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Besser führen

Mit Haltung und Vertrauen zu Loyalität

0111
2021
978-3-7398-8072-3
978-3-7398-3072-8
UVK Verlag 
Miriam Engel

Ein Unternehmen, das einen soliden und beständigen Erfolg haben möchte, muss alles dafür tun, damit eine vertrauensvolle, loyale, respektvolle Arbeitsatmosphäre entsteht und erhalten bleibt. Obwohl die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber für ihre Mitarbeiter sogar gesetzlich geregelt ist, ist sie vielen Chefs abhandengekommen. Aber das Erfolgsgeheimnis in Unternehmen liegt in der gegenseitigen Zufriedenheit, Verbundenheit und Loyalität zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Da eine Führungskraft oft erfahren muss, dass der Weg nach oben einsamer wird, muss sie einerseits lernen, politisches Taktieren und Missgunst auszuhalten und auf der anderen Seite genau diese Selbstbeherrschung mit ihrer Fähigkeit zur Empathie bündeln, um als echte Führungspersönlichkeit zu überzeugen und ihre Mitarbeiter für sich einzunehmen. Dieses Buch ist geschrieben für Macher, die den Faktor Mensch im Unternehmen richtig verstehen und zum Einsatz bringen wollen, um zufriedener und wirtschaftlich erfolgreicher zu arbeiten. Zur Analyse ihrer Ist-Situation sind die wichtigsten statistischen Daten und Fakten erfasst und praktische Anwendungsgebiete für Führungskräfte aufbereitet, um die Führungsrolle zu hinterfragen und notwendige Kompetenzen zu entwickeln. Nur wenn Entscheider wissen, über welche führungsrelevanten und sozialen Fähigkeiten sie verfügen, wer ihre Kollegen und Mitarbeiter sind und sie deren Wünsche und Bedürfnisse kennen, können sie die richtigen Entscheidungen treffen und sicher in die Zukunft navigieren.

9783739880723/Zusatzmaterial.html
<?page no="0"?> Besser führen Mit Haltung und Vertrauen zu Loyalität Miriam Engel <?page no="1"?> Besser führen <?page no="2"?> ©Benjamin Klingebiel Miriam Engel ist Kommunikationswirtin, Führungstrainerin und zertifizierte Personalentwicklerin. Fokus ihrer Arbeit ist Führungsentwicklung und Mitarbeiterkommunikation. Mit der Managementberatung loyalworks® berät und betreut sie Betriebe, die ihre Mitarbeiter nachhaltig binden und passende Kandidaten fürs Unternehmenswachstum gewinnen wollen. Die Expertin für loyale Führung und Zusammenarbeit bietet Mentoring und Leadership-Programme mit Zertifizierung in der gesamten D-A-CH-Region an. Ihr Podcast 7-Minuten-loyaler stürmte im Januar 2019 die iTunes Wirtschafts-Charts. <?page no="3"?> Miriam Engel Besser führen Mit Haltung und Vertrauen zu Loyalität UVK Verlag · München <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.dnb.de> abrufbar. 1. Auflage 2021 © UVK Verlag München 2021 - ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Cover-Illustration: © iStockphoto, Vladimir Cetinski Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de ISBN 978-3-7398-3072-8 (Print) ISBN 978-3-7398-8072-3 (ePDF) ISBN 978-3-7398-0116-2 (ePUB) <?page no="5"?> Geleitwort Wer Menschen für sich und für seine Sache gewinnen will, tut gut daran, wie ein Psychologe vorab eine Diagnose zu stellen, um die tatsächlichen Bedürfnisse der anderen mit den eigenen Zielen und Vorhaben zu verknüpfen. Eine Grunderkenntnis ist dabei wichtig: Menschen haben eine große innere Sehnsucht danach, wahrgenommen zu werden. Gefühlt war dieses Verlangen noch nie so groß wie heute. Zeiten heraufziehender Gefahren, Krisen, fordern die menschliche Kommunikation besonders heraus. Je mehr sich unsere Welt verändert, desto verletzlicher empfinden wir sie. Das erzeugt Ängste, unwillkommene Gefühle; und wer nicht gelernt hat, konstruktiv mit ihnen umzugehen, läuft Gefahr, durch angstgeleitetes Handeln falsche, ungewünschte Wirkungen zu erzielen. Denn je größer die Angst ist, desto höher steigt beispielsweise die Bereitschaft, Fehler zu bestrafen. Auf Führungskräfte treffen daher Anforderungen von zwei Seiten: einerseits, die eigene „Ohnmacht“ anzuerkennen und mit ihr umzugehen als auch, die ihnen anvertrauten Mitarbeiter auf einen Zukunftskurs zu lenken, der ihnen Orientierung und Sicherheit bietet und darüber hinaus motivierend wirkt. Und obwohl wir aus wissenschaftlicher Sicht andere Menschen nicht motivieren können, so können wir doch Motive schaffen, eine gemeinsame Vision entwickeln und aufrechterhalten, auch wenn es um uns herum turbulent wird. Mit ihrem Fokus auf die Haltung einer Führungskraft als zentrale Bedingung und Auswirkung auf die Loyalität im Team legt Miriam Engel bestehende Erkenntnisse zugrunde und baut das Fundament einer Arbeitsgemeinschaft über das Vertrauen hin zu einer loyalen Unternehmenskultur, in der echtes Miteinander für gemeinsamen Erfolg gelebt wird. Ich lege allen Menschen in Führung und Verantwortung ans Herz, sich mit diesen Grundbestandteilen für Zukunftsfähigkeit in agilen Unternehmen auseinanderzusetzen, um die Bedürfnisse nach Anerkennung und Berechtigung in einem Team zu stillen und nachhaltigen Erfolg zu ermöglichen. Rolf Schmiel Diplom-Psychologe und TV-Experte Oktober 2020 <?page no="6"?> Widmung Für alle, die an eine Zukunft glauben, die wir gemeinsam gestalten können. <?page no="7"?> Danksagung Mein Dank gilt all den Mentoren, Autoren, Forschern, Lehrern und Denkern, auf deren Schultern ich stehe und die mich bei diesem Buch inspiriert und unterstützt haben. Während ich dieses Buch schrieb, ist mir einmal mehr klar geworden, in welch einem großen Netzwerk an Beziehungen, Ideen und Begegnungen ich mich bewege. Insofern war ich beim Schreiben nie allein. Ich ühle mich getragen von Menschen und Anekdoten, die mich gehalten und weitergetrieben haben. Das gesammelte Wissen, das sich nun in diesem Buch befindet, wäre möglicherweise wieder in Vergessenheit geraten, wenn ich nicht die Chance genutzt hätte, es in die Praxis umzusetzen und hier festzuhalten. Ich danke auch allen meinen Auftraggebern, die mir immer wieder gezeigt haben, dass es heute keine pauschalen Antworten mehr gibt; schon gar nicht ür Führung. Ich lerne und entwickele mich mit ihnen. Ein besonderer Begleiter ist ür mich mein Lebensgeährte Dr. Tim Schneider geworden, der als Verhaltensökonom und Führungsmensch über einen unschätzbaren wissenschaftlichen Hintergrund verügt und mir im Austausch immer wieder sehr geholfen hat, tiefer zu schauen, noch weiter zu hinterfragen, Führungspsychologie und letztlich mich selbst besser zu verstehen. Meiner Tochter Ida Marleen danke ich, weil sie mir in ihrer Art und Entwicklung zeigt, dass es eine neue Generation gibt, die bereit ist, die Welt balancierter zu gestalten als wir es bis hierhin konnten. Und mein Dank gilt meinen Trainerpartnern, mit denen ich Leadership-Programme zu Loyaler Führung und Zusammenarbeit entwickele und immer flächendeckender ausrolle. Ich bin überzeugt: Mehr Loyalität, mehr Miteinander, mehr Wachstum. Miriam Engel, November 2020 <?page no="9"?> Vorwort Schon in meinem ersten Buch Royal ühren, loyal handeln - Nachhaltige Wertschöpfung ür Ihr Unternehmen mache ich deutlich, wie bedeutsam die Eigenschaften, die Vorbildfunktion und das Erleben von Führungskräften in einem Unternehmen sind. Wir alle wissen, wie viel von dem übrig bleibt, was wir jeden Tag sagen und von anderen fordern. Menschen wollen nicht gehorchen, sie wollen sich entfalten. Sie machen nicht unbedingt das, was von ihnen verlangt wird, sondern ahmen vielmehr die Verhaltensweisen ihrer Idole, ihrer Vorbilder nach. Werden und seien Sie ein solches Vorbild - und Ihr gesamtes Unternehmen wird aufblühen. Gerade wenn es um Menschenführung geht, ist es so wichtig, ein stabiles Fundament zu schaffen, das es den Führungskräften erleichtert, ihrer vornehmlichen Aufgabe nachzukommen: die Arbeitszufriedenheit und Performance der Mitarbeiter zu steigern bzw. auf einem hohen Level zu halten. Stellt sich die Frage, wie erfolgreiches Leadership im Sinne einer loyalen Führung machbar und messbar ist: Einerseits drückt sich ein Führungsstil in einem konkreten Verhalten aus, das beobachtet, beschrieben und somit gemessen werden kann. Und es gibt Variablen, die zeigen, ob ein Führungsstil besser, schlechter oder gleich gut wie ein anderer Führungsansatz ist. Neben der Mitarbeiterzufriedenheit gehören Leistung, Fluktuation, Abwesenheitszeiten, Fehlerhäufigkeiten, das Ausmaß an selbstständigem Engagement und natürlich die Loyalität zum Unternehmen, zum Team und zur Führungskraft zu den aus meiner Sicht wichtigen Variablen und Indizien für ein gut geführtes Unternehmen. Wirkt sich ein Führungsstil auf einen oder mehrere dieser Faktoren positiv aus, ohne gleichzeitig andere Faktoren zu vermindern, ist er somit erfolgreich und besser als bisherige Führungsansätze. Und die Zusammenhänge verschiedener Ausprägungen innerhalb der Faktoren lassen sich evidenzbasiert und wissenschaftlich korrekt messen. Solange ich mich mit Führung beschäftige, finde ich alle Untersuchungen eng verzahnt mit der Motivationsforschung vor - die enge Wechselbeziehung bestätigen etliche Studien. Tausende Annahmen werden in den Raum gestellt, bestätigt oder eben nicht. Ich möchte Sie nicht demotivieren, wenn bei Ihnen der Eindruck entsteht, ein klares Führungsbild zu entwickeln wäre aussichtlos. Das ist es nicht! Jedoch möchte ich allen Anhängern eindeutiger Antworten aus der Wissenschaft schon hier den schmerzenden Zahn ziehen. Diese Erwartungshaltung widerspricht nämlich allem, was mir meine Lebenserfahrung zeigt. Nur selten ist etwas ür jede Situation eindeutig und generalisierbar gut oder schlecht, richtig oder <?page no="10"?> 10 Vorwort falsch. Die Welt der Menschen, in der ich lebe, ist divers und komplex. Und daür bin ich dankbar, das macht ihren Wert aus. Das macht uns aus. Aus diesem Grund will und werde ich mich nicht den Urhebern vermeintlich einfacher und allgemeingültiger Führungsrezepte anschließen. Und das in Ihrem Sinne: Ich werde nicht in die Falle tappen, ein wohlklingendes, aber falsches Rezept zu verbreiten. Ich ergründe, hinterfrage, sammele Indizien, ziehe in Teilen klare Aussagen und differenziere alles, was im größeren Kontext steht. Doch in einem bin ich mit der Wissenschaft auf einer Wellenlänge: Ich rechne in Wahrscheinlichkeiten und nicht in Wahrheiten. Ich arbeite mit Menschen, eruiere den Grad ihrer Kooperationsbereitschaft und ermesse so ihre Haltung zu lösungsorientiertem und loyalem Verhalten. Eine Gruppe Menschen zu ühren, bedeutet in jedem Fall, unterschiedliche Individuen zu ühren, coachend anzuleiten und deren Wertesysteme, kulturelle Hintergründe, Bedürfnisse, ihre aktuelle Verfassung und Situation zu berücksichtigen. Natürlich sind die Organisation selbst, die Unternehmensziele und weitere Rahmenbedingungen ebenso einzubeziehen. Diese Herangehensweise ist als ‚situatives Führen‘ bekannt geworden. Ich finde diesen Ansatz richtig und wichtig; nicht um den Führungskräften hohe An- und Herausforderungen zu stellen, sondern um die grundsätzliche Fähigkeit als Führungspersönlichkeit zu ühren, unabhängig von Fachkompetenzen. In Kombination mit meinem Ansatz einer loyalen Führungshaltung steht das Ziel, dass Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz ihre eigenen Potenziale und Stärken erkennen, entwickeln und einbringen können. Um dies zu erreichen, ist ein Umfeld maßgeblich, welches diese Potenzialentfaltung erlaubt und Führungskräfte einschließt, die verstanden haben, dass ihr gelebtes Führungsverhalten Ausschlag gebend ist ür die gesamte Arbeitskultur in ihrem Bereich. Die Führung schafft also immer den Nährboden. Ein schönes Bild, das ich mir von Dr. Matthias Nöllke ausleihe, ist die Betrachtung des Unternehmens als einen Garten. So lassen sich viele Grundannahmen übertragen, die die Gartenliebhaber unter uns schnell verstehen werden. Dazu gehört die Einsicht, dass ein schöner und ertragreicher Garten dem jahreszeitlichen Rhythmus unterliegt. Es liegt auf der Hand, dass ein Garten nicht an 365 Tagen gleichermaßen blühen kann. Im Garten wird der Jahreszeitenwechsel mit seinen Folgen als selbstverständlich hingenommen: Im Winter die Ruhezeit, Abgestorbenes wird abgestoßen, neue Triebe können entstehen. Im Frühling die Knospen und Blütezeit, wenn die Wärme und das Sonnenlicht dieses als äußere Faktoren begünstigen. Im Sommer, die Blütezeit und die erste Ernte und im Herbst die weitere Ernte sowie das Zurückziehen, der Verfall ab- und ausgenutzter Pflanzenteile und Flächen, um wieder neu in die Transformation zu gehen. <?page no="11"?> Vorwort 11 So verfolgt auch kein Gärtner dauerhaft das Ziel, seinen Garten perfekt haben zu wollen. Wer dem natürlichen Unkraut nicht nachgibt, kommt um Pestizide nicht herum. Oder andersherum: Ein wenig darf sich die echte Natur im Garten zeigen und wir nehmen die Gegebenheiten an. Wir alle wissen, dass vor der Ernte die Blütezeit kommt. Selbstverständlich muss der Apfelbaum erst blühen, bevor wir die Frucht genießen können. Alles in der Natur hat seine Reihenfolge, eine Abkürzung gibt es nicht. Und wer sich über einen längeren Zeitraum mit dem Garten- und Landschaftsbau beschäftigt, weiß Artenvielfalt zu schätzen. Denn erst die unterschiedliche oder abwechselnde Bestellung des Ackers schafft eine ausgeglichene Bodenkultur. Der Natur gestehen wir den biologischen Rhythmus zu. Ganz selbstverständlich nehmen wir die Tatsachen an und kritisieren sie nicht. Nur leider ist uns diese natürliche Haltung zwischenmenschlich, spätestens in der Zusammenarbeit, in vielerlei Hinsicht verloren gegangen. Spätestens im Arbeitsleben wird Perfektion angestrebt, oft werden Erholungszeiten Schlappschwänzen zugeschrieben und hinter Diversity steckt in vielen Unternehmen der bunt bedruckte Mantel, unter dem sich dann doch Gleichmacherei verbirgt. Wir Menschen sind Teil der Natur. Und meiner Meinung nach sollten wir uns schnellstens selbst diese Einsicht, diese wohlwollende Grundhaltung und die nicht permanent fordernde, sondern auch schonende Behandlung wieder zukommen zu lassen. Das verstehe ich unter Loyalität. In meinem Buch Royal ühren, loyal handeln beschreibe ich einige bittere Erfahrungen und kann Ihnen mit Blick auf mein gesamtes bisheriges Leben sagen: Es gibt schwarze Schafe - auf beiden Seiten des Tisches. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer können echte Entwicklungsbremsen sein. Ich habe mir trotz mancher Tiefschläge mein positives Weltbild erhalten bzw. wiederaufgebaut. Lassen Sie uns Menschfreunde sein. Das macht so Vieles leichter, ganz besonders unseren Umgang miteinander und damit unsere Möglichkeiten. Ich glaube, dass im Grunde genommen alle Menschen einen guten Kern haben. So habe ich ür mein Menschenbild ein paar Grundannahmen aus dem Neuro-Linguistischen Programmieren (NLP) übernommen (mehr dazu in Kapitel 3.3, Seite 88):  Jeder Mensch handelt aus einer positiven Absicht.  Jeder Mensch trägt alle sozialen Fähigkeiten als Ressourcen in sich zur Verfügung.  Es gibt keine Fehler, nur Feedback. <?page no="12"?> 12 Vorwort  Die Reaktion ist Zeugnis der Kommunikation.  Das flexibelste Element kontrolliert das System. Wir alle sind mit einem Blumenstrauß an sozialen Eigenschaften auf die Welt gekommen. Durch Erziehung, Prägung und unsere Erfahrungen haben wir gelernt, was in unserem Umfeld erwünscht und was versagt ist. Dadurch haben wir uns bestimmte Verhaltensweisen antrainiert, mit dem Ziel, gut durchs Leben zu kommen. Auch heute bedienen wir uns täglich dieser antrainierten Verhaltensweisen, oft unbemerkt, weil unbewusst. Erst durch das regelmäßige Reflektieren werden wir aufmerksam auf die vielen ‚Geschenke‘, die wir im Laufe des Lebens angesammelt haben und heute kritisch hinterfragen dürfen, ob sie uns dienen, zu unseren Zielen und zu unserem Lebensweg passen. <?page no="13"?> Inhalt Geleitwort ........................................................................................................................ 5 Widmung.......................................................................................................................... 6 Danksagung..................................................................................................................... 7 Vorwort............................................................................................................................. 9 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung ................. 15 1.1 Neue Führung entsteht beim Führen ........................................................21 1.2 Vertrauen als Basis loyaler Führung.........................................................24 1.3 Was ist Loyalität? - Eine Annäherung ....................................................25 1.4 Vertrauen im digitalen Zeitalter.................................................................30 1.5 Grenzen des Vertrauens................................................................................36 1.6 Das Warum des Vertrauens in der Führung...........................................38 1.7 Vergiftete Führung durch Misstrauen ......................................................42 1.8 Neun Tipps für mehr Vertrauen.................................................................46 2 Stetiger Führungswandel ........................................................................ 49 2.1 Führung trotz Ungewissheit - die Kraft von Experimenten.............. 49 2.2 Authentizität in der Führung..................................................................... 54 2.3 Die Relevanz von psychologischer Sicherheit........................................60 2.4 Der Wandel unserer Haltung ist Teil unserer Reifung........................ 64 2.5 Die Haltung von Mitarbeitern ....................................................................76 3 Führungskompetenz braucht Loyalität ........................................... 79 3.1 Verständnis von Loyalität - Interview mit Führungstrainern .......... 80 3.2 Loyale Führung und Motivation ................................................................85 3.3 Kommunikative Grundannahmen zur Erleichterung einer loyalen Kultur ..................................................................................................88 3.4 Die Rolle der Führungskraft zur Erzielung von Mitarbeiterloyalität und -bindung...................................................................................91 3.4.1 Auswirkungen loyaler Mitarbeiter für Unternehmen .......................101 <?page no="14"?> 14 Inhalt 3.5 Loyale und zufriedenstellende Arbeitsbeziehungen .......................... 104 3.6 Feedback in einer loyalen Unternehmenskultur ................................. 108 3.7 Säulen einer loyalen Feedback-Kultur.................................................... 129 3.8 Der loyale Umgang mit Stärken und Schwächen ............................... 136 3.9 Coaching als Aufgabe der Führungskraft ............................................. 141 4 Loyale Mitarbeiter als Botschafter fürs Arbeitgeberimage . 143 4.1 Erfolgsgeschichten aus Mitarbeitersicht................................................ 146 4.2 Loyale Unternehmenskultur ..................................................................... 161 4.3 loyalworks® - Haltung und Handlungsgrundlage ............................ 167 4.4 Aussichten: Mit Loyalität der Angst begegnen und motivieren..... 170 5 Literaturhinweise .................................................................................... 171 <?page no="15"?> 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung Die ständigen äußeren Einflüsse stellen alle Menschen auf die Probe. Fühlen sich Menschen bedrängt, neigen sie dazu, ihre Eigenschaften noch stärker auszuleben als üblich. Die Folge: Alle Charaktermerkmale potenzieren sich. Wer normalerweise ängstlich ist, gerät in Panik. Wer allem mit einem ausgeprägten Maß an Gelassenheit begegnet, dem gehen jetzt erst recht die Bedürfnisse der anderen am Allerwertesten vorbei. Und wer üblicherweise hektisch ist, gerät in wilden Aktionismus. So beobachte ich vielerorts eine blinde Betriebsamkeit in Unternehmen, die bei näherem Hinsehen zu nichts führt. Und lediglich mit Produktivität verwechselt wird. Wieder andere geraten in Schockstarre und bleiben für geraume Zeit reglos. Doch um sinnvolle Veränderungen anzutreiben, braucht es Bewusstheit. Wir brauchen keine höhere Drehzahl, sondern mehr Reflexion. Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie es sein kann, dass Sie wissen, dass sich etwas verändern muss und womöglich ziemlich genau, was sich verändern soll - und dennoch hält Sie etwas davon ab? Im Wirtschaftsleben wissen wir schon längst, dass grundlegende Veränderungen für Unternehmen dringend und unausweichlich sind. Möglicherweise haben Sie auch schon Initiativen ergriffen, um diese anzustoßen, doch irgendwie werden Sie das Gefühl nicht los, dass es sich hierbei um bloße Kosmetik handelt, statt radikal dort anzusetzen, wo es wirksam ist. Ich sehe die Problematik darin, dass viele Menschen immun gegenüber Veränderung (geworden) sind und möchte in diesem Buch darauf eingehen, wie wir - jeder von uns - es uns leichter machen können, auf die Komplexität unserer Welt von heute und morgen zu reagieren - und zu einem gewissen Teil auch pro-aktiv vorzugehen, zu agieren, um die Welt von morgen zu gestalten. In meiner Arbeit mit zahlreichen Führungskräften, Teams und Unternehmen stelle ich eine Dynamik fest, wie eine Art „Metamotiv“, die in uns allen aktiv ist und versucht, uns auf dem aktuellen Entwicklungsstand festzuhalten und uns vor Veränderungen zu „schützen“. Vielerorts erkenne ich eine Art Immunreaktion gegenüber Veränderungen, die unsere bisherige Art der Weltsicht erhält und gleichzeitig verhindert, uns zu verändern, wie wir wollen - wenn wir dieser „Autoimmunreaktion“ nicht selbst auf die Schliche gekommen sind und sehr bewusst damit umzugehen gelernt haben. <?page no="16"?> 16 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung Wir erschaffen unsere Zukunft selbst, indem wir heute eine bestimmte Denkweise einnehmen, darauf basierend handeln und so die Zukunft formen. In seinem Buch Die Zukunft nach Corona plädiert Matthias Horx ür langfristige Veränderungen, die keine Rückkehr zur alten Normalität zulassen, weil die Krise uns erstens unmittelbar als Erfahrung berührt - und nicht in irgendeiner Ferne stattfindet. Zweitens widerspreche die Idee, dass wir demnächst zur alten Welt zurückkehren könnten, in vielerlei Hinsicht den Naturgesetzen und damit den Regeln der Komplexität, die ich in diesem Buch noch aufgreifen werde. Da sich die Corona-Krise, mehr als uns lieb ist, auf unsere Berufs- und Geschäftswelt auswirkt, mögen zu ihr an dieser Stelle ein paar weitere Zeilen gestattet sein. Diese Krise hat ein spezifisches Wesen an sich, die uns zwar einschränkt, uns aber nicht vollkommen hilflos macht, wie etwa ein Krieg, bei dem unser Leben an sich auf dem Spiel steht. Ja, es sind Menschen vom Tode bedroht. Ja, wir verlieren über Vieles die Kontrolle. Gleichzeitig setzt diese Krise einen neuen Impuls: eine Offenbarung über uns selbst, ein Stück weit ein Impuls zur Selbstbefreiung. Sie bringt uns ins Handeln und zwingt uns, neu zu denken. Und mit dem neuen Denken wird neu bewertet, zum Beispiel die Gesprächskultur, sich wieder wirklich zuzuhören, wirklich Anteil zu nehmen am Leben des anderen. Es entsteht eine neue Kultur der Erreichbarkeit und damit ein neues Level der Verbindlichkeit. Wir haben gelernt, dass nicht so sehr die Technik, sondern die Veränderung sozialer Verhaltensweisen einen Unterschied machen. Wir haben erfahren, dass Menschen untereinander solidarisch und konstruktiv wurden, mental wieder dichter zusammenrückten. Wir haben gelernt, dass Angst nicht zwingend ohnmächtig macht. Sondern, dass wir (oft erst) aus der Angst heraus mutig und damit wieder handlungsfähig werden. Auf die Reise dieses bewussten Wandels, aus dem passiven Kontrollverlust heraus und in eine (selbst-) verantwortliche Fürsorge hinein, möchte ich Sie in diesem Buch einladen, für Sie selbst und für Ihre Mitarbeiter und Teams. Die Entdeckung der „Immunität gegenüber Veränderungen“ führte uns bei loyalworks® zur Entwicklung einer strukturierten Methodik, um Ihre Motivationen und Überzeugungen aufzudecken, die Sie unter Umständen daran hindern, genau diejenigen Veränderungen vorzunehmen, von denen Sie genau wissen, dass ihre Zeit gekommen ist und die Sie auch wollen. Damit das möglich wird, sollten wir uns Folgendes klar machen: Erstens - Ihre Herausforderungen sind nicht durch Lernen zu bewältigen. Sie erfor- <?page no="17"?> 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung 17 dern eine tiefgreifende Entwicklung. Zweitens: Um wirksam mit der Komplexität im Außen umzugehen, ist es für Sie wichtig, die eigene Komplexität zu erhöhen. Damit Sie wirklich Ihre Potenziale heben können, lassen Sie uns einen Blick auf die fünf typischen Herausforderungen im heutigen Führungsleben werfen, um Alternativen zu erkennen, die neue Sichtweisen und Handlungsmöglichkeiten eröffnen.  Herausforderung 1 : Überall Alleswisser? Ich nehme an, dass Sie viele Experten im Unternehmen haben und wahrscheinlich selbst ein Experte sind. Also jemand, der sagt, wo es langgeht. Sie wissen andere von Ihrer Meinung zu überzeugen, weil Sie über Wissen und Erfahrung verfügen. Sie formulieren Ihre Schlussfolgerungen als Fakten und fragen eher selten nach, um die kontroversen Meinungen der Anderen zu verstehen, denn das kostet Zeit. Das klingt für Sie eher nach einer gängigen Führungslegitimation als nach einer Herausforderung? Doch wenn es darum geht, mit Veränderungen umzugehen und sich einer komplexer werdenden Welt entwicklungsgerecht anzupassen, dann sind es oft gerade die in der Vergangenheit bewährten Meinungen, die Ihnen heute die Sicht versperren. Denken Sie mal darüber nach! Die Weiterentwicklung Ihrer Führung hilft Ihnen, ein ‚Experte für Führung trotz Ungewissheit‘ zu werden. In diesem Mindset verankert, erkunden Sie Meinungsverschiedenheiten mit dem Blick auf gemeinsame Interessen, äußern Ihre Sichtweise als Meinung und nicht als Fakt. Sie offenbaren Ihre Argumentation und Denkweise. Sie sind aufrichtig interessiert, fragen nach und hören zu. Sie sind offen für Gegenargumente, loten deren Auswirkungen aus und respektieren die Entscheidungen anderer. So tragen Sie zu echter Entwicklung und Entscheidungen auf der Basis kollektiver Intelligenz bei und fördern gleichzeitig konstruktiven Dissens und Innovation.  Herausforderung 2 : Verantwortungsabgabe und informeller Informationsfluss Wer kennt das nicht? Flurfunk, politisches Taktieren und Absicherung nach allen Seiten, wenn etwas schiefgeht oder das Risiko zu groß ist. Leider oft als Reflex gelebt, ist diese Tendenz schwierig, weil sie externe Faktoren oder andere Menschen für das Ergebnis verantwortlich macht. Doch ist das loyal und hilft es weiter? Erst wenn Sie sich als Teil dieser Dynamik begreifen, können Sie aktiv zu einer Lösung beitragen. Mit einem reiferen Führungsverständnis durchbrechen Sie dieses typische Selbstschutz- und Abwehrmuster. Mit Ihrer neuen Sicht fokussie- <?page no="18"?> 18 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung ren Sie sich unmittelbar auf Ihre Wahlfreiheit, Ihre Eigenverantwortung und Ihren Einflussbereich.  Herausforderung 3 : Toxische, gekünstelte Kommunikation ‚Man‘ hat sich angewöhnt, nicht zu sagen, was man wirklich denkt. Das Ergebnis ist toxische Kommunikation. Obwohl Sie möglicherweise denken: „So eine blöde Idee wird nie funktionieren“ sagen Sie wahrscheinlich eher: „Hm, interessant.“ Diese ‚kosmetische Wahrheit‘ wenden Sie vermutlich hier und da an, weil Sie hin- und hergerissen sind: Sollen Sie ehrlich oder respektvoll oder doch lieber rein sachlich-faktenorientiert sein, weil das für Sie von Professionalität zeugt? Wundern Sie sich in solch einem Fall bitte nicht, wenn Ihre Botschaft trotz aller Dringlichkeit emotional nicht bei Ihrem Gegenüber ankommt und dieser sich Ihnen gegenüber wenig verpflichtet fühlt. Ihre Gedanken offenbaren Ihr Dilemma: Wenn Sie genau sagen, was Sie denken, riskieren Sie einerseits einen Konflikt, schaden vielleicht der Beziehung oder Sie fühlen sich schlecht. Andererseits, wenn Sie nicht sagen, was Sie denken, wird das tatsächliche Problem nicht formuliert, Sie untergraben die Beziehung und „vergiften“ sich selbst, weil Sie es für sich behalten und diese Gedanken weiterhin in Ihnen arbeiten. Glauben Sie, dass Ihre wahren Gedanken vom anderen nicht bemerkt werden - obwohl Sie selbst überzeugt sind, diese sehr wohl bei anderen durchschauen zu können...? Mit einem löyalen Führungsbewusstsein lernen Sie, Ihre Abwehrmechanismen emotional intelligent zu steuern und Ihre Gedanken effektiv zu „entgiften“. Wie? Indem Sie Klarheit darüber gewinnen, dass ein interner, toxischer Dialog reflexhaft „passiert“ und Sie einen Konflikt im Außen befürchten, wenn es darum geht, zu sagen, was Sie denken. Sie erkennen, dass ein zusätzlicher innerer Konflikt entsteht, wenn Sie eine „kosmetische Wahrheit“ formulieren, die weder authentisch noch effektiv ist. Darüber hinaus ist Ihr innerer Konflikt nach außen sichtbar und erzeugt eine Wirkung, die Sie nun antizipieren (vorwegnehmen) und steuern können. So können Sie sagen, was Sie wirklich denken und wollen - und sind dabei authentisch, effektiv und respektvoll.  Herausforderung 4 : Alles wissen müssen Wenn wir glauben, den Erfolg einer Sache garantieren zu müssen oder gar zu können, entsteht polares Entweder-Oder-Denken. Machen Sie sich nichts vor: Der Erfolg Ihrer Projekte liegt nur zu einem Teil in Ihrem Einflussbereich. Denn Krisen, fehlerhafte Technik, lückenhafte Kommunikation und Marktveränderungen liegen oft jenseits Ihrer Macht und Kontrolle. Das wissen Sie zwar, jedoch befinden Sie sich in <?page no="19"?> 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung 19 einer Umgebung, in der von Ihnen als Experte und Führungskraft erwartet wird, dass Sie wissen, wo es langgeht. Oder? Allerdings: Wann haben Sie das letzte Mal überprüft, inwiefern ihre Umgebung tatsächlich diesen Anspruch an Sie in Ihrer Führungsrolle gestellt hat? Ist das wirklich wahr? Oder handelt es sich nur um eine alte Gewohnheit, die jetzt ein Update verdient? Ihre eigenen Wahrnehmungs- und Denkmuster zu kennen, ermöglicht Ihnen, wirklich das zu tun, was von Ihnen gefragt ist. Und im zweiten Schritt Verantwortung für genau das zu übernehmen, auf das Sie wirklich Einfluss haben. Ihre Umgebung erwartet zunehmend, dass Sie authentisch sind, Ihre eigenen Grenzen anerkennen und bestimmte Führungsaufgaben loslassen. Und es wird erwartet, dass Sie konsequent verkörpern, woran Sie glauben - ganz besonders dann, wenn Sie unter Druck stehen. Wie Sie auf Misserfolge, Fehler oder Scheitern reagieren und wie Sie damit umgehen: das ist es, worauf es Ihren Mitarbeitern immer mehr ankommt. Wenn Sie sich jetzt auf den ‚Erfolg jenseits von Erfolg‘ fokussieren, führt Sie dies zu kraftvoller Integrität, zu Führung ‚von innen‘ und maximiert Ihre Selbstwirksamkeit. Mit anderen Worten: Sie sind sich bewusst, worum es Ihnen im Kern Ihres gesamten Tuns wirklich geht und erschließen sich damit eine der wichtigsten inneren Ressourcen. Wenn Sie von dort aus mutige Entscheidungen treffen, sind Sie authentisch, resilient und sich selbst gegenüber loyal.  Herausforderung 5 : Zuordnung der Komplexität Adaptiv oder technisch, das ist Frage, die Sie sich im Angesicht von Herausforderungen stellen dürfen. Adaptive Herausforderungen sind nicht einfach zu lösen, weil es keinen klaren Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung gibt; die Auswirkung wird erst im Nachhinein erkennbar (Beispiel: Corona). Und selbst das nicht immer. Bei vielen heutigen Herausforderungen ist nicht mehr planbar, was das Ergebnis sein wird. Sie müssen sich notgedrungen auf Unsicherheiten und eine gewisse Unvorhersagbarkeit einlassen, um handlungsfähig zu bleiben. Adaptive Herausforderungen sind schwer zu erkennen und leicht zu leugnen. Sie erfordern tiefgreifende Reflexion und Entwicklung in den Bereichen Werte, Überzeugungen, Rollen, Beziehungen, Kommunikation und Zusammenarbeit. Der Entwicklungsbedarf tritt an vielen Stellen auf - nicht selten über Unternehmensgrenzen hinweg. Häufig sträuben sich Menschen, die anpassungsbedürftigen Themen anzuerkennen. Die Lösungen erfordern nämlich, aus der Komfortzone herauszutreten, Experimente und neue Entdeckungen zu machen. Die Umsetzung ist anders als gewohnt, oft verbunden mit erhöhtem Zeiteinsatz, und kann nicht auf Anweisung eingefordert werden. <?page no="20"?> 20 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung Je schneller Sie Ihre Herausforderungen im Rahmen von Veränderung als adaptiv erkennen, desto klarer wird Ihnen ersichtlich, dass es nicht sinnvoll ist, noch mehr zu lernen, um diese zu lösen, sich weiteres Expertenwissen anzueignen und den Markt noch optimaler zu prognostizieren. Es ist Zeit für ein tiefenwirksames Führungs- Update und für interpersonelle Entwicklung. Der Weg zur Antwort liegt darin, die eigene Entwicklungsstufe zu erkennen - individuell und aus Unternehmenssicht. Die Unterscheidung zwischen Sein, Tun und Haben ist grundlegend und hilfreich. Anstatt wie üblich mehr zu tun, um mehr zu haben, fokussieren Sie sich nun bewusst darauf, wer Sie wählen, zu sein (Führungs-Mindset). Sie praktizieren dann ‚Führung von innen’. Sie entwickeln eine bewusste Haltung, vertrauen auf Ihre innere Resonanz und reifen als Persönlichkeit. Dies ermöglicht Ihnen ein hohes Maß an Flexibilität und Weitblick im Umgang mit Veränderung. Sie merken: Die genannten Herausforderungen sind nicht durch Lernen zu bewältigen. Sie erfordern echte Entwicklung. Wir alle haben in den vergangenen Jahren im Umgang mit Veränderung, Globalisierung, Digitalisierung dazu gelernt - aber die wenigsten haben sich entwickelt. Bewältigung und Umgang sind wertvolle Fähigkeiten, aber sie reichen nicht aus, um die heutigen und zukünftigen Herausforderungen zu meistern. Wenn wir die Welt als zu komplex erleben, erleben wir nicht nur die Komplexität der Welt. Wir erleben ein Missverhältnis zwischen dem höheren Grad der Komplexität der Welt und dem Grad der Komplexität unseres eigenen Mindsets. Es gibt nur zwei Wege, dieses Missverhältnis zu beheben: die Komplexität der Welt zu reduzieren oder unsere eigene zu erhöhen. Abb. 1: Die TOP-3-Herausforderungen für Führungskräfte in der Krise. Quelle: www.managerseminare.de; Leadership-Trendbarometer des IFIDZ, n=217, März 2020 <?page no="21"?> 1.1 Neue Führung entsteht beim Führen 21 Abb. 2: Die TOP-10_Herausforderungen der Führung über Distanz. Quelle: www.managerseminare.de; Studie: Umfrage „Führen in der Krise“ des virtuellen Trainings- und Beratungsanbieters Virtuu, n=499 Führungskräfte, 2020 1.1 Neue Führung entsteht beim Führen „Die erfolgreichsten Führungskräfte sind jene, welche die am wenigsten fügsamen Mitarbeiter fördern. Denn wenn Führungskräfte sich irren - und das tun sie immer - wird der mit den fügsamsten Mitarbeitern scheitern“, sagte Keith Grint, Leadership-Professor an der Warwick University. Er drückt die Weitsicht aus, die vielen oft nicht klar ist, wenn es um nachhaltigen und zukunftsfähigen Führungswandel geht. Querdenken erlaubt. Obwohl Querdenker die Vielfalt an Perspektiven und damit die Qualität des Urteils in Entscheidungsprozessen erhöhen, sind sie in den meisten mir bekannten Unternehmen ungern gesehen. Denn sie nerven. Und oft verzögern sie eine schnelle Urteilsfindung. Erst wenn eine Führungskraft in ihnen bzw. in ihren Aussagen den Nutzen erkennt, wenn sie die zusätzlichen Aspekte als Bereicherung versteht, können Quer- und Andersden- <?page no="22"?> 22 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung ker ihre Wirkung entfalten und zur nachhaltig positiven Entwicklung eines Teams oder gar eines ganzen Unternehmens beitragen. Für nachhaltige Entwicklung sind alle Mitglieder eines Teams gefordert, ihr Denken umzustellen und eine neue gemeinsame Mission zu leben:  von der Vorgabe zur Selbstverantwortung  von der Kontrolle zur Selbstkontrolle  vom Sicherheitsdenken zum experimentellen Denken  von der Fehlervermeidung zum Ausprobieren  vom Recht zum Widerspruch zur Pflicht zum Widerspruch  vom Konsens zum Dissens  von der Fremdbestimmung zur Selbstbestimmung Es ist in vielen Unternehmen zu beobachten: Egal, mit wie viel frischem Elan jemand neu anheuert, mit der Zeit wird sich dem Gruppendenken angepasst. Das heißt, dass sich die Menschen im Unternehmen immer weiter annähern, in ihrem Denken und Handeln. Konsens macht sich breit, und wer mit einer abweichenden Meinung aufällt, ällt durchs Raster - sozial und kulturell, indem er vom Team ausgegrenzt, oder sogar komplett vertrieben wird. Solche Entwicklungen passieren schleichend, oft beinahe kongruent mit der Betriebszugehörigkeit und damit dem Verbundenheitsgeühl zum Unternehmen. Die Gefahr liegt jedoch darin, dass beim Beharren auf der Gruppenmeinung und den einhergehenden Sichtweisen und Prinzipien bestimmte Risiken und Probleme nicht gesehen oder nicht eingestanden werden. Selbst wenn nicht auf der Gruppenmeinung bestanden wird, braucht es beim Einen Mut, einen anderen Standpunkt zu vertreten und bei der Führungskraft das Urteilsvermögen zur Überprüfung, ob die Mehrheit wirklich die bessere (richtige) Meinung vertritt. Führungskräfte, die es sich leicht machen, vertrauen und folgen der Mehrheit, denn schließlich ist es ja die Mehrheit. Und schauen wir in Richtung Einarbeitung/ Integration neuer Mitarbeiter, so erkennen wir, wie der Neue auf die vorherrschenden Denkweisen und Verhaltensmuster gebrieft wird, um möglichst schnell „Stallgeruch“ anzunehmen. Was Unternehmen damit ausdrücken, ist die Überschätzung ihres internen Erfahrungsschatzes, während der Wert der Unerfahrenheit und der unverstellte und unbelastete Blick von außen unterschätzt wird. Ich sehe unsere Zukunftsaufgabe auch darin, gerade die Unvoreingenommenheit mehr zu kultivieren und nutzbar zu machen. <?page no="23"?> 1.1 Neue Führung entsteht beim Führen 23 In jedem Fall reicht es nicht mehr aus, sich auf verdienten Lorbeeren auszuruhen. Denn das kann und wird Unternehmen künftig in die Handlungsunfähigkeit treiben. „Es genügt nicht, andere Meinungen zuzulassen. Wir müssen sie fördern“, sagte schon Robert F. Kennedy. Führungskräfte, die sich heute mit dem Rücken an der Wand befinden und bewusst ihre Komfortzone verlassen, erkennen diesen Fakt an und ördern eine neue Grundeinstellung der selbstbewussten Eigenverantwortung. Wer sich darüber hinaus Mitarbeiter wünscht, die Ideen entwickeln, um die Ecke denken und mit hoher Eigeninitiative Dinge vorantreiben, muss heute die Bedingungen ür eine solche Kultur schaffen. Der erste und wichtigste Schritt dahin heißt: Weg frei machen ür die eigenen Leute. Das fordert Vertrauen der Führungskraft und von den Mitarbeitern den reifen Umgang mit Freiraum und Selbstverantwortung. Wir alle dürfen anerkennen, dass wir nicht alle Antworten haben. Aber wir können lernen, die richtigen Fragen zu stellen. Und wir können besser beobachten lernen, wo wir in unseren Unternehmen dem Fortschritt im Weg stehen. Ja, das tun wir, wenn auch oft unbewusst. Zum Beispiel ist es gängig, dass Highperformer eingestellt werden, die sich durch besondere Leistungen hervortun. In den meisten Fällen sind solche Leistungsträger allerdings sehr wettbewerbsorientiert und damit Einzelkämpfer. Kommt ein solcher leistungsorientierter Fachexperte in ein Unternehmen, das an erster Stelle Teamgeist lebt, ist ein mächtiges Gewitter in der Unternehmenskultur vorprogrammiert. Ist ein solcher „Leistungssportler“ länger im Unternehmen unterwegs, wird er über die Zeit vermutlich einigen anderen Teammitgliedern das Leben schwermachen, besonders den teamorientierten „guten Seelen“ des Betriebs - im schlechtesten Fall, bis diese fliehen. In einigen von mir beobachteten Fällen entwickelt sich infolge mehrerer Highperformer im Unternehmen eine Kultur des Gegeneinander. Deshalb ist es umso wichtiger, schon im ersten Kontakt mit potenziellen neuen Teammitgliedern zu prüfen, ob die Kulturen zusammenpassen. Und gleichzeitig ist es sinnvoll, verschiedene Charaktertypen anzuziehen und zu tolerieren, um sich wertvoll zu ergänzen. Der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick leitet aus dem Kultur- Dilemma zwei Konsequenzen ab: „Wir müssen Toleranz für die Wirklichkeit anderer entwickeln. Denn deren Wirklichkeitskonstruktionen sind genauso richtig oder berechtigt wie meine eigenen.“ Und: „Wir sind absolut verantwortlich. Denn wenn klar ist, dass ich meine Wirklichkeit konstruiere, bin ich für diese Wirklichkeit auch verantwortlich.“ Den Psychologen Jens Corssen <?page no="24"?> 24 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung möchte ich aus seinem Buch Der Selbst-Entwickler ergänzend zitieren: „Wer sich nicht selbst entwickelt und damit bereit ist, seine Sicht der Dinge infrage zu stellen (...), läuft Gefahr, dass sein Denken zum Auslaufmodell wird und er so den Anschluss verliert.“ Wir können uns folglich nur dann zukunftsfähig aufstellen, indem wir unsere Selbstwahrnehmung immer wieder durch eine tiefgehende Fremdwahrnehmung ergänzen. Das bedeutet, dass vor der Toleranz Anderen gegenüber wir erst einmal gefordert sind, uns selbst die Erlaubnis zum Wandel der eigenen Denkhaltung zuzugestehen. Uns selbst zu ermächtigen, neu zu denken und zu handeln. Leider bereitet uns nichts im Leben für diese Flexibilität im Kopf vor, eher im Gegenteil: In der Schule werden wir trainiert, still zu sitzen und nicht aufzufallen, nur die Angepassten (die „Genormten“) erhalten die guten Noten und wir werden darauf trainiert, nach dem Geheiß und den Regeln anderer zu funktionieren. Kein Wunder, dass die Mehrheit verinnerlicht hat, auf Kommando abzuliefern und ansonsten brav mit dem Strom zu schwimmen. Und plötzlich fordern uns die Disruptiven, die Innovationstreiber und Vorausdenker auf, unseren Autopiloten neu zu programmieren. Plötzlich soll nicht mehr auf eine höhere Instanz oder eine offizielle Erlaubnis gewartet, sondern pro-aktiv weitergedacht werden. Das muss erst einmal verdaut werden. Denn ohne Autorität, nach gut Dünken, zu handeln, stellt sich den meisten Menschen als Gefahr dar. Wie soll jemand in unserer heutigen komplexen und unsicheren Welt eine Antwort auf das Morgen geben? Offen gestanden kann das keiner. Aber spätestens in der Führungsverantwortung müssen wir es. Versuchen. Und uns selbst erlauben, fehlbar zu sein. 1.2 Vertrauen als Basis loyaler Führung Schon Ralph Waldo Emerson war davon überzeugt: „Unser Misstrauen kostet uns unendlich viel.“ Dem stimme ich kompromisslos zu: Misstrauen kann jede Zusammenarbeit, jedes Unternehmen, jede Beziehung zerstören. Selbst durch zu wenig Vertrauen entstehen Reibungsverluste, die - über die Zeit betrachtet - ebenfalls destruktiv oder sogar ruinös wirken können. Der Autor David Horsager formuliert es noch radikaler: „In unserem 21. Jahrhundert wird gegenseitiges Vertrauen zu einer der knappsten Ressourcen der Welt.“ (Horsager 2013, S. 14) In seinem Buch bezeichnet er Vertrauen sogar als „die Währung von morgen“ und schreibt: „Je geringer das Ver- <?page no="25"?> 1.3 Was ist Loyalität? - Eine Annäherung 25 trauen entwickelt ist, umso mehr Zeit braucht man ür alles, umso teurer wird es und umso weniger loyal verhalten sich die Beteiligten untereinander. Je größer das Vertrauen ist, umso mehr Innovation, Kreativität, Freiheit, Kampfgeist und Fleiß bringen die Beteiligten auf. (...) Vertrauen ist notwendige Voraussetzung ür gute Freundschaften, Familienleben, Firmenkultur.“ Was aber können wir tun, wenn wir den Weg nicht mehr zurückfinden in eine vertrauensvolle, loyale Welt? Was, wenn wir das vielfach verletzte Vertrauen und unser verlorenes Loyalitätsbewusstsein nicht wiederfinden können? In den vergangenen Jahren als Führungsberaterin, Mentorin, Trainerin und Speakerin habe ich sowohl selbst als auch bei meinen Kunden erlebt, wie wichtig Kooperation und Zusammenarbeit im Netzwerk sind. Vertrauen und Loyalität bilden das Fundament für vernetztes, agiles Arbeiten - zwischen zwei Menschen, im Team und in strategischen Unternehmensnetzwerken. Umso mehr lohnt es sich, dafür aufzustehen und anzutreten, dass wir Vertrauen schenken und annehmen können, dass wir uns trauen und diesem alten Wert der Loyalität wieder Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegenbringen. Es ist unsere Aufgabe, an der Wiederherstellung einer Vertrauenskultur zu arbeiten und uns gemeinsam um loyale Führung und Zusammenarbeit zu bemühen - als Menschen, in Systemen und Organisationen. Deshalb ist das Ziel dieses Buches auch, endlich wieder Vertrauen und Loyalität in uns selbst und unsere Beziehungen zu bringen. Es lohnt sich für alle! Für jeden einzelnen Menschen wie für unsere Gemeinschaft, für Chefs und Führungskräfte, für Mitarbeiter und Kollegen und besonders für die nächsten Generationen, denen wir mit täglich gelebter Loyalität eine wertvolle Basis schaffen, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. 1.3 Was ist Loyalität? - Eine Annäherung Es gibt unzählige Definitionen von Loyalität. Begriffsbestimmungen aus der Psychologie, wissenschaftliche und wirtschaftliche Betrachtungs- und Auslegungsweisen. Im Grunde gehen alle gedanklich auf ein gemeinsames Verständnis zurück, und doch bietet jede Definition für sich einen anderen, neuen, manchmal spannenden Aspekt, der uns helfen kann, herauszufinden, was Loyalität für uns selbst heißt und im Umgang mit anderen Menschen bedeutet. Um ein eigenes Verständnis von Loyalität zu entwickeln, schauen wir uns zunächst einmal an, wie sich Vertrauen als die Basis für den Aufbau von Loyalität definiert. <?page no="26"?> 26 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung Prof. Dr. Andreas Suchaneck von der Handelsschule Leipzig und Wittenberg, Zentrum für globale Ethik, beschreibt Vertrauen im Gabler-Wirtschaftslexikon so: „Vertrauen ist die Erwartung, nicht durch das Handeln anderer benachteiligt zu werden; als solches stellt es die unverzichtbare Grundlage jeder Kooperation dar. Vertrauen wird als multidimensionales Konstrukt verstanden, welches Dimensionen wie Kompetenz, Integrität und Wohlwollen umfasst. Man kann zwischen Vertrauen in Personen und Vertrauen in Systeme unterscheiden. In Interaktionssituationen steht Vertrauen stets im Zusammenhang mit Verantwortung; Akteure, denen Vertrauen geschenkt wird, haben die Verantwortung, dieses in ihrem eigenen Interesse zu honorieren.“ Loyalität selbst wird im Gabler-Wirtschaftslexikon nicht definiert. Bei Wikipedia ist zu lesen: „Loyalität bezeichnet (in Abgrenzung zu Treue, Unterwerfung oder Gehorsam) die auf gemeinsamen moralischen Maximen basierende oder von einem Vernunftinteresse geleitete innere Verbundenheit und deren Ausdruck im Verhalten gegenüber einer Person, Gruppe oder Gemeinschaft. Loyalität bedeutet, im Interesse eines gemeinsamen höheren Zieles, die Werte (und Ideologie) des anderen zu teilen und zu vertreten bzw. diese auch dann zu vertreten, wenn man sie nicht vollumfänglich teilt, solange dies der Bewahrung des gemeinsam vertretenen höheren Zieles dient. Loyalität zeigt sich sowohl im Verhalten gegenüber demjenigen, dem man loyal verbunden ist, als auch Dritten gegenüber. Das Ausmaß der geforderten Loyalität hängt von den Erwartungen ab, die für die jeweilige Beziehung konstitutiv (maßgeblich) sind. Diese Beziehungen können informeller (zum Beispiel Freundschaften) oder formeller Natur sein (zum Beispiel Arbeitnehmer). Man kann in sie hineingeboren werden (zum Beispiel Verwandtschaft) oder sie gewählt haben (zum Beispiel Einwanderung). Die Loyalitätserwartungen erstrecken sich auf äußere Handlungen, aber auch auf innere Einstellungen. Strittig ist, ob Loyalitäten genuine (wahrhaftige, unverfälschte) Pflichten sind.“ Um dies zu verstehen und für die eigene Umsetzung nutzbar zu machen, ist es wiederum elementar, die Definition von Vertrauen zu verinnerlichen (Wikipedia): „Vertrauen bezeichnet die subjektive Überzeugung (oder auch das Gefühl für oder der Glaube an die) von der Richtigkeit, Wahrheit von Handlungen, Einsichten und Aussagen bzw. der Redlichkeit von Personen. Vertrauen kann sich auf einen anderen oder das eigene Ich beziehen (Selbstvertrauen). Zum Vertrauen gehört auch die Überzeugung der Möglichkeiten von Handlungen und der Fähigkeit zu Handlungen. Man spricht dann eher von Zutrauen.“ Im Duden heißt Vertrauen „festes Überzeugtsein von der Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit einer Person, Sache.“ Loyalität wird im Duden beschrieben als „loyale Gesinnung, Haltung, Verhaltensweise.“ <?page no="27"?> 1.3 Was ist Loyalität? - Eine Annäherung 27 Ich glaube, man kann Loyalität nicht pauschalisieren, so wie man Vertrauen nicht pauschalisieren kann. Vor Kurzem habe ich im XING-Expertendialog zu loyaler Führung gesprochen. Im Austausch bekam ich auf meine Frage „Was ist Loyalität? “ von einer Führungskraft zu hören: „Ich glaube, es gibt unendlich viele Schattierungen und Abstufungen von Loyalität. Es ist also ganz wichtig, Menschen von Anfang an Vertrauen zu schenken, damit sie selbst lernen, sich selbst und anderen zu vertrauen. Wenn du ein Kind beim Laufen lernen begleitest, musst du darauf vertrauen, dass es die ersten Schritte macht - ganz klar auch verbunden mit der Gefahr oder der Gewissheit, dass es stolpern wird, dass es hinfallen wird. Und irgendwann kommt dann der Punkt, an dem man das Vertrauen hat, das Kind allein aus dem Haus gehen zu lassen. Mit der Loyalität verhält es sich ähnlich: Du weißt, dass dein Kind seine eigenen Abenteuer erleben will und gleichzeitig ühlst du diese innere Sicherheit, dass es sich an deinen/ euren Werten orientieren wird und keine irreversiblen Dummheiten macht.“ Ein Großteil meiner geschäftlichen Aktivitäten beruht auf Vertrauen. Lieferung von Dienstleistungen, Informationsaustausch, methodenbasiertes Führen, Mentoring - und ich vertraue darauf, dass meine Kunden pünktlich bezahlen, mich wieder buchen, mich weiterempfehlen. Dabei geht es rein um Vertrauen. Banken haben sich jahrelang gegenseitig Vertrauen geschenkt - und wie wir aus der Wirtschaftskrise 2009 gelernt haben, kann dieses Vertrauen binnen Stunden plötzlich weg sein. 2020 hat Corona uns gelehrt, wie unser Vertrauen in Menschen und deren Solidarität ins Schwanken geraten kann - und in wie vielen Branchen Unternehmen heute mit ihrer Existenz um den Wiederaufbau von Vertrauen kämpfen müssen. Bevor ich weiter über Loyalität spreche, ist schon die Frage um das Vertrauen ein heißes Thema: Wie geht man mit Vertrauen um? Und wie verhält man sich, wenn Vertrauen ausgenutzt wird? Jemandem bis zu einem gewissen Punkt zu vertrauen - und nicht darüber hinaus - ihm also soweit eine Sicherheit einzubauen, halte ich für eine gesunde Einstellung. Ob wir nun über zwischenmenschliches oder gesamtwirtschaftliches Vertrauen sprechen: es handelt sich immer und überall um Menschen. Natürlich gibt es über den menschlichen Aspekt hinaus auch so etwas wie das Vertrauen in Systeme, Institutionen und Organisationen. Prof. Dr. Suchaneck schrieb: „Wir akzeptieren die Werte und Regeln der Systeme, Institutionen und Organisationen, handeln danach und vertrauen eben darauf, dass <?page no="28"?> 28 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung a) das andere auch tun und b) unser Vertrauen von diesen Systemen, Institutionen und Organisationen nicht missbraucht wird. Ganz nebenbei vereinfacht dieses Vertrauen unser Leben - schließlich denken wir nicht immer wieder neu darüber nach, sondern werden von einer allgemeinen Zuversicht getragen.“ In der Psychologie wird sich kritischer über Vertrauen geäußert. Hier wird Vertrauen als die Erwartung einer Person definiert, dass andere Menschen berechenbar im Interesse dieser Person handeln. (Quelle: https: / / wpgs.de/ fachtexte/ fuehrung-von-mitarbeitern/ vertrauen-aufbauenmisstrauen-ueberwinden-tipps-und-psychologie/ Kurzversion der URL: https: / / bit.ly/ 3mWAwCx) Die Psychologie spricht den Menschen die Neigung zu, negativen Dingen mehr Gewicht zu geben als positiven. Aus Angst vor dem Scheitern versuchen wir manches gar nicht. Doch nur, wenn wir diese Angst überwinden, können wir Vertrauen aufbauen. Mit jeder kleinen Hürde, die wir im Leben meistern, schwindet die Angst und wächst das Vertrauen - in unser Können und unsere Fähigkeiten und in uns selbst, unabhängig davon, was wir zu leisten imstande sind. Haben wir erst einmal Vertrauen aufgebaut, können wir Kontrolle abgeben. Aber ohne ein Mindestmaß an Kontrolle können viele Menschen überhaupt kein Vertrauen aufbauen. Martin Schweer fasst das aus psychologischer Sicht folgendermaßen zusammen: „Vertrauen ist die subjektive Sicherheit, dass man Kontrolle abgeben und übertragen kann - sei es in die Hände anderer Personen oder eines sozialen Systems.“ Bei der Entstehung von Vertrauen und deren Einfluss auf das Maß an Vertrauen ist auch die Rolle der Hormone Mittelpunkt zahlreicher Forschungen. In der Biologischen Psychologie und den Neurowissenschaften ist großes Interesse daran zu verzeichnen. Prof. Dr. phil. Franz Petermann sieht das in neuen Erkenntnissen begründet, „die zeigen, dass so genannte Neuropeptide wie das Oxytozin bei der Entstehung von Vertrauen eine große Rolle zu spielen scheint“ (Petermann, 2013). Der österreichische „Hormon- Papst“ Prof. Dr. Johannes Huber beginnt bereits bei der DNA, also der Entstehung des Lebens. Seiner Meinung nach hat die Entstehung zwischenmenschlichen Vertrauens nicht nur mit dem genetischen Code, der DNA, sondern auch dem epigenetischen Code (der elektrischen Ladung, die unsere DNA umgibt) zu tun. <?page no="29"?> 1.3 Was ist Loyalität? - Eine Annäherung 29 Unsere frühkindlichen Erfahrungen prägen, ob wir uns geliebt fühlen, ob und in wen wir Vertrauen haben können, oder nicht. Im Erwachsenenalter kennen wir das alle und erleben es sehr bewusst: Negative Erlebnisse führen dazu, dass wir weniger vertrauen, zumindest die meisten von uns. Wer betrogen wurde, wird nicht leichtgläubig und weniger gutgläubig sein. Bei wem sich solche Erfahrungen mehren, der verliert das Vertrauen irgendwann komplett. Doch: Dies ist kein Schicksal! Sie können sich bewusst neu entscheiden. Wenn wir uns im weiteren Verlauf des Buches damit beschäftigen wollen, wie wir Vertrauen als Basis der Führung, als Fundament für loyale Führung, wiederentdecken können, dann ist das Wissen um ein paar psychologische und wissenschaftliche Zusammenhänge existenziell. Nichts ist für alle Zeiten festgeschrieben. Menschen und Persönlichkeiten können sich jederzeit ändern, sie sollen und dürfen dies auch - wenn es für sie selbst und ihr Umfeld förderlich ist. Ich sehe es sogar als unsere Aufgabe, an uns zu arbeiten, weil es ohne persönliche Weiterentwicklung kein Wachstum geben wird. Und das ist für jeden Menschen individuell mindestens ebenso wertvoll wie für ein Miteinander im wirtschaftlichen Kontext. Die schweizerische Vertrauens- und Organisationsforscherin Antoinette Weibel hat sich mit der Vertrauenskultur im Management auseinandergesetzt. Die Professorin für Personalmanagement an der Universität St. Gallen definiert Vertrauen wissenschaftlich so: „Vertrauen ist eine risikoreiche Vorleistung, die ich meinem Gegenüber entgegenbringe. Das heißt, ich entscheide mich für eine Handlung, obwohl mir die Konsequenzen schaden könnten. Da die Person, die vertraut, mehr verlieren kann als ihr Gegenüber, sprechen wir von einem Vertrauensvorschuss.“ Vertrauen ist nicht nur in allen Lebensbereichen wichtig, wie Ina Schmidt in ihrem Essay „Vertrauen und innere Sicherheit“ formuliert, Vertrauen macht uns auch zufriedener, weil es unser Leben erleichtert. „Vertrauensvolles Verhalten basiert auf bestimmten Praktiken, die auf guten Gründen beruhen, vielfach aber intuitiv zu einem Entscheidungskriterium werden. Wir schenken jemandem unser Vertrauen in der Annahme, dass er ein ähnliches ‚Vertrauensverständnis‘ hat, sich also dessen bewusst ist, was ich an vertrauensvoller Ungewissheit an ihn richte - in der zuversichtlichen Haltung, das schon alles gut gehen wird ... und das tun wir immer dann, wenn es keine Gründe gibt, die gegen einen vertrauensvollen Umgang sprechen, eine schlichte, aber doch grundlegende Erkenntnis. Letztlich ist also das, was wir in diesem Dilemma - einem existenziellen Bedürfnis nach Sicherheit in einer per se unsicheren Welt - tun können, eine ‚tragische‘ Aufgabe, wie schon der Philosoph Friedrich Nietzsche erkannte. Er meinte damit, dass der Mensch sehr bewusst die Welt in einen ‚schönen Schein‘ kleidet, der es ihm möglich macht, <?page no="30"?> 30 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung sich zu orientieren, einen Überblick zu gewinnen, zur Ruhe zu kommen, ohne dabei zu vergessen, dass er ‚auf dem Rücken eines Tigers in Träumen‘ hängt.“ Was Ina Schmidt eher philosophisch ausdrückt, bringt David Horsager auf den Punkt: „Vertrauen ist der zuversichtliche Glaube an jemanden oder etwas. Es ist der vertrauensvolle Glaube an die Einheit: Tun, was richtig ist. Halten, was man versprochen hat. Jedes Mal derselbe Mensch sein, egal unter welchen Umständen.“ 1.4 Vertrauen im digitalen Zeitalter Wir leben in herausfordernden Zeiten. Veränderungen verlangen von uns schnelles Reagieren, Flexibilität und die Zuversicht, dass am Ende alles gut wird - auch wenn wir weder das Ende noch das Gute absehen können. In diesem Veränderungsprozess hilft nicht nur das Wissen um Erfolge, sondern auch das Vertrauen darauf. Marcus Raitner drückt es im Manifest ür menschliche Führung so aus: „Im Kern ist jede Transformation eine Reise mit ungewissem Ausgang. Die Vision von digitalen Geschäftsmodellen oder einer agilen Organisation oder beidem ist der Nordstern und weist die Richtung. Das Was und Wie muss im Detail aber erst erkundet und erprobt werden. Und dazu braucht es nicht ein paar wenige Manager, sondern die Weisheit, Erfahrung und Kreativität aller Betroffenen. Es geht also darum, sich überraschen zu lassen, Neugier, Mut und Kreativität zu ördern. Und es geht darum, Fehlversuche auszuhalten und gemeinsam zu lernen. All das basiert auf Vertrauen. Vertrauen in die Motivation und Fähigkeiten der Menschen.“ Ein von der Corona-Krise beschleunigter positiver Effekt zeigt sich darin, dass die Arbeitswelt flexibler wird. Trotz aller negativer Folgen sehen 72 Prozent der Fach- und Führungskräfte auch Chancen ür die Entwicklung der Arbeits- und Unternehmenswelt. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des DFK - Verband ür Fach- und Führungskräfte gemeinsam mit dem Europa-Institut ür Erfahrung und Management der Rheinischen Hochschule Köln unter seinen Mitgliedern durchgeührt hat. Die deutliche Mehrheit der rund 10.000 befragten Fach- und Führungskräfte sehen die Arbeit zukünftig vermehrt ortsunabhängig und selbstorganisiert. Sechs von zehn Beschäftigten sind außerdem der Meinung, dass die Unternehmenswelt infolge der Pandemie digitaler wird. Etwa jede dritte Fach- und Führungskraft sieht die Krise zudem als Treiber ür kreative Innovationen sowie sinnvolle Rationalisierungsmaßnahmen. <?page no="31"?> 1.4 Vertrauen im digitalen Zeitalter 31 Während die technische Seite der digitalen Zusammenarbeit kaum Probleme bereitet, bleiben Emotionen oft auf der Strecke. Emotionale und soziale Aspekte bei der Arbeit vom Home Office aus erweisen sich zunehmend als herausfordernd. Im Zwischenbericht seiner Studie über Emotionen in der virtuellen Zusammenarbeit hat der Goinger Kreis - ein gemeinnütziger Verein im Bereich Personalwesen, der sich als Schnittstelle zwischen Unternehmen und Gesellschaft versteht - einige Problemzonen genauer beschrieben:  Die Work-Life-Balance gerät ins Schwanken Durch die häufig vollständige Verlagerung des Beruflichen in den privaten Raum verwischen Grenzen. Bei vorherrschenden Kontaktsperren stellte dies eine besondere Herausforderung dar, da in vielen Haushalten alle Mitglieder gleichzeitig vor Ort waren und teilweise bis heute sind.  Führung auf Distanz Virtuelle Führung und Zusammenarbeit findet in einer anderen emotionalen Dimension statt als im Büro. Wer live gut führt, muss das nicht unbedingt auch virtuell gut können. Reservierte Beziehungen werden durch die reine Bildschirmbegegnung oft noch distanzierter und erfolgreiche Kommunikation verlangt eine bewusste Anstrengung.  Unterschiede zur Präsenz Gerade für Mitarbeiter, die sich erst noch an die virtuelle Zusammenarbeit gewöhnen müssen, die viel Interaktion brauchen oder introvertiert sind, fällt die Umstellung schwer. Besonders die aus dem Büroalltag vertraute Kommunikation von Angesicht zu Angesicht fehlt vielen, weshalb häufig Videokonferenzen klassischen Telefonkonferenzen vorgezogen werden.  Einfache Aufgaben werden aufwendiger Durch die räumliche Trennung findet Kommunikation weniger spontan statt, was einfache Aufgaben umständlicher macht. Dadurch kann sich die Arbeitsbelastung erhöhen.  Virtuelle Zusammenarbeit verlangt eine eigene Etikette Während sich in der Bürozusammenarbeit über Jahre hinweg ein Verhaltenskodex etablieren konnte, die sachliche und persönlich-emotionale Interaktion vermischt, gibt es bei der virtuellen Variante noch Nachholbedarf. Oft sind Telefon- oder Videokonferenzen laut der Studie davon geprägt, dass die Zeit ausschließlich für aufgabenbezogenen Austausch genutzt wird. Hier beginnt aber ein Umdenken: Unternehmen <?page no="32"?> 32 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung wollen virtuelle Konferenzen interaktiver und persönlicher gestalten, mehr Small Talk und emotionale Interaktion fördern. Die empirische Erhebung umfasste zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Zwischenberichts 25 international agierende Unternehmen. Durch Befragungen von Geschäftsführern, Personalabteilungsleitern sowie Coaches und Beratern, die in direktem Kontakt zu betroffenen Mitarbeitern stehen, sammelt der Goinger Kreis Informationen über den Stand der virtuellen Zusammenarbeit und den damit verbundenen Erfahrungen nichttechnischer Natur. Thomas Marquardt, Vorsitzender des Goinger Kreises, beschreibt die Krise als „gigantisches Versuchslabor der virtuellen Führung und Zusammenarbeit.“ Dieses will der Verein nutzen, um mit seiner Studie wichtige Erkenntnisse für die Zeit danach zu sammeln. In Zeiten von Corona gilt es nicht nur, täglich eine Vielzahl von Entscheidungen zu treffen, sondern auch, diese besonders schnell umzusetzen. Vor dieser Herausforderung standen und stehen heute noch viele Führungskräfte. Zumindest zeigen das die Ergebnisse einer Studie des Instituts ür Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), ür die 217 Führungskräfte befragt wurden. So gab über die Hälfte von ihnen die Priorisierung von Anforderungen und damit verbunden das schnelle Treffen von Entscheidungen als derzeit größte Herausforderung an. Fast genauso viele sehen sich zudem mit der Aufgabe konfrontiert, strukturiert und fokussiert in einem instabilen Umfeld zu arbeiten. Und auch die Vermittlung von Gelassenheit und Zuversicht zählt jede zweite Führungskraft zu den Hauptherausforderungen in der Krise. Für Barbara Liebermeister, Leiterin des IFIDZ, hat das einen simplen Grund: In der Krise zeige sich einmal mehr, dass Führungskräfte von ihren Mitarbeitern als Orientierung und Halt bietende Unterstützer gebraucht werden! Das Deutsche Institut ür Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) hebt in der Publikation Vertrauen in Kommunikation im digitalen Zeitalter die Fähigkeit hervor, durch Vertrauen überhaupt handlungsähig zu bleiben, weil wir in der Lage sind, „trotz der undurchschaubaren Komplexität, die sichere Voraussagen über die Zukunft verhindert, Entscheidungen zu treffen.“ Die Digitalisierung sorgt für ein verändertes Arbeiten. Corona hat diese Entwicklung noch weiter beschleunigt. Teams arbeiten von unterschiedlichsten Standorten aus, feste Arbeitsplätze nehmen ab, Remote Work nimmt zu. <?page no="33"?> 1.4 Vertrauen im digitalen Zeitalter 33 Umso wichtiger ist es, dass Menschen sich vertrauen. Und weil wir nun wissen, dass Vertrauen nichts Stetiges ist, sondern ein sich ständig im Wandel befindliches Konstrukt, sollten wir uns ür unsere Führung an die Vorhaben des Manchester Consulting halten (Horsager, 2013, S. 23-24): „Vertrauen braucht Zeit, Mühe, Sorgfalt und Charakter. Vertrauen schafft man nicht mal eben so nebenher, nicht halbherzig und auch nicht schnell. (...) Hier ist Ihr Vertrauensvorteil - bauen Sie ihn auf, schützen Sie ihn und genießen Sie die Vorteile eines gesunden, starken Waldes mit tief verwurzelten Beziehungen und guten Erträgen (…) Es dauerte im Schnitt sieben Monate, bis die Mitarbeiter Vertrauen zu ihrem Vorgesetzten bekamen - und nur halb so viel Zeit, bis sie es wieder verloren.“ Hier lässt sich die Aussage von Julia Hochmuth ergänzen: „Ohne Vertrauen kein Erfolg. Mitarbeiter, die sich untereinander nicht vertrauen, die dem Unternehmen, der Führungsebene oder dem gesamten System nicht vertrauen, verlangsamen die Arbeitsabläufe, verhindern Erfolg und kosten das Unternehmen unglaublich viel Geld. Ohne Vertrauen ist ein Zusammenarbeiten nicht möglich, Entscheidungen werden infrage gestellt oder nicht akzeptiert, ein jeder würde für sich alleine arbeiten oder im schlimmsten Fall sogar gegeneinander. Vertrauen ist die Grundlage, um im Team arbeiten zu können, um komplexe Aufgaben zu bewältigen, um verschiedene Kompetenzen und Expertenwissen zu vereinen, um ein großes Ganzes zu kreieren.“ Reinhard K. Sprenger schreibt in seinem Buch Vertrauen führt: „In Zeiten, in denen die Produkte immer ähnlicher werden, entscheiden mehr und mehr immaterielle Motive über den Kauf. Pointiert heißt das: Unternehmen verkaufen keine Produkte, sie verkaufen Vertrauen. Deshalb sind Marken so immens wichtig. Eine Marke ist kristallisiertes Vertrauen.“ Neben der Sicherung des wirtschaftlichen Ergebnisses kann Vertrauen aber noch viel mehr: „Vertrauen verkürzt Entscheidungen“, sagt Jochen Vogt, international erfahrener CIO. Das bedeutet, Vertrauen schafft Effizienz, macht Führung leichter und fördert das Miteinander im Team. Gegenseitiges Vertrauen macht alle miteinander kreativer. Die Teammitglieder denken offener und handeln flexibler, weil sie bereit sind, Wissen zu teilen und Veränderungen anzugehen. Zweifeln wir an den Entscheidungen anderer, fehlt es oftmals an Vertrauen. Wir sind unsicher und suchen deshalb Bindung. Genau diese Bindung, dieser Klebstoff, der uns im Team und im Unternehmen zusammenhält, ist Vertrauen. „Vertrauen ist weniger eine moralische Größe als vielmehr ein ökonomisches Prinzip, das sich ‚rechnet’. Gerade auch im Unternehmen: Vertrauen ist geradezu die Existenzbedingung flexibler Organisationen. (...) Das Wichtigste aber: Vertrauen ist der alles entscheidende Wettbewerbsvorteil auf <?page no="34"?> 34 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung schnellen Märkten. Es ist die einzige Ressource, die uns in der Economy of Speed überleben lässt. Und je ‚unruhiger‘ unsere Arbeitsverhältnisse werden, desto mehr wird Vertrauen das Band sein müssen, das die Menschen zusammenarbeiten lässt“, so Sprenger. Maike van den Boom, Autorin des Buches Acht Stunden mehr Glück. Warum Menschen in Skandinavien glücklicher arbeiten und was wir von ihnen lernen können beschreibt in einem Interview auf dem BusinessPortal Norwegen die Erwartung, „die Werte, die Menschen und Gesellschaften glücklich machen, auch im Berufsleben wiederzufinden: Vertrauen, Freiheit, Gelassenheit, Respekt zum Beispiel. Menschen sollen so weit wie möglich sie selbst sein können, mit ihren Stärken und Schwächen, mit ihrem persönlichen Leben. Gerade das macht sie einzigartig. Und wenn man dann dafür sorgt, dass sich all die Menschen ergänzen, und sie alle in eine Richtung streben, dann hat man die Erklärung dafür, weshalb die Skandinavier so glücklich, aber auch wirtschaftlich so erfolgreich sind. (...) Allerdings gehen Führungskräfte in skandinavischen Unternehmen - bei allem Vertrauen - davon aus, dass Anweisungen ohnehin nicht eins zu eins befolgt werden. Diese selbstbewussten Mitarbeiter hinterfragen alles und jeden - und bieten gleichzeitig die aus ihrer Sicht beste Lösung an, nach dem Motto: ‚Ich mache das, weil ich denke, dass es funktioniert.‘ “ Wahrscheinlich würde dieses Verhalten in Deutschland Konflikte auslösen, weil viele Führungskräfte davon ausgehen würden, dass ihre Kompetenz infrage gestellt wird. Im Norden hingegen sei man froh, dass Menschen mitdenken. Deshalb gibt sie einen Tipp an deutsche Manager weiter: „Loslassen, Menschen laufen lassen. Mehr das Individuum glänzen lassen, so dass jeder das Gefühl hat, wichtig für die Gemeinschaft zu sein. Dann sind Menschen auch bereit, gemeinsam in eine Richtung zu rudern und extra Einsatz zu zeigen.“ Dies zeigt einmal mehr die Notwendigkeit von Vertrauen in Gemeinschaften, zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, zwischen (Projekt-)Teams oder zwischen Unternehmen: Vertrauen entsteht in einem gegenseitigen Prozess, im Idealfall mit einem ausgewogenen Geben und Nehmen. Und feststeht: Vertrauen kann man nur schenken, wenn man über Selbstvertrauen verügt. Der schottische Theologe und Autor George MacDonald sagt sogar: „Vertrauen geschenkt zu bekommen, ist ein größeres Kompliment, als geliebt zu werden.“ Was wäre ein Leben ohne Vertrauen? Neben negativen gesellschaftlichen Auswirkungen hätte ein Leben ohne Vertrauen auch wirtschaftlich dramatische Folgen:  Es würden keine Geschäfte mehr getätigt werden. <?page no="35"?> 1.4 Vertrauen im digitalen Zeitalter 35  Man hätte keinen Einfluss mehr auf andere, weil sie gar nicht wissen wollten, was man zu sagen hat.  Teams würden nicht mehr existieren. Es gäbe nur noch Einzelkämpfer.  Die Produktivität ginge verloren, weil sowohl das Vertrauen in die beteiligten Menschen als auch in die benötigten Maschinen fehlte.  Der gute Ruf ginge verloren ohne Vertrauen, dass Fehler menschlich sind und behoben werden können.  Unternehmen würden keine fähigen Mitarbeiter mehr finden, weil man deren Talenten nicht trauen würde.  Es gäbe keine loyalen Kunden, weil man Anbietern grundsätzlich misstrauen würde.  Es gäbe weniger Gewinn in den Unternehmen und weniger Einkommen bei den Mitarbeitern.  Marken würden - ohne Vertrauen - deutlich an Wert verlieren. Das Fazit daraus bringt Jim Burke, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Johnson & Johnson, auf den Punkt: „Erfolg ist ohne Vertrauen nicht möglich. Das Wort Vertrauen umfasst alles, was wir brauchen, wenn wir mehr Erfolg haben wollen.“ Andersherum hat David Horsager in seinem Buch Vertrauen. Die Währung von morgen zusammengefasst, wie sich ein Plus an Vertrauen in den verschiedenen Bereichen auswirkt:  „Führungskräfte bekommen ein Vielfaches an Einfluss und Wirkung.  Führungskräfte bekommen mehr Motivation.  Manager bemerken mehr Produktivität und mehr Engagement im Team.  Vertriebsleute verspüren mehr Engagement und bessere Ergebnisse.  Kundendienst-Experten bemerken begeisterte Empfehlungen und treue Kunden.  Eltern beobachten, dass es Zuhause friedlicher und freier zugeht.  Lehrer werden mehr Respekt, mehr Disziplin und mehr Lernerfolge feststellen.“ <?page no="36"?> 36 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung Abb. 3: Wechselseitige Erwartungshaltung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter Quelle: Antje Heimsoeth, Vertrauen entscheidet, Seite 186 1.5 Grenzen des Vertrauens Wir alle bemerken es jeden Tag: Vertrauen ist keine Selbstverständlichkeit. Vertrauen ist immer verbunden mit Risiko. Doch ohne die Überwindung von Angst und unsere Bereitschaft, ein gewisses Risiko einzugehen, kann es kein Vertrauen geben. Vertrauen ist in den meisten Fällen nicht einfach vorhanden, es sei denn, es handelt sich um vertraute Personen oder bekannte Vorgänge. Sehr viel öfter muss Vertrauen erst einmal entstehen. Wir vertrauen am ehesten <?page no="37"?> 1.5 Grenzen des Vertrauens 37 dann, wenn wir ein Verhalten oder ein Ergebnis voraussehen können. Doch wann können wir das in der heutigen (Arbeits-)Welt? Wissenschaftler kamen zu einem interessanten Ergebnis hinsichtlich der Beziehung von Menschen zu ihrem Smartphone: Die bloße Anwesenheit eines Smartphones behindert die Entwicklung von Nähe und Vertrauen und reduziert die Empathie und das Vertrauen ür den Gesprächspartner. So zu lesen in dem Techbook-Artikel So zerstört das Handy Ihre Beziehung. Das Handy hat nicht nur Auswirkungen auf einzelne Beziehungen, sondern auch Einfluss auf unser generelles soziales Verhalten. Eine Studie der Psychologen Kostadin Kushlev von der Universität von Virginia und Jason Proulx von der University of British Columbia ergab Folgendes: Je mehr wir ein Smartphone nutzen, um uns zu informieren, desto weniger vertrauen wir unseren Nachbarn, fremden Leuten, Menschen aus anderen Ländern und Religionen. Die Beziehung Smartphone-Vertrauen gilt laut der Wissenschaftler auch umgekehrt: Je weniger jemand anderen Menschen vertraut, desto mehr nutzt er das Smartphone als Informationsquelle. Eine Studie von Andrew K. Przybylski und Netta Weinstein von der University of Essex bestätigt, dass bereits ein Smartphone, das nur auf dem Tisch liegt, Vertrauen zerstört. Sie haben die Wirkung von Mobiltelefonen auf Vertrauen und Empathie untersucht: „Bei wichtigen Themen nahm das geühlte Vertrauen um über die Hälfte ab. (...) Der Vertrauensverlust ist unbewusst.“ Die Forscher vermuten, dass das Handy ür die Erreichbarkeit und die Vernetzung mit einem großen Kreis von anderen Menschen steht und so die Öffnung zum Gegenüber behindert. Unbewusst werde durch die Anwesenheit des Smartphones die Botschaft vermittelt: „Ich bin bereit, dieses Gespräch jederzeit stören zu lassen und zu unterbrechen. Du bist nicht so wichtig.“ Wodurch wird ein Vertrauensverhältnis zerstört? Typische Gründe für Vertrauensdefizite in Unternehmen 1  Die Mitarbeiter machen wiederholt die Erfahrung, dass Veränderungen einseitig zu ihren Lasten vorgenommen werden.  Sie bekommen das Gefühl, ihr Schicksal sei der Unternehmensleitung gleichgültig, die Vorgesetzten würden sich nicht um sie kümmern. 1 Hartmut Laufer, 30 Minuten Mitarbeitervertrauen <?page no="38"?> 38 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung  Die Mitarbeiter bekommen den Eindruck, man würde sie bewusst mangelhaft oder sogar falsch informieren.  Sie müssen erkennen, dass ihr jahrelanges Engagement in Krisenzeiten oder bei strategischen Unternehmensentscheidungen nichts gilt.  Die Unternehmensleitung setzt bei wichtigen Entscheidungen eher auf das Expertenwissen externer Berater als auf die Erfahrungen, das Insiderwissen und die Kundenkontakte der eigenen Mitarbeiter.  Manager der oberen Hierarchieebenen sorgen mehr für ihre persönlichen Vorteile als für den Fortbestand des Unternehmens und den Erhalt der Arbeitsplätze. Weitere Gründe sind:  Unbegründete Ungleichbehandlung  Fehlende Chancengleichheit bei Vergütung und Beförderung  Zu komplexe Entscheidungswege  Zu viele Kontrollen bei der Arbeit bzw. von Arbeitsprozessen  Widersprüchliche und missverstandene Botschaften  Abwertende Äußerungen über Mitarbeiter  Wenn Mitarbeitern zu Unrecht misstraut wird  Persönliche Unsicherheiten, die sich auf die Führung auswirken  Kommunikationsstörungen wie die Verkündigung unterschiedlicher Informationen an verschiedene Mitarbeiter  Unberechenbarkeit von Führungspersonen  Infragestellen der Mitarbeiterkompetenzen  Ausbleiben von Anerkennung und Lob  Einsatz von Informationen als Manipulation (Bestrafung)  Unfaire Bezahlung und Intransparenz über Lohn-/ Gehälterunterschiede 1.6 Das Warum des Vertrauens in der Führung „Ein Chef, der seinen Mitarbeitern nicht vertraut, hat Mitarbeiter, die sich nichts trauen.“ Danke an den Unternehmer Carsten K. Rath ür diese treffenden Worte! <?page no="39"?> 1.6 Das Warum des Vertrauens in der Führung 39 Gerade durch die Corona-Krise mussten viele Unternehmen ad hoc ins Vertrauen springen. Wie gehen sie damit um? Wie ginge es besser? Und was bleibt von dem Vertrauensvorsprung, wenn die Sondersituation eines Tages wieder normal wird? Die Arbeitssituation mit Home iund Remote Work, freierer Zeiteinteilung, Entgrenzung von Arbeits- und Familienzeit, Selbstorganisation usw. hat uns in ein neues Experiment geworfen, das wohl wenige von uns frei gewählt hätten. Schon jetzt zeigen Studien, dass die Arbeit im Home Office anspruchsvoll ist und nicht unbedingt glücklich macht. „Daher wäre wohl Coworking die bessere Option“, sagt Prof. Antoinette Weibel im Interview mit managerSeminare im Juni 2020. „Was wir jetzt lernen - und wir lernen aktuell sehr viel - ist unter anderem Selbstmanagement und dazu zählt auch, psychisch gesund zu bleiben und Grenzen zu finden. Insbesondere ür Führungskräfte ist dieses Experiment noch in einer weiteren Hinsicht verantwortungsvoll: Die müssen jetzt mehr denn je ihren Mitarbeitenden vertrauen.“ Doch Führungskräfte trauen sich vielerorts nicht, zu vertrauen. Studien von Gallup genauso wie wiederkehrende Gesundheitsbefragungen zeigen, dass der Mikromanager noch nicht ausgestorben ist. Weibel zeigt sich hoffnungsvoll und testet gerade Hypothesen zum Thema „Vertrauen als motivierte Aktion“ mit Experimenten. Dabei zeigt sich: Wer gute Gründe findet, warum sich Vertrauen lohnt, kann eher Vertrauen entwickeln. Wer es jetzt schafft, seine Sympathien zu den Mitarbeitern und darüber hinaus das Paradigma „Vertrauen ist besser als Kontrolle“ auszubauen, tut sich leichter. Übersetzt heißt das, Vorgesetzte müssen einen motivierenden Grund finden, also ür sich beantworten, warum sich Vertrauen lohnt. Wer sich jetzt auf das Vertrauensexperiment im Wirtschaftsleben einlässt, dürfte positiv überrascht werden. Denn gerade jetzt zeigt die generelle Forschung zu organisationalen Krisen einen großen Vertrauensvorschuss. Der ist auch unabdingbar, damit Mitarbeiter Ideen zur Bewältigung der Situation einbringen können und wollen. In einer Krise zum Mitdenker und Mitgestalter wird nämlich nur, wer Vertrauen geschenkt bekommt und damit Freiräume zum Mitwirken und „in die da oben“ hat. Kurz: Vertrauen beähigt. Wir befinden uns in einer Problemsituation, dessen Konturen noch nicht klar und bei dem Zielkonflikte die Regel anstelle der Ausnahme sind. Sol- <?page no="40"?> 40 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung che Probleme löst man nur zusammen, indem verschiedene Perspektiven eingebracht werden und daraus eine gemeinsame Lösung entsteht. Die Stress- und Engagementforschung zeigt zudem: Vertrauen - vor allem, wenn dies gekoppelt ist mit menschlicher, sozialer Unterstützung und Wohlwollen - ist eine wichtige Ressource, um mit den momentan stark gewachsenen Belastungen besser umzugehen. Eine ausgeprägte Vertrauenskultur hilft bei der Bewältigung der Krise, weil sich Führungskräfte und Mitarbeiter trauen, sich auch mal schwach zu zeigen, Hilfe zu erbitten, und so noch mehr Solidarität mit den Kollegen und dem Unternehmen fühlen. Vor dem Hintergrund, dass sich Mitarbeiter durch fehlende Kinderbetreuung und erschwerten Arbeitsbedingungen vielfach überfordert fühlen von dem Vertrauen, das im Home Office in sie gesetzt wird, muss sich zum Vertrauen zwingend auch eine Befähigung, sprich eine Ermächtigung gesellen. Etwa in der Nutzung entsprechender Projekt- und Selbstmanagementtechniken, technischer Tools, aber auch in psychologischer Hinsicht. Darüber hinaus kann eine Gefahr darin bestehen, dass Mitarbeiter dem „neu vertrauenden“ Chef nicht glauben. Es könnte sein, dass Führungskräfte das Gefühl vermitteln, nur aus der Not heraus zu vertrauen. Dass das Vertrauen nicht ehrlich ist, sondern nur ein unliebsames, aber aktuell unverzichtbares Mittel zum Zweck. Darauf könnten Mitarbeiter allergisch reagieren. Auch die Führungskraft selbst kann der neuen Vertrauenssituation misstrauen. Zum Beispiel, indem sie unterstellt, dass Mitarbeiter ihre Home Office-Situation zu ihren Gunsten ausnützen würden. Hier ist es ür alle Beteiligten ratsam, neue Regeln der Zusammenarbeit zu definieren, indem zusammen mit dem Team eine Teamcharta erstellt wird, der sich alle verpflichtet ühlen. Wenn man als Führungskraft allerdings das deutliche Geühl hat, ein bestimmtes Teammitglied würde die Situation missbrauchen, muss sie diesem Geühl nachgehen und den Mitarbeiter darauf ansprechen. Im ersten Schritt hilft es ür ein konstruktives Gespräch, mit einer Unschuldsvermutung loszugehen, Hindernisse zu identifizieren und gemeinsame Wege zu suchen, wie der Mitarbeiter in die produktive Phase zurückkommt. Gerade in einer solchen neuen Situation ist davon auszugehen, dass es viele nachvollziehbare Hindernisse wie Existenzängste, Konzentrationsprobleme oder fehlendes Know-how gibt, etwa mit Technik. Wenn sich dauerhaft nichts ändert, muss natürlich über Konsequenzen nachgedacht und sich ultimativ von dem betreffenden Mitarbeiter getrennt werden. Hier greift die Loyalität zum Unternehmen und auch die Loyalität zum Team, das nicht durch das Dulden eines Fehlverhaltens in Mitleidenschaft gezogen werden soll. Auch wenn so mancher Führungsmensch, den <?page no="41"?> 1.6 Das Warum des Vertrauens in der Führung 41 ich kennengelernt habe, eine solche Investition in das Vertrauen als Ponyhof bezeichnen mag: Auch dieser verügt über einen soliden Zaun. Wird sich das Vertrauen aus einer Sondersituation in die Normalität übertragen lassen? In der Corona-bedingten Sondersituation haben wir oberflächlich gelernt, was online möglich ist und wo wir wieder offline sein wollen. Wir experimentieren viel mit neuen Techniken und verzeichnen kürzere Meeting- Zeiten, die daür mehr Vor- und Nachbereitung brauchen. Und wir tauschen - wie bei loyalworks® aus Mitarbeitersicht - Erfolgsgeschichten aus. Ich hoffe, dass sich diese neuen Gepflogenheiten dauerhaft durchsetzen werden. Und ja, Vertrauen kann zur Routine werden und Routinen kann man lernen! Gabriele Oettingen hat zum Beispiel ein Trainingsprogramm für neue Routinen entwickelt 2 . So etwas eignet sich auch für den Aufbau von Vertrauen. Um Vertrauen zu etablieren, sollte man sich die Verhaltensweisen vergegenwärtigen, die zeigen, dass man Vertrauen schenkt. Es ist ratsam, Hindernisse der Umsetzung vorwegzunehmen und „Wenn-dann-Pläne“ aufzustellen. In einer empirischen Studie, die Antoinette Weibel in einer ausgeprägten Vertrauensorganisation durchgeführt hat, wurde festgestellt, dass sich selbst vorsichtige, nicht zu Vertrauen neigende Führungskräfte einen Schubs geben - wenn Vertrauen zum dominanten Narrativ, also einem sinnstiftenden Wert geworden ist und sich die Führungskräfte weiterhin an Regeln halten können. Im Fall der Studie waren diese Regeln keine Kontrollregeln, sondern lediglich Koordinationsinstrumente. Überspitzt könnte man bei Regelfetischisten also in Sachen Vertrauen nachhelfen, indem die Zusammenarbeit mit erleichternden, aber nicht kontrollierenden Regeln eingerahmt wird. Mehr zur Vertrauensforschung von Antoinette Weibel:  Vertrauen als Schlüsselwert in der Krise (www.youtube.com/ watch? v=An7fX77qxhM) online Schulung mit Antoinette Weibel im Rahmen der Reihe ‚HSG Insights‘ zu der Frage: Warum Vertrauen in der Krise essenziell ist  Der erste Schritt zum Vertrauen ist, sich zu trauen (www.managerseminare.de/ managerSeminare_TV/ ,255210) 2 https: / / woopmylife.org/ get-up-and-woop-de <?page no="42"?> 42 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung TV-Interview mit Antoinette Weibel auf den Petersberger Trainertagen 2017 zu der Frage: Welche Instrumente verhindern Vertrauen?  Vertrauen oder verlieren (www.managerseminare.de/ MS224AR06) Interview mit Antoinette Weibel zu der Frage: Wie wird eine Vertrauenskultur am besten umgesetzt? 1.7 Vergiftete Führung durch Misstrauen Vertrauen in die Mitarbeiter ist der Hebel für nahezu alle Erfolgsprozesse im Geschäftsleben. Was so einfach klingt, ist in der Komplexität von Führung anspruchsvoll genug. Gemäß dem Leitsatz „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, nutzen viele Führungskräfte ihre Kontrollfunktion und merken gar nicht, welche negativen Auswirkungen ihr Verhalten hat - oder oft zu spät. Dann nämlich, wenn sich Mitarbeiter nichts mehr zutrauen, weil ihre Erfahrung sie gelehrt hat, dass es der Chef am Ende doch immer besser weiß und kann. Und das lässt ein solcher Chef seine Mitarbeiter spüren. Sie sollen schließlich wissen, dass er das Maß aller Dinge ist. „Mutig neue Wege zu gehen oder überhaupt eine gewagte Idee in den Raum zu stellen, ist das letzte, was ein Mitarbeiter tun wird, der sich vor seinem kontrollsüchtigen Chef keine Blöße geben will. (...) In einer völlig neuen Arbeits- und Lebenswelt droht ihm seine Abhängigkeit von Weisung und Kontrolle zum Verhängnis zu werden.“ Vielen Führungskräften geht es so wie hier bei ebda. beschrieben: Führung, wie wir sie einmal gelernt haben, ist nicht mehr zukunftsfähig. Das ist ein Grund, warum Vertrauen als Leadership-Bestandteil im Zeichen der Freiheit unverzichtbar ist. Denn Freiheit ohne Vertrauen erzeugt Angst. Doch Vertrauen schafft nicht nur einen Wettbewerbsvorteil, weil es Innovation und Kreativität freisetzt, sondern auch einen Vorteil bei der Personalentwicklung. Auch wenn Sie denken, dass die Zeit der Patriarchen in Unternehmen längst vorbei ist, ist an deren Stelle oftmals eine weitaus gefährlichere Art von Unternehmenslenkern getreten: die Besserwisser, aber nicht Bessermacher. Diejenigen, die in der Theorie alles können, sich aber in der Praxis mit den sich täglich wandelnden Herausforderung schwertun. Hierarchisch geprägte Strukturen brechen immer mehr auf. Mitarbeiter fragen nach dem Sinn ihres Tuns. Ebenso wollen sie den Sinn in der Kultur und im Handeln ihres Unternehmens erkennen. Kontrolle ist hier immer weniger angesagt, auch weil es der Mehrheit der Mitarbeiter darum geht, eigenständig zu denken und zu handeln. Selbstverantwortung wird großge- <?page no="43"?> 1.7 Vergiftete Führung durch Misstrauen 43 schrieben in Zeiten, in denen Vertrauensarbeitszeiten und Home Office an der Tagesordnung stehen. Schlecht für Führungskräfte, die sich heute noch an antiquierten Führungsmodellen orientieren. Sie werden den Anforderungen der heutigen Arbeitnehmer nicht mehr gerecht. Schon im Jahr 2000 schrieb der österreichische Wirtschaftswissenschaftler und Managementvordenker Fredmund Malik in seinem Buch Führen, Leisten, Leben: „Weil die Vertrauensfrage bislang weitgehend übersehen wurde, ist darüber leider noch nicht viel bekannt. Ich kann daher nur einige Punkte behandeln. Zum Teil sind es Hinweise auf Fehler, die man vermeiden sollte, weil sie das Vertrauen nachhaltig zerstören. Schon damit ist viel gewonnen, denn den meisten Managern wird ja gerade am Anfang von den Mitarbeitern durchaus ein gewisser Vertrauensvorschuss zugestanden.“ 20 Jahre später unterhalten wir uns immer noch darüber, dass Vertrauen nötig ist, damit wir agil werden und wirken können. Denn Agilität ist nur machbar, wenn Führungskräfte bereit sind, Verantwortung abzugeben - das setzt Vertrauen voraus. Reinhard K. Sprenger bringt es noch viel dramatischer auf den Punkt: „Vertrauen ist sicherer als jede Sicherungsmaßnahme. Vertrauen kontrolliert erfolgreicher als jedes Kontrollsystem. Vertrauen schafft mehr Werte als jedes wertsteigernde Managementkonzept.“ Das soll nicht heißen, dass alle Kontrollen überflüssig werden. Die Gefahr des Missbrauchs wäre zu groß und nicht alle Menschen wissen mit der Freiheit absoluten Vertrauens umzugehen. Antoinette Weibel erklärt in dem Zusammenhang: „Ein Vertrauenssystem funktioniert nicht ohne Kontrollen, allein schon deshalb, weil Trittbrettfahrer sonst leichtes Spiel haben und sich die engagierten Mitarbeiter als gutmütige Trottel fühlen würden. Studien belegen, dass eine Vertrauenskultur fairer ist, wenn klare Strukturen vorgegeben sind, an die man sich halten muss. Zudem hilft Kontrolle auch, Schwachstellen früh zu erkennen und Hilfeleistungen anzubieten.“ Antje Heimsoeth fragt so treffend: Vertrauen führt - doch welche Führung führt zu Vertrauen? Dr. Nico Rose, Experte für Positive Psychologie, hält das Leben wie die Führung für nichts anderes als eine ständige gegenseitige Beeinflussung. Mit Vertrauen gelinge dies leichter und besser. Und zwar, lautet seine Antwort, in beide Richtungen, auch weil das klassische Führen „von oben nach unten“ oft nicht mehr gegeben ist. Aufgelöste Hierarchien und gerade die in der Projektarbeit üblichen Führungskräfte <?page no="44"?> 44 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung auf Zeit machen es notwendiger denn je, dass Vertrauen durchgehend gelebt wird, auch wenn dies immer noch von der Führungskraft vorgelebt werden sollte. Die Bedeutung von Feedback unterstreicht, wie leicht man das Vertrauen in seine Führungskraft verlieren kann. Feedback ist wichtig. Vor allem, wenn etwas nicht nach Plan verläuft. Abb. 4: Regelkreis der Vertrauensbildung Quelle: Hartmut Laufer, Vertrauensvolle Mitarbeiterführung. Hintergründe, Leitfäden, Lösungsvorschläge. 2018, Springer Gabler, Wiesbaden, S. 40 Auf die Frage, welche Maßnahmen für den Aufbau einer Vertrauenskultur in einem Unternehmen helfen, antwortet Antoinette Weibel: „Zentral ist, dass die Chefs sich Zeit nehmen für ihre Mitarbeiter. Sie müssen Mitarbeitergespräche ernst nehmen und einen authentischen Führungsstil pflegen. Coaching ist ebenfalls ein sehr wichtiges Instrument. Der Coach sollte nicht nur auf der Beziehungsebene Hilfestellung leisten, sondern auch sachorientiert weiterhelfen können. Vertrauensfördernd ist auch das Leben einer guten Fehlerkultur. Zudem sollte die Delegation von Kompetenz und Verantwortung auf das Niveau des Mitarbeiters zugeschnitten sein. Möglichkeiten zur Mitarbeiterpartizipation sind ebenfalls wichtig. Nicht zu unterschätzen ist auch <?page no="45"?> 1.7 Vergiftete Führung durch Misstrauen 45 eine relative Jobsicherheit. In Krisenzeiten gibt es kreativere Lösungsansätze, als einfach gleich Stellen zu streichen.“ Nicht immer sind es die großen Krisen und medienwirksamen Pleiten, die das Vertrauen in Unternehmen, in deren Management und in Führungskräfte zerstören. Viel öfter sind es die unzähligen Einzelfälle, die das Vertrauen der Mitarbeiter in die Führungsqualität dramatisch verringern. Eine unüberlegte Handlung, ein unbedachter Ausspruch oder ein impulsiver Post in den sozialen Medien - und mit dem Vertrauen ist es dahin. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmensdenker und -lenker ihre Vertrauenswürdigkeit immer wieder offensiv zeigen. Meine Empfehlung: Zeigen Sie durch klare und offene Bekenntnisse, dass man Ihnen vertrauen kann. Fordern Sie dies auch von Ihren Mitarbeitern durch offene, nichtanonyme Kommunikation. Wichtig ist es, alle mitzunehmen! Eine Kultur des Vertrauens funktioniert nicht, wenn nur Einzelne diese leben. Vertrauen ist Arbeit. Vertrauen muss wie eine Pflanze großgezogen und gepflegt werden, damit sie wächst. Und Vertrauen braucht Zeit, um aus einer zarten Pflanze einen kräftigen Baum wachsen zu lassen. Zeit, die auch hilft, als Führungskraft Erfahrungen zu sammeln. Denn erfolgreich wird man durch viel Erfahrung. Und Erfahrungen macht man nur, wenn man ins Tun kommt, seine Komfortzone bewusst verlässt und kalkulierbare Risiken eingeht, kurz: sich pro-aktiv schwierigen Situationen stellt. Der andere Aspekt ist, sich für Vertrauensmomente zu sensibilisieren. Wann und wo konnte ich vertrauen? Wann wurde mein Vertrauen nicht enttäuscht? Wo genau hat mich mein Vertrauensvorschuss in andere Menschen weitergebracht? Auch wenn die Vertrauensbereitschaft jedes einzelnen Menschen und damit die Basis für ein vertrauensvolles Miteinander sehr unterschiedlich ausgeprägt ist, gibt es sinnvolle Maßnahmen, die in der Führung übergreifend gelten, um die Ressource Vertrauen grundsätzlich auf- und auszubauen:  Reflektieren Sie sich selbst Vertrauen entsteht gegenseitig. Deshalb ist es zu Beginn einer Arbeitsbeziehung wichtig, sich selbst die Fragen zu stellen: Was verstehe ich unter Vertrauen? Welche Erwartungen habe ich an eine vertrauensvolle Arbeitsbeziehung? <?page no="46"?> 46 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung  Gehen Sie in Vorleistung Da die meisten Führungskräfte eine Machtposition innehaben, ist der beste Weg zum Aufbau einer vertrauensvollen Arbeitsbeziehung, von sich aus in Vorleistung zu gehen. Damit sind sie zugleich Vorbild.  Kommunizieren Sie informell Der vorgegebene Rahmen in Unternehmen macht eine offene Kommunikation teilweise schwer. Deshalb sollten Führungskräfte die Chance nutzen, sich auch mal spontan mit Mitarbeitern auszutauschen - einfach nur von Mensch zu Mensch.  Verhalten Sie sich immer fair Auch Führungskräfte machen Fehler, sie sind ja auch Menschen. Dann heißt es, dazu zu stehen. Gerechte Beurteilungen anderer und eigene Zusagen einzuhalten, das wird von Mitarbeitern als fair empfunden und sorgt dafür, dass die eigene Vertrauenswürdigkeit nicht infrage gestellt wird. 1.8 Neun Tipps für mehr Vertrauen Hier sind neun Tipps zusammengestellt, die grundsätzlich (also auch im Privatleben) mehr Vertrauen ermöglichen. Untersuchungen von Eva Schulte-Austum haben ergeben, dass es sich weltweit um dieselben Eigenschaften und Verhaltensweisen handelt, die dazu führen, dass zwischenmenschliches Vertrauen entsteht. Wissenschaftliche Studien bestätigen dies. 1. V erschwiegenheit Alle Dinge, die nicht Sie selbst betreffen, behandeln Sie diskret. Fragen Sie im Zweifelsfall nach, bevor Sie zu viel preisgeben. Halten Sie sich bei sensiblen Themen taktvoll zurück und vermeiden Gerüchte, wirken Sie automatisch vertrauenswürdiger. So werden andere Ihnen leichter Themen anvertrauen, weil sie davon ausgehen, dass diese bei Ihnen gut aufgehoben sind. 2. E hrlichkeit Sprechen Sie die Wahrheit aus, auch wenn es unbequem ist. Geben Sie eigene Fehler zu und entschuldigen Sie sich aufrichtig dafür. Fehler zu machen, kostet kein Vertrauen, der falsche Umgang mit ihnen schon. <?page no="47"?> 1.8 Neun Tipps für mehr Vertrauen 47 3. R espekt Seien Sie freundlich zu Ihren Mitmenschen und nehmen Sie Rücksicht auf deren Grenzen. Begegnen Sie Menschen mit Wertschätzung, auch und besonders denen, die nichts für Sie tun können. Menschen beurteilen den Charakter einer Person auch danach, wie diese sich gegenüber anderen Personen verhält. 4. T ranzparenz Klären Sie gegenseitige Erwartungen so früh wie möglich und handeln Sie nachvollziehbar. Helfen Sie anderen, die Wünsche und Absichten Ihres Handelns zu verstehen. Wer anderen die Chance gibt, das eigene Handeln zu verstehen, vermeidet Missverständnisse und Konflikte. In einem harmonischen Umfeld und in guter Stimmung fällt Vertrauen leichter. 5. R eliabilität Versprechen Sie nur Dinge, die Sie wirklich halten können und wollen. Seien Sie nicht nur in Einzelfällen, sondern kontinuierlich zuverlässig. Wer für seine Mitmenschen berechenbar wirkt, erleichtert es ihnen, ihm zu vertrauen. Das Gefühl, vorhersehen zu können, wie jemand reagiert, erzeugt das Gefühl von Sicherheit und Vertrautheit. Beides erleichtert den Vertrauensaufbau und die Beziehung. 6. A ufrichtigkeit Handeln Sie nach Ihren eigenen Maßstäben. Stehen Sie anderen bei, auch wenn Sie selbst dadurch negative Konsequenzen befürchten. Wer seinen eigenen Prinzipien treu bleibt - und nicht sein Fähnchen nach dem Wind richtet, selbst wenn es unbequem wird, der wird von anderen als aufrichtig und gradlinig empfunden. Ein Zeichen von Charakter und ein wesentlicher Aspekt bei der Frage, wem wir vertrauen. 7. U nterstützung Helfen Sie anderen aus freien Stücken. Bieten Sie Ihre Unterstützung an, wenn Sie glauben, dass Ihre Expertise gefragt ist. Und freuen Sie sich mit den anderen über deren Erfolge. Menschen, die gönnen und sich mit anderen freuen können, werden als gute Charaktere eingestuft. <?page no="48"?> 48 1 Herausforderungen - Das Fundament für Führung 8. E mpathie Versetzen Sie sich regelmäßig in Ihr Gegenüber hinein, wechseln Sie während Ihrer Gespräche öfter die Perspektive. Wer aufrichtiges Interesse zeigt und sich in andere hineinversetzt, kann andere besser verstehen und nachempfinden, was in ihnen vorgeht. Das beugt Missverständnissen vor und erleichtert die Kommunikation. 9. N eutralität Gehen Sie den ersten Schritt und geben Sie Ihrem Gegenüber einen Vertrauensvorschuss. Zumindest so lange, bis Sie eines Besseren belehrt werden. Zeigen Sie Toleranz gegenüber anderen Denk- und Verhaltensweisen. Menschen haben das grundlegende Bedürfnis, anerkannt zu werden. Wer ihnen mit einer positiven Haltung begegnet, wird statistisch gesehen seltener enttäuscht und macht bessere Erfahrungen. Gleiches gilt für Toleranz und Vorurteilsfreiheit, denn eine zugewandte, wertschätzende Haltung ist spürbar. <?page no="49"?> 2 Stetiger Führungswandel 2.1 Führung trotz Ungewissheit - die Kraft von Experimenten Zukunftsforscher und Unternehmensberater wie ich predigen seit Jahren den notwendigen Führungswandel. Im 2020er-Krisengeschehen rund um Corona kommt es mehr denn je darauf an, ein Bewusstsein für die Kraft von Experimenten zu entwickeln. Durch Experimente kann der Umgang mit Ungewissheit geübt werden. Denn: Die neue Strategie ist das Experiment. Anja Förster und Dr. Peter Kreuz schreiben in ihrem Buch Vergeude keine Krise plakativ: „Nimm die Chance aus der Krise, und sie wird zur Gefahr. Nimm die Angst aus der Krise, und sie wird zur Chance.“ Lassen Sie uns diesen Impuls nutzen! Es ist nicht nur ein weltweites Experiment, das uns alle gerade beschäftigt, es ist ebenso ein konkretes Experiment in jedem einzelnen Unternehmen. Wenn ich auf die Erkenntnisse der „Musterbrecher“ Dr. Stefan Kaduk und Dr. Dirk Osmetz zurückgreife, dann wissen wir: je ungewisser die Zukunft, desto weniger führt das Denken in Prozessen zu brauchbaren Lösungen. Geeigneter sind vielmehr Experimente, die Energien freisetzen und Organisationen zukunftsfähiger machen können. Sie haben zwar einen offenen Ausgang, sind aber dennoch kein russisches Roulette. Es geht nicht um ein Ausprobieren ohne Plan und Ziel, sondern darum, eingefahrene Wege zu verlassen, Neues auszuprobieren, Hinderliches zu vergessen und bekannte Muster zu brechen. Die „Fahrt auf Sicht“, die vielerorts immer noch gefordert wird, kann heute ohne Experimente nicht gelingen. Obwohl gemeinhin bekannt ist, dass althergediente Muster im Neuland nicht helfen, tun sich Menschen, Unternehmen und die Politik schwer mit einer solchen Krise. Warum? Weil menschliches Verhalten von Mustern geprägt ist, die in der Vergangenheit funktionierten. Darum wird, bewusst oder unbewusst, an solchen Mustern festgehalten - weil sie Sicherheit versprechen. Stellen wir uns die Frage, welche übergeordneten Muster des Problemlösens in der Vergangenheit erfolgreich waren, kommen wir auf die in Unternehmen typisch vorliegenden Mechanismen: Planung, Steuerung, Kontrolle, Standardisierung. Oder kurz: Management. Da dieses Management in einer Krise nur teilweise gelingt, ist ein Blick in die Entscheidungshisto- <?page no="50"?> 50 2 Stetiger Führungswandel rie hilfreich. Drei Begriffe sind hier zentral: Risiko, Unsicherheit und Ungewissheit. Während sie alltagssprachlich synonym verwendet werden, ist insbesondere die Abgrenzung zur Ungewissheit wichtig. Ein Risiko liegt dann vor, wenn die Wahrscheinlichkeit bekannt ist, mit der ein bestimmtes Ereignis eintritt. Wann immer ein Risiko analysiert werden kann, sollte dies getan werden, weil dann Entscheidungen leichter fallen. Wenn diese Wahrscheinlichkeiten nicht vorliegen, aber die Kenntnis vorhanden ist, dass Wahrscheinlichkeiten vorliegen müssten, wird von Unsicherheit gesprochen. In dem Maße, in dem es durch Analysen, Tests und Modelle gelingt, Risiken einigermaßen genau abzuschätzen, können Unsicherheiten in Risiken „verwandelt“ werden. In Situationen, die durch Risiken und Unsicherheiten gekennzeichnet sind, haben die Muster des Managens ihre Berechtigung. Denn man bewegt sich auf einem Terrain, das durch den Einsatz des klassischen Instrumentariums - zumindest mit einer berechtigten Hoffnung auf Erfolg - bearbeitet und beherrscht werden kann. Entscheidungen lassen sich besser begründen. Anders verhält es sich jedoch, wenn Ungewissheit im Spiel ist. In diesem Fall sind die Art der möglichen Ergebnisse und folglich auch deren Eintrittswahrscheinlichkeiten unbekannt. Ungewissheit entsteht immer dann, wenn Komplexität im Spiel ist und Kausalitäten weder berechnet noch überhaupt verstanden werden können. Der Komplexitätsforscher und Psychologe Dietrich Dörner beschreibt Komplexität in seinem Buch Die Logik des Misslingens wie folgt: „Eine Situation empfindet man meist dann als komplex, wenn sehr viele Faktoren wirksam sind, wenn sich die gesamte Situation auch ohne das eigene Zutun verändert. Wenn die vielen Faktoren nicht nur wirken, sondern auch interagieren und somit der eine Faktor bewirkt, dass der andere Faktor sich ganz anders verhält, als er das allgemein tut. (...) Von Komplexität spricht man weiterhin dann, wenn Zirkularitäten vorherrschen, wenn Ursache und Wirkung nicht mehr trennbar sind, wenn Katalysatorwirkungen und Speicherfunktionen auftreten. Ein weiterer wichtiger und charakterisierender Punkt ist die Unsichtbarkeit von Variablen, also die Unkenntnis über alle Einflussgrößen. (...) Dummerweise sind die Menschen so sozialisiert, dass sie gewohnt sind, einen Knopf zu drücken und die Wirkung sofort folgt. Auf Wirkung warten - darauf können sich die meisten nicht einstellen.“ So verhält es sich auch in der Führung von Unternehmen und letztlich von Menschen. Es zeigt sich jetzt schon, dass Maßnahmen, von denen man sich Klarheit und Sicherheit verspricht, neue Ungewissheiten in anderen Bereichen erzeugen, die man im Vorfeld so nicht im Blick hatte. Das wiederum ver- <?page no="51"?> 2.1 Führung trotz Ungewissheit - die Kraft von Experimenten 51 deutlicht umso mehr, dass jeglicher Versuch, durch Planung, Steuerung, Kontrolle und Standards Sicherheit zu erlangen, in den Zonen der Ungewissheit scheitern muss. Für die Führung ergibt sich daraus ein klares Resultat: Wir müssen lernen, Verantwortung für Nicht-Beantwortbares zu übernehmen. Viele Fragen sind bis heute unbeantwortet und vielleicht sogar unbeantwortbar. Wer sich dennoch vorwagt und auf möglicherweise Unbeantwortbares antwortet, exponiert sich. Es kann nicht auf ein Sicherheit gebendes Faktum aus der Vergangenheit verwiesen werden. Daraus entsteht die Freiheit einer nahezu beliebigen Antwort, sofern der Preis bezahlt wird, für die Antwort Verantwortung zu übernehmen. Jedes Mal, wenn sich wieder jemand vorwagt und sich mit den Führungsfragen der Zukunft beschäftigt und sie erforscht, offenbart dieser Jemand automatisch seine individuellen Wertvorstellungen und Haltungen. Ich nehme an, dass aus diesem Grund die Mehrheit der Führungsverantwortlichen noch zögert, sich mit ihren ehrlichen Einschätzungen und Einstellungen zu zeigen. Doch auch, wenn dieser Schritt mit Angst belegt sein mag, halte ich ihn für unausweichlich. Ein gangbarer Weg, Antworten für Unbeantwortbares zu testen, sind Experimente. Mehr noch: Ein wichtiges Ziel von Experimenten ist es gerade, bekannte und bisher ungestellte Fragen neu zu beantworten. Mit ihnen gilt es herauszutreten, neue Perspektiven einzunehmen, sich irritieren zu lassen, Dialoge zu führen, das eigene Tun auf den Prüfstand zu stellen. Besonders geeignet scheint das Experimentieren mit Strukturen zu sein, die Menschen den Raum geben, eigene Lösungen für komplexe Fragen zu finden. Im Kern geht es darum, die Organisation bis zu einem gewissen Grad bewusst so zu gestalten, dass Räume der Ungewissheit entstehen. Einige Unternehmen setzen schon seit Jahren auf die Eigenverantwortung von Teams und Einzelpersonen, indem sie beispielsweise in Prozessen mit dem Zwei-Augen-Prinzip ohne weitere Kontrolle agieren - sofern dem keine gesetzlichen Erfordernisse entgegenstehen. Wer in solchen Settings sozialisiert wird, kann erfahrungsgemäß leichter Entscheidungen treffen und seinen Aufgaben eigenverantwortlich nachkommen. Dadurch, dass das Unternehmen nicht nach Abteilungen, sondern nach Prozessen strukturiert ist, ist der Blick ürs Ganze und ür komplexe Zusammenhänge gefordert. Ob der einzelne Mitarbeiter mit diesem gleichermaßen befreien- <?page no="52"?> 52 2 Stetiger Führungswandel den wie auch fordernden Rahmen umgehen kann, muss sich in der täglichen Arbeit beweisen. Nachweisbar ist, dass Organisationen, die im Experimentieren geübt sind, sich leichter auf überraschende Herausforderungen einlassen können und daher auch einen schnelleren Einstieg in Krisenlösungsmodelle finden. Setzen wir voraus, dass Unternehmenskultur immer nur das Ergebnis der von der Organisation gebotenen Rahmenbedingungen ist, dann ist Kultur die Art und Weise, wie Menschen - in Abhängigkeit von ihren Persönlichkeitsmerkmalen - auf einen strukturellen Rahmen reagieren und wie sie in diesem (zusammen-)arbeiten. Während viele Unternehmen an die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden appellieren, ist das Gedankenexperiment zulässig, diese Logik einmal umzudrehen. Stellen wir stattdessen einmal die Führung selbst auf den Prüfstand und nennen wir es probehalber „Mitarbeiterbefreiung“; so hat es die KVL gemacht. Hinter diesem revolutionären Appell steht die Erkenntnis, dass viele Regularien und Vorgaben selbstverantwortliches Arbeiten verhindern. Die kaufmännische Geschäftsführerin Anastasija Radke stellt sogar fest: „Je mehr Freiraum wir in der Zusammenarbeit zulassen, desto mehr Solidarität und Verbindlichkeit nehmen wir wahr.“ Sie hatte im Führungszirkel schon vor der Krise erkannt: Wer nicht arbeiten will, der wird im Büro genauso wenig arbeiten wie im Home Office. „Diese Überlegung hat uns darin bestärkt, den Leuten freizustellen, wo sie arbeiten wollen. Und natürlich stimmen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab. Dazu brauchen sie aber nicht uns“, so Radke. Die bewussten Ent-Regelungen, das bewusste Weglassen von Vorgaben, die bewusste Unterstellung eines positiven Menschenbildes sind Experimente, die Ungewissheit erzeugen und Menschen dazu ‚nötigen‘, mit eben dieser umzugehen. Dabei geht es nicht um ein Aufbrechen sämtlicher Strukturen. Vielmehr sollen sich Organisationen im Umgang mit Ungewissheit üben. Genau das erzeugt paradoxerweise Sicherheit, weil die Kompetenzen im Umgang mit Überraschungen trainiert werden. Diese Einstellung zum Experimentieren mit bestehenden und zukünftigen Mustern schafft bessere Voraussetzungen für das Überstehen von Krisen als jeder noch so durchdachte Plan; weil nicht nur in Krisenzeiten jeder Plan auf eine Realität stößt, die sich grundsätzlich nicht an Pläne hält. Es bleibt zu hoffen, dass diejenigen Organisationen, die nun notgedrungen und ungewollt in einem experimentellen Modus arbeiten, nach überstan- <?page no="53"?> 2.1 Führung trotz Ungewissheit - die Kraft von Experimenten 53 dener Krise nicht wieder nach vermeintlicher Sicherheit in Prozessen suchen werden. Wiederholende Prozesse mit Experimenten eignen sich sehr gut, um dazuzulernen und Licht ins Dunkle zu bringen. Kleine und schnelle Schritte erlauben oft große Erkenntnisse und Fortschritte, was wesentlich effektiver ist als umfangreiche Planungen. Die Vorgehensweise mit Experimenten erinnert an Eric Ries’ Lean-Startup-Methode, bei der nach jedem Prozessschritt gemessen wird, was passiert ist, um daraus zu lernen und weitere Schritte auf die Erkenntnisse hin anzupassen. Bei Ries’ Form der Feedback-Schleife (Build - Measure - Learn) verschmelzen die Handlung und die immer wieder anzupassende Planung ineinander:  Bauen: Ein Experiment von überschaubarem Umfang wird entwickelt und durchgeführt.  Messen: Evaluation, was passiert ist, Ableitung von Erkenntnissen und neuen Handlungsoptionen.  Lernen: Justierung neuer, angepasster Prozessschritte auf Basis der bisherigen Erfahrungen. Das Ergebnis ist eine nicht endende Plan-Handlungs-Spirale, die das kontinuierliche Hinterfragen und flexible Anpassen weiterer Aktionen integriert. Anders als bei einem geschlossenen Kreislauf findet hier Weiterentwicklung statt. Gleichzeitig besteht das Bewusstsein der ständigen Flexibilität im Denken, verbunden mit der Offenheit, stets ür neue Chancen aufmerksam zu sein. Eigenschaften von Experimenten : Experimente ...  sind zwingend ergebnisoffen - ansonsten handelt es sich um Projekte.  trainieren die Ungewissheit - und sorgen so für die Entwicklung von Krisentauglichkeit.  starten im kleinen Rahmen - weil die unternehmensweite Auswalzung naiv und riskant wäre.  haben mit dem regulären Unternehmenszweck zu tun - und sind keine kulturellen Luftschlösser.  werden nicht aufgezwungen - sondern sind gemeinschaftlich entschiedene neue Versuchsplattformen. <?page no="54"?> 54 2 Stetiger Führungswandel  erfordern hohe Verbindlichkeit - sonst geraten sie zur Beliebigkeit.  erhöhen bewusst die Komplexität - denn in der Ungewissheit lässt sich nichts „wegrechnen“.  beginnen immer mit einer Hypothese - sonst wären sie willkürliche Versuchsspiele. 2.2 Authentizität in der Führung Halten wir Menschen für authentisch, so sprechen wir davon, sie ehrlich, echt und unverstellt wahrzunehmen. Authentizität wird als Erfolgsfaktor gepriesen, deshalb wollen scheinbar alle authentisch sein - es sei denn, es handelt sich um Mängel, um Schattenseiten des Selbstbildes. Die werden lieber versteckt. Deshalb möchte ich auf den Unterschied aufmerksam machen: Denn um authentisch zu wirken, darf man gerade nicht immer wirklich auch authentisch sein. Die neue Arbeitswelt basiert mehr und mehr auf Vertrauen. Um dieses zu erlangen, werden Echtheit und Offenheit gefordert. Dieses Verlangen wird durch die ständig falschen, ‚gefaketen‘ und inszenierten Meldungen in den sozialen Medien noch verstärkt. Blicken wir auf die amerikanische Managementkultur, entdecken wir gerade in den Karrieremechanismen Selbstinszenierungsschlachten, in denen Mitarbeiter geradezu dazu gezwungen werden, sich unverwundbar und 24/ 7 mit Pokerface zu zeigen - und gegen die hierzulande ein Generalverdacht besteht. Wie ein Befreiungsschlag erscheinen dagegen die Statements vieler deutscher Unternehmenskulturen: „Sei ganz du selbst! “ In einer vernetzten, zunehmend kollaborativen Arbeitsgesellschaft braucht es Menschen, die offen und ehrlich miteinander umgehen. Menschen, die mit sich im Reinen sind, weil sie sich davon entpflichtet haben, etwas darstellen zu müssen, was sie nicht sind. Da ist zweifellos Wahres dran. Und gleichzeitig verhält es sich anders, als es auf den ersten Eindruck klingt. Was Authentizität betrifft, gibt es zahlreiche Irrtümer und Tretminen, in die wir besser nicht stapfen sollten, wenn wir beruflich erfolgreich sein wollen und wenn uns wirklich an guter Zusammenarbeit liegt. Angelehnt an Dr. Stefan Wachtel möchte ich Ihnen zehn davon vorstellen. 1. Irrtum: Wir sind authentisch Authentisch ist man nicht, authentisch ist, was andere an uns wahrnehmen. Authentizität ist also keine Eigenschaft, keine Qualität an <?page no="55"?> 2.2 Authentizität in der Führung 55 sich, sondern ein Effekt. Andere, nicht wir selbst, entscheiden, ob unser Verhalten authentisch ist. Gemessen wird das daran, ob es Wiederkehrendes gibt, das von ihnen, den beurteilenden Menschen, als authentisch empfunden wird:  „Typisch Holger! “ - Jemand hat markante, immer wieder auftretende Gewohnheiten.  „Da sitzt sie genau richtig! “ - Jemand passt mit seinen Eigenarten genau in einen bestimmten Kontext.  „Michaela hat das überzeugender rübergebracht als Karin.“ - Jemand hat Eigenschaften, die sie oder ihn eine bestimmte Aufgabe besonders glaubwürdig ausführen lassen. Es ist erkennbar, dass es sich mehr um ein Gefühl handelt, Authentizität zu bewerten. Und abgesehen vom Fremdbild haben wir, wenn wir uns authentisch fühlen, selbst den Eindruck, mit unserem Tun, unserem Verhalten gut in eine Situation oder einen Zusammenhang zu passen. Authentizität ist also keine Frage des Seins, sondern des „Stimmigseins“. 2. Irrtum: In unserem Wesenskern findet sich unsere Authentizität Werden Menschen aufgefordert, dass sie authentisch, dass sie „sie selbst sein sollen“, dann wird das von den meisten als Aufforderung interpretiert, sich ganz so zu verhalten und so zu reden, wie es spontan aus ihnen herauskommt. Das führt dazu, dass leider vielfach ein unkalkuliertes, unreflektiertes und obendrein ungefiltertes Verhalten als natürlich und echt gilt. Es gilt als das, was die Person in ihrem inneren Kern ausmacht. Dem liegt ein Missverständnis zugrunde: Es gibt keinen inneren Kern, der unverfälscht aus uns selbst herauskommen kann. Wir sind nicht der erste Gedanke, der uns kommt. Wir sind immer auch das Produkt äußerer Einflüsse (unseres sozialen Umfelds, unserer Erfahrungen und Entwicklung). Das alles ist Teil unseres Selbst. Vereinfacht gesagt heißt das: Wir sind die Schnittmenge aus allem, zu dem wir bis hierher in Beziehung standen und stehen. Dies allein erklärt schon, dass unsere scheinbar pure Authentizität bereits das Ergebnis größter Veränderung ist. Betrachten wir unser Verhalten, ist es nahezu unmöglich, zwischen dem Originären und dem Hinzugekommenen/ Antrainierten zu unterscheiden. Unser Verhalten besteht aus guten und schlechten Gewohnheiten. Nur weil ein Verhalten als authentisch bezeichnet wird, macht es das Schlechte nicht zu etwas Gutem. <?page no="56"?> 56 2 Stetiger Führungswandel 3. Irrtum: Unsere authentischen Eigenschaften sind unveränderbar Werden schlechte Angewohnheiten als authentisch gewürdigt, verrückt man sie damit in unserer Wahrnehmung in einen Raum des Unangreifbaren. Denn was immanent zu uns gehört, ist unabänderlich. Es ändern zu wollen, wäre Verrat an der Persönlichkeit. Oder? Immer wieder begegnet man Menschen, die durch ein solches Beharren Entwicklung verhindern - und das in Beziehung mit anderen Menschen gleich für mehrere Lebenswelten. Manche Menschen rechtfertigen mit einem solchen „Freifahrtschein“, sich nicht anstrengen zu müssen, um mit der persönlichen und der gemeinsamen Entwicklung mit anderen mitzuhalten. Aus Sicht der anderen wird es damit zum Fluch, auf einer Entwicklungsstufe stehenbleiben zu müssen, weil einer in der Gruppe nicht mitzieht. Sehen wir uns nur die vielen Unternehmenskulturen an, denen genau das gerade passiert. Wer hierauf reinfällt - gerade als Führungskraft - wird zum persönlichen und gemeinschaftlich-kulturellen Stillstand verdammt. 4. Irrtum: Nur, wenn wir ganz wir selbst sind, können wir erfolgreich sein Um erfolgreich zu sein, ist es wichtig, die eigenen Stärken zu leben, das zu tun, was einem wirklich liegt. Dieser Satz geht Seite an Seite mit der Euphorie um die Authentizität. Und tatsächlich: Wenn wir versuchen, gegen unsere „Natur“ anzuarbeiten, weil wir neue Verhaltensweisen ausprobieren, fühlt sich das erstmal weder gut noch authentisch für uns an. Dann haben wir eher das Gefühl, nicht mehr wir selbst zu sein. Herminia Ibarra, Professorin für Organisationsverhalten an der London Business School, schreibt in ihrem Buch Act like a Leader - Think like a Leader: „Feeling like a fake can be a sign of growth.“ Um sich weiterentwickeln zu können, muss man über seinen Schatten springen, jenseits der puren Authentizität. Es heißt ja nicht umsonst: Fake it till you make it! 5. Irrtum: Authentisch zu sein bedeutet innere Freiheit Mit sich selbst im Reinen zu sein, die eigenen Werte, Motive und Neigungen nicht verleugnen zu müssen, ist fraglos psychisch entlastend und damit schon wichtig. Doch ganz authentisch zu sein reicht doch häufig nicht aus, um sich wirklich sicher bei dem zu fühlen, was man tut. Eine US-Studie identifizierte Redeangst als die größte Angst der Menschen, noch vor der Angst vor Krankheit und Tod. Was man von der <?page no="57"?> 2.2 Authentizität in der Führung 57 Studie auch halten mag, eines wurde entlarvt: Was macht einen öffentlichen Auftritt so angstbesetzt? Es ist die Sorge, dass man so gesehen wird, wie man ist: ungeschönt, unzulänglich, eben authentisch. Aus diesem Grund spielen viele Redner auf der Bühne eine Rolle. Das schafft Distanz zu sich selbst und entlastet die Seele. Genau diese Distanz lässt sich allerdings nur aufbauen, indem man nicht völlig authentisch ist. 6. Irrtum: Authentizität ist sozial „Originale“ lassen sich gut verkaufen und sind interessant. Mit Individualität kann man punkten. Weil Menschen Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit schätzen. Doch allzu viel davon, Offenheit und Unverstelltheit werden nicht selten zu sozialem Sprengstoff. Unsere spontanen Denk- und Verhaltensimpulse können eine Zumutung für unser Umfeld sein. Stellen wir in einem Konflikt auf Autopilot, sagen wir Dinge, die wir hinterher bereuen. Manche reden sich um Kopf und Kragen. In solchen Fällen agieren wir tatsächlich vollkommen spontan und sind - zumindest situativ gesehen - authentisch. Doch da produzieren wir nichts Gutes. Was in solchen Momenten großer Echtheit fehlt, ist eine wichtige Zutat, die die Authentizität auf ein sozialverträgliches Maß einkürzt: unsere Professionalität. Etwa unsere Kompetenz in der Kommunikation, im Umgang mit Konflikten oder Feedback. Zu dieser Professionalität gehören Selbstkontrolle und Selbststeuerung. Fehlen diese beiden Korrektive, wird es schwierig mit der Zusammenarbeit. Erfolg entsteht, wenn Authentizität auf Professionalität trifft. 7. Irrtum: Authentisch ist anständig Wer unbeugsam ist wie eine Eiche, muss auch rechtschaffen sein? Wer authentisch ist, verbreitet keine Worthülsen? Von wegen. Denken wir nur an Trump. Im Gegenteil: Gerade Menschen, die besonders stark auf ihrem Selbst beharren, rutschen leicht in den Narzissmus ab. Allerdings kann man Aufrichtigkeit nur schwer von sich selbst behaupten. Wer es tut, lügt sofort, weil es ja die vollkommene Aufrichtigkeit nicht gibt. Selbst, wenn Authentizität mit Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit zusammenkommt, ist das noch kein Wert an sich. Anhand des hier Gelesenen meine Frage an Sie: Wäre die Welt besser, wenn es mehr authentische Menschen gäbe? <?page no="58"?> 58 2 Stetiger Führungswandel 8. Irrtum: Erst wer authentisch ist, ist klar Klare Kante zu zeigen, sich prägnant und eindeutig auszudrücken, das zeigt Authentizität. Leider nein, denn ein gewisses Maß an leeren Wörtern gehört beim Durchschnittsmenschen dazu. Haben Sie mal auf die Business-Lyrik in Ihrem Unternehmen geachtet? Authentizität ist das Gesamtpaket aus Angelerntem und Erfahrenem. Unklarheit, Beliebigkeit, fehlende Individualität - das alles kann sehr wohl authentisch sein, selbst wenn es anderen kurioserweise hochgradig unauthentisch vorkommt. Erst wenn wir ein Ziel haben und uns an ein Konzept halten, an uns arbeiten, üben und uns bewusst um Klarheit und Präzision bemühen - das bedeutet, wenn wir nicht mehr authentisch sind -, wird unsere Sprache klarer. Das Erstaunliche dabei: Genau dann wirken wir besonders authentisch auf andere. Das ist das Authenticity Paradox: Die Nichtauthentischen gewinnen. Ihre Leistung ist das Ergebnis von Training, siehe Barack Obama oder Steve Jobs. 9. Irrtum: Vollkommene Authentizität ist gewollt „Sei ganz du selbst“, „Bei uns bist du Mensch, bei uns darfst du es sein“ - solche und ähnlich lautende Leitsätze schallen heutzutage gerade aus jungen Unternehmen. Dennoch sollte niemand so naiv sein zu glauben, dass die hier vermeintlich herauszulesende vollkommene Authentizität im Arbeitsleben gewollt ist; auch nicht in solchen Unternehmen. Was gewollt ist, ist Angemessenheit. Mitarbeiter haben Rollen auszufüllen, anders funktioniert Zusammenarbeit nicht. Ist das loyal? Ja! Weil sich auf einen Verhaltenskodex geeinigt wird, der für alle gilt. Wir sind als soziale Wesen ohnehin nur in konkreten Rollen zu haben, nie pur. Sich selbst und die Rolle vollständig zu trennen - das geht nicht. Das bedeutet, dass Rolle und Authentizität zusammengenommen immer voraussetzen, ein Stück Abstand zu sich selbst einzunehmen. Das, was reflexartig aus einem herauskommen will, muss kontinuierlich hinterfragt und an der Rolle gemessen werden. Für andere ist es letztlich nicht relevant, wie echt wir sind. Relevant ist, wie gut wir unsere Aufgaben bewältigen und mit ihnen interagieren. Natürlich braucht es dazu Ehrlichkeit. Und es braucht die Bereitschaft und Fähigkeit, eine Rolle mit Authentizität und mit Professionalität zu verbinden. <?page no="59"?> 2.2 Authentizität in der Führung 59 10. Irrtum: Wer authentisch ist, inszeniert sich nicht Authentizität ist und bleibt faktisch ein Erfolgsfaktor. Die Authentizität, die andere uns zuschreiben. Und diejenige Authentizität, die sich bei uns als Empfindung einstellt, wenn wir zwar eine Rolle spielen (weil es gar nicht anders geht), und zwar im richtigen Film. Die Königsfrage lautet also, sich darüber im Klaren zu werden, ob man in den Film, den man spielt, passt. Ob man den Film für ethisch vertretbar hält. So wenig klug es ist, im Berufsleben „ganz man selbst“ sein zu wollen, so wenig klug ist es auch, sich in Rollen einfügen zu wollen, die überhaupt nicht zur eigenen Persönlichkeit passen. Das daraus entstehende Verbiegen habe ich an meinem eigenen Leib erlebt und dafür bitter mit meiner Gesundheit bezahlt. Und: Es wird von anderen bemerkt. Bewegt man sich hingegen im richtigen Film, gehört zu einer erfolgreichen Ausübung der eigenen Rolle, sich in einem bestimmten Maße anpassen zu können. Das bedeutet, ein souveränes Verhältnis zur Rolle zu finden und sie immer wieder neu auszubalancieren: Inwiefern passt das, was von mir erwartet wird, zu mir? Wie kann ich es leben? Welche eigene Note bringe ich wann von mir ein, um die bestmögliche Wirkung zu erzielen? Das Erzielen von Wirkung erfordert Inszenierung - und diese ist per se unecht, aufgesetzt, unauthentisch. Doch inszenieren heißt nicht lügen. Es werden bestimmte Dinge „in Szene“ gesetzt und betont, andere nicht. Hinsichtlich Authentizität bedeutet dies: Wir bringen das von uns ein, was zur Rolle, zur Aufgabe, zum Ziel und in den Zusammenhang passt und dabei hilft, den größtmöglichen Erfolg zu erzielen. Hierbei ist wichtig: Alles was gesagt wird, muss wahr sein. Doch nicht alles, was wahr ist, muss gesagt werden. An Inszenierung kommt im Job niemand vorbei. Sei sie auch nur sehr dezent, so ist sie doch existenziell für jeden, der im Job etwas zu sagen hat. Unsere Herausforderung ist es also, zwischen der totalen Rollenanpassung und der totalen Authentizität, unseren Umgang mit der Rolle und der Persönlichkeit auszubalancieren. Hierin steckt leider noch ein Fallstrick: Es gibt Menschen, die zwar im richtigen Film sind, deren Rolle sie jedoch vollkommen aufgefressen hat. Der Controller kontrolliert rund um die Uhr. Der Boss ist selbst Zuhause bossy. Wenn die Balance aus Authentizität und Rollenerfüllung misslingt, passiert es mitunter, dass Film und Selbst verwechselt werden. Fast noch schlimmer ist es, wenn jemand von der Rolle nicht überzeugt ist und sie trotzdem spielt. Das nenne ich illoyales Verhalten. Besonders in großen Konzernen ist hin und wieder zu erleben, dass Manager das Gegen- <?page no="60"?> 60 2 Stetiger Führungswandel teil dessen verkörpern, wovon sie persönlich überzeugt sind. Das ist unangemessen und unethisch. Bedingungslose Anpassung an die Rolle kann ebenso wenig das Ziel sein wie vollkommene Authentizität. Fazit: Wenn jemand als authentisch bezeichnet wird, ist das üblicherweise als Lob gemeint. Dabei erhalten die wenigsten dieses Lob, die wirklich authentisch sind, sondern diejenigen, die ihre Authentizität um Professionalität erweitern. 2.3 Die Relevanz von psychologischer Sicherheit Der wichtigste Erfolgsfaktor für Teamperformance ist das Gefühl von Sicherheit bei den einzelnen Teammitgliedern. Gerade wenn es um Fragen geht, wie Teams schneller und effektiver lernen können, ist dieser Faktor der aktuell am meisten untersuchte. Neben Zufriedenheit im Team ist besonders die positive Wirkung psychologischer Sicherheit sowohl auf Leistungsmerkmale als auch auf die Innovationsfähigkeit attraktiv. Ausgangspunkt für psychologische Sicherheit ist zunächst die eigene innere Haltung, die direkt die Wirksamkeit des gemeinsamen Arbeitens und die Erfolge beeinflusst. Darüber hinaus gilt es als wichtig, wie man Kompetenzen und auch Überzeugungen erlangen kann. Ein Weg ist, eigene, teils zufällige Erfahrungen zu machen. Es wird als sicher erlebt, riskante Meinungen zu vertreten und daraufhin ein entsprechendes Verhalten zu zeigen. Das ist eher der steinige Weg des Lernens. Geht eine Organisation auf diese Weise vor, wird psychologische Sicherheit möglicherweise durch Zufall auftreten - oder eben nicht. Bei negativen Erlebnissen ist die abschreckende Wirkung dann jedoch so groß, dass das entsprechende Verhalten schnell wieder abgestellt und über lange Zeit hinweg nicht abgerufen wird. Natürlich ist die psychologische Sicherheit des gesamten Teams wichtig. An dieser Stelle möchte ich die erforderliche Haltung der Führungskraft betonen und wie sie diese in konkrete Handlungen umsetzen kann. Als Verantwortliche beeinflusst sie maßgeblich das Klima innerhalb ihres Bereiches und prägt damit die psychologische Sicherheit im Team. Wie lässt sich für Sie als Führungskraft prüfen, ob und inwieweit Ihr Team psychologische Sicherheit empfindet? Amy C. Edmondson hat hierzu sieben Fragen entwickelt. <?page no="61"?> 2.3 Die Relevanz von psychologischer Sicherheit 61 Für die Erhebung empfiehlt Edmondson eine Skala mit sieben Punkten von starker Zustimmung bis zu starker Ablehnung. Vier Fragen sind dabei positiv formuliert, so dass eine Zustimmung auf größere Sicherheit hindeutet; drei der Fragen sind negativ formuliert (hier mit R ür R everse gekennzeichnet), so dass eine Ablehnung auf höhere psychologische Sicherheit hinweist. Bei der Analyse müssen die Daten aus den negativ formulierten Fragen daher umgekehrt bewertet werden, also: Eine Eins muss als Sieben gerechnet werden, eine Sieben als Eins, eine zwei als Sechs usw. [1] Wenn ich in diesem Team einen Fehler mache, dann wird er oft gegen mich verwendet. (R) [2] Die Mitglieder dieses Teams sind in der Lage, Probleme und schwierige Fragen anzusprechen. [3] Die Leute in diesem Team lehnen manchmal andere ab, weil sie anders sind. (R) [4] In diesem Team ist es sicher, ein Risiko einzugehen. [5] Es ist schwierig, andere Teammitglieder um Hilfe zu bitten. (R) [6] Niemand in diesem Team würde absichtlich so handeln, dass es meinen Bemühungen entgegensteht. [7] Bei der Arbeit mit den Teammitgliedern werden meine einzigartigen Fähigkeiten und Talente wertgeschätzt und genutzt. Empfindet Ihr Team psychologische Sicherheit? Um psychologische Sicherheit wirklich im Arbeitsalltag zu erleben, ist allerdings mehr erforderlich als eine Erhebung des aktuellen Status quo. Die folgenden Empfehlungen sind angelehnt an die von Ina Goller und Tanja Laufer zusammengestellten Übungstipps, wie Hochleistungsteams wirklich funktionieren. Vorab sei auch hier herausgestellt, wie wichtig Feedback beim Einüben von Fertigkeiten und Kompetenzerwerb ist. Alle, die sich ständig weiterentwickeln, kennen es: mit einer unverzüglichen Rückmeldung zur Güte und Qualität der Durchführung lernt es sich effektiver und leichter. Deshalb geht es hier in erster Linie um Werkzeuge für die Hilfe zur Selbsthilfe. 1. Empfehlung: Regelmäßige, kurze Feedback-Schleifen Nach jedem Meeting bieten sich folgende Fragen an, um sich des unterstützenden, wohlwollenden Umfelds bewusst zu werden. <?page no="62"?> 62 2 Stetiger Führungswandel - Wie war die Sprechzeit im Team verteilt? - Haben alle ausgesprochen, was sie beitragen wollten? - Gab es Auffälligkeiten, die nicht angesprochen wurden? - Was können wir im Team tun, um jemanden dabei zu unterstützen, seine Leistung zu verbessern bzw. sich stärker aktiv zu beteiligen? 2. Empfehlung: Offene Fragen stellen Hier geht es um die Einstellung zum Lernen, wobei Neugier und eine gewisse „Fehlerfreudigkeit“ hilfreich sind. Offene Fragen ermöglichen es, Details zu erfahren und sich ein umfassenderes Bild über eine Sachlage zu machen. Zum Schluss darf beantwortet werden: Was lernen wir daraus? 3. Empfehlung: Durch konstruktive Fehlerkultur zusätzliche Lernchancen eröffnen Zum erfolgreichen Lernen gehören möglichst intelligente Fehler. Widerstände werden überwunden, wenn konstruktive Einsichten durch gescheiterte Versuche gewonnen werden. Lernchancen entstehen, wenn Fehler auf zukunftstaugliche Erfahrungen untersucht werden: Was funktioniert? Welche Handlungsoptionen haben wir jetzt? Welche Schritte sind jetzt sinnvoll? 4. Empfehlung: Gegenseitiges Wertschätzen Eine einfache Teamübung ist die „Wertschätzungsdusche“, die dazu dient, ein Teammitglied für einen begrenzten Zeitraum von etwa drei Minuten von mehreren Seiten mit positivem Feedback zu überschütten. Hier darf nur Bestärkendes gesagt werden. Die Person, die das Feedback erhält, bleibt ruhig. Anschließend wird gewechselt und der nächste ist dran. Zum Schluss kann das erhaltene Feedback kommentiert werden. 5. Empfehlung: Eine Vertrauenslandkarte schaffen Da Vertrauen eine wichtige, wenn nicht sogar die wichtigste Säule für psychologische Sicherheit ist, sind integrierte Übungen zum Vertrauensaufbau bei jeder Form der Teamentwicklung sinnvoll. Die Fragen- Methode zum Entwerfen einer Vertrauenslandkarte macht Arbeitsgruppen effektiver, da sie zum besseren gegenseitigen Verständnis beiträgt und das Bewusstsein für mehr Einfühlungsvermögen als eine der elementaren Sozialkompetenzen entwickelt. - Was magst du an deinem Job? - Welches Projekt hat dir zuletzt am meisten gefallen? - Worin siehst du deine Stärken? - Was war dein bester Arbeitstag? - Was setzt dich unter Druck? <?page no="63"?> 2.3 Die Relevanz von psychologischer Sicherheit 63 - Was würdest du beruflich tun, wenn du nicht hier wärest? - Was sind deine Wünsche und Pläne für die nächsten Jahre? 6. Empfehlung: Denken in „Ja, und ...“ Diskussionen und Streitgespräche sind oft mit „Ja, aber ...“ verknüpft. Es wird kleingeredet, schlechtgemacht, abgelehnt. Dabei erzeugt diese Form der Kritik meistens massiven Widerstand und behindert die Lösungsfindung. Besser ist die Formulierung: „Ja, klar müssen wir uns besser informieren, und ich bin überzeugt, dass wir das mit etwas mehr Vorbereitungszeit hinkriegen.“ Jeder Einwand wird so direkt mit einer zukunftsorientierten Idee verbunden. 7. Empfehlung: Nett zum Menschen, hart in der Sache Es ist durchaus machbar, kristallklar Probleme anzusprechen und gleichzeitig den Menschen „heil“ zu lassen. Konstruktives Feedback tritt immer im Trio auf: die Situation - das gezeigte Verhalten - die erzielte Wirkung. Beschrieben wird nur, was tatsächlich wahrnehmbar ist, alles andere ist Interpretation. Fehlt eines der drei Elemente, bleibt Feedback unvollständig und damit oft auch nutzlos. Gelungenes Feedback hat noch etwas für sich: es bezieht sich auf einen konkreten Beitrag eines Teammitglieds und unterstützt damit die Einhaltung oder Einführung von Leistungsstandards im Team. 8. Empfehlung: Mit der Harvard-Methode verhandeln Die Harvard-Methode basiert auf vier Grundprinzipien: - Probleme und Menschen sind getrennt voneinander zu behandeln. - Nicht Positionen, sondern Interessen sind in den Mittelpunkt zu stellen. - Vor der Entscheidung sind verschiedene Wahlmöglichkeiten mit Vorteilen für beide Seiten zu entwickeln. - Die Ergebnisbewertung ist auf der Basis neutraler Beurteilungskriterien vorzunehmen. 9. Empfehlung: Eigene Einstellung zu Konflikten überprüfen Konstruktives Streiten hat viel mit der eigenen Bewertung von Spannungssituationen zu tun. Welche Vorzeichen haben Konflikte bei Ihnen? Je neutraler Ihre Stichpunkte ausfallen, desto offener können Sie Konfliktgesprächen begegnen. Aus welchen Gründen können Konflikte positiv sein? 10. Empfehlung: Durch konstruktives Streiten Entscheidungen verbessern Gute Ideen brauchen Fürsprecher mit echten Argumenten. Bereiten Sie Ihr nächstes Konfliktgespräch vor, indem Sie Fakten, Zahlen und Vor- <?page no="64"?> 64 2 Stetiger Führungswandel teile sammeln, die Ihre Idee oder Lösung unterstützen und begründen. In einer kooperativen Entscheidung bewerten die Teammitglieder anhand von transparenten Kriterien. Folgende Fragen sind dabei nützlich: - Welche Vor- und Nachteile sehen wir? - Welche Konsequenzen folgen aus dieser Entscheidung? - Welche Auswirkungen hat das auf die beteiligten Personen? - Welche möglichen Risiken müssen wir beachten? - Welche Überzeugungen stehen hinter unserer Entscheidung? Abb. 5: Säulen der Führung zur Stärkung psychologischer Sicherheit Quelle: Ina Goller & Tanja Laufer, „Psychologische Sicherheit in Unternehmen“, S. 32 2.4 Der Wandel unserer Haltung ist Teil unserer Reifung Als Haltung sind die Denkweise und Gesinnung eines Menschen zu verstehen, eingerahmt von Werten und antrainierter Moral, die unsere Urteile, Handlungen und Ziele befeuert. Unsere Haltung bestimmt, wie wir auf Impulse reagieren und welchen Prinzipien und Maßstäben wir in unserem Leben folgen. Geprägt von Erfahrungen beeinflusst sie unseren Umgang mit anderen und unmittelbar unsere Bereitschaft, wann, warum und inwiefern wir aktiv werden. Unsere verinnerlichte Haltung drückt sich so- <?page no="65"?> 2.4 Der Wandel unserer Haltung ist Teil unserer Reifung 65 wohl in unseren Überzeugungen als auch in unseren Gefühlen und Emotionen aus, die durch unser Verhalten zutage kommen. Sie ist ein Realitätsfilter, der bestimmt, was wir wahrnehmen und worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Jeder Mensch hat einige Wandlungen seiner Haltung hinter sich, ohne dass er sich im Einzelnen darüber bewusst sein muss. Etliche Entwicklungsmodelle dokumentieren die verschiedenen Haltungen, wer wir als Mensch sind bzw. sein könnten. Da in meinen Augen jede Theorie erst in ihrer Umsetzbarkeit ihren Wert erlangt, möchte ich mit Ihnen lediglich eine Vereinfachung der Haltungsmodelle beleuchten. Sehen Sie es als Einladung, Ihre eigenen Erfahrungen und Beobachtungen zu resümieren, zu erforschen und zu schärfen, um daraus relevante neue Betrachtungsweisen abzuleiten und auszuprobieren. Was wir in der Arbeitswelt vielfach erleben, sind Ohnmachtsgefühle, die den erforderlichen Führungswandel bedrohlich erscheinen lassen. Daraus folgt, dass sich viele nicht befähigt fühlen, die Zukunft aktiv zu gestalten und deshalb untätig bleiben. Gleichzeitig kreieren diese Menschen durch ihr Verhalten jeden Tag aufs Neue die Verlängerung der bereits als suboptimal definierten Wirtschaftswelt. Solange sich niemand als Verursacher sieht und als fähig anerkennt, den Wandel zu starten, werden ganze Unternehmenskulturen, die ja auf der Basis eines solchen Denkens gemeinsam geschaffen worden sind, zur Potenzialbremse. In der heutigen Arbeitswelt sind neue Denkweisen und Haltungen notwendig, die wir in der Vergangenheit nicht oder nur wenig gebraucht haben. Sie entwickeln sich vornehmlich aus dem inneren Wunsch nach persönlichem Wachstum und dem Raum innerhalb von Unternehmen, diese neuen Kompetenzen auch dort on-the-job zu erlernen und zu trainieren. Zu den neuen Kompetenzen gehören: - Offenheit für den Kulturwandel - Förderung von Werteorientierung - Sinnstiftung als Element der Leitlinien und Philosophie - Etablierung flexibler Arbeitsmodelle - Umweltbewusstes Handeln und Entwicklung nachhaltiger Konzepte - Entwicklung und Ausbau agiler Arbeitsweisen - Gestaltung und Verfassung eines gemeinsamen Führungsverständnisses - Erkennen und Fördern der Mitarbeiterpotenziale <?page no="66"?> 66 2 Stetiger Führungswandel - Entwicklung und Nutzbarmachen emotionaler Intelligenz - Zusammenstellung interdisziplinärer (und heterogener) Teams - Erkennen der Führungskraft (von sich selbst) als ‚Teil des Problems‘ - Erkennen der eigenen Eigenschaften (Schatten) - Umgang mit Vielfalt und unterschiedlichen Kulturen Wichtig dabei zu berücksichtigen sind unsere drei Intelligenzsysteme: unser Bauchgefühl, unser Herz und unser Verstand sind die drei Wahrnehmungsebenen des Menschen. Das intuitive Bauchgefühl ist meistens am schnellsten mit der Wahrnehmung, dann kommt unser Herz und zuletzt der Verstand. Wenn wir unsere emotionale Wahrnehmung ignorieren (und diese wird in meiner Beobachtung in vielen Unternehmen unterdrückt), stärken wir Zynismus und Depression in uns. Für viele der oben genannten Kompetenzen brauchen wir soziale Fähigkeiten und emotionale Intelligenz. Insofern wäre es zu kurzgefasst, nur von neuen Denkweisen zu sprechen, denn es ist menschlich, dass dazu auch eine neue Fühlweise kommt. Früher hatten Gefühle bei der Arbeit nichts zu suchen. Heute kommen gefühllose Führungskräfte nicht mehr weiter - oder gar nicht mehr an ihre Leute heran. Eine Unternehmenskultur zum Beispiel, die durch jahrelange Machtkämpfe geprägt ist, unterdrückt disruptive und neu denkende Kräfte und hält die interne Wissensqualität oft auf einem niedrigen Niveau. Gerade in Konzernen und größeren Mittelstandsunternehmen liegt der Fokus sehr stark auf Strukturen und Prozessen. Menschen werden - trotz aller Bemühungen fabelhafter Philosophiebeschreibungen - als potenziell austauschbar gesehen. Das Bild vom perfekten Unternehmen gleicht einer gut geölten Maschine. Maschinen können komplizierte Vorgänge ausführen, doch bei Komplexität, die in der Natur der menschlichen Zusammenarbeit liegt, ist eine mechanistische Denkweise ungeeignet. Bleibt es beim mechanistischen Blick, wird das Verhalten der Mitarbeiter thematisiert - und nicht die Haltung der Führung, die Strukturen und Prozesse sowie die hinderlichen kollektiven Glaubenssätze in der Unternehmenskultur. Der Schlüssel für die Zukunft liegt darin, eine Kommunikationsform zu finden, die auch mit Komplexität umgehen kann. Wollen wir komplexe Kommunikation gestalten, müssen wir lernen, mehr von unseren drei Intelligenzsystemen (Kopf, Herz, Bauch) einzubringen. Während der Monolog auf Unverbundenheit beruht, bewirkt eine Debatte den Wechsel auf die rationale Verstandesebene. Im Dialog kommt die <?page no="67"?> 2.4 Der Wandel unserer Haltung ist Teil unserer Reifung 67 Herzebene dazu, die es ermöglicht, die eigene und die Gefühlsebene des Gegenübers als Ressource zu nutzen. Erst auf der Ebene der Kokreation, wenn unsere Intuition ins Spiel kommt, tauschen wir uns wirklich umfassend intellektuell und emotional aus. Um die Intelligenz aller Wahrnehmungsebenen in den Wandel einbeziehen zu können, sind Führungskräfte gut beraten, zu lernen, sich dahingehend zu öffnen. Kurz im Überblick: Monologebene - Appelle und feste Urteile Besteht die Kommunikation der Führung aus von oben gegebenen Appellen, bewegt sie sich unverbunden. Die Denkweise ist geprägt von Vorurteilen und festgefahrenen Annahmen, die für Fakten gehalten werden, weil kein intellektueller Austausch von Argumenten stattfindet. Debattenebene - Urteile loslassen Die Ebene der Debatte stellt eine höhere Kommunikations- und Führungsreife dar. Hier wird offen diskutiert und ein offener Diskurs wird möglich. Mit Interesse daran, Argumente auszutauschen, sind Debatten geprägt von rationaler, faktenorientierter Kommunikation. Obwohl differenzierte Konfrontation möglich ist, bleibt diese noch von diversen Tabus begleitet. Zum Beispiel darf über viele Aspekte gesprochen werden, aber die Bereiche Führung, Hierarchie, Vorgehensweisen und Kennzahlen sind nicht verhandelbar. Dialogebene - Zynismus loslassen Hier besteht Bereitschaft zur offenen Kommunikation, in der es der Führung möglich ist, die Perspektive zu wechseln und sich empathisch in das Gegenüber hineinzuversetzen. Auf dieser Ebene kommen wir durch gemeinsames reflektierendes Erkunden zu Zielen. Echter Austausch auf Augenhöhe wird möglich. Ebene der Kokreation - Angst loslassen In der Haltung des Dialogs ist möglich, was in der Herausforderung des Wandels die größten Chancen bietet: gemeinsam Möglichkeiten zu erkennen und kollektive Kreativität zu fördern. Hier ist ein freier Austausch über alle Hierarchieebenen erlaubt, emotionale Wahrnehmungen sind erwünscht und unkonventionelle, neue Denkansätze sind willkommen. Was uns trotzdem noch oft davon abhält zu kooperieren, ist unsere Angst und unsere Sorge vor Kontrollverlust. Führungskräfte, die kokreativ führen wollen, stehen also vor der Herausforderung, Urteile, Zynismus und Angst loszulassen, um eine wirklich <?page no="68"?> 68 2 Stetiger Führungswandel kokreative, agile und loyale Haltung der Zusammenarbeit zu etablieren. Eine Methode, die hilft, diesen Raum der Kokreativität zu erschließen, ist Design Thinking - ein Prozess, in dem mit mehreren, interdisziplinär zusammengesetzten Leuten an einem Problem gearbeitet wird. So machen wir es zum Beispiel in unserem Führungsprogramm. Der Übergang von einer Haltung zur nächsten in der Arbeitswelt braucht Zeit. Er hängt stark davon ab, wo ein Unternehmen und seine Mitarbeiter stehen, was die Entwicklungstreiber sind und welche gemeinsamen Ziele angestrebt werden. Typisch für die Entwicklung zu einer erweiterten Haltung sind vier Phasen, die wir täglich in der Geschäftswelt beobachten können. 1. Übergang: Schrittweise entwickeln sich neue Ansichten Führung und Unternehmenskultur werden in den Medien ständig thematisiert. Agile Arbeitsmethoden, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, virtuelle Teamentwicklung sind Begriffe, die in uns neue Gedanken erwecken. Sie vermehren sich in unseren Köpfen, manche schneller, manche langsamer. Zuerst halten wir Ideen für absurd und nicht umsetzbar. 2. Stabilisierung: Neue Ansichten festigen sich langsam Mit den ersten Erfolgsgeschichten von Unternehmen, die ihre Unternehmens- und Führungskultur weiterentwickelt haben, sieht die Mehrheit hin, wird die Masse neugierig auf neue Chancen. Wir sehen es an Startups, Innovation-Labs und Thinktanks, die immer häufiger als Vorbild dienen sollen. 3. Transformation: Wir wechseln die Haltung Daran, dass wir uns nicht mehr vorstellen können, warum wir so lange skeptisch waren, erkennen wir, dass wir alte Denkmuster hinter uns gelassen haben. Oftmals wird diese Entwicklung wie ein Befreiungsschlag empfunden. Der Veränderungsprozess weitet sich auf immer mehr Gebiete aus. 4. Integration: Wir verinnerlichen neue Kompetenzen Sichtbares Zeichen für einen Haltungswechsel in Unternehmen ist beispielsweise die Einführung rollierender Home Office-Vereinbarungen. Sie ermöglicht mehr Flexibilität und zeigt, dass sich die Sicht der Führung auf die Mitarbeiter verändert hat - weg von Kontrolle hin zu Vertrauen. Die Eigenmotivation der Mitarbeiter wird nun höher bewertet als die Zweifel der Führung vor möglichem Missbrauch. Das ist ein anderes Menschenbild und eine andere innere Haltung. <?page no="69"?> 2.4 Der Wandel unserer Haltung ist Teil unserer Reifung 69 Mit jeder neuen Haltung beschleunigt sich die Weiterentwicklung. Wenn wir uns anschauen, was uns gerade aufregt, können wir gut erkennen, in welcher Haltung wir uns gerade befinden. Mit der Zeit können wir kompetenter mit neuen Haltungen umgehen und uns schneller und aufmerksamer regulieren. Wenn wir unser Bewusstsein trainieren, was dieses oder jenes Führungsverhalten in uns ausgelöst hat, wächst unser Handlungsspielraum. Lange Zeit hieß es, eine Führungskraft muss harte Entscheidungen treffen können, einen kühlen Kopf bewahren und Distanz zu den eigenen Gefühlen halten. Sich von Gefühlen nicht beeinflussen zu lassen, kann förderlich sein, bezogen auf irrational manipulierte Emotionen. Gleichzeitig spalten wir so einen Teil unserer Wahrnehmung ab. In Hinblick auf unsere eigene Gefühlwelt ist diese Haltung eher potenzialmindernd. Die eigene Gefühlswelt bewusst als Erkenntnisressource einzubeziehen, erlaubt uns ganzheitliches Führen. Erkennen wir Scham an, befreien wir uns von der Angst, beschämt zu werden. Erkennen wir Angst an, transformiert sie sich in Mut. Wut wird zu Handlungskraft. Ohnmacht wird zu wahrer Eigenmacht. Wo erkennen Sie sich an? Die Anlage ist in jedem Menschen vorhanden und eine bewusste Hinwendung kann trainiert werden. Schätzen wir Empathievermögen als eigenes Wahrnehmungsorgan und setzen es mehr und mehr ein, beschleunigt es unsere Klarheit um ein Vielfaches. Deshalb sehe ich den Nutzen von Coachings, Kultur-Workshops und Teamevents vor allem auch darin, Räume zu schaffen, in denen wir eine reifere Haltung fühlen und trainieren können, um neue innere, emotionale Referenzerfahrungen zu gewinnen, auf die wir uns dann, im Alltag, beziehen können. Wenn wir auf künftige, noch weniger geübte Haltungen schauen, erkennen wir unser Potenzial, wer wir sein könnten - individuell als Mensch und im Unternehmen als Team. Am Verhalten eines Menschen erkennen wir dessen Haltung. Man kann Haltungen so sehen, dass wir sie immer wieder neu durchlaufen. Entscheidend ist, wo wir eigenmächtig stoppen oder uns begrenzen. Theoretisch kann jeder jede Haltung einnehmen. Praktisch fehlen uns bestimmte Haltungen als Ressource, wenn wir sie nicht üben konnten oder sie in unserem Umfeld nicht zur Verügung gestanden haben. Unser Denk- und Fühlraum beschränkt sich auf die Größe, bis zu der wir uns aktuell entwickelt haben. <?page no="70"?> 70 2 Stetiger Führungswandel Schauen Sie auf Ihr Unternehmen oder Ihren Wirkungskreis. Stellen Sie sich eine Besprechung im Führungszirkel vor. - Welche Haltung nimmt Ihr Führungsteam üblicherweise ein? - Wie wird über Mitarbeiter gesprochen? - Wie wird mit Konflikten umgegangen? - Welche Tabus gibt es? - Was steht im Vordergrund: die Mitarbeiter, die Kunden, die Zahlen, die Regeln oder die spontanen Impulse von jemand Bestimmtem? Der Sinn einer Organisation ist, die Aufmerksamkeit ihrer Mitarbeiter auf ein gemeinsames Ziel zu fokussieren. Deswegen organisieren wir uns in einer Unternehmung. Das Wissen um die eigene Haltung und um die Haltung, die ür das gemeinsame Ziel örderlich ist, kann Reibungsverluste, die durch mangelhafte Kommunikation entstehen, entscheidend reduzieren. Oft reicht die Frage „Welches ist der Zweck dieser Organisation? “, um den Schwerpunkt der Haltung auszumachen. Zumeist finde ich in Organisationen unterschiedliche Ansichten über den Zweck des Unternehmens. Ein gemeinsames Führungsverständnis wird nicht thematisiert. Das soll kein Vorwurf sein, denn keiner hat Führung gelernt. Fast jeder probiert dies und jenes aus, ohne einem klaren System zu folgen. Häufig wird das Führungsverhalten von Mentoren und Vorbildern übernommen oder Tipps aus Ratgebern gefolgt. Unwichtig, von welchen Koordinaten aus Sie starten, wenn Sie sich auf den Weg zu einer loyalen Führungshaltung bewegen. Jedes Führungsbild nutzt ein bestimmtes Portfolio an Einstellungen und Denkweisen. Die Erweiterung des Repertoires ist immer förderlich - für die persönliche Entwicklung sowie für den Erfolg des Unternehmens. Die Kenntnis der sechs Haltungen hilft Ihnen, sich Ihre eigene Einstellung transparent zu machen und in einen entwicklungsorientierten Kontext zu stellen. Voraussetzung ist, sich als entwickelndes Wesen zu begreifen. In den reiferen Haltungen wird Feedback als natürlicher Entwicklungsmotor betrachtet. Indem ich Ihnen das Modell der sechs Haltungen (stellvertretend und als gute Gesamtübersicht) nach Martin Permantier vorstelle, möchte ich komplexe Zusammenhänge sichtbar und diskutierbar machen. Es kann Sie darin unterstützen, Gemeinsamkeiten zu erkennen und zu etablieren - immer vor dem Hintergrund, dass wir uns alle auf einem Entwicklungsweg befinden. Das ist mir wichtig zu betonen: Modelle sind Modelle und <?page no="71"?> 2.4 Der Wandel unserer Haltung ist Teil unserer Reifung 71 nicht die Realität. Ein Modell vereinfacht und hilft, Dinge besser zu erkennen. Es ist eine Landkarte, nicht die Landschaft. Eine Landschaft ist komplexer, reicher und wilder, als es auf einer Landkarte dargestellt wird. Keine Stufe oder Phase innerhalb eines Modells ist besser oder schlechter. Die Stufen beschreiben vielmehr die Art und den Umfang der Handlungsoptionen, die uns mit einer bestimmten Haltung zur Verügung stehen. Selbst wenn wir eine neue Entwicklungs- oder Haltungsstufe erreicht haben, bleiben die alten Erklärungsmuster in uns aktiv. Jeder Forscher trägt einen eigenen Filter der Realitätsinterpretation und Denkweise in sich. Und oft verügen wir über Referenzerlebnisse, die einen höheren Reifegrad haben als die, die wir im Alltag nutzen. Auf diese Erlebnisse können wir zugreifen, wenn es „um die Wurst“ geht, und um zu verstehen, was vor uns liegt. Entscheidend ür mich ist, dass Sie selbst einen Erkenntnisgewinn ür die Entwicklung Ihrer Führungskultur finden. Denn eine sich stark wandelnde äußere Welt braucht und erzeugt auch innere Veränderungen. Der entscheidende Punkt ist, zu erkennen, wie die verschiedenen Haltungen in Zusammenhang stehen. Eine Führungskraft ... [1] ... muss Ziele erreichen. [2] ... und dabei die Regeln und Vorschriften beachten [3] ... und effiziente Strukturen und Prozesse einrichten [4] ... und den Mitarbeitern Raum geben, sich zu entfalten [5] ... und für ein werteorientiertes Miteinander und empathisches Umfeld sorgen [6] ... und soziale Verträglichkeit sowie langfristige Balance mit der Natur beachten. Diese kurze Zusammenfassung spiegelt die sechs Haltungen und deren jeweiligen Handlungsspielraum wider. Um Ihrer eigenen Haltung auf die Schliche zu kommen, lade ich Sie ein, die folgenden 12 Reflexionssätze zu ergänzen, so wie es Ihnen spontan in den Sinn kommt. Nehmen Sie sich ruhig 15 Minuten Zeit. Ihre Antworten können kurz ausfallen oder auch länger und ausührlich sein. Ergänzen Sie, wie und was Sie möchten. Alles ist erlaubt. Alle Antworten sind richtig. Sie dürfen so tiefsinnig und komplex sein, wie Sie wollen. <?page no="72"?> 72 2 Stetiger Führungswandel 12 Reflexionssätze: 1. Die Aufgabe einer Führungskraft ist ... 2. Das, was ich an mir als Führungskraft mag, ist... 3. Was mich in Schwierigkeiten bringt, ist... 4. Wenn Mitarbeiter hilflos sind... 5. Erfolg ist... 6. Regeln sind... 7. Mein Hauptproblem als Führungskraft ist... 8. Wenn ich an meine Grenzen stoße... 9. Andere zu führen... 10. Wenn ich Macht über andere ausübe... 11. Wenn ich kritisiert werde... 12. Mein Gewissen plagt mich, wenn... Auf den folgenden Seiten finden Sie typische Charakteristika der sechs Haltungen, bezogen auf Ihre Satzvervollständigungen. Bei einigen Ihrer Antworten wird es Ihnen leichtfallen, sie einer Haltung zuzuordnen, andere sind vielleicht weniger eindeutig. Dabei geht es nicht um ein Ranking, wo Sie sich platzieren, und nicht um Selbstoptimierung. Hier geht es um Selbsterfahrung: Sie können Ihr Fähigkeitsspektrum an diesem Punkt weiterentwickeln. Überlegen Sie bei Ihren Antworten, welche Perspektiven diese jeweils enthalten - und was nicht gesagt wurde. Wenn jemand den Satz „Wenn Mitarbeiter hilflos sind...“ mit „...sollte man ihnen zeigen, wie es besser geht“ beantwortet, dann sieht er sich selbst nicht als handelnde Person und geht implizit davon aus, dass es um fehlende Fähigkeiten auf Seiten der Mitarbeiter geht. Die Formulierung ist unpersönlich. Die Antwort „... versuche ich, sie erst mal zu beruhigen und dann gemeinsam eine Lösung zu finden“ zeigt im Vergleich einen emotionalen Aspekt. Es gibt einen Handelnden, der eine empathische Beziehung aufbaut und offen für eine gemeinsame Lösung ist. Nehmen Sie es nicht zu akademisch. Es geht darum, Ihr Verständnis zu sensibilisieren. Was bedeutet die Ausweitung der eigenen Haltung? Und wie können Sie das erlernen? Achten Sie beim Lesen der Beispielantworten darauf, welche Antworten Sie als stimmig empfinden und welche Ihnen eher zu simpel oder auch zu aufgesetzt erscheinen. Sie werden auf Antworten stoßen, die Sie ablehnen, und solche, denen Sie zustimmen. Das alles sind Hinweise darauf, in welchem Konstrukt Sie sich in Ihrer inneren Haltung meistens aufhalten. <?page no="73"?> 2.4 Der Wandel unserer Haltung ist Teil unserer Reifung 73 Charakteristische Merkmale der sechs Kompetenzhaltungen: Selbstorientiert-impulsive Haltung  fokussiert auf sich selbst  Bedürfnis nach Sicherheit, verbunden mit Macht- und Ohnmachtsgefühlen  erkennt Konventionen nicht an  starkes Macht- und Hierarchiedenken  denkt in Sieger und Verlierer  glaubt, in dieser Welt geht es um Kampf und Überleben  will dominieren oder sieht sich dominiert  fixiert auf den eigenen Vorteil  glaubt, dass die Welt ein unfairer Ort sei  zeigt angepasstes/ prinzipienloses Verhalten  denkt mit kurzem Zeithorizont  bezieht sich auf konkrete Dinge, wenig abstrakt  vereinfacht oft  kaum Selbstreflexion  klagt an und sieht die Schuld bei den anderen Gemeinschaftsbestimmt-konformistische Haltung  fokussiert auf äußere Regeln und Ordnung  Identität ist dem Außen angepasst  bezieht sich auf das, wie man vermeintlich zu sein hat  formuliert wenig eigene Ansichten  die Ich-Perspektive ist oft nicht vorhanden  denkt stark in Entweder-oder-Kategorien  bezieht sich auf Normen der jeweiligen Bezugsgruppe  Gehorsam und Pflichtgefühl sind wichtig  bezieht sich auf äußere Autoritäten und Regeln  zentrales Bedürfnis, das Gesicht zu wahren  hat Schuldgefühle, wenn Erwartungen nicht erfüllt wurden  vermeidet offene Konflikte Rationalistisch-funktionale Haltung  zeigt beginnende Selbstwahrnehmung  ist vernünftig, funktionsorientiert, oft schablonenhaft  äußert sich wenig originell und meist in bekannten Sichtweisen  ist zahlenfixiert und rechnet auf und ab <?page no="74"?> 74 2 Stetiger Führungswandel  Wirtschaftlichkeit steht stark im Zentrum der eigenen Glaubenssätze  blickt auf das Außen  sieht sich als Opfer der Umstände  fähigkeitsorientiert und effizienzgetrieben  funktionalisierte Sicht auf die Dinge  nutzt oft Konjunktive (sollte, müsste, versuchen)  verhaftet im Ursache-Wirkungs-Denken  hat feste Vorstellungen, wie Dinge zu sein haben Eigenbestimmt-souveräne Haltung  formuliert eigene Ziele  sieht sein Gegenüber  kann die Außenperspektive einbinden  legt Wert auf den eigenen Status  sieht sich überlegen  Ego ist stark ausgeprägt  redet eher in Ichals in Man-Formulierungen  nutzt Eigenmacht als Gestaltungsmittel  sieht sich in der Rolle des Handelnden (keine Opferhaltung)  besitzt eigene Vorstellungen und Ziele  akzeptiert die Komplexität von Situationen  sieht den eigenen Schatten der Subjektivität noch nicht  respektiert individuelle Unterschiede Relativierend-individualistische Haltung  ist sich bewusst, wie die eigene Subjektivität die persönliche Weltsicht prägt  hat eine stärkere Wahrnehmung der Mitarbeiter und des Miteinanders  ist abwägend, inkludierend, relativierend  nimmt mehrere Perspektiven wahr  kann eigene und andere Sichtweisen hinterfragen  Ego wird kleiner, manchmal gleichmachend  verfügt über stärkere Selbstbeobachtung  sieht seine Schattenseiten  hat eine individuelle und persönliche Art  bringt ungewöhnliche, neue Perspektiven ein  nimmt eigene Gefühle und das Wir wahr <?page no="75"?> 2.4 Der Wandel unserer Haltung ist Teil unserer Reifung 75 Systemisch-autonome Haltung  hat bewussten Kontakt zu eigenen Gefühlen  verfügt über Bewusstsein für die eigene Subjektivität  kann in Systemen und Verbindungen denken  ist multiperspektivisch  erkennt größere Zusammenhänge  ist sich seines Schattens bewusst und versöhnt mit eigenen negativen Anteilen  kann mit Paradoxa umgehen und diese in die eigenen Sichtweisen inkludieren  ist komplex und originell in den Antworten  hat einen hohen Wunsch nach Selbstentwicklung  verfügt über einen kreativen Umgang mit Konflikten  hat Respekt vor der Autonomie anderer Ähnlich wie bei der Steigerung des IQ ist zu beobachten, dass der Anteil der reiferen Kompetenzhaltungen in den letzten Jahren stetig zugenommen hat. Unser Welt- und Selbstverständnis wird tatsächlich differenzierter und komplexer. Diese Entwicklung geht in den Städten schneller als auf dem Land. Psychologische Bildung und die Fähigkeit zur Selbstreflexion haben in vielen Teilen der Bevölkerung zugenommen. Je mehr wir uns selbst erkennen, desto einfacher ist es, alte Denkweisen loszulassen. Anhand der Übersicht konnten Sie Ihre Antworten Ihren Gewohnheitshaltungen einordnen. Meist verteilen sich die Antworten über zwei bis drei Haltungen. Was sich daraus mitnehmen lässt, ist ein Gewahrsein, wie wir uns subjektiv die Welt konstruieren. Dabei ist weniger entscheidend, ob eine Antwort aus der einen oder anderen Haltung kommt. Viel spannender ist das Aha-Erlebnis, dass jeder die gleiche Sache sehr unterschiedlich sieht und auf seine Weise Recht hat. Erst recht, wenn wir beim Lesen der Vergleichsantworten schnell dabei sind, zu denken: Ja, das hätte ich auch sagen können. Haben wir aber nicht. Und genau darum geht es - den eigenen Potenzialraum besser zu nutzen und Fähigkeiten zu erkennen, die wir trainieren könnten, und es bisher noch nicht tun. Wir können an den Herausforderungen wachsen, die uns das Leben stellt. Das Wichtigste ist der Wechsel von der Opferhaltung zu einer gestaltenden Haltung. Der Reifungsprozess bedeutet, einen bewussteren Zugang zu den eigenen Gefühlen zu entwickeln und zu lernen, sich selbst mit seinen Persönlichkeitsanteilen zu managen. Reife ist, wenn wir mit unserem inneren Emotionssystem sinnvoll umgehen können. <?page no="76"?> 76 2 Stetiger Führungswandel Abb. 6: Erlebte Veränderung in Führungskulturen Quelle: Hochschule Niederrhein. Wirtschaftswissenschaften, Empirische Studie „Führungskultur in Deutschland“: Management Summary, September 2016 2.5 Die Haltung von Mitarbeitern Der Kämpfer „Ich bin umgeben von Idioten“ (selbstorientiert-impulsive Haltung) Die inneren Grundstimmungen in der selbstorientierten Haltung des Kämpfers sind Wut und Ohnmacht. Kämpfer reiben sich stark am Außen und beklagen die Umstände. Bei prekären Arbeitsbedingungen <?page no="77"?> 2.5 Die Haltung von Mitarbeitern 77 wechseln sie sofort den Arbeitgeber. Der eigene, unmittelbare Vorteil steht im Vordergrund. Jemand, der stark aus dieser Haltung agiert, kann mit klaren Regeln und konkreter Aussicht auf Belohnung geführt werden. Struktur ist wichtig, da sich der Kämpfer diese nicht selbst geben kann. Oft sind es innere oder äußere Unsicherheitsgefühle, die bei Mitarbeitern diese Haltung aktivieren. Der Konformist „Bloß nichts falsch machen“ (gemeinschaftsbestimmt-konformistische Haltung) Bestrafung und Sanktionen bewegen Mitarbeiter in diese Haltung. Wer als Führungskraft den strengen Vater spielt, bekommt als Belohnung unmündige, bockige Kinder. Oft ist sich die Führung nicht bewusst, was Appellreden in den Mitarbeitern auslösen. Gerade wenn Fehler im Unternehmen gebrandmarkt werden, gehen alle anderen schön in Deckung und machen Dienst nach Vorschrift. Stures Abarbeiten, sinnlose Routinebeschäftigungen, Silodenken und das Zurückhalten von Informationen sind Beispiele für die stille Form des Boykotts in dieser Haltung. Der Experte „Ich halte mich an die Zahlen“ (rationalistisch-funktionale Haltung) In dieser Haltung liegt der Aufmerksamkeitsfokus bei den Fähigkeiten der Mitarbeiter. Durch Arbeitsteilung und Prozessdenken ist die Zusammenarbeit wesentlich effizienter als in den vorigen Haltungen. Mit Lean Management wird eine Organisation ständig effizienter. Es geht um einteilen, bewerten, messen, Ziele erreichen. Werden Mitarbeiter in dieser Haltung geführt, funktionieren sie eventuell gut, Eigeninitiative und Eigenverantwortung werden sie jedoch kaum übernehmen. Bei kontinuierlich stabilen Prozessen ist das meist nicht gefragt. In Zeiten des Wandels wird diese Haltung zum Problem. Der Macher „Das habe ich gemacht“ (eigenbestimmt-souveräne Haltung) Wenn Menschen Konzernstrukturen verlassen, hat das meist den Grund, dass sie sich mehr in dieser Haltung erleben wollen. Für Mitarbeiter in dieser Haltung ist wichtig, Gestaltungsfreiheit und Raum für Selbstbestimmung zu haben. Sie fühlen sich in den Kulturen, welche die früheren Haltungen pflegen, fehl am Platz und unter Wert eingesetzt. Die Opferhaltung und das Klagen über die Umstände werden abgelegt und der Macher sieht sich mehr als Gestalter seines Lebens. Wer diese Haltung stärker leben möchte, den zieht es oft in Führungspositionen, in die Selbstständigkeit oder ins Unternehmertum. <?page no="78"?> 78 2 Stetiger Führungswandel Der Verbinder „Was können wir zusammen tun? “ (relativierend-individualistische Haltung) Diese Haltung hinterfragt die gängigen Karrierekonzepte und die üblichen Arbeitsweisen. Sie ist die Haltung, über die wir aktuell als Generation Y, New Work, den kulturellen Wandel oder Arbeiten 4.0 reden. Mit ihr kommen Fragen nach den Werten und dem Sinn auf, die ein Unternehmen lebt und bietet. Ein typischer Wechsel in der Haltung zeigt sich bei Menschen, die mit ihrer bisherigen Haltung großen Erfolg hatten und an einen Punkt kommen, an dem ihnen das nicht mehr reicht. Jetzt wollen sie Sinnvolles machen. Der Stratege „Jeder in seinem Potenzial“ (systemisch-autonome Haltung) Während die früheren Haltungen oft konkurrierend sind und jeder sich auf die Richtigkeit und Allgemeingültigkeit seiner Haltung beruft, erkennt der Stratege, dass alle Haltungen bestimmte Bedürfnisse erfüllen und abhängig von der Tätigkeit und den Menschen auch richtig sein können. Die Kunst ist, Kulturen aufzubauen, in denen jeder entsprechend seiner Reife und seinen Entwicklungswünschen sein Potenzial einbringen kann. Wer Dienst nach Vorschrift leisten und nur Arbeiten erledigen will, kann das tun, und wer mit flexiblen Zielen selbstverantwortlich arbeiten möchte, kann das auch tun. <?page no="79"?> 3 Führungskompetenz braucht Loyalität Der Management-Guru Peter Drucker hat wieder und wieder betont, dass Menschen sowohl sich selbst als auch andere und sogar Organisationen als Ganzes nur dann effektiv ühren können, wenn sie es vermögen, die Stärken des jeweiligen Systems zu bespielen; mit dem Ziel, im Laufe der Zeit die Schwächen irrelevant zu machen. Um diese Stärken zur Geltung zu bringen, ist es allerdings erforderlich, mit den entsprechenden Aufgaben betraut zu werden, die diese Stärken sichtbar machen. Das bedeutet ür Sie als Führungskraft, Bedingungen herzustellen, unter denen Ihre Mitarbeiter ihre Stärken bestmöglich abrufen können. Somit gehört es zu Ihren Kernaufgaben daür zu sorgen, dass sich die Menschen in Ihrer Obhut wohl und möglichst oft in ihrem Element ühlen. Loyale Führungspersönlichkeiten brauchen folgende Eigenschaften: - Authentizität („echt“ sein im Reden und Handeln), - Überzeugungskraft, - Glaubwürdigkeit, und vor allem - Vertrauenswürdigkeit. Sind Führungskräfte nicht kongruent, spüren Mitarbeiter das meist sehr schnell. Die Folge ist Unsicherheit und das Vertrauen schwindet. Als Zeichen von Misstrauen ist zu beobachten, dass vorgegebene Richtungen angezweifelt, Anweisungen nicht mehr befolgt und Strategien grundsätzlich infrage gestellt werden. Die Zweifel der Mitarbeiter ühren zu Zweifeln bei der Führungskraft. Diese nagen am Selbstbewusstsein. Und mangelndes Selbstbewusstsein ührt unweigerlich zu einem schwindenden Selbstvertrauen. Wer aber sich selbst nicht vertraut, kann auch nicht vertrauensvoll nach außen wirken; ein Teufelskreis, der wirksame Führung zunichtemacht. Die Folge: Eine Führungskraft, die nicht vertraut, hat Mitarbeiter, die sich nicht trauen. Misstrauen ist also die wesentliche Ursache, wenn Mitarbeiter Anweisungen nicht befolgen, ihr Engagement und damit ihre Leistung nachlässt, wenn sie das Betriebsklima belasten, innerlich kündigen und infolgedessen teilweise die Produktivität der gesamten Geschäftseinheit nachlässt. Wenn diese Situation erreicht ist, geraten Führungskräfte begründet ins Straucheln. Denn wo Vertrauen fehlt, nimmt ihr Einfluss ab. In einem solchen Moment greifen viele Führungskräfte wieder auf erprobte - wenn auch nicht mehr zeitge- <?page no="80"?> 80 3 Führungskompetenz braucht Loyalität mäße - Mittel, um die Kontrolle zurück zu erlangen. Zu beobachten ist dabei, dass dieses Verhalten (bewusst oder unbewusst) nicht etwa dafür eingesetzt wird, Vertrauen und Einfluss wiederherzustellen, sondern die eigene Unsicherheit zu überspielen, um so zumindest das Gefühl aufrechtzuerhalten, über Macht zu verfügen, alles im Griff zu haben. Im ersten Moment mögen sich die Mitarbeiter nur gegängelt fühlen, doch hält dieser Zustand an, geht auch das letzte Fünkchen Vertrauen verloren. Aus loyaler Sicht empfehle ich, Vertrauen und Kontrolle in Balance zu halten. Systeme und Prozesse bedürfen der Kontrolle. Es geht darum, Vertrauen in die Funktionalität und Sicherheit von Systemen zu haben und gleichzeitig zu kontrollieren, ob man sich darauf verlassen kann. Kontrolle ist eine Technik. Vertrauen ohne Kontrolle ist eine Illusion. Deshalb ist es wertvoll, so viel Vertrauen wie möglich und so viel Kontrolle wie nötig zu leben. Das Prinzip der loyalen Führung hilft, die Balance zwischen diesen Werten zu halten, auf ein höheres Niveau zu heben und dort zu erhalten. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, fällt es Mitarbeitern leichter, dem Unternehmen und ihren Vorgesetzten zu vertrauen. Und wächst das Vertrauensklima in einer Organisation, so wirkt sich das positiv auf die Mitarbeiterzufriedenheit und damit auf deren Motivation aus. „Grundlage von Kontrolle muss Vertrauen sein, vor allem und zuerst in zwei Dinge: In die Leistungsfähigkeit eines Mitarbeiters und in seine Leistungsbereitschaft. Wenn man nicht einmal darauf vertrauen kann, dass diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, dann hat man kein Kontroll-, sondern ein ganz anderes, vielleicht ein Stellenbesetzungs- und Personalproblem.“ (Malik, 2000, S.232) Gemäß diesem Zitat unterscheidet Malik zwischen gerechtfertigtem und blindem Vertrauen. Er empfiehlt grundsätzlich zu vertrauen, wo möglich, sogar über die Grenze hinaus, die einem leicht fällt, und zugleich müsse man sicherstellen herauszufinden, ob und wann dieses Vertrauen möglicherweise missbraucht wird. Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter in Kenntnis gesetzt werden, dass man im Falle des Missbrauchs dahinterkommen werde und dieses zu Konsequenzen führe. Vertrauen und Motivation sind also eng miteinander verwoben. 3.1 Verständnis von Loyalität - Interview mit Führungstrainern 1) Was verstehe ich unter Loyalität? Woran denke ich beim Wort Loyalität? Neda Mohagheghi: Für mich bedeutet Loyalität eine Haltung der Verbun- <?page no="81"?> 3.1 Führungskraft: Erzielung von Mitarbeiterloyalität und -bindung 81 denheit und des Füreinander, die von Vertrauen und Ehrlichkeit geprägt ist. Loyalität spielt sowohl im Privaten als auch im Beruflichen eine Rolle, braucht aber durchaus Zeit, um aufgebaut zu werden. Uwe Rissiek : Loyalität ist in meinen Augen eine gelernte Haltung und wird individuell interpretiert. Hilfreich ist es, ein gemeinsames Verständnis zu erwerben, damit Schnittmengen idealerweise zu Konsens führen, mindestens jedoch ein Kompromiss möglich ist. So bleibt Motivation geschützt und Frust im Griff. Jemand steht zu mir / zum Unternehmen, auch wenn es kompliziert oder schwierig wird. Die freiheitlich erworbene Loyalität macht beiderseitig resilient und fußt dabei maßgeblich auf den Leitwerten Ehrlichkeit, Respekt und Wertschätzung. Bin ich mir und meinem Selbst gegenüber respektvoll, ehrlich und treu, dann kann auch Loyalität nach außen gelingen, falls nicht, bleibt Loyalität eine Simulation, also weder echt noch glaubwürdig. Am Verhalten erkenne ich, ob eine loyale Haltung echt ist. Meine Achtsamkeit reguliert eigene „Versuchungen“, meine Intuition unterstützt bei der Wahrnehmung Anderer. Ich gebe mein Bestes, indem ich meine Selbstverpflichtung als stimmig empfinde, das Richtige zu tun. Sascha Riedeberger : Loyalität bedeutet für mich weg vom persönlichen Machtkampf, hin zum Bündeln der Kräfte, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. 2) Aus welchen Gründen ist Loyalität so wichtig? Neda Mohagheghi : Loyalität im Sinne von Verbundenheit ist eine gute Basis, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen - und zu erreichen. Sie bringt Vertrauen, Ehrlichkeit und Offenheit mit sich und ist ein Ausdruck von Wertschätzung - alles Zutaten, die ein Team bzw. ein Unternehmen sehr gut gebrauchen kann! Uwe Rissiek: Vertrauen in die Loyalität unterstützt das gemeinsame Sicherheitsgefüge. Grundlage dafür ist ein stimmiges Wertegerüst, zu dem sich die Beteiligten bekennen. Entfällt Loyalität, gerät dieses Gerüst ins Wanken. Menschen brauchen Orientierung und Halt, damit eigenes Handeln effizient und sinnvoll gestaltet werden kann. Außerdem: Loyalität ist zentral für unser Selbstverständnis, um uns wirksam in einem Netz von Werten, Haltung und Verhalten zu orientieren, das so genannte Mindset. Sascha Riedeberger: Loyalität sorgt für ein stärkeres Miteinander, da man auch bei unterschiedlichen Ansichten für das gemeinsame Ziel <?page no="82"?> 82 3 Führungskompetenz braucht Loyalität kämpft. Loyale Führungskräfte vertrauen ihren Mitarbeitern und stellen sich - je nach Bedarf - hinter, vor oder neben sie. 3) Je geringer die Loyalität, ... Neda Mohagheghi: ... desto notwendiger wird es, Zusammenhalt und Verbundenheit über andere Werte zu schaffen Sascha Riedeberger: …desto mehr Kampf um die persönlichen Interessen. 4) Wie erkennen Sie, ob jemand Ihnen gegenüber loyal ist? Neda Mohagheghi: Mögliche Anzeichen wären, dass die Person sich auch traut, mir unangenehme Dinge zu sagen - sei es, eine andere Meinung zu vertreten, über Fehler zu sprechen oder konstruktive Kritik an meinem Verhalten bzw. an meinen Entscheidungen zu äußern. Sascha Riedeberger: Jemand steht hinter mir, auch wenn ich weiß, dass es nicht unbedingt seine persönliche Meinung oder Ansicht ist. 5) Welche Bedingungen begünstigen die Entwicklung von Loyalität im Arbeitsleben? Neda Mohagheghi: Vorbilder! Wenn die Führungskraft sich nicht loyal gegenüber den Mitarbeitern verhält - was soll dann ihr guter Grund sein, Loyalität zu entwickeln? Sascha Riedeberger: Gegenseitiges Vertrauen und Freiraum sind sehr wichtig. Vertrauen, auch als Vertrauensvorschuss, sind absolute Grundvoraussetzung. 6) Hat Loyalität in der Führung und Zusammenarbeit auch mit Kontrolle zu tun? Neda Mohagheghi: Ich tue mich hier mit dem Verständnis des Wortes Kontrolle schwer - wenn Kontrolle bedeutet, gemeinsam mit den Mitarbeitern Meilensteine zu definieren, an denen der Status Quo ermittelt wird und diese Meilensteine zum Ziel haben, irgendwann in Vertrauen statt Kontrolle überzugehen: dann ja. Sascha Riedeberger: Eher mit Unterstützung als Kontrolle. Man darf als Führungskraft aufmerksam sein und zum richtigen Zeitpunkt geeignete Unterstützung anbieten. Kontrollmechanismen sollten der Überprüfung der gemeinsamen Zielerreichung dienen und nicht dazu, Mitarbeiter zu überwachen. Uwe Rissiek : Kontrolle gehört zum Leben dazu. Es gibt keine absolute Sicherheit. Was es in modernen Arbeitskulturen braucht, ist Transparenz darüber, wann und wo Kontrolle gut, erforderlich und sinnvoll ist. Loyale Mitarbeiter und Führungskräfte tun gut daran, um Kontrolle zu werben. <?page no="83"?> 3.1 Führungskraft: Erzielung von Mitarbeiterloyalität und -bindung 83 Das WARUM ist klar, über das WIE ist zu reden und das WAS kann durch verteilte Verantwortung sogar motivierend wirken, Stichwort Vertrauen. 7) Wodurch wird eine loyale Arbeitsbeziehung zerstört? Neda Mohagheghi: Beispielsweise durch mangelnde Wertschätzung, die sich in nicht transparent kommunizierten Entscheidungen zeigen kann. Sascha Riedeberger: Eigene Interessen dem gemeinsamen Ziel überzuordnen. Uwe Rissiek: Vertrauensbruch, Verrat etc. 8) Wie entstehen illoyales/ unsolidarisches Verhalten in Unternehmen und Teams? Neda Mohagheghi: Durch Unsicherheit, nicht-kongruente Kommunikation, fehlende Fehlerkultur, überraschende Veränderungen in Strukturen und Ablauf, Gegeneinander statt Miteinander… Sascha Riedeberger : Fehlende Transparenz und die Bevorteilung Einzelner begünstigen unsolidarisches Verhalten. Eine schwache Persönlichkeit der Führungskraft kann für Unsicherheit bei den Mitarbeitern sorgen. 9) Wie kann Loyalität wiederhergestellt werden, wenn sie überstrapaziert/ ausgenutzt wurde? Sascha Riedeberger: Man kann versuchen, persönliche Defizite auf der persönlichen Ebene zu klären und wieder die gemeinsame Zielerreichung in den Vordergrund stellen. Uwe Rissiek: Wie immer bei Konflikten, denn um nichts anderes handelt es sich dabei: die Komfortzone zu verlassen, miteinander das Gespräch zu suchen, die Tatsachen zu akzeptieren und auszusprechen. Gelingt es, ausreichend Gemeinsamkeiten als Grundlage für die Zusammenarbeit zu identifizieren, braucht es klare Vereinbarungen, um Veränderungen herbeizuführen. Von Zeit zu Zeit werden diese überprüft, um die Lernzone mit frischer Energie zu versorgen. 10) Welche Tipps gebt ihr meinen Lesern, um Loyalität zu einem festen Bestandteil der Führungskultur zu machen? Sascha Riedeberger: Spaß haben bei der gemeinsamen Zielerreichung, auf Augenhöhe kommunizieren, Wertschätzung zeigen und (persönliche) Bedürfnisse ernst nehmen. Ein fairer Umgang miteinander sorgt auch in schwierigen Situationen und kontroversen Diskussionen dafür, den Fokus auf der Sache zu behalten. <?page no="84"?> 84 3 Führungskompetenz braucht Loyalität Neda Mohagheghi: Leben Sie so, dass Loyalität ein wichtiger Bestandteil der Unternehmenskultur ist. Zeigen Sie Ihren Mitarbeitern, dass sie wichtig sind und Ehrlichkeit, Vertrauen und Zusammenhalt nicht nur Worthülsen sind. Beziehen Sie die Mitarbeiter ein und klären Sie gemeinsam, was Loyalität in Ihrem Kontext bedeutet und woran sie erkennbar wäre. Und dann beginnen Sie, diese Erkennungszeichen Schritt für Schritt zu etablieren - mit Ihnen als Vorbild. Uwe Rissiek: Ohne ein Orientierung bietendes Leitbild geht heute und in Zukunft nichts mehr. Mitarbeiter suchen Sinn in der Arbeit, wollen mitgestalten können und Freude am Tun haben. Also: anpacken oder weiter schärfen! Loyalität ist zwar nicht alles, mag allerdings das Rüstzeug im Wertekanon eines Unternehmens sein und individuell stärken. Wir sind alle als Menschen hier, egal in welcher Rolle, ob als Fachkraft, Sandwichmanager, Top-Entscheider oder Unternehmer. Lebenslanges Lernen! Stellen wir uns gemeinsam offen und mutig den komplexen Einflüssen von Selbstführung und Führung. Meine Interviewpartner sind freie Berater und Trainer ür das Zertifikatsprogramm Loyale Führung. Übereinstimmend mit mir und doch individuell unterschiedlich folgen sie den Qualitätsstandards von loyalworks ® . Neda Mohagheghi ist Führungstrainerin und systemische Beraterin. Als zertifizierte Planspieltrainerin der Schirrmacher Group sorgt sie mit dem Planspiel „Führen im Alltag“ ür mehr Leichtigkeit im Unternehmensalltag. Sie begleitet Führungskräfte und Mitarbeitende mit einer großen Portion Begeisterung und Neugier dabei, Potenziale zu entdecken und diese zu entfalten. Uwe Rissiek stärkt sowohl Unternehmen und Organisationen als auch Privatklienten als Berater, Executive Coach und Design Thinker bei Veränderungsprozessen und erfolgreicher Zielverfolgung. Er ist überzeugt, dass Klarheit und passgenaue Werkzeuge wesentlich ür den Führungsalltag sind. Mit einem gut gepackten Methodenkoffer ür Coaching, Strategieentwicklung, Konfliktvielfalt, Kommunikation, Kooperation, Innovation und Kreativität bringt der überzeugte Networker Erfahrung und Kompetenz aus gut 30 Jahren internationaler Führungspraxis mit. Sascha Riedeberger begleitet seit über 25 Jahren Unternehmen und vor allem Unternehmer bei den Themen ITK, Digitalisierung und digitale Transformation. Zu seinen Kunden zählen bundesweit KMUs aus allen <?page no="85"?> 3.2 Führungskraft: Erzielung von Mitarbeiterloyalität und -bindung 85 Branchen. Sein Aufgabengebiet reicht vom Führungskräfte-Sparring über die Analyse und Auswahl einzelner Digitalisierungskomponenten bis hin zur langjährigen Betreuung als externer CDO (Chief Digital Officer). Er sieht die Technik lediglich als das Mittel zum Zweck, denn das Wichtigste ist und bleibt der Mensch. LEITLINIEN LOYALER FÜHRUNG - Nur erfolgreiche Führungskräfte haben erfolgreiche Mitarbeiter. - In einem schwierigen Markt werden Unternehmen nur dann erfolgreich sein, wenn alle Beteiligten loyal führen und zusammenarbeiten. - Konkurrenzfähige Produkte und Dienstleistungen kann auf Dauer nur schaffen, wer in möglichst kleinen, flexiblen und gut ausgebildeten Einheiten operiert. - Erfolg ist nur durch Mitdenken, Integration und hohe Leistungsmotivation aller Beteiligten zu erreichen. - Hohe Leistungsmotivation wird nur erreicht, wenn Mitarbeiter über eine hohe soziale Kompetenz verfügen und fehlende Potenziale aufgebaut werden. - Kooperation kann nur über Glaubwürdigkeit, Identifikation und Legitimation erreicht werden. - Loyalität und Überzeugung lassen sich nicht befehlen, sondern nur entwickeln. 3.2 Loyale Führung und Motivation Lange Zeit stand Motivation im Fokus der Führung. Bis man herausfand, dass Motivierung von außen nur bedingt hilfreich ist. Viel wirksamer und motivierender ist es, wenn Führungskräfte mit ihrer eigenen Begeisterung anstecken und der Funken zu den Mitarbeitern überspringt. Dieser Funke erst erreicht deren intrinsische Motivation. Und sind Mitarbeiter von innen heraus motiviert, dann steigt und stimmt auch ihre Performance. Dafür brauchen Führungskräfte einen eigenen starken Antrieb und die Initiative und Freude daran, Menschen mitzureißen. Und zwar ausdauernd. Im Idealfall liefern Führungspersonen leidenschaftlich und immer wieder Impulse für ihr Team. Noch immer wird von Führungskräften unterschätzt, wie stark ihre eigene Einstellung die ihrer Mitarbeiter beeinflusst. <?page no="86"?> 86 3 Führungskompetenz braucht Loyalität David Horsager interviewte ür sein Buch Vertrauen den CEO Anthony Diekemper, der sich sehr klar zu Führungsaufgaben positionierte: „Vorgesetzte, die meinen, ihr einziger Job sei es, Geld zu verdienen, haben das große Ganze nicht verstanden. Als Führungskräfte des Unternehmens sind wir dazu verpflichtet, verantwortungsbewusst zu wirtschaften, aber die beste Art und Weise, die Performance einer Firma zu optimieren, ist durch hochengagierte Mitarbeiter. Die sind fleißiger, geben uns mehr als nötig von ihrer Energie und sind glücklicher, bei uns zu sein. Die Grundlage ür ihr Engagement ist immer Vertrauen.“ Vertrauen und Loyalität zu etablieren, ist Führungsaufgabe. So wie Führungskräfte ihren Mitarbeitern vertrauensvolle, loyale Arbeitsbeziehungen vorleben, leben diese sie auch weiter, sogar hierarchieübergreifend. Um Vertrauen und Loyalität zu etablieren, ist entscheidend, wie viel Vertrauen den Mitarbeitern entgegengebracht wird. Umso stärker rückt das mittlere Management in den Fokus, deren Führungskultur mit ihrem Multiplikatoreffekt den größten Maßstab setzt. Hartmut Laufer fasst in seinem Buch Vertrauensvolle Mitarbeiterührung eine Auswahl an vertrauensbildenden Führungsmerkmalen zusammen. Abb. 7: Vertrauensbildende Führungsmerkmale Quelle: Hartmut Laufer, Vertrauensvolle Mitarbeiterführung. Hintergründe, Leitfäden, Lösungsvorschläge. 2018, Springer Gabler, Wiesbaden, S. 41 (eigene Darstellung) Immer wieder bekomme ich die Frage gestellt, wie sich das Vertrauen und die Loyalität der Mitarbeiter messen lassen. Genau hierür haben wir in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen von der Personalmanagement-Studentin Alina Gewiß eine Masterarbeit dem Thema Mitarbeiterloyalität gewidmet. Wenn sie auch zu Beginn der Corona-Pandemie schon abge- <?page no="87"?> 3.2 Führungskraft: Erzielung von Mitarbeiterloyalität und -bindung 87 schlossen worden sind, sind die Ergebnisse der Befragung kennzeichnend ür unsere Zeit. Mehr dazu folgt in Kapitel 3.4. Loyalität schafft Klarheit und reduziert die Komplexität Menschen sehnen sich nach Klarheit! Sie wollen klare Verhältnisse haben, wollen wissen, woran sie sind. Deshalb sind Führungsmenschen zum Aufbau einer loyalen Unternehmenskultur gut beraten, so viele Inhalte wie möglich auf den Punkt zu bringen und Dinge beim Namen zu nennen. Damit einher gehen oft weniger Worte. Je kürzer die Aussage, desto prägnanter! Ist etwas noch nicht durchdacht, brauchen Sie sich noch nicht dazu äußern. Befreien Sie sich von der Sucht nach Beliebtheit und Harmonie. Befreien Sie sich von Weichspüleraussagen, die Sie sicherlich selbst auch nicht gern hören. Jede rhetorisch „aufgewertete“ Form der Botschaft verklärt Inhalte, behindert die offene Kommunikation und führt über kurz oder lang zu Konflikten. Reduktion und eine aktive, verantwortungsgetriebene Sprache führen zu Klarheit, mehr Vertrauen und den Aufbau von Loyalität. Wo wir uns in einem loyalen Verhältnis befinden, können wir ehrlich sein, die Dinge beim Namen nennen, uns mit ihnen auseinandersetzen und so Problemen vorbeugen und Konflikte lösen. Gute Erwartungen bewirken gute Leistungen Schon Goethe sagte: „Wenn wir die Menschen nur nehmen, wie sie sind, so machen wir sie schlechter. Wenn wir sie behandeln, als wären sie, was sie sein sollten, so bringen wir sie dahin, wohin sie zu bringen sind.“ Was Sie über Ihre Mitarbeiter denken, wie hoch Sie ihre Motivation einschätzen und wie sehr Sie an ihre Integrität glauben, hat einen entscheidenden Einfluss auf Ihre Zusammenarbeit, auf die Leistungen und Ergebnisse. In der Sozialpsychologie nennt man es Rosenthal-Effekt, umgangssprachlich ist es die selbsterüllende Prophezeiung. Dr. Winfried Prost, Kommunikations- und Persönlichkeitsphilosoph, rät, seinem Gegenüber zu zeigen, dass er sich auch in kleinen Dingen auf einen verlassen kann. Ist man großzügig, gibt man mehr als erwartet, setzt man ein gutes Zeichen ür den Aufbau einer loyalen Beziehung und bezogen auf Teams einer loyalen Kultur. Wenn Sie sich als Führungskraft aufmachen und den Weg ebnen wollen zu mehr Loyalität in Führung und Zusammenarbeit, dann helfen Ihnen ganz sicher diese Verhaltensweisen: - Offenheit gegenüber Vorschlägen und abweichenden Meinungen - Ehrlichkeit hinsichtlich Ihrer Interessen und Intentionen - Aufrichtiges Interesse an Ihren Mitarbeitern/ Kollegen sowie an deren beruflichen und persönlichen Anliegen <?page no="88"?> 88 3 Führungskompetenz braucht Loyalität - Authentizität hinsichtlich Ihrer eigenen Werte und Vorstellungen; ggf. auch durch die Darlegung eigener Ziel-/ Rollen-/ Beurteilungskonflikte - Offene Kommunikationskultur in Meetings hinsichtlich eines lern- und lösungsorientierten Umgangs mit Fehlern und Misserfolgen - Anregung zur Weitergabe eigener Ideen und Verbesserungsvorschläge der Mitarbeiter; Entwicklung einer förderlichen Innovationskultur - Wissenstransfer großzügig gestalten und die interne Weitergabe von Know-how unterstützen bzw. honorieren - Einladung an Kollegen/ Mitarbeiter, eigene Entscheidungen zu treffen und diese durch offen dargelegte Abwägungskriterien fördern - Aktives Vorleben von Loyalität und Zuverlässigkeit 3.3 Kommunikative Grundannahmen zur Erleichterung einer loyalen Kultur Um die Augenhöhe und die grundsätzliche Einstellung zu einer weitgehend heterarchischen, agilen und loyalen Unternehmenskultur zu erlangen, ist es wertvoll, sich ein paar kommunikative Grundannahmen zu verinnerlichen, die mir für meine Entwicklung unheimlich geholfen haben. Sie kommen aus dem NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren) und basieren auf der Erkenntnis, dass viele Menschen in einer äußerlich gleichen Welt leben, doch innerlich, aufgrund ihrer Prägungen, Erfahrungen und ihrer persönlichen Neigungen Dinge völlig unterschiedlich erleben und bewerten. Etwa so, wie eine Landkarte nicht das gleiche Bild ergibt wie das einer Landschaft. Betrachten zwei Menschen die gleiche Aussicht, so wird doch jeder andere Elemente als erstes bzw. dominanter wahrnehmen als der andere. Dies sind acht kommunikativen Grundannahmen, die auch Ihnen helfen können: 1. Jeder Mensch hat alle Ressourcen, die er braucht, bereits in sich. Wann immer Menschen sich begegnen, treffen Weltsichten aufeinander. Müßig ist der Streit, wessen Sichtweise die richtige und welche die falsche sei. Eine entwicklungsfördernde Grundhaltung (aus NLP) geht davon aus, dass in jeder anderen Weltsicht Schätze zu bergen sind. Wir <?page no="89"?> 3.3 Führungskraft: Erzielung von Mitarbeiterloyalität und -bindung 89 brauchen Offenheit, Flexibilität und das aufrichtige Interesse daran, wie der jeweils andere zu seinem Modell der Welt gelangt ist. „Der Kluge lernt aus allem und von jedem, der Normale aus seinen Erfahrungen und der Dumme weiß alles besser.“ (Sokrates) 2. Hinter jedem Verhalten steckt eine positive Absicht. Diese Grundannahme ist die wohl am heftigsten umstrittene. Wer diesen Satz zum ersten Mal hört, fragt sich vielleicht: „Wie kann ein Gewalttätiger eine positive Absicht haben? “ Dabei wird der Begriff ‚positiv‘ mit ‚richtig‘ oder ‚gut‘ gleichgesetzt - doch hier geht es um etwas anderes: Mit jedem Verhalten möchte ein Mensch etwas für sich erreichen. Dabei mag sein Verhalten inakzeptabel oder begrenzend sein. Wer daran etwas ändern will, muss das Verhalten und die positive Absicht hinter dem Verhalten trennen und Letztere würdigen und verstehen. Denn wenn der Mensch mit einem anderen Verhalten die Vorteile seiner positiven Absicht dennoch realisieren könnte, hätte er eine neue Wahl. 3. Jeder Mensch nutzt die beste, ihm zur Verfügung stehende Wahlmöglichkeit. Kennen Sie Menschen, die sich selbst im Wege stehen, sich gelähmt fühlen, in Beziehungen zu anderen viel Leid verspüren und wenig Handlungsfreiheit in ihrem Leben sehen? Das Geheimnis dafür liegt in deren Kindheit. Wir haben uns die Bedingungen nicht ausgesucht, unter denen wir aufwuchsen. Wir brauchten Zuwendung und hatten die Fähigkeit, uns unserer Umgebung anzupassen. Anpassung war die Bedingung für die Bindung, die wir brauchten. Menschen treffen die Wahl aus den Möglichkeiten, die ihre Orientierungen, Selbstwirksamkeitsvorstellungen und Leitbilder im Hirn zulassen. Auch wenn sie sich destruktiv verhalten. Bei befremdlichen Umgangsformen liegt die Schwierigkeit nicht darin, dass Menschen die falsche Wahl treffen, sondern dass ihnen nicht genügend Wahlmöglichkeiten zur Verfügung stehen - sie haben kein vielseitig orientiertes Bild der Welt. 4. Wenn das, was Sie tun, nicht funktioniert, ändern Sie Ihr Verhalten. Wer stabil an unverrückbare Ideen und endgültige Orientierungen glaubt, wird diese in der Realität bestätigt finden. Weil unsere Vorstellungen so eng mit unseren Emotionen verknüpft sind, fällt es so <?page no="90"?> 90 3 Führungskompetenz braucht Loyalität schwer, sie zu verändern. Unsere Vorstellungen - Glaubenssätze - generieren unser Handeln. Deshalb wiederholen wir unsere Muster. Je komplexer unsere Lebenswelt wird, desto stärker müssen wir das Spektrum unserer Handlungsmöglichkeiten zur Lösung einer Herausforderung oder zur Veränderung einer Situation erweitern. Diese Haltung ist Grundlage aller Strategiearbeit, die darauf abzielt, das Vorgehen zur Erreichung eines Zieles immer wieder zu hinterfragen und anzupassen. 5. Es gibt in der Kommunikation keine Fehler - nur Feedback. Fehler oder Versagen setzen voraus, dass es eine richtige und eine falsche Sichtweise gibt. Doch das ist eine Illusion. Wenn unser Verhalten nicht zum Ziel führt, so haben wir nichts falsch gemacht, sondern ein Feedback erhalten, aufgrund dessen wir eingeladen sind, einen anderen Weg/ etwas Neues auszuprobieren. Wenn wir durch unsere Kommunikation bei unserem Gegenüber nicht das bewirken, was wir wollen, dann haben wir eine wertvolle Information erhalten, die genutzt werden kann. Auch unerwünschte oder überraschende Reaktionen sind Informationen, die dem Veränderungsprozess dienen. 6. Messen Sie Ihre Kommunikation an der Reaktion, nicht an Ihrer Absicht. Wenn wir mit einem anderen sprechen, dann geht es nicht nur um den sachlichen Inhalt dessen, was wir sagen, und auch nicht darum, was wir meinen. Unsere Kommunikation erlangt Bedeutung in dem Maße, wie sie beim Empfänger ankommt und bei diesem die gewünschte Wirkung erzielt. Der Sprechende sendet, der Hörende empfängt die Botschaft. Doch allein der Hörende entscheidet, was ihn besonders anspricht, was er von uns annimmt und was nicht. Effiziente Kommunikation verläuft empfängerorientiert. Deshalb ist es wichtig zu trainieren, die Verantwortung für das eigene Kommunikationsverhalten zu übernehmen, situationsgerecht zu kommunizieren und damit etwas zu bewirken. 7. Sie können das Verhalten anderer Menschen nicht verändern, wohl aber Ihre Reaktion darauf. Immer wieder machen Menschen andere Menschen und deren Verhalten für die eigenen Gefühle verantwortlich. Sie investieren viel Energie darauf, jemand anderes davon zu überzeugen, er möge sich doch anders verhalten. Wenn, wie so oft, der andere nicht folgt, wächst der Frust. <?page no="91"?> 3.4 Führungskraft: Erzielung von Mitarbeiterloyalität und -bindung 91 Drehen wir diese Sichtweise um: Nicht das Verhalten anderer Menschen erzeugt bei uns bestimmte Gefühle, sondern unsere Erwartungen und Interpretationen. Die eigenen Gedanken enthalten eine eigene, individuelle Bewertung. Und diese erzeugen Gefühle und letztlich den emotionalen Zustand eines Menschen. Was, wenn der zugrunde liegende Gedanke ein Irrtum war? 8. Das flexibelste Teilchen kontrolliert das System. Flexibilität ist der Schlüssel zum Erfolg. Will jemand flexibel sein, braucht er eine Vielzahl an Möglichkeiten, um auf eine gegebene Situation zu reagieren. Will er flexibel sein, muss er wählen können, auf diese oder jene oder eine noch andere Weise zu handeln. Diese Flexibilität setzt jedoch voraus, seine Weltsicht immer wieder hinsichtlich der Frage zu untersuchen, welche Bestandteile darin noch nützlich sind und welche nicht mehr. Was in der Theorie einfach und plausibel klingt, ist in der Realität dennoch oft schwer umzusetzen. Es braucht unsere absolute Aufmerksamkeit, unser Bewusstsein über unser Denken und Handeln, und unsere Bereitschaft, uns mit der Welt mit zu verändern. 3.4 Die Rolle der Führungskraft zur Erzielung von Mitarbeiterloyalität und -bindung Alina Gewiß hat sich im Rahmen ihrer Masterarbeit im Studium Unternehmensführung an der Georg-August-Universität Göttingen mit der Frage befasst, wie Führungskräfte die Loyalität ihrer Mitarbeiter durch Maßnahmen und Instrumente tagtäglich beeinflussen können. Dabei ging es um die Fragen, welche konkrete Rolle die Führungskraft zur Steigerung der Mitarbeiterloyalität einnimmt und welche spezifischen Maßnahmen und Praktiken sie nutzt. Die Untersuchung wurde im Februar und März 2020 in Form von halbstandardisierten Leitfadeninterviews mit Führungskräften als primäre Datenquelle vorgenommen und es konnten wertvolle Erkenntnisse und Strategien zur loyalen Führung abgeleitet werden. Die Interviews enthielten unter anderem folgende Fragen: 1. Bedeutung Inwiefern ist das Thema Mitarbeiterloyalität und -bindung in Ihrem Unternehmen von Bedeutung? Gibt es Gründe dafür? <?page no="92"?> 92 3 Führungskompetenz braucht Loyalität Wie lange arbeiten die Mitarbeiter schon in Ihrem Team/ Unternehmen? Wie viele Mitarbeiter verlassen bei Ihnen jährlich das Team/ Unternehmen? Gibt es interne Projekte oder Anreizsysteme zur Bindung von Mitarbeitern? Wenn ja, welche Rolle spielen Sie als direkte Führungskraft? Wie wird Mitarbeiterbindung bei Ihnen im Unternehmen kommuniziert? Wie profitiert Ihr Unternehmen von solchen Maßnahmen? 2. Rolle der Führungskraft Wie verstehen Sie Ihre Position in Bezug auf die Bindung von Mitarbeitern? Wie wichtig sind Ihnen loyale Mitarbeiter? Welche Rolle nehmen Sie zur Erzielung von Loyalität ein? Inwiefern können Sie persönlich Einfluss auf die Loyalität Ihrer Mitarbeiter nehmen? Welche Bedürfnisse haben Ihre Mitarbeiter? Inwieweit profitieren Sie von loyalen Mitarbeitern? 3. Maßnahmen zur Erzielung von Loyalität Welche konkreten Maßnahmen nutzen Sie, um die Loyalität Ihrer Mitarbeiter zu steigern? Warum nutzen Sie ausgerechnet diese Maßnahmen? Welche Intention steckt dahinter? Haben Sie Ihre Maßnahmen im Lauf der Zeit verändert? Was bedeutet Empowerment für Sie und inwiefern spielt Empowerment bei der Bindung von Mitarbeitern eine Rolle? Inwiefern zeigen Sie Wertschätzung gegenüber Ihren Mitarbeitern? Wie zeigen Sie Ihren Mitarbeitern, dass Sie Vertrauen in ihre Arbeit haben? Inwiefern gibt es Unterschiede zwischen den Mitarbeitern hinsichtlich der Maßnahmen, die Sie benötigen? Welche Maßnahmen sind Ihrer Ansicht nach besonders bzw. weniger wirksam in Bezug auf Mitarbeiterloyalität und -bindung? Sind die Maßnahmen, die Sie nutzen, Ihrer Ansicht nach ausreichend? Welche weiteren Faktoren spielen Ihrer Meinung nach eine wichtige Rolle bei der Mitarbeiterbindung? <?page no="93"?> 3.4 Führungskraft: Erzielung von Mitarbeiterloyalität und -bindung 93 4. Herausforderungen bei der Umsetzung Wo liegen für Sie Herausforderungen bei der Umsetzung solcher Loyalisierungs- und Mitarbeiterbindungsmaßnahmen? Was erschwert oder erleichtert die Umsetzung? Welche sonstigen Faktoren sollten berücksichtigt werden? Folgenden Trends auf dem Arbeitsmarkt soll durch loyale Führung und Zusammenarbeit konstruktiv und zukunftssichernd begegnet werden:  Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sind Mitarbeiter die wichtigste Ressource eines Unternehmens und entscheiden maßgeblich über dessen Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmen werden mit dem Anstieg des Durchschnittsalters der Belegschaft sowie einem verstärkten Fachkräftemangel konfrontiert. Schätzungen zufolge wird bis zu dem Jahr 2040 eine Fachkräftelücke von rund 3,9 Millionen erwartet. Der „War for Talents“ als Folge des Engpasses an qualifizierten Nachwuchskräften macht die Bindung qualifizierter, motivierter und talentierter Mitarbeiter erforderlich und zukünftig unverzichtbar, um strategische Wettbewerbsvorteile zu erzielen und auf den Fachkräftemangel zu reagieren.  Erhebliche Kosten für Fluktuation, der Verlust von Fachwissen und wichtigen Kundenbeziehungen beim Ausscheiden wertvoller Mitarbeiter als auch Kosten für Einstellungsverfahren und administrative Aufwendungen setzen Führungskräfte und Personalabteilungen unter Druck. Studien zeigen, dass Einstellungskosten vom Personalmarketing über Bewerbungsverfahren bis zum Onboarding oft mehr als das Jahresgehalt einer zu besetzenden Stelle umfassen. Trotz der bekannten negativen Auswirkungen der Mitarbeiterfluktuation ist die Bindung von Mitarbeitern ein häufiges Problem für Unternehmen. Lediglich 15 Prozent der deutschen Arbeitnehmer fühlen sich emotional an ihren Arbeitgeber gebunden.  Das Führungsverhalten des direkten Vorgesetzten macht den größten Einfluss aus. Laut Gallup Engagement Index (2018) und einer Deloitte Studie (2019) zur Mitarbeiterfluktuation ist Führung einer der häufigsten Gründe für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Trotz der Relevanz des Führungsverhaltens für eine langfristige Mitarbeiterbindung thematisieren Studien <?page no="94"?> 94 3 Führungskompetenz braucht Loyalität vorranging individuelle Faktoren der Mitarbeiterloyalität. Genau das macht die spezifische Auseinandersetzung mit dem Verhalten von Führungskräften sowie dem Einsatz von Führungsinstrumenten erforderlich. Hintergrund zu früheren Studien In einer Vielzahl an empirischen Studien werden in erster Linie sowohl Einflussfaktoren auf die Loyalität als auch Konsequenzen loyaler Mitarbeiter untersucht, wobei der Fokus mehrheitlich auf quantitativen Ansätzen und theoretischen Modellen liegt. Nach Griffeth, Hom und Gaertner (2000) spielen persönliche Eigenschaften wie das Alter, die Betriebszugehörigkeit und die generelle Zufriedenheit am Arbeitsplatz eine entscheidende Rolle. Während Studien in diesem Bereich die Beweggründe von Mitarbeitern zum Verbleib oder Verlassen des Unternehmens untersuchen, stellen Shaw, Delery, Jenkins Jr. und Gupta (1998) heraus, dass es weiterer Forschung zu organisationalen Einflussgrößen der Mitarbeiterloyalität bedarf. Konkret sollten Methoden zur Mitarbeiterbindung durch den Einsatz von Führungskräften analysiert werden. In diesem Zusammenhang gibt es zwar Forschungsansätze zu Employer Branding sowie zu Personalmaßnahmen, die förderlich für Loyalität sind. Für ein einheitliches Verständnis von Mitarbeiterbindung besteht laut Allen et al. (2010) jedoch eine Diskrepanz zwischen den Ergebnissen der Forschung und der jeweiligen Umsetzung in der Praxis. Somit verbleiben die entsprechenden Studien auf einer abstrakten Ebene, während konkrete Instrumente und Maßnahmen von Führungskräften zur Stärkung der Loyalität von Mitarbeitern vernachlässigt werden. Gleichzeitig stellen Untersuchungen des Führungsverhaltens in der Leadership-Forschung heraus, dass Führungsstile sich direkt auf das Verhalten der Mitarbeiter auswirken. Weiterhin ergeben sich Hinweise, dass unter anderem Empowerment, Weiterbildungsmöglichkeiten und Unterstützung von Führungskräften positive Auswirkungen auf die Loyalität von Mitarbeitern haben. Da diese Ergebnisse auf quantitativen Analysen basieren, mangelt es an kleinteiligeren Studien zur Untersuchung von konkretem Führungsverhalten zur Unterstützung und Befähigung von Mitarbeitern, um diese zu binden. Die konkrete Aus-gestaltung von Führungskonzepten zur Mitarbeiterbindung blieb bisher unberücksichtigt. Da es hier um die Loyalität von Mitarbeitern geht, wurde intellektuelles sowie relevantes Know-how in Verbindung mit einem umfangreichen sozialen Netzwerk untersucht. Es wurde festgestellt, dass Investitionen in Form von Trainings und Maßnahmen zur Entwicklung von Wissen, Fähig- <?page no="95"?> 3.4 Führungskraft: Erzielung von Mitarbeiterloyalität und -bindung 95 keiten und Fertigkeiten sowohl zu einer höheren Produktivität ühren als auch einen wesentlichen Einfluss auf die Unternehmensperformance haben. Unternehmen profitieren von diesen Investitionen, da diese insgesamt zu mehr Zugehörigkeit und Engagement innerhalb der Belegschaft ühren und so der Fluktuation entgegenwirken. Basiert die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens auf den Fähigkeiten und dem Wissen der Mitarbeiter, führt der Verlust von Mitarbeitern zu einer niedrigeren Produktivität und beeinflusst den wirtschaftlichen Erfolg Unternehmen negativ. Aus diesem Grund findet man vielerorts die Forderung von Unternehmensseite, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Wir kennen es aus der Psychologie: Handelt ein Akteur in einer Weise, die der Gegenseite zugutekommt, entsteht eine implizite Verpflichtung, welche bestimmte Verhaltensweisen hervorruft, die für beide Seiten von Vorteil sind. Das heißt, dass unterstützende und fördernde Arbeitgebermaßnahmen eine Form von Verpflichtung auf Seiten des Mitarbeiters erzeugen, seinerseits einen Beitrag zugute des Unternehmens zu leisten. Die positiven Handlungen des Unternehmens beeinflussen also die Einstellung und Verhaltensweisen der Mitarbeiter. Denn durch die wahrgenommene Unterstützung erwidert der Mitarbeiter dies, indem er ein höheres Maß an Verbundenheit zeigt. Die Qualität der Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter hat sowohl Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter als auch auf die Motivation und das Engagement, die Performance und folglich auf die Wechselbereitschaft. Es entsteht eine wechselseitige Beziehung nach dem Prinzip der Reziprozität, von der beide Seiten profitieren. Loyalität als Verhalten Wird Loyalität als eine wahrnehmbare Verhaltensweise in der Beziehung zwischen dem Mitarbeiter und dem Unternehmen beschrieben und gedeutet, entscheidet sich der Mitarbeiter, bei dem Unternehmen zu bleiben und eine Bindung entsteht. Zu unterscheiden ist jedoch, dass das Loyalitätsverhalten eines Mitarbeiters sowohl eine aktive als auch eine passive Ausprägung einnehmen kann. Aktive Loyalität zeichnet sich durch aktives Handeln und Unterstützung aus, während die passive Form durch Zurückhaltung und Geduld charakterisiert ist. Weitere Verhaltensweisen, die von Loyalität zeugen, sind beispielsweise eine lange Betriebszugehörigkeit, Unterstützung von Kollegen sowie die Zielerreichung im Sinne des Unternehmens oder eine hohe Leistungsbereitschaft. Graham und Keeley unterscheiden bei Problemen am Arbeitsplatz drei Formen von Loyalität: Unconscious, Passive und Reformist Loyalty. Mitarbeiter die unconsciously loyal sind, sehen keine Notwendigkeit einer Reaktion, dagegen ergreifen <?page no="96"?> 96 3 Führungskompetenz braucht Loyalität passive loyale Mitarbeiter bewusst keine Gegenmaßnahmen, in der Hoffnung, dass sich etwas ändert. Reformist Loyalty ist hingegen durch aktives Verhalten gekennzeichnet, indem Veränderungen herbeigeführt werden, um der Situation eine positive Richtung zu geben. Loyalität als Einstellung Im Gegensatz zum verhaltensorientierten Ansatz wird einstellungsbasierte Loyalität als „a feeling of attachment to the organization“ definiert und oftmals mit dem Begriff des organisationalen Commitments gleichgesetzt. Letzteres bedeutet eine starke Akzeptanz der Ziele und Werte des Unternehmens sowie das Bedürfnis, Teil des Unternehmens zu sein. Dabei werden drei Komponenten unterschieden: Affektives, Normatives und Kalkulatives Commitment, die jeweils durch einen psychologischen Zustand gekennzeichnet sind. Affektives Commitment beschreibt den Wunsch des Mitarbeiters, die Beziehung zum Unternehmen aufrecht erhalten zu wollen. Normatives Commitment basiert auf einer moralischen Verpflichtung, dass der Mitarbeiter bei dem Unternehmen bleiben sollte. Kalkulatives Commitment legt den Fokus auf die Kosten, die ein Mitarbeiter mit dem Verlassen des Unternehmens verbindet und ihn daran hindern, sodass der Mitarbeiter bei dem Unternehmen bleiben muss . Abb. 8: Framework zum Umfang des Loyalitätsbegriffs. Eigene Darstellung in Anlehnung an Allen et al. (2010) und Hennig-Thurau und Hansen (2000) <?page no="97"?> 3.4 Führungskraft: Erzielung von Mitarbeiterloyalität und -bindung 97 In diversen Studien werden Loyalität als Einstellung sowie Loyalität als Verhalten separat voneinander untersucht. Da sich Mitarbeiterloyalität in der Unternehmenspraxis durch Wechselwirkungen zwischen der Einstellung eines Mitarbeiters gegenüber dem Unternehmen und daraus resultierenden Verhaltensweisen auszeichnet, ist es wichtig, beide Aspekte von Loyalität zu betrachten. Wir nehmen die einstellungsorientierte Loyalität im Sinne des organisationalen Commitments als eine emotionale Verbundenheit mit dem Unternehmen und dessen Wertesystem an, welche zu entsprechenden loyalen Verhaltensweisen führt. Somit basiert diese Untersuchung auf der Annahme, dass die jeweiligen einstellungsorientierten Ausprägungen von Mitarbeiterloyalität sowohl in einem positiven als auch in einem negativen Verhalten resultieren können. Auf der einen Seite ist es wahrscheinlicher, dass loyale Mitarbeiter mit einem hohen Commitment verhaltensorientierte Absichten haben, bei dem jeweiligen Unternehmen bleiben zu wollen, weil sie durch das positive, loyale Verhalten eine starke Bindung an das Unternehmen empfinden. Loyale Mitarbeiter identifizieren sich mit dem Unternehmen, den Unternehmenszielen und den Werten. Um die Bindung zu erhöhen, müssen sich die Mitarbeiter mit dem Unternehmen verbunden fühlen. Auf der anderen Seite zeigen diverse Studien, dass Mitarbeiter bei mangelnder Loyalität das Unternehmen verlassen. Je loyaler also die Mitarbeiter, desto geringer ist das Fluktuationsrisiko. Häufig in der Literatur aufgeführte Merkmale loyaler Mitarbeiter sind die Zufriedenheit mit der Arbeit, die Eingebundenheit, die Identifikation mit dem Unternehmen sowie das Engagement seitens des Mitarbeiters. Stimmt das Arbeitsumfeld im Unternehmen mit den Bedürfnissen des Mitarbeiters überein, ergibt sich eine starke Bindung. Ob ein Mitarbeiter zufrieden mit dem Arbeitsumfeld ist, hängt jedoch von den individuellen Bedürfnissen und Wünschen des einzelnen Mitarbeiters ab. Eigenverantwortliches Arbeiten und soziale Beziehungen am Arbeitsplatz sind Mitarbeitern generell ebenso wichtig sowie das Bedürfnis, sich selbst und die eigenen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Eine Vielzahl an Studien zeigt, dass Mitarbeiter das Unternehmen aufgrund von Unzufriedenheit verlassen, während Mitarbeiter, deren Bedürfnisse erfüllt werden, bei dem Unternehmen bleiben. Entscheidende Merkmale, welche Loyalität charakterisieren, sind:  Eingebundenheit (Grad der Integration eines Mitarbeiters am Arbeitsplatz und im Team) Je mehr ein Mitarbeiter mit dem Unternehmen verbindet, beispielweise vielfältige Aufgaben und der Zusammenhalt unter den Kollegen, desto unwahrscheinlicher ist es, dass er diesen Zustand aufgibt und das Unternehmen verlässt. Studien zeigen, dass Mitarbeiter mit einer befriedigenden Eingebundenheit (Job Embeddedness) loyaler gegenüber dem Unternehmen sind. <?page no="98"?> 98 3 Führungskompetenz braucht Loyalität  Identifikation mit dem Unternehmen Im Gegensatz zur einstellungsbasierten Loyalität stellt die Identifikation eine intensivere Form der Bindung dar. Der Mitarbeiter verbindet seine persönliche Identität mit der des Unternehmens und definiert sich selbst über die Zugehörigkeit zu dem Unternehmen. Folglich führt eine hohe Identifikation zu geringeren Absichten das Unternehmen zu verlassen, da Fluktuation negative Auswirkungen auf die persönliche Identität des Mitarbeiters nimmt. Der Identifikationsprozess dient weiterhin als Basis für eine wirksame Führung, indem eine gemeinsame Vision geschaffen wird.  Engagement Engagierte Mitarbeiter fördern die Austauschbeziehung mit der Führungskraft, wodurch sich positivere Einstellungen und Absichten gegenüber dem Unternehmen entwickeln, die entsprechend in einer höheren Loyalität resultieren. Loyale Mitarbeiter führen ihre Arbeit mit Spaß und Begeisterung aus, was sich positiv auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmens auswirkt. Nach dem Prinzip der Reziprozität kann das Führungsverhalten folglich durch transformationale 3 und authentische Führung das Engagement der Mitarbeiter beeinflussen. Abb. 9: Modell Einflussfaktoren auf Loyalität. Eigene Darstellung in Anlehnung an Allen et al. (2010) und Hennig-Thurau und Hansen (2000) 3 Zur Erklärung: Die Transformation der Mitarbeiter wird durch eine positive, motivierende Vision sowie durch ein eindeutig definiertes Ziel, Inspirationen und Ideen sowie durch die Wahrnehmung der Bedürfnisse der Mitarbeiter unterstützt (vgl. Bass, 1985; Ilies, Morgeson und Nahrgang, 2005). <?page no="99"?> 3.4 Führungskraft: Erzielung von Mitarbeiterloyalität und -bindung 99 Für eine effektive Bindung der Mitarbeiter müssen Führungskräfte sich über diese Stellhebel zur Erzielung loyaler Mitarbeiter bewusst werden. Wo es zu Unzufriedenheit oder Schwierigkeiten kommt, können Führungskräfte somit gezielte Verhaltensweisen und Maßnahmen gegenüber den Mitarbeitern demonstrieren, um im Umkehrschluss loyale Mitarbeiter zu entwickeln, die dem Unternehmen treu bleiben. Einflussfaktoren für loyale Mitarbeiter Grundsätzlich existieren verschiedene individuelle und organisationale Dimensionen, die sich auf die Loyalität der Mitarbeiter auswirken (Abb. 9). Kategorien Einflussfaktoren (1) demographische Faktoren Alter Geschlecht Ausbildung Betriebszugehörigkeit Position (2) interpersonale Beziehungen Austausch Führungskraft-Mitarbeiter Zufriedenheit mit dem Vorgesetzten Zufriedenheit mit den Kollegen Zusammenhalt des Teams (3) jobbezogene Faktoren interne Job-Möglichkeiten routinierte Arbeit Vergütung Beförderungschancen allgemeine Ausbildung (4) Arbeitsumfeld Partizipation instrumentale Kommunikation Gerechtigkeit Stress Tabelle 1: Kategorisierung der Einflussfaktoren. Eigene Darstellung in Anlehnung an Allen et al. (2010) <?page no="100"?> 100 3 Führungskompetenz braucht Loyalität In der tradierten Literatur zählen demographische Faktoren zu den häufigsten und aussagekräftigsten Einflussfaktoren in Bezug auf Mitarbeiterloyalität und -bindung. Jüngere Studien zeigen dagegen kaum Unterschiede hinsichtlich der Loyalität zwischen Mann und Frau, vielmehr verbleiben ältere, weibliche Mitarbeiter tendenziell eher im Unternehmen als ihre männlichen Kollegen. Hinsichtlich der arbeitsbezogenen Faktoren lassen sich Betriebszugehörigkeit und die Position im Unternehmen unterscheiden. Immer noch wirkt sich die Länge der Betriebszugehörigkeit auf die Loyalität der Mitarbeiter aus. Studien heben hervor, dass Mitarbeiter mit einer kurzen Zugehörigkeit zum Unternehmen weniger loyal sind und das Unternehmen verlassen. Mitarbeiter mit einer langen Betriebszugehörigkeit sind eher loyal, da sie firmenspezifisches Wissen aufgebaut haben, welches nicht so einfach in anderen Unternehmen angewendet werden kann. Außerdem sind Mitarbeiter mit einer ranghöheren Position vergleichsweise loyaler als Kollegen auf einem niedrigeren Level. Weiterhin spielen interpersonale Beziehungen eine entscheidende Rolle für die Loyalität. Dies können sowohl Beziehungen zu der Führungskraft als auch zu Kollegen sein. Einerseits hat der Austausch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter einen Einfluss auf die Verbundenheit mit dem Unternehmen. Dabei können Führungskräfte durch soziales Verhalten sowie Unterstützungsmaßnahmen die Mitarbeiter binden. Andererseits hat die Beziehung zu den Kollegen am Arbeitsplatz einen Einfluss auf die Entscheidung der Mitarbeiter, weiterhin für das Unternehmen zu arbeiten. Etabliert das Unternehmen eine Kultur, die gegenseitige Unterstützung fördert, wirkt sich dies positiv auf die Loyalität aus. Ebenso werden Mitarbeiter durch die Verhaltensweisen der Kollegen beeinflusst. Enge Beziehungen und Interaktionen innerhalb der Beschäftigten verstärken die Bindung an das Unternehmen, da es für die Mitarbeiter ein Verlust wäre, diese Beziehungen aufzugeben. Auch jobbezogene Faktoren sind Einflussfaktoren auf die Loyalität, wozu Aufstiegsmöglichkeiten als auch die Vergütung gehören. Zum Teil werden beide Faktoren gemeinsam betrachtet, da ein Aufstieg mit einer entsprechend höheren Entlohnung in Zusammenhang steht. Festzuhalten ist jedoch, dass sowohl die Höhe als auch die Zufriedenheit mit der Vergütung ein schwacher Indikator für die Absicht ist, das Unternehmen zu verlassen. Da die Karriereentwicklung durch Weiterbildungen und Trainings gefördert wird, sind sowohl Merkmale wie eine klare Rollenverteilung und Erwartungshaltung als auch Weiterbildungsmöglichkeiten relevant für die Arbeitszufriedenheit. Bezogen auf das Arbeitsumfeld sind Arbeitsbedingungen relevant, die problematische Aspekte minimieren. Faktoren wie Stress, Kommunikation, <?page no="101"?> 3.4 Führungskraft: Erzielung von Mitarbeiterloyalität und -bindung 101 Mitwirken an Entscheidungen sowie Fairness sind entscheidend für die Mitarbeiterloyalität. Die erhöhte Dynamik des heutigen Arbeitslebens, Einschränkungen in der Autonomie und festgelegte Zielvorgaben machen ein Arbeitsumfeld umso relevanter, welches eine ausgeglichene Work- Life-Balance der Mitarbeiter sicherstellt. Dazu gehören flexible Arbeitszeiten, genügend Freizeit und eine unterstützende Unternehmenskultur. Die Folge von gestressten Mitarbeitern sind steigende Fehlzeiten und erhöhte Abwanderungsraten. Grundsätzlich sind gestresste Mitarbeiter emotional belastet, was sich negativ auf deren Zugehörigkeitsgefühl auswirkt. Obwohl Maßnahmen zur Bindung von Mitarbeitern nachweislich nur erfolgreich sind, wenn sie mit den Bedürfnissen und Werten der Mitarbeiter übereinstimmen, können Unternehmen, die eine Übereinstimmung mit diesen Faktoren gewährleisten, im Allgemeinen eine bessere Mitarbeiterbindung erzielen. 3.4.1 Auswirkungen loyaler Mitarbeiter für Unternehmen Loyale Mitarbeiter haben messbar positive Auswirkungen auf das Unternehmen. In diversen Studien wird Loyalität als ein Indikator für Performance, Fluktuation und Absentismus aus Unternehmensperspektive betrachtet. Somit beeinflusst sie die Aktivitäten und den Erfolg des Unternehmens. Im Folgenden wird gezeigt, wie Unternehmen von loyalen Mitarbeitern profitieren können.  Unternehmen mit loyalen Mitarbeitern weisen eine niedrigere Fluktuation auf. Durch ihre emotionale Verbundenheit mit dem Unternehmen entwickeln Mitarbeiter Treue, zu bleiben, wodurch es zu weniger Fluktuation kommt und somit weniger Kosten verursacht werden.  Die Loyalität der Mitarbeiter senkt die Abwesenheitszeiten in Unternehmen. Durch eine höhere Motivation und Zufriedenheit verzeichnen loyale Mitarbeiter entsprechend weniger Fehlzeiten. Die Einsparungen für doppelte bzw. „leere“ Personalkosten können besser für Maßnahmen zur Leistungssteigerung und Trainings für Mitarbeiter aufgewendet werden.  Die Loyalität der Mitarbeiter äußert sich in einer höheren Performance, sprich in einer verbesserten Unternehmensleistung.  Durch das erlangte unternehmensspezifische Wissen werden Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen gebunden, wobei die Fähigkeiten explizit auf das Unternehmen ausgerichtet sind, so dass deren Einsatz in anderen Unternehmen in großen Teilen entfällt und das Know-how produktiv angewendet werden und der Wertschaffung dienen kann.  Loyale Mitarbeiter sorgen durch ihr zuverlässiges Engagement für die nachhaltige Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Dies kann sich durch <?page no="102"?> 102 3 Führungskompetenz braucht Loyalität die Wertsteigerung des Unternehmens, verbesserte Effektivität sowie Auswirkungen auf die Kundenbeziehung als auch durch positive Umsatzeffekte und Marktanteile ausdrücken.  Loyale Mitarbeiter führen zu einer höheren Effektivität des Unternehmens, da sie sich mit den Unternehmenszielen identifizieren, mehr Arbeit zu Gunsten des Unternehmens leisten und allgemein mehr Engagement und zusätzliche Bemühungen zeigen (längere Arbeitszeiten zur Finalisierung von Projekten, Unterstützung von Kollegen etc).  Ihre Verbundenheit mit dem Unternehmen führt sowohl zu Verbesserungspotenzialen als auch zur Förderung von Innovationen.  Zusätzlich hat die Loyalität der Mitarbeiter positive Auswirkungen auf Kundenbeziehungen. Eine positive Arbeitseinstellung beeinflusst die Erfahrungen der Kunden in einer förderlichen Weise, so dass auch auf Kundenseite mehr Zufriedenheit, Loyalität und Bindung entstehen.  Ein positives Arbeitgeberimage wird maßgeblich von loyalen Mitarbeitern geprägt. Als Botschafter des Unternehmens nehmen die Mitarbeiter die Rolle von Markenbotschaftern im Sinne der Arbeitgebermarke ein. Ihre positiven Aussagen nach außen und die Verbreitung der Unternehmenswerte stärkt die Reputation des Unternehmens.  Ein positives, attraktives Unternehmensimage trägt nicht nur zur Bindung von Mitarbeitern bei, vielmehr sichert es relevante Wettbewerbsvorteile und erleichtert die Personalgewinnung durch die entstehende Sogwirkung auf Bewerber erheblich. 3.4.2 Die Rolle der Führungskraft für Mitarbeiterloyalität Die direkte Beziehung zwischen dem Mitarbeiter und seiner Führungskraft spielt eine wesentliche Rolle in der Bindung von Mitarbeitern. Viele Mitarbeiter zeigen Loyalität gegenüber ihrem Unternehmen, gerade weil sie von positivem Führungsverhalten beeindruckt sind. Andersherum wirkt der Einfluss allerdings genauso: mangelhaftes Führungsverhalten schreckt ab. Vor diesem Hintergrund sind Unternehmen auf Führungspersönlichkeiten angewiesen, die für ihre Mitarbeiter motivierend wirken und die Gefühle der Mitarbeiter positiv beeinflussen. In dieser Untersuchung wurde Loyalität hinsichtlich der Beeinflussung der Mitarbeiter durch Maßnahmen, Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen der Führungskraft geprüft. Dabei stellte sich heraus, dass nicht nur der grundsätzliche Führungsstil entscheidend ist, um Mitarbeiterloyalität zu fördern. Genauso ausschlaggebend ist der individuelle, persönliche Austausch zwischen der Führungskraft und ihrem Mitarbeiter, wobei die jeweiligen Verhaltensweisen im Mittelpunkt stehen. Eine Führungskultur, die auf Kommunikation, Respekt und Anerkennung basiert, führt zu Mitarbeiterbindung. Indem sie Verbun- <?page no="103"?> 3.4 Führungskraft: Erzielung von Mitarbeiterloyalität und -bindung 103 denheit gegenüber dem Unternehmen demonstrieren, erhalten Führungskräfte Loyalität von ihren Mitarbeitern zurück. Während sich zahlreiche Bindungsinstrumente auf die Faktoren konzentrieren, die ursächlich für das Verlassen des Unternehmens sind, untersuchen und empfehlen wir Maßnahmen, die zu Loyalität führen. Damit Unternehmen langfristige Erfolge aufweisen können, sollte Führung authentisch sein. Authentische Führungskräfte verfügen über eine ausgeprägte Selbstwahrnehmung sowie ein reflektiertes Bewusstsein ihres eigenen Verhaltens. Ein positives Führungsverhalten fördert die persönliche Entwicklung von Mitarbeitern. Darüber hinaus fokussieren authentische Führungskräfte die Stärken ihrer Mitarbeiter und bemühen sich um eine unterstützende Arbeitsatmosphäre, welche sowohl zu zufriedenen Mitarbeitern als auch zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit führt. Dieser loyale Führungsstil hat positive Auswirkungen auf die Einstellungen der Mitarbeiter, da die Motivation, Zufriedenheit sowie die Loyalität auf Mitarbeiterseite gefördert werden. Somit hat die Authentizität der Führungskräfte nicht nur einen Einfluss auf die Zufriedenheit und Performance der Führungskraft selbst, sondern ebenso auf die Mitarbeiter. Diese Vorbildfunktion, welche sich durch Transparenz, Optimismus, Zuversicht und einer gesunden Resilienz verfügt, wirkt sich direkt auf den Identifikationsprozess von Führungskraft und Belegschaft aus. Diese loyale Arbeitsbeziehung basiert auf einem respektvollen Umgang miteinander, Vertrauen und einer gemeinsamen Wertvorstellung, die das Wohlbefinden aller verbessert. Die Bindung der Mitarbeiter erfolgt dabei aufgrund der Förderung des Arbeitsengagements sowie der Identifikation mit dem Team und drückt sich in den alltäglichen Umgangsformen sowie in Maßnahmen und Entscheidungen seitens der Führung aus. Während sich die authentische Führung an dem Selbstbewusstsein und der Selbsterkenntnis der Führungskraft orientiert, steht bei der transformationalen Führung eine positive, motivierende Vision im Vordergrund. Die Vision unterstützt die Entwicklung der Mitarbeiter und des gesamten Unternehmens durch ein definiertes Ziel, Inspirationen und Ideen sowie durch die Wahrnehmung der Bedürfnisse der Mitarbeiter. Die Führungskraft nimmt dabei die Rolle eines Visionärs ein, mit dem sich die Mitarbeiter identifizieren können. Das gemeinsame Hinarbeiten auf organisationale Ziele berücksichtigt den einzelnen Mitarbeiter, indem sowohl individuelle als auch Teambedürfnisse betrachtet und bei Entscheidungen einbezogen werden. <?page no="104"?> 104 3 Führungskompetenz braucht Loyalität Mitarbeiter sind insbesondere dann loyal gegenüber ihrem Unternehmen, wenn sie das Gefühl haben, dass Interesse an ihrem Wohlbefinden besteht. Eine positive Wahrnehmung seitens der Führungskraft führt folglich zu einer höheren Verbundenheit und Identifikation. Da Führung und Mitarbeiterbindung eine komplexe, vielschichtige Beziehung zwischen der täglichen Kommunikation und Handlungen der Führungskraft und den Erwartungen der Mitarbeiter darstellen, ist die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen nicht nur abhängig vom Mehrheitsentscheid im Team, sondern gleichfalls von jedem einzelnen Mitarbeiter. Demnach müssen die Führungskräfte die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter erkennen, um entsprechend zu reagieren und geeignete Maßnahmen anzuwenden. Legen wir auch hier das Prinzip der Reziprozität zugrunde, revanchieren sich Mitarbeiter mit Loyalität, wenn die Führungskraft sie mit Maßnahmen, die ihnen wichtig sind, unterstützt. Offensichtlich haben viele Führungskräfte eine irrtümliche Ansicht von Mitarbeiterloyalität und vertreten die Meinung, dass Fluktuation vielmehr aufgrund von schlechter Bezahlung erfolgt und sie die Entscheidung von Mitarbeitern nicht beeinflussen können. Um diesen Irrtum zu widerlegen, dient eine detaillierte Untersuchung des konkreten, alltäglichen Führungsverhaltens am Arbeitsplatz der Aufdeckung von Strategien und Maßnahmen, um langfristige Loyalität und Bindung von Mitarbeitern zu erzeugen. Um Mitarbeiter in ihrer Entscheidung für oder gegen das Unternehmen zu beeinflussen und eine positive Grundhaltung herbeizuführen, gilt es Mitarbeiter zu motivieren, eigenständig Ideen einzubringen und aktiv nach innovativen Problemlösungen zu forschen. Um eine loyale Wechselbeziehung zwischen Mitarbeiter und Führungskraft zu ermöglichen, muss Vertrauen bestehen. Ihre positive und profitable Beziehung basiert auf gegenseitigem Respekt, Kooperation, Loyalität und Verlässlichkeit. 3.5 Loyale und zufriedenstellende Arbeitsbeziehungen Wenn wir uns Studien ansehen, was Menschen im Leben an sich und im Arbeitsleben glücklich macht, auch auf kritische Faktoren hin untersucht, bleibt immer eines sichtbar: Gelingende Beziehungen sind der Zufriedenheitstreiber Nummer eins. Das Bedürfnis nach Bindung und Zugehörigkeit ist das erste und vermutlich stärkste Motiv, welches Menschen antreibt. Gut, dass auch immer mehr Management-Forscher dies erkennen und folglich in Unternehmen nicht blindlings Teams bilden und auf gemeinsame Ziele hinarbeiten, sondern der Fokus immer mehr dahin gerichtet wird, deutlich tiefere Bindungen zu entwickeln und entstehen zu lassen. <?page no="105"?> 3.5 Loyale und zufriedenstellende Arbeitsbeziehungen 105 Schon 2014 hat die Boston Consulting Group auf die Frage „Was macht Sie glücklich bei der Arbeit? “ diese Top-4-Faktoren herausgefunden: - Wertschätzung ür meine Arbeit gute Beziehung zu meinen Kollegen gute Work-Life-Balance gute Beziehung zu meinem Vorgesetzten Es geht stets, direkt oder indirekt, um die Beziehungsqualität. Zwar können wir uns auch selbst wertschätzen, doch im Grunde genommen hegen wir diesen Wunsch, Zuneigung zu erfahren, permanent an andere. Dazu gehört auch, dass die Arbeit es über den beruflichen Kontext hinaus ermöglichen soll, auch eine gute Beziehung zu Menschen zu pflegen, mit denen nicht zusammengearbeitet wird. Und wenn wir ganz genau hinsehen, hängen die Punkte 1 und 4 unmittelbar miteinander zusammen. Auch wenn viele Führungskräfte dies verinnerlicht haben, stehen sie weiterhin vor der Aufgabe, für unterschiedliche Typen und Charaktere unter den Mitarbeitern verschiedene Wege zur Überbringung von Wertschätzung zu finden, um sicherzustellen, dass ihre Botschaft wirklich ankommt und angenommen wird. Genau das, ihre Aufmerksamkeit dahin zu lenken, ihre Kommunikation entsprechend empfängerorientiert anzupassen, ist eine originäre und im höchsten Maße sinnstiftende Führungsaufgabe. Eine wesentliche Voraussetzung für Wertschätzung ist Respekt. In Hinblick auf Organisationen haben die Forscher Kristie Rogers und Blake Ashforth 2017 zwei relevante Arten von Respekt unterschieden: den geschuldeten Respekt und den verdienten Respekt. Geschuldeter Respekt ist eng mit dem Grundgedanken der Würde verwandt. Das heißt, allein Teil einer Organisation zu sein, erklärt das Recht darauf, von allen Mitgliedern der Organisation mit Anstand behandelt zu werden, qua Zugehörigkeit sozusagen. Verdienter Respekt wird dagegen solchen Mitarbeitern gezollt, die einen außergewöhnlichen Beitrag für die Organisation und damit für den gemeinsamen Erfolg geleistet haben und leisten. Im Sinne einer motivierenden und loyalen Unternehmenskultur empfiehlt es sich, beide Formen des Respekts sorgsam auszubalancieren. Während es ohne ein gesundes Maß an geschuldetem Respekt kein loyales Miteinander geben kann, führt die Überstrapazierung dieser Art des Respekts möglicherweise zu einer gewissen Trägheit innerhalb der Organisation. Demgegenüber führt die Überbetonung der verdienten Respektvariante auf Dauer zu mehr Konkurrenzdenken und damit zu einer potenziell zerstörerischen Gefahr für die Unternehmenskultur. <?page no="106"?> 106 3 Führungskompetenz braucht Loyalität Abb. 10: Führungsverhalten - Wunsch und Wirklichkeit Quelle: Hochschule Niederrhein. Wirtschaftswissenschaften, Empirische Studie „Führungskultur in Deutschland“: Management Summary, September 2016 <?page no="107"?> 3.5 Loyale und zufriedenstellende Arbeitsbeziehungen 107 Während es den meisten Führungskräften leichtfällt, verdienten Respekt zu transportieren, verhält es sich beim geschuldeten Respekt ganz anders. Hier liegt der Schlüssel darin, die anzuerkennende Leistung von der zu respektierenden Person selbst zu trennen. Werden Mitarbeiter vorrangig für ihre reine Leistung honoriert, entartet dieser Respekt zu einem Mittel der Instrumentalisierung. Doch wir sind in der Lage - und nach diesen Erkenntnissen mögen Sie auch willens sein, den Menschen unabhängig von seiner Leistung wertzuschätzen, in seinen Besonderheiten zu akzeptieren und zu achten; unabhängig davon, was dieser Mensch gerade leistet. 3.5.1 Der Netzwerkgedanke innerhalb loyaler Führung und Zusammenarbeit Gelingende Beziehungen nennt Jane Dutton, Professorin an der Ross School of Business in Ann Arbor, Michigan, „High-Quality Connections“, also hochqualifizierte Verbindungen. Im Einzelnen bezeichnet sie damit kurze und potenziell wiederkehrende Momente des Verbundenseins, die sich für die Menschen gut anfühlen und zudem positive Konsequenzen mit sich bringen - sowohl für die Personen selbst wie auch für die Unternehmung, der sie angehören. Es geht hier nicht um gute Beziehungen von Dauer, sondern um kurzzeitige Erfolgsmomente miteinander, wie ich sie in manchen Mentorings erlebe, wenn mein Gegenüber über eine Sache neue Klarheit gewinnt oder sich für schier unlösbar gehaltene Probleme unvorhergesehene Lösungswege auftun. Tatsächlich können wir eine solche temporäre Form der Verbindung selbst mit Menschen erleben, die wir nicht sonderlich mögen - indem wir bewusst darauf hinarbeiten. Die High-Quality Connections zeichnen sich durch drei Merkmale aus:  ein Gefühl von Vitalität und Energie im Kontakt  Achtung und Respekt im Geben und Nehmen  ein erhöhtes Maß an Verbundenheit und Vertrauen Für Unternehmen bilden die High-Quality Connections einen wertvollen Rohstoff mit großem Erfolgspotenzial:  Sie (ver-)tragen mehr Emotionalität und fühlen sich authentisch für die Beteiligten an.  Sie sind resilienter, also flexibler und belastbarer, hinsichtlich innerer und äußerer Störungen.  Sie weisen eine höhere Konnektivität auf, das heißt, es existiert ein größeres Maß an Bereitschaft, sich von neuen Gedanken berühren und inspirieren zu lassen. <?page no="108"?> 108 3 Führungskompetenz braucht Loyalität Und das Beste: High-Quality Connections lassen sich aktiv initiieren, unabhängig davon, wie es um die allgemeine Beziehungsqualität steht. Dazu muss mindestens einer der Partner in Vorleistung gehen. Vier Verhaltensweisen im sozialen Umgang sind für die Entstehung solcher Verbindungen dienlich:  Respekt : Selbst, wenn jemand bisher keinen Grund gesehen hat, einem bestimmten Menschen bei der nächsten Begegnung mit mehr Achtung entgegenzutreten, kann die Entscheidung dazu bewusst getroffen werden.  Vertrauen : Über das Maß, in dem sich jemandem anvertraut wird und wie viel Glaubwürdigkeit diesem anderen Menschen zugesprochen wird, entscheidet jeder selbst.  Spiel : Gerade, wenn es mal ernst wird, kann es enorm hilfreich sein, spielerische Elemente in eine Beziehung einfließen zu lassen, um die Situation, vor allem aber sich selbst, nicht so ernst zu nehmen.  Unterstützung : Im schönen englischen Wort Enabling ausgedrückt, ist diese aufgabenbezogene Unterstützung wohl das mächtigste Werkzeug zur Initiierung einer High-Quality Verbindung. Wer Kollegen freimütig bei ihren alltäglichen Aufgaben unterstützt (auch und gerade über den Eigennutzen hinaus), stärkt die Beziehungsqualität. Dieser Aspekt folgt der Reziprozität, vereinfacht gesagt dem Ausgleich von Geben und Nehmen. Das wichtigste Fazit für Führungskräfte ist hier, dass Beziehungen niemals unwiderruflich festgefahren sind. Alles ist im Wandel und alles fließt. Demzufolge können Sie sich jederzeit entschließen, ein wenig in Vorleistung zu gehen, um das Niveau einer Beziehung zu verändern. Sie können aktiv ein Stück weit mehr respektieren, mehr vertrauen und Menschen ein bisschen mehr als 50 Prozent des Weges entgegengehen. Denn: Sie haben als Führungsmensch jederzeit die Möglichkeit, angenehm anders zu sein als alle anderen! 3.6 Feedback in einer loyalen Unternehmenskultur Niemand erhält genug Feedback. Ohne die Reaktionen und Rückmeldungen unserer Mitmenschen würden wir praktisch blind durchs Leben laufen. Wir hätten keine Möglichkeit, uns selbst zu erkennen und im Kontext unserer Umgebung einzuordnen. So, wie wir unsere Sinnesorgane dazu nutzen, um uns in unserer physischen Umwelt zu orientieren, so hilft uns das Feedback anderer Menschen, unseren Platz in den Gruppen und sozialen Systemen zu erkennen und einzunehmen. Auf die Arbeitswelt bezogen <?page no="109"?> 3.6 Feedback in einer loyalen Unternehmenskultur 109 heißt das, dass wir ohne diese wertvollen Rückkoppelungen orientierungslose - und unter Umständen hilflose - leere Hüllen wären. Dr. Nico Rose erklärt den Begriff Feedback in seinem Buch Führen mit Sinn präzise als „Be-Deutung“. Gemeint ist damit, mittels Feedback Zusammenhänge herzustellen und Muster in unserem Handeln zu erkennen. Sicherlich wird in der Berufswelt mit Feedback die Steigerung unserer Leistung beabsichtigt und um uns aufzuzeigen, welches der „richtige“ Weg zu unserem Ziel ist. Doch die Relevanz, der Wert, den wir durch erhaltenes Feedback bekommen, geht weit darüber hinaus. Ohne Feedback, so schreibt Nico Rose es sinngemäß, wären wir in einer Organisation „sinn(es)los“. Als er 2019 über 900 deutsche Arbeitnehmer befragte, welche Störfaktoren ihnen am häufigsten die Arbeitsfreude verderben, lag der Aspekt „kaum Rückmeldung zu meiner Arbeit“ auf den Plätzen vier und ünf nach dem Fehlen von Ressourcen wie Budget, fehlenden Karriereperspektiven und einem Mangel an Vertrauen ins Topmanagement. Die zwei Plätze vier und ünf ergaben sich daraus, weil Rose getrennt nach Wertschätzung und konstruktiv-kritischem Feedback (Lernchancen) gefragt hatte. Interessant war dabei, dass der Wunsch nach kritischer Rückmeldung sogar das Verlangen nach Seelenmassage überwog. In der tiefergehenden Analyse stellte sich heraus, dass beide Formen von Feedback wesentlich daür verantwortlich sind, ob die eigene Führungskraft als erstklassig oder eher als Flop beurteilt wird. Im täglichen Arbeitsleben bleibt Feedback bis heute ein unterschätzter Faktor. Schauen wir uns näher an, woran das liegen mag, wird schnell offensichtlich: Geplante Mitarbeitergespräche, strukturierte Feedback- Prozesse, die berühmt-berüchtigten Jahresgespräche sind schlichtweg unbeliebt - auf beiden Seiten. Sie fühlen sich falsch an, konstruiert, nicht authentisch und irgendwie immer deplatziert. In nur wenigen Situationen werden uns Statusunterschiede so deutlich vor Augen geführt wie hier. „Gefangen“ in dieser Situation soll ein Fragebogen sichtbar machen, wo ein Mensch eingeordnet wird, wo Wertschätzung berechtigt scheint und wie viele Entwicklungsfelder noch offen sind, um wirklich alle Potenziale - die gefühlt auch noch die letzte Lebensenergie kosten - auszuschöpfen. Eine misslungene Ausgangsbasis für loyale Zusammenarbeit, wenn keine ausreichende Vertrauenskultur vorliegt. Denn selbst, wenn eine Rückmeldung größtenteils positiv ausällt, funktioniert unser Gehirn so, dass wir fast ausschließlich auf die negativen Botschaften achten. Dieser uralte Instinkt hindert uns daran, das Gute an uns heran zu lassen. Das müssen wir lernen! Bevor wir das können, lösen Feedback-Gespräche also automatisch Unsicherheit in uns aus. Sie bedro- <?page no="110"?> 110 3 Führungskompetenz braucht Loyalität hen unseren Status, unsere Position und torpedieren Geühle wie Sicherheit, Autonomie, Verbundenheit und Fairness. Was können Sie also tun, um den Dialog mit Ihren Mitarbeitern auf eine gesunde und loyale Basis zu stellen und vielmehr auf Augenhöhe zu ühren? Wer mich schon länger kennt oder schon mit mir zusammengearbeitet hat, weiß, wie überzeugt ich von dem DNLA-Potenzialanalyse-Verfahren bin, das ich mit loyalworks® anbiete. Damit mache ich sehr positive Erfahrungen: Immer mehr Menschen öffnen sich und haben Lust, ihre Persönlichkeit zu explorieren und sich selbst zu verbessern. Sind sie bereit, an unserem Online-Verfahren teilzunehmen, erhalten sie eine valide, objektive und reliable Standortermittlung ihrer sozialen Eigenschaften, die ihre Führung ausmachen - aufgrund derer sie konkrete Entwicklungsfelder identifizieren und denen sie sich in eigenem Ermessen widmen können. Das DNLA-Verfahren setzt drei grundsätzliche Anforderungslinien an Führungskräfte an:  Führungsqualität  Kooperation und Konsens  Unternehmerisches Handeln Das Problem, unter dem viele Unternehmen heute noch leiden, ist ein unflexibles und nicht mehr zeitgemäßes Führungsverhalten. Es geht nicht nur darum, die Beziehung und den Umgangsstil zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern zu optimieren. Egal, ob es sich um den alten, autoritären Stil in seiner reinen Form oder in den Varianten „Harzburger Modell“ oder der Steigerung von persönlicher Ausstrahlung und Charisma handelt, ob es der kooperative, der situative oder der partizipative Führungsstil ist: dies sind alles Überlegungen aus der Welt der monolithischen Unternehmen. In der neuen Arbeitswelt bestimmen die Anforderungen des integrativen Führungsstiles mit den drei großen Bereichen Führungsqualität, Kooperation und Konsens sowie Unternehmerisches Denken (und Handeln) das Geschehen. Führungsqualität Betrachten wir den ersten wichtigen Pfeiler der integrativen Führung. Es ist klar, dass beim heutigen Lohnniveau und bei den Anforderungen an die Qualität, den Mitarbeitern (sowohl Führungskräften als auch Teammitgliedern) eine zentrale Rolle eingeräumt werden muss. Die schönsten Stra- <?page no="111"?> 3.6 Feedback in einer loyalen Unternehmenskultur 111 tegien und raffiniertesten Verkaufsmethoden taugen wenig, wenn die Mitarbeiter nicht ermächtigt oder nicht willens sind, sie umzusetzen. Das heißt: Entscheidungen müssen mit höchster Identifikation von allen getragen werden, sonst sind sie wirkungslos. Trotz dieser Erkenntnisse wollen viele Führungskräfte die veränderte Situation nicht wahrhaben oder ignorieren diese - ich nehme an, aus Bequemlichkeit. Dabei werden die Folgen solcher Einstellungen eine nie gekannte Unbequemlichkeit nach sich ziehen. Angesichts dieser harten Fakten kann man nur staunen, wenn man hört: „Es ging doch bisher auch ÷ wir sind auch ohne diese Klugheiten groß geworden.“ Leider höre ich das oft. Und auch wenn es einmal seine Berechtigung hatte - diese Zeit ist jetzt vorbei. Das Ausruhen auf Erfolgsstrategien kostet, früher oder später, Marktanteile. Unternehmen, die sich nicht auf die neuen Erfordernisse einstellen, prognostiziere ich eine so oder so ähnlich lautende Diagnose: Das Top- Management ist etwas abgehoben, der Kontakt zur Basis ist verloren, die Probleme und die Stimmung im Betrieb werden nicht erkannt oder ignoriert. Das führt meist zu ziemlich frustrierten Aussagen aus mittleren Reihen: „Die Entscheidungen werden uns einfach übergestülpt“, „Niemand macht sich die Mühe, uns irgendwelche Veränderungen zu erklären“, „Niemand hört auf unsere Ideen“, „Die wissen doch gar nicht, was sich hier abspielt“ und so weiter. Das allein ist schon schlimm genug. Doch die Folgen sind existenzgefährdend: Mitarbeiter sind demotiviert, Entscheidungen bzw. Strategien werden nicht intelligent ausgeführt, Mitarbeiter blockieren oder sabotieren den Arbeitsablauf. Und selbst das kann so geschehen, dass niemand etwas merkt, dass niemand dafür verantwortlich gemacht werden kann. Bei den heute und in Zukunft notwendigen „schlanken Organisationen“ ist dies von zentraler Bedeutung: Die Produktionsverhältnisse sind so komplex, dass erst durch das Mitdenken und Mitlernen vieler Menschen und durch ständige Verbesserungen ein optimales Ergebnis erreicht werden kann. Dabei ist das optimale Ergebnis nicht das, welches man mit höchster Anstrengung erreicht, sondern das Bessere! In Wettbewerbssituationen der Zukunft wird ein Unternehmen nur noch Bestand haben durch das Mitdenken aller. Wie wir mit diesen Herausforderungen der Zukunft fertig werden In jedem Menschen sind ungeheure Energien vorhanden, die durch die traditionellen Unternehmens- und Führungsstrukturen blockiert bleiben. Dabei besitzen schlecht geführte Unternehmen vergleichbar mehr kreati- <?page no="112"?> 112 3 Führungskompetenz braucht Loyalität ves Potenzial als gut geführte. Aber: Aus Mangel an Motivation, wegen Spannungen, Konflikten, Abschottung und vieler anderer Einflüsse können diese Potenziale nicht nutzbar gemacht werden. Logisch, dass die Gefahr besteht, Marktanteile zu verlieren, wenn durch falsche Führung und damit einhergehendem Mangel an Ausschöpfung von Ressourcen die Qualität der Produkte und Dienstleistungen sinkt. Die Engländer nennen diesen Vorgang „Slow Puncher“, schleichender Plattfuß, weil er nicht gleich bemerkt wird. Umso wichtiger ist es, durch den optimalen Einsatz der vorhandenen menschlichen Ressourcen, Wettbewerbsvorteile zu sichern. Und zwar so, dass es allen im Unternehmen besser geht. Dies kann nur mit einer integrativen, loyalen Führungskonzeption realisiert werden. Loyale Führung gewährleistet, dass man nicht in eine Form der Zusammenarbeit zurückfällt, die einen Teil der Fähigkeiten aller Mitarbeiter ungenutzt lässt. Kooperation und Konsens Der zweite integrative Pfeiler der loyalen Führung ist Kooperation und Konsens, auch Konsens-Management genannt. Man versteht darunter das Herbeiführen von Einigkeit über das gemeinsame Vorgehen bei unterschiedlichsten Personen/ Gruppen. Ohne dieses gemeinsame Grundverständnis können wir noch lange nicht zu weiterentwickelten Formen wie der Kokreation kommen. Als Führungskraft dürfen Sie sich eingestehen: Nur wenige Dinge können Sie alleine erledigen; insbesondere bei komplexen Vorhaben sind Sie auf die Zusammenarbeit und die Unterstützung anderer Personen angewiesen. Um diese Unterstützung zu bekommen, kommen Führungskräfte mit traditionellen Machtmitteln wie „Belohnung“ oder „Bestrafung“ nicht mehr weit. Erstens deswegen nicht, weil der Spielraum dafür zu Recht immer weiter eingeengt wurde, und zweitens nicht, weil viele der Betroffenen heute einfach nicht mehr unterstellt sind und sie somit keinerlei hierarchische Macht über sie haben. Drittens ist heute der Konsens mit Personen ausschlaggebend, der in alle Richtungen, nach oben, nach unten, und vor allem zur Seite gerichtet ist ÷ wenn wir das Bild alter Organisationsstrukturen betrachten. Als Führungskraft dürfen und müssen Sie sich in diesem kooperativen Beziehungsgefüge persönlich stärker einbringen. Denn erst durch gegenseitiges Vertrauen und den Aufbau von Loyalität können Ihre Netzwerke und Beziehungen leben und funktionieren. Da kooperative Vorhaben nicht selten Menschen und Gruppen mit unterschiedlichen Methoden, Kulturen und Mentalitäten zusammenführen, hän- <?page no="113"?> 3.6 Feedback in einer loyalen Unternehmenskultur 113 gen gute Ergebnisse weitgehend vom Einfühlungsvermögen der Führungskraft ab, also von der Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, deren Ziele und Sprache zu verstehen. Sie persönlich, und das gilt für alle Führungskräfte, müssen Schritt für Schritt immer mehr Talent entwickeln, die Reaktionen anderer zu antizipieren. Sie lernen zu erkennen, aus welchem Blickwinkel Ihre Teammitglieder neue Ideen oder Projekte sehen und bewerten. Auch in Zukunft bleibt es Führungsaufgabe, Ideen oder Maßnahmen so darzustellen, dass ein von allen getragener Konsens gefunden wird, denn auch andere Führungskräfte bringen ihren Leistungsanteil zur Erreichung der Unternehmensziele ein. Dazu kann auch das Loslassen von eigenen „Lieblingsvorhaben“ gehören. Unternehmerisches Denken und Handeln Der dritte integrative Pfeiler loyaler Führung ist, dass jeder Manager, jeder Teamleiter, jeder Gruppenleiter im Unternehmen so handelt, als wäre es sein eigenes Unternehmen, als wäre er allein für den Erfolg verantwortlich. In traditionellen Organisationen war das unternehmerische Handeln dem Top-Management vorbehalten und damit die Welt so einfach. Es genügte, wenn einige wenige Personen im Unternehmen so qualifiziert waren, dass sie weit reichende Entscheidungen einigermaßen richtig fällen konnten. Heute müssen praktisch alle Mitarbeiter - nicht nur Führungskräfte - in der Lage sein, unternehmerisch zu denken, zu handeln und richtige Entscheidungen zu fällen. Diese Aufgabe erfordert es, tiefes Verständnis für die Unternehmensziele zu entwickeln, denn diese sind oft abstrakt und der Nutzen nicht gleich erkennbar: - „Kosten um 10 % reduzieren“, - „Marktanteile um 3,8 % erhöhen“. - „Produktentwicklung XYZ um 14 Wochen verkürzen“ usw. Solche Zielsetzungen mit genau denjenigen Maßnahmen umzusetzen, die zur Zielerreichung führen, erfordert strategisches, innovatives, von hohem Fachwissen und sozialer Kompetenz getragenes Handeln. Es erfordert ein Gespür für die Machbarkeit von Vorhaben wie auch eine flexible, auf die jeweiligen Gegebenheiten eingehende und gleichzeitig präzise Planung. Die dabei zu bewältigenden Probleme sind neuartig und von hoher Komplexität; viele Aufgaben müssen in kongruente Abläufe gebracht werden; vielschichtige, vernetzte Aufgaben müssen überblickt werden können. <?page no="114"?> 114 3 Führungskompetenz braucht Loyalität Genau dieser Überblick, die Ableitung konkreter Maßnahmen aus dem übergeordneten Ziel, ist die Grundlage des Konsens-Managements. Wenn Übereinstimmung über die gemeinsamen Ziele erreicht worden ist, sind alles andere im Wesentlichen nur noch technische Fragen, die in der Regel durch sachliche Entscheidungen gelöst werden können. Dann ist die Basis für Überzeugungskraft und Integration aller Kräfte auf das gemeinsame Ziel vorhanden. Integrative Führung Wie oft haben Sie sich bei Entscheidungen, die Sie getroffen oder an denen Sie mitgewirkt haben, gefragt: „Wie ‚verkaufe‘ ich das meinen Mitarbeitern? Wie kann ich sicherstellen, dass sie sich für meine Entscheidungen engagieren? “ In Zukunft werden Sie sich diese Fragen anders stellen: 1. „Wie kann ich sicherstellen, dass hoch qualifizierte, unabhängige, selbstbewusste Menschen in die gleiche Richtung gehen und die erforderlichen Aufgaben mit höchster Leistungsmotivation erledigen? “ 2. „Wie kann ich meine Mitarbeiter zu eigenverantwortlichen Mitgestaltern machen? “ 3. „Wie kann ich bei meinen Mitarbeitern Kompetenz, Motivation, Kooperation, Zielorientierung und Organisation fördern? “ Zu den übergeordneten Führungsqualitäten gehören viele einzelne Faktoren, die ich hier in ihrer Wirkung und Auswirkung beschreiben möchte. Faktorbeschreibung Führungsqualitäten Autorität Eine gewisse Autorität des Führenden auf der einen Seite und Achtung bzw. Respekt der Geführten auf der anderen Seite ist eine Vorbedingung erfolgreicher Führung. Der Vorgesetzte muss das Verhalten seiner Mitarbeiter beeinflussen und lenken. Dies wiederum setzt einen gewissen Grad an Folgebereitschaft der Mitarbeiter voraus. Diese Bereitwilligkeit, zu folgen, ist insbesondere dann wichtig, wenn es um schwierige Dinge geht, die bei Mitarbeitern zunächst Widerstände hervorrufen, wie das Einhalten von Regeln, neue Anforderungen, das Eingehen von Risiken und Vergleichbares. Delegation von Verantwortung Führen bedeutet unter anderem, Aufgaben durch andere erledigen zu lassen. Zu diesem Zweck werden Mitarbeitern Aufgaben übertragen oder im Team aufgeteilt. Für die Zuteilung der Aufgaben können un- <?page no="115"?> 3.6 Feedback in einer loyalen Unternehmenskultur 115 terschiedliche Kriterien herangezogen werden: Entweder hält der Hauptverantwortliche alle Fäden in der Hand und delegiert nur Bruchstücke, oder er überlässt die volle Ausführung mit der vollen Verantwortung einem Mitarbeiter oder einem Team. Je nach Reifegrad oder Qualifikation des Mitarbeiters ist die passende Art der Delegation zu wählen. Darüber hinaus wird im Zuge der Umstellung auf agile Prozesse vielfach eine verstärkte Delegation notwendig. Unsere Erkenntnisse zeigen, dass es grundsätzlich ein motivierender Faktor ist, Verantwortung übertragen zu bekommen, der sich immer wieder als hochwirksam herausstellt. Einbeziehung Ein Problem, das sich durch viele Unternehmen und Hierarchieebenen hindurchzieht, ist eine gewisse Gleichgültigkeitshaltung der Mitarbeiter, die ich mir durch mangelnde Einbeziehung in Ziele, Planungen und Veränderungen erkläre. Obwohl vielerorts brillante Projekte und Strategien ausgearbeitet werden, ziehen manche Betroffene nicht mit. So werden die gesteckten Ziele nicht erreicht oder erst viel später. Deshalb ist meine Empfehlung, Betroffene zu Beteiligten zu machen. Legitimation Führung im Sinn von Forderung wird von Mitarbeitern in der heutigen Zeit logischerweise nicht vorbehaltlos akzeptiert, und wenn, am ehesten dann, wenn sie als legitim erlebt wird. Der Vorgesetzte sollte deshalb durch sein Vorbild, durch seinen Einsatz für die Mitarbeiter und durch seine Erfolge Vertrauen und Glaubwürdigkeit erwerben und dauerhaft diese Art des Loyalitätsaufbau einsetzen. Das entstehende Loyalitätsverhältnis wird zum „Legitimationskonto“: Wenn Vertrauen und Glaubwürdigkeit vorhanden sind, verbinden Mitarbeiter erfahrungsgemäß Verantwortungsbefugnisse auf die Führungsperson. Ohne diese Legitimation kann zwar Macht ergriffen werden, wirkt in diesem Fall aber nur unter Druck und wird sofort in Frage gestellt, wenn Schwierigkeiten entstehen. Leistungsforderung Ohne einen gewissen Leistungsdruck werden keine dauerhaften Erfolge erzielt. Erfolgreiche Unternehmen beweisen, dass besondere Leistungen hauptsächlich dann erbracht werden, wenn Ziele hoch angesetzt und mit maßvollem Druck verfolgt werden. Ein angemessener Druck besteht meines Erachtens darin, dass der Zielerreichung eine höhere Bedeutsamkeit eingeräumt wird als der Bequemlichkeit oder niedrigeren Leistungsmaßstäben einzelner Beteiligter. Das gemeinsame Ziel steht über allem. <?page no="116"?> 116 3 Führungskompetenz braucht Loyalität Mitarbeiterentwicklung Die persönliche und berufliche Weiterentwicklung von Mitarbeitern ist wichtig, um einerseits die Motivation auf einem hohen Stand zu halten und andererseits möglichst hoch qualifizierte Mitarbeiter im Unternehmen zu haben und zu halten. In meiner Bobachtung wird die Weiterentwicklung häufig nur im fachlichen Bereich gefördert. Doch (je nach Art der Tätigkeit) halte ich es für noch wichtiger, Potenziale im Bereich der sozialen Kompetenz und Kommunikation aufbzw. auszubauen. Selbstvertrauen Gelingende Führung hängt stark mit der Selbstsicherheit und dem Selbstvertrauen zusammen. Wenn eine Führungsperson ihren Mitarbeitern ständig signalisieren würde, dass sie selbst an ihrer Erfahrung zweifelt oder sich unsicher ist, ob die vorgegebene Richtung stimmt oder ob ihr Tun und Handeln akzeptiert werden, ginge schnell das Vertrauen ihrer Mitarbeiter verloren. Sicherheit und Vertrauen sind in meinen Augen maßgebliche Orientierungshilfen für Mitarbeiter, die wir ihnen als Leitfiguren schuldig sind. Sie bilden außerdem ein wichtiges Vorbild und eine nachhaltige Motivationsquelle. Verantwortung für Mitarbeiter Trotz ihrer Führungsposition lehnen es manche Vorgesetzte ab, für ihre Mitarbeiter Verantwortung zu übernehmen. Führung heißt allerdings, solche Strukturen und Fähigkeiten innerhalb eines Unternehmens zu schaffen, um erfolgreiches Arbeiten zu gewährleisten. Führende sollten sich meines Erachtens hauptsächlich darum kümmern, dass Potenziale aufgedeckt und entwickelt werden. Das bedeutet unter Umständen, Sachaufgaben hintanzustellen und sich in erster Linie um seine Mitarbeiter zu kümmern. Die Verfügbarkeit und Erreichbarkeit der Führungskraft sind somit Grundvoraussetzung für loyale Führung - und werden von den Mitarbeitern geschätzt. BEREICH KOOPERATION UND KONSENS Einfluss Der Aufbau von guten Beziehungen in einem Unternehmen und darüber hinaus gehört nach Untersuchungen der Harvard Business School zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren. Oft ist es nicht die bessere Idee, die zählt, sondern die Akzeptanz der Person, die diese Idee durchzusetzen versucht. Die Grundlage dafür ist, sich mit wichtigen und relevanten Personen vertraut zu machen und tragfähige Beziehungen zu ihnen aufzubauen. <?page no="117"?> 3.6 Feedback in einer loyalen Unternehmenskultur 117 Identifikation Übereinstimmung und Commitment mit Zielen und Aufgaben ist für Führungskräfte aus zweierlei Gründen notwendig: Erstens, um die eigenen Energien und Ideen auf die Ziele hin zu fokussieren und zweitens, um andere Menschen für dieses Ziel zu überzeugen und zu begeistern. Aus meiner Sicht ist eine spürbar hohe Identifikation mit den Zielen und Aufgaben des Unternehmens darüber hinaus ein ausschlaggebender Faktor für das Vertrauen, das einer Führungskraft entgegengebracht wird. Image Wer Anerkennung und Einfluss gewinnen will, benötigt ein charakteristisches Image. Optimalerweise können Kennzahlen und Erfolge dieses untermauern. Mit jedem Auftritt wird so Kompetenz ausgestrahlt, so dass einer solchen Person ganz natürlich und selbstverständlich weitere Verantwortung zugetraut wird. Aus diesem Grund ist es gerade für neue Führungskräfte wichtig, eine positive Erfolgsbilanz aufzubauen. Kommunikationsbereitschaft Im Kampf um Finanzmittel für Projekte, bei Veränderungen in der Organisationsstruktur, bei Planänderungen, wenn es um Vorteile für den eigenen Arbeitsbereich oder um den Aufstieg in höhere Positionen geht, spielen sich nicht selten unschöne Dinge ab. Um nachhaltigen Erfolg zu gewährleisten, ist eine Haltung, die Offenheit zu verschiedenen Vorgehens- und Sichtweisen ausstrahlt, von Vorteil. Konfliktverhalten Meinungsverschiedenheiten gehören zum Leben und sind besonders in Führungs- und Verantwortungssituationen allgegenwärtig. Ständig sind Entscheidungen erforderlich, für die nicht immer alle Kriterien und Einlussgrößen überblickt werden können. Deshalb steht oft Meinung gegen Meinung. Entscheidend ist, wie Sie mit diesen Situationen umgehen. Hier gibt es ein breites Verhaltensspektrum von der weitgehenden Konfliktvermeidung bis zum rigorosen Durchsetzen der eigenen Auffassung. Erfolgsreiche Führungskommunikation bedeutet, die Flexibilität im Kopf und damit den Spielraum an Handlungsoptionen zu erweitern. Konsensbildung Bei organisatorischen Veränderungen kommt meist Bewegung in die Machtstrukturen eines Unternehmens. Konsens zu erzielen, steht dann erhöhten Herausforderungen gegenüber, denn die Beteiligten fürchten einen Autoritätsverlust. Gerade deshalb benötigt Konsensbildung viel <?page no="118"?> 118 3 Führungskompetenz braucht Loyalität Verhandlungsgeschick und bedeutet, mit allen Beteiligten in den bedeutenden und arbeitsspezifischen Fragen Übereinstimmung anzustreben. Kooperation Fast jedes Vorhaben ist eine Teamleistung und damit auf die Zusammenarbeit aller Ebenen angewiesen. Kooperation findet am leichtesten in guter Atmosphäre und unter bereitwilligen Teilnehmern statt. Doch auch über den vertrauten Rahmen hinaus muss Kooperation gelingen, also auch mit wenig bekannten Personen, über Abteilungsgrenzen hinweg und in schwierigen Situationen. Machtverhalten Unternehmen unterliegen gruppendynamischen und machtpolitischen Prozessen. Deshalb ist es verständlich, dass nicht alle Entscheidungen nach sachlich-rationalen Gesichtspunkten getroffen werden. Als Führungskraft ist es daher wichtig, diese Strukturen zu verstehen. Tatsächlich werden sie vielerorts ausgenutzt, oft nicht verstanden und infolgedessen innerlich abgelehnt. Im letzten Fall ist es allerdings schwierig, Projekte durchzusetzen und zum Erfolg zu kommen. Personenorientierung Zumindest theoretisch kann man Tätigkeiten in zwei Kategorien einteilen: Umgang mit Dingen oder Umgang mit Menschen, woraus unterschiedliche Anforderungen und Arbeitsstile resultieren. Manche Menschen fühlen sich wohl, wenn sie volle Kontrolle über ihre Arbeit haben und nach einem logischen, systematischen Schema vorgehen können. Andere wiederum fühlen sich im Umgang mit Menschen wohl, bei dem die Erzielung von Ergebnissen teilweise ungeklärt und nachrangig bleibt. Teamarbeit Die Komplexität der heutigen Aufgaben verlangt enge Teamarbeit und einen integrativen Führungsstil. Dennoch gibt es weiterhin Arbeitsplätze, an denen hauptsächlich Einzelarbeit gefordert wird. Für die Effizienz ist es wichtig herauszufinden, ob das Gewicht auf der Teamarbeit oder der Einzelarbeit liegt. Beides hat seine Berechtigung. <?page no="119"?> 3.6 Feedback in einer loyalen Unternehmenskultur 119 BEREICH UNTERNEHMERISCHES DENKEN Anspruchsniveau Wenn Leistungen gefordert werden, kann man sich entweder mit einem niedrigen Standard zufriedengeben oder versuchen, das Beste und Qualifizierteste zu erreichen, abhängig von den Rahmenbedingungen. In jedem Fall gibt es ein bestimmtes Anspruchsniveau, das eine Person typischerweise an die eigenen Leistungen stellt. Ein hohes Anspruchsniveau ist dabei vor allem in denjenigen Situationen leistungsfördernd, in denen es keine festen Bewertungskriterien gibt. Informationsverhalten Führungskräfte fungieren auch als „Schaltstelle“, als Kommunikationszentrum, in dem eine Vielzahl an Informationen zusammenlaufen und in dem ständig Entscheidungen gefällt werden. Menschen unterscheiden sich in der Art und Weise, wie sie Informationen einholen und mit ihnen umgehen. Für eine Führungskraft ist es elementar, ‚das Ohr am Puls‘ haben, um bei Störungen sofort eingreifen zu können. Entscheidungsfreude Eigeninitiative zeigt sich darin, sich eigene Ziele zu setzen, von deren Realisierbarkeit überzeugt zu sein sowie bei Hindernissen aktiv nach Lösungswegen zu suchen. Daraus resultiert Entscheidungsfreude als grundlegende Voraussetzung für Lösungsorientierung und Problembehebung. Fehlende oder sehr geringe Entscheidungsfreude von Führungsmenschen führt bei Mitarbeitern zu Kritik und zu Zweifeln an der Integrität. Innovation Personen unterscheiden sich in ihrer Problembzw. Aufgabenorientierung. Die einen entwickeln mit Herzblut große Pläne, denken über Neuentwicklungen nach; die anderen bleiben lieber beim Bekannten und versuchen, Bestehendes zu verbessern. Nach diesen persönlichen Vorzügen sollten auch die Tätigkeitsschwerpunkte ausgewählt werden. Qualitätsbewusstsein Für jede Tätigkeit ist die Einstellung zur Qualität und Güte von Bedeutung. Auch hier gibt es eine große Spanne in der Qualitätsorientierung, von der Akzeptanz ausschließlich höchster Qualitätsansprüche bis zur eher pragmatischen Haltung, die die Qualität vorwiegend unter dem Kosten-Nutzen-Aspekt sieht. Je nach Anforderungen einer Position ist die persönliche Einstellung zu berücksichtigen. <?page no="120"?> 120 3 Führungskompetenz braucht Loyalität Übernahme von Verantwortung (Risikoverhalten) Entscheidungen sind immer mit der Übernahme von Verantwortung verbunden. Verantwortung bedeutet, bewusst oder unbewusst Risiken eingehen. Nur in seltenen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass nach einer Entscheidung alles problemlos laufen wird. Je mehr Verantwortung mit einer Problemlösung oder Entscheidung verbunden ist, desto höher müssen die Bereitschaft und die Fähigkeit sein, mit Risiken bewusst und angemessen umzugehen. Systematik Bei der Verfolgung von Zielen kann entweder mit intensiver Vorbereitung oder aus der Situation heraus improvisierend vorgegangen werden. Der Systematiker legt alle möglichn Faktoren von vornherein fest, orientiert sich an einem festen Plan - im Extremfall auch dann, wenn es auf Grund von Gegebenheiten ratsamer wäre, die Pläne zu verändern. Der Improvisierer dagegen glaubt nicht an die 1: 1-Umsetung von Plänen, er will Details berücksichtigen können und legt sich deswegen äußerst ungern fest. Expertentipp : Ihre Erkenntnis Früher Chef, heute Mensch: Wir selbst sind die zentralen Erfolgsfaktoren! Je klarer unsere Selbsterkenntnis ist, desto flexibler und wirksamer können wir agieren. Ist das DNLA-Verfahren nur für Führungskräfte wichtig? Nein! Wenn ich von loyaler Führung und Zusammenarbeit spreche, dann meine ich eine Kultur, die von allen Beteiligten im Unternehmen gelebt und getragen wird. Gleichzeitig erfahre ich immer noch überwiegend hierarchisch aufgebaute Unternehmensstrukturen und treffe vielfach auf traditionelle Führungsmethoden. In vielen Organisationen haben sich über Jahre und Jahrzehnte Kulturen etabliert, die von der Führungsebene aus als maßgebendes und richtungsweisendes Kernelement gelten. Dementsprechend müssen Richtungsänderungen für mehr Loyalität auch von dort aus signalisiert und vorweggegangen werden. Wird dieser Schritt erfolgreich bewältigt, ist es auch für alle anderen Unternehmensebenen wichtig, den Sinn und die Sensibilität für soziale Kompetenzen und deren positive Auswirkungen zu erkennen. Am besten ebenfalls über die eigene Erfahrung. Unabhängig von Führungsaufgaben gibt es für alle Lebensbereiche ein Analyseverfahren, welches Stärken und Ent- <?page no="121"?> 3.6 Feedback in einer loyalen Unternehmenskultur 121 wicklungspotenziale sichtbar macht: das DNLA-Eignungsverfahren soziale Kompetenzen 4 . Während die voran vorgestellten Faktoren auf das Verhalten gegenüber einer konkreten Gruppe Menschen im Arbeitskontext abzielen, geht es hier um die Ausprägungen einzelner Eigenschaften eines Menschen, die sich unabhängig vom Kontext auf die Selbsteinschätzung, die Einstellung und Umgangsform zu anderen Menschen im Allgemeinen beziehen. DNLA - ERFOLGSPROFIL SOZIALE KOMPETENZ FAKTORBESCHREIBUNG LEISTUNGSDYNAMIK 1. Eigenverantwortlichkeit Hier geht es nicht um Eigenständigkeit und selbständiges Handeln. Der Faktor Eigenverantwortlichkeit beschreibt viel mehr, wie sehr jemand glaubt oder empfindet, selbst den eigenen Erfolg oder Misserfolg in der Hand zu haben. Wenn jemand die Erfahrung macht „je mehr ich mich anstrenge, je besser ich mich vorbereite, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich erfolgreich bin und meine Ziele erreiche“, dann wird dies dazu führen, dass er sich anstrengt, und das wiederum führt mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zur Erreichung der Ziele. Fühlt sich dagegen jemand fremdbestimmt, wird der eigene Erfolg weitgehend Zufällen zugeschrieben und von Glück abhängig gemacht; hat jemand das Gefühl, dass ihm die Hände gebunden sind, dass der Erfolg von Personen oder Dingen abhängt, auf die man keinen Einfluss hat, dann wirkt dies leistungshemmend und kann sogar zur völligen Resignation und Passivität führen. 2. Leistungsdrang Der Faktor Leistungsdrang beschreibt einerseits Ziele - Ziele, die wir vom Chef, vom Unternehmen oder vom Kunden vorgegeben bekommen, sowie Ziele, die wir uns selbst setzen - und darum, wie wir auf diese Zielvorgaben reagieren: Sind sie für uns eine gute Orientierung, eine Richtschnur und helfen sie uns, uns zu entwickeln, zu wachsen und nach Höherem zu streben? Oder scheinen sie unerreichbar und erzeugen im schlimmsten Fall sogar Leistungsblockaden und Leistungsängste? Bei Leistungserbringung unter Druck, in Ausnahmesituationen stellen sich die Fragen: Wie gut gelingt es mir, gerade wenn es darauf ankommt, meine beste Leistung zu erbringen? Kann ich gerade dann, mit dem extra Quantum 4 Eine Übersicht finden Sie unter https: / / mentoring.loyalworks.de <?page no="122"?> 122 3 Führungskompetenz braucht Loyalität an Adrenalin, meine beste Leistung abrufen oder blockiere ich dann eher? Kann ich meine Qualitäten nur dann abrufen, wenn ich in einem ruhigen, geschützten Umfeld bin oder auch dann, wenn es brennt? Dies hängt eng zusammen mit der eigenen Krisenstabilität, auch Resilienz genannt. 3. Selbstvertrauen Der Faktor Selbstvertrauen beschreibt, wie jemand seine eigene Leistungsfähigkeit im Verhältnis zur Schwierigkeit einer bevorstehenden Aufgabe einschätzt. Auf der einen Seite beurteilt man (ganz unbewusst) die eigenen Fähigkeiten, die eigene Erfahrung etc. und auf der anderen Seite beurteilt man die Schwierigkeit der anstehenden Aufgabe (Was wird von mir erwartet? Was muss ich liefern? Bis wann? ). Steht beides im Einklang miteinander und beurteilt man die eigenen Fähigkeiten als ausreichend zur Erfüllung der gestellten Anforderungen, dann ist die Konsequenz Selbstvertrauen: Man traut sich die Aufgabe zu. Das Interessante an der Sache ist: Beide Einschätzungen, sowohl die der eigenen Leistungsfähigkeit als auch die der Schwierigkeit der bevorstehenden Aufgabe, sind zunächst einmal subjektiv. Fehlendes Selbstvertrauen könnte also sowohl daher rühren, dass man sich selbst und die eigenen Fähigkeiten unterschätzt - oder daher, dass man die Schwierigkeit der gestellten Aufgabe überschätzt - oder dass, was in der Praxis häufig der Fall ist, noch gar nicht genau klar ist, was konkret erwartet und gefordert wird. Übertriebenes Selbstvertrauen bedeutet dementsprechend Selbstüberschätzung. 4. Motivation Der Faktor Motivation beschreibt, wie sehr sich eine Person mit ihrer Arbeit und mit ihren Aufgaben identifiziert. Im Idealfall sind die Ziele und Werte des Unternehmens oder Umfeldes deckungsgleich mit den eigenen Zielen und Werten. Menschen mit einem hohen Maß an Motivation verspüren viel Lust auf ihre Tätigkeit, sie lieben ihren Beruf / ihre Aufgaben, und setzen sich mit all ihrer Kraft, ihren Ideen und ihrem Engagement für die Sache oder die Menschen ein. Dies merkt man ihnen in der Regel an: Wenn jemand genau „sein Ding“ gefunden hat, dann erkennt man dies sowohl als Außenstehender als auch am Arbeitsergebnis - ganz egal, um welche Tätigkeit oder welches Vorhaben es sich handelt. Menschen mit hoher Motivation und mit einem hohen Maß an emotionaler Bindung an ihre Arbeit, ihre Aufgabe oder an ihr Umfeld sind in der Regel wesentlich erfolgreicher als Menschen mit geringer emotionaler Bindung. <?page no="123"?> 3.6 Feedback in einer loyalen Unternehmenskultur 123 FAKTORBESCHREIBUNG INTERPERSONELLES UMFELD 5. Kontaktfähigkeit Beim Faktor Kontaktfähigkeit geht es nicht darum, wie gerne jemand redet, wie extrovertiert jemand ist oder wie gut jemand Small Talk beherrscht. Hier geht es darum, ob man in der Lage ist, mit jemandem eine gute persönliche Beziehung aufzubauen, eine „gemeinsame Wellenlänge“ zu finden, einen „guten Draht“ zu jemandem zu bekommen, insbesondere, wenn es sich um eine fremde Person handelt. Werden zum Beispiel unvermutete Gemeinsamkeiten, gemeinsame Interessen oder Erfahrungen entdeckt? Um diese Erkenntnisse zu ermöglichen, benötigt es das Talent, den anderen dazu zu bringen, sich ein wenig zu öffnen. Und auch man selbst muss bereit sein, dem anderen etwas Persönliches mitzuteilen. Es geht also um den Annäherungsprozess. Warum benötigt man diese Qualität? Um Vertrauen aufzubauen, muss Distanz abgebaut werden. So wird man nahbar und der Andere kann besser einschätzen, mit wem er es zu tun hat. Die Zusammenarbeit mit Personen, zu denen man einen guten Draht hat, ist angenehmer als mit jemand extrem sachlich, verschlossen, kühl und distanziert Wirkenden. Sachfragen und unterschiedliche Standpunkte können in einem Vertrauensverhältnis leichter besprochen und geklärt werden. Selbst Interessen-, Loyalitäts- und Zielkonflikte lassen sich auf einer persönlichen Basis leichter lösen als wenn man ein rein sachliches Verhältnis pflegt. 6. Auftreten Der Faktor Auftreten beschreibt, wie man auf andere wirkt, welchen Eindruck man bei ihnen hinterlässt. Es geht also darum, wie schnell man bei Menschen infolge des eigenen Auftretens Respekt und Anerkennung gewinnt und wie sehr man von ihnen als Gesprächspartner auf Augenhöhe wahrgenommen und wertgeschätzt wird. Die Wirkung des Auftretens macht sich insbesondere in zwei Situationen positiv oder negativ bemerkbar: Einmal, wenn es darum geht, unter Fremden aufzutreten. Gelingt es einem auch dann, einen sympathischen, souveränen Eindruck zu hinterlassen? Oder wirkt man dann eher unsicher, arrogant oder überheblich? Ein Experte, der nur fachsimpeln kann, wird weniger Einfluss haben als einer, dem es auch gelingt, Investoren, Kunden oder Schüler für sich und sein Fachgebiet zu begeistern. Zum Zweiten, wenn es darum geht, souverän und angemessen sozial höhergestellten Personen gegenüberzutreten. Hat man Angst, seine Meinung dem Abteilungsleiter zu erläutern, wenn man glaubt, dass sie dessen Auffassung widerspricht? Oder kann man sie ruhig und angemessen vortragen? Traut <?page no="124"?> 124 3 Führungskompetenz braucht Loyalität man sich, fachlich wichtigen Input bei der Besprechung mit Entscheidern einzubringen? Personen mit gering ausgeprägtem Auftreten neigen dazu, Angst zu haben, anzuecken und negativ aufzufallen; teilweise, weil sie denken, dass der Gesprächspartner an der eigenen Meinung nicht interessiert ist oder diese ohnehin wenig wert sei. 7. Einfühlungsvermögen Der Faktor Einfühlungsvermögen beschreibt, wie gut jemand verschiedene Aspekte der Kommunikation wahrnehmen, verstehen und richtig interpretieren kann; auch jene, die über die direkte Botschaft hinausgehen. Bei einem geschriebenen Text bedeutet dies, die Absicht, die Meinung, die Gemütslage des Verfassers richtig zu deuten (Ist dieser aufgebracht? Fordernd? Sachlich oder unsachlich? ). Wer über ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen verfügt, ist in der Lage, die Botschaft zwischen den Zeilen zu lesen. In der direkten Kommunikation bedeutet dies, Signale des Gegenübers durch die Art der Formulierung, durch Gestik, Mimik, Tonfall und Körpersprache richtig zu interpretieren. Ein weiterer Schritt kommt hinzu: Menschen mit hohem Einfühlungsvermögen können solche Signale nicht nur aufnehmen, sie sind auch in der Lage, richtig darauf zu reagieren. Sie können z.B. nicht nur erkennen, wenn in einer Gesprächsrunde gerade dicke Luft herrscht - sie haben auch das nötige Gespür, die Situation zu entschärfen und wieder ein gutes Gesprächsklima herzustellen. FAKTORBESCHREIBUNG ERFOLGSWILLE 8. Einsatzfreude Der Faktor Einsatzfreude beschreibt den freiwilligen Einsatz, den Fleiß und das Engagement eines Menschen. Menschen mit hoher Einsatzfreude strengen sich an und setzen sich engagiert für ihre Aufgaben ein. Sie sind leistungsorientiert und belastbar und arbeiten aus eigenem Antrieb ohne Druck und Kontrolle. Sie übernehmen gerne Verantwortung und sind zuverlässig. Fortbildungsmöglichkeiten oder die Chance, neue Projekte zu übernehmen, werden gerne angenommen. Auf die persönliche Weiterentwicklung wird großen Wert gelegt. 9. Statusmotivation Der Faktor Statusmotivation beschreibt, wie sehr jemand durch materielle Anreize zu Leistung angespornt wird. Anders als beim Faktor Motivation, <?page no="125"?> 3.6 Feedback in einer loyalen Unternehmenskultur 125 der die intrinsischen Motivatoren behandelt, geht es beim Faktor Statusmotivation um extrinsische Faktoren. Es handelt sich um das Tauschwertprinzip von Leistung und Gegenleistung. Man erbringt Leistung und man schafft damit einen Wert für den Arbeitgeber oder für den Kunden, und für diesen Wert fordert man einen angemessenen Gegenwert ein. Dieser Gegenwert stellt das Mittel zur Befriedigung materieller Bedürfnisse sowie zur Erreichung von gesellschaftlichem Prestige (Titel, Statussymbole, Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen), Macht oder einem gewissen Einfluss dar. Gleichzeitig wird dieser Gegenwert zum Signal der Wertschätzung und Anerkennung für die eigene Leistung. Neben Geld und Prämien fallen in den Bereich der Statusmotivation somit auch Aufstiegschancen und Karriereperspektiven, Lernmöglichkeiten, Seminare sowie alle Arten von Titeln, Auszeichnungen und sichtbaren Statussymbolen. 10. Systematik Der Faktor Systematik beschreibt, ob eine Person vorgegebene Aufgaben logisch und strukturiert bewältigt oder sich eher spontan verhält. Menschen mit einem hohen Grad an Systematik gehen komplizierte Aufgaben Schritt für Schritt nach einem genauen Plan an. Sie zerlegen komplexe Aufgaben in einzelne Schritte und arbeiten diese sukzessive ab. Sie sind in der Lage, die Wichtigkeit und Dringlichkeit von Aufgaben zu bewerten, Prioritäten zu setzen, und danach vorzugehen. Dadurch handeln sie zielgerichtet, effektiv und ökonomisch. Zur Systematik gehört auch, den Weg zu einem Ziel über einen längeren Zeitraum hinweg konsequent zu verfolgen und nicht aus den Augen zu verlieren, auch wenn zwischendurch noch andere Aufgaben erledigt werden müssen. Sicherlich gibt es auch Situationen, in denen improvisiert werden muss, nur situationsbedingt gehandelt und nicht im Voraus geplant werden kann. Generell zeigt sich, dass die meisten erfolgreichen Menschen ihre Arbeit strukturiert und nach Plan verrichten und nicht einfach aus dem Bauch heraus agieren. 11. Initiative Der Faktor Initiative beschreibt, wie eigenständig und ohne Aufforderung und Druck von außen innerhalb eines gegebenen Rahmens gehandelt wird. Dabei setzt sich die Person eigene Prioritäten und Ziele und wird selbst aktiv, um die nötigen Schritte zur Erledigung der Aufgaben zu unternehmen. Neben den Aspekten der Selbstorganisation und Eigenständigkeit kommt ein weiterer Punkt hinzu: Manche Menschen verlassen sich bei der Erledigung von Aufgaben und bei der Suche nach Lösungen auf erprobte Me- <?page no="126"?> 126 3 Führungskompetenz braucht Loyalität thoden und Abläufe und optimieren höchstens Teilbereiche, Andere hinterfragen etablierte Routinen und Prozesse, sind kreativ und probieren alternative Wege aus. Menschen mit einem hohen Maß an Initiative wollen neue Ideen einbringen und neue Potenziale erschließen. FAKTORBESCHREIBUNG BELASTBARKEIT 12. Kritikstabilität Der Faktor Kritikstabilität beschreibt, wie gut jemand mit Kritik - oder mit Äußerungen, die als Kritik empfunden werden - umgehen kann. Feedback-Bewertungen, Anregungen, Vorschläge, seien sie gerechtfertigt oder nicht, sind normal und begegnen uns praktisch täglich. Menschen mit einer hohen Kritikstabilität gelingt es, aus diesen Äußerungen die konstruktive Essenz zu filtern und als Anlass zu nehmen, das Ergebnis, den vorliegenden Zustand und sich selbst zu hinterfragen. „Gibt es etwas, das ich das nächste Mal besser machen kann? Was kann ich aus dieser Situation lernen? “ Kritik und Feedback werden gleichgesetzt und als Lernmöglichkeiten genutzt. Erst die zieldienliche Reaktion auf Herangetragenes führt dazu, sich zu entwickeln und Schritt für Schritt besser und reifer zu werden. 13. Misserfolgstoleranz Der Faktor Misserfolgstoleranz beschreibt, wie gut jemand mit Misserfolgen und Rückschlägen umgehen kann. Nicht immer läuft alles wie geplant. Menschen mit einer hohen Misserfolgstoleranz gelingt es, auch mit unerwünschten Ereignissen konstruktiv umzugehen und sie als Anlass zur Reflexion zu nehmen: „Warum ist das nicht gelaufen wie geplant? An welcher Stelle hätte ich aufmerksamer sein sollen? Was kann ich aus dieser Situation lernen? “ Wer mit Fehlschlägen oder Niederlagen auf diese Weise umgeht, kann dadurch sogar Energie freisetzen: Durch höhere Anstrengungen werden negative Erfahrungen kompensiert und überwunden. Die Folge ist, dass Menschen später in angespannten Situationen gelassen und souverän bleiben können. Ich habe in meinem Leben gelernt, dass sich oft hinter einer Schwäche eine Stärke verbirgt. Ähnlich wie Kritik stellt auch ein Misserfolg eine Art Feedback dar - nur dass das Feedback hier nicht von einer Person, sondern von einer Sache oder Situation kommt. Erfolgreiche Menschen bestätigen, dass jeder Rückschlag, jedes Scheitern der erste Schritt zu einem späteren Erfolg sein kann. Mit dieser Betrachtung kommen wir dem Ziel also näher und bauen unsere persönliche Resilienz aus. <?page no="127"?> 3.6 Feedback in einer loyalen Unternehmenskultur 127 14. Emotionale Grundhaltung Hier geht es darum, wie jemand sich selbst und seine Umgebung betrachtet und welche Aspekte dabei betont und in den Vordergrund gestellt werden. Davon hängt ab, mit welcher Einstellung man an Dinge herangeht und wie man auf andere Personen wirkt. Bei Menschen mit einer gering ausgeprägten emotionalen Grundhaltung liegt der Fokus eher auf dem, was alles schief gehen könnte, bzw. auf der Anstrengung, was getan werden muss, um Risiken und Negativfolgen zu vermeiden. Bei Menschen mit einer stark ausgeprägten emotionalen Grundhaltung liegt der Fokus hingegen auf den Chancen und Möglichkeiten, die sich durch eine Idee oder neue Rahmenbedingungen bieten. Der Fokus und die eigene Energie werden dahin gelenkt, Chancen zu ergreifen und das maximal Mögliche zu realisieren. Menschen mit einer stark ausgeprägten emotionalen Grundhaltung schaffen es, aus jeder Situation das Beste zu machen. Auch wenn nicht alles perfekt ist und wenn nicht alles klappt wie gewünscht, sind sie positiv gestimmt. Sie lassen sich von Schwierigkeiten und Herausforderungen nicht hinunterziehen und stellen weder sich selbst noch ihre Umgebung in Frage. Durch eine positive Grundeinstellung können sie für sich selbst Kraft schöpfen und auf Andere positiv und bestärkend Einfluss nehmen. Menschen mit einer gering ausgeprägten emotionalen Grundhaltung dagegen haben Angst vor Negativszenarien - selbst was ihr eigenes Handeln angeht. Sie vermeiden unsichere Situationen, befürchten, Fehler zu machen, für etwas verantwortlich gemacht zu werden oder schlecht dazustehen. Wenn es Dinge gibt, die nicht gut laufen und die kritisch anzusprechen sind, schaffen es Menschen mit einer hohen emotionalen Grundhaltung zumeist, diese ausgewogen darzustellen, so dass eine konstruktive Basis zur Lösungsentwicklung entsteht. Menschen mit einer gering ausgeprägten Grundhaltung neigen in derselben Situation dazu, negative Punkte auf den größeren Zusammenhang zu übertragen; also ‚schwarz zu malen‘. 15. Selbstsicherheit Der Faktor Selbstsicherheit beschreibt, wie sicher und souverän sich jemand bewegt. Ist die Selbstsicherheit stark ausgeprägt, kann der eigene Standpunkt klar, sachlich und souverän vertreten werden, ohne dabei verletzend oder aggressiv zu wirken. Eigene Bedürfnisse werden sachlich vorgebracht. Es besteht die Bereitschaft, sich für die eigenen und für die Belange anderer einzusetzen. <?page no="128"?> 128 3 Führungskompetenz braucht Loyalität Selbstsicherheit wird begünstigt, wenn man ein hohes Maß an Akzeptanz und Rückendeckung erfährt. Man ist sich seines Standings und seines Wertes - als Mensch und in der Funktion - sicher. Man muss sich nicht jeden Tag aufs Neue beweisen und man hat auch keine Angst davor, mal einen Fehler zu machen oder kritisiert zu werden. Selbstsicherheit weist Parallelen zum Faktor Auftreten auf, nur dass es beim Auftreten mehr darum geht, wie die anderen die Person wahrnehmen, während Selbstsicherheit mehr auf die eigene Wahrnehmung und Position bezogen ist. 16. Flexibilität Der Faktor Flexibilität beschreibt, wie jemand auf Veränderungen reagiert und ob trotz Störungen weiter an der Zielerreichung und am Erfolg gearbeitet wird. Man könnte also auch von Anpassungsfähigkeit sprechen. Gerade im Arbeitsleben kommt es immer häufiger zu geänderten Zuständigkeiten, Abläufen und Prioritäten. Die Ausprägung der eigenen Flexibilität zeigt, inwiefern sich jemand anpassen und mit neuen Personen, Inhalten und Aufgaben auseinandersetzen kann. Auch die Lernbereitschaft und der Wille zur persönlichen Weiterentwicklung sind aussagekräftig für diesen Bereich. Menschen mit einem hohen Maß an Flexibilität schaffen es, angesichts von Veränderungen und neuen Situationen - seien sie schon eingetreten oder vorerst hypothetisch - ihre Routinen und Arbeitsabläufe aufrecht zu erhalten und sich schnell auf die veränderten Gegebenheiten einzustellen. Das bedeutet nicht, dass sie alle Veränderungen gut finden und alles mitmachen, aber es zeigt ihre Flexibilität, sich gedanklich darauf einzulassen und alle Möglichkeiten abzuwägen, statt reflexartig mit Widerständen, Angst und Abwehr zu reagieren. Menschen mit hoher Flexibilität ziehen für sich aus jeder Situation das Beste heraus. 17. Arbeitszufriedenheit Der Faktor Arbeitszufriedenheit beschreibt, wie wohl sich jemand am Arbeitsplatz fühlt und wie zufrieden er insgesamt mit der Arbeitsumgebung, wie zum Beispiel Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mit den Arbeitsbedingungen und mit dem persönlichen Umfeld am Arbeitsplatz ist. In der Psychologie spricht man auch von Hygienefaktoren. Diese sind auf den Kontext der Arbeit bezogen und sorgen zusammen mit den Motivatoren, die auf die Inhalte der Arbeit abzielen dafür, wie wohl sich jemand am Arbeitsplatz fühlt. Ist die Arbeitszufriedenheit hoch, wirkt sich dies leistungssteigernd aus. <?page no="129"?> 3.7 Säulen einer loyalen Feedback-Kultur 129 Führungsfazit Mitarbeiterführung und Verantwortung sind untrennbar miteinander verbunden. Wer Verantwortung scheut, wird zu einer schwachen Führungskraft. Sich die Auswirkungen des eigenen Handelns und Unterlassens bewusst zu machen, ist die Grunderkenntnis, mit der eine loyale Haltung entwickelt werden kann. Die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen fördert die Akzeptanz der Mitarbeiter. Zuletzt ist erfolgreiches Führungsverhalten nicht nur eine Frage der Führungspersönlichkeit, sondern unterliegt auch dem Einfluss der gelebten Unternehmenskultur: Umgang mit Fehlern, Belohnung oder Sanktionierung von Ehrlichkeit, Fördern oder Behindern von Offenheit, Schaffen einer Vertrauenskultur. Gute, erfolgreiche und loyale Führung ist Kompetenz kombiniert mit emotionaler Intelligenz. Nicht nur für eine Führungskraft, die ihrer Bezeichnung alle Ehre macht, sondern letztlich für jeden Menschen steht regelmäßige Selbstreflexion auf der To-do-Liste. Wer Verantwortung trägt, positioniert sich mit klaren Entscheidungen und kongruentem Verhalten und fordert auch seine Mitarbeiter zu klarer Positionierung auf. Das impliziert den Willen, sich mit anderen Perspektiven, Meinungen und auch grundsätzlichen Haltungen zu beschäftigen, wenn es dem Wohle aller dient. Demzufolge ist es ebenso eine Führungsaufgabe, ausweichendes Verhalten innerhalb des Teams zu identifizieren und zu kritisieren. Indem Mitarbeiter durch die eigene Motivation (Wollen) und Führungskompetenz (Können) der Führungskraft geführt werden, wird vertrauensstiftende Sicherheit signalisiert und erfahrungsgemäß die emotionale Akzeptanz der Führungskraft erwirkt und nachhaltige Loyalität gewonnen. 3.7 Säulen einer loyalen Feedback-Kultur Eine positive Entwicklung der Teamarbeit und Teamkultur hängt maßgeblich von einer offenen und konstruktiven Art des Feedbacks ab. Ein gelungenes Feedback ist die beste Grundlage, um Verhalten zu kontrollieren. Wenn ein Feedback-Empänger erährt, wie er selbst und sein Auftreten auf andere Menschen wirkt, erkennt er den Unterschied zwischen dem, was er eigentlich gemeint hat, und dem, was davon auf der anderen Seite angekommen ist. Mit diesem Wissen kann er sein zukünftiges Verhalten so anpassen, dass er die ursprünglich gewünschte Wirkung tatsächlich erzielt. <?page no="130"?> 130 3 Führungskompetenz braucht Loyalität Loyaler Expertentipp Verstehen Sie Feedback - egal, ob Sie es selbst geben oder von einer anderen Person erhalten - als wertvolle Information für die Verhaltenskontrolle, die gleichzeitig Ausgangspunkt für Veränderungen sein kann. Damit eine Rückmeldung diese positive Wirkung entfalten kann, müssen sich der Feedback-Geber und der Feedback-Nehmer an bestimmte Regeln halten. Die Wirksamkeit von Feedback beruht auf zwei Säulen: 1. Zunächst muss der Feedback-Empfänger die Bereitschaft haben, sich eine Rückmeldung geben zu lassen, um sich entsprechend kontrollieren und entwickeln zu können. 2. Darüber hinaus entscheidet die Art und Weise, wie Feedback gegeben wird, ob der Empfänger Kritik und Anregungen als konstruktiv anerkennen und für sich nutzen kann. Hier ist der Feedback-Geber gefordert. Beide Säulen ruhen auf demselben Fundament: einer Kultur der offenen, loyalen und konstruktiven, am Menschen orientierten Kommunikation. Um ein Feedback-Gespräch als Erfolg für beide Seiten werten zu können, sind bestimmte Regeln für Feedback-Geber und Feedback-Nehmer einzuhalten. Loyale Feedback-Regeln für den Feedback-Geber:  Beschreiben Sie Ihre Wahrnehmung  Beschreiben - nicht bewerten - Sie das Verhalten.  Werten Sie die Person nicht als Ganzes.  Beziehen Sie sich auf konkrete Situationen.  Sprechen Sie in einem partnerschaftlichen Ton.  Vermeiden Sie Verallgemeinerungen.  Sprechen Sie in Wünschen und Informationen.  Formulieren Sie aus der Ich-Perspektive heraus.  Versuchen Sie nicht, die Probleme anderer zu lösen, sondern ermutigen Sie zur eigenständigen Lösungssuche.  Beobachten Sie sich selbst: Würde Ihnen das, was Sie Ihrem Mitarbeiter raten, in derselben Art und Weise selbst helfen?  Bedanken Sie sich für die Aufmerksamkeit und beenden Sie das Gespräch stets ermunternd. <?page no="131"?> 3.7 Säulen einer loyalen Feedback-Kultur 131 Loyale Feedback-Regeln für den Feedback-Nehmer:  Verstehen Sie das Feedback als Hilfestellung.  Hören Sie aufmerksam zu.  Wenn Sie etwas nicht verstehen, fragen Sie nach.  Versuchen Sie, sich an die beschriebenen Situationen zu erinnern.  Versetzen Sie sich in die Lage anderer Personen.  Versuchen Sie sich nicht zu rechtfertigen - was geschehen ist, ist vorbei.  Entwickeln Sie Handlungsalternativen und sprechen Sie darüber.  Bedanken Sie sich für die offene Darstellung und nutzen Sie diese als Chance zum Lernen. Auch Führungskräfte brauchen Feedback Hier möchte ich Sie mit einem Werkzeug vertraut machen, das Sie dabei unterstützen kann, den Weg der loyalen Führung konsequent zu verfolgen und regelmäßig zu überprüfen, ob Ihr Führungskompass korrekt geeicht ist. Die meisten Mitarbeiter in Unternehmen erhalten zu wenig Feedback. Hiervon sind Führungskräfte nicht ausgenommen, ganz im Gegenteil. Je höher Sie sich in einer Hierarchie befinden, umso weniger Feedback erhalten Sie typischerweise. Zumindest, wenn es sich um ehrliche, aufrichtige und ungeschönte Rückmeldungen handelt. Gleichzeitig ist es unheimlich wichtig, regelmäßig Feedback zur eigenen Führungsleistung zu bekommen - ansonsten verhält es sich wie bei Mitarbeitern auch, Sie irren praktisch blind umher, anstatt zielgerichtet und loyal zu führen. Um Ihre eigene Performance wirklich realistisch einschätzen zu können, ist es im Unterscheid zur typischen Personalbeurteilung allerdings fast nutzlos, wenn Sie von Ihrer Führungskraft bewertet werden. Denn, so wie ich es kenne, verbringen Sie dafür viel zu wenig Zeit mit dem Führungsmenschen, der möglicherweise noch über Ihnen sitzt. Auf einer so schmalen Datenbasis kann Feedback kaum hilfreich sein. Die Forschung bestätigt das. Deshalb darf aus loyaler Betrachtung für Sie und Ihre Performance gelten: Führung ist, was unten ankommt. Es nützte Ihnen auch wenig, wenn Ihr Vorgesetzter ein vortreffliches Bild von Ihnen zeichnete, Ihre Mitarbeiter aber zu einem ganz anderen Ergebnis kommen. Wenn Sie Ihre Leistung als Führungskraft also verbessern wollen, halten Sie sich an die Aussagen Ihrer Mitarbeiter. Falls in Ihrem Unternehmen noch kein 360°-Feedback etabliert ist, lege ich Ihnen nahe, dieses kurzfristig einzuführen. Erlauben Sie auch gleich einen engeren Rhythmus als einmal im Jahr, nämlich mindestens einmal im <?page no="132"?> 132 3 Führungskompetenz braucht Loyalität Quartal. Für diesen Zweck stelle ich Ihnen einen kurzen Fragebogen vor, der extra für diesen Zweck konzipiert wurde. Nämlich Führungsleistung aus Sicht der Mitarbeiter zu erfassen. Der KAARMA-Fragebogen Der Zweck dieses Instruments ist ein strukturiertes Aufwärts-Feedback, das die Führungsqualität aus der Sicht einer geführten Person misst. Der Ursprung geht zurück auf den Psychologie-Professor Michael F. Steger, dessen Beitrag 2017 in der Fachzeitschrift OrganisationsEntwicklung erschien und mich beeindruckte. Der Fragebogen misst sechs Dimensionen von Führungseigenschaften, von denen ich begeistert war, weil sie dem Prinzip der loyalen Führung sehr nahekommen und heute deshalb Teil meiner Empfehlungen sind. Im Folgenden möchte ich Ihnen eine praxisfreundliche Zusammenstellung zur Verfügung stellen. Dimensionen des KAARMA-Fragebogens  Klarheit: Die Führungskraft gibt ihren Mitarbeitern Orientierung, indem sie sie über die Ziele der Abteilung/ Geschäftseinheit in Kenntnis setzt.  Authentizität: Die Führungskraft hat ihre Rolle für sich eingenommen und füllt diese in einer glaubwürdigen Art und Weise aus.  Aktualisierung: Die Führungskraft strukturiert den Verantwortungsbereich von Mitarbeitern derart, dass dieser den Antriebsfaktoren und Stärken der Geführten entspricht.  Respekt: Die Führungskraft verhält sich respektvoll gegenüber ihren Mitarbeitern und fördert einen entsprechenden Umgang der Kollegen untereinander.  Mehrwert: Die Führungskraft legt ihren Mitarbeitern dar, wie ihre Arbeitsleistung zum Erfolg des großen Ganzen beiträgt.  Autonomie: Die Führungskraft überträgt den Mitarbeitern in angemessenem Umfang Verantwortung und ermöglicht diesen die Wahl über Mittel und Wege zur Zielerreichung. Für eine sinnvolle Interpretation muss der 24 Punkte umfassende Fragebogen vollständig ausgefüllt werden. Die Beantwortung der Fragen nimmt nur etwa fünf Minuten in Anspruch. Aus methodischen Gründen werden zum Teil ähnliche Fragen gestellt. Die Ergebnisse erhalten mehr Aussagekraft, wenn die Fragen innerhalb der siebenstufigen Skala spontan beantwortet werden. Die Endpunkte sowie der Mittelpunkt haben eine verbal verankerte Bezeichnung: 1 = so gut wie nie; 2, 3, 4 = teils, teils; 5, 6, 7 = so gut wie immer. <?page no="133"?> 3.7 Säulen einer loyalen Feedback-Kultur 133 Der KAARMA-Fragebogen zur Messung von Führungsqualität Meine Führungskraft ... Wert 1 hilft mir, die Ziele meines Aufgabenbereiches zu verstehen. 2 ist authentisch in ihrer Rolle als Führungskraft. 3 lässt mir weitgehend freie Hand, wie ich meine Aufgaben erledige. 4 hilft mir, meinen Beitrag zum großen Ganzen des Unternehmens zu verstehen. 5 kennt meine Stärken und gestaltet meinen Aufgabenbereich entsprechend. 6 behandelt mich und meine Kollegen mit Wertschätzung und Respekt. 7 hilft mir, die Ziele meines Teams/ meiner Abteilung zu verstehen. 8 sagt, was sie denkt (=spielt mir und meinem Team nichts vor). 9 fördert den respektvollen und wertschätzenden Umgang der Kollegen untereinander. 10 delegiert Themen und Entscheidungen, wo es möglich und sinnvoll ist. 11 weiß, welche Tätigkeiten mir Freude bereiten und gestaltet meinen Aufgabenbereich entsprechend. 12 hilft mir, die Ziele und die Strategie meines Unternehmens zu verstehen. 13 lebt glaubwürdig die Werte meines Unternehmens vor. 14 zeigt mir, dass ich mehr als nur ein Zahnrad im Getriebe bin. 15 kennt meine wichtigsten Motive/ Wertvorstellungen und gestaltet meinen Aufgabenbereich entsprechend. 16 ist präsent und zugewandt, wenn sie mit mir bzw. meinen Kollegen interagiert. 17 würdigt wertvolle Arbeitsleistungen und lobt mich bzw. meine Kollegen freimütig, wenn es etwas zu loben gibt. 18 setzt mir klare Ziele, lässt mich jedoch weitgehend selbst <?page no="134"?> 134 3 Führungskompetenz braucht Loyalität über die Mittel und Wege entscheiden. 19 ist eine ehrliche Haut und kommuniziert offen mit mir und den Kollegen. 20 hilft mir zu verstehen, wie meine Leistung zum Gesamterfolg unseres Unternehmens beiträgt. 21 hilft mir, das große Ganze und die Vision meines Unternehmens zu verstehen. 22 ist an meiner persönlichen und beruflichen Entwicklung interessiert und gestaltet meinen Aufgabenbereich entsprechend. 23 sorgt für eine konstruktive und positive Arbeitsatmosphäre in unserem Team. 24 ist das Gegenteil von einem Mikromanager - sie mischt sich nur ein, wenn es wirklich sein muss. Auswertung und Interpretation Die Punktwerte pro KAARMA-Faktor werden nun nach dem beschriebenen Schema addiert. Der Mindestwert beträgt 4 Punkte, der höchste 28 Punkte. Auswertung Klarheit Addieren Sie die Werte für die Fragen 1, 7, 12, 21. Authentizität Addieren Sie die Werte für die Fragen 2, 8, 13, 19. Aktualisierung Addieren Sie die Werte für die Fragen 5, 11, 15, 22. Respekt Addieren Sie die Werte für die Fragen 6, 9, 16, 23. Mehrwert Addieren Sie die Werte für die Fragen 4, 14, 17, 20. Autonomie Addieren Sie die Werte für die Fragen 3, 10, 18, 24. Für die KAARMA-Faktoren werden drei Wertebereiche angegeben: unterdurchschnittlich, durchschnittlich und überdurchschnittlich. Interpretation Führung unter Durchschnitt Durchschnitt über Durchschnitt Klarheit unter 12 12 - 22 ab 23 Authentizität unter 12 12 - 23 ab 24 Aktualisierung unter 11 11 - 18 ab 19 Respekt unter 12 12 - 23 ab 24 Mehrwert unter 11 11 - 20 ab 21 Autonomie unter 16 16 - 23 ab 24 <?page no="135"?> 3.7 Säulen einer loyalen Feedback-Kultur 135 Die drei Korridore für Führungsqualität beruhen auf den Antworten von rund 600 deutschsprachigen Personen aus dem Jahr 2016, die in verschiedensten Branchen arbeiten und einer typischen Altersverteilung für deutsche Arbeitnehmer entsprechen. Allerdings handelt es sich um eine hoch qualifizierte Stichprobe: Etwa 75 Prozent haben mindestens einen Bachelor-Abschluss. Zur Relevanz des KAARMA-Fragebogens Neben der Einschätzung der KAARMA-Eigenschaften ihrer Führungskräfte haben die Teilnehmer auch Angaben zu ihrem damaligen Erleben in der beruflichen Rolle gemacht. Sie lieferten Daten zu Arbeitszufriedenheit und Engagement, zum Stolz auf den Arbeitgeber, zum Ausmaß von Sinn- und Flow-Erleben sowie zur aktuellen Wechselbereitschaft. Um den Einfluss der Führungsleistung zu veranschaulichen, wurden über alle 24 KAARMA- Fragen Indexwerte errechnet und drei Subgruppen gebildet. Die Ergebnisse sprechen eine eindeutige Sprache: Mitarbeiter von Führungskräften mit einem überdurchschnittlichen KAARMA-Index berichten von folgenden Aspekten (verglichen mit denen, die von Chefs mit unterdurchschnittlichem KAARMA-Index geführt werden):  stärkerer Sinnwahrnehmung (+ 58 %)  mehr Flow-Erleben (+ 61 %)  einem intensiveren Gefühl von Stolz (+ 69 %)  höherem Engagement (+ 32 %)  größerer Arbeitszufriedenheit (+ 112 %)  verminderter Wechselabsicht (- 135 %) Vor allem der letzte Punkt macht deutlich, wie stark sich schlechte Führungsqualität auf die Substanz eines Unternehmens auswirkt, personell und langfristig auch finanziell. Prof. Dr. Nico Rose, der an der Auswertung der Studie von Prof. Michael F. Steger beteiligt war, hat drei Jahre nach der Datenerhebung einen Teil der Teilnehmer erneut kontaktiert und festgestellt, dass 56 Prozent der Menschen, die 2016 ihre Führungskraft gemäß KAARMA als unterdurchschnittlich beurteilt hatten, in der Zwischenzeit ihren Arbeitgeber gewechselt haben. Von den Personen, die ihre Führungskraft 2016 als überdurchschnittlich beurteilt hatten, haben nur 22 Prozent gekündigt. Falls Sie diesen Fragebogen in Ihrem Unternehmen einsetzen sollten, freue ich mich, von Ihren Erfahrungswerten zu hören: engel@loyalworks.de. <?page no="136"?> 136 3 Führungskompetenz braucht Loyalität 3.8 Der loyale Umgang mit Stärken und Schwächen Das Kennenlernen der eigenen Charakterstärken, Fähigkeiten und Fertigkeiten ist ein wichtiger Aspekt auf dem Weg der Selbsterkenntnis - und doch nur der erste Schritt. So bedeutend und wegweisend dieser auch ist, geht es fortan darum, diese Stärken durch ihren bewussten Einsatz zum Leben zu erwecken. Hierfür gibt es ganze Bandbreite an Möglichkeiten, die Sie für sich selbst und natürlich auch gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern ausprobieren können. Die Übersicht der sozialen Eigenschaften in Form der DNLA-Auswertung in der Hand ist eine gute Basis, um sich mit der zugrunde liegenden Stärkentypologie vertraut zu machen. Insbesondere, wenn alle Mitglieder eines Teams Auswertungen vorliegen haben, kann das Potenzial der Gruppe im Sinne einer Personalbilanz noch Erfolg versprechender eingeschätzt werden. Aus der Sicht der Führungskraft ist es wichtig, den Aufgabenbereich eines Mitarbeiters langsam aber sicher so anzupassen, dass er mehr und mehr Zeit mit Tätigkeiten verbringt, die seinen Stärken entsprechen. Ich habe es nicht selten erlebt, dass sich dieser Weg fügt, denn Mitarbeiter streben in der Regel selbst in diese Richtung, so dass Sie als Leitungsperson unter Umständen kaum noch etwas dazu beitragen müssen. Hinsichtlich Teamentwicklung kann es hilfreich sein, die Stärkenprofile der einzelnen Mitarbeiter zu berücksichtigen. Meist finden sich Menschen mit ähnlichen Schlüsselstärken auf Anhieb sympathischer, weil sie auf einer Welle schwimmen. Im Sinn einer möglichst umfassenden Perspektive auf Themen und Projekte ist es allerdings förderlich, wenn Vertreter unterschiedlicher Stärken einbezogen werden. Auch wenn ein solches Team aus Ihrer Sicht ein wenig schwieriger auf einem gemeinsamen Kurs zu halten sein mag, wird sich dieses auf vielfältige Weise für Sie auszahlen. Ein weiterer, für Führungspersönlichkeiten wichtiger Blickwinkel auf Stärken ist die Frage nach der Überbzw. Unternutzung dieser Qualifikationen in bestimmten Zusammenhängen. Legen wir einmal die These zugrunde, dass sich jede Stärke in der Mitte zwischen zwei Schwächen positioniert, wird deutlich, dass sich faktisch jede Stärke in eine Schwäche verwandeln kann. Mögen Mitgefühl und Einfühlungsvermögen in dem einen Kontext eine Stärke sein, könnten sie in einem anderen Zusammenhang als Schwäche ausgenutzt werden. Als loyale Führungskraft stehen Sie Ihren Mitarbeitern hier zu Hilfe, über die Zeit das richtige Maß zu finden. So gern ich in meiner Arbeit mit Führungskräften über Stärkenorientierung spreche, begegnen mir immer wiederkehrende Einwände. Ganz vorn <?page no="137"?> 3.8 Der loyale Umgang mit Stärken und Schwächen 137 dabei: „Ich kann die Schwächen meiner Mitarbeiter doch nicht unter den Tisch fallen lassen.“ Sinnvoll ist es, dann erstmal darauf einzugehen, welche Schwächen als „normal“ zu werten sind und welche wiederum eine gravierende Auswirkung auf das Aufgabenfeld haben und dem Unternehmen potenziell Schaden zufügen könnten. Solche Schwächen dürfen natürlich nicht ignoriert werden. Sollten eklatante Probleme aufgrund von Schwächen bereits eingetreten sein, hilft in manchem Fall als letzter Rettungsanker nur, der Person ihre Aufgabe oder Rolle wieder zu entreißen. Bei leichteren Fällen sollte allerdings der Ansatz sein, die Schwächen durch intensivere Betonung der Stärken und/ oder eine bewusste Veränderung des Aufgabenprofils obsolet zu machen. Nicht immer ist es gewünscht oder möglich, dass Mitarbeiterpotenziale analysiert und Stärken identifiziert werden. Auch die Übung des „Besten Selbst“ kostet einige Ressourcen und ist nicht immer umsetzbar. Das heißt jedoch nicht, dass Sie als Führungskraft im Dunkeln tappen müssen. Aus diesem Grund möchte ich Ihnen an dieser Stelle noch einige Impulse mitgeben, wie Sie die Stärken Ihrer Mitarbeiter ganz ohne Test und Tools im Alltag erkennen können.  Achten Sie darauf, welche Aufgaben Ihre Mitarbeiter freiwillig übernehmen. Wer hilft wem bei ungelösten Problemen, in welchen Themengebieten? Wer sprüht vor Ideen und strengt neue Lösungen an? Dort, wo sich Menschen aus eigenem Antrieb - auch jenseits des eigenen Aufgabenprofils - einbringen, tun sie das häufig, um Stärken auszuleben, die in ihrem normalen Berufsalltag nicht regelmäßig abgerufen werden. Nutzen Sie die Kenntnis darüber, um mehr solcher Aufgaben in das Rollenprofil Ihres Mitarbeiters zu integrieren.  Erweitern Sie Ihr Gespür dafür, wenn ein Mitarbeiter sich deutlich schneller als alle anderen eine neue Fähigkeit aneignet. Hier scheint fruchtbarer Boden für bestimmte Kenntnisse vorzuliegen. Talente eröffnen sich nicht nur im Kindesalter. Eine ähnliche Dynamik kann sich auch bei Erwachsenen vollziehen, wenn eine bestimmte Fähigkeit nah an den Stärken der Person liegt. Wenn Sie so etwas als Führungskraft beobachten, ist es wertvoll zu überlegen, wie sich mehr von den entsprechenden Tätigkeiten im Wirkungsfeld Ihres Mitarbeiters einpassen lässt.  Werden Sie aufmerksam, wenn ein Mitarbeiter in einem bestimmten Aufgabenfeld kontinuierlich überdurchschnittliche Leistungen erbringt - und denken Sie darüber nach, wie sich dieser Be- <?page no="138"?> 138 3 Führungskompetenz braucht Loyalität reich noch ausbauen lässt. Oft nehmen Führungskräfte exzellente Leistungen einfach so hin, als gäbe es nichts zu tun, wenn ein Mitarbeiter schon hervorragende Leistungen erbringt. Doch bevor fehlende Anerkennung zur Reduktion dessen Leistung führen könnte, sollte an dieser Stelle überlegt werden, unter welchen Umständen der Mitarbeiter noch weiter in diese Richtung wachsen kann. Alles im Flow, Time to Grow Wie schön ist dieses freudvolle, vollkommene Aufgehen in der eigenen Tätigkeit! Es ist mir vertraut und ich gestehe: Dieses befriedigende Gefühl bei der Arbeit, wenn alles im Fluss ist, macht süchtig. Und steigert die Arbeitszufriedenheit auf ein Maximum. Davon wollen wir mehr in unseren Unternehmen haben! Schauen wir uns einmal an, welche Merkmale den Flow-Zustand eines Menschen charakterisieren (nach dem Psychologie-Professor Mihály Csikzentmihályi):  Der Mensch lenkt seine ganze Aufmerksamkeit auf eine Tätigkeit.  Die Anforderungen dieser Aufgabe sind ihm vollkommen klar.  Es kommt zur Verschmelzung von Handlung und Bewusstsein.  Er vergisst alles um sich herum, auch sich selbst.  Trotz großer Anstrengung hat er das gute Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben.  Die Aufgabe ist aus sich selbst heraus belohnend, es geht nicht um eine extrinsische Anerkennung oder Gegenleistung. Für die Entstehung eines Flow-Zustandes ist eine Voraussetzung entscheidend: Die Schwierigkeit der Aufgabe und der Level der aktuellen Fähigkeiten müssen sich in etwa die Waage halten. Wenn wir mit Tätigkeiten konfrontiert werden, die unsere wahrgenommene Kompetenz deutlich überschreiten, entsteht kein Flow, sondern Überforderung. Wenn unsere Fähigkeiten die Anforderungen jedoch deutlich übersteigen, empfinden wir stattdessen Langeweile. Wie können Sie als Führungskraft den Flow-Zustand Ihrer Mitarbeiter also fördern? Lernen wir etwas Neues, haben wir noch keine Kompetenz. Wir beschäftigen uns mit Übungen, bis wir diese gemeistert haben. Ein guter Lehrer wird dann den Grad der Schwierigkeit langsam aber sicher erhöhen. Daraus resultiert die zeitweise Überforderung, die durch Wiederholung, Ermuti- <?page no="139"?> 3.8 Der loyale Umgang mit Stärken und Schwächen 139 gung und Lernen in den Flow-Kanal mündet. Mit ausreichend Talent und Ausdauer erreichen wir so die „Meisterklasse“. Den Grad unseres Leistungsniveaus und unserer Zielerreichung erfahren wir im Grunde genommen jederzeit über zeitnahes und konkretes Feedback. Wir erfahren am Ergebnis, durch die Tatsachen an sich, als auch über unsere Performance auf dem Weg zum Ziel, wie nah oder fern wir diesem (noch) sind. Auf der Basis der Rückmeldung kann die Schwierigkeit der Aufgabenstellung angepasst werden - eine weitere Bedingung für das Entstehen von Flow. Leider fehlt es in vielen Unternehmen an ausreichendem Feedback (siehe Kapitel 3.7 Säulen einer loyalen Feedback-Kultur). Allzu oft werden Mitarbeiter im Unklaren über ihre Leistung gelassen. Konkrete, verhaltensbezogene Rückmeldungen bleiben aus. Gleichzeitig fordern Unternehmen in meiner Beobachtung implizit ein hohes Leistungsniveau, das Mitarbeiter erreichen und dann kontinuierlich halten sollen. Genau dieses Verharren auf einem Level der Performance kann jedoch Flow-Erlebnisse verhindern. Vermutlich aus einer Mischung aus Unwissenheit und Gleichgültigkeit wird so in vielen Unternehmen für die Mitarbeiter ein gegensätzlicher Zustand erzeugt, ein Anti-Flow. Als loyal eingestellter Führungsmensch ist es hier Ihre Aufgabe, aktiv gegenzusteuern. Wenn wir als Führungskräfte bewirken wollen, dass die uns anvertrauten Menschen wachsen, in ihre Kraft, Motivation und in ihren Flow kommen, dann kommen wir nicht umhin, aufmerksamer für sie zu sein, mehr rückzumelden, mehr darüber nachzudenken, wer als Nächstes welchen Schritt benötigt, sichtbar und spürbar mehr voranzugehen. Wenn wir dieses Ziel verfolgen, reden wir nicht mehr von ein bis zwei Mitarbeitergesprächen jährlich. Wir reden über ein neues Verhältnis, über gemeinsame Ziele, über ein loyales Miteinander zum Erfolg! Ich möchte Sie von Herzen ermutigen: Wachsen auch Sie mit Ihren Aufgaben und wachsen Sie gemeinsam mit Ihrem Team. Aufwärts-Feedback auch ohne Testverfahren Trotz aller positiven Merkmale gibt es weiterhin einige Menschen, die nicht besonders scharf darauf sind, Test-Verfahren zu absolvieren, um ein objektives Feedback zu erhalten. Aus diesem Grund möchte ich Ihnen eine weitere Möglichkeit vorstellen, die wenig Zeit in Anspruch nimmt und den Aufwand für ein wirklich bedeutendes und ermutigendes Feedback auf jeden Fall wert ist! Dieses Instrument wurde an der University of Michigan von den Forschern Roberts, Dutton, Spreitzer, Heaphy und Quinn unter dem Namen ‚Reflec- <?page no="140"?> 140 3 Führungskompetenz braucht Loyalität ted Best Self Exercise‘ entwickelt. Es geht darum, ein komprimiertes Bild der eigenen Stärken zu erarbeiten - aus dem Blickwinkel anderer Menschen. Um Ihr reflektiertes „Bestes Selbst“ herauszufinden, fragen Sie ganz bewusst Menschen aus verschiedenen Lebensbereichen, mit denen Sie aus unterschiedlichen Zeiten Erlebnisse und Geschichten teilen. Bitten Sie diese Menschen um eine Episode, in der sie Sie besonders wirksam, kraftvoll, erfolgreich oder vorbildlich wahrgenommen haben. Bitten Sie diese Menschen, Ihnen konkrete Begebenheiten und keine allgemeinen Eindrücke zu schreiben. Es gibt keine Vorgaben an Zeit oder Kontext. Inspiriert habe ich auch an diesem Selbstexperiment teilgenommen und 15 Personen aus meinem beruflichen und privaten Leben gebeten, mir nur ein einziges (kurzes) Feedback zu geben: „Bitte erzählen Sie mir eine Geschichte über mich, als Sie mich von meiner besten Seite gesehen haben.“ Sammeln Sie die verschiedenen Rückmeldungen ein und verfassen Sie ein Gesamtdokument, das Sie mehrfach durchlesen und dann Stück für Stück komprimieren, bis die Kernelemente, die wichtigste Essenz für Sie übrig bleibt. Besonders Metaphern, Bilder und aussagekräftige Attribute gehören da hinein. Nutzen Sie dann Ihr persönliches Destillat, um in der Ich-Form ein Bild Ihres „besten Selbst“ zu verfassen. Dabei soll kein ausführliches Persönlichkeitsprofil herauskommen, sondern ein aussagekräftiges Kurzportrait. Möglicherweise hilft es Ihnen, verschiedene Formen zu verfassen und sich Ihrem Endergebnis in mehreren Schritten zu nähern. Das Ziel ist, dass Sie sich damit identifizieren. Das bedeutet, mit jedem Arbeitsschritt auch innerlich immer wieder abzustimmen, ob es sich „richtig“ anfühlt, ob das Wort passt, die Zuschreibungen auch für Sie und Ihre Erinnerungen an die geschilderten Erlebnisse zutreffen. Am Ende soll Ihr Kurzportrait einen Sinn für Sie ergeben. Sie werden überrascht sein, welche Kraft Ihr Portrait haben wird! Und wenn es Ihnen guttut: Hängen Sie es sichtbar in Ihrem Arbeitsumfeld auf. Sehen Sie einmal, was bei mir dabei herausgekommen ist - und lassen Sie sich davon gern inspirieren, das auch auszuprobieren! Best Self of Miriam Engel Wenn ich in Kontakt mit meinem besten Selbst bin, bin ich eine Mentorin: Ich nehme sehr sensibel und mit persönlichem Interesse wahr und kommuniziere/ berate intensiv und menschlich. Menschen vertrauen mir, weil ich authentisch bin. Ich führe wertschätzend, <?page no="141"?> 3.9 Coaching als Aufgabe der Führungskraft 141 loyal und agiere fokussiert und zielstrebig. Indem ich ich bin, wirke ich verletzlich und mutig zugleich - und zeige anderen, dass sich diese Eigenschaften nicht ausschließen. Ich habe ein hohes Energie- Level, mit dem ich zur treibenden Kraft werde und Menschen und Ideen miteinander verbinde. Ich inspiriere Menschen zu reflektieren, ihrer Intuition und Urteilskraft zu vertrauen und so ihre eigene Wahrheit zu leben. So werde ich zu einer Quelle von Energie, Loyalität und Zusammenhalt. Ganz ehrlich: Mir sind die Tränen gekommen, als mein Kurzportrait fertig war. Ich war schon so geflasht von den vielen positiven Rückmeldungen. Wo erleben wir denn im wahren Leben durchweg positives Feedback? Auf so unterschiedliche Weise, von so vielen unterschiedlichen Menschen? Ich verspreche Ihnen: Auch Ihr Portrait wird begeisternd sein! Bejahend, ermutigend, erfrischend - und vielleicht entdecken Sie sogar Stärken, die andere in Ihnen sehen, die Ihnen noch gar nicht bewusst waren? Eine solche Übung wird jeden Menschen, der sie macht, beflügeln. Es heißt nicht umsonst: Die Energie folgt der Aufmerksamkeit. Unser bestes Selbst kennenzulernen hilft uns,  uns in unserer eigenen Stärkenwahrnehmung zu bestätigen;  unser Selbstwertgefühl und unser Selbstvertrauen, den Glauben an uns und an das Gute in anderen Menschen zu stärken;  neue Handlungsoptionen und Möglichkeiten zu erkennen (auch dort, wo wir sonst steckenbleiben);  unsere Selbstwirksamkeit zu entwickeln. 3.9 Coaching als Aufgabe der Führungskraft Da Führungsaufgaben maßgeblich von Bereichsleitern und Teamleitern übernommen werden, können und sollten diese auch die Funktion eines Coachs für ihre Mitarbeiter erfüllen. Die individuelle Weiterentwicklung des Mitarbeiters wird so als ein zentraler Punkt im Führungsverständnis verankert. Wenn ein Vorgesetzter die Mitarbeiter nicht nur führt, sondern gleichzeitig auch noch coacht, kann das teilweise zu schwierigen Konstellationen führen. Als Coach muss die Führungskraft das Wohl des einzelnen Mitarbeiters als auch des gesamten Teams im Auge behalten und muss gleichzeitig dafür sorgen, dass die Ziele erreicht werden. Interessenkonflikte sind hier praktisch vorprogrammiert und müssen berücksichtigt werden. <?page no="142"?> 142 3 Führungskompetenz braucht Loyalität Auch für den gecoachten Mitarbeiter ist die Führungskraft als Coach nicht unproblematisch, denn für die meisten Mitarbeiter ist es in meiner Wahrnehmung noch immer abwegig, mit ihrem Chef über persönliche Wünsche und Sorgen zu sprechen. Das Vertrauen bis zu diesem Punkt muss wachsen. Sind diese Besonderheiten bekannt, können sie als Voraussetzungen bewusst und sinnvoll zur Relativierung des Coaching-Anspruchs genutzt werden, um so die Führungsarbeit gezielt zu ergänzen. Als Führungskraft sollten Sie deshalb diese Vor- und Nachteile kennen: Internes Coaching Vorteile - Gute Kenntnis der Rahmenbedingungen der coachenden Führungskraft - Genaue Kenntnis des Aufgabenbereiches des gecoachten Mitarbeiters - Adäquates Verständnis der persönlichen Voraussetzungen des Mitarbeiters - Deutliche Sicht darauf, wie persönlicher Erfolg mit Teamerfolg verknüpfbar ist Nachteile - Durch täglichen Kontakt eventuell eingeschränkte Offenheit - Selektive Wahrnehmung durch vorgezeichnetes Bild des Mitarbeiters im Kopf der Führungskraft - Reflexion privater Lebensbereiche werden nur am Rande berücksichtigt - Die Führungskraft ist in die Handlungspläne involviert - Neutralität ist schwer zu gewährleisten <?page no="143"?> 4 Loyale Mitarbeiter als Botschafter fürs Arbeitgeberimage Über die Beziehung zur direkten Führungskraft hinaus ist es ür das gesamte Unternehmen wichtig, dass Mitarbeiter sich zu ihrem Arbeitgeber bekennen, die Unternehmenswerte teilen, leben und kommunizieren. Als Reputationsträger machen loyale Mitarbeiter die unternehmerischen Interessen zu ihren eigenen und arbeiten begeistert und mit hoher Eigeninitiative. Wer also könnte all die positiven Werte, die gelebte Kultur und die gemeinsame Weiterentwicklung eines Unternehmens glaubwürdiger nach außen tragen als sie? Werden Mitarbeiter aktiv in die Bildung und Prägung des Arbeitgeberimages eingebunden, wird ihre Loyalität zum Unternehmen auch nach außen sichtbar, spürbar und erfahrbar. Die eigenen Mitarbeiter zur Stärkung des Arbeitgeberimages einzusetzen, erfolgt auf zwei Ebenen:  auf der rationalen Ebene durch umfassende Informationen, Offenheit, Transparenz und  auf emotionaler Ebene durch das Schaffen einer vertrauensvollen Atmosphäre und der Möglichkeit, Unternehmenskultur aktiv mitzugestalten und sich persönlich zu entwickeln. Die aktive Einbindung loyaler Mitarbeiter in die Arbeitgeberkommunikation ist ür Unternehmen jeder Größe und Branche sinnvoll, denn loyale, erbringen bessere Leistungen und liefern eine höhere Qualität in kürzerer Zeit - und bilden damit den entscheidenden Wettbewerbsvorteil in der Personalgewinnung, in der Wertschöpfungskette, in der Kundenzufriedenheit. Nach einer Studie von StepStone (Employer Branding Report 2011: Umfrage zur Arbeitgebermarke mit ca. 6.000 Kandidaten und ca. 830 Unternehmen aus unterschiedlichen europäischen Ländern) hat für rund 80 Prozent der befragten Kandidaten das nach außen kommunizierte Arbeitgeberimage wenig mit dem tatsächlichen Erleben am Arbeitsplatz zu tun. Infolgedessen würden nur etwa 45 Pozent der Befragten ihren Arbeitgeber bedenkenlos weiterempfehlen. Dieses bisher vielerorts verschenkte Potenzial kann effektiv durch die Einbindung loyaler Mitarbeiter in die Arbeitgeberkommunikation gehoben werden. Die wichtigste Regel ist dabei, von innen nach außen zu wirken. Das bedeutet, dass die Unternehmenswerte <?page no="144"?> 144 4 Loyale Mitarbeiter als Botschafter fürs Arbeitgeberimage vorerst intern bekannt sein bzw. vermittelt werden müssen, bevor sie authentisch nach außen kommuniziert werden. Bei der Gewinnung neuer Talente fürs Unternehmen verhält es sich mit Kandidaten wie mit Kunden: Gute und nachhaltige Beziehungen bauen auf Vertrauen und Authentizität auf. Voraussetzung für erfolgreiche positive Arbeitgeberkommunikation ist ein intellektuelles Verständnis dafür, wie sich die Unternehmenswerte konkret in der gelebten Kultur auswirken, auf welchen Kanälen sie am besten transportiert werden können und wie sich die emotionale Verbundenheit innerhalb der bestehenden Belegschaft und zum Unternehmen äußert. Der Erfolg der Arbeitgeberkommunikation wird zu großen Teilen durch das Verhalten der eingebundenen Mitarbeiter geprägt. Der Idealtypus des aktiven Botschafters beschreibt Mitarbeiter mit einem stark ausgeprägten Zugehörigkeitsgefühl. Auch unbewusste Botschafter, die sich mit dem Unternehmen identifizieren, prägen das Arbeitgeberimage; weil sie jedoch intuitiv und nicht planvoll agieren, ist es wichtig für sie zu erfahren, wie sie die Unternehmenswerte wirkungsvoll in ihrer täglichen Arbeit einbringen können. Anders ist es bei den Beobachtern, die zwar sehr gut verstehen, wofür das Unternehmen, auch als Arbeitgeber, steht, sind ihrem Arbeitgeber emotional jedoch nicht verbunden. Bei den Unbeteiligten ist weder Wissen über die Arbeitgeberwerte vorhanden, noch besteht eine emotionale Bindung zum Unternehmen. Diese Mitarbeiter sind weder fähig noch bereit, sich im Sinne der Marke aktiv einzusetzen. Nach dem jährlich erhobenen Gallup Engagement Index weisen rund 70 Prozent der Mitarbeiter nur eine geringe emotionale Bindung zum eigenen Unternehmen auf, 15 Prozent gar keine. Es gibt unzählige Gründe, warum Unternehmen zur authentischen Kommunikation ihrer Arbeitgeberwerte auf loyale, sich zum Unternehmen bekennende Mitarbeiter als aktive Botschafter angewiesen sind. Die wichtigsten darunter sind: 1. weil loyale Mitarbeiter das Unternehmen repräsentieren und mit ihrem Auftreten und Verhalten erlebbar machen. 2. weil Produkte und Dienstleistungen auf funktionaler Ebene immer austauschbarer werden und Unternehmen erst durch ihre Mitarbeiter emotionale Verbindungen von Mensch zu Mensch erzeugen können. 3. um ür die Unternehmenssicherung und Wachstumsziele die richtigen Mitarbeiter zu begeistern, anzuziehen und zu binden. Die Anzahl der engagierten Mitarbeiter erhöht sich dadurch stetig und neue, zukunftsorientierte Umgangsformen werden zu einer neuen Unternehmenskultur konstituiert. <?page no="145"?> 4 Loyale Mitarbeiter als Botschafter fürs Arbeitgeberimage 145 4. weil loyale Mitarbeiter die Vorbildrolle einnehmen und von ihnen eine motivierende Wirkung ausgeht, so dass Führungskräfte zukünftig entlastet werden. Sie zeigen, wie das Unternehmen seine Werte mit Leben üllt und animieren mit ihrem Verhalten Kollegen und Mitarbeiter, ihrem Beispiel zu folgen. Das Wissen um die Unternehmenswerte und die Motivation, diese zu verkörpern, sind wertvolle Ressourcen, die die Mitarbeiter verinnerlichen und aktivieren sollten. Gelebte Unternehmenskultur als Werteanker Eine loyale Unternehmenskultur zu prägen ist möglich, wo eine offene Kommunikation herrscht. Um die abstrakte Beziehung zwischen der Arbeitgebermarke und den Mitarbeitern zu managen, ist es wichtig, eine Kultur zu etablieren, in der die Mitarbeiter das leben können, was sie nach ihrem Werteverständnis leben wollen und sollen. Auch hier kommt die Führung an vorderster Stelle ins Spiel: Sie ist die relevante, gelebte „Unternehmenspersönlichkeit“, die die Werte der Unternehmenskultur durch ihr Verhalten gegenüber Mitarbeitern nachhaltig verankert. Genau hier sollten Trainings ansetzen, sagt Isabel Ihm, die für das Fachbuch Employer Reputation die Markenakademie beschrieben hat. An oberster Stelle sind die Führungskräfte als Fürsprecher und Repräsentanten des Unternehmens zu qualifizieren. Ihr Verhalten soll die Unternehmenswerte transportieren und als Vorbild dienen. In den darauffolgenden Entwicklungsmaßnahmen für die Mitarbeiter ist zu klären, wie die abstrakten Unternehmenswerte und Leitlinien zum Leben erweckt werden können. Um sich mit dem Arbeitgeberunternehmen zu identifizieren, brauchen Mitarbeiter sichtbare, hör- und spürbare Übersetzungen: Welchen konkreten Nutzen liefern die Werte für die tägliche Arbeit? Wie drückt sich das Wir- Gefühl aus? Ziel der Schulungsmaßnahmen ist, dass Führungskräfte und Mitarbeiter die Unternehmensleitlinien als Wertekompass, Informations- und Inspirationsquelle für die tägliche Arbeit verstehen. Im Training werden Zusammenhänge von Unternehmenszweck, Vision, Leitbild und Werten vermittelt, und jeder Mitarbeiter kommt in die Verantwortung, aktiv an der Prägung der Arbeitgebermarke mitzuarbeiten. So sollen die abstrakten Unternehmenswerte zu konkreten Handlungsmaßnahmen werden. Der Transfer in die Praxis gelingt, wenn die Teilnehmer aktiv personen- und aufgabenbezogene Möglichkeiten erarbeiten, die sie im direkten Kontakt mit Kollegen, Bewerbern, Kunden und weiteren Interessengruppen einlösen können. Das eröffnet jedem Mitarbeiter Möglich- <?page no="146"?> 146 4 Loyale Mitarbeiter als Botschafter fürs Arbeitgeberimage keiten, was er konkret in seinem Arbeitsumfeld tun kann, um die Unternehmenswerte zu unterstützen. Wann ist ein solches individuell auf das jeweilige Unternehmen ausgearbeitetes Training sinnvoll? Folgende Konstellationen im Unternehmen sollten für Sie Alarmsignale darstellen: - Die Schere zwischen dem, was das Unternehmen nach außen sein will, und dem, was nach innen gelebt wird, ist weit geöffnet. - Mitarbeitern verbinden die Unternehmenswerte nicht mit ihrer täglichen Arbeit. - Mitarbeiter haben sehr unterschiedliche Kenntnisse, das Wissen ist unklar im Unternehmen verteilt. - Mitarbeitern fehlt das Verständnis für die Unternehmensstrategie. - Es mangelt an Emotionalisierung und Motivation der Mitarbeiter. - Es gibt Kundenbeschwerden, dass Mitarbeiter mit ihrem Auftreten und Verhalten dem Image des Unternehmens nicht gerecht werden. - Die Werte als Arbeitgeber sind nicht bekannt bzw. werden nicht konsistent eingehalten. - Mitarbeiter prägen in ihrem Auftreten ein eigenes Image, das nicht dem Image des Unternehmens entspricht. - Die Arbeitgeberwerte führen ein Eigenleben und werden nicht als Teil der Unternehmenswerte verstanden. Obwohl die meisten Unternehmen eine klar definierte Wertematrix haben, fehlt es oft an der konkreten Umsetzung in der täglichen Arbeit. Das fehlende Verständnis birgt jedoch die Gefahr eines uneinheitlichen Auftritts sowohl intern als auch in der externen Kommunikation. Daraus folgen in der Regel erhöhte Kosten, um das Image des Unternehmens in der Außenwirkung stärker herauszustellen sowie für kleinteilige Mitarbeiterentwicklungsmaßnahmen, die nicht gesamten Unternehmensauftritt berücksichtigen. 4.1 Erfolgsgeschichten aus Mitarbeitersicht Antonio Truglio, AfB gGmbH aus Ettlingen „Das Besondere an AfB ist, dass das Unternehmen echt sozial ist. Es gibt nicht viele Unternehmen, die mit Schwerbehinderten arbeiten. Ich hoffe, dass sich <?page no="147"?> 4.1 Erfolgsgeschichten aus Mitarbeitersicht 147 unser sozialunternehmerischer Grundgedanke in der Gesellschaft etabliert: Mensch und Umwelt sollten immer mehr zählen als ein schneller wirtschaftlicher Gewinn auf Kosten anderer. Ich habe aufgrund meiner Hörbehinderung nicht in der telefonlastigen Sales- Abteilung bleiben können, in der ich mit einem Praktikum eingestiegen bin. Also wechselte ich in die Abteilung Refurbishing, die Monitore und Drucker testet und aufarbeitet. Doch hier war die körperliche Belastung zu hoch für mich. Es war nicht leicht, meinem Vorgesetzten zu sagen, dass die Abteilung schon wieder nicht passt, aber er war echt verständnisvoll. In anderen Betrieben habe ich diese Erfahrung nicht gemacht. Bei AfB geht man auf die Mitarbeiter ein und gibt ihnen Chancen. Man lässt sie auch mal was ausprobieren. Und man sucht, bis man den richtigen Platz für jeden gefunden hat. Ich möchte alle ermutigen, es anzusprechen, wenn etwas nicht passt. Traut euch. Man kann reden. Es ist ja auch im Sinne des Unternehmens, dass es den Mitarbeitern gut geht.“ Philipp Hebold, Kögel Bau GmbH & Co. KG aus Bad Oeynhausen „Bei der Arbeit auf dem Bau sind wir Wind und Wetter ausgesetzt und arbeiten tagein, tagaus vor allem körperlich. Daher bin ich sehr glücklich, dass mein Arbeitgeber nicht nur meine Arbeitskraft nutzt, sondern sich auch um mein Wohlbefinden kümmert, auch mit Blick auf meine sorglose Rente: Es wird zusätzlich fürs Alter vorgesorgt und für jeden Kollegen eine Berufsunfähigkeitsversicherung finanziert. Damit man diese möglichst gar nicht erst in Anspruch nehmen muss, gibt es einen Arbeitsmedizinischen Dienst und eine Arbeitsplatzanalyse unter gesundheitlichen Gesichtspunkten. Kögel Bau verfasst sogar einen Corporate Social Responsibility Report! Unsere Chefs sehen neben der eigentlichen Arbeit auch ihre soziale Verantwortung für ihre Angestellten, für die Gesellschaft und für die Umwelt. Deshalb bietet Kögel Bau ein umfangreiches betriebliches Gesundheitsmanagement mit zahlreichen freiwilligen Sozial- und Gesundheitsleistungen; darunter Schrittzähleraktionen, kardiologische Vorsorgeuntersuchungen, Schutzimpfungen, und betriebliche Zahnzusatzversicherungen. Kögel kooperiert mit Fitnessstudios und sorgt für eine gesunde Ernährung. Es werden Massagen, physiotherapeutische Entspannungskurse und vieles mehr angeboten. Kögel Bau zeigt Haltung und bekennt sich zur Nachhaltigkeit: Wir nutzen Ökostrom, Elektro-Autos, Carsharing und arbeiten mit modernen, energiesparenden Maschinen. Hier geht es uns nicht nur um ein Fortbewegungsmittel, sondern vielmehr um die Wirkung nach außen. Wir wollen ein Vorbild für <?page no="148"?> 148 4 Loyale Mitarbeiter als Botschafter fürs Arbeitgeberimage andere Firmen sein und ein Signal für die zukunftsorientierte und innovative Ausrichtung unseres Unternehmens setzen. Anders als in anderen Baufirmen ist die Fluktuation bei uns gering, aber aufgrund unseres starken Wachstums in den letzten Jahren (2003 waren wir nur 60 Angestellte, heute über 230) gibt es schon häufiger neue Gesichter im Unternehmen - die dann aber dauerhaft ,in der Familie‘ bleiben. Auch ich bin überzeugt: Wertvorstellungen bestimmen unser Denken und Handeln und helfen uns dabei, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Sie sind unser Kompass, der uns den Weg weist. Der Erfolg einer Firma beruht auf festen Werten, die das Fundament jedes unternehmerischen Handelns sein sollten. Wir bei Kögel haben jedes Jahr ein neues Jahresmotto: Im Jahr 2018 war das Motto ,Familie‘. Familie ist das Fundament in unserem Leben. Sie gibt uns Kraft, fängt uns auf und gibt uns den nötigen Rückhalt. Wir wissen um ihre grundlegende Bedeutung und pflegen einen persönlichen und ungezwungenen Umgang. Natürlich sind die Mottos der vergangenen Jahre auch weiterhin gültig: ,Erfolge feiern‘, ,Dankbarkeit‘, ,Verantwortung‘, ,Vertrauen‘, ,Teamgeist‘ und ,Wertschätzung‘. Zu guter Letzt soll noch unsere regionale Verwurzlung Erwähnung finden: Ostwestfalen-Lippe ist unsere Heimat. Es ist eine starke und attraktive Region, die unser Unternehmen unterstützt, wo es geht: mit regionalem Engagement, gezielten Sponsoring-Aktivitäten und einer verantwortungsbewussten Spendenpolitik für regionale Stiftungen und Vereine und die Förderung von Bildung und Kultur. Seit Sommer 2013 gehört das Schloss Ovelgönne zu Kögel. Das macht was her: Mit seinem modern-stilvollen Ambiente und einem darauf abgestimmten Geschäftsmodell lockt das Schloss seine Gäste aus nah und fern - für Hochzeiten, private Feiern, Messen und Events, aber insbesondere auch für unsere Wirtschaftsseminare! Welche Firma hat schon ein Schloss? ! “ Ruth Hardegger-Wickli, etextera, Schmitten bei Bern (Schweiz) „Bei etextera arbeiten wir schon seit der Gründung vor zehn Jahren einzig und allein mit top ausgebildeten Frauen zusammen. Das sind rund zwanzig Freelancerinnen, die meisten arbeiten im Home Office. Dieses Konzept hat sich voll und ganz bewährt und wurde deshalb kürzlich sogar ausgebaut. So wird das Potenzial von hoch qualifizierten Frauen gut genutzt. Das Geschäftsmodell entstand aus unserer eigenen Geschichte: Zu 70 Prozent in einem sehr fordernden Job auswärts zu arbeiten und daneben zwei Kleinkinder zu managen, war extrem stressig. Ich musste die Kinder um die Arbeit herum organisieren. Diese Situation hat sich mit der Selbstständigkeit und <?page no="149"?> 4.1 Erfolgsgeschichten aus Mitarbeitersicht 149 dem Home Office stark vereinfacht: Seitdem organisiere ich die Arbeit um die Kinder herum. Bei etextera zahlt der Kunde dank Home Office- und Freelance-Philosophie fast keine Infrastruktur- und Fixkosten mit. Außerdem sind wir mit dieser Struktur sehr flexibel und stellen das Projektteam jeweils individuell nach den Bedürfnissen des Kunden zusammen. Auch auf sehr kurzfristige Anfragen können wir so schnell reagieren. Der Kunde spart Zeit und Geld - genauso wie die Freelancerinnen: Ins Büro zu fahren kostet Geld, frisst Zeit und belastet oft auch die Umwelt. Die gewonnene Zeit kann jede nutzen, wofür sie will: Denn die Freelancerinnen können ihre Arbeitszeiten ohne Probleme an außerberufliche Bedarfe anpassen und sind dennoch gleichwertige Mitarbeitende. Wir beurteilen nur die am Ende abgelieferte Arbeit. Die Arbeitszeiten sind zu 100 Prozent flexibel. Hauptsache, das Ergebnis trifft pünktlich ein. Unsere Beschäftigten geben mir regelmäßig Rückmeldung, dass sie dank des Home Office deutlich produktiver und zufriedener mit ihrem Job sind. Und damit sind wir nicht alleine, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Als Arbeitgeber eröffnet mir die Home Office-Philosophie auch einen deutlich größeren Kandidaten-Pool und ich kann die besten Leute, theoretisch weltweit, rekrutieren. Niemand wird aufgrund der Arbeit gezwungen, an einem bestimmten Ort zu wohnen.“ Ulrike Knüpfer & Markus Böhm, Boldly Go Industries, Frankfurt a.M. „Unser digitales Zeitalter ist geprägt durch Komplexität, Geschwindigkeit und Veränderung. Um diesen Parametern zu begegnen, haben wir unser Unternehmen zu einer agilen Organisation geformt, die diesen Herausforderungen gewachsen ist. Unsere Arbeitskultur und unsere Methoden sind agil und ihrer Zeit voraus. Deswegen heißen wir auch „Boldly Go“, was in etwa „kühn vorangehen“ bedeutet. Elementare Grundlage unseres Unternehmenserfolgs ist, dass jeder Kollege innerhalb des Unternehmens mitbestimmt - und so auch mitverantwortlich für das Unternehmen ist. Dieses Modell ist nur mit flachen Hierarchien, eigenverantwortlichem und selbstorganisiertem Arbeiten, Transparenz und Offenheit sowie Spaß an der Arbeit möglich. Wir formieren für jedes Projekt neue Teams mit Kollegen aus unterschiedlichen Disziplinen. Auf jeden Fall sind wir alle überzeugte Teamplayer, aber auch ambitionierte und leidenschaftliche Individuen. In unseren Projektteams sind uns der direkte Austausch untereinander und die Kommunikation auf Augenhöhe sehr wichtig. Die Meinung eines Studenten oder eines Juniors hat genauso viel Gewicht wie die eines Seniors. Projekte werden von den Teammitgliedern eigenverantwortlich und voller Elan initia- <?page no="150"?> 150 4 Loyale Mitarbeiter als Botschafter fürs Arbeitgeberimage lisiert, organisiert und realisiert. Hierbei ist die Kommunikation und Kollaboration entscheidend für den Projekterfolg. Berufsstarter und Junioren profitieren durch den Wissenstransfer und die rasche Übernahme von verantwortungsvollen Aufgaben. Bei Bedarf gibt das Management Impulse oder unterstützt in kniffligen Situationen. Innerhalb eines Projektteams haben wir unterschiedliche Rollen mit unterschiedlichen Funktionen. Unsere Projekte sind so individuell wie unsere Teamzusammenstellung. Nach Absprache im Team ist es deshalb grundsätzlich auch möglich, verschiedene Rollen zu übernehmen und in unterschiedlichen Projekten zu arbeiten. In den Teams werden Aufgaben priorisiert, geteilt und geplant. Die Arbeit erfordert ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Zuverlässigkeit. Wir helfen uns gegenseitig und scheuen uns auch nicht, Aufgaben nachzugehen, die vielleicht nicht in unseren direkten Verantwortungsbereich fallen. Wir haben eine offene Feedback- und Fehlerkultur. Durch ehrliche Kritik und transparente Kommunikation lassen sich Fehler vermeiden und damit wichtige Lerneffekte für alle erzielen. Wir sind Optimisten, haben Spaß an dem, was wir tun und strahlen dies mit unserer positiven Art nach innen und außen aus. Gemeinsam definieren wir außerdem die Ziele für jede Karrierelaufbahn, um das Potenzial aller Kollegen optimal zu fördern. Die Laufbahn bei Boldly Go richtet sich ganz nach unserem individuellen Tempo und Engagement und nicht nur nach absolvierten Dienstjahren. Ob in unserem Office in Frankfurt, in einem unserer Satelliten in Mainz, beim Kunden oder aber im Home Office, je nach Projektsituation suchen wir uns den geeigneten Arbeitsort aus. In unserem Open Space können wir frei unseren Arbeitsplatz wählen - oder uns aber auch in einen separaten Raum zurückziehen, um in Ruhe zu arbeiten. Unser Office sorgt mit seinem außergewöhnlichen Design und abwechslungsreichen Räumlichkeiten für entspanntes Arbeiten, Inspiration und Produktivität zugleich: Ein Kinosaal für kreative Gespräche, ein Meeting-Raum mit Racing-Feeling, eine riesige Terrasse mit Blick auf den Main, das sind nur einige unserer Highlights. Wir haben uns optimale Arbeitsbedingungen geschaffen, in denen wir uns pudelwohl fühlen. Wer leidenschaftlichen Einsatz bringt, braucht auch mal einen Ausgleich. Unsere Team-Events, wie unsere „Alpenglühen-Sause“ oder unsere „Christmas-Challenge“ sind dafür bestens geeignet. Ansonsten wird auch in selbstorganisierten Gruppen das Nachtleben gerockt oder einfach nur ein Feierabend-Bierchen getrunken. Bei unseren Team-Events im Office (z.B. gemeinsam Backen, Kochen, Frühstücken) verfolgen wir übrigens eine Open-House- <?page no="151"?> 4.1 Erfolgsgeschichten aus Mitarbeitersicht 151 Policy: Friends & Family are welcome! Auch Hunde sind im Office immer gern gesehen, sie sind voll integrierte Team-Mitglieder. Wer gut isst, muss sich auch sportlich betätigen. Gemeinsame Sportaktivitäten gehören deshalb auch zu unserem Programm. Team-Läufe oder Workouts in der Mittagszeit fördern nicht nur unsere mentale Fitness, sondern auch den Team-Zusammenhalt. Und wer nicht genug kriegen kann, dem stehen immer die Türe zu unserem kostenfreien Fitness-Center offen. Für den Fun zwischendurch stehen auch eine Tischtennisplatte oder eine Nintendo Wii bereit, ebenso ein Tretroller, mit dem man durchs Office flitzen kann. Unsere große Terrasse eignet sich nicht nur super zum Grillen, sondern auch zum Fußball- oder Badmintonspielen.“ Nicolas Born, BSI Software „Eine Geschäftsleitung? Haben wir nicht. Wir sind ein Zusammenschluss von Personen mit Visionen und Werten. Wir sind offen und gehören uns selbst. Alle Aktionäre sind BSI-ler und (fast) alle BSI-ler sind am Unternehmen beteiligt. Damit ist jeder von uns Unternehmer, genießt die Freiheiten und Verantwortung für sich und die BSI-Zukunft. Wir haben keine Hierarchie - das funktioniert auch bei über 300 Kollegen. Bei BSI kennen wir keine Abteilungen, sondern Projekte sowie Teams und arbeiten im Netzwerk. Manchmal auch in mehreren gleichzeitig. Außerdem orientieren wir uns an Rollen - wobei eine Person wiederum auch mehrere Rollen einnehmen kann, eine Rolle aber auch von mehreren Personen geteilt werden kann. Das Schöne bei BSI ist, dass man ganz einfach die Rolle, das Projekt oder auch (temporär) den Standort wechseln kann. Und dass man auch erst einmal kleine Schritte machen darf. So kann sich ganz einfach und sanft ein Rollenwechsel ergeben, wenn es passt. Wenn es nicht passt, dann kann man auch einfach zurück, da ist niemand böse. Im Freundeskreis hört man immer wieder, wie anstrengend es sein kann, wenn das Arbeitsklima nicht gut ist. Bei BSI stimmen die Kollegen, die Projekte sind interessant und abwechslungsreich, man kann sich entwickeln, wie man möchte - und die Herausforderungen bleiben auch nicht aus! Dies auch dank zehn Tagen Weiterbildungen pro Jahr. Das BSI Lab, unsere Innovationsschmiede, gibt außerdem jedem Kollegen und jeder Kollegin die Möglichkeit allein oder in der Gruppe zu experimentieren. Dort können Prototypen gebaut und neue Technologien hands-on kennengelernt werden. Die Ergebnisse werden intern geteilt und fließen teilweise auch direkt in die Produktentwicklung mit ein.“ Wir können bei BSI unsere Einsatzzeiten und Arbeitspensen flexibel anpassen. Überstunden dürfen wir kompensieren oder werden ausbezahlt. Andere Kollegen nehmen sich auch ganz besondere Auszeiten: Paolo war beispielsweise in <?page no="152"?> 152 4 Loyale Mitarbeiter als Botschafter fürs Arbeitgeberimage der Mongolei. Er nahm eine sechswöchige Auszeit, um mit seinem Bruder an der «Mongol Rally» teilzunehmen.“ Laura Kristan, voiio, Hamburg „85 Tage im Jahr haben Kinder durchschnittlich schulfrei. Im Jahr 2020 corona-bedingt noch deutlich mehr. Arbeitnehmende hingegen bekommen selten auch nur annähernd genug Urlaub, um ihren Nachwuchs zu betreuen. Ebenso wenig wie sich in normalen Zeiten die Auftragslage der Unternehmen nach den Schulferien richtet, können alle Eltern gleichzeitig Urlaub nehmen. Home Office ist in vielen Fällen das Mittel der Wahl - doch nicht für alle Branchen ist das eine praktikable Lösung: Im Handwerk, in Supermärkten oder in der Pflege muss die Arbeit einfach vor Ort erledigt werden und lässt sich auch zeitlich nicht flexibel anpassen. Zusätzlich ist das Arbeitspensum aufgrund des Fachkräftemangels überdurchschnittlich groß. Mitarbeitende kleinerer Unternehmen trauen sich kaum, nach Elternzeiten zu fragen oder krank auszufallen. Trends wie die weiter steigende Beschäftigtenquote bei Frauen, die steigende Anzahl von Alleinerziehenden sowie eine erhöhte berufliche Mobilität verschärfen die Situation weiter. Bisher bieten nur rund sechs Prozent aller Unternehmen in Deutschland eine organisierte Kinderbetreuung an; dabei ist das eins der Themen, das sehr vielen Beschäftigten immer wieder Kopfzerbrechen bereitet. Denn auch wenn die Bundesregierung in der Vergangenheit durchaus gute Gesetze wie den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz auf den Weg gebracht hat, zeigt die Praxis: Das reicht nicht aus. In diese Lücke stoßen wir: Wir machen Unternehmen familienfreundlicher und die schulfreie Zeit zu dem, was sie sein soll: eine sorglose Zeit für die Eltern und viel Spaß für die Kinder. Wir haben eine Plattform entwickelt, die es Eltern ermöglicht, aus hunderten qualitätsgeprüften und preisreduzierten Ferienangeboten schnell ein passendes Kinder-Ferienangebot zu recherchieren und mit einem Klick zu buchen. Individuell verhandelte Randzeitenbetreuung sowie ausgehandelte Platzkontingente und Rabatte machen unser Angebot dabei speziell für berufstätige Eltern attraktiv. Egal, ob Tagesausflug, Wochenaktivität oder Ferienlager unser Angebot ist individuell auf die Bedürfnisse der Kinder zugeschnitten. Koordination, Kommunikation und Abrechnung erfolgen aus einer Hand. Wir kooperieren bereits mit rund 200 Unternehmen, zum Beispiel der GODEA GmbH aus Hamburg, einer hochspezialisierten Energieberatung mit 58 Angestellten, von denen 47 Mitarbeitende insgesamt 86 Kinder haben. Diese Maßnahme wurde von den Angestellten wohlwollend aufgenommen und drückte sich z. B. mit Zufriedenheitswerten weit über 90 Prozent aus. Die <?page no="153"?> 4.1 Erfolgsgeschichten aus Mitarbeitersicht 153 GODEA sitzt im Haus nebenan von voiio und so wurde ein geschäftsführender Partner eher zufällig auf uns aufmerksam. Das Thema Ferien- Kinderbetreuung wurde zunächst im kleinen Kreis in der Teeküche diskutiert, bald dann auch im monatlichen All-Hands-Meeting. Eine Arbeitsgruppe kümmerte sich um die Details - und letztlich sprach sich die große Mehrheit der Angestellten für eine Kooperation mit voiio aus. Seitdem übernimmt dieser Arbeitgeber sogar 80% der Kosten der Ferienangebote. Und den Rest können die Arbeitnehmenden in der Regel steuerlich absetzen. So konnte die allgemeine Zufriedenheit in der Firma auf einem sehr guten Niveau (von 93 auf 96,5%) nochmals gesteigert werden. Im Bereich ,Familie, Beruf und Glück‘ verbesserte sich die Zufriedenheit auf 91%; dabei stimmten 100% aller Mitarbeitenden zu, dass sie die Kooperation mit voiio als sinnvoll erachten. Messbar und nachweislich erhöht voiio also die Zufriedenheit der Mitarbeitenden - und das wirkt sich auf die gesamte Belegschaft aus! Angesichts der Corona-Krise haben wir kurzerhand eine Notfallbetreuung für Kinder von Eltern, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, eingerichtet. Denn besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen. Unser Ziel ist es, möglichst viele Unternehmen bei der Aufrechterhaltung Ihres Betriebs zu unterstützen, Mitarbeitende mit Kind zu entlasten und unseren Kindern einen weiterhin möglichst normalen Alltag zu bieten. Auch bei voiio selbst ist Familienfreundlichkeit einer unserer Hauptwerte und wird nicht nur durch Hard Facts gelebt. Sie äußert sich vor allem durch die Bereitschaft, individuelle Lösungen für sämtliche Herausforderungen, die ein Alltag als Elternteil mit sich bringt, zu finden. Daneben gibt es natürlich auch bei uns eine betriebliche Kinderferienbetreuung.“ Lena Pötzl, Team Bank AG, Nürnberg „Bereits seit 2007 gibt es bei uns die Du-Kultur und keiner möchte sie mehr missen. Ungewöhnlich für eine Bank. Neben einer unkomplizierten und einfachen Zusammenarbeit entsteht durch das ,Du‘ auch ein sehr wertschätzendes und persönliches Miteinander. Dazu tragen auch Elemente wie die Vertrauensarbeitszeit oder der ,No Dresscode‘ bei. Denn uns ist es egal, ob du Sneakers oder Anzug trägst, jeder trägt das, worin er sich wohlfühlt. Und das ist super so. Inhaltlich hat jeder Mitarbeiter neben seinen Kernaufgaben die Möglichkeit, sich in Projekten mit seinem Wissen einzubringen und Erfahrungen zu machen, die über die eigentlichen Tätigkeiten hinausgehen. Zumeist wird dort an den innovativen Themen gearbeitet, bei denen man seinen persönlichen und fachlichen Horizont gut erweitern kann. <?page no="154"?> 154 4 Loyale Mitarbeiter als Botschafter fürs Arbeitgeberimage Wer bei uns besonders weit über den Tellerrand hinausschauen möchte, hat die Möglichkeit, sich für eine Learning Journey bei selbst gewählten Unternehmen auf der ganzen Welt zu bewerben. Jeder, der eine interessante Fragestellung oder ein besonderes Projekt vorstellen möchte, kann seinen Vorschlag einreichen. In einer Vorabstimmung durch alle TeamBank-Mitarbeiter werden die spannendsten Themen ausgewählt und dann dort präsentiert. Im letzten Jahr war das übrigens die Frage: „Wie funktioniert das mit dem Glück? “ Auch die Erfahrungen der Kollegen, die auf Learning Journeys unterwegs waren, finden hier oft eine Bühne. Mit dem TeamBarCamp wird Raum für Eigenverantwortung und Eigeninitiative geschaffen - dies sind entscheidende Elemente unserer Zusammenarbeit. Und das zeigt sich im Großen wie im Kleinen. Reiserichtlinien sind meist recht komplex. Unsere besteht aus nur einem Satz: „Wir reisen angemessen“. Und der Erfolg gibt uns recht: Zwar blieben die Gesamtkosten gleich, der bürokratische Akt jedoch reduzierte sich enorm und erleichterte nicht zuletzt das Leben der Reisenden. Auch muss Urlaub nicht mehr durch die Führungskraft genehmigt werden. Die freien Tage werden mit dem Stellvertreter abgestimmt und dann einfach genommen, mehr nicht. Passend zu unserer Kultur ist auch unsere Arbeitswelt in Nürnberg gestaltet: Moderne Architektur und Großraum-Büros im „Open Space“ - nicht so, wie wir sie aus US-amerikanischen Filmen kennen, sondern lichtdurchflutet und mit inspirierenden Arbeitsplätzen, die sich an der Tätigkeit oder den individuellen Bedürfnissen orientieren: Einzelarbeitsplätze mit zwei Bildschirmen, die bei Bedarf zum Steharbeitsplatz werden, informelle Arbeitsplätze wie Gruppentische, Ruheboxen, Aktiv- oder Dialogzonen. Von Dschungelatmosphäre, wohnlichen Couchlandschaften bis hin zur bunten Kreativwerkstatt ist alles dabei. Die Idee dahinter: Die besten Ideen entstehen nur zu einem geringen Teil am Arbeitsplatz. Wenn Innovationen entstehen sollen, dann muss die Umgebung dazu anregen. Unsere durchaus einzigartige Arbeitswelt soll dies unterstützen.“ Daniel Norpoth, Firma Barghorn, Brake (bei Bremen) „Die meisten Angestellten kommen wohl in ihr Unternehmen, indem sie sich aktiv auf eine offene Stelle oder initiativ auf gut Glück bewerben. Bei uns gibt es eine dritte, sehr innovative Variante: Hier bewirbt sich die Firma um Mitarbeiter - was für eine Wertschätzung! Auf unserer Webseite kann man sich über uns informieren und dann eine Bewerbung vom Chef anfordern, ohne selbst ein Anschreiben, einen Lebenslauf oder auch nur irgendein Zeugnis einzureichen. Name und E-Mail sind völlig ausreichend. Und falls man selbst zwar nicht in Frage kommt, kann man direkt über die Webseite via WhatsApp oder E-Mail einem beruflich besser passenden Bekannten einen <?page no="155"?> 4.1 Erfolgsgeschichten aus Mitarbeitersicht 155 Tipp geben - und das sogar DSGVO-konform, so dass Barghorn vom Tippgeber keinerlei Daten sehen kann. Als ich zu Barghorn kam, lief das ganze Verfahren noch analog - mittlerweile ist der Prozess auf Online-Korrespondenz umgestellt worden: Ein Freund von mir, der unseren Chef kannte, hat mich ihm empfohlen. Daraufhin habe ich per Post eine richtige Bewerbungsmappe vom Unternehmen erhalten: Anschreiben, Lebenslauf, Fotos, Abschlusszeugnis. Auch eine Beschreibung der Wesermarsch mit ihren Vorzügen war dabei. Der Lebenslauf enthielt als aktuellsten Punkt: ,Wir planen die Erweiterung des Unternehmens durch Daniel Norpoth.‘ Da war ich natürlich sehr neugierig und positiv überrascht, dass ein Arbeitgeber sich so einen Aufwand für neue Leute macht. Ich weiß nicht mehr genau, ob ich dann Herrn Barghorn angerufen habe oder er mich. Auf jeden Fall war auch das Telefonat sehr erhellend und natürlich viel einfacher, als einen ganzen Lebenslauf zu formatieren und ein Anschreiben aufzusetzen. Viele Handwerker sind wohl eher nicht die großen Schreiberlinge und das kann schon mal von der Bewerbung abhalten. Viel praktischer war da das Telefonat: Herr Barghorn hat mich ausführlich über die Arbeit in seinem Betrieb informiert. Dabei ging es um grundsätzliche beiderseitige Sympathie, natürlich auch um meine Qualifikation und meine Gehaltsvorstellungen. Am Ende konnte ich entscheiden, ob ich zum Vorstellungsgespräch kommen möchte. Natürlich habe ich zugesagt - jetzt war ich angestachelt, wie das Ganze weitergeht. Beim persönlichen Treffen hat mir Herr Barghorn persönlich einen Gesamtüberblick über das Unternehmen samt Betriebsrundgang gegeben und mir die wichtigsten Aspekte der Organisation und Führung im Haus sowie die beiden Kernwerte des Unternehmens - Verlässlichkeit und Flexibilität - vorgestellt. Außerdem ging es um das transparente Lohnsystem bei Barghorn: Jeder Mitarbeiter wird, abhängig von seiner Qualifikation und seiner Tätigkeit im Unternehmen, in einen Tarif eingruppiert. Obendrauf bekommt man eine vom jährlichen Beurteilungsgespräch abhängige Leistungszulage sowie eine Renditeprämie je nach Unternehmensumsatz. Demnächst kann man sich sogar direkt mit Eigenkapital am Unternehmen beteiligen. Auch das persönliche Gespräch war für beide Seiten zufriedenstellend und Herr Barghorn hat mich zu einer Woche Probearbeiten eingeladen. So konnte ich das Unternehmen, die Arbeitsbedingungen und die künftigen Kollegen kennenlernen und er sich von meiner Eignung überzeugen und die richtige Entgeltgruppe festlegen. Am letzten Tag der Probearbeit hielt ich dann meinen Arbeitsvertrag in Händen und seitdem bin ich fester Bestandteil des Barghorn-Teams! <?page no="156"?> 156 4 Loyale Mitarbeiter als Botschafter fürs Arbeitgeberimage Seit November 2019 gehen wir noch einen Schritt weiter: So können z.B. Schüler auch in der Schule mit einem Barghorn-Pulli Werbung für unser Unternehmen machen. Aus vielen Praktikanten werden einige Azubis und daraus dann über die Zeit der eine oder andere wertvolle Mitarbeiter. Und Kollegen können wir immer gebrauchen. Unser Team sieht der Chef übrigens wie eine Fußballmannschaft: Er sitzt auf der Bank als (Vollzeit-)Coach, schließlich arbeitet er am und nicht im Unternehmen. Denn den Blick für Talente, funktionierende Spielsysteme und Mannschaftsaufstellungen hat er! Führung ist für ihn keine Machtposition, sondern ein Unterstützungssystem. Will sagen: Jedem ist klar, wer den Urlaubsantrag entgegen- und die Leistungsbeurteilung vornimmt, wer also direkter disziplinarischer Vorgesetzter ist. Abgesehen hiervon ist Führung in unserem Haus eine Dienstleistungsaufgabe. Neben dem Chef am Rand sitzt der Vertriebsleiter in Funktion des Physiotherapeuten. Der Betriebsleiter fungiert als Libero, die Monteure als Stürmer, die Abteilungen Metallbau, Maschinenbau und Stahlbau bilden das Mittelfeld und Einkauf, Lager und Rechnungswesen die Verteidigung. Im Tor steht die kaufmännische Leitung bzw. die Personalabteilung. Um über die nächsten bevorstehenden Spiele zu berichten, schwärmen unsere ,Handy-Scouts‘ aus: Denn unsere Social-Media-Kanäle werden von ,echten‘ Mitarbeitern betreut: Die Gesellen kümmern sich um Facebook, die Azubis um Instagram. So wird uns auch der nächste Transfer sicher gelingen! “ June Khemiri, alsterarbeit gGmbH, Hamburg „Jeder Mensch ist einmalig. Gar nicht so Wenige kämpfen mit außergewöhnlichen Herausforderungen und möchten einfach nur ein ,normales‘ Leben führen und ,normal‘ behandelt werden. Auch auf dem Arbeitsmarkt. Und wer einem Menschen mit außergewöhnlichem Hintergrund eine Chance gibt, gewinnt sicher einen loyalen Mitarbeiter. Ich bin ein Hamburger Kind. Allerdings war meine Kindheit alles andere als normal. Regelmäßigen Schulunterricht, ein Elternhaus voller Liebe, Fürsorge und Halt habe ich nicht kennengelernt. Als ich die Unterschiede wahrnahm und zuhause ansprach, kam ich ins Heim. Mein größter Wunsch war es, ,normal‘ zu sein. Mit aller Mühe schaffte ich meine Ausbildung zur Modeschneiderin. Dann brach ich zusammen. Die Spuren meiner Kindheit waren nicht mal eben wegzuwischen. Später übernahm ich das Sorgerecht für meine kleine Schwester, was mich mental noch mehr forderte. Ich hatte ja noch genug mit mir zu tun. Das führte dazu, dass ich lange Zeit nicht zur Arbeit gehen konnte. Meine Angst und mein innerer Widerstand waren zu groß. Ich konnte mich mit anderen ja nicht messen. Ich bekam Panikattacken und Depressionen. <?page no="157"?> 4.1 Erfolgsgeschichten aus Mitarbeitersicht 157 So lief das weiter, bis eines Tages Marta in mein Leben kam. Marta arbeitete in der Arbeitsvermittlung für Menschen mit besonderen Herausforderungen. Sie kam auf mich zu, nahm sich Zeit und sie kam immer wieder. Sie ließ mich nicht los, so wie alle anderen zuvor. Sie zeigte mir, dass Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen möglich ist. Durch ihre Bestärkung fasste ich den Mut, mein Leben wieder in die Hand zu nehmen. Sie stellte mir den integrationsservice arbeit (isa) vor: Das Ziel von isa ist es, Menschen mit Handicap mit dem allgemeinen Arbeitsmarkt zusammenzubringen. Marta hat sich genau angeschaut, was ich schon gelernt und gearbeitet habe und alles gewürdigt, was ich schon mitbrachte. Wir erstellten ein Tätigkeitsprofil für mich, das mich selbst ins Staunen versetzte, was ich alles konnte und in mir hatte. Statt für mich ein Unternehmen am freien Markt zu suchen wie sonst, hat sie mir angeboten, direkt bei isa zu bleiben. Mit einem Jobcoach wie Marta an meiner Seite wusste ich intuitiv, dass jetzt alles gut werden würde. Ich habe ihr von Anfang an vertraut. Innerhalb von zwei Jahren BBB und dem beruflichen Eingangsverfahren wurde ich Teil dieser „Arbeitsfamilie“. So nennen wir unsere Abteilung wirklich, weil ich beruflich nichts in meinem Leben kennengelernt habe, das dem nahekäme. So wurde die neue Verwaltungseinheit mit mir zusammen aufgebaut. Ich lernte, dass Arbeit richtig Spaß macht! In so einem fantastischen Team. Oft sagte ich: ,Das geht nicht‘, ,das können wir nicht‘ - und Marta und mein Chef Sebastian sagten immer: ,Doch, das geht. Was brauchst du dafür? ‘ So etwas hätte ich mir nie träumen lassen! Hier sind nur Menschen, die das Gute in jemandem sehen.“ Manja Kaubisch, audibene Berlin „Schon beim Vorstellungsgespräch hinterließ audibene einen bleibenden Eindruck bei mir. Allein das Gebäude - ein schicker Backsteinbau über vier Etagen im Szeneviertel Prenzlauer Berg - fühlte sich hip, modern und ziemlich cool an. Die Menschen, die mich begrüßten, waren nett und freundlich und wow - verdammt smart. Hier sprach man zwar in erster Linie über Hörgeräte und Kundenbegeisterung - aber ich spürte sofort, dass es auch um mehr geht: Die Menschen bei audibene sind fasziniert und getrieben davon, den Hörgerätemarkt zu revolutionieren und neue Wege zu gehen. Man denkt unkonventionell und immer kundenzentriert. Das Team glaubt daran, dass man Leute einstellen sollte, die zum Unternehmen passen und Drive haben. Audibene investiert dann in weitere Trainings und Ausbildung. … Und was mich am Ende überzeugt hat: Die Kunden kommen zuerst und Partner(akustiker) sind Kunden und kommen damit auch zuerst. <?page no="158"?> 158 4 Loyale Mitarbeiter als Botschafter fürs Arbeitgeberimage Ich habe noch nie so einen großen Freiheitsgrad in meiner Arbeit erlebt und mich noch nie so selbstwirksam gefühlt wie bei audibene. Ich habe einen sehr großen Gestaltungsspielraum und viele tolle und smarte Kolleginnen und Kollegen, die ebenso für das Thema brennen und volle Energie geben. Aber wir arbeiten nicht nur hart, wir feiern auch unsere Erfolge. Und das ist extrem wichtig für das Zusammengehörigkeitsgefühl. Im ersten Jahr durften wir nach Miami fliegen, eine Woche bei den Kollegen von hear.com verbringen und das ein oder andere Highlight von Florida erleben. Das nächste Highlight war ein Wandertag mit 300 Mitarbeitern zu einem 5-Sterne-Hotel an der polnischen Ostsee. Neben einem offiziellen fachlichen Programm haben wir ausgiebig das Meer, die Sonne und die hoteleigene Disco genossen. Im Mai 2019 haben wir zudem - wie alle Jahre im Mai - unseren Firmen-Geburtstag gefeiert und im August unser legendäres Sommerfest mit über 500 Kolleginnen und Kollegen mit Partnern und externen Gästen, u.a. unseren Partnerakustikern. Auch wenn audibene nun schon im achten Jahr nicht mehr als Start-Up bezeichnet werden kann, so versuchen wir täglich diesen Spirit bewusst am Leben zu halten. Jeder einzelne Mitarbeiter ist gefordert, so zu handeln und zu entscheiden, als wäre es sein eigenes Unternehmen. Wir verzichten bewusst auf das Denken in Hierachien. So können wir schnell und im Zweifel auch etwas unkonventionell agieren. Lieber sprechen wir miteinander, als dass wir ellenlange E-Mails austauschen. Meetings halten wir online wie offline aber auch nur, wenn es unbedingt notwendig ist: wir treffen uns nicht des Meetings wegen. Fehler heißen wir bei audibene als Schätze willkommen und sie gehören genauso dazu, wie dass wir ständig uns selbst und die Grenzen der Industrie hinterfragen und vergrößern. Der „Lucky Friday“ wurde eingeführt, damit sich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus verschiedenen Teams per Losverfahren am Freitag zum Lunch treffen und in Kontakt treten. So kommt es, dass ein Java-Programmierer aus Indien zum Lunch mit einem SEO-Experten aus China geht. Oder dass die Kollegin aus dem Operationsteam mit der Kollegin aus dem Einkauf samt Bürohund auf der Dachterrasse im Sonnenschein ein Picknick auspackt. Da die Hälfte unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Kundenberatung in Deutschland im Home Office arbeiten, verabreden wir uns auch zum Online- Lunch oder halten regelmäßige Online-Sessions, bei denen wir in das Arbeitszimmer der Kolleginnen und Kollegen daheim schauen. Wenn mir jemand vor drei Jahren erzählt hätte, wie es ist, bei audibene zu arbeiten, hätte ich mit dem Kopf geschüttelt und gesagt: ,Sowas ist nicht möglich.‘ Heute kann ich stolz sagen: Es ist möglich - und im Prinzip kann es <?page no="159"?> 4.1 Erfolgsgeschichten aus Mitarbeitersicht 159 jede Firma nachmachen, wenn sie nur will. Arbeit darf leicht sein und es darf Spaß machen, täglich an Zielen zu arbeiten, mit Menschen zu interagieren und dabei auch noch etwas Gutes zu tun.“ Tobias Malik, Dachversteher, Semmenstedt (bei Wolfenbüttel) „Von Anfang an war es mir wichtig, gute Arbeitsbedingungen für meine Leute zu bieten. Um uns dies zertifizieren zu lassen, haben wir mit fairnessratings.de zusammengearbeitet. Beim Audit im Oktober 2017 haben wir einen Wert von 91,4 Prozent erzielt und dürfen deshalb das ,Work Life+ Arbeitgebersiegel‘ als fairer Arbeitgeber tragen. Wir sind wohl der einzige Handwerksbetrieb, der die hohen Anforderungen dieses Siegels erfüllt. Dazu gehört, dass die Menschen im Unternehmen nicht einfach nur als Kostenfaktoren gesehen werden, sondern als diejenigen, die die Wertschöpfung im Unternehmen erbringen. Außerdem sind es die Menschen, mit denen wir jeden Tag viel Zeit verbringen. Diesen Menschen gebührt Wertschätzung - und die drückt sich dadurch aus, dass der Arbeitgeber gute Arbeitsbedingungen schafft. Das fängt an mit professioneller Arbeitsbekleidung, Arbeitsschutzmaßnahmen und Arbeitssicherheitsschulungen, Ersthelferschulungen, geht weiter mit arbeitsmedizinischen Untersuchungen inklusive psychischer Gefährdungsbeurteilung und einer möglichst ergonomischen Ausstattung der Arbeitsplätze und Arbeitsgeräte bis hin zum regelmäßigen arbeitsbezogenen Gedankenaustausch. So können wir Beschäftigten im steten Austausch mit unserem Chef unsere Ansichten zur Unternehmensentwicklung einbringen, unsere Arbeitsprozesse und Arbeitsplätze selbst mitgestalten. Denn alle Baustellen und Projekte werden gemeinsam im Team besprochen. Wir schulen alle Beschäftigten aktiv und entwickeln unsere Fähigkeiten weiter, fördern externe Weiterbildungen und stellen neuen Kollegen und Auszubildenden einen Mentor zur Seite. In regelmäßigen Mitarbeitergesprächen tauschen wir uns über die gemeinsame Entwicklung des Unternehmens und jedes Einzelnen aus und planen gemeinschaftlich die nächsten Karriereschritte. Ich bin selbst Vater und kenne die Probleme, vor denen Eltern so manches Mal stehen. Die Kitas in der Region öffnen in der Regel erst um 7.00 Uhr. Deswegen ist bei uns grundsätzlich Arbeitsbeginn erst um 7.30 Uhr für ein Handwerksunternehmen ist das sehr spät. Aber so weiß ich, dass jeder zuerst sorgenfrei seine Kinder in die Kita bzw. zur Schule bringen kann und sich mein Team deswegen nicht stressen muss. Auch finanziell greife ich gern unter die Arme und bin bereit, die Kinderbetreuung von Vorschulkindern voll zu finanzieren. <?page no="160"?> 160 4 Loyale Mitarbeiter als Botschafter fürs Arbeitgeberimage Denn Väter als Arbeitnehmer haben aus meiner Sicht einen grundlegenden Vorteil: Familienmenschen sind oft strukturierter und haben ein größeres Verantwortungsbewusstsein für ihr Handeln. Deshalb lade ich insbesondere weitere Väter ein, bei uns zu arbeiten. Auch Praktikanten bzw. Interessenten zum Probearbeiten sind gern gesehen. Wir stellen uns auf jeden Mitarbeiter flexibel ein, planen gemeinsam mindestens zwei Wochen vorher die Arbeitszeiten, wir respektieren Elternzeit und haben Verständnis für Ausfallzeiten aufgrund kranker Kinder - schließlich ist es im Baubereich unmöglich, ein Kind mit zur Arbeit zu nehmen. Außer in ganz besonderen Fällen: Vor Kurzem hatten wir einen Kran für ein Bauvorhaben geliehen und konnten ihn dann nachmittags auf dem Firmengelände unseren Kindern vorführen und ein wenig mit dem Kran „üben“. Mehrmals im Jahr kommen unsere Mitarbeiter und ihre Familien bei uns auf dem Hof zu gemeinsamen Freizeitaktivitäten zusammen, zum Beispiel kurz vor Weihnachten und auf Sommer-Grillfesten. Dabei bezahlt der Arbeitgeber alle anfallenden Kosten. Außer an diesen Tagen muss auch garantiert niemand in der Freizeit erreichbar sein. Dass man sich an Weihnachten trifft, ist im Saison-Handwerk gar nicht so üblich. Aber bei uns wird in der Schlechtwetterperiode niemand entlassen. Auch die Arbeitsverträge sind unbefristet. So muss sich niemand Sorgen um das Auskommen im Winter machen. Selbst über die Rente denken wir im Vorfeld nach und sorgen für eine betriebliche Altersvorsorge und bezuschussen diese. Acht Stunden auf dem Dach - bei Wind und Wetter und bei glühender Hitze - sind durchaus anstrengend. Deswegen stellen wir kostenlos Getränke zur Verfügung und spendieren gelegentlich auch das Mittagessen. Nach getaner Arbeit stehen bei uns auf dem Hof Duschen zum Frischmachen zur Verfügung. Daneben werden gerade Umkleide-, Aufenthalts- und Hygieneräume nach modernsten Standards erbaut. Außerdem arbeiten wir gerade an unserer Klempnerwerkstatt, einer Schraubenkammer und genügend Platz zur feierabendlichen Erholung. Wir sind stolz, aufgrund einer objektiven Bewertung als fairer Arbeitgeber bewertet worden zu sein. Natürlich wollen wir auch in Zukunft gut aufgestellt bleiben. Dafür brauchen wir Beschäftigte, die ihre intellektuellen, kreativen und handwerklichen Potenziale voll entfalten und sie mit Freude an der Arbeit in den Dienst des Unternehmens stellen - eben Beschäftigte, die unser Unternehmen gemeinsam voran bringen.“ Sie möchten noch öfter inspiriert werden oder sehen in Ihrem Unternehmen auch berichtenswerte Aspekte? Dann bestellen Sie meine Erfolgsgeschichten kostenfrei über die Website loyalworks.de oder schreiben Sie mich direkt an: engel@loyalworks.de. <?page no="161"?> 4.2 Loyale Unternehmenskultur 161 4.2 Loyale Unternehmenskultur Keiner von uns hat gelernt, wie man Unternehmenskultur strategisch entwickelt. Das Modell der sechs Haltungen von Martin Permantier, das ich bereits vorgestellt habe, kann eine Unterstützung sein. Mit ihm können drei Aspekte der Teamentwicklung betrachtet werden: Teamgeist (die innere Haltung der Teammitglieder), Teamführung (das äußere Verhalten der Beteiligten) und Teamstrukturen (wie die Zusammenarbeit organisiert ist). Jeder Aspekt entfaltet je nach Haltung eigene Charakteristika. Entsprechend ist auch jeder weitere Entwicklungsschritt für jedes Team ein anderer. Die Grenzen zwischen den Haltungen sind nie ganz trennscharf. Meistens gibt es eine Gemengelage, die sich um eine bestimmte Haltung herumwinden. Meiner Erfahrung nach entstehen die größten Fehler bei der Besetzung von Führungspositionen, wenn extreme Haltungsunterschiede zwischen dem bestehenden Team und der neuen Führungskraft aufeinandertreffen. Wenn beispielsweise die neue Führung ihren Fokus aufs Controlling legt und erstmal die Freiheit der Teammitglieder einschränkt. Meist wird nicht sofort erkannt, was damit angerichtet wird, insbesondere wenn sie sich Zahlen und Resultaten verpflichtet fühlt und wenig Gespür für die Menschen vorhanden ist. Zuerst werden so Kosten gespart, die Zahlen stimmen, aber der Druck erhöht sich. Mit der Zeit geht den Teammitgliedern die Puste aus. Die ersten gehen. Oft wird daraufhin die Führungskraft entlassen oder versetzt. Das Spiel geht von vorn los und die Teamleistung stagniert. Um die richtige Führungskraft für ein Team auszuwählen, ist es wichtig, welche Haltung und welche Unternehmenskultur gefördert werden soll. Personalentscheidungen - insbesondere auf Führungsebene - werden damit zu Kulturentscheidungen. Denn Führungskräfte sind Kulturträger. Bei der Entwicklung einer Teamkultur ist wichtig, die einen nicht zu überfordern und die anderen nicht zu unterfordern. Damit dies gelingt, braucht es im Hinblick auf die Haltung eine reife Führungspersönlichkeit, die Mitarbeiter in allen Haltungen und Entwicklungsstufen adäquat führen kann. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass Kultur ein sich permanent entwickelndes, sich veränderndes Phänomen ist. Personen und ihr Verhalten in einem bestimmten Zusammenhang sollten immer getrennt betrachtet werden. Unabhängig von seiner Haltung und dem persönlichen Reifegrad <?page no="162"?> 162 4 Loyale Mitarbeiter als Botschafter fürs Arbeitgeberimage ist aus Loyalitätsmaßstab jeder als Mensch „richtig“. Jeder hat die Möglichkeit, seine Haltung zu wechseln, sein Verhaltensportfolio zu erweitern und damit verbunden, seine Sicht, wie er die Welt deutet und für sich als sinnvoll interpretiert. Ob, wie und in welchem Zeitraum er das möchte, obliegt ihm allein. Für die Führung ist es wichtig, das Gesamtbild des möglichen Entwicklungsweges vor Augen zu haben und zu sehen, wo jeder schwerpunktmäßig steht - auf individueller wie auf Teamebene. Das Erreichen einer neuen Haltung ist in diesem Sinn kein Ziel, sondern ein Resultat von Entwicklung. Loyale Teamentwicklung Je schneller und komplexer die Welt wird, desto vielschichtiger wird Teamarbeit. Erfolgreiche Teamentwicklung bedeutet nicht nur, Menschen mit einem bestimmten Know-how zu einer Gruppe zu formen, sondern ebenso eine inspirierende Atmosphäre zu schaffen, in der alle Beteiligten selbst in dramatischen Umbruchphasen ihr Bestes geben und ihr Potenzial voll einbringen. Doch zwischen Wunsch und Wirklichkeit liegt die Kluft vielfach klassischer Führungsansätze, in denen Teamentwicklung nicht die nötige Berücksichtigung findet. Stattdessen wird geschaut: Welche Verantwortungsbereiche hat der Mitarbeiter? Welche Erwartungen hinsichtlich fachlicher Kompetenzen werden an die Mitarbeiter gestellt? Welche Voraussetzungen bringen sie mit und welche fehlen ihnen? Doch die Fähigkeiten und die Position sagen wenig darüber aus, welche Rolle ein Mitarbeiter im Team spielt, welche Haltung er sich selbst, seinen Kollegen und der Firma gegenüber hat. Wenn allerdings all diese Aspekte nicht berücksichtigt werden - und infolgedessen nicht übereinstimmen - sind Reibungsverluste in der Zusammenarbeit vorprogrammiert. In Arbeitsteams mit ungünstigem Rollenverhalten fühlen sich einzelne Mitglieder schnell unter Druck gesetzt, unverstanden und reagieren gereizt. In besonderem Maße verstärkt sich dieser Effekt noch, wenn sich Teams mit Krisen konfrontiert sehen, zum Beispiel durch Umstrukturierungen. Um hinderliche Gruppendynamiken aufzudecken und ein starkes, loyal zusammenspielendes Team zu formen, sind Qualitäten des Beziehungsmanagements erforderlich. Allem voran ist die Führungskraft gefordert, ihren Mitarbeitern auch in schwierigen Zeiten Orientierung, Halt und Vertrauen zu geben. Und dafür braucht sie selbst Haltung, Mut und Überwindung. Ein solcher Teamentwickler schafft es, aus komplexen individuellen Persönlichkeiten ein begeistertes, in sich stimmiges und selbstbewusstes Team zu formen, das Hand in Hand arbeitet und aus sich selbst heraus Energie und Kreativität schöpft. <?page no="163"?> 4.2 Loyale Unternehmenskultur 163 Um dies zu erreichen, ist es wertvoll, erst einmal auf die Ursachen ür Unstimmigkeiten im Teamspirit zu achten. Herrscht Unzufriedenheit im Team, liegt der Grund in der Verstimmung eines Mitarbeiters (oder mehrerer) mit sich selbst, mit anderen oder mit dem Leben an sich. Nicht selten resultiert daraus eine Haltung des Dagegenseins, ein Kampfmodus, der den Energiefluss im Team behindert und den Innovationsgeist trübt, den wir - gerade in Umbruchzeiten - dringend benötigen. Anzeichen für eine solche Verstimmtheit sind:  Positionskämpfe statt Auseinandersetzungen über Interessen  Abwertung statt Wertschätzung der Denkweise anderer  Silodenken anstelle bereichsübergreifender Lösungsansätze  Permanentes Ins-Wort-fallen anstelle echten Zuhörens  Nur zu reden, statt auch zu handeln  Recht haben wollen, statt andere Meinungen gelten zu lassen  Tadeln, statt zu loben  Übereinander statt miteinander zu sprechen  Sicherheit in der Vergangenheit zu suchen, statt Mut in der Gegenwart zu zeigen  Eisern am Alten festzuhalten, statt Neues zu wagen Auch wenn diese Polaritäten nichts Neues sind, stehen sie im Arbeitsalltag einer loyalen Kultur oft als Hindernisse im Weg. Hier braucht es mehr als die reine Erkenntnis, nämlich konkrete Anleitungen für die praktische Umsetzung. Da es die gemeinsamen Kräfte braucht, um sich dauerhaft aus alten Mustern zu befreien, ist es wichtig, bei der Grundgestimmtheit im Team anzusetzen. Denn das Verhalten und die Stimmung im Team sind das Ergebnis des Denkens und der Einstellung der einzelnen Mitglieder und ihrer Führungsperson. Positive Gestimmtheit ist in diesem Zusammenhang also ein wirksames Führungswerkzeug, um mit der Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit, die Veränderungsprozesse innehaben, zurechtzukommen. Die innere Stärke, die die Mitarbeiter aus einer gehoben gestimmten Haltung ziehen, kann dem latenten Gefühl der Überforderung ein Ende setzen und Raum für angstfreies und kreatives Arbeiten schaffen. Eine gehobene Stimmung setzt die angeborene Entdeckerlust und Gestaltungsfreude wieder frei, die wir brauchen, um Lösungen zu entwickeln, zu lernen und innovativ zu sein. Um ihr Team zu entwickeln, coacht eine Führungskraft ihre Mannschaft also nicht nur auf ihr Tun, sondern ganz besonders auch auf ihr Sein. <?page no="164"?> 164 4 Loyale Mitarbeiter als Botschafter fürs Arbeitgeberimage Aus diesem Spirit heraus können die Mitarbeiter:  leichter ihre eigenen Ansichten und Rechthabereien loslassen,  freundlicher und offener auf andere zugehen, weil sie nicht so gestresst sind,  kreativer denken und agieren, weil sie keine Angst vor Fehlern haben und nicht um Anerkennung kämpfen müssen,  nach Misserfolgen schneller wieder in die Lösungsorientierung kommen,  schneller auf Herausforderungen reagieren und bestehende Konzepte weiterentwickeln. Loyale Grundeinstellungen eines Teamentwicklers sind also: der feste Glaube an die Vision und deren Umsetzung; das Vorbildverhalten voller Leidenschaft und Engagement für die gemeinsame Sache; die Haltung, dass jeder Mitarbeiter im Unternehmen wichtig ist und dieser den Erfolg wesentlich mehr beeinflusst als seine Position; die Erkenntnis, welche Chancen (und Gefahren) sich aus der Rolle des Mitarbeiters ergeben, um daraus eine günstige Entwicklung im Hinblick auf die gemeinsamen Ziele zu fördern; das Wissen, dass in Umbruchphasen zuerst Mut erforderlich ist, der das Loslassen von alten Denkmustern und Routinen beinhaltet; der Fokus auf eine gehobene Stimmung als entscheidender Faktor in jedem Führungs- und Kommunikationsprozess, der Gemeinsamkeiten in den Vordergrund stellt; das Vertrauen in sein Team, davon ausgehend, dass jedes Teammitglied sein Bestes gibt; die Konzentration auf innere Vorgänge (Gedanken und Gefühle), um mit diesem Wissen das Außen zu gestalten; die Einsicht eines kontinuierlichen, gemeinsamen Entwicklungsprozesses, in dem sich das Team permanent befindet; die Klarheit und Konsequenz in Führung und Kommunikation, geprägt von Wertschätzung, Wohlwollen und Freundlichkeit; das Selbstbewusstsein, eigene Emotionen zu verwalten und das eigene Ego zugunsten des Teamerfolgs zurückstellen zu können; <?page no="165"?> 4.2 Loyale Unternehmenskultur 165 die Betrachtung von Konfliktsituationen als wertvolle Trainingseinheiten, die Aufschluss über Verbesserungspotenziale geben; das Vermögen, über Kontextveränderung einen Entwicklungsprozess bei jedem einzelnen Teammitglied anzustoßen. Das Geheimnis loyaler, erfolgreicher Teams ist eine Kultur der Offenheit, des Vertrauens und Zusammenhalts. Offenheit in dem Sinne, dass jeder Mitarbeiter seine Meinung und seine Geühle frei äußern darf, von allen gehört und daür nicht sofort beurteilt oder gar entwertet zu werden. Voraussetzung ür einen solchen offenen Austausch ist ein wertschätzender Ton, der zum Beispiel in Form eines ür alle geltenden Verhaltenskodexes fixiert werden kann. Vertrauen im Team zeigt sich, wenn sich die Mitglieder darauf verlassen können, dass jeder sich wirklich anstrengt und sein Optimum einbringt. Zusammenhalt stellt sich ein, wenn nicht jeder nur seine eigenen Ziele verfolgt, sondern alle gemeinsam einer Idee dienen, die größer ist als das Bild des Einzelnen. Die Freude über dieses gemeinsame Gelingen erzeugt eine hohe, loyale Stimmung im Team. Um den Teamentwicklungsprozess kontinuierlich im Blick zu behalten, sind folgende Fragen wertvoll, sich immer wieder zu stellen: - Wie kann ich mein eigenes Verhalten im Entwicklungsprozess auf die gesetzten Ziele hin verbessern? - Welche Rollen gibt es in meinem Team? Was bedeuten diese für das Funktionieren des Teams? - Welche günstigen und ungünstigen Verhaltensweisen zeigen die Teammitglieder, bezogen auf die gemeinsamen Ziele? - Wann muss ich mich von Mitarbeitern trennen? Und wie mache ich das, ohne den Teamerfolg zu gefährden? - Wie kann ich das Bewusstsein für die Chancen und Risiken des Rollenverhaltens der einzelnen Mitarbeiter erhöhen? - Was kann ich tun, um meine Mitarbeiter darin zu unterstützen, aus dem Opferverhalten in eine Lösungsorientierung zu kommen bzw. einen für sie günstigen Rollenwechsel zu vollziehen? Haltung ist Training Haltungen können experimentell geübt werden. Stellen Sie sich eine Frage und beantworten Sie diese aus den vorgestellten sechs Haltungen heraus. <?page no="166"?> 166 4 Loyale Mitarbeiter als Botschafter fürs Arbeitgeberimage Welche Sichtweisen fallen Ihnen leicht, welche schwer? Diese Übung ist auch im Team mit verteilten Rollen möglich und kann mit verschiedenen Fragestellungen durchgegangen werden. Einer denkt nur an sich, einer bezieht sich auf die Vergangenheit, Ordnung und Disziplin, einer hat nur die Zahlen im Blick, einer schaut, ob auch alle gefördert werden und genügend Raum für Eigenbestimmung ist, einer legt den Fokus auf die längerfristige Perspektive und die Werte, die man leben will, und der Sechste hat die Rolle, alle Interessen zu integrieren und gleichzeitig auf die Sinnhaftigkeit des gemeinsamen Wirkens zu achten. Wird die Übung allein durchgeführt, kann es erhellend sein, mit zwei Vorstellungen zu arbeiten: „Stellen Sie sich vor, beides ist richtig.“ Oder: „Stellen Sie sich vor, Sie wären der andere, und inkludieren sein gesamtes Lebenssystem, sein Schicksal, seine momentane Situation in Ihre Überlegungen und verstehen, warum er aus seiner Sicht auch recht hat.“ Dieses Vorgehen eignet sich bei Konflikten sehr gut, um den eigenen Horizont und das persönliche Repertoire zu erweitern. Da solche Entwicklungen neben dem Geschäftsalltag oft nur mit großem Aufwand umzusetzen sind, bietet loyalworks ® ein Führungsprogramm an, das individuelles Mentoring mit Seminartagen zur Erweiterung des ‚Werkzeugkoffers Führung‘ kombiniert. Führungskräfte erhalten so die Möglichkeit, zum einen den nötigen Abstand zum Tagesgeschäft zu nehmen, um Perspektiven zu wechseln und den Lösungsraum zu vergrößern - und gleichzeitig den Transfer des neuen Wissens in die Praxis zu garantieren. Ich sehe in dieser einzigartigen Kombination aus Seminar, Coaching und Mentoring im Unternehmen ausschließlich Vorteile. Jede Führungskraft wird von vier Trainern und Mentoren genau dort abgeholt, wo sie sich befindet. Es wird mit ihren konkreten Herausforderungen gearbeitet, nicht mit Rollenspielen. Die Tools und Methoden, mit denen ihr Führungswerkzeug erweitert wird, ist praxiserprobt und aus diversen am Markt erhältlichen Modellen auserlesen. Denn in wenigen Fällen brauchen wir mehr Wissen. Unsere Aufgabe liegt vielmehr darin, vorhandenes Wissen zu verwalten, zu bündeln und dann abzurufen, wenn es relevant ist. Dies bedarf einerseits Wissensmanagement und darüber hinaus der persönlichen Entwicklung und der Kenntnis psychologischer Zusammenhänge von Einzelpersonen und Teams. Zu allgemeinen Strategien zur Zukunftsbewältigung wie Werteorientierung und sinnhaftes Tun gesellen sich Selbstführungsqualitäten, um den strapazierten Führungsalltag zu entlasten. Und es geht darum, Sie für die nächsten Jahre zu rüsten, den Generationenwechsel und die digitale Transformation einzubeziehen. Wenn Sie sich davon angesprochen fühlen, erfahren Sie Genaueres unter https: / / nextlevel.loyalworks.de. <?page no="167"?> 4.3 loyalworks® - Haltung und Handlungsgrundlage 167 4.3 loyalworks® - Haltung und Handlungsgrundlage Wenn man alle Inhalte aus einem guten Buch lückenlos und unverzüglich umsetzen könnte, würden wohl alle Experten ihre Zeit am Schreibtisch verbringen und alles Wissenswerte runtertippen. Doch die Wahrheit sieht anders aus und ist viel individueller. Ihre intellektuelle Auseinandersetzung mit diesem Buch und dem gesamten Thema loyaler Führung und Zusammenarbeit schätze ich sehr und ich freue mich, wenn ich Ihnen schon jetzt Impulse zur direkten Umsetzung mit auf den Weg geben kann. Doch so wie Sie und alle Menschen um Sie herum Individuen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Ansprüchen sind, so sind der persönliche Umgang und das gegenseitige Erleben durch nichts zu ersetzen. Beides, das Buch und die Auseinandersetzung im Führungscoaching, haben ihre Berechtigung, ihre Wichtigkeit und ihren Platz. Mit dem Zertifikatslehrgang ‚Loyale Führung‘ wird Ihre Strategie lebendig: Das gemeinsame Erarbeiten strukturierter Programme hilft Ihnen, die internen, betrieblich bedingten oder auch persönlichen Hürden der Beteiligten zu überwinden. Der resultierende Strategie- und Maßnahmenplan wird durch die konkrete Verknüpfung mit Ihren Unternehmenszielen sinnstiftend und für alle verbindlich. Wenn die Inhalte dieses Buches Sie ‚angetriggert‘ haben, werden Sie im Führungsprogramm keine Wiederholung erfahren, sondern dass es weitergeht! Wir arbeiten intensiv an Ihren unternehmerischen Bedingungen entlang weit über die vorgestellten Inhalte hinaus: Hier schauen wir uns Ihre tatsächlichen Personalkennzahlen an und finden die für Sie passende Auswahl und Reihenfolge an Maßnahmen, um Unternehmenskultur, die Mitarbeiterloyalität und Effektivität in Ihrem Unternehmen auf einen zukunftssicheren Kurs zu bringen. Sie erkennen unmittelbar die Potenziale und Entwicklungschancen, um Ihre Personalstruktur und Führungskultur zielsicher und wachstumsstark aufzustellen:  Kulturstarke Mitarbeiterprogramme für Sicherheit, Orientierung und Bindung  Professionelle Personalmanagement-Strukturen zur Entlastung der Führungskräfte  Mentoring-Systeme zur Sicherung des Wissenstransfers  Mitarbeiterentwicklung und Kompetenzausbau für produktivere Arbeitsabläufe und ein stärkeres Innovationsmanagement  Werteorientiertes Bewerbermanagement und angepasste Recruiting- Kommunikation <?page no="168"?> 168 4 Loyale Mitarbeiter als Botschafter fürs Arbeitgeberimage  Teambuilding-Maßnahmen zur Steigerung der emotionalen Bindung und internen Konfliktbewältigung und -prävention Loyal works! Was nach dem Führungsprogramm passiert Meistens wird erst mit dem Ergebnis in den Händen - Ihrer strategischen Handlungsmatrix - erkennbar, um welche Inhalte und Veränderungen es in der Umsetzung geht. Neue Sichtweisen auf Ihre Führungsmethoden werden in einen zukunftsähigen Sinnzusammenhang gebracht. Auch die wesentlichen Instrumente zur Vereinfachung Ihrer komplexen Führungsaufgaben und die Hintergründe der gewandelten Mentalität und Einstellung von Arbeitnehmern sind Ihnen klar und über ein halbes Jahr Mentoring sicher in Ihren Arbeitsalltag integriert. Das Ergebnis: Sie und Ihr Team sind personell gestärkt und arbeiten gemeinsam anhand eines strategischen Leitfadens effektiv auf Ihre Unternehmensziele hin - und berücksichtigen gleichzeitig die Ziele und Bedürfnisse des Einzelnen. Mehr Impulse zu loyalworks® Loyalität funktioniert! Dennoch eröffnen sich im Arbeitsleben immer wieder neue Herausforderungen und Bedingungen, die hinterfragt und überprüft werden wollen. Deshalb betrachte ich dieses Buch auch nicht als fertig, sondern als veröffentlicht. Wenn dieses Thema Sie berührt, Sie eine Story haben, die das Zeugnis loyaler Führung ist - oder auf dem Weg dahin, dann schreiben Sie mir! Wertvolle Anregungen zum Fokus Loyalität nehme ich gern entgegen. Sie wünschen auf Ihrer Veranstaltung einen Impulsvortrag zum Thema? Sehr gern! Schreiben Sie mir direkt an engel@loyalworks.de Die Zukunft beschreibt das Leben in Netzwerken. Wenn dieses Buch auch für Ihre Kollegen, vertraute Businesskontakte oder für Ihre Netzwerke interessant sein könnte, empfehlen Sie es gern weiter. Ihre Rezension meines Buches bei Amazon hilft anderen Menschen, sich für den loyalen und zukunftsgewandten Führungswandel zu entscheiden. Für alles, was Sie nach dem Aus-der-Hand-legen dieses Buches tun: Ich freue mich darüber! Vielen herzlichen Dank! Mehr hören? Ich werde meiner Überzeugung nicht müde! Aus diesem Grund habe ich den Podcast 7-Minuten-loyaler ins Leben gerufen, der wöchentlich <?page no="169"?> 4.3 loyalworks® - Haltung und Handlungsgrundlage 169 neue Inspirationsquellen zu loyaler Führung und Zusammenarbeit bietet - bei iTunes, Spotify und allen gängigen Kanälen. Praxiserprobte Beispiele, nachvollziehbare Entscheidungen und vor allem: jede Menge Input zum Nachahmen und Bessermachen. Hören Sie mal rein! Mehr lesen? Wenn Ihnen dieses Buch gefallen hat, werden Sie auch in den anderen Büchern von mir Inspiration und jede Menge Führungswerkzeuge für die Praxis finden. Die hervorragende Buchrezension in managerSeminare (09/ 2020) ist für mich Ansporn und Verpflichtung zugleich. Ob ein Unternehmen wirklich loyal geführt wird, können wohl am ehesten die Mitarbeiter beurteilen. In meinen Erfolgsgeschichten aus Mitarbeitersicht bekommen Sie Stories von Vorbildunternehmen aus der Innensicht geliefert. Einige Kurzfassungen konnten Sie innerhalb dieses Buches ja schon kennenlernen. Ich verspreche Ihnen, Sie nicht zu langweilen und wirklich Mehrwert zu liefern - für Ihre direkte Umsetzung im Betrieb. Einfach anmelden unter loyalworks.de. Mehr erleben? Als Expertin für Organisationskommunikation habe ich in den letzten Jahren diverse Keynote-Vorträge gehalten - bei Führungskräftekonferenzen, Firmenveranstaltungen, bei Wirtschaftskongressen und Verbandstagungen. Verpassen Sie Ihrem Event ein Highlight mit einem wirklich authentischen Beitrag für Augen, Ohren und Herz, wie Sie sich, Ihr Team und Ihr Unternehmen sicher durch unbefahrenes Gelände navigieren und gemeinsam gestärkt auf Ihre Zukunftsroute lotsen. Mehr Austausch? Für alle Leser meiner Bücher und Menschen, die sich mehr mit Loyalität als unternehmerisches Bindemittel befassen wollen, bieten die exklusiven Gruppen ‚Loyal Führen Community‘ auf LinkedIn, XING und Facebook weitere Impulse und Kontakt zu gleichgesinnten Führungsmenschen, die mindestens eines gemeinsam haben: die Überzeugung, dass wir mit mehr Loyalität mehr Miteinander schaffen, um gemeinsam zu wachsen und erfolgreich zu sein. Ich habe diese Gruppen ins Leben gerufen, um Ihnen und weiteren Lesern dieses Buches die Möglichkeit zu geben, eng am Thema in Austausch zu kommen. Hier geht es um Führungsthemen, Wachstumsprozesse und wie Mitarbeiter und Teams menschlich und praktikabel mitgenommen werden. Ich lade Sie herzlich ein, in diesen Gruppen Fragen zu stellen und die Diskussionen rund um Loyalität in der Führung und Arbeitswelt anzuregen, ihre Sichtweisen und Erfahrungen zu schildern und miteinander sowie voneinander zu lernen. <?page no="170"?> 170 4 Loyale Mitarbeiter als Botschafter fürs Arbeitgeberimage 4.4 Aussichten: Mit Loyalität der Angst begegnen und motivieren Loyalität bezieht sich auf die innere Verbundenheit eines Menschen mit anderen Menschen oder mit einer Institution, welche idealerweise auf Gegenseitigkeit basiert. Kurz: Auf einen loyalen Menschen kann man sich verlassen und ihm vertrauen, weil auch er sich auf sein Gegenüber verlässt und vertraut. Loyalität stellt sich in der Regel ein, wenn wir die gleichen Werte und Ansichten teilen und gemeinsam dafür einstehen. Das schweißt zusammen - loyale Menschen gehen miteinander durch dick und dünn, loyale Menschen unterstützen einander, auch wenn sich ihre Ziele nicht einhundertprozentig decken. Das gilt im privaten Bereich genauso wie im Unternehmenskontext. Wer in einem loyalen Umfeld lebt und arbeitet, zieht Energie und Motivation aus der Gemeinschaft. Nach meinem persönlichen Empfinden kann nichts so stark befeuern wie der Zuspruch und die Unterstützung von Menschen auf derselben Wellenlänge. Ich bin deshalb überzeugt, dass Loyalität auch in Zukunft die Antwort darauf sein wird, wie wir Zusammenhalt und Ziele erreichen. Und wenn dem so ist, wenn Loyalität die Antwort für eine gemeinsame Kultur ist, dann ist diese Kultur der Motivator schlechthin. Dann wird diese loyale Kultur auch in der Lage sein, Ängsten entgegenzuwirken. Gerald Hüther sagt: „Angst entsteht, wenn wir Zeit haben, zu überlegen.“ In einer Kultur, die von Wertschätzung, Wohlwollen und Loyalität geprägt ist, braucht es keiner Angst. Weil Wir-Gefühl und Zusammenhalt gegeben sind. In diesem Buch erläutere ich, warum und wie Führungskräfte der Schlüssel zu dieser loyalen Kultur sind. Als reife Führungspersönlichkeiten sind sie auch der Schlüssel gegen Angst und für Motivation. Diesen Themenfeldern werde ich mich weiter widmen. Unzweifelhaft liegt es in der Hand der Führungskräfte, auf ihre Mitarbeiter einzugehen. Ihr Verhalten bestimmt den Ausgang ihrer gemeinsamen Geschichte. Rolf Schmiel, der freundlicherweise das Geleitwort für dieses Buch schrieb, bringt den Zusammenhang mit seinen Worten auf den Punkt: „Aus Zuhören wird Zuwendung und aus Zuwendung wird Zugehörigkeit.“ Danke! <?page no="171"?> 5 Literaturhinweise Beller, Tinka / Hoffmeister-Schönfelder, Gabriele: Mentoring, Gabal, Offenbach 2016 Bittlingmaier, Torsten / Schelenz, Bernhard: Employer Reputation, Haufe, Freiburg 2015 Borbonus, René: Klarheit, Econ, Berlin 2015 Borbonus, René: Respekt, Econ, Berlin 2011 Borgert, Stephanie: Die kranke Organisation, Gabal, Offenbach a.M. 2019 Borgert, Stephanie: Unkompliziert, Gabal, Offenbach a.M. 2019 Breidenbach, Joana / Rollow, Bettina: New Work needs Inner Work, Das Dach Berlin, Berlin 2019 Brenner, Doris: Onboarding, Springer Gabler, Wiesbaden 2014 Collin, Matthias: In zwölf Schritten besser werden - Praxisleitfaden zur Unternehmensoptimierung, Gabler, Wiesbaden 2010 Conin-Ohnsorge / Lackner / Weinländer-Mölders: Männer an der Seite erfolgreicher Frauen, Haufe, Freiburg 2018 Corssen, Jens / Gröner, Stefan: Der Team-Entwickler, Knaur, München 2017 Daigeler, Thomas / Hölzl, Franz / Raslan, Nadja: Führungstechniken, Haufe, Freiburg, 2017 Ebner, Markus: Positive Leadership, Facultas, Wien 2019 Economy, Peter: Management ür Dummies, Wiley-VCH, Weinheim 2017 Führmann, Ulrike / Schmidbauer, Klaus: Wie kommt System in die interne Kommunikation, Talpa, Berlin 2011 Gabrisch, Jochen: Führungsinstrument Mitarbeiterkommunikation, managerSeminare, Bonn 2019 Goller, Ina / Laufer, Tanja: Psychologische Sicherheit im Unternehmen, Springer Gabler, Wiesbaden 2018 Graf, Nele / Edelkraut, Frank: Mentoring, Springer Gabler, Wiesbaden 2014 Grant, Adam: Geben und Nehmen, Droemer, München 2013 Greßler, Katrin / Freisler, Renate: Agil und erfolgreich ühren, managerSeminare, Bonn 2017 <?page no="172"?> 172 5 Literaturhinweise Grieger-Langer, Suzanne: Die 7 Säulen der Macht, Jungfermann, Paderborn 2006 Groth, Alexander: Führungsstark in alle Richtungen, Campus, Frankfurt a.M. 2010 Groth, Alexander: Führungsstark im Wandel, Campus, Frankfurt a.M. 2011 Guérin, Marion: Relead The End of Knowing Leadership, Bremen 2019 Förster, Anja / Kreuz, Peter: Vergeude keine Krise, Rebels at Work Media, Scheidegg 2020 Freisler, Renate / Greßler, Katrin: Leadership-Kompetenz Selbstregulation, managerSeminare, Bonn 2018 Hacke, Axel: Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen, Kunstmann, Bad Kissingen 2017 Haller, Reinhold: Checkbuch ür Führungskräfte, Haufe, München, 2012 Heimsoeth, Antje: Chefsache Kopf, Springer Gabler, Wiesbaden 2015 Heimsoeth, Antje: Vertrauen entscheidet, Haufe, Freiburg 2019 Heise, A. S. Ulrike: Faktor Mensch, BeckKompakt, München 2017 Herbst, Dieter Georg: Warum interne Kommunikation ür Mitarbeitende so wichtig ist und wie sie funktionieren kann, School for Communication and Management, Berlin 2014 Hettl, Matthias K.: Führung kompakt, BusinessVillage, Göttingen 2014 Hoffmann, Kerstin: Lotsen in der Informationsflut, Haufe, Freiburg 2017 Holmes, Stephanie: Social Media Marketing, Webmasters Press, Nürnberg 2015 Horx, Matthias: Die Zukunft nach Corona, Econ, Berlin 2020 Ion, Frauke / Brand, Markus: Motivorientiertes Führen, Gabal, Offenbach a.M. 2009 Jánsky, Sven Gábor: Das Recruiting-Dilemma, Haufe, Freiburg 2014 Janssen, Bodo: Die stille Revolution, Ariston, München 2016 Kluge, Michael / Buckert, Andreas: Der Ausbilder als Coach, Wolters Kluwer, Köln 2017 Kolbusa, Matthias: Konsequenz, Ariston, München 2017 Kratz, Hans-Jürgen: Neue Mitarbeiter erfolgreich integrieren, Ueberreuther, Wien 1997 Kriegler, Wolf Reiner: Praxishandbuch Employer Branding, Haufe, Freiburg 2015 <?page no="173"?> 5 Literaturhinweise 173 Laloux, Fréderic: Reinventing Organizations, Vahlen, München 2017 Neuberger, Oswald: Führen und ühren lassen, Lucius & Lucius UTB, Stuttgart 2002 Niermeyer, Rainer: Teams ühren, Haufe, Freiburg 2016 Pathé, Nicole: Feigling oder Führungskraft, Gabal, Offenbach a.M. 2017 Permantier, Martin: Haltung entscheidet, Vahlen, München 2019 Prost, Winfried: Dialektik - die Psychologie des Überzeugens, Gabler, Wiesbaden 2010 Purps-Pardigol, Sebastian: Führen mit Hirn, Campus, Frankfurt a.M. 2015 Reichheld, Fred: The Loyalty Effect, Harvard Business School Press, Boston 2001 Resetka, Hans-Jürgen / Felfe, Jörg: In Führung gehen, Haufe, Freiburg 2014 Rose, Nico: Führen mit Sinn, Haufe, Freiburg 2020 Rose, Nico: Arbeit besser machen, Haufe, Freiburg 2019 Rupp, Miriam: Storytelling ür Unternehmen, mitp, Frechen 2016 Schmiel, Rolf: Senkrechtstarter, Campus, Frankfurt a.M. 2014 Schüller, Anne M.: Das Touchpoint Unternehmen, Gabal, Offenbach a.M. 2014 Schüller, Anne M. / Steffen, Alex T.: Die Orbit-Organisation, Gabal, Offenbach a.M. 2019 Schüller, Anne M. / Steffen, Alex T.: Fit ür die Next Economy, Wiley, Weinheim 2017 Schüller, Anne M. / Fuchs, Gerhard: Total Loyalty Marketing, Gabler, Wiesbaden 2006 Schweickhardt, Axel: Teamkultur entwickeln, managerSeminare, Bonn 2018 Sewell, Konrad: Führungskraft, Barsinghausen 2019 Simon, Walter: Grundlagen der Arbeitsorganisation, Gabal, Offenbach a.M. 2004 Simon, Walter, Grundlagen der Kommunikation, Gabal, Offenbach a.M. 2004 Simon, Walter, Führung und Zusammenarbeit, Gabal, Offenbach a.M. 2006 Simon, Walter: Management-Techniken, Gabal, Offenbach a.M. 2005 Simon, Walter: Persönlichkeitsentwicklung, Gabal, Offenbach a.M. 2007 <?page no="174"?> 174 5 Literaturhinweise Simon, Walter: Zukunft, Gabal, Offenbach a.M. 2011 Sprenger, Reinahrd K.: Radikal ühren, Campus, Frankfurt a.M. 2012 Struck, Pia: Game Change, Gabal, Offenbach a.M. 2016 Wachtel, Stefan: Die Kunst des Authentischen, 2018 Weller, Robert / Firnkes, Michael: Blog Boosting, mitp, Blaufelden 2015 Wolf, Gunther: Mitarbeiterbindung, Haufe, Freiburg 2013 <?page no="175"?> ISBN 978-3-7398-3072-8 www.uvk.de So gewinnt Ihre Führung durch eine loyale Haltung Dieser Ratgeber ist geschrieben für Macher, die den Faktor Mensch im Unternehmen richtig verstehen und fördern wollen. Auch ohne den Urschrei in der Gruppe zu üben oder auf Bio-Farmen Bäume zu umarmen, weiß Miriam Engel: Das Erfolgsgeheimnis ist die Verbundenheit und Loyalität zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Nur so können Sie wirtschaftlich erfolgreich arbeiten! Zur Analyse Ihrer Ist-Situation sind die wichtigsten statistischen Daten und Fakten erfasst und in praktischen Anwendungsgebieten für Führungskräfte aufbereitet. Beim Durcharbeiten des Buches erhalten Sie Klarheit über die Bedürfnisse Ihres Teams und mit welchen führungsrelevanten und sozialen Fähigkeiten Sie sich selbst und Ihre Kollegen und Mitarbeiter auf Zukunftskurs bringen. Denn: Loyalität macht Sie gemeinsam erfolgreich! Miriam Engel ist Kommunikationswirtin, Führungstrainerin, zertifizierte Personalentwicklerin und internationale Expertin für loyale Führung und Zusammenarbeit.