, die Erfahrung der Überlebenden für die Ewigkeit zu bannen. Die gegenwärtig entwickelten und diskutierten Zeitzeugen-Hologramme sind nichts anderes als Jenseitshoffnungen. Sie werden scheitern, denn sie sind nur Surrogate - und falsche Versprechungen. Kein Medium kann das reale Gegenüber eines (über-)lebenden Menschen ersetzen. Wir haben dazu gerade eine Ausstellung mit dem intellektuell inspirierenden Team des Jüdischen Museums in Hohenems in Vorarlberg entwickelt (Titel: „Das Ende der Zeitzeugenschaft? “), die gerade durch Europa wandert. Ähnlich verhält es sich mit Augmented Reality-Angeboten. Wir beobachten und diskutieren dieses Thema seit mehr als einem Jahrzehnt. Nichts ersetzt die authentischen Orte, deswegen fahren Menschen dorthin, sie erwarten Haptik und Nähe. Alles andere sind Hilfskonstruktionen, von denen manche tatsächlich hilfreich sind und andere nur technizistische Mode oder schlicht Blödsinn. Zahlreiche Unternehmen der Tourismusbranche orientieren sich bei ihrer Tätigkeit an den Leitsätzen der „Corporate Social Responsibility“ (Umweltschutz, faire Arbeitsbedingungen, soziales und kommunales Engagement etc.). Welchen Stellenwert haben diese Prinzipien in der Arbeit der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg? Eine KZ-Gedenkstätte ist ein Ort, an dem per se Fragen von Ethik und Moral gestellt werden. Und das nicht nur im historischen Rückbezug, sondern vor allem auch in der Gegenwart und für die Zukunft. KZ-Gedenkstätten gelten von außen betrachtet von sich aus als moralische Orte, somit auch als Orte, an denen eigene Moralvorstellung geprüft und geschärft werden. Auch dies erklärt zu einem Teil die stark ansteigenden Besucherzahlen. Und natürlich stellen sich Menschen, die mit vordergründig touristischem Interesse diese Orte aufsuchen, während eines Besuches oder nach einem Besuch moralische Fragen. Dies ist immens wichtig und dies prägt unser eigenes Selbstverständnis. Das bedeutet, dass wir eben nicht zusätzlich vordergründig moralisieren, sondern Denk- und Kommunikationsangebote schaffen. Etwa mit einem eigenen Café, das von Menschen mit körperlichen und psychischen Einschränkungen betrieben wird, etwa durch die Diversität unseres Teams und unserer Angebote, etwa durch unsere nachhaltige Energieversorgung. In jüngerer Zeit mehren sich die Berichte über das respektlose Verhalten einiger (speziell jüngerer) Besucher von NS-Erinnerungsorten (Selfies, Posts bei Instagram etc.). Welche Schritte unternehmen Sie, um solche Aktivitäten zu verhindern? 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 48 03.02.2021 11: 50: 26 <?page no="49"?> Über den angemessenen Umgang mit einem „dunklen“ Ort 49 Ich halte die vermeintliche Zunahme von respektlosem Verhalten in NS-Erinnerungsorten für eine Schimäre, ein schräges Bild jenseits der Realitäten an diesen Orten. Ja, es gab und gibt gezielte Provokationen durch Populisten und Rechtsextreme. Ja, es gab und gibt unüberlegtes und nicht angemessenes Verhalten. Aber das betrifft eine verschwindend kleine Minderheit der Besucherinnen und Besucher. Im Vergleich zu den enormen Besucherzahlen und den nicht messbaren „Erfolgen“ all dieser Besuche ist das (presse-) öffentliche Image des schwindenden Respekts völlig überinterpretiert. Das Thema der NS-Verbrechen ist nach wie vor ein Thema massenhafter öffentlicher Prominenz und Relevanz und das ist gut so. Wir sind selbstverständlich präsent auf allen Social Media- Kanälen und das Ermutigende dabei ist doch, dass es selbst bei artikuliertem Blödsinn, von Provokationen ganz zu schweigen, sofort eine Vielzahl von Gegenreaktionen aus der Social Civil Society gibt. Wir treten nicht als Zensoren auf, sondern als sachlich eingreifende und bisweilen korrigierende Akteure, denen eine immense Glaubwürdigkeit eignet. Damit gehen wir bewusst um, mit dieser greifen wir auch dann gezielt ein, wenn es sein muss. Ein weiteres Problem ist der Umgang mit rechtsradikalen Besuchern, durch die es in KZ- Denkstätten bei Führungen zunehmend zu massiven Störungen kommt. Wie sollten die Einrichtungen auf solche Provokationen reagieren? Bei rechtsradikalen Provokationen, aber auch bei klar erkennbaren rechtsradikalen Besuchern greifen wir von Anfang an konsequent ein. An diesem Ort gelten die Spielregeln der Opfer, die sich auch in unserer Benutzerordnung manifestieren. Keine einschlägigen Aufdrucke oder Symbole auf Kleidungsstücken, selbst wenn diese nicht verboten sind, aber doch eine entsprechende Gesinnung demonstrieren. Wir kooperieren diesbezüglich äußerst engmaschig mit diversen Behörden, haben ein ausgeklügeltes Sicherheitskonzept. Wer bei uns in irgendeiner Art und Weise einschlägig auffällt, kann sicher sein, erfasst oder, bei Delikten, erwischt zu werden. Gleichwohl und vor allem wollen wir ein offener Ort mit offenen Angeboten sein und bleiben. 99,9 Prozent unserer Besucherinnen und Besucher werden daher mit offenen Armen empfangen. Ein verändertes politisches Umfeld, neuartige Vermittlungstechniken und steigende Ansprüche der Besucher - auf diese Veränderungen müssen die KZ-Gedenkstätten reagieren, um weiterhin ihre Aufgaben als Trauer-, Erinnerungs- und Lernorte erfüllen zu können. Wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen: Wie wird die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg im Jahr 2040 aussehen? Niemand weiß, wie die Zukunft der Erinnerung aussieht, eine Frage, die ich fast täglich gestellt bekomme. In ihr spiegelt sich Unsicherheit, ja auch Zukunftsangst: Bleiben die NS-Verbrechen auch künftig ein zentraler Bestandteil deutschen und europäischen Geschichtsbewusstseins? 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 49 03.02.2021 11: 50: 26 <?page no="50"?> 50 Tourism NOW : Dark Tourism Diese Bedeutung virulent zu halten, heißt, sie stets nach ihrer heutigen Relevanz zu befragen. Die Besucherzahlen in Gedenkstätten sprechen eine eindeutige Sprache. Aber das sagt natürlich noch nichts über die zukünftige Bedeutung. Für Flossenbürg kann ich das aber doch etwas konkreter fassen: Flossenbürg war über viele Jahrzehnte der Prototyp eines „vergessenen“ Konzentrationslagers. In unserer Philosophie soll es auch der Prototyp eines unfertigen Denkmals bleiben. Ein nur teil-gestalteter Ort, an dem sich die Fragen nach der Präsenz und nach der Relevanz der verbrecherischen Vergangenheit haptisch manifestieren. Flossenbürg wird sich in diesem Sinn künftig auch als Memory Lab weiterentwickeln, das exemplarisch Virulenzen und Relevanzen sichtbar macht und diese aktiv in den politischen und gesellschaftlichen Diskurs einbringt - ein Erinnerungs- und Zukunftsort. Prof. Dr. Jörg Skriebeleit ist seit 1999 Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Er hat empirische Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie an der Universität Tübingen sowie der Humboldt-Universität zu Berlin studiert und wurde am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin mit einer Studie über den Erinnerungsort Flossenbürg promoviert. Für seine erfolgreiche Arbeit und sein gesellschaftspolitisches Engagement ist er mehrfach ausgezeichnet worden - u. a. mit dem Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland am Bande (2013) sowie der Bayerischen Verfassungsmedaille in Silber (2016). Im Jahr 2020 wurde er von der Universität Regensburg zum Honorarprofessor an der Fakultät für Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften ernannt. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 50 03.02.2021 11: 50: 26 <?page no="51"?> 4 Schlachtfelder, militärische Einrichtungen und Militärmuseen „Da liegen wir, den toten Mund voll Dreck. Und es kam anders, als wir sterbend dachten. Wir starben. Doch wir starben ohne Zweck. Ihr lasst euch morgen, wie wir gestern, schlachten.“ Erich Kästner (1928) 16 | „Sag wo die Soldaten sind, über Gräbern weht der Wind. Wann wird man je verstehen? Wann wird man je verstehen? “ - die Schlacht um Verdun im Jahr 1916 zählt zu den verlustreichsten und grausamsten Kämpfen des Ersten Weltkriegs. Schätzungen zufolge sind auf deutscher und französischer Seite jeweils mehr als 100.000 Soldaten gefallen. Heute erinnern mehrere Friedhöfe und Museen an die „Hölle von Verdun“. Militärische Konflikte und kriegerische Auseinandersetzungen sind untrennbar mit der Geschichte der Menschheit verbunden. Sie stellen deshalb auch einen wesentlichen Bestandteil der „dunklen“ Kultur von Ländern und Völkern dar. Speziell die Schauplätze großer Schlachten sind bereits seit dem späten 18. Jahrhundert von den Zeitgenossen als Orte bedeutender historischer Ereignisse betrachtet worden. Ihre Verklärung in Literatur und Kunst, aber auch Berichte in Zeitungen und Journalen haben dazu beigetragen, dass sich das bürgerliche Reisepublikum der damaligen Zeit zunehmend für sie interessierte: Frühe Berühmtheit erlangte die Kanonade von Valmy im Jahr 1792 zwischen preußischen und französischen Truppen durch den legendär gewordenen Satz von Johann 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 51 03.02.2021 11: 50: 27 <?page no="52"?> 52 Tourism NOW : Dark Tourism Wolfgang von Goethe: „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.“ Zum Mythos dieser Schlacht trugen auch die Gemälde von Jean Baptiste Mauzaisse, Éloi Firmin Féron und Horace Vernet bei. Kurze Zeit nach der vernichtenden Niederlage der französischen Armee unter Napoleon Bonaparte am 18. Juni 1815 wurde das Schlachtfeld von Waterloo zu einem beliebten Reiseziel britischer Literaten und Maler, die diesen „place of skulls“ (Lord Byron) besichtigten und in ihren Werken verewigten - u. a. Sir Walter Scott, William Wordsworth und Joseph Mallord William Turner (vgl. Bainbridge 2015). Die mediale Präsenz von Schlachten und Kriegsschauplätzen wurde im 20. Jahrhundert durch eine Flut an Fach- und Sachbüchern, aber vor allem auch durch zahllose Romane, Spielfilme und TV-Serien erheblich gesteigert, die sich mit den Geschehnissen sowie der Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Ersten und Zweiten Weltkriegs sowie des Vietnamkriegs auseinandersetzten; als Beispiele sind u. a. zu nennen (vgl. George/ Das 2017, S. 6): „Im Westen nichts Neues“ (Roman von Erich Maria Remarque; 1928), „Die Brücke“ (Film von Bernhard Wicki; 1959), „Apocalypse Now“ (Film von Francis Ford Coppola; 1979), „Full Metal Jacket“ (Film von Stanley Kubrick; 1987), „Der Soldat James Ryan“ (Film von Steven Spielberg; 1998), „Band of Brothers - Wir waren wie Brüder“ (Serie des US-amerikanischen Pay-TV- Senders HBO). Welchen enormen Einfluss diese unterschiedlichen Medien gegenwärtig auf die öffentliche Wahrnehmung von Kriegsschauplätzen und das touristische Interesse an einem Besuch haben, wird an den Ergebnissen einer europaweiten Untersuchung deutlich: Als wichtigste Informationsquellen über den Ersten Weltkrieg nannten die Befragten das Fernsehen (77 Prozent), Literatur und Kunst (72 Prozent), den Schulunterricht (72 Prozent), Spielfilme (58 Prozent) und das Internet (57 Prozent) (vgl. Jansen-Verbeke/ George 2015, S. 12). Dabei beschränkt sich der Militärtourismus inzwischen nicht mehr nur auf Schlachtfelder, sondern umfasst auch militärische Einrichtungen (Kasernen, Bunker etc.), Befestigungsanlagen (Zitadellen, Festungen etc.), Informations- und Dokumentationsstätten (Panoramen, Museen etc.) sowie Events (Paraden, Tag der offenen Tür etc.) (vgl. Fasching 2012, S. 26-32). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 52 03.02.2021 11: 50: 27 <?page no="53"?> Schlachtfelder, militärische Einrichtungen und Militärmuseen 53 17 | Angebotsspektrum des Militärtourismus Auch in diesem Segment des Dark Tourism ist eine ausgeprägte Hierarchie der Sehenswürdigkeiten zu beobachten, die auf den selektiven Blick der Touristen und deren Suche nach dem Superlativ zurückzuführen ist. Die Aufmerksamkeit von Ausflüglern und Urlaubern richtet sich speziell auf Orte und Einrichtungen mit einzigartigen Merkmalen; dazu gehören u. a. (vgl. Steinecke 2007, S. 147): besonders verlustreiche bzw. historisch bedeutsame Kampfhandlungen (Waterloo, Verdun, Normandie etc.), prominente Heerführer und Kommandeure, um die sich dramatische und einprägsame Geschichten ranken (Cheruskerfürst Arminius, Admiral Nelson, Napoleon Bonaparte etc.), Festungsanlagen, die durch ihre exponierte Lage und eindrucksvolle Größe das Ortsbzw. Landschaftsbild prägen (Festung Ehrenbreitstein in Koblenz, Zitadelle von Bitsch/ Frankreich etc.). Militärtourismus militärische Originalschauplätze Informations- und Erinnerungsstätten (direkte und indirekte) » Soldatenfriedhöfe » Kriegsgräberstätten » Monumente » Panoramen, Rundbilder » Denkmale » Bildungsstätten » Museen » Gedenkstätten aller Art » Lehrpfade/ Kulturrouten Events/ Veranstaltungen » Militärparaden » Jahrfeiern » Inszenierungen » Tag der offenen Tür » Flugvorführungen » Traditionsvereine » Spezielle Angebote » Flug in Kampfjets » Panzerfahrten (militärisch) relevante Einzelobjekte » Wohngebäude » Regierungsgebäude Schlachtfelder » Schlachtfeld der Varusschlacht » Waterloo 1815 » Schlachtfelder bei Verdun und an der Somme Befestigungsanlagen » Wälle, Hügel » Stadtmauern » Burgen, Zitadellen » Festungen » Flaktürme » Verteidigungssysteme » Versorgungsanlagen militärische Anlagen » Kasernen » Militärflughäfen » Marinestützpunkte » Truppenübungsplätze » Bunker » Gefängnisse » Gefangenenlager 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 53 03.02.2021 11: 50: 27 <?page no="54"?> 54 Tourism NOW : Dark Tourism Zu den weiteren Gunstfaktoren einer touristischen Entwicklung von Schlachtfeldern, militärischen Einrichtungen und Militärmuseen zählen - wie bei den NS-Gedenkstätten - der jeweilige Standort (in Großstädten und deren Umland bzw. in beliebten Destinationen), die Erreichbarkeit (Individualverkehr, ÖPNV) sowie das Marketing und Management der Einrichtungen. Gedenkstätte/ Denkmal/ Museum Besucher/ Jahr am Ort des Geschehens (in situ) USS Arizona Memorial (Hawaii) (Schlachtfeld des Zweiten Weltkriegs) 1.800.000 Peace Memorial Museum, Hiroshima (Japan) (Atombombenabwurf am 6. August 1945) 1.500.000 Gettysburg National Military Park (Pennsylvania) (Schlachtfeld des Amerikanischen Bürgerkriegs; 1863) 950.000 Beinhaus von Douaumont, Verdun (Frankreich) (Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs) 500.000 Völkerschlachtdenkmal, Leipzig (Schlachtfeld der Befreiungskriege gegen Napoleon Bonaparte; 1813) 270.000 Tyne Cot Cemetery and Memorial, Zonnebeke (Belgien) (Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs) 200.000 In Flanders Fields Museum, Ypern (Belgien) (Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs) 200.000 Hermannsdenkmal bei Detmold (Schlacht germanischer Stämme gegen römische Legionen; 9 n. Chr.) 95.000 Gedenkstätte und Museum Seelower Höhen (Brandenburg) (Schlachtfeld des Zweiten Weltkriegs) 12.000 an anderen Orten (ex situ) Arlington National Cemetery (Virginia) 3.000.000 Imperial War Museum, London 1.100.000 Imperial War Museum North, Trafford (Great Manchester) 335.000 Militärhistorisches Museum der Bundeswehr, Dresden 146.000 2 | Schlachtfelder, Soldatenfriedhöfe und Militärmuseen: Beispiele und Besucherzahlen Schlachtfelder und Militäreinrichtungen als touristische Sehenswürdigkeiten - diese Art der Nutzung steht zumeist am Ende eines längeren Entwicklungsprozesses. Zunächst sind Kriegsschauplätze immer Stätten der persönlichen Trauer und des öffentlichen Gedenkens; erst mit einem größeren zeitlichen Abstand zu den historischen Ereignissen können sie dann auch Orte der Versöhnung und des Lernens werden. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 54 03.02.2021 11: 50: 27 <?page no="55"?> Schlachtfelder, militärische Einrichtungen und Militärmuseen 55 4.1 Persönliche Trauer und nationaler Heldenkult - die frühen Funktionen von Schlachtfeldern 18 | Tapferkeit, Opferfreudigkeit, Glaubensstärke und Volkskraft - diese angeblich deutschen Tugenden sollten im Völkerschlachtdenkmal in Leipzig symbolisch zum Ausdruck gebracht werden. Der Monumentalbau wurde im Jahr 1913 in der Nähe des Schlachtfelds eröffnet, auf dem die alliierten Truppen aus Russland, Preußen, Österreich und Schweden dem französischen Heer unter Napoleon Bonaparte hundert Jahre zuvor eine entscheidende Niederlage zugefügt hatten. „Soldaten sind sich alle gleich, lebendig und als Leich“ - an diesen bekannten Song des Liedermachers und Lyrikers Wolf Biermann werden sich sicherlich viele Menschen erinnern, wenn sie die weitläufigen Soldatenfriedhöfe des Ersten Weltkriegs besuchen. Dort erinnern einheitlich gestaltete Kreuze bzw. Stelen ohne jeglichen individuellen Grabschmuck an die massenhafte Zahl der Opfer (allein auf dem Friedhof von Douaumont sind 15.000 französische Gefallene bestattet und in der Region um Verdun gibt es 29 deutsche Soldatenfriedhöfe mit 74.000 Gräbern). Dabei entstand diese Form eines offiziellen Totengedenkens in Europa erst Ende des 19. Jahrhunderts, denn zuvor waren getötete Soldaten in anonymen Massengräbern bestattet worden. Als weltweit erster Soldatenfriedhof gilt die Anlage in Gettysburg (1863) - einem wichtigen Schauplatz des Amerikanischen Bürgerkriegs (vgl. Rass 2009, S. 67; Werker 2017, S. 43-44). Allerdings waren die Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs schon vor der einheitlichen Beisetzung der Gefallenen auf Soldatenfriedhöfen das Ziel unterschiedlicher Besuchergruppen - wie das Beispiel Verdun deutlich macht (vgl. Baldwin/ Sharpley 2009, S. 187-188; Virgili u. a. 2018, S. 64-65): 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 55 03.02.2021 11: 50: 27 <?page no="56"?> 56 Tourism NOW : Dark Tourism Die touristische Erschließung begann bereits kurz nach dem Ende der unerbittlichen Materialschlacht, als sich die Kampfhandlungen auf andere Frontabschnitte konzentrierten (1916). Zu den frühen Besuchern zählten zahlreiche französische und amerikanische Touristen, die - nach der Lektüre apokalyptischer Berichte in den Tageszeitungen - den völlig verwüsteten Kriegsschauplatz nun selbst besichtigen wollten. Sie streiften durch die brennenden Überreste von Gebäuden und Schützengräben, in denen häufig noch die Leichen gefallener Soldaten lagen, und nahmen Waffen, Rangabzeichen, Orden etc. als Souvenirs mit nach Hause. Neben dieser abstoßenden Art eines morbiden Dark Tourism gab es aber auch patriotische Schlachtfeldtouren, die von staatlicher Seite organisiert wurden. Sie dienten dazu, den zumeist wohlhabenden und einflussreichen Teilnehmern die dramatischen Folgen des Krieges vor Augen zu führen und sie als Partner bzw. Sponsoren für den Wiederaufbau der zerstörten Dörfer und Städte zu gewinnen. Außerdem setzte ein individueller Tourismus von Familienangehörigen und Veteranen ein, die auf dem Schlachtfeld der Opfer gedenken wollten. Bei der Organisation ihrer Reisen und der Orientierung vor Ort konnten sie auf die ersten Reiseführer zurückgreifen, die seit 1917 publiziert wurden („Guides Illustrés Michelin des Champs de Bataille“) (vgl. Iles 2008, S. 141; Connelly 2018). Darüber hinaus gab es bereits seit 1919 auch kommerzielle Schlachtfeldtouren privater Reiseveranstalter (z. B. Thomas Cook, dem Erfinder der Pauschalreise), die von dem österreichischen Literaten Karl Kraus damals als „Reklamefahrten zur Hölle“ bezeichnet wurden. „Schlachtfelder-Rundfahrten im Auto! Veranstaltet durch die Basler Nachrichten. 600 km Bahnfahrt II. Klasse. Einen ganzen Tag im bequemen Personen-Auto über die Schlachtfelder. Übernachten, erstklassige Verpflegung, Wein, Kaffee, Trinkgelder, Paßformalitäten und Visa von Basel bis wieder zurück nach Basel alles inbegriffen im Preis von 117 Fr. Schweizerwährung.“ Anzeige in den „Basler Nachrichten“ im Jahr 1921 Kriegsgräberfahrten - zwischen persönlicher Trauer und touristischer Neugier Einmal am Grab ihrer Lieben zu stehen - nach dem Ende des Ersten Weltkriegs bestand dieser Wunsch nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland (insgesamt hatte der Konflikt schätzungsweise 1,3 Millionen französische und zwei Millionen deutsche Opfer gefordert). Die ersten „Gesellschaftsfahrten“ zu den „deutschen Heldenfriedhöfen“ in Frankreich und Belgien wurden im Jahr 1927 vom „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ (VDK) veranstaltet. Dieser gemeinnützige Verein war im Jahr 1919 gegründet worden, um Grabstätten im In- und Ausland anzulegen und zu pflegen. Er setzte seine Tätigkeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fort - u. a. auch in Form von organisierten Kriegsgräberfahrten, bei denen er als Vermittler auftritt und die durch professionelle Reiseveranstalter durchgeführt werden. Zunächst erfolgten diese Gruppenreisen zu den Kriegsschauplätzen in Frankreich und Belgien, später auch zu Soldatenfriedhöfen in Italien, Nordafrika etc. und erst seit Ende der 1990er- Jahre nach Mittel- und Osteuropa. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 56 03.02.2021 11: 50: 27 <?page no="57"?> Schlachtfelder, militärische Einrichtungen und Militärmuseen 57 Bei den Teilnehmern handelte es sich in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten überwiegend um die Eltern und Witwen der gefallenen Soldaten. Um ihnen vor Ort eine intensive Trauerarbeit an den Gräbern zu ermöglichen, waren in der Reiseplanung jeweils drei mehrstündige Besuche auf jedem Friedhof vorgesehen. Gleichwohl gab es bereits bei den ersten Kriegsgräberfahrten auch ein kleines touristisches Rahmenprogramm (z. B. eine Stadtbesichtigung oder ein gemeinsames Bad im Meer). Auf diese Weise entwickelte sich eine Opfer- und Erfahrungsgemeinschaft, in der die Reisenden Trauernde und zugleich Touristen waren, die ihr Leid und ihre Erlebnisse mit anderen Betroffenen teilen konnten. Mit diesen Pauschalarrangements wurde vor allem den weiblichen Teilnehmern, die zumeist über keine Fremdsprachenkenntnisse und Auslandserfahrungen verfügten, eine bequeme und relativ preiswerte Möglichkeit geboten, andere Länder kennenzulernen - ohne sich um die Planung und Organisation kümmern zu müssen (hingegen hatten die Veteranen des Zweiten Weltkriegs während des deutschen Vormarsches und der Besatzung bereits erste Auslandsreisekompetenzen erworben - z. B. die Fähigkeit, sich in einem Land mit unbekannter Sprache zu orientieren und zu bewegen). Obwohl der Besuch deutscher Soldatenfriedhöfe im Ausland weiterhin im Mittelpunkt stand, nahm das touristische Beiprogramm seit den 1970er-Jahren einen immer breiteren Raum ein. Unter dem Slogan „Reisen mit uns“ wurden nicht mehr nur die Angehörigen und Nachfahren der Kriegstoten angesprochen, sondern auch ein breites, historisch interessiertes Reisepublikum. Bei diesen Teilnehmern bestand jedoch keine persönliche Beziehung zu den Gefallenen und auch die Kindergeneration konnte sich häufig kaum an die Toten erinnern oder hatte sie gar nicht selbst kennengelernt. Diese Gruppen verbrachten nicht mehr mehrere Stunden weinend an den Gräbern, sondern bevorzugten ein kurzes, stilles Gedenken. Aus diesem Grund wurde die Zahl der Besuche pro Friedhof bei jeder Reise zunächst auf zwei und später auf einen reduziert (vgl. Kolbe 2017; 2020). Inzwischen hat der „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ (VDK) sein Programm inhaltlich erweitert und agiert damit auf dem Special Interest-Nischenmarkt. Neben den traditionellen Gedenkreisen werden diverse Studien- und Aktivreisen angeboten (Wandern, Radfahren, Rafting etc.) - als klassische Bustouren, Flugreisen und Flusskreuzfahrten. Diese Neupositionierung spiegelt sich in den jährlichen Reisekatalogen wider; neben Fotos von Soldatenfriedhöfen und Gedenkstätten sind dort überwiegend Bilder historischer Sehenswürdigkeiten und spektakulärer Landschaften zu finden. Seit den 1920er-Jahren diente das Schlachtfeld von Verdun in Frankreich zunehmend als eine Stätte der nationalen Erinnerung. Während andere Teile der Front wieder besiedelt und bewirtschaftet wurden, setzten sich die Veteranenverbände mit Erfolg für den Erhalt der völlig zerstörten Zone Rouge als historisches Monument ein. Sie betrachteten den Kriegsschauplatz als einen sakralen Opfer- und Wallfahrtsort. Deshalb verhinderten sie auch den Bau von touristischen Einrichtungen. So gab es z. B. zunächst keine Toiletten und im einzigen Geschäft vor Ort durfte ausschließlich Begrenzungssteine des „Voie Sacrée“ (einer wichtigen militärischen Versorgungsstraße) und Trench Art-Objekte verkauft werden - also Ge- 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 57 03.02.2021 11: 50: 28 <?page no="58"?> 58 Tourism NOW : Dark Tourism brauchsgegenstände, die von den Soldaten in ihrer Freizeit hergestellt oder verziert worden waren (z. B. Blumenvasen aus Geschosshülsen oder Brieföffner aus Granatsplittern). 19 | Symbol der nationalen Heldenverehrung oder Metapher für die Sinnlosigkeit von Kriegen? Im Jahr 1920 wurde in Verdun die Gedenkstätte „Graben der Bajonette“ errichtet. Der Legende zufolge sollen an dieser Stelle im Ersten Weltkrieg französische Infanteristen durch Granatbeschuss aufrechtstehend verschüttet worden sein. Angeblich ragten nur noch die Spitzen ihrer aufgepflanzten Bajonette aus dem Erdreich, das sie todbringend bedeckte. Beim Gedenken wurde selbst im Tod noch strikt zwischen Freund und Feind unterschieden. Die Soldatenfriedhöfe waren „fein säuberlich nach Nationalität getrennt“ und auf den Gräbern der französischen Soldaten standen weiße Kreuze, auf denen der Deutschen hingegen schwarze (Fischer 2006). Mit Hilfe landesweiter Kampagnen gelang es, umfangreiche Spenden zu sammeln, um den Bau von beindruckenden Denkmalen zu finanzieren - z. B. den „Graben der Bajonette“ (1920), den Soldatenfriedhof von Douaumont (1929) und das Beinhaus von Douaumont (1932). Während Verdun zuvor die Aura eines authentischen Kriegsschauplatzes gehabt hatte, wurde es durch diese Maßnahmen als historisch bedeutsame Erinnerungsstätte markiert (generell bedürfen Schlachtfelder solcher Symbole bzw. Einrichtungen, da dort zumeist keine eindrucksvollen Relikte zu finden sind, die unmittelbar auf die schrecklichen Ereignisse verweisen). Diese Institutionalisierung führte dazu, dass Verdun nun nicht mehr nur ein Ort der persönlichen Trauer von Hinterbliebenen und Veteranen war, sondern auch ein fester Bestandteil des kollektiven Trauerkults und nationalen Gedenkens (vgl. Miles 2012, S. 244; George/ Das 2017, S. 3; Seaton 2018 zu den Techniken der Memorialkultur generell). Eine derartige politische Instrumentalisierung von Schlachten und Kriegen hat in der Vergangenheit nicht nur in Frankreich stattgefunden, sondern auch in Deutschland. Bereits seit dem 19. Jahrhundert sind dort zahlreiche monumentale Krieger- und Siegesdenkmale errichtet worden, die einer nationalen Sinnstiftung und einer Heroisierung des Soldatentods als „Opfer für das Vaterland“ auf dem „Feld der Ehre“ dienten. Als Beispiele sind u. a. zu nennen: die Befreiungshalle bei Kelheim (1863), die zur Erinnerung an die Befreiungskriege gegen Napoleon Bonaparte (1813-1815) errichtet wurde, das Hermannsdenkmal bei Detmold (1875), das den Sieg der Germanen über die römischen Invasoren feiert, das Niederwalddenkmal bei Rüdesheim (1883), in dem eine siegesgewisse Germania über den „Erzfeind“ Frankreich triumphiert, 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 58 03.02.2021 11: 50: 28 <?page no="59"?> Schlachtfelder, militärische Einrichtungen und Militärmuseen 59 das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig (1913) zum Gedenken an die Schlacht preußischer, österreichischer, schwedischer und russischer Truppen gegen die französische Armee unter Napoleon Bonaparte (1813). Zunächst waren diese nationalen Gedenkstätten vor allem Orte aufwändiger staatlicher Zeremonien (Gefallenenehrungen, Kranzniederlegungen etc.), doch bald haben sie sich auch zu beliebten Sehenswürdigkeiten entwickelt. So gab es z. B. bereits im Jahr 1896 am Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Porta Westfalica einen Kiosk, in dem die Ausflügler Anstecker, Medaillen, Statuetten etc. erwerben konnten, „um den nationalen Kult zu Hause zu reproduzieren“ (Platz 2019). Bis in die Gegenwart haben die Monumentalbauten ihre touristische Attraktivität nicht verloren: So verzeichnet z. B. das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig jährlich ca. 280.000 Besucher und das Niederwalddenkmal bei Rüdesheim ca. 1,8 Millionen Gäste - allerdings weniger aufgrund ihrer (inzwischen obsoleten) patriotischen Botschaft als vielmehr wegen ihrer spektakulären Lage und eindrucksvollen Größe. „Wer es bis auf die Aussichtsplattform schaffen will, sollte auf Wendeltreppen stehen, wobei die Gänge nach oben immer enger werden. … Oben angekommen hat man aber einen sehr schönen 360°-Blick (schönes Wetter vorausgesetzt). Das ‚Völki‘ sollte auf keinem Leipzig-Ausflug fehlen.“ Bewertung des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig bei TripAdvisor Auch die Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs in Frankreich und Belgien haben seit den 1960er-Jahren einen grundlegenden Bedeutungswandel erfahren: Mit zunehmender zeitlicher Distanz ging zum einen der persönlich motivierte Pilgertourismus von Angehörigen und Veteranen zurück, die an diesen (für sie) „heiligen“ Orten der Opfer gedenken wollten. So ist z. B. eine Auswertung von Einträgen in Besucherbüchern zu dem Ergebnis gekommen, dass inzwischen nur noch wenige Besucher von Soldatenfriedhöfen ein spezielles Grab aufgesucht haben (vgl. Winter 2011, S. 475). Zum anderen führten neue politische Konflikte wie der Kalte Krieg und die Unabhängigkeitskriege in den französischen Kolonien, aber auch der zunehmende europäische Einigungsprozess zu einem Rückgang des staatlichen Erinnerungstourismus. Vor diesem Hintergrund stellte sich zunehmend die Frage nach der künftigen Erinnerungskultur: Sollten die Schlachtfelder weiterhin als Symbole des erfolgreichen Kampfes gegen die deutschen Angreifer betrachtet werden oder als transnationale Orte des Friedens und der Versöhnung? 4.2 Der Geschichte verpflichtet - Schlachtfelder und Militäreinrichtungen als Orte der Versöhnung und des Lernens Dieses Bild ging um die Welt und fand einen Platz in den Geschichtsbüchern: Am 22. September 1984 reichten sich der französische Staatspräsident Francois Mitterand und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl in Verdun die Hände und besiegelten damit symbolisch eine angebliche „Erbfeindschaft“ zwischen ihren Ländern, die bis in die Zeit Ludwig XIV. zurückreicht und auf beiden Seiten zahlreiche Opfer forderte. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 59 03.02.2021 11: 50: 28 <?page no="60"?> 60 Tourism NOW : Dark Tourism Dieses Umdenken begann bereits im Jahr 1967 mit der Eröffnung des „Mémorial de Verdun“ - eines großen Militärmuseums, das über eine umfangreiche Sammlung von Militaria (Uniformen, Waffen, Fahrzeuge etc.) verfügt sowie über Gegenstände, die das Leben an der Front und im Hinterland veranschaulichen (Essgeschirr, Trench Art, Spiele etc.). Seit seiner Neukonzeption im Jahr 2016 anlässlich der 100-Jahr-Feier der Schlacht versteht es sich als „Museum einer deutsch-französischen Schlacht, und nicht in erster Linie einer Schlacht aus französischer Sicht“. 20 | Vom Kriegsschauplatz zum Ort der Versöhnung - das Fort Douaumont war Teil eines weitläufigen Verteidigungsgürtels um die Stadt Verdun. Im Ersten Weltkrieg gehörte es zu den besonders heftig umkämpften Festungen. Nach Restaurierungsarbeiten sind die Relikte inzwischen öffentlich zugänglich; sie werden jährlich von ca. 160.000 Besuchern besichtigt. Verdun wurde nun vor allem als außerschulischer Lernort verstanden, an dem sich die nachgeborenen Generationen über den Ablauf des Kampfgeschehens informieren konnten und an das Schicksal der Soldaten beider Nationen erinnert wurden. Neben den Veteranen gehörten zunehmend Familien mit Kindern und vor allem auch Schulklassen zu den ca. 400.000 Besuchern, die das Schlachtfeld jedes Jahr besichtigten. Darüber hinaus wurden mit Fort Vaux und Fort Douaumont zwei Festungen zugänglich gemacht, die sich rasch zu beliebten Sehenswürdigkeiten für historisch und militärtechnisch Interessierte entwickelten. Vor dem Hintergrund des deutsch-französischen Versöhnungsprozesses stieg auch die Zahl der Besucher aus Deutschland (vgl. Virgili u. a. 2018, S. 66-67; Dunkley/ Morgan/ Westwood 2011 zu den unterschiedlichen Motiven und Erwartungen der Touristen). 21 | Warum sollte die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg überhaupt gepflegt werden? Aus Sicht der Teilnehmer an einer europaweiten Studie sind die Schlachtfelder weiterhin Orte des Gedenkens; zugleich vermitteln sie aber auch ein Bewusstsein für das große menschliche Leid und leisten einen wichtigen Beitrag zur Vermittlung historischer Kenntnisse und zur Warnung vor künftigen Kriegen. 34%41% 56% 57% 71% 81%87% 91% 92% 94% Wallfahrtsziele Informationen zur Militärgeschichte Förderung des Friedens Stärkung der internationalen Solidarität Erinnerung an die Millionen Opfern Stätten der Reflexion Warnung vor künftigen Kriegen Vermittlung historischer Kenntnisse Bewusstsein für das menschliche Leid Orte des Gedenkens 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 60 03.02.2021 11: 50: 28 <?page no="61"?> Schlachtfelder, militärische Einrichtungen und Militärmuseen 61 Gemeinsames Gedenken, sachgerechte Aufklärung und transnationale Versöhnung - diese Ziele verfolgen inzwischen nicht nur die Museen und Informationszentren zur Geschichte des Ersten Weltkriegs, sondern auch die Erinnerungsorte des Zweiten Weltkriegs. Der Wandel des politisch bedingten Narrativs soll am Beispiel der „Gedenkstätte Seelower Höhen“ in Brandenburg erläutert werden. Die Region war im April 1945 Schauplatz der größten Schlacht des Zweiten Weltkrieg auf deutschem Boden, bei der auf deutscher und russischer Seite 40.000 bzw. mehr als 15.000 Soldaten getötet wurden (vgl. Herrmann 2007; 2012): Bereits im Mai 1945 - also kurz nach der Kapitulation - ließ der russische Marschall Georgi Konstantinowitsch Schukow in Küstrin, Seelow und Berlin-Tiergarten Ehrenmale errichten, um an den Sieg der Roten Armee und die „Befreiung der Völker Europas vom Faschismus“ zu erinnern. Allerdings wurde die sowjetische Erinnerungsstätte in Seelow von der lokalen Bevölkerung zunächst kaum akzeptiert und besucht. Erst nach dem Bau der „Gedenkstätte der Befreiung auf den Seelower Höhen“ im Jahr 1972 stieg das Interesse an diesem Ort. In der ständigen Ausstellung fand die Darstellung der Schlacht allerdings ausschließlich aus sowjetischer Perspektive statt: Während die Rotarmisten zu heldenhaften Soldaten stilisiert wurden, gab es nur oberflächliche Informationen über die Opfer auf deutscher Seite. Bis zur Wiedervereinigung (1990) verzeichnete das Museum insgesamt mehr als 1,3 Millionen Besucher - vor allem Gruppenreisende aus der DDR und „befreundeten sozialistischen Staaten“ (darunter waren knapp 300.000 Jugendliche und Erwachsene aus der Sowjetunion). Nach der Wende kam es zu einem Paradigmenwechsel - weg vom ideologisch geprägten Befreiungs-Mythos und hin zu einem pluralistischen Geschichtsverständnis, das auch die deutschen Soldaten und Zivilisten einbezieht. So basiert die überarbeitete Dauerausstellung (1995) erstmals auf Forschungsergebnissen von Militärhistorikern zu den Hintergründen, Ereignissen und Folgen der Schlacht. Gleichzeitig wurde das bestehende bauliche Ensemble unter Denkmalschutz gestellt. Unter dem Motto „Vom Schlachtfeld zum Erinnerungsort“ bietet die „Gedenkstätte Seelower Höhen“ - neben der ständigen Ausstellung - Museums- und Geländeführungen, Vorträge, Events sowie Rundfahrten zu militär- und kulturhistorischen Themen an. Damit hat sie sich zu einem festen Bestandteil des touristischen Angebots der Destination „Oderbruch und Lebuser Land“ entwickelt. Allerdings sind eine Vernetzung und Kooperation mit anderen regionalen Akteuren auch dringend erforderlich, da die Gedenkstätte nur für 20 Prozent der Gäste das primäre Ausflugsziel ist. Die Mehrzahl der Besucher hält sich nur relativ kurze Zeit dort auf und besichtigt während ihres Tagesausflugs auch andere Sehenswürdigkeiten. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 61 03.02.2021 11: 50: 28 <?page no="62"?> 62 Tourism NOW : Dark Tourism 22 | Ein Schlachtfeld - zwei Narrative: In der „Gedenkstätte Seelower Höhen“ erinnern das sowjetische Ehrenmal aus dem Jahr 1945 (im Hintergrund) und die „Waffen des Sieges“ auf dem Vorplatz noch an die ursprüngliche kommunistische Botschaft der „Befreiung vom Faschismus“. Die Dauerausstellung in dem Museum, das aus dem Jahr 1972 stammt, ist hingegen nach der Wende im Sinne eines zeitgemäßen Geschichtsverständnisses neu konzipiert worden. Aufgrund ihres militärgeschichtlichen Schwerpunkts spricht die „Gedenkstätte Seelower Höhen“ allerdings nicht nur Besucher an, die sich dort über die historischen Ereignisse informieren oder der Opfer gedenken wollen. Vielmehr wird sie - wie andere Militäreinrichtungen und -museen - mit der Tatsache konfrontiert, dass viele Gäste völlig wertneutrale und unpolitische Motive haben und sich ausschließlich für die strategischen bzw. taktischen Details der Kampfhandlungen oder die technischen Merkmale von Waffen und Militärfahrzeugen begeistern (ein Blick in das Internet zeigt, dass es eine breite Community von derartigen Interessengemeinschaften und Freundeskreisen gibt, die bundes- und europaweit regelmäßig Treffen veranstalten). Bei diesem kurzsichtigen und unkritischen Umgang mit den Relikten des Zweiten Weltkriegs sind die „Übergänge zu einer teilweise illegal operierenden Szene fließend“ (Scheibe 2012, S. 53). Seriöse Militäreinrichtungen und -museen stehen deshalb vor der Herausforderung, den Mythos faszinierender militärischer bzw. technischer Leistungen zu dekonstruieren und in einen größeren wirtschafts-, sozial- und alltagsgeschichtlichen Kontext einzubetten. Als Beispiel ist das „Historisch-Technische Museum Peenemünde“ (HTM) in Mecklenburg- Vorpommern zu nennen, das an die Entwicklung und Erprobung von High-Tech-Waffen in den 1930er- und 1940er-Jahren erinnert; dazu zählten u. a. flüssigkeitsbetriebene Raketen wie die V(ergeltungswaffen) 1 und 2. Bei der Konzeption der Ausstellung standen mehrere Leitfragen im Mittelpunkt: Für wen wurden die Waffen gebaut? Welche Zielsetzungen und welchen Nutzen hatten sie? Was waren die Folgen dieser technischen Entwicklung? 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 62 03.02.2021 11: 50: 29 <?page no="63"?> Schlachtfelder, militärische Einrichtungen und Militärmuseen 63 Auf diese Weise gelang es, die verantwortlichen Täter und wirtschaftlichen Profiteure, aber auch die (un)politischen Mitläufer und zivilen Opfer zu identifizieren; diese Gruppen werden mit Hilfe von Exponaten, Informationstafeln etc. dargestellt (vgl. Mühldorfer-Vogt 2012, S. 143; Aumann/ Hampel 2016, S. 113). Wesentliche Maßnahmen bei der Dekonstruktion des Mythos von Peenemünde als „Wiege der Raumfahrt“ waren die Bewahrung der historischen Authentizität der Gegenstände (z. B. ein Verzicht auf Rekonstruktionen) sowie die Schaffung einer weitgehenden Transparenz der Museumsarbeit. So wurde z. B. die Restaurierungswerkstatt in eine offene Schauwerkstatt umgewandelt, in der sich die Besucher über die Hintergründe, Abläufe und Techniken der Sanierung von Sachgütern informieren können. 23 | Eine kritische Auseinandersetzung mit militärischen Mythen - dieses Konzept wird im „Militärhistorischen Museum der Bundeswehr“ in Dresden bereits in der Fassade symbolisch zum Ausdruck gebracht. Nach Entwürfen des Architekten Daniel Libeskind ist das klassizistische Gebäude durch eine keilförmige Glas- und Aluminiumkonstruktion geteilt und zugleich erweitert worden. Mit seiner Dauerausstellung und mehreren Themenparcours versteht sich das Haus als ein kulturhistorisches Museum, das die Besucher zur Reflexion und zum Diskurs über die Ursachen und Folgen von Gewalt anregen will. Aufklärung und Mahnung, Versöhnung und Frieden - diese Botschaften vermittelt auch der „Peace Memorial Park“ im japanischen Hiroshima. Er erinnert an den Atomwaffenabwurf der US-amerikanischen Luftwaffe am 6. Juli 1945, dem schätzungsweise 238.000 Menschen direkt bzw. indirekt zum Opfer fielen. Dieser Angriff - wie auch die Bombardierung von Nagasaki drei Tage später - markiert den Beginn des nuklearen Zeitalters und zählt zu den bedeutsamsten historischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts. Zum Gedenken an den Abwurf der Atombombe und die dadurch ausgelösten Verwüstungen sind im „Friedensgedächtnispark“, der im Zentrum Hiroshimas und damit „auf festgetretenen Ruinen“ liegt, zahlreiche Einrichtungen und Denkmale errichtet worden; dazu zählen u. a. (vgl. Schäfer/ Funck 2012, S. 287; Yamana 2016, S. 69; Cohen 2018, S. 166-168): 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 63 03.02.2021 11: 50: 29 <?page no="64"?> 64 Tourism NOW : Dark Tourism das „Cenotaph for the A-Bomb-Victims“ - eine zentrale Gedenkstätte, die aus einem mannshohen Bogen und einer Truhe besteht, in der die Namen aller Atombombenopfer aufbewahrt werden; das „Peace Memorial“ - das Relikt einer Ausstellungshalle aus dem Jahr 1915, die trotz der Nähe zum Explosionszentrum aufgrund ihrer stabilen Stahlbetonkonstruktion nicht völlig zerstört wurde (aufgrund der charakteristischen Kuppel wird das Gebäude auch als „Atomic Bomb Dome“ bezeichnet); das „Peace Memorial Museum“, das Informationen zur Stadtgeschichte Hiroshimas, zum Abwurf der Atombombe sowie zu den menschlichen Schicksalen und materiellen Zerstörungen vermittelt (schätzungsweise wurden damals 92 Prozent aller städtischen Gebäude in Schutt und Asche gelegt). Die institutionalisierte Erinnerung und museale Aufbereitung des schrecklichen Ereignisses haben dazu beitragen, dass der Atombombenabwurf sieben Jahrzehnte später für Hiroshima zu einem touristischen und wirtschaftlichen Standortfaktor geworden ist: Mit ca. 1,5 Millionen Gästen/ Jahr gehört das „Peace Memorial Museum“ - neben dem „Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau“ (Polen) - weltweit zu den am häufigsten besuchten „dunklen“ Orten (in situ). Die Besucher empfinden vor allem eine persönliche Verpflichtung, der Opfer zu gedenken; außerdem wollen sie sich über die schrecklichen Ereignisse informieren und die politischen Hintergründe besser verstehen (vgl. Selmi/ Tur/ Dornier 2012, S. 322). Neben japanischen Besuchern (u. a. Schulklassen) kommen relativ viele ausländische Gäste - speziell aus Europa (40 Prozent), den USA (16 Prozent) und Australien (15 Prozent). Diese Nachfragestruktur ist vor allem auf den hohen internationalen Bekanntheitsgrad der Stadt zurückzuführen; so wird z. B. in zahlreichen Ländern über die Gedenkzeremonie berichtet, die jeweils am Jahrestag des Nuklearangriffs stattfindet. Damit unterscheidet sich Hiroshima von anderen japanischen Destinationen, in denen die Mehrzahl der Besucher aus ostasiatischen Quellgebieten stammt (Südkorea, China, Taiwan etc.). Für den geringen Anteil asiatischer Besucher in Hiroshima sind mehrere Faktoren verantwortlich: Zum einen gibt es dort nur wenige andere Attraktionen (z. B. den Itsukushima-Schrein). Zum anderen hat Japan erst spät begonnen, sich mit der eigenen Geschichte des Militarismus und Kolonialismus (1910-1945) kritisch auseinanderzusetzen. So wurde koreanischen Interessengruppen z. B. lange Zeit die Errichtung eines eigenen Denkmals auf dem Parkgelände verweigert, obwohl es sich bei 10- 20 Prozent der Toten um arbeitssuchende Koreaner bzw. Zwangsarbeiter gehandelt hat. Angesichts dieser angespannten Beziehungen stellen Südkoreaner nur 0,2 Prozent der ausländischen Besucher in Hiroshima. Ein indirekter Beleg für die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus in Hiroshima sind die hohen Pro-Kopf-Ausgaben, die von den Touristen aus westlichen Ländern in Japan getätigt werden. Nach Angaben des nationalen Statistischen Amts belaufen sie sich bei den französischen bzw. deutschen Gästen auf 1.750 Euro bzw. 1.500 Euro, bei den Besuchern aus Taiwan oder Südkorea hingegen nur auf 1.032 Euro bzw. 594 Euro. Vor diesem Hintergrund hat der touristische Konsum für den kommunalen Haushalt Hiroshimas eine fast doppelt so große Bedeutung wie für andere japanische Städte (vgl. Lill 2014). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 64 03.02.2021 11: 50: 29 <?page no="65"?> Schlachtfelder, militärische Einrichtungen und Militärmuseen 65 24 | „Symbol der Hoffnung auf Weltfrieden und eine endgültige Beseitigung aller Kernwaffen“ - mit dieser Begründung hat die UNESCO den „ Atomic Bomb Dome “ im Jahr 1996 in die Welterbeliste aufgenommen. Die Ruine einer Ausstellungshalle gehört zu den wenigen Gebäuden, die bei dem Abwurf der Atombombe nicht völlig zerstört wurden. Sie ist ein weltweit bekanntes Wahrzeichen der „Friedensstadt“ Hiroshima, für die sich der Tourismus inzwischen als wichtige Einnahmequelle erweist. Damit kann Hiroshima einen weitaus größeren Nutzen aus dem Nukleartourismus bzw. Peace Tourism ziehen als Nagasaki, das am 9. August 1945 zum zweiten Ziel eines Atombombenabwurfs der US-amerikanischen Luftwaffe wurde - ebenfalls mit zahlreichen Opfern und schrecklichen Zerstörungen. Obwohl die Stadt auch über einen „Peace Park“ und ein „Peace Memorial Museum“ verfügt, verzeichnen die Einrichtungen deutlich weniger Gäste als die Erinnerungsorte in Hiroshima. Eine ähnliche Rangordnung des Schreckens ist bei den zahlreichen KZ-Gedenkstätten in Polen zu beobachten, die hinsichtlich ihres Bekanntheitsgrads und ihrer Attraktivität im Schatten von Auschwitz stehen (→ 3). Für diese Hierarchie sind die bizarren Marktgesetze des internationalen Tourismus verantwortlich, die zu einer Konzentration der Besucherströme auf einzigartige und ungewöhnliche Attraktionen führen - im Fall von Hiroshima und Nagasaki also auf den Schauplatz des ersten Nuklearangriffs (vgl. Bui/ Yoshida/ Lee 2018 zu den unterschiedlichen touristischen Branding-Strategien der beiden Städte). Die Friedensbotschaft als touristisches Alleinstellungsmerkmal und die Erinnerungslandschaft als internationale Besucherattraktion - nicht nur Hiroshima profitiert inzwischen von dem wachsenden Interesse an „dunklen“ historischen Orten. Vielerorts versuchen staatliche Organisationen und private Unternehmen, solche Orte des Schreckens, des Leids und des Todes ökonomisch zu nutzen (vgl. r ás 2014, Horodnikova/ Derco 2015, Venter 2017 und Šuligoj 2017 zu Potenzialstudien in Italien sowie der Slowakei, Südafrika und 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 65 03.02.2021 11: 50: 30 <?page no="66"?> 66 Tourism NOW : Dark Tourism Kroatien). Allerdings stößt dieser Trend einer Kommerzialisierung von Schlachtfeldern und Militäreinrichtungen auch auf Kritik. 4.3 Schlachten als Show und Business - die kommerzielle Nutzung von Kriegsschauplätzen 25 | Fragwürdiges Spektakel oder lebendiger Geschichtsunterricht? In vielen Ländern nutzen Kriegsschauplätze und Militäreinrichtungen das Reenactment , um neue, erlebnisorientierte Zielgruppen anzusprechen. Anlässlich des 200. Jahrestages wurde z. B. die berühmte Schlacht bei Waterloo (Belgien) im Jahr 2015 von 5.000 Laiendarstellern mit 300 Pferden und 100 Artilleriegeschützen nachgestellt. Das Event erwies sich als Publikumsmagnet: Mit mehr als 60.000 Zuschauern verzeichnete es eine ähnlich hohe Besucherzahl wie populäre Musikfestivals. In Deutschland stößt diese animative Form der Geschichtsvermittlung bei den Verantwortlichen und Besuchern von Erinnerungsorten zumeist auf große Skepsis. „Treten Sie ein in das Licht und die Geräuschkulisse der Schlacht von Verdun“ - unter diesem Slogan findet bereits seit 1996 auf dem ehemaligen Kriegsschauplatz regelmäßig die spektakuläre Licht- und Ton-Show „Des Flammes à la Lumière“ statt, in der das damalige Kampfgeschehen mit 250 Schauspielern, 900 Kostümen, 1.000 Scheinwerfern und zahlreichen Spezialeffekten inszeniert wird. In Verdun markiert dieses Event den Beginn einer zunehmenden Touristifizierung des Schlachtfelds. Obwohl sich die Veteranenverbände weiterhin für eine Bewahrung des historischen Charakters einsetzen und vor einer Disneyfizierung warnen, gibt es immer mehr regionale Stakeholder, die den Militär- und Erinnerungstourismus als zukunftsträchtigen Wirtschaftszweig betrachten. Um die Attraktivität der Destination zu steigern und die Gäste zu einem längeren Aufenthalt zu bewegen, wurden z. B. Hotels und Restaurants eröffnet, Pauschalarrangements entwickelt und Events veranstaltet. Da sich nur ein geringer Teil 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 66 03.02.2021 11: 50: 30 <?page no="67"?> Schlachtfelder, militärische Einrichtungen und Militärmuseen 67 der Besucher ausschließlich für die Besichtigung der Schlachtfelder interessiert, sind außerdem zahlreiche Aktiv- und Unterhaltungsangebote konzipiert worden (vgl. Virgili u. a. 2018, S. 67-68). Solche Maßnahmen waren erforderlich, da auch in diesem touristischen Marktsegment durchaus eine Konkurrenzsituation zu beobachten ist. So steht das Schlachtfeld von Verdun im Wettbewerb mit anderen Schauplätzen des Ersten Weltkriegs, die ihr Angebot in den vergangenen Jahren erweitert haben - z. B. durch (vgl. Hertzog 2012, S. 4; LaLorraine u. a. 2017, S. 23): die Eröffnung neuer Museen zur Erinnerung an die Schlacht an der Somme - wie das „Historial de la Grande Guerre“ in Péronne (Frankreich), den Bau multimedialer und erlebnisorientierter Informations- und Besucherzentren - wie das „In Flanders Fields Museum“ in Ypern (Belgien), die Einrichtung militärtouristischer Themenrouten - wie den „New Zealand Remembrance Trail“, der in Belgien speziell an den Einsatz von Soldaten des „Australian and New Zealand Army Corps“ (ANZAC) erinnert (vgl. Memorial Museum Passchendaele 1917 2016), die Ästhetisierung von Erinnerungslandschaften - z. B. in Form zeitgenössischer Kunstwerke am „Chemin des Dames“ in der Picardie (Frankreich). Zu den Konkurrenten gehören aber auch die Schlachtfelder des Zweiten Weltkriegs. So gibt es z. B. in der Normandie mehr als 30 Museen, 28 Soldatenfriedhöfe sowie Hunderte Denkmale, die an die Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 erinnern („D-Day“). Aufgrund dieses historischen Ereignisses ist die Küstenregion speziell für US-amerikanische Touristen von Interesse. So steht sie z. B. in einem Ranking des Nachrichtenmagazins „U. S. News & World Report“ auf Platz 5 der „Best Places to Visit in France“. Generell wird die Zahl der Besichtigungs- und Militärtouristen auf ca. vier Millionen Besucher/ Jahr geschätzt (vgl. Bird/ Westcott/ Thiesen 2018, S. 652-656). Auch dort finden regelmäßig große Reenactments statt, bei denen die Invasion von Mitwirkenden in originalgetreuen Uniformen und mit restaurierten Militärfahrzeugen nachgestellt wird. Darüber hinaus ist die Normandie immer wieder Schauplatz medienwirksamer Gedenkfeiern: An der Veranstaltung im Jahr 2019 anlässlich des 75. Jahrestages nahmen 12.000 internationale Gäste teil - darunter zahlreiche Staats- und Regierungschefs (vgl. Petermann 2007, S. 49). „ In der Normandie macht sich Festivalstimmung breit, es rollt der Rubel. Weltkriegs-Enthusiasten und Waffennarren kommen hier auf ihre Kosten, es trifft sich alles aus nah und fern, was an Militaria interessiert ist: an Kanonen, alten Jeeps, Geschützen, Panzern. … Für Kinder ist mit zahlreichen Aktivitäten wie Papierflieger- und Schlachtschiffe-aus-Papier-Falten gesorgt. In den Geschäften ist Kitsch aller Art zu haben, von ‚Hero‘-Postkarten bis zur Plastikhandgranate. Es gibt unzählige D-Day-T-Shirts, D-Day-Bier und Taschen im Military-Look zu kaufen.“ Schmölzer 2019 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 67 03.02.2021 11: 50: 30 <?page no="68"?> 68 Tourism NOW : Dark Tourism Die touristische Erschließung und Nutzung von Schlachtfeldern ist jedoch kein Phänomen der vergangenen Jahrzehnte. Zu den frühen Besucherattraktionen zählen die Panoramen, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts zunächst in einigen Großstädten und später in situ errichtet wurden. Beliebte Sujets waren - neben heroischen Kriegsbildern - auch Darstellungen ferner Städte und Länder, mit denen „die politischen Ziele des Kolonialismus und Imperialismus im Bewußtsein der Öffentlichkeit“ verankert werden sollten (Comment 2000, S. 8). Bei den Panoramen handelte es sich um eigens errichtete Rundbauten (Rotunden), an deren Innenwand ein großes 360-Grad-Gemälde angebracht war, auf dem das Geschehen detailreich und wirklichkeitsnah wiedergegeben wurde. Die Gäste betrachteten diese Darstellung von einer Plattform im Zentrum des Gebäudes aus, die sie über einen abgedunkelten Gang und eine Treppe erreichten. Die Beleuchtung erfolgte durch natürliches Deckenlicht, dessen Quelle jedoch durch Schleier, Milchglasscheiben etc. verdeckt war. Auf diese Weise entstand eine abgegrenzte Erlebniswelt, in der die Besucher - im Sinne einer Immersion - den Bezug zu Raum und Zeit verloren. Sie konnten sich auf das Gemälde konzentrieren und dabei völlig in das historische Geschehen eintauchen: So sollen Veteranen im Panorama von Gettysburg sogar in Tränen ausgebrochen sein (vgl. Appelbaum 2012). Um die Illusion in den Kriegspanoramen noch zu verstärken, wurde das Schlachtfeld auf der Fläche zwischen der Plattform und dem Gemälde naturalistisch gestaltet - z. B. mit Kanonen, Schanzkörben und Nachbildungen getöteter Soldaten und Pferde. Als weitere Inszenierungstechniken kamen eindrucksvolle Licht- und Toneffekte zum Einsatz. Mit diesem Multimedia-Mix waren die Panoramen Vorreiter der 360-Grad-Kinos und High-Tech- Simulatoren, die inzwischen zum Standardrepertoire von Freizeit- und Themenparks, Brand Lands etc. gehören (vgl. Steinecke 2009, S. 24). Bis in die Gegenwart sind nur noch wenige historische Kriegspanoramen in situ erhalten geblieben; gleichzeitig hat diese Form der Vermittlung geschichtlichen Wissens in jüngerer Zeit aber vielerorts eine Renaissance erlebt - so wurde z. B. das Panorama „Der Durchbruch“ im russischen Sankt Petersburg erst im Jahr 2018 eröffnet. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 68 03.02.2021 11: 50: 30 <?page no="69"?> Schlachtfelder, militärische Einrichtungen und Militärmuseen 69 Panorama Thema Eröffnungsjahr Schlacht von Gettysburg, Gettysburg (Pennsylvania) Schlacht im Amerikanischen Bürgerkrieg (1863) 1883/ 1913 Atlanta Cyclorama, Atlanta (Georgia) Schlacht im Amerikanischen Bürgerkrieg (1864) 1886 a ora a o a a e Breslau (Polen) Sieg der polnischen Armee gegen russische Truppen (1794) 1894 Riesenrundgemälde, Innsbruck (Österreich) Schlacht zwischen tirolischen Aufständischen und französischen Truppen (1809) 1896 Panorama der Schlacht bei Waterloo (Belgien) Kampf alliierter Truppen gegen die französische Armee unter Napoleon Bonaparte (1815) 1911 Sewastopol-Panorama, Sewastopol (Ukraine) Verteidigung der Stadt während des Krimkriegs (1853-1856) 1904 Panorama der Schlacht von Borodino, Moskau (Russland) Schlacht während des napoleonischen Russlandfeldzugs (1812) 1962 Panorama der Schlacht von Wolotschajewka, Chabarowsk (Russland) Schlacht im russischen Bürgerkrieg (1921) 1975 Panorama „Plevenska Epopeya 1877“, Plewen (Bulgarien) Schlacht im Russisch-Türkischen Krieg (1877-1878) 1977 Panorama-Museum „Stalingrader Schlacht“, Wolgograd (Russland) Schlacht um Stalingrad im Zweiten Weltkrieg (1942) 1982 Panorama „Der Durchbruch“, Sankt Petersburg (Russland) Zweite Ladoga-Schlacht im Zweiten Weltkrieg (1943) 2018 3 | Schlachtfeld-Panoramen: Beispiele, Thema und Eröffnungsjahr 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 69 03.02.2021 11: 50: 31 <?page no="70"?> 70 Tourism NOW : Dark Tourism 26 | Mitten im Schlachtgetümmel zu sein - diese Illusion vermitteln die Kriegs-Panoramen ihren Besuchern (z. B. das Sewastopol-Panorama in der Ukraine). Mit Hilfe multimedialer Inszenierungstechniken gelingt es ihnen, das historische Kampfgeschehen auf realistische Weise wiederaufleben zu lassen. Im Laufe der Zeit wurden Schlachtfelder jedoch nicht nur durch Panoramen, sondern auch durch Infrastruktur- und Unterhaltungseinrichtungen touristisch aufbereitet - wie das Beispiel Gettysburg im US-amerikanischen Bundesstaat Pennsylvania deutlich macht. Die Stadt war im Jahr 1863 während des Amerikanischen Bürgerkriegs der Schauplatz einer besonders verlustreichen Schlacht zwischen den unionistischen und konföderierten Truppen, in der 10.000 Soldaten getötet und 30.000 verletzt wurden (vgl. Conrad 2015): Zu den frühen Erschließungsmaßnahmen gehörte der Bau eines hölzernen Aussichtsturms (1881), von dem die Besucher aus 15 Metern Höhe einen weiten Blick über das Schlachtfeld hatten (der Eintritt betrug 25 Cent). Bereits kurz nach Kriegsende wurde die zerstörte Eisenbahnlinie rekonstruiert, um Schaulustigen aus größeren Städten wie Baltimore, Philadelphia, Pittsburgh, Washington und New York City die Anreise zu erleichtern. Mit dem Slogan „Where History Comes Alive“ boten die Eisenbahngesellschaften organisierte Touren zu dem Schlachtfeld an. Seit 1893 sorgte die „Gettysburg Electric Railway Company“ für eine bequeme Verbindung zwischen dem Stadtzentrun und den unterschiedlichen Kriegsschauplätzen. Allerdings stieß der Bau dieser Straßenbahn auf die Kritik von Veteranen, Historikern und Einwohnern; sie befürchteten, dass die Stadt immer mehr zu einer „Show“ und einem „Zirkus“ würde. Seit Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in der Umgebung der Stadt mehrere Freizeitparks, die den Gästen Entspannungs- und Unterhaltungsmöglichkeiten boten - z. B. mit Restaurants, Tanzpavillons, Spielplätzen etc. Sie wurden erst mit der Gründung des offi- 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 70 03.02.2021 11: 50: 31 <?page no="71"?> Schlachtfelder, militärische Einrichtungen und Militärmuseen 71 ziellen „Gettysburg National Military Park“ geschlossen. An diese Tradition knüpfte allerdings der Themenpark „Fantasyland“ an, der Familien mit Kindern von 1959 bis 1982 in den Sommermonaten eine „exciting and unforgettable experience“ versprach (er lag direkt neben dem Schlachtfeld). Im 20. Jahrhundert erlangten private Personenkraftfahrzeuge in den USA eine immer größere Bedeutung als Reiseverkehrsmittel. Um den Autofahrern die Orientierung vor Ort zu erleichtern, gab das örtliche Tourismusbüro bereits im Jahr 1923 eine Tourist Map mit Informationen zu dem Schlachtfeld und detaillierten Wegbeschreibungen heraus. Seit den 1950er-Jahren fanden zunehmend auch Busrundfahrten statt (teilweise in offenen Doppeldeckerbussen oder klimatisierten Fahrzeugen), bei denen die Teilnehmer per Kopfhörer mit dramatischer musikalischer Untermalung über das Kampfgeschehen informiert wurden. In jüngerer Zeit gibt es außerdem nächtliche Ghost Tours zu den „dunklen“ Orten der Stadt, die auch als „most haunted town in America“ vermarktet wird (→ 8.1). Die intensive touristische Nutzung des Schlachtfelds hält bis in die Gegenwart an. So war die Stadt in den vergangenen 25 Jahren regelmäßig Schauplatz von Reenactments, an denen mehr als 100.000 Darsteller und 500.000 Zuschauer teilgenommen haben. Obwohl diese Events inzwischen an Bedeutung verlieren, verzeichnet die Region Adams County jährlich vier Millionen Besucher und der „Gettysburg National Military Park“ nahezu eine Million (vgl. Ryan 2017; www.gettysburg-chamber.org/ business-resources/ tourism): Angesichts der Bedeutung der Schlacht für die eigene Geschichte handelt es sich bei 97 Prozent der Gäste um US-Amerikaner. Dabei stößt das Thema vor allem bei Touristen mittleren Alters auf Interesse (52 Jahre), die über einen Universitätsabschluss und ein höheres Einkommen verfügen. Im Gegensatz zu anderen Schlachtfeldern wird Gettysburg nicht nur von Tagesausflüglern besucht. Fast zwei Drittel der Gäste sind Übernachtungstouristen, die überwiegend Hotels als Unterkunftsart bevorzugen. Nach Berechnungen der örtlichen Handelskammer führt der touristische Konsum jährlich zu regionalen Einkünften in Höhe von ca. 725 Millionen US-Dollar und sichert 7.850 Arbeitsplätze; allein die Steuereinnahmen belaufen sich auf 810 US-Dollar/ Einwohner. Am Beispiel der offensiven Touristifizierung des Schlachtfelds von Gettysburg wird deutlich, dass beim Umgang mit „dunkeln“ Orten der Geschichte erhebliche national- und kulturspezifische Unterschiede festzustellen sind. Während in Deutschland zumeist eine sachgerechte Information und Aufklärung der Besucher im Mittelpunkt steht, setzen die Verantwortlichen in anderen Ländern auch Methoden der Animation und Inszenierung ein, um die Geschichte anschaulich und lebendig zu vermitteln - und damit Einnahmen zu erzielen (vgl. Haude 2015 zu einer Kritik an der Praxis des Reenactments). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 71 03.02.2021 11: 50: 31 <?page no="72"?> 72 Tourism NOW : Dark Tourism Ein Schlachtfeld als Erlebnisort - der „Vietcong-Park“ in Vietnam 27 | „Mein Highlight war es, einmal eine richtige Waffe in der Hand zu halten“ - so begeistert äußern sich Touristen bei T ripAdvisor über die Möglichkeit, nach der Besichtigung der Cu Chi-Tunnel selbst einmal Krieg spielen zu können. Die Cu Chi-Tunnel in Vietnam sind Teil eines weitläufigen Tunnelsystems, das sich auf ca. 200 Kilometern Gesamtlänge wie ein Labyrinth unter der Erde erstreckt. Es besteht nicht nur aus engen und niedrigen Verbindungsgängen, sondern an einigen Stellen auch aus unterirdischen Stockwerken, in denen während des Vietnamkriegs die Unterkünfte, Schulen, Lazarette und Büros des Vietcong - der „Nationalen Front für die Befreiung Südvietnams“ (NFB) - untergebracht waren. Große Teile der Anlagen sind inzwischen verfallen oder zugeschüttet worden, doch die Anlage von Cu Chi (65 Kilometer nördlich von Ho-Chi-Minh-Stadt) ist zu einer populären militärischen Erlebniswelt umgestaltet worden - dem „Vietcong-Park“. Zum Angebot gehören Führungen durch vietnamesische Kriegsveteranen, kleine Restaurants, in denen einfache Soldatenkost serviert wird, und Souvenirshops, die Poster, Dolche, Gläser mit Kräutern und Schlangen, die rote Vietcong-Fahne und T-Shirts mit Tunnel-Motiven anbieten. „Heute ist der Besuch in Cu Chi eine Mischung aus preiswertem Abenteuer, Spannung, Erinnerung und Geschichtsunterricht. Manches mag auf einige Besucher makaber wirken: die kostenpflichtigen Schießübungen mit Kriegswaffen, Touristen, die sich mit Maschinenpistole und Granate auf dem Panzer fotografieren lassen - oder der alte sozialistische Propagandafilm über die guten, heroischen Patrioten der Region“ (Kubisch 2013). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 72 03.02.2021 11: 50: 31 <?page no="73"?> Schlachtfelder, militärische Einrichtungen und Militärmuseen 73 Der „Vietcong-Park“ ist nur einer der Kriegsschauplätze, die von offiziellen Stellen und privaten Unternehmen für ausländische Besucher erschlossen worden sind (speziell für Veteranen aus den USA). Das Spektrum reicht von dem „China Beach“ über die „DMZ“ (Demilitarized Zone) über das „War Remnants Museum“ bis hin zur populären „Apocalypse Now Bar“ in Ho-Chi-Minh-Stadt, deren Name sich auf den berühmten Film von Francis Ford Coppola bezieht (diese und andere Hollywood- Produktionen haben das Image des Landes und die Erwartungshaltung der Touristen weltweit geprägt). In den militärischen Besucherattraktionen findet eine Dekontextualisierung und Internationalisierung der Erinnerung statt, bei der die früheren ideologischen Gegensätze zwischen Vietnam und den USA sowie die nationale Perspektive auf den furchtbaren „American War“ in den Hintergrund rücken. Diese Schauplätze dienen kaum dem Gedenken an die schrecklichen Ereignisse und zahllosen Opfer; vielmehr sind sie zu skurrilen und unterhaltsamen Sehenswürdigkeiten geworden, die den imaginären Vorstellungen ausländischer Gäste entsprechen (vgl. Schwenkel 2006, S. 16): Um den westlichen Besuchern, die zumeist größer und auch fülliger sind als die Vietnamesen, überhaupt eine Besichtigung zu ermöglichen, wurden einige Tunneleinstiege und -gänge verbreitert (teilweise handelt es sich auch um Rekonstruktionen). Vor der Besichtigung der unterirdischen Anlage informieren die Guides ihre Gäste darüber, dass Spinnen, Schlangen etc. mit Hilfe von Sprays vertrieben worden sind und klaustrophobisch veranlagte Besucher die Gänge jederzeit durch Notausstiege verlassen können. Diese „Popcolonization“ des Krieges erweist sich als einträgliches Geschäft: So erhalten z. B. die Gästeführer in den Tunneln nun 10-20 Dollar/ Tag allein an Trinkgeldern, während sie früher bei der Arbeit auf den Reisfeldern täglich nur wenige Dollar verdienten (Alneng 2002; vgl. Ngo/ Bui 2019 zur widersprüchlichen Rolle der vietnamesischen Guides, die auch an anderen Schauplätzen des Vietnamkriegs im Spannungsfeld von Patriotismus und Völkerverständigung agieren). Im Verlauf der vergangenen einhundert Jahre hatten die Schlachtfelder also mehrere private und öffentliche Funktionen - von auratischen Erinnerungsorten und nationalen Ikonen über außerschulische Lernorte und transnationale Symbole der Versöhnung bis hin zu beliebten „dunklen“ Sehenswürdigkeiten (vgl. Petermann 2012). In ihrem jeweiligen Narrativ spiegeln sich die Deutungs- und Nutzungsansprüche unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen wider; dazu zählen: persönlich Betroffene (Veteranen, Familienangehörige, Nachfahren etc.) sowie Opferbzw. Hinterbliebenenverbände, politische Entscheidungsträger und zivilgesellschaftliche Organisationen - dazu gehören zunehmend auch Naturschutzverbände (vgl. Altena/ Mewes 2014), wirtschaftliche bzw. touristische Akteure und die lokale Bevölkerung. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 73 03.02.2021 11: 50: 31 <?page no="74"?> 74 Tourism NOW : Dark Tourism Auch in Zukunft wird die Rolle der Schlachtfelder und militärischen Einrichtungen durch diese Stakeholder definiert. Ungeachtet ihrer divergierenden Interessen verfolgen sie ein gemeinsames Ziel - die Erinnerung an die leidvolle Vergangenheit wachzuhalten. Literatur zum Schlachtfeld- und Militärtourismus Samida, S. (2018): Schlachtfelder als touristische Destinationen: Zum Konzept des Thanatourismus aus kulturwissenschaftlicher Sicht. - In: Zeitschrift für Tourismuswissenschaft, 10/ 2, S. 267-290 (DOI: 10.1515/ tw-2018-0016) Knappe und zugleich umfassende Darstellung der historischen Entwicklung des Schlachtfeldtourismus und des aktuellen Forschungsstandes sowie kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff und Konzept des Thanatourismus Miles, S. T. (2012): Battlefield Tourism: Meanings and Interpretations, Glasgow (University of Glasgow - Ph. D. Thesis) Vergleichende Studie zur touristischen Inwertsetzung und Nutzung von historischen Schlachtfeldern wie Hastings (1066), Bannockburn (1314), Bosworth (1485) und Culloden (1746) bzw. von Schauplätzen des Ersten Weltkriegs (Narrative und Vermittlungsmethoden der Betreiber, Motive und Reaktionen der Besucher etc.) Gosar, A./ Koderman, M./ Rodela, M. (Hrsg.; 2015): Dark Tourism. Post-WWI Destinations of Human Tragedies and Opportunities for Tourism Development, Proceedings of the International Workshop, Koper Sammelband mit konzeptionellen Beiträgen und Fallstudien zur touristischen Nutzung von Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs - speziell den Schauplätzen der Kampfhandlungen zwischen Österreich-Ungarn und Italien an der Isonzoo a-Front 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 74 03.02.2021 11: 50: 32 <?page no="75"?> 5 Orte von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen „Ach! Vielleicht, indem wir hoffen, hat uns Unheil schon getroffen.“ Friedrich von Schiller (1759-1805) 28 | Die Trauer braucht einen Ort - nach dem Absturz des United Airlines -Fluges 93 am 11. September 2001 nahe Shanksville (Pennsylvania) konnten die Angehörigen der Opfer Erinnerungsstücke, Fotos, Botschaften etc. an diesem Zaun befestigen. Erst im Jahr 2015 wurde mit dem „Flight 93 National Memorial“ eine offizielle Gedenkstätte errichtet. Das Flugzeug war im Rahmen der Anschläge auf das Word Trade Center (WTC) in New York von islamistischen Terroristen gekapert worden und sollte offenbar in das Weiße Haus bzw. das Kapitol gesteuert werden. Nachdem es an Bord jedoch zu Auseinandersetzungen zwischen den Entführern und den Passagieren gekommen war, zerschellte die Maschine am Boden. Die Atomkatastrophe in Tschernobyl am 26. April 1986, der Anschlag auf das World Trade Center (WTC) in New York am 11. September 2001 oder das Erdbeben im Indischen Ozean am 26. Dezember 2004 - dies sind nur drei Beispiele für außerordentlich schreckliche Ereignisse, bei denen in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Menschen unter dramatischen Umständen verletzt oder getötet worden sind. Sie haben damals in weiten Teilen der Weltbevölkerung großes Entsetzen und tiefe Trauer ausgelöst: So können sich wohl viele Zeitzeugen noch genau an die Situation erinnern, in der sie damals die Nachricht von diesen Katastrophen erhalten haben. Selbst wenn solche persönlichen Reminiszenzen im Laufe der Zeit einmal der Vergangenheit angehören werden, so haben sich die eindrucksvollen Bilder des qualmenden Reaktorblocks, der einstürzenden Twin Towers oder der riesigen Flutwelle fest in das kollektive Gedächtnis eingebrannt. Für diese Persistenz sind zum einen die Massenmedien verantwortlich, die in Dokumentationen oder anlässlich von Jahrestagen immer wieder über die damaligen Vorkommnisse und die damit verbundenen menschlichen Tragödien berichten. Zum anderen hat an den Ereignisorten von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen eine ähnliche Institutionalisierung der Trauer stattgefunden wie an den Schauplätzen von Genoziden und auf historischen Schlachtfeldern. Durch die Errichtung 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 75 03.02.2021 11: 50: 32 <?page no="76"?> 76 Tourism NOW : Dark Tourism von Mahnmalen, Gedenkstätten und Informationszentren sind sie nicht nur zu festen Bestandteilen der öffentlichen Erinnerungskultur geworden, sondern zugleich auch zu neuen „dunklen“ Sehenswürdigkeiten. Die Besucher wollen an diesen authentischen Stellen stehen, um der Opfer zu gedenken. Außerdem möchten sie mehr über den Ablauf der Geschehnisse sowie deren Hintergründe und Folgen erfahren - eine angebliche Faszination des Morbiden und Makabren spielt für sie hingegen keine Rolle (vgl. Tinson/ Saren/ Roth 2015; Winter 2016, S. 38). Erinnerungsstätte/ Schauplatz Ereignis Besucherzahl bzw. lokaler Rang bei TripAdvisor Terroranschläge National September 11 Memorial and Museum, New York Terroranschlag in New York am 11. September 2001; mehr als 2.900 Todesopfer 6,8 Millionen Besucher/ Jahr (Memorial Plaza) bzw. 3,1 Millionen (Museum) Flight 93 National Memorial, Shanksville (Pennsylvania) Absturz des United Airlines-Fluges 93 im Rahmen des Terroranschlags am 11. September 2001; 44 Todesopfer 309.000 Besucher/ Jahr Erdbeben/ Tsunami Tangshan Earthquake Memorial Park, Tangshan (China) Erdbeben am 28. Juli 1976 in der Provinz Hebei; bis zu 550.000 Todesopfer 1/ 58 Disaster Reduction and Human Renovation Institution, Kobe (Japan) Erdbeben am 17. Januar 1995; mehr als 6.000 Todesopfer 6/ 715 Hokudan Earthquake Memorial Park, Awaji Island (Japan) 8/ 75 921 Earthquake Museum of Taiwan, Taichung City (Taiwan) Erdbeben am 21. September 1999; mehr als 2.000 Todesopfer 1/ 19 Aceh Tsunami Museum, Banda Aceh (Indonesien) Tsunami am 26. Dezember 2004 in Südostasien; mehr als 170.000 Todesopfer in der Provinz Aceh 4/ 35 Tsunami Memorial Park, Phuket (Thailand) Tsunami am 26. Dezember 2004 in Südostasien; mehr als 5.000 Todesopfer in Thailand 5/ 7 Baan Nam Khem Tsunami Memorial Park, Takua Pa (Thailand) 5/ 16 International Tsunami Museum, Khao Lak (Thailand) 10/ 18 Community Tsunami Museum, Hikkaduwa (Sri Lanka) Tsunami am 26. Dezember 2004 in Südostasien; ca. 35.000 Todesopfer in Sri Lanka 1/ 12 Beichuan National Earthquake Memorial, Beichuan (China) Erdbeben am 12. Mai 2008 in der Provinz Sichuan; mehr als 70.000 Todesopfer 3/ 12 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 76 03.02.2021 11: 50: 32 <?page no="77"?> Orte von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen 77 Nuklearunfälle Atomkraftwerk Tschernobyl (Ukraine) Explosion eines Reaktorblocks am 26. April 1986; Evakuierung von 50.000 Einwohnern der Stadt Prypjat 100.000 Besucher/ Jahr Atomkraftwerk Fukushima (Japan) Nuklearunfall am 11. März 2011; Evakuierung von 100.000-150.000 Einwohnern 10.000 Besucher/ Jahr 4 | Schauplätze von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen: Beispiele - Ereignisse - Besucherzahlen bzw. lokaler Rang bei TripAdvisor (bezogen auf die Gesamtzahl der Aktivitäten) Wie in anderen Bereichen des Dark Tourism ist auch bei diesen „dunklen“ Orten eine deutliche Hierarchie der Schauplätze zu beobachten, die durch mehrere Faktoren bestimmt wird: Lage und Erreichbarkeit: So zählt das „National September 11 Memorial & Museum“ in der Metropole New York, die jährlich ca. 36 Millionen Hotelübernachtungen verzeichnet, mit 6,8 Millionen Gästen/ Jahr zu den internationalen Besuchermagneten; das „Flight 93 National Memorial“ im ländlich gelegenen Shanksville (Pennsylvania) wird hingegen jährlich nur von 309.000 Touristen besichtigt. Öffentlicher bzw. limitierter Zugang: Das Gelände des havarierten Atomkraftwerks Tschernobyl und die Geisterstadt Prypjat können aus Sicherheitsgründen ausschließlich im Rahmen organisierter Bustouren und nach einer längeren Anreise aus der 100 Kilometer entfernten Hauptstadt Kiew betreten werden; außerdem gibt es dort nur eine rudimentäre touristische Infrastruktur. Aus diesem Grund liegt die jährliche Teilnehmerzahl (100.000) deutlich unter dem Besucheraufkommen von Gedenkstätten und Museen in den USA und in Asien, die öffentlich zugänglich sind. Internationaler Bekanntheitsgrad bzw. selektive Wahrnehmung: Der politisch motivierte Anschlag auf das World Trade Center hat speziell im Globalen Norden für eine große Bestürzung und eine enorme mediale Resonanz gesorgt (nicht zuletzt aufgrund der Angst vor weiteren islamistischen Terroraktionen). Dadurch ist aber der Blick auf die desaströsen Folgen von Naturkatastrophen in anderen Teilen der Welt verstellt worden, obwohl Taifune, Erdbeben und Vulkanausbrüche vielerorts weitaus mehr Menschenleben gefordert haben. Die dortigen Erinnerungsorte wie z. B. das „Beichuan National Earthquake Memorial“ in Beichuan (China), das an 70.000 Erdbebenopfer erinnert, können deshalb auch kaum vom internationalen Tourismus profitieren. Sie fungieren vor allem als Gedenkstätten und Ausflugsbzw. Reiseziele der einheimischen Bevölkerung. 5.1 Gedenken, Solidarität, Patriotismus - die Schauplätze von Terroranschlägen Das Durchleuchten der Gepäckstücke, der Gang durch den Metalldetektor, die Konfiszierung von Nagelfeilen und Getränkeflaschen - diese Prozeduren gehören für Fluggäste seit langem zum Reisealltag. Nur ältere Passagiere können sich noch daran erinnern, dass sie früher einmal ein Flugzeug betreten konnten, ohne vorher diese „surrealistische Choreographie der Sicherheitskontrollen“ absolvieren zu müssen (Müller-Ullrich 2006). Die Maßnahmen sind eine Reaktion auf die wachsende Bedrohung durch den internationalen Tourismus. Nahezu täglich berichten Tageszeitungen und TV-Sender über blutige Terroran- 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 77 03.02.2021 11: 50: 32 <?page no="78"?> 78 Tourism NOW : Dark Tourism schläge mit Toten und Verletzten, die vor allem von islamistischen, aber auch rechtsextremen Einzeltätern oder Gruppen begangen werden. Eine eindrucksvolle Bilanz des Grauens bietet die Global Terrorism Database. Sie enthält Informationen zu mehr als 190.000 Terroraktionen, die seit dem Jahr 1970 stattgefunden haben - differenziert nach Staaten und Städten, Akteuren, benutzten Waffen, Anschlagszielen und Opferzahlen ( www.start.umd.edu/ gtd/ ). Der Terror ist also in vielen Ländern längst ein Teil des Alltags geworden - und dennoch gibt es immer wieder Aktionen, die aufgrund ihrer außergewöhnlichen Perfidität oder ihrer schrecklichen Wirkungen die Weltgemeinschaft erschüttern. Dazu zählt sicherlich der Anschlag am 11. September 2001 in New York, als islamistische Terroristen zwei entführte Passagiermaschinen in die Twin Towers des World Trade Center (WTC) steuerten und sie dadurch zum Einsturz brachten. In den Trümmern der beiden Hochhäuser starben nahezu 3.000 Menschen (darunter auch viele Feuerwehrleute und Polizisten im Rahmen der Rettungsarbeiten). Zu weiteren Opfern kam es bei einem Angriff auf das Pentagon in Washington, D. C. und einem Flugzeugabsturz in Pennsylvania. Die symbolische und politische Tragweite des Anschlags ging jedoch weit über die große Zahl von Toten und Verletzten sowie die enormen Verwüstungen hinaus. Aufgrund seiner ikonenhaften Architektur hatte das World Trade Center (WTC) die Skyline New Yorks geprägt und war seit seiner Eröffnung im Jahr 1973 zu einem weltbekannten Symbol der Vereinigten Staaten von Amerika geworden. Seine Popularität basierte nicht zuletzt auf der Tatsache, dass es in vielen Spielfilmen als Schauplatz der Handlung oder zumindest als Landmark im Hintergrund gedient hatte. Ein Beleg für diese anhaltende Strahlkraft sind mehrere Gedenkstätten in Irland, Spanien, Deutschland und Israel, bei deren Gestaltung ein deutlicher Bezug zur charakteristischen Form des WTC hergestellt worden ist (vgl. Gessner 2015). Bereits kurze Zeit nach der „nationalen Tragödie“ (so der damalige US-Präsident George W. Bush) setzte eine öffentliche Diskussion über die künftige Nutzung der innerstädtischen Narbe des Ground Zero ein. Während viele Angehörige forderten, das Areal als „heiligen“ Ort weitgehend dem Gedenken an die Opfer zu widmen, wollten die Grundstückseigentümer und Pächter es rasch wieder mit Bürotürmen, Malls etc. bebauen. Schließlich gab es noch Vorschläge von Anwohnern und Stadtplanern, das ursprüngliche Straßennetz zu rekonstruieren und auf diese Weise ein lebendiges Stadtquartier zu schaffen (vgl. Eder 2016). Als Ergebnis der Kontroverse dieser unterschiedlichen Stakeholder kam es schließlich zur Errichtung mehrerer Mahnmale und Gebäude; dazu zählen (vgl. Sturken 2016): Die „National September 11 Memorial Plaza“ (2011) - eine Parkanlage mit zwei großen Granitbecken, die jeweils auf der Grundfläche der Twin Towers angelegt wurden; diese „Fußabdrücke“ sollen an die zerstörten Gebäude erinnern (Reflecting Absence). In der Nähe findet jährlich am 11. September die weithin sichtbare Kunstaktion „Tribute in Light“ statt, bei der mit zwei riesigen blauen Lichtsäulen an die beiden Türme erinnert wird. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 78 03.02.2021 11: 50: 33 <?page no="79"?> Orte von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen 79 29 | Ein bewusster Blick in’s Leere - am Ground Zero in New York markieren zwei weitläufige Wasserbassins die früheren Standorte der Zwillingstürme des World Trade Center (WTC). Mit diesen architektonisch gestalteten, aber unbebauten Flächen sollen die Besucher der „National September 11 Memorial Plaza“ zur Reflexion und Kontemplation angeregt werden. Zum Gedenken an die Opfer sind deren Namen in die Wände der beiden Becken eingraviert worden. Das „National September 11 Memorial Museum“ (2014) - ein Ausstellungsgebäude, das sich größtenteils unter den Wasserbassins befindet. Zu den mehr als 10.000 Exponaten gehören u. a. eindrucksvolle Relikte der Zwillingstürme (darunter die Slurry Wall - eine unterirdische Betonwand zum Schutz gegen das Wasser des Hudson River, verformte Stahlträger und Antennen etc.), demolierte Einsatzfahrzeuge der Rettungskräfte sowie persönliche Gegenstände und Fotos der Toten. In abgedunkelten Räumen sind Funksprüche, Augenzeugenberichte und Botschaften zu hören, die Angehörige und Opfer während des Anschlags auf Anrufbeantwortern hinterlassen haben. Der neu errichtete Word Trade Center-Komplex, der insgesamt aus sechs Hochhäusern besteht - u. a. dem 541 Meter hohen One World Trade Center. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 79 03.02.2021 11: 50: 33 <?page no="80"?> 80 Tourism NOW : Dark Tourism Es bedurfte allerdings keiner offiziellen Einrichtungen, um diesen Ort des Schreckens in den Fokus des nationalen und internationalen Tourismus zu rücken - immerhin hatten ca. zwei Milliarden Menschen das Geschehen weltweit im Radio oder vor dem TV-Gerät verfolgt. Während auf dem Ground Zero noch die letzten Brandherde loderten und Arbeiter die riesigen Schuttmassen wegräumten, war das riesige Loch bereits zu einem unverzichtbaren Ziel von Stadtrundfahrten und einer lukrativen Einnahmequelle für Straßenhändler geworden, die dort nationalistische Souvenirartikel verkauften - z. B. T-Shirts mit Aufdrucken wie „America Under Attack“, „America: The Spirit Lives On“ etc. und Toilettenpapier mit dem Konterfei von Osama bin Laden. Um den neugierigen Touristen einen Blick auf das Gelände zu ermöglichen, wurde vier Monate nach dem Anschlag speziell eine Aussichtsplattform errichtet (vgl. Schönfeld 2015, S. 37; Loos 2011, S. 64; Sodaro 2018, S. 139). „Die Katastrophe ist Teil des Reiseführer-Repertoires geworden, eine Sammlung aus Zahlen und Anekdoten. [Der Guide ] erzählt alles im gleichen Tonfall des geübten Reiseführers. Der 11. September reiht sich nahtlos in die Parade des Wissenswerten ein. Wussten Sie, dass ‚Soho‘ für ‚South of Houston Street‘ steht und Greenwich Village das ‚so genannte intellektuelle Viertel‘ Manhattans ist? Und wussten Sie, dass nach dem Einsturz des World Trade Center eine Million Tonnen Stahl entfernt werden müssen? “ Volkery 2001 Bis heute hat der Schauplatz des Terroranschlags für US-Bürger und ausländische Besucher nicht an Anziehungskraft verloren: Nach der Skyline von Manhattan rangiert er bei Trip- Advisor auf dem zweiten Platz von 520 Sehenswürdigkeiten in New York City und allein das Museum verzeichnet weitaus mehr Besucher als früher die Aussichtsterrasse in der 110. Etage des WTC-Südturms (3,1 vs. 1,8 Millionen). Im Gegensatz zu historischen „dunklen“ Orten (z. B. den Schlachtfeldern des Ersten und Zweiten Weltkriegs oder den Stätten der Atombombenabwürfe in Japan) liegen die Ereignisse des 11. September 2001 erst relativ kurze Zeit zurück. Deshalb haben viele New Yorker, aber auch Menschen aus anderen Ländern noch einen intensiven persönlichen Bezug zu dem traumatischen Ereignis, bei dem ihre Angehörigen, Freunde bzw. Bekannten getötet oder verletzt wurden (da in den Twin Towers viele internationale Unternehmen ihren Firmensitz hatten, arbeiteten dort auch zahlreiche ausländische Mitarbeiter). Vor diesem Hintergrund hält die öffentliche Diskussion über die ethisch-moralischen Grenzen eines angemessenen Umgangs mit dem Ground Zero weiterhin an; dabei stehen zwei Aspekte im Mittelpunkt der Kritik - das Konzept des „National September 11 Memorial & Museum“ und die extreme Kommerzialisierung der Gedenkstätte. Eine „überdimensionierte Grube des Selbstmitleids, der patriotischen Verklärung und des Voyeurismus“ - so hat der Architekturkritiker Philip Kennicott das Museum einmal bezeichnet. Seine harsche Aussage nimmt Bezug auf die nationalistische und zugleich moralische Botschaft des Hauses, das die Besucher durch die Auswahl und Zusammenstellung der Exponate eher emotional überwältigen als umfassend informieren will: In Erwartung heftiger Affekte haben die Museumsplaner an mehreren Stellen sogar Taschentuchspender platziert (mit dieser Konzeption steht die Ausstellung also in deutlichem Gegensatz zur 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 80 03.02.2021 11: 50: 33 <?page no="81"?> Orte von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen 81 Erinnerungsarbeit deutscher KZ-Gedenkstätten, in denen bewusst auf emotionalisierende Inszenierungen und Rekonstruktionen verzichtet wird) (→ 2.3). Als wichtige Methode der schockierenden Informationsvermittlung dient dabei die Personalisierung von Geschichte. Durch die Konzentration auf das Schicksal der unschuldigen Opfer und die exakte Rekonstruktion des Geschehens findet aber eine weitgehende Dekontextualisierung des Anschlags statt, bei der die komplexen Ursachen und auch die politischen Konsequenzen weitgehend ausgeblendet werden - z. B. der Militärschlag gegen das Taliban-Regime in Afghanistan und der Irak-Krieg. Zugleich dienen einige patriotische Exponate dazu, die umstrittenen Praktiken der USA im War on Terror zu legitimieren - z. B. das Guantanamo-Gefängnis, das Water Boarding von Häftlingen und das PATRIOT- Gesetz, das zur Einschränkung von Bürgerrechten sowie zu strikteren Einreisebestimmungen für Ausländer geführt hat. Mit diesem Narrativ verfolgt das Museum vor allem zwei Intentionen (vgl. Clancy 2016; Eder 2016; Sodaro 2018, S. 152-153): Zum einen sollen das Nationalbewusstsein und das Solidaritätsgefühl der USamerikanischen Besucher gestärkt werden. Zu diesem Zweck greifen die Ausstellungsmacher auch auf pathetische Formen des Gedenkens zurück - z. B. eine großflächige Collage aus nahezu 3.000 Blättern in unterschiedlichen Blautönen, die symbolisch an den sonnigen Morgen des 11. September und an jeden einzelnen Toten erinnern. Diese ästhetisch vermittelte Botschaft wird noch durch den Satz des griechischen Dichters Vergil verstärkt: „Kein Tag wird Euch je aus dem Gedächtnis der Zeit löschen“. Zum anderen fungiert das Museum auf dem internationalen Tourismusmarkt als Instrument des Nation Branding. Die USA präsentieren sich dort als eine Weltmacht, die - stellvertretend für die gesamte westliche Zivilisation - der Bedrohung ihrer Grundwerte (Freiheit, Individualismus, Gerechtigkeit etc.) durch einen barbarischen äußeren Feind widerstanden hat. Eine umfangreiche qualitative Studie belegt den Erfolg des „National September 9 Memorial & Museum“ bei der Umsetzung dieser Ziele: Von den Touristen wird es als „heiliger“ und „heilender“ Ort wahrgenommen worden, an dem sie sich direkt mit dem Sterben und dem Tod auseinandersetzen können. Der Besuch vermittelt ihnen nicht nur ein intensives Gemeinschaftsgefühl, sondern auch die Zuversicht, dass derartige Krisen durch einen starken gesellschaftlichen Zusammenhalt bewältigt werden können. Diese Reaktionen verdeutlichen die therapeutische Funktion des Museums: An die Stelle der zunächst negativen Emotionen (Schock, Trauer, Wut etc.) treten nun positive Gefühle wie Empathie und Hoffnung, Entschlossenheit und Nationalstolz. Viele Befragte betrachten diese transformatorische Erfahrung als richtungsweisend für ihr künftiges Leben (vgl. Stone 2012, S. 89; Dermody 2017, S. 287; auch Tinson/ Saren/ Roth 2015). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 81 03.02.2021 11: 50: 33 <?page no="82"?> 82 Tourism NOW : Dark Tourism 30 | Ein stummer Zeuge des Grauens - zu den Exponaten des „National September 11 Memorial & Museum“ gehört auch ein Feuerwehrwagen, der beim Rettungseinsatz völlig zerstört wurde. Um diese Wirkungen zu erzielen, wurde ein architektonischer, finanzieller, logistischer und multimedialer Maximalismus betrieben (vgl. Häntzschel 2011; Bitter 2017; www.timeline.911memorial.org): Während das „Vietnam Veterans Memorial“ in Washington, D. C. mit einer 75 Meter langen Mauer an mehr als 58.000 Gefallenen des Krieges erinnert, hat jedes der beiden Wasserbassins in New York eine Größe von 60 x 60 Metern. Die Baukosten für das „National September 11 Memorial & Museum“ beliefen sich auf ca. 700 Millionen US-Dollar, für das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ in Berlin hingegen nur auf 15 Millionen Euro. Außerdem betreibt das Museum eine offensive Distributions- und Preispolitik, indem es mit sechs anderen „Top-Attraktionen“ (Guggenheim Museum, Empire State Building etc.) im Rahmen des „CityPASS New York“ zusammenarbeitet, der den Kunden finanzielle Vorteile bietet. Schließlich stellt es auf seiner Website - neben einem interaktiven Rundgang - auch drei Timelines mit Fotos, Videos und Audiodateien zur Verfügung. Sie enthalten detaillierte Informationen zum Ablauf des Terroranschlags, zu den Aufräumarbeiten und dem Wiederaufbau am Ground Zero sowie dem Bombenanschlag auf das World Trade Center (WTC) am 26. Februar 1993. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 82 03.02.2021 11: 50: 34 <?page no="83"?> Orte von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen 83 Für Kritik sorgt jedoch nicht nur das aufwändige und nationalistische Konzept des „National September 11 Memorial & Museum“, sondern vor allem auch die exzessive Kommerzialisierung und Kitschifizierung des Ground Zero. So verfügt der museumseigene Laden vor Ort und auch Online über ein umfangreiches Sortiment an Souvenirs - von „Never Forget“- T-Shirts über „Love is stronger than hate“-Becher und „Search & Rescue“-Plüschhunde bis hin zu „Swarovski“-Schmuckstücken. Besonders bizarre Artikel mussten nach heftigen Protesten aus dem Angebot genommen werden; dazu zählten u. a. Feuerwehr- und Polizeiuniformen für Kinder oder eine große Käseplatte in Form der USA, auf der die Schauplätze des Terroranschlags mit Herzen markiert waren (vgl. Potts 2012). Obwohl die Einnahmen in den Betrieb und Erhalt des Museums fließen, betrachten viele Angehörige diesen „Souvenirladen des Todes“ (so die BILD-Zeitung) als eine pietätlose Geschäftemacherei auf einem Friedhof: In direkter Nähe zu dem Shop befindet sich ein (öffentlich nicht zugänglicher) Raum, in dem die sterblichen Überreste von mehr als 1.100 bislang nicht identifizierten Opfern des Terroranschlags aufbewahrt werden (vgl. Edelman 2014; Eder 2016). Ungeachtet der Proteste besteht bei vielen Touristen offensichtlich das Bedürfnis, Signature Products mit dem Logo des Museums, Gebrauchsgegenstände, Souvenirs etc. zu erwerben, um sie zu Hause zu nutzen oder in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Letztlich haben solche fetischartigen Andenken dazu beigetragen, dass der Terroranschlag zu einem festen Bestandteil der US-amerikanischen Alltags- und Erinnerungskultur geworden ist (vgl. Sturken 2016, S. 25; Cave/ Buda 2018 zur emotionalen und symbolischen Funktion von Souvenirs generell). 31 | Shop till you drop! Zu den besonders umstrittenen Einrichtungen des „National September 11 Memorial & Museum“ gehört der Shop . Einige Hinterbliebene kritisieren den unsensiblen und respektlosen Umgang mit einem Ort, an dem nahezu 3.000 Menschen ihr Leben gelassen haben. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 83 03.02.2021 11: 50: 34 <?page no="84"?> 84 Tourism NOW : Dark Tourism „Dieses Ereignis ist tragisch und soll so nie wieder vorkommen! Umso verwunderlicher ist es, wie man vor Ort damit umgeht. [...] Da wird ordentlich Geld mit dem Tod anderer Menschen verdient und man geilt sich fast schon daran auf, dass es in Amerika, dem tollsten Land der Welt, in der tollsten Stadt der Welt passiert ist, stellt sich aber gleichzeitig wieder in die Opferrolle. Widerlich. Das Museum sollte für jeden frei zugänglich sein und mit mehr Würde gegenüber den Opfern und Angehörigen gestaltet werden.“ Bewertung des „National September 11 Memorial & Museum“ bei TripAdvisor Die Darstellung des „National September 11 Memorial & Museum“ nimmt hier einen so breiten Raum ein, weil weltweit an keinem anderen Schauplatz eines Anschlags ein vergleichbar aufwändiges Gedenken praktiziert wird. Dabei hat der Terror in jüngerer Zeit vielerorts für Schrecken, Leid und Tod gesorgt - z. B. in Mumbai (2006, 2008), Paris (2015), Nizza (2016), Berlin (2016), Barcelona und Manchester (2017), Sri Lanka (2019) und Christchurch (2019). Dort erinnern jedoch nur Tafeln bzw. kleine Mahnmale an die Toten und Verletzten; entsprechend gering ist auch das Besucheraufkommen. Noch weniger internationale Aufmerksamkeit und öffentliche Würdigung erfahren die zahlreichen Anschlagsorte islamistischer Gruppen in Ländern wie Somalia, Mali oder Burkina Faso. So zynisch es auch klingen mag - das Beispiel des Ground Zero zeigt, dass es offensichtlich mehrerer Faktoren bedarf, um den Schauplatz eines Terroranschlags dauerhaft zu einem populären Ziel des Dark Tourism zu machen. Dazu zählen u. a. die große Zahl von Opfern, der spektakuläre Ablauf und vor allem die globale Medienresonanz (im Fall des 11. September 2001 erfolgte die Berichterstattung stundenlang in Echtzeit, während die Anschläge in Afrika bzw. im Irak nur kurz in den Nachrichten erwähnt werden). Schließlich hängt die touristische Attraktivität auch von dem Willen der politischen Akteure ab, das Ereignis zu einem wesentlichen Bestandteil der nationalen Memorialkultur zu machen. Allerdings stößt diese offizielle Intention nicht in jedem Fall auf die Akzeptanz der einheimischen Bevölkerung - wie das Beispiel der norwegischen Insel Utøya deutlich macht. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 84 03.02.2021 11: 50: 34 <?page no="85"?> Orte von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen 85 Erinnern oder Verdrängen? Die Kontroverse um das Denkmal für die Opfer des Terroranschlags auf der Insel Utøya (Norwegen) Mehrere Meter breit sollte die Schneise sein, die der schwedische Künstler Jonas Dahlberg bis unter die Wasseroberfläche in eine Landzunge gegenüber der Insel Utøya schneiden wollte. An der Innenseite des künstlich angelegten Grabens sollten die Namen der 69 Menschen eingraviert werden, die bei dem Terroranschlag des Rechtsextremisten Anders Behring Breivik am 22. Juli 2011 ihr Leben verloren (vgl. Krause 2015). Doch dieser radikale Entwurf einer Memorial Wound, der aus 300 Vorschlägen eines internationalen Wettbewerbs ausgewählt wurde, stieß speziell bei den Anwohnern auf erheblichen Widerstand. Sie hatten die Schüsse des Täters und die Schreie der Opfer aus nächster Nähe miterlebt. Manche waren auch - entgegen den Anweisungen der Polizei - mit Booten hinausgefahren, um verletzte Jugendliche zu retten. Angesichts dieser traumatischen Erfahrungen wollten sie nicht ständig an das Massaker erinnert werden und wieder zur Normalität zurückkehren. Außerdem befürchteten sie, dass sich das Denkmal und der Ort künftig zu einer makabren Besucherattraktion entwickeln würden. Die Befürworter der Gedenkstätte vermuteten hingegen, dass sich die wohlhabenden Einheimischen, die in den vergangenen Jahren dort Häuser und Villen gekauft hatten, vor allem Sorgen um den negativen Effekt des Denkmals auf die Immobilienpreise machten. Darüber hinaus gab es aber auch Proteste von Angehörigen: Sie waren nicht in die Planung einbezogen worden und wehrten sich nun dagegen, dass die Namen ihrer Kinder in dem Mahnmal verewigt werden sollten. Außerdem habe der Anschlag nicht am Standort des Denkmals, sondern auf der Insel Utøya stattgefunden. Die heftige öffentliche Kontroverse führte dazu, dass der Plan letztlich aufgegeben wurde. Zur Erinnerung an die Opfer ist stattdessen im September 2019 in Oslo das Monument „Jernrosene“ enthüllt worden, das aus mehr als 1.000 eisernen Rosennachbildungen besteht. Es soll an die vielen Blumen erinnern, die von den Norwegern damals als Zeichen der Trauer vor dem Dom abgelegt worden waren. Die eisernen Rosen sind - nach einem Aufruf in den sozialen Medien - von Überlebenden, Angehörigen und Menschen aus aller Welt geschmiedet worden (vgl. Anwar 2017). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 85 03.02.2021 11: 50: 34 <?page no="86"?> 86 Tourism NOW : Dark Tourism 5.2 Zerstörung, Resilienz, Musealisierung - die Orte von Naturkatastrophen 32 | Dark Tourism oder Kulturtourismus? Mit zunehmendem zeitlichem Abstand zu großen Naturkatastrophen (wie auch zu anderen schrecklichen Ereignissen) nimmt das emotionale Involvement der Besucher deutlich ab. An die Stelle von Trauer, Gedenken und Empathie treten Neugier, Wissensdrang und Distinktionsbedürfnis - wie im Fall der antiken Hafenstadt Pompeji, die im Jahr 79 v. Chr. zum Opfer eines Vulkanausbruchs wurde und dann für 1.700 Jahre in einen Dornröschenschlaf verfiel. Nach umfangreichen Ausgrabungsarbeiten entwickelte sie sich rasch zu einer populären Sehenswürdigkeit, die inzwischen einen festen Platz im Kanon der kultur- und besichtigungstouristischen Reiseziele hat. „Eine fassungslose Menge schloss sich uns an, jenem Instinkt der Flucht gehorchend, der es für klüger hält, fremder Einsicht zu folgen als der eigenen; und nun drängten und stießen uns die Flüchtenden in endlosem Zuge vorwärts“ - die Briefe des römischen Schriftstellers Plinius des Jüngeren gelten als die einzigen Augenzeugenberichte, die über den verheerenden Ausbruch des Vesuvs erhalten geblieben sind. Bei der Katastrophe verloren schätzungsweise 16.000 Menschen auf qualvolle Weise ihr Leben. Die Städte Pompeji und Hercunaleum wurden unter einer mehrere Meter dicken Schicht aus Steinen, Schutt, Asche etc. begraben und gerieten deshalb für lange Zeit in Vergessenheit ( www.vulkane.net). Erst im 18. Jahrhundert begann eine systematische Erforschung dieser Schauplätze, bei der - neben Wohnhäusern, Tempeln und Statuen - auch mehr als 2.000 Opfer freigelegt werden konnten. Ihre Körper waren nach der Verwesung als Hohlräume im Lavagestein erhalten geblieben und wurden nun mit Gips ausgegossen. Da der Vulkanausbruch die Orte nahezu vollständig konserviert hatte, boten sie nach den Ausgrabungen einen authentischen Einblick in das römische Alltagsleben (trotz diverser Raubgrabungen in der Vergangenheit). Aufgrund ihrer historischen Bedeutung wurden die archäologischen Stätten von Pompeji, Hercunaleum und Torre Annunziata im Jahr 1997 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 86 03.02.2021 11: 50: 34 <?page no="87"?> Orte von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen 87 Der Vulkanausbruch und das Schicksal der beiden Städte weckten jedoch nicht nur das Interesse von Archäologen, sondern auch von Touristen. Eine Besteigung des Vesuvs und ein Besuch in Pompeji gehörten bald zu den Hauptattraktionen der Grand Tour, die damals von Angehörigen des Adel und des Großbürgertums zu Kulturstätten in Italien und Griechenland unternommen wurden (nach einer solchen Reise war Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau derart beeindruckt, dass er in seinem Gartenreich Dessau- Wörlitz sogar einen künstlichen Vulkan errichten ließ - zu besonderen Anlässen wurden dort sogar mit Hilfe von Feuer, Rauch und bunten Glassteinen Ausbrüche simuliert) (vgl. Skinner 2018, S. 127-129; Steinecke 2018, S. 83). In den vergangenen zwei Jahrhunderten ist aus den wenigen Besuchen privilegierter Reisender in Pompeji ein massenhafter Touristenstrom geworden. Nach dem Kolosseum in Rom rangiert die Ausgrabungsstätte mit 3,4 Millionen Gästen/ Jahr auf dem zweiten Platz der beliebtesten italienischen Sehenswürdigkeiten (inzwischen gibt es zunehmend Berichte über die Zerstörung des Kulturdenkmals durch das hohe Besucheraufkommen). Allerdings handelt es sich bei Pompeji um einen Sonderfall, da Naturkatastrophen generell eine weitgehende Zerstörung von Gebäuden und eine großflächige Verwüstung von Landstrichen zur Folge haben. Um die betroffenen Städte und Regionen überhaupt wieder bewohn- und nutzbar zu machen, sind große logistische und wirtschaftliche Anstrengungen erforderlich - und an eine touristische Inwertsetzung ist zunächst überhaupt nicht zu denken (vgl. Nagai 2012, S. 8): Unmittelbar nach der Katastrophe geht es vorrangig darum, Verletzte und Tote aus den Trümmern zu bergen sowie Feuer zu löschen bzw. Wassermassen einzudämmen. Dabei werden die professionellen Rettungskräfte und die einheimische Bevölkerung häufig auch von Freiwilligen aus dem In- und Ausland unterstützt. Außerdem müssen rasch Notunterkünfte für die Überlebenden geschaffen und die Schäden provisorisch behoben werden (Sicherung von Gebäuden, Freiräumen von Straßen, Abtransport von Schutt etc.). Erst dann kann die aufwändige und langwierige Rekonstruktion von Wohnhäusern, Geschäften, Hotels und Infrastruktureinrichtungen beginnen - und schließlich auch die Errichtung von dauerhaften Gedenkstätten. Wie andere spektakuläre Ereignisse - z. B. der Anschlag auf das World Trade Center (WTC) in New York - lösen spektakuläre Naturkatastrophen, über die weltweit berichtet wird, eine große öffentliche und letztlich auch touristische Resonanz aus. In der Anfangsphase der touristischen Erschließung kommt es häufig zu einem spontanen Katastrophentourismus (Disaster Tourism). Zumeist handelt es sich dabei um schaulustige Besucher, die den Schauplatz einmal persönlich in Augenschein nehmen wollen - ob aus reiner Neugier, einem tiefergehenden Interesse an dem schrecklichen Ereignis oder einem Mitgefühl für die Opfer. Das zentrale Merkmal dieser Art des Dark Tourism ist ihr temporärer Charakter: Nach der Beseitigung der Schäden verlieren die „dunklen“ Orte ihre anfängliche Attraktivität - wie die toskanische Isola del Giglio, die nach der Havarie des Kreuzfahrtschiffs „Costa Concordia“ im Dezember 2012 einen Besucheransturm erlebte, der nach dem Abtransport des Wracks aber rasch wieder abflachte (vgl. Wright/ Sharpley 2016, S. 1572). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 87 03.02.2021 11: 50: 35 <?page no="88"?> 88 Tourism NOW : Dark Tourism Zum Ziel eines solchen Katastrophentourismus ist auch die italienische Stadt L’Aquila nach einem Erdbeben am 6. April 2009 geworden, das 309 Menschenleben forderte und das historische Zentrum weitgehend verwüstete. Während noch Rettungskräfte im Einsatz waren und Überlebende notdürftig in Zelten schliefen, kamen bereits zahlreiche Besucher, um Fotos von den Ruinen zu machen und persönliche Erinnerungsstücke mitzunehmen. Dieses respektlose Verhalten wurde von den Einwohnern als eine völlige Missachtung ihrer Privatsphäre, ihres Leids und ihrer Trauer empfunden. Deshalb wehrten sie sich auf Plakaten, zu Schauobjekten degradiert zu werden. Ähnliche Reaktionen zeigten auch viele Bewohner im neuseeländischen Christchurch, dessen Innenstadt am 22. Februar 2011 durch ein Erdbeben völlig zerstört wurde, und die Überlebenden des Hurrikans „Katrina“, der im August 2005 zum Tod von mehr als 1.600 Menschen führte und weite Teile der US- Golfküste verwüstete (vgl. Coats/ Ferguson 2013, S. 44; Wright/ Sharpley 2016). „Tourist Shame on You Driving by Without Stopping Paying to see my Pain 1.600+ Died Here.” Protestplakat eines Bewohners von New Orleans nach dem Hurrikan „Katrina“ (vgl. Wade 2015) In einer zweiten Phase bieten zunächst öffentliche Institutionen Informationstouren durch die betroffenen Stadtteile bzw. Regionen an. Sie dienen dazu, Politikern, Fachleuten und Journalisten einen umfassenden Überblick über das Ausmaß der Schäden zu geben. Durch die direkte Konfrontation mit dem Grauen sollen sie dazu bewegt werden, sich in ihren jeweiligen Tätigkeitsbereichen für die finanzielle und logistische Unterstützung der Region bei den erforderlichen Aufräum- und Aufbauarbeiten einzusetzen. Dabei handelt es sich um ein bewährtes Lobbyinstrument, das bereits auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs eingesetzt wurde (vgl. Pezzullo 2010, S. 29-30) (→ 4.1). Darüber hinaus tragen nun private Reiseagenturen zu einer zunehmenden Touristifizierung der Schauplätze bei, indem sie Bustouren durch die besonders zerstörte Red Zone organisieren - häufig unter strengen Sicherheitsmaßnahmen, da viele Gebäude nach einem Erdbeben einsturzgefährdet sind oder mit Nachbeben zu rechnen ist. Durch diese Maßnahmen wird der bislang unkontrollierte Besucherstrom nun in geordnete Bahnen gelenkt. Mit wachsendem zeitlichem Abstand zu dem Desaster ändert sich auch die Einstellung der Bereisten gegenüber den Touristen (vgl. Coats/ Ferguson 2013; Wright/ Sharpley 2016; Sharpley/ Wright 2018): Zum einen entwickeln sie ein gewisses Verständnis für das Interesse der Besucher an dem Geschehen. Allerdings fordern sie von den Veranstaltern, bei den Stadtrundfahrten auf alle effektheischenden Unterhaltungselemente zu verzichten und stattdessen ausschließlich sachlich fundiertes Wissen zu vermitteln - speziell auch über die Anstrengungen beim Wiederaufbau. Zum anderen erkennen sie das direkte wirtschaftliche Potenzial dieser Form des Dark Tourism für die Stadt und die Bewohner. Ihrer Meinung nach sollten die Einnahmen aus den Touren jedoch nicht nur wenigen Akteuren zugutekommen, sondern auch für die Finanzierung lokaler Rekonstruktionsmaßnahmen verwendet werden (hier sind also 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 88 03.02.2021 11: 50: 35 <?page no="89"?> Orte von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen 89 ähnliche Reaktionen zu beobachten wie im Slumtourismus) (→ Exkurs: Slums, Townships und Armenviertel). Schließlich betrachten sie die Besucher als mögliche Partner, die sich in ihrer Heimat symbolisch bzw. materiell für den raschen Wiederaufbau der Region engagieren - durch eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit oder die Initiierung von Hilfsprojekten. So hofften z. B. die Einwohner der italienischen Stadt L’Aquila, dass der Tourismus für eine landesweite Wahrnehmung ihrer anhaltenden Probleme sorgen würde. Dort war der Wiederaufbau durch eine starre Bürokratie, eine fehlende Koordination und eine exzessive Korruption derart behindert worden, dass selbst vier Jahre nach dem Erdbeben noch jeder dritte Einwohner in einer provisorischen Unterkunft leben musste. Erst in einem weiteren Schritt findet dann eine Institutionalisierung des Gedenkens und der Trauer statt - durch den Bau von Mahnmalen, Museen und Informationszentren (sie sind an den Orten von Naturkatastrophen besonders wichtig, da es aufgrund der Verwüstungen zumeist keine intakten Gebäude mehr gibt, die als Fokuspunkte der persönlichen Trauer und des öffentlichen Gedenkens dienen können). Hierzu bedarf es jedoch des politischen Willens und auch entsprechender finanzieller Ressourcen. Während z. B. im wohlhabenden Japan große Erinnerungsstätten errichtet worden sind, verfügen arme Länder wie Haiti, Myanmar, Bangladesh und Pakistan nicht über die Mittel, in vergleichbarer Weise an die zahlreichen Opfer von Erdbeben und Zyklonen zu erinnern (vgl. Funck 2012, S. 307-313; Tang 2018a, S. 425). 33 | Das traurige Ende einer Bootsfahrt - im thailändischen Khao Lak erinnert das Patrouillenboot 813 an den verheerenden Tsunami im Dezember 2004. Es hatte die königliche Familie bei einem Badeausflug begleitet und wurde von einer Riesenwelle nahezu zwei Kilometer weit in das Landesinnere geschleudert. Dort bildet es das Wahrzeichen des „Tsunami Memorial Park“, der zum Gedenken an die zahlreichen Opfer des Seebebens errichtet wurde. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 89 03.02.2021 11: 50: 36 <?page no="90"?> 90 Tourism NOW : Dark Tourism Aufgrund der großen Zahl von Naturkatastrophen, die sich jedes Jahr in vielen Ländern ereignen, ist es außerdem nicht verwunderlich, dass das mediale und öffentliche Interesse an einzelnen Desastern bereits nach kurzer Zeit wieder zurückgeht und sich auf die nächsten schrecklichen Ereignisse konzentriert. Um weiterhin auf der Mental Map der einheimischen Bevölkerung und der ausländischen Besucher vertreten zu sein und damit auch zu Ausflugs- und Reisezielen zu werden, müssen die Schauplätze also über eine zeitgemäße touristische Infrastruktur verfügen. Neben Japan und Taiwan betreibt die Volksrepublik China eine besonders aufwändige Erinnerungspolitik. In mehreren Museen werden der Mut und die Selbstlosigkeit der lokalen Bevölkerung gewürdigt, aber auch der Einsatz der Rettungskräfte (zumeist Soldaten der Volksbefreiungsarmee) und die Unterstützung der Region durch Funktionäre der Kommunistischen Partei. Als Beispiele sind u. a. zu nennen (vgl. Charbonneau 2011, S. 13-16; Tang 2018, S. 562): der „Tangshan Earthquake Memorial Park” in Tangshan (1986), das „Beichuan National Earthquake Memorial” in Beichuan (2008), der „Earthquake Relics Park” in Donghekou (2008), das „Yinxiu Epicenter Earthquake Museum” in Yinxiu (2010), der „Hanwang Earthquake Memorial Park” in Hanwang (2012). Diese Einrichtungen sind speziell für chinesische Touristen zu wichtigen Orten der persönlichen Trauer und der (außer-)schulischen Information geworden (damit haben sie also ähnliche Funktionen wie Genozid- und Kriegsdenkmale). In einer empirischen Untersuchung konnten folgende Motive der Besucher ermittelt werden (vgl. Tang 2014, S. 1322; auch Quian u. a. 2017; Liu 2017, S. 109): Viele Befragte fühlten sich moralisch dazu verpflichtet, die Schauplätze zu besichtigen und der Opfer zu gedenken (selbst wenn sie keine persönlichen Beziehungen zu ihnen hatten). Darüber hinaus gab es aber auch eine ausgeprägte Neugier, selbst einmal am Unglücksort zu stehen, und ein generelles Interesse, mehr über das Ereignis und die geplanten Rekonstruktionsarbeiten zu erfahren. Einige Probanden unternahmen die Reise auch aus erzieherischen bzw. sozialen Gründen: Sie wollten ihren Kindern diese Orte zeigen, den Zusammenhalt mit Angehörigen festigen oder die Beziehung zu Freunden und Bekannten vertiefen (traditionell spielen familiäre bzw. interpersonelle Verpflichtungen in der chinesischen Kultur eine wichtige Rolle). Zu den prägendsten affektiven und kognitiven Eindrücken des Besuchs gehörte die Reflexion über die Verletzlichkeit des Lebens, die Sympathie mit den unschuldigen Opfern und der Wunsch, solche Desaster künftig durch Präventionsmaßnahmen zu verhindern (hingegen gaben nur wenige Touristen an, morbide bzw. sensationslüsterne Erwartungen bzw. Empfindungen gehabt zu haben). Auf die betroffene Bevölkerung wirken Naturkatastrophen wie jähe Schicksalsschläge - und in den Museen werden die Elemente deshalb auch als unberechenbare und furchterregende Kräfte dargestellt. Gleichzeitig vermitteln diese Einrichtungen aber eine positive Botschaft, indem sie das Desaster in einen historischen Kontext einordnen, es wissenschaftlich erklären und vor allem auf die kollektiven Anstrengungen beim Wiederaufbau der zerstörten Regionen verweisen. Damit haben sie eine wichtige Funktion als Mediatoren, die 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 90 03.02.2021 11: 50: 36 <?page no="91"?> Orte von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen 91 zwischen widersprüchlichen Gefühlen vermitteln - einerseits der Angst vor einer künftigen Tragödie und andererseits der Zuversicht, ein solches Trauma gemeinsam bewältigen zu können (vgl. Korstanje/ Ivanov 2012, S. 65). Für traditionelle Tourismusdestinationen sind diese Narrative der Distanzierung, der Versachlichung und der Zuversicht deshalb so wichtig, weil sie nicht dauerhaft als düstere „Katastrophenregionen“, sondern möglichst rasch wieder als attraktive „Urlaubsparadiese“ wahrgenommen werden wollen. So ergab z. B. eine empirische Studie in den USA, dass sich das Image von New Orleans durch die breite Berichterstattung über die Verwüstungen des Hurrikans „Katrina“ an der US-Golfküste im Jahr 2005 deutlich verschlechtert hatte. Noch mehrere Jahre nach dem Ereignis äußerten die Befragten erhebliche Zweifel, ob die Stadt wieder über ein angemessenes Angebot an Hotels, Restaurants, Clubs etc. und an innerstädtischen Verkehrsverbindungen verfügen würde. Außerdem war die Zahl der Probanden zurückgegangen, die New Orleans als sicheres Zielgebiet betrachteten; jeder Vierte gab an, die Stadt deshalb in naher Zukunft nicht besuchen zu wollen (vgl. Pearlman/ Melnik 2008; Wu 2014 zu den Reaktionen chinesischer und japanischer Touristen auf den Tsunami und den Reaktorunfall in Japan im Jahr 2011). Da die Frage der persönlichen Sicherheit für die Mehrzahl der Reisenden höchste Priorität hat, führen Naturkatastrophen in den betroffenen Regionen kurzfristig zu einem dramatischen Rückgang des Besucheraufkommens. Um sich rasch wieder auf dem internationalen Tourismusmarkt zu positionieren, stehen den Zielgebieten mehrere Marketing-Instrumente zur Verfügung (vgl. Kunwar/ Limbu 2016, S. 23; Ma u. a. 2020, S. 2): Preispolitik: kurzfristige Preisnachlässe zur besseren Auslastung der vorhandenen Unterkunfts- und Transportkapazitäten; Kommunikationspolitik: Aufklärung der Öffentlichkeit über das (räumlich begrenzte) Ausmaß der Zerstörungen, Imagekampagne zur stabilen Sicherheitslage in der Region (Rebranding), Tipps zum angemessenen Verhalten in Risikogebieten, Informationsreisen für Journalisten und Reisebüromitarbeiter (als Multiplikatoren); Distributionspolitik: intensive Zusammenarbeit mit der Tourismusbranche in den Quellgebieten der Touristen, um den Kunden ein positives Bild der Destination zu vermitteln und die Nachfrage wieder zu steigern. In Einzelfällen haben die Tourismusverantwortlichen jedoch eine konträre Profilierungsstrategie verfolgt - wie in der japanischen Stadt Rikuzentakata, die am 11. März 2011 von einem verheerenden Tsunami weitgehend zerstört wurde (in der Region damals starben 19.630 Menschen und mehr als 2.500 gelten seitdem als vermisst). Der ruhige Küstenort war bislang nur ein Reiseziel japanischer Badetouristen gewesen. Nun nutzte er seinen traurigen Bekanntheitsgrad und präsentierte sich unter dem Slogan „Hiroshima des Nordens“ einem internationalen Publikum als neue und außergewöhnliche Destination. Zum unverwechselbaren Wahrzeichen wurde dabei der „Miracle Pine Tree“, der als einziger von 70.000 Bäumen der riesigen Flutwelle standgehalten hatte. Nachdem die mächtige Kiefer im Jahr 2012 eingegangen war, wurde sie durch eine Rekonstruktion aus Metall sowie synthetischen Zweigen und Nadeln ersetzt. Um dieses ikonenhafte Landmark herum entwickelte die Stadt inzwischen ein breites touristisches Angebot für einheimische und ausländische Besucher (vgl. Martini/ Minca 2018, S. 13). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 91 03.02.2021 11: 50: 36 <?page no="92"?> 92 Tourism NOW : Dark Tourism 34 | Ein Symbol der Resilienz - der aufwändig rekonstruierte „Miracle Pine Tree“ in der japanischen Stadt Rikuzentakata ist das letzte erhaltene Exemplar eines großen Waldes, der durch den Tsunami am 11. März 2011 völlig vernichtet wurde. Zahlreiche Berichte in Presse und TV verhalfen dem Baum zu einer weltweiten Publicity; inzwischen verzeichnet die künstliche Kiefer bei Google 12,5 Millionen Einträge. Die Naturkatastrophe als lukrative Geschäftsgrundlage - diese Strategie haben auch lokale Tourismusunternehmen an der Golfküste der USA verfolgt. Dort forderte der Hurrikan „Katrina“ im August 2005 nahezu 2.000 Menschenleben und verursachte enorme Schäden. Bereits kurze Zeit danach wurden in den Geschäften in New Orleans zahlreiche T-Shirt- Varianten angeboten, auf denen das schreckliche Ereignis mit Bildern und Texten thematisiert wurde. Im Gegensatz zu den nationalistischen Souvenirs im „National September 11 Memorial & Museum“ in New York, bei denen das Gedenken an die Opfer und der Appell zur Solidarität im Vordergrund stehen, handelte es sich bei Slogans auf den T-Shirts zumeist um obszöne Wortspiele mit dem weiblichen Vornamen „Katrina“. In großflächigen Aufdrucken wie „I Got Blown, Pissed On and Fucked by Katarina/ What a Whore” oder „Katrina Gave Me a Blow Job I’ll Never Forget“ wurde der Wirbelsturm mit einer aggressiven und hypersexuellen Frau verglichen, die speziell auf Männer eine bedrohlich-attraktive Anziehungskraft ausübt. Der Hurrikan als „Hure“ bzw. „Miststück“ - solche misogynen Charakterisierungen dienten offensichtlich dazu, dem Entsetzen mit einem grobschlächtigen männlichen „Schwarzen Humor“ zu begegnen und zugleich den eigenen Überlebenswillen zu bekunden. Bei den Touristen stießen diese sexualisierten Botschaften überwiegend auf Zustimmung: In einer Passantenbefragung in New Orleans gab die Mehrzahl der Probanden an, dass sie die T-Shirts als „lustig“, „niedlich“ und „angemessen“ empfanden. Kritik kam nur von einigen Einwohnern, die den Hurrikan selbst miterlebt und unter dessen Folgen zu leiden hatten (vgl. Macomber/ Mallinson/ Seale 2011). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 92 03.02.2021 11: 50: 36 <?page no="93"?> Orte von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen 93 Ungeachtet einer solchen fragwürdigen Kommerzialisierung und Trivialisierung haben Naturkatastrophen - aus touristischer Perspektive - offensichtlich ein janusköpfiges Gesicht: Zum einen verursachen sie großes Leid für die Bevölkerung und lösen erhebliche Zerstörungen aus (von der auch die Tourismusbranche betroffen ist). Zum anderen können sie von den Verantwortlichen mittelfristig dazu genutzt werden, die tragischen Ereignisse in die nationale Erinnerungskultur zu integrieren und die touristische Angebotspalette durch Gedenkstätten, Museen und Informationszentren zu erweitern. In der Vergangenheit haben vor allem geologische Bedingungen dazu geführt, dass einige Länder besonders unter Vulkanausbrüchen, Erdbeben und Überschwemmungen zu leiden hatten (z. B. die Staaten entlang des Pazifischen Feuerrings). Als Folge der wachsenden Erderwärmung ist künftig von einer Zunahme schwerer Naturkatastrophen auch in anderen Regionen auszugehen. Fatalerweise sorgt die Menschheit also selbst dafür, dass durch solche Desaster ständig neue „dunkle“ Sehenswürdigkeiten geschaffen werden. 5.3 Sarkophage, Geisterstädte, Naturparadiese - die Zonen von Nuklearunfällen Eine weitläufige Fluss- und Seenlandschaft mit ausgedehnten Wäldern, kleinen Dörfern und leeren Straßen - auf den ersten Blick wirkt die Region rund um das havarierte Atomkraftwerk Tschernobyl gegenwärtig wie ein arkadisches Erholungsgebiet. Doch die Idylle täuscht: Mit der Explosion und dem Brand des Blocks 4 ereignete sich hier vor 34 Jahren der größte Nuklearunfall der Geschichte. Wesentliche Ursachen waren gravierende Verstöße gegen die Sicherheitsbestimmungen sowie grundlegende Konstruktionsfehler des Reaktortyps (RBMK), von dem damals 17 Exemplare in der Sowjetunion in Betrieb waren. In den Tagen danach wurden große Mengen radioaktiver Stoffe in die Atmosphäre freigesetzt, die ca. 200 Mal größer waren als bei den Atombombenabwürfen in Hiroshima und Nagasaki. Aufgrund wechselnder meteorologischer Bedingungen verteilten sie sich in mehreren Wolken über weite Teile Europas - von Weißrussland und Polen bis nach Skandinavien, von Rumänien und Griechenland in die Türkei sowie von Tschechien und Österreich bis nach Deutschland. In einigen süddeutschen Regionen ist die Belastung gegenwärtig noch so hoch, dass jedes fünfte erlegte Wildschwein nicht verkauft werden darf (vgl. BfS 2016, S. 4; Urban 2019). Während der Unfall von sowjetischer Seite zunächst geheim gehalten wurden, begannen die Löscharbeiten am Reaktor 4. Nach erfolglosen Versuchen mit Robotern kamen dabei zahlreiche Hubschrauberbesatzungen sowie 600.000 Arbeiter als „Bio-Roboter“ zum Einsatz; diese „Liquidatoren“ durften sich jeweils nur für wenige Sekunden auf dem Dach des Gebäudes aufhalten. Außerdem wurde der zerstörte Block, in dem sich noch große Mengen nuklearen Materials befanden, mit einer hastig errichteten Betonhülle abgedichtet - dem „Sarkophag“. Die Bezeichnung bezog sich auf den berühmten Sarkophag in Moskau, in dem der einbalsamierte Körper von Wladimir Iljitsch Lenin öffentlich zu Schau gestellt wird; sie sollte die Widerstandsfähigkeit und den Leistungswillen des russischen Volkes symbolisch zum Ausdruck bringen. Allerdings erwies sich die Abdeckung bald als brüchig und undicht, so dass weiterhin große Mengen an Radioaktivität austraten (vgl. Pfeifer 2007, S. 47; Dobraszczyk 2016, S. 148) (→ 6.3). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 93 03.02.2021 11: 50: 36 <?page no="94"?> 94 Tourism NOW : Dark Tourism Erst 36 Stunden nach der Katastrophe wurden alle Einwohner der nahegelegenen Stadt Prypjat, bei denen es sich überwiegend um junge Angestellte des Kraftwerks mit ihren Familien handelte, mit 1.200 Bussen evakuiert und in Neubausiedlungen in Kiew umgesiedelt. Da den Bewohnern mitgeteilt worden war, dass sie nach wenigen Tagen heimkehren könnten, nahmen sie nur die nötigsten Utensilien mit und ließen ihre vollständig eingerichteten Wohnungen zurück. Über Nacht wurde das wohlhabende „Atomograd“, das mit Boulevards und Grünanlagen, zahlreichen Bildungs-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie einem Luxushotel dem Ideal einer sozialistischen Modellstadt entsprach, zu einem Pompeji des 20. Jahrhunderts und zugleich zu einer surrealen Zeitkapsel des Kalten Krieges. Als weltweit bekanntes Symbol der Geisterstadt gilt das Riesenrad in dem Vergnügungspark, der am 1. Mai - wenige Tage nach der Katastrophe - eröffnet werden sollte (ähnliche Beispiele von Ghost Towns sind ehemalige Bergbauorte, die nach dem Abbau der Rohstoffvorkommen rasch wieder verlassen wurden, wie z. B. die Diamantenstadt Kolmanskuppe in Namibia, die Goldgräbersiedlung Bodie in Kalifornien oder das Kohlebergwerk Hashima/ Gukanjima in Japan). 35 | Einst das beste Haus am Platz - die Ruine des Hotels „Polissja“ in der ukrainischen Stadt Prypjat ist zu einem eindrucksvollen Symbol des atomaren Schreckens geworden. Nach der Evakuierung der Bevölkerung hat sich die Geisterstadt mit ihrer düsteren und morbiden Atmosphäre zu einem populären Ziel organisierter Ausflugstouren entwickelt. Zum Schutz der Bevölkerung richtete die ukrainische Regierung in der Umgebung des Kraftwerks eine 30 Kilometer große Sperrzone ein, die bis in die Gegenwart durch einen hohen Stacheldrahtzaun sowie strenge Zugangskontrollen und interne Checkpoints gesichert wird. Dabei handelte es sich um eine willkürliche Festsetzung, da auch einige Gebiete außerhalb der Zone eine hohe radioaktive Belastung aufwiesen. Als Folge dieser Maßnahmen entstand ein geographisch isolierter, gesellschaftlich ausgegrenzter und staatlich kon- 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 94 03.02.2021 11: 50: 37 <?page no="95"?> Orte von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen 95 trollierter Raum, der im Sinne des Philosophen Michel Foucault als Heterotopie bezeichnet werden kann - ähnlich wie ein Friedhof oder ein Gefängnis (vgl. Stone 2013) (→ 6; → 7). Die Zahl der Opfer des Reaktorunfalls ist bis heute umstritten, da die Langzeitfolgen des Unglücks nur schwer abzuschätzen sind. Während sie sich nach offiziellen sowjetischen Angaben auf 47 Tote belief (vor allem Feuerwehrleute und „Liquidatoren“), gehen andere Quellen von 50.000 bis 100.000 Verstorbenen und bis zu 900.000 Invaliden aus (vgl. Schüller 2019). Lange Zeit war die Sperrzone nur für wenige Gruppen zugänglich. Dazu gehörten die ehemaligen Bewohner, die einmal im Jahr die Gräber von Angehörigen besuchen bzw. in ihre Wohnungen zurückkehren durften. Außerdem erhielten Wissenschaftler die Erlaubnis zum Betreten der Region, um z. B. die Folgen des Desasters auf Fauna und Flora zu untersuchen. Schließlich waren dort zahlreiche Arbeiter damit beschäftigt, zunächst die direkten Folgen des Unfalls zu beseitigen und später die monumentale Schutzhülle (Shelter) zu errichten, die über den „Sarkophag“ geschoben wurde und in den kommenden 100 Jahren den Austritt von Radioaktivität verhindern soll. Erst mit einem gewissen zeitlichen Abstand erregten die Ruine des Reaktors und die Geisterstadt Prypjat ein öffentliches Interesse - speziell in westeuropäischen Ländern und in den USA. Eine wichtige Rolle spielten dabei zwei Bildbände, in denen die Folgen der Katastrophe dokumentiert wurden und die eine breite mediale Resonanz auslösten (vgl. Lennon 2018 zur Rolle der Fotografie im Dark Tourism generell): „Zones of Exclusion: Pripyat and Chernobyl” von Robert Polidori (2003), „Growth and Decay: Pripyat and the Chernobyl Exclusion Zone” von David McMillan (2019). Als Motive wählten die beiden Fotografen vor allem leerstehende Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser und Wohnungen, in denen die Bewohner aufgrund der kurzfristig angeordneten Evakuierung zahlreiche Alltagsgegenstände zurückgelassen hatten (Puppen, Schulhefte, Kleidungsstücke etc.). Auf diese Weise gelang es ihnen, dem Leserpublikum die verstörende Atmosphäre der Geisterstadt auf eindrucksvolle Weise zu vermitteln. Mit dieser Perspektive standen sie in der Tradition der Ruinenromantik des 18. und 19. Jahrhunderts. Damals galten Ruinen als Symbole der Vergänglichkeit weltlicher Werte („Sic transit gloria mundi“) und wurden zu beliebten Sujets in Literatur und Malerei - es sei nur an die Gemälde von Caspar David Friedrich erinnert. Die Begeisterung für Ruinen ging so weit, dass in Parks und Gartenanlagen sogar verfallene Staffagebauten (Follies) als Stimmungserreger errichtet wurden - z. B. römische und griechische Ruinen, gotische Kirchenruinen und mittelalterliche Burgruinen. Sie waren Ausdruck einer rückwärtsgewandten Sehnsucht nach der Zeit vor der industriellen Revolution, die zu dramatischen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen geführt hatte. Dabei galt das zeitgenössische Interesse ausschließlich Fragen der pittoresken ästhetischen Gestaltung, während menschliche Schicksale weitgehend ausgeblendet wurden (vgl. Steinecke 2018, S. 33). Im Fall der Ruinen von Tschernobyl und Prypjat wird diese traditionelle Botschaft noch um mehrere aktuelle Bedeutungsebenen erweitert: Zum einen gilt der havarierte Reaktor als ein Symbol der menschlichen Hybris, die Kräfte der Natur vollständig beherrschen zu können, zum anderen aber auch als Metapher für das gescheiterte politische System des Kommunismus, das als Folge autoritärer Strukturen, ineffizienten Wirtschaftens und mangelnder Transparenz schließlich implodierte (zu den beliebten Fotomotiven von Robert Polidori 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 95 03.02.2021 11: 50: 37 <?page no="96"?> 96 Tourism NOW : Dark Tourism und David McMillan gehören u. a. verblichene Banner mit sozialistischen Slogans und beschädigte Bilder von Marx, Lenin etc.). Darüber hinaus handelt es sich bei diesen Relikten nicht um bauliche Zeugnisse einer vergangenen historischen Epoche, sondern um Sinnbilder einer weiterhin andauernden Katastrophe - denn Experten gehen davon aus, dass das Territorium aufgrund der hohen Kontaminierung in den kommenden 20.000 Jahren nicht wieder vollständig bewohnbzw. nutzbar sein wird. Im Falle eines nahen Untergangs der Menschheit würde der „Sarkophag“ also ironischerweise zu den letzten Spuren der Zivilisation gehören (vgl. Dobraszczyk 2010, S. 386; Hutchings/ Linden 2017, S. 209). “Chernobyl is not a historical place, [the guide ] says. It is a sleeping lion. And when the lion is sleeping, you don't open the cage.” Wall 2004 Die bedrohliche Aura der Sperrzone wird durch die Tatsache verstärkt, dass die gefährliche nukleare Belastung der Region weder zu sehen noch zu riechen oder zu fühlen ist. Die Besucher können sie allenfalls auf indirekte Weise durch die Anzeigewerte und die Klickgeräusche der Geigerzähler wahrnehmen (vgl. Davies 2013, S. 127-129). 36 | Eine (allzu) ästhetische Inszenierung des Grauens - mehr als drei Jahrzehnte nach dem Reaktorunfall ist die Stadt Prypjat längst nicht mehr in dem Zustand, in dem sie von den Einwohnern hektisch verlassen werden musste. Fotografen und Touristen haben die zurückgelassenen Alltagsgegenstände inzwischen effektvoll arrangiert und von ehemaligen Bewohnern sind bei Besuchen persönliche Erinnerungsstücke hinzugefügt worden. Außerdem war der Ort das Ziel von Plünderern, die ihr kontaminiertes Diebesgut in anderen Regionen der Ukraine verkauften. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 96 03.02.2021 11: 50: 37 <?page no="97"?> Orte von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen 97 Eine Stadt, die dem langsamen Verfall anheimfällt, und eine verbotene Zone, die nur unter persönlichen Risiken betreten werden kann - das waren zwei ungewöhnliche, „dunkle“ Attraktionen, die zunehmend auch in den Fokus der internationalen Populärkultur gerieten; dazu zählen u. a. (vgl. Dobraszczyk 2010, S. 385-386): Computer-/ Ego-Shooter-Spiele wie „S.T.A.L.K.E.R.: Shadows of Chernobyl“ (2007), „S.T.A.L.K.E.R.: Clear Sky“ (2008) und „S.T.A.L.K.E.R.: Call of Pripyat“ (2009), Horrorfilme wie „Return of the Living Dead IV: Necropolis“ (Ellory Alkayem; 2005) oder „Chernobyl Diaries“ (Bradley Parker; 2012), Thriller wie „Chernobyl Murders“ (Michael Beres; 2008). Bevor das Kraftwerk und die Stadt überhaupt zu touristischen Zielen wurden, gab es also bereits eine imaginäre Geographie dieser unheimlichen Schauplätze. Bei der Besichtigung betreten die Besucher deshalb hyperreale Orte, in denen sich die Grenzen zwischen Realität und Fiktion derart verwischen, dass sie nicht mehr voneinander zu trennen sind und zu einer neuen Qualität der Wahrnehmung führen. In Befragungen haben Gästeführer z. B. berichtet, dass vor allem jüngere Teilnehmer die Erwartung haben, dort ungewöhnliche Attraktionen wie Zombies bzw. mutierte Tiere zu sehen. Einige Gäste kommen auch in S.T.A.L.K.E.R.- Schutzanzügen, um einzelne Szenen der Spiele vor Ort nachzustellen (vgl. Yankovska/ Hannam 2014; Hutchings/ Linden 2017, S. 212; Krupskyi/ Temchur 2018, S. 268) (→ 7.3). Zu den Vorreitern einer touristischen Nutzung der Sperrzone gehörten abenteuerlustige Urban Explorers, die das weitläufige Gelände mit Hilfe von ortskundigen Führern erkundeten. Trotz eines generellen Zutrittsverbots gab es - gegen Zahlung von Bestechungsgeldern - Möglichkeiten, die strikten Sicherheitsbestimmungen zu umgehen oder einen Weg durch Stacheldrahtzaun zu finden (bis heute sind im Internet noch zahlreiche Berichte und Fotos zu solchen illegalen Aktionen zu finden, bei denen Extremtouristen mehrere Tage in verlassenen Plattenbauwohnungen übernachten und sich mit Militärnahrung verpflegen). Urban Explorers - zwischen kindlicher Neugier und politischer Provokation „Take nothing but pictures, leave nothing but footprints“ - dieser touristische Ehrenkodex gilt nicht nur für Outdoor- und Ökourlauber, sondern auch für Urban Explorers, die sich weltweit auf die Suche nach verlassenen bzw. öffentlich nicht zugänglichen Orten und Gebäuden machen (Lost Places). Dazu zählen Industrieruinen, leerstehende Krankenhäuser und ungenutzte Militärbunker, aber auch großstädtische Abwasserkanäle, stillgelegte U-Bahntunnel und im Bau befindliche Hochhäuser (vgl. Fraser 2012, S. 139; Bartels 2018). Die internationale Community besteht überwiegend aus Einzelgängern bzw. kleinen Gruppen, die ihre Erlebnisse und Fotos auf mehreren Websites teilen - u. a. „28 Days Later“, „Urban Exploration Resource“. Generell meiden sie aber die Öffentlichkeit, da sie eine striktere Überwachung oder vollständige Schließung der Objekte ihrer Begierde befürchten (vgl. Garrett 2013, S. 3). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 97 03.02.2021 11: 50: 37 <?page no="98"?> 98 Tourism NOW : Dark Tourism Die Motive für diese obskure Freizeit- und Urlaubsaktivität reichen von einer nahezu infantilen Vorliebe für das Geheime und Verborgene über ein historisch-technisches Interesse an verlassenen Einrichtungen bis hin zu einem anarchistischen Bedürfnis, bewusst die Grenzen des Erlaubten zu überschreiten, um neue Erfahrungen zu machen - jenseits des Alltags, der speziell in den Metropolen durch eine zunehmende Regulierung und Kontrolle geprägt wird (so gehen Schätzungen davon aus, dass es allein in London eine Million Überwachungskameras gibt). Aus Sicherheits- und Haftungsgründen versuchen öffentliche und private Stellen in der Regel, den Zutritt zu Ruinen bzw. Infrastruktureinrichtungen zu verhindern. In einigen Fällen hat jedoch eine gezielte touristische Inwertsetzung stattgefunden: Nach der Schließung der Lungenheilanstalt Beelitz-Heilstätten in Brandenburg entwickelten sich die maroden Krankenzimmer und Operationssäle mit ihrer morbiden Atmosphäre rasch zu einer Attraktion für Urban Explorers, Hobbyfotografen und Fans der Gothic Scene. Bei den Erkundungen, Aktivitäten und Treffen kam es sogar zu mehreren Todesfällen. Nachdem das Gelände zunächst komplett abgesperrt worden war, wurde dort im Jahr 2015 eine Erlebniswelt eröffnet - u. a. mit dem „Baum & Zeit - Baumkronenpfad Beelitz-Heilstätten“, der teilweise über den Ruinen verläuft ( www.baumundzeit.de) (→ 1.2). Erforschung, Erhalt und Erschließung unterirdischer städtischer Anlagen - für diese Ziele setzt sich der Verein „Berliner Unterwelten“ ein, der im Jahr 1997 gegründet wurde. Zu seinen mehr als 500 Mitgliedern gehören - neben Akademikern unterschiedlicher Disziplinen - auch Polizisten, Handwerker, Schüler etc. Der Verein bietet regelmäßig öffentliche Führungen zu zahlreichen „dunklen“ Orten in Berlin an (Luftschutzräume und Flak-Türme des Zweiten Weltkriegs, Bunker und Keller von Krankenhäusern, Brauereien und Industriebetrieben, Fluchttunnel aus der DDR-Zeit etc.). Dieses Veranstaltungsangebot wurde im Jahr 2019 von 360.000 Gästen genutzt ( www.berliner-unterwelten.de). Erst im Jahr 2011 hat die ukrainische Regierung die Sperrzone offiziell für organisierte Touren geöffnet. Durch die Einnahmen soll ein Teil des Budgets erwirtschaftet werden, das für die Sicherung und Dekontaminierung der Region sowie die (äußerst bescheidene) finanzielle Unterstützung der Opfer erforderlich ist. Schätzungen zufolge belaufen sich diese staatlichen Ausgaben auf sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts (vgl. Stone 2013; Hannam/ Yankovska 2018). Inzwischen bieten mehrere Agenturen entsprechende Tagesausflüge bzw. mehrtägige Reisen an, bei denen die Teilnehmer in einem einfachen Hostel übernachten. Um die notwendige Sicherheit zu garantieren, gelten strenge Bestimmungen; dazu zählen u. a.: eine aufwändige Buchungsprozedur (mehrtägige Anmeldefrist, Registrierung des Reisepasses, Verzicht auf Regressansprüche gegenüber dem Reiseveranstalter hinsichtlich gesundheitlicher Schäden etc.), intensive Personen- und Fahrzeugkontrollen beim Betreten und Verlassen der Sperrzone, das mehrmalige Passieren von Dosimeter-Schleusen, in denen die radioaktive Belastung der Teilnehmer gemessen wird (generell wird den Gästen versichert, dass sie bei einem Tagesbesuch einer geringeren Dosis ausgesetzt sind als bei einem Transatlantikflug), 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 98 03.02.2021 11: 50: 37 <?page no="99"?> Orte von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen 99 das Verbot, die befestigten Wege zu verlassen sowie bestimmte Gebäude zu fotografieren, die kostenlose Nutzung bzw. die Vermietung von Geigerzählern, um selbst Messungen vornehmen zu können. Auf dem Programm stehen die Besichtigung des havarierten Reaktorblocks 4 und der neuen Shelter sowie ein Rundgang durch die Geisterstadt Prypjat, deren Gebäude seit 2012 allerdings aus Sicherheitsgründen nicht mehr betreten werden dürfen. Zu den weiteren Sehenswürdigkeiten gehören zahlreiche Denkmale, die zur Erinnerung an die Rettungskräfte und die zerstörten Dörfer errichtet wurden, sowie die gigantischen Welse, die in den Flüssen und Kanälen rund um das Kernkraftwerk leben. Außerdem können die Teilnehmer Gespräche mit illegalen Siedlern (Samosely) führen, die in der Region geblieben bzw. dorthin zurückgekehrt sind und von der Regierung geduldet werden. Sie führen dort ein ärmliches Leben, das vor allem auf einer informellen Tausch- und Subsistenzwirtschaft basiert (vgl. Davies/ Polese 2015, S. 39-40). 37 | Selbst wenn die riesigen Welse bei den Besuchern Assoziationen zu mutierten Monstertieren in Horrorfilmen auslösen - ihre enorme Größe ist nicht eine Folge der hohen radioaktiven Belastung, sondern der fehlenden Fressfeinde (und der Fütterung durch Touristen). Seit der Öffnung der Sperrzone ist die Zahl der Touristen im Zeitraum 2015-2019 von ca. 16.000 auf mehr als 100.000 Besucher/ Jahr gestiegen, bei denen es sich zu 70 Prozent um ausländische Urlauber handelt. Wesentliche Push-Faktoren waren dabei die breite Berichterstattung in internationalen Medien (zunächst über die Ruinen und später über den zunehmenden Tourismus) sowie neuerdings auch die mehrfach preisgekrönte Serie „Chernobyl“ des Pay-TV-Senders HBO, die seit 2019 über mehrere Streamingdienste abrufbar ist. Außerdem hat die digitale Verbreitung von persönlichen Reiseerlebnissen zu einer Popularisierung und auch Trivialisierung beigetragen. So nutzen viele Touristen z. B. Onlinedienste wie Instagram, um dort (teilweise geschmacklose) Fotos und Selfies zu posten (vgl. Schmundt 2016; Krupskyi/ Temchur 2018, S. 267). Als Folge des wachsenden Besucherstrom ist aus dem einstigen „dunklen“ Lost Place nun eine nahezu „helle“ Attraktion geworden, bei der Schrecken, Leid und Tod der Opfer weitgehend in Vergessenheit geraten. Dieser Transformationsprozess wird sich in Zukunft noch beschleunigen, da die Verantwortlichen ein weiteres Wachstum der Nachfrage auf ca. eine Million Besucher/ Jahr erwarten. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 99 03.02.2021 11: 50: 38 <?page no="100"?> 100 Tourism NOW : Dark Tourism „Die offizielle Tour durch Tschernobyl wirkt eher wie eine unterhaltsame Ausstellung am Ort des Geschehens und viel weniger wie ein Einblick in die Realität dieses Ortes. Am Ende hat uns die Tour weniger in Bezug auf Tschernobyl zum Nachdenken gebracht als in Bezug auf die Inszenierung rund um die Katastrophe. Die Sperrzone ist heute vor allem ein düsteres Disneyland.“ Wulf 2016 Darüber hinaus richtet sich das touristische Interesse zunehmend auf die Rückeroberung der zivilisatorischen Relikte durch die Natur. So gehören Bilder von Pflanzen und Bäumen, die aus den asphaltierten Wegen und auf den Balkonen wachsen, zu den beliebten Motiven der professionellen Fotografen und ausländischen Besucher (auch diese Begeisterung für die morbide Attraktivität überwucherter Ruinen geht auf die Ruinenromantik des 18. und 19. Jahrhunderts zurück, die den touristischen Blick bis in die Gegenwart wesentlich geprägt hat) (vgl. Bird/ Westcott/ Thiesen 2018, S. 659). Angesichts der Resilienz der degradierten Flora und Fauna haben die Vereinten Nationen bereits im Jahr 2002 vorgeschlagen, die Biodiversität der Region zu schützen und das Gebiet auch für den Wissenschafts- und Ökotourismus zu erschließen (inzwischen gibt es z. B. zunehmend Berichte über wachsende Populationen von Wildschweinen, Wölfen, Elchen und Rotwild). Erste Ansätze sind in den benachbarten Landesteilen Weißrusslands (Belarus) zu beobachten: Im „Polesie State Radioecological Reserve“ können Touristen z. B. Imker, Pferdezüchter und Futterplätze von Wisenten besuchen (vgl. UNDP/ UNICEF 2002; Allan 2019). Die touristischen Effekte des Reaktorunglücks beschränken sich jedoch nicht auf die unmittelbar betroffenen Regionen, sondern sind sogar noch in weiter entfernten Staaten zu beobachten: So profitieren die litauische Hauptstadt Vilnius und das 100 Kilometer entfernte Kernkraftwerk Ignalina auf indirekte Weise von der Havarie des Reaktorblocks 4 in Tschernobyl. Dort wurden zahlreiche Szenen der HBO-Serie „Chernobyl“ gedreht, da die Originalschauplätze aufgrund der hohen Strahlenbelastung bzw. der enormen Zerstörung nicht genutzt werden konnten. Seit der Veröffentlichung erleben die lokalen Reiseagenturen einen Nachfrageboom, den sie durch reißerische Ankündigungen noch anheizen („Hold real props in your hands“). Auf dem Programm der Touren stehen u. a. der Stadtteil Fabijoniskes, der im Film als Ersatz für das ukrainische Prypjat diente, das baugleiche (inzwischen stillgelegte) Atomkraftwerk und die ehemaligen KGB-Zellen im „Museum der Opfer des Genozids“, in dem die Verhörszenen gedreht wurden. „Herzstück [der Führung in Ignalina] ist der fensterlose Kontrollraum des Reaktors. Besucher posieren neben Bildschirmen aus alten Zeiten und Tischen mit Knöpfen und Schaltern. Hier befindet sich auch der legendäre Knopf für die Reaktorabschaltung, der im Film ‚Chernobyl‘ gedrückt wird.“ Welscher/ Stein 2020 Von einem Ort der Apokalypse zur Location von Computerspielen und Spielfilmen sowie zu einer Besucherattraktion - mit dieser Entwicklung scheint Tschernobyl die Blaupause für andere Schauplätze von Atomkatastrophen zu sein. So setzt auch die Region Fukushima (Japan) zunehmend auf den Tourismus als zukunftsträchtigen Wirtschaftszweig. Nach 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 100 03.02.2021 11: 50: 38 <?page no="101"?> Orte von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen 101 einem verheerenden Tsunami war es dort im März 2011 zu Havarien mehrerer Reaktorblöcke des Kernkraftwerks Daiichi gekommen, bei denen große Mengen an nuklearem Material austraten; ca. 150.000 Menschen mussten das Gebiet zeitweilig bzw. dauerhaft verlassen. Seit einiger Zeit werden organisierte Touren für ausländische Besucher veranstaltet - inklusive einer Verpflegung mit einheimischem Gemüse, dessen radioaktive Belastung vorher kontrolliert worden ist (vgl. Renker 2017; Lunair 2019). Literatur zum Tourismus an Schauplätzen von Terroranschlägen, Naturkatastrophen und Nuklearunfällen Eder, J. S. (2016): Trauer, Patriotismus und Entertainment. Das „National September 11 Memorial & Museum“ in New York. - In: Zeithistorische Forschungen/ Studies in Contemporary History, 13/ 1, S. 158-171 (DOI: 10.14765/ zzf.dok-1421) Anschauliche, üppig bebilderte Beschreibung der Gedenkstätte und zugleich kritische Auseinandersetzung mit der politischen Botschaft und dem museumspädagogischen Konzept (ergänzt durch zahlreiche Literaturhinweise) Fahmi, U./ Ginting, N./ Sitorus, R. (2018): Local communities and tourists’ perception towards to PLTD Apung sites as tsunami disaster tourism in Banda Aceh City. - In: IOP Conference Series: Earth and Environmental Science, 126, S. 1-12 (DOI: 10.1088/ 1755-1315/ 126/ 1/ 012177) Fallstudie zum havarierten „PLTD Apung Ship“ in Banda Aceh (Indonesien), das durch den Tsunami im Dezember 2004 mehrere Kilometer landeinwärts geschleudert wurde und nun als Informationszentrum dient (Motive, Erfahrungen und Zufriedenheit einheimischer sowie ausländischer Besucher) Hutchings, T./ Linden, K. (2017): Tourists at Chernobyl. Existential meaning and digital media. - In: Frihammar, M./ Silverman, H. (Hrsg.): Heritage of Death. Landscapes of Emotion, Memory and Practice, London, S. 209-221 (DOI: 10.4324/ 9781315440200) Knappe Einordung des Nukleartourismus in das Konzept des „Dark Tourism“ und empirische Analyse von Websites ukrainischer bzw. weißrussischer Reiseagenturen, die Touren in der Sperrzone anbieten (thematische Schwerpunkte, unterschiedliche Ansprache westeuropäischer bzw. russischer Kunden etc.) 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 101 03.02.2021 11: 50: 38 <?page no="102"?> 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 102 03.02.2021 11: 50: 38 <?page no="103"?> Exkurs: Slums, Townships und Armenviertel „Armut beugt die Körper nieder, Reichtum gibt gelenke Glieder. Armut lungert, Armut lügt. Reichtum ist vergnügt, weil er frei vor jedermann reden und sich zeigen kann.“ Joachim Ringelnatz (1883-1934) 38 | Armut als Attraktion - die Besichtigung marginalisierter Wohnquartiere gehört zu den umstrittensten Arten des Dark Tourism . Die Befürworter betrachten ihn als eine Form der Entwicklungshilfe und verweisen auf die positiven wirtschaftlichen sowie sozialpsychologischen Effekte. Die Kritiker bemängeln hingegen die geringe Integration und Partizipation der Bewohner und vergleichen die organisierten Touren mit Ausflügen in Menschenzoos. Ein Slum als Top-Attraktion des Landes - diese Nachricht sorgte im Jahr 2019 international für Schlagzeilen: Bei den „Travellers‘ Choice Awards“ von TripAdvisor rangierten die Touren durch das Armenviertel Dharavi in der Metropole Mumbai aus Sicht der User an erster Stelle der beliebtesten Urlaubserlebnisse in Indien, während sich die Gruppenausflüge zum legendären Taj Mahal in Agra mit dem dritten Platz zufriedengeben mussten (vgl. Livni 2019). An diesem Beispiel lässt sich die wachsende Popularität des Slumtourismus aufzeigen, dessen Umfang weltweit auf ca. eine Million Kunden/ Jahr geschätzt wird. Unter diesem Begriff werden alle Formen der touristischen Erschließung und Nutzung von Armenvierteln 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 103 03.02.2021 11: 50: 38 <?page no="104"?> 104 Tourism NOW : Dark Tourism zusammengefasst. In der Mehrzahl handelt es sich dabei um mehrstündige Touren (zu Fuß bzw. mit Kleinbussen oder Fahrrädern) in Begleitung eines einheimischen Guides. Darüber hinaus gibt es in einigen Slums und Townships inzwischen auch weitere touristische Angebote - von Restaurants über Bed & Breakfast-Unterkünfte bis hin zu Museen (z. B. „Hector Pieterson Memorial and Museum“ in Soweto/ Südafrika, „Bob Marley Museum“ in Kingston/ Jamaika). Während der Rundfahrten bzw. -gänge erhalten die Teilnehmer einen Einblick in die Geschichte der Viertel und das Leben der Bewohner. Neben der Besichtigung von Hütten und Wohnungen steht zumeist der Besuch von Handwerks- und Recyclingbetrieben, traditionellen Ladengeschäften, Gemeindezentren, Kindergärten und sozialen Projekten auf dem Programm (vgl. Hartmann/ Nagel 2012, S. 278). Solche Slum-Touren sind in den 1990er-Jahren zunächst in südafrikanischen Townships und brasilianischen Favelas angeboten worden. Seitdem haben auch Unternehmen und Organisationen in Metropolen anderer Entwicklungsbzw. Schwellenländer die Geschäftsidee übernommen - von Argentinien und Ägypten über Indien und Thailand bis hin zu Kenia und Sambia; dort gehören Slumtouren inzwischen zum festen Bestandteil der städtetouristischen Produktpalette (vgl. Frenzel u. a. 2015, S. 238). Damit konnte eine Reiseart eine Renaissance erleben, die sich bereits Ende des 19. Jahrhunderts in Großbritannien und später auch in den USA einer gewissen Beliebtheit erfreut hatte. In den besseren Kreisen der Gesellschaft galt damals das Slumming als besonders chic - also der Besuch von überbevölkerten Armenvierteln mit ihren dreckigen Gassen, schäbigen Häusern und unzureichenden sanitären Einrichtungen (nach einem Besuch der berüchtigten Bowery in New York prahlte ein englischer Adeliger sogar damit, dass er im Londoner Eastend weitaus schlimmere Dinge gesehen habe) (vgl. Bednarz 2018). Wesentliche Ursachen der Entstehung von Slums waren das rasche Wachstum der Bevölkerung, die hohe Arbeitslosigkeit in ländlichen Regionen und die zunehmende Konzentration von Handels-, Gewerbe- und vor allem Industriebetrieben in den Städten, durch die eine massenhafte Landflucht ausgelöst wurde (bis in die Gegenwart ist die Hoffnung auf ein besseres Leben in den Metropolen ein zentraler Push-Faktor für Arbeitsmigranten - speziell im Globalen Süden). Für die prüde viktorianische Bourgeoisie stellten die Slums mit ihren Kneipen, Bordellen und Opiumhöhlen exotische Gegenwelten zu den eleganten Squares, Crescents und Terraces dar. Sie strahlten die schillernde Faszination des „Anderen“ und Unmoralischen aus - und dienten als Projektionsflächen frivoler Phantasien. Trotz ihrer abstoßenden Atmosphäre aus Schmutz, Chaos und Kriminalität waren sie für die Zeitgenossen zugleich attraktive Orte der Ausschweifung, des Lasters und der Sündhaftigkeit (vgl. Steinbrink/ Voshage 2020, S. 123). In den USA entwickelten sich - neben den Slums - auch die ethnischen Einwandererviertel zu neuen touristischen Attraktionen (Chinatown, Little Italy, Brighton Beach etc.). Sie wurden von den zumeist weißen Middle Class-Besuchern vor allem als pittoreske Stadtteile wahrgenommen, die ihnen einen gefahrlosen Ausflug zu Menschen aus anderen Kulturkreisen ermöglichten und aus denen sie anschließend beruhigt in ihr vertrautes Umfeld zurückkehren konnten (vgl. Steinbrink 2012, S. 228). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 104 03.02.2021 11: 50: 38 <?page no="105"?> Exkurs: Slums, Townships und Armenviertel 105 Vor dem Hintergrund des weltweit expandierenden Tourismus hat das Slumming im angloamerikanischen Raum im 20. Jahrhundert immer mehr an Bedeutung verloren; stattdessen rückten die Armenviertel in Ländern der Dritten Welt zunehmend in den touristischen Fokus. Sie dienen nun als neue Attraktionen für Fernreisende, die sich nicht mehr mit den standardisierten und austauschbaren Produkten der Tourismusbranche zufriedengeben, sondern auf der Suche nach außergewöhnlichen Eindrücken und Erlebnissen sind. 39 | Zwischen Neugier, Abscheu und Furcht - mit gemischten Gefühlen unternimmt eine bürgerliche Familie in Begleitung eines Polizisten einen Spaziergang durch das Armenviertel Five Points in New York (1885). Lifeseeing statt Sightseeing - diese touristische Praxis gab es lange Zeit nur im Industrie- und Heritage-Tourismus. Dort können die Teilnehmer an Betriebsführungen und die Besucher von Freilichtmuseen den Fabrikarbeitern und Handwerkern bei der Herstellung von Produkten zusehen (Porzellan, Glas, Fahrzeuge etc.). Allerdings handelt es sich dabei um professionell inszenierte Formen der Wissensvermittlung, die nur mit Zustimmung und unter Mitwirkung der Beschäftigten erfolgt. Die organisierten Slumtouren führen hingegen in die alltäglichen Wohn-, Arbeits- und Lebenswelten unterprivilegierter Menschen - ohne jegliche Einwilligung der Bewohner, die in dieser Realkulisse als Komparsen dienen und (im wahrsten Sinne des Wortes) zu „Bereisten“ werden. Außerdem verfügen die Slums und Townships in der Regel nur über rudimentäre touristische Einrichtungen. Mit diesem informellen Charakter unterscheiden 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 105 03.02.2021 11: 50: 39 <?page no="106"?> 106 Tourism NOW : Dark Tourism sie sich von anderen „dunklen“ Orten wie Genozid-Gedenkstätten, Schlachtfeldern, Friedhöfen, Gefängnissen etc., die von Politikern, Planern und Lobbyisten aufwändig als institutionalisierte Mahnmale, Informationsstätten und Besucherattraktionen aufbereitet worden sind. Aus diesem Sachverhalt ergeben sich mehrere grundsätzliche Fragen (vgl. Sahni/ Aulakh 2018): Ist es unter ethisch-moralischen Prinzipien überhaupt statthaft, solche Ausflüge zu den Ärmsten der Armen zu veranstalten bzw. daran teilzunehmen? Wie reagieren die mittellosen Bewohner von Slums und Townships auf die regelmäßigen Besuche von wohlhabenden (zumeist westlichen) Besuchern? Wie kann sichergestellt werden, dass die Einheimischen - im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung - auch einen persönlichen Nutzen aus dem Tourismus ziehen? I Slumtourismus - Armutspornographie oder Völkerverständigung? Das Zur-Schau-Stellen von Menschen aus anderen Kulturen für ein europäisches Publikum - mit diesem Konzept scheinen die Veranstalter von Slumtouren in der Tradition der exotischen Völkerschauen zu stehen, die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in zahlreichen Zoologischen Gärten veranstaltet worden sind (Berlin, Paris, London etc.). Zu den Vorreitern dieser menschenverachtenden Veranstaltungen gehörte der Hamburger Tierhändler Carl Hagenbeck, der Tiere und Menschen in speziellen Gehegen zu exotischen und farbenfrohen Szenarien arrangierte - mit Ägyptern, die vor Pyramiden aus Pappmaché auf Kamelen ritten, und Lappländern, die zusammen mit Rentieren präsentiert wurden (vgl. Zeitler 2017). Darüber hinaus fanden solche Völkerschauen auch im Rahmen von Kolonialbzw. Weltausstellungen statt und begeisterten jahrzehntelang Millionen Besucher: Auf der Pariser Weltausstellung (1889) galt z. B. ein nachgebautes „Negerdorf“ mit mehr als 400 Bewohnern aus afrikanischen Kolonien als Hauptattraktion und noch im Jahr 1958 sorgte ein großer kongolesischer Kral auf der Weltausstellung in Brüssel für Furore (vgl. Metzler 2018). Sind Slums und Townships durch die Ausdehnung der Reiseperipherie wirklich zu den Menschenzoos der Gegenwart geworden und befriedigen damit die voyeuristischen Begierden der Urlauber aus dem Globalen Norden (wie Kritiker meinen) oder können sie zu neuen Orten der Völkerverständigung werden, an denen sich Menschen unterschiedlicher Kulturen begegnen? Eine umfassende Analyse der Bewertungen von Slumtouren bei TripAdvisor zeigt, dass die nachdenklichen und mitfühlenden Reaktionen der Teilnehmer bei weitem überwiegen; dort tauchen häufig Adjektive wie „beeindruckend“, „bewegend“ „ehrlich“, „voller Respekt“ etc. auf. Die kurzen Texte enthalten zwar auch generelle Hinweise auf die Armut der Bewohner, blenden jedoch die gravierenden infrastrukturellen Mängel der Quartiere weitgehend aus; stattdessen werden die Slums vor allem als Orte der Hoffnung und der persönlichen Erfahrung beschrieben. Mit diesem selektiven Narrativ scheinen die Touristen auf die öffentliche Diskussion über die ethisch-moralische Problematik der Touren zu reagieren: Indem sie die positiven Aspekte der Viertel betonen, legitimieren sie indirekt auch ihr persönliches Verhalten. Außerdem grenzen sie sich damit von anderen Urlaubern ab, die ihre Komfortzone der Luxushotels, Shopping-Center etc. nicht verlassen, und stellen sich als 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 106 03.02.2021 11: 50: 39 <?page no="107"?> Exkurs: Slums, Townships und Armenviertel 107 besonders aufgeschlossene, verantwortungsbewusste und politisch interessierte Reisende dar (vgl. Huysamen/ Barnett/ Stanton Fraser 2020). „Wir bekamen einen Einblick in das Leben im Township, wo nicht alles nur schlecht und schlimm ist, die Menschen aber mit ganz anderen Sorgen konfrontiert sind als wir Europäer. [Ich hatte] die Befürchtung, in der Rolle des ‚reichen‘ Gaffers viel Armut zu sehen und ständig angebettelt zu werden. Ich wurde positiv überrascht. Trotz Armut herrscht Lebensfreude auf den Straßen, die Bewohner sind neugierig und zeigen gerne, was sie mit ihren Mitteln erreichen.“ Bewertung einer Township-Tour in Kapstadt bei TripAdvisor Dieser Reflex und dieses Selbstverständnis der Slumtouristen werden durch empirische Fallstudien bestätigt - z. B. eine Befragung von Teilnehmern an Township-Touren in Kapstadt (vgl. Rolfes/ Steinbrink/ Uhl 2009, S. 38-42; auch Ma 2010, S. 16; Mangwane/ Hermann/ Lenhard 2019): Nur für einen geringen Teil der Probanden stand dabei Spaß und Abenteuer im Vordergrund: Stattdessen gab die Mehrzahl der Gäste bildungsbürgerliche Motive an (Interesse an der lokalen Kultur und Geschichte der Townships sowie an den Lebensbedingungen der Bewohner) oder war auf der Suche nach authentischen Erlebnissen „off the beaten tracks“ („Real Africa“). Einige Urlauber verbanden damit auch den Wunsch, den Einheimischen zu helfen und sie durch ihren Besuch finanziell zu unterstützen. Obwohl viele Teilnehmer vor der Tour Zweifel hinsichtlich der ethisch-moralischen Vertretbarkeit der Ausflüge und negative Vorstellungen von den Townships hatten (arm, dreckig, gefährlich, traurig etc.), äußerten sie sich anschließend überwiegend positiv. Besonders beeindruckt waren sie von der Freundlichkeit und Lebensfreude der Menschen (speziell der Kinder), dem unerwartet hohen Ausmaß an wirtschaftlichen Aktivitäten, den zeitgemäßen technologischen Standards - und nicht zuletzt auch dem Gefühl der eigenen Sicherheit. 40 | Von Sensationslust keine Spur - für ausländische Touristen sind Townships vor allem interkulturelle Lernorte und keine exotischen Menschenzoos. Allerdings ist diese veränderte Einstellung der Teilnehmer nach dem Besuch von Armenvierteln vor allem auf die Guides zurückzuführen, denen bei den Touren eine zentrale Rolle als Mediatoren (Cultural Broker) zukommt. Aufgrund von Sprachbarrieren und eines straffen Besichtigungsprogramms haben die Gäste kaum die Möglichkeit, sich persönlich bzw. länger mit den Bewohnern zu unterhalten. Ihre Wahrnehmung wird deshalb wesentlich durch die Informationen gesteuert, die sie von den Gästeführern erhalten. 10,5% 12,3% 16% 20,9% 23,5% 24,1% Einblicke in das "Real Africa" erhalten Interesse, an einer Gruppenführung teilzunehmen Vielfalt von Kapstadt erleben mehr über das Leben in Townships erfahren Wissen über die Geschichte Südafrikas erweitern lokale Kultur und Menschen kennenlernen 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 107 03.02.2021 11: 50: 39 <?page no="108"?> 108 Tourism NOW : Dark Tourism Untersuchungen zum indischen Slum Dharavi (Mumbai) haben dabei gezeigt, dass die Guides - trotz des offenkundigen Elends - ein optimistisches und nahezu romantisches Bild des Viertels vermitteln, indem sie den Fleiß und den Zusammenhalt, den Lebensmut und die Resilienz der Bewohner hervorheben („Arm, aber glücklich“). Mit diesem neokolonialistischen Narrativ tragen sie aber zu einer Dekontextualisierung und Entpolitisierung der Armut bei, da die wirtschaftlichen Ursachen für die Entstehung von Slums völlig ausgeblendet werden - der ungezügelte Neoliberalismus auf globaler Ebene sowie die ungebremste Bodenspekulation und Gentrifizierung in den Metropolen der Dritten Welt (vgl. Dyson 2012, S. 18; Meschkank 2013, S. 124; Nisbett 2017, S. 42). Letztlich profitieren die westlichen Touristen sogar - zumindest indirekt - von den Slums, da dort Halbfabrikate hergestellt werden, die zu den wesentlichen Bestandteilen internationaler Wertschöpfungsketten zählen. So beliefern z. B. die zahlreichen Gerber in Dharavi, die unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten (lange Arbeitszeiten, niedrige Löhne, bestialischer Gestank etc.), über Zwischenhändler auch Unternehmen der westlichen Luxusgüterindustrie wie das italienische Modelabel „Gucci“. Die Erfahrungen der Teilnehmer beschränken sich jedoch nicht auf die kognitiven Inhalte der Führungen (also die Erläuterungen der Guides), sondern umfassen auch irritierende multisensorische Eindrücke. Während ihres Rundgangs sehen sie die ärmlich gekleideten Einheimischen, hören laute Musik aus den Wohnungen und Hütten, laufen über unbefestigte Wege, spüren in den engen Gassen die Nähe zu anderen Passanten und riechen den Gestank von offenen Feuerstellen, hohen Müllhalden und verstopften Abflussrinnen. Zur Kakophonie der fremdartigen Reize gehört zudem der Geschmack typischer Getränke oder Speisen, die ihnen beim Besuch von (illegalen) Kneipen und an Verkaufsständen angeboten werden. Diese intensiven körperlichen Wahrnehmungen führen bei den Touristen häufig zu einer emotionalen Verunsicherung und lösen ambivalente Reaktionen aus - einerseits eine physische Erschöpfung und psychische Überforderung, andererseits aber auch eine Empathie und Solidarität mit den marginalisierten Bewohnern (dabei ist allerdings fraglich, ob diese philanthropischen Empfindungen zu einer dauerhaften Bewusstseins- und Verhaltensänderung im heimischen Alltag führen) (vgl. Backhaus 2012; Dovey/ King 2012; Jaffe u. a. 2019). Spielfilme als Motoren des Slumtourismus: „Slumdog Millionaire“ und „City of God“ Slums, Favelas und Townships - für westliche Touristen sind das zunächst „andere“ und unbekannte Orte, über die sie nur vage Vorstellungen haben. Eine wesentliche Voraussetzung für die touristische Popularisierung von Armenvierteln war deshalb deren Darstellung in den Massenmedien. Wie in anderen Bereichen des Dark Tourism (KZ-Gedenkstätten, Schlachtfelder, Gefängnisse etc.) haben vor allem erfolgreiche Spielfilme für ein wachsendes öffentliches Interesse gesorgt - selbst wenn der Schauplatz und die Handlung auch negative Elemente wie Schmutz, Gewalt und Grausamkeit beinhalten und damit die bestehenden Vorurteile über diese Quartiere bestätigen (vgl. Freire-Medeiros 2011; ra o Vieira/ Costa 2018): 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 108 03.02.2021 11: 50: 39 <?page no="109"?> Exkurs: Slums, Townships und Armenviertel 109 Nach der Premiere des Films „Slumdog Millionaire“ (2008; Danny Boyle), der im indischen Dharavi spielt, haben sich die Teilnehmerzahlen an den Touren der lokalen Reiseagentur „Reality Tours and Travel“ in kurzer Zeit verdreifacht. In einer Befragung gaben z. B. alle Probanden an, den Film gesehen und auch den Roman „Shantaram“ von Gregory David Roberts gelesen zu haben (vgl. Meschkank 2013, S. 127). Ähnliche Wirkungen hatte der Film „City of God“ (2002; Fernando Meirelles á a Lund), der einen drastischen Einblick in den brutalen Alltag der Favelas in Rio de Janeiro bietet. Er löste dort einen enormen Nachfrageboom aus, der bis in die Gegenwart anhält: Allein die Favela Rocinha verzeichnet jährlich ca. 40.000 Besucher (vgl. Cheded 2018). Mit ihrer Ästhetisierung und Emotionalisierung der Slums dienen Spielfilme vor allem als allgemeiner Trigger für eine Besichtigung. Nur bei einem kleinen Teil der Nachfrager handelt es sich um Filmtouristen im engeren Sinne, die sich ausschließlich für die Drehorte interessieren (vgl. Ma 2010, S. 16; Steinecke 2016, S. 55-56). II Gleichgültigkeit, Stolz, Skepsis - die Reaktionen der Bereisten Kein angemessener Zugang zu sauberem Trinkwasser und hygienischen Toiletten, keine Unterbringung in ausreichend großen und stabilen Unterkünften sowie kein Schutz vor Zwangsräumungen - unter diesen Bedingungen leben zwölf Prozent der Weltbevölkerung und nahezu jeder dritte Stadtbewohner in Entwicklungsländern. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich eine große Vielfalt an Typen von Slums - von traditionellen innerstädtischen Armenvierteln über heruntergekommene Wohnanlagen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts bis hin zu illegalen Siedlungen von Zuwanderern aus ländlichen Räumen (Squatter Settlements); eine Sonderform stellen die südafrikanischen Townships dar, bei denen es sich ausschließlich um Wohngebiete der Schwarzen handelt und damit um Relikte der rassistischen Apartheid-Politik (vgl. UN-Habitat 2003, S. 80-84; 2016, S. 2; Nuissl/ Heinrichs 2013) (→ 7.1). Eine solche Diversität besteht nicht nur auf internationaler bzw. nationaler Ebene, sondern auch innerhalb der Slums. Die Bewohner bilden keine homogene Gruppe, sondern unterscheiden sich hinsichtlich ihres dauerhaften bzw. temporären Aufenthalts in dem Quartier, ihres Bildungsniveaus, ihrer beruflichen Tätigkeit im informellen bzw. formellen Sektor und ihrer sozioökonomischen Lage (zum Erstaunen vieler Besucher gibt es z. B. in den Townships nicht nur baufällige Wellblechhütten, sondern auch solide Einfamilienhäuser, vor denen private Pkws parken). Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die organisierten Slumtouren bei den Einwohnern auf unterschiedliche Resonanz stoßen (vgl. Ma 2010, S. 32; Slikker/ Koens 2015, S. 81): Mehrere Fallstudien in Dharavi (Mumbai) sind zu dem Ergebnis gekommen, dass ein großer Teil der Befragten eine indifferente Haltung gegenüber den Besuchern zeigt. Sie haben keinen direkten persönlichen Kontakt mit den Touristen und auch keine persönlichen Vorteile durch die Rundgänge. Im Laufe der Zeit findet dabei offensichtlich ein Gewöhnungsprozess statt: Zum einen bekunden immer mehr Probanden, die zunächst 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 109 03.02.2021 11: 50: 39 <?page no="110"?> 110 Tourism NOW : Dark Tourism verunsichert und skeptisch waren, eine gleichgültige Haltung. Zum anderen nimmt die Zahl positiv eingestellter Bewohner zu, die einen Stolz auf ihr Viertel entwickeln und sich eine Verbesserung ihrer Lebenssituation erhoffen. Nur wenige Einheimische lehnen die touristische Erschließung grundsätzlich ab. Sie befürchten eine negative Berichterstattung - z. B. über die Kinderarbeit - oder empfinden das Verhalten der Besucher als unangemessen und störend (um diese Kritik abzuschwächen, praktizieren mehrere Reiseagenturen eine No Camera- und Dresscode-Politik) (vgl. Ma 2010, S. 32; Slikker/ Koens 2015, S. 81). 41 | Desinteresse, Hoffnung und Ablehnung - die Bewohner des Slums Dharavi im indischen Mumbai reagieren auf sehr unterschiedliche Weise auf die regelmäßigen Besuche der Touristen. Weitaus skeptischer werden die Touren hingegen von den Bewohnern des Slums Kibera in Nairobi (Kenia) beurteilt. Viele Befragte bemängeln den geringen Nutzen, den sie persönlich und das Viertel haben, da die Einnahmen ausschließlich externen Reiseagenturen zugutekommen. Außerdem monieren sie die fehlenden Kontakte zu den Touristen und fühlen sich in ihrem Alltag beeinträchtigt (da der private und der öffentliche Bereich aufgrund der beengten Wohnverhältnisse nicht strikt voneinander getrennt sind). Generell halten sie die Rundgänge für eine unangemessene Freizeitaktivität und sind der Meinung, dass sie nicht zu ihrem Quartier passen. Obwohl die Rundgänge also teilweise auf Ablehnung stoßen, ist es bislang nicht zu offenen Protestaktionen gekommen („Aufstand der Bereisten“). Eine Ursache für die stillschweigende Toleranz besteht sicherlich in der Tatsache, dass dort auch zahlreiche Einwohner mit positiven Einstellungen wohnen, die entweder wirtschaftliche bzw. soziale Vorteile durch den Tourismus haben oder ihn als generelle Entwicklungschance für den Slum betrachten (vgl. Kieti/ Magio 2013, S. 52). Angesichts dieser heterogenen Haltungen fällt es schwer, die Frage nach Akzeptanz der Touren eindeutig zu beantworten. Offensichtlich sind die Reaktionen der Bereisten nicht nur von deren individueller Lebenssituation abhängig, sondern auch von den Möglichkeiten einer Kommunikation mit den Besuchern und einer angemessenen Teilhabe an den 4,6% 23,1% 1,5%4,6% 6,2% 7,7% 7,7% 3,1% 4,6% 10,8% 10,8% 15,4% neutrale Reaktionen bin daran gewöhnt, stört mich nicht habe keinen Kontakt zu Touristen Touristen kleiden sich unangemessen Reiseagentur unterstützt das Viertel nicht fühle mich bedroht, gedemütig, verlegen negative Reaktionen Touristen bringen keinen Nutzen es gibt keinen Grund, das Viertel zu besuchen Touristen gehören zu meinen Kunden Tour Guide ist ein Freund Touristen sind Gäste bin stolz, hier zu leben positive Reaktionen die Touren sind gut für das Viertel 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 110 03.02.2021 11: 50: 39 <?page no="111"?> Exkurs: Slums, Townships und Armenviertel 111 Einnahmen. Speziell die kritischen Aussagen der Bewohner geben den Reiseveranstaltern deutliche Hinweise auf notwendige Verbesserungen der Touren im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung. III Cui bono? Wirtschaftliche, soziale und symbolische Effekte des Slumtourismus 35 Euro - diesen Betrag müssen die Touristen in der Regel für einen dreistündigen organisierten Rundgang durch einen Slum bezahlen; er beinhaltet die Führung durch einen englischsprachigen Guide sowie den Transfer vom bzw. zum Hotel (individuelle Besichtigungen sind aufgrund der kritischen Sicherheitslage eher die Ausnahme). Selbst wenn dieser Preis aus Sicht wohlhabender westlicher Urlauber gering erscheinen mag, so erweist sich der Slumtourismus in einigen indischen, südafrikanischen und brasilianischen Großstädten doch als wichtiger Wirtschaftsfaktor. Allein in den Townships von Kapstadt (Gugulethu, Langa, Khayelitsha etc.) werden schätzungsweise 400.000 Touren/ Jahr angeboten; damit beläuft sich der Umsatz der lokalen Branche auf ca. 14 Millionen Euro. Doch wer profitiert von den Ausgaben der Touristen? Als Anbieter der Slumtouren treten unterschiedliche Unternehmen, Organisationen und Personengruppen auf (vgl. Frenzel u. a. 2015, S. 242-244; Freire-Medeiros/ Vilarouca/ Meinezes 2013, S. 154): Zum einen handelt es sich um kommerzielle Reiseagenturen, die ihren Geschäftssitz in anderen Teilen der Stadt haben (in Südafrika werden sie häufig von weißen Inhabern betrieben). Um den Teilnehmern jedoch eine möglichst authentische Erfahrung zu vermitteln, beschäftigen sie häufig Guides, die aus dem Slum stammen oder dort wohnen. Zum anderen agieren NGOs (Non-Governmental Organization) als Veranstalter, die mit den Touren auswärtige bzw. ausländische Besucher über ihre Tätigkeit vor Ort informieren wollen; dabei übernehmen Sozial- und Gemeindearbeiter bzw. Freiwillige die Führung der Gäste. Schließlich gibt es auch selbstständig arbeitende Guides, die Führungen durch die Armenviertel anbieten. Um sich im breiten Spektrum der städtetouristischen Kultur-, Freizeit- und Unterhaltungsangebote behaupten zu können, müssen die Akteure über professionelle Marketing- und Management-Kenntnisse verfügen - von der umfassenden Konkurrenzanalyse über eine kundengerechte Produktgestaltung und zeitgemäße Kommunikationspolitik bis hin zu vielfältigen Distributionskanälen. Angesichts dieser hohen Anforderungen haben die Bewohner der Slums jedoch kaum Chancen, selbst unternehmerisch tätig zu werden. Sie verfügen weder über das notwendige Kapital (z. B. für die Anschaffung von Fahrzeugen) noch über das erforderliche Know-how, um selbst attraktive Angebote für den internationalen Markt anzubieten. Die lokalen Guides erhalten zwar einen bescheidenen Lohn (sowie Trinkgelder von den Teilnehmern) und einige Einwohner, deren Hütten besichtigt werden, bekommen einen kleinen Betrag als Aufwandsentschädigung; dennoch löst der Slumtourismus im Allgemeinen geringe wirtschaftliche Effekte aus und bietet den Vierteln nur begrenzte Entwicklungsperspektiven. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 111 03.02.2021 11: 50: 40 <?page no="112"?> 112 Tourism NOW : Dark Tourism 42 | Nicht mehr als ein warmer Händedruck und ein paar Bonbons? Da die Slumtouren zumeist von externen Veranstaltern organisiert werden, ist der direkte Nutzen für die Bewohner sehr gering. Ungeachtet dieser generellen Einschätzung gibt es allerdings auch Beispiele für ein soziales, politisches und kulturelles Engagement im Slumtourismus: Als Vorreiter gilt die Reiseagentur „Reality Tours and Travel“ in Mumbai, die seit 2005 Touren durch den Slum Dharavi anbietet. Nach eigenen Aussagen investiert sie 80 Prozent ihrer Gewinne in lokale Entwicklungsprojekte - die sich z. B. für die Verbesserung der medizinischen und hygienischen Bedingungen einsetzen sowie Englisch- und Computerkurse für Kinder und Jugendliche anbieten. Zu diesem Zweck hat sie eine eigene gemeinnützige Organisation gegründet („Reality Gives“). Für ihre Aktivitäten ist die Firma bereits mehrfach ausgezeichnet worden - u. a. im Jahr 2012 mit dem internationalen „Responsible Tourism Award“ und zwei Jahre später mit dem deutschen „To Do Award für sozialverantwortlichen Tourismus“ (vgl. Burgold/ Rolfes 2013, S. 171; Nisbett 2017, S. 38). Im Armenviertel Tepito in Mexico City nutzt ein lokaler Reiseveranstalter die Slumtouren bewusst dazu, die Teilnehmer über die soziale Lage der Bewohner, die eigenständige Kultur des Quartiers sowie den Widerstand gegen städtische Behörden und private Investoren zu informieren (die auf das wertvolle innerstädtische Bauland zugreifen wollen). Neben der Besichtigung des lokalen Kulturzentrums und einem Rundgang über den legendären Straßenmarkt stehen deshalb auch Gespräche mit den Einheimischen auf dem Programm, die von offizieller Seite mit Argwohn betrachtet werden. Auf diese Weise versuchen die Guides, dem negativen Image Tepitos entgegenzuwirken, das aufgrund der hohen Kriminalitätsrate und des Handels mit Produktplagiaten, Diebesgut sowie Drogen als Barrio Bravo (wildes Viertel) gilt (vgl. Dürr/ Jaffe 2012, S. 115-116). In einigen südafrikanischen Townships finden lokale Events wie Handwerksmärkte sowie Musik- und Tanzveranstaltungen statt, mit denen vor allem ein einheimisches Ausflugs- und Reisepublikum angesprochen wird - z. B. das jährliche „Maboneng Townships Art Experience“-Festival in Kapstadt und Johannesburg. Unter Einbeziehung der Bewohner werden außerdem spezielle Township Art-Touren angeboten, bei denen 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 112 03.02.2021 11: 50: 40 <?page no="113"?> Exkurs: Slums, Townships und Armenviertel 113 die Besucher an Jazz- und Trommelsessions teilnehmen können. Mit solchen Aktionen soll das endogene kreative Potenzial der Viertel im Sinne eines Community-Based Tourism (CBT) bzw. Pro-Poor Tourism (PPT) genutzt werden. Im Gegensatz zu diesen kleinen, quartiersbezogenen Veranstaltungen lösen internationale Megaevents überwiegend negative Wirkungen aus: So haben die Fußballweltmeisterschaften in Südafrika (2010) und Brasilien (2014) zu einer Verdrängung marginalisierter Bevölkerungsgruppen und einer Gentrifizierung von Townships und Favelas geführt (vgl. Steinbrink/ Haferburg/ Ley 2011; Steinbrink u. a. 2015; Booyens/ Rogerson 2019). Armutstourismus und Neo-Slumming in Industrieländern Menschliches Elend und städtische Problemviertel haben sich in den vergangenen Jahren nicht nur in Ländern der Dritten Welt, sondern zunehmend auch in Industriestaaten zu touristischen Attraktionen entwickelt (vgl. Burgold 2014): „Echte Menschen, echte Geschichten“ - unter diesem Motto veranstaltet das Wiener Unternehmen „Shades Tours“ mehrstündige Stadtspaziergänge, bei denen die Teilnehmer von Obdachlosen geführt werden und einen Einblick in deren prekäre Lebenssituation erhalten. Ähnliche Angebote gibt es weltweit auch in vielen anderen Großstädten - von Stuttgart und Berlin über London und Paris bis Sydney und Taipeh. Mit den Touren verfolgen die (zumeist gemeinnützigen) Veranstalter zwei Ziele: Zum einen wollen sie Arbeitsmöglichkeiten für Obdachlose schaffen und ihnen damit eine neue Lebensperspektive bieten; zum anderen sollen die verbreiteten Stereotype und Vorurteile über diese gesellschaftliche Randgruppe abgebaut werden (vgl. Rolfes 2015, S. 47; Dolezal/ Gudka 2019, S. 143). Zu den neuen „dunklen“ Zielen gehören auch Städte bzw. Viertel, die sich aufgrund wirtschaftlicher Probleme zu sozialen Brennpunkten oder Geisterquartieren entwickelt haben - wie z. B. die einstige Automobilmetropole Detroit. Sie musste im Jahr 2013 Insolvenz anmelden, nachdem führende Hersteller wie General Motors, Ford und Chrysler ihre Produktion dort eingestellt hatten. Im Zeitraum 1950-2014 ging die Einwohnerzahl von nahezu zwei Millionen auf weniger als 700.000 zurück. Mehr als 80.000 Häuser, Fabriken, Schulen, Kinos etc. standen leer und wurden dem Verfall preisgegeben. Diese morbiden Lost Places erwiesen sich zunächst als Attraktion für Urban Explorers und Fotografen, die mit ihren Bildbänden jedoch rasch ein wachsendes öffentliches und touristisches Interesse auslösten; eine Zeit lange wurden spezielle Ruinen-Touren angeboten (vgl. Przybilla 2015). Darüber hinaus ist in einigen Städten des Globalen Nordens ein Prozess des Neo- Slumming zu beobachten. So werden Rundgänge durch Problemviertel bezeichnet, in denen eine zunehmende Gentrifizierung und ein gezieltes Place Branding als schicke Hipster-Viertel stattfinden - z. B. die „Subculture Brixton Nightlife Tour“ in London und die „Where Brooklyn At“-Tour in New York, bei denen neben der Geschichte der Quartiere die lokale Kulturszene (Urban Art, Hip-Hop etc.) und das Nachtleben (Bars, Clubs etc.) im Mittelpunkt stehen (vgl. Pieroni/ Naef 2019). Ist der Armutstourismus - als eine Sonderform des Dark Tourism - nun ethisch-moralisch vertretbar, degradiert er die Bewohner zu Schauobjekten und bringt er ihnen überhaupt 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 113 03.02.2021 11: 50: 40 <?page no="114"?> 114 Tourism NOW : Dark Tourism persönliche Vorteile? Auf der Grundlage der vorliegenden Forschungsergebnisse ergibt sich ein äußerst widersprüchliches Bild, in dem sich die unterschiedlichen Interessen der Stakeholder widerspiegeln: Die westlichen Touristen nehmen die Slums vor allem als exotische, „andere“ Sehenswürdigkeiten wahr, an denen sie unkonventionelle, authentische (Lern-)Erfahrungen machen können. Darüber hinaus nutzen sie die Besuche dazu, kulturelles Kapital (im Sinne von Pierre Bourdieu) zu akkumulieren und sich von anderen Reisenden abzugrenzen. Die lokalen (kommerziellen) Reiseagenturen bedienen diese Erwartungen der Nachfrager und nutzen den Slumtourismus als lukrative Einnahmequelle - häufig ohne eine angemessene Information, Integration und Partizipation der Bewohner. Damit tragen sie aber wesentlich zum umstrittenen Image der Touren als Besuchen in Menschenzoos bei. Für die Bewohner sind die Slums Orte des alltäglichen Lebens, in denen sie sich ständig behaupten müssen und an die sie aufgrund der gesellschaftlichen Stigmatisierung dieser Viertel nahezu schicksalhaft gebunden sind. Obwohl sie die Touren überwiegend akzeptieren und nicht als voyeuristisch empfinden, erwarten sie in der Regel (zu Recht) keine grundsätzliche Verbesserung ihrer prekären Situation durch den Tourismus. Literatur und Informationsquellen zum Slum- und Armutstourismus Frenzel, F. u. a. (2015): Slum Tourism: State of the Art. - In: Tourism Review International, 18, S. 237-252 (DOI 10.3727/ 154427215X14230549904017) Fundierter Überblick über den Stand der Forschung zum Slum- und Armutstourismus (Geschichte, Nachfrager und Anbieter sowie wirtschaftliche, soziale und symbolische Effekte) mit zahlreichen Literaturhinweisen Steinbrink, M./ Voshage, I. (2020): Ambivalente Repräsentationen - Betrachtungsweisen des Townshiptourismus in Windhoek, Namibia. - In: Hartmann, R. (Hrsg.): Tourismus in Afrika. Chancen und Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung, Berlin/ Boston, S. 122-153 Umfangreiche Fallstudie zum Tourismus im Township Katutura in Windhoek (Namibia) - speziell zur Entwicklung und Struktur der Nachfrage, den Erwartungen bzw. Erfahrungen der Touristen sowie den touristischen und gesellschaftlichen Wirkungen der Touren (Imageverbesserung der Destination vs. Entproblematisierung von Armut und Ungerechtigkeit) Website des „Slumtourism Network“ - eines Kooperationsprojekts von Wissenschaftler*innen aus mehreren Ländern mit Literaturhinweisen und Informationen über aktuelle Forschungsprojekte ( www.slumtourism.net). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 114 03.02.2021 11: 50: 40 <?page no="115"?> 6 Grabmale und Friedhöfe „Die höchste Ruhegebung kommt einem aus dem Memento mori , und eine Viertelstunde auf dem Lichtenfelder Friedhof rückt einen immer wieder zurecht.“ Theodor Fontane (1819-1898) 43 | Das bekannteste Grabmal der Welt - mit mehr als sechs Millionen Touristen/ Jahr ist das Taj Mahal im indischen Agra weltweit eine der populärsten Sehenswürdigkeiten. Um den enormen Besucherandrang zu kanalisieren und die durch ihn ausgelösten Schäden an dem Bauwerk zu minimieren, haben die zuständigen Behörden vor kurzem Zeitfenstertickets eingeführt und die Aufenthaltsdauer auf drei Stunden beschränkt. Friedhöfe als Sehenswürdigkeiten? Dieser Gedanke löst zunächst Verwunderung aus, denn als letzte Ruhestätten der Toten und Orte der persönlichen Trauer und Erinnerung scheinen sie sich jeglicher Form einer touristischen und kommerziellen Nutzung zu entziehen. Gleichwohl dienen Friedhöfe nicht nur zur Bestattung der Verstorbenen, sondern sind auch wesentliche Bestandteile des materiellen kulturellen Erbes und wichtige innerstädtische Grünflächen (vgl. Ta a 2006): Zum einen vermitteln sie vielfältige Informationen über die Geschichte der Städte und Gemeinden sowie der Menschen, die dort gelebt haben - nicht zuletzt über die bestehenden Macht- und Herrschaftsverhältnisse, die sich in der unterschiedlichen Lage und Gestaltung der Grabstätten widerspiegeln. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 115 03.02.2021 11: 50: 41 <?page no="116"?> 116 Tourism NOW : Dark Tourism Darüber hinaus erweisen sie sich mit ihren Gräbern, Gruften, Kapellen, Denkmalen und Skulpturen als wertvolle architektonische und bildhauerische Ensembles, die Hinweise auf die Stilmerkmale einer historischen Epoche und die jeweilige Sepulkralkultur geben (also auf die Formen des Sterbens, des Bestattens und des Trauerns). Als gepflegte öffentliche Parks verfügen sie über einen breiten Bestand an Blumen, Büschen, Bäumen etc. Damit sind sie ruhige Erholungsräume für die städtische Bevölkerung und wertvolle Lebensräume für Pflanzen und Tiere. „Wer mitten in Hamburg einmal ganz beschaulich und besinnlich werden möchte, ist auf dem größten Parkfriedhof der Welt gut aufgehoben. Da wandelt man vorbei an Gräbern und Schicksalen, die einem bewusst machen, wie vergänglich die eigene Existenz ist. Elegante Statuen, halb zugewachsene Steine, taumelnde Blütenstauden, tiefgrüne Zypressen, luftige Gräser und moosbewachsene Platten erinnern an vergangene Schicksale. Viele bekannte Namen findet man auf Grabsteinen und manch eine Skulptur versteinert ein Leben.“ Bewertung des Friedhofs Ohlsdorf in Hamburg bei TripAdvisor 44 | Typen von Grabmalen und Friedhöfen Diese unterschiedlichen Funktionen von Friedhöfen haben sich allerdings erst im Verlauf der vergangenen zweihundert Jahre herausgebildet (vgl. Rugg 2000, S. 261-266). Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts lagen die Gottesäcker und Totenfelder noch im Zentrum der Orte - zumeist in direkter Nähe der Kirchen. Nach dem Prinzip „Näher mein Gott zu Dir“ wurden die Angehörigen der oberen Stände (speziell die Kleriker) in der Kirche beigesetzt, das gemeine Volk hingegen in anonymen (Massen-)Gräbern. Damals dienten die Friedhöfe nicht nur zur Bestattung der Toten, sondern wurden auch als Schauplätze für Festlichkeiten, Messen, Gerichtsprozesse und Hinrichtungen genutzt. Kirchhof abgegrenztes Gräberfeld, das mit einem Kirchengebäude ein bauliches Ensemble bildet Typen von Grabmalen und Friedhöfen Mausoleum monumentales Grabmal berühmter Persönlichkeiten in Form eines Gebäudes Massengrab anonyme Begräbnisstätte (nach Genoziden, Schlachten, Hungersnöten bzw. Naturkatastrophen) - teilweise mit Denkmalen Nekropole stadtähnliche Begräbnisstätte außerhalb von Wohnsiedlungen (speziell im Altertum sowie der Ur- und Frühgeschichte) Pantheon tempelartige Ruhmesbzw. Grabstätte berühmter nationaler Persönlichkeiten Friedhof abgegrenztes Areal zur Bestattung von Toten mit Einzel- und Familiengräbern sowie individueller Grabgestaltung Soldatenfriedhof abgegrenztes Areal zur Bestattung von (anonymen) Gefallenen mit Einzelgräbern und einheitlicher Grabgestaltung Gruft unterirdischer Kirchenraum zur Bestattung von Särgen, Sarkophagen und Urnen 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 116 03.02.2021 11: 50: 41 <?page no="117"?> Grabmale und Friedhöfe 117 Erst mit dem Wachstum der Städte fand eine Verlegung der Friedhöfe an die Peripherie statt. Neben dem zunehmenden Flächendarf für Gewerbe- und Wohnzwecke spielten dabei auch hygienische Überlegungen eine zentrale Rolle, denn die verwesenden Leichen wurden als mögliche Ursache für die Verbreitung von Krankheiten und Seuchen betrachtet. Zunächst stießen diese neuen Anlagen außerhalb der Stadtmauern bei der Bevölkerung jedoch auf eine geringe Akzeptanz. Um die Attraktivität des Friedhofs Père Lachaise in Paris zu erhöhen, ließ z. B. Napoleon Bonaparte berühmte Verstorbene dorthin umbetten (inzwischen liegt der Friedhof - aufgrund des weiteren urbanen Wachstums - wieder im Stadtgebiet von Paris und zählt zu den populären Sehenswürdigkeiten der französischen Metropole). Neben der Lage trug auch die architektonische Gestaltung der Friedhöfe zu einer räumlichen Segregation und sozialen Marginalisierung der Toten bei. Die Grabfelder waren von einer hohen Mauer umgeben und das Eingangstor wurde nachts verschlossen. Im Zentrum befand sich häufig eine Kapelle, ein Kreuz bzw. ein Denkmal und durch die Anlage verlief eine breite Hauptachse, von der schmale Wege in die einzelnen Sektionen führten. Aus diesem Grund hat der französische Philosoph Michel Foucault den Friedhof (neben dem Garten, dem Gefängnis, der Irrenanstalt, dem Bordell etc.) einmal als Heterotopie bezeichnet - als „realen Raum, der im Gegensatz zur wirren Unordnung unseres Raumes eine vollkommene Ordnung aufweist“ (Foucault 2019, S. 20). Bereits im 19. Jahrhundert dienten einige Friedhöfe (speziell in den Großstädten) jedoch nicht nur als Begräbnisstätten, sondern entwickelten sich auch zu Ausflugszielen und Sehenswürdigkeiten: Als Beispiel ist der Green-Wood Cemetery in New York zu nennen, der von privaten Investoren im Jahr 1838 eröffnet wurde. Angesichts fehlender öffentlicher Grünflächen nutzte die städtische Bevölkerung den Parkfriedhof gerne für Spaziergänge und Kutschfahrten. Um 1860 verzeichnete er jährlich ca. 500.000 Besucher und war damit - nach den Niagarafällen - die zweitbeliebteste Attraktion des Landes (gegenwärtig rangiert er bei TripAdvisor auf dem ersten Platz von 226 Aktivitäten im Stadtteil Brooklyn). Darüber hinaus diente er mit seinen Hügeln, Weihern und Wegen als Blaupause für den berühmten Central Park (vgl. Schmidt 2017). Doch auch in Europa wurden Leichenschauhallen und Friedhöfe damals zunehmend zu Must See-Attraktionen - wie z. B. die berühmte „La Morgue“ und der weitläufige Friedhof Père Lachaise in Paris. Dort führte Karl Baedeker im Jahr 1854 aufwändige Recherchen durch, um den Lesern seines Reiseführers exakte Angaben zur Lage der Gräber berühmter Persönlichkeiten machen zu können (→ 1.1). Eindrucksvolle Grabmale haben jedoch schon weitaus früher das Interesse von Touristen geweckt (vgl. Steinecke 2007, S. 166): Anhand römischer und griechischer Graffiti lässt sich belegen, dass die Pyramiden von Gizeh und die reich verzierten Felsengräber im Tal der Könige bei Luxor bereits in der Antike von Bildungsreisenden besucht wurden. Jahrhunderte später besichtigte Napoleon Bonaparte während des Ägyptenfeldzugs (1798-1801) die Pyramiden und soll seine Soldaten dort vor der Schlacht gegen die Mamluken mit dem legendär gewordenen Satz angefeuert haben: „Denkt daran, dass von diesen Monumenten 40 Jahrhunderte auf Euch herabblicken.“ Zugleich trugen die zahlrei- 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 117 03.02.2021 11: 50: 41 <?page no="118"?> 118 Tourism NOW : Dark Tourism chen Wissenschaftler, die zu seiner Entourage gehörten, mit ihren Skizzen und Aufzeichnungen zu einer enormen Popularisierung der ägyptischen Kultur in Europa bei. Mit den ersten Nilkreuzfahrten von Kairo nach Assuan begann im Jahr 1869 die rasante touristische Erschließung der Königsgräber. Vorreiter dieser Entwicklung war der Brite Thomas Cook, der nach dem Erfolg seiner Pauschalreisen in England nun auch Touren nach Nordafrika anbot: „Die Cook'schen Nildampfer hatten die Anmutung englischer Salons. Für das englische Frühstück an Bord wurden große Mengen von Schinken, Yorkshire-Speck und Orangenmarmelade nach Ägypten importiert“ (Spittler 2018). Um die große Nachfrage befriedigen zu können, betrieb das Unternehmen eine Flotte von 15 Dampfschiffen - u. a. die „SS Sudan“, die später als Drehort der beiden Verfilmungen des berühmten Kriminalromans „Tod auf dem Nil“ von Agatha Christie diente. 45 | Die „Mutter des Friedhofstourismus“? Mit einem Alter von mehr als 4.500 Jahren ist die eindrucksvolle Cheops-Pyramide in Gizeh das letzte erhaltene Weltwunder der Antike. Angesichts dieses Superlativs kann sie auch auf eine lange Geschichte als „dunkle“ touristische Attraktion zurückblicken; gegenwärtig verzeichnet sie jährlich ca. drei Millionen Besucher/ Jahr. Darüber hinaus ist sie mit ihrer ikonenhaften Form sogar zum architektonischen Vorbild des Themenhotels „Luxor“ in Las Vegas geworden. Selbst wenn andere Totenstätten bei weitem nicht so spektakulär sind wie die monumentalen Pyramiden von Gizeh oder das elegante Taj Mahal in Agra, so spielen Grabmale und Friedhöfe in vielen Ländern eine wichtige Rolle als Sehenswürdigkeiten - speziell im Städtetourismus. 6.1 Begräbnisstätten als Sehenswürdigkeiten: Potenziale - Nutzungsarten - Effekte „Touristen mit Trekkingschuhen, Audioguide und Fotoapparat: Am Wiener Zentralfriedhof kein ungewöhnliches Bild. Pro Jahr kommen mehr als 100.000 Besucher in die Toten- 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 118 03.02.2021 11: 50: 42 <?page no="119"?> Grabmale und Friedhöfe 119 stadt“ - solche Meldungen in Lokalzeitungen geben vielerorts Hinweise auf das steigende touristische Interesse am Besuch interessanter Friedhöfe (vgl. Nikolaisen 2019). Exakte Aussagen zum Umfang des Friedhofstourismus sind allerdings nicht möglich, da die meisten Gräberfelder während der Öffnungszeiten frei zugänglich sind und dort auch keine Daten zum Besucheraufkommen erhoben werden. Deshalb basieren die Angaben zu einzelnen Friedhöfen jeweils auf Schätzungen - wie z. B. bei dem Pariser Friedhof Père Lachaise in Paris, der mit ca. 3,5 Millionen Besuchern/ Jahr weltweit als Spitzenreiter gilt. Ein indirekter Beleg für die touristische Popularität von Friedhöfen ist deren lokaler Rang auf der Bewertungsplattform TripAdvisor. In diesem Wert spiegelt sich allerdings nicht nur die absolute, sondern vor allem die relative Attraktivität der Friedhöfe wider - denn speziell in Metropolen konkurrieren sie mit anderen Sehenswürdigkeiten um die Gunst der Kurzurlauber, die nur über ein knappes Zeitbudget verfügen: So rangieren sie in Städten mit einem begrenzten Spektrum an Besichtigungsobjekten häufig im oberen Bereich - wie z. B. der Friedhof La Recoleta in Buenos Aires (Platz 5 von 846 Aktivitäten). In Metropolen mit einem umfangreichen Angebot an Freizeit- und Kultureinrichtungen weisen sie hingegen einen niedrigeren Wert auf - wie z. B. der Friedhof Montparnasse in Paris (Platz 109 von 2.902 Aktivitäten). Friedhof Besonderheiten Lokaler Rang bei TripAdvisor Fröhlicher Friedhof, Sapanta (Rumänien) künstlerisch gestaltete Grabkreuze, auf denen die Lebensgeschichte der Verstorbenen in Bildern und Versen erzählt wird 1/ 3 Green-Wood Cemetery, New York weitläufiger Parkfriedhof in Brooklyn mit den Gräbern von Leonard Bernstein, Louis Comfort Tiffany, Lola Montez u. a. 1/ 226 Friedhof Ohlsdorf, Hamburg Gräber von Heinz Erhardt, Helmut Schmidt, Roger Cicero u. a. 5/ 315 La Recoleta, Buenos Aires (Argentinien) aufwändige Mausoleen in unterschiedlichen architektonischen Stilen; Grab von Evita Perón 5/ 846 Zentralfriedhof, Wien Gräber von Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms, Franz Schubert, Falco, Udo Jürgens 19/ 823 Highgate Cemetery, London Gräber von Karl Marx, Douglas Adams, Michael Faraday u. a. 32/ 2.222 Friedhofsinsel San Michele, Venedig Lage in der Lagune von Venedig; Gräber von Igor Stravinsky, Ezra Pound, Sergei Djagilew 49/ 828 Glasnevin Cemetery, Dublin größter irischer Friedhof mit 1,5 Millionen Grabstellen; Gräber von Éamon de Valera, Michael Collins, Charles Stuart Parnell 62/ 1.697 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 119 03.02.2021 11: 50: 42 <?page no="120"?> 120 Tourism NOW : Dark Tourism Père Lachaise, Paris Gräber von Frédéric Chopin, Édith Piaf, Jim Morrison, Marcel Marceau 64/ 2.902 Forest Lawn Memorial Park, Hollywood/ Los Angeles Gräber von David Carradine, Bette Davis, Al Jarreau, Lee Van Cleef 78/ 655 Alter Jüdischer Friedhof, Prag Geschichte der jüdischen Sepulkralkultur (ältester Grabstein aus dem Jahr 1439) 94/ 1.092 Nowodewitschi-Friedhof, Moskau Gräber von Nikolai Gogol, Anton Tschechow, Sergei Eisenstein, Boris Jelzin 109/ 2.945 Montparnasse, Paris Gräber von Samuel Becket, Jean-Paul Sartre, Simone Beauvoir, Serge Gainsbourg u. a. 109/ 2.902 5 | Friedhöfe: Beispiele, Besonderheiten und lokaler Rang bei TripAdvisor (bezogen auf die Gesamtzahl der Aktivitäten) Suicide Spots - die makabre Faszination bekannter Selbstmordplätze Neben Friedhöfen haben sich weltweit auch einige Brücken und Klippen, Wälder und Wasserfälle zu „dunklen“ Sehenswürdigkeiten entwickelt. Ihre beklemmende Attraktivität basiert auf der Tatsache, dass sie häufig von verzweifelten Menschen dazu genutzt werden, Selbstmord zu verüben. Im Internet kursieren sogar zahlreiche Listen, in denen diese Orte hinsichtlich der Zahl an Opfern in befremdlich erscheinenden Rangordnungen als „Most Infamous Suicide Spots“ zusammengestellt werden. Als Beispiele sind u. a. zu nennen: der „Selbstmörder-Wald“ Aokigahara am Fuße des Fuji (Japan), die Golden Gate Bridge in San Francisco, die Nanjing-Jangtse-Brücke in der chinesischen Provinz Jiangsu bzw. die Klippen von Beachy Head in Sussex. Häufig handelt es sich dabei um natürliche bzw. kulturelle Sehenswürdigkeiten, deren tragische Konnotation von offizieller Seite verschwiegen wird, um Nachahmungstaten zu verhindern („Werther-Effekt“). Zu ihrer Rolle als Ziele eines Dark Tourism sind bislang nur wenige Studien vorgelegt worden, die zumeist einen deskriptiven Charakter haben (vgl. Stack/ Bowman 2010; Karpovich 2016; Handayani/ George 2017; Burger 2020). Allerdings verfügt nicht jeder Friedhof über ein Potenzial als Sehenswürdigkeit. Angesichts des selektiven Blicks der Urlauber, der auf das Außergewöhnliche und Spektakuläre gerichtet ist, muss er jeweils ein Alleinstellungsmerkmal aufweisen, um sich erfolgreich auf der Mental Map der Nachfrager platzieren zu können (häufig basiert die Attraktivität auch auf einer Kombination mehrerer charakteristischer Merkmale); dazu zählen u. a. (vgl. Steinecke 2007, S. 167-170): eine spektakuläre Lage - wie die Friedhofsinsel San Michele in der Lagune von Venedig, die nur mit dem Schiff zu erreichen ist; eine eindrucksvolle Natur - wie der Friedhof Ohlsdorf in Hamburg, der im Stil eines englischen Landschaftsgartens angelegt wurde und weltweit zu den größten Parkfriedhöfen der Welt zählt; 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 120 03.02.2021 11: 50: 42 <?page no="121"?> Grabmale und Friedhöfe 121 eine historisch-politische Bedeutung - wie die zahlreichen Soldatenfriedhöfe des Ersten Weltkriegs in Frankreich und Belgien (→ 4.1); eine spezielle architektonische Gestaltung - wie der Stadtgottesacker in Halle an der Saale, der an allen Seiten im Camposanto-Stil von Arkaden und Gruften umgeben ist; 46 | Eine pompöse Stadt der Toten: Auf dem Friedhof La Recoleta im argentinischen Buenos Aires stehen nahezu fünftausend Mausoleen - eng aneinandergereiht und teilweise sogar in geschlossenen Straßenfronten. Mit aufwändigen Fassaden, schmiedeeisernen Gittern und heroischen Statuen hat das urbane Bürgertum seinen Wohlstand in den Familiengräbern eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht. Angesichts dieser Pracht gehört der Friedhof inzwischen zu den beliebtesten Attraktionen der Stadt. eine religiöse Besonderheit - wie der Alte Jüdische Friedhof in Prag, dessen Geschichte bis in das 15. Jahrhundert zurückreicht und auf dem die Toten aufgrund des Platzmangels übereinander bestattet wurden; ein spezielles Brauchtum - wie die Friedhöfe in China, auf denen die Hinterbliebenen Räucherwerk, spezielles „Totengeld“ und andere Gaben aus Papier verbrennen, um die Verstorbenen mit allem Notwendigen im Jenseits zu versorgen; eine besondere Rolle als Mahnmal - wie die Symbolischen Friedhöfe in der Hohen Tatra (Slowakei), auf denen Plaketten an die dort verunglückten Alpinisten erinnern (vgl. ro uso á u. a. 2015); eine große Zahl von Gräbern berühmter Persönlichkeiten - sie bieten den Besuchern die Möglichkeit, sich an die prominenten Verstorbenen zu erinnern, ihnen dort nahe zu sein und ihnen Respekt bzw. Verehrung zu erweisen (→ 6.3). Bei der touristischen Inwertsetzung dieser Potenziale lassen sich zumeist mehrere Phasen unterscheiden (vgl. Ta a 2006a): 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 121 03.02.2021 11: 50: 43 <?page no="122"?> 122 Tourism NOW : Dark Tourism Zu Beginn werden die Friedhöfe von Individualtouristen besucht, die historische bzw. kunstgeschichtliche Interessen haben bzw. auf der Suche nach dem Grab einer bekannten Persönlichkeit sind. Im weiteren Verlauf trägt die Veröffentlichung von historischen Studien, Friedhofsführern etc. sowie die Erwähnung in Reiseführern, Ortsprospekten etc. dazu bei, dass sie als Sehenswürdigkeiten in den bildungsbürgerlichen Kanon der Reiseziele aufgenommen werden. Inzwischen haben viele Destinationen die Bedeutung dieses endogenen kulturellen Erbes erkannt und nutzen die Friedhöfe, um ihre Angebotspalette zu erweitern und neue Kundengruppen anzusprechen, die auf der Suche nach ungewöhnlichen Eindrücken und Erfahrungen sind. Für die erfolgreiche Umwandlung eines Friedhofs in ein touristisches Produkt sind eine Reihe von professionellen Marketing-Maßnahmen erforderlich (vgl. Zwerger 2012, S. 218-219; Okhovat 2017, S. 25-27; Assunç-o 2019, S. 49-52): die klare außer- und innerörtliche Beschilderung, ein übersichtliches internes Wegeleitsystem, die Herausgabe eines Übersichtsplans bzw. die Entwicklung einer Website, einer Smartphone Application oder von Podcasts (vgl. Rossetti 2008 zu den Einsatzmöglichkeiten von Social Media im Friedhofstourismus), das Aufstellen von witterungsbeständigen Informationstafeln (auch mit QR-Codes) zur Geschichte des Friedhofs bzw. zu einzelnen Grabstätten und Persönlichkeiten, die Veranstaltung von Überblicksbzw. Themenführungen, die Vorführung von Filmen in geeigneten Friedhofsgebäuden, die barrierefreie Gestaltung der Wege, die Ausstattung mit einer besuchergerechten Infrastruktur (Parkplätze, Info-Center, Toiletten, Bänke etc.), die Einbindung des Friedhofs in das Destinationsmanagement (speziell in die Produkt- und Kommunikationspolitik), die Kooperation mit anderen Friedhöfen bzw. Zielgebieten (z. B. in Form von Themenrouten oder der Teilnahme an bundesweiten Veranstaltungen wie dem jährlichen „Tag des Friedhofs“). „Wo sie ruhen“ - eine Smartphone Application für Friedhofsbesucher Mit dem Handy über den Friedhof - diese Möglichkeit bietet die kostenlose App „Wo sie ruhen“, die im Auftrag der „Stiftung Historische Kirchhöfe und Friedhöfe in Berlin-Brandenburg“ entwickelt worden ist. Sie bietet Einheimischen und Touristen die Möglichkeit, 45 Friedhöfe in 32 deutschen Städten zuhause am PC oder während der Reise vor Ort zu erkunden - mit Hilfe von Basisangaben zu Öffnungszeiten, Verkehrsanbindung etc. sowie Karten, Fotos, Texten und einem Audioguide zu mehr als 1.000 Grabstätten berühmter Persönlichkeiten. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 122 03.02.2021 11: 50: 43 <?page no="123"?> Grabmale und Friedhöfe 123 Auf anschauliche Weise informiert sie dabei nicht nur über das Leben der Prominenten, sondern auch über die Architektur, die Baumaterialien und die Symbolik der Grabstätten ( app.wo-sie-ruhen.de). Selbst wenn sich das Interesse der auswärtigen Besucher vor allem auf Friedhöfe mit besonders spektakulären Alleinstellungsmerkmalen richtet, so verfügen auch kleine historische Dorffriedhöfe durchaus über ein touristisches Potenzial. Auf der Grundlage einer vergleichenden Studie in England, Slowenien und Kroatien wurden die erforderlichen Maßnahmen für eine erfolgreiche Erschließung aufgezeigt (vgl. Pliberšek/ Vrban 2018): Personalisierung: Auf der Grundlage schriftlicher und mündlicher Recherchen sollten mehrere Grabstätten von Verstorbenen ausgewählt werden, die entweder einen zeittypischen Lebenslauf oder eine ungewöhnliche Biographie aufweisen - z. B. als Dienstmagd, Handwerker, Musikant. Storytelling: Im Rahmen von Führungen können dann an den Gräbern Informationen zum Schicksal dieser Menschen und ihrer alltäglichen Lebenssituation in früheren Zeiten vermittelt werden - z. B. zur Rolle der Frau, zur Lebenserwartung, Kindersterblichkeit und medizinischen Versorgung, zur Entwicklung von Wirtschaft und Technik, zur Sepulkralkultur etc. Erfahrungsgemäß sind es vor allem solche anschaulichen und berührenden Geschichten, die Friedhofstouristen dauerhaft in Erinnerung bleiben. Inszenierung: Für die Friedhöfe bzw. Friedhofsführungen sollten spezielle Flyer entwickelt werden - mit einem attraktiven Teaser (Foto, Slogan etc.) sowie einem kurzen Text, der die Neugier von Tagesausflüglern und Touristen weckt. Neben solchen PR- Maßnahmen können Friedhöfe jedoch auch in das lokale Kulturprogramm integriert werden - wie z. B. im englischen Newbury (Berkshire). Dort veranstaltet der Verein „Friends of the Newtown Road Cemetery“ seit 2011 regelmäßig Theaterabende, die einen inhaltlichen Bezug zum dortigen Friedhof haben. Generell sind einer touristischen Erschließung von Friedhöfen jedoch enge Grenzen gesetzt, da es sich vorrangig um Stätten der persönlichen Trauer und des stillen Gedenkens handelt (speziell bei Friedhöfen, die noch für Bestattungen genutzt werden). Oberstes Gebot für die Destinationsmanager, aber auch die Besucher muss es deshalb sein, die Würde dieser Orte zu respektieren. In der Regel sind Verhaltensweisen und Restriktionen in der jeweiligen Friedhofsordnung festgelegt. Zu den typischen Verboten auf deutschen Friedhöfen zählen u. a. das Befahren mit Fahrzeugen aller Art, der Verkauf von Waren, die Verteilung von Druckschriften, der Aufenthalt unbegleiteter Kinder, das Mitbringen von Tieren und die Entsorgung von Abfällen. Obwohl viele Friedhöfe - speziell in Ballungsgebieten - einen hohen Erholungswert als wohnungsnahe Grünflächen haben, lehnen die Verwaltungen eine intensive Nutzung für Freizeitzwecke zumeist ab. Eine empirische Untersuchung in deutschen Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern hat z. B. ergeben, dass Aktivitäten wie Grillen, Konsum von Alkohol, Musizieren, Ball-, Wurf- und Balancierspiele, Radfahren, Picknick machen, Musik hören etc. als problematisch betrachtet werden. Allenfalls Lesen, Walken und Sonnenbaden sind auf der Mehrzahl der Friedhöfe erlaubt. Vor diesem Hintergrund hat die Erholungs- und Freizeitnutzung in den Friedhofsentwicklungsplänen auch einen deutlich niedrigeren 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 123 03.02.2021 11: 50: 43 <?page no="124"?> 124 Tourism NOW : Dark Tourism Stellenwert als die Bedarfsplanung, die Bestattungsangebote, die gärtnerische Friedhofsentwicklung etc. (vgl. Venne 2016, S. 75, 84). Ein Blick in andere Länder macht jedoch deutlich, dass es weltweit offensichtlich keine einheitlichen Regelungen und Normen gibt: So kam eine Studie zu mehreren Friedhöfen im kanadischen Halifax zu dem Ergebnis, dass die Besucher dort zahlreiche Aktivitäten ausüben (dürfen). Das Spektrum reichte von einer Besichtigung aus allgemeiner Neugier und touristischem bzw. historischem Interesse über körperliche Aktivitäten wie Radfahren, Joggen und Spaziergängen mit Hunden bis hin zu einem entspannten Aufenthalt im Grünen und zu gemütlichen Picknicks während der Mittagspause (einige nutzten die Friedhöfe auch auf ihrem Weg zum Arbeitsplatz oder in das Stadtzentrum; dazu nahmen sie sogar einen Umweg in Kauf). Nur drei Prozent der Befragten gaben an, dort das Grab von Angehörigen bzw. Freunden zu besuchen (vgl. Quinton 2019, S. 69; auch Lai/ Scott/ Sun 2019 zu einer Fallstudie in Schottland). In den USA werden auf einigen Friedhöfen wie dem Oakland Cemetery oder dem Hollywood Forever Cemetery in Kalifornien Konzerte, Lesungen, Movie Nights etc. veranstaltet und zu besonderen Anlässen wie dem Valentinstag oder Halloween spezielle Themenführungen angeboten (unter dem Motto „Love Stories of Oakland - Love never dies in Oakland“). Der Arnos Vale Cemetery in Bristol wird u. a. für Lichtschwertkämpfe sowie Pilates- und Yogakurse genutzt (vgl. Levitt 2008; Doyle 2015). 47 | Der Friedhof als Picknickplatz und Bühne für Events - auf dem Hollywood Forever Cemetery in Los Angeles finden in den Sommermonaten regelmäßig Open-Air-Veranstaltungen statt, die von einem massenhaften Publikum besucht werden. Der Friedhof, der auch gegenwärtig noch für Bestattungen genutzt wird, ist die letzte Ruhestätte vieler prominenter Schauspieler aus der Glanzzeit Hollywoods - z. B. Rudolph Valentino, Judy Garland, Peter Lorre und Tyrone Power. Solche Veranstaltungen bieten - neben Eintrittsgeldern und Führungen - den Friedhöfen die Möglichkeit, zusätzliche Einnahmen zu erwirtschaften: Auf dem Highgate Cemetery in London, der keine öffentliche Unterstützung erhält, stammen z. B. 37 Prozent der Einnahmen aus diesen Quellen; die restlichen Einkünfte 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 124 03.02.2021 11: 50: 44 <?page no="125"?> Grabmale und Friedhöfe 125 werden durch Bestattungsgebühren, Spenden und Zinsen erzielt (vgl. Baxter 2019, S. 49). Der Congressional Cemetery in Washington, D. C. und das „Bestattungsmuseum“ am Wiener Zentralfriedhof gehen sogar noch einen Schritt weiter. In ihren (Online-)Shops vertreiben sie typische Signature Products wie T-Shirts, Schlüsselbänder etc., aber auch obskure Souvenirs wie USB-Sticks in Form von Särgen, Friedhöfe aus LEGO- Komponenten etc. Eventisierung und Kommerzialisierung - mit diesen Strategien reagieren einige (historische) Friedhöfe auf das krasse Missverhältnis zwischen dem geringen Nutzen aus dem Tourismus und den hohen Ausgaben für den Erhalt, die Pflege, die Erschließung etc. Obwohl sie zur Angebotsvielfalt und Attraktivität einer Destination beitragen, können sie nicht in gleichem Umfang am touristischen Konsum partizipieren wie andere lokale Akteure (Hoteliers, Gastronomen, Einzelhändler etc.). Organisationen, Einrichtungen und Informationsquellen der Sepulkralkultur und des Friedhofstourismus „Association of Significant Cemeteries in Europe“ (ASCE) - ein Netzwerk von 179 Partnern in 22 Ländern, die sich für den Erhalt, die Restaurierung und die Erschließung von Friedhöfen einsetzen; zu den Projekten gehört u. a. die „Europäische Route der Friedhofskultur“, mit der die öffentliche und touristische Aufmerksamkeit auf 64 historisch und kulturell bedeutsame Begräbnisplätze gelenkt werden soll (vgl. á o as ar a ) www.significantcemeteries.org www.cemeteriesroute.eu/ european-cemeteries-route.aspx „National Federation of Cemetery Friends” - ein britischer Verband, in dem sich zahlreiche lokale Vereine zusammengeschlossen haben, deren Mitglieder sich für den Erhalt historischer Friedhöfe engagieren (z. B. durch Pflegemaßnahmen, Führungen, Öffentlichkeitsarbeit und die Herausgabe von Publikationen) www.cemeteryfriends.com „Cemetery Research Group“ - eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe an der University York (Großbritannien), die sich mit der historischen und gegenwärtigen Sepulkralkultur im Vereinigten Königreich und anderen Ländern beschäftigt www.york.ac.uk/ spsw/ research/ cemetery-research-group „Museum für Sepulkralkultur“ - das kulturhistorische Museum in Kassel präsentiert in einer Dauerausstellung sowie in thematischen Sonderausstellungen Exponate zu Sterben und Tod sowie zur Trauer- und Begräbniskultur seit dem Mittelalter bis in die Gegenwart (Sterbekreuze, Reliquien, Särge, Leichenwagen etc.) www.sepulkralmuseum.de „Friedhof und Denkmal - Zeitschrift für Sepulkralkultur” - quartalsweise erscheinende Fachzeitschrift mit Berichten über zeitgenössische und historische Entwicklungen in der Bestattungs-, Friedhofs- und Denkmalkultur www.sepulkralmuseum.de/ 116/ Journal-Friedhof-und-Denkmal.html 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 125 03.02.2021 11: 50: 44 <?page no="126"?> 126 Tourism NOW : Dark Tourism „FriedhofGuide“ - kommerzielle Website, die u. a. Informationen zu Friedhofsverwaltungen, Friedhöfen und Gräbern in Deutschland enthält sowie virtuelle Rundgänge auf Friedhöfen ermöglicht www.friedhofguide.de „Cemetery Club“ - private Website eines Londoner Gästeführers mit Informationen, Fotos und Videos zu Friedhofstouren in Großbritannien und anderen europäischen Ländern (unter besonderer Berücksichtigung der LGBT-Community) www.cemeteryclub.wordpress.com „Find a Death“ - kommerzielle Website mit ausführlichen Informationen, Stories, Bildern und Videos zur Lebensgeschichte sowie den Gräbern prominenter Schauspieler und Künstler; das Unternehmen betreibt außerdem einen Online-Shop und organisiert die „Dearly Departed Tours“ - Busrundfahrten zu „dunklen“ Orten in Los Angeles www.findadeath.com 6.2 Konfrontation mit dem Tod oder Interesse an der Kultur? Erwartungen und Verhaltensweisen von Friedhofstouristen 48 | „ Explore the rich history from the comfort of our tour bus ” - unter diesem Motto werden auf dem weitläufigen Arlington National Cemetery in Washington, D. C. Hop On- Hop Off -Touren angeboten, mit denen die Besucher auf bequeme Weise zu den bekanntesten Grab- und Denkmalen gelangen können. Dazu zählen u. a. die John F. Kennedy Eternal Flame, das Arlington Memorial Amphitheater, das Grabmal des unbekannten Soldaten und das Space Shuttle Challenger Memorial. Als „Aphrodisiakum für Nekrophile“ hat der österreichische Künstler André Heller einmal den Zentralfriedhof in Wien bezeichnet. So prägnant dieses Aperçu auch sein mag - die vorliegenden Forschungsergebnisse zeigen, dass die Mehrzahl der Friedhofstouristen völlig andere Motive hat als die Suche nach einem morbiden Kick. Generell ist eine große Bandbreite von Erwartungen zu beobachten, in denen sich die Besonderheiten des jeweiligen Friedhofs widerspiegeln - von der Lage und Natur über die historische bzw. religiöse Bedeutung bis hin zu den architektonischen Spezifika und Grabstätten berühmter Persönlichkeiten. Auf der Grundlage mehrerer empirischer Studien las- 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 126 03.02.2021 11: 50: 44 <?page no="127"?> Grabmale und Friedhöfe 127 sen sich folgende Typen von Motiven abgrenzen (vgl. Ta a 2006a, S. 1-3; Raggl 2013, S. 45; Salinas Moreno 2018, S. 46; Pliberšek/ Basle/ Lebe 2020, S. 76-81): Wallfahrt: Seit langem sind Pilgerreisen zu den Grabstätten von Religionsstiftern, Märtyrern, Heiligen, Seliggesprochenen etc. eine frühe Form des religiös motivierten Tourismus - z. B. im Christentum, Islam und Buddhismus. Gegenwärtig gehören Lourdes (6 Millionen Besucher/ Jahr á a ( o e u d ed a ( o e zu den meistbesuchten Wallfahrtsorten. Wesentliche Motive der Gläubigen sind dabei die spirituelle Erleuchtung (teilweise auch Pflichterfüllung), die Danksagung für bzw. die Hoffnung auf eine Heilung, die Fürbitte um Befreiung von irdischen Lastern sowie das Erlebnis der Gemeinschaft mit Anderen. Neben religiösen Wallfahrten gibt es eine zunehmende Zahl von säkularen Pilgerfahrten - z. B. zu den Gräbern von Prominenten aus Popkultur, Literatur, Malerei, Politik etc. (→ 6.3). Identitätssuche: Einmal am Grab der Vorfahren zu stehen und mehr über die eigenen Familiengeschichte in Erfahrung zu bringen - auch solche Motive bewegen Touristen dazu, Friedhöfe zu besichtigen. Dieser Roots Tourism bzw. Genealogie-Tourismus spielt vor allem in Regionen eine wichtige Rolle, aus denen im 19. Jahrhundert eine massenhafte Emigration in andere Länder stattgefunden hat. Zu den beeindruckenden Beispielen gehört Irland: Um der Großen Hungersnot (1845-1849) zu entgehen, wanderten ca. zwei Millionen Menschen (ein Viertel der Bevölkerung) nach Nordamerika, Großbritannien und Kanada aus; in den USA verfügt schätzungsweise jeder zehnte Einwohner über irische Wurzeln. Viele dieser US-Amerikaner nutzen eine Europareise, um nicht nur die üblichen Sehenswürdigkeiten zu besichtigen, sondern auch die Gräber ihrer Ahnen zu besuchen (vgl. Gergelyova 2007; www.ifhf.rootsireland.ie; www.routes.de). Kontemplation: Als Stätten der Totenruhe bieten Friedhöfe mit ihrer pietätvollen Atmosphäre den Besuchern die Möglichkeit, sich an den Gräbern mit der Endlichkeit des eigenen Leben zu beschäftigen - auch wenn sie keine persönlichen Beziehungen zu den Verstorbenen haben. Diese Erfahrung einer „existenziellen Authentizität“ können Touristen im 21. Jahrhundert nur an wenigen öffentlichen Orten machen, da das Sterben und der Tod aus der Gesellschaft ausgegrenzt sind und weithin unsichtbar in Krankenhäusern, Hospizen und Pflegeheimen stattfinden. Vor diesem Hintergrund kommt „dunklen“ Sehenswürdigkeiten generell und speziell auch Friedhöfen eine wichtige Rolle als Mediatoren zwischen den Lebenden und den Toten zu. Sie sind gesellschaftlich akzeptierte, institutionalisierte und sichere Orte, an denen die Besucher über diese Themen reflektieren können (vgl. Walter 2009; Küblböck 2012, S. 119; Ta a 2013, S. 24; Biran/ Buda 2018, S. 526). „Den Tod, wie die Sonne, kann man nicht mit festen Blicken ansehen.“ François VI. Duc de La Rochefoucauld (1613-1680) Bildungsinteresse: Die Mehrzahl der Friedhofstouristen betrachtet die Anlagen als steinerne Geschichtsbücher, die ihnen einen anschaulichen Einblick in historische Ereignisse, kunstgeschichtliche Epochen und das Leben von Prominenten ermöglichen. Diese Kultur- und Besichtigungstouristen sind zumeist mittleren Alters (26-40 Jahre) und verfügen über ein hohes Bildungsniveau. Angesichts der unterschiedlichen Attraktivität und touristischen Erschließung von Friedhöfen lassen sich keine generalisierenden Aussagen zum Anteil der Friedhofstouristen an der Gesamtzahl der Friedhofsbesucher 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 127 03.02.2021 11: 50: 45 <?page no="128"?> 128 Tourism NOW : Dark Tourism treffen. Außerdem hat eine empirische Untersuchung auf dem Zentralfriedhof in Wien deutlich gemacht, dass dieser Wert im Jahresverlauf starken Schwankungen unterworfen ist: An normalen Wochentagen handelt es sich bei 68,4 Prozent der Besucher um Touristen; an kirchlichen Feiertagen suchen dort vor allem Einheimische die Gräber ihre Angehörigen auf (75,5 Prozent) (vgl. Raggl 2013, S. 70, 71; Pécsek 2015, S. 53; Pliberšek/ Vrban 2018, S. á u. a. 2019, S. 48). Entspannung, Freizeitaktivitäten und Neugier: Großstädtische Friedhöfe sind nicht nur naturnahe Erholungsräume, sondern auch wichtige Rückzugsgebiete für Säugetiere, Vögel und Insekten. Um die Biodiversität zu erhalten bzw. zu erhöhen, führen viele Friedhofsverwaltungen z. B. Maßnahmen zur Förderung der Vogelwelt durch (Nist- und Bruthilfen etc.). Als Reaktion auf den zunehmenden Wunsch der Besucher nach Naturerlebnissen sind mancherorts Informationsmaterialen und Naturpfade entwickelt worden. Darüber hinaus werden auch Themenführungen für Vogelkundler, Hobbyfotografen etc. angeboten. Zu den ausgefalleneren Aktivitäten von Friedhofsbesuchern gehört (speziell in Großbritannien) das Brass rubbing, bei dem die Inschriften und Abbildungen auf historischen Grabsteinen mit Hilfe von Blei- oder Wachsstiften detailgetreu auf ein aufgelegtes Blatt Papier übertragen werden. Schließlich gibt es auch Touristen, die sich spontan zu einem Besichtigung entschließen - ohne spezielle Interessen zu verfolgen oder die Besichtigung vorher zu planen. 49 | Weder kontemplative Sinnsucher noch todessehnsüchtige Grufties - Touristen interessieren sich vor allem für die Geschichte des Friedhofs, seine gestalterischen und architektonischen Besonderheiten sowie die Gräber berühmter Persönlichkeiten. Manche kommen einfach nur aus Neugier - so das Ergebnis einer Besucherbefragung auf dem Glasnevin Cemetery in Dublin. Bei den Friedhofstouristen lässt sich also ein weitaus breiteres und „helleres“ Spektrum an Motiven beobachten als bei den Besuchern anderer „dunklerer“ Einrichtungen - speziell den Genozid-Gedenkstätten und den Schlachtfeldern, die vorrangig als Gedenkstätten für die große Zahl an Opfern, als Mahnmale gegen Gewalt und Krieg sowie als Lernorte dienen (speziell für Jugendliche). 3,3% 3,3% 3,3% 3,3% 10% 16,7% 23,3% 26,7% 36,7% 43,3% 56,7% Forschung Spaziergang/ Besichtigung Kontemplation/ Nachdenken über das Leben Wunsch nach Ruhe und Frieden Besuch eines Familiengrabs Neugier Sightseeing in Dublin/ Irland generelles Interesse an Friedhöfen Gräber des Osteraufstands (1916) historisches Interesse touristisches Interesse (Friedhofstour) 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 128 03.02.2021 11: 50: 45 <?page no="129"?> Grabmale und Friedhöfe 129 Gleichwohl gibt es auch für Friedhöfe einen touristischen Verhaltenskodex, an den sich die Mehrzahl der Besucher hält. So ergab z. B. die empirische Untersuchung auf dem Glasnevin Cemetery in Dublin, dass die Befragten nur folgende Handlungen für akzeptabel hielten (vgl. Mundt 2016, S. 57): das Lesen der Inschriften auf den Grabsteinen, stille Gebete und religiöse Gesten, Gespräche mit den Verstorbenen, leise Unterhaltungen der Besucher, das Ablegen persönlicher Geschenke auf den Gräbern. Bei einer Befragung der Gästeführer und einer teilnehmenden Beobachtung zeigte sich allerdings, dass manche Besucher gegen diesen Common Sense verstoßen. Zu den kritisierten Verhaltensweisen gehörten laute Gespräche, das Rauchen und Essen an den Gräbern, das Betreten der Grabstellen, die Entfernung von Geschenken sowie die Behinderung von Trauerzügen (vgl. Mundt 2016, S. 71-74). Während Friedhöfe häufig Ziele eines allgemeinen (teilweise auch antisemitisch motivierten) Vandalismus sind, gibt es relativ wenige Hinweise auf Zerstörungen, die durch Touristen verursacht werden. Ein häufig zitiertes Beispiel ist das Grab von Jim Morrison auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise. Seine Büste wurde zunächst beschädigt, später mit Graffiti besprüht und schließlich sogar gestohlen (vgl. Margry 2008a, S. 164; To a e S. 21). Selbst wenn die Grabstellen berühmter Persönlichkeiten nur selten verunstaltet oder sogar zerstört werden, so stehen sie doch bei vielen Friedhofstouristen im Mittelpunkt des Interesses. Der Besuch ihrer letzten Ruhestätten gehört zu den gängigen Ritualen eines Kults um Celebrities, der weltweit zu beobachten ist. 50 | Ein Grabmal als Sexobjekt - die bronzene, mit grüner Patina überzogene Statue des französischen Journalisten Victor Noir auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise ist im Gesicht und im Genitalbereich völlig blankpoliert. Die glänzenden Stellen sind eine Folge der zahlreichen Berührungen - vor allem durch Besucherinnen, die sich dadurch eine Steigerung ihrer Attraktivität und Fruchtbarkeit versprechen (die US-amerikanische Schauspielerin Dita von Teese ließ sich sogar dabei fotografieren, wie sie in Dessous rittlings auf der Figur sitzt). Ein Zaun, der das Grab schützen sollte, musste aufgrund öffentlicher Proteste (speziell von Frauen) nach kurzer Zeit wieder abgebaut werden. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 129 03.02.2021 11: 50: 45 <?page no="130"?> 130 Tourism NOW : Dark Tourism 6.3 Auf ewig unvergessen - der Totenkult um Prominente Sein Trauerzug war ebenso spektakulär wie sein Leben: Als Rudolph Valentino im Jahr 1926 überraschend starb, begleiteten 100.000 Trauergäste den offenen Sarg auf dem Weg durch New York. Unter den zumeist weiblichen Fans kam es zu einem Ausbruch von Massenhysterie, bei dem zahlreiche Teilnehmer verletzt wurden. Valentino gehörte zu den Superstars der Stummfilmzeit, der das Publikum vor allem in seinen Rollen als Latin Lover begeisterte. Bis in die Gegenwart zählt seine letzte Ruhestätte zu den meistbesuchten Gräbern auf dem Hollywood Forever Cemetery in Los Angeles (vgl. Levitt 2008, S. 72; Karpovich 2010, S. 10). Seitdem hat der Wunsch, Prominenten als Film, Musik, Sport etc. ganz nahe zu sein, eine zunehmende Dynamik erfahren und enorme Ausmaße erreicht. Sie sind für viele Menschen zu Idolen, Vorbildern und vor allem zu Projektionsfiguren für ihre Hoffnungen und Wünsche geworden. Mit der Verehrung können die Fans scheinbar am glamourösen Leben der Stars teilnehmen und damit ihrem Alltag, der häufig als eintönig und unbedeutsam empfunden wird, einen neuen Sinn verleihen (vgl. Steinecke 2016, S. 77). Befeuert wird dieser Kult um die Celebrities zum einen durch die Yellow Press und die TV- Boulevard-Magazine, die mit ihren Berichten und Bildern über die persönlichen Schicksale der Prominenten (Preisverleihungen, Hochzeiten, Scheidungen, Krankheiten etc.) die Sensationsgier der Leser und Zuschauer bedienen. Zum anderen nutzen die Stars aber auch die Social Media als Kommunikationskanäle, um die Fans selbst regelmäßig über ihre Aktivitäten und Projekte zu informieren. Zu den Spitzenreitern gehören z. Zt. Cristiano Ronaldo, Ariana Grande, Dwayne Johnson und Selena Gomez, die jeweils weit über 160 Millionen Instagram-Follower haben. 51 | Absperrgitter vor einer letzten Ruhestätte - um das bescheidene Grab des US-amerikanischen Sänger Jim Morrison (des legendären Frontmanns der Rockband „The Doors“) auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise hat sich ein bizarrer Totenkult entwickelt. Auch 48 Jahre nach seinem Tod pilgern täglich Dutzende von Fans aus der ganzen Welt zu diesem Ort, den sie nicht nur mit Blumen und Kränzen, sondern auch mit Joints, Whisky- und Weinflaschen schmücken. Zum Gedenken an ihr Idol kleben sie außerdem Kaugummis mit ihren Initialen an eine Platane in der Nähe. Die Begeisterung für die Prominenten erlischt nicht mit deren Tod, sondern kann - bei einer großen Popularität bzw. einem besonders tragischen Schicksal (früher Tod, Selbstmord etc.) - noch über viele Jahrzehnte anhalten. Nicht nur die letzte Ruhestätte von Rudolph Valentino, sondern auch die Gräber anderer Filmschauspieler aus der Glanzzeit Hollywoods sind auch gegenwärtig noch beliebte Reiseziele ihrer Fans. Ein besonders großer Andrang ist an speziellen Gedenktagen zu verzeichnen wie z. B. anlässlich des 50. Todes- 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 130 03.02.2021 11: 50: 46 <?page no="131"?> Grabmale und Friedhöfe 131 tages von Marilyn Monroe am 5. August 2012, als Hunderte Verehrer zu ihrem Grab in Los Angeles pilgerten, um dort mit Blumen, Grußkarten und Fotos der populären Schauspielerin zu gedenken (vgl. Stern, 06.08.2012). Im Mittelpunkt des touristischen Interesses stehen jedoch nicht nur die Grabstellen populärer Filmschauspieler und Musiker aus der jüngeren Geschichte, sondern auch die Gräber berühmter historischer Persönlichkeiten aus Politik, Literatur und Wissenschaft. In einer Befragung deutscher Friedhofsverwaltungen (in Städten mit mehr als 50.000) gaben 40 Prozent der teilnehmenden Verwaltungen an, dass ihre Friedhöfe eine überregionale kulturelle Bedeutung haben und zwei Drittel dieser Gruppe hatte die Beobachtung gemacht, dass diese Friedhöfe gezielt von auswärtigen Gästen besucht werden (vgl. Venne 2016, S. 77). Obwohl nur wenige Friedhöfe in das Stadtmarketing bzw. Destinationsmanagement eingebunden sind, gehören einige kulturhistorisch bedeutsame Grabanlagen inzwischen zum festen Repertoire an Attraktionen - wie die folgenden Beispiele deutlich machen: Als Besuchermagnet hat sich u. a. die Fürstengruft in Weimar erwiesen, die im 19. Jahrhundert als Begräbnisstätte für die Mitglieder des großherzoglichen Hauses Sachsen-Weimar-Eisenach genutzt wurde. Sie ist das Ziel zahlreicher Kultur- und speziell Literaturtouristen, da dort auch der Sarkophag von Johann Wolfgang von Goethe und der (allerdings leere) Sarg von Friedrich von Schiller stehen. Die Gruft gilt schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts als Sehenswürdigkeit; gegenwärtig verzeichnet sie ca. 60.000 Besucher/ Jahr (vgl. Gretzschel 2016). 52 | Selbst im Tode noch ein Objekt der Begierde - die schlichte Grabanlage, in der Marilyn Monroe auf dem Westwood Village Memorial Park Cemetery in Los Angeles bestattet wurde, ist nicht nur ein Wallfahrtsort für ihre Fans, sondern auch eine begehrte letzte Ruhestätte. Für das Grab direkt über der Filmikone hat ein Interessent bei einer (letztlich gescheiterten) Online-Versteigerung im Jahr 2009 4,6 Millionen US-Dollar geboten. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 131 03.02.2021 11: 50: 46 <?page no="132"?> 132 Tourism NOW : Dark Tourism In Wien rangiert die Kapuzinerbzw. Kaisergruft bei TripAdvisor auf Platz 106 von 1.764 Aktivitäten. Dort haben viele Angehörige der Familie Habsburg und Habsburg- Lothringen ihre letzte Ruhestätte gefunden (darunter zwölf Kaiser sowie 19 Kaiserinnen und Königinnen). Die Aufmerksamkeit der Besucher konzentriert sich vor allem auf den Sarkophag der Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn („Sissi“), der ständig mit Blumen und Kränzen geschmückt ist. Ihre anhaltend große Popularität verdankt sie den drei Spielfilmen „Sissi“, „Sissi - Die junge Kaiserin“ und „Sissi - Schicksalsjahre einer Kaiserin“ aus den Jahren 1955-1957, die bis in die Gegenwart ein Massenpublikum begeistern (nicht zuletzt, weil sie alljährlich im weihnachtlichen TV-Programm in Deutschland und Österreich ausgestrahlt werden). Für literarisch, historisch und kulturell interessierte Touristen hat „Berlin.de - Das offizielle Hauptstadtportal“ auf seiner Website zahlreiche Information, Bilder und Links zu einzelnen Friedhöfen zusammengestellt - u. a. auch den Vorschlag für einen „Romantischen Spaziergang“ mit Audioguide zum Grab von Heinrich von Kleist, der im Jahr 1811 am Kleinen Wannsee mit seiner todkranken Freundin Henriette Vogel Selbstmord beging ( www.berlin.de/ tourismus/ insidertipps/ 2134707-2339440-friedhoefein-berlin-wo-die-promis-ruhen.html). Das Grabmal als Demonstration der Macht „Edel, arm oder reich, der Tod macht alle gleich“: So zutreffend dieser Aphorismus auch in einem ontologischen Sinne sein mag - beim Gang über einen Friedhof wird deutlich, dass die herrschenden sozialen Disparitäten auch im Tod noch bestehen. Sie spiegeln sich in der unterschiedlichen Gestaltung der Grabstellen wider; deren Spektrum reicht von kleinen Gräbern mit einfachen Kreuzen bzw. Steinen über große Familiengräber mit aufwändig gestalteten Grabplatten bis hin zu monumentalen Totengrüften mit reich verzierten Eingangstoren - wie z. B. auf dem Friedhof La Recoleta in Buenos Aires. Nicht nur das wohlhabende Bürgertum, sondern auch Staaten und Diktatoren nutzen pompöse Grabmale und speziell Mausoleen, um den dauerhaften Macht- und Herrschaftsanspruch von Dynastien und Parteien symbolisch zum Ausdruck zu bringen. In diesen Gebäuden werden die sterblichen Überreste wichtiger politischer Führer in Särgen oder gläsernen Sarkophagen öffentlich zur Schau gestellt werden. Ziel der Präsentationen ist es, die glorreiche Vergangenheit des Landes heraufzubeschwören, das nationale Identitäts- und Gemeinschaftsgefühl zu stärken und die Bevölkerung zu großartigen Leistungen im Sinne der Vorbilder anzuspornen. Berühmte Beispiele solcher Stätten des Personenkults sind u. a. die Mausoleen von: Wladimir Iljitsch Lenin in Moskau (1924), Ho Chi Minh in Hanoi (Vietnam) (1975), Mao Zedong in Beijing (1977), Josip Broz Tito („House of Flowers”) in Belgrad (1980) (vgl. Rabotic 2012), Kim Il-Sung in Pjöngjang (Nordkorea) (1994), Ferdinand Marcos in Batac (Philippinen) (2016). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 132 03.02.2021 11: 50: 46 <?page no="133"?> Grabmale und Friedhöfe 133 Eine ähnliche politische Funktion haben die nationalen Gedenk- und Ruhmeshallen, die im 18. und 19. Jahrhundert errichtet worden sind - wie z. B. (vgl. Rugg 2000, S. 271- 272): das Panthéon in Paris - eine nationale Ruhmeshalle, in der berühmte Persönlichkeiten aus Politik, Kunst und Wissenschaft bestattet worden sind (Voltaire, Jean- Jacques Rousseau, Victor Hugo, André Malraux, Pierre und Marie Curie etc.), die Walhalla im Landkreis Regensburg - ein monumentales, tempelartiges Gebäude, in dem nahezu 200 Büsten und Gedenktafeln an Könige und Kurfürsten, Philosophen und Gelehrte, Komponisten und Maler aus der deutschen Geschichte erinnern. Das wesentliche Motiv der Friedhofstouristen, die sich für die Gräber berühmter Persönlichkeiten interessieren, ist der Wunsch, den bewunderten und verehrten Verstorbenen ganz nahe zu sein - sowohl in physischer als auch in emotionaler und spiritueller Hinsicht: In einer qualitativen Studie gaben die Besucher des Grabs von Marilyn Monroe z. B. an, dass sie bereits in ihrer Jugend durch Spielfilme, Fotos und Berichte über das traurige Schicksal der Schauspielerin tief beeindruckt worden waren. Deshalb bestand bei ihnen auch schon lange der Wunsch, einmal an diesem Grab zu stehen. Selbst wenn nicht alle Touristen leidenschaftliche Fans der Schauspielerin waren, hat der Ort sie dennoch fasziniert und emotional überwältigt. Außerdem haben viele Gäste dort eine persönliche Verbindung zu dem Filmstar gespürt und sich als Familienangehörige empfunden (vgl. Baidwan 2015, S. 72). Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine teilnehmende Beobachtung am Grab von Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre auf dem Pariser Friedhof Montparnasse. Dort wollten die Touristen den Verstorbenen ihren Respekt erweisen, sich symbolisch für den Einfluss der philosophischen und literarischen Werke auf das eigene Leben bedanken und mit den Verstorbenen gedanklich kommunizieren (selbst wenn sie das Grab gemeinsam mit Partnern oder Freunden besuchten, verbrachten sie dort bis zu dreißig Minuten, ohne ein Wort zu sagen) (vgl. Brown 2016, S. 25). Allerdings nimmt der Totenkult um Prominente bisweilen auch befremdlich erscheinende Formen an (vgl. Gretzschel 2016; Schmidt 2017): Um ihre Verehrung zum Ausdruck zu bringen, berühren bzw. küssen viele Fans die Grabsteine und hinterlassen dort Spuren von Fingerabdrücken und Kussmündern - wie auf dem Grab von Oskar Wilde auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise, das inzwischen aus Denkmalschutzgründen durch eine Glasfront geschützt werden musste, oder auf der Grabplatte von Marilyn Monroe, die sich durch die zahlreichen Lippenstiftküsse enthusiastischer Fans bereits rötlich verfärbt hat (aufgrund dieser unhygienischen Praxis sind die beide Grabstätten von der Nachrichten-Website „t-online.de“ in die Liste der „Ekligsten Touristen-Attraktionen der Welt“ aufgenommen worden) ( www.tonline.de, 13.02.2015). Neben Blumen legen manche Besucher dort auch Alltagsgegenstände ab, die einen Bezug zum Leben der Prominenten haben: So sind auf dem Grab von Colonel Harland Sanders (dem Gründer der Restaurantkette „Kentucky Fried Chicken“) auf dem Cave Hill Cemetery in Louisville (Kentucky) z. B. regelmäßig Reste gebratener Hähnchen zu 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 133 03.02.2021 11: 50: 47 <?page no="134"?> 134 Tourism NOW : Dark Tourism finden und auf der Grabstelle von Hannelore (Loki) und Helmut Schmidt auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf liegen immer wieder Menthol-Zigaretten, Schnupftabak- Packungen und Dosen mit Labskaus. Ein Wallfahrtsort für Filmfans - der Fairview Lawn Cemetery in Halifax (Kanada) Eine besonders skurrile Form des Totengedenkens ist auf dem Fairview Lawn Cemetery im kanadischen Halifax zu beobachten, auf dem 121 Passagiere der „Titanic“ ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Der legendäre Luxusliner war auf seiner Jungfernfahrt am 15. April 1912 nach der Kollision mit einem Eisberg vor der Küste Neufundlands gesunken. Die Katastrophe, bei der nahezu 1.500 Todesopfer zu beklagen waren, ist seitdem zu einem festen Bestandteil des öffentlichen Gedächtnisses und auch der Populärkultur geworden. Neben Sachbüchern, Romanen und Filmen hat vor allem der Blockbuster von James Cameron (1997) zum Mythos der „Titanic“ beitragen - einer der erfolgreichsten Spielfilme der Welt. Durch ihn wurde das touristische Interesse auch auf den Fairview Lawn Cemetery gelenkt. Der große Besucheransturm führte dazu, dass die Zufahrt zu dem Friedhof für Ausflugsbusse gesperrt werden musste. Eine besondere Popularität hat dabei das schlichte Grab von J. Dawson erlangt, der als Kohlenschaufler im Maschinenraum des Passagierschiffs gearbeitet hat; es wird von Filmfans regelmäßig mit Blumen und Kerzen geschmückt. Ihre Verehrung gilt jedoch nicht dem (realen) irischen Arbeiter, sondern dem (fiktiven) Jack Dawson - der selbstlosen Hauptfigur des Films, die von Leonardo DiCaprio gespielt wird. Obwohl den Besuchern der illusionäre Charakter dieses Protagonisten bewusst ist, suchen sie offensichtlich nach einem besonderen Ort, an dem sie ihre Bewunderung für den Filmhelden und ihr Mitgefühl für die Opfer symbolisch zum Ausdruck bringen können (vgl. Rosenberg 2016; Steinecke 2016, S. 66). Mancherorts hat sich der Kult um verstorbene Prominente zu einer einträglichen Einnahmequelle und auch zu einem regionalen Wirtschaftsfaktor entwickelt - wie z. B. im „Graceland“ in Memphis (Tennessee). Das frühere Anwesen von Elvis Presley verzeichnet jährlich ca. 500.000 Gäste, obwohl „The King“ bereits im Jahr 1977 verstorben ist. Nach dem Weißen Haus in Washington, D. C. ist „Graceland“ damit das am zweithäufigsten besuchte Private Home in den USA. Aufgrund der anhaltend großen Nachfrage hat das Unternehmen, das diesen Erinnerungsort inzwischen betreibt, in den vergangenen Jahren erhebliche Erweiterungen vorgenommen; dazu zählen u. a. das Resorthotel „The Guest House“ (mit 450 Betten), das Unterhaltungszentrum „Elvis Presley’s Memphis“ sowie das „Graceland Exhibition Center“. Außerdem wird jedes Jahr die „Elvis Week“ veranstaltet, an der Tausende von Fans teilnehmen. Der Höhepunkt ist die „Candlelight Vigil“, bei der sie in der Nacht vom 15. auf den 16. August (seinem Todestag) gemeinsam bei Kerzenschein ihres Idols gedenken. Die ökonomischen Effekte, die allein durch die Ausgaben der Elvis-Fans in Memphis ausgelöst werden, belaufen sich auf ca. 150 Millionen US-Dollar/ Jahr (vgl. Doss 2008, S. 136; Graceland/ Elvis Presley Enterprises 2019). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 134 03.02.2021 11: 50: 47 <?page no="135"?> Grabmale und Friedhöfe 135 53 | In stillem Gedenken an den „King of Rock 'n' Roll“ - seit seiner Eröffnung im Jahr 1982 ist „Graceland“ in Memphis (Tennessee) zu einer Pilgerstätte von Elvis Presley-Fans geworden. Die Gäste können dort nicht nur an seinem Grab und den Gräbern seiner Familienangehörigen stehen, sondern auch das luxuriös eingerichtete Haus und viele persönliche Gegenstände besichtigen - von der Brieftasche über den Schlüsselbund und Toaster bis hin zu zahlreichen Luxuslimousinen. „Schon als Kind habe ich davon geträumt, irgendwann mal durch das Tor vom King (und zwar dem einzig Wahren! ) zu fahren. Und wenn man dann die Kopfhörer auf hat, mit dem Bus durch das Tor … fährt und Himself anfängt „Welcome to my world" zu singen, dann ist Gänsehaut am ganzen Körper garantiert! Was soll ich zu Graceland schreiben? Wundervoll, Wahnsinn, fantastisch? ? ? Alles viel zu wenig! In allem findet sich Elvis Vergangenheit, sein unbeschreiblicher Weg, seine Karriere ... einfach alles wieder“. Bewertung von „Graceland“ bei TripAdvisor Für Touristen sind Grabmale und Friedhöfe also weitaus mehr als nur Orte der Totenruhe. Sie dienen als Ziele religiöser und säkularer Pilgerfahrten, als steinerne Geschichtsbücher und schließlich auch als grüne Oasen. Angesichts dieser Multifunktionalität ist es schwierig, ihre Position im gesamten Spektrum des Dark Tourism exakt zu bestimmen. Einerseits weisen sie einen „dunklen“ Charakter auf, da sie den Besuchern die Möglichkeit bieten, sich an den Gräbern von Fremden mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen. Andererseits werden sie aber auch von Touristen besichtigt, die weitaus trivialere Erwartungen haben (Bildungsinteressen, Personenkult, Erholung etc.). In jedem Fall sind sie „hellere“ Orte als die Genozid-Gedenkstätten und die Schlachtfelder, die grundlegende moralische Fragen aufwerfen und damit zum Nachdenken über die Ursachen und Folgen von Unterdrückung, Rassismus und Nationalismus anregen (dort würde 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 135 03.02.2021 11: 50: 48 <?page no="136"?> 136 Tourism NOW : Dark Tourism wohl kein Besucher auf die Idee kommen, Kussmünder und Kaugummis auf den Denkmalen bzw. Exponaten zu hinterlassen). Diese Multifunktionalität des Angebots und Ambiguität der Nachfrage ist nicht nur bei Friedhöfen, sondern auch bei anderen Schauplätzen des Dark Tourism zu beobachten - z. B. den ehemaligen Gefängnissen, die im folgenden Kapitel beschrieben werden. Literatur zum Friedhofstourismus Young, C./ Light, D. (2016): Interrogating spaces of and for the dead as ‘alternative space’: cemeteries, corpses and sites of Dark Tourism. - In: International Review of Social Research, 6/ 2, S. 61-72 Theoretisch-konzeptioneller Beitrag zur mehrdeutigen Wahrnehmung von Friedhöfen, Leichen und „dunklen“ Orten in der Öffentlichkeit - zwischen Furcht, Abscheu und Verdrängung einerseits und Faszination, Obsession und Kommerzialisierung andererseits Salinas Moreno, Adrià (2018): Cemetery Tourism: Visitors’ motivations for visiting the Rakowicki Cemetery in Kraków, Poland, Girona (Universitat de Girona - M. A. Thesis) Qualitative Studie zu den Motiven der Friedhofstouristen auf dem Rakowicki Cemetery in Krakau mit einer guten Zusammenstellung von Forschungsergebnissen anderer empirischer Untersuchungen zu diesem Thema 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 136 03.02.2021 11: 50: 48 <?page no="137"?> 7 Ehemalige Gefängnisse „Auf dem Meere tanzt die Welle nach der Freiheit Windmusik. Raum zum Tanz hat meine Zelle siebzehn Meter im Kubik.“ Erich Mühsam (1928) 54 | Der unwiderstehliche Reiz des Geheimen und Verborgenen - die Attraktivität von Gefängnissen wie dem „Eastern State Penitentiary“ in Philadelphia (Pennsylvania) basiert vor allem auf ihrer früheren Abgeschlossenheit. Mit der Öffnung für den Tourismus befriedigen die Betreiber von Gefängnismuseen nicht nur das Informationsinteresse und den Voyeurismus der Besucher. Sie nutzen die ehemaligen Haftanstalten dazu, politische Botschaften zum Wandel und zur Notwendigkeit des Strafvollzugs zu transportieren. In einigen Fällen dienen Gefängnisse auch als nationale Gedenkstätten, in denen Fragen von Unterdrückung, Freiheitswillen und Patriotismus thematisiert werden. Das Gefängnis ist ein Kind der Aufklärung - denn als sich im 18. Jahrhundert die Ideen von Rationalität und Fortschritt, Emanzipation und Toleranz, Humanismus und Bildung in Europa und Nordamerika zunehmend durchsetzten, führten sie auch zu einer Veränderung des Strafwesens. Die Bestrafungen hatten damals noch einen mittelalterlichen Charakter; sie waren mit brutalen Arten der Folter und Marter verbunden (vgl. Seaton/ Dann 2018, S. 34-60; Foucault 2019a, S. 44-47): Bei schweren Verstößen gegen das Gesetz drohte den Tätern die Todesstrafe; zu den üblichen Methoden gehörten die Hinrichtung mit dem Schwert, der Axt oder dem 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 137 03.02.2021 11: 50: 48 <?page no="138"?> 138 Tourism NOW : Dark Tourism Strang, das Aufziehen auf das Rad, das Zerteilen des Körpers, das Ertränken bzw. das Verbrennen auf dem Scheiterhaufen. Geringere Taten wurden mit Leibesstrafen geahnt; dazu zählten die körperliche Züchtigung sowie die Verstümmelung des Körpers durch das Abhauen der Finger bzw. der Hand oder das Abschneiden von Ohren, Nase bzw. Zunge. Darüber hinaus gab es Ehrenstrafen, bei denen die Verurteilten auf dem Pranger bzw. in Käfigen zur Schau gestellt wurden. Das Gefängnis als ein Ort, in denen Häftlinge mehrere Monate oder Jahre zur Bestrafung und Besserung (Resozialisierung) verbrachten, gab es nicht. Verliese und Kerker in Türmen, Rathäusern etc. dienten überwiegend als Folterstätten und vor allem als Verwahrorte, in denen die Verbrecher die Zeit vor der endgültigen Strafe unter unterwürdigen Bedingungen verbringen mussten. Es waren dann aufklärerische und religiöse Überlegungen, die zu einer grundlegenden Reform des Strafvollzugs führten. Wesentliche Impulse gingen von den US-amerikanischen Quäkern aus, in deren Glaubensvorstellungen kein Platz für brutale Strafen und unnütze Qualen war. Statt des Gedankens der Rache gewann das Konzept der Besserung immer mehr an Bedeutung, bei der Gottesdienste, Schulstunden und die Erziehung „durch Arbeit und zu Arbeit“ eine wesentliche Rolle spielten. So mussten die Häftlinge z. B. Textil-, Holz- und Metallprodukte herstellen; in einigen Ländern wurden sie auch für Arbeiten in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzt (vgl. Viehöfer 2007, S. 9; Welch/ Macuare 2011, S. 415; Casella/ Fennelly 2016, S. 509). Dieser Besserungsgedanke spiegelte sich auch in der Architektur der Gefängnisse wider, die nun vielerorts als neue Symbole der staatlichen Disziplinargewalt errichtet wurden. Damit fand auch ein Wandel von der bislang öffentlich vollzogenen Bestrafung zur Erziehung in abgesonderten Räumen statt. Um eine abschreckende Wirkung zu erzielen und die Häftlinge von negativen äußeren Einflüssen abzuschirmen, entstanden große Gebäudekomplexe, die von einer hohen Mauer umgeben waren. Im Inneren wurden ungewöhnlich strenge Maßnahmen eingesetzt, um die (als schädlich empfundene) Kommunikation der Insassen untereinander zu verhindern und sie zu Umkehr und Reue zu bewegen: Im „Auburn Prison“ in Auburn (New York; 1816) verbrachten die Häftlinge jeweils die Nacht in Einzelzellen. Tagsüber verrichten sie handwerkliche Arbeiten und nahmen auch die Mahlzeiten gemeinsam ein - allerdings bei absolutem Schweigegebot. Noch strengere Bedingungen herrschten im „Eastern State Penitentiary“ in Philadelphia (Pennsylvania), das im Jahr 1829 eröffnet wurde. Die Insassen waren Tag und Nacht in Einzelzellen untergebracht und mussten für ihren täglichen Freigang einen eigenen Hof nutzen. An diesem Vorbild orientierten sich zahlreiche andere Gefängnisse - z. B. das „Zellengefängnis“ in Berlin-Moabit (1849), in dem die Insassen beim sonntäglichen Gottesdienst sogar spezielle Kappen trugen, mit denen ihr Blickfeld eingeschränkt wurde. Allerdings stieß diese Form der Isolationshaft bereits bei einigen Zeitgenossen auf harsche Kritik. Als der englische Schriftsteller Charles Dickens das „Eastern State Penitentiary“ im Jahr 1842 bei einer USA-Reise besichtigte, war er entsetzt: Er verglich die Zellen mit steinernen Särgen, in denen die Häftlinge in völliger Stille lebendig begraben seien - ohne jegliche Form menschlicher Kontakte. Dabei gehörte der Autor zu einer Vielzahl von Jour- 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 138 03.02.2021 11: 50: 49 <?page no="139"?> Ehemalige Gefängnisse 139 nalisten und Experten, die sich über die neue Form des Strafvollzugs informieren wollten: Allein im Jahr 1858 wurden ca. 10.000 Besucher gezählt (vgl. Stern 2015). Selbst wenn diese strenge Einzelhaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingestellt wurde, herrschten in den meisten Gefängnissen weiterhin harte Lebensbedingungen - mit einfach ausgestatteten Zellen (ohne elektrisches Licht und Spültoilette), kargen Mahlzeiten, langen Arbeitszeiten, mangelnder Privatsphäre sowie eingeschränkten Besuchs- und Lektüremöglichkeiten. Verstöße gegen die Gefängnisordnung wurden mit einem abgestuften System strikter Disziplinarmaßnahmen bestraft - von der Kürzung des geringen Lohns und die Schmälerung der Kost über einfachen und verschärften Arrest bis hin zu dunklem Arrest und körperlicher Züchtigung durch Stockschläge (vgl. Thieme 1998). Beim Bau vieler zeitgemäßer Gefängnisse - z. B. des „Pentonville Prison“ bei London (1842) oder des „Abashiri Prison“ in Japan (1868) - kam das Panopticon-Prinzip zum Einsatz, das auf Entwürfen des englischen Juristen und Sozialreformers Jeremy Bentham (1748-1832) basierte: Von einem zentral gelegenen Pavillon bzw. Turm aus überwachte das Gefängnispersonal die Flure und Zellen in mehreren sternförmig angeordneten Häftlingstrakten. Dabei konnte es jedoch von den Insassen nicht gesehen werden, so dass die Häftlinge davon ausgehen mussten, ständig beobachtet zu werden. 55 | Alles unter totaler Kontrolle - Pavillon des Aufsichtspersonals im japanischen „Abashiri Prison“, das nach dem Panopticon-Prinzip errichtet wurde. „Diese Anlage ist deswegen so bedeutend, weil sie die Macht automatisiert und entindividualisiert. Das Prinzip der Macht liegt weniger in einer Person als vielmehr in der konzentrierten Anordnung von Körpern, Oberflächen, Lichtern und Blicken.“ Foucault 2019a, S. 259 Mit ihrer eindrucksvollen Größe und aufwändigen Architektur (Türme, Zinne etc.) stießen die neuen Gefängnisse allgemein auf ein großes öffentliches Interesse. Obwohl das z. B. englische „Dartmoor Prison“ für die Allgemeinheit nicht zugänglich war, wurde es bereits in den zeitgenössischen Reisehandbüchern als Sehenswürdigkeit aufgeführt. Einige Destinationen erkannten das touristische Potenzial dieser Symbole des (angeblichen) zivilisatorischen Fortschritts und nutzten sie als einmalige Attraktionen: In den 1920er-Jahren er- 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 139 03.02.2021 11: 50: 49 <?page no="140"?> 140 Tourism NOW : Dark Tourism schienen z. B. im US-Bundesstaat Michigan handkolorierte Postkarten mit Luftbildern und Innenaufnahmen des „Jackson State Prison“, mit denen für die Besichtigung des „World’s Largest Walled Prison“ geworben wurde (vgl. Heldt 2019). Eine umfassende und professionelle Inwertsetzung von Haftanstalten für den Tourismus kann aber generell erst nach ihrer endgültigen Schließung stattfinden, die zumeist aufgrund einer zunehmenden Baufälligkeit, eines veralteten Sicherheitssystems, unhygienischer Sanitäreinrichtungen und hoher Betriebskosten erfolgte. ehemaliges Gefängnis Besonderheiten Besucher/ Jahr Alcatraz Federal Penitentiary, San Francisco (Kalifornien) Gefängnisinsel in der Bucht von San Francisco; berüchtigte Insassen (Al Capone, Machine Gun Kelly) 1.400.000 Seodaemun Prison History Hall, Seoul (Südkorea) Gefängnis für koreanische Widerstandskämpfer gegen die japanische Kolonialmacht (1910-1945) 600.000 Sinop Fortress Prison, Sinop (Türkei) Haftanstalt in einer historischen Festungsanlage; berühmte Insassen (türkische Schriftsteller) 500.000 Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), Berlin- Hohenschönhausen zunächst ein Gefängnis der sowjetischen Geheimpolizei (1946-1950); später des MfS (1951-1989) 450.000 Eastern State Penitentiary, Philadelphia (USA) prototypisches Zellengefängnis; Modell für Haftanstalten weltweit; Panopticon-Architektur 440.000 Kilmainham Gaol, Dublin (Republik Irland) Haftanstalt aus dem 18. Jahrhundert; berühmte politische Insassen (speziell des Osteraufstands 1916) 425.000 Robben Island, Kapstadt (Südafrika) berühmte politische Häftlinge (Nelson Mandela, Robert Sobukwe); UNESCO-Welterbestätte 320.000 Port Arthur Historic Site, Port Arthur (Australien) Gefängnis der ehemaligen Strafkolonie; Panopticon-Architektur; UNESCO-Welterbestätte 250.000 Fremantle Prison, Fremantle (Australien) UNESCO-Welterbestätte; unterirdisches Tunnelsystem, das zu Fuß und Boot erkundet werden kann 200.000 Old Melbourne Gaol, Melbourne (Australien) berüchtigte Insassen (Ned Kelly); Einblick in das Gefängnisleben und die Rechtsprechung im 19. Jahrhundert 140.000 6 | Ehemalige Gefängnisse als Besucherattraktionen: Beispiele - Besonderheiten - Besucherzahlen 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 140 03.02.2021 11: 50: 49 <?page no="141"?> Ehemalige Gefängnisse 141 Gegenwärtig gibt es weltweit ca. 100 ehemalige Gefängnisse, die als Museen öffentlich zugänglich sind. Die Mehrzahl dieser Einrichtungen befindet sich in den USA, Kanada sowie Großbritannien und wurde seit den 1970er-Jahren eröffnet. Einige Gefängnisse konnten sich zu weltweit bekannten Besuchermagneten entwickeln - z. B. Alcatraz (Kalifornien) und Robben Island (Südafrika). In der Mehrzahl handelt es sich jedoch um kleinere Museen, die häufig nur aus wenigen Räumen bestehen und allenfalls eine regionale oder lokale Bedeutung haben (vgl. Ross 2012; Aslan 2015, S. 605; Fleetwood/ Turner 2017 zur touristischen Nutzung einer aktiven Haftanstalt in Ecuador). Allerdings bestehen zwischen den Gefängnissen, die gegenwärtig als Museen genutzt werden, erhebliche Unterschiede hinsichtlich ihrer früheren gesellschaftspolitischen Funktion und ihrer gegenwärtigen Botschaften: Zum einen wurden Haftanstalten und Arbeitslager in repressiven bzw. totalitären Herrschaftssystemen als Instrumente der Unterdrückung von Oppositionellen, Dissidenten und Minderheiten genutzt. Bei solchen ehemaligen Gefängnissen handelt es sich um typische Erinnerungsorte. Wie die Genozid-Gedenkstätten und Schlachtfelder leisten sie vor allem einen Beitrag zu generellen Moralvorstellungen, zum persönlichen Gerechtigkeitsbewusstsein und zur nationalen Identitätsbildung (→ 7.1). Zum anderen gibt es Gefängnisse, die in demokratischen Rechtsstaaten weltweit zu den Institutionen des staatlichen Justiz- und Strafwesens gehören. Nach ihrer Schließung und Umwandlung in Besucherattraktionen dienen sie als ungewöhnliche kulturtouristische Sehenswürdigkeiten, in denen die Gäste einen angeblich „authentischen“ Einblick in die Praktiken des historischen Strafvollzugs erhalten (→ 7.2). Schließlich haben sich einige ehemalige Gefängnisse zu hyperrealen Orten entwickelt. Dort wird die tatsächliche Geschichte der Einrichtungen (Haftbedingungen, Insassen etc.) in einer solchen Weise von deren fiktivem Bild in den Massenmedien (speziell in Spielfilmen) überlagert, dass diese Ebenen nicht mehr zu unterscheiden sind und eine völlig neue Realität entstanden ist (→ 7.3). 7.1 Unterdrückung, Widerstand, Nationalstolz - die politischen Narrative von Haftanstalten „Freiheit für Deniz Yücel! “ - diese Forderung stellten mehr als 200 Prominente in einer ganzseitigen Anzeige, die am 9. Dezember 2017 in der Tageszeitung „Die Welt“ erschien. Bis zu diesem Tag hatte der Journalist 300 Tage ohne Anklage in einem türkischen Hochsicherheitsgefängnis verbringen müssen. Ihm wurden Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen und aus Sicht des türkischen Staatspräsidenten e e Ta rdo a galt er als Spion (vgl. Böhmer 2017). Der Fall Deniz Yücel macht deutlich, dass die Straftaten „politischer“ Gefangener durchaus unterschiedlich bewertet werden: Aus Sicht der Machthaber werden solche Insassen als „Aufrührer“ und „Staatsfeinde“ betrachtet, für ihre Sympathisanten und Unterstützer sind sie jedoch „Heroen“ und „Märtyrer“. Besonders offenkundig werden diese divergierenden Perspektiven in aktuellen und ungelösten Konflikten - nicht nur in der Türkei und China, sondern auch im Nahen Osten, wo Palästinenser und Israelis ihre jeweiligen Narrative sogar in eigenen Museen bzw. Ausstellungen vermitteln. Dort stellen sie sich jeweils als 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 141 03.02.2021 11: 50: 49 <?page no="142"?> 142 Tourism NOW : Dark Tourism unschuldige Opfer der gegnerischen Seite dar und legitimieren damit ihren Widerstand bzw. ihre Militäraktionen (vgl. Mendel/ Steinberg 2012; Isaac/ Platenkamp 2018): So erinnert das „Abu Jihad Museum for the Prisoner Movement Affairs“ in Abu Dis (Westjordanland) mit Informationstafeln und Exponaten an das Schicksal und Leid der ca. 5.700 palästinensischen „Freiheitskämpfer“, die sich unter menschenrechtswidrigen Bedingungen in israelischer Haft befinden. Im „Display of Captured Materials“ des „The Meir Amit Intelligence and Information Centre“ in Ramat Hasharon (Israel) werden zahlreiche Fotos und Waffen palästinensischer Attentäter als Belege für die anhaltende Bedrohung des Landes durch diese „Terroristen“ präsentiert. Eine endgültige Beurteilung findet zumeist erst im Verlauf der Geschichte und nach einem radikalen Wandel der politischen Verhältnisse statt - wie z. B. bei den deutschen Offizieren, die nach dem misslungenen Anschlag auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 als „Verschwörer“ und „Hochverräter“ inhaftiert bzw. hingerichtet wurden und inzwischen bei jährlichen Gedenkfeiern als mutige Widerstandskämpfer und moralische Vorbilder gewürdigt werden. Weltweit gibt es mehrere ehemalige Gefängnisse und Museen, die sich nach der Überwindung von Unrechtssystemen wie der Apartheid, dem Kommunismus, dem Nationalsozialismus, dem Kolonialismus und des Sklavenhandels zu nationalen Erinnerungs- und Gedenkorten entwickelt haben; dazu zählen u. a. (vgl. Kuusi 2008; Mowatt/ Chancellor 2011; Huang 2017; Huang/ Lee 2018): die Gefängnisinsel Robben Island in der Bucht von Kapstadt (Südafrika), das „Hoa-Lo-Gefängnis“, Hanoi (Vietnam), das „Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen“, das „Kilmainham Gaol“, Dublin (Irland), das „Museum der Opfer des Genozids“, Vilnius (Litauen), das „Lettische Okkupationsmuseum“, Riga (Lettland), das „Vabamu Museum der Besatzungen und Freiheit“, Tallinn (Estland), das „Sighet Memorial“, Sighetu Marmatiei (Rumänien), das „Cape Coast Castle“ und das „Elmina Castle“ (Ghana), die „Seodaemun Prison History Hall“, Seoul (Südkorea), das „Russisch-Japanische Gefängnis“ in Lüshun, Dalian (China). Das bekannteste Beispiel ist sicherlich die Gefängnisinsel Robben Island in der Bucht von Kapstadt (Südafrika). Während des rassistischen Systems der Apartheid waren hier zahlreiche Mitglieder des „African National Congress“ (ANC) und „Pan Africanist Congress“ (PAC) inhaftiert, die gegen die Unterdrückung der schwarzen Mehrheit des Landes durch die weiße Minderheit zunächst gewaltfrei und später auch mit Sabotageakten gekämpft hatten (deshalb wurde der bekannteste ANC-Aktivist, Nelson Mandela, selbst mehrere Jahre nach seiner Freilassung von den USA noch als „Terrorist“ geführt und benötigte bei Einreisen eine Sondergenehmigung). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 142 03.02.2021 11: 50: 50 <?page no="143"?> Ehemalige Gefängnisse 143 56 | Ein Gefängnis als nationale Gedenkstätte - seit seiner Errichtung im Jahr 1795 hat das „Kilmainham Gaol“ in Dublin eine besondere Rolle in der irischen Geschichte gespielt. Neben Kriminellen waren dort zahlreiche Rebellen und Politiker inhaftiert, die für die Unabhängigkeit des Landes von Großbritannien gekämpft haben. Dazu zählen auch die Anführer des erfolglosen Osteraufstands 1916, die im Gefängnishof auf teilweise entwürdigende Weise hingerichtet wurden. So war der Gewerkschafter James Connolly bei den Kämpfen derart schwer verwundet worden, dass er - auf einen Stuhl gefesselt - von dem britischen Erschießungskommando exekutiert wurde. Wesentliches Prinzip der Apartheid war die strikte Rassentrennung - z. B. durch die Umsiedlung der Schwarzen in Townships und Homelands, durch Unterricht in unterschiedlichen Schulen und durch separate Restaurants, Busse, öffentliche Toiletten und Krankenwagen für Schwarze und Weiße. Bei Protestaktionen gegen diese Regeln wurden Hunderte Menschen von der Polizei getötet (darunter auch viele Kinder und Jugendliche). Internationale Proteste und wirtschaftliche Sanktionen, aber auch nationale Streiks und zunehmende Sicherheitsprobleme führten dazu, dass das Apartheid-System schließlich zusammenbrach und die politischen Gefangenen im Jahr 1990 entlassen wurden. Zu einem fundamentalen Wandel kam es nach den ersten freien Wahlen im Jahr 1994, aus denen der ANC als Sieger und Nelson Mandela als neuer Präsident hervorgingen. Seine wesentlichen politischen Ziele waren die Schaffung eines funktionierenden Nationalstaats (Nation Building), die Versöhnung (Reconciliation) und der innenpolitische Frieden (Civil Peace) - und die Gefängnisinsel Robben Island wurde zu einem nationalen und zugleich globalen Symbol dieser Ideen. Sie dient als Denkmal für den ungebrochenen Mut und Freiheitswillen der schwarzen Bevölkerung sowie für den Triumph von Humanität und Toleranz über Rassismus und Repression (vgl. Strange/ Kempa 2003, S. 394; Rodgers 2016, S. 215; Björkdahl/ Kappler 2019, S. 392-395). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 143 03.02.2021 11: 50: 51 <?page no="144"?> 144 Tourism NOW : Dark Tourism Bereits im Jahr 1997 fand die Umwandlung des Gefängnisses in ein Museum statt, das seitdem zu einer populären Sehenswürdigkeit Südafrikas geworden ist und jährlich ca. 320.000 Besucher verzeichnet (überwiegend ausländische Touristen). Aufgrund seiner „außergewöhnlichen universellen Bedeutung“ wurde es bereits im Jahr 1999 in die UNESCO- Welterbeliste aufgenommen (vgl. Beazley/ Deacon 2007; RIM 2019, S. 10). Zu den Besonderheiten des Museums gehören die Führungen, bei denen ehemalige Insassen als persönlich betroffene Zeitzeugen über die harten Haftbedingungen berichten - u. a. die schwere Arbeit in einem Steinbruch, das mühevolle Zertrümmern von Steinen im Hof des Gefängnisses sowie die unterschiedliche Behandlung von Schwarzen, Coloured und Weißen (vgl. Garuba 2007 zur Problematik dieser Vermittlungsform, die trotz ihres Anspruchs auf Authentizität im Laufe der Zeit zunehmend eine Tendenz zur Standardisierung und Inszenierung aufweist). Obwohl diese offizielle Erinnerungskultur anfänglich auf große Zustimmung stieß, mehren sich in jüngerer Zeit die kritischen Stimmen. Der selektive Blick der Touristen, aber auch bisherige Form der Präsentation haben dazu geführt, dass das eindrucksvolle Schicksal von Nelson Mandela und speziell seine kleine Einzelzelle im Mittelpunkt des Interesses stehen - obwohl sie sich nicht von den übrigen Zellen unterscheidet. In einer Studie gaben 74,6 Prozent der Befragten an, dass sie sich gerne länger dort aufhalten würden (was aufgrund der geringen Größe und des großen Besucherandrangs nicht möglich ist) und jeder Vierte wünschte sich sogar, dass dort eine Wachsfigur von ihm ausgestellt wird (vgl. Phaswana-Mafuya/ Haydam 2005, S. 161; Naidu 2013, S. 58; Nhlabathi 2017, S. 111-113). 57 | Eine quasi-sakrale Stätte - die schlichte Zelle von Nelson Mandela auf der Gefängnisinsel Robben Island, in der er 18 Jahre seiner insgesamt 27-jährigen Haft verbringen musste. Aufgrund seiner großen Berühmtheit und persönlichen Aura sind jedoch die Lebensleistungen vieler anderer Aktivisten nahezu in Vergessenheit geraten, die ebenfalls zu den Häftlingen gehörten oder sich im Land für die Ziele der Organisation eingesetzt haben - nicht zuletzt die zahlreichen Ehefrauen, die sich in dieser Zeit um Kinder und Familienangehörige kümmern mussten. Außerdem wird bemängelt, dass andere Häftlingsgruppen 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 144 03.02.2021 11: 50: 51 <?page no="145"?> Ehemalige Gefängnisse 145 (Coloured) kaum erwähnt werden und auch kein inhaltlicher Bezug zu den gegenwärtigen Bedingungen in südafrikanischen Haftanstalten hergestellt wird. Schließlich ist Mandelas Vision einer versöhnten, friedlichen und gerechten „Regenbogennation“ zunehmend brüchig geworden, da Südafrika weiterhin eine extreme soziale Ungleichheit, eine hohe Arbeitslosigkeit und eine ungebremste Korruption aufweist (vgl. Shearing/ Kempa 2004; Rodgers 2016, S. 206). Angesichts der politischen Botschaft, die in einigen Gefängnismuseen vermittelt wird, sind solche öffentlichen Diskussionen über einen angemessenen und sachgerechten Umgang mit der Geschichte keine Seltenheit. Häufig kommt es sogar zu offenen Konflikten um das offizielle Narrativ - wie das Beispiel des „Stasi-Gefängnisses Berlin-Hohenschönhausen“ zeigt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs diente der Gebäudekomplex zunächst der sowjetischen Besatzungsmacht als Sammel- und Durchgangslager sowie als Gefängnis für politische Gefangene (NSDAPbzw. Gestapo-Mitglieder, angebliche Spione, Oppositionelle etc.), bevor er im Jahr 1951 vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS/ Stasi) der Deutschen Demokratischen Republik übernommen wurde. Bis zu seiner Schließung im Jahr 1990 waren dort ca. 11.000 Menschen inhaftiert - darunter zahlreiche Kritiker der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) wie Bärbel Bohley, Jürgen Fuchs und Rudolf Bahro. Zum Gefängnisalltag gehörten psychologische Zermürbungstaktiken - z. B. lange Verhöre sowie eine vollständige Isolation und Desorientierung (Transport in fensterlosen Häftlingstransportern, Unterbringung in Einzelzellen mit Glasbausteinen etc.). Seit der Eröffnung als Gedenkstätte im Jahr 1994 werden Gruppenführungen angeboten, bei denen ehemalige Häftlinge (wie auf Robben Island) als Zeitzeugen über die Haftbedingungen und ihre persönlichen Erfahrungen berichten. In der Vergangenheit ist es immer wieder zu Störungen durch ehemalige Stasi-Mitarbeiter gekommen, die das strafrechtliche Vorgehen der DDR-Justiz gegen Oppositionelle rechtfertigten und die Haftbedingungen bagatellisierten. „Für Schüler und junge Menschen, die an den Führungen teilnehmen, schafft die Agitation ehemaliger Stasi-Angehöriger Verwirrung. Eine Folge davon sei, so Knabe [der damalige Leiter der Gedenkstätte], ‚dass dann auch junge Leute verunsichert werden, [wenn sie] zum Beispiel vom früheren Gefängnischef von Hohenschönhausen [erfahren], dass es hier ein Schwimmbad gegeben habe und auch eine Bibliothek, und dass es eigentlich ganz prima hier zugegangen sei, und sie dann verunsichert werden, wem sie glauben sollen‘.“ Meyer 2009 Der erfolgreiche Kampf gegen ein Unrechtssystem und die Gründung einer neuen, selbstbestimmten Nation - diese politische Botschaft wird auch in anderen ehemaligen Gefängnissen vermittelt, in denen viele Insassen aus ideologischen Gründen inhaftiert waren. Dabei geht es jedoch nicht um innenpolitische Konflikte zwischen unterschiedlichen ethnischen Gruppen (wie in Südafrika), sondern um den Kampf gegen die Unterdrückung durch ausländische Staaten. Als Beispiel ist das „Hoa-Lo-Gefängnis“ in Hanoi (Vietnam) zu nennen, das vor allem an den vietnamesischen Widerstand gegen die französische Kolonialmacht (1887-1954) erinnert. Das Gefängnis wurde im Jahr 1899 als massiver, beeindruckender Gebäudekomplex („Maison Centrale“) im Zentrum von Hanoi eröffnet. Ursprünglich für 450 Insassen geplant, war 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 145 03.02.2021 11: 50: 51 <?page no="146"?> 146 Tourism NOW : Dark Tourism es später mit mehr als 2.000 Häftlingen völlig überfüllt. Zu den Inhaftierten gehörten Kommunisten, Nationalisten, radikale Arbeiter und Bauern, die sich gegen das ungerechte Kolonialsystem erhoben hatten und dort unter menschenunwürdigen Bedingungen gefangen gehalten, gefoltert und hingerichtet wurden. Nach der Erlangung der Selbstständigkeit Vietnams (1976) wurde das „Hoa-Lo-Gefängnis“ deshalb zu einem Symbol der nationalen und persönlichen Transzendenz - sowohl hinsichtlich des politischen Wandels von einer Kolonie zu einem unabhängigen Staat als auch hinsichtlich der Heroisierung einstiger Gefangener zu patriotischen Märtyrern. Lange Zeit lag der inhaltliche Schwerpunkt des Museums auf diesem Narrativ, das sowohl für die einheimische Bevölkerung als auch für Politiker von zentraler Bedeutung war (dort finden regelmäßig offizielle Gedenkveranstaltungen statt) (vgl. Logan 2009, S. 187). 58 | Die Grausamkeiten der französischen Kolonialherren sind gegenwärtig nur noch zu erahnen - rekonstruierte Zelle im „Hoa-Lo-Gefängnis“ in Hanoi (Vietnam). Allerdings verfügt das „Hoa-Lo-Gefängnis“ über eine zweite historische Bedeutungsebene, da es im Jahr 1955 von dem kommunistischen System übernommen wurde. Während des Vietnamkriegs waren im „Hanoi Hilton“ (so der Spitzname) zahlreiche abgeschossene USamerikanische Piloten inhaftiert, die später über die brutale Behandlung durch das vietnamesische Wachpersonal berichteten - darunter auch der spätere Senator John McCain (dessen angebliche Kampfausstattung dort präsentiert wird). Mit der Normalisierung der Beziehungen zu den USA, der wirtschaftlichen Öffnung des Landes und der wachsenden Bedeutung des internationalen Tourismus stand die Museumsleitung vor der Herausforderung, diesen Widerspruch zwischen erlittener Pein und verursachtem Leid miteinander in Einklang zu bringen. Um die ausländischen Touristen (spe- 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 146 03.02.2021 11: 50: 52 <?page no="147"?> Ehemalige Gefängnisse 147 ziell aus den USA und Frankreich) nicht unnötig zu verschrecken und zu provozieren, wird den Besuchern in dem neu gestalteten Museum eine weitgehend bereinigte Form der brutalen Ereignisse präsentiert, die dort stattgefunden haben. Statt der düster-bedrückenden Atmosphäre der Vergangenheit herrscht nun ein sauberes, leicht zu konsumierendes Heritage-Ambiente (in dem vor allem die Haftbedingungen der US-amerikanischen Kriegsgefangenen - im Vergleich zum Elend vietnamesischer Insassen unter dem französischen Regime - recht positiv dargestellt werden). Diese Form der Dekontextualisierung und Internationalisierung geschichtlicher Ereignisse ist auch an anderen Schauplätzen des Vietnamkriegs zu beobachten - z. B. im „Vietcong-Park“ (vgl. Sutherland 2005, S. 159) (→ 4.3). „Ich bin so froh, dass ich das Hoa-Lo-Gefängnis besucht habe. Ich lernte so viel über die politische Bewegung der Gefangenen gegen die grausamen französischen Kolonisten in Richtung Unabhängigkeit und war so traurig über ihre Behandlung während dieser vietnamesischen Geschichte.“ Bewertung des „Hoa-Lo-Gefängnisses“ bei TripAdvisor Per Mausklick durch einen Ort der Unterdrückung - die Computersimulation des „Saydnaya-Gefängnisses“ bei Damaskus (Syrien) Das Gedenken an das Leid politischer Gefangener findet inzwischen jedoch nicht nur in ehemaligen Haftanstalten statt, sondern auch im Internet: Im April 2016 haben sich Mitarbeiter von „Amnesty International“ und der Forschungsgruppe „Forensic Architecture“ der Universität London mit Überlebenden des „Saydnaya-Gefängnisses“ bei Damaskus getroffen, in dem mehrere Tausend Zivilisten gefoltert und hingerichtet worden sind. Auf der Grundlage ihrer Aussagen wurden die Gebäude und einige Räume virtuell rekonstruiert (mit vergitterten Fenstern, Pritschen und Blutflecken). Außerdem sorgen Soundeffekte dafür, dass die User eine realistische Vorstellung der schrecklichen Atmosphäre erhalten - z. B. knarrende Türen, Schritte, Gemurmel und peitschenähnliche Geräusche, die Assoziationen von Misshandlungen hervorrufen (vgl. Hänßler 2017; www.saydnaya.amnesty.org). Bei der Mehrzahl der (analogen) Gefängnismuseen handelt es sich jedoch nicht um nationale Gedenkstätten, die an eine historische Periode der Unterdrückung und des Widerstands erinnern, sondern einfach nur um funktionslos gewordene Haftanstalten, in denen den Besuchern ein Zutritt zu einer bislang hermetisch verschlossenen Welt gewährt wird. Trotz ihres Anspruchs, scheinbar sachgerecht über die früheren Haftbedingungen zu informieren, haben jedoch auch diese Einrichtungen einen eminent politischen Charakter: Durch ihr Narrativ und ihre Exponate tragen sie eher zu einer Legitimierung des gegenwärtigen Strafvollzugssystems bei als zu einer kritischen Reflexion über die Sinn- und Zweckhaftigkeit von Haftstrafen. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 147 03.02.2021 11: 50: 52 <?page no="148"?> 148 Tourism NOW : Dark Tourism 7.2 Information, Legitimation, Affirmation - die gesellschaftlichen Funktionen von Gefängnismuseen „Great day out“ - so hat eine Besucherin ihre Eindrücke nach dem Besuch des „Peterhead Prison Museum“ in Schottland bei Google zusammengefasst. Erstaunlicherweise spielen in den Bewertungen vor allem das freundliche Personal, das gute Café und die praktischen Audioguides eine zentrale Rolle (und der Tipp, sich warm anzuziehen). Hingegen finden sich nur recht allgemeine Aussagen zu den traurigen und dramatischen Ereignissen, die in dem Gefängnis seit seiner Eröffnung (1888) bis zu seiner Schließung (2013) stattgefunden haben. An diesem Beispiel wird deutlich, dass viele Gefängnismuseen nicht als besonders „dunkle“ Attraktionen wahrgenommen werden, die bei den Touristen tiefe Emotionen wie Schaudern und Entsetzen, Mitgefühl und Trauer auslösen. Stattdessen gelten sie offensichtlich nur als eine von vielen kulturellen Sehenswürdigkeiten (Heritage), die als mögliche Ziele eines Tagesausflugs oder einer Urlaubsreise in Betracht gezogen werden. In einer empirischen Studie im „Old Melbourne Gaol“ (Australien) gaben z. B. 45 Prozent der Befragten „Erholung“ als Besuchsmotiv an und jeweils 27 Prozent nannten „Bildung“ bzw. „Interesse an australischer Geschichte“ als Gründe (vgl. Smith 2017, S. 771). Angesichts der Konkurrenzsituation, in der sich Gefängnismuseen befinden, müssen sie den potenziellen Besuchern also ihre Einzigartigkeit signalisieren und ein besonderes Erlebnis versprechen. Zu den gängigen Werbebotschaften gehört z. B. der exklusive, „authentische“ Blick in eine ansonsten verschlossene und geheimnisvolle Welt. Einige Museen nutzen auch Superlative, um sich von anderen Attraktionen abzugrenzen. So firmiert das „Peterhead Prison Museum“ unter dem eingängigen Slogan „Härtestes Gefängnis von Schottland“ und das „Huron County Museum and Historical Gaol“ in Goderich (Ontario) wirbt damit, dass dort im Jahr 1869 die letzte öffentliche Hinrichtung durch den Strang in Kanada stattgefunden hat (vgl. Ross 2017, S. 957-958; Luscombe/ Walby/ Piché 2018, S. 352). Dabei weisen die Gefängnismuseen in der Regel ein vergleichbares Inventar an Räumen und Exponaten auf. Im schottischen „Peterhead Prison Museum“ werden den Besuchern z. B. folgende Einrichtungen und Gegenstände gezeigt (vgl. Ironside 2018; www.peterheadprisonmuseum.com): unterschiedliche Gefängniszellen aus mehreren Phasen des Strafvollzugs (um den zunehmenden Komfort zu vermitteln), besondere Strafzellen (Isolations- und Dunkelzelle etc.), Zellen, in denen berüchtigte Verurteilte inhaftiert waren, Sanitäreinrichtungen (Duschräume, Toiletten etc.), Gemeinschaftsräume (Küche, Kantine, Raum für Freizeitaktivitäten aus jüngerer Zeit etc.), Funktionsräume (Verhörraum, Besuchsraum, Zimmer des Direktors, Apotheke, Wäscherei etc.), Quartiere des Wachpersonals, ummauerter und umzäunter Sportplatz im Außenbereich, Waffen zum Schutz des Wachpersonals und Werkzeuge zur Bestrafung von renitenten Gefangenen (Hand- und Fußfesseln, Pistolen, Peitschen, Schlagstöcke etc.), besondere Ereignisse (Ausbruchsversuche, Gefangenenaufstände etc.). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 148 03.02.2021 11: 50: 52 <?page no="149"?> Ehemalige Gefängnisse 149 Das Gefängnis als Erlebniswelt - das „Het Nationaal Gevangenismuseum“ in Veenhuizen (Niederlande) „Wer am unteren Ende der Gesellschaft lebte, wurde hier (um-)erzogen, lernte zu arbeiten oder saß eine Strafe ab. Im Gefängnismuseum können Sie diese außergewöhnliche Vergangenheit erleben. Gehen Sie an Bord des Kahns und begeben Sie sich auf die lange Bootstour, auf der Waisenkinder und Landstreicher nach Veenhuizen kamen. Sehen Sie sich in der Wohnung eines Beamten um, spielen Sie das interaktive Waisen-Spiel, schlafen Sie in einer Schlafkoje, fertigen Sie Ihr eigenes Fahndungsplakat an oder bestaunen Sie den Sarg eines Gefangenen … gruselig! “ www.gevangenismuseum.nl/ de Mehrere Studien haben sich mit dem einseitigen und verzerrten Bild auseinandergesetzt, das den Besuchern in den Gefängnismuseen vermittelt wird (wie übrigens auch auf den Websites der Einrichtungen). Im Mittelpunkt der Kritik stehen dabei vor allem die selektiven Inhalte und effekthaschenden Präsentationsformen, die überwiegend auf vergnügliche Grusel- und Schreckmomente setzen und den gesellschaftlichen Kontext von Schuld und Strafe vernachlässigen (vgl. Mendenhall 2010; Welch 2015, S. 3; Chen u. a. 2016): Im „West Virginia Penitentiary“ in Moundsville (West Virginia) fand z. B. lange Zeit ein zynisches und beschämendes Spektakel statt. Dort wurde die letzte öffentliche Hinrichtung eines Häftlings am Galgen realitätsgetreu simuliert. Dazu löste der Guide während der Führung plötzlich einen Mechanismus aus und eine lebensgroße Puppe stürzte von einem Balken in die Tiefe. Im „Clink Prison Museum“ (London) können die Gäste ihren Kopf auf die Richtbank legen (auf der die Todeskandidaten früher vom Henker mit dem Beil exekutiert wurden) und sich dort zur Erinnerung an ihren Besuch fotografieren lassen. Häufig werden die Besucher für kurze Zeit in eine (Dunkel-)Zelle eingeschlossen, um ihnen die klaustrophobische Erfahrung der vollständigen Isolation anschaulich zu vermitteln. Auch diese Praxis dient letztlich dem oberflächlichen Entertainment, da sich die Gäste nach wenigen Minuten wieder frei bewegen können und dort nicht - wie die Häftlinge - für Tage, Monate oder Jahre gefangen gehalten werden. Die Kritik an Gefängnismuseen bezieht sich jedoch auch auf das stereotype Framing - speziell die Auswahl der Informationen und der Exponate. In der Regel nimmt die Würdigung des Wachpersonals einen breiten Raum in den Stories und Ausstellungen ein. Mit Hilfe zahlreicher Exponate wie Uniformen, Ehrenmedaillen und (Familien-)Fotos werden die Gefängniswärter als pflichtbewusste, tapfere und altruistische Menschen dargestellt, die einen wichtigen und risikoreichen Dienst an der Gesellschaft geleistet haben (dieses Bild steht jedoch in krassem Gegensatz zu Berichten und Aufzeichnungen von Gefangenen, in denen die Wärter oft als korrupt, gewalttätig bzw. sadistisch beschrieben werden). In speziellen Vitrinen oder auf Gedenktafeln wird häufig an Aufseher erinnert, die im Dienst verletzt wurden oder sogar ihr Leben gelassen haben (z. B. bei Geiselnahmen oder Gefangenenrevolten). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 149 03.02.2021 11: 50: 53 <?page no="150"?> 150 Tourism NOW : Dark Tourism 59 | Ein ehrenvolles Gedenken - nicht an tapfere Soldaten, die im Krieg gefallen sind, sondern an „treue und hingebungsvolle“ Wärter. Während die Häftlinge als anonyme Masse gefährlicher Verbrecher dargestellt werden, erfahren verdiente Angehörige des Wachpersonals eine besondere Ehrung (z. B. im „West Virginia Penitentiary“ in Moundsville/ West Virginia). Zugleich findet bei den Führungen häufig eine Dämonisierung der Häftlinge statt. Im Mittelpunkt der Erläuterungen stehen zumeist berühmt-berüchtigte Insassen, die für schreckliche Verbrechen, ein aufsässiges Verhalten bzw. vergebliche oder erfolgreiche Fluchtversuche bekannt waren (vgl. Smith 2017, S. 768-769; Rodgers 2016, S. 118; Ferguson/ Walby/ Piché 2016 zu unterschiedlichen Typen von Museumsführern): Im „Old Melbourne Gaol“ (Australien) können die Gäste z. B. Replika der Waffen und der Totenmaske des legendären Bushrangers Ned Kelly besichtigen. Außerdem bietet das Museum immer wieder Reenactments seines Gerichtsverfahrens an, in die auch Besucher einbezogen werden. Um über solche spektakulären Exponate zu verfügen, stellen einige kanadische Museen sogar die Steckbriefe bekannter Schwerverbrecher aus, die dort überhaupt nicht inhaftiert waren. Außerdem dient die Präsentation von Kassibern sowie selbstgebauten Waffen (Messer, Pistolen etc.) und Ausbruchswerkzeugen (Sägen, Feilen etc.) dazu, die Unberechenbarkeit, Gefährlichkeit und Brutalität der Insassen eindrucksvoll zu verdeutlichen. Diese Utensilien werden im musealen Kontext von Gebrauchsgegenständen zu Semiophoren - also zu Symbolen für die ständige Bedrohung, der das Wachpersonal und letztlich auch die Gesellschaft ausgesetzt war. Allerdings wird nicht darauf hingewiesen, dass es unter den Häftlingen weitaus mehr Selbstverletzungen und Suizidversuche gab als Morde und Fluchtversuche (vgl. Welch/ Macuare 2011, S. 416). Parallel zur Konzentration auf besonders gewalttätige Knast-Celebrities ist eine weitgehende Anonymisierung der übrigen Insassen zu beobachten. Sie werden als marginalisierte, namen- und gesichtslose „Andere“ dargestellt, die gegen Gesetze verstoßen haben, und die Besucher erhalten zumeist keine Informationen über die Lebensumstände vor der Tat, die Handlungsmotive und eine eventuelle Reue (vgl. Jarvis 2018, S. 130). Dabei wird nicht erwähnt, dass die Mehrzahl der Insassen nicht wegen schwerer Verbrechen wie Mord, Tot- 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 150 03.02.2021 11: 50: 53 <?page no="151"?> Ehemalige Gefängnisse 151 schlag etc. inhaftiert war, sondern wegen kleiner Delikte. Im 19. Jahrhundert führte z. B. der Diebstahl von Brot, Eiern etc. in England und Irland zu einer Verurteilung bzw. sogar zu einer Deportation in die damalige Strafkolonie Australien (auch gegenwärtig verbüßen weniger als fünf Prozent der Häftlinge in deutschen Justizvollzugsanstalten eine lebenslange Freiheitsstrafe) (vgl. Reiser/ Wells 2012). 60 | „Alle sind gleich, doch einige sind gleicher? “ Im „Eastern State Penitentiary“ wurde den Besuchern lange Zeit diese rekonstruierte Zelle des legendären Gangsters Al Capone präsentiert, obwohl sie tatsächlich weitaus bescheidener möbliert war und er sie mit einem Mithäftling teilen musste. Solche spektakulären Exponate dienen zum einen dazu, die Erwartungshaltung der Gäste zu erfüllen. Zum anderen lenken sie die Aufmerksamkeit auf die Celebrities unter den Insassen, während das Schicksal der anderen Strafgefangenen in den Hintergrund rückt. Die negative Darstellung der Häftlinge endet nicht mit deren Tod: So ist es bei Gefängnisführungen durchaus üblich, haarsträubende Geschichten über die Geister hingerichteter Verbrecher zu erzählen, die angeblich immer wieder gesehen oder gehört worden sind. Häufig finden auch spezielle Gruselführungen und Horrorevents statt (z. B. anlässlich von Halloween); die dadurch erzielten zusätzlichen Einnahmen leisten einen wesentlichen Beitrag zum Budget der Museen. Auf diese Weise werden die Insassen, die hier einen Teil ihres Lebens unter eintönigen bzw. schrecklichen Bedingungen verbringen mussten, noch nachträglich ihrer menschlichen Würde beraubt und - wie in einer Geisterbahn auf dem Jahrmarkt - als unheimliche und zugleich unterhaltsame Horrorgestalten präsentiert (vgl. Barton/ Brown 2015, S. 30-31; McCreery 2015, S. 75). „Der Zellblock 12 im „Eastern State Penitentiary“ ist für Gelächter und Echos bekannt. Zellblock 6 ist bekannt für Schatten, welche sich an der Wand lang bewegen, Zellblock 4 für Gesichter, die plötzlich an den Wänden auftauchten und auch verschwanden. Außerdem gab es viele Erzählungen über den Geist einer Wache, die sich in einem der Wachtürme aufhielt, oder von Fußstapfen, welche einfach plötzlich da waren“. www.horrorfakten.com/ the-eastern-state-penitentiary 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 151 03.02.2021 11: 50: 54 <?page no="152"?> 152 Tourism NOW : Dark Tourism Um die medial geprägten Erwartungen der Gäste adäquat erfüllen zu können, schaffen die Verantwortlichen mit Hilfe dieser Techniken also morbide und gruselige Erlebniswelten, in denen die politischen und sozialen, moralischen und menschlichen Dimensionen des Strafvollzugs weitgehend ausgeblendet werden. Damit ähneln sie den Geister-, Gespenster- und Gruselführungen in Burgen und Städten sowie den Gruselerlebniswelten „Dungeons“, die der Unterhaltungskonzern „Merlin Entertainments PLC“ als familienfreundliche Attraktionen weltweit in mehreren Metropolen betreibt (→ 8.1; → 8.2). Zugleich nutzen die Gefängnisse dieses „dunkle“ kulturelle Erbe als Einnahmequelle. Neben dem Verkauf von Tickets spielt dabei - wie in den Freizeit- und Themenparks - der Vertrieb von Souvenirs in den Museumshops eine wichtige Rolle. Das Angebot des „Texas Prison Museum“ in Huntsville (Texas) umfasst z. B. Signature Products wie Schlüsselanhänger, Gürtelschnallen, Lederhüllen für Bibeln und Pistolenhalfter (sic! ), die von Insassen in aktiven Haftanstalten hergestellt werden. Die gesellschaftliche Wirkung von Gefängnismuseen geht jedoch weit über ihre Funktion als touristische Sehenswürdigkeiten hinaus. Die oberflächliche und verzerrte Präsentation ermöglicht den Besuchern, eine weitgehend teilnahmslose, voyeuristische Perspektive einzunehmen. Dadurch wird aber eine emotionale und soziale Distanz zu den verurteilten Straftätern geschaffen, die nicht nur jegliche Form der Empathie und des Mitleids erschwert, sondern sogar Reaktionen wie Genugtuung und Schadenfreude auslösen kann. Da die Museen den Sinn, die Kosten und die Effekte von Sanktionen nicht thematisieren (z. B. die unter Experten umstrittene Frage der Resozialisierung), dienen sie indirekt einer Legitimation des bestehenden staatlichen Strafvollzugswesens (vgl. Ferguson u. a. 2014, S. 85; Ross 2015, S. 400; Piché/ Ferguson/ Walby 2019, S. 111). „Sehr interessante Exponate, da freut man sich, ein anständiger Bürger in Freiheit zu sein. Auch für Kinder sicherlich ein schaurig-schöner Besuch, wo sonst kann man zum Beispiel eine Guillotine hautnah besichtigen.“ Bewertung des „Strafvollzugsmuseums“ in Ludwigsburg bei TripAdvisor Eine wesentliche Methode der Affirmation ist der Vergleich zwischen den früheren und den aktuellen Haftbedingungen. In den Gefängnismuseen wird jeweils ein nostalgisches und zugleich abschreckendes Bild der Vergangenheit gezeichnet - mit dunklen Zellen, klobigen Hand- und Fußfesseln sowie hölzernen Prügelböcken. Vor diesem historischen Hintergrund erscheinen die Haftbedingungen der Gegenwart, die auf Informationstafeln oder bei Führungen erläutert werden, wesentlich fortschrittlicher und menschlicher - z. B. die Unterbringung in modernen Neubauten, die Grundvergütung für geleistete Arbeiten, die häufigen Besuchsmöglichkeiten sowie die Weiterbildungs-, Sport- und Freizeitangebote etc. Mit dieser Relativierung tragen die Gefängnismuseen aber dazu bei, dass die Gäste in ihrem konservativen Rechtsverständnis bestätigt werden und die aktuellen Strafmaßnahmen kritik- und vorbehaltlos akzeptieren (vgl. Barton/ Brown 2015, S. 6; Chen u. a. 2016, S. 32). Ein Symbol dieses kulturell-technischen Wandels ist der elektrische Stuhl, der in den USA erstmals im Jahr 1889 zur Hinrichtung eines Häftlings eingesetzt wurde. Im Vergleich zum - bis dahin üblichen - Tod durch den Strang galt diese Art der Exekution damals als effizienter und zivilisierter. Seitdem haben zahlreiche Berichte über die grausamen Details von Hinrichtungen auf dem elektrischen Stuhl dazu geführt, dass die Methode in der USamerikanischen Öffentlichkeit zunehmend umstritten ist. Inzwischen wurde sie in der 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 152 03.02.2021 11: 50: 54 <?page no="153"?> Ehemalige Gefängnisse 153 Mehrzahl der Bundesstaaten für verfassungswidrig erklärt und abgeschafft (seit 2000 sind nur bei 14 von ca. 900 Hinrichtungen noch elektrische Stühle verwendet worden). Die wenigen Exemplare, die in Gefängnismuseen präsentiert werden, dienen deshalb als abstoßende Relikte einer unmenschlich erscheinenden, weitgehend überwundenen Phase des Strafvollzugs (gleichwohl befürwortet mehr als die Hälfte der US-Bürger weiterhin die Todesstrafe, die nun mit der - angeblich humaneren - Giftspitze vollzogen wird). 61 | Das Gefängnis als makabrer Ort der Konfrontation mit dem Tod - auf diesem elektrischen Stuhl („Old Sparky“), der im „Texas Prison Museum“ in Huntsville (Texas) steht, sind 361 Häftlinge hingerichtet worden. Obwohl bereits viele Gefängnismuseen große Gemeinsamkeiten mit herkömmlichen Freizeit- und Unterhaltungseinrichtungen aufweisen, gibt es einige Beispiele für eine noch weitreichendere Trivialisierung und Kommerzialisierung ehemaliger Haftanstalten. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 153 03.02.2021 11: 50: 54 <?page no="154"?> 154 Tourism NOW : Dark Tourism 7.3 Entertainment , Storytelling , Merchandising - ehemalige Gefängnisse als hyperreale Orte 62 | Längst eine Ikone der Populärkultur - die Gefängnisinsel Alcatraz in der Bucht von San Francisco ist weit mehr als nur ein ehemaliges Zuchthaus. Ihr Mythos als „Hellcatraz“ basiert auf dramatischen Geschichten über unmenschliche Haftbedingungen, berüchtigte Insassen und spektakuläre Ausbruchsversuche, die den Stoff für zahlreiche Hollywood- Blockbuster lieferten. „Bad guys make good entertainment” - mit diesem Erfolgsrezept hat die internationale Unterhaltungsbranche seit den 1930er-Jahren zunächst das Lese- und Kinopublikum und später auch die Fernsehzuschauer gewinnbringend unterhalten. Inzwischen gehören Krimi-, Detektiv- und Forensik-Serien sowie Justizdramen zum Standardangebot der TV-Sender, Streaming-Dienste etc. und verzeichnen hohe Einschaltquoten bzw. Aufrufzahlen (vgl. Cecil 2015, S. 1-2). Zu diesem Genre gehören zahlreiche Spielfilme und TV-Serien, die in Gefängnissen spielen; als bekannte Beispiele sind u. a. zu nennen: „Papillon“ (Franklin J. Schaffner; 1973), „Die Verurteilten“ (Frank Darabont; 1994), „Dead Man Walking - Sein letzter Gang“ (Tim Robbins; 1995), „The Green Mile“ (Frank Darabont; 1999), „Oz - Hölle hinter Gittern“ (HBO; 1997-2003), „Orange is the New Black“ (Netflix; seit 2013). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 154 03.02.2021 11: 50: 55 <?page no="155"?> Ehemalige Gefängnisse 155 Solche fiktionalen Werke sind - neben wenigen Dokumentationen oder Zeitungsartikeln - die einzigen Informationsquellen über den Alltag in Gefängnissen, da nur ein geringer Teil der Zuschauer über eigene Hafterfahrungen verfügt bzw. dort einmal Familienangehörige, Freunde, Bekannte etc. besucht hat. Auch wenn sich diese Produktionen hinsichtlich ihres Realitätsgehalts voneinander unterscheiden, ist erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass sie überwiegend ein unzutreffendes und verzerrtes Bild zeichnen. Um den Wunsch des Publikums nach spannender Unterhaltung zu erfüllen, stehen z. B. häufig spektakuläre Fluchtversuche von Häftlingen, brutale Konflikte zwischen Gefangenen, gewaltsame Aufstände gegen das Wachpersonal oder sadistische Misshandlungen durch einzelne Wärter im Mittelpunkt der Handlung (vgl. Ross 2015, S. 403). 63 | Unser Wissen über das Leben in Haftanstalten basiert überwiegend auf fiktionalen Film- und TV- Produktionen - z. B. der populären Serie „Orange is the New Black“, die seit 2013 vom Streaming-Anbieter „Netflix“ in sieben Staffeln veröffentlicht worden ist. Diese klischeeartigen Vorstellungen bestimmen generell die Erwartungen von Gefängnistouristen und damit auch das Narrativ vieler Gefängnismuseen, die abenteuerliche Stories und makabre Exponate dazu nutzen, die Sensationslust und den Voyeurismus der Besucher zu bedienen. In einigen Fällen haben die medial vermittelten Inhalte, Zeichen und Symbole die realen Eindrücke und Erfahrungen derart überlagert, dass sich die beiden Ebenen nicht mehr voneinander unterscheiden lassen. Sie sind zu einem Gesamteindruck verschmolzen, der eine neue Form von fantastischer Realität darstellt - eine Hyperrealität im Sinne des französischen Philosophen Jean Baudrillard (vgl. Mendenhall 2010, S. 3-4). Das bekannteste Beispiel eines hyperrealen Gefängnismuseums ist sicherlich die ehemalige Hochsicherheitshaftanstalt Alcatraz, die - weithin sichtbar - auf einer Insel in der Bucht von San Francisco liegt und nur per Schiff zu erreichen ist. Seit 1972 gehört sie zur „Golden Gate National Recreation Area“, und als das ehemalige Gefängnis ein Jahr später für Besucher geöffnet wurde, gingen die Verantwortlichen zunächst davon aus, dass das öffentliche Interesse nach wenigen Jahren abflauen würde. Um den Besuchern überhaupt etwas bieten 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 155 03.02.2021 11: 50: 55 <?page no="156"?> 156 Tourism NOW : Dark Tourism zu können, wurden die Zellen zunächst provisorisch mit Utensilien ausgestattet, die teilweise aus anderen Gefängnissen oder sogar aus dem Fundus von Spielfilmen stammten, die dort gedreht worden waren (Häftlingskleidung, Betten etc.). Erst im Jahr 2007 begann der zuständige „National Park Service“, die Räumlichkeiten und Haftbedingungen historisch korrekt zu rekonstruieren und wählte dabei aus konservatorischen Gründen das Jahr 1961 als Bezugsdatum (sicherlich ist vielen Besuchern nicht bewusst, dass berühmt-berüchtigte Häftlinge wie Al Capone oder Machine Gun Kelly, die zum anhaltenden Mythos des Gefängnisses beigetragen haben, damals bereits lange verstorben waren) (vgl. Jacobs 2014, S. 5). Entgegen aller Erwartungen hat sich Alcatraz zu einer äußerst populären Touristenattraktion an der US-amerikanischen Westküste entwickelt: Die Insel verzeichnet jährlich ca. 1,4 Millionen Besucher und rangiert bei TripAdvisor auf Rang 1 von 794 Aktivitäten in San Francisco. Um den enormen Andrang von Touristen bewältigen zu können, wurden die bis dahin üblichen Gästeführungen bereits Ende der 1980er-Jahre eingestellt und durch Self- Guided Audio-Touren ersetzt (gegenwärtig in elf Sprachen). Die Erfolgsgeschichte von Alcatraz basiert zum einen auf den zahlreichen Legenden, die sich um das Gefängnis und dessen Insassen ranken - speziell die besonders brutalen Verbrecher, die dort ihre Strafe absitzen mussten („Worst of the Worst“), sowie die vergeblichen Fluchtversuche aus der ausbruchssicheren Haftanstalt (erst vor kurzem sorgte allerdings ein Brief für Aufsehen, in dem ein ehemaliger Häftling behauptete, die Flucht durch die kalte und strömungsreiche Bucht von San Francisco überlebt zu haben). Zum anderen ist die enorme Popularität aber auf mehrere Hollywood-Produktionen zurückzuführen, die in den vergangenen Jahrzehnten weltweit ein Millionenpublikum erreicht haben; dazu zählen u. a.: „Der Gefangene von Alcatraz/ Birdman of Alcatraz“ (John Frankenheimer; 1962), „Point Blank“ (John Boorman; 1967), „Am Rand der Hölle/ Six against the Rock“ (Paul Wendkos; 1987), „Flucht von Alcatraz/ Escapes from Alcatraz“ (Don Siegel; 1979), „Lebenslang Alcatraz/ Murder in the First“ (Marc Rocco; 1995), „The Rock - Fels der Entscheidung“ (Michael Bay; 1996). Mit ihren kraftvollen Characters und berührenden Geschichten, eindrucksvollen Bildern und wuchtigen Soundtracks haben sie dafür gesorgt, dass Alcatraz von den Besuchern nicht mehr nur als ehemalige Gefängnisinsel, sondern vor allem auch als vertraute Filmkulisse wahrgenommen wird. Dieser scheuklappenartige Blick engt die Wahrnehmung der Gäste ein und blendet die mehrschichtige Realität weitgehend aus (vgl. Strange/ Kempa 2003, S. 391): Das vielfältige Ökosystem und speziell die artenreiche Vogelwelt der Insel stehen z. B. völlig im Schatten der berührenden Geschichte des „Birdman of Alcatraz“ - des Gewaltverbrechers Robert Stroud, der wegen Mordes mehr als 50 Jahre inhaftiert war und sich in dieser Zeit zu einem bekannten Ornithologen entwickelte (im gleichnamigen Film wird er von Burt Lancaster als sympathischer älterer Mann dargestellt, obwohl er sogar noch während seiner Haftzeit einen Wärter erstochen hat). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 156 03.02.2021 11: 50: 55 <?page no="157"?> Ehemalige Gefängnisse 157 Wenig Beachtung findet auch das Schicksal der Indianerstämme, die dort lange Zeit gelebt hatten, bevor Alcatraz Mitte des 19. Jahrhunderts vom US-amerikanischen Militär zu einem Fort ausgebaut wurde. Einige Jahre nach der Schließung des Gefängnisses (1963) kam es deshalb zu einer mehrmonatigen Besetzung des Eilands durch indianische Aktivisten, die damit ihre Nutzungsansprüche reklamierten und den Bau eines Kulturzentrums forderten - allerdings ohne Erfolg. Selbst wenn die Ranger des „National Park Service“ versuchen, die Besucher sachgerecht, umfassend und differenziert über die komplexe Geschichte von Alcatraz zu informieren, so sorgen die Souvenirgeschäfte an der Fisherman’s Wharf in San Francisco (dem Abfahrtsort der Fähren) für eine exzessive Trivialisierung - u. a. durch den Verkauf von Schlüsselanhängern in Form von Handschellen und Zellenschlüsseln oder T-Shirts und Kaffeebechern mit Aufdrucken wie „Escapes from Alcatraz“, „Property of Alcatraz“ und „Alcatraz Swim Team“. „The Rock is less an island in these commercial streams than a high marketable brand name.“ Strange/ Kempa 2003, S. 399 64 | Das Polizeifoto als banaler Gag - für die Besucher von Gefängnismuseen ist es nur ein schönes Souvenir (z. B. nach dem Besuch des „Old Melbourne Gaol“). Für die früheren Insassen war es bitterer Ernst, da es den Beginn einer Haftstrafe markierte, die häufig lebenslange Konsequenzen hatte. Mancherorts dreht sich die Spirale der Kommerzialisierung noch weiter in Richtung Spektakel und Sensationslust - wie bei funktionslosen Gefängnissen, die nicht in Museen, sondern in (Luxus-)Hotels umgewandelt worden sind; als Beispiel sind u. a. zu nennen: 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 157 03.02.2021 11: 50: 56 <?page no="158"?> 158 Tourism NOW : Dark Tourism Designhotel „Liberty“, Offenburg, „Het Arresthuis“, Roermond (Niederlande), „Malmaison“, Oxford, „Best Western Premier Katajanokka“, Helsinki, „Four Seasons Sultanahmet”, Istanbul, „The Liberty“, Boston. In diesen Häusern findet eine Enthistorisierung und Dekontextualisierung der früheren Funktionen, Geschehnisse und Schicksale statt. Die Geschichte der Gebäude und Insassen dient allenfalls als Fundus, aus denen eine Melange aus Symbolen und Texten kreiert wird - z. B. durch die Nutzung architektonischer Besonderheiten (alte Zellentüren, Gitter vor den Fenstern etc.), eine ironische Namensgebung der Restaurants („Wasser & Brot“, „Clink“ - nach einem historischen Gefängnis in London) oder die Verwendung flotter Slogans („Better than your average prison“). Von Hotels über Museen bis hin zu Gedenkstätten - ehemalige Gefängnisse werden also auf recht unterschiedliche Weise für den Tourismus inwertgesetzt. Angesichts dieser vielfältigen Nutzungsarten erweist sich eine genaue Positionsbestimmung im Spektrum des Dark Tourism als schwierig. Offensichtlich gibt es einige „dunklere“ Orte, die an das Leid politischer Häftlinge erinnern (Robben Island, „Hoa-Lo-Gefängnis“ etc.), aber auch deutlich „hellere“ Attraktionen wie die vielen Gefängnismuseen, die ihren Besuchern einen Mix aus sachlicher Information und gruseliger Unterhaltung bieten. Literatur zum Gefängnistourismus Rodgers, J. (2016): Prison Museums: Learning Punishment, Auckland (University of Auckland - Ph. D. Thesis) Vergleichende empirische Untersuchung zu drei Gefängnismuseen - dem „Fremantle Prison“ in Australien, dem „Eastern State Penitentiary“ in den USA sowie Robben Island in Südafrika (Narrative, soziodemographische Merkmale, Motive und Erfahrungen der Besucher, Selbstverständnis und Einstellungen der Beschäftigten etc.) Chen, A. u. a. (2016): Captive and Captor Representations at Canadian Penal History Museums. - In: Qualitative Sociological Review, XII/ 4, S. 22-42 Knapper, aber fundierter Artikel über die Ergebnisse einer umfangreichen Studie zu 45 kanadischen Gefängnismuseen - speziell zur unterschiedlichen Darstellung des Wachpersonals bzw. der Häftlinge (Individualisierung und Heroisierung bzw. Anonymisierung und Dämonisierung) 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 158 03.02.2021 11: 50: 56 <?page no="159"?> 8 Kommerzielle „dunkle“ Besucherangebote „Die Gespenster hausen nicht in alten Schlössern, sie stecken in uns selbst.“ Luigi Pirandello (1867-1936) 65 | Hinein in’s gruselige Vergnügen - seit mehr als 90 Jahren gehören Geisterbahnen zu den populären Attraktionen von Jahrmärkten und Volksfesten. Mit spektakulären Schreckgestalten und unheimlichen Licht- und Soundeffekten bieten sie den Fahrgästen die Möglichkeit, sich ohne jegliches Risiko in eine furchterregende Phantasiewelt versetzen zu lassen (und im Dunkeln zu knutschen). Inzwischen ist dieses Konzept einer kommerziellen Nutzung der Lust an der Angst von zahlreichen Unternehmen der Freizeit- und Reisebranche kopiert und variiert worden. Der Verkauf von „Alcatraz“-Souvenirs in San Francisco, das Reenactment der Schlacht von Waterloo oder der „Vietcong-Park“ in Vietnam - diese Beispiele zeigen, dass selbst an authentischen „dunklen“ Orten die originären Ziele des respektvollen Gedenkens bzw. der sachgerechten Information durch diverse Formen der Kommerzialisierung zunehmend trivialisiert werden (Events, Shops, Signature Products etc.). Vor diesem Hintergrund sind auch die Grenzen zu „dunklen“ Veranstaltungen und Einrichtungen recht fließend, die ausschließlich wirtschaftliche Interessen verfolgen. Die Verantwortlichen nutzen grausame historische Ereignisse und berührende menschliche Tragödien, (vermeintlich) paranormale Erscheinungen und makabre Sujets als Versatzstücke, um daraus marktfähige Produkte zu montieren; als Beispiele sind u. a. zu nennen: 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 159 03.02.2021 11: 50: 57 <?page no="160"?> 160 Tourism NOW : Dark Tourism Geister-, Gespenster- und Gruselführungen, bei denen „dunkle“ Orte, Geschehnisse und Persönlichkeiten im Mittelpunkt stehen (→ 8.1), Gruselerlebniswelten (Dark Fun Factories), die ihre Gäste mit Hilfe von multimedialen Techniken und Animateuren in Angst und Schrecken versetzen (→ 8.2), „dunkle“ Museen und Ausstellungen, in denen außergewöhnliche, verstörende und teilweise schockierende Exponate präsentiert werden - wie z. B. im „Torture Museum“ in Amsterdam oder in den „Körperwelten/ Body Worlds“-Ausstellungen des Anatoms Gunther von Hagens (→ 8.3). Zu den weiteren Akteuren in diesem Nischensegment gehören Städte und Regionen, Burgen und Schlösser, die auf ihre mythenumwobene Geschichte zurückgreifen, um sich als verwunschene Orte zu vermarkten und damit über ein Alleinstellungsmerkmal (Unique Selling Proposition) zu verfügen. Selbst der renommierte „National Trust“ hat auf seiner Website anschauliche Informationen zu den „most haunted houses“ in England, Wales und Nordirland zusammengestellt. Mit diesem geheimnisvollen Storytelling versucht die Organisation, auch ein jüngeres, erlebnisorientiertes Reisepublikum zu erreichen - schließlich ist die Besichtigung aristokratischer Herrenhäuser weitaus reizvoller, wenn dort jederzeit furchterregende Gestalten erscheinen können (vgl. Alvey 2017, S. 49). Aus Sicht der Nachfrager spielt die Authentizität der historischen Geschehnisse dabei nur eine nachgeordnete Rolle: Einige Hotels verdanken ihre „gespenstische“ Attraktivität ausschließlich der Tatsache, dass sie als Schauplätze von Romanen bzw. als Locations von Spielfilmen fungiert haben - z. B. das „The Stanley Hotel“ in Colorado, die „Timberline Lodge“ in Oregon oder das „Ettington Park Hotel“ in Warwickshire (vgl. Müller 2012; Grey 2018). 66 | Ein Hotel als „dunkler“ Ort - nur besonders mutige Gäste buchen das Zimmer 217 im „The Stanley Hotel“, denn dort soll es angeblich spuken (siehe das Anagramm „Redrum“ = „Murder“). Weltweite Bekanntheit erlangte die Suite durch den Roman „Shining“ von Stephen King und den gleichnamigen Film von Stanley Kubrick. Für die Besitzer erweist sich der Mythos als einträgliche Einnahmequelle: Trotz seines unheimlichen Rufs ist das Zimmer ständig ausgebucht und während der Hauptsaison nehmen täglich ca. 500 Besucher an Führungen durch das Hotel teil. Um sich erfolgreich auf dem Freizeit- und Reisemarkt zu positionieren, setzen die Anbieter vor allem bewährte Methoden der erlebnisorientierten Inszenierung ein, mit denen Schrecken, Leid und Tod - häufig unter Einbeziehung der Besucher - als finstere und zugleich unterhaltsame Spektakel präsentiert werden (aus diesem Grund bezweifeln auch manche Tourismusforscher, ob diese Angebote überhaupt unter dem Begriff des Dark Tourism zu subsumieren sind). Damit befriedigen sie offensichtlich das Bedürfnis vieler Nachfrager nach einer Begegnung mit dem Unheimlichen, Makabren und Spukhaften. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 160 03.02.2021 11: 50: 58 <?page no="161"?> Kommerzielle „dunkle“ Besucherangebote 161 Auf den ersten Blick handelt es sich bei dieser Begeisterung für Geister und Gespenster um ein unzeitgemäßes Phänomen, da Säkularisierung, Wissenschaft und Technik seit Ende des 18. Jahrhunderts in Europa zu einer „Entzauberung der Welt“ geführt haben (so der Ökonom und Soziologe Max Weber im Jahr 1917), in der kein Platz mehr zu sein scheint für das Okkulte und den Aberglauben. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass es in den aufgeklärten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften auch gegenwärtig noch zahlreiche Belege für den Glauben an übersinnliche Erscheinungen gibt (vgl. Dahlgreen 2014; Gentry/ Alderman 2015, S. 62; Ballard 2019; Rittichainuwat 2011 zu religiös bedingten Unterschieden zwischen westlichen und asiatischen Ländern): In Deutschland sind z. B. bestimmte Symbole und Rituale weit verbreitet, die Glück bringen oder vor Unheil schützen sollen - vom vierblättrigen Kleeblatt und der Sternschnuppe über den Kuckucksruf und den Schornsteinfeger bis hin zur Christophorus- Medaille im Auto und der fehlenden Reihe 13 in den Flugzeugen der „Lufthansa“. In den USA ist eine empirische Untersuchung zu dem Resultat gekommen, dass 22 Prozent der Befragten fest an die Existenz von Dämonen glauben und jeder Achte konnte sich „definitiv“ bzw. „möglicherweise“ vorstellen, dass Vampire nachts ihr Unwesen treiben (diese Überzeugungen werden überdurchschnittlich häufig von Anhängern der Republikanischen Partei vertreten). Und bei den Ghost Tours in Savannah (Georgia) hofften 20-25 Prozent der Teilnehmer, tatsächlich Geister zu sehen. In Großbritannien hat sich Oscar Wilde in seiner Erzählung „Das Gespenst von Canterville“ bereits im Jahr 1887 satirisch mit der romantischen Begeisterung für das Paranormale auseinandergesetzt. Gegenwärtig sind dort 34 Prozent der Bevölkerung (vor allem Frauen und junge Erwachsene) der Meinung, dass die Welt von Geistern, Gespenstern und anderen transzendenten Gestalten bevölkert ist. Ein indirekter Indikator für die ungebrochene Faszination der Magie ist auch der Kult um die Romanfigur „Harry Potter“ von Joanne K. Rowling: Weltweit sind ca. 500 Millionen Exemplare der Buchreihe verkauft worden und die Spielfilme haben für einen Umsatz in Höhe von schätzungsweise 7,7 Milliarden Euro gesorgt. Anhand dieser wenigen Beispiele lassen sich die enormen Dimensionen des Nachfragepotenzials grob umreißen, dessen touristische Nutzung im Folgenden anhand der drei erwähnten Angebotstypen exemplarisch erläutert wird. 8.1 Geister-, Gespenster- und Gruseltouren - die vergnügliche Begegnung mit dem Übersinnlichen „Erleben Sie Stadtgeschichte in einem spukigen Gewand! Auf unseren Führungen erzählen wir Stuttgarter Sagen und Legenden in ihrem wahren historischen Zusammenhang und entführen Sie in die düstere Vergangenheit der Stadt“ - mit dieser Ankündigung wirbt das Unternehmen „Stuttgarter Geister“ für seine abendlichen Stadtrundgänge. Die Führungen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt, die allgemein nicht als Hot Spot des Grauens gilt, sind nur ein Beispiel für die wachsende Popularität von Geister-, Gespenster- und Gruseltouren, die weltweit in zahlreichen Destinationen organisiert werden - von London und Prag über Amsterdam und Córdoba bis Bandung (Indonesien) und Kyoto (Japan). Als Vorreiter gilt dabei die englische Stadt York, in der zum ersten Mal im Jahr 1973 ein 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 161 03.02.2021 11: 50: 58 <?page no="162"?> 162 Tourism NOW : Dark Tourism Ghost Walk stattfand (vgl. Rahmawati 2016; De Antoni 2017; á o as ar a ; Weston u. a. 2019, S. 36). In der Regel handelt es sich dabei um touristische Zusatzprodukte, die nicht in einen umfassenden thematischen Kontext eingebettet sind und von den Zielgebieten auch nicht als Instrumente der Markenbildung (Branding) genutzt werden. Sie tragen allenfalls zu einer Verbreiterung und Differenzierung der Angebotspalette bei, die früher ausschließlich aus klassischen Busrundfahrten und Übersichtsführungen bestand. Seit einigen Jahrzehnten ist jedoch eine große Vielfalt an unterschiedlichen Inhalten und Vermittlungsformen zu beobachten; dazu zählen u. a. (vgl. Steinecke 2007, S. 302-304): Themenführungen - z. B. zu besonderen Lokalitäten (Katakomben, Kanalisation etc.), zu speziellen Zeiten (Nachtwächterbzw. Vollmondführungen etc.), zu historischen Inhalten (Arbeiterbewegung, NS-Zeit etc.) und zu unterschiedlichen Fachgebieten (Literatur, Architektur, Ökologie etc.), Einsatz diverser didaktischer Methoden - z. B. durch eine Ansprache aller Sinne (kulinarische bzw. haptische Führungen), durch Techniken der Animation (Kleidung, Gestik etc.), durch eine Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel (Oldtimer, Rikscha etc.) und durch neue Kommunikationstechniken (Smartphone Applications). Mit diesen Innovationen hat die Tourismusbranche auf die wachsende Reiseerfahrung und die steigenden Ansprüche der Kunden reagiert - u. a. den Wunsch nach Individualität und Distinktion von anderen Reisenden, die Suche nach ungewöhnlichen Erfahrungen jenseits der ausgetretenen Touristenpfade sowie das neue Informations- und Kommunikationsverhalten der Digital Natives. 67 | Gänsehaut garantiert - bei den Geister-, Gespenster- und Gruselführungen geht es nicht um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der schrecklichen Geschichte von Orten des Leids und des Todes. Vielmehr bedienen sie das makabre Interesse der Teilnehmer an furchteinflößenden und paranormalen Geschehnissen - wie z. B. bei dieser Friedhofsführung mit einem Totengräber, die der „Wilderness Road State Park“ im US-amerikanischen Bundesstaat Virginia regelmäßig im Rahmen des Events „Candlelight Ghost Tour and Haunted Diner” veranstaltet. Die abendlichen bzw. nächtlichen Geister-, Gespenster- und Gruselführungen werden von kleinen, lokalen Reiseveranstaltern organisiert. Unabhängig von den jeweiligen Destinationen weisen sie zumeist ein ähnliches Programm auf, das folgende typische Aktivitäten umfasst (vgl. Garcia 2012, S. 15-16; Krisjanous/ Carruthers 2018): den Besuch von Schauplätzen, an denen schreckliche Ereignisse stattgefunden haben (Folter, Suizide, Morde, Hexenverbrennungen etc.), 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 162 03.02.2021 11: 50: 58 <?page no="163"?> Kommerzielle „dunkle“ Besucherangebote 163 die Besichtigung von Orten, um die sich „dunkle“ Mythen ranken (Friedhöfe, Verliese, Galgenberge, Quarantänestationen etc.). Wesentliche Merkmale der Geister-, Gespenster- und Gruselführungen, die es inzwischen auch als Bus- und Bootstouren gibt, sind die emotionale Ansprache und das intensive Involvement der Teilnehmer. Um diese Ziele zu erreichen, kommen zwei didaktische Techniken zum Einsatz (vgl. Blyablina 2015, S. 51; Holzhauser 2015, S. 119; Weston 2016, S. 111; Weston u. a. 2019, S. 40-41): Storytelling: Die Inhalte der Touren bestehen aus einer Mischung von historischen Tatsachen (Hard Facts) und skurrilen Anekdoten (Soft Facts), die auf humorvolle Weise im Sinne eines Edutainment präsentiert werden. Um ihre Gäste angemessen zu unterhalten, nutzen die Veranstalter die komplexe Stadtgeschichte dabei als Fundus, aus dem sie spannende Geschichten über rätselhafte Begebenheiten bzw. mysteriöse Gestalten auswählen (Grabräuberei, Poltergeister etc.). Selbst wenn die Teilnehmer zur Reflexion über grundlegende Fragen von Leben und Tod angeregt werden können, so besteht bei diesem selektiven, effekthaschenden Narrativ die Gefahr, dass die sachgerechte Darstellung der früheren Lebensbedingungen in den Hintergrund rückt und tragische menschliche Schicksale zugunsten eines oberflächlichen Vergnügens trivialisiert werden. Theatrale Mittel: Zumeist tragen die Gästeführer historische Kostüme (schwarzer Umhang, Gehrock etc.), nutzen diverse Requisiten (Laterne, Arztkoffer etc.) und sind dramatisch geschminkt (einige Reiseagenturen beschäftigen sogar professionelle Schauspieler). Während der Rundgänge spielen sie die Rolle eines Mediums, das eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, realer und übersinnlicher Welt herstellt. Dabei beschränken sie sich nicht auf die Vermittlung von Informationen, sondern beziehen die Teilnehmer durch Aktionen multisensual und spielerisch in das Geschehen ein (z. B. durch ein gemeinsames Reenactment von Hinrichtungen, durch einen simulierten Schwächeanfall, bei dem sie - als angebliche Tuberkulosekranke - Blut in ein Taschentuch spucken, oder durch das Löschen des Lichts in dunklen Räumen, in denen plötzlich ein Kollege als „Gespenst“ auftaucht und die Gäste in Angst und Schrecken versetzt). “Our walk is 80 percent history of Stockholm, 10 percent taste, feel, smell, and 10 percent humour and ghost’s stories.” Peter Segelström, Geschäftsführer der Reiseagentur „Stockholm Ghost Walk AB“ (vgl. Blyablina 2015, S. 42) Während es sich bei „dunklen“ Einrichtungen wie Gedenkstätten, Friedhöfen, Gefängnissen etc. jeweils um klar abgegrenzte Orte mit einem kontrollierten bzw. limitierten Zugang handelt, basiert das Geschäftsmodell der Veranstalter solcher Touren auf einer Neuinterpretation des öffentlichen Raumes. Durch die Auswahl der Inhalte und den Einsatz von Animationstechniken schaffen sie eine andersartige, affektiv geprägte Perspektive auf (vertraute) Gebäude, Straßen und Plätze; aus diesem Grund sprechen sie neben auswärtigen Gästen auch ein einheimisches Publikum an (vgl. Keller 2010, S. 1-2). Einige Destinationen nutzen ihre „gespenstische“ Vergangenheit jedoch nicht nur, um Zusatzprodukte zu entwickeln, sondern um im internationalen Markt des Gothic Tourism bzw. Fright Tourism über ein Alleinstellungsmerkmal zu verfügen (vgl. McEvoy 2014). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 163 03.02.2021 11: 50: 59 <?page no="164"?> 164 Tourism NOW : Dark Tourism In Europa hat speziell Schottland die legendenumwobene Geschichte seiner Burgen, Städte und Highlands touristisch inwertgesetzt. Dabei konnte die Tourismusorganisation „VisitScotland“ auf das pittoreske und schauerliche Image zurückgreifen, das bereits seit Ende des 18. Jahrhundert durch das (angeblich altgälische) „Ossian“-Epos und die Romane von Sir Walter Scott geschaffen worden ist. Gegenwärtig gibt es auf der offiziellen Website einen Blog mit Hinweisen auf 13 verwunschene Orte, „die Sie das Gruseln lehren werden“. Dazu zählen u. a. das Schlachtfeld von Culloden sowie Crathes Castle, Skaill House, Dunrobin Castle, in denen es immer wieder Gespenstererscheinungen geben soll - von schemenhaften Frauengestalten in grauen, grünen oder karierten Gewändern über kopflose Trommler bis hin zu unerklärlichen Geräuschen und Gerüchen (vgl. Inglis/ Holmes 2003; Hanton 2019; Wilkins 2019). „[Unser Gästeführer] nahm uns mit in die düsteren und unheimlichen Tunnel unterhalb Edinburghs, mit auf eine Zeitreise zurück in die düsteren Zeiten, in der Armut und Krankheiten allgegenwärtig waren! Wir lachten und gruselten uns - war da nicht ein schwerer Schritt, obwohl wir alle stillstehen? Ein Atmen, ein Klopfen? “ Bewertung der „Ghostly Underground Vaults Tour“ in Edinburgh bei TripAdvisor Der Bekanntheitsgrad der Stadt Salem in Massachusetts beruht vor allem auf den religiös motivierten Hexenprozessen, die dort im Jahr 1692 stattgefunden haben und zur Hinrichtung von 20 Beschuldigten geführt hatten. Weltweite Beachtung erlangte die Witch City durch das Theaterstück „Hexenjagd“ von Arthur Miller (1953), das mehrere Male verfilmt worden ist. Gegenwärtig gibt es dort sechs Besucherattraktionen, die an die dramatischen Ereignisse erinnern - u. a. das „Witch House“ und das „Witch Museum“. Außerdem organisieren ca. zehn lokale Reiseagenturen regelmäßig Führungen durch „one of the most haunted cities in the US“ und in dem Atelier „Witch City Pix“ können sich Touristen zur Erinnerung an ihren Besuch in Hexenkostümen fotografieren lassen. Mittlerweise erweist sich der berüchtigte puritanische Hexenwahn für die Stadt als lukrative Einnahmequelle: Jedes Jahr verzeichnet sie ca. eine Million Besucher, die für einen Umsatz von 100 Millionen US-Dollar sorgen (vgl. Bristow/ Newman 2004, S. 216). 68 | Eine Hexe als Markenzeichen - die Stadt Salem (Massachusetts) war im 17. Jahrhundert Schauplatz einer exzessiven Hexenverfolgung, die auf Bigotterie, Neid und Denunziantentum basierte. Mittlerweise nutzt der Ort dieses „dunkle“ historische Ereignis, um sich in unverwechselbarer Weise auf dem Tourismusmarkt zu profilieren und damit von anderen Destinationen abzugrenzen. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 164 03.02.2021 11: 51: 00 <?page no="165"?> Kommerzielle „dunkle“ Besucherangebote 165 Dabei konkurriert Salem auf dem US-amerikanischen Geistermarkt mit zahlreichen anderen Anbietern; dazu zählen ca. 1.200 privat betriebene Haunted Houses, 300 Themenparks mit Horrorattraktionen und 3.000 saisonale Events (Halloween), die einen jährlichen Umsatz von 500 Millionen US-Dollar erzielen. Als direkte Konkurrenten sind auch einige Städte zu erwähnen, die ebenfalls ihr „geisterhaftes“ Image pflegen - u. a. Atlanta, Savannah, New Orleans und Gettysburg (Pennsylvania), das während des Amerikanischen Bürgerkriegs Schauplatz einer besonders blutigen Schlacht zwischen den unionistischen und konföderierten Truppen war (1863). Aufgrund dieses schrecklichen Ereignisses ist der Ort zum einen das Ziel historisch interessierter Schlachtfeldtouristen geworden. Zum anderen kommen viele Besucher aber wegen der unheimlichen Geschichten, die sich um das Schicksal der zahlreichen Gefallenen ranken (deren ruhelose Seelen angeblich immer noch durch mehrere Haunted Houses geistern). Das Angebot für dieses Zielgruppe beschränkt sich nicht auf die üblichen makaber-unterhaltsamen Touren: Die „Gettysburg Ghost Tours & Gettysburg Paranormal Association“ organisiert sogar spezielle Ghost Hunts, bei denen sich die Teilnehmer mit Aufnahmegeräten, Wärmebildkameras etc. auf die Suche nach übersinnlichen Erscheinungen begeben (vgl. Thompson 2010; Gentry/ Alderman 2015; Haynes 2016; www.americahaunts.com) (→ 4.3). Die „dunkle“ Welt als Wille und Vorstellung - der „Dracula“-Tourismus in Transsilvanien Generell agieren die Veranstalter von Geister-, Gespenster- und Gruseltouren an der Schnittstelle von Wirklichkeit und Fiktion, indem sie den Teilnehmern an lebensweltlichen Orten auf humorvolle Weise schaurig-schöne Sagen und Legenden aus der Vergangenheit erzählen. Dabei können sie auf Vorstellungen anspielen, die ihren Gästen aus Vampir-, Grusel- oder Horrorfilmen/ -büchern längst vertraut sind - von „Nosferatu“ (Friedrich Murnau; 1922) über „Rosemaries Baby“ (Roman Polanski; 1967) und „Shining“ (Stanley Kubrick; 1980) bis hin zum a r ro e ( duardo á ez Daniel Myrick; 1999). Zumindest im Fall des Vampir-Tourismus in Transsilvanien (Rumänien) ist die Kraft solcher Assoziationen und Phantasien jedoch noch stärker als die Realität. Sie gehen vor allem auf den bekannten Roman „Dracula“ von Bram Stoker (1897) zurück, dessen spannende Geschichte vom blutrünstigen Grafen später in mehr als 350 Spielfilmen und ca. 1.000 Büchern aufgenommen und variiert worden ist (vgl. Bristow/ Newman 2004, S. 216). Diese Flut an Bildern und Texten hat das touristische Image Transsilvaniens als einsame, exotisch anmutende Landschaft mit wolkenverhangenen Bergen, einsamen Dörfern und verwunschenen Burgen geprägt - dabei war Bram Stoker nie selbst in der Region gewesen, sondern hatte sich bei seinen Schilderungen ausschließlich auf die Berichte zeitgenössischer Reisender gestützt (vgl. Light 2017a). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 165 03.02.2021 11: 51: 00 <?page no="166"?> 166 Tourism NOW : Dark Tourism Obwohl es also um einen imaginären Raum handelt, reisen jedes Jahr mehr als 250.00 ausländische Touristen nach Siebenbüren, um dort Vampiren oder anderen übersinnlichen Erscheinungen zu begegnen. Da es das „Dracula“-Schloss überhaupt nicht gibt, projizieren sie ihre Sehnsüchte auf das eindrucksvolle Schloss Bran, das allerdings in keinerlei Zusammenhang zu dem Roman und den Filmen steht (und dessen Besitzer sich sogar gegen eine Einvernahme durch die „Dracula“-Community wehren - wie auch offizielle rumänische Stellen eine touristische Instrumentalisierung dieses Mythos ablehnen) (vgl. Ironside 2018). Das „dunkle“ Narrativ ist jedoch so mächtig und persistent, dass sich die Begeisterung für den Grafen nicht auf die Besichtigung des „falschen“ Schlosses beschränkt: Während einer mehrtägigen Rundreise durch Rumänien („Halloween in Transylvania“) waren die Teilnehmer z. B. ständig auf der Suche nach paranormalen Symbolen, verließen nachts das Hotel, um Wölfe und Fledermäuse zu sehen - und bei einer abendlichen Kostümparty traten sie als Vampire, Teufel etc. auf (vgl. Light 2009, S. 254). Die Veranstalter von Geister-, Gespenster- und Gruseltouren haben jedoch das Handicap, dass blutgierige Aristokraten, lästige Poltergeister und weiße Ladies keine besonders „reliable employees“ sind - sie können zwar durch Geschichten und Aktionen wort- und gestenreich heraufbeschworen werden, doch in der Regel tauchen sie überhaupt nicht auf (vgl. Inglis/ Holmes 2003, S. 57). Dieses Problem ist von anderen kommerziellen Akteuren im Geister- und Gespenstermarkt perfekt gelöst worden: Die Gruselerlebniswelten können ihren Gästen eine Garantie für ein persönliches Treffen mit Hexen, Folterknechten und Serienmördern geben, denn dort wird das Grauen auf berechenbare und kontrollierte Weise produziert. 8.2 Gruselerlebniswelten - das Geschäft mit der Angstlust Copy and Paste - auf diesem einfachen Verfahren basiert das Konzept der kommerziellen Gruselerlebniswelten (Dark Dun Factories). Sie bieten ihren Gästen dieselbe Mischung aus Thrill und Schock, Abwechslung und Vergnügen, die bereits seit mehreren Jahrzehnten zum anhaltenden Erfolg der Geisterbahnen auf Jahrmärkten beigetragen hat (vgl. Klopp 2014, S. 92-97; Ramus 2020): Als erste deutsche Geisterbahn gilt ein Fahrgeschäft, das der Schausteller Carl Böhm im Jahr 1931 auf dem Hamburger Dom präsentierte. Trotz seiner Versuche, das innovative Konzept urheberrechtlich schützen zu lassen, wurde seine Idee rasch von anderen Unternehmen kopiert. Zunächst bestanden die Geisterbahnen aus einem einfachen rechteckigen Hallenbau mit einem Pultdach. Sie waren seitlich und hinten mit Planen geschlossen und an der Frontseite befand sich eine dekorativ gestaltete Vorhangfassade. Später entstanden auch eindrucksvollere, mehrstöckige Kulissenbauten im Stil von Burgen und Schlössern. Bis heute nehmen die Besucher in zweisitzigen Chaisen bzw. Gondeln Platz, die auf Schienen bzw. Induktionsstreifen fahren. Bei der Streckenführung sorgen zahlreiche Kurven, Richtungswechsel sowie Auf- und Abfahrten dafür, dass die Gäste völlig ihre Orientierung verlieren und zudem den Eindruck einer sehr langen Fahrt gewinnen. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 166 03.02.2021 11: 51: 01 <?page no="167"?> Kommerzielle „dunkle“ Besucherangebote 167 Während der Tour werden sie durch Gruselgestalten (Gespenster, Skelette, Monster etc.) in eine schaurige Fantasiewelt versetzt, deren bedrohlich Atmosphäre noch durch eine düstere Beleuchtung und unheimliche Geräusche verstärkt wird - gelegentlich tauchen auch Mitarbeiter unerwartet als „Geister“ auf, um die Gäste zusätzlich zu erschrecken. Die stationären Gruselerlebniswelten haben diese bewährten Techniken, Besucher in Angst und Schrecken zu versetzen, allenfalls technisch und inhaltlich weiterentwickelt - z. B. durch den Einsatz aufwändigerer Simulatoren oder ein breiteres Repertoire an gruseligen Gestalten. Dabei lassen sich zwei Betriebstypen unterscheiden: Zum einen sind sie - als thematische Rides - nur ein Element im breiten Angebotsspektrum von Freizeitparks (wie z. B. das „Haunted Mansion“, das „Mystery Manor“ bzw. das „Mystic Manor“ in den „Disney“-Themenparks, das „Geisterschloss“ im „Europa-Park“ in Rust oder die „Geister-Rikscha“ im „Phantasialand“ in Brühl). Zum anderen werden sie in Großstädten aber auch als eigenständige Besucherattraktionen betrieben - wie z. B. das „Grusellabyrinth“ in Bottrop oder die „Dungeons“ in Hamburg, Berlin, Amsterdam, London, Blackpool, Edinburgh, York, Warwick und San Francisco. 69 | Wer sich einmal richtig gruseln möchte, der braucht schon ziemlich viel Geduld - vor dem mysteriösen „Haunted Mansion“ im kalifornischen „Disneyland“ bilden sich regelmäßig lange Warteschlangen. Die verwunschene Antebellum-Villa gehört bereits seit 1969 zu den beliebtesten Indoor-Attraktionen des Themenparks. Die Besucher werden dort mit Hilfe von Schauspielern, Animatronics (computergesteuerten Figuren), Licht- und Soundeffekten (Gewitter, Blitze, Schreie etc.) sowie visuellen Täuschungen ( Stretching Room ) auf vergnügliche Weise in Angst und Schrecken versetzt. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 167 03.02.2021 11: 51: 01 <?page no="168"?> 168 Tourism NOW : Dark Tourism In jedem Fall geht es um die völlige Immersion der Besucher. Mit dem Betreten der Attraktion tauchen sie in eine professionell gestaltete Kulissenwelt ein, in der sie den Bezug zum alltagsweltlichen Raum und zur realen Zeit verlieren sollen (deshalb legen die Betreiber auch großen Wert darauf, jegliche Form von Illusionsbrüchen zu vermeiden). Dort herrscht eine flimmernde Atmosphäre von bedrohlicher Fremdartigkeit und eigentümlicher Vertrautheit, denn dieses fiktionale Universum ist von klischeeartigen Horrorfiguren bevölkert, die den Gästen aus Romanen, Spielfilmen und Computerspielen hinlänglich bekannt sind. Die Geisterbahnen und Gruselerlebniswelten spielen also auf dieses breite Repertoire von Erinnerungen, Assoziationen, Phantasien etc. an und kreieren einen neuen dreidimensionalen Erfahrungsraum (vgl. Klopp 2014, S. 118-119). Dabei führt die Fülle an akustischen, optischen, olfaktorischen und haptischen Reizen zu einer Überwältigung und Verunsicherung der Gäste, die bei ihnen intensive physische und psychische Reaktionen auslösen (vgl. Valentine/ Mesout 2009): So ist eine britische Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass der durchschnittliche Pulsschlag der Besucher des „London Dungeon“ von 74,7 Schlägen pro Minute (im Normalzustand) auf 86,9 Schläge pro Minute stieg. Außerdem wurde der subjektiv empfundene Angstzustand während des Aufenthaltes mit Hilfe eines standardisierten Testverfahrens erfasst. Er war bei Frauen ausgeprägter als bei Männern (52,8 vs. 45,3 Punkte); außerdem lag er bei beiden Geschlechtern deutlich über den durchschnittlichen Werten in normalen Lebenssituationen (37,3 vs. 36,3). Die Attraktivität der Gruselerlebniswelten beruht auf dem Phänomen der Angstlust: Die Besucher überwinden ihre anfänglichen Befürchtungen, stellen sich dort ihren Ängsten und sind beim Verlassen der Einrichtungen stolz auf das erfolgreiche Bestehen der Mutprobe. Diese positive Stimmung wird noch dadurch verstärkt, dass sie die furchterregenden Erlebnisse mit anderen Gästen geteilt haben - speziell mit ihren Partnern, Kindern, (Schul-) Freunden etc. Die Kommunikation während und nach der Besichtigung trägt zu einem Gemeinschaftsgefühl bei, das später ein prägender Bestandteil der Urlaubserinnerungen wird (vgl. Klopp 2014, S. 8; Robinson 2015, S. 132-133). Zu den bekanntesten Gruselerlebniswelten zählen die „Dungeons“, die von der Unternehmensgruppe „Merlin Entertainments PLC“ gegenwärtig an mehreren Standorten betrieben werden. Sie sind nur eine Marke innerhalb eines breiten Portfolios, das 120 Unterhaltungseinrichtungen, 18 Hotels und sechs Feriendörfer in 25 Ländern und auf vier Kontinenten umfasst; dazu zählen u. a.: Themenparks („Legoland“, „Heidepark“, „Gardaland“, „Wild Adventure“ etc.), Edutainment-Einrichtungen („Legoland Discovery Center“), Wachsfigurenkabinette („Madame Tussauds“), Aquarien („Sea Life Centre“), Riesenräder („The Eye“). Für diese unterschiedlichen Unterhaltungseinrichtungen veröffentlicht der zweitgrößte Freizeitkonzern der Welt, der sich im Besitz eines Konsortiums dänischer, kanadischer und US-amerikanischer Investoren befindet, keine differenzierten Besucherzahlen. Die gesamte Nachfrage beläuft sich jährlich auf ca. 67 Millionen Gäste und der Umsatz auf 1,7 Milliarden britische Pfund (vgl. Merlin Entertainment PLC 2019, S. 2). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 168 03.02.2021 11: 51: 02 <?page no="169"?> Kommerzielle „dunkle“ Besucherangebote 169 Im Gegensatz zu den lokalen Geister-, Gespenster- und Gruseltouren, die ihre Gäste zu authentischen „dunklen“ Gebäuden und Schauplätzen führen, handelt es sich bei den „Dungeons“ um artifizielle und reproduzierbare Unterhaltungseinrichtungen. Da sie nicht an einen spezifischen historischen Standort gebunden sind, wählen sie innerstädtische Lagen mit einem hohen Passantenaufkommen und einer guten ÖPNV-Anbindung. Außerdem suchen sie die Nähe zu anderen Sehenswürdigkeiten, um ein Entertainment Cluster bilden zu können. So liegt das „London Dungeon“ z. B. in direkter Nachbarschaft zum „London Eye“, „Shreks Adventure“ und „Sea Life Center London“, mit denen es zudem durch ein preisgünstiges Kombiticket verknüpft wird (vgl. Hull 2017, S. 12). In jeder Stadt weisen die „Dungeons“ ein vergleichbares Konstruktionsprinzip auf. Das Angebot der Gruselwelten besteht aus einer Melange von Indoor-Rides (Fahrstuhl, Freifallturm, Bootstour etc.), Animatronics, Spezialeffekten sowie Shows mit thematisch gekleideten und geschminkten Animateuren. Inhaltlich geht es jeweils um „dunkle“ Ereignisse der Stadtgeschichte (Pest, Feuersbrünste, Folter etc.) und grausame Persönlichkeiten (Henker, Massenmörder, Freibeuter etc.) - also makabre Themen, die in öffentlichen Museen weitgehend tabuisiert werden. Attraktion Beschreibung Fahrstuhl des Grauens „Der unberechenbare und sehr dynamische Hofnarr gibt dir einen Vorgeschmack darauf, was dich auf deiner Reise durch das dunkle und nervenaufreibende Berlin Dungeon erwartet. Sei dir gewiss: Die Geschichte Berlins ist dunkel und voller Überraschungen.“ Der große Brand von Berlin „Wem wirst du eher glauben? Dem kopflosen Ritter Erich Valke oder seinem getreuen Knappen? Im Verlies der Gerichtslaube im Nikolaiviertel Berlins triffst du auf den beschuldigten Brandstifter des großen Brandes von Berlin im 14. Jahrhundert, den einst großen und edlen Ritter Erich Valke - oder auf das, was von ihm übrig ist …“ Flucht durch die geheimen Tunnel „Wirst du es schaffen, vor den Gerichtsdienern im 14. Jahrhundert durch die geheimen Tunnel Berlins zu fliehen? […] Deine Aufgabe: Beeile dich und fliehe mit den anderen Besuchern vor den Gerichtsdienern, damit du nicht selbst zum Verurteilten wirst.“ Die Pest-Straße „Ups ...! Es sieht so aus, als wäre dein Floß über die geheimen Tunnel von Berlin vom Weg abgekommen und du findest dich in den verpesteten Straßen Berlins im 16. Jahrhundert wieder. Bahne dir im Berlin Dungeon vorsichtig deinen Weg durch die verwinkelten Straßen der Pest von 1576, die von den ekelerregenden Geräuschen und Gerüchen des Todes erfüllt sind.“ Die Folterkammer „Wirst du dem Folterknecht und seinem furchteinflößenden Werkzeug im Berlin Dungeon standhalten? Da der Dreißigjährige Krieg kurz bevorsteht, muss das Herrscherhaus Hohenzollern Verräter ausschalten, und in der Folterkammer liegen genau die richtigen Instrumente, um sie zum Reden zu bringen - bist du einer von ihnen? “ 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 169 03.02.2021 11: 51: 02 <?page no="170"?> 170 Tourism NOW : Dark Tourism Das geheime Gericht „Im Jahr 1679 befahl der Kurfürst seinen Richtern, alle Hexen in Berlin und Brandenburg zur Verantwortung zu ziehen. In dieser Show des Berlin Dungeon begegnest du dem verrückten Richter im Gerichtssaal der Hohenzollern, der je nach Belieben Hexen und Verräter zum Tode verurteilt. Gefangen auf der Anklagebank bist du im Geheimgericht des Berlin Dungeon so lange schuldig, bis deine Schuld bewiesen ist.“ Das Labyrinth der Hohenzollern „Es gibt keinen Weg zurück! Du wurdest zusammen mit anderen Hexen für schuldig befunden. Nun müsst ihr den Ausweg aus dem verwirrenden Labyrinth der Hohenzollern im Berlin Dungeon finden. Die Tunnel führen zu einer Gruft unterhalb des Berliner Doms, in der die Weiße Frau immer noch ihr Unwesen treibt. Alles, was du hörst, sind die Schreie aus dem Inneren des Labyrinths der Hohenzollern.“ Die weiße Frau „Der Geist der Hohenzollern wartet auf dich! Eine fesselnde Spukgeschichte aus dem Jahr 1690 steht dir im Berlin Dungeon bevor. In der Gruft der Hohenzollern begegnest du dem mysteriösen Gruftwächter, der dich in die Legende der Weißen Frau einweiht.“ Die Revolution 1848 in Berlin „Du hast genug von kleinen Kartoffeln und steigenden Preisen? Sei Teil der Märzrevolution von 1848 im Berlin Dungeon! Gehe mit auf die Barrikaden für große Kartoffeln und unterstütze einen einfachen Zimmermann beim Kampf gegen die Preußische Armee. Werdet ihr es schaffen, das 20.000-köpfige Heer zu besiegen? “ Serienmörder von Berlin „Würste sind nicht gut für deine Gesundheit. Vor allem, wenn du selbst drinsteckst! Willkommen in Friedrichshain, dem Elendsviertel von Berlin im 19. Jahrhundert […]. Hier triffst du auf ein „leichtes“ Mädchen, Marie, das dir grauenhafte Geschichten über einen der brutalsten Serienmörder Deutschlands erzählt: Carl Großmann! “ Der Freifallturm Exitus „Bist du mutig genug für den Sturz ins Ungewisse? Berlins einziger Indoor- Freifallturm Exitus wartet auf dich! Im Berlin Dungeon sorgen nicht nur schaurige Gestalten aus 800 Jahren Berliner Geschichte dafür, dass dir das Herz in die Hose rutscht - du selbst rast im Freifallturm Exitus in absoluter Dunkelheit über 12 Meter in die Tiefe …“ 7 | „Berlin Dungeon“: Attraktionen und Beschreibungen „Eine lange Narbe zieht sich über die rechte Gesichtshälfte des Mannes. Die Verletzung sieht frisch aus, sie blutet und eitert. Sein Haar ist grau meliert, dunkle Augenringe heben sich von seiner blassen Hautfarbe ab. Er ist gut gelaunt, scherzt und unterhält sich mit den übrigen Anwesenden, die eine ähnlich ungesunde Gesichtsfarbe haben. In der Maske des ‚Hamburg Dungeon‘ herrscht beste Stimmung. Mathis Köllmann und seine Schauspielerkollegen bereiten sich auf ihren Arbeitstag vor.“ Knoblich 2012 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 170 03.02.2021 11: 51: 02 <?page no="171"?> Kommerzielle „dunkle“ Besucherangebote 171 70 | Ein bisschen Spaß muss sein - selbst bei der Hinrichtung mit der Guillotine. Zu den klassischen Inszenierungstechniken der Gruselerlebniswelten gehört die spielerische Einbeziehung der Gäste (wie hier im „London Dungeon“). Den Besuchern wird in den „Dungeons“ also ein fragmentiertes, verzerrtes und abgeschlossenes Bild der Vergangenheit geboten - ohne jegliche Bezüge zu aktuellen gesellschaftlichen Problemen (Armut, Diskriminierung etc.) bzw. grundlegenden ethischen Fragen (Gewalt, Gerechtigkeit etc.). Durch diese distanzierte, scheinbar wertfreie Darstellung gelingt es den Gruselerlebniswelten, mögliche Interessenkonflikte hinsichtlich einer angemessenen Interpretation historischer Geschehnisse zu vermeiden - im Gegensatz zu öffentlichen Gedenkstätten, deren politisches bzw. moralisches Narrativ häufig zum Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen wird (wie z. B. beim „National September 11 Memorial & Museum“ in New York oder beim „Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen“) (vgl. Stone 2009, S. 171; Schönfeld 2015, S. 34) (→ 5.1; → 7.1). Für die Mehrzahl der Gäste spielen historische Ungenauigkeiten und ethisch-moralische Fragen jedoch keine Rolle, da sie die Gruselwelten vor allem als touristische Attraktionen betrachten - und nicht als museale Erinnerungsstätten. Deshalb rangiert der Wunsch nach einer makaber-vergnüglichen Unterhaltung erwartungsgemäß an erster Stelle der Besuchsmotive. Erstaunlicherweise haben aber auch viele Befragte in empirischen Studien angegeben, dass sie und ihre Kinder dort neue Einblicke in die prekären Lebensverhältnisse und die grausamen Strafmethoden früherer Zeiten erhalten hätten. Für diese Zielgruppe fungieren die „Dungeons“ durchaus als informelle Lernorte (allerdings wird an diesen Aussagen auch deutlich, dass die Besucher offenbar keine hohen Ansprüche an eine umfassende Wissensvermittlung stellen, sondern sich mit der reißerischen Darstellung bewusst ausgewählter Episoden zufriedengeben) (vgl. Stone 2010, S. 358; Ivanova/ Light 2018). „Wer ein bisschen mehr über die frühe Stadtgeschichte Berlins erfahren möchte, ist hier genau richtig. Mit viel Liebe zum Detail, viel Engagement der Schauspieler und einfach einer tollen Kulisse lohnt sich ein Besuch. Es war super lustig, gruselig und sehr interessant.“ Bewertung des „Berlin Dungeon“ bei TripAdvisor 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 171 03.02.2021 11: 51: 03 <?page no="172"?> 172 Tourism NOW : Dark Tourism 71 | Wenig Mitleid mit den Opfern - jeder dritte Besucher der „Dungeons“ in York und London hat während der Führung kaum bzw. gar nicht an das Schicksal der Menschen gedacht, die bei Gewalttaten, Seuchen oder Feuersbrünsten getötet worden sind. Wesentliche Ursache dieser geringen Empathie ist die spektakuläre Präsentation, bei der schreckliche Ereignisse und brutale Täter im Mittelpunkt stehen. Können kommerzielle „dunkle“ Attraktionen also wirklich auch Stätten der Information und Bildung sein? Diesen Anspruch haben zumindest die Verantwortlichen „dunkler“ Ausstellungen und Museen, in denen die Besucher mit makabren Exponaten zum menschlichen Körper, zum historischen Strafwesen und zu okkulten Erscheinungen konfrontiert werden. 8.3 „Dunkle“ Ausstellungen und Museen - zwischen Sensationsgier und Volksaufklärung „Wenn Dr. Tod tot ist, kann sich Berlin eine Scheibe von ihm abschneiden“ - mit dieser makabren Schlagzeile hat die „B. Z.“ über den Mediziner Gunther von Hagens berichtet, der in den 1970er-Jahren eine neuartige Methode zur Herstellung anatomischer Präparate erfunden hat (vgl. Kittan 2020). Bei der Plastination handelt es sich um ein mehrstufiges Verfahren, bei dem die Zellflüssigkeit des Leichnams durch Kunststoff ersetzt wird. Auf diese Weise lassen sich Organe, Gefäße und Muskeln stabil, dauerhaft und geruchsfrei konservieren. Außerdem können sie in wenige Millimeter dicke Scheiben geschnitten werden, die einen neuartigen Einblick in menschliche bzw. tierische Lebewesen ermöglichen. Diese Technik revolutionierte die Ausbildung künftiger Mediziner, die bis dahin - abgesehen von aufwändigen Sektionen - anhand von anatomischen Wachsmodellen oder in Formaldehyd eingelegten Präparaten stattgefunden hatte. Der „Plastinator“ von Hagens beschränkte sich jedoch nicht darauf, neue Anschauungsobjekte für Kollegen und Studierende anzufertigen. Vielmehr suchte er bewusst die öffentliche Bühne und setzte sich für eine „Demokratisierung der Anatomie“ ein (das Laienpublikum kannte Autopsien allenfalls aus Kriminalfilmen). Dabei verknüpfte er dieses gesellschaftspolitische Ziel mit eigenen kommerziellen Interessen, indem er im Jahr 1993 in Heidelberg das private Unternehmen „Institut für Plastination“ (IfP) gründete. 11% 22% 29% 15% 22% 26% 32% 15% 22% 5% 37% 46% 13% 2% 1% 74% 19% 4% 2% 1% ständig an die Opfer gedacht häufig an die Opfer gedacht gelegentlich an die Opfer gedacht kaum an die Opfer gedacht gar nicht an die Opfer gedacht Dungeons Body Worlds Ground Zero Auschwitz 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 172 03.02.2021 11: 51: 03 <?page no="173"?> Kommerzielle „dunkle“ Besucherangebote 173 72 | Kaum als Eingang zu einem Leichenschauhaus zu erkennen - die „Body Worlds“ in Amsterdam sind nur ein Beispiel für die fünf Dauerausstellungen und zahlreichen Wanderausstellungen, in denen aufwändig präparierte Körper bzw. Körperteile verstorbener Menschen präsentiert werden. Seit mehr als zwanzig Jahren haben diese Präsentationen weltweit für heftige öffentliche Diskussionen gesorgt - bis hin zu Protesten und Demonstrationen (speziell von Vertretern der christlichen Kirchen). Bereits seine erste Ausstellung im „National Science Museum” in Tokio (1995) erwies sich als Besuchermagnet: Innerhalb von vier Monaten kamen mehr als 450.000 Schaulustige, um die Plastinate zu betrachten. Seitdem wird die Zahl der Gäste von zahlreichen Wanderausstellungen und vier Dauerausstellungen (Berlin, Heidelberg, Guben, Amsterdam, San José) insgesamt auf ca. 50 Millionen Besucher geschätzt. Angesichts dieses Erfolges gibt es inzwischen sogar eine Reihe von Me-Too-Anbietern, die unter ähnlichen Namen auf dem Markt auftreten („Bodies: The Exhibition“, „Bodies Revealed“ etc.) (vgl. Bates 2010, S. 199). Für die enorme Popularität der „Körperwelten/ Body Worlds“-Ausstellungen waren zum einen die neuartigen, aufsehenerregenden Exponate verantwortlich (und nicht zuletzt auch die professionellen Marketing-Maßnahmen). Zum anderen ist die Nachfrage wesentlich durch die breite öffentliche Kontroverse über die ethisch-moralischen Grenzen der Plastination befeuert worden, die bis in die Gegenwart anlässlich der Ausstellungen stattfindet. Da es sich bei den Exponaten nicht um Modelle aus Wachs bzw. Plastik, sondern um die Körper von Verstorbenen handelt, werfen Kritiker dem Veranstalter einen profitorientierten, würdelosen Umgang mit Leichen und eine Störung der Totenruhe vor. Außerdem wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob alle Spender in die Plastination eingewilligt haben (eine Zeit lang hat der Mediziner offenbar die Leichen chinesischer Hinrichtungsopfer gekauft). Inzwischen verweist das Unternehmen allerdings darauf, über eine Liste von weltweit mehr als 18.500 freiwilligen Körperspendern zu verfügen (vgl. Burns 2007, S. 16; www.plastinarium.de/ de/ plastinarium/ koerperspende.html)). Besonders umstritten bleibt weiterhin die Praxis, neben sachlich-informativen Teil- Plastinaten von Organen, Blutgefäßen, Muskeln etc. auch ästhetisch-manieristische Ganzkörper-Plastinate zu zeigen, in denen die zumeist unbekleideten Leichen bei unterschiedlichen Aktivitäten gezeigt werden. Zu den eindrucksvollen Arrangements gehören u. a. Körperplastiken, die Sport treiben (Jogger, Reiter, Radfahrer, Skateboarder, Bogenschützen etc.), Schach bzw. Poker spielen oder sogar Sex miteinander haben. Neben menschlichen Plastinaten sind in den Ausstellungen auch Tier-Plastinate zu sehen - von der Bauchhöhle 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 173 03.02.2021 11: 51: 04 <?page no="174"?> 174 Tourism NOW : Dark Tourism eines Wolfes über die Muskelstränge am Hals eines Kamels bis hin zur Elefantenkuh „Samba“ (dem „größten Plastinat der Welt“) (vgl. Moore/ Brown 2007, S. 238). Mit solchen Exponaten befriedigen die „Körperwelten/ Body Worlds“-Ausstellungen offensichtlich das voyeuristische Interesse des Publikums. Darüber hinaus haben sie aber auch den Anspruch, zur gesundheitlichen Aufklärung beizutragen. Durch die Präsentation des geöffneten Körpers einer Schwangeren oder die Gegenüberstellung einer dunklen Raucherlunge und einer hellen Nichtraucherlunge wollen sie z. B. das Interesse der Besucher an der eigenen Körperhaftigkeit wecken und sie zu einer gesunden Lebensweise ermutigen. Dieses pragmatisch-erzieherische Narrativ wird noch durch Aussagen berühmter Philosophen wie Plato, Immanuel Kant, Khalil Gibran etc. intellektuell und moralisch aufgeladen, die als großformatige Zitate an den Wänden platziert sind und zur Reflexion über die Endlichkeit des menschlichen Daseins anregen sollen. Bei vielen Gästen scheinen diese Botschaften anzukommen: Zum einen haben empirische Studien des „Institut für Plastination“ (IfP) ergeben, dass 46 Prozent der Befragten durch den Besuch zu einer Veränderung ihrer Lebensgewohnheiten motiviert worden sind. Jeder Vierte hatte mehr Sport getrieben und immerhin neun Prozent hatten weniger Alkohol getrunken bzw. geraucht (vgl. Dubek 2013, S. 64-65). Zum anderen belegen teilnehmende Beobachtungen und Videoaufnahmen, dass sich die Besucher vor den plastinierten Leichen mit ihren Partnern bzw. Familienmitgliedern intensiv über ihren persönlichen Gesundheitszustand und auch über das Schicksal von verstorbenen Verwandten bzw. Bekannten unterhalten. Da das Sterben und der Tod in den westlichen Gesellschaften weitgehend tabuisiert und in Krankenhäuser bzw. Altersheime verbannt worden sind, fungieren die Ausstellungen - wie die Friedhöfe - also als außergewöhnliche Stätten der Mediation zwischen den Lebenden und den Toten (vgl. Lehn 2008, S. 179-180; Stone 2011, S. 7) (→ 6.2). „Ein makaber-beeindruckender Ort. Das Museum regt einen zur Selbstreflexion über Gesundheit und Tod an und zeigt viele Details über den eigenen Körper. Alle Ausstellungsobjekte sind echt und teilweise wahre Kunstwerke.“ Bewertung des „Museum der Körperwelten“ in Berlin bei TripAdvisor Generell gelingt es den „Körperwelten/ Body Worlds“-Ausstellungen, ein breites Publikum mit unterschiedlichen Besuchsmotiven anzusprechen (vgl. Dubek 2013, S. 95-97): An erster Stelle rangieren eine allgemeine Neugier und ein Interesse, mehr über den menschlichen Körper zu erfahren (46 Prozent). Jeder fünfte Gast hat einen beruflichen bzw. schulischen Bezug zum Thema der Ausstellung (Krankenschwestern, Physiotherapeuten, Medizinbzw. Biologiestudierende etc.). Eine ebenso große Gruppe sind typische Besichtigungstouristen, die ihre Freizeit abwechslungsreich und sinnvoll verbringen wollen. Zu den Besuchern gehören schließlich Eltern, die den Bildungshorizont ihrer Kinder erweitern möchten (10 Prozent). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 174 03.02.2021 11: 51: 04 <?page no="175"?> Kommerzielle „dunkle“ Besucherangebote 175 Ungeachtet der öffentlichen Kritik stoßen die „Körperwelten/ Body Worlds“-Ausstellungen bei den Besuchern auf eine überwiegend positive Resonanz: So erzielt z. B. das „Museum der Körperwelten“ in Berlin bei TripAdvisor eine Bewertung von 4,5 Punkten. Gleichwohl zeigen zahlreiche Eintragungen in den Gästebüchern, dass einige Exponate zu Irritationen führen und auf Ablehnung stoßen; dazu gehören u. a. (vgl. Walter 2004, S. 468; Stone 2011, S. 4-5; Dubek 2013, S. 174-175): die Plastinate von Föten und Babys (die keine Einwilligung als Spender gegeben haben können), die verstörenden realistischen Details (Fingernägel, Tattoos, Genitalien etc.), die Vielzahl männlicher Körper in einer „heroischen“ Position (wobei offenbleibt, ob die Menschen zu ihren Lebzeiten diese sportlichen Aktivitäten tatsächlich ausgeübt haben), die passive (häufig sexualisierte) Darstellung von Frauen, die mangelnde ethnische Vielfalt (es werden überwiegend blonde und blauäugige Plastinate gezeigt). Bei der öffentlichen Zurschaustellung von Toten handelt es sich keinesfalls um eine neuartige Idee. Als frühe Beispiele sind u. a. „La Morgue“ in Paris zu nennen, die sich bereits im 19. Jahrhundert zu einer Besucherattraktion entwickelt hat, sowie die Mausoleen in Moskau, Hanoi, Beijing etc., in denen die konservierten Leichen wichtiger politischer Führer in gläsernen Särgen präsentiert werden (vgl. Bates 2010, S. 199) (→ 1.1; → 6.3). Darüber hinaus stehen die „Körperwelten/ Body Worlds“-Ausstellungen mit ihrer Mischung aus faszinierenden Ausstellungsstücken, erzieherischen Zielen und wirtschaftlichen Interessen in der Tradition der Anatomischen Wachskabinette, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Wirtshäusern sowie auf Jahrmärkten und Volksfesten von Schaustellern präsentiert wurden. Die Besucher konnten dort detailgetreue Nachbildungen menschlicher Körperteile betrachten, die aus der Werkstatt von Modelleuren stammten. Die Wachsmodelle intimer Körperteile waren dabei die Trigger, mit denen das Laienpublikum massenhaft in die Anatomischen Wachskabinette gelockt wurde (und bei den Schaustellern für hohe Einnahmen sorgte). Zugleich konterkarierten die Kabinette aber diesen „frivolen Blick“, indem sie die Besucher über den menschlichen Körper, typische Volks- und Berufskrankheiten sowie zeitgemäße Behandlungsmethoden aufklärten - z. B. durch (vgl. Schnalke 2014, S. 155): anatomische Modelle (menschliches Ohr, geöffneter weiblicher Körper auf einem Seziertisch etc.), Darstellungen diverser Erkrankungen und Verletzungen - von der Blinddarmentzündung und der Syphilis über Verätzungen durch Chemikalien und Verbrennungen durch Starkstrom bis hin zu den Folgen von Arbeitsunfällen, Exponate, mit denen die Operation von Nasenpolypen oder das Abbinden eines verletzten Beines verdeutlicht wurden. Um ihren Gästen ständig etwas Neues bieten zu können, arbeiteten die Betreiber eng mit den Herstellern medizinischer Lehrmittel bzw. dem „Deutschen Hygiene-Museum Dresden“ zusammen - u. a. durch den Erwerb der spektakulären Anatomiefigur des „Gläsernen Mannes“ (vgl. Lang/ Radtke/ Wagner 2014, S. 109). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 175 03.02.2021 11: 51: 05 <?page no="176"?> 176 Tourism NOW : Dark Tourism „Die Masse will nicht belehrt werden. Sie kann Wissen nur mit dem kleinen Chock (sic! ) in sich aufnehmen, der das Erlebte im Innern festnagelt. Ihre Bildung ist eine Folge von Katastrophen, die sie auf Rummelplätzen und Jahrmärkten in verdunkelten Zelten ereilen, wo ihnen Anatomie in die Glieder fährt […].“ Walter Benjamin: Jahrmarkt des Essens (1928) Mit diesem Konzept trugen die Anatomischen Wachskabinette zu einer Popularisierung naturwissenschaftlicher und medizinischer Kenntnisse bei, die bislang ein Privileg weniger Experten gewesen waren. Die Wurzeln dieser Vermittlungstechnik reichen bis in das 17. Jahrhundert zurück, als in Florenz erstmalig detailgetreue, teilweise sogar zerlegbare Wachsfiguren für die Ausbildung von Ärzten geschaffen wurden. Neben dem dortigen „Museo di Storia Naturale ‚La Specola‘“ verfügen auch das „Josephinum - Sammlungen der Medizinischen Universität Wien“, das „Deutsche Hygiene-Museum Dresden“ und das „Mütter Museum“ in Philadelphia (Pennsylvania) über einen umfangreichen Bestand solcher Exponate (vgl. Meyer-Hermann 2014; Druml 2018; www.moulagen.de). 73 | Von makabrer Schönheit - seit mehr als 200 Jahren geht von den anatomischen Wachsfiguren im „Josephinum“ in Wien eine besondere Faszination aus. Ihre berührende Aura beruht auf der ungewöhnlichen Verbindung von wissenschaftlich korrekter Rekonstruktion und anspruchsvoller ästhetischer Gestaltung. Als weitere Vorläufer der „Körperwelten/ Body Worlds“-Ausstellungen sind die Abnormitäten-Schauen zu erwähnen, die seit Ende des 19. Jahrhunderts von Schaustellerfamilien auf Jahrmärkten betrieben wurden. Zur Belustigung und zum Erschrecken der Besucher wurden dort Menschen mit körperlichen Auffälligkeiten als „lebende Kuriositäten“ und „erstaunlichste Ungeheuer aller Zeiten“ präsentiert; dazu zählten u. a. (vgl. Iken 2011; Nagel 2020): Kleinwüchsige („Liliputaner“), die das Publikum mit künstlerischen Darbietungen unterhielten (Gesang, Tanz, Artistik, Zaubertricks etc.), Kolossalmenschen mit einer ungewöhnlichen Größe („Der größte jetzt lebende Riese Europas“) oder einem enormen Gewicht („Das schwerste Mädchen der Gegenwart“), Siamesische Zwillinge, Hermaphroditen und „Tiermenschen“ mit einer starken Überbehaarung („Lionel - der Löwenmensch“, „Krao - das Affenweib“), magersüchtige bzw. magenkranke Mumien- und Skelettmenschen sowie Halb- und Rumpfmenschen, denen Arme bzw. Beine fehlten, Ganzkörper-Tätowierte („Olly Esky - das lebende Bilderbuch“). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 176 03.02.2021 11: 51: 05 <?page no="177"?> Kommerzielle „dunkle“ Besucherangebote 177 Die große Ära der Abnormitäten-Schauen endete in den 1930er-Jahren, als die öffentliche Zurschaustellung von Menschen mit körperlichen Fehlbildungen verboten wurde. Außerdem strömte das sensationslüsterne Publikum nun zunehmend in die Kinos, um sich dort von Grusel-, Horror- und Vampirfilmen unterhalten zu lassen. Damit fand die erniedrigende Praxis der „Liliputaner“-Shows jedoch noch kein Ende: So präsentierte der „Holiday Park“ in Haßloch bis zum Jahr 1996 eine Gruppe von kleinwüchsigen Menschen, die von den Besuchern durch eine Glasfront des Wohnwagens bei ihrem täglichen Leben beobachten werden konnten (und selbst gegenwärtig vermitteln Eventagenturen kleinwüchsige Entertainer als Walking Act für Veranstaltungen) (vgl. Schumacher 2018). Offensichtlich ist das Interesse am Makabren, Verstörenden und Unheimlichen weiterhin ungebrochen - und es wird nicht nur „Körperwelten/ Body Worlds“-Ausstellungen kommerziell genutzt. Zu den weiteren Anbietern gehören einige Museen, in denen Exponate zu historischen Strafmethoden, zu Verbrechen und zum Okkulten präsentiert werden: So gibt es europaweit zahlreiche Foltermuseen - u. a. in Rüdesheim, London, Wien, Prag, Siena. Im privat betriebenen „Torture Museum“ in Amsterdam werden z. B. zahlreiche Hinrichtungs- und Folterinstrumente ausgestellt (Guillotine, Daumenschrauben, Schandmaske etc.). Wesentliche Motive der Besucher sind eine allgemeine Neugier, aber auch ein historisches Interesse - so die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung. Weitaus weniger häufig wurde der Wunsch nach einer oberflächlichen Unterhaltung sowie nach einer Auseinandersetzung mit existentiellen Themen wie dem Sterben und dem Tod genannt. Nach der Besichtigung gaben die Touristen an, tief beeindruckt zu sein; die Exponate wurden als verstörend empfunden und die gesamte Atmosphäre als düster (vgl. Werdler 2012, S. 233). 74 | Waterboarding - aber mit geistlichem Beistand: Das „Foltermuseum“ in Wien ist der Geschichte des europäischen Rechtswesens gewidmet. Im Mittelpunkt stehen dabei die Foltermethoden vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit, die mit Hilfe originalgetreuer Exponate und lebensgroßer Puppen anschaulich dargestellt werden. Exemplarisch für viele andere Kriminal-, Polizei- und Justizmuseen soll hier das „Wiener Kriminalmuseum“ erwähnt werden, dessen Geschichte bis in das 19. Jahrhundert zurückreicht. Dort können sich die Besucher über die Geschichte der Kriminalität und des Strafvollzugs vom späten Mittelalter bis zu den letzten öffentlichen Hinrichtungen in Wien informieren. Wie bei den „Dungeons“ stehen besondere historische Ereignisse bzw. grausame Persönlichkeiten im Mittelpunkt der Ausstellung - z. B. das Attentat 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 177 03.02.2021 11: 51: 06 <?page no="178"?> 178 Tourism NOW : Dark Tourism gegen Kaiser Franz Joseph im Jahr 1853 oder der Schmiedegeselle Raimund Lewisch, der seine Geliebte umbrachte und die zerstückelten Leichenteile in die Donau warf. Allerdings beschränkt sich das Museum auf die Präsentation von Originaldokumenten, Tatwerkzeugen, Totenmasken etc. und verzichtet auf jegliche Formen der Animation. Schließlich haben sich einige Museen auf die Darstellung übersinnlicher und skurriler Phänomene spezialisiert - u. a. das „Museum of Ghosts and Legends“ in Prag, das „Museum of Witchcraft and Magic“ in Cornwall oder das „Mythical Monster Museum“ im texanischen Waxahachie. Auch das „Zak Bagan’s The Haunted Museum“ in Las Vegas (Nevada) wendet sich an die Zielgruppe der Geistergläubigen - wie z. B. die Mitglieder der breiten Paranormal-Community in den USA, die sich landesweit in nahezu 5.000 Gruppen organisiert haben und regelmäßig gemeinsame Ghost Hunts veranstalten. Neben der legendären „Dybbuk Box“ - einer verhexten Weinkiste - sind dort auch makabre Ausstellungsstücke zu sehen wie z. B. das Bett, in dem der Baskettballspieler Lamar Odom mit einer Überdosis an Kokain und Potenzmitteln aufgefunden wurde, und eine lebensgroße Skulptur des nackten US-Präsidenten Donald Trump (vgl. Afanasiev/ Afanasieva 2018, S. 36; www.paranormalsocieties.com). „Dunkle“ Ausstellungen und Museen, Gruselerlebniswelten sowie Geister-, Gespenster- und Gruseltouren - im gesamten Spektrum des Dark Tourism sind diese kommerziellen Angebote sicherlich auf der „helleren“ Seite einzuordnen. Allerdings wäre es zu einfach, sie nur als hedonistische Entertainment-Angebote abzutun. Selbst wenn sie vor allem die Neugier, die Sensationslust und den Erlebnishunger der Besucher befriedigen, bieten sie ihnen doch die Möglichkeit, sich ihren eigenen Ängsten stellen, sich (wenn auch oberflächlich) zu informieren und sich mit grundlegenden Fragen von Leid, Sterben und Tod auseinanderzusetzen. Literatur zu kommerziellen „dunklen“ Besucherangeboten Weston, G. u. a. (2019): Spectral Cities: Death and Living Memories in the Dark Tourism of British Ghost Walks. - In: Urbanities, 9/ 2, S. 36-51 Anschaulicher Überblick über die Grundprinzipien des Edutainments bei Geister-, Gespenster- und Gruseltouren (Humor, Präsentation ausgewählter Ereignisse bzw. Personen der Stadtgeschichte, Storytelling, Animation, Reenactment) - erläutert anhand von Beispielen aus York, London, Brighton und Edinburgh Klopp, T. (2014): Die Geisterbahn als Modell und Mode in der zeitgenössischen Kunst, Hamburg (Hochschule für Bildende Künste - Dissertation) Vergleichende Darstellung der multimedialen Inszenierungstechniken, die in Unterhaltungseinrichtungen und zeitgenössischen Kunstwerken eingesetzt werden, um makabre und unheimliche Orte zu schaffen (unter Berücksichtigung der Immersion und der Angstlust) Dubek, M. M. (2013): Making Meaning of von Hagens’ Body Worlds: Towards an Interdisciplinary Approach to Science Exhibitions, Toronto (University of Toronto - Ph. D. Thesis) Umfangreiche Untersuchung zu den Motiven, Verhaltensweisen und (teilweise kritischen) Reaktionen der Besucher von „Körperwelten/ Body Worlds“-Ausstellungen, die sich u. a. auf Interviews, eine teilnehmende Beobachtung und die Auswertung von Gästebüchern sowie anderen Dokumenten stützt 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 178 03.02.2021 11: 51: 06 <?page no="179"?> 9 Dark Tourism - Fazit und Ausblick „A new war will open soon at a theatre near you! “ Alneng 2002, S. 480 75 | Ein literarisch verklärter Ort des Schreckens - das Chateau d’If auf einer Insel in der Bucht von Marseille diente bereits seit dem 16. Jahrhundert als Gefängnis. Internationale Bekanntheit erlangte es dreihundert Jahre später durch den Roman „Der Graf von Monte Christo“ von Alexandre Dumas, dessen Held Edmont Dantes dort unschuldig eingekerkert war und sich nach der erfolgreichen Flucht an seinen Peinigern rächte. Die Festung ist seit Ende des 19. Jahrhunderts öffentlich zugänglich und hat sich seitdem zu einem beliebten Ausflugsziel entwickelt. Gefängnisse und Schlachtfelder, Stätten des Holocaust und des Völkermords, Friedhöfe und Gruselerlebniswelten - bei dem breiten Spektrum an „dunklen“ Orten, Einrichtungen und Aktivitäten, die unter dem Dachbegriff Dark Tourism zusammengefasst werden, handelt es sich für die Tourismusforschung offensichtlich um ein weites und recht „buntes“ Forschungsfeld. Angesichts dieser Situation ist es unmöglich, ein eindeutiges Resümee zu ziehen, das in gleicher Weise auf alle Typen „dunkler“ Orte zutrifft. Stattdessen soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, einige Besonderheiten, Widersprüche und Trends dieses touristischen Nischensegments festzuhalten; dazu zählen u. a. (vgl. Korstanje 2012; Korstanje/ George 2017; Flanders Government u. a. 2017, S. 101-107; Martini/ Buda 2018): Anthropologische Konstante: Römische Gladiatorenkämpfe, mittelalterliche Hinrichtungen und öffentliche Leichenschauhallen des 19. Jahrhunderts - anhand dieser Beispiele ist deutlich geworden, dass bereits in früheren Zeiten ein ausgeprägtes Interesse an 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 179 03.02.2021 11: 51: 06 <?page no="180"?> 180 Tourism NOW : Dark Tourism „dunklen“ Ereignissen und Orten bestanden hat. Der Dark Tourism stellt also kein qualitativ neues Phänomen der jüngeren Geschichte dar. Vielmehr scheint er eher ein Indikator für die grundlegende Faszination zu sein, die vom Leid und Tod anderer Menschen ausgeht. Die Tatsache, dass er gegenwärtig in der Öffentlichkeit und der Wissenschaft größere Beachtung findet, ist vor allem auf seine zunehmende quantitative Bedeutung zurückzuführen: Zum einen hat in den vergangenen Jahrzehnten eine erhebliche Erweiterung des Angebots an Gedenkstätten und Erinnerungsorten stattgefunden. Zum anderen erfreuen sich „dunkle“ Orte einer zunehmenden Beliebtheit als touristische Sehenswürdigkeiten. Für diesen Nachfrageboom sind mehrere Faktoren verantwortlich; dazu zählen u.a. das generelle Wachstum des internationalen Tourismus, ein verändertes Reiseverhalten der Urlauber sowie die vielfältigen neuen Kommunikationsmöglichkeiten (Social Media). Multiple Interessen und Narrative: Die Schaffung „dunkler“ Orte und Angebote geht immer auf die Initiative öffentlicher bzw. privater Stakeholder zurück, deren spezifische Interessen sich in den jeweiligen Narrativen widerspiegeln. Auf den ersten Blick kann dabei zwischen den politischen Botschaften der öffentlichen Einrichtungen (Gedenken, Resilienz etc.) und den kommerziellen Zielen privater Unternehmen unterschieden werden (Rendite, Marktanteile etc.). Die genauere Analyse hat jedoch gezeigt, dass die große Bandbreite „dunkler“ Einrichtungen mit dieser simplen Dunkel-/ Hell-Abstufung nicht umfassend und sachgerecht abgebildet wird. Vielmehr können „dunkle“ Orte oft gleichzeitig mehrere Funktionen haben - von der Trauer über die Aufklärung bis hin zur Unterhaltung (z. B. Friedhöfe). Darüber hinaus wird die Botschaft staatlicher Gedenkstätten jeweils durch die politischen Rahmenbedingungen, das Engagement von Lobbygruppen und den jeweiligen Zeitgeist geprägt. So haben sich Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs z. B. von patriotischen französischen Erinnerungsorten zu transnationalen Stätten der Völkerverständigung gewandelt. Speziell bei einem geringen zeitlichen Abstand zu schrecklichen Ereignissen können die divergierenden Sichtweisen unterschiedlicher Interessengruppen zu Konflikten um das „richtige“ Geschichtsbild führen, das an den Schauplätzen vermittelt wird (z. B. im „Stasi-Gefängnis Berlin- Hohenschönhausen“). Medialer Einfluss und Hyperrealität: Die Gefängnisinsel Alcatraz, die ukrainische Geisterstadt Prypjat und die Witch City Salem in Massachusetts - diese „dunklen“ Orte sind Beispiele für die enormen Wirkungen, die speziell Spielfilme und Computerspiele auf die touristische Entwicklung „dunkler“ Orte haben. Die Effekte beschränken sich nicht auf die Steigerung der Nachfrage, sondern umfassen auch die Erwartungen und Wahrnehmungen der Urlauber. Die Filme kreieren mit ihren spektakulären Stories und kraftvollen Characters beim Publikum derart bildmächtige Vorstellungen, dass einige Schauplätze schrecklicher Ereignisse nur noch als Projektionsflächen persönlicher Fantasien dienen. Die Melange aus Realität und Fiktion hat dort längst dazu geführt, dass sie zu hyperrealen Orten mit einer eigenen Erlebnisqualität geworden sind. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 180 03.02.2021 11: 51: 07 <?page no="181"?> Dark Tourism - Fazit und Ausblick 181 76 | Der Dark Tourism ist kein monochromes Phänomen, sondern hat vielmehr einen changierenden Charakter - so handelt es sich z. B. bei der Mehrzahl der Schlachtfelder um (kommerzfreie) Orte der persönlichen Trauer, des öffentlichen Gedenkens und der allgemeinen Information. Einige werden jedoch auch als Schauplätze gewinnorientierter Reenactments und als Standorte kommerzieller Militärparks genutzt. Multioptionalität: Persönliche Trauer, Empathie für die Opfer, der Wunsch, einmal selbst an Schauplätzen schrecklicher Geschehnisse zu stehen und mehr darüber zu erfahren bzw. einfach das Bedürfnis, unheimliche Erfahrungen zu machen - für die Besichtigung „dunkler“ Orte gibt es eine große Bandbreite von Motiven. Selbst wenn das „National September 11 Memorial Museum“ in New York z. B. vor allem der Information und dem Gedenken dient, so haben viele Touristen das Bedürfnis, anschließend ein Souvenir zur Erinnerung an ihren Besuch zu erwerben. Und in den Gruselerlebniswelten „Dungeons“ steht zwar das oberflächliche Entertainment im Vordergrund, doch zugleich wird den Gästen dort ein selektiver Einblick in die Stadtgeschichte vermittelt. Aus dem „dunkleren“ bzw. „helleren“ Profil einer Einrichtung lassen sich also keine direkten Rückschlüsse auf die Erwartungen und Reaktionen der Besucher ziehen. Hierarchie des Schreckens: Wie im Kultur- und Besichtigungstourismus gibt es auch im Dark Tourism einige „Stars“ und viele „Mauerblümchen“. So weist z. B. das „Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau“ mit 2,2 Millionen Besuchern/ Jahr mehr als doppelt so viele Gäste auf wie alle anderen KZ-Gedenkstätten in Polen zusammen. Eine wesentliche Ursache dieser asymmetrischen Struktur ist der selektive Blick der Touristen, die sich aufgrund ihres knappen Zeit- und Geldbudgets immer auf das Bekannte, das Besondere und das Spektakuläre konzentrieren. Darüber hinaus spielen aber auch logistische Gegebenheiten eine wichtige Rolle - z. B. die Nähe zu Großstädten oder die Eröffentliche Einrichtungen Unterhaltung/ Voyeurismus Trauer/ Gedenken Information/ Aufklärung kommerzielle Angebote KZ-/ Genozid-Gedenkstätten Orte von Terroranschlägen und Naturkatastrophen Gruselerlebniswelten („Dungeons“) Geister-, Gespenster- und Gruselführungen Tschernobyl-/ Prypjat-Touren “Körperwelten/ Body Worlds“- Ausstellungen Township-, Favela- und Slumtouren Friedhöfe/ Friedhofstouren Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg, Vietnam-Krieg reenactment von Schlachten Militärparks nationale Gedenkstätten Gefängnisse Gefängnismuseen Alcatraz Schlachtfelder WK I + II, Vietnam-Krieg Reenactment von Schlachten Militärparks 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 181 03.02.2021 11: 51: 07 <?page no="182"?> 182 Tourism NOW : Dark Tourism reichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln etc. Angesichts dieses Attraktivitätsgefälles stehen die Verantwortlichen von Gedenkstätten vor unterschiedlichen Herausforderungen: Die „Stars“ müssen ein intensives Besuchermanagement betreiben, um die Touristenströme zu lenken und die negativen Begleiterscheinungen eines Overtourism zu verhindern. Bei den „Mauerblümchen“ geht es vor allem um eine Steigerung des Bekanntheitsgrads - u. a. durch eine breite Öffentlichkeitsarbeit oder die Kooperation mit anderen Einrichtungen (nicht zuletzt auch mit den „Stars“, die aufgrund ihrer internationalen Strahlkraft als „Leuchttürme“ solcher Netzwerke dienen können). Rolle als Mediatoren: Viele „dunkle“ Orte fungieren als dissonante kulturelle Sehenswürdigkeiten, die den Besuchern einen überwiegend kognitiven Zugang zu schrecklichen Ereignissen ermöglichen. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht eine sachgerechte Informations- und Wissensvermittlung in Form von Ausstellungen, Führungen etc. Dieses Bildungskonzept entspricht offensichtlich auch den Erwartungen der Gäste: So sind zahlreiche Untersuchungen zu dem Ergebnis gekommen, dass sich jeweils nur wenige Probanden bewusst mit existenziellen Themen wie dem Sterben und dem Tod auseinandersetzen wollten. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass durch den Aufenthalt an „dunklen“ Orten auch ein Reflexionsprozess ausgelöst werden kann. Speziell die Friedhöfe und die „Körperwelten/ Body Worlds“-Ausstellungen regen z. B. direkt zum Nachdenken über die Vergänglichkeit des Lebens an. In den westlichen Gesellschaften, in denen der Tod weitgehend aus der Alltagserfahrung ausgegrenzt ist, können „dunkle“ Orte also eine wichtige Rolle als Mediatoren zwischen dem Diesseits und dem Jenseits spielen. Selbst wenn die Besucher zunächst nur ein allgemeines Interesse haben (oder womöglich ihre Sensationsgier befriedigen wollen), können die dort gemachten Erfahrungen bei ihnen zu einer kathartischen Reaktion führen. Allerdings stößt die empirische Tourismusforschung bei der Erfassung solcher individuellen Transformationsvorgänge (wie auch der Motive generell) an ihre Grenzen, denn die Befragten müssen bereit dazu sein, offen über ihre Emotionen zu sprechen - und sich nicht darauf beschränken, nur sozial erwünschte Antworten zu geben. Erinnerungslebenszyklus: Die Schauplätze schrecklicher Ereignisse - z. B. Schlachtfelder, Foltergefängnisse, Orte von Terroranschlägen etc. - sind zunächst informelle Plätze der persönlichen Trauer von Familienangehörigen, Veteranen etc., aber auch spontaner öffentlicher Beileidsbekundungen (Schreine). Erst mit einem gewissen zeitlichen Abstand findet dann eine Institutionalisierung des Erinnerns in Form von Mahnmalen, Informationszentren etc. statt. Diese Gedenkstätten werden häufig auch für ritualisierte politische Veranstaltungen genutzt (Paraden, Kranzniederlegungen etc.). Ihr Narrativ und ihre architektonische Gestaltung sind Ausdruck der jeweiligen historischen Denkweise, die aber von nachfolgenden Generationen als anachronistisch betrachtet werden kann. So wird z. B. das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig längst nicht mehr als Symbol der Tapferkeit, Opferfreudigkeit etc. des deutschen Volkes im Kampf gegen Napoleon Bonaparte wahrgenommen. Stattdessen ist es zu einer beliebten Sehenswürdigkeit geworden, von deren Aussichtsplattform die Besucher einen schönen Blick über die Stadt haben. An diesem Beispiel wird deutlich, dass viele „dunkle“ Orte mehrere Phasen eines Erinnerungslebenszyklus durchlaufen (ähnlich dem Produktlebenszyklus von Konsumgütern). Generell droht ihnen die Gefahr, mittelfristig nur noch als triviale Ausflugziele wahrgenommen zu werden. Deshalb ist ein regelmäßiger Relaunch erforderlich - z. B. in Form einer inhaltlichen Neukonzeption, eines Einsatzes zeitgemäßer Vermittlungsmethoden sowie einer kundengerechten Infrastruktur. Darüber be- 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 182 03.02.2021 11: 51: 07 <?page no="183"?> Dark Tourism - Fazit und Ausblick 183 steht auch die Gefahr, dass historische Gedenkstätten aufgrund eines mangelnden politischen Interesses dem Verfall anheimgegeben werden (wie das monumentale deutsche Soldatendenkmal, das im Ersten Weltkrieg im französischen Sedan errichtet worden war und dessen geplanter Abriss erst durch heftige öffentliche Proteste verhindert wurde). Diese Gesetzmäßigkeit des Marktes gilt auch für die kommerziellen „dunklen“ Einrichtungen, die ihr Angebot ständig an die steigenden Erwartungen der anspruchsvollen Nachfrager anpassen müssen (z. B. in Form spektakulärer Stories und Rides). 77 | In ewigem Gedenken? Der letzte Gruß auf Trauerschleifen mag ehrlich gemeint sein, doch mit zunehmendem zeitlichem Abstand verblasst die Erinnerung an Leid, Schrecken und Tod. Um sie dauerhaft zu bewahren, bedarf es zunächst einer Institutionalisierung in Form von Gedenkstätten. Deren Narrativ muss kontinuierlich an politische und gesellschaftliche Veränderungen angepasst werden - ansonsten geraten die Ereignisse zunehmend in Vergessenheit und die „dunklen“ Orte werden zu banalen Ausflugszielen. „Wann wird die Schlacht von Verdun so etwas wie die Schlacht von Waterloo? Vielleicht 2019, wenn alle Jubiläumsfeierlichkeiten abgeschlossen, alle Staatschefs nach Hause gefahren sind. […] Durch die Zitadelle von Verdun holpern Wägelchen, die einen an Soldatenpuppen und Plastikkränzen vorbeifahren, wie in einer Geisterbahn. […] An die Stelle der Erinnerung tritt allmählich das Spektakel. Und irgendwann ist die Schlacht von Verdun vermutlich nur noch ein kurzer Druck aufs Gaspedal auf der Autobahn zwischen Metz und Paris.“ Jaeger 2014 Touristifizierung: Viele Verantwortliche „dunkler“ Erinnerungsorte (speziell der NS- Gedenkstätten) stehen dem Tourismus skeptisch gegenüber, da sie mit einem steigen- „dunkles“ Ereignis Institutionalisierung Musealisierung öffentliches Interesse/ Besucherzahl Touristifizierung temporäre Schreine Orte spontaner privater/ öffentlicher Trauer offizielle Gedenkstätten Orte politischer Botschaften/ staatlicher Trauerkultur öffentliche Informationszentren Bildungsstätten/ außerschulische Lernorte dissonante Kulturattraktionen Relaunch durch zeitgemäße Vermittlungsmethoden/ touristische Einrichtungen triviale Ausflugsziele Dekontextualisierung/ Kommerzialisierung t 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 183 03.02.2021 11: 51: 08 <?page no="184"?> 184 Tourism NOW : Dark Tourism den Besucheraufkommen auch eine zunehmende Trivialisierung und Kommerzialisierung befürchten, die in krassem Gegensatz zu den ethisch-moralischen Zielen der Einrichtungen stehen. Zugleich stellen Tagesausflügler und Touristen aber auch wichtige Adressaten und Multiplikatoren der politischen Botschaften dar, die dort vermittelt werden (Mahnen, Versöhnen etc.). Außerdem leisten die auswärtigen Gäste mit ihren Ausgaben einen wesentlichen Beitrag zum Budget der Einrichtungen und lösen in den Destinationen erhebliche wirtschaftliche Wirkungen aus. Für einen angemessenen Umgang mit dem Tourismus müssen jedoch nicht nur quantitative Aspekte wie die Steigerung der Besucherzahl bzw. des Umsatzes berücksichtigt werden. Weitaus wichtiger ist die qualitative Frage, wie Gedenkstätten inhaltlich auf die zunehmende Erlebnisorientierung sowie das veränderte Informations- und Kommunikationsverhalten der Digital Natives reagieren sollen. Angesichts dieser Entwicklungen wird es künftig wohl nicht ausreichen, die Gäste nur sachlich, korrekt und umfassend zu informieren. Mit dem Einsatz von Smartphone Applications, Augmented Reality, virtuellen Rundgängen etc. haben einige deutsche KZ-Gedenkstätten bereits auf den wachsenden Wunsch der Besucher nach multimedialen Vermittlungsformen reagiert. Damit befinden sie sich aber allenfalls am Anfang einer Erlebnisspirale, deren Ende gegenwärtig durch Erinnerungsorte wie das „National September 11 Memorial & Museum“ in New York und das Terror Háza uda es markiert wird; sie nutzen dramatische Inszenierungstechniken, um die Gäste affektiv zu erschüttern und emotional zu berühren (Involvement). Gedenken vs. Spektakel, Aufklärung vs. Kommerz - solche widersprüchlichen Erwartungen der Urlauber und Interessen der Betreiber werden den Dark Tourism auch in den kommenden Jahrzehnten bestimmen. Dabei kann dieser Bereich des Special Interest- Tourismus zweifellos in eine glänzende Zukunft blicken (ungeachtet der Corona- Pandemie, deren mittelfristige Wirkungen auf den internationalen Tourismus gegenwärtig noch nicht abzuschätzen sind). So sind die wachsenden Besucherzahlen zahlreicher „dunkler“ Einrichtungen deutliche Belege dafür, dass viele reiseerfahrene Touristen auf der Suche nach ungewöhnlichen, authentischen Erfahrungen jenseits der standardisierten Angebote des Massenmarktes sind. Außerdem haben zahlreiche „dunkle“ Orte längst einen festen Platz im Kanon der kultur- und besichtigungstouristischen Ziele. Künftig ist jedoch nicht nur von einem weiteren Anstieg der Nachfrage auszugehen, sondern auch von einer Vergrößerung und Diversifizierung des Angebots. Schließlich sorgt die Menschheit durch militärische Konflikte, Kriege etc., aber auch durch klimabedingte Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Dürren etc. dafür, dass ständig neue Stätten des Leids, des Schreckens und des Todes geschaffen werden - und damit auch potenzielle Erinnerungsorte und touristische Sehenswürdigkeiten: Allein für das Jahr 2019 hat das „Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung“ (HIIK) in seinem „Konfliktbarometer“ weltweit 358 Konflikte ermittelt, von denen mehr als die Hälfte einen gewalttätigen Charakter hatten (vgl. HIIK 2020, S. 13). Die Zahl der Naturkatastrophen hat im Zeitraum 1997-2017 dramatisch zugenommen. Nach Schätzungen des „UN Office for Disaster Risk Reduction“ (UNDRR) starben dabei 1,3 Millionen Menschen und 4,4 Milliarden wurden verletzt bzw. verloren ihre Lebensgrundlage ( www.undrr.org). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 184 03.02.2021 11: 51: 08 <?page no="185"?> Dark Tourism - Fazit und Ausblick 185 78 | „ Non Violence “ - mit dieser Skulptur in Form einer verknoteten Pistole hat sich der schwedische Künstler Carl Frederik Reuterswärd seit den 1980er-Jahren für Waffenstillstand, Gewaltlosigkeit und Völkerverständigung eingesetzt. Obwohl sein Kunstwerk inzwischen in verschiedenen Variationen in zahlreichen Städten errichtet wurde (wie hier im Kanzlerpark in Berlin), ist seine pazifistische Botschaft in der internationalen Staatengemeinschaft bislang auf taube Ohren gestoßen. Durch die zu erwartende Erweiterung des Angebots an „dunklen“ Einrichtungen wird aber auch der Wettbewerb in diesem Nischensegment weiter zunehmen. Um sich erfolgreich auf dem internationalen Tourismusmarkt zu behaupten bzw. zu positionieren, stehen den Verantwortlichen zahlreiche Marketing- und Management-Techniken zur Verfügung, die sich bereits in vielen Kultureinrichtungen bewährt haben. Da es zu weit führen würde, dieses Instrumentarium im Detail zu erläutern, sollen hier nur einige wichtige Arbeitsschritte erwähnt werden (vgl. Steinecke 2013, S. 41-146 zu einer ausführlichen Darstellung; Miles 2012, S. 64-69 mit einer Fallstudie zum Schlachtfeld von Waterloo): Analyse der aktuellen Marktsituation (politisches, gesellschaftliches und touristisches Umfeld, Besucher, Kooperationspartner, Konkurrenten etc.), Bestimmung von Zielen und Strategien (Leitbild, Positionierung, Markenbildung/ Branding etc.), Auswahl und Einsatz der Marketing-Instrumente (Produkt, Preis, Distribution, Kommunikation etc.), internes Marketing (Arbeitsorganisation, Koordination, Erfolgskontrolle etc.). Als zeitgemäße touristische Attraktionen müssen „dunkle“ Einrichtungen aber nicht nur diese betriebswirtschaftlichen Bedingungen erfüllen, sondern sich auch an den Leitlinien einer Corporate Social Responsibility (CSR) orientieren. Unter dem Begriff wird eine Unternehmensbzw. Organisationspolitik subsumiert, bei der die Leistungsträger auch Verantwortung für die gesellschaftlichen und ökologischen Folgen ihres Handelns übernehmen - und nicht ausschließlich ökonomische Interessen verfolgen. Dazu haben die „Vereinten Nationen“ bereits im Jahr 2016 einen Katalog mit „17 Zielen für eine nachhaltige Entwicklung“ formuliert. Er umfasst u. a. die Forderung nach einer Bekämpfung der Armut und des Hungers, einer Förderung der Geschlechtergleichheit und menschenwürdiger Arbeitsbe- 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 185 03.02.2021 11: 51: 09 <?page no="186"?> 186 Tourism NOW : Dark Tourism dingungen, einer Reduzierung sozialer Ungleichheiten sowie diversen Maßnahmen zum Schutz des Klimas (vgl. Saarinen 2019). Für „dunkle“ Orte (speziell Gedenkstätten) ist dabei das Ziel 16 „Peace, Justice and strong Institutions“ von besonderer Bedeutung, da sie durch ihre Erinnerungsarbeit einen Beitrag zur besseren Verständigung und dauerhaften Versöhnung von Staaten, ethnischen Gruppen etc. leisten können, die ihre Interessengegensätze in der Vergangenheit auf gewalttätige Weise ausgetragen haben. Um diese Aufgaben zu erfüllen, müssen die Konfliktparteien, die Opfer und die lokale Bevölkerung in die Entwicklung des jeweiligen Konzepts einbezogen werden (vgl. Flanders Government u. a. 2017, S. 113-114). „Dunkle“ Orte als politisch korrekte, sozial- und umweltverträgliche Besucherattraktionen - in diesem utopischen Szenario wird das harmonische Bild eines zukünftigen Dark Tourism entworfen, der hohen ethisch-moralischen Ansprüchen gerecht wird. In krassem Gegensatz zu dieser Vorstellung steht ein dystopisches Szenario, in dem „dunkle“ Einrichtungen nicht mehr dem Gedenken, der Trauer bzw. der Information dienen, sondern als Schauplätze brutaler und menschenverachtender Unterhaltungsaktivitäten genutzt werden (wie bei den Gladiatorenkämpfen und Tierhetzen im römischen Reich). Eine solche provokante Vision hat der französische Schriftsteller Bruce Bégout im Jahr 2011 in seinem Roman „Der ParK“ (sic! ) formuliert. „Der ParK ist eine Ansammlung unerhörter bis geschmackloser Vergleiche und surrealistischer Collagen, eine sich im stetigen Wandel befindende Kombination aus Wildgehege und Erlebnispark, Konzentrationslager und Technologiezentrum, Jahrmarkt und Flüchtlingslager, Friedhof, Kindergarten und Gefängnis - eine Schreckensgalerie […], halb Disneyland, halb Treblinka, kurz gesagt: ‚die Weltausstellung der Übel unserer Zivilisation, die gerade dadurch abgewendet werden, dass sie öffentlich ausgestellt werden. Fragt sich nur, bis wann‘“. Müller 2012 Diese literarische Idee ist inzwischen von der Tourismuswissenschaft aufgegriffen worden: In dem fundiert begründeten Szenario „Hunting Humans“ wird eine zukünftige Welt (2200) beschrieben, in der Überbevölkerung, Naturkatastrophen, Ressourcenknappheit und vor allem eine extreme soziale Ungleichheit herrschen. Zu den bizarren Vergnügungen der wohlhabenden und verwöhnten Elite gehört die Jagd auf die Unterprivilegierten - mit der fragwürdigen Begründung, die Bevölkerungszahl zu minimieren. Im Laufe der Zeit findet diese makabre Praxis aber eine immer breitere gesellschaftliche Akzeptanz und Manhunts werden zu beliebten Events (speziell auch für Teambuilding-Maßnahmen). Die Jagd auf Menschen findet in den weitläufigen Wohngebieten der Armen statt, die durch hohe Zäune abgegrenzt werden, um eine Flucht zu verhindern. Aufgrund der technologischen Entwicklung ähnelt die Manhunt einem Computerspiel, bei dem die Touristen - als Jäger - keinen direkten Kontakt zu den Opfern haben, sondern unterschiedliche Fernwaffen wie Präzisionsgewehre, Drohnen etc. benutzen. So unwahrscheinlich dieses düstere Szenario gegenwärtig auch erscheinen mag: Bereits im Jahr 2009 hat ein russischer Reiseveranstalter Kreuzfahrten vor der Küste Somalia (der gefährlichsten Wasserstraße der Welt) angeboten, bei denen die zahlungskräftigen Teilnehmer selbst Jagd auf Piraten machen konnten (vgl. Wright 2016). 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 186 03.02.2021 11: 51: 09 <?page no="187"?> Dark Tourism - Fazit und Ausblick 187 Manhunt in der Gegenwart: Piratenjagd vor Somalia „Seine Geschäftsidee ist einfach: Sein Kreuzfahrtschiff ist der Köder für die Piraten. Versuchen die echten Piraten das scheinbar harmlose Schiff zu entern, erleben die Afrikaner ihr blaues Wunder. Statt wehrloser Handelsmatrosen stehen ihnen bis an die Zähne bewaffnete russische Touristen gegenüber. Ein makabrer Touristenspaß. Ein Tag an Bord des gecharterten Kreuzfahrschiffes kostet 5.790 Dollar. Es wird solange geschippert, bis die echten Piraten auch wirklich angreifen. Mindestens ein Piratenüberfall mit Kaperungsversuch wird vom Reiseunternehmer garantiert. Die Route geht von Djibouti nach Mombasa in Kenia. Das Schiff fährt dafür möglichst nahe der somalischen Küste mit einer Geschwindigkeit von nur fünf nautischen Meilen entlang. Die Touristen können sich nach Belieben und Geldbeutel mit Waffen eindecken. Eine Maschinenpistole des Typs AK-47 kann von den russischen Kreuzfahrtpassagieren an Bord für 9 Dollar am Tag gemietet werden. 100 Schuss Munition kosten 12 Dollar. […] Die Benutzung eines an der Reeling fest installierten Maschinengewehres soll 475 Dollar kosten“ ( www.religionsforum.de/ showthread.php? tid=8251 vom 20.08.2020). Dystopien sind jedoch keine realistischen Zukunftsentwürfe, sondern vor allem fiktionale Warnungen vor möglichen politischen, gesellschaftlichen und ökologischen Fehlentwicklungen - es sei nur an literarische Werke wie „1984“ von George Orwell, „Fahrenheit 451“ von Ray Bradbury oder „Der Report der Magd“ von Margaret Atwood erinnert. Auch das sinistre Szenario zum Dark Tourism im Jahr 2200 dient diesem Zweck: Es zeichnet das Bild einer rücksichtslosen, grausamen und unmenschlichen Zukunft, die es durch politisches Handeln und zivilgesellschaftliches Engagement zu verhindern gilt. 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 187 03.02.2021 11: 51: 09 <?page no="188"?> 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 188 03.02.2021 11: 51: 09 <?page no="189"?> Abbildungs- und Tabellennachweis Abbildungen auf der Doppelseite zu Beginn „Vietnam Veterans Memorial“: commons.wikimedia.org/ wiki/ File: USMC-120612-M-II268-003.jpg; Cpl. Chelsea Flowers „Tuol Sleng Genocide Memorial“: www.flickr.com/ photos/ 21160499@N04/ 7583180834 „Topographie des Terrors“ www.flickr.com/ photos/ 99896715@N05/ 14489168303 Grab von Udo Jürgens: www.flickr.com/ photos/ 143560116@N08/ 29591674925 „Costa Concordia“: commons.wikimedia.org/ wiki/ Category: January_2012_grounding_of_the_Costa_Concordia_ (ship,_2006)#/ media/ File: Sunken_cruise_ship.JPG; Camerist „The Dublin Ghost Bus Tour“ : commons.wikimedia.org/ wiki/ File: RH31_Dublin_Ghost_-_Flickr_-_megabus13601.jpg; megabus13601 Portrait Prof. Dr. Jörg Skriebeleit (S. 50): KZ-Gedenkstätte Flossenbürg/ Foto: Thomas Dashuber Abbildungen im Fließtext 1 | www.flickr.com/ photos/ xiquinho/ 27501416784 2 | eigener Entwurf nach Angaben in www.annefrank.freetls.fastly.net/ media/ filer_public/ 76/ a9/ 76a94553-b996-4813-a997- 1e3e41734e32/ infographic_bezoekers_1960_tot_2018.pdf vom 08.07.2019 3 | www.wellcomecollection.org/ works/ ndtbc2wj? wellcomeImagesUrl=/ indexplus/ image/ L0042496.html vom 31.05.2020 4 | eigene, modifizierte Darstellung nach Angaben in Wolf/ Matzner (2012, S. 88); Fonseca/ Seabra/ Silva (2016) 5 | www.flickr.com/ photos/ peter_curb/ 28478847558 6 | www.flickr.com/ photos/ blahflowers/ 232904423 7 | www.flickr.com/ photos/ wm_archiv/ 8105403678 8 | Hartmann (2007a, S. 299) 9 | www.pixabay.com/ de/ photos/ deutschland-münchen-dachau-museum-2372511/ 10 | eigener Entwurf nach Angaben in Burger/ Ribarek (2015, S. 38) 11 | www.flickr.com/ photos/ ujkakevin/ 26435988862 12 | commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Impressions_of_Rwanda_by_Jenny_Paul_%E2%80%93_(20).jpg ; Jenny Paul 13 | www.flickr.com/ photos/ tprzechlewski/ 36832529971 14 | KZ-Gedenkstätte Flossenbürg/ Foto: Thomas Dashuber 15 | KZ-Gedenkstätte Flossenbürg/ Foto: Thomas Dashuber 16 | www.flickr.com/ photos/ usarmyeurope_images/ 26061577627 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 189 03.02.2021 11: 51: 10 <?page no="190"?> 190 Tourism NOW : Dark Tourism 17 | eigener Entwurf nach Angaben in Plöger (2006, S. 239) 18 | www.flickr.com/ photos/ berti66/ 5436814938 19 | commons.wikimedia.org/ wiki/ Category: Tranchée_des_Baïonnettes#/ media/ File: Bildverduneinsvier_(32).jpg ; Ziko van Dijk 20 | commons.wikimedia.org/ wiki/ Category: Fort_de_Douaumont? uselang=de#/ media/ File: Fort_Doaumont_Kasernenbau.JPG ; Superikonoskop 21 | eigener Entwurf nach Angaben in Jansen-Verbeke/ George (2015, S. 14); bei der Beantwortung der Frage waren Mehrfachnennungen möglich 22 | commons.wikimedia.org/ wiki/ Category: Gedenkstätte_Seelower_Höhen#/ media/ File: Gedenkstätte_Seelower_Höhen_2013_02.jpg ; Marcus Cyron 23 | commons.wikimedia.org/ wiki/ Category: Militärhistorisches_Museum_der_Bundeswehr_Dresden_(Building)#/ media/ File: Militärhistorisches_Museum_der_Bundeswehr_October_2011.jpg; Nick-D 24 | www.flickr.com/ photos/ johnji/ 24126461530 25 | www.flickr.com/ photos/ uwebrodrecht/ 21535199939 26 | commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Панорама_Оборона_Севастополя_1854- 1855._Севастополь._Крым._Россия._Май_2015_-_panoramio.jpg; Vadim Indeikin 27 | commons.wikimedia.org/ wiki/ Category: Cu_Chi_Tunnel#/ media/ File: A_few_rounds_in_an_M- 60._(12110611696).jpg ; Clay Gilliland 28 | commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Flight_93_Memorial_large.jpg ; Jeff Kubina 29 | commons.wikimedia.org/ wiki/ File: 10.2012_South_Pool_National_September_11_Memorial_01.JPG ; Farraguful 30 | www.flickr.com/ photos/ bruchez/ 24272270258 31 | www.flickr.com/ photos/ nyquik/ 8611423833 32 | www.flickr.com/ photos/ gregerravik/ 35368861223 33 | commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Police_boat_813_Thailand.jpg ; Dickelbeers 34 | commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Miracle_Pine_Tree_2012-05-05.jpg ; Yuichi Kosio 35 | www.flickr.com/ photos/ 37892835@N05/ 15662671870 36 | www.flickr.com/ photos/ uwebrodrecht/ 34647572522 37 | commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Chornobyl_catfish_2016_-_5.jpg ; Vic Harkness 38 | www.flickr.com/ photos/ claudiaschillinger/ 14393583830 39 | commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Leslie_five_points_new_york_1885_3c22660v.jpg ; Frank Leslie's illustrated newspaper (staff artist) 40 | eigener Entwurf nach Angaben in Rolfes/ Steinbrink/ Uhl (2009, S. 38); Mehrfachnennungen 41 | eigener Entwurf nach Angaben in Ma (2010. S. 32) 42 | www.flickr.com/ photos/ gfes/ 15907212325 43 | www.flickr.com/ photos/ pauljill/ 2154751323 44 | eigener Entwurf nach Angaben in Rugg (2000) - modifiziert und erweitert 45 | www.flickr.com/ photos/ alfreddiem/ 5117246611 46 | www.flickr.com/ photos/ liamq/ 5459941556 47 | www.flickr.com/ photos/ anokarina/ 21014761180 48 | www.flickr.com/ photos/ arlingtonnatl/ 16309249803 49 | eigener Entwurf nach Angaben in Mundt (2016, S. 47) 50 | commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Paris_Père_Lachaise_Victor_Noir.jpg ; Pierre André 51 | www.flickr.com/ photos/ bruchez/ 400322975 52 | www.flickr.com/ photos/ radiotrippictures/ 38306170694 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 190 03.02.2021 11: 51: 10 <?page no="191"?> Abbildungs- und Tabellennachweis 191 53 | www.flickr.com/ photos/ ianloic/ 3724789357 54 | www.flickr.com/ photos/ vanhoosear/ 26982192495 55 | www.flickr.com/ photos/ 129661249@N02/ 30489226720 56 | commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Dublin_kilmainham_gaol_cells_hall.JPG; Velvet 57 | commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Nelson_Mandela%27s_cell-Robben_Island.jpg ; Schavda 58 | www.flickr.com/ photos/ prof_richard/ 37781176004 59 | www.flickr.com/ photos/ littlesister/ 2678312541 60 | www.commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Al-capone-cell.jpg ; Thesab 61 | www.flickr.com/ photos/ donahos/ 22307318270 62 | www.flickr.com/ photos/ markdoliner/ 8260654414 63 | www.flickr.com/ photos/ willbuckner/ 44518215424 64 | www.flickr.com/ photos/ slgc/ 15799271615 65 | www.flickr.com/ photos/ troubadix/ 16653333524 66 | www.flickr.com/ photos/ number7cloud/ 9507700933 67 | www.flickr.com/ photos/ vastateparksstaff/ 11466013134 68 | www.flickr.com/ photos/ salemstatearchives/ 45494568581 69 | www.flickr.com/ photos/ aaron_anderer/ 3966647464 70 | www.flickr.com/ photos/ 119833571@N02/ 26877869515 71 | eigener Entwurf nach Angaben in Stone (2010, S. 391) 72 | commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Body_Worlds_Amsterdam_(26251662286).jpg ; Tobias Niepel 73 | Josephinum - Ethik, Sammlungen und Geschichte der Medizin, Medizinische Universität Wien 74 | commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Foltermuseum_wien.JPG? uselang=de ; Evolutionärer Humanist 75 | www.flickr.com/ photos/ fruitsofkarma/ 34364816401 76 | eigener Entwurf 77 | eigener Entwurf 78 | commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Carl-Fredrik_Reutersw%C3%A4rd_-_Non- Violence_im_Kanzlerpark,_Berlin,_August_2017.jpg ; Mutter Erde Tabellen 1 | eigene Darstellung auf Grundlage diverser Websites 2 | eigene Darstellung auf Grundlage diverser Websites bzw. telefonischer Auskünfte 3 | eigene Darstellung auf Grundlage diverser Websites 4 | eigene Darstellung auf Grundlage diverser Websites 5 | eigene Darstellung auf Grundlage diverser Websites 6 | eigene Darstellung auf Grundlage diverser Websites 7 | eigene Darstellung nach Angaben in www.thedungeons.com/ berlin/ de/ entdecke-das-dungeon/ 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 191 03.02.2021 11: 51: 10 <?page no="192"?> 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 192 03.02.2021 11: 51: 10 <?page no="193"?> Literaturverzeichnis Afanasiev, O. 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C. 126 Arnold, Matthew 5 Arnos Vale Cemetery, Bristol 124 Association of Significant Cemeteries in Europa (ASCE) 125 Atomic Bomb Dome, Hiroshima 64, 65 Atomograd 94 Atwood, Margaret 187 Auburn Prison, Auburn (New York) 138 Auschwitz-Birkenau, Staatliches Museum (Polen) 13, 15, 16, 25, 31, 34, 35, 36, 47, 64, 181 B Babyn Jar (Ukraine) 26 Baedeker, Karl 117 Bahro, Rudolf 145 Baudrillard, Jean 155 Baum & Zeit - Baumkronenpfad Beelitz- Heilstätten (Brandenburg) 22, 98 Bay, Michael 156 Beachy Head (Sussex) 120 Beauvoir, Simone de 133 Befreiungshalle, Kelheim 58 Bégout, Bruce 186 Beichuan National Earthquake Memorial, Beichuan (China) 90 e e ( o e ( -Gedenkstätte) 28 Benigni, Roberto 33 Benjamin, Walter 176 Bentham, Jeremy 139 Beres, Michael 97 Bergen-Belsen (KZ-Gedenkstätte) 42 Berliner Unterwelten e. V. 98 Bestattungsmuseum, Wien 125 Beutelsbacher Konsens 40 Beyoncé 39 Biermann, Wolf 55 Bikini-Atoll (Marschallinseln) 15 Bin Laden, Osama 80 Bob Marley Museum, Kingston (Jamaika) 104 Bocchetta, Vittore 47 Bodie (Kalifornien) 94 Bohley, Bärbel 145 Boorman, John 156 Bourdieu, Pierre 114 Boyle, Danny 109 Bradbury, Ray 187 Brass rubbing 128 Breivik, Anders Behring 85 Broder, Henryk M. 35 Bull Run (Virginia) (Schlachtfeld) 18 Bush, George W. 78 Byron, Lord 52 C Cameron, James 134 Cape Coast Castle (Ghana) 15, 142 Capone, Al 151, 156 Cave Hill Cemetery, Louisville (Kentucky) 133 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 215 03.02.2021 11: 51: 19 <?page no="216"?> 216 Tourism NOW : Dark Tourism Celan, Paul 36 Celebrities, Kult um 130 Cemetery Club (Großbritannien) 126 Cemetery Research Group, York (Großbritannien) 125 Chateau d’If, Marseille 179 Chemin des Dames, Picardie (Frankreich) 67 Choeung Ek Killing Field (Kambodscha) 37 Chomsky, Marvin J. 33 Christchurch (Neuseeland) 88 Christie, Agatha 118 Clink Prison Museum, London 149 Comité International de Dachau (CID) 29 Community-Based Tourism (CBT) 113 Congressional Cemetery, Washington, D. C. 125 Connolly, James 143 Cook, Thomas 118 Coppola, Francis Ford 52 Corporate Social Responsibility 48 Corporate Social Responsibility (CSR) 185 Costa Concordia (Kreuzfahrtschiff) 10, 87 Cu Chi-Tunnel (Vietnam) 72 Curie, Marie 133 Curie, Pierre 133 D Dachau (KZ-Gedenkstätte) 14, 28, 30, 31, 33, 42, 47 Dahlberg, Jonas 85 Darabont, Frank 154 Dark Fun Factories 19, 160, 166 Dark Tourism Angebotsspektrum 20 Dartmoor Prison, Princeton (Devon) 139 Dawson, J. 134 Dearly Departed Tours, Los Angeles 126 Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Berlin 25, 36, 82 Deutsches Hygiene-Museum Dresden 175, 176 Dharavi, Mumbai (Indien) 103, 108, 110, 112 Diana, Princess of Wales 22 DiCaprio, Leonardo 134 Dickens, Charles 138 Digital Natives 41 Disaster Tourism 19, 87 Disneyland, Anaheim (Kalifornien) 167 Disney-Themenparks 167 Display of Captured Materials, The Meir Amit Intelligence and Information Centre, Ramat Hasharon (Israel) 142 Distomo (Griechenland) 26 Dracula-Tourismus 165 Dumas, Alexandre 179 Dungeon 152, 168 Berlin 170, 171 Hamburg 20, 170 London 168, 172 York 172 E Earthquake Relics Park, Donghekou (China) 90 Eastern State Penitentiary, Philadelphia (Pennsylvania) 137, 138, 151 Elektrischer Stuhl 152 Elmina Castle (Ghana) 15, 142 Erdoğan, Recep Tayyip 141 Erinnerungslebenszyklus 182 Ettington Park Hotel, Stratford-upon- Avon (Warwickshire) 160 Europäische Route der Friedhofskultur 125 Europa-Park, Rust 167 European Holocaust Research Infrastructure (EHRI) 23 F Fairview Lawn Cemetery, Halifax (Kanada) 134 Féron, Firmin Éloi 52 Filmtourismus 15, 33, 108, 134, 156, 160, 165 Find a Death (Website) 126 Flight 93 National Memorial, Shanksville (Pennsylvania) 75, 77 Flossenbürg (KZ-Gedenkstätte) 45 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 216 03.02.2021 11: 51: 20 <?page no="217"?> Stichwortverzeichnis 217 Follies/ Staffagebauten 95 Foltermuseum, Wien 177 Fontane, Theodor 115 Foucault, Michel 95, 117 Frankenheimer, John 156 Friedhof und Denkmal - Zeitschrift für Sepulkralkultur 125 FriedhofGuide (Website) 126 Friedrich, Caspar David 95 Friends of the Newton Road Cemetery, Newbury (Berkshire) 123 Fright Tourism 163 Fuchs, Jürgen 145 Führerhauptquartier Wolfsschanze (Polen) 16, 27 Fujiwara, Simon 39 Fukushima (Japan) 100 Fürstengruft, Weimar 131 G Garland, Judy 124 Gauland, Alexander 42 Gedenkstätte Seelower Höhen (Brandenburg) 61 Geister-, Gespenster- und Gruseltouren 10, 16, 161 Geisterbahn 159, 166 Genealogie-Tourismus 127 Genozid-Tourismus 37 Gettysburg (Pennsylvania) 55, 70, 165 National Military Park 71 Panorama 68 Ghost Hunt 165, 178 Ghost Town 94 Ghost Walk 162 Gibran, Khalil 174 Gladiatorenkämpfe 17 Glasnevin Cemetery, Dublin 128 Global Terrorism Database 78 Goethe, Johann Wolfgang von 52, 131 Goldbacher Stollen, Überlingen 26 Golden Gate Bridge, San Francisco 120 Golden Gate National Recreation Area, San Francisco (Kalifornien) 155 Gorée (Senegal) 15 Gothic Tourism 163 Grand Tour 87 Green-Wood Cemetery, New York 117 Ground Zero, New York 79 Gruselerlebniswelten 152, 166 Grusellabyrinth, Bottrop 167 H Hagenbeck, Carl 106 Hagens, Gunther von 160, 173 Hanwang Earthquake Memorial Park, Hanwang (China) 90 Hashima/ Gukanjima (Japan) 94 Haus der Wannsee-Konferenz, Berlin (Gedenk- und Bildungsstätte) 26 HBO Chernobyl 99 Oz - Hölle hinter Gittern 154 Hector Pieterson Memorial and Museum, Soweto (Südafrika) 104 Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK) 184 Heller, André 126 Hercunaleum (Italien) 15, 86 Herinneringscentrum Kamp Westerbork (Niederlande) (KZ-Gedenkstätte) 41 Herman, Mark 33 Hermannsdenkmal, Detmold 22, 58 Het Nationaal Gevangenismuseum, Veenhuizen (Niederlande) 149 Heterotopie 95, 117 Highgate Cemetery, London 124 Hinrichtungen, öffentliche 17 Hinzert (Rheinland-Pfalz) (KZ- Gedenkstätte) 42 Hiroshima Cenotaph for the A-Bomb-Victims 64 Peace Memorial (Atombombenkuppel) 15, 64 Peace Memorial Museum 64 Peace Memorial Park 63 Historial de la Grande Guerre, Péronne (Frankreich) 67 Historisch-Technisches Museum Peenemünde (HTM) (Mecklenburg- Vorpommern) 20, 62 Ho Chi Minh (Mausoleum) 132 Hoa-Lo-Gefängnis, Hanoi (Vietnam) 142, 145 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 217 03.02.2021 11: 51: 20 <?page no="218"?> 218 Tourism NOW : Dark Tourism Höcke, Björn 42 Hohenhaus, Peter 24 Holiday Park, Haßloch 177 Hollywood Forever Cemetery, Los Angeles 124, 130 Hugo, Victor 133 Huron County Museum and Historical Gaol, Goderich (Ontario) 148 Hurrikan 19, 88, 91, 92 Hyperreale Orte 97, 155 I Identitätssuche 127 Ignalina (Litauen) 100 Immersion 68, 168 Imperial War Museum, London 21 In Flanders Field Museum, Ypern (Belgien) 67 Institut für Plastination (IfP), Heidelberg 173 Institute for Dark Tourism Research, University of Central Lancashire, Preston 24 International Committee of Memorial Museums in Remembrance of the Victims of Public Crimes (ICMEMO) 23 Involvement 86, 163, 184 J Jackson State Prison, Jackson (Michigan) 140 Josephinum - Sammlungen der Medizinischen Universität Wien 176 Jürgen, Udo 11 K Kaiser-Wilhelm-Denkmal, Porta Westfalica 59 Kant, Immanuel 174 Kapuziner-/ Kaisergruft, Wien 132 Kästner, Erich 51 Katastrophentourismus 19, 87 Katharsis 34, 81 Katutura, Windhoek (Namibia) 114 Kazimierz/ Krakau (Polen) 15 Kelly, Ned 150 Kennicott, Philip 80 Kibera, Nairobi (Kenia) 110 Kigali Genocide Memorial (Ruanda) 20, 38 Killing Fields (Kambodscha) 11, 37 Kilmainham Gaol, Dublin 142, 143 Kim Il-Sung (Mausoleum) 132 King, Stephen 160 Kleist, Heinrich von 132 Kohl, Helmut 59 Kolmanskuppe (Namibia) 94 Konfliktbarometer 184 Kontemplation 127 Körperwelten/ Body Worlds- Ausstellungen 160, 172, 182 Kraus, Karl 56 Kriegsgräberfahrten 56 Kriminalmuseum, Wien 177 Krüger, Ruth 30 Kubrick, Stanley 52, 160, 165 L L’Aquila (Italien) 88 La Recoleta, Buenos Aires (Argentinien) (Friedhof) 119, 121, 132 La Rochefoucauld, François VI. Duc de 127 Lanzmann, Claude 33 Leichenschauhallen 17 Lenin, Wladimir Iljitsch (Mausoleum) 93, 132 Lettisches Okkupationsmuseum, Riga (Lettland) 142 Libeskind, Daniel 63 Liliputaner-Show 177 Literaturtourismus 33, 131, 160, 165 Lorre, Peter 124 Lost Places 15, 22, 97, 113 Loznitsa, Sergei 34 Lublin-Majdanek (Polen) (KZ- Gedenkstätte) 28 Lund, Kátia 109 Luther, Martin 13 Luxor (Ägypten) 117 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 218 03.02.2021 11: 51: 20 <?page no="219"?> Stichwortverzeichnis 219 M Machine Gun Kelly 156 Malraux, André 133 Mandela, Nelson 142, 144 Manhunt 186 Mao Zedong (Mausoleum) 132 Marcos, Ferdinand (Mausoleum) 132 Mausoleum 132, 175 Mauzaisse, Baptiste 52 McCain, John 146 McMillan, David 95 Mediatoren-Funktion Friedhöfe 127 Gedenkstätten für Naturkatastrophen 90 Guides von Slumtouren 107 Körperwelten/ Body Worlds- Ausstellungen 174 Medien (als Steuerungsfaktoren des Dark Tourism) 15, 33, 52, 99, 108, 132, 156 Meirelles, Fernando 109 Merlin Entertainments PLC 152, 168 Militärhistorisches Museum der Bundeswehr, Dresden 63 Militärtourismus 52 Miller, Arthur 164 Miracle Pine Tree 91 Mitterand, Francois 59 Monroe, Marilyn 131, 133 Montparnasse, Paris (Friedhof) 133 Morgue, Paris 18, 117, 175 Morisson, Jim 129, 130 Mühsam, Erich 137 Mulisch, Harry 25 Murnau, Friedrich 165 Museo di Storia Naturale ‚La Specola‘, Florenz 176 Museum der Opfer des Genozids, Vilnius (Litauen) 100, 142 Museum für Sepulkralkultur, Kassel 125 Museum of Ghosts and Legends, Prag 178 Museum of Witchcraft and Magic, Boscastle (Cornwall) 178 Mütter Museum, Philadelphia (Pennsylvania) 176 Myrick, Daniel 165 Mythical Monster Museum, Waxahachie (Texas) 178 N Nagasaki 65 Nanjing-Jangtse-Brücke (China) 120 Napoleon Bonaparte 52, 55, 117 Nation Branding 81 National Federation of Cemetery Friends (Großbritannien) 125 National Science Museum, Tokio 173 National September 11 Memorial & Museum, New York 77, 79, 171, 181, 184 National Trust 160 Neo-Slumming 113 New Orleans (Louisiana) 19, 91, 92, 165 New Zealand Remembrance Trail, Passchendaele (Belgien) 67 Newton Road Cemetery, Newbury (Berkshire) 123 Niederwalddenkmal, Rüdesheim 58 Noir, Victor 129 Normandie (Gedenkstätten) 67 NS-Gedenkstätten Online-Informationsquellen 28 Smartphone Applications 41 Souvenirs 41 Nukleartourismus 65, 93 O Oakland Cemetery (Kalifornien) 124 Obdachlosenführungen 113 Obersalzberg, Berchtesgaden (Dokumentationszentrum) 27 Odom, Lamar 178 Ohlsdorf, Hamburg (Friedhof) 120, 134 Old Melbourne Gaol, Melbourne (Australien) 148, 150, 157 Oradour-sur-Glane (Frankreich) 26 Orwell, George 187 Overtourism 47, 182 P Panopticon-Prinzip (Gefängnisse) 139 Panorama 68 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 219 03.02.2021 11: 51: 21 <?page no="220"?> 220 Tourism NOW : Dark Tourism Panthéon, Paris 133 Parker, Bradley 97 Peace Tourism 65 Pentonville Prison, London 139 Père Lachaise, Paris (Friedhof) 14, 117, 129, 130, 133 Peterhead Prison Museum (Schottland) 148 Phantasialand, Brühl 167 Pink 35 Pirandello, Luigi 159 Plastination 173 Plato 174 Plinius der Jüngere 86 PLTD Apung Ship, Banda Aceh (Indonesien) 101 Polanski, Roman 165 Polesie State Radioecological Reserve (Belarus/ Weißrussland) 100 Polidori, Robert 95 Pompeji (Italien) 15, 86 Potter, Harry 161 Power, Tyrone 124 Presley, Elvis 134, 135 Pro-Poor Tourism (PPT) 113 Prypjat (Ukraine) 4, 77, 94, 180 Pyramiden, Gizeh (Ägypten) 117 R Rakowicki Cemetery, Krakau (Polen) 136 Reality Tours and Travel, Mumbai 109, 112 Reenactment auf Schlachtfeldern 66, 67, 71 bei Geister-, Gespenster- und Gruselführungen 163 in Gefängnissen 150 Reichsparteitagsgelände, Nürnberg (Dokumentationszentrum) 27 Remarque, Erich Maria 52 Responsible Tourism Award 112 Reuterswärd, Carl Frederic 185 Rikuzentakata (Japan) 91 Ringelnatz, Joachim 103 RMS Titanic 15, 134 Robben Island, Kapstadt (Südafrika) 15, 20, 142 Robbins, Tim 154 Roberts, Gregory David 109 Rocco, Marc 156 Roots Tourism 31, 127 Rousseau, Jean-Jacques 133 Rowling, Joanne K. 161 Ruinenromantik 95, 100 Russisch-Japanisches Gefängnis Lüshun, Dalian (China) 142 S S.T.A.L.K.E.R. Call of Pripyat 97 Clear Sky 97 Shadows of Chernobyl 97 Salazar, Rodrigo 36 Salem (Massachusetts) 164, 180 San Michele, Venedig (Friedhofsinsel) 120 Sánchez, Eduardo 165 Sanders, Colonel Harland 133 Sartre, Jean-Paul 133 Saydnaya-Gefängnis, Damaskus (Syrien) 147 Schadenfreude 33, 152 Schaffner, Franklin J. 154 Schiller, Friedrich von 75, 131 Schindler, Oskar 16 Schmidt, Hannelore (Loki) 134 Schmidt, Helmut 134 Schottland (Geister-, Gespenster- und Gruselführungen) 164 Schukow, Georgi Konstantinowitsch 61 Scott, Sir Walter 52, 164 Sedan (Frankreich) 183 Selbstmordplätze 120 Selektiver Blick der Touristen 28, 53, 120, 144 Seodaemun Prison History Hall, Seoul (Südkorea) 142 Sepulkralkultur 116 Shades Tours, Wien (Reiseveranstalter) 113 Shapira, Shahak 36 Siegel, Don 156 Sighet Memorial, Sighetu Marmatiei (Rumänien) 142 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 220 03.02.2021 11: 51: 21 <?page no="221"?> Stichwortverzeichnis 221 Sissi (Kaiserin Elisabeth von Österreich- Ungarn) 132 Skriebeleit, Jörg 45 Slumming 104 Slumtourism Network 114 Slumtourismus 103 Sobibór (Polen) (KZ-Gedenkstätte) 28 Spielberg, Steven 15, 33, 52 Stadtgottesacker, Halle an der Saale 121 Staffagebauten/ Follies 95 Stakeholder National September 11 Memorial & Museum, New York 78 Schlachtfelder 66, 73 Slums, Townships und Armenviertel 114 Stasi-Gefängnis Berlin- Hohenschönhausen 142, 145, 171, 180 Stevens, George 33 Stiftung Historische Kirchhöfe und Friedhöfe in Berlin-Brandenburg 122 Stoker, Bram 165 Stone, Philip R. 24 Storytelling bei Burg- und Schlossführungen 160 bei Friedhofsführungen 123 bei Geister-, Gespenster- und Gruselführungen 163 Strafgefangenenlager in Australien 15 Strafvollzugsmuseum, Ludwigsburg 152 Stroud, Robert 156 Stuttgarter Geister (Reiseveranstalter) 161 Suicide Spots 120 Symbolische Friedhöfe, Hohe Tatra (Slowakei) 121 T Taj Mahal, Agra (Indien) 103, 115 Tangshan Earthquake Memorial Park, Tangshan (China) 90 Teese, Dita von 129 Tepito, Mexiko City 112 Terror Háza (Haus des Terrors), Budapest 40, 184 Texas Prison Museum, Huntsville (Texas) 152, 153 The Stanley Hotel, Estes Park (Colorado) 160 Tierhetzen 17 Timberline Lodge (Oregon) 160 Tito, Josip Broz (Mausoleum) 132 To Do Award für sozialverantwortlichen Tourismus 112 Topographie des Terrors, Berlin (Dokumentationszentrum) 11, 27 Torture Museum, Amsterdam 177 Transsilvanien (Rumänien) 165 Treblinka (Polen) (KZ-Gedenkstätte) 28 Trench Art 57 Trump, Donald 178 Tschernobyl (Ukraine) 77, 93 Tsunami Memorial Park, Khao Lak (Thailand) 89 Tuol Sleng Genocide Museum, Phnom Penh (Kambodscha) 11, 37 Turner, Joseph Mallord William 52 U UN Office for Disaster Risk Reduction (UNDRR) 184 UNESCO-Welterbeliste 15, 65, 86, 144 Urban Explorer 22, 97, 113 USC Shoa Foundation, Los Angeles 42 USS Arizona Memorial, Hawaii 14 Utøya (Norwegen) 85 V Vabamu Museum der Besatzungen und Freiheit, Tallinn (Estland) 142 Valentino, Rudolph 124, 130 Valmy, Kanonade von 51 Valongo-Kai, Rio de Janeiro (Brasilien) 15 Vandalismus (auf Friedhöfen) 129 Varus-Schlacht (Teutoburger Wald) 22 Verdun 59 Beinhaus von Douaumont 21 Des Flammes à la Lumière 66 Fort Douamont 60 Friedhof von Douaumont 55 Graben der Bajonette 58 Reiseführer 56 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 221 03.02.2021 11: 51: 22 <?page no="222"?> 222 Tourism NOW : Dark Tourism Vergil 81 Vernet, Horace 52 Vietcong-Park (Vietnam) 72 Vietnam Veterans Memorial, Washington, D. C. 10, 82 Vogel, Henriette 132 Vogelsang (Eifel) (NS-Ordensburg) 27 Völkerschauen 106 Völkerschlachtdenkmal, Leipzig 55, 59, 182 Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) 56 Voltaire 133 Vught (Niederlande) (KZ-Gedenkstätte) 28 W Wachskabinette, anatomische 175 Walhalla (Landkreis Regensburg) 133 Wallfahrt 127 Waterloo (Belgien) 52, 66, 185 Weber, Max 161 Weltausstellungen 106 Wendkos, Paul 156 Werther-Effekt 120 West Virginia Penitentiary, Moundsville (West Virginia) 149 Westerbork (Niederlande) (KZ- Gedenkstätte) 28 Westwood Village Memorial Park Cemetery, Los Angeles 131 Wewelsburg, Büren 27 Wicki, Bernhard 52 Wilde, Oscar 133, 161 Wilderness Road State Park (Virginia) 162 Wo sie ruhen (Smartphone Application) 122 Wordsworth, William 52 Y Yad Vashem, Jerusalem (Holocaust- Gedenkstätte) 41 Yinxiu Epicenter Earthquake Museum, Yinxiu (China) 90 Yücel, Deniz 141 Z Zag Bagan’s The Haunted Museum, Las Vegas (Nevada) 178 Zeitzeugen in Gefängnissen 144, 145 in KZ-Gedenkstätten 42 Zellengefängnis, Berlin-Moabit 138 Zentralfriedhof, Wien 11, 128 53054_Steinecke_196x266_v2.indd 222 03.02.2021 11: 51: 22 <?page no="223"?> ISBN 978-3-7398-3054-4 www.uvk.de »Im Spannungsfeld von öffentlicher Kritik und wachsender Nachfrage - der Dark Tourism ist das populäre Stiefkind des internationalen Tourismusmarktes.« Auschwitz, Verdun und Tschernobyl - solche Schauplätze von Genoziden, Schlachten oder Katastrophen verzeichnen weltweit steigende Besucherzahlen. In seinem neuen Buch beleuchtet Albrecht Steinecke dieses befremdlich erscheinende Phänomen. Er geht dabei unter anderem auf die Geschichte des Dark Tourism ein, stellt unterschiedliche Typen dieser „dunklen“ Orte vor und erläutert die Reisemotive - die vom Gedenken bis zur Sensationsgier reichen. Darüber hinaus beschreibt er die ökonomischen Effekte des Erinnerungstourismus und zeigt Wege auf, wie Destinationen auf angemessene Weise mit dem „dunklen“ kulturellen Erbe umgehen können. Ein Praxisinterview gibt zudem tiefe Einblicke in dieses Tourismussegment. DARK TOURISM Albrecht Steinecke Albrecht Steinecke DARK TOURISM Reisen zu Orten des Leids, des Schreckens und des Todes Mit Experteninterview! 53054_Umschlag_bel.indd Alle Seiten 03.02.2021 12: 50: 43
