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Frauen im Tourismus

Tourismus kompakt

0726
2021
978-3-7398-8086-0
978-3-7398-3086-5
UVK Verlag 
Kerstin Heuwinkel

Geschlechterstereotype im Tourismus erkennen! Das Attribut "Frau" als Genderzuordnung macht einen Unterschied - in vielen Bereichen. Dies gilt auch im Tourismus. Kerstin Heuwinkel untersucht systematisch Geschlechterstereotype im Tourismus und diskutiert die damit verbundenen Konsequenzen. Dieses Buch macht Frauen in der Tourismusindustrie, als Reisende und Betroffene, sichtbar und analysiert ihre jeweiligen Positionen, Abhängigkeiten und Handlungsalternativen. Ausgehend von soziologischen Konzepten deckt die Autorin genderbasierte Strukturen und Konflikte auf und entwickelt eine Perspektive für gendergerechte Lösungen. Fallbeispiele und Interviews mit Frauen aus der Tourismuspraxis runden dieses Buch ab. Eine spannende Lektüre für Studierende, Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen im Tourismus, die zum Nachdenken anregt - auch über sich selbst.

<?page no="0"?> Frauen im Tourismus Tourismus kompakt Kerstin Heuwinkel <?page no="1"?> Kerstin Heuwinkel Frauen im Tourismus Tourismus kompakt <?page no="2"?> Dr. Kerstin Heuwinkel ist Professorin an der htw saar, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes. Sie lehrt Tourismussoziologie, nachhaltiges Tourismus-Management und Kulturmanagement. Forschungsfelder sind Empowerment durch Tourismus sowie Sporttourismus. <?page no="3"?> Kerstin Heuwinkel Frauen im Tourismus Tourismus kompakt UVK Verlag · München <?page no="4"?> Umschlagabbildung: © martin-dm · iStock Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. 1. Auflage 2021 © UVK Verlag 2021 - ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 2701-2212 ISBN 978-3-7398-3086-5 (Print) ISBN 978-3-7398-8086-0 (ePDF) ISBN 978-3-7398-0110-0 (ePub) <?page no="5"?> Was Sie vorher wissen sollten „Das Thema [Frau] ist ärgerlich, besonders für die Frauen; außerdem ist es nicht neu.“ (De Beauvoir, 1989, S. 8) Es gibt Themen, denen ich als Autorin mit großem Respekt begegne. Eines davon ist das in diesem Buch behandelte Thema „Frauen im Tourismus“. Allein die Nennung des Themas führt zu deutlichen (emotionalen) Reaktionen beim Gegenüber. Die einen verdrehen genervt die Augen, während andere meinen, dass dieses Thema bislang in der deutschsprachigen Tourismusliteratur vernachlässigt wurde. Am häufigsten war ein vieldeutiges Schmunzeln und ein in der Luft hängendes „Ach“. Oft gab es auch abgebrochene Sätze wie „Dass ausgerechnet Du Dich mit dem Thema befasst…! “ Schwierig ist das Thema vor allem deswegen, weil alle Menschen unweigerlich einem Geschlecht zugeordnet und somit von der Diskussion betroffen sind. Ähnlich emotional besetzte Themen wie „Tiere im Tourismus“ ermöglichen trotz aller persönlich empfundenen Betroffenheit eine Distanzierung. Dieses Buch dient im Wesentlichen Studierenden aus Tourismusstudiengängen dazu, einen Überblick über die zahlreichen Ausprägungen des Themas zu erhalten. Frauen gestalten den Tourismus sowohl auf der Seite der Nachfrage als auch auf der Seite des Angebots. Sie entscheiden und planen ebenso, wie sie Gäste begrüßen und Flugzeuge steuern. Neben der bewussten und in vielen Fällen freiwilligen Teilnahme am Tourismus sind Frauen vom Tourismus betroffen, ohne dass sie aktiv an diesem partizipieren wollen und können. Die daraus resultierende gesellschaftliche und ökonomische Tragweite des Tourismus muss diskutiert und in tourismuswissenschaftliche Überlegungen mit einbezogen werden. <?page no="6"?> 6 Was Sie vorher wissen sollten In → Kapitel 1 werden zentrale Begriffe vorgestellt und abgegrenzt. Definitionen und Abgrenzungen leiten über zur Darstellung des Forschungsfeldes in → Kapitel 2. Dazu werden ausgewiesene Forschungsthemen und Arbeiten zu Frauen im Tourismus vorgestellt. In → Kapitel 3 folgt die Erörterung zentraler Theorien. Der Schwerpunkt liegt dabei eindeutig auf soziologischen Ansätzen. Die Analyse der touristischen Praxis erfolgt in → Kapitel 4-6. Zu den Feldern gehören u.a. Frauen als Reisende, als Beschäftigte, als Managerinnen und Gründerinnen, Weiblichkeit im Marketing und sexuelle Ausbeutung. Unter der Überschrift „Frauen im Tourismus: Ungenutzte Chance“ werden die Erkenntnisse des Buches in → Kapitel 7 zusammengefasst. Als Frau ein Buch über Frauen im Tourismus zu schreiben, hat mich dazu gedrängt, über Strukturen, Konstellationen und Unausgesprochenes nachzudenken. Ich habe entdeckt, wie stark ich selbst durch Gendervorstellungen geprägt bin, und dass ich das Geschlechterspiel mitspiele - oft nach meinen Regeln - aber immer mit Bezug auf das aktuelle Spiel. Ein besonderer Dank geht an Frau Winkler und Frau Hien, die als junge Frauen ihre Faszination zum Beruf gemacht haben und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Sie geben dem Tourismus ein neues Gesicht. Herzlichen Dank an meinen Lektor Rainer Berger, der mich nun schon zum zweiten Mal dabei begleitet hat, eine grobe Idee in die feste Form eines Buches zu überführen. Dank auch an die Studierenden sowie an meine wunderbaren Kolleginnen und Kollegen, die mich fachlich und freundschaftlich begleitet haben. Meiner Familie danke ich dafür, dass sie so sind, wie sie sind. Köln, 1. April 2021 Kerstin Heuwinkel <?page no="7"?> Inhalt Was Sie vorher wissen sollten | 5 1 Einführung .......................................................................9 1.1 Gender | Geschlecht | Differenz................................9 1.2 Tourismus .................................................................... 12 1.3 Tourismuskritik und Gender ................................. 13 1.4 Frau und Frauenförderung...................................... 16 1.5 Feminismus und Gender Studies .......................... 18 1.6 Aktualität des Themas ............................................. 21 2 Das Forschungsfeld ................................................... 25 2.1 Daten ............................................................................. 25 2.2 Publikationen und Themen .................................... 31 2.3 Organisationen und Institutionen ........................ 36 3 Theorien | Konzepte | Begriffe ............................... 41 3.1 Gesellschaft | Sozialstruktur | Sozialisation ..... 42 3.2 Rollenspiel und Darstellung (display).................. 48 3.3 Doing Gender.............................................................. 52 3.4 Macht............................................................................. 55 3.5 Körper | Embodiment .............................................. 62 3.6 Sexual Objectification............................................... 70 3.7 Fazit: Gender lenkt und denkt ............................... 73 <?page no="8"?> 8 Inhalt 4 Frauen in der Tourismusindustrie ......................... 79 4.1 Frauen als Beschäftigte im Tourismus ................ 79 4.2 Frauen in Führungspositionen............................... 88 4.3 Frauen als Gründerinnen ........................................ 97 4.4 Zwischenfazit............................................................ 100 4.5 Frauen und Weiblichkeit im Marketing ........... 101 4.6 Prostitutionstourismus........................................... 106 4.7 Fazit: Genderkonstruktionen im Tourismus ... 110 5 Frauen als Reisende ................................................ 113 5.1 Frauen als Entscheiderinnen ................................ 115 5.2 Frauen reisen: Literatur und Forschung ........... 122 5.3 Mobilität, Frauenreisen und Frauenorte........... 132 5.4 Weiblicher Prostitutionstourismus .................... 145 5.5 Fazit: Reisende Frauen sind unsichtbar............. 148 6 Frauen als Betroffene ............................................. 153 6.1 Kultureller und sozialer Wandel ......................... 154 6.2 Knappe Ressourcen - Wasser.............................. 157 6.3 Fazit: Wir können nicht nicht reisen ................. 162 7 Frauen im Tourismus: Ungenutzte Chance ..... 165 Quellen | 173 Anhang | 189 Stichwörter, Personen, Organisationen | 191 <?page no="9"?> 1 Einführung Das Attribut Frau als Genderzuordnung macht einen Unterschied und zwar in vielen, womöglich sogar in allen Bereichen des Tourismus. Ziel des Buches ist eine systematische Analyse der Zuschreibung des Attributs Frau im Bereich des Tourismus und der daraus folgenden Konsequenzen, insbesondere den daraus resultierenden Unterschieden. Grundlage für die Betrachtungen ist die Soziologie, insbesondere die Geschlechtersoziologie und der symbolische Interaktionismus. 1.1 Gender | Geschlecht | Differenz Die zentrale Annahme lautet, dass innerhalb von Gesellschaft(en) Unterscheidungen zwischen Geschlechtern im Sinne von Gender - zumeist nur zwischen Frau und Mann - getroffen werden, und dass Unterscheidungen unterschiedliche Folgen für diejenigen haben, denen das eine oder andere Geschlecht zugeschrieben wird. Die Geschlechterdifferenz ist abhängig vom kulturellen, sozialen und geografischen Umfeld sowie vom historischen Kontext. Auch wenn es sich um eine soziale Konstruktion und nicht um eine biologische Bedingtheit handelt, sind die Annahmen über Frau(en), Weiblichkeit und den Zusammenhang von Geschlecht und Verhalten recht stabil. Sie werden selten hinterfragt. So ist die dichotome Einteilung und damit strenge Kategorisierung in Mann und Frau basierend auf körperlichen Merk- <?page no="10"?> 10 Einführung malen nur eine von vielen möglichen Unterscheidungen. Interessanterweise ist diese Form der Differenz auf Entwicklungen im 18. und 19. Jahrhundert zurückzuführen, als die damals gültigen Unterschiede basierend auf abstammungsbedingten Standeszugehörigkeiten durch das aufstrebende Bürgertum durchbrochen wurden (vgl. Gildemeister & Hericks, 2012, S. 7ff). Personenkategorisierungen sind immer mit Machtinteressen, mit Einflussnahme und mit darunter verborgenen Ängsten vor Macht- und Bedeutungsverlust verbunden. Somit ist die Frage zu beantworten, warum die genderbezogene Unterscheidungsoption so dominant ist und wer Interesse an ihrer Aufrechterhaltung und Verstärkung hat.  Wissen │ Sex , Gender und Sexualverhalten Im Deutschen wird der Begriff Geschlecht undifferenziert verwendet, während im Englischen eine begriffliche Unterscheidung zwischen sex und gender existiert. Sex beschreibt das biologische Geschlecht mit Merkmalen wie inneren und äußeren Geschlechtsorganen sowie Chromosomen und Hormonen. Gender bezeichnet hingegen das kulturell und sozial verankerte Geschlecht, sprich Annahmen und Erwartungen zum angemessenen Verhalten. Sexuelle Orientierung und Sexualverhalten sind losgelöst von sex und gender. In vielen Gesellschaften wird eine bestimmte - zumeist heterosexuelle Orientierung - ausgehend vom biologischen Geschlecht erwartet und eine homosexuelle Orientierung ist negativ konnotiert resp. führt zu einer Aberkennung von Männlichkeit oder Weiblichkeit. <?page no="11"?> Gender | Geschlecht | Differenz 11 Die sozial geteilten und normierten Erwartungen zu sex, gender und Sexualverhalten verfestigen sich als Geschlechterstereotype, sprich Wahrnehmungsmuster von Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe, hier Mann oder Frau. Diese Stereotype beeinflussen, die Wahrnehmung des Selbst und dienen in der Entwicklung als Orientierung. Begrifflichkeiten und Konzepte wie Cis, nicht-binär und gender-fluid ermöglichen eine differenzierte Auseinandersetzung mit den komplexen Zusammenhängen.  Tipp │ Die Website Queer-Lexikon ( ➤ https: / / queerlexikon.net/ ) gibt einen guten Überblick über Begriffe. Das Buch basiert auf einem dreistufigen Vorgehen: [1] Erstens werden vorliegende Erkenntnisse und Daten sowie soziologische Konzepte und Theorien zur gesellschaftlichen Konstruktion von Gender, insbesondere von Frau und Weiblichkeit, analysiert. [2] Auf der Basis von [1] werden in einem deskriptiven Verfahren Frauen als Beschäftigte, Reisende und Betroffene im Tourismus sichtbar gemacht. Ihre Positionen werden hinsichtlich der Machtverhältnisse, Abhängigkeiten und Handlungsalternativen beschrieben. [3] Parallel zur deskriptiven Darstellung in [2] erfolgt eine Analyse der strukturellen Bedingungen und eine Aufdeckung zumeist unsichtbarer Prozesse und Annahmen darüber, was Frauen sind und können. Durch diese Vorgehensweise soll die durchgängige Verflechtung des Attributs Frau im Sinne des Genderbegriffs mit dem Tourismus deutlich gemacht werden. <?page no="12"?> 12 Einführung 1.2 Tourismus Frauen im Tourismus fokussiert auf eine Branche, die sich im Wandel befindet. Ursprünglich eine dem Adel vorbehaltene Aktivität wurde das Reisen als Aktivität und der Tourismus als kommerzialisierte Umsetzung seit den 1960er- Jahren mit Flucht, Sehnsucht, barbarischem Verhalten und Religionsersatz gleichgesetzt (Heuwinkel, 2019, Spode, 1993). In den letzten Jahren rückt die Vorstellung in den Vordergrund, dass Tourismus lediglich ein weiteres Beispiel für modernes Konsumverhalten ist (Bauman, 2000). Wenn dem so ist, dann sind ein Großteil der konsumierten touristischen Produkte und Erlebnisse die Lebenswelten von Menschen oder sogar Menschen als solche, wenn sie Dienstleistungen erbringen. Die Umdeutung eines Menschen in ein Produkt basiert auf der objectification (→ Kapitel 3.6), der Objektmachung eines Menschen in einem System ungleicher Machtstrukturen. Tourismus gründet somit auf Ungleichheiten; viele davon in der Form von Genderungleichheiten. Die Schwäche der einen ist gleichbedeutend mit der Stärke der anderen. Diese Konstellation muss nicht zwangsläufig zum Nachteil der Schwächeren führen. Bedingung ist jedoch eine kritische Auseinandersetzung mit der Thematik und daran anschließend die Entwicklung von Regeln, eines Kontrollmechanismus und bei Bedarf von Maßnahmen. Für die Tourismusindustrie stellt sich also ebenso wie für andere Industrien und Branchen die Frage, inwieweit Genderungleichheiten untersucht und in Modelle in Form von gendersensiblen Analysen integriert werden. Noch umfassender sollte nach strukturell bedingten Benachteiligungen von schwächeren Gruppen und Gruppierungen gefragt werden. <?page no="13"?> Tourismuskritik und Gender 13 1.3 Tourismuskritik und Gender Tourismus- oder Tourist*innenschelte 1 ist eine lang etablierte Praxis. Neben der oft auf das Fliegen reduzierten Schädigung der Umwelt konzentriert sich die Kritik zumeist auf das „Zuviel“ an „falschen“ Menschen an einem Ort. Berühmte männliche Reisende äußerten sich kritisch oder amüsiert über Personen, die reisen, ohne dass sie die dafür erforderlichen Fähigkeiten besitzen (Kirstges, 2020). Daher überrascht es, dass Ida Pfeiffer den Begriff Touristin als Auszeichnung versteht. 2 Zitat „Schon in mehreren Zeitungen ward ich Touristin genannt; dieser Name gebührt mir indessen, seiner gewöhnlichen Bedeutung nach, leider nicht. Einerseits besitze ich zu wenig Witz und Laune, um unterhaltend schreiben, und andrerseits zu wenig Kenntnisse, um über das Erlebte gediegene Urtheile fällen zu können.“ (Pfeiffer, 1850, Vorrede) Turner & Ash (1975) sprachen von barbarischen Horden. Ähnlich lesen sich aktuelle Darstellungen in Verbindung mit dem Begriff Overtourism (Kagermeier, 2021), die beschreiben, wie Menschen sich durch enge Gassen drängen, blind und 1 Da die Verwendung des Gendersternchens den Lesefluss nicht beeinflusst, kommt es in diesem Buch zum Einsatz. Ebenfalls werden geschlechtsneutrale Oberbegriffe und Relativsätze verwendet. Eine sehr hilfreiche Informationsquelle ist die Website Genderleicht.de. 2 Die Überraschung legt sich, wenn der Hinweis von Irmscher (2020) berücksichtigt wird, wonach die männliche Beschwerde sich vor allem gegen die Präsenz von Frauen richtet. Weiterhin ist es ein Beispiel für die fehlende Berücksichtigung der weiblichen Perspektive auf den Tourismus. <?page no="14"?> 14 Einführung ahnungslos, ihr Umfeld ignorierend, nur interessant am Erleben von etwas, das andere als erlebenswert definiert haben. Obwohl Tourismus somit durch kritische Stimmen begleitet wird, ist eine kontinuierliche wissenschaftlich basierte gendersensible Analyse nicht zu finden. Im Bereich der Tourismuskritik ist das Thema Frauen zumeist auf die Aspekte Prostitutionstourismus und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern 3 reduziert. So wichtig die Auseinandersetzung mit den Folgen von genderbasierter Ausbeutung auch ist, so wesentlich ist die Analyse der zugrundeliegenden und oft verborgenen gesellschaftlichen Mechanismen und Kräfte (→ Kapitel 3.1) sowie umfassende Betrachtungen (→ Box).  Beispiel │ Umfassende Betrachtungen Christine Plüss (1996, S. 9) spricht in der Einleitung des Buches „Herrliche Aussichten“ von der „touristischen Vorstellungswelt“, in der Frauen und Männer einen bestimmten Part zugewiesen bekommen. Aus soziologischer Sicht handelt es sich bei dieser Vorstellungswelt um einen sehr mächtigen gesellschaftlichen Rahmen, der Handlungsspielräume festlegt und Verhalten vorschreibt. Demnach ist Tourismus von genderbasierten Denkmustern und Verhaltensregeln durchzogen. Cynthia Enloe (2014) wird deutlicher, wenn sie feststellt, dass Männer das Sicherheitsgefühl von Frauen kontrollieren und somit die Entwicklung des Tourismus maßgeblich beeinflussen können. Demnach kann Tourismus als Instrument zur Durchsetzung von Machtinteressen gesehen werden. 3 Diese Themen verdienen höchste Aufmerksamkeit und es sollte dringend dagegen vorgegangen werden. <?page no="15"?> Tourismuskritik und Gender 15 Zitat “Men´s capacity to control women´s sense of their security and self-worth has been central to the evolution of tourism politics.” (Enloe, 2014, S. 82) Non-Profit-Organisationen (→ Kapitel 2.3) wie Equality in Tourism adressieren die beschriebenen strukturellen Schwächen und versuchen, Frauennetzwerke im Tourismus zu etablieren und zu stärken. Zusammenfassend finden sich zwar in Wissenschaft und Praxis Ansätze, die das Thema beleuchten und für kurze Zeit auf die Agenda setzen, es fehlt aber eine Verankerung und Etablierung in der Tourismuswissenschaft und -wirtschaft. Eine detaillierte Analyse der bisherigen Arbeiten folgt in → Kapitel 2.  Denkübung | Gender und Reiseverhalten Bevor Sie weiterlesen, fragen Sie sich zunächst, wie Ihr Gender Sie bei bisherigen Reisen beeinflusst hat. Beantworten Sie dazu die folgenden Fragen: » Hat mich die Tatsache, dass ich männlich/ weiblich/ divers bin, bei meiner Reiseentscheidung beeinflusst? » Habe ich schon einmal typisch männliches oder weibliches Rollenverhalten bei Menschen, die im Tourismus arbeiten, beobachtet? » Hat mein Geschlecht mir schon einmal Vorteile oder Nachteile während einer Reise gebracht? <?page no="16"?> 16 Einführung 1.4 Frau und Frauenförderung Frauen fallen nicht vom Himmel. Sie werden dazu gemacht. Oder exakter: Sie lernen es Frauen zu sein, indem sie sich an Vorstellungen orientieren, Verhaltensweisen übernehmen und in vielen Situationen eine Rolle spielen, die in der Gesellschaft für Frauen vorgesehen ist. Motive für dieses Rollenspiel reichen von Angst über Bequemlichkeit bis hin zu klarem Kalkül. Im Vordergrund des Buches steht die Zuschreibung des Genders Frau. Begründet ist dieses in der Annahme, dass die mit dem Geschlecht Frau verbundene Personenkategorisierung im Tourismus durchgängig mit einer unterlegenen und schwächeren Position verbunden ist als die des Geschlechts Mann. Unterlegenheit und Schwäche drücken sich körperlich und mental, hinsichtlich des Zugangs zu finanziellen und anderen Ressourcen aus sowie in den Annahmen hinsichtlich der eigenen Person und Position. Die daraus resultierenden Konsequenzen reichen von Klischees in der Werbung, die Frauen als sektschlürfendes Wellness-Wesen darstellen über schlecht bezahlte Jobs im Housekeeping bis hin zur sexuellen Ausbeutung. Während die Frauenförderung lange Zeit vor allem benachteiligte Frauen in „armen“ Ländern adressierte, geht der Genderansatz davon aus, dass die Genderverhältnisse in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt werden müssen. Eine Verbesserung der Situation von Frauen kann nur erreicht werden, wenn die zugrundeliegenden Machtvorstellungen und -konstellationen verändert werden. Gender als soziales Geschlecht wird gesellschaftlich definiert und erlernt. Die Kontextabhängigkeit ermöglicht einen Wandel, auch wenn dieser die etablierten Machtkonstellationen angreift. Das BMZ (2014, S. 7) geht davon aus, dass „Gender als <?page no="17"?> Frau und Frauenförderung 17 Analysekategorie gesellschaftlicher Machtverhältnisse“ einhergeht mit anderen Marginalisierungen und Diskriminierung aufgrund von beispielsweise Religion, Hautfarbe und ethnischer Zugehörigkeit. Im Vordergrund der Gender Studies stehen weniger die geschlechterbasierten Machtstrukturen als die Repräsentationen dieser Strukturen, insbesondere die binäre Unterscheidung in Männer und Frauen. Grundlagen für die Gender Studies und die Thematisierung von Gender als soziale Konstruktion finden sich im Feminismus. Einige Richtungen desselben werden im nächsten Abschnitt vorgestellt.  Tipp │ Literatur Folgende Bücher helfen bei der Auseinandersetzung mit dem Themenbereich Frau und Gender: Butler, J. (1991). Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Butler gilt als Begründerin der Gender Studies. Collins, P. H. (2000). Black feminist thought: Knowledge, consciousness, and the politics of empowerment. 2. Aufl. New York: Routledge. Eine umfassende Darstellung des black feminism als Theorie sowie der spezifischen Lebenserfahrungen schwarzer Frauen. De Beauvoir, S. de (1989). Das andere Geschlecht. Hamburg: Rowohlt. Als Philosophin und Autorin setzte sie sich intensiv mit der Position von Frauen auseinander. Sie analysierte die Bedeutung von Familie und Ehe, die des Körpers sowie Machtverhältnisse. <?page no="18"?> 18 Einführung Degele, N. (2008) Gender/ Queer Studies. München: UTB. Ein anspruchsvolles Buch, das die beiden Bereiche basierend auf der Soziologie als Verunsicherungswissenschaft entwickelt. Funk, W. (2018). Gender Studies. München: UTB. Eine gut lesbare und umfassende Darstellung. Woolf, V. (1991). Ein Zimmer für sich allein. Frankfurt a. M.: Fischer. Die Schriftstellerin hat sich in ihren Romanen und Essays zwischen 1920 und 1940 intensiv mit der Zuschreibung von Geschlechtsrollen auseinandergesetzt. Bourdieu (2015) u.v.a. beziehen sich in ihren Arbeiten auf Woolf. 1.5 Feminismus und Gender Studies Der Feminismus ist kein einheitliches Programm, sondern eine inzwischen Jahrzehnte umfassende Bewegung mit teils widersprüchlichen Ansichten. Der kleinste gemeinsame Nenner ist das Ziel, die Teilhabe der Frau an gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und akademischen Strukturen und Prozessen zu ermöglichen und zu stärken. Ein zentraler Konflikt basiert auf der Frage, ob Unterschiede zwischen den Geschlechtern existieren oder nicht, sprich ob Frauen beispielsweise andere Fähigkeiten haben als Männer und ob sich das weibliche vom männlichen Gehirn 4 unterscheidet. 4 Die moderne Gehirnforschung geht von der Plastizität (kontinuierliche Anpassung an das Umfeld) des Gehirns aus (Fine, 2018). Demnach bestimmt eine Vielzahl von Vorgängen das Denken. Rein anatomisch gesehen haben Gehirne kein Geschlecht. Zudem wird Verhalten zum wesentlichen Teil <?page no="19"?> Feminismus und Gender Studies 19 Vorläufer des Feminismus waren politische Frauenrechtsbewegungen in den 1920er- und 1930er-Jahren in England, den USA und Deutschland sowie Bürgerrechtsbewegungen in den 1950er- und 1960er-Jahren. Es wurde u.a. für das Wahlrecht gestritten und gekämpft. Der Feminismus fügt diesen Bewegungen noch eine theoretische Fundierung hinzu, wonach Machtbeziehungen kritisch-analytisch untersucht werden sollen und davon ausgegangen wird, dass die „Frau zum Objekt männlichen Denkens und Handelns“ reduziert wird (Funk, 2018, S. 46). Damit steht der Feminismus in der Tradition der Kritischen Theorie (→ Box).  Wissen │ Kritische Theorie Die zentrale Annahme der kritischen Theorie ist, dass jede Theorie aus einem gesellschaftlichen Zusammenhang heraus entsteht und in diesem Entstehungszusammenhang verhaftet bleibt. Diese Verflechtung und daraus resultierende Begrenztheit muss kritisch analysiert und in die Theoriebildung einbezogen werden. Analyse und Kritik dienen der Emanzipation der Menschen und der gesellschaftlichen Veränderung. Feminismus kritisiert, dass Wissenschaft männlich dominiert ist und als Konsequenz weibliche Lebenswelten aus männlicher Perspektive untersucht werden. Objektivität, Rationalität und Wertfreiheit stehen bei letzterer an erster Stelle. Objektivität bedeutet hier, dass das generierte Wissen getrennt von der forschenden Person existieren und von audurch kulturelle und soziale und nicht allein durch kognitive Prozesse gelenkt. <?page no="20"?> 20 Einführung ßen betrachtet werden kann. Feminismus schließt diese Option aus. Da wissenschaftliche Erkenntnis immer abhängig von der forschenden Person ist, müssen individuelle Merkmale und Prägungen, der Körper sowie gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche und kulturelle Rahmenbedingungen mit einbezogen werden. Die Behauptung, dass die forschende Person eine objektive Perspektive einnehmen, sich von sich selbst und den sie umgebenden Faktoren distanzieren kann, ist nicht zu halten. Feminismus als wissenschaftliches Programm geht von situiertem Wissen (→ Box) oder dynamischer Objektivität aus.  Beispiel │ Situiertes Wissen Der Begriff situiertes Wissen stammt von Donna Haraway. Sie stellt fest, dass Forscher*innen durch ihren Standort, ihre Erfahrungen und ihren Körper gebunden und beeinflusst sind. Somit können sie nur einen partiellen Blick einnehmen. Zitat “Feminism loves another science: the sciences and politics of interpretation, translation, stuttering, and partly understood.” (Haraway, 1988, S. 589) Trotz aller Widersprüche innerhalb feministischer Ansätze und obwohl der Begriff mit einigen negativen Vorstellungen verbunden ist, bietet der Feminismus die Grundlagen für eine kritische Betrachtung und Benennung von Ungleichheit, Unterdrückung und Benachteiligung. Ende des 20. Jahrhunderts schien es aus eurozentrischer Sicht so, als wären die Forderungen des Feminismus erfüllt und die Gender Studies (→ Kapitel 3.3) rückten an seine Stelle. Während <?page no="21"?> Aktualität des Themas 21 diese Macht, Herrschaft und Ungleichheit bezogen auf Geschlecht analysierten und diskutieren, fokussieren die etwas jüngeren Queer Studies auf den Themenbereich der Sexualität bzw. auf die grundlegende Hinterfragung von Normalitäten (Degele, 2008, S.11). Der Blick auf die Lebensverhältnisse von Frauen in anderen Ländern, ökologische Fragestellungen, #MeToo, die Aufdeckung von Kinderpornografie, die Black-Lives-Matter-Bewegung sowie die COVID-19-Folgen für Frauen zeigen, dass die Ausnutzung strukturell begründeter Ungleichheiten ein aktuelles Thema ist. Die Ungleichbehandlung von Frauen ist dabei ein zentraler Aspekt, der sich mit anderen Formen der Unterdrückung bspw. aufgrund von Herkunft oder Alter überschneidet. 1.6 Aktualität des Themas Der vorherige Abschnitt betonte die Bedeutung des Feminismus als analytisch-kritisches Instrument. Nachfolgend wird an drei Beispielen gezeigt, dass die Annahme einer strukturellen Benachteiligung von Frauen über den akademischen Diskurs hinaus gesellschaftliche Realität ist. COVID-19 hat mit aller Deutlichkeit gesellschaftliche und ökonomische Unterschiede deutlich gemacht, z. B. hinsichtlich der medizinischen Versorgung oder der ökonomischen Unterstützung durch den Staat. Die Trennlinien verliefen sowohl zwischen Ländern als auch innerhalb eines Landes. Bezogen auf genderbasierte Unterschiede konnte weltweit festgestellt werden, dass Frauen statistisch gesehen schwerer und umfassender von den Folgen der Krisen betroffen waren. Das gilt mit sehr großen Unterschieden hinsichtlich <?page no="22"?> 22 Einführung der Schwere und Bedrohlichkeit sowohl für Industrienationen als auch für Schwellen- und Entwicklungsländer und es gilt sowohl für die Professorin als auch für die Flugbegleiterin. Folgende Gründe sind zu nennen: » Rückfall in klassische Rollen: Der Lockdown bzw. Beschränkungen führten dazu, dass das berufliche und das private Leben nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich zusammenfielen. Das gesamte Leben fand im häuslichen Umfeld statt. Hinzu kam, dass die Kinderbetreuung wegfiel und die damit verbundenen Aufgaben zusätzlich übernommen werden mussten. Da Hausarbeit, Pflege, Kinderbetreuung und Schule statistisch gesehen noch immer zum größten Teil bei Frauen liegt, kam es zu einer Mehrfachbelastung, » Wegfall von Teilzeitstellen, befristete Arbeitsverhältnisse und Kurzarbeit: Frauen sind überdurchschnittlich häufig in befristeten oder Teilzeitarbeitsverhältnissen beschäftigt. Diese Verhältnisse wurden krisenbedingt schneller und häufiger gekündigt oder gestrichen. Dadurch wurden viele Frauen ökonomisch schlechter gestellt. » Einbruch des informellen Sektors: Viele Frauen arbeiten im informellen Sektor, ohne formale Anstellung und Absicherung, zumeist sehr zeitintensiv, auf einem niedrigen Qualifikationsniveau. Dieser Sektor wurde von der Krise besonders stark getroffen. » Fokussierung auf das Kerngeschäft: Viele Unternehmen mussten Einsparungen vornehmen und auf die zentrale Geschäftstätigkeit fokussieren. Zusätzliche Angebote, Serviceleistungen sowie die Zusammenarbeit mit Non-Profit-Organisationen wurde eingeschränkt. Gerade in diesem Bereich sind viele Frauen beschäftigt. <?page no="23"?> Aktualität des Themas 23 » Erhöhung der ökonomischen Abhängigkeit: Durch den Wegfall eines Einkommens erhöht sich in Partnerschaften und Familien die ökonomische Abhängigkeit von dem Einkommen einer Person und damit die grundlegenden Abhängigkeiten. Zusammenfassend hat die Krise deutlich gemacht, dass Frauen strukturell in schwächeren, wenig gesicherten Positionen und Bereichen tätig sind. Sie werden von Einsparungen stärker getroffen. Gleichzeitig steigt die Arbeitsbelastung durch die zusätzlichen Aufgaben und den Mehraufwand in den Bereichen Haushalt, Pflege und Kinderbetreuung. Zitat “ Women seem to have suffered greater initial employment losses than men. They have also been playing a key role in the health care response to the pandemic, and the crisis likely amplified their unpaid work burden. ” (OECD, 2020b, S. 89) Kurz vor dem weltweiten Ausbruch von Corona und der COVID-19-Krise wurde eine Studie zur häuslichen Gewalt veröffentlicht (BKA, 2019). Diese Form von Gewalt ist weit verbreitet. In 81 Prozent der Fälle sind Frauen die Opfer von Partnergewalt. Jede vierte Frau erlebt in ihrem Leben mindestens einmal körperliche oder sexuelle Gewalt durch ihren Partner. Seit 2013 steigen die Zahlen kontinuierlich an. Die COVID-19-Krise hat den Anstieg deutlich erhöht. Auch wenn Männer häusliche Gewalt durch ihre Partnerin erleben, ist das Verhältnis von 19 Prozent zu 81 Prozent sehr deutlich. Die beiden genannten Beispiele zeigen die aktuelle Situation bei den Erwachsenen. Hier kann argumentiert werden, dass es sich um Generationen handelt, die mit klassischen Rol- <?page no="24"?> 24 Einführung lenvorstellungen groß geworden sind. Es könnte angenommen werden, dass die jüngeren Generationen mit veränderten Vorstellungen groß werden. Einige Studien geben jedoch Aufschluss über gleichbleibende Vorstellungen und mögliche Veränderungen. In einer Befragung von 15-Jährigen stellte die OECD (2020a) fest, dass Berufe wie Manager, Ingenieur, Informatiker oder Automechaniker deutlich häufiger von Jungen als von Mädchen als Karriereziel genannt werden. „Typische“ Mädchenberufe sind Lehrerin, Ärztin und Krankenschwester. Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (2019) belegen ebenfalls, dass es Frauen eher in das Sozial- und Gesundheitswesen sowie in den Dienstleistungsbereich und Männer eher in Industrie, Handwerk und Baugewerbe zieht. Diese geschlechterbedingte Teilung des Arbeitsmarktes hat Auswirkungen auf Genderrollen und -stereotype (→ Kapitel 3.2). Zusammenfassend verweisen aktuelle gesellschaftliche Zustände, politische Entscheidungen (wie das Verlassen des internationalen Abkommens zum Schutz der Frauen vor Gewalt (Istanbul-Konvention) seitens der Türkei) und die Berufswünsche von Kindern und Jugendlichen auf genderbedingte Unterschiede. Viele von diesen beinhalten eine strukturelle Benachteiligung von Frauen. In den folgenden Kapiteln wird [1] nach Gründen und Erklärungen für die strukturelle Benachteiligung gesucht und es wird [2] der Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Zuständen und sozial geteilten Annahmen über Frauen analysiert. <?page no="25"?> 2 Das Forschungsfeld In diesem Kapital wird das Forschungsfeld 5 Frauen im Tourismus skizziert. Der Einstieg erfolgt über empirische Daten. Dem schließt sich eine Darstellung häufig behandelter Forschungsthemen und -fragen an. Als dritter Punkt werden zentrale Institutionen und Organisationen vorgestellt. 2.1 Daten Daten zu Frauen im Tourismus liegen vor allem bezogen auf die Erwerbstätigkeit vor. Auch wenn die Zahlen schwanken, ist der Prostitutionstourismus ein gut dokumentierter Bereich. Hinzu kommen Zahlen, die Aufschluss über das Reiseverhalten von Frauen geben. Bevor jedoch Daten zu Frauen im Tourismus vorgestellt werden, soll auf einen wichtigen Aspekt aufmerksam gemacht werden: Daten sind nicht geschlechtsneutral. Criado- Perez (2020) zeigt in ihrem Buch an vielen Beispielen, etwa aus der Medizin oder dem Produktdesign, dass oftmals bereits die Forschungsfrage und das Forschungsdesign aus einer männlichen Perspektive heraus formuliert sind. Dieses setzt sich zwangsläufig in der Erhebung, Aufbereitung und Auswertung von Daten fort. Gleiches gilt bei der Entwicklung von Modellen und Algorithmen, die für Prognosen und Berechnungen eingesetzt werden. 5 Die hier vorliegende Darstellung ist trotz aller Bemühungen um Objektivität eingeschränkt und u.a. weiblich, feminin, mitteleuropäisch geprägt. Dieser Umstand ergibt sich aus dem persönlichen und akademischen Hintergrund der Autorin sowie aus sprachlichen Beschränkungen. <?page no="26"?> 26 Das Forschungsfeld Zitat „Die geschlechtsbezogene Datenlücke ist sowohl Grund als auch Folge eines Nicht-Denkens, das sich die Menschheit als fast ausschließlich männlich vorstellt.“ (Criado- Perez, 2020, S. 16) Wissenschaft macht demnach nicht die Wirklichkeit sichtbar, sondern nur einen ausgewählten Ausschnitt derselben und das u.a. in Abhängigkeit von den eingesetzten Methoden. 6 Die Definition dessen, was erforscht werden sollte, ist abhängig von der gewählten Perspektive und den Annahmen über die Welt. So kann es sein, dass einige Forschende überall die Dominanz des Männlichen entdecken, während andere die strukturelle Benachteiligung von Jungen nachweisen. Problematisch wird es dann, wenn es sich nicht um eine zufällige, sondern um eine systematisch einseitige Betrachtung handelt. In einem Webinar zum Thema Prioritising Gender Equality in Post-Covid Tourism (2020) stellten alle Rednerinnen fest, dass geschlechterspezifische Daten im Tourismus eine Mangelware sind. Viele Erhebungen, beispielsweise zu Beschäftigungsverhältnissen, differenzieren nicht nach Geschlecht. Selbst wenn eine Differenzierung stattfindet, erfolgt keine weitere Betrachtung von Querbezügen wie beispielsweise Geschlecht und Ethnie oder Geschlecht und Alter. Aspekte, die nicht in etablierte Muster passen (vgl. Informality weiter unten), finden keine oder nur seltene Berücksichtigung. 6 Interessanterweise findet sich auch in der Methodendiskussion eine Dichotomie mit den gegensätzlichen Attributen hart (quantitativ) und weich (qualitativ). Diese Attribute entsprechen der Gegenüberstellung von männlich und weiblich. <?page no="27"?> Daten 27 Beschäftigung und Ausbildung Die meisten Daten zum Thema Frauen im Tourismus finden sich in Statistiken zu Beschäftigung und Ausbildung. Die International Labor Organization (ILO) bietet als UN- Einrichtung umfangreiches Datenmaterial zu Beschäftigung und Bezahlung von Frauen, zum Gender-Pay-Gap oder auch zur Bekämpfung von Kinder- und Zwangsarbeit. Zentrale Aspekte im Bereich der Gendergerechtigkeit sind die Themen An- und Einstellung, Stimmengleichheit in Gremien, Lohnbedingungen, Arbeitsklima sowie Work-Life-Balance. Auf den Webseiten der ILO finden sich spezifische Daten zu Beschäftigungsverhältnissen von Frauen im Tourismus. Demnach liegt der Anteil beschäftigter Frauen im Tourismus weltweit bei 54 Prozent 7 (UNWTO, 2019). In Abhängigkeit von Sektor und Land liegt der Anteil bei bis zu 90 Prozent. Was diese Zahlen tatsächlich bedeuten, wird im Praxisteil (→ Kapitel 4.1) an konkreten Beispielen illustriert. Bei einem Großteil der Beschäftigungen handelt es sich um sehr zeitintensive Arbeiten, die eine geringe Qualifizierung erfordern. Somit können die Beschäftigten sehr schnell ersetzt werden. Die daraus resultierende schwache Position macht Forderungen fast unmöglich und äußert sich in gering bezahlten Positionen mit schlechten Arbeitsbedingungen. Unzureichender Arbeitsschutz und sexuelle Übergriffe gehören für viele Beschäftigte zum Alltag. Vizcaino et al. (2020) haben in einem Sammelwerk die enge Kopplung von Tourismus und gender-based violence deutlich gemacht. 7 Diese Zahl ist geschätzt und wurde aus Beschäftigungszahlen der ILO für die Bereiche Beherbergung und Essen abgeleitet. Der EU-Wert liegt bei 58,5 Prozent und der Wert für Südafrika bei 60,47 Prozent (UNWTO, 2019, S. 32 ff.) <?page no="28"?> 28 Das Forschungsfeld Ein weiterer wichtiger Begriff ist Informality, sprich informelle Beschäftigung. Sie umfasst Personen, die auf eigene Rechnung außerhalb des formellen Sektors arbeiten, mitarbeitende Familienangehörige sowie Personen, die ohne formellen Vertrag arbeiten. Die genannten Personengruppen haben keinerlei rechtliche Basis, die das Arbeitsverhältnis und -bedingungen absichert. Die Beschäftigung erfolgt zumeist auf Tages- oder Wochenbasis und kann jederzeit beendet werden. Die systematische Erfassung des informellen Sektors als jener, der nicht statistisch erfasst wird, ist eine große Herausforderung und ein Beispiel für Unsichtbarkeit aufgrund fehlender Daten (vgl. Bonnet et al. 2019). Sowohl die UN 2030 Agenda for Sustainable Development (UN, 2015) als auch die ILO Recommendation 204 (ILO, 2015) definieren die statistische Erfassung des informellen Sektors sowie die Entwicklung von Indikatoren als zentrale Ziele. Die UNWTO hat 2019 den zweiten Global Report on Women in Tourism veröffentlicht. Im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen die folgenden fünf Punkte, die zusätzlich zum SDG 5 Gender Equality ein weiteres SDG ( → Box) adressieren. [1] Beschäftigung (employment); [2] Unternehmertum (entrepreneurship); [3] Bildung und Ausbildung (education); [4] Führung, Politik und Entscheidungsfindung (leadership); [5] Gemeinschaft und Zivilgesellschaft (community). Der Bericht umfasst für jeden der fünf genannten Bereiche Daten und Erkenntnisse sowie Praxisbeispiele. Darüber hinaus werden die Regionen Afrika, Asien und Pazifik, Europa, Lateinamerika und Karibik separat hinsichtlich der gender equality betrachtet. Bei der Analyse einzelner Tourismusindustrien stehen verschiedene Aspekte im Mittelpunkt. Während es sich bei digitalen Plattformen und Technologien um <?page no="29"?> Daten 29 einen sich entwickelnden Bereich handelt, der gestaltet werden kann, lassen sich in den Sektoren der Beherbergung und der Reiseveranstalter bereits genderbasierte Unterschiede (gender gap) nachweisen, die es zu reduzieren gilt. Community Based Tourism (CBT) kann als Querschnittsindustrie gesehen werden, die neben kulturellen, sportlichen und regional-spezifischen Aktivitäten ebenfalls die Beherbergung umfasst. CBT wird als Chance gesehen, um einige der im Zitat genannten Ungleichheiten zu reduzieren. Zitat “1. Women make up a large proportion of the formal tourism workforce. 2. Women are well represented in service and clerical level jobs but poorly represented at professional levels. 3. Women in tourism are typically earning 10% to 15% less than their male counterparts. 4. The tourism sector has almost twice as many women employers as other sectors. 5. One in five tourism ministers worldwide are women. 6. Women make up a much higher proportion of own-account workers in tourism than in other sectors. 7. A large amount of unpaid work is being carried out by women in family tourism businesses. ” (UNWTO, 2019, S. 22) Eine der zentralen Empfehlungen des Berichts richtet sich auf den Einsatz von digitalen Plattformen und Technologien. Diese sollen sowohl eine Vernetzung innerhalb des Sektors als auch eine direkte Kommunikation zwischen Reisenden und Tourismusunternehmen ermöglichen. <?page no="30"?> 30 Das Forschungsfeld  Wissen │ SDGs - Sustainable Development Goals Die Vollversammlung der UN hat 2015 die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) verabschiedet. Damit sollen die Bereiche Nachhaltigkeit und Frieden miteinander verbunden werden. Das SDG 5 adressiert gender equality. Die UNWTO hat die SDGs aufgegriffen, in ihre Strategie übernommen und die Plattform Tourism for SDGs aufgebaut. ➤ http: / / tourism4sdgs.org/ Prostitutionstourismus und sexuelle Ausbeutung Prostitutionstourismus ist eines der Felder mit den meisten Publikationen im Themenbereich Frauen im Tourismus. Dennoch schwanken die dazu vorliegenden Zahlen extrem. Offizielle Statistiken widersprechen sich in Abhängigkeit von der Quelle erheblich. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass Prostitution in vielen Ländern illegal, aber aufgrund der daraus resultierenden Einnahmen geduldet ist. Studien lassen vermuten, dass der Anteil der Prostitutionstouristen beispielsweise in Thailand zwischen 60 und 75 Prozent liegt (vgl. verschiedene Berichte von ECPAT sowie ILO, 1998). Die UNWTO gab bereits vor Jahren an, dass 20 Prozent aller Reisen weltweit sexuell motiviert sind. Andere Quellen zeigen, dass Frauen in einigen Ländern zwischen zwei und 14 Prozent des nationalen Einkommens mit Prostitution erwirtschaften (ILO, 1998). UNICEF (2009/ 2017) schätzte, dass jährlich 150 Millionen weibliche und 73 Millionen männliche Kinder sexuell ausgebeutet werden, und geht von etwa zwei Millionen Minderjährigen aus, die als Prostituierte agieren müssen. Welchen Anteil der Tourismus daran hat, kann nur geraten werden. <?page no="31"?> Publikationen und Themen 31 Frauen als Reisende Angaben zum Geschlecht der Reisenden werden in Statistiken über die touristische Nachfrage (Reiseverhalten) miterfasst. Bei der Auswertung findet zumeist eine Differenzierung nach Altersgruppen, Lebensphasen oder -stilen statt. Websites statistischer Ämter, z. B. eurostat, ermöglichen jedoch die Erstellung von spezifischen Abfragen. Untersuchungen, die explizit genderbasierte Unterschiede im Reiseverhalten untersuchen, adressieren Aspekte wie Reisemotivation, Präferenzen für Destinationen und Aktivitäten sowie Entscheidungsprozesse und Zufriedenheit. Die genannten Bereiche werden im Praxisteil (→ Kapitel 4 ) weiter diskutiert. 2.2 Publikationen und Themen Eines der wichtigsten und dauerhaftesten Werke zu Frauen im Tourismus ist Bananas, Beaches and Bases von Cynthia Enloe (2014 [1990]). Auch wenn gendered politics of tourism nur ein Kapitel umfasst, zeigt Enloe in diesem theoretisch (feministisch) fundiert und empirisch gestützt auf, wie Tourismus durch internationale politische Verflechtungen und Interessen geprägt ist. Zentrales Element ist die Durchsetzung der Vorstellungen von Maskulinität und Femininität. Zitat “ The very structure of international tourism has needed patriarchy to survive and strive. ” (Enloe, 2014, S. 82) Kinnaird & Hall veröffentlichten 1994 einen Sammelband, der zentrale Handlungsfelder im Tourismus anhand von Fallstudien aufzeigt. Zu diesen gehören Fragen der Beschäftigung von Frauen, die Möglichkeiten der persönlichen und <?page no="32"?> 32 Das Forschungsfeld regionalen Entwicklung und Stärkung, die Folgen kulturellen Wandels in der Gesellschaft und in Familien sowie Prostitution und zuletzt Frauen als Reisende. In dem einleitenden Kapitel wird Tourismus als soziale Interaktion (→ Kapitel 3.1) konzipiert. Weiterhin werden in den Fallstudien Macht, Ungleichheit und Kontrolle als wesentliche Merkmale von Geschlechterbeziehungen beschrieben (→ Kapitel 3.4). Zitat “ […] tourism is a process that is constructed out of gendered societies and therefore all aspects of tourism-related development and activity embody gender relations. ” (Kinnaird & Hall, 1994, S. 5) 1995 erschien der Annals of Tourism Research-Sonderband Gender in Tourism unter der Leitung von Swain. Sie beginnt ihren einleitenden Beitrag mit dem Hinweis auf die Frage danach, ob es in dem Band um Geschlechterverhältnisse (gender relations) oder nur um Frauen (just about women) gehen soll und argumentiert, dass es sich im Tourismus um gendered relationships und um gendered experiences handelt (Swain, 1995, S. 248). Swain kritisiert Kinnaird & Hall, weil diese keine theoretische Basis anbieten. Diese müsste eine Klärung des Genderbegriffs, die Analyse kapitalistischer und patriarchaler Strukturen sowie die Aufdeckung hierarchischer Strukturen in der Gesellschaft basierend auf Konstrukten umfassen. Hall & Kinnaird sowie Hall, Kinnaird & Swain publizierten zwischen 1996 und 2003 mehrere Artikel, in denen sie an einem Framework (konzeptionellen Rahmen) für die tourismuswissenschaftliche Auseinandersetzung mit Gender in Tourism arbeiteten. Zentrale Annahmen bezogen sich auf die folgenden drei Aspekte: <?page no="33"?> Publikationen und Themen 33 [1] Tourismus greift Genderstrukturen auf. [2] Genderbegriffe und -verhältnisse sind gesellschaftlich konstruiert und somit beeinflussbar, u. a. durch Machtinteressen. [3] Tourismus ist von Machtprozessen durchzogen, die in engem Zusammenhang mit Gender stehen. Sie gehen weiterhin auf die Bedeutung des Körpers als zentrales Thema ein, nehmen diesen Aspekt aber weder in den konzeptuellen Rahmen auf, noch stellen sie Querbezüge bspw. zwischen Körper und Macht her. Pritchard et al. (2014) sind ebenfalls um eine theoretische Basis bemüht und stellen in ihrem Artikel zunächst einen Bezug zum Feminismus her, um dann auf eine Vielzahl von Positionen, z. B. feministischer Empirismus, feministische Standpunkttheorie und postmoderner Feminismus, zu verweisen. Sie listen fünf zentrale Themen auf, die sich auf die beiden Blöcke Beschäftigung sowie Sextourismus und sexuelle Ausbeutung verteilen. Weiterhin machen die Autor*innen deutlich, dass auch das akademische Leben und die Wissensproduktion von maskulin geprägten Diskursen geprägt ist. Eine der wichtigsten kritischen Stimmen ist Stroma Cole, die seit mehr als 20 Jahren Tourismus und Ungleichheit im Allgemeinen sowie genderbasierte Ungleichheiten und Diskriminierungen bis hin zur sexuellen Ausbeutung im Besonderen thematisiert, analysiert und auf eine wissenschaftliche Basis stellt. Sie war Vorsitzende der Plattform Tourism Concern, die allerdings 2018 eingestellt wurde. Eine Betrachtung des Einflusses von Gender auf die Reisenden, ihre Emotionen und die von ihnen gemachten Erfahrungen ist das zentrale Anliegen des Sammelbandes von Letherby & Reynolds (2009). Weiterhin wird eine Brücke zu den Mobilities-Ansätzen gebaut, die Reisen als eine mögliche <?page no="34"?> 34 Das Forschungsfeld Mobilität sehen und diese mit gesamtgesellschaftlichen Veränderungen und Transformationen in Zusammenhang bringen (vgl. dazu Heuwinkel, 2019). Ergänzend zu den genannten englischsprachigen Artikeln zeigt eine thematische Analyse französischsprachiger Artikel, dass dort ebenfalls Aspekte der Beschäftigung, Entwicklung, sozialen Veränderung, Sex- und Prostitutionstourismus sowie das Verhalten weiblicher Reisender im Vordergrund stehen. Die Fallstudien fokussieren auf französischsprachige Destinationen. Unter dem schönen Titel Herrliche Aussichten gaben Grütter & Plüss (1996) einen deutschsprachigen Sammelband heraus. In diesem wurden Entwicklungen und Tendenzen dargestellt, die heute noch aktuell sind. In dem Vorwort machen die Autorinnen deutlich, dass sie sich in diesem sehr vielschichtigen Bereich insbesondere für die Perspektive des Widerstandes, der Brüche und des Aufbruchs interessierten. Etwas aktueller, aber ähnliche Themen adressierend, ist die Ausgabe 3/ 05 der Integra (2005). Unter dem Titel Frauen und Tourismus wird über Ausbildung im Tourismus, Frauenreisen, indigene Frauen als Fotomodels und kommerzielle sexuelle Ausbeutung berichtet. Zusammenfassend fehlt es trotz umfassender Erkenntnisse, die in den genannten Publikationen und basierend auf zahlreichen Fallstudien erarbeitet werden konnten, an einer theoretischen Fundierung, um das Thema Frauen im Tourismus systematisch in Forschung und Lehre einbinden zu können. Ein Blick in Metastudien zu Frauen im Tourismus bzw. in der Tourismusforschung bestätigt dieses und vermittelt einen Überblick über bisherige und aktuelle Schwerpunkte. Figueroa-Domecq et al. (2015) untersuchten rund 500 Artikel, um Genderforschung im Tourismus hinsichtlich der behandelten Themen, Theorien, Methoden und Autor*innen zu <?page no="35"?> Publikationen und Themen 35 untersuchen. Der Großteil der Arbeiten (46,1 Prozent) adressiert konsumwirksame Genderunterschiede seitens der Tourist*innen. Dem folgen Untersuchungen zu Auswirkungen des Tourismus auf Einheimische in Abhängigkeit vom Geschlecht (26,4 Prozent). So sind Frauen anders als Männer von kulturellen Veränderungen betroffen. Ein zentraler Aspekt sind die Möglichkeiten, wirtschaftlich und politisch aktiv zu werden. Genderunterschiede im Arbeitsumfeld sind der dritte Themenbereich (12,6 Prozent). Als letzte Kategorie werden Arbeiten zu Gendertheorien, Forschung und Ausbildung im Tourismus aufgeführt (9,7 Prozent). Das Thema Prostitutionstourismus und sexuelle Ausbeutung ist ein Querschnittsthema und erreicht insgesamt 10 Prozent. Nunkoo et al. (2020) untersuchten den Einfluss von Gender auf tourismuswissenschaftliche Publikationen. Sie stellten fest, dass sowohl Autor*innenschaft als auch Kooperationen und Methodenwahl genderbasierte Unterschiede aufweisen. Diese Beobachtung entspricht den Erkenntnissen der Gender Studies zum Einfluss von Geschlecht auf den akademischen Bereich.  Tipp │ Handbibliothek Die folgenden Bücher und Artikel sind ein guter Start für eine Handbibliothek zu Frauen im Tourismus: Cole, S. (Hrsg.) (2018). Gender equality and tourism: Beyond empowerment. Wallingford: CABI. Enloe, C. (2014 [1990]). Bananas, Beaches and Bases: Making Feminist Sense of International Politics. 2. Aufl. Berkeley. University of California Press. <?page no="36"?> 36 Das Forschungsfeld Figueroa-Domecq, C., Pritchard, A., Segovia-Perez, M., Morgan, N., & Villace-Molinero, T. (2015). Tourism gender research: A critical accounting. Annals of Tourism Research, 52, 87-103. Grütter, K., Plüss, C. (1996). Herrliche Aussichten. Zürich: Rotpunkt Kinnaird, V., Hall, D. (Hrsg.) (1994). Tourism: A Gender Analysis. Chichester: Wiley Pritchard, A., Morgan, N., Ateljevic, I., Harris, C. (Hrsg.) (2007). Tourism and Gender. Wallingford: CABI Swain, M. (1995). Gender in Tourism. Annals of Tourism Research. Vol. 22. No. 2, S. 247-266 2.3 Organisationen und Institutionen Die Betrachtung der vorliegenden Daten und zentralen Publikationen zeigt die Dominanz einiger Themen. Bei Organisationen und Institutionen finden sich ähnliche Schwerpunkte bzw. stammen viele der zuvor aufgeführten Daten von den nachfolgend genannten Organisationen. Es lässt sich bei diesen ein Kontinuum zwischen optimistischen und tourismuskritischen Einrichtungen konstruieren. Auf der einen Seite befinden sich jene Organisationen, die Tourismus vor allem als Chance für Gendergerechtigkeit begreifen und die Präsenz von Frauen in der Tourismusindustrie stärken wollen. Oft sind es Tourismusorganisationen und Zusammenschlüsse von Branchenvertreter*innen. Auf der anderen Seite des Kontinuums stehen Organisationen zur Durchsetzung von Menschenrechten, die in einem stärkeren Maße die negativen Aspekte von Tourismus beleuchten. <?page no="37"?> Organisationen und Institutionen 37 Tourismus als Chance ILO und UNWTO sind auf internationaler Ebene zwei zentrale Einrichtungen, die arbeitsmarktspezifische Daten generieren, politische Forderungen formulieren sowie am Agenda Setting mitarbeiten. Ergänzend sind UN Women und die OECD zu nennen. Zitat “ Tourism offers women opportunities for income-generation and entrepreneurship. However, women are concentrated in the lowest paid, lowest skilled sectors of the industry and carry out a large amount of unpaid work in family tourism businesses. ” (UWTO, 2020, o. S.) Das European Intitute for Gender Equality (EIGE) publiziert branchenspezifische Daten mit Fokus auf die politischen Einrichtungen und Steuerungsmöglichkeiten insbesondere im Bereich der Beschäftigung, aber auch bezogen auf Konsumierende. Eine spezielle Publikation zum Tourismus erschien 2016 (Eige, 2016). Femmes du Tourisme ist eine französische Organisation, während es sich bei WITIA um ein Netzwerk von Frauen aus Australien, Kanada und den USA handelt, die alle in der Tourismusindustrie tätig sind. Tourismus als Risiko Equality in Tourism, Equations (Equitable Tourism) und Fair Unterwegs sind nur drei Beispiele für Organisationen, die negative Folgen des Tourismus für Frauen in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellen. Sie blenden Chancen nicht aus, machen aber deutlich, wie schwer der Weg zur Umsetzung derselben ist und welche Hindernisse bestehen. Weiterhin <?page no="38"?> 38 Das Forschungsfeld gehen sie explizit auf strukturelle Ungleichheiten ein, die oft Tourismus erst ermöglichen. Zitat “ We often hear that tourism generates employment. However, the tourism industry is far from being gender just. We study how the industry has marginalised women's needs, reduced their access to resources, provided largely unsafe and insecure employment, exacerbated existing inequities in society and promoted the objectification and dehumanisation of women. ” (Equations, 2020, o. S.) Die genannten Organisationen sowie weitere werden im Anhang (→ Anhang) mit der URL in einer Tabelle aufgeführt. Hochschulen und Universitäten Hochschulen und Universitäten mit einem Schwerpunkt auf Frauenforschung resp. Gender Studies und Tourismus finden sich vor allem im Ausland. Beispiele sind University of California, Davis in den USA, Cardiff Metropolitan University und Swansea University in Wales, die Rey Juan Carlos University in Spanien. Hinsichtlich der wissenschaftlichen Publikationen sind die USA, UK, Australien und Kanada (zusammen etwa 60 Prozent) führend. Ergänzend kommen Publikationen aus Spanien und China hinzu. Die deutschsprachige Tourismuswissenschaft ist trotz früher Anfänge (Grütter & Plüss, 1996) nicht oder kaum vertreten. In den Studiengängen taucht der Themenbereich vereinzelt auf, bspw. in Kursen zur Interkulturellen Kompetenz, zum Diversity Management oder zur Nachhaltigkeit. <?page no="39"?> Organisationen und Institutionen 39 Trotz der Existenz einiger Lehrstühle und Institutionen, die Tourismus und Gender resp. Frauen verbinden, muss festgestellt werden, dass gender-awareness in der Tourismuswissenschaft sehr gering ausgeprägt ist. Bei einigen Werten, wie die Anzahl von Lehrstuhlinhaberinnen, liegt Tourismus sogar hinter anderen Branchen. Zitat “This gives the field a more gendered professorial profile than science, technology, engineering and mathematics.” (Figueroa-Domecq et al., 2015, S. 7) Die Behandlung von Tourismus als primär ökonomisches Phänomen, das effizient gestaltet werden muss, ist sicherlich ein Grund dafür, dass kritische und interdisziplinäre Betrachtungen nicht gerne gesehen sind. Das geht damit einher, dass Tourismus sich gerne als saubere Branche verkauft, die nicht nur den Tourist*innen, sondern allen davon betroffenen Personen ein gutes Gefühl vermittelt. Probleme und Missstände werden ausgeblendet und eine analytischkritische Betrachtung ist nicht erwünscht. Die #MeToo-Debatte hat jedoch bereits eine andere schön scheinende Branche enthüllt. Wie würden die Tourismuswirtschaft und -wissenschaft auf Ähnliches reagieren?  Denkübung │ Tourismus als Katalysator? Tourismus wirkt auf genderbasierte Unterschiede innerhalb des Tourismus, innerhalb von Gesellschaften und zwischen Gesellschaften. <?page no="40"?> 40 Das Forschungsfeld Zum einen kann Tourismus Macht- und Kontrollkonstellationen erheblich beeinflussen und unter Umständen zu gesellschaftlichen Veränderungen führen. Die Schaffung von Ausbildungs-, Beschäftigungs- und Arbeitsplätzen kann zu einer Stärkung der Frau und mehr Gendergerechtigkeit führen, wenn die Rahmenbedingungen es zulassen. Zum anderen kommt es zu einer Verfestigung von Unterdrückung, Kontrolle und Zwang im Umfeld von (sexualisierter) Arbeit und Ausbeutung sowie Prostitution. Gleiches gilt für negative Veränderungen durch die Schädigung von Umwelt, Wirtschaft und Kultur. Tourismus ist somit strukturbildend mit direkten Konsequenzen für individuelle Lebensweisen. Schließlich (re)produziert Tourismus Vorstellungen und Bilder von Femininität, Maskulinität, Geschlecht und Gender. Tourismus hat somit neben der wirtschaftlichen Bedeutung vor allem auch eine hohe gesellschaftliche und politische Relevanz. <?page no="41"?> 3 Theorien | Konzepte | Begriffe Soziologie ist nach Max Weber (1980 [1921], S. 1) die Wissenschaft, die soziales Handeln deutend verstehen und in seinem Ablauf und in seinen Wirkungen erklären will. Soziales Handeln ist solches Handeln, „[…] welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist.“ (ebd.) Somit muss laut Norbert Elias (1993 [1970]) ein Mensch in der Lage sein, „[…] in Gedanken sich selbst gegenüberzutreten und seiner selbst als eines Menschen unter anderen gewahr zu werden.“ (Elias, 1993, S. 9) Die Herausforderung besteht darin, Denk- und Verhaltensmuster zu erkennen, die Menschen beeinflussen, an denen sie sich orientieren und das eigene Handeln ausrichten. Viele Beziehungen beruhen auf tradierten und institutionalisierten sozialen Tatbeständen (Émile Durkheim, 1981 [1893]), die unbewusst wirken und nicht hinterfragt werden. Einstellungen und Haltungen sind tief in der Gesellschaft verankert und wirken im Verborgenen (Pierre Bourdieu, 2015, [1992]). Eine Stärke der Soziologie als reflexive, erklärende und kritische Wissenschaft liegt darin, vermeintlich „normale“ oder „natürliche“ Zustände auf ihre gesellschaftliche Bedingtheit und Entstehung hin zu untersuchen und verborgene Abläufe innerhalb sozialer Beziehungen aufzudecken. Ein Beispiel ist die (noch immer) binäre und oppositionelle Kodierung von Gender und die davon abgeleiteten Vorstellungen hinsichtlich männlicher und weiblicher Fähigkeiten, der Aufteilung von Arbeit oder auch des familiären Zusammenlebens. Die dominierenden Annahmen über Geschlecht <?page no="42"?> 42 Theorien | Konzepte | Begriffe haben menschliche Wahrnehmungs- und Denkschemata geformt. Eine Veränderung dieser gesellschaftlich geformten und tradierten Schemata, beispielsweise verbunden mit der Anerkennung des „dritten Geschlechts“, wird Zeit erfordern. So ist auch die Vorstellung der Familie bestehend aus Vater, Mutter, Kind eine bürgerliche Idealvorstellung, die nur eine Option von vielen ist und zunehmend um weitere Konstellationen ergänzt wird. In den folgenden Abschnitten werden zentrale soziologische Begriffe und Theorien vorgestellt, die für die Analyse der gesellschaftlichen Konstruktion und Wirkung von Geschlecht wichtig 8 sind. Das Kapitel schließt mit der Zusammenführung der Begriffe und einer graphischen Darstellung (→ Kapitel 3.7). 3.1 Gesellschaft | Sozialstruktur | Sozialisation Gesellschaftliche Ordnung, Sozialstruktur und Sozialisation sind zentrale Themenbereiche der klassischen Soziologie. Während in traditionellen Gemeinschaften die Interaktion zwischen Menschen auf Verwandtschaft und persönlicher Bekanntschaft basierte, sind in modernden Gesellschaften andere Sicherungsmechanismen erforderlich. Es werden Strukturen und Prozesse benötigt, die das Handeln regeln und absichern. Menschen müssen verstehen, was in einer Situation vor sich geht (Erving Goffman, 2003) und sie brauchen eine gewisse Erwartungssicherheit hinsichtlich des 8 Die Auswahl der Begriffe basiert auf der Annahme, dass Gender gesellschaftlich konstruiert ist, eine strukturierende Kraft entwickelt und die Wahrnehmung und Verhaltensweisen von Menschen prägt. <?page no="43"?> Gesellschaft | Sozialstruktur | Sozialisation 43 Handelns des Gegenübers. Strukturen und Handlungsmuster helfen dabei. 9 In den meisten Gesellschaften umfasst Sozialstruktur mehrere Klassen, Schichten oder andere Kategorien, die einander über- und untergeordnet sind (Bourdieu, 1987). Die Einordnung erfolgt anhand von Kriterien, die religiös, kulturell, gesellschaftlich oder ökonomisch begründet sind und über längere Zeiten aufrechtgehalten werden. Die Definition und Bewertung der einzelnen Kategorie ergibt sich aus der Relation zu einer anderen Kategorie (Simmel, 1919). Dabei wird zumeist die herrschende Kategorie als absolut und alle anderen Kategorien in Relation zu dieser gesetzt. Mitglieder der relationalen Kategorie müssen sich in ihrer Abweichung vom Absoluten zurechtfinden. Zitat „Die Grundrelativität im Leben unserer Gattung besteht zwischen der Männlichkeit und der Weiblichkeit; und auch an ihr tritt dieses typische Absolutwerden der einen Seite eines Paares relativer Elemente in die Erscheinung. Wir messen die Leistung und die Gesinnung, die Intensität und die Ausgestaltungsformen des männlichen und des weiblichen Wesens an bestimmten Normen solcher Werte; aber diese Normen sind nicht neutral, dem Gegensatz der Geschlechter enthoben, sondern sie selbst sind männlichen Wesens.“ (Simmel, 1919 [1910], S. 58) Nach Georg Simmel (1919 [1910]) hat die Norm zur Bewertung des männlichen und weiblichen Wesens ein männliches Wesen. Somit werden alle Menschen danach bewertet, 9 Die hier gewählte Betrachtung folgt der Annahme, dass soziale Ordnung auf sozialer Interaktion und dem menschlichen Bedürfnis nach gegenseitigem Verstehen beruht (Goffman, 2003; Mead, 1973). <?page no="44"?> 44 Theorien | Konzepte | Begriffe ob sie dem männlichen Wesen entsprechen oder nicht. Frau- Sein umfasst als Konsequenz das Wissen, kein Mann zu sein und das Gefühl des Mangels. Männer stehen ebenfalls unter dem Druck, dem männlichen Ideal zu entsprechen, das die eigene Idealisierung in Abgrenzung von Frauen einschließt. Auch Goffman (2001[1977]) beschreibt Geschlecht als ein zentrales Ordnungs- und Unterscheidungskriterium in modernen Gesellschaften. Er stellt fest, dass Geschlecht als Code dient, der in die menschlichen Vorstellungen von sich und der Welt einfließt. Zitat „Das Geschlecht dient in modernen Industriegesellschaften […] als Grundlage eines zentralen Codes, demgemäß soziale Interaktionen und soziale Strukturen aufgebaut sind; ein Code, der auch die Vorstellungen der Einzelnen von ihrer grundlegenden menschlichen Natur entscheidend prägt.“ (Goffman, 2001, S. 105) Während des Heranwachsens (der Sozialisation) werden allgemeine Regeln sowie nur für Teilbereiche der Gesellschaft gültige Regeln erlernt. Das erfolgt zunächst in direkter Interaktion mit anderen Menschen (signifikante Andere), z. B. „Meine Mutter freut sich über mein Lächeln.“ Danach fließen verallgemeinerte Vorstellungen zu gültigen Einstellungen und Haltungen im Bild der generalisierten Anderen zusammen, z. B. „Es wird von mir als Mädchen erwartet, dass ich lächle.“ Generalisierte Andere dienen als Maßstab des eigenen Handelns, wodurch die Einzelnen Konformität mit der Gruppe erreichen (Georg Herbert Mead, 1973). Die Sozialisation verläuft in Abhängigkeit von der Kategorie, hier dem Geschlecht, unterschiedlich. <?page no="45"?> Gesellschaft | Sozialstruktur | Sozialisation 45 Zitat „Von Anfang an werden die der männlichen und die der weiblichen Klasse zugeordneten Personen unterschiedlich behandelt, sie machen verschiedene Erfahrungen, dürfen andere Erwartungen stellen und müssen andere erfüllen.“ (Goffman, 2001, S. 109) Während Goffman vor allem den Einfluss von Gender auf die direkte Interaktion zwischen Menschen betrachtet (→ Kapitel 3.2), analysiert Pierre Bourdieu (2020 [1998]) das Wechselspiel von Subjektivität auf individueller Ebene und Objektivität auf Strukturebene. Demnach wird die subjektive Wahrnehmung gemäß objektiver Einteilungen organisiert. Diese Einteilungen sind jedoch nicht objektiv im Sinne von ‚durch die Natur gegeben‘ und nicht veränderlich. Vielmehr handelt es sich um gesellschaftlich konstruierte Einteilungen und Unterscheidungen basierend auf gesellschaftlichen Annahmen über die Differenz zwischen Mann und Frau. Bourdieu spricht von der „Männlichen Herrschaft“ (La domination masculine). Zitat „[…] Evidenz von Herrschaftsverhältnissen einschließt, die in die Objektivität in Form von objektiven Einteilungen, und in die Subjektivität in Form von kognitiven Schemata eingezeichnet sind […].“ (Bourdieu, 2020, S. 23) Allerdings weist Bourdieu in seiner Darstellung darauf hin, dass nicht nur Männer, sondern auch Frauen jene Strukturen reproduzieren, die den Mann in eine herrschende Position bringen. Da sich die soziale Position der Frau primär von der Stärke „ihres“ Mannes ableitet, suchen Frauen nach stärkeren, sprich älteren und größeren Männern, und versuchen, deren relative Position zu stärken, indem sie sich <?page no="46"?> 46 Theorien | Konzepte | Begriffe schwächen. Bourdieu stellt weiterhin dar, dass an der Reproduktion dieser Strukturen ebenfalls Institutionen wie Familie, Kirche, Schule und Staat beteiligt sind. Zitat „Die Frauen selbst wenden auf jeden Sachverhalt und insbesondere auf die Machtverhältnisse, in denen sie gefangen sind, Denkschemata an, die das Produkt der Inkorporierung dieser Machtverhältnisse sind […].“ (Bourdieu, 2020, S. 63) Bourdieu beschreibt die männliche Herrschaft als eine symbolische Kraft, welche die Welt strukturiert und die wie Magie wirkt (ebenda, S. 71). Neben den symbolischen Kräften wirken vor allem gesellschaftliche Strukturen, insbesondere soziales Kapital und das soziale Umfeld (→ Box).  Wissen │ Symbolisches Kapital und Habitus Bourdieu (1987) unterscheidet vier Kapitalarten: Das ökonomische (Geld, Vermögen etc.), das kulturelle (Bildung, Titel, kulturelle Güter) und das soziale (Kontakte, Netzwerke etc.) Kapital sind voneinander abgrenzbar. Sie entscheiden über die Position einer Person innerhalb des sozialen Raums. Das symbolische Kapital beschreibt die Anerkennung, die eine Person genießt, ihre Macht und die Möglichkeiten der Einflussnahme. Symbolisches Kapitel kann aus den drei anderen Kapitalarten heraus entstehen und wird zur Erlangung von ökonomischem, kulturellem und sozialem Kapitel eingesetzt. <?page no="47"?> Gesellschaft | Sozialstruktur | Sozialisation 47 Der Begriff Habitus beschreibt die im sozialen Raum erlernten Denk- und Verhaltensweisen sowie Geschmack und Lebensstil. Sie beeinflussen die Sicht auf die Welt und die eigene Person. Obwohl Menschen ihren Habitus reflektieren und verändern können, dominieren die in Kindheit und Jugend gemachten Erfahrungen. Diese Erfahrungen unterscheiden sich in Abhängigkeit vom Geschlecht. Unabhängig davon, wie sich die Situation der Frau auch ändert, bleibt die Differenz zu Männern, „die Struktur der Abstände“ weiterbestehen (ebenda, S. 158). Gleiches gilt für die gesellschaftlich verankerte Feindseligkeit gegenüber Frauen (Misogynie, → Box).  Tipp │ Misogynie Misogynie bedeutet Frauenfeindlichkeit, die unter Umständen bis zum Frauenhass reicht. Frauen werden als den Männern untergeordnet und als Konsequenz als minderwertig angesehen. Die Feindseligkeit findet sich in alltäglichen Interaktionen und Formulierungen, aber auch in Diskriminierung und Angriffen. Da Misogynie gesellschaftlich verankert ist, wird sie durch das soziale Umfeld (vgl. Habitus) erlernt. Im Feminismus (→ Kapitel 1.5) existieren viele Ansätze, die das Patriarchat als dominierende Struktur beschreiben und es in seiner Wirkung mit dem Kapital (Karl Marx, 2009) gleichsetzen. Die soziale Ungleichheit zwischen den Geschlechtern ergibt sich demnach aus der Vergeschlechtlichung der Arbeit und der Arbeitsteilung, wonach Frauen die unentgeltliche und wenig geachtete Arbeit im Haus leisten. <?page no="48"?> 48 Theorien | Konzepte | Begriffe Durch die Bindung an das häusliche Umfeld sowie die Verpflichtung zur Pflege und Erziehung werden die Möglichkeiten der wirtschaftlichen und politischen Beteiligung von Frauen beschränkt. Gender strukturiert somit nicht nur Gesellschaft, sondern ist neben Ethnie und Klasse ein zentrales Merkmal für soziale Ungleichheit. In den Abschnitten (→ Kapitel 3.4) und (→ Kapitel 3.6) werden eng damit verbundene Vorgänge detaillierter analysiert. Zunächst erfolgt in den beiden folgenden Abschnitten eine eingehende Analyse der soziologischen Konzepte der Geschlechtsrollenspiele und des Doing Gender. Die zentrale Bedeutung des Körpers wird im Anschluss erläutert. 3.2 Rollenspiel und Darstellung ( display ) Erving Goffman (2003 [1959]) nutzt das Theater als Metapher für direkte menschliche Interaktion. Demnach stehen Menschen im Alltag auf einer Bühne und führen in wechselseitiger Wahrnehmung und Reaktion ein Rollenspiel auf. Goffman beschreibt sehr detailliert den Umgang mit Rollen, Vorder- und Hinterbühne, die Inszenierung sowie die Möglichkeit der Täuschung. Das Zusammenspiel der Rollen ergibt eine gesellschaftliche Ordnung resp. die existierende Ordnung schreibt spezifisches Rollenverhalten vor, das jedoch von den Einzelnen reflektiert und bis zu einem gewissen Maß variiert werden kann. Die standardisierten Verhaltensweisen sind die Grundlage für die Entwicklung von Stereotypen (→ Box). <?page no="49"?> Rollenspiel und Darstellung (display) 49  Wissen │ Stereotyp Der Begriff des Stereotypen geht auf den US-amerikanischen Journalisten und Medienwissenschaftler Walter Lippmann und sein Werk Public Opinion (2015 [1922]) zurück. Ein Stereotyp lässt sich als vereinfachende Überzeugung über Charakteristika, Eigenschaften sowie Verhaltensweisen einer Person oder einer sozialen Gruppe definieren. Es handelt sich um verfestigte, schematische und stark vereinfachende Vorstellungen, die häufig Grundlage für Vorurteile sind. Zitat “The systems of stereotypes may be the core of our personal tradition, the defenses of our position in society.” (Lippmann, 2015, S. 40) Goffman (2001 [1977]) beschreibt, wie männliche und weibliche Merkmale auf Basis einer institutionalisierten Beschreibung von Geschlecht und Geschlechterrollen 10 entwickelt werden. Die auf dieser Basis entwickelten Merkmale und Verhaltensweisen dienen dann als Begründung der Institutionalisierung und lassen sie als „natürlich“ erscheinen, obwohl sie ein gesellschaftliches Konstrukt sind („institutionelle Reflexivität“). Gender wird so inszeniert, dass es nicht mehr hinterfragt wird. Die biologischen Geschlechterunterschiede sind nach Goffman (2001, S. 106) vergleichsweise gering und könnten überwunden werden, wenn die Gesellschaft es wollte. Goffmans Ansatz ist Grundlage für das Konzept des Doing Gender (→ Kapitel 3.3). 10 Zur Entwicklung und Verwendung des Begriffs Geschlechtsrollen in der Soziologie und im Alltag vgl. Gildemeister & Hericks , 2012, S. 109-148 <?page no="50"?> 50 Theorien | Konzepte | Begriffe Die gesellschaftlich geschaffenen Unterschiede zwischen den Geschlechtern führen zu Asymmetrien, zu Dominanz und Unterordnung. Goffman bezieht den Aspekt der Dominanz nicht nur auf Männer, sondern weist genauso wie Bourdieu (→ Kapitel 3.1 ) darauf hin, dass Frauen die Asymmetrien ebenfalls zu ihren Zwecken einsetzen und von den Unterschieden profitieren. Somit wirkt nicht nur Männlichkeit, sondern auch Weiblichkeit struktur- und verhaltensbildend. Die Ritualisierung des Weiblichen betont u.a. Aussehen, Schwäche, Häuslichkeit und Emotionalität. Diese Verhaltensweisen können als Grundlage für die Zuordnung touristischer Aufgabenfelder gesehen werden (→ Kapitel 4.1 und 4.4). Goffman (1976) 11 untersucht weiterhin, wie die beschriebene Ritualisierung sowie die Relation zwischen Frauen und Männern in der Werbung eingesetzt werden. Er definiert anhand von Werbefotografien typische Darstellungen und unterscheidet sechs Kategorien: » Relative Größe: Der Mann wird größer (Körperlänge) als die Frau dargestellt. Die körperliche Überlegenheit suggeriert größere gesellschaftliche Bedeutung. » Die feminine Berührung: Frauen werden oft in Situationen dargestellt, in denen sie etwas berühren, auf der Hand halten oder leicht umschließen. Oft berühren sie sich selbst, legen beispielsweise eine Hand an den eigenen Hals. Männer hingegen halten Objekte fest in der Hand oder greifen danach. 11 Eine Studie verglich die Darstellung der Frau in der Werbung in den Jahren 2006 und 2016 und wies nach, dass die von Goffman beschriebenen Aspekte weiterhin gültig sind. Klar sexistische Darstellungen finden sich weniger, allerdings lag der Anteil 2016 weiterhin bei 30 Prozent (Baetzgen & Leute, 2017, S.15). <?page no="51"?> Rollenspiel und Darstellung (display) 51 » Rangfolge der Funktionen: Wenn Frauen und Männer gemeinsam in einem beruflichen Kontext dargestellt werden, übernimmt der Mann zumeist die erklärende und leitende Funktion. Die Frau führt aus oder hört zu. Diese Anordnung findet sich ebenfalls im privaten Kontext sowie zwischen Mädchen und Jungen. » Familie: Bei der Darstellung von Familien werden Kinder oft eher der Mutter zugeordnet. Das gilt insbesondere für Babys und Kleinkinder. Wenn sowohl Tochter als auch Sohn abgebildet sind, steht der Sohn näher beim Vater und die Tochter näher bei der Mutter. » Unterordnung und Schwäche: Frauen werden häufig liegend oder sitzend dargestellt, während Männer aufrecht stehen und erhöht sitzen. Oft lehnen Frauen sich an den Mann an und schauen zu ihm auf. Ebenfalls nehmen Frauen eine geknickte, verdrehte oder gebückte Körperhaltung ein. Schließlich werden sie häufig lächelnd und in einer verspielten, albernen oder kindlichen Pose dargestellt. » Orientierungslosigkeit: Frauen werden häufiger als Männer so dargestellt, als hätten sie die Kontrolle verloren, wären hilflos, verzweifelt oder auch ahnungslos. Eine typische Geste ist dabei, dass Hände vor das Gesicht oder den Mund gehalten werden. Die Gesichter zeigen deutlich Angst, Erschrecken oder eine verschämte Ahnungslosigkeit. Oft ist der Blick gesenkt oder richtet sich auf ein Objekt außerhalb der Szene, dadurch wirken Frauen abwesend. Die beschriebenen Darstellungen von Frauen und die gewählten Posen erscheinen „natürlich“ („only natural“), da diese den Anordnungen und Haltungen entsprechen, wie sie in der Gesellschaft vorkommen. Sie alle drücken die strukturelle Anordnung und die soziale Konstruktion von Gender <?page no="52"?> 52 Theorien | Konzepte | Begriffe aus. Demnach dominieren bei Frauen, die untergeordneten oder sich unterordnenden, freundlichen, hilflosen und verspielten Gesten, während Männer anleiten, erklären, führen und Erfolg haben. Zitat “Natural expressions are commercials performed to sell a version of the world under conditions no less questionable and treacherous than the ones that advertisers face.” (Goffman, 1976, S. 84) Die in der Werbung dargestellten Verhaltensweisen und Relationen sind jedoch nicht nur ein Spiegel der Gesellschaft, sondern sie dienen auch als Maßstab für das eigene Verhalten. Die „moderne“ Frau ist noch immer sexy, unter- oder normalgewichtig, maximal 35 Jahre alt und die wichtigste Rolle ist die der Familienmutter, Ehefrau und Hausfrau (Baetzgen & Leute, 2017, S. 17). Die Darstellung als Frau basiert zumeist auf körperlichen Merkmalen (→ Kapitel 3.5 ), einem bestimmten Erscheinungsbild und Verhaltensweisen. Ein zentraler Begriff ist Doing Gender. Dieser wird im nächsten Abschnitt erläutert. Eine Übertragung der in diesem Kapitel dargestellten Erkenntnisse auf den Tourismus findet sich in → Kapitel 4.5. Berufsrollen werden ebenso untersucht, wie die Darstellung von Frauen in der Tourismuswerbung, sowohl auf der Seite der Nachfrage als auch auf der Seite des Angebots. 3.3 Doing Gender Candace West und Don Zimmerman haben mit ihrem Artikel Doing Gender (1987) diesen Begriff geprägt und das Konzept konkretisiert. Demnach wird Gender durch individuelle <?page no="53"?> Doing Gender 53 Darstellungen (performances) als natürlich gegeben konstruiert. Durch diese Darstellungen resp. Fassaden entsteht ein System, das die Richtlinien für genderangemessenes Verhalten sowie Erwartungen an Jungen und Mädchen, Frauen und Männer vorgibt. Individuen werden danach bewertet, ob sie die Erwartungen erfüllen oder nicht. Zu den Erwartungen gehören nicht nur Fähigkeiten, sondern auch Unfähigkeiten. Letzteres gilt insbesondere für Frauen, z. B. Frauen können nicht Einparken, keinen Ball werfen, keinen Nagel in die Wand schlagen etc. Zitat “ Doing gender involves a complex of socially guided perceptual, interactional, and micropolitical activities that cast particular pursuits as expressions of masculine and feminine "natures". ” (West & Zimmerman, 1987, S. 126) Der Begriff Doing Gender beschreibt, wie Wahrnehmung, Selbstwahrnehmung, Rollenverständnisse und Darstellungen genderabhängig bestimmt und erlernt werden. In der täglichen Interaktion wird weibliches und männliches Verhalten dargestellt und inszeniert. Vermeintlich natürliche weibliche und männliche Verhaltensweisen werden mehr oder weniger mühsam erlernt und anerzogen. 12 Die Agnes-Studie von Harold Garfinkel (1967) stellt sehr anschaulich dar, was ein Mensch nach einer Geschlechtsumwandlung alles erlernen muss, um als Frau anerkannt zu werden. Er spricht von den Praktiken der Her- und Darstellung des Geschlechts. Neben dem Erscheinungsbild, Mimik 12 Ida Pfeiffer (1797-1858) schildert in ihrer Biografie, wie ihr Umfeld versuchte, sie zu einem typischen Mädchen zu machen. Ihr Vater hatte ihr lange Zeit erlaubt als Junge aufzutreten. Pfeiffer wurde später als Weltreisende berühmt. <?page no="54"?> 54 Theorien | Konzepte | Begriffe und Gestik wird das Frausein auch an Aspekten wie Unterwürfigkeit und Zurückhaltung deutlich gemacht. Die Beteiligung an Gesprächen, die Art der Meinungsäußerung und die Möglichkeiten des Widerspruchs unterscheiden sich in einem hohen Maße je nach dem zugeschrieben Geschlecht.  Tipp │ „Ich bin Linus“ Linus Giese beschreibt in seinem Buch, wie „ich der Mann wurde, der ich schon immer war“. Das Buch zeigt die immer noch aktuelle Dominanz der binären Geschlechtervorstellungen auf und regt zum Nachdenken an. Gleiches gilt für Elliot Page, der sich seit 2020 öffentlich als transgender bezeichnet und die Pronomen he/ they verwendet.  Denkübung Denken Sie einmal über die folgenden Fragen nach: » „Was muss ich tun, damit ich als Frau/ Mann anerkannt werde? “ » „Gibt es eine dritte Möglichkeit? “ » „Wie stark beeinflusst mich meine körperliche Gestalt? “ (Binäre) Geschlechtszugehörigkeit wird gesellschaftlich erwartet und eine unklare Darstellung führt zu Irritationen beim Gegenüber. Es wird als ein unangemessenes Verhalten bewertet, das Wirklichkeit bedroht. Doing gender kann im Tourismus sowohl auf der Seite des Angebots als auch auf Seite der Nachfrage nachgewiesen werden. In → Kapitel 4.1 wird gezeigt, dass die Vorstellun- <?page no="55"?> Macht 55 gen typisch weiblicher Aufgaben im Tourismus zur Dominanz der drei Cs - cleaning, cooking, caring - bei Berufen und Tätigkeiten für Frauen führt. Gleiches gilt für die Ausgestaltung von Frauenreisen basierend auf stereotypisierten Vorstellungen von Urlaubsinteressen, wie dem Girlfriend Getaway mit Prosecco und Wellness (→ Kapitel 5.2). 13 Selbst die Darstellung der Anforderungen von beruflich reisenden Frauen beinhaltet Genderstereotype wie Schutzbedürftigkeit, Harmonie und Geborgensein. 3.4 Macht Macht ist ein zentraler soziologischer Begriff, da er eine besondere Form sozialer Beziehungen in den Mittelpunkt stellt: Beziehungen, die durch ungleich verteilte Abhängigkeiten geprägt sind. Ein Element in der Beziehung ist stärker auf das Gegenüber angewiesen als das andere Element. Dadurch kann das dominierende Element Einfluss ausüben und das unterlegene Element wird diesen Einfluss respektieren bzw. sich diesem fügen. In Abhängigkeit von der Definition, was Gesellschaft ist, wird Macht als ein Instrument für die Erreichung individueller Interessen (Max Weber), als ein Ergebnis unkontrollierbarer Verflechtungszusammenhänge (Norbert Elias) oder als geregelte Prozeduren insgesamt unkontrollierbarer Ereignisse (Michel Foucault) verstanden. Diese Sichtweisen werden in den folgenden Abschnitten erläutert. 13 Auch das Cover dieses Buches greift solche Vorstellungen auf, da es eine beschwingt wirkende Frau zeigt, die von einem Strohhut behütet ist. <?page no="56"?> 56 Theorien | Konzepte | Begriffe Macht als Instrument Eine in vielen Werken zu findende soziologische Definition von Macht ist jene von Max Weber. Macht ist „[...] jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“ (Weber, 1980 [1920], S. 28) Macht beruht auf einer angenommenen oder tatsächlichen Überlegenheit der einen und einer angenommen oder tatsächlichen Unterlegenheit der anderen Seite. Für Weber geht Macht von Individuen aus, die bewusst und mit Absicht Macht ausüben, um eigene Interessen durchzusetzen. Die Möglichkeit zur Machtausübung beruht auf der menschlichen Verletzlichkeit und der gegenseitigen Abhängigkeit. Heinrich Popitz (1992) hat den Zusammenhang zwischen den anthropologischen Grundlagen und den Formen von Macht analysiert. Die grundsätzliche Verletzbarkeit von Menschen, Orientierungs- und Autoritätsbedürfnisse, die Kontingenz menschlicher Lebenserfahrung und die Veränderung der Welt durch von Menschen geschaffene Artefakte, insbesondere Technologien, die nur von wenigen kontrolliert werden können, gibt Menschen die Möglichkeit, auf andere einzuwirken, sprich Macht auszuüben. Macht umfasst somit nicht nur die direkte Anwendung von Gewalt, sondern auch die Kreation und Veränderung von Erwartungen, Normen, Werten und Artefakten. John French & Bertram Raven (1959) ergänzen die Betrachtungsweise, indem sie die „machtempfangende“ Person in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen. Sie beschreiben Macht als ein Phänomen sozialen Einflusses und untersuchen, wie das Verhalten von Menschen durch Macht verändert wird. Zentrale Begriffe sind also Beeinflussung und Verhaltensänderung. Wesentlich bei dieser Betrachtung ist, <?page no="57"?> Macht 57 dass zur Ausübung von Macht ein korrespondierendes Verhalten der machtempfangenden Person ausschlaggebend ist. Dieses gilt insbesondere bei Autorität und Charisma, die auf einer freiwilligen „Unterwerfung“ beruhen.  Wissen │ Selbstverteidigung Viele Seminare zur Stärkung von Frauen basieren darauf, dass Frauen lernen, sich zu wehren, die Machtausübung nicht weiter zu akzeptieren und durch die Verweigerung das „Machtspiel“ nicht weiterzuführen. Pierre Bourdieu (2015) hat gezeigt, wie in der Gesellschaft Abgrenzungen (Distinktionen) und Unterschiede kreiert werden, die den Zugang zu einflussreichen Positionen regeln. Neben dem ökonomischen Kapital sind es ein gewisser Lebensstil, Geschmacksvorlieben sowie das persönliche Umfeld (Habitus), die Menschen Macht verleihen. Macht als Ergebnis von Verflechtungszusammenhängen Norbert Elias (1993 [1970]) stellt in seinen Arbeiten zwei Aspekte von Macht in den Vordergrund, die Webers Beschreibung ergänzen. So beschreibt Elias erstens Macht als Prozess und verwendet den Begriff Machtbalance resp. Machtchancen (Elias, 1993, S. 77). Macht ist demnach kein Ding, das jemand (oder etwas) hat. Vielmehr ist Macht eine veränderliche Größe, die sich aus Abhängigkeiten ergibt. Elias benutzt das Bild des Spiels, wenn er von relativen Spielstärken spricht. Die Spielstärken können sich dadurch verändern, dass weitere Spieler zum Spiel hinzukommen und sich zusammenschließen, Regeln verändern oder auch Alternativen für das Spiel entwickeln (ebd., S. 78 ff). Dieser Aspekt hat praktische <?page no="58"?> 58 Theorien | Konzepte | Begriffe Relevanz, wenn als eine Schwäche von Frauen beschrieben wird, dass sie seltener in Netzwerke eingebunden sind und Schwierigkeiten haben, sich zu vernetzen. Zweitens herrschen nach Elias selbst in einem System ausgeglichener Machtbalancen Zwänge, die sich aus den Verflechtungszusammenhängen innerhalb der Gesellschaft ergeben (ebd., S. 77). Klar erkennbar wird das innerhalb von Gruppen wie Abteilungen im Unternehmen, in Familien oder auch im Tourismus. Beispielsweise muss sich eine Reisegruppe nicht nur an bestimmte Zeiten, Vorgaben und kulturell bedingte Einschränkungen halten, sondern die Tatsache des gemeinsamen Reisens führt zu Zwängen, z. B. Pünktlichkeit, standardisiertes Programm, und damit zur Zurückstellung der eigenen Präferenzen. Da somit jedes Element einer Gesellschaft immer einem irgendwie gearteten Zwang unterliegt, existiert kein machtfreier Raum. Menschen tendieren dazu, diese Zwänge nicht als Ergebnis der Verflechtungszusammenhänge zu sehen, sondern die Verantwortung einer Person oder Organisation zuzuschreiben. Im Gegensatz zu Weber ergeben sich nach Elias Machtphänomene somit sowohl intendiert als auch nicht intendiert aus gesellschaftlichen Struktureigentümlichkeiten. Macht als Diskurs Während Weber Macht an individuellen Interessen festmacht und Elias die Konstellationen zwischen Akteuren betrachtet, bietet Michel Foucault (1996 [1966]) mit dem Begriff des Diskurses einen Ansatz, um sowohl die von Interessen geleiteten Absichten als auch die Wirkungsweise gesellschaftlicher Phänomene abzubilden. Foucault beschreibt, wie durch Diskurse objektiv geglaubtes Wissen erzeugt und damit Macht ausgeübt wird (ebd., S. 11). Durch Sprache erhalten gesellschaftliche Phänomene eine Bedeutung, die <?page no="59"?> Macht 59 nach einiger Zeit als Wahrheit gilt. Ein Beispiel ist der Begriff des Overtourism, der sehr komplexe Entwicklungen innerhalb urbaner Räume auf ein Zuviel an Tourist*innen reduziert und eine differenzierte Betrachtung der Ursachen erschwert. Foucault hat den Begriff Diskurs nicht eindeutig definiert, sondern in Formulierungen annäherungsweise beschrieben. Zentral ist, dass der Diskurs sowohl eine Form als auch Prozeduren beschreibt, die diese Form regulieren, um die dem Diskurs inne liegende Kraft zu kontrollieren. Foucault spricht von „[...] jener Masse von gesagten Dingen […] (ebd., S. 33) und „[…] jenem großen unaufhörlichen und ordnungslosen Rauschen des Diskurses“ (ebd., S. 33), das Angst macht. Um den Diskurs zu kontrollieren, gibt es „[…] Einschränkungs- und Ausschließungsspiele […]“ (ebd., S. 30), die den Raum des Diskurses einschränken sollen. Eine Menge von Bedingungen legt fest, was, wann, wo, wie und von wem gesagt werden darf. Daraus resultierend kann man den Diskurs als „[…] eine Gewalt begreifen, die wir den Dingen antun […]“ (ebd., S.24) bzw. „[…] die Macht, derer man sich zu bemächtigen sucht.“ (ebd., S. 11) Foucault beschreibt unterschiedliche Prozeduren der Kontrolle und Ausschließung (ebd., S. 17ff.). Sehr deutlich erkennbar sind jene Mechanismen, die sowohl auf die Themen als auch auf die teilhabenden Subjekte wirken. Es wird bestimmt, wer über was sprechen darf. Ein Beispiel ist die Frage, wer den Diskurs über Frauenquote und Gender Pay Gap initiiert und koordiniert oder wer über Prostitutionstourismus (→ Kapitel 4.6) diskutieren und Recht sprechen darf. Ausgehend von Foucault wurde die Diskursanalyse als Forschungsprogramm in unterschiedlichen Wissenschaftsbe- <?page no="60"?> 60 Theorien | Konzepte | Begriffe reichen entwickelt. Im Vordergrund der soziologischen Diskursanalyse stehen die Regulierungen von Aussagepraktiken und deren performative, wirklichkeitskonstituierende Macht. Macht | Tourismus |Gender| Frauen Im Tourismus ist Macht auf unterschiedlichen Ebenen und in vielfältigen Ausprägungen präsent. Die Analyse von Machtstrukturen ist nicht trivial, da diese wie zuvor beschrieben in soziale Beziehungen eingebunden und von sozialen Normen und Werten getragen sind. Machtstrukturen sind tradiert und die Frage danach, warum dieses so ist, kann nicht einfach beantwortet werden. Oft sind sie eine diskursiv geschaffene Realität im Sinne Foucaults. Ein zweites Problem ergibt sich daraus, dass Machtverhältnisse tabuisiert sind und eine explizite Thematisierung für alle Seiten unangenehme Folgen haben kann, z. B. sozial sanktioniert wird. Gerade im Tourismus, der die angenehmen und leichten Seiten des Lebens adressiert, erscheint eine Thematisierung von Machtphänomenen nicht erwünscht zu sein. Ein umfassendes Verständnis von Nachhaltigkeit und die Forderung nach verantwortungsvollem Tourismus kommt jedoch um solch eine Diskussion nicht herum. Die Art und Weise, wie über Tourismus gesprochen wird, ist somit ein diskursiver Prozess, der festlegt, was, wie und von wem über Tourismus und dessen Wirkungen gesagt werden darf. Übertragen auf die Thematik Frauen im Tourismus finden sich im Tourismus alle Machtformen wieder. In der direkten Interaktion zwischen Menschen, in gesellschaftlichen Normen sowie im Diskurs, dessen Macht die Bedeutung von Geschlecht und Körper (→ Kapitel 3.5) bestimmt. → Tabelle 1 <?page no="61"?> Macht 61 erfasst exemplarisch die Machtform und den Bezug zum Thema Frauen im Tourismus. Tab. 1: Machtformen Machtform Beschreibung Beispiele Gewalt / Zwang: Androhung und Ausübung körperlicher, seelischer Gewalt Die menschliche Verletzbarkeit (körperlich, seelisch, ökonomisch etc.) kann von anderen ausgenutzt und missbraucht werden. sexuelle Ausbeutung Ausnutzung von Abhängigkeiten und Missständen, z. B. geringe Bezahlung, schlechte Arbeitsbedingungen Legitimität / Autorität: Definition von Normen, Werten, Rollen Die Überlegenheit des Gegenübers wird ungefragt als legitim angesehen und akzeptiert. Menschen unterwerfen sich einem Gegenüber oder auch einem System. männliche Dominanz in Berufsfeldern und auf Führungsebenen Definition von Rollen und Rollenverhältnissen Wissen / Können Menschen sind Mängelwesen und deswegen auf andere Menschen und Technologien angewiesen. ungleiche Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für Frauen und Männer Kontrolle von Zugängen / Distinktion Das Gegenüber kontrolliert den Zugang zu materiellen und symbolischen Ressourcen sowie Rahmenbedingungen und Informationen. Kontrolle des Zugangs und der Teilhabe von Frauen an politischen Entscheidungen, Netzwerken etc. Organisationsfähigkeit Die Fähigkeit, sich zu organisieren und zu vernetzen, stärkt die eigene Position. geringere Einbindung von Frauen in Netzwerke <?page no="62"?> 62 Theorien | Konzepte | Begriffe Mobilität Mobilität ermöglicht die Herauslösung aus Abhängigkeiten und stärkt die eigene Position. Einschränkung der Mobilität von Frauen durch Bindung an das häusliche Umfeld diskursive Macht Die Einschätzung der Möglichkeiten, Wünsche und Bedürfnisse wird durch diskursiv geschaffenes und gültig geglaubtes Wissen beeinflusst. Der Zugang zu diskursiven Vorgängen wird kontrolliert. Stereotypisierung Konstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit auf Basis männlicher Ideale 3.5 Körper | Embodiment Ausgangspunkt für diesen Abschnitt ist die Körpersoziologie. Diese behandelt die Veränderungen der Bedeutung des Körpers in der Gesellschaft sowie die daraus resultierenden Konsequenzen im Umgang mit Gefühls- und Körperreaktionen. In einer durch Leistung, Kontrolle und Rationalität geprägten Welt werden spontane Gefühls- und Körperreaktionen nicht akzeptiert und führen zu einem Gefühl der Scham (Elias, 1993 [1970]). Nach Elias verändert sich „[…] die Proportion zwischen den äußeren und den selbsttätigen Ängsten“ (ebd., S. 408). Der Selbstzwang rückt zunehmend an die Stelle des Fremdzwangs. Menschen kontrollieren sich und ihre Handlungen und versuchen, nicht an den „Peinlichkeitsschwellen der Anderen“ (ebd., S. 407) zu rühren. Weiterhin sind Körper und Identität miteinander verbunden. So ist nach Anthons Giddens (1991, S. 56ff) das Selbst in den vom Selbst kontrollierten Körper eingebunden (embo- <?page no="63"?> Körper | Embodiment 63 died). Aus dem eigenen Körper heraus wird die Welt erfahren. Durch die erlebte Differenz zwischen eigenem Körper und anderen Objekten bildet sich ein Selbstbewusstsein aus. Dieses Selbstbewusstsein übernimmt die Aufgabe, den Körper zu kontrollieren (bodily self-management) und je nach Situation richtig zu handeln. Die routinierte Kontrolle des Körpers schafft einen schützenden Kokon um das Selbst.  Wissen │ Identität Identität beschreibt die konstruierte Vorstellung von der eigenen Person und den Beziehungen zu anderen. Während die personale Identität sich um die Frage „Wer bin ich? “ dreht, fokussiert die soziale Identität auf die Zugehörigkeit (Eigengruppe) und Abgrenzung (Fremdgruppen). Sie beantwortet die Frage: „Wozu gehöre ich (nicht)? “ Da es sich bei Geschlechtsstereotypen um kognitive Repräsentationen von Erwartungen handelt, haben diese Auswirkungen auf die personale und die soziale Identität. (Asendorpf, 2019) In modernen Gesellschaften ist nach Giddens jeder Mensch in einem gesteigerten Maße gezwungen, sich mit der Identität auseinanderzusetzen. Die in traditionellen Gesellschaften vorhandenen vorgegebenen Rollen, Stereotype und Verhaltensweisen verlieren an Bedeutung. Daher muss sich jeder Mensch Gedanken über alltägliche Aspekte wie Kleidung und Freizeitaktivitäten sowie über schwerwiegende Entscheidungen wie Beziehung und Berufswahl machen. Identität ist nach Giddens ein reflexives Projekt, an dem Menschen kontinuierlich arbeiten. Reflexivität betont, dass der Mensch sich selbst erfindet und sich dessen bewusst ist. Es handelt sich um einen narrativen Prozess, in dem der <?page no="64"?> 64 Theorien | Konzepte | Begriffe Mensch seine Biografie auf eine bestimmte Art und Weise erzählt. Für Giddens ist der Körper damit ein aktives Handlungssystem, das mehrfache Relevanz für die Identitätsarbeit hat. So dient erstens das äußere Erscheinungsbild (appearance) incl. Frisur, Kleidung, Schmuck etc. dazu, dem Umfeld Hinweise auf die Identität zu geben. Das Gebaren (demanour) bestimmt, wie das Erscheinungsbild im Alltag von dem Individuum eingesetzt wird. Beispielsweise kann eine Frau den Ausschnitt betonen oder im wahrsten Sinne des Wortes zugeknöpft agieren. Die Sinnlichkeit (sensuality) beschreibt den Umstand, dass mit dem Körper Sinneswahrnehmungen aufgenommen und erlebt werden. Um den Körper zu gestalten, zu formen und gesund zu halten, gibt es Behandlungsweisen (regimes), u.a. Diäten, Sportprogramme und kosmetische Operationen. Giddens spricht von der Gestaltung und Formung des Körpers, „design of our own bodies“ (ebd., 1991, S. 102). Auch Gugutzer (2002) formuliert, dass der Körper als „Objekt der Identitätskonstruktion“ eingesetzt wird. Somit basiert die Konstruktion der Identität auf den Darstellungs- und Erscheinungsmöglichkeiten des Körpers. Die Vorgaben der Darstellung werden durch die Gesellschaft und hier vor allem durch Annahmen über den (perfekten) weiblichen und männlichen Körper definiert. Körper und Gender Eine wesentliche Frage, die sich bezogen auf das Thema Frauen im Tourismus stellt, ist die nach der Relevanz des weiblichen Körpers in Genderbeziehungen und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Konsequenzen. So dienen körperliche Merkmale resp. Darstellungen noch immer als Stütze des binären Systems von Geschlecht. <?page no="65"?> Körper | Embodiment 65 Judith Butler (2020 [1990]) hat in ihren Werken den Körper als kulturelles Konstrukt konzipiert. Der Körper erhält durch die kontinuierliche Inszenierung seine Bedeutung und Wirksamkeit. Die Macht des Diskurses reguliert die Inszenierungsmöglichkeiten und -formen (→ Kapitel 3.4 Macht). Mit der Zeit wurde „[…] ein Satz leiblicher Stile produziert, die in verdinglichter Form als natürliche Konfiguration der Körper in Geschlechter (sexes) erscheinen […]“ (Butler, 2020, S. 206). Jede normgerechte Performanz stabilisiert den binären Rahmen der Geschlechtsidentität. Sprich, jedes Mal, wenn eine Frau sich typisch weiblich verhält, bekräftigt und verstärkt sie die gesellschaftlichen Annahmen über Weiblichkeit. Somit kann Widerstand 14 nur performativ innerhalb des Systems erfolgen.  Wissen │ Performativität und Performanz Der Begriff Performativität geht auf John L. Austin zurück. Demnach hat Sprechen eine handlungspraktische Dimension, die über die bloße Bezeichnung hinausgeht. Mit dem Sprechakt wird gesellschaftliche Realität geschaffen und verändert. Performative Äußerungen schaffen Handlung, Subjekt und Objekt. Im Gegensatz dazu basiert der Begriff Performanz auf der Annahme, dass ein handelndes Subjekt existiert, das die performative Äußerung ausführt. 14 Wolfgang Funk (2018) zeigt anhand von Femen-Protesten, wie der nackte weibliche Körper wirksam in Protesten eingesetzt und im Diskurs wirken kann. <?page no="66"?> 66 Theorien | Konzepte | Begriffe Mythos Schönheit Weibliche Stile, Körpergesten und Bewegungen sind eng mit dem Begriff Schönheit verbunden. Schönheit gilt laut Naomi Wolf (2015 [1990]) seit den 1980er-Jahren in vielen Gesellschaften als die zentrale weibliche Eigenschaft und Aufforderung, dem Ideal zu entsprechen. Sie ist an die Stelle von Mutterschaft und Häuslichkeit getreten und wirkt nun als sozialer Kontrollmechanismus auf Frauen. Zitat “As women released themselves from the feminine mystique of domesticity, the beauty myth took over its lost ground, expanding as it waned to carry on its work of social control.” (Wolf, 2015, S. 3) Die Erreichung des Ideals ist mit Arbeit verbunden, da Schönheit sehr komplex und dynamisch ist. Sie umfasst neben Gesicht und Körper auch Haare und Frisur, Make-up und Styling, Kleidung, Bewegungen und ein der Situation angemessenes Auftreten. Dieses komplexe Gebilde ist ständig bedroht von Übergewicht, Haarausfall, dem Alter und der Schönheit anderer Frauen. Letzteres ergibt sich daraus, dass Schönheit an äußere Merkmale geknüpft ist, die auf den ersten Blick erkennbar sind. Ein Vergleich ist somit jederzeit möglich, während Eigenschaften wie Intelligenz, Toleranz oder Mut nicht direkt erkennbar sind. Nach Wolf handelt es sich bei Schönheit um einen Mythos, der als Handlungsaufforderung zu verstehen ist. Die vermeintlich objektive Beschreibung ästhetischer Aspekte ist die Formulierung gesellschaftlich erwünschter Eigenschaften. Die auf den weiblichen Körper wirkenden, performativ erzeugten Normen basieren auf der aktuell gesellschaftlich gültigen Definition von Schönheit. Diese Vorstellungen werden in der Sozialisation vermittelt und verinnerlicht. <?page no="67"?> Körper | Embodiment 67 Aus diesem Grunde ist es trotz aller Reflektionen und Diskussionen über dieses Thema so schwierig, sich gegen die Wirksamkeit zu wehren resp. diese nicht zu nah an sich heranzulassen. Der Mythos Schönheit wirkt laut Wolf nicht nur auf Frauen, sondern auch auf Männer, da eine an sie gestellte Erwartung ist, eine „schöne“ Frau an der Seite zu haben. Medien übernehmen bei der Aufrechterhaltung des Mythos eine wichtige Funktion, da sie die entsprechenden Bilder in die Öffentlichkeit tragen und einen starken Anpassungsdruck erzeugen. Eine erfolgreiche und intelligente Frau, die nicht als „schön“ angesehen wird, wird dieses als Makel empfinden, auch wenn sie die gesellschaftliche Konstruktion durchschaut. Die Auseinandersetzung mit, das Erreichen und der Erhalt von Schönheit binden Energie und führen zur Repression von Frauen. Wolf thematisiert ebenfalls den Zusammenhang zwischen Körper, Schönheit, Sexualität und Pornographie. Der (weibliche) sexualisierte und kommerzialisierte Körper ist entpersonalisiert und in einer Hierarchie das untergeordnete Objekt. In (→ Kapitel 4.6 und 5.4) erfolgt eine weitergehende Diskussion in Zusammenhang mit Prostitutionstourismus.  Tipp │ Pornographie Eine kritische Darstellung von Pornographie findet sich auf der Website von EMMA ( ➤ www.emma.de). Eine gute Gegenüberstellung gegensätzlicher Betrachtungsweisen (PorNo vs. PorYes) findet sich in einem Artikel von Claudia Münzing (2008). <?page no="68"?> 68 Theorien | Konzepte | Begriffe Körper im Tourismus Karl-Heinrich Bette (2005, S. 67ff.) stellt fest, dass der Körper als Mittel in der Interaktion eingesetzt wird. Die Faktizität des Körpers entwickelt eine gesellschaftliche Wirksamkeit. Er wird auf dem gesellschaftlichen Markt eingesetzt und der Selbstwert entspricht dem Marktwert. Beispiele für Formen der Körpernutzung sind der sportliche Körper, der Protestkörper, der gebräunte Körper als Statussymbol und schließlich der animierte Körper im Tourismus (ebd., S. 68). Bette formuliert, dass die Tourismusindustrie den „Drang in die Ferne“ (ebd., S. 146) nicht nur nutzt und fördert, sondern auch davon profitiert und ihn kapitalisiert. Bette argumentiert weiter, dass das veränderte Körperbewusstsein in der Tourismuskommunikation adressiert wird. Zitat „Der Körper der Urlauber wird diesen gegen ein entsprechendes Honorar als Konsumobjekt zur gesundheitsfördernden, geselligkeitsherstellenden und natürlichkeitsgenerierenden Überarbeitung in veränderter Umgebung angeboten.“ (Bette, 2005, S. 147) Mit Bezug auf Elias kann Tourismus als Möglichkeit gesehen werden, die Schamgrenzen für eine gewisse Zeit hinter sich zu lassen. Ein offenkundiges Beispiel dafür ist die leicht oder nicht vorhandene Kleidung am Strand. Jean-Didier Urbain (2003, S. 268 ff.) macht die enge Verzahnung zwischen dem Strand und dem (sexuellen) Abenteuer in gewissen Medien deutlich. Weiterhin verweist er auf die mediale Konstruktion, wonach ein Großteil der Frauen sich am Strand verführen lässt resp. dieses von sich aus bezweckt. Vorliegende Statistiken können diese Annahmen jedoch nicht bestätigen. <?page no="69"?> Körper | Embodiment 69 Trotz der genannten möglichen Querbeziehungen zwischen Körper und Tourismus, blieb dieser Themenbereich lange Zeit unbeachtet. Cohen & Cohen (2012/ 2019) wiesen mehrfach auf die fehlende Berücksichtigung des Körpers in der Tourismus- und Freizeitwissenschaft hin und versuchten, einen Genderbezug herzustellen. Demnach produziert Tourismus(wissenschaft) hegemoniales, disembodied (entkörpertes) und maskulines Wissen. Sie folgen damit der feministischen Wissenschaftskritik (→Kapitel 1.5). Als Konsequenz werden Sinne zumeist auf das Sehen (Urry „The Gaze“) reduziert und die Betrachtung von Reiseentscheidung und Verhalten auf kognitive Prozesse beschränkt. Die implizite Annahme, dass eine feminine Sichtweise den Körper automatisch mit einbezieht, kann als stereotypisierte Vorstellung bewertet werden. Tab. 2: Körper im Tourismus Tourist*innen Tourismus körperbasierte Entscheidungen „Entscheiden Frauen anders als Männer? “ → Kapitel 5.1 Körper im Marketing „Wie werden weibliche Körper im Marketing dargestellt? “ → Kapitel 4.5 Identitätsfindung / Darstellung „Welche Bedeutung hat Reisen für Frauen? “ „Wie stellen sie sich dar? “ → Kapitel 5.2 Körper & Figur als Attraktion „Wie werden weibliche Körper im Tourismus eingesetzt, z. B. Attraktion, Unterhaltung, Beruhigung? “ → Kapitel 4.5 Körperliches Erleben / Erlebnisse „Wie erleben Frauen das Reisen? Welche Sinne werden angesprochen? “ → Kapitel 5.3 körperliche Arbeit „Welche Arbeit(en) leisten Frauen im Tourismus? “ → Kapitel 4.1 Prostitutionstourismus „Was suchen Frauen im weiblichen Prostitutionstourismus? “ → Kapitel 5.4 Prostitutionstourismus „Wie ist der Prostitutionstourismus organisiert? “ → Kapitel 4.6 <?page no="70"?> 70 Theorien | Konzepte | Begriffe Eine strukturierte Betrachtung des Themenkomplexes Körper-Tourismus-Gender zeigt die Bedeutung des Körpers sowohl hinsichtlich des touristischen Angebots als auch hinsichtlich der Nachfrage. Diese sind in → Tabelle 2 dargestellt. Die aufgeführten Fragen werden in den genannten Abschnitten im Praxisteil diskutiert und beantwortet. 3.6 Sexual Objectification Objectification (Objektifizierung oder Verdinglichung) bedeutet, dass ein Mensch von einem oder mehreren anderen Menschen als ein Objekt betrachtet und behandelt wird. Martha Nussbaum (1995) hat mehrere Kriterien für Objectification festgelegt. Dazu gehören u.a. die Behandlung des „Objekts“ als Instrument für die eigenen Zwecke, die Absprache von Autorität sowie die Austauschbarkeit. Der Mensch wird als passiv angesehen und die Verletzlichkeit wird ausgeblendet. Rae Langton (2009) hat hinzugefügt, dass eine Reduktion auf Körper oder einzelne Körperteile sowie auf das Erscheinungsbild stattfindet. Dieses führt zu einer Herabwürdigung und Degradierung mit teils erheblichen negativen körperlichen und seelischen Folgen für die betroffenen Menschen. Objectification beschreibt nicht nur die Art und Weise, wie bestimmte Menschen betrachtet, sondern auch wie sie behandelt werden. Objectification ist wirksam, weil sie in einem Feld stattfindet, das bereits durch Machtkonstellationen (→ Kapitel 3.4) und durch gesellschaftlich vorgeschriebene Positionen und Ordnungen (→ Kapitel 3.1) geprägt ist. <?page no="71"?> Sexual Objectification 71 Zitat “ Objectification is not just ‘in the head’; it is actualized, embodied, imposed upon the objects of one’s desire. So if one objectifies something, one not only views it as something which would satisfy one’s desire, but one also has the power to make it have the properties one desires it to have. ” (Haslanger, 2012, S. 65) Sexual Objectification ist ein Sonderfall der Objectification und bezieht sich auf die Verdinglichung von (zumeist) Frauen hin zu sexuellen Objekten. Beispiele reichen von der Betonung des Aussehens und des Körpers (hier vor allem vermeintlich typische weibliche Merkmale wie Busen, Po und Haare) in der Werbung über Pornografie bis zur Prostitution und sexuellem Missbrauch. Sexual Objectification greift genderbasierte Strukturen, Hierarchien und Ungleichheiten auf, wonach Frauen den sexuellen Interessen von Männern „dienen“ und die Unterlegenheit erotisch aufgeladen ist. Bedeutung und Wert einer Frau ergeben sich daraus, ob und wie sehr sie sich als Sexobjekt eignet (MacKinnon, 1989). Aus soziologischer Sicht ist sexual Objectification somit eine spezielle Variante von kulturell bedingten Machtkonstellationen und im Umfeld verankerten Deutungsmustern. Sie kombiniert kulturelle Bedeutungszuschreibungen mit individuellen, sexuell ausgerichteten Interessen. Im Tourismus finden sich wie in anderen Dienstleistungsbranchen zahlreiche Situationen, in denen Menschen nicht nur losgelöst von ihrer Persönlichkeit betrachtet, sondern als Objekt, das eine bestimmte Aufgabe erfüllen soll, behandelt werden. In vielen Fällen ist es ein schmaler Grat zwi- <?page no="72"?> 72 Theorien | Konzepte | Begriffe schen einer rollenbedingten Anonymität und Austauschbarkeit von Menschen in Uniformen (→ Box) und einer Missachtung von Persönlichkeit.  Wissen │ Rollentheorie Die Rollentheorie geht davon aus, dass Menschen in der Gesellschaft nicht als Individuen, sondern in vielen Situationen als Rolleninhaber*innen (Ralf Dahrendorf) agieren. Die Rolle gibt Erwartungen und Handlungen vor und ermöglicht eine Abstimmung von Interaktionen, da die Beteiligten ein festgelegtes Verhalten vom Gegenüber erwarten können. Für die Person selbst ist es möglich, zwischen der Rolle und sich zu differenzieren und mit der Uniform oder der Geschäftskleidung auch die Rolle abzulegen. Rollentheorien unterscheiden sich hinsichtlich der Einschätzung, wie stark und starr eine Rolle wirkt. Der Symbolische Interaktionismus betont die Möglichkeiten des Rollenspiels sowie die Ab- und Veränderungen von Rollen zwischen den Interaktionspartner*innen. Bei berufsbezogenen Rollen, z. B. Flubegleiter*in, Pilot*in, sind die Rollenerwartungen stabiler als in anderen Bereichen. Goffman (2003) hat die Rollentheorie weiterentwickelt und den Aspekt der Darstellung und des Spiels betont (→ Kapitel 3.2 und 3.3). Neben dem Einsatz des Körpers wird im Tourismus darüber hinaus erwartet, dass Menschen sich auch emotional einbringen. Arlie Russell Hochschild (2003 [1983]) hat die Kommerzialisierung von Emotionen untersucht. Sie stellt die <?page no="73"?> Fazit: Gender lenkt und denkt 73 Frage, inwieweit Emotionen im professionellen Leben eingesetzt werden und welche Folgen dieses für den Menschen hat. Die Hälfte aller arbeitenden Frauen muss demnach emotionale Arbeit leisten. Bei den Männern sind es rund 30 Prozent. Vor allem in Dienstleistungsbereichen ist der Anteil deutlich höher. Der kontrollierte Einsatz von Gefühlen als Ware kann dazu führen, dass Menschen das echte Fühlen verlernen. Weiterhin bedeutet die Diskrepanz zwischen gezeigtem Gefühl und angemessenem Gefühl einen starken Spannungszustand, der dauerhaft zu Stress führt. Zitat “To manage private loves and hates is to participate in an intricate private emotional system. When elements of that system are taken into the marketplace and sold as human labor, they become stretched into standardized social forms.” (Hochschild, 2003, S. 13) In den Abschnitten über Frauen und Weiblichkeit im Marketing (→ Kapitel 4.5 ) und über Prostitutionstourismus (→ Kapitel 4.6) wird diese Thematik eingehend analysiert. 3.7 Fazit: Gender lenkt und denkt Die dargestellten Theorien und Konzepte dienen in den nächsten Kapiteln als Grundlage für eine Analyse der Position(en) und Situation von Frauen im Tourismus. Besondere Berücksichtigung finden die folgenden Erkenntnisse: » Jede Gesellschaft umfasst Denk- und Verhaltensmuster , die Menschen in Klassen bzw. Kategorien einordnen und diese in Relation zueinander setzen. <?page no="74"?> 74 Theorien | Konzepte | Begriffe » Diese Muster werden in der Sozialisation und durch das soziale Umfeld erlernt und verinnerlicht. Sie wirken auch dann, wenn ein Mensch sich dieser Beeinflussung bewusst ist. » Die (binäre) Kodierung von Geschlecht und die daraus resultierenden Vorstellungen von Geschlechterbeziehungen sind sehr wirksame Deutungsmuster und Handlungsaufforderungen . » Männlichkeit wird in vielen Gesellschaften als die normierende und absolute Kategorie gesehen und Weiblichkeit definiert sich über die Relation zu und Abweichung von dieser. » Frauenfeindlichkeit ( Misogynie ) ist in vielen Gesellschaften sozial verankert. » Die gesellschaftlich konstruierten Vorstellungen von Gender und Genderverhältnissen wirken auf der Strukturebene. Sie organisieren die Wahrnehmung auf eine Weise, die sie „natürlich“ erscheinen lässt. » Sowohl Männer als auch Frauen reproduzieren aus unterschiedlichen Gründen die Strukturen, indem sie die Erwartungen in ihren Handlungen aufgreifen. Selbst wenn sie eine Handlung wählen, die von der genormten Erwartung abweicht, beziehen sie sich auf diese und stärken diese. » Institutionen wie Kirche, Familie und Schule sind an der Fortführung und Reproduktion ebenfalls beteiligt. » Der durch das soziale Umfeld erworbene Habitus enthält Annahmen, Erwartungen und Handlungsvorgaben, die genderbezogen sind. » Die Bindung an das häusliche Umfeld und die geschlechterbasierte Arbeitsteilung schränken die wirtschaftlichen und politischen Handlungsfelder von Frauen ein. <?page no="75"?> Fazit: Gender lenkt und denkt 75 » Frauen verfügen über anderes soziales Kapital als Männer und haben einen anderen Zugang zu Netzwerken. » Medien greifen gängige stereotypisierte Vorstellungen von Geschlechtsrollen, -darstellungen und -verhältnissen auf und verstärken diese, da Menschen sich an medial vermittelten Bildern orientieren. » Doing Gender konzipiert Geschlecht als Erlerntes und durch gesellschaftliche Praktiken verfestigte Vorstellungen. » Macht reicht von körperlicher und seelischer Gewalt über die Kontrolle von Zugangschancen und Verflechtungszusammenhängen bis zum Diskurs über Weiblichkeit und Männlichkeit. » Körper, Geschlecht und Identität sind eng miteinander verwoben. Der Mythos Schönheit bindet weibliche Energie und die verinnerlichten Erwartungen lenken Handlungen sowie das Selbstwertgefühl. » In der Sexual Objectification fließen Machtstrukturen und Gendervorstellungen zusammen und führen dazu, dass Menschen nur als Mittel zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse gesehen und behandelt werden. <?page no="76"?> 76 Theorien | Konzepte | Begriffe Abb. 1: Begriffe und Konzepte (eigene Darstellung) 3.1 Gesellschaft Soziale Ordnung Sozialisation 3.1 Denk- und Verhaltensmuster Praktiken 3.2 Genderrollen Darstellung 3.3 Doing Gender 3.4 Macht und Einfluss 3.5 Körper und Wahrnehmung 3.6 Sexual Objectification G e n d e r <?page no="77"?> Fazit: Gender lenkt und denkt 77 Die folgenden Fragen dienen als Leitfragen für die Analyse in den nächsten zwei Kapiteln: » Auf welche Weise und wie stark greift Tourismus genderbasierte Strukturen, Prozeduren und Vorstellungen auf? » Wie werden Gender, Frau und Weiblichkeit im Tourismus thematisiert? » Welche Wirkungen hat der Tourismus auf Gender und Genderverhältnisse? Schwächt er sie ab? Verstärkt er sie? <?page no="79"?> 4 Frauen in der Tourismusindustrie In diesem Kapitel wird die Situation von Frauen aufseiten des touristischen Angebots strukturiert analysiert. Dazu werden die in → Kapitel 2 vorgestellten Daten und Forschungen mit den Theorien und Konzepten aus → Kapitel 1 zusammengeführt. Neben dem Aspekt, dass Frauen als Beschäftigte, Führungspersonen und Gründerinnen im Tourismus aktiv sind, erfolgt eine kritische Betrachtung hinsichtlich des oft unfreiwilligen und erzwungenen „Einsatzes“ von Frauen in Werbung, Animation, Prostitutionstourismus und belebter Kulisse. 4.1 Frauen als Beschäftigte im Tourismus Tourismus ist eine Branche, die einen sehr hohen Anteil weiblicher Beschäftigter aufweist. Die Tatsache allein, dass überdurchschnittlich viele Frauen im Tourismus beschäftigt sind, heißt jedoch nicht zwangsläufig, dass Tourismus zur Stärkung von Frauen oder zur Erreichung von Gendergerechtigkeit beiträgt. Die rein quantitative Betrachtung muss in einen größeren Zusammenhang gestellt werden. Kritisch ist zum einen, dass es sich häufig um gering oder schlecht bezahlte, unsichere und zeitlich befristete Jobs handelt. Die geforderten Qualifikationen sind in den meisten Fällen gering und eine weitere Qualifizierung oder ein Aufstieg finden selten statt. Das bestätigt sich u.a. bei einem Blick auf die Präsenz von Frauen in höheren und Führungsebenen (→ Kapitel 4.2). Der hohe Anteil an Teilzeitstellen <?page no="80"?> 80 Frauen in der Tourismusindustrie ist strukturell verankert und führt zu einer doppelten Belastung für die meisten Frauen, da sie sich als „nur“ zeitweise arbeitende Personen weiterhin um Haushalt und Familie kümmern müssen. Becker-Schmidt (2010) spricht in diesem Zusammenhang von einer doppelten Vergesellschaftung. Weiterhin ist der Anteil informeller Beschäftigungen (→ Kapitel 2.1) sehr hoch. Viele Frauen arbeiten in Familienunternehmen mit oder sie bieten im Umfeld des Tourismus eine Dienstleistung an, die auf Abruf verfügbar sein muss. Saisonale Schwankungen und die fehlende Planbarkeit führen zu einer hohen Unsicherheit und Abhängigkeit. Eine optimistische Betrachtung der beschriebenen Strukturen sieht die geringen Anforderungen und die Informalität als Chance, da die Einstiegshürden im Vergleich zu anderen Branchen gering sind. Frauen können in einigen Bereichen des Tourismus schnell eine Beschäftigung finden und sehr flexibel agieren. Oft wird dieses Argument mit Verweis auf Frauen in Entwicklungs- und Schwellenländern genannt. Viele Frauen agieren dort als Mikrounternehmerinnen und bieten Serviceleistungen an. Andere verkaufen Produkte aus dem Garten oder sie fertigen Handarbeiten an, die sie direkt an Reisende oder an ein Hotel o. Ä. verkaufen. Zu diskutieren ist hier vor allem, wie es gelingen kann, den nächsten Schritt vom Einstieg in die Beschäftigung hin zum abgesicherten Beschäftigungsverhältnis zu gehen. Dazu müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Seitens der Tourismusindustrie sind Beschäftigungsverhältnisse sowie Kooperationen so zu gestalten, dass sie eine Absicherung der Beschäftigten ermöglichen. Dazu gehören vertragliche Vereinbarungen hinsichtlich der Leistung und Bezahlung, Krankheits- und Urlaubszeiten sowie eine Überbrückung saisonaler Auszeiten. Gleichzeitig benötigen Unternehmen die Sicherheit, dass die angebotene Arbeits- und <?page no="81"?> Frauen als Beschäftigte im Tourismus 81 Dienstleistung zur Verfügung steht. Alternativ müssten Arbeits- und Organisationsformen entwickelt werden, die eine hohe Variabilität ermöglichen. Seitens der Frauen 15 ist zu beachten, dass diese nur dann arbeiten können, wenn die von ihnen abhängigen Personen während ihrer Abwesenheit versorgt sind. In vielen Gesellschaften existieren Institutionen, die eine Betreuung von Kindern und Angehörigen in diesen Zeiten ermöglichen. Beispiele sind Kindergärten und Schulen, Sportvereine und Musikschulen sowie Pflegeeinrichtungen und -dienste. In zahlreichen Ländern ist dieses jedoch nicht der Fall und die Abwesenheit der Frau von zu Hause ist eine potentielle Gefahr für Kinder und Angehörige, die gepflegt werden müssen. Selbst bei einer institutionell abgesicherten Betreuung sind Problem- und Krisenzeiten, wie Streiks von Betreuungspersonal und krankheitsbedingte Schließungen, eine ständige Herausforderung und Unwägbarkeit. Diese kann seitens der Tourismusindustrie als Argument gegen die Besetzung von Stellen mit Frauen angeführt werden. Einige Aussagen aus dem Interview (→ Box) mit Verantwortlichen der Grootbos Foundation, Südafrika, illustrieren die beschriebene Situation. Es wird deutlich, welche gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen gestellt werden, welche Unsicherheiten existieren und dass das geringe Einkommen oft nicht ausreicht, um die Kosten für Kinderbetreuung zu decken. Die mehrheitlich von Frauen besetzten un- und angelernten Jobs werden in Krisenzeiten als Erstes gestrichen. 15 Dasselbe gilt für Männer. Allerdings ist ein Großteil aller Beziehungen so organisiert, dass einer Person - häufig ist es die Frau - die Aufgabe der „häuslichen“ Absicherung zukommt. Begründet liegt dieses in gesellschaftlichen Strukturen (→ Kapitel 3.1). <?page no="82"?> 82 Frauen in der Tourismusindustrie Weitere zentrale Aspekte hinsichtlich der Beschäftigung von Frauen im Tourismus sind berufliche Segregation und Stereotype sowie Emotionalität und Körper. Interview │ Grootbos Foundation Online-Interview mit Julie Cheetham, Director, Ruth Crichton, Communications Manager und Lindsay Hanekom, Operations Manager der Grootbos Foundation, Südafrika, am 15. Oktober 2020: „Von den drei Millionen Menschen, die in Südafrika bedingt durch COVID-19 den Job verloren haben, sind zwei Millionen Frauen.“ „Von Frauen wird in Südafrika erwartet, dass sie in Krisenzeiten ihre Arbeit aufgeben und sich um ihre Kinder kümmern, nicht von Männern. Wenn es also eine Familie mit zwei Einkommen gibt und wenn Pflege benötigt wird, ist auf jeden Fall die Frau verpflichtet, diese Rolle zu übernehmen und zu versuchen, flexibel zu arbeiten oder eine Teilzeitbeschäftigung auszuüben oder weniger zu arbeiten oder einfach die Arbeit im Wesentlichen aufzugeben.“ „Die Kosten so vieler berufstätiger Mütter für die Kinderbetreuung im Vergleich zu dem, was sie am Ende des Tages verdienen, sind höher. Also kann ich genauso gut zu Hause bleiben und mich um mein Kind kümmern.“ „In der Lodge sind es überwiegend weibliche Arbeitsplatzverluste, denn ein Großteil der Entlassungen sind un- und angelernte Arbeitskräfte, sprich Frauen.“ <?page no="83"?> Frauen als Beschäftigte im Tourismus 83 „Um Frauen und female resilience zu stärken, brauchen wir eine qualifizierte Ausbildung, mehr formale stabile Arbeitsplätze, finanzielle Unabhängigkeit und finanzielle Bildung sowie Kinderbetreuung, damit Frauen wissen, dass sie zur Arbeit gehen können und ihre Kinder in einem sicheren positiven Umfeld sind.“ „Im Tourismus gibt es viele Frauen, weil wir einfach netter sind (lacht).“ Geschlechtsbasierte Segregation und Stereotype In der Tourismusbranche findet sich eine ähnliche genderbasierte und stereotypisierte berufliche Segregation wie in anderen Branchen. In → Kapitel 3.2 wurde die Herausbildung von Geschlechtsrollen als institutionelle Reflexivität beschrieben. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Vorstellung von Weiblichkeit, weiblicher häuslicher Tätigkeit und beruflicher Beschäftigung. Bourdieu (2020 [2012]) verweist auf die Verknüpfung der Sphäre des Häuslichen mit der Zielsetzung, wahrgenommen zu werden, sich und das Umfeld schön zu gestalten und das symbolische Kapital zu erhöhen. Daraus resultierend sind Frauen vermehrt in solchen Berufsfeldern zu finden, die auf Erscheinung, Benehmen und Ästhetik fokussieren. Zitat „Dort wird fast immer von ihnen [Frauen] verlangt, die Tätigkeiten der Präsentation, der Repräsentation und des Empfangs […] zu übernehmen […].“ (Bourdieu, 2020, S. 173) Genderbasierte stereotypisierte Unterschiede sind sowohl bei touristischen Berufen als auch bei der Besetzung der Positionen erkennbar. <?page no="84"?> 84 Frauen in der Tourismusindustrie Technische Berufe und Tätigkeiten außerhalb des Hauses, wie Gärtner, Fahrer oder Guide, sowie Management- und Führungspositionen sind mehrheitlich von Männern besetzt. Frauen hingegen sind im Haus 16 aktiv. Beispiele sind die Bereiche Housekeeping, Küche und Service. In den genannten Bereichen ist die Dominanz eines Geschlechts erkennbar. Das bedeutet, dass der Anteil bei 70 Prozent oder mehr liegt.  Beispiel │ Gender und Berufe im Tourismus 2020 waren 5,26 Prozent der Pilot*innen und 1,42 Prozent der Flugkapitän*innen weiblich (International Society of Women Airline Pilots, 2020). Der Anteil der weiblichen Schienenfahrzeugführerinnen lag 2018 in Deutschland bei rund 4,2 Prozent. Bei den Flugbegleiter*innen sind hingegen etwa 70 Prozent weiblich. Die Verteilung der Zuständigkeiten im Tourismus ist jedoch nicht nur auf die stereotypisierte Konstruktion von Gender zurückzuführen ( → Tabelle 3 ). Weitere Besonderheiten der Tourismusbranche sind, dass a) der Anteil emotionaler Arbeit sehr hoch ist und b) die körperliche Präsenz eine wichtige Rolle spielt. Tab. 3: Stereotype Frauen: Stereotype Tourismus: Bereiche können kochen Gastronomie können gut putzen Housekeeping interessieren sich für andere Menschen Tourismus allgemein 16 Diese Zuordnung entspricht der Beschreibung von Eduards und Charlottes Aufgabenbereichen in Goethes Wahlverwandtschaften von 1809(! ). <?page no="85"?> Frauen als Beschäftigte im Tourismus 85 machen es gerne schön Hospitality sind sprach- und redegewandt Rezeption/ Hostess können gut lächeln Rezeption/ Hostess Emotionale Arbeit und Körper Wie in → Kapitel 3.5 dargestellt hat u.a. Hochschild die Bedeutung emotionaler Arbeit in ihren Werken (2003 [1983]) untersucht. Sie geht insbesondere auf die Kommerzialisierung von Emotionen im beruflichen Umfeld ein. Hochschild stellt die Frage, inwieweit Emotionen im professionellen Leben eingesetzt werden und welche Folgen dieses für die jeweiligen Menschen hat. Ausgehend von empirischen Untersuchungen stellt Hochschild fest, dass die Hälfte aller arbeitenden Frauen emotionale Arbeit leistet. Bei den Männern sind es rund 30 Prozent. In Dienstleistungsbereichen wie dem Tourismus ist der Anteil deutlich höher. Hochschild nutzt das Beispiel von Fluggesellschaften und Flugbegleiterinnen. Hochschild führt aus, dass Frauen aufgrund strukturell verankerter genderbasierter Verhaltensweisen als Reaktion auf Unterdrückung ihre Gefühle, die persönliche Beziehung zum Gegenüber und ihr Aussehen einsetzen. Eine typisch weibliche Reaktion ist, dass auf Druck mit Freundlichkeit und Unterwerfung reagiert wird. Es findet keine Gegenwehr statt und Kritik wird oft fraglos akzeptiert. Eine weitere Reaktion ist der Einsatz des Körpers, beispielsweise ein Lächeln, eine freundliche Geste oder auch eine Berührung. Eine extreme Steigerung ist die sexuelle Unterwerfung. Die körperfokussierte Reaktion liegt darin begründet, dass körperliche Präsenz ein zentrales Element der gesellschaftlichen Konstruktion von Weiblichkeit ist. <?page no="86"?> 86 Frauen in der Tourismusindustrie Ergänzend sind die Aussagen von Butler und Wolf aufzugreifen, wonach der Körper durch die kontinuierliche Inszenierung seine Bedeutung erhält und der weibliche Körper vor allem „schön“ sein muss (→ Kapitel 3.5). Da die beschriebenen körperbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen bereits in der Kindheit erlernt wurden, sind sie a) unbewusst und b) tief im Inneren des Menschen verankert. Sie sind zentraler Bestandteil des Habitus (→ Kapitel 3.1). Der Fokus auf Emotionalität und Erscheinungsbild wird häufig kommerziell ausgenutzt. Immer dann, wenn ein schönes und freundliches Erscheinungsbild, Geduld und die Bereitschaft zur Unterordnung bis hin zur sexuellen Unterwerfung, sind Frauen die erste Wahl. Dass eine Betonung des Erscheinungsbildes bewusst von Frauen gewählt wird, steht dazu nicht im Widerspruch, sondern verweist auf den Unterschied zwischen Fremd- und Selbstbestimmung. Weiterhin muss berücksichtigt werden, ob und wie diese Darstellung auf das Individuum, auf das Selbstwertgefühl und auf die Identität wirken (→ Kapitel 3.2) und ob Schutzmechanismen existieren. Zitat “Women more often react to subordination by making defensive use of sexual beauty, charm, and relation skills. For them, it is these capacities that become most vulnerable to commercial exploitation […].” (Hochschild, 2003, S. 164. Zusammenfassend ist die Tourismusindustrie eine Branche, die den Einstieg in weibliche Berufstätigkeit ermöglicht und als Konsequenz einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Frauen aufweist. Allerdings liegt dieses erstens daran, dass <?page no="87"?> Frauen als Beschäftigte im Tourismus 87 Tourismus in weiten Teilen der stereotypisierten Vorstellung von Weiblichkeit als häusliche und umsorgende Tätigkeit hinter den Kulissen sowie als umsorgend und freundlich entspricht. Ein Großteil der Dienstleistungen umfasst emotionale Arbeit und die Bedeutung von Körperlichkeit ist hoch. Zweitens ist das Anforderungs- und Lohnniveau gering und es handelt sich häufig um Teilzeitstellen oder (saisonal) befristete Verträge. Es handelt sich somit um Beschäftigungsverhältnisse, die nicht auf Dauer angelegt sind und die in vielen Fällen nicht das primäre oder einzige Einkommen 17 sind. Frauen scheinen eher bereit resp. aufgrund fehlender Alternativen gezwungen zu sein, solche Arbeitskonditionen anzunehmen, oder sie haben den Vorteil, dass ihr Partner 18 eine sichere Beschäftigung hat und sie deswegen diese Option wählen können. Dieser Zustand verfestigt jedoch etablierte Strukturen und führt u.a. dazu, dass Männer, die gerne weniger arbeiten würden, um sich bspw. um die Familie zu kümmern, dieses nicht können, da von ihnen eine Vollbeschäftigung erwartet wird. Eine wichtige Ergänzung zur Betrachtung von Frauen als Beschäftigte im Tourismus ist der Aspekt der Migration (Lenz, 2010). In vielen Ländern sind Menschen in Tourismusbetrieben beschäftigt, die nicht in dem Land ansässig sind. Einige kommen nur für die Saison, einige bleiben über 17 Die zunehmende Anzahl von Personen mit mehreren Minijobs zeigt jedoch, dass es sich nicht nur um eine Ergänzung, sondern um eine Notwendigkeit handelt, da nur so ein ausreichendes Einkommen erreicht wird (Bertelsmann Stiftung, 2020). Für viele Paare und Familien reicht das Einkommen trotz Mehrfachbeschäftigung nicht aus und die Frage, auf welches Gehalt verzichtet werden kann, stellt sich erst gar nicht. Noch komplizierter ist die Situation für Alleinerziehende. 18 Interessant wäre in diesem Zusammenhang eine Untersuchung der Folgen von Krisen auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften. <?page no="88"?> 88 Frauen in der Tourismusindustrie mehrere Jahre. Die meisten befinden sich in einer starken Abhängigkeit, da sie auf die Stelle angewiesen sind, oft illegal in dem Land leben und über keinerlei Netzwerke verfügen. 4.2 Frauen in Führungspositionen Wie zuvor beschrieben, sind Frauen zwar zahlenmäßig stark im Tourismus vertreten, es sind aber zumeist wenig qualifizierte, gering bezahlte und unsichere Stellen. Bei der hierarchischen Anordnung ist eine Rangfolge von „männlich oben“ zu „weiblich unten“ erkennbar. Somit ist nicht nur eine vertikale, sondern auch eine horizontale Segregation erkennbar (Aitchinson et al., 1999). In diesem Abschnitt wird auf Frauen in Führungspositionen und -rollen fokussiert. Grundlage dafür sind statistische Daten und Untersuchungen aus der Tourismusindustrie. Auf Tourismusorganisationen und die Tourismuswissenschaft wird in den nachfolgenden Abschnitten eingegangen. Weiterhin werden anhand einer eigenen Studie zu Pilotinnen die Wechselwirkungen von gesellschaftlichen Stereotypen, unternehmerischer Praxis und individuellen Verhaltensweisen dargestellt (Heuwinkel, 2021b). Eine erste Zahl kommt aus der Politik. 23 Prozent der Tourismusministerien weltweit sind durch eine Frau besetzt. Obwohl diese Zahl um 2,3 Prozent höher liegt als in anderen Ministerien, ist sie angesichts des hohen Frauenanteils im Tourismus als sehr gering zu bewerten (UNWTO, 2019). Dasselbe gilt für Wirtschaft und Industrie. Die MBS Group (2020) beziffert für die drei Bereiche Hospitality, Travel und Leisure insgesamt 26 Prozent im Senior Management, ohne den Bereich Human Resources sind es 20 Prozent. Ähnliche <?page no="89"?> Frauen in Führungspositionen 89 Werte liefert Equality in Tourism, die 2013 und 2018 die Präsenz von Frauen in Führungsetagen untersuchten. 19 Demnach stieg der Anteil von 15 auf 23 Prozent mit starken Schwankungen in Abhängigkeit des Sektors (Kreuzfahrt 16 Prozent, Airlines 17 Prozent und Tourismusorganisationen 30 Prozent). Der EU-28-Durchschnitt großer Unternehmen über alle Branchen hinweg lag 2019 bei 28 Prozent. In Ländern mit vorgeschriebenen Quoten sind es 35 Prozent. Somit liegt der Frauenanteil in der Tourismusindustrie unter dem Durchschnitt. Als zentrale Gründe für die geringen Werte im Tourismus werden die folgenden Aspekte angeführt. [1] Vorurteile und genderbasierte Voreingenommenheit, [2] Dominanz männlich geprägter Organisationskulturen , [3] mangelndes Engagement und mangelnde Entschlossenheit auf oberster Managementebene, Veränderungen anzustoßen und umzusetzen, [4] fehlende Work-Life-Balance , [5] Mangel an weiblichen Vorbildern in leitenden Positionen und informellen Beförderungsverfahren. Die genannten Punkte verweisen alle auf die bereits mehrfach thematisierten gesellschaftlich konstruierten Strukturen und Verhaltensweisen. Demnach dominieren im Tourismus männliche Herrschaftsstrukturen und Formen. Die hierarchische Anordnung innerhalb der einzelnen Berufsfelder (Pilot-Flugbegleiterin, Hoteldirektor-Zimmermädchen) findet die Fortsetzung innerhalb der Führungsetagen. Es handelt sich somit um ein durchgängiges Muster, das im Sinne Bourdieus (→ Kapitel 3.1) die Wahrnehmung beeinflusst 19 Das Sample setzte sich aus Unternehmen in UK zusammen. <?page no="90"?> 90 Frauen in der Tourismusindustrie und Gesellschaft organisiert. Cara Aitchinson et al. (1999) sprachen von horizontaler und vertikaler genderbasierter Segregation, die auch heute noch aktuell sind. Zitat “Like retail services, tourism and hospitality are sectors which are dominated by women and managed by men.” (Aitchinson et al., 1999, S. 123) Eine eigene empirische Studie zu Stereotypen, Berufsrollen und genderbasierter Diskriminierung bei Pilotinnen zeigt ein differenziertes Zusammenspiel von gesellschaftlichen Annahmen, der beruflichen Praxis und dem individuellen Umgang damit (Heuwinkel, 2021b). Hinsichtlich der gesellschaftlichen Annahmen lässt sich als wichtigste Erkenntnis festhalten, dass die fehlende Sichtbarkeit des Berufsbildes Pilotin ein zentraler Grund ist, warum flugbegeisterte Mädchen und Frauen nicht auf die Idee kommen, Pilotin zu werden. Die meisten orientieren sich in Richtung der gesellschaftlich präsenten Flugbegleiterin. In Analogie zu dem bekannten Begriff der Gläsernen Decke (glass ceiling) (→ Box) könnte von einem Tunnelblick oder von Gläsernen Scheuklappen 20 gesprochen werden, welche die Sicht einschränken.  Wissen │ Gläserne Decken oder Glass Ceiling Gläserne Decke ist eine Metapher für unsichtbare Beschränkungen, die Frauen oder bestimmten Bevölkerungsgruppen den Aufstieg erschweren. 20 Gleiches findet sich bei Berufen, die für viele Männer ausgeblendet sind, wie lange Zeit der Flugbegleiter oder heute noch der „Kindergärtner“. <?page no="91"?> Frauen in Führungspositionen 91 In einer männerdominierten Struktur existieren Normen, Vorstellungen und implizite Annahmen, die Frauen benachteiligen. Beispiele sind die Annahme, dass Frauen ohnehin irgendwann schwanger werden und dann ausfallen, dass sie sich schneller aufregen und dann nicht mehr klar denken können oder dass ihnen technisches Verständnis fehlt. In der beruflichen Praxis zeigen sich zum Teil erhebliche und massive genderbasierte Diskriminierungen. Diese sind abhängig vom kulturellen Umfeld, insbesondere der Unternehmenskultur, und von standardisierten Verfahren im Rahmen von Auswahl und Ausbildung (→ Box: Befragung │ Pilotinnen). Die an einigen Stellen von der quantitativen Befragung abweichenden Ergebnisse der Expertinneninterviews (→ Box: Interview │ Pilotinnen) machen deutlich, dass der individuelle Umgang mit Genderstrukturen, Kompensationsmechanismen sowie das persönliche und kulturelle Umfeld einen erheblichen Einfluss auf die Wirksamkeit gesellschaftlicher Machtstrukturen und beruflicher Praxis haben.  Befragung │ Pilotinnen In einer anonymen Onlinestudie wurden Pilotinnen (n=129) weltweit zu Werdegang, Erfahrungen und Karriereaussichten befragt (Heuwinkel, 2021b). Ein Teil der Befragung adressiert genderbasierte Diskriminierungen. <?page no="92"?> 92 Frauen in der Tourismusindustrie Rund 70 Prozent der Pilotinnen gaben an, dass sie im Laufe der Ausbildung bzw. am Arbeitsplatz wegen ihres Geschlechts diskriminiert wurden. Nach Beispielen gefragt, antworteten 90 Prozent der Frauen, die zuvor mit Ja geantwortet hatten. Sätze wie „Oh she can actually land that aircraft”, “You only passed because you have boobs”, “You only managed to pass everything because you had help of male pilots“ oder “Another empty kitchen” sind recht aussagekräftig. Die Situationen lassen sich in verschiedene Kategorien einordnen. Eine erste Kategorie umfasst Situationen, in denen die Fähigkeiten (z. B. fliegen können, technisches Wissen, räumliche Vorstellungskraft oder Umgang mit Stress) hinterfragt und angezweifelt werden. Beispiele beziehen sich zumeist auf Äußerungen von Fluglehrern (instructor) während der Ausbildung. Da der Flugschein eine Bedingung für den Beruf ist, haben Diskriminierungen in diesem Bereich einen erheblichen Einfluss. Weiterhin wird von vielen Frauen beschrieben, dass sie mehr als die männlichen Kollegen unter Beobachtung stehen und dass sie sich ständig beweisen müssen. Sie müssen bessere Leistungen als die männlichen Kollegen erbringen. Schließlich ist in einigen Fällen das Geschlecht Grund für eine Nichtanstellung oder eine ausbleibende Beförderung. In einigen Situationen reagieren Passagiere ängstlich und ablehnend auf eine weibliche Pilotin und im stärkeren Maß auf eine Kapitänin. Es gibt ebenfalls männliche Piloten und Kapitäne, die nicht gerne mit Pilotinnen oder Kapitäninnen fliegen. Eine zweite Kategorie umfasst stereotype und sexistische Äußerungen (Bemerkungen zum Aussehen, sexistische Witze, Aufforderung zum Sex) bis hin zu sexuellen Übergriffen. <?page no="93"?> Frauen in Führungspositionen 93 Hinzu kommen Situationen, in denen die Pilotin oder Kapitänin nicht beachtet oder ihrer Aussagen und Anweisungen ignoriert werden. Drittens finden sich Situationen in denen eine mögliche Schwangerschaft angesprochen und als wirtschaftliche Bedrohung für das Unternehmen beschrieben wird. Einige Frauen berichten, dass die Rückkehr in den Beruf nach einer Geburt nicht mehr möglich war. Auf die Frage, ob sie schon einmal ihre Weiblichkeit unterdrückt haben, antwortete die eine Hälft der Befragten mit Nein und die andere Hälft mit Ja. Für die meisten (92 Prozent) ist Pilotin trotz der Widerstände (u.a. Diskriminierung, finanzielle Belastung, Stress, COVID-19) der bevorzugte Beruf, den sie auch erneut wählen würden. Ein Thema, das im Zusammenhang mit Frauen in Führungsebenen zu diskutieren ist und als Mittel gegen die Gläserne Decke beschrieben wird, ist die Quotenregelung. Der Grundgedanke ist, dass Unternehmen, öffentliche Einrichtungen und gemeinnützige Organisationen in Abhängigkeit von der Mitarbeitendenzahl eine bestimmte Anzahl von Frauen in der Führungsebene nachweisen, z. B. als Mitglied des Vorstandes. Erste Erfolge zeigen sich in Teilen der Privatwirtschaft (100 Unternehmen in Deutschland) und im Öffentlichen Dienst. Seitdem 2015 das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen (FüPoG) verabschiedet wurde, erhöhte sich der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten und im Öffentlichen Dienst. Angestrebt werden 30 Prozent. Das Zweite Führungspositionen-Gesetz von 2020/ 2021 weitet die Maßnahmen auch. Beispiele wie die Amy Johnson Initiative (→ Box) zeigen die Wirksamkeit von klar definierten Zielen. <?page no="94"?> 94 Frauen in der Tourismusindustrie  Beispiel │ easyJet - Amy Johnson Initiative 2015 startete easyJet die Amy Johnson Initiative (Amy Johnson flog 1930 als erste Frau allein von England nach Australien) mit dem Ziel, gegen die in der Branche verbreiteten Genderstereotype vorzugehen und die Zahl der Pilotinnen zu erhöhen. Die ursprünglich angestrebten 12 Prozent wurden schnell erreicht und für 2020 wurde das Ziel auf 20 Prozent erhöht. “A career as a pilot at easyJet is interesting and rewarding and we want more women to bring their skills to the role.” (Morgan, 2020)  Interview │ Pilotinnen Einige Aussagen der beiden unten genannten Pilotinnen machen Reaktionen, Hindernisse sowie Erfolgserlebnisse sichtbar. Die meisten Reaktionen des Umfeldes sind positiv oder neutral. Positive Rückmeldungen kommen zumeist aus dem familiären Umfeld und von Freund*innen. Hinzu kommt die positive Resonanz (älterer) weiblicher Fluggäste. Neutrale Reaktionen dominieren das berufliche Umfeld, hier vor allem bezogen auf die testbasierten, standardisierten Auswahlprozesse, Schulungen sowie die Prozeduren an Bord. Negative Reaktionen treten nur vereinzelt auf. Beispiele sind ältere Kollegen, von denen bekannt ist, dass sie nicht mit einer Frau an der Seite fliegen würden oder vereinzelt auch eine stärkere Beobachtung durch Kollegen. <?page no="95"?> Frauen in Führungspositionen 95 Diese kann jedoch auch durch das junge Alter der Pilotinnen begründet sein. Der überwiegende Teil der Kolleg*innen im Cockpit und in der Kabine reagiert neutral bis positiv. Wesentlich ist das Wissen, dass eine Arbeit im Team entscheidend ist und nur bei gegenseitiger Wertschätzung und Vertrauen in die Fähigkeiten der anderen ein optimales Ergebnis erreicht werden kann. Gender spielt dabei keine Rolle. Schließlich verbindet alle die Faszination des Fliegens und die Bereitschaft, vieles dafür aufzugeben. Online-Interview mit Anja Winkler am 20. November 2020 Für Anja Winkler war direkt nach Abitur und Auslandsaufenthalt klar, dass sie keinen Bürojob wollte. Sowohl Polizistin als auch Pilotin waren Möglichkeiten. Die Verbindung von Freiheit und Reisen gaben den Ausschlag. Während der intensiven Vorbereitungen auf die Tests arbeitete Anja Winkler bereits als Stewardess bei der Lufthansa und sammelte dort wertvolle Erfahrungen. Seit April 2017 fliegt sie für Germanwings. „Das [Pilotin] will ich.“ Und: „Man kann alles üben.“ „Im Freundeskreis war ich bekannt als die Pilotin.“ „Ab und zu musste ich beweisen, dass ich den Flieger unter Kontrolle hatte und manchmal griff ein Kollege in die Instrumente. Ob sie das auch bei jungen, männlichen Kollegen machen, kann ich nicht sagen.“ „Mit einer Kapitänin an Bord ist die Stimmung ein bisschen anders. Es ist - zumindest noch - etwas Besonderes und schön, wenn wir uns austauschen können. Wenn es ernst wird, herrscht aber absolute Konzentration.“ <?page no="96"?> 96 Frauen in der Tourismusindustrie Online-Interview mit Lena-Maria Hien, seit 2019 bei Laudamotion, am 23. November 2020: Frau Hien betonte zunächst, dass sie auf keinen Fall einen Bürojob wollte. Sie war bereits als kleines Kind von Flugzeugen fasziniert und begann früh mit der Privatfliegerei. Aussagen wie „Man muss schon ein wenig verrückt sein. Das ist bei Männer und Frauen gleich.“ „Man lebt dafür! “ „Wir wollen das alle unbedingt.“, machen deutlich, dass der Beruf eine Leidenschaft ist, die von der Faszination für das Fliegen getragen wird. Deutlich werden ebenfalls Hindernisse, die vor allem finanzieller Art sind. Die grundlegende Ausbildung kostet etwa 80.000 € und weitere Ausbildungen für Flugzeugtypen zusätzliche 20.000 €. Hinzu kommen sehr anspruchsvolle und aufwändige Tests, die gut vorbereitet sein müssen. Eine Garantie für eine Beschäftigung als Pilotin gibt es nicht und eine Alternative, z. B. Fluglehrerin, ist selten vorhanden. Das liegt auch daran, dass die Flugerlaubnis ähnlich wie ein Führerschein nicht mit einer besonderen Berufsbefähigung vergleichbar ist. Somit setzten sie alles auf eine Karte. Ein harter Konkurrenzkampf zwischen den Fluggesellschaften und nicht zuletzt die Folgen der Pandemie führen dazu, dass der Arbeitsplatz im Cockpit immer unattraktiver und anspruchsvoller wird. „Bei einem 25-minütigen Turnaround gibt es schon genug Stress. Da ist es wichtig, dass die Stimmung im Team gut ist.“ Genau dieser Druck bringt alle Beteiligten zusammen und eint sie. „Es ist eine einmalige Erfahrung. Alles andere ist egal, ob Mann oder Frau, jung oder alt.“ <?page no="97"?> Frauen als Gründerinnen 97 Frau Hien hat innerhalb ihrer Fluggesellschaft bereits 15 andere Frauen als Kolleginnen, 5 davon sind Kapitänin. „Wir werden immer mehr und wir sind Inspiration für andere.“ Je mehr Frauen im Cockpit zu sehen sind, desto mehr Frauen kommen unter Umständen auch auf die Idee, diesen Weg zu gehen. Das war vor einigen Jahren noch anders. „Eine ältere Kollegin aus der Kabine sagte, dass für sie die Option Pilotin nicht sichtbar war. Sie wurde Stewardess, um ihren Traum vom Fliegen zu leben.“ Zusammenfassend sind innerhalb der Gesellschaft Genderstereotype bezogen auf Führungspositionen sowie machtsichernde Prozesse wirksam. Die geringe oder fehlende Sichtbarkeit von Alternativen sowie falsche Annahmen über die Chancen von Frauen in leitenden und verantwortungsvollen Positionen hält Genderstereotype aufrecht. 4.3 Frauen als Gründerinnen Neben der Möglichkeit, als Angestellte im Tourismus zu arbeiten, bietet die Tourismusindustrie mitsamt kooperierender Branchen viel Raum zur Selbstständigkeit. Das gilt insbesondere im Bereich der Dienstleistungen, da für eine Umsetzung derselben im Gegensatz zur Produktentwicklung wenig Eigenkapital erforderlich ist. In den letzten Jahren kommt in Zusammenhang mit Selbstständigkeit häufig der Begriff Entrepreneur resp. Entrepreneurship mit unterschiedlichen Interpretationen zur Anwendung (→ Box). <?page no="98"?> 98 Frauen in der Tourismusindustrie  Wissen │ Entrepreneurship Entrepreneurship ist ein facettenreiches Konzept, das eine spezielle Einstellung und Haltung beschreibt. Die Europäische Kommission spricht von einem Mindset (EU 2003, S.3). Motivation, Kreativität und unternehmerisches Geschick werden miteinander verbunden und in eine Handlung überführt. Das Ergebnis kann eine Unternehmensneu- oder -ausgründung oder auch die Bereitstellung von Dienstleistungen auf eigene Rechnung sein. “Entrepreneurship is when you act upon opportunities and ideas and transform them into value for others. The value that is created can be financial, cultural, or social.” (European Commission, 2016, S. 10) Social Entrepreneurship adressiert die Lösung sozialer Probleme in Anlehnung an die 17 Sustainable Development Goals (SDG). Mit innovativen Ansätzen sollen auf eine pragmatische Art und Weise langfristig gesellschaftliche Missstände behoben werden. 2019 lag der bundesweite Anteil von Frauen an Neugründungen bei 30,2 Prozent über alle Branchen hinweg. In Europa sind es zwischen 43 Prozent in Luxemburg, 15 Prozent in der Türkei und dem EU-28 Wert von 31 Prozent (Europäische Kommission, 2014, S. 24; European Startup Network, 2020). Im Bereich des Social Entrepreneurships liegt der Anteil von Frauen bei 45 Prozent. Interessant ist ein Blick auf Erklärungsansätze für Entrepreneurship, da diese Hinweise darauf geben, warum Menschen ein entsprechendes Mindset entwickeln und umset- <?page no="99"?> Frauen als Gründerinnen 99 zen. So lassen sich gesellschaftliche und individuelle Strukturen, Denkmuster und Verhaltensweisen aufweisen, die den geringen Anteil weiblicher Gründerinnen erklären. Ein erster Aspekt ist, dass die Person eine bestimmte Vorstellung von sich, den eigenen Fähigkeiten und der Wechselwirkung zwischen eigenen Handlungen und Wirkungen hat. 21 Erfolgreiche Gründer*innen sehen sich als handelnde Instanz und nicht als von äußeren Faktoren abhängige Wesen. Damit zusammenhängend sind zweitens Rollenvorbilder und Erfolgsgeschichten hilfreich, an denen sich eine Person orientieren und ausrichten kann. Drittens ist die Einbindung in Netzwerke sowie soziales Kapital (→ Kapitel 3.1) zentral, um eigene Ideen umsetzen zu können. Schließlich sind Rahmenbedingungen, wie finanzielle Förderung, Beratungen und Schulungen, rechtliche und steuerliche Regelungen sowie ein Umfeld, das innovative Ansätze unterstützt, wesentlich. Basierend auf der Annahme, dass in den meisten Gesellschaften und Kulturen die drei Aspekte Selbsteinschätzung basierend auf Genderrollen, Rollenvorbilder und symbolisches Kapital bei vielen Frauen geringer vorhanden sind als bei den meisten Männern, kann eine Begründung für den geringen Anteil an weiblichen Gründerinnen gefunden werden. Die Annahme wird durch Forschungen gestützt (vgl. exemplarisch Brush et al., 2020). Zitat “The current ecosystem does not match what the majority of women entrepreneurs is looking for.” (Wegate, 2020, o. S.) 21 Die entsprechende Forschung dazu findet sich in der Psychologie unter dem Stichwort locus of control (Rotter, 1966). <?page no="100"?> 100 Frauen in der Tourismusindustrie Diese Annahme wird ebenfalls durch Studien gestützt, die Women Entrepreneurship untersuchen (Wegate, 2002). So ist eine gute Work-Life-Balance der Hauptgrund für die Gründung eines Unternehmens, aber schlechte Unterstützungssysteme für Unternehmen standen an erster Stelle der Gründe, warum Frauen kein Unternehmen gründeten. Pflegeverpflichtungen wurden als Grund für die Nicht-Gründung eines Unternehmens recht hoch eingestuft. Staatliche zinsgünstige Kredite, Mentoring und Netzwerkinitiativen sind die besten Formen der Unterstützung für Women Entrepreneurs. Zusammenfassend bedingt die Selbstständigkeit ein angemessenes gesellschaftliches Umfeld (ecosystem).  Tipp │ Women Entrepreneurship Auf der Website WEgate ( ➤ https: / / wegate.eu/ ) finden Women Entrepreneurs umfangreiche Informationen zu Mentoring und Training, Webinare, Links etc. für die Gründung eines Unternehmens resp. für den Schritt in die Selbstständigkeit. 4.4 Zwischenfazit Die Analyse der Situation von Frauen als Beschäftigte, Führungspersonen und Gründerinnen sowie die Aufdeckung der zugrundeliegenden Strukturen zeigt eine enge Verzahnung von Gesellschaft und Tourismus. Gesellschaftliche Phänomenen wie Stereotype und Denkmuster sowie die Aufrechterhaltung und Verfestigung genderbasierter Machtkonstellationen finden sich ebenfalls im Tourismus. <?page no="101"?> Frauen und Weiblichkeit im Marketing 101 Untersuchungen zu Berufswünschen von Schüler*innen weisen einerseits genderstereotypes Denken nach und zeigen andererseits, dass eine Abänderung derselben durch Workshops oder durch alternative Rollenvorbilder sehr schnell möglich ist (Drescher et al., 2020). Die aus dem Tourismus stammenden „klassischen“ Konstellationen von Pilot und Stewardess oder Hotelmanager und Zimmermädchen wirken in der Gesellschaft, obwohl sie in der Tourismuspraxis nicht durchgängig, resp. als self-fulfilling-prophecy nachgewiesen 22 werden können. Die Tourismusindustrie könnte aufgrund des hohen Anteils an Frauen und durch eine Strategie, alternative Rollenvorbilder zu kommunizieren, zur Vorreiterin werden. Gleiches gilt für Themen wie Ethnien und Alter. Ein Blick in die gängige touristische Marketingpraxis (→ Kapitel 4.5) sowie auf den hohen Anteil, den Prostitution (→ Kapitel 4.6) am und im Tourismus hat, lässt jedoch Zweifel an einer entsprechenden Moral aufkommen. 4.5 Frauen und Weiblichkeit im Marketing Werbeinvestitionen steigen von Jahr zu Jahr und die Aufmerksamkeit der Rezipient*innen ist aufgrund der Fülle an Informationen zunehmend eingeschränkt. Mitteilungen müssen demnach auffällig und einfach zu verarbeiten sein. Der Einsatz von Stereotypen erleichtert die Kommunikation, da bekannte Muster und Vorstellungen aufgegriffen und schnell verstanden werden. Dieses gilt insbesondere für Genderstereotype, wonach Frauen sexualisiert, fröhlich, 22 Diese Aussage bezieht sich auf die nichtrepräsentative Untersuchung im deutschsprachigen Raum. In Abhängigkeit vom Kulturkreis sind deutliche Unterschiede zu erwarten. <?page no="102"?> 102 Frauen in der Tourismusindustrie warmherzig, redefreudig, sich kümmernd und als Hausfrauen und Mütter dargestellt werden. Hinzu kommen Darstellungen der schwachen, überforderten und (bei Männern) hilfesuchenden Frau. Die Darstellung von Männern fokussiert hingegen auf Stärke, Intelligenz, Erfolg und handwerkliche Fähigkeiten. Neben der Nutzung von Stereotypen werden sexistische Inhalte, insbesondere Bilder aber auch Texte, eingesetzt, um Aufmerksamkeit zu erregen. Da die Sexualisierung ein Element des weiblichen Genderstereotyps ist, sind Frauen besonders häufig ein Element sexistischer Werbung.  Beispiel │ Werbemelder*in Über die Plattform Werbemelder*in kann seit 2017 Werbung gemeldet werden, die Menschen als sexistisch oder stereotyp empfinden. Die Meldungen werden anhand eines Kriterienkatalogs geprüft und bei Übereinstimmung mit diesem veröffentlicht. Pinkstinks initiierte die Plattform, um den Einsatz von Sexismus und Stereotypen in der Werbung sichtbar zu machen. Eine Zusammenstellung findet sich in Alben, u. a. „Fleischmarkt, „Frauen sind keine Profis“, „Frauen als Beilage“. ➤ https: / / werbemelder.in/ ➤ https: / / pinkstinks.de/ Die theoretische Grundlage für die Analyse sind die in → Kapitel 3.2 erarbeiteten Aussagen bezüglich genderbasierter Stereotype, Rollen und Darstellungen, insbesondere die Arbeiten von Goffman (1976). Demnach gehören Aspekte wie die relative Größe (kleiner als der Mann), Berührungen von Objekten oder des eigenen Körpers, die Rangordnung nach <?page no="103"?> Frauen und Weiblichkeit im Marketing 103 Funktionen (Frau zumeist untergeordnet), Rituale der Unterordnung sowie der abwesende Blick zu typischen Darstellungsformen von Frauen. In Ergänzung zu Goffman haben Forschende in anderen Studien die Bedeutung des weiblichen Körpers und den Aspekt der Sexualisierung von Frauen in der Werbung betont. Beides greift die in → Kapitel 3.5 und → Kapitel 3.6 diskutierten Aussagen zum Körper, dem Mythos Schönheit und der (sexual) Objectification auf. Während die optimierte Darstellung des weiblichen Körpers als jung, dünn und faltenfrei Auswirkungen auf Selbstwahrnehmung und -wertgefühl haben, besteht ebenfalls ein Zusammenhang zwischen Objektivierung und sexualisierter Gewalt basierend auf der fehlgeleiteten Annahme, dass Frauen Objekte sind. Studien zu möglichen Folgen der Darstellung von sexueller Gewalt in der Werbung warnen ausdrücklich vor negativen Konsequenzen. Einige Forschende gehen davon aus, dass die wiederholte Sozialisierung und das Aufzeigen von sexueller Gewalt gegen Frauen (in der Werbung und in anderen Umgebungen) die Vergewaltigungshandlung normalisiert, zusammen mit anderer Gewalt wie Stalking (vgl. Capella 2010). Die Auswirkungen des Einsatzes von Frauenstereotypen in der Werbung allgemein wurde 2008 von einem Ausschuss des Europäischen Parlaments untersucht. Wie in (→ Kapitel 3.2) beschrieben, verfestigen Stereotype sowohl Machtstrukturen innerhalb der Gesellschaft als auch Denkmuster und grenzen dadurch den Handlungsspielraum von Menschen jedweden Geschlechts ein. Medien gelten u.a. als Spiegel der Gesellschaft. Sie zeigen ein zwar vereinfachtes und oft überzogenes Bild der Gesellschaft, aber nichtsdestotrotz geben sie Aufschluss über gängige Vorstellungen und Annahmen. Weiterhin vermitteln sie Botschaften und werden von vielen Menschen als Norm angesehen. Diese Normen <?page no="104"?> 104 Frauen in der Tourismusindustrie beziehen sich auf die Annahmen über die eigene Person, den Körper, das angemessene Verhalten und den Umgang mit anderen Menschen. Zitat „[…] in der Erwägung, dass eine verantwortungsvolle Werbung einen positiven Einfluss auf die Wahrnehmungen der Gesellschaft von Themen wie „Körperbild“, „Geschlechterrollen“ und „Normalität“ haben kann; in der Erwägung, dass Werbung ein wirksames Instrument sein kann, um Stereotype in Frage zu stellen und anzugehen […].“ (Europ. Parlament, 2008, o. S.) Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Kopplung von Gender- und Altersstereotypen (Loos & Ivan, 2018). So werden Frauen mit steigendem Alter als weniger weiblich und unattraktiv inszeniert, während das bei Männern nicht der Fall ist (→ Kapitel 5.3). Es liegen nur wenige Untersuchungen vor, die explizit auf den Einsatz von Genderstereotypen und Sexismus im Tourismus eingehen. Ein Grund dafür ist, dass im Tourismusmarketing überwiegend Landschaften und Objekte zum Einsatz kommen. Bugnot et al. (2014) weisen im Bereich des Wellness-Tourismus das Bild der Frau als pflege- und schutzbedürftiges Wesen nach, das in einer abgetrennten Welt (Spa) entspannen kann. Pécout et al. (2010) stellen fest, dass der weibliche Körper zur Idealisierung des Küstentourismus eingesetzt wird. Die gezeigte Freizügigkeit entspricht jedoch nicht der gesellschaftlichen Realität in den untersuchten Jahren (1880-1960). <?page no="105"?> Frauen und Weiblichkeit im Marketing 105 Zitat „Or, comme nous l’avons vu, la représentation de ces femmes s’avère être surtout une vision masculine fantasmée, éloignée des réalités sociales de l’époque.“ (Pécout et al., 2010, S. 117) Sirakaya & Sonmez (2000) zeigen, dass die Frau im Tourismusmarketing oft als verführerische und aufmerksamkeitserregende Kraft präsentiert wird. Eigene Untersuchungen (Heuwinkel, 2021a) im Umfeld der Untersuchung von Altersstereotypen belegen, dass bei älteren Paaren der Mann größer, erklärender und technikaffiner dargestellt wird als die Frau. Frauen wirken verspielter und halten selbst am Strand ihren Körper bedeckt. Diese Darstellung korrespondiert mit der im Tourismusmarketing üblichen Inszenierung des kaum oder nicht bekleideten jungen weiblichen Körpers. Zitat “These findings suggest that tourism advertisers and destination promoters need to be aware of both the subtle and more blatant visual cues that depict the relationship between men and women in tourism advertisements.” (Sirakaya & Sonmez, 2000) Generell ist die Tourismuswerbung von einem Erscheinungsbild und Sprachstil geprägt, der Aufregung und Entspannung in Kombination mit Abwechslung, Veränderung und Exotik verspricht. Pritchard (2014 S. 319) spricht von „hot environments“. Zusammenfassend greift das Tourismusmarketing wie andere Branchen auch gängige genderbasierte Stereotype sowie sexualisierte Darstellungen auf und setzt diese ein, um Destinationen, Flüge, Hotels, Restaurants und weitere <?page no="106"?> 106 Frauen in der Tourismusindustrie Dienstleistungen zu verkaufen. Da es sich häufig um entfernte und unbekannte Menschen und Gegenden handelt, können die vermittelten Bilder schlecht überprüft werden. Deswegen sind diese noch wirksamer und vielversprechender. Daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung der Tourismusbranche gegenüber den Mitarbeitenden. Es muss sichergestellt werden, dass das in der Werbung gemachte Versprechen der Verführung nicht als Angebot verstanden wird. Leider kommen nur wenige Tourismusunternehmen dieser Verpflichtung nach. 4.6 Prostitutionstourismus Prostitutionstourismus 23 ist definiert als eine Reise, die dadurch motiviert ist, einen sexuellen Kontakt in einem anderen Land oder in einer anderen Region mit einem dort (zeitweise) ansässigen Menschen zu erleben und für diesen Kontakt zu bezahlen (Geld, Drogen, Geschenke, Gefälligkeiten bis hin zum Heiratsversprechen). Regelmäßig kommt der Euphemismus Romantik-Urlaub zur Anwendung, insbesondere dann, wenn Frauen die Kundinnen sind (→ Kapitel 5.4 ). Dieser Begriff verharmlost noch mehr als der Begriff Sextourismus die Situation, da fälschlicherweise eine Beziehung auf Augenhöhe suggeriert wird. 24 23 Eine umfassende Diskussion der Begriffe Prostitution, Sexarbeit, transaktionaler Sex und survival sex (Überlebenssex) findet sich bei McMillan et al., 2018. 24 Die Diskussion darüber, ob Prostitution immer erzwungen oder in manchen Fällen freiwillig erfolgt, wird ähnlich intensiv geführt wie die um Pornographie (→ Kapitel 3.5). Zu Argumenten hinsichtlich des durchgängigen Zwangs und dem Zusammenhang mit Menschenhandel vgl. Schwarzer, 2013 sowie Terre de Femmes, 2020. <?page no="107"?> Prostitutionstourismus 107 Geringes Einkommen bis hin zu Armut, Hunger, fehlende Alternativen, familiäre Verpflichtungen sowie Erpressungen und Drohungen sind die Hauptgründe dafür, dass Menschen einen sexuellen Kontakt gegen Entlohnung anbieten, sich also prostituieren oder dazu gezwungen und somit sexuell ausgebeutet 25 werden. Sie haben nicht die Möglichkeit, das Gegenüber abzulehnen oder zurückzuweisen. Prostitutionstourismus findet weltweit statt. Häufig genannte Destinationen sind Thailand, die Philippinen, Kambodscha, Indonesien, Sri Lanka, Goa, Kuba, die Dominikanische Republik, Brasilien, Costa Rica, Osteuropa sowie Kenia, Tunesien, Südafrika und Gambia. In Europa ist Deutschland der größte Markt für Prostitution und Prostitutionstourismus und zieht Menschen aus anderen Ländern an. Zitat „Deutschland ist zum Bordell Europas und laut Experten zur Drehscheibe für Zwangsprostitution und Menschenhandel geworden. Zwischen 80 und 90 Prozent der Prostituierten kommen aus dem Ausland, die wenigsten arbeiten freiwillig, viele werden gezwungen.“ (ZDF, 2019) Es liegen keine verlässlichen Zahlen zum Prostitutionstourismus vor. Studien lassen vermuten, dass der Anteil der Prostitutionstouristen in Thailand zwischen 60 und 75 Prozent liegt. Die WTO gab an, dass 20 Prozent aller Reisen weltweit sexuell motiviert sind. Andere Zahlen (ILO) zeigen, dass Frauen in einigen Ländern zwischen 2 und 14 Prozent des nationalen Einkommens mit Prostitution erwirtschaften. 25 Bei Kindern (Personen unter 18 Jahren) muss grundsätzlich von sexueller Ausbeutung (SECTT = sexual exploitation of children in travel and tourism) gesprochen werden. UNICEF (2009) schätzt, dass jährlich 150 Millionen weibliche und 73 Millionen männliche Kinder sexuell ausgebeutet werden. <?page no="108"?> 108 Frauen in der Tourismusindustrie Bei dem überwiegenden Teil des Prostitutionstourismus sind es Frauen und Mädchen 26 , die prostituiert bzw. sexuell ausgebeutet werden. Es kann von einer Kommerzialisierung des weiblichen Sich-erkenntlich-Zeigens gesprochen werden. Zitat “[…] women tend to manage feeling more because in general they depend on men for money, and one of the various ways of repaying their debt it to do extra emotion work - especially emotion work affirms, enhances, and celebrates the well-being and status of others.” (Hochschild, 2003, S. 165) Prostitution ist in vielen Ländern illegal, aber dennoch geduldet. Das gilt insbesondere, wenn Tourist*innen involviert sind. In den meisten Ländern ist Prostitutionstourismus eng mit der touristischen Struktur einer Destination verbunden. Hotels, Gastronomie und Transportdienstleister profitieren davon, auch wenn sie sich öffentlich von Prostitution distanzieren. Gründe, warum sexuelle Kontakte im Ausland oder in einer anderen Region gesucht werden, sind vielfältig. Sie reichen von Anonymität, günstigeren Preisen, dem Gefühl des besonderen Erlebnisses, der Suche nach Aufmerksamkeit und dem Ausleben sexueller Macht bis zu fehlenden sozialen und rechtlichen Sanktionen. Ein zentraler Aspekt ist jedoch der, dass stereotype Vorstellungen zum Verhalten von Frauen, also die (freiwillige) Unterwerfung, die weibliche Unterlegenheit und die Überlegenheit des Mannes in einem anderen (kulturellen) Umfeld eher erlebt werden als am Wohnort. In manchen Kulturen 26 ECPAT (2021) weist jedoch regelmäßig darauf hin, dass auch Jungen Opfer sexueller Ausbeutung sind und ebenfalls geschützt werden müssen. <?page no="109"?> Prostitutionstourismus 109 ist die Dominanz des Mannes stärker ausgeprägt als in westlichen Ländern. Weiterhin handelt sich im Sinne Goffmans (→ Kapitel 3.2) um eine andere Bühne resp. um einen anderen Rahmen, so dass sich die beteiligten Akteure nicht mehr den üblichen Normen verpflichtet fühlen und sich anders präsentieren und verhalten können. Ein zentraler soziologischer Begriff ist in diesem Zusammenhang die Devianz, sprich abweichendes Verhalten (→ Box).  Wissen │ Devianz Jede Gesellschaft kennt Devianz als ein Verhalten, das von der Gesellschaft oder von Teilen der Gesellschaft nicht akzeptiert wird. Devianz ist abhängig vom Kontext und stereotypen Vorstellungen, z. B. Genderrollen. Der Etikettierungsansatz (labeling approach) betont den Aspekt, dass abweichendes Verhalten sozial konstruiert und somit veränderlich ist. Sowohl der Maßstab für das Normale (die Regeln) als auch der Grad der noch erlaubten Abweichung sind gesellschaftlich definiert. Die Abwesenheit vom gewohnten Umfeld legitimiert und entschuldigt abweichendes Verhalten resp. das Verhalten wird an dem entfernten Ort nicht mehr als abweichend bewertet. Zitat “Tourism can also be observed as a liminal behaviour, in that it is a temporarily constrained, socially tolerated period of wish fulfilment, a form of fantasy enactment that is normally denied to people.” (Ryan & Kinder, 1996, S. 507) <?page no="110"?> 110 Frauen in der Tourismusindustrie Der Umgang mit Prostitutionstourismus ist ambivalent und es sind deutliche Unterschiede zwischen Destinationen sowie zwischen Unternehmen erkennbar. Selbst beim sexuellen Missbrauch von Kindern hat sich nicht die gesamte Branche für Maßnahmen entschieden. Auch wenn inzwischen zahlreiche Unternehmen The Code (ECPAT, 2017 und ECPAT, 2020) unterschrieben haben, wird nicht einheitlich gegen dieses Verbrechen vorgegangen. Noch schwieriger wird es, wenn es sich um den Schutz volljähriger Personen handelt. 4.7 Fazit: Genderkonstruktionen im Tourismus Das Kapitel hat gezeigt, dass genderbasierte gesellschaftliche Strukturen, Denkweisen und Handlungsweisen im Tourismus wirken. Das gilt insbesondere für die (binäre) Konstruktion von Gender, die Annahmen über Fähigkeiten und daraus abgeleitet hinsichtlich „natürlicher“ Machtkonstellationen und Hierarchien. Gesellschaftlich konstruierte mentale Repräsentationen von Gender und insbesondere von Frau(en), werden u.a. medial vermittelt. Sie umfassen Aussagen zu Persönlichkeit, Erscheinungsbild und Verhaltensweisen. Weiterhin schließen sie normative Vorstellungen über typisch weibliche Einstellungen und Verhaltensweisen ein, sprich, wie Frau sich verhalten sollte. Die Vorstellung von Frauen als gefühls- und körperbetonte Wesen, die ein angenehmes Umfeld kreieren können und sich gerne um andere sorgen, passt ideal in die Servicevorstellung von Tourismus. Ebenso wirken diese Stereotype als Grenzen hinsichtlich der Veränderung von Strukturen und der individuellen Entwicklung. Bereiche des Tourismus, die <?page no="111"?> Fazit: Genderkonstruktionen im Tourismus 111 auf andere als die „typisch weiblichen“ Merkmale fokussieren, sind trotz des generell hohen Frauenanteils für die meisten Frauen nicht zugängig resp. nicht sichtbar. Als Beispiel wurde auf Annahmen hinsichtlich weiblicher Pilotinnen eingegangen. Auch wenn die Branche sich gerne optimistisch zeigt (→ Zitat), werfen die Betrachtungen dieses Kapitels viele Fragezeichen auf. Zitat “Tourism is leading the charge for female empowerment all over the world. Across the private and public sectors women are harnessing the potential of tourism to become financially independent, challenge stereotypes and start their own businesses.” (Pololikashvili, UNWTO Secretary-General, 2019) Ein zentraler Ansatzpunkt ist die Aufdeckung der Verknüpfung von Tourismus, Sex und Prostitution. Dem zugrunde liegt die Annahme über die Käuflichkeit von Dienstleistung, die den gesamten Bereich des Tourismus prägt und neben der Dienstleistung oft Land und Menschen umfasst. Im nächsten Kapitel wird untersucht, ob und inwieweit diese Annahmen das touristische Angebot und das individuelle Reiseverhalten beeinflussen. <?page no="113"?> 5 Frauen als Reisende Obwohl Frauen in den meisten Ländern etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, ist die explizite Berücksichtigung von Gender oder vom Attribut Frau bezogen auf die touristische Nachfrage selten zu finden. Ein Grund dafür könnte sein, dass Gender tatsächlich keine Auswirkungen auf das Reiseverhalten hat. Um dieses entscheiden zu können, müssten jedoch zunächst eine entsprechende Datenbasis sowie eine gendersensible Datenauswertung verfügbar sein. Wie in → Kapitel 2.1 dargestellt, ist dieses aber nicht der Fall. Aus anderen Branchen ist bekannt, dass das Kaufverhalten zwar nicht allein aus der Genderperspektive heraus erklärt werden kann, dass Gender aber innerhalb eines sozialen Zusammenhangs wirksam ist. So wird eine Frau, die eine bestimmte Vorstellung von Familie und sich als Mutter hat, dieses bei ihrer Reiseentscheidung und dem Reiseverhalten berücksichtigen, um gesellschaftlichen Erwartungen, die sie für relevant hält, zu entsprechen. Gleiches gilt für Einschränkungen, die sich während einer Reise aufgrund von Gender ergeben. So sind manche Orte für Frauen als „gefährlich“ markiert, aber nicht wirklich gefährdend, während andere Orte, z. B. heilige Stätten in manchen Ländern, tatsächlich nicht zugänglich sind. Unter Umständen bietet eine Reise aber auch die Möglichkeit, mit erlernten Denkmustern und Verhaltensweisen zu brechen. Ein Blick auf den sich entwickelnden Nischenmarkt der Frauenreisen kann Aufschluss über typische Bedürfnisse geben resp. darüber, was die Tourismusindustrie <?page no="114"?> 114 Frauen als Reisende als typisch weibliche Reisen ansieht. Bereits existent ist der weibliche Prostitutionstourismus.  Denkübung | Familienreise Gehen Sie in Gedanken eine Reise durch: » Wo wird Gender im Tourismus sichtbar und welche Bedeutung hat die (binäre) Zuschreibung von Gender in diesem Zusammenhang? » Haben Sie schon einmal während einer Reise über sich und ihre Genderidentität nachgedacht? » Wie reagieren Sie, wenn Sie in einem anderen Land mit einem Verhalten konfrontiert werden, das Ihren Vorstellungen von Geschlecht widerspricht? » Würden Sie in ein Land reisen, das Sie in Ihrer Genderidentität einschränkt oder nicht anerkennt? » Haben Sie bereits einmal während einer Reise ein neues Genderverhalten ausprobiert? Somit bietet sich eine Vielzahl an Themen, die hinsichtlich der Relevanz von Gender und speziell des Attributs Frau untersucht werden sollten, wenn es um das Verhalten von Reisenden geht. In diesem Kapitel werden Frauen zunächst als Entscheiderinnen und Planerinnen vorgestellt. Dem folgt eine Betrachtung von Frauen als Reisende. Dabei wird zwischen den in Literatur und Film dokumentierten berühmten Reisenden und den „gewöhnlichen“ Reisenden unterschieden. Abschließend wird auf weibliche Mobilität und Frauenreisen sowie den weiblichen Prostitutionstourismus eingegangen. <?page no="115"?> Frauen als Entscheiderinnen 115 5.1 Frauen als Entscheiderinnen Die Frage, warum Menschen reisen, wird unterschiedlich beantwortet und trotz der zahlreichen Ansätze zur Erklärung von Reisemotivation (→ Box) wurde bisher keine eindeutige Antwort gefunden. Ein zentraler Aspekt ist sicherlich, dass Tourismus in vielen Ländern seit einigen Jahrzehnten eine übliche Lebenspraxis ist und deswegen nicht weiter hinterfragt wird. Selbst nach Unterbrechungen des (internationalen) Reisens, wie sie durch 9/ 11 und durch die COVID-19-Pandemie verursacht wurden, zeigte sich eine schnelle Rückkehr zu den gewohnten Verhaltensweisen.  Wissen │ Reisemotivation Reisemotivation als komplexes Konstrukt thematisiert die Umstände und Kräfte, die Menschen veranlassen, zu einem bestimmten Zeitpunkt, an einen bestimmten Ort, auf eine bestimmte Art und Weise zu reisen. Diese Aspekte werden zumeist als Grundlage bzw. Rahmenbedingungen für Entscheidungsprozesse thematisiert. Wechselwirkungen und Widersprüche, z. B. Wünsche versus finanzielle Mittel oder ethische Überlegungen versus Statussymbol, werden ebenfalls aufgezeigt. In der empirischen Reisemotivforschung werden Motive gruppiert, z. B. Entspannungs- und Erholungsmotive, Motive der Abwechslung, Gemeinschaftsmotive sowie Motive der Bildung und Reisen der Gesundheit zuliebe. Es finden sich circa 40 verschiedene Ansätze zur Reisemotivforschung mit rund 20 wiederkehrenden Aspekten, die in fünf bis sieben Kategorien gruppiert werden (Freyer, 2015). <?page no="116"?> 116 Frauen als Reisende Zentrale Motive für eine Urlaubsreise wie Erholung, Spaß und Zeit mit der Familie scheinen genderunabhängig zu sein resp. wirkt Gender nur indirekt über Wertvorstellungen. Wenn bspw. in einer Gesellschaft der Wert der Familie oder der Wert von Selbstverwirklichung für Frauen höher ist als für Männer, könnte das auch einen Einfluss auf die Reisemotivation haben. Allerdings haben in diesem Bereich andere Faktoren wie kultureller Hintergrund, Lebensstil, Lebenssituation und auch Persönlichkeit ein deutlich höheres Gewicht. In „modernen“ Gesellschaften sind Mobilität (→ Kapitel 5.3) und Identität so eng miteinander verknüpft (→ Kapitel 3.3 ), dass der Einfluss von Gender auf die Reisemotivation gering zu sein scheint. Die Reisemotivation als solches ist demnach kein genderspezifisches Merkmal. Anders sieht es unter Umständen in traditionellen Familien, Gruppen und Gemeinschaften mit klassischen Rollenbildern aus, in denen die Dichotomie Mann=draußen/ unterwegs | Frau = drinnen/ zuhause noch einen starken Einfluss auf die Motivation hat. Neben der Reisemotivation sind Reiseentscheidungen ein zentrales Thema der Tourismusforschung, das hinsichtlich der Genderrelevanz betrachtet werden sollte. So umfasst das Reiseverhalten mehrere Phasen, in denen immer wieder Entscheidungen getroffen werden. Zu Beginn einer Reise wird über Destination und Transportmittel, Beherbergung und Verpflegung entschieden. Restriktionen ergeben sich aus begrenzten Ressourcen, aber auch aus fehlenden Kompetenzen und Unsicherheiten. Kompetenzen beziehen sich sowohl auf die vorhandenen Fähigkeiten (Sprache, Umgang mit Technologien, Autofahren etc.) als auch auf die Einschätzung derselben. So werden selbstbewusste Menschen ein geringes Sprachniveau höher <?page no="117"?> Frauen als Entscheiderinnen 117 einschätzen als Menschen mit einem geringen Selbstbewusstsein. In diesem Zusammenhang könnte untersucht werden, ob es genderabhängige Unterschiede hinsichtlich der Einschätzung der eigenen Fähigkeiten im Allgemeinen (→ Kapitel 4.3), hinsichtlich spezifischer Fähigkeiten (z. B. Online-Buchung) und der Einschätzung von Gefahren gibt. Auch hier wirkt Gender vermutlich nicht direkt, sondern vermittelt über die kognitiven Muster (Stereotype) und Vorstellungen hinsichtlich eines gendertypischen Verhaltens. Hinsichtlich der Informationssuche weisen einige Daten daraufhin, dass Frauen im Durchschnitt länger nach Informationen suchen als Männer. Das könnte daran liegen, dass Frauen im Entscheidungsprozess mehr Alternativen einbeziehen und diese kritischer hinterfragen (Choudhary & Walia, 2021). Auch bei der Beeinflussung durch politische Rahmenbedingungen und durch die Preisgestaltung scheinen Frauen etwas stärker beeinflusst zu werden als Männer. Hinsichtlich der Signifikanz der angedeuteten Abweichungen herrscht jedoch aufgrund fehlender Studien Unsicherheit. Generell wird davon ausgegangen, dass gendertypische Einstellungen und Verhaltensweisen durch Genderstereotype sekundär überformt werden. Vor diesem Hintergrund wären gendertypische Entscheidungsprozesse eine Kombination aus Einstellungen, Verhaltensmustern und kulturellen Einflüssen. Das wiederholte Hinterfragen und das Zögern bei der Entscheidungsfindung kann mit dem Genderstereotyp der Zurückhaltung und dem gendertypischen psychologischen Merkmal des stärkeren Selbstzweifels assoziiert werden. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang ein Blick in Untersuchungen zum Einfluss von Gender auf die personale und soziale Identität (→ Kapitel 3.5) von Jugendlichen. So lassen <?page no="118"?> 118 Frauen als Reisende sich für einige Skalen der personalen Identität universelle Geschlechtereffekte nachweisen (Schmidt-Denter, o.J.). Zu den Skalen gehören Selbstaufmerksamkeit, Selbstkonzept des Aussehens und Geborgenheitsbedürfnis. Die Skala Meinungsübereinstimmung mit relevanten anderen als Teil der sozialen Identität ist ebenfalls durch das Geschlecht beeinflusst. Unterschiede kommen somit eher bei kulturunabhängigen Entwicklungsprinzipien vor. Zitat „Schließlich zeigen die Ergebnisse dieser Analysen, dass das Geschlecht zwar kulturübergreifend einen Einfluss auf Konstrukte vor allem der personalen Identität ausübt, diese aber in bestimmten Ländern auch von dem kulturellen Hintergrund abhängig sind.“ (Maehler, 2006, o. S.) Generell lässt sich eine geschlechtstypische, aber keine geschlechtsspezifische Verteilung psychologischer Merkmale feststellen (Asendorpf, 2019). Das bedeutet, dass sich die Merkmalsverteilungen überlappen und es keine spezifisch männlichen oder weiblichen Merkmale gibt. 27 Die genderstereotype Repräsentationen der Merkmale verzerrt die Einschätzung hin zu einer spezifischen Verteilung. Einige Unternehmen passen ihre Marketingstrategien auf Gender an. Das bedeutet einerseits, dass Produkte entwickelt und beworben werden, die speziell Männer oder Frauen ansprechen sollen (→ Box). Beispiele finden sich schon bei Babyprodukten, wie z.B. Strampelanzüge in den 27 So zeigt sich, dass die vermeintlich bei Männern stärker ausgeprägte Aggressivität ebenfalls bei Frauen zu finden ist. Frauen leben diese nur anders und zumeist versteckt als Beziehungsaggressivität aus (Asendorpf, 2019, S. 211). Eine Betrachtung der Wertung über Jahrzehnte hinweg zeigt weiterhin eine Abnahme von Geschlechtsunterschieden in den untersuchten Gesellschaften (angloamerikanische Studien zwischen 1963 und 2010). <?page no="119"?> Frauen als Entscheiderinnen 119 entsprechenden Farben. Gendersensibles Marketing als spezielle Ausprägung des Diversity Marketings kann aber auch bedeuten, dass nicht nur das ältere, weiße, männliche Publikum angesprochen wird und dass Stereotype bewusst vermieden werden, z. B. eine an Frauen gerichtete Autowerbung, die nicht nur die Sicherheit, sondern auch den Fahrspaß adressiert.  Beispiel │ Männlichkeitsbilder in der Drogerie Auf der Website Pinkstinks ( ➤ https: / / pinkstinks.de/ ) finden sich nicht nur Artikel über weibliche Unterdrückung und Sexismus gegen Frauen, sondern auch sehr anschauliche Beschreibungen der Wirkung von Genderstereotypen auf Männer. So sind die meisten speziell für Männer entwickelten Produkte in dunklen, gedeckten und erdigen Farben, wie schwarz, braun, grau oder dunkelblau gehalten. Ab und zu findet sich ein Streifen in neongrün. Die Namen verweisen auf Einfachheit, Natur und Abenteuer (Wild Life) und versprechen (Extreme) Power und energy. Sie sind unzerstörbar und fresh. Hinsichtlich der Mediennutzung zeigen sich kaum noch gendertypische Unterschiede. Der Anteil der täglich das Internet nutzenden Personen liegt bei männlichen und weiblichen Nutzer*innen bei 93 resp. 91 Prozent über alle Altersgruppen hinweg (Destatis, 2020). Nur bei älteren Menschen zeigt sich ein höherer Gendereinfluss. So sind unter den Personen, die noch nie das Internet genutzt haben, überdurchschnittlich viele ältere Frauen. Bei der Wirkung von Medien kann festgestellt werden, dass Fotos grundsätzlich einen starken Einfluss haben. Frauen <?page no="120"?> 120 Frauen als Reisende scheint der emotionale Inhalt wichtiger zu sein als Männern. Ebenfalls finden sich Aussagen, die Frauen als kritischer bei der Betrachtung beschreiben. In Partnerschaften treffen zumeist Frauen die endgültige Reiseentscheidung. Dieses geschieht entweder nach Absprache mit Partner/ Familie oder alleine. Ob das ein Zeichen von Stärke oder nur eine weitere Belastung ist, kann nicht eindeutig beantwortet werden. 28 Neben der Betrachtung der Reisemotivation und Reiseentscheidungen sollte ebenfalls das Verhalten während einer Reise hinsichtlich möglicher Genderunterschiede betrachtet werden. So bedeutet allein das temporäre Verlassen des gewohnten Umfeldes nicht automatisch, dass im Alltag wirksame genderbasierte Verhaltensweisen irrelevant sind. Es müsste genauer untersucht werden, ob Dichotomien wie Technik | Ästhetik oder Erkundung | Häuslichkeit weiterhin wirksam sind. Christoph Hennig (1999) hat diskutiert, wie beim Camping mit dem Alltag gespielt wird und identisch wirkende Verhaltensweisen weitergeführt werden, nur in einer Minimalvariante oder mit kleinen Variationen, z. B. die Essenszubereitung auf dem Campingkocher. Allerdings hat er dieses komplett ohne Genderbezug getan. Ein Grund dafür kann sein, dass er die Vorstellung der totalen Rolle, wie sie von Knebel (1960) angesprochen wurde, übernommen hat und meint, dass die Touristenrolle alles überdeckt. Diese pauschale Betrachtung von Tourist*innen war und ist jedoch nicht angemessen. Darauf haben u.a. Erik Cohen (1972), Erwin Scheuch (1971), Kerstin Heuwinkel (2019) und Gerlinde Irmscher (2020) hingewiesen. Es ist anzunehmen, dass gendertypisches Verhalten variiert, aber hinsichtlich typischer 28 Diese Frage stellte Valene Smith bereits 1979. <?page no="121"?> Frauen als Entscheiderinnen 121 Verantwortungsbereiche, klarer Differenzierungen und hierarchischer Strukturen weitergelebt wird. Zwar gibt es Anzeichen, dass die Rolle Tourist*in andere Aspekte überstrahlt, es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass sich Strukturen, Erwartungshaltungen und Verantwortlichkeiten komplett verlagern. Auch ist zu prüfen wie sich die Rolle Tourist*in zur Mutterrolle (Rich, 2021) verhält. Allein die Fortführung der gewohnten gendertypischen Verhaltensweisen an sich ist jedoch weder positiv noch negativ zu bewerten. Letzteres wäre nur dann der Fall, wenn bspw. die Frau sich durch die anhaltende Verantwortung für die Familie im Urlaub weniger entspannen würde als der Rest der Familie oder wenn sie es als Zwang empfinden würde. 29  Denkübung | Familienreise Erinnern Sie sich an die Familienreisen als Kind: » Wer hat sich um das Essen gekümmert, sprich gekocht, Proviant für den Strand eingepackt und auf regelmäßige Essenszeiten geachtet? » Wer hat den Mietwagen gefahren? » Wer hat sich um den Check-in gekümmert? » Hatten Sie das Gefühl, dass sich Vater und Mutter gleich gut entspannen und erholen? » Wer von beiden wirkte im Urlaub gestresster? 29 Untersuchungen aus der Freizeitwissenschaft weisen genderbasierte Unterschiede in der Wahrnehmung und Bedeutung von Freizeit nach (vgl. Aitchinson, 2003; Opaschowski, 2008, S. 89-129). <?page no="122"?> 122 Frauen als Reisende Zusammenfassend zeichnet sich hinsichtlich der Reisemotivation, Reiseentscheidung und Verhalten eine Tendenz zum gendertypischen Verhalten ab, das sich sowohl aus gendertypischen Merkmalen als auch aus kulturell und sozial verankerten Genderstereotypen ergibt. Sowohl die Analyse der Wechselwirkungen dieser Aspekte als auch die Messung der Stärke der Einflüsse als solche ist schwierig. Dieses wurde am Beispiel der Identität deutlich, die wiederum nur ein Baustein des komplexen menschlichen Verhaltens ist. 5.2 Frauen reisen: Literatur und Forschung In der Tourismus- und Reiseliteratur findet sich eine Fülle an Reiseberichten aus einigen Jahrhunderten und noch immer suchen Menschen darin Inspiration, Motivation und Bestätigung. Wie so oft, unterscheiden sich jedoch die Geschichten einzelner Personen stark von den Erfahrungen, die die meisten Menschen machen. Dieses zeigt der Abgleich einzelner Biographien mit Forschungen und Statistiken zum Reiseverhalten. Zwar ist es mehr als verständlich, dass die zu Büchern und Filmen verarbeiteten Geschichten immer besonders und zumeist aufregend sind. Sie würden ansonsten kein Publikum finden. Sie sollten aber nicht als Beleg dafür genommen werden, dass Frauen lange Zeit entweder gar nicht oder nur aufsehenerregend reisten. Hier kann die Tourismuswissenschaft erheblich von der Reiseforschung allgemein und der Frauenreiseforschung sowie der Lebenslauf- und Biographieforschung im Speziellen profitieren. 30 30 Zur Reiseforschung und zur Methode der Biographieforschung vgl. Irmscher, 2020 und zur Bedeutung der Reise im Lebenslauf Schröder et al., 2005. <?page no="123"?> Frauen reisen: Literatur und Forschung 123 So gab es innerhalb der Frauenreiseforschung die Tendenz, reisende Frauen zu idealisieren bzw. die lange Zeit nicht berücksichtigten weiblichen Reiseaktivitäten besonders zu betonen. Ein Blick in die Regale der Buchhandlungen zeigt, dass sich daran nicht viel verändert hat (→ Box).  Beispiel │ Literatur zu Frauenreisen Nachfolgend eine Auswahl an Titeln zum Stichwort Frauenreisen: » „Mehr Mut als Kleider im Gepäck: Frauen reisen im 19. Jahrhundert durch die Welt“ » „Wo die wilden Frauen wohnen: Islands starke Frauen und ihr Leben mit der Natur“ » „Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr“ » „Brave Girl: Alles, was du wissen musst, wenn du als Frau allein reist“ » „She Explores. Frauen unterwegs. 40 Abenteuer, die dein Leben verändern. Outdoor-Storys mit praktischen Tipps, How-Tos und Must-haves für die Reise allein“ » „Im Iran dürfen Frauen nicht Motorrad fahren ...: Was passierte, als ich es trotzdem tat“ » „Über Grenzen: Freiheit kennt kein Alter“ Wichtig ist die Verbindung von Reisen und Schreiben. So wurde und wird das Reisen oft mit schriftstellerischen Tätigkeiten kombiniert und dadurch erst für die Öffentlichkeit sichtbar. Nur wenn Frauen reisen und sie selbst oder andere es in Worte fassen, werden diese Aktivitäten für Öffentlich- <?page no="124"?> 124 Frauen als Reisende keit, Nachwelt und Wissenschaft existent. 31 Die schriftstellerische Tätigkeit garantiert darüber hinaus ein Einkommen und die finanzielle Grundlage für weitere Reisen. Schließlich inspirieren Reiseberichte andere Menschen, dargestellte Orte zu besuchen oder auch eine neue Form des Reisens zu testen. Beispiele hierfür sind Destinationen wie Tibet, Costa Rica und Neuseeland oder auch die Reise zu Fuß (Pilgern nach Santiago de Compostela), mit dem Motorrad oder dem Segelboot. Dasselbe gilt für die Intensität des Reisens, z. B. wenn für eine Reise alles andere aufgegeben wird. Die Bedeutung von weiblichen Reiseschriftstellerinnen in diesem Bereich wird nach Einschätzung von Hall & Kinnaird (1994) unterschätzt resp. nicht ausreichend anerkannt. Zitat “The role of women travel writers in setting agendas for the tourism experience should not be underestimated.” (Hall & Kinnaird, 1994, S. 192) Hall & Kinnaird diskutieren ebenfalls, ob weibliche Reisende als Rollenmodelle dienen können, und machen dabei deutlich, dass Frauen sich zuerst aus Strukturen, Verpflichtungen und Verantwortungen lösen mussten und müssen, um reisen zu können. In ihren Ausführungen beziehen sie sich zwar auf frühere Zeiten, aber die Betonung des Auf- und Ausbruchs ist weiterhin präsent. 31 Bader-Ginsberg (2016) arbeitete u.a. daran, Leben und Bedeutung von Präsidentenfrauen sichtbar zu machen, indem sie entsprechende Dokumente wie Briefe etc. recherchierte. <?page no="125"?> Frauen reisen: Literatur und Forschung 125 Zitat “Certainly, changes in personal circumstances, whether a broken romance or marriage, death of a close relative or sudden inheritance, have often appeared to provide the releasing mechanism enabling women to embark on concerted travelling.” (Hall & Kinnaird, 1994, S. 195) Vor diesem Hintergrund ist es mehr als verständlich, dass die Unabhängigkeit der reisenden Frau idealisiert und symbolisiert in „extremen“ Formen des Reisens wie Expeditionen, Alleinflügen über den Atlantik oder auch Weltreisen dargestellt wird. Neben dem Rollenmodell der ausbrechenden und erobernden Reisenden (explorer) findet sich als weitere Ausprägung die sich in fremde Kulturen einfügende Frau (anthropologist) (Hall & Kinnaird, 1994, S. 199). Der alleinige Fokus auf Frauen als Reisende führt jedoch unter Umständen dazu, dass Gender als Unterscheidungsmerkmal überbetont und andere soziale Merkmale wie Bildung und Einkommen, Religion oder Standeszugehörigkeit (z. B. der privilegierte Adel) ignoriert werden. Erforderlich wäre laut Irmscher (2020) eine „Geschlechtergeschichte des Reisens“. Interessant ist, dass die Reiseforschung oft Instrumente einsetzt, die durch Genderstereotype beeinflusst sind. So war etwa die Vorstellung von Bildung eng mit dem männlichen Normallebenslauf und der Grand Tour oder der Kavalierstour (Irmscher, 2020, S. 37) verknüpft und basierte lange Zeit allein auf Quellen, die von Männern stammen. Der Hinweis darauf, dass Frauen ebenfalls das Reisen mit Bildung verbanden, dieses allerdings in einer anderen - nicht dokumentierten - Form, ist wichtig, um blinde Flecken <?page no="126"?> 126 Frauen als Reisende zu erkennen und nicht die Geschichte als Beleg für gendertypisches Reiseverhalten zu nehmen. 32 Gleiches gilt für den Umgang mit Statistiken zum Reiseverhalten. Wie in (→ Kapitel 2.1) dargestellt, wird in den meisten Statistiken das Geschlecht (oft als Dichotomie) erfasst. Ähnlich wie bei einer rein quantitativen Bewertung des Tourismus basierend auf dem Anteil weiblicher Beschäftigter, bedeutet eine zahlenmäßig gleich hohe Reiseaktivität nicht, dass das Reisen für Männer und Frauen dieselbe Bedeutung, Wertigkeit, Wirkung und einen ähnlichen Nutzen hat. Um dieses zu ermitteln, müsste in einem stärkeren Maße qualitativ geforscht werden.  Denkübung | Urlaub zu Hause Während der Corona-Pandemie wurde viel über Urlaub zuhause gesprochen. Stellen Sie sich bitte mehrere Szenarien zu unterschiedlichen Jahreszeiten und mit geöffneten oder geschlossenen Kultur- und Freizeiteinrichtungen vor: alleinlebende Person in einer Wohnung mit Balkon; Paar ohne Kinder im Haus mit Garten; Paar mit Kindern in Wohnung ohne Balkon; alleinerziehende Person mit Kindern im Haus mit Garten etc. » Was beeinflusst, ob Menschen in der eigenen Wohnung ein Urlaubsgefühl entwickeln können? » Was könnte hinderlich sein? 32 Ähnliches gilt für die zweifelnden und teils erbosten Reaktionen auf die Identifikation eines Wikingerskeletts als weiblich, da es sich bei diesem somit um eine Kriegerin handelte und lange nur von Kriegern ausgegangen wurde (Gardela, 2013). <?page no="127"?> Frauen reisen: Literatur und Forschung 127 Grundsätzlich sind stereotype Deutungen zu vermeiden. Ein Beispiel hierfür ist, die am Markt angebotenen Frauenreisen als Beleg für die tatsächlichen Interessen reisender Frauen zu nehmen (→ Kapitel 5.3). Zwar spiegeln diese Produkte die Interessen einiger Frauen wider. Zum einen sind es aber vor allem jene Bedarfe, die sich einfach in Produkte umsetzen lassen und rentabel sind (z. B. Wellness-Urlaub mit Freundinnen im Doppelzimmer). Zum anderen beeinflussen diese Produkte und ihre mediale Darstellung die Vorstellungen von Frauen hinsichtlich „typischer“ Frauenreisen. Zudem führt das Label Frauenreisen unter Umständen nicht nur bei Frauen, sondern auch bei Männern zu einer Ausschließlichkeit, die Genderstrukturen erneut verstärkt. Um mehr über Interessen und Bedürfnisse reisender Frauen jenseits etablierter Marktstrukturen zu erfahren, kann auf qualitative Ansätze zurückgegriffen werden, z. B. problemzentrierte oder narrative Interviews (→ Box). Diese ermöglichen die Aufdeckung spezifischer und bis dato nicht berücksichtigter Aspekte. Im Anschluss kann mithilfe quantitativer Verfahren die Gültigkeit der Erkenntnisse bei einer größeren Anzahl von Probandinnen untersucht werden. Ein derart umfassender Mixed-Methods-Ansatz (Teddlie & Tashakkori, 2006) scheitert oft aufgrund fehlender Ressourcen für diese Forschungen. <?page no="128"?> 128 Frauen als Reisende  Beispiel │ Geschäftlich reisende Frauen Veijola & Valtonen (2007) analysieren die Bedeutung des Körpers im Tourismus, insbesondere die körperlichen Erfahrungen einer weiblichen Geschäftsreisenden, die nicht dem normalen Körpermaß von Reisenden entspricht, also zu klein und zu leicht ist. Weiterhin kommen Aspekte, wie die Mehrfachbelastung durch Familie, Beziehung und Arbeit zur Sprache. Das Bild resp. die Darstellung der Frau als Reisende in der Werbung wurde bereits in → Kapitel 4.5 angesprochen und hinsichtlich der Verwendung von Genderstereotypen sowie der daraus resultierenden Folgen erörtert. Demnach werden Frauen zumeist als in einem geschützten Umfeld nach Erholung und Entspannung suchende Wesen dargestellt. Diese sind das Pendant zu den in der Literatur dominant vertretenen explorer und anthropologist (s.o.). Auffällig ist die Betonung der Frau als Alleinreisende und die oft zu findende Gleichsetzung von reisenden Frauen mit alleinreisenden Frauen.  Wissen │ Alleinreisende Der Begriff Alleinreisende umfasst verschiedene Bedeutungen. Historisch betrachtet sind Alleinreisende eine wichtige Grundlage des Tourismus. Der Mythos des Entdeckens und des Abenteuers ist eng verbunden mit Namen wie Isabelle Eberhardt, Alexandra David- Néel, Ida Pfeiffer, Alexander von Humboldt, Georg Forster und Marco Polo. <?page no="129"?> Frauen reisen: Literatur und Forschung 129 Auch die tourismuswissenschaftliche Denkfigur des „Fremden“ reist allein (Heuwinkel, 2019). Heute sind Alleinreisende sowohl Menschen, die komplett ohne Begleitung reisen, als auch Personen, die sich einer Gruppe anschließen. Im Marketing werden Alleinreisende zunehmend unter dem Begriff Single- oder Soloreisende angesprochen. Oft handelt es sich dabei nicht um ein spezielles Angebot, sondern nur um die Option zur Einzelnutzung von Zimmern. In einigen Fällen werden Singletreffs, Sport- und Unterhaltungsangebote sowie Wellness als spezielle Leistungen beworben. Zusammenfassend besteht noch immer die Tendenz, Reiseaktivitäten von Frauen als eine besondere Leistung darzustellen und primär auf Reisen ohne Begleitung zu beziehen. Seltener untersucht werden die „normalen“ Reisen von Frauen im Rahmen von Reisen mit Partner*in, Freund*innen und Angehörigen oder Kolleg*innen. Die Herausforderung besteht darin, nach Besonderheiten zu forschen, ohne diese durch die Genderbrille zu verzerren. Der Auszug aus einem Interview (→ Box) zeigt exemplarisch die Vielfalt von Frauenreisen auf. Interview │ Zwischen 5-Sterne-Business-Hotel und 5 Monaten Great Himalaya Trail Wiebke Nedel studierte u.a. in den USA und Kanada. Seit mehr als 15 Jahren lebt sie in Kapstadt und arbeitet sowohl als Angestellte als auch freiberuflich im Bereich der Erlebnispädagogik und Erwachsenenbildung. <?page no="130"?> 130 Frauen als Reisende Durch ihr Studium und ihre Arbeit kennt Wiebke Nedel Menschen weltweit und ihre privaten Reisen verbindet sie zumeist mit einem Besuch bei Bekannten. Dadurch ist sie direkt in das dortige Leben eingebunden. Berufliche Reisen hingegen sind eher im Luxusbereich angesiedelt und umfassen nicht selten einen Flug in der Business-Class, einen Shuttle-Service und eine Unterkunft im 5-Sterne-Hotel. „Das sind komplett unterschiedliche Welten in ein und demselben Land. Es ist nicht die Frage, ob Du in einem Land warst, sondern wie Du da warst.“ Ihre erste Reise allein in ein unbekanntes Land und ohne Kontakte vor Ort führte sie 2014 nach Nepal. Auch dort schloss sie jedoch schnell Freundschaften und kehrte seitdem regelmäßig nach Nepal zurück, u.a. um gemeinsam mit dem nepalesischen Bergführer Satish Man Pati Wandertouren anzubieten. Die bisher spektakulärste Reise war eine fünfmonatige Tour mit der kompletten Durchwanderung des 1700 km langen Great Himalaya Trails. Auf manchen Etappen war sie die einzige Frau unter 37 Männern. „Mir fiel das erst auf, als mein Bruder mich darauf ansprach und sagte, dass das mit europäischen Männern bestimmt unangenehm wäre.“ Tatsächlich ist Nepals Kultur geprägt von einer extremen Höflichkeit und Zurückhaltung, die durch eine starke Sorge um die anderen geprägt ist. Derbe Sprüche, Witze auf Kosten der anderen oder auch Anzüglichkeiten gegenüber Frauen gibt es dort nicht. „Diese Haltung musste ich erst einmal verstehen und die kranken Vorstellungen, die wir als Frauen hinsichtlich Männern internalisiert haben, ablegen.“ <?page no="131"?> Frauen reisen: Literatur und Forschung 131 In ihrem Job als Guide stellt sie immer wieder fest, dass Frauen „tougher“ sind als Männer und mehr aushalten, „[…] weil Frauen in ihrem Leben mehr ertragen und leiden müssen.“ Bei den ersten Begegnungen mit der südafrikanischen Natur und Wildnis ist es aber entscheidender, ob ein Mensch aus der Bronx oder dem Bergischen Land kommt, und welchen fachlichen Hintergrund sie haben. Da die Teilnehmenden fast alle aus dem Bereich der sozialen Arbeit kommen, sind Genderstereotype ohnehin gering ausgeprägt. Das wäre im Finanzsektor sicherlich anders. Das Interview zeigt zum einen, dass Reisen von Frauen ein breites Spektrum von Möglichkeiten - sowohl in Begleitung von Familie, Freund*innen, Kolleg*innen oder Mitreisenden als auch ohne Begleitung - umfasst. Sie reichen von Reisen allein in ein unbekanntes Land ohne vorab gebuchte Unterkunft über den Besuch bereits bekannter oder auch unbekannter Menschen in einem unbekannten Land bis zu einer Reise allein, die aber durch die Einbettung in einen beruflichen Kontext kaum Berührungen mit dem Land an sich ermöglicht. Somit können Reisen von Frauen durch die drei Merkmale Begleitung, Bekanntheit des Ortes und Eingebundenheit (Kontext) beschrieben werden. Die drei Dimensionen sind in → Abb. 2 dargestellt. Sie müssten um Werte und Daten ergänzt werden. <?page no="132"?> 132 Frauen als Reisende Abb. 2: Drei Dimensionen der Reisen von Frauen Im nächsten Abschnitt wird anhand der Themen Mobilität, Frauenreisen und Frauenorte untersucht, wie die Tourismusbranche Reisen von Frauen adressiert. 5.3 Mobilität, Frauenreisen und Frauenorte Inhalt dieses Abschnitts ist erstens die Analyse gendertypischer Aspekte des Reisens am Beispiel der Themen Mobilität und Sicherheit. Zweitens wird dargestellt, wie die Tourismusbranche auf diese reagiert, bspw. durch das Angebot von Frauenreisen und die Konstruktion von Frauenorten. Familie Freund*innen Bekannte Reisegruppe Solo x = Begleitung bekannt (Land & Leute) unbekannt (Land & Leute) y = Bekanntheit <?page no="133"?> Mobilität, Frauenreisen und Frauenorte 133 Schließlich ist zu untersuchen, welche Wirkungen die wachsende Anzahl von Frauenreisen und Frauenorten auf den gesellschaftlichen Umgang mit Gender hat. Mobilität Ein zentrales Element jeder Reise ist die Mobilität; also die Möglichkeit, sich von einem Ort an einen anderen Ort zu begeben. Neben der eigentlichen An- und Abreise kommt die Mobilität in der Destination hinzu. Diese kann sehr gering sein, bspw. bei einem Aufenthalt in einem Urlaubsressort oder in einem Kongress- und Tagungshotel. Eine höhere Mobilität ist erforderlich, wenn während der Reise Ausflüge unternommen werden oder zwischen Ort der Unterkunft und Strand, Sehenswürdigkeiten etc. gependelt wird. Bei Rundreisen ist die Mobilität sehr hoch und kann ein zentrales Merkmal der Reise sein, insbesondere bei Reisen mit dem Wohnmobil, dem Geländewagen oder dem Fahrrad. Der Zusammenhang von Gender und Mobilität ist in unterschiedlichen Studien untersucht worden (vgl. Knoll & Szalai, 2008; Nobis & Kuhnimhof, 2018). Bei vielen steht die Alltagsmobilität im Vordergrund. Dennoch können die Ergebnisse als Grundlage für die Untersuchung der touristischen Mobilität und die Folgen ihrer Einbettung in gesellschaftliche Genderverhältnisse dienen. In Gesellschaften mit geschlechterspezifischer Arbeitsteilung ist ein Großteil weiblicher Mobilität verknüpft mit Tätigkeiten wie Einkauf, Kinderbetreuung (Schule, Sport, Musik etc.) und Pflege. Viele der damit verbundenen Wege werden erstens nicht mit dem Auto, sondern zu Fuß, mit dem Fahrrad oder ÖPNV zurückgelegt. Zweitens werden Ziele miteinander kombiniert, z. B. auf dem Weg von der Arbeit <?page no="134"?> 134 Frauen als Reisende die Kinder von der Schule abholen und noch etwas einkaufen. Drittens werden viele der Wege nicht allein, sondern mit Kindern oder Angehörigen und mit Lasten bewältigt. Im Gegensatz zu dem direkten Weg zur Arbeit und zurück mit dem PKW ist diese Form der Mobilität deutlich komplexer (multimodal). Zitat „Die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind zu weiten Teilen auf die unterschiedlichen Lebenskontexte von Männern und Frauen zurückzuführen. In Haushalten mit Kindern tragen Frauen zumeist eine höhere Verantwortung für die Familie. Teilzeitbeschäftigung ist ein überwiegend weibliches Phänomen.“ (Nobis & Kuhnimhof, 2018, S. 52) Neben der Komplexität der weiblichen Alltagsmobilität wird als weiterer Unterschied das erhöhte Sicherheitsbedürfnis von Frauen genannt. Das gilt insbesondere bei nächtlicher Mobilität sowie an unbewachten Stellen, zum Beispiel im Parkhaus oder beim Warten auf öffentliche Verkehrsmittel. Obwohl Wohlbefinden, Sicherheit und der Umgang mit Grenzverletzungen und (sexuellen) Übergriffen ein wichtiger Themenkomplex weiblicher Mobilität ist, sollte es nicht der einzige sein und er sollte nicht auf Frauen als einzige mögliche bedrohte Personengruppe begrenzt werden. Weitere Statistiken, auf die in Zusammenhang mit weiblicher Mobilität oft Bezug genommen wird, sind solche zu Verkehrsunfällen. Zwar haben Frauen ein geringeres Risiko, im Straßenverkehr zu verunglücken, allerdings ist die Gefahr, bei Autounfällen verletzt oder getötet zu werden größer als bei Männern (Destatis, 2018). Begründet wird diese häufig damit, dass die für Sicherheitstests eingesetzten Crash-Test-Dummies dem durchschnittlichen männlichen <?page no="135"?> Mobilität, Frauenreisen und Frauenorte 135 Körper entsprechen und dieser sich hinsichtlich der Proportionen und Schwerpunkte, insbesondere bezogen auf den Oberkörper, deutlich vom durchschnittlichen weiblichen Körper unterscheidet. Somit orientieren sich die Anordnung und Funktionsweise von Airbag etc. am männlichen Körper (Linder, 2019). Gleiches gilt für die Gestaltung und Anordnung von Sitzen in Flugzeugen und Zügen. Zitat “Still, vehicle crash safety assessment for adult occupants is only using the average sized male to represent the entire adult population, while the average sized female is not represented.” (Linder, 2019, S. 140). Ein umfassendes Gender Mainstreaming im Bereich der Mobilität setzt eine Sensibilisierung für die Vielfalt unterschiedlicher Mobilitätsansprüche voraus. In der Genderanalyse werden im Idealfall diverse Bedürfnisse berücksichtigt, ohne dadurch stereotype Genderstrukturen zu reproduzieren. Hinsichtlich der Übertragbarkeit der Besonderheiten weiblicher Alltagsmobilität auf touristische Mobilität sind ähnliche Aspekte relevant. Zumeist wird Sicherheit als der zentrale Aspekt diskutiert, da die Mobilität in einem unbekannten Areal die Unsicherheit erhöht. Medienberichte über Überfälle auf Frauen verstärken die entsprechenden Annahmen. In vielen Destinationen wird (alleinreisenden) Frauen deswegen empfohlen, auf die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu verzichten und mit dem Auto nicht allein in der Dunkelheit unterwegs zu sein. Zahlen zur Anmietung von Mietwagen im Ausland weisen nach, dass Männer (82 Prozent) weitaus häufiger einen Wagen anmieten als Frauen (18 Prozent). Es fehlen jedoch weitere Differenzierungen, bspw. wie oft alleinreisende Männer und Frauen einen Wagen anmieten, ob Mieter*in und Fahrer*in gleichbedeutend <?page no="136"?> 136 Frauen als Reisende sind und welchen Einfluss die Reiseform, beruflich oder privat, hat. Schließlich ist nach Gründen zu suchen, warum bei Paaren und Familien zumeist der Mann am Steuer sitzt und ob und wie dieses Verhalten beim Reisen ähnlich ist.  Denkübung | In der Familie und in der Beziehung Erinnern Sie sich an die Zeit, als Sie ein Kind waren: » Wer hat Sie damals zur Schule, zum Sport, Musikunterricht etc. gefahren? » Wie sah es bei Wochenendausflügen und Urlaubsreisen aus? » Wie ist es, wenn Sie Auto fahren: Sitzen Sie am Lenkrad oder ihr*e Partner*in? » Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür, dass Männer oft automatisch als Fahrer und Frauen als Beifahrerin auftreten? Frauenreisen Über den Zusammenhang von Gender und Reisemotivation resp. Reiseentscheidung wurde bereits in (→ Kapitel 5.1 ) geschrieben. Reiserveranstalter wie Tourlane, FRIdA, WomenFairTravel und Wild Women Exhibitions entwickeln frauenspezifische Angebote und versuchen, mithilfe von Studien herauszufinden, was Frauen dazu motiviert (alleine) zu verreisen, welche Destinationen sie bevorzugen und welche Hindernisse es gibt. So wird erstens festgestellt, dass Gründe für eine Reise allein, der Wunsch nach Freiheit und Zeit für sich selbst ist. Es kann spontan entschieden werden und es sind keine Abstimmungen erforderlich bzw. muss nicht für andere mitgedacht werden. Hinzu kommt der <?page no="137"?> Mobilität, Frauenreisen und Frauenorte 137 Wunsch nach Neuem, unbekannter Erfahrung und der Möglichkeit, neue Menschen kennenzulernen. Auch die Stärkung des Selbstvertrauens scheint ein wichtiger Aspekt zu sein. Das gilt insbesondere nach einer persönlichen oder beruflichen Krise. Zweitens sind Reisen außerhalb Europas noch selten, aber gewünscht. Dabei sind vor allem Destinationen in Australien und Nordamerika beliebt. Die Antarktis wird ebenfalls genannt und scheint der Inbegriff von Isolation zu sein. Drittens spielen sowohl ökologisches Bewusstsein als auch kulturelles Interesse und Bildung eine wichtige Rolle. Viele Reisen sind so gestaltet, dass sie als „nachhaltig“, „sanft“ und „fair“ bezeichnet werden können. Der wichtigste Grund, der gegen eine Reise (alleine) spricht, ist mangelnde Sicherheit. Hinzu kommen eigene Unsicherheiten oder auch Ängste von Verwandten und Familie, wenn eine Frau alleine unterwegs ist. Fehlende finanzielle Mittel sind ein weiterer, aber kein zentraler Aspekt. Somit bewegen sich die Bedürfnisse von Frauen zwischen dem Wunsch nach Freiheit und der Wahrung von Sicherheit. Anbieter müssen beidem nachkommen und sehen einen Bedarf an Reisen, die Freiheit vermitteln, aber Sicherheit garantieren. Um beides zu kombinieren, werden zumeist (Frauen-) Gruppenreisen in europäische Länder und anderen Kontinente angeboten. Dabei stehen andere Kontinente sinnbildlich für Freiheit, Fremdheit und Neuartigkeit, während die Gruppe sowohl Sicherheit suggeriert als auch die Option bietet, neue Menschen kennenzulernen. Als weiterer Aspekt kommt hinzu, dass bevorzugt von Frauen geführte Unterkünfte oder auch Transportleistungen genutzt werden. Bei Aktivitäten sind Begegnungen mit einheimischen Frauen sehr beliebt, da diese sowohl Authentizität als auch eine starke Nähe vermitteln. Hinzu kommen <?page no="138"?> 138 Frauen als Reisende Aktivitäten wie Meditation, Atem- und Yogakurse, Malen und Tanzen in Kombination mit Wander- und Radreisen.  Diskussion │ Frauen-Bubble Eine kritische Betrachtung dieser Angebote zeigt, dass Stereotype weiblicher Interessen aufgegriffen und miteinander kombiniert werden. Es stellt sich die Frage, ob eine Reise für Frauen mit anderen Frauen, geführt von einer Frau, mit Übernachtung in einem von Frauen geführten Hotel und Aktivitäten mit einheimischen Frauen nicht eine Bubble kreiert, die weibliche Aktivitäten begrenzt und gegen andere abgrenzt. Eine Alternative zu den Frauengruppenreisen sind individuelle Reisen, die jedoch von Veranstaltern geplant und organisiert werden und die zusätzliche Leistungen wie Gepäcktransport bei Wanderungen umfassen. Im Bereich der Geschäftsreisen ist Sicherheit ebenfalls ein zentraler Aspekt und führt bspw. zur Einrichtung von Frauenetagen in Hotels. Unternehmen wird empfohlen, Reiserichtlinien so zu gestalten, dass Gefahren verringert werden. Beispiele dafür sind die Auswahl von Unterkünften in sicheren Gegenden und zertifizierten Hotels oder die Übernahme von Kosten für Taxifahrten zu bestimmten Uhrzeiten (GBTA, 2018). <?page no="139"?> Mobilität, Frauenreisen und Frauenorte 139  Beispiel │ Women-Friendly and Lady Rooms Die steigende Anzahl weiblicher Geschäftsreisender führt dazu, dass Hotels besondere Dienstleistungen anbieten. Diese fokussieren sowohl auf Sicherheit als auch auf Verwöhnung und Entspannung. Abb. 3: Wortwolke besondere Dienstleistungen (eigene Darstellung) Während Reiseveranstalter erst seit einigen Jahren Frauen als Reisende entdeckt haben, finden sich zahlreiche Initiativen von Frauen, die bereits vor 30 Jahren weitweite Netzwerke aufgebaut haben. Sie vernetzen reisende Frauen miteinander und mit einheimischen Frauen, die nicht reisen können. <?page no="140"?> 140 Frauen als Reisende  Beispiel │ Women Welcome Women World Wide Women Welcome Women World Wide (5 W) wurde 1990 zunächst als europäisches Netzwerk gegründet, um Frauen bei Reisen miteinander in Kontakt treten zu lassen. Inzwischen sind mehr als 2000 Frauen weltweit darüber vernetzt. Zitat “It pleases me that ordinary women travel the world, discover the joy of befriending people from very different cultures, and learn about themselves at the same time in our web of international friendship.” (Frances Alexander, Founder Women Welcome Women, o. J.) Maiden Voagye war zunächst ein Netzwerk für reisende Geschäftsfrauen, die sich während ihrer Reise mit Einheimischen oder anderen reisenden Personen vernetzen wollten, um mehr über das Land zu erfahren. Inzwischen ist es ein weltweit agierendes Beratungsunternehmen, das sich als Spezialist für gender-based travel safety bezeichnet und Unternehmen dabei unterstützt, ihre weiblichen und LGBTQ+ Reisenden auf Reisen vorzubereiten und für ihre Sicherheit zu sorgen.  Tipp │ Condé Nast Traveler Condé Nast Traveler bietet auf der Website eine eigene Rubrik über und für reisende Frauen an. Diese thematisiert sowohl Urlaubsals auch Geschäftsreisende und zeigt, dass Frauen beim Reisen mehr als Sicherheit und Komfort erwarten. ➤ https: / / www.cntraveler.com/ women-who-travel <?page no="141"?> Mobilität, Frauenreisen und Frauenorte 141 Frauenorte Nicht nur die Art und Weise, wie gereist wird, sondern auch welche Orte besucht werden, ist beeinflusst von genderbasierten Stereotypen. Bekannt ist die einseitige männliche Prägung vom kulturellen Erbe (heritage), wie beispielsweise von Burgen, Schlössern und Festungen, hinsichtlich der Bewertung und der Konstruktion von Geschichte(n) rund um den jeweiligen Ort. Gleiches gilt für die Gestaltung von historischen Museen und die Auswahl der dort gezeigten Exponate. Sowohl die geschichtliche Betrachtung als auch die Inszenierung greift Machtstrukturen und -konstellationen auf, die auf Klassen-, Gender- und ethnischen Unterschieden basieren resp. diese dementsprechend instrumentalisieren (Edensor & Kothari, 1994). Im Mittelpunkt stehen zumeist kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Männern sowie die Taten „großer“ Männer. Ein Beispiel für die Konstruktion von Orten bezogen auf Frauen, sind sogenannte Frauenorte. Bei diesen handelt es sich um Regionen, Städte oder auch einzelne Häuser, in denen berühmte Frauen gelebt und gewirkt haben, die interessant für viele Menschen und attraktiv für Tourist*innen sind. Ziel ist es, Frauen und ihre Lebensweisen sowie die Vielschichtigkeit weiblicher Lebensentwürfe sichtbar zu machen.  Beispiel │ Frauenorte Sachsen Für die Weltausstellung Expo2000 wurden erstmals Frauenorte in Sachsen-Anhalt benannt und gewürdigt, um darüber Frauengeschichte sichtbar zu machen. Niedersachsen und Brandenburg sowie Sachsen griffen dieses Projekt auf. <?page no="142"?> 142 Frauen als Reisende In Sachsen gibt es inzwischen mehr als 20 Frauenorte, an denen über Frauen wie Melitta Bentz (Unternehmerin und Entwicklerin), Mira Lobe (Kinder- und Jugendbuchautorin) und Wilhemine Reichard (Ballonfahrerin) informiert wird. Zitat „An den Wirkungsorten dieser Frauen werden Informationstafeln aufgestellt. Sie sollen die Möglichkeit bieten, sich kritisch mit Geschlechterrollen und klischeehaften Zuschreibungen auseinanderzusetzen.“ (Frauenorte Sachsen, 2021) Frauenorte werden gerne von Reiseveranstaltern als Wegpunkte für Rund- und Bildungsreisen genutzt. Ein weiteres Beispiel für die genderbezogene Konstruktion von Orten ist der Begriff Frauenburg für eine Burg, die an einem Wochenende komplett von Frauen bewohnt ist. Reisen und Alter Ein letzter Aspekt, der in Bezug auf Reisen von Frauen diskutiert werden sollte, ist der Zusammenhang von Gender- und Altersstereotypen. Ebenso wie Gender wird Alter in Stereotypen abgebildet. Ageism (Butler, 1969) beschreibt die systematische Stereotypisierung und Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Alters. Altersstereotypen sind demnach ebenso wie andere Stereotype von Interessen beeinflusst und tragen zum Erhalt von asymmetrischen Machstrukturen bei. <?page no="143"?> Mobilität, Frauenreisen und Frauenorte 143 Zitat “[…] a coherent set of shared ideas and beliefs that constitutes a particular justification of the interests of dominant groups: the state, employers, hospitals, media.” (Bytheway 1994, S. 130) Inhaltsanalytische Studien zeigen zum einen, dass Alter entweder überzogen positiv oder überzogen negativ dargestellt wird. So findet sich die weiterhin aktive, fitte, humorvolle und sorgende alte Frau neben der defizitbetonenden Darstellung, die in einem starken Gegensatz zum Ideal der Jugend steht. Die körperliche Alterung geht einher mit dem Verlust von Schönheit und der ältere weibliche Körper wird, wenn überhaupt, nur bedeckt gezeigt. Im Gegensatz dazu können ältere Männer weiterhin als attraktiv dargestellt werden bzw. ist die körperliche Attraktivität von Männern ohnehin weniger bedeutsam, so dass ein Verlust derselben nicht wichtig ist. Die Frau hingegen verliert ein zentrales Merkmal ihrer Identifikation (→ Kapitel 3.5) . Hinzu kommt, dass Frauen (oft bereits ab 30-40 Jahren) früher als Männer (ab 50 Jahren) als alt bezeichnet werden. Es kommt somit zu einer Doppel-Diskriminierung 33 (Flicker et al. 2013, S. 23). Bezogen auf die Darstellung älterer reisender Frauen überwiegt die Betonung der weiterhin aktiven, rüstigen und heiteren Frau, die mit dem Partner oder Freundinnen gemeinsam verreist und dabei auch schon mal auf einen Jetski steigt ( → Box). Hauptaktivitäten sind jedoch Wandern und Besichtigungen. Der Körper ist - auch am Strand - bedeckt bzw. so verhüllt, dass er nicht mehr erkennbar ist. Somit lässt sich eine altersoptimistische aber keine erotisierte Darstellung feststellen. 33 Die feministische Medienanalyse bietet umfangreiche Untersuchungen und Beispiele, welche die Überschneidung von Diskriminierung aufgrund von Gender, Alter, Klasse und ethnischem Hintergrund darstellen (vgl. exemplarisch Winkler & Degele, 2009). <?page no="144"?> 144 Frauen als Reisende Grundsätzlich kann ein Fehlen von Sexualität und Erotik festgestellt werden.  Beispiel │ Selfie-Fan und Granny Aupair Die Analyse einer Bilddatenbank hinsichtlich der Mediennutzung von Senior*innen während einer Reise zeigte deutliche genderabhängige Unterschiede. Einerseits werden Frauen signifikant seltener als Männer alleine und mediennutzend dargestellt. Während bei der Nutzung die Aufnahme eines Selfies bei Männern und Frauen ähnlich häufig zu finden ist, werden weniger Frauen bei der Reiseplanung dargestellt (Heuwinkel, 2021a). Bei einer Instagram-Analyse zu Senior*innenreisen fällt ein Angebot auf, das Granny Aupair heißt. Dort werden ältere Frauen und Familien zusammengebracht. Letztere suchen nach einer Betreuung und häufig nach einer Ersatzoma, die dem Nachwuchs nebenbei noch Deutsch beibringt. Somit bleibt das Motiv des Sich-kümmernden-Wesens auch im Alter und bezogen auf Reisen wirksam und wird zu einem Nischenprodukt für alleinreisende alte Frauen kombiniert. Die Fortsetzung von „Mutter zu Hause“ ist „Oma im Ausland“ und damit der Archetyp der liebevollen Großmutter. Auch zeigt sich hier sehr deutlich die Dominanz der Mutterrolle. Die Betonung von jung gebliebenen, gesunden und weiterhin konsumfreudigen Menschen als idealisierte Darstellung älterer Menschen resultiert aus der Erkenntnis, dass viele ältere Menschen über umfangreiche finanzielle Mittel und Zeit verfügen. Das macht sie zu einem interessanten Marktsegment. Ihnen wird suggeriert, dass sie als „junge“ Alte (third age) weiterhin <?page no="145"?> Weiblicher Prostitutionstourismus 145 wichtig sind, da sie konsumieren (Loos & Ivan, 2018). Ausgeblendet werden nicht wohlhabende, wenig gebildete, einsame und kranke Menschen. Diese befinden sich bereits im „alten“ Alter (fourth age). Neben der Analyse der (visuellen) Darstellung von Alter und Gender ist zukünftig zu untersuchen, ob und wie die eben beschriebenen Formen der Darstellung Auswirkungen auf das Selbstkonzept und auf die Alltagspraktiken von Menschen, insbesondere reisende Frauen, haben. Wie in → Kapitel 4.5 bereits erläutert, können Stereotype einen negativen Einfluss auf Selbstbild und Gesundheit haben. Die kontinuierliche Unterrepräsentation sowie die Stigmatisierung führen möglicherweise zur Einschätzung, nicht (mehr) wertvoll zu sein. 5.4 Weiblicher Prostitutionstourismus In → Kapitel 4.6 wurde bereits auf Prostitutionstourismus eingegangen. Im Vordergrund stand dabei die häufigste Form, wonach Männer eine sexuelle Dienstleistung bei einer Frau erwerben. 34 Allerdings finden sich auch andere Konstellationen, wie z.B. gleichgeschlechtliche Beziehungen. In diesem Abschnitt wird auf Frauen eingegangen, die reisen, um eine sexuelle Erfahrung zu machen und dafür bezahlen. Dieses Motiv kann die zentrale Reiseabsicht oder es kann ein wichtiger Aspekt bei der Auswahl der Destination sein. Wichtige Destinationen für weiblichen Prostitutionstourismus sind karibische und afrikanische Länder, insbesondere die Subsahara (Taylor, 2001 und 2006). Zumeist handelt es 34 Hier erneut der Hinweis darauf, dass es sich nur selten um eine freiwillige Dienstleistung handelt. Bei unter 18-jährigen Personen muss immer von sexueller Ausbeutung gesprochen werden (ECPAT, 2021). <?page no="146"?> 146 Frauen als Reisende sich um eine Küstenregion und die Reisenden sind weiße Frauen. Sie sind zumeist über 40 Jahre alt, reiseerfahren, gebildet und finanziell unabhängig sind. Die Männer sind dunkelhäutig, jung, ungebildet und leben zumeist in schlechten sozioökonomischen Bedingungen. Sie werden als beachboys, rent-a-dreads, jungees, hustlers, gigolos, bumsters, rastitutes oder professionell boyfriend bezeichnet, die den sugar mommies ihre Dienste anbieten. Studien zeigen, dass die meisten dieser Männer ihre Arbeit nicht als Prostitution bezeichnen, sondern Euphemismen wie player und business men für sich nutzen (Berg et al., 2019). Die Tätigkeit selbst wird umschrieben als „den Frauen etwas Gutes tun“. Weiterhin betonen die Männer den Aspekt, dass es sich um anspruchsvolle Arbeit handelt, da sie mehrere Frauen gleichzeitig umsorgen und das Bild des aufmerksamen Lovers authentisch vermitteln und aufrechterhalten müssen. Es handelt sich somit um eine kontinuierliche Performance bis hin zur Täuschung, die in den meisten Fällen nicht allein auf eine sexuelle Aktivität reduziert werden kann. 35 Hinsichtlich der Absichten, Wünsche und Verhaltensweisen der Frauen sind die Erkenntnisse noch nicht sehr umfangreich. Allerdings deutet sich eine Umkehrung der Rollen- und Machtverhältnisse an. So verfügen die Frauen aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten und ihrer gesellschaftlichen Stellung in Relation zu den Männern über eine Machtposition. Das Verhältnis gleicht den aus dem Kolonialismus bekannten Strukturen. Ebenso wie die Männer neigen einige der Frauen dazu, die kommerzielle Seite der Beziehung zu 35 Eine ähnliche Konstellation findet sich auch im anderen Fall, wenn Männer über mehrere Jahre „ihre“ Freundin in Thailand besuchen und sich nicht nur um diese, sondern auch um ihre Familie kümmern. <?page no="147"?> Weiblicher Prostitutionstourismus 147 beschönigen, indem sie von Romantik und Urlaubsflirt sprechen. Weiterhin wird das Geld selten direkt nach der sexuellen Begegnung bezahlt, sondern im Laufe der „Beziehung“ und oft in Form von Geschenken überreicht. Auch erfolgt die Argumentation, dass das Geld nicht als Gegenleistung gilt, sondern nur als Unterstützung für den Mann, der in schlechten Verhältnissen lebt und Angehörige zu unterstützen hat. Einige der befragten Frauen sprachen jedoch explizit von einer sexuellen Dienstleistung, die das Reisemotiv ist und für die sie bezahlen (Taylor, 2001). Zitat “While the women appear to be mature and financially independent, the men are young and socioeconomically disenfranchised. […] When women travelers engage in transactional sex in the global south, the behavior appears to be partially built on notions of racial hierarchies and colonial legacies.” (Berg et al., 2019, S. 12) Insgesamt sind sämtliche Handlungen in einen gesellschaftlichen Kontext zu stellen, in dem die sozioökonomischen Unterschiede - der Wohlstand der einen und die Abhängigkeit der anderen - das zentrale Element sind. Eine Analyse der verwendeten Begriffe wie Romantik-Urlaub deckt darüber hinaus gängige Annahmen über weibliche Sexualität auf. So suchen Frauen demnach nicht (nur) die sexuelle Erfahrung, sondern (vielmehr) Nähe, Aufmerksamkeit und Geborgenheit. Sex wird stark der Gefühlsebene zugeordnet, während sexuelles Verlangen in den Hintergrund tritt. Somit sind gesellschaftliche Stereotype der Frau als Wesen, das Schutz und Nähe sucht (→ Kapitel 3.2), auch hier wirksam. Dasselbe gilt für die Männer. Die von ihnen gebotene sexuelle Dienstleistung wird (zumeist) nicht als <?page no="148"?> 148 Frauen als Reisende Makel, sondern als Zeichen für männliche Potenz konstruiert und argumentiert. Beides geschieht aus der Annahme heraus, dass Männer Sex immer mögen, wohingegen dieses bei Frauen nur in Verbindung mit Liebe angenommen wird. Anderenfalls wird von einer Störung („Nymphomanie“) ausgegangen. Die grundsätzliche Stereotypisierung von Männern als immer zum Sex bereit wird durch rassistische Stereotype - the hypersexual black male - verschärft. Die dunkle Hautfarbe wird mit Exotik, Abenteuer und Natürlichkeit verbunden. Hinzu kommen körperliche Stereotype wie ein muskulöser Oberkörper und große Genitalien sowie die Fähigkeit zu ausdauerndem Sex (Kempadoo, 2001). Taylor (2006) nennt als weiteres Motiv den Wunsch, den edlen Wilden zu retten. Neben den eigentlich Beteiligten sind weiterhin die Familien der Männer betroffen. Viele von ihnen sind verheiratet und haben Kinder. Außer der psychischen Belastung und sozialen Probleme wie Ausgrenzungen besteht die Gefahr der Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten. Zusammenfassend ähnelt der weibliche dem männlichen Prostitutionstourismus. Da die Umsätze noch gering sind, haben sich kaum Strukturen herausgebildet, die männliche Prostitution gegenüber Frauen systematisch kommerzialisieren. Allerdings kann davon ausgegangen, dass sich dieser „Markt“ in Zukunft entwickeln wird. 5.5 Fazit: Reisende Frauen sind unsichtbar Die Betrachtungen zeigen zusammenfassend einen ambivalenten Umgang mit reisenden Frauen. Begründet liegt dieses in der nur geringen und lückenhaften Auseinandersetzung <?page no="149"?> Fazit: Reisende Frauen sind unsichtbar 149 mit Frauen als Reisende. Der Einfluss von Gender auf Reiseplanung, Aktivitäten und Erleben müsste systematisch untersucht werden. Bislang werden mögliche Besonderheiten ignoriert, indem davon ausgegangen wird, dass Reisen genderunabhängig erlebt werden. Mit Bezug auf eine vergleichbare Motivation und Reiseintensität wird angenommen, dass Reisen genderunabhängig dieselbe Bedeutung hat, ähnlichen Zwecken dient und vergleichbare Effekte hat. Wenn jedoch Genderkonstellationen, die im Alltag zu Ein- und Beschränkungen führen sowie zur Konformität mit Erwartungen hinsichtlich des Verhaltens und Aussehens zwingen, weitergeführt werden, können diese beim Reisen nicht einfach ignoriert werden. Menschen sitzen nicht als Tourist*innen im Flugzeug, sondern in Abhängigkeit von der gültigen gesellschaftlichen Genderdefinition als Männer, Frauen oder Diverse. Selbst wenn die Rolle Tourist*in mit spezifischen Erwartungen verknüpft ist, die Abweichungen ermöglicht und legitimiert, ist das nicht gleichbedeutend mit dem Verschwinden sämtlicher Strukturen und Anspruchshaltungen. So hat die Analyse der Darstellung von Frauen als Reisende deutlich gemacht, dass diese von Stereotypen geprägt ist und extreme Abweichungen betont werden. Neben der gerade beschriebenen Nichtbeachtung von Gender wird „Frau“ als Nischenmarkt adressiert, der rund um „typische“ Frauenthemen wie Sicherheit, Komfort, Wellness und Begegnungen mit Frauen kreist. Die Angebote richten sich zumeist an kulturell interessierte Frauen oder an Geschäftsreisende, die hochpreisige Produkte nachfragen. Sichtbar werden somit in der Tourismusindustrie vor allem jene Interessen von Frauen, die mit den Genderstereotypen von unsicheren und schutzsuchenden Wesen übereinstimmen. Die Segmentierung in Form von Gruppenreisen und <?page no="150"?> 150 Frauen als Reisende die Fokussierung auf Angebote von Frauen kann zu einer Abgrenzung führen, auch wenn die Intention eine andere ist. Die Kopplung von Gender und Alter führt zu einer doppelten Diskriminierung und zur gegenseitigen Verstärkung negativer Annahmen. Was von der (reisenden) Frau im Alter bleibt, ist die Abbildung ihres Lachens auf dem Selfie oder die Funktion der Ersatzoma. Wenn Gender und ethnische Herkunft verknüpft werden, zeigt sich in den meisten Fällen ebenfalls eine doppelte Diskriminierung von Frauen. Eine Ausnahme findet sich jedoch in der Form des weiblichen Prostitutionstourismus. Dort kommt es zu einer Umkehrung von Machtstrukturen. Diese Umkehrung kann mit der Aktivierung bekannter Motive des Kolonialismus (weiße Herrschaft als symbolisches Kapital) in Verbindung mit ökonomischer Überlegenheit begründet werden. Hinzu kommen Stereotype von männlicher (dunkelhäutiger) und weiblicher Sexualität. Wie eingangs erwähnt, muss jedoch betont werden, dass ein großer Teil und wesentliche Aspekte der weiblichen Tourismusnachfrage bislang unsichtbar sind resp. nicht tourismuswissenschaftlich untersucht werden. Was bisher sichtbar ist, sind die genderbasierten, marktorientierten Angebote der Tourismuswirtschaft. Diese greift solche Interessen und Bedürfnisse auf, für die sie gut Produkte bereitstellen kann. Eine Ergänzung findet sich in Netzwerken, die Frauen unabhängig von wirtschaftlichen Interessen in Kontakt bringt. Einige der etablierten Netzwerke sind inzwischen jedoch durch einen hohen Altersdurchschnitt geprägt. Es wäre interessant zu untersuchen, wie junge Frauen sich vernetzen und Kontakte, die sie haben, nutzen, um zu reisen. <?page no="151"?> Fazit: Reisende Frauen sind unsichtbar 151 Schließlich existiert eine Vielzahl von Reisen, die Frauen weltweit tätigen, ohne dass diese in die Rubrik Frauenreisen fallen oder durch Netzwerke gestützt sind. Es wäre wichtig, Reisen von Frauen systematisch zu erforschen, Wirkungen zu analysieren und bspw. zu untersuchen, wie die Reiseerfahrungen von Frauen später das Reisen innerhalb der Familie prägen. Die ganz „normale“ Reisetätigkeit von Frauen ist noch zu weiten Teilen unerforscht. <?page no="153"?> 6 Frauen als Betroffene Tourismus hat nicht nur Auswirkungen auf die direkt an diesem beteiligten Menschen, sprich auf die Leistungserbringenden und die Reisenden. Vielmehr wird das gesamte Umfeld einer touristischen Aktivität beeinflusst. Diese Thematik wird seit Jahrzehnten unter den Stichworten des nachhaltigen resp. verantwortungsvollen oder auch sanften Tourismus diskutiert (→ Box).  Wissen │ Nachhaltiger Tourismus? ! Nachhaltiger Tourismus (vgl. Balaš & Strasdas, 2019) basiert auf den drei Säulen der Nachhaltigkeit (Rio de Janeiro 1992), wonach negative ökologische, ökonomische und soziokulturelle Wirkungen reduziert werden sollen. Erforderlich ist dafür ein verantwortungsvolles Verhalten aller am Tourismus beteiligter Personen und insbesondere von Unternehmen. Letztere sollen im Rahmen eines umfassenden Corporate-Social-Responsibility- (CSR)-Konzepts auch die Bedürfnisse unterschiedlicher Anspruchsgruppen, Mitarbeitende, Bevölkerung, Reisende etc., berücksichtigen. In diesem Kapitel werden exemplarisch die Folgen touristischer Aktivitäten für das Lebensumfeld von Frauen betrachtet. So ergeben sich Veränderungen von Sozialstruktur und Kultur, die Gender, Geschlechterbeziehungen und Familienstrukturen beeinflussen. Weiterhin sind Umweltwirkungen, wie bspw. die Verstärkung des Klimawandels, weltweit spürbar und machen sich im Leben von Frauen besonders stark bemerkbar. Abschließend wird diskutiert, ob die <?page no="154"?> 154 Frauen als Betroffene „weibliche“ Perspektive eine Chance für den Tourismus sein kann, indem dieser verantwortungsvoller gestaltet wird. 6.1 Kultureller und sozialer Wandel Die Anwesenheit von Tourist*innen beeinflusst die Sozialstruktur eines Landes, da neue Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen und sich somit das etablierte System bestehend aus Berufen, Zuständigkeiten und der damit verbundenen gesellschaftlichen Bedeutung verändert. Ehemals wichtige Sektoren wie bspw. die Landwirtschaft verlieren an Einfluss, wenn mit dem Tourismus höhere Einnahmen generiert werden können. Dasselbe gilt für die Wichtigkeit von Regionen, etwa, wenn Städte zunehmend an Attraktivität gewinnen und Menschen deswegen ländliche Regionen verlassen. Umgekehrt kann durch die Schaffung eines touristischen Angebots, bspw. eines Ressorts, eine bisher abgelegene Region plötzlich attraktiv werden (Heuwinkel et al., 2020). Die neu entstandenen Arbeitsplätze ziehen nicht nur Arbeitssuchende und ihre Familien an, sondern auch Menschen, die hoffen, von der Belebung der Region profitieren zu können. Problematisch wird es dann, wenn Abhängigkeiten sehr einseitig verteilt sind und die Einnahmen nicht in der Region bleiben, sondern abfließen. Walter Freyer (2015) weist darauf hin, dass es zu Veränderungen innerhalb von Familienstrukturen kommen kann, wenn Kinder die Nähe von Tourist*innen suchen oder vermehrt junge Menschen eine Beschäftigung finden. Dasselbe gilt, wenn Frauen im Tourismus oder im Umfeld desselben ein Einkommen erwirtschaften können. Die damit verbundene Stärkung kann als Schwächung anderer empfunden werden und zu Konflikten führen. <?page no="155"?> Kultureller und sozialer Wandel 155  Beispiel │ Langebaan In Langebaan, Südafrika, werden Tourist*innen darüber informiert, dass sie keine Handarbeiten von Kindern kaufen sollen. Wenn Kinder auf diese Weise Geld verdienen, besteht die Gefahr, dass sie nicht weiter zur Schule gehen, da das Einkommen ihnen bzw. der Familie wichtiger ist als die Schulbildung. Auf der kulturellen Ebene werden Werte und Normen sowie traditionelle Rollenbilder durch die Präsenz anderer Kulturen hinterfragt (→ Box). Hinzu kommen sich verändernde kulturelle Praktiken und Traditionen. Eine pauschale Bewertung der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Kultur eines Landes und insbesondere für die in dem Land lebenden Frauen ist kaum möglich. Es finden sich sowohl optimistische als auch pessimistische Betrachtungen der kulturellen Annäherung. Da Tourismus sehr unterschiedlich gestaltet sein kann, sind die Auswirkungen desselben abhängig davon, wie intensiv der Kontakt zwischen Tourist*innen und Einheimischen ist. Ein weiterer Aspekt, der die Akkulturation beeinflusst, ist die Erfahrung im Umgang mit anderen Kulturen. So wird ein Erstkontakt einen intensiveren Einfluss haben als kontinuierliche Begegnungen. Modelle zum Destinationslebenszyklus wie Doxeys (1975) irritation index model sowie Untersuchungen zur Wahrnehmung und Bewertung von Tourismus durch Einheimische stellen Reaktionsweisen dar. Ein wichtiger Begriff ist in diesem Zusammenhang die Lebensqualität (quality of life) (Uysal et al., 2016). <?page no="156"?> 156 Frauen als Betroffene  Wissen │ Akkulturation Akkulturation beschreibt die Übernahme und Aneignung kultureller Elemente aus einer anderen Kultur. Zu den Elementen gehören Normen, Werte sowie Deutungsmuster und ebenfalls gendertypische Verhaltensweisen. Basis dafür ist räumliche Mobilität, u. a. Migration und Tourismus. Akkulturation hat unterschiedliche Ausprägungen. So variiert das Verhältnis zwischen Beibehaltung der eigenen Kultur und Aufnahme der fremden Kultur (Berry, 1990). Ein Merkmal der Akkulturation im Tourismus ist, dass sich die Mehrheit (einheimische Bevölkerung) an die Kultur der Minderheit (Tourist*innen) anpasst resp. auf diese reagiert. Ein Teil der Anpassung erfolgt bewusst und aus strategischen Gründen, bspw. um zu gefallen. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Anpassung nicht an die fremde Kultur an sich erfolgt, sondern an die in dieser existierende Stereotype der eigenen Kultur. Sämtliche Veränderungen beeinflussen Genderverhältnisse, indem sie diese verstärken, hinterfragen oder auch direkt verändern. Eine Verstärkung findet dann statt, wenn traditionelle Strukturen touristisch inszeniert werden, bspw. in Form einer Bauernhochzeit. Gleiches gilt, wenn Frauen stereotypes Verhalten darstellen, wenn Tourist*innen in der Nähe sind. Eine Hinterfragung ergibt sich, wenn Genderverhalten beobachtet wird, das von dem eigenen abweicht, bspw. wenn eine junge Frau am Lenkrad des Mietwagens sitzt und ihr (unverheirateter) Partner auf dem Beifahrersitz. Eine Veränderung kann sich ergeben, wenn sich Abhängigkeiten verändern, bspw. wenn eine Frau durch den Verkauf <?page no="157"?> Knappe Ressourcen - Wasser 157 von Handarbeiten an Tourist*innen ein Einkommen generiert und damit eine finanzielle Eigenständigkeit erreichen kann. Die finanzielle Unabhängigkeit ist jedoch nur eine notwendige und keine hinreichende Bedingung für Selbstständigkeit im Sinne von Selbstbestimmung. Zusammenfassend stellt sich die Frage, ob die Auswirkungen der Präsenz von Tourist*innen in einem Land überschaubar und darstellbar sind. Neben offensichtlichen Effekten existieren zahlreiche Nebeneffekte (→ Box). Weiterhin ziehen Veränderungen in Machtstrukturen und Abhängigkeitsverhältnissen langfristig Konsequenzen nach sich, die nicht kontrolliert werden können.  Beispiel │ Sexuelle Übergriffe Es gibt persönliche Berichte darüber, dass es zu einer steigenden Anzahl sexueller Übergriffe und Vergewaltigungen innerhalb von Communities kommt, wenn einheimische Männer Kontakt mit Tourist*innen haben und durch deren Auftreten an- und erregt werden. 6.2 Knappe Ressourcen - Wasser Die Folgen des Tourismus auf die Umwelt und insbesondere auf natürliche Ressourcen wie beispielsweise Wasser sind bekannt und werden seit Jahrzehnten sowohl qualitativ als auch quantitativ dargestellt (Cole et al., 2020). So ist Wasser eine zentrale Ressource für die Tourismusindustrie. Das gilt insbesondere für die Hotellerie, die sich mit Pools, Spas, Golf- und Gartenanlagen positioniert. <?page no="158"?> 158 Frauen als Betroffene  Wissen │ Wasserverbrauch im Tourismus Tourist*innen verbrauchen oft die zehnfache Menge an Wasser wie zu Hause. Ein Grund dafür ist der Wasserbedarf für Pools, Gartenbewässerung und Wäscherei. Für die Nahrungszubereitung wird ebenfalls viel Wasser benötigt. Weiterhin ist für viele Menschen eine Reise gleichbedeutend mit Abstand, Veränderung und einer Lockerung von Regeln. Selbst ansonsten umweltbewusste Menschen wählen Verhaltensweisen, die sehr ressourcenverbrauchend sind. Der Begriff attitude-behavior-gap (Juvan & Dolnicar, 2014) beschreibt die Lücken zwischen einer (umweltbewussten und gerechten) Einstellung und dem tatsächlichen Verhalten von Konsumierenden. Tourismus tritt damit in Konkurrenz zu den Bedürfnissen der Einheimischen und zu anderen Industrien, die ebenfalls Wasser für die Produktion benötigen. Wasser ist in vielen Ländern eine zunehmend knappe Ressource und Wasserknappheit macht sich inzwischen auch in Zentraleuropa bemerkbar. Da Tourismus zumeist im Globalen Süden und während der Sommermonate angesiedelt ist, wird das Problem verstärkt. Wasserknappheit und Wasserverschmutzung sind die Folge. Beides führt zu weiteren Problemen, wie beispielsweise Lebensmittelknappheit aufgrund von Ernteausfällen und die Ausbreitung von Krankheiten aufgrund mangelnder Hygiene. Viele der genannten Konflikte bleiben jedoch abstrakt, weil sie nicht in Bezug zu den Lebenswirklichkeiten von Menschen gestellt werden. Mit Blick auf Gender werden die Folgen von Wasser- und Lebensmittelknappheit erstens sehr anschaulich und zweitens zeigt sich, dass die Folgen oft sehr viel negativer sind, wenn sie speziell auf Frauen bezogen sind. <?page no="159"?> Knappe Ressourcen - Wasser 159 In den meisten Ländern sind mehrheitlich Frauen für die Ernährung der Familie zuständig. Laut WHO und UNICEF (2017) ist dieses in 80 Prozent aller Haushalte der Fall. Zu den Aufgaben gehören die Beschaffung und Zubereitung von Essen, die Einhaltung von Hygiene und als Grundlage für beides die Versorgung mit Wasser. Besondere Herausforderungen ergeben sich während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei der Versorgung von Säuglingen, heranwachsenden und kranken Kindern. Zitat “Access, use, management and authority over water resources are all highly gendered. For these reasons, women constitute distinctive key stakeholders in water policy and programmes.” (Fletcher & Schonewille, 2015, S. 7) “[…] both men and women in Costa Rica consistently perceive water as a women's issue. Women's responsibility for household water is driving them to organize, protest and shape community activism.” (Cole, 2020, S. 8) Da Frauen in vielen Ländern kaum Zugang zu Bildung und mangelndes Wissen über Ernährung haben, kommt es zu Fehl- und Mangelernährung. Traditionelles resp. intuitives Wissen über Ernährung ist nicht nur in industriellen Regionen in Vergessenheit geraten, sondern auch in Entwicklungs- und Schwellenländern. Hinzu kommt, dass traditionelle Lebens- und Ernährungsformen aufgrund von Umweltveränderungen nicht mehr möglich sind. Frauen stehen vor der Herausforderung, die Familie und sich trotz knapper werdender Ressourcen zu versorgen. In den meisten Fällen kommt es zu einer Doppelbelastung durch die Erwerbs- oder Feldarbeit und Familienarbeit. Neben Projekten gegen Fehl- und Mangelernährung finden sich zunehmend von Frauen initiierte Aktionen und Proteste gegen Wasserarmut. Die Proteste richten sich sowohl gegen die Verschwendung <?page no="160"?> 160 Frauen als Betroffene und Verunreinigung von Wasser als auch gegen die Privatisierung, wie sie beispielsweise in Kolumbien zu beobachten ist.  Beispiel │ Gender und Wasser Es finden sich zahlreiche Organisationen, die, oft von Frauen initiiert, Themen rund um die Wasserversorgung adressieren. Die Gender and Water Alliance (GWA) ist in mehr als 125 Ländern aktiv und fördert die Sicherstellung der Wasserversorgung basierend auf einer gleichberechtigen Einbeziehung von Frauen und Männern. ➤ http: / / genderandwater.org/ en Die Global Women’s Water Initiative legt im Gegensatz dazu den Schwerpunkt auf die Ausbildung von Frauen zu Wasserexpertinnen, wie technicians, trainers und social entrepreneurs. Der Ansatz adressiert somit neben dem technischen und ökonomischen Wissen auch die Abänderung von Genderstereotypen. ➤ https: / / www.globalwomenswater.org/ Wateraid legt einen der Schwerpunkte auf die Unterstützung von Frauen und Mädchen, da diese gleich mehrfach von Wassermangel betroffen sind. Viele Mädchen können nicht oder nur selten zur Schule gehen, da sie für den Wassertransport zuständig sind. Hinzu kommen die Einschränkungen durch fehlende sanitäre Einrichtungen. Ein wichtiger Begriff ist in diesem Zusammenhang die Periodenarmut. 36 36 Viele Frauen und Mädchen können sich Periodenartikel, wie Einlagen und Tampons, finanziell nicht leisten. Aus diesem Grund fehlen sie in der Schule oder am Arbeitsplatz während ihrer Periode. (Erdbeerwoche, 2021). <?page no="161"?> Knappe Ressourcen - Wasser 161 ➤ https: / / www.wateraid.org/ sowie ➤ https: / / erdbeerwoche.com Obwohl die Verbindung von Tourismus und Wasser offen diskutiert wird und die UNWTO (2017) Tourismus als Chance für eine Verbesserung der Situation definierte, fehlen laut Stroma Cole (2020) sowohl die konzeptionellen Grundlagen für eine Umsetzung als auch die praktischen Ansätze dafür. Zitat “However, none of the climate change and gender studies considers tourism a factor.” (Cole, 2020, S. 8) “[…] there has been no analysis of how this [achieving water access and security, as well as hygiene and sanitation for all] can be achieved.” (Cole, 2020, S. 8) Auch wenn der Zusammenhang zwischen Gender und Wasser hier nur knapp behandelt wurde, konnte deutlich gemacht werden, in welch starkem Maße das Leben von Frauen und Mädchen durch diese Ressource und den Umgang mit dieser beeinflusst wird. Wasser ist nicht nur eine lebenswichtige Ressource, sondern ein zentraler Faktor, der die Lebenswirklichkeit von Frauen und Mädchen in vielen Ländern entscheidend bestimmt.  Denkübung | Wasser und die tägliche Routine Wasser ist für viele von uns etwas, das einfach so aus dem Wasserhahn kommt. Oft wird nicht darüber nachgedacht, woher das Wasser kommt. In vielen Ländern entscheidet Wasser darüber, ob Mädchen zur Schule und Frauen zur Arbeit gehen können. Stellen Sie sich vor, die nächste Wasserstelle wäre 200 Meter entfernt. <?page no="162"?> 162 Frauen als Betroffene » Wie würde sich Ihr Leben verändern? » Welche Auswirkungen hätte das auf die täglichen Routinen, die Essenzubereitung, die Reinigung von Kleidung und Wohnräumen, die körperliche Hygiene? Die Schaffung touristischer Infrastrukturen und Dienstleistungen geht immer einher mit der Sicherstellung einer stabilen Wasserversorgung. Von vielen Organisationen wird deswegen gefordert, dass die Anliegen der einheimischen Bevölkerung und insbesondere der Frauen bei den Planungen touristischer Projekte einbezogen werden und Wasser als gendered topic adressiert wird. 6.3 Fazit: Wir können nicht nicht reisen Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Tourismus, verstanden als Zusammenspiel von Tourismusindustrie und dem touristischen Handeln einzelner Menschen, einen erheblichen Einfluss auf das Leben von Menschen in Destinationen weltweit hat. Neben den direkt im Tourismus beschäftigten Personen beeinflusst Tourismus auch Menschen im Umfeld, da verschiedene Kulturen aufeinandertreffen. Auch wenn diese Begegnung auf ein Minimum, bspw. die gegenseitige Beobachtung, beschränkt bleibt, kommt es zu einer Wirkung, auch wenn diese darin besteht, dass das Gegenüber ignoriert wird.  Denkübung | Nicht kommunizieren Von Watzlawick (2007) stammt das Axiom, dass wir nicht nicht kommunizieren können. <?page no="163"?> Fazit: Wir können nicht nicht reisen 163 Bitte überlegen Sie sich, ob es in Analogie dazu möglich ist, als Reisende Nicht-Reisende zu sein und somit durch unser Verhalten keinen Unterschied zu machen. Allein unsere Präsenz hat Folgen, ob wir wollen oder nicht. Es macht keinen Unterschied, ob wir uns als Reisende, Touristin, Gast oder noch anders bezeichnen, so lange das Gegenüber uns als Touristin bezeichnet. „Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren.“ (Watzlawick, 2007, S. 60) Die Hinterfragung etablierter Deutungs- und Machtstrukturen kann eine Chance für Frauen und Gendergerechtigkeit bedeuten. Allerdings ist immer zu berücksichtigen, dass gesellschaftliche Veränderungen und vor allem Verschiebungen innerhalb von Machtstrukturen mit einem Verlust von Macht und Kontrolle einhergehen und die „geschwächten“ Personen unter Umständen zu Gewalt greifen, um sich dagegen zu wehren. Obwohl sich im Umfeld des Tourismus viele Möglichkeiten zur Verbesserung der Lebenssituation von Frauen bieten, werden diese Chancen nicht oder nur selten genutzt. Ein Grund dafür kann sein, dass der Schwerpunkt der Betrachtungen auf der Verbesserung der ökonomischen Situation liegt und andere Aspekte, die diese bedingen, bspw. Bildung oder die Versorgung der Kinder, unbeachtet bleiben. Weiterhin bedeutet allein die bessere ökonomische Lage nicht unbedingt, dass es den Menschen besser geht. <?page no="164"?> 164 Frauen als Betroffene Erfolgreiche Projekte und Initiativen zeichnen sich dadurch aus, dass die „weibliche“ Perspektive resp. Gender als gesellschaftliche Realität systematisch mit in die Planungen und Umsetzung mit einbezogen ist.  Denkübung │ Die weibliche Perspektive? Vor einiger Zeit machten mehrere junge Frauen auf den Klimawandel aufmerksam und gaben dem Thema ein neues Gesicht. Waren lange Zeit vor allem Wissenschaftler*innen diejenigen, die versuchten, das Thema auf die politische Agenda zu bringen, waren es plötzlich Mädchen und junge Frauen, die protestierten und Fragen stellten. Ebenfalls scheint das Bewusstsein für Ernährung und Umwelt sowie die Bereitschaft das eigene Handeln anzupassen, durch Gender beeinflusst zu sein. So erreichen Frauen in vielen Befragungen zu Umwelteinstellung und Umweltverhalten höhere und damit für die Umwelt positivere Werte als Männer. Allerdings zeigen weitergehende Analysen, dass diese weniger durch das biologische Geschlecht als durch den Handlungskontext und die Sozialisation bedingt sind. Weiterhin gibt es deutliche Unterschiede zwischen der Anzahl weiblicher und männlicher Vegetarier. Auch dieses kann in Bezug zu Genderrollen und Geschlechtsidentität gesetzt werden. Wenn demnach ein für Umwelt und Gesellschaft positiveres Verhalten gendertypisch erlernt wird, müsste es theoretisch möglich sein, alle Menschen dementsprechend „weiblicher“ und somit umweltverträglicher zu erziehen. <?page no="165"?> 7 Frauen im Tourismus: Ungenutzte Chance Wie zu Beginn des Buches dargestellt wurde, sind genderbasierte Ungleichheiten und ihre Folgen für Frauen ein weiterhin aktuelles Thema. Die weltweite COVID-19-Krise hat gezeigt, dass viele Entwicklungen im Bereich der Frauenförderung und Gendergerechtigkeit nur oberflächlich waren und die zugrundeliegenden Strukturen - Machtkonstellationen, Genderstereotype und Denkmuster - erhalten bleiben. Gründe dafür sind: [1] Die kontinuierliche Schaffung von Differenzen innerhalb von Gesellschaften, u. a. die Dichotomie von weiblich und männlich, wobei weiblich „durch einen negativen symbolischen Koeffizienten getrennt ist“ (Bourdieu, 2020, S. 161). Frau ist Nicht-Mann. [2] Die enge Verflechtung von Differenz und Macht sowie die zahlreichen Mechanismen zur Aufrechterhaltung und Verfestigung von Machtstrukturen. [3] Die starke Bindung des Genders Frau an körperliche und äußerliche Merkmale. Die Inszenierung von Weiblichkeit erfolgt in einem hohen Maße über Körperlichkeit und Sexualität. [4] Die Wechselwirkung zwischen (medialer) Darstellung von Genderstereotypen hat erhebliche Auswirkungen auf gesellschaftliche und individuelle Annahmen über Gender allgemein und sich selbst. Tourismus und Genderstrukturen Die in diesem Buch durchgeführten Analysen zu den drei Themenfeldern Frauen als Beschäftigte, Frauen als Reisende und Frauen als vom Tourismus betroffene Personen hat die <?page no="166"?> 166 Frauen im Tourismus in → Kapitel 3.7 genannten Annahmen zu einem großen Teil bestätigt. So greift Tourismus existierende Genderstrukturen als Denk- und Verhaltensmuster mehrfach auf resp. führt diese fort und verstärkt sie. Frauen als Beschäftige im Tourismus Frauen im Tourismus bedeutet bezogen auf die Tourismusindustrie vor allem die Konstruktion und Darstellung von „Frau“ und „Weiblichkeit“ basierend auf vorwiegend traditionellen Vorstellungen zu Frauen als häusliche, sorgende und an Aussehen und Erscheinungsbild orientierten Wesen. Ebenfalls findet sich eine deutliche horizontale und vertikale Segregation, sprich, Frauen werden entsprechend der beschriebenen stereotypen Vorstellungen in spezifischen Bereichen und Ebenen positioniert, die etablierte Verhältnisse widerspiegeln. Die starke Ausprägung des informellen Sektors im Tourismus steht stellvertretend für die Unsicherheit der Beschäftigungsverhältnisse von Frauen im Tourismus. Frauen als Reisende Auch bei der Betrachtung von Frauen als Reisende wird die Wirkungsweise von gesellschaftlichen Konstrukten sichtbar. Zwar ermöglichen Urlaub und Geschäftsreisen eine stärkere Flexibilität im Umgang mit Gender und Genderrollen, dichotome und hierarchische Ein- und Anordnungen sowie Verhaltenserwartungen bleiben aber wirksam. Tourismus als Teil moderner Identitäten Tourismus ist eng mit der Gesellschaft verbunden. Die Zeit, die abseits des gewohnten Umfeldes verbracht wird, wird <?page no="167"?> Ungenutzte Chance 167 nicht nur quantitativ mehr, sondern auch vielschichtiger. Sowohl Erholung, Entspannung und Zeit mit Familie und Freund*innen als auch Abwechslung, An- und Aufregung sowie Begegnungen mit fremden Menschen und Kulturen werden gesucht. Reiseerlebnisse bieten Stoff für interessante Geschichten und ermöglichen die Arbeit an narrativen Identitäten. Gender ist ein wichtiger Teil der Identität und kann durch Reisen und Reiseerlebnisse gestaltet werden. Touristische Idealbilder von Tourist*innen Tourismus produziert bezogen auf Tourist*innen und Reisende ein Idealbild freier und ungebundener Menschen, die Zeit haben, sich zu erholen, sich selbst zu finden, glücklich zu sein und/ oder etwas Anderes zu entdecken. Dieses Idealbild beeinflusst Vorstellungen darüber, wie ein Mensch - eine „Frau“ oder ein „Mann“ - sich beim Reisen zu verhalten und zu fühlen hat. Durch die Herauslösung aus dem gewohnten Umfeld bieten sich neue Freiheitsgrade, die eine (temporäre) Verhaltensänderung erlauben. Die Begegnung mit anderen kann zur Reflexion genutzt werden. Selbst wenn dieses nicht aktiv gesucht wird, entwickeln die im Urlaub/ auf der Reise vorgefundenen Strukturen eine Wirkung. Vor diesem Hintergrund muss davon ausgegangen werden, dass touristische Bilder sowohl Vorstellungen über sich selbst und das Gegenüber im Tourismus strukturieren und konstruieren als auch als Handlungsanweisungen wirken. Dieses erfolgt nicht in einem freien Feld, sondern in Bezug auf bereits in der Gesellschaft etablierte normierten Vorstellungen. Seitens der Tourismusindustrie werden Genderstereotype u.a. in der Darstellung und Kommunikation aufgegriffen und damit verstärkt. Die Darstellung von Frau und Weiblichkeit im Tourismus bewegt sich zwischen den drei Polen <?page no="168"?> 168 Frauen im Tourismus a) begehrenswert und verführerisch resp. abenteuerlustig, b) sorgend und pflegend oder c) schutzsuchend. Touristische Berufsrollen Neben Vorstellungen von Tourist*innen und Reisenden werden Bilder von im Tourismus beschäftigter Menschen kreiert. Die im Tourismus etablierten Berufsrollen kommunizieren die Vorstellungen von vermeintlich typischen „weiblichen“ und „männlichen“ Tätigkeiten und Berufen nach außen. Eine überzogene Darstellung von Berufsrollen findet sich in der Tourismuskommunikation. Neben der bewussten Produktion von Bildern beobachten Menschen touristische Leistungserbringer*innen und leiten davon Vorstellungen über Gender im Tourismus ab. Bilder der Anderen Zunächst sind Vorstellungen über das Andere ein zentrales Element im Tourismus (Heuwinkel, 2019). Stereotype Vorstellungen von den gastfreundlichen, attraktiven, lebenslustigen oder auch exotischen Menschen in einer Destination sowie Bilder von anderen Lebensformen sind für viele Menschen ein zentrales Reisemotiv. Besondere Relevanz hat das Attribut „schön“, wenn Frauen beschrieben werden. Durch die Begegnung von Menschen mit unterschiedlichen Vorstellungen zu Gender und Genderverhältnissen kann es zu einem Überdenken der eigenen Einstellungen und Verhaltensweisen kommen. Dieser Aspekt gilt sowohl für die Reisenden als auch für Menschen in den Destinationen. Die Produktion von Genderbildern und -vorstellungen erfolgt somit a) absichtlich in der Tourismuskommunikation, <?page no="169"?> Ungenutzte Chance 169 b) in der privaten Kommunikation über das Reisen und c) unabsichtlich durch die im Tourismus gelebten Praktiken. Tourismus und Gender: Ungenutzte Chancen Gesellschaft öffnet und schließt Handlungsräume für Menschen basierend auf Ein- und Zuordnungen. Einige dieser Prozesse werden bewusst gesteuert, andere resultieren aus Wechselwirkungen, die kaum nachvollzogen werden können. Tourismus ist ein Bereich, der Abseits des Alltags weitere Räume für eine begrenzte Zeit erschließt. Damit bieten sich theoretisch Freiheiten. Die Analyse des Tourismus vor dem Hintergrund von genderbasierten Deutungen, Darstellungen und Strukturen hat jedoch gezeigt, dass es sich nicht um einen genderfreien Raum handelt. Vielmehr ist Tourismus durchzogen von Vorstellungen über Gender, über Frauen und Weiblichkeit, über Männer und Männlichkeit. Darüber hinaus wird das Attribut Frau genutzt, eingesetzt und als käuflich definiert. Durch die Kopplung von Genderdiskriminierung an Benachteiligungen aufgrund von ethnischem Hintergrund und Bildungsniveau sind Frauen im Tourismus zudem oft mehrfach benachteiligt. Dieser Zusammenhang muss sichtbar gemacht und offen adressiert werden. Zitat “The field certainly needs more scholarship that deconstructs how gender intersects with other vectors of oppression such as race, ethnicity, dis/ ability, class, age, etc. and this could intensify with greater cross-disciplinary exchanges.” (Figueroa-Domecq, 2015, S. 19) <?page no="170"?> 170 Frauen im Tourismus Selbst wenn sich im Tourismus neue Möglichkeiten für Frauen bieten, resultiert daraus nicht automatisch eine Verbesserung ihrer Situation. Solange die tradierten Dichotomien, Machtverteilungen, Stereotype, Denk- und Verhaltensmuster bestehen bleiben, bedeuten neue Aufgaben nur neue Belastungen. Zitat „Tourismus kann also gesellschaftliche Ungleichheiten zementieren und bestehende geschlechtsspezifische Rollenmuster verstärken. Problematisch ist das auch dann, wenn es zu einer Mehrbelastung von Frauen führt. Diese müssen gesellschaftlich bedingt oft zusätzliche Pflichten im Haushalt schultern, weil sich die Aufgabenverteilung oder Infrastruktur etwa bei der Kinderbetreuung oft nicht verändern.“ (DGVN, 2017, o.S.) Lösungsansätze: Sehen und sprechen lernen Ein zentraler Aspekt, der immer wieder deutlich wurde, ist die Unsichtbarkeit von Genderverhältnissen und daraus resultierend die Annahme, dass diese keine Relevanz für die Tourismuswirtschaft und -wissenschaft haben. Das vorliegende Buch hat gezeigt, dass das Attribut Frau einen Unterschied macht und dass Tourismus zu einem erheblichen Teil Profit aus diesem Unterschied zieht. Sei es die durchgängige Beschäftigung von Frauen in schlechten Arbeitsbedingungen, die sexuelle Ausbeutung oder die Darstellung von Frauen als Wellness-Wesen im Marketing; überall wird die Genderdifferenz eingesetzt und instrumentalisiert. Ein Grund für den fehlenden Diskurs über Gender und insbesondere über Frauen im Tourismus ist das Unbehagen der meisten Menschen im Umgang mit dem Thema. Viele <?page no="171"?> Ungenutzte Chance 171 Frauen sehen die Gefahr, als Feministin im Sinne einer einseitig denkenden Kämpferin bezeichnet zu werden. Viele Männer haben hingegen die Sorge, dass sie als Mann ohnehin nur Falsches sagen können. Somit ist ein erster Lösungsansatz zu lernen, über das Thema zu sprechen. Leider fehlen vielen Menschen dazu die richtigen Begriffe resp. sehen sie sich durch die Vielfalt der Begriffe überfordert. Ein Einstieg kann das Erlernen einer nichtdiskriminierenden Sprache 37 sein. Weitere Lösungsansätze sind folgende: » Sensibilisierung für das Thema in Ausbildung und Studium, » kontinuierliche Genderanalyse der Tourismusindustrie, einzelner Unternehmen und Betriebe, » Einbeziehung unterschiedlicher Ausgangspositionen in den tourismuswissenschaftlichen Diskurs, » Verankerung der Themen Frauenförderung, Gendergerechtigkeit und Gleichstellung in den Tourismusstudiengängen. Die genannten Ansätze beziehen sich bewusst auf den akademischen Bereich. Maßnahmen im politischen und wirtschaftlichen Umfeld sowie entsprechende Konzepte und Strategien liegen bereits vor. Die Tourismuswissenschaft sollte sich emanzipieren und sich trauen, als „weibliche“ Wissenschaft zu zeigen, wie gendergerechte Wissenschaft gestaltet sein sollte. 37 Dieses wird ebenfalls dringend für Themen wie Rassismus und Altersdiskriminierung benötigt. <?page no="173"?> Quellen Alle aufgeführten Links waren am 31. März 2021 aktiv und verfügbar. Aitchinson, C. (1996). Gender Space Identity. 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News-Article/ WTTCto-present-its-major-womans-initiativeat-its-Global-Summit-in-Cancun <?page no="191"?> Stichwörter, Personen, Organisationen # #MeToo 21, 39 A Abhängigkeit 23 Agnes-Studie 53 Airlines 89 Aitchinson, Cara 90 Akkulturation 156 Alleinreisende 128 Alter 21, 26, 142 Diskriminierung 171 Altersstereotype 104 Andere 168 Arbeitsteilung 47, 74 Ash, John 13 Asymmetrien 50 Ausbildung 27 Austin, John L. 65 B Becker-Schmidt, Regina 80 Bentz, Melitta 142 Berufe 84 Berufsrollen 168 Beschäftigte 79 Beschäftigung 27 Bette, Karl-Heinrich 68 Bildung 159 Bourdieu, Pierre 41, 45, 57, 83 Butler, Judith 65 C Cheetham, Julie 82 Cohen, Erik 120 Cole, Stroma 33, 161 Condé Nast Traveler 140 COVID-19 21, 165 Criado-Perez, Caroline 25 Crichton, Ruth 82 D Dahrendorf, Ralf 72 Daten 25 David-Néel, Alexandra 128 De Beauvoir, Simone 5 Denkmuster 170 Destinationen 31 Deutungsmuster 74 Devianz 109 Dichotomie 165 <?page no="192"?> 192 Stichwörter, Personen und Organisationen Differenz 165 disembodied 69 Diskurs 58 display 48 Distinktionen 57 Doing Gender 52, 75 Dominanz 50 Durkheim, Émile 41 E Eberhardt, Isabelle 128 Elias, Norbert 41, 55, 57 Embodiment 62 emotionale Arbeit 85 Emotionen 72 Enloe, Cynthia 14, 31 Entrepreneurship 97, 98 Women 100 Entscheidungsprozess 117 Equality in Tourism 37, 89 Equations 37 Erfolgsgeschichten 99 Erscheinungsbild 86 Ethnie 26 European Intitute for Gender Equality 37 F Fair Unterwegs 37 Familie 74 Familienreisen 121 Feminismus 18, 19, 33 Femmes du Tourisme 37 Figueroa-Domecq, Cristina 34 Forschung 122 Forschungsdesign 25 Forster, Georg 128 Fotos 119 Foucault, Michel 55, 58 Frauen 60 Bubble 138 Förderung 16 Forschung 38 Führungsebenen 88 Gründerinnen 97 Reisende 31, 113, 166 Stereotype 103 Frauenanteils 88 Frauenorte 141 Sachsen (Beispiel) 141 Frauenreiseforschung 122 Frauenreisen 136 Freiheit 136 French, John 56 Freyer, Walter 154 Führungsebenen 88 G Garfinkel, Harold 53 Gender 9, 16, 60, 64, 73, 84 -based violence 28 <?page no="193"?> Stichwörter, Personen und Organisationen 193 Doing 52, 75 Forschung im Tourismus 34 Gerechtigkeit 165 Konstruktion 110 Pay Gap 27 Stereotype 101, 125, 149 Strukturen 33 Studies 17, 18, 38 Gender and Water Alliance 160 Geschäftsreisende 128 Geschlechterdifferenz 9 Geschlechtsrollen 83 Giddens, Anthons 62 Giese, Linus 54 Glass Ceiling 90 Global Women’s Water Initiative 160 Goffman, Erving 42, 44, 48, 102, 109 Granny Aupair 144 Grootbos Foundation 82 Gründerinnen 97 Grütter, Karin 34 H Habitus 46 Hall, Derek 31, 32, 124 Hanekom, Lindsay 82 Haraway, Donna 20 häusliche Gewalt 23 Heuwinkel, Kerstin 120 Hien, Lena-Maria 96 Hochschild, Arlie R. 72, 85 Hochschulen 38 Hospitality 88 I Idealbilder 167 Identität 62, 63, 75 Identitäten 166 ILO 37 Informalität 80 Informality 28 Informationssuche 117 informeller Sektor 22 Institutionalisierung 49 Institutionen 74, 81 International Labor Organization 27 Irmscher, Gerlinde 13, 120, 125 Istanbul-Konvention 24 J Johnson, Amy 94 K Kategorie 43 Kinnaird, Vivian 31, 32, 124 Kirche 74 <?page no="194"?> 194 Stichwörter, Personen und Organisationen Knebel, Hans-Joachim 120 Körper 33, 62, 63, 64, 68, 72, 75, 85 Kreuzfahrt 89 kritische Theorie 19 kulturelle Ebene 155 L Labeling Approach 109 Lady Rooms 139 Langebaan 155 Langton, Rae 70 Lebensmittelknappheit 158 Letherby, Gayle 33 Literatur 122 Lobe, Mira 142 M Macht 55, 56, 58, 60, 75, 165 Formen 61 Konsetallation 71 Verhältnisse 146 Verteilung 170 Machtbalancen 58 männliche Herrschaft 45 Marketing 101 Strategien 118 Marx, Karl 47 Mead, Georg Herbert 44 Medien 67, 75 Nutzung 119 Migration 87 Misogynie 47, 74 Mixed-Methods-Ansatz 127 Mobilität 133 im Alltag 133 touristische 135 Mobilities 33 N nachhaltiger Tourismus 153 Nedel, Wiebke 129 Netzwerke 58, 150 Normalitäten 21 Nunkoo, Robin 35 Nussbaum, Martha 70 O Objectification 70 sexual 71, 75 OECD 37 Ordnung 42 Overtourism 59 P Performanz 65 Performativität 65 Pfeiffer, Ida 128 Pilotinnen 94 Plüss, Christine 14, 34 <?page no="195"?> Stichwörter, Personen und Organisationen 195 Polo, Marco 128 Popitz, Heinrich 56 Pornographie 67 Pritchard, Annette 33, 105 Prostitution Tourismus 14, 30, 106, 145 R Rassismus 148, 171 Raven, Bertram 56 Reichard, Wilhelmine 142 Reiseentscheidungen 116, 120 Reiseforschung 122 Reisemotivation 31, 115 Reiseverhalten 31 Reynolds, Gillian 33 Ritualisierung 50 Rollen 63 klassische 22 Modelle 124 Rollenspiel 48 Rollentheorie 72 Rollenvorbilder 99 Rollenvorstellung 24 S Scham 62 Grenze 68 Scheuch, Erwin 120 Schönheit 66, 75 Schreiben 123 Schule 74 Segregation 83 Selbstverteidigung 57 Servicevorstellung 110 Sexismus 104 sexistisch 102 Sexualisierung 103 Sexualität 67, 147 sexuelle Ausbeutung 14, 33, 61 sexuelle Orientierung 10 sexuelle Übergriffe 157 Sicherheitsbedürfnis 134 Simmel, Georg 43 situiertes Wissen 20 Social Entrepreneurship 98 soziales Kapital 46 Sozialisation 42, 44 Sozialstruktur 42, 43, 154 Soziologie 41 Statistiken 126 Stereotype 49, 63, 83, 84, 142, 147, 170 rassistische 148 stereotype Deutungen 127 Sustainable Development Goals 30 Swain, Margaret 32 symbolisches Kapital 46, 99 <?page no="196"?> 196 Stichwörter, Personen und Organisationen T Teilzeitstellen 22 Tourism for SDGs 30 Tourismus 12, 39, 60, 68, 71 Industrie 68, 79, 86 Kritik 13 nachhaltiger 153 Prostitution 106, 145 Wasserverbrauch 158 Turner, Louis 13 U UN Women 37 Ungleichheiten 165 UNICEF 30, 159 Universitäten 38 UNWTO 30, 37, 161 Urbain, Jean-Didier 68 V Valtonen, Anu 128 Veijola, Soile 128 Vergeschlechtlichung 47 Verhaltensmuster 73, 170 Verhaltensweisen 63 Verkehrsunfälle 134 Vizcaino, Paola 27 Voagye, Maiden 140 von Humboldt, Alexander 128 Vorbilder 89 W Wasserarmut 159 Wasserverbrauch 158 Wateraid 160 Watzlawick, Paul 162 Weber, Max 41, 55, 56 Weiblichkeit 101 Werbung 52 West, Condance 52 WHO 159 Winkler, Anja 95 WITIA 37 Wolf, Naomi 66, 86 Women Welcome Women World Wide 140 Women-Friendly 139 Work-Life-Balance 89 Z Zeit für sich 136 Zimmerman, Don 52 Zwangsarbeit 27 <?page no="197"?> uistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprach senschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik schaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Stat \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ anagement \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschicht Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ acherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidakt DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus F \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourism \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ WL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanist Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft ologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissensc \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ nguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenscha Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ orische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechn Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenhematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwiss schaft Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ aft Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenscha Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ orische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechn Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenhematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwiss schaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen aft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwe \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik emdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinav \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ WL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilolog Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ rt \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosoph ien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissensc BUCHTIPP Bente Timm Touristische Routen Tourismus kompakt 1. Auflage 2020, 102 Seiten €[D] 19,90 ISBN 978-3-7398-3065-0 eISBN 978-3-7398-8065-5 Mit Erfolgsfaktorenkatalog! Touristische Routen haben in Deutschland eine lange Tradition. Bereits vor 100 Jahren wurden die ersten mit dem Ziel gegründet, die touristische Wertschöpfung in der Destination zu steigern. Dieses Ziel gilt bis heute. Trotz der langen Historie gibt es kaum Literatur, die das Thema theoretisch beleuchtet sowie auf den aktuellen Routenbestand, Erfolgs- und Qualitätskriterien eingeht. Genau diese Lücke schließt Bente Timm. Ihr Buch hilft als kompakte Leitlinie bei der Entwicklung und dem Management. UVK Verlag. Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="198"?> uistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprach senschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik schaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Stat \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ anagement \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschicht Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ acherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidakt DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus F \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourism \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ WL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanist Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft ologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissensc \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ nguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenscha Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ orische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechn Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenhematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwiss schaft Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ aft Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenscha Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ orische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechn Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenhematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwiss schaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen aft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwe \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik emdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinav \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ WL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilolog Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ rt \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosoph ien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissensc BUCHTIPP Sara Blum Neue Kunden für den Reisemarkt − die Generation Z Tourismus kompakt 1. Auflage 2021, 211 Seiten €[D] 19,90 ISBN 978-3-7398-3121-3 eISBN 978-3-7398-8121-8 Neue Anforderungen an die Tourismusbranche! Die Generation Z reist rund um den Erdball, inszeniert sich gerne selbst und - sie ist stets online. Aus der touristischen Perspektive ist gerade diese Generation hochinteressant, denn sie unterscheidet sich im Hinblick auf touristische Interessen klar von den vorherigen. Sara Blum beleuchtet das Reiseverhalten mithilfe unterschiedlicher Szenarien. In der Folge stellt sie zentrale touristische Handlungsempfehlungen vor - etwa das Einbinden von Augmented und Virtual Reality sowie von künstlicher Intelligenz in touristische Dienstleistungen. Das Buch richtet sich an Tourismuswissenschaft und -praxis. UVK Verlag. Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="199"?> Geschlechterstereotype im Tourismus erkennen! Das Attribut „Frau“ als Genderzuordnung macht einen Unterschied - in vielen Bereichen. Dies gilt auch im Tourismus. Kerstin Heuwinkel untersucht systematisch Geschlechterstereotype im Tourismus und diskutiert die damit verbundenen Konsequenzen. Dieses Buch macht Frauen in der Tourismusindustrie, als Reisende und Betroffene, sichtbar und analysiert ihre jeweiligen Positionen, Abhängigkeiten und Handlungsalternativen. Ausgehend von soziologischen Konzepten deckt die Autorin genderbasierte Strukturen und Konflikte auf und entwickelt eine Perspektive für gendergerechte Lösungen. Fallbeispiele und Interviews mit Frauen aus der Tourismuspraxis runden dieses Buch ab. Eine spannende Lektüre für Studierende, Wissenschaftler: innen und Praktiker: innen im Tourismus, die zum Nachdenken anregt - auch über sich selbst. Dr. Kerstin Heuwinkel ist Professorin an der htw saar, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes. Sie lehrt nachhaltiges Tourismus-Management, Tourismussoziologie und Kulturmanagement. www.uvk.de ISBN 978-3-7398-3086-5