eBooks

Lotte Eckener

Tochter, Fotografin und Verlegerin

0329
2021
978-3-7398-8108-9
978-3-7398-3108-4
UVK Verlag 
Dorothea Cremer-Schacht
Siegmund Kopitzki

Lotte Eckener (1906 Friedrichshafen - 1995 Konstanz) stand immer im Schatten ihres berühmten Vaters Dr. Hugo Eckener, dem Wegbegleiter und Nachfolger des Luftschiffpioniers Ferdinand Graf Zeppelin. Dabei hat sie als Fotografin und Verlegerin eigene Spuren in der internationalen Kulturregion Bodensee hinterlassen. Sieben Bücher veröffentlichte die Fotografin unter ihrem Namen, an 30 Kunst- und Fotobänden war sie als Verlegerin beteiligt. Nach ihrem Studium an der Staatlichen Höheren Fachschule für Phototechnik in München perfektionierte sie ihr Können im Atelier von Alexander Binder in Berlin. Auch nach Rückkehr an den Bodensee und ihrer Heirat mit Paul Simon blieb sie der Fotografie treu. Sie entdeckte die heimische Landschaft und Sakralkunst als zentrale Motive für sich neu. 1949 gründete sie mit Marlis Schoeller ihren ersten Verlag in Kattenhorn auf der Höri, den sie bis 1967 mit Martha Koch unter dem Namen Simon + Koch weiterführte. Er war vermutlich der erste von Frauen gegründete und geleitete Verlag im Nachkriegsdeutschland. Die Herausgeber dieses Buches sind Lotte Eckeners Spuren, die zu verblassen drohten, nachgegangen und vermessen sie neu. Ihr Blick auf die Tochter, Fotografin und Verlegerin wird erweitert durch Beiträge von Mitgliedern der Familien Eckener und Koch sowie Überblicksartikel zum Verlagsleben am Bodensee und der Kunst der Fotografie jener frühen Jahre.

<?page no="0"?> Dorothea Cremer-Schacht, Siegmund Kopitzki (Hg.) Lotte Eckener Tochter, Fotografin und Verlegerin <?page no="1"?> Kleine Schriftenreihe des Stadtarchivs Konstanz Hg. von Jürgen Klöckler Band 22 <?page no="2"?> Dorothea Cremer-Schacht, Siegmund Kopitzki (Hg.) Lotte Eckener Tochter, Fotografin und Verlegerin UVK Verlag · München <?page no="3"?> Einbandmotiv: Lotte Eckener, Berlin 1928/ 29. Archiv Dorothea Cremer-Schacht Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © UVK Verlag 2021 - ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz CPI books GmbH, Leck Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de ISSN 1619-6554 ISBN 978-3-7398-3108-4 (Print) ISBN 978-3-7398-8108-9 (ePDF) <?page no="4"?> Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki Die Tochter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Siegmund Kopitzki „Ah! Der Zwei-Frauen-Verlag“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Uwe Eckener über Lotte Simon-Eckener Die Fotografin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Dorothea Cremer-Schacht Lehr- und Wanderjahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .107 Fotografien von Lotte Eckener bis in die 1930er-Jahre Schöner Realismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .127 Lotte Eckeners Fotografie im historischen Kontext Bernd Stiegler Die Verlegerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .135 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki Erinnerungen an meine Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Christiane Hermann Landschaft und Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Fotografien von Lotte Eckener bis in die 1960er-Jahre Zur Verlagsszene am Bodensee nach dem Zweiten Weltkrieg . . 211 Manfred Bosch <?page no="5"?> 6 Inhalt Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .221 Dorothea Cremer-Schacht Lotte Eckener - Lebensdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 <?page no="6"?> Vorwort Die Idee zu diesem Buch entstand im Zusammenhang mit dem Ausstellungsprojekt „Lotte Eckener - Tochter, Fotografin und Verlegerin“ der literarischen Gesellschaft Forum Allmende e V . im Hesse Museum in Gaienhofen Eine begleitende Publikation sollte über die kurze Dauer der Ausstellung hinaus an Eckener erinnern . Zunächst war eine Broschüre angedacht, wie sie Forum Allmende zu früheren Ausstellungen in Gaienhofen veröffentlicht hat Eine intensivere Beschäftigung zeigte, dass eine Druckschrift von geringem Umfang Person und Werk von Lotte Eckener nicht gerecht werden würde Die Herausgeber haben daher das Angebot von Stadtarchivar Prof Dr Jürgen Klöckler dankbar angenommen, das Buch in der Schriftenreihe des Stadtarchivs Konstanz zu veröffentlichen Lotte Eckener wurde 1906 in Friedrichshafen geboren . Nach ihrer Heirat mit dem Zahnarzt Dr Paul Simon nannte sie sich auch Simon-Eckener Sie lebte bis zu ihrem Tod 1995 in Konstanz In der Konzilsstadt gründete sie 1954 gemeinsam mit Martha Koch den Verlag Simon + Koch Zuvor hatte sie im Schoeller-Verlag Kattenhorn am Bodensee Erfahrung gesammelt Von Konstanz aus verfolgte Lotte Eckener ihre Aktivitäten als Fotografin Sie hatte das Handwerk in München erlernt und im renommierten Atelier von Alexander Binder in Berlin gearbeitet In ihrem Verlag publizierte sie fünf eigenständige Bücher, zwei weitere in anderen Verlagen Ihr Buch Bodensee. Landschaft und Kunst war lange Zeit ein einflussreiches Werk und erschien in mindestens 14 Auflagen . Insgesamt verlegte Simon + Koch gegen 30 Kunstbände und reproduzierte Hunderte von Kunst- und Fotokarten Lotte Simon-Eckener war die Tochter von Dr Hugo Eckener, dem Wegbegleiter und Nachfolger von Ferdinand Graf Zeppelin Der Luftschiffpionier war in den 1920er-Jahren der berühmteste Deutsche, er wurde weltweit als „moderner Columbus“ gefeiert . Am Nachruhm ihres Vaters hatte die Tochter als Co-Autorin verschiedener Publikationen mitgewirkt und nahm nach seinem Tod 1954 bei repräsentativen Terminen eine Stellvertreterrolle ein . Ihr eigenes <?page no="7"?> 8 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki künstlerisches und verlegerisches Schaffen geriet dabei in den Hintergrund Sie sorgte sich zwar um den Nachlass des Vaters, das eigene Archiv verlor sie aus den Augen Uneitel wie sie war, sah sie sich nicht als „Nachrufpersönlichkeit“ - zum Nachteil der Nachgeborenen, die sie wieder in unser Gedächtnis zurückholen wollen Nur einige persönliche und geschäftliche Korrespondenz, Manuskripte, Schriftstücke, Flyer von Verlagsprogrammen, Rezensionen der Bücher und Berichte über Auftritte der Frauen bei der Frankfurter Buchmesse konnten gesichert werden Der gesamte Nachlass, der den Herausgebern von „Lotte Eckener - Tochter, Fotografin und Verlegerin“ zur Verfügung stand, füllt vier Leitz-Ordner und zwei Umzugskisten Diese Verlustanzeige gilt ebenfalls für den 1949 gegründeten und 1954 aufgelösten Schoeller-Verlag Kattenhorn Die „Projektgruppe Fotografie am Bodensee“, eine Gründung von Dorothea Cremer-Schacht und Franzis von Stechow, hatte sich schon in den 1990er-Jahren um den künstlerischen Nachlass bemüht, um in der Folge die Fotografin mit Ausstellungen und Portraits vor dem Vergessen zu bewahren Ein Teil der gesicherten Fotografien werden in diesem Buch der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht An der Stelle, an der die Zeugnisse und Dokumente nicht mehr genügten, um eine belastbare Chronik dieses Lebens und der Ereignisse um sie herum zu rekonstruieren, konnten wir als Herausgeber auf Protokolle der Gespräche zurückgreifen, die wir mit Christiane Hermann, Tochter der Verlegerin Martha Koch, Dr Uwe Eckener und Dr Wolfgang A Simon, den beiden Neffen von Lotte Simon- Eckener geführt hatten Zwei der drei Gesprächspartner, Christiane Hermann und Dr Uwe Eckener, kommen in einem eigens für dieses Buch verfassten Erinnerungstext bzw in einem Interview selbst zu Wort Die Herausgeber, die Lotte Simon-Eckener noch persönlich kennengelernt hatten, teilten sich zwar die Schreibarbeit, aber jeder Text entstand im Dialog, wobei sich thematische Überschneidungen nicht immer ganz vermeiden ließen Die Darstellung über die Verlegerin ist eine Gemeinschaftsarbeit von Dorothea Cremer- Schacht und Siegmund Kopitzki Angesichts der überschaubaren Quellenlage, aber auch als ferne Beobachter maßen wir uns nicht <?page no="8"?> Vorwort 9 an, über diesen Lebenslauf, der fast das gesamte 20 . Jahrhundert durchlief, abschließend zu urteilen Es war zudem unser Interesse, den Blick auf das fotografische und verlegerische Werk von Lotte Simon-Eckener mit qualifizierten Beiträgen zu erweitern Dafür konnten wir den Kunst- und Medienwissenschaftler Prof Dr Bernd Stiegler von der Konstanzer Universität gewinnen, der die Fotografin als Kind der „Münchner Schule“ darstellt Der Publizist Manfred Bosch hat die beiden genannten Verlage in den Kontext der Nachkriegsliteratur am Bodensee gestellt, die Lotte Simon-Eckener nahezu zwei Dekaden lang mitgestaltet hat Darüber hinaus war Bosch, mit der hiesigen Literaturregion bestens vertraut, den Herausgebern bei diesem Buch- und Ausstellungsprojekt ein kritischer Begleiter Unser Dank geht auch an die Mitarbeiter der Stadtarchive Friedrichshafen, Konstanz, Singen und des Archivs der Luftschiffbau Zeppelin GmbH in Friedrichshafen, an das Literaturarchiv Marbach am Neckar, das Bayerische Hauptstaatsarchiv in München, die Sammlung Fotografie des Münchner Stadtmuseums und an Dr Christian Reindl, der uns sein Privatarchiv öffnete . Außerdem haben das Gemeindearchiv Oberammergau und die Deutsche Kinemathek - Marlene Dietrich, Collection Berlin / Sammlung Lotte Eckener wertvolle Informationen geliefert Prof . Dr Jürgen Klöckler und Uta C Preimesser vom UVK-Verlag haben sich von Anfang an für dieses Buchprojekt begeistern lassen, sie haben die Beiträge sorgsam durchgesehen, auch dafür ein herzliches Dankeschön Dr Ute Hübner muss an dieser Stelle genannt werden Die Leiterin des Hesse-Museums zeigte sich offen für die Ausstellungsidee „Lotte Eckener - Tochter, Fotografin und Verlegerin“ und ermutigte uns ebenfalls zu diesem Buch Sie blieb in dieser Causa verbindlich, trotz des „Lockdowns“ infolge der Corona-Pandemie, die ihre, aber auch unsere Projektplanung mehrfach durcheinanderwirbelte . Die Herausgeber, zugleich Kuratoren der Ausstellung, sind dankbar für diese Kooperation Zuletzt: Ganz aus dem Auge hatte auch die Stadt Konstanz die Fotografin und Verlegerin nicht verloren Im Auftrag der Frauenbeauftragten Christa Albrecht wurde 2005 der Flyer „Frauenleben in Konstanz“ aufgelegt, in dem an Lotte Simon-Eckener als eine von <?page no="9"?> 10 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki zwölf „Pionierinnen des letzten Jahrhunderts“ erinnert wurde Seither ist aber nichts mehr passiert Leben und Leistungen außergewöhnlicher Frauen vor dem Vergessen zu bewahren, das sollte eine Gemeinschaftsaufgabe sein Während den Vorbereitungen zu diesem Buch und zur Ausstellung in Gaienhofen erhielten wir eine Zuschrift aus Hamburg . Dort hat sich eine Initiative gegründet, die sich um Geschlechterverhältnisse bei Straßen und Plätzen kümmert Da gibt es Nachholbedarf, auch in Konstanz, ließ sie uns wissen Mehr als 70 Straßen in Deutschland tragen den Namen Dr Hugo Eckener, keine den seiner Tochter . Vielleicht geben ja Buch und Ausstellung einen entsprechenden Anstoß, das zu ändern . Konstanz im Dezember 2020 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki <?page no="10"?> Die Tochter S iegmund K opitzKi „Ist doch ein Vater stets ein Gott! “ Johann W. von Goethe Flensburg Im April 1951 stattete der „Luftschiffpionier“ Dr Hugo Eckener seiner Vaterstadt Flensburg zusammen mit seiner Tochter, Lotte Simon-Eckener, einen letzten Besuch ab Aber nicht nur das Wiedersehen mit der Verwandtschaft und alten Freunden war Grund der Reise vom Süden Deutschlands in den hohen Norden . Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten drei Viertel der Flensburger Bürger dänisch werden 1951 wurde darüber abgestimmt, ob die Grenzstadt weiterhin deutsch bleiben oder dänisch werden sollte . Das Ergebnis ist bekannt Bei seinem Besuch noch vor der entscheidenden Wahl hielt der 83-Jährige im „Deutschen Haus“ eine Rede, „knapp vor Toresschluss“, wie er einräumte, in der er dafür plädierte, dass sich die Bewohner der Stadt als Schleswig-Holsteiner sehen sollten Eckener wurde aber auch grundsätzlich Er forderte angesichts der schwierigen politischen Wetterlage Freiheit und Frieden 1 Und auch die Debatten in der Heimat, das Verhältnis der jungen Bundesrepublik zu den europäischen Nachbarn bewegten Eckener Mit einem Wort von Johann Wolfgang von Goethe schloss er: „Duldsamkeit ist die einzige Vermittlung eines in allen Anlagen und Kräften tätigen Friedens“ . 2 Es bleibt Spekulation, ob die Rede zum Ausgang der Abstimmung beigetragen hat Dass das Wort des Ehrenbürgers der Stadt von Gewicht war, ist unstrittig - die Ehrenbürgerschaft wurde Eckener nach seiner Amerikafahrt mit dem Luftschiff L 126 am 17 Oktober 1924 verliehen Welches Ansehen er genoss, obwohl er 1888 gemeinsam mit seinem Bruder Alexander der Stadt den Rücken gekehrt hatte, zunächst in München, dann in Berlin und Leipzig studierte und nach einem Zwischenspiel an der Flensburger <?page no="11"?> 12 Siegmund Kopitzki Förde und in München schließlich an den Bodensee zog, zeigte sich im „riesigen Fackelzug“, 3 mit dem ihn die Bürgerschaft feierte Der greise Eckener nahm am Fenster seines Elternhauses in der Norderstraße Nr 8 die Huldigung entgegen Neben ihm die Tochter und seine Frau Johanna Die Momentaufnahme will uns noch etwas anderes sagen: Wer über Lotte Simon-Eckener schreiben will, selbst ohne chronologische Sturheit, darf die Eltern, darf den Vatergott nicht verschweigen Das ist auch hier die Laufrichtung 1951 besuchte Hugo Eckener Lotte seine Geburtsstadt Flensburg anlässlich einer Volksabstimmung. Die Bevölkerung huldigte ihrem Ehrenbürger mit einem Fackelzug, Gemeinsam mit seiner Frau Johanna und seiner Tochter Lotte schaute er aus dem Fenster jener Wohnung in der Norderstraße 8 im „Alt-Flensburger-Haus“, die er in seiner Jugend bewohnt hatte. <?page no="12"?> Die Tochter 13 Nach der Leipziger Studienzeit kehrte Eckener 1892 nach Flensburg zurück und wohnte wieder in dem alten Barockhaus, in dem noch seine Mutter lebte Er wollte als Patriot seiner Wehrpflicht in der damaligen Garnisonsstadt Genüge tun, auch wenn er sich nie als Militarist verstand Im Ersten Weltkrieg bildete er als Zivilist Soldaten aus, begleitete allerdings auch Feindflüge Seine Tochter Lotte, vom Eckener-Biografen Rolf Italiaander dazu befragt: „Wie uns unser Vater erzählte, hatte er, obwohl der Zivilist war, an Feindflügen teilgenommen Wenn das Luftschiff abgestürzt und er gefangen genommen worden wäre, hätte er zum Tode verurteilt werden können“ Wegen „bewiesenen Mutes vor dem Feind“, so die heimliche Co-Autorin Italiaanders, hatte ihr Vater noch im letzten Kriegsjahr 1918 das E .K 1 (Eiserne Kreuz) erhalten . 4 Aber es gab noch andere Gründe für die Heimkehr Eckener musste endlich Geld verdienen Seine Mutter Anna Maria Elisabeth Eckener, Tochter des Flensburger Schuhmachermeisters Christian Lange, war wenige Monate nach seiner Rückkehr verstorben . Sie hatte ihm und Alexander, der Maler und Grafiker wurde, später Professor und Direktor der Stuttgarter Akademie der Bildenden Künste, das ganze Studium finanziert Hugos Vater, Johann Christoph Eckener, war aus Bremen nach Flensburg eingewandert Er gründete in der Stadt eine Zigarrenfabrik Allerdings starb er bereits 1880 im Alter von nur 56 Jahren an Tuberkulose Mit den Brüdern ihres Mannes hatte seine Witwe den Zigarrenhandel weiter betrieben, neben Haushalt und fünf Kindern Hugo wuchs in einem Tabakkollegium auf Das erklärt den passionierten Raucher Eckener, aber auch die fliegenden Zigarren - auf der „Hindenburg“ LZ-130 ließ er einen eigenen „Rauchsalon“ einrichten Der Sohn hatte ein ungetrübtes Verhältnis zu seiner Mutter, wie die Briefe belegen, die er an sie adressierte . 5 Was ihn auch nach Flensburg zog: Eckener war ein begeisterter Segler - wie der Ehemann Lottes, der Konstanzer Zahnarzt Dr Paul Simon Die Begeisterung führte er, den seine Seglerfreunde respektvoll „Zeus“ nannten, auf die Großmutter zurück, die von der Insel Bornholm stammte: „Sicher spielte in mein Leben mit hinein, dass meine Großmutter von einer dänischen Schifferfamilie stammte Es soll eine typische <?page no="13"?> 14 Siegmund Kopitzki Wikingerfamilie gewesen sein Nun - ich selbst fühlte mich auch manchmal als eine Art Wikinger, bei denen das große Abenteuer in hohem Rang stand Aber ich bin kein Abenteurer Ich bin ein Pragmatiker Unbekannte Gleichungen schätze ich nicht“, bekannte Eckener „Und trotzdem war manches, was ich durchführte“, führte er aus, „ein gewaltiges Abenteuer In dessen kalkulierte ich all meine Vorhaben immer so ein, dass jegliches Risiko möglichst gering war Ich wollte jedenfalls kein Leben aufs Spiel setzen . Ich bin stolz darauf und den Göttern dankbar, dass auf meinen Luftschiffunternehmungen keiner verunglückt oder getötet wurde “ 6 Letzteres war dann doch etwas voreilig formuliert . Eckeners Notiz entstand vor der Explosion des Luftschiffes LZ 129 „Hindenburg“ am 6 Mai 1937 in Lakehurst bei New York . Eine halbe Minute dauerte die Tragödie, von der ersten Flamme am Heck des größten Flugobjekts aller Zeiten bis zum Aufschlagen seiner ausgebrannten Reste auf dem Boden 22 Besatzungsmitglieder, 13 Passagiere und ein Landehelfer starben Trotz des Sturzes aus 80 Metern Höhe überlebten 62 der 97 Personen an Bord . Das 247 Meter lange Luftschiff war am Abend des 3 Mai 1937 in Frankfurt/ Main gestartet Es war die 63 Tour, die der mit Hakenkreuz dekorierte Stolz der deutschen Zivilluftfahrt unternahm Mit der Explosion von LZ 129 endete das Zeitalter der Luftschiffe 7 Die Anteilnahme der Weltöffentlichkeit, aber auch die seiner Familie, war groß Eckener selbst hatte vom tragischen Ende der LZ-129 auf einer Vortragsreise erfahren Im Brief vom 12 . Mai 1937 schrieb er an seine Frau Johanna: „In Graz wurde ich nachts um ½ 3- Uhr mit der Schreckensnachricht herausgeklingelt und hörte dann alle Stunde was Neues Am liebsten wäre ich gleich abgefahren, aber ich wollte den Chauffeur doch erst ruhen lassen und wartete so bis 6 Uhr “ 8 Von Wien aus flog er nach Berlin, wo er einen Pflichttermin mit Hermann Göring hatte, dem Reichsminister der Luftfahrt Eckener empfahl die Fahrten des „Graf Zeppelin“ zunächst zu stoppen, bis Näheres über den Hergang der Katastrophe festgestellt worden sei und das wurde akzeptiert Vollständig aufgeklärt wurde die Unglücksursache nie Um den Absturz ranken sich bis heute Verschwörungserzählungen <?page no="14"?> Die Tochter 15 Im Unterschied zu den braunen Machthabern, die bald Abstand nahmen von der Zeppelin-Luftfahrt, sich aber auch von der Person Eckeners distanzierten, blieben ihm die amerikanischen Medien treu Zur Linderung seines tiefen persönlichen Schmerzes über die ‚Hindenburg‘-Katastrophe erhielt er die Guggenheim-Medaille als Anerkennung für seine Leistungen zur Förderung der Luftfahrt Eckener war kein Nationalsozialist Das machte er mit seiner Haltung deutlich Sein ihm freundlich gesinnter Biograf Italiaander nennt ihn einen Republikaner 9 Nicht zuletzt aufgrund seiner Integrität wurde Eckener Anfang 1932 als Nachfolger von Paul von Hindenburg für das Amt des Reichspräsidenten gehandelt Er hatte sich die Nationalsozialisten auch deshalb zu Feinden gemacht, weil er dagegen war, dass die Zeppeline mit den Hoheitszeichen des „Dritten Reichs“ versehen werden Er konnte sich aber nicht durchsetzen Lotte Eckener, Vater Hugo und Mutter Johanna. Das Foto entstand um 1921. <?page no="15"?> 16 Siegmund Kopitzki Lottes Eltern hatten sich in Flensburg kennengelernt Johanna war die Tochter des Verlegers der nationalliberalen „Flensburger Nachrichten“ Ludolf P .H Maaß Mit der Familie Maaß waren die Eckeners eng befreundet, Hugo hatte mit Johannas Bruder Friedrich schon während der Schulzeit eine intensivere Beziehung Ihre Hochzeitspläne fielen zusammen mit dem Beginn seiner journalistischen Arbeit bei den „Nachrichten“ Journalismus war nicht das erste Berufsziel des Hochbegabten gewesen Eckener hatte Psychologie, Philosophie, Geschichte und Volkswirtschaft studiert und das Studium 1892 mit einer Dissertation über die „Schwankungen der Auffassung minimaler Sinnesreize“ an der philosophischen Fakultät der Universität Leipzig abgeschlossen Die Dissertation wurde mit „Magna cum laude“ bewertet 10 Zeitweise hatte Eckener an eine Hochschullaufbahn gedacht, den Plan aber verworfen Der Jungakademiker, aber auch noch der gesetzte Herr Eckener machte gerne und steten Gebrauch von dem Titel Mehr als andere Der Schriftsteller Christian Ferber spöttelte daher in einer Glosse: „Mit Vornamen hieß er übrigens nicht Hugo, sondern Doktor “ 11 Italiaander, der schon als Jugendlicher für Eckener schwärmte und ihn in seinem Sachbuch Wegbereiter deutscher Luftgeltung. Neun Lebensbilder (1941) porträtierte, erklärte diesen Dünkel damit, dass Eckener sowohl seinen Ausstieg aus der Kleinbürgerlichkeit der Familie manifestieren wollte, als auch seinen Aufstieg in die Welt der Akademiker: „Er wollte wer sein, wollte gelten, wollte geachtet werden, eine Rolle spielen“ 12 Also: Alles nur Promotion Ein Übermaß an Eitelkeit kann ihm nicht nachgesagt werden Das verdeutlicht eine Anekdote seiner Nichte Inge Gollbeck-Eckener, Tochter seines Bruders Alexander Demnach fand man nach Eckeners Tod am 14 August 1954 in Friedrichhafen in einer Truhe eine Schuhschachtel mit der Aufschrift „Orden“, die lange Zeit unbeachtet geblieben war In der Schachtel befanden sich fünfzig Medaillen und Auszeichnungen Zwischen den Ehrenzeichen und Andenken lag - wenig verwunderlich - Zigarrenasche . „Wie sehr demonstrierten diese Ehrungen doch die Vergänglichkeit jeglichen Ruhmes! “, kommentierte Gollbeck-Eckener den Fund Worauf Lotte erwidert haben soll: „Seien wir nicht sentimental Ich glaube, mein Vater stand über solchen Dingen “ 13 Sie kannte ihn, ihren Vater <?page no="16"?> Die Tochter 17 Schon der Schüler Hugo war ein Bücherwurm, der die Großen der Weltliteratur las Auch im Alter pflegte er die Lektüre: „Ich bin tatsächlich am liebsten allein, und mag mit Menschen nur zusammensein, wenn ich wirklich geistige Anregungen von ihnen bekommen kann Ich finde, man muss danach streben, sich möglichst nach dieser Seite hin auszubilden Um solchen Standpunkt zu erreichen, ist ein Beschäftigung mit Kunst und Literatur das beste Mittel“ 14 Eckener legte auch bei seinen Kindern Hannelise, Knut und Lotte, die in Friedrichshafen zu Welt kamen, auf ein universelles Wissen großen Wert Darauf weist seine Tochter Lotte, deren Zweitname Margarete war, retrospektiv immer wieder hin Der Vater war es, der ihnen die Tür zu Welt öffnete Als Jungautor der „Flensburger Nachrichten“ zeichnete sich Eckener durch kluge Feuilletons aus, sodass er Aufträge von überregionalen Blättern erhielt, auch von der „Frankfurter Zeitung“, der späteren „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ Eckener konnte über Puppenspielerin Lotte Eckener mit ihrer Mutter Johanna um 1911 <?page no="17"?> 18 Siegmund Kopitzki Kunst, Theater und Musik gleichermaßen schreiben Aber auch über eine Segelpartie auf der Ostsee, über soziale und politische Themen . Der Kulturkritiker der „Nachrichten“ ging kaum einer Kontroverse aus dem Weg Gerhart Hauptmann, um ein Beispiel aus dem Theater zu nennen, reizte ihn immer wieder zur Polemik „Ein reiches poetisches Gemüt ist Hauptmann, ein Prophet ist er aber nicht“, schloss er eine Besprechung der Vorstellung von „Die versunkene Glocke“ im Stadttheater 15 Über die Aufführung von Giuseppe Verdis „Troubadour“, ein Klassiker der italienischen Oper, ulkte er: „Der Chor war meistens keiner […] Das Orchester kam bisweilen in Meinungsdifferenzen mit den Sängern, woran jedoch diese letzten durch übertriebene Taktverschleppungen Hauptschuld waren “ 16 Ob dem Kritiker Eckener Boshaftigkeit unterstellt werden darf, soll hier nicht geklärt werden Seine Tochter meinte dazu: „Es schien ihm offenbar Spaß zu machen, nur um des Wortes willen . Witzig-boshafte Formulierungen auf seine Mitmenschen anzuwenden oder loszuwerden, Worte, die er ernstlich gar nicht so meinen konnte“ 17 Eckener hatte nicht nur Verrisse, sondern auch hymnische Lobe verfasst, wenn sie aus seiner Sicht angebracht waren . Lotte zeigte für die „Widerspenstigkeit“ ihres Vaters Verständnis: „Meine Mutter nannte […] meinen Vater lächelnd einen ‚Kampfhahn‘ In der Tat machte Widerstand ihn kämpferisch, und nur so und durch seinen niemals nachlassenden Einsatz für die Luftschiffidee sind seine Erfolge zu verstehen “ 18 Eckener sehnte sich zuletzt nach der eigenen Familie Die erfolgreiche journalistische Arbeit in Flensburg förderte diesen Gedanken Inwieweit er um die Hand von Johanna Maaß kämpfen musste, ist den Quellen nicht zu entnehmen Es gibt ein Schreiben vom Dezember 1895 an die Verlobte, der den Liebesbriefen von Goethes Romanhelden Werther an seine Lotte kaum nachsteht . Hier also Eckener, der Goethe bewunderte: „Meine Johanna, mein Lieb und Leben, mein Sehnen und Streben, Du meine Tugend und mein Laster, meine schönste Idee und mein verrücktester Gedanke, mein Gedanke zum Verrücktwerden und meine Erleuchtung zum Göttlich fühlen, Dich habe ich lieb! Lieb? Nein, Du bist meine Liebe, meine Lust, mein Lieben und Freuen und Glück…“ usw Man darf hier von Leidenschaft sprechen 19 <?page no="18"?> Die Tochter 19 In die Verlobungs- und Prüfungsphase bis zur Hochzeit fiel eine Lungenaffektion Eckeners, die ihn im Frühsommer 1896 für einige Wochen nach Davos führte, also an jenen Ort, in dem auch Katja Mann, ebenfalls ein Lungenleiden kurierte Der Kurort diente dem späteren Nobelpreisträger und Zeppelin-Begeisterten Thomas Mann als Inspiration für den Bildungsroman Der Zauberberg Der Roman erschien 1924, also im Jahr der legendären Überführung des Luftschiffes LZ 126 unter Eckeners Kommando nach Amerika, das Deutschland im Rahmen der Reparationsleistungen finanziert hatte . Der Zauberberg stand im Bücherschrank der Familie Eckener . Zu einer persönlichen Begegnung ist es nie gekommen, obwohl sich der Schriftsteller in den 1920er-Jahren oft am Bodensee aufgehalten hatte, um seine Kinder im Internat Salem zu besuchen . 20 Und auch aus Davos schrieb der Mitteilungssüchtige der künftigen Frau In einem Brief gibt Hugo Eckener Einblick in das Leben als Patient, das durch reichliche Mahlzeiten und Langweile, „dazu mit dem Ausblick auf die unerreichbaren Berge“ gekennzeichnet Der häufig von Zuhause abwesende Hugo Eckener schrieb Briefe und Karten an seine Frau und an die Kinder - hier ein Gruß aus Berlin an Lotte. <?page no="19"?> 20 Siegmund Kopitzki sei In dem Schreiben nennt er Johanna „Go“ So wurde sie einmal von einer Dänin genannt - Go steht für Gohanna Tochter Lotte: „Mein Vater amüsierte sich darüber, und meine Mutter wurde von ihm künftig meistes Go genannt “ 21 Und auch Johanna zeichnete ihre Briefe meistens mit Go Noch ein weiteres Mal kurte Eckener in Davos Im Brief vom 17 -Februar 1928 an die Tochter Lotte nahm er ihre Ausführungen über ihr erstes Beethoven-Furtwängler-Symphoniekonzert auf, das sie in Berlin gehört hatte: „Es ist gut für Dich, dass Du auf diese Beethovenschen Empfindungen reagierst, denn der Ausdruck derselben ist so erhaben, dass Du manchen echten und hohen Genuss davon in Deinem Leben haben wirst“ Der Inhalt des Briefes zeigt, dass Eckener nicht einseitig als eindimensionaler Luftschiffer gesehen werden wollte - für den LZ „Hindenburg“ ließ er einen Konzertflügel anschaffen -, aber auch, dass der Vater und die seine Vorlieben teilende Tochter einen gehobenen Diskurs miteinander pflegten . 22 Wobei Lotte einmal anmerkte, dass Briefwechsel mit „Zuhause“ nahezu ausschließlich mit der Mutter stattfanden . 23 Dass die nahe Alpenkette bei der Entscheidung, sich 1899 in Friedrichhafen niederzulassen, eine Rolle gespielt haben mag, ist nicht von der Hand zu weisen Eckener war ein begeisterter Wanderer Es gibt dieses wunderbare Foto, von der Tochter aufgenommen, das ihn im Sommer 1932 am Arlberg zeigt . Eckener sitzt zufrieden im Gras, die Beine ausgestreckt, auf dem Kopf ein verknotetes Taschentuch gegen die Wucht der Sonnenstahlen und eine dicke Zigarre im Mund . Seine Nichte Inge Gollbeck-Eckener erinnert sich: Hugo Eckener liebte die Berge. Seine Tochter Lotte fotografierte den Rastenden im Sommer 1932 am Arlberg. <?page no="20"?> Die Tochter 21 „In jenem Sommer fuhr Onkel Hugo mit seiner Tochter Lotte und mir in dem schönen, großen, grünen, meist offenen Zwölfzylinder-Wagen von Maybach für eine einige Tage nach St. Anton am Arlberg. Wir wohnten im Hotel Post und machten täglich große Bergtouren. Mein Onkel, der damals schon 64 war, besaß eine solche Ausdauer, dass wir kaum mithalten konnten.“ 24 Den repräsentativen Maybach, ein Geschenk des Firmengründers Karl Maybach, liebte Eckener Er ließ 1924 einen Wagen aus Werbegründen nach Amerika bringen und nahm darin den New-Yorker Konfetti-Regen für die Luftschifffahrt von Europa nach Amerika entgegen Die Hochzeit von Hugo Eckener und Johanna Maaß fand am 29 Oktober 1897 vor dem Standesamt statt, ohne den Segen der Kirche Für die damalige Zeit war das ungewöhnlich . Eckener lehnte kirchliche Institutionen ab, seine Frau beugte sich dieser Tatsache „Ich könnte mir vorstellen, dass mein Vater in seinem Leben nicht einmal das Wort Gott benutzt hat“, glaubt Lotte „Nur einmal war er bei der Konfirmation seiner ältesten Tochter Hannelise in der Kirche, dann nie wieder […]“ . 25 Gefeiert wurde im „Flensburger Hof “ Die Hochzeitsreise führte das Paar nach Venedig und von dort nach Ägypten Es ist anzunehmen, dass die Reise mit Mitteln der Frau finanziert wurde Johanna galt als vermögend Etliche Berichte an die „Lieben Mitteleuropäer! “ dokumentieren die Hochzeitsreise Jahrzehnte später wird Lotte ihren Vater nach Ägypten begleiten Nach der Rückkehr hielt sich das jungvermählte Paar in Hamburg auf Im Mai 1899 zog es nach Friedrichshafen, da ein Projekt in München nicht zustande kam Und ja, auch Johanna Eckener konnte sich ein Leben ohne Wasser nicht vorstellen Der Umzug war für Eckener wohl das, was ein Glücksfall genannt werden muss . Am Bodensee lernte der Genius modernen Zuschnitts Ferdinand Adolf Heinrich August Graf von Zeppelin kennen, den „verrückten“ Entwickler und Begründer des Starrluftschiffbaus . Diese Begegnung hatte für ihn, aber auch für seine Familie schicksalhafte Bedeutung <?page no="21"?> 22 Siegmund Kopitzki Friedrichshafen Das erste Haus, das Hugo und Johanna Eckener in der heutigen Zeppelinstraße 18 in Friedrichshafen bezogen, war, wie die Tochter in einem Brief vom 1 November 1980 an Italiaander schreibt, ein „hübsches kleines - so klein war es wahrscheinlich gar nicht - Holzhaus im Schweizer Stil Martin Walser wohnte eine Zeitlang darin, wohl nach dem Zweiten Krieg, es gehörte seinen Schwiegereltern“ . 26 Von 1907 bis 1909 war die Familie auch in Hamburg gemeldet Noch 1909 kehrten die Fünf an den See zurück und die Familie bezog eine Wohnung in der Olgastraße, unweit des Königlichen Schlosses 1919 - zwei Jahre nach dem Tod von Graf Zeppelin - erhielt Eckener von seinem Arbeitgeber, der Luftschiffbau Zeppelin (LZ), in der Seestraße 54 als Geschenk ein Haus, „wo wir besonders gerne hinzogen, weil es am anderen Ende der Stadt nach Osten gelegen und wir dem Ort des Geschehens des Todes meiner Schwester entrückt waren“, wie Lotte Eckener notierte . 27 Das Geschehen: Hannelise war mit einem Nachbarssohn am 6 Januar 1919 im Ruderboot in einen Föhnsturm hinausgefahren Beide - gute Schwimmer - ertranken im kalten Wasser des Bodensees Eckener redete ungern darüber, zumal er Zeuge dieses Dramas war An den Bruder Alexander schrieb er wenige Tage später immer noch fassungslos: „Ich komme noch immer gar nicht darüber hinweg. So viel lebendigstes, kräftiges Leben soll mit einem Mal nicht mehr sein. [...] Schwer wird mir nur immer der Gedanke, dass Johanna Eckener mit den Kindern Hannelise und Knut. Lottes Schwester ertrank am 6. Januar 1919 vor den Augen des Vaters im Bodensee. <?page no="22"?> Die Tochter 23 sie wohl zu retten gewesen wäre, wenn ordentlich zugepackt worden wäre. Ich hatte mich in ein Boot begeben, um hinauszufahren zu ihr. Inzwischen wurde sie von einem Strom ganz nahe an den Schlossdamm getrieben und ging hier unter, weil sie ihr Boot losließ, um zur Brücke zu schwimmen. Die Strudel und die Brecher waren zu mächtig und der Mantel zog sie hinaus. Als ich auf dem Damm erschien, war sie gerade weg und ich sah nichts mehr von ihr. Hätte sie nur das Boot festgehalten, wie ich ihr zurief. Es hat nicht sein sollen.“ 28 Es dauerte noch einige Tage, bis der Leichnam von Hannelise gefunden wurde Dazwischen hatte der „alte Wikinger“ den See wiederholt nach der Verschollenen abgesucht Es dauerte Jahre, bis die Familie lernte, mit dem Verlust der Tochter bzw der Schwester zu leben Hannelise wurde am 20 Oktober 1899 in der Zeppelinstraße 18 als erstes Kind von Hugo und Johanna Eckener geboren „Sie war überdurchschnittlich begabt und eine starke Persönlichkeit“, erinnert sich Lotte 29 , die zu der Zeit als Externe die Mädchenoberschule des Paulinenstifts in Friedrichshafen besuchte „Ischi“, wie Eckener die Erstgeborene nannte, studierte Chemie in Stuttgart Offenbar hatte der Vater auf diese Entscheidung Einfluss genommen . Aus Nordholz im Norden des Kaiserreichs, wo der Zivilist Eckener stationiert war, wandte er sich an seine Frau: „Ich bin immer noch am Grübeln, was das Mädchen studieren soll Sie hat ja offenbar so wenig Neigung zur Chemie und so viel Lust zur Literatur und Geschichte, dass ich beinahe zweifelhaft geworden bin in meiner Idee, sie Chemie studieren zu lassen […]“ . 30 Auch die Entwicklung seines Sohnes Knut, der am 18 März 1902 geboren wurde, lag ihm am Herzen: Knut müsse „mehr unter Leute gebracht werden, dann verliert sich seine angeborene Scheu wohl ein wenig Es ist bei ihm auch die Scheu vor neuen Unternehmungen dabei, wie er ja stets schwer zu bewegen ist, die gewohnten Pfade zu verlassen Auch das wird sich beheben lassen“, schrieb er im vorletzten Kriegsjahr an Johanna . 31 Und in einem zweiten Schreiben heißt es: „Dass Knut so viel Freude an der Natur hat, ist schön . Mit eine sympathische Art! Vielleicht denkt man allen Ernstes daran, ihn ein Metier ergreifen zu lassen, dass dieser Artung Rechnung trägt Ich weiß nur noch nicht, was es sein könnte, aber ich will es <?page no="23"?> 24 Siegmund Kopitzki mir mal durch den Kopf gehen lassen […]“ . 32 Eckener hatte auch Lotte bei der Studien- und Berufswahl einen väterlichen Rat mit auf den Weg gegeben Die Sorge der Eltern galt nach dem tragischen Unglück umso mehr den nachgeborenen Kindern Lottes Bruder, der unter einer chronischen Herzschwäche litt, war nach dem Studium in München als Diplomingenieur ein wichtiger Mitarbeiter seines Vaters Er begleitete ihn bei vielen Luftschiff-Expeditionen 1929 arbeitete Knut für Goodyear Company in Amerika Die Eltern besuchten den Sohn, der mit dem „Amercian way of life“ nicht zurechtkam Interessant dabei, dass die Eheleute für die Atlantiküberquerung den Luxusdampfer „Cap Arkona“ nahmen Die Mutter fuhr nie mit einem Luftschiff, sie überließ den Platz den zahlenden Passagieren, so erinnert sich Lotte . 33 Auch Vater Hugo dachte an die zahlenden Passagiere und verwehrte der Tochter lange Zeit eine Zeppelinfahrt Ihre erste Fahrt führte sie dann nach Island . 34 Nach dem Zweiten Weltkrieg war Eckeners Sohn, der im Rahmen eines Entnazifizierungsverfahrens als Zeppelin-Geschäftsführer zu einer Geldbuße verurteilt und mit einem mehrjährigen Berufsverbot belegt wurde, im Technischen Lehrinstitut Dr Ing Christiani in Konstanz beschäftigt . 35 Mit seiner Frau Gertrude hatte er zwei Kinder Die Ehe von Lotte Simon-Eckener und ihrem Mann Paul blieb hingegen kinderlos Es gibt dazu von ihr keine dokumentierten Äußerungen Auch war das kein Thema im erweiterten Familienkreis Hugo Eckener arbeitete in Friedrichshafen zunächst als freier Schriftsteller und Journalist Der Zufall wollte es, dass er von der „Frankfurter Zeitung“ den Auftrag erhielt, über die Luftschiffexperimente des ehemaligen Reitergenerals und Diplomaten Graf Zeppelin zu recherchieren Seitdem der gebürtige Konstanzer als Offizier im US-amerikanischen Sezessionskrieg Fesselballone als Beobachtungsposten im Einsatz erlebt hatte, verfolgte er - oder ihn - die Idee, ein lenkbares Luftschiff zu konstruieren Ende des 19 Jahrhunderts konnte er sich dieser Aufgabe widmen Das erste Luftschiff Zeppelins wurde in einer schwimmenden Halle auf dem Bodensee gebaut, unweit des Ortes Manzell - erst 1909 ließ sich der Graf mit seinem Unternehmen in Friedrichshafen nieder <?page no="24"?> Die Tochter 25 Der erste, nicht gerade euphorische Beitrag Eckeners erschien am 19 Oktober 1900 unter dem Titel „Das Luftschiff des Grafen Zeppelin“: „[ . . ] Man hatte das Gefühl, als ob das Luftschiff sich sehr freute, dass es so nett da droben balancierte, und man freute sich mit darüber; denn ohne Zweifel ist die schöne Ausbalancierung des Fahrzeugs das Gelungenste an der Sache “ 36 Hier schrieb kein Ingenieur, kein Experte für Aeronautik, sondern eher ein Feuilletonist . Und im Vergleich zu den „Verrissen“, die der Theater-, Kunst- und Musikkritiker Eckener verfasst hatte, in denen er seiner Selbstbeschreibung „Krakeeler“ oft genug entsprach, setzte er in diesem Beitrag die Worte vergleichsweise moderat Aber: Der Flensburger wurde zu Zeppelins treuestem Helfer . 37 Um das Jahr 1906 entschloss sich Eckener dem Zeppelin seine ganze Kraft zu widmen Er sorgte zunächst für das, was wir heute Public Relation nennen würden Er führte nach dem Tod des Grafen, den sein Bruder Alexander noch porträtiert hatte, die „fliegenden Zigarren“ zu großen Erfolgen, ungeachtet aller Rückschläge und Krisen . 38 Zeitweise galt Hugo Eckener, der bei 2000 Fahrten das Kommando führte, mehr als fünfzigmal die Ozeane überquert hat, als der berühmteste Deutsche . 39 Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Kultur suchten den Kontakt zu ihm Ehrungen zuhauf folgten Eckener war auch Ehrenbürger von New York Vier amerikanische Präsidenten empfingen ihn Herbert Hoover nannte ihn „Deutschlands besten Botschafter“ und in Anspielung auf den Entdecker der „Neuen Welt“ einen „modernen Columbus“ . Gleich vier US-Präsidenten empfingen Hugo Eckener im Weißen Haus in Washington - hier ist der Luftfahrtpionier im Kreis mit Präsident Herbert Hoover zu sehen. <?page no="25"?> 26 Siegmund Kopitzki Im „Dritten Reich“ hatte allerdings die Demontage der Symbolfigur Hugo Eckener eingesetzt Das Unglück von Lakehurst 1937 stellte zudem die Idee der Luftschifffahrt infrage Am Ende setzte sich die moderne Luftfahrt durch, ersetzte die Bequemlichkeit der Luftschiffe durch Sicherheit, Geschwindigkeit und Reichweite . Der in Friedrichshafen neu entwickelte „Zeppelin NT“, der am 18 September 1997 zu seinem Jungfernflug aufstieg und mit dem die Zeppelin Luftschifftechnik GmbH & Co KG (ZLT) den alten Mythos wiederzubeleben versucht, ist keine Alternative zu den Flugmaschinen des 21 Jahrhunderts Die neue „Zigarre“ ist ein touristisches Angebot und ein Hingucker am Himmel Und die Familie? Selbst am Tag der „Goldenen Hochzeit“ war Eckener unterwegs Der Weltenumsegler „kompensierte“ seine ständige Abwesenheit mit Briefen Die Briefe gingen, wie auch Lotte anmerkte, an die Frau Auf diese Weise war Johanna über sein Tun informiert „Go“ war, wie der Konstanzer Journalist Ludwig Emanuel Reindl im Nachruf schreiben sollte, die „Hüterin des Hauses“ . 40 Sie beschwerte sich nicht über ihren Status . Sie bewunderte den „Magellan der Lüfte“, wie er mit Blick auf den portugiesischen Seefahrer auch genannt wurde Als Eckener an einem „Sunday Morning“ im Oktober 1924 von seinem triumphalen Empfang in New York berichtete, antwortete seine Frau: „Ich komme mir immer ganz verwunschen und traumbefangen vor - wie das Gänseliesel, das plötzlich die Frau des Königs ist“ und lobte ihren Mann dafür, dass er „keine Anlage zum Größenwahn hat“ . 41 Lotte Simon-Eckener hat über das Verhältnis der Eltern zueinander nachgedacht, aber auch über die Rolle der Kinder: „Sie führte mit den Kindern ein privates Leben in - man kann vielleicht sagen - respektvoller Distanz zu ihrem Mann, dessen Schwächen sie ebenso gut kannte wie seine Vorzüge “ 42 Und an anderer Stelle schreibt sie: „Zuhause war immer eine gute, harmonische Atmosphäre . Besonders spürbar war sie, wenn ich bei meiner Mutter in ihrem Biedermeierzimmer saß und wir durch die immer offene Tür meinen Vater gemütlich im Schein der Lampe pfeifenrauchend bei seiner Lektüre sitzen sahen ‚Ares‘ (der Hund), der keineswegs kriegerische, lag immer zu seinen Füßen “ 43 - Die Schilderung einer Idylle, einer gestörten Idylle, möchte man aus heutiger Sicht etwas boshaft <?page no="26"?> Die Tochter 27 einwenden Das ungetrübte Bild, das sie hier zeichnet, ist ihr kaum vorzuwerfen Lotte Simon-Eckener macht an keiner Stelle ihrer Berichte Fehlverhalten oder Misstöne in der Familie öffentlich So wurde sie erzogen Die eindrücklichste, aber auch in sich widersprüchliche Schilderung über Johanna Eckeners Beziehung zu ihrem Mann, stammt von Eckener Nichte Gollbeck-Eckener: „Hugos Ehefrau Johanna […] kann ich mir nur auf ihrem Sessel am Fenster sitzendend denken, mit Handarbeiten beschäftigt Diesen Platz verließ sie nur, um zu essen, zu schlafen, einmal in der Frühe nach unten zum Personal zu gehen, um den Küchenplan zu besprechen oder um einen Rundgang durch den Garten zu machen Ich habe sie nie ausgehen sehen Sie war auch still und lautlos in ihrem Zimmer, wenn wir nebenan Musik hörten, allerdings war die Tür geöffnet Für ihren Ehegatten war sie der ruhende Pol . Wo immer er in der weiten Welt sich gerade befand, er wusste sie in Gedanken in ihrem Zimmer, auf ihrem Sessel, an ihrem Fensterplatz sitzen Bei den Mahlzeiten war sie immer anwesend, aber an keiner Autofahrt, keinem Ausflug, keiner Reise nahm sie teil […] Sie war die Bescheidenheit in Person, klug, still, gütig Ihr Mann sagte von ihr, sie sei seine Beraterin und behandelte die zarte Frau mit großer Fürsorge “ 44 Hugo Eckener war das Dilemma, in dem die Frauen im 19 -Jahrhundert steckten, bewusst Im Brief aus Davos an die Verlobte schrieb er: „So hängt die Ausschließung des weiblichen Geschlechts von allen höheren allgemeineren Fragen lediglich davon ab, dass alle Erwerbsmöglichkeiten eine Domäne der Männer sind, welchen man auch in Sachen, die eine würdigere Behandlung verdienten, das letzte Wort lässt “ 45 Dennoch hatte er in der Ehe mit Johanna das letzte Wort Sie war die Hüterin, ja, aber er war der Herr des Hauses „Kontakte wie andere Väter hatte unser Vater kaum“, bemängelte die Tochter gegenüber Italiaander einmal verhalten kritisch den fehlenden Gemeinschaftssinn des Vaters . Offenbar hatte Eckener auch die familiären Kontakte nach Flensburg schleifen lassen Umso mehr schlossen sich die Kinder der Mutter an: „Sie wiederum wurde von unserem Vater fern von seiner Arbeit gehalten, zumindest von den damit verbundenen Sorgen “ 46 <?page no="27"?> 28 Siegmund Kopitzki Doch, wer beklagt, wie es denn sein könne, dass der „fliegende Philosoph“ von einer so bodenständigen, durchschnittlich gebildeten Ehefrau durch das Leben begleitet wurde, hat vielleicht nicht ganz verstanden, dass hier - trotz alledem - ein Team am Werk war: Nicht während des „kreativen Prozesses“, aber in allem anderen, was zum Leben der Familie Eckener gehörte In guten und in schlechten Zeiten Und auch das gehört zur Wahrheit: Eckener war zwar eine bewunderte und beneidete, aber auch vielfach angefeindete Person Er hatte nur wenige Freunde Johanna gehörte dazu Und dann waren da noch die „Krabben“, wie der Vater die Kinder gerne norddeutsch nannte Er verfolgte ihren Weg mit Sorge, mit Sympathie und Optimismus Selbst aus der Ferne griff er in den Alltag ein, kommentierte ihn und verteilte Aufgaben: „Es ist seit gestern recht kühl geworden; wie wohl auch bei Euch am See? Was macht der Garten? Lotte sollte mal die beiden kritischen Apfelbäume genau auf Blattlaus hin ansehen und evtl mit Carbolineum (oder Schmierseife und Sprit) behandeln Jetzt ist es gut, die Biester in den Anfängen anzugreifen Knut schickst Du wohl am besten in diesen Tagen 300-400 Mark, damit er heimkommen kann“, gab er 1922 aus Berlin durch . 47 Berlin, Friedrichshafen, New York, Rom Als Knut und Lotte das Elternhaus in Friedrichshafen verließen, um ihren Studien nachzugehen - Lotte hatte die Mädchenoberschule mit einem Mittleren Abschluss beendet und besuchte von 1924 bis 1926 in München die Staatslehranstalt für Fotografie - wurde es einsam im Haus in Friedrichshafen Die Briefe ihres Mannes und die der Kinder waren Trost für Johanna Wenn die Lebenszeichen ausblieben, wurden sie von ihr aber eingefordert Lotte kehrte nur noch sporadisch zu Besuchen nach Friedrichshafen zurück Nach dem Examen orientierte sie sich in Richtung Berlin, das in der Weimarer Republik viele Künstler und -gruppen anzog Auch später in der Bodensee-Region lebende Künstler wie Otto Dix hatten die pulsierende Metropole zeitweise zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht Lotte lernte den Maler erst in den <?page no="28"?> Die Tochter 29 1940er-Jahren am See kennen und konnte ihn für Projekte des Verlags gewinnen, den sie 1949 gemeinsam mit Marlis Schoeller und Martha Koch auf der Höri gründete und der nach dem Tod von Schoeller in Simon + Koch umbenannt wurde Lotte Eckener besaß auch Bilder, gemalt von Dix Ein Aquarell und ein Pastell von ihm kamen nach ihrem Tod in einem Radolfzeller Auktionshaus unter den Hammer Weniger bekannt, aber ebenfalls zeitweise „Wahl-Berliner“ waren die Konstanzer Maler Hans Breinlinger und Hans Sauerbruch, Sohn des Chirurgen Ferdinand Sauerbruch Breinlinger kehrte an den See zurück, nachdem sein Berliner Atelier ausgebombt wurde Sauerbruch schlug erst nach dem Zweiten Weltkrieg seine Zelte in der Konzilsstadt auf - sein Vater praktizierte 1918 als Chirurg in Singen, in Berlin begleitete er 1934 Paul von Hindenburg in seinen letzten Stunden Es ist nicht ganz klar, ob Lotte Eckener auf die beiden Künstler bereits in Berlin stieß Spätestens als sie sich in Konstanz niederließ, traf sie aber auf die ehemaligen „Berliner“ Sauerbruch illustrierte ein Buch ihres Verlags und Jakob Eschweiler porträtierte 1958 für Simon + Koch den Künstler Breinlinger 1926 hatte Lotte Eckener eine Stelle bei einem der renommiertesten Studios Berlins angenommen, dem Fotoatelier Alexander Binder - die Jahre nach ihrer Ausbildung in München sind ein blinder Fleck, sehr wahrscheinlich hatte sie noch ein Standbein in Friedrichshafen Unter den Prominenten, die die junge Fotografin portraitieren durfte, war Carl Zuckmayer Der Schriftsteller war ein Freund von Hugo Eckener, wie er in den Erinnerungen Als wär’s ein Stück von mir bekennt . 48 Er besuchte die Familie im Sommer 1932 von Henndorf (bei Salzburg) aus An Lotte schrieb er: „Es war herrlich am Bodensee und in Ihrem erfreulichen Elternhaus, und ich bin wirklich fest entschlossen, im nächsten Frühling mal für zwei, drei Wochen in irgend ein kleines Bodenseenest zu gehen und die Gegend richtig kennen zu lernen, was man ja doch nur zu Fuß kann “ 49 - Es blieb beim Plan „Zuck“ unterstützte auch Lottes Idee, ihre Baumstudien in ein Buch zu fassen Er selbst hatte 1926 den Gedichtband Der Baum veröffentlicht Zuckmayer war ein erklärter Naturfreund . Auf seinem Landgut „Wiesmühl“ in Henndorf hielt er Tiere, Kaninchen, <?page no="29"?> 30 Siegmund Kopitzki Schildkröten, Dompfaffen und Hunde, wie er berichtete Im amerikanischen Exil in Woodstock (Vermont) bewirtschaftete er später eine Farm Die letzten Lebensjahre verbrachte er im Bergdorf Saas Fee im Wallis Das Die Welt der Bäume getitelte Eckener-Werk erschien 1933 mit Gedichten von Walter Bauer im Verlag von Bruno Cassirer in Berlin und erhielt freundliche Kritik, wobei etwa Paul Eipper, der als Schriftsteller mit Tierbüchern erfolgreich war, in der „Funkstunde Berlin“ von der Tochter Hugo Eckeners sprach, noch bevor er den Namen der Buchautorin nannte . 50 So wurde die Fotografin öffentlich wahrgenommen Warum es nicht zu einer Kooperation mit Zuckmayer kam, wird aus der Korrespondenz nicht deutlich Die Natur sollte künftig für Lotte Eckener, die 1930 ihre Stelle bei Binder aufgegeben hatte, ein wichtiges Sujet bleibenNach der Berlin-Visite kehrte sie zurück nach Friedrichshafen und reiste von dort aus durch die Welt Auch der Fotografie wegen Dafür, dass ihr Vater sie zu diesem Schritt Das Cover von Lotte Eckeners erstem Buch Carl Zuckmayer, ein Freund von Lotte Eckener seit ihrer Berliner Jahre im Fotostudio Binder <?page no="30"?> Die Tochter 31 animierte spricht, dass er sie bei ihrem ersten Trip nach New York begleitete, in jene Stadt, in der er seine größten Triumphe feiern konnte und die im „Dritten Reich“ für „entartete Künstler“ wie Lyonel Feininger oder Max Ernst ein temporäres Exil war . Eine Fotografie, aufgenommen in der Stadt, zeigt den Vater und eine in die Kamera lächelnde Tochter - eine schöne junge Frau Lottes Attraktivität, gewiss, aber mehr noch die gemeinsamen Auftritte mit ihrem Übervater nahm die „Berliner Illustrirte Zeitung“ zum Anlass einer Sonderseite „Väter und Töchter“, in der das „Fräulein Lotte Eckener“ in einer Reihe mit den Töchtern von - immerhin - Enrico Caruso, Thomas Mann, Benito Mussolini, Fjodor I Schaljapin und Arturo Toscanini gestellt wurde . 51 Es gibt keine Briefe oder Tagebuchnotizen 52 , die den Aufenthalt Lottes in New York dokumentieren, nur mündliche Überlieferungen ihres Neffen Uwe Eckener sowie Fotografien, die sie in der Met- Lotte Eckener mit ihrem Vater in New York <?page no="31"?> 32 Siegmund Kopitzki Die gemeinsamen Auftritte von Lotte Eckener und ihrem Vater nahm die „Berliner Illustrirte“ zum Anlass einer Sonderseite „Väter und Töchter“, in der das „Fräulein Lotte Eckener“ in einer Reihe mit den Töchtern von Enrico Caruso, Thomas Mann, Benito Mussolini, Fjodorf I. Schaljapin und Arturo Toscanini gestellt wurde. <?page no="32"?> Die Tochter 33 ropole gemacht hat, in der sie letztlich nicht leben wollte . Da war sie sich mit ihrem Bruder Knut einig - Die Fotografin Lotte Eckener, unter ihrem Familiennamen publizierte sie, wird im nächsten Kapitel behandelt Zu einem längeren Aufenthalt nach Rom brach sie ein Jahr später auf . Auch in der Ewigen Stadt mit ihren bald 3000 Jahren Geschichte war nicht nur die Bildungsreisende, sondern auch die Fotografin Lotte Eckener unterwegs . Im Sommer 1932 unternahm sie mit ihrem Vater die erwähnte Bergtour am Arlberg . Von einer festen Anstellung ist in der Zeit nichts bekannt . Auch nicht von Geldproblemen, die der Student Hugo Eckener in Briefen an die Mutter ständig beklagte . Sie konnte es sich leisten, in Ruhe am zweiten Bildband zu arbeiten . Allerdings sind hier die Einnahmen zu vernachlässigen Die Familie Hugo Eckener war nicht vermögend, aber sie musste auch nicht mit jedem „Heller“ rechnen Anfangs lebte sie vom „Geldsack“ der Mutter Johanna, wie Eckeners Bruder Alexander taktlos, aber wahr schreibt . 53 Später genügte das üppige Einkommen des Musterschülers Zeppelins, der eine steile Karriere hingelegt hatte Beim Presseattaché war es nicht geblieben . Eckener wurde Chef der ersten Fluggesellschaft der Welt (DELAG), zwischendurch Fluglehrer bei der Marine und schließlich, um Norbert Jacques zu zitieren, „der oberste Mann der ganzen Anstalt, und das gar in dreifacher Naht: Geschäftsführer der LZ, Vorstand der Zeppelinstiftung und als solcher auch der Gesellschafterversammlung “ 54 Der Luxemburger Schriftsteller Jacques, der die längste Zeit seines Lebens am Bodensee verbrachte, mit den von Fritz Lang verfilmten Dr Mabuse-Romanen (ab 1921) erfolgreich war und schon im September 1909 eine Fahrt mit einem Zeppelin unternahm, hatte ein zwiespältiges Verhältnis zu Eckener Aber das beruhte auf Gegenseitigkeit: „Dr Eckener und ich gingen aneinander vorbei, als seien wir stets auf Hautnähe am Abdrücker“ . 55 Das gespannte Verhältnis der Männer zueinander hinderte Eckeners Tochter nicht daran, in dem Ullstein-Blatt „Die Dame“ einen Bodensee-bezogenen Artikel von Jacques mit eigenen Bildern zu illustrieren Was die angebliche Karriereplanung Eckeners angeht, zeigte sich die Tochter zurückhaltend: „Ich weiß nicht, ob mein Vater von vorn herein im- <?page no="33"?> 34 Siegmund Kopitzki mer ‚etwas Hervorragendes leisten‘ wollte Sicher war es seine Art, wo auch immer das Beste aus einer Sache zu machen - mit vollem Einsatz “ Dass sich der Doktor gelegentlich als „Kampfhahn“ präsentierte, machte manchem Weggefährten ein Problem Auch Lotte kannte ihn, der mit den Kindern „verständnisvoll“ war, ihnen „freie Hand“ ließ, alle ihre Fragen beantworten konnte, denn „er wusste doch alles“, von einer anderen Seite: „Er war nicht leicht zugänglich, und er wurde im allgemeinen wohl mehr respektiert, als geliebt “ 56 Aber dass sie unter ihrem Vater litt, das kann nicht gesagt werden Sie genoss den bescheidenen Luxus - einschließlich Auto -, den er ihr zukommen ließ Von einer Revolte, die auch Abnabelung von starken Eltern bedeuten kann, ist nirgendwo die Rede Weihnachten 1932 verbrachte Lotte mit Vater, Mutter und Knut im Haus in Friedrichshafen, um zu Beginn des neuen Jahres wiederum mit ihrem Vater eine längere Reise anzutreten Eckener verband bei diesem Unternehmen Privates mit Geschäftlichem Es ging um eine neue Luftschiff-Route In Marseille bestiegen sie ein Frachtschiff nach Port Said, der Hafenstadt im Nordosten von Ägypten Es war die erste Etappe nach Niederländisch-Indien, dem heutigen Indonesien Einem Zwischenstopp in Kairo, den Eckener zu Gesprächen und Lotte zu einer Besichtigung der antiken Stätten nutzte, folgte eine Schiffspassage nach Batavia auf Java, heute Jakarta Während der zweiwöchigen Fahrt studierte Eckener eifrig die Wetterverhältnisse Bei der Reise nach Niederländisch-Indien (heute Indonesien) im Jahr 1933 legten Hugo Eckener und seine Tochter einen Zwischenstopp in Kairo ein. Lotte Eckener nutzte die Zeit, um die antiken Kultstätten zu besichtigen. <?page no="34"?> Die Tochter 35 Nur wenige Tage nach der Ankunft an ihrem Zielort erhielten die Globetrotter die Nachricht, dass Hitler zum Reichskanzler ernannt worden sei Douglas Botting beschreibt mit viel Sinn für Dramatik diesen Moment: „Seine Tochter, die bemerkt hatte, dass sein Blick starr geworden war und er seine Miene nur mühsam beherrschte, fragte ihn besorgt: ‚Was ist, Vater? Ist dir nicht gut? ‘ Eckener sah sie mit müdem Blick an und schüttelte den Kopf ‚Nein, mit mir ist nichts - aber Deutschland […]‘ Damit reichte er seiner Tochter die Zeitung hinüber Die Regierung war zurückgetreten, und am 30 - Januar 1933 war Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt worden ‚Dieser Mann Reichskanzler! ‘, murmelte Eckener in ungläubigem Abscheu ‚Hindenburg wird nicht stark genug sein, um ihn und seine Partei im Zaum zu halten ‘“ 57 Eckener sollte Recht behalten Und vermutlich ist ihm durch den Kopf gegangen, ob er anstelle von Hindenburg Hitler berufen und in der Folge die fatale „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ unterzeichnet hätte, die dem „Führer“ den Weg in die nationalsozialistische Diktatur ebnete Der Moralist schämte sich für seine Landsleute, dass sie diesem „gewissenlosen Aufwiegler, der allen alles verspricht, auf den Leim gegangen sind “ Und er fügte laut Botting hinzu: „ Mein Geburtsort ist Flensburg, das einmal zu Dänemark gehörte Ich verstehe mich fortan als Däne“ . 58 Eckener konnte nicht ahnen, dass er im Sommer Adolf Hitler persönlich begegnen würde Die Tochter war - selbstverständlich - dabei: Bei einem Urlaubsaufenthalt in Berchtesgaden traf Hugo Eckener auf Adolf Hitler. <?page no="35"?> 36 Siegmund Kopitzki „Im Sommer des gleichen Jahres waren meine Mutter und ich Zeuge der ersten Begegnung meines Vaters mit Hitler. Wir waren auf Ferien in einem ländlichen Hotels im Berchtesgadener Land, als dort die Ankunft des ‚Führers‘ gemeldet wurde, was meinen Vater zu dem Ausspruch veranlasste: ‚Gehe nicht zu deinem Ferscht, wenn du nicht gerufen werschst‘. Aber leider wurde er gerufen. Meine Mutter und ich konnten nun durch Fensterglas und Gardine beobachten, wie sich die Beiden völlig beziehungslos gegenüber standen. Standen, denn Hitler hatte meinen Vater nicht zum Sitzen aufgefordert, und der Tisch, der zwischen ihnen stand, war wie eine Kluft, über die sich keiner dem andern auch nur um Haaresbreite nähern konnte. So trennten sie sich wieder nach kurzer Zeit.“ 59 Die Aufnahme der Szene im Kaffeegarten in Hintersee bei Berchtesgaden machte ein Gymnasiast Er schickte später die Fotografie an Eckener „Ein Republikaner kämpft ums Überleben im ‚Dritten Reich‘“ titelt Italiaander ein Kapitel der Eckener-Biografie . Zwar überlebte der Luftschiffpionier, aber er musste Kompetenzen abgeben und überhaupt - die Epoche der Zeppeline ging zu Ende, auch wenn Hitler und Göring ihn zunächst noch gewähren ließen, weil sie in den Schiffen wertvolle Symbole und Propagandamedien der NS- Herrschaft erkannten „Missbrauchten“, aus Sicht von Eckener In dieser fast aussichtslosen Situation wird die Familie besonders wichtig, bei allen Verpflichtungen, die noch blieben und die er „mit vollem Einsatz“ erfüllen wollte Ein Brief vom 3 September 1935 aus Friedrichshafen an Johanna, die sich in Jena aufhält - der Grund ist nicht bekannt -, beschreibt dieses Glück: „Schau Dir mal da Deine Tochter Lotte an! Sie kam am Sonntagabend selbständig wie eine Semiramis auf ihrem Rolls-Royce angefahren, nachdem sie das ganze Oberstdorfer Gebirgsland unter den Fuß getreten hat und - morgen - will sie schon wieder mit mir in die Berge gehen Ja, ich haue morgen (wie vorgenommen war) ab, um 8 Tage in den Bergen zu spazieren und die Welt endlich einmal kennen zu lernen […]“ . 60 Und während seine Frau ausnahmsweise verreist ist, übernimmt er die Regie: „Hier im Haus ist Revolution: Ich ‚leite‘ die Küche Gestern gab’s grüne <?page no="36"?> Die Tochter 37 Bohnen mit Schweinsohren und Bickbeerpfannkuchen Heute aß ich Schweinskottelet mit Sauerkraut Ich bin also auf das Schwein gekommen […]“ . 61 Konstanz Aber das Jahr 1935 brachte mehr als nur Wanderglück . Lotte veröffentlichte ihr zweites Buch Bodensee. Landschaft und Kunst im See- Verlag Friedrichshafen, zu dem der Althistoriker Karl Hönn die Einleitung verfasste Zuckmayer, dem sie ein Belegexemplar nach Henndorf geschickt hatte, sparte nicht mit Lob: „Man kann Sie zu dieser Arbeit wirklich beglückwünschen Sie ist viel reifer, geschlossener, bedeutsamer, als es die - auch schon sehr schönen - ‚Bäume‘ waren “ Gleichzeitig kündigte er Salwàre oder die Magdalena von Bozen an, seinen ersten Roman, dessen Erscheinen zum Jahresende Deutschland er durchgesetzt hatte, wie er schreibt . 62 „Zuck“ spielte auf die veränderte politische Lage an Tatsächlich wurde die 1935 bei S Fischer gedruckte Ausgabe noch vor der Auslieferung beschlagnahmt, sie kam erst ein Jahr später auf den Markt Nach dem Anschluss Österreichs 1938 an das „Reich“ sah sich Zuckmayer gezwungen zu emigrieren Den Nationalsozialisten war auch nicht entgangen, dass sich seine „Wiesmühl“ für Schriftsteller und Künstler zur Zufluchtsstätte vor politischer Verfolgung entwickelt hatte Im Jahr darauf - 1936 - heirateten Lotte und Paul in Friedrichshafen Sie nahm den Namen ihres Mannes Simon an, firmierte aber auf ihren Büchern weiterhin als Lotte Eckener Wann genau sich die beiden kennengelernt haben ist unklar Wie so vieles, was Lotte und ihr Umfeld betrifft Es gibt jedoch die Erinnerungen ihrer Freundin Eva Levec, der Tochter des Verlegers Willy Küsters Demnach hat sie das Paar zum ersten Mal am Bodensee getroffen - und nicht, wie vermutet, in Berlin, wo das Paar zeitgleich lebte und arbeitete: „Anfang der 30er Jahre führt der Weg [Lottes] wieder in die Heimat am Bodensee Sie wird bekannt durch ihre schönen, künstlerischen Bodenseebücher und Kunstkarten […] Nebenher kann Lotte das gesellschaftliche und kulturelle Leben genießen . Da ist der Kreis um die ‚Majorin‘ Dora Scupin in der Villa Bühler mit Konzerten, <?page no="37"?> 38 Siegmund Kopitzki Theateraufführungen und Autorenlesungen, da ist der Württembergische Yacht-Club mit Segelfahrten und fröhlichen Festen Auf einem solchen Fest lernte Lotte ihren späteren Ehemann kennen“, schreibt die Freundin . 63 Für Levec’ These spricht die Tatsache, dass Segeln in der Tradition der Familie Eckener fest verankert war Nicht nur die Flensburger Förde Der See war für Eckener und seinen Anhang ein beliebtes Segelrevier Es gibt im Übrigen eine Aufnahme, die einen Segler auf dem Obersee hart am Wind zeigt, möglicherweise Paul . 64 Lotte nahm die Aufnahme später in die Kollektion der Ansichtskarten ihres Verlags auf Pauls Beiname, der sich auch für Tennis und Skifahren begeistern konnte, lautete „Segel-Professor“, der Wintersportler wurde „Dr Pulver“ gerufen, erinnert sich Wolfgang A . Simon Der Neffe ist sich ebenfalls sicher, dass Lotte und Paul sich in Friedrichshafen kennengelernt haben, obwohl sein Onkel bis Mitte der 1930er-Jahre in Berlin gelebt hatte . 65 Während Lotte im Binder-Atelier arbeitete, studierte Paul Zahnmedizin in der alten Reichshauptstadt und famulierte in der Charité Dass er dort auf Ferdinand Sauerbruch getroffen ist und Kontakte knüpfte, ist eher unwahrscheinlich In seinen Berliner Jahren sickerte Pauls Leiden- Pause in St. Anton/ Arlberg: Paul Simon und seine Frau Lotte <?page no="38"?> Die Tochter 39 schaft fürs Segeln durch und so war das Konstanzer „Frichtle“ bald als Regattasegler und Segellehrer auf dem Wannsee gefragt Als er nach Konstanz zurückkehrte, die Stadt hatte damals knapp 38 .000 Einwohner, arbeitete er wie der Bruder Eugen als Zahnarzt - schon ihr Vater, aus Ravensburg in die Konzilsstadt eingewandert, übte den Arztberuf aus Politisch war Paul Simon unauffällig Auch in der „besseren“ Konstanzer Gesellschaft spielte er keine Rolle, trotz vielfältiger Vereinsaktivitäten, auch nicht nach der Eheschließung mit der Tochter des Luftschiffpioniers . 66 Womöglich schreckte aber gerade Lottes Prominenz den einen oder anderen Sympathisanten des Paares ab Zumal die Tochter Eckener aus ihrer Herkunft auch kein Geheimnis machte Sie blieb nach der Heirat die überaus loyale Tochter Sie pflegte über den See die Beziehung zum Elternhaus, aber auch zum Bruder Knut, der schon früh, 1946, seine Frau verlor Und sie nahm Anteil an dem komplexen Arbeits- und Wirkungsfeld ihres Vaters, der nachhaltig unter dem Trauma „Lakehurst“ litt Zwar versuchte Eckener nach dem folgenschweren Unglück Helium statt brennbaren Wasserstoff für ein Nachfolgeluftschiff aus Amerika zu importieren, doch die Verhandlungen scheiterten und LZ 130, den man anlässlich des 100 Geburtstages von Graf Zeppelin wiederum auf dessen Namen taufte, konnte nur noch wenige Fahrten machen Seinen Posten als Vorstand des Zeppelin-Konzerns und als Geschäftsführer der Luftschiffbau Zeppelin GmbH behielt Eckener, der damals Anfang siebzig war, weiterhin Schon vor Beginn des deutschen Überfalls auf Polen am 1 - September 1939 wurden die Zeppelinwerft, die Zahnradfabrik, die Maybach-Motorenwerke und die Flugzeugfabrik Dornier in die Rüstungsproduktion einbezogen Sich dagegen zu stemmen erschien Eckener aussichtslos „Jetzt müssen wir gut hindurchkommen, oder die anderen pulverisieren uns, wie, - ja, wie ein Volk, das gefährlich ist gleich irgendwelchen wilden Bestien! Das Volk, das einmal am ‚menschlichsten‘ zu sein sich rühmte, und in der Tat einen Mozart und eine Goethesche Lyrik hervorbrachte“, schrieb er im August 1943 an den Bruder, der ein Jahr darauf in Aalen einem Krebsleiden erlag . 67 Eckener hatte den Todkranken vorher noch besucht <?page no="39"?> 40 Siegmund Kopitzki Infolge der Konzentration von Rüstungsgütern, zu deren Produktion auch Zwangsarbeiter herangezogen wurden, wurde Friedrichshafen durch elf Luftangriffe zerstört Nach dem Angriff am 24 April 1944 war auch das Wohnhaus von Eckener betroffen, das Inventar teilweise vernichtet Da mit einem solchen Ereignis zu rechnen war, hatten seine Frau und er Wertsachen sicher deponiert . Aber das Haus war weg Die Eltern fanden mit ihrer Hausgehilfin im Haus der Tochter und des Schwiegersohns im Haus Zur Torkel-12 in Konstanz übergangsweise Asyl In einem Brief an Paul, der während des Krieges als Kieferchirurg im Luftwaffenlazarett eingesetzt war, schildert Lotte die Tragödie: „Der Vater war also gestern da, ganz mobil eigentlich und eben sehr froh, dass sie nicht im Keller bei der Sache gehockt waren. Man kann doch von leicht ‚durchgepustet‘ sprechen, scheint mir. Erste Bombe vorm Gartenhaus im Schlamm, der ganze unsere Garten vom Schlammdreck überschwemmt. Gartenhaus Riesenrolladen aus der Mauer gerissen, inne aber nichts kaputt, im großen Haus auch Rolladenkästen innen über den Fenstern herausgefallen, keine Möbel kaputt, nur unsagbarer Dreck und Glassplitter, wir packten solche auch aus dem Koffer, den Vater gestern mitbrachte, der offen in der Küche gestanden. Zweite Bombe gegenüber dem Gartentor unmittelbar an der Straße in den Gärten. […] Auf Vaters Schreibtisch ein 12 cm langes, 2 cm dickes Sprengstück! “ 68 Nach einem erneuten Angriff schrieb sie am 20 Juli 1944: „Mein Paul, konzentrischer Angriff auf Friedrichshafen Vater war drüben, ohne sein Auto, aber rausgefahren Knut, Trude, und ihr Haus in Ordnung (außer Fenstern), Luftschiffbau Zeppelin erledigt, Maybach Motorenbau erledigt, die Stadt auch noch vollends . Sonst weiß ich noch nichts Es war ein schlimmer Nachmittag für uns, Angriff von 11-12, um 18 .45 kam Vater wieder Ich hatte mit allem gerechnet, mehr noch als nach der Terrornacht War mit der Mutti ganz allein zu Hause “ 69 - Solche Erlebnisse binden Was Lotte Eckener- Simon zu dem Zeitpunkt nicht wissen konnte: Am 20 . Juli 1944 versuchte eine Handvoll deutscher Offiziere, Hitler durch einen <?page no="40"?> Die Tochter 41 Staatsstreich zu beseitigen Der Anschlag scheiterte . Auch ihr Vater wurde von der Geheimen Staatspolizei vernommen . Man vermutete, dass er zur „Verschwörerbande“ Kontakte hatte . Beweise dafür fehlten Einer der Künstler, den das braune Unrechtsregime von der ersten Stunde an ins Visier nahm, war Otto Dix Der Maler lebte seit 1936 mit seiner Familie in Hemmenhofen, davor zwei Jahre lang in Randegg im Hegau Das Dorf auf der Höri war für ihn, den die Nationalsozialisten aus seiner Dresdner Professur gejagt hatten und der Mal- und Ausstellungsverbot hatte, ein willkommener Zufluchtsort Hier wähnte er sich unbeobachtet Die Nähe zur Schweizer Grenze gab ihm zudem eine gewisse Sicherheit, auch wenn der Menschenmaler in der Bodensee-Idylle die Großstadt vermisste - berühmt ist sein Ausspruch „Ich stehe vor der Landschaft wie eine Kuh“ In der Nachbarschaft von Dix lebte noch ein anderer berühmter Emigrant, der „Brücke“-Maler Erich Heckel Im November 1944 besuchten Lotte, ihr Vater und der befreundete Bildhauer Toni Schneider, der den Namen seines Geburtsortes Manzell bei Friedrichshafen seinem Personennamen beifügte, die Höri und Dix Es brauchte die Überredungskunst von Schneider- Manzell, wie Lotte an Paul schreibt, dass der Vater die Reise mitmachte - mit der Bahn nach Radolfzell, per Schiff nach Gaienhofen und zu Fuß nach Hemmenhofen So war das damals Es regnete heftig an dem Tag und Eckener reagierte zunächst „unwirsch“, beruhigte sich aber, als das Trio nach einer Mahlzeit im „Deutschen Kaiser“ vor dem Atelier- und Wohnhaus stand, in dem Dix mit seiner Frau Martha und den Kindern Ursus, Nelly und Jan lebte - Das Wohn- und Atelierhaus ist heute ein Museum Lotte war schon einmal Gast des Malers So konnte sie die Bilder „unangestrengter“ auf sich wirken lassen Und sie hatte die fixe Idee, eine Arbeit von Dix zu erwerben Der zeigte sich zunächst zurückhaltend, trennte sich aber dann doch schweren Herzens von einem Aquarell, das 1000 Reichsmark gekostet hätte, „aber der Herr Eckener kriegt’s für 800! “, nimmt Lotte in ihrem Brief das Wort des Künstlers auf und schreibt: „Mutti ist begeistert“ 70 Der andere Gedanke, der sie umtrieb: Dass Dix ein Porträt von ihrem Vater machen sollte Ein Bild für die Ewigkeit Schon 1934 hatte sie den <?page no="41"?> 42 Siegmund Kopitzki Überlinger Bildhauer Werner Gürtner, ein Freund der Familie, zu einer Büste ihres Vaters angeregt Tastsächlich erarbeitete Dix eine Lithografie ihres Vaters, allerdings Jahre später und nach einem weiteren Besuch Eckeners Über das Blatt urteilte Eckener später gegenüber Schneider-Manzell: „Ach ja, Sie wissen es ja: Dix zeichnete mich als Geschundenen“ 71 Der Menschenkenner Dix sah im Gesicht des „Alten vom Bodensee“ die Schläge, die er seit 1933 hinnehmen musste . Das hatte Eckener vergeblich zu verbergen versucht Der Besuch, bei dem Dix den Gästen nicht nur neue Arbeiten zeigte, sondern auch einen „gehörigen Obstler“ servierte, hinterließ bei Schneider-Manzell einen tiefen Eindruck . Noch Jahre später erinnert er sich daran . Über Eckener und seine Tochter Lotte schrieb er Besonderes: „Dr . Eckener ging von Bild zu Bild, er war ganz Schauender . Ab und zu huschte ein Lächeln über sein faltengezeichnetes Gesicht, wenn die Tochter erklärte: ‚Das hat Dix 1938, das andere hat Dix 1940 gemalt‘ . Besonders bezauberte ihn das Steckborn- Bild mit der gesprungenen Eisfläche des Sees im Vordergrund, darüber ein Regenbogen, der wie ein Friedenszeichen Kirche und Häuser des Städtchens berührt“ 72 In einem alten Wirtshaus in Gaienhofen, in dem, spekulierte Schneider-Manzell, Hermann Hesse während seiner Gaienhofener Jahre gesessen haben mag, klang der Tag aus . Dix, den Lotte mit Hut fotografierte, wurde noch in den letzten Kriegswochen zum Volkssturm eingezogen - im Alter von 54-Jahren Otto Dix fertigte 1948 diese Lithografie von Hugo Eckener an. <?page no="42"?> Die Tochter 43 Schneider-Manzell wohnte und arbeitete seinerzeit in Salzburg Gegen Ende seines Lebens träumte er davon, eine Fischereihütte am See zu erwerben, von Fallobst, Tomaten und einer Ziege zu leben und abseits der touristischen Wege die „stille Höri“ zu erkunden Daraus wurde nichts Er starb 1996 im oberbayerischen Rosenheim, ein Jahr nach Lotte Simon-Eckener Der freundschaftliche und schriftliche Kontakt zwischen den beiden hatte bis in die 1990er Jahre hinein gehalten Erhalten sind einige Postkarten, die er an das Parkstift Rosenau in der Eichhornstraße 56 sandte, in das sich Lotte im hohen Alter zurückgezogen hatte . In einem Kartengruß von 1992 heißt es: „Zur Zeit arbeite ich an zwei Bronzetüren für U .S .A - Du kannst dir denken, dass ich kaum Zeit zum Schreiben finde Ich lebe ja seit Erikas Heimgang ganz allein und habe auch für den Alltag und seine Notwendigkeiten zu sorgen Meine Gedanken sind oft bei Dir Lass Dich mit allen guten und herzlichen Wünschen umarmen von Deinem alten Toni“ 73 Nach 1945 waren die Heldentaten der Luftschiffer in der Öffentlichkeit fast völlig vergessen Wie sich Lotte Simon-Eckener erinnert, litt ihr Vater unter den Nachkriegsverhältnissen, obwohl er wenig Bei ihrem Besuch in Hemmenhofen fotografierte Lotte Eckener den Maler Otto Dix. Das Bild mit Hut gefiel ihm aus einer Auswahl am besten, wie er in einem Brief an die Fotografin schrieb. <?page no="43"?> 44 Siegmund Kopitzki anderes als Chaos erwartet hatte Trost suchte der mehrfache Ehrenbürger, Ehrensenator und Ehrendoktor in der Lektüre . 74 Aber das genügte nicht: Der ehemalige Journalist wurde Mitbegründer einer Tageszeitung Die Lizenz zur Herausgabe einer Zeitung in Konstanz wurde 1945 dem aus dem Ullsteinhaus Berlin kommenden Johannes Weyl erteilt Für Eckener und seine Tochter kein Unbekannter Weyl macht Eckener und Dr Paul Christiani zu Mitgründern des „Südkurier“ Eckener nahm im Blatt zu politischen Fragen Stellung, die praktische Zeitungsarbeit interessierte ihn nicht Bald wurde er von einer Linkskoalition wegen seiner Tätigkeit im „Dritten Reich“ mit Vorwürfen konfrontiert, als „Nationalist“ und „Kriegsgewinnler“ denunziert Eckeners kritische Haltung gegenüber dem Regime und sein Einsatz für die deutsch-amerikanische Freundschaft waren dabei kein Thema Beeinflusst von einem Wechsel der französischen Regierung und einer geänderten Besatzungspolitik musste Weyl die Lizenz abgeben Erst Ende 1948 bekam er alle Rechte als „Südkurier“-Herausgeber zurück Johannes Weyl wollte Eckener „wohl wieder als Gesellschafter herholen“, erinnert sich Lotte, die das Drama vor ihrer Haustür erlebte, „aber meinem Vater war die Lust vergangen und W glaube ich froh darüber“ 75 In Amerika hatte man den „Magellan der Lüfte“ nicht vergessen . Dort sah man gute Chancen, die Luftschifffahrt wiederzubeleben . So wurde Eckener 1947 von der Goodyear Company in Akron, Ohio, für ein halbes Jahr als Berater eingeladen Seine Frau Johanna wusste er bei der Tochter in Konstanz gut aufgehoben Der Wiederaufbau des Hauses zog sich hin, erst 1950 konnten die Eltern nach Friedrichshafen zurückkehren Und wie immer, wenn Eckener unterwegs war, schrieb er Briefe und jetzt - schickte er auch „Europa“- Pakete an seinen Lieben daheim, die unter der schlechten Ernährungslage litten 76 Die Pläne für neue Luftschiffprojekte platzten allerdings Nach seiner Rückkehr wurde Eckener allerdings alles andere als freundlich empfangen Wie schon Knut wurde auch er Ende 1947 „denazifiziert“ und sowohl mit einer Geldbuße als auch mit einem Tätigkeitsverbot belegt „Dies war nun wirklich eine arge Botschaft“, kommentierte Tochter Lotte diese Neuigkeit, „die zunächst uns alle etwas aus der Fassung brachte Aber bei der ruhigen, niemals klagenden Wesensart unserer Mutter ließ mein Vater <?page no="44"?> Die Tochter 45 in den Weihnachtstagen 1947 bei uns in Konstanz seine Missstimmung nicht die Oberhand gewinnen - jedenfalls nicht nach außen hin “ 77 - Einen tiefen Blick in das „Innenleben“ ihres Vaters erlaubt sie dem Leser des Italiaander-Buchs nicht, auch nicht gut 30 Jahre nach dem Ereignis Eckener wurde selbstredend rehabilitiert Und anlässlich seines 84 Geburtstages wurde ihm das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland zuerkannt Aber die „Denazifizierungs“-Kampagne sollte nicht der letzte Aufreger in seinem langen Leben gewesen sein Nach einem Dissens mit der Stadt Friedrichshafen Ende der 1940er-Jahre über das Erbe und die Zukunft der Zeppelin-Stiftung - Eckener hatte die Übergabe an die Stadt zu verhindern versucht -, gab der „Kampfhahn“ aus Protest das Ehrenbürgerrecht zurück Aber auch hier gab es eine einvernehmliche Lösung Und man darf davon ausgehen, dass Lotte und Paul, um Harmonie bemüht, dabei ihre Hände im Spiel hatten 1949 veröffentlichte Eckener seine Erinnerungen Im Zeppelin über Länder und Meere. Erlebnisse und Erinnerungen im Flensburger Verlagshaus Christian Wolff Er resümierte noch einmal 50 Jahre Zeppelin-Geschichte Sein Privat- und Familienleben blieb ausgespart Kein Bekenntnis, nirgends Lediglich die Heirat wird erwähnt, der Umzug nach Friedrichshafen und das so kurze wie belanglose Zusammentreffen mit Hitler 78 Für die - noch ungeschriebene - Familiengeschichte gibt das Buch nichts her Vielleicht wollte er Johanna, Knut und Lotte vor den Zumutungen, die ein öffentliches Leben mit sich bringt, schützen? Wir wissen es nicht Was die Zukunft des Zeppelin anging, fand Eckener folgende Worte, die sich schließlich mit dem Zeppelin NT erfüllen sollten: „Ich könnte mir denken, dass der Zeppelin als Touristenschiff für Vergnügungsreisen Verwendung finden würde “ 79 Trotz seines hohen Alters hatte Eckener „einen ausgesprochenen Betätigungsdrang“, erinnert sich seine Tochter: „Er war ein feines Uhrwerk, das ohne Unterbrechung gelaufen war und das sich nicht ohne weiteres abstellen ließ Wenn ich nach Friedrichshafen kam, hatte er immer von neuen Ideen zu berichten“ . 80 Er rief, wie gesagt, in Flensburg die Bürger auf, sich bei der Abstimmung über <?page no="45"?> 46 Siegmund Kopitzki die künftige Zugehörigkeit der Stadt für Deutschland zu entscheiden Er entwickelte einen Vorschlag zur Bildung eines Instituts zur Erforschung der deutschen Frage Ja, der Rastlose formulierte eine Denkschrift über die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands . Eckener hielt weiterhin Reden, etwa zur Einweihung des Fridtjof- Nansen-Hauses in Lörrach . 81 Und der 85-Jährige trat mit seiner Zusage, im Sommer 1953 das Ehrenprotektorat für die „4 . Weltfestspiele der Jugend und Studenten für Frieden und Freundschaft“ in Rumänien zu übernehmen, wieder einmal in Fettnäpfchen Ein Gespräch mit Kommunisten - damals ein Tabubruch Ein Jahr darauf, „ließ die Lebenskraft meines Vaters doch allmählich nach“, notiert die Tochter „Dann und wann machte er sich noch ein wenig im geliebten Garten zu schaffen Aber wie immer liest er noch viel […] Selten nur noch empfängt er einen Gast, dem er dann voller Ruhe sagen kann: ‚Betrachten Sie diesen Besuch als ihren Abschied von mir‘ Immer war er freundlich, dankbar für kleine Dinge und erlebte ruhigen Gemütes klarbewusst die letzten Tage sein Lebens “ 82 Eckener starb vier Tage nach seinem 86 Geburtstag an Herzschwäche Sein Tod machte Schlagzeilen . Die Familie erhielt unzählige Beileidswünsche, auch die seines Portraitisten Dix Seine Frau Johanna kommentierte den Tod ihres Mannes gegenüber seiner Sekretärin Hede Bühler mit den Worten: „Ich bin dankbar dafür, dass ich meinem Mann die größte Liebe erweisen durfte, in dem nicht er, sondern ich nun allein zurück bleibe “ 83 In der Haltung war wohl Lotte ein Spiegel ihrer Mutter Johanna zog nach dem Tod ihres Mannes nach Konstanz Die Tochter, wer sonst, übernahm die Pflege der Mutter, die nach zwei Schlaganfällen Mühe mit dem Sprechvermögen hatte und fast nichts mehr sehen konnte . 84 Johanna Eckener starb knapp zwei Jahre nach ihrem Mann 1956 In einem anrührenden Brief vom 16 Februar 1956 an Hermann Hesse, den sie als Autor für ihren Verlag Simon + Koch gewinnen konnte, berichtet Lotte: „Seit eineinhalb Jahren, seit dem Tod des Vaters, lebte meine Mutter bei uns in Konstanz und war uns der Mittelpunkt des Hauses Nicht im Gehütet- und Gepflegtwerden, das ihrem Leiden so nottat, sondern im Überströmen ihres Wesens von selbstloser Liebe, Weisheit und Stärke <?page no="46"?> Die Tochter 47 der Persönlichkeit, zudem wir uns immer hingezogen fühlen […] Leere und Verlassenheit sind nun noch arg fühlbar “ 85 Lotte hatte den Kontakt zu Hesse Mitte der 1930er-Jahre aufgenommen - der spätere Nobelpreisträger für Literatur lebte da schon längst in Montagnola im Tessin Sie hatte ihm ihr 1935 erschienenes Bodenseebuch zugeschickt, für das er sich bedankte Im Übrigen war Lotte Simon-Eckener für ihn keine Unbekannte: „Jetzt habe ich ihr Bodensee-Buch ausgepackt und habe es mir gut angesehen [und mich] … an meine eigene Bodenseezeit erinnert, die freilich schon beinahe prähistorisch ist (ich habe den See und Deutschland 1912 verlassen und seither immer in der Schweiz gelebt)“, schreibt er . Und: „Ich nehme an, Sie seien die Tochter des berühmten Luftschiffers Mit dem habe ich auch einmal einen kleinen Flug gemacht, so etwa um 1910 herum …, woran mir eine angenehme Erinnerung geblieben ist “ 86 Die Tochter - diese Platzanweisung könnte Lotte Simon-Eckener als Stigmatisierung empfunden haben Aber dazu gibt es ihrerseits keine Beschwerde Sie gehörte einer Generation von Menschen an, die schwiegen und ihre Probleme mit sich selbst verhandelten In einem zweiten Brief an Hesse vom März 1956, in dem sie sich für ein ihr zugesprochenes Gedicht bedankt, kündigt sie den Besuch im Tessin an: „Ich würde mich natürlich herzlich freuen, Sie dann - zu gemäßerer Zeit! - besuchen zu dürfen Auch Purrmann möchte ich so gerne wiedersehen - sagen Sie’s mal über den Gartenzaun Ich möchte für unsere Kartenserie so gerne ein Bild von ihm aussuchen“ . 87 Purrmann hatte sie in Berlin kennengelernt Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurde seine Kunst als „entartet“ geächtet Er galt als „Französling“ Über Umwege konnte er sich ins Tessin retten Lottes Mann Paul, um den Blick auf die Eheleute zu richten, kam wohlbehalten aus dem Krieg zurück Er verstand sich gut mit seinen Schwiegereltern, er akzeptierte ihre Anwesenheit nach der Zerstörung ihres Hauses und respektierte die Pflege von Johanna Eckener in Haus Zur Torkel 12 Dass seine Frau sich Ende der 1940er-Jahre ins Verlagsgeschäft begab, zunächst eine Offensive mit Kunstkarten startete, später ihre Energie in Bildbände investierte, machte ihn dagegen nicht immer froh . 88 Er hätte sie wohl lieber um sich <?page no="47"?> 48 Siegmund Kopitzki gehabt Aber er tolerierte ihre Arbeit Zumal auch er von den persönlichen Kontakten mit Autoren und Künstlern wie Dix, Hesse, Purrmann, Schneider-Manzell oder Zuckmayer, die die Verlagsarbeit mit sich brachte, profitieren konnte Weniger interessant war dabei die finanzielle Seite Der Verlag Simon + Koch schrieb erst Jahre nach der Gründung schwarze Zahlen Zudem: Es waren nicht nur „geschäftliche“ Beziehungen, die Lotte Simon-Eckener pflegte . Unter den Briefen, die sie erreichten, war auch Debatten-Stoff jener bewegten Jahre Die Verlegerin erhielt diesen Stoff aus erster Quelle referiert Zum Beispiel von Zuckmayer, mit dem Lotte Simon-Eckener über Jahrzehnte hinweg Kontakte pflegte, im Schreiben vom 23 Juli 1949 „Zuck“ war 1946 mit seiner Familie aus dem Exil in Vermont zurückgekehrt und lebte damals im österreichischen Oberstdorf Zunächst berichtet er über den akuten Herzinfarkt, den er erlitten hatte - „eine Sache, an der die Leute gern sterben“ -, über geplante Projekte, die er wegen seines Gesundheitszustandes zurückstellen musste, um dann politisch zu werden: „Da kommen Sie jetzt herüber, die Emigranten, würdige Persönlichkeiten, die sich nie bemüht haben, die deutsche Lage wirklich zu verstehen und sich jetzt in 36 Stunden ein ‚Urteil‘ bilden, das sie sich auch nicht genieren werden, der Welt mitzuteilen. Sie werden allen Quatsch glauben, den man ihnen erzählt (nämlich, dass in Westdeutschland schon wieder ‚Alle Nazis‘ wären), und werden, ohne es zu ahnen, genau den Eindruck bekommen und weiter geben, den man in Moskau wünscht. Und, Alle verdammend, die hier in Nazizeiten ausgehalten haben, werden sie selbst nach Weimar eilen und ihren Kotau vor der neuen Gewaltmaschine machen, deren Unmenschlichkeit plötzlich ‚entschuldbar‘ ist, weil man ihr ein intellektuelles Mäntelchen umhängen kann. Mir können sie gestohlen bleiben“. 89 Das klang resigniert und zugleich angriffslustig Zuckmayer reagierte mit diesen Sätzen, die in keiner Literaturgeschichte zu finden sind, auf den Ost-West-Konflikt, der im „Kalten Krieg“ münden sollte Aber ihn erbost auch der Kampf um Exil und Innere Emigration, der 1956 selbst am Bodensee beim „II Internationalen <?page no="48"?> Die Tochter 49 Schriftstellerkongress“ in Überlingen laut geführt wurde Vor allem Ernst Jünger, der im „Dritten Reich“ das Innere Exil gewählt hatte, musste sich dort heftige Angriffe gefallen lassen 90 Das Thema ging Zuckmayer in mehrerer Hinsicht direkt an 1943 hatte er für den amerikanischen Auslandsgeheimdienst ein Dossier über Schauspieler, Regisseure, Verleger und Journalisten verfasst, die daheim im „Reich“ erfolgreich waren Anhand 150 exemplarischer Lebensläufe zeichnete der schriftstellernde Farmer in Vermont das Spektrum der Verhaltensmöglichkeiten in einer Diktatur auf, von Zustimmung bis Verweigerung Der Geheimreport wurde erst 2002 publiziert „Zuck“ war nicht nur als „Emigrant“ nach Europa zurückgekehrt, sondern auch als Kulturbeauftragter des amerikanischen Kriegsministeriums Nach einer mehrmonatigen „Inspektionsreise“ lieferte er seinen „Deutschlandbericht“ ab, in dem er zahlreiche besatzungspolitische Maßnahmen kritisierte, aber auch Änderungsvorschläge machte Der „Bericht“ wurde 2004 erstmals publiziert Bis 1957 behielt Zuckmayer, der die amerikanische Staatsbürgerschaft besaß, seinen Wohnsitz in Woodstock Er lehnte es ab, einen Antrag auf Wiedereinbürgerung in Deutschland zu stellen . Der Verlegerin Lotte hatte ihn in einem Schreiben um neue und schon in seinem Baum-Buch von 1926 veröffentlichte Gedichte gebeten Sie plante einen neuen Fotoband und bekam einen Korb: „Bin momentan auch zu verblödet, um eins zu machen“, so „Zuck“ 91 Auch Lotte Simon-Eckener engagierte sich nach dem Krieg kulturpolitisch Am 8 Januar 1948 fand im Gasthaus Viktoria die Gründungsversammlung des „Konstanzer Kulturbundes e V “ statt, „mit dem die hiesige Künstlerschaft dem kulturellen und geistigen Leben neue Impulse zu verleihen suchte “ 92 Der Verein war bereits im Dezember 1946 beim Militärgouvernement beantragt und im Herbst 1947 provisorisch genehmigt worden An der Gründung waren neben der Fotografin u .a der Konstanzer Kulturpolitiker und Apotheker Bruno Leiner, der Bauhaus-Architekt Hermann Blomeier, der Büchereileiter Bernhard Möking, die Maler Curth Georg Becker, Hans Breinlinger, Karl Einhart, der mit der Schwester Norbert Jacques‘ verheiratet war, Hans Sauerbruch und Walter Waentig, der Kulturredakteur Ludwig Emanuel Reindl, die Schrift- <?page no="49"?> 50 Siegmund Kopitzki steller Lilly Braumann-Honsell, Friedrich Munding und der Allensbacher Malerpoet Fritz Mühlenweg beteiligt Lotte Simon-Eckener übernahm ein Ehrenamt Zur Freude von Mühlenweg, den sie nicht nur in mongolischer Tracht ablichtete - das Foto verwendete der Freiburger Herder-Verlag, in dem der Allensbacher seine Reisebücher veröffentlichte, für Werbezwecke -, sondern auch zur Mitarbeit in ihrem Verlag gewinnen konnte An seine Frau Elisabeth schrieb Mühlenweg: „Gestern war ich bei der Gründung des Kulturbundes dabei Man wollte mich zum Schriftführer machen, aber die Anwesenden wollten doch lieber Dr Möking haben, und so fiel ich bei der Wahl zum Glück mit 19 Stimmen durch Reindl hat mir dann gestanden, dass er es war, der mich vorgeschlagen hatte Der Arbeitsausschuss ist gut zusammengesetzt: Blomeier - Schmidt - Geiger - Breinlinger - Dr . Senn - Reindl - Lotte Simon Leiner schwang sehr wunderbare Reden" 93 Lotte Simon-Eckener war die einzige Frau in diesem Ausschuss . Der „Kulturbund“ bestand allerdings nicht lange, „seine selbst gesteckten Ziele versandeten in den neuen Anforderungen, die die Zeit nach der Währungsreform an den einzelnen Künstler stellte“, stellt Manfred Bosch fest 94 Dass Lotte Simon-Eckener als einzige Frau zu dieser Männerrunde kooptiert wurde, zeigte allerdings ihren ungewöhnlichen Status als Fotografin und Buchautorin und - bald auch als Verlegerin Zu dem Zeitpunkt gab es weder den Kunstverlag von Marlis Schoeller noch Simon + Koch, noch war abzusehen, dass der spätere offizielle Verlagssitz in Konstanz Zur Torkel 12 sein würde 95 Das Haus hatte das Ehepaar Simon-Eckener 1936 bezogen im Jahr ihrer Eheschließung Es heißt, dass Vater Eckener den Bau finanzierte und Simons Familie das Grundstück stellte Als das Paar im Februar 1978 in die Eigentumswohnung in der Seestraße in Konstanz wechselte, wurde das architektonisch ansprechende Gebäude verkauft und Jahre später abgerissen Nach dem Tod der Mutter lebten Lotte und ihr Mann alleine in dem Haus Paul Simon, der 1959 seine Praxis aufgab, ließ noch einen Anbau anbringen, in dem er ein Labor für Zahntechnik einrichten ließ Er reüssierte damit nicht, verbrannte dabei viel Geld und gab das Unternehmen wieder auf Glücklicher agierte dagegen <?page no="50"?> Die Tochter 51 Das Haus Zur Torkel 12 in Konstanz, Domizil von Paul und Lotte Simon, später auch der offizielle Verlagssitz von Simon + Koch. Das Haus wurde inzwischen abgerissen. <?page no="51"?> 52 Siegmund Kopitzki seine Frau Lotte mit ihrem Verlag, wobei die Rendite aus ihrer Sicht nicht das ausschließliche Ziel war Die finanzielle Situation des Ehepaares war auch nach der Aufgabe der Praxis und der Insolvenz des Labors gut Offenbar gehörte zum Erbe Lottes ein Paket mit Maybach-Aktien 96 Es gibt über das Gesagte hinaus nicht viel zu berichten über das Alltagsleben des Ehepaars Simon-Eckener, was auch dem Mangel an Quellen geschuldet ist Von Paul gibt es keinen einzigen privaten Brief an Lotte, an die Eltern oder Schwiegereltern . In einigen Schreiben seiner Frau flackert der Alltag auf, es ist von einer Kur die Rede, von einer Fahrt nach Salzburg Auch aus ihrem sozialen Umfeld gibt es nur wenige Stimmen, die zitiert werden könnten Zu ihrem 60 Geburtstag am 8 Februar 1966 gratulierte ihr - um zehn Tage verspätet - Helmut Rötzsch, seinerzeit Generaldirektor der Deutschen Bücherei in Leipzig/ DDR Aber er beglückwünschte die Verlegerin Simon-Eckener, die ihre „archivalischen und bibliographischen Aufgaben“ erfüllt Ein Geschäftsbrief . Es ist eines jener seltenen Schreiben, das sich im ausgedünnten Archiv des Verlags Simon + Koch befindet 97 So weltoffen Lotte Simon-Eckener nach außen agierte, so zurückhaltend gaben sie und ihr Mann sich nach innen Selten, dass sie in ihrem Haus Gäste empfingen Von größeren Gesellschaften weiß auch ihr Neffe Wolfgang nichts, der als Schüler Zur Torkel 12 Tage und Wochen verbrachte 98 Aber vielleicht war sie auch hier nur eine Doppelgängerin ihres Vaters, der streng zwischen Privatsphäre und Geschäftsleben trennte Von einer Krise in der Beziehung zwischen Paul und Lotte war nirgendwo zu lesen Es heißt, dass er sie dazu bewegte, 1967 mit der Verlagsarbeit Schluss zu machen . Wer aber die Erinnerungen von Christiane Hermann an ihre Mutter Martha Koch liest - in diesem Buch -, der erfährt, dass Lotte vermutlich müde war Und vielleicht sah sie ja auch ihr Werk vollendet . Mit der Abwicklung des Verlags war Lotte Simon-Eckener dann aber noch einige Jahre beschäftigt Der Umzug in die Seestraße, der Promenadenstraße von Konstanz, bedeutete nicht nur, dass die Eheleute weniger Wohnfläche zu bewältigen hatten Kaum eingezogen, erlitt Paul einen Herzinfarkt . <?page no="52"?> Die Tochter 53 Lottes Mann verbrachte zwei Monate im Krankenhaus, bis er wieder nach Hause entlassen werden konnte „Nun geht es ihm - und dies schon seit etlichen Wochen - aber wirklich zufriedenstellend, er geht jeden Tag ganz stramm eine Stunde spazieren, liegt dann genüsslich auf unserer Terrasse in der neuen Wohnung in der Seestraße, wo wir uns Beide sehr schnell und dankbar eingelebt haben Wir hören die Enten schnattern und die Schwäne auffliegen und abends spiegeln sich die Lichter der Stadt und von der Schweiz her in langen Lichtstreifen im See“, schrieb Lotte im Oktober 1978 an Schneider-Manzell Die nächsten drei Jahre kümmerte sie sich intensiv um den Patienten, dazwischen gab es Urlaubswochen unter anderem auf der Nordseeinsel Sylt Dazu kam - unangekündigt - eine Aufgabe, von der sie sich eigentlich schon verabschiedet hatte: Sie wurde Mitarbeiterin an gleich drei Buchprojekten Im selben Schreiben an den alten Freund Schneider-Manzell trägt sie eine Bitte vor, er möge an einer geplanten Bilddokumentation mitwirken, die Rolf Italiaander, „der Dir doch sicher durch irgend eines seiner Bücher bekannt ist, […] über meinen Vater schreiben will Er tut dies mit großer Sorgfalt und, ich muss schon sagen, Hingabe Es sollen, um den Band lebendig zu machen, allerlei Menschen - die verschiedenartigsten - zu Wort kommen, die einmal eine Begegnung mit meinem Vater hatten oder auf andere Weise einen Eindruck oder eine Beeindruckung durch ihn gewannen “ Schneider-Manzell machte mit und verfasste den Beitrag über den Besuch bei Dix in Hemmenhofen - „Dass dir dabei spontan unsere herrliche Schnapsreise zum großen Meister einfallen wird, darf doch wohl kein Zweifel sein! “, hatte sie ihn ermuntert 99 Noch weitere Anfragen an Wegbegleiter ihres Vaters übernahm sie im Auftrag von Italiaander Selbst nach Amerika schickte sie Bittbriefe Und auch ansonsten war sie dem Historiker eine gute Ratgeberin Ein Jahr später erschien das großformatige Werk Hugo Eckener. Ein moderner Columbus. Die Weltgeltung der Zeppelin-Luftschiffahrt in Bildern und Dokumenten im Konstanzer Stadler-Verlag Italiaander dankte Lotte Simon-Eckener ebenso freundlich wie routiniert im Nachwort: „Sie wurde mir zur hochgeschätzten Mitarbeiterin Dank also auch ihr! “ 100 <?page no="53"?> 54 Siegmund Kopitzki Aber kaum war die erste Auflage vergriffen, arbeitete Italiaander bereits an der Biographie über den Luftschiffer Dr . Hugo Eckener . Auch hier setzte er auf die „hochgeschätzte Mitarbeiterin“, die ihm einen Teil des Nachlasses übereignete Seite für Seite ging die „Lektorin“ Simon-Eckener das Manuskript durch Jede Sendung mit korrigierten Seiten an Italiaander wurde von einem Schreiben begleitet, in dem sie den Autor lobte oder kritisierte und gelegentlich auch über Erschöpfungszustände und, im Juli 1980, über ungute Rheumaschmerzen klagte - „das Neueste bei mir“ 101 An anderer Stelle konzedierte sie, dass sie bei der Ahnenforschung leider immer gefehlt habe: „Es ist dies ein bisschen schändlich, aber ich glaube, ich habe dieses Manko von meinem Vater selbst“ 102 Eine Selbsterkenntnis, der nicht widersprochen werden soll Im Juli 1981 kam es zwischen ihr und Italiaander zu einem längeren Briefwechsel über die Behandlung eines Schmähartikels von Carl von Ossietzky, den dieser 1928 in der „Weltbühne“ über ihren Vater veröffentlicht hatte Der Friedensnobelpreisträger und Opfer nationalsozialistischer Willkür relativierte darin Person und Bedeutung Eckeners: „Der Manager triumphiert über den Schöpfer, die Betriebsamkeit über den Geist, der sich nicht zu inszenieren versteht Die Überschätzung des Organisators ist überhaupt das schärfste Merkmal der deutschen Gegenwart“ 103 Italiaander wollte „an der Sache nicht vorübergehen“, schrieb er an Willy Kaldenbach, dem Direktor der Zeppelin-Metallwerke: „Ich bin dafür, diesen Angriff zu negieren Es ist besser, wir gehen darauf ein, als dass wir uns von einem Buchkritiker einen Vorwurf machen lassen“ 104 Ähnlich die Reaktion von Simon-Eckener: „Auch ich meine, dass man den Ossietzky-Artikeln nicht aussparen soll “ Direkt an Italiaander gewandt: „Und Sie selbst müssen auf ihr Renommee als authentischer und unbestechlicher Zeitgeschichtler bedacht sein“ 105 - Eine halbe Buchseite widmete Italiaander der Attacke Ossietzkys und unterstellte, dass „dieser Publizist nicht ausreichend unterrichtet war“ 106 „Alte Frau im Stress“ nannte sie sich selbst einmal gegenüber Italiaander, den sie bald nur noch „Lieber Liander“ nennt Er schreibt sie im Gegenzug mit „Liebes Lottchen“ an Als die Hälfte der Manuskriptarbeit beendet ist, notiert sie: „Unsere positive Einstellung zu Ihrem Buch wächst zur Zeit mit jeder Seite, die wir lesen Wir sind <?page no="54"?> Die Tochter 55 beim Bogen 255 und müssen nun noch täglich 30 Seiten lesen-[…]“ Ein andermal fragt sie den Autor an, wie er ihre „Korrekturen“ aufgenommen habe 107 Das Antwortschreiben ist nicht erhalten Aber die Frage erwartete eine geneigte Antwort Simon-Eckener war, diesen Schluss lässt die geführte Korrespondenz zu, auf keine Konfrontation aus, weder mit Italiaander, noch mit den Personen, von denen das Buch handelte: „Paul und ich möchten nach Möglichkeit entschärfen. Also Mitmenschen nicht unnötig verunglimpfen. Oder irgendwo einen Kommentar geben zum ‚Kampfhahn‘-Charakter meines Vaters. Er musste offenbar diese temperamentvollen und scharf gezeichneten Beurteilungen der Menschen, mit denen er zu tun hatte, loswerden. Andererseits ist er doch taktvoll und diplomatisch“. 108 Auch das darf als ein Stück Selbstbeschreibung gelesen werden Dass Simon-Eckener ihren Vater in ein günstiges Licht rücken wollte, wer wollte ihr das vorwerfen Sie fand darin in Italiaander einen kongenialen Partner Denn auf nichts anderes war die Biografie mit dem ausdrucksstarken Titel Ein Deutscher namens Eckener - Luftfahrtpionier und Friedenspolitiker. Vom Kaiserreich bis in die Bundesrepublik angelegt Am Ende schuf Italiaander ein deutsches Heldenepos Das passte nicht mehr in die Zeit Dem Autor fehlte jegliche Distanz zum „Alten vom Bodensee“ Andererseits machte er daraus kein Geheimnis, dass er ein absoluter Fan von Eckener war Das zeigte er auch auf anderen Schauplätzen wie der Hugo-Eckener- Gedächtnis-Ausstellung in Flensburg von 1979, die in Anwesenheit von Lotte Simon-Eckener und ihrem Neffen Uwe eröffnet wurde 109 Der Leser des Buchs ist gewarnt, er weiß, worauf er sich da einlässt Dass sich seine Co-Autorin, die auf ein eigenständiges künstlerisches und verlegerisches Werk zurückblicken konnte, dieser großangelegten Biografie selbst zu einer Fußnote degradierte - „Tochter Lotte wurde 1906 geboren und als ‚Photographin vom Bodensee‘ bekannt, nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sie in Konstanz einen Kunstverlag“ 110 - das bleibt ein Rätsel Noch Jahrzehnte nach dem Tod des Vaters blieb sie die Tochter, die seinen Garten post mortem hegte und pflegte und sich hinten anstellte Dazu gehört auch ihre <?page no="55"?> 56 Siegmund Kopitzki Mitarbeit am dritten „Vater-Buch“, einer kommentierten Neu-Ausgabe seiner Memoiren Im Zeppelin über Länder und Meere, die 1979 im Münchner Heyne-Verlag erschien Nach dem Tod ihres Mannes in der zweiten Jahreshälfte 1981, der den Spätfolgen seines Herzinfarktes erlag, wurde es einsam um Lotte Simon-Eckener Wenige Tage vor Weihnachten erreichte sie ein Brief von Italiaander, der wegen Rechtefragen und anderen Marginalien Ärger in Sachen Eckener-Bücher hatte In dem Schreiben geht er nicht darauf ein, sondern auf die neue Lebenssituation: „Liebe, verehrte Frau Lottchen! Wollen wir es getrost aussprechen: dies war vielleicht ihr schwerstes Jahr. Aber bedenken Sie doch bitte eines, es ist Ihnen dank Ihrer rührenden Fürsorge gelungen, Paul noch einige Jahre länger das Leben zu erhalten. Ich habe das selbst beobachtet, er hatte sich prachtvoll erholt, dank Ihrer aufopfernden Pflege. Was dann kam, war ein Ablauf, der uns alle betrifft, die Jüngeren wie die Älteren zugleich. Denken Sie auch in diesen Tagen an all das Schöne, dass Sie mit ihrem geliebten Mann erlebt haben. Das wird ein Trost sein.“ Einen Absatz weiter heißt es: „Vielleicht sollte es Sie doch erfreuen, dass der von Ihnen so sehr geliebte Vater wieder für die Öffentlichkeit lebendig geworden ist. Wären Sie nicht hilfsbereit gewesen, hätte ich das nicht geschafft“. 111 Letzteres ist wahr Dass die mediale Reaktion auf das Buch, das in Friedrichshafen unter Beteiligung des Oberbürgermeisters der Stadt präsentiert wurde 112 , eher verhalten war, hatte sein Autor nicht erwartet Im Südkurier schrieb immerhin der stellvertretende Chefredakteur Gerd Appenzeller Freundliches über die Biografie 113 In einem früheren Brief an Lotte Simon-Eckener machte Italiaander einige abstruse Gründe für die Zurückhaltung der Presse geltend - „Ältere Menschen äußern noch heute an Ihrem Vater Kritik und das wirkt sich dann bei Journalisten aus“ - und hoffte darauf, dass eine Initiative des Stadler-Verlags, in dem Ein Deutscher namens Eckener erschienen war, Wirkung zeigen würde . Ein Mitarbeiter wollte Zeitungen anmahnen, „die das kostbare Buch erhalten, aber nicht besprochen haben“ 114 <?page no="56"?> Die Tochter 57 Dass der einstige „Superstar“ der Luftschifffahrt, Dr Hugo Eckener, in Vergessenheit geraten würde, nur noch Experten-Wissen werden sollte, konnten weder Italiaander noch die ewige Tochter verhindern 115 Dieses Schicksal traf allerdings auch die Fotografin und Verlegerin selbst Dorothea Cremer-Schacht und ihrer „Projektgruppe Fotografie am Bodensee“ ist zu danken, immer wieder an die Bedeutung ihres Schaffens erinnert zu haben - mit Gedenkartikeln und Ausstellungen 116 Jetzt einmal mehr Anfang der 1990er-Jahre sagte Lotte Simon-Eckener der Wohnung in der Seestraße Adieu und mietete sich im Konstanzer Altenstift Rosenau an Ihr Zimmer erlaubte den Blick auf den See . Den einen oder anderen Besucher empfing sie noch, führte auch die eine oder andere Korrespondenz, zum Beispiel mit Schneider-Manzell, dem lebenslangen Wegbegleiter 1995 starb sie im Alter von 89 Jahren In der Todesanzeige standen die tröstlichen Worte: „Sie hat uns verlassen nach einem ausgefüllten Leben“ . Ein Understatement Aber so hatte sie gelebt Lotte Eckener in der Konstanzer Seniorenresidenz Rosenau, wo sie bis zu ihrem Tod lebte. <?page no="57"?> 58 Siegmund Kopitzki * Post Scriptum: Ich lernte Lotte Simon-Eckener 1988 kennen. Als Redakteur des „Südkurier“ hatte ich einen Beitrag über die Wiedereröffnung des Hermann-Hesse-Museums in Gaienhofen verfasst. Sie rief in der Redaktion an und lud zu einem Tee in die Seestraße ein. Dort erfuhr ich den Grund ihres Anrufs. Sie wollte von ihrer Begegnung mit Hesse erzählen. Sie fügte aber auch an, dass der Schriftsteller mit dem Luftschiff über den See fuhr. Ich kannte Hesses Erzählung „Spazierfahrt in der Luft“, ich wusste aber bei der ersten Lektüre nicht, dass Lottes Vater die rechte Hand von Graf Zeppelin war. Sie erzählte dann von ihrer Begegnung mit Otto Dix und ich erkannte in dem Wohnzimmer ein Werk, eine Landschaft, die ich etwas fade fand. Ich habe mir keine Notizen über die Begegnung gemacht. Es war kein weltbewegendes Gespräch. Und meine Gastgeberin hatte auch keinen Bericht erwartet. Ich habe Lotte Simon-Eckener noch zweimal in der Rosenau besucht. Der Dix hing an der Wand und dieses Mal gefiel mir das Bild. Auch nach dem zweiten und dritten Gespräch führte ich kein Protokoll. Ich gebe es zu, auch ich bin schlecht in der Ahnenforschung. Beim Aufzeichnen der biografischen Skizze „Die Tochter“ habe ich den Mangel an Quellen gebüßt. Aber erst bei der Schreibarbeit habe ich gemerkt, welch eine interessante Frau, Künstlerin und Verlegerin sie war. Von ihrem Tod 1995 erfuhr ich aus der Zeitung. Und bedauerte, sie vergessen zu haben. Nahezu zwanzig Jahre später durfte ich auf Einladung des Zeppelin-Museums in Friedrichshafen bei einer von Dorothea Cremer-Schacht kuratierten Ausstellung einige Freundlichkeiten über Lotte Simon-Eckener Fotowerk sagen. Und jetzt folgen Buch und Ausstellung im Hesse-Museum. Hier schließt sich ein Kreis. Das ist eine große Freude! <?page no="58"?> Die Tochter 59 Anmerkungen 1 Eckener, Hugo, „Ein humanistischer Appell in Flensburg“ In: Italiaander, Rolf, Hugo Eckener Die Weltschau eines Luftschiffers Flensburg 1981 Seite 150 2 Ders , Seite 162 3 Gollbeck-Eckener, Inge Hg , Onkel Hugo Hugo Eckener in Briefen, Selbstzeugnissen und Erinnerungen Ohne Ortsangabe 2002 Seite 41 f 4 Italiaander, Rolf, Ein Deutscher namens Eckener Konstanz 1981 . Seite 4 5 Ders , Seiten 21-50 6 Ders , Seite 8 f 7 Vgl Waibel, Barbara, LZ-129 Hindenburg Luxusliner der Lüfte Erfurt 2010 8 Italiaander, Anm 4, Seite 357 9 Ders ., Seite 323 ff 10 Ders ., Seite 51 11 Ders ., Seite 57 12 Ders ., Seite 57 13 Gollbeck-Eckener, Anm 3, Seite 7 f 14 Dies , Seite 12 15 Flensburger Nachrichten v 19 10 1897, Nr 244 16 Flensburger Nachrichten v 21 10 1897, Nr 246 17 Italiaander, Anm 4, Seite 127 18 Ders ., Seite 77 19 Zit nach Italiaander, Anm 4, Seite 78 20 Vgl Bosch, Manfred, „Habens ganz gut getroffen…“ - Die Manns am Bodensee Konstanz 2018 21 Zit nach Italiaander, Anm 4, Seite 79 22 Ders ., Seite 250 23 Lotte Simon-Eckener an Rolf Italiaander v 4 8 1979 Archiv Dorothea Cremer-Schacht (ADCS) 24 Gollbeck-Eckener, Anm 3, Seite 70 f 25 Zit nach Italiaander, Anm 4, Seite 83 26 Lotte Simon-Eckener an Rolf Italiaander v 1 11 1980 ADCS - Mit Martin Walser ist der 1927 in Wasserburg/ Bodensee geborene Schriftsteller gemeint Die Eltern seiner Frau Käthe lebten in Friedrichshafen Italiaander nennt in seiner Biografie, (Anm . 4, Seite 76) die Meersburger Straße als Standort des Hauses Möglicherweise war das der Name der Straße um die Jahrhundertwende 27 Simon-Eckener, Anm 26 28 Zit nach Gollbeck-Eckener, Anm 3, Seite 62 f 29 Simon-Eckener, Anm 26 - Auf den Korrekturfahnen zu Italiaanders Buch „Ein Deutscher namens Eckener“ (Anm 4) vermerkte Lotte über ihre ertrunkene Schwester: „Sie war die Beste von uns Dreien, hatte Geist und Art ihres Vaters“ ADCS 30 Zit nach Italiaander, Anm 4 Seite 149 31 Ders , Seite 146 32 Ders , Seite 177 33 Zit nach Italiaander, Anm 4, Seite 454 - Das Flaggschiff der Hamburg-Südamerika-Linie wurde nach dem Kap Arkona auf der Insel Rügen benannt Das Schiff wurde am 3 Mai 1945 kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs durch britische Flugzeuge versenkt, wobei die meisten der sich an Bord befindenden ca 4600 KZ-Häftlinge ums Leben kamen . 2800 Häftlingen starben auf dem Begleitschiff Thielbek <?page no="59"?> 60 Siegmund Kopitzki 34 Italiaander, Rolf, Hugo Eckener Ein moderner Columbus Die Weltgeltung der Zeppelin Luftschiffahrt in Bildern und Dokumenten Konstanz 1979 Seite 29 35 Italiaander, Anm 4, Seite 464 - In einem Gespräch am 13 12 2009 in Konstanz erwähnte Dr Uwe Eckener, Sohn von Knut Eckener, dass sein Vater Mitglied der NSDAP geworden sei, um den Regime-Kritiker Dr Hugo Eckener vor weiteren Nachstellungen durch die Nationalsozialisten zu schützen 36 Zit . nach Italiaander, Anm 34, Seite 43 37 Es gibt unterschiedliche Darstellungen über die erste Begegnung zwischen Graf Zeppelin und Eckener Italiaander berichtet in Hugo Eckener Ein moderner Columbus (Anm 34), dass das erste Zusammentreffen im Oktober 1900 in Friedrichshafen stattgefunden habe . In seinem Buch Im Zeppelin über Länder und Meere (Flensburg 1949) datiert Eckener das erste Zusammentreffen mit dem Grafen auf Oktober 1908 38 Der Brand des Luftschiffes LZ-4 nahe Echterdingen am 5 August 1908 hätte beinahe das Aus für die Zeppeline bedeutet, ehe die Ära der Luftschiffe richtig begonnen hatte Doch eine Spendenaktion der flugbegeisterten Bevölkerung erreichte das Gegenteil und stellte das Zeppelin-Projekt finanziell auf sicheren Boden Die Volksspende erbrachte sechs Millionen Mark - Siehe auch Tittel, Lutz, Die Fahrten des LZ 4 1908 Schriften zur Geschichte der Zeppelin-Luftschiffahrt Nr 1, Friedrichshafen 1983 39 Siehe auch Rackwitz, Erich, Reisen und Abenteuer im Zeppelin Nach Tagebuchaufzeichnungen von Dr Hugo Eckener Berlin 1955 40 Reindl, Ludwig Emanuel, „Johanna Eckener ist gestorben Ein Gedenkwort für die Gattin des Luftschiffpioniers“ Südkurier v 19 1 1956 41 Zit nach Gollbeck-Eckener, Anm 3, Seite 24 42 Lotte Simon-Eckener auf den Korrekturfahnen zum Buch Ein Deutscher namens Eckener (Anm 4), die sie am 7 5 1981 an Italiaander sandte ADCS 43 Zit . nach Gollbeck-Eckener, Anm 3, Seite 72 f 44 Dies ., Seite 80 45 Zit nach Italiaander, Anm 4, Seite 80 46 Ders , Seite 84 47 Ders , Seite 200 48 Zuckmayer, Carl, Als wär’s ein Stück von mir Frankfurt, 1966 - An eine gemeinsame Zeppelin-Fahrt mit Zuckmayer im Jahre 1932 erinnert der Journalist und Schriftsteller Norbert Jacques, der die längste Zeit seines Lebens am Bodensee verbrachte, in seinen Memoiren Mit Lust gelebt (Hamburg 1950) Jacques war, nach eigenem Bekunden, wie Hugo Eckener im Hotel Deutsches Haus Teil jenes Kreises, der nach dem Echterdinger Unglück der LZ-4 am 5 August 1908 die Idee einer Volksspende entwickelte, die am Ende das Überleben der „Zeppeliner“ ermöglichte 49 Carl Zuckmayer an Lotte Simon-Eckener v 7 9 1932 ADCS 50 Das Gespräch in der Radiosendung „Funkstunde Berlin“ fand zwischen Paul Eipper und Franz Schauwecker statt Darin heißt es u a : „Ich habe zu unserer Begegnung, Herr Schauwecker, ein Buch mitgebracht, das wirklich vor 30 Jahren nicht hätte gemacht werden können . Darin hat die Tochter von Hugo Eckener 30 Baumphotographien der Öffentlichkeit übergeben“ In: Flyer zum Buch von Eckener, Lotte, Die Welt der Bäume Berlin 1933 51 Berliner Illustrirte Zeitung v 17 5 1931, Nr 20 52 In einem Brief an Italiaander vom 17 08 80 erwähnt Lotte Simon-Eckener ein von ihr geführtes Diarium, aus dem sie zitiert Das Diarium wurde von Dr Uwe Eckener entsorgt, wie der Neffe der Mitherausgeberin Dorothea Cremer-Schacht am 12 11 .2019 mitteilte 53 Zit nach Gollbeck-Eckener, Anm 3, Seite 59 54 Jacques, Anm 48, Seite 214 55 Ders ., Seite 214 56 Zit nach Italiaander, Anm 4, Seite 77 <?page no="60"?> Die Tochter 61 57 Botting, Douglas, Der große Zeppelin Hugo Eckener und die Geschichte des Luftschiffs Berlin 2001 . Seite 274 f 58 Ders ., Seite 278 59 Italiaander, Anm 34, Seite 120 f 60 Italiaander, Anm 4, Seite 329 61 Ders , Seite 330 f 62 Carl Zuckmayer an Lotte Simon-Eckener, 1935 (ohne näheres Datum, unvollständiger Brief) ADCS 63 Levec, Eva, „Erinnerungen an eine bemerkenswerte Frau“ In: Der Stiftsbote, Nr 56, März 1956 . - Der Stiftsbote war eine Zeitschrift der Mädchenoberschule des Paulinenstifts, die Lotte Eckener und Eve Levec-Küsters in Friedrichshafen besucht hatten 64 „Bodensee Segeln auf dem Obersee“, Aufnahme von Lotte Ecker, Verlag Simon + Koch, Vorarlberger Landesbibliothek Sign FOT-BOD-000-00348 65 Dr Wolfgang Alexander Simon im Gespräch mit dem Autor am 12 11 . 2020 Simon ist der Sohn von Pauls Bruder Eugen Simon 66 Ders , Gespräch 67 Zit . nach Gollbeck-Eckener, Anm 3, Seite 66 68 Lotte Simon-Eckener an Paul Simon v 29 11 1944 ADCS 69 Zit nach Italiaander, Anm 4, Seite 402 70 Lotte Simon-Eckener, Anm 68 71 Schneider-Manzell, Toni, „Zeugnisse von Zeitgenossen“ In: Italiaander, Anm 34, Seite 175 72 Ders , Seite 175 73 Toni Schneider-Manzell an Lotte Simon-Eckener, Weihnachten 1992 ADCS 74 Italiaander, Anm . 4, Seite 436 75 Lotte Simon-Eckener an Rolf Italiaander v 12 10 1978 ADCS 76 Im Brief v 23 8 1947 aus Akron/ USA an seine Frau Johanna schreibt Eckener: „Ich habe, abgesehen von Euern und Knuts, mindestens ein Dutzend Pakete an andere geschickt, nur will ich erstmal zuwarten, wie und wann diese ‚Europa‘-Pakete ankommen, für die ich 150 Dollar eingezahlt habe …“ Zit nach: Italiaander, Anm 4, Seite 439 77 Italiaander, Anm 4, Seite 467 78 Eckener, Hugo, Seite 60, Anm 37 79 Ders , Seite 563-f 80 Italiaander, Anm 4, Seite 507 81 Eckener, Hugo, „Rede zur Einweihung des Nansen-Hauses in Lörrach“ November 1952 ADCS 82 Italiaander, Anm 4, Seite 523 83 Bühler, Hede, Luftschiffbau Zeppelin 1932 - 1946 Verfasst am 23 9 1978 . ADCS 84 Vgl Hugo Eckener an Willy Mieser v 13 1 1953 In: Italiaander, Anm 4, Seite 509 85 Lotte Simon-Eckener an Hermann Hesse v 16 2 1956 Deutsches Literaturarchiv Marbach (DLA) 86 Hermann Hesse an Lotte Simon-Eckener, um 1937 In: Michels, Volker, Hg , Hermann Hesse Bodensee Betrachtungen, Erzählungen, Gedichte Stuttgart, 2001, 7 . Auflage, Seite 271 - Das Buch enthält auch Hesses Zeppelin-Text „Spazierfahrt in der Luft“ von 1911 87 Lotte Simon-Eckener an Hermann Hesse v März 1956 DLA 88 Paul Simon zeigte wohl weniger Verständnis für die Verlagsarbeit seiner Frau, wie sich aus dem protokollierten Gespräch vom 28 4 2020 zwischen der Mitherausgeberin Dorothea Cremer-Schacht und Christiane Hermann, der Tochter der Verlegerin Martha Koch, ergab Simon drängte demnach angeblich seine Frau 1967 den Verlag aufzugeben ADCS 89 Carl Zuckmayer an Lotte Simon-Eckener v 23 7 1949 ADCS <?page no="61"?> 62 Siegmund Kopitzki 90 Weber, Jan Robert, „Hoffentlich trifft man nicht zu viele widrige Literaten dort“ Ernst Jünger in Oberschwaben In: Weber, Edwin Ernst, Hg , Literatur in Oberschwaben seit 1945 Meßkirch 2017 Seite 190-223 91 Zuckmayer, Anm . 89 92 Bosch, Manfred, Konstanz literarisch Versuch einer Topographie Konstanz 2019 Seite-27 93 Fritz Mühlenweg an seine Frau Elisabeth v 9 1 1948 In: Michael Felder Archiv Bregenz (Nachlass F Mühlenweg) - Mühlenweg, Sohn eines Konstanzer Drogisten, hatte in den 1920er- und 1930er-Jahren mit Sven Hedins Expeditionen u a die Mongolei bereist und Eindrücke davon in Romanen und Erzählungen festgehalten 1948 besuchte er Hugo Eckener im Konstanzer Haus Zur Torkel 12 von Lotte Simon-Eckener . (Diesen Hinweis verdanke ich dem Verleger Ekkehard Faude, der den „vergessenen“ Autor Mühlenweg in den 1990er-Jahren für eine breite Leserschaft wiederentdeckte Zu den Prominenten, die der Luftschiffpionier kennengelernt hatten, gehörte auch der schwedische Asienforscher 94 Bosch, Anm . 92, Seite 27 95 Ders , Seiten 37-39 96 Dr Wolfgang Alexander Simon im Gespräch mit den Herausgebern am 16 11 .2020 97 Helmut Rötzsch an Lotte Simon-Eckener v 18 2 1966 ADCS 98 Gespräch, Anm 96 99 Lotte Simon-Eckener an Toni Schneider-Manzell v 7 10 1978 ADCS 100 Italiaander, Anm 34 . Seite 183 101 Lotte Simon-Eckener an Rolf Italiaander v 1 1 1980 102 Ebd 103 Ossietzky, Carl von, Eckener oder Der Triumph der Betriebsamkeit . In: Die Weltbühne, 23 10 1928 104 Rolf Italiaander an Willy Kaldenbach v 9 7 1981 ADCS 105 Lotte Simon-Eckener an Rolf Italiaander v 16 8 1981 ADCS 106 Italiaander, Anm . 4, Seite 532 107 Lotte Simon-Eckener an Rolf Italiaander v 5 5 1981 ADCS 108 Dies , Anm 107 109 „Dem großen Sohn der Stadt zum Gedenken Tochter und Enkel des Flensburger Ehrenbürgers kamen zur Eröffnung“ Sylter Rundschau v 17 9 1981 110 Italiaander, Anm 4, Seite 77 111 Rolf Italiaander an Lotte Simon-Eckener v 21 12 1981 ADCS 112 Lotte Simon-Eckener führte eine umfangreiche Korrespondenz mit Oberbürgermeister Martin Herzog Dabei ging es nicht nur um die Buchvorstellung, sondern auch - wie Briefen v . 8 12 1980, 31 .12 1980, 15 1 81 zu entnehmen ist (ADCS) - um die Porträtbüste, die Werner Gürtner von ihrem Vater gemacht hatte Simon-Eckener wünschte, dass die Büste im Amtszimmer des Oberbürgermeisters aufgestellt werden sollte und nicht die eines anderen Künstlers (Wolf Ritz) Herzog folgte ihrem Wunsch 113 apz (Gerd Appenzeller), „Weit mehr als ein Luftfahrer Eine bemerkenswerte Biographie über Hugo Eckener“ Südkurier v 23 12 1981 114 Rolf Italiaander an Lotte Simon-Eckener v 12 7 1982 ADCS 115 Wex, Georg, „Vom Superstar in die Vergessenheit: Zeppelin Museum zeigt Ausstellung über Hugo Eckener“ Südkurier v 17 7 2018 116 Cremer-Schacht, Dorothea, „Lotte Eckener verschrieb ihr Leben ganz der Fotografie . Zum Gedenken an den 90 Geburtstag der Fotografin - Verlag Simon und Koch war der erste von Frauen geleitete Verlag auf der Frankfurter Buchmesse“ Südkurier v 8 .2 .2006 - Lay, Franz Josef, „Die Lebens-Bilder der Lotte Eckener - Das Zeppelin-Museum zeigt Fotografien der Tochter von Hugo Eckener - Vernissage am 2 November im Grenzraum“ Südkurier v 28 10 2006 <?page no="62"?> „Ah! Der Zwei-Frauen-Verlag“ Uwe Eckener über Lotte Simon-Eckener Herr Eckener, was ist ihre erste Erinnerung an Lotte Eckener-Simon? — Als wir von ihr fotografiert wurden Wir waren Kinder . Tante Lotte machte Fotos von uns, um ein Familienbild für den Großvater Hugo zum Geburtstag anzufertigen Es dauerte sehr lange, bis die Portraits fertig waren, wir Kinder hatten nicht viel Geduld Und waren froh, als wir wieder rausdurften Die Ehe von Lotte und Paul Simon blieb kinderlos Haben Sie oder ihre Töchter dadurch bei den beiden eine Sonderrolle eingenommen? — Nein, wir waren keine Ersatzkinder Paul konnte nicht so gut mit Kindern Lotte hätte wohl gerne welche gehabt Sie war eine liebenswürdige Tante Lotte hat uns gerne Bücher geschenkt, und sie hatte dabei großes Geschick Die Bücher waren immer altersgerecht und doch von bleibendem Wert So gibt es in meiner Bibliothek heute noch eine Ausgabe von Daniel Defoes Robinson mit den phantastischen Farbholzschnitten von Alfred Zacharias (Wiking Verlag 1942), die Jugendbücher von Fritz Mühlenweg (mit dem sie befreundet war), und noch eine Reihe anderer Wie war das Verhältnis von Lotte zu ihren Eltern? Zu Hugo und Johanna? Sie ist viel mit dem Vater unterwegs gewesen Ist es vorstellbar, dass der Tod der älteren Tochter Hannelise einen Einfluss auf ihre Beziehung zum Vater hatte? — Der Tod von Hannelise hat sein Verhältnis zu Lotte sicherlich beeinflusst Hugo war eine natürliche Autorität Und in der Familie von allen akzeptiert Die Mutter war sanftmütig und feinsinnig . Lotte, die Tochter, war eine typische Vertreterin des 4 Gebots, du sollst Vater und Mutter ehren Welche Rolle spielte für Lotte der Bruder Knut, Ihr Vater? — Eher eine neutrale Rolle Ich habe bei meinem Vater nicht wirklich feststellen können, wie er zu seiner Schwester stand Er war nicht <?page no="63"?> 64 Uwe Eckener über Lotte Simon-Eckener sehr gesprächig in dieser Hinsicht Sie haben sich gegenseitig respektiert und wohl auch gemocht Er hat ihre Arbeit als Fotografin geschätzt, auch die Bücher Er war sehr grafisch orientiert Haben Sie Lotte als nahe Verwandte oder auch als Fotografin und Verlegerin gesehen? — Ich glaube, ich habe sie hauptsächlich als Fotografin wahrgenommen Das war ja auch mein erster Eindruck von ihr Sie war immer mit der Kamera unterwegs Ohne Kamera habe ich sie selten gesehen Haben Sie sie beim Fotografieren oder bei der Arbeit begleitet beziehungsweise beobachtet? — Nicht sehr oft Wir waren Jugendliche, wir sind nicht gerne in Kirchen oder andere historische Gebäude mitgegangen . Aber wenn Hundertster Geburtstag von Hugo Eckener, 1968. V.r.n.l.: Lotte Eckener, Uwe Eckener, Unbekannt <?page no="64"?> „Ah! Der Zwei-Frauen-Verlag“ 65 sie Leute oder die Familie fotografierte, dann habe ich sie beobachtet . Wie sie unter dem schwarzen Tuch verschwunden ist, das war ja auch amüsant Sie hatte ein ausgebautes Labor im Torkel 12, die Dunkelkammer habe ich interessant gefunden Einen Fotokurs habe ich bei ihr allerdings nicht gemacht Ich habe nur so geknipst, während sie eine sehr qualifizierte Arbeit machte Das war mir schon bewusst Über ihre Arbeit hat sie viele interessante Leute kennengelernt Sie kannte Otto Dix, sie hat Hans Purrmann und Hermann Hesse im Tessin besucht Hat sie davon erzählt? — Leider nein Viel erzählt hat sie nicht Ich habe später einiges dem Nachlass entnommen Sie hat sich als Teil dieser Künstlerschaft gesehen, aber sie brachte ihr eigenes Genre ein Lotte leitete der Gedanke, dass ihre fotografische und verlegerische Arbeit für die Maler und Bildhauer wichtig und hilfreich sei Sie setzte darauf, dass die Art und Weise, wie sie die Dinge fotografisch darstellt, die Aura des Kunstwerks verstärkt Gab es Motive, die sie besonders gerne aufgenommen hat? — Landschaft war ihr wichtig, doch alte und neue Kunstwerke, Bilder, Skulpturen genauso Das sieht man ja auch in den Büchern, die sie herausgegeben hat Landschaft und Kunst war ihre Marke . Sie wollte, wie jeder Künstler, unverwechselbar sein, und das war sie ja . Lottes Fotos haben einen hohen Wiedererkennungswert Sie hatte ein Faible für schön gestaltete Portraits Das hatte sie im Berliner Atelier von Alexander Binder gelernt Selbst wenn sie ihren Bruder, ihren Vater oder ihre Mutter fotografiert hat, nahm sie das sehr ernst . Die Erfahrung aus der Portraitfotografie kam ihr bei Skulpturen oder Plastiken natürlich zugute Hat sie sich als Künstlerin gesehen? — Sie hat empfunden, dass die Art und Weise wie man Kunst ins Bild setzt, einen wesentlichen Beitrag zum Charisma, zur Strahlkraft des Objekts leistet Sie verstand ihre Arbeit als Baustein zur Kultur allgemein Sie hatte den hohen Anspruch, dass das, was sie macht, künstlerisch sein müsse, grafisch gut und, wie gesagt, unverwechselbar Sie hat sich selbst aber nie als Künstlerin bezeichnet <?page no="65"?> 66 Uwe Eckener über Lotte Simon-Eckener Gab es einen Austausch mit Fotokollegen in der Region? — Sie kannte den Überlinger Fotografen Siegfried Lauterwasser recht gut Er imponierte ihr mit seinen herausragenden dokumentarischen Fotografien Was ihr gefiel, waren die technischen Tricks und der Aufwand, den er betrieb, um einen bestimmten Blickwinkel zu erreichen So ließ er zum Beispiel eine Feuerwehrleiter anrollen Das Akkurate seiner Arbeit hat sie bewundert, aber auch seine Kreativität Dann fand sie natürlich die Konstanzer Fotografin Franzis von Stechow gut Sie konnte, wie Lotte es einmal sagte, gelebtes Leben ausdrücken Wie intensiv ein Austausch stattfand, kann ich nicht beurteilen Paul Simon, ihr Mann, galt als sehr sportlich Wie hat er ihre fotografische Arbeit gesehen? — Paul fand ihre Arbeit wichtig Stolz war er auf den Bekanntenkreis, den Lotte um sich versammelte, wichtige Künstler, Schriftsteller und andere Kulturschaffende Sie war im Übrigen sehr selbstbewusst, was mit ihrer Herkunft zu tun hatte Und sie hatte keinerlei Schwellenängste Lotte Simon-Eckener hat 1949 mit Marlis Schoeller in Kattenhorn den ersten Buchverlag gegründet, der später nach dem Tod von Schoeller in Simon + Koch überging Es soll der erste von Frauen gegründete und geleitete Verlag im Nachkriegsdeutschland gewesen sein War ihr das bewusst? — Ja, das hat sie gewusst Über die Verlagsgründung mit Marlis Schoeller kann ich nichts sagen, da war ich noch sehr jung Beim Nachfolgeverlag Simon + Koch war es anders Wenn Lotte und Martha Koch auf der Frankfurter Buchmesse waren, hieß es: „Ah! Der Zwei-Frauen-Verlag“ Dass sie das so gepackt haben, darauf waren sie am Ende stolz Und ja: Die beiden konnten sich gut leiden und haben sich im Alltagsgeschäft des Verlags bestens ergänzt Nach unserem Eindruck war Lotte Simon-Eckener gut vernetzt, sie hat das Netzwerk Kulturbund Konstanz 1949 mitbegründet mit Fritz Mühlenweg, Bruno Leiner, Ludwig Emanuel Reindl und anderen Würden Sie sagen, dass sie ein wichtiger Teil der Konstanzer Gesellschaft war? <?page no="66"?> „Ah! Der Zwei-Frauen-Verlag“ 67 — Lotte und Paul waren viel mit ihren Bekannten zusammen, zum Beispiel mit den Eheleuten Christiani, die in Konstanz einen Lehrbuch-Verlag führten Mit ihnen waren sie auch gerne unterwegs, gemeinsam auf Sylt oder in den Alpen beim Skifahren Lotte hatte einen engen Freundeskreis, den sie intensiv pflegte Können Sie sich erklären, warum sie Verlegerin geworden ist? Aus finanziellen Gründen musste sie das nicht machen! — Nicht aus finanziellen Gründen, da haben Sie recht Wie das bei Martha Koch war, das weiß ich nicht genau Sie hat sehr viel Arbeit in den Verlag investiert, klar, dass sie dann auch davon profitieren wollte Der Verlag hat sich insgesamt gut gehalten Die Frauen hatten einen wirtschaftlichen Anspruch, sie wollten schwarze Zahlen schreiben Lotte war der Meinung, wenn sie Auftragsfotos macht, dann kann sie dafür selbstverständlich auch ein Honorar verlangen . Ihre Profession war für sie keine künstlerische Nebenbeschäftigung Wenn ein neues Buch fertiggestellt war, bekam dann jedes Familienmitglied ein signiertes Exemplar geschenkt? Uwe Eckener in der Ausstellung „Lotte Eckener Photographien von 1925 -1965“ in Konstanz, 2006 <?page no="67"?> 68 Uwe Eckener über Lotte Simon-Eckener — Mein Vater Knut schon Sie wusste wohl, dass meine Schwester und ich auch reinschauen würden Im näheren Bekanntenkreis hat sie ihre Bücher gerne verschenkt Auf den Band über die Oberammergauer Festspiele war sie sehr stolz Sie durfte aus vertraglichen Gründen die Laiendarsteller nicht im Kostüm fotografieren, wie sie einmal erzählte Sie hat dann improvisiert Beim Portrait der Muttergottes zum Beispiel verwendete sie kurzerhand ihren eigenen Schal Wie sah ihr Mann Paul Simon ihre verlegerische Arbeit Es heißt, er habe sie gedrängt 1967 den Verlag aufzulösen? — Das kann ich nicht bestätigen Es gab sicher Zeiten, in denen der Verlag einen Durchhänger hatte, finanziell betrachtet Da könnte schon eine kleine Krise ausgebrochen sein, zum Drama aber ist es nie geworden Lotte Simon-Eckener hat an drei Büchern über ihren Vater mitgewirkt und damit auch an der Legendenbildung von Hugo Sie hat sich selbst nie als „Nachrufpersönlichkeit“ gesehen? — Sie war nicht eitel Lotte hatte Standpunkte, über die sie nicht philosophierte „Wie sieht mich die Nachwelt? “ - das war ihr egal, glaube ich Sie dachte eher, dass sie über ihre Fotografien und Bücher in Erinnerung bleiben wird, was ja auch zutrifft Wie war sie im Alter? Sie hat ja Paul Simon um etliche Jahre überlebt — Es ist das Los alter Menschen, dass sie ihre langjährigen Freunde überleben Lotte konnte damit gut umgehen Sie hat sich bis ins hohe Alter für Kunst und Fotografie interessiert Sie führte nach wie vor eine rege Korrespondenz Da ich mancherlei Alltagsdinge für sie erledigen konnte, hatte ich oft Gelegenheit, mich mit ihr zu unterhalten . Bei den Gesprächen kam eine sanftmütige, warmherzige Seite ihres Wesens zum Vorschein, die sie früher nicht so gezeigt hatte . Doch, ich denke gerne an sie zurück Das Gespräch mit Dr. Uwe Eckener führten Dorothea-Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki am 8. Dezember 2020. Der Neffe der Fotografin und Verlegerin lebt in Konstanz. <?page no="68"?> Die Fotografin d orothea C remer -S ChaCht Lotte Eckener war 81 Jahre alt, als das Buch Madonnen. Bildwerke und Miniaturen 1987 im Stadler Verlag Konstanz erschien Es war die dritte Auflage ihrer erstmals 1957 verlegten Madonnen Die neue Auflage war leicht verändert, die Betonung lag jetzt auf romanischen, gotischen und barocken Mariendarstellungen aus der engeren Bodenseeregion Das Gros der Bilder war weiterhin schwarzweiß und stammte aus den Jahren zwischen 1930 und 1960, neu hinzugekommen waren Farbaufnahmen aus jüngerer Zeit „Als ich ihr den frischgedruckten Band überreichte, schaute sie zunächst nur auf den Einband, dann blätterte sie lange, studierte Bild für Bild darin, ehe sie wohlwollend nickte“, erinnerte sich der Verlagsredakteur Adolf Vetter 1 Er hatte mit Eckener die Neuauflage verhandelt Buchcover der 3. Ausgabe des Buches Madonnen. Bildwerke und Miniaturen, 1987. Abbildung Madonna, sog. „Meister von Eriskirch“, 1430/ 40 Pfarrkirche, Eriskirch <?page no="69"?> 70 Dorothea Cremer-Schacht „Es war eine intensive Zusammenarbeit. Sie wohnte nach dem Tod ihres Mannes allein in dem wunderbaren Apartment mit ebenerdiger Terrasse und Blick auf den Seerhein. Es war geschmackvoll eingerichtet mit einigen beeindruckenden Kunstwerken. Der große Schreibtisch war mit Büchern, Briefen und vielen persönlichen Gegenständen belegt und ungeeignet für unsere Zusammenarbeit. Die auszuwählenden Madonnenbilder hatte Lotte Eckener auf mehreren kleinen Tischen ausgebreitet und vorsortiert. Meine Besuche schienen sie zu beleben. Ich war nicht immer ihrer Meinung , aber beeindruckt von ihren klaren Vorstellungen zu Auswahl, Beschnitt und Gestaltung des Buches.“ 2 Es war der letzte veröffentlichte Bildband der Konstanzer Fotografin Der erste erschien 1933, dazwischen lagen 54 Jahre Zählt man die Lehr- und Wanderjahre hinzu, hat Lotte Eckener 63 Jahre der Fotografie gewidmet Was ihr fotografisches Schaffen ausmacht, wird nachfolgend erzählt Jugend Nach der Grundschule besuchte Lotte Eckener bis zur Mittleren Reife als Externe die überregional bekannte Mädchenoberschule des Paulinenstifts in Friedrichshafen, eine Einrichtung, die musische und geistige Fächer betonte, aber auch Leibesübungen förderte Die Schule war 1856 mit Unterstützung von Königin Pauline gegründet worden, als die Mädchenbildung staatlicherseits noch kaum gefördert wurde . 3 Die Eltern Johanna und Hugo waren liberal Ausbildung und berufliche Selbständigkeit förderten sie auch bei ihren Töchtern, ohne sie jedoch in berufliche Entscheidungen zu drängen . 4 Lotte Eckener, geboren 1906, entschied sich für eine fotografische Tätigkeit und besuchte im Anschluss an die Mädchenoberschule die Staatliche Höhere Fachschule für Phototechnik in München Für Lotte Eckeners Motivation, Fotografin werden zu wollen, gibt es in ihrer Familie Anhaltspunkte Vom Vater habe sie die Freude und das Interesse am Fotografieren übernommen, erinnert sich Eva Levec . 5 Hugo Eckener kaufte sich 1915 den ersten Fotoapparat <?page no="70"?> Die Fotografin 71 und war sofort begeistert „Eine Kamera kaufe ich mir hier Wir haben hier sachverständige Leute, die mir raten werden Ich denke für 70/ 85 Mark kriegt man was Gutes, zumal jetzt im Kriege Ich werde mir das Ding gleich erstehen, damit ich noch etwas photographieren kann in Friedrichshafen “ 6 Künstlerisches Schaffen war ihr auch über ihren Onkel Alexander Eckener vertraut, einen bekannten Maler und Grafiker Vielleicht imponierte ihr auch Hanna Seewald, die von 1924 bis 1925 als junge Fotografin beim Luftschiffbau Zeppelin arbeitete 7 Es war aber auch der Zeitgeist, der die Heranwachsende befeuerte Das Interesse an außerhäuslicher Erwerbstätigkeit junger Frauen nahm sichtbar zu Dem waren einschneidende gesellschaftliche Veränderungen vorausgegangen Seit Beginn der industriellen Revolution stieg die Zahl der weiblichen Arbeitskräfte stetig Während des Ersten Weltkriegs hatten sie erlebt, wie wichtig sie für das Überleben der Fabriken und vieler weiterer Einrichtungen waren Diese beruflichen Möglichkeiten wollten sie nach Rückkehr der Soldaten nicht mehr abgeben Statt an den heimischen Herd, strebten sie nach eigener Arbeit und eigenem Einkommen . In der Literatur wurde das Bild einer selbstständigen und unabhängigen Frau schon seit der Jahrhundertwende entworfen und popularisiert Förderlich für das emanzipatorische Rollenbild war die Einführung des lang erkämpften aktiven und passiven Wahlrechts Bei den Modernisierungsprozessen im frühen 20 Jahrhundert spielten vor allem bürgerliche und wohlhabende Frauen eine entscheidende Rolle Die „Neue Frau“ wurde zum Synonym der Zwanziger Jahre . Der neue weibliche Typus durchbrach tradierte Moralvorstellungen und forderte mehr Partizipation am männlich dominierten Leben durch Berufsfelder in Wissenschaft, Technik und Kunst, wozu auch das weite Feld der Fotografie gehörte In einer Ausstellung, die 1994 im Museum Folkwang in Essen zu sehen war, wurden erstmals die Arbeiten von 50 Fotografinnen der Weimarer Republik präsentiert . Die ausgestellten Werke reichten vom traditionellen Atelierbild bis zum avantgardistischen Experiment und umfassten Reportagen, Selbstinszenierungen und Fotomontagen Die Ausstellung und der dazugehörige lesenswerte und informative Katalog mit dem treffenden Titel „Fotografieren hieß teilnehmen“ zeigt, dass diese foto- <?page no="71"?> 72 Dorothea Cremer-Schacht geschichtliche Epoche bereits deutlich die Handschrift von Frauen trug und dass ihnen das Medium ein wichtiges Feld zum Aktivwerden bot . 8 Ausbildung Die von Lotte Eckener besuchte Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie gibt es noch heute, und zwar als Studieneinrichtung der Fakultät für Design der Hochschule München Ihre Gründung im Jahr 1900 ging auf die Initiative des Süddeutschen Photographen- Vereins zurück Ziel war, eine Bildungsstätte für künstlerisch interessierte Berufsfotografen zu schaffen Im Vordergrund stand eine Abkehr vom technikbasierten „seelenlosen“ Bild der Fotoateliers im letzten Drittel des 19 Jahrhunderts hin zu einer gestalterisch anspruchsvollen Fotografie, die auf einer Stufe mit der Malerei stehen sollte Für Georg Heinrich Emmerich, Gründungsdirektor und bis 1917 Leiter der Einrichtung, war die Fotografie ein künstlerisches Ausdrucksmittel, das weit über die Technik des reinen Abbildens reichte Seine favorisierte Stilrichtung war die sogenannte Kunstfotografie 9 , die mittels Unschärfe, sorgfältig gewählten Ausschnitten und aufwändigen Bildbearbeitungstechniken Fotografien zumindest eine malerische Anmutung verlieh Die Vertreter dieses Stils nannten sich auch Piktorialisten, um ihre Nähe zur Malerei zu betonen Mit Frank Eugene (Smith) berief man einen der namhaftesten Kunstfotografen an die Schule, der engen Kontakt mit den internationalen Fotografiegrößen Alfred Stieglitz, Edward Steichen und Heinrich Kühn unterhielt Er unterrichtete von 1907 bis 1913 und verlieh der Anstalt internationales Renommee 10 Ab 1905 wurden auch Frauen zum Studium zugelassen Dem Druck der Frauenverbände konnte die Lehranstalt nicht länger ausweichen, zumal an entsprechenden Einrichtungen in Berlin und Wien Frauen bereits seit einigen Jahren studieren durften Anfänglich war die Zahl der Schülerinnen auf ein Drittel begrenzt, während des Ersten Weltkriegs und einige Jahre danach überwog ihr Anteil Allerdings betrug das Alter für die weiblichen 17 und die männlichen Schüler nur 15 Jahre 11 <?page no="72"?> Die Fotografin 73 1921 wurde die Schule reformiert und in Staatliche Höhere Fachschule für Phototechnik umbenannt Fortan sollten - wie im Namen verankert - technische Fähigkeiten verstärkt unterrichtet werden Weitere Reformen wie eine Abkehr von der traditionellen Ausbildung von Atelierfotografen und der Dominanz des Portraits im Fächerkanon veränderten sich nur schleppend und zeigten erst Mitte 1920 mit neuen Unterrichtsfächern wie Mikro- und Makrofotografie 12 etwas Wirkung Auch die vorherrschende kunstfotografische Ausdrucksform mit ihren impressionistischen, die Malerei imitierenden Texturen verlor nur langsam zugunsten einer realistischeren Darstellungsweise an Geltung Eckener begann ihre Ausbildung 1924 Der Klassenverband bestand aus 22 Schülern 13 Der zweijährige Ausbildungsgang - seit 1921 gab es eine Oberstufe mit einem dritten, Kenntnisse und Fähigkeiten vertiefenden, Ausbildungsjahr - machte die Schüler mit den praktischen und theoretischen Grundlagen der Fotografie vertraut Aus einem Notenblatt von Rudolf Lähnemann, Lehrer der ersten Stunde 14 und einer von Eckeners Lehrkräften, geht hervor, dass der Unterricht mit den Fächern Aufnahmetechnik, Negativretusche, Positivretusche, Kopieren, Vergrößern, Zeichnen, Photochemie, Photooptik und Buchführung auf die Anforderungen und Finessen des Berufslebens grundlegend vorbereitete . Im Schuljahr 1924/ 25 erhielt Eckener dafür Noten zwischen zwei und drei 15 Das Abschlusszeugnis der zweijährigen Ausbildung war der Gesellenprüfung gleichgestellt, die Schüler konnten wie bei einer klassischen Meisterlehre als freie Fotografen arbeiten, ein eigenes Atelier eröffnen oder angestellt tätig sein Die Fotografie, die sich seit Kriegsende als autonomes, unverwechselbares Bildmittel zu etablieren versuchte, war bis zum Schulabgang von Eckener 1926 kaum Thema Und schaut man auf die Unterrichtspolitik des bis 1932 amtierenden Direktors Hans Spörl, schienen sich die avantgardistischen Strömungen noch einige Jahre an der Schule vorbei zu entwickeln, ausgenommen das Bemühen einiger fortschrittlicher Junglehrer, wie die schon erwähnte Hanna Seewald oder Willy Zielke, die zwischen 1926 und 1930 eingestellt wurden 16 <?page no="73"?> 74 Dorothea Cremer-Schacht Atelier Von München wechselte Eckener 1926 in die Reichshaupstadt, die mit ihren krassen kulturellen Gegensätzen und ihrem internationalen Flair viele Künstler anzog Die „Neue Frau“, die sich mit ihrem alten Platz in der Gesellschaft nicht mehr zufriedengab, schien hier allgegenwärtig Ihr Markenzeichen war der kurze Haarschnitt, den man Bubikopf nannte Auch mit Zigarettenspitze, Fransenkleid und schnellem Auto wird die stets jugendlich und sportlich aussehende „Neue Frau“ oberflächlich etikettiert In den „Goldenen Zwanzigern“ erlebten in Berlin Theater, Literatur, Musik, Film und Fotografie eine Blütezeit und bahnten sich neue Wege zwischen kritischem Engagement und Ausschweifung Die Fotografie machte besonders von sich reden Die veränderten Ausdrucksweisen des Neuen Sehens und der Neuen Sachlichkeit positionierten sich machtvoll; deutlich sichtbar waren sie in der Werbung, Wissenschaft und Presse Nicht mehr große Kameras auf Stativen und die Bauchnabelperspektive gaben die Richtung vor, sondern die fabrikneuen, handlichen „Leicas“, die ungewohnte, teils schwindelerregende Aufnahmestandpunkte von oben nach unten oder vice versa ermöglichten Weitere Kennzeichen waren Bildschärfe, starke Schwarzweiß-Kontraste und Nahsichtigkeit Und wie die legendäre Stuttgarter Ausstellung „Film und Foto“ mit 1200 Exponaten von 200 Fotografen der „Neuen Fotografie“ im Jahr 1929 verdeutlichte, hatten sich nicht nur die Sichtweisen verändert, sondern auch Sujets wie Technik, Industrie, Geschwindigkeit, Urbanität und andere Aspekte des modernen Lebens herausgebildet . Neu war auch, dass sich Künstler, Schriftsteller und Intellektuelle für die „Neue Fotografie“ interessierten In Berlin erhielt Eckener ein Engagement in einem der angesehensten Ateliers der Stadt Inhaber Alexander Binder war geschätzt als Modefotograf und Portraitadresse für Politiker, Künstler, Schriftsteller, Intellektuelle und Kinder wohlhabender Eltern . Zugleich belieferte sein Atelier die Titelseiten vieler großer Magazine Die Spreemetropole war bis in die dreißiger Jahre hinein eine führende Modestadt, die die Entwicklung der professionellen Modefotografie beförderte Binder, 1888 in Alexandria 17 zur Welt gekommen, verstarb 1929 in Berlin Über sein Leben, sein Werk, <?page no="74"?> Die Fotografin 75 das Atelier und den Verbleib der unzähligen Aufnahmen ist wenig bekannt und die vorhandenen Quellen widersprechen sich Nach einem abgebrochenen Ingenieursstudium hatte er, wie Eckener, nur gut 15 Jahre früher, die Münchner Fotoschule besucht. 1913 eröffnete er sein erstes Fotoatelier für Portrait- und Werbefotografie in der Berliner Motzstraße Am Anfang vertrat er expressionistische 18 und kunstfotografische Tendenzen - vermutlich der Münchner Ausbildung geschuldet -, öffnete sich aber um Mitte 1920 auch der neuen Portrait-Ästhetik Einige Jahre später zog er mit seinem Atelier auf den Kurfürstendamm, der sich zur Hauptvergnügungsmeile des Neuen Westens von Großberlin mit einem zahlungskräftigen Publikum entwickelt hatte Zuerst firmierte er dort unter der Hausnummer 225 19 Auf Bildern von Lotte Eckener ist auf der Rückseite zugleich die Adresse Bismarck 2608-2609 vermerkt, was auf ein zweites Atelier neben der Kurfürstendammadresse hindeutet Eine weitere Atelieradresse lautet Kurfürstendamm 205, sie ist auf Eckeners Bildern von 1929 vermerkt; angeblich gab es noch ein Studio am Steinplatz Ende 1920 und nach Lotte Eckener während ihrer Zeit im Berliner Atelier Alexander Binder, 1928 Rückseite eines Portraits von Camilla Horn, 1926-1930 <?page no="75"?> 76 Dorothea Cremer-Schacht Binders Tod galt es als das größte Atelier Europas Binders Nachfolger betrieben es bis etwa 1938 unter gleichem Namen weiter . 20 Im Atelier Binder bekam Eckener hauptsächlich bekannte Persönlichkeiten wie Schauspieler, Tänzer, Regisseure und Schriftsteller vor ihre Kamera Darunter sind die Schauspielerin Dita Parlo mit Kopftuch und fragendem Blick, die burleske Darstellerin Anny Ondra mit puppenartigen Lippen, auffallenden Wimpern und Cocktailglas (S -111), der in sich gekehrte Regisseur Josef von Sternberg (S -109) und die melancholische Brigitte Helm (S -110) Die einstige Berühmtheit Helm, hier als natürliche Schönheit zu sehen, wurde in ihrer Doppelrolle als keusche Maria und furchterregender Maschinenmensch in dem Film „Metropolis“ von der Schulbank weg über Nacht zum Star . 21 In technischer Hinsicht hatte Eckener alle Voraussetzungen für die Atelierarbeit mitgebracht Neuland war hingegen die avantgardistische Ästhetik der führenden Berliner Ateliers Schaut man auf ihre Portraits, merkt man, dass sie die konventionelle Münchner Auffassung, den malerischen Stil und die starre Betrachterperspektive schnell hinter sich ließ Ihre Aufnahmen der Stars und Sternchen sind mannigfaltig Die Inszenierungen changieren zwischen großen, fast aus dem Bild ragenden Köpfen bis zu ganzfigurigen Abbildungen mit viel Raum für körpersprachlichen Ausdruck Die Bildhintergründe sind neutral und die Lichtsetzung ist sorgfältig überlegt Raffinierte Schattenwürfe sind ein beliebtes Gestaltungselement, ebenso Perspektiven aus Untersicht . Eckeners Ausdrucksweise lässt sich unter den Beobachtungen der Kunsthistorikerin Claudia Philipp subsumieren: „Kennzeichnend für die Portraitfotografie in den Ateliers der zwanziger und frühen dreißiger Jahre ist die Individualisierung. Das Einzelportrait dominiert gegenüber der Gruppenaufnahme. Auf formaler Ebene zeigt sich eine erstaunliche Ähnlichkeit im Bildaufbau. Knappe, fast bedrängende Bildausschnitte ohne charakterisierendes Ambiente erzeugen Nähe und Unmittelbarkeit zum Betrachter. Die Portraitierte rückt zum Greifen nah. Kopf, Rumpf, Arme und Hände bilden beziehungsreiche Achsen und manchmal fast manierierte Diagonalen. Der neutral gehaltene, dunkle oder helle Hintergrund nimmt dem Raum die Tiefe.“ 22 <?page no="76"?> Die Fotografin 77 Ob Binder zu dieser Zeit noch selbst fotografierte und wie viele Fotografen im Atelier tätig waren, ist nicht bekannt . Es gibt zwei Fotografinnen, die zur selben Zeit wie Eckener bei Binder gearbeitet haben Die eine ist Lilly Niebuhr, die nach einer Fotografenausbildung und Assistenzen in Hamburg, um den Jahreswechsel 1928/ 29 als Laborantin und Retuscheurin zu arbeiten begann . Sie blieb nicht lange, wechselte nach vier Monaten als Operateurin 23 zu Bruno Winterfeld, dessen Geschäft sie 1936 übernahm, da Winterfeld wegen wachsender antisemitischer Übergriffe in die USA auswanderte . 24 Die zweite ist Urs Lang-Kurz (Ursula), die 1929 bei Binder eine Fotografenlehre begann und nach ihrem Abschluss als Operateurin weiterarbeitete 1932 wechselte sie nach Paris ins Modestudio Meerson, bis sie sich 1935 in Stuttgart selbständig machte . 25 In Berlin herrschte damals eine immense Dichte an fotografischen Ateliers Das Fernsprechbuch von 1930 verzeichnete 430 Studios, mehr als dreißig Prozent davon wurden von Frauen geführt . Unter ihnen befanden sich berühmte Namen wie Suse Byk, Steffi Brandl, die Riess und Erna Lendvai-Dircksen . 26 Nicht zu vergessen Lotte Trude von Molo, Berlin 1926-1930 <?page no="77"?> 78 Dorothea Cremer-Schacht Jacobi, die mit Eckener in München studiert hatte Sie kam ein Jahr später an die Schule, kehrte nach der Ausbildung in das Atelier ihres Vaters Sigismund Jacobi in Berlin zurück und entwickelte sich schon vor ihrer Flucht aus Nazideutschland zu einer gefragten Fotografin 27 Ganz in der Nähe von Eckeners Arbeitsplatz befand sich das Ateliers der Modefotografin Yva (Else Neuländer-Simon), die zu den herausragenden Fotografenpersönlichkeiten ihrer Zeit gehört . 1942 wurde sie von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet . Ob Eckener den Austausch mit Jacobi oder anderen Kolleginnen gesucht hat, kann nicht belegt werden Gesichert ist, dass sie ihre Arbeiten Schriftstellern und Bildhauern zum Diskurs vorstellte, die jedoch eher Empfindung und Poesie mit ihrer Fotografie verbanden, denn moderne Bildsprachen Es gibt von Eckeners Seite auch keine Hinweise, dass sie den Fotopionier Heinz Hajek-Halke kannte, der 1934 - mit seinem Künstlerfreund Karl Hájek-Kunze - Berlin verließ, und am Bodensee mit Fotoexperimenten und Kleinsttierfotografie sowie als Angestellter bei Dornier in Friedrichshafen einen Neuanfang suchte Von Hajek-Halke, der 20 Jahre am See verblieb, weiß man, dass sie sich begegnet sind und dass er sie schätzte, wie sich ein guter Freund von ihm, Professor Rolf Sachsse, erinnert: „Gelegentlich scheint sie zwischen 1938-44 Kontakt zu Heinz Hajek-Halke gehabt zu haben, als dieser Werksfotograf für Dornier war - er hat mir dazu aber nichts Spezifisches erzählt, außer dass er sie für eine der besten Fotografinnen damals dort hielt “ 28 Bei Binder beschäftigte sich Eckener auch mit modernen Industrieerzeugnissen, beispielsweise mit Porzellan Bei der Produktfotografie zeigt eines der Bilder ein dreiteiliges Service (S . 108) und auf einem zweiten sehen wir ein Ensemble aus Vasen und Schalen (S - 115) Die stilllebenartigen Versuchsanordnungen erinnern an Aufnahmen des bekannten Albert Renger-Patzsch, den maßgeblichen Vertreter der neusachlichen Fotografie Gut 25 Aufnahmen sind aus der Binder-Zeit in Eckeners Bestand erhalten . Wie viele Aufnahmen sie tatsächlich gemacht hat, ist nicht bekannt, da Binder - wie damals in dieser Branche üblich - seine Bildautoren nicht auswies, sondern die Fotografien unter seinem Namen „verkaufte“, der deutlich sichtbar auf der Vorderseite als weiß einkopierter Schriftzug „Binder“ bzw „A Binder“ angebracht war <?page no="78"?> Die Fotografin 79 Lotte Eckener als Schülerin, München 1925 Lotte Eckener, Berlin 1928/ 29. Vermutlich handelt es sich bei der Kamera um eine Zeiss-Ikon Miroflex 9-x-12 Zentimeter. Lotte Eckener, Berlin 1930 <?page no="79"?> 80 Dorothea Cremer-Schacht Eckeners Kontakte und Freundschaften aus Berlin bestanden vornehmlich aus Künstlern Eine freundschaftliche Beziehung entwickelte sie zu dem Fotografen Martin Munkácsi (1896-1963) Der Meister schnittiger Perspektiven und eines dynamischen Blicks auf die Wirklichkeit hatte seine Fotografiekenntnisse im Eigenstudium erworben Zwischen 1928 und 1930 schoss er mehrere Bilder von der jungen, attraktiven Eckener Unbeschwert, dem Leben zugewandt schaut sie in die Kamera; auf einem Bild hat sie die heute legendäre Leica vor ihrem linken Auge Munkácsi war für verschiedene Blätter des großen Ullstein-Verlagshauses in Europa, Afrika und Amerika unterwegs In dem auflagenstarken Wochenblatt „Berliner Illustrirte Zeitung“ veröffentlichte er 1932 einen Bericht über seine viertägige Zeppelinfahrt „Berlin - Rio de Janeiro“; ein Bild zeigt Hugo Eckener bei einer Tischrede im Speisesaal des Luftschiffes „Graf Zeppelin“ vor der Landung in Pernambuco Der gebürtige Ungar emigrierte 1934 in die USA und avancierte dort zu einem der wegweisenden Modefotografen; hier wie dort soll er sich als den bestbezahlten seines Fachs gezählt haben . 29 Die Beziehung zum Malerfreund Hans Purrmann hatte sich für Eckener in Berlin über eine Auftragsarbeit angebahnt Binder hatte sie beauftragt, Purrmann in seinem Winteratelier am Lützowufer zu por- Der Maler Hans Purrmann in seinem Garten in Langenargen am Bodensee, um 1935. <?page no="80"?> Die Fotografin 81 traitieren . 30 Dort erfuhr sie, dass er ein Fischerhaus in Langenargen am Bodensee besaß Bis zu seiner Flucht aus Nazideutschland 1935 verbrachte er dort regelmäßig die Sommermonate Lotte Eckener fotografierte ihn mit dem Freund und Sezessionsmaler Eugen Spiro oder während er am Wasser sitzt und malt Auch der erste Kontakt mit dem Schriftsteller Carl Zuckmayer geht auf eine Aufnahme bei Binder zurück „Bei Ihnen, da lässt man sich gerne photographieren“, schrieb er ihr nach dem Atelierbesuch auf einer Postkarte an die Adresse von Binder am Kurfürstendamm 225/ Ecke Augsburgerstraße mit der Anrede „Goldig Mädche, wenn ich nur wüsste, wie Sie mit Vornamen heißen? “ Er sollte es bald herausfinden, denn es entwickelte sich ein reger Briefwechsel zwischen den beiden, aus dem auch Zuckmayers Interesse und Unterstützung für ihre Fotografie hervorgeht . 31 Reisen Trotz ihrer Erfolge - Eckener war bei Binder zur Substitutin aufgestiegen - blieb sie nur etwa vier Jahre an der Spree . 32 Nach der Ateliertätigkeit zog es die 24-Jährige vor, selbstbestimmt unter Postkarte Carl Zuckmayer an Lotte Eckener, ca. Ende 1920 <?page no="81"?> 82 Dorothea Cremer-Schacht eigenem Namen zu arbeiten, frei zu sein und andere Länder zu erkunden Die Neugier auf die Welt und die Lust am Reisen sind verständlich für eine Tochter, deren Vater, als „neuer Columbus“ und „Magellan der Lüfte“ bezeichnet wurde Über das Elternhaus war sie finanziell abgesichert und konnte ihre Ziele und Interessen in Ruhe verfolgen, was sie aber auch zu einer pflichttreuen Tochter machte Die Zelte in Berlin waren keineswegs abgebrochen, privat wie beruflich war sie in der Hauptstadt unterwegs, auch München und Salzburg waren frequentierte Städte, doch die neuen Reisen führten sie weit außerhalb von Deutschland und Europa . 1931 reiste sie mit dem Vater nach New York, wo Hugo Eckener seit der legendären Überführung eines Luftschiffes hochverehrt wurde, sozusagen Kultstatus genoss Während dieser Reise bewegte sie sich in der politischen Oberschicht der USA Mondän gekleidet, sieht man sie auf öffentlichen Fotografien eng an der Seite des Vaters Doch sie verfolgte zugleich eigene Interessen, denn sie spielte mit dem Gedanken, in der Neuen Welt als Fotografin zu reüssieren Von väterlicher Seite hätte sie viel Unterstützung bekommen, neben der Politik kannte er einflussreiche Persönlichkeiten in der Wirtschaft, unter anderem über die Zusammenarbeit der Friedrichshafener Luftschiffbau Zeppelin GmbH mit der amerikanischen Firma Goodyear Company Doch entgegen dem Reiz, der sie in die Großstadt Berlin gezogen hatte, konnte sie sich nicht vorstellen, dass sie die US-Metropole mit ihren Wolkenkratzern und Straßenschluchten, die den Himmel kaum freigaben, über einen längeren Zeitraum fesseln würde . 33 Daran änderte auch die freundschaftliche Begegnung mit der amerikanischen Fotopionierin Margaret Bourke- White (1904-1971) nichts . 34 Eckener portraitierte die damals bereits bedeutende, sozial engagierte Reporterin . 35 Aus deren Studio im Chrysler-Hochhaus hat sie möglicherweise einige ihrer bizarren Kompositionen vom Häusermeer New Yorks aufgenommen, Bilder, die mit ihrer Akzentuierung geometrischer Strukturen der Ästhetik der Neuen Sachlichkeit nahekommen Ähnlich zeitgemäß sind ihre einige Jahre später entstandenen Bilder von Luftschiffen, die sich im Bau befinden In kühnen Perspektiven präsentiert sie uns die filigrane, aus unzähligen Metallstäben beschaffene Konstruktion der Kolosse der Lüfte . Obwohl die <?page no="82"?> Die Fotografin 83 Margaret Bourke-White, New York 1931 New York 1931 <?page no="83"?> 84 Dorothea Cremer-Schacht modernen, zivilisatorischen Objekte in greifbarer Nähe hergestellt wurden und als Motiv viele zeitgenössische Fotografen faszinierten, sind sie in Eckeners Œuvre nur eine Randerscheinung (S .-116-119) Der amerikanischen Großstadt folgte im Jahr darauf ein mehrmonatiger Studienaufenthalt in Rom Zuckmayer hatte ihr als gute Einstimmung in die italienischen Landessitten den Band von Ernest Hemingway In einem anderen Land (1930) empfohlen . 36 Doch die Bräuche, die Lebensart und das pulsierende Leben in der Stadt am Tiber ließ sie links liegen, vielmehr suchte sie nach den antiken Stätten des Römischen Reiches, den stummen Zeugen der Kaiserzeit Auf den Bildern sind die steinalten Bauwerke, die Ausgrabungen, das Kolosseum in ihrer Essenz sachlich und präzise dokumentiert (S -122 u 123) „…Die Kuppel des Pantheons, [ist] die schönste aller Kuppeln für mich“, schrieb sie am 29 Oktober 1932 an den Wiener Bildhauer und Lyriker Gustinus Ambrosi, dem sie in jenen Jahren eng verbunden war Die Briefe von Eckener an Ambrosi sind verloren gegangen Ambrosi, der Eckener sehr verehrte, wiederholte in seinen Briefen häufig einzelne Sätze oder Textfragmente dessen, was sie ihm geschrieben hatte In seinem Brief vom 30 . August 1933 zitierte er ihre Äußerung über die gepriesene Kuppel, die ihn hocherfreute und tief berührte: „Dem da haben Sie das Schönste gesagt, was man vom Pantheon sagen kann: ‚Das Schönste für mich‘ […] Im Ausdruck liegt die ganze begnadete Seele, welche die Lichtflut erfasst, - diese Flut des Lichtes, wie es sonst nirgends ist und dessen Geheimnis so einfach ist: Die Kuppel ist gleich hoch wie weil, das Licht fliesst harmonisch den Kreis hinab […] “ 37 Wie Ambrosis Brief weiter zu entnehmen ist, teilte Eckener dem Freund im Dezember mit, dass ihr die Stadt trotz ihrem anfänglichen Sträuben gegen das dortige „Kunstschaffen aus Machtbedürfnis und Imperialismus“ in der allerletzten Woche in recht starkem Maße ans Herz gewachsen sei und dass sie nach Weihnachten dort weiterarbeiten wolle . 38 Zu einer Verlängerung des Studienaufenthaltes in Rom kam es nicht, stattdessen begleitete sie den Vater Anfang 1933 auf einer Schiffsreise nach Java und Bali mit einem Zwischenstopp in der ägyptischen Hafenstadt Port Said Anders als in Rom nimmt sie in Kairo auch Menschen ins Visier Auf einem Bild sind zwei Männer domi- <?page no="84"?> Die Fotografin 85 nant in den Vordergrund einer Straßenszene gerückt (S - 125), auf einem anderen sitzt eine Gruppe von Menschen nah beieinander am Straßenrand In Indonesien hat sie sich mit dem Reisanbau beschäftigt und Menschen beim Setzen der Reispflanzen beobachtet Indonesien 1933 <?page no="85"?> 86 Dorothea Cremer-Schacht Die Welt der Bäume Insgesamt sind von den Reisen nur wenige Bilder erhalten Es ist anzunehmen, dass Eckener lediglich eine überschaubare Zahl an Aufnahmen gemacht hat Sie war offensichtlich mehr als Touristin denn als Fotografin unterwegs Aus heutiger Sicht unverständlich, da Bilder aus fernen Ländern bei den Daheimgebliebenen begehrt waren und erst in kleinerem Umfang von einer etablierten Reisefotografie bedient wurden Eckener hatte offensichtlich andere Pläne Seit sie sich von der Atelierarbeit verabschiedet hatte, wollte sie Bäume fotografieren und in einem Buch veröffentlichen Als sie ein erstes größeres Konvolut beisammen hatte, schickte sie es an den Dichterfreund Zuckmayer und bat ihn um Unterstützung . Die Einschätzung des großen Naturkenners und Verfassers des Gedichtbandes Der Baum war ihr wichtig und wie aus der Antwort vom 30 -März 1932 hervorgeht, war sie ermutigend: „Wirklich große Freude habe ich an Ihren Baumstudien! Dieser Birkenwald, - und auch die schräg von unten aufgenommenen Birken, - und dann die Sonne auf den Buchen und der Sonnensturz zwischen den Fichtenstämmen, und die Pappeln und Weidenstrünke am Bach und der große kahle Baum hinter dem vollen Tulpenbeet und der einzelne Grosstadtbaum, das ist schon famos […].“ 39 Ein paar Monate später fragte Zuckmayer, ob sie genügend Material habe, um mit der Publikation zu beginnen, doch in einem späteren Brief vom November 1932 hieß es, dass es unendlich schwer sei, einen Herausgeber zu gewinnen, da es dem Verlagsgeschäft an Schwung und Auftrieb fehle . 40 Doch letztlich gelang es den beiden im Jahr darauf mit dem Bruno Cassirer-Verlag sogar einen der besten Verlage zu finden Cassirer war Jude, der bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten beachtlichem Einfluss auf das kulturelle Leben Berlins hatte Die Veröffentlichung eines Bäume-Buchs war kein verfängliches Thema im Hitler-Deutschland, verglichen mit Werken jüdischer Autoren Doch Cassirers Anpassungen des Verlagsprogramms waren vergebens, 1938 musste er emigrieren <?page no="86"?> Die Fotografin 87 Eckeners Die Welt der Bäume ist eine wunderbare Hommage an den Gegenstand Basierend auf dem Zeitgeist jener Jahre, zeigt sie, was die Bäume erzählen Mit Schattenzeichnungen auf der Wiese, vertikal gereihten Pappeln am Bach, abgestorbenen Weidenstämmen im Bildvordergrund und flächig ins Bild gerückten Magnolien veranschaulicht sie das Leben und Sterben verschiedener Baumarten über alle Jahreszeiten hinweg Die 30 Abbildungen sind begleitet von Gedichten und einem einleitenden Text aus der Feder von Walter Bauer, der mit den Worten beginnt: „Schweigen strömt mir von den Bäumen entgegen Noch im Sturm scheint ihr Rauschen die Stille um sie zu vergrößern “ 41 Eine der Baumstudien war bereits im Jahr zuvor mit der Bildunterschrift „Mai“ im Zeitgeistmagazin „Querschnitt“ veröffentlicht worden, das der Kurt Wolff Verlag herausgab . 42 Die späten 1920er und frühen 1930er-Jahre gehören zu den großen Jahren der Produktion von Fotobüchern Thematische Bildbände mit nur einem Bildautor, wie Eckeners Bäume-Buch, waren darunter jedoch selten und unter Fotografinnen fast nicht zu finden Wie auf Werbetexten auf dem Verlagsprospekt zu lesen, erhielt der Band große Presse . Die „Göttinger Zeitung“ meinte: „Der ‚Welt der Bäume‘ gilt ein sehr In Winterstarre, ca. 1932 Birkenstamm, ca. 1932 <?page no="87"?> 88 Dorothea Cremer-Schacht reizvolles Buch, das Lotte Eckener geschaffen hat Hier lernen wir eine Photographin von großem Format kennen, die mit Spürsinn und künstlerischem Blick ihre Objekte zu erschauen weiß […] “ 43 Positiv waren auch die Kommentare des „Stuttgarter Neuen Tagblatts“, der „Vossischen Zeitung“, der „Leipziger Neuesten Nachrichten“ und der „Berliner Volkszeitung“ . 44 Der Bäume-Band war Eckeners erstes großes Projekt und auf Anhieb erfolgreich In jener Zeit bemühte sie sich auch darum, Bilder in der illustrierten Presse und in Werbebroschüren zu veröffentlichen . Beides waren Branchen, die von einem immensen Hunger nach Bildern getrieben waren und letztlich den Beruf des Bildberichters aus der Taufe hoben Von Eckener ist ein größerer Beitrag in dem Modeblatt „Die Dame“ von 1936 zu finden In der angesehenen Frauenzeitschrift, in der bis zur Enteignung und Arisierung durch den Deutschen Verlag 1937 auch philosophische Literaten wie Walter Benjamin Beiträge veröffentlichten, bestückte sie den Artikel Das malerische Land am Bodensee des Schriftstellers und Globetrotters Norbert Jacques mit atmosphärischen Landschaftsaufnahmen und Portraits der Künstler Hans Purrmann, Werner Gürtner und Franz Rieger . 45 Landschaft und Portrait waren die Sujets, die sie in „Volk und Welt“, „die neue linie“, „Die neue Literatur“ und in regionalen Blättern wie „Das schöne Konstanz am Bodensee und Rhein“ und der zwischen 1914 und 1965 erscheinenden grenzüberschreitenden Jahresschrift Das Bodenseebuch publizierte. Die Auflagen waren teilweise hoch, selbst bei den Prospekten der Tourismusbranche . Für die modern gestaltete Broschüre der Gemeinde Langenargen hatte sie einige Bilder beigesteuert Die Auflage der vermutlich 1937 verlegten Broschüre mit der die kleine Gemeinde ihren Ort, den See und die benachbarten Berge bewarb, betrug 80 .000 Stück . 46 Bodensee. Landschaft und Kunst Lotte Eckener heiratete 1936 den Konstanzer Zahnarzt Paul Simon . Obwohl sie nun Simon-Eckener hieß, firmierte sie als Fotografin weiterhin unter ihrem Mädchennamen Fortan war die Konzilsstadt das neue Domizil Hier entwickelten sich neue Freundschaften und <?page no="88"?> Die Fotografin 89 A r b e it s b e z i e h u n g e n , und die eine oder andere Künstlerpersönlichkeit wie Otto Dix, Ida Kerkovius und Fritz Mühlenweg hielt sie in ihrem jeweiligen Arbeitsumfeld fest Doch die Bildnisfotografie sollte - wie bereits seit Beendigung der Atelierarbeit in Berlin zu beobachten - fortan ein Nischenthema bleiben Die Beschäftigung-mit dem Bäume-Buch hatte ihr Interesse an Natursujets verstärkt und ließ die Landschaft des Dreiländerecks zum zentralen Motiv ihres visuellen Schaffens werden Ins Visier nahm sie den Bodensee und die ihn umgebenden Hügel, Täler, Berge, Flüsse und Weiler Weiter entdeckte sie die Schlösser und Burgen, die mittelalterlichen Dörfer und Städtchen, die Kirchen und Klöster wie auch die christliche Kunst vergangener Jahrhunderte als wichtige Motive Es scheint, dass die mehrjährige Abwesenheit von der Heimat ihren Blick für die Schönheit des Landstrichs geschärft und eine unbändige Neugierde geweckt hatte, all das in ihren Fotografien zu bezeugen und in die Welt zu tragen Lotte Eckener hatte zu ihrem Sujet gefunden: Landschaft und Kunst Für dieses Arbeitsfeld wählte sie jedoch, anders als bei ihrer modern ausgerichteten Atelierarbeit und den Baumstudien, eine traditionelle Bildauffassung (S -175-209) Vater Hugo hatte ihr um 1934 ein bordeauxrotes Cabriolet vom Typ Fiat Balilla geschenkt . 47 Die teure Gabe kam zur rechten Zeit, denn damit konnte sie die vielen Orte rund um den See zwischen Fritz Mühlenweg in seiner Rolle als Abenteurer, ca. 1960 <?page no="89"?> 90 Dorothea Cremer-Schacht Konstanz und Bregenz, zwischen Ravensburg und St Gallen oder Frauenfeld und Schaffhausen bequem erreichen, erkunden und fotografieren . Wie schon bei ihrem vorau sgega ngenen Projekt sollten die Aufnahmen wieder in einem Bildband erscheinen Neben dem Bodenseethema entwickelte sich die Buchveröffentlichung zu einer weiteren Konstante in Eckeners Schaffen Bücher sollten ihre fotografische Arbeit nach außen tragen und bekannt machen Sie wandte sich an den Friedrichshafener Verleger Willy Küsters, der ein gemischtes Programm pflegte In dem Rheinländer, der den Bodensee zu seiner Wahlheimat gemacht hatte, fand sie einen Verbündeten für ihre Buchidee mit künstlerischen Bodenseebildern Küsters war eine interessante Persönlichkeit, er hatte sich auch einen Namen als expressionistischer Dichter gemacht und die bekannte „Bücherstube am See“ in Friedrichshafen mitgegründet, ein frequentierter Treffpunkt von Künstlern und Intellektuellen . 48 Mitte der 1930er-Jahre hatte Eckener 100 Lichtbilder zusammengetragen, die in weiten Aussichten und vielen topografischen Details die Region in stimmungsvollen, teil lyrischen Aufnahmen wiedergeben In ihrem Bildaufbau sind sie meist in Vorder-, Mittel- und Hintergrund gegliedert Mit dieser traditionellen Sehweise greift Eckener, wenn auch in abgeschwächter Form, auf Stilelemen- Die Freundin Ellen Fuchs auf dem Trittbrett von Lotte Eckeners erstem Auto. Auf dem Weg zur Reichenau, um 1932. <?page no="90"?> Die Fotografin 91 te der Kunstfotografie zurück, wie sie sie seinerzeit in München erlernt hatte Küsters verlegte die Fotografien unter dem Titel Bodensee. Landschaft und Kunst Der Bildband erschien vermutlich 1935 . 49 Auf der schwarzweißen Buchhülle ist die alte Burg, das Wahrzeichen Meersburgs stolz und mächtig ins Bild gerückt Dort war 1848 die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff verstorben Den Text des Bilderbuches verfasste der Altphilologe und Schriftsteller Karl Hönn Er war auf der Schweizer Seite des Sees heimisch und wohlvertraut mit dem Zauber des Landstrichs und der alemannischen Kultur Zuckmayer zeigte sich begeistert von der zweiten Publikation Eckeners und lobte, dass die Bilder viel reifer, geschlossener und bedeutsamer seien, als ihre schon sehr „schönen Bäume“ 50 Das Buch war ein Erfolg, etwa ein Jahr später erschien eine zweite Auflage, diesmal ein Hardcover mit Prägung Wieder war ihr die Einschätzung bekannter Schriftsteller wichtig Von Hermann Hesse, der nach 1900 die Bodenseehalbinsel Höri als Refugium für Großstadtkünstler entdeckte und selbst einige Jahre hier Wurzeln schlug, ist zu lesen: „…Jetzt habe ich Ihr Bodenseebuch ausgepackt und habe es mir gut angesehen, [und mich] manchmal an meine eigene Bodenseezeit erinnert, die freilich schon beinah prähistorisch ist […] Sie erwarten von mir eine fachmännische Anerkennung Ihrer schönen Bilder. Wie immer sind einige der Bilder, namentlich Landschaften, durch den Druck etwas flau geworden. Die große Mehrzahl aber ist auch technisch schön und vollkommen. Und was Ihre Aufnahmen betrifft, so habe ich an allen Freude gehabt, und zwar besonders an den Architekturen und Plastiken. Daß Sie mit dieser köstlichen Gabe an mich gedacht haben, ist lieb von Ihnen, haben Sie schönen Dank dafür! “. 51 Freude bereitete der Band nicht nur Hesse, die Nachfrage war groß, ein Jahr später wurde er erneut aufgelegt Den Schutzumschlag ziert mit der St Nepomuk-Statue, Schutzpatron der Schiffsleute, ein neues Motiv und die Anzahl der Abbildungen war auf 108 angestiegen Eckener gehörte zu den Fotografen, die auch nach der Machtübernahme Hitlers selbstbestimmt arbeiten konnten, zumindest erlitt sie keine erkennbaren Einschränkungen Ihr Thema war <?page no="91"?> 92 Dorothea Cremer-Schacht wenig verfänglich Viele Kolleginnen jedoch, darunter auch jene, die unweit von Binder ihre Ateliers hatten, traf der Machtwechsel sehr hart - eingeschlossen männliche Fotografen . Sie wurden aus den Verbänden ausgeschlossen, erhielten Berufsverbot, mussten fliehen oder wurden verfolgt, manche ermordet Eckener gab 1942, mitten im Kriegsgeschehen, ihren Landschafts- und Kunstband als Neue Folge heraus Im Vergleich zu der früheren Auflage kam er mit nur 86 Fotografien etwas schlanker daher, eine Reihe von Aufnahmen war neu und das Schriftbild hatte man modernisiert 1946 kam mit Autorisierung der Franzosen - Konstanz war seit dem Sieg über Hitler-Deutschland Teil der französischen Besatzungszone - noch ein weiterer Band heraus, er hatte die gleiche Seitenzahl und eine sehr ähnliche Aufmachung wie die Neue Folge . Neu war die dreisprachige Ausführung in Deutsch, Englisch und Französisch; der Band war schnell vergriffen und erschien in fast gleicher Aufmachung ein weiteres Mal Insgesamt verlegte der See-Verlag das Buch achtmal Zwei davon erschienen unter der Adresse See-Verlag Kreuzlingen und waren als inländische Produktion für die Leser aus dem Schweizer Nachbarland einfacher zu erwerben . 52 Das große Interesse an den Bildbänden ließ Eckener an dem Sujet weiterarbeiten Zu einer weiteren Buchauflage mit Küsters kam es jedoch nicht mehr Der Verleger, der sie Weihnachten 1946 als seine Lieblingsautorin bezeichnete 53 , starb 1949 plötzlich . 54 Das Lob war berechtigt, denn mit dieser Autorin hatte Küsters verlegerisches Gespür bewiesen, was ihm sonst weniger zufiel, erinnert sich Tochter Eva Levec und ergänzt, dass ihm der ein Jahr vor seinem Tod herausgegebene Bildband Das Konstanzer Chorgestühl mit Bildern von Martin R Hamacher in fatale finanzielle Nöte gebracht habe . 55 Das Ende der langjährigen Verlagsbeziehung sollte die Erfolgsgeschichte des Bodenseebildbandes jedoch nicht beeinträchtigen Im Gegenteil: Angespornt von dem Herzenswunsch, weiterhin Fotografien in Büchern zu veröffentlichen, aber auch einer grundlegenden Passion für schöne Bücher folgend, gründete sie - scheinbar aus der „la meng“ - mit ihrer Freundin, der Grafikerin Marlis Schoeller, noch im selben Jahr den Schoeller Verlag mit Sitz in Kattenhorn Ein mutiger Schritt, der ihr bei der Publikation ihrer Bilder mehr Freiheit einräumte, jedoch zu Lasten ihrer fotografischen Arbeit <?page no="92"?> Die Fotografin 93 ging Der Verlegerin Simon-Eckener ist in diesem Buch ein eigenes Kapitel gewidmet Im neuen Verlag wollte Eckener zuerst ihr schönes Erstlingswerk Die Welt der Bäume wieder auflegen Anstelle von Walter Bauer sollte Zuckmayer neue Gedichte beisteuern, doch das Vorhaben ließ sich, unter anderem aus Zeitmangel des Dichters, nicht verwirklichen . 56 Stattdessen wurde der Bestseller Bodensee. Landschaft und Kunst das erste Verlagsprodukt Gegenüber den Bänden des See- Verlags, vor allem der ersten Auflage, erschien die Schoeller-Auflage wie ein neues Buch unter altem Namen Es waren viele neue Bilder darunter, die andere schöne Flecken der Landschaft hervorholten oder den brausenden See, silberfarbene Täler, verbläuende Höhen und schneebedeckte Berge in veränderten Perspektiven präsentierten Hinzugekommen waren beispielsweise die Aufnahmen vom Konstanzer Münster, dem Martinsturm in Bregenz, dem Verkündigungsengel des Überlinger Münsters oder der Schlosskapelle Kattenhorn Das Layout war moderner, der Begleittext nicht mehr vorangestellt, sondern mit viel Gespür zwischen den vielen ganzseitigen Bildtafeln platziert Der Text stammte nun von dem kunst- und kulturbeflissenen Journalisten Heiner Ackermann, der in einer schönen Sprache von den Geschichten erzählt, die sich hinter den Bildern des uralten Kulturbodens verbergen In einer zeittypischen Kritik des „Südkurier“ vom 11 Juli 1950 heißt es über den Bildband: „Wie ein Dichter, der sich darauf vorbereitet, eine Landschaft in einem großen Gedichtwerk darzustellen, hat die Photographin Lotte Eckener Jahre hindurch im Bodenseegebiet ihre Studien gemacht und Bildeindrücke gesammelt. Gedicht und Photographie haben insofern etwas Verwandtes, als beide glückliches Ergebnis eines günstigen Augenblicks scheinen. Man sieht ihnen die Summe des geistigen Aufwands, der Vorbereitung und Ausarbeitung nicht an, die nötig war, um das Gebilde des schönen Augenblicks zu vollbringen“. Den lobenden Vergleich zog damals Ludwig E Reindl, Mitgesellschafter und langjähriger Leiter der Kulturredaktion jener Zeitung . Reindl, der auch von einem „Bodensee-Epos in Bildern“ sprach, kannte Eckener schon aus Berlin Als Redakteur des Berliner Maga- <?page no="93"?> 94 Dorothea Cremer-Schacht zins „Die Dame“ hatte er in den 1930er-Jahren bereits Fotografien von ihr veröffentlicht . 57 Der große Erfolg des Bandes, der im Jahr darauf eine zweite Auflage erhielt, zeigt, dass das seit Jahrzehnten bestehende Interesse der Menschen an ihrer Heimat, ihrem kulturellen Erbe weiterhin groß war, obwohl die Heimatfotografie in der Nazizeit in vielen national verklärenden Bildbänden missbraucht worden war Dem Schoeller Verlag war nur ein kurzes Dasein beschieden, denn Marlis Schoeller verstarb unerwartet Ende 1954 Der Verlag verblieb in der Hand von Lotte Simon-Eckener, die ihn mit der bisherigen Verlagsmitarbeiterin Martha Koch unter Simon + Koch weiterführte Eckeners Bestseller Bodensee. Landschaft und Kunst wurde auch im Nachfolgerverlag eine wichtige Publikation 1963 erschien die vierte Auflage, die zugleich als Lizenzausgabe im Verlag Ekkehard-Presse St Gallen und im Umschau Verlag Frankfurt vertrieben wurde Sie war als eine neue Auflage konzipiert, darin enthalten waren die brandneuen Aufnahmen vom Jahrhundertereignis „Seegfrörne“ und weitere Bilder, in denen Eckener neue malerische Winkel wie den Rheinfall von Schaffhausen, der Mündung des Rheins und die Burgruine Hohentwiel vorstellte . Das Einband- Cover wirkte frisch und lebendig, es zeigte schaumgekrönte Wellen, ein Segelboot und den See umschließende Hügel und Berge Der Text präludierte jetzt wieder - vergleichbar den ersten Auflagen im See-Verlag - die Bilder, was die Fotografien als eigenständige Werke hervorhebt Die Bildauswahl war nur teilweise neu, bei manchen Bildern war lediglich ein anderer Ausschnitt des Motivs gewählt worden Wohl überlegt war wieder die Mischung der Motive aus beschaulichen Landschaften und der Kunst aus mehreren Jahrhunderten Das Presseecho war abermals groß und positiv . „Ein schönes Erinnerungsbuch“, schrieb der „Tagesanzeiger“ aus der Schweiz 58 und die „Südkurier“-Leser erfuhren, dass manches in dem Buch ein Teil von ihnen selbst zu sein scheine . 59 Das neue Layout lenkte den Blick der Kritiker offenbar stärker auf die Arbeit der Fotografin Das „Darmstädter Tagblatt“ spricht von vortrefflich gesehenen Schwarzweiß-Fotos 60 und die Monatsschrift „Bodenseehefte“ meinte: „In diesen Bildern gibt es nichts Zufälliges, Störendes, Überflüssiges - ihre Komposition ist jeweils ins letzte Detail <?page no="94"?> Die Fotografin 95 ausgewogen und dennoch ist alles echt und ungestellt; kein berechnender, auf Effekte zielender Sinn, allein wahrheitssuchende Liebe lenkten Blick und Hand “ 61 Hauptwerk Bodensee. Landschaft und Kunst ist Eckeners wichtigstes Werk Mit dem Bildband ist sie tief in die kulturgesättigte Welt des Dreiländerecks eingedrungen und hat mit mindestens 14 Auflagen (einschließlich der Lizenzausgaben) über Jahrzehnte hinweg ein dokumentarisches Projekt mit künstlerischem Anspruch stringent umgesetzt Der langjährige Erfolg des Bandes war nicht selbstverständlich, vor allem in Anbetracht der Konkurrenz auf dem Buchmarkt Auf dem Gebiet der Landschafts- und Kunstführer im Südwesten tummelten sich Verlage wie Langewiesche in Königstein mit ihren auflagenstarken Reihen Der Eiserne Hammer und Die blauen Bücher oder Schnell + Steiner in München, und nach dem Krieg kamen mit Thorbecke in Lindau (später Konstanz), Rosgarten in Konstanz neue Verlage hinzu Aus dem Verlagsschaffen der Bundesrepublik der späten 1950er-Jahre ragte besonders das Land Baden-Württemberg und explizit die Region Südbaden hervor . 62 Die Schar von Fotografen, die ihre Aufnahmen in diesen Bildbänden publizieren wollte, war nicht nur immens groß, es befanden sich viele namhafte Vertreter darunter; mit Lala Aufsberg, Hans Baumgartner, Siegfried Lauterwasser, Jeannine LeBrun und Toni Schneiders seien nur einige von denen genannt, die im Umkreis des Sees lebten Bodensee. Landschaft und Kunst war der erste Themenband, der Sehenswürdigkeiten des Bodensees und seiner angrenzenden Landstriche ordnete und zusammentrug Landschaft und Kunst zusammen und über Ländergrenzen hinweg zu betrachten war 1935 bei der Erstauflage noch ein ziemliches Novum gewesen . Der Erfolg verdankte sich - verglichen mit den unterschiedlichen Bildsprachen in Sammelbänden - der einheitlich-durchgehenden Bildästhetik und dem durchdachten Zusammenspiel von Landschaft, Architektur und den schönen Künsten sowie den versierten Textautoren <?page no="95"?> 96 Dorothea Cremer-Schacht Der wichtigste Grund für den Bucherfolg waren jedoch Eckeners ästhetische Aufnahmen Ihr Interesse, Landschaft und Kunst des Dreiländerecks in ein schönes Licht zu rücken, war auch ihrer großen Natur- und Heimatverbundenheit geschuldet In den ersten Jahrzehnten fotografierte sie vor allem mit Stativ und benutzte Kameras mit großen Negativformaten von 6 x 9 oder 9 x 12 Zentimetern und setzte auch weichzeichnende Objektive ein . Das schnelle Bild interessierte sie nicht und massenweise Bilder zu produzieren war nie ihr Ziel Die Aufnahmen entwickelte sie im eigenen Labor . 63 Wichtig war ihr, Beschaffenheit und Besonderheit der Landschaft aufzuzeigen und die Stimmung wiederzugeben Die Wolken nutzte sie nach der Devise Albrecht Dürers: Eine Landschaft ohne Wolken ist wie ein Gesicht ohne Ausdruck Menschen tauchen in den Bildern selten auf Die Aufnahmen sind still und zeitlos und frei von illusionistischen Effekten und Modetrends . Trotz ihres letztlich bodenständigen Themas widerstand sie der Versuchung, mit volkstümlichen Themen zu reüssieren, einem Trend, der in der Hitlerzeit vielen erfolgsversprechend schien Eckener verstand sich nicht als Künstlerin, aber die Fotografie war für sie ein künstlerisches Ausdrucksmittel . 64 Ihre Herangehensweise lässt sich keinem Stil eindeutig zuordnen, vielmehr vermischen sich darin klassische Kompositionen mit Detailreichtum und Schärfe Ihr visueller Ansatz bei den sakralen Bildwerken und der Architektur ist sachlicher; die Motive sind klarer konturiert und teils in enge Ausschnitte gefasst Malerischer ist ihr Blick bei den weiten, aus der Distanz heraus gezeigten Landschaften unter wetterwendigen Himmeln Weitere Publikationen Bodensee. Landschaft und Kunst ist nicht nur das wichtigste, sondern eine Art Mantel-Werk Eckeners, aus dem sich fast alle anderen Bände herleiten lassen Schon in der Auflage von 1935 waren von allen Themen, die sie im Laufe der Jahre in singulären Bildbänden vertiefte, einzelne Aufnahmen vertreten Eckener hatte großes Geschick, ihren Bildfundus immer wieder zu verwenden . Bilder aus der ersten Auflage finden sich in späteren wieder Über <?page no="96"?> Die Fotografin 97 die Publikation von Büchern hinaus, veröffentlichte sie ihre Motive als Landschafts- und Kunstkarten Die Zahl der Fotokartenmotive überstieg die Zahl der Buchmotive Über die Anzahl und die jeweiligen Auflagenhöhen kann nur spekuliert werden . 65 Das kleine Buch vom Bodensee wurde 1954 im Gründungsjahr des Simon + Koch-Verlags verlegt Es konzentriert sich auf die Landschaft und die architektonischen Sehenswürdigkeiten der Weiler und Städtchen und verzichtet auf die Reproduktionen von sakralen Werken Sein Format macht nur die Hälfte des großen Bodensee- Bildbandes aus Einige der ganzseitigen Abbildungen sind identisch Der kleine Bruder im Taschenformat war mit sechs Auflagen ebenfalls erfolgreich Sicherlich hat auch der amüsante und informative, fast belehrende Text von Eckeners bekanntem Allenbacher Malerfreund Fritz Mühlenweg zum Erfolg beigetragen Beim Buch Meersburg blicken wir zurück auf das Schaffen der Fotografin in den 1930er-Jahren und eine Publikation aus der Hand des Verlegers Küsters Der Band mit seinen 40 Aufnahmen beschreibt die pittoresken, mittelalterlichen Gassen, den Marktplatz und den Obertorturm des auf einer merowingischen Königsburg errichteten Städtchens Mit Bildern von Trinksaal, Wachtstube, Gerichtshalle, Burgküche, Kapelle, Wehrgang, der Stube des Burgschreibers und des Droste-Zimmers hat Eckener auch das Interieur der Burg umfangreich wiedergegeben Wilhelm von Scholz hat sie in der Einleitung als die romantischste, malerischste und am meisten von der Dichtung berührte Burg am Bodensee bezeichnet; dazu erzählt Burgherr Hubert Naeßl die Geschichte von ihrer Gründung 628 bis zur Neuzeit Zwischen 1957 und 1960 brachte Eckener noch drei weitere Bücher heraus Bei zweien liegt der Fokus auf der religiösen Kunst, bei dem Buch über Oberammergau ist es das Festspiel und die Frömmigkeit der Menschen Eckener war nicht gläubig: „So habe ich bei einem strikt zu glaubenden Dogma meine Nöte […]“, schrieb sie 1981 an den Pfarrer der Konstanzer Kreuzpfarrei . 66 Doch für die Reproduktion christlicher Kunst interessierte sie sich, seit sie mit dem Thema Landschaft und Kunst begonnen hatte; in allen Auflagen hat sie sakrale Bildwerke berücksichtigt In den 1950er-Jahren begann sie diesen Werkaspekt zu vertiefen und sich intensiver mit <?page no="97"?> 98 Dorothea Cremer-Schacht der Mutter Jesu auseinanderzusetzen Einen reichhaltigen Fundus an Mariendarstellungen namhafter Künstler boten ihr die Klöster und Kirchen im hiesigen Raum, von denen manche, wie die barocke Wallfahrtskirche Birnau, der Gottesmutter geweiht sind Doch begab sie sich auch landeinwärts und fotografierte Marienfiguren in den Museen in Freiburg, Rottweil und Karlsruhe Eine Auswahl ihrer Mariendarstellungen veröffentlichte sie 1957 unter dem Titel Madonnen. Bildwerke und Miniaturen Untergliedert in kunstgeschichtliche Epochen, geben die rund 90 Aufnahmen einen Überblick über die Marienverehrung in acht Jahrhunderten In der schlichten, sachlichen Dokumentation verweist Eckener auf den religiösen Ausdruck in den Gesichtern oder das Gebaren der Heiligenfiguren Zwei Jahre später folgte mit Propheten, Apostel, Evangelisten. Bildwerke und Miniaturen ein konzeptuell ähnlich gestaltetes religiöses Bilderbuch mit Bildfolgen von Plastiken zwischen Romanik und Barockzeit Und wie schon bei den Madonnen wird diesen fotografischen Studien künstlerisches Einfühlungsvermögen bescheinigt . 67 Gemeinsam ist den beiden Bänden ebenso ihre beeindruckende Anordnung und Abfolge der Abbildungen Der hintergründige Text des Bandes stammt von dem Bremer Schriftsteller, Journalisten und langjährigen Mitglied der Akademie der Künste Berlin, Sektion Literatur Manfred Hausmann Der letzte realisierte Bildband von Eckener konzentriert sich auf das Geschehen in und um Oberammergau Die beschauliche Gemeinde ist wegen ihrer Festspiele weltbekannt . Ihre Einwohner führen einem Gelübde von 1633 zufolge alle zehn Jahre die Leidensgeschichte Jesu als Festspiel auf, als Dank für die überwundene Pest 1960 wurde das Gelöbnis zum 35 Mal erneuert Unter der Leitung von Georg Johann Lang wurden den ganzen Sommer über 80 Aufführungen gegeben, beteiligt waren jeweils 1000 Spieler und Statisten, davon 18 Hauptdarsteller Mit Oberammergau begab sich Eckener auf neues Terrain, andererseits sah sie es als eine Art Folgeprojekt ihrer mehrjährigen intensiven Beschäftigung mit Madonnen und Propheten - nur, dass sie hier die Frömmigkeit in den Gesichtern der Menschen suchte . 68 Eckener war fasziniert von der besonderen Atmosphäre der Ortschaft und den Laiendarstellern des sakralen Spiels Nach langer Pause machte sie wieder eine <?page no="98"?> Die Fotografin 99 „Madonna mit dem Kind“. Ausschnitt, Feuchtmayer-Nachfolge, um 1760, Pfarrkirche Bermatingen „Kopf eines jugendlichen Heiligen“ (Johannes? ). Lindenholz mit Resten alter Fassung, Ulmisch, um 1490 Maria-Darstellerin Irmgard Dengg. Oberammergauer Festspiele 1960 Apostel-Darsteller Karl Eitzenberg, Oberammergauer Festspiele 1960 <?page no="99"?> 100 Dorothea Cremer-Schacht umfangreiche Portraitserie In nahen Ausschnitten zeigt sie uns die Gesichter der Hauptdarsteller, die ernst, in sich gekehrt oder verklärt blicken Bei den Portraits vor neutralem Hintergrund scheint sie die Empfindungen der Protagonisten einfangen zu wollen Sich an den Charakter eines Menschen heranzutasten und einzufühlen, war ein Anspruch, den ihre Schule in München an ein gutes Bildnis erhoben hatte Eckeners Portraits sind frappierend ähnlich den Bildern, die man sich von biblischen Gestalten macht Der schon erwähnte Ludwig E Reindl sieht den Blick der Fotografin geprägt vom vergeistigenden Element, vom gesteigerten Ausdruck sakraler, statuarischer Kunstwerke, wie sie sie vorher zuhauf fotografiert hatte . 69 Sachlicher, doch ebenso von der Fotografin überzeugt, heißt es im „Katholischen Sonntagsblatt“ im August 1965: „Dieses Buch ist besonders wertvoll durch die ausgezeichneten Aufnahmen im umfassenden Bildteil und der wohl besten Porträtstudien der Hauptdarsteller [ . . ] “ Meist geht es jedoch nicht explizit um Eckeners Fotografie, sondern um das Buch als Ganzes: „Auch wer Oberammergau kennt, wird ihn [den Band] als einen ungewöhnlich glücklichen Wurf gern immer wieder zur Hand nehmen, vermittelt er doch in Bild wie Text wohlfundierte Informationen über Welt und Leben des Passionsdorfes “ 70 Der „Südkurier“ widmete dem Buch eine ganze Seite (ohne Datum), ähnlich das „Oberbayerische Volksblatt“ am 4 Mai 1960 und die „Augsburger Allgemeine“ um Ostern 1960, alle mit großformatigen Abbildungen Es war die größte Presseaufmerksamkeit, die Eckener für ihre Arbeit bis dahin erhalten hatte Späte Jahre In den späten 1950ern zeichnete sich ein Wechsel von Schwarzweißzu Farbbildbänden ab Im Konstanzer Thorbecke Verlag erschien 1961 der Band Der Süden Deutschlands in 100 Farbbildern. Auch Eckener schlug in jener Zeit mit Farbbildern ein neues Kapitel in ihrer Fotografie auf, wobei sie ihr Themenspektrum unverändert ließ Einige ihrer neuen farbigen Motive wurden in der dritten Auflage des Madonnen-Buches verwendet, über eine weitere Verwendung in Büchern ist jedoch nichts bekannt Bekannt wurden ihre <?page no="100"?> Die Fotografin 101 farbigen Landschaftsaufnahmen wiederum in Form von Post- und Kunstkarten, die noch bis in die 1990er-Jahre verlegt wurden Nach Auflösung des Verlags Simon + Koch hatte insbesondere der Konstanzer Seekreis-Verlag den Vertrieb übernommen 71 Blick auf den Gnadensee <?page no="101"?> 102 Dorothea Cremer-Schacht Zum Schluss Obwohl Eckeners Œuvre mit sieben Fotobänden und zahlreichen Fotokarten recht umfangreich war und sie über Jahrzehnte das Bild vom Bodensee mitprägte und in die Welt hinaustrug, findet sie als Fotografin vergleichsweise wenig öffentliche Aufmerksamkeit In Anthologien zur Vor- und Nachkriegsfotografie wird sie selten erwähnt, weder wo es speziell um Frauen in der Fotogeschichte, noch wo es um das Bild der Landschaft im deutschen Südwesten geht 72 Das erstaunt, lässt sich aber vielleicht erklären, wenn man die Rahmenbedingungen ihres Schaffens betrachtet Eckener hat sich nie als Avantgardistin der Fotoszene exponiert Zwar sind in ihrer Lehr- und Wanderjahre-Zeit die Tendenzen der neusachlichen Fotografie sichtbar, beispielsweise in den Aufnahmen von New York Ebenso in ihrem Fotoband über die Bäume ist Pioniergeist zu spüren Doch bei ihrem zentralen Werk Bodensee. Landschaft und Kunst war ihr das klassisch gestaltete Bild wichtiger Veränderungen, die das Medium im Laufe ihrer langen Schaffenszeit durchlief, hat sie nicht aufgegriffen Überhaupt blieb sie offensichtlich auf Distanz zur Fotografenszene . Es ist nicht bekannt, dass sie den Austausch zur legendären Gruppe „fotoform“ oder deren dominierenden Bildauffassung der subjektiven Fotografie in den 1950/ 60er-Jahren gesucht hätte Dabei war sie mit dem Überlinger Siegfried Lauterwasser, einem wichtigen Vertreter der Vereinigung, persönlich gut bekannt Vielmehr suchte sie die Aussprache mit Literaten und Künstlern Während Kollegen sich um Ausstellungen für ihre Werke in Galerien und Museen bemühten oder Reputation in Fachzeitschriften suchten, setzte Eckener weiter auf Renommee durch Fotokarten und Bildbände im eigenen Verlag . In ihren Büchern wird die Fotografie durch Text ergänzt und bildet ein Gesamtwerk Auch ihre Verlagstätigkeit war sicherlich nicht für ihre Anerkennung als Fotografin förderlich Nicht allein, dass sich durch die fehlende Zeit die Quantität des Œuvres beschränkte, wichtiger war, dass es ihr den Weg verstellte, mit ihren Fotografien über andere, renommiertere Reisebild- oder Kunstverlage bekannt zu werden Sie konkurrierte ja mit ihrem eigenen Verlag um die Interessenten <?page no="102"?> Die Fotografin 103 Mag ihre verlegerische Tätigkeit der fotografischen Entwicklung auch im Wege gestanden haben, so waren Eckeners fotografisches Gespür und ihre Sachkenntnis bei der Auswahl der Fotografen und Werke für die Verlagspublikationen über Apulien, Venetien, Provence und anderer südeuropäischer Landstriche sehr hilfreich Schlussendlich hängt die Post-Mortem-Bekanntheit eines Künstlers in großem Maße davon ab, wer sich um die Hinterlassenschaften kümmert Eckener hat nicht daran gedacht, dass ihre Bilder historisch werden könnten, sie hat kein geordnetes Archiv hinterlassen und mehrere Umzüge haben es dezimiert . An ihrem 100 Geburtstag wurde ihr Werk erstmals in einer Einzel-Ausstellung gewürdigt Diese Publikation ist ein weiterer Schritt, ihr Schaffen vor dem Vergessen zu bewahren <?page no="103"?> 104 Dorothea Cremer-Schacht Anmerkungen 1 Gespräch Adolf Vetter mit der Autorin am 29 9 2005 2 Ebd 3 Gespräch Eva Levec mit der Autorin v 15 1 1996 und 13 12 2006; sie war eine ehemalige Schülerin des Paulinenstifts 4 Gespräch Uwe Eckener mit Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki v . 13 12 2019 5 Anm 3 6 Brief von Hugo Eckener an seine Frau Johanna 8 12 1915 In: Rolf Italiaander Ein Deutscher namens Eckener Luftfahrtpionier und Friedenspolitiker Vom Kaiserreich bis in die Bundesrepublik Konstanz-1981, Seite 133 7 Hanna Seewald hatte in Düsseldorf die Photoschule von Dr Erwin Quedenfeld absolviert . Nach ihrer Tätigkeit in der Industrie in Friedrichshafen wurde sie Lehrerin an der Münchner Fotoschule und von 1953-1965 leitete sie die Einrichtung 8 Vgl Eskildsen, Ute, Hg , Fotografieren hieß teilnehmen Fotografinnen der Weimarer Republik . Düsseldorf 1994 9 Scheutle, Rudolf, „Gehen wir daran, diese traurigen Zustände zu bessern! Zur Geschichte der Münchner Fotoschule“ In: Lehrjahre Lichtjahre, Hg , und mit Texten von Ulrich Pohlmann und Rudolf Scheutle München 2000, Vgl Seite 17 10 Ders ., Seite 28 11 Ders ., Seite 26 12 Ders ., Seite 31 u . 34 13 Notenliste Klasse Lähnemann 1924/ 25, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Staatliche Fachakademie für Fotodesign 276 14 Anm 9, Seite 20 15 Anm 13 16 Anm 9, Seite 34 17 Vgl Freytag, Philipp, „Binder, Alexander“ In: Allgemeines Künstlerlexikon . Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker-(AKL) Nachtrag, Band 3, Saur München 2008,-Seite-140 . Zit . nach https: / / de wikipedia org/ wiki/ Alexander_Binder_(Fotograf) 18 Moderegger, Johannes Christian, Modefotografie in Deutschland 1929-1955, Norderstedt, Libri Books on Demand, 2000, Seite 179 An diesem Ort wird als Binders Geburtsort Schweiz genannt 19 Anm 17 20 Anm 18 21 Seit 1996 sind die Bilder der berühmten Zeitgenossen Bestandteil des Marlene Dietrich Nachlasses der Kinemathek Berlin 22 Philipp, Claudia Gabriele, „Fotografie im Atelier“ In: Eskildsen, Ute, Hg , Fotografieren hieß teilnehmen: Fotografinnen der Weimarer Republik Düsseldorf 1994, Seite 31 23 In den großen Ateliers der 1920er-Jahre waren die Arbeiten aufgeteilt, ein Operateur fotografierte, ein Laborant entwickelte, ein Retuscheur beseitigte Fehler oder betonte Details 24 Anm 18, Seite 180 25 Vgl frauenobjektiv Fotografinnen 1940 bis 1950 Begleitbuch zur Ausstellung im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Bonn 2001, Seite 134 26 Beckers, Marion/ Moortgat, Elisabeth, Hg , Yva Photographien 1925-1938 . Berlin 2001, Seite 29 27 Nach 1933, als der Faschismus der jüdischen Bevölkerung die Arbeit nahezu unmöglich machte, arbeitete sie zunächst unter Pseudonym weiter, emigrierte jedoch 1935 nach New York und eröffnete ein Studio am Central Park West Ihre Portraits bekannter Persönlich- <?page no="104"?> Die Fotografin 105 keiten sind weltberühmt Sie verstarb in Concord in New Hampshire/ USA Ausführliche Biografie siehe: Beckers, Marion/ Moortgat Elisabeth, Atelier Lotte Jacobi Berlin New York Berlin 1997 28 Email Prof . Dr Rolf Sachsse an die Autorin v 4 5 2020 Archiv Dorothea Cremer-Schacht (ADCS) 29 Morgan, Susan, Martin Munkácsi New York 1992, Seite 6 30 Gespräch Eduard Hindelang mit der Autorin v 23 10 2006 31 Carl Zuckmayer an Lotte Eckener v 7 7 32 Archiv Uwe Eckener (AUE) 32 Gespräch Uwe Eckener mit der Autorin v 13 9 2005 33 Anm . 3 34 Margaret Bourke-White (1904-1971) bekam 1930 als erste ausländische Journalistin die Erlaubnis Industrieanlagen in Russland zu fotografieren Im Zweiten Weltkrieg war sie Kriegsberichterstatterin und erregte mit erschütternden Aufnahmen aus den befreiten Konzentrationslagern weltweit Aufsehen Vgl Museum Ludwig Köln, Photographie des 20 Jahrhunderts Köln 1996, Seite 72 f 35 Die Aufnahme ist veröffentlicht in Stephen Bennett Phillips, Margaret Bourke-White . The Photography of Design, 1927-1936 New York 2003, Seite 177 36 Carl Zuckmayer an Lotte Eckener v 7 9 1932 AUE 37 Gustinus Ambrosi an Lotte Eckener v 30 8 1933 AUE 38 Ebd 39 Im Brief heißt es weiter “… und ich freue mich auf unser Buch! “ Carl Zuckmayer an Lotte Eckener v 30 3 1932 AUE Das lässt vermuten, dass das Bäume-Buch ursprünglich mit Gedichtveröffentlichungen von Zuckmayer geplant war Es gibt keine weiteren Angaben dazu . Wie noch ausgeführt wird, stammen die Gedichte in Die Welt der Bäume von Walter Bauer Wie es zur Zusammenarbeit mit Bauer kam, ist ungeklärt 40 Carl Zuckmayer an Lotte Eckener v 7 7 1932 und 18 11 1932 AUE 41 Schon 1933 belegten die Nationalsozialisten Bauers literarisches Frühwerk mit Druckverbot 42 Querschnitt 1932, Heft 5, XII Jahrgang, Seite 345 43 Zit . nach Verlagsprospekt „Die Welt der Bäume“, o J [1933] 44 Ebd 45 Die Dame, Heft 14, 1936, 63 Jahrgang, Seiten 8-13 und Seiten 44 f 46 „Vor der Sonne ausgebreitet liegt Langenargen am Bodensee“ Werbebroschüre, Verkehrsamt Langenargen, o J 47 Anm 4 48 Anm 3 49 Da Küsters seine Publikationen meist nicht datierte, kann die hier genannte Datumsangabe um ein Jahr früher oder später abweichen Das gilt auch für die weiter unten aufgeführten Bücher des See-Verlags Auch Küsters Tochter, Eva Levec, konnte keine Angaben zum Datum der Veröffentlichungen machen, hatte aber in Erinnerung, dass Eckener um Mitte 1930 die Zusammenarbeit mit ihrem Vater angestoßen hatte Anm . 3 50 Carl Zuckmayer an Lotte Eckener, vermutlich v 1936, Seite 3 (vierseitiger Brief, die Seiten 1 und 2 fehlen) ADCS 51 Aus einem undatierten getippten Brief Hermann Hesses an Lotte Simon (Eckener), um 1937, in Teilen abgedruckt In: Michels, Volker, Hg , Hermann Hesse Bodensee Betrachtungen, Erzählungen, Gedichte Stuttgart 2001, 7 Auflage, Seite 271 . Restliche Angaben des Zitats stammen von Volker Michels, Email v 26 4 2020 52 Es soll noch eine neunte Auflage in einem aufwendigen Ledereinband geben sowie eine weitere aus dem Jahr 1941, aber das konnte nicht verifiziert werden 53 Entnommen Buchwidmung Willy Küsters an Lotte Eckener, zit nach Email Peter Salomon an die Autorin am 27 11 2020 <?page no="105"?> 106 Dorothea Cremer-Schacht 54 Der Verlag wurde von Renate Klein, die seit 1938 mitarbeitete, noch eine Zeitlang weitergeführt Anm 3 55 Anm 3 56 Carl Zuckmayer an Lotte Simon-Eckener v 23 7 1949 ADCS Und Lotte Simon-Eckener an Carl Zuckmayer v 28 7 1949 HS 1999 0020 01174, 1-3 Deutsches Literaturarchiv Marbach 57 „Die Dame“ versuchte bis zur Schließung 1943 ein mondänes, großbürgerliches Frauenbild aufrecht zu erhalten, dabei orientierte das Blatt sich vor allem an der internationalen Mode . Gespräch Dr Christian Reindl, Sohn von Ludwig E Reindl, mit der Autorin v 2 7 2020 58 Tages-Anzeiger, Schweiz, v 30 7 1964 59 Südkurier v 24 3 1964 60 Darmstädter Tagblatt v 29 9 1963 61 Zitiert nach Verlagsprospekt Simon + Koch, o J 62 N N , „Die Verlagsproduktion in Südbaden“, Badische Zeitung v 5 11 .1961 63 In Konstanz hatte Eckener eine geräumige, gut ausgestattete Dunkelkammer, die Christian Reindls Bruder Wolfgang als junger Mann benutzte Anm 57 64 Anm 4 65 Auf den Rückseiten der Karten, die mit „Original-Postkarte Lotte Eckener“ beschriftet sind, sind Nummern angegeben Bei den Landschaftskarten konnten nur einige wenige Karten aufgefunden werden, die höchste Zahl lautet 1034 Bei den sakralen Motiven konnten etwa 100 Motive gesichtet werden, die höchste Zahl ist 177 . Das könnte auf die Anzahl der verlegten Kartenmotive hinweisen 66 Lotte Eckener an den Konstanzer Pfarrer Dieter Dorn ADCS 67 N .N , „Familie und Heim“, Wien August 1961 68 Gespräche Christiane Hermann mit der Autorin am 11 12 2019, 22 .1 .2020, 31 1 2020, 3 2 .2020, 30 3 2020, 1 5 2020 69 Vgl Reindl, Ludwig E , Typoskript der Buchbesprechung v 3 8 1960 70 N N , Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, Mai 1960 71 Die letzte Charge über 20 000 Stück ist Anfang 1990 gedruckt worden . Gespräch Willy Lang, Nachfolger Seekreis-Verlag, mit der Autorin v 20 11 2005 72 Vgl Grüner, Isabel/ Eichler, Anja, Hg , Landschaftsphotographie im Südwesten Mit dem Auge des Photographen, Ausstellungskatalog, Hausen ob Verena und Tuttlingen 1998 <?page no="106"?> Lehr- und Wanderjahre Fotografien von Lotte Eckener bis in die 1930er-Jahre <?page no="107"?> 108 Camilla Horn, Atelier Binder, Berlin, 1926-1930 <?page no="108"?> 109 Josef von Sternberg, Atelier Binder, Berlin, 1926-1930 <?page no="109"?> 110 Brigitte Helm, Atelier Binder, Berlin, 1926-1930 <?page no="110"?> 111 Anny Ondra, Atelier Binder, Berlin, 1926-1930 <?page no="111"?> 112 o.T., Atelier Binder, Berlin, 1926-1930 <?page no="112"?> 113 Tänzerin, Atelier Binder, Berlin, 1926-1930 <?page no="113"?> 114 o.T., Atelier Binder, Berlin, 1926-1930 <?page no="114"?> 115 o.T., Atelier Binder, Berlin, 1926-1930 <?page no="115"?> 116 Zeppelin LZ 129, Heckspitze bei geöffnetem Hallentor, um 1935 <?page no="116"?> 117 Zeppelin LZ 130, um 1938 <?page no="117"?> 118 Zeppelin LZ 129, Im Bau, um 1935 Zeppelin LZ 129, Im Bau, um 1935 <?page no="118"?> 119 Zeppelin LZ 129, Im Bau, um 1935 <?page no="119"?> 120 New York, 1931 <?page no="120"?> 121 New York, 1931 <?page no="121"?> 122 Rom, 1932 <?page no="122"?> 123 Rom, 1932 <?page no="123"?> 124 Stufenpyramide, Sakkara, 1933 <?page no="124"?> 125 Kairo, 1933 <?page no="126"?> Schöner Realismus Lotte Eckeners Fotografie im historischen Kontext B ernd S tiegler Eines hatte Lotte Eckener ihren Mitstudentinnen voraus: Anders als diese hatte sie zweifelsohne Gelegenheit, aus luftiger Höhe auf die Welt hinabzublicken und sie aus dieser besonderen Perspektive aufzunehmen Mit ihrem Vater war sie in einem Zeppelin unterwegs, reiste auch häufiger im Flugzeug und fotografierte dabei etwa den Anflug auf New York Ihren Mitstreiterinnen an der Münchner Fotoschule blieb das hingegen vermutlich privat verwehrt, und beruflich sowieso: Selbst als die Leitung in den 1920er-Jahren beschloss, die Ausbildung zu reformieren, das Angebot zu modernisieren und dabei auch in den neuen Teilen für Studentinnen zu öffnen, gehörte zwar die Luftbildfotografie zum neuen Curriculum - aber einzig für männliche Studierende Die Studentinnen mussten sich - neben den klassischen Fächern - u .a mit der Mikro- und Makrofotografie und der Plakatgestaltung begnügen 1 Das galt natürlich auch für Lotte Eckener, die gleichwohl dank ihres familiären Umfelds die Möglichkeit hatte, diese für die Avantgarden charakteristische Perspektive auch fotografisch zu erproben Es sollte jedoch für ihre fotografische Bildsprache folgenlos bleiben Ein ästhetisches oder weltanschauliches Erweckungserlebnis waren die Fahrten im Zeppelin offenkundig nicht, eine Entdeckung der Welt hingegen schon Dem Neuen Sehen, das diese neue Sicht der Dinge regelrecht zelebrierte, sollte sich Lotte Eckener nicht verschreiben und liebäugelte allenfalls für eine kurze Zeit mit der Neuen Sachlichkeit - was allerdings vermutlich weniger mit ihren ästhetischen Vorlieben als mit den aufzunehmenden Gegenständen zu tun hatte, die sie nach der Ausbildung im Atelier Binder zu fotografieren hatte Dort gehörten neben der Portraitfotografie auch Werbeaufnahmen zum Portfolio Lotte Eckener hatte vor dem Eintritt in das seinerzeit enorm erfolgreiche Atelier, das von sich behauptete, das größte in Europa zu sein, eine Ausbildung an der Münchner Fotoschule absolviert, <?page no="127"?> 128 Bernd Stiegler dabei das Handwerk der Fotografie erlernt und auch hierbei auch einige Ausflüge in die Kunstfotografie unternommen, die seinerzeit aber noch unter dem Stern der Bildberichterstattung und Portraitfotografie stand Im Rahmen der in der Regel zweijährigen Ausbildung, an deren Ende eine Abschlussprüfung stand, durchliefen die Studierenden das gesamte Spektrum des fotografischen Fachs von der Lichtbildnerei und Retusche bis hin zur Reportage- und Werbefotografie Die Ausrichtung der Schule, die sich seit 1921 „Staatliche Höhere Fachschule für Phototechnik“ nannte und damals von Hans Spörl geleitet wurde, war von den Bildsprachen der Avantgarden, die in dieser Zeit mit Macht auf sich aufmerksam machten, weit entfernt und zielte auf eine konventionelle und am kommerziellen Alltagsbedarf ausgerichtete fotografische Praxis . Während die Avantgarden sich zwischen Neuem Sehen und Neuer Sachlichkeit positionierten und auch mit Techniken wie Collagen und Montagen, Fotogrammen und Solarisationen experimentierten, blieb die Ausbildung in München der Kamerafotografie weitgehend treu und justierte nur im Bereich der neuen Anwendungen nach . Mit Aufkommen der Presse- und Werbefotografie kamen auch diese Bereio.T., um 1929. Lotte Eckener liebäugelte nur kurze Zeit mit der neuen Sachlichkeit. <?page no="128"?> Schöner Realismus 129 che im Unterricht dazu, da sie möglicherweise später fotografischer Brotberuf sein könnten, denn hierauf galt es die Studierenden, die für ihre Ausbildung zu bezahlen hatten, vorzubereiten . Ziel war es, im Rahmen der Ausbildung das ganze Spektrum der fotografischen Tätigkeiten abzudecken und dabei zugleich den Studierenden eine Spezialisierung zu ermöglichen Am Ende der Ausbildung brachten die Fotografinnen und Fotografen alles mit, um irgendwo zwischen Reprofotografie und der Arbeit in einem Fotoatelier, zwischen Reproduktionstechnik und Portraitaufnahmen, wissenschaftlicher und angewandter Fotografie in der Bildberichterstattung tätig zu werden Sie waren handwerklich ausgezeichnet geschult und mit allen möglichen fotografischen Techniken mitsamt ihren Finessen und technischen Erfordernissen vertraut Zwischen Lichtbild und Dunkelkammer gab es nichts, was ihnen technisch und handwerklich unvertraut war Hinsichtlich der Bildsprache stellte sich hingegen die Situation etwas anders da In diesem Feld waren einige Grauzonen zu verzeichnen Hier blieb die Fotoschule der konservativen Ausrichtung eines eher gefälligen Piktorialismus treu, der seinerzeit auch die Fotozeitschriften dominierte „Realistik im Lichtbilde“ ist ge- Die Münchner Fotoschule 1911 <?page no="129"?> 130 Bernd Stiegler fragt, schrieb Spörl und gab damit die Richtung vor . 2 Von den Experimenten der Kunstfotografie der Jahrhundertwende, die mit allerlei Edeldrucken und mit diversen Verfahren zur Erzeugung von Unschärfe experimentierten, und jenen der Avantgarden war die Fotoschule gleich weit entfernt Beide hatten jedoch ihre Einflusszone: Von der Kunstfotografie übernahm die Schule Motive und Regeln der Komposition, mit den Avantgarden teilte man die Vorliebe für Schärfe und Darstellungsgenauigkeit . In diesem weiten Feld zwischen den beiden bestimmenden Strömungen der Zeit verortete sich die Ausbildung, die mehr auf das Handwerk als auf die Kunst setzte Dementsprechend nahm man eben einen Sicherheitsabstand zur alten Schule des Piktorialismus auf der einen und zum Neuen Sehen und zur Neuen Sachlichkeit auf der anderen ein Spörl gab das auch ohne Umschweife zu, als aufsehenerregende Ausstellungen die neue Fotografie feierten und zum neuen Paradigma ausriefen „So wiegten wir Berufsleute und Amateure, die wir in Idealen schwelgten, uns in Sicherheit und hofften, das Feld siegreich behaupten zu können“, schrieb er anlässlich der berühmten FiFo in Stuttgart, aus der gleich mehrere ebenso einschlägige wie wirkmächtige Publikationen hervorgingen, um dann sogleich hinzuzufügen: „Es kam anders, weil Ereignisse plötzlich über uns hereinbrachen, die wir nicht vorausgesehen hatten, Ereignisse, die wie der Blitz aus heiterem Himmel auf uns einfielen Es kam - ‚der neue Fotograf ‘ “ 3 Damit spielte Spörl auf den Titel des berühmten Buchs von Werner Graeff an, das eine neue Fotografie aus der Taufe hob . 4 Es kommt der neue Fotograf! war dabei keine Prognose, sondern eine zeitgenössische Diagnose: die Beschreibung des Umbruchs, der seinerzeit im Schwange war und die Welt der Fotografie ergriff Graeffs Buchs war so etwas wie ein Lehrbuch dieser neuen, anderen Art zu fotografieren, die in ästhetischer Hinsicht mit dem Unterricht in München wenig gemein gehabt haben dürfte Zwischen den Klippen des Piktorialismus, der Neuen Sachlichkeit und dem Neuen Sehen navigierte dann auch Lotte Eckener hindurch und sollte dies auch Zeit ihres Lebens tun . Sie hatte, wie es ihre Bilder zeigen, durchaus Berührungen zu allen Strömungen, verortete sich letztlich aber just in dem Bereich, den die Ausbildung an der Münchner Fotoschule als Vorgabe unterrichtet hatte Sie <?page no="130"?> Schöner Realismus 131 blieb dem schönen Realismus der Bildsprache ihrer Lehrer treu und gab zahlreiche Bildbände heraus, deren Bilder auch problemlos in Kalendern oder als Postkarten vertrieben werden konnten . Das war auch die ästhetische Dominante der Fotopublizistik dieser Zeit Die erfolgreichsten Reihen von Fotobüchern oder Bildbände, wie etwa die Blauen Bücher setzen auf diese Art von Ästhetik, die sich tausend-, ja mitunter hundertausendfach verkaufte . Für Lotte Eckener war dies zugleich eine Möglichkeit, sich als Fotografin einen Namen zu machen - und das war keineswegs selbstverständlich Viele ihrer berühmten Aufnahmen tragen, wie es seinerzeit üblich war, noch heute einen fremden Namen, nämlich jenen des Ateliers Binder, in dem sie zwischen 1926 und 1930 tätig war Alle Mitarbeiter des Ateliers leisteten, so war es üblich, mit Eintritt in das Atelier Verzicht auf die eigene Signatur und zeichneten mit dem Namen des Arbeitgebers Das war in der Zwischenkriegszeit nicht anders als in der Mitte des 19 Jahrhunderts, als eine Heerschar von Fotografinnen und Fotografen in den Ateliers von Nadar, Bisson, Hanfstaengel, Albert, Disdéri, Mayall oder zahllosen weiteren Studios weltweit die eigentliche Arbeit erledigten, die Portraits und auch die anderen Aufnahmen aber die noch heute bekannten Namen der Besitzer trugen Lotte Eckener schlug in den 1920er-Jahren einen Berufsweg ein, der Frauen erst seit dem Ende des 19 Jahrhunderts offenstand, aber gerade in der Zeit der Weimarer Republik Erfolg und Anerkennung versprach Eine Ausbildung in einer der Sparten des fotografischen Fachs war seit 1890 in der Photographischen Lehranstalt (der sogenannten Lette-Schule), bereits ein knappes Jahrzehnt früher in der Photographischen Lehranstalt für Frauen in Breslau und eben - und dies seit 1905 - in der Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie in München möglich Die Alternative war eine klassische Lehre in einem etablierten Fotoatelier oder dann auch später, nämlich erst seit den 1920er-Jahren, in einer Kunstgewerbeschule . 5 Das berühmte Bauhaus, die bedeutende Schule der Burg Giebichenstein, die von Hans Finsler geleitet wurde, oder auch die Folkwangschule in Essen begannen erst später mit der Fotografieausbildung Nach absolvierter Ausbildung war es für Frauen (und auch für das Gros der Männer) nicht leicht, unter eigenem Namen zu publizieren . <?page no="131"?> 132 Bernd Stiegler Auch wenn die Zahl der Fotografinnen dieser Zeit, die sich einen Namen gemacht haben, enorm zu sein scheint, hatten nahezu alle massive Schwierigkeiten, mit der Fotografie ihren Lebensunterhalt zu verdienen . 6 Obgleich die Bildberichterstattung seit den 1920er- Jahren zu einem neuen Berufsfeld wurde und die illustrierte Presse massenhaft nach Bildern verlangte, war das Einkommen eher kärglich und das ökonomische Überleben als Fotografin diffizil Die Alternative war die Eröffnung eines eigenen Fotostudios . Immerhin, so verzeichnen es die Statistiken, wurden 1931 in Berlin 100 von 600 dort ansässigen Ateliers von Frauen geleitet Die Quote in München war ähnlich Dort waren 1918 13 % und 1921 18 % der Studios in der Hand von Frauen Lotte Eckener entschied sich jedoch für einen anderen Weg und konzentrierte sich nach einigen Reisen in die Ferne auf die fotografische Dokumentation des Bodensees Bereits ab Mitte der 1930er-Jahre setzte eine diversifizierte Publizistik ein, die sich vor allem auf Landschafts-, Kunst- und Kulturaufnahmen der Region in Buchform und dann auch als Kalender und vor allem Postkarten konzentrierte Um 1935 erschien im See-Verlag der Band Bodensee. Landschaft und Kunst, dem bereits ein Jahr später ein Bändchen über Meersburg im selben Verlag folgen sollte . Lotte Eckener blieb dabei - mit Ausnahme der auf den ausgedehnten Reisen entstandenen Aufnahmen, die vermutlich eher für den privaten Kreis bestimmt waren - der Bildsprache der Münchner Fotoschule treu Immer dann, wenn es darum ging, Bilder zu finden, die für ein breiteres und ästhetisch eher traditionell ausgerichtetes Publikum geeignet waren, blieb sie dem ästhetischen Schema ihrer Ausbildung treu „Original-Photographie Lotte Eckener“ war auf der Rückseite der Postkarten zu lesen und diese Publikationsformen offenkundig ihre Art, sich als Fotografin einen Namen zu machen <?page no="132"?> Schöner Realismus 133 Im Allgäu, um 1935. Lotte Eckener bleibt dem ästhetischen Schema ihrer Ausbildung treu. <?page no="133"?> 134 Bernd Stiegler Anmerkungen 1 Scheutle, Rudolf, „Gehen wir daran, diese traurigen Zustände zu bessern! Zur Geschichte der Münchner Fotoschule“ In: Lehrjahre Lichtjahre, Hg und mit Texten von Ulrich Pohlmann und Rudolf Scheutle München 2000, Seite 34 2 Ebd , Seite 36 3 Spörl, Hans, „Betrachtungen“ In: Das Atelier des Photographen 1930, Seiten 65-68 Zit . nach Pohlmann und Scheutle, Anm 1, Seite 34 - Zu Film und Foto vgl . Steinorth, Karl Hg , Internationale Ausstellung des Deutschen Werkbundes Film und Foto Stuttgart 1929 . Stuttgart 1979 (= Reprint des Katalogs von 1929) sowie Eskildsen, Ute und Horak, Jan- Christopher Hg , Film und Foto der zwanziger Jahre Eine Betrachtung der Internationalen Werkbundausstellung ‚Film und Foto‘ 1929 Stuttgart 1979 4 Gräff, Werner, Es kommt der neue Fotograf! Berlin 1929 5 Dazu informiert detailliert der Ausstellungskatalog: Eskildsen, Ute, Hg Fotografieren hieß teilnehmen Fotografinnen der Weimarer Republik Düsseldorf 1994 6 Um nur einige und zugleich sehr unterschiedliche zu nennen: Annelise Kretschmer, Aenne Biermann, Madame d’Ora, Lotte Errell, Marianne Breslauer, Erna Lendvai-Dircksen, Lotte Jacobi, Yva (= Else Ernestine Neuländer), Gisèle Freund, Alice Lex-Nerlinger, Cami Stone, Hedda Walther, Germaine Krull, Nelly’s, Minya Diez-Dührkoop, Irene Bayer, Lucia Moholy, Ilse Bing, Ringl + pit und Charlotte Rudolph <?page no="134"?> Die Verlegerin d orothea C remer -S ChaCht und S iegmund K opitzKi Kattenhorn Als Lotte Simon-Eckener im September 1979 gemeinsam mit ihrem Mann Paul und ihrem Neffen Uwe nach einem mehrtägigen Aufenthalt in Flensburg nach Konstanz zurückkehrte, richtete sie ein Schreiben an die Stadtpräsidentin Ingrid Groß Darin bedankte sie sich für die freundliche Aufnahme in der Geburtsstadt ihres Vaters Dr Hugo Eckener, die dem Ehrenbürger eine Gedächtnisausstellung eingerichtet hatte: „Die Flensburger Tage waren reich bestückt mit optischen Endrücken und guten Begegnungen. Als Gegengabe zu Ihrem Buch darf ich Ihnen meinen Bildband aus dem Süden Deutschlands beilegen - er ist schon älteren Datums, und ich besitze kein besseres Exemplar mehr -, Sie kennen sich dann schon ein bisschen aus am Bodensee, wenn Sie oder einer der uns begegneten Herren an den See kommen und uns dann - bestimmt! - besuchen. Dann gibt es statt Steinbutt Bodensee- Lachsforelle und Konstanzer Wein“. 1 Ob einer der Herrschaften je den Bodensee und sie besucht, die Lachsforelle und das Bürgertröpfle der Konzilsstadt genossen hat, ist unbekannt Und unerheblich Bemerkenswert an dem Schreiben ist das Geschenk an die Stadtpräsidentin: Ein Bildband aus dem 1967 eingestellten Verlag Simon + Koch, Bodensee. Landschaft und Kunst und nicht etwa eines der vielen Bücher, die über ihren berühmten Vater und Luftschiffpionier erschienen sind . 2 Zwar wird Lotte Simon-Eckener ein Jahr später der Stadt eine Bronzebüste ihres Vaters für eine geplante Nachlassausstellung schenken und damit ihre Loyalität gegenüber dem „Magellan der Lüfte“ bekräftigen, doch hier setzte sie ein anderes, selbstbewusstes Zeichen - <?page no="135"?> 136 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki auch wenn sie nur ein „gebrauchtes“ Buch ihres ehemaligen Verlags verschicken konnte Genau genommen war Bodensee. Landschaft und Kunst das erste Buch, das im Schoeller-Bild Kunstverlag Kattenhorn erschien Den Verlag hatte Lotte Simon-Eckener gemeinsam mit der Namensgeberin Marlis Schoeller 1949 gegründet Ein Jahr später kam Martha Koch dazu Das ursprüngliche Geschäftsmodell des Verlags war es, Kunstpostkarten zu drucken und zu vertreiben Kunstbücher ins Programm zu nehmen, war in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten nicht risikofrei Wobei ein Schreiben von Lotte Simon-Eckener an Carl Zuckmayer vom 28 Juli 1949 zeigt, dass der Plan dazu von Anfang an bestand Der Brief an den alten Freund ist im Übrigen das erste erhaltene Dokument, das von der Gründung des Verlags berichtet . 3 Paul Simon, Lotte Eckener, Rolf Italiaander und Uwe Eckener mit seiner Frau Margarete bei der Eröffnung der Gedächtnis-Ausstellung Hugo Eckener 1979 in Flensburg. <?page no="136"?> Die Verlegerin 137 Die ersten Buchkritiken fielen positiv aus . Ludwig Emanuel Reindl, Kulturchef bei der Tageszeitung „Südkurier“ schrieb: „Das Buch durchblätternd […] empfindet man deutlich, wie der See, seine Stimmungen, Licht und Schatten, Wetter und Jahreszeiten erforscht und beobachtet werden mussten, bis dieser überraschend komponierte Bildband zustande kam “ 4 Es war demnach nicht zum Schaden des Verlags, neben Kunstkarten auch das Produkt Buch ins Sortiment aufgenommen zu haben Die hochgelobte Novität war allerdings keine echte Neuerscheinung Lotte Simon-Eckener hatte den Titel bereits 1935 im See- Verlag von Willy Küsters in Friedrichshafen veröffentlicht In der Zeppelin-Stadt wurde sie 1906 geboren Die damalige Ausführung war schlicht In den Auflagen, die der See-Verlag Friedrichshafen in den Jahren darauf vertrieb, variierte die Zahl der Abbildungen zwischen 86 und 108 Die Neuauflage im Schoeller-Verlag erhielt ein anderes, modernes Layout Für die Vorsatzzeichnung sorgte der in Konstanz gestrandete Maler Hans Sauerbruch, Sohn des berühmten Chirurgen Ferdinand Sauerbruch, die Einbandprägung wurde verändert, viele neue Bilder aufgenommen und der ursprüngliche Text des Althistorikers Karl Hönn durch eine neue Einführung von Heiner Ackermann ersetzt, der seinerzeit auf der Höri lebte . Reindl fand auch für den „gescheiten und wohlinformierenden Begleittext […] eines lyrisch hingebungsvollen Interpreten der Landschaft und ihres kulturellen Reichtums“ hymnische Worte . 5 Das Buch, das auch mit englischen und französischen Texten gedruckt wur- Der Leineneinband von „Bodensee. Landschaft und Kunst“, einer der Bestseller des Verlags Simon + Koch <?page no="137"?> 138 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki de, entwickelte sich zu einem Bestseller Das Bodensee-Buch war im Übrigen nach Die Welt der Bäume (1933) Simon-Eckeners zweite Buchpublikation Die genauen Umstände, wie es zur Gründung des Schoeller-Bild Kunstverlags in Kattenhorn gekommen ist, sind nicht dokumentiert . 6 Vermutlich teilten die Frauen ein gemeinsames Interesse an Literatur und Kunst Und natürlich war das Ganze auch von Zufällen abhängig Zufälle, die die Amerikaner „publisher’s luck“ nennen Gesichert ist, dass Lotte Simon-Eckener und Marlis Schoeller sich in Berlin kennengelernt hatten Beide Frauen lebten dort in den 1920er-Jahren - die Fotografin arbeitete im Atelier von Alexander Binder Simon-Eckener hatte über diesen Zeitrahmen hinaus noch einen „Koffer in Berlin“ Wann genau der erste Kontakt stattfand - die Frage ist ebenso wenig zu beantworten, wie die, ob die beiden Frauen bereits in der Reichhauptstadt erste Pläne schmiedeten, einen Verlag zu gründen Simon-Eckener hatte mit drei Büchern bereits Erfahrungen im Umgang mit Verlagen gesammelt Und noch unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg führte sie Verhandlungen mit dem Oberbadischen Verlag Merk & Co ., der einen Bodensee-Dichterspiegel herausgeben wollte, zu dem sie Bilder liefern sollte Die Verhandlungen verliefen nicht zu ihrer Zufriedenheit, sodass sie ihr Angebot zurückzog 7 Marlis Schoeller, wie Simon-Eckener mit ästhetischem Empfinden ausgestattet, hatte als ausgebildete Gebrauchsgraphikerin vermutlich auch Kunstbücher gestaltet Sie war wohl die Impulsgeberin Die Geschichte des Verlags, das muss eingeräumt werden, kann hier nicht zu Ende erzählt werden Lotte Simon-Eckener hatte einmal gegenüber Rolf Italiaander, dem Biografen ihres Vaters, bekannt, dass sie kein Bewusstsein für Tradition habe - sie sprach von „Ahnenforschung“ Sie führte kein Archiv, aus dem die interessierte Nachwelt heute schöpfen und sich über ihre Person und ihr Werk informieren könnte Sie hat sich nie als „Nachrufpersönlichkeit“ gesehen Dazu war sie zu uneitel oder auch zu wenig geschichtsbewusst Vielleicht beides Es gibt nur Fragmente über ihren Lebenslauf Dementsprechend unvollständig ist das Bild, das im ersten Kapitel dieses Buchs von ihr gezeichnet werden konnte <?page no="138"?> Die Verlegerin 139 Diese Einschränkung gilt auch für die beiden anderen Protagonistinnen, Marlis Schoeller und Martha Koch Sie hatten keine berühmten Eltern im Hintergrund Sie standen nicht im Scheinwerferlicht, wie Lotte Simon-Eckener Und vermutlich haben sie auch nie so unmittelbar am Weltgeschehen teilgenommen, wie die Tochter jenes Mannes, der in seinen besten Jahren wie ein heutiger Popstar gefeiert wurde Wir wissen über Schoeller und Koch noch weniger als über Simon-Eckener Die wichtigste und mitunter einzige Quelle zu den Lebensläufen der beiden Frauen war für uns Christiane Hermann, die Tochter von Martha Koch . Sie lebt am Untersee Aus den Protokollen der Gespräche zitieren wir immer wieder, wobei nicht immer auf die Informantin mit einer Fußnote verwiesen wird . 8 Marlis Schoeller wurde als Tochter des Arztes Dr Ernst Brunne und seiner Frau Klara von Winning am 3 Juli 1907 in Mühlrädlitz (heute Miłoradzice) in Niederschlesien geboren Die Familie lebte von 1910 bis zum Kriegsausbruch 1914 in Singen, zwischendurch in Baden-Baden, von 1917 an wieder in der Hohentwielstadt Zur Familie gehörten noch zwei weitere Töchter, Erna und Vera . Der Vater besaß eine umfangreiche Briefmarkensammlung aus den ehemaligen deutschen Kolonien in Afrika und Asien Er gründete Martha Koch (links) und Marlis Schoeller Anfang der 1950er-Jahre <?page no="139"?> 140 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki 1919 einen Briefmarkensammlerverein in der Hohentwielstadt 9 Es waren „feine Leute, vor allem die Mutter war zauberhaft“, erinnert sich Hermann Marlis besuchte in Konstanz die Oberrealschule, das heutige Alexander-von-Humboldt-Gymnasium Unklar ist, wo sie ihre Ausbildung als Graphikerin erhielt und wann sie auf ihren Mann traf Werner von Schoeller, 1904 in Wien als Nachkomme der gleichnamigen österreichischen Zucker-Dynastie geboren, war Direktor der Devisenabteilung der „Reichskreditgesellschaft“ mit Sitz in Berlin . Es ist daher denkbar, dass sich die beiden in der Reichshauptstadt kennengelernt haben Nach dem Krieg war von Schoeller Mitglied im Vorstand der Leipnik-Lundenburger Zuckerfabriken 10 Das Paar hatte eine gemeinsame Tochter, Maria („Pützi“) Die Ehe hielt nicht lange Nach der Trennung zog Marlis Schoeller nach Kattenhorn - laut Auskunft der Gemeindeverwaltung Öhningen hat sie sich am 1 Mai 1944 dort angemeldet 11 Sie wohnte zunächst in einem Bauernhaus von Kaspar Glönckler, der erste Verlagssitz In Kattenhorn hatten sich auch Koch und Schoeller kennengelernt Materiell ging es Marlis Schoeller nicht schlecht Offenkundig floss noch Geld aus Wien und möglicherweise wurde sie von ihren Eltern in Singen unterstützt Sie fuhr ein großes Auto, was für eine Frau damals ungewöhnlich war 1953 bezog sie mit ihrer Tochter ihr eigenes Haus in der Oberhaldenstraße 9 12 Neben dem erwähnten Ackermann lebten auch Alexander Rath und Ferdinand Macketanz in dem Weiler . Schoeller pflegte Kontakte zur Bohème auf der Das Haus in Kattenhorn, in dem Marlis Schoeller und Lotte Eckener den Schoeller Verlag gründeten. <?page no="140"?> Die Verlegerin 141 Höri Es ist von rauschenden Festen die Rede Sie konnte aber das Leben im neuen Haus nicht lange genießen Ein Jahr nach dem Einzug erlag sie einem Krebsleiden Damit war der unter ihrem Namen geführte Verlag erloschen Simon-Eckener und Koch setzten 1954 auf einen Neuanfang Martha Koch, 1909 in Köln geboren, die jüngste im Verlegertrio, stammte aus gutbürgerlichem Haus Ihr Vater Karl Holtze betrieb ein Unternehmen, das Präzisionsmaschinen herstellte Das Abitur blieb ihr versagt Sie machte eine Ausbildung als Sportlehrerin und trainierte für die Olympischen Spiele von 1936 . Eine Teilnahme kam nicht zustande Sie war aber auch musisch interessiert Diese Seite kam von ihrer Mutter Bianca, einer ausgebildeten Sängerin Nach der Heirat mit Walter Koch 1937 lebte sie in Bremen Eine Ehe, die den Vater nicht begeisterte Der gesellschaftliche Status des Mannes genügte wohl nicht seinen Ansprüchen . Koch arbeitete in der Hansestadt an einem privaten Theater 13 Über ihn lernte Martha Koch Zuckmayer kennen, mit dem Simon-Eckener schon in den 1930er-Jahren korrespondiert hatte Zu den Bekanntschaften des Ehepaars gehörten der Dichter Manfred Hausmann - später Textautor des Simon + Koch-Bandes Propheten, Evangelisten und Apostel (1959) mit Aufnahmen von Lotte Eckener -, Joachim Fuchsberger und Gustaf Gründgens, der auf Joseph Goebbels’ „Gottbegnadetenliste“ stand Die Bombennacht vom 18 auf den 19 August 1944 - die schwersten Angriffe auf Bremen, bei denen über 1000 Menschen starben - überlebte die Familie Koch mit ihren Kindern Christiane und Friedhelm schadlos Der Ruf von Wolfgang Engels, einem alten Freund, brachte die Vier an den Bodensee Engels arbeitete am Theater Konstanz als Oberspielleiter, 1946 übernahm er die Leitung des Hauses, das im Zweiten Weltkrieg unzerstört geblieben war . Er war schon im „Dritten Reich“ eine bedeutende Persönlichkeit der Theaterlandschaft gewesen und arbeitete auch mit Gründgens zusammen In die Spielzeit 1947/ 48 fiel die Inszenierung von Carl Zuckmayers Stück Des Teufels General Engels spielte darin die Titelrolle . „Zuck“ besuchte die Premiere Auf einem Foto ist er zusammen mit seiner Frau Alice Herdan-Zuckmayer und dem Ehepaar Koch <?page no="141"?> 142 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki zu sehen 14 Ob „Zuck“ auch auf Lotte Simon-Eckener traf, ist nicht belegt .Nach knapp drei Jahren war auch für Engels Schluss in Konstanz An seine Stelle trat der „Theaterriese“ Heinz Hilpert . Koch musste noch vor Engels gehen, was er wohl nicht verkraftete Er starb 1949 im Alter von 39 Jahren durch eigene Hand 15 Seine Witwe blieb im Südwesten Sie zog zunächst von Wangen nach Kattenhorn Nach der Verlagsgründung von Simon + Koch mietete sie in Konstanz, in der Beethovenstraße 3, eine Wohnung Das Programm des Schoeller-Bild Kunstverlags war überschaubar Neben den Ansichtskarten mit Kunst- und Landschaftsmotiven gab es drei Buchtitel: den Everseller Bodensee. Landschaft und Kunst, dem 1951 Bechern und Schmausen am Bodensee. Deutsches Ufer mit einem Text von Paulus Jasper folgte, einem ehemaligen Admiral und Hobbyschriftsteller Ferdinand Macketanz steuerte zum Buch Illustrationen bei Und im letzten Jahr des Bestehens des Verlags kam das Jahrbuch Das Bodenseebuch heraus - mit 125 Seiten Umfang, darunter 15 Seiten Werbung, mithin das umfangreichste Druckwerk des Verlags Carl Zuckmayer (zweiter von links) besuchte die Premiere seines Stücks „Des Teufels General“ am Theater Konstanz. Mit auf dem Bild: Walter Koch und seine Frau Martha sowie (rechts) Alice Herdan Zuckmayer <?page no="142"?> Die Verlegerin 143 Werbung hatte das Bodenseebuch von Anfang an aufgewiesen Aber in den Nachkriegsjahren wurde diese Maßnahme für das wirtschaftliche Überleben essentiell Bei der Akquise von Anzeigen war Walther Maurmann behilflich, damals Leiter der Singener „Fitting“ (Georg Fischer AG), eines 1802 gegründeten Industrieunternehmens mit Hauptsitz in der Schweiz Maurmann, eine „rheinische Frohnatur“ (Christiane Hermann), beriet den Verlag in Finanzfragen Er war aber auch Kunstsammler und unterstützte die Künstler der Höri durch Ankäufe Der Mäzen hatte dabei die Qual der Wahl . Denn im Laufe der 1930er und 1940er-Jahre hatten sich als Folge der repressiven nationalsozialistischen Kunstpolitik vermehrt Maler, Bildhauer und Fotografen auf der Halbinsel niedergelassen Walter Kaesbach, 1933 seines Amtes enthobener Leiter der Düsseldorfer Akademie, spielte dabei eine wichtige Rolle Der Kunsthistoriker war sich nicht zu schade und besorgte den Ankömmlingen eine Unterkunft und erwarb selbst auch Werke für die eigene Sammlung Kaesbach hatte auch Macketanz auf die Höri gelockt, dessen gegenständliche, von der Neuen Sachlichkeit beeinflusste Malerei dem Kunstverständnis der Nationalsozialisten nicht entsprach . Ihm folgten bald der in Singen geborene Akademie-Absolvent Curth Georg Becker und die Künstlerehepaare Jean Paul und Ilse Schmitz sowie Walter Herzger und Gertraud Herzger von Harlessem Macketanz erhielt nach dem Krieg einen Ruf als Professor für Malerei nach Düsseldorf, sein bekanntester Schüler war Gerhard Richter Bis 1960 kehrte er regelmäßig nach Kattenhorn zurück . Das moderne gestaltete Deckblatt von „Das Bodenseebuch 1953“ <?page no="143"?> 144 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki In dem 1956 bei Simon + Koch erschienenen Band Künstler auf der Höri am Bodensee wird er portraitiert Mit dieser Publikation hat der Kunstwissenschaftler Leopold Zahn im Übrigen wesentlich zur Etablierung des Begriffs „Künstlerlandschaft Höri“ beigetragen, wie Manfred Bosch urteilt 16 Konstanz Simon + Koch war deutschlandweit einer der „ersten Frauenverlage avant la lettre“ 17 Ein Alleinstellungsmerkmal, das keinen wirklichen Vorteil auf dem schon damals in der Bodenseeregion hart umkämpften Buchmarkt bedeutete - siehe dazu den Beitrag von Manfred Bosch in diesem Buch Der Verlag hatte sich nicht zum Ziel gesetzt, Künstlerinnen zu fördern Es gibt kein Manifest oder Leitlinien Für Simon + Koch galt wohl, was bei Ernst Rowohlt, dem großen Verleger, eine stehende Redewendung war: „Mein Verlag hat kein Profil, aber tausend Gesichter“ Das Verlagsprogramm - weiterhin Kunstbücher und Kunstpostkarten - war bis zuletzt von männlichen Künstlern dominiert Darin unterschied sich der Verlag nicht von anderen Nachkriegsgründungen Eine der wenigen verlegten Künstlerinnen war Ida Kerkovius Die 1970 verstorbene Malerin zählte zum Stuttgarter Kreis der Avantgardisten und zu den bedeutenden weiblichen Vertretern der Klassischen Moderne in Deutschland Simon-Eckener hatte sie in ihrem Atelier aufgesucht und vor einer Bilderwand fotografiert 18 Ein Ver- Bei einem Besuch im Atelier fotografierte Lotte Eckener die Malerin Ida Kerkovius. Das Foto zierte den Flyer für eine Ausstellung in München. <?page no="144"?> Die Verlegerin 145 lag, das sind vor allem seine Autoren, ihre Meinung hat Gewicht Das hatte Simon-Eckener schnell begriffen Leider hat die Verlegerin ihre häufige Reisetätigkeit und ihre Begegnungen mit den Autoren und Künstlern nicht dokumentiert Die Beethovenstraße 3, die Wohnung von Martha Koch, war die Schaltzentrale von Simon + Koch Christiane Hermann erinnert sich, dass es eine Arbeitsteilung zwischen den beiden Verlegerinnen gab Lotte Simon-Eckener kümmerte sich um die Fotos und die Druckvorlagen für die Bildbände und Kunstkarten . Hermann vermutet, dass sie das notwendige Startkapital für den Verlag eingebracht hat Simon-Eckener war energisch wie der Vater, aber auch liebenswürdig und charmant, darin der Mutter Johanna ähnlich, charakterisiert sie die Verlegerin Ihre Mutter Martha managte die Büroarbeit, gestaltete Bücher und organisierte den Vertrieb Nachdem sie den Führerschein gemacht hatte, brachte sie die Novitäten mit dem kleinen Verlagsauto zur Post oder direkt zum Buchhandel Vorher war das die Aufgabe von Simon-Eckener gewesen Aber auch die Mutter pflegte weiterhin Kontakte in die Höri hinein Ein Jahr nach Gründung des Verlags erschien im „Südkurier“ ein Artikel von Dr H Benthig über den Verlagsstandort Konstanz, Das Haus in der Beethovenstraße 3 in Konstanz war der inoffizielle Sitz des Verlags Simon + Koch. <?page no="145"?> 146 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki der in der Nachkriegszeit wohl aufgrund der Grenznähe auffallend viele Zeitschriften- und Buchverlage beherbergte Auch der neu gegründete Verlag fand im Feuilleton Berücksichtigung: „Es ist nicht übertrieben, wenn man sagt, dass die selten schönen Fotos, in der Hauptsache Bodensee-Motive von Frau Lotte Simon-Eckener - im Verlag Simon + Eckener - unvergessliche Erinnerungen an den See und seine Landschaft sind: So recht geeignet, die dort verlebten schönen Ferientage im Geist immer aufs Neue zurück zu zaubern “ Benthig blickte auf die Geschichte des jungen Verlags zurück und begeisterte sich für die Novitäten, wozu auch der Lotte-Eckener- Kunstkartenkalender mit jeweils 25 abtrennbaren Postkarten vom See und seiner Umgebung gehörte 19 Ab Mitte der 1950er-Jahre stieg die Zahl der Publikationen von Simon + Koch, so dass die Verlegerinnen allmählich einen Gewinn erwirtschaften konnten - Bilanzen liegen leider nicht vor . So erschien 1955 in der Reihe Kleine Kunstbücher der Bildband Das Mädchen Ursula Dethleffs, das Porträt einer jungen und hoffnungsvollen Malerin, zu dem Walter Ricklinger den Text verfasste . Die Künstlerin war die Tochter des Fabrikanten Arist Dethleffs, der als Pionier den ersten Wohnwagen in Deutschland gebaut hatte; ihre Mutter Fridel Dethleffs-Edelmann war als eine der anerkanntesten Künstlerinnen der Neuen Sachlichkeit bekannt geworden Ursula Dethleffs lebte und arbeitete bis zu ihrem Tode 1994 in Isny . Der große Erfolg blieb allerdings aus Wie sich Christiane Hermann erinnert, hatte es in der Beethovenstraße eine Debatte über das geplante Dethleff-Buch gegeben Simon-Eckener setzte sich am Ende durch Ein zweiter Band in der Reihe, Die goldene Kugel, war Alexander Rath gewidmet, dem ehemaligen Kattenhorner Nachbarn von Martha Koch und Marlis Schoeller Anje Heinrich Werlé hat sich in ihrem Text über die zwölf sehr eigenen, an Bilder von Paul Klee erinnernden Kompositionen kluge Gedanken gemacht Auch diese beiden Novitäten wurden durchweg positiv rezensiert: „Dieser junge Verlag hat sich zum Ziel gesetzt, Künstler des Bodenseegebietes in kleinen durch geschmackvolle Bildauswahl und sorgfältige Reproduktionen vorbildlichen Bändchen darzustellen“ . 20 Das war eine willkommene Werbung, denn für Marketingmaßnahmen gab es bei Simon + Koch keinen üppigen Etat <?page no="146"?> Die Verlegerin 147 1956 war für den jungen Verlag ein wichtiges Jahr . Simon + Koch präsentierte sich zum ersten Mal auf der Buchmesse in Frankfurt Die Verlegerinnen fuhren mit dem eigenen Wagen und frischer Druckware in die Mainmetropole Dort stiegen sie in dem teuren Hotel Westend ab Man wollte Eindruck schinden, erzählt Christiane Hermann Als sie selbst einmal auf der Messe aushalf, musste sie selbst ststs elegant gekleidet sein Kleider machen Leute, die Keller’sche Devise im Realitätstest Im Regal der Koje stand unter anderem Zahns Band Künstler auf der Höri am Bodensee Der Wiener Kunstwissenschaftler war Redakteur der heute noch bestehenden Zeitschrift „Das Kunstwerk“ und war in weiten Kunstkreisen bekannt Seine Arbeit wurde wertgeschätzt: „Er ging in die Ateliers der Maler und Bildhauer, die dort noch leben, und verfolgte auch die Lebenslinien derer, die inzwischen eine andere Heimat suchen mussten“, lobte Reindl den Wie- Der Verlag Simon + Koch auf der Frankfurter Buchmesse. Die Verlagsgründerinnen Lotte Simon-Eckener und Martha Koch im Gespräch mit einer Messebesucherin. <?page no="147"?> 148 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki ner in seiner Buchbesprechung Der Kunstband erschien parallel zu einer Ausstellung in der Konstanzer Wessenberg-Galerie Anlass war der 65 Geburtstag von Otto Dix Der Expressionist wurde in dem „reizenden Büchlein“ ebenso gefeiert wie viele andere „Hörianer“, darunter Max Ackermann, Becker, Erich Heckel, Herzger, Hans Kindermann, Helmuth Macke, Macketanz, Rath, Schmitz und Rosemarie Schnorrenberg - die noch heute auf der Höri lebt und die 90 überschritten hat . 21 Für das Buch steuerte Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse ein feines Gedicht aus seiner Zeit in Gaienhofen bei . Dort hatte er mit seiner Familie von 1904 bis 1912 gelebt Er nannte das Dorf in einer Nachbetrachtung die „erste Zuflucht meiner jungen Ehe“ und das alte Bauernhaus, das er für wenig Geld gemietet hatte, die „erste legitime Werkstatt meines Berufes“ Ein zweites Gedicht, Nacht- Lotte Eckener führte eine ausführliche Korrespondenz mit Hermann Hesse, der ihr das Gedicht „Nachregnen im Sommer“ zueignete und einen Aquarell-Zeichnung schenkte. <?page no="148"?> Die Verlegerin 149 regen im Sommer, widmete er Lotte Simon-Eckener, die mit ihm ausführlich und freundschaftlich korrespondierte Auch ein kleines Aquarell des Hobby-Malers lag einer Sendung aus dem Tessin bei, Der Verkauf von Kunstkarten sicherte dem Verlag Simon + Koch in den ersten Jahren das Überleben. <?page no="149"?> 150 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki wo er seit 1919 lebte „Hübsch ist Ihr Höri-Büchlein geworden, ich danke schön Und da wären noch ein paar Adressen für Freiexemplare ‚Im Auftrag von H Hesse‘“, schrieb er aus seiner Wahlheimat in Montagnola nach Konstanz . 22 Neben dem Vertrieb der Novitäten und den drei Titeln aus dem Programm des einstigen Schoeller-Verlags bildeten die Foto- und Kunstpostkarten weiterhin den Schwerpunkt, bevor sich die beiden Verlegerinnen an eine Buchreihe mit älteren Kunstwerken wagten . Gegenüber der Journalistin Irmgard Gröttrup äußerte sich Koch 1957 über die Verbreitung der Foto- und Kunstkarten: „Unsere Kunstkarten werden in Holland, Dänemark, Schweden, Belgien, Italien, Spanien, Südafrika, Nord- und Südamerika ausgeliefert “ 23 Mag sein, dass Koch etwas dick aufgetragen hatte Andererseits gab es Resonanz auf die Kunstkarten selbst aus dem fernen New York und das aus berufenem Munde So schrieb Julia Feininger, die Ehefrau von Lyonel Feininger, an Simon-Eckener: „Ich möchte Ihnen hiermit danken für die außerordentlich schönen Reproduktionen, die besten, die je von den Arbeiten meines Mannes erschienen sind. Ich habe mich sehr gefreut. Diese Karten kann ich mit gutem Gewissen herumschicken, sie vermitteln wirklich einen Eindruck der dem beabsichtigten so nah wie möglich kommt.“ 24 Und auch andere Künstler, die Simon-Eckener wegen Reproduktionen von Bildern angefragt hatte - darunter Max Ackermann, Julius Bissier und Heckel - reagierten prompt und freundlich Sie wussten, dass ihre Arbeiten im Verlag Simon + Koch sorgsam ediert wurden . 25 In dem Gröttrup-Artikel berichtete Martha Koch über einen Schritt in Richtung Professionalisierung der Verlagsarbeit: „Vertreter sind für uns in ganz Deutschland, natürlich auch in Berlin tätig“ . 26 Damit war gesichert, dass die Bücher und Kunstkarten, aber auch das eigene Werbematerial den Buchhandel erreichte Zugleich wurden die beiden Verlegerinnen im Alltagsgeschäft entlastet und konnten sich auf ihre Programmplanung konzentrieren . Der Artikel war auch bebildert Die Fotos zeigen „Frau Koch“, mit Zigarettenspitze an einem Stuhl lehnend, sowie „Frau Simon“ lächelnd vor <?page no="150"?> Die Verlegerin 151 Die Verlegerinnen Martha Koch und Lotte Simon-Eckener in einem Zeitungsportrait <?page no="151"?> 152 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki ihrer Kamera und Stativ Das Bild von Macherinnen So wollten sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden Ein ähnliches Bild zeichnete der Beitrag „Zwei Frauen: ein Verleger“ im „Südkurier“, der im Dezember 1957 in der Rubrik „Blick in Konstanzer Verlage“ erschien Dort war mit Hinweis auf die Verbreitung des Text- und Bildbandes Bodensee. Landschaft und Kunst gar vom „weltbekannten Verlag“ die Rede Eine freundliche Übertreibung: „Zwei Frauen, man darf wohl so sagen, zwei sehr künstlerisch empfindende Frauen sind es, die diesen Verlag schufen Lotte Simon-Eckener und Martha Koch, heimisch geworden in dieser so unendlich schönen und kulturgesättigten Bodenseewelt, die sie sozusagen optisch und verlegerisch entdeckten, leisten mit ihren Verlagserscheinungen erzieherische Pionierarbeit Sie lehren sehen, sie bilden das Auge“ . 27 Der mit dem Kürzel SH firmierende Autor dieser Hymne hatte das Geheimnis des Erfolgs der Verlegerinnen erkannt Die Pioniertat bestand allerdings weniger in der „erzieherischen Arbeit“, vielmehr haben die Verlegerinnen die alte Kulturlandschaft Bodensee neu entdeckt und publizistisch intelligent vermarktet Der See und die zeitgenössischen Künste waren ihnen bald nicht mehr genug Die „Lichtbildnerin“ Simon-Eckener, wie die Fotografin in den 1950er-Jahren noch bezeichnet wurde, wagte sich an Miniaturen aus alten Handschriften der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, der Bibliotheken von Donaueschingen sowie St Gallen . Sie fotografierte religiöse Plastiken aus dem gesamten süddeutschen Raum, die gleich in mehrere Verlagstitel eingehen sollten (u .a . Madonnen, 1957, sowie Propheten. Apostel. Evangelisten, 1959) Auch bei der Auswahl der Autoren für die graphisch hochwertigen Produkte bewiesen die Verlegerinnen ein gutes Gespür . Walter Manggold, der eine kleine Kunstgeschichte für das Madonnen-Buch am Beispiel der Darstellung Mariens verfasste, war nicht nur ein exzellenter Schreiber, er war Teil der Kulturredaktion des „Südkurier“ Von daher war die Besprechung dieser Neuerscheinung schon aus Kollegialität naheliegend „Alles braucht Änderungen“ hat Bertolt Brecht einmal an seinen Verleger Peter Suhrkamp geschrieben - dass Lotte Simon-Eckener mit dem Frankfurter Verlag wegen des Abdrucks von Gedichten <?page no="152"?> Die Verlegerin 153 von Zuckmayer verhandelte, soll hier nur am Rande erwähnt werden . 28 Der von Frauen geführte Verlag zeigte sich einmal mehr flexibel Simon + Koch vergrößerte den geographischen Radius, aber auch den inhaltlichen Rahmen des Programms Mit dem Blick in die weite - auch geistige - Welt sollten neue Leser- und Käuferschichten erreicht werden Ein Schritt in die richtige Richtung 1958 startete der Verlag mit Märchenausgaben in neuer Übersetzung Oscar Wilde und Wilhelm Hauff machten den Anfang, Tania Dang illustrierte beide Bände Ein Jahr darauf präsentierte Simon + Koch in Frankfurt, in Nachbarschaft der Konstanzer Verlage Rosgarten, Thorbecke und Diana sowie der Christlichen Verlagsanstalt und des Terraverlags, das Bändchen Clara und Franziskus von Assisi, die Übersetzung einer alemannischen Klosterhandschrift aus dem 13 Jahrhundert mit faksimilierten Miniaturen Der Kulturredakteur mit dem Kürzel GH, der für den „Südkurier“ die Messe besucht hatte, berichtete, dass das Bändchen als „eines der schönsten Bücher auf der Messe“ gehandelt worden sei . 29 Mehr geht nicht? Und ob Von einer bis dahin nicht gekannten medialen Aufmerksamkeit begleitet, wurde Simon-Eckeners Bildband über Oberammergau. Landschaft und Passion (1960) Der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ war der Bildband - Schutzumschlag zweifarbig mit abwaschbarem Zellophanüberzug, Ganzleinen mit Goldvignette, Die Bildbände von Simon + Koch wurden auch für ihre attraktive Gestaltung gelobt. <?page no="153"?> 154 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki zweifarbiger Vorsatz - noch vor der Veröffentlichung einen Hinweis unter „Kulturelle Nachrichten“ wert . 30 Die Publikation enthielt Aufnahmen der Darsteller der Passion sowie Bilder der Landschaft um Oberammergau Den Abriss über das Schnitzerdorf und sein Passionsspiel lieferte der Erzähler und Lyriker Leo Hans Mally Mit diesem glücklichen Wurf, der in deutscher und englischsprachiger Ausgabe gedruckt wurde, war Simon + Koch auch auf der Frankfurter Buchmesse - in Halle 7, Stand 304 - ein vielbesuchter Verlag . 31 Das Buch wurde selbstverständlich von einer Postkarten-Serie begleitet - Christiane Hermann machte im Passionsjahr 1960 in Oberammergau ein Praktikum in einem Buchgeschäft, wie sie erzählte, und verkaufte den Bildband aus dem Verlag ihrer Mutter palettenweise Lotte Simon-Eckener hatte bis zur Auflösung des Verlags allein sieben unterschiedliche Bildbände veröffentlicht Einige davon sind mehrfach aufgelegt worden, einige enthielten französische und englische Texte und wurden von anderen Verlagen veröffentlicht, einschließlich der beiden aus dem Cassirer- und See-Verlag Viele der Fotografien, die in ihre Bücher Eingang gefunden haben, sind auch als Postkarten hergestellt worden, wobei die Anzahl der Kartenmotive die in den Büchern weit übersteigt Konkrete Verkaufszahlen sind allerdings nicht bekannt Alle Karten waren auf der Rückseite mit ihrem Namen versehen, auf den etwas teureren Karten stand „Originalphotographie Lotte Eckener“ Es gab Doppelkarten mit und ohne Text sowie signierte Handabzüge auf Passepartout Die Postkarten zum Stückpreis von 30 Pfennig entwickelten sich zum Publikumsrenner, für Eckener nicht überraschend, hatte sie doch diese Erfahrung bereits im Berliner Atelier von Binder gemacht Dort wurden die Aufnahmen von prominenten Stars damals über den populären Berliner Ross-Verlag vertrieben Noch heute kann man Eckeners Portrait von der Schauspielerin Dita Parlo im Internet als Starpostkarte bzw Autogrammkarte finden und kaufen, allerdings ohne den Hinweis, dass sie die Urheberin des Ende 1920 entstandenen Bildnisses ist Auch ein Blick ins Nachbarland Frankreich war Anfang der 1960er-Jahre möglich - zu dem Zeitpunkt waren im südbadischen Raum französische Streitkräfte stationiert, auch in Konstanz Dem Zauber der Carmargue folgten ein Mallorca-Buch sowie die Pro- <?page no="154"?> Die Verlegerin 155 Der oberschwäbische Fotograf Werner Stuhler gestaltete mehrere Bildbände für den Verlag Simon + Koch. vence. Landschaft und Kunst In allen drei Fällen, auch das war neu, lieferte nicht Lotte Eckener Fotografien, sondern Denys Colomb de Daunant, ein Sohn der Camargue und Stierzüchter, A D Arielli aus Spanien sowie Werner Stuhler, ein Fotograf, der in Lindau aufwuchs und bis zu seinem Tod 2018 im nahen Hergensweiler lebte Es war nicht die einzige Zusammenarbeit mit Stuhler für die wirtschaftlich erfolgreiche Reihe Landschaft und Kunst Er machte die Aufnahmen für die Bände über Apulien, Toscana, Venetien (alle 1962) und noch einmal über die Campania felix (1965) - die Römer der Antike gaben Kampanien den Namen „Campania felix“ (Glückliche Landschaft) Und auch ein Konstanzer, leider vergessen, hatte in dieser Reihe einen Auftritt: Heinz Finke fotografierte Katalonien (1963) lm letzten Jahr seines Bestehens veröffentlichte <?page no="155"?> 156 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki der Verlag Simon + Koch das Buch Mexiko. Land, Kunst und Menschen von Ursula Bernath, einer Fotografin und Journalistin, die aus Deutschland nach Mexiko emigriert war Das Buch wurde später vom Frankfurter Umschau Verlag übernommen In einem mehrseitigen Verlagsprospekt über Neuerscheinungen des Jahres 1961 wird das Stuhler-Buch Provence wie folgt beworben: „Ein Bildband, der die Schönheit der Landschaft und die alte Kultur der Städte wie Arles, Avignon, Nimes u .a .m in dem jetzt so beliebt gewordenen Reisegebiet der Provence zeigt“ Die Kinder des Wirtschafts-Wunderlands Deutschland hatten Italien und Frankreich als Urlaubsgebiet entdeckt Simon + Koch reagierte zeitnah auf diesen neuen Markt Es waren keine Reiseführer, die in der Beethovenstraße erdacht und erarbeitet wurden, sondern anspruchsvolle Bildbände fürs Auge mit klugen Textbeträgen, die in die Geschichte der jeweiligen Landschaft oder Region einführten Bücher für die Bildungsschicht, die von der Liebe zum Schönen lebten Dass Simon + Koch zu den etablierten Verlagen gehörte und wie hoch Konstanz als Verlagsstandort eingeschätzt wurde, zeigte die Verleger- und Buchhändlertagung vom 28 Mai 1960 Der „Südkurier“ widmete der Tagung zwei Sonderseiten Eine Seite füllte Das Verlagsprospekt zu den Neuerscheinungen des Jahres 1961 <?page no="156"?> Die Verlegerin 157 der Essay von Walter Manggold, auf der anderen hießen die „Konstanzer Sortimenter und Verlage ihre Kolleginnen und Kollegen anlässlich der Hauptversammlung des Verbandes der Verleger und Buchhändler in Baden-Württemberg e V in Konstanz herzlich willkommen“ Simon + Koch war in der Liste der 16 ansässigen Verlage ebenso zu finden, wie im Beitrag von Manggold . 32 Unter den Konstanzer Verlagen wurde auch das Technische Fernlehrinstitut von Dr Paul Christiani aufgeführt Lotte Simon-Eckeners Bruder Knut, ein Ingenieur, der von seinem Vater den Sinn für Universalität geerbt hatte, arbeitete seit 1949 in dem Institut Trotz aller Ausflüge in touristische Regionen wurden die engere Region und das Thema Kunst nicht vernachlässigt . Eine neue, preiswerte mit Kunst heute und morgen/ art aujourd’ hui et demain betitelte Reihe setzte mit Otto Dix ein Dem Bändchen folgten Ausgaben Die Verlegerinnen hatten die Künstler der Region im Blick. Die Reihe „kunst heute und morgen“ erschien auch in französischer Sprache. <?page no="157"?> 158 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki zu Leben und Werk von Adolf Hölzel, Ida Kerkovius und Wolfgang Reuther Die Kunstbücher, „solide in der Aufmachung“, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ 33 anmerkte, „die in beschränktem Rahmen Wertvolles leistet“, so fand der Rezensent im „St . Galler Tagblatt“, 34 wurden entgegen der Ankündigung nicht weitergeführt Gemäß Verlagsprospekt „Neuerscheinungen 1961“, 35 den das Logo „sk“ zierte, waren Titel über Seff Weidl, Oscar Schlemmer, Gabriele Münter und Hans Purrmann geplant Realisiert wurde davon nur der Band über Weidl, der in einer Rezension für seine „sehr glückliche Auswahl bildhauerischer und grafischer Arbeiten“ gelobt wurde . 36 Und schon 1958 war die Reihe Kleine Kunstbücher mit einem Portrait über den Konstanzer Maler Hans Breinlinger etwas abrupt ausgelaufen Der Grund - unbekannt Daraus die „Götterdämmerung“ für den Verlag Simon + Koch abzuleiten verbietet sich Nachweislich bis 1965 nahm der Verlag mit einem eigenen Stand und „prachtvollen Bildbänden aus Landschaft und Kunst“ 37 an der Frankfurter Buchmesse teil, die sich zunehmend zur Weltmesse für das Lebensmittel Buch entwickelte . Allerdings präsentierten Simon + Koch 1965 auch die letzte wirkliche Novität, nämlich Stuhlers Venetien-Buch Ansonsten wurden verbesserte Neuauflagen und Bücher aus der Backlist ausgestellt . Die 5 Auflage von Das kleine Buch vom Bodensee etwa, das neben Aufnahmen von Lotte Eckener ein launiges Prosastück des Allensbacher Malers und Schriftstellers Fritz Mühlenweg enthält 1965 erreichte die Gesamtauflage bereits 27 .000 Exemplare Die Messe ist auch der Platz, an dem über Lizenzen verhandelt wird Etliche Titel aus dem Verlag Simon + Koch wie etwa der Longseller Bodensee. Landschaft und Kunst von Eckener/ Ackermann druckte die Ekkehard-Presse in St Gallen nach Das spektakuläre Oberammergau-Buch von Eckener/ Mally übernahm The Newman Press in Westminster/ USA Mit dem Verkauf von Lizenzen lässt sich Geld verdienen Das hatten die Verlegerinnen aus Konstanz registriert und entsprechend gehandelt Dass auch das Ausland Interesse an ihrem Programm zeigte, sprach für ihre verlegerische Arbeit und für ihre öffentliche Präsenz Als Lotte Simon-Eckener ihr Bodensee-Buch 1979 nach Flensburg schickte, war der Verlag seit 12 Jahren Geschichte Gut 30 Bü- <?page no="158"?> Die Verlegerin 159 cher und aufwändige Broschüren hatte sie gemeinsam mit Martha Koch in dieser Zeit verlegt Hinzu kamen Hunderte von Kunstpostkarten mit Heiligen-Motiven sowie Landschaftsaufnahmen, die in drehbaren Verkaufsständern angeboten worden waren, welche auch in Kaufhäusern und Bahnhöfen standen Aber noch in den 1970er- und in den 1980er-Jahren war die Altverlegerin mit der Abwicklung von Simon + Koch beschäftigt Das wenigstens legt ihre Korrespondenz nahe Die Rechte an den Büchern gingen an den Frankfurter Umschau Verlag . 38 Zu welchen Konditionen ist nicht bekannt . Einige Titel, wie das Das kleine Buch vom Bodensee, wurden unter dem Label „Umschau Verlag, Abteilung Verlag Simon und Koch“ vertrieben . Auch der traditionsreiche Umschau Verlag ist längst eingestellt . Wer in Besitz der Rechte an den Büchern ist, konnte nicht ermittelt werden Der Stadler Verlag Konstanz hatte ebenfalls an den Rechten partizipiert 1987 druckte Stadler das Madonnen-Buch nach, zu dem Manggold den begleitenden Text geliefert hatte Hannes Sauter-Servaes besprach den Band mit seinen 70, teils farbigen Fotografien im „Deutschen Ärzteblatt“ Er erkannte darin „eine großartige Laudatio auf die Gottesmutter, deren Bildnisse von Madonnen in Kapellen wie in Kathedralen, im kerzenhellen Glanz der Altäre oder im dämmerigen Licht der Nischen eines offenbarten: Dienst am Heiligen und ein Ja zum demütigen irdischen mütterlichen Dasein“ . 39 An einer Neuauflage dieses Buchs hatte auch der Stassen Verlag in Mainz Interesse gezeigt Simon-Eckener schlug stattdessen zwei andere Titel vor, Miniaturen aus der Weihnachtsgeschichte sowie die Miniaturen aus dem Marienleben (beide 1960) Zu einer Neuauflage ist es nicht gekommen Auch dieser Verlag existiert nicht mehr In der Korrespondenz zwischen dem Stassen Verlag und Simon- Eckener findet sich auch ein kleiner Exkurs, der zwar nichts mit den betreffenden Büchern, dafür aber mit einer Fußnote der Literaturgeschichte zu tun hat Dabei ging es um die „Villa Seeheim“, ehemaliger Sitz des Konstanzer Schriftstellers Wilhelm von Scholz . Die Villa verfiel nach dem Tod seiner Witwe Gertie im Jahre 1986, Scholz war bereits 1969 verstorben Simon-Eckeners Ansprechperson im Stassen Verlag, Herbert Schulte, war auch in der Causa <?page no="159"?> 160 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki Scholz aktiv, in wessen Auftrag bleibt unklar Er hatte „dem Bürgermeister von Konstanz geschrieben, dass ein Museum dort vielleicht alle Probleme lösen könnte “ 40 In einem Antwortschreiben vom Mai 1987 vermerkte dazu Simon-Eckener: „P .S Die Villa Scholz vergammelt immer weiter“ . 41 Die Stadt Konstanz zeigte kein Interesse, ein Privatinvestor erwarb und sanierte die Villa Scholz, der im Kaiserreich als Lyriker und Dramatiker, danach auch als Erzähler und Romancier bekannt wurde, sich im „Dritten Reich“ mit dem Regime gemein machte und sich damit diskreditierte, war Simon-Eckener gut bekannt gewesen Auf ihre Veranlassung hin hatte ihm der Cassirer-Verlag ein Exemplar ihres Bäume-Buchs zur Rezension geschickt . 42 Auch ihr zweites Buch ließ sie Scholz zukommen Im Schreiben vom Dezember 1942 bedankte sich die Au- Die Villa Seeheim am Konstanzer Hörnle <?page no="160"?> Die Verlegerin 161 torin: „Die gute Meinung über mein Bodenseebuch, der Sie in der ‚Neuen Linie‘ Ausdruck gaben, hat mich sehr erfreut und ist mir aus Ihrem Munde besonders wertvoll“ . 43 Ihr Haus Zur Torkel 12 stand nur einen Steinwurf weit entfernt von der „Villa Seeheim“ . 44 Die Rechte für die Kunstkarten des Verlags Simon + Koch gingen an Anton Schroll & Co Wien/ München und an den Konstanzer Neinhaus-Verlag, der sie unter der eingeführten Marke „Simon + Koch“ weitererscheinen lassen wollte . 45 Aber auch der Seekreis- Verlag von Ursula und Franz Dreyhaupt, bei dem ein geplanter Seekreis-Bücherei-Band Meersburg und ein Seekreis-Bücherei Band Konstanz nicht zustande kamen, 46 hatten Teilrechte erworben . Beide Häuser handelten mit Kunstbzw Ansichtskarten aus dem Sortiment von Simon + Koch Dreyhaupt lieferte noch in den 1990er- Jahren Karten an das Antiquariat Patzer + Trenkle in Konstanz aus, zu dem Zeitpunkt bestand sein Verlag nicht mehr „Er kam alle drei Monate vorbei, rechnete ab und wechselte die Karten entsprechend der Jahreszeit aus Das hat immer den ganzen Vormittag gedauert und richtig lohnend war das für ihn sicher nicht Aber es war immer ein nettes Zusammentreffen“, erinnert sich Jürgen Patzer . 47 Ganz aus dem Geschäft war auch Simon-Eckener nicht Auf ihre Aufnahmen hatte sie noch Zugriff und machte davon regen Gebrauch, wie sich aus den vorhandenen Schriftstücken ergibt . Es gab Anfragen, aber die Fotografin wurde auch von sich aus aktiv und bot Verlagen, Zeitschriften und Zeitungen ihre Bilder an Gegen Honorar selbstverständlich . 48 Angesichts des - zuletzt - ökonomischen Erfolgs ihres Sortiments stellt sich die Frage, warum der Verlag Simon + Koch nicht über das Jahr 1967 hinaus weitergeführt wurde Sicherlich war der Fein- und Kleinbetrieb an seine Grenzen gestoßen Zum Vergnügungsmotiv der ersten Stunde gesellte sich die Knochenarbeit Möglicherweise scheuten sich die Verlegerinnen, die „ins Gelingen verliebt“ waren und „in die Mittel des Gelingens“, um ein Wort von Ernst Bloch zu verwenden, auch davor, Personal einzustellen, neue Verlagsräume anzumieten, noch mehr Eigenverantwortung zu übernehmen Unsere Zeitzeugin Christiane Hermann glaubt, dass Lotte Simon-Eckener dem Drängen ihres Mannes Paul nachgegeben habe, <?page no="161"?> 162 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki die Verlagsarbeit zu beenden Immerhin standen noch einige Projekte auf dem Programm, darunter ein Band über alte Kunst am Bodensee mit Fotos von Lotte Eckener Der bewährte Autor Leopold Zahn, dem sie die Treue hielt, sollte texten Und dass Simon-Eckener, dem Ruhestandsalter etwas näher gerückt, zu müde gewesen sei, um den Verlag weiter zu führen, wie Hermann zu wissen glaubt, ist nicht zu belegen Denn Ende der 1970er-Jahre hat sie an drei Buchprojekten mit Rolf Italiaander gearbeitet Dabei kam sie auch mit Friedhelm Koch ins Geschäft Der Sohn von Martha Koch und Bruder von Christiane Hermann, arbeitete in leitender Position im Wilhelm Heyne Verlag in München Man kannte sich aus der guten alten Kattenhorner und Konstanzer Verlagszeit Koch schrieb die Altverlegerin vertraulich mit „Liebes Lottchen“ 49 an . Simon- Eckener frischte eine Veröffentlichung ihres Vaters Dr . Hugo Eckener von 1949 auf, die unter dem Titel Im Zeppelin über Länder und Meere 1979 bei Heyne erschien Dafür kassierten Simon-Eckener/ Italiaander übrigens ein aus heutiger Sicht üppiges Honorar über 5 .800 DM . 50 Hermann erwähnt auch, dass ihre Mutter, Gesellschafterin und zugleich Angestellte des Verlags, Simon + Koch gerne weitergeführt hätte Es bleibt dabei unklar, warum sie es nicht getan, sich wieder auf die Höri zurückgezogen und in Rielasingen im Hegau als Sportlehrerin gearbeitet hat - sie starb 1991, Lotte Simon-Eckener vier Jahre später Auch Plan zwei, dass Friedhelm Koch den Verlag übernimmt, schlug fehl Möglicherweise sah der Sohn, der den internationalen Buchmarkt überschaute, für Simon + Koch keine Perspektive Auch diese Geschichte vom Ende des Verlags, kann nicht zu Ende erzählt werden Vielleicht aber noch ein letzter Erklärungsversuch: 1979 wurde der Libelle Verlag im Konstanzer Teilort Litzelstetten gegründet, also noch zu Lebzeiten von Martha Koch und Lotte Simon-Eckener 2019 stellte die Libelle den Flug ein, auch etwas überraschend Auf die Frage, ob sie dieses Ende bedauerten, antwortete das im Thurgau lebende Verlegerpaar Ekkehard Faude und Elisabeth Tschiemer ihren Lesern auf der Homepage www libelle ch: „Nicht wirklich Verlage haben ihre Zeit “ <?page no="162"?> Die Verlegerin 163 Anmerkungen 1 Lotte Simon-Eckener an Ingrid Groß, o D (vermutlich Ende September 1979) . Die Gedächtnisausstellung Dr Hugo Eckener wurde am 14 September in Flensburg eröffnet . Archiv Dorothea Cremer-Schacht (ADCS) 2 Vgl Kapitel „Die Tochter“ in diesem Buch 3 Lotte Simon-Eckener an Carl Zuckmayer vom 28 7 1949 Deutsches Literaturarchiv Marbach (DLA) HS .1999 0020 01174,1-3 4 Reindl, Ludwig Emanuel, „Bodensee-Epos in Bildern“ Südkurier v 11 07 .1950 5 Ebd 6 Weder der von Marlis Schoeller und Lotte-Simon-Eckener gegründete Kattenhorner Verlag, noch der Folgeverlag Simon + Koch wurden in den hiesigen (oder überregionalen) Zeitungen, Zeitschriften, Almanachen, Jahrbüchern usw angemessen portraitiert . Selbst Manfred Bosch, „literarischer Sekretär“ der Region, wie ihn Martin Walser charakterisierte, Autor der umfangreichsten Darstellung des literarischen Lebens am See in der ersten Hälfte des 20 . Jahrhunderts, ist der Schoeller-, aber auch der Simon + Koch-Verlag „durch die Lappen“ gegangen Erst in seinem Beitrag „Gemacht mit Liebe zum Schönen Der Konstanzer Verlag Simon und Koch“ hat er die Verlegerinnen gewürdigt In: Konstanzer Almanach 57, 2011, S 72-74 7 Vgl Lotte Simon-Eckener: Briefwechsel zw März und Mai 1949 mit Dr . Beuttenmüller (Oberbadischer Verlag, Merk & Co , Konstanz/ Bodensee, Münsterplatz) . ADCS 8 Die protokolierten Gespräche mit Christiane Hermann führte Dorothea Cremer-Schacht am 11 12 2019, 22 1 2020, 31 1 2020, 3 2 2020, 30 3 2020, 1 5 2020 ADCS 9 Die Details zur Familie Dr Ernst und Klara Brunne verdanken wir Jolanda Dusilo vom Stadtarchiv Singen Zur Gründung des Briefmarkensammelvereins s a http: / / www briefmarkenverein-singen de 10 Vgl . Kohl, Werner/ Steiger-Moser, Susanne, Hg , Die österreichische Zuckerindustrie und ihre Geschichten(n) Wien 2014 - Im Netz zur Familie Werner von Schoeller: https: / / regionawiki at/ wiki/ Duernkruter_Zuckerfabrik u https: / / geni com/ people/ werner-vonschoeller 11 Die Auskunft der Gemeindeverwaltung Öhningen erfolgte per E-Mail am 19 .5 .2020 ADCS 12 Einschätzungsverzeichnis der Gemeinde Öhningen vom 1 1 1953 ADCS 13 Im Gespräch mit Dorothea Cremer-Schacht erwähnte Christiane Hermann, dass die Mitglieder des privaten Theaters in Bremen, also auch Walter Koch, Mitglieder der NSDAP geworden sind Andernfalls hätten die Nationalsozialisten den Bühnenbetrieb eingestellt Die Herausgeber haben diese Angabe nicht weiterverfolgt, sie ist für die Geschichte des Verlags Simon + Koch irrelevant 14 Das Foto mit den Ehepaaren Zuckmayer und Koch ist abgebildet in Michael Koch, Theater in Konstanz 1000 Jahre Theaterspiel Konstanz 1985, Seite 169 15 Vgl Kopitzki, Siegmund, „Theater unter miserabelsten Umständen“ Südkurier v 3 .5 1995 16 Bosch, Manfred, Konstanz literarisch Konstanz 2019, Seite 38 17 Ebd ., Seite 37 18 Prospekt zur Ausstellung Ida Kerkovius im Arco-Palais München, Wittelsbacherplatz 1 . Ausstellungdauer 19 Januar bis Ende Februar 1962 ADCS 19 Benthig, Dr . H , „Konstanz ist in den letzten Jahren Verlagsstadt geworden“ Südkurier v 11 12 1954 20 N N , „Das Mädchen Ursula Dethleffs“ Südkurier v Dezember 1955 . Bei dem nicht namentlich gekennzeichneten Beitrag handelt es sich um eine längere Bildlegende ADCS <?page no="163"?> 164 Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki 21 Möglicherweise war Simon + Koch bereits das Jahr davor in Frankfurt präsent . Doch konnten dafür keine Belege gefunden werden Der erste Hinweis darauf, dass der Verlag 1956 auf der Buchmesse vertreten war, ergibt sich aus einem Beitrag von L E R . (Ludwig Emanuel Reindl) im Südkurier v 15 12 1956 Darin heißt es unter dem Titel „Auf der Höri am Bodensee“ über Zahns Buch: „Dieses verdient das freundliche Aufsehen, das die Publikation auf der Buchmesse in Frankfurt bei Liebhabern machte“ 22 Hermann Hesse an Lotte Simon-Eckener v 1956 (ohne näheres Datum) Archiv Dr . Christian Reindl Konstanz (ACR) 23 Der Beitrag „In den Gefilden der Kunst“ liegt als Zeitungsauschnitt vor Er ist nicht datiert und auch der Ort der Veröffentlichung ist unbekannt Nach der Qualität des Papiers zu urteilen war es eine Zeitschrift Da Lotte Simon-Eckeners Madonnen-Buch von 1957 im Anhang als Novität genannt wird, ist anzunehmen, dass der Beitrag auch in dem Jahr veröffentlicht wurde . Aus einem Artikel auf der Rückseite des Zeitungsfragments ergibt sich, dass die Begegnung zwischen Koch und der Journalistin Irmgard Gröttrup während der Frankfurter Buchmesse stattgefunden hat Gröttrup war die Frau des namhaften Raketenspezialisten Helmut Gröttrup Sie veröffentlichte 1958 das Buch Die Besessenen und die Mächtigen über ihre Jahre in der Sowjetunion, die sie mit ihrem Mann zwangsweise verbracht hatte 24 Julia Feininger an Lotte Simon-Eckener v 28 5 1962 ACR 25 Max Ackermann an Lotte Simon-Eckener v 28 5 1962 - Julius Bissier an Lotte Simon- Eckener v 19 3 .1959 . - Erich Heckel an Lotte Simon-Eckener v 12 .2 .1958 ACR 26 Anm 23 27 SH, „Zwei Frauen: ein Verleger“ Der Verlag Simon und Koch weckt das Sehen künstlerischer Dinge“ Südkurier v 13 12 1957 28 Eine erste Korrespondenz mit dem Suhrkamp-Verlag ist v 4 10 1949 (Antwortschreiben des Verlags an Lotte Simon-Eckener) Ein zweiter Briefwechsel ist v 6 6 1974 (Schreiben v . Lotte Simon-Eckener an Elisabeth Borchers), dazu liegt wiederum das Antwortschreiben v Suhrkamp resp Elisabeth Borchers v 10 7 1974 vor . DLA, SU 2010 .0002, SU 2010 0002 29 GH, „Heimatliches auf der Frankfurter Buchmesse“ Südkurier v 15 .10 1957 30 „Kulturelle Nachrichten“ Frankfurter Allgemeine Zeitung v 2 2 1960 31 Informations-Blatt von Simon + Koch ADCS 32 Manggold, Walter, „Geist und Kunst für jede Hand Zur Verleger- und Buchhändlertagung in Konstanz am 28 5 1960“ Südkurier v 28 5 1960 33 „Landschaft von Hemmenhofen“ Frankfurter Allgemeine Zeitung v 28 10 .1961 34 N N , „Kunst heute und morgen“ St Galler Tagblatt v 15 1 1962 35 Verlagsprospekt Simon + Koch 1961 ADCS 36 Fischer, Renate, „Polarität von Erlebnis und Formgefühl Der Egger Bildhauer Seff Weidl in ‚kunst heute und morgen‘“ Sudetendeutsche Zeitung v 8 6 1962 37 „Südwestdeutsche Verlage auf der Frankfurt Buchmesse“ Südkurier v 21 9 1964 . Im Folgejahr berichtete die Zeitung in einem von „W St “ verfassten Beitrag v 8 10 .1965 unter dem Titel „Frankfurter Buchmesse - Treffpunkt der literarischen Welt“ ebenfalls über den Verlag „Ein Farbbildband über Landschaft und Kunst von ‚Venetien‘, erschienen bei Simon und Koch in Konstanz, mag diesen Abschnitt beschließen“ 38 Lotte Simon-Eckener an den Stassen Verlag GmbH In dem Brief v 27 6 1986 heißt es: „Vielen Dank für Ihr Schreiben v 13 5 86 Dazu ist folgendes zu sagen: Den Verlag Simon und Koch gibt es nicht mehr, und die Rechte an den von uns herausgebrachten Büchern sind an den Umschau Verlag Frankfurt übergegangen “ ADCS 39 Sauter-Servaes, Hannes, „Lotte Simon-Eckener/ Walter Manggold: Madonnen, Bildwerke und Miniaturen“ . Deutsches Ärzteblatt 85, Heft 22 2 6 1988 40 Herbert Schulte an Lotte Simon-Eckener v 24 6 1986 ADCS <?page no="164"?> Die Verlegerin 165 41 Lotte Simon-Eckener an Herbert Schulte v 14 5 1987 ADCS 42 Bruno Cassirer an Wilhelm von Scholz Stadtarchiv Konstanz, X XVI Nachlass W -v .-Scholz A63 43 Lotte Simon-Eckener an Wilhelm von Scholz v 29 12 1942 DLA HS 1999 .0020 00392 44 Zum Komplex Wilhelm von Scholz s a Bosch, Manfred/ Kopitzki, Siegmund Hg , Der Wettlauf mit dem Schatten Der Fall (des) Wilhelm von Scholz Konstanz 2013 45 „Konzentration - Folge wachsender finanzieller Belastungen Konstanzer Verlag arbeitet mit zwei weiteren Unternehmen zusammen“ Südkurier v 13 5 1967 46 Laut einer Aufstellung des Seekreis-Verlags von 1977 ADCS 47 Jürgen Patzer in einer E-Mail v 5 5 2020 an Dorothea Cremer-Schacht . ADCS 48 In einem Brief v 18 6 1980 stellt sie dem Leiter des Museums Langenargen, Eduard Hindelang, acht Abzüge von Aufnahmen, die sie von Hans Purrmann bzw von seinen Werken gemacht hat, in Rechnung Hindelang hatte zum 100 Geburtstag des Malers eine Ausstellung organisiert und einen Katalog aufgelegt - In einem Schreiben v 7 1 1981 bot sie der Roth-Händle Kunst- und Musikverlagsgesellschaft mbH in Lahr acht Farbdias an - Dem Droste Verlag GmbH in Düsseldorf hatte sie für den Bild/ Text-Band Wir erlebten das Ende der Weimarer Republik in der Droste Reihe Fotografierte Zeitgeschichte Bilder zur Verfügung gestellt ADCS 49 Friedhelm Koch an Lotte Simon-Eckener v 31 7 1978 ADCS 50 Egon Flörchinger (Heyne-Verlag) an Lotte Simon-Eckener v 1 11 1978 ADCS <?page no="166"?> Erinnerungen an meine Mutter C hriStiane h ermann Neben der früh verstorbenen Marlis Schoeller und Lotte Simon- Eckener war meine Mutter die dritte in der Verlegerinnenrunde: Martha Holtze, geboren 1909 in Köln Ihr Vater, Karl Holtze, war Kaufmann und betrieb einen Stahlhandel; die Mutter, Bianca geborene Weiss, war ausgebildete Sängerin und Pianistin . Sie führten einen großen Haushalt in Köln, ein Anwesen mit Personal und allem Luxus Alle vier Kinder, drei Töchter, ein Sohn, absolvierten die Schulen mit Abscheu, spielten aber mit Freude Instrumente Wo meine Eltern sich kennengelernt haben, das weiß ich nicht genau Mein Vater, Walter Koch, hatte in Berlin und Wien Philosophie und Theaterwissenschaft studiert und mit Promotion abgeschlossen Geheiratet wurde 1937 in Köln Vater war inzwischen Chefdramaturg am Bremer Schauspielhaus Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde mein Bruder Friedhelm in Bremen geboren, ich kam 1942 zur Welt Im Krieg lebten wir in Bremen und in Soltau in der Lüneburger Heide Vater war eingezogen worden, wurde aber bald zurückbeordert, weil der Intendant am Bremer Theater, Johannes Wiegand, im Krieg umgekommen war 1944 wurde das Bremer Schauspielhaus durch Bomben zerstört Der befreundete Schauspieler und Regisseur Wolfgang Engels und mein Vater hatten die Möglichkeit, 1946 nach Konstanz zu wechseln Die Stadt verfügte über eines der wenigen unzerstörten Theater in Deutschland Im Frühsommer 1947 konnten meine Mutter und wir Kinder nachreisen Die Fahrt dauerte über 50 Stunden durch die verschiedenen Zonen der Alliierten in überfüllten Zügen Am Bodensee angekommen, glaubten wir uns im Paradies Wir kannten ja nur Trümmer Mein Vater brachte uns erst in Marbach bei Familie Ascher unter Dort trafen wir auf andere traumatisierte Menschen . Das erste Mal sah ich jetzt Tiere: Kühe, Schafe, Esel und Hühner . Nach einem halben Jahr zogen wir in ein winziges Häuschen direkt am See, das Wochenendhäuschen der Frau Engstler . Vater pendelte zwischen Konstanz und der Höri mit Schiff, Zug und Bus Mein <?page no="167"?> 168 Christiane Hermann Bruder konnte aufs Gymnasium nach Gaienhofen gehen und ich kurze Zeit später nach Wangen, dann nach Öhningen in die Dorfschule Das Theater ließ sich erfolgreich an, aber mein Vater erkrankte an schweren Depressionen und machte seinem Leben im Frühjahr 1949 ein Ende Danach verlangte mein Großvater strikt, dass wir nach Köln zurückkehren sollten, aber Mutter weigerte sich; Großvater versagte uns deshalb jede Unterstützung Sie hatte hier schon wichtige Leute kennengelernt, unter anderem Marlis Schoeller und Lotte Simon-Eckener Finanziell war diese Zeit ein Desaster für uns Marlis Schoeller (Graphikerin), gerade geschieden, Lotte Simon- Eckener (Fotografin), ohne Kinder, meine Mutter: alle suchten sie eine Neuausrichtung ihres Lebens Den drei Frauen kam die Idee, einen Verlag zu gründen Im Verlag sollte meine Mutter für das Geschäftliche zuständig sein Sie war, denke ich heute, als Kaufmannstochter dafür prädestiniert Sie saß später oft bis nachts am Schreibtisch und rechnete, hatte manchen Ratgeber wie Dr Herbert Engelsing und Dr Walther Maurmann und so fing alles an „zu werden“ Irgendwie kamen wir finanziell über die Runden Ab und an erhielten wir auch Tantiemen aus dem Theaterverlag Bloch-Erben Mein V.l.n.r.: Martha Koch, Dr. Walther Maurmann, Jean-Paul Schmitz, Ferdinand Macketanz und im Vordergrund Eva, genannt Jiif, eine Freundin von Marlis Schoeller. Auf dem Seegrundstück von Maurmann 1951 <?page no="168"?> Erinnerungen an meine Mutter 169 Vater hatte Stücke bearbeitet und aus dem Französischen und Italienischen übersetzt Wenn der Geldbriefträger ins Häuschen kam, war das ein Fest, denn mit dem „Verlägle“ war erstmal nicht viel zu verdienen Mutter wurde immer mehr zur Geschäftsfrau, zur Verlegerin und wurde dadurch auch wieder heiterer und selbstbewusster Viel Besuch kam von Theaterleuten und auch von den kleineren Buchhandlungen um den See Kioske kauften die schönen Fotokarten von Lotte Simon-Eckener, denn der Tourismus lief an (Mainau, Birnau, Konstanz) Wir pflanzten Tabak, fädelten die großen Blätter auf lange Schnüre und hängten sie zum Trocknen auf . Alle rauchten wie die Schlote Marlis und Mutter immer mit Zigarettenspitze Bei den legendären Künstlerfesten im ehemaligen Gasthaus Frieden beim alten Steinhilber in Wangen inszenierte und choreographierte Mutter ein Männerballett, darunter Paulus Jasper, Jean Paul Schmitz, Ferdinand Macketanz und andere Höri-Künstler Mein Vater hatte uns Kindern vom Bühnenbildner Caspar Neher ein Schattentheater bauen lassen Damit spielten wir stundenlang, auch mit den Dorfkindern als Zuschauer Erst hat uns die Bevölkerung nicht akzeptiert Wir sprachen hochdeutsch und waren außerdem evangelisch Aber bald ließ das Misstrauen gegen die „Reigschmeckte“ nach Martha Koch am Untersee, um 1948 <?page no="169"?> 170 Christiane Hermann Wir wohnten inzwischen in Kattenhorn neben Marlis Schoeller . Plötzlich erkrankte sie und starb mit nur 47 Jahren . Danach führten meine Mutter und Lotte Simon-Eckener den Verlag weiter und verlegten ihn nach Konstanz, denn dort befanden sich auch die Druckerei und Klischeeanstalt (damals Druckerei am Fischmarkt) . Auch Mutter zog mit uns Kindern nach Konstanz in eine grässliche Wohnung, die sehr beengt war und nur aus zwei möblierten Zimmern bestand Es war die Vertreibung aus dem Paradies . Mit Köln gab es noch immer keine Versöhnung, aber meine Mutter reiste jetzt ab und zu dorthin Sie hing sehr an ihrem Vater . Mutter zeigte ihm die ersten Produktionen des Verlags, das Bodensee-Buch Bechern und Schmausen am Bodensee, die Fotokalender und Karten . Dank der Klischeeanstalt gab es auch farbige Kunstpostkarten der verschiedenen Höri-Maler Mutter packte ein Köfferchen und besuchte Buchhandlungen im Rheinland Die Bücher und Postkarten kamen gut an, aber Großvater war entsetzt, dass seine Tochter als Vertreterin des Verlags unterwegs war Mein Bruder und ich wurden während ihrer Geschäftsreisen auf Bekannte verteilt Oder wir blieben in der Wohnung bei unserer wunderbaren anthroposophischen Kinderfrau Lenchen . Mit ihr konnten wir über Gott und die Welt reden Zu solchen Gesprächen hatte meine Mutter keine Zeit mehr, sie führte nun ein neues Leben Wir waren eifersüchtig auf den Verlag Mutter arbeitete zu Hause Lottchen, so nannten wir sie, die zweite im Bunde, kam jeden Tag mit ihrem Fiat Topolino Aufgrund der engen Wohnung war vieles desaströs Die Wände waren voller Regale mit Büchern und Verlagskram Küche und Bad teilten wir mit einer vierköpfigen Flüchtlingsfamilie, die die anderen zwei Zimmer bewohnte Meine Mutter meldete uns im humanistischen Heinrich-Suso- Gymnasium in Konstanz an, wo wir bald kläglich scheiterten Jetzt gaben sich auch noch Griechisch- und Lateinnachhilfelehrer die Klinke in die Hand Wir wollten auch scheitern Meine Mutter wollte beweisen, dass sie nicht nur beruflich erfolgreich war, sondern es schaffte, ihre Kinder vorbildlich zu erziehen In diese Zeit fiel der erste Auftritt des Verlags auf der Frankfurter Buchmesse Die beiden Verlegerinnen waren der erste Frauenverlag auf der Buchmesse nach dem Krieg Der Topolino wurde bis zum Bersten vollgepackt <?page no="170"?> Erinnerungen an meine Mutter 171 und die beiden Damen knüpften neue Geschäftsbeziehungen, verkauften gut, kamen beglückt wieder aus Frankfurt zurück Nach zwei Jahren verließen wir die dürftige Behausung und zogen um in eine alte Villa in der Beethovenstraße mit einem großen Garten Das Ganze war etwas verfallen, wildromantisch und mit viel Flair und vor allem viel Platz Mein Bruder und ich, inzwischen 15 und 12, waren bei jeder Gelegenheit auf Achse, suchten mit Rädern, Bahn oder Schiff auf die Höri zu entkommen, schwänzten die Schule und waren einfach weg Meine Mutter war demgegenüber hilflos In Konstanz wurde sie bewundert für ihre Selbstständigkeit nach dem Tod ihres Mannes Sie machte den Führerschein und kaufte einen V W Käfer Mit ihm starteten wir zu unseren ersten Italienreisen Meine Eltern waren vor dem Krieg schon zweimal in Italien gewesen und Mutter wollte, was sie mit unserem Vater gesehen und erlebt hatte, an uns weitergeben Mutter hatte eine Freundin in der Nähe von Florenz Bei ihr wohnten wir und durchkämmten von dort aus alle Landsitze der Toskana Das war die schönste Zeit, die ich mit Mutter erlebt habe Durch diese Reise kam es auch zu den zauberhaften Büchern über Clara und Franziskus von Assisi, den Kunstkarten der Renaissancemaler und zum Toskana-Buch, die im Verlag Simon + Koch erschienen Mit Lottchen war ich viel im Topolino unterwegs und half ihr mit den Fotoutensilien Sie war immer ruhig und ausgeglichen, während meine Mutter immer „brodelte“ Dabei leistete sie Unglaubliches Vor Weihnachten beispielsweise kniete sie auf dem Fußboden und klebte Layout, nebenher wurden Massen von verschiedenen Plätzchen gebacken, wie es früher in Köln üblich gewesen war Das ging dann manchmal bis nachts um 3 Uhr . Manchmal aber konnte sie einfach nicht mehr, war enttäuscht über uns . Beide hatten wir die Schule geschmissen, beide studierten wir nicht . Mein Bruder floh nach Köln, spielte Schlagzeug in Jazzkneipen, machte eine Ausbildung im Verlagswesen Ambitionen, den Verlag Simon + Koch weiterzuführen, wie es meiner Mutter gefallen hätte, hatte er nie Später ging Friedhelm nach München zum Winkler Verlag und zu Heyne Als ich 17 war, volontierte ich in der Druckerei am Fischmarkt in Konstanz In diesem Jahr und auch später war ich mit Simon-+-Koch <?page no="171"?> 172 Christiane Hermann auf der Frankfurter Buchmesse Dort wohnten wir sehr nobel im Hotel Westend Die Verlegerinnen wollten den Eindruck erwecken, sie seien gut im Geschäft Auch unsere Kleidung war ausgewählt und elegant Und auch nach Oberammergau bin ich mitgefahren . Wir haben im Gasthaus von Anton Preisinger (Christusdarsteller) gewohnt Lottchen machte Fotos von den Laiendarstellern Die Bilder wurden in dem Buch Oberammergau. Landschaft und Passion veröffentlicht und auch zu Postkarten verarbeitet . Im Festspiel- Sommer 1960 habe ich in Oberammergau in einem Buchladen gejobbt und auch Bücher und Karten des Verlags verkauft Es war das erste Mal, dass der Verlag spürbar Überschuss erzielte . Vorher hatte vor allem Lottchen Geld in den Verlag gesteckt Mit 18 Jahren habe ich eine Lehre in der Osianderschen Buchhandlung in Tübingen begonnen Meine Mutter konnte sich von uns Kindern erholen Nach abgeschlossener Lehre arbeitete ich in der neu entstandenen Universitätsbibliothek in Konstanz . Meine V.l.n.r.: Christiane Hermann, geb. Koch, Lotte Simon-Eckener, Martha Koch, Unbekannt. Buchmesse Frankfurt 1961 <?page no="172"?> Erinnerungen an meine Mutter 173 Mutter und Lotte Simon-Eckener führten den Verlag weiter . 1965 heiratete ich, und als meine beiden Kinder geboren waren, gaben die Frauen den Verlag auf Lottchen war offenbar immer lustloser geworden und meine Mutter wurde eine begeisterte Großmutter . Sie unterstützte mich wunderbar mit den Kindern und meine Töchter liebten diese Großmutter, die alles mit ihnen nachholte, was sie mit Friedhelm und mir nicht hatte leben können Christiane Hermann ist die Tochter der Verlegerin Martha Koch. Sie lebt in Öhningen-Wangen. <?page no="174"?> Landschaft und Kunst Fotografien von Lotte Eckener bis in die 1960er-Jahre <?page no="175"?> 176 Turmburg, Steckborn, um 1960 <?page no="176"?> 177 Kornhaus, Rorschach, um 1960 <?page no="177"?> 178 Rheingasse, Konstanz, um 1940 <?page no="178"?> 179 Münster zu Konstanz, um 1940 <?page no="179"?> 180 Fischer beim Ausbessern der Netze, Insel Reichenau, um 1935 <?page no="180"?> 181 Münster zu Mittelzell, Insel Reichenau, um 1960 <?page no="181"?> 182 Kirche St. Georg in Oberzell, Insel Reichenau, um 1935 <?page no="182"?> 183 Johannes-Figur, Münster St. Maria und Markus in Mittelzell, Insel Reichenau, um 1960 <?page no="183"?> 184 Fischerboote auf dem Gnadensee, um 1940 <?page no="184"?> 185 <?page no="185"?> 186 Verkündigungsgruppe, Schwäbisch, Unterstadtkapelle Meersburg, um 1935 <?page no="186"?> 187 Die Meersburg, um 1935 <?page no="187"?> 188 Klosterkirche Birnau, um 1940 <?page no="188"?> 189 Die Churfürsten bei Sipplingen, durch Erosion entstandene Sandsteinfelsen, um 1940 <?page no="189"?> 190 Weißer Saal, Schloss Mainau, um 1950 <?page no="190"?> 191 Putto, Insel Mainau, um 1940 <?page no="191"?> 192 Johannes der Täufer, J. A. Feuchtmayer, Klosterkirche Birnau, o.J. <?page no="192"?> 193 Blick von der Orgelempore, Klosterkirche Birnau, um 1960 <?page no="193"?> 194 Uferstraße, Friedrichshafen, um 1950 <?page no="194"?> 195 Pietà, Christoph Daniel Schenck, Pfarrkirche St. Nikolaus, Markdorf, um 1935 <?page no="195"?> 196 Kopf einer sitzenden Maria, Oberrhein (? ), Augustiner Museum Freiburg, um 1950 <?page no="196"?> 197 Muttergottes mit dem Kind auf der Mondsichel, Oberschwäbischer Meister, Ausschnitt, Badisches Landesmuseum Karlsruhe, um 1950 <?page no="197"?> 198 Friedrichshafen, um 1940 <?page no="198"?> 199 Sturm auf dem Obersee, um 1935 <?page no="199"?> 200 Wasserburg, um 1950 <?page no="200"?> 201 Wasserburg, um 1940 <?page no="201"?> 202 Nahes Allgäu, um 1937 <?page no="202"?> 203 <?page no="203"?> 204 Diebsturm, Lindau, um 1935 <?page no="204"?> 205 Rittersaal, Schloss Heiligenberg, um 1935 <?page no="205"?> 206 Birnbaum, um 1940 <?page no="206"?> 207 Goldbach, um 1947 Kirschbaum, o.J. <?page no="207"?> 208 Otto Dix mit seiner Enkelin Bettina, Hemmenhofen, o. J. <?page no="208"?> 209 Wilhelm von Scholz, Konstanz, o. J. <?page no="210"?> Zur Verlagsszene am Bodensee nach dem Zweiten Weltkrieg m anfred B oSCh Hergewehte waren sie fast alle Sei es Curt Weller oder sein Kollege Johannes Asmus, die mit ihren Verlagen aus Leipzig an den Bodensee übersiedelten, sei es Ilse Bartels, die nach einem abenteuerlichen Leben in Widerstand, Exil und Haft in Konstanz den Lingua-Verlag eröffnete; ob der Bremer Werner Wulff, der Überlingen als Verlagssitz wählte oder der ehemalige „Ullsteiner“ Johannes Weyl, der mit dem Plan seiner überkonfessionellen Tageszeitung „Südkurier“ samt angeschlossenem Buchverlag in Konstanz eine verkleinerte Ausgabe des Berliner Pressekonzerns zu installieren gedachte: Sie alle machten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs den Bodensee und sein oberschwäbisches Hinterland zum Ausgangspunkt ihres unternehmerischen Neuanfangs Zwar hatte es in dieser Gegend auch zuvor schon Verlage gegeben, oft in Verbindung mit Zeitungsverlagen - alteingesessene Konstanzer Unternehmen wie Friedrich Stadler, Reuß & Itta und die Verlagsanstalt Merk & Co oder Otto Curt Weller (links) und der Maler Max Ackermann auf der Höri <?page no="211"?> 212 Manfred Bosch Maier in Ravensburg und den Friedrichshafener See-Verlag - nun aber wurde sie zur regelrechten Verlagslandschaft Die Gründe dafür lagen auf der Hand Sieht man vom zerbombten Friedrichshafen einmal ab, war diese Landschaft vom Kriegsgeschehen weitgehend verschont geblieben, ihre weithin ländlich-agrarische Struktur versprach eine relativ gesicherte Ernährungs- und Versorgungslage, und neben der Nähe zur Schweiz bot sie die Vorteile einer Besatzung, der man ein Interesse an Kultur nachsagte Überhaupt hatte damals die „Stunde der Provinz“ geschlagen . Es war der Konstanzer Kulturdezernent Bruno Leiner, der die Zukunft Deutschlands auf lange bei den ländlichen Regionen aufgehoben sah: „Die Zeit der Großstädte in Deutschland ist vorbei - sie liegen in Trümmern, sie werden auf lange Sicht hin ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen können […] Andere Gegenden werden an ihre Stelle treten, in erster Linie diejenigen, in denen noch die traditionellen Kräfte lebendig sind Wo aber wäre dies mehr der Fall als in unserem Bodenseeraum “ 1 Mochte Leiner die längerfristigen Perspektiven des Landes auch weit überschätzt haben, die aktuelle Situation gab ihm doch Recht: Als Folge eines historisch beispiellosen Flucht- und Vertreibungsgeschehens hatte noch in den letzten Kriegsmonaten ein nie gekannter Zustrom Kulturschaffender aller Art in Richtung Bodensee eingesetzt, alsbald begleitet von überregional beachteten Veranstaltungen wie der ersten großen Nachkriegsausstellung verfemter Kunst in Überlingen im Herbst 1945 oder von den „Konstanzer Kulturwochen“ im Sommer 1946 Wenn die frühe Nachkriegszeit später nicht nur als Jahre der Not und Entbehrung beschrieben, sondern auch als „Zeit der schönen Not“ erinnert wurde, so vor allem deshalb, weil Kultur damals für viele zum Träger eines neuen Lebensgefühls wurde . Eben noch Instrument politischer Beeinflussung und ideologischer Lenkung, wurde sie nun zum integralen Moment des geistigen Neubeginns, zu einem Nenner, auf den sich die Hoffnungen auf ein menschenwürdiges Leben bringen ließen Am Bodensee wurden die Jahre nach Kriegsende zu einem „Sommer der Provinz“, brach sich doch auch hier ein lange aufgestauter kultureller Betätigungsdrang Bahn Er fand seinen Ausdruck nicht zuletzt in einer inflationären Verlagsszene, die sich <?page no="212"?> Zur Verlagsszene am Bodensee nach dem Zweiten Weltkrieg 213 vor allem auf Konstanz konzentrierte - der Überfüllung der Stadt durch Flüchtlinge, Kriegsverletzte und ein täglich wachsendes Heer französischer Besatzer zum Trotz Vom „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel“ wurde die Stadt 1947 gar unter die „verlegerischen Großstädte“ 2 gerechnet Wichtiger als die bloße Anzahl von Verlagen war freilich ihr Profil, das urplötzlich für eine zeitgenössische und vermehrt literarische Ausrichtung des kulturellen Lebens stand Zwar hatten Buchhandlungen der größeren Städte, wie etwa die Konstanzer „Bücherstube“, auch schon vor 1933 zeitgenössische Literatur angeboten; aber in den kleinen Orten am See und im Hinterland mit ihren weithin ungebrochenen konfessionellen Milieus, zumal Oberschwabens, war das Leseverhalten noch weithin von religiöser und Heimatliteratur bestimmt, was nicht selten einer Art Seelsorge mit andern Mitteln gleichkam Hierfür stand etwa der Verlag August Feyel in Überlingen Mit der neuerwachten Verlagsszene nun hielt ein belebendes Element in den hiesigen Kulturbetrieb Einzug, das dem gesellschaftlichen und kulturellen Leben neue Impulse gab „Der beschauliche, konservative Menschenschlag unserer Heimat“, urteilte Friedrich Munding in einer Übersicht über die neuen Verlage, habe den Anschluss an die neue Zeit lange verpasst, weshalb es „nur fruchtbar“ sei, „dass fremdes Blut […] die Regsamkeit vervielfältigte“ 3 . Und mit Blick auf Hans Sauerbruch - einen bei Kriegsende an den Bodensee gekommenen Berliner Künstler - schrieb Ekkehard Faude rückblickend, die damalige Belebung durch Fremde sei „ein eigenes Buch wert“ - wobei „wenigstens ein Kapitel […] von der befruchtenden Wirkung von berlinischem Witz, großstädtischer Offenheit und kultureller Neugier auf die Konstanzer Mischung aus alemannischem Abwarten und kleinstädtischem Dünkel handeln“ 4 müsste . Das Entscheidende in dieser Richtung hat wohl erst die Gründung der Universität Konstanz Ende der 60er-Jahre bewirkt, die anfangs von breiten Bevölkerungskreisen noch misstrauisch bis ablehnend beurteilt wurde Vorderhand hatte Johannes Weyl noch Anlass, in einem seiner Leitartikel zu beklagen, es werde vielfach „Anstoß daran genommen, dass einige unserer Redakteure nicht ihr ganzes Leben im Schwarzwald und am Bodensee verbrachten, sondern sich in München, Köln und sogar Berlin anderen Wind um die Nase we- <?page no="213"?> 214 Manfred Bosch hen ließen“ Und Weyl schloss: „Beschönigen ließ sich daran nichts, denn es ist so“ 5 Was die Existenz der neuen Verlage an diesem Zustand ändern half, ist schwer zu sagen, zumal ihre Wirkung nach außen wohl größer war als in Bezug auf die Region selbst Auffallend war jedenfalls die Konfrontation mit neuen Autorinnen und Autoren, mit aktuellen und zeitgenössischen Themen und Inhalten Dazu gehörte in erster Linie die Beschäftigung mit der jüngsten Vergangenheit und deren Spiegelung in der schönen Literatur und politischen Publizistik Als beispielhaft mag Anna Seghers’ Roman Transit gelten, dieser „Archetypus aller Emigrations-Dokumentation“ (Walter Jens), den Curt Weller als deutsche Erstausgabe herausbrachte Weller, der schon in den zwanziger Jahren Erich Kästner entdeckte und in Leipzig einen Verlag mit explizit europäischem Programm betrieb, hatte als politischer Häftling zuletzt noch darum bangen müssen, ob er das „Dritte Reich“ überleben würde oder dieses ihn An weiteren Exilautoren verlegte er Robert Neumann und Theodor Plievier; neben der stark polarisierenden Streitschrift Schwäbisch-alemannische Demokratie aus der Feder des Konstanzer Stadtarchivars Otto Feger bot sein Verlagsprogramm die buddhistische Reihe Asoka Exilautoren standen auch beim Südverlag im Vordergrund Die meisten kannte Johannes Weyl noch vom früheren Ullstein-Verlag her, dessen Zeitschriften-Abteilung er auf Bitten der emigrierten Eigentümer geleitet hatte Was er nun in Konstanz vorlegte, war ein gemischtes Programm aus belletristischen, historischen und zeitaktuellen Titeln, die sich der geistigen Neuorientierung Nachkriegsdeutschlands widmeten Hier erschienen historische und biographische Romane von Otto Zoff und Martin Verleger und Südkurier-Gründer Johannes Weyl <?page no="214"?> Zur Verlagsszene am Bodensee nach dem Zweiten Weltkrieg 215 Gumpert sowie dessen preisgekrönter Zyklus Berichte aus der Fremde, Viktor Manns Familienbildnis Wir waren fünf und das Werk des Vater und Sohn- Erfinders Erich Ohser alias e .- o . plauen . Mit der programmatischen Eichendorff-Zeile „Genug gemeistert nun die Weltgeschichte“ eröffnete die Zeitschrift „Vision“ ihre Heftreihe, die mit ihren anspruchsvollen Querschnitten durch die deutsche und Weltliteratur Anschluss an die humanistischen Traditionen suchte und ob ihrer ungewöhnlichen Aufmachung auch außerhalb der französischen Zone Aufsehen erregte In Überlingen nahm sich der Bremer Werner Wulff neben Büchern von Carl Haensel und Otto Flake vor allem des Werks seiner Landsmännin Tami Oelfken an, die mit Fahrt durch das Chaos eine bewegende Mitschrift ihrer Flucht vor den Nationalsozialisten geschrieben hatte Weitere Autoren waren Albrecht Schaeffer und der junge Rudolf Hagelstange . Der Asmus-Verlag konnte mit einer Lizenzausgabe von Abschied aus der Feder Johannes R Bechers aufwarten, des späteren ersten Kultusministers der DDR, und verlegte auch dessen Gedichtband Lob des Schwabenlandes; ferner die Kulturzeitschriften „Die Quelle“ und ihre französische Parallelausgabe „Verger“ In Überlingen nutzte der Verlag Otto Dikreiter die Anwesenheit des Berliner Kunstschriftstellers Karl Scheffler, der seine letzten Jahre in der Stadt verbrachte, zur Herausgabe von zwei seiner späten Schriften; und für Ilse Bartels, die einmal als Sekretärin für Bertolt Brecht gearbeitet hatte, übersetzte der damals in Konstanz lebende Hans-Hennig von Voigt alias Alastair Romane Oscar Wildes und Barbey d’ Aurevillys Wie damals überhaupt viel französische Literatur verlegt Viktor Manns Familiengeschichte „Wir waren fünf“ erschien 1949 - der Autor starb noch vor Veröffentlichung des Buchs. <?page no="215"?> 216 Manfred Bosch wurde - sicherlich in der insgeheimen Erwartung, die Zensur würde den Montaignes und Zolas, Balzacs, Maupassants und Verlaines die Druckgenehmigung sicherlich nicht versagen . Dass sich auch heimische Verlage auf der Höhe der Zeit bewegen konnten, belegt das Programm der sozialdemokratisch orientierten „Oberbadischen Verlagsanstalt“ in Singen Hier erschienen die ersten Bücher Stephan Hermlins (Der Leutnant Yorck von Wartenburg) und Hans Mayers (Von der Dritten zur Vierten Republik), Lizenzausgaben von René Schickele (Maria Capponi), Erich Kästner (Der tägliche Kram) und Jakob Wassermann (Christian Wahnschaffe), aber auch Gedichte des Surrealisten und prominenten Résistance-Kämpfers Paul Eluard Bei alledem war, was in jenen Jahren erschienen ist, nur der kleinere Teil dessen, was die Verleger an Buch- und Zeitschriftenplänen hegten, ankündigten und teilweise auch vorbereiteten - konnte doch die zurückliegende erzwungene Untätigkeit ihren Ehrgeiz nur fördern Alles in allem konnte man damals den Eindruck haben, am Bodensee sei die Welt vor Anker gegangen Ob der Region überhaupt klar war, wie ihr mit dieser neuerwachten kulturellen Blüte geschah? Wohl kaum Selbst die größte Stadt am See mit ihren 40 .000 Einwohnern war, aufs Ganze gesehen, zu sehr mit sich selber beschäftigt, zu schmal auch ihre bürgerlich-kulturtragende Schicht, die zudem noch um ihren jüdischen Bevölkerungsanteil dezimiert war („absunt ebraei“, hatte der Konstanzer Schriftsteller und Maler Heinrich Ernst Kromer 1935 einem Freund gegenüber als Grund für das Darniederliegen der künstlerischen Aufträge genannt) . War dieser Umstand nicht schon anlässlich der „Konstanzer Kulturwochen“ zu Tage getreten, für die sich weniger die Einheimischen denn Besucher von auswärts zu interessieren schienen? Und bewies er sich nicht erneut daran, wie leichthin man bald darauf einen Heinz Hilpert wieder ziehen ließ? Zu Großes hatte er der kleinen Stadt am See zugedacht: ein „Deutsches Theater“, wo doch, mit den Worten Rudolf Hagelstanges, den Konstanzern ein „Konstanzer Theater“ durchaus genügte Wie sollte es da in den kleineren Städten anders sein? Mit den Folgen der Währungsreform fiel das kulturelle Strohfeuer denn auch rasch wieder in sich zusammen Die Verlage bekamen <?page no="216"?> Zur Verlagsszene am Bodensee nach dem Zweiten Weltkrieg 217 die neue Normalität am ersten zu spüren: Statt Büchern - bis dahin die einzige Ware, die markenfrei zu haben war - gab es über Nacht wieder die lange entbehrten Konsumgüter, sodass das neue Geld nach Jahren des Mangels und Hungers andere Wege als in die Kassen der Buchhandlungen nahm Den dramatisch einbrechenden Verlagsumsätzen folgten Insolvenzen und Konkurse: Curt Weller musste aufgeben, nicht anders als Werner Wulff, der Oberbadische Verlag Singen und Ilse Bartels’ Lingua- Verlag Asmus, der nur dank seines Duden überlebte, übersiedelte nach Stuttgart, und Johannes Weyl ließ die Arbeit des Südverlags ruhen, um sich nach 1950 ganz dem Ausbau des „Südkurier“ zu widmen Unter den wenigen, die die Währungsreform überstanden, war der Lindauer Verlag Jan Thorbecke Diese kulturelle Flurbereinigung hatte zwei weitere Ursachen: Die Bücher der unmittelbaren Nachkriegszeit waren mit dem Makel der „schlechten Zeit“ behaftet (minderwertiges Papier, schlechte Bindung, mangelnde Buchausstattung), sodass sie den Käufererwartungen nicht mehr entsprachen und liegen blieben; der darniederliegende Absatz wiederum verhinderte Verkaufserlöse und damit die Weiterführung der Produktion Von diesen Problemen unbehelligt blieb unter anderem eine Reihe älterer Verlage, von denen einige bis ins 19 Jahrhundert zurückreichen . Zu ihnen zählten neben Stadler (Konstanz) mit seinem populären Kalender Der Wanderer vom Bodensee der mit der „Schwäbischen Zeitung“ verbundene Verlag Gessler (Friedrichshafen), dessen Anfänge im Jahr 1862 liegen und der Ende der 1970er-Jahre mit Martin Walsers Heimatlob, der Reihe Literatur am See und der Edition Maurach Der Thorbecke Verlag profilierte sich mit Büchern wie Otto Fegers „Geschichte des Bodenseeraumes“ (1956), als einer der führenden süddeutschen Regionalverlage. <?page no="217"?> 218 Manfred Bosch eine kurzfristige literarische Ausrichtung erfuhr, sowie Otto Maier (Ravensburg), dessen Einsatz für das Kinder- und Jugendbuch um 1884 einsetzte Zu ihnen kamen Ende der vierziger und im Laufe der fünfziger Jahre mehrere neue Verlage, von denen an dieser Stelle beispielhaft Rosgarten, Simon + Koch sowie Thorbecke herausgegriffen seien . Thorbecke als der größte und wichtigste von ihnen hatte anfänglich ein überwiegend literarisches Programm gepflegt, übersiedelte in den fünfziger Jahren nach Konstanz und verlegte sich zunehmend auf stadt- und landesgeschichtliche Darstellungen, um sich mit der Bodensee-Bibliothek und mehrbändigen Werken zur Geschichte des Bodenseeraumes (Otto Feger) sowie zu seiner Kunstgeschichte (Albert Knoepfli) als einer der führenden süddeutschen Landschaftsverlage zu profilieren Der Rosgarten-Verlag, ursprünglich von Curt Weller begründet und dann von Johannes Weyl übernommen, fand erst 1957 mit seiner Übernahme durch Dr Herbert Friedrich zu nennenswerter Tätigkeit Hier erschienen neben Sagensammlungen zahlreiche literatur-, musik- und allgemein kunstwissenschaftliche Werke, aber auch lokal- und regionalgeschichtliche Titel wie Erich Blochs Geschichte der Juden von Konstanz im 19. und 20. Jahrhundert Der Verlag Simon + Koch schließlich ging aus dem Schoeller Verlag Kattenhorn hervor, den die Grafikerin Marlis Schoeller 1949 gemeinsam mit Lotte Eckener gegründet hatte Erster Titel war Eckeners Fotoband Bodensee. Landschaft und Kunst in 100 Lichtbildaufnahmen, der erstmals um die Mitte der dreißiger Jahre in Willy Küsters’ Friedrichshafener See-Verlag erschienen war . Noch ein weiterer Titel bezeugt die Verbindung zwischen den beiden Verlagen: Das bis in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurückreichende jährliche Bodenseebuch Mit der Ausgabe für 1948/ 49 hatte Küsters dessen Tradition wieder aufzunehmen gedacht, es sollte indes seine einzige bleiben Nach längerer Pause erschien Das Bodenseebuch 1953 bei Schoeller, der eine dauernde Fortführung dieser Jahrbuchtradition aufgrund ihres frühen Todes ebenso vergönnt blieb . Wie überhaupt die wenigen Titel, die bei Schoeller herauskamen, kaum ein verlegerisches Profil auszuweisen vermochten; ein solches ergab sich erst durch die schwerpunktmäßige Beschränkung auf die <?page no="218"?> Zur Verlagsszene am Bodensee nach dem Zweiten Weltkrieg 219 Bereiche Kunst und Landschaft Auf dieses Segment verständigten sich Lotte Eckener und Martha Koch, die seit 1950 im Verlag mitgearbeitet hatte: seit Ende 1954 führten die beiden Freundinnen den Verlag in Konstanz unter der Bezeichnung Simon + Koch weiter 1956 führte der Wiener Kunstpublizist Leopold Zahn mit dem Bändchen Künstler auf der Höri am Bodensee diese Künstler- „Kolonie“ als Begriff in die Kunstwissenschaft ein Die kleine Monographie mit ihren zwölf Porträts lässt sich rückblickend als Auftakt zu der Reihe kunst heute und morgen/ art aujourd’ hui et demain der frühen 1960er-Jahre verstehen; die flexiblen Bändchen mit Klappenbroschur und farbigem Bildteil bestechen noch heute durch innovative Gestaltung und avancierte Buchästhetik Zum wirtschaftlichen Rückgrat des Verlags wurde dann in den sechziger Jahren die großformatige Reihe Landschaft und Kunst zu mitteleuropäischen Regionen Landschaft und Kunst: diese Begriffsklammer hatte sich bereits bei Lotte Eckeners Bildband Bodensee bewährt, und nun, da die Reiselust der Deutschen sich nach neuen Zielen sehnte, schienen die Fotobände mit ihren einführenden Texten zu Camargue und Provence, Toscana und Apulien, Venetien und Katalonien die Idee eines „Europa der Regionen“ avant la lettre vorwegzunehmen Mit diesem Programm reihte sich Simon + Koch bis in die Endsechziger Jahre unter die interessanteren Verlage der ersten Nachkriegsjahrzehnte am Bodensee ein Anmerkungen 1 „Warum Kunstwoche? “ In: Südkurier v 9 4 1946 2 Ausgabe Juni 1947 3 „Der Konstanzer Verlagsbuchhandel“ In Südkurier v 18 / 19 12 1948 4 Faude, Ekkehard, „Hans Sauerbruch - Über das Leben hinter den Bildern“ In: Sauerbruch-Meese, Bettina / Sauerbruch, Ernst, Horst und Matthias, Hg , Der Maler Hans Sauerbruch 1910-1996 Lengwil 2006, Seite 204 5 Weyl, Johannes, „Enfant terrible“ In: Südkurier v 11 12 1945 <?page no="220"?> Bibliographie Schoeller- Verlag Kattenhorn am Bodensee Bücher Eckener, Lotte, Bodensee Landschaft und Kunst, Text Heiner Ackermann, Übertragung lateinischer Mönchsdichtung von Paul von Winterfeld Kattenhorn 1950, 128 Seiten Jasper, Paulus, Bechern und Schmausen am Bodensee . Deutsches Ufer Illustrationen von Ferdinand Macketanz Kattenhorn 1951, 112 Seiten Das Bodenseebuch 1953 Höhn, Karl Dr ., Hg ., Beiträge von Hermann Hesse, Fritz Mühlenweg, Julius Herburger, Jacob Picard u v .m ., mit 4 Farbtafeln und zahlreichen, teils ganzseitigen Abb Kattenhorn 1952, 36 -Jg ., 125 Seiten Kunst-, Fotokarten u. ä. Postkarten zu Landschaft und Kunst, Schwarzweiß-Aufnahmen von Lotte Eckener Simon + Koch Verlag Konstanz Reihe „Kleine Kunstbücher“ Eschweiler, Jakob, Hans Breinlinger Mit Portrait des Künstlers u 30, teils farbigen Abb im Text u auf Tafelseiten Konstanz 1958, 35 Seiten Ricklinger, Walter, Das Mädchen Ursula Dethleffs . Vom schöpferischen Spiel zur Kunst, mit 8 vierfarbigen Kunstdrucktafeln u 50 Holzschnitten, Zeichnungen u Pinselspielen Konstanz 1955, 74 Seiten Heinrich-Werlé, Anje, Die goldene Kugel Geschichten über zwölf Bilder von Alexander Rath Konstanz 1955, 84 Seiten Zahn, Leopold, Künstler auf der Höri am Bodensee Mit einem Vorspruch von Hermann Hesse Mit zahlreichen, teils farbigen Abb im Text u auf Tafeln von Max Ackermann, Curth Georg Becker, Otto Dix, Erich Heckel u v m Konstanz 1956, 96-Seiten <?page no="221"?> 222 Bibliographie Reihe „kunst heute und morgen/ art aujourd´hui et demain“ george, waldemar, reuther Konstanz o J [1961], 40 unpag . Seiten mit 23 Farb- und s/ w-Abbildungen (601) manggold, walter, otto dix späte lithographien und pastelle/ lithographies es pastels figurant parmi ses dernières œuvres Konstanz o J [1961], 40 unpag Seiten mit 20, teils farbigen Bildtafeln (602) boger-langhammer, margot, adolf hoelzel späte zeichnungen und pastelle/ dessins et pastels figurant parmi ses dernières œuvres, Konstanz o J [1961], 40 unpag Seiten mit 24, teils farbigen Bildtafeln (603) roditi, edouard, ida kerkovius [deutsch/ französisch], Konstanz o J [1961] 40 unpag Seiten mit 20, teils farbigen Bildtafeln . (604) hammer, johann w ., seff weidl [deutsch/ französisch], Konstanz o -J [1962], 40 unpag Seiten mit 23 Bildtafeln (605) Miniaturen und Legenden Eckener, Lotte, Madonnen Bildwerke und Miniaturen Miniaturen aus alten Handschriften der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe Text Walter Manggold Konstanz 1957, 88 Seiten Dies ., Neuaufl Stadler Verlag, Konstanz 1987, 96 Seiten Eckener, Lotte, Propheten Apostel Evangelisten Bildwerke und Miniaturen Miniaturen aus alten Handschriften der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe Text Manfred Hausmann Konstanz 1959, 88 Seiten Schmitt, Franz Anselm, Miniaturen aus dem Marienleben . Miniaturen aus alten Handschriften der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe Mit acht Farbtafeln Konstanz 1958, 16 unpag Seiten Ders ., Engl Ausgabe: Miniatures of the Life of Our Lady Westminster USA 1960 Schmitt, Franz Anselm, Miniaturen aus der Weihnachtsgeschichte Miniaturen aus alten Handschriften der Bibliotheken von Donaueschingen, Karlsruhe u St Gallen Mit 12 eingeklebten Farbtafeln Konstanz 1960, 18 unpag Seiten <?page no="222"?> Bibliographie 223 Clara und Franciscus von Assisi Eine spätmittelalterliche alemannische Legende der Magdalena Steimerin Mit acht Miniaturen aus einer Pergamenthandschrift der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe Übertragen von Franz Anselm Schmitt, Bearbeitung Fritz Mühlenweg Konstanz 1959, 108 Seiten Literarische Titel Wilde, Oscar, Märchen Neue Übertragung aus dem Englischen von Hilde Koch Mit Bildern u Graphiken von Tania Dang Konstanz 1958, 247 Seiten Hauff, Wilhelm, Märchen Die Karawane Der Scheik von Alessandria und seine Sklaven Mit Bildern u Graphiken von Tania Dang Konstanz 1958, 291 Seiten Eckener, Lotte, Das kleine Buch vom Bodensee Text Fritz Mühlenweg Konstanz 1954, 84 Seiten Dies ., 6 Aufl ., Umschau Verlag Frankfurt/ M ., Abt Simon u Koch 1967, 76 Seiten Reihe „Landschaft und Kunst“ Eckener, Lotte, Bodensee Landschaft und Kunst Text Heiner Ackermann Übertragung lateinischer Mönchsdichtung von Paul von Winterfeld Mit einer Vorsatzzeichnung von Hans Sauerbruch Engl Text C Macfarlane Schlichter, franz Text Georges Ferber, 3 Aufl ., 18 Tsd ., Simon + Koch Verlag Konstanz 1959, 124 Seiten Dies ., Neue Bearbeitung, ohne engl u franz Texte, 4 Aufl ., 26 -Tsd ., 1963, 148 Seiten Dies ., Lizenzausgabe Ekkehard-Presse, St Gallen 1963 Eckener, Lotte, Oberammergau Landschaft und Passion Text Leo Hans Mally Konstanz 1960, 96 Seiten Dies ., Engl Ausgabe: Scenes of the Passion Play Westminster, Newman Press/ USA 1960, 96 Seiten Colomb de Daunant, Denys, Zauber der Camargue Text Jean Proal Lizenzausgabe der Ekkehard-Presse, St . Gallen, frz Titel: Magie de la Camargue Konstanz 1961, 27 Seiten Text, 85 Bildtafeln, davon 36 farbige <?page no="223"?> 224 Bibliographie Stuhler, Werner, Apulien Landschaft und Kunst Text Günter Engler Konstanz 1962, 35 Seiten Text, 108 Bildtafeln, davon 4-farbige Stuhler, Werner, Provence Landschaft und Kunst Text Edwin Klingner Konstanz 1962, 24 Seiten Text, 96 Bildtafeln, davon 4 farbige Ders ., Lizenzausgabe Ekkehard-Presse, St Gallen, 1962 Stuhler, Werner, Toscana Landschaft und Kunst Text Günter Engler Konstanz 1962, 36 Seiten Text, 124 Bildtafeln, davon 4-farbige Ders ., La Toscane art et paysages Übersetzt ins Franz Denise van Moppès Ekkehard-Presse, St Gallen, Paris 1964 Finke, Heinz, Katalonien Landschaft und Kunst Text Richard Grossmann Konstanz 1963, 39 Seiten Text, 124 Bildtafeln, davon 4 farbige Stuhler, Werner, Campania felix Landschaft und Kunst . Text Günter Engler Konstanz 1963, 35 Seiten Text, 124 Bildseiten, davon 4 farbige Arielli, Are-David, Mallorca Text Paul Morand Deutsche Übersetzung Susanne Felkau, Erläuterungen zu den Abb Luis Ripoli Konstanz 1964, 24 Seiten Text, ca 169 Bildtafeln, davon 6 farbige (In Kommission) Stuhler, Werner, Venetien Landschaft und Kunst Text Herbert Hagemann Konstanz 1965, 30 Seiten Text, 128 Bildtafeln, davon 4 farbige, Legenden: deutsch, englisch, italienisch, französisch Bernath, Ursula, Mexico Landschaft, Kunst und Menschen Text Richard Grossmann Konstanz o J [1967], 45 Seiten Text, 159 Bildtafeln Übernahme durch Umschau Verlag, Frankfurt/ M Kunst-, Fotokarten, Kalender u. ä. Farbige Karten zu Moderner Malerei und Grafik von Dix, Feininger, Gauguin, van Gogh, Kirchner, Kandinsky u v .m, zu religiöser Kunst (Weihnachtsmotive, alte Handschriften) und zu chinesischer, indischer und persischer Kunst nach Originalen Schwarzweiße Fotokarten zu Landschaft und Kunst mit Aufnahmen von Lotte Eckener <?page no="224"?> Bibliographie 225 Kunstkartenkalender, 54 farbige Künstlerkarten zum Ausschneiden von Ackermann, Bissier, Klee, Münter u v .m Lotte Eckener-Kalender, 25 abtrennbare Weltpostkarten, Landschaftsaufnahmen im Verlauf der Jahreszeiten, davon 5 vierfarbig Eigenständige Titel von Lotte Eckener (Auswahl) Die Welt der Bäume Mit 30 Photographien von Lotte Eckener und Gedichten von Walter Bauer Bruno Cassirer, Berlin o J [1933], 63 Seiten Bodensee. Landschaft und Kunst Bodensee Landschaft und Kunst In 100 Lichtbildaufnahmen, Text Karl Hönn, See-Verlag Friedrichshafen, [1935], 112-Seiten Dies ., Bodensee - Lake of Constance - Lac de Constance, (dreisprachig: deutsch, engl ., franz ), 96 Seiten mit 86 Fotografien, See-Verlag Friedrichshafen, 10 Tsd ., o J [1946], Autorisation Nr 1176 Eckener, Lotte, Bodensee Landschaft und Kunst . Text Heiner Ackermann Übertragung lateinischer Mönchsdichtung von Paul von Winterfeld Mit einer Vorsatzzeichnung von Hans Sauerbruch Schoeller-Verlag Kattenhorn 1950, 1 . Aufl ., 128-Seiten Eckener, Lotte, Bodensee Landschaft und Kunst . Text Heiner Ackermann Übertragung lateinischer Mönchsdichtung von Paul von Winterfeld Mit einer Vorsatzzeichnung von Hans Sauerbruch Engl Text C Macfarlane Schlichter, franz . Text Georges Ferber, 3 Aufl ., 18 Tsd ., Simon + Koch Verlag Konstanz 1959, 124 Seiten Dies ., Neue Bearbeitung, ohne engl u franz Texte, 4 Aufl ., 26 -Tsd ., 1963, 148 Seiten Eckener, Lotte, Meersburg Einleitung Wilhelm von Scholz Burgchronik von Hubert Naeßl Friedrichshafen o J [1937], 15-Seiten Text, 40 Tafelseiten Eckener, Lotte, Das kleine Buch vom Bodensee Text Fritz Mühlenweg Konstanz 1954, 84 Seiten <?page no="225"?> 226 Bibliographie Eckener, Lotte, Madonnen Bildwerke und Miniaturen Miniaturen aus alten Handschriften der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe Text Walter Manggold, Konstanz 1957, 88 Seiten Dies ., Neuaufl Stadler Verlag Konstanz 1987, 96 Seiten Eckener, Lotte, Propheten Apostel Evangelisten Bildwerke und Miniaturen Miniaturen aus alten Handschriften der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe Text Manfred Hausmann Konstanz 1959, 88 Seiten Eckener, Lotte: Oberammergau Landschaft und Passion . Text Leo Hans Mally, Konstanz 1960, 96 Seiten Dies ., Engl Ausgabe: Scenes of the Passion Play Westminster, Newman Press/ USA 1960, 96 Seiten Bücher, Zeitschriften und Ausstellungskataloge, in denen Fotografien von Lotte Eckener veröffentlicht sind (Auswahl) Querschnitt Berlin 1932, Heft 5 Die neue Literatur, Juli 1934, Heft 7 Jacques, Norbert, Das malerische Land am Bodensee, In: Die Dame, 1936, Heft 14 Ritter, Wilhelm, Schloß Friedrichshafen Das ehemalige Kloster Buchhorn-Hofen Nach Urkunden und Bauaufnahmen Friedrichshafen 1935 Das Bodenseebuch Ulm/ Lindau 1935, 1936, 1941, 1944 und 1953 Scholz, Wilhelm von, Der Bodensee in 47 Bildern Königstein o J , [1951] Reiners, Heribert, Das Münster Unserer Lieben Frau zu Konstanz Konstanz 1955 Hindelang, Eduard, Hg ., Hans Purrmann 1880 -1966 . Zum 100 . Geburtstag Katalog zur Ausstellung im Museum Langenargen 1980 Friedrichshafen 1980 Pohlmann, Ulrich/ Scheutle, Rudolf, Hg ., Lehrjahre Lichtjahre Die Münchner Fotoschule 1900- 2000 München 2000 <?page no="226"?> Bibliographie 227 Bourke-White, Margaret, The Photography of Design 1927-1936 Stephen Bennett Phillips The Phillips Collection in Association with Rizzoli New York 2006 Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen zu Lotte Eckener (Auswahl ) Blick und Bild, Fotografie am Bodensee von 1920 bis heute, Städtische Wessenberg-Galerie Konstanz, Städtisches Kunstmuseum Singen, Kunstmuseum Kanton Thurgau Kartause Ittingen 2002 Lotte Eckener, Photographien von 1925-1965, Kuratiert: Projektgruppe Fotografie am Bodensee Kulturzentrum am Münster, Konstanz 2006; Zeppelin Museum Friedrichshafen 2007 Kunst Oberschwaben 20 Jahrhundert, Fotografie: Landschaft, Leute, Licht, Galerie Bodenseekreis u Neues Schloss Meersburg 2013 Literatur zur Fotografin Lotte Eckener und zu den Verlagen (Auswahl) Benthig H ., „Konstanz ist in den letzten Jahren Verlagsstadt geworden“, Südkurier v 11 12 1954 N .N ., „Konzentration - Folge wachsender finanzieller Belastungen, Konstanzer Verlag arbeitet mit zwei weiteren Unternehmen zusammen“, Südkurier v 13 .5 1967 Dorothea Cremer-Schacht, „Schönheit mit dem Auge suchend Die Fotografin und Verlegerin Lotte Eckener“, Konstanzer Almanach 52, 2006, Seiten 40-42 Elsner-Heller, Brigitte, „Eine behutsame Fotografin“, Südkurier v 11 .2 .2006 Preisser, Martin, „Klar und ordnend“, St Galler Tagblatt v 18 2 2006 Elsner-Heller, Brigitte, „Eine Reise in die Stille“, Südkurier v 23 2 2005 Lay, Franz-Josef, „Die Lebens-Bilder der Lotte Eckener“, Südkurier v 28 10 .2006 N .N ., „Lotte Eckener prägte das Bodensee-Bild“, Schwäbische Zeitung v 2 11 .2006 <?page no="227"?> 228 Bibliographie Schäfer, Ralf, „Hier fehlt leider ein Werkverzeichnis“, Schwäbische Zeitung v 4 11 .2006 Ruppert, Harald, „Von der weiten Welt des Glamours bis zum Bodensee“, Südkurier v 4 11 .2006 Dorothea Cremer-Schacht, „Auf der Suche nach Schönheit und Harmonie Die Fotografin und Verlegerin Lotte Eckener (1906-1995)“ In: Leben am See, Band 24 Tettnang 2007, Seiten 155-166 Bosch, Manfred, „Gemacht mit Liebe zum Schönen, Der Konstanzer Verlag Simon und Koch“, Konstanzer Almanach 57, 2011, Seiten 72-74 Cremer-Schacht, Dorothea/ Frommer, Heike, Hg ., Kunst Oberschwaben 20 Jahrhundert, Fotografie: Landschaft, Leute, Licht, Ausstellungskatalog zur gleichn Ausstellung Galerie Bodenseekreis u Neues Schloss Meersburg 2013, Lindenberg 2013, Seiten 68-73 u 48 f Bauer, Christoph/ Landert, Markus/ Stark, Barbara, Hg ., Blick und Bild Fotografie am Bodensee von 1920 bis heute . Katalog zur gleichn Ausstellung in Städt Wessenberg-Galerie Konstanz, Städt Kunstmuseum, Singen, Kunstmuseum Kanton Thurgau Kartause Ittingen Heidelberg 2002, Seite 44-45 Private und öffentliche Sammlungen Deutsche Kinemathek - Marlene Dietrich-Collection Berlin / Sammlung Lotte Eckener Deutsches Literaturarchiv Marbach Dorothea Cremer-Schacht, Konstanz Dr Uwe Eckener, Konstanz Fotomuseum im Stadtmuseum München Gemeindearchiv Oberammergau Christiane Hermann, Öhningen-Wangen Luftschiffbau Zeppelin GmbH, Friedrichshafen, Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH Dr Christian Reindl, Konstanz Stadtarchiv Friedrichshafen Stadtarchiv Konstanz <?page no="228"?> 229 Lotte Eckener 1906 Geboren am 8 Februar in Friedrichshafen 1912 - 1922 Besuch der Volksschule und des Königl . Paulinenstifts Friedrichshafen (Höhere Töchterschule) 1924 - 1926 Ausbildung an der Staatlichen Höheren Fachschule für Phototechnik in München 1926 - 1930 Fotografin im Atelier Alexander Binder in Berlin- Charlottenburg 1931 Reise an der Seite des Vaters nach New York 1932 Mehrmonatiger Studienaufenthalt in Rom 1933 Reise an der Seite des Vaters nach Ägypten, Java, Bali, Veröffentlichung des Bildbandes Die Welt der Bäume 1935 Erste Veröffentlichung des Bildbandes Bodensee. Landschaft und Kunst, insgesamt 14 Auflagen 1936 Heirat mit Dr Paul Simon, Zahnarzt aus Konstanz 1936 Einzug in das Haus Zur Torkel 12, Konstanz 1949 Gründung des Schoeller-Bild Verlags Kattenhorn am Bodensee mit Marlis Schoeller 1954 Neugründung Simon + Koch Verlag Konstanz mit Martha Koch (Nachfolger Schoeller Verlag) Etwa 30 Bodensee-, Reise- und Kunstbildbände, dazu Kunstpostkarten bekannter Künstler und Landschaftsaufnahmen von Lotte Eckener 1967 Auflösung des Verlags Mitarbeit an Publikationen über Dr Hugo Eckener, Neuedition eigener Bildbände, weiterhin tätig als Fotografin 1978 Umzug in die Seestraße 29, Konstanz 1981 Tod von Dr Paul Simon 1989 Umzug in den Parkstift Rosenau, Konstanz 1995 Verstorben am 24 Februar in Konstanz <?page no="229"?> 230 Bildnachweis Axel Springer Syndication GmbH, Berlin: 32 Estate of Martin Munkácsi, Courtesy Howard Greenberg Gallery, New York: 79 Südverlag, Konstanz: 215 Dorothea Cremer-Schacht, Konstanz (ADCS): 30, 34, 69, 75, 79, 90, 137, 140,144, 149, 151, 153, 155-157 Dr Uwe Eckener, Konstanz (AUE): 12, 15, 17, 19, 22, 25, 30, 31, 35, 38, 42, 64, 79, 89, 136, 148 Brigitte Elsner-Heller, Konstanz: 67 Christiane Hermann, Wangen-Öhningen: 139, 142, 145, 147, 168, 169, 172 Deutsche Kinemathek - Marlene Dietrich-Collection Berlin / Sammlung Lotte Eckener: 69, 77, 108-111 Fotomuseum im Stadtmuseum München: 129 Franzis von Stechow, Konstanz: 57 Gemeindearchiv Oberammergau: 99 Luftschiffbau Zeppelin GmbH, Friedrichshafen, Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH: 116, 118, 119 Südverlag, Konstanz: 215 Thorbecke Verlag, Ostfildern: 217 Usch-Barthelmeß-Weller, Berlin (Archiv Manfred Bosch): 211 Dr Brigitte Weyl, Konstanz: 214 Alle nicht genannten Bilder sind von Lotte Eckener, Schoeller-Bildkunst Verlag sowie Simon + Koch Verlag <?page no="230"?> Autorinnen und Autoren Bernd Stiegler, Dr phil ., ist Professor für Neuere deutsche Literatur mit Schwerpunkt 20 Jahrhundert im medialen Kontext an der Universität Konstanz Arbeitsschwerpunkte sind die Geschichte und Theorie der Photographie sowie die deutsche und französische Literatur des 19 und 20 Jahrhunderts Zuletzt u .a . erschienen: Reisender Stillstand. Eine kleine Geschichte der Reisen im und um das Zimmer herum, Frankfurt/ Main 2010, Belichtete Augen. Optogramme oder das Versprechen der Retina, Frankfurt/ Main 2011, Spuren, Elfen und andere Erscheinungen. Conan Doyle und die Photographie, Frankfurt/ Main 2014, Photographische Portraits, Paderborn 2015, Der montierte Mensch. Eine Figur der Moderne, Paderborn 2016, Nadar. Bilder der Moderne, Köln 2019 Manfred Bosch lebt als Schriftsteller in Konstanz Neben zahlreichen Darstellungen zur südwestdeutschen Zeit- und Kulturgeschichte widmet er sich in Darstellungen (Bohème am Bodensee. Literarisches Leben am See von 1900 bis 1950, Lengwil 1997), Herausgaben und Anthologien der neueren Literaturgeschichte des Bodenseeraumes Zuletzt erschienen: Konstanz literarisch, Konstanz 2019 und „Sie gehören zum literarischen Familien-Phänomen Mann dazu“. Der Briefwechsel zwischen Viktor Mann und seinem Verleger, Konstanz 2020 Siegmund Kopitzki arbeitete nach dem Studium der Germanistik, Geschichte und Politik an den Universitäten Konstanz und Sussex (Brighton/ GB) als Gymnasiallehrer, danach als freier Journalist . Von 1988 an war er Kulturredakteur beim „Südkurier“ (Konstanz) . Seit 2017 ist er freiberuflich als Autor und Publizist tätig . Zuletzt veröffentlicht er (mit Waltraut Liebl) Überlingen literarisch. Ein Spaziergang durch die Jahrhunderte, Messkirch 2020 und (mit Anton P - Knittel) „Jedes einzelne Leben ist die Welt“. Neue Einblicke in Arnold Stadlers Text(t)räume, Messkirch 2020 <?page no="231"?> 232 Autorinnen und Autoren Dorothea Cremer-Schacht lebt als freie Kuratorin und Autorin für Fotografie in Konstanz Studium der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre in Saarbrücken und Berlin Nach Abschluss Tätigkeit in der freien Wirtschaft und Wissenschaft im In- und Ausland . 1993 Gründung der Projektgruppe Fotografie am Bodensee mit Franzis von Stechow Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Photographie Zuletzt erschien (mit Heike Frommer) Fotografie. Landschaft Leute Licht, Kunst Oberschwaben 20. Jahrhundert Ausstellungskatalog, Galerie Bodenseekreis und Neues Schloss, Meersburg 2013 <?page no="233"?> : Weiterlesen www.uvk.de Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. Band 3 Jürgen Klöckler (Hg.) Konstanz in beiden Weltkriegen Festschrift für Lothar Burchardt 2004, 160 Seiten, 26 s/ w Abb., Broschur ISBN 978-3-89669-695-3 Band 7 Tatiana Sfedu Ein Konstanzer Bürgerwerk Das Rosgartenmuseum seit Ludwig Leiner 2007, 180 Seiten, 27 s/ w Abb., Broschur ISBN 978-3-89669-640-3 Band 8 Walter Rügert, Andy Theler (Hg.) Vom Grenzzaun zur Kunstgrenze Zur Geschichte eines außergewöhnlichen Projekts 2007, 100 Seiten, 35 farbigen und 13 s/ w Abb., Broschur ISBN 978-3-89669-642-7 Band 10 Lothar Burchardt (Hg.) Aufregende Tage und Wochen Das Tagebuch des Konstanzer Lehrers Herbert Holzer aus den Jahren 1945-1948 2010, 246 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-251-4 Band 11 Daniela Frey, Claus-Dieter Hirt Französische Spuren in Konstanz Ein Streifzug durch die Jahrhunderte 2011, 186 Seiten, farbigen und s/ w Abb., Broschur ISBN 978-3-86764-322-1 Band 13 Heike Kempe (Hg.) Die »andere« Provinz Kulturelle Auf- und Ausbrüche in der Bodensee-Region seit den 1960er Jahren 2013, 200 Seiten, farbigen und s/ w Abb., Broschur ISBN 978-3-86764-363-4 Band 14 David Bruder Soziale Stimme - streitbarer Sachverstand Geschichte des Mieterbundes in Konstanz seit 1912 2012, 154 Seiten, farbigen und s/ w Abb., Broschur ISBN 978-3-86764-381-8 Kleine Schriftenreihe des Stadtarchivs Konstanz <?page no="234"?> : Weiterlesen www.uvk.de Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. Band 15 Manfred Bosch, Siegmund Kopitzki (Hg.) Wettlauf mit dem Schatten Der Fall (des) Wilhelm von Scholz 2013, 288 Seiten, farbigen und s/ w Abb., Broschur ISBN 978-3-86764-384-9 Band 16 Arnulf Moser Vom Königlichen Garnisons-Lazarett zur Arbeiterwohlfahrt Die wechselvolle Geschichte des Gebäudekomplexes Friedrichstraße 21 in Konstanz von 1882 bis heute 2013, 102 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-429-7 Band 17 Lisa Foege Wessenbergs Herzenskind Geschichte einer sozialen Fürsorgeinstitution in Konstanz 2013, 200 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-452-5 Band 18 Klaus Oettinger Aufrecht und tapfer Ignaz Heinrich von Wessenberg - ein katholischer Aufklärer Essays, Vorträge, Analekten 2016, 208 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-723-6 Band 19 Marita Sennekamp Grün in der Stadt Eine historische Spurensuche in Konstanz 2018, 154 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-848-6 Band 20 Manfred Bosch Konstanz literarisch Versuch einer Topografie 2019, 352 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-890-5 Band 21 Jürgen Klöckler (Hg.) Konstanzer Bäder und Badeanstalten Ein Beitrag zur Geschichte des Badewesens am Bodensee 2020, 324 Seiten, Broschur ISBN 978-3-7398-3073-5 <?page no="236"?> Kleine Schriftenreihe des Stadtarchivs Konstanz 22 Lotte Eckener (1906 Friedrichshafen - 1995 Konstanz) stand immer im Schatten ihres berühmten Vaters Dr. Hugo Eckener, dem Wegbegleiter und Nachfolger des Luftschiffpioniers Ferdinand Graf Zeppelin. Dabei hat sie als Fotografin und Verlegerin eigene Spuren in der internationalen Kulturregion Bodensee hinterlassen. Sieben Bücher veröffentlichte die Fotografin unter ihrem Namen, an 30 Kunst- und Fotobänden war sie als Verlegerin beteiligt. Nach ihrem Studium an der Staatlichen Höheren Fachschule für Phototechnik in München perfektionierte sie ihr Können im Atelier von Alexander Binder in Berlin. Auch nach Rückkehr an den Bodensee und ihrer Heirat mit Paul Simon blieb sie der Fotografie treu. Sie entdeckte die heimische Landschaft und Sakralkunst als zentrale Motive für sich neu. 1949 gründete sie mit Marlis Schoeller ihren ersten Verlag in Kattenhorn auf der Höri, den sie bis 1967 mit Martha Koch unter dem Namen Simon + Koch weiterführte. Er war vermutlich der erste von Frauen gegründete und geleitete Verlag im Nachkriegsdeutschland. Die Herausgeber dieses Buches sind Lotte Eckeners Spuren, die zu verblassen drohten, nachgegangen und vermessen sie neu. Ihr Blick auf die Tochter, Fotografin und Verlegerin wird erweitert durch Beiträge von Mitgliedern der Familien Eckener und Koch sowie Überblicksartikel zum Verlagsleben am Bodensee und der Kunst der Fotografie jener frühen Jahre. www.uvk.de ISBN 978-3-7398-3108-4